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Konoha Side Stories

von

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Früher:

Als ich das erste Mal in die Verlegenheit kam, einen Menschen töten zu müssen, war ich gerade einmal zwölf Jahre alt. Jenes Alter also, in dem man von der Akademie abging, um fortan der versteckten Stadt Konoha als Ninja zu dienen, als Genin. Einige Ninja blieben ihr ganzes Leben lang Genin, was nicht zuletzt daran lag, dass die Auswahlverfahren für den nächsthöheren Rang, den Chunin, und den höchsten Rang, den Jounin, unglaublich harsch waren; und außerdem taugten manche Menschen einfach nicht dazu andere anzuführen, oder sie fühlten sich als Befehlsempfänger wohl. Dennoch, mit den ersten Schritten als Genin stehen für jeden die Chancen gleich, eines Tages Jounin, oder sogar Hokage zu werden, Oberhaupt der Versteckten Ninjastadt im Land des Feuers.

Nicht, dass mich das in diesem speziellen Moment interessiert hätte. Nicht, dass ich mich auf etwas anderes konzentriert hätte als auf das maskierte Gesicht mit den stechenden Augen, auf das tödliche Kunai in der Hand meines Gegenübers, und auf sein Zeichen am Stirnband, die vier Wellen, das ihn als Ninja aus Kirigakure auswies. Wie gesagt, ich war zwölf, und er war mindestens dreißig, mir an Körperkraft und Erfahrung weit überlegen. Mein Ende war besiegelt, alleine schon dadurch, dass meine Spezialität das Katon-Jutsu war, also die Kraft, Feuer zu kontrollieren, während mein Feind das traditionelle Suiton beherrschte, das Wasser. Damit war es meinem eigenen Jutsu überlegen, sein natürlicher Feind, und mein Ende erschien unausweichlich.

Wie gesagt, ich hatte gerade erst begonnen, ein Genin zu sein, war noch grün und feucht hinter den Ohren, und eigentlich wurden Neulinge wie ich keinen großen Gefahren ausgesetzt, bis sie wenigstens grundlegend den Unterschied zwischen dem Leben in der Schule und jenem in der Realität begriffen hatten. Damit sie das auch konnten, bekam jedes dreiköpfige Team in den ersten Jahren einen Jounin als Aufpasser und Lehrmeister mit. In meinem Fall war es der ewig kränkliche Schwertkämpfer Gekko Hayate, der rein äußerlich nicht viel hermachte. Aber er war ein Jounin, und diese Bedeutung sollte ich später noch begreifen.

Und wie ich auch schon erwähnte, so wurden uns Neulingen niemals Missionen zugeteilt, deren Gefährlichkeit über einen E-Rang oder in Ausnahmefällen einen D-Rang hinausgingen. Aber es gab leider keine Garantie, dass sich eine E-Mission nicht in ihrem Verlauf in eine B- oder gar A-Mission wandelte, ganz einfach weil die Gefährlichkeit zunahm.
 

Meine ersten Missionen waren daher auch klassisch gewesen: Entlaufene Haustiere einfangen, um Teamwork zu trainieren, körperliche Arbeit wie Unkraut jäten und Holz hacken, um Fitness und Muskeln aufzubauen sowie Transportmissionen, um für längere Reisen fit zu werden und die Umgebung mit ihren Menschen kennen zu lernen. Mir war trotz meiner Jugend klar, dass wir nicht mit "unwichtigen Missionen, die unserer nicht wert waren", getriezt wurden, sondern das unser Training wie in einem großen Praktikum weiter ging, und deshalb war ich im Gegensatz zu meinen beiden Kameradinnen sehr gespannt auf den Zeitpunkt, an dem die E-Rang-Missionen dauerhaft von denen des D-Rangs abgelöst wurden. Oder wir die erste C-Rang-Mission zugeteilt bekommen würden, sobald Hayate-Sensei meinte, wir wären soweit.

Meine Kameraden nörgelten also, und wollten "richtige Ninja-Arbeit machen", während ich hinnahm was ich nicht ändern konnte und darauf hinarbeitete, dass Team 3 für erfahren genug gelten würde, um vom Sandaime Hokage eine höhere Klassifizierung zu erhalten.

Oh, ich war nicht scharf darauf, meinen ersten echten Kampf zu erleben, Menschen zu verletzen oder zu töten. Welcher Mensch mit genug Verstand war das schon, oder fand sogar Gefallen daran? Aber ich war mit dem vollen Bewusstsein Ninja geworden, dass dieser Beruf tödlich war. Irgendwann einmal für mich, und bis dahin für meine Gegner. Und ich hatte schon mit acht gewusst, dass es Ninjas geben musste. Dass Konohagakure einzig zu dem Zweck existierte, Ninjas auszubilden, zu behausen und für den Schutz des Landes des Feuers bereit zu halten. Auch, um sie für das Land zu opfern. Und ich hatte mich dazu entschlossen, einer von ihnen zu werden. Ninja zu werden, ein stolzer Shinobi Konohas. Soweit meine Planung. Chunin, Jounin, das hatte ich alles schon mal gehört, aber es stand nicht auf meiner mentalen Liste. Ninja zu werden, in einen Einsatz zum Wohle Konohas zu gehen, das war mein Ziel gewesen. Nützlich zu sein, das hatte ich erreichen wollen. Beides hatte ich geschafft, und in diesem einen Augenblick war ich kurz davor, als Genin der Stadt versteckt unter den Blättern zu sterben.
 

Worum es ging? Ich weiß es nicht mehr. Wir waren jedenfalls mit einer dieser langweiligen Transportmissionen beschäftigt, und noch innerhalb der Grenzen unseres eigenen Landes. Die Angreifer gingen also ein Risiko ein, um uns hier zu attackieren. Das Risiko musste ihnen vertretbar erschienen sein, und ihre Chancen kalkulierbar im Angesicht einer Gruppe blutjunger Genin und nur eines einzigen Jounin, der zudem auch noch aussah, als würde der nächste Hustenanfall ihn umbringen. Sie waren zu acht, und uns damit zwei zu eins überlegen. Vier banden Hayate-sensei, jeweils einer kümmerte sich um uns drei Genin, und der Letzte koordinierte den Angriff, bereit einzuschreiten, wenn etwas nicht so lief wie er es erwartet hatte. Damals konnte ich nicht wissen, dass unser Transport während der Reise von Rang D auf Rang B aufgerückt war. Die Quellen unserer Gegner aus dem Land des Wassers hatten leider ein paar falsche Informationen zusammen getragen, sodass die Ninjas aus dem Dorf hinter dem Blutnebel glauben mussten, wir würden taktisch wichtige Informationen zur Grenzverteidigung transportieren, getarnt als banale D-Mission für ein paar Genin. Natürlich rechneten sie mit einem Backup-Team, vermutlich ANBU, das in so einem Fall einschreiten würde, also trachteten sie danach, die Sache schnell zu beenden. Unsere Leben schnell zu beenden. Und so war ich mit einer Lanze aus Wasser attackiert worden, war zur Seite gesprungen und befand mich nun direkt in der Stoßrichtung des Kunais meines älteren, erfahreneren und schwereren Gegners, hineingetrieben wie ein Fisch in die Reuse, tödlich gezielt auf mein Herz.

Man sagt, wenn ein Mensch stirbt, zieht sein bisheriges Leben vor seinem inneren Auge vor ihm ab wie ein Film. Ich bezweifle das, denn ich kannte nicht viele Leute, die gestorben waren und danach davon hatten berichten können. Oder wollen. In meinem Fall überkam mich eine tiefe innere Ruhe, keine schnelle Abfolge von Bildern meines bisherigen Lebens. Eine Ruhe, und eine prickelnde, sinnliche Erfahrung, die meinen Körper vibrieren ließ. Mehr und mehr schien die Welt in Zeitlupe einzutauchen. Ich sah den Angriff kommen, und ich fühlte mich reagieren, wie ich es beim Training tat. Nur hatte ich mich willentlich zu einer Variante entschlossen, und die Verlangsamung meiner Umgebung verlieh mir die Zeit für eine Entscheidung und ihre Umsetzung. Mein Training hatte mir diese Situation gezeigt, und mich gelehrt, das Kunai mit rechts zu blocken, mich in den Körper des Angreifers hinein zu drehen und ihm den linken Ellenbogen in das Sterngeflecht unterhalb des Brustkorbs zu rammen. Da dies bei einem vierzig Kilo schwereren Mann wenig Erfolg versprach, wandelte ich den Angriff um und machte mir seine Größe und sein Körpergewicht zunutze. Einige wenige Sekunden, vielleicht nur Bruchteile von Sekunden, würde er mein Körpergewicht tragen können, mein ganzes Gewicht mit einer Hand, und mir damit die Basis für einen Angriff geben. Ich ergriff seine angreifende Führungshand, benutzte sie als Anker und schwang mich auf ihr herum, wie im Sportunterricht auf dem Barren oder dem Springbock. Ich riss meine Beine hoch, und mit einer bestimmten Abfolge Zehenbewegungen, die zu beherrschen ich Monate gebraucht hatte, schob sich eine schmale Klinge aus dem rechten Schuh hervor.

Bevor der Angreifer sein Erstaunen darüber richtig verdaut hatte, das ich nicht einfach stehen blieb und mich erdolchen ließ, hatte ich bereits zugetreten; die Klinge drang auf der Höhe seiner linken Halsschlagader ein, und ein heftiger Ruck meinerseits riss eine tiefe Wunde, aus der das Blut einem Schwall gleich schoss. Nun war auch mein linker Fuß in Reichweite. Ich hatte das linke Bein angezogen, und die Hand meines Gegners, noch immer mein Ankerpunkt, erwies mir genügend Rückhalt für den zweiten Angriff. Ich streckte den linken Fuß mit voller Geschwindigkeit zum Tritt wieder aus und traf den Kehlkopf meines Gegners. Ich spürte Knorpel unter meinem Tritt brechen, hörte ihn erstaunt und erschrocken aufgurgeln. Dann riss ich die Klinge aus seinem Hals hervor, wirbelte weiter nach rechts an ihm vorbei, kam nach einer seitlichen Rolle wieder auf die Beine. Noch während ich in die Höhe schoss, langte meine Rechte nach einem meiner eigenen Kunais, und als ich abwehrbereit stand, hatte ich es zur Parier in der Hand. Und ließ die Waffe, plötzlich vollkommen entkräftet, wieder sinken. Langsam, beinahe gequält, ging ich in die Knie, atmete heftig aus und ein, zwang mich wieder ruhiger zu werden.
 

"Das war ja eine beeindruckende Leistung, Weichkeks", klang die spöttische Stimme von Hanako Yodama auf, der heimlichen Anführerin unserer Gruppe. Sie gehörte einem Nebenzweig des Yamanaka-Clans an, und deren in der Familie vererbte Spezialtechnik war die Kontrolle fremder Körper. Sie hatte in der Sekunde des Angriffs ihren Gegner übernommen und dazu gezwungen, den Befehlshaber außerhalb des Kreises zu attackieren. Der hatte sich zu spät und überrascht gewehrt, und so hatten sie sich gegenseitig erstochen. Danach hatte sich Hanako ein neues Ziel gesucht, aber keines mehr gefunden. Übrigens ein Beweis dafür, dass die Informationen unserer Angreifer fehlerhaft waren, sonst hätten sie sich gegen die Übernahme durch dieses Jutsu besser geschützt, oder jemanden auf Hana-chan gehetzt, dessen stärkerer Wille die Übernahme verhindert hätte.

Sie war im engsten Sinne ein wahrer Hitzkopf und wäre wohl besser als Junge geboren worden. Aber sie war eben auch eine Anführerin, und neben ihren Sticheleien kümmerte sie sich um uns, so gut sie es konnte.

"N-nun lass ihn doch in Ruhe", klang die wie immer verschüchternd klingende Stimme von Karin Akimichi auf, der dritten Genin in unserer Runde. "Er hat seinen Gegner doch besiegt!"

Noch ein Beweis dafür, dass unser Feind nicht vorbereitet gewesen war: das Baika no Jutsu ihrer Familie, in diesem Fall die durch Ninjutsu ins Riesenhafte vergrößerten Hände, hatten ihren Gegner aus der Luft gewischt wie eine Fliege. Er lag zerschmettert vor einem Baum, gegen den sie ihn geworfen hatte. Ihre durch das Jutsu monströs vergrößerten Hände verrieten die Nähe zur Akimichi-Familie, ihr zierlicher Körper hingegen widersprach. Sie entsprach nun überhaupt nicht dem Idealbild der Familie mit dem traditionellen Körper-Jutsu, die gerne mal zwanzig, dreißig Kilo Übergewicht als "gesund" titulierten. Für ein Körper-Jutsu war Masse eben einfach besser, aber bisher hatte Karin sich behauptet. Irgendwie. Andererseits, zwanzig Kilo mehr an dieser Bohnenstange, und man hätte sie auch ohne Jutsu rollen können.

"Gute Arbeit. Ihr alle."Hayate-sensei löste seinen Schattenklon auf, der inmitten seiner niedergestreckten Feinde stand und zog zugleich - außerhalb des Kreises stehend - sein Schwert aus dem letzten Gegner, den er getötet hatte. Schattenklone gehörten zu seinen Spezialitäten. Er versuchte uns diese Kunst immer wieder nahe zu bringen, aber bisher hatte ich lediglich Talent dafür gezeigt zwei, maximal drei normale Doppelgänger zu erschaffen. Niemand bedauerte das mehr als ich selbst.
 

Ich atmete noch einmal tief durch und erhob mich dann wieder. Das war also mein erstes echtes Gefecht gewesen. Und ich hatte es überlebt. Und meinen Gegner getötet.

Übergangslos fand ich mich erneut auf den Knien wieder und kämpfte hart darum, mein Frühstück im Magen zu behalten. Ich wusste nicht, was mir mehr Übelkeit bereitete: Die Tatsache, einen Menschen getötet zu haben, oder die Leichtigkeit, mit der mir das gelungen war.

Ich spürte Hayate-senseis Hand auf meiner Schulter. "Bist du unverletzt, Mamoru-kun?"

"Mir geht es gut", ächzte ich. "Gleich zumindest."

"Nimm dir die Zeit, die du brauchst. Es ist nicht leicht, seinen ersten Gegner zu töten." Er klopfte mir anerkennend auf die Schulter und ging neben meinem Gegner in die Knie. Selbstredend hustete er bei dieser Anstrengung asthmatisch. "Sauber erwischt. Du verlässt dich immer noch mehr auf deine körperlichen Fähigkeiten als auf dein Ninjutsu."

"Nicht, dass er das wirklich beherrschen würde", bemerkte Hana-chan amüsiert. "Ich hingegen... Zwei auf einen Streich. Haben Sie gesehen, Sensei?"

"Ja, ich habe es gesehen. Und ich habe es von dir erwartet, Hanako-chan. Es gibt kein Lob dafür, dass man seine Leistung erbringt."

Hana-chan blies frustriert die Wangen auf. Sie war schon immer sehr darauf bedacht gewesen, jede Anerkennung zu erhalten, die sie glaubte verdient zu haben. Sie drängte sich nach vorne, stellte sich aber auch ohne zu zögern vor andere. Man konnte sie lieben oder hassen. Ich war mir persönlich noch nicht sicher, ob ihre positiven Seiten ihre negativen aufwogen.

"Ist wirklich alles in Ordnung mit dir, Mamoru-kun?", fragte Karin schüchtern. Sie sah mich besorgt an und legte mir dabei ihre Rechte auf die Schulter.

Ich wusste nicht warum die Mädchen ihre ersten getöteten Feinde so gut wegsteckten; vielleicht stimmten die Gerüchte, und Mädchen waren von Natur aus grausamer. Vielleicht waren sie auch nur einfach entschlossener, und immerhin brauchten sie sich keine Schuldgefühle einreden zu lassen. Wir waren überfallen worden. Auf unserem Land. Von ausländischen Shinobi. Warum es mich so mitgenommen hatte, wusste ich damals nicht zu sagen. Aber leichter wurde es nie. Ich hatte nur gelernt, die Zweifel und den Schmerz auf später zu verschieben.

Langsam erhob ich mich. Die Übelkeit ging vorbei. Nüchtern stellte ich fest, dass ich drohte, für Team 3 der Klotz am Bein zu werden, das Anhängsel. Und das war etwas, was ich niemals wollte. Also kämpfte ich die Gefühle, das Entsetzen, nieder. Ich war ein Ninja von Konohagakure, und ich war seit vier Jahren darauf trainiert worden, eines Tages im Kampf zu stehen und meine Feinde zu überleben. "Ich bin in Ordnung. Nur etwas schockiert. Der Angriff kam so plötzlich."

"Gewöhne dich dran. Angriffe von Ninjas kommen immer plötzlich", sagte Hanako, wieder dieses amüsierte Grinsen im Gesicht.

"Richtig. Und da wir nicht wissen, ob diese Gruppe ein Backup-Team hat, brechen wir die Mission hier ab und ziehen uns zurück." Sensei hustete laut und vernehmlich.

"Die Mission abbrechen? Aber wir sind fast da!", begehrte Hanako auf. "Wir können fast liefern!"

Das war neben ihrem losen Mundwerk und ihrer Arroganz, geboren aus ihren Fähigkeiten, ihr zweiter großer Fehler: Eine Mission abzuschließen bedeutete, dafür bezahlt zu werden. Und ich hatte selten ein geldgierigeres Biest als Hanako Yodama erlebt.

Senseis Hand legte sich auf den Gegenstand, den wir hatten liefern sollen. Bisher hatte ich ihn als Stärkster der Genin getragen. Als er sich den schweren Rucksack überwarf, wusste ich, wie ernst er die Situation einschätzte. Damals hatte ich noch nicht einmal annähernd so viel Vertrauen in ihn gehabt, wie er in den folgenden Jahren erwerben sollte. Aber er war der Jounin, und wenn dieser Titel irgend etwas wert war, dann sicherlich die Erkenntnis, dass es Sinn machte, auf ihn zu hören.

"Nein!", sagte er schlicht. "Wir verschwinden sofort von hier."

"Ich kann ihn fast selbst ausliefern!", keifte Hana-chan beinahe ein wenig hysterisch. Sie hatte noch nie verlieren können, und aufgeben bedeutet für sie immer auch versagen. Dinge wie "zweite Chance" kannte sie nicht.

"Wir gehen", sagte Sensei erneut mit seiner ernsten Stimme und ging voran, den Weg nach Konoha zurück.

"Aber... Aber... Sensei!"

Ich schloss mich ihm wortlos an. Und, nach einem Moment des Zögerns, schloss auch Karin zu uns auf. Dies brachte nun auch Hanako dazu, nach einem Wutschnauben, das sich gewaschen hatte, endlich zu uns aufzuschließen.

"Und was ist mit den Leichen?", fragte Karin leise, fast unhörbar.

"Wir kümmern uns darum. Ihre Verletzungen verraten zu viel über unsere Kampfkunst. Das können wir uns nicht leisten." Sensei klopfte mir auf die Schulter. "Dein Part, Mamoru-kun."

Ich nickte und blieb stehen. Langsam wandte ich mich um, zurück zu den toten Shinobi aus dem versteckten Dorf des Nebels. Ich wusste, dass sie ein hartes Auswahlkriterium hatten, am Ende ihrer Laufbahn einen anderen Schüler töten mussten, und deshalb als die härtesten Shinobi galten. Aber nach dem heutigen Tag war mir klar, dass Gnadenlosigkeit noch keine Stärke war, und dass der Gedanke, zu den Besten zu gehören, unvorsichtig und verletzlich machte.

Ich hörte, wie die anderen stehen blieben, um mir zu zu sehen. Das machte es nicht gerade leichter. Aber letztendlich war mein Element das Feuer, und auch wenn ich im Kampf mein Katon-Jutsu fast nie anwendete, so beherrschte ich es doch im ausreichenden Maße.

Ich sammelte mein Chakra, ein Vorgang, der mir unendlich lange zu dauern schien. Dann holte ich tiefen Atem, füllte die Wangen mit Chakra meines Elements. Für einen Augenblick meinte ich spüren zu können, wie mein Mund in Flammen stand, dann spie ich einen Feuerball aus, der über das Feld auf den ersten toten Gegner zuflog. Noch bevor ich die Leiche in der heißen Flamme meines Ninjutsus aufgehen sehen konnte, schleuderte ich einen weiteren Feuerball, einen dritten, vierten, fünften, bis alle acht Leichen brannten, und unsere Kampfspuren an ihnen eindrucksvoll verwischten. Auch das war etwas, was ich nicht gerne getan hatte. Aber es war eine würdigere Handlung gewesen, als sie einfach liegen zu lassen, wie es Shinobi in dieser Welt viel zu oft geschah. Langsam wandte ich mich wieder um, nachdem ich sicher sein konnte, dass mein Feuer alles verzehren würde. "Wir können gehen", sagte ich seltsam tonlos, selbst für meine eigenen Ohren.

"Ich bevorzuge laufen", sagte Hayate-sensei, "denn die Rauchsäulen deiner Flammen sind noch im weiten Umkreis zu sehen. Und acht Rauchsäulen werden dem, der die Zeichen zu deuten weiß, einiges darüber erzählen, wo er seine Leute finden wird."

Da hatte Sensei Recht. Also begannen wir zu laufen.
 

Wenn ich eines in dieser Situation gelernt hatte, dann sicherlich, dass man niemals und an keinem Ort wirklich sicher war. Nicht im eigenen Land, nicht einmal in der eigenen Stadt. Versteht mich jetzt nicht falsch, ich war nie Paranoiker. Und die Wahrscheinlichkeit, im eigenen Land vom Feind überfallen zu werden ist immer noch geringer als in einem Lastkarrenunfall zu sterben. Aber sie ist vorhanden, wird es immer sein. Und deshalb sollte man immer ein wenig zur Abwehr bereit sein. Jederzeit und überall. Das ist es, was den Weg des Shinobi auszeichnet. Keine übertriebene Angst vor dem eigenen Schatten, aber eine gewisse Grundanspannung, und eine feine Ahnung der Umgebung, permanent. Natürlich besaß ich sie damals nicht in dem Maße, in dem Hayate-sensei sie bereits erworben hatte, und das ganze Adrenalin meines ersten Kampfes machte meinen Kopf nicht gerade klarer. Aber als Sensei mitten im Lauf stockte, tat ich dies auch, und spürte gleich darauf etwas anderes, bedrohliches. Wir wurden verfolgt. Noch schlimmer, wir wurden bedroht. Und die ultimative Steigerung war: Wir wurden angegriffen. Ich erkannte sofort, dass unser Gegner nicht versuchte, uns unter Genjutsu zu legen. Auch wenn ich nie eine große Affinität dafür hatte, diese Kunst selbst anzuwenden, so spürte ich sie doch recht deutlich. Was eventuell an der Nähe zu Hanako lag, die mehr als einmal versucht hatte, meinen Körper zu übernehmen, um mich zu piesacken. Nicht, dass ich jedes Genjutsu erkannt oder gar abgewehrt hätte, aber sicherlich die meisten, eventuell bis zu den Fähigkeiten eines Chunin. Andererseits war es nicht besonders schwer, die aggressive Aura, die bis zu uns durchschlug, als solche zu identifizieren, und nicht als Genjutsu misszuverstehen.

"Wie viele?", fragte Hanako, während sie automatisch in Abwehrhaltung ging.

Ich schluckte. Als Team 3 zusammengestellt worden war, folgte man einer sich selbst erhaltenden Tradition. Man steckte nur zu gerne jeweils einen Angehörigen Körperjutsu-Beherrscher der Akimichi, einen Mentaljutsu-Beherrscher der Yamanaka und einen Schattenbeherrscher aus dem Nara-Clan zusammen, um die Kombination der natürlichen Fähigkeiten voll auszuschöpfen. Dies tat man, um das legendäre Ino-Shika-Cho-Team zu imitieren, jenen Shinobi, die heute als die Oberhäupter ihrer Clans bekannt waren. Diese Shinobi-Gruppe hatte sich einen legendären Ruf erworben, weit über die Grenzen Konohas und des Landes des Feuers hinaus. Da ich über meinen Vater mit dem Nara-Clan weitläufig verwandt war, hatte man mich mangels eines Nara-Abkömmlings in meinem Jahrgang in diesem Team eingespannt. Meine sensorischen Fähigkeiten und meine Taijutsu-Begabung sollte hierbei das fehlende Talent, Schatten zu manipulieren, kompensieren.

Die Zeit sollte später zeigen, dass unser halbherziges Imitat der Ino-Shika-Cho-Legende dennoch ihren Erfolg haben würde. Aber bis dahin war es ein langer, tränenreicher und gefährlicher Weg für uns alle. Und für Hayate-sensei... Aber ich schweife ab.

"Einer." Ich spürte den Feind, allerdings nur einen Feind. Falls ich das Tier, das er beschworen hatte, nicht als einen zweiten Gegner rechnete. Das musste das Backup-Team des Gegners sein, der uns attackiert hatte. Und dieser Gegner musste sich sehr sicher fühlen, wenn er uns angriff, nachdem wir gerade erst acht Genin ausgeschaltet hatten. Das ließ auf eine arrogante Persönlichkeit schließen, auf versteckte Verstärkungen, die eingreifen würden, sobald wir im Kampf gebunden waren. Oder auf jemanden, der sich ausrechnete, gegen uns zu gewinnen. Mit anderen Worten, wir hatten es mit einem Jounin zu tun.

Hayate-sensei nickte mir bestätigend zu, während seine Rechte langsam zum Schwertgriff glitt. Mit der Linken zog er den Rucksack vom Rücken und gab ihn mir zurück. "Mamoru-kun, du führst die Gruppe zurück. Noch eine Stunde, dann habt Ihr die Patrouillen von Konoha erreicht. Ein ANBU-Team wird euch ab dort decken."

"Moment mal, warum soll uns Mamo-chan zurück führen?", ereiferte sich Hanako verärgert.

"Weil du in deinem Eifer nach ein paar hundert Metern zurückkehren würdest, um mir zu helfen, Hanako-chan", sagte Hayate-sensei mit einem ironischen Tonfall. "Aber du kannst mir hier nicht helfen. Keiner von euch kann mir helfen. Ihr seid mir jetzt eine Last, wenn ich auch noch auf euch aufpassen muss. Mamoru-kun versteht das. Du nicht, Hanako-chan."

"Aber...", begehrte sie auf.

Ich hingegen nickte. Im Gegensatz zu Hana-chan neigte ich eher selten dazu, dem Sensei zu widersprechen, oder ihn gar offen zu kritisieren. Geschweige denn seine Anweisungen abzuschmettern. "Wir gehen, Karin."

Die junge Akimichi nickte mir zu, und zusammen setzten wir den Weg fort.

"Aber... Aber... Aber..." Ein frustrierter Laut folgte, und mit einem Satz hatte Hanako zu uns aufgeholt. "Wehe, Sie sterben, Sensei! Das verzeihe ich Ihnen niemals!", blaffte sie über die Schulter zurück. Ich hätte beinahe geschmunzelt, denn ich hörte die Angst in ihrer Stimme, Angst um den Sensei, den sie doch so verehrte. Und das machte sie trotz ihrer polterigen, bestimmenden Art doch irgendwie sympathisch. "Keine Angst", sagte ich mit Nachdruck in der Stimme, "kein dahergelaufener Jounin kann unseren Sensei besiegen."

"Wer hat denn hier Angst?", blaffte sie zurück.

Hinter uns hörten wir Bäume zerbrechen, hörten die dumpfen Laute, mit denen umgeworfene Baumkronen zu Boden krachten, spürten die Erschütterungen. Wir sahen über unsere Schultern hinweg und erkannten ein gigantisches Reptil, das, mit einem Shinobi auf dem Kopf, Hayate-sensei attackierte. Es wirkte wie ein übergroßes Chamäleon, das es eventuell auch war. Doch da waren wir auch schon außer Sicht. Und der eigentliche Kampf begann.
 

Als wir eine Stunde später tatsächlich die Vorpostenkette erreichten, löste unsere Meldung Hektik aus. Noch bevor wir unseren Fuß über die Pforte nach Konoha setzten, sandte die Stadt zwei ANBU-Teams als Verstärkungen aus. Ein so dreister Angriff einer anderen Nation mitten im Herzen des Feuerlandes war eine Provokation sondergleichen. Zu schwer um sie zu ignorieren, zu schwer, um nicht mit aller militärischen Härte darauf zu antworten. Wenn Sensei noch lebte, wusste ich in diesem Moment, dann würden sie ihm helfen, ihn retten. Und wenn er nicht mehr lebte, erkannte ich, dann hatte er eines der Vorrechte eines Anführers ausgeführt, die Konoha kannte.

Das erste Vorrecht jedes Shinobi, der andere befehligte, war, seine Untergebenen in den sicheren Tod zu schicken. Manchmal erforderte die Situation solch ein Opfer und verhinderte den Tod Dutzender, vielleicht hunderter oder gar tausender Menschen.

Das zweite Vorrecht war, sein eigenes Leben zu riskieren, um jenes seiner Untergebenen zu retten. Und genau das hatte Hayate-sensei getan. Und bange fragten wir uns, ob er überlebt hatte.

Wir wurden sofort weiter befohlen, und Kamizuki-sensei geleitete uns direkt zum Sandaime-Hokage. Sarutobi-sama empfing uns in seinem Büro, nicht in der Registrationsstelle für Aufträge. Bei ihm war ein ANBU mit Wolfsmaske, der schweigend zuhörte, während wir unseren Bericht abgaben. Der Hokage lauschte geduldig, fragte nach und kitzelte Details aus uns heraus, an die wir uns bewusst gar nicht mehr erinnerten. Vor allem interessierten ihn Details zum beschworenen Tier unseres letzten Angreifers. Bevor wir uns versahen, war über eine Stunde vergangen.

"Eine unglaubliche Dreistigkeit", sagte der Hokage schließlich, und der ANBU nickte bestätigend. "Allerdings erscheint mir einiges an der Geschichte nicht stimmig. Angefangen beim Auslöser dieser Attacke." Nachdenklich hielt der Hokage den Gegenstand in Händen, den wir hatten transportieren sollen, einen Kunstgegenstand, der mehr einen ideellen als einen tatsächlichen Wert hatte. "Und weiter bei der tatsächlichen Identität der Angreifer."

Der ANBU räusperte sich. "Ein Ablenkungsmanöver können wir ausschließen. Was immer die Angreifer erreichen wollten, sie hatten geplant, Team 3 im ersten Ansturm auszulöschen. Das nützt nicht viel, wenn sie damit von einer anderen Aktion ablenken wollen."

"Also ging es ihnen tatsächlich um das hier? Oder darum, einen Jounin auszuschalten?", fragte der Hokage nachdenklich.

"Niemand schaltet unseren Sensei aus!", sagte Honoka ärgerlich. "Schon gar nicht so ein dämlicher Ninja aus dem Dorf im Nebel!"

Darauf erwiderte der Hokage nichts. Er sah sie nur an, und irgendwann begann er zu schmunzeln. "Ich muss euch drei loben. Ihr habt gegen überlegene, ältere und erfahrene Shinobi gesiegt. Ihr habt gekämpft, wie man es von einem Shinobi Konohas verlangen kann. Und Ihr habt in dieser Mission stets die richtigen Entscheidungen gefällt." Durch das Bürofenster konnten wir einen Falken sehen, der über der Stadt kreiste; genau in diesem Moment stieß er schrille Schreie aus.

Das Schmunzeln wich einem breiten Lächeln. "Und gerade wurde mir gemeldet, dass Hayate-san seinen Kampf gewonnen hat, und auf den Weg zurück nach Konoha ist. Damit dürfte diese unerfreuliche Episode abgeschlossen sein."

"Uff", sagte ich erleichtert. Ich hatte damit gerechnet, aber im Hinterkopf war da immer noch der Gedanke gewesen, die Option, dass Hayate-sensei doch hätte getötet werden können. "Dann ist alles in Ordnung."

"Idiot!", blaffte Hanako mich an und schlug mir gegen den Hinterkopf. "Du hast doch nicht ernsthaft auch nur eine Sekunde geglaubt, Sensei würde sterben?"

"Kein Grund, mich gleich zu schlagen", beschwerte ich mich und wandte mich zu ihr um. Ihr Gesicht war tränenüberströmt, und es hätte nicht viel gefehlt, dann wäre ihr auch noch der Rotz aus der Nase geflossen. Karin flossen die Tränen der Erleichterung wie Wasser die Wangen hinab, aber merkwürdigerweise gelang es ihr dabei, wie der strahlende Morgen zu lächeln.

Ich versuchte zu lächeln. "Nicht eine Sekunde habe ich geglaubt, irgendjemand wäre dem Sensei gewachsen, Hana-chan."

"Wirklich?", fragte sie merkwürdig sanft und zog deutlich hörbar den Rotz hoch.

"Wirklich", erwiderte ich mit fester Stimme. Himmel, warum musste ich auf einmal der Starke sein?

"Was mich angeht, so habe ich alles erfahren, was ich wissen wollte", sagte der Hokage, noch immer lächelnd. "Ihr seid entlassen. Und wenn Ihr euch beeilt, könnt Ihr Hayate-san noch am Tor in Empfang nehmen."

Das ließen wir uns nicht zweimal sagen. Nach einer mehr als kurzen Verbeugung verließen wir das Büro des obersten Ninjas von Konoha im Laufschritt. Wir schafften es tatsächlich rechtzeitig, am Tor zu sein, als Hayate-sensei es in Begleitung eines ANBU-Teams überschritt. Bei uns dreien schwappte die Erleichterung über uns hinweg, und wir stürzten, erleichtert, froh und zufrieden mit dem Universum, Sensei in die Arme.

Das war der glückliche Epilog unseres ersten Kampfes. Und es sollte nicht der Letzte gewesen sein.
 

(Aus der Geschichtensammlung von Mamoru Morikubo, Konoha: Chunin und dann? Erinnerungen eines Shinobi.)

Aufbruch

1.

Aufbruch
 

Man kann es durchaus unglaublich nennen, wenn man den jungen Burschen betrachtet, der ich mit zwölf Jahren war, und dann den Jungen ansah, der ich mit vierzehn geworden war. Zwei Jahre Dienst als Genin hatten mich verändert. Ich war gewachsen, und das bezog sich nicht nur auf meine Körpergröße. Die meisten Missionen, die Team 3 zugeteilt bekam, waren mittlerweile C-Rank, und einige von ihnen waren nachträglich auf B hochgestuft worden, weil sie sich als gefährlicher entpuppt hatten, als sie eingeschätzt worden waren. Mit der Routine kommt die Erfahrung. Viele Dinge geschehen automatisch. Man überlebt automatisch, und man wird dadurch besser. Ein wichtiger Punkt, denn auch die Gegner werden besser. Das liegt in der Natur der Sache, wenn der Gefahrenlevel der Missionen an die Erfahrung angepasst wird.

Als ich vierzehn war galt ich schon als vollwertiger Ninja. Im dritten großen Krieg wäre ich an der Front eingesetzt worden, hätte mich in großen Schlachten beweisen müssen, die unsere Aufträge wie ein Zuckerschlecken erscheinen ließen. Schlachten, die kleine Lichter wie mich, wenn nicht in der ersten, dann aber in der zweiten oder dritten Mission verschlangen und nie wieder preis gaben.

Der dritte große Ninja-Krieg war ein Moloch gewesen. So hatte man es mir in der Schule beigebracht. Und er hatte nicht nur Genin wie mich verschlungen, sondern auch den Zweiten Hokage. Manche stilisierten die Kämpfe, sprachen von großartigen Helden, tapferen Shinobi, die sich für ihre Kameraden geopfert hatten, von Ruhm und Ehre. Ich hingegen vermutete, dass es ähnlich wie bei den Missionen von Team 3 zugegangen sein musste. Heftig. Blutig. Brutal. Und anschließend war jemand tot. Das war nicht die populärste Sicht der Dinge, aber als ich einmal mit dem Hokage darüber geredet hatte, da hatte er leise gelacht, mir über den Kopf gestreichelt und gesagt, ich solle diese Sicht der Dinge nie aus den Augen verlieren. Denn wenn ich einen Kampf, wenn ich einen Opfertod nicht heroisierte, dann würde ich an mein Überleben denken, und ein Ninja nützte seiner Stadt am Meisten, wenn er überlebte und ihr weiterhin diente. Abzüglich einiger Ausnahmen, die zu erkennen ich jedoch seiner Meinung nach noch zu jung war.

Na, Schwamm drüber. Heutzutage gab es keine großen Kriege wie den dritten Krieg nicht mehr. Es kam durchaus noch zu kleineren und größeren Scharmützeln zwischen den Ninja-Dörfern, denn selbst wenn wir Shinobi Frieden hielten, galt das nicht immer für die Staaten, denen wir dienten. Aber die Gefahr eines allumfassenden Krieges, der alle fünf großen Nationen und die kleineren mit den nicht so wichtigen oder kampfstarken Ninja-Dörfern umfasste, war seit dem Ende des letzten Krieges nicht mehr so wahrscheinlich. Vielleicht würde es bald einen vierten großen Krieg geben, vielleicht brach er aber auch erst aus, wenn ich nicht mehr lebte. So dachte ich damals. Ich hatte den vierten Krieg ja nicht herbei gesehnt, und ich hatte auch nicht ahnen können, wie merkwürdig er sein würde... Aber ich schweife ab.
 

Jetzt, im Nachhinein, da denke ich manchmal über den kleinen vierzehnjährigen Ninja nach, der von Hayate Gekko langsam an den wahren Ernst des Lebens herangeführt wurde, der in Ninja-Kämpfe ebenso verwickelt wurde wie in solche gegen Schwertkämpfer, Samurai, Banditen, Ronin, und wie sie alle hießen und waren. Ich hielt mich damals für überlegt, abgeklärt. Nicht so impulsiv-kindlich wie Hana-chan, und nicht so verschreckt-schüchtern wie Karin-chan. Punktum, ich hielt mich für einen Erwachsenen. Immerhin hatte ich schon erwachsene Ninja getötet, wie es meine Aufgabe war. Und nicht nur sie, ich hatte auch schon andere Menschen getötet; manche, die ich nicht getötet hatte, waren später per Gerichtsurteil hingerichtet worden. Das war genauso gut wie sie eigenhändig umzubringen. Zumindest dachte ich es damals. Und damals versuchte ich auch, mein Entsetzen und meine Angst zu verbergen, mir nicht anmerken zu lassen wie schwer mir das Töten fiel. Hana-chan und Karin-chan konnte ich damit täuschen, aber nicht Sensei. Er wusste es, und ich wusste, dass er es wusste. Wenn ich heute von mir sage, ich sei abgeklärt, erfahren und routiniert, ist das genauso richtig und falsch wie damals. Doch trennen diese Zeiten über dreißig Jahre an Lebenserfahrung. An Kampferfahrung. Meiner Kampferfahrung.

Wenn ich könnte, würde ich meinem jüngeren Ich über den Abgrund der Zeit zurufen, dass Angst zu haben, Zweifel zu haben vollkommen normal war. Und... Dass es sich lohnte, wirklich lohnte, ein Ninja Konohas zu sein.

***

"Wieso das denn nicht?", fragte Hana-chan aufgebracht, blies die Wangen auf und sah mich ärgerlich an.

"Wieso was nicht?", fragte Hayate-sensei, der wie immer fünf Minuten zu spät zu unserem Treffen kam. Er erwiderte Karins schüchterne Begrüßung, und wandte sich Hanako und mir zu.

Hanako, groß, blond und wütend, stieß beinahe Stirn an Stirn mit mir. Das war etwas, was ich gelernt hatte. Wollte ich mich von der energischen Furie nicht unterbuttern lassen, musste ich gegen halten. Mit voller Kraft.

Sie sah zu Hayate-sensei herüber und deutete anklagend auf mich. "Sensei, Mamo-chan will nicht mitmachen!"

"Will bei was nicht mitmachen?", fragte er irritiert.

"Beim Chunin-Examen", sagte sie ärgerlich und verschränkte trotzig ihre Arme vor der Brust.

Er beobachtete uns ein wenig verwundert. Kurz ergab er sich einem Hustenanfall, und nachdem er den überstanden hatte, räusperte er sich kräftig. "Das Chunin-Examen?"

Hanako nickte heftig. "Genau. Letztes Jahr haben wir wegen ihm schon ausgesetzt. Und dieses Jahr will er schon wieder nicht, dieser... Dieser..." Das Wort "Feigling" lag in der Luft, und ich hätte es ihr nicht verdenken können, wenn sie es ausgesprochen hätte.

"So, so." Hayate-sensei setzte sich umständlich auf die kleine Holzbank, ließ seinen Blick über den Park schweifen und lehnte dann den Kopf gegen die halbhohe Steinmauer hinter sich. "Du willst also kein Chunin werden, Mamoru-kun."

"Ach was, kein Chunin werden! Er hat Angst, dass er die Prüfung nicht schafft! Ist doch so, nicht, Karin?"

Die Angesprochene sah mit ängstlich flackernden Augen zu uns herüber. Einerseits vergötterte sie die große, blonde und stattliche Hanako, verehrte ihr Temperament und ordnete sich ihr beinahe bedingungslos unter. Andererseits aber hing sie an mir wie an ihrem großen Bruder, aus Gründen, die mir damals nicht verständlich waren. Deshalb saß sie zwischen den Stühlen. "I-ich glaube nicht, dass Mamo-chan Angst hat", sagte sie schließlich mit schwacher Stimme. "Aber vielleicht schafft er die Prüfung wirklich nicht."

Ich lachte amüsiert und schnaubte dabei durch die Nase. An der Prüfung konnte nur eine komplette Drei Mann-Zelle teilnehmen, ungefähr bis zur Hälfte des Auswahlverfahrens. Ab dort kam es zu Einzelkämpfen. Zuerst wurden die Prüflinge gefiltert, klassifiziert und sortiert. Dann wurden sie noch einmal nach Ninja-Aspekten sortiert. Und dann oblag die Ernennung zum Chunin einem Team erfahrener Ninjas, viele von ihnen Jounin, um zu beurteilen, ob ein Ninja das Zeug zum Chunin hatte. Also selbst wenn man sich durchkämpfte, wenn man anschließend selbst gegen seine Teamkameraden antrat, wenn man als Letzter übrig war, hatte man noch nicht das Chunin-Diplom in der Tasche. Dazu kam, dass die Chunin-Prüfung gefährlich war. Sehr gefährlich. Genauso wie der Beruf eines Ninjas, und deshalb fand ich das gerecht.

Ich hatte nicht wirklich Angst vor der Prüfung. Genauso wenig wollte ich meine Teamkameraden im Stich lassen oder ihnen zur Last fallen - was ich seit dem ersten Kampf gegen die Ninjas aus dem Nebel niemals gewesen war - aber ein anderer Aspekt machte mir mehr als Angst. Ein Chunin war nicht einfach irgendein Ninja. Es war keine höhere Soldstufe, keine Auszeichnung, die man als Marke auf der Kampfweste trug. Es war eine Beförderung. Von einem Chunin wurde erwartet, dass er das Gleiche tat wie Hayate-sensei für uns: Teams führte, Missionen ausführte, für andere Ninjas Verantwortung übernahm. Chunin, das war ein magisches Wort, wie Jounin, es bedeutete Anerkennung und Ehre. Ein Chunin zu sein bedeutete einen beruflichen und gesellschaftlichen Aufstieg, und genau das wollte Hanako, genauso wie die höherrangigen Missionen, die Chunin zugeteilt wurden - weil sie besser bezahlt wurden. Und mir war klar, dass sie wusste, dass ein Chunin mehrere Genin in gefährliche Aufträge führen musste. Ein Umstand, der ihrer Persönlichkeit entsprach. Es gehörte zu ihrem Charakter, andere nach Herzenslust herum zu scheuchen. Aber es war nicht meine Art, andere herum zu kommandieren, auch wenn ich mich als Senseis Stellvertreter öfter bewährt hatte als Hanako und Karin. Mit vierzehn fühlte ich mich jedenfalls noch nicht dazu bereit, andere Ninjas in den Kampf oder sogar in den Tod zu schicken. Und dazu kam auch noch, dass das diesjährige Chunin-Examen in Kumogakure stattfinden würde, dem Ninjadorf unter den Wolken. Nun, es war klar, dass die kostspieligen, aber sehr wichtigen Chunin-Examen gepoolt, also zusammengefasst wurden, und die Chunin-Prüflinge nicht nur der fünf großen Nationen, sondern aller dreißig Dörfer gemeinsam in einem großen Verfahren auf ihre Tauglichkeit geprüft wurden. Und mir war klar, dass aus dem letzten Krieg etliche Ressentiments existierten, die keines der großen Dörfer wirklich zu einem Freund Konohas machte, aber die Stadt Kumo war mir besonders unsympathisch. Seit einer ihrer Agenten versucht hatte, Hinata Hyuuga zu entführen, daran gescheitert war, und trotzdem der Tod eines hochrangigen Hyuugas gefordert und erbracht worden war, um einen erneuten Krieg zu vermeiden und den wackligen neuen Frieden zu sichern. Abgesehen von der Frechheit und Dreistigkeit der ganzen Aktion, den politischen Verwicklungen und vielen anderen Dingen, die mir Kopfschmerzen bereiteten, mochte ich alleine den Namen des Ortes nicht. Und freiwillig hingehen würde ich ohnehin nicht.

"Ich gehe nicht nach Kumogakure!", sagte ich ärgerlich.

"Ah, darum geht es also!", rief Hanako verärgert. "Deine dämliche Solidarität mit Kou Hyuuga! Kannst du nicht auch mal was für dich selbst bestimmen? Oder willst du nie Chunin werden?"

"In drei Jahren sind die Prüfungen in Konoha", wandte ich ein. Und ich hielt es für eine plausible Variante. Zumindest für ein paar bange Sekunden.

"SOLANGE KANN ICH NICHT WARTEN!", blaffte sie wütend. "Sensei, sag doch auch mal was! Einem Ninja muss so etwas doch egal sein! Er muss da doch drüber stehen können! Er muss doch den Auftrag erfüllen, egal was er persönlich denkt und fühlt! Er muss..."

"Die Anmeldung", unterbrach Hayate-sensei den Redefluss Hanakos, "erfolgt immer als Gruppe. Das liegt nicht daran, dass wir irgendwelche Traditionen bewahren wollen oder möchten. Im ersten Teil der Prüfung ist es für jeden anderen als ein eingespieltes Team jedoch zu gefährlich. Ihr müsst begreifen, dass Ihr in der Chunin-Prüfung durchaus gezwungen sein werdet, um euer Überleben zu kämpfen. Und dass Ihr dafür töten müsst. Vielleicht sogar Kameraden aus Konoha."

Das ließ mich triumphierend lächeln und Hanako entsetzt erstarren. Aber ich hatte Sensei unterschätzt.

"Aber die Chunin-Prüfung ist sehr wichtig für uns. Denn wenn wir aus denen, die das Talent haben, kein Anführer für unsere Shinobi machen, stagnieren wir und werden angreifbar. Verwundbar. Dann gefährden wir uns selbst. Und wenn wir uns selbst gefährden, steht nicht nur die Existenz der Shinobi Konohas in Frage, dann ist jeder unserer Bürger direkt mit dem Tod bedroht."

Nun waren die Rollen vertauscht, Hanako grinste triumphierend, und ich war entsetzt. Natürlich, so hatte ich es selbst nie gesehen, nicht bis zu diesem Moment.

"Was ich sagen will, ist, dass jeder Ninja Konohas nicht nur die Pflicht hat Befehle zu befolgen und dem Dorf, und damit dem Land des Feuers zu dienen." Senseis Augen ruhten schwer auf mir. "Ein Shinobi hat auch die Pflicht, so er die Fähigkeiten dazu hat, ein Anführer zu werden und Ninja in der Schlacht zu befehligen. Jeder muss so weit voran schreiten, wie es seine Fähigkeiten zulassen, denn wenn er das nicht tut, werden Schlechtere als er seine Aufgaben erfüllen und die Leben ihrer Untergebenen gefährden. Und dann wird es unnötige Tote geben, nur weil jemand nicht den Platz eingenommen hat, den er eigentlich einnehmen muss."

Das triumphierende Grinsen Hanakos wurde breiter. "Siehst du? Also müssen wir zum Chunin-Examen! Es ist unsere Pflicht!"

"Das Chunin-Examen", unterbrach Sensei sie, "ist eine wichtige und gefährliche Sache. Manche Genin treten es nie an, manche versuchen ihr ganzes Leben Chunin zu werden, und scheitern doch immer wieder. Es kann immer nur einige wenige Chunin geben, und aus ihren Reihen rekrutieren sich die Jounin, von denen es noch weniger gibt. Aber sich nie an der Prüfung zu versuchen ist Verschwendung. Nicht für jeden Genin. Ich kenne viele von ihnen, die einen guten Job machen, respektiert werden und ihre Aufgaben hervorragend erfüllen. Doch sie können nicht führen. Vielen von ihnen hätte ich nie geraten, das Chunin-Examen zu versuchen. Wenn sie es nie, oder nie wieder tun, ist das nur gut für Konoha. Aber andere, die sollten das Examen probieren. Ganz einfach weil es ihre Pflicht ist." Er lächelte ins Rund, nur um erneut einen Hustenanfall zu bekommen, an dem er schwer laborierte. Schließlich versuchte er sich an einem Lächeln. "Ihr drei, Mamoru-kun, Hanako-chan, Karin-chan, müsst am Chunin-Examen teil nehmen. Jeder von euch hat das Potential, eines Tages ein Chunin zu werden. Und selbst wenn Ihr es dieses Jahr nicht schafft, so wird die Prüfung doch eine gute Erfahrung sein. Und ich denke auch, dass Ihr sie überleben werdet."

Bei Senseis letzten Worten ging ein Schauder über meinen Rücken. Verständlicherweise. Andererseits verstand ich den Sinn seiner Worte sehr wohl. Dann tat ich das, was ich heute nicht so recht einordnen kann - Fehler oder kein Fehler? "Also gut, dann machen wir halt dieses dämliche Chunin-Examen", sagte ich resignierend.

"Juhuuu!", rief Hana-chan, und hing mir plötzlich überglücklich am Hals. Karin hatte freudestrahlend meine Rechte ergriffen und drückte sie fest. Das war ihr ultimativer Gefühlsausbruch, zu dem sie in der Lage war. Und für einen Moment fühlte sich das wirklich gut an. Sogar richtig gut. Andererseits war mir klar, dass ich dafür den Preis bezahlen würde. Irgendwann. Und Sensei wusste das auch.

***

Ich seufzte leise, zog Rotz aus meiner Nase hoch und spuckte den Brocken weit die Böschung vor mir hinab, während ich die Hände hinter dem Kopf verschränkt hatte und den blauen Himmel betrachtete. "Und deshalb gehe ich also nach Kumogakure, Kou-kun", sagte ich säuerlich zu dem Ninja, der neben mir im Gras lag.

Kou Hyuuga grinste still vor sich hin. Er hatte bereits ein gescheitertes Examen hinter sich, aber das zweite erfolgreich absolviert. Als Mitglied des Nebenarms der Hyuuga-Familie galt er als viel versprechender junger Shinobi und zukünftiger Anführer. Nicht, dass sein Ehrgeiz wirklich über die Pflichten eines Chunin hinaus gingen. Als Mitglied der Zweigfamilie hatte er genug damit zu tun, die Hauptfamilie zu schützen. Und, selbstverständlich, das Geheimnis ihres Augen-Jutsus, des Byakugans.

"Du brauchst gar nicht so zu grinsen, Kou-kun", tadelte ich. "Wenn mir ein paar Kumogakure-Ninjas im Examen quer kommen, werde ich ordentlich mit ihnen Schlitten fahren."

"Ich bitte darum", sagte Kou ohne Spott in der Stimme, aber mit einer gehörigen Portion Belustigung. Er war drei Jahre älter als ich, und ich kannte ihn schon eine gefühlte Ewigkeit. Wie wir Freunde geworden waren weiß ich nicht mehr. Es lag vielleicht an meiner großen Schwester, aber sicher sein konnte ich mir da nicht.

"Soll ich dir ein paar ihrer Stirnbänder als Souvenir mitbringen?", fragte ich, plötzlich gut gelaunt. Genau das würde ich tun. Zum Chunin-Examen gehen, ein paar Ninjas der Stadt in den Wolken so richtig platt machen, und ihre Stirnbänder mit dem Drei Wolken-Symbol dem Hyuuga-Clan zum Geschenk machen.

"Ich bitte darum", sagte er erneut und setzte sich auf. Er lächelte mich an. Das war bei seinen Augen etwas gewöhnungsbedürftig. Denn wie jeder Nutzer des Byakugans hatte er eine schneeweiße Iris, und das irritierte mich. Die Kunst des Augen-Jutsus irritierte mich noch mehr, versetzte es Kou doch in die Lage, selbst das pulsierende Chakra in einem Körper sehen zu können, und noch viele weitere Dinge. Ein Grund dafür, dass ich froh war, nicht in den Hyuuga-Clan geboren worden zu sein.

"Dann werde ich das machen", sagte ich zufrieden und hockte mich ebenfalls auf.
 

Unter uns lag der Spielplatz, auf dem Kou und ich das erste Mal zusammen getroffen waren. Er hatte seinen Cousin abholen wollen, Neji, glaube ich, und meine Schwester hatte gerade mit mir diskutiert, um mich einerseits zu überzeugen, nicht die jüngeren Kinder zu terrorisieren, und andererseits endlich zum Essen zu kommen. Neji war einer der Jungen, die ich traktiert hatte. Nicht weil es meine Art war, andere zu ärgern. Aber schon damals hatte ich Arroganz auf den Tod nicht ausstehen können. Und mir war es sehr sauer aufgestoßen, wie er einen blonden Jungen, der vielleicht nur ein Jahr jünger war als er aus der Sandkiste rausgeekelt hatte, in der er gespielt hatte.

So hatten wir uns kennen gelernt. Kou hatte nur gelacht, den sich sträubenden Hyuuga unter seinen Arm gesteckt, und war nach einigen Grußworten gegangen. Und meine Schwester hatte mir dann erklärt, dass ich für den Jungen, der zu dem Zeitpunkt einsam und traurig vor sich hin schaukelte, keine Partei ergreifen sollte. Warum nicht, hatte sie mir nicht sagen können. Oder sie hatte es nicht sagen wollen. Aber sie war größer und stärker als ich, und deshalb hatte sie sich durchgesetzt.

Als ich nun auf den Spielplatz sah, erkannte ich den blonden Jungen. Es freute mich zu sehen, dass er mit Shikamaru und Choji spielte. Shikamaru war der Sohn unseres Clanchefs und mein Cousin dritten Grades, und Choji ein entfernter Vetter Karins aus der Hauptlinie der Familie. Ein typischer Vertreter der Akimichi, gerade zehn Jahre alt, und schon jetzt kurz davor zu platzen. Karin hingegen war so dünn wie eh und je, was dem Clan einiges an Sorge bereitete, weil sie das mangelnde Körpergewicht von einigen wichtigen Jutsus ausschloss, die der Clan beherrschte.

"Da ist er ja wieder", sagte ich mit einer gewissen Zufriedenheit in der Stimme. "Und er hat Freunde."

Kou folgte meinem Blick. Sein Lächeln verschwand. "Das ist Naruto." Für einen Moment kämpften zwei Gefühle in seinem Gesicht. "Er wohnt alleine."

Als ich diese Worte hörte, wusste ich, dass Kou sich dafür entschieden hatte, nett über ihn zu reden.

"Alleine? Der Bursche ist doch höchstens zehn oder elf", wandte ich ein. "Wie kommt er dann alleine zurecht?"

"Der Sandaime kümmert sich um ihn", sagte Kou ausweichend. "Aber er wohnt nicht in seinem Haus."

Ich runzelte die Stirn. "Was ist mit ihm? Hat er Krätze?" Das sollte scherzhaft klingen, aber Kou schockierte mich damit, als er nickte. "Etwas in der Art. Sein Vater ist gestorben, als der Kyuubi unser Dorf überfallen hat, was aus seiner Mutter wurde weiß ich nicht. Er war damals noch ein Neugeborenes, und die Älteren reden alle... Nicht nett über ihn. Es ist beinahe so als hätten sie Angst vor ihm. Und das verstehe wer will. Jedenfalls lassen sie kein gutes Haar an ihm, und er macht es ihnen auch sehr leicht, ihn nicht zu mögen. Soweit ich weiß terrorisiert er mit seinen Streichen die ganze Nachbarschaft. Aber die Leute trauen sich nicht so recht an ihn ran, weil der Hokage auf ihn aufpasst."

Ich verdrehte entsetzt die Augen. "Alleine?"

"Hast du mir überhaupt zugehört?", tadelte Kou.

"Wie kommt der Bursche alleine zurecht? Wie kam er bisher zurecht? Wenn der Hokage schon auf ihn achtet, warum macht er es dann nicht richtig? Warum hat nicht einer der Clans den Jungen aufgenommen? Warum...?" Ich stutzte. "Okay, dumme Idee. Ich nehme an, irgendjemand mochte seinen Vater nicht, und das hat er auf den Sohn übertragen. Und er hat genügend Macht, um halb Konoha dafür einzuspannen. Der Hokage kann ihn beschützen, aber nicht bei sich aufnehmen, ohne sich angreifbar zu machen. Etwas in der Art?"

"Nicht ganz, Mamoru-kun", klang hinter mir eine Stimme auf, die ich sehr gut kannte. Überrascht sprang ich auf. Hinter mir stand wirklich der Sandaime Hokage, schmunzelnd, seine Pfeife im Mund, und mit Augen, die sagen wollten: Ich sehe alles.

"Sandaime", sagte ich hastig und nickte ihm zu.

Auch Kou kam auf die Beine. "Sandaime."

"Der Grund, warum ich Naruto nicht in mein Haus aufgenommen habe, ist ein anderer. Es hätte ihn gebrandmarkt. Beinahe so schlimm wie das, was... Die Leute ohnehin schon über ihn reden. Er hätte es noch schwerer im Leben gehabt als ohnehin schon. Und er hätte noch schwerer Freunde gefunden, als es ihm ohnehin schon fällt. Er..." Das Lächeln verschwand aus seinem Gesicht, und für einen winzigen Moment glaubte ich zu spüren, wie sich der Hokage selbst vorwarf, nicht genug für Naruto-kun zu tun.

"Nur wenn der Schutz den ich ihm gewähre, nicht so offensichtlich ist, bewahre ich ihn davor in einem goldenen Käfig zu sitzen. Noch erscheint es grausam und unverantwortlich zu sein. Aber in naher Zukunft wird das vielleicht schon ganz anders wirken." Das Lächeln kehrte zurück in das Gesicht des alten Mannes, der auch als der Professor bekannt war, als ein Mann, der über tausend Jutsu beherrschte. "Im Moment entwickelt sich alles etwas langsam, aber es entwickelt sich."

Er sah mich an. "Aber mal etwas anderes. Mamoru-kun, ich habe gehört, Team drei wird am Chunin-Examen in Kumogakure teilnehmen?"

Ich nickte leicht. "Wir haben es heute beschlossen."

"Gut", sagte der Hokage schmunzelnd. Er klopfte mir auf die Schulter und wandte sich ab. "Ich erwarte ein paar spektakuläre Resultate, Mamoru-kun. Und ich denke, ich bin da nicht alleine."

"Sicherlich nicht", pflichtete Kou ihm bei und grinste mich an.

"Bin ich hier eigentlich der einzige, der glaubt, dass die Erwartungen in mich etwas hoch gesteckt sind?", fragte ich halb amüsiert, halb verärgert.

"Ich glaube ja", erwiderte Kou, und der Hokage lachte dazu amüsiert.

Das brachte mich selbst zum Schmunzeln. Ich sah wieder hinab, zu den Jungen und Mädchen, die dort spielten. Und zu dem blonden Jungen, Naruto. Ich konnte mir nicht helfen, aber irgendwie hatte ich das Gefühl, dass der Hokage auch von ihm etwas erwartete. Etwas, von dem er selbst noch nicht wusste, wie oder was es sein würde. Ich für meinen Teil beschloss, Narutos Werdegang im Auge zu behalten. Falls ich meinen eigenen Werdegang, also das Chunin-Examen, überlebte, hieß das. Und es beinhaltete, so schwor ich mir, auf keinem Fall für den Jungen Partei zu ergreifen, und mir womöglich ein paar unnötige Feinde zu bescheren, die ich nun wirklich nicht brauchen konnte.

***

Manchmal überschlagen sich die Dinge. Im einen Moment war man noch auf irgendwelchen Missionen, um Banditen zu jagen, um Unterstützung für Teams älterer Jahrgänge zu sein, oder selbst von jüngeren Teams unterstützt zu werden, und dann war man plötzlich offizieller Botschafter Konohas und würde in ein fremdes Land reisen. Zwei Jahre noch, ging es mir durch den Kopf. Zwei Jahre noch, und unser Team hatte einen Erfahrungsstand erreicht, in der wir nach Fertigkeiten neu eingeteilt wurden. Und Hayate-sensei würde dann vielleicht ein neues Team Grünschnäbel managen. Oder eine andere, einem Jounin angemessene Aufgabe annehmen.

Wir drei würden natürlich immer Team 3 unter Hayate Gekko sein, das stand außer Frage. Aber es war eher selten, dass Konoha ein Team aus Genin-Zeiten für alle Ewigkeiten existieren ließ. Doch es war nicht ungewöhnlich, dass die Bande aus dieser Zeit Jahrzehnte überdauerte.

Und unser Team, das nun nur noch zwei oder drei Jahre zusammen bleiben würde, würde als einzige Genin-Gruppe aus Konoha die versteckte Stadt bei der diesjährigen Chunin-Prüfung in Kumogakure vertreten. Ein Gedanke, der mir durchaus Angst machte, denn die Prüfungen wurden auch von den Offiziellen der großen Nationen beobachtet werden, und unsere Leistungen würden in die Bewertungen der Fähigkeiten der Ninjas der ganzen Nation einfließen. In manchen Fällen konnte das über die Vergabe von Aufträgen entscheiden. Aufträge, die Geld bedeuteten, und die Existenz einer ganzen Stadt. Nicht, dass mich diese Verantwortung lähmte. Nicht besonders, jedenfalls.

"Und warum", fragte Hanako ärgerlich, und riss mich wieder in die Realität, "kommst du nicht mit, Sensei?"

Hayate Gekko hatte beide Hände abwehrend erhoben. "Es ist nicht so als würde ich nicht wollen. Aber leider hat der Hokage mir verboten, nach Kumogakure zu reisen. Es gibt da ein paar alte Geschichten, die noch nicht zu den Akten gelegt wurden. Wäre ich ein Shinobi aus Kumo, dann würde ich dafür sorgen, dass ich einen unvermeidbaren und tödlichen Unfall habe. Versteht mich nicht falsch. Ich möchte weder das sich die Shinobi von Kumogakure einen besonders phantasievollen Unfalltod für mich ausdenken, noch möchte ich während der gesamten Chunin-Prüfung in Lebensgefahr schweben." Er deutete neben sich, zur großen, schlanken und schwarzhaarigen Frau. Sie trug die übliche Ausrüstung eines Konoha-Ninjas, schwarzer Kampfanzug und grüne Weste, was besonders verwunderlich war. Wir kannten sie normalerweise in der leichten Rüstung eines ANBU und einer Katzenmaske, denn sie führte eines der äußerst effektiven Kampf-ANBU-Teams Konohas, jener Elite-Einheit für den Schutz der Stadt, die auch schon uns mehr als einmal gerettet hatte. Sie hieß Uzuki, Yugao Uzuki, und war die feste Freundin des Sensei. Die letzten Jahre hatte ich mich immer gefragt, wie sie wohl unter der Maske aussah... Und jetzt verstand ich Sensei, warum er sich ausgerechnet sie ausgesucht hatte. Sie war eine wahre Schönheit. Ihr geradezu niedliches Lächeln, bei dem sie leicht die Augen zusammenkniff, fegte mich beinahe von den Füßen.

Ein schmerzhafter Knuff gegen meine rechte Schulter riss mich wieder in die Realität. Hanako sah mich böse an. Ihr gehörte die Faust, die mich so unsanft in die Realität gerissen hatte.

"Bist du wieder bei uns, Mamoru-kun?", fragte Sensei und lächelte scheinheilig. Er hustete belegt. "Wie ich also vorhin erklärte, wird Yugao-chan euch an meiner Stelle begleiten. Sie ist ein Intel-Ninja, wie Ihr wisst, und der Sandaime hat sie nicht zuletzt deshalb ausgesucht, weil sie uns einige neue Informationen über Kumogakure und ihre Ninjas beschaffen kann. Also bemüht euch, ihr so wenig wie möglich zur Last zu fallen und unterstützt sie, wo Ihr nur könnt."

"Natürlich machen wir das", ereiferte sich Hanako, nicht ohne mir einen bösen Blick zu zu werfen. "Jedenfalls die von uns, die nicht zu Tagträumen neigen."

"Hana-chan, so schlimm war es doch gar nicht", kam ein leiser Einwand von Karin, den Hanako mit einem bitterbösen Blick beantwortete.

"Hayate, bitte", sagte Uzuki-sensei, "du solltest den Kindern nicht mehr aufbürden, als sie schon ertragen müssen." Sie lächelte uns noch einmal an. "Ich bin Yugao Uzuki. Ich werde Team drei die nächste Woche führen, und ich hoffe, dass ich auch mit einer Gruppe zurückkommen werde. Die Chunin-Prüfungen sind brutal und hart. Und je weiter man kommt, desto größer ist die Chance, tatsächlich zu sterben." Sie seufzte leise. "Aber wenn Hayate sagt, Ihr könnt es schaffen, und wenn der Hokage zustimmt, dann muss ich wohl auf ihr Urteil vertrauen."

Das waren vollkommen neue Informationen für mich. Der Hokage selbst hielt uns für befähigt, um die Chunin-Prüfung zumindest zu überleben? Ein ermutigender Gedanke.

"Hayate-sensei", sagte Hanako maulig, "du hättest uns ruhig sagen können, dass du uns zutraust, das wir die Prüfung schaffen."

Sensei lächelte sie an und tätschelte ihren Kopf. Was nicht mehr so einfach war, denn Hana-chan war die letzten beiden Jahre beträchtlich gewachsen und mit Sensei beinahe auf Augenhöhe. Sie überragte sogar mich um ein paar Zentimeter, und das machte mir Sorgen. Denn im Gegensatz zum Yamanaka-Clan wurden wir Nara-Männer nicht besonders groß. In der Regel. Ich hatte aber noch die stille Hoffnung, dass die Linie meiner Mutter mir noch ein paar Extra-Zentimeter vererbt hatte.

"Was habe ich dir immer gesagt, Hanako-kun? Zuviel Selbstbewusstsein ist genauso tödlich wie zuwenig. Außerdem hättest du weniger hart trainiert, wenn ich euch zu früh gesagt hätte, was ich denke. Und glaubt mir, Ihr könnt jede einzelne Trainingseinheit gebrauchen." Sein Lächeln verschwand bei den letzten Worten. Sensei schnaubte wie über einen guten Witz und wechselte mit Uzuki-sensei einen wissenden Blick, den diese ebenfalls mit einem unterdrückten Lacher beantwortete. Sicher, die beiden hatten die Chunin-Prüfung absolviert und bestanden. Und Hayate-sensei war sogar zum Jounin aufgestiegen. Sie wussten aus erster Hand, wie es auf einer solchen Prüfung zuging. Wie gefährlich es war. Und wie sehr es sich lohnte, dort zu bestehen. Sie hatten sich beide nie über die Prüfung beklagt.

"Ja, Sensei. Verstehe, Sensei", murrte sie, aber ich konnte den Glanz und das neue Selbstbewusstsein in ihren Augen sehen.

Ich seufzte lang und tief. "Besser, wir bringen es hinter uns."

Sensei lachte erfreut auf. "Das ist die richtige Einstellung, Mamoru-kun. Diesen Wagemut vermisse ich sonst oft an dir."

Ich versuchte mich an einem missglückten Lächeln für Hayate-sensei. Es war kein Wagemut, es war Pragmatismus. Denn je eher wir in Kumogakure waren, je eher die eigentliche Chunin-Prüfung begann, desto eher würde Hanako abgelenkt sein und uns mit ihren Plänen, Tiraden und Ideen verschonen.

Uzuki-sensei klatschte in die Hände. "Dann ist ja alles geklärt. Lasst uns aufbrechen."

Sie sah noch einmal Hayate-sensei an, und beinahe erwartete ich eine Umarmung oder einen Abschiedskuss, wie ich es von einem Paar gewöhnt war. Aber diese beiden waren stolze Shinobi und würden vor ihren Untergebenen nicht mehr Schwäche zeigen als unbedingt nötig. Das verstand ich, aber ich fand es auch sehr schade, denn ich gönnte Sensei alles Glück der Welt.

Schließlich wurde es nur eine flüchtige Berührung Senseis an Uzuki-senseis Schulter, das leise Versprechen von ihr, gesund und vollzählig zurückzukehren. Sie wandte sich ohne weitere Worte ab.

Wir verabschiedeten uns von Sensei lauter und länger. Wir waren zwar nicht mehr die Kinder, die wir vor zwei Jahren gewesen waren, und nicht mehr ganz so überschwänglich, aber er war unser Sensei, und in manchen Dingen war er mir näher als mein eigener Vater.

"Kommt Ihr, oder soll ich alleine nach Kumogakure gehen?", fragte Uzuki-sensei schließlich amüsiert.

Also eilten wir ihr nach. Ich gebe zu, damals hatte ich noch recht gute Laune. Ich wusste ja auch nicht, was noch vor mir lag. Und hätte ich geahnt, dass meine Einschätzungen weit hinter der Realität zurück lagen, hätte ich es mir vielleicht doch noch mal mit der Prüfung überlegt. Aber letztendlich habe ich nur eine wirklich schlechte Erinnerung an Kumogakure: Die Musik war einfach scheußlich.

***

Um ins Land der Blitze zu kommen, in der die Versteckte Stadt in den Wolken lag, mussten wir natürlich das Land des Feuers verlassen und zwei kleinere Länder durchqueren. Das war die große Stärke von Kumogakure und das Militär des Landes der Blitze. Es war an über fünfundneunzig Prozent seiner Grenzen vom Meer umgeben, und seine einzige Landverbindung hatte auch noch zwei kleine Länder als Pufferstaat. Das Bekanntere und Wichtigere war zweifellos das Yu no Kuni, das Land der heißen Quellen, aber nicht wegen seiner militärischen Stärke. Die Mädchen waren deshalb ganz aus dem Häuschen, hieß es doch, dass hier heiße Quellen quasi jeden zweiten Meter aus dem Boden traten. Und wenn ich eines über Mädchen wusste, dann dass sie für ihr Leben gerne lange und heiß badeten.

Und mit der Garantie, am Ende eines Reisetags eine Gaststätte mit heißer Quelle zu finden, war dieser Teil unserer Reise für sie eher ein vergnüglicher Urlaubstrip. Für mich als einzigen Mann der Runde - na ja, was heißt hier Mann, damals war ich zwar schon arrogant, aber immer noch ein Junge - bedeutete dies, nicht nur zwei bis drei Stunden pro Abend alleine verbringen zu müssen, es bedeutete Zeit, in der ich mich nicht auf die Rückendeckung meiner Kameradinnen verlassen konnte. Ich musste mir auch noch Hanakos Genörgel anhören, auf keinen Fall zu versuchen, ins Frauenbad zu linsen, um sie nackt sehen zu können.

Alles in allem eine recht unbefriedigende Situation. Und das nächste Land, das uns vom Land der Blitze trennte, das Land des Wassers, gehörte wegen seines starken Ninja-Dorfs, dem Kirigakure auch noch zu den fünf großen Nationen dieses Teils der Welt. Das machte die Dinge nicht gerade besser, denn wir hatten in unserem ersten Kampf ein neunköpfiges Team aus Kirigakure ausgelöscht. Zwar hielten wir im Moment Frieden, also Kirigakure und Konohagakure, aber vielleicht war es dem einen oder anderen Ninja der versteckten Stadt Kiri den Versuch wert.

Und dann würde die Reise noch stressiger werden. Andererseits konnte es auch kaum ein besseres Training für uns geben, und ich bewunderte Senseis Weitsicht, uns mit drei Tagen Vorsprung los zu schicken. Genügend Zeit, um uns auszuruhen und Kraft für die Prüfung zu sammeln.

Aber im Moment beschäftigte mich eher Senseis fehlerhafte Weitsicht, als er mich mit drei Frauen in ein Land geschickt hatte, das vor Onsen und entsprechenden Gasthäusern beinahe überquoll. Eines davon, ein stattliches, gut aufgeräumtes Haus auf einem Hügel mit getrennten Bädern für Männer und Frauen, wurde unser erstes Nachtquartier. Und meine Qualen begannen. Doch, wenn ich so dran zurückdenke, waren es Qualen. Auch wenn ich mich heute eher darüber amüsiere.
 

"Du versuchst doch nicht zu schmulen, oder?", klang Hana-chans Stimme über den Zaun hinweg auf, der das Frauenbad vom Männerbad trennte. Da wir im Moment die einzigen Gäste waren, hatten wir beide Bäder für uns.

Ich wusste nicht wieso, aber seit wir das Land der heißen Quellen betreten hatten, war das ihre einzige und größte Sorge, von mir nicht nackt gesehen zu werden. Ihre Nervosität hatte etwas Verstörendes. Also blies ich nur die Wangen auf, ließ mich noch tiefer ins heiße Wasser des Männerbades sacken und tastete dabei vorsichtig nach dem Kunai neben meinem rechten Bein. Die einzige Waffe, die ich ins Bad mitgenommen hatte.

"Hey, ich rede mit dir!", rief Hanako ärgerlich.

Wütend sprang ich auf und wirbelte herum. "Wer will dich schon nackt sehen?", rief ich ärgerlich. Das war ungefähr eine Sekunde, bevor ich realisierte, dass Hanako über den Zaun vom Frauenbad hinweg lugte. Dass sie mich ansah. Dass sie errötete. Und dass sie langsam aber sicher panisch wurde. "Du... Du... Du... Was zeigst du mir da?", rief sie beinahe panisch. "Du Perversling! Ich könnte dich..."

"Ich? Du bist doch diejenige, die schmult!", rief ich ärgerlich. Aber ich setzte mich nicht wieder hin. Sollte sie doch gucken! Ich hatte jedenfalls nichts zu verbergen.

"Da soll mich doch...", begann sie und machte Anstalten, sich über den Zaun zu schwingen, als Uzuki-senseis lange Arme von hinten nach ihr griffen und sie stoppten. Langsam und mit Nachdruck zog sie das Mädchen vom Zaun runter. "Entschuldige, Mamoru-chan. Ich habe einen Moment nicht aufgepasst."

Der Klang ihrer Stimme ließ mich erstarren. Tja, Hanako oder auch Karin im Bad zu beobachten, das war langweilig und der Mühe nicht wert. Aber wenn ich daran dachte, dass ich Uzuki-sensei vielleicht...

Ich spürte, wie mein Gesicht heiß wurde. Was hatte ich nur für Gedanken? Und das ausgerechnet bei Senseis Freundin?

"Komm, ich wasche dir den Rücken, Hanako", klang ihre Stimme vom anderen Bad herüber.

"Ich will jetzt lieber diesem Idioten so ordentlich einen... YIEKS!"

"Oh, habe ich da eine empfindliche Stelle gefunden? Du bist da sehr sensibel, nicht, Hana-chan?"

"S-sensei", klang ihre Stimme herüber, gedrückt, irgendwie leidend und etwas hektisch. Ich spürte wie weitere Hitze in mein Gesicht stieg. Langsam ließ ich mich wieder ins Wasser sinken.

"Und du hast so zarte Haut, Hana-chan. So jung wie du möchte ich auch noch mal sein", sagte Sensei.

"Du kannst dich doch nicht beklagen", erwiderte Hanako-chan, halb gepresst, aber diesmal beinahe schon mit ihrer normalen Stimme. "Du hast doch selbst eine wunderbar zarte Haut.

Karin, komm her. Ich wasche dir den Rücken."

"A-aber... Mamo-chan kann uns doch hören", protestierte sie ängstlich.

"Mamo-chan, Mamo-chan, kannst du auch noch was anderes sagen? Komm endlich her und lass mich... YIEKS! Sensei!"

"Oh, entschuldige, aber ich musste unbedingt wissen, ob die Stelle immer so empfindlich ist", hörte ich Uzuki-sensei. Mittlerweile hatte ich mich so tief ins Wasser sinken lassen wie ich nur konnte.

"Ha-hana-chan. Da brauchst du nicht... AH!"

"Papperlapapp. Wir sind doch Freundinnen, fast schon Schwestern. Und es gibt doch nichts Schöneres, als richtig sauber in eine warme Quelle zu steigen, oder?

Sensei, ist das eine Narbe an deinem Po?"

"Oh, ja, da habe ich mal ein Kunai rein gekriegt. War ziemlich tief, und weil wir keinen Medi-Ninja dabei hatten, musste es genäht werden. Die Narbe erinnert mich daran, dass man nie vorsichtig genug sein kann. Und dass man als Mädchen auf seinen Hintern aufpassen sollte."

Bei diesem doch recht simplen Witz hätte ich beinahe gelacht. Aber das letzte was ich wollte, war, dass Hanako sich daran erinnerte, wer nebenan im Männerbad war.

"Darf ich mal anfassen? Eine richtige Narbe?"

"Gerne doch, aber sei vorsichtig. Sie tut manchmal noch weh, und... Uh."

"Oh, Sensei, hat das schon weh getan? Das tut mir leid. Ich werde vorsichtiger sein."

"Ah, Hana-chan, das ist... Ah!"

"Darf ich auch mal?" "Karin-chan..."

"Und das machen wir jetzt jeden Abend?", fragte ich anklagend in den Himmel. Egal wie schwer das Chunin-Examen sein würde, ich konnte mir nichts Schlimmeres vorstellen, als mir die drei jeden Abend im Bad anzuhören. Und das war erst Stop Nummer eins im Land der heißen Quellen.

"Ich kann dich hören, du Blödmann", rief Hanako ärgerlich. "Und wenn du schmulst, erwische ich dich."

Ich lehnte mich zurück, bis selbst meine Lippen unter Wasser waren. "Du bist doch die einzige, die hier schmult", beschwerte ich mich leise. Damit hatte ich zweifellos Recht, aber Hana-chan lebte in ihrer eigenen Welt nach ihren eigenen Regeln. Ich seufzte erneut und beschloss, das Bad, das herrliche, Muskeln tröstende, entkrampfende Bad, wieder zu verlassen.
 

Mit einem Yukata bekleidet wartete ich schließlich auf die anderen drei, und sie ließen sich Zeit. Die Hausherrin, die uns persönlich zum Abendessen bedienen wollte, kam eine Stunde, nachdem ich das Bad verlassen hatte. Servieren konnte sie aber erst eine weitere Stunde später. Aber das schien sie nicht zu stören, und auch die heißen Speisen waren, als sie gebracht wurden, auf perfekter Temperatur. Das war Professionalität, gepaart mit Erfahrung. Und wenn ein Shinobi etwas zu schätzen wusste, dann, dass er mit Profis arbeiten konnte. Und das grauhaarige Mütterchen, deren kluge Augen nur ab und an berechnend unter ihrer gerunzelten Stirn hervor blitzten, war ein Profi. Wenn nicht ein Meister, dem Range eines Jounin würdig. Sie hatte es zum Beispiel geschafft, mich mit wenigen beiläufigen Bemerkungen in ein Gespräch zu verwickeln, und mich gleichzeitig zu verpflichten, das Kunai, das ich auf der Innenseite an meinen Oberschenkel gebunden hatte, und die Shuriken unter meiner Tatami, die dort griffbereit lagen - nur für den Fall der Fälle - wieder weg zu packen. Sie wusste sehr genau, wer ihre Kunden waren, und sie wusste auch sehr genau, wie sie mit uns umzugehen hatte.

"Du bist ein Beschwörer?", fragte sie leicht heraus, während sie mir frischen Saft nachschenkte. Ich trank die trübe Flüssigkeit, hätte sie bei der Frage aber beinahe wieder ausgespuckt, als ich den Sinn verstand. Beschwörer, das so leidlich hingesprochene Wort, bedeutete nicht mehr oder weniger einen Kontraktträger, der mit einem Tierclan im Einverständnis stand. Ein Kontrakt bedeutete eine Partnerschaft auf gegenseitigem Nutzen. Meistens lief es so ab: Der Tierclan stellte sein Können, seine Erfahrung und seine Soldaten zur Verfügung, und der Kontraktträger offerierte als Gegenleistung Opfer. Das klang barbarisch, aber diese Opfer waren meistens recht materieller Natur, und selten lebendig. Gold, Silber, Informationen, besondere Speisen, aber auch Schulung der jüngeren Krieger und Gelehrten der Tierclans gehörten dazu. Kontraktträger bestätigten auf einer geheiligten Schriftrolle mit ihrem Blut, und dieses Blut war auch nötig, um jemanden aus dem Tierclan herbei zu rufen. Ich war Kontraktträger, der Hokage selbst hatte mich dazu gemacht. Wahrscheinlich aus Mitleid, weil ich keinerlei Affinität zur Schatten-Jutsu der Nara zeigte.

"Ja", gab ich zögerlich zu, denn Informationen waren für einen Shinobi genauso gefährliche Waffen wie Kunais, und man gab Informationen über sich selbst nicht ohne Not preis. Allerdings wollte ich wissen, was mich verraten hatte, also ging ich auf ihre Worte ein.

"Oh, das ist fein. Einen Kontraktträger hatten wir schon lange nicht mehr bei uns. Der Letzte war ein großer weißhaariger Ninja aus Konoha, der mit dem Hundeclan einen Kontrakt geschlossen hatte. Der Kleinste von ihnen, Pakkun hieß er, hatte so himmlisch weiche Pfoten." Vor Verzückung legte die Wirtin beide Hände an ihr Gesicht und errötete leicht. "Beschwörst du auch Hunde?"

Ich lächelte dünn. Vielleicht war diese Frau nicht nur als Wirtin ein Profi. "Was hat mich verraten?"

Sie nahm die Hände wieder ab und legte sie manierlich in ihren Schoß. "Dein rechter Daumen. Eine frische Verletzung wie von einem Eckzahn. Deinem Eckzahn."

Damit spielte sie darauf an, wie ein Kontraktträger normalerweise zum Blut kam, um seine Tierpartner zu beschwören: Er biss oder schnitt sich in eine Stelle seines Körpers, an dem ihn die Verletzung nicht weiter behindern würde, sorgte für ein wenig Blut und begann die Beschwörung.

Ich lächelte nun ein wenig breiter. Viele Jutsu-Beschwörer hatten Narben am Daumen, weil sie zu tief bissen oder schnitten. Und jetzt wo die Wirtin gesprochen hatte, hatte ich etwas Wichtiges gelernt. Ich konzentrierte mein Chakra und benutzte ein leichtes Genjutsu, um die schorfige Stelle zu verbergen und eine unverletzte Daumenkuppe vorzugaukeln.

Die Wirtin nahm es amüsiert zur Kenntnis. "Sie sind gut", stellte ich fest.

"Schätzchen", antwortete sie in einem belustigten Ton, der mit ihrer dienstbaren Stimme nicht viel zu tun hatte und sie in meinen Augen sofort sympathisch machte, "wenn du dreißig Jahre lang ein Gasthaus in einem Land leitest, das zwei großen Ninjadörfern als Durchgang dient, dann lernst du auch so einiges."

Das brachte mich zum Lachen. "Ich habe einen Kontrakt mit den Affen. Aber ich rufe sie selten."

"Affen?" Sie runzelte die Stirn. "Davon habe ich noch nie gehört."

Das wiederum verwunderte mich, denn Affen galten allgemein als geschickte, schnelle und harte Kämpfer. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass Enko O Enma, der König der Affen, seinem Volk nur Kontrakte mit Konoha erlaubte. Denn wenn ich nachzählte, dann gab es in ganz Konoha nur... Zwei Kontraktträger. Mich und den Hokage. Und dieser Gedanke machte mich etwas schwindlig, denn ihn umwehte eine tonnenschwere Last, die sich auf meine Schultern zu legen drohte. Verbunden mit der Angst, unweigerlich versagen zu müssen. Ich wusste damals genau, dass ich niemals in der Lage sein würde, die höherklassigen Krieger des Affenclans zu beschwören, geschweige denn Enma selbst. Damals.

"Rufst du einen?", fragte die Wirtin unvermittelt. "Einen kleinen vielleicht?"

Ich wog die Chancen ab. Zuviel über mich zu verraten, zum Beispiel. Aber schon die Bitte der Wirtin, einen kleinen zu rufen, zeigte, wie viel sie davon verstand. Ich wollte sie belohnen, dafür das sie einen Fehler in meiner Ninja-Kunst aufgedeckt hatte, also biss ich die Wunde wieder blutig und beschwor einen Kontraktpartner. "Kuchiose no Jutsu."
 

Als sich der Rauch der Beschwörung verflüchtigt hatte, saß ein kleiner Affe mit einer drolligen Imitation des Konoha-Kampfanzugs auf meiner Schulter, und musterte interessiert die Welt.

"Oh, der ist süß. Wie ist denn sein Name?"

Mir hingegen wurde es abwechselnd heiß und kalt. "Ha-hallo, Sensei", sagte ich vorsichtig, und unterdrückte das Verlangen mir den Schweiß abzuwischen. Ich hatte einen der kleineren Affen beschworen, und er maß nicht mehr als mein Unterarm, aber ihn deswegen zu unterschätzen wäre tödlicher Leichtsinn gewesen. Dieser Affe war Ranko-sensei, meine Ninjutsu-Lehrerin. Und bisher hatte nur der Sandaime sie beschwören können. Sie war eigentlich eine von den Kriegerinnen, die zu beschwören ich mir niemals zugetraut hätte.

"Puki?", machte sie unschuldig, und blinkerte mit ihren langen Wimpern.

"Sie", korrigierte ich vorsichtig, während der Angstschweiß meine Stirn herab lief, "heißt Ranko - Ranko-sensei!"

"Puki", kam es bestätigend von ihr, und die Wirtin schmolz dahin. Sie griff in ihren Ärmel und holte ein Stück Kandis hervor. "Hier, Ranko-chan, das ist für dich."

"Puki!" Sensei kletterte von meiner Schulter herab, sprang auf allen Vieren zur Wirtin herüber und ließ sich auf ihrem Schoß nieder. Dann griff sie nach dem Zucker, nahm ihn aus der Hand der Wirtin und begann daran zu knabbern. Das tat sie mit solch sichtlichem Vergnügen, das man sie tatsächlich für ein fröhliches Affenmädchen halten konnte, das etwas Süßes geschenkt bekommen hatte. Dazu schnurrte sie wie eine Katze, als die Wirtin sie bis zur Schwanzspitze streichelte. "Pukiiii."

Ehrlich gesagt entnervte mich das Geräusch, und ich wusste, dass ich dem Tod näher war als dem Leben. Hastig schenkte ich etwas vom Fruchtsaft in eine der Schalen, die normalerweise für Sake benutzt wurden, und bot ihn Ranko-sensei an. "Hier, bitte, Sensei."

"Puki!", machte sie, und ich wusste, dass sie Spaß an der Situation hatte. Und dass mein Kopf nicht rollen würde. Noch nicht. Ängstlich lüftete ich meinen Kragen.

"Oh, was für ein süßes Äffchen!", klang Hanako-chans Stimme vom Eingang auf. Noch bevor die Tür ganz zur Seite geschoben war, hatte sie sich neben der Wirtin auf eine Matte geschmissen. "Darf ich ihn auch mal halten?", fragte sie mit bettelndem Blick.

"Aber das ist...", begann die Wirtin, doch sie schien meinen Wink rechtzeitig zu sehen, "...nicht meine Entscheidung. Wenn Ranko-chan zu dir gehen will, ist mir das Recht."

Nun begann Hana-chan mit verschiedenen Versuchen, den Affen zu sich zu locken. Und Karin, die mit Sensei nach Hana-chan den Raum betrat, beteiligte sich verzückt an diesen Versuchen.

Uzuki-sensei wurde kurz bleich, runzelte dann jedoch die Stirn. Vor allem als Ranko-sensei tatsächlich auf Hana-chans Schoß kletterte und dabei nach einem Stück Orange griff, das Karin ihr selig hin hielt. Sie ließ sich neben mir nieder und knuffte mich, ungesehen von den anderen, schmerzhaft in die Seite. "Die Beschwörung ist kein Spielzeug", belehrte sie mich ernst, während ihr Lächeln etwas anderes behauptete. "Und du wirst keine leichte Zeit haben, wenn Ranko-sensei genug von diesem Spiel hat."

"Ich weiß", murmelte ich reuig und erklärte ihr die Situation.

Sie lachte leise und besah sich die Wirtin, die gerade das Essen herein winkte. "Gut, gut, Mamo-chan, du hast wenigstens einen plausiblen Grund. Vielleicht reicht er, um Ranko-sensei zu beschwichtigen. Wie um alles in der Welt hast du das überhaupt geschafft?"

"Ich wollte nur einen kleinen Affen beschwören", erwiderte ich verschüchtert.

"Klein heißt nie weniger mächtig", tadelte sie mich.

"Das weiß ich jetzt auch", murrte ich als Erwiderung.

"Wir reden später darüber. Jetzt lass uns essen." Sie betrachtete die hübschen jungen Damen, die unser Abendessen herein trugen, und hoch erfreut registrierte sie eine Flasche mit Sake, eines ihrer Lieblingsgetränke für gesellige Stunden. Auch wenn sie nie viel davon trank.
 

Nach dem Essen entkam ich in den Garten, möglichst weit weg von den anderen und Ranko-sensei. Aber ich hatte da natürlich die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Das wusste ich, als ich den langen Schatten sah, der von hinten langsam auf mich zukam. Eine kräftige, mit Krallen bewehrte Hand legte sich auf meine Schulter und stoppte jeden Gedanken an Flucht. Vorsichtig wandte ich mich unter diesem Griff um. Ranko-sensei hatte ihre volle Größe von fast zwei Metern angenommen und wirkte nun fast vollkommen humanoid - wenn man pelzige Frauen mochte. Sie lächelte mich an, aber es war ein mürrisches Lächeln. Außerdem trug sie ihre Kampfrüstung. "So", sagte sie mit Ärger in der Stimme, "mittlerweile kannst du sogar mich beschwören. Und, wann lädst du den König zu einer Party ein?"

Ich spürte, wie mir das Herz tiefer in den Körper rutschte. Wenn ich eines Tages tatsächlich Enma O selber beschwor, für nichts und wieder nichts, dann war mein Leben kein Kupferstück mehr wert. "I-ich hatte nicht vor, Sensei...", begann ich. Dann runzelte ich die Stirn, als das Lachen drinnen lauter wurde. "Äh..."

"Oh, das." Ranko-sensei lächelte spitzbübisch, was bei ihren Reißzähnen gefährlich wirkte, aber nicht annähernd so gefährlich wie sie war. "Ich habe einen Schattenklon da gelassen."

Langsam nahm sie die Hand wieder zurück. "Entspann dich. Ich bin nicht böse auf dich. Im Gegenteil, es erfüllt mich mit Stolz, das mein Schüler mich beschwören konnte."

"Es ging nur, weil du so klein warst", sagte ich entschuldigend. "Ich bin noch weit davon entfernt, wirklich mächtige Affen in ihrer vollen Größe zu rufen, so wie dich jetzt in voller Gestalt."

Sie öffnete den Mund, wie um etwas zu sagen, aber dann schloss sie ihn wieder und lächelte stattdessen. "Wir sind im Land der heißen Quellen, oder? Du bist auf dem Weg zur Chunin-Prüfung."

Ich nickte. Sie hatte etwas festgestellt, nicht wirklich gefragt. "Ja, das sind wir."

Sie taxierte mich mit ihrem wachen Blick. "Und, wirst du ein Chunin werden?"

"Das weiß ich nicht, Sensei."

"IDIOT!", blaffte sie mich an. "Das Chunin-Examen ist eine große Chance! Eine sehr große Chance! Jeder Shinobi, der fähig ist, den Rang eines Chunin zu erwerben, muss diesen Weg gehen! Und es ist die beste Methode, um den anderen Ninja-Dörfern zu zeigen, dass Konoha vielleicht groß, aber nicht langsam oder verfettet ist!" Wieder ergriff sie mich, diesmal aber mit beiden Händen an der Schulter. Sie beugte sich weit vor, unsere Gesichter trennte nur noch eine Fingerbreite. "Sprich mir nach, Mamoru: Ich werde Chunin!"

"Aber..." Ich hätte gerne widersprochen, gesagt das ich nur wegen Hana-chan am Examen teilnahm, dass mir der Chunin-Rang gestohlen bleiben konnte, oder andere Dinge, aber Ranko-sensei, die mir so nahe war, und augenscheinlich wütend, ließ mir keine andere Wahl. "Ich werde Chunin", sagte ich laut, denn Sensei hätte eine leise Stimme als Gewimmer abgetan.

Sie starrte mich einen Moment an, dann legte sie beide Hände um meine Schulter und drückte mich an sich. "Das ist mein Mamoru", schnurrte sie, und ich fühlte mich gegen ihre Brust gedrückt.

"M-Mamo-chan?"

Erschrocken wandte ich mich der Stimme zu. "Hanako!"

Entsetzt sah sie mich an. Erkennen konnte sie nicht viel, denn wir standen weit vom Licht entfernt. Aber meine Stimme hatte sie gehört, und die von Sensei.

"Da mache ich mir Sorgen um dich, suche dich sogar, und wo finde ich dich? W-w-w-wer ist dieses Weibsbild überhaupt?" Anklagend richtete sie den rechten Zeigefinger auf Sensei.

"Oh, hörst du? Sie ist eifersüchtig", säuselte Ranko-sensei, und drückte mich noch ein wenig enger an sich. Das löste einen Laut des Entsetzens bei Hanako aus.

Sensei lachte amüsiert. Sie ließ mich schließlich los und trat einen Schritt zurück. "Vergiss nicht, mich zu beschwören, sobald du Chunin bist", sagte sie, und löste die Beschwörung auf. Mit einem leisen Puffen verschwand sie vor unseren Augen.

"W-was...?", fragte Hanako ungläubig.

Ich machte eine abwehrende Handbewegung. "Eine Beschwörung. Du weißt doch, ich habe einen Kontrakt mit dem Affenclan."

"U-und solche Affen beschwörst du dann? Dafür brauchst du deinen Kontrakt?"

Ich verzichtete darauf, sie zu korrigieren und ihr zu erklären, wer zum Beispiel der kleine Affe auf ihrem Schoß gewesen war. Stattdessen ging ich an ihr vorbei. "Danke für die Rettung", log ich. "Sensei hätte mich vor Stolz über das Chunin-Examen beinahe zu Tode umarmt."

"Oh. OH!" Ihr Blick wechselte, und ihre natürliche Arroganz gewann die Oberhand. "Siehst du, habe ich dir doch gesagt. Am Chunin-Examen teil zu nehmen bringt uns viele Vorteile."

Ich seufzte laut und lang. Das hatte der Welt noch gefehlt, eine flexible Hanako.

"Lass uns rein gehen", murmelte ich, betrat wieder den Essraum, und stellte dann mit Entsetzen fest, dass Ranko-sensei ihren Schattenklon nicht aufgelöst hatte. Eventuell war auch die Person da draußen der Schattenklon gewesen. Jedenfalls saß der kleine Affe auf Karins Schoß, ließ sich mit Früchten füttern und spielte mit ihren Haaren, sehr zum Vergnügen von Uzuki-sensei, der Wirtin und den bedienenden Damen.

Als ich herein kam, sprang der Affe von Karins Schoß, kletterte auf meine Schulter und legte mir besitzergreifend eine Hand auf den Kopf. Als ich resignierend seufzte, wechselte sie wieder auf Karins Schoß, verfolgt von Hana-chan, die ihren Teil zur Liebkosung beitragen wollte.

Irgendwie wusste ich jetzt, dass Ranko-sensei nicht wirklich vorgehabt hatte, zum Affenclan zurück zu kehren.

***

Man sagt ja, das Leben eines Soldaten besteht aus ewiger Langeweile, unterbrochen von kurzen Momenten unendlichen Schreckens. Das Leben eines Ninjas war schon immer anders. Langeweile kannte er nie, und die Schrecken dauerten erheblich länger. Was dazu führte, dass er immer wachsam sein musste.

In unserem Fall bedeutete das, dass ich als einziger einigermaßen sensorisch begabter Ninja der Gruppe ein Auge auf die Umgebung hatte, während Hanako, Karin und Uzuki-sensei permanent ihre Waffen bereit hielten. Eigentlich eine unnötige Vorsichtsmaßnahme, wenn man mit einem erfahrenen Krieger des Affenclans reiste. Aber Ranko-sensei war nicht hier, um für mich zu kämpfen, sondern um sich von den Fortschritten zu überzeugen, die ich gemacht hatte. Ein Kampf wäre für sie ein gefundenes Fressen gewesen. Und bis dahin ritt sie einfach auf meiner Schulter, küsste reichlich feucht auf meine rechte Wange und hatte pures Vergnügen daran, meine Frisur umzuarrangieren. Nicht auf die plumpe, zerwühlende Art, sondern durchaus mit Finesse. Das hätte den Mädchen ein Hinweis darauf sein sollen, dass der kleine Affe tatsächlich ein sehr intelligenter Bursche war; stattdessen amüsierten sie sich über jede neue Form, die er meinen Haaren gab. Ich dachte ernsthaft darüber nach, mir eine Glatze zu scheren, sobald wir das nächst Mal hielten.

Mittlerweile hatten wir das Land der heißen Quellen verlassen, und durchquerten nun das Land, das unter Kontrolle Kirigakures stand. Ich befürchtete jeden Augenblick einen Angriff, und ich wusste, dass Uzuki-sensei das auch tat. Selbst wenn der Mizukage Kirikagures den Examensfrieden einhielt hieß das nicht, dass sich seine Leute alle daran halten würden. Immerhin hatten wir neun ihrer Ninja ausgelöscht, und einer von ihnen war vom Rang eines Jounin gewesen. Sie hatten Grund genug, uns anzugreifen, auch wenn Hayate-sensei nicht bei uns war. Er war es gewesen, der die meisten Shinobi des Dorfes unter dem Nebel und den Jounin getötet hatte. Aber ich war sicher, dass eine Gelegenheit auch für die Ninjas Kirigakures eine Gelegenheit war, mochte sie noch so klein sein. Und wer wollte sie anklagen, wenn wir dem dreisten Angriff von ein paar Straßenräubern zum Opfer fielen?

Ungefähr zum gleichen Zeitpunkt, als mir dieser Gedanke kam, fühlte ich etwas am Rande meiner doch recht begrenzten sensorischen Fähigkeiten. Das war immer noch mehr als Karin leisten konnte, aber gegen einen voll ausgebildeten sensorischen Ninja war das nicht viel, die Reichweite geradezu bescheiden. Dennoch spürte ich das unregelmäßige Chakra von fünf Personen, lange bevor wir die nächste Hügelkuppe auf unserem kleinen Waldweg überwunden hatten und sie sehen konnten. Ranko-sensei auf meiner Schulter unterbrach ihr Spiel nicht, also bedeutete das eventuell keine Gefahr für uns. Oder sie rechnete damit, das wir damit fertig wurden. "Uzuki-sensei", sagte ich leise genug, um außerhalb der Gruppe nicht gehört zu werden. "Fünf, dreihundert Meter vorab."

Ein Lächeln umspielte ihre Lippen. "Besonderheiten?"

"Ihr Chakra ist in wilder Unordnung. Sie müssen krank sein."

Sie lächelte dünnlippig. "Oder besoffen."

Sie sollte Recht behalten, denn als wir die Kuppe überwunden hatten, hörten wir schon ihre schweren, lallenden Stimmen. Ich versteifte mich, als ich sie sah, fünf Männer insgesamt, wie erwartet. Sie trugen Schwerter, und ihre Kleidung war schmutzig, zerrissen und schlecht angelegt. "Ronin."

"Vielleicht", erwiderte Uzuki-sensei, und erinnerte mich daran, dass in unserer Welt, in der Welt der Shinobi, oft genug etwas nicht so war, wie es auf den ersten Blick wirkte.

Die Männer stritten miteinander, und hauptsächlich ging es darum, wer wie lange das große Tongefäß an den Mund setzen durfte, das zwischen ihnen kreiste. Und wie ihr Chakra bewies, kreiste es schon eine ganze Weile. Es enthielt Sake oder sogar harten Schnaps. Das machte langsam, brachte das Herz aus dem Takt und war schlecht fürs Gleichgewicht im Chakra. Aber diese Männer, Ronin, Soldaten ohne Herrn, lebten von ihrem Schwertarm, und ich hatte oft genug gesehen, dass besoffene Männer viele Vorteile genossen. Zum Beispiel waren sie gegen Schmerzen unempfindlicher als andere, und manche hatten bessere Reflexe als im nüchternen Zustand, wenn sie noch nicht zu besoffen waren. Der Umstand, das sie auf dem Weg standen, anstatt auf ihm unterwegs zu sein, ließ darauf schließen, dass sie Reisenden auflauerten. Oder vielleicht wollten sie auch nur, dass wir das glaubten. Vielleicht waren sie auch nicht allein, vielleicht ging uns bereits eine zweite Gruppe von hinten an, weit außerhalb meiner Reichweite. Doch solange Ranko-sensei weiter mit meinen Haarsträhnen zauste, hielt ich die Gefahr nicht für zu groß.

"Und was haben wir da?", rief einer der Männer plötzlich und deutete in unsere Richtung. Er war ein großer Bursche, und hatte den Krug wohl am längsten und am meisten erhalten, denn selbst auf fünfzig Meter glaubte ich, seine Fahne riechen zu können. "Vier liebliche Kätzchen auf der Reise!"

Ich zuckte wie unter einem Schlag zusammen. Vier? Hatte sich Sensei verwandelt? Nein. Bedeutete das etwa, das dieser ungewaschene, schlecht riechende Bursche... Ich, ein Mädchen? Ich fühlte eisigen Zorn in meinem Magen, einen von der Sorte, die nicht überkochten, aber gut für die Nachdrücklichkeit waren.

Uzuki-sensei drückte mir eine Hand vor die Brust und hielt mich davon ab, vorzutreten.

"Wir wollen keinen Ärger, meine Herren", sagte sie mit ruhiger Stimme. "Wir wollen nur vorbei."

"So, vorbei wollt Ihr?", rief der Große und taxierte uns, während wir näher kamen. Uzuki-sensei hatte augenscheinlich vor, an den Männern einfach vorbei zu gehen, und wenn wir sie passierten war die Gefahr für uns vorüber, dann hatten sie gekniffen. Doch der Große tat uns den Gefallen nicht. Er stellte sich in unseren Weg. "Das kostet aber Wegezoll, meine Kätzchen." Er grinste schief und beinahe zahnlos, und seine Linke ruhte auf seinem Schwertgriff, den er sich in den Gürtel seines schlampig angezogenen Kimonos gesteckt hatte. Die anderen Männer stimmten ihm lautstark zu und besetzten die Straße auf ihrer vollen Breite. Damit hatte es sich mit einer entschlossenen und gewaltfreien Lösung.

"Du kannst deinen Wegezoll haben, du ungewaschener...", begann Hanako-chan in ihrer polterigen Art, doch Uzuki-sensei hielt sie auch zurück. "Ich habe ein paar Ryou bei mir", sagte sie vorsichtig und lotete die Grenzen in der Gier des Großen aus.

"Was wir wollen sind keine Ryous, aber vielleicht eure Gesellschaft für ein paar Stunden."

Er grinste sie noch breiter an, und entblößte dabei ein paar verfaulte Zahnstummel, die einmal Backenzähne gewesen waren.

"Ich will die da!", rief einer seiner Männer, und deutete auf mich.

Nein, ich sah damals nicht besonders weiblich aus, aber Ranko-sensei hatte mir eine unmögliche Frisur verpasst, und der Bursche war besoffen und wahrscheinlich vom Gesöff schon halbblind. Das änderte nichts daran, was für einen Wegezoll diese nach Schweiß stinkenden Bastarde von uns verlangten - unsere Körper. Und da setzte etwas in mir aus.
 

Für Beobachter musste es so aussehen als würde ich verschwinden, mich in Nichts auflösen, und erst knapp vor dem Großen wieder auftauchen. Der Fast Step war eine Fähigkeit, die jeder Ninja mit der Zeit erlernte. Sie gehörte zu unserer Kampfkunst wie das Sammeln von Erfahrung, und ich beherrschte ihn leidlich. Im Moment überraschte ich damit die fünf Ronin. Besonders ihren Anführer, denn mein Kunai schnitt sich tief und schmerzhaft in seine Kehle. Blut floss an der Klinge herab, und ich drückte noch ein wenig fester zu. Ein erstickendes Gurgeln klang aus seinem Mund, und ängstlich äugte er zu mir herunter.

"Wir suchen wirklich keinen Kampf", sagte ich mit mühsam beherrschtem Zorn, "denn ich bin sehr schlecht im Kämpfen. Ich kann nur töten, so wurde ich trainiert. Wenn Ihr also einen Kampf wollt, muss ich euch töten." Erneut verstärkte ich den Druck, und das Gurgeln des Großen wurde zu einem Winseln. "Muss ich euch töten?", fragte ich ernst in die Runde.

Die Männer ließen die Hände von den Schwertern, und nacheinander schüttelten sie den Kopf.

"Gut." Ich nahm das Kunai von der Kehle meines Gegners ab. Ich sah nach hinten. "Sie lassen uns durch, ohne Wegegeld."

Hastig machten die anderen vier Ronin Platz, als Uzuki-sensei und die beiden Mädchen uns passierten. Ich blieb stehen, neben ihrem Anführer, das Kunai noch immer stoßbereit erhoben, bis sie zwanzig Meter entfernt waren. "Deine Männer haben heute eine kluge Wahl getroffen, die dein Leben gerettet hat", sagte ich zu ihm, ohne ihn anzusehen. "Vielleicht solltest du jetzt eine gute Wahl für sie treffen, und darüber nachdenken, sesshaft zu werden, denn irgendwann werdet Ihr beim Raub auf der Straße auf einen Gegner treffen, der nicht so nachsichtig ist wie ich. Und dann sterben sie. Er, er, er, er, und schließlich du." Jetzt sah ich ihn an, zornig, und er wich unter meinem Blick einen halben Schritt zurück.

Ich steckte das Kunai wieder weg. Langsam, mit Bedacht. Ich tat es so, dass die anderen Ronin begriffen, dass ich diese Waffe jederzeit wieder ziehen konnte, und dass sie in meinen Händen eine noch tödlichere Waffe war, als in den Händen eines normalen Kriegers. "Gebt die Wegelagerei auf. Sie ist nichts für euch", riet ich den Männern noch mal. Dann ging ich zwischen ihnen hindurch, als gäbe es sie nicht. Auf den Fast Step verzichtete ich, denn ich hatte diese Hunde zwar eingeschüchtert, aber sobald ich mir auch nur den Anschein gab, das ich fliehen wollte, Panik hatte, weg wollte, würde ihr Jagdinstinkt geweckt werden. Und dann würde ich sie töten müssen. Nicht, dass es in der Welt einen großen Unterschied gemacht hätte. Irgendwann würden sie auf den Falschen treffen und im Staub der Straße sterben, die sie hatte reich machen sollen. Aber ich wollte es nicht sein, der diesen hoffnungslosen Gestalten nun auch noch das Leben nahm.

"Wer bist du?", rief mir der Anführer mit rauer Stimme nach.

"Mamoru Morikubo", sagte ich ernst. "Ich bin ein Shinobi aus Konoha!"

Sie folgten uns nicht, versuchten auch nicht, mich hinterrücks anzugreifen. Aber ich fürchtete, das Entsetzen hatte sie ausgenüchtert. Ein Gedanke, der mich schmunzeln ließ.
 

Ranko-sensei tätschelte meinen Kopf. "Ich hätte zwar lieber gesehen, wie du dich in einem Kampf schlägst, Mamoru-kun, aber du hast die Situation gut gelöst. Sie waren einen Kampf auch nicht wert. Und einer von ihnen hat sich sogar eingepisst."

"Sensei, bitte nicht so vulgär", tadelte ich den Affen. Nicht, dass es den Geruch der Bande wesentlich verschlechterte. Aber kein Krieger auf dem Schlachtfeld achtete wirklich auf die Überreaktionen menschlicher Körper, oder die Ergebnisse von Todesangst. Nicht solange die Angst Wahrheit werden konnte.

Der Affe griente mich an und tätschelte mich weiterhin.
 

Als ich zu den Frauen aufschloss, nickte Uzuki-sensei mir kurz und anerkennend zu. Gut, ich würde nicht für mein eigenmächtiges Handeln getadelt werden. Auch Hana-chan und Karin-chan sahen mich aus großen Augen an. "Was?", fragte ich, als mir ihre Blicke zuviel wurden.

"Ich gebe zu, das war cool", sagte Hanako widerwillig. "Ein bisschen, zumindest."

Karins Augen hingegen verschwammen fast unter Tränen. "Du hast uns beschützt, Mamo-chan. Das war ja so männlich."

"Eigentlich habe ich eher diese Männer beschützt", erwiderte ich unbehaglich. "Sie hätten ja schon gegen mich alleine keine Chance gehabt."

"Das glaube ich aber auch!", klang eine Stimme links von uns auf. Erschrocken fuhr ich herum, das Kunai sprang wie von selbst in meine Hand, und neben mir spürte ich, wie Hanako-chan Chakra für ihr Jutsu sammelte.

An einem Baum am Wegesrand lehnte ein Ninja. Er trug seinen Stirnschutz mit dem Zeichen seines Ninja-Orts um die Hüfte gewunden. Es war das Zeichen von Kumogakure. Darunter trug er schwarze Hosen und eine weiße Schärpe über einem grauen Hemd. Seine Haare waren weiß, und sein Teint recht dunkel. Ich hatte ihn nicht bemerkt, bevor er gesprochen hatte. Andererseits war er über zwanzig Meter von mir entfernt, aber das erschien mir damals eine Ausrede vor mir selbst zu sein. Meine bescheidenen sensorischen Fähigkeiten reichten eigentlich viel weiter. Und das sagte genug über ihn aus.

Er grinste uns mit einem jungenhaften Lächeln an, das in mir den Wunsch weckte, ihn zum Freund zu haben, und er schien genau zu wissen, wie er auf andere wirkte. Er war vielleicht zwanzig, aber bestimmt nicht älter.

Langsam stieß er sich vom Baum ab und kam auf uns zu. Uzuki-sensei ging nicht in Abwehrhaltung, und auch Ranko-sensei reagierte nicht, also gab ich meine Abwehrhaltung auf.

"Ein Kumo-Ninja, so tief in den Wäldern des Reichs des Wassers? Ich bin überrascht", sagte Uzuki-sensei, zeigte aber noch immer kein Anzeichen von Abwehr, während der große Mann immer näher kam.

Vor mir blieb er stehen und tätschelte meinen Kopf. "Du hast dich verhalten wie ein richtiger Mann, mein Kleiner. Du hast deine Mädchen tapfer beschützt, und du hast dich nicht dazu herabgelassen, diesen Abschaum ohne zwingenden Grund zu töten." Er tätschelte noch einmal, dann wandte er sich Uzuki-sensei zu. "Ich wurde geschickt, um die Teilnehmer aus Konoha zu eskortieren. Wärt Ihr nicht früher aufgebrochen, hätten wir euch an der Grenze zum Land der heißen Quellen in Empfang genommen. So aber mussten wir euch ein wenig suchen."

"Wir?", fragte sie interessiert, aber sie wusste die Antwort sicherlich schon.

Der große Kumo-Ninja grinste breit und sah nach hinten zwischen die Bäume. "Kommt Ihr endlich, oder braucht Ihr eine Extraeinladung?"

Drei Schatten lösten sich aus dem Wald. Zwei trugen ebenfalls den Stirnschutz Kumogakures, und waren fast so braun wie ihr Sensei. Die dritte, ein blondes hellhäutiges Mädchen, hätte auch aus Konoha stammen können.

"Das sind Samui", er deutete auf die Blonde, "Karui", er deutete auf die Rothaarige, "und Omoi", und zeigte auf den Jungen der Gruppe. Das machte ihn mir sofort sympathisch. Er steckte in einer ähnlichen Situation wie ich, eingepfercht zwischen zwei Mädchen. Und er schien nicht viel älter als ich zu sein.

"Da sind sie also", sagte Omoi mit einem interessierten Blick in unsere Richtung. "Wir dachten schon, Ihr hättet euch verlaufen. Oder wärt von irgendwelchen Straßenräubern abgeschlachtet worden. Oder beides."

Karui versetzte ihm einen herben Schlag in den Nacken. "Blamiere uns nicht vor unseren Gästen", knurrte sie angriffslustig.

"Genau!", ereiferte sich Hanako. "Wer lässt sich schon von billigen Straßenräubern abschlachten?"

Die beiden Mädchen sahen einander an, und irgendwie schien ein Funke überzuspringen.

Die Blonde schnaubte verächtlich aus und deutete eine Verbeugung an. "Entschuldigt, bitte. Für beide. Sie sind eben unverbesserlich. Zurückhaltung kommt in ihrem Wortschatz nicht vor. Vielleicht ein Grund, warum sie mich nötiger brauchen als die Luft zum atmen."

Hinter mir spürte ich, wie Karin in ihren Bewunderungsmodus wechselte. Ihr Chakra stieg stetig an, und ein leises, begeistertes Geräusch drang aus ihrer Kehle. Sie bewunderte die Selbstsicherheit und Stärke bei anderen, von der sie dachte sie würde ihr fehlen.

Der Anführer nickte Sensei freudig grinsend zu. "Also, wir begleiten euch bis zum Examen. Ich erwarte nicht wirklich, dass Kirigakure den Examensfrieden bricht, aber unsere Geschichte mit der Stadt unter den Blättern verlief nicht immer sehr glücklich. Diesmal wollen wir es besser machen." Er verbeugte sich erneut ansatzweise. "Mein Name ist Kirabi. Ich bin ein Jounin von Kumogakure. Es ist mir eine Freude, euch kennen zu lernen. Uzuki-san." Er nickte ihr aufmunternd zu. "Hanako Yodama." Auch für sie hatte er ein Lächeln. "Karin Akimichi." Sie wandte sich von seinem offenen Blick verlegen ab, was ihn noch ein wenig breiter lächeln ließ. "Und schließlich unseren tapferen jungen Mann Mamoru Morikubo. Ihr steht jetzt unter dem Schutz von Kumogakure."

"Sehr erfreut, Kirabi-sama", sagte Sensei mit Bedacht in der Stimme. Dass sie ihn Sama nannte ließ mich aufhorchen, denn dieser Namensanhang sollte großen Respekt andeuten, und klarstellen, dass der andere einem übergeordnet war.

Allerdings hatte ich nicht viel Zeit, um über diese Fakten nachzudenken, denn Omoi ließ seine Rechte krachend auf meinem Rücken landen. "Ihr Konoha-Typen seid ja doch keine solchen Weicheier. Schade, dass ich schon letztes Jahr an der Chunin-Prüfung teil genommen habe. Ich hätte mich gerne mit euch gemessen."

"Na, danke für das Kompliment", ächzte ich. Er war vielleicht nur ein oder zwei Jahre älter als ich, aber dafür hatte er einen Schlag, der Eisennägel in Eichenwände treiben konnte.

Ich hatte erwartet, dass die beiden Mädchen sich Karin und Hanako zuwenden würden, stattdessen kamen sie zu mir. "Das ist aber ein niedlicher Affe", sagte die blonde Samui, und brachte sogar so etwas wie ein Lächeln zustande. "Wie heißt er denn?" Karui indes machte große Augen. So große, dass ich schon fürchtete, sie hätte gerade einen Heißhunger auf Affen entwickelt. Zumindest bis sich ein zärtliches "Äffchen" aus ihrer Kehle entrang.

"Das ist Ranko", sagte ich in freundlichem Ton, und hoffte, dass Sensei mich nicht dafür strafen würde, sie nur mit dem Vornamen vorgestellt zu haben. "Sie ist meine Begleiterin."

"Also sogar vier Mädchen", sagte Kirabi und lachte lauthals. "Junge, du hast es nicht leicht."

"Darf ich sie halten? Darf ich? Darf ich? Darf ich?", rief Karui begeistert.

Samui errötete leicht. "I-ich würde sie eventuell auch halten. Wenn es denn sein muss."

Und wahrscheinlich wollte sie den Affen dringender als Karui auf den Arm nehmen.

"Sie mag Orangen", verriet Hanako den beiden, und hatte sich sofort als ihre Verbündete etabliert. Sie zog ein paar Stücke aus ihrer Weste und schenkte sie den beiden Mädchen. Als Ranko-sensei dann auch sofort auf Samuis Schulter wechselte, strahlte das blonde Mädchen, während Karui zu Tode betrübt zu sein schien, bis Sensei auch auf ihre Schulter kletterte, um ihre Orangen zu fressen. Das führte dazu, dass Samui wieder ihre alltägliche Miene aufsetzte. Aber das hinderte sie nicht daran, dem Affen wehmütig nachzusehen.
 

Als wir den Weg fortsetzten, wechselte Ranko-sensei mehrfach die Schultern unserer Begleiter aus Kumogakure, und mir war das Recht. Keine Frisur-Experimente mehr. Dass sie sogar auf Kirabi-samas Schulter ritt, überraschte mich etwas, aber nicht so sehr wie seine Reaktion, als er den Affen beinahe zärtlich und zufrieden lachend kraulte. Sogar Omoi bekam seine Portion Affenzuneigung, und auch wenn er versuchte es sich nicht anmerken zu lassen, er genoss es.

Nun waren wir also zu acht, neun, wenn wir Ranko-sensei mit einrechneten. Und falls wir wieder auf einen Onsen treffen würden, musste ich nicht mehr alleine baden. Und Hanako wäre endlich mal abgelenkt. Das stimmte mich froher als die Aussicht auf schlagkräftigen Begleitschutz.

Während wir über die Landstraße gingen, stellte ich Omoi Dutzende Fragen über ihn, über Kirabi und über sein Team. Er beantwortete die meisten von ihnen, jedoch nicht die, die sein Jutsu betrafen. Das hatte ich auch nicht erwartet. Sein Jutsu entblößte ein Ninja nur vor jenen, an deren Seite er kämpfte, und jenen, die er tötete. Aber so erfuhr ich, dass Kirabi-sama aus einer der mächtigen Familien Kumogakures stammte, die bisher immer den Raikage gestellt hatte, und dass er selbst ein herausragender Jounin war. Daran zweifelte ich nicht. Er strotzte vor Kraft, vor Chakra, und die Geschmeidigkeit, mit der er sich bewegte, bewies seine Erfahrung und sein Geschick.

"Allerdings hat er eine Macke", verriet Omoi, zog zwei Lutscher aus seiner Hosentasche, wickelte einen aus und steckte ihn sich in den Mund, und bot mir den anderen an. "Eine ziemlich große sogar."

Ich runzelte die Stirn. Uzuki-senseis Aufgabe war es, neben unserer Begleitung, so viel wie möglich über Kumogakure heraus zu finden, und wir sollten sie unterstützen. Ich würde auch jedes Informationsquäntchen in mich aufsaugen, und war es noch so unwichtig. "Und die darfst du mir verraten?", fragte ich, vor allem weil Omoi mir sehr sympathisch war. Nur weil ich Freund eines Hyuuga-Sproß war, und die versteckte Stadt Kumo für den Versuch, Hinata Hyuuga zu entführen, von Rechts wegen hassen musste, konnte ich für diese vier, und speziell Omoi ruhig eine Ausnahme machen. Dass ich damals den ersten Blick auf ein Dilemma geworfen hatte, dem jeder Krieger, sei er nun Ninja oder Soldat, in seinem Leben mehrfach begegnete, konnte ich damals noch nicht ahnen. Aber immerhin habe ich diese eine Entscheidung nie bereut.

Omoi lachte, als hätte ich ihm einen guten Witz erzählt. "Natürlich darf ich dir das verraten. Du wirst es ja früh genug selbst mitbekommen." Verschwörerisch beugte er sich zu mir herüber und legte mir einen Arm um die Schultern. "Weißt du, Kirabi-sensei hält sich für einen ganz großen Dichter. Wenn er in einem harten Kampf steckt, kann es schon mal passieren, dass er aus dem Stegreif zu reimen anfängt. Und die Reime müssen dann nicht mal besonders poetisch sein, sondern nur einfach cool. Wir haben eine ganze Musikrichtung in Kumogakure, in der die Sänger sprechen und dabei reimen. Sensei ist ein großer Fan dieser Musik, und er hält sich für ihren besten Vertreter."

"Und du hältst ihn nicht für den Besten?", hakte ich nach. "Musikalisch, meine ich."

"Abgesehen davon das ich diese Musik nicht mag? Hm, er ist mit viel Wohlwollen Mittelmaß, finde ich."

Unbehaglich wand ich mich unter seinem Arm hervor. "Du weißt schon, dass ein Jounin wie dein Sensei uns auf die paar Meter hören kann, die er uns mit Uzuki-sensei voraus geht?"

"Hm? Ach so, du meinst, er könnte auf mich böse werden?" Omoi grinste breit. "Ich glaube, es reicht ihm, wenn ich ihn für den größten Shinobi in Kumogakure halte."

"Und? Ist er der größte Shinobi von Kumogakure?"

"Natürlich ist er das!", brüllte mir Karui aus allernächster Nähe ins Ohr. "Und du, Omoi, hör auf, Senseis Musik zu kritisieren! Du hast da ja überhaupt keine Ahnung von! Du machst sie ja nicht mal selbst!"

Der Junge schnaubte amüsiert. "Ich lege auch keine Eier, und trotzdem verstehe ich mehr von Omelettes als jedes Huhn."

Kirabi-sama lachte lauthals und warf einen Blick zu uns zurück. "Das war ein guter Konter, Omoi. Aber ich bringe dich schon noch dazu, meine Musik zu lieben."

"Reicht es nicht, wenn ich dich liebe, Sensei?", fragte er fröhlich zurück.

"Eigentlich ja", schmunzelte der große Mann und wandte sich wieder Uzuki-sensei um.

"Er hat gute Laune", sagte ich.

"Natürlich hat er gute Laune. Zumindest seit ich ihm diese Schnapsidee ausgeredet habe, sich den gleichen Bart wachsen zu lassen wie ihn der Raikage trägt, sein älterer Bruder."

"Und ich weiß, das war ein großer Fehler!", blaffte Karui erneut aus nächster Nähe. "Ich finde, so ein Bart würde ihm super stehen! Und eine coole Sonnenbrille, und... Und... Und..."

Ich hielt eine Hand vor ihr Gesicht und brachte sie dankenswerterweise zum Verstummen. Nach ein paar Sekunden hörte dann auch der Nachhall ihrer Stimme in meinem Schädel auf. "Danke. Könntest du bitte darauf verzichten zu versuchen, meine Trommelfelle zum platzen zu bringen?"

Sie errötete. "Ich hatte nicht vor..."

"Aber du hast mir aus allernächster Nähe ins Ohr geschrien", erwiderte ich vorwurfsvoll. "Zweimal."

"I-ich wollte nicht..." "Dann lass es bitte. Oder komm auf Omois andere Seite, wenn du dich mit ihm streiten willst."

Verblüfft blieb sie stehen, und es dauerte einige Zeit, bis sie so etwas wie eine Entschuldigung murmelte und wieder zu uns aufschloss.

Omoi zog die rechte Augenbraue hoch. "Du hast Potential, Mamo-chan. Ich dachte schon, sie würde mit dir den Boden polieren, weil du ihr zu frech bist. Aber ausnahmsweise ist wohl der Sinn deiner Worte bis zu ihr durchgedrungen. Das kommt nicht oft vor."

"Genug gestichelt!", sagte Samui schnell und trat autoritär zwischen die beiden Shinobi. Es hätte sicher eindrucksvoller gewirkt, wenn Ranko-sensei nicht auf ihrem Kopf gesessen hätte, in den Händen ein halb verspeistes Stück Orange. "Omoi, du gehst mit Mamoru-kun ein bisschen vor. Karui, du bleibst bei mir und den Mädchen!"

So sprach sie, und so taten wir es auch.
 

"Tust du immer das, was sie sagt?", fragte ich.

"Was soll ich machen? Sie ist unser Chunin."

"Hä? Aber ich dachte, du..."

"Ja, ich habe das Chunin-Examen bestanden. Und Karui auch. Aber ich habe den Rang nicht angenommen. Noch nicht."

Entgeistert starrte ich ihn an. Mir fielen tausend Fragen ein, und die Lehren meiner eigenen Meister, die immer wieder betonten, das fähige Leute ihren Fähigkeiten entsprechend arbeiten mussten, dass sie für das Wohl aller Verantwortung übernehmen mussten, und ähnliches. Und da ging ich neben einem Genin, der ein Chunin sein könnte, und es sogar müsste. Mein Gesicht musste ein einziges Fragezeichen gewesen sein.

Omoi lächelte verschmitzt und legte beide Hände hinter seinen Kopf. "Ach, weißt du, wenn ich Chunin bin, dann muss ich selbst Einsätze leiten, Teams anführen und Verantwortung übernehmen. Ich weiß, ich kann dem nicht entkommen, und eines Tages werde ich das auch nicht mehr. Karui und ich sind uns dessen wohl bewusst, und wir haben auch schon letztes Jahr Einsätze angeführt. Aber..." Er sah nach vorne zu Kirabi-sama, dann zurück zu den beiden Mädchen. "Aber mir gefällt die Situation so wie sie jetzt ist. Viele alte Shinobi halten die ersten Jahre in ihrer ersten Dreier-Einsatzgruppe für die beste ihres Lebens. Was spricht dagegen, diese Zeit zu genießen, solange wie es das Schicksal zulässt?"

"Aber... Aber... Wenn du den Chunin-Rang nicht annimmst, dann macht ein Schlechterer deinen Job! Und dann sterben Ninjas durch unnötige Risiken!"

"Ich denke, im Moment bin ich da, wo ich bin, in diesem Team, unter Sensei, am Nützlichsten. Wir sind ein eingespieltes Team, eine sichere Bank in der Kalkulation des Raikages. Außerdem werden wir ja ab und an abgezogen, um besondere Einsätze durchzuführen. Es ist nicht so, als würden wir die Chunin-Pflichten überhaupt nicht wahrnehmen. Aber ich brauche diese Gruppe, und ich will, dass sie so lange wie möglich existiert. Und wenn ich dafür eine von den beiden heiraten muss." Grinsend deutete er hinter sich.

"W-wer will dich schon heiraten? Blödmann!", rief Karui von hinten, und verriet uns damit, das sie zugehört hatte. Ich sah zurück und erkannte die deutliche Röte auf ihren gebräunten Wangen. Allerdings war auch Samui unter ihrem hellen Teint kräftig rot geworden. Nun, ich verstand nicht allzu viel von Mädchen in diesen Tagen, aber ich verstand in jenem Moment, dass sie manchmal etwas ganz anderes sagten als sie wirklich dachten.

"Und wozu ist der Chunin-Rang dann überhaupt gut?", murrte ich ärgerlich.

Omoi lachte leise. "Das weißt du nicht? Als Chunin wirst du erheblich besser bezahlt. Das ist das ganze Geheimnis. Du kriegst in manchen Missionen sogar einen Anteil. Aber ich war nie besonders geldgierig."

Ich runzelte die Stirn. Wenn Hanako-chan das gehört hatte, dann würde ich keine ruhige Minute mehr haben.

"Chunin-Examen! Yay! Ich will Chunin werden!" Ihre Stimme. Sie hatte es gehört. Und ich wusste, dass mein Leben damit ein klein wenig komplizierter geworden war. Ich seufzte leise. "Ach, bringen wir es einfach hinter uns."

Omoi griente mich wissend an. Erneut legte er den Arm um meine Schulter. "Wird schon werden, Kumpel. Aber jetzt erzähl mal, wo seid Ihr lang gekommen? Wo habt Ihr Rast gemacht? Kennst du den "Drachen, der in zwei Quellen badet"? Finde ich ein großartiges Gasthaus."

Ich seufzte erneut, aber anschließend redete ich mit Omoi über viele unwichtige Themen, allerdings immer darauf bedacht, ihn ein wenig über Kumo auszuhorchen, während er nach Hinweisen über Konoha fischte, die nicht allgemein bekannt waren. Er wusste es, ich wusste es. Wir wussten es beide. Und deshalb grinsten wir und köderten einander mit kleinen Häppchen an Wissen. Es machte uns Spaß. Und ich glaube, wären die Dinge anders gekommen... Aber das führt schon wieder zu weit.
 

Wie ich schon erwähnte, war ich der einzige sensorische Ninja der Konoha-Gruppe, und meine Fähigkeiten waren damals nicht viel besser als heute, eigentlich erbärmlich zu nennen. Meine Stärken liegen halt woanders, und das sage ich ohne Ironie. Aber hätte ich Omois Fähigkeiten gehabt, oder jene von Kirabi-sama oder Uzuki-sensei, dann hätte ich gewusst, dass wir einige Stunden lang von mehreren Shinobi Kirigakures begleitet worden waren. Ob sie nur sichergehen wollten, dass wir ihr Land schnellstmöglich wieder verließen, oder ob sie wirklich einen persönlichen Groll auf Team drei abbauen wollten, erfuhren wir nie. Aber als mir Omoi später davon erzählte, wurde mir klar, warum Kirabi-sama und Uzuki-sensei zwischen all ihrem Gelächter für kurze Zeit abwesend gewesen zu sein schienen. Und anscheinend war Kirabi-sama bei den Shinobi der Stadt hinter dem Blutregen wohl bekannt. Ich weiß nicht ob es seine Anwesenheit war, die Kirigakure vom Angriff abhielt. Ich weiß auch nicht, ob es ohne ihn einen Angriff gegeben hätte. Aber ich wollte es damals glauben, und ich will es heute noch glauben.

Der Rest der Reise nach Kumo wurde für uns junge Shinobi aus Konoha jedenfalls ein richtiger Spaß, den ich sehr genoss, trotz der unliebsamen Überraschungen. Der Spaß, der dann allerdings in der Ninja-Stadt beim Chunin-Examen auf uns wartete, besaß ein eigenes Kaliber.

***

Heftig atmend presste ich die linke Hand auf die tiefe Schnittwunde im rechten Bizeps. Es blutete wie Sau, wahrscheinlich war eine Arterie verletzt worden. Der Ärmel war schon rot von meinem Blut, mir war übel, und irgendwie schien die Welt ein wenig zu wanken. Ich sah mich um, sah die Körper Toter und Sterbender, sah das Blut, das die Straße bedeckte, sah meine Kameraden und Gefährten, Blutbesudelt. Eins. Zwei. Konoha komplett. Drei. Vier. Fünf. Kumogakure war auch komplett.

Karin lehnte an einem Baum und atmete schwer. Hanako hockte neben ihr, das Gesicht so sehr von Blut bedeckt, das es wie eine Maske wirkte. Ihre sorgenvollen Augen sah auf das Akimichi-Mädchen herab, doch sie winkte nur zum Zeichen, das es ihr gut ging.

Omoi zog sein Katana aus einer Leiche hervor, schwenkte die Klinge mit jener Eleganz und Präzision, der mehr als zwanzig Männer zum Opfer gefallen waren und steckte sie wieder weg.

Karui japste wie ein Fisch auf dem Trockenen, in beiden Händen noch immer die Kragen der Männer, die sie zuletzt mit bloßen Händen getötet hatte. Ungläubig sah sie sich um, so als wollte sie nicht verstehen, dass es vorbei war.

Samui tötete den letzten Angreifer, mit all dem Bedacht und der Ruhe, die sie schon zuvor ausgezeichnet hatte. Damit hatten wir wie viele erledigt? Sechzig? Ich wusste es nicht, und ich wollte es auch nicht wissen.

Ich erinnerte mich daran, wie diese Burschen über uns gekommen waren, praktisch aus dem Nichts heraus, schwer bewaffnet, eine wilde Mischung aus Ronin mit Schwertern und Speeren sowie herrenlosen Ninjas mit den klassischen Waffen unserer Kunst. Eigentlich hätten wir jetzt tot sein müssen, mausetot. Alleine die Übermacht hätte uns erdrücken, erschlagen müssen. Allein der Anblick des Riesen mit den fettigen schwarzen Haaren hätte uns erstarren lassen müssen. Doch es war nicht passiert. Wir hatten so reagiert, wie wir es immer trainiert hatten. Jeder für sich, denn um eine Linie aufzubauen war alles zu schnell gegangen, aber mit all dem Eifer und der Kraft, die wir erworben hatten in den Jahren als Genin.

Ich sah zu der Burg hinauf, auf der Kirabi-sama und Uzuki-sensei gerade zu Gast waren, und ich fragte mich, ob dies ein gezielter Angriff auf uns gewesen war, im Zeitpunkt der größten Schwäche, jener Moment, in dem die beiden Jounin nicht bei uns waren. Oder ob wir einfach in eine Schlacht hinein geraten waren; vielleicht hatten diese gedungenen Mörder uns einfach nur ausschalten wollen, damit wir die Burg nicht warnen konnten. Ich blickte mich weiter suchend um, doch ich konnte Ranko-sensei nirgends entdecken. Ich hatte sie doch bei mir gehabt! Ich hatte ihr Gewicht auf meiner Schulter gespürt, das vertraute Gewicht, die wohlige Wärme ihres Körpers, und ein Stück ihres Armpelzes hatte meine Wange gestreichelt. Sensei, wo war sie? Tot? Ranko-sensei? Niemals! Oder doch? Zweifel griffen nach meinem Herzen, und bevor ich mich versah, begann ich sie zu suchen, unter all den Toten. Was, wenn sie wirklich tot war? Was, wenn ich dem Hokage erklären musste, dass ich Sensei eigenmächtig beschworen hatte, nur um sie im Staub der Straße unter der Burg zu verlieren?

"Du darfst deine Wunde nicht loslassen", tadelte mich Omoi. Er drückte seine eigene Hand auf meine Wunde und zog mich von dem Toten fort, den ich gerade herum gewälzt hatte. "Samui!"

Die junge Chunin sah auf, es war beinahe so als würde sie aus einem Traum erwachen. Sie sah zu uns herüber, fixierte meine Wunde, warf dann einen letzten Blick auf den Toten, der, den sie zuletzt getötet hatte. "Komme."

Um zu Omoi und mir zu gelangen musste sie über ein Dutzend Leichen steigen, aber sie beachtete die Toten nicht wirklich. Die meisten dort hatte Karin mit ihrem beeindruckenden Baika no Jutsu zerschmettert, bevor sie überhaupt gemerkt hatten, was ihnen passiert war. Und sie war nicht einmal die Gefährlichste von uns sechs.

"Ranko", sagte ich mit matter, verzweifelter Stimme. "Ich muss Ranko finden. Eben war sie doch noch da."

"Halte den Mund", tadelte Samui. Sie zog ein Kunai hervor und schlitzte meinen rechten Ärmel auf. Sie besah sich die Wunde. Ein Stirnrunzeln. "Sehr tief. Das kriege ich nicht geheilt."

"Aber du kannst die Ader schließen", sagte Omoi bedächtig.

"Natürlich kann ich das. Dafür reicht es noch. Den Rest müssen wir verbinden, bis wir einen Arzt oder einen Medi-Ninja finden." Sie legte mir eine Hand auf die Stirn. "Blutverlust, aber noch nicht bedrohlich. Nimm die Hand weg, Omoi."

Der Genin tat wie ihm befohlen wurde, das Blut schoss wieder hervor. Aber Samuis Chakra zeigte bereits Wirkung. Dünner Rauch kräuselte aus der Wunde, und dann war die Ader wieder geschlossen, geradezu geflickt. Anschließend schnitt sie mir den Ärmel ab. "Verbinde du ihn. Ich muss nach den anderen sehen. Obwohl er mein schwerster Patient gewesen zu sein scheint." Ein dünnes Lächeln huschte über ihre Züge, bevor sie sich Karin und Hanako zuwandte.

Plötzlich fühlte ich mich so schwach, so leer. "Was ist überhaupt passiert, zum Henker?", fragte ich, und ließ mich zu Boden sinken. Ein Wunder, dass ich das Straßenpflaster traf, und nicht eine der zahlreichen Leichen. "Was war das hier? Kämpfen um des Kämpfens Willen? Was...?"

"Das kann ich dir leider nicht beantworten. Ich kenne einige dieser Burschen vom Bingo-Buch für Kopfgelder, aber keiner von ihnen hat eine direkte Verbindung mit Kumogakure. Mir ist auch nichts davon bekannt, dass uns gemeldet wurde, eine Gruppe dieser Größe würde sich an der Grenze zum Land der Blitze herum treiben. Ich..."

Eine Explosion unterbrach ihn. Über dem Hauptgebäude des Schlosses hing eine gigantische Rauchwolke. Omoi lächelte dünn. "Ah, Sensei bei der Arbeit. Dann wird er die Sache sicherlich aufklären können." Er nickte in Richtung meiner Armwunde. "Wie ist das überhaupt passiert?"

Ich seufzte leise. Ranko-sensei, wo war sie nur? Es erfolgte eine weitere Explosion, die weite Teile des Haupthauses einstürzen ließ, und das alles schien mir seltsam entrückt zu sein. "Es war ein Katana. Hätte ich den Arm weg gezogen, hätte es dich in den Rücken getroffen. Dann rutschte die Klinge glücklicherweise am Armknochen ab, weil sie nicht scharf genug war. Und..." Ich stockte. "War das überhaupt nötig? Oder hattest du den Burschen längst im Visier?"

Omoi legte mir eine Hand auf die Schulter. "Glaube mir, Mamo-chan, ich habe ihn nicht gesehen. Tja, wer weiß, vielleicht hast du mir sogar das Leben gerettet. Aber wenn ich mir so ansehe, was Kirabi-sama mit dem Schloss macht, könnte mein Lebensende durchaus noch kommen. Falls das noch nicht alle gewesen sind."

Ich atmete erleichtert auf. Immerhin. Ich hatte meinen Arm nicht für Nichts riskiert. Das erleichterte mich. Ich war versucht, mich einfach nach hinten fallen zu lassen, tief einzuatmen und sofort einzuschlafen. Aber Omoi hatte Recht. Wir waren in eine unübersehbare Situation geraten, hatten viel Chakra verbraucht, und würden vielleicht noch einmal kämpfen müssen. Wir wussten nicht was im Schloss los war, wie es Kirabi-sama und Uzuki-sensei gerade erging, ob sie es überhaupt raus schafften. Wenn sie das nicht konnten, würden wir rein müssen. Und dann hatten wir es mit einem Gegner zu tun, der mindestens zwei Jounin binden konnte.

"Puki?", erklang es vor mir, ein Stück abseits der Straße. Ranko-sensei schien aus dem Nichts zu entstehen. In ihrer Form als kleiner Affe sprang sie auf die Straße, hüpfte über die Leichen und sprang auf meine Schulter. Sie sah Omoi dabei zu, wie er mir einen Verband anlegte. "Puki?"

"Schon in Ordnung. Ein tiefer Schnitt, aber nicht lebensbedrohend", erwiderte ich. "Karin, Hanako, alles in Ordnung bei euch?"

Die beiden Mädchen nickten. Samui war derweil zu Kamui weiter gegangen, die immer noch fassungslos auf die Toten starrte. Erst als das blonde Mädchen sie erreicht hatte, stahl sich ein wildes Grinsen auf ihre Züge, und sie ließ die Kragen der beiden Toten los. "Na, da soll noch mal einer sagen, es gäbe keine Überraschungen mehr im Leben. Hey, Mamo-chan, wo ist denn dein Affe gerade hergekommen?"

"Wahrscheinlich da her, wo auch die anderen hergekommen sind", sagte ich. Ranko-senseis Pfoten waren mit Blut verschmiert, und ich ahnte, dass sie sich diesmal nicht zurückgehalten hatte. Ich biss mir auf die Unterlippe und zwang mich aufzustehen. "Wir werden nachsehen müssen."

"Sie sind noch nicht zurück", gab Omoi zu bedenken, und er meinte unsere Senseis. Falls uns ein weiterer Kampf bevor stand, weil wir uns in Gefahr begaben, wäre es wesentlich klüger gewesen, auf die beiden zu warten. Normalerweise. Aber ich rechnete nicht damit, dass Ranko-sensei irgend etwas Gefährliches für uns übrig gelassen hatte.

"Was ist überhaupt passiert?", fragte Karin. "Ich weiß noch, ich hatte mich so erschrocken, und dann konnte ich gar nichts mehr machen."

Kamui sah die kleine Genin mit vor Entsetzen aufgerissenen Augen an. "Mädchen, dein Jutsu hat mindestens zwanzig von ihnen erwischt. Dafür, das du nichts mehr machen konntest, war das aber ziemlich viel."

"Ich habe vielleicht ein wenig in Panik reagiert", erwiderte sie und wurde rot.

Eine dritte Explosion erklang in der Festung, und diesmal lag sie nicht beim Hauptgebäude, sondern näher am Torhaus. Das lenkte mich für einen Augenblick ab, und ich rannte in etwas Hartes. Ungläubig blieb ich stehen. Da war doch nichts, da war doch einfach... Unter meiner Wange spürte ich Holz. Aber auch die schwache Ausstrahlung eines an einen Gegenstand gebundenen Genjutsus. Ich tastete in meiner unbequemen Haltung das Holz ab und fand die Ränder. Langsam und vorsichtig schob ich den Kopf um die breite Bohle. Und dann wurde mir alles klar, als ich die Welt aus einer neuen Perspektive betrachtete, nämlich seitlich. Dutzende Bohlen steckten hier in vier Reihen in der Erde, und sie waren so arrangiert, dass man immer die Bretter sah, wenn man von der Straße herab schaute. Die Planken waren bemalt, oder es war das Genjutsu, das es dem Betrachter vorgaukelte, den Hintergrund zu sehen, so als gäbe es keine Planken, als gäbe es das dahinter nicht.

"Mamo-chan, wo bist du plötzlich hin? Da passt man eine Sekunde nicht auf, und...", fluchte Omoi.

Ich trat wieder vor die Planken. "Ich weiß jetzt wo sie hergekommen sind."

"Wie hast du das gemacht?", fragte Samui ernst.

"Es ist ein Trick. Ein optischer Effekt. Verstärkt durch ein Genjutsu. Ein unterschwelliges, nicht besonders starkes. Man spürt es kaum, und deshalb funktioniert es wohl."

Ich verschwand wieder hinter dem Holz. Aus meiner Perspektive heraus war es einfach, einen Weg zwischen ihnen zu finden. Tatsächlich konnte man von der letzten Reihe bequem auf die Straße gelangen, indem man die Planken einfach schräg passierte. Auf den gleichen Weg gelangte ich hinter den optischen Wall. Vor mir breitete sich ein kleines Lager aus, das direkt hinter den Brettern begann, und von ihnen halbkreisförmig geschützt worden war. Ich entdeckte drei weitere Tote im Lager selbst. Die musste Ranko-sensei erledigt haben. "Wer waren sie, Sensei?", fragte ich leise.

"Shinobi. Sie gehörten nicht zu diesen bezahlten Killern. Profis, wenn du so willst."

"Du machst die Sache gerade unnötig kompliziert", tadelte ich.

"Weil sie kompliziert ist."

"Wow, das habe ich nicht erwartet", rief Hanako erstaunt, als sie den Weg hinter das Holz gefunden hatte. "Hier war ihr Lager? Das war doch ein gutes Versteck. Warum haben sie uns also angegriffen?"

Die anderen folgten nach, wir bestaunten die geschickte Konstruktion. "Ich hatte etwas gespürt, am Rande meiner Wahrnehmung. Ein Chakra flammte auf", sagte Omoi. "Schwach nur, aber es war da. Ich meine hier, wo man von der Straße aus aber niemanden sehen konnte. Vielleicht haben sie das gemerkt und deshalb angegriffen. Oder ich habe es gespürt, weil sie angegriffen haben." Er tätschelte die Bretter. "Diesen Aufwand haben sie jedenfalls nicht dafür betrieben, um uns harmlose Genin zu überfallen." Samui hüstelte. "Und Chunin." "Danke."

"Das glaube ich auch nicht. Nicht mehr", sagte ich. Der Aufwand war tatsächlich zu groß. Das Versteck lag zu nahe am Tor, und es war viel zu gut geschützt. "Sind wir etwa durch puren Zufall in diesen Mist hinein geraten?", fragte ich, und ich musste lachen, weil die Situation so lächerlich wirkte.

Da erklang eine weitere Explosion, diesmal ganz nahe. "Samui! Karui! Omoi!", klang die vor Sorge getränkte Stimme Kirabi-samas auf. "Wo seid Ihr?"

"Oh, diese Bohlen müssen unser Chakra unterdrücken", bemerkte Omoi amüsiert. Er griff nach seinem Schwert, zog es mit einem heftigen Ruck, und stieß es danach wieder in die Scheide. Vor ihm fielen auf einer Breite von fünf Metern die Balken um. Er hatte sie sauber in Bauchhöhe abgetrennt. "Wir sind hier, Sensei!"

Erstaunt starrte Kirabi zu uns herüber. "Was? Aber..." Er runzelte die Stirn. "Aber... Wie?"

Hinter ihm kam Uzuki-sensei aus dem zerstörten Tor der Burg. "Ihr habt hier ja ganze Arbeit geleistet, wie es scheint."

Ich sah zur Burg hoch, über der sich eine Rauchwolke gesammelt hatte. "Ihr anscheinend auch, Sensei."

"Und es ist noch nicht vorbei. Erklärt uns alles unterwegs. Hier haben wir nichts mehr verloren."

"Außer dem Kopfgeld für einige der Männer", sagte Hanako. "Sie stehen im Bingo-Buch."

"Wir können uns jetzt nicht mit Leichen belasten", sagte Uzuki-sensei ernst. "Diese Männer waren eine Vorhut. Die Hauptstreitmacht ist bereits auf den Weg, und wenn wir nicht richtig ins Kreuzfeuer geraten wollen, sollten wir wirklich verschwinden."

"Wir haben genug Dilemma angerichtet", fügte Kirabi-sensei hinzu. Was ich vermisste war eine Erklärung, dass wir der Hauptstreitmacht nichts entgegen zu setzen hatten. Kirabi-sama schien das auch nicht zu denken.

"Los jetzt", drängte Uzuki-sensei, "keine Zeit zu verlieren!"
 

Wir verließen die Straße und machten uns auf den direkten Weg zur Grenze ins Land der Blitze. Dazu nahmen wir den Weg durch einen Wald, sprangen von Ast zu Ast und versuchten dem Chaos hinter uns zu entkommen.

"Was ist überhaupt passiert?" Ich schüttelte den Kopf, energisch, um den leichten Schwindel abzuschütteln, der mich erfasst hatte. Der Blutverlust machte sich bemerkbar. Ich Trottel war als einziger verletzt worden. Damals hielt ich mich deshalb auch für den Schlechtesten Genin unserer Reisegruppe. Vielleicht hatte ich damit auch Recht, damals.

"Eigentlich ist es eine ganz witzige Geschichte", erklärte Kirabi-sama, während er an der Spitze unserer Gruppe reiste; Uzuki-sensei machte den Abschluss, und das sagte uns genug über den Ernst der Situation. "Koda, der hiesige Daimyo, der in dieser Burg residiert und die Grenze zu unserem Land überwacht, hat einen Privatkonflikt mit Artori, dem Herrn der Nachbarburg. Die beiden beharken sich schon eine ganze Zeitlang, und es sieht so aus, als hätte Artori zum finalen Schlag ausgeholt, als er diese Söldnerbande bis vor Kodas Burgtor geschickt hat. Er hätte nicht viel riskiert, wenn die Söldner beim Erstürmen des Burgtors gescheitert wären, aber er hätte alles gewinnen können. Als wir an seiner Burg vorbei kamen dachte Koda, sein Feind hätte uns beauftragt, seine Festung zu stürmen. Deshalb hat er Uzuki-chan und mich von euch getrennt. Als er versuchte, uns von seinen Wachen überwältigen zu lassen, beging er seinen ersten Fehler. Sein zweiter war, uns nicht gehen lassen zu wollen. Hätte ich gewusst, das Ihr zugleich von Artoris Banditen angegriffen wurdet, hätte ich mich beeilt."

Uzuki-sensei schnaubte von hinten amüsiert. "Wir mussten uns ja keine Sorgen um sie machen, oder?"

"Augenscheinlich nicht", sagte Kirabi, und mit Stolz blickte er über seine Gruppe hinweg. "Und deine Truppe war auch nicht schlecht, Uzuki-chan."

"Oh, das habe ich durchaus mitgekriegt", erwiderte sie zufrieden.

Ich seufzte. Und ich war als Einziger verletzt worden. Was für eine Schande. Dass wir damals auch alle hätten sterben können, kam mir nicht zu Bewusstsein. Das war auch etwas schwierig, denn der Blutverlust und unser schnelles Reisetempo forderten von meinem Körper Tribut, und übergangslos wurde mir schwarz vor Augen. Alles wurde abgestellt. Sehen. Hören. Fühlen. Ich fühlte mich einen Moment lang dumpf und schwer, und irgendwo in der Ferne schienen Stimmen meinen Namen zu rufen. Aber es erreichte mich nicht, riss mich nicht aus der Lethargie. Dann wurde es richtig finster.
 

Als ich wieder erwachte, spürte ich als Erstes eine gewisse Wärme. Und ich werde mich wohl ewig an diese Mischung aus Rauch und dem Geruch eines erwachsenen Mannes erinnern, der gerade schwitzte.

"...hättest uns zuerst über seine Verletzung informieren müssen", hörte ich Uzuki-sensei sagen.

"Es tut mir leid", klang Samuis zerknirschte Stimme auf. "Ich habe den Blutverlust falsch eingeschätzt. Und als er mit uns problemlos mithielt, und weil es schnell gehen musste... Ich habe einen Fehler gemacht."

"Kein Fehler, den wir nicht noch korrigieren konnten. Aber der Junge muss dringend in ein Hospital. Wenn er es überhaupt zur Chunin-Prüfung schafft."

Ich erwartete Hanakos enttäuschtes Aufheulen zu hören, weil ich ihr ihre heiß geliebte Prüfung versauen würde. Aber da war nichts, keine Beschwerde, kein Geschimpfe.

Mühsam öffnete ich die Augen, sah auf Kirabis breiten Rücken. Er wandte sich so weit um wie er konnte. Da begriff ich, dass der große Shinobi mich trug. "Schlaf weiter, mein Junge. Wir haben es fast geschafft."

Ich wollte aufbegehren, etwas erwidern, aber es wurde nur ein gequältes Stöhnen. Bevor ich mich versah, kam die Schwärze wieder über mich.

Das Chunin-Examen

Als ich diesmal erwachte, lag ich in einem Bett. Einem recht weichen, bequemen Bett. Das Bett stand in einem weiß getünchten Zimmer, zwei Fenster waren geöffnet, und ein kalter Wind strich herein. Das Bett stand in einem Einzelzimmer, deshalb hatte es keine Vorhänge wie es in Konoha üblich war, um jedem Patienten eine eigene Privatsphäre verschaffen zu können. Ich blinzelte. Scheiße, wo war ich?

Omois grinsendes Gesicht erschien über mir. Der obligatorische Lutscher rotierte in seinem Mund. "Keine Sorge, Kleiner. Du bist in Kumogakure, hast einen ganzen Tag durchgeschlafen und bist auf dem Weg der Besserung. Wir haben zufällig die gleiche Blutgruppe, also war ich so frei, dir mein Blut zu spenden. Die Prüfung ist erst in zwei Tagen, und bis dahin kannst du zumindest an der theoretischen Prüfung teil nehmen. Dein rechter Arm wird bis dahin nicht wieder gut sein, den kannst du erst mal vergessen. Bizeps komplett gekappt. Aber ich bin ganz froh darüber. Ansonsten hätte die Klinge womöglich in meinem Genick gesteckt, und das brauche ich noch."

"Das sagst du doch nur so", erwiderte ich mit einer heiseren Stimme, die ich kaum als meine eigene erkannte.

"Du kannst ruhig glauben was du willst. Aber ich schulde dir einen, Mamo-chan." Sein Grinsen war ansteckend, und so rang ich mir auch ein müdes Lächeln ab.

"Willst du was zu trinken? Du hast dein Wasser durch eine Infusion bekommen, aber ich kann mir vorstellen, dass deine Kehle jetzt furchtbar trocken ist."

"Tu dir keinen Zwang an." Der Größere griente mich an und schenkte mir ein Glas Wasser aus einer bauchigen Flasche ein. Ich trank das Glas langsam leer, in vorsichtigen Schlucken, und ließ das Wasser lange in meinem Mund rollen. Ich hatte tatsächlich ein furchtbar trockenes Gefühl im Mund gehabt, nun wurde es besser. "Danke."

Omoi half mir dabei, mich aufzusetzen. "Wann kann ich hier raus?"

"Die Ärzte sagen, morgen. Und ich würde auf die Ärzte hören." Er lachte leise. "Kirabi-sama hat ihnen die Hölle heiß gemacht, damit du eine Vorzugsbehandlung bekommst. Er macht sich furchtbare Vorwürfe, weil dir etwas passiert ist. Deshalb hat er den Ärzten unmissverständlich zu verstehen gegeben, dass du zur Prüfung fit sein musst. Zumindest fit genug, um einen Stift zu halten."

"Na toll", sagte ich ärgerlich und ließ mich gegen mein Kissen sinken. "Ich bin für die Chunin-Prüfung hier, nicht für einen Schreibtest. Die Prüfung ist in den ersten beiden Phasen ein Teamtest, oder?"

Omoi schmunzelte. "Ja, und ab da wird es noch härter. Ich habe auch schon Shinobi alleine antreten und gewinnen gesehen. Kommt alles vor. Allerdings selten."

Ich setzte mich wieder auf. "Du weißt, dass ich die Prüfung durchziehen werde, sobald ich dieses Bett verlassen kann?"

"Ja, das habe ich befürchtet. Deshalb haben die Ärzte auch alles getan, um dich so fit wie möglich zu kriegen. Aber egal was sie auch leisten werden, den Arm kriegen sie so schnell nicht wieder hin."

Ich betrachtete meinen rechten Oberarm. Rein äußerlich war nichts mehr zu erkennen, bis auf eine dünne weiße Linie. Aber bewegen konnte ich den Arm nicht. Er lag in einer Schlaufe über meiner Brust, um ihn ruhig zu stellen. Nein, so schnell würde der Arm nicht wieder einsatzbereit werden. Das bedeutete fürs Erste auch keine Fingerzeichen, und damit kein Ninjutsu. Verdammt.

"Nimm es nicht so schwer, Mamo-chan. Du musst die Prüfung ja nicht schaffen. Du musst nur dafür sorgen, dass deine Teamkameraden durch kommen. Irgendwie."

"Ja. Irgendwie. Hm. Wenn du gerade von meinen Teamkameraden sprichst, wo sind sie eigentlich?"

"Sie schlafen. Sie haben den ganzen gestrigen Tag und die ganze Nacht bei dir im Zimmer verbracht, und heute morgen hat dein Sensei sie ins Bett gesteckt." Er grinste schief. "Und Samui und Karui gleich mit dazu. Die eine macht sich Vorwürfe, die andere Sorgen. Du hast ganz schön Schlag bei den Frauen, Mamo-chan."

"Witzbold", brummte ich beleidigt. "Sich über jemanden lustig zu machen, der Sorgen hat, ist nicht nett."

"Du kannst einfach nicht den positiven Aspekt sehen, oder?"

"Nein, wahrscheinlich nicht." Ich streckte den linken Arm durch, um ihn zu testen. Ich fühlte mich recht gut. Die Medi-Ninjas von Kumogakure mussten ihr Geschäft verstehen. Mit etwas Glück war ich am Tag der Prüfung zu mehr in der Lage als aufzustehen und einen Stift zu halten. "Ich habe gehört, Kumo liegt in ziemlich dünner Luft. Ich kann hier aber gut atmen."

"In dünner Luft, nicht in kaum vorhandener", erklärte Omoi. "Außerdem liegst du hier schon einige Zeit und konntest dich ein wenig anpassen. Nicht genug für einen ernsthaften Kampf, aber zum spazieren gehen wird es schon reichen. Oder für die schriftliche Prüfung."

Ich lächelte. "Erzähl mir mehr."

"Für das eigentliche Examen gehen wir in ein niedriger gelegenes Bergtal, in der wir ein Shinobi-Trainingsgebiet eingerichtet haben. Da gibt es das Übliche, Dschungel, fleischfressende Pflanzen, wild wütende Riesentiere, alles was das Herz eines Prüflings begehrt. Und die Luft ist da nicht ganz so dünn."

"Aber immer noch dünner als in Konoha."

"Ja, das ist anzunehmen." Er kratzte sich nachdenklich an der Stirn. "Aber das gilt für alle anderen Shinobi auch. Natürlich nicht für unsere eigenen Leute. Ist halt der Heimvorteil."

"Natürlich", sagte ich und lächelte dünn.

"Und was die Prüfung selbst angeht, da wirst du eine Menge Spaß haben, Mamo-chan. Glaub mir, ich hatte meinen Spaß. Natürlich nur, wenn deine Vorstellung von Spaß darin besteht, einen ganzen Tag in akuter Lebensgefahr zu sein."

Ich schnaubte amüsiert. "Ich hasse dich, Omoi."

Der Kumo-Shinobi grinste breit. "Nein, das glaube ich dir nicht, Mamo-chan."

Und er hatte damit Recht.

Er klopfte sich auf die Schenkel und stand auf. "Na, ich muss los. Habe hier Zuhause durchaus mehr Pflichten, als auf kleine Konoha-Shinobi aufzupassen und ihnen beim Schlafen zuzusehen."

Ich nickte verstehend. "Du kommst wieder?"

"Heute Abend vielleicht. Vorher werden deine Teamkameraden hier gewesen sein. Und eventuell meine, oder sogar Kirabi-sama. Ach, und Mamo-chan?" "Ja?" "Du hast wirklich niedlich ausgesehen, als du geschlafen hast."

"Hätte ich was zum werfen, würde ich jetzt danach greifen, Omoi."

"Okay, das glaube ich dir." Er winkte mir zum Abschied zu, verließ den Raum und schloss die Tür hinter sich. Damit ließ er mich allein zurück, mit meinen Sorgen, meinen Gedanken und meinen Selbstvorwürfen. Aber das Beste was ich machen konnte war, schnell wieder gesund zu werden. Deshalb drehte ich mich um und versuchte wieder einzuschlafen.

***

Am nächsten Tag durfte ich nicht nur das Bett verlassen, sondern auch das Krankenhaus. Bei einem normalen Heilungsprozess ohne Chakra-Unterstützung wäre ich mit dem Blutverlust und dieser Wunde ein oder zwei Wochen ans Bett gefesselt gewesen. So aber waren die Auswirkungen des körperlichen Schocks und die negativen Aspekte des Blutverlusts schnell ausgeglichen worden. Außerdem war ich jung und trainiert, das half mir ebenfalls. Und meine Selbstheilung würde noch einige Tage stimuliert bleiben. Einer der Ärzte hatte mir einen Trick gezeigt, wie ich eigenes Chakra dafür aufwenden konnte. Solange ich mehrmals täglich eine bestimmte Menge Chakra im rechten Bizeps konzentrierte, würde ich die von den Medi-Ninjas angeregte Selbstheilung weiter stimulieren. Das würde meine Rekonvaleszenz von mehreren Monate auf einige wenige Wochen reduzieren. Eventuell ging es noch schneller, aber das hing von meinem Heilfleisch ab.

So, ich war draußen. Und das bedeutete, dass das Chunin-Examen wartete.

Wir verbrachten einen weiteren Tag in Kumogakure, den Karin und Hanako zum trainieren benutzten, während Sensei mir jegliche Aktivität verbot und strikte Ruhe verordnet hatte. Ich durfte nicht einmal genug Chakra schmieden, um eine Kerze zu entzünden. Aber ja, ich gebe es ehrlich zu, diese Ruhe hat mir sehr gut getan.

Für das Examen erwartete uns am nächsten Morgen ein Schulungsraum in der Residenz des Raikages.
 

Als ich Kumogakure das erste Mal betreten hatte, war ich besinnungslos gewesen und hatte nur die wenigen Fotos und die Berichte über die Stadt gekannt. Die harschen Sicherheitsmaßnahmen, die wenigen Zufahrtswege, zum Teil vermint, Checkpoints, die regelmäßig getestet wurden. Konohagakure war eine fröhliche, weltoffene Stadt des Handels und des Lebens. Kumogakure war eine uneinnehmbare Bergfestung.

Mit großen Augen bestaunte ich die hohen, in die Berge hinein gebauten Häuser, Türmen gleich, viele mehrstufig angeordnet.

Die Straße wirkte so belebt seltsam fremd, ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass in dieser Festung so etwas möglich war wie ein normales Leben. Konoha kannte viele Geschäfte und Gaststätten. Hier schien mir das undenkbar zu sein, bis ich bemerkte, dass sich das Leben in dieser Stadt in den mehrgeschossigen, übereinander gestapelten Häusern abspielte. Nur wenn jemand von Turm zu Turm wechselte, musste er auf die Straße. Das war auch eine Form des Lebens, und bei einem langen Wintersturm in dieser Gegend in dieser Höhe machte es wohl auch mehr Sinn. Ich vermutete, dass die Haustürme durch Laufgänge unter der Straße miteinander verbunden waren, die den Fußgängern im Winter zusätzlichen Schutz boten. Wahrscheinlich hatte man sie gleich mit errichtet, als die rigorosen Verteidigungen installiert worden waren.

Mein Blick ging über die Menschen, mit denen wir unterwegs waren, und von denen die meisten nur eines mit uns gemein hatten, den Stirnschutz mit dem Symbol ihrer versteckten Ninja-Stadt. Kumogakure bot einen recht beträchtlichen Anteil auf, aber ich erkannte auch die Symbole von Sunagakure, Kirigakure und Iwagakure. Diese vier großen Dörfer stellten den Hauptanteil der Prüflinge, und ein wenig wurmte es mich schon, dass ausgerechnet Konoha als fünfte der großen Städte nur ein einziges Team ausgesandt hatte, um sich der Prüfung zu stellen. Außerdem sah ich Teams von kleineren Dörfern, aber nur Amegakure und Getsugakure sandten mehr als ein Dreier-Team aus.

Für heute morgen standen die schriftlichen Prüfungen an, und es hieß, dass sie die Zahl der Prüflinge hier schon halbieren wollten. Auf der Straße unterwegs waren sechzig, und ich vermutete, dass ungefähr die Hälfte davon noch kommen oder bereits im Saal warten würden. Neunzig, vielleicht hundert Genin, schätzte ich. Etwas über dreißig Teams.

Wenn man dann auch noch bedachte, dass bei manchen Prüfungen nicht einmal der Sieger des abschließenden K.O.-Turniers ein wirkliches Anrecht auf den Chunin-Rang hatte, konnte einem ganz anders werden. Das ganze Examen war ein Schaulaufen, so wie man besonders beeindruckende Pferde vor einer Auktion vor dem Kaufwilligen paradieren ließ, damit sie sich jene mit den viel versprechendsten Merkmalen sichern konnten, nicht unbedingt den Sieger.

Andererseits war es eigentlich üblich, dass drei bis fünf Genin anschließend aufgrund ihrer Leistungen zum Chunin befördert wurden. Wir taten das hier also nicht völlig umsonst.
 

Ich stockte im Schritt, als die Gruppe vor mir, eine der beiden aus Getsugakure, anhielt und die Tür zur Residenz blockierte. Es dauerte einen Moment, bis ich begriff, dass sie stoppten. Nämlich genau jenen, den der derbe Schmerz in meinem rechten Oberarm brauchte, um einmal quer durch meinen Körper zu fahren, als ich auf den ersten Shinobi auflief. Nachdem ich die Schmerzen einigermaßen überstanden hatte und mein Blick sich geklärt hatte, konnte ich die besorgten Stimmen von Hanako und Karin hören, die von einem dumpfen Ton zunehmend klarer wurden. "Es geht", ächzte ich, und fixierte den dicken Getsugakure-Ninja, in den ich hinein gerannt war. Der Bursche hätte ohne Weiteres in Karins nähere Verwandtschaft gepasst, aber ich bezweifelte, dass er die überflüssigen Pfunde für das Familien-Jutsu brauchte - er war einfach nur fett. Andererseits hatte er nicht mal reagiert, als ich in ihn hinein gerannt war. Erst jetzt wandte er sich langsam um, und offenbarte ein Gesicht, das einem wohl dreißig Jahre alten Mann gehörte. Er musterte mich und die Situation. "Sicher, dass du an der Prüfung teilnehmen willst?"

Ich lächelte den größeren mit schmerzverzerrter Miene an. "Das Chunin-Examen ist leider nur einmal im Jahr, da kann ich nicht viel Rücksicht nehmen."

Für einen Moment schien der Mann verblüfft. Dann lachte er laut auf und klopfte seinen beiden Kameraden auf die Schultern. "Amir, Hassin, lasst doch mal die drei Küken aus Konoha vor. Einer von denen hat richtig Schneid." Die anderen beiden Ninjas aus Getsugakure drehten sich nun auch zu mir um. Der Rechte, ein großer, fast skeletthaft dürrer Shinobi, grinste mich an. "Was meinst du, Amir? Sollen wir?"

Der dritte in der Runde, ein kleiner, drahtiger Bursche, musterte uns eindringlich. Schließlich zuckte er mit den Schultern. "Warum eigentlich nicht? Es kann ihnen nur gut tun."

Die Konversation hatte ein wenig Aufmerksamkeit erregt, und neben den Getsu-Ninjas machten uns nun auch andere Shinobi Platz. Die Meisten von ihnen waren schon etliche Jahre im Geschäft, und sicher war dies nicht ihre erste Chunin-Prüfung. Als wir also vorgelassen worden ahnte ich, dass uns etwas erwartete, was speziell für die Neulinge bei der Prüfung inszeniert wurde.
 

Unter den grinsenden Blicken der Älteren gingen wir vor, passierten ein regelrechtes Spalier. Aus den Augenwinkeln bekam ich mit, wie die Getsugakure-Ninjas ihre zweite Gruppe zurückhielten, augenscheinlich Ninjas in unserer Altersstufe. Andere Gruppen wurden ebenfalls vorgelassen, und wir standen an der Spitze.

Bald hatten wir den Pfropfen an älteren Ninjas passiert. Dahinter erwartete uns ein gut belaufener, aber nicht überfüllter Gang. Ich ahnte, dass die Älteren absichtlich warteten, und einige sich dabei um ihre Kohais kümmerten, also die jüngeren Shinobi ihrer Orte. Die Getsugakure-Ninjas hatten auch uns zurückhalten wollen, und das rechnete ich ihnen spontan an; und vielleicht hatten sie uns nur durchgelassen, weil sie damit rechneten, das wir überwinden konnten was immer uns erwartete. Oder auch nicht.

Vor einer großen Tür, über deren Sims ein Schild darauf hinwies, dass der Prüfungsraum hinter ihr lag, stauten sich die jungen Genin. Eine Gruppe Kumogakure-Ninjas in unserem Alter hatte sich davor aufgebaut. Sie wirkten wie Wachtposten, aber sie hielten nicht wirklich jemanden zurück. Doch jeder, der den Mut aufbrachte, zwischen den vier bulligen, bösartig dreinblickenden Ninjas hindurch zu gehen, wurde wie von einer unsichtbaren Barriere zurück geworfen. Das stachelte andere an es zu versuchen, aber ihnen erging es nicht besser. Ich muss zugeben, auch ich fühlte mich von dieser Problematik, dieser Barriere, angezogen. Wie ich schon erzählt hatte, waren meine erbärmlichen sensorischen Fähigkeiten die Besten in der Gruppe, aber auch ich konnte nur eine große, dichte, kompakte Wand ertasten, welche das Jutsu darstellte, das uns den Weg versperrte.

"Warum macht Ihr nicht einfach auf?", rief ein Sunagakure-Shinobi entrüstet, und der wütende Ruf pflanzte sich schnell durch die Reihen fort. Ein eifriger Kirigakure-Ninja ließ sich zum Angriff auf den Kumo-Ninja ganz rechts hinreißen, und bevor er sich versah befand er sich am Boden, durch einen wirksamen Hebelgriff, den dieser mit nur einer Hand ausführte, fixiert.

"Langsam, langsam. Wir blockieren hier nichts und niemanden. Und wenn Ihr wirklich durch diese Tür wollt, dann müsst Ihr euch schon anstrengen. Das hat absolut nichts mit uns zu tun", sagte der Bursche selbstgefällig, und sein Grinsen reizte mich bis aufs Mark.

Karin zupfte an meinem Ärmel. "Mamo-chan, vielleicht...", begann sie. Aber sie verstummte, als Hanako-chan eine ärgerliche Verwünschung auf die unverschämten Kumo-Ninjas ausstieß.

"Was?", hakte ich nach, aber das Mädchen winkte ab. "Nur so ein Gedanke, Mamo-chan. Ist bestimmt nicht richtig."

"Okay." Ich hob eine Augenbraue. "Aber vielleicht willst du..."

"N-nein, nein. Es ist in Ordnung. Ich bin sicher, du bringst uns rein, Mamo-chan", sagte sie hastig.

Ich lächelte sie an. "Den Versuch ist es wert."

"Ja, genau", ereiferte sich Hanako. "Mamo-chan wird schon einen Weg durch die Barriere finden - schneller als alle anderen! Hörst du, Mamo-chan, die Ehre Konohas steht auf dem Spiel!"

Natürlich hatten das andere Ninjas gehört. Das Ergebnis war Aufmerksamkeit. Und zwar weit mehr als ich mochte. Hana-chan hätte sich in meiner Situation sicherlich wohl gefühlt, aber selbst sie verstand es, sich aus Dingen heraus zu halten, die sie nicht bewältigen konnte. Also schob sie mich vor.

Der Bursche aus Sunagakure musterte mich beinahe ärgerlich. Suna gehörte zu Konohas engen und besseren Verbündeten, aber ehrlich gesagt fand ich den Burschen schon von der ersten Sekunde an unsympathisch. Und das nicht nur weil er mit seinem viel zu groß gewickelten Turban lächerlich aussah. "So, so. Du kleiner Idiot willst also erreichen, woran der beste sensorische Ninja Sunagakures gescheitert ist, der große Tooma?" Er grinste mich abfällig an. Dann machte er eine einladende Geste zur Tür mit den vier grinsenden Wächtern. "Bitte sehr, Konoha, dein Versuch."

Oh, ich zweifelte schon daran, dass dieser Tooma der beste sensorische Ninja Sunagakures war. Aber ich zweifelte nicht daran, dass er besser war als ich. Und in meinem Geist machte das einen Baustein im Mosaik, welches die Situation gerade für mich bildete. Mit einem mentalen Klick fand es seinen Platz. Und mit einem kräftigen Stoß in den Rücken fand ich mich ganz vorne wieder. Dadurch schmerzte natürlich meine Schulter wieder, und ein gequälter Laut entwich meinen Lippen, bevor ich ihn unterdrücken konnte.

"Hey! Ich weiß nicht wie es bei euch Zuhause ist, aber hier wird auf einen verletzten Menschen mehr Rücksicht genommen!" Ein riesiger Schatten senkte sich auf mich nieder. Ich wandte mich um. Hinter mir kam ein wirklich großer Kumo-Shinobi heran. Er legte mir eine Hand auf die rechte Schulter, und wohlige Wärme durchströmte mich. "Wir kümmern uns nämlich um die Idioten, die das nicht können!" Der Bursche war mindestens zwei Meter zwanzig groß, und in den Schultern maß er genügend für zwei Männer. Er war muskelbepackt und so braungebrannt wie Kirabi-sensei. Er trug eine dicke Sonnenbrille, und das lange weiße Haar offen, wie eine Flut auf seine Schultern fallend. Er sah über mich hinweg auf das Tor zum Prüfungsraum und grinste breit. "Ach, dieses Spielchen schon wieder? Euch fällt auch nichts Neues ein", tadelte er die vier Torwachen."

Klick, ein weiteres Sortimentssteinchen.

Der Kumo-Shinobi ganz links grinste breit. Er sah nicht ein Jahr älter aus als ich, und dennoch hatte der Riese ihm vorgeworfen, so etwas öfter zu machen. Da die Austragungsorte des Examens variierten, bedeutete dies einen von zwei Fällen: Entweder reisten diese Shinobi von Prüfung zu Prüfung, oder sie waren auch schon bei der letzten Chunin-Prüfung in Kumogakure dabei gewesen. Den Punkt mochte ich nicht ausschließen. Immerhin hatte Konoha mit dem Jounin Kakashi Hayate einen Ninja, der bereits mit fünf Genin, und mit sechs Chunin geworden war. Doch ich bezweifelte sehr, dass dies allen vier Kumogakure-Shinobi vor mir gelungen war. Wenn ich also die Vermutungen wegließ und mich auf das stürzte, was wahrscheinlicher war, dann hieß das, dass diese vier auch beim letzten Examen in Kumogakure hier gestanden hatten, um die Tür zum Examensraum zu blockieren. Aber blockierten sie es wirklich? Nach eigener Aussage nicht. Und was hatte das für einen Sinn, wenn ältere Shinobi, die vielleicht selbst schon Chunin waren, den Saal blockierten?

War das ein schlechter Scherz? Oder schon die erste Prüfung? Ein Versuch, uns zu demoralisieren?

Tausend Gedanken wirbelten mir durch den Kopf. Wahrscheinlich war es eine Mischung aus beidem, um die Schwächeren unter uns vorab weich zu kochen, um es den Prüfern zu erlauben, die Sahne von der Milch leichter abschöpfen zu können.

Der letzte Stein fiel ins Mosaik, während mich die anderen jungen Genin erwartungsvoll ansahen. Nein, diese Genin aus Kumo blockierten die Tür nicht. Und sie hatten auch kein Jutsu gewirkt. Nicht so jedenfalls, wie wir es erwarteten. "Karin, was wolltest du mir gerade sagen?" "I-ich... Nicht so wichtig, Mamo-chan."

"Karin!", sagte ich scharf. Ich hörte sie hinter mir erschrocken einatmen. Dann klang ihre Stimme laut und hysterisch auf. "Dieses Jutsu ist wie eine massive Wand!" Leiser, beinahe kläglich fügte sie hinzu: "Denke ich."

Ich lachte laut auf. Ich hielt mir die Linke an die Stirn und lachte. Unruhe kam in die beobachtenden Shinobi. Unverständnis. Sie raunten unzufrieden. Der Anführer der Wächter griente mich an. "Wir behindern niemanden, hier durch zu gehen", wiederholte er. Aber dieser Aussage hatte es nicht mehr bedurft, damit ich mir sicher war. "Hana-chan", sagte ich ernst, ohne mich umzudrehen, "wie ist der Name dieses Raumes?"

"Das siehst du doch selbst! Examensraum! Steht doch groß drüber!", antwortete sie ärgerlich.

Ich sah sie an. "Bist du dir sicher?"

Sie starrte wütend zurück, aber da war ein winziger Moment, ein Augenblick, in dem sie mich verstand, in dem wir uns verstanden, in dem unser Teamwork sichtbar wurde. Sie sah mich überrascht an. Dann musste sie lächeln. Sie formte Daumen und Zeigefinger beider Hände zu einem Rechteck und sah hindurch, auf die schwere Holztür zum Examensraum. "Es steht doch nicht drüber."

Nun war es wieder an mir zu lachen. "Kommt, gehen wir. Wir haben hier keine Zeit mehr zu verschwenden."

An der Spitze meiner Gruppe ging ich tiefer in den Gang, bis ich den ersten Wegweiser sehen konnte. Der riesige Kumo-Shinobi folgte uns zufrieden grinsend.

"Hey, Konoha!", rief Tooma aufgeregt hinter mir. "Gibst du auf? Ist das Problem zu schwierig für dich? Ist das alles was Konoha zu bieten hat?"

Ich grinste noch immer, als ich mich noch einmal umwandte. "Geh doch ruhig weiter mit dem Kopf durch die Wand, wenn du willst. Ich für meinen Teil gehe mit meinem Team jetzt zur Prüfung."

Damit wandte ich mich wieder um. Ich war nicht hier, um dieses Rätsel für Sunagakure zu lösen, aber immerhin war ich nett genug gewesen, den anderen einen Hinweis zu geben. Einige der jungen Shinobi schienen zu begreifen. Manche lachten, andere schienen sich über sich selbst zu ärgern, aber nach und nach machten fast alle Gruppen Anstalten, uns zu folgen. Sicher hatten nicht alle erraten, was es mit der Barriere auf sich hatte. Oder vielmehr mit der Illusion, welche die vier Kumo-Ninjas dort gewoben hatten.

Unsicher sah Tooma über die Ninjas, die uns folgten, und noch unsicherer betrachtete er den stetigen Strom der erfahreneren Ninjas, die sich nun ebenfalls ins Gebäude ergossen und die Tür ignorierten. Ihm blieb schlussendlich nichts anderes, als seinen eigenen Leuten zu folgen, wollte er nicht allein zurückbleiben.
 

"Danke für den Hinweis, Omoi. Sonst hätte ich vielleicht nie gemerkt, dass deine Leute eine Tür vorgegaukelt haben, wo es in Wirklichkeit nur eine harte Steinwand gibt."

Verlegen sah der Riese mich an. Er löste sein Jutsu auf, kramte in seinen Taschen und zog fünf Lutscher hervor, die er großzügig unter uns verteilte. "Was hat mich verraten?"

Ich grinste breit. "Eigentlich nichts. Ich habe nur geraten. Du hast es mir gerade bestätigt."

"Gefährlicher kleiner Rüpel, du", tadelte Omoi und lachte zufrieden. "Ich sehe schon, Ihr Shinobi aus Konoha habt Potential. Aber du hättest bestimmter sein sollen, um deinen Verdacht zu äußern, Karin-chan." Das Mädchen senkte schuldbewusst den Kopf. "Und du hättest vielleicht von vorneherein mit einem Genjutsu rechnen sollen, Hana-chan." Die junge Frau wurde rot vor Ärger und Scham, sagte aber nichts. Sehr ungewöhnlich für sie. Und ein Zeichen dafür, wie gut Omoi getroffen hatte.

"Aber Ihr habt ja den großartigen Mamo-chan dabei. Was soll da noch schief gehen?"

Karin meldete sich mit einem schüchternden Handzeichen zu Wort. "Omoi-kun, die vier Genin, die da an der vermeintlichen Tür standen..."

"Ach, das hast du erkannt und nichts gesagt?" Omoi grinste, als auch auf Karins Wangen ein kräftiges Rot auftauchte. "Ein gutes Team lebt von den Fähigkeiten aller Mitglieder, und davon wie der Anführer die Informationen bekommt und verarbeitet. Ihr habt Mamo-chan nicht gut zugearbeitet."

"Er ist ja wohl auch nicht unser Anführer!", blaffte Hana-chan.

"Ich denke, für diese Prüfung wird er es sein. Und wenn du schlau bist, siehst du das auch ein, Hana-chan." Omoi wandte sich Karin zu. "Du hast also erkannt, dass die vier gar nicht in eurem Alter sind. Sondern dass sie sich ebenfalls mit Genjutsu ein jüngeres Aussehen gegeben haben, und oben im Saal als Prüfer auf euch warten."

"Äh, ja, bis auf das mit den Prüfern."

Okay, so weit hatte nicht mal ich gedacht. Ich sah Karin an, und fragte mich, ob ich sie nicht zu oft unterschätzte. Je mehr sie für sich behielt, desto schlimmer konnte das fürs Team werden.

"Karin", sagte ich ernst, "in Zukunft sprichst du alles aus, was dir durch den Kopf geht. Egal wie banal es klingt. Ich will alles hören." Omoi sah mich erstaunt an, und auch Hanakos Blick wäre unter anderen Umständen Gold wert gewesen. "A-alles?", fragte Karin unsicher.

Nun war es an mir, verlegen zu sein. "Ich meine natürlich im Einsatz", korrigierte ich mich. "Wir haben alle drei unterschiedliche Fähigkeiten und unterschiedliche Methoden, um Informationen aufzunehmen. Was nützt uns das, wenn wir die Informationen nicht zusammenlegen?"

"Okay. Ich verstehe", erwiderte sie. Sie lächelte fröhlich, und das war ein viel zu seltener Anblick. Ich machte mir bewusst, dass ich auch dafür verantwortlich war, der wortkargen und unsicheren jungen Akimichi mehr Grund zum Lächeln zu geben. Viel mehr Grund zum Lächeln. Immerhin waren wir mehr als Teampartner. Wir waren Freunde, und aufeinander angewiesen.

Omoi klopfte mir auf die Schulter. "So, hier geht es rein. Ihr müsst euch auseinander setzen, damit das Spiel nicht zu leicht wird. Aber keine Sorge, ich bin im Saal und schaue zu."

"Als einer der Prüfer?", argwöhnte ich.

"Als einer der Prüfer", erwiderte Omoi grinsend. Er betrat den bereits leidlich gefüllten Saal, und ging die Schräge bis zur großen Tafel durch, wo bereits weitere Shinobi warteten, unter ihnen auch Kirabi-sama und Uzuki-sensei.

Einige weitere Shinobi hatten sich bereits an den Wänden postiert und beobachteten die Eintreffenden mit mürrischen Mienen. "Aufteilen, Konoha", schnarrte einer von ihnen böse.

Ich sah Karin und Hanako an. "So, jetzt gilt es. Vergesst nicht, wenn wir diese Hürde nicht meistern, dann war es das für den Chunin-Rang. Ein ganzes Jahr lang. Also gebt euch Mühe. Und vergesst nicht, wir arbeiten so lange wir können als Team."

Die beiden nickten bestätigend. "Mamo-chan, wenn du es schaffst, kriegst du vielleicht was von mir", sagte Hanako. "Vielleicht. Und von Karin auch."

"Ja, ja, was auch immer. Und jetzt sucht euch Plätze, möglichst weit auseinander."

Für einen Moment starrte Hana-chan mich an, bevor sie mit einem gezischten "Idiot" an mir vorbei huschte. Auch Karin sah mich so merkwürdig an, beinahe verzweifelt, bevor sie sich mit einer gemurmelten Entschuldigung an mir vorbei drückte.

Und, was war das jetzt schon wieder? Ich seufzte. Als wenn ich mit dem gekappten Bizeps nicht schon genug Ärger hätte.

Karin hatte sich gemäß ihrer Art ins hinterste Drittel gesetzt, möglichst weit weg vom Vortragspult auf der Sohle des Saals. Hanako als alte Streberin hatte sich den letzten freien Platz in der zweiten vorderen Reihe links ausgesucht, und für mich blieb damit eine freie weite Auswahl.

Ich ließ meinen Blick über die freien Plätze schweifen und bemerkte Omoi, der wieder herauf stieg, um seinen Platz an der Wand einzunehmen. Kurz trafen sich unsere Blicke, und ich wusste, wo ich sitzen wollte. Direkt in seiner Nähe.
 

Die schriftlichen Prüfungen waren bereits ausgeteilt, aber die blanken Seiten lagen oben. Ein Ninja, dessen Stirnzeichen ich nicht erkennen konnte, wurde aus dem Saal geworfen, als er es wagte - noch nicht einmal besonders geschickt - unter die Zettel zu linsen.

Ein anderer machte es besser, indem er den Test durch einen Windstoß anhob und sein Ninja-Haustier, ein dürres pelziges Frettchen, an dem Hana-chan und Karin-chan sichtlich ihre Freude gehabt hätten, drunter schauen ließ. Ich bemerkte, dass Omoi das auch sah, aber dieser Ninja wurde nicht rausgeworfen.

Es dauerte einige Zeit, bis ich auf dem unbequemen Stuhl eine einigermaßen gute Sitzhaltung gefunden hatte, vor allem mit dem rechten Arm in der Schlinge war das nicht sehr leicht.

Als ich mich für einen Moment zurücklehnte, um zu entspannen, hörte ich wie der Stuhl neben mir zurückgezogen wurde. Ich sah herüber. "Tooma."

"Eben der." Er blickte mich grießgrämig, aber nicht böse an. "Du hättest mir das mit der Wand auch sagen können, anstatt mich dumm da stehen zu lassen."

Ich grinste dünn. "Was denn? Ausgerechnet der größte sensorische Ninja von Sunagakure braucht meinen Rat?"

Für einen Moment wirkte er ärgerlich, dann aber lächelte er dünn. "Vielleicht war ich mehr als ungerecht, als ich dich in die Mitte der Aufmerksamkeit schob. Vielleicht habe ich meinen Frust an dir abreagieren wollen. Das sind beides keine guten Eigenschaften für einen Shinobi. Und dafür entschuldige ich mich." Seine Miene wurde starr. "Aber das ich dich nicht mag ist eher eine persönliche Sache, Konoha."

Ich lachte leise. "Okay, damit kann ich sehr gut leben. Ich bin Mamoru Morikubo. Du musst mich also nicht weiterhin Konoha nennen."

"Und was ist, wenn ich das aber will?"

Ich schnaubte leise. "Dann nenne ich dich eben Suna."

"Ist mir vollkommen Recht, Konoha."

Für einen Moment tauschten wir ein freches, beinahe verständnisvolles Grinsen, das aber nichts daran änderte, das wir ab diesem Moment Rivalen waren.
 

"Wenn die beiden Herren aus Konoha und Suna sich dazu entschließen könnten, auch endlich zuzuhören", klang eine trockene, laute Frauenstimme zu uns hoch, "dann könnten wir mit der Prüfung eventuell beginnen. Falls es den beiden Herren genehm ist, meine ich."

Ätzender Spott stand in den Augen der blonden Frau am Rednerpult. So viel Spott, wie ich nicht ertragen konnte. War es das, was mich damals zu dieser Dummheit trieb? Wahrscheinlich ja. Ich war immer gut darin, meine eigenen Fehler einzusehen, aber Überheblichkeit hatte mir immer zu schaffen gemacht, vor allem Überheblichkeit gegenüber meiner Person. "Bitte, Sensei, tun Sie sich keinen Zwang an", sagte ich gönnerhaft.

Für einen Moment huschte Ärger über ihr Gesicht. Sie machte sich eine Notiz auf ihren Zetteln, und neben mir murmelte Omoi so etwas wie "Mamo-chan, du kleiner Idiot". Andererseits stand ich auch zu meinen Fehlern, gerade zu den dümmeren.

"Noch einmal für unsere beiden Helden aus Konoha und Suna: Ich bin Yugito Nii, die Hauptprüferin des schriftlichen Examens der heutigen Chunin-Prüfung. Die Prüfung besteht aus einem achtseitigen Fragenkatalog zu den Themen Aufgaben und Fähigkeiten eines Shinobi, speziell aber zu Führungsrollen. Es sind insgesamt achtundsechzig Fragen zu neun Wissensgebieten, von denen vierzig sogenannte Multiple Wahl-Fragen sind. Ihr könnt euch dort also, wenn Ihr die Antwort nicht wisst, eine von vier vorgegebenen Antworten aussuchen. Das Zeitlimit ist zwei Stunden und zehn Minuten." Sie sah in die Runde. "Noch ein wichtiges Wort in die Runde. Ihr habt gesehen, dass wir noch vor Beginn einen Shinobi aus dem Saal gewiesen haben, weil er versucht hat, sich die Prüfungsunterlagen anzusehen." Sie seufzte theatralisch, und ich fühlte mich versucht, auf den anderen Shinobi hinzuweisen, der nicht des Saales verwiesen worden war.

"Wir sind hier alle tapfere, erfahrene Shinobi, die alle eine Führungsrolle anstreben. Um das zu erreichen erwarten wir große Fähigkeiten, ja, Perfektion. Ich kann hier keinen kleinen Trottel passieren lassen, der derart plump zu betrügen versucht! Nur eine erstklassige Technik bringt hier den Erfolg!"

Erschrocken sackte ich ein Stück im Stuhl zusammen. Interpretierte ich das richtig, und hatte Nii-sensei uns gerade die Erlaubnis gegeben zu schummeln, wenn wir nur gut genug waren?

"Die Schiedsrichter an den Wänden beobachten euch genau", fuhr sie fort, "und beurteilen eure Leistungen. Jeder, der dreimal beim plumpen Abschreiben erwischt wurde, fliegt aus dem Saal. Und mit ihm seine Gruppenmitglieder."

Erneut runzelte ich die Stirn. Der erste Bursche, der raus geflogen war, war jedenfalls alleine gegangen. Aha. Klick. Ein Mosaiksteinchen in meinem Kopf fand seinen Platz.

"Also benehmt euch, wie es sich für fähige Shinobi und zukünftige Chunin gehört, und enttäuscht die Prüfer nicht."

Sie sah ins weite Rund, und der letzte Blick galt Tooma und mir. Natürlich. Es war kein besonders netter Blick. "Beginnt... Jetzt!"
 

Schnell wendete ich die Blätter und erkannte schon auf Seite eins, dass der Durchschnitt der Fragen für mich problemlos zu beantworten war. Der Block mit den vorgefertigten Antworten war da schon schwieriger zu beantworten, und ich ahnte, dass Karin die meisten nicht schaffen würde. Knapp die Hälfte war auch mir zu schwierig, und in einigen Bereichen, die Hana-chan geradezu lächerlich leicht fielen, würde ich raten müssen. Hm. Ich sah die Ränge hinab. Hanako lächelte verschmitzt zu mir herüber. Anscheinend hatte sie die gleiche Idee wie ich. Anschließend sahen wir Karin an, die bei der Art der Fragen schon leichte Anzeichen von Verzweiflung zeigte. Aber unsere zuversichtlichen Blicke beruhigten sie.

Wenn ich Nii-sensei richtig verstanden hatte war schummeln und abschreiben erlaubt, wenn wir es wie gute Shinobi machten. Also sprach nichts dagegen, dass Hana-chan ihr Familien-Jutsu des Bewusstseinstransfers benutzte, um mich und Karin zu übernehmen. Alle unsere Antworten zusammengenommen mussten sie in die Lage versetzen, bei jedem von uns die richtigen Antworten einzutragen. Und alles was ich dafür tun musste, war all jene Fragen zu beantworten, deren Antwort ich wusste, und Hana-chan dann ein Zeichen zu geben. Das war doch zu schaffen.

Zuversichtlich blätterte ich bis auf die letzte Seite durch. Der Text dort überraschte mich doch sehr. Frage achtundsechzig, stand da, würde erst in den letzten zehn Minuten der Prüfung mündlich gestellt werden und mehr Gewicht haben als alle anderen siebenundsechzig Fragen zusammen genommen. Ich widerstand der Versuchung, mir an den Kopf zu fassen und laut aufzustöhnen. Was also hinderte komplette Fachidioten daran, alles auf eine Karte zu setzen, die anderen Fragen zu ignorieren und darauf zu hoffen, nur die letzte beantworten zu können? Das bedeutete eine Fünfzig-Fünfzig-Chance. Mehr noch, es machte alle anderen Fragen nahezu wertlos.

Mein Blick ging zu Omoi, aber der Kumo-Ninja gab sich unbeteiligt und sah mich nicht an. Es hätte mich nicht besonders überrascht, wenn er begonnen hätte, unschuldig zu pfeifen.

Dennoch, es blieben über zwei Stunden totzuschlagen, und da ich Risiken nicht sehr mochte - damals wie heute - machte ich mich an die Beantwortung der Fragen.
 

Während ich meine Fragen bearbeitete, bemerkte ich aus den Augenwinkeln etliche der anderen Prüflinge kräftig arbeiten. Der mit dem Frettchen ließ es laufen, damit es bei seinen Teamkameraden auf die Tests schauen konnte. Das war den Prüfern jedoch offensichtlich zu simpel, und nach dem dritten Versuch wurden alle drei zum Hauptausgang aus dem Saal geworfen.

Andere machten es besser. Ich bemerkte einen Kirigakure-Ninja, der mit Hilfe zweier Kunais einen Spiegel an der Decke platziert hatte, mit dem er seinen Nachbarn vor sich in die Texte blicken konnte. Das fand anscheinend Gnade vor den Prüfern. Ein anderer benutzte ein winziges Insekt, das für ihn von Blatt zu Blatt flog. Es erinnerte mich sehr an den Aburame-Clan in Konoha. Und es machte mir bewusst, dass wir in Konoha nicht die einzigen Insektenbändiger hatten.

Zwei weitere Ninja tauschten ihre Unterlagen blitzschnell aus, obwohl sie aus unterschiedlichen Dörfern stammten. Zumindest behaupteten das ihre Stirnbänder. Hm. Auch die Methode fand Gnade vor den Prüfern, andere jedoch nicht. Zum Ablauf der ersten Stunde hatten von rund einhundert Shinobi schon über dreißig den Saal verlassen müssen.

Ich selbst hatte ausgefüllt was ich wusste. Es wurde Zeit, Hana-chan ein Zeichen zu geben.

Ich ließ den Stift fallen, zerdrückte einen derben Fluch zwischen den Lippen und nahm den rechten Arm aus der Schlinge. Dann streckte ich beide Arme durch, und wie erwartet zuckte beißender Schmerz durch den Oberarm und ließ mich fast aufheulen. Das provozierte einiges an Gelächter. "Ich dachte, das wäre schon fertig", murrte ich entschuldigend, musste aber den linken Arm zu Hilfe nehmen, um meinen verletzten Arm wieder in der Schlinge zu platzieren.

Dann schlug das Bewusstseinstausch-Jutsu der Yamanakas zu, und ich tauschte mit Hana-chan die Körper. Bis sie fertig war, würde ich wehrlos sein, gefangen in ihrem Leib, ohne etwas zu fühlen, ohne handeln zu können. Aber sehen konnte ich, und Hanako hatte sich vor dem Bewusstseinstransfer so platziert, sodass ich auf ihre Unterlagen sehen konnte. Genau auf jene Parts, die sie beherrschte, und die mir schwer fielen. Das kleine Biest konnte es nicht lassen, mir eine Nachhilfelektion zu erteilen. Und durch die Lähmung konnte ich ihr nicht entkommen. Das frustrierte beinahe ebenso wie es mich amüsierte.

Eine Viertelstunde später löste sie das Jutsu auf, und ich konnte zufrieden auf fast sechzig ausgefüllte Fragen schauen. In diesem Moment würde sie wohl Karin übernehmen und ihre Fragen beantworten. Eventuell, wenn die Zeit reichte, würde sie dann noch mal meinen Körper übernehmen, und die restlichen Fragen beantworten.

Zwei weitere Gruppen wurden aus dem Raum geworfen, und die Arten des Abschreibens wurden immer subtiler. Ich bemerkte zwei Shinobi aus Kumogakure, die ein ähnliches System wie wir zu verwenden schienen. Eine Gruppe aus einem Ninjadorf, dessen Zeichen ich nicht kannte, eine große Achtelnote, tauschten sich durch eine Art Summen am oberen Ende des hörbaren Spektrums aus. Das war ein Bereich, den neunzig Prozent aller Shinobi nicht hören konnten, und viele von ihnen verloren diese Fähigkeit mit zwanzig, dreißig Jahren auch noch.

Und dann war da auch noch Tooma neben mir, der seinen Bogen mit schlafwandlerischer Sicherheit ausgefüllt hatte. Doch nun schien er in einer Klemme zu stecken, denn er klopfte nervös mit seinem Stift einen leisen, aber energischen Takt auf dem Holztisch. Zumindest wirkte es so auf mich - auf den ersten Blick. Bis ich bemerkte, dass einer von Toomas Partnern vor ihm saß; und wie sich der Schriftzug auf dessen Rücken subtil veränderte und neue Worte bildete. Tooma beantwortete dies, indem er heftig zu radieren und gut hörbar erneut über das Papier schrieb. Es ergab ein ähnliches Stakkato wie das Klopfen. Ich musste zugeben, das war subtil und geschickt.

Als die zweite Stunde um war, befanden sich nur noch knapp fünfzig Prüflinge im Raum. Unter ihnen waren die meisten älter. Ich wusste, das hatte etwas zu bedeuten.

"So, legt die Stifte beiseite." Nii-sensei fixierte Tooma und mich. "Auch die beiden Scherzbolde auf der fünften Bank, bitte. Es wird Zeit für die letzte Frage."

Gehorsam legten wir die Stifte beiseite.

"Aber bevor wir dazu kommen..." Nii.-sensei hielt inne, bis von den Prüfern Notizzettel bis zu ihr durchgereicht worden waren. "...möchte ich feststellen, dass es keine Gruppe hier im Raum gibt, die nicht betrogen und abgeschrieben hat. Ihr habt Glück und seid alle unter höchsten zwei Versuchen geblieben. Aber diese Häufung und Dreistigkeit kann ich nicht dulden. Ich fürchte, ich muss hier ein wenig Selektion betreiben, bevor wir zur letzten Frage kommen." Sie zeigte ein strahlendes Lächeln, als sie mich direkt ansah. "Ah, Konoha Eins. Morikubo, Yodama, Akimichi. Ihr habt alle je zwei Verweise wegen Abschreiben. Das ist ein wenig viel, meint Ihr nicht?" Sie seufzte laut. "Aber ich will mal Gnade vor Recht ergehen lassen, weil Ihr euch Mühe gegeben habt. Ich schließe einen aus eurer Gruppe aus und gestatte den anderen beiden, hier im Raum zu bleiben. Karin Akimichi, du bist die Schwächste in der Gruppe. Du wirst..."

Ich fuhr auf und schlug auf mein Pult. Das heißt, ich wollte drauf hauen, aber von unten klang bereits der harte Schlag einer Hand auf Holz zu mir herauf. Hana-chan stand bereits. Sie sah Nii-sensei böse an. "Wenn, dann müssen Sie uns alle drei bestrafen, Sensei, denn es war eine Gemeinschaftsarbeit! Und wagen Sie es ja nicht, Karin als die Schwächste in unserer Gruppe zu bezeichnen! Sie kennen sie ja gar nicht!"

Nii-sensei runzelte die Stirn. "Hör mal, Kleines, ich versuche hier, euch die Chance zu geben, doch noch in die nächste Prüfung zu kommen, und..."

"Das können Sie sich sparen", sagte ich ernst. "Wir sind, wie Sie so schön sagten, Konoha Eins, und wir lassen unsere Kameraden nicht im Stich. Karin soll den Raum verlassen? Dann gehen wir mit."

Nii-sensei lachte abfällig. "Und du meinst, bei der nächsten Prüfung wird es dir leichter fallen? Dir oder ihnen?"

"Wir werden sehen. Und hart dafür trainieren", erwiderte ich. "Gehen wir."

"Nicht oben raus. Unten lang", sagte Nii-sensei und deutete auf die Tür neben der Tafel.

Omoi verließ seinen Platz neben meiner Bank. Mit steinerner Miene stieg er auf die untere Ebene herab und öffnete die Tür für uns drei. Hanako stand der Trotz deutlich ins Gesicht geschrieben, und Karin sah so aus als würde sie jeden Moment in Tränen ausbrechen. Ich legte meinen gesunden Arm um sie und drückte sie tröstend. "Lass dir das nicht an die Nieren gehen. Das war reine Willkür. Und nächstes Mal machen wir es eben einfach besser, okay?"

Ihre Augen schimmerten feucht, als sie neben mir durch die Tür in einen weiteren, kleineren Saal trat. Kirabi-sama erwartete uns hier. Seine Augen und seine Miene waren ausdruckslos. Mit einer fahrigen Geste zeigte er auf eine Reihe von Stühlen. "Setzt euch, bitte. Es wird noch ein wenig dauern."

Gehorsam nahmen wir Platz. "Auf jeden Fall wissen wir jetzt einiges über die Fragen, die gestellt werden", sagte Hanako mit einem falschen, fröhlichen Lächeln. "Das wird uns nächstes Jahr mächtig weiter helfen."

"Interessant. Wollen wir dafür eine Studiengruppe bilden?", klang Toomas Stimme an der Tür auf. An der Spitze seiner Sunagakure-Gruppe trat er ein und folgte der Aufforderung Kirabi-samas, sich ebenfalls zu setzen.

"Vielleicht sollten wir das, wenn das bedeutet, dass der beste sensorische Ninja Sunas mit uns ist", stichelte ich.

Bevor er antworten konnte, öffnete sich die Tür erneut, und ein weiterer Trupp trat ein. Ich erkannte sie als die Gruppe älterer Ninjas aus Getsugakure; ihre jüngeren Kameraden waren schon während der Prüfung wegen Schummelns raus geflogen. Sie sagten nicht viel, und auch Kirabi-sama machte nicht viele Worte. Tooma und ich schwiegen, während der Saal sich in den nächsten zehn Minuten deutlich füllte. Das waren in etwa jene zehn Minuten, die für die letzte Frage veranschlagt worden waren, ging es mir durch den Kopf. Der Strom an Ninjas versiegte. Es waren vor allem ältere Teams im Saal, nur wir, Toomas Gruppe und eine aus Kirigakure war in meinem Alter.

Aus dem Prüfungssaal erklang plötzlich wütendes Geschrei, dann war es schlagartig still.
 

Nii-sensei trat ein, abfällig schnaubend, gefolgt von einigen der Prüfer. "Jedes mal der gleiche Ärger mit den Halbstarken", sagte sie und kam zu Kirabi-sama.

"Bitte, Yugito-kun", sagte Kirabi, aber die junge Frau winkte ab. "Nein, Sempai, Sie haben heute ein persönliches Interesse, das Ergebnis zu verkünden, oder?"

Kirabi-sama schnaubte bestätigend. Übergangslos verschwand das aufgesetzte, nichtssagende Gesicht, und dem jungen Mann schien ein Leuchten aus den Augen zu springen.

"Ergebnis?", fragte ich irritiert, als ich nun auch noch Omoi, Karui und Samui lächeln sah.

"Herzlichen Glückwunsch!", sagte Kirabi-sama, und sah uns an, eine Bande von jetzt noch knappen vierzig Shinobi, "Ihr habt die schriftliche Prüfung bestanden!"

Überrascht schnaubte ich aus. Neben mir begann Karin zu weinen, während Hanako-chan konsterniert in Richtung des Kumo-Shinobi starrte.

Auf meiner anderen Seite stockte Tooma mitten in einem abgehackten Lachen, und seine beiden Teamkameraden klopften sich jubelnd auf die Schultern. Das Meiste ging im allgemeinen Jubel unter, der plötzlich herrschte.

Als es ein wenig ruhiger geworden war, lächelte Nii-sensei ins Rund. Sie hob eine Hand, und nach und nach kamen die Jubelnden zur Ruhe. "Lasst mich das erklären. Wir haben hier nicht nur euer Wissen getestet, sondern auch eure Fähigkeiten, vor allem aber die Zusammenarbeit und eure Ninja-Techniken. Ihr konntet alle maximal einhundert Punkte erreichen, musstet aber jeder für sich mindestens achtzig schaffen. Alle die hier sitzen haben einzeln über achtzig Punkte erreicht. Das letzte Hindernis war die achtundsechzigste Frage, nämlich ob Ihr einen Teamkameraden zurücklassen würdet, um im Examen weiter zu kommen."

Sie hielt kurz inne, und ein Blick voller Respekt streifte Hanako. "Für einen Shinobi ist es natürlich wichtig, seinen Auftrag zu erfüllen, das Missionsziel zu erreichen. Dafür muss er oft genug Wagnisse eingehen, auch Kameraden opfern, und irgendwann auch das eigene Leben, wenn es hart genug wird. Aber er muss auch erkennen, wann er dies tun muss, und wann er besser seine Leute zurücknimmt und auf eine zweite, bessere Chance wartet. Shinobi sind wertvoll und sollten nicht in aussichtslosen Situationen verheizt werden. Vor allem nicht, wenn absehbar ist, dass es eine zweite Chance gibt."

"Oder anders ausgedrückt, als Ihr aufgefordert wurdet, einen von euch zurückzulassen um weiter zu kommen, obwohl im nächsten Jahr eine weitere Prüfung ansteht, musstet Ihr euch entscheiden, geschwächt in die zweite Runde zu gehen, oder besser vorbereitet in einem Jahr zu wiederholen." Kirabi-sama sah ins Rund. "Alle, die hier sitzen, haben die richtige Wahl getroffen und erfüllen den Standard, den wir von einem Chunin erwarten. Also noch mal, Gratulation."

Merkwürdig, wenn ich mich recht erinnere, war die Erleichterung für mich so groß, dass ich zehn Minuten lang den schmerzenden Bizeps nicht mehr spürte. Die erste Runde war geschafft.

"Aber ab hier wird es nur noch schwerer", mahnte Nii-sensei. "Ab hier wird die Zahl der Teilnehmer mindestens halbiert werden."

Sie sah zu mir und meinen Kameradinnen herüber. "Konoha Eins, mir wurde zugesagt, dass Ihr nächstes Jahr Erlaubnis habt, die theoretische Prüfung zu überspringen, wenn Ihr euch wegen der Verletzung von Mamoru Moribuko zurückzieht."

Im ersten Augenblick wollte ich energisch widersprechen, aber dann begriff ich, dass auch meine nächste Antwort eine Prüfung war. Wenn schon nicht für das Chunin-Examen, dann aber doch für mich selbst. Ich war verletzt, nicht gerade leicht verletzt, und wir wussten nicht, was uns als nächstes erwartete. Da wir "halbiert" werden sollten, lief es wohl auf eine Prüfung unserer Leistungsfähigkeit hinaus. Und ich war definitiv gehandicapt.

Hana sah mich ernst an; sie überließ die Entscheidung mir. Karins Blick war ängstlich, aber auch sie schien entschlossen, meiner Entscheidung zu folgen.

"Kirabi-sama?" Der große weißhaarige Mann wiegelte mit beiden Händen ab. "Schieb das nicht auf mich, Junge."

Ich sah zu meinen Freunden unter den Kumo-Shinobi herüber, aber die drei fanden plötzlich die Decke sehr interessant. Verräter.

Also sah ich Tooma an, der überrascht zurück sah. "Keine Ahnung, ob du das schaffst. Traust du es dir denn zu?"

Das gab für mich den Ausschlag. "Ninjas müssen oft mit Handycaps kämpfen, nicht selten um ihre Leben. Ich bin gespannt, wie weit ich mit meiner Wunde komme." Ich nickte entschlossen. "Konoha Eins nimmt weiterhin Teil."

"Irgendwie habe ich das geahnt", seufzte Kirabi. "Sie nehmen Teil, Yugito-kun."

"Ja, Sempai." Sie lächelte ins Rund. "Eine Stunde Pause für alle. Mittagessen steht in der Kantine im Erdgeschoss bereit. Anschließend sammeln wir uns wieder im Prüfungsraum und ziehen gemeinsam weiter zur zweiten Prüfung. Ihr seid entlassen."

Mit diesen Worten löste sie die Gruppe auf; wir waren einen großen Schritt weiter auf dem Weg, um Chunin zu werden.

***

"Junge, das war ein Spaß", sagte Omoi und schlug mir dankenswerterweise auf die linke Schulter. "Für nen Moment dachte ich schon, du erkennst die Falle nicht, aber dann kam dir ja Hana-chan zu Hilfe."

"Glücklicherweise", bestätigte Samui mit einem zufriedenen Lächeln.

Ich tauschte einen verdutzten Blick mit Hanako. "Also, wir haben das ernst genommen", sagte ich.

Die beiden Shinobi erstarrten. Karui begann zu lachen. "Da stehen mir ja zwei Einladungen zum Barbeque bevor."

"Ihr habt gewettet?", fragte Karin entrüstet.

"Ja, ob Ihr erkennt, dass die letzte Frage die danach war, ob Ihr einen Partner opfert oder nicht. Bis jetzt dachte ich, Ihr hättet nur gut geschauspielert", murrte Omoi missmutig. "Karui einladen, das wird ein teurer Spaß."

"S-soviel esse ich nun auch wieder nicht", beschwerte sie sich.

"Apropos essen, seid Ihr fertig?", fragte Samui. "Es wird nämlich Zeit für euch. Und ab hier wird es schwerer, nicht leichter."

"Wir sind fertig." Ich lächelte dünn. War das die richtige Entscheidung gewesen? Hätte ich mich vielleicht doch fürs nächste Jahr entscheiden können, mit der Option die erste Prüfung zu überspringen? Aber Ninjas im Feld hatten eher selten die Chance dazu, also war mir meine Entscheidung logisch vorgekommen. Ansonsten hätte ich mit der Verletzung doch nicht mal zur schriftlichen Prüfung antreten sollen, oder? Nun, wenn ich mir das oft genug sagte, dann würde ich es eventuell auch selbst glauben.
 

Im Prüfungsraum angekommen erwartete uns bereits ein düster drein blickender Kerl, groß, vierschrötig, mit einer langen schwarzen Mähne. Die Nase hatte schon bessere Zeiten gesehen, so etwa vor dem vierten oder fünften Bruch. Er stand neben Kirabi-sama und Nii-sensei und betrachtete die neununddreißig Prüflinge, die wieder in den Raum traten. Neununddreißig, das bedeutete dreizehn Teams. Unseres, Toomas Team aus Sunagakure, zwei aus Kirigakure, vier aus Kumogakure, unsere Bekanntschaft aus Getsugakure, dieses Team mit der Note als Stirnbandzeichen, zwei aus Iwagakure, und das letzte aus Kusagakure.

"Da habt Ihr aber ein paar viele Prüflinge übrig gelassen." Er warf Nii-sensei einen bösen Blick zu. "Du wirst weich, Mädchen."

Die blonde Frau lächelte tiefgründig. "Vielleicht sind auch einfach nur so viele ernsthafte Kandidaten für den Chunin-Rang unter ihnen, Motoi-sempai."

Der große Mann ließ einen abfälligen Laut hören. "Ernsthafte Kandidaten für den Chunin-Rang? Du wirst also tatsächlich weich. Das hätte ich ausgerechnet von dir nicht erwartet." Er sah wieder zu den wartenden Genin herüber. "Aber ich werde die Zahl radikal reduzieren." Er lächelte plötzlich, aber er schien in dieser Disziplin so unerfahren zu sein, dass Karin neben mir instinktiv nach meinem Ärmel griff und einen erschrockenen Laut machte. Nein, ich musste mich korrigieren. Mutui wusste genau, wie sein Lächeln wirkte.

"Ich habe das südliche Trainingsgebiet vorbereiten lassen. Wir brauchen sechs Stunden, um es zu erreichen. Deshalb werden wir jetzt sofort aufbrechen. Alles weitere erkläre ich dort." Ohne weiter auf uns zu achten ging er zwischen uns durch zum Ausgang und verließ den Saal. Die anderen Genin folgten ihm, und auch ich wollte mit meinen Kameradinnen aufspringen. Doch Kirabi-sama winkte uns heran.

"Ihr seid gehandycapt", stellte Kirabi-sama fest, "und das ist zu einem beträchtlichen Teil meine Schuld."

"Kirabi-sama, wenn Sie deshalb Schuldgefühle haben, dann..."

"Halte die Klappe, Mamoru." "Ja, Kirabi-sama."

"Also, ich bin Schuld daran, dass Mamoru nur die Hälfte wert ist. Deshalb gebe ich euch ein wenig Starthilfe. Karin, du bist die Recherchekoryphäe des Trupps, also höre aufmerksam zu."

Die nächsten zehn Minuten verbrachte Kirabi-sama damit, uns die gefährlichsten Spezies der Flora und Fauna zu erklären, die uns im südlichen Trainingsgebiet erwarten würden. Das Ganze auf einer Fläche von fünfzehn Quadratkilometern. Das waren wirklich keine schönen Aussichten. Ich wollte weder von pfeilschnellen Raubechsen gefressen werden, die im Rudel jagten und mit ihren Kunai-scharfen Krallen einen Menschen längs aufschlitzen konnten, bevor er schrie; noch wollte ich in das Nest einer roten Winzspinne treten, deren Biss in wenigen Sekunden tödlich war, und die einen Tritt in ihr Nest überhaupt nicht mochte. Das waren nur zwei der Gefahren, von denen die meisten natürlich auch den Kumo-Genin bekannt sein mussten.

Kirabi-sensei musterte uns streng. "Habt Ihr das alles verstanden?"

"Ja, Kirabi-sama." "Gut, dann geht da raus und zeigt Kumogakure aus welchem Holz die Shinobi von Konoha sind." Er verlor sein Lächeln für einen Moment. "Wir hatten eine schwere Zeit miteinander, Kumogakure und Konohagakure. Noch immer gibt es Stimmen im Rat und in den Reihen unserer Shinobi, die sagen, dass wir den Frieden zu leichtfertig angeboten haben, dass wir hätten siegen können. Zwei der Kumo-Genin-Gruppen im Examen haben Mentoren aus dieser Fraktion. Ich würde es gerne sehen, wenn die Stärke von Konoha von unseren Leuten anerkannt wird. Das könnte den Frieden besser sichern als ein Machtwort meines Bruders." Er machte einen enttäuschten Laut. "Du hättest zu keinem schlechteren Zeitpunkt verletzt werden können, Mamoru."

Okay, ich war nicht der Schnellste, weder beim Fast Step, noch beim Denken. Ich war der Erste, der das zugab. Aber ich verstand. Und ich kapierte auch, warum Kirabi-samas Gruppe uns hatte abholen wollen. Wir hatten Kumogakure um jeden Preis erreichen sollen, um den Shinobi und dem Rat präsentieren zu können, dass ein neuer Kampf mit Konoha zumindest kostspielig werden würde. Andererseits zweifelte ich nicht eine Sekunde an der Zuneigung von Kirabi-sama, die er uns zeigte, und auch nicht an der Freundschaft, die sich zwischen uns und Omoi und den Mädchen entwickelt hatte. Für sein Ziel, für unser gutes Abschneiden, war Kirabi-sama sogar so weit gegangen, die Regeln zu biegen. Nicht zu brechen, denn von den natürlichen Gefahren hätten wir früher oder später doch erfahren. Aber er bog sie, indem er uns auf die beiden Kumogakure-Teams aufmerksam machte, die es eventuell auf uns abgesehen haben mochten. Verdammt, und ich konnte keine Fingerzeichen formen.

Er strich den Mädchen mit beiden Händen über die Haare, und gab mir anschließend einen schmerzhaften Knuff gegen mein Kinn. "Enttäuscht mich nicht, meine Kleinen. Zeigt mir, was Ihr drauf habt."

"Und dafür werdet Ihr genügend Gelegenheit haben", sagte Nii-sensei mit einem gefährlichen Grinsen. Wenn ich zuvor nicht geahnt hätte, dass es schwer werden würde - jetzt wusste ich es.

Omoi winkte uns. "Mir nach. Ich kenne eine Abkürzung."

Wieder verließen wir den Saal zum hinteren Raum, von dort führte eine Geheimtür zu einem Laufgang, der zu einer Treppe ohne Stufen führte. Omoi sprang gut ein Stockwerk hinab, und die Mädchen folgten ihm ohne zu zögern. Als ich hinterher sprang, fing mich der große Kumo-Shinobi auf. Ich wusste die Geste zu schätzen, und auch seine Sorge, also verriet ich ihm nicht, dass mir der Arm schlimmer schmerzte, als er es getan hätte, wenn ich alleine gelandet wäre.

Der Gang führte auf den Hof, wo die anderen Shinobi noch immer warteten.

"Gut, wir sind vollständig. Mir nach." Motoi-sensei ging voran, Richtung Norden, was mich anfangs etwas verwunderte. Aber die Wege von Kumogakure waren verschlungen, und bevor wir die dritte Postenkette passiert hatten, waren wir schon wieder auf dem Weg nach Süden.

***

Als wir das Trainingsgebiet erreichten, war es schon dunkel. Die Nacht war Sternenklar, deshalb gab es genügend Licht, um sich zu orientieren. Das würde wahrscheinlich auch bitter nötig sein, denn Motoi machte keine Anstalten, ein Lager zu errichten. Das bedeutete, das er uns sofort in das Trainingsgelände jagen würde.

"So, Ihr Möchtegern-Chunin!", erklang Motoi-senseis kraftvolle Stimme, "heute steht euch eine ganz besondere Mission bevor! Ihr werdet gleich dreizehn Chunin von Kumogakure folgen. Sie bringen euch zu unterschiedlichen Abschnitten des Umgebungszauns. Sie haben feste Pläne, wann sie euch in das Trainingsgebiet hetzen. Diese Zeiten variieren bis zu zwei Stunden. Ihr habt zwei Aufgaben, die eng mit dem Wesen eines Shinobi verbunden sind. Die erste Aufgabe ist, innerhalb der nächsten vierundzwanzig Stunden den Turm in der Mitte des Trainingsgebiets zu erreichen. Aber da ich versprochen habe, eure Zahl mindestens zu halbieren, werden nur die ersten sechs Teams auch eingelassen."

Ich atmete heftig aus. Das bedeutete, das sieben Teams nicht eingelassen werden würden. Mit anderen Worten: Es würden die Fetzen fliegen, sobald sich zwei Teams trafen.

"Das ist jedoch nur ein Aspekt der Prüfung. Ein weiterer sind die Kugeln!" Er hielt eine faustgroße Kugel in die Höhe, die seltsam golden von innen schimmerte. In der Kugel schimmerte ein einzelner Stern. "Dies ist eine Teamkugel. Jede von ihnen hat eine gewisse Anzahl Sterne in sich, die sie erst enthüllen wird, sobald zwei Teams aufeinander treffen. Teams, deren Kugeln die gleiche Anzahl Sterne enthalten, sind Partner."

Ich runzelte die Stirn. Auf diese Weise würden wir gezwungen sein, andere Teams zu suchen, alleine schon um zu wissen, welche Anzahl Sterne unsere Kugeln hatte.

"Auf dem Schlachtfeld ist es manchmal sehr schwer, Freund und Feind zu unterscheiden. Außerdem hat man manchmal die merkwürdigsten Verbündeten, und muss sich trotzdem für sie einsetzen. Ninjas, die sich gerade noch gehasst haben, müssen aufgrund der Politik plötzlich gemeinsam kämpfen. Das ist nichts Neues, das ist nichts Ungewöhnliches. Der Auftraggeber hat immer Recht. Und deshalb.."

Motoi-sensei schwieg lange und bedeutungsschwer. Ich ahnte, dass er die Möglichkeiten, uns in Konflikte zu treiben, noch weiter erhöhen würde.

"Und deshalb wird es euch nur gestattet sein, den Turm zu betreten, wenn Ihr mindestens ein Partnerteam gefunden habt! Fragen?"

"Wie viele Partnerteams gibt es?", fragte Tooma, und ich hielt die Frage an sich für schlau. Aber ich erwartete keine ehrliche Antwort.

"Es gibt zwei Zweiergruppen, eine Vierergruppe und eine Dreiergruppe. Auf dem Schlachtfeld sind die Zahlen selten ausgewogen, also gewöhnt euch daran."

Na toll. Nicht nur, dass wir einander suchen mussten, um mindestens eine Partnergruppe zu finden, wir liefen auch Gefahr, von einer Vierergruppe zerquetscht zu werden. Und wenn die Vierergruppe zueinander fand, wer würde sie dann noch davon abhalten, den Turm zu erreichen? Von ihrer Gnade mochte es dann abhängen, welchem anderen Bündnis der Eintritt gestattet wurde. Eines war klar, die Dreiergruppe konnte keine Gnade erwarten, denn wenn sie zusammenfand, hatte sie genau ein Team zuviel. Und Verbündete durften einander nicht angreifen. Ich ahnte, dass die Jounin Kumogakures schon darauf achten würden, ob wir uns an die Regeln hielten.Aber vielleicht ließen sie es durchgehen, wenn wir die Regeln elegant brachen, so wie bei der schriftlichen Prüfung, auf Ninja-Art.

"Keine weiteren Fragen? Dann wartet jetzt auf euren Chunin und begebt euch zu eurem Tor."
 

Es dauerte nicht lange, dann kam Samui zu uns. Sie lächelte in der sternklaren Nacht, und das Licht der Sterne glänzte auf ihren goldenen Haaren und den weißen Zähnen. Ein Anblick, der mich berührte.

"Ich bringe euch zu Tor vier. Ihr dürft in gut zwanzig Minuten als eine der ersten Teams auf das Trainingsgelände." Sie drückte Hanako die Kugel in die Hand. Im Moment war sie noch klar, ohne Stern, aber das würde sich ändern, sobald wir dem erstbesten Team begegneten. Hana-chan ließ die gleißende Kugel in ihrem Kragen verschwinden, und ich fragte mich damals ehrlich, wie der Ball dort genug Halt gefunden hatte, um nicht einmal durch zu rutschen. Ehrlich gesagt hatte ich auch nicht besonders auf die körperliche Entwicklung der Mädchen geachtet, sonst wären mir schon damals ein paar wichtige Details aufgefallen. Das Glimmen wurde so unterdrückt, und ich akzeptierte, dass sie die Kugel so jederzeit griffbereit hatte.

Samui lächelte zufrieden. "Kommt jetzt." Sie führte uns mit Fast Steps von den anderen weg, bis zu unserem Tor. "Uzuki-sensei erwartet euch im Turm. Sie geht fest davon aus, dass Ihr es schafft."

"Natürlich schaffen wir das! Wir sind schließlich bald Chunin!", rief Hanako enthusiastisch. Seltsamerweise stimmte Karin in den Jubel mit ein, und ausnahmsweise war ich es, der eher halbherzig und viel zu leise mitjubelte.

"Mamo-chan!", tadelte sie mich.

"Ich habe Schmerzen, okay?", log ich, um mich aus der Affäre zu ziehen.

"Schmerzen? Sollen wir abbrechen?", fragte sie mitfühlend.

"Verarschen kann ich mich alleine", erwiderte ich frostig. Ihr Konter war so unerwartet gekommen, es löste meinen Beissreflex aus.

Sie sah mich konsterniert an. Zweimal setzte sie zum Sprechen an, doch schließlich wandte sie sich um. "Idiot!"

Samui schloss den Zaun auf. "Die meisten Tiere sind nicht nachtaktiv. Ihr habt es im Dunkeln also leichter. Ihr könnt jetzt los, und viel Glück."

"Danke, Samui-chan", sagte Hana-chan, schon wesentlich milder gestimmt.

"Grüß die anderen und Kirabi-sensei, bitte", fügte Karin an, als sie an Samui vorbei auf das Übungsgelände trat.

"In spätestens vierundzwanzig Stunden sehen wir uns wieder", sagte ich, passierte sie und sprang in den Wald.

"Das war ein Versprechen, richtig?", rief sie uns hinterher. Doch für eine Antwort bewegten wir uns zu schnell in den Wald hinein. Der zweite Teil der Chunin-Prüfung hatte begonnen. Und ich war immer noch schwer verletzt.

Der lange Weg zum Turm

Der große, weißhaarige Mann ging nervös in seinem Raum auf und ab. Er war ein Riese, muskelbepackt und breitschultrig, und sein Blick schien immer zornig zu sein.

Eine elegante junge Frau lehnte an der Wand und beobachtete ihn dabei.

Der Mann wandte sich ihr abrupt zu. "Du stellst mir da keine guten Aussichten, Ranko-sama."

Die große Schönheit lächelte gewinnend, und strich eine Strähne ihres seidig schwarzen Haares nach hinten. Ihr gefiel diese Gestalt sehr. Vor allem gefiel es ihr einen Kimono zu tragen. "Aber, aber, Raikage-sama, einfach wäre doch nicht lustig."

Der große Mann besah sie sich lange, bis sich so etwas wie ein spöttisches Lächeln auf seine Züge stahl. "Ich bin einiges gewohnt, und habe auch schon einiges erlebt. Ich habe nicht den Drang, noch mehr zu erleben, und aufregende Zeiten schon gar nicht."

"Aber du wirst ihnen nicht entkommen können."

"Aber ich werde ihnen nicht entkommen können." Der Raikage seufzte lang und tief, und nahm hinter seinem Schreibtisch Platz. "Der Affenclan hat also immer noch kein Interesse daran, mit einem Shinobi Kumogakures einen Kontrakt zu schließen."

"Der Affenclan hat allgemein kein Interesse daran, mit irgend einem Shinobi der fünf großen Nationen einen Kontrakt abzuschließen. Ausnahmen bestätigen allerdings die Regel. Wenn du mir also einen viel versprechenden Kontraktnehmer wie meinen Mamoru-chan vorstellen kannst, überlege ich mir das eventuell."

"Schade. Ich hatte gehofft, ich könnte einen Kontrakt abschließen."

"Du?" Die Affenkriegerin in ihrer menschlichen Tarnung rutschte vor Schreck ein Stück die Wand hinab, an der sie lehnte. "Ausgerechnet der berüchtigte A-Sama, der einzige Ninja, von dem man sagt, er würde es alleine mit einem Biju aufnehmen können? Was willst du mit all der Macht? Außerdem, wenn ich dich daran erinnern kann, hat dein Dorf gleich zwei Jinchuuriki, oder?"

"Das ist nicht der Punkt. Wir bringen einen Großteil unserer Zeit dafür auf, die Bestien in ihnen unter Kontrolle zu halten, anstatt sie zu nutzen. Yugito-chan und mein Bruder zahlen den Preis dafür, das wir unsere militärische Stärke erhöhen. Sie kämpfen jeden Tag dagegen, sich von ihren Biju übernehmen zu lassen, und sie werden wegen ihrer Macht auch noch gehasst."

Stumpf starrte der Raikage vor sich hin. "Bei Yugito-chan sehe ich nicht so viel Grund zur Besorgnis. Sie hat sich ihren Respekt erkämpft und wird im Ansehen einiger Leute - der richtigen Leute - weiter ansteigen. Aber mein Bruder ist eine andere Geschichte. Sein Biju, der Achtschwänzige, ist in den letzten zwanzig Jahren siebenmal ausgebrochen, hat seinen Träger übernommen und unglaubliche Schäden angerichtet. Alle erwarten, das er auch ein achtes Mal ausbricht, und deshalb sind sie gefangen zwischen ihrer Angst vor dem Achtschwänzigen und dem Respekt, der einem hochrangigen Ninja wie Kirabi zusteht." Wieder seufzte der Raikage. "Ich sehe den Tag kommen, an dem er all die Brocken hinwirft und nur noch tut was er will. Vielleicht wird er sich dann vollkommen auf diese verrückte Reim-Musik konzentrieren. Oder er wird Kumogakure eine lange Nase drehen und durch die Lande ziehen. Verstehen kann ich es ja. Ich muss mich hier als Lehrmeister aufspielen, als böser Boss, und vor dem Rat muss ich demonstrieren, wie sehr ich die Achtschwänzigen diesmal im Griff habe. Dafür tanzt mein eigener Bruder wie eine Marionette an meinen Fäden. Nein, ich erwarte nicht, das er das ewig mitmacht."

"Aber du wirst natürlich nicht zulassen, dass er sein eigenes Ding macht."

Der Raikage schnaubte amüsiert. "Nein, das kann ich nicht und das werde ich nicht. Dennoch, er ist mein Bruder, und... Oh, ich hasse diese Arbeit. Bisher hat sie immer nur von mir genommen, nie etwas gegeben."

"Das ist der Preis, den jene zahlen, die an der Spitze stehen." Ranko stieß sich von der Wand ab und kam in langen, eleganten Schritten zum Raikage herüber. "Und eventuell solltest du Kirabi auch einfach nur vertrauen."

"Bwahahaha! Ein guter Witz!" Sofort setzte er wieder eine mürrische Miene auf. "Nein. Ich bin zu sehr der Kage dieser Stadt, als dass ich mich auf so etwas einlassen kann. Hätte ich aber durch einen meiner Ninjas Zugriff auf den Affenclan, dann..."

"Oh, bitte nicht, A-sama", tadelte Ranko. "Nicht auf die Mitleidstour. Die hassen wir doch beide."

"Dann bleibt es dabei? Von den großen Städten gibt es nur Kontraktträger in Konoha?"

"So sieht es aus", erwiderte sie. "Den Hokage und meinen Mamoru-chan."

Der Raikage runzelte die Stirn. "Was siehst du bloß in ihm? Was sieht der Affenclan in diesem kleinen, dürren Kerl? Der Hokage, das ist verständlich. Der Ruf des Professors eilt ihm überallhin voraus. Aber dieser kleine Mann? Was soll er deiner Meinung nach mal werden? Hokage?"

Ranko lachte leise. Sie beugte sich vor und nahm das Gesicht des Raikages in die Rechte, um es zu sich zu drehen. "A-sama, mein Gesicht ist hier oben", tadelte sie.

"So? Nun, wenn du mich aber auch in diese Richtung drückst. Was ist nun mit diesem Mamoru?"

"Ob er eines Tages Hokage wird oder nicht kann ich nicht entscheiden. Ich glaube es eher nicht. Aber ich glaube daran, dass er ein guter Chunin wird, und wenn er sich weiter so positiv entwickelt und am Leben bleibt, eines Tages auch ein guter Jounin. Und was das Interesse der Affen an ihm angeht, er passt zu uns. So einfach ist das. Wir suchen uns unsere Kontraktträger nicht nach Potential aus, wie es die Schlangen tun, nicht nach dem unbändigen Chakra wie die Frösche. Wir wollen, wenn wir beschworen werden, mit jemandem zu tun haben, den wir mögen. In vielen Fällen ist es sogar eine tiefe, innige Liebe, die uns mit unseren Kontraktträgern verbindet. Und der Affenclan hat Mamoru-chan sofort ins Herz geschlossen. Wir sind, trotz unseres Rufs, ein sehr emotionales Volk."

"Ich verstehe. Zumindest glaube ich, das ich verstehe, Ranko-sama." Er grinste dünn. "Vermisst er dich eigentlich nicht? Du hast ihn verlassen, kaum das du in der Stadt warst."

"Hm? Oh, ich nehme an, er denkt, dass ich die Beschwörung aufgelöst habe und wieder auf dem Affenberg bin. Das ist schließlich der einfachste Schluss."

"Und? Wirst du zum Trainingsgelände gehen und ihm helfen?"

Die Affenkriegerin schüttelte den Kopf. "Nein, A-sama. Ich habe Vertrauen in Mamoru und seine Gruppe. Er wird sich durchschlagen, wie immer. Zähigkeit. Das ist auch eine Eigenschaft, die wir Affen lieben." Ranko beugte sich weiter vor, und kam dem Gesicht des Raikages sehr nahe. "Ich habe auch eine Frage, A-sama. Welches Interesse hat Kirabi an meinem Schützling?"

Nun begann der große Mann leise zu lachen. "Mein Bruder ist einer der besten Shinobi Kumogakures, wenn nicht der beste. Aber er hat einen eklatanten Fehler. Sein Herz ist viel zu groß. Ganz Kumogakure passt hinein, und noch ein paar hundert Menschen mehr. Ich schätze, er macht sich Vorwürfe, weil er nicht da war, als Mamoru-kun verletzt wurde. Und dann hat er den dürren Burschen nach und nach ins Herz geschlossen. Das dürfte auch schon alles sein, denn abgesehen von seiner Fähigkeit, Affen zu beschwören, hat er nichts, was die Shinobi meiner Stadt interessiert."

"Das beruhigt mich zu hören. Und, wird er Mamoru-chan helfen?"

"Sicherlich nicht. Würde er nicht vermuten, dass der Bengel es schaffen kann, hätte er ihn längst daran gehindert, zum zweiten Teil der Prüfung anzutreten." Der Raikage lehnte sich nach hinten, und glitt so langsam aus Rankos zarter Hand. "Der Rest liegt bei ihm. Wir werden sehen."

Ranko richtete sich wieder auf. "Ja. Wir werden sehen."

"Hast du Angst um ihn?"

"Welcher Lehrer mit dem Herz am richtigen Fleck würde keine Angst um seinen Schützling haben?", erwiderte sie.

"Ich verstehe. Aber die Kämpfe der Schüler müssen die Schüler selbst bestreiten, Ranko-sama."

"Ich weiß." Sie wandte sich ab. "Ich weiß."

Der Raikage streckte eine Hand nach ihr aus, schien etwas sagen zu wollen, doch dann ließ er die Hand auf den Tisch sinken. "Das Ende der Prüfung ist in vier Wochen. Wenn du willst, sei in dieser Zeit mein Gast. In deiner menschlichen Hülle, als Affe, was immer du willst."

"Ich danke dir für das großherzige Angebot, A-sama", erwiderte sie, ohne sich umzudrehen.

Der Raikage seufzte. Irgend etwas musste doch besonders an diesem Burschen sein. Irgendwas.

***

Es gab mehr als einen Moment in meinem Leben, in dem ich mir die Byakugan meines Freundes Kou Ryuuga herbei gewünscht hatte. Im stockfinsteren Wald des südlichen Trainigsgeländes wünschte ich es mir inbrünstig wie selten.

Es war nicht nur die Dunkelheit, die Gefahr jederzeit gegen irgendetwas Lebendiges zu laufen. Es war eine kreatürliche Angst, die mich zu lähmen drohte, die mich zwingen wollte, mich zusammenzukrümmen, mich auf den Boden zu hocken, meine Augen zu schließen und meine Ohren zuzuhalten, bis der Morgen kam. Aber ich widerstand. Ich ließ mich von der Angst nicht einnehmen, nicht von ihr beherrschen, und das lag letztendlich an meinem schmerzenden rechten Arm. Ich hatte gar keine Zeit, die Angst in mir weiter hoch kochen zu lassen, während der heilende Bizeps schmerzte, als wolle er aufplatzen.

Das dichte Blätterwerk schloss das Licht der Sterne fast aus. Uns blieb nur wenig Licht übrig, um uns zu orientieren. Und zugleich waren unsere Sinne bis zum Zerreißen gespannt, um auf der Hut zu sein vor den nachtaktiven Jägern. Und um nicht aus Versehen in das Versteck eines tagaktiven Jägers zu treten und ihn zu verärgern. Meine schwachen sensorischen Fähigkeiten wurden hier zu unseren einzigen Augen, deshalb führte ich den Zug an. Meiner Schätzung nach hatten wir in der Finsternis bereits einen Kilometer auf einem gut ausgetretenen Tierpfad hinter uns gebracht, das war von unserer Perspektive aus ein Viertel der Strecke bis zum Turm. Dafür hatten wir eine Stunde gebraucht, denn wir mussten uns nicht nur wegen der Tiere vorsehen, sondern auch vor den anderen Teams. Die wir bekämpfen mussten, weil einerseits nur sechs Teams der Eintritt und damit der nächste Teil der Chunin-Prüfung gestattet werden wurden, und die wir finden mussten, um unsere Partner aufzuspüren, denn ohne Partner gab es auch keinen Eintritt. Eine perfide Geschichte, die sich Motoi-sensei da ausgedacht hatte.

"Mamo-chan!"

Beim Klang von Hanako-chans Stimme fuhr ich alarmiert herum und zog mit links ein Kunai. "Wo?" "Wie, wo?"

"Wo hast du jemanden bemerkt?" "Wie, bemerkt?"

"Na, du hast mich doch gerufen!", fragte ich irritiert.

"Oh, du hast das als Alarmruf missverstanden. Entschuldige." Sie lächelte verlegen, und das dünne Sternenlicht blitzte für einen Moment im Weißen ihrer Augen auf. "Mir ist nur etwas eingefallen. Sag mal, wo ist eigentlich Ranko-chan? Ich habe sie nicht mehr gesehen, seit du ins Krankenhaus eingeliefert wurdest."

"Ranko-chan?", fragte ich irritiert. Natürlich, die Antwort war einfach. Die Beschwörung war ausgelaufen, und sie war zum Affenclan zurückgekehrt. Aber konnte ich ihr das wirklich sagen? Sie wusste zwar, dass der Hokage mich zum Kontraktträger gemacht hatte. Aber es würde mich in Erklärungsnot bringen, wenn ich ihr erzählen wollte, wen ich da beschworen hatte. Wenn sie dann eins und eins zusammenzählte und sich an die große Frauengestalt im Garten der Onsen-Gaststätte erinnerte, wusste sie, wen sie da gestreichelt und gefüttert hatte. Und dann war sie so entsetzt über sich selbst, dass sie stundenlang nicht mehr zu gebrauchen war. "Ich habe sie bei Kirabi-sama gelassen. Er kümmert sich um sie, bis die Prüfung vorbei ist", log ich. Ärgerlich biss ich mir auf die Unterlippe. Nun würde ich Sensei noch einmal beschwören müssen, und ich wusste weder ob es mir noch mal gelang, noch welche Laune Ranko-sensei hatte, wenn ich sie schon wieder herbei rief. Bisher schien sie mir gewogen zu sein, aber das konnte sich schnell ändern.

"Oh, ja, verstehe. Ist ja auch das Naheliegendste. Wir können das süße Äffchen ja hier nicht gefährden", sagte sie mit leiser Enttäuschung in der Stimme. Vermutlich hätte sie das süße Äffchen ohne Weiteres gefährdet, wenn dies bedeutet hätte, es in der Nähe zu haben.

"Mamo-chan." "Ich denke auch, so ist es besser. Aber wir sehen sie ja nach der Prüfung."

"Mamo-chan." "Was ist denn, Karin? Ist dir auch etwas eingefallen?"

"Nein, aber ich höre etwas. Jemand kommt schnell näher."

Ich fuhr zusammen. Verdammt, hatte ich meine Pflichten vernachlässigt? Ich streckte meine Sinne, so weit ich konnte, aber ich fand nichts. "Wo?"

Karin bedeutete mir eine Richtung, und ich konzentrierte mich darauf, nicht mehr mein komplettes Umfeld, sondern einen kegelförmigen Bereich zu erfassen. Dadurch wurden wir angreifbar, aber ich konnte ein Stück weiter voraus tasten.

Dann erspürte ich tatsächlich die Bewegungen in den Bäumen, und erahnte schwach etwas Chakra. Die Bewegungen deuteten auf uns, und ich konnte das Chakra immer stärker spüren, je näher sie kamen. Noch immer unterdrückt, aber die Ahnung wurde deutlicher.

"Jemand kommt", stellte ich unsinnigerweise fest und hielt das Kunai kampfbereit vor mich.

Jemand kam. Genauer gesagt eine Dreier-Gruppe. Sie hielt direkt auf uns zu. Und dann... Erreichten sie uns. Wir hörten, wie sie nacheinander von den Bäumen herab sprangen und auf dem Tierpfad landeten.
 

"Yo", erklang es in der Dunkelheit. Vor uns gleißte eine Kugel auf. Deutlich zu sehen war der schimmernde eine Stern in ihr. "Wollen wir mal schauen, ob wir zusammen passen?"

Der matte Schein der Kugel entriss ein maskiertes Gesicht der Dunkelheit, in dem nur die Augen zu sehen waren. Schwarze, irgendwie müde wirkende Augen über einem weißen Mundschutz. Seine beiden Gefährten, beides Männer, grinsten erwartungsvoll, ihre Waffen kampfbereit gehalten. Ich erkannte das Zeichen auf ihrem Stirnband, die Achtelnote.

"Hana-chan", sagte ich leise, ohne den Blick von den dreien zu wenden.

Hanako griff in ihren Ausschnitt und holte die Kugel hervor. Sofort begann ein einzelner Stern in ihr zu glimmen.

Erleichtert atmeten die anderen drei Genin auf. "Na, dann sind wir ja wohl Partner, was?", rief der Anführer fröhlich. "Das nenne ich Glück. Jetzt müssen wir nur noch vor der Vierergruppe beim Turm sein!"

Auch Hanako und Karin seufzten erleichtert. War es wirklich so einfach? Wenn wir geschickt waren, wenn wir auf der Hut waren, konnten wir uns in zwei, drei Stunden zum Turm durchschlagen. Und dann mussten wir nur noch rechtzeitig eintreten, bevor die sechs Spots belegt waren. Das war der Fehler in der Kalkulation Mutui-senseis. Wenn sich zwei Partner sehr früh trafen, konnten sie das Feld von hinten aufrollen.

"Partner", sagte ich langsam und senkte das Kunai, ließ es aber nicht los. "Wir sind Konoha Eins."

Die Augen des Anführers ließen vermuten, das er lächelte. "Keine Sorge, wir wissen wer Ihr seid. Dein Auftritt war nicht zu übersehen, Mamoru-chan."

Ich hüstelte verlegen.

"Und deiner auch nicht, Hana-chan. Ehrlich gesagt war es Euer Vorbild, das uns die Stärke gegeben hat, Hikari nicht zurück zu lassen." Der Rechte der beiden Shinobi ächzte gequält auf. "Ich habe mich nicht zweimal erwischen lassen! Ehrlich!"

Der Anführer lüftete seinen Atemschutz. Ich konnte nun sein ganzes Gesicht sehen. Es war ein hübsches, apartes Frauengesicht, und das Lächeln war bezaubernd. "Wir sind Otogakure Eins. Wir nehmen das erste Mal an einer Chunin-Prüfung teil, und prompt haben wir es in den zweiten Teil des Seminars geschafft. Das ist für ein so kleines Dorf wie unseres ein Riesenerfolg. Ich bin Maria. Hikari habe ich ja schon vorgestellt, und das ist Santori."

"Uns muss ich ja kaum vorstellen, wenn Ihr schon so viel über uns wisst", erwiderte ich. "Es tut mir leid, dass Ihr ausgerechnet eine Gruppe zum Partner habt, die einen Verletzten mit sich herum schleppen muss."

Maria winkte gönnerhaft ab. "Was soll's? Wir stehen ganz am Anfang des Examens, und wir können direkt bis zum Turm durch, während die anderen noch ihre Partner suchen und auf Gegner treffen. Wollen wir dann gleich mal weiter?"

Hanako nickte und wollte vortreten. Aber ich hielt sie mit dem gesunden Arm ab. "Bevor wir los ziehen, würde ich gerne noch etwas über eure Jutsu erfahren." Ich deutete auf mich. "Mein Element ist das Feuer. Hana-chan ist Wind-affin, und Karins Element ist die Erde."

Die drei Genin aus Otogakure wechselten einen schnellen Blick miteinander. "Wind." "Wind." "Wind."

Ich runzelte die Stirn. "Nicht gerade die glücklichste Kombination, wenn man auf Variation steht, oder?"

Maria lächelte erneut auf ihre bezaubernde Art. "Du musst verstehen, Mamo-chan, das liegt an der Natur unseres Jutsu. Die Meisten von uns Oto-Nin beherrschen den Schall. Deshalb ist es essentiell für uns, eine Wind-Affinität zu haben, oder sie zu entwickeln. Wir sind in dieser Affinität die derzeit Besten, und wir haben verschiedene Stile. Santori ist ein Beschwörer-Typ, Hikari hingegen Genjutsu-Nutzer. Ich selbst bin Taijutsu-Nutzer. Der Wind ermöglicht es uns, unsere Fähigkeiten voll zu entfalten."

Ich hätte gerne mehr erfahren, aber Marias fragend hochgezogenen Augenbrauen sagten genug darüber, dass wir nun an der Reihe waren, unsere Techniken zu enthüllen.

"Taijutsu", sagte ich entschuldigend und deutete auf meinen rechten Arm. "Gerade etwas eingeschränkt in meinen Möglichkeiten."

"Genjutsu", sagte Hanako-chan. Das war nur die halbe Miete, und ich unterdrückte das Verlangen, sie anzusehen und zu fragen, warum sie eine derart oberflächliche Information unterschlug.

"Ninjutsu", sagte Karin schüchtern.

"Von allem etwas, gemischte Elemente, und der Anführer ist verletzt. Na ja, es könnte besser sein. Oder auch weitaus schlimmer."

Ich erwartete, das Hana-chan protestierte, als Maria mich als Anführer bezeichnete; dass sie es nicht tat, ließ einen kalten Schauder über meinen Rücken fahren.

Maria betrachtete uns und seufzte. "Nichts gegen euch, Konoha Eins, aber beinahe befürchte ich, dass wir die Hauptlast tragen werden, wenn es zum Turm geht, und Ihr werdet nur mithalten müssen, um in die nächste Runde zu kommen. Ausgerechnet das große Konoha bekommt den Sieg geschenkt, und das kleine Oto rackert sich für euch ab." Sie zuckte mit den Schultern. "Na, egal. Hikari, Vorhut. Santori, Nachhut. Ich gehe zu Mamo-chan in die Mitte. Karin, rechts, Hana, links. Mamo-chan, du übernimmst Boden und Luft."

Ich nickte zustimmend. Das war eine gute Analyse. Die Wind-Affinen würden einerseits einen Hinterhalt, andererseits Verfolger schneller aufspüren als ich. Die Flanken zu decken bedeutete für Karin und Hana, dass sie sich nicht weit von mir entfernen mussten. Maria dachte mit, und das erschreckend gut. Und ich konnte mit meinen beschränkten sensorischen Fähigkeiten die höheren Ebenen und den Boden auf Angreifer überwachen, in einem überschaubaren, kleinen Umfeld.

"Also, wollen wir dann?" Sie wartete keine Antwort ab und gab Hikari ein Zeichen. Der große schlanke Mann sprang voran. Wir reagierten wie im Training, bewegten uns ebenfalls und besetzten die Spitze. Maria hielt sich direkt neben mir, und bot mir damit persönlichen Schutz, während meine Mädchen auf die Flanken gingen.

"Wie ist das eigentlich passiert? Das mit dem Arm, Mamo-chan?", fragte Maria, während wir durch die Nacht gingen. Hikari musste sensorische Fähigkeiten besitzen, die meinen weit überlegen waren. Er bewegte sich vor uns mit schlafwandlerischer Sicherheit. Ein leises Klopfen verriet uns ab und an, das ein Baum im Weg war.

"Ach, es war eine dumme Geschichte. Wir, ein Haufen Wegelagerer, und eine Schwertklinge, die das Genick eines Freundes getroffen hätte, wenn ich den Arm weggezogen hätte."

"Wow. Der Arm könnte jetzt ab sein, hast du daran gedacht?"

"In dem Moment nicht", erwiderte ich. "Und hätte ich drüber nachdenken können, wäre es mir das Leben meines Freundes wert gewesen."

Maria lächelte zufrieden. "Du gefällst mir, Mamo-chan. Jemand, der sich für seine Kameraden einsetzt, der bereit ist, ihnen auf Kosten des eigenen Lebens das Leben zu retten, das sind Menschen, die ich mag." Ihr Lächeln verschwand übergangslos.

Ich verkrampfte kaum merklich die Hand um mein Kunai.

Maria sah kurz nach hinten, dann wieder zu mir. "Oh, es ist nichts. Ich dachte nur für einen Augenblick, ich hätte ein Chakra gespürt. Ein ziemlich starkes, das... Ich meine, es wäre einen Blick wert, oder? Wir wissen ja noch gar nicht, ob wir eine Zweiergruppe sind, oder vielleicht sogar zur Vierergruppe gehören."

Schweigend setzten wir unseren Weg fort. War es nicht unsere Pflicht als Shinobi, herauszufinden, ob es noch eine dritte oder gar vierte Kugel mit einem Stern gab? Mussten wir nicht zu unseren Verbündeten stehen? Ich ahnte, das es doch nicht so einfach getan war, und dass wir mit Erreichen des Turms erst am Anfang der Aufgabe standen.

"Wo waren wir? Ach ja. Ich mag Menschen, die sich für andere aufopfern." Wieder dieses süße Lächeln. Zugleich aber, an der Grenze meiner Fähigkeit zu hören, war da dieser Laut.

Ich riss mein Kunai hoch, und stoppte damit Marias Schwertangriff.

"Sie sind so willige Opfer - eigentlich!", keuchte sie, während sie versuchte, mit ihrem Schwertarm meine Abwehr zu zerschlagen.

Hikari war bei dem Ton umgekehrt und hatte Hana-chan attackiert. Das überraschte Mädchen kniete halb gegen einen Baum gelehnt. Ihr linker Arm baumelte wie nutzlos von ihrer Schulter herab. Santori hatte Karin attackiert, aber keinen Erfolg gehabt. Ihr Baika no Jutsu hatte zwei riesige Hände produziert, die ihn wie eine Mauer gestoppt hatten. Er fand sich am Boden wieder, wo er für eine Sekunde benommen den Kopf schüttelte, bevor er wieder auf die Beine kam. Keine gute Situation. Eigentlich eine Scheiß Situation. Hanako zog ihr Kunai mit rechts und hielt es abwehrend vor sich, während Santori seinen Tierclanpartner beschwörte.

"Was wird hier gespielt?", fragte ich mit krächzender Stimme, während ich mit Maria einen reinen Kampf der Kraft focht. "Wir haben beide Kugeln mit einem Stern, oder?"

"Ja. Und dafür sind wir auch dankbar. Das hat es uns erlaubt, euch sehr nahe zu kommen. Ich wage nicht mir vorzustellen wie unser Angriff ausgesehen hätte, wenn wir euch nicht überrascht hätten." Sie sah mich ernst an. "Tut mir leid, Mamo-chan, aber es ist nichts persönliches. Wir haben den Auftrag, deine Konoha-Gruppe zu eliminieren. Und du weißt was ein Auftrag für einen Ninja ist." Wieder lächelte sie, flüchtig diesmal. "Ihr seid wohl einem Daimyo im Land des Wassers zu sehr auf die Füße gestiegen. Aber keine Sorge, wir töten euch schnell und sauber, ohne große Quälerei."

"Soll ich dafür auch noch dankbar sein?", zischte ich, während ihr Schwertarm mein Kunai immer tiefer drückte.

Der beschworene Tierpartner Santoris war ein mannshoher Bär. Ich verstand für einen Moment nicht, welche Affinität Bären mit dem Wind-Element hatten, bis sich das Tier auf die Hinterbeine stellte, fast vier Meter Größe erreichte, und tief Atem schöpfte. Der Angriff mit purer Luft hob Karin trotz ihres Jutsus von den Beinen und schleuderte sie gegen einen Baum. Sie quiekte erschrocken auf, als sie gegen den harten Stamm prallte.

Hanako, wegen der Armverletzung unfähig, ihr Jutsu einzusetzen. Karin, von einem Distanzkämpfer in Bedrängnis gebracht. Und ich, der Taijutsu-Nutzer, wurde vom gegnerischen Anführer an Ort und Stelle festgehalten und drohte jederzeit selbst mein Leben zu verlieren.

War es naiv von mir, darauf zu hoffen, dass die Jounin Kumogakures uns beobachteten und eingreifen würden? Hatte ich es überhaupt verdient, das sie zu unseren Gunsten eingriffen? Ja, wahrscheinlich war es naiv. Und die einzige Variante, die mir darüber hinaus blieb, bedeutete einen tödlichen Hieb von Maria hinzunehmen, und mit der letzten Kraft, die ich besaß, einen Affenkrieger zu beschwören. Falls ich überhaupt so weit kam. Aber für das Leben meiner Kameradinnen, meiner Freundinnen war ich gewillt, Schmerzen hinzunehmen. Den Tod hinzunehmen.

Dieser Gedanke löste etwas in mir aus. Ein Schub der Wärme erfüllte mich, und neue Kraft schien in meinen überanstrengten linken Arm zu fließen. "So weit sind wir noch nicht", knurrte ich und drückte ihr Schwert ein Stück von mir fort.

"Du hast ja noch Reserven. Und du gibst nicht so schnell auf. Respekt. Aber wir müssen jetzt zu einem Abschluss kommen, so leid mir das persönlich auch tut."

"Laber nicht! Nichts hiervon tut dir leid, Maria!", rief ich ärgerlich.

"Oh, da hast du mich wohl erwischt", sagte sie und lächelte mich liebevoll an. Doch aus dem liebevollen Lächeln wurde eine gierige Grimasse. "Dann lass uns mal etwas Spaß haben!"
 

"DOTON!" Zwischen mir und Maria bäumte sich die Erde auf. Bevor ich mich versah, trennte mich eine mehrere Meter hohe Mauer aus Dreck von der Genin aus Otogakure. Zugleich schloss sie aber auch Karin mit Maria und Santori auf der anderen Seite ein.

Ich reagierte sofort, stieß mich an der Mauer aus Erde ab, Maria mit meinen sensorischen Fähigkeiten verfolgend. Die hatte sich der Richtung zugewandt, aus der das Chakra für das Erd-Jutsu gekommen war, dem neuen Gegner. Das erlaubte mir für den Moment, Hikari zu attackieren und Hanako zu entlasten. Ich schleuderte mein Kunai nach ihm, und der Ninja wich ihm aus, verschwand im Dunkeln. "Das kam unerwartet. Aber wer mag es schon einfach?", klang seine Stimme auf. Aus dem Wald, hinter mir, über mir. Ich verstand, warum die Windaffinität für ihn so interessant und wichtig war. Von woher würde er kommen? Welche Geräusche waren echt und welche nicht? Wenn er sein Chakra genug unterdrückte, wie nahe würde er mir kommen können, ohne das ich ihn bemerkte, ihn abwehren konnte?

Ich zog ein zweites Kunai, landete neben Hanako. Schützend stellte ich mich vor sie, abwehrbereit. Zugleich aber erfüllte mich Todesangst um Karin auf der anderen Seite der Mauer. Maria hatte noch immer nicht versucht, über den Wall zu kommen und mich zu attackieren. Das irritierte mich erheblich.

"Denkst du wirklich, du kannst sie schützen, du erbärmlicher kleiner Wicht?", flüsterte es direkt hinter meinem rechten Ohr. "Du wirst es nicht wissen, aus welcher Richtung ich kommen werde. Und wenn du es spürst, ist es mein Schwert, das dir durch die Rippen geht. Du kannst mich nicht hören, du kannst mich nicht sehen. Und ich werde meinen Spaß daran haben, mir deine Gedärme genauer anzusehen."

In einem Punkt hatte er unrecht. Ich konnte ihn nicht kommen hören, solange er den Wind manipulierte. Aber ich konnte ihn sehen. "Hana-chan!", rief ich, stieß mein Kunai griffbereit in den Baumstamm hinter mir und formte mit der unverletzten Linken einen Teil des Fingerzeichens für ein Feuerjutsu. "Gut!", rief Hanako, sprang auf und an meine Seite. Ihre Rechte formte die andere Hälfte des ersten Fingerzeichens. So schnell wie es uns möglich war, gingen wir alle Symbole durch, während ich Chakra schmiedete und in meinem Mund sammelte. "Katon! Endan!" Ich spie Flammen aus. Dabei bewegte ich mich um den Baum herum und steckte alles im Umkreis in Brand. Wenn ich Hikari damit nicht erwischte, würde ich einen zweiten Feuerstoß in die Äste über mir jagen, auch auf die Gefahr hin, selbst in einem Waldbrand gefangen zu sein. Aber der Gedanke war unnötig, denn der Oto-Ninja wurde von meinem Jutsu aus nächster Nähe getroffen. Er hatte nicht einmal Zeit zu schreien, als sich die Flammen durch ihn hindurch fraßen.

Ich griff nach meinem Kunai, riss es wieder hervor und starrte auf das brennende Häufchen, das mal ein Genin gewesen war. "Du hast dich zu sehr auf deine Kunst verlassen und vergessen, dass auch ein Ninja, der angegriffen wird, eine eigene Kunst hat", flüsterte ich.

"Oh, das war cool! Meinst du, das kriegen wir auch mit dem Bewusstseinstransfer hin? Dann bin ich nicht so wertlos!", sagte Hanako aufgeregt.

Ich schaute auf ihren Arm, doch sie winkte ab. "Meine Chakra-Knotenpunkte wurden getroffen. Der Arm ist gelähmt. Mindestens noch ein paar Stunden." Sie sah mich ernst an. "Und was jetzt?"

"Wir haben es mit einer dritten Partei zu tun. Die hat sich dankenswerterweise vorerst um Maria und Santori gekümmert. Leider ist auch Karin auf der anderen Seite. Und da wir nun unseren Gegner ausgeschaltet haben, müssen wir da rüber. Wir..."

"Hey, Konoha, suchst du das hier?", klang eine vertraute Stimme auf. Vor mir landete ein zuckendes Bündel Frau, leidlich beleuchtet durch den Brand, den ich gelegt hatte. Für einen Augenblick glaubte ich, mein Herz müsse aussetzen, weil ich Karins schwarze Haare zu erkennen glaubte. Dann aber erkannte ich Maria, die sich mühsam wieder aufzurichten versuchte. "Du... Schwein...", krächzte sie.

"Oh, aber lange nicht so ein Schwein wie du. Immerhin habe ich nicht meine Partner angegriffen." Seine Miene wurde starr. "Und ich habe auch keine Lust, die ganze Chunin-Prüfung zu gefährden. Dafür bin ich schließlich hier."

"Und?", fragte ich. "Wie geht es jetzt weiter, Suna?"

Tooma grinste über das ganze Gesicht. "Tja, wenn du Pech hast, Konoha, dann war es das für euch. Wenn Ihr eine Zweiergruppe wart, dann ist das Examen für euch vorbei."

"Abgesehen davon, dass du und deine Suna-Gruppe uns noch erledigen kann", fügte ich hinzu.

Tooma lachte laut auf. Dabei erkannte ich, das in seinem Rachen etwas blitzte. Eine Art Vorrichtung für... Kleine Nadeln? Im flackernden Feuerschein sah ich ähnliche Nadeln in Marias Körper. Er hatte sie vergiftet.

Eine weitere Gestalt erschien auf dem Erdwall. Einer der Suna-Genin, ein bulliger Kerl mit mürrischer Miene. Auf seinen Armen trug er Karin.

"Was wird das? Ein Erpressungsversuch?", fragte ich resignierend.

"Ach komm. Es ist nichts Persönliches. Wir sind mitten in einer Prüfung. Und meine Gruppe ist gerade dabei, ihren Partner zu finden. Als Zugabe haben wir die Oto-Gruppe zerschlagen, und das reicht für den Anfang." Er nickte in Richtung seines Partners. Die grimmige, rote Gesichtsbemalung unterstrich sein mürrisches Wesen. "Bei der Gelegenheit kannst du dich bei Katou bedanken. Er hat das Erdjutsu beschworen, das dir den Arsch gerettet hat. Er hat auch dein zweites Mädchen gerettet, bevor dieser Bär sie am Baum zerquetschen konnte."

"Stimmt das, Karin?"

Die junge Akimichi nickte. "Ja, er hat einen zweiten Erdwall geschaffen, der mich abgeschirmt hat. Und dann hat Lian..."

Der dritte Suna-Genin erklomm den Wall. Oder vielmehr sie. Lian war mir zuvor nicht aufgefallen, und auch jetzt hätte ich sie eher für einen Mann gehalten. Allerdings einen Mann mit beträchtlicher Oberweite. Sie trug den klassischen Turban Sunagakures, der allerdings nicht die überdimensionierte Größe Toomas erreichte. "Und dann habe ich mir erlaubt, ihnen zu demonstrieren, was passiert, wenn Wasser und Erde zusammen kommen."

Ich nickte verstehend. "Ein Sumpf."

"Ein tiefer Sumpf." Sie grinste breit. "Für den Bären hat es gereicht, also nehme ich an, für den zweiten Oto-Nin auch." Sie musterte Maria. "Also, ich bitte dich, Tooma. Sind wir heute wieder mal zu weich? Warum hast du sie leben lassen? Dieses hinterhältige Biest."

"Richtig, ich habe sie leben lassen", gestand Tooma grinsend. "Aber auch nur, weil ein schneller Tod für sie zu gut wäre. Weißt du noch, was Motoi-sensei gesagt hat? Die meisten Jäger hier sind tagaktiv. Ich bin gespannt, was schneller ist: Ihr Körper beim verarbeiten meines Giftes, oder die Jäger in diesem Wald dabei, sie aufzuspüren. Beinahe bin ich versucht, mir das anzusehen."

"Sch... Schwein", kam es gurgelnd aus Marias Kehle.

Toomas Miene verzerrte sich vor Wut. Sein Turban entwickelte ein Eigenleben. Er klappte auf, bildete ein mechanisches Männchen aus, das ein kurzes Schwert in der Hand hielt, und auf Maria zusprang. Die Klinge drang in ihrem rechten Oberschenkel ein und ließ sie vor Schmerzen aufheulen. "Noch ein Wort von dir, und ich töte dich doch gleich!", rief er wütend. Er machte eine herrische Bewegung mit der rechten Hand, und die Puppe sprang zu ihm zurück. Sie kletterte auf seinen Kopf und formte sich dort wieder zum Turban.

Von Maria erklang kein weiterer Laut. Tooma nickte zufrieden.

"Wie ich schon sagte, eine Gruppe ausradiert zu haben reicht uns zur Zeit. Außerdem sind wir ja Verbündete, Suna und Konoha, meine ich. Und wenn ich ehrlich bin, dann mag ich dich, Konoha. Du bist so herrlich störrisch, du könntest ein Suna-Shinobi sein. Und damit kommen wir zu dem Punkt, der uns beiden nützt." Er hob die rechte Hand. Darin glomm eine Kugel mit drei Sternen. In seiner Linken glomm die der Oto-Gruppe mit dem einen Stern. "Was meinst du, Konoha, sollte man eine Gelegenheit ergreifen, wenn man sie vor sich hat? Das macht doch gute Ninjas aus, oder? Was also, wenn wir ab jetzt die Kugel mit einem Stern benutzen?"

Für einen Moment glaubte ich, vor Erleichterung zusammenbrechen zu müssen. Tooma hatte nicht mehr und nicht weniger angeboten, als fortan unser Partner zu sein. Damit waren wir für den Turm wieder Zutrittsberechtigt, und ich ahnte, dass die Offiziellen des Chunin-Examens das anerkennen würden. "Willst du dich wirklich mit drei Verletzten belasten?", fragte ich matt.

Tooma deutete hinter uns. "Mit Verletzten, die noch in der Lage sind, so etwas anzurichten - jederzeit, Konoha. Ach, bei der Gelegenheit, Lian, wärst du so nett, unsere Position wieder in Schatten zu hüllen?"

"Aber natürlich, Tooma." Sie lächelte dünnlippig und beschwor ein Wasserjutsu, mit dem sie die restlichen Flammen meiner Attacke auf Hikari wieder löschte. Als die Welt rund um uns wieder in Dunkelheit versank, und nur noch die beiden Kugeln in Toomas Händen etwas Helligkeit verströmten, kamen die drei Suna-Nin den Wall herunter.

Katou ließ Karin wieder auf die Beine, stützte sie aber noch einen Moment, bis er absehen konnte, dass sie sicher stand. "Sie wurde hart gegen den Baum geschleudert. Ich dachte schon, sie hätte sich etwas gebrochen."

"Nein, keine Sorge", erwiderte Karin. "Ich habe mich auf dem Rücken dick gemacht. Das hat den Aufprall abgefedert." Sie sah betreten zu Boden. "Danke, Katou-san."

"Jederzeit wieder. Und da wir ja jetzt zwei verbündete Gruppen sind...", begann er.

"Wie dem auch sei!" Plötzlich stand ich zwischen den beiden, und ich wusste nicht einmal warum. "Wenn Ihr einen Medi-Nin in eurer Gruppe habt, hätte ich jetzt etwas für ihn zu tun."

"Ach, wie niedlich. Bist du etwa eifersüchtig, Mamoru-kun?", fragte Lian grinsend.

"Ei-eifersüchtig? Auf den Mann, der Karin gerettet hat? Mach dich nicht lächerlich." Aber ehrlich gesagt glaubte ich meine eigenen Worte nicht.

"Wir reden später. Erstmal sollten wir so viel Distanz wie möglich zu diesem Ort aufbauen. Meine Rechnung sagt, das wir noch drei Minuten haben, bis eine weitere Gruppe hier eintrifft. Wenn wir nicht bereits beobachtet werden", sagte Tooma. Er warf Maria einen Blick zu. "Falls du es schaffst zu überleben - geh mir in Zukunft aus dem Weg, verstanden? Falls du es nicht schaffst, grüß deine toten Kameraden, und sag ihnen, sie sollen Platz machen. Wir schicken ihnen noch mehr Oto-Nin."

Die gelähmte Frau schaffte es, die Hände zu Fäusten zu ballen. Aber sie war schlau genug, keinen weiteren Ton von sich zu geben.

"Hauen wir hier ab", sagte Tooma schließlich und eilte voran.
 

Mit den Suna-Nin wurde unser Weg einfacher. Tooma war sensorischer Ninja, und er war richtig gut darin. Mit geradezu traumwandlerischer Sicherheit liefen wir durch den Wald, ohne auf Hindernisse zu treffen. Seine Reichweite übertraf meine um das Zehnfache. Es führte mir vor Augen, was ein richtiger sensorischer Ninja zu leisten vermochte, und das war ein sehr deprimierendes Gefühl. Andererseits konnte man in eine Dreier-Gruppe niemals alle starken Jutsu vereinigen, außer man hatte Kakashi Hatake oder den Sandaime in einer Gruppe.

Als wir kurz rasteten, um etwas zu essen und zu trinken, nahm ich Tooma an die Seite. "Ihr habt uns schnell gefunden."

"Reine Notwendigkeit. Ich habe dich und deine Gruppe von vorne herein im Auge behalten und gezielt gesucht. Ich hätte euch so oder so ein Bündnis angeboten. Ich rechne damit, dass die Kumogakure-Gruppen ohnehin ein Bündnis eingehen werden, und je stärker wir anderen werden, desto größer ist unsere Chance, zum Turm zu kommen. Ich denke, für die Kumo-Genin ist es eine Frage der Ehre, zu kontrollieren, wer die zweite Prüfung besteht. Die großen Dörfer werden jedenfalls nicht dabei sein, wenn es nach ihnen geht." Er rieb sich den Nacken. "Also, wenn wir vier oder fünf Gruppen vereinigen können, haben wir sicherlich die besten Chancen. Denn wie hat Motoi-sensei doch gesagt? Man hat auf dem Schlachtfeld oft die merkwürdigsten Verbündeten."

Ich nickte ihm respektvoll zu. Er hatte die Sache weiter gedacht als ich. Andererseits hatte ich mich auch mehr mit dem Aspekt beschäftigt, der ihm unbekannt sein musste. Dass die Konservativen in Kumogakure meine Gruppe versagen sehen wollten.

"Das ist noch nicht alles. Sie haben meine Gruppe besonders auf dem Kieker", gestand ich.

"Wegen dem Krieg vor fünf Jahren?"

Ich nickte. "Sie wollen wohl beweisen, dass die Konoha-Shinobi ihren eigenen weit unterlegen sind."

"Mach dich nicht lächerlich, Konoha. Suna hatte auch seinen Anteil an Kämpfen mit Kuma. Denkst du, du hast den Zorn der Konservativen exklusiv gepachtet?" Er grinste mich an. "Würde ich das glauben, dann würde ich deine Gruppe ausliefern und so locker in die nächste Runde kommen." Als er meinen Blick sah, hob er abwehrend die Hände. "Entschuldige, aber ich bin ein Shinobi. Ich erfülle Aufträge. Für Wünsche und Wunder sind andere zuständig."

"Nein, nein, das ist es nicht", wiegelte ich ab. "Ich war nur erstaunt, weil du Facetten siehst, die mir verborgen geblieben sind. Also sind da schon zwei Nationen, die sich in Kumogakure beweisen müssen?"

Tooma grinste mich an. "Na sieh mal einer an. Da ist ja wohl doch jemand recht schnell von Begriff."

Der Suna-Genin sah auf. "Wir verschwenden Zeit. Wenn die Sonne kommt, erwachen die Räuber, und dann haben wir es mit noch mehr Gegnern zu tun."

Also erhoben wir uns. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir knapp die Hälfte geschafft, und der Stand der Sterne verriet uns, dass es schon nach Mitternacht war.

Die Nacht war klar und ruhig, frei vom Lärm eines Kampfes. Aber das Trainingsgelände war groß. Auch wenn man sagte, dass die Nacht besser Geräusche transportierte als der Tag, war dies kein Indiz dafür, dass gar keine Kämpfe statt fanden. Und ich war mir sicher, dass sie stattfanden. Irgendwo da draußen, während Genin ihre Partner suchten, und sich mit Gegnern konfrontiert sahen. Zumindest hoffte ich das, denn die Alternative hätte im schlimmsten Fall gelautet, dass sich Konoha Eins und Suna Eins den restlichen zehn Gruppen stellen mussten. Unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich.

***

Mit den ersten Sonnenstrahlen, die durch das Gewirr der Blätter brachen, kündigte sich nicht nur der neue Tag an. In Marias Körper ließ allmählich die Lähmung nach, und sie konnte mit zitternden Händen ein Kunai ergreifen. Rings um sie erwachte der Wald zum Leben. Sie hörte einen großen Räuber sein Erwachen in die Welt posaunen, hörte das leise Rascheln von Pfoten im Unterholz, den erschreckten Quiek-Ton eines Nagers, der einem Räuber zum Oper fiel. Ein mächtiger Pflanzenfresser in der Ferne rief nach seinen Artgenossen und erhielt Antwort - und lockte damit auch die Räuber an, die es nun zweifellos auf die Neugeborenen und Halbwüchsigen der Herde abgesehen hatten. Das würde ihr vielleicht den Funken Ablenkung einbringen, den sie brauchte, um sich nicht nur wehren, sondern auch retten zu können.

Das war eine Sekunde, bevor sie merkte, das etwas Ungewöhnliches vorging. Die Welt bewegte sich. Nein, korrigierte sie sich, sie selbst bewegte sich. Deutlich konnte sie die Schleifspur im Dreck sehen, die ihr Körper zog. In ihren Beinen erwachte das Gefühl wieder, und jetzt spürte sie, dass etwas sie umschlungen hielt, dass etwas an ihr zog. Sie bewegte mühevoll den Kopf, und wünschte sich, es doch nicht getan zu haben, denn sie starrte in ein nicht mehr allzu fernes Maul. Ein Löwenkopf, eine riesige karnivore Pflanze, die ihre Beute mit Tentakeln fing, in ihr Maul zog, und mit ihren Verdauungssäften langsam zersetzte. Ein qualvoller und elender Tod.

Maria stieß ihr Kunai mit allem was sie an Kraft hatte in die Erde! Entsetzen gab ihr Kraft, und die Wut auf Tooma, der garantiert gewusst hatte, dass die Pflanze hier lauerte, ließ sie den Griff nicht verlieren. Während die Pflanze an ihr zerrte, spürte sie das Leben in ihren Körper zurückkehren. Zugleich aber fühlte sie ihre Finger tauber und tauber werden, während sie sich gegen den Zug stemmte. Nur ein wenig mehr, ein klein wenig mehr, bis sie sich aufsetzen und die Tentakel zerschneiden konnte, nur ein winziges Minütchen!

Ein scharfer Ruck ging durch ihren Körper, als weitere Tentakel heran schnellten. Sie fühlte sich, als würde sie innerlich zerrissen werden! Der Schmerz wollte sie schreien lassen, aber sie hatte keine Kontrolle über ihre Stimme. Es wurde nur ein kurzes, kehliges Wimmern. Aber sie lebte, noch war sie nicht verschlungen! Dann schob sich das Kunai Millimeter für Millimeter aus der Erde, war kein Halt mehr für sie, und mit einem plötzlichen Ruck bot sie dem Löwenkopf keinen Widerstand mehr. Wie eine hilflose Gliederpuppe flog sie auf das weit aufgerissene Maul zu, sah bereits die ersten Säuretropfen fließen. Ihr standen unglaubliche Qualen bevor.

Dann ging alles ganz schnell.
 

"Bist du in Ordnung, Maria?"

Verwundert blinzelte die junge Frau. Nur mühsam konnte sie die Augen öffnen."Kidomaru-sama!"

Der Otogakure-Jounin trug sie auf den Armen. Unter ihnen zerfiel der Löwenkopf in vier gleich große Teile. Der Jounin, der Marias Gruppe zum Examen eskortiert hatte, landete mit seiner Last direkt auf dem Erdwall. Er besah sich das Geschehen. "Ich sollte dich hier an Ort und Stelle töten, du Dummkopf. Nicht nur, dass du das erste Chunin-Examen versaut hast, das Otogakure besucht hat, du hast auch noch den Auftrag versiebt. Oto-Nin versagen nicht. Und du hast auch noch deine Gruppe verloren."

Schuldbewusst senkte sie den Kopf. "Ja, Kidomaru-sama. Ich bitte um eine harte und gerechte Bestrafung."

"Andererseits hat dieser Bastard aus Suna auch eine Strafe verdient, und die Bälger aus Konoha ebenso. Sie können mit Oto-Nins so nicht umspringen." Er sah die junge Frau mit einem wölfischen Grinsen an. "Wirst du eines Tages in der Lage sein, für diese Schande Rache zu nehmen, oder ist es besser für uns alle, dich doch noch in den erstbesten Löwenkopf zu werfen?"

Mutlos ließ Maria den Kopf sinken. Sie hatte ja versagt. Hatte die zweite Gruppe aus Suna bemerkt, aber nicht weiter beachtet. Und sie hatte die Konoha-Genin unterschätzt, weit unterschätzt. Vielleicht war es wirklich besser, wenn sie in Zukunft Otogakure und Orochimaru-sama nicht länger mit ihrer Anwesenheit besudelte. Vielleicht war es besser, wenn fähigere Shinobi ihrem Platz einnahmen. Vielleicht. Doch dann regte sich Trotz in ihr. Heftiger, lebendiger Trotz. Zugleich fühlte sie mehr und mehr Leben in ihren Gliedmaßen. Sie biss die Zähne zusammen, und lebendiger Hass erfüllte sie.

"Oho", kam es vom Jounin, "dein Blick gefällt mir."

"Kidomaru-sama, es wäre vielleicht eine gute Idee, mich doch zu töten", presste sie zwischen den Lippen hervor, "denn ich kann für nichts garantieren, wenn ich jemals wieder auf Shinobi aus Konoha oder Suna treffe."

Langsam setzte der Jounin sie auf die eigenen Füße. "Es ist also doch noch Leben in dir. Gut, Otogakure neigt dazu, unnützen Ballast abzuwerfen. Aber Otogakure erhält am Leben, was ihr noch nützlich ist. Und ich sehe bei dir genügend Potential, um zumindest heute noch leben zu dürfen." Er griff in ihr Gesicht, zog es zu sich heran und sah ihr in die Augen. "Der Rest liegt bei dir, Maria!"

Trotz des harten Griffs, trotz der Schmerzen, die er ihr bereitete, erwiderte sie den Blick, voller Trotz, voller Hass. Hass auf Tooma aus Sunagakure, Hass auf Mamoru aus Konohagakure. "Verstanden, Kidomaru-sama!"

"Du hast Trotz und Hass im Blick. Das ist gut, das ist sehr gut.

Komm, wir verschwinden von hier. Es gibt für Otogakure nichts mehr zu gewinnen."

"Jawohl, Kidomaru-sama!" Sie folgte ihrem Jounin, als dieser sich in Bewegung setzte. Und mit jedem Atemzug schwor sie Tooma und Mamoru furchtbare Rache für ihre Demütigung und ihre toten Kameraden.

***

Als die ersten Lichtstrahlen durch das Blätterdach fielen, sich der Morgen ankündigte, etwa eine halbe Stunde, bevor die Sonne endlich aufging, war der Turm nicht mehr fern. Alles, was wir jetzt noch brauchten, das war eine gute Beobachtungsposition, um die Situation einschätzen zu können.

Ich hatte solche Situationen schon selbst erlebt. Bei Überwachungsmissionen, den letzten Phasen vor einer Attacke, und immer hatte uns dabei Hayate-sensei begleitet, unsere Informationen gepoolt und uns vor groben Fehlern bewahrt. Diesmal lag es an sechs Frischlingen, aus dem was wir sehen konnten, die richtigen Entscheidungen zu treffen.

Die Erkundung übernahmen Tooma und Karin. Er war der beste sensorische Ninja, und Karin hatte ein vorzügliches Gedächtnis. Wir anderen bereiteten uns ein Lager, das wir so gut es ging gegen Entdeckung absicherten. Lange würden wir ohnehin nicht hier bleiben. Aber es bestand für uns keine Notwendigkeit, weiteren Gruppen zu begegnen. Wir mussten nur in den verdammten Turm rein kommen.

Es dauerte nicht lange, und die beiden kamen zurück. Die Sonne kroch gerade im Osten über den Horizont; ich ahnte, dass der Weg in den Turm hinein mindestens ebenso schwer sein würde wie der Weg durch den Dschungel. Zudem erwachten nun die tagaktiven Jäger und würden uns zusätzliche Scherereien machen.

"Sechs Gruppen sind schon vor Ort", sagte Tooma ernst. "Eine Zweiergruppe aus Kumogakure, und eine gemischte Vierergruppe. Die große Gruppe hindert das Kumo-Doppelteam daran, den Turm zu betreten. Sie besteht aus zwei Gruppen Kirigakure, einer aus Iwagakure und einer aus Kusagakure."

Lian sah skeptisch drein, während sie auf einem Grashalm kaute. "Warum gehen sie nicht direkt rein? Es kommt niemand mehr dazu, sie haben ihre Vierer-Gruppe komplett. Ich meine, ich bin dankbar dafür, dass sie dem Doppel aus Kumogakure den Eintritt verwehren, denn das gibt uns die Chance, zu den letzten beiden Teams zu gehören. Aber warum tun sie das?"

"Im schlimmsten Fall müssen wir annehmen, dass sie sich verbündet haben, um ein theoretisches Zweierteam der kleineren Ninjadörfer zu begünstigen", sagte ich ernst. "Kumogakure im eigenen Ort aus dem Examen zu kicken ist eine schwere Demütigung."

"Heißt das, wir sollten den Kontakt mit dem Zweierteam aus Kumo suchen?", fragte Katou skeptisch. "Es gibt zwar dieses Sprichwort, dass der Feind meines Feindes mein Freund ist, aber irgendwie mag ich daran nicht glauben." Der große Genin kratzte sich ausgiebig im Nacken. "Wisst Ihr, was mich stört? Da haben also vier Gruppen aus drei Dörfern Kugeln mit der gleichen Anzahl Sternen, finden zusammen lange bevor wir überhaupt den Turm erreicht haben, und verteidigen jetzt auch noch den Turm gegen andere Ninja-Gruppen, nur um ihre Favoriten einzulassen? Sie müssen doch wissen, dass da draußen noch zwei weitere Gruppen aus Kumogakure sind, und dass die Genin aus Kumo dann zumindest die gleiche Mannstärke haben."

Tooma nickte. "Sprich es doch aus. Es klingt als wäre dieses Szenario von langer Hand geplant. Und wenn es das ist, dann frage ich mich, wo die Zweiergruppe bleibt, die sie rein lassen wollen. Ich meine, wir wurden durch den Kampf verlangsamt. Kann es sein, dass die andere Doppelgruppe sich noch verspätet? Außerdem fehlen in dieser Rechnung noch zwei weitere Teams, die eventuell gerade auf der Lauer liegen und die Lage sondieren."

"Möchtest du, das wir nach diesen Gruppen suchen und den Kontakt mit ihnen aufnehmen?" Nachdenklich neigte ich den Kopf. "Wenn wir unsere Zahl verdoppeln, vergrößern sich unsere Chancen, sowohl gegen die Vierergruppe als auch gegen die Doppelgruppe aus Kumogakure."

Hinter uns erscholl in der Ferne lautes Gebrüll, das kurz darauf vom qualvollen Fiepen einer sterbenden Kreatur abgelöst wurde. Die Jäger begannen ihr Tageswerk. So wie wir.

"Das wäre ein guter Gedanke. Wir sollten in beide Richtungen denken, sowohl über ein Bündnis mit Kumogakure nachdenken als auch über ein Bündnis mit dem letzten übrig gebliebenen Zweier-Team. Und wir sollten uns beeilen, bevor das Vierer-Bündnis sein Ziel erreicht. Dann ist es für uns alle zu spät."

Nachdenklich nahm ich einen Stock zur Hand und begann in der Erde vor mir herum zu mahlen. "Karin."

Die junge Akimichi zuckte zusammen. "Mamo-chan?"

"Du bist mir viel zu still. Was hast du da draußen gesehen?"

Sie errötete und wandte den Blick ab. "Nun, das... Das ist nur meine Meinung, aber..."

"Karin", sagte ich mit mahnender Stimme. "Ich habe dir gesagt, dass du mir alles erzählen sollst. Jeden noch so flüchtigen Gedanken. Einfach alles."

Als die Sunagakure-Ninjas leise zu kichern begannen, wiegelte ich ab. "Alles, was mit der Mission zusammenhängt, meine ich."

Sie sah wieder auf, lächelte schüchtern. "Nun, da ist was... Ich meine, es... Sie passen nicht, Mamo-chan."

"Wie, sie passen nicht?", fragte ich verdutzt.

"Na, die Stirnbänder. Und die Gesichter. Sie passen nicht."

Ich runzelte ratlos die Stirn. "Das musst du mir näher erklären, Karin."

"Na, die Iwa-Gruppe. Das sind nicht die Gesichter, die..." Sie verstummte, als sie unsere entsetzten Gesichter sah. "Nur so ein Gedanke!"

"Und die Kusa-Gruppe wahrscheinlich auch", knurrte Tooma in plötzlicher Erkenntnis. "Verdammt!"

"Karin, was ist mit den Kirigakure-Ninjas? Passen die Gesichter zu den Stirnbändern?", fragte ich eindringlich.

"J-ja, da passt alles soweit."

"Na, das würde doch passen", stellte ich seltsam zufrieden fest. "Kirigakure hat eh noch eine Rechnung mit uns offen."

"Du tust es schon wieder", tadelte Tooma. "Die Welt dreht sich nicht nur um Konoha, Mamoru."

"Ich fürchte, in diesem Fall schon. Ärgerlicherweise. Glaub mir, ich wünschte mir, es wäre anders."

Resignierend stocherte ich weiter in der Erde herum.

"Augenblick. Kann mir mal einer erklären, worum es geht?", fragte Hanako irritiert. "Ich glaube, ich komme gerade nicht hinterher."

"Was die beiden sagen wollen, ist", begann Lian, "dass die Vierergruppe nicht aus je einem Team aus Iwa und Kusa und zwei Teams Kiri besteht, sondern aus je zwei Gruppen aus Kiri und Kumo."

"Und das bedeutet, das mit der Doppelgruppe Kumo-Genin alle Kumo-Gruppen am Turm sind. Genau sechs. Genau die Anzahl, die eingelassen werden soll. Also ist es eine Falle."

"Oh. Aha. So macht das tatsächlich Sinn." Hanako kniff die Augen zusammen. "Also, anstatt in den Turm zu ziehen und die sechs Plätze für die nächste Prüfung zu belegen wollen sie was?"

"Uns demütigen, im schlimmsten Fall töten", stellte Tooma fest. "Und damit das auch klappt, spielen sie uns diese Schmierenkomödie vor, in der zwei Kumo-Gruppen die große Vierergruppe attackieren und immer wieder abgewiesen werden. Das können sie durchhalten, bis das Zeitlimit erreicht ist. Und selbst wenn wir uns bis dahin nicht zeigen, brauchen sie nur einzuziehen, und haben lediglich etwas Zeit vertan."

"Die Frage, die sich uns also stellt, ist folgende." Ich versuchte, ein Gähnen zu unterdrücken, was mir nicht besonders gut gelang. Ich war es gewöhnt, längere Zeit nicht zu schlafen, notfalls tagelang wach zu bleiben. Aber die Verwundung forderte ihren Tribut, und wir waren nun fast einen ganzen Tag und eine ganze Nacht auf den Beinen. "Geben wir auf und versuchen wir es nächstes Jahr wieder, und bleiben wir deshalb am Leben, oder versuchen wir es doch irgendwie?"

Karin begegnete kurz meinem Blick, sah dann aber scheu zur Seite.

"Karin?", fragte ich mahnend. Die Akimichi wiegelte ab. "N-nichts."

"Karin!" "Es hat nichts mit dem Thema zu tun! Ich frage mich halt nur, wie sie eine Vierergruppe aufstellen konnten! Haben sie vier Kugeln mit gleicher Anzahl Sternen, oder..."

"Oder haben sie sich die Kugeln von anderen Gruppen besorgt?", vollendete Tooma ernst. "So wie wir." Nachdenklich zog er beide Kugeln hervor. Die mit dem einen Stern von den Oto-Nins, und die mit den drei Sternen, die von vorne herein in ihrem Besitz gewesen war.

"Wenn wir es mit einem guten Plan zu tun haben, dann war die Aufklärung der Kumo-Nin im Vorfeld nahezu perfekt", sagte ich ernst. "Eventuell wussten sie auch vom Vorhaben der Oto-Nin, und haben beschlossen, uns ihnen zu überlassen. Und Ihr, Tooma, seid aus der Planung gefallen, weil Ihr uns nachgejagt habt."

Tooma trommelte mit den Fingern der Linken einen schnellen Takt auf dem Waldboden. "Bisschen viele Lücken."

"Hast du eine bessere Interpretation anzubieten?"

"Nicht im Moment, Konoha." Er stellte das Trommeln ein. "Aber heißt das nicht im schlimmsten Fall, dass wir, also Suna Eins und Konoha Eins, die letzten beiden Gruppen sind?"

"Nicht die letzten beiden", klang eine Stimme mitten zwischen uns auf. Genau zwischen Hanakos Beinen wuchs die Erde empor, bis sie Mannshöhe erreicht hatte. Die junge Genin starrte fassungslos auf die halbmeterbreite Säule aus Erde und Dreck.

Die Säule riss auf und entließ einen Ninja. Ich kannte ihn. Es war Amir aus Getsugakure. "Meine Gruppe gibt es auch noch."

"Duuuuu", grollte Hanako, während sie langsam auf die Beine kam. "Duuuu waaaaagst es...."

Der kleine Getsu-Nin grinste gewinnend in die Runde, wurde aber entsetzlich blass als er Hanako sah. "AUTSCH!"
 

Da saßen sie also mitten zwischen uns. Der große, dürre Hassin, der dicke Khal, und der kleine, geradezu zerbrechlich schmächtige Amir. Letzterer rieb sich gerade die schmerzende Wange, auf der sich Hanakos Rechte eindrucksvoll verewigt hatte. Ihr Schlag war so hart gewesen, sodass der Handabdruck weiß geblieben war, während die restliche Wange nun in tiefem Rot leuchtete. "Ich habe mich doch entschuldigt", versuchte es der Genin erneut, aber Hana-chan ließ ihn eiskalt abblitzen. "Ich bin nicht sicher, ob wir tatsächlich mit solchen Rüpeln zusammenarbeiten sollten, Mamo-chan", sagte sie hochmütig. "Sie lauern Mädchen auf und kommen dann zwischen ihren Beinen aus dem Boden hervor."

"Ja, ja, Hana-chan, wir haben es alle gesehen", wiegelte ich ab.

Entsetzt blies Hanako die Wangen auf. Aber es blieb bei dieser Geste. Sie senkte ihr tiefrotes Gesicht. "Wenn ich jetzt nicht mehr heiraten kann, bist du Schuld, Amir."

"Himmel, Ihr Konoha-Nin seid ja solche Kinder", sagte der Anführer der Getsu-Gruppe in komischer Resignation. Aber das ärgerliche Lächeln verschwand schnell wieder. "Was ich sagen kann ist folgendes: Diese sechs Gruppen haben von vorneherein zusammen gearbeitet. Sie haben nach und nach die anderen Gruppen ausgeschaltet, die in ihrer Reichweite waren oder die dumm genug waren, auf die Scharade am Turm herein zu fallen. Knapp die Hälfte wurde im Wald getötet oder schwer verwundet zurückgelassen. Der Rest hier am Turm überwältigt und in der Nähe versteckt. Es scheint so, als würden die Kumo-Nin so nahe bei ihren Prüfern nicht mehr über die Strenge schlagen wollen."

"Es kann aber auch Taktik sein, um uns glauben zu machen, wir hätten bei einem Angriff eine Überlebenschance, weil sie uns hier nicht töten wollen", warf ich mürrisch sein. "Entschuldige, Amir, aber darauf will ich mich nicht verlassen."

"Und du tust gut daran, weil du schlau bist", sagte Amir ernst. Er sah in die Runde. "Was also tun wir?"

Katou hob eine Hand. "Ich habe eine Zwischenfrage. Wie viele Sterne hat eure Kugel, Amir-kun?"

Amir verzog keine Miene, als er mit dem Suffix für Gleichgestellte angesprochen wurde, obwohl er augenscheinlich zehn Jahre älter als der Erd-Jutsu-Nin war. Stattdessen grinste er breit. "Wie es der Zufall so will..." Er streckte seine Hand in Richtung Khal aus. Der Dicke ließ ein lautes Rülpsen hören, dann spie er die Kugel aus. Sie hatte einen Stern, genau wie unsere und jene, welche den Otogakure-Genin gehört hatte.

"Na, das nenne ich einen Zufall", sagte ich erstaunt.

"Nicht ganz ein Zufall. Die Kumo-Nin sammeln die Kugeln ihrer besiegten Gegner ein. Und diese war dabei. Als sie sich noch nicht organisiert hatten, haben wir uns diese hier ausgeborgt. Wir haben auch noch unsere alte, die mit zwei Sternen."

"Kann ich die mal sehen?", fragte ich.

Khal rülpste erneut, und nun hatte Amir beide in der Hand. "Du hast vermutet, wir könnten mit den Kumo-Nin verbündet sein?", fragte der kleine Mann. Es lag kein Vorwurf in seiner Stimme. Dafür aber etwas Anerkennung.

"Jetzt nicht mehr", erwiderte ich. "Dann sind wir also jetzt rechtens die Dreier-Gruppe. Bleibt nur noch eine Frage: Wie kommen wir in den verdammten Turm?"

Amir sah von mir zu Tooma. "Dann steht es fest? Aufgeben ist keine Option?"

"Noch ist es keine Option", sagte der Suna-Genin ernst. "Man stellt uns zwar eine Falle, aber man gibt uns auch gleichzeitig die Möglichkeit, sie zu überwinden."

Ich nickte zustimmend. "Hana-chan, dein Arm?" "Ist fast wieder gut. Ich kann mein Jutsu einsetzen."

Das waren gute Nachrichten. "Ich erkläre euch jetzt unsere besten Jutsus", sagte ich ernst und schilderte die Fähigkeiten meines Teams.

Tooma schloss sich an. "Lian hat Erd-Affinität und ist Ninjutsu-Benutzer. Katou ist wie du, Amir, ein Erd-Affiner und nutzt ausgewogen Taijutsu und Ninjutsu. Ich selbst habe eine Blitz-Affinität, aber mein Ninjutsu nutzt hauptsächlich Kampfpuppen."

"Ah, die berühmten Kampfpuppen von Sunagakure. Ich würde zu gerne mal eine in Aktion erleben. Wo ist deine? Irgendwo in der Nähe versteckt?"

Tooma grinste und tippte sich an seinen gewaltigen Turban.

"Äh... Beleidigst du mich gerade?" "Nein, ich gebe dir einen Hinweis." "Aha. Kommt nicht bei mir an."

"Mann, bist du langsam! Der Turban ist seine Puppe", rief Hanako.

"Der Turban? Dann hast du keinen Wasserkopf?"

"Wenn du Streit suchst, bist du bei mir genau an der richtigen Adresse, Kleiner!", rief Tooma und sprang auf.

"Bitte, meine Herren!", schnitt meine Stimme dazwischen. "Wir wollen doch bitte weder unseren Feinden unsere Position verraten, noch uns schon vorher gegenseitig umbringen. Amir, bitte."

Wütend, aber gehorsam, setzte sich Tooma wieder, während Amir zustimmend nickte.

"Wie Ihr seht, bin ich Erdjutsu-Nutzer und bevorzuge Ninjutsu. Hassin ist Luft-affin. Er ist ein Genjutsu-Nutzer, aber er macht auch im Taijutsu eine sehr gute Figur. Und Khal ist Wasser-affiner Ninjutsu-Kämpfer."

"Das heißt, wir haben nur einen Genjutsu-Benutzer in unseren Reihen", stellte ich ärgerlich fest. "Und, bist du stark genug, um alle achtzehn Genin unter einem Genjutsu zu fangen, Hassin?"

Der große dürre Mann lachte hässlich. "Meinst du, ich hätte es dann nicht längst getan?"

"Gutes Argument. Was wissen wir über die Fähigkeiten der sechs Gruppen?"

Amir nickte als Zeichen dafür, das er Näheres wusste. "Hier am Turm bekämpfen sie sich nur mit Kunai, Schwertern und Shuriken. Draußen im Kampf gegen die anderen Gruppen haben sie hauptsächlich Ninjutsu genutzt. Aber sie haben auch zwei oder drei Genjutsu-Nutzer, die ahnungslose Gruppen eingefangen haben, die auf die Scharade mit den zwei feindlichen Gruppen hereingefallen sind."

"Diese Genjutsu-Nutzer müssen wir also unter den Genin der Zweiergruppe suchen", stellte ich fest. "Das macht es nicht gerade leichter."

"Hm. Wie sieht es mit deinem Jutsu des Erdverstecks aus, Amir?" Tooma deutete auf den Getsu-Nin und dann auf Katou. "Eventuell können wir das mit seinem Jutsu verbinden und uns bis zum Turm durchwühlen. Wenn wir für eine gute Ablenkung sorgen..."

"Und wie soll diese Ablenkung aussehen? Wen willst du opfern? Oder hoffst du, dass die Kumo-Shinobi auf Klone hereinfallen?" So etwas wie Hoffnung glomm in Amirs Augen auf. "Wenn jemand Kage Bunshin no Jutsu beherrscht, könnten wir kurzfristig unsere Kampfkraft erhöhen und für die Ablenkung sorgen, die wir brauchen. Neun Schattenklone, die unsere Gestalten annehmen, dazu unsere Erdjutsu..."

Wortlos deuteten Karin und Hanako auf mich. Ich hob schuldbewusst die Linke. "Ich beherrsche Kage Bunshin. Aber in meiner derzeitigen Lage kann ich bestenfalls zwei aufrecht erhalten, und das auch nicht sehr lange. Ganz davon abgesehen, dass ich Hilfe brauche, um die Fingerzeichen zu formen. Mein Chakra ist ein klein wenig durcheinander, seit mir beinahe der Arm abgehackt wurde."

Enttäuscht raunte Amir auf. "Schade. Das wäre ein guter Plan gewesen."

"Wenn wir schon nach jedem Strohhalm greifen", nahm Katou den Faden wieder auf, "sollten wir Bunshin no Jutsu nutzen, einfach weil wir es können. Mein Limit sind fünf Klone."

"Ich schaffe auch fünf", sagte Lian. "Acht", sagte Tooma.

Amir hob die rechte und die linke Hand und zeigte sieben Finger. Hassin hob vier Finger, Khal zeigte neun an. Hanako konnte zehn erzeugen, da ihr Ninjutsu eine hohe Chakra-Kontrolle benötigte, Karin schaffte immerhin auch fünf.

"Mein Limit bei Bunshin no Jutsu liegt gerade bei drei", sagte ich entschuldigend. "Ich bin nicht in der besten Verfassung."

"Nicht so schlimm. Das wären sechsundfünfzig Klone, die im Kampf aber nicht sehr viel wert sind. Es wäre zumindest ein Überraschungsmoment."

"Den wir nutzen wollen, um zum Turm zu kommen? Dessen Eingang wahrscheinlich unter einen Genjutsu liegt, um zu verhindern, das wir durchbrechen?" Ich sah zu Hanako herüber. "Hana-chan, schau dir den Turm an. Karin, führe sie."

Die beiden Mädchen nickten bestätigend, bevor ihre Konturen zu verwischen schienen und sie spurlos verschwanden.
 

"Gibt es einen besonderen Grund, warum du deine beiden Teamgefährten fort geschickt hast? Ich meine, außer um zu klären, ob die Kumo-Shinobi die gleiche Schweinerei gemacht haben wie mit der falschen Tür zum Examens-Raum?" Tooma grinste dünn.

"Ich habe noch eine Fähigkeit, die ich bisher nicht erwähnt habe. Ich bin ein Kontraktnutzer. Aber ich bin nicht besonders gut darin, wirklich starke Kämpfer zu beschwören. Und ausgerechnet jetzt bin ich durch meine Verletzung zusätzlich gehandicapt." Ich schnaubte amüsiert. "Ich will es trotzdem versuchen, aber ich wollte mich nicht vor Karin und Hanako blamieren, wenn ich statt eines Kriegers ein Kleinkind beschwöre."

"Ach, sieh an, Konoha, sind wir etwa eitel?", fragte Tooma grinsend. "Mit welchem Tierclan hast du denn einen Kontrakt? Konoha ist ja für die Kontrakte mit Hunden und Fröschen berühmt."

"Affen", gestand ich leise. "Ich habe einen Kontrakt mit den Affen."

Die anderen raunten erstaunt auf. "Das sind gute Nachrichten. Affen sind für ihr Taijutsu bekannt und gefürchtet. Und sie sind für Genjutsu nahezu unanfällig", sagte Lian zufrieden. "Solange es dir gelingt, einen Krieger zu beschwören, haben wir unsere Zahl zumindest auf zehn erhöht."

Amir sah mich erwartungsvoll an. "Und, willst du es probieren?"

"Kann mir mal jemand mit der Schlinge helfen?"

Lian trat an meine Seite und half mir, den verletzten Arm zu befreien und zum Mund zu führen. Ich biss in den Daumen, setzte Blut frei - ehrlich, dass ich auch einfach die Linke hätte nehmen können, fiel mir erst hinterher ein - und drückte die Hand auf den Boden. "Kuchiose no Jutsu!"

Zuerst war da Rauch. Genug Rauch, um mich befürchten zu lassen, dass unsere Position für die Gruppen am Turm enthüllt worden war. Dann war da leises Husten von den anderen aus der Zweckgemeinschaft. Und danach war... Nichts?

Erschrocken starrte ich vor mich, wo sich jetzt eigentlich zumindest ein kleiner Affe hätte befinden müssen. "Nichts!", rief ich enttäuscht.

"Nichts", sagte Tooma matt und zerdrückte einen derben Fluch zwischen den Lippen.

"Nichts", klang Amirs enttäuschte Stimme auf. Ein allgemeines Raunen ging durch unsere Reihen.

"Tatsächlich nichts", klang neben mir eine vertraute Stimme auf. "Wonach schauen wir denn, Mamo-chan?"

"Ich habe versucht, einen Affenkrieger zu beschwören", sagte ich zutiefst betrübt, "aber es ist mir nicht gelungen."

"So, so. Das ist eine ernste Situation. Hey, warum nimmst du nicht mich stattdessen?"

Ärgerlich wandte ich mich dem Sprecher zu. "Weil ich einen Affen... WHOA! SENSEI!"

Der Affe, der neben mir hockte und bis eben mit mir auf den Beschwörerkreis gestarrt hatte, kniff die Augen zusammen und lächelte mich an. Er hatte sich in eine menschliche Tarnung gehüllt, in der er einen Kampfanzug aus Konoha trug. "Hallo, Mamo-chan."

Ich starrte in das freundliche Gesicht mit der dicken Narbe, die einmal quer über beide Wangenknochen und die Nase verlief. Für einen Augenblick meinte ich, Iruka-sempai vor mir zu sehen, aber auch nur, weil der Affe das wollte.

"Ranma-sensei!" Ich japste erschrocken. "Ranma-sensei, wie lange bist du schon hier?"

Erstaunt sah er mich an. "Aber Mamo-chan, du hast mich doch beschworen!"

Nun klang erfreutes Raunen auf. "Dann hast du es doch geschafft!", sagte Tooma zufrieden. "Ist Ranma-sensei stark?"

"Nein, du verstehst nicht!", rief ich beinahe verzweifelt. "Ich kann Ranma-sensei gar nicht beschworen haben! Er ist viel zu stark und viel zu mächtig, als dass ausgerechnet ich..." Ich japste nach Luft, suchte nach Worten. Ranma war Rankos Zwillingsbruder, und unter den Kämpfern der Affen nicht gerade der Unwichtigste. "Sensei, spiele nicht mit mir! Seit wann bist du hier?"

Ranmas Lächeln verwischte. Er nahm meinen Kopf zwischen beide Hände, drehte ihn zur Seite und zog ihn zu sich heran. "DU HAST MICH BESCHWOREN!", brüllte er aus nächster Nähe in mein rechtes Ohr. Ich denke, den anschließenden Tinnitus hatte ich tatsächlich verdient.

"Also", fragte Sensei in die Runde, nachdem ich wenigstens wieder etwas hören konnte, "warum hat Mamo-chan mich beschworen?"

"Ah! Ranma-sama!" Hanako sprang als Erste in unsere Mitte. "Ranma-sama, ist der Sandaime etwa auch in der Nähe?"

"Nein, Hana-chan. Mamoru hat mich beschworen."

"Ach was, Ranma-sama, Mamoru doch nicht. Ich..." Sie lächelte schief, machte eine wegwerfende Handbewegung. Doch dann erstarrte sie, sah mich erstaunt und Sensei noch erstaunter an. "Er hat wirklich?" Ranma-sensei nickte bestätigend. "Und jetzt bin ich hier. Wie kann ich helfen?"

"Ha... ha... Ranma-sama?", klang Karins verschüchterte Stimme auf, als sie sich zu Hanako gesellte. "Ist der Sandaime hier?"

"Ich glaube, der Witz wird langsam etwas alt", murrte der Affenkrieger. "Bringt mich jetzt bitte jemand auf den neuesten Stand?"
 

Fünf Minuten später war mein Tinnitus abgeklungen, und Ranma-sensei über die Lage informiert. Er klopfte sich amüsiert auf die Schenkel. "Und die haben wirklich den wahren Eingang zum Turm verhüllt? Naivlinge."

"So naiv nun auch wieder nicht. Einige Genin sind darauf herein gefallen", sagte Amir.

"Wie das halt mit Genin so ist." Trotziges Gemurmel erklang. "Nichts gegen die Anwesenden."

"Also, Ranma-sensei", nahm Amir den Faden wieder auf, "wie können Sie uns helfen?"

"Tja, ich schlage vor, ich kümmere mich um die Vierergruppe mit den Kiri-Genin und den Kumo-Genin, und Ihr beschäftigt die Zweiergruppe mit den restlichen Kumo-Shinobi. In der Zeit versuchen Hanako-chan und Hassin-kun das Genjutsu aufzuheben, das eigentliche Tor zu enthüllen und euch allen Zugang zum Turm zu verschaffen."

Amir starrte den Affenkrieger wie einen Geist an. "Jetzt mal ernsthaft, Sensei, wie können Sie uns helfen?"

"Soll ich die Zweier-Gruppe auch noch übernehmen? Ich dachte eigentlich, Ihr wollt auch ein wenig Spaß haben, aber ich kriege das bestimmt hin. KAGE BUNSHIN NO..."

"Es ist gut, Sensei", sagte ich hastig. "Es sieht vielleicht für die Prüfer besser aus, wenn wir auch etwas selbst tun. Letztendlich entscheidet nicht unsere Anwesenheit darüber, ob wir das Examen bestehen, sondern die Meinung der Prüfer."

"Oh. Ja, das ist ein gutes Argument. Also, mein Angebot steht. Ich übernehme die Vierer-Gruppe."

"Das ist kein schlechter Scherz?", fragte Amir entsetzt.

"Es sind ja nur Genin", erwiderte Ranma schulterzuckend.

"Kein Witz", erklärte ich mit tonloser Stimme. "Ranma-sensei ist auf Jounin-Level. Und das sage ich ohne zu übertreiben. Eher die andere Richtung."

"Gut, dann ist es abgemacht. Aber wenn wir Recht haben, und die Genjutsu-Nutzer summieren sich bei der kleinen Gruppe, müssen wir schon vorher eine Abwehr parat haben", sagte Tooma.

"Das wird schwierig, wenn unser Genjutsu-Nutzer damit gebunden ist, die Barriere zu durchbrechen." Nachdenklich stocherte ich weiter im Waldboden herum. "Wir müssen sie entweder schnell identifizieren, oder alle ausschalten."

Katou räusperte sich vernehmlich. "Wenn Ranma-sensei angreift, ergibt sich da vielleicht eine Möglichkeit, im Moment größter Verwirrung."

"Und das wäre?" Nachdenklich lauschte ich den Worten des Suna-Genin, und nicht nur meine Miene hellte sich mehr und mehr auf, während ich ihm zuhörte.

***

Die neun Shinobi näherten sich der Vierergruppe mit allen Anzeichen der Vorsicht, blieben immer auf dem Sprung, und nur einer von ihnen, Tooma, ging tatsächlich bis auf Rufweite heran.

"Können wir reden?", rief Tooma herüber.

Einer der Ninjas, er trug einen Stirnschutz von Iwa, trat ein paar Schritte vor. "Was willst du, Sunagakure?"

"Die Gruppen auf die Ihr wartet kommen augenscheinlich nicht", stellte Tooma fest und deutete hinter sich. "Und wir sehen für zwei von unseren Teams die Chance, in den Turm gelassen zu werden und zur nächsten Runde vorzustoßen."

"Ihr seid eine Gruppe zuviel", stellte der Iwa-Nin fest.

"Wir regeln das intern." Tooma deutete auf die Shinobi hinter sich. "Da sind wir uns einig. Wir helfen erst einander, überhaupt in den Turm zu kommen, und dann losen wir untereinander und in aller Freundschaft aus, wer als fünfte und sechste Gruppe rein darf."

"In aller Freundschaft?" Der Iwa-Shinobi lachte laut. "Was seid Ihr denn für Genin? Freundschaft unter Ninjas? Komische Bande. Wenn ich du wäre, würde ich mich genau jetzt von einer Gruppe trennen. Endgültig. Dann könnten wir reden."

Tooma grinste wölfisch. "Ich denke, zu neunt haben wir bessere Chancen. Falls wir zu einer Einigung kommen und Ihr euer Wort nicht haltet."

Der Iwa-Nin zog die Stirn kraus. "Ihr regelt das selbst?"

"Ihr werdet mit unseren Problemen nicht belastet. Ihr geht als die vier ersten Gruppen rein, und wir folgen mit zwei weiteren Gruppen."

"Hm", machte der Andere. "Wir mögen Konoha nicht besonders. Wir alle nicht."

"Wie ich schon sagte, wir regeln es anschließend selbst. Also, wollt Ihr noch auf eure ausstehenden Gruppen warten, oder haben wir einen Deal?"

"Wie du schon sagtest, wir warten auf zwei weitere Gruppen. Aber bevor wir die Kumogakure-Trottel einlassen... Du kannst mir nicht garantieren, dass die Konoha-Genin das siebte Team sind?"

"Nein, wie gesagt, wir regeln das anders."

Der Iwa-Ninja grinste bösartig. "Nun, vielleicht kann ich euch die Entscheidung auch abnehmen." Zwischen den neun Neuankömmlingen brach die Erde auf. Aus einer nahen Pfütze entstanden drei Ninjas Kirigakures. Plötzlich waren sechs Ninjas mitten zwischen der Gruppe Toomas.

Bevor jemand aus der Gruppe reagierte, hatte der erste Kiri-Nin mich erdolcht, und der zweite sein unterarmlanges Shuriken auf Hanako geworfen. Doch wer damit gerechnet hätte, dass sich der Iwa-Ninja oder seine Handlanger damit zufrieden gaben, sah sich getäuscht. Ein Kunai raste von hinten auf Tooma zu, bohrte sich in seinen Rücken und durchstieß widerstandslos die Rauchwolke, in die sich der Suna-Nin aufgelöst hatte. Auch ich verschwand, ebenso Hanako und Lian, die als erste attackiert worden waren. "Bunshin!", rief einer der Kiri-Genin. "Es sind nur Klone!"

Ärgerlich verzog der angebliche Iwa-Genin sein Gesicht. "Das hättet Ihr merken müssen!", warf er dem Kiri-Ninja vor.

"Wir haben von allen neun ein starkes Chakra gespürt!", rechtfertigte sich der Kiri-Ninja, und warf frustriert Shuriken auf die anderen Klone. Sie verpufften, kaum das sie getroffen wurden. Nun, alle bis auf Karin. Sie blockierte das Shuriken mit einer beiläufigen Handbewegung. "Das muss dann wohl mein Chakra gewesen sein." Sie verschränkte die Hände ineinander und streckte sie, bis die Knöchel knackten. "So, und da Ihr jetzt eure wahren Absichten verraten habt, kann es ja losgehen."

Irritiert betrachtete der Iwa-Genin das dünne schwarzhaarige Mädchen. "Imai, töte sie."

Der Kiri-Genin bestätigte, zog sein Schwert und stürmte auf Karin zu. Er führte einen mächtigen Hieb von oben herab auf sie aus, doch das kleine Mädchen fing die Klinge mit Daumen und Zeigefinger der Linken so lässig ab, als wäre es nur ein leichter Fächer. Sie grinste dämonisch. "Wie ich schon sagte, dann kann es ja losgehen." Sie zog das Schwert und damit den Kiri-Ninja näher zu sich heran, trat ihm in den Bauch und gab ihm damit einen Bewegungsimpuls mit, der ihn meterhoch und meterweit durch die Luft wirbelte. Als er aufschlug, blieb er nach Atem ringend liegen. Karin indes zerbrach seine Klinge mit einer ebenso beiläufigen Handbewegung, mit der sie die Klinge bereits gefangen hatte.

Die anderen fünf Ninjas begannen sie vorsichtig zu umkreisen, ihre Waffen gezückt.

Karin lächelte voller Vorfreude. "Los, lasst uns anfangen."

Die fünf Ninjas nickten einander zu, dann stürmten sie gemeinsam auf das Mädchen zu.
 

Zur gleichen Zeit löste ich mein Katon aus; ein Teil des Gehölz ging in Flammen auf. Aus dem Wald brach eine Horde Raubechsen hervor, die vor dem Feuer floh. Lian zur Linken und Khal zur Rechten dirigierten die gut fünfzig verschreckten und panischen Tiere wie Schäferhunde ihre Herde direkt auf die anderen beiden Gruppen aus Kumo zu.

Ich eilte hinterher, einerseits um nicht selbst ein Raub der Flammen zu werden, andererseits, um die Tiere mit gelegentlichen Flammenstößen weiter anzutreiben. Das war der kritische Part unserer Planung. Wenn die Kumo-Nin nun folgerichtig reagierten, wenn sie verstanden was wir taten, wenn sie mich als oberste Bedrohung erkannten und mich bekämpften, dann kippte der ganze Plan. Zumindest für mich.

Kurz vor den beiden Gruppen lösten sich Lian und Khal von den Tieren, gaben ihnen Freiraum. Sie breiteten sich nun aus, und in ihren Augen war neben der Panik auch Wut zu sehen. Diese Wut richtete sich auf die sechs Genin vor ihnen. Einer floh, ein weiterer erschuf einen Erdwall vor sich. Zwei von ihnen schleuderten Shuriken auf die Tiere, und die erste Salve ließ sechs unserer Raubechsen verpuffen, enttarnten sie als weitere Klone. Dies ließ sie für einen Moment aufatmen, aber dann verschwanden auch Lian und Khal in Rauch und Nebel. Sie zögerten, nur einen kleinen Augenblick, und das war genau das, was wir brauchten. Die zweite Reihe der Raubechsen löste sich in Rauch auf, aber die Reihe, die danach kam verwandelte sich in sechs Ninjas unserer Gruppe.

Mittlerweile hatten wir vier Ninjas als mögliche Genjutsu-Wirker eingestuft, und sie wurden unsere primären Ziele. Es war wichtig zu verhindern, das sie ihre Kunst anwenden konnten. Deshalb durften sie keine Fingerzeichen machen, oder, was für uns fataler wäre, auf ein Bluterbe zurückgreifen, das uns womöglich auch noch unbekannt war. Tooma hatte das ganz praktisch ausgedrückt. "Also brechen wir ihnen was, oder wir töten sie gleich."

Zumindest versuchten wir es, und im ersten Angriff wurden drei Kumo-Nin verletzt. Zwei von ihnen an den Händen, was Fingerzeichen effektiv verhinderte.

Aus der hinteren Reihe der zu Raubechsen transformierten Klone lösten sich zwei Echsen und hielten Kurs auf den Turm. Diesen Teil der Entwicklung beobachtete ich mit Sorge. Das waren Hassin und Hanako mit dem Auftrag, den eigentlichen Eingang zum Turm zu enthüllen. Wenn die Kumo-Genin sie angriffen, wenn Ranma-sensei - der einen Riesenspaß an der Idee gehabt hatte, als Karin getarnt zu kämpfen - auch nur einen der zwölf Ninjas, um die er sich hatte kümmern wollen, entkommen ließ, gerade weit genug um die beiden anzugreifen... Ich verdrängte den Gedanken. Wenn nicht Ranma, wer sollte sonst in der Lage sein, zwölf Genin auf einen Schlag aufzumischen?
 

Ich war nun nahe genug, um in den Kampf einzugreifen. Als siebter Genin konnte ich mir mein Ziel aussuchen. Allerdings war die Lage bereits sehr unübersichtlich. Karin - die echte Karin - hatte mit ihrem Körperjutsu erneut die Riesenhände ausgeformt und drei der Kumo-Genin einfach von den Füßen gewischt. Tooma hatte einen von ihnen mit der Nadelvorrichtung in seinem Mund getroffen und vergiftet, aber der Bastard wollte einfach nicht umfallen. Zwei der Gegner entpuppten sich als Kawarimi, als Ablenkungsziele, was uns zwang die Originale zu suchen. Lian hatte einen Genin am Wickel, den sie mit aller Kraft daran hindern wollte, Fingerzeichen zu formen. Der Rest entzog sich meinem Blick. Es war ein großes, kräftiges Chaos. In etwa wie Hanako-chans Zimmer, aber vielleicht nicht ganz so durcheinander.

Ich wurde von einem Shuriken an der Schulter gestreift, was mich doch ein wenig verwunderte. Ich war hier die geringste Bedrohung, hatte noch nicht einmal in den Kampf eingegriffen. Es musste sich um eine abgelenkte Waffe handeln. Dachte ich, bis mir ein zweiter um die Ohren flog, dann ein dritter. Jemand nahm sich Zeit, inmitten der Bedrohung durch den Nahkampf ausgerechnet mich anzugreifen. Und das bedeutete folgerichtig, dass er wahrscheinlich auch die anderen Konoha-Genin auf dem Kieker hatte. "Tooma!", rief ich.

Der Genin schlug seinem Gegner gegen die Schläfe und sprang bis zu meiner Position zurück. "Feuerwand!"

Der Suna-Nin nickte, und half mir mit seiner Linken, die Handzeichen zu formen. Schwerfälliger als Hanako-chan, aber immer noch schnell genug. Ich spie meine Flammen aus, und aus ihnen wurde eine mehrere Meter hohe Flammenwand zwischen den Kämpfenden und dem Turm. Das würde Hanako und Hassin ein paar kostbare Sekunden erkaufen, vielleicht eine Minute.

Ich erschauderte bei dem Gedanken, dieses Jutsu mitten unter die Kämpfenden zu werfen. Es hätte Freund wie Feind verzehrt. Feuer war unglaublich gerecht und fraß einfach jeden.

Ich zog mein Kunai, suchte nach einem Gegner. Tatsächlich griffen nun jene Ninja ein, die sich zuvor von Klonen hatten vertreten lassen. Einer von ihnen beherrschte Kage Bunshin, und wir sahen uns nun nicht nur zwei, sondern acht weiteren Gegnern gegenüber. Alles in allem war die Situation verfahren, aber solange wir nicht starben, hatten wir das bessere Blatt in der Hand.

Ich wehrte den ersten Schattenklon ab, parierte seinen zweiten Tritt und musste die Beine zu Hilfe nehmen, um den zweiten zu parieren. Ein winziger Moment der Unsicherheit genügte mir, um ihn anzuspringen und ihm mein Knie zu einem tödlichen Stoß in die Kehle zu rammen. Er verpuffte im gleichen Atemzug, als der Schaden an ihm bei einem echten Ninja den Tod ausgelöst hätte. Der andere Schattenklon attackierte mich von der Seite, und mir blieb nichts anderes übrig, als auf Tooma oder einen der anderen zu vertrauen. Ich war nicht auf dem Höhepunkt meiner Kraft, müde, erschöpft und hatte kaum noch Chakra. Eigentlich war mir alles reichlich Scheißegal, für einen langen, endlosen Moment. Beinahe hätte ich mich zu Boden sinken lassen, um zu schlafen, einfach nur zu schlafen.

Der Schattenklon löste sich auf, als ihn zwei Wasserlanzen aufspießten. Lian zwinkerte mir für einen winzigen Moment zu, dann musste sie sich wieder um ihren eigenen Gegner kümmern. Auch ihn attackierte sie mit Wasserlanzen. Das ließ mich noch einmal hochschrecken.

Ich prüfte meine innere Uhr. Der Kampf dauerte nun schon fast zwei Minuten. Wir kamen in die kritische Zeit, in der sich der Gegner sammeln, neu ordnen und wieder angreifen konnte.

"Hana-chan!", rief ich über die Flammen hinweg.

"Gleich!"

Gleich konnte so ziemlich alles bedeuten. Und das war ein frustrierender Gedanke. Zudem erlosch meine Feuerwand nach und nach. Auch ein Zeichen dafür, dass mein Chakra nachließ.

"JETZT!", kam der vollkommen unerwartete Ruf von Hassin. Der unerwartete und erlösende Ruf.

Tooma grinste neben mir. Sein Turban nahm die Puppenform an und wirbelte auf einen Kumogakure-Ninja zu. Wirbeln war das richtige Wort. Die kleine Puppe wurde zu einem Kreisel aus Klingen und Tod; der Genin entkam nur mit knapper Not. Lian weichte den Boden auf, Katou beschwor aus ihm eine Schlammsäule, die zwei unserer Gegner mit sich riss. Die Zahl der Schattenklone war nun bei null, uns standen nur noch drei Gegner gegenüber. Drei waren am Boden, bewusstlos oder tot. Und dankenswerterweise war noch kein Genjutsu über uns geworfen worden. Nach und nach lösten sich unsere Verbündeten aus dem Kampf. Karin kam als Letzte.

Ich schreibe hier nach und nach, aber seit dem Ruf von Hassin bis zu dem Moment, als Karin mich passierte, vergingen bestenfalls zwanzig Sekunden.

Tooma zog seine Puppe zurück; er umfasste mich unter den Armen und sprang mit mir davon. Er musste gemerkt haben, dass ich am Ende meiner Kräfte war. Wir überquerten die nun nicht mehr so hohe Feuermauer und landeten auf der anderen Seite. Hanako und Hassin standen mehr als vierzig Meter von jener Stelle entfernt, die uns noch immer ein Tor vorgaukelte. Sie winkten uns heran.

Von der anderen Gruppe unserer Gegner eilten drei Ninjas heran. Unglaublich, dass sie Ranma-sensei entkommen waren. Hanako setzte ihr Bewusstseinstransferjutsu ein, übernahm einen von ihnen. Er verpuffte augenblicklich. "Schattenklone!", rief ich ärgerlich.

"Egal, hinein jetzt!", rief Tooma, schlang, als er neben ihr landete, den anderen Arm um Hanako, und sprang mit uns beiden über die Türschwelle in den Turm hinein. Hassin war der Letzte.

Lian, Katou, Khal und Amir bildeten eine defensive Linie vor dem Eingang, und tatsächlich mussten sie einige Kunais abwehren, die auf sie zuflogen.
 

Dies löste einen Wutschrei aus, der sich gewaschen hatte. Kirabi-sama setzte über unsere Gruppe hinweg. Als er mitten im Tor wieder aufsetzte, tat er irgend etwas, was ich nicht sehen konnte. Aber die Angriffe hörten definitiv aus.

"Jetzt reicht es aber!", blaffte er. "Anstatt hier herum zu spielen solltet Ihr euch mehr um euer Examen kümmern! Drei Gruppen finden noch Einlass, nicht mehr und nicht weniger! Macht das unter euch aus, aber entscheidet euch! Wir haben keine Probleme damit, nur drei Gruppen bestehen zu lassen! Ihr habt dafür nicht ewig Zeit!"

Mit diesen Worten wandte er sich wieder um. Er murmelte einen derben Fluch, und irgendwie musste ich bei diesem Anblick grinsen.

Motoi-sensei hatte die Reaktion Kirabi-samas mit unbewegter Miene verfolgt. Als er sicher sein konnte, dass der große Jounin fertig war, deutete er auf uns. "Die Kugeln, bitte."

Tooma hielt seine eroberte Kugel mit den einen Stern hoch. Phal rülpste die Einstern-Kugel der Getsu-Ninjas hoch. Und Hanako holte unsere Kugel aus ihrem Ausschnitt.

Motoi-sensei betrachtete alle drei Kugeln eindringlich. Dann nickte er. "Sie sind echt. Ich gratuliere, Ihr neun seid die Ersten, die den zweiten Teil des Chunin-Examens bestanden haben."

Ich spürte, wie meine Knie weich wurden. Diese Worte waren wie eine große Erleichterung für mich. Endlich. Endlich! Ab hier war das Examen keine Gruppenaufgabe mehr. Ich hatte Karin und Hanako sicher bis hierhin eskortiert. Mit einem Seufzer sackte ich in mich zusammen.

"Mamo-chan!", hörte ich Hanako besorgt rufen. "Mamoru!" Das war Karins Stimme. Merkwürdig, das sie mich nicht bei meinem Kosenamen rief.

Ich fühlte, wie mich jemand davor bewahrte, zu Boden zu stürzen. "Ich habe dich, Konoha. Ruh dich aus. Du hast es dir verdient", raunte mir Tooma ins Ohr.

Ich hätte gerne gelächelt, aber ich hatte keine Kontrolle mehr über meinen Körper. In Tooma hatte ich einen würdigen Rivalen gefunden. Und einen Freund.

"Na, na, na", klang Uzuki-senseis wohlklingende Stimme irgendwo in meiner Nähe auf. "Wie kriegen wir den nur fit für die nächste Runde? Wenn er Pech hat, ist er in zehn Minuten schon dran, falls sich die Streithähne da draußen schneller einigen als wir es erwarten."

"Na, das lass mal meine Sorge sein, Yugao-chan", hörte ich Ranma-sensei fröhlich rufen.

Ich spürte seine kräftige Hand auf meinen Kopf, und hätte ich die Kraft gehabt hätte ich ihn für die Zerstörung meiner Frisur getadelt. "Ich gratuliere dir, Mamo-chan. Du hast auch den zweiten Abschnitt der Chunin-Prüfung gemeistert", flüsterte er mir ins Ohr.

Damit war ich fertig mit dem Examen. Dachte ich zumindest.

Die Einzelkämpfe

Als ich wieder zu mir kam, fühlte ich mich seltsam erfrischt. Ich lag auf einer dünnen Matte auf dem harten Steinboden des Turms, links von mir sah ich eine Wand, rechts eine Steinbank, einen Steintisch und die Rückenansichten von Uzuki-sensei und Hanako. Neben mir hockte Ranma-sensei, aber der Affenkrieger, der immer noch die Tarnung als Konoha-Shinobi trug, beobachtete interessiert irgend etwas jenseits des Tisches.

Langsam klärte sich mein Verstand. Ich konnte nun einige der Geräusche einordnen, die ich zuvor schon gehört hatte. So klang es, wenn zwei Kunai aufeinander trafen.

"Was...?", fragte ich, und Ranma-sama wurde auf mich aufmerksam. "Oh, du bist schon wach? Beeindruckend. So viel Chakra hatte ich dir gar nicht gespendet." Der große Affenkrieger tätschelte mir über den Kopf. "Kannst dich aber ruhig noch etwas flach legen. Bist eh raus aus der Nummer."

"So?", fragte ich. Also hatte die Erschöpfung ihren Tribut gefordert, und ich hatte die dritte Etappe der Chunin-Prüfung verschlafen. War also nichts damit, ein Chunin zu werden. Aber ich hatte Hanako-chan und Karin-chan die Chance erarbeitet, und darauf, so dachte ich, durfte ich ruhig stolz sein.

"Andererseits, wenn du Karins Kampf sehen möchtest, können wir gerne ausprobieren, ob du schon sitzen kannst."

Erschrocken fuhr ich hoch. Natürlich, Karin saß nicht am Tisch! Und in diesem Moment steckte sie in den Einzelkämpfen? Gegen welchen Gegner?

"Das werte ich als ja. Hana-chan, mach mal Platz. Mamoru möchte auch auf die Bank."

Die junge Shinobi wandte sich uns zu. Erfreut nickte sie. "Na klar! Schön, dass du wieder wach bist. Ich habe meinen Qualifikationskampf schon hinter mir. Natürlich habe ich gewonnen. Und bei Karin sieht es auch ziemlich gut aus."

Mit Ranma-senseis Hilfe kletterte ich auf die Bank. Aber ich fühlte mich wirklich gut und hätte seine Hilfe wahrscheinlich gar nicht gebraucht. Andererseits wäre ich nicht der erste Idiot gewesen, der es übertrieben hätte, nur um anschließend den Preis für seinen übertriebenen Stolz zu entrichten.

"Ah, Konoha!", klang Toomas freudige Stimme links von mir auf. Er saß mit seinen beiden Kameraden und seinem Jounin auf seiner Steinbank und grinste mir zu. Zwei Tische weiter erkannte ich auch Amir und seine Gruppe. Als er mich herüber schauen sah, winkte er zufrieden und deutete nach rechts. Ich folgte seiner Handbewegung und sah eine große Tafel mit fünfzehn Namen.

Drei der Namen waren durchgestrichen, und ich verstand, das es sich um eine Wertungstafel für die Einzelkämpfe handelte. Wenn ich nach der Anzeige ging, dann hatte Hanako ihren Gegner Dan im ersten Kampf besiegt, danach hatte Lian klar die Oberhand bewiesen, als sie gegen Phal angetreten war. Und schließlich hatte Amir Yutan besiegt.

Die fremden Namen irritierten mich für einen Moment. Bis ich begriff, dass es sich um die Namen der Genin handeln musste, die uns draußen vorm Turm eine Falle gestellt hatten. Aber wenn die Anzeige stimmte, dann hatten nicht drei, sondern nur zwei Gruppen Zugang zum Turm gefunden. Hatten sie sich also draußen so weit dezimiert, dass vier Genin-Teams auf der Strecke geblieben waren?

Kurz strich mein Blick über Karin. Ihr Gegner hieß Motti, und er war deutlich in der Defensive.

"Kannst du mir das erklären, Sensei?", fragte ich in Ranmas Richtung. "Wieso sind nur zwei Genin-Teams Kumogakures auf der Liste, obwohl sechs Teams da draußen waren, und sie die Kugeln der Vierergruppe hatten?"

"Na, hatten sie eben nicht." Der große Affenkrieger grinste breit. "Ich habe mir erlaubt, ihnen nur die Kugeln für drei Zweiergruppen zu überlassen. Die überschüssigen Viererkugeln habe ich einkassiert. Eingelassen wurden nur Gruppen, die ihre Partner gefunden hatten. Also konnten nur noch zwei Teams den Turm betreten." Sensei lächelte boshaft. "Ich hielt das für eine angemessene Bestrafung für den ganzen Ärger, den sie uns mit ihrer kindischen Intrige eingebrockt haben."

"Natürlich", erwiderte ich mit einem dünnen Lächeln. Ich wandte mich wieder dem Kampf zu. "Karin! Du hältst dich gut!"

Die junge Akimichi strahlte mich an, als sie diese Worte hörte. Ihr Gegner Motti wollte diesen Moment der Unaufmerksamkeit nutzen und in die Offensive gehen. Das Ergebnis war, dass Karin zu Tode erschrak, ihr Körperjutsu benutzte, und den nicht gerade schmächtig gebauten Kumo-Genin an die nächste Wand klatschte. Dort blieb er einige Zeit aufrecht stehen, bevor er an der Wand herabrutschte und liegen blieb.

"D-das wollte ich nicht!", sagte Karin erschrocken.

"Oh doch, das wolltest du!", rief ich.

"Sieger ist Karin Akimichi, Konoha!", verkündete Motoi-sensei. Mit einem anerkennenden Nicken schickte er Karin wieder zum Konoha-Tisch, und mit einem weiteren Nicken erlaubte er den bereit stehenden Sanitätern, den besiegten Motti zu versorgen.

"Nächster Kampf! Tooma gegen Krom!"

Als Karin an unseren Tisch zurückkam, applaudierte ich für sie. "Das war eine großartige Leistung. Ich gratuliere euch beiden für den Einzug in die nächste Runde."

Karin setzte sich übermütig und gut gelaunt. Ich erkannte das schüchterne kleine Mädchen kaum wieder. "Das Gleiche gilt für dich, Mamoru."

Ich lächelte nachsichtig. "Ja, du hast Recht. So schlecht war meine Leistung dann doch nicht, wenn ich euch zumindest bis in den Turm gebracht habe."

Karin schob ihre Augenbrauen zusammen. "Weißt du es denn nicht?"

"Ich weiß was nicht?" "Na, dass... Sensei? Hana-chan?"

Hanako griente mich an. "Oh, ich dachte, es wäre witziger, wenn er es selbst heraus findet. Aber meinetwegen. Ich gratuliere, Mamo-chan. Du bist auch im Finale."

"Was?" Irritiert sah ich zwischen ihr und Karin hin und her. "Aber... Wieso? Ich meine, ich habe doch nicht gekämpft, oder?"

Uzuki-sensei griff über den Tisch hinweg und klopfte auf meine Hand. "Du bist definitiv durch. Damit hat Konoha Eins den Einzug in die Finalrunde geschafft. Dort wird es nach dem K.O-Prinzip Einzelkämpfe geben. Und je nachdem wie euch die Jounin bewerten, wird das einem oder mehreren von euch die Beförderung zum Chunin einbringen."

Auf der Kampffläche gab es einen Laut des Entsetzens, dann war Stille.

"Sieger ist Tooma, Sunagakure!"

Während sich sein Gegner in Krämpfen am Boden wand, kam Tooma mit einem strahlenden Lächeln zurück.

"Das war ein schneller Sieg", sagte ich anerkennend.

"Ja, das kommt davon, wenn man seinen Gegner auf eine Kunst reduziert und nicht in Betracht zieht, das er noch einen zweiten Trick beherrscht. Allerdings war mein Sieg nicht so fix wie deiner."

"Nächster Kampf: Hassin gegen Katou!"

"So fix wie meiner? Also, jetzt verstehe ich gar nichts mehr."

Tooma trat an unseren Tisch heran. "Du bist kampflos durchgewunken worden. Als die Paarungen für den Kampf gemacht wurden, hat dein Ranma-sensei angeboten, an deiner Statt zu kämpfen, bis du wieder aufgewacht bist. Da du ihn beschworen hast, war das mehr als legitim. Aber leider fanden wir Genin diese Idee überhaupt nicht gut, und deshalb haben wir geschlossen dafür gestimmt, dir die Wild Card zu geben. Du hast den letzten Kampf bekommen, den du in Ermangelung eines Gegners damit auch schon gewonnen hast. Und glaube mir", sagte er und klopfte mir auf die Schulter, "alle gönnen dir das. Zumindest wir Suna- und Getsu-Shinobi. Und deine Mädchen aus Konoha sowieso. Du kannst dich also in aller Ruhe darauf konzentrieren, bis zur Finalrunde in einem Monat wieder fit zu werden... Während wir anderen nach einem Weg suchen, um deine Beschwörung auszukontern. Wer weiß wen du das nächste Mal beschwörst - den Affenkönig vielleicht?"

Ranma-sensei begann zu kichern, aber ich fühlte mich in keinem Fall belustigt. Im Gegenteil, der Gedanke erschreckte mich. Sollte mir das tatsächlich gelingen - was ich aber nicht wirklich glaubte, zumindest damals - würde Enka O Enma nicht gerade erfreut sein. Und die Konsequenzen für mich würden entsprechend ausfallen. "Da denke ich besser nicht dran", murmelte ich matt.

Tooma lachte schallend. Anscheinend hatte er meine Worte deutlich missverstanden. "Ich auch nicht. Zumindest so lange nicht, wie wir uns nicht im Kampf gegenüber stehen." Er klopfte mir auf die linke Schulter und ging wieder zu seinem Tisch.
 

Der aktuelle Kampf des Genjutsu-Shinobis Hassin gegen den Suna-Ninja Katou war auch relativ schnell vorbei. Katou fand nicht einmal ansatzweise eine Abwehr gegen das Genjutsu seines Gegners und hatte schon verloren, bevor der eigentliche Kampf begann. Er kämpfte gegen zwanzig imaginäre Feinde zugleich, und deren Zahl schien mehr und mehr zu zu nehmen. Ich sah ihn seine Kunst entfalten, sich in einen Hügel aus Erde hüllen, und dennoch stieß er schließlich einen markerschütternden Schrei aus, bevor er seinen Schutzhügel wieder auflöste und schwer atmend nach seinen Gegnern suchte.

Hassin kam nun selbst heran, hob die rechte Hand vor die Stirn des wild um sich schauenden Suna-Ninjas, und verpasste ihm einen Schnipser an die Stirn. Die Wirkung überraschte nicht nur mich, denn der große Katou wurde von den Beinen gerissen, prallte neben unserem Tisch gegen die Wand, und blieb besinnungslos liegen.

"Sieger ist Hassin, Getsugakure!"

"Ich möchte lieber nicht wissen, was Hassin dem armen Katou vorgegaukelt hat", sagte Hanako schaudernd.

"Oh doch, das solltest du", sagte Uzuki-sensei. "Du bist vielleicht gezwungen, gegen ihn anzutreten, und dann wird dir jeder Fetzen Wissen dabei helfen, nicht so zu enden wie Katou-kun. Und denke dran, Hassin hätte Katou nicht bewusstlos zu schlagen brauchen. Er hätte ihn auch töten können."

Hanako erschauderte bei diesen Worten. Und sie erschauderte gleich noch ein zweites Mal. "Und mit dem habe ich das Jutsu über dem Tor aufgelöst."

"Es gibt eben mächtige Ninjas da draußen. Und viele haben weit mehr drauf als...", begann ich nachdenklich, während Hassin uns passierte. Ein ärgerliches Gesicht drängte sich in mein Blickfeld. "Sag jetzt ja das Richtige, Mamo-chan!", drohte Hanako böse.

"...viele haben weit mehr drauf aus ein durchschnittlicher Genin?", bot ich an.

Ihr ärgerlicher Blick wurde milder und wich einem Lächeln. "Gerade so vom Gong gerettet, Mamo-chan."
 

"Letzter Kampf! Jardin gegen Attal!"

Die letzten beiden Kumogakure-Genin erhoben sich, um zum Kampfplatz in der Mitte zu gehen. Bisher hatte es noch kein Kumo-Nin in die nächste Runde geschafft. Und das, obwohl die Kumo-Fraktion mit vier Gruppen gestartet war. Dann hatten sie sich vertändelt, anstatt mit ihren verbündeten Kiri-Genin vollendete Tatsachen zu schaffen. Und jetzt standen sich die letzten beiden gegenüber, um den letzten der acht Plätze für das Finale zu erreichen. Wenigstens einer von ihnen würde also durchkommen. Und uns sicherlich noch eine Menge Ärger machen, da war ich sicher. Allerdings bestand immer noch die Chance, dass sie sich gegenseitig ausschalteten. Waren die Regeln internationaler Standard, hieß das, dass beide ausschieden.

Jardin war ein Wasser-affiner Ninjutsu-Nutzer. Er versuchte von Anfang an, seinen Gegner in einer Wasserblase zu ersticken. Da war keine Spur von Kameradschaft, kein Zeichen von Verbundenheit, nur der absolute Wille zum Sieg. Attal war ein Tai-Jutsu-Talent, aber das nützte ihm überhaupt nichts, während er langsam aber sicher ertrank.

Ich fragte mich, wann der Schiedsrichter eingreifen würde; andererseits hatten die Jounin Kumogakures auch nicht eingegriffen, als draußen im Wald Genin getötet worden waren. Ich sprang auf, wollte protestieren. Und wunderte mich selbst darüber. Gerade ich hatte den Kumo-Genin nichts zu verzeihen. Dennoch wollte ich Partei ergreifen. Das war schon ein wenig lächerlich, gerade für einen Shinobi.

Aber meine Aufregung war unnötig, denn in dem Moment, in dem ich gerade protestieren wollte, verschwand Attal in einer Mischung aus Rauch und Wasser. "Ein Schattenklon", stellte ich fest. "Wie überraschend." Zumindest wusste ich jetzt, wer uns die Schattenklone auf den Hals geschickt hatte, als wir schon fast im Turm gewesen waren.

Und nicht nur ich war überrascht. Jardin war es auch. Fassungslos, beinahe verzweifelt, sah er sich um seinen sicheren Sieg betrogen. Ein Schattenklon, und wer wusste schon, wie lange Attal den Klon an seiner Stelle hatte agieren lassen.

Als der Boden unter Jardin aufbrach, und der kleine, stämmige Attal hervorgeschossen kam, die Faust auf dessen Kinn gezielt, wusste ich, dass der Sieger feststand.

Attal hatte einen Fehler gemacht. Einen gravierenden, entscheidenden Fehler. Er hatte versucht jemanden zu überraschen, der ihn kannte. Nun verstand ich auch, warum Jardin so grausam vorgegangen war - einen Schattenklon konnte man nicht töten, nur zerstören.

Der Jardin, dessen Kinn getroffen wurde, erwies sich als Wasserklon, der sofort zerfiel. Nun war es an Attal, verwirrt zu sein. Er wirbelte zur Wasserblase, aber leider zu spät. Dort hatte sich aus dem Wassergefängnis bereits eine humanoide Gestalt geformt. Die durchscheinende Gestalt formte Fingerzeichen und schoss schließlich eine beachtliche Wassersäule aus dem Mund auf Attal ab. Der Kumo-Genin wurde mittig im Körper getroffen, davon getragen und gegen die gegenüberliegende Wand geschleudert. Beim Aufprall presste er sich in das Gestein. Als das Jutsu erlosch, befreite sich der Kumo-Genin aus der Wand und machte einen Schritt auf Jardin zu. "DU!", rief er anklagend. Doch bereits der nächste Schritt war zuviel für ihn. Haltlos stürzte er zu Boden und blieb liegen.

Nun entstieg Jardin der Wasserblase vollends und nahm wieder seine normale Körperform an.

"Ein Taihoudan. Oder eine Kunst, die dieser sehr ähnlich ist", sagte Ranma-sensei nachdenklich. "Allerdings konnte ich die Fingerzeichen nicht erkennen. Nur das Erste, das Tigerzeichen."

Ich nickte unwillkürlich. Sensei testete mich gerade, und gab mir einen Hinweis. Natürlich, Jardin konnte mein Gegner werden. Das war nicht unwahrscheinlich, immerhin hatte er sich als einziger Kumo-Nin durchgesetzt. Und daher war es wichtig, so viel wie möglich über ihn und sein Jutsu zu wissen.

"Sieger, Jardin Nabara, Kumogakure!"

Sanitäter eilten heran, um sich um Attal zu kümmern.

"Damit ist die dritte Runde beendet", verkündete Motoi-sensei. "Die letzte und entscheidende Runde des Chunin-Examens findet in vier Wochen in Kumogakure statt. Allen acht Kandidaten stellt der Raikage für diese Zeit Räumlichkeiten, Trainingsmöglichkeiten und Trainingspartner zur Verfügung, ebenso wie medizinische Unterstützung. Das Finale selbst wird in der Arena stattfinden." Er räusperte sich. "Ich gratuliere den Genin aus Getsugakure, Sunagakure, Konohagakure und Kumogakure, die sich qualifizieren konnten. Damit seid Ihr entlassen."
 

Es kam kein großer Jubel auf. Wie auch? Wir alle waren erschöpft, manch einer von den anderen vielleicht noch schlimmer als ich. Und nach einer Nacht in diesem teuflischen Wald und seinen heimtückischen Bewohnern - vor allem den noch heimtückischeren temporären Bewohnern, die mir zugesetzt hatten - wollte ich nur noch baden, essen, schlafen. Nicht unbedingt in der Reihenfolge.

Aber ein Grinsen konnte ich mir dann doch nicht verkneifen, als Kirabi-sama zu uns herüber kam.

"Alle drei weiter", stellte er fest. Auch wenn es unnötig war, es zu erwähnen; es tat gut, es zu hören.

Wir nickten. Ich war jedoch mit meinem Weiterkommen nicht besonders zufrieden. Ich hatte ja nichts dafür getan. Rein gar nichts. Ich hatte nur Ranma-sama beschworen. Und das bedeutete zumindest Ärger von Ranko-sama, seiner Zwillingsschwester. Ranma war schon immer der Umgänglichere, Verzeihendere der beiden gewesen, Ranko die Herrische, Rechthaberische. Selbst wenn Ranma-sensei mir vergab, ihn für etwas so läppisches wie die Chunin-Prüfung beschworen zu haben - Ranko-sama würde niemals so gnädig sein. "Was mich angeht...", begann ich vorsichtig.

Kirabi-sama wechselte einen verblüfften Blick mit Uzuki-sensei. "Ja, sprich weiter."

"Ich bin nicht sicher, ob ich dieses Geschenk annehmen kann", fuhr ich zögerlich fort. "Ich bin nicht sicher, ob es richtig ist, auf diese Weise in die Finalrunde einzuziehen, ohne etwas zu tun. Vor allem weil es ein absoluter Zufall war, als ich Ranma-sama beschworen habe. Im Finale gelingt mir das nicht, und dann stehe ich da."

"Ist die Kontraktnutzung denn dein einziges Jutsu?", fragte Kirabi-sama lächelnd.

"Nein, natürlich nicht, aber..."

"Und, hast du kein Vertrauen in dein Jutsu?"

"Das ist es auch nicht, aber..."

Ranma-sama klopfte mir auf die Schulter. "Was mich angeht, hat alles seine Richtigkeit." Er löste seine Verwandlung auf, und anstelle des großen Konoha-Nin erschien der verwegene Affenkrieger. Er grinste mich an, bleckte dabei seine Zähne und entblößte ein Raubtiergebiss. "Ich für meinen Teil bin zufrieden. Falls du also im Finale Schwierigkeiten bekommst, Mamo-chan, zögere nicht, mich zu beschwören." Er löste die Beschwörung auf und verschwand vor meinen Augen in einer Rauchwolke. Das war mir auch neu. Ich hatte nicht gewusst, dass beschworene Kreaturen nach eigenem Willen zurückkehren konnten. Bisher hatte ich immer gewartet, bis die Beschwörung von selbst erlosch.

"In vier Wochen wird dein rechter Bizeps wieder gesund sein", sagte Kirabi-sama ernst. "Und dann kannst du deine Künste ohne Einschränkungen einsetzen. Willst du nicht wenigstens versuchen so weit wie möglich zu kommen?"

"Habe ich es mir denn überhaupt verdient?", fragte ich zweifelnd.

Er sah mich mitfühlend an. In seinen Augen schimmerte es plötzlich feucht, und ein wenig bedrückt sagte er: "Egal, ob du es dir verdient hast oder nicht, du würdest mir einen großen Gefallen tun. Denn wenn du am Finale teilnimmst, muss ich mir nichts mehr vorwerfen. Tust du es nicht, dann wird es für immer meine Nachlässigkeit gewesen sein, die verhindert hat, dass du dieses Jahr ein Chunin wirst."

"Sensei, das ist nicht fair."

"Also ziehst du deine Teilnahme nicht zurück?" Die bedrückte Miene verschwand und machte einem strahlenden Lächeln Platz.

"Ja, ich ziehe meine Teilnahme nicht zurück. Aber auch nur weil ich dich nicht leiden sehen kann, Sensei", erwiderte ich schroff. Schroffer als ich vorgehabt hatte.

Wieder wechselten Uzuki-sensei und Kirabi-sama diesen Blick. Und ich hatte das Gefühl, selbst gerade in ein Genjutsu geraten zu sein. Auf jeden Fall hatte ich mir damit die Finalrunde aufgehalst. Und das bedeutete nicht nur für mich viel zusätzliches Training.

"Junge, sieh es doch ein, du kommst da jetzt rein, in das nicht so banale, Chunin-Finale. Da wirst du richtig rocken, es garantiert nicht verbocken. Jeder sagt es in da house, im Finale kommst du ganz groß raus." Kirabi-sama verschränkte die Arme vor der Brust und warf einen Blick in die Runde, als erwarte er Applaus.

Das war also diese Sprechgesang-Musikrichtung, der Sensei nachhing? Nun, zumindest war sie situationsbezogen, und... Interessant. Aber definitiv nicht mein Ding. Zögerlich klatschte ich in die Hände. "Es macht mir Mut, dass du so ein Vertrauen in mich hast, Kirabi-sama."

"Ja, nicht wahr? Den Reim habe ich aus dem Stand gemacht. Gut, nicht?"

Nun, für einen Reim aus dem Stand war er tatsächlich mehr als annehmbar. Also konnte ich ohne zu lügen sagen: "Ja, richtig gut, Sensei."

Das ließ Kirabi-sama strahlen. "Na, dann wollen wir doch mal schauen, was wir die nächsten Tage für dich tun können, Mamoru-kun. Wäre doch gelacht, wenn wir nicht dafür sorgen können, dass du dem Training der anderen nicht hinterher hinkst." Er wuschelte mir über den Kopf. Eine Geste, die er sichtlich genoss. Ich weniger, aber ich mochte die Anerkennung, die dahinter steckte.

"Ach, und hier ist jemand, der dich unbedingt sehen will", fügte er an.

Ich weiß nicht woher sie kam, aber nach einem Schnalzen von Sensei kam ein kleiner Affe im Kleidungsstil eines Konoha-Shinobis herbei gerannt. Er hielt sich nicht lange mit Sensei auf, rannte direkt zu mir durch, kletterte an meiner Kleidung hoch und setzte sich auf meine rechte Schulter. Im Anschluss kam ich in den Genuss eines feuchten Affenkuss und einer innigen Umarmung, als der Affe meinen ganzen Kopf umfassen wollte.

"Ranko-chan!" Hanako und Karin waren ganz aus dem Häuschen, als sie den Affen wiedersahen. Man konnte sich kaum vorstellen, dass die Mädchen noch in der Nacht in tödlichen Kämpfen gesteckt hatten, und gerade erst in kräftezehrenden Zweikämpfen.

"Ha-hallo, Ranko", sagte ich erschrocken, und fügte leise ein -sama hinzu, um meinen Sensei nicht zu verärgern. Dies brachte mir eine gespielte Kopfnuss ein. Und dann desertierte dieser treulose Affe auch noch zu Hanako. Ich wunderte mich selbst darüber, dass ich mich ärgerte. Hatte ich mich etwa so sehr daran gewöhnt, Sensei in ihrer kleinen Affengestalt auf der Schulter zu tragen?

Das war ein gefährlicher Weg für einen jungen Shinobi wie mich. Ein sehr gefährlicher Weg. "Wir sollten uns langsam an die Höhenluft in Kumogakure gewöhnen. Brechen wir auf?"

Uzuki-sensei und Kirabi-sama wechselten einen amüsierten Blick.

"Ich glaube", sagte Kirabi-sensei, und wuschelte mir erneut durch die Haare, "wir sollten der Idee unseres jungen Helden folgen."

"Da sind wir einer Meinung", sagte die Jounin aus Konoha lächelnd. Es war dieses niedliche Lächeln, bei dem sie die Augen leicht zusammenkniff.

Ich spürte, wie ich rot wurde und wandte mich mit einem verlegenen Hüsteln ab. "Also, gehen wir."
 

Auf dem Wege nach draußen gesellten sich Tooma und seine Suna-Nin zu uns, während die besiegten Kumo-Genin uns keines Blickes würdigten. Amir und seine Getsu-Nin schlossen sich ebenfalls an.

Ich verstand, dass diese Geste vor allem eines war: Eine klare Mitteilung an die Kumo-Gruppen, die hier versagt hatten. Getsugakure, Sunagakure und Konohagakure hielten in diesem Fall zusammen. Zumindest bis zum Finale. Ein beruhigender Gedanke. Aber es war schon merkwürdig, dass der ältere und erfahrenere Amir und seine Shinobi sich anschlossen, anstatt voran zu gehen. Allerdings sollte ich den Grund hierfür erst sehr viel später erfahren.

***

Es war überraschend, wie simpel einem der Weg zurück vorkam, wenn man vier Shinobi vom Range eines Jounin dabei hatte. Es war, als würden Kirabi-sama, Uzuki-sensei, Maki-sama aus Sunagakure und Jouma Endo-sensei aus Getsugakure - merkwürdig, das selbst eine so erfahrene Gruppe wie die Amirs, die wahrscheinlich schon zwanzig Jahre miteinander arbeitete, von einem Jounin begleitet wurde - eine Aura vor sich her schieben, die jeden potentiellen Angreifer von vorne herein abschreckte.

Ich sah selbst, wie ein Rudel Wölfe uns zu umkreisen begann, sich ein weiches Ziel aussuchen, auf den Ruf des Anführers hin in Position gehen - nur um mit der Rute zwischen den Beinen stiften zu gehen, als Kirabi-sama dem Anführer einen bitterbösen Blick zuwarf. Das war eine beeindruckende Kunst. Das war beinahe schon Macht. Zum Glück war Sensei auf unserer Seite. Diesmal zumindest.

Als wir den Zaun des Trainingsgeländes verlassen hatten, atmete ich doch erleichtert auf. Ich war noch am Leben, in der letzten Runde des Examens, meine Kameradinnen hatten es ebenso geschafft, Ranko-sensei hatte mir wider Erwarten nicht den Kopf abgerissen, weil ich ihren Zwillingsbruder leichtfertig beschworen hatte, und ich hatte ein paar neue Freunde gewonnen. Für einen Ninja war das allerdings ein zweischneidiges Schwert, Freunde zu gewinnen, die einem anderen Dorf angehörten. Denn man konnte nie wissen, ob nicht eines Tages Missionen kollidierten, ein Krieg ausbrach, oder ob man sich einfach zur falschen Zeit am falschen Ort traf.
 

"Ah, es ist Mittagszeit", stellte Kirabi-sama fest. Er marschierte, kaum das er das Tor passiert hatte, in Richtung meines Kumpels Omoi, der uns bereits erwartete. Er griente mich an, so als hätte er niemals einen anderen Ausgang als diesen erwartet. Dann deutete er hinter sich, wo unter den Bäumen mehrere Decken ausgebreitet waren. Kumogakure-Shinobis hielten hier Lunchboxen bereit. Zielstrebig wurden wir von Kirabi-sama zur Decke gesteuert, auf der Samui und Karui gerade dabei waren, die mehrere Schubladen große Box auseinander zu nehmen und frischen Tee einzugießen. Omoi schloss sich uns an, als wir ihn passierten. Er flüsterte mir etwas ins Ohr, was ich mit ungläubigem Kopfschütteln erwiderte. Dann standen wir vor der farbenfrohen Decke, und Karui empfing uns mit einem abweisenden Blick. "Setzt euch. Aber es ist nicht gerade so, als hätten wir das Essen extra für euch gemacht."

Ich starrte Omoi ungläubig an. "Du hattest Recht. Sie hat genau das gesagt, was du prophezeit hast."

"Ich erkenne meine Schweinchen eben am Gang", erwiderte er mit allerbester Laune.

"W-wer ist hier ein Schweinchen?", ereiferte sich Karui und wollte aufspringen, aber Samui griff ihr in die Weste und zog sie wieder runter.

Die blonde Chunin schenkte uns eines ihrer seltenen Lächeln. "Ich gratuliere aufs Herzlichste unseren Freunden aus Konoha zur Erreichung des Finales. Das ist eine grandiose Leistung. Euch gebührt mein, nein, unser Respekt." Sie lächelte immer noch, als sie eine einladende Geste auf die Decke machte. "Bitte, setzt euch und stärkt euch ein wenig. Karui und Omoi haben viel Zeit investiert, um zu kochen." Kurz entstand ein bitterer Zug um ihre Miene. "Ich tauge leider nur zum Tee machen."

"Niemand braut einen so guten Tee wie du, Samui!", beeilte Karui sich zu sagen.

"Omoi hat gekocht?", fragte ich interessiert und ließ mich auf der Decke nieder.

"Und das sogar sehr gut. Er hätte kein Ninja werden sollen, sondern Profikoch", erwiderte Samui, erneut mit diesem feinen Lächeln, das ich an ihr in meinem Leben so selten gesehen hatte, und doch so sehr mochte.

"Na, dann lass uns doch was probieren", schlug ich vor.

Karui legte eine der Boxen vor mir ab und deutete auf die gebratenen Eier, die zur Rolle gebraten worden waren. "Die hat Omoi gemacht." Anschließend deutete sie auf kross gebackenes Schweinefleisch. "Das ist von mir."

Ich verstand, auch ohne das sie es sagte. Sie wollte gelobt werden. Und Omoi garantiert auch, obwohl er sich neben mich setzte und grinste, als wäre er überhaupt nicht beteiligt.

Zuerst probierte ich das Ei. Das war sehr lecker. Anschließend das Fleisch. Und ich hielt nicht mit Lob für Konsistenz und die süßsaure Note zurück.

"Wir haben genügend gemacht!", versicherte Karui und strahlte mich dabei an. Sie sah zu den Mädchen hoch. "Wollt Ihr nichts essen?"

Zögerlich setzten sich Karin und Hana-chan. Und, wie ich zu meiner Überraschung bemerkte, links und rechts von mir.

"K-kannst du überhaupt richtig essen mit dem kaputten Arm?", fragte Hanako. "Soll ich dich nicht besser füttern?"

"O-oder ich?", kam es von Karins Seite.

"Danke, aber ich komme sehr gut zurecht", erwiderte ich. "Ein guter Ninja sollte beide Hände so gut wie möglich benutzen können."

Ich nahm mit den Stäbchen ein Stück Orange auf und reichte es Ranko-sama, die wieder auf meiner Schulter saß. Sie aß es mit sichtlichem Genuss.

Omoi seufzte lautstark hinter mir. "Na, da kann man halt nichts machen. Mein Mamo-chan ist eben ein ausgemachter Idiot." Er klopfte mir auf die Schulter, ging um uns herum und ließ sich auf der anderen Seite des Tuchs nieder. Dort begann er, den Tee einzugießen. Kirabi-sama und Uzuki-sensei bekamen zuerst.

"Ausgemachter Idiot?", fragte ich leicht verärgert.

"Oh, das ist nichts persönliches, nur eine Feststellung", erwiderte er und stellte drei Becher vor mir und den Mädchen ab. Dabei zwinkerte er ihnen zu. Meine Verwunderung wuchs, als ich beide erröten und zu Boden schauen sah. Wie ich schon sagte, damals war ich vierzehn, und bisher hatte ich mit Mädchen nichts am Hut. Das lag wohl zu einem beträchtlichen Teil an der ständigen Todesgefahr, in der ein Shinobi schwebte. Man musste sich Zeit für andere Emotionen standhaft erkämpfen. Aber ich erkannte sehr wohl, dass ich da in etwas hinein rutschte, das für mich sehr gefährlich werden konnte. Also konzentrierte ich mich auf das Essen und verbrachte den Rest der Mahlzeit damit, die Köche und Samuis Tee zu loben. Wenigstens damit war ich auf der sicheren Seite.
 

"M-mamo-chan", sagte Hanako, kaum das ich die Stäbchen nach dem Essen beiseite gelegt hatte, "es gibt da etwas, was Karin und ich mit dir besprechen müssen. Hast du kurz Zeit?"

Beinahe hätte ich aufgelacht. Ich hatte vier Wochen Zeit, wenn man es genau nahm.

"Natürlich."

"Gut. Komm bitte mit."

Die beiden Mädchen erhoben sich, und ich stand ebenfalls auf. Als ich gerade dazu ansetzen wollte zu fragen, was so wichtig war, dass wir es nicht hier bereden konnten, warf mir Omoi einen entsetzten Blick zu und wedelte mit den Armen, damit ich die Klappe hielt.

Beeindruckt schwieg ich.

Ich folgte den Mädchen ein Stückchen in den Wald hinein, in den ungefährlichen Gebirgswald, nicht das Trainingsgelände. Als wir eine kleine Lichtung erreicht hatten, hielten wir, und die beiden wandten sich mir zu. Ihre Wangen waren stark gerötet, und sie wagten es kaum, mir in die Augen zu sehen.

"Mamo-chan, vor dem Examen haben wir dir doch etwas versprochen", begann Hanako.

"Wir wollten dir etwas geben, wenn wir es durch das schriftliche Examen schaffen", fügte Karin an. "Und jetzt sind wir schon im Finale."

Ich winkte ab. "Ach, das geht schon in Ordnung. Ich bin ja froh, dass ich kein Hindernis für euch beide war. Ihr müsst mir nichts geben. Eher schulde ich euch etwas."

"NEIN!", begehrte Hanako auf. "Das geht so nicht! Wir müssen es dir geben!"

Karin nickte entschlossen und nachdrücklich mehrere Male. "Wir müssen!"

Ich seufzte. "Okay. Meinetwegen. Was ist es?"

Die beiden Mädchen wechselten einen kurzen Blick. "Du musst die Augen zumachen und die Hände aufhalten."

"Okay." Also schloss ich die Augen, und hielt die Hände auf. "Kann losgehen."

Zuerst spürte ich etwas weiches, warmes, das sich an meine Hände drückte. Dann etwas noch viel weicheres auf meinen Lippen. Dieses Gefühl wurde begleitet von einer Erfahrung, die einem Stromschlag gleich kam. Dann fühlte ich das Gleiche noch einmal, und es war eine ebenso eindrückliche Erfahrung. Es war merkwürdig, aber auch sehr interessant. Und irgendwo in mir erwachte der Wunsch nach mehr davon. Nicht sehr stark, nicht zu diesem Zeitpunkt, aber das Interesse erwachte.

"D-du darfst die Augen wieder aufmachen", sagte Karin stockend.

Ich öffnete die Augen. Die beiden blickten mich verlegen an. "Und?"

"Habt Ihr zwei mich gerade geküsst?"

"Glaub ja nicht, das machen wir jetzt jedes Mal", erwiderte Hanako schroff. "Das war nur für das Finale des Chunin-Examens, mehr nicht."

Sie wandte sich Karin zu. "Los, wir gehen zurück."

Karin, die mich gebannt mit hochrotem Kopf musterte, reagierte erst auf die dritte Aufforderung. Und auch da konnte sie sich erst losreißen, als Hanako sie mit sich zog.
 

Ich blieb zurück. Alleine mit meinen Gedanken. Alleine mit vielen unnützen Gedanken. Hatte Hana-chan nicht in letzter Zeit einiges an Oberweite zugelegt? Und die dürre Karin nicht mehr und mehr richtig Taille und Hüfte?

"Puki?", klang es über mir auf. Sensei sprang aus dem Baum über mir herab und landete auf meiner Schulter. "Das ist mein Mamo-chan. Kriegt den ersten Kuss gleich von zwei Mädchen."

"Und was soll an dieser Küsserei jetzt so besonderes sein?"

Sensei grinste mich an. "Oh, das wirst du auch noch lernen, Mamo-chan. Und ich denke, das wird nicht mehr allzu lange dauern."

Ich seufzte erneut. Und ich war mir plötzlich gar nicht mehr so sicher, ob ich diese Erfahrung unter "gut" verbuchen sollte. Immerhin waren sie beide meine Teamkameradinnen. Und schlimm genug, dass sie genügend Interesse an mir gezeigt hatten, um mich zu küssen; was wenn das unsere Zusammenarbeit störte? Mir standen definitiv interessante Zeiten bevor. Es sah nicht so aus, als könnte ich sie verhindern.

"Gehen wir auch zurück, Sensei", murmelte ich nachdenklich.

Ich ahnte es da vielleicht, aber erst heute weiß ich es: Der Ärger fing damit natürlich erst an.

Aber der Ärger lohnte sich wirklich. Diese Erkenntnis brauchte allerdings einige Zeit, bis ich sie hatte.

Vor dem Finale I

Die Bauweise Kumogakures war polyzentral. Das Leben spielte sich in den sich auftürmenden Häusern ab, die in die Berge hinein gebaut waren. Jedes mehrstufige Haus war eine Kleinstadt für sich, und die Shinobi waren der Kitt, der aus den kleinen Zentren ein großes Ganzes machte. Es kam vor, das eine Familie seit Generationen in ihrem Haus lebte, manche ihr ganzes Leben vielleicht nie ein anderes betraten. Aber die Shinobi wurden ungeachtet der Häuser eingesetzt, bunt durchgemischt, und waren zudem nur dem Raikage und dem Rat gegenüber verantwortlich. Selbst wenn es Ressentiments, kleinliche Eifersüchteleien oder spießbürgerliche Kleinkriege zwischen den Häusern gab, die Shinobi garantierten dafür, dass diese nicht eskalierten, verhinderten sie. Ihnen wurde schon vom ersten Tag in der Akademie beigebracht, dass alle Häuser zusammen Kumogakure bildeten, und das einzelne Häuser auch einzeln fallen würden.

Damit ging eine Art natürlicher Gerechtigkeit einher. Keines der Häuser durfte mehr oder weniger belastet werden als die anderen. Die Kleinstädte innerhalb der Stadt hielten ihren Aufwand stets auf gleichem Maßstab, gemessen an den Gesamtmöglichkeiten. Um dem gerecht zu werden, hatte der Raikage auch die drei auswärtigen Gruppen, die sich den Weg ins Finale erkämpft hatten, in drei verschiedenen Turmstädten untergebracht. Dabei hatte er die Gruppe aus Konoha allerdings besonders bevorzugt; er hatte sie im Wohntrakt des Großgebäudes einquartiert, in dem sich auch der Arbeitsbereich des Raikages selbst befand. Diese kleine Maßnahme war A-sama angemessen erschienen, nachdem die Ressentiments gewisser Gruppen der Kumo-Shinobi gegenüber Konoha dazu geführt hatten, dass Kumo nun nur noch einen einzigen Genin im Examen hatte. Und das nach dem so viel versprechenden Start der gastgebenden Stadt. Dies brachte den Raikage nur erneut zu der Erkenntnis, das die Mentoren dieser gescheiterten Genin einer Philosophie und Weltsicht anhingen, die längst überkommen war. Und deshalb gehörte sie ausgemerzt. Die Unterbringung von Konoha Eins in seiner direkten Nähe war somit auch ein Signal an diese Gruppierungen, dass der Raikage sie bemerkt hatte, und sie missbilligte. Und dass er eine Einmischung in das Training der Konoha-Genin als persönliche Beleidigung verstehen und entsprechend ahnden würde.

Leider entsprach es der Natur einiger Menschen, solche eindeutigen Zeichen als Herausforderung zu verstehen. Die beinahe komplette Niederlage der Kumogakure-Genin wurde auch von vielen hitzköpfigeren Vertretern der Stadt als eigene Niederlage empfunden, nicht nur von der Anti-Konoha-Fraktion.

Das Ergebnis waren viele nicht sehr schöne Szenen, die uns eher selten zugetragen wurden. Viele entdeckten wir selbst, einige bestritten wir selbst, und nicht selten waren jene in Gefahr, die uns verteidigten. Ein paarmal mussten wir uns selbst verteidigen, wenn es unseren Gegnern gelungen war, uns wenigstens für eine gewisse Zeit zu isolieren. Erst Jahre später realisierte ich, in welcher Gefahr wir geschwebt hätten, wenn Kirabi-sama, der Raikage und unsere Freunde nicht auf uns acht gegeben hätten. Sie hatten viel von dem Ärger abgefangen, bevor er uns erreichen konnte. Und das waren nicht nur Samui, Karui und Omoi gewesen, auch einige andere Kumo-Ninjas standen auf unserer Seite oder wenigstens für unseren Schutz. Dann waren da noch Tooma und seine Suna-Genin, und Amir mit seinen Getsu-Nin, die sich im Zweifel ebenfalls auf unsere Seite stellten.

Ach, und da waren auch noch Uzuki-sensei... Und Ranko-sama.

***

Der Ninja-Trupp setzte sich aus einigen der talentiertesten Kriegern Kumos zusammen. Eine klassische Dreier-Gruppe mit einem Anführer. Drei Chunin, ein Jounin. Der Leiter war ein sensorischer Ninja, der sich zudem auf Genjutsu spezialisiert hatte.

Der Angriffstrupp bestand aus zwei Wind-affinen Taijutsu-Nutzern und einem Erd-affinen Ninjutsu-Nutzer. Alle vier hatten bereits Jahre für Kumo im Feld gestanden, aber nur zwei von ihnen schon gemeinsam. Dennoch erfüllten sie mit Professionalität und der Sicherheit von langjähriger Routine ihre Aufgaben. Es gab einen Aspekt, der sie vereinte. Sie gehörten alle der Fraktion an, die Konoha für militärisch schwach und ihre Ninjas für verweichlicht hielt. Sie waren alle der Meinung, das es das Beste für Kumogakure wäre, wenn der Ninja-Krieg gegen die versteckte Stadt unter den Blättern wieder aufgenommen werden würde. Und im Gegensatz zu jenen Gruppierungen, die bis zu diesem Tag ihrem Unmut Luft gemacht hatten, waren sie bereit zu töten. Notfalls auch Kumo-Shinobi, die auf der falschen Seite standen.

Die Infiltration des Turms, in dem die Residenz des Raikage stand, bereitete keine Probleme. Alle vier waren für den regulären Wachdienst eingeteilt. Sobald ihre Schicht begann, hatten sie ein Zeitfenster von zehn Minuten bis zur ersten Überprüfung ihrer Wachpositionen. In dieser Zeit würden sie nicht behelligt werden, nicht einmal von ihren Kollegen, die ebenfalls im Ratsgebäude Wache schoben. Die Schwierigkeit bestand darin, innerhalb dieser zehn Minuten das Einsatzziel zu erreichen und die alten Positionen zu beziehen, und in keinem Fall die Ersten am Fundort des grausamen Verbrechens zu sein - jenem Ort, an dem die Konoha-Delegation ohne erkennbare Gegenwehr ermordet worden war.

Es würde eine Untersuchung geben, es würden Spuren verfolgt werden, und die vier Ninja würden übereinstimmend aussagen, in ihrer Schicht nichts Ungewöhnliches bemerkt zu haben. Die Leichtigkeit, mit der Konoha Eins ermordet worden war würde dann vor allem ein schlechtes Licht auf die Fähigkeiten der Genin und ihrer Jounin werfen, sich zu verteidigen. Man konnte es Konoha regelrecht vorwerfen, warum sie keine besseren Ninja geschickt hatten. Auch wenn der Raikage das nicht tun würde, einige einflussreiche Räte würden es tun. Und entweder würde es für einen Abbruch der Beziehungen mit Konoha führen, was Kumogakure einen großen Freiraum ermöglichen würde, oder noch besser, ein offener Krieg brach aus. Und wie man anhand der Toten von Konoha Eins dann sehen konnte, brauchte Kumogakure einen Krieg gegen das schwache Ninjadorf aus dem Feuerland nicht zu fürchten.
 

Eine Minute nach dem Wachwechsel verließen die drei Chunin und der Jounin ihre Positionen. Das schrumpfte ihr Zeitfenster auf neun Minuten, war aber erforderlich um zu gewährleisten, dass die Abgelösten ihre alten Positionen wirklich verlassen hatten.

In Minute zwei sammelten sich die Chunin und gaben über Funk durch zuvor vereinbarte Störungsgeräusche ihre Bereitschaft bekannt. Der Jounin, nun ebenfalls in Position, antwortete mit eigenen Störgeräuschen. Er sicherte das Dach. Zu diesem Zweck hatte er die drei hier eingesetzten Genin unter ein Genjutsu gesetzt, und schaltete sie danach einzeln aus. Es war für den Erfolg der Mission nicht erforderlich, dass sie starben. Sie würden weder Augenzeugen sein, noch andere Eindrücke schildern können. Die Illusion hatte der Jounin extra für diesen Einsatz erst entwickelt. Sie würde keinen Aufschluss über den Anwender bieten.

Als die Chunin eintrafen, war bereits alles wieder vorbei. Minute drei brach an, und der erste Ninja begann sich an der Fassade abzuseilen. Ihm folgte schnell der zweite, dann der dritte Chunin. Alles, was Chakra emissierte, wurde so früh in der Mission tunlichst vermieden. Sie würden über das einzige Fenster in den Schlafraum eindringen, schnell nacheinander, und sich sofort auf ihre Ziele stürzen. Die ersten beiden hatten Uzuki zum Ziel. Der dritte hatte die Aufgabe, die Genin zu töten. Sollte er dabei Schwierigkeiten bekommen, würden ihm die anderen beiden helfen, sobald der Konoha-Jounin tot war. Aber was war schon schwierig daran, ein paar Kinder zu töten?

Auf dem Dach deckte der Jounin mit seinen sensorischen Fähigkeiten den größten Teil des Turmes ab. Dabei überwachte er vor allem die Positionen jener, die ihnen in den Plan pfuschen konnten. Der Raikage war nicht anwesend; sie hatten einiges an Mühe aufgebracht, um einen entsprechenden Termin zu finden. Auch Kirabi war nicht im Gebäude. Das war beruhigend, auch wenn der Jounin der festen Meinung war, dass nicht nur der Raikage seinen kleinen Bruder maßlos überschätzte. Dennoch, es gab einige verschiedene Signale, mit denen er eine veränderte Situation weitergeben konnte. Unter anderem die verfrühte Rückkehr des Raikages. Oder den Abbruchbefehl durch eine irreguläre Patrouille, die in die Ermordung der Konoha-Nin eingreifen konnte

Nichts davon schien einzutreffen, deshalb gab er, nachdem Minute vier halb verstrichen war, das Zeichen zum Missionsbeginn.
 

Der erste Ninja, er hing mit einem Seil links vom Fenster, stieß sich ab und machte sich bereit, die Holzläden mit seiner Körpermasse zu durchstoßen. Das war der Augenblick der Überraschung, der Moment, in dem es begann. Zumindest schien das so, bis die Fensterläden plötzlich aufklappten. Dabei wurde der Chunin rechts vom Fenster getroffen und verlor den Griff um das Seil. Überrascht sauste er mehrere Meter in die Tiefe, bevor er Chakra aufwendete, um sich am Mauerwerk festzuhalten. Diese Maßnahme alarmierte einen der anderen Wächter des Gebäudes.

Im Fenster stand eine große schwarzhaarige Frau. Sie lächelte, als der erste Chunin auf sie zugerast kam. Dann streckte sie die rechte Hand aus und stoppte die volle, beschleunigte Masse alleine mit ihrem Zeigefinger. Überrascht keuchte der Mann auf. Vielleicht ahnte er, dass die Mission nicht so verlaufen würde, wie er es erwartet hatte.

Die schwarzhaarige Frau zog den Zeigefinger ein und ballte die Hand zur Faust. Diese stieß sie so weit vor, bis sie den Körper des Chunin berührte. Der kinetische Impuls, den sie ihm dabei mitgab, schleuderte ihn erst vom Seil fort, und dann meterweit in die Tiefe. Mit einem entsetzten Schrei verschwand er in der Finsternis unter dem Turm.

Der dritte Chunin reagierte sofort und schleuderte eine Serie von Kunais. Diese trugen Kibakufuda, mit Chakra geformte Jutsu auf Pergament, die explodierten. Doch die schwarzhaarige Schönheit fing die Waffen ab, bevor sie den Innenraum erreichen konnten. Sie hielt insgesamt drei Kunai in Händen, und die Pergamente mit den explosiven Formeln begannen erst zu qualmen, dann verschwanden die Formeln auf ihnen. "Keine Sorge, ich habe dich nicht vergessen", versprach sie dem dritten Chunin. Dieser setzte nun auch sein Chakra ein, um den Turm wieder hoch laufen zu können. Und das machte ihn für die Überwachungszentrale ebenso wie seinen Kameraden, der zuerst abgestürzt war, zu einem Chakra-Leuchtfeuer.
 

Auf dem Dach bekam der sensorische Ninja mit, wie der wohldurchdachte Plan in Trümmer ging. Die Chunin scheiterten bereits am Fenster, ohne dass sich die Chakren der Genin und der Jounin Konohas von ihren Positionen bewegt hatten. Alles deutete auf einen wirklich großen Fehlschlag hin; Alarm klang auf, und dem Jounin blieb nicht viel Zeit, um eine Position zu erreichen, die ihn als Mittäter an diesem missglückten Anschlag ausschloss. Das war Minute fünf. Nicht einmal in seinen pessimistischsten Überlegungen war ihm in den Sinn gekommen, so rigoros und so schnell zu scheitern.

"Nicht so eilig!", erklang hinter ihm eine Frauenstimme. Er wirbelte herum, erkannte einen ANBU mit Katzenmaske, der vor einem Dreiertrupp stand. Etwas irritierte ihn an diesem Anblick, bis er bemerkte, dass der vordere ANBU nicht in die in Kumogakure üblichen Uniformen gehüllt war; der Stil wich erheblich ab. Also die Konoha-Jounin? Aber er hatte keinerlei Informationen darüber, dass die Frau eine ANBU war!

"Es wäre sehr unhöflich von mir, unsere Gäste schon nach so kurzer Besuchszeit wieder gehen zu lassen. Glaube mir, wir würden uns gerne mehr um dich und deine Leute kümmern!"

Daran zweifelte der Jounin nicht eine Sekunde, ebenso wenig wie daran, dass ihm nur wenige Sekunden blieben, um aus dieser Falle noch zu entkommen. Hastig bereitete er ein Genjutsu zu. Das war eine Sekunde, bevor ihn jemand an der Schulter herum riss und er eine Faust sah, die mehr und mehr sein Blickfeld ausfüllte. Dass er wie ein nasser Sack meterweit entfernt auf dem Boden aufschlug, bekam er gar nicht mehr mit.
 

Kirabi schnaubte abfällig, als er den Bewusstlosen betrachtete. Er nickte den Kumo-ANBU zu. "Bringt ihn weg. Und sucht nach den anderen drei."

Die ANBU reagierten sofort, teilten sich auf. Nur der ANBU mit der Katzenmaske blieb zurück.

Yugao Uzuki lüftete ihre Maske. "Danke, das du mich hieran hast teilhaben lassen, Kirabi-sama."

Der große Jounin schnaubte erneut. "Du hattest jedes Recht dazu. Sie hatten zweifellos nicht vor, euch aus Höflichkeit zu besuchen und Geschenke zu bringen. Wenn mein Bruder nicht eine Doppelüberwachung angeordnet hätte, um eure Sicherheit zu gewährleisten, hätte das einen neuen Krieg auslösen können. Ganz davon abgesehen, dass ich die Kinder nicht tot sehen will."

Uzuki lächelte hintergründig. "Es sind schon lange keine Kinder mehr, und das weißt du."

"In vielen Dingen sind sie noch wie Kinder, in vielen Dingen nicht mehr. Aber eines weiß ich genau. Ich bin stärker als sie, und solange das der Fall ist, werde ich sie beschützen. So einfach ist das."

"Das kann ich akzeptieren", erwiderte die Konoha-Jounin. "Und ich danke dir dafür."

Neben den beiden erschien eine dritte Gestalt auf dem Dach. Es war die schwarzhaarige Schönheit, die den Angriff am Fenster abgefangen hatte.

"Dir danke ich natürlich auch, Ranko-sensei." Sie verbeugte sich leicht vor der Frau aus dem Affenclan.

"Keine Ursache. Ich hatte sie ohnehin schon selbst bemerkt. Allerdings hätte ich Mamo-chan und die Mädchen geweckt, wenn wir die Unterstützung der Kumo-ANBU nicht gehabt hätten. Die drei hatten so einen harten Tag." Sie seufzte voller Mitgefühl für die Härten des Alltags der drei Genin.

"Das war deine einzige Sorge? Ob wir Mamoru und die anderen wecken, wenn wir diesen Anschlag abwehren?", fragte Uzuki ungläubig.

"Yaguo-chan, meine allererste Priorität war die Sicherheit von Team drei, nicht mehr und nicht weniger. Wenn ich dies schaffe, ohne Mamoru, Hinako und Karin aus ihrem Erschöpfungsschlaf zu wecken, ist das für mich eine zusätzliche Belohnung. Seit wir die Möglichkeit eines solchen Anschlags diskutiert haben und als wahrscheinlichstes Zeitfenster einen Tag erkannt hatten, an dem A-sama und du, Kirabi, nicht im Gebäude seid, habe ich deinen Planungen vertraut. Und was soll ich sagen, Yaguo-chan musste nicht einmal aktiv eingreifen. Es ist natürlich beruhigend, dass das Kumo-ANBU-Team bereit stand und sofort aktiv wurde, als die zweite Überwachungszentrale meldete, dass vier der Wachen ihre Positionen verlassen hatten. Eine Dreier-Gruppe plus Anführer."

"Sie hielten sich für besonders schlau, hatten viel durchdacht und geplant. Ihre Gruppe isoliert, nichts nach außen dringen lassen. Sie kennen sich wahrscheinlich nicht einmal persönlich. Aber dass wir einen Anschlag erwarten würden, und dass wir erkennen könnten, wann die Wahrscheinlichkeit für einen solchen Anschlag am höchsten sein würde, das haben sie nicht gesehen. Und diese offensichtliche Dummheit schränkt den Kreis der Anstifter dankenswerterweise erheblich ein." Kirabi ging zu den Genin-Wachen herüber, die vom Jounin bewusstlos geschlagen worden waren. "Sie leben noch. Es wäre mir auch ein sehr hoher Preis gewesen, wenn heute jemand anders gestorben wären als diese Narren."

"Sie sind nicht alle gestorben", warf Uzuki ein.

"Wir werden nicht viel aus ihnen heraus holen können", erwiderte Kirabi ernst. "Es sind Kumo-Shinobi."

"Wir haben in Konoha Methoden, um jemanden zu verhören."

"Du meinst das spezielle Jutsu des Yamanaka-Clans, das es dem Anwender erlaubt, direkt in den Geist eines anderen Menschen einzutauchen?", fragte Kirabi lächelnd.

Yaguo Uzuki versuchte nicht zusammen zu zucken, als sich eines der wichtigsten Geheimnisse Konohas als nicht ganz so geheim heraus stellte, wie die Stadt es eigentlich gerne hätte.

Kirabi übersah es höflich. "Sie werden dagegen abgesichert sein. Ihre Auftraggeber sind Fanatiker, aber auch Paranoiker. Sie werden keine direkten Beweise gegen sich zulassen. Die brauchen wir auch nicht, um sie ernsthaft in ihre Schranken zu verweisen. Jetzt, wo sie sich angreifbar gemacht haben."
 

Einer der Kumo-ANBU erschien vor Kirabi und verneigte sich leicht. "Die Aktion wurde abgeschlossen, Kirabi-sama. Ein Attentäter stürzte zu Tode, die anderen konnten wir einfangen. es gab nur leichte Verletzungen im ANBU-Team. Die drei Wächter vom Dach konnten aus dem Genjutsu geweckt werden."

Kirabi nickte zufrieden. "Tun Sie jetzt Ihre Pflicht, Gruppenführer."

Der ANBU nickte zustimmend. "Jawohl, Kirabi-sama. Soll Uzuki-sama uns begleiten?"

Der Kumo-Nin und die Konoha-Shinobi maßen sich kurz mit einem Blick. Es würde ein ungeheurer Vertrauensbeweis sein, der ANBU Einblicke in die Verhörmethoden Kumogakures zu gestatten. Andererseits waren es aber auch Informationen, die man selbst seinem besten Freund nur ungern weiter geben sollte.

Uzuki lächelte freundlich. "Dazu besteht keine Notwendigkeit, Gruppenführer. Ich bedanke mich für die Unterstützung durch Ihr Team, aber meine Aufgabe ist drei Stockwerke unter mir und sägt gerade sämtliche Wälder Konohas um."

Kirabi neigte leicht das Haupt, um seine Zustimmung und seine Anerkennung auszudrücken.

"Verstanden", sagte der ANBU, und verschwand vor den Augen der beiden.

Kirabi runzelte die Stirn. "Wie lange müssen wir das noch mal durchhalten?", fragte er in einem Anflug aus ironischem Trotz heraus.

"Noch zwei Wochen und vier Tage", antwortete Uzuki im gleichen Tonfall. "Aber sehen wir es positiv. So viel wie die drei in diesen vier Wochen lernen werden, kriegen sie sonst in einem ganzen Jahr nicht mit. Also egal ob sie den Chunin-Rang erreichen werden, es wird gut für sie sein."

"Und für das, was nicht gut für sie ist, sind wir ja da", sagte Ranko-sama mit einem feinen Lächeln. Sie verwandelte sich vor den beiden Jounin wieder in den kleinen Affen, kletterte geschickt an Uzukis Rüstung empor und setzte sich auf ihre Schulter. "Gehen wir zurück, Yaguo-chan. Auch du brauchst deinen Schönheitsschlaf."

"Ich beuge mich deinem Rat, Ranko-sama", erwiderte sie lächelnd. Sie nickte Kirabi noch einmal zu, und verschwand dann ganz konventionell im Treppenaufgang.
 

Der Kumo-Jounin blieb noch einige Zeit alleine auf dem Dach. Er wartete auf die Ablösung für die Wachen, die im Genjutsu gefangen gewesen waren und erst untersucht werden würden. Das gab ihm ein wenig Gelegenheit, über einige Dinge nachzudenken. Nicht nur über den Bijuu, den sein eigener Vater nach dessem siebten Ausbruch in ihn gepflanzt hatte - ganz nach dem Motto, dass es nur dem Stärksten gelingen konnte, den Achtschwänzigen dauerhaft zu bändigen - auch über seine Aufgaben und seine Rollen in Kumogakure. Als Sohn des vorigen und Bruder des jetzigen Raikage hatte er wesentlich mehr Pflichten und Verantwortungen als andere Ninja, ja selbst als andere Jounin. Pflichten, die nicht immer so angenehm waren wie jene, auf die jungen Konoha-Genin zu achten und ihre faire Chance auf das Finale zu bewahren. Bisher hatte er immer alles ohne zu zaudern ertragen und akzeptiert. Warum auch nicht, er war ja ein Shinobi im Dienste der Stadt. Aber in ihm war auch das Gefühl, der Wunsch, sich auf mehr als eine Art zu verwirklichen. Vielleicht würde eine Veränderung gut tun. Vielleicht würde noch eine Pflicht, egal was sein Bruder sagte, mehr eine Entlastung bringen als zusätzliche Last. Vielleicht sollte er auf Kamui hören und sich einen Bart stehen lassen. Eine Sonnenbrille war vielleicht auch nicht schlecht. Nicht besonders praktisch, aber bestimmt verdammt cool. Und vielleicht sollte er in Zukunft mehr Musik machen, wenn seine Arbeit als Jounin ihm dafür Zeit ließ. Denn egal wie sehr er seine Arbeit als Shinobi liebte, egal wie sehr er diese Stadt und ihre Einwohner beschützen wollte, er liebte auch seine Musik. Und ohne Übung würde sie ewig nur ein Hobby bleiben. Und er, Kirabi-sama, machte niemals halbe Sachen, ließ niemals unfertige Dinge zurück. Und außerdem schob er selten Dinge auf.

"Kirabi-sama, wir übernehmen jetzt den Wachdienst", meldete einer der drei Wachen aus der Reserve.

"Was? Oh, ja. Gut, ich gehe dann wieder." Er grüßte die drei Wachen, von denen er eine persönlich kannte. Sie war Genjutsu-Nutzerin. Also hatte der Wachführer auf die Taktik des Angriffs bereits reagiert. Beeindruckend und naheliegend. Kumogakure halt.

Doch, einen Aufschub würde er noch machen müssen, was seine Gesangskarriere anging: Er würde erst morgen starten. Mit diesem Gedanken verließ auch er das Dach. Morgen. Was für ein viel versprechendes Wort voller Magie.

***

Training konnte eine sehr schmerzvolle Erfahrung sein. Und das meine ich nicht als Metapher. In meinem speziellen Fall, unter der brütenden Mittagshitze in unglaublich dünner Luft, hingen die Schmerzen vor allem mit einem harten Fußboden zusammen, auf das mein Gesicht kraftvoll klatschte. Das würde einen blauen Fleck geben, der sich gewaschen hatte.

"Was tust du da, Mamo-chan? Ausruhen?", erklang über mir eine spöttische Stimme.

Ich setzte im Liegen zu einer Beinsichel an, doch mein Gegner sprang darüber hinweg. Damit hatte ich gerechnet, ich zog das linke Bein an und stieß es in Richtung meines gerade wieder gelandeten Gegners. Der wich zwar aus, musste dafür aber gleichzeitig Distanz aufbauen. Das bedeutete für mich, dass ich wieder auf die Beine kommen konnte.

Perine-chan war schon wieder auf der Trainingsmatte, von der sie mich kraftvoll vertrieben hatte. Sie hatte zwei Finger auf die Matte gestemmt, hielt die Beine waagerecht in der Luft und den Oberkörper gerade. Eine reine Angeberpose, vor allem weil sie mir mit der freien Linken auch noch herausfordernd zuwinkte. Das brachte ihr natürlich entsprechende Bewunderung der Mädchen ein, die es nicht lassen konnten, bei meinen Taijutsu-Stunden zuzuschauen. Und dabei Zeugen wurden, wie ich jedes Mal von Perine durchgeprügelt wurde. So wie heute. Ich seufzte, drehte mich auf den Rücken, zog die Beine an und streckte sie ruckartig aus, während ich mich mit der Linken kräftig abstieß. Wacklig zwar, aber ich kam so wieder auf die Beine. Wenn ich dieses Manöver einmal perfekt beherrschte und zudem beide Hände benutzen konnte, würde es eine herbe Überraschung in meinen Kämpfen werden. "Ich bin nicht zum ausruhen hier. Du etwa, P-chan?"

Die goldblonde Affenkriegerin verzog ihr Gesicht zu einer Grimasse des Widerwillens. "Mamo-chan, du sollst meinen Namen doch nicht abkürzen. Da klinge ich ja so... So... Wie ein kleines Schweinchen."

Ich lachte auf. "Also, ich finde P-chan niedlich."

"Du bist aber nicht hier, um etwas niedlich zu finden, sondern um dein Taijutsu zu trainieren. Um es anwenden zu können, ohne den rechten Arm zu belasten. Vorerst jedenfalls."

Für einen winzigen Moment zuckte mein Blick zum rechten Bizeps, der noch immer nicht ganz verheilt war. Ich hatte den Arm geschont, wo es nur ging. Im Moment steckte ich in der Physiotherapie, um den frisch verwachsenen Muskelfasern nach und nach die alte Stärke zu verleihen, aber es würde ein langer Weg für mich werden, selbst mit der Unterstützung durch Medi-Nin. Ich konnte ja schon froh sein, dass es mir zumindest wieder gelang, Fingerzeichen zu formen. Auch wenn es mir schwer fiel und langsam war. Deshalb trainierte ich mit Perine. Sie war in der Hierarchie des Affenclans eine Kriegerin, die irgendwo zwischen Genin und Chunin gestanden hätte, wenn der Clan eine solche Einteilung gekannt hätte. Vor drei Jahren war sie meine erste Beschwörung gewesen; da hatte sie noch nicht einmal einen halben Meter Körpergröße gehabt. Außerdem hatte sie sich vor mir gefürchtet. Heute war sie beinahe so groß wie Hanako und eine voll ausgebildete Kriegerin. Und wie die meisten Affenkrieger eine Meisterin im Taijutsu. Noch lange nicht auf dem Level von Ranko-sama oder Ranma-sama, aber mit einem verletzten Mamoru Morikubo nahm sie es allemal auf.

So wie jetzt, als sie meine kurze Ablenkung ausnutzte, auf mich zuschoss und mein Kinn mit einem Spinkick anvisierte.

Ich reagierte gerade noch rechtzeitig und nahm den vollen Impakt des Tritts mit der linken Hand auf, die ihren Fußknöchel fest umschloss. Der Schmerz raste durch meinen Körper, ich rückte durch die Wucht mehrere Zentimeter nach hinten. Aber ich behielt den Griff um den Knöchel. Was nun ohne mein weiteres Hinzutun dazu führte, dass P-chan wie ein Stein zu Boden fiel.

Das war natürlich noch nicht das Aus in dieser Runde. P-chan fing sich mit Links auf, stieß sich wieder vom Boden ab und wirbelte um ihre Längsachse. Dabei verlor ich den Griff um ihren Knöchel und sah den anderen Fuß auf mich zukommen. Doch anstatt nun auch diesen mit links abzuwehren und meinen Bauch damit für einen Tritt zu entblößen, brachte ich mein rechtes Bein ins Spiel. Hart trat ich sie mit meinem Schienbein in den Körper und gab ihr einen satten kinetischen Bewegungsimpuls mit, der sie mehrere Meter weit beförderte. Sie rutschte sogar von der Matte, und ich konnte ihren überraschten, quiekenden Schmerzensschrei hören.

Für einen Augenblick ruckte ihr Kopf über den Rand der Matte empor. Doch ihr Blick wurde glasig, und sie sackte wieder zurück.

Darauf fiel ich natürlich nicht herein, dazu kannte ich P-chan zu lange, hatte zu oft mit ihr trainiert. Das letzte Mal, als wir Sparring gehabt hatten, war ich ihr überlegen gewesen. Nun aber fehlte mir ein Arm, und sie war auch noch ein Stück gewachsen. Außerdem wusste ich, dass ein Trainingskampf erst dann Zuende war, wenn einer der Partner dreimal auf die Matte schlug, oder meinetwegen auf den Boden. Es wäre nicht das erste Mal gewesen, dass sie mich in eine Falle zu locken versuchte, indem sie mein Mitleid und meine Sorge ausnutzte - und mir dann anschließend sehr bestimmt austrieb, so etwas für meinen Gegner zu empfinden.

Die Mädchen hingegen fielen nur zu gerne darauf herein. Als Perine nach einer Minute noch immer nicht hoch gekommen war, hörte ich halblautes Gemurmel der zwei, die mit Wörtern gespickt waren wie "zu brutal", "Rücksicht nehmen" und "Mädchen respektieren".

Ich sah für einen Moment unsicher zu Uzuki-sensei herüber, aber sie hatte den Kampf nicht abgebrochen. Noch immer stand sie am Nordrand der Matte und beobachtete uns mit einem feinen Lächeln.

Die beiden Mädchen erreichten Perine und knieten sich neben ihr nieder.

Hanako fuhr entsetzt hoch. "Sie atmet nicht mehr!"

Nun gab ich meine Abwehrhaltung auf, kam ein paar Schritte näher. Als ich bemerkte, das Sensei den Kampf immer noch nicht abgebrochen hatte, riss ich beide Arme zum Block hoch. Prompt traf mich ein Tritt von Perine, während ihr Schattenklon am Mattenrand zwischen Karin und Hana-chan verpuffte.

"Na, danke für diese nette kleine Falle", murrte ich.

"Du hast viel zu fest zugetreten! Das macht man nicht mit einem Mädchen!", erwiderte Hanako mürrisch.

"Aber sie darf das, oder wie? AUTSCH!" Nun sackte ich zu Boden. Der Tritt war hart gewesen, sehr hart. Dabei umschloss ich mit der linken Hand den rechten Oberarm. "Ah, Mist! Verdammt!"

"Akira, habe ich den rechten Arm verletzt?" Die Affenkriegerin kniete sich vor mich. "Lass mich mal sehen!"

In diesem Moment ließ ich meine Rechte vorschnellen und traf Perine mit den Fingerspitzen auf den Bauch. Dann ballte ich die Hand zur Faust und schlug mit ihr ohne erneut auszuholen zu. Von diesem Doppelschlag wurde P-chan die Luft aus der Lunge getrieben. Sie selbst landete auf dem Rücken, wo sie keuchend liegenblieb. Mich durchfuhr dafür heißer Schmerz im rechten Oberarm.

"Das war schon wieder viel zu brutal!", rief Hanako entrüstet. "Außerdem darfst du den rechten Arm nicht einsetzen!"

"Wer hat das denn behauptet, Hanako-chan?", fragte Sensei. Sie musterte die japsende Affenkriegerin einen Augenblick. "Sieger ist Mamoru-kun. Erhebt euch und grüßt."

Ich kämpfte mich auf die Beine. Okay, das ging leidlich. Das schuf Hoffnung für die Finalrunde des Chunin-Turniers. Ich reichte Perine die Hand, um ihr beim Aufstehen zu helfen, doch die Affenkriegerin richtete sich ohne meine Hilfe auf. Also, entweder hatte ich ihr nur halb so weh getan wie ich geglaubt hatte, oder sie zog eine Riesenshow für mich ab, wie taff sie doch war.

"Hast ja einen guten Kampf geliefert, Mamo-chan. Das traut man dir gar nicht zu mit dem Arm." Sie trat an mich heran, ergriff den rechten Arm und bewegte ihn.

"Nanu, seit wann bist du denn unter die Ärzte gegangen, P-chan?", spöttelte ich.

"Halt die Klappe, Mamo-chan", tadelte sie mich. Zufrieden ließ sie den Arm wieder los. "Sieht gut aus. Der Schlag eben hat der Heilung nicht geschadet. Du hast aber eben auch zugelangt. Wenn ich nicht mitgegangen wäre, würde ich wahrscheinlich immer noch auf der Matte liegen."

"Äh..." "Ja, ja, ich bin in Ordnung." Sie lächelte mich an. "Was wäre ich für eine Kriegerin, was wäre ich für eine Kontraktpartnerin, wenn mich das schon umhauen würde? Aber gut warst du, richtig gut, Mamo-chan."

Das machte mich ehrlich gesagt verlegen. "Ich versuche eben, an dir zu wachsen, P-chan", erwiderte ich und tätschelte ihren Kopf.

"L-lass das. Du weißt, dass ich das nicht mag", murrte sie, versuchte aber auch nicht, meine Hand abzuschütteln.

"Ich lerne in jeder Lektion eine Menge von dir", sagte ich lächelnd und tätschelte weiter. "Und ich werde mit meinen Beschwörungen immer besser. Nicht, dass ich wieder Ranko-sensei beschwöre, für nichts und wieder nichts." Ein kalter Schauder ging über meinen Rücken. Ich hatte sie im Kampf gesehen, in einem echten Kampf. Und seither hatte ich vor allem an einer Sache kein Interesse: Eines Tages einmal ihr Gegner zu sein.

"Ach", lachte Perine, und schüttelte meine Hand nun doch ab, "ausgerechnet ihr Lieblingsschüler sollte seinen Sensei auch mal für nicht so wichtige Dinge beschwören können, denkst du nicht?"

"Ich denke da vor allem an ihre Rache", sagte ich mit einem leichten Zittern in der Stimme. Moment mal, Lieblingsschüler? "P-chan, ich bin ihr einziger Schüler. Zumindest ihr einziger Menschenschüler."

"Also habe ich doch Recht, oder?", erwiderte sie mit einem breiten Grinsen. Suchend schaute sie umher. "Wo ist sie überhaupt? Ich dachte eigentlich, sie treffen zu können, wenn wir trainieren. Aber das ist schon der zwanzigste Tag in Folge, an dem sie nicht da ist."

"Ist sie nicht beim Clan?", fragte ich verwundert, da ich sie schon einige Tage nicht mehr gesehen hatte.

"Nein, seit du sie beschworen hast, ist sie nicht wieder zurückgekehrt." Sie dachte kurz nach. "Zumindest habe ich sie nicht gesehen. Da lag es doch nahe zu vermuten, das sie bei dir geblieben ist, um dich beim Chunin-Examen zu unterstützen, oder, Mamo-chan?" Sie schlug mir derbe auf den Rücken. "Ein Glück hast du. So viel Aufmerksamkeit hätte ich auch gerne mal von ihr."

"Äh, P-chan, Sensei ist nicht hier."

Sie schnaubte als Antwort. "Aber sie ist auch nicht auf dem Affenberg. Vielleicht macht sie auch irgendwo richtig einen drauf. Ein Kind von Traurigkeit war sie ja noch nie."

Noch einmal rieb sie sich den schmerzenden Bauch, dem folgte ein wohlwollendes Lächeln. "Morgen gleiche Stelle, gleiche Zeit?"

"Klar."

"Gut, dann gehe ich jetzt wieder. Und falls du bis dahin Ranko-sama siehst, erzähl es mir morgen. Ich schaue mal bei uns nach, Okay?"

"Okay."

Perine lächelte mich noch einmal an, dann winkte sie den Mädchen. Schließlich verschwand sie in einer weißen Rauchwolke.

Das war immer der gefährlichste Moment für mich, denn traditionell bildeten die Mädchen eine verschworene Zweckgemeinschaft, die selbst dann zusammenhielt wenn es nicht nötig war. Oder mit anderen Worten: Sie hatten mich auf dem Kieker. Das Wort "Trainingsstunden" und dessen Bedeutung war ihnen dabei ziemlich egal. Ich ahnte, dass das weibliche Eigenschaften waren, mit denen ich in meinem weiteren Leben noch sehr zu kämpfen haben würde. Dabei waren es weniger ihre Worte, die mir zu schaffen machten. Es waren die stummen Vorwürfe. Blicke, die töten konnten. Blicke, die sie mir seit dem Ende des Kampfes zuwarfen, und die bewirkten, dass ich mich kleiner fühlte als ich eigentlich war. Oh ja, Mädchen waren gut in solchen Dingen. Aber ich sollte in meinem Leben noch viele weitere Dinge herausfinden, in denen sie gut waren. Und einige würden sich als nützlich erweisen, andere als... Angenehm. Damals aber taten mir nur die schneidenden Blicke der beiden Mädchen weh, aber ich war zu stolz und zu stur, um sie mit ihrem kindischen Verhalten und meiner Seelenpein zu konfrontieren. Also stieg ich einfach nur von der Trainingsmatte herab und postierte mich neben Uzuki-sensei. Das war der sicherste Platz für mich. Sie als Frau wusste, was Frauen anrichten konnten, und sie beschützte mich. In einem gewissen Sinne.
 

Hanako und Karin lösten mich auf der Matte ab. Beide waren keine Taijutsu-Nutzer wie ich, aber Hayate-sensei hatte immer darauf bestanden, dass wir alle drei ein Mindestmaß an Nahkampf beherrschten. Dieses Mindestmaß hatte er immer wieder angehoben, und so waren auch die beiden Mädchen von Team drei schließlich auf einem beachtlichen Level angelangt. Das Witzige daran war, dass es zuträglich für ihre Kunst war. Andererseits hatte ich noch nie gesehen, wie ein Akimichi mit Baika no Jutsu die Kraft des Gegners gegen ihn wandte. Es war ein obskures Bild, wenn Karin Hana-chan mit Daumen und Zeigefinger den Arm auf den Rücken drehte. Darüber hinaus hatte sie ihr Jutsu weiter verfeinert. Wir wussten alle, dass der Akimichi-Clan sich allergrößte Sorge um sie machte, weil sie einfach kein "gesundes Gewicht" erreichen wollte und so dünn blieb wie eh und je. Selbst ihr kleiner Cousin Choji wog schon mehr als sie. Daraus resultierend, dass sie nie die Masse aufbauen würde, um alle Aspekte des Baika no Jutsu auszunutzen, waren Hayate-sensei und Karin dazu übergegangen, ihr neue Möglichkeiten zu finden.

Ihr einfachstes Jutsu war das mit den übergroßen Händen; das kostete sie erstaunlicherweise nur wenig Chakra. Sie hatte es beinahe mit der Muttermilch aufgesogen, und es hatte sich in vielerlei Hinsicht als nützlich erwiesen. Mit dieser zusätzlichen Körpermasse, die sie erzeugen konnte, ohne sofort an totaler Entkräftung zu sterben, hatten Sensei und sie gearbeitet, ihr neue Wege eröffnet. Im Clan wäre das niemals möglich gewesen. Die Akimichi waren sehr traditionsbewusst und stur. Bei ihnen gab es nur größer, dicker, stärker. Hayate-sensei hingegen hatte neue Grenzen entdeckt. Zum Beispiel konnte Karin mittlerweile mit der existierenden Masse arbeiten. Anstatt also weitere Körperteile zu vergrößern, konnte sie sie strecken. Bis zu einer Entfernung, bei der ihre Hände und Arme ihre normale Größe erreicht hatten. Das war ihr Limit. Besonders gefährlich waren diese auch noch schwer zu kontrollierenden Hände nicht, deshalb war ihr Limit der verlängerten Gliedmaßen bei zehn Metern zu finden. Gerade weit genug entfernt von ihr, um noch kontrollierbar zu sein, und noch groß genug, um weh zu tun. Das überwand ihre Beschränkung als Nahkämpferin und machte sie auch für mittlere Distanzen gefährlich. Weiterhin beherrschte sie einige recht gefährliche Ninjutsu ihrer Erd-Affinität. Da diese aber einiges an Zeit brauchten, kam sie in einem Gefecht eher selten dazu, sie zu nutzen. Bis dahin hatte ihr Baika no Jutsu meistens schon aufgeräumt.
 

Hana-chan beherrschte das klassische Genjutsu des Yamanaka-Clans, die Körperkontrolle. Es wäre ungerecht ihr gegenüber gewesen zu sagen, das wäre ihre einzige Stärke gewesen. Selbst damals hatte sie sich immer bemüht, wichtige gängige Jutsu ihrer Wind-Affinität zu beherrschen. Es unterstützte ihr Jutsu nicht merklich, aber seit sie das Genjutsu des Oto-Nin Santori erlebt hatte, trainierte sie hart daran, ihre Stimme ebenfalls mit Hilfe des Windes zu dirigieren. Verwirrung, das war genau das was sie brauchte, um erfolgreich einen Verstand zu überwältigen.

Sie beherrschte auch einige andere interessante Fuuton, aber ihre Körperübernahmetechnik war definitiv ihre stärkste Waffe und ihre erste Wahl. Außerdem besaß sie in der Gruppe die stärkste Befähigung, um nicht unter ein Genjutsu zu fallen. Ich schrieb das ihrem unvergleichlichen Dickkopf zu. Und vermutlich hatte ich damit auch Recht.
 

Als ich aus meinen Gedanken erwachte, war der Kampf der beiden schon einige Zeit im Gange. Es war ein ausgewogenes Duell, was mich erstaunte. Ich hätte nie gedacht, dass die schüchterne Karin so viel Energie und Willen aufbringen würde, um ausgerechnet gegen Hana-chan zu bestehen. Das tägliche Training machte sich hier wirklich bemerkbar. Und die zielsicher gesetzten Ermutigungen von Uzuki-sensei spornten und förderten beide Mädchen gleichermaßen.

Als Hanako erschrocken aufquiekte, weil sie unerwarteterweise von Karins Baika no Jutsu getroffen wurde, reagierte ich automatisch. Mit einem Step erschien ich am Rand der Matte und fing Hana-chan auf, als sie über den Rand der Matte hinweg segelte. Das war für Karin-chan der erste derartige Sieg über Hanako. Das war ein Riesenfortschritt für sie.

Für einige lange Sekunden ruhte Hana-chan in meinen Armen, und ich wunderte mich, warum das sonst so vorlaute Mädchen plötzlich so rot wurde und regelrecht verstummt war. "D-dan...", kam es leise aus ihrem Mund.

Karin hatte entsetzt eine Hand auf ihren Mund gelegt. "Mamo-chan, du berührst ihre...", haspelte sie.

"Ihre was?", fragte ich verwundert.

"AH!" Entsetzt begann Hanako in meinem Griff zu strampeln, bis ich sie wieder auf den Boden setzte. Sie wandte sich sofort von mir ab, beide Hände schützend vor ihren Brustkorb gelegt. "Wie kannst du die Situation nur so ausnutzen, Mamoru?", fragte sie vorwurfsvoll. "Wenn sich das rum spricht, bin ich bei allen Mädchen in Konoha unten durch."

Beinahe verzweifelt fragte ich: "Was meinst du? Hätte ich dich nicht auffangen sollen? Ich weiß, das war unfair Karin gegenüber. Aber diesmal war sie stärker als du." Schüchterne Röte schoss über die Wangen der kleinen Akimichi.

"Und ich sehe dich so ungern an der nächsten Wand zerschmettert, Hana-chan."

Nun konnte ich auch auf ihren Wangen eine kräftige Röte erahnen.

"D-dafür danke ich dir ja auch", stotterte sie. "A-aber das du dafür einem Mädchen an den Busen fassen musstest... J-jetzt muss ich dich ja wohl hei..."

"Welcher Busen?", fragte ich irritiert.

Ehrlich, für einen winzigen Moment hatte ich das Gefühl, in der Hölle gelandet zu sein. Karins entsetzter Blick, die erschrockenen Augen von Sensei und die pochende Ader auf Hanakos Stirn, als sie sich zu mir umdrehte, flößten mir eine Heidenangst ein.

"Autsch!"

Hana-chan rieb sich die schmerzende Faust, mit der sie mir die Kopfnuss meines Lebens verpasst hatte. "War ja auch nicht anders zu erwarten bei einem kleinen Idioten, der noch ein halbes Kind ist. Hast du überhaupt bemerkt, dass du mit zwei Frauen in einem Team bist?" Sie wartete keine Antwort ab. Mit eine Geste absoluter Verachtung wandte sie sich ab und ging stolz wie eine Daimyou zurück zu Karin auf die Matte.

Mit hoch erhobenen Augenbrauen sah mich Uzuki-sensei an. "Mamo-chan, ich fürchte, wir müssen uns über gewisse Aspekte des Lebens dringend unterhalten."

"Ich bin nicht sicher, ob ich diese Unterhaltung führen will."

"Ich habe dich nicht um deine Meinung gefragt", schloss Sensei.
 

Eine Stunde später bekam ich einen erweiterten Kurs über die Sensibilität weiblicher Heranwachsender und deren Physis. Das war noch in Ordnung. Aber die Andeutungen Senseis, dass ich dieses Wissen eventuell einmal in meiner Arbeit als Shinobi brauchen könnte, trug dazu bei, mich ernsthaft zu verunsichern.

Als ich nach dieser Lektion entlassen war, verließ ich die Halle als Letzter, den Kopf voll wirrer Gedanken, die sich nicht ordnen wollten. Wer hätte je gedacht, dass Frauen so etwas Kompliziertes waren? Ich hatte eigentlich erwartet, alle Frauen würde so wie Uzuki-sensei sein. Oder es zumindest versuchen. Nach diesem Gespräch vermutete ich, dass Sensei sich verstellte, und einige ihrer nicht so erfreulichen Eigenarten zu ihrem eigenen Vorteil unterdrückte. Ein nicht besonders netter Gedanke über sie. Vor allem irritierte mich, dass sie auf meine direkte Frage danach nur nichtssagend gelächelt hatte. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass das ausgerechnet Hayate-sensei verborgen geblieben sein sollte. Und das bedeutete im Umkehrschluss, dass er die Eigenschaften, die Uzuki-sensei uns gegenüber verbarg, willentlich in Kauf nahm. Ich begann mich ehrlich zu fragen, ob die Freuden einer Beziehung zwischen Mann und Frau diesen Ärger wert waren. Und wenn sie es waren, wie viel Freude brachte eine solche Beziehung?
 

"Na, Kleiner, fertig für..." Omoi runzelte die Stirn. "Was machst du denn für ein Gesicht?"

"Ach, nichts weiter. Ein wenig Ärger mit Hanako, weil ich ihr an den Busen gefasst habe."

"Du hast was?" Vor Schreck wäre ihm fast sein Lutscher aus dem Mund gefallen.

"Sie wurde von der Matte geschleudert. Ich habe automatisch reagiert und sie aufgefangen. Dabei habe ich ihren Oberkörper berührt, und Hana-chan behauptet jetzt, ich habe ihren Busen berührt. Und Sensei meinte daraufhin, sie müsse mich aufklären. Über die sensible Psyche eines Mädchens und über die Eigenarten der sich verändernden Körper."

Omoi klappte den Mund wieder zu. "War wohl nicht sehr interessant, was?"

"Was soll ich sagen? Ich fand das Thema schon in der Schule nicht sehr prickelnd. Und auch jetzt fehlt mir da ein wenig der Bezug. Was ist so toll an Mädchen, die sich entwickeln? Und warum ist Hana-chan einerseits sauer auf mich, weil ich ihren Busen berührt habe, und andererseits sauer auf mich, weil es mir nichts ausmacht?"

"Junge, Junge, Junge. Du bist ein ganz schön schwieriger Fall, Mamo-chan." Er musterte mich aufmerksam, dann klopfte er mir auf Arme, Hüfte und Beine. "Also, hintendran bist du eigentlich nicht. Das muss sich bei dir im Kopf abspielen. Hm. Hm."

"Dieses Hm gefällt mir nicht, Omoi. Du heckst doch gerade wieder etwas aus."

Seine Zähne blitzten weiß wie Schnee in seinem Gesicht auf. "Ach, so gut kennst du mich mittlerweile? Sehr schön, dann brauche ich ja nichts weiter zu sagen. Sag mal, wie gut ist deine Imitationstechnik?" Omoi legte nachdrücklich den rechten Arm um meine Schulter, hielt mich fest im Griff und zog mich mit sich.

"An dieser Stelle möchte ich gegen meine Entführung formellen Protest einlegen", sagte ich mit Resignation in der Stimme.

"Protest wird im Protokoll festgehalten. Aber das ist alles nur zu deinem Besten, mein junger Freund. Nur zu deinem Besten."

"Wieso habe ich das Gefühl, dass damit ein hohes Risiko verbunden ist?", stöhnte ich entsetzt.

"Weil alle Dinge, die es wirklich wert sind, mit hohen Risiken verbunden sind, kleiner Bruder."

Er grinste mich erneut an, aber diesmal hatte ich ein ähnliches Gefühl wie in der Halle vor einer Stunde. Die Hölle tat sich auf und würde mich verschlingen. Definitiv.

***

Keine Stunde später saß ich noch ein wenig blessierter als ich ohnehin schon war im Büro des Raikage. Ein blutrot strahlender Handabdruck in meinem Gesicht überlappte sich mit einem zweiten und kündete von meinem Schicksal. Das Nasenbluten hingegen hatte mit den Schlägen, die ich kassiert hatte, nichts zu tun.

Neben dem Schreibtisch des Raikage standen Kirabi-sama und Uzuki-sensei. Es war schwierig, in ihren Gesichtern zu lesen, aber seltsamerweise erkannte ich keine Anzeichen für Wut.

Omoi, der neben mir saß und vollkommen unverletzt war, hatte allerbeste Laune - noch.

Im Hintergrund lehnten eine wutschnaubende Karui und eine außerordentlich kalt dreinschauende Samui an der Wand, während Nii-Sensei, die den ersten Part des Chunin-Examens geleitet hatte, mit hochroten Wangen und sich überschlagender Stimme eine Erklärung abhielt, die immer wieder von ihrem eigenen Eifer unterbrochen wurden.

"U-u-u-und nicht nur mich! Oder Karui-chan und Samui-chan! Die beiden ha-haben m-mindestens neun weitere Kunoichi n-n-nackt gesehen! Splitterfasernackt!" Ihre eigenen Worte steigerten ihr Entsetzen. "D-dieses freche Eindringen ins Frauenbad m-muss bestraft werden! M-mit aller Härte!"

Sie warf mir einen schiefen Seitenblick zu. Einer der Handabdrücke gehörte ihr. Der andere Karui. "Omoi-kun, zumindest. Es steht wohl außer Zweifel, dass Morikubo-kun von diesem verantwortungslosen Drückeberger zu dieser unglaublichen Aktion angestiftet wurde."

Omoi grinste von einem Ohr bis zum anderen und stieß mir mit seinem Ellenbogen in die Seite. "Deinen Schlag bei den Frauen möchte ich haben, Mamo-chan."

Yugito Nii-sensei errötete noch mehr. Beinahe erwartete ich, kleine Dampfwolken aus ihrem Kopf steigen zu sehen. Sie machte einen hastigen Schritt auf uns zu.

"Autsch! Aiii! Uuuuh!" Omoi hielt sich den schmerzenden Schädel. Nicht nur Nii-sensei, sondern auch die beiden Mädchen hatten ordentlich zugelangt, und ihm eine Kopfnuss verpasst, die sich gewaschen hatte. Auch so ein Ding. Warum waren Frauen so schrecklich brutal? Was mich gleich auf den nächsten Gedanken brachte: Da Omoi und ich so grandios und effektvoll gescheitert waren, was würden Hana-chan und Karin-chan wohl mit mir anstellen? Der Gedanke daran ließ mich vor Entsetzen sogar für einen Moment die schmerzende Wange vergessen.

"Jedenfalls gehört hier jemand bestraft!", sagte Nii-sensei mit Nachdruck.
 

Der Raikage, der bis dato schweigend zugehört hatte, hob die Rechte. Nii-sensei schwieg sofort.

"Lass mich das doch mal zusammenfassen, Yugito-chan. Du warst im Frauenbad. Du, Karui-chan, Samui-chan, und dazu weitere Kunoichi, einige davon auf Chunin-Level."

"Das ist richtig, Raikage-sama."

"Vor dem Badehaus haben sich Mamoru-kun und Omoi-chan der Imitationstechnik bedient und sich in Frauen verwandelt."

"Das ist richtig, Raikage-sama."

"Und anschließend sind sie dreist und frech ins Frauenbad gegangen."

Nii-sensei nickte diesmal nur stumm.

"Dort haben sie mitten unter zwölf ausgebildeten und erfahrenen Kunoichi Kumogakures für fast eine halbe Stunde gebadet, ohne das ihr Jutsu aufgedeckt wurde. Obwohl euch allen die Frauen vollkommen fremd waren."

"Ja", sagte Nii-sensei, diesmal kleinlaut, "auch das ist richtig."

"Und die Imitationstechnik ist euch nur aufgefallen, weil..."

Nun ging ein gehetzter Blick von Nii-sensei zu den Mädchen. "Nun, Maria-chan war... Ich meine Morikubo-kun wirkte in seiner Verkleidung so blass und ängstlich und so gehetzt. Und Omiko-chan, ich meine Omoi-kun in seiner Verwandlung hatte sich solche Sorgen darum gemacht, wie sich Maria in eine fremde Frauengruppe integrierte... Und ihre Schüchternheit war so erheiternd und niedlich... Da habe ich... Da haben wir..."

"Kommt jetzt die Stelle mit dem Nasenbluten?", fragte Kirabi-sama mit neutraler Stimme. Ein amüsiertes Schnauben war zu hören, aber das war von Uzuki-sensei gekommen.

"So in etwa. Maria war so niedlich, da haben wir sie geknuddelt und geherzt, und... Und dann bekam sie dieses schreckliche Nasenbluten. Karui-chan hat versucht, ihr zu helfen, ihren Kopf hochgehalten und auf ihrem Brustkorb abgestützt, doch dann wurde es noch mehr Blut... Und dann wurde Maria so schwindlig, und wir haben uns noch mehr um sie bemüht, und dann stand plötzlich Omoi unter uns und schickte uns weg... Und dann verwandelte sich Maria in Moribuko-kun, und wir... Und wir..."

Erneut war ein Schnauben zu hören. Uzuki-sensei sagte mit leidlich amüsierter Stimme: "Mamo-chan, ich hatte nicht erwartet, dass du meine Nachhilfelektion sofort umsetzt und einen Feldversuch startest."

"Also bitte, die Sache ist doch zu ernst, um sie so herunter zu reden, Uzuki-sensei." Kirabi-sama warf ihr einen mürrischen Seitenblick zu, den sie mit einem Schmunzeln beantwortete.

Der Raikage räusperte sich laut und vernehmlich. "Ich habe eine Frage, Yugito-kun: Ist irgendjemand außer Morikubo-kun zu Schaden gekommen?"

Die Jounin errötete bis unter die Haarspitzen. "N-nein, Raikage-sama, nicht körperlich."

"Aber sowohl er als auch Omoi-kun haben ein schönes Exempel dafür abgeliefert, was passiert, wenn ein Shinobi leichtfertig wird und sich zu sicher fühlt."

"D-das kann man so stehen lassen", gab sie tonlos zu.

"Und sie haben auch ein exzellentes Imitations-Jutsu gezeigt, richtig?"

"Es war ein wenig zu exzellent, Raikage-sama."

Der große Mann schlug mit beiden Händen auf die Tischplatte. Es gab einen lauten Knall, der alle Anwesenden zusammenzucken ließ. "Wie dem auch sei. Ich spreche hiermit ein ausdrückliches Verbot für die beiden aus, sich jemals wieder ins Frauenbad zu schleichen. Sollten sie das dennoch tun, können die beobachteten Frauen mit den beiden tun und lassen, was sie wollen. Habt Ihr das verstanden, Ihr zwei Helden? Wir reden hier von Kriegserfahrenen Kunoichi, die in solchen Momenten verdammt sauer auf euch sind!"

Ich nickte heftig. Das hatte ich nur zu gut verstanden. Omoi grinste als Antwort und nickte ebenfalls bestätigend.

"Darüber hinaus habt Ihr die beiden bereits ausgiebig bestraft. Der arme, rekonvaleszente Morikubo hat darüber hinaus auch noch viel Blut verloren. Außerdem wird die Geschichte ihre Runde machen, daran habe ich keinen Zweifel. Von offizieller Seite sehe ich hier allerdings keinen weiteren Grund zum Handeln. Die weitere Bestrafung dieses peinlichen Eindringens in die Privatsphäre der Kunoichi Kumogakures überlasse ich euren Gruppenleitern. Uzuki-sensei, Ototo, ich erwartete eine gerechte, aber harte Bestrafung."

Auf die Züge von Kirabi-sama stahl sich ein Lächeln. "Ich delegiere die Bestrafung in eure Hände, Karui-chan, Samui-chan."

Ich warf einen schnellen Blick nach hinten - und wünschte, es nicht getan zu haben. Beide Mädchen sahen Omois Rücken mit dem Blick rasender Dämonen an. Rotes Licht schien als kräftiges Leuchtfeuer aus ihren Augen zu treten, und ihre Auren hatten etwas Bedrohliches an sich, als sie näher taten, links und rechts nach Omois Armen griffen und ihn fortschleppten.

"OMOI!", rief ich ihm entsetzt nach.

Doch der Kumo-Ninja winkte nur ab. "Keine Sorge. Ich werde es überleben. Hoffe ich."

"OMOI!"

"Benimm dich, Morikubo-kun!", sagte der Raikage streng. "Yugito-chan, ist diese Bestrafung für euch Frauen ausreichend?"

Zögerlich nickte die große blonde Frau. Die Röte wollte einfach nicht von ihren Wangen weichen. "J-ja, Raikage-sama. Aber ich bitte Uzuki-kun nachdrücklich darum, Morikubo-kun nachdrücklich zu bestrafen. Da, wo es weh tut."

"Da, wo es weh tut?" Wieder glitt ein Lächeln über ihre schönen Züge. "Oh. Oh, da gibt es tatsächlich etwas, was ihm richtig weh tun wird. Nicht wahr, Mamo-chan? Hast du uns nicht alle im Land der heißen Quellen zum Barbeque-Essen eingeladen und diese horrend hohe Rechnung bezahlen müssen?"

Ich schluckte hart. Karin war naturgemäß ein Schmelzofen für Chakra und hatte einen Stoffwechsel, mit dem sie Nahrung geradezu einatmete. Und Hanako war laut ihrer eigenen Aussage ein "wachsendes Mädchen", das Karins Appetit nur wenig nachstand. Die doppelten Portionen, die Sensei verspeiste, fielen dabei kaum noch ins Gewicht.

Sie klatschte begeistert in die Hände. "Genau. Du wirst uns zum Essen einladen, Mamo-chan! Mich, die Mädchen, Kirabi-sama und sein Team, und natürlich Nii-kun." Ihr Lächeln wurde düster. "Und wenn du nicht genügend Geld hast, werde ich dir etwas leihen. Zu sehr günstigen Konditionen. Die Schulden kannst du einfach bei einigen niederen Arbeiten hier im Kumogakure abarbeiten."

Ich dachte an dieses Abendessen am Tischgrill. Dachte an die Mengen, die drei Kunoichi verspeist hatten. Dachte daran, wie viel sechs von ihnen vertilgen würden. Und da waren Omoi und Kirabi-sama noch nicht einmal in der Rechnung enthalten. Das Geld, das ich vorsichtshalber mitgenommen hatte, würde sich verbrauchen wie Rauch im heftigen Wind. "Können wir mich nicht stattdessen einfach töten?", flehte ich. "Das wäre viel humaner!"

"Das Ermessen der Strafe liegt in meinen Händen, Mamo-chan", flötete sie. "Also keine Ausflüchte. Einverstanden, Nii-kun?"

Die Kumo-Jounin lächelte nun auf die gleiche Art wie Sensei. "Einverstanden, Uzuki-kun. Und mir fallen da auch gleich ein paar schöne Arbeiten ein, die Mamo-chan erledigen kann, wenn sein Geld nicht reicht. Das Bad müsste zum Beispiel mal richtig ordentlich dreifach geschrubbt werden. Und ich bin sicher, es gibt noch viel mehr zu tun, wo dieser listige kleine Bursche helfen kann."

"Und was ist mit meinem Training?", wagte ich vorsichtig einzuwenden. Damit waren das Finale und der Inhalt meines Geldbeutels in weite Ferne gerückt.

"Das hättest du dir vorher überlegen sollen", sagte Uzuki-sensei. "Abgesehen davon - das ist dein Training."

Ich seufzte und ließ die Schultern hängen. Ich gab mich geschlagen. Bevor ihnen noch mehr einfiel.

Raikage-sama lachte laut auf. "Dann ist das ja geklärt."

Okay, ich war besiegt, aber dies war nur eine Schlacht, nicht der Krieg. Und ich konnte dies alles noch zu einem kleinen Erfolg für mich drehen. "Raikage-sama, selbstverständlich lade ich Sie auch ein."

"Was?" "Was?" "WAS?"

Drei verblüffte Augenpaare starrten mich an, nur Kirabi-sama zeigte eine mühsam beherrschte ausdruckslose Miene.

"Na, wenn ich schon bezahlen muss, dann kann ich doch noch jemanden dazu einladen, nehme ich an. Oder wollt Ihr A-sama nicht dabei haben?"

Das brachte die beiden Kunoichi in Erklärungsnöte. "Natürlich nicht!", rief Nii-sensei hastig.

"Wenn der Raikage also zustimmt...", sagte ich gedehnt.

"Und er stimmt zu. Ein geselliger Abend ab und zu ist eine tolle Idee. Sehr gut, Mamoru Morikubo."

Nun war es an mir zu grinsen. Ein kleiner Erfolg in diesem großen Malheur. Ach ja, und da waren noch die positiven Aspekte meines Ausflugs mit Omoi in das Damenbad. Ich hatte entdeckt, das ich auch nur ein Mann war.

"Gut. Du bist entlassen, Moribuko-kun."

Ich erhob mich, verneigte mich vor den Kage Kumogakures und verließ den Raum.

Vor der Tür atmete ich erst einmal erleichtert auf. Das hätte wesentlich schlimmer ausgehen können. Noch viel schlimmer als die anständigen Schmerzen in meiner linken Wange. Dass das Thema für den Raikage noch nicht beendet war ahnte ich, als ich ihn, Nii-sensei, Uzuki-sensei und Kirabi-sensei in seinem Büro weiter reden hörte.
 

"Da ist er! Der Lustmolch!" Hanako, natürlich. Ich wandte mich der Richtung zu, aus der ich ihre Stimme gehört hatte. Sie kam mit Karin heran, die Augen blitzend, als wäre sie eine höhere Entität der Rache. Kaum hatte sie mich erreicht, spürte ich ihren heftigen Schlag auf der rechten Wange. Dankenswerterweise schlug sie nicht meine lädierte linke Wange. "So. Das ist dafür, dass du Konohas Ruf schädigst, du Perversling! Machst du das jetzt auch in unserer Heimatstadt? Und warum hast du erst hier damit angefangen? Es hätte alleine im Land der heißen Quellen so viele Möglichkeiten gegeben, uns... Nun sag doch auch mal was, Karin! Los, scheuer ihm auch eine!"

Die junge Akimichi wurde von Hanako vor mich geschoben.

Doch statt mich zu schlagen, sah sie beschämt zu Boden. Das berührte mich. Das berührte mich wirklich tief, und das erste Mal seit mich Omoi in dieses Abenteuer geschleppt hatte, spürte ich, dass ich damit einen Freund verletzt hatte. "Karin-chan...", hauchte ich. "Es tut mir..."

"Mamoru, wenn..." Sie öffnete und schloss den Mund wie ein Karpfen auf dem Trockenen. "Ich meine, wenn du... Wenn du eine Frau nackt sehen wolltest, warum hast du dann nicht einfach mich..."

Entsetzt hielt Hanako ihr den Mund zu. "Unfair! Keinen Vorsprung holen, Karin!"

"A-aber wenn es doch für Mamo-chan ist!"

Ungläubig sah ich die beiden an. "Ihr schafft mich eines Tages. Irgendwann schafft Ihr mich wirklich."

"Das musst du gerade sagen. Du Dummkopf und Nichtsversteher", erwiderte Hanako böse. "Was haben sie denn drinnen mit dir angestellt? Wie sieht deine Strafe aus?"

"Ich soll euch zum Essen einladen."

"U-uns? Wir drei gehen essen? H-habe ich denn überhaupt was ordentliches zum anziehen mitgenommen? Oder kann man hier was kaufen? Karin, hast du einen schönen Laden entdeckt?"

"Wir müssen einfach Samui und Karui fragen! Die kennen bestimmt ein schönes Geschäft!"

"Euch beide, Sensei, Nii-sensei, Kirabi-sama und sein Team, und den Raikage", fügte ich hinzu.

"Oh, das ist aber schön!" Hanako schien hoch erfreut, wenngleich nur für eine Sekunde. "Also nicht nur wir drei?" Und dann wechselte ihre Miene wieder auf glücklich. "Aber eine schöne Runde ist das."

"Und es heißt ja nicht, dass wir immer so viele sind", fügte Karin schüchtern hinzu. "Trotzdem müssen wir Karui und Samui finden!"

"Richtig! Am Besten sofort!" Mit diesen Worten ließen sie mich stehen. Ich kam zu der Erkenntnis: Ich verstand Frauen einfach nicht, und ich würde und wollte es auch gar nicht. Aber ich wusste, ich ahnte, dass es da noch viele Aspekte gab, die Frauen für mich in Zukunft mehr als interessant machen würden. Alleine beim Gedanken, was ich alles im Bad gesehen hatte, hüstelte ich verlegen.

"Das mir das aber niemand P-chan erzählt!", rief ich den beiden nach.

"Natürlich nicht!", rief Karin zurück. Sie hatte schon überzeugender gelogen.

Vor dem Finale II

"Mamo-chan, vergiss nicht den Vorraum zu schrubben." "Verstanden!"

"Mamo-chan, hol mit dem Handwagen noch das Gemüse vom Depot." "Geht klar!"

"Mamo-chan, im Gewächshaus drei muss Unkraut gejätet werden!" "Schon so gut wie erledigt!"

"Mamo-chan, der Geldbote auf der Talroute braucht Geleitschutz!" "Genau mein Ding!"

"Mamo-chan, passe diesen Nachmittag auf die Kindergruppe auf!" "Okay!"

"Mamo-chan, unterrichte die älteren Kinder am Shuriken!" "Bereits dabei!"

"Mamo-chan, der Raikage möchte, dass du den Wochenvorrat einkaufst!" "Auf dem Weg!"

"Mamo-chan..." "Mamo-chan!" "Maaaamoooo-chaaan!" "Mamo-chan!" Mamo-chan?"

Oh ja, man konnte wirklich behaupten, dass Kumogakure mich hart ran nahm. Hart und ungerecht. Am frühen Morgen begannen die vielen kleinen Jobs, die ich am Tag bewältigen musste, und erst am späten Abend hatte ich Gelegenheit dazu, mich ein wenig auszuruhen. Süffisante Bemerkungen, dass ich doch jung wäre und sowas abkönnen müsste, waren da nicht besonders hilfreich. Und das alles nur, weil Uzuki-sensei mich mit diesem einen Abend in Unkosten gestürzt hatte. In horrende Unkosten. Ich hatte mir ein großzügiges Taschengeld von dreitausend Ryou eingesteckt, und auf der Reise nach Kumogakure etwas mehr als eintausend am Abend des Barbeques mit den Frauen verbraucht. Aber um dieses Gelage zu bezahlen reichte die restliche Summe bei weitem nicht. Vor allem weil die Erwachsenen auf meiner illustren Liste Sake getrunken hatten. Nicht einfach den billigen für dreihundert Ryou die Flasche, sondern den teuren für zweitausend. Und dann nicht nur eine Flasche, sondern gleich mehrere. Auch das Essen war nur vom Feinsten gewesen, und am Ende des Abends hatte ich mit zwanzigtausend Ryou in der Kreide gestanden. Das entsprach in etwa dem Nettomonatslohn eines Angestellten in Konoha und war ein ganzer Haufen Geld. Dennoch, wäre ich in Konoha gewesen, hätte ich diese Summe mit zwei bis drei C-Rang-Missionen aufbringen können. Spesen nicht eingerechnet. Aber ich war nicht in Konoha und konnte deshalb nur sehr begrenzt als Ninja arbeiten. Darüber hinaus suchte Uzuki-sensei die Jobs aus, die ich machen sollte, und sie verhandelte auch meine Bezahlung. Spätestens nach dem zweiten Tag hatte es sich unter den Bürgern und Geschäftsleuten Kumogakures herum gesprochen, dass ich ein williger, fleißiger und preiswerter Arbeiter war, der zu so ziemlich jeder Arbeit herangezogen werden konnte. Deshalb tat ich hier alles, von der Laufburschentätigkeit über den Babysitter bis zum Leibwächter - buchstäblich alles. Nach sieben Tagen rief mich der ganze Ort bei meinem Kosenamen, und jeder kannte mich. Ich wurde sogar manchmal auf meinen Stirnschutz angesprochen und verwundert gefragt, ob ich nicht doch ein Kumo-Nin wäre. Ebenso erstaunt wurde ich auch öfter gefragt, warum ich nicht für mein Finale trainierte. Nun, die Frage hätte ich gerne an Sensei weitergeleitet, aber ich bin sicher, dass die Antwort sehr unbefriedigend ausgefallen wäre.

Und so passte ich auf Kleinkinder auf, die schlechter zu hüten waren als ein Sack Flöhe, sodass ich mich meistens mit vier bis sechs Schattenklonen um die Kleinen kümmerte. Oder trainierte eine der Ninja-Schulklassen im bewaffneten und unbewaffneten Kampf, was für mich auch nur möglich war, weil ich diese Lektionen schon vor sechs und mehr Jahren selbst erhalten hatte; ich musste also nicht befürchten, potentiellen zukünftigen Gegnern Geheimnisse Konohas zu verraten.

Auch sehr beliebt war es geworden, Begleitschutzmissionen auf mich abzuwälzen, die vor allem Zeit kosteten, ungefährlich waren, und einen wichtigeren Kumo-Shinobi freistellten. Meistens ging es darum, die Zahlmeister zu eskortieren, die in die Dörfe und Städte ins Tal gingen, um Warenlieferungen für die Stadt abzurechnen. Mitten im Freundesland eine einfache Sache, doch so viel Geld musste eskortiert werden. Das gebot einfach der gesunde Menschenverstand.

Und dazwischen tat ich auch noch alles andere: Unkraut jäten, Einkäufe erledigen, die öffentlichen Bäder schrubben... Kein Wunder, dass ich abends todmüde und bar jeden Chakras auf meinen Futon fiel und beinahe sofort eingeschlafen war.

Wenigstens kam ich trotz der vielen Aufträge dazu, im Laufe des Tages gut zu essen. Das musste man den Menschen in Kumogakure lassen, sie versorgten mich verdammt gut, wenn ich irgendwelche niederen Tätigkeiten für sie erledigte. Ich musste nicht befürchten, an Entkräftung zu sterben. Mir schwebte auch eher Erschöpfung vor, je näher der Tag des Abschlusswettbewerbs kam. Und wenn ich doch mal ein paar Stunden unerwarteter Freizeit hatte, schleifte mich Sensei in die Trainingshalle, ließ mich P-chan beschwören und mich mit ihr trainieren, soviel meine Muskeln hergaben. Glücklicherweise ging es meinem rechten Bizeps von Tag zu Tag besser.

Und das alles passierte nur, weil mich Omoi im lobenswerten Versuch, mich aufzuklären, ins Frauenbad geschleppt hatte. Und weil ich anschließend dazu verdonnert worden war, das gemeinsame Essen zu bezahlen. Und das war es eigentlich wert gewesen, wenn ich so an diesen Abend zurückdachte.

***

"Bwahahahaha! Ein vorzüglicher Tropfen!", lobte der Raikage den Sake, der ihm von seiner jugendlichen Begleiterin eingeschenkt worden war. Mabui, so hieß die junge Dame, war in der Ausbildung in der Verwaltung und sollte A-Samas Sekretär beerben, der schon dessen Vater gedient hatte, und nun langsam auf den Ruhestand zuhielt. Sie hatte sich bei mir für ihre unangekündigte Anwesenheit mehrfach entschuldigt, unter anderem mit einer tiefen Verbeugung, und versprochen, lediglich beim Raikage zu sitzen, und nichts zu konsumieren.

Dem hatte ich natürlich harsch widersprochen und sie ebenfalls eingeladen. Energisch hatte ich daraufhin geachtet, dass sie tatsächlich vom hervorragenden Essen nahm. Wenn man wie ich bereits den untersten Boden der Hölle betreten hatte, konnte man erstaunlich großzügig sein. Auf jeden Fall hatte ich bei der jungen Dame einen Stein im Brett, und wie es aussah, auch beim Raikage. Der übrigens gerade Sake aus einer Flasche für dreitausend Ryou trank. Für den Preis musste das Zeug einfach schmecken.

A-Sama bildete mit seiner Sekretärin die Stirnseite. Rechts von ihm saß Konoha eins, links Kirabi-samas Gruppe. Nii-sensei hatte sich nach einer entsprechenden Aufforderung neben dem Raikage niedergelassen. Wahrscheinlich, um ihn mit Sake zu versorgen. Eventuell auch, um ihr das Gefühl zu nehmen, zu keiner der Gruppen wirklich zu gehören.

Mir direkt gegenüber saß Omoi. Äußerlich war er unverletzt; seine Stimme war die gleiche wie immer, und alles an ihm war wie auch zuvor. Aber ich hatte die Augen nicht vergessen, diese feurig roten dämonischen Augen von Samui und Karui, als ihnen erlaubt worden war, seine Bestrafung vorzunehmen. Ich war versucht, ihn zu fragen, wie sie ihn bestraft hatten, aber dann traute ich mich doch nicht.

Kirabi-sama und Uzuki-sensei saßen dem Raikage am Nächsten. Ich war ebenso wie Omoi zwischen den Mädchen eingekeilt. Eine unvorteilhafte Position, weil Hana und Karin sich einen Spaß daraus machten, mich mit dem Essen zu füttern, das ich teuer bezahlen musste. Und da dieses Schicksal nicht abzuwenden war, langte ich ordentlich zu.

Omoi hingegen sah sich Karuis Redeschwall ausgesetzt, während Samui sich bemühte, Kirabi-sama ebenso zu servieren, wie es Nii-sensei und Mabui-san taten. Doch der große Shinobi aß und trank nur wenig, während er mit melancholischer Miene ins Leere starrte.

"Schmeckt es dir nicht, Kirabi-sama?", fragte ich. Das hätte mich wirklich gewundert, denn das Essen war großartig und mit sündhaft teuren Zutaten zubereitet.

"Was?" Sein Blick kam aus der Ferne zurück. Mit einem Lächeln quittierte er Samuis Geste, ihm einzuschenken. Dankbar ließ er sich seine Trinkschale füllen. "Oh, nein, das Essen ist gut. Aber ich bin mit meinen Gedanken ganz woanders. Erinnerst du dich noch an das Lied, das ich im Trainingsgelände über dich gemacht habe? Ich habe jetzt schon sechzehn Zeilen, und ich fürchte, es wird noch mehr."

Omoi stieß ein leises Lachen aus. "Ich habe es schon gehört, Mamo-chan. Das wird gut, richtig gut. Sensei, wenn du so weiter machst, werde ich noch das erste Mitglied in deinem Fanclub!"

"Hängst du immer noch dieser Sprechsingerei nach?", fragte A-sama ärgerlich.

Kirabi warf seinem älteren Bruder einen ebenso ärgerlichen Blick zu. "Du hast gesagt, ich kann tun und lassen, was nicht mit meiner Arbeit als Jounin kollidiert. Darf ich jetzt nicht einmal mehr reimen, wenn ich die Zeit dazu habe?"

"Vielleicht hast du einfach zu viel Zeit", brummte der Raikage mürrisch.

Das war keine gute Entwicklung. Abgesehen davon, dass sich A-sama und sein Bruder anschickten, auf meinem Abend ihre schmutzige Wäsche zu waschen. Das hätte zweifellos ein frühes Ende bedeutet und meine Finanzen geschont, aber ich konnte nicht über meinen Schatten springen. Schon gar nicht, wenn Menschen, die ich mochte, sich aus Unachtsamkeit gegenseitig verletzten.

"Hatte A-sama eigentlich nie Hobbies?", warf ich mit unschuldiger Miene ein und nippte an meinem Saft. Ein wichtiger Grund, erwachsen zu werden, fand ich. Dann durfte ich endlich mal ein Bier trinken, von dem die Erwachsenen alle so begeistert waren. Oder diesen Sake.

Kirabi lachte leise. "Oh, da gibt es ein Hobby, das hat sein Vater immer gehasst. Kannst du dir vorstellen, dass du hier am Tisch mit dem dreifachen Meister Kumogakures in der Kunst des Ikebanas sitzt?"

"In der Kunst des Blumensteckens?", fragte ich erstaunt. Nun, das war nicht gerade die männlichste aller Künste, aber zweifellos eine schwierige, anspruchsvolle und beachtenswerte. Die Chance, das mein Plan aufging, stand an dieser Stelle Halbe-Halbe.

Der Raikage sah seinen Bruder einen bangen Moment ernst an. Dann entrang sich seiner Kehle ein leises Kichern. "Oh, ich erinnere mich. Er hat immer befürchtet, ich würde deshalb zu sehr verweichlichen, oder den Weg des Shinobis verlassen. Gut, er war immer stolz auf mich, wenn ich wieder einen Preis gewann. Aber sicherheitshalber hat er mich anschließend beim Sparring durchgeprügelt, um zu prüfen, ob ich noch Mann genug war. Dabei habe ich ihm immer erklärt, dass das Blumen stecken für mich das Gleiche war wie für ihn Go-Steine legen. Wie das Ordnen der Truppen vor einer Schlacht. Ein fertiges Bild malen, das bereits in meinen Gedanken existiert." Er seufzte leise. "Heute komme ich kaum noch dazu, geschweige denn, dass ich an Wettkämpfen teilnehmen kann. Als Raikage ohnehin nicht." Er schüttelte unmerklich den Kopf. "Du bist ein kluger Kopf, Morikubo-kun."

Sicherheitshalber verzichtete ich darauf, zu antworten.

"Der Kleine hat ja Recht. Was rege ich mich über eine Sache auf, die dir etwas bedeutet und dir nicht schadet, Ototo? Eigensinnig warst du schon immer und wirst es auch bleiben, also was soll ich dich ändern? Jedenfalls solange du deine Pflichten erfüllst."

"Solange ich meine Pflichten erfülle?" Kirabi runzelte die Stirn. "Ich stehe ja wohl treu zu Kumogakure, und bin allzeit für die Stadt und ihre Shinobi da."

"Bis auf letzten August, nicht wahr? Oder letztes Jahr die Herbstmonate, die du ohne dich abzumelden im Land der heißen Quellen verbracht hast. Und darf ich dich am vorletztes Jahr im Frühjahr erinnern, als du uns in diese Glücksspielstadt zum Pachinko-Spielen und Roulette mitgenommen hast?", zählte Samui ohne Gnade auf.

"Musst du mir so in den Rücken fallen, Samui-chan? Nur weil ich ab und zu eine Auszeit vom Stress nehme, bin ich doch kein schlechter Shinobi."

Dazu schien der Raikage etwas zu sagen zu haben, und leider fiel mir diesmal nichts ein, womit ich die Situation noch retten konnte.

"Wieso sein Vater?", platzte es aus Karin heraus.

Erstaunt sah ich sie an. "Was?"

"Kirabi-sama hat das gesagt. Also der Vater von A-sama hat sein Ikebana gehasst. Das hat mich verwundert. Hast du nicht den gleichen Vater, Kirabi-sama?"

Erstaunt sah der Jounin sie an, bevor er verlegen eine Hand hinter den Kopf legte. "Ach, weißt du, Karin-chan, das ist eine eigene Geschichte. Natürlich haben wir nicht den gleichen Vater. Wir haben nicht einmal die gleiche Mutter. Aber A-sama bezeichnet mich schon so lange als seinen kleinen Bruder, und ich ihn als meinen großen, da vergisst man solche Details schon mal."

"Um es genauer zu sagen, trage ich den Ehrennamen A, weil ich der stärkste Shinobi Kumogakures bin. B bekam seinen Ehrennamen, weil er der Einzige war, der nicht nur mit mir mithalten konnte, sondern auch in der Lage war, mit mir ein Team zu bilden. Bevor ich meinen Vater beerbte und Raikage wurde, waren wir das stärkste Team der Stadt und eine sichere Bank der Jounin. Das machte uns zu einer Familie, Akimichi-kun. Du kennst das ja aus deiner eigenen Gruppe, oder? Die beiden müssen ja nach zwei Jahren schon wie Geschwister für dich sein."

"Und seitdem bin ich sein Bruder. Aber da wir jetzt eher selten dazu kommen gemeinsam zu kämpfen, muss ich seine Arbeit mit übernehmen und doppelt so viel leisten. Auch weil wir ausgerechnet den Raikage nicht riskieren können. Das sieht er allerdings anders", sagte Kirabi amüsiert und ließ sich von Samui Sake nachschenken.

"Meine Art ist es, von meinen Shinobi nur das zu fordern, was ich auch selbst bereit bin zu leisten. Deshalb stehe ich immer noch im Feld. So hat es auch der Vierte Hokage gehalten. Und so hält es auch der Dritte Hokage, der legendäre Professor."

"Risiken", tadelte Kirabi.

"Kalkulierbare Risiken, Ototo", erwiderte A-sama.

"Risiken sind nur vertretbar, wenn sie nicht mit Risiken verbunden sind. Vor allem für den Raikage", konterte Kirabi.

"Entweder kann das jetzt noch tagelang so weitergehen", sagte Nii-sensei seufzend, "oder wir können weiter essen."

Für einen Augenblick herrschte Stille, dann lachten Kirabi und A-sama zusammen auf.

"Recht hast du, Yugito-chan." "Weshalb sind wir sonst hier?"

Ich betrachtete die beiden, wie sie sich und der jungen Jounin verschmitzt zulächelten. "Sicher, dass Ihr keine Brüder seid?"

Der Raikage schnaubte anerkennend. "Du gefällst mir wirklich, Morikubo-kun."

"Ich hoffe, Sie versuchen jetzt nicht, ihn für Kumogakure abzuwerben, A-sama", warf Uzuki-sensei gespielt böse ein.

"Nein, damit warte ich, bis wir die Ergebnisse der Endrunde haben." Es folgte wieder ein Moment der Stille, und wieder lachten Kirabi und der Raikage. Die anderen Jounin fielen ein.

Na, wunderbar, hatten wir diese Klippe auch elegant umschifft. Der Rest sollte ein angenehmer, ruhiger, wenngleich sauteurer Abend werden. Dachte ich zumindest.
 

Als die Tür hinter mir aufglitt, ahnte ich, dass der weitere Verlauf des Essens nicht den Weg nehmen würde, an den ich gedacht hatte. "Entschuldigen Sie die Störung", sagte unser Kellner von der Tür aus, "aber hier sind zwei Personen, die Uzuki-san und die Abordnung aus Konoha treffen möchten."

Ich spürte sofort die Anspannung am Tisch steigen. Kirabi-sama spannte seine Muskeln an, der Raikage wechselten seinen Gesichtsausdruck von Amüsement zu ärgerlicher Vorsicht. Omoi und die Mädchen hatten auch begriffen. Ich spürte von ihnen, wie sie Chakra schmiedeten. Nur Uzuki-sensei blieb unbeeindruckt. Sie erhob sich. "Einen Augenblick. Ich komme."

Die Miene des Raikages entspannte sich. "Aber nicht doch, Uzuki-kun. Bitten Sie Ihre Gäste herein. Das heißt, wenn es dem Gastgeber Recht ist."

Ich verschluckte mich fast beim Gedanken, dass ich den Wunsch des Raikages erlauben musste. "Natürlich", sagte ich hastig. "Bitte sie herein, Uzuki-sensei."

Die ANBU nickte dankbar und ging zur Tür. Dort stand sie einige Minuten, wechselte ein paar Worte mit jemandem, von dem ich nur die Stimmen hörte, aber kein Wort verstand. Schließlich trat Uzuki-sensei beiseite und ließ einen groß gewachsenen bärtigen Mann herein. In seinem rechten Mundwinkel steckte eine Zigarette, die aber nicht angezündet war. Er winkte fröhlich in die Runde, bevor er sich respektvoll vor dem Raikage und Kirabi-sama verbeugte. Dann sah er uns Konoha-Nins wohlwollend an. "Also habt Ihr alle drei es geschafft. Respekt, Respekt."

"Sarutobi-sensei." Asuma Sarutobi war Jounin, ein Sohn des dritten Hokages und einer der besten Krieger Konohas, nicht zuletzt wegen seiner Agilität und der Wind-Affinität. Ich hatte ihn noch nie im Training oder gar im Kampf gesehen, aber der Mann war ein kleines Wunder, hatte er doch seine Prüfung zum Ninja schon mit neun abgelegt und war mit zwölf Chunin geworden. Zwei Jahre eher, als ich zur ersten Prüfung angetreten war. Er war ein Ausnahme-Ninja, und das nicht nur wegen der seltenen Wind-Affinität. Ich hingegen musste mich mit dem Feuer-Element zufrieden geben, das sehr viel häufiger vorkam... Na, Schwamm drüber. Anstatt Neid zu entwickeln hatte ich meine Kraft darauf richten müssen, in meinem Element einfach besser zu werden und schwerere Jutsus beherrschen zu lernen. "Sensei, setz dich doch!", sagte ich hastig, sprang auf und besorgte ein weiteren Sitzkissen für ihn. Ich machte zwei draus, denn unser Kellner hatte im Plural gesprochen.

"Danke, Morikubo-kun." Er nahm Platz und ließ sich von mir eine Schale mit Sake befüllen. "Du erwartest einen weiteren Gast?"

Ich lächelte ironisch. "Unser Kellner sprach von zwei Personen, Sensei."

"Immerhin." Ich verstand damals nicht, was er sagen wollte, und auch jetzt kann ich nur versuchen zu interpretieren, was er damit meinte. Aber ich bin mir sicher, er war mit mir zufrieden.

"Guten Abend", klang nun eine Frauenstimme hinter mir auf. Ich fuhr hoch und entdeckte den nächsten Jounin. Yuuhi Kurenai trat lächelnd ein, und ließ sich von mir, nach der obligatorischen Verbeugung vor dem Raikage und Kirabi-sama, auf das zweite Sitzkissen geleiten.

"Danke, Mamoru-kun", sagte sie, während ich auch ihr eine Schale mit Sake einschenkte. Dann verließ ich die beiden wieder, um auf meinen Platz zu gehen. Auch ohne, das ich etwas sagen musste, würden sich Karui und Karin der Beiden annehmen, wenn es darum ging, die Trinkschalen wieder zu befüllen. Zumindest hoffte ich das.

"Sarutobi-kun." Der Raikage nickte Asuma freundlich zu. "Kurenai-kun." Auch sie bekam ihr Quent an Aufmerksamkeit des Raikages. "Ihr seid die Konoha-Delegation." Er fragte nicht, er stellte fest.

Sarutobi-sensei nickte fröhlich. "Allerdings. Und wir sind hoch erfreut, dass wir überhaupt kommen konnten, weil es unser einziges Team ins Finale geschafft hat. Alle drei." Wieder war da dieser Stolz in seinem Blick.

Es war natürlich nicht schwer zu verstehen. Wenn das Chunin-Examen nicht in der eigenen Stadt stattfand, machte es wenig Sinn, die Bewertung anderer Jounin zu nutzen, um zu entscheiden, welche eigenen Shinobi nun Chunin werden sollten. Natürlich würden alle beteiligten Dörfer ihre Fachleute entsenden und die Einzelkämpfe beurteilen. Auf dieser Grundlage würden die Kages und anderen Dorfführer ihre Entscheidungen fällen. Ich hätte damit rechnen müssen, dass der Hokage nicht einfach irgendwen entsandte, sondern Jounin, die Ahnung davon hatten, was sie sahen. Sarutobi-sama galt als großartiger Taijutsu-Nutzer, beherrschte aber auch ein subtiles Ninjutsu. Er würde vor allem mich und Karin-chan beurteilen. Kurenai-sama hingegen beherrschte ein besonders starkes Genjutsu. Es war offensichtlich, dass sie Hana-chan beurteilen würde.

Wir murmelten unseren Dank. Er fiel bei mir wohl etwas spärlich aus, denn das Eintreffen der beiden machte mich etwas nachdenklich und rückte das Finale wieder in mein Bewusstsein. War ich gut genug? Würde ich mich zumindest nicht blamieren? Musste ich gegen einen Genjutsu-Nutzer antreten, womöglich gegen Hanako?

"Was?", fragte ich verwirrt, als ich zwar Asumas Stimme hörte, aber die Worte nicht verstand.

"Ich habe gefragt, warum du diese Feier finanzieren musst, Mamoru-kun." Asuma grinste mich breit an. "Yugao-kun sagte, es wäre spaßiger, dich direkt zu fragen."

Ich warf Sensei einen schnellen Seitenblick zu. Hätte ich es besser nicht getan. Ihr Grinsen war nicht nur sehr undamenhaft und erwartungsvoll, es hatte auch eine sadistische Note. Auch das war Teil meiner Strafe. Mist.

Ich warf einen schnellen Blick zu Nii-sensei herüber, die errötete. Dann Samui-chan und Karui-chan. Die eine blieb verschlossen, die andere hatte erschrocken die Augen aufgerissen.

"Das hier ist meine Strafe, Asuma-sama", sagte ich gedehnt. Dadurch, dass der alte Hokage mich im Beschwörungsgewerbe trainierte, war ich in seiner engeren Familie bekannt. Sarutobi-sensei hatte mir in einem Anflug von Übermut angeboten, ihn beim Vornamen zu rufen. Seither tat ich das auch, allerdings sehr vorsichtig und in Maßen.

"Deine Strafe für was, Mamoru-kun?", fragte Kurenai-sensei interessiert.

Ich schluckte hart. "Dafür, das ich im Frauenbad war."

"Du warst WAS?", rief sie erschrocken und wäre beinahe aufgesprungen. "Ich meine, ausgerechnet DU?"

"Wie, ausgerechnet ich?", fragte ich verwirrt.

"Das sollte wohl besser ich erklären", sagte Sarutobi-sensei mit mühsam beherrschter Stimme. "In unseren Kreisen sieht man es... Etwas problematisch, dass du mit zwei Mädchen in einem Team bist, und dass du an keiner der beiden irgendein Interesse zeigst." Er blinzelte leicht. "Man... vermutet, dass du ein Spätentwickler bist, und das Hayate-kun dann mit dir vor einem Dilemma steht. Oder man vermutet, dass du... Aber das gehört hier nicht her."

"Spätentwickler?" Ich mochte das Wort vom ersten Moment an nicht.

"Ich erkläre dir das alles in Ruhe. Später, vielleicht morgen. Jetzt erkläre mir erst mal, wie du ins Frauenbad gekommen bist. Und was du da gesucht hast."
 

Etwa zehn Minuten später lachte Asuma so sehr, dass er sich den Bauch halten musste. Die anwesenden Frauen, Uzuki-sensei ausgenommen, waren rot bis unter die Ohren geworden. Er bedachte Omoi mit einem sachlichen Blick, dann hielt er sich wieder den Bauch und lachte weiter.

"Und?", fragte er schließlich unter Tränen, "hast du wenigstens was gelernt, Mamoru-kun?"

Automatisch griff ich mir an die linke Wange. "Forscherdrang kann manchmal ganz schön wehtun, Asuma-sama."

Das brachte ihn wieder zum Lachen.

"Asuma!", sagte Kurenai-sensei empört.

Der große Ninja lachte noch einmal schnaubend und brummte dann eine Entschuldigung. "Hast du noch eine Erfahrung aus der Geschichte gezogen, Mamoru-kun?"

"Ja. Mich nicht erwischen zu lassen. Erwischt werden ist teuer. In vielerlei Hinsicht."

Erneut lachte Sarutobi-sensei so sehr, dass er mit der Rechten auf den Tisch klopfte. "Oh, wenn ich das Vater erzähle. Ich kann nicht mehr. So jung und schon so dreist. Und so erfolgreich!"

Bei den letzten drei Worten senkten Nii-sensei und Omois Teampartnerinnen die Köpfe.

Er räusperte sich erneut und murmelte eine weitere Entschuldigung. "Nun gut, genug davon. Hast du denn genügend Geld mit? Ich meine, du musst jetzt ja noch zwei weitere Personen durchfüttern, nachdem du uns eingeladen hast. Wenn nicht, kann ich dir was leihen."

"Oh, Asuma-kun, auch die Bezahlung dieses Festmahls ist Teil seiner Strafe", sagte Uzuki-sensei mit dem Lächeln eines Raubtiers. "Ich habe mir da einiges ausgedacht, um ihm einzubläuen, dass das Glück auch seinen Preis hat."

"Okay, jetzt bin ich interessiert." Er beugte sich in ihre Richtung, und ich seufzte. Hätte Sensei zugelassen, dass Sarutobi-sensei mir ausgeholfen hätte, wäre ich bis nach dem Finale aus dem Schneider gewesen. Aber ihre Lektion, die sie mir demonstrieren wollte, war ihr sehr, sehr wichtig. Auch das sollte ich erst später verstehen, ebenso ihre Motive und ihre Methode.

Ein altes Sprichwort sagte: Die Belohnung für eine gut gemachte Aufgabe ist eine noch schwerere Aufgabe. Oh, es hatte Recht, so unglaublich Recht.

"Es gibt einiges zu tun in Kumogakure", sagte Sensei, und zählte ein paar der Dinge auf, die ich in den nächsten Tagen erledigen würde.

Die Miene Sarutobis hellte sich merklich auf. Wieder zeigte sich ein breites Grinsen auf seinem Gesicht. "Nicht schlecht, Yugao-san. Nicht schlecht."

"Ich finde, er sollte das Frauenbad nicht schrubben!", sagte Kurenai-sensei heftig. "Was da alles passieren kann! Und es ist ja auch schon einiges da passiert."

"Er schrubbt es ja nicht, wenn Betrieb ist", wiegelte Uzuki-sensei ab. "Außerdem, wenn er Kraft dafür hat, wieder Frauen im Bad zu beobachten, habe ich ihn nicht hart genug ran genommen."

Das quittierten die anderen Jounin und der Raikage mit Gelächter. Und ich wusste, die nächsten Tage würden verdammt schwer werden. Auf einer Skala von eins bis zehn sicher dreizehn oder vierzehn. Mist.

***

Später, als man die Genin schon zurück in ihre Quartiere geschickt hatte, saßen die Jounin und der Raikage noch zusammen.

Diesen Teil des Abends würden sie Mamoru nicht aufbürden, und auch einige andere Dinge nicht. Erfahren würde er es freilich nie. Es sollte schließlich eine lehrreiche Lektion bleiben.

Bei einer weiteren Flasche Reiswein entsponn sich ein intensiver Austausch an Informationen und Gedanken.

Der Raikage musterte die Jounin Konohas nachdenklich. "Dieser Orochimaru. Wenn Konoha ihn nicht endlich eliminiert, wird es für diesen Fehler noch teuer bezahlen."

Kurenai machte eine abwehrende Handbewegung. "Er ist schwierig zu erfassen. Um nicht zu sagen, er kann nicht gefunden werden, wenn er es nicht will. Außerdem hat er noch immer Helfer und Informanten in Konoha selbst. Wir wissen nicht, wie er diese Leute rekrutiert, aber er tut es. Und da ist immer noch der Fakt, dass er ein Sannin ist. Einer der drei legendären Shinobis Konohas."

A-sama strich sich nachdenklich über seinen Bart. "Dann sollten zumindest die anderen beiden Sannin nach Konoha zurückkehren. Wenn es jemanden gibt, der ihm Paroli bieten kann, dann doch sicher sie." Er überdachte seine Worte einen Moment lang. "Nein, das ist keine gute Idee. Einen ehemaligen Team-Kameraden zu töten fällt selbst den abgebrühten Shinobi schwer. Orochimaru hingegen dürfte alle Hemmungen über Bord geworfen haben. Ein unfairer Gegner, der was sucht? Die Unsterblichkeit?" Der Raikage schlug ärgerlich auf den Tisch. "Unsterblichkeit, was für ein Quatsch! Er sollte sich auf Unverwundbarkeit konzentrieren!"

"Das macht er dann sicher als Nächstes", brummte Asuma und trank seine Schale leer.

"Wir werden jedenfalls die Augen offen halten", fügte Kirabi-sama hinzu. "Eine Bedrohung wie Orochimaru ist auch eine Last für uns."

Asuma senkte das Haupt zu einem dankbaren Nicken. "Das wäre Konoha sehr Recht." Er sah in die Runde. "Und wenn ich gerade mit den beiden Jinchuriki Kumogakures an einem Tisch sitze, würde ich gerne über unseren Jinchuriki berichten."

Der Raikage ließ ein mürrisches Brummen erklingen. "Ist der Neunschwänzige noch immer im Körper eines Kindes eingesperrt, das nicht einmal ansatzweise Talent für einen Ninja aufweist?"

Als eines der wichtigsten Geheimnisse Konohas so offen vor ihm ausgeplaudert wurde, zeigte Asuma Nerven. Seine rechte Augenbraue zuckte bedrohlich. "Noch immer", bestätigte er schließlich. "Aber das mit der Eignung steht noch nicht fest. Einer unserer besten Jounin wird sich seiner annehmen, wenn es soweit ist."

"Du also, Asuma-kun", stellte der Raikage fest. "Eventuell auch Yugao-chan."

Sie lächelte bei diesen Worten leicht. "Ich fühle mich als ANBU wohl. Diese kleine Reise mit Mamo-chan und den Mädchen ist zwar eine nette Abwechslung, aber gewiss nichts, wofür ich meine Karriere unterbreche."

"Bleibt noch Guy-kun."

Kirabi beugte sich leicht vor. "Das weiße Biest ist auch noch da."

"Wer? Ach, Hatake-san." Nachdenklich kraulte sich der Raikage den Bart. "Nein, unwahrscheinlich. Er hat in zehn Jahren als Jounin noch nicht eine einzige Gruppe übernommen. Er gilt als einzelgängerisch, wortkarg und übertrieben ernst. Er müsste schon die neuen Sannin bekommen, damit er überhaupt Interesse daran entwickelt, ein Team Genin zu führen."

"Danach sieht es nicht gerade aus", sagte Asuma seufzend. "Wir hatten schon lange keinen Ninja mehr, der vor der regulären Zeit ein Shinobi geworden ist. Ich weiß, das ist kein Kriterium für den weiteren Lebensweg, aber meistens zeigt es ein Ausnahmetalent an."

"So wie bei dir, Asuma-kun? Mit neun graduiert ist ein deutliches Zeichen für ein Ausnahmetalent", sagte der Raikage.

Er lachte. "Nun, was soll ich sagen? Da herrscht ein gewisser Druck in der Familie. Man erwartet einiges von dem Nachkömmling eines Hokages. Ich hoffe nur, bei meinem Neffen wird man keine so übertriebenen Erwartungen haben. Oder ihn ins Ninja-Handwerk drängen, so wie mich."

"Ach. Wolltest du nie Ninja werden?", staunte A-sama.

"Ich habe mich immer sehr für Floristik interessiert", erwiderte Sarutobi-sensei mit todernster Miene.

Kurenai schlug ihn tadelnd auf die Schulter. "Asuma, hör auf, den Raikage hoch zu nehmen."

"Schon gut, schon gut. Aber es würde mich wirklich freuen, wenn Konohamaru werden könnte, was immer er wollte. Wenn er sein Glück darin sieht, Ninja zu werden, dann soll er es tun. Aber wenn er etwas anderes werden will, meinetwegen Journalist, wäre es schön, wenn man ihn ließe."

"Ist Konohamaru-kun Träger des Biju?", fragte der Raikage unvermittelt.

Die Mienen der Konoha-Jounin versteinerten.

"Den Versuch war es wert", lachte A-sama.

"Er ist zu jung, um es sein zu können", sagte Asuma unvermittelt. "Asuma!", klang Kurenais Stimme scharf auf.

Der große Shinobi winkte ab. "Es ist kein Geheimnis, und ich will Konohamaru nicht gefährden, weil ich ein unwichtiges Detail nicht verraten will. Er ist es nicht, Raikage-sama."

Der Raikage musterte ihn lange und nickte schließlich. "Mabui-kun, korrigiere morgen unsere Liste über den Neunschwänzigen und streiche Konohamaru."

Die Sekretärin des Raikages nickte bestätigend.

Asuma atmete erleichtert auf. Genauso gut hätte es der Raikage als Bluff interpretieren können. Dann wäre Konohamaru erst Recht ins Visier der zweifellos vorhandenen Spione Kumogakures in Konoha geraten.

"Und Ihr habt ihn unter Kontrolle, euren Jinchuriki?", fragte Kirabi-sama. "Ich meine damit nicht, ob Ihr ihn eingesperrt habt. Ich möchte wissen, ob es ihm gut geht, ob er gut eingebunden ist in Konohas Strukturen."

"Es ist... schwierig", gestand Asuma. "Er steht unter dem Schutz meines Vaters, aber... Auf ihn ist viel Unverständnis und Ärger der Älteren gerichtet, sicher auch Hass."

Die Miene Kirabis verfinsterte sich. "Und ich bin sicher, er hat nichts davon verdient."

"Oh, er ist ein kleiner Satansbraten. Aber... Wir können nicht mehr tun als ihn zu beschützen. Noch mehr Protektion von den Sarutobis würde ihn isolieren. Richtig isolieren. Wir haben kein Patent für ihn, aber wir wären froh, wenn wir es hätten."

"Und wenn er einfach nur ein Freund der Sarutobis wäre? Würde das nicht genügen?"

"Es gibt keinen in meiner Familie in seinem Alter." Asuma seufzte. "Ich fürchte, wir müssen die Dinge laufen lassen und ihn seine Freunde selbst finden lassen. Auch wenn mir die Bigotterie einiger meiner Leute mehr als auf die Nerven geht."

"Du hast dir einige Gedanken über euren Jinchuriki gemacht", stellte der Raikage fest. "Es freut mich zu hören, dass es jemanden in Konoha gibt, der sich Sorgen um ihn macht. Ich weiß aus erster Hand, wie schwierig das Verhältnis zu einem Jinchuriki sein kann, mit wie viel Angst und Hass man konfrontiert wird." Er sah seinen Bruder an. "Und wie sehr es sich lohnt, die eigenen Vorteile zu überwinden, den Schatten zu überspringen und das Risiko einzugehen, voran zu schreiten."

"Auch, wenn wir Zeit dafür brauchten", erwiderte Kirabi mit einem leichten Lächeln.

Nii-sensei nickte beifällig. Auch sie konnte mehr als genug zu diesem Thema sagen. Die in Menschen versiegelten Biju waren mächtige Waffen, aber auch mächtige Bedrohungen, die Tod und Vernichtung gesäht hatten. Viele Menschen übertrugen ihre Ängste und ihren Hass nur zu gerne auf jene Menschen, in denen die Monstren versiegelt worden waren. Das war ungerecht, hetzerisch und naiv, aber letztendlich konnten die Biju jederzeit ausbrechen und unglaubliche Schrecken anrichten. Auch das war unfair, aber kaum zu vermeiden.

"Er wird seinen Weg gehen", stellte Asuma fest. "Und er beginnt gerade erst."

Der Raikage hob seine Schale. "Dann lasst uns trinken auf unsere jungen Leute, die wir in eine Welt entlassen, die wir geschaffen haben. Sie ist nicht perfekt, sie bietet Gefahren, sie ist an manchen Stellen hässlich, aber es ist die Welt, die unsere jungen Leute neu formen werden."

Auch die anderen hoben ihre Schalen. "Dachtest du dabei an jemand bestimmten, A-sama?", fragte Asuma lächelnd.

"Nun, fürs Erste meine ich sie alle. Aber es schadet bestimmt nicht, mit einem Auge auf Morikubo-kun zu schauen, wie er die Welt ein klein wenig seinen Wünschen anpasst."

Leises Gelächter klang am Tisch auf, dann prosteten sie sich zu und tranken. Die nächsten Tage versprachen interessant zu werden.

***

Manchmal in meinem Leben hatte ich das Gefühl, nicht ernst genommen zu werden. Manchmal in meinem Leben hatte ich auch das Gefühl, nach Strich und Faden verarscht zu werden. Als Asuma im Laufe der letzten Woche vor dem Finale verkündete, er wolle sich mein Training ansehen, hatte ich schon gedacht, die Zeit der Mini-Aufträge wäre für mich vorbei. Stattdessen ging er mit mir auf all die kleinen Aufträge. Beobachtete mich beim Kinderhüten. Dabei, wie ich eine Klasse junger Shinobi unterrichtete. Wie ich Waren von A nach B brachte. Botengänge erledigte. Und vieles mehr.

Und er begleitete mich tatsächlich auch auf diesem Gang, dem wöchentlichen Geldboten für die Tantei-Handelsorganisation zu eskortieren. Der Bote selbst, Mappi-san, hatte nichts dagegen einzuwenden gehabt, ausgerechnet einen Jounin in seiner Begleitung zu haben. Nicht, dass ich ihm nicht auch gereicht hätte. Sagte er zumindest. Und so stieg ich also mit dem Boten aus der Stadt Kumo hinab ins Tal, und Asuma folgte mal hinter mir, mal ging er voran, so wie seine Laune es ihm vorschrieb.

Er hatte sich schnell beliebt gemacht. Die Leute, die mich für meine Missionen durchfütterten hatten absolut kein Problem gehabt, den lustigen, sympathischen Riesen mitzufüttern. Vielleicht war das der wahre Grund, warum er mitkam. Vielleicht auch nicht.

Auf jeden Fall gingen wir die gut verdichtete Bergstraße schnell hinab. Ich ein wenig schneller als Asuma, weil ich mich an die dünne Luft bereits gewöhnt hatte, während der Jounin erst ein paar Tage hier war. Tatsächlich machte ich diese Wanderung alle zwei bis drei Tage, je nach Auftragslage, und hatte mich längst daran gewöhnt. Es war wohl auch für meine Kondition nicht so verkehrt. Ich hielt wesentlich länger gegen P-Chan durch, wenn ich ehrlich war.

Und Asuma als starker Raucher... Na, Schwamm drüber. Er hielt mit, und mehr verlangte ich nicht von ihm.

Wahrscheinlich begleitete er mich, weil das bereits Teil des Tests der Chunin-Prüfung war. Dann blieben Uzuki-sensei und Kurenai-sensei für die Mädchen. Mit ein wenig Logik machte das auch Sinn.

"Raucherpause", klang Asumas Stimme hinter mir auf.

Ich verdrehte resignierend die Augen. Nicht schon wieder. Außerdem, die Luft war für ihn schon so dünn, und er verschlechterte seine Atmung absichtlich darüber hinaus mit Zigaretten? In Mappi-san hatte er dabei einen willigen Verbündeten, denn der drahtige kleine Mann nutzte die Gelegenheit, um sich wieder mal eine Zigarette von Asuma zu schnorren. Damit war ich überstimmt und musste warten, bis die lachenden und scherzenden Männer den Rest ihrer abgebrannten Glimmstengel unter ihren Füßen zertraten, und wir weiter gehen konnten. Das machte die eintönige Mission nicht gerade erträglicher, geschweige denn kürzer.

Da hockten sie also am Boden, die Kippen im Mundwinkel, und erzählten sich gegenseitig witzige Episoden ihrer Leben. Mit halbem Ohr hörte ich hin, denn bei Asuma konnte man nie sicher sein, ob man nicht was lernen konnte. Der Rest meiner Aufmerksamkeit aber war auf meine Umgebung gerichtet. Okay, wir waren in Freundesland. Okay, nur Verrückte legten sich mit einem offiziellen Geldboten Kumos an. Und okay, nur vollkommen durchgeknallte Schurken würden es ernsthaft versuchen, sich auf einen Händel mit einem Shinobi einzulassen. Unmöglich war das freilich nicht. Außerdem war es mein Job, wachsam zu sein. Und auch wenn mich die ersten beiden Jobs des Tages so viel Kraft gekostet hatten, das ich beinahe im Stehen eingeschlafen wäre - die Blöße zu versagen gab ich mir freilich nicht.
 

Als irgendwo hinter mir ein dumpfer Laut erklang, registrierte ich ihn erst nicht. Aber automatisch griff ich nach einem Kunai. Das war ein vollkommen automatisierter Vorgang, der sich über die Monate und Jahre eingespielt hatte. Fühlte ich mich bedroht, oder passierte etwas, was nicht ins Szenario passte, ergriff ich meine Waffe.

Erst als ich das schwere Messer in Händen hielt, registrierte ich das Geräusch. Und als ich aufsah, kam auch Asuma aus der Hocke hoch.

Ich winkte ab. "Bleibe bitte bei Mappi-san, Asuma-sama. Ich schau mir das mal an."

"Sei vorsichtig. Nicht, dass hier so nahe an Kumo etwas passieren kann, aber..."

Irrte ich mich, oder troff seine Stimme vor Ironie?

Ich huschte, das Kunai abwehrend vor mich gehalten, in das kleine Bergwäldchen neben der Straße. Es war recht licht und weit, und so sah ich auch schon bald, was das Geräusch verursachte. Ehrlich gesagt erschrak es mich so sehr, dass ich minutenlang konsterniert stehen blieb und die Szene nur musterte. Ranko-sensei stand inmitten eines Haufens bewusstloser Kumo-Shinobi, die mehr oder weniger lädiert, aber hoffentlich noch am Leben waren. Den Letzten hielt sie mit der linken Hand einen halben Meter in der Luft, und mit der Rechten arrangierte sie sein Gesicht um. Junge, Junge, die mussten Ranko-sama ganz schön angepisst haben, um ihre Intensivbehandlung zu bekommen. Normalerweise gab sie sich damit zufrieden, einen Gegner nur zu zerstören. War sie sauer, so wie in diesem Fall, sorgte sie dafür, dass der Angreifer die Lektion nie wieder vergaß - wenn sie ihn überhaupt leben ließ. Und Sensei war wirklich mächtig sauer.

"Dass... du... mir... das... nie... wieder... tust!", zischte sie ärgerlich, jedes Wort von einem Schlag begleitet. Doch der Shinobi reagierte nicht mehr, und hing halb besinnungslos in ihrem Griff.

Wäre sein Gesicht nicht bereits grün und blau angeschwollen, hätte man es für eine Szene aus einer Komödie halten können. Dennoch, Sensei war gnädig gewesen und hatte keinen der sieben Idioten getötet. Da konnte ich mich nur fragen, womit sie Sensei derart verärgert hatten.

"Ranko-sama!", rief ich.

Die Affenkriegerin sah verdutzt zu mir herüber. "Mamo-chan?" Zuerst versuchte sie, den lädierten Ninja hinter ihrem Rücken zu verbergen. Das gelang nicht, also ließ sie ihn einfach fallen.

"Ahaha. Ahahaha. Du bist schon hier? Ich dachte, du würdest frühestens in einer halben Stunde vorbei kommen."

Bei den vielen Raucherpausen von Asuma und Mappi wäre das sicher kein Problem gewesen. Wir waren hintenan. "Ich habe mich beeilt." Mit Nachdruck deutete ich auf die Kumo-Nins. "Was ist passiert, Sensei?"

"Das willst du nicht wissen, Mamo-chan. Es reicht, wenn ich dir sage, dass ich die Lage im Griff habe."

Vorsichtig nickte ich. Ich kannte ihr aufbrausendes Temperament, und ich wusste, dass ein falsches Wort schreckliche Konsequenzen haben würde. Wenn Sensei nicht darüber reden wollte, was hier geschehen war, dann würde sie nicht darüber reden. Nicht einmal unter Folter würde ihr etwa zu entlocken sein. Obwohl, das mussten ganz besonders mutige Foltermeister sein. Und die brauchten vorher eine mutige Division Jounin, die überhaupt erst versuchte, sie einzufangen.

"Was tust du hier, Sensei? Ich habe dich ewig nicht mehr gesehen und dachte, du wärst auf dem Affenberg. Aber dann hat Perine gesagt, du seist gar nicht Zuhause. Und Ranma-sensei hat auch nichts gesagt! Warum bist du noch in Kumogakure?"

Sie schlug sich die Hände sauber und kam langsam auf mich zu. "Ah, hatte ich ja fast vergessen. Du hast ja meinen nutzlosen Zwilling beschworen. Wundert mich, dass dir der Tagträumer eine Hilfe gewesen ist."

Ich schluckte hart. Zweifellos würde jetzt ein Tadel wegen dieser Beschwörung folgen - oder Schlimmeres.

Sensei trat an mich heran. Sie maß mit der flachen Hand meine Körpergröße und verglich sie mit ihrer eigenen. "Noch zwei Jahre, und wir können uns in die Augen schauen, Mamo-chan." Die Wärme, ja die Sanftheit in ihrer Stimme irritierte mich. Ich spürte, wie meine Rechte mit dem Kunai zu zittern begann. Wie würde sie mich bestrafen? Würde ich anschließend auch so aussehen wie die armen Kumo-Nins, die sie so mächtig angepisst hatten? Ich präparierte mich mental für das Schlimmste.

Übergangslos steckte ich in ihrer Umarmung, wie damals im Onsen-Gasthaus. "Mein großer tapferer Shinobi. Ranma beschworen zu haben war eine große Leistung. Und das mit deiner Verletzung. Du wirst immer besser. Vielleicht sogar noch besser als ich." Sie schüttelte bei der Absurdität ihrer eigenen Worte vehement den Kopf. "Okay, vielleicht besser als Ranma."

Sensei stand zwar als Affe vor mich, aber sie hielt meinen Kopf gegen ihren Brustkorb gedrückt. Und Sensei hatte nach menschlicher Art eine ziemliche Oberweite. Eine weiche Oberweite, um genau zu sein. Die Episode aus dem Frauenbad fiel mir wieder ein. Was, wenn jemand Sensei darüber informierte? Was, wenn ihr bewusst wurde, dass ich auf dem Wege war, ein Mann zu werden? Würde sie mich dann für ihre Unachtsamkeit bestrafen? Immerhin ruhte mein Gesicht auf ihrem Busenansatz, und den Pelz würde sie als Ausrede nicht gelten lassen, dessen war ich mir sicher.

"Mir reicht eigentlich schon P-chan", sagte ich hastig.

"Oh, das habe ich mitbekommen. Auch keine schlechte Leistung. Du kannst sie mittlerweile gezielt beschwören. Dazu gehört eine Menge. Aber untersteh dich, Enma zu beschwören. Wenn du ihn störst, und es ist nicht wichtig, kann das Ärger bedeuten. Und ich meine keinen Ranko-Ärger, sondern das Dreifache, Mamo-chan."

"Ich werde ja wohl kaum in der Lage sein, ausgerechnet Enma O zu beschwören", widersprach ich trotzig.

Sensei seufzte und löste sich von mir. "Ich kenne da einen kleinen Jungen in Konoha, der will unbedingt Hokage werden. Er plustert sich auf, redet sich ein, sehr viel besser zu sein als er wirklich ist, und hält sich schon jetzt für nahezu unbesiegbar. Was machst du hingegen, Mamo-chan? Das genaue Gegenteil." Sie runzelte die Stirn. "Mamo-chan, wenn ich dir sage, dass du gar nicht schlecht bist, würdest du mir das glauben?"

Okay, diese Option bestand. Bei aller Selbstkritik merkte ich selbst, dass ich zugelegt hatte. "Ja, schon."

Sie seufzte erleichtert. "Das ist ja immerhin etwas." Sie führte Fingerzeichen für ihre Verwandlung aus, und für einen Moment glaubte ich, sie würde sich in den kleinen Affen verwandeln und wieder auf meiner Schulter mitreiten. Stattdessen verwandelte sie sich in eine Menschenfrau, welche die Kleidung eines Kumo-Ninjas trug. "Niemand verlangt von dir, der nächste Hokage zu werden. Oder eines Tages die Armeen Konohas in die Schlacht zu führen. Aber wir schauen alle mit Wohlwollen auf dich als viel versprechendes Talent. Und die Affen mögen dich alle, Mamo-chan. Du sollst so weit kommen, wie du aus eigener Kraft schaffst. Mehr verlangt niemand von dir. Aber es verlangt auch niemand weniger von dir, verstehst du?"

"Aha. Das bedeutet, Ihr habt mir ein Ziel gesteckt, das Ihr mir nicht verratet. Und wenn ich es nicht erreiche, gibt es Ärger."

"So in etwa", erwiderte sie grinsend.
 

"Mamoru-kun! Wie lange willst du denn weg bleiben?", klang Asumas Stimme auf. "Wir wollen langsam auch mal ins Tal kommen!"

"Das sagt der Richtige", sagte ich leidlich amüsiert. "Ich komme, Asuma-sama!"

Ich sah Sensei an. "Willst du mitkommen? Oder warum bist du hier draußen und verdrischst harmlose Kumo-Ninjas?"

"Harmlose?" Sie stockte. "Ich komme mit. Ich bin hier ohnehin fertig. A-sama hatte mich um ein paar Dinge gebeten, die ich erledigen soll, dies war eine davon. Außerdem habe ich noch ein paar weitere Interessen in der Stadt. Es gibt ein paar mögliche Kontraktpartner in Kumogakure, die ich unter die Lupe nehmen möchte." Sie zuckte mit den Schultern. "Es war ein anstrengender Monat, Mamo-chan."

Keine sehr detaillierte Auskunft. Da es mir allerdings unmöglich war, Sensei dazu zu zwingen, ausführlicher zu werden, beließ ich es dabei. "Affenclan-Geschäfte, also."

"So kannst du das nennen."

Während wir zur Straße zurück gingen, knuffte sie mir gespielt gegen mein Kinn. "Und, bist du schon aufgeregt? Das Finale ist in drei Tagen."

"Ich wäre ruhiger, wenn Uzuki-sensei mich hätte trainieren lassen, anstatt mich durch einen Haufen Mini-Jobs zu hetzen."

Ranko-sama schnaubte leise. "Ach so. Jedenfalls will ich mir deinen Kampf ansehen, Mamo-chan. Noch ein Grund, warum ich noch nicht zurückgekehrt bin."

Wir traten aus dem Wald hervor, und es irritierte mich erheblich, dass Asuma nicht überrascht war, Ranko zu sehen. Was mich noch viel mehr irritierte war aber Mappi-san. Er winkte ihr so vollkommen ungezwungen zu, so als würden sie einander schon eine lange Zeit kennen.

Mir brannte eine entsprechende Frage auf der Zunge, aber bei Sensei konnte man nicht sicher sein, ob man sie stellen durfte. Also schluckte ich und hielt die Klappe.

"So, und jetzt wollen wir uns mal ein bisschen beeilen, damit du deinen nächsten Auftraggeber nicht warten lassen musst, Mamoru-kun", sagte Asuma grinsend.

Oh, ich war neugierig, andererseits aber auch nicht lebensmüde.

Finale des Chunin-Examens

Alle waren nervös. Warum auch nicht? Im Finale wurde schließlich auf Leben und Tod gekämpft, und es lag alleine in der Gnade oder in den Fähigkeiten des Siegers, ob er seinen Gegner leben ließ oder nicht.

Auch wenn sie es nicht zugegeben hätte, Karin hatte Angst. Wahrscheinlich hatten Hana-chan und Mamo-chan auch Angst, aber Mamoru war zu sehr damit beschäftigt, seine schmerzenden Muskeln zu dehnen, und Hana quatschte gerade munter mit Lian, der Suna-Kunoichi. Sie selbst stand mehr als verlegen im Warteraum herum. Niemand kümmerte sich um sie. Nicht, dass sie jetzt dringend Zuneigung gebraucht hätte, oder so. Aber es wäre beruhigend gewesen, wenn sich doch jemand... Wenn sich Mamo-chan...

"Puki?", klang es vor ihr auf. Ranko-chan hockte dort vor ihr und sah sie fragend an.

"Es... Es ist nichts", sagte sie, und fühlte sich gleich töricht dafür, sich vor einem Affen zu rechtfertigen. Das kleine Äffchen hielt den Kopf schräg, dann streckte es den rechten Arm zu ihr aus. In der niedlichen kleinen Hand hielt es ein Stück Orange.

Karins Herz wäre beinahe übergequollen vor Zuneigung und Rührung. Ranko-chan wollte sie aufmuntern und ihr eines der heiß geliebten Orangenstückchen schenken. Mit Tränen in den Augen beugte sie sich vor und nahm das Obststück aus ihrer Hand. "Danke, Ranko-chan. Du machst mir eine Riesenfreude." Sie streckte den rechten Arm erneut aus, und der Affe kletterte daran auf ihre Schulter empor. Mit glücksseligem Lächeln verspeiste sie das Fruchtstück. "Was zum Nachspülen wäre nicht schlecht."

Mal überlegen. Im Moment füllte sich die Giganthalle, in der das Finale ausgetragen werden würde. Die Paarung der Kämpfe stand noch nicht fest und würde auch frühestens in einer halben Stunde bekannt gegeben werden. Mehr als genug Zeit, um sich ein Getränk an einem der Automaten zu ziehen. Oder sich einen frisch gebrühten Tee von einem der Stände zu holen.

Kurz entschlossen, Ranko auf der Schulter, verließ sie den Warteraum und suchte sich einen Getränkeautomaten.

An der Maschine zog sie sich eine Schokomilch. Das tat sie nur, wenn sie alleine war. Sie wollte auf keinen Fall, dass Mamoru sie für kindisch hielt, egal wie lecker diese Milch war. Er sollte ihre Persönlichkeit sehen, ihre vielfältigen Interessen, ihr Fachwissen und ihr Können, nicht irgendeine obskure, aus Mitleid adoptierte kleine Schwester. Und wenn er sie erst einmal als Kunoichi, als Frau anerkannt hatte, dann würde er vielleicht... Dann würden sie vielleicht...

Bei dem Gedanken errötete sie bis unter die Haarspitzen.

"Bist du in Ordnung?", sprach eine fremde Männerstimme sie an. "Ich meine, du siehst aus als hättest du massiven Bluthochdruck."

"Was? Oh. Nein, mir geht es gut. Ich bin nur etwas aufgeregt, weißt du? Ich muss heute noch im Finale kämpfen."

Vor ihr stand ein weißhaariger Ninja mit dem Stirnschutz eines Konoha-Nins. Er musterte sie skeptisch durch die Brille. "Bist du sicher? Ich bin Medi-Nin. Soll ich dich nicht besser kurz auf Störungen im Chakra untersuchen?"

"Nein! Mir geht es gut." Sie kniff ein Auge zusammen. "Aber was macht ein Medi-Nin aus Konoha auf dem Finale des Chunin-Examens in Kumogakure?"

"Verzeih, ich habe mich noch nicht vorgestellt. Ich bin Kabuto Yakushi." Er legte verlegen einen Arm hinter den Kopf und lachte. "Wenn du so willst, bin ich ein Fan des Chunin-Examens. Ich habe letztes Jahr in Sunagakure daran teil genommen und bin im zweiten Teil gescheitert. Diesmal will ich es langsamer angehen, und vor allem die Finalrunde analysieren. Wenn ich im nächsten Jahr wieder antrete, werde ich besser vorbereitet sein." Er lachte erneut. "Das muss ja alles furchtbar verrückt klingen. Ich muss ja in deinen Augen ein vollkommener Loser sein. Du bist immerhin im Finale, und ich..."

"Aber das hat doch damit nichts zu tun", wiegelte Karin ab. "Ich habe es doch auch nur so weit geschafft, weil ich die bedingungslose Unterstützung meiner Gruppe hatte. Sonst wäre ich noch im ersten Teil raus geflogen. Du hattest vielleicht einfach keine gute Gruppe."

"Oh, das kann sein", erwiderte Kabuto mit Wehmut in der Stimme. "Ich bin der einzige Überlebende. Und ich lebe nur noch, weil man mich halbtot zum Sterben liegen ließ. Ich stehe jetzt nur hier, weil ich mich selbst heilen konnte. Zumindest bis der zweite Test vorüber war, und man die Toten und Überlebenden eingesammelt hat." Seine Stirn umwölkte sich. "Das war eine einschneidende Erfahrung. Aber ich bin ein Ninja, und ich weiß, welches Schicksal einen Ninja erwartet. Und dass die Gefahren einer Mission eher nach oben als nach unten gehen. Also versuche ich es wieder und wieder. Bis es klappt."

Karins Mund klappte auf.

"Ein wenig pathetisch, nicht?", gab Kabuto zu.

"Nein, das ist es nicht. Aber du hast so eine Entschlossenheit, so eine energische Einstellung. Ich wünschte, ich wäre wie du."

"Nun schau mich doch bitte nicht so bewundernd an. Du bist im Finale, nicht ich."

Verlegen senkte Karin den Blick. "Tu-tut mir leid, ich wollte dich nicht unter Druck setzen."

"Nein, das ist es nicht. Ich will nur mit meinen mittelmäßigen Leistungen keine falschen Erwartungen wecken. Ein starker Wille kann vieles bewirken, aber er kann nur eines von vielen Werkzeugen sein, die der Shinobi benutzt." Er musterte sie genauer. "Du bist Karin Akimichi, richtig?"

"Ja. Du kennst mich?"

"Na, wenn ich schon zum Finale nach Kumogakure reise, dann sollte ich auch vorbereitet sein. Du bist die Mitteldistanzkämpferin von Team drei. Dann haben wir noch den Nahkämpfer Mamoru Morikubo, und die Fernkämpferin Hanako Yodama. Eine ausgewogene Mischung. Wenn ich da an meine eigene Truppe denke, zwei Fernkämpfer und ein Nahkämpfer - und alle hatten die gleichen dämlichen Feuerjutsu drauf. Das musste ja in die Hose gehen."

"Feuerjutsu hat Hana-chan und Mamo-chan gerettet. Er hat damit einen Gegner getötet, der sie zwei in einem Genjutsu fangen wollte."

"Ah, radikal. Er hat einfach alles um sich herum in Brand gesteckt. Vermute ich."

"Ich habe es nicht gesehen, nur die Flammen", wiegelte Karin ab. "Aber so muss es gewesen sein. Manchmal kann Mamo-chan kompromisslos sein. Wenn er muss."

Kabuto nickte. "Das ist eine gute Eigenschaft für einen Shinobi. Kompromisslos sein, wenn er muss. Und die Gelegenheiten erkennen, wann er es muss. Alle anderen sind nur Bestien, die solange Tod und Verderben säen, bis sie selbst getötet werden. Aber einen Gegner wie Morikubo-kun kann man respektieren. Denke ich."

Er lächelte Karin verschmitzt an. "Ich habe eine Karte über dich angelegt, auch wenn ich nicht glaube, dass ich sie noch brauchen werde. Willst du sie sehen?"

"Eine Karte?"

Kabuto griff in seine Gürteltasche und zog einen Stapel Karten hervor. "Ich sagte doch, diesmal will ich besser vorbereitet sein. Ich lege Daten über die Genin an, die zum Chunin-Examen antreten. Alle, die es nicht schaffen, sind meine potentiellen nächsten Gegner, deshalb studiere ich ihre Fertigkeiten und speichere sie auf diesen Karten. Ist natürlich alles versiegelt, und nur mit meinem Chakra zu öffnen." Er zog eine der einfarbigen Karten hervor, konzentrierte sein Chakra auf sie, und flugs poppte ein Bild Karins auf, darunter eine Tabelle und ein Leistungsdiagramm. "Ist sicher nicht mehr auf dem neuesten Stand, denn hier ist dein Körperjutsu noch deine Hauptwaffe."

"Das ist immer noch so. Auch wenn ich ein paar neue Tricks gelernt habe." Sie musterte ihre Karte intensiv. Die Daten waren veraltet, entsprachen dem Stand als sie die Schule verlassen hatte. "Nicht ganz aktuell, Kabuto-san", monierte sie.

"Ich werde das heute an das anpassen, was du uns zeigen wirst." Er grinste wild. "Ich habe hohe Erwartungen in dich, Akimichi-kun. Ich erwarte nicht, dass du jemals wieder ein zweites Mal zum Examen antreten musst. Im Gegenteil, ich sehe dich schon als Chunin."

"Ich bin mir da nicht so sicher", sagte sie abwehrend. "Ich habe Angst davor, Verantwortung für andere zu übernehmen. Oder sie in den sicheren Tod zu schicken. Ich..."

"Das ist normal, Akimichi-kun", unterbrach Kabuto sie. "Vollkommen normal. Ein Ninja, der keine Angst vor der Verantwortung hat, und sie dementsprechend respektiert, sollte gar nicht erst kommandieren. Mit der Erfahrung kommt die Ruhe, aber hoffentlich verlässt einen nie die Sorge um die eigenen Leute. Und jene, die ihre Shinobi in den sicheren Tod schicken... Wenn sie dies nur mit schwerem Herzen tun können, können sie wenigstens sicher sein, ihre Leute nicht sinnlos zu verheizen. Ich denke, dass du gutes Chunin-Material bist, Akimichi-kun. Da habe ich schon ganz andere erlebt." Erneut verdüsterte sich seine Miene. "Dieses Schwein Amir zum Beispiel. Als er meine Gruppe ausradiert hat, ließ er mich nur liegen, weil er sicher sein konnte, dass ich meinen Kameraden bald nachfolgen würde. Er ist absolut gnadenlos und tötet mit der Kaltblütigkeit eines Tieres." Sein Gesicht hellte sich auf. "Aber auch das sind gute Eigenschaften für einen Shinobi. Er hat nur den einen Fehler gemacht, mich leben zu lassen. Und irgendwann werde ich mich rächen. Hart und erbarmungslos."

"Amir?" Sie kannte den Getsugakure-Nin nur als Retter in der Not. Aber er war aus seinem Erdversteck zwischen Hana-chans Beinen hoch gekommen, und das machte ihn schon ein wenig verdächtig.

"Solltest du das Pech haben, gegen ihn kämpfen zu müssen, erwarte keine Gnade und zeige auch keine. Dies ist sein letztes Chunin-Examen, habe ich gehört. Er wird alles tun, um sich zu empfehlen. Auch wenn er dafür einen Kampfgefährten aus Runde zwei töten muss. Du kannst natürlich aufgeben, aber das fände ich schade. Und davon abgesehen steht es ja noch überhaupt nicht fest, ob du ihn auch nur aus der Ferne siehst."

Karin senkte den Kopf. Es gab da diese Regel, diese eine Regel, das Gesetz des Hokages. Und das besagte, das eine Sache umso wahrscheinlicher eintrat, je mehr man drüber redete und ihr Eintreffen verneinte. Die Folge war, dass ihre Chance, auf Hassin zu treffen, gerade auf das Dreifache gestiegen war. "Ja, sicherlich." Was wusste sie noch mal über das Jutsu des Erdnutzers?

"Oh, jetzt habe ich dir Gedanken gemacht. Na, ich denke, ich werde mir dann meinen Platz suchen und dich von den Zuschauerrängen anfeuern, okay? Und wenn du deinen Gegner geplättet hast, schenke ich dir diese hier vielleicht. Ich brauche sie dann ja nicht mehr." Er wedelte mit Karins Karte. "Natürlich nachdem ich sie upgedated habe."

"Wirklich? Das wäre aber nett von dir."

"Aber dafür musst du schon gewinnen", lachte er.

"Oh, das werde ich schon. Versprochen. Ich gehe dann auch mal zurück." Sie verbeugte sich vor Kabuto, und der Affe auf ihrer Schulter imitierte die Geste.

Auch Kabuto verbeugte sich leicht, murmelte eine Abschiedsformel und ging nach einem letzten Winken auf die Zuschauerränge hinaus.

Karin aber wandte sich um, in Richtung Warteraum. Sie fühlte sich motiviert, und das war gut so.

***

Fluchend versuchte ich, Leben in meine Muskeln zu bekommen. Sie schmerzten und spannten. Ich erwartete jede Sekunde einen handfesten Krampf. Anstatt mich den letzten Tag vor dem Finale ausruhen zu lassen hatte Uzuki-sensei gesagt, es wäre verkehrt, meine Muskeln abkühlen zu lassen. Deshalb hatte sie mich zuerst durch eine Sparringsrunde mit P-chan gehetzt, und anschließend war sie selbst gegen mich angetreten. Dabei hatte sie die Unterschiede zwischen einem Jounin und mir sehr deutlich gemacht. Mehrmals. Man hätte von einer absoluten Demütigung sprechen können. Verdammt, das war es wohl auch. Und Asuma, dieser Verräter? Hatte sich alles angeschaut, und mir anschließend auf die Schultern geklopft, die mir ohnehin schmerzten. Wenn ich wirklich noch krampfen würde, wäre ich gezwungen, einen Affenkrieger zu beschwören, der an meiner Stelle kämpfte. Wofür hatte ich dann diese schwierige Heilung auf mich genommen? Warum jeden Tag mein Taijutsu trainiert? Wieso die Feinheiten meines Feuerjutsu heraus gearbeitet? Und die meiste Zeit die vielen kräftezehrenden Aufträge von Kumogakure erfüllt?

Eine große Hand krachte auf meine Schulter, und ich spürte den Muskelschmerz einmal durch meinen ganzen Körper zucken. "Mamoru-kun, bist du fit?", hörte ich Asuma-sama sagen.

"Das war jetzt nicht sehr nett", erwiderte ich mit Schmerzverzerrtem Gesicht.

"Also nicht fit? Ist dein Arm noch nicht wieder in Ordnung?"

"Dem geht es gut. Ich habe nur einen mörderischen Muskelkater von gestern."

"Ach, die Sparringsrunde mit Yaguo-kun. Warum heilst du dich nicht selbst? Von dieser Art der Chakra-Kontrolle solltest du mittlerweile genügend wissen, Mamoru-kun."

Was hätte ich ihm sagen sollen? Dass ich bereits einen Großteil meines Chakras aufwandte, um den Muskelschmerz im kaum verheilten rechten Bizeps zu kontrollieren? Chakra, das ich im Kampf ohnehin noch viel nötiger brauchte? Verdammt, ich war Taijutsu-Kämpfer, doch jetzt gerade war ich ein hilfloses Lämmchen. Zumindest wenn ich die anderen Genin als Maßstab nahm, gegen die ich kämpfen würde. Allerdings würde es meine Situation verschlimmern, wenn ich hier Schwäche zeigte.

"Ich spare mir mein Chakra für den Kampf, Asuma-sama", erwiderte ich trotzig.

Das brachte ihn zum Lachen. Und mir brachte es einen weiteren Schlag auf die Schulter ein, der mir einen Schmerz von den Zehenspitzen bis zu den Haarwurzeln einbrachte. Wirklich, ich war nie besonders mordsüchtig gewesen, aber in diesem Moment hätte ich Asuma auf der Stelle umbringen können. Wenn ich die Kraft gehabt hätte, um ein Kunai zu ziehen. Falls ich gegen Asuma auch nur den Hauch einer Chance gehabt hätte. Stattdessen fiel ich halbherzig in sein Lachen ein.
 

Als Nii-sensei, Kirabi-sama und Motoi-sensei den Raum betraten, wurde es schlagartig still.

Wir acht Aspiranten auf den Rang eines Chunin sahen sie gespannt an. Nun würde die Aufteilung erfolgen, wir würden wissen, wer unsere Gegner sein würden. Und es würde entschieden werden, ob die Sieger dieser vier Duelle gegeneinander antreten würden, bis es schließlich nur noch einen gab. Viele Städte hielten ein K.O.-Finale für unnötig, und gaben die Paarungen schon nach der dritten Etappe des Examens bekannt.

"Ich bitte um Ruhe", sagte Motoi-sensei unnötigerweise. Noch ruhiger hätten wir kaum sein können. Er sah ins Rund. "Die Paarungen für diesen Kampf haben uns erhebliche Schwierigkeiten bereitet, weil niemand gegen Morikubo-kun und sein Beschwörungsjutsu antreten will. Das bedeutet für seinen Gegner automatisch den K.O.. Und wir Jounin haben dann keinerlei Möglichkeiten, Morikubo-kuns Fähigkeiten und die seines Gegners zu beurteilen. Wen also können wir opfern? Wir haben uns diese Frage lange und oft gestellt."

Zaghaft ging Karins Hand nach oben. Ich sah auf ihren Lippen schon ihre Freiwilligenmeldung.

Mit einem schnellen Schritt war ich neben ihr. Erschrocken hüpfte sie mit einem Trippelschritt vor, als meine Linke auf ihrem Po landete. Der kleine Klaps hatte ihr nicht weh getan, aber die erhoffte Wirkung gezeigt. "Du meldest dich nicht freiwillig als meine Gegnerin", zischte ich ihr zu.

Erschrocken, und mit tief geröteten Wangen sah sie mich an. "Mamo-chan..."

Ich trat wieder einen Schritt beiseite.

Asuma musterte mich schräg von der Seite. "Im Frauenbad hast du wohl nicht allzu viel gelernt, was?"

"Was?" Es irritierte mich, dass der große Jounin grinsend den Kopf schüttelte.

"Nachdem dieses Intermezzo vorbei ist", klang Motoi-senseis Stimme laut auf, "können wir weiter machen. Folgende Personen haben sich für das Finale qualifiziert. Mamoru Morikubo, Hanako Yodama, Karin Akimichi, alle Konoha. Tooma, Lian, beide Sunagakure. Amir, Hassin, beide Getsugakure. Zum Schluss Jardin Nabara, Kumogakure. Wir werden per Los bestimmen, wer..."

"Moment, Motoi-san." Jardin, der sich bisher stillschweigend in einer Ecke aufgehalten hatte, trat heran. "Ich habe vier Wochen lang hart trainiert. Ich fühle mich in der Lage, es mit Morikubo und seinem Beschwörungsjutsu aufzunehmen." Er verbeugte sich steif in der Hüfte. "Bitte teilen Sie mich Morikubo zu, Motoi-san!"

Erschrockenes Raunen ging durch den Raum. Er hatte trainiert, um mein Jutsu auszukontern? Er hatte Ranma-sensei doch erlebt! Was also konnte er aufbringen? Und wie konnte ich das kontern? Konnte ich das überhaupt überleben? Ich fühlte, wie meine Hand nach oben glitt. War es ehrenhaft, an dieser Stelle auszusteigen? Und was würden meine Kameradinnen sagen? "Ich nehme die Herausforderung an, Motoi-sensei", hörte ich mich sagen. War das Wagemut, oder fortgeschrittener Wahnsinn? Ich wusste es nicht.

Motoi schnaubte zufrieden, wechselte einen bestätigenden Blick mit Kirabi-sama und Nii-sensei, und sagte: "Gut. Erster Kampf ist also Morikubo-kun gegen Nabara-san."

Der Kumo-Genin wandte sich mir zu. "Kämpfe mit voller Kraft. Du wirst jedes Quentchen brauchen", verkündete er düster.

"Wetten, dass nicht?", erwiderte ich salopp. Kontrollierte Hana-chan mich etwa gerade, um den Kumo-Nin noch mehr zu reizen? Oder glaubte ein Teil von mir tatsächlich das, was ich da gerade sagte?

Jardin schnaubte amüsiert und trat wieder in seine Ecke. Also, an Selbstvertrauen mangelte es ihm im Moment nicht gerade. Sein Suiton war meinem Katon generell überlegen, und ich hatte im Moment einfach nicht genügend Chakra, um diesen Nachteil auszugleichen. Allerdings weigerte ich mich das zu zeigen, und grinste den Kumo-Genin frech an. Innerlich aber war mir sterbenselend.
 

"Kommen wir zu den restlichen drei Kämpfen." Kurz besprach sich Motoi mit den beiden Jounin, und als diese nickten sagte er: "Tooma bestreitet Kampf zwei gegen Yodama. Lian tritt an gegen Hassin. Die letzte Paarung ist Amir gegen Akimichi."

Einerseits was das Aufatmen groß. Niemand musste gegen einen Kameraden aus dem eigenen Dorf antreten. Andererseits waren wir alle Kampfgefährten geworden und hatten einander schätzen gelernt. Das machte es für keinen von uns leicht.

"Sensei, eine Frage!", meldete sich Tooma.

Motoi-sensei nickte auffordernd.

"Sensei, wird es ein K.O.-Finale geben?"

"Die Prüfungskommission erachtet es als nicht notwendig. Jeder Genin hat während der Einzelkämpfe mehr als genügend Gelegenheit, um seine Fortschritte zu zeigen."

Das ließ uns erneut aufatmen. Kein Halbfinale, kein Finale. Das bewahrte uns endgültig davor, gegen jemand aus dem gleichen Team anzutreten. Obwohl, zu dem Zeitpunkt hätte ich ohnehin bereits im Krankenhaus gelegen. Entweder in der Notaufnahme, oder in der Pathologie. Aber eventuell... Mein Blick ging umher, suchte Ranko-sama. Zuletzt hatte ich sie mit Karin gesehen. Sie musste ich nicht erst beschwören - sie war ja schon da!

"Na, Konoha, ich sehe mal zu, dass ich deine kleine Hanako liebevoll behandle. Ich will mir ja keinen Ärger mit dir einhandeln", scherzte Tooma, während er mir freundschaftlich auf die rechte Schulter klopfte. Was dazu führte, dass mich erneut eine Schmerzwelle durchfuhr.

"Wie genau hast du das denn gemeint?", fragte Lian böse.

"So, wie es sich angehört hat. Ich sehe zu, dass an Hana-chan genügend dran bleibt, was Mamo-chan lie..."

"Aaaahhh!" Mit hochrotem Kopf stürmte Hanako heran. "Tooma, du kannst doch nicht... Und davon mal abgesehen, wieso glaubst du, dass du gewinnen wirst?"

"Werde ich nicht?", fragte der Suna-Nin überrascht. "Willst du etwa gewinnen?"

"Ja, das war der Plan", erwiderte sie mit fester Stimme.

"Und das sollte sogar möglich sein, nicht wahr, Tooma?", säuselte Lian ihm ins Ohr. "Denn wenn ich sehen sollte, dass du nicht wirklich, wirklich nett zu ihr bist - oder wenn ich sehe, dass du ZU nett bist, dann solltest du den Kampfplatz besser nicht lebend verlassen."

Eine einsame Schweißperle tropfte dem Genin die Stirn herab. "S-so habe ich das doch gar nicht gemeint, Lian! Du weißt doch ganz genau, dass Mamo-chan und die beiden..."

Die Erkenntnis traf mich wie ein Blitz. Ich schlug die geballte Rechte in die linke Handfläche. "Lian-chan, du bist eifersüchtig! Ganz klar, du bist eifersüchtig. Du fürchtest, Tooma könnte sich mit Hana-chan in mehrerlei Hinsicht vergnügen, nicht nur auf kämpferischer Ebene."

Ungläubige Blicke trafen mich. Tooma schlug die Rechte vor die Stirn. "Himmel, ausgerechnet jetzt lernt der Kerl auch noch dazu! Hat dir schon mal jemand das Prinzip vom sehr schlechten Timing erklärt, Konoha?"

"Oder davon, dass man manche Gedanken besser nicht ausspricht!", tadelte Hanako. Ihre Wangen waren tief gerötet. "A-außerdem lasse ich bestimmt nicht mit mir spielen! Nicht in dem Sinne, Tooma!"

"Das hatte ich auch gar nicht vor!", rechtfertigte sich der Suna-Genin. "Ich nehme Mamo-chan ja auch nicht eine seiner beiden..."

Hanako wedelte mit beiden Händen vor Toomas Gesicht herum. "Du kannst doch nicht einfach..."

"Was, ich kann nicht einfach? Solltet Ihr die Dinge nicht mal aussprechen, du und Karin-chan? Ich meine, wie hoch ist die Hoffnung, dass dieser Holzkopf noch mehr über dieses Thema lernt?"

Die Blicke der meisten Anwesenden gingen in meine Richtung. "Was?", fragte ich irritiert.

Wie auf ein geheimes Kommando sahen alle wieder in eine andere Richtung, und ein kollektives Seufzen ging durch die Reihen. "WAS?" Ich erhielt keine Antwort.

"Na, da wurdest du ja noch mal vom Gong gerettet. Oder von Mamo-chan", säuselte Lian, und drückte dem Teamkameraden einen Kuss auf die Wange. Waren die zwei wirklich nur Teamkameraden? Ich bekam da leichte Zweifel.

Nun errötete Tooma für einen Moment, und er musste sich räuspern, bevor seine Stimme zurückkehrte. "Auf jeden Fall wünsche ich dir viel Glück, Konoha. Und ramm diesen Kumo-Trottel ungespitzt in den Boden, okay?"

Na, wer hier wohl wen ungespitzt in den Boden rammen würde. "Etwas in der Art hatte ich vor. Dir auch viel Glück gegen Hana-chan. Du wirst es gebrauchen können. Sie hat die letzten vier Wochen viel gelernt."

"Mamo-chan, du redest wieder", wiegelte sie ab und sah verlegen zur Seite.

"Das Gleiche gilt für mich", sagte Amir und klopfte mir ebenfalls auf die Schulter. Wieder zuckte dieser Schmerz durch mich hindurch. Ein gequälter Laut entkam meinen zusammengebissenen Zähnen.

Der kleine Amir hob abwehrend die Arme. "Friede, Mamo-chan. Ich habe keinesfalls vor, Karin etwa Schmerzhaftes anzutun."

"E-es ist doch noch gar nicht sicher, ob du gewinnst!", warf Karin ihm vor. Irgend etwas in ihren Augen schien aufzuleuchten. "Außerdem habe ich auch trainiert! Und... Und ich nehme es dir übel, wenn du nicht mit allem kämpfst, was du hast!" Kurz sah ich Furcht in ihren Augen flackern, aber das war nur ein Moment.

Amir nickte anerkennend. "Ich erwarte einen guten Kampf, Karin-chan. Dies wird mein letztes Examen, so oder so. Und ich will mich empfehlen." Durch Karin ging ein körperlicher Ruck. "Ich werde dir einen guten Kampf liefern", versprach sie. Irgend etwas ging in ihr vor, veränderte sie. Von einer Sekunde zur anderen straffte sie sich, schien größer zu werden. Sie war entschlossener. Gefährlicher. Und schöner. Schöner? Hatte ich das wirklich gedacht? Aber es war tatsächlich so. Wie sie da stand, mit ihrem Gegner Auge in Auge, schien sie zu funkeln, ja zu strahlen wie ein Diamant im Sonnenlicht. "Mamo-chan, ich werde dich nicht enttäuschen", versprach sie.

Ich lachte rau auf. Nachdem Jardin mich umgebracht hatte, konnte sie gar nicht mehr schlechter als ich abschneiden.

Empört sah sie mich an. "Du brauchst nicht zu zweifeln! Ich habe genauso hart trainiert wie du, Mamo-chan! Du wirst stolz auf mich sein!" Mit diesen Worten wandte sie sich ab.

Also, das war neu. Mein hässliches Lachen, das sie so fulminant fehlinterpretiert hatte, hätte ihr normalerweise die Tränen in die Augen getrieben und sie in irgend eine Ecke gescheucht, in der sie ihren Kummer ausheulen konnte. Stattdessen war sie noch kämpferischer geworden. Entschlossener. In diesem Moment war sie mehr denn je eine Akimichi. Ehrlich, ich war beeindruckt. Zutiefst beeindruckt.

Aber wo zum Henker war jetzt Ranko-sensei?

"Runde eins! Die Kontrahenten bitte auf den Kampfplatz!", erklang es aus der Halle.

Das durchfuhr mich beinahe noch ärger als die Schläge auf meine Schulter. Wo war Sensei, wenn ich sie wirklich mal brauchte? Ich sah mich suchend um, aber auf die naheliegendste Methode, andere zu fragen, kam ich nicht. "Morikubo-kun, komm jetzt!", klang Motoi-senseis Stimme auf.

"J-ja, ich bin schon auf dem Weg." Mist. Mistmistmistmistmist! Ich war verdammt!
 

Ich kannte die Arena von Konoha, ein Monolith-Bau, der seinesgleichen suchte. Die Halle in Kumogakure war das überdachte Pendant. Die Zuschauer saßen nicht ganz so hoch wie bei uns Zuhause, aber es waren mindestens ebenso viele Plätze vorhanden. Und die Halle war brechend voll. Als wir eintraten, brandeten Jubel und Beifall zu uns herunter.

Jardin ging siegesgewiss voran. Er hob hier und da den Arm, und winkte ins Rund. Ich trottete ihm nur hinterher.

Motoi-sensei führte uns in die Mitte. "Ich bin euer Schiedsrichter. Wenn ich sage, dass ein Kampf vorbei ist, ist er vorbei. Ansonsten gibt es keine Regeln. Alles ist erlaubt. Benehmt euch wie stolze Shinobi. Dazu gehört auch, dass Ihr rechtzeitig aufgebt, wenn die Situation aussichtslos für euch ist, verstanden?"

Mein Kopf ruckte hoch. War da vielleicht eine Möglichkeit, lebend aus der Sache heraus zu kommen? "Aufgeben?"

Motoi grinste grausam. "Der Gegner muss die Aufgabe annehmen. Oder ich muss zum Entschluss kommen, dass wir nichts Neues mehr sehen werden. Etwas in der Art."

Wieder senkte ich den Kopf. "Natürlich. Wie es sich für tapfere Shinobi gehört."

"Du hast es verstanden, Morikubo-kun."

Jardin lächelte Raubtierhaft. "Keine Sorge, Motoi-san, ich werde ihm nicht genügend Luft lassen, um um Gnade zu betteln."

In einem Anflug von Größenwahn schnaubte ich abfällig. "Wir werden sehen, wem hier die Luft wegbleibt."

Wütend sah er herüber. "Du verdammtes Großmaul aus Konoha! Ich werde..."

"Warten, bis der Kampf offiziell eröffnet ist!", sagte Motoi mit Nachdruck.

"N-natürlich." Jardins Miene versteinerte, und er trat einen halben Schritt zurück.

Der Jounin nickte zufrieden. "Kampf eins, LOS!" Mit einem schnellen Step war er am Rand der Kampfarena angekommen, ein Sprung brachte ihn auf die Tribüne.
 

Beinahe zugleich sprang auch Jardin von mir fort. Er grinste dämonisch. Aus seiner Shinobi-Uniform holte er ein Briefchen hervor und öffnete es. "Irgendwelche letzten Worte, Morikubo?"

"Wie wäre es mit: Ich gebe auf?", fragte ich hoffnungsvoll.

Das versetzte Jardin in Rage. "Du wirst deinen Spott noch bitter bereuen!"

Na toll, damit hatte ich es noch schlimmer gemacht.

Er riss das Briefchen auf und schüttete sich den Inhalt in den Mund. Beinahe sofort spürte ich, wie von ihm eine regelrechte Eruption an Chakra ausging. Wenn ich das in zwanzig Metern Entfernung noch spüren konnte, was hatte er da gerade geschluckt? Kennen lernen wollte ich es auf keinen Fall!

"Ich habe doch gesagt, ich habe geübt! Sieh die Früchte meiner Arbeit!", rief Jardin herüber und biss sich in den rechten Daumen. "Kuchiose no Jutsu!"

Die Beschwörung verursachte eine riesige Rauchsäule. Als sie verschwand, enthüllte sie einen Giganten. Ich sah auf. Und auf. Und noch weiter auf. Was Jardin da gerade beschworen hatte, konnte man mit vier einfachen Worten treffend beschreiben: Zwanzig Meter lange Schlange.

Okay, ich war im Arsch.

"Na, was sagst du dazu, Morikubo? Selbst dein gewaltiger Affenkrieger kann nicht gegen meinen Oro-Kabu gewinnen!" Er stemmte beide Hände in die Hüften und lachte rau.

Die Schlange senkte den Kopf, um mich zu mustern. Dann sah sie Jardin an. "Dafür rufst du mich? Für dieses Würstchen hätte auch ein schwächerer Untergebener Manda-samas genügt."

Jardin musterte mich durch zusammengekniffene Lider. "Unterschätze diesen hier nicht. Er ist sehr stark. Du wirst es noch erleben?"

"So? Da bin ich aber gespannt. Was ist denn so besonderes an ihm?"

"Er beschwört Affenkrieger."

Das brachte die Schlange zum Prusten. "Dieses Würstchen? Affenkrieger? Da müsste er schon mit einem Kaliber wie dem Affenkönig aufwarten, damit ich überhaupt Schwierigkeiten bekomme. Da lache ich doch drüber. Töten wir ihn gleich!"

"Warte! Ich will, dass er mit allem kämpft, was er hat! Sonst ist mein Sieg kein richtiger Sieg!"

Die große Schlange zögerte. "Wie du willst. Du bist der Boss. Leider." Sie sah zu mir herüber. Mit ihrer dunklen, kräftigen Stimme sagte sie: "Dann zeige mir mal, was du hast, Mensch. Besser, du enttäuschst mich nicht!"

Die Situation war so gefährlich, und gleichzeitig so absurd, ich musste lachen. Ich musste einfach nur lachen. So sehr, dass mir schnell der Atem fehlte.

"Oi! Ist er jetzt verrückt geworden?", raunte die Schlange.

"Nein, er holt zum Gegenschlag aus", sagte Jardin mit einem leisen Zittern in der Stimme. "Hoffentlich habe ich ihn nicht unterschätzt."

Ein unsicherer Blick der Riesenschlange traf mich. "Ich sollte...", begann sie und schnellte vor.

"Kuchiose no Jutsu!" Ich legte alles in diese eine Beschwörung, jeden winzigen Tropfen Chakra, den ich mobilisieren konnte. Vielleicht gelang es mir ja, Ranma-sama erneut zu beschwören! Selbst mit P-chan wäre ich zufrieden gewesen, obwohl das auch nur bedeutet hätte, nicht alleine zu sterben.

Die charakteristische Rauchwolke entstand. Und die Schlange hielt genau auf ihr Zentrum zu. Doch sie stockte.
 

Der Rauch verflog. Eine groß gewachsene Gestalt trat daraus hervor. Ich konnte nur den Rücken sehen, sah die lange weiße Mähne und den buschigen, weißen Schwanz. Und ich wusste, DEN hatte ich noch nie beschworen.

Die Gestalt richtete sich zur vollen Größe auf. "Enko O Enma betritt das Schlachtfeld!", verkündete er.

Ich wurde kreidebleich. Auf einmal erschien mir die Alternative, von dieser riesigen Schlange gefressen zu werden, als das erträglichere Schicksal. Oder von Jardin langsam in Stücke geschnitten zu werden. Was würde ausgerechnet der Affenkönig mit mir anstellen, nachdem ich ihn für derart Triviales wie ein Chunin-Prüfung beschworen hatte?

"Morikubo-tono", klang seine Stimme auf.

"O-sama?"

Sein Blick ging nach hinten, und seine Augen waren kalt wie Stahl, als sie in meine sahen. "Läuft das Examen gut für dich?"

"Bis jetzt ja, O-sama", erwiderte ich.

Er sah nach vorne, sein Blick ging die riesige Schlange hoch. "Ich verstehe dein Problem."

Der Affenkönig stellte sich in Positur und winkte die gigantische Schlange heran. "Komm nur. Ich lasse aus deiner Haut ein paar tausend Gürtel machen."

Die riesige Schlange schien wie erstarrt.

"Das ist eine Täuschung!", rief Jardin wütend. "Das kann nicht der Affenkönig sein! Schau dir Morikubo doch an! Der kann doch kaum noch stehen! Wie will der den Affenkönig beschworen haben können?"

Die Schlange zögerte. Dann schnellte sie sich vor.

In diesem Moment aber spürte ich, wie das Chakra in Enma wuchs. Nicht so wie in Jardin, nachdem er das Pulver geschluckt hatte. Nein, viel mächtiger, kräftiger. Ich glaubte, vom Chakra davon gespült zu werden, als mich die volle Energie traf.

"Kommst du nun, oder muss ich zu dir kommen, Schlange?", rief der König.

Wieder zögerte die Schlange. Sie sah zu Jardin herab. "Du hast Recht. Man darf diesen Konoha-Ninja nicht unterschätzen. Ich für meinen Teil habe genug. Man sieht sich, Genin!"

Vor meinen Augen löste die Schlange die Beschwörung von sich aus auf. Es gab einen Knall, und sie war verschwunden.

Empört und entsetzt starrte Jardin auf die Stelle, an der sich eben noch eine gigantische Schlange befunden hatte. "So war das nicht geplant!" Er sah suchend ins Publikum. "So hatten wir das nicht besprochen!"

Der Affenkönig ging einen Schritt auf Jardin zu. "Hat man dir nicht beigebracht, dich im Kampf auf deinen Gegner zu konzentrieren, weil eine Sekunde geistiger Abwesenheit deinen Tod bedeutet?"

Der Kumo-Nin erbleichte. "I-ich gebe auf", brachte er stotternd hervor. "ICH GEBE AUF!"

Der Affenkönig schnaubte halb amüsiert und halb enttäuscht. "Wenn du die Kapitulation nicht annimmst, kann ich mich mit ihm noch ein wenig amüsieren, Morikubo-tono."

"Nein, nein!", beeilte ich mich zu sagen. "Ich nehme sie an. Hörst du, Jardin? Der Kampf ist vorbei!"

"Sieger im ersten Kampf", verkündete Motoi-sensei, "ist Mamoru Morikubo, Konohagakure!"

Nun brandete wieder Jubel von den Rängen auf. Die Menschen standen auf und applaudierten. Sie hatten zwar keinen Kampf gesehen, aber jeder hatte das mächtige Chakra des Affenkönigs gespürt, und die gigantische Schlange gesehen. Fürs Auge war mehr als genug geboten worden.

Vor mir gab es eine weitere Verpuffung, und anstelle von Enma O stand da plötzlich P-chan. "Ein Glück", hörte ich sie sagen, während sie verlegen lächelte und den rechten Arm hinter dem Kopf verschränkt hielt, "noch länger hätte ich diese Tarnung nicht aufrecht erhalten können!"

"Ein Bluff?", rief Jardin entrüstet. "Ein verdammter Bluff? Affe, ich werde dich..." Er stürmte auf Perine zu.
 

Ein Step, und ich war vor ihr. Für den Augenblick waren die Schmerzen vergessen. Ich hatte mein Kunai gezückt und hielt es stoßbereit vor mir. "Überlege dir genau, was du jetzt tust, Jardin Nabara! Ich habe dir einmal dein Leben geschenkt! Vertraue nicht darauf, dass ich es ein zweites Mal tue!"

"Du kannst mich mal am...", begann er und stürmte weiter auf uns zu.

Ich warf das Kunai. "Katon!" Ein Strahl reinen Feuers folgte der Schnur, die an dem Kunai befestigt war, und hüllte die Klingenwaffe ein.

Jardin wich aus, aber damit war ich noch nicht am Ende meiner Kunst. Ich zog an der Schnur, riss Waffe und Feuerball in seine Richtung weiter. Er warf sich zu Boden, und das Feuer meines Jutsu zog über ihn hinweg, die Hitze glitt nur Zentimeter über sein Gesicht dahin. Als die Waffe ihn passiert hatte, riss ich sie zu mir zurück und fing sie auf.

Jardin saß am Boden, die rechte Gesichtshälfte voller Brandblasen. Mit Entsetzen sah er zu mir herüber.

Ich schnaubte frustriert. Und dann spürte ich, wie sich meine gemarterten Muskeln für diese aufreibende Aktion bedankten. Wieder wurde mein ganzer Körper von den Schmerzen gepeinigt. Es war ein wenig so wie den Ellenbogenknochen anzuschlagen, nur halt überall und viel stärker.

Als ich mich von dieser Schockwelle erholt hatte, löschte ich zuerst das Feuer um mein Kunai. Ich packte die Klinge wieder weg und wandte mich von Jardin ab. "Der Kampf ist vorbei. Endgültig", sagte ich ernst.

Ich sah zu Perine herüber. "Danke, dass du mich gerettet hast, P-chan. Wie immer bist du mir eine große Hilfe."

Sie winkte gönnerhaft ab. "Ach, dafür doch nicht, Morikubo-tono. Wir Affen passen auf unsere Freunde auf, das weißt du doch. Wenn du mich jetzt zurückschicken könntest..."

"Oh. Ja, natürlich." Ich löste die Beschwörung wieder auf, und Perine verschwand wieder auf den Affenberg. Dann ließ ich mich wie ich war einfach nach hinten auf den Steinboden der Halle fallen. Ich streckte Arme und Beine von mir. Da waren diese ernsthaften Erkenntnisse, mit denen ich gerade schwer zu kämpfen hatte: Ich war immer noch am Leben. Und ich hatte gewonnen. Und einen mörderischen Muskelkater, der immer schlimmer wurde. Ob ich den Platz überhaupt für den nächsten Kampf räumen konnte? Ich lachte rau. Das war jetzt meine kleinste Sorge. Die weit größere kam gerade irgendwo hinter mir auf die Beine und wankte mit unsicheren Schritten zum Ausgang. Mein neuer Todfeind Jardin Nabara.

***

Auf den Rängen saß ein Agent. Das war nichts Ungewöhnliches, denn wenn Kumogakure schon einmal seine gut verteidigten Pforten für die Öffentlichkeit öffnete, dann nutzten viele Länder die Gelegenheit für ein wenig Erkundung. Und auch für die Suche nach viel versprechenden Genin der aktuellen Generation. Diese Agenten empfahlen anschließend das eine oder das andere versteckte Dorf, oder sie empfahlen bestimmte Ninja für Aufträge.

Aber dieser Agent war mehr so der klassische Typ. Ein Infiltrator, Ermittler, ein Mann der Schatten, der aus diesem Schatten heraus tötete. Er war es gewesen, der Jardin das Pulver besorgt hatte, um sein Chakra zu pushen. Er war es auch gewesen, der ihm den Schlangenkontrakt besorgt hatte. Nun hatte er die aufwändige und zeitraubende Arbeit vor sich, den Namen dieses Versagers wieder von der Liste zu tilgen. Und am Besten wäre es auch, Jardin gleich mit zu tilgen, bevor die falschen Leute die richtigen Schlüsse zogen.

Andererseits konnte ein so zorniger und zugleich verängstigter Mann noch einmal sehr nützlich sein. Ein Lächeln ging über sein Gesicht, als er an die verschiedenen Möglichkeiten dachte, wie man Jardin Nabara manipulieren konnte, um ihn ein wenig Drecksarbeit verrichten zu lassen. Die Fanatischen waren meistens die Nützlichsten, fand er.

***

"Kampf zwei! Los!" Motoi sprang wieder davon, überließ das Geschehen den beiden Genin.

Hanako sah Tooma böse an. "Wehe, du schonst mich!" Ein nicht besonders angenehmer Gedanke huschte durch ihren Verstand. "Und wehe, du versuchst irgendwas Schmutziges!"

Abwehrend hob Tooma die Hände. "Sei versichert, werte Honoka-chan, ich habe nichts dergleichen im Sinn. Ich würde es auch nicht überleben.Denk an Lian und Mamoru."

"Gut. Dann komm! Mit voller Kraft!", rief sie fordernd.

"Okay!" Toomas Turban verwandelte sich wieder in das todbringende kleine Männchen. Es stürzte direkt auf Hanako zu, aber mit Kunais in beiden Händen stoppte sie die Klingen. Leider hatte das Männchen vier davon, und so rettete sie nur ein beherzter Sprung rückwärts vor einer ernsthaften Verletzung.

"Gut ausgewichen", lobte Tooma. Er riss die Chakrafäden, welche die Puppe lenkten, nach vorne, um ihr nachzusetzen. Wieder wehrte Hanako zwei Klingen ab und wich den anderen beiden aus.

Dann stockte dieser Angriff.

"Gut, das ist also deine Reichweite", stellte sie fest und steckte ihre Kunais wieder fort. "Na, dann wollen wir mal!" Sie vollführte die Fingerzeichen für die Schattenklone. Kurz darauf gab es fünf Hanako Yodamas. Die vier Schattenklone verteilten sich rund um Tooma, knapp außerhalb der Reichweite seiner Chakrafäden. Tooma zog die Puppe zu sich zurück und wartete ab. "Tut mir leid, wenn ich es kurz mache!", rief Hanako. Ihre Schattenklone gingen zum Angriff über. Tooma reagierte blitzschnell, suchte sich einen der Klone aus und ließ die Puppe auf ihn niederfahren. Der Klon wehrte sich mit Kunais, doch diesmal durchschlug die Puppe diese Verteidigung. Zwei Klingen fuhren in Brust und Bauch, und lösten damit den Schattenklon auf. Tooma riss die Puppe zum nächsten Klon herüber. Auch der wehrte sich für ein paar bange Augenblicke, dann löste auch er sich auf, als eine Klinge durch den Hals ging.

Da waren die anderen beiden Klone heran. Links und rechts stürzten sie herbei, umklammerten seine Arme und fixierten sie. Die Puppe stürzte ungesteuert zu Boden.

"Ich sagte es doch. Tut mir leid, wenn ich es kurz mache", sagte Hanako erneut. Sie formte mit beiden Daumen und Zeigefingern ein Rechteck, durch das sie Tooma fixierte. "Shintenshin no Jutsu!" Die Technik der Körperkontrolle. Hanako war auf dem besten Wege, ihren Geist in Toomas Körper zu transferieren. Und damit nur einen Schritt davon entfernt, ihn "ich gebe auf" rufen zu lassen.

Im gleichen Augenblick aber schien der Suna-Nin unter Strom zu stehen. Blitze zuckten über seinen Körper, wanderten seine Gliedmaßen entlang, besonders seine Arme. Die beiden Schattenklone wurden von den Blitzen erfasst, elektrisiert und zerstört. Tooma machte eine Bewegung mit der Rechten, und die Puppe kehrte zu ihm zurück. Genauer gesagt war sie in dem Moment zwischen ihm und Hanako, in jenem Augenblick, als sie ihre Bewusstseinstransfertechnik anwendete.

Übergangslos fand sie sich in der Puppe wieder. Das überraschte sie. Es war ihr neu, dass es möglich war, mit dieser Technik auch leblose Materie zu übernehmen, geschweige denn eine Kampfpuppe. Aber egal ob interessant oder nicht, sie musste sich eine neue Strategie überlegen und diese Puppe wieder verlassen. Sie musste...

Toomas Gesicht erschien riesengroß vor ihren Augen. Er lächelte. "Gib dir keine Mühe, Hana-chan. Das Siegel hält dich noch mindestens zwei Minuten gefangen. In der Zeit nehme ich mich mal deines Körpers an." Sie sah, wie Tooma, die Puppe in der Hand, auf ihren Körper zuschritt, der ohne Bewusstsein am Boden lag. Wehrlos, vollkommen wehrlos. Beim Gedanken, was der Suna-Nin jetzt alles mit ihr anstellen würde, überkam sie das kalte Grausen. Nun, vielleicht nicht das richtig kalte, und Tooma war irgendwie nett und ein toller Kerl, aber doch nicht so und hier! Und überhaupt, vor all den Leuten? Außerdem sollte doch Mamo-chan das erste...

Tooma blieb zwei Meter vor der am Boden liegenden Mädchengestalt stehen. "So, näher gehe ich nicht heran, sonst gibt das Ärger mit Mamo-chan und Lian." Er hielt die Puppe so, dass sie ihn lächeln sehen konnte. "Deine Taktik war gut, aber du hast vergessen, dass ich Blitz-affin bin.Und dass auch ich dazu lernen kann. Mich von der Puppe zu trennen war aber der richtige Gedanke." Er öffnete den Mund, und Hanako sah dort etwas glitzern. Dann spürte sie einen leichten körperlichen Schmerz an der Schulter, und langsam begannen ihre Sinne zu verschwimmen. "Nur ein Betäubungsgift, Hana-chan. Es tut mir leid, dass ich es jetzt so schnell beendet habe."

Den Rest seiner Worte hörte sie schon nicht mehr. Sie kamen nicht durch den dicken Nebel, der ihr Bewusstsein umhüllte.

"Sieger: Tooma, Sunagakure!", verkündete Motoi, und wieder wurde applaudiert und gejubelt.

Tooma, die Puppe wieder als Turban auf dem Kopf, winkte die Sanitäter heran. "Wir könnten hier eine Trage gebrauchen!"

***

Als ich wieder wusste, wo ich war, begann gerade der Kampf zwischen Lian und Hassin. Ich hätte mir das gerne angesehen, aber ehrlich gesagt bereitete mir selbst ein Kopfnicken schon erhebliche Schmerzen. "Halt still, Mamo-chan."

Nun fuhr ich erst Recht herum, und wurde mit erheblichen Schmerzen belohnt. "Autsch!"

"Ich sagte doch, du sollst still halten", tadelte mich Ranko-sensei mit Wärme in der Stimme. Chakra strömte von ihren Händen in meinen Körper und erfüllte mich mit Wärme. Das war angenehm, aber es trug nicht sonderlich dazu bei, meine Schmerzen zu lindern. "Ranko-sama? Wo warst du vorhin? Ich habe dich gesucht. Und warum bist du ein Mensch?", raunte ich.

"Wie ich dir schon sagte, ich habe Geschäfte in Kumogakure und konnte dir bei deinem Kampf leider nicht helfen. Aber ich denke, Perine hat mich würdig vertreten."

Ich lachte leise. "Oh ja, das hat sie. Wenn ich daran denke, ich hätte wirklich König Enma beschworen... Ich weiß nicht, was er mit mir angestellt hätte."

Sie gab mir einen leichten Klaps auf die rechte Schulter, was wieder eine Schmerzwelle durch meinen Körper jagte. "Vielleicht haben wir dir einmal zu oft gesagt, dass du Affenkrieger nicht ohne triftigen Grund beschwören sollst."

"Das ist es nicht. Es waren eher die angedrohten Strafen, wenn ich es doch mache", erklärte ich.

"Ach so, das." Sie lächelte wie bei einem guten Witz.

"Da ist er also, unser Held." Uzuki-senseis Gesicht erschien über mir. "Respekt, Mamo-chan, ich habe dir nicht zugetraut, dass du noch so viele Reserven hast. Ich dachte, ich hätte dir alle verschlossen."

Sie hatte was? "DU HAST WAS?", rief ich erschrocken und fuhr hoch. Nur um sofort unter großen Schmerzen wieder zu Boden zu sinken.

"Ich habe deine Chakra-Knotenpunkte verschlossen. Die meisten, zumindest."

"Ja, aber, aber, aber... WARUM?"

Uzuki-sensei zuckte die Achseln. "Damit du deine Beschwörungstechnik verwendest."

Entsetzt stöhnte ich auf. "Das leuchtet mir in keinster Weise ein."

"Ach, das hat rein finanzielle Gründe. Sicher, du hättest Jardin und die Riesenschlange auch so besiegen können. Und das wäre sicherlich dein Sprungbrett zum Chunin gewesen."

"So, hätte ich das?" Ich war mir eher sicher, dass ich gegen die Schlange keine Minute überlebt hätte.

"Ja, hättest du. Aber da draußen sitzen viele potentielle Auftraggeber, die sich die Kämpfe vor allem deshalb anschauen, um zu sehen, welche versteckte Stadt das meiste Potential bietet, welche voraussichtlich Aufträge am besten erledigen wird. Dadurch, dass du vor deren Augen einen Affen beschwört hast, hast du der Reputation von Konoha genutzt."

"Aha, wie interessant", murmelte ich.

"Sieh es als Auftrag, von dem du nichts wusstest, Mamo-chan", sagte sie nonchalant, und packte meinen Körper mit festem Griff. Beinahe sofort konnte ich Erleichterung spüren. "Ich löse jetzt die Blockaden wieder. Gleich geht es dir besser."

Ich stöhnte gequält. "Und wofür das alles? Damit ich aller Welt zeige, dass Konoha Kontraktnutzer für den Affenclan hat?"

"Genau das. Eine rein taktische Entscheidung." Sensei lächelte niedlich.

"Aber warum hast du mir das dann nicht einfach gesagt?", rief ich verzweifelt.

"Weil du fraglos versucht hättest, ohne Beschwörung auszukommen, Konoha." Tooma trat grinsend in den Warteraum ein. Hinter ihm wurde Hanako auf der Trage herein gebracht. "Du bist ein ziemlich sturer Vogel."

Ich ächzte. "Ja, das ist mir auch schon aufgefallen. Warst du nett zu ihr?"

"So nett wie es ging. Sie hat eine vergiftete Nadel in der Schulter. Das Gift dürfte in etwa zehn Sekunden abklingen."

"Definiere nett", verlangte ich.

"Zwei Meter Abstand-nett. Reicht das?"

Merkwürdigerweise tat es das. Ich nickte. Zusätzlich spürte ich die Erleichterung durch das Öffnen meiner Chakra-Knoten.

"Du wirst noch ein paar Stunden Schmerzen haben, aber nicht so schlimme wie bisher", sagte Uzuki-sensei. Sie gab mir einen Klaps auf die Schulter, der diesmal nicht so furchtbar schmerzte. "Na los, steh auf und geh hin."
 

Mit ihrer und Ranko-samas Hilfe kam ich auf die Beine. Ich ging bis zu Hana-chan und sah auf das schlafenden Mädchen herab. Merkwürdig, so wie sie da lag, mal nicht laut und polternd, nicht so besitzergreifend und Kommandosüchtig, sondern einfach nur friedlich schlafend, da war sie richtig süß. Man konnte sagen, schön. Vor allem weil sie das typische Blondhaar ihrer Familie geerbt hatte, das ihr Gesicht nun wie goldene Seide einrahmte. "Tooma, kannst du mir ein paar Liter von dem Zeug mitgeben? So friedlich sehe ich sie nie wieder."

Der Suna-Nin lachte abgehackt. "Eventuell, Konoha. Eventuell. Ich muss jetzt mal schauen, wie es meinem Mädchen geht." Er nickte mir zu und trat zum Ausgang zu den Zuschauerrängen.

Derweil schlug Hana-chan die Augen auf. Mir pochte das Herz bis zum Hals. "Mamo-chan", hauchte sie, "ich habe verloren."

"Tooma ist ein starker Gegner. Du brauchst dich nicht zu ärgern, dass du verloren hast, Hana. Das ist keine Schande."

"Mamo-chan!", rief sie mit gequälter Stimme. Sie kam hoch und klammerte sich an mich. "Danke, dass du so verständnisvoll bist!"

Peinlich berührt spürte ich ihre Umarmung. Und ich spürte noch etwas anderes, weiches, in doppelter Ausführung auf meiner Brust.

"Das geht schon in Ordnung, Hana", sagte ich. "Aber könntest du mich wieder loslassen?"

"Ist dir das so unangenehm, dass ich bei dir Trost suche?", fragte sie schniefend.

"Das ist es nicht."

"Dann lass mich doch noch ein wenig so bleiben."

Seufzend gab ich nach. Zumindest bis ich einen stechenden Blick in meinem Rücken spürte.

Ich wandte mich um so gut ich konnte.

Karin sah mich aus großen, wässrigen Augen an. Na klar, da hatten wir die Bescherung. Sie hatte ihre zarten kleinen Hände zu Fäusten geballt. "Mamo-chan, wenn ich verliere, kriege ich dann..."

"Wenn du gewinnst", sagte ich mit Betonung auf dem letzten Wort, "kriegst du was immer du willst!" Auch wenn es bedeutete, dass mein Geldbeutel erneut geschröpft werden würde.

Karins Augen wurden riesengroß. "A-alles, was ich will?"

"Und ich mir leisten kann", schränkte ich ein.

"Alles, was ich will?" Ihr Blick ging zu Amir herüber, der plötzlich blass wurde. "Na, schönen Dank auch für diesen Motivationsschub, Mamoru", sagte er sarkastisch.

"Sieger: Hassin, Getsugakure!"

"Dann sind wir jetzt wohl dran, Karin-chan. Aber vergiss nicht, wenn ich am Boden liege und nicht mehr atme, solltest du aufhören."

"Was? Aber ich... Ich meine... Ich gebe nur mein Bestes, Amir-kun!"

"Genau das befürchte ich ja. Also bis gleich, Mamoru. Hoffentlich in einem Stück", fügte er mit einem Seufzer an.
 

Tooma kam wieder herein, mit einer nachdenklichen Miene. "Das war ein guter Kampf Lian hat ihn nur knapp verloren. Sein Genjutsu natürlich. Äh, Konoha, was machst du da eigentlich?"

"Meine Teamgefährtin wegen ihrer Niederlage trösten."

"Aha. Meinst du, das klappt auch mit Lian?"

"Weiß nicht. Kannst es ja mal versuchen." Ich sah Hanako an. "Und? Hast du jetzt genug von..."

"Nur noch ein kleines bisschen", murrte sie.

Ich seufzte erneut. Frauen. Was für ein merkwürdiges Volk. Und warum grinste Uzuki-sensei so merkwürdig?

Aber ich schwor mir, Karins Kampf anzuschauen, und wenn ich Hanako dafür tragen musste.

***

Karin Akimichi war schon immer dünn gewesen. In den Worten ihrer Mutter hieß das mager. Die Körperkunst des Akimichi-Clans funktionierte am Besten, wenn man gesunde dreißig bis vierzig Prozent Übergewicht auf den Hüften hatte, das war wichtig für die Reserven, die das Familienjutsu benötigte.

Tatsächlich gab es ein paar geheime Künste des Clans, die Karin niemals erlernen oder gar anwenden durfte, da sie ihre Kraft direkt von der Körpersubstanz nahmen, nicht vom Chakra. Es war schon mehr als einmal vorgekommen, dass ein Akimichi stolz und rundlich in die Schlacht gezogen war, und anschließend als abgemagertes Gerippe zurückgekehrt war - aber natürlich siegreich. Karin war also für die wichtigsten Familienjutsu nicht geeignet, und lange Zeit hatte es eine Diskussion darüber gegeben, ob man sie überhaupt Ninja werden lassen sollte. Erst ein Machtwort ihres Vaters, der die Clanoberen daran erinnerte, dass die Welt der Shinobi nicht nur aus den Jutsu des Clans bestand, hatte dazu geführt, dass sie das dürre Kind tatsächlich auf die Schule gelassen hatten.

Karin wusste das. Sie kannte ihre Defizite, ihre eingeschränkten Möglichkeiten. Meistens behalf sie sich mit einer Soldatenpille, die Kalorien für mehrere Tage bot. Für sie reichte sie ein paar Stunden. Auf diese Weise konnte sie ein wenig mehr Energie herausschinden, die für das eine oder andere Akimichi-Jutsu notwendig waren. Der Rest waren Erdjutsu, die sie unter Hayate-senseis Anleitung erlernt hatte. Und sie war gut darin. Allerdings war sie bisher in noch keinem Gefecht gewesen, in dem ihr Baika no Jutsu die Situation nicht schnell und nachdrücklich geklärt hätte. Auch so ein Problem. Als Ninja wusste sie, dass man sich nicht auf einen einzigen Trumpf verlassen sollte. Aber sie setzte dieses Jutsu so natürlich ein wie andere die Atmung benutzten. Und es fraß auch nur wenig Chakra.

Diesmal war es ein wenig anders. Amir war auch Ninjutsu-Nutzer mit Erdaffinität. Und er war mindestens zehn Jahre älter und erfahrener als sie. Sicherlich, er war noch kein Chunin, und das bedeutete nicht die besten Fähigkeiten. Aber sie hatte ihn am Turm kämpfen gesehen. Und sie hatte sein Vorrunden-Duell gesehen. Ihn zu unterschätzen wäre tödlich gewesen. Und dann war da noch die Geschichte, die Kabuto-san ihr erzählt hatte. Dass er grausam war, jede Chance nutzte. Tödlich und präzise.

Aber der wichtigste Punkt war, dass Mamo-chan ihr versprochen hatte, was immer sie wollte, wenn sie diesen Kampf gewann. Das bedeutete, sie konnte ihn um einen kleinen Urlaub bitten, nur sie zwei, vielleicht in einem Onsen-Hotel. Gemeinsam in einem Privatbad baden, zusammen zu Abend essen, sich einen Raum teilen und die Nacht zusammen verbringen. Nur sie zwei, ganz alleine, und dann... Und dann...

"Karin, irgendwie machst du mir Angst. Wo holst du eigentlich das ganze Chakra her? Und warum bist du so krebsrot im Gesicht?", raunte Amir ihr zu.

Erschrocken sah sie den Getsu-Ninja an. "D-das ist die Aufregung." Sie verbeugte sich, während sie hinter Motoi-sensei herging, vor Amir. "I-ich hoffe, du hältst dich nicht zurück. Ich will nicht verlieren, wenn du mich geschont hast. Und ich will nicht gewinnen, wenn du nicht alles gegeben hast!" Womöglich nahm Mamo-chan sein Wort wieder zurück, wenn er meinte, Amir habe sie gewinnen lassen! Und was wurde dann aus dem schönen Urlaub? Ihre gemeinsame...

"Natürlich kämpfe ich mit voller Kraft!", erwiderte er entrüstet. Leiser fügte er hinzu: "Ich kämpfe hier schließlich um mein Leben. Dieser Mamoru. Was hat er sich dabei gedacht, als er ein Streichholz in dieses Sprengstofflager geworfen hat? Na, vermutlich nichts, wie immer." Ergeben seufzte Amir und zuckte mit den Schultern.

"S-sprengstofflager?" "Ich meine dich, Karin. Mamorus Worte haben dich so aufgeheizt, du stehst fast vor einer Explosion. Wenn ich überleben will, muss ich schon mit ganzem Einsatz kämpfen."

"Wenn Ihr zwei dann mit tratschen fertig seid, würde ich gerne den Kampf beginnen", mahnte Motoi.

Die beiden sahen auf. Sie standen bereits in der Mitte der Halle.

"Entschuldigung, Sensei!" Karin verbeugte sich tief vor ihm.

"Tut mir leid. Hab's gar nicht gemerkt", murmelte Amir peinlich berührt.

"Wie dem auch sei. Vierter Kampf, Start!"

Motoi-sensei verließ die Mitte, und zog sich wieder auf die Bühne zurück.
 

Nun ging es also los. Eine seltsame Erregung hatte Karin erfasst. Hatte sie bisher gekämpft, um Hana-chan nicht zu enttäuschen und um vor Mamo-chan gut auszusehen, so ging es diesmal um etwas Größeres, größer als der Titel einer Chunin. Es ging um ihr ganzes zukünftiges Leben mit Mamo-chan!

Das schlanke Mädchen massierte mit der Linken die Knöchel der Rechten. Die Knochen knackten dabei bedrohlich. "Es tut mir leid, wenn ich jetzt etwas rau zu dir sein muss, Amir-kun", sagte sie in einem bedauernden Tonfall.

"Oh, ich habe so etwas schon erwartet..." Über seine Augen senkte sich ein Schatten düsterer Vorahnung. "Bringen wir es hinter uns, Karin-chan."

"Okay. KATON!"

Die junge Akimichi spie einen Feuerball aus, dem Amir nur knapp ausweichen konnte. Karin verfolgte ihn eine Zeitlang mit dem Feuerstrom, so weit das Feuer in ihrem Mund reichte, aber Amir war knapp vor den Flammen.

Entgeistert starrte er die Kunoichi an. "Sag mal, was war das denn? Ich dachte, du bist Erd-affin! Und außerdem, ich habe mit deinem Körperjutsu gerechnet!"

Verlegen kicherte sie und legte einen Arm hinter ihren Kopf. "Sarutobi-sensei hat mir ein paar Katons beigebracht. Er meinte, ich habe eine leichte Affinität zum Feuerjutsu."

"Dann beherrschst du jetzt also zwei Elemente? Respekt, Karin-chan, Respekt."

"Ach, was heißt beherrschen? So kunstvoll wie Mamo-chan bin ich nicht. Was er mit dem Kunai und seinen Flammen gemacht hat, erlerne ich nie."

"Dennoch, das ist ein Riesenfortschritt. Beinahe tut es mir leid. DOTON!" Amir war ein kleiner, dürrer Mann, er wirkte beinahe zerbrechlich. Aber als er kraftvoll auf dem Boden aufstampfte, schien die Halle zu beben, und ein Riss zog sich über den Kampfplatz. Mitten unter Karin brach der Hallenboden auf zwei Meter Länge auf und offenbarte blanke Erde. Sie quiekte erschrocken auf und fiel in das Erdloch.

Amir vollführte Fingerzeichen, und die Spalte begann sich zu schließen und Karin lebendig zu begraben. Dann war Ruhe.

Leiser, zaghafter Jubel regte sich auf der Tribüne, aber Amir war von seinem Sieg nicht überzeugt. "Komm schon, Karin. Das war doch noch nicht alles."

Dort, wo die Akimichi verschwunden war, gab es eine kleine Explosion. Mit Hilfe ihrer riesigen Hände kroch die junge Frau aus dem Loch hervor. Ärgerlich sah sie Amir an. "Ich wollte heute ohne Baika no Jutsu auskommen. Eigentlich!"

"Ohne dein Jutsu? Was genau hat dir Sarutobi-sensei denn noch alles beigebracht?"

"Nicht nur Sarutobi-sensei!" Ihre Arme schnellten nach vorne und wurden dabei ein wenig dünner.

Amir beschwor einen Erdwall, der die Hände stoppte.

Karin riss sie herum, um den Wall, und versuchte nach Amir zu greifen, den nur ein beherzter Sprung auf den Wall rettete.

"Tsuchi Bunshin no Jutsu!" Er gestikulierte erneut, und rund um Karin erhoben sich zehn schlanke Erdsäulen. Die Erde bröckelte ab, zurück blieben zehn Amir-Erdklone. Gemeinsam griffen sie die Kunoichi an, doch Karin zog ihre Hände zurück, vergrößerte sie wieder und schlug einmal um sich. Mit dieser Verteidigung hätte sie auch einem Hyuuga Ehre gemacht. Anschließend spie sie einen Feuerstrom aus, der die zehn Klone erfasste und zu hartem Stein backte.

"Nicht schlecht, Karin, wirklich nicht schlecht. Aber du bist nicht die einzige, die dazu gelernt hat!"

Er formte erneut Handzeichen. "Suiton: Suishouha!" Von seinem Erdwall ausgehend entstand eine Flutwelle, die auf Karin zuraste. Die Welle nahm die Erde mit und verfärbte sich braun. Als die Kunoichi von den Füßen gerissen wurde, trieb Amir die Welle bis an die nächste Wand, wo er aus der Mischung zweier Elemente einen Sumpf entstehen ließ, der Karin bis zum Hals bedeckte. "So, ich denke, das war es dann", sagte Amir zufrieden. "Nur noch verhärten, und du bist gefangen, bis dich jemand mit Hammer und Meißel freihaut."

"Nanu, du hast ja auch was dazu gelernt!", rief Karin erstaunt. "Nur schade, dass es nicht reicht."

"Versuch mal in dem Sumpf deine supergroßen Arme zu bewegen", spottete Amir. "Sieh es ein, es ist vorbei."

"Nun, nicht ganz", erwiderte Karin, grinste, und verschwand in einer Rauchwolke.

"Ein Schattenklon!" Amir fuhr herum, nur um zu spüren, wie sich ein Kunai an seine Kehle legte.

"Karin-chan? Aber wann..."

Die junge Genin lächelte liebenswürdig. "Als du mich in der Erde gefangen hast, hatte ich genügend Zeit dafür. Tut mir leid, das ich so gewinnen muss. Würdest du dann bitte aufgeben?"

Entsetzt starrte Amir sie an. "Du bist ja ganz schön gerissen, Karin.chan, das muss ich schon zugeben. Aber..." Amir verschwand in einer Rauchwolke. Zugleich schoss eine Erdsäule hinter Karin in die Höhe, aus der der richtige Amir hervor kam, und einen Handkantenschlag an ihrem Hals anbrachte. Sie klappte in sich zusammen wie ein Kartenhaus. Amir fing sie sanft bei den Schultern und legte sie vorsichtig auf dem Erdwall ab. "Aber leider hatte ich genau die gleiche Taktik. Und bei diesem Spiel gewinnt der, der als Letzter aus seinem Versteck kommt. Tut mir leid, Karin-chan, aber aus dem freien Wunsch bei Mamo-chan wird wohl nichts."

"Sieger: Amir, Getsugakure!"
 

Für einen Moment schien die Halle Kopf zu stehen. Der Kampf war nicht lang gewesen, aber es waren zwei Erdjutsu-Nutzer angekündigt gewesen. Und der eine hatte sich um das Element Feuer erweitert, der andere um das Element Wasser. Alleine das war schon eine Show für sich. Für die Reputation von Getsugakure und Konohagakure war das allemal eine Empfehlung.

Grund genug für minutenlangen Beifall für die beiden Shinobi.

Amir winkte lächelnd in die Runde. Er wusste selbst am Besten, dass das Bestehen im Endkampf nicht bedeutete, Chunin zu werden. Es war nur eine Empfehlung. Er wusste nicht, ob es diesmal klappen würde, aber er hatte sein Bestes gegeben, um Führungsqualitäten zu zeigen, und natürlich seine Stärke. Der Rest lag bei den Jounin seines Heimatortes.

Er blickte die Tribüne hoch. Dort standen Mamoru und Hanako und sahen zu ihnen beiden herab. Sie wirkten nicht besonders erfreut, aber der Shinobi lächelte schließlich doch für Amir, und zeigte ihm den erhobenen rechten Daumen.

Amir imitierte die Geste grinsend.

"Autsch!" Karin schreckte hoch wie aus einem schlechten Traum. "Ich habe verloren, richtig?"

"Ja, hast du. Aber warum bist du schon wieder wach? Der Schlag war so dosiert, dass du mindestens noch drei Stunden liegen bleiben solltest! Was für Monster züchtet Ihr eigentlich in Konoha?"

"Oh, ich habe damit gerechnet, dass du so etwas versuchst, und mir einen Schutzmantel aus verhärteter Erde angelegt." Sie hob die schwarzen Haare an und zeigte ihm den zerbröckelten Panzer. "Leider hast du härter zugeschlagen als ich erwartet habe. Mist."

Amir starrte sie entgeistert an, dann begann er zu lachen. "Himmel, ich wünsche mir gerade, keinem von euch dreien jemals im Kampf begegnen zu müssen." Er reichte ihr eine Hand zum Aufstehen. "Wird wohl nichts mit deinem freien Wunsch bei Mamo-chan."

Sie ergriff die Hand und ließ sich auf die Füße ziehen. "Da kann man halt nichts machen. Du warst eben besser als ich, Amir-kun. Aber lieber ehrlich verloren als dreckig gewonnen. Danke."

"Danke wofür?"

"Danke, dass du mit voller Kraft gekämpft hast. Das war für mich auch ein Beweis dafür, wo ich stehe. Weißt du, mein Selbstbewusstsein war ziemlich im Eimer, damals beim schriftlichen Examen, als Nii-sensei mich heraus gepickt hatte. Aber jetzt bin ich wieder obenauf. Ich konnte mit einem starken Ninja wie dir mithalten. Und du hast mich nicht getötet. Glücklicherweise."

"Getötet?" Irritiert runzelte Amir die Stirn. "Warum hätte ich das tun sollen?"

Nebeneinander, in die Menge winkend, gingen sie zum Ausgang. Karin sagte: "Erinnerst du dich an die letzte Prüfung? Du hast ein Team aus Konoha vernichtet, und das letzte Mitglied zum Sterben zurück gelassen."

"Zum Sterben?" Amir lachte gehässig. "Ja, im zweiten Teil hatten wir einen Zusammenstoß mit Konoha. Aber das Team bestand nur aus zwei Leuten. Der dritte war nicht dabei. Und die beiden habe ich nicht getötet, nur neutralisiert. Auch wenn ich ein Shinobi bin, ich töte nur, wenn ich es muss."

"Kabuto-kun hat mir etwas völlig anderes erzählt!"

"Kabuto?" Amir ergriff Karin an der Schulter. "Kabuto?"

"Ja, Kabuto-kun."

"Ist er hier? Jetzt gerade? Im Publikum?"

"Vorhin war er das. Wieso? Was ist?"

Langsam, bedächtig, löste Amir die Hände von Karins Schultern. "Nichts. Es ist nichts. Er ist nur... Ich weiß, er hat dir viel erzählt, und er wird sehr überzeugend gewesen sein. Und jetzt steht meine Version gegen seine Version. Aber wenn du einen Rat von mir annehmen willst, Karin-chan, gehe diesem Bastard aus dem Weg! Er ist gefährlich, tödlich und rücksichtslos! Halte dich immer zuerst an deine Teamkameraden!"

"Ich verstehe nicht. Was ist denn passiert?"

"Ich bin ihm begegnet, aber nicht im Chunin-Examen. Der Kerl ist ein unbesiegbares Monster, und vollkommen gewissenlos", erwiderte Amir mit rauer Stimme. "Karin, höre auf mich. Meide diesen Bastard."

"I-ich weiß gerade nicht, was ich denken soll", erwiderte sie.

"Nun, Zweifel sind besser als nichts." Amir musste plötzlich lächeln. "Willst du dir jetzt nicht deine Umarmung bei Mamoru abholen? Du hast doch auch verloren, genau wie Hana-chan."

"Stimmt! Da war ja noch was! Mamo-chan!"

Amir sah der Kunoichi nach. Die drei waren ein verrücktes Gespann. Und Mamoru würde mit den beiden noch viel Ärger haben, aber auch gute Zeiten erleben. Was ihn selbst betraf, wenn Kabuto noch immer in Kumogakure war, dann musste er seine Teamkameraden warnen. Denn alleine oder gar zu dritt waren sie ihm keinesfalls gewachsen.

Der Weg zurück

"Ach ja. So fühlt sich das Paradies an." Mit äußerstem Wohlbehagen ließ sich Omoi neben mir in das heiße Wasser des Onsen sinken. Das Wasser hatte eine gute Temperatur, und nach den anstrengenden letzten Tagen hatte er sich die Entspannung verdient.

Er warf mir einen schiefen Seitenblick zu. "Was ist los, Kleiner? Planst du gerade eine Attacke auf das Frauenbad?", fragte Omoi und deutete mit dem Daumen hinter sich.

"Das haben wir gehört!", klang Karuis wütende Stimme auf. "Untersteh dich! Und zieh den armen Mamo-chan nicht immer in diese Sachen mit rein!"

Ich seufzte leise. Nachdem wir das Gebiet von Kirigakure im Eilmarsch passiert hatten - immerhin waren wir Schuld daran, dass die beiden Gruppen Kiri-Genin bei der zweiten Prüfung gescheitert waren - hatten wir im Land der heißen Quellen ein Rasthaus gefunden. Natürlich mit heißer Quelle. Die Mädchen hatten sich darüber sehr gefreut, aber mir gingen zu viele Dinge durch den Kopf, als dass ich die Wärme des Wassers richtig genießen konnte.

Oder Omoi tatsächlich auf ein waghalsiges Abenteuer begleitete, um ins Frauenbad zu linsen. "Entschuldige, aber ich bin gerade ganz woanders."

"Das ist vollkommen normal, Mamoru-kun", sagte Asuma, während er nach der üblichen Vorreinigung in das heiße Wasser stieg. "Es war eine anstrengende Woche. Und hier fängt der Ärger für dich wahrscheinlich erst an."

"Nun verschüchtere den Kleinen doch nicht gleich, Asuma-kun", sagte Kirabi, während er sich einshampoonierte. "Er ist nicht Kakashi, und er ist auch nicht so ein Monster wie du."

"Na, danke für das Monster", murrte der Spross der Sarutobi-Familie. Er setzte sich ins Osen, streckte sich einmal behaglich, und ließ sich nach hinten sinken. Als er sich richtig wohl fühlte, steckte er sich seine obligatorische Zigarette an.

"Asuma, rauchst du etwa? Kannst du diese Unsitte nicht wenigstens im Bad sein lassen?", klang die Stimme von Kurenai-sensei auf.

Asuma fuhr vor Schreck heftig zusammen. Hastig nahm er die Zigarette aus dem Mund und steckte sie mir zwischen die Lippen. "Ich rauche doch gar nicht! Mamoru-kun raucht!"

Erschrocken sog ich Luft in meine Lungen, und damit den beißenden Rauch der brennenden Zigarette. Der anschließende Hustenanfall ließ mich kurz befürchten, ich könnte daran sterben. "Asuma-sama!", krächzte ich vorwurfsvoll, als ich wieder einigermaßen atmen konnte. Also Tabak würde mit Sicherheit keines meiner Laster werden.

Kirabi-sama stieg nun ebenfalls ins Bad, nahm mir die Zigarette aus dem Mund, löschte es an der Innenseite seiner rechten Hand, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken und ohne sich zu verletzen, und schnippte das nun nutzlose Röllchen über den Außenzaun. "Dies hier ist ein Nichtraucherbereich, Mamo-chan", dozierte er.

"Sensei! Du auch?", erwiderte ich anklagend.

"Was? Du rauchst?", rief Hanako von drüben zu uns herüber. "Uns gegenüber den Moralapostel spielen und sagen wie gefährlich und unnütz rauchen ist, und dann qualmst du selber? Dir soll noch mal einer was glauben, Mamo-chan!"

Okay, damit saß ich in der Falle. Obwohl keines der Mädchen, geschweige denn unsere Lehrer, mich jemals mit einer Zigarette gesehen hatten, würden sie glauben, ich würde rauchen. Und das nur, weil Kirabi-sama Asuma zu Hilfe gekommen war, und nicht mir.

"Na, ist ja auch egal", murmelte ich, und ließ mich bis zur Nase ins Wasser sinken. Ich würde mir nachher noch gründlich den Mund ausspülen müssen, um diesen schrecklichen Geschmack los zu werden.

Omoi legte einen Arm um meine Schulter. "Kopf hoch, Kleiner. Wenn die Großen sich gegen die Kleinen verbünden, dann verbünden sich die Kleinen eben gegen die Großen." Er grinste schelmisch und holte tief Luft. "Nein, Asuma-sama, danke für das Angebot, aber diese Zigarette ist nicht meine Marke!"

Konsterniert sah der Jounin den Kuro-Ninja an.

"Also doch! Asuma!" Beinahe erwartete ich, dass Kurenai-sensei das Männerbad stürmte. Entrüstet genug klang sie jedenfalls.

Nun ließ sich auch Asuma ins Wasser sinken. "Mist", murmelte er. "Das wird sie mir nachtragen."

Das hatte er zweifellos verdient, aber aus irgend einem Grund schien ihm das wichtig zu sein. Wie und warum, das überstieg damals meinen Horizont.

Es würde noch einige Zeit dauern, bis ich begriff, dass Männer durchaus versuchten, vor Frauen besser dazustehen als sie eigentlich vorweisen konnten.
 

"Danke", murmelte ich in Omois Richtung.

"Na, da bist du ja wieder", sagte er zufrieden. "Was hat dich denn so sehr abgelenkt?"

Ich schnaubte amüsiert aus. "Dieses und jenes."

"Dieses und jenes? Also, das musst du erklären."

"Habe ich mich jetzt zum Chunin empfohlen? Will ich überhaupt Chunin werden? Diese Dinge gehen mir durch den Kopf. Weißt du noch, damals vor der Burg, als wir wie aus dem Nichts angegriffen wurden, während Kirabi-sama und Uzuki-sensei fort waren? Da erschien mir alles so klar, alles so greifbar. Es war machbar. Aber wenn ich daran denke, dass ich eine Position wie Uzuki-sensei als Teamführer einnehmen sollte, dann kochen die Zweifel in mir hoch."

"Kopf hoch, Mamoru-kun", sagte Asuma und klopfte mir auf die Schulter. "Ein Sieg im Finale garantiert noch lange keine Beförderung, das kann ich dir versprechen. Nur die Summe der ganzen Prüfung lässt den Schluss zu, ob du zum Chunin geeignet bist oder nicht."

"Und? Was sagt diese Prüfung? Du musst doch deine Meinung abgeben, oder? Was denkst du? Wie lautet deine Empfehlung, Asuma-sama?"

Dem Jounin entgleisten kurz die Gesichtszüge. "Also, ich weiß nicht wie sich Yugao-chan und Yuhi entscheiden werden, aber ich werde dem Rat empfehlen, dass du ein Chunin werden sollst. Allerdings werde ich die gleiche Empfehlung auch für Hana-chan und Karin-chan aussprechen. Das ist so oder so kein Garant für diese Beförderung." Etwas leiser fügte er an: "Zumindest kein absolut sicherer."

"Wenn Konoha deine Talente nicht zu würdigen weiß", mischte sich Kirabi-sama ein, "dann komm nach Kumo zurück. Bei uns wirst du Chunin, das verspreche ich dir. Beliebt bist du ohnehin bei uns."

Das ließ mich kurz lächeln. Kirabi-sama spielte damit auf den Abschied vor vier Tagen an, als wir Kumogakure verlassen hatten. Ich war von einer mittleren Menschenmenge verabschiedet worden, und man hatte mich mit Geschenken überhäuft. Um all das nach Hause zu schaffen, musste ich zwei Schattenklone beschwören, die meine beiden zusätzlichen Rucksäcke trugen. Ich war überrascht über die Großzügigkeit Kumogakures, aber andererseits war sie auch verständlich. Denn diese Menschen waren die gleichen, für die ich in Uzuki-senseis Auftrag die vielen kleinen Aufträge erfüllt hatte. Menschen, mit denen ich täglich zu tun gehabt hatte. Menschen, die wollten, das ich sie in Erinnerung behielt, so wie der Gemüsehändler, Herr Ataba, für den ich zweimal die Woche Frischware per Karren aus dem Tal geholt hatte. Oder Mappi-san, der Geldbote, den ich immer eskortiert hatte. Ataba-san hatte mich mit Frischobst für alle versorgt; Mappi hatte es sich nicht nehmen lassen, mir ein erschreckend großes Trinkgeld mit auf den Weg zu geben. Unnötig zu erwähnen, dass die Mädchen mich genötigt hatten, sie mit diesem Geld mit Süßigkeiten und anderen Leckereien zu versorgen. Und das waren nur zwei Beispiele von vielen.

Der Abschied war mir entsprechend schwer gefallen. Aber dass Kirabi-samas Team uns noch bis durch das Land der heißen Quellen eskortierte, linderte den Abschiedsschmerz schon ein wenig. Zumindest, bis auch sie wieder zurückkehren mussten.

"Das Problem liegt ja genau darin. Ich meine, Omoi drückt sich davor, Chunin zu werden. Warum also nicht auch ich?"

"Weil Gekko dir in den Hintern treten würde, und zwar ziemlich kräftig, wenn du dir diese Gelegenheit entgehen lässt, Mamoru-kun", sagte Asuma süffisant, und ich befürchtete, er hatte vollkommen Recht damit.

"Und warum darf Omoi das dann?", fragte ich maulig.

"Weil irgendeiner auf diesen faulen Feigling aufpassen muss", klang es vom Frauenbad herüber. Für einen Augenblick dachte ich, Karuis Stimme erkannt zu haben. Aber es war ausgerechnet die sonst so beherrschte, stoische Samui gewesen. Das erstaunte mich schon.

Omoi aber grinste nur breit und legte beide Arme hinter den Kopf. "Sagen wir einfach, wir haben eine Regelung getroffen. Nicht, Sensei? Äh, Sensei?"

"Hm? Nicht jetzt, Omoi. Also, Asuma-kun, was denkst du? Wen ich mir einen Bart stehen lasse, genau wie du einen trägst, dann käme das doch cool, oder? Und früher habe ich immer gerne Sonnenbrillen getragen. Das würde auch gut dazu passen, oder?"

"Sonnenbrille ist eine gute Idee. Du hast definitiv ein Sonnenbrillengesicht. Und hast du auch schon mal drüber nachgedacht, das Tuch deines Stirnbands wie ein Kopftuch zu tragen? Das sieht bestimmt auch gut aus."

Omoi machte einen verächtlichen Ton. "Scheint so, als wenn die beiden jeder weiteren Diskussion über deine Verwendung als Chunin ausweichen wollen. Mehr Informationen kriegst du aus den beiden nicht raus."

Ich musterte die beiden Jounin, die sich in ihre Unterhaltung vertieft hatten. Oder zumindest vorgaben, in eine Unterhaltung vertieft zu sein. Mein Versuch, Omoi gegen sie auszuspielen, hatte auf ganzer Linie versagt. Das Fazit blieb das Gleiche. Er und Karui durften den Chunin-Rang vor sich her schieben, und ich durfte es nicht. Blieb nur noch die Möglichkeit, dass die Frauen keine positive Empfehlung für mich aussprechen würden. Aber sollte ich mich wirklich bei ihnen unbeliebt machen? Abgesehen davon hatte der Raikage allen Kumogakure-Kunoichi erlaubt, mich zu liquidieren, wenn sie mich im Frauenbad erwischten. Und war es denn wirklich so schlecht, ein Chunin zu sein? Das bedeutete zwar mehr Arbeit, mehr Risiko und mehr Verantwortung, aber auch mehr Geld. Und eventuell mehr Ruhm.

Apropos Ruhm, verwundert stellte ich fest, das ich wirklich nie weiter als bis zu diesem Punkt gedacht hatte. Genin sein, Ninja sein, Aufträge erfüllen, das war meine Welt gewesen. Und jetzt? Ich würde vielleicht mit etwas Glück drum herum kommen, Chunin zu werden und meine alte Welt auf den Kopf gestellt zu sehen. Dennoch, Neues war nicht automatisch Schlechtes. Und vielleicht bot mir eine Karriere als Chunin Möglichkeiten, die ich jetzt noch nicht sehen konnte. Vielleicht gab es neben dem Geld noch einen anderen, wertvolleren Anreiz für mich. Und da war immer noch der Punkt, dass ich Konoha nicht im Stich lassen konnte. Und das würde ich, wenn ich meine Aufgaben nicht ernst nahm. Wenn ich so eine Beförderung ausschlug.

Auf der anderen Seite würde es für die Mädchen furchtbar sein, wenn ich befördert wurde, und eine der beiden nicht. Sie hatten so hart gearbeitet, ihr Potential ausgereizt, es wäre furchtbar gewesen, wenn dieser Eifer nicht belohnt werden würde. Dass dieser Gedanke zu gleichen Teilen auch für mich galt, wollte ich damals nicht sehen. Immerhin hatte ich ja nur am Examen teilgenommen, um Hanako und Karin die Chance zu ermöglichen, ein Chunin zu werden. Dass ich jetzt die besten Karten auf der Hand zu haben schien, verwirrte mich.

Wie würden sie reagieren, wenn sie es nicht schafften? Wie würde ich reagieren, wenn sie es nicht schafften? Was würde passieren, wenn Hanako Chunin werden würde, aber Karin nicht? Oder umgekehrt?

Es lag so viel Ärger vor mir, vielleicht war es wirklich eine gute Idee, nach Kumogakure zurück zu gehen und dort als Ninja zu arbeiten, anstatt mich dem zu erwartenden Chaos in Konoha zu stellen.

Wieder seufzte ich. Es gab Shinobi, die blieben ihr ganzes Leben lang Befehlsempfänger und Genin, und sie wurden glücklich bei dieser Arbeit. Die waren aber auch schlau genug gewesen, sich nicht zur Prüfung drängen zu lassen.

Wenn ich da an Shikamaru dachte, den Sohn unseres Clan-Führers, hatte ich einen Kandidaten für einen ewigen Genin vor mir. Shika-chan war träge, nachdenklich, seltsam fokussiert und wirkte jede Sekunde als müsste er alle Sorgen Konohas auf seinen schmalen Schultern tragen. Dabei war er weder verweichlicht noch fett, und es hatte mich sehr gewundert, dass er tatsächlich in die Shinobi-Schule eingetreten war. Dabei war er nicht dumm, im Gegenteil. Er vermied nur wo immer es ging, jedwelchen Aufwand. Darin war er wirklich gut. Und das war wohl das eindringlichste Zeichen für seine Intelligenz. Und ein sicheres Zeichen für meine Dummheit. Ich hatte mich nicht so erfolgreich drücken können. Ich, das gutmütige Arbeitstier.

Ich sah wieder zu den beiden Jounin herüber, die sich nun in trauter Eintracht gegenseitig heißen Sake einschenkten. Von ihnen konnte ich keine Antworten auf meine Fragen erhoffen. Außer, sie hatten nichts mit dem Chunin-Examen zu tun. Und so ließen sie mich ins offene Messer rennen.

"Kopf hoch, Kleiner", sagte Omoi und verstärkte seinen Griff ein wenig, um mir Zuversicht zu geben. "Du hast das Chunin-Examen gemeistert. Ab jetzt werden die Dinge nur noch schwerer für dich."

"Du verstehst es wirklich, jemanden aufzumuntern", murmelte ich ärgerlich.

"Ach, dafür sind Freunde doch da."

Nun, wer solche Freunde hatte, war auf seine Feinde zumindest besser vorbereitet.

***

Im Frauenbad ging es entspannter zu. Vielleicht deshalb, weil die Shinobi halt... Frauen waren. Nach dem kurzen Ärger über Asumas Zigarette und darauf, wie er diesen Fauxpas Mamoru hatte unterschieben wollen, hatten es sich die Frauen gemütlich gemacht. Während die Älteren ebenso wie Kirabi und Sarutobi einem heißen Sake zusprachen, mussten sich die Mädchen mit dem Versprechen auf eine Fruchtmilch nach dem Bad begnügen. Das tat dem Genuss der heißen Quelle aber keinen Abbruch, und der leichte vulkanische Schwefelgeruch des Wassers störte sie nicht. Es hieß ohnehin, dass der leichte Schwefelgehalt die beste Medizin war, um eine alte Haut zu verjüngen und eine junge jung zu halten. Nicht, dass auch nur eine der Frauen solch eine Behandlung auch nur ansatzweise nötig gehabt hätte. Von der Narbe auf dem Allerwertesten Uzuki-senseis abgesehen.

Alles in allem war es idyllisch, und zur großen Freude der Mädchen badete das niedliche Äffchen Ranko heute mit ihnen. Es hatte sich sogar in menschlicher Art ein Handtuch gefaltet und auf den Kopf gelegt. Karui und Samui waren vom Anblick den triefnassen Äffchens, das wie ein Mensch lässig am Rand saß und das heiße Wasser genoss, hin und weg.

Aber die Niedlichkeit des kleinen Affen reichte heute nicht, um auch Hana und Karin abzulenken. Ihre Gedanken schienen um ganz andere Dinge zu kreisen, und selbst der niedliche Affe konnte sie kaum auf andere Gedanken bringen.

Uzuki und Kurenai sprachen derweil ihrem Sake zu und tratschten wie alte Weiber miteinander.

Hana und Karin konnten also den eigenen Gedanken nachhängen, und die drehten sich natürlich um Mamoru Morikubo.

"Wehe, er kommt rüber und beobachtet uns beim Baden", grummelte Hanako ärgerlich. "Dann werde ich... Werde ich..." Die schlanke Blonde errötete plötzlich, und ließ sich ganz ins Wasser sinken. Als sie nach einiger Zeit wieder auftauchte, weil sie die Luft nicht mehr anhalten konnte, spürte sie Karins Blick auf sich ruhen. "M-meinst du, er will uns überhaupt ansehen? Ich habe nachgedacht, und wenn ich mir Samui und Karui so ansehe... Er hat sie im Bad gesehen, und Karui hat seinen Kopf auf ihren Busen gebettet." Mit großer Verzweiflung sah die junge Akamichi an sich herab. Da gab es nicht viel, was man Busen nennen konnte, im Gegensatz zu den Brüsten der beiden Kumo-Kunoichi, bei denen sich die Entwicklung zu einer prächtigen Oberweite bemerkbar machte.

Karui errötete, als sie das hörte. "Lasst euch das nicht zu Kopf steigen! Immerhin hat er uns getäuscht! Vorsätzlich! Und uns aufs Schlimmste ausgenutzt! Und... U-und..." Noch mehr errötend starrte sie auf ihre Brust.

"Aber er war schon niedlich als Frau, oder?", ragte Samui schelmisch. "Als er sich zurückverwandelt hat, fand ich das richtig schade."

"Schon. Niedlich war er. Ich bin ja auch gar nicht mehr böse. Ich weiß ja, dass der Quatsch auf Omois Mist gewachsen ist. Und er hat uns ja auch zum Essen eingeladen. Aber ich finde, da fehlt noch etwas."

Hanako sah betont gelassen geradeaus. "Und? Hatte er als Mädchen eigentlich viel Oberweite?"

"Ob er als Mädchen..." Karui wechselte einen verwunderten Blick mit ihrer Freundin. "Eigentlich nicht." "Nein, eigentlich nicht."

Hana sah zu Karin herüber und wechselte mit ihr einen triumphierenden Blick. "Und wie war es mit der Hüfte und der Taille?"

"Nun", meinte Karui nachdenklich, "die Taille war wirklich dünn, aber dafür hatte er ein recht breites Becken."

Karin, die bei den ersten Worten noch erfreut aufgehorcht hatte, betastete nun die eigene Hüfte und schaute verzweifelt drein.

Umgekehrt war es bei Hanako. War sie bei der dünnen Taille nahe an der Verzweiflung gewesen, so hatte das breite Becken ihre Hoffnungen erneut entfacht.

"Wieso fragst du?", fragte Karui.

"Ach, aus keinem bestimmten Grund. Ich möchte ihn nur wiedererkennen, wenn er sich als Frau verkleidet und vor mir steht." Vorsichtig ging ihr Blick zu Karin. Hoffnung und Verzweiflung hielten sich dort die Waage, genau wie bei ihr selbst. Unentschieden. Die beiden Mädchen reglementierten das mit einem erhobenen Daumen.

"Wisst Ihr", begann Samui, "wenn ich so drüber nachdenke, ist das vielleicht keine schlechte Idee. Ich meine, Mamo-chan schuldet uns was. Ich meine, richtig was. Und Omoi hat auch noch nicht genug bezahlt, finde ich. Warum schnappen wir uns die beiden nicht, zwingen sie, sich wieder in Frauen zu verwandeln, und..." Karuis Augen leuchteten auf. "Und machen dann ihre Haare und ihr Make-Up! Und stecken sie in hübsche Kimonos!"

Nun begann das Feuer dieser Begeisterung auch die Konoha-Genin zu erfassen. "Ich habe rosa Lippenstift dabei", sagte Hanako hastig. "Und blauen Lidschatten!"

"Aber Hanako, das können wir doch nicht machen", mahnte Karin.

"Ja, du hast Recht. Wir dürfen nicht so übertreiben."

"Nein, das meinte ich nicht. Mamo-chan ist doch ein Erdfarbentyp. Wir müssen meine Schminke benutzen", sagte die kleine Akimichi mit verschwörerischem Lächeln.

Ein unheilvolles leises Gekicher voller Vorfreude erhob sich im Frauenbad.

Drüben bei den Männern hörte man, wie jemand hastig aus dem Wasser sprang.

Lautes Gelächter war zu hören, und schließlich rief Kirabi-sama: "Ihr braucht es gar nicht erst zu versuchen! Sie finden euch ja doch, Mamoru-kun, Omoi!"

"Ach, wie interessant. Sie versuchen uns zu entkommen", sagte Karui, noch immer dieses Kichern auf den Lippen. Sie erhob sich und ging auf den Ausstieg zu. Dabei bewegte ihr Körper, der zu schweben schien, nicht einmal ansatzweise das Wasser. Auch Samui, Karin und Hanako standen nun auf. Immer noch lag dieses leise Kichern in der Luft. Kurz darauf begann die Jagd.
 

Als die Mädchen das Bad verlassen hatten, verwandelte sich Ranko-sama in ihre Menschengestalt. "Hach, endlich etwas Entspannung." Sie seufzte ergeben und streckte ihre langen Beine so weit aus wie es ging.

"Sake, Sensei?", fragte Uzuki und bot der Affenkriegerin eine Trinkschale an.

"Gerne. Ein Schlückchen ab und an ist gesund."

Als ihre Schale gefüllt war, nahm sie einen kräftigen Zug davon und seufzte zufrieden. "Wollt Ihr die vier nicht aufhalten?"

"Warum?" Uzuki schüttelte den Kopf. "Von Schminke ist noch niemand gestorben."

"Abgesehen davon tut es den beiden vielleicht mal gut", fügte Kurenai an. "Ich meine, vielleicht merkt Omoi, was er an den beiden hat. Und Mamo-chan kapiert vielleicht endlich, was er haben könnte. Bevor seine Trottelhaftigkeit zu einer ernsten Krise führt."

"Oder er womöglich ein anderes Mädchen kennenlernt und den beiden vorzieht", ergänzte Uzuki. "Die sollte dann aber besser eine weit fähigere Shinobi sein als meine beiden Mädchen. Sonst hat sie ein schweres Leben."

"Na, Ihr seid mir ja zwei Schätzchen", klang Sarutobis Stimme vom Zaun auf. Der Ninja schaute über die Spitze, eine Zigarette im Mundwinkel und sah auf die Frauen herab.

"Hier wird nicht gespannt!", rief Kurenai,.schleuderte ein Kunai nach ihm und ließ ihn in Deckung gehen. "Was denkst du dir nur dabei?"

"Ich denke, du hast mich beim Rauchen erwischt, also was sollte mir noch Schlimmeres passieren?"

"Lass ihn doch", sagte Ranko mit einem breiten Grinsen. "Wenn er sich von Yugao-chan oder mir davon ablenken lässt, dich anzuschauen, dann hast du ohnehin schlechte Karten, Yuhi."

"W-wer braucht schon schlechte Karten? Oder gute?", erwiderte die Jounin. "Und vor allem, ausgerechnet bei dem?"

Ranko und Uzuki wechselten einen schnellen Blick, bevor sie in schallendes Gelächter ausbrachen.

"Was ist?", fragte Kurenai, noch mehr errötend.

"Ach, nichts, nichts. Du hast vollkommen Recht. Dass er nur dich angeguckt hat, hat dann sicherlich auch nichts zu bedeuten. Noch etwas Sake, bitte, Yugao-chan."

"Aber natürlich, Sensei."

"Und genauso meine ich das auch", sagte Kurenai hastig. Aber sie schien ihre eigenen Worte nicht wirklich ernst gemeint zu haben, denn verstohlen schaute sie zum Zaun herüber, um zu sehen, ob Asuma nicht ein weiteres Mal zu spionieren versuchte.

***

Das Glucksen und die erfreuten Stimmen der Mädchen waren nun schon eine lange Zeit zu hören gewesen. Als das Abendessen anstand, und Kirabi-sama alle zum Essen rief, erwarteten die Jounin sicherlich das Schlimmste, Demütigendste, was Omoi und mir widerfahren konnte. Diese Toren hatten ja keine Ahnung

Als wir, von den Mädchen geschoben, eintraten, herrschte vollkommene Stille unter den Shinobi. Bis Kirabi-sama in brüllendes Gelächter ausbrach. Nach und nach fielen die anderen Jounin ein.

"Also, das ist jetzt nicht sehr nett", murmelte Omoi und versuchte den Speisesaal wieder zu verlassen.

"Oh nein, das wirst du nicht", raunte ich um zu und hielt ihn am Gürtel seines Kimonos fest. "Wir stecken beide drin in der Scheiße."

"Sind sie nicht schön geraten?", säuselte Samui, während sie ein letztes Mal über die Aufschläge des Kumo-Nin ging, damit der herrliche Kirschblüten-Kimono voll zur Geltung kam. In Verbindung mit den weißen, nach hinten gegelten Haaren und dem Lippenstift, der der Farbe der abgebildeten Blüten glich, sicherlich eine perfekte Kombination und sehr feminin. Nur leider hatten die Mädchen das Wichtigste vergessen.

"Eine Frage", sagte Asuma, und sah von Omoi zu mir und wieder zurück. "Wolltet Ihr die beiden nicht zwingen, sich in Frauen zu verwandeln?"

Wir wechselten einen schnellen, verzweifelten Blick. Und ich dachte dabei an den dunkelroten Lippenstift auf meinen Lippen und die bunt geschminkten Augen, mit dem mich die Mädchen traktiert hatten.

"Wir haben uns entschieden, dass es so lustiger ist", sagte Karin und lächelte. Ganz entgegen ihrer Art streichelte sie über meine linke Wange. "Gut siehst du aus, Mamo-chan."

"Das liegt ja wohl am Kimono", erwiderte ich, im verzweifelten Versuch, wenigstens einen letzten Rest männlicher Würde zu bewahren, während Sensei auf meiner rechten Schulter saß, und mir meinen heutigen Anteil an Äffchenliebe verpasste. Beinahe war es ja rührend, wie sie mich umarmte und küsste. Andererseits war es auch Sensei gewesen, die diese vier Furien auf unser Versteck aufmerksam gemacht hatte. Meine Begeisterung hielt sich also in Grenzen. Aber sie passte wunderbar zum dunkelblauen Kimono mit den unaufdringlichen braunen und roten aufgestickten Applikationen. Es fehlte nur noch ein gleichfarbener Kimono für sie. Es war schon ironisch, dass ich in den dreißig Minuten in den Händen der Mädchen mehr über einen Kimono gelernt hatte, als zuvor in meinem ganzen Leben. Mehr als ich jemals hatte lernen wollen.

"Na, dann ist ja alles geklärt." Kirabi-sama klatschte in die Hände. "Dann wollen wir essen. Setzt euch, Mädchen." Als Omoi und ich nicht reagierten, fügte er hinzu: "Alle Mädchen."

Wir seufzten vielsagend und nahmen ebenfalls Platz.
 

Als das Essen aufgetragen wurde, saßen wir links und rechts eskortiert, ich von Hana und Karin, Omoi von seinen beiden Mädchen, damit wir nicht entkommen konnten. Mit Sensei auf der Schulter wäre das auch eine sehr kurze Flucht geworden, und so fügten wir uns in unser Schicksal. Das im Übrigen darin bestand, uns von den Mädchen füttern zu lassen und ihre ständigen Sticheleien darüber, "wie hübsch" wir doch aussahen, über uns ergehen zu lassen.

Derweil sprachen die Jounin dem Sake zu, und schnell wurde es recht ausgelassen. Besonders Kirabi-sama erlebte ich anders als sonst; war er bisher immer beherrscht aufgetreten, so ähnelte er seinem Bruder, dem Raikage, heute mehr denn je. Ein bisschen zu laut, aber sehr fröhlich. Ob die beiden wussten wie ähnlich sie einander waren, obwohl sie nicht blutsverwandt waren?

Ich entspannte mich merklich, blendete die Sticheleien darüber aus, wie niedlich ich doch geschminkt ausschaute, und versuchte das Essen und den Abend zu genießen.

Zumindest, bis die Tür aufglitt, und eine reichlich entsetzte Wirtin herein stolperte.
 

"Ich bitte um Verzeihung, aber wir haben einen hohen Gast, der einzutreten wünscht."

"Ein hoher Gast?", fragte Kirabi-sama erstaunt, aber am Grinsen der anderen Jounin konnte man erkennen, dass sie diese Entwicklung nicht überraschte. Oder war das ein hämisches Grinsen?

"Er mag als unser Gast eintreten", entschied Kirabi-sensei.

Die Wirtin machte nur Platz und deutete dem Wartenden, einzutreten.

Ich war nicht sehr überrascht, als ich Ranma-sensei in seiner Gestalt als Konoha-Shinobi sah.

Verlegen strich er sich über den Hinterkopf. "Es ist mir sehr peinlich, euch zu stören."

"Aber nicht doch, Ranma-sama. Du bist bei uns immer willkommen", sagte Asuma ruhig. Für mich etwas zu ruhig für so einen überraschenden Besuch.

Ranma wollte etwas erwidern, aber ein geölter Blitz unterbrach ihn. Und dieser Blitz zielte auf mich. Bevor ich mich versah, steckte ich in einer innigen Umarmung. "Das ist mein Mamo-chan! Mein Mamo-chan! Und du riechst heute auch noch so gut." Perine wühlte sich in ihrer Affengestalt so gut sie konnte in meinen Kimono. Es vergingen ein paar Sekunden, bevor sie mich wirklich ansah. Als sie es aber tat, löste sie sich von mir, und hielt sich vor lauter Lachen den Bauch. "Was haben sie denn mit dir gemacht, Mamoru? Willst du dich so dem König zeigen?"

Ich erstarrte in vollkommener Konsterniertheit. Ranko-sensei musste Ranma-sama beschworen haben. Der hatte P-chan geholt. Und auch noch Enma?

"Entschuldigt die Störung und das abrupte Erscheinen", klang die dunkle, volltönende Stimme des Affenkönigs vom Eingang auf. Er trat ein, die Wirtin verbeugte sich.

"Enma O!", rief ich und verneigte mich hastig in angemessener Tiefe vor meinem größten Sensei.

Der Affenkönig sah mich irritiert an. "Kennen wir uns, junges Fräulein?"

Als ich ihn daraufhin entsetzt ansah, brach der große Affe in lautes Gelächter aus. "Nur ein Scherz, Mamoru-tono. Nur ein Scherz."

Asuma bot dem König und Ranma-sensei einem Platz am freien Stirnende an, P-chan war nach ihrem Lachanfall nicht mehr von meiner Seite zu kriegen. Das frustrierte Karin und Hanako, auch wenn ich nicht verstand wieso. Also ließen sie die junge Affenkriegerin notgedrungen in ihre Mitte.

Die Wirtin überschlug sich nun fast und tischte neu auf, so als wenn die bisherigen Speisen nur minderwertiger Dreck gewesen wären. Ehrlich gesagt hätte ich nicht gedacht, die Qualität noch steigern zu können. Sie aber schaffte es. Nicht, dass ich kulinarisch in meinem Leben besonders viel erlebt hätte.

"Was verschafft uns die Ehre Eures Besuchs, Enma O?", fragte Asuma nonchalant.

"Natürlich unser Kontraktträger." Mit zufriedener Miene sah er mich an. "Perine hat mir jeden Tag von deinem Fortschritt berichtet. Und Ranma-tono hat sich sehr wohlwollend über deinen Plan geäußert, mit dem du im zweiten Prüfungsteil deine Gruppe in den Turm geführt hast. Und Ranko... Na, reden wir nicht darüber." Der große König der Affen sah Asuma an. "Sarutoni-tono, ich nehme doch an, dass einem Shinobi mit so viel Talent der Titel eines Chunin zusteht."

"Meine Stimme hat er", erwiderte Asuma grinsend.

"Das reicht mir fürs Erste. Und mit Hiruzen werde ich beizeiten reden."

Sake wurde gebracht, und dem König eingeschenkt. Mit der Schale in der Hand prostete er uns zu. "Auf Konoha Eins, das erfolgreich von Chunin-Examen zurückkehrt und Großartiges geleistet hat."

Die Mädchen erröteten, als sie so hoch gelobt wurden.

"Auf Konoha Eins."

"Ja, das ist mein Mamo-chan", sagte P-chan erneut und fiel mir von hinten um den Hals.

Dies löste merkwürdigerweise eine Aura der Frustration bei den Mädchen aus, die ich nicht verstand. Immerhin war sie ein Affe.

Bis ich bemerkte, dass sich kein Fell an meine Wange drückte. Sie hatte die Gestalt eines Menschenmädchens angenommen. Und auf meinen Rücken spürte ich deutlich zwei weiche, warme, große... "P-chan!"

"Was denn? Darf ich dich nicht mal mehr umarmen?" Sie drückte sich noch enger an mich. "Oder möchtest du mir lieber in die Augen sehen können, wenn ich dich umarme? Ich..."

"Einen Moment, bitte, P-chan", sagte Hanako. Sie hatte sich erhoben und griff nun nach dem rechten Arm des Affenmädchens.

"Wir müssen kurz etwas mit dir bereden, P-chan", fügte Karin an und ergriff den anderen Arm. Gemeinsam zogen sie Perine hinter sich her, aus dem Raum raus, in Richtung ihres Zimmers.

Für den Moment war ich frei. Wenn man mal von Sensei absah, die noch immer auf meiner Schulter saß.
 

Als sich die Tür hinter den drei Mädchen geschlossen hatte, nahm sie ihre große Affengestalt an. "Oh, das tut gut. Manchmal ist die kleine Gestalt so... Einengend." Sie lächelte verschmitzt in die Runde, sah das Entsetzen der drei Kumo-Nin, und legte einen Zeigefinger an die Lippen. "Sagt ihnen nichts, okay?" Die drei überraschten Shinobi nickten unisono.

"Wollen wir dann mal, mein König? Perine soll sich ja nicht umsonst geopfert haben."

Der König lachte kurz dazu und erhob sich. Ich wollte ebenfalls aufstehen, aber Enma winkte ab. Er kam zu mir herüber und legte mir die Rechte auf die Schulter. "Mamoru-tono, ich habe gesehen... Ich meine, Perine hat mir darüber berichtet, wie umsichtig und tapfer du in der Arena warst. Du sollst wissen, dass ich sehr stolz auf dich bin. Dass das Affenvolk sehr stolz auf dich ist. Hiruzen hat den Richtigen ausgewählt, als er dich zum Kontraktträger gemacht hat."

Übergangslos steckte ein Riesenkloß in meinem Hals. Rührung und Stolz schnürten mir die Kehle ein. "Danke", brachte ich mühsam hervor. Ein Lob vom König selbst war eine Ehre, die ich mir bisher nicht hatte vorstellen können. Ich war tief ergriffen.

"Und jetzt kannst du mir vielleicht erklären, warum du Frauenkleider trägst und geschminkt bist, Mamoru-tono."

Ach ja, da war ja noch was. Während die anderen am Tisch lauthals lachten, suchte ich verlegen nach Worten.

"Es ist eine Strafe", half Asuma aus. "Er und der da -" er deutete auf Omoi "- waren nicht ganz so nett zu den Kunoichi in Kumogakure, wie sie eigentlich sollten."

"Oh. Dann hat sicher alles seine Richtigkeit." Der König lachte, und ließ sich wieder an seinem Platz nieder. Ranma-sama schenkte ihm Sake ein.

Ranko-sensei verwandelte sich wieder in das Äffchen und kletterte auf meine Schulter, keine Sekunde zu früh, bevor die Tür aufging, und Hana mit Karin und P-chan zurückkamen.

Perine warf sich, kaum das sie eingetreten war, wieder um meinen Hals. Dies löste irritierenderweise bei Karin und Hana keine Reaktion aus. Sie ließen sich links und rechts von mir nieder als wäre nichts geschehen. Rein gar nichts konnte man aber auch nicht sagen, denn als sie es nach Hanas Erachten zu bunt trieb, griff sie dem Affenmädchen in den Obi und zog sie ein wenig von mir runter. "Du bist zwar ein Gast und so selten da", sagte sie mit mühsam beherrschter Stimme, "aber auch Gäste müssen sich an die Regeln halten."

"Oh, die Regeln." Sittsam setzte sie sich schräg hinter mich, im Saizen, die wohlerzogene Tochter mimend. Allerdings nur für bange Sekunden, dann drückte sie mich von hinten. "Aber er riecht doch heute so guuuuut..."

Karin und Hanako seufzten simultan. "Noch etwas zu essen, Mamo-chan?"

Beide hielten mir ihre Essstäbchen unter die Nase. Notgedrungen aß ich von beiden zugleich.

"Und ich dachte, der Abend würde ab jetzt langweiliger werden", sagte Omoi. "Jetzt hat er ja vier."

"Vier?", fragte ich erstaunt.

"Äh, drei." Er zwinkerte mir zu. Damals verstand ich meinen Freund Omoi nicht. Zurückblickend muss ich sagen, dass das auch gut so war.

***

An der Grenze zum Feuerland trennten sich dann unsere Wege. Kirabi-samas Gruppe würde nun wieder zurückkehren, nachdem sie uns sicher bis zur Grenze eskortiert hatten.

Allen, vor allem uns Jungen, war klar, das wir einander eine sehr lange Zeit nicht wiedersehen würden. Die Erwachsenen nahmen es eher gelassen wie Jounin und zeigten den Schmerz über den Abschied nicht. Im Gegenteil, Asuma und Kirabi-sama wechselten ein paar derbe Worte und Scherze miteinander, während die Frauen eine gute Reise wünschten.

Omoi und die Mädchen waren da ganz anders. Karui lag sich heulend mit Hanako in den Armen, Samui musste die völlig aufgelöste Karin trösten, und selbst dem großen und selbstbewussten Omoi schimmerten die Augen. "Du darfst ruhig weinen, wenn du möchtest."

Ich wischte mir über die nassen Augen. Ich hatte mich schon öfter verabschiedet, auch für längere Zeit, aber noch nie mit einem so ungewissen Ausgang dessen, was passieren konnte. Wir waren Ninjas, konnten morgen Feinde sein, oder irgendwo in der Ferne sterben, ohne ein Grab zu bekommen. In diesem Moment hatte ich einfach Angst, Omoi und die Mädchen niemals wieder zu sehen, oder vielleicht als Feinde. Das war etwas, was ich nicht wollte. Nein, niemals. Aber da war die Pflicht der Shinobi. Die konnte ich nicht ändern, ohne unzählige andere Menschen zu gefährden. Deshalb liefen mir die Tränen. Omoi, Karui und Samui bedeuteten mir etwas. Wir waren Freunde. Richtig gute Freunde.

"Soll ich dir schreiben?", bot Omoi mit aufgesetzter stoischer Ruhe an.

Ich wischte mir erneut über die Augen und schüttelte den Kopf. "Mach dich nur bereit für den Tag, an dem ich dich besuchen komme."

Bevor ich es bemerkte, hatte Karui mich ergriffen und an ihren Busen gedrückt "Versprichst du das, Mamo-chan? Kommst du uns mit unseren beiden süßen Mädchen Hanako und Karin besuchen?" Sie schniefte laut, bevor sich die Tränen wieder Bahn brachen.

"Natürlich verspreche ich das. Wenn wir nicht gerade Krieg haben."

"Es wird keinen Krieg zwischen Konoha und Kumo geben", versetzte sie wütend, so als ob sie alleine das verhindern konnte. Übergangslos begann sie erneut zu heulen.

Omoi indes sah sich von Hanako umklammert. Ein wenig hilflos strich er ihr über den Blondschopf.

Samuis Hand legte sich auf Karuis Schulter. "Gehst du zu Karin-chan? Sie nimmt es besonders schwer." "Natürlich. Kariiiin-chaaaan!"

Nun schloss mich die Chunin in die Arme und drückte mich fest. "Dass du mir nur nach Kumogakure wieder kommst, wenn du ein Chunin bist, hast du gehört, Mamo-chan?" Sie legte den Kopf schräg und berührte dabei meine Wange mit ihrer. "Oder wenn du dir sicher bist, dass du bald einer wirst."
 

Uzuki-sensei klatschte in die Hände. "Genug Tränen vergossen. Ihr seid stolze, siegreiche Shinobi. Es wird Zeit, dass wir nach Hause aufbrechen."

Langsam lösten wir uns voneinander. Und wieder musste ich mir über die feuchten Augen wischen. Wir hatten hier wahrlich Freunde gefunden, richtig gute Freunde. Das würde sich auch nicht ändern, wenn ein Jahr oder mehr verging, bevor wir uns wieder sahen.

Dann standen wir uns gegenüber. Auf der einen Seite Kirabi-samas Gruppe, auf der anderen wir mit Uzuki-sensei, Asuma und Kurenai-sensei.

"Also dann, wir sehen uns", sagte Kirabi-sama, winkte, und sprang davon. Die anderen winkten ebenfalls und folgten ihrem Teamführer.

Als sie im nahen Wald verschwunden waren, atmete ich noch einmal tief durch, seufzte und wischte mir ein letztes Mal über die Augen.

"Das war doch nicht gelogen, oder, Mamo-chan?", fragte Karin schüchtern. "Ich meine, das wir sie besuchen gehen. Irgendwann."

"Nichts könnte mich jemals davon abhalten", versprach ich.

"Eventuell komme ich dann sogar mit!", rief eine vertraute Stimme hinter uns, begleitet von einem asthmatischen Huster.

Überrascht wirbelten wir herum. "Hayate-sensei!"

Ohne nachzudenken lief ich los. Auch Karin und Hanako liefen auf ihn zu. So als wenn wir noch die unschuldigen zwölfjährigen Kinder frisch von der Schule wären, fielen wir Sensei stürmisch um den Hals. Uzuki-sensei war ein guter Ersatz für ihn gewesen, aber wir hatten ihn vermisst.

Bei unserem Ansturm fiel Sensei um wie ein Kartenhaus. Aber er tat es freudig lachend.

Heimkehr

Die Trauer über den Abschied schmerzte, aber die Freude, wieder heim zu kommen, überwog sie allmählich. Die mehrtägige Reise durch das Land des Feuers war belebend, wir durchquerten Gebiete, die wir durch frühere Missionen wie unsere eigenen Rucksäcke kannten. Apropos Rucksäcke; mittlerweile war meine Last zwar leichter geworden, weil die Kumo-Nin und meine eigene Gruppe mir eifrig dabei geholfen hatte, die verderblichen Geschenke der Bürger Kumogakures rechtzeitig zu verwerten - Spötter konnten auch sagen, sie hätten mir die Leckereien weggefuttert - aber auch jetzt noch, mit deutlich reduzierter Last, erschuf ich ab und an einen Schattenklon, um den zweiten Rucksack zu tragen, wenn er mir zu schwer wurde. Das ging natürlich doppelt auf mein Chakra, und endete meistens damit, dass sich Asuma erbarmte und den Rucksack einen Teil des Weges trug.

"Junge, dafür schuldest du mir ein Essen", war seine Standard-Antwort. Und wenn ich diese Aussagen addierte, dann würde ich ihn wohl die komplette nächste Woche aushalten müssen.

Hayate-sensei wollte keiner von uns diese Last zumuten. Das Ding war schwer, gefüllt mit Krimskrams, Andenken, neuen Ninja-Waffen und weiterem schweren Unsinn, aber an den Stücken hing mein Herz, wie es nun auch an Kumogakure hing. Ich konnte und wollte es nicht einfach zurück lassen. Ich wollte aber auch nicht Sensei unter der Last ächzen sehen. Er hatte es doch schon so schwer mit seinem chronischen Husten.

Und dann war da auch noch Ranko-sama, die noch immer auf meiner Schulter mitritt, oder je nachdem wer die meisten Orangen hatte, auf den Schultern meiner Begleiter. Wenn sie vor hatte, bis nach Kohona mit zu reisen, konnte das nur bedeuten, dass sie den Hokage sprechen wollte. Und das würde mit Sicherheit Auswirkungen auf die Entscheidung haben, ob ich Chunin wurde, oder auch nicht. Zeichnete sich da ein Schimmer an Hoffnung für mich ab? Gab es da eine Chance, um diese unliebsame Pflicht herum zu kommen? War diese Pflicht überhaupt unliebsam?

Ich gebe zu, ich war in der Zwickmühle. Aber wenigstens war dank Ranko-sensei die Stimmung richtig gut.
 

Als wir nach mehreren Tagen die Tore Konohas erreichten, hatten wir bereits drei oder vier Patrouillen passiert. Einige unbemerkt, andere waren uns offen begegnet und hatten uns willkommen geheißen.

Vor dem Tor war nicht viel los. Ich hatte nicht gerade ein Empfangskomitee erwartet, aber doch zumindest irgendjemand, der uns erwartete.

Stattdessen lehnte da nur dieser maskierte Kerl am Tor, in ein Buch vertieft, dessen Titel ich nicht lesen konnte, und der so gelangweilt wirkte, als könnte die Welt ihm nicht egaler sein.

Ich kannte ihn, ging es mir durch den Kopf. Ein Jounin. Der legendäre Copy-Ninja Kakashi Hatake. Der schräg aufgesetzte Stirnschutz, der sein linkes Auge verdeckte, sprach Bände.

"Uzuki-kun", sagte er, kaum das die Torwachen uns begrüßt hatten, "Asuma-san, Yuhi-kun, der Hokage lässt ausrichten, dass die Kinder erst einmal zu ihren Familien zurückkehren sollen. Die Jounin sollen für die abschließende Besprechung gleich zu ihm kommen."

Er klappte sein Buch zu und sah zu uns herüber. "Gekko, du kannst sie einzeln heim bringen und wirst dann ebenfalls beim Hokage erwartet."

"Verstanden, Kakashi-san."

Kaum hatte er ausgesprochen, ging der weißhaarige Kerl von dannen, als ginge ihn die ganze Szenerie überhaupt nichts an. Er schlug sein Buch auf und las weiter. Ich glaubte meinen Ohren nicht zu trauen, als der tödliche, legendäre Copy-Ninja plötzlich glucksend zu lachen begann.

"Ihr habt die Befehle gehört", sagte Hayate-sensei seufzend. "Ich bringe die Kinder nach Hause. Macht Ihr euch schon mal auf den Weg ins Büro. Asuma-san, ich verlasse mich darauf, dass Ihr nur Gutes berichtet."

"Ich könnte nichts anderes tun, ohne zu lügen", versicherte er. "Ach, Mamoru-kun. Hier ist deine zweite Tasche. Die erste Rate für meine Hilfe kannst du heute Abend im Ichiruka Ramen abbezahlen."

Säuerlich nahm ich die schwere Tasche in Empfang. Ramen also? Na, das würde jetzt nicht so teuer werden.

Uzuki-sensei verabschiedete sich von den Mädchen. Verständlich, denn sie war eine ANBU, und obwohl sie Senseis Freundin war, bekamen wir sie nicht sehr oft zu sehen. Dementsprechend herzlich war der Abschied auch. Als sie zu mir kam, hielt sie mir einen kleinen Geldbeutel hin. "Hier ist die Differenz, die dir noch von deinen Aufträgen in Kumogakure zusteht. Ich hatte es einbehalten, damit du die Mädchen nicht noch häufiger einlädst."

Überrascht nahm ich den Beutel an mich. Es war ja nicht so als hätte ich Hana und Karin - und die Jounin, wohlgemerkt - freiwillig so oft eingeladen. "Danke, Sensei." Er war schwer und gut gefüllt. Also hatte sich meine Arbeit doch gelohnt. Irgendwie.

Kurz schloss sie mich in die Arme. "Pass auf dich auf, Mamo-chan. Und pass auf deine Mädchen auf, ja?"

Ich erwiderte die Umarmung für einen Moment. Dann ließ ich sie fahren.

"Geht jetzt mal ordentlich feiern", meinte Kurenai-sensei. Sie strich den Mädchen über den Kopf und winkte mir zu. Zu dritt verließen sie uns, um mit dem Hokage und dem Rat zu besprechen, wer sich zum Chunin eignete, und wer nicht.

Hayate-sensei atmete leise durch. "Also, Hana wohnt am Nächsten. Dann bringen wir Karin heim, und anschließend ist Mamoru-kun dran."

Und so betraten wir wieder den Boden der Stadt Konoha. Es fühlte sich besser an als sonst.
 

Als wir den Bereich erreichten, in dem die meisten Yamanakas in Konoha lebten, bemerkten wir schon die erste Veränderung. Fröhlicher Lärm scholl uns entgegen, und als Hanako ihr Elternhaus erreichte, wurde sie von einer wahren Menschenmenge empfangen und frenetisch gefeiert. In diesem Gewühl hatten wir natürlich keine Chance, uns von ihr zu verabschieden; andererseits hatten wir einige Mühe, den Yamanakas, den Yodamas, den Izunos und wie sie alle hießen, die Einladung für die Heimkehrparty auszuschlagen.

Bei den Akimichis war es nicht ruhiger, eher noch schlimmer. Noch bevor Karin ihren ersten Verwandten umarmen konnte - in diesem Fall ihren jüngeren Vetter Choji - musste sie nach diversen Gratulationen darüber, trotz ihres Defizits (dem nach Akimichi-Meinung gesundheitsschädlichen Untergewicht) so weit gekommen zu sein, alle wichtigen Phasen der Prüfung erzählen.

Diesmal gelang es Hayate-sensei und mir nicht, uns so schnell wieder los zu eisen, und nur mit dem Versprechen, am nächsten Tag zu Besuch zu kommen, durften wir die Runde eine Viertelstunde später verlassen.
 

Als wir in den Sektor kamen, in dem der Nara-Clan residierte, und von dem ich so wenig Talent in mir trug, waren die Gefühle in mir sehr gemischt. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, ebenso groß empfangen zu werden. Ich hatte keinerlei Talent für das Aushängeschild des Clans, das Schattenjutsu, und rein Familientechnisch entstammte ich einem unbedeutenden Nebenzweig. Mehr als einmal spielte ich mit dem Gedanken, zu den Akimichis zurück zu kehren, wo ich mir wenigstens einiger Aufmerksamkeit gewiss sein konnte, anstatt zu den Naras zu gehen.

Das war zumindest so, bis wir das erste von Naras bewohnte Gebäude sehen konnten. An der Ecke lehnte Shikamaru, der Sohn des Clanchefs. Er musterte mich mit mehr Interesse, als er der Welt ansonsten zu zeigen pflegte. "Du bist zurück." Eine Feststellung, ganz wie es seine trockene Art war.

"Ja. War ganz schön anstrengend."

Er lächelte dünn. "Was für ein unnützer Aufwand. Hast du es wenigstens geschafft?"

"Weiß ich noch nicht. Und, weißt du schon, mit wem du in eine Gruppe kommst?"

Er zuckte mit den Schultern. "Das solltest du doch am besten wissen. Einen Nara spannt man immer mit einem Akimichi und einem Yamanaka zusammen."

Ich lachte für einen Moment auf. "Ich bin nicht wirklich ein Nara, das weißt du."

"Du beherrschst das Schattenjutsu nicht, na und? Seit wann bestimmt das, wie gut ein Shinobi ist? Oder wer du bist?" Er lächelte dünnlippig, stieß sich von seiner Wand ab und ging neben mir her. "Wie anstrengend war denn anstrengend?"

Das brachte mich zum Grinsen. Ich krempelte meinen rechten Ärmel hoch und zeigte ihm die Narbe vom Schwert, das meinen Bizeps durchtrennt hatte. "Richtig schwer."

Shikamaru schnaubte amüsiert. "Und was wäre, wenn du getötet worden wärst? Dann wäre der ganze Aufwand für nichts gewesen."

"Ja, da hast du wohl Recht. Aber es gibt da etwas, was du auch noch kennenlernen wirst, sobald du in deiner eigenen Gruppe bist. Für seine Kameraden ist man bereit, einiges an Schmerzen zu ertragen." Ich drückte ihm gespielt mit der rechten Faust das Kinn zur Seite.

"Ich werde es ja nächste Woche erleben. Mal sehen."

"Kein Sorge", erwiderte ich mit dem sicheren Wissen des Veteranen, "die ersten Aufträge sind nie sehr schwer. Eigentlich richtig gemütlich, also genau dein Ding."

Er lächelte erneut. "Wehe, du lügst mich an, Mamo-niichan."

"Wer weiß das schon. Ich bin ein Shinobi, oder?"

"Und ein ziemlich guter, habe ich mir sagen lassen", klang von vorne eine weitere, sehr vertraute Stimme auf.

Ebenso lässig wie der Sohn ein paar Minuten zuvor lehnte unser Clanchef im Schatten einer Hausmauer.

"Onkel Shikaku", sagte ich erschrocken.

Er stieß sich von der Wand ab und kam auf mich zu. "Wir haben einiges gehört. Und wir werden sicher noch einiges hören, nicht zuletzt von dir, Ranko-sama", sagte er in Richtung des Äffchens auf meiner Schulter. "Auf jeden Fall ist es genug, um jeden Zweifel darüber auszuräumen, ob du ein Shinobi werden solltest oder nicht."

Okay, ich gebe zu, mir waren bei Onkel Shikakus Auftritt die Knie weich geworden. Wenn ich daran denke, wie mein Karrierewunsch kommentiert worden war - ohne Schattenjutsu ein Ninja aus dem Nara-Clan zu werden, wie lange ich wohl noch zu leben hatte, und so weiter - und wie gut die Worte Shikakus jetzt taten, geht mir selbst heute noch ein wohliger Schauder über dem Rücken.

Ich hatte mich bewährt, vor den Augen des Clanchefs voll habilitiert. Selten war mir ein Lob so gut bekommen, selten hatte ein Schulterklopfer für mich so einen Wert gehabt.

"Wir haben ein kleines Fest zu deiner Rückkehr vorbereitet", fuhr er fort und klopfte mir erneut auf die Schulter. "Nichts Großes. Aber genug um unseren Stolz auf unseren tapferen Mamoru-kun auszudrücken. Gekko, du bist selbstverständlich auch eingeladen."

"Ich würde gerne, wirklich", wiegelte er ab, "aber der Hokage erwartet mich, sobald ich Mamoru-kun abgeliefert habe."

"Das war zu erwarten gewesen." Schmunzelnd schritt er uns voran.
 

Die Straße vor dem Haus des Nara-Clans, des Hauptsitzes, wohlgemerkt, war leer. Kein Anzeichen der großen Menschenansammlungen wie bei den Akimichis oder den Yamanakas. Aber was hatte ich auch schon erwartet? Beinahe erleichtert atmete ich aus. So einen Trubel war ich auch gar nicht wert. Den Gedanken konnte ich festhalten, bis ich merkte, das wir sowohl an meinem Geburtshaus als auch am Stammsitz vorbei gingen. Wir hielten, wenn ich die Strecke extrapolierte, auf einen großen Saal zu, der den Anwohnern für die verschiedensten Gelegenheiten diente. Von dort klang der Lärm vieler Menschen, die sich unterhielten, zu uns herüber, dazu Musik, und der Wind wehte den Duft vieler Speisen heran. Ich meinte für einen Moment, die Miso-Suppe zu erkennen, die meine große Schwester so unnachahmlich zubereiten konnte. Meine Unsicherheit wuchs wieder.

Dann war Onkel Shikaku am Tor, zog es auf und deutete einladend hinein. "Willkommen zurück, Mamoru-kun."

Halb betäubt vor Aufregung stolperte ich hinein. Und beinahe ganz betäubt vor Freude, Entsetzen und Panik sah ich den gesamten Clan vor mir, darüber hinaus weitere Verwandte und Freunde. Meine Eltern, meine Schwester, Kou, der mit ihr geredet hatte bis ich eintrat, und noch viele mehr.

Während der Begrüßungssturm um mich herum los brach, Mutter mich als erste umarmte und Vater auf sein Recht pochte, seinen großen Jungen ebenfalls liebkosen zu dürfen, im Wirbelsturm der Glückwünsche und der Freude über meine einigermaßen unbeschadete Heimkehr, gelang es mir nur, Hayate-sensei zuzunicken, als er den Saal mit ein paar letzten Worten an Onkel Shikaku wieder verließ.

"Was für ein sinnloser Tumult", murrte Shikamaru, der noch immer an meiner Seite war. Aber sein breites Lächeln passte überhaupt nicht zu seinen Worten.
 

Als es wieder etwas ruhiger geworden war, als das Buffet eröffnet war und jeder ein Getränk in Händen hielt, musste ich natürlich alles haarklein erzählen. Ergänzt wurde das von Ranko-sama, die sich wieder in die große Menschenfrau verwandelt hatte, um einerseits den vielen gierigen Kinderhänden zu entkommen, die sie hatten streicheln wollen, und andererseits ein paar gewichtige Worte mit Vater und Shikaku zu wechseln. Dabei wurde Vaters Miene immer starrer. Er war nie Ninja gewesen, sondern hatte eine Karriere als Händler eingeschlagen. Es konnten nicht alle Nara Ninja sein, hieß es oft. Daher konnte ich mir bildlich vorstellen, dass ihn die Schilderungen meiner Erlebnisse erschreckten. Mutter wäre da ein ganz anderes Beispiel gewesen. Bis sie Yuriko ausgetragen hatte, war sie selbst Kunoichi gewesen, hatte sich dann aber ganz der Familie gewidmet. Sie war nicht so leicht zu erschrecken, hatte als Medi-Nin aber auch genug gesehen. Deshalb war ihre erste Reaktion, kaum das ich meine Narbe gezeigt hatte, eine intensive Chakra-Untersuchung, um den Heilungsprozess zu überprüfen. Ein, zwei Flüche über "die Stümper und Amateure in Kumogakure", dann war sie mit dem Zustand meines Arms zufrieden.

Währenddessen hing mir der Clan an den Lippen, und ich vollbrachte das Kunststück, zu essen und zu trinken, und nebenbei meine Erzählungen mit beiden Händen gestikulierend zu untermauern.

Die Falle der Kumo-Nin mit der Tür, die keine war, das schriftliche Examen - wobei ich einige Details übersprang, um es künftigen Shinobi nicht zu leicht zu machen - der lange Weg zum Turm und den Verrat der Oto-Nin, die Falle der Kiri- und Kumo-Ninjas, die Ausscheidungen, an denen ich dank Ranma-sama nicht hatte teilnehmen müssen. Die langen vier Wochen in Kumogakure, in denen ich als Mädchen für alles gewütet hatte, das Essen mit dem Raikage, was allgemeine Belustigung auslöste, und schließlich das große Finale, in dem ich zerschlagen und schmerzerfüllt gegen meinen hasserfüllten Gegner Jardin eingetreten war.

Als ich dann endlich an jene Stelle kam, in der P-chan im Finalkampf als Enma O aufgetreten war, hörte ich amüsiertes Gelächter, am lautesten aber von Ranko-sama.

Die anschließenden Fragen konnte ich kaum beantworten, am allerwenigsten die Frage, ob ich nun Chunin werden würde oder nicht. Mein vorsichtiger Hinweis, dass Asuma auf meiner Seite war, wurde mit Zustimmung aufgenommen, aber auch mit der einen oder anderen Stimme, dass sich Asuma "nicht mehr hier blicken lassen brauchte, wenn er gegen Mamoru stimmte". Das fand ich in Anbetracht eines der stärksten Jounin Konohas doch etwas bedenklich. Aber ich interpretierte es nicht als Diskriminierung der Sarutobis, sondern als Zuneigung an mich. Das macht es nicht besser, aber verständlicher.
 

In den frühen Abendstunden gelang es mir dann dank Shikamaru, mich von der Feier abzusetzen, damit ich meinen Termin mit Asuma nicht verpasste. Allerdings hing mir der Bengel wie eine Klette an und fragte mich auf dem ganzen Weg zum besten Ramen-Shop der Stadt weiter aus.

"Und wo war das Essen am besten? Welches Gasthaus kannst du empfehlen? Außerdem, bei der Stelle mit den Straßenräubern, hat es dich da wirklich nur eine Drohung gekostet, um sie zu vertreiben?"

Hätte er nicht einen so gelangweilten Ton in der Stimme gehabt, hätte man meinen können, er interessiere sich wirklich. Nicht für das Ninja-Handwerk, wohl aber für die Orte mit der besten Verpflegung.

"Musst du nicht bald nach Hause?", fragte ich, wohl wissend auf wen sein Essen gehen würde, wenn er bis zu Ichiraku mitkam.

"Du triffst doch Asuma, oder?" Er verschränkte die Arme hinter dem Kopf und gähnte. "Ich wollte ihn ohnehin noch was fragen. Das passt sich also. Außerdem ist Naruto bestimmt auch da."

Interessiert sah ich ihn an. "Naruto Uzumaki? Seid Ihr Freunde?"

"Na, was heißt hier Freunde. Wir gehen in die gleiche Klasse, und wir kommen ganz gut miteinander aus. Aber er ist so... Aktiv. So anstrengend."

Ich schnaubte amüsiert. Manchmal meinte ich, man sollte Shikamaru eine Schnecke als Haustier besorgen. Das hätte seinem Gemüt entsprochen. Aber wahrscheinlich hätte er sich irgendwann beschwert, dass ihm das Biest zu schnell war. "Und ansonsten? Weißt du noch mehr über den Burschen?"

"Nicht viel. Er lebt alleine, ist der Schlechteste in der Klasse, heckt dauernd irgendwelche Streiche aus... Du hättest gestern hier sein sollen. Da hat er tatsächlich die vier Hokage-Köpfe beschmiert. Nicht einfach nur bemalt, sondern den Köpfen Sachen wie laufende Nasen und Bärte verpasst... Kreativ ist er ja, das muss man ihm lassen."

"Und das hat dir gefallen?", folgerte ich.

Shikamaru grinste mich schief an. "Natürlich hat mir das gefallen. Mir wäre der Aufwand ja zu groß gewesen. Vor allem das ganze Zeug wieder abzuwaschen muss eine Mörderarbeit gewesen sein. Aber es ist doch immer schön zu sehen, wie jemand etwas unorthodoxes ausprobiert."

Nun war es an mir zu grinsen. "Du redest wie über eine Ausstellung moderner Kunst, nicht wie über einen Kleiner Jungen-Streich."

"Sieh es als ausgleichende Gerechtigkeit. So wie die Erwachsenen ihn manchmal behandeln, hat er jedes Recht, sich ein wenig auszutoben." Seine Miene verdüsterte sich. "Ich habe mal gesehen, wie er etwas kaufen wollte. Der Verkäufer hat ihn nicht nur davon gejagt, sondern ihm das Teil, eine Maske, hinterher geworfen, als wäre sie jetzt vergiftet. Geld hatte er auch nicht haben wollen. Als ich das Vater erzählt habe, hat er den Händler dreimal quer gefaltet, so dass es die ganze Straße mitbekommen hat. Das hat aber nicht viel geändert. Aber wenigstens wird Naruto jetzt nicht mehr verscheucht."

"Das ist ja schrecklich", entfuhr es mir. Beinahe tat es mir leid, das ich mir vorgenommen hatte, nicht mit ihm und damit noch mehr Problemen involviert zu werden. Eine Einstellung, die Shikamaru würdig gewesen wäre. Stattdessen aber nahm er die Mühen auf sich, diesem Naruto zumindest ein Kumpel zu sein, wovor ich zurückgeschreckt war. "Ich weiß ja, dass es suspekt für einen Jungen seines Alters ist, alleine zu leben, aber..."

"Aber es steckt mehr dahinter, oder was meinst du? Die Erwachsenen rücken nicht damit raus, was es ist. Aber nicht viele Väter wie meiner oder Chojis erlauben es uns, mit ihm zu spielen." Shikamaru errötete ein wenig und hüstelte verlegen. "Zumindest als wir noch kleiner waren und noch gespielt haben."

"Verstehe", erwiderte ich und ersparte ihm die Gegenfrage, wie lange das her war.

"Jedenfalls, egal was es ist, Naruto kann da sicher nichts für. Aber es wird besser. Finde ich."

Das weckte mein Interesse. "Wie, besser?"

"Du kennst doch Sasuke Uchiha. Den einzigen Überlebenden nach dem Massaker am ganzen Clan."

Ich nickte zustimmend. Natürlich kannte ich die Geschichte. Das machte Sasuke zu einer ebenso einsamen Person wie Naruto, aber auch zu einem reichen Bengel, denn das gesamte Vermögen der Uchiha und die Gebäude wurden derzeit von einem Treuhänder verwaltet und Sasuke überschrieben, sobald er volljährig war. Das bedeutete ein beträchtliches Vermögen, das ihm seine ermordeten Verwandten hinterließen. "Und die beiden..."

"Nein, so ist es nicht. Aber Naruto hat es sich in den Kopf gesetzt, mit Sasuke mitzuhalten. Der ist unser Klassenprimus, also ein verdammt hoch gestecktes Ziel für jemanden mit so wenig Talent wie Naruto. Im Gegenzug merkt er nicht einmal, wie er besser und besser wird, weil er nur Sasuke als Maßstab zulässt. Und Sasuke tut das auch gut, finde ich. Bisher war er immer so eigenbrödlerisch, kaum aus sich raus zu kriegen. Aber wenn Naruto die Konfrontation mit ihm sucht, reagiert er beinahe normal." Er seufzte erneut und hob in komischer Verzweiflung die Schultern. "Also, entweder endet das alles in einem gigantischen Unglück, oder die beiden werden noch die dicksten Freunde."

"Wohl eher Ersteres", murmelte ich. Die Arroganz der Uchihas war mir noch viel zu sehr aus erster Hand bekannt, als dass ich daran zweifelte, dass auch dieser Sasuke sie geerbt hatte. Oder ablegen konnte.
 

Als wir den Stand des Ichiruka Ramen erreichten, war Asuma schon da. Er rauchte wohl gerade die vierte oder fünfte Zigarette auf Vorrat. Hinter dem Vorhang war nämlich Rauchverbot.

"Hallo, Mamoru-kun, Shikamaru."

Wir nickten ihm freundlich zu. "Er wollte mich unbedingt begleiten."

Asuma zog an seiner Zigarette, um den Rauch tief zu inhalieren. "Passt schon. Und wenn nicht heute, dann spätestens morgen." Er drückte den Rest in einem Ascher aus, dann lüftete er den Vorhang. "Der mit dem Geld zuerst, bitte", sagte er grinsend. Damit war mein Schicksal besiegelt. Mürrisch trat ich ein.

"Herzlich willkommen", schallte es mir vom Besitzer und seiner Tochter entgegen.

Missmutig setzte ich mich auf einen der Hocker, Asuma rechts von mir, und Shikamaru links. Dort saß auf einem weiteren Hocker tatsächlich Naruto Uzumaki, und leerte gerade die fünfte Schüssel.

"Ich nehme dann mal das Rindfleisch-Ramen", sagte Asuma gedehnt. "Zwei Portionen, bitte."

"Kommt sofort", erwiderte Teuchi-san.

"Ich nehme das Sesam-Ramen", sagte Shikamaru. "Einfache Portion."

Wahrscheinlich wollte er mich damit beruhigen. Oder in die Falle locken. "Und noch mal eine Portion für Naruto", fügte er an. Mit einem Seufzer gab ich meine Zustimmung. Immerhin war die Summe, die mir Uzuki-sensei ausgehändigt hatte, nicht gerade kleinlich gewesen.

"Wirklich? Oh, danke, Shikamaru!"

"Nein, nein, das geht auf Mamo-niichan."

"Mamo-niichan? Du hast einen Bruder?"

"Mehr einen älteren Vetter." Ich deutete auf Narutos leere Schüsseln. "Ich nehme das Gleiche, was er hatte. Muss ja lecker sein, wenn er davon sechs Portionen verdrückt."

"Darauf kannst du dich verlassen, Mamo-niichan", sagte Naruto stolz. "Obwohl, hier ist jedes Ramen lecker."

"Und es gibt keinen, der da widerspricht", kam es von Asuma.

Ich konnte nur zustimmend nicken.

"Schmeichler", kam es vom Hausherrn, der bei diesem Lob jeder Schale ein Extra-Ei spendierte.

"Guten Appetit", wünschte Ayame, die Tochter des Hauses, und schenkte jedem ein besonders fröhliches Lächeln beim Servieren. Selbst Naruto bekam seine Portion dienstlicher Zuneigung. Vielleicht ein Grund, warum es ihm hier so gut schmeckte.

"Du bist ja schon wieder gewachsen", sagte Ayame zu ihm. "Wenn du so weiter in die Höhe schießt, bist du bald größer als ich."

Naruto lachte verlegen. "Das muss am guten Ramen liegen, Ayame-nee."

Wir lachten zustimmend. Dann teilte ich meine Stäbchen und wünschte allgemein einen guten Appetit.
 

Während wir die heiße Nudelsuppe verspeisten - sie war wirklich verdammt gut - fing Shikamaru eine Unterhaltung mit Naruto an. "War ja nicht sehr glücklich heute morgen, oder? Was bereitet dir denn solche Schwierigkeiten beim Bunshin no Jutsu?"

"Ach, hör auf. Morgen will mich Iruka-sensei noch mal prüfen, und ich kann es immer noch nicht. Dabei ist Bunshin no Jutsu doch so simpel. Wenn ich es dann wieder nicht schaffe, soll ich dann vielleicht das Jahr wiederholen, oder was? Dann sehe ich Saku... Ich meine, dann sehe ich ja keinen aus unserem Jahrgang wieder."

Interessiert sah ich herüber. "Du hast Schwierigkeiten beim Bunshin?"

"Ja, hat er. Wenn er Doppelgänger von sich anfertigt, werden das immer nur unförmige Quallen, die man vor lauter Erbarmen am liebsten töten würde. Dabei ist er beim Sexy no Jutsu eigentlich richtig gut. Also, an mangelnder Vorstellungskraft liegt es sicher nicht."

Naruto lachte verlegen. "Hör auf mich zu loben, Shikamaru."

"Sexy no Jutsu?", fragte ich verständnislos.

Als die beiden mir erklärten, was es damit auf sich hatte, hätte ich beinahe den Strang Nudeln wieder ausgespuckt, den ich gerade erst in den Mund genommen hatte. "Ach so."

Ich sah zu Asuma herüber. "Asuma-sama, meinst du nicht auch, dass..."

"Ja, ich kenne das Problem. Das tritt auf, wenn man viel Chakra bei schlechter Kontrolle hat, das Jutsu aber wenig benötigt. Vielleicht solltest du versuchen, gleich mehrere Klone zu machen, Naruto."

"Oder du versuchst es mit dem Kage Bunshin no Jutsu", griff ich den Gedanken auf. "Das erfordert mehr Konzentration, aber auch mehr Chakra. Das könnte deine schlechte Chakra-Kontrolle kompensieren. Ich würde mit mehreren anfangen und mich dann nach und nach auf einen reduzieren, Naruto."

"Kage Bunshin no Jutsu? Aber das beherrsche ich doch gar nicht", beschwerte sich Naruto maulig.

"Das ist auch nicht viel schwerer als Bunshin", erklärte ich. "Du solltest das in deinem Lehrbuch haben. Wenn du Bunshin no Jutsu beherrschst und Klone erzeugen kannst, ist es nur ein kleiner Schritt zum Kage Bunshin. Allerdings ist es da wie mit allen Jutsu. Du musst sie verstehen, dir zu eigen machen. So wie ein Sänger ein Lied imitieren kann, oder es auf seine eigene Art singen kann."

"Mamoru-kun, überfordere ihn nicht. Damit er in nur einer Nacht Kage Bunshin erlernt, bräuchte er schon ein besseres Lehrbuch als das Schulbuch. Das ist darauf ausgelegt, dass der Lernende mit viel Intuition einiges selbst erahnt oder beherrschen lernt. Was er bräuchte wäre ein Lehrbuch, das geschrieben wurde, damit jemand dieses Jutsu ohne Anleitung durch einen Lehrer beherrschen lernt."

"Na Klasse. Und wo kriege ich so ein Buch her?", murrte Naruto.

"Konzentriere dich doch erst mal auf das Bunshin no Jutsu und versuche es mit vielen Klonen", sagte Asuma ernst. "Wenn das nicht funktioniert, zeigen Mamoru-kun oder ich dir den Kage Bunshin. Notfalls die ganze Nacht, wenn es sein muss."

"Aber... Können wir nicht gleich...", begann er verzweifelt.

"Nein, Naruto, es ist wichtig, dass du auf einige Dinge selbst kommst. Du musst es versuchen. Sagen wir, du schaffst es nicht bis Mitternacht, dann kannst du einen von uns aufsuchen. Aber nicht vorher."

"Na, immerhin", murrte Naruto. Er schob die halb leer gegessene Schale von sich weg. "Ich bin satt." Dann erhob er sich, grüßte noch mal in die Runde und verließ den Ramen-Stand.
 

Nachdenklich fragte ich: "War das richtig? Wir hätten ihm wenigstens den einen oder anderen Kniff verraten sollen."

Asuma lachte leise. Nachdem er auch seine zweite Schale geleert hatte, erwiderte er: "Iruka-kohai ist ein fähiger Bursche. Wenn Naruto die grobe Struktur begriffen hat, kriegt er von ihm den Feinschliff, sei unbesorgt. Und sollte er tatsächlich um Mitternacht vor deiner oder meiner Tür stehen, ist es immer noch früh genug für Kniffe. Bis dahin lass ihn seinen eigenen Verstand benutzen. Noch eine Schale, bitte."

"Sensei!", rief ich empört. "Du lässt ihn genauso ins Messer laufen wie alle anderen."

"Nein, tue ich nicht. Denn ich weiß, dass Iruka au ihn aufpasst. Die zwei finden sich schon noch, warte es ab. Auf den Rest haben wir keinen Einfluss. Und glaub mir, das wird eine gute Erfahrung für Naruto. Das, und ein weiterer Mensch, der ihm ein Freund sein kann." Er klopfte mir auf die Schulter, was mir ein müdes Lächeln entlockte. "Freund? Eher ein Kumpel. Falsches Jahr, unterschiedliche Missionen, und keine familiären Bande. Ich werde ihn noch seltener sehen als Kou oder meine eigene Familie." Ich lächelte dünnlippig. "Aber Kumpel wird wohl in Ordnung gehen. Noch eine Portion, bitte!"

Teuchi, der mir bis dahin aufmerksam zugehört hatte, bestätigte, und machte eine weitere Portion Ramen für mich zurecht, und wieder legte er ein Extra-Ei mit hinein. Womit ich diese Luxusbehandlung verdient hatte, wusste ich nicht, aber bei dem Ramen wollte ich nur genießen, nicht nachfragen. "Guten Appetit."

"Nicht vor Mitternacht. Versprich mir das, Mamoru-kun", mahnte Asuma.

"Jaja, verfproffen", erwiderte ich mit vollem Mund.
 

Als ich nach dem Essen zurückkehrte, erfasste mich Unruhe. Ein Gefühl, so als würde ich etwas Wichtiges oder Interessantes verpassen. Ich marschierte im Hausflur auf und ab, bis sich Yuriko-Oneechan, als sie von der Feier nach Hause kam, sorgenvoll bei mir erkundigte, ob ich noch Schmerzen im Bizeps hätte und sie Mutter rufen sollte. Aber es waren keine Schmerzen, die mich umtrieben. Die Unruhe hatte ein ganz eigenes Kaliber. Dann kam die Mitternachtsstunde. Meine Eltern waren mittlerweile auch Zuhause und hatten sich gewundert, dass ich, erschöpft wie ich war, noch nicht schlafen gegangen war. Aber an Ruhe konnte ich nicht denken, nicht solange Naruto noch kommen konnte. Eine Stunde verging, zwei vergingen, und trotz der inneren Unruhe versuchte ich zu schlafen. Erst in den frühen Morgenstunden fiel ich in einen unruhigen Dämmerschlaf.

***

Am nächsten Tag wurde ich von Ranko-sama geweckt. Es war beinahe schon Mittag, aber die Familie hatte entschieden, dass ich den Schlaf brauchte. Es war Zeit für meinen Termin beim Hokage.

Vor dem Haus warteten schon die Mädchen, misstrauisch die große schwarzhaarige Kunoichi in meiner Begleitung beäugend. Auch Hayate-sensei kam gerade an, und gemeinsam gingen wir zum Verwaltungskomplex Konohas.

Als wir eingelassen wurden, waren auch die anderen Jounin, die uns begleitet hatten, anwesend. Zumindest vermutete ich, dass der ANBU mit der Katzenmaske Uzuki-sensei war.

Neben dem Hokage und seinen Beisitzern war auch der Rat vertreten. Ich entdeckte Onkel Shikaku, eine nichtssagende Miene zur Schau tragend.

Der Sandaime Hokage schmunzelte, als er uns eintreten sah. Er bedeutete uns, vor dem Schreibtisch stehen zu bleiben, während er sich umwandte, und aus seinen Bürofenstern auf Konohagakure blickte. "Wenn ich ehrlich sein soll", begann er mit seiner sonoren Stimme zu sagen, "dann hatte ich nicht sehr viele Hoffnungen, die Chunin-Prüfung in Kumogakure gesetzt. Wir haben auch nur ein Gruppe entsandt. Und dann wurde der Erfolg mehr, so viel mehr."

Er wandte sich vom Fenster ab. Sein Blick fiel auf mich. "Mamoru-kun, der Rat ist sich einig. Du hast die Fähigkeiten gezeigt, die ein Chunin haben muss. Deshalb befördern wir dich hiermit in den Chunin-Rang."

Für einen Moment fühlte ich mich, als würde ich neben mir stehen. Irgendwas rauschte in meinem Kopf, und die Welt war so unwirklich, und ich so unbeteiligt. Ich merkte kaum, wie Hana und Karin mir um den Hals fielen, um mir zu gratulieren. Ich konnte kaum ein Danke stammeln. Hauptsächlich deshalb, weil ich immer noch nicht wusste, ob die Beförderung zum Chunin nun gut oder schlecht für mich war.

"Was euch beide betrifft, Hanako Yodama und Karin Akimichi, so habt Ihr nicht nur eure Fähigkeiten während des Examens bewiesen, sondern auch enorme Fortschritte bei der Vorbereitung für die finale Prüfung vorzuweisen. Konoha ist glücklich, so begabte Ninjas zu haben. Aber den Chunin-Rang können wir euch nicht geben."

"Tja", meinte Hana-chan, "da kann man wohl nichts machen."

Karin zuckte mit den Achseln. "Versuchen wir es eben nächstes Jahr wieder."

"Moment mal, bin ich hier im falschen Theater? Ihr wart doch so scharf auf den Titel, und jetzt tut Ihr das ab wie ein heruntergefallenes Stück Tofu?", rief ich erstaunt.

"Man soll eben nicht so an Titeln hängen", erwiderte Hanako.

"Ich bin noch nicht fertig", mahnte der Hokage. "So wie die Dinge liegen, werden wir Team drei noch einige Zeit bestehen lassen. Nämlich um zu trainieren, was euch beiden fehlt, Akimichi-kun, Yodama-kun. Euch fehlen die Qualitäten, andere Genin anzuführen. Diese müsst Ihr entwickeln. Auf Mamoru Morikubo warten demnächst einige Einsätze mit größeren Gruppen. An diesen werdet Ihr teilnehmen und als seine Stellvertreter agieren. Habt Ihr dadurch genug Erfahrung gesammelt, steht einer Beförderung zum Chunin nichts mehr im Wege." Der Hokage beugte sich vor. "Ihr seid also quasi bis auf Weiteres Chunin auf Bewährung. Zumindest, bis Ihr genug gelernt habt, um eigenständige Chunin zu sein. Denn alle Anwesenden sind sich einig, dass Ihr das Potential habt, um Führungsqualitäten zu entwickeln. Auch wenn du, Yodama-kun, etwas leiser werden musst. Und du, Akimichi-kun, etwas lauter."

Ich unterdrückte ein Auflachen bei diesen Worten. Sarutobi-sensei hatte alles sehr treffend zusammengefasst.

"Damit ist diese Sitzung beendet. Mamoru-kun, bleibe bitte noch."
 

Die Beisitzer und die Räte erhoben sich und gratulierten uns nacheinander.

Hastig fragte Karin Hayate-sensei: "Aber Team drei bleibt erst einmal bestehen?"

"Daran ändert sich für das ganze nächste Jahr nichts, keine Sorge, Hana-chan", bestätigte er lächelnd.

Die beiden Mädchen atmeten auf.

"Aber Ihr müsst ohnehin nicht in einer Gruppe sein, um ihn...", begann Sensei, und Karin fiel ihm hastig in den Arm. "Sensei, du wolltest mir noch dieses neue Jutsu zeigen!"

"Und mir wolltest du ein neues Katon beibringen!", sagte Hana und ergriff den anderen Arm. Bevor Hayate-sensei sich versah, hatten die Mädchen ihn aus dem Raum gezogen.

Ich spürte den Blick des Hokages auf mir ruhen. Es war ein beinahe mitleidiger Blick, der mir gehörig auf die Nerven ging. "Und du hast tatsächlich in Verwandlung das Frauenbad unsicher gemacht, Mamoru-kun?", fragte er ungläubig. "Und dann verstehst du nicht, was hier vorgeht?"

Erstaunt sah ich den Hokage an. "Äh, ich bin Chunin, und die beiden Chunin auf Probe. Muss ich noch mehr verstehen, Sarutobi-sensei?"

"Irgendwann wird er es schon lernen, Hiruzen-tono", sagte Ranko-sensei mit einem Lächeln. "Und wenn ich es in ihn reinprügeln muss."

"Ja, das wird vielleicht notwendig sein, bevor die ganze Situation in einer Katastrophe endet." Er versuchte sich an einem Lächeln, aber es misslang. "Hast du eigentlich irgend etwas im Frauenbad von Kumogakure gelernt?"

"Ja. Frauen sind Bestien, wenn sie dir auf die Schliche kommen."

Der Hokage ließ ein prustendes Lachen hören. "Na immerhin. Etwas hat er gelernt. Vielleicht ist da ja noch Hoffnung." Er lächelte mich großväterlich an. "Du kannst auch gehen, Mamoru-kun. Und wenn du raus gehst, schick bitte Naruto in den Tagungsraum, ja?"

"Verstanden, Hokage-sama."
 

Mit Ranko-sensei verließ ich das Büro wieder. Nach einigen Schritten fand ich auch besagten Naruto. Er griente mich an wie eine Schüssel Ichiruka-Ramen. "Mamo-niichan! Danke für deinen Tipp! Das mit dem Kage Bunshin no Jutsu hat super geklappt! Ich brauchte nur eines von diesen Büchern, das einem die Kunst wirklich haarklein erklärt. Damit hat das super geklappt!"

"Na, das ist ja Klasse. Dann schaffst du ja die Prüfung mit links."

"Äh, Niichan", sagte Naruto grinsend und deutete auf seine Stirn. Dort prangte tatsächlich der Stirnschutz Konohas. "Habe ich schon. Wir hatten letzte Nacht... Einige Probleme, und da ist mir ein Tajuu Kage Bunshin no Jutsu gelungen."

"Da gratuliere ich aber. Willkommen in der Welt der Shinobi. Wie viele Schattenklone hast du denn geschafft?" Kurz dachte ich nach. "Mein Bestes war bisher acht."

"Äh..." Naruto wirkte verlegen. "Mamo-niichan, ich..."

"Ach, halb so wild, Naruto. Alle fangen klein an. Das ist normal. Wie viele waren es denn jetzt?"

"..."

"Was?"

"Zweihundert, oder so", flüsterte er.

Entsetzt wich ich bis an die Wand zurück. "WIEVIELE?"

Narutos Blick bekam etwas Gequältes, als er meine Reaktion sah.

Doch ich schüttelte nur den Kopf, ging wieder einen Schritt vor und klopfte ihm auf die Schulter. "Jetzt in diesem Moment bin ich gerade sehr neidisch, Naruto. Da erschaffst du einfach so zweihundert Klone. Tssss. Ich frage mich, ob dir überhaupt Grenzen gesetzt sind."

"M-meinst du, Mamo-niichan?"

"Als Ninja brauchst du natürlich mehr als eine Kunst. Das habe ich erst neulich schmerzhaft erfahren müssen. Aber so ein mächtiges Jutsu ist schon mal ein guter Anfang. Wenn du jetzt etwas erreichen willst, dann brauchst du nur den Willen, dein Können, und jemand, der es dir haarklein erklärt."

"Niichan, der war gemein!", beschwerte sich der Blondschopf.

"War nur Spaß", erwiderte ich und strich ihm über die blonden Haare.

"Wenn ich alles erreichen kann...", sinnierte er leise.

"Du musst dich nur anstrengen, Naruto", versicherte ich.

"Wenn ich alles erreichen kann, meinst du, ich finde dann auch Freunde?"

Diese Frage war etwas absurd, wenn ich an Shikamaru dachte. Dann aber kam mir wieder in den Sinn, was er über Narutos Besessenheit vom Uchiha erzählt hatte. "Wenn du dir genügend Mühe gibst, sicherlich. Viele Freunde. Und falls die Freunde dir irgendwann mal Zeit lassen und wir beide zur gleichen Zeit in Konoha sind, lade ich dich noch mal zu Ramen ein."

"Echt? Das ist ein Versprechen, oder?"

"Klar. Aber Ninjas sind viel unterwegs. Das wirst du auch noch merken. Es wird ein Wunder sein, wenn wir uns überhaupt einmal im Monat begegnen", erklärte ich.

"Ach, das reicht doch für eine Schüssel Ramen von Ichiraku", erwiderte er lachend.

"Naruto... Ich habe gerade das Gefühl, du freust dich nur darauf, mich erneut zu treffen, weil es dann was zu Essen gibt", sagte ich bedrückt.

"Äh... Auch."

Ich unterdrückte einen prustenden Lacher. "Du bist ein Frechdachs, Naruto Uzumaki. Und jetzt ab ins Konferenzzimmer mit dir. Der Hokage erwartet dich da bereits. Ach, und mach Konoha Ehre, Genin."

"Genin. Das klingt gut. Natürlich werde ich das, Mamo-niichan. Und ich freue mich schon darauf einmal wieder mit dir Ramen zu essen." Er griente mich noch einmal an, bevor er in den Gang lief. "Auf bald, Mamo-niichan."

"Auf bald, Naruto."
 

Ich seufzte. Es war keine Lüge gewesen, als ich gesagt hatte, wir würden einander kaum sehen. Chunin erhielten grundsätzlich vollkommen andere Aufträge an vollkommen anderen Orten als die Anfängergruppen. Selbst wenn wir beide in Konoha waren, würden wir einander kaum über den Weg laufen. Aber darum machte ich mir wenig Sorgen. Ich zweifelte nicht daran, dass der blonde Bursche nun motiviert genug war, um seinen ersten richtigen Freund zu finden. Auch wenn ich bezweifelte, dass es der kleine Uchiha werden würde.

"Ah! Mamo-nii!"

Ich wandte mich der Stimme zu, die mich gerufen hatte. "Konohamaru-kun?"

Der kleine Bursche trat an mich heran. "Hast du den alten Mann gesehen?"

Ich sah zweifelnd auf den Jungen herab. "Willst du ihn immer noch besiegen und selbst Hokage werden?"

"Natürlich! Irgendwie muss ich ja dafür sorgen, nicht mehr wie ein Kind behandelt zu werden", rief er entrüstet. Leiser fügte er hinzu: "Oder dauernd verhätschelt."

Ich schnaubte verzweifelt. "Er ist im Konferenzraum, Konohamaru-kun."

"Danke, Mamo-nii!" Eilig hastete er an mir vorbei. Und wäre fast über seinen protzigen Umhang gestolpert.

"Na, das kann ja was werden", murmelte ich und wandte mich in Richtung Ausgang.

"War das nicht gerade der Enkel von Hiruzen?", fragte Ranko erstaunt. "Und er will seinen Großvater angreifen?"

"Eine lange Geschichte. Ich hätte ihm den Hosenboden stramm ziehen sollen, anstatt ihm den Weg zu zeigen", seufzte ich.

"Konohamaru-sama!", rief eine aufgeregte Männerstimme. Ich erkannte Ebi-sensei wieder, Konohamarus persönlichen Trainer.

Mit dem Daumen deutete ich tiefer in den Gang hinein. "Konferenzraum."

"Danke, Morikubo-tono!" Erleichtert hastete er an mir vorbei.

Ranko-sama räusperte sich. "Was die lange Geschichte angeht, also ich habe Zeit."

"Na, meinetwegen. Es geht hierbei vornehmlich um Konohamarus Vater, der..."
 

So begann meine Karriere als Chunin. Es war eine Zeit, die mich geprägt hatte wie kaum eine andere in meinem Leben. Es war die Zeit, in der der menschliche Verstand am meisten und am besten lernt. Und es war eine Zeit, in der ich in eine Welt voller Wunder, aber auch voller Vernichtung und Menschenverachtung eintrat. Was ich damals erlebt hatte, es hatte mich geformt und zu dem gemacht, was ich heute bin.
 

Ende der ersten Erzählung.

Prolog: Feuerregen

Prolog:

Wenn ich über meine Jugend zurück sinne, lange bevor ich wirkliche Verantwortung für Konoha und mein eigenes Leben hatte übernehmen müssen, könnte ich von jedem Tag berichten. Allein, was interessiert es jene, die meinen Bericht lesen, um etwas über das Leben der Shinobi in jenen Jahren zu erfahren? Ich maße mir an zu wissen, was ein Leser für interessant hält, und was nicht. Deshalb springe ich in meiner Erzählung zwei Jahre in die Zukunft - und doch wieder nicht. Ich war sechzehn, vor mir lagen viele gefahrvolle Missionen im Dienste Konohas und des Landes des Feuers. Viele erfreuliche Ereignisse lagen vor mir, aber auch viele schmerzvolle Verluste.

Meine Verantwortung, die ich für andere trug, wuchs mehr und mehr, und ich gewöhnte mich daran.

Es war in jenen Jahren, in denen ich Ereignisse erlebte, die mir nahe brachten, wie die großen Schlachten im dritten Ninja-Weltkrieg gewesen sein mochten. Nur um wenige Jahre später eindrucksvoll belehrt zu werden, das nichts, was man kannte, einen Ninja-Weltkrieg glich.

Und das waren nur einige der Probleme, mit denen ich mich konfrontiert sah. Ich will die Geschichte, die ich hier vor meinen Lesern ausbreite, in zwei Zeitebenen erzählen. Die eine, in der ich tatsächlich sechzehn bin, und jene Zeitebene, in der Konoha von der gemeinsamen Koalition aus Suna und Oto attackiert wurde, etwa ein Jahr nach der Chunin-Prüfung für Team drei.
 

1.

Heute
 

Eines habe ich gelernt, zweifellos. In meiner Tätigkeit als Aushilfslehrer in Kumogakure, im tägliche Umgang mit meinen Genin und meinen Vorgesetzten: Wer lehrt, lernt auch zugleich. Man kann Genin nicht über einen Kamm scheren oder gering schätzen, weil sie den eigenen Rang nicht erreicht haben. Im Gegenteil, jeder von ihnen verfügt über spezielles Wissen, das es zu erforschen und zu nutzen gilt.

In den Tagen rund um meinen sechzehnten Geburtstag war ich meistens mit Karin und Hanako unterwegs, und es war selten, dass Hayate-sensei uns noch begleitete. Größere Missionen, die ich für Konoha erledigen musste, erforderten hingegen eine Neuner-Zelle, in der mir zwei Dreiergruppen Genin zugeteilt wurden, die von Hanako und Karin als meinen Stellvertretern koordiniert wurden, während ich die Gesamtlage im Auge behielt.

Diese sechs Genin wechselten öfters, sehr zu meinem Verdruss. Kaum hatte ich ein reibungsloses Zusammenspiel der einzelnen Persönlichkeiten und Fähigkeiten erreicht, wurden diese Gruppen wieder aufgebrochen und neu durcheinander gewirbelt.

Erst einige Jahre später sollte ich erfahren, dass der Sandaime Hokage, mein Sensei, dies in voller Absicht getan hatte. Er hatte mich benutzt, um den Genin-Gruppen die Grundlagen der Zusammenarbeit in größeren Teams näher zu bringen. Mit meiner Engelsgeduld und meinem scharfen Auge war ich dafür prädestiniert, könnte man sagen. Natürlich war ich nicht immer erfolgreich. Aber wir schlossen unsere Missionen ab, fast immer erfolgreich, und es herrschte ein gesunder Respekt füreinander. Gewiss, ich war nicht der erfolgreichste Anführer, sicher nicht, aber da es bei meinen Missionen bisher keine Verluste gegeben hatte, stand ich im Ruf, mich besonders für meine Leute einzusetzen, eher eine Mission abzubrechen als meine Leute zu verheizen.

Besonders die älteren Genin honorierten das.

Man konnte sagen, ich war beliebt. In einem gewissen Maße. Aber in jener Zeit lernte ich noch. Und es gab viel zu verstehen für mich. Eine dieser Lektionen war, dass die Taten der Vergangenheit irgendwann einmal Auswirkungen auf die Zukunft hatten. Vielleicht verstrichen Jahre, aber es gab diese Auswirkungen.

So auch in diesem Fall.
 

Als ich das Büro der Hokage betrat, war ich übermüdet, überstrapaziert und vollkommen verspannt. Vier Tage und Nächte ohne Schlaf und eine Hetzjagd, die mehr einem Puzzle geglichen hatte, hatten ihren Teil getan, um mich zu einem nervösen, herrischen und leicht aufbrausenden Wrack zu machen. Zudem war das Einzige was ich in dieser Zeit gegessen hatte, eine Soldatenpille gewesen. Zu mehr hatte ich keine Gelegenheit gehabt. Und so sehr man als Ninja, diese kleinen Dinger schätzen sollte, die einen für mehrere Tage mit allen notwendigen Nährstoffen und Kalorien versorgten - sie füllten nicht den Magen und ersetzten auch nicht den Genuss, den man beim Essen verspürte.
 

"Morikubo-kun", fragte die Godaime Hokage, und faltete ihre langen, filigranen Hände vor dem Gesicht ineinander, während ihre Ellenbögen auf der Tischplatte des Schreibtischs ruhte, "das Missionsziel wurde erreicht?"

Kurz blinzelte ich auf, um einen leichten Schwindelanfall zurückzudrängen. "Nein, Tsunade-sama. Das vierte Ziel ist uns entwischt. Ich entschuldige mich in aller Form für mein Versagen."

Sie warf einen fragenden Blick zu ihrer Sekretärin herüber.

Shizune warf einen Blick auf ihr Klemmbrett. "Aino ist entkommen."

"So." Nachdenklich sah sie mich an. "Das wird unserem Auftraggeber nicht gefallen. Aber Takko Aino war nicht das wichtigste Ziel der Mission."

"Dennoch. Ich bitte um die Erlaubnis, mich weiterhin um den Fall zu kümmern. Ein Mann, der kein Ninja ist, und mir dennoch entkommt, ist eine potentielle Bedrohung für uns."

"Abgelehnt." Dieses eine Wort nur, und es zerstörte meinen Stolz und meine Ehre als Ninja. Ich stellte mir vor, der Sandaime würde noch leben und hier sitzen. Hätte er es hingenommen, dass meine Mission unvollendet blieb?

"Tsunade-sama", begann ich. Doch die Hokage wischte meinen Einwand mit einem bissigen Knurren davon.

"Es ist gut, habe ich gesagt. Wir setzen ihn aufs Bingo-Buch der Kopfgeldjäger und warten die weitere Entwicklung ab. Es gibt keinen Grund, warum ich einen Chunin weiterhin auf diesen kleinen Fisch ansetzen sollte."

Ich spürte, wie meine Hände zu zittern begannen. "Tsunade-sama, ich..."

"Außerdem habe ich längst eine weitere Mission für dich. Sie ist zwar nur B-Rang, aber du wirst dich für sie wieder der Neuner-Zelle bedienen."

"Was?", fragte ich überrascht.

"Du wurdest persönlich angefordert, Mamoru Morikubo. Unser Auftraggeber will dich und niemand anderen für die Mission haben. Da die Missionsparameter mehrere Gruppen erfordern, habe ich mich für deine bewährte Neuner-Formation entschieden. Da sie nur B-Rang ist, wirst du die Mission leiten, wie üblich. Keine weitere Unterstützung durch Chunin oder Jounin."

Ich blinzelte erneut. Das Zittern meiner Hände legte sich ein wenig. "Was ist das für eine Mission, Tsunade-sama?"

"Kennst du den neuen Spielfilm der gerade im Kino läuft? Die Gerechten Sieben?"

"Oh, ich habe davon gehört. Sieben herrenlose Shinobi werden von einem abseits gelegenen Dorf angeheuert, das periodisch von seinen Nachbarn geplündert wird. Wie der Film ausgeht weiß ich nicht."

Die Godaime Hokage griente mich an. "Ist vielleicht auch besser so. Aber freu dich: Du hast nicht sieben, sondern acht Ninja zur Verfügung."

"Eine Beschützer-Mission?"

"Das ist richtig. Wir haben den Auftrag bereits angenommen. Er ist... Etwas delikat, weil du nach Mizu no Kuni musst. Aber ich erwarte keine Schwierigkeiten mit Kirigakure."

"Warum hat unser Auftraggeber nicht einfach Kiri-Ninjas angeheuert?", fragte ich erstaunt.

"Das kann uns völlig egal sein. Er will dich, und er kriegt dich auch, weil er dafür bezahlt." Tsunade-sama wirkte reichlich zufrieden mit sich und der Welt. Und ich selbst fühlte mich auch besser. Persönlich angefordert zu werden... Hatte ich mir bereits einen Ruf erworben?

Die Hokage musterte mich von Kopf bis Fuß. "Aber jetzt solltest du erst mal was essen, ein Bad nehmen und ein wenig schlafen. Wir stellen dein Team zusammen. Du brichst in vierzig Stunden auf."

Das erleichterte mich doch ein wenig. Für einen sofortigen Aufbruch fühlte ich mich zu ausgelaugt. Dennoch fragte ich: "Wäre es nicht angemessener, wenn wir..."

"Das Dorf wird periodisch bedroht, Morikubo-kun. Du hast noch zehn Tage Zeit, bevor die Ernte beginnt. Erst dann ist das Dorf als potentielles Ziel gefährdet. Wenn du in zwei Tagen aufbrichst, kannst du in weiteren sechs Tagen dort sein. Die Ernte dauert eine Woche. Du hast also ein ausreichendes Zeitfenster für Vorbereitungen. Also ruhe dich erst einmal aus. Und sag das auch deinen Stellvertretern. Ich will keine Shinobi mit Augenringen sehen", mahnte sie.

"Ich werde sie persönlich ins Bett stecken", versprach ich.

"Das werden sie sicherlich zu schätzen wissen", murmelte Shizune vor sich hin.

"Eventuell", sagte ich in ihre Richtung, und mit Genugtuung nahm ich zur Kenntnis, wie eine leichte Röte über ihre Wangen huschte.

"Das ist dann alles, Morikubo-kun. In vierzig Stunden in diesem Büro. Du kannst gehen."

"Hokage-sama", sagte ich in ihre Richtung und deutete eine Verbeugung an. "Shizune-tono."

Sie erwiderten meinen Abschiedsgruß mit einem Nicken.
 

Ich verließ das Büro mit einem breiten Gähnen. Himmel, war ich fertig. Etwas Schlaf war genau die richtige Idee. Ich konnte es kaum erwarten, endlich ins Bett zu kommen. Und anschließend würde ich mir etwas Zeit abzwacken, um ein paar Freunde aufzusuchen, die ich seit Monaten nicht mehr gesehen hatte. Aber zuerst musste ich meine Leute informieren und nach Hause schicken.

Mit müden Schritten erklomm ich das Dach der Residenz. Welcher Trottel hatte das gleich noch mal angeordnet, angeblich um die warme Herbstsonne genießen zu können? Ach ja, das war ich selbst gewesen.

Schließlich stand ich oben, mit schmerzenden Beinen und die Treppe verfluchend. Und was bot sich mir? Eine Horde sich entspannender, teilweise schnarchender Shinobi, die entweder tatsächlich die Sonne genossen, oder die Steinbänke als Schlafstätten requiriert hatten. Auf den ersten Blick war ich neidisch.

"Mamo-chan!", sagte Karin hastig, als sie mich das Dach betreten sah.

Als sie sich erheben wollte, winkte ich ab. "Bleib liegen. Ihr alle, entspannt euch."

Vor meinen Leuten ging ich in die Hocke. Das würde sich noch rächen, wenn ich versuchte, wieder aufzustehen. "Tsunade-sama hat die Mission für beendet erklärt. Unser letztes Ziel setzt sie ins Kopfgeldjägerbuch. Für uns ist damit alles erledigt."

Leises Gemurre klang auf. Ich konnte das verstehen. Alle Shinobi Konohas zogen einen gewissen Stolz aus ihrer Arbeit. Und eine nicht abgeschlossene oder abgebrochene Mission zehrte von diesem Stolz. "Es geht nicht anders, Leute. Ich wurde bereits der nächsten Mission zugeteilt. Sie startet in vierzig Stunden, und meine Anweisungen lauten, bis dahin ausgeruht zu sein. Ach kommt, Leute, macht nicht so ein Gesicht. Wir haben doch die Hauptziele erwischt und nach Konoha gebracht. Was interessiert uns so ein kleiner Fisch?"

"Ein kleiner Fisch, der uns entkommen ist", merkte einer der Genin bissig an.

"Es gibt immer eine weitere Gelegenheit, Shiro. Man trifft sich immer zweimal im Leben." Ich sah in die Runde. "Fragen? Wenn nicht, schicke ich euch jetzt in die Betten. Ja, Sara?"

"Sempai, werden wir mit von der Partie sein?"

"Ehrlich gesagt weiß ich das nicht. Tsunade-sama stellt die Gruppe zusammen. Aber ich glaube eher nicht. Normalerweise kriegen Karin, Hanako und ich für neue Missionen immer andere Genin zugeteilt."

Zustimmendes, teils spöttisches Gemurmel klang auf.

Ich klatschte in die Hände. "Also, Herrschaften, wenn es das gewesen ist, dann habt Ihr jetzt Dienstschluss. Ab nach Hause, was Anständiges essen, baden, schlafen.

Mürrisch erhoben sich die Genin. Shiro half Karin auf die Beine. Nur Hanako blieb auf ihrer Steinbank liegen, als ginge sie das alles nichts an.

Ich kam wieder hoch, sehr zum Leidwesen meiner Beinmuskeln, und trat zu Hana herüber. "Du auch, Mädchen. Los, dein Bett ist doch viel bequemer als die Steinbank."

"Ach, nur noch fünf Minuten", murmelte sie im Halbschlaf.

"Gut, dann bleib liegen. Ich gehe mit Karin vor."

Urplötzlich war sie wach und schoss in die Höhe. Bevor ich es verhindern konnte, hatte ich sie am rechten Arm hängen.

"Haha. Ahahaha. War doch nur ein Witz. Ich bin wach, wirklich!"

Die Gegenreaktion ließ natürlich nicht lange auf sich warten, und keine Sekunde darauf hing Karin an meinem anderen Arm. "Bringst du mich nach Hause, Mamo-chan? Choji würde sich bestimmt freuen, dich zu sehen."

Ich seufzte ergeben. Seit ein paar Monaten, genauer gesagt seit der letzten Chunin-Prüfung in Konoha verstand ich, was in den beiden Mädchen vorging, was sie für mich empfanden, und was das ganze Theater eigentlich sollte, das sie um mich veranstalteten. Sie waren beide in mich verliebt, und das schon seit der Schule. Ich hätte lügen müssen, hätte ich behauptet, ich würde nichts für die beiden empfinden. Ja, vielleicht liebte ich eine der beiden, ich konnte es nicht sagen. Aber ich hatte ein ernsthaftes Problem. Ich verstand nicht, warum die beiden in mich verliebt waren. Ausgerechnet in mich. Bevor ich diese sich selbst widersprechende Frage nicht geklärt hatte, ihre Motive erkannt hatte, konnte ich mich mit dem Thema Liebe nicht weiter beschäftigen. Aber wenn ich ehrlich war, dann steckte ich, seit ich verstanden hatte was überhaupt passierte, in einer Zwickmühle. Die eine zu wählen würde bedeuten die andere zu enttäuschen. Keine zu wählen würde sie langfristig von mir forttreiben. Beide zu wählen hingegen mochte der Traum jedes Pubertierenden sein, aber diese Option stand mir nicht offen.

Ich war nicht soweit, um eine Entscheidung zu treffen. Noch lange nicht. Zwar neckte ich die beiden mit ihrer Leidenschaft, von der sie immer noch dachten, sie wäre vor mir geheim. Aber ich war noch nicht bereit, mich für eine zu entscheiden und die andere aufzugeben. Ich wusste ja noch nicht einmal, für welche der beiden ich mich entscheiden sollte. Aber immerhin fiel es mir seither leichter, mich aus ihrem Spiel um mich auszuklinken. Und ihre Reaktionen waren vorhersagbar, weshalb ich Vorbereitungen treffen konnte.

"Aber natürlich bringe ich dich nach Hause, Karin. Euch beide. Ich... Ja, hallo, ist das nicht Kou Hyuuga? Kumpel, was machst du denn hier?"

Der groß gewachsene Shinobi zeigte mir seine ernsteste Miene. Mit der weißen Iris, typisch für die Hyuugas, wirkte es gleich bedrohlich. "Ich würde dich gerne sprechen, Mamoru." Er taxierte die beiden Mädchen, die meine Arme festhielten. "Privat."

Widerstrebend ließen sie meine Arme fahren. "Du kommst doch vorbei, wenn du ausgeschlafen hast, ja, Mamo-chan?", fragte Hanako drängend.

"Versprochen", sagte ich und legte beiden Mädchen einen Arm um die Schultern. "Lasst uns morgen essen gehen. Nur wir drei. Ich bezahle."

Nun, das machte sie glücklich genug, um mir den Freiraum zu erkaufen, den ich nun brauchte.
 

Nachdem Hana und Karin mit einem letzten Winken vom Dach verschwunden waren - immerhin überließen sie mich einem Mann, keiner Rivalin - atmete ich erleichtert auf. "Danke, wie immer."

Kous ernste Miene verschwand und machte einem verlegenen Lächeln Platz. "Ach, da doch nicht für, Mamo-chan. Das mache ich doch gerne als dein Freund. Ich frage mich nur manchmal, wie lange Karin und Hanako auf diese Scharade noch reinfallen." Sein Lächeln verblasste ein wenig. "Noch Lust auf was zu trinken, bevor du dich aufs Ohr haust?"

"Ich denke, ein Bier kann nichts schaden."

"Gut. Obwohl, wenn ich mir die Ringe unter deinen Augen so ansehe, wäre es vielleicht doch keine schlechte Idee, wenn du gleich ins Bett gehst."

"Diese eine Stunde kann ich auch noch wach bleiben." Ich klopfte Kou auf die Schulter. "Und läuft alles? Flirtest du auch weiterhin eifrig mit meiner Schwester?"

"Oh, man tut was man kann. Was bei dir in Sachen Liebe los ist, weiß ich ja jedes Mal, wenn ich dich aus deinem Liebesdreieck raus hauen muss. Warum machst du der Sache nicht endlich mal ein Ende und entscheidest dich?"

"Viel zu anstrengend", erwiderte ich.

"Jetzt klingst du wie dein Cousin. Hast du übrigens gehört, das im Gespräch ist, ihn zum Jounin zu machen?"

"Warum nicht? Shikamaru ist ein heller Kopf. Außerdem hält ihn das auf Trab." Ich grinste. "Und besser er als ich."

Kou lachte leise. "Ich werde nie verstehen, was Ihr Nara-Männer für ein Problem mit Verantwortung habt." Er schwieg für einen Moment, und sein Blick ging an mir vorbei. Ich wusste, wohin er sah: Hoch zu den Gesichtern der vorigen Hokage. Jener Hokage, die für Konoha gestorben waren, auch Sarutobi-sensei. "Denkst...", begann er, brach ab und setzte erneut an. "Denkst du noch daran?"

"Jeden Tag", gestand ich. Ja, jeden Tag dachte ich daran, wie ich in eine Stadt zurückgekehrt war, die unter einer unglaublichen Attacke gestanden hatte. Jeden Tag dachte ich daran, ob es etwas geändert hätte, wenn ich Sarutobi-sensei hätte zur Seite stehen können. Dieser verdammte Orochimaru. Wütend ballte ich meine Hände zu Fäusten. Das waren keine guten Tage gewesen. Sicherlich keine guten Tage.

Langsam öffnete ich meine Fäuste wieder. "Lass uns trinken gehen, Kou."

"Okay, ich bezahle."

Ich lächelte schmallippig. "Du wusstest schon immer, wie du meine Stimmung bessern konntest."

Er klopfte mir auf die Schulter. "Okay, gehen wir."
 

Ein letzter Blick von ihm ging nach oben, dann wandte er sich ab. Stattdessen wandte ich mich um und sah zu den fünf Gesichtern hoch; Tsunade-samas Antlitz war dort bereits verewigt worden, seit ausgerechnet Naruto Uzumaki sie dazu überredet hatte, ihre Verantwortung gegenüber Konoha anzunehmen. Eine verrückte Geschichte. Aber es passte zu dem Ruf, den der junge Genin nach und nach um sich aufbaute.

Mein Hauptaugenmerk aber galt Sarutobi-sensei. Hätte ich wirklich etwas ändern können, wenn ich hier gewesen wäre? Diese Frage verunsicherte mich seit dem Überfall auf meine Heimatstadt. Und ich wusste, es gab keine Antwort, so wie ich es auch nicht ungeschehen machen konnte. Blieb nur noch die Rache.

"Kommst du, oder muss ich mein Bier allein trinken?", rief Kou herüber.

"Wenn du schon mal bezahlst...", erwiderte ich und wandte mich von den Steingesichtern ab. Es blieb nur noch die Rache, aber das war immerhin etwas.

***

Damals
 

Damals, das war ein Jahr nach der Chunin-Prüfung in Kumogakure gewesen. Ich hatte mich längst als Chunin bewährt, und mit Hana und Karin als meinen Leutnants hatte ich ein effektives System aufgebaut, um die Genin, die mir für die verschiedenen Missionen zugeteilt wurden, zu führen.

Achtzehn Missionen hatten wir mittlerweile erfüllt, die meisten B- und C-Rang. Zwei hatten A-Rang gehabt, eine weitere war nachträglich auf A-Rang gehievt worden. Eine S-Rang-Mission hatte ich bestritten, allerdings nur als Unterführer in einer Gruppe von siebenundzwanzig Genin und Chunin, mit einem Jounin als Kommandeur. Das war eine sehr interessante Erfahrung gewesen - wenn man nichts dagegen hatte, permanent an der Schwelle des Todes zu schweben.

Natürlich bestritt ich nicht nur diese Missionen. Es kam auch vor, dass wir wie in alten Zeiten mit Hayate-sensei als Drei Mann-Zelle unterwegs waren. Eine Mission hatte ich alleine ausgeführt, und ich hatte auch schon Sechsergruppen angeführt.

Es war nicht schwer, ein Team zu führen, wenn man die Stärken und Schwächen der Mitglieder kannte. Wenn sie auf einen hörten, musste man dazu sagen. Anfangs war es nicht leicht gewesen; ich hatte erkennen müssen, dass vor allem ältere Genin ihre eigenen Erfahrungen hatten und oftmals danach handelten. Dass ich mir bei meiner Planung etwas gedacht hatte, und das ihre Handlungen die Leben ihrer Kameraden gefährden konnten, mussten sie dann halt auf die harte Tour lernen.

Ich hatte es mir angewöhnt, diese "erfahrenen" Genin schnell heraus zu sortieren, die Art ihres Vorbehalts oder ihres Überlegenheitsdenkens herauszufinden, und das dann entweder insgeheim für meine Pläne zu verwenden, oder sie an ihrer eigenen Arroganz scheitern zu lassen. Eine rechtzeitige Rettung in letzter Sekunde half meistens mehr als stundenlange Überzeugungsversuche.
 

Als mein Neunerteam diesmal heimkehrte, hatten wir zum Glück keine besonderen Schwierigkeiten gehabt. Es war um das Übliche gegangen; eine Gruppe ausländischer Nukenin, also Ninjas, die aus ihren Dörfern geflohen waren, hatten gedacht, sich in einer dünn besiedelten Ecke des Feuerlandes ihr eigenes kleines Reich des Terrors und der Unterdrückung zusammen zu stellen. Wir waren ausgezogen, um sie davon zu überzeugen, dass das keine gute Idee war.

Um es abzuschließen, wir hatten gesiegt, und als Zeichen des guten Willens hatten wir die Deserteure aus Kumogakure direkt an eine Einheit Kumo-Nin überstellt, auf die wir ein paar Tage hatten warten müssen. Bei der Gelegenheit hatten wir Omoi wiedergesehen, und das war die Sache wert gewesen.

Auch die Kiri-Deserteure hatten wir aus Gründen der Diplomatie an ihre ehemaligen Kameraden übergeben. Es hatte mich nicht überrascht, dass die Kiri-Nukenin schon kurz nach der Übergabe exekutiert worden waren und man dafür gesorgt hatte, dass nicht genügend von ihren Körpern übrig bleiben würde, um irgendjemanden Rückschlüsse auf ihre Jutsu zu erlauben. Kirigakure war ein Dorf, das sich vor allem durch Härte gegen sich selbst auszeichnete. Es hieß, die Akademieabgänger würden in Zweierkämpfen auf Leben und Tod entscheiden, wer ein Genin werden durfte. Der andere war tot.

Ich persönlich hielt das für Verschwendung von guten Shinobi; andererseits hatten die Kiri-Nin bereits getötet und die Hemmungen überwunden, ihre Bekannten zu töten, vielleicht sogar Freunde. Das machte sie unglaublich gefährlich, geradezu monströs. Und deshalb gingen sie mit Deserteuren äußerst brutal um. Jemand aus ihrem Kreis, der sich allen Härten gestellt hatte, einer der ihren, der seinen Dienst für das Dorf mit Blut besiegelt hatte, durfte nicht fliehen, sich nicht der Aufgabe entziehen. Solch ein Verrat traf die Kiri-Leute doppelt und dreifach. Deshalb hatte ein Kiri-Nukenin für die ehrlose Flucht den Tod vor sich.
 

Ursprünglich hatte ich die Hoffnung gehabt, zur Chunin-Prüfung, die diesmal in Konoha stattfinden würde, wieder daheim zu sein, aber die Warterei auf die Abordnungen aus Kiri und Kumo, und der Wiederaufbau der von den Nukenin brutal kontrollierten Dörfer und Höfe, hatte viel mehr Zeit verschlungen als ich gedacht hatte.

Dementsprechend hetzte ich meine Truppe, so weit ich es verantworten konnte, um nach Hause zu kommen. Die letzten Gefangenen, einen Suna-Genin und einen Deserteur aus meiner eigenen Stadt, nahmen wir dabei mit; die letzten Depeschen hatten davon gesprochen, dass der Kazekage, der Oberhaupt der Versteckten Stadt im Sand, mit einem großen Gefolge anreisen würde, um die Endrunde der Prüfung zu beobachten. Es würde einfacher sein, den Suna-Nukenin Zuhause zu übergeben anstatt auf eine Suna-Abordnung zu warten.

Und unser Gefangener, nun, Konoha hatte für solche Zwecke ein Gefängnis. Pragmatisch wie wir Konoha-Shinobi nun mal waren, behielten wir es vor, seine Fähigkeiten in Zukunft für Konohas Nutzen aufzubewahren. Es mochte die Zeit kommen, in der er sich bewähren konnte und die Schande der Desertation und seiner unwürdigen Aktionen mit den anderen Nukenin mildern, wenn nicht ganz fortwaschen konnte. Das ging natürlich nicht, wenn wir ihn töteten. Insoweit hatte er Glück gehabt. Nach den Kämpfen gegen die Nukenin hatte es nur neun Überlebende gegeben. Er hätte auch durchaus unter den dreizehn Toten gewesen sein können, und das wäre im Anbetracht der Verbrechen, die seine Gruppe begangen hatte, und im Angesicht von über dreißig toten Dorfbewohnern nicht einmal ungerecht gewesen. Und sein Suna-Kumpel... Sie waren halt kleine Fische, was man auch daran hatte erkennen können, wie leicht es mir gefallen war, sie auszuschalten. Der Kampf gegen die Rädelsführer war von einem anderen Kaliber gewesen und hatte uns mehrere Verletzte und einen Toten gekostet.
 

Es war eine wichtige Lektion für mich gewesen, dass eben nicht immer alles nach der Planung ging, und das auf der eigenen Seite Menschen sterben konnten und es auch taten. Ich zermarterte mir seither den Kopf, welchen Fehler ich begangen hatte, um den Tod von Akio zugelassen zu haben, denn es musste mein Fehler gewesen sein. Und wenn er doch an der eigenen Waghalsigkeit gestorben war, dann war es mein Fehler gewesen, dies nicht rechtzeitig zu erkennen. Letztendlich war er von der Hand des Anführers gestorben, einem bulligen Erdjutsu-Nutzers ohne die Abzeichen eines versteckten Dorfes.

Wir führten die toten Nukenin und Akios Leichnam mit uns; eine Abart des Beschwörungsjutsu erlaubte es uns, die Leichen noch auf dem Schlachtfeld per Schriftrolle in eine Tierdimension zu bannen, und in Konoha wieder zu beschwören. Unsere Medi-Ninjas würden versuchen, anhand der toten Körper mehr über die Jutsu heraus zu finden. Nicht verkehrt, vor allem weil einer der Nukenin über ein Blutlimit verfügt haben musste, also eine spezielle Ninja-Kunst, die nicht erlernt, sondern nur vererbt werden konnte. Oder gestohlen. Andererseits war der Kerl Genjutsu-Nutzer gewesen. Es konnte auch nur eine vorsichtige Illusion gewesen sein, sanft eingebettet in die Realität. Blut als Waffe, es hatte etwas Monströses.

Letztendlich waren wir nur noch acht, und wegen der Verletzten, die ich nicht einmal auf dem Gebiet des Feuerlands zurücklassen wollte, kamen wir nicht so schnell voran wie wir gekonnt hätten. Und das ausgerechnet am Tag des Finales.

Ich hätte schon gerne zugesehen, immerhin sollte Naruto gegen Neji Hyuuga kämpfen, und Kou selbst hatte gesagt, dem jungen Ausnahmetalent seines Clans würde eine Überraschung bevorstehen, wenn er sich nicht auf Naruto einstellte. Dann war da noch der Kampf vom jungen Uchiha gegen einen Suna-Genin, der sich nach dem Hörensagen durch unglaublichen Killerinstinkt und grenzenlose Brutalität durch das bisherige Examen gekämpft hatte. Dann kämpfte mein Cousin Shikamaru gegen einen weiteren Suna-Nin, und den Kampf wollte ich zu gerne sehen. Wenngleich ich nicht besonders gerne daran dachte, was danach anstand: Ausgerechnet der jüngste Aburame-Ninja würde gegen einen weiteren Suna-Nin antreten. Und diese Insektenbändiger, bei aller Toleranz, verursachten mir doch einen kalten Schauder auf dem Rücken.
 

Immer wieder sah ich auf meinen Chronometer. Wenn das Finale pünktlich angefangen hatte, dann hatte ich den Kampf des kleinen Uzumakis bereits verpasst, und ich fragte mich ehrlich, ob Kou Recht behalten hatte. Mehr als einmal hatte er mir vorgejammert, was für eine arrogante Einstellung das herausragendste Talent der Nebenfamilie an den Tag legte, und wie überheblich er seine Schutzbefohlene Hinata behandelte. Bei der dritten Vorrunde im Duell-Modus hatte er sie sogar schwer verletzt. Wobei selbst Kou zugeben musste, dass ihre Sturheit, die verhindert hatte das sie einfach aufgab, bewundernswert gewesen war. Es schien so, als hätte sie den Mut, der ihr lange Jahre gefehlt hatte, nun mit beiden Händen aus einer unbekannten Quelle geschöpft, um es bildlich auszusprechen. Leider war ihr Können dem nicht nachgekommen, aber es hätte immer noch gereicht, um jeden Genin Konohas, und wohl auch etliche Chunin hinweg zu fegen. Das Byakugan war ein ernster Gegner, und jeder entschlossene Shinobi, der über Technik und dieses Bluterbe verfügte, war ein noch ernsterer Gegner.

Der zweite Kampf war für mich auch nicht so interessant wie der Shikamarus; eigentlich hatte ich vorgehabt, im Publikum zu sitzen und ihn anzufeuern. Aber wenn ich einigermaßen gut schätzte, dann waren diese drei Kämpfe schon lange beendet. Und wenn ich mal nicht versuchte, den Optimisten heraus zu kehren, war wahrscheinlich schon die ganze Veranstaltung beendet, standen die Sieger fest, und man beriet gerade in Konoha, welchen Genin man zum Chunin machen würde.

Ich seufzte leise. All die Mühe umsonst. Aber ich konnte nicht anders; ich wollte meine Leute, vor allem die verletzten, nicht einfach zurücklassen, nur weil ich meinem Egoismus nachgeben wollte.

Und das, wo ich bereits die vertraute Anhöhe über Konoha sehen konnte. So nahe dran, und doch zu spät.
 

Ikuko seufzte neben mir erleichtert auf. Das kam selten vor. Die sensorische Ninja war meistens noch verschlossener als Karin am Anfang ihrer Karriere als Kunoichi und stellte sich gerne nach hinten, weil sie von ihren eigenen Fähigkeiten als Kämpferin nicht überzeugt war. Ich hatte versucht das abzustellen, und ihr besondere Aufmerksamkeit zukommen zu lassen, um ihr Ego zu stärken. Dummerweise hatte sie das als Annäherungsversuch interpretiert, ebenso wie Hana und Karin.

Und noch dümmer daran war, dass ich, hätte ich das tatsächlich versucht, bei ihr offene Türen eingerannt hätte. Sie hatte anscheinend keine Probleme mit einem zwei Jahre jüngeren Mann als Partner. Noch etwas was meinen beiden Leutnants überhaupt nicht gepasst hatte.

Aber es bot mir die Gelegenheit, die beiden ein wenig zu necken, weshalb ich zu Ikuko herüber sah. "Was ist los, Ikuko-chan?"

Verlegen sah sie zu mir herüber. Aufmerksamkeit von mir machte sie immer ein wenig nervös. "Es ist nichts, Mamo-chan. Ich war nur etwas nervös, weil ich niemanden auf dem äußeren Patrouillengürtel entdecken konnte. Aber im Mittleren habe ich eine Gruppe auf Patrouillenkurs erspürt."

"Das sind dann wohl eher nicht die ANBU", klang es von hinten auf, und wir lachten. Einen ANBU, so sagte man, bemerkte man erst, wenn er vor einem stand. Daher war es nicht ungewöhnlich, dass Ikuko am äußeren Ring niemanden entdeckt hatte. Ungewöhnlicher war es da schon, dass sie sich uns gegenüber nicht zu erkennen gegeben hatten. Immerhin führten wir Gefangene mit uns.

"Merkwürdig", murmelte sie wieder. "Sie scheinen uns zu folgen..."

"Das Ganze Halt. Voraussichtlich werden wir inspiziert."

Dies rief wieder Heiterkeit hervor. Zumindest bis zu dem Moment, der mein Leben und das aller Shinobi Konohas von einem Moment zum anderen vollständig veränderte. Zuerst war es nur der Schrei eines Bussards, der die Shinobi der Stadt zu Phase drei aufrief - und jeder wusste, was das bedeutete. Dann landete etwas Großes, Schweres in mehreren Kilometern Entfernung auf dem Boden und löste eine Druckwelle aus, die sogar bei uns noch zu spüren war.

"Was zum...?", fragte Inari, unser Medi-Nin, ungläubig und starrte in die Richtung, aus der der Lärm zu uns herüber gehallt war. "Gama Oyabun... Ist Jiraiya-sama...?"

"AUSEINANDER!", brüllte ich und wirbelte herum. Die Shinobi spritzten vor mir davon und schufen mir eine Gasse. "Katon! Dai Endan!" Ich spie einen großen Feuerball aus meinem Mund, jagte ihn in den Wald, den wir gerade erst passiert hatten, mitten in die Gruppe, die uns folgte. Ninjas blieb eher wenig Zeit, um Entscheidungen zu treffen. Aber in unserem Gewerbe konnte eine halbe Sekunde des Zögerns schnell den eigenen Tod oder den eines Kameraden bedeuten. Shinobi sein bedeutete auch Risiken abschätzen und eingehen zu können. In diesem Fall nahm ich das Risiko auf mich, gerade vier Ninjas von Konoha zu rösten, und das war mir wirklich nicht leicht gefallen. Andererseits gab es da dieses spöttische Sprichwort, das besagte, es sei oftmals einfacher um Vergebung zu bitten als um Erlaubnis.
 

Ich hörte einen Schrei und sah danach einem Menschen, brennend wie eine Fackel, aus dem Gehölz stürzen. Drei weitere Schemen kamen hervor. Ihr Anführer landete links von meiner Gruppe. Mit Entsetzen sah ich auf seinem Stirnschutz das Symbol Konohas.

"Seid Ihr verrückt geworden?", herrschte er mich an. "Könnt Ihr Freund von Feind nicht mehr unterscheiden?"

"Doch, können wir", sagte Karin, Augenblicke bevor sie ihr Baika no Jutsu einsetzte, um den Fremden zu treffen. Der sprang nach hinten weg, sein Verwandlungsjutsu aussetzend. Nun stand uns ein maskierter Ninja in der Kleidung der Oto-Nin gegenüber. Auch die anderen beiden Ninjas nahmen ihre eigentliche Form an. Man musste Karins gutes Gedächtnis für Gesichter einfach lieben.

Das bedeutete nur für den Moment ein Aufatmen, denn es musste einen Grund dafür geben, dass sie bei dem Missverhältnis drei gegen acht nicht stiften gingen. Es musste ihnen klar sein, dass ein Chunin zur Gruppe gehörte. War einer von ihnen auch Chunin, vielleicht Jounin? Erwarteten sie Verstärkung?

"Mist, ich dachte, das funktioniert", murrte der Oto-Nin. "Ich wollte ihm eigentlich keine Lorbeeren überlassen."

Ich kniff die Augen zusammen und fixierte den Kerl. "Wem?"

"Mamo-chan, oh, oh...", hörte ich einen meiner Genin, Tetsuo, sagen. "Das sieht nicht gut aus."

"Was sieht nicht gut aus?" Ich fuhr herum, nur für einen Moment, um anschließend die drei überlebenden Oto-Nin wieder ins Blickfeld zu kriegen. Aber was ich gesehen hatte, gefiel mir gar nicht. "Eine Schlange. Ich hasse Schlangen. Vor allem so große Schlangen."

"Das ist noch nicht das Schlimmste. Der Kerl, der auf ihr steht, muss ein Chunin sein", sagte Tetsuo pessimistisch.

Na, das war wunderbar. Wer jetzt noch daran zweifelte, dass in Konoha etwas nicht stimmte, dem war nicht zu helfen. Eine beschworene Riesenschlange in unserem Gebiet, dazu Ninjas eines fremden Ortes auf unseren Patrouillenwegen, wir steckten garantiert bis zur Halskrause in der Scheiße. Und Otogakure war definitiv daran Schuld.

"Karin, deine Gruppe übernimmt die Gegner in Frontrichtung. Hanako, deine Gruppe unterstützt mich." "Verstanden!"
 

Tausend Gedanken schossen mir durch den Kopf. War ich in die Rückseite der Front geraten? Wie tief war die Frontlinie, wie weit waren die Oto-Nin vorgedrungen? Steckten wir bereits zu tief drin und würden von überlegenen Feindkräften ausradiert werden? Es war natürlich klar, dass wir die Stadt erreichen mussten, aber sicher nicht um jeden Preis. Ich hatte keine Ahnung von den Gegenmaßnahmen, die in Konoha ergriffen worden waren. Ich wusste dank des Bussards nur, dass überhaupt Abwehrmaßnahmen angelaufen waren. Aber der Feind war hier, wir waren hier. Es war pragmatisch, den Gegner hier erst einmal zu besiegen und dann das weitere Vorgehen zu planen.

Hanas Team war durch Akios Tod auf Ikuko und Tetsuo zusammen geschmolzen, was Karin mit Inari, Makiko und Kano einen Shinobi mehr ließ, als sie für die Abwehr der übrigen drei Gegner brauchte. Je nach ihren Stärken und Talenten. Das machte vier Shinobi gegen einen Menschen und die Riesenschlange. Und ich war der Einzige in meiner Gruppe, der Kontraktträger war. Mein Gegner schien das zu ahnen; der erste Angriff der Schlange bestand aus einem Schwall hochtoxischem Gift auf meine Position.

"Hanako, du nimmst dich des Chunin an, wenn er die Schlange verlässt. Tetsuo, Ikuko, deckt mich für mindestens drei Sekunden!" "Verstanden!"

Die Schlange schnellte näher, zumindest bis zu dem Moment, als Tetsuo mit seinem Ninjutsu einen Erdwall beschwor. Dies schien die Schlange nicht weiter zu stören. Ich war ihr erstes und gefährlichstes Ziel, und sie stieß ungeachtet der Gefahr weiter vor. Dies war der Moment für Ikuko, um zu brillieren. Sie setzte ihr Wasser-Jutsu ein, und machte aus dem Erdwall und dem Boden unter der Schlange einen mittleren See. Tetsuo vervollständigte die Sache, und der See wurde ein Schlickteich, der die Riesenschlange nach unten saugte. Das war die kombinierte Technik von Katou und Lian. Danke für diese Idee.

Wie ich voraus gesehen hatte, sprang der Oto-Nin vom Rücken der Schlange und raste auf mich zu. Er schleuderte Shuriken, um meine Konzentration zu unterbrechen, und mir blieb nichts anderes übrig, als auszuweichen. Mittlerweile hatte Tetsuo in einem wahren Kraftakt einen weiteren Erdwall beschworen, der sich über die Schlange neigte und drohte, sie lebendig zu begraben. Mit Ikukos Wasser-Jutsu wurde es ein schlackiger Tsunami, der das Tier weiter in den Sumpf drückte.

Hanako griff ein, versuchte den Oto-Nin, mit ihrem Genjutsu zu fangen. Für eine bange Sekunde verharrte der Ninja, bevor er ihren Körpertausch abschüttelte wie ein nasser Hund Wasser. Er sprang weiter auf mich zu, und ich sah in seinen Augen den Hass und die Wut auf mich aufblitzen. Doch dieser Moment Verzögerung hatte mir gereicht. "Kuchiose no Jutsu!"

Es gab den obligatorischen Knall und die Rauchwolke, der meine Hoffnung auf einen starken Affen im Ungewissen hielt. Zwar war ich das letzte Jahr über immer besser darin geworden, meine Partner gezielt zu beschwören, aber mir unterliefen unter Druck immer noch Patzer. Es wäre genau in diesem Moment sehr fatal gewesen, hätte ich Enma O beschwören wollen, und stattdessen Perine bekommen.

Der fremde Chunin stoppte ab. Hinter ihm wühlte sich die Schlange brüllend aus dem Schlamm hervor, doch Ikuko und Tetsuo attackierten sie erneut mit Erde und Wasser. Wenn es mir gelang, nahe genug heran zu kommen, konnte ich den ganzen Schlammpfuhl unter Strom setzen. Dann gab es überbackene Schlange satt für alle. Doch dafür war es zu früh.

Aus dem Nebel schälte sich die Gestalt von Ranko-sama. Okay, es hatte geklappt. Mit ihr als meiner Verstärkung würde die Schlange nicht länger ein Problem sein.

"Mamo-chan", sagte sie ernst, "sind die mit den Musiknoten die Gegner?"

Es war etwas in der Art, wie sie diese Frage gestellt hatte, etwas in ihrer Wortwahl, etwas in ihrer Körperhaltung. Es war etwas in ihrer Chakra-Ausstrahlung, eine unglaubliche Drohung, die sogar den Oto-Nin verharren ließ.

"Ja, Ranko-sensei."

"Bist du sicher?"

Ich merkte auf. "Wie?"

"Bist du sicher, dass ein kleines Dorf wie Otogakure das große Konoha allein angreift?"

Nein, natürlich war ich mir nicht sicher. Im Gegenteil, ich hatte ja noch nicht mal einen Hauch an Informationen. Ich wusste nur, dass die Oto-Nin uns attackiert hatten, und dass Konoha zum Gegenangriff aufgerufen hatte. Genau in diesem Moment würden die Ninjas meiner Heimatstadt wieder in die Offensive gehen, mit gebündelten Kräften. Und es würde sich schnell zeigen, ob es reichen würde. Das war Phase drei. Phase eins bedeutete, den Feind zu stellen und abzuwehren. Phase zwei setzte ein, wenn eins nicht gelang. Dann wurden die Zivilisten evakuiert, um uns Shinobi genügend Freiraum zu geben, um unser ganzes Können zu entfalten. Und ausgerechnet Otogakure sollte Konoha dazu gezwungen haben? "Nein, das bin ich mir nicht", sagte ich ernst.

"Dann solltest du jeden Ninja, der nicht aus Konoha kommt, vorerst als Feind betrachten." Sie wandte sich dem Chunin und der Schlange zu. "Ich übernehme diese beiden. Beschwöre Ranma und die anderen."

"Was?" Irritiert sah ich Senseis Rücken an, sah, wie sich ihre Hände zu Fäusten ballten, wie sich ihre ganze Gestalt kampfbereit anspannte. Sie war auf Blut aus.

"Ich kann nicht kämpfen und eine Beschwörung aufrecht erhalten, Mamo-chan. Das könnt Ihr Menschen." Ich sah, wie ihre Schultern unter einem kalten Schauder erbebten. "Der Sandaime hat Enma O beschworen. Er ist noch nicht wieder zurückgekehrt."

Das bedeutete, das der König der Affen im Kampf stand. Und es bedeutete auch, dass der Kampf andauerte, und die Affen keine weiterführenden Informationen hatten. Enma O Enka konnte sogar tot sein. Ich verstand nur zu gut, was in Ranko-sama vorging. "Bin schon dabei!"

Beinahe meinte ich Rankos burschikose Grinsen zu sehen, als sie mit der Rechten die linke Faust drückte, bis die Knöchel knackten. "Gut. Ich mache mich derweil etwas warm."
 

Wer noch nie einen Affen hatte kämpfen sehen, der hatte keine Ahnung von der Flexibilität, der Geschwindigkeit und der überragenden Kraft, die ein Kämpfer erreichen konnte. Gerade ein Affe mit der Erfahrung und der Stärke von Ranko-sama war ein Erlebnis. Als Sensei vor den Augen des Oto-Chunin verschwand, sah ich als Einziger, dass sie fast im gleichen Moment hinter dem Schlangenmonster wieder auftauchte. Die Schlange sah sie nicht. Ihr Pech.

"Kuchiose no Jutsu!" Erneut drückte ich meinen blutig gebissenen Daumen auf den Boden, beschwor einen weiteren Affen.

Ranma-sama stand vor mir, musterte mich einen Moment. "Otogakure also?" Er drückte den Rücken durch, was ein unheilvolles Knacken ertönen ließ. "Dein Limit sind drei Beschwörungen, habe ich Recht, Mamo-chan?"

Wenn ich noch Chakra haben wollte, um selbst zu kämpfen, ja. Ich nickte ernst.

"Gut. Doktor Tofu steht bereit. Beschwöre ihn bitte."

Ich erschrak. Die Affen nannten Ono, den ältesten Sohn des Königs, Doktor, in Anlehnung an den Sandaime Hokage, der wegen der vielen von ihm gemeisterten Künste Professor genannt wurde. Man sagte, Dr. Tofu beherrschte mittlerweile zumindest fünfhundert Ninjutsu und Genjutsu. Tofu riefen sie ihn, weil er sowohl in seiner Affen-Gestalt als auch in seiner menschlichen Verkleidung als harmloser, kraftloser Brillenträger daher kam. Meistens war es auch die letzte Fehleinschätzung im Leben seiner Gegner. Ich kannte Dr. Tofu kaum, hatte ihn nie selbst beschworen. Aber ich wusste, dass der Hinweis ein Befehl gewesen war.

"Kuchiose no Jutsu!" Selten hatte ich so viel Kraft in die Stimme gelegt, soviel Chakra konzentriert, mich selbst konzentriert. Als die Nebel der Beschwörung verflogen waren, stand er da, in seiner menschlichen Verkleidung, naiv durch die großen runden Gläser in die Welt schauend, und wie immer mit dem schlichten Trainingsanzug der Karate-Sportler bekleidet. "Hallo, Mamo-chan!", rief er fröhlich, und winkte in meine Richtung. Dann legte er eine Hand über seine Brille, um die Sonne abzuschirmen und linste in die Ferne. "Oh, da geht es aber heftig her. Ist das der Neunschwänzige, der sich mit dem Einschwänzigen balgt?"

"Der Neunschwänzige?" Erschrocken fuhr ich herum. Der Fuchsdämon mit den neun Schwänzen war so etwas wie die Nemesis von Konoha. Er hatte beinahe die ganze Stadt zerstört, und nur der Yondaime Hokage hatte ihn besiegen können, und dafür das eigene Leben gegeben.

Doch nein, noch immer sah ich in der Ferne Gama Oyabun, den Kontraktpartner Jiraiya-Senseis. Allerdings kämpfte er wirklich mit dem Einschwänzigen Biju. "Ups."

"Sieht so aus, als würden wir gerade noch rechtzeitig kommen, um etwas vom Spaß mitzukriegen", sagte Dr. Tofu mit heiterer Stimme. Aber selbst ich hörte das leise Zittern der Anspannung heraus, das in seiner Stimme mitschwang. Er wandte sich zu mir um und musterte mich lange. Mir wurde klar, dass er sich die Zeit dafür nahm, weil keine Notwendigkeit für ihn bestand, in die anderen Kämpfe einzugreifen.

Hinter mir hörte ich einen letzten, dumpfen Schmerzenslaut, bevor Ranma-sama fragte: "Seid Ihr unverletzt, Leute?"

Vor mir sah ich, was Ranko-sama mit der Schlange angestellt hatte, und das in der halben Minute, die seit der Beschwörung von Dr. Tofu vergangen war. Dazwischen steckte der Oto-Chunin, plötzlich erheblich in der Unterzahl, vor der bitteren Erkenntnis, dass Hanako mehr als ausreichte, um ihn zu stellen. Zwischen Ranko und Dr. Tofu zu stecken war wohl auch keine besonders angenehme Erfahrung, wenn man sie zu Feinden hatte.
 

"Wir brauchen Informationen", sagte Dr. Tofu nur, und Hanako nickte viel sagend, während Ranko-sama durch die blutigen Überreste der Riesenschlange auf den Ninja zustapfte.

"I-ich gebe auf", sagte er hastig, die Hände hebend.

Ranko fixierte ihn in einem Klammergriff. Ich bezweifelte, dass sie das tun würde, wenn sie ein Explosionstag oder eine andere Falle befürchtete.

Hanako ging ihn von vorne an. Ihr Lächeln hatte etwas Dämonisches. "Es ist mir eine Freude, dich in eines der Geheimnisse des Yamanaga-Clans einzuweihen, mein Freund. Und keine Angst, es tut nicht weh. Nicht sehr, jedenfalls."

Der gespenstische Schrei der Angst und der Schmerzen, den der Chunin hören ließ, als Hanako in seinen Geist eindrang, sprach jedoch eine andere Sprache.

Dr. Tofu übersah meine Truppe. Ich hatte jetzt vier Verletzte. Zu Kanou und Mikako gesellten sich nun ausgerechnet Inari, unser Medi-Nin, und Ikako, unser sensorischer Ninja. "Die zwei?", fragte er, auf unsere Gefangenen deutend.

"Nukenin", sagte ich schlicht.

Der Konoha-Nin hielt mir seine Arme hin. "Lass mich frei, Morikubo-san. Wenn Konoha angegriffen wird, will ich kämpfen. Hinterher kannst du mich gerne wieder in Gewahrsam nehmen, wenn ich dann noch lebe."

"Oh, das lässt sich sicher einrichten." Dr. Tofu grinste wölfisch. Der Mann zuckte zurück, hielt aber weiterhin die Arme oben. Ich nickte und durchtrennte seine Fesseln. "Die Verletzten bleiben hier. Ich kann euch nicht mitnehmen", bestimmte ich und deutete auf den Konoha-Nukenin. "Kaminari, du bleibst an meiner Seite. Hier, nimm das." Wortlos reichte ich ihm meine Kunai."

"Danke." Er steckte die Waffen ein. Für einen Moment schien er im Zweifel zu sein, doch dann sagten mir seine Augen, dass er sich entschlossen hatte. Die Frage war nur, wie dieser Entschluss aussah. Wir würden sehen.

"Mamo-chan!", rief Hanako aufgeregt.

Ich fuhr herum. "Hana-chan?"

"Sie haben das Chunin-Finale ausgenutzt, um Konoha zu infiltrieren! Aber es sind nicht nur die Otogakure-Shinobi! Wir werden auch von Sunagakure angegriffen!"

"Oh, das trifft sich gut", sagte der gefangene Suna-Ninja und hielt ebenfalls seine gefesselten Arme hoch. "Was dagegen, wenn ich mich am Spaß beteilige? Im Gegensatz zu diesem Trottel hier -" er deutete auf Kaminari "- habe ich genug Grund, um meinen Heimatort zu hassen!"

Dr. Tofu nickte, also durchtrennte ich auch seine Fesseln. "Waffen?", fragte er und rieb sich die schmerzenden Handgelenke.

"Es liegen genügend rum, oder?" Ich deutete auf die toten Shinobi, um die sich erst Karin, und danach Ranma-sama gekümmert hatte.

Hanako fragte: "Mamo-chan, wer ist Orochimaru?"

"Wer ist... Was? Wieso willst du das wissen?"

"Ich meine nur, weil unser neuer Freund hier daran gedacht hat, dass dieser Orochimaru Otogakure in die Schlacht führt und in diesem Moment gegen den Hokage kämpft."

"In Geschichte warst du noch nie besonders gut, oder?", fragte ich mit Zweifel in der Stimme. "Er ist der berühmteste Nukenin Konohas. Er war einmal einer der Sannin, bevor er desertierte und seine eigene Organisation aufmachte." Ich schluckte hart. "Wenn der gefährlichste Gegner, den wir kennen, S-Rang hat, so muss Orochimaru S-Rang mit zwei bis drei Pluszeichen kriegen."

Verlegen schlug sie sich eine Hand vor die Stirn. "Ach, DER Orochimaru. An den hatte ich gar nicht gedacht."

"Es wird also nicht langweilig", schloss Dr. Tofu. "Was hast du über die Aufstellung des Gegners erfahren, Hanako-tono?"

"Genug, um angreifen zu können", sagte sie entschlossen.

"Dann tun wir das. Ikaku, du übernimmst unseren Gefangenen und das Kommando. Haltet euch versteckt und vermeidet Kämpfe, so gut Ihr es könnt. Zeigt euch erst, wenn Ihr Konoha-Ninjas seht, die Ihr persönlich kennt."

Die junge Frau nickte ernst.

"Tetsuo, du bildest mit Hanako und Karin ein Team. Kaminari und der Suna-Nin gehen mit mir. Dr. Tofu, ich gehe davon aus, dass Sie und meine Sensei ein eigenes Team bilden."

"Das hast du gut erkannt. Wir werden der Wellenbrecher für euch sein, und Ihr räumt hinter uns auf."

Bei drei der mächtigsten Affenkrieger war das keine Übertreibung. Ich nickte. "Wir kümmern uns um die Kontraktträger, und um große Trupps, die noch nicht in die Stadt eingedrungen sind. Hanako, du führst."

"Verstanden!" Eine Sekunde später nutzten wir Step und machten uns auf den Weg in Konohas schwersten Kampf seit Jahren.

Feuerregen 2

Heute
 

Nach einem langen, ausgiebigen Erholungsschlaf erwachte ich in meinem Elternhaus. Die Sonne stand hoch am Himmel. Genauer gesagt würde sie bald untergehen. Jahreszeit und Sonnenstand berücksichtigend hatte ich also fast zwanzig Stunden durchgeschlafen. Aber es hatte sich gelohnt. Ich fühlte mich wach, erfrischt und aktiv.

Mit neuem Elan schwang ich mich aus dem Bett und eilte, nur mit meinen Shorts bekleidet, den Gang in Richtung Toilette entlang. Was sollte denn auch ausgerechnet in diesem Haus passieren, ging es mir noch durch den Kopf, als ich überrascht vor einem Mädchen stehen blieb, das mich mit steigendem Entsetzen musterte. Ihr hysterischer Schrei und die daran anschließende Ohrfeige waren also obligatorische Folgen für mich. Nicht, dass ich derartiges weibliches Verhalten nicht schon ausgiebig bei Hana und Karin hatte studieren können.

"Was...? Ah, du bist ja doch schon wach, Mamoru. Hinata, was ist denn?"

Während ich mir die schmerzende Wange rieb, deutete das junge Mädchen entsetzt auf mich. "N-n-n-n-n-nackt!"

Der Neuankömmling, mein alter Freund Kou Hyuuga, musterte sie entsetzt, und anschließend mich. Natürlich, die weiße Iris. Ich hätte gleich sehen müssen, dass das Mädchen eine Hyuuga war. Aber in dem Alter hatten sie eigentlich nur ein Mädchen, und das war die Erbin des Hauses. Hatte Kou sie nicht auch gerade Hinata genannt? Ich konnte förmlich spüren, wie sich die Situation zu meinen Ungunsten veränderte. Wenn jetzt auch noch meine Schwester...

"Stimmt was nicht? Oh, Mamoru, du kannst doch nicht nur in Unterwäsche im Haus herum laufen, wenn wir Gäste haben."

"Yuriko-nee, das ist ein kleines bisschen unfair."

"Siehst du, Hinata, er ist nicht nackt. Er trägt Unterwäsche", sagte Kou sanft zu dem entsetzten Mädchen. Ein scheeler Seitenblick traf mich. "Warum läufst du überhaupt so rum?"

"Weil das hier mein Zuhause ist und ich nicht mit Besuch gerechnet habe? Und wenn Ihr mich kurz entschuldigt, ich habe dringende Geschäfte vor." Mit diesen Worten ließ ich die drei stehen und ging auf Toilette.

Als ich dort fertig war, mit einem Haufen, der eines Hokages würdig gewesen wäre, spähte ich vorsichtig auf den Gang, aber Hinata war nicht mehr da. Also machte ich mich auf den Weg in mein Zimmer. Allerdings hätte ich vor Schreck beinahe die Wand zu meiner Linken eingerannt, als ich den jungen Burschen entdeckte, der neben der Tür gewartet hatte. Er hätte mich wenigstens warnen können. Oder den hochgestellten Kragen abfalten oder die Sonnenbrille abnehmen können...

"Himmel, was machst du hier?", fuhr ich den jungen Burschen an. Ein Aburame, eindeutig ein Aburame. Und mit diesen Käferbändigern hatte ich noch nie gut gekonnt.

"Warten. Darauf, dass die Toilette frei wird. Sie ist doch jetzt frei?"

Konsterniert starrte ich in das reglose Gesicht den Genin. "Ja, es ist jetzt frei. Ich würde an deiner Stelle aber noch etwas warten, wenn..."

"Danke, ich bin nicht empfindlich." Er passierte mich und trat in die Toilette.

Erleichtert atmete ich aus. Diese Aburames erschreckten mich. Ich mochte schon Spinnen nicht besonders, aber die Aburames waren mir einfach unheimlich. Dennoch, die Begegnung hatte ich überstanden. Zumindest bis der Kopf des Jungen kurz wieder in den Gang ragte. "Es wird länger dauern."

"Keine Sorge, lass dir Zeit", erwiderte ich, denn noch mehr erschrecken konnte ich mich gar nicht mehr.
 

Als ich auf mein Zimmer ging, erhaschte ich einen kurzen Blick ins Wohnzimmer, wo Hinata und Kou zusammen am Tisch knieten. Als sie mich sah, war sie für den Moment wieder entsetzt, aber dann atmete sie durch und versuchte sich an einem nichtssagenden Lächeln. Mist, Mist, Mist, der Käferjunge hatte die Tür nicht richtig hinter sich zugeschoben.

Schnell hatte ich mich angezogen. In meiner normalen Arbeitsmontur, den Stirnschutz mit dem Konoha-Symbol angelegt und in voller Bewaffnung betrat ich das Wohnzimmer.

"Nein! Nicht da!", gellte ein erschrockener Ruf auf. Genau eine Sekunde, bevor ich einem kleinen Hundewelpen auf den Schwanz trat. Das arme Tier jaulte entsetzt auf und eilte zu seinem Herrchen, der am Stirnende des Tischs neben meiner Schwester hockte. Er griff nach dem Tier und nahm es in die Arme. "Ist doch nichts passiert, Akamaru. Das kann dir doch gar nicht weh getan haben", sprach er mit barscher, aber irgendwie doch sanfter Stimme auf den Hund ein. Ein Inuzuka, ein Angehöriger des Clans der Hundespezialisten, wie mir die dreieckigen roten Tätowierungen auf seinen Wangen verrieten. Ihre Zusammengehörigkeit mit den dienstbaren Tieren war legendär, und man sagte ihnen eine innige Beziehung zu ihren Tieren nach, die über Liebe weit hinaus ging. Die Menschenfamilien und die Tierfamilien waren eins, so tief waren ihre Bande. Die Hunde dankten es mit einer Aufopferung, die mancher Mensch nicht aufzubringen vermochte. Na toll, damit hatte ich es mir mit dem Hyuuga-Mädchen, mit dem Aburame-Käferbändiger und jetzt auch noch mit dem Inuzuka-Burschen und seinem Hund verdorben. Na, dann konnte ja nichts mehr schief gehen. Ich seufzte laut auf, irgendwo gefangen zwischen Erleichterung und Niedergeschlagenheit. Fehlte nur noch, dass Hanako und Karin dazu kamen und mich dafür tadelten, was ich dem armen Hundchen angetan hatte.

"Hallo, Mamo-chan", hörte ich prompt eine Frauenstimme sagen. Erst jetzt erfasste ich die Tischseite gegenüber der beiden Hyuugas. "Kurenai-sensei. Guten Abend." Okay, das war ja noch mal gut gegangen. "Was kann ich für dich tun? Was kann ich für euch tun?", fragte ich mit einer allumfassenden Geste.

"Setz dich, Mamoru", sagte meine Schwester, füllte eine Tasse mit grünem Tee und schob sie mir zu. Am Stirnende gegenüber dem Inuzuka konnte ich mich nicht niederlassen. Der halb geleerte Becher wies darauf hin, dass der Käferjunge hier saß. Also platzierte ich mich neben Yuuhi Kurenai. Nebenbei bemerkt war das nicht das Unangenehmste, das einem Mann in Konoha passieren konnte.

Dankbar nahm ich den Tee entgegen, trank einen Schluck, und fühlte Wohlbehagen in mir aufsteigen. Und Hunger. Viel Hunger. Großen Hunger. Ärgerlich schob ich das Gefühl von mir.

"Also, Kurenai-sensei, was kann ich für dich tun?"

"Yuuhi", mahnte sie mich. Vielleicht das fünfte oder sechste Mal, seit sie mir erlaubt hatte, sie zu duzen.

"Was kann ich für dich tun, Yuuhi-sensei?"

Auch dieser Suffix fand nicht direkt ihren Gefallen. Dennoch lächelte sie kurz darauf und nickte mir zu. "Die Teams stehen fest, mit denen du in den Einsatz gehen wirst. Eines davon ist mein Team acht." Sie deutete auf den Hundebändiger. "Kiba Inuzuka." Dann auf die Hyuuga-Erbin. "Hinata Hyuuga." Und schließlich auf den Käferjungen, der gerade wieder zur Tür herein kam. "Shino Aburame."

"Ein eingespieltes Team also?" Das war eine erfreuliche Nachricht und würde mir einiges - vieles - an Mühen ersparen, die mir sonst bevorgestanden hätten.

"Ein eingespieltes bewährtes Team. Da du keine weitere Unterstützung durch Chunin und Jounin bekommst, werde ich nicht mitkommen. Ich wurde bereits einer S-Klasse-Mission zugeteilt."

Das ließ mich ehrfürchtig aufraunen. Ich hatte noch nie an einer Mission teil genommen, die von vorne herein den höchsten Schwierigkeitsgrad gelabelt worden war. Und das würde wohl auch noch eine Zeitlang so bleiben, solange niemand auf die Idee kam, mich zum Jounin zu befördern wie meinen Cousin Shikamaru.

Sie lächelte bei meiner sichtbaren Sorge. "Asuma wird mit dabei sein. Es ist... Kompliziert."

"Ich habe nichts anderes von einer S-Rank-Mission erwartet." Langsam sah ich ins Rund, während sich der Käferjunge wieder setzte. "Wer sind die anderen drei?"

"Ikuko Kenda, Inari Asa und Ryu Kaminari."

Für einen Moment musste ich scharf einatmen. Diese Namen weckten Erinnerungen, gute wie schlechte. Vor allem solche, die mit dem Angriff von Sunagakure und Otogakure auf meine Heimatstadt zu tun hatten. Und das waren Erinnerungen an jene, die gestorben waren, als sie unter meinem Kommando gestanden hatten.

Unwillig schüttelte ich den Gedanken ab. "Sie sind gute Leute."

"Sie haben nicht gezögert, als man ihnen diese Mission angeboten hat. Wusstest du, das man Kaminari die Chunin-Prüfung erlauben will?"

Das erstaunte mich jetzt doch ein wenig. Gewiss, der ehemalige Nukenin hatte sich in der Schlacht damals mehr als rehabilitiert, hatte Blut vergossen und Tod gesäht für Konoha. Aber dass die Führungsspitze ernsthaft daran dachte, ihn Verantwortung tragen zu lassen, erstaunte mich. Ansonsten war die Führung von Konoha... Erheblich eingestaubter. Das musste der frische Wind sein, den Tsunade-sama in die Stadt gebracht hatte.

"Das ist gut zu wissen. Er ist ein guter Ninja."

"Damit sind wir auch schon beim Thema, Sempai", sagte der Aburame. "Wir wurden dir nicht nur zugewiesen, um die Mission in Kirigakure zu unterstützen. Wir haben auch den Auftrag, uns bei dir ein paar Dinge über Menschenführung anzuschauen." Seine Stimme blieb seltsam neutral, als er hinzu fügte: "Wir drei werden ebenfalls am nächsten Chunin-Examen teil nehmen und diesmal bestehen." So wie er es sagte, würde er wohl eher sterben wollen als in diesem Fall Unrecht zu haben.

"Aha. Verstehe. Nun gut, ich werde euch einiges beibringen. Ob es euch nützt, müsst Ihr selbst entscheiden."

Kou lächelte schmallippig zu mir herüber. Mir war klar, warum er hier war. Als Hinatas persönlicher Trainer hatte er ein besonderes Verhältnis zu ihr und machte sich Sorgen.

Ich nickte unmerklich, um ihm zu versichern, dass ich gut auf sie aufpassen würde. Sein Nicken als Antwort erleichterte mich sehr. Gut, er vertraute mir. Ich hatte es nicht anders erwartet, aber es war schön, das Vertrauen auch zu sehen.

"Deshalb seid Ihr also hier?", fragte ich.

"Deshalb, und weil wir dich zum Essen einladen wollen, Mamoru", sagte Kurenai-sensei freundlich.

"Danke, das ist nett, aber ich habe mich bereits mit meinen beiden Chunin auf Probe verabredet."

"Mit beiden zugleich? Tolle Leistung", sagte Kiba grinsend.

"A-aber sie können doch auch mitkommen", ließ sich Hinata vernehmen.

Das war, fand ich, gar keine dumme Idee. Das konnte sehr effektiv verhindern, dass... Ja, dass ich zwischen den beiden endlich wählte. Das konnte mir helfen, diese Entscheidung bis nach der Mission hinaus zu schieben. "Eigentlich keine dumme Idee", sagte ich nachdenklich.

Der junge Inuzuka musterte mich irritiert. "Du willst ein Doppeldate sausen lassen, Sempai? Bist du sicher?"

"Halte die Klappe von Dingen, die du nicht verstehst, Kiba", tadelte Shino. "Er hat seine Gründe." Beinahe glaubte ich sehen zu können, wie sich in seinen Augenwinkeln jene Falten kräuselten, die ein Lächeln begleiteten. "Ich habe da so einiges gehört, und ich denke, wir sollten auf ein gemeinsames Essen bestehen. Diesmal zumindest."

Und mit einem Schlag war mir der Aburame-Clan sehr viel sympathischer. Shino schien der Denker im Team zu sein. Ein aufgeweckter, aufmerksamer Bursche mit Intuition.

"Interessant, Kleiner. Du bist gut, wie es scheint."

"Ich habe Augen um zu sehen, und Ohren um zu hören."

"Welche Sinne er noch hat, um noch ganz andere Sachen zu machen willst du gar nicht wissen, Sempai", sagte Kiba leicht verärgert. "Also essen wir heute Abend zusammen."

"Ich kann etwas kochen", bot meine Schwester an.

Ich winkte gönnerhaft ab. "Meine letzte Mission hat mir genügend Geld eingebracht, um euch sorglos auszuführen. Euch, dich, Yuriko-nee, dich, Kou, dich, Yuuhi-sensei, und auch noch Hanako und Karin. Und die anderen Genin." Unwillkürlich sah ich auf den weißen Hund auf Kibas Schoß. "Und selbstverständlich bist du da auch mit drin in der Rechnung, Akamaru."

Der Hund kläffte, und es klang, als wolle er meine Worte bestätigen. Junge, Junge, die Inuzuka-Hunde waren etwas sehr besonderes.

"Also gut", sagte ich und stand auf, "ich habe Hunger. Wo kriegen wir um diese Uhrzeit einen Tisch für zwölf Personen in Konoha?"

"Oh, das sollte kein Problem sein", sagte Kou und erhob sich ebenfalls. "Ich muss nur unsere Reservierung unwesentlich erweitern. Sagst du deinen anderen Leuten Bescheid, Mamo-chan?"

Zufrieden nickte ich. "Das fängt ja viel versprechend an."
 

"Habe ich wirklich versprochen, euch einzuladen?", fragte ich erschrocken, während ich am größten Tisch des besten Restaurants Konohas saß. Auf jeden Fall wusste ich jetzt, warum Kou darauf bestanden hatte, "Zivilsachen" anzuziehen, und nach Möglichkeit meine besten.

Ich hatte dementsprechend gehandelt; da mir mein letzter formeller Anzug wieder mal zu klein geworden war, hatte ich meinen guten Seidenanzug mit Stehkragen gewählt, grün mit goldenen Drachenapplikationen bestickt. Ein wirklich schönes Stück, wenn es auch nicht der hiesigen Mode entsprach. Und, wie es mir schien, für dieses Geschäft gerade mal gut genug, dass ich nicht gleich wieder raus geschmissen wurde. Zumindest, wenn ich den Blick des Oberkellners richtig interpretierte.

Nun, die arrogante Methode beherrschte ich auch, und darum hatte ich den guten Mann sehr hochnäsig an der Nase herum geführt, als es um die Getränke gegangen war. Aber er hatte den Wink verstanden, verbunden mit einem unauffälligen Trinkgeld, und jetzt hatte ich wenigstens Ruhe.

"Ja, du hast versprochen, uns alle einzuladen, Bruderherz." Yuriko-nee trug ein wirklich reizendes schulterloses Kleid, dessen Schnitt gerade erst im Feuerland modern wurde und aus dem Land des Wassers stammte. Nicht, dass sie eine Trendsetterin war, aber sie hatte ein unheimliches Gespür für ihre Umgebung, und mit diesem Kleid wirkte sie wie für dieses Lokal wie geschaffen. Nicht so leicht deplaziert wie ich.

Auch meine Mädchen hatten sich heraus geputzt. Hanako hatte sich für einen blutroten Kimono entschieden, der aufwändig mit Blumen bestickt war, und unterschwellig verriet, das er ein richtiges Vermögen gekostet hatte. Ihr goldenes Haar aber, das locker über ihre Schulter fiel, war ihr eigentlicher Schmuck. Sie brauchte nichts anderes, als ihre Haare zu öffnen, um jede juwelenbehängte Frau neben sich bedeutungslos ausschauen zu lassen.

Karin hingegen hatte sich auch für ein Kleid entschieden. Ein elegantes schwarzes Abendkleid, das so eng an ihrem Körper saß, dass nicht sehr viel der Fantasie überlassen wurde. Es schien den Standard des Restaurants mehr als zu erfüllen. Als sie kurz auf Toilette verschwand, registrierte ich mit meinen schwachen sensorischen Fähigkeiten mehr als dreißig Männer, die dem eleganten schwarzhaarigen Mädchen mit steigendem Herzschlag hinterher sahen.

Kurenai-sensei trug das, was man als violettes Cocktail-Kleid kannte. Eine Modeform aus dem Land der Blitze. Es war schlicht, es war elegant, es war Schulterfrei.

Hinata hatte sich in ein ähnliches Ensemble gequetscht, nur war ihr Kleid cremeweiß. Sie ging damit um, als wäre sie solche Orte und solche Kleidung gewohnt. Als älteste Tochter der Hyuugas und Erbin des Hauses sicher kein Widerspruch.

Ihre beiden Teamgefährten trugen schwarze Anzüge, weiße Hemden und Fliegen. Vor allem der Hundejunge fühlte sich in diesem Aufzug nicht besonders wohl. Mehr als einmal lüftete er seinen Kragen, bis Kurenai-sensei ihm versteckt auf die Finger schlug.

Kou, der natürlich neben meiner Schwester saß, war die Ruhe selbst. Auch er trug einen Kimono. Einen schlichten, nicht besonders protzigen, auch wenn er sicher nicht billiger als mein ausländischer Anzug gewesen war. Aber er trug ihn mit einer stillen Würde, einer Eleganz, an die ich nicht heran reichte. Und wahrscheinlich auch nie würde.

Die Letzten in der Runde waren alte Kampfgefährten von mir. Sie hatten die Schlacht um Konoha überlebt und dabei an meiner Seite gekämpft. In der Zeit danach hatte ich immer wieder mit ihnen zusammen gearbeitet, aber nie mit allen drei.

Ikuko Kenda, eine der besten sensorischen Ninjas, die ich kannte, hatte sich erstaunlich verwandelt. Trat sie normalerweise eher grob auf, so als würde sie von Weiblichkeit nichts wissen wollen, so war ihr heutiger Anblick für mich ein erheblicher Schock. Nicht nur, dass Ihr enges Cocktail-Kleid

eine Oberweite enthüllte, die ich so nicht einmal geahnt hatte, ihr kurz geschnittenes Haar war geschickt gegelt zu einer spannenden verwuschelten Frisur geformt worden. Zusammen mit dem dezenten Make-Up machte das sie zum Hingucker. Nicht nur wegen dem beachtlichen Busen.

Inari Asa, der Medi-Nin, fühlte sich noch unwohler als Kiba. Nicht, dass er am Mandarinkragen seines grauen Anzugs herum hantierte - der ihn übrigens davon enthob, eine Krawatte oder eine Fliege tragen zu müssen - er hatte fein säuberlich die Hände in den Schoß gelegt. Aber er schwitzte, und das schien mit jeder Minute zu zu nehmen.

Blieb noch Ryu Kaminari, der ehemalige Nukenin, der damals, in der Schlacht gegen Suna und Oto alle vergangenen Taten vergessen gemacht hatte. Gerade in der Zeit, nachdem wir viele gute Ninjas verloren hatten, waren seine Talente bitter nötig gewesen. Und er hatte nicht gezögert, sie einzusetzen. Er fühlte sich hier merklich deplatziert, aber er hatte so seine eigene Art, das zu zeigen. Er trug einen relativ schmucklosen Kimono in braun und schwarz, der so schlecht eigentlich nicht aussah, aber so wie er sich mit der Rechten im linken Ärmel am Oberarm kratzte, machte er nicht wirklich viel her. Wahrscheinlich konnte er von Glück sagen, dass die meisten Anwesenden nur Augen für die Damen am Tisch hatten.
 

Als Vorspeise wurde ein Krabbensalat gereicht. Dazu, für die Älteren, Weißwein. Für die anderen gab es Saft. Glücklicherweise gehörte ich mittlerweile zu den Älteren. Ich meine, es war doch eigentlich ein Unding. Da wurde einem Menschen erlaubt, mit zwölf Ninja zu werden und auf Leben und Tod zu kämpfen, aber leichter Alkohol wie Bier und Wein war erst ab sechzehn erlaubt, Sake und Schnaps sogar erst ab zwanzig? Irgendwie passte das doch alles nicht zusammen. Für mich, zumindest.

Während des Essens betrieben wir Smalltalk. Sinn des Abends war ja vor allem, dass alle Beteiligten an der Mission ein Gefühl für die anderen bekamen.

Als der Hauptgang kam, Fasanenfilets an neuen Kartoffeln mit Trüffel und Artischocken, plauderten wir schon recht zwanglos miteinander. Die Jungen wollten wissen, was wir schon erlebt hatten, und wir fragten Team acht nach ihren bisherigen Erfahrungen aus. Die, nebenbei bemerkt, beträchtlich waren. Und irgendwie auf die eine oder andere Art Naruto Uzumaki mit einbezogen. Nicht immer, zugegeben. Aber irgendwie schien der quirlige Blondschopf immer dort zu finden sein, wo es gerade was zu erleben gab. Ich kannte dieses Phänomen. Man nannte es in Kreisen der Familie Ärger-Magnet. Bei uns Naras war man sich uneins, wie man solche Ärger-Magneten behandeln sollte. Während mein Cousin Shikamaru dazu neigte, ihnen und der Mehrarbeit, für die sie standen, aus dem Weg zu gehen, freuten sich andere über sie, weil sie Missionen deutlich abkürzten. Alles in allem war in diesen Gedanken deutlich die Grundphilosophie der Nara zu hören: Mit wenig Aufwand viel erreichen.

Als das Dessert serviert wurde, exotische Eissorten an flambierter Creme, hatte ich mir bereits einen guten Überblick über die Leistungsfähigkeit von Kurenai-senseis Schützlingen verschafft. Wenn ich sie mit Hana, Karin und mir zu Zeiten unseres Chunin-Examens verglich, hielt ich sie für deutlich stärker. Ich hatte keine Zweifel daran, dass sie es bis in die Einzelkämpfe schaffen würden. Und dort? Nun, Hinata hatte mit ihrem Byakugan einen enormen Vorteil. Die Juuken-Kampftechnik, die daraus resultierte und Chakra-Knotenpunkte versiegeln konnte, war, wenn ernsthaft eingesetzt, durchaus auch tödlich.

Kiba war ein Wildfang, erfüllt mit unbändiger Kraft und Leidenschaft, ein Hitzkopf. Es wunderte mich nicht, dass er sich mit Naruto gut verstand. In Verbindung mit seinem Hund Akamaru und den Jutsu seines Clans war er im Nahkampf kaum zu schlagen. Nun, Naruto hatte in seinem Chunin-Examen bewiesen, was dieses fast bedeutete. Aber ich war sicher, dass Kiba dazu lernte. Jeden Tag.

Was Shino betraf, so musste ich meine Meinung über den Käferjungen revidieren. Es stimmte zwar, dass der Aburame-Clan die Insekten, die er für den Kampf einsetzte, im eigenen Körper beherbergte, und das ließ mir immer noch einen kalten Schauder über den Rücken laufen, wenn ich daran dachte. Aber die Verbindung hatte kaum etwas parasitäres, sondern war rein symbiotisch. Die Insekten lebten von Shinos Chakra, und ihm Gegenzug ließen sie sich von ihm lenken. Die Erzählungen über seine Kämpfe im Chunin-Examen, und zum Schluss gegen einen Puppenspieler aus Suna - was mich aufgrund meiner eigenen Erfahrungen besonders interessierte - zeichneten mir ein beeindruckendes Bild vom heimlichen Anführer des Teams acht. Er schien ein exzellenter Kämpfer auf große und mittlere Distanzen zu sein, scheute aber auch nicht den Nahkampf. Den überließ er jedoch meistens Hinata und Kiba. Wohlweislich die richtige Entscheidung.
 

"Was denn, was denn?", riss mich Kibas Stimme aus meinen Überlegungen. "Ist doch vollkommen in Ordnung, wenn du erzählst, auf wen du stehst, Hinata-chan. Es ist doch ohnehin kein Geheimnis, dass du einen Narren gefressen hast an diesem..."

"Haaaah!" Hinatas blasse Haut war bis an die Haarwurzeln von einem kräftigen Rot durchzogen. Sie wedelte mit beiden Händen, um den jungen Inuzuka zum Schweigen zu bringen. "D-das kannst du hier doch nicht sagen, Kiba!"

Oh, das junge Mädchen war also verliebt. Ich sah zu Kou herüber, der mit einem Seufzer beide Schultern hob. Das entzog sich seinem Einfluss, und die Geste sagte mir mehr als genug. Ich grinste, aber wenigstens hatte ich genügend Takt, Hinata nicht noch weiter in die Enge zu treiben.

Ryu Kaminari hatte nicht so viel Feingefühl. Er griente burschikos, wie es eben seine grobschlächtige, aber immer ehrliche Art war. "So, so, du hast also einen kleinen Freund, Hinata-chan. Ich hoffe, er weiß dich auch zu schätzen. Immerhin bist du ja jetzt schon eine kleine Schönheit."

Die offenen, entwaffnenden Worte schienen Hinata zugleich zu beschwichtigen, aber auch aufzuregen. Sie atmete einmal tief durch, bevor sie kleinlaut gestand: "Kein Freund. Er ist nur..."

"Oho!", machte Ryu, "du meinst, es ist eine unerwiderte Liebe? Oder kann es sogar sein, dass wir es hier mit einem absoluten Holzkopf zu tun haben, der deine Gefühle nicht erkennt?"

Unmerklich spannte ich mich an, und das nicht nur, weil Ryu die Frechheit hatte, bei diesen Worten zu mir herüber zu sehen.

Hinata indes, noch immer stark errötet, nickte schließlich. Eine Geste, die sogar Kurenai-sensei in großes Erstaunen versetzte. So ehrlich schien sie ihre Schülerin sonst nicht zu kennen. Doch sie schien sich nicht sicher zu sein, ob sie sich darüber freuen oder wundern sollte.

"Und?", fragte Ryu, um noch mehr Holz auf den brennenden Scheiterhaufen von Hinatas Peinlichkeit zu werfen, "was willst du tun, damit der Holzkopf endlich bemerkt, was du für ihn empfindest?"

Ich spürte, wie sich Hanas Hand auf meinen linken Unterarm legte. "Weißt du, Hinata, ich kenne diese Situation. Und ich glaube, ich weiß, wie du dich fühlst. Ich denke, du solltest einmal ehrlich mit ihm sein, auch wenn es dir peinlich ist. Manche Dinge gehören ausgesprochen, sonst werden sie dir ein Leben lang leid tun, glaub es mir."

"A-aber..."

"Aber was, wenn der Dummkopf keine vernünftige Antwort gibt, oder ausweicht?" Karins Hand legte sich auf meinen rechten Unterarm. "Dann sollte man ihn vielleicht zu einer Aussage zwingen. Ich meine, man kann so einem Mann doch nicht ewig hinterher laufen."

Ich spürte, wie ich zu schwitzen begann. Ryu, der die Situation endlich begriffen hatte, warf mir einen mehr als entschuldigenden Blick zu.

Kou, mit leichtem Entsetzen im Blick, erhob sich und wollte mir aus der Patsche helfen, aber ausgerechnet meine eigene Schwester fiel mir in den Rücken und zog ihn energisch wieder an seinen Platz. Als er etwas sagen wollte, legte sie ihm mit einem engelsgleichen Lächeln einen Finger auf die Lippen.

Hinata indes wurde enthusiastisch. "Also, Hanako-sempai, Karin-sempai, was denkt Ihr, was ich tun sollte?"

Die beiden Mädchen lächelten. Ich brauchte es nicht zu sehen, um es zu wissen. Sie taten es, und der Griff ihrer Hände auf meinen Oberarmen verstärkte sich.

"Wir denken, du solltest diesen Idioten endlich mal...", begann Hana.

"Ich bitte vielmals um Verzeihung. Die Rechnung, mein Herr." Der Chefkellner legte einen kleinen Teller mit einem Umschlag vor meinem Platz ab. Diese unerwartete Entwicklung brachte die beiden Frauen aus dem Konzept, und ich konnte mich befreien, in mehrerlei Hinsicht. Ich nahm die Rechnung auf. "Ich habe alle eingeladen, richtig? Redet ruhig weiter. Ich gehe derweil bezahlen."

Mit diesen Worten verließ ich den Tisch.
 

Als ich den Oberkellner erreichte, begrüßte er mich mit einem süffisanten Lächeln. "Vom Gong gerettet, Morikubo-sama?"

"Nur für diese Runde. Aber danke für Ihr Eingreifen." Ich öffnete den Umschlag, las die Summe und erschrak nur ein klein wenig. Die Summe stand eine ganze Ecke unter meiner größten Befürchtung, aber weit höher über dem, was ich erhofft hatte. Ich rundete den Betrag ordentlich auf und legte noch einen kleinen Batzen Ryou für das freundliche Eingreifen des Oberkellners obenauf.

"Es ist unserem Etablissement jederzeit eine große Freude, Sie in unserem Haus begrüßen zu dürfen, Morikubo-sama. Dürfte ich vorschlagen, dass Sie durch die Küche verschwinden? Ich könnte sagen, dass Sie zum Hokage gerufen wurden."

Verlockendes Angebot, aber erstens würden mir Karin und Hana das nie verzeihen, und zweitens war die Lüge zu offensichtlich.

"Danke, aber ich fürchte, ich werde mich diesmal stellen müssen." Ich atmete tief durch. "Dennoch, danke für die Pause. Vielleicht kann ich mich noch mal raus reden."

"An dieser Stelle möchte ich anmerken, das wir ein paar Flaschen gut gekühlten Schaumwein von hoher Qualität vorrätig haben. Zum Beispiel, um einer spontanen Verlobung den richtigen Rahmen zu liefern."

Ich schluckte trocken. "Kennen Sie das Sprichwort vom Kunai im Rücken?"

"Augenscheinlich ja. Geben Sie mir doch bitte ein Zeichen, sollten Sie meine Dienste benötigen. Das Team steht bereit, um Ihnen zur Seite zu stehen, Morikubo-sama." Seine einladende Geste deutete auf eine Handvoll Kellner, die grinsend da stand. Na Klasse.

"Das werde ich", versprach ich und deutete eine Verneigung an. Dann wandte ich mich um, meinem Schicksal entgegen. Natürlich wusste ich, dass ich mich nicht sofort verloben, oder gar verheiraten musste. Aber wenn mich die Mädchen zwangen, mich zu entscheiden, was konnte ich dann noch tun? Ich hatte keiner von ihnen je weh tun wollen; aber je länger ich zögerte, desto mehr würde ich genau das tun. Und wenn ich mich entschied, würde ich der anderen noch viel mehr weh tun. Und es war ja nicht so, als hätte ich mich nicht...
 

Ich wurde hart angerempelt. "Verzeihung, mein Herr", murmelte der Mann, der mich beinahe umgerannt hätte. Er drückte sich an mir vorbei, und für einen Sekundenbruchteil lag da dieses Grinsen auf seinen Zügen. Ein Grinsen, das mich in die Tasche meines Anzugs fassen ließ, in der ich meinen Geldbeutel aufbewahrte - aufbewahrt hatte. Ich war bestohlen worden! Und wie es schien, hatte der Dieb bemerkt, das er mich bestohlen hatte. Hastig sah er zu mir zurück, während er zum Ausgang strebte. Als er sich unwandte, erkannte ich ihn. Und ich dankte allen mir bekannten und noch unbekannten Göttern für dieses einmalige Geschenk. Denn der Mann, der so dumm gewesen war, einen Ninja, ja, einen Chunin zu bestehlen, war kein anderer als der Mann, der mir vor ein paar Tagen noch entwischt war! Deswegen hatte ich ihn nicht stellen können! Er hatte sich früh genug von der Gruppe getrennt und war mitten ins Maul des Löwen marschiert, wo er sich sicher fühlte!

"TAKKO AINO!", brüllte ich, und durch den Mann ging ein Ruck wie bei einem schweren Schlag. Entsetzt sah er mich an, dann das Geld in seiner Hand. "Morikubo-sama, das ist jetzt nicht so...", begann er, aber in diesem Moment sprang Hanako mit einem Salto über den Tisch, landete elegant fünf Meter von ihm entfernt und visierte ihn mit ihrer Körpertauschtechnik an. "Shintenshin...!"

Aino quiekte erschrocken auf und machte einen kräftigen Satz nach hinten.

"Baika no Jutsu!", klang es hinter mir auf, und einen Sekundenbruchteil später griffen Karins verlängerte Arme nach dem kleinen Ganoven. Er quiekte erneut und wich aus. Diese erstaunlichste seiner Fertigkeiten hatte ihm selbst gegen Shinobi geholfen. Dies, und seine zweite Fähigkeit, die er gerade anwendete: Davon laufen, und das schnell und ohne sich umzusehen. Sofort hetzte ich ihm nach, und noch im Laufen beschwor ich vier Schattenklone. Vor dem Restaurant teilten wir uns auf, ich selbst übernahm die direkte Verfolgung Ainos. Hinter mir kamen Hana und Karin aus dem Restaurant gestürzt, benutzten ihre Verwandlungstechnik und tauschten damit die engen, aber unvorteilhaften Abendkleider gegen ihre regulären Uniformen aus. Automatisch folgten sie meinen Klonen auf die Flanken. Ich für meinen Teil beschloss, Aino besonders nett zu behandeln, sobald ich ihn gefangen hatte. Ich war mir sicher, der Teil der Diskussion, der sich um Holzköpfe drehte, die es nicht erkannten, wenn ein Mädchen sie liebte, würde diesen Abend nicht mehr aufkommen.

***

Damals

Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Ich hatte schon größere Gefechte mitgemacht. Das blieb gar nicht aus, wenn man drei Gruppen zugleich anführte. Aber ich hatte noch nie in Schlachten dieser Größenordnung gesteckt. Hier traten nicht zwanzig oder mehr Ninjas gegeneinander an, sondern mehrere hundert. Gut, noch hatten wir die Brennpunkte nicht erreicht, und die Affenkrieger erwiesen sich als tödlicher Orkan, in dessen Windschatten wir Konoha-Ninjas relativ sicher folgen konnten. Aber das hieß nicht, dass wir uns nicht unserer Haut erwehren mussten.

Dabei war es mein besonderes Handicap, dass ich fast den größten Teil meines Chakras darauf verwendete, um Ranko-sama, ihren Bruder und Doktor Tofu stabil zu halten. War mein Chakra am Ende, war es auch die Beschwörung. Also wagte ich es nicht, auch nur ein winziges Quentchen Chakra für eine beliebige Technik einzusetzen. Und eigentlich war ich ja recht stolz auf meine Taijutsu-Künste. So kämpfte ich nur mit reinem Körpereinsatz und einem Ersatz-Kunai gegen meine Feinde.

"MAMO!"

Ich wirbelte herum, hob mein Kunai. Und blockte damit das Schwert eines Oto-Nins. Er hatte beide Hände an seiner Waffe, und drückte meine Klinge, nachdem ich seine kurz hatte stoppen können, nach und nach fort. Die Verlockung war groß, ein wenig Chakra für ein Feuer-Jutsu abzuzweigen, aber das bedeutete weniger Zeit für die drei mächtigen Affenkrieger auf dieser Seite. Und das wollte ich nicht ohne wirklich triftigen Grund riskieren. Ohnehin zehrte mich die Beschwörung nach und nach aus.

"Jetzt ist es aus mit dir, Bastard!", geiferte der Oto-Nin, und verstärkte den Druck seiner Waffe. Nur um kurz darauf die Augen ungläubig zu verdrehen, und kraftlos zur Seite zu stürzen. Hinter ihm stand Kaminari, das blutige Kunai in Händen.

"Danke für die Warnung und die Rettung", ächzte ich.

"Das brauchst du nicht. Du bist der Teamleader, und wir müssen dich beschützen."

"Rede dir das nur lang genug ein", rief der Suna-Nukenin, während er gegen einen weiteren Oto-Nin kämpfte, "und du glaubst es irgendwann noch mal. Warum bist du gleich aus Konoha desertiert?" Sein Gegner traf ihn in der Körpermitte, und der ehemalige Suna-Shinobi verzog das Gesicht vor Schmerzen. Doch dann grinste er diabolisch, und verschwand in einer großen Verpuffung. Hinter dem verblüfften Oto-Nin brach der echte Suna-Nin aus dem Boden und stieß ihm von hinten seine Klinge in den Leib. Haltlos sackte der überraschte Ninja zu Boden.

Der Nukenin zog die erbeutete Klinge aus dem Körper seines Feindes. "Dieser Idiot hat so einen Lärm gemacht, das ging mir auf die Nerven. Irgendwie ganz oben am Ultraschall. Da dachte ich mir, verzieh dich doch 'ne Zeit in den Boden, da hörst du das nicht so. Und das Ergebnis, einer weniger!" Er grinste ins Rund, so als ob er Applaus erwartete.

"Rede nicht so viel, kämpfe lieber mehr, Rondo", tadelte ich den Mann. Dieser Zwischenfall hatte uns deutlich zurückgeworfen; die Affenkrieger waren im Wald schon nicht mehr zu sehen, und von meinen Stellvertretern und Tetsuo erkannte ich gerade noch das Feuer-Jutsu des großen Shinobis, mit dem er einen beschworenen Kampf-Eber einäscherte.

"Wir müssen aufholen."

Der Suna-Nin schüttelte den Kopf. "Nein. Hier trennen sich unsere Wege."

"Rondo!", rief ich warnend.

Der Mann lächelte wölfisch. "Habe keine Sorge, Morikubo. Ich will nicht abhauen. Aber hier scheint es nur Otogakure-Ninjas zu geben. Und ich will Suna-Ninjas töten. Der da-", er deutete auf Ryu, "-scheint ja keinen wirklichen Grund zu haben, um Konoha zu hassen. Ich hingegen habe mehr als einen Grund!" Die Wut, der Hass, verzerrten seine Miene beinahe bis zur Unkenntlichkeit. Ich wusste, diesen Mann konnte ich nur zurückhalten, wenn ich ihn selbst tötete. Und für eine lange, endlose Sekunde dachte ich da wirklich drüber nach. "Geh, Rondo. Geh und töte ein paar Suna-Shinobi."

Nun wurde sein Grinsen freudig. "Danke, Morikubo. Hätte mir leid getan, dich töten zu müssen."

Mit diesen Worten benutzte der Suna-Nukenin Step, und verschwand unter Kaminaris spöttischem Gelächter. "Wer hier wohl wen getötet hätte."

Ich winkte ab. "Weiter, Kaminari. Wir stehen hier erst am Anfang."
 

Auf unserem Weg, um zu Hanakos Team und den Affen aufzuholen, sahen wir die Spuren des fürchterlichen Kampfes, der hier getobt hatte. Überall lagen tote Shinobi herum, und mehr als die Hälfte trugen den Stirnschutz Konohas. Sie hatten teilweise sehr offensichtliche schwere Verletzungen. Dann lagen sie friedlich und unberührt da, als würden sie nur schlafen. Bei manchen wurde der Eindruck jedoch erheblich gemindert, weil die friedlich schlummernden Köpfe neben den Körpern lagen. Die Wucht, mit der hier gekämpft worden war, musste enorm gewesen sein.

Für einen kurzen Augenblick bekam ich die Außenmauer Konohas zu sehen. Ich erkannte die riesige Bresche und musste schlucken. Wie groß musste die beschworene Schlange gewesen sein, die das der großen Befestigungsmauer der Stadt angetan hatte?

Ach ja, wohl in etwa so groß.

Kaminari und ich schlossen zu unseren Leuten auf, gerade als sie eine Lichtung nahe der Stadtmauer erreicht hatten. Eine Gruppe Suna-Nin beschützte hier geraden eine Gruppe Oto-Shinobi. Und die hatten gerade sehr erfolgreich eine Schlange beschworen. Dieses gigantische Vieh war noch ein klein wenig größer als das Biest, das in meinem Chunin-Examen vor mir geflohen war. Und es war für die Angriffe meiner Meister nicht sehr empfänglich.

Dr. Tofu versuchte es mit brachialer Gewalt. Das funktionierte sehr gut bei den Oto-Nin, die durch seine Kraft davon geschleudert wurden wie Herbstlaub in einem Taifun. Aber die große Schlange lachte nur darüber. Sie schien die Taijutsu-Angriffe nicht einmal richtig zu spüren.

"Das kitzelt, Affe!", rief sie höhnisch. Auch die Bemühungen der Zwillinge waren nicht von Erfolg gekrönt. Und um die Schlange zu greifen und einfach gegen die Stadtmauer zu klatschen schien sie zu schwer zu sein. Abgesehen davon erkannte ich sehr wohl die gewaltige Giftdrüse, die wohl auch neben diversen lähmenden Giften auch auflösende Säuren versprühen konnte. Hanas Team kämpfte derweil recht erfolgreich gegen die Suna-Nin. Aber auch sie waren nicht gefeit gegen einen Säure-Angriff in den Rücken.

"Zurück!", rief Dr. Tofu. Er schuf Distanz zwischen sich und der Schlange. Augenblicke später landeten Ranko und Ranma neben ihm, noch immer schwer atmend. "Die Haut ist zu dick!", sagte Ranma-sensei japsend.

"Sie ist wie ein Panzerschild", bestätigte Ranko-sama atemlos..

Dr. Tofu strich sich übers Kinn. Plötzlich schnipste er mit der rechten Hand. "Kommt man nicht durch das Tor, dann muss man eben durch die Mauer gehen. Alte Invasoren-Weisheit." Er warf mir einen Blick zu. "Mamoru-tono, ich fürchte, du bist dran."

"Was?" Ich sah meinen Sensei an, als wäre er plötzlich selbst zur Riesenschlange mutiert. Dann ging mein Blick die Schlange hoch, die sich derweil einen Spaß draus machte, mit lähmenden Gift sowohl die Konoha-Shinobi als auch die Suna-Nin zu jagen. "Nein, Dr. Tofu. Oh nein, das halte ich für eine ganz, ganz dumme Idee."

"Ach komm, Morikubo-tono. Ich habe gehört, das hat schon mal jemand überlebt, und das war gegen den Neunschwänzigen." Er lächelte gewinnend. "Komm schon. Oder soll ich Karin-chan fragen?"

Gequält ging mein Blick zur jungen Akimichi. Nein, ausgerechnet dieser Gefahr wollte ich sie nicht aussetzen. "Aber wenn Ranko-sama und Ranma-sama die Verwandlung ausführen..."

"Ich sehe leider keine Alternative", entgegnete der Prinz der Affen.

"Also gut. Ich bin bereit." Alles, nur nicht Karin als Schlangenfutter, sagte ich mir.

Ranko-sensei betrachtete mich mit einem undefinierbaren Blick. Ihr Bruder hingegen grinste mich fröhlich an. "Behandle uns gut, ja, Mamo-chan?"
 

Zugleich, in bester Synchronität, führten sie die Fingerzeichen für eine Verwandlung aus. Die Affenkrieger verschwanden, und an ihrer Stelle erschienen zwei Schwerter. Beidseitig geschliffen, mit gerader Klinge und geradem Griff, Ranko-sama mit einer silbernen Quaste am oberen Ende, Ranma-sensei mit einem schwarzen Quast. Ich ergriff beide Schwerter. Diese Fähigkeit der Affen hatte mich schon immer etwas irritiert. Aber meine Sensei hatten immer darauf bestanden, dass ich mit den verwandelten Affenkriegern übte, damit ich, so der Fall eines Tages eintrat, in dem ich sie einsetzen musste, die Richtigen verletzte. In diesem Fall die riesige Schlange im Dienste Otogakures.

Kurz schwang ich sie herum. Ja, ich hatte das Gefühl für die schmalen, sensiblen und hoch flexiblen Klingen nicht verloren. Probeweise schwang ich Ranma in Richtung der Schlange. Dies entfesselten einen Schwall hoch verdichteter Luft auf das Untier.

Überrascht raunte die Schlange auf. "Das habe ich gespürt!"

"Ja, nicht wahr? Und ich habe zwei Schwerter!"

Die Schlange ließ von meinen Kameraden ab und stieß in meine Richtung vor. "Du frecher kleiner Shinobi! Ich fresse dich mit Haut und Haaren!" Sie spie ätzende Säure nach mir aus, der ich auswich. Die Schlange erahnte meine Ausweichreaktion, stieß auf mich herab. Ich hatte etwa eine Sekunde, um auszuweichen, als das gigantische Schlangenmaul auf mich hernieder fuhr. Stattdessen nutzte ich die Gelegenheit, um noch ein letztes Mal durch zu atmen. Dann schloss sich das Maul um mich, die Schlangenzunge drückte mich gegen den Gaumen, und bevor ich mich versah, rutschte ich den Schlund hinab. "BWAHAHAHAHA! Was nützen dir deine verdammten Schwerter, wenn du sie nicht einsetzen kannst, du Narr?"

Ich hörte, gedämpft durch mehrere hundert Kilo Schlange, wie Hanako und Karin erschrocken aufschrien. Ich erkannte auch dumpf die Stimmen von Kaminari und Tetsuo, während ich durch das Dämmerlicht in der Kehle der Schlange immer tiefer rutschte. Oh, ich glaube, etwa in dem Moment machte sich die gepanzerte Schlange so ihre ersten Gedanken. Zum Beispiel, warum ich nicht wenigstens versucht hatte, zur Seite zu springen. Warum ich mich nicht wehrte, obwohl ich doch wissen musste, dass ich den Magen der Riesenschlange kaum überleben würde. Und ob ich nicht etwas plante.

Im Zwielicht lächelte ich vergnügt. Von außen war die Schlange gepanzert, das war richtig. Aber nicht von innen. Dies im Sinn stieß ich Ranko und Ranma mit voller Kraft rechts und links von mir in den Schlund. Dies stoppte meine Abwärtsbewegung. Die Schlange schluckte erschrocken. "W-was tust du? Was tust du Wurm da in mir?"

Ich zerrte an Ranma, riss ihn gerade herunter, mitten durch den Knorpel der Speiseröhre. Die Bewegung war schnell genug, um eine schwache Welle schneidend scharfer Luft auszusenden, die durch den Schlangenkörper tobte. Während die Schlange durch den Schmerz erbebte, stieß ich Ranma wieder in den Schlangenrachen, um Halt zu haben, während ich Ranko einsetzte.

Ich zerrte die Klinge mit dem Silberquast frei und richtete sie in die Tiefe vor mir, wo der Magen des Reptils war. Bedächtig zog ich den Arm mit der Waffe zurück. Dann stieß ich ihn vor, und Ranko stieß eine Welle ultraheißer Flammen aus, die sich durch das Fleisch des Untiers fraß.

Die Schlange bebte, wand sich, stürzte hinab und bäumte sich auf. Damit hatte sie nicht gerechnet. Wer war denn auch so blöde, sich fressen zu lassen? Oder so frech?

Erneut stieß ich Ranko ins Fleisch. Es wurde Zeit, um an meinen Abgang zu denken. Ich richtete Ranma nach oben aus, nachdem ich mit Ranko wieder Halt hatte. Erneut setzte ich die Windklingen der Waffe ein und verwüstete den Rachen der Bestie.

Nun setzte das ein, was ich erwartet hatte. Die Schlange wand sich noch mehr, ging voolends zu Boden und blieb dort. Dadurch war aus der senkrecht hinab führenden Speiseröhre ein waagerechter Schacht geworden, den ich bequem verlassen konnte.

"Bringen wir es zu Ende", murmelte ich, zerrte Ranko frei und hob Ranma. Ein geballter Schlag mit Fuuton und Katon würde der Schlange den garaus machen.

`Lauf, du Narr!´, standen Ranko-samas Gedanken plötzlich in meinem Geist. Ich zögerte keine Sekunde, nahm die Beine in die Hand und stürmte den Rachen hoch, auf das Maul zu, nutzte eines der Nüsternlöcher als Notausstieg. Sekundenbruchteile, bevor die Schlange von sich aus die Beschwörung löste, schnellte ich hervor und landete in sicherer Entfernung. Ich hatte definitiv keine Lust gehabt, aus erster Hand kennen zu lernen, wie man am Schrein der Schlange lebte. Oder wie lange, wenn man als Feind kam.
 

Ich schlug auf dem Boden auf, rollte mich ab und wirbelte herum. Aber an dieser Front war bereits alles vorbei. Wir hatten gesiegt, wenngleich Tetsuo eine schwere Schwertwunde abbekommen hatte, die seinen Oberkörper getroffen hatte. Aber trotz seiner Schmerzen schaffte er es zu grinsen. "Junge, Junge, eigentlich hätten wir uns ja denken können, dass sich Mamo-chan nicht einfach so fressen lässt. Ein Angriff mehr, und du hättest das Vieh getötet. Schade."

"Ja, schade", echote ich. Andererseits war ich froh, aus den stinkenden Eingeweiden entkommen zu sein. Das war wahrlich kein Erlebnis, das ich des Öfteren machen würde.

Dr. Tofu klopfte mir anerkennend auf die Schulter. "Das war gute Arbeit, Mamoru-tono. Und soweit ich es überblicken kann, haben wir nicht nur den Beschwörungspunkt vernichtet, sondern auch die größte Schlange vertrieben, die sie beschworen haben." Er musterte die beiden Schwerter. "Du musst sie zurück schicken, oder wir müssen alle drei gehen", sagte er in bedauerndem Tonfall.

Ich nickte. Die Angriffe mit Fuuton und Katon hatten vor allem von meinem Chakra gezehrt.

Die beiden Schwerter verwandelten sich zurück. Ranko-sama sah böse ins Rund. "Das gefällt mir nicht, Ono! Das gefällt mir ganz und gar nicht! Der Junge ist schon völlig ausgelaugt, und die Situation ist noch immer nicht unter Kontrolle! Wir sollten..."

"Und was willst du tun? Ob er sich selbst beschützt, oder ob du es tust, beinhaltet nur einen Unterschied. Ersteres kostet ihn nicht so viel Chakra", tadelte Dr. Tofu.

Ranma legte eine Hand auf die Schulter seiner Zwillingsschwester. "Sieh es ein, Mädchen, Ono hat Recht. Wenn du willst, dass Mamo-chan sich mit seinem Rest Chakra verteidigen kann, sollten wir langsam gehen."

Sie schnaubte mürrisch, geradezu wütend. "Mamoru!", sagte sie scharf.

Ich zuckte zusammen. "Ja, Sensei!"

Sie reichte mir einen Gegenstand. Die kleine Kugel war pechschwarz. "Dies ist eine unserer Soldatenpillen. Du nimmst sie, wenn du in der Klemme steckst, und dieser Klugscheißer hier nicht mit der Situation fertig wird. Du erhältst dein volles Chakra zurück und kannst Ranma und mich erneut beschwören. Außerdem brauchst du einen Monat nichts mehr zu essen. Und keine Sorge wegen der Seiteneffekte. Die zwei Wochen, die du dich dann erholen musst, werde ich dich pflegen, versprochen."

Mit gemischten Gefühlen nahm ich die Soldatenpille an mich. Es war mir nicht bekannt, ob schon jemals ein Mensch zuvor eine Soldatenpille der Affen erhalten hatte. Ich verkniff es mir, nach der Geschmacksrichtung zu fragen. Früchte, zweifellos.

Ihre Hand ruhte für einen Moment schwer auf meiner Schulter. Ihr Lächeln war wehmütig, aber auch voll Stolz. Sie trat zurück und löste das Jutsu von sich aus auf. Es entstand die typische Rauchwolke, dann war sie verschwunden.

Ranma-sama klopfte mir noch einmal kräftig auf die Schulter, grinste mir aufmunternd zu, und löste das Jutsu nun ebenfalls auf.
 

Wir blieben zurück, Dr. Tofu, Karin, Hanako, der verletzte Tetsuo und der Nukenin. Und wir hatten noch immer keinen Kontakt mit den Verteidigern Konohas machen können.

"Geht es, Tetsuo?"

Der große Mann atmete schwer aus. "Nein, ich denke nicht. Hör mal, ich suche mir hier eine schöne Ecke, um mich in ein Erdversteck zurück zu ziehen. Vergiss nur nicht, mich nach der Schlacht abzuholen."

Ich zögerte einen Moment. "Wie schwer bist du eigentlich verletzt?"

Er lachte. "So schwer nun auch wieder nicht. Ich heile mich bereits selbst. Die Windklinge meines Gegners hat meine rechte Lunge getroffen und ein paar Rippen durchgetrennt. Nichts, was ich nicht mit etwas Ruhe hinkriege. Du kennst das ja."

In der Tat. Ich hatte schon mehrfach gesehen, wie er sich von solchen Verletzungen selbst geheilt hatte. Warum sollte es diesmal anders sein?

Ich zückte mein Kunai und zerteilte die Soldatenpille in fünf Portionen. "Nehmt. Jeder kriegt ein Stück. Für den absoluten Notfall." Zögernd griffen sie zu, und Tetsuo wollte erst ablehnen. "Ihr braucht sie nötiger als ich."

"Du bist hier der Verletzte, der vielleicht zusätzliches Chakra für seine Heilung braucht", tadelte ich.

Er nickte schließlich, ergriff sein Fünftel und verstaute es. "Es tut mir leid, dass ich nicht weiter mitkommen kann."

"Du hast bereits viel getan", versicherte ich. "Such dir eine schöne Ecke und bring in der Nähe ein Zeichen für uns an. Nicht, dass du den Winter durchschläfst, du alter Brummbär."

Er lachte auf, aber bereute es sofort wieder. "Bitte, lachen tut weh, Mamoru", tadelte er.

Das entlockte mir ein Schmunzeln. Und es beruhigte mich. Es stand wohl gerade schlimm genug um ihn, aber nicht zu schlimm. "Halt den Kopf unten." Ich klopfte ihm auf die Schulter und wandte mich ab. Wenn wir diesem Weg folgten, würden wir jene Stelle der Mauer erreichen, an dem sie in den Berg überging, der Konoha nach Norden begrenzte. Dort hofften wir auf Konoha-Nin zu treffen. Hinter mir hörte ich, wie sich die anderen von Tetsuo verabschiedeten. Schließlich folgten sie mir nach.

"Es war die richtige Entscheidung, Mamoru-tono", sagte Dr. Tofu, als er auf meine Höhe aufgeschlossen hatte.

***

Feuerregen 3

Heute
 

Ich stand früh auf. Zumindest früh für jemanden, der noch in der vorigen Nacht zwanzig Stunden den traumlosen Schlaf des Erschöpften geschlafen hatte. Also etwa gegen elf Uhr.

"Oh. Na endlich sehe ich dich einmal", tadelte mich Mutter, als ich eintrat. "Frühstück?"

"Ich mache mir schon was."

"Nichts da", sagte sie tadelnd und schob mich von den Schränken weg. "Wenn du schon mal nicht auf einer Mission bist, dann lass mich dich auch verwöhnen. Außerdem brichst du ja nach dem Mittag schon wieder auf, oder?" Da war kurz dieses Flackern in ihren Augen, die leichte Besorgnis um mich. Eine Mutter konnte eben nicht aus ihrer Haut, selbst wenn sie selbst einmal Shinobi gewesen war. Gerade weil sie einmal zu den Kunoichi Konohas gezählt hatte.

Ich setzte mich und bekam als erstes einen starken Kaffee vorgesetzt. Erfahrungsgemäß hatte die schwarze Flüssigkeit eine stärkere aufputschende Wirkung auf mich als Schwarztee, deshalb war er, wann immer es ging, das erste Getränk des Tages für mich. Zusätzlich nahm ich mir eine Flasche Wasser und schenkte mir ein Glas ein.

"Was hättest du denn gerne? Ein Wasser-Frühstück mit Toast und Aufschnitt, oder ein Blitz-Frühstück mit Eiern und Speck? Oder ein ganz traditionelles Feuer-Frühstück mit Miso-Suppe, Fisch und Reis?"

Ich brauchte nicht lange zu überlegen. "Blitz, bitte. Und wenn es geht, mit Toast, bitte."

"Das hätte ich mir denken können. Seit deiner Chunin-Prüfung liebst du diesen überfetteten Kram", murrte sie, schob zwei Toastscheiben in den Toaster und legte Frühstücksspeck in die vorgewärmte Pfanne. Sieh an, Mutter hatte meinen Menüwunsch vorausgesehen. War ehrlich gesagt auch nicht

schwer, denn Kumogakure hatte meinen Frühstücksgeschmack nachhaltig beeindruckt.
 

Vater räusperte sich, und ich erschrak. Ich hatte ihn bisher nicht registriert. Das konnte an der großen Zeitung liegen, hinter der er sich verschanzte.

"Was bist du nur für ein sensorischer Ninja", tadelte er hinter seiner Zeitungsbarriere. "Bemerkst den eigenen Vater nicht."

"Ein schlechter sensorischer Ninja", verteidigte ich mich. "Ein schlechter, erschöpfter sensorischer Ninja."

"Dann hättest du die Mission der Hokage nicht annehmen sollen", schnappte Mutter sofort.

"Schatz, wir haben darüber gesprochen. Bitte lass unseren kleinen Haudrauf auf die harte Tour lernen, wie es in der Welt zugeht. Gerade du solltest das nachvollziehen können."

"Sagt ausgerechnet der Mann, der meine Shinobi-Karriere damit beendet hat, dass er mir meine Älteste in die Röhre geschoben hat."

Irritiert hob ich beide Augenbrauen. "Leute, ist das für meine Ohren bestimmt?"

"Nun hab dich nicht so. Du bist sechzehn Jahre alt. In der antiken Kultur vor dem Reich des Feuers wärst du schon mit zwölf ein vollwertiges Mitglied der Gesellschaft gewesen und hättest als Erwachsener gegolten", sagte sie und schaufelte mein Frühstück auf einen Teller. Ein Teller, der die Masse an Speck und Spiegeleiern gerade so aufnehmen konnte. Sehr gut, endlich mal etwas anderes als Soldatenpillen.

"Und wie unterscheidet sich das von meinem Leben als Shinobi?", fragte ich argwöhnisch.

"Oh", meinte Vater und grinste mich über den Rand meiner Zeitung an, "du hättest dich wahrscheinlich schon mit zwölf mit Sake besaufen dürfen."

"Was für eine schauerliche Vorstellung. Mit zwölf hätte mir das Zeug sicher nicht geschmeckt."

"Es geht ja auch nur um das Recht dazu. Heutzutage wird dir ja nur erlaubt, mit zwölf schon auf Leben und Tod zu kämpfen." Vater legte den Kopf ein wenig schräg. "Und du hättest mit zwölf schon heiraten können. Oder müssen." Wieder grinste er, diesmal von einem Ohr bis zum anderen. "Dein Spielchen mit Hana-chan und Karin-chan hättest du damals nicht so lange durchziehen können. Aber damals hättest du sicherlich auch Polygamie betreiben dürfen. Oder, Mutter?"

"Ich bin mir da nicht ganz sicher, aber den Stammesführern und den älteren, erfahrenen Kriegern wurde bestimmt eine jüngere Zweitfrau erlaubt. Je nach Leistung."

Vater lachte kurz auf. "Ich bezweifle, das eine der beiden ein paar Jahrzehnte warten will."

"Leute", sagte ich wieder, "ist das für meine Ohren bestimmt?"

Der Toast landete auf meinem Teller, und stak mit einer Ecke im Speck. Nun, Mutters Shinobi-Fähigkeiten waren nicht eingerostet. "Das ist durchaus für deine Ohren bestimmt, Mamoru. Ich finde es nämlich äußerst peinlich, dass du die armen lieben Mädchen so an der langen Leine zappeln lässt. Wie lange willst du sie noch quälen?" Sie seufzte zum Steine erweichen. "Die arme Karin, sie ist so ein liebes, fürsorgliches Mädchen. Und sie hat es so schwer in ihrem Clan, weil alle denken, sie ist so unterernährt. Furchtbar. Nur wenn sie mit dir zusammen ist, lebt sie richtig auf. Und sie würde so wunderbar in unsere Familie passen. Sie kocht so gut, ist so aufmerksam, und so intelligent - und immer noch bescheiden. Was würde ich nicht geben für eine Schwiegertochter wie sie."

Nun legte Vater die Zeitung beiseite. "Und was ist mit der armen Hanako? Sie ist so lebenslustig, so fröhlich, und so ein schlaues, schlagfertiges Mädchen. Sie ist ein fixer Denker, sympathisch, aufgeschlossen und so verdammt geschickt mit Nadel und Faden. Und hilfsbereit. Ich weiß noch, wie auf der Nara-Feier letzten Monat mein Anzug an der Tür hängen blieb und aufriss. Sofort kam Hana-chan mir zu Hilfe und hat den Schaden in ein paar Sekunden geflickt gehabt. Und man sieht die Stelle nicht einmal. Ihre fröhliche, heitere Art tut unserem Mamoru wirklich gut, und die beiden lachen soviel, wenn sie zusammen sind."

So, damit waren die Fronten geklärt. Vater war ein Yamanaka-Anhänger, und Mutter hatte es mehr mit den Akichimis. Was bedeutete, das ich selbst Zuhause zwischen den Stühlen saß.

"Vielleicht mache ich besser der Hokage einen Antrag", scherzte ich.

Fehler, großer Fehler, denn nun verbündeten sich die beiden gegen mich. "Mamoru Morikubo, wenn du hier mit einem anderen Mädchen als Karin oder Hanako auftauchst...", drohte Mutter.

"Mamoru, du Dummkopf. Wenn du zu blind bist, zu sehen, was du diesen beiden Mädchen bedeutest, dann sollte ich..."

Abwehrend hob ich die Hände. "Ist ja gut, ist ja gut. Aber wollt Ihr wirklich mit mir streiten? Ich breche in wenigen Stunden wieder auf. Mit Hana-chan und Karin-chan."

Das beschwichtigte die Wogen für einen Moment. Vater nahm die Zeitung wieder auf, und Mutter begann das Frühstücksgeschirr abzuwaschen. "Der Junge ist alt genug, um seine eigenen Fehler zu machen. Und ich hoffe, er ist auch schlau genug, bestimmte Fehler nicht zu machen", sagte Vater bestimmt. "Kriege ich noch einen Tee?"

"Aber natürlich, Schatz. Lass dich nur bedienen an deinem freien Tag", säuselte Mutter in genau jenem Tonfall, der mir, wenn sie ihn mir gegenüber anschlug, die Nackenhaare aufstellte.

Vater hingegen sah interessiert dabei zu, wie sie seine Tasse neu befüllte. "Danke. Das hast du mit der Eleganz einer Yamanaka gemacht."

"Eigentlich mehr mit der Effizienz einer Akimichi", erwiderte sie.

"Ihr macht mich fertig", murmelte ich mehr zu mir selbst und flüchtete mich zu meinem Frühstück. Wenn ich kaute, musste ich mich wenigstens nicht rechtfertigen.
 

"Ach, bevor ich es vergesse: Shikaku will dich sehen, bevor du Senseis Grab besuchst."

Ich erstarrte, und ein großer Bissen Toast mit Ei fiel wieder auf meinen Teller. Ich wusste nicht, was mich mehr erstaunte: dass Onkel Shikaku, der Clan-Chef, mich sehen wollte, oder dass er davon wusste, dass ich vor meinem Termin bei der Godaime Hokage noch das Grab von Hayate-sensei aufsuchen wollte. Wurde ich berechenbar? Und was wollte Shikaku von mir?

Langsam begann ich weiter zu essen. "Gibt es noch etwas von Bedeutung?"

"Naruto war hier, vor zwei Wochen. Kurz nachdem du los gezogen bist", sagte Mutter.

Misstrauisch hob ich eine Augenbraue. "Ich hoffe, du warst nett zu ihm."

"Jajaja, keine Sorge. Ich war so nett zu ihm wie man sein kann, wenn man dem Träger des Kyuubi gegenüber steht."

"Was?"

"Mutter, bitte!"

"Na, irgendwann hätte er es ohnehin erfahren. Und wenn er sich weiter mit dem kleinen Hitzkopf abgeben will, ist es nur gerecht, wenn er die Wahrheit kennt."

Eine Zeitlang aß ich schweigend weiter, beobachtet von Vater. "Was hat er denn gesagt?"

"Das mit dem neunschwänzigen Fuchsdämon scheint dich nicht zu überraschen", sagte Vater erstaunt.

"Wie Mutter sagte, irgendwann hätte ich es ohnehin erfahren. Genauer gesagt weiß ich es schon seit über einem Jahr. Asuma hat es mir gesagt. Aus den gleichen Gründen wie Mutter." Ich zuckte die Achseln. "Ich habe da kein Problem mit. Ich mag den Kleinen."

"Magst du ihn auch noch, wenn der Kyuubi ausbricht, Konoha zerstört und dich tötet?", fragte Mutter übertrieben fröhlich.

"Dafür kann ja wohl Naruto nichts", hielt ich entgegen. "Außer, Konoha behandelt ihn weiterhin so schlimm, und er wird eines Tages vom Zorn übermannt. Anstatt das zu verhindern scheinen sich die Erwachsenen in Konoha vorgenommen zu haben, genau das passieren zu lassen." Meine Stimme war kühl geworden, beinahe ein wenig überheblich.

"Gemach, gemach, mächtiger Chunin Mamoru Morikubo", sagte Vater schmunzelnd. "Du bist nicht in Feindesland. In diesem Haus und im Nara-Clan herrscht die Meinung vor, dass der Junge für sein Schicksal nichts kann. Rate mal, warum Shikamaru schon als Kind erlaubt wurde, Umgang mit ihm zu haben."

Okay, das war ein wichtiger Punkt. Und das beruhigte mich.

"Und wenn du es wissen willst, Mutter hat den kleinen Uzumaki gefüttert, bis er fast geplatzt ist. Du siehst also, sie mag ihn auch, Kyuubi hin, Kyuubi her."

Sie räusperte sich verlegen. "Normalerweise mag ich ja keine blonden Haare, aber dieser Naruto ist schon ein freundlicher, strebsamer und aktiver Junge."

Nun musste ich lächeln. Und ich verstand, wessen Kind ich war. Auch wenn mein Vater nie ein Shinobi gewesen war, und meine Mutter dieses Leben hinter sich gelassen hatte, sie waren sehr feine Menschen. "Was hat er also gesagt?"

"Er wollte sich von dir verabschieden", sagte Mutter. "Er geht mit Jiraiya-sama auf eine Trainingsreise und wird für zwei bis drei Jahre unterwegs sein."

"Oh." Das tat mir leid, beinahe schon weh. "Moment mal, Jiraiya-sama?" Ich schwieg erschüttert. Der große weißhaarige Jounin galt als besonders. Einerseits für seine Künste als Shinobi, die ihn zu Lebzeiten zur Legende gemacht hatten, andererseits für seine Arbeit als Buchautor. Seine Recherche führte ihn oft mehrere Jahre von Konoha fort. Und nun hatte er Naruto für eine sehr lange Zeit mitgenommen.

Ja, es tat mir wirklich leid, nicht noch einmal mit ihm gesprochen zu haben. Oder gemeinsam mit ihm eine Schüssel Nudelsuppe zu essen. Aber mit Jiraiya-sama... Was würde er alles beim legendären Sannin lernen? Ich erschauderte, als mir die Tragweite dieser Worte bewusst wurde. Was für einen Naruto würden wir in zwei oder drei Jahren erleben? Ich war mir damals schon sicher, diese Wartezeit würde sich lohnen.

Gut gelaunt aß ich auf, leerte Kaffee und Wasser und erhob mich. "Danke. Hat gut geschmeckt. Ich komme vor meinem Aufbruch noch mal rein. Wo steckt Onkel Shikaku, Papa?"

"Wenn er nicht Zuhause ist, sollst du auf den militärischen Friedhof kommen, hat er gesagt."

Das passte mir eigentlich gar nicht. Der Friedhof war ein Ort, den ich mit niemandem teilen wollte, wenn ich dort war.

"Gut, ich schaue nach."

***

Ich hatte Glück, und fand den Führer der Nara hinter seinem Haus auf der Veranda. Er spielte Shogi mit meinem Cousin Shikamaru.

Als er mich sah, winkte er mich gleich heran. "Mamoru. Willst du was trinken?"

Ich machte eine abwehrende Handbewegung und setzte mich neben Shikamaru. Der junge Chunin hatte jene Pose eingenommen, von der er behauptete, sie helfe ihm beim Denken. Augen gesenkt, fast geschlossen, und die Fingerspitzen beider Hände aufeinandergelegt im Schoß ruhend.

Plötzlich sah er auf, seine rechte Hand schoss vor, und er machte seinen Zug.

Ich betrachtete die Steine. Shogi war nicht mein Spiel, ich bevorzugte Go oder Schach. Aber selbst ich Laie sah, dass der Sohn den Vater in eine aussichtslose Lage gedrängt hatte. Mit bedächtigen Bewegungen nahm Shikamaru einen gefangenen Stein vom Brett. "Hallo, Mamo-chan", sagte er zu mir, ganz so als würde er mich gerade erst bemerken. Ich nickte ihm zu und betrachtete das Brett, dessen Geheimnisse sich mir nur schwer enthüllten.

"Ach, hast du jetzt doch Interesse an Shogi?", fragte er spöttelnd.

"Wenn ich das hätte, würde ich kaum hier sitzen. Dann wäre ich weit, weit weg und würde mich nicht mit Niederlagen gegen euch zwei demoralisieren lassen."

Onkel Shikaku lachte auf. "Ein wahres Wort. Mamoru, was würdest du hier an meiner Stelle tun?"

"Aufgeben?", bot ich an. "Wenn eine Lage aussichtslos ist, gesteht man seine Niederlage ein, zieht sich zurück und ordnet die eigenen Reihen, für das nächste Mal."

"Da hast du es, mein Sohn. Ich gebe auf." Er erhob sich geschmeidig. "Bau bitte neu auf. Ich will mit Mamoru kurz eine Runde drehen."

Ich erhob mich ebenfalls. Gemeinsam stiegen wir von der Veranda und ließen sein Haus hinter uns. Unser Weg führte uns aus dem Nara-Bezirk hinaus. Die grobe Richtung war der Friedhof, wie ich missfallend feststellte. Doch Onkel Shikaku blieb auf halber Strecke stehen und lud mich jetzt doch zu einem Tee in einem Straßencafé ein.
 

Während wir also auf einer Bank vor dem Laden saßen, den Tee tranken und dem Treiben zusahen, schien sich der Führer der Nara ein Herz zu fassen. "Mamoru, du bist jetzt ein Chunin. Und das schon seit fast zwei Jahren. Du machst einen exzellenten Job als Ausbilder, und das sehe nicht nur ich so. Deshalb erscheinst du mir der Richtige zu sein, den ich um seine Meinung fragen kann."

"Ich höre."

"Was würdest du von einer Beförderung zum Jounin halten?"

"Worüber reden wir hier? Vom Vorgang der Beförderung zum Jounin, oder von meiner Beförderung zum Jounin?"

Shikaku ließ eines seiner seltenen Lächeln sehen. "Ersterem."

Gut, das erleichterte mich. "Jounin, tja. Spezialisierte Jounin gibt es zuhauf. Allgemeine Jounin wie dich, Asuma oder Kurenai-sensei gibt es nur wenige. Von welchem reden wir?"

"Erst einmal vom spezialisierten Jounin."

Spezialisierte Jounin waren eine Unterstufe des eigentlichen Jounin. Erwartete man von einem richtigen Jounin, dass er die Pflichten und Aufgaben seines Amtes für alle Aspekte des Ninja-Lebens wahrnahm, so hatte ein spezialisierter Jounin den Rang nur für seinen eng umrissenen Aufgabenbereich inne und nahm ansonsten Rechte und Pflichten eines Chunin wahr. Ein geflügeltes Wort in Konoha lautete: Wir können nicht alle Jounin sein. Und ich war da ganz froh drüber. Wenn ich daran denke, vielleicht mal Verantwortung für eine ganze Division übernehmen zu müssen, einhundert oder mehr Ninja, die auf meinen Befehl hörten, bekam ich das kalte Grausen.

"Ein gut ausgebildeter, erfahrener Chunin, der sich in einem bestimmten Bereich hervor getan hat, sollte in der Lage sein, in diesem Bereich die Arbeit eines Jounin zu verrichten. Wenn ich mich recht entsinne, hat auch Inoichi Yamanaka als Verhör-Jounin angefangen, bevor er durch seine weit reichenden Befähigungen ein Voll-Jounin wurde."

"Wir haben so ziemlich alle als spezialisierte Jounin angefangen. Es gab Ausnahmen." Er strich sich über den Kinnbart. "Würdest du dich übergangen fühlen, wenn ein Jüngerer an dir vorbei Jounin werden würde?"

"Himmel, warum sollte ich das sein? Ich habe kein Interesse daran, Spezialisierter Jounin zu werden, geschweige denn ein richtiger."

"Weil du die Verantwortung ablehnst?", fragte er spöttisch.

"Weil ich der Meinung bin, dass ich mich noch nicht weit genug hervor getan habe, um beanspruchen zu können ein Jounin zu werden, und weil ich auf keinem Talent derart brilliere um Spezialisierter Jounin werden zu können. Das Einzige, worin ich brilliere, das ist, Affen zu beschwören. Aber reicht das für einen Jounin-Rang?"

"Der Tag mag kommen, an dem es so ist", orakelte Shikaku.

"Na, danke. Wen genau hast du denn für die Beförderung im Auge? Ich habe was läuten hören, Shikamaru wäre das arme Schwein."

Verblüfft sah er mich an. "Diese Information wurde bisher nur im Rat weiter gegeben. Woher hast du sie?"

"Kou hat es mir gesagt. Du weißt doch, nichts bewegt sich so schnell wie das Gerücht. Und manchmal hat es Recht, Onkel Shikaku."

"Kou? Wenn ich mich recht entsinne, hat er Hyashi Hyuuga-sama zur Sitzung begleitet." Er atmete auf. "Gut, keine größere Sicherheitslücke. Das beruhigt mich. Aber was denkst du?"

"Wenn Ihr so wild drauf seid, deinen Sohn zu befördern, dann plädiere ich darauf, ihn als spezialisierten Jounin für Strategie und Analyse einzusetzen. Ich denke, dort kann er sehr gute Arbeit leisten."

Shikaku nickte bedächtig. "Du bestätigst meine Gedanken. Und was dich angeht, sei dir nicht so sicher, dass du nicht das Zeug für einen Jounin hast. Aber manchmal mahlen die Mühlen von Konoha langsam und bedächtig."

"UND ich habe kein Interesse an einer Beförderung", sagte ich mit einem Schauder in der Stimme. "Du weißt selbst am Besten, für wie viele Leben du als Jounin verantwortlich sein kannst. Einmal davon abgesehen, dass man als Jounin auch mal Babysitter für frisch gebackene Genin spielen muss."

Shikaku erhob sich und klopfte mir auf die Schulter. "Ich sehe zu, was ich für dich tun kann. Aber eigentlich habe ich geglaubt, Gekko hätte dir beizeiten beigebracht, dass man seinen Aufgaben nicht davon laufen darf, vor allem nicht, wenn es um das Wohl von Konoha geht. Oder gar des ganzen Landes des Feuers."

"Und die Kumo-Ninjas haben mir beigebracht, dass man das tun soll, was man kann, anstatt sich an unmöglichen Aufgaben aufzureiben", versetzte ich trotzig.

"Damit hast du natürlich Recht. Aber wir bestimmen, was für dich unmöglich ist, und was nicht." Er klopfte mir noch einmal auf die Schulter und wandte sich dann zum gehen. "Ach, übrigens. Eines habe ich noch. Wenn du die Mission erfolgreich abschließt, werden Hanako und Karin zu vollwertigen Chunin befördert. Du solltest also die nächste Zeit nutzen. Es kann sein, dass Ihr danach nicht mehr zusammen arbeitet, weil sie eigene Missionen und Trupps zugewiesen bekommen."

"Danke für die Warnung", sagte ich, trank aus und brachte meinen und Onkel Shikakus Becker zurück ins Café.

Wenn die Mädchen Wind davon bekamen, dann würde es eine ungemütliche Zeit für mich werden. Sehr ungemütlich. Verdammt. Und die Zeit danach würde noch schlimmer werden, das wurde mir schlagartig bewusst. Seit ich Chunin geworden war, hatte ich die meisten Aufträge mit Karin und Hanako erledigt. Das würde sich ändern, rapide ändern, und davor hatte ich schon ein wenig Angst. Es war nicht so, dass ich etwas gegen Veränderungen hatte, Himmel nein. Nara-Männer waren in der Regel Verfechter des Neuen und des Fortschritts. Aber sie neigten auch dazu, Bewährtes nicht auf Teufel komm raus zu ersetzen, vor allem wenn die Alternative schlechter war. Und ich konnte mir nicht vorstellen, dass ich ohne die beiden effektiver sein würde.

Vielleicht war das auch nur Wunschdenken, eine Ausrede vor mir selbst.

Derart in Gedanken versunken schlenderte ich weiter zum Friedhof.
 

Am Gekkos Grab kniete ich eine lange Zeit nieder. Er war vor Narutos Chunin-Examen getötet worden, von seinem Mörder fehlte jede Spur. Aber die Indizien am Kampfplatz bewiesen, dass er sich bis zuletzt erfolgreich gewehrt hatte. Es musste jemand gewesen sein, der Wind-affin war, und auf dem Level eines Voll-Jounin war er auch. Ein anderer Shinobi wäre kaum in der Lage gewesen, Gekko zu töten. Wind, das deutete auf Otogakure hin. Das bedeutete Orochimaru. Wütend ballte ich die Hände zu Fäusten. Orochimaru war es nicht selbst gewesen, und die Anführer seiner Leibgarde waren von Naruto und seinen Freunden einer nach dem anderen getötet worden, damals als der junge Uchiha entführt worden war. Na ja, mehr oder weniger entführt. Aber was sollte man auch davon halten, wenn ausgerechnet Orochimaru einem Vierzehnjährigen, der auf dem Rachetrip war, versprach, er würde ihn stark genug für seine Rache machen... Ich, in seiner Lage, hätte angenommen, wäre sein Schüler geworden. Selbst um den Preis hin, Konoha zu schaden.

Jedenfalls hoffte ich, dass mich meine Wege eines Tages zu diesem einen Jounin führen würden, und dass ich dann in der Lage sein würde, ihn oder sie zu töten.

Damals, nach dem Angriff, waren wir bis nach Otogakure vorgedrungen um die Oto-Nin für ihren feigen Angriff zu bestrafen, und ich hätte mehr als eine Gelegenheit gehabt, um meinen Rachedurst zu befriedigen. Aber seltsamerweise hatte ich keine Rache nehmen wollen. Es war mir nur darum gegangen, die Gefahr durch das kleine Ninja-Dorf zu beenden. Aber ich war sicher, dass mein Feind unter all denen gewesen sein musste, die uns entkommen konnten.

Doch, eines Tages, eines hoffentlich nicht mehr fernen Tages würde ich ihn finden. Notfalls in einem der vielen Verstecke und Labore von Orochimaru. Ich spürte, wie sich meine Fingernägel bei diesem Gedanken schmerzhaft in mein Fleisch gruben. Noch so eine Baustelle. Orochimaru hatte Sarutobi-sensei getötet.
 

Ich erhob mich, verbeugte mich vor dem Grab meines Senseis und ging zum Grab des Sandaime weiter. Auch dort hockte ich mich nieder, legte eine Hand auf den Stein, und ließ meine Gedanken treiben. Während ich an der Außenmauer gekämpft hatte, während mir befohlen worden war, die fliehenden Oto-Nin zu verfolgen, kurz nachdem Suna bereits kapituliert hatte, war Hiruzen Sarutobi-sensei schon lange tot gewesen. Gefallen durch die Hand seines einstigen Schülers, der nicht einmal davor zurückgeschreckt war, den verbündeten Kazekage zu töten, um an seiner Statt in die unmittelbare Nähe des Hokages zu kommen. Erst nachdem ich vom Angriff auf Otogakure zurückgekehrt war, hatte ich von seinem Tod, und dem von Hayate-sensei gehört. Vielleicht war das besser so. Zu der Wut, die bereits damals in mir gepocht und geschwellt war, wäre ein Hass gekommen, der mich vielleicht hätte Dinge tun lassen, die ich bei Nüchternheit sehr bereut hätte.

Und auch das war ein Grund, die Beförderung der Mädchen zu fürchten. In unserer Trauer waren wir verbunden, vereint gewesen, hatten den Schmerz auf drei Schultern verteilt. Den Beistand der Mädchen zu verlieren würde mir sehr zusetzen. Da brauchte ich mir nichts vormachen.

Wäre es anders gekommen, wenn ich hier gewesen wäre, anstatt kleine Diebe zu jagen? Oder wäre ich nur ein weiteres Opfer des Angriffs geworden? Die Affenkrieger, die ich herbei rufen konnte, waren mächtig, aber nicht allmächtig. Mir waren enge Grenzen gesetzt, denn ich war nur ein Mensch. Aber ich hätte mein Leben riskiert, um Hayate-sensei und den Sandaime Hokage zu beschützen.

Vielleicht, schlich sich dieser hinterhältige Gedanke in meinen Verstand, war es so rum also besser für mich. Ich hasste diese leisen Worte, die in meinen Geist geflüstert wurden, sofort. Auch weil ich wusste, dass sie richtig waren. Ich war nur ein Chunin, ein kleiner, unbedeutender Chunin. Es war fraglich, ob ich je Gekko Hayate rächen konnte, und es stand außer Frage, dass ich Orochimaru nicht besiegen konnte. Ha, beinahe glaubte ich, Naruto rufen zu hören, dass ich das nicht wissen konnte, ohne es zu versuchen. Oder hart trainieren konnte, um es eben doch zu schaffen. Für Naruto war die Welt recht einfach. Er ging mit Elan und unbegrenzter Energie an die Probleme und bewältigte sie genau wie seine Gegner mit Beharrlichkeit. Ich machte es mir da mit Zweifeln und Vorwürfen schon wesentlich schwerer.
 

"Es ist schon etwas her, seit du zuletzt hier warst, Mamo-chan", klang in meinem Rücken eine Stimme auf, die mir durch Mark und Bein ging. Erschrocken fuhr ich hoch und wirbelte herum. "Hatake-sensei."

Der hochgewachsene Jounin beachtete mich nicht wirklich. Er las im orangen Buch, das von Jiraiya-sama geschrieben worden war, Flirt-Paradies. Ohne sah man den legendären Kopier-Ninja nie in seiner Freizeit. Das Werk galt als literarisch gut geschrieben, aber auch als erotisch und pornographisch, weshalb es erst Volljährigen erlaubt war, es zu kaufen. Ich hatte es dennoch bereits gelesen, und dadurch einiges besser verstanden, vor allem Karin und Hana.

"Musstest du mich erschrecken?", tadelte ich ihn.

Kakashi Hatake streckte die linke Hand nach mir aus, gab mir einen Schnipser gegen die Stirn und sah mitleidlos dabei zu, wie ich über das Grab des Sandaime hinweg geschleudert wurde. Eindeutiger hätte er den Stärke-Unterschied zwischen uns beiden nicht deutlicher machen können. "Du bist ein sensorischer Ninja, Mamo-chan. Und du darfst niemals zulassen, dass du deine Umgebung vergisst. Nicht einmal hier, auf dem Friedhof, zwischen deinen toten Lehrern."

Ich rappelte mich ächzend wieder auf und rieb mir die Stirn. "Ein schwacher sensorischer Ninja." Es war besser ihm zu verschweigen, dass er heute schon der zweite war, dessen Anwesenheit ich nicht bemerkt hatte.

Der tadelnde Blick aus Hatake-senseis rechtem Auge war vernichtend. Das Linke war wie immer von seinem Stirnschutz bedeckt; es schonte das wertvolle Sharingan, das sonst nur der ausgerottete Clan der Uchiha sein eigen genannt hatte. "Die Betonung liegt nicht auf schwach, sondern auf sensorisch und Ninja, Mamo-chan", tadelte er. "Du könntest eines Tages jemanden verlieren, der dir wichtig ist, nur weil du deine sensorischen Fähigkeiten vernachlässigst."

Er hockte sich hin, klappte das Buch zu und legte wie ich zuvor eine Hand auf den Grabstein des Sandaime Hokage. "Ich weiß, dass du dir Vorwürfe machst, weil du nicht hier warst, um Sarutobi-sama zu beschützen. Und weil du Gekko nicht helfen konntest, als er offensichtlich Hilfe gebraucht hat. Ich habe dich zu oft hier gesehen, um das nicht zu wissen. Aber du darfst nicht den Fehler machen, dich in deiner Trauer zu verlieren, oder sogar Hass in dir zu nähren. Ich... Du begehst dann vielleicht Fehler, die nie wieder zu korrigieren sind. Auf diese Weise hat sich Orochimaru gegen uns gewendet, und auf diese Weise habe ich Sas... Ich meine, es ist richtig und gut, dass du der Toten gedenkst, und ihren viel zu frühen Tod betrauerst. Aber lass dich nicht von ihnen zwingen, sonst verbringst du deine Zeit unter den Toten, und nicht mehr unter den Lebenden."

So wie ich. Das schwang in seinen Worten mit, und mir wurde bewusst, dass ich, seit ich den Friedhof besuchte, Hatake-sensei bei gut einem Drittel meiner Besuche gesehen hatte. Vielleicht war er sogar öfter anwesend gewesen, und ich hatte ihn nur nicht bemerkt.

"Sensei, ich..."

"Mach nicht die gleichen Fehler wie ich", flüsterte er. Langsam nahm er die Hand wieder zurück. "Manche Dinge im Leben warten nicht auf dich, und wenn du aus deinem Albtraum aufwachst, hat sie bereits ein anderer genommen. Sei kein Idiot, Mamo-chan."

Langsam erhob er sich. "Wir haben Hoffnung in dich, Mamo-chan. Du hast dich als Chunin bewährt, und du wirst in Zukunft schwerere Aufgaben erhalten. Und ich bin sicher, du wirst sie meistern. Du bist selbstständig genug dafür. Auch wenn du heute ein wenig langsam bist."

"Na, danke", brummte ich, unvermittelt wieder die Stirn reibend.

"Übrigens, ich gratuliere dir dazu, dass du deine Mission ausgerechnet in Konoha abschließen konntest. Das macht dann fünfzehn erfolgreiche B-Missionen für dich, richtig?"

"Es war reines Glück, dass Aino ausgerechnet mich beklaut hat, und das in Konoha", wiegelte ich ab. Die meisten Missionen, die mehr als sechs Ninjas erforderten, waren als B eingestuft. Und nicht alle waren gefährlich, sondern brauchten einfach nur ein paar zusätzliche Hände und Augen.

"Ja, darüber haben viele Shinobi herzhaft gelacht. Du hast Glück, Mamo-chan. Und ein kluger Mann sagte einmal: Es ist gut, Glück zu haben, jedoch Dummheit, sich darauf zu verlassen."

Er klappte sein Buch wieder auf und begann weiter zu lesen.

"Und ein anderer kluger Mann hat gesagt: Beeil dich besser, denn du hast bis zu deinem Termin mit Tsunade-sama nur noch eine Stunde."

Ich erschrak. Wie viel Zeit hatte ich hier zugebracht, bevor Hatake-sensei hinzu gekommen war? Mein Blick zur Sonne verriet mir, dass es bereits früher Nachmittag war. Zugleich aber dämmerte mir, was mir Sensei damit hatte sagen wollen, als er gesagt hatte, ich sollte die Toten mich nicht zwingen lassen.

"Danke, Sensei. Ich habe heute was gelernt."

"Wenigstens einer von uns."

"Was?" "Nichts. Ich habe nur laut gelesen. Und jetzt verschwinde endlich. Du hast was vor, oder?"

Ja, das hatte ich. Ich nickte Hatake noch einmal zu, dann verließ ich den Friedhof. Und ich fragte mich, was ihm passiert war, und wer ihm die Freundin ausgespannt hatte. Nun, zumindest interpretierte ich seine Worte so. Aber vielleicht würde er mir später einmal mehr dazu verraten.

***

Im Büro der Hokage warteten wir geduldig, bis sie das Wort an uns richtete. Also mein Team drei, Team acht und die eilig zusammengestellte Unterstützungsdreierzelle aus Asa, Kenda und Kaminari. Wir waren ein paar Minuten vor dem Termin eingetroffen, waren aber schon eingelassen worden. Nun standen wir vor dem Schreibtisch und warteten ab, bis die Godaime Hokage ihren Papierkrieg für uns unterbrechen konnte.

Endlich legte sie den Stift beiseite und sah uns an, einen nach dem anderen. "So ist das also. Eine schöne Truppe. Behandle sie pfleglich, Morikubo-kun."

"Das werde ich, Tsunade-sama."

"Sehr gut. Seid Ihr alle ausreichend erholt? Fühlt Ihr euch fit für eine Reise ins Land des Wassers?"

Beiläufiges, bestätigendes Gemurmel klang auf. Wir waren bereit. Mehr noch, wir brannten in Erwartung der Mission.

Shizune-san, die Sekretärin der Hokage, hob eine Schriftrolle. "Hier ist der Kontrakt mit dem Auftraggeber. Die Mission wurde bereits vorab bezahlt. Die originalen Worte des Auftraggebers sind: Ich habe keine Zweifel daran, dass Morikubo-sama seinen Auftrag zu meiner vollsten Zufriedenheit erledigen wird."

Für einen Moment wurde ich bleich und fühlte die Füße ein Stück nachgeben. Ich wusste nicht, was mich mehr irritierte. Die Verwendung des Suffix sama, das man Personen von höherem Rang oder generell einflussreichen Menschen an die Namen hängte, oder dieses absolute Vertrauen in mich.

"Ich versuche, dieser Erwartung gerecht zu werden", sagte ich. Hoffentlich waren diese Schuhe nicht zu groß für mich.

"Daran habe ich nicht den geringsten Zweifel, Morikubo-kun", sagte Tsunade-sama im Brustton der Überzeugung. "Und jetzt, Team Morikubo, auf in die Schlacht!"

Das war recht pathetisch von ihr, und meine Teammitglieder ließen sich zu einem gemeinsamen Jubelschrei verleiten. Ich hingegen fühlte mich noch ein wenig mehr schrumpfen.

"Hier ist eine Karte mit dem Treffpunkt mit dem Auftraggeber. Er erwartet euch in einem Gasthaus jenseits der Grenze des Reiches des Wassers", sagte Shizune und reichte mir das mehrfach gefaltete Papier. Ich bedankte mich, schluckte den Kloß in meinem Hals runter und deutete eine Verbeugung vor Tsunade-sama an. Dann wandte ich mich um und verließ als Erster das Büro.

***

Nachdenklich, beide Hände vor dem Gesicht verschränkt und die Ellenbögen auf dem Tisch, sah die Hokage auf die Tür, die Team Morikubo gerade passiert hatte.

"Tsunade-sama, wann sagen wir Mamoru-tono endlich, dass...", begann sie, doch die Hokage winkte ab.

"Pschhh. Es läuft doch alles gerade so gut. Warum es kaputt reden?"

"Aber, Tsunade-sama, wir..."

"Pschhh."

"Mamoru-tono wird..."

"Shizune, was habe ich dir gesagt? Lass mich doch auch mal Spaß haben."

Ergeben seufzte Shizune. "Ja, Tsunade-sama. Das wird eine schöne Überraschung für Team drei, fürchte ich."

Die Hokage strahlte geradezu. "Ja, nicht wahr? Eine schöne Überraschung."

Shizune seufzte erneut. "Eine sehr schöne, Tsunade-sama..."

***

Damals
 

An der Stadtmauer selbst, an der Bruchstelle, die von drei oder vier gigantischen Schlangen gebrochen worden war, hofften wir am ehesten auf Verteidiger zu treffen. Tatsächlich war die Gegenoffensive schon seit dem Signal des Habichts im vollen Gange; in einem koordinierten Schlag hatten die Shinobi Konohas die Schlangen erledigt, und drängten nun mit schierer Überzahl den Gegner zurück.

Der erste Konoha-Ninja, den wir sprachen, war Aoba-sensei, einer der spezialisierten Jounin.

Er war nicht nur ein wenig überrascht, als wir dem fliehenden Feind zu fünft in den Rücken fielen. Wobei ich vor allem dadurch auffiel, das ich mich zurückhielt, um mein Chakra zu schonen. Ein paar der fliehenden Oto-Ninjas schienen das falsch zu interpretieren. Ihr Pech.

Als die Bresche sicher war, lagen wesentlich mehr tote und verletzte Oto-Shinobi auf dem Boden als Konoha-Nin. Zwei von ihnen gingen auf das Konto meines wohl dosierten Einsatzes meiner Katon-Kunst mit Hilfe eines Kunais und dem Draht an der Klinge, der mein Feuer weitergeleitet hatte. Dennoch, meine Kraft näherte sich dem Ende, auch wenn ich nur noch eine Beschwörung aufrecht erhalten musste.

Aoba-sensei benutzte gerade einen Feuerball, um seinen letzten unmittelbaren Gegner gegen die Stadtmauer zu treiben, wo seine Asche seine Umrisse nachbildete, und sprang anschließend zu uns. "Morikubo! Was zum Henker... Doktor Tofu!" Ehrfurchtsvoll begrüßte er den Affenkrieger mit einer tiefen Verbeugung. "Es ist mir eine Ehre. Und dies ist genau die richtige Zeit."

"Wir brauchen einen Überblick der Lage", sagten Tofu und ich gleichzeitig.

Die Lachfältchen in seinen Augenwinkeln kräuselten sich unter seiner Sonnenbrille, als Yamashiro Aoba zu berichten begann. "Wir treiben sie wieder zurück. Die Oto-Ninjas nach Westen, die Suna-Shinobi nach Osten. Wir sind auch schon dabei, die Straßen zu klären. Dies ist das erste Mal, das wir es zur Bresche geschafft haben. Nicht zuletzt dank Ihrer Hilfe, Doktor Tofu."

Der Affenkrieger winkte ab. "Hätte ich dich und deine Leute nicht gesehen, hätten wir es nicht riskiert. Es wäre Wahnsinn gewesen, gegen so viele Oto-Nin anzutreten, selbst wenn die Meisten nur Genin waren."

"Oh." Ob Aoba vermutete, dass Ono ihn nur loben wollte, konnte ich nicht erkennen, aber sein Tonfall klang nicht sehr überzeugt. "Jedenfalls haben wir hier reichlich Ärger. Dazu brauchen wir nicht die beiden Riesenviecher, die da hinten miteinander kämpfen." Er deutete in die Ferne, wo sich Gama Oyabun und die Einschwänzige einen harten Kampf lieferten. "Oder Orochimarus Invasion. Er kämpft gegen den Sandaime."

Das versetzte mich in Unruhe. "Was können wir tun?"

"Was ist mit deinem Team passiert? Mit deinen Gefangenen? Außer dem da, meine ich."

"Er kämpft. Ich habe es ihm erlaubt. Bisher hat er gut gekämpft", sagte ich in entschlossenem Tonfall. "Die meisten haben wir schon übergeben. Unser Suna-Nukenin hat sich auch für den Kampf entschlossen. Er will Suna-Shinobi töten gehen. Da das unserer Situation hilft, habe ich ihn ziehen gelassen. Die meisten meiner Team-Kameraden sind verletzt und haben sich versteckt. Das, was du hier siehst, Aoba-sensei, ist im Moment alles, was kämpfen kann."

"Was ist mit Hayate-sensei?", mischte sich Hanako ein. "Wo kämpft er? Können wir zu ihm durchdringen?"

Für einen Moment schien der Jounin verlegen zu sein. "Ich denke, das kann ich nicht erlauben. Wir haben den Feind zurückgedrängt, aber nur für den Moment. Wenn wir zulassen, dass er sich sammelt und neu formiert, und wenn er merkt, wie schwer unsere Verluste schon waren..."

"Also Störangriffe", stellte ich fest. "Vereinigen wir uns."

Aoba-sensei warf einen kurzen Blick hinter sich. Mehr als zwanzig Genin und Chunin standen noch und kümmerten sich um die weniger Glücklichen beider Seiten. "Mein Auftrag lautet, die Bresche zu nehmen und zu halten, bis Entsatz eintrifft. Dann soll ich die Beschwörung weiterer Schlangen verhindern."

"Oh, dazu haben wir was zu sagen", warf Karin ein. "Wir haben einen Beschwörungskreis ausgeschaltet. Samt Oto-Beschwörern."

"Das hilft uns weiter, obwohl wir nicht sagen können, wie viele Beschwörungskreise es gibt." Er deutete hinter sich, wo die getöteten Schlangen wie riesige Wülste in der Stadt aufragten. "Jedenfalls gibt es die nächsten Tage Schlange satt, das kann ich versprechen."

"Schlange schmeckt ganz gut", sagte ich leise. Verdammt, musste sich ausgerechnet jetzt mein Magen melden?

"Bist du noch fit, Morikubo? Wie lange kannst du Doktor Tofu noch hier halten?"

Ich zögerte mit einer Antwort. Stattdessen nahm ich meinen Teil der Soldatenpille, die mir Ranko-sama gegeben hatte und wollte sie essen. "Lange genug."

Ono legte eine Hand auf die Soldatenpille. "Noch nicht, Mamo-chan. Yamashiro, hast du eine normale Soldatenpille für ihn?"

"Natürlich. Pfefferminzgeschmack sogar." Er kramte in seinem Tragebeutel am Gürtel und zückte die grüne Pille. "Macht drei Tage satt."

Ich nahm die Pille entgegen und schluckte sie unzerkaut. Beinahe sofort fühlte ich die aufputschende Wirkung, und eine Regeneration meines Chakras.

"Was genau ist in der Affenpille eigentlich drin?", fragte Kaminari misstrauisch.

"Nur gute Sachen. Ranko-chan würde ihrem Mamoru niemals etwas geben, was für ihn schädlich wäre. Aber da du wahrscheinlich länger als ein paar Tage aktiv sein musst, solltest du sie noch nicht nehmen, Mamo-chan."

Ehrlich gesagt war ich mit der Erklärung nicht zufrieden. Meine Kameraden auch nicht, denn jeder griff unwillkürlich dorthin, wo er seinen Teil der Pille verstaut hatte.

"Gut, dann ist das ja geklärt. Doktor Tofu, bitte verfolgen Sie die Oto-Nin mit Morikubos Team, und machen Sie Druck, so gut Sie können. Mein Team kommt nach, sobald wir entsetzt werden." Aoba kratzte sich nachdenklich unter dem linken Bügel seiner Sonnenbrille. "Und, falls das nicht zuviel verlangt ist, wäre es nett, wenn Sie einen Keil zwischen Suna und Oto treiben könnten."

"Hey, hey, ich bin auch nur ein einzelner Krieger", sagte Ono und hob abwehrend die Arme. "Auch wenn mit Mamo-chans Leute unterstützen."

Ja, unterstützen war das richtige Wort.

"Handeln Sie nach eigenem Ermessen. Ich werde den anderen Jounin mitteilen, dass Sie an unserer Seite kämpfen."

"Gut. Mamo-chan?" Der Affe sah mich erwartungsvoll an.

"Wir ziehen auf der Außenseite die Stadtmauer hinab, bis wir das Tor im Süden erreicht haben. Von dort stoßen wir vor und brechen notfalls - und falls wir es schaffen - den Verbund von Oto und Suna auf." Probeweise wirbelte ich das Kunai in meiner Hand herum. "Ich glaube, ich mag Pfefferminz, Aoba-sensei."

"Vorsicht, es ist ein starkes Aufputschmittel enthalten. Eine zweite Pille verbietet sich von selbst. Gut, ich werde deine Entscheidung auch weiter leiten, Morikubo."

"Wir machen uns auf den Weg", sagte ich, nickte Aoba-sensei zu und eilte davon.
 

Doktor Tofu überholte mich schon nach den ersten Metern und übernahm die Spitze. Karin und Hana übernahmen die rechte Flanke, Kaminari die Rückendeckung. Ich achtete auf Nachzügler, die über die Mauer kommen konnten. "Spürst du etwas, Doktor Tofu?", fragte ich.

"Nein, auf die nächsten vierhundert Meter sollten wir freie Bahn haben. Oder in den perfektesten Hinterhalt geraten, den ich je erlebt habe."

"Sag bitte so etwas nicht, wenn Orochimaru im Spiel ist", tadelte Hana-chan mit einem Schaudern in der Stimme.

"Legen wir einen Zahn zu", bestimmte ich, und benutzte Step. Die anderen folgten mir dichtauf.

Während wir dahin huschten, warf ich Kaminari einen kurzen Blick zu. "Ryu, jetzt wäre eine gute Gelegenheit, um mir zu erzählen, wie du Nukenin geworden bist. Ich meine, du hast nicht gelogen, als du gesagt hast, du willst Konoha verteidigen."

Der Mann, der unsere Rückendeckung übernommen hatte, lachte heiser auf. "Wie erkläre ich es dem Kinde... Weißt du, Mamoru Morikubo, ich war auch mal jünger. Und ich war der festen Überzeugung, das es keinen besseren Ninja als mich auf der Welt geben würde, wenn ich nur die richtigen Meister hatte. Da ich die in Konoha nicht finden konnte, zog es mich in die Welt. Damals war ich vierzehn. Das schien Konoha noch nicht besonders zu stören. Tatsächlich fand ich den einen oder anderen Lehrer, die mir etwas bei bringen konnte, was in Konoha nicht bekannt war. Oh, ich hatte damals wirklich vor, mit meinem neuen Wissen nach Konoha zurück zu kehren. Am besten wie ein Held gefeiert.

Leider ist das Leben da draußen nicht umsonst. Leider sind die Lehrer nicht umsonst. Meistens, jedenfalls. Und wenn du ein Shinobi bist, dann hast du normalen Menschen einiges voraus. Um meine Ausbildung zu bezahlen, wurde ich Bodyguard. Nicht gerade ein Elite-Bodyguard, verstehst du? Damals interessierte mich mehr das Geld, als die Tatsache, dass ich Yakuza und Banditen beschützte, solange sie mich nur gut bezahlten. Leider interessierte das Konoha dann doch, und irgendwann kam mir zu Ohren, dass ich auf der Liste der Deserteure stand. Anstatt nun zurück zu kehren und das Missverständnis aufzuklären, verfiel ich erst in Panik und dann in Trotz. Du weißt schon, ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich völlig ungeniert. Also mied ich Konoha-Nin und benutzte meine Fähigkeiten weiterhin als Bodyguard. Und irgendwann geriet ich richtig auf die schiefe Bahn. Letztendlich landete ich bei der Truppe, die du hoch genommen hast."

Hanako und Karin räusperten sich vernehmlich.

"Die Team Morikubo hoch genommen hat."

Das versöhnte die Mädchen wieder.

"Und irgendwann inmitten unseres Kampfes, als ich merkte, dass du mich nicht sofort töten wolltest, beschloss ich, nicht noch mehr Fehler zu machen. Ich habe es einfach gelassen, verstehst du?"

"Nein, das tue ich nicht. Aber ich habe dein vorbildliches Verhalten gesehen, und deinen Ernst. Du kannst sicher sein, dass ich das alles dem Sandaime Hokage berichten werde."

Kaminari lachte leise. "Meinst du, er hört dir zu?"

Nun war es an uns, leise zu kichern. Ich, Hana, Karin, sogar Ono konnte das Geräusch großer Erheiterung nicht unterdrücken.

"Habe ich was falsches gesagt?"

"Sarutobi-sama ist mein Sensei. Er hat mir den Kontrakt mit den Affen verschafft", sagte ich amüsiert. "Natürlich wird er mich anhören. Die Frage ist nur, wie viel er darauf gibt."

"Ach, eigentlich habe ich auch einen guten Eindruck von Ryu-chan, Mamo-chan", sagte Doktor Tofu. "Es sollte doch schon verrückt sein, wenn er nicht auf uns beide hören würde."

"D-danke", haspelte Kaminari.

"Bedanke dich nicht zu früh", gab ich spöttisch zurück. "Aber hier, das solltest du erst mal anlegen."

Mit diesen Worten nahm ich meinen Stirnschutz ab und warf ihn Kaminari zu. "Nicht, dass dich noch einer für einen Feind hält." Ängstlich, beinahe ehrfürchtig, betrachtete er das Metall und den Stoff in seiner Hand. Doch mit einem entschlossenen Ruck band er sich den Stirnschutz um. "Danke, Morikubo."

"Wir werden sehen, ob es was nützt", sagte ich, und wollte noch etwas hinzufügen, als ich stockte.

Eine Sekunde später verließ ich Step und stand still. Die anderen hielten ebenfalls. Doktor Tofu kehrte zurück. "Was ist, Mamo-chan?"

"Ich bin mir nicht sicher, aber... Es war mir als hätte ich eine vertraute Stimme gehört." Ich deutete tiefer in den Wald südlich von uns. Wir waren noch nicht beim Südtor, es fehlten noch achthundert Meter. Theoretisch waren wir im Aufmarschgebiet der Oto-Nin, mit denen wir zuerst zusammen geprallt waren.

"Ich habe es auch gehört", sagte Karin. "Es klang wie ein Schmerzensschrei. Der Schrei einer Frau. Ich kenne diese Stimme, und dann wieder doch nicht."

"Wir sehen nach", entschied ich.
 

Diesmal übernahm ich die Spitze, sprang in die Wald, und dort auf die breiten Äste. Nach mehreren hundert Metern kamen wir an einer Aschebedeckten Lichtung an, die es vorher nicht gegeben hatte. Hier hatten Kämpfe stattgefunden, und die Gegner hatten einander nichts geschenkt.

Was ich sah, war überraschend. Gut ein Dutzend Oto-Nin hatten eine Dreier-Zelle von Suna-Ninjas eingekreist. Zwei lagen am Boden, einer reglos, der andere von seiner Verletzung schwer atmend.

Das ging uns nichts an, und es nützte uns auch noch. Aber...

"Lian!" Hanakos Stimme war geflüstert, aber mir schien sie viel zu laut zu sein.

"Katou! Er bewegt sich nicht mehr! Mamoru, er bewegt sich nicht mehr!"

Darauf konnte ich nicht antworten, weil ich den Mann erkannt hatte, der halb am Boden kniete, und die verletzte Kunoichi in seinen Armen hielt. Tooma. Wir hatten unsere Freunde aus Sunagakure getroffen, und das ausgerechnet im Kampf.

"Wir müssen...", sagte Hanako hastig und wollte an mir vorbei eilen.

"Wir müssen gar nichts", sagte ich hart, griff ihr in ihre Kleidung und stoppte ihren ungestümen Angriff.

"Aber wir können doch nicht... Ich meine, Suna ist unser Feind, ja, aber..."

"Wir müssen erst sicher sein, ob Maria nicht noch mehr Oton-Nin da draußen hat. Das kann eine Falle sein, muss aber nicht", sagte ich beherrscht. "Doktor Tofu?"

Der Affe in Menschenverkleidung rückte die Lesebrille zurecht, was einen Reflex auf den Gläsern auslöste. "Ich erkenne vierzehn Leben im Umkreis von einhundert Metern."

"Vierzehn?" Karin schluchzte trocken auf. Katou lag regungslos am Boden. Es war nicht schwer, eins und eins zusammen zu zählen. Und unser Gegner war Maria. Die Frau aus Otogakure, die uns in der zweiten Phase des Chunin-Examens beinahe nacheinander getötet hätte. Sie hatte also überlebt, und jetzt war sie auf Rache aus. Verständlich, immerhin hatte Tooma sie zum Sterben zurück gelassen. Den Gefallen hatte sie uns offensichtlich nicht getan.

"Mamo-chan, darf ich an dieser Stelle anmerken, dass es taktisch klug wäre, erst zuzulassen, dass unsere beiden Feindgruppen einander gegenseitig dezimieren?", merkte Ono höflich an.
 

Ich hörte Maria lachen. Dann sagte sie mit klarer, tragender Stimme: "Oh, ich wusste gar nicht, dass Rache so süß schmeckt. Da stehst du also vor mir, mit zwei sterbenden Gefährten, und auf dem besten Wege, selbst zu sterben. Und dann dieser Blick. Dieser hasserfüllte, und doch so leidende Blick. Glaube mir, daran werde ich mich noch in Jahren erinnern, wenn du längst in diesen erbärmlichen Wald verrottet bist."

Toomas zornige Miene schien in Flammen zu stehen. Aber er schien nicht darauf zu pochen, dass sie eigentlich Verbündete waren, die einander nicht bekämpfen sollten. "Verschone die beiden und mach mit mir, was du willst", sagte er mit gepresster Stimme.

Sie lachte glockenhell. "Nein. Oh nein, so leicht kommst du mir nicht davon." Ihr Gesicht bekam einen wilden Ausdruck. "Du sollst deinen besten Freunden beim Sterben zusehen, Tooma! Und wenn ich mit dir fertig bin, suche ich die kleinen Schweinchen aus Konoha auf, Morikubo und seine beiden Schlampen! Und dann lasse ich ihn dabei zusehen, wie seine kleinen Mädchen sterben! Langsam, in Agonie und Gewalt! Und dann..."

Ein grollender Ton war zu hören. Ich brauchte einen Augenblick, um zu verstehen, dass meine Kehle ihn produzierte. "Sensei...."

Doktor Tofu lächelte sein unschuldigstes Lächeln. "Aber natürlich, Mamo-chan. Einen Augenblick."

Ono verwandelte sich in eine Waffe. Neben mir lehnte nun ein Speer am Baum. Ein Speer mit beidseitig geschliffener, schwerer Klinge, die ein Kunai durchschneiden konnte. Und das war nicht seine einzige Fähigkeit. Ich nahm den Speer in beide Hände, und stieß ihn in Richtung der Oto-Ninjas. Eine Druckwelle sprang zu ihnen herüber, erfasste zwei von ihnen und wirbelte sie davon. Maria sah böse auf, sichtlich nicht erfreut über diese Störung. "Wer wagt es?"

"Ich gehe rein. Kaminari, gib mir Rückendeckung. Hanako, Karin, Ihr kämpft euch zu Tooma durch und beschützt ihn und Lian."
 

Ohne eine weitere Bestätigung abzuwarten sprang ich vom Ast, auf dem ich stand, und landete nur wenige Meter vom nächsten Oto-Nin entfernt. "Mamoru Morikubo wird bestimmt nicht dabei zusehen, wie seine beiden Mädchen sterben, Maria! Und er wird nicht länger zusehen, wie du seine Freunde tötest!"

"Konoha, was machst du denn hier?", fragte Tooma erstaunt.

"Oh, nur eine alte Schuld begleichen. Und diesmal sicher gehen, dass Maria ihre Strafe kriegt." Ich lächelte dünn, und Tooma erwiderte das Lächeln.

In meinem Rücken erschien Kaminari, das Kunai gezückt. Es stieß es auf meinen Rücken hernieder, während die Miene des Mannes vor Hass verzerrt war. Ein unwirklicher Schrei war seine Belohnung, und der Oto-Nin, der aus seinem Erdversteck hatte hoch schießen wollen, um mich im Rücken zu erwischen, fiel sterbend zu Boden. "Zählen kann ich noch! Und wenn von Zwölfen einer fehlt, ist der Rest nicht schwer zu erraten!", sagte er atemlos. "Noch jemand Lust auf ein schnelles Ende?"

"Danke", raunte ich.

"Du hast gesagt, ich soll deinen Rücken decken, Morikubo", raunte er zurück.

"Baika no Jutsu!", klang Karins Stimme auf. Ihre verlängerten Arme schlugen zwei überraschte Oto-Nin beiseite, und die Mädchen nutzten die entstehende Bresche, um neben Tooma und Lian zu landen. Dort zückten sie ihre Waffen, hielten sie kampfbereit vor sich.

Karin warf einen kurzen Blick zu Katou, dem Mann, der sie damals im Wald gerettet hatte. Ein leiser, verzweifelter Schmerzenslaut entrang sich ihrer Kehle. Umso entschlossener packte sie ihr Kunai. "Wir sind übrigens auch noch da", sagte Hanako wütend. "Und wir üben lieber Gewalt aus, als Gewalt zu bekommen!"

"Wie wahr, wie wahr", murmelte ich leise.

Marias Gesicht verzerrte sich vor Wut und Schmerz. "Tötet sie! Tötet sie alle!"

Von ihren noch lebenden zehn Begleitern griffen sechs Tooma und die Mädchen an. Vier attackierten mich und und Kaminari. Einer ging mich frontal an. Augenscheinlich hatte er keine Ahnung, was - oder vielmehr wer - meine Waffe war.

"Wachse!" Während der Speer immer länger wurde, schlug ich nach dem springenden Shinobi. Ich erwischte ihn mitten in der Luft, schlug ihn wie ein lästiges Insekt beiseite und trieb ihn gegen einen zweiten. "Schrumpfe!" Der Speer wurde wieder kleiner, und handlich genug, sodass ich den Schaft an mir vorbei nach hinten stoßen konnte, um den dritten Oto-Nin zu treffen, der glaubte, mich im Rücken angreifen zu können, während sein Kamerad Kaminari beschäftigte.

Tooma witterte Morgenluft. Er attackierte einen der Oto-Nin mit seiner Turban-Puppe mit der ihr üblichen Furiosität, und mit der gewohnten Tödlichkeit. Hana hatte indes einen der anderen Ninja unter mentaler Kontrolle und ließ ihn seine Kameraden angreifen. Karin wischte mit ihrem Baika no Jutsu jeden beiseite, der es auch nur in die Nähe der Gruppe schaffte.

Ich wirbelte herum und riss den Speer nach oben. Ein Schwall superkomprimierter, ultrascharfer Luft entstand, und teilte den Angreifer aus meinem Rücken in zwei Hälften. Er hatte nicht einmal Zeit, um zu schreien.

"Kann ich den Speer auch mal ausprobieren?", fragte Kaminari hoffnungsvoll.

"Nein." Ich lächelte kalt in Marias Richtung. "Aber sie darf mal."
 

Die Oto-Nin wurde bleich. Sie bekam Angst, Angst um ihr eigenes Leben. "R-Rückzug!", rief sie, und versuchte sofort, Distanz zu mir aufzubauen. Wer noch lebte oder dazu in der Lage war, folgte ihr. Kurz darauf war der Kampfplatz leer. Also hatten wir tatsächlich eine Bresche zwischen die Oto-Nin und die Shinobi Sunas geschlagen.

"Danke, Konoha, aber...", begann Tooma.

Ich wirbelte herum, und stieß die Waffe in seine Richtung. Die Druckwelle riss ihn von den Füßen. Karin, die ich halb mit erwischte, beschwerte sich lautstark, was mir eine peinliche Entschuldigung abrang.

"Mensch, Mamoru, was sollte das denn?", beschwerte sich Tooma, während er sich aufrappelte.

"Du wolltest gerade sagen, dass du dich jetzt zurückziehen willst, oder? Das kann ich nicht zulassen."

Sein Blick bekam etwas Gequältes. "Mamoru, du kannst von mir nicht verlangen..."

Ich stieß den Speer in den Boden. Beinahe sofort verwandelte er sich wieder in Doktor Tofu.

Mit schweren Schritten ging ich auf Tooma zu. Als ich ihn erreicht hatte, schlug ich ihn hart ins Gesicht. Als er zu Boden stürzte, zerrte ich ihn an seinem Hemd wieder hoch. "Du Idiot! Katou ist schon tot, und Lian stirbt gerade! Du schaffst es niemals zurück zu euren Linien!"

"Was soll ich denn deiner Meinung also machen?", fragte er.

"Ergib dich."

"Das kannst du nicht von mir verlangen!", blaffte er.

Eine blutige Hand langte nach ihm, erwischte sein Bein. Lian sah ihn an, die Augen fast geschlossen. "Flieh... Ich... bin... doch... schon... tot...", hauchte sie.

Verzweiflung übermannte seinen Blick. Er griff nach der Hand, entwand sich meinem Griff, hockte sich neben sie, bettete ihren Kopf auf seinen Schoß. "Lian! LIAN!"

"Ich kann ihr helfen", bot Doktor Tofu an.

"Ist ja gut. Ich ergebe mich! Ich ergebe mich ja schon! Aber helft endlich Lian!"

Der Affenkrieger eilte sofort herbei und legte seine Hände auf den Körper der verletzten Frau. Sie glommen unter seinem Chakra auf, und augenblicklich wurde die Kunoichi ruhiger.

"Katou?", fragte Tooma hoffnungsvoll.

Doktor Tofu schüttelte den Kopf. "Ich bin kein Nekromant, Junge."

"So." Tooma senkte den Kopf. Für einen Augenblick füllten sich seine Augen mit Tränen.

Er sah wieder auf. "Also Gefangenschaft."

"Erst einmal, ja", bestätigte ich. "Aber auch medizinische Versorgung."

"Gute medizinische Versorgung. Sie wird es schaffen, versprochen", sagte der Affe.

Für den Augenblick war Tooma erleichtert. "Mamoru, versprich mir..."

Ich legte ihm meine Hand auf die Schulter. "Ja. Ich finde sie. Ich töte sie. Ich räche Katou."

Mein Blick wanderte zu dem Riesen mit dem rot akzentuierten Gesicht. Karin kniete neben ihm und ordnete seine Gliedmaßen und seine Kleidung. Es gab kein sicheres Zeichen für einen Shinobi, das ein Kamerad gestorben war. Dabei weinte sie lautlos. Selbst Hanakos tröstende Hand auf ihrer Schulter konnte sie nicht trösten.

Oh ja, ich war fest entschlossen, Maria bei unserem nächsten Treffen zu töten. Vornehmlich in einer Situation, die ich aussuchte, und in der ich einem Sterbenden nicht schnell zu Hilfe eilen musste.

Erneut klopfte ich Tooma auf die Schulter und ging zu Kaminari. "Geh zurück zu Aoba-sensei. Sag ihm, wir brauchen hier Medi-Nins. Sag ihm, wir..." Zufällig ging mein Blick an den Waldrand, zu einem der höheren Aschehaufen. Auf ihm lag unser Suna-Nukenin. Er war tot. Aber er lächelte. Ich erkannte den Grund dafür, als ich fünf Stirnbänder mit dem Zeichen Sunagakures in seiner Hand sah; zwei weitere Tote lagen zu seinen Füßen. Seine Wunden sahen verräterisch nach Toomas Puppe aus. Ich beschloss, ihn später einmal zu befragen. Aber für den Moment hatte der Nukenin seinen Teil zum Schutze Konohas beigetragen und vielleicht sogar etwas Frieden gefunden.

Ein Frieden, von dem ich weiter entfernt war als jemals zuvor in meinem Leben.

Feuerregen 4

3.

Heute
 

Wir begannen unsere Reise wie jedes Mal am großen Südtor mit einem letzten Blick auf den Hokage-Felsen, mit dem Blick auf jene, die für die Verteidigung Konohas ihr Leben gegeben hatten. Außer Sarutobi-sensei hatte ich keinen gekannt. Selbst um mich noch an den Yondaime zu erinnern war ich damals zu jung gewesen. Nicht, dass ich ihre Taten und Handlungen nicht zu schätzen wusste, aber drei von ihnen waren für mich übermächtige Legenden, und nur einen hatte ich wirklich erlebt, aus der Nähe gesehen, war von ihm trainiert worden, hatte ihn meinen Sensei genannt. Allerdings war er auch übermächtig gewesen, und dazu hatte es nicht einmal seiner Legende gebraucht. Selbst in seinem fortgeschrittenen Alter war er noch ein gefürchteter Ninja gewesen.

Natürlich hatte er wesentlich mehr Lebensjahre hinter als vor sich gehabt, aber die Art und Weise, in der er gestorben war, machte mir sehr zu schaffen. Wozu hatten wir eigentlich das ganze Dorf voller ANBU? Nicht, dass ich Uzuki-sensei je Vorhaltungen gemacht hätte. Oder ihrem Team. Nicht sehr oft, jedenfalls. Aber ich hatte immer noch dieses Gefühl der Ohnmacht in mir. Ohnmacht, Hayate-sensei und Sarutobi-sensei betreffend. Ich wusste ziemlich genau, dass ich kleiner unfähiger Möchtegern-Ninja ohne meine Beschwörungskünste nicht viel wert war, dass meine Nin- und Taijutsu nicht besonders viel taugten. Aber das brachte die Stimmen in meinem Kopf nicht zum Verstummen, die immer wieder fragten, ob ich nicht etwas hätte ändern können, wenn ich da gewesen wäre. Da half auch nicht die Vernunft, die mir sagte, dass ich für Hayate-senseis Rettung um Wochen zu spät gekommen war. Und dass Sarutobi-sensei gestorben war, als ich gerade einmal die Stadtmauer erreicht hatte.

Ich versuchte, die geballten Fäuste zu öffnen, was mir erst nach mehreren Anläufen gelang. Ich war kein Kind mehr, ein vollwertiger Shinobi, ja, ein Chunin mit weitreichenden Rechten und Pflichten. Eine davon war, auf meine Leute aufzupassen und der Realität ins Auge zu sehen. Bei einem Kampf vom Kaliber Sandaime gegen Orochimaru wäre ich bestenfalls Zuschauer oder billiges Opfer gewesen. Und der Wind-Nutzer, der Hayate-sensei getötet hätte, wäre für mich auch eine Nummer zu groß gewesen. All das wusste ich. Aber die Fragen hörten nicht auf. Sie verstummten nie. Und ich konnte nichts dagegen tun, als weiter zu machen, besser zu werden. Es war traurig und erschreckend.
 

Ich wandte mich schließlich nach einer gefühlten Ewigkeit um und winkte. "Gehen wir. Kein Grund zur Eile."

Die acht Shinobi Konohas folgten mir, und schon bald glichen wir mehr einer lustigen Wandertruppe als einer Gruppe hoch qualifizierter Ninja. Im Freundesland konnten wir uns das noch leisten, vor allem weil Ikuko-chan mit ihren weit reichenden sensorischen Fähigkeiten, die meine weit überragten, für uns alle aufmerksam war. Nur für den Fall, dass etwas Ungewöhnliches geschah.

Ich sah sie unwillkürlich an, als wir dahin schritten. Sie hatte damals meine große Torheit überlebt. Andere nicht. Aber sie machte es mir nie zum Vorwurf. Im Gegenteil, ich glaubte sogar bemerkt zu haben, dass mich die Ältere eigentlich mochte. Obwohl ich so viele meiner Schutzbefohlenen im Chaos der Schlacht gegen Suna und Oto verloren hatte.

"Ist etwas, Mamo-chan?", fragte sie ein wenig verblüfft, als sie meinen Blick bemerkte.

Das riss mich aus meinen Gedanken. "Nichts, außer, dass du in deinem Abendkleid eine wirklich tolle Figur gemacht hast, wie mir gerade einfällt. Sonst läufst du ja nur in Sachen herum, die dir drei Nummern zu groß sind. Aber dieses raffinierte Kleid, das sah wirklich gut an dir aus."

Die Kunoichi errötete. "Danke, Mamo-chan."

"Oh, das war kein Kompliment, Ikuko-chan. Das war eine Feststellung."

Sie senkte den Blick. "Danke, Mamo-chan."

Ich bemerkte meinen Fehler, als sich links und rechts die Mädchen bei mir einhakten.

"Und wir? Sahen wir nicht auch toll aus?", fragte Hanako mit einem übertriebenen Lächeln.

Karin, die an meinem anderen Arm hing, wartete sichtlich auf eine Antwort.

"Aber natürlich saht Ihr auch toll aus. Nach Karin haben sich ja alle Männer umgedreht, und Hana-chan, gegen deine goldene Haarflut kann keine Frau ankommen, und wenn sie sich von Kopf bis Fuß mit Juwelen behängt."

Die beiden Mädchen erröteten. "Na also, was das denn so schwer?", fragte Hanako fröhlich. Auf der anderen Seite spürte ich, wie Karin stumm - wie in alten Tagen, in denen sie meistens wenig geredet hatte - meinen Arm ein wenig fester drückte.

"Aber das hübscheste Mädchen war zweifellos Hinata-chan", sagte ich neckend und wandte den Kopf nach links, um die junge Hyuuga-Erbin anschauen zu können. "Nicht, Hinata? Ich kenne Männer, die hätten dich vom Fleck weg geheiratet, bei dem tollen Anblick, den du geboten hast."

"W-wirklich, Mamoru-sempai?" Verlegen vermied sie es, mich anzusehen.

"Aber, aber, würde ich denn eine so niedliche Kohai wie dich anlügen? Ts, ts, ts. Was denkst du nur von mir, Hinata-chan?"

"E-entschuldigung, Mamoru-sempai!"

Ich lachte auf, bekam die Chance, mich von meinen beiden überraschten Mädchen mit sanfter Gewalt los zu reißen und trat zu Hinata herüber. Ich legte ihr eine Hand auf die Schulter und sah sie mit einem Lächeln an. "Du bist ein sehr schönes Mädchen, Hinata, und wer etwas anderes behauptet, der ist ein gemeiner Lügner. Der Junge, der dich mal kriegt, ist ein ausgesprochener Glückspilz. Also Kopf hoch, Hinata. Du hast in dieser Welt nichts zu fürchten."

Dies ließ kräftige Röte in ihrem Gesicht aufsteigen. "Da-danke, Mamoru-sempai", stammelte sie.

"Und wenn du das verstanden hast, dann wird das nächste Chunin-Examen für dich ein Spaziergang werden", sagte ich bestimmt. Nebenbei ignorierte ich die bohrenden Blicke von Hanako und Karin in meinem Rücken, die eventuell befürchtet hatten - nur eventuell, zugegeben - mit Hinata eine Konkurrentin zu bekommen. Doch anscheinend hatten sie meine Idee verstanden. Immerhin hatten sie auch die Akten von Team acht studiert, und waren bei den psychologischen Bemerkungen sicher auch auf den einen verräterischen Satz gestoßen, der anmerkte, dass Hinata zwar in den letzten Jahren an Selbstvertrauen gewonnen hatte, aber noch immer des vorsichtigen Aufbaus bedurfte.

"Da hat er natürlich vollkommen Recht, Hinata-chan", sagte Hana hinter mir. "Aber das heißt nicht, dass wir deshalb darauf verzichten, die Teamleistung von Team acht genau ins Augenschein zu nehmen."

Hinata strahlte bei diesen Worten förmlich. "Wir werden dich nicht enttäuschen, Sempai!"

Ich hörte vom Käferjungen ein Geräusch, das man wohl als unterdrücktes Glucksen ansehen konnte, Kiba hingegen schien vom Geschehen gar nichts mitbekommen zu haben. Er unterhielt sich mit Kaminari. Als er meinen Blick spürte, sah er verständnislos herüber. "War irgendwas?"

Ich winkte gönnerhaft ab. "Nichts Wichtiges, zumindest."

Ich drückte noch einmal Hinatas Schulter, bevor ich sie fahren ließ. "Ich weiß, du wirst mich nicht enttäuschen, Hinata-chan."

"Das werde ich nicht!", rief sie im Brustton der Überzeugung.

"Hä?", machte Kiba nun vollkommen verständnislos. "Ihn? Aber ich dachte, du magst Na..."

"D-darum geht es doch gar nicht!", rief sie aufgeregt und wedelte mit beiden Armen vor Kibas Gesicht umher. "Es geht um unsere Teamleistung!"

"Ach, sag das doch gleich. Und ich dachte, du wirst bei Sempais hübschem Gesicht untreu", neckte der Hundejunge die kleine Hyuuga.

"Treib es nicht auf die Spitze, Kiba", mahnte Shino den Teamgefährten. "Sonst kippt sie uns noch um."

"Was?" Verständnislos sah er seinen Teamkameraden an. Von dort sah er zu Hina, die erneut bis zu den Ohren hochrot war. Mehr noch, sie schien zu dampfen. "Oh.OH. OH! Unsere Teamleistung! Hinata-chan, wir werden natürlich eine beeindruckende Leistung zeigen, hörst du?"

Dies schien die junge Frau wieder zu beruhigen. "Danke, Kiba. Ich wusste, ich kann mich auf dich verlassen." Sie sah zum Aburame herüber. "Und auf dich, Shino."

Der Käferjunge schnaubte amüsiert. "Was wohl außer Zweifel steht."

"Also, ich mag sie schon jetzt", lachte Kaminari, und umfasste Shinos und Kibas Schultern. "Ich sehe schon, wir werden viel Spaß miteinander haben."

Akamaru, der Welpe Kibas, bellte. Es klang bestätigend. Irgendwann, so nahm ich mir vor, würde ich herausfinden, ob Akamaru uns Menschen tatsächlich verstand. Und wie viel er verstand.

Aber im Moment freute ich mich einfach nur auf die bevorstehende Mission und eine ruhige Reise durch das Land des Feuers.

***

Seit ich selbstständig Gruppen leitete, hatte ich vor den meisten Missionen dieses Gefühl, dass jederzeit ein Jounin Konohas erscheinen konnte, um mir zu erklären, dass er das Kommando übernehmen würde, weil ich nur Teil einer Finte gewesen war. Nun, mein Selbstvertrauen war damals nicht das Beste, und es kam nicht gerade selten vor, dass ich mich wie ein Hochstapler fühlte. Auf der anderen Seite hatte Widerspruch gegen meine Befehle schon immer meinen Trotz geweckt, und ich hatte nie gezögert, wenn ich mir von meinen Genin Respekt erkämpfen musste. Der Rest der Zeit war Routine.

Team acht erwies sich in dieser Beziehung als sehr pflegeleicht. Die beiden Jungen und das Mädchen stellten keine meiner Entscheidungen auch nur ansatzweise in Frage. Was vielleicht auch daran lag, dass es keine Schwierigkeiten mit sich brachte, einfach einem Weg zu folgen und die richtigen Abzweigungen zum Land des Wassers zu nehmen.

Von Kaminari und den anderen erwartete ich nichts anderes. Sie hatten schon unter mir gedient, an meiner Seite gekämpft. Sie vertrauten mir wie die meisten Genin, die ich jemals kommandiert hatte.

Es fing auf jeden Fall viel versprechend an, und vor allem vom kleinen Aburame erwartete ich einiges. Der Käferjunge gab sich wortkarg und geheimnisvoll, aber er hatte, wie er selbst gesagt hatte, Augen zum Sehen und Ohren zum Hören. Und er schien ein Gespür für meine Gedanken zu haben, denn immer wenn ich über ihn nachdachte, sah er mich an.
 

Unsere Reise zur Grenze dauerte zwei Tage. Immerhin waren wir Ninjas, und wir kannten in diesem unseren eigenen Land die schnellsten Routen. Wir nahmen zudem die gleiche Route, auf der wir damals mit Uzuki-sensei zum Chunin-Examen gereist waren. Das bedeutete, wir würden in jenem Gasthaus im Land der heißen Quellen einkehren, in dem wir auch damals Station gemacht hatten. Und ich hatte das Außenbad in guter Erinnerung. Das Benehmen von Sensei und den Mädchen in nicht so guter.

Die Wirtin bewies ihr gutes Gedächtnis, als ich eintrat. "Morikubo-sama, was für eine freudige Überraschung. Und da sind ja auch Yodama-chan und Akimichi-chan. Ist Uzuki-sama diesmal nicht mit dabei?"

Ich neigte vor ihr leicht das Haupt. "Guten Tag, Frau Kubo. Ich leite diesmal die Mission. Ich hoffe, bei unserer Reservierung gab es keine Schwierigkeiten."

"Natürlich nicht, Morikubo-sama. Wir haben jeweils einen Raum für die Herren und einen für die Damen vorbereitet. Dass Sie das Kommando führen ist ja erfreulich, Morikubo-sama. Dann wurden Sie tatsächlich in Konoha zum Chunin befördert."

"Ich konnte nicht entkommen", bestätigte ich lächelnd. "Haben Sie eventuell die Güte, mir einen eigenen Raum zu geben?"

"Hey, Mamo-chan, magst du uns nicht mehr?", witzelte Kaminari.

"Wir sind etwas gut ausgebucht, aber ich kann einen kleinen Raum frei machen, Morikubo-sama. Viel Komfort wird er nicht bieten."

Ich lächelte. "Danke, Frau Kubo. Ich brauche ihn nur, um für ein paar Gespräche ungestört zu sein. Kannst dich also abregen, Ryu. Du kommst schon noch zu deiner Mahjongg-Runde."

"Wir hätten auch nicht zugelassen, dass du dich drückst, Mamoru", merkte Inari Asa, der Medi-Nin der Gruppe, an. Ich brauchte ihn nicht anzusehen, um zu wissen das er grinste.

Ich winkte in seine Richtung ab. Zwar waren wir hier unter Freunden, so gut dies im Reich der heißen Quellen überhaupt möglich war. Aber den Anführer pricken, wenn er nicht zurückschlagen konnte, würde nur dafür sorgen, dass ich ihn beim Mahjongg ordentlich ausnahm.

"Noch jemand soll heute angekommen sein. Herr Mizuki, Kano Mizuki."

"Oh ja, Herr Mizuki. Er kam gestern an. Zum Glück war sein Zimmer schon frei. Er hat uns gebeten, ihn zu informieren, wenn neun Ninjas aus Konoha ankommen. Darf ich annehmen, dass Sie nichts dagegen haben, Morikubo-sama?"

Ich lächelte. Zwar kannte ich den Mann nicht persönlich, aber er hatte für unsere Anwesenheit harte Ryou bezahlt. "Er ist unser Auftraggeber. Ja, es ist mir sehr recht, wenn Sie ihn über unsere Anwesenheit informieren, Frau Kubo."

"Verstanden." Sie nickte einem ihrer Mädchen zu, das sich sofort aufmachte, um in den Gängen des Resorts zu verschwinden."Bitte folgen Sie mir doch, Morikubo-sama. Ich zeige Ihnen die Räume der Herren und Damen, und dann Ihren eigenen Raum."

"Danke sehr, Frau Kubo. Wir werden gemeinsam mit Herrn Mizuki im Raum der Herren zu Abend essen, nachdem wir das Bad besucht haben."

"Selbstverständlich servieren wir das Essen auf den Punkt", versprach sie.

Ich wusste, das waren keine leeren Worte.
 

Zuerst öffnete sie uns das Zimmer für die Männer der Gruppe. Es war ein großer, lichtdurchfluteter Raum mit Sicht nach Westen. Er hatte eine Veranda zum Garten und lag direkt an einem großen Teich, in dem Goldfische, Karpfen und andere Fische schwammen. Die Aussicht war geradezu idyllisch zu nennen. Damals, vor dem Chunin-Examen, hatten wir einen so guten Raum nicht bekommen. Auf der Rückreise, in Begleitung von Kirabi-sama, Omoi und den Mädchen jedoch waren wir hier schon einmal einquartiert worden. Wenn die Qualität des Raumes die Wertschätzung der Wirtin widerspiegelte, mussten wir bei ihr hoch im Kurs stehen. Ich ließ meinen Rucksack hier als Zeichen dafür, dass ich die Jungs wirklich nicht allein lassen würde. Dann folgte ich Frau Kubo zum Raum für die Frauen. Er war etwas kleiner, aber die Aussicht war durch die malerische Brücke, die sich hier gut sichtbar über den Teich erhob, noch einen Tick besser.

"Ich zeige Ihnen nun Ihren Raum, Morikubo-sama."

"Danke. Hanako, Karin, folgt mir bitte."

Die vier Kunoichi hielten inne in ihrem Tun. "Was, bitte?", fragte Hana erstaunt.

"Ich sagte, folgt mir bitte. Es ist aber kein Befehl, weil es nicht um eine dienstliche Sache geht, sondern um eine private."

Die beiden Mädchen wechselten einen schnellen Blick. Ikuko-chan, die im Hintergrund mit Auspacken beschäftigt gewesen war, fiel der Rucksack aus der Hand.

Selbst Hinata, die am wenigstens über mich und die beiden Mädchen wissen sollte, riss die Augen auf.

"Wie privat, Mamo-chan?", verlangte Karin zu wissen.

"Wir drei-privat", erwiderte ich.

Erneut wechselten sie einen schnellen Blick. Sie erhoben sich und kamen mit unsicheren Schritten auf mich zu. "D-dann wollen wir mal nicht so sein. Das geht in Ordnung, oder, Karin?"

"J-ja, das geht in Ordnung. Wir kennen uns doch schon sooo lange, und sind ja fast schon Geschwister."

Indigniert hob ich eine Augenbraue. "Eigentlich hatte ich ein anderes Thema geplant."

"W-wir lassen uns überraschen!", versprach Karin hastig.

"Bitte, Frau Kubo." Ich ließ er Wirtin den Vortritt.

"Danke, Morikubo-sama." Sie trat auf den Gang hinaus und schritt voran. Vor einer großen, verschließbaren Tür blieb sie stehen. Sie öffnete sie und offenbarte einen weiten Raum, in dem ein großer Schreibtisch und eine gepolsterte Sitzgruppe standen. "Da Sie in dem Zimmer nicht übernachten wollen, erlauben Sie mir, Ihnen mein Büro anzubieten, Morikubo-sama. Es gibt eine Sprechanlage, über die Sie jederzeit Essen und Getränke anfordern können. Bitte, seien Sie mein Gast."

Ich pfiff anerkennend. Für mein Vorhaben war die Sitzgruppe perfekt geeignet. "Ich nehme an, Frau Kubo. Und ich danke Ihnen für Ihre Großherzigkeit."

Die ältere Frau lächelte gütig. "Der junge Herr übertreibt. Das ist doch eine Selbstverständlichkeit für einen Gast wie Morikubo-sama."

Ich nutzte die Gelegenheit zu einer tiefen Verbeugung, die meine Dankbarkeit und meine Wertschätzung ausdrücken sollte. Aber verlegen forderte mich die Wirtin auf, mich wieder zu erheben.

"Ich lasse Tee und ein wenig Gebäck bringen. Bitte, lassen Sie sich Zeit, Morikubo-sama. Yodama-chan, Akimichi-chan." Mit diesen Worten schloss sie die Tür und ließ uns alleine.

Die Mädchen schwiegen. Sie vermieden es auch, mich anzusehen.

Erst als tatsächlich eines der Mädchen nur wenig später Tee und Knabberkekse brachte, wurden sie etwas lockerer.
 

"Bitte, nehmt Platz", sagte ich und deutete auf die Couch. Ich selbst reservierte mir einen der Sessel und griff zu meiner gefüllten Tasse.

Zögernd setzten sich die Mädchen. Dabei ignorierten sie Tee und Kekse, was genug über ihren Seelenzustand verriet.

"Um was geht es genau, Mamo-chan?", fragte Karin mit zittriger Stimme.

Nachdenklich rieb ich mein Kinn. "Es geht um mich. Um euch. Um uns."

Sie wechselten einen Blick, viel sagend und ernst.

"Kannst du das konkretisieren?", verlangte Hanako.

Ich seufzte. "Ich möchte euch gerne etwas sagen. Etwas Wichtiges." Ich beugte mich vor, ergriff je eine Hand eines Mädchens und drückte diese. "Bitte versteht, dass Ihr zwei für mich das Wichtigste und Wertvollste seid, was ich in diesem Leben besitze. Ich glaube, ich kann ohne Umschweife behaupten, dass ich euch ehrlich und aufrichtig liebe."

Wieder wechselten die beiden Mädchen einen Blick. Und als sie mich wieder ansahen, begannen sie zu lachen. "Mamo-chan, mach keine Witzchen mit uns", mahnte Karin und versuchte mir ihre Hand zu entziehen.

"So wie ein Bruder seine Schwester, hm?", meinte Hanako, schnaubte amüsiert und versuchte ebenfalls ihre Hand zurück zu nehmen.

Erstaunt stellten sie fest, dass ich ihre Hände nicht fahren ließ.

"Ich weiß, dass Ihr in mich verliebt seid. Beide. Nur ein Idiot hätte das nicht bemerken können. Und seit Ihr mich nach dem zweiten Teil des Chunin-Examens geküsst habt, bin ich mir sicher. Ich weiß, dass dies keine Liebe ist, wie man sie für seine Geschwister empfindet, sondern eine Liebe, wie es sie im Leben nur einmal geben sollte. Eine Liebe, die körperliche Liebe mit einschließt, Heirat, Familie, Kinder."

Ich konnte sehen, wie sich die Aufregung in den Gesichtern der Mädchen abzeichnete. Röte bedeckte sie, und sie atmeten heftiger.

"Mamoru, heißt das, du hast endlich kapiert, dass...?", begann Hanako.

"Mamo-chan, siehst du uns etwa wirklich als Frauen, nicht als kleine Schwestern?", fragte Karin mit einer Stimme voller Zweifel und Freude zugleich.

Bei so viel Überschwang stockte ich. Ein kurzes Räuspern machte es besser. "In diesem Moment bin ich mir sehr sicher, dass Ihr beide Frauen seid. Begehrenswerte Frauen. Deshalb werde ich wohl nie verstehen, warum Ihr euch ausgerechnet für mich interessiert. Ihr könntet ganz andere Männer haben als mich."

Wieder wechselten sie einen schnellen Blick. "Er hat es nicht komplett verstanden, oder?", fragte Hanako grinsend.

"Na, na, wir dürfen nicht zu viel von ihm erwarten. Er hat uns ja zwei Jahre zappeln lassen und ist endlich mal ehrlich zu uns. Da sollten wir ihn nicht gleich wieder tadeln", erwiderte Karin.

Ich fühlte mich ausgeschlossen, so als wäre ich während dieser Zeilen gar nicht anwesend.

Erst als sie sich mir wieder zuwandten, mit lächelnden Gesichtern, schien ich wieder aktiv am Geschehen teil zu nehmen. "Also, Mamoru Morikubo, was willst du uns denn so ganz konkret sagen?", fragte Karin mit leicht desinteressierter Stimme.

Ich räusperte mich mehrfach, um meine plötzlich eng werdende Kehle frei zu bekommen. "Karin, Hana, ich bin mir in diesem Moment sehr sicher, dass ich eines Tages eine von euch beiden heiraten werde."

Die Mädchen erstarrten. Für einen Augenblick schienen sie sich sogar in viele kleine feine Scherben aufzulösen. "D-das ist... Karin, wie lange haben wir darauf gewartet?"

"Seit der Akademie! Nein, seit dem Sandkasten! Ich kann mich gar nicht mehr daran erinnern, wann wir den Mamoru-Pakt geschlossen haben..."

"Mamoru-Pakt?", fragte ich argwöhnisch. "Hatte ich die ganze Zeit überhaupt eine Chance?"

Die beiden lächelten mich auf eine süße Art an, die mein Herz höher schlagen ließ. "Nein."

Seltsamerweise machte mich diese Antwort sehr zufrieden. "Aber ich weiß einfach nicht, welche...", begann ich, doch da entzogen mir die Mädchen ihre Hände. "Sprich es nicht aus, Mamoru. Wir wissen selbst am Besten, dass du dich nicht entscheiden kannst. Aber das du drüber gesprochen hast, ernsthaft drüber gesprochen hast, das bedeutet uns so viel."

"Du weißt gar nicht, wie viel!"

Darauf folgte langes Schweigen. "So. Und was jetzt?", fragte ich endlich.

"Jetzt kommt das Haar in der Suppe. Eigentlich sogar sehr viele Haare", sagte Hanako, sichtlich nicht erfreut.

"Versprechen ist Versprechen, Hana", mahnte Karin.

"Ja, ja. Ich habe nicht vor, es zu brechen", maulte sie. "Du musst wissen, Mamoru, dass wir zwar den Pakt im Sandkasten beschlossen haben, aber dass wir nach und nach noch drei Mädchen aufgenommen haben. Mädchen, die du mindestens so sehr liebst wie uns. Und... Bei deiner Verteidigung haben wir halt Hilfe gebraucht. Und unser Versprechen ist, dass du dein Mädchen aus uns fünf wählst. Gerecht für alle. Jetzt, wo du endlich mal über deine Gefühle gesprochen hast, tritt der Pakt in Aktion."

"Hey, hey, für wen haltet Ihr mich? Für einen Frauenverschlingenden Womanizer?"

Die Mädchen prusteten amüsiert. "Das hat er also auch noch nicht verstanden", sagte Karin zufrieden.

"Gut für uns", erwiderte Hanako. "Mamo-chan, wie lange ist es her, dass du einen Affenkrieger beschworen hast?"

Ich dachte kurz nach. "Das war letzten Monat. Doktor Tofu hat mir mir eine Trainingseinheit vor der Jagdmission eingelegt. Und davor habe ich einen Monat mit Ranma-sempai trainiert."

"Hast du in dieser Zeit eigentlich Ranko-sama..." Karin bekam einen Ellenbogen in die Seite. "Ich meine, hast du P-chan gerufen?"

Erstaunt sah ich die Mädchen an. "Perine? Nein, nicht mehr seit wir Otogakure zerstört haben. Sie hat mir gesagt, sie möchte eine Zeit lang trainieren, und man würde mir mitteilen, wenn sie wieder beschworen werden kann. Das ist über ein Jahr her. Fast schon zwei."

Erneut sahen sich meine Mädchen mit diesem wissenden Blick an. "Die Zeit ist jetzt. Beschwöre sie, Mamoru", sagte Karin ernst.

"Was?"

Hanako verdrehte die Augen bei meiner Uneinsichtigkeit. "Nun mach schon, Mamo-chan!"

Ich zuckte mit den Achseln. "Also gut, wenn Ihr drauf besteht."

Ich biss mir in den Daumen, um etwas Blut zu bekommen. Dann beugte ich mich sitzend vor und legte die rechte Hand auf den Boden. "Kuchiose no Jutsu!"
 

"Mamo-chaaaaaaan!"

Bevor ich mich versah, war ich in den Falten eines Kimonos verschwunden. Ich spürte, wie mich etwas warmes, weiches berührte, und nach ein paar Sekunden identifizierte ich es als weiblichen Busen, der vom Kimono mehr schlecht als recht bedeckt war. Ich sah nach oben und blickte in die Karminroten Augen einer schlanken, hochgewachsen Frau mit langem schwarzen Seidenhaar. Für einen Augenblick dachte ich, ich hätte Ranko-sama beschworen, aber die hatte mehr Oberweite und war noch einen guten Kopf größer.

"Mamo-chan, Mamo-chan, Mamo-chan, Mamoooooo-chaaaaan!"

"Nun ist aber genug, Perine! Entweder erdrückst du ihn, oder er stirbt glücklich", tadelte Hanako.

"Aber, aber, aber, ich habe ich doch sooo lange nicht gesehen! Und Ihr durftet immer bei ihm sein! Habe ich da nicht einen Ausgleich verdient?"

"Da hat sie Recht. Also gut. Du hast einen."

"Einen?", maulte sie.

"Einen?", fragte ich verständnislos.

Ich hörte Hanako seufzen. "Also gut, zwei. Aber keinen mehr!"

"Zwei?", fragte ich.

"Yay! Zwei!" Bevor ich mich versah, drückte mir die schlanke Schönheit ihre warmen, weichen Lippen auf meine. Als sie sich von diesem Kuss wieder löste, standen Tränen in ihrem Augen. "Oh, es tut so gut, dich wieder zu sehen, Mamo-chan."

"P-chan?", rief ich verblüfft. "P-CHAN?"

"Für unser nächstes Treffen wollte ich erwachsen sein, Mamo-chan. Das hat auch ganz gut geklappt", schnurrte sie, während ihr rechter Zeigefinger auf meiner Brust Kreise zeichnete. "Ich hoffe, dir gefällt, was du siehst."

"Oh, durchaus." Ich spürte, wie kalter Schweiß auf meiner Stirn stand.

"Das freut mich zu hören", sagte sie lächelnd, und wieder senkte sich ihr Mund hernieder. Ich muss zugeben, es war ein herrliches, elektrisierendes Gefühl. Der Gedanke, dabei ein Spielball der Ideen und Wünsche der Mädchen zu sein elektrisierte nicht so sehr, aber ernüchtert stellte ich fest, dass ich anscheinend von Anfang an kein Mitspracherecht bekommen hätte. Das mit der Zunge irritierte mich dann doch ein wenig, auch wenn es höchst angenehm war.

"Mein Mamo-chan", schnurrte sie zufrieden und drückte mich wieder gegen ihren Busen. "Oh, ich bin so glücklich!"

Kräftige Hände griffen nach ihr und lösten mit sanfter Gewalt den Griff um mich. "Du warst glücklich genug für den Anfang", mahnte Karin.

"Was denn, jetzt schon? Ich hätte doch noch...", begann sie.

"Außerdem gehen wir vor dem Essen noch in die heiße Quelle baden", sagte Hanako.

Das änderte Perines Verhalten komplett. Sie war wie alle Affen eine große Verehrerin von heißen Quellen. "Yay! Baden! Essen! Baden! Essen! Ist es ein gemischtes Bad? Kommt Mamo-chan auch mit?"

"Das hättest du wohl gerne", tadelte Hanako.

"Du doch auch", konterte sie.

"Wie auch immer!", sagte Karin und rettete Hana damit vor den Gong. "Wir haben uns viel zu erzählen. Seit Otogakure ist viel passiert."

"Stimmt. Ich habe ja so viel zu berichten! Und Ihr müsst mir alles erzählen, was mit Mamoru passiert ist! Mamo-chan, wir sehen uns beim Essen."

Die drei Mädchen winkten mir zu, bevor sie mich allein ließen.

Unruhe erfasste mich. Mit meinem Geständnis hatte ich vorgehabt, Klarheit zu schaffen, meine Probleme zu reduzieren. Stattdessen schienen sie gerade zu zu nehmen. Mist.

Nachdenklich trank ich meinen Tee aus. Wenigstens darüber hatte ich die volle Kontrolle. Hoffte ich jedenfalls.

***

Damals
 

Blicke hatten eine besondere Macht. Manche Menschen behaupteten, sie hätten zwischen den direkten Blicken von Rivalen Blitze hin und her zucken sehen, statischen Entladungen zwischen zwei elektrischen Polen gleich. Andere behaupteten, Blicke gesehen zu haben, die Menschen bannen und sogar töten konnten. Und dann gab es da das sehr reale Sharingan, dessen Blick Menschen in ein Genjutsu ziehen konnte.

Die Blicke, die Morino und ich auswechselten, waren von einer ähnlichen Intensität, aber sie waren geprägt von einem Kampf des Willens.

"Nein, Morikubo!", sagte er harsch, vielleicht schon zum vierten oder fünften Mal.

Der Mann war ein Furcht erregender Anblick, Narbenübersäht und mehrfach gezeichnet. Dazu hatte er die Miene eines sehr bösen Preisringers, und eine Kraft im Blick, die keinen Zweifel daran ließ, wer der Chef der Informationsbeschaffungsabteilung Konohas war.

Ich verneigte mich erneut, ohne den Blickkontakt abzubrechen. "Ich bitte Sie, Morino-sama, überdenken Sie die Lage. Ich bin der einzige Chunin, der gerade jetzt zur Verfügung steht. Und Sie werden in Konoha gebraucht." Nachdrücklich fügte ich an: "Wir haben keine Zeit für lange Wartereien!"

Morino schnaubte verächtlich. Er besah sich die Gruppe, die sich hier versammelt hatte. Leicht verletzte oder einfach nur erschöpfte Genin verschiedenen Alters, die die bisherigen Kämpfe überstanden hatten, ohne Opfer zu werden, dazu zwei Chunin-Anwärter und ein richtiger Chunin - ich. Insgesamt waren wir dreißig. Das war ein Bruchteil dessen, was die Stadt aufbringen konnte, aber wir waren hier, die anderen waren dort. Wir, das waren die Reste der Patrouillen, des ersten Gegenangriffs, jene die von den Kämpfen bis vor das Haupttor gespült worden waren. Wir, das waren dreißig Shinobi, die den Befehl hatten, den Oto-Nins hinterher zu eilen, ihnen jeden Gedanken an eine Rückkehr auszutreiben, und, wenn möglich, ihre Basis Otogakure anzugreifen. Dreißig Ninja waren dafür etwas wenig, zugegeben, aber wenn wir nicht jetzt damit begannen Druck aufzubauen, mussten wir von Seiten der Oto-Nin mit einem Gegenschlag rechnen. Und das konnte Konoha auf keinen Fall gebrauchen.

"Ich sagte, wir warten auf Verstärkung und einen freien Jounin", beharrte er. Dass er uns nicht anführen konnte, war jedem klar. Der Chef der Informationsbeschaffungseinheit, der einen Teil des Abwehrkampfs angeführt hatte, wurde gerade jetzt dringend in der Stadt gebraucht, um die stattliche Zahl an Gefangenen zu verhören. Informationen waren noch wichtiger als Jutsu und Waffen für einen Shinobi.

"Morino-sama!", sagte ich mit Nachdruck.

"Du hast dein Beschwörungslimit für den Affenclan überschritten, Morikubo! Was willst du also?"

"Das Richtige tun!", erwiderte ich Zähneknirschend. Die Wut über den Tod Katous von Marias Hand wütete in mir, zugegeben. Aber auch die Stimme der Vernunft, die mich voran trieb, und die letzte Warnung von Doktor Tofu, den Feind nicht ruhen zu lassen, bis er das Feuerland verlassen hatte, trieben mich an.

Morino warf mir einen wütenden Blick zu, der einen geringeren Mann als mich zu Boden geworfen hätte. Zwingend, wütend, voller Jähzorn und Gewalt. Aber ich hielt stand.

"Dann muss ich jetzt wohl eine Entscheidung treffen." Er brach den Blickkontakt ab und sah über die Runde. Keiner der Shinobi hier war schwer genug verletzt, um zurückbleiben zu müssen. Aber es war keiner dabei, der als voll einsatzfähig eingestuft werden konnte. Wir alle hatten unseren Anteil an den Kämpfen gesehen, mitten drin gesteckt.

"Ihr habt Erlaubnis, die Oto-Nin bis zur Landesgrenze zu verfolgen. Aber seid vorsichtig. Wenn sie merken, dass wir ihre Reorganisation stören, werden sie Fallen stellen, sich vielleicht sogar für einen Kampf stellen. Versucht einfach, nach mehr auszuschauen als Ihr seid. An der Grenze wartet Ihr. Spätestens dann, vielleicht früher wird Verstärkung zu euch stoßen. Haben das alle verstanden?"

"Ja, Morino-sama!", hallte ihm Dutzendfach entgegen.

"Morikubo übernimmt das Kommando. Akimichi-kun und Yodama-kun sind seine Leutnants. Viele von euch haben schon mit ihnen gearbeitet, also wisst Ihr ja, was Ihr von ihnen zu halten habt. Hört auf Morikubo, wenn euch eure Leben lieb sind, kapiert?"

"Ja, Morino-sama!"

"Na, dann los, bevor ich es mir doch noch anders überlege!"
 

Ich deutete eine Verbeugung an, dann benutzte ich Step, um in die Bäume zu kommen. Die Anderen folgten mir. "Sensorische Ninjas?", fragte ich, während wir mit dreißig Leuten von Ast zu Ast huschten.

Sechs Hände hoben sich. "Ihr zwei zu Hanako, Ihr zwei zu Karin, Ihr zwei bleibt bei mir. Genjutsu?"

Hier hoben sich nur zwei Hände. "Du Hanako, du Karin. Ninjutsu?"

Erwartungsgemäß schossen nun zwölf Hände hoch. "Ihr sechs zu mir. Ihr drei zu Hanako, Ihr drei zu Karin. Damit bleiben neun Taijutsu-Nutzer übrig, plus die bereits eingeteilten sensorischen Ninjas. Ihr drei zu Hanako, Ihr drei zu Karin, der Rest bleibt bei mir." Mehr als diese grobe, schnelle Einteilung war nicht möglich. Mit knapp der Hälfte hatte ich bereits gekämpft. Ich versuchte, sie den Mädchen zu zu teilen, damit sie mit einem Vorteil in die bevorstehende Schlacht gehen würden. Dazu kam, dass sensorische Ninjas in der Regel selbst Ninjutsu-Nutzer waren. Mir blieb nicht die Zeit, die Leute nach ihren besonderen Affinitäten einzuteilen, ihre Attacken kennen zu lernen und die Gruppe ausgewogener zu machen. Ich konnte mich nur darauf verlassen, dass sie auf meine Befehle hören und kämpfen würden.

"Karin, rechte Flanke. Hanako, linke Flanke. Sensorische Ninjas, auf Chakra und Bewegungen achten. Alle, die Kage Bunshin beherrschen, erschaffen Schattenklone und schicken sie vor."

"Verstanden!" Fast zwanzig von uns formten die wohlbekannten Handzeichen, es entstanden die so typischen Nebelwölkchen, und aus ihnen strömten schließlich fast siebzig Schattenklone. Fünf davon waren von mir. "Alle Schattenklone sollen sich in Tiere verwandeln!", befahl ich. "Raubtiere, möglichst gefährlich!"

Die Klone meiner Selbst verwandelten sich in die gefährlichen Raubechsen, die ich im Trainingsgebiet von Kumogakure kennen gelernt hatte. Andere verwandelten ihre Klone in Wölfe, Bären, Füchse, Dachse, alles was ihnen an gemeinen und bissigen Tieren einfiel.

"Und jetzt vorweg mit euch!"

Die Klone spritzten davon und waren kurz darauf im Geäst verschwunden. Eine Zeit lang hörten wir nichts von ihnen. Doch dann zuckte eine der Ninjas zusammen. Ich sah herüber, und die Kunoichi erwiderte den Blick ernst. "Einer meiner Klone ist auf einen Oto-Nin getroffen und wurde ausgelöscht. Aber bevor er verging, hat er gesehen, wie mehrere der Klone den Ninja angegriffen haben."

"Wir sind ihnen also schon nahe. Das war ein Posten", erwiderte ich laut genug, damit mich alle hören konnten. "Macht euch fertig."

In der Ferne schwoll eine Staubwolke über die Baumkrone auf. Mehrere meiner Genin fuhren zusammen. "Wir haben den Lagerplatz gefunden", sagte Kaminari. "Soweit ich es sehen konnte, waren es über einhundert Ninjas, die sich neu formieren."

"Was ist mit der Explosion? Ist einer der Schattenklone auf eine Falle gestoßen?"

"Nein, das war ein Erd-Jutsu. Und ich glaube, viele der Shinobi sind verletzt."

"Unser Vorteil!", rief ich. Die Klone hatten für uns als Vorhut gedient. Ich hatte gedacht, mit ihnen mögliche Minen aus dem Weg zu räumen, explodierende Tags und andere Sprengfallen, beschworene Tiere, Kunai-Schleudern und dergleichen. Aber diese Fallen legte man nur aus, wenn man seine Flucht decken wollte. Das hatten unsere Freunde aus Otogakure anscheinend gar nicht vor. Und nun mussten sie sich mit den noch gut sechzig Schattenklonen herum schlagen, die mitten in ihre Reorganisation eingebrochen waren. Zwar waren sie jetzt gewarnt, wussten das wir sie gefunden hatten. Und sie wussten, dass wir kamen. Aber das war auch schon alles, was sie wussten. Und wenn sie keinen Anführer hatten, der Eis statt Blut in den Adern hatte, dann würden wir über sie kommen wie ein Gewittersturm. Und dann war ihre zahlenmäßige Überlegenheit keinen Ryou mehr wert.
 

Ich zückte mein Kunai, etwa eine Sekunde, bevor einer meiner Schattenklone vernichtet wurde. Seine Erinnerungen gingen auf mich über, und ich erinnerte mich plötzlich daran, mit wem mein Klon gekämpft hatte. Er hatte Maria an die Kehle gehen wollen, war aber von der Seite getroffen worden. Maria! Unwillkürlich wurde mein Griff um das Kunai fester. "Wer beherrscht Katon?"

Es meldeten sich vierzehn Shinobi. Das war nicht verwundernswert, denn das Feuer-Element war in Konoha am weitesten verbreitet. "Wir Katon-Nutzer gehen vor!", befahl ich und setzte mich von meiner Gruppe ab. Dann ließ ich halten, gerade in der Reichweite der Oto-Nin, gerade so, dass wir den Kampflärm hören konnten, und einige von uns durch das Gewirr der Äste die Fleckentarnmuster Otogakures sahen.

"Eure besten Katon-Jutsu! Jetzt!", rief ich. Das warnte zwar den Feind, aber wenn wir diesen Moment nicht nutzten, dann hatte ich die Gruppe in den Untergang geführt.

Fünfzehn Lungen füllten sich, fünfzehn Männer und Frauen schmiedeten Chakra, fünfzehn Mal sammelte sich brennendes Öl in den Mündern, bevor es sich in den verschiedensten Jutsu entlud, und als einzige, große Feuerwand auf das Lager der Oto-Shinobi niederging. Die meisten waren Feuerbälle, große, beeindruckende Feuerbälle. Einige beschworen Bälle aus Feuer. Andere schickten Flammenwände mitten unter die Reihen der Kämpfenden. Das Ergebnis war ein Inferno. Und weitere zerstörte Schattenklone. Das brachte mich kurz zum Lächeln. Bisher hatte ich noch keinen Shinobi verloren, aber wir hatten Tod und Entsetzen über den Gegner gebracht.

"Jede Gruppe lässt einen sensorischen Ninja hier, um auf die Flanke und unseren Rücken aufzupassen. Ich erwarte eine rechtzeitige Warnung, wenn weitere Oto-Nin hier her kommen! Das können unmöglich schon alle gewesen sein! Der Rest: Angriff!"

"Verstanden!"

Ich sprang von meinem Ast herab und landete härter als erwartet auf dem Waldboden. Meine Flammen wüteten zusammen mit denen der anderen Katon-Nutzer auf der Lichtung. Ich sah einige Ninja brennen, andere vor den Flammen, die nur zäh wieder erloschen, zurückweichen. Und ich sah verkohlte Asche auf dem Boden liegen. Ninja, die der Hitze des Katon nichts entgegen zu setzen gehabt hatten. Dies war die gerechte Strafe für den hinterhältigen Angriff auf Konoha. Wer in den Wald hinein schrie, der musste auch das Echo ertragen können, denn dies war die Welt der Shinobi. Und wer hier nachlässig war und seine Karten nicht optimal spielte, schied aus dem Spiel aus. Und Ausscheiden bedeutete sterben.

Einer der brennenden Shinobi wandte sich mir zu. Sein Rücken brannte, aber seine Augen brannten noch mehr, voller Wut und Hass. So griff er mich an, mit der kurzen, geraden Schwertklinge, die ich durch Maria kennen gelernt hatte.

Ich stoppte sie mit meinem Kunai, zog kurz die Linke zurück, und stieß sie dann mit allem was ich noch an Kraft aufbieten konnte auf die Magengrube meines Gegners. Ich spürte, wie er sich um meinen Schlag zusammen krümmte. Dann wischte ich seine Klinge mit meinem Kunai beiseite, riss mein Knie hoch und zertrümmerte seine Kehle. Der Sterbende fiel zu Boden, ohne einen einzigen Laut. Wenn ich das Feuer betrachtete, das lichterloh auf seinem Rücken wütete, hatte ich wohl nur gegen einen Toten gekämpft, der vergessen hatte, das er eigentlich längst gestorben war.

Ein Shuriken sauste heran, aus einem Winkel, den ich nicht einsehen konnte. Ich erspürte ihn mit meinen eigenen schwachen sensorischen Fähigkeiten, aber er war schnell, zu schnell für mich. Er musste beschleunigt worden sein. Natürlich, ein Wind-Nutzer. Wie die meisten Oto-Nin.

Es gab ein metallisches Klirren, als der Shuriken gegen ein Kunai prallte. "Sei doch vorsichtiger, Mamoru, verdammt!", zischte Kaminari mir zu.

"Danke. Das ist schon das zweite Mal heute."

"Geht in Ordnung, Boss", erwiderte er mit einem wilden Grinsen, bevor er in Richtung des Angreifers davon sprang.
 

Ich klaubte die Klinge des Oto-Nins auf und suchte den nächsten Gegner. Wir hatten mit dem Feuer-Überfall etwa ein Drittel der Lichtung verwüstet. Von den ursprünglich einhundert Oto-Shinobi befanden sich noch vierzig hier. Der Rest war entweder im Feuer verbrannt, von meinen Leuten getötet worden, oder geflohen. Angst war hier unser bester Verbündeter. Unser Gegner konnte nicht wissen, wie stark wir waren. Aber sie sahen die Brände, ihre eigenen Toten, und sie hatten uns in ihren eigenen Reihen, womit sie nicht gerechnet hatten. Viele mussten bereits in Panik geflohen sein.

"MARIA!", rief ich wütend, während meine Augen rastlos nach ihr suchten. Ein Shinobi schleuderte eine Wassersäule auf mich, ich erwiderte den Angriff mit Katon. Feuer und Wasser stritten miteinander, und okay, ich war geschwächt und entkräftet, aber selbst der natürlich Vorteil, den Suiton normalerweise gegenüber Katon hatte, nützte nichts. Meine Flammen verdampften das Wasser, rasten auf meinen Gegner zu, und nur sein beherzter Sprung zur Seite rettete ihm das Leben. Vorerst. Ich ließ von ihm ab, als ihn einer meiner Genin mit einem Erd-Jutsu attackierte.

"MARIA!" Ich erhielt keine Antwort, aber es bereitete mir Vergnügen zu glauben, dass die junge Frau beim Klang meiner Stimme, wenn sie ihren Namen hörte, vor Angst zusammen zuckte. Ich hatte mehr als eine Rechnung mit ihr offen, und wenn die Götter es wollten, würde ich sie begleichen. Wenn nicht hier und jetzt, dann ein andernmal.

Ich zuckte kurz zusammen, als der dritte meiner Klone ausgelöscht wurde, hinterrücks erstochen. Was mich dazu ermahnte, nicht die eigenen Leute zu vergessen. Doch im Moment lief alles gut. Drei Verletzte, keine Toten, und wir drängten die restlichen, nun nur noch gut dreißig Ninjas, vor uns her. Die Späher in unserem Rücken meldeten sich nicht; solange wir den Gegner zur Flucht trieben, hatten wir alle Vorteile auf unserer Seite.

Ich übersah die Situation, während ich einen Oto-Nin tötete, der vor einem meiner Genin mit einem Sprung nach hinten flüchtete und mir mitten in die Schwertklinge sprang. Wie es im Training üblich war, hatten die Konoha-Genin Dreiergruppen gebildet und kämpften zusammen. Ich war überrascht und dankbar, dass sich eine so ausgewogene und gut miteinander arbeitende Truppe aus Nah- und Fernkämpfern gebildet hatte. Der Vorteil lag immer noch bei uns. Und es würde keine weitere Attacke von Otogakure auf Konoha geben. Jedenfalls nicht heute.

"MARIA!"

Der vorletzte meiner Klone verging, kurz darauf der letzte. Damit war die Zahl der von uns erschaffenen Klone auf elf geschrumpft, und selbst diese Zahl nahm stetig ab.

Aber die Informationen, die mir durch sie zuflossen, waren... interessant. Einer von ihnen hatte kurz Maria gesehen. Oh, was wünschte ich mir, noch in der Lage zu sein, wenigstens einen Affenkrieger zu beschwören. Selbst P-Chan hätte mir jetzt mehr als ausgereicht. Aber meine Katon hatten mein Chakra weiter ausgezehrt. Ich hatte kaum noch Reserven übrig, und ich war in Versuchung, zusätzlich zur Soldatenpille das Fünftel der Pille zu nehmen, das ich von Ranko-sama erhalten hatte.

Nun sah ich Maria mit meinen eigenen Augen. Sie koordinierte einen Abwehrriegel gegen uns, in dessen Rücken weitere Oto-Nin geordnet abziehen konnten. Und das war nicht im Interesse Konohas. Wenn wir sie schon ziehen lassen mussten, dann nicht geordnet, sondern in Panik und Hast. Panische Shinobi begingen Fehler. Fehle führten zum Tod. Das war der Plan.

"Bist du noch in meinem Rücken, Kaminari?"

"Aber Logo, Boss. Ich und Yuki und Shinnosuke. Es muss ja jemand auf dich aufpassen, oder?"

Ich lächelte grimmig. Das war vielleicht notwendig, aber immerhin hatte ich bereits zwei Gegner getötet, und wer weiß wie viele bei dem gemeinsamen Katon erwischt. Viel zu befehlen gab es gerade nicht, und meine neun Genin hielten sich in meinem Fahrwasser.

Karin kam auf ihrer Seite, die sie mit ihrem Baika no Jutsu beinahe alleine bereinigt hatte, gut zurecht, und Hanako hatte mit ihrer Truppe Marias Sperrriegel vor Augen. Es war ein Patt. Und das war schlecht.

"Deck mir weiter den Rücken."

"Wieso? Was hast du vor?", fragte er erstaunt.

"Was Verrücktes. Deckt mich vor den Shuriken und Kunais! Ich brauche fünf Sekunden!"

Ich sprang vor, stand keine zwanzig Meter vor der Wand aus vielleicht zwanzig Oto-Nins. Sofort wurde ich attackiert. Eine Schallwellenattacke packte mich, wirbelte mich herum und warf mich hart zu Boden. Ironischerweise entging ich so einem Kunai, das mich im rechten Arm getroffen hätte. "Zu arrogant! Zu selbstsicher, Dummkopf!", tadelte ich mich, schwang mich wieder auf die Beine und behielt den neuen Abstand bei. Das war ein Zeichen der Schwäche. Ich hoffte, Maria bemerkte es nicht.

"KATON! KARYUU ENDAN!" Ich holte tief Luft, blähte die Wangen und machte die richtigen Fingerzeichen. Von mir entlassen würde das Jutsu einen großen Feuerdrachen bilden, und einen mächtigen Schaden auf großer Fläche anrichten. Es war ein Jutsu des Sandaime, und ich war sicher, dass Otogakure seine Ninjas vor den stärksten Ninjutsu Konohas gewarnt hatte.

Ich verfehlte die erhoffte Wirkung nicht. Mehrere Shuriken und Kunai flogen in meine Richtung, aber Kaminari und seine Begleiter waren gut genug in der Abwehr. Lediglich ein Shuriken schnitt mir in den rechten Oberarm, ohne meine Konzentration brechen zu können.

Maria wurde bleich. "RÜCKZUG!", rief sie hastig und sprang davon. Die überlebenden Oto-Nins des Absperrriegels folgten ihr. Wer noch fliehen konnte, tat das auch. Sie ließen ein gutes Dutzend teilweise schwer verletzter Oto-Nin zurück, die nun den sicheren Tod vor Augen hatten.

"Wann hast du denn das Karyuu Endan gelernt?", rief Karin herüber, als sie von ihrer Seite, die vom Gegner geklärt worden war, zu uns herüber kam.

Ich stieß eine schwarze, klebrige Rauchwolke aus und entspannte die Wangen. "Wer hat behauptet, das ich es beherrsche?"

Das brachte mir verblüffte Blicke ein, bis jemand lauthals lachte. Andere fielen ein, und ich lachte ebenfalls.
 

Ich deutete auf die auf dem teilweise immer noch brennenden Gelände verteilten Oto-Shinobi. "Wir sollten uns um die kümmern. Und mit kümmern meine ich festsetzen, nicht töten."

"Wollen wir nicht gleich weiter ziehen, zur Verfolgung?", fragte Yuki unternehmungslustig.

Ich machte eine abwehrende Handbewegung. "Ab jetzt werden sie Fallen für ihre Verfolger auslegen, glaub mir. Das macht sie allerdings auch langsamer." Ich sah ins Rund. "Wir setzen die Oto-Nin, die wir hier finden, fest, damit die Verstärkung sie übernehmen kann. Dann werden wir eine Pause einlegen, um unser Chakra zu regenerieren. Danach umgehen wir das Rückzugsgebiet weiträumig, und schlagen in ihrer Flanke zu. Wer wurde verletzt?"

Sieben Hände gingen nach oben. "Wie schwer?"

"Nicht so schwer, dass wir dich nicht weiter begleiten könnten, Mamo-chan!", sagte ein älterer Shinobi grinsend. Ich kannte ihn, irgendwie kannte ich ihn, aber sein Name wollte mir nicht einfallen. Auf jeden Fall war er ein erfahrener Fuchs, und ich war froh, das er bei dieser wilden Mischung aus Grünschnäbeln und Veteranen dabei war. Hinter uns kamen die sensorischen Ninjas von den Bäumen, die ich für unsere Rückendeckung zurückgelassen hatte. Das bedeutete dann wohl, das wir für den Moment sicher waren.

"Gut. Wir haben den erneuten Angriff von Otogakure verhindert und ihre Truppen, wenigstens einen Teil, in wilder Unordnung davon gejagt. Wir haben die Pflicht, wieder kampfbereit zu werden. Danach werden wir sie weiter jagen, bis wir entweder andere Befehle erhalten, oder die Landesgrenze erreichen." Ich sah Kaminari an. "Ryu, geh zurück und suche Morino-sama oder Aoba-sensei und melde ihnen, dass wir die Oto-Nin in diesem Sektor zersprengt haben, bevor sie sich organisieren konnten. Melde, dass wir Gefangene gemacht haben, und das wir uns regenerieren, bevor es weiter geht. Wenn du keine anderen Befehle kriegst, führe ich die letzte Anweisung von Morino-sama aus und verfolge die Oto-Nin bis zur Landesgrenze."

"Ist gut, verstanden." Kaminari wandte sich ab, aber ich hielt ihn kurz zurück.

"Ryu, sieh zu, dass du auch zu Tetsuo und Ikuko-chan und den anderen gehst. Sag ihnen, dass es für sie erst mal vorbei ist und das sie, wenn sie es können, nach Konoha ziehen sollen. Schaffen sie es nicht, sorge dafür, dass einer der Jounin ihre Positionen erfährt."

Ein kurzes Lächeln ging über das Gesicht des Nukenin. "Verstanden, Boss."

Er verschwand mit Step. Ich hoffte, dass ich seine Kraftreserven richtig eingeschätzt hatte.
 

Dank Aoba-senseis Soldatenpille hatte ich keinen Hunger. Aber ich brauchte, wie die anderen auch, körperliche Ruhe. "Karins Gruppe sammelt die Gefangenen ein. Zwei sensorische Ninjas an den Waldrand, aber dringt nicht ein. Der Rest ruht sich aus."

Mit diesen Worten ließ ich mich im Schneidersitz nieder. Himmel, ich war wirklich ganz schön fertig.

"Ihr habt ihn gehört. Los, jetzt", klang Karins Stimme auf. "Ich unterstütze dich", sagte Hanako schnell. Weitere Genin wollten sich anschließen und helfen.

"Vergesst das Ausruhen nicht", mahnte ich. "Wir haben heute noch mehr vor."

"Verstanden."

Das hatten sie wohl wirklich, aber sie strengten sich trotzdem noch mal richtig an. Bewundernswert. Ich für meinen Teil ließ mich nach hinten fallen. Ich schloss die Augen, aber trotz meiner Erschöpfung wollte sich kein Schlaf einstellen. Nicht einmal dösen war mir vergönnt, denn wenn ich die Lider schloss, sah ich Katou tot am Boden liegen, und Maria, die vor ihm stand. Ich hatte Tooma Rache versprochen. Ich wollte mein Wort halten. Und damit ich das konnte, musste ich mich regenerieren, so gut ich es halt konnte. Und plötzlich war ich doch eingeschlafen.

Feuerregen 5

4.

Lachend und scherzend ging ich mit den Jungs, also Kaminari, Asa. Kiba und Shino ins Herrenbad. Das heißt, vier von uns scherzten und lachten. Shino gab sich wie immer schweigsam und geheimnisvoll. Und selbst als wir alle gar nichts oder nur noch ein Handtuch um die Hüften trugen und eifrig mit Abseifen beschäftigt waren, trug Shina Aburame noch immer seine Sonnebrille.

"Sag mal, muss das sein, Shino-kun?", fragte ich tadelnd. "Kannst du die Sonnenbrille nicht mal im Bad absetzen?"

Der Käferjunge sah zu mir herüber. "Natürlich kann ich das. Aber sie hilft mir dabei, mich zu konzentrieren, Sempai."

"Hm", sagte ich, ging zu ihm herüber und stellte mich neben ihn. "Das musst du mir näher erklären. Das klingt interessant."

"Gerne doch, Mamoru-sempai." Er saß auf einem der typischen Plastikhocker, wie es sie vor öffentlichen Bädern zuhauf gab. Unverwüstlich, leicht sauber zu halten, aber selten hoch genug für mich. Ich stapelte meistens zwei ineinander.

Shino hob die rechte Hand, und fasziniert sah ich dabei zu, wie an seinem rechten Oberarm ein Käfer direkt aus der Haut zu entstehen schien. Das Tier kletterte zum Ellenbogen runter, dann den Unterarm hinauf, bis er auf dem Zeigefinger verharrte.

"Äh", sagte ich irritiert und deutete auf seinen Unterarm.

"Ein für uns Aburame vollkommen natürlicher Vorgang. Wir steuern die Öffnung unserer Brut- und Depottaschen willentlich. Es hat etwas vom beschleunigten Heilen eines Medi-Nin."

"Ich hätte mit großen Löchern im Körper gerechnet. Ich habe mich schon gefragt, wie du da baden willst, ohne deine Käfer zu ertränken", lachte ich gespielt. "Aber das erklärt ja einiges. Hast du keine Angst, dass..."

"Dass mich die Käfer eines Tages von innen heraus fressen?" Seine Miene verzog sich zu einem kaum merklichen Lächeln. "Eher weniger. Käfer sind klüger als die meisten Menschen, glaube ich. Einerseits ernähren sie sich hauptsächlich von meinem Chakra, und andererseits sind sie zu klug, um ausgerechnet ihrem Wirt und sicheren Rückzugsort zu schaden."

"Ja, das leuchtet ein." Menschen waren da definitiv weit unvernünftiger. Beinahe wurde ich neidisch auf sein symbiotisches Verhältnis zu den Käfern.

"Weißt du, Sempai, zwischen den Käfern und mir besteht eine Verbindung. Eine intensiver Verbindung. Der ganze Staat steht unter meiner Kontrolle, so wie er mich kontrolliert, um perfekte Lebens- und Brutumstände für ihn zu schaffen. Ich kontrolliere direkt, und er unterschwellig."

"Wie sieht diese unterschwellige Kontrolle aus?", fragte ich interessiert.

"Die Käfer mahnen mich, nicht zu sterben."

"Oh, das klingt logisch."

Der Käfer auf Shinos Fingerspitze breitete die Flügel aus und flog davon. "Ich teile mit meinen Tieren die Sinne", erklärte der Käferjunge. "Ich sehe was sie sehen. Rieche was sie riechen. Fühle was sie fühlen. Wenn ich also einen meiner eigenen Sinne minimiere, in diesem Fall meine Sehkraft, bin ich empfänglicher für die Sinneseindrücke der Käfer. Wir... AUTSCH! WAS SOLLTE DAS DENN, SEMPAI?"

Ärgerlich stand ich neben ihm, die Hand noch immer vom Schlag durchgeschwungen. "Wenn das so ist, mein lieber Freund, dann ruf besser sofort den Käfer zurück! Der fliegt nämlich ins Frauenbad rüber!"

"W-warte, Sempai! Käfer sehen vollkommen anders als wir! Ich könnte gar nicht, auch wenn ich wollte, bei den Frauen..."

"Dann macht es dir ja erst Recht nichts aus, ihn zurück zu rufen, oder?"

Shino seufzte ergeben. "Ja, ja. Schon verstanden." Der Käfer kam zurück und verschwand wieder in der versteckten Tasche an seinem Oberarm.

"Gut. Und weil du so gehorsam warst, wasche ich dir auch den Rücken."

"Ein Packen Eis für meine Beule wäre mir lieber", murrte Shino.

"Als Ninja nimmt man was man kriegen kann. Merk dir das, Shino-kun."

"Und das ist eine Rückenwäsche vom Anführer? Grandios. Was bin ich doch für ein Glückskind."

Ich beugte mich weit genug nach vorne, um ihm ins Gesicht zu sehen. "Ich könnte dich auch alternativ rüber zu den Mädchen werfen und abwarten, was passiert", zischte ich.

Der junge Genin wurde bleich. "Rücken waschen ist eine tolle Idee, Sempai."

"Na also", brummte ich zufrieden.

Derweil ging Kaminari als Erster nach draußen. "Soll ich die Tür auflassen? Kalt ist es ja nicht!"

"Nein, mach sie lieber z...", begann ich, aber es war bereits zu spät. Wir hörten bereits die ersten Gesprächsfetzen aus dem Frauenbad.
 

"Kyahhh! Du bist also Hinata-chan? Ooooh, du hast so vornehm blasse Haut. Und sie ist so weich und zart..."

"Ah! Nicht da... Ah!"

"Nun lass das arme Mädchen doch mal zu Atem kommen, P-chan!"

"Gut, wenn du meinst, Hana-chan..."

"Ich habe ihr nämlich versprochen, sie einzuseifen! Und ich stehe zu meinem Wort!"

"Ah! S-sempai...! Da bin ich kitzlig..."

"Wo denn, wo denn? War das hier?"

"AH! Du bist gemein, Sempai!"

"Ach! Du darfst mit Hinata-chan spielen, und ich darf es nicht? Hinata-chan, ich wasche dich vorne. Oh, du hast aber schon eine schöne Oberweite für dein Alter. Und sie haben eine so tolle Form... Ach, da werde ich glatt neidisch."

"Ahhhhhh! AH! P-perine-sempai, das... Das musst du aber nicht. Du hast so wundervolle Brüste, und sie... MGLMMMMMM!"

"Oh, danke, Hinata-chan, du bist so nett und artig und lieb! Ich könnte dich drücken, drücken, drücken..."

"Lass ihr dabei noch ein wenig Luft zum Atmen, ja?"

"Oh. Glatt vergessen. Gut, dass du es sagst, Hana-chan. Entschuldige, Hinata-chan."

"Sch-schon gut. Und sie sind so herrlich weich..."

Ich schlug mir beide Hände vors Gesicht. Das machten sie absichtlich! Das machten die Mädchen definitiv absichtlich! Da hatte ich keine Zweifel dran, nicht den Geringsten! Ich hatte es erwartet, und ich war bestätigt worden. Fehlte nur noch, dass...

"Ikuko-chan, kannst du mir helfen? Ich wasche dir dann auch den Rücken."

"Aber natürlich, Karin. Ohohoho, was fühle ich denn da? Hast du wieder zugelegt? Die passen ja gar nicht mehr in meine Hände, Schätzchen. Wie hast du das denn gemacht? Eifrig Milch getrunken für unseren Mamo-chan?"

"Lass den Quatsch. Das ist nicht mein Rücken. Soll ich mich vielleicht revanchieren bei der einzigen Frau, deren Oberweite Tsunade-sama gefährlich werden kann?"

"Psst! Karin, wenn die Männer das hören, wenn Mamo-chan das hört!"

"Das hättest du dir besser vorher überlegen sollen. Oh ja, die sind schön groß und weich. Man mag kaum glauben, dass du mit diesen Gewichten vorne einen ordentlichen Step machen kannst, ohne dauernd vornüber zu fallen."

"Das kitzelt."

"Soll ich aufhören?" "Das habe ich nicht gesagt, Karin..."
 

Kaminari schloss die Tür wieder und damit die Stimmen der Mädchen aus. "Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber ich brauche jetzt eine kalte Dusche", sagte er trocken, setzte sich an den nächsten freien Platz und brauste sich eiskalt ab.

Inari lachte laut. "Tja, verheiratet muss man eben sein, dann ist einem dieses Gerede vollkommen egal! Hahahahaha!"

"Dann hast du ja sicher nichts dagegen, jetzt mit ins Bad zu kommen", sagte Kaminari. "Dazu musst du aber aufstehen."

"Oh, das ist gerade etwas ungünstig."

"Ja, verstehe. Verheiratet sein und über den Dingen stehen."

Ein derber Fluch entrang sich Inaris zusammengepressten Lippen.

Kiba, der gerade seinen Hund eingeseift hatte, sah erstaunt auf. "Ist irgendwas? Ihr wirkt alle irgendwie angespannt."

Ich sah zu Ryu rüber, der warf Inari einen Blick zu, dieser sah Shino an, und der unterdrückte ein Prusten. Wir lachten alle gemeinsam auf.

"Nichts, nichts, es sind nur die Mädchen. Die scheinen sich drüben köstlich zu amüsieren."

"Na wenn das so ist", begann Kiba und brauste seinen Hund gründlich ab, "dann sollten wir das auch tun, oder? Ab ins heiße Wasser!"

"Wo er Recht hat, hat er Recht", sagte ich amüsiert und spülte Shinos Rücken ab. "Also, auf ins Bad."

Der Plan war simpel und einfach. Wenn wir selbst genügend Lärm machten, konnten wir die störenden Kommentare der Frauen vielleicht ausblenden. Das klappte nicht immer, vor allem nicht mehr nach meinem Geständnis, aber ab und an funktionierte es. Dumm nur, dass es diesmal überhaupt nicht funktionieren musste.
 

Als wir in das herrliche Außenbad traten, das gerade von der warmen Nachmittagssonne beschienen wurde, waren wir noch bester Dinge. Zumindest bis zu dem Augenblick, als ich sah, dass bereits jemand die heiße Quelle genoss. In Verbindung mit einer kleinen Flasche Sake. Das war nichts Ungewöhnliches.

Ich kannte den Mann. Das war auch nichts Ungewöhnliches.

Aber das wo und wann war entscheidend.

"AH!"

Aufmerksam geworden sah er zu mir herüber. "Ah, Morikubo-sama! Groß sind Sie geworden. Ein richtig feiner Kerl!"

Das war eine irritierende Antwort, vor allem, wenn man die Umstände betrachtete, unter denen ich ihn kennen gelernt hatte. "AH!"

Der große, vierschrötige Bursche, grinste mich an. Mit einem Mund voller falscher Zähne, die allerdings so gut gearbeitet waren, dass es schon meiner Erinnerung an einen Haufen schwarz verfaulter Stumpen bedurfte, die ich zuvor in diesem Mund gesehen hatte. "Ah?"

Bedächtig erhob sich der Mann. Zugegeben, er sah besser aus als vor knapp vier Jahren, als ich ihn das erste Mal gesehen hatte. Ziemlich betrunken, alkoholkrank und schmutzig, speckig, schmierig. Und er hatte sich ein neues Gebiss geleistet. Das warf doch einige Fragen auf, immerhin hatte ich ihn das letzte Mal als Anführer von vier ähnlich abgerissenen Straßenräubern kennen gelernt, die uns gegen Sex hätten passieren lassen... Und mich mit einem Mädchen verwechselt hatten!

Langsam spürte ich die alte Wut wieder hoch kochen.

"Beruhigen Sie sich, Morikubo-sama", sagte er hastig, als er meine zitternden Hände sah. "Ich bin Ihr Auftraggeber!"

"Was?", rief ich erstaunt.

"Was?", kam es vom Zaun, der das Frauenbad vom Männerbereich trennte.

Erschrocken fuhr der Bursche zusammen und verkrampfte sich um das Handtuch in seinem Schritt. "Ah! Nicht gucken!"

Hanako, die über den Zaun schaute - oh, welch ein Déjà-vu - wurde rot und verschwand wieder hinter dem Holz. "I-ich habe nur geschaut, weil Mamo-chan so geschrien hat! Ich wollte nicht schmulen! Und überhaupt, kenne ich dich nicht irgendwoher, Onkelchen?"

Entsetzt riss ich die Augen auf. Was irritierte mich mehr? Dass Hana-chan dem Burschen einen Kosenamen verpasst hatte, oder dass er nach eigener Aussage unser Auftraggeber war?

"Wie gesagt", setzte er erneut an, "ich kann alles erklären!"

"Na, da bin ich aber sehr gespannt."
 

"Als ich Morikubo-sama getroffen habe, da war ich sehr betrunken gewesen. Ich war damals ein Ronin, ein herrenloser Soldat, ohne Weg, ohne Ziel. Der einzige Lebenszweck, den ich und meine Leute hatten, war, auf der Straße ein paar Ryou für die nächste Ladung Alkohol abzupressen. Und, ich gebe es zu, auch wenn es keine Ruhmeszeit für mich war, wir erpressten auch, wann immer es ging, ein paar sexuelle Gefälligkeiten. Nun, das machten wir, zumindest bis wir auf Morikubo-sama und seine Konoha-Gruppe trafen. Ich weiß nicht mehr alles, es ging so furchtbar schnell, aber eines weiß ich noch: Ich hatte Sterbensangst. Noch nie in meinem Leben hatte ich so deutlich gefühlt, dass der Tod nur eine falsche Bewegung entfernt war. Und dennoch konnte ich jedes Wort deutlich verstehen, das Morikubo-sama zu mir gesagt hat. Sie haben sich mir eingebrannt.

Er sagte zu mir: Deine Männer haben heute eine kluge Wahl getroffen, die dein Leben gerettet hat.."Vielleicht solltest du jetzt eine gute Wahl für sie treffen, und darüber nachdenken, sesshaft zu werden, denn irgendwann werdet Ihr beim Raub auf der Straße auf einen Gegner treffen, der nicht so nachsichtig ist wie ich. Und dann sterben sie. Er, er, er, er... Und dann du."

Der große Mann lachte und wirkte auf einmal wesentlich sympathischer als damals. "Tja, das habe ich dann auch gemacht. Zwei von uns wollten sich weiter als Straßenräuber versuchen, und ich weiß nicht, ob sie überhaupt noch leben. Die anderen beiden, Kim und Yoshi, gingen mit mir. Wir beschlossen, mit dem Trinken aufzuhören und einen Ort zu suchen, an dem es sich leben lässt.

Es ist wohl verständlich, dass man uns wegen unseres abgerissenen Äußeren und wegen unserer Schwerter nirgends viel Vertrauen entgegen brachte, und das wir meistens nur geduldet waren, und das auch nicht für lange Zeit.

Also beschlossen wir, unsere Zukunft selbst in die Hand zu nehmen. Ich kannte ein Tal, fruchtbar, aber verlassen, in einer Senke zwischen Hügeln mit einem großen Fluss in der Nähe. Es war während des Ninja-Weltkrieges verwüstet worden, und die Bewohner hatte man vertrieben oder getötet. Seither hieß es, dass dort böse Geister leben, und das man sich eine tödliche Krankheit holt, wenn man in den alten Hütten übernachtet. Aber was hatten wir schon zu verlieren?

Wir zogen in dieses Tal, setzten für jeden eine Hütte instand, beseitigten die Überreste des Ninja-Krieges, die noch immer zu finden waren, also Skelette der Toten und vereinzelte Spreng-Tags. Und dann begannen wir, die Reisfelder zu reparieren."

Er machte eine Pause, setzte sich wieder ins Wasser. Und ich und die Jungs setzten uns ebenfalls. Herrlich warmes Wasser umspülte mich. Immerhin.

"Wisst Ihr, Menschen sind eine merkwürdige Spezies. Sie mieden das fruchtbare Tal, weil sie Geister und die Toten fürchten. Aber kaum lebte dort wieder jemand, kamen auch die Menschen wieder. Wie kleine Tropfen, nach und nach, sickerten die Menschen zu uns, setzten sich die Häuser instand, halfen auf den Feldern. Und aus den Tropfen wurde ein Schluck, aus dem Schluck mehrere Schlucke. Und schließlich mussten die Neuankömmlinge neue Häuser bauen, weil die alten belegt waren. Bevor ich mich versah, war der ganze Ort wieder zum Leben erwacht, und das Erntefest hielten wir schon mit dreihundert Menschen ab.
 

Und das war erst der Beginn. Wir überstanden den harten Winter dank der fruchtbaren Felder und der nahen, von Jagdwild überquellenden Wälder, der Nähe zum fischreichen Fluss und zum Meer. Anderen Dörfern erging es nicht so gut, und als freundliche Nachbarn teilten wir, was wir entbehren konnten. Wir hatten im Überfluss, und wenn nicht ich, wer sonst hätte sagen können, wozu Menschen in der Not oder aus Neid fähig waren? Im Sommer waren wir schon fünfhundert, dann sechshundert im Herbst. Wir waren eine gut funktionierende Gemeinschaft geworden, die prosperierte und wieder eine überreiche Ernte einfuhr. Und so gut wie es uns ging, erhob bald der Daimyo Anspruch auf den wiederentstandenen Ort. Ein widerlicher Typ, der uns aber für seinen Zehner an der Ernte in Ruhe lässt. Und weil der Bursche auch nicht zu mehr taugte, erlebten wir zur dritten Ernte den ersten Angriff der Banditen."

Er schwieg, schenkte sich nach und leerte den kleinen Becher auf einen Schluck. "Bereits vor der ersten Ernte habe ich eine Frau genommen. Nein, das ist nicht ganz richtig. Sie hat sich mir aufgedrängt. Sie meinte, ein starker Anführer bräuchte auch eine starke Frau, und bevor ich mich versah, stand ich unter dem Pantoffel. Ja, das mit dem Anführer hat mich auch irritiert. Aber die Menschen in meinem Ort waren nur zu gerne bereit, mich mit den Abgesandten des Daimyo sprechen zu lassen, mich die Bürokratie erledigen zu lassen, da ich als ehemaliger Unterführer der Bushi, der Krieger meines alten Herrn, die meiste Ahnung davon hatte. Davon, und von den kleinen, konservativen, ehrgeizigen und gierigen buckligen Kreaturen, die man uns schickte, damit sie die Steuern taxierten. So wurde ich Ortsvorsteher, und Kim und Yoshi wurden meine Leutnants.

Als die Banditen kamen, wäre Yoshi beinahe getötet worden, weil man sein altes Schwert in seiner Hütte gefunden hatte. Ich flehte um sein Leben, und letztendlich ließen sie ihn leben. So wie sie uns leben lassen. Sie nehmen nicht viel, wenn man die große Ernte betrachtet, die uns die vielen Felder ermöglichen, die uns der gute Boden ermöglicht. Nur gut einen Zehnten, so wie der Daimyo. Das können wir verkraften. Dafür müssen wir keinen Streit anfangen und die Leben meiner Leute riskieren. Aber sie kündigten an, dieses Jahr wieder zu kommen. Und sie haben im letzten Jahr..." Er stockte, füllte sich Sake nach und trank ihn wieder in einem Schluck weg. "Sie haben im letzten Jahr nicht nur Reis, Gemüse und Obst im Wert eines Zehnten gestohlen. Sie haben auch junge Leute entführt. Vier Jungen und sechs Mädchen haben sie mitgenommen. Und als eine Mutter ihr Kind nicht gehen lassen wollte, haben sie sie getötet."

Das Keramikgefäß in seiner Hand zerbrach, als er stark genug zudrückte. "Ich wollte mein eigenes Schwert holen, aber Yoshi hielt mich auf. Zu Recht, denn was hätte ich alleine gegen fünfzig gut organisierte und gut bewaffnete Krieger tun sollen?"

Langsam, beinahe bedächtig, zog er sich eine Scherbe aus der blutenden Wunde im Handballen. "Den Reis können wir verschmerzen. Wir verkaufen den Überschuss ohnehin auf dem Markt oder verteilen ihn an Ortschaften, die nicht so gut geerntet haben. So etwas erhält die Freundschaft und mildert den Neid. Aber das Leid der Familien, die entführten Kinder, das kann ich nicht hinnehmen. Also habe ich das Geld genommen, das wir mit unseren Überschüssen verdient haben, um nach einer militärischen Lösung zu suchen. Der Daimyo war wie erwartet keine Hilfe. Solange er seinen Anteil kriegt, sind die Räuber unsere Sache. So waren seine Worte. Kirigakure wäre eine Anlaufstelle gewesen. Aber man sagt von ihnen, dass sie zur Abschlussprüfung ihre besten Freunde töten müssen, und solche Bestien hätte ich nicht gerne in mein Dorf gelassen. Blieb mir nur noch eines, den einzigen Ninja anzufordern, den ich kenne. Der mein Leben verändert hat. Der viele Leben verändert hat. Mamoru Morikubo-sama, Sie sind der Mann, dem ich mein volles Vertrauen schenke. Sie sind der Mann, den ich beauftragen kann mit der Vernichtung der Banditen und der Rettung unserer Kinder beauftragen kann."
 

"Hm", machte ich.

"Und es soll Ihr Schaden nicht sein, Morikubo-sama. Zusätzlich zu dem, was ich bereits dem Hokage bezahlt habe, werde ich..."

"Ruhig, Onkelchen. Das war kein ablehnendes Hm, sondern ein nachdenkliches", klärte Inari den ehemaligen Ronin auf. "Hinter Mamo-chans Stirn pocht schon die erste gute Idee." Der Medi-Nin klopfte mir auf die Schulter. "Nicht wahr, Herr Chunin?"

"Lass den Quatsch", erwiderte ich. "Ich denke."

Zum Älteren gewandt sagte ich: "Danke für diesen Respekt mir gegenüber. Aber da bleibt eine wichtige Frage."

"Ja, Morikubo-sama?"

"Wie heißen Sie überhaupt?"

"Genta."

"Genta?"

"Genta."

"Kein Familienname?"

Er grinste mich an. Ja, das war doch ein erheblich besserer Anblick als die schwarzen, abgekauten Stummel. "Kein Familienname. Keinen, den ich verraten möchte."

"Es tut ja auch nichts zur Sache. Eigentlich." Nachdenklich massierte ich meinen Nasenrücken. "Und diese gut ausgebildeten Räuber, fünfzig an der Zahl, haben versprochen, wieder zu kommen? Dieses Jahr zur Ernte, um ihren Anteil zu nehmen?"

"Und um eventuell weitere Kinder zu rauben. Letztes Jahr war keines unter vierzehn Jahren unter den geraubten Kindern. Dieses Jahr sind fast zwanzig Kinder über diese Schwelle getreten."

Ein dünnes Lächeln umspielte meine Lippen.

"Oho, jetzt hat er nicht nur eine Idee, sondern auch noch einen Plan", sagte Ryu. "Die armen Räuber."

"Nein, es ist nur eine Idee. Noch. Sagen Sie, Genta, wie viele Leute wissen bei Ihnen Zuhause, dass Sie Konoha-Shinobi angeheuert haben?"

"Und Kunoichi!", rief Hanako von der Damenseite entrüstet.

"Und Kunoichi."

"Nur ich und meine beiden Leutnants. Ich wollte es nicht an die große Glocke hängen, nur für den Fall, dass einer der neuen Dorfbewohner einen Nebenverdienst hat, oder jemand nicht die Klappe halten kann." Er kratzte sich ausgiebig am Haaransatz. "Wieso? Ist das wichtig?"

Nun musste ich grinsen. Jetzt war aus der Idee ein Plan geworden.
 

Nach dem ausgiebigen Bad kam das Essen dran. Natürlich wurde unser Arbeitgeber, der für unsere Dienste bereits bezahlt hatte, eingeladen. Und genauso natürlich übernahm ich als Gruppenleiter den Vorsitz. Genta saß mir gegenüber, und Team acht hatte die von mir aus gesehene linke Seite des Tisches eingenommen. Das temporäre Team saß rechts von mir, Hinata ergänzte Team acht als Leiterin, Karin hatte die Leitung von Kaminaris Mannschaft übernommen. Und P-chan... P-chan hatte sich mit temporärer Duldung meiner beiden Mädchen rechts von mir platziert, um mir in manierlicher, nicht aufdringlicher Art nachschenkte. Da ich im Einsatz war, trank ich nur Tee, um meine Fähigkeiten nicht zu beeinträchtigen. Ich hatte nie genug Resistenz gegen Alkohol entwickelt, um einen Abend durch zu trinken und am nächsten Morgen kampfbereit zu sein. Nicht, dass ich damals zu großartigem Konsum geneigt hätte.

Während das hervorragende Essen serviert wurde, das meiner Meinung nach das teuerste Restaurant Konohas locker in den Schatten stellte, plauderten wir noch recht belanglos über dieses und jenes. Aber nachdem wir unter uns waren, und Ikuko mir nickend zu verstehen gab, das sie auf heimliche Lauscher achtete, widmeten wir uns dem Thema.

Zuerst verschaffte ich mir einen Überblick über die Topographie, also Geländemerkmale wie Flüsse, Seen, Straßen, Felder und Wälder. Dass das Meer in der Nähe war, merkte ich mir auch. Nach der erfolgreichen Mission hatten wir vielleicht die Gelegenheit für ein Picknick und einen Badetag am Strand. Anschließend verschaffte ich mir einen Überblick über die Dorfbewohner, soweit mir Genta dabei assistieren konnte. Was er mir sagte, war nicht wenig. Und es erklärte, warum er unangefochtener Dorfvorsteher war. Es wäre wirklich eine Schande gewesen, wäre dieser Mann bei einem Straßenüberfall an den Falschen geraten und elendig verreckt. Seine Entschlossenheit, die Seinen zu beschützen, gab schließlich auch den Ausschlag für mich, die Geschichte vor der Chunin-Prüfung zu den Akten zu legen und ihm zu verzeihen. Und mich mit aller Kraft für diese Mission einzusetzen.

Dann ließ ich mir so viel wie möglich von den Angreifern schildern. Wie sie aufgetreten waren, was sie getan hatten, wie sie gesprochen hatten. Als Genta eine schweigsame, schwarzhaarige Frau erwähnte, die das Geschehen aus dem Hintergrund gelenkt hatte, schlug für einen Moment mein Maria-Radar an, aber ich schob den Gedanken als unwahrscheinlich beiseite. Wenn sie noch lebte, war sie sicherlich nicht im Reich des Wassers zu finden.

Schließlich zeichnete sich ein recht ordentliches Bild vor mir ab. Vor allem als ich erfuhr, warum die umliegenden Dörfer meistens im Winter unter Mangel litten.
 

"Alles in allem sieht es so aus, als sollte dein Ort abgemolken werden. Vorsichtig, allmählich, um den Menschen die Illusion zu lassen, dass es immer noch ein lebenswerter Platz ist. Dabei steigern die Räuber ihre Begierden mehr und mehr, und anschließend ist eine Ruine übrig wie jene, die dein Dorf einst war."

Ryu nickte zustimmend. Er hatte Erfahrung auf diesem Gebiet, allerdings von der anderen Seite aus. "Und deshalb sollten wir das Übel an der Wurzel ausreißen, anstatt die Symptome zu bekämpfen."

"Und wie wollen wir das machen?", fragte Karin.

Ich grinste so breit ich konnte. "Shino, klapp doch bitte mal deinen Kragen herunter und setz die Sonnenbrille ab. Danke. Jetzt versuch mal zu läch... Okay, ich glaube, das können wir überspringen. Ikuko, wer soll dein Mann sein? Ryu, oder lieber Inari?"

"Hä? Mein Mann? Warum machst du den Job nicht, Mamo-chan?"

"Hey!", kam es entrüstet von Hanako.

"Weil man mir bei meiner Körpersprache einen Dreißigjährigen auch mit einem Henge nicht abnehmen würde. "

"Was planst du schon wieder, du listiger kleiner Teufel?", fragte Ikuko.

"Ist doch vollkommen logisch!", meldete sich Kiba zu Wort. "Da niemand im Dorf weiß, das wir kommen, können wir uns als Neusiedler einschleusen und uns entführen lassen. Das wird uns automatisch zur Quelle führen, oder, Akamaru?"

"Wuff!"

"Gut mitgedacht, Kleiner. Also, wer darf es sein, Ikuko-chan? Der reife, sensible und rücksichtsvolle Inari Asa, oder der draufgängerische, energiegeladene und wilde Ryu Kaminari?"

Ikuko warf den beiden spöttische Seitenblicke zu. "Da nehme ich lieber Inari. Ryu ist mir doch etwas zu wild."

"Hey!", kam es von Ryu.

"Hat da deine Frau nichts gegen?", fragte Karin trocken.

"Wir werden doch wohl nur so tun als ob, oder?", fragte Inari erschrocken. "Und davon abgesehen, ist es ja die Mission, oder?"

"Natürlich werdet Ihr nur so tun. Und Shino wird euren Sohn mimen. Und, hm, da du, mein lieber Inari, blond bist, ist auch die Stelle für die große Schwester schon vergeben. Hanako, darf ich dir deinen neuen kleinen Bruder vorstellen?"

"Na, welche Ehre. Aber ich biege ihn mir schon noch zurecht, meinen kleinen Bruder."

"W-warum hast du mich oder Kiba nicht ausgewählt?", fragte Hinata aufgeregt. "I-ich hätte das auch geschafft! Ich bin eine Kunoichi Konohas, und... Und..."

"Weil wir nicht alle das Dorf infiltrieren werden. Ich habe mit dem Gedanken gespielt, dich und Shino die Geschwister spielen zu lassen. Aber Ihr seid euch für Zwillinge nicht ähnlich genug. Da fiel meine Wahl eben auf einen meiner Leutnants."

Ich grinste Ikuko frech an. "Los, mach mir mal die Enddreißigerin."

"Na warte, das kriegst du wieder", murrte sie, machte die Handzeichen und verwandelte sich. Übergangslos saß ein graues Mütterchen an ihrem Platz, reichlich faltig und zudem zahnlos.

"Ich sagte: Enddreißigerin. Nicht Endachtzigerin."

"Du bist heute nicht leicht zufrieden zu stellen, Mamoru-sama", murrte sie und verwandelte sich erneut. Ikuko war Mitte zwanzig. Für ihre klischeehafte Rolle als Mutter musste sie nur ihre Haut ein wenig strapazierter machen, ein wenig Schatten unter die Augen legen und über ihrem Mund die Wangenfalten vertiefen. Auf diese Weise war sie immer noch ein hübsches Ding, aber eben ein älteres hübsches Ding.

"Okay, Inari, du bist vierzig. Zeig uns das doch mal."

"Ich will es versuchen", murmelte er und benutzte Henge.

Für die Verwandlung hatte er sein Gesicht aufgedunsen. Die Nase war knallrot, und dicke Tränensäcke prangten unter den Augen. Zudem trug er jetzt einen blonden Vollbart.

"Inari, ich wollte einen mittelalten Mann. Keinen mittelalten Säufer."

"Aber woher soll Ikuko-chan dann die Augenringe her haben, wenn ihr Mann nicht säuft?", fragte er keck.

"Na meinetwegen. Wir bauen hier ja keine Musterfamilie." Ich grinste noch immer, als ich in die Runde sah. "Ziel der Mission ist es, dass Shino und Hana-chan entführt werden. Wir werden einen von Shinos Käfern behalten. Er soll uns an den Ort bringen, zu den sie verschleppt werden. Sollte euch Gefahr drohen, kannst du, Hana, dich mit deinem Körperübernahme-Jutsu verteidigen. Und du, Shino, bist ja immer voll bewaffnet. Aber in diesem Fall bevorzuge ich doch, dass Ihr euch unauffällig wehrt, und genauso unauffällig verschwindet. Wir werden euch mit ein paar Stunden Abstand folgen, um unsere Gegner nicht misstrauisch zu machen. Ikuko, Inari, Ihr stoßt für diesen Teil der Mission natürlich wieder zu uns."

"Das ist viel Aufwand. Und das nur, weil wir die Gelegenheit dazu haben?", fragte Ryu.

"Nein. Das Reich des Wassers hat ein Ninja-Dorf. Entweder rechnen unsere Räuber damit, oder sie haben selbst Ninjas dabei. Durch Shinos Kunst müssen wir sie gar nicht verfolgen. Wir müssen ihnen einfach nur folgen. Damit sollten wir Shinobi ebenso aushebeln wie Maßnahmen gegen Shinobi."

"Und was macht Ihr in der Zeit?", fragte Inari.

"Na, was wohl. Wir bleiben in Sichtweite in einem guten Versteck und greifen notfalls ein, falls die Situation eskaliert."

"Warum machen wir sie nicht einfach gleich platt?", hakte Ryu nach.

"Weil wir auf diese Weise vielleicht die Möglichkeit verlieren, die Entführten zu finden. Das ist der Plan. Das heißt, das wird der Plan sein, wenn unser Auftraggeber zustimmt."

Genta nickte ernst. "Das tue ich. Jedoch bitte ich um eine Änderung. Meine Frau hat... eine kleine Schwester. Sie ist noch keine vierzehn, sieht aber älter aus. Ich fürchte, das sie ebenfalls entführt wird. Ich... Würde es sehr zu schätzen wissen, wenn ihr jemand helfend zur Seite steht. Jemand, der mit entführt wird. Jemand, den ich auf meiner Reise getroffen habe und aus Mitleid mit nach Hause genommen habe."

"Na prima! Das kann ich doch machen!", rief Kiba aufgeregt. "Sagt nur wann und wo und wie, und ich lege los!"

"Äh, eventuell sollten wir jemanden nehmen, der weder durch seine Tätowierungen auffällt...", warf Genta ein.

"Die kann ich doch mit Henge verschwinden lassen!", protestierte der Hundejunge.

"...noch durch seine permanente Unruhe gleich beim Angriff von den Räubern erschlagen wird."

Ich ächzte auf. "Ich ahne, worauf Sie hinaus wollen, Genta, aber mich werden die Räuber stehen lassen."

"Ich bitte ausdrücklich darum, Morikubo-sama", sagte der Dorfvorsteher mit Nachdruck.

"Was denkt Ihr?"

Karin nickte. "Kein Problem. Ich führe das Backup-Team. Einem Käfer zu folgen dürfte nicht die Schwierigkeit sein. Außerdem sind drei Shinobi im Herzen des Feindes keine so dumme Idee."

"Und bei euch?"

"Ich habe nichts dagegen, mit dir in den Einsatz zu gehen, Mamo-chan", sagte Hanako. "Auch wenn wir getrennt bleiben, weil meine Mama sicher darauf besteht, dass ich mich nicht mit diesem Streuner abgebe, den Genta aufgegabelt hat."
 

Die anderen lachten leise. Mir war weniger zum lachen. Es machte mir durchaus klar, wie meine Rolle aussehen würde. Und ich würde sie nicht mögen. Anfangs sicherlich nicht.

"Also ist es abgemacht. Dann sollten wir mir zerrissene alte Kleidung besorgen, dazu einen Lastkarren und etwas alten Hausrat. Damit die Siedlungsgeschichte auch glaubwürdig klingt."

Meine Leute nickten. Gut, Unterstützung bei meiner Entscheidung war mir wichtig. Und ich hatte genügend Vertrauen in Karins Führungsqualitäten. Der Rest konnte von uns manipuliert, aber nicht bestimmt werden. Und ehrlich gesagt freute ich mich auf dieses Abenteuer.

"Zu gerne würde ich ja mitkommen", seufzte P-chan neben mir. Sie war den ganzen Abend äußerst manierlich gewesen, zurückhaltend und wohl erzogen. "Aber ich habe Pflichten, jetzt wo ich erwachsen bin. Vergiss nicht, mich zu beschwören, Mamo-chan, wenn du Ärger hast. Ich habe mich stark verbessert und kann mich jetzt auch in eine Waffe verwandeln. Du sollst der Erste sein, der mich führt."

"Wenn ich in mittelschweren Ärger gerate, der mich nicht dazu zwingt, Ranko-sama, Ranma-sama oder Dr. Tofu zu rufen, werde ich das auch tun. Und, wann musst du wieder zurück?"

"Morgen früh?", bot sie mit gesenkten Augen an.

"Perine!", rief Karin entrüstet. "Denk an den Pakt."

"War ja nur Spaß. Ich gehe, wenn Ihr schlafen geht, okay? Aber vergiss es nicht, Mamo-chan, das war ein Versprechen. Du rufst mich, wenn du Hilfe brauchst."

"Versprochen."

"Dann bin ich zufrieden."

Irgendwie wusste ich aber, dass es nicht leichter werden würde. Nichts spezifisches, sondern alles. Aber schließlich war ich freiwillig Shinobi geworden.

***

Damals
 

Meine Truppe war auf vierzehn Personen zusammen geschrumpft. Die Meisten hatte ich an Verletzungen und die Erschöpfung verloren. Ich selbst war ein erstklassiger Kandidat dafür. Zwei waren getötet worden, und da hatte Glück und die Hast der Oto-Shinobi eine wichtige Rolle gespielt.

Und der Rest, der mir zur Verfügung stand, war auch kurz davor, zu kollabieren. Da waren wir wohl alle nicht großartig anders.

Als wir die Grenze des Landes des Feuers erreicht hatten, hatte ich also zwei Tote und vierzehn Erschöpfte in drei Lagern auf unserem Weg zurückgelassen. Ich rechnete nicht damit, dass sie schnell wieder aufholen würden. Ich rechnete auch nicht mit Unterstützung aus Konoha, wo die Dinge sicherlich noch mehr drunter und drüber gingen als bei mir. Nicht jetzt, jedenfalls. Aber für den Moment reichte es mir, dass wir über zwanzig Gefangene gemacht hatten, die meisten von ihnen beim überraschenden Schlag gegen Otos Wiederaufmarschgebiet, in dem ich Maria wiedergetroffen hatte. Den Rest führten wir mit uns. Und die armen Oto-Nin - wenn mir die Sympathie für das Fußvolk Orochimarus vergeben wird - waren meistens schlimm verletzt und noch erschöpfter als wir. Immerhin lag der Angriff auf Konoha zwei Tage zurück, und kaum einer hatte mehr als das Nötigste geschlafen. Mehr als einmal hatte ich mit dem Gedanken gespielt, Ranko-senseis Soldatenpille zu schlucken. Doch Dr. Tofus Warnung hielt mich letztendlich davon ab.

Als wir nun die Landesgrenze erreicht hatten und der letzte Oto-Nin die Fersen in die Hand genommen hatte und verschwunden war, als ich alle aktuellen Aufträge abgearbeitet hatte, blieb mir nur noch unsere Gefangenen zu sichern, die erste Wache zu übernehmen, eine arme Sau zur zweiten zu verdonnern und einen etwas Glücklicheren die dritte Wache zu befehlen. Dem Rest befahl ich strikte Ruhe. Und die hatten wir auch alle dringend nötig. Unsere Chakra-Reserven waren katastrophal, unser körperlicher Zustand dementsprechend desaströs, und unser Schlafdefizit enorm.

Als ich schließlich nach anstrengenden vier Stunden Wache meine Ablösung weckte, dauerte es nur wenige Sekunden, bis ich eingeschlafen war. Zwölf Stunden hatte ich eingeplant, um die schlimmsten Defizite auszugleichen. Acht davon gönnte ich mir selbst. Es war ein tiefer, traumloser Schlaf der Erschöpfung, aus dem ich viel zu früh geweckt wurde.

Wie ich nach einigen Sekunden der Orientierungslosigkeit merkte, war es meine eigene Ablösung. "Tut mir leid, Mamoru, aber es ist wichtig", sagte Kaminari. "Ein Jounin ist angekommen. Er hat neue Befehle."

Wankend richtete ich mich auf. Erst die langwierige, kräftezehrende Aktion gegen die Banditen, dann der noch Kräfteraubendere Kampf gegen die Oto-Nin, und jetzt waren mir nicht einmal vier Stunden Schlaf vergönnt. Geschweige denn traumhafte acht. "Wie lange habe ich geschlafen?"

"Gut drei Stunden."

"Okay. Wen hat der Hokage geschickt?"

"Er... Er kommt vom Rat. Nicht vom Hokage. Der Hokage ist... Aber das soll er dir selbst sagen."

Irgendwas an Ryus Ton gefiel mir überhaupt nicht, aber ich war zu erschöpft, um lange drüber nachzudenken. Stattdessen suchte ich den Jounin, der knapp außerhalb unseres Verstecks wartete, bis ich zu ihm kommen würde, um die anderen nicht zu wecken.

Ich erkannte ihn wieder. Im ersten Moment hielt ich ihn für Hayate-sensei, doch ich erkannte meinen Irrtum schnell, als ich genauer hinsah. Genma Shiranui, Jounin für besondere Aufgaben.
 

"Shiranui-sempai", sagte ich, und ging mit immer sichererem Schritt auf ihn zu.

"Yo, Mamoru", begrüßte er mich und hob winkend eine Hand. Der Senbon, den er wie immer im Mund hatte, um darauf herum zu kauen, wechselte den Mundwinkel, während ich näher kam. Das wertete ich als Nervosität.

"Neue Befehle?"

"Erst einmal spricht dir der Rat von Konoha ein Lob aus. Du hast unter widrigen Umständen eine schwierige Mission erfüllt und bist an die Grenzen deiner Leistungsfähigkeit gegangen. Konoha weiß das zu schätzen."

"Danke. Wäre ich nicht so furchtbar erschöpft, würde ich es sicher mehr zu schätzen wissen."

"Wir alle sind erschöpft, Mamoru", sagte Shiranui tadelnd. "Aber meine Befehle werden dir hoffentlich gefallen. Du hast den Auftrag, nachdem du dir sicher bist, dass kein Oto-Nin mehr im Feuerland ist, mit deinen Leuten nach Konoha zurück zu kehren. Wir... Wir werden eine Expedition ausrüsten, die Otogakure vernichtet. Und du wirst dabei sein. Allerdings starten wir erst in fünf Tagen. Du und deine Chunin auf Probe haben also Zeit, sich etwas zu erholen, bevor es zur Sache geht. Und keine Sorge darum, dass die Oto-Nin diese Zeit nutzen werden. Wir haben mehrere Gruppen ANBU auf sie angesetzt. Sie stellen sicher, dass die Expedition die Oto-Nin auch finden wird."

Das klang annehmbar. Also eine Strafexpedition. Das klang gut.

"Suna hat kapituliert. Wir haben sofort einen Separatfrieden geschlossen, und sämtliche Gefangenen ausgetauscht. Die Toten werden ebenfalls nach Hause überführt."

Ich atmete erleichtert aus. "Dann sind Tooma und Lian bereits auf dem Weg nach Hause."

"Ja, das sind sie. Ich soll dich von ihnen grüßen. Dich und deine beiden Mädchen."

"Es sind nicht meine... Ach, ist ja auch egal. Gut, dann werde ich zurückkehren, sobald sich meine Truppe weit genug erholt hat. Hat es uns sehr schlimm getroffen? Ich habe gehört, ausgerechnet Orochimaru hat uns angegriffen."

"Ja, das ist korrekt. Wir... Der Sandaime wurde getötet."

"Was?" Für einen Augenblick fühlte ich den Boden unter meinen Füßen nicht mehr. Genauer gesagt verlor ich den Boden unter den Füßen und stürzte hart auf meinen Hintern. "Sensei", sagte ich mit schwacher, weinerlicher Stimme. Härter, wütender und vor allem drohender sagte ich: "OROCHIMARU!"

"Das ist noch nicht das Ende der schlechten Nachrichten. Die Schäden in Konoha sind weit weniger schlimm als erwartet. Aber wir hatten doch empfindliche Verluste. Du hattest empfindliche Verluste. Gekko wurde auch getötet, vor etwa vier Wochen. Wir vermuten, dass er der Konspiration von Suna und Oto auf die Schliche kam, aber ermordet wurde, bevor er sein Wissen weitergeben konnte. Es war ein Fuuton-Benutzer."

"Nein! Das kann doch nicht wahr sein. Vor vier Wochen schon? Warum hat mich niemand informiert? Und wie soll ich das Karin und Hanako beibringen?"

Ich weinte. Und ich schämte mich meiner Tränen nicht. Wahrscheinlich, weil ich viel zu müde war. Zu erschöpft.

"Es tut mir leid, der Überbringer der schlechten Nachrichten zu sein, Mamoru. Aber eine habe ich noch."

Nun begann ich zu zittern. Im Kampf hätte ich nie gezittert, wäre nie unsicher geworden. Aber hier und jetzt war ich hilflos, war den schlechten Nachrichten ausgeliefert. Im Kampf konnte ich mich wenigstens wehren. Ich konnte nur wie ein Mantra beten, dass meiner Familie nichts passiert war.

"Tetsuo wurde in seinem Erdversteck von Oto-Nin aufgespürt und getötet. Sie haben ihn fürchterlich zugerichtet. Wahrscheinlich aus Frustration und aus Rache für die misslungene Invasion."

Im ersten Moment war ich erleichtert. Es hatte keinen aus meiner Familie getroffen. Zumindest durfte ich das hoffen. Aber der Schock stellte sich trotzdem ein. Ich war für Tetsuo Anba verantwortlich gewesen. Er war getötet worden, und ich hatte es nicht verhindern können. "War es das jetzt mit den schlechten Nachrichten?", fragte ich mit tonloser Stimme.

"Wenn man mal von der Gesamtlage in Konoha absieht, dann denke ich schon." Shiranui reichte mir eine Hand, um mich wieder auf die Beine zu ziehen. "Du hast deine Befehle. Eine Einheit der regulären Armee übernimmt die Grenzverteidigung, bis wir Otogakure abgestraft haben. Wir erwarten nicht, Orochimaru aufzuspüren. Aber wir wollen Otogakure ein für alle Mal die Möglichkeiten nehmen, Ninjas auszubilden und gegen uns in den Kampf zu schicken."

Er stutzte für einen Moment. "Die Trauerfeier für Sarutobi-sama war heute morgen. Es tut mir leid, das wir keine Möglichkeit hatten, dich nach Konoha zu schaffen."

"Sch-schon gut. Ich... WIR werden das nachholen, wenn wir wieder in Konoha sind. Danke für die Nachrichten, Shiranui-sempai. Ich... Ich habe jetzt die schwere Aufgabe, die schlechten Nachrichten weiter zu leiten."

Er klopfte mir aufmunternd auf die Schulter. "Wir alle müssen damit leben, dass der Sandaime tot ist. Aber für dich muss es noch mal so schwer sein. Damit bist du der einzige Kontraktträger mit dem Affenclan in ganz Konoha."

Wieder füllten sich meine Augen mit Tränen. Sarutobi-sama hatte mich dazu gemacht. Die Erinnerungen, sie drohten mich zu überwältigen.

Noch einmal spürte ich die tröstende Hand des Jounin auf meiner Schulter. "Ich muss wieder zurück. Kopf hoch, wie ein wahrer Shinobi Konohas, Mamoru."

Ich nickte leicht. Was blieb mir auch anderes übrig?
 

Als ich zu unserem Versteck zurückkehrte, sah ich in Kaminaris Augen, dass er bereits informiert war. Er hatte auch schon die anderen geweckt, sodass sie mir leidlich zuhören konnten.

"Wir haben neue Befehle. Wir kehren nach Konoha zurück, während ANBU und reguläre Truppen unseren Platz hier einnehmen. Natürlich nicht sofort. Uns wurde zugestanden, uns erst einmal richtig auszuruhen.

"Und dafür weckst du uns?", klagte jemand.

"Es kommt schlechter, keine Sorge. Suna hat kapituliert und Frieden geschlossen. In fünf Tagen startet eine Strafexpedition gegen Oto. Wer von euch Glück hat, wird daran teil nehmen."

Leises, zustimmendes Gemurmel, immer wieder unterbrochen durch ein Gähnen, klang auf.

"Der Angriff wurde von Orochimaru eingeleitet, wie wir schon wissen. Aber..." Ich zögerte, um das Unglaubliche nicht in den Mund nehmen zu müssen. "Aber der Hokage wurde beim Kampf gegen Orochimaru getötet."

Ungläubiges Gemurmel erfüllte die Luft. Sprachlose Genin sahen einander an, sahen mich an. "Mehr weiß ich auch nicht darüber", sagte ich ernst. "Ruht euch jetzt weiter aus. Bitte. Wir wollen alle nach Hause kommen und wieder einsatzbereit werden. Karin, Hanako, kommt bitte mit."

Ich trat mit den beiden erschöpften Mädchen aus dem Versteck, ging ein paar Schritte. Dann erzählte ich ihnen, was mir Shiranui-sempai über unseren Sensei gesagt hatte. Es war wenig genug gewesen.

Wie ich erwartet hatte, brach Hanako regelrecht zusammen, während Karin nur leise vor sich hin schluchzte. Ich umarmte die beiden, so gut ich es konnte, spendete ihnen Trost, so weit ich es vermochte. Und ich zog aus ihren verzweifelten Umarmungen selbst ein wenig Trost.

Nichts auf der ganzen Welt würde mich davon abhalten können, an der Strafexpedition teil zu nehmen, um meinen Teil dazu zu leisten, den Sandaime zu rächen. Nichts.

Feuerregen 6

Heute
 

Zwei Tage, bevor wir das Dorf erreichten, deckten wir uns mit einem alten Karren ein, dazu kam ein Ochse, der seine guten Jahre schon lange hinter sich hatte. Es wäre gnadenvoller gewesen ihn zu töten als ihn den Karren ziehen zu lassen. Vier saubere, aber gebrauchte Futons, etwas Hausrat und ein paar zusätzliche Decken vervollständigten das Bild der nicht ganz so armen Flüchtlingsfamilie. Ikuko und Inari trugen nun saubere graue Arbeiterkleidung, ergänzt durch eine weiße Schürze für sie; Hanako hatte als Perle der Familie einen alten Kimonomantel bekommen, der an mehreren Stellen unauffällig genäht worden war. Rot mit blauen und violetten Blüten, hoffnungslos überfrachtet und zwei Nummern zu klein, sodass selbst ihr mittelprächtiger Busen ein schönes Dekolletée bilden konnte. Shino trug die gleiche Kleidung wie Inari, aber um einiges schlampiger. Die rechte Seite seiner Jacke hing permanent herab, und seine ansonsten ausdruckslose Miene zierte nun mürrischer Trotz gegen alles und jeden. Im Gegensatz zu den anderen Familienmitgliedern hatte er auch keine Sandalen, die klassischen Getas, an, sondern lief barfuß. Er hatte mir mehrfach versichert, dass ihm das nichts ausmachte. Seine Haare waren nun das genaue Gegenteil von Hanas. Ihre waren gepflegt, gebürstet und spülten wie flüssiges Gold über ihre rechte Schulter und schmückten sie in einem Maße, das selbst den alten Mantel zu einem wertvollen Stück machte; er trug die Haare widerspenstig und fettig zu allen Seiten abstehend. Vom Konoha-Genin war nicht mehr viel zu sehen. Und ich fürchte, die Rolle machte ihm auch noch Spaß. Tatsächlich war Shino, wie ich später feststellte, ein exzellenter Schauspieler mit erstklassigem Timing.

Genta trug die gleichen Sachen, die er ohnehin trug. Saubere, gut gewebte Arbeiterkleidung, dazu weite Hakama-Hosen in der gleichen Farbe, Haare und Bart gut gepflegt, aber nicht geölt.

Ich selbst hatte mich an meine Rolle als Herumtreiber und Ausreißer angepasst. Der Kimono-Mantel, den ich trug, war von hoher Qualität, aber alt und mürbe. Ein Zeichen dafür, dass ich entweder in hohen Stand geboren worden war und ihn verloren hatte, oder einen Unglücklichen aus diesen Gesellschaftskreisen erfolgreich beraubt hatte. Ich war schmutzig, speckig und vollgestaubt, was vor allem daran lag, dass ich den Ochsen führte und den meisten Straßendreck abbekam. Die Jacke trug ich grundsätzlich nur bis zur Hüfte, dort war sie gebunden, und Oberteil und Ärmel hingen an mir herab, um meinen nackten Oberkörper zu präsentieren, der von alten Narben und frischen Wunden bedeckt war. Die Beine trug ich bandagiert. Die Bandagen selbst waren mit altem und neuem Blut verkrustet; ich hatte mir mit Inaris Hilfe ein paar plausible Verletzungen zugelegt, die zu einem stürmischen Vagabunden in meinem Alter passen sollten, aufgeplatzte Blasen und Risse von Dornen.

Meine Miene zierte stets ein joviales Lächeln, nichtssagend und meine wahren Gefühle verheimlichend. Ich ließ es offen, ob ich mich freiwillig angeschlossen hatte, oder ob Genta mich zu meinem Glück zwingen wollte.

Derart ausstaffiert reisten wir zu Gentas Dorf weiter, und es verwunderte nicht nur mich, dass wir tatsächlich nur zwei volle Tage brauchten, und keine fünf, wenn man unseren alten, mageren Zugochsen betrachtete.
 

Es war heller später Vormittag, als wir am dritten Tag nach unserer Verkleidung endlich den letzten Hügel überwanden, der uns von dem Tal trennte, in dem Gentas Dorf stand. Unwillkürlich suchte ich den Horizont nach Rauchwolken ab, aber die Banditen warteten wohl wirklich bis zum Ende der Ernte.

Wir kamen über den Hügel, und ich musste zugeben, ich war erstaunt und überrascht. Ich bin mir nicht sicher, was ich erwartet hatte. Jedenfalls nicht die unendliche Fläche der wohlportionierten Schachfelder, welches die Reisfelder bildeten, vom Fuß unseres Hügels links und rechts hinab, so weit man sehen konnte. Auf einigen Felder waren bereits die Arbeiten in Gang, und man brachte die Pflanzen ein. Das Dorf stand von uns aus gesehen in der Mitte, und über den Hütten - ich zählte fünfzig beim ersten Versuch - standen die Rauchsäulen der Kochfeuer. Die Geräusche einer Schmiede drangen ebenso zu mir herüber wie die charakteristischen Geräusche von Holzarbeiten. Gleich drei weitere Häuser waren im Bau. Und zwischen dem Gewusel im Dorf, den Arbeiten auf den Feldern, wuselten Dutzende Kinder beim Spiel umher.

Nicht ohne Stolz sah Genta auf das Dorf herab. "Mein Dorf", sagte er zufrieden. "Ihr Werk, Morikubo-sama."

"Akira", sagte ich mahnend. "Der Rotzlöffel, der dich beklauen wollte, alter Mann, und den du deshalb verdroschen hast. Anschließend hast du mich mitgenommen, weil ich so ein erbarmungswürdiges Würmchen bin."

"Na, was heißt hier erbarmungswürdig", sagte Ikuko zwinkernd. "Für dein Alter bist du jedenfalls gut entwickelt... Akira."

"Ach, das ist ja wieder typisch", klang Hanas kecke Stimme auf. "Mir verbietest du den Umgang mit diesem Tunichtgut, aber du selbst flirtest mit ihm... Mama. Sag doch auch mal was dazu... Papa."

Inari lachte aus vollem Hals. "Also, ich finde es mehr als gesund, wenn man sich für das andere Geschlecht interessiert. Jedenfalls solange man sich draußen Appetit holt und dann Zuhause isst. Nicht, Mama?"

"Na, du bist mir ja ein Schelm, Papa."

"Können wir uns bitte beeilen?", sagte Shino gequält. "Noch mehr davon, und ich muss mich übergeben."

"Gewöhn dich dran. Wir fangen ja gerade erst an", sagte ich eine Spur zu ernst. "Also, wollen wir?"

Genta nickte und setzte sich zu Inari in den Karren. Die Frauen setzten sich wieder hinten auf die Ladefläche und Shino trottete reichlich desinteressiert hinterher.

Ich zog und zerrte, bis sich der alte Ochse entschloss, dass es weniger nervig war, wenn er meinem Willen folgte anstatt weiter störrisch zu sein, da ich nicht bereit war aufzugeben.
 

Wir hatten noch nicht einmal die ersten Felder erreicht, als sich ein für meine Ohren merkwürdiger Ruf erhob. "Genta-sama!" "Genta-sama!" "Genta-sama ist wieder da!" "Und er hat neue Siedler mitgebracht!"

Schnell waren wir von den Menschen auf den Feldern umringt. Es waren hart arbeitende Leute in verdreckter Kleidung, aber sie war gut gepflegt. Und den wollte ich sehen, der bei der Reisernte sauber blieb.

Genta lachte bei diesen Worten. "Ich bin nicht ganz so weit gekommen wie ich wollte. Da habe ich die Shimadas getroffen. Ich dachte mir, sie würden ganz gut zu uns passen, und da sie sowieso gerade nach einem neuen Ort zum Leben suchten, habe ich ihnen unser Dorf vorgeschlagen."

Schnell hatte sich eine Schar junger Mädchen um den Karren geschart, die nicht mit Lob zu Hanas goldblonden Haaren zurück hielt. Auch einige der älteren Frauen waren entzückt, und einige tuschelten schon darüber, in welche Familie diese Schönheit wohl passen würde. Über das ärmliche Aussehen sagte keiner ein Wort, nicht einmal mit Blicken. Ich wusste, viele waren hier mit noch weniger angekommen, teilweise kaum mit genug Wäsche auf dem Leib. Arroganz hatte hier nur wenig Platz.

Shino war nun auch schnell umkreist von möglichen neuen Spielkameraden. Ironischerweise steigerte er durch seine gossenhafte Ablehnung der anderen Kinder das Interesse, und bevor ich mich versah, schien er zum Anführer der kleinen Horde aufgestiegen zu sein.
 

"Was haben wir denn hier?", fragte einer der Männer interessiert und deutete mit seiner Sichel auf mich.

"Ach, das ist nur Akira. Er wollte mich beklauen. Er musste raus finden, dass das nicht so einfach ist."

"Ach, ein Dieb also." Nun spürte ich zum ersten Mal bei diesen Menschen so etwas wie Abneigung.

"Ein erfolgreicher Dieb. Schau ihn dir an. Viel hungern musste er nicht", sagte ein Zweiter.

"Wenn wir ihn hart genug arbeiten lassen, wird ihm das die Flausen schon austreiben", sagte Genta grinsend. "Wisst Ihr, ich dachte, ein so junger kräftiger Mann sollte vielleicht eine gute Chance bekommen, statt irgendwann wegen Diebstahls im Gefängnis zu landen oder sogar gehängt zu werden. Darum habe ich ihn mitgenommen."

Trotzig sah ich in die Runde. Viele erwiderten meinen Blick. Sie hatten schon Schlimmeres gesehen als einen jugendlichen Dieb, der erwischt worden war. Meiner Rolle gemäß senkte ich den Blick, meistens kurz bevor mein Gegenüber zurückgezogen hätte. "Deine Freunde, Genta-san?", fragte ich mit hochnäsigem Ton in der Stimme.

Der Dorfvorsteher lachte laut. "Ja, das sind alles meine Freunde. Und du kannst dazu gehören. Wenn du willst. Wenn du dich anstrengst. Wenn du etwas leistest, wie wir alle."

Zustimmendes Gelächter erklang.

"Aber jetzt lasst uns weiter ziehen, sonst kriege ich Ärger mit Tsubasa."

Das schien ein einleuchtendes Argument zu sein. Die Menge öffnete uns einen Weg und ließ uns passieren. Shino fragte, ob er spielen gehen dürfte, und Ikuko ließ ihn gehen. Eine Entwicklung, die mich so sehr überraschte, das ich beinahe meine Maske aufgegeben hätte.

"Aber, aber", hörte ich eine ältere Frau entsetzt sagen. Sie hielt mich an und deutete an mir herab. "Nun seht euch seine Füße an. Junge, du bist ja vollkommen wund gelaufen. Und die Verbände sind so alt. Genta-sama, soll ich nachher ein paar Heilkräuter und frische Verbände bringen?"

"Danke, Mei, das weiß ich sehr zu schätzen. Der Junge führt den Ochsenkarren auch schon seit zehn Tagen. Aber er will sich nützlich machen, also habe ich ihn machen lassen."

Dies war mein Stichwort. "Es ist ja nicht so, als würde ich gar nichts können", sagte ich mit deutlichem Trotz in der Stimme.

Die Frau, die Genta mit Mei angesprochen hatte, lächelte mich nichtssagend an. Dachte ich zumindest Bis ich ihre warme, schwielige Hand auf meiner Wange spürte. "Ich glaube, du bist ein guter Junge, Akira. Du wirst es hier gut haben."

"Vielleicht zu gut", sagte einer der Männer, und die anderen lachten.

"Lass sie nur reden", sagte sie zu mir und ließ, ungesehen von allen anderen, etwas in meiner rechten Hand verschwinden.

Als wir die Menge passiert hatten, sah ich nach. Es war Reisgebäck. War ich ihr hungrig erschienen? Oder hatte Tante Mei nur nett sein wollen? Mein Gefühl, diesen Ort betreffend, verstärkte sich. Dieser Ort war ein gutes Zuhause für gute Menschen.

Ich biss in die Teigtasche. Sie war süß, klebrig und mit Bohnenmus gefüllt. Ein interessanter Snack, den es auch in Konoha gab.
 

Der Karren fuhr durch den Ort und wurde wieder von Menschen umringt, die wissen wollten, wie denn Genta-samas Reise gewesen war und wer die Menschen waren, die er mitgebracht hatte.

Wieder wurde ich als Dieb vorgestellt, dem Genta eine Chance geben wollte, und wieder wurde über mich gespottet. Aber es war ein wohlwollender Spott, voller Wärme und Verständnis.

Schließlich erreichten wir das größte Haus des Ortes. Deutlich konnte man sehen, das hier angebaut worden war, und just in diesem Moment war ein gutes Dutzend Männer damit beschäftigt, diesen Anbau zu erweitern.

Der Vorarbeiter sah verlegen herüber. "Genta-sama, wir hatten gehofft, dass Sie länger fortbleiben. Dann wären wir fertig geworden."

Irritiert sah Genta den Mann an. "Hiro, was soll das denn? Mein Haus ist schon groß genug, denke ich. Und es ist doch nützlicher, wenn Ihr an der dritten Scheune oder am Haus der Kobayashis arbeitet."

"Wir arbeiten alle freiwillig hier", sagte Hiro. "Wo Sie doch bald Nachwuchs kriegen, dachten wir, ein Zimmer mehr wäre nicht verkehrt. Und wo Sie doch auch immer Neue aufnehmen, bevor sie sich ein eigenes Haus gebaut haben..."

"Ich verstehe ja, ich verstehe. Aber es ist doch absolut nicht nötig, dass..."

"Ja, das habe ich ihnen auch gesagt. Aber sie haben so lange darauf beharrt, bis ich ja gesagt habe", seufzte eine große schwarzhaarige Frau. Sie trat gerade vor das Haus, einen gewaltigen Bauch vor sich her schiebend. Sie wirkte auf mich keinen Tag älter als Ikuko, und, das musste ich anerkennen, sie war von einer herben Schönheit. Sie war nicht hübsch, einfach nur schön. Und sie war schwanger. "Tsubasa, mein Täubchen. Du sollst dich doch schonen!", rief Genta erschrocken. "Warum liegst du nicht im Bett?"

"Ach, Bett, was soll ich da? Hier will ein ganzer Haushalt geführt werden. Außerdem fühle ich mich absolut wohl mit deinen Blagen unter dem Herzen. Und jetzt komm her und gib deinem Weib einen Begrüßungskuss."

Genta eilte zu seiner Frau, umarmte sie so vorsichtig, als glaube er, sie könne wie Glas zerspringen und küsste sie beinahe ebenso vorsichtig.

"Und jetzt sag mir mal, wen du uns da mitgebracht hast."

Erneut erklärte Genta seine Begleiter, und Tsubasa lachte freundlich. "Na, dann bringt den Karren mal hinters Haus und kommt rein. Wir haben genug Platz für alle."

Ich schnaubte belustigt. "Ein Dach über dem Kopf, wer braucht das schon?"

Ich war ein Ninja, ein stolzer Shinobi Konohas. Ein Krieger auf den Schlachtfeldern der Schatten. Und dennoch, trotz meiner Erfahrungen, trotz meines Chunin-Rangs, konnte ich nichts gegen diese Frau tun. Sie schoss auf mich zu. Nicht so schnell, dass ich nicht hätte ausweichen können, aber energisch und mit einer Aura, die mich einen Schritt zurück weichen ließ. Sie lächelte mit zusammengekniffenen Augen, aber einer pochenden Zornesader auf der Stirn. "Wie war das mit dem Dach über dem Kopf? Willst du etwa meine freundliche Einladung abschlagen, Akira-chan? Willst du mich wirklich aufregen, so kurz vor der Geburt?" Das waren ihre Worte. Aber was sie meinte, war: "Du willst dich mit mir anlegen? Du armes kleines Würstchen widersprichst mir, ausgerechnet mir?"

Nun, immerhin verstand ich jetzt, wie Genta ausgerechnet zu dieser Frau gekommen war. Gegen ihren Willen kamen nur wenige an.

"N-natürlich nicht", stammelte ich, meiner Rolle entsprechend. "I-ich nehme natürlich dankend an, Tsubasa-sama."

"Na, da sieht man mal die Rangfolge zwischen uns", gab Genta zum Besten. "Mich nennt er nur San."

"Du musst halt wissen, wie du mit den Leuten umzugehen hast", erwiderte sie schnippisch. Ihr Lächeln wurde strahlend, fast blendend. Es erinnerte mich sehr an Uzuki-sensei. "Na, dann beeil dich. Bring den Wagen nach hinten, schaff den Ochsen in den Stall, und dann komm rein. Es gibt gleich Mittagessen."

Bei so viel resoluter Kraft konnte ich nicht widersprechen. Wir luden schnell das Bisschen an Hausrat aus, das die Shimadas besaßen, dann brachte ich den Karren ums Haus. Tatsächlich stand hier ein Stall, in den ich den Karren und den Ochsen bringen konnte. Ich stellte ihn neben einem kräftigen Zugpferd ein und setzte ihm Heu und Stroh vor. Das arme alte Tier hatte nun endlich etwas Ruhe. Ich gab dem Ochsen einen Klaps auf den Hintern und verstaute das eingeölte Geschirr auf dem Wagen. Danach wollte ich ins Haus gehen.

"Kjaaah!"

Gemäß meiner Rolle sah ich mich nicht um. Meine sensorischen Fähigkeiten hatten mir ohnehin schon verraten, was hinter mir passiert war. Ich hatte das Chakra eines jungen Mädchens erfasst - und dieses Mädchen lag nun der Länge nach im Staub des Hinterhofs.

"Autsch", murrte sie. "Interessiert es dich gar nicht, das ich gestolpert bin, du Idiot?"

"Akira!", sagte ich. "Nicht Idiot. Und ja, es interessiert mich nicht im Mindesten." Jetzt erst wandte ich mich dem Mädchen zu. "Außerdem, wer so ungeschickt ist wie du, der sollte immer jemanden dabei haben, der einen aus der Traufe holt."

"Ich bin NICHT ungeschickt!", erwiderte sie vehement. "Ich bin nur gestolpert."

Ich trat zu ihr herüber. "Und? Willst du nicht langsam mal aufstehen?"

"Willst du mir nicht langsam mal aufhelfen?"

"Hmmmmm, nein. Du liegst da rum, seit du hingefallen bist und drehst Däumchen. Ich wette, du hast es faustdick hinter den Ohren." Ich ging in die Hocke und grinste sie an. "Du planst doch irgendwas. Irgend eine Gemeinheit, wenn ich dich anfasse, oder?"

"Ich weiß gar nicht, wovon du sprichst, du ekliger Kerl."

"Hm", machte ich. Meine sensorischen Fähigkeiten waren nie besonders gut gewesen. Aber einen gebrochenen Knochen oder eine Chakra-Blockade zu erkennen traute ich mir dann doch zu. Das Mädchen war kerngesund, und bestenfalls etwas staubig.

"Ich denke, der eklige Kerl muss dir jetzt wohl beibringen, dass man meistens alleine wieder aufstehen muss. Und je eher du das lernst, desto besser." Ich erhob mich wieder und ging in Richtung Hintertür.
 

"Akira-kun, kommst du dann?", klang die freundliche Stimme von Tsubasa auf.

Hinter mir hörte ich das Rascheln von Kleidung. "Oneechan! Der unhöfliche Rüpel hat mich geschubst! Einfach so zu Boden geworfen! Nur weil es ihm Spaß macht!"

Die Tür öffnete sich, und die schwangere Frau trat heraus. "Was, bitte?" Sie sah von ihrer Schwester, die im Dreck lag, und von da zu mir. "Hast du gerade Suzume zu Boden gestoßen, Akira?"

Ich seufzte auf. "Was, wenn ich sie gestoßen habe, Tsubasa-sama?"

Die ernste Miene wich einem gemeinen Lächeln. "Dann hat sie es sicher auch verdient gehabt."

"Oneechan!", rief die kleine Schwester entrüstet. "Wie kannst du ihm mehr glauben als mir?"

"Wieso? Ich glaube dir doch jedes Wort", erwiderte sie kess. "Ich glaube halt nur nicht, dass du es nicht verdient hattest, gestoßen zu werden."

Sie lächelte mich an. "Du solltest dich vor dem Essen waschen, Akira-chan. Du hast mindestens einen Kilometer Straße an dir." Mit Nachdruck legte sie eine Hand auf meinen Nacken und dirigierte mich ins Haus.

"Oneechaaaaan!"

"Wir beide reden noch, das glaube mir aber, Suzume!", sagte sie mit einem bösartigen Funkeln in den Augen.

"Urks."

Im Haus dirigierte sie mich zu einem Nebenraum. Darin stand eine Schüssel mit warmem Wasser, Seife und ein Handtuch. "Wir haben ein Badehaus, aber das lohnt nicht mehr vor dem Essen. Mach dich sauber und komm dann zu uns rüber."

"Ja, Tsubasa-sama."

"Es klingt so komisch, wenn du Tsubasa-sama sagst. Es schwingt so viel Ironie mit. So als ob du Sama oft gebrauchen würdest und mich darin einschließt, aber einen Großteil der Welt nicht."

"Wenn du das sagst, Tsubasa-sama."

Sie lächelte mich verschmitzt an. "Ich kenne die Menschen ein wenig, Akira-kun, und ich habe mich selten getäuscht. Du, Kleiner, bist mehr als du scheinen willst."

"Wir wollen alle nicht so erscheinen, wie wir sind", erwiderte ich.

"Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Und mach dir keine Sorgen wegen Suzume. Das war nur ihr bemitleidenswerter Versuch, dich durch Mitleid um den Finger zu wickeln. Als das nicht funktioniert hat, wollte sie dich bei mir schlecht machen. Sie ist eine kleine Angeberin, ein Plappermaul, ein arrogantes Biest, und ein Gestaltgewordener Teufel. Also wie alle Mädchen in diesem Alter." Sie seufzte. "Und sie hat Angst. Das macht die Sache nur noch schlimmer."

Ich antwortete mit einem leisen Schnauben.

"Aber du wirst trotzdem auf sie aufpassen, nicht wahr, Akira-kun?"

Diese Worte überraschten mich. "Warum sollte ich mir so einen Klotz ans Bein binden? Sie hat gerade versucht mich schlecht zu machen", sagte ich, meiner Rolle gehorchend.

Sie lächelte mich an und strich mir mit der Rechten über die Haare. "Ich sagte es doch schon. Ich kenne die Menschen und liege selten daneben. Und jetzt wasch dich endlich. Nachher kannst du dann mit Genta ins Badehaus gehen."

Sie gab mir noch einen herzhaften Klaps auf den Hinterkopf und schloss dann die Tür hinter sich. Oh ja, sie hatte einiges von Uzuki-sensei.
 

Einigermaßen sauber und den Mantel richtig angezogen trat ich zu den anderen in den Wohnraum. Ich hatte mir die Mühe gemacht, den Kimono richtig zu tragen, weil die Person, die ich spielte, dies für eine Respektsperson wie Tsubasa getan hätte. So stand mir das Ding richtig gut. Soweit das bei dem halb zerrissenen Stück Stoff möglich war.

Es schien aber eindrucksvoll genug zu sein, denn als die anderen mich sahen, stellten sie ihre Gespräche ein und starrten mich an.

Irritiert sah ich hinter mich, aber da war niemand. "Was ist?"

Am ungläubigsten starrte Suzume, das Mädchen, das mich eben noch hatte verpfeifen wollen.

Mit lautem Klappern fielen Hanakos Stäbchen zu Boden. Ihre Wangen waren leicht gerötet.

Das irritierte mich nun doch ein wenig, und ich begann das Kleidungsstück nach peinlichen Flecken abzusuchen. Ich hatte es lediglich ein wenig abbürsten können; bei weitem nicht genug, um den ganzen Dreck der letzten Tage raus zu kriegen. Und ich sehnte mich nach meiner üblichen Felduniform.

"Akira, wenn Daimyos alte Kleidung tragen würden", sagte Inari mit merkwürdigem Ton in der Stimme, "dann könntest du einer sein."

"Ach komm", sagte ich entrüstet. "Das alte Ding." Entschlossen ließ ich mich auf einem freien Platz nieder und nahm eine Schale mit Reis auf. Bedächtig begann ich zu schaufeln. Aber Normalität wollte sich nicht einstellen. "Okay, jetzt habe ich aber genug. Was ist das? Ein Witz auf meine Kosten?"

Tsubasa starrte mich entsetzt an. Dann sah sie ruckartig zum Kochtopf. "Suppe, Akira-chan?"

"Danke." Irritiert nahm ich das Schälchen entgegen.

Genta lachte laut auf. "Wir sind es wohl nicht gewohnt, dass du sauber und gut angezogen bist, Akira. Wir kennen dich nur krustig und verdreckt. Na, das ist ja mal eine Überraschung. Einfach mal etwas Teures angezogen, und du siehst wirklich aus wie ein Daimyo."

"Ja, wenn Daimyos alte Sachen tragen", sagte ich in Anlehnung an Inari. "Sag doch auch mal was, Hanako."

Das brachte sie noch mehr zum Erröten. "D-du siehst gut aus."

Ärgerlich widmete ich mich dem Reis und der Suppe. Dabei murmelte ich: "Also da wird doch... Dieser alte Fetzen... Ich sollte euch... Wirklich, mich so hochzunehmen..."

Inari wechselten einen viel sagenden Blick mit Ikuko aus. Beide seufzten lautlos.

"Also ich finde nicht, dass dir dieser Fetzen steht", sagte Shino schließlich nach einem kritischen Blick.

"Na wenigstens einer."

"Mir steht er bestimmt viel besser. Tauschen wir."

Ich prustete einen Schluck Miso-Suppe wieder aus. Ich hatte doch in dem Second Hand-Laden eindeutig die billigste und hässlichste Kimono-Jacke verlangt, oder? Ich hatte sie mir noch nicht einmal richtig angesehen.

"Wenn du weniger Aufsehen erregen willst, sollten wir dir eine alte Jacke von mir raus suchen, Akira", sagte Genta amüsiert. Na, wenigstens einer hatte Spaß.

Dennoch, Teil eins des Plans hatte funktioniert. Wir waren im Dorf. Der Rest war warten und reagieren.

***

Damals
 

Die rund fünf Tage erwiesen sich letztendlich als etwas mehr als hundert Stunden, die uns zur Erholung und Regenerierung zugestanden wurden. Hundert Stunden, von denen ich die ersten dreißig verschlief; die Soldatenpille und die Erschöpfung forderten ihren Tribut.

Hanako und Karin ging es nicht viel besser, und ich erinnere mich an niemandem, dem in diesen Tagen die Erschöpfung nicht ins Gesicht geschrieben gewesen wäre.

Nach den dreißig Stunden meldete ich mich wieder einsatzbereit, aber das war eine reine Formalität, ein "ich bin wieder wach" von mir. Ich erwartete nicht, irgendeinen Befehl zu bekommen, bevor die erste Schwadron überhaupt formiert war. Wenigstens informierte man mich im Büro des Hokages darüber, wie gravierend unsere Verluste gewesen waren, und was beinahe noch wichtiger war, wie der Angriffsplan der Expedition aussehen würde.

Dadurch, das wir mit Suna schnell einen Separatfrieden ausgehandelt hatten, war unser Rücken frei. Einen erneuten Betrug des Verbündeten schloss man im Büro vollkommen aus, schließlich hatte Orochimaru den Kazekage liquidiert und zum Verrotten in der Wüste zurückgelassen, um an seiner Stelle nahe genug an Sarutobi-sensei zu kommen. Dort hatte der ehemalige Konoha-Nin sein Werk wenigstens teilweise ausgeführt und meinen Meister getötet. Aber es hieß, er sei dabei schwer verletzt worden. Und Konoha stand immer noch. Dass Konoha auch noch kämpfen konnte, würden wir ihm bald beweisen. Es stand zwar ohnehin fest, dass Orochimaru sich nicht in Otogakure aufhalten würde, geschweige denn das er sich hierhin zurückgezogen hätte. Aber es gab das Dorf noch immer. Sei es nun als Zeichen der Stärke, sei es nun als Rache für die schmerzenden Seelen unserer Shinobi, wir würden Otogakure jede Möglichkeit nehmen, jemals wieder gegen Konoha einen Krieg zu führen. Und wir hofften, bei dieser Aktion so viele Oto-Nin wie möglich auszuschalten, die Orochimaru fortan nicht zur Verfügung stehen würden. Eventuell fanden wir auch Hinweise auf seine Geheimverstecke, von denen man ab und an eines entdeckte. Berichte darüber, was man darin gefunden hatte, waren dazu angetan, sensiblen Gemütern die Nachtruhe zu versauen oder den Magen umzudrehen. Oder beides. Es hieß, er betrieb biologische Experimente. Opfer waren ihm dabei egal, es zählten nur Ergebnisse.

Es stand außer Frage, dass Konoha dieses Treiben seines ehemaligen Shinobi unterbinden musste.

Ebenso irritierend war für mich die Information, dass der Konoha-Nin, den ich in Kumogakure getroffen hatte, Kabuto, ein Infiltrator Orochimarus auf Jounin-Level war. Das machte ihn zu meinem Feind. Nur zu gut erinnerte ich mich daran, was mir Karin über seine Datensammlung erzählt hatte; Daten von sechs bis acht Chunin-Prüfungen und deren Teilnehmer. Es schien, dass Kabuto die Fähigkeiten des Nachwuchses jedes größeren Dorfes genau in Augenschein genommen hatte. Genug Daten also, um in nicht allzu ferner Zukunft einen Krieg zu führen.

Doch bis es soweit war, würden diese Daten veraltet sein. Wir würden... Ich würde für ihn eine große, unangenehme Überraschung werden.
 

Nach meiner Meldung suchte ich Asuma auf. Wenn ich schon Senseis Tochter und seinem Enkel nicht in die Augen schauen konnte, so wollte ich doch zumindest seinen Sohn kondolieren.

Der Jounin hatte wenig geschlafen, wahrscheinlich noch weniger als ich. Aber er legte eine stoische Ruhe an den Tag, die geradezu gespenstisch schien.

"Du siehst Scheiße aus, Sempai", sagte ich statt einer Begrüßung.

Als er die Tür geöffnet hatte, war mir beißender Qualm entgegen geschlagen. Auch jetzt steckte eine Zigarette in seinem Mundwinkel, und dicke Ringe unter seinen Augen sagten genug.

"Glaub ja nicht, dass du besser aussiehst. Komm rein. Aber viel Zeit habe ich nicht. Ich muss die Angriffsstreitmacht für Oto zusammen stellen."

"Oh. Soll ich dir helfen? Ich werde teilnehmen."

Asuma Sarutobi lachte gehetzt. "Das entscheide immer noch ich, Mamo-chan. Hm, aber zumindest scheinst du geschlafen zu haben. Dein Chakra ist auch im Gleichgewicht. Willst du Tee oder Kaffee?"

Ich folgte Asuma durch den Flur ins Wohnzimmer. Ein Blick in sein Schlafzimmer durch die fast geschlossene Tür offenbarte für einen kurzen Moment den Blick auf den zarten weißen Unterarm einer Frau. "Na, wenigstens weiß ich jetzt, warum du so wenig geschlafen hast, Sempai. Kenne ich sie?"

Für einen Moment stockte Asuma. Dann gab er mir einen leichten Schubs, der mich ins Wohnzimmer stolpern ließ. "Du weißt selbst, wie schwer die letzten Tage waren. Ich hatte einfach keine Lust alleine zu bleiben. Also Kaffee, ja?"

"Kaffee klingt gut, Sempai." Ich setzte mich an den niedrigen Tisch, der mit Karten und Aufstellungen übersät war. Auf einigen waren Anmerkungen in Asumas Handschrift zu finden. Eine zweite Farbe wies auf eine weitere Person hin. "Also doch eher gearbeitet als allein gewesen, eh?", argwöhnte ich.

"Mir auch bitte einen Kaffee, Asuma", klang eine Frauenstimme auf. "Guten Morgen, Mamo-chan."

"Guten Morgen, Kurenai-sensei. Ich sehe gerade, dass Ihr die Nacht durchgearbeitet habt. Du hast nicht die Gelegenheit genutzt, um dich unauffällig zurück zu ziehen?"

Die schwarzhaarige Frau lächelte. Sie trug einen Herren-Yukata, was genug darüber aussagte, wie ihre gemeinsame Nacht verlaufen war. "Warum sollte ich? Ich bin erwachsen und erfahren genug, um eigene Entscheidungen zu treffen." Sie hockte sich an die rechte Seite des Tisches und knuffte mich gegen den Oberarm. "Außerdem habe ich dir gesagt, du sollst mich Yuuhi nennen. Hast du das schon vergessen?"

"Ich bin mir bei einigen Dingen, die mir in letzter Zeit passiert sind, nicht ganz sicher, was wirklich passiert ist, und was nicht", erwiderte ich.

Sie schnaufte leise. "Ja, das kann ich verstehen."

Asuma kam zurück, mit einem Tablett Kaffeebecher, aus denen der heiße Dampf aufstieg. "Bedank dich bei ihr. Sie ist deine größte Fürsprecherin, was die Oto-Mission angeht. Ich wollte dich Zuhause lassen, weil du und deine Leute Übermenschliches geleistet haben. Aber Yuuhi-chan bestand darauf, dass du und deine Chunin-Anwärter ein Recht darauf haben, an der Strafaktion teil zu nehmen. Ich bin nicht ganz überzeugt, aber du wirkst einigermaßen frisch." Er setzte sich ebenfalls an den niedrigen Tisch und verteilte die Kaffeetassen. "Äh, es wäre mir aber doch ganz lieb, wenn... Nun, die Sache bleibt doch unter uns."

Überrascht musterte ich Asuma, und danach Kurenai-sensei. "Ihr habt doch hoffentlich nicht eine Sekunde daran gezweifelt?"

Das brachte beide zum Schmunzeln.

"Also, Mamo-chan, was treibt dich zu mir?", fragte er mit besserer Laune als sein Äußeres vermuten ließ.

"Ich war leider da draußen, als mein Sensei beerdigt wurde", begann ich leise und senkte den Blick. "Und ich bin zu feige, um Konohamaru und seinen Eltern in die Augen zu sehen. Deshalb dachte ich mir, dass ich wenigstens zu dir gehen sollte..."

Asuma und Kurenai-sensei wechselten einen schnellen Blick. Dann hatte ich auch schon eine Kopfnuss kassiert. "Rede nicht, Junge!", sagte Asuma streng. "Du hast genauso wie ich einen Verlust erlitten! Mein Vater war dein Lehrer!"

Kurenai-sensei sah mich mit freundlichem Blick an. "Wärst du nicht damit beschäftigt gewesen, die Oto-Shinobi aus dem Land des Feuers raus zu jagen, hättest du bei der Familie stehen müssen, Mamo-chan. Jeder weiß, dass Sarutobi-sama dein Sensei war. Und jeder weiß, dass dich dieser Verlust nicht weniger trifft als seine eigenen Kinder."

Ich spürte, wie mir die Augen feucht wurden. Ich hatte mir fest vorgenommen, Asuma-sempai nicht auch noch mit meinen Gefühlen zu belasten, aber diese unerwarteten Worte der beiden machten es mir unmöglich. Verstohlen wischte ich mir das Wasser aus den Augen. "Verzeihung", murmelte ich.

"Und du hast es mindestens noch einmal so schwer", fügte Asuma hinzu. "Ich habe gestern erst erfahren, dass du und die Mädchen von Gekkos Tod erst durch Shiranui erfahren habt. Dein Verlust tut mir leid, Mamoru. Ich habe ihn gut gekannt und sehr geschätzt."

Die Tränen flossen stärker, in meiner Kehle steckte ein dicker Kloß, der mir das Sprechen unmöglich machte. Ich wollte etwas erwidern, aber ich brauchte all meine Kraft, um nicht vollends in Tränen auszubrechen. Erst viele Jahre später sollte ich lernen, dass darin keine Schwäche gelegen hatte, wohl aber eine Stärke.

Kurenai-sensei beugte sich, statt etwas zu sagen, zu mir herüber und schloss mich in die Arme. Ich fühlte ihre Wärme, ihren Trost, ihr Verständnis und ihre Nähe. Das half mir sehr, um mich zu fangen. Ich konnte hinterher nicht mehr sagen, wie lange sie mich gehalten hatte, aber als ich mich aus ihrer Umarmung löste, konnte ich schon wieder lächeln. "Danke, Yuuhi-sensei."

"Wir trauern um die gleichen Leute, Mamo-chan", sagte sie, "und ich hatte auch jemanden, der mich getröstet hat, obwohl es ihm selbst nicht gut ging."

Ich sah zu Asuma herüber, der verlegen grinste. Mit der Linken am Hinterkopf lachte er gekünstelt. "Ach, komm, Yuuhi, das war doch selbstverständlich. Außerdem habe ich davon noch mehr profitiert als du."

Sie hob eine Augenbraue und sah in Richtung Schlafzimmer. "So? Wie darf ich das denn verstehen?"

"S-so auf keinen Fall!", stammelte er. "Ich meine nur, dass deine Nähe mir mehr gegeben hat, als ich zu geben in der Lage war!"

Die skeptische Miene wich einem Lächeln. "Asuma, du großer Dummkopf. Du glaubst doch nicht etwa eine Sekunde, das du mich hättest dazu bringen können, etwas zu tun was ich nicht will, oder später bereuen würde?"

Ich lachte auf, als ich Asumas angemessen entsetzte Miene sah. "Jetzt wo sie es sagt, fällt mir das auch auf, Sempai."

"Danke, Mamo-chan."

"Ich wollte ja auch nicht... Ich wollte nur, dass du weißt, dass du mehr für mich bist als eine Kollegin, Yuuhi. Dass mehr passiert ist, als..."

"Ist das für meine Ohren bestimmt, Sempai?", warf ich hastig ein.

"Da hat er wohl Recht, der kleine Chunin", sagte sie. "Und was das andere angeht, so haben wir keine Zeit und doch alle Zeit der Welt. Shinobi sterben manchmal jung. Oder sie werden steinalt. Wir haben also keine Zeit und doch alle Zeit."

"Was sie sagen will, ist wohl, dass Ihr es langsam angehen lassen solltet", übersetzte ich.

"So in etwa, aber ich fand meinen Text blumiger."

Ich verneigte mich leicht in Senseis Richtung. "Kein Widerspruch, Yuuhi-sensei. Außerdem seid Ihr beide Jounin, und deshalb dazu prädestiniert, um lange zu leben."

"Junge, mal den Teufel nicht an die Wand", mahnte Asuma. "Noch einen Kaffee, solange ich noch im Vorteil bin?"

"Nein, danke, Sempai", sagte ich und erhob mich. "Das Schlimmste steht mir noch bevor. Ich muss zu Uzuki-sensei. Und wenn ich Pech habe, treffe ich auf Hanako und Karin."

"Zu Konohamaru gehst du nicht?", fragte Asuma nach.

"Ich... Ich habe nicht die Kraft dazu. Ich... Nein, ich werde ihn früh genug sehen. Sehen müssen. Verzeih meine Feigheit, Sempai."

"Jeder hat ein paar Schwächen, Mamoru. Aber gerade ein Ninja muss darauf achten, dass sie ihn nicht kontrollieren", mahnte er. "Und noch was, bevor du gehst. Ich beziehe dich in der Expedition mit ein."

"Danke. Das bedeutet mir viel."

Kurenai-sensei sah mich ernst an. "Um Oto-Nin zu töten? Rache zu nehmen?"

"Um Konoha zu dienen und zu verhindern, dass so etwas noch einmal passiert."

"Schwammige Antwort. Aber du bestehst gerade so." Sie sah zu Asuma herüber. "Schreib ihn auf."

Erstaunt sah ich die beiden an. "Sicher, dass du meine Befürworterin warst, Yuuhi-sensei, und Asuma mein Kritiker?"

Asuma grinste mich verwegen an. Die Kippe im Mundwinkel - die aber nicht brannte - gab ihm den letzten wilden Touch. "Tja, wer weiß? Freu dich lieber, dass du dabei bist. Und sag das auch deinen beiden Engeln. Eine genaue Aufstellung kommt vor dem Abmarsch."

"Danke. Ich verabschiede mich dann." Nach einer weiteren Verbeugung verließ ich das Wohnzimmer.

"Mamoru!", klang Asumas Stimme hinter mir auf. "Komm morgen Mittag zum Rat. Du bist jetzt der einzige Kontraktträger des Affenclans in Konoha. Wir werden uns mit einem ihrer Repräsentanten beraten müssen."

Verdammt, Asuma hatte Recht! Übergangslos fühlte ich eine Verantwortung auf meiner Schulter, die dort nie etwas zu suchen gehabt hätte. Nicht in diesem Leben. Das bedeutete aber auch, dass unsere Kontakte zu den Affen durch meine beschränkten Fähigkeiten ebenfalls beschränkt sein würden. "Ich werde da sein, Sempai", sagte ich, nickte erneut und verließ das Haus. So hatte es kommen müssen, gestand ich mir ein.
 

Ich fand Uzuki-sensei Zuhause nicht an, und auch die ANBU konnten mir nicht mehr sagen, als dass sie Freizeit hatte. Es war überhaupt ein Wunder, dass sie mir Auskunft erteilten.

Ich fand sie schließlich auf dem Friedhof, in Begleitung ihres ANBU-Trupps - und mit meinen Mädchen.

Sie sah zu mir herüber, lange bevor ich sie wegen der Treppe, die ich hinauf stieg, sehen konnte. Ihre sensorischen Fähigkeiten waren meinen schon immer meilenweit voraus gewesen. Vielleicht ein Grund, warum ich nie ernsthaftes ANBU-Material gewesen war, niemals Teil dieser besonderen Elite hatte werden können. Nicht, dass ich gewollt hätte.

"Mamoru!", rief sie zu mir herüber.

Ich winkte zum Zeichen, das ich sie gehört hatte und ging in ihre Richtung.

Sie hockten rund um Hayate-senseis Grab, hatten Räucherstäbchen angezündet und kleine Leckereien als Opfergaben abgelegt. Die Mädchen trugen Trauerkleidung, und ich kam mir in meinem Kampfanzug so deplatziert und unpassend vor.

Ich wollte jenseits der respektvollen Abstand haltenden ANBU warten, bis die drei Frauen fertig waren, aber Uzuki-sensei winkte mich energisch näher. Die beiden Mädchen hockten rechts von ihr, sie bedeutete mir, links von ihr Platz zu nehmen.

Ich hockte mich im Saizen neben sie und beteiligte mich stumm an den Gebeten. Wenigstens, ging es mir ironisch durch den Kopf, hatte Sensei jetzt nicht mehr mit seinen Hustenanfällen zu kämpfen. Für einen Moment schämte ich mich dieses Gedankens. Aber dann wurde mir klar, dass Sensei es wohl ähnlich gesehen hätte. Er hatte schon immer einen schwarzen Humor gehabt.
 

Als die Zeremonie beendet und die Räucherstäbchen abgebrannt waren, erhoben wir uns wieder. Uzuki-sensei umarmte und küsste die Mädchen, in deren Augen Tränen standen. Dann kam sie zu mir und legte mir beide Hände auf die Schultern. "Du musst es jetzt besonders schwer haben", sagte sie so leise, es klang fast gehaucht.

"Nein, Sensei. Wir haben es alle schwer."

"Ich meinte den Sandaime Hokage, Mamo-chan."

"Ich weiß. Aber er war eben nicht nur mein Meister, er war auch unser aller Hokage. Wir alle haben ihn verloren."

"Ja, da hast du Recht." Ohne ein weiteres Wort schloss sie mich in die Arme und drückte mich fest.

Sie gab mich wieder frei. "Wenn Ihr Hilfe braucht, lasst es mich wissen. Alles, was Gekko für euch getan hat, werde ich jetzt für euch tun."

"Ich weiß", sagte ich mit einem leichten Lächeln. "Du bist für uns ebenso unser Lehrer, wie es Hayate-sensei war."

Ich wusste nicht, ob sie diese Worte überraschten. Sie zog ihre Tiermaske über und sagte mit nun gedämpfter Stimme: "Und das wird auch immer so bleiben, Mamo-chan, Hana-chan, Karin-chan."

Sie nickte uns noch einmal zu, dann verschwand sie vor unseren Augen. Ihre ANBU-Kameraden folgten einer nach dem anderen.

Ich sah zu den Mädchen herüber. Sie hatten geweint. So wie ich geweint hatte, bei Asuma-sempai.

"Wir werden an der Strafexpedition teil nehmen. Definitiv. Ich habe es direkt vom Planungsteam."

"Was? Aber ich dachte, das stand von vorne herein fest!", sagte Karin entrüstet.

"Ich denke, man hat es davon abhängig gemacht, wie schnell wir uns erholen. Aber wir sind dabei, und alleine das zählt doch." Ich lächelte verschmitzt. "Wie lange braucht Ihr, um euch umzuziehen?"

"Umziehen?" Hanako sah mich skeptisch an. "Wieso? Willst du zugucken?"

Oh nein, dieser verbale Angriff klappte heute nicht. "Ich würde es merkwürdig finden, euch in Trauerkleidung ins Ichiruka Ramen einzuladen..."

"Du lädst uns ein?", fragte Karin erstaunt. "U-und diesmal nur uns zwei?"

"Nur zu Nudelsuppe!", schränkte ich sicherheitshalber ein. "Nur zu Nudelsuppe."

"U-und danach gehen wir zum Karaoke!", rief Hanako begeistert. "Und wir singen bis in die Nacht hinein!"

"Genau!", pflichtete Karin bei.

"Moment, ich habe nur von Ramen gesprochen, Mädchen!"

"Keine Sorge, Mamo-chan", sagte Hana in schnippischem Ton, "wenn es dir zu teuer wird, bezahlen wir das Karaoke."

"Darum geht es doch gar nicht."

"Also kommst du mit zum Karaoke?", fragte Hanako scheinheilig.

Ich seufzte. "Natürlich komme ich mit. Oder denkt Ihr, ich breche Team drei auf?"

Die beiden jubelten vor Freude. "Zehn Minuten! Höchstens! Am Ichiruka Ramen!", rief Karin aufgeregt, während sie mit Hanako bereits auf die Treppe zueilte.

"Versprochen?", rief ich ihnen nach, aber sie hörten mich schon nicht mehr. Damals war mir nicht klar, wieso sie sich so auf Nudelsuppe und Karaoke freuten, und ich sollte es eine lange Zeit nicht begreifen. Damals hatte ich allerdings auch noch geglaubt, es würde tatsächlich nur zehn Minuten dauern.
 

Es wurde eine halbe Stunde, und von den beiden Mädchen war noch immer nichts zu sehen. Das war mir an dem Punkt allerdings egal, denn für meine Kurzweil war gesorgt. Ein reichlich lädierter Naruto saß direkt neben mir und verputzte bereits die dritte Schüssel Ramen, diese auf meine Kosten. Wer diesen lebensfrohen Bengel einmal ins Herz geschlossen hatte, den ließ er nicht mehr los. Nebenbei erzählte er mir die fast unglaubliche Geschichte von seinem Anteil an der Verteidigung Konohas. Ich schwankte ein klein wenig zwischen in einer Ecke Frust schieben und ihm bewundernd auf die Schulter klopfen. Ich konnte keine vierzig Meter hohen Frösche beschwören. Und ich konnte auch nicht mit einem Jinchuriki und seinem einschwänzigen Biest mithalten. Wie stark würde Naruto eigentlich noch werden, wenn ich mehr vom Ramen in ihn reinstopfte?

"Und die Lösung war... *gulp* Ihn aufzuwecken. *schlürf* Das habe ich dann auch gemacht. Ab da war es einfach. *schlürf* Da zerfiel der Einschwänzige wieder zu Sand. *würg* *gulp*Und da war der Kampf auch schon wieder vorbei. *schlürf* Jii-san, noch eine!"

Ich wusste nicht so recht, ob ich lachen oder weinen sollte. "Die geht auch auf mich", sagte ich dem Wirt. "Also, während ich mich mit den kleinen Fischen herum geschlagen habe, hast du was getan? Dich mit der ultimativen Geheimwaffe Sunagakures herum geschlagen und gewonnen? Also, das muss ich erst mal verdauen."

Naruto grinste mich über den Rand der Schüssel an. "Nicht, dass ich das gewollt habe. Aber Sakura-chans Leben stand auf dem Spiel. Und da bin ich..."

"Mitten in den Ärger rein gerutscht. Sag mal, darfst du überhaupt draußen rumlaufen und Ramen in dich reinschlürfen als gäbe es morgen keinen mehr? Du siehst aus als wärst du gerade frisch aus der Intensivstation entkommen. Mit fünf Kilo an Verbänden."

Entsetzt sah er mich an. "E-es geht mir gut, ehrlich, Mamo-oniichan! Ich fühle mich schon viel besser als vor zwei Tagen! Ich heile doch sowieso so schnell, und..." Betreten sah er in die Schüssel vor sich. "Ich dachte mir, es würde mich aufheitern. Aber das tut es irgendwie nicht."

Ich schnaubte frustriert. "Wir alle haben verloren, Naruto."

Er sah mich an, erstaunt, dann kam die Erkenntnis. "Oh. Nein, Oniichan, das meine ich nicht. Ich habe um den alten Mann geweint, wirklich. Ich konnte ihm nicht helfen. Aber heute habe ich mich auch mit Sasuke gestritten. Ich dachte, wir kommen uns endlich näher, aber... Bin ich schwach, kennt er mich nicht. Bin ich stark, will er mich nicht."

Das war keine gute Antwort an jemandem, der vom Tod des Hokages noch stärker betroffen war als Naruto selbst. Aber ich verstand den kleinen blonden Burschen. Vielleicht etwas zu gut. Sanft tätschelte ich seine blonde Mähne. "Hm, wenn du dich so sehr anstrengst für diesen Sasuke, dann muss er es wert sein, oder?"

Irritiert sah er mich an. "Ja. Irgendwie ist er das. Wir haben so viel miteinander erlebt. Ich..."

"Sieh mal, Naruto, wenn du schon so viel Zeit und Kraft in diese Freundschaft investiert hast, wäre es doch eine sehr dumme Sache, jetzt einfach aufzustehen und zu gehen. Was ist dann mit all der Zeit, die drauf gegangen ist? Was ist mit dir? Du hast dich angestrengt, bemüht. Und was passiert?"

"Er ist eigensinnig wie immer. Nur darauf aus, stärker zu werden, um seine Rache zu kriegen", erwiderte Naruto tonlos. "Ich dachte immer, wir wären uns ähnlich. Aber das stimmt so nicht. Wir gleichen uns, doch in wichtigen Punkten unterscheiden wir uns. Er hat einen Grund zur Rache, hat den ganzen Uchiha-Clan noch gekannt. Ich will nur anerkannt werden."

"Na, na, wirst du mir hier etwa depressiv?", tadelte ich. "Auch wenn die ganze Welt nicht wissen will, dass du existierst, ich kenne dich."

Ein zögerndes Lächeln glitt über seine Lippen. "Das weiß ich doch, Mamo-oniichan."

"Und du kannst mich jederzeit Zuhause besuchen, wenn du etwas brauchst oder mit jemandem reden willst. Wir sind jetzt Kumpels, Naruto."

Das brachte ein Grinsen auf seine Züge zurück. Er klopfte mit seiner rechten Faust gegen meine rechte Faust, die ich ihm hinhielt. "Jawoll, Oniichan!"

"Einmal Ramen!"

"Und da ist auch schon deine vierte Portion, Naruto. Wehe, du isst die nicht auf."

Naruto griff nach einem Danke an den Chef nach der Schüssel und begann sich das Essen einzuverleiben. "Stimmt. *schlürf* Man weiß ja nie *gulp* *schlürf* wie viel Zeit man noch hat."

"Bist du nicht noch etwas jung, um über den Tod nachzudenken?", tadelte ich.

"Nicht über den Tod. Wesentlich einfacher, Oniichan. *gulp* Was machst du eigentlich hier? *schlürf* Ich habe gehört, du hast die Oto-Nin über die Grenze gejagt. Und was jetzt? *gulpgulpgulp* Jetzt sitzt du hier und spendierst mir Essen, ohne selbst was zu bestellen."

"Oh, das hat seine Richtigkeit. Genauso wie... Iss schneller, Naruto. Da scheint jemand zu dir zu wollen."

"Oh-oh. Rosa Haare, weiblich und wütend?"

"Deine Freundin?"

Verlegen legte Naruto eine Hand an den Hinterkopf und lachte. "Was redest du denn da, Oniichan? Sakura-chan ist doch nicht meine Freundin! Ahahahaha. Wir sind nur im gleichen Team!"

"NARUTO! Wenn du glaubst, ich merke es nicht, wenn du dich aus deinem Krankenbett schleichst, hast du dich aber geschnitten! Was meinst du, was du hier tust?"

Hastig begann Naruto den Rest des Ramens in sich rein zu stopfen. "Ich *würg* *schlürf* kommjagleich!"

"Nun lass ihn doch in Ruhe aufessen, Sakura-chan", sagte ich. "Oder wie wäre es, wenn du einfach eine Schüssel mit isst? Das Essen hier ist sehr gut."

"Das weiß ich!", blaffte sie ärgerlich. "Wer bist du eigentlich, dass du Narutos Marotten auch noch unterstützt?"

Abwehrend hob ich beide Hände. "Friede, junge Frau. Ich bin nur ein Chunin, der zufällig hier eine Verabredung hat."

"Chu... Chunin? Naruto, hältst du hier wichtige Leute von der Arbeit ab?", rief sie entrüstet.

"Jetzt übertreibst du aber maßlos, Sakura-chan. Naruto ist mir ein guter Freund, wann immer wir uns treffen. Und ich finde es bedenklich, wie du mit ihm umspringst."

"So, tust du das, Sempai?", fragte sie verärgert. "Du bist ja auch nicht dafür verantwortlich, dass er in seinem Krankenbett bleibt."

"Dafür bin ich verantwortlich, dass jedermann in Konoha die Ruhe und die Muße hat, eine vernünftige Mahlzeit zu sich zu nehmen. Reicht das nicht?"

"Hm, hm, Mamo-oniichan, es ist in Ordnung. Ich bin ja schon fast fertig. *schlürf* Dann gehe ich schon freiwillig mit."

Ich taxierte Sakura mit wütender Miene. "Darum geht es gerade nicht, Naruto. Wir sind bei einem ganz anderen Thema! Ich an deiner Stelle würde nicht automatisch annehmen, dass Naruto jedermann auf die Nerven geht, Sakura-kun!"

"Das ist nur ein Ergebnis langjähriger Erf... Mamo? Etwa Mamoru Morikubo?"

Naruto sah seine Teamkollegin aus großen Augen an. "Habe ich dir das nicht erzählt? *schlürf*"

"Nein, das hast du nicht, Naruto", zischte sie. "Entschuldigen Sie, dass ich Sie nicht erkannt habe, Morikubo-sempai. Ich wollte keinesfalls so rüde zu Ihnen sein."

Nun, ich gebe zu, ich war überrascht und irritiert. Was war an meinem Namen so besonderes? Und vor allem, warum kannte sie meinen Namen, wusste aber nicht wie ich aussah?

"So, fertig. Jiisan, es war wie immer sehr lecker."

Ich winkte ab, als Naruto seine Geldbörse zog. "Lass mal stecken, kleiner Bruder. Heute geht alles auf mich."

"Wirklich? Yay!"

"Da du dich jetzt ja satt gegessen hast, kannst du auch wieder ins Krankenhaus gehen, Naruto", sagte Sakura ärgerlich.

"Ich komm ja schon, Sakura-chan. Mamo-oniichan, du hast mir meine Frage noch nicht beantwortet."

"Oh, ich warte auf mein Team. Wir wollen zusammen essen. Aber wie erwartet verspäten sich meine Mädchen ein wenig."

"Ach ja, du hast ja zwei Kameradinnen. Und sie sollen ja so gut aussehen. Ist es nicht toll, immer mit so hübschen Mädchen unterwegs zu sein?", fragte Naruto träumerisch.

Sakura schien der Kurs, in den diese Unterhaltung driftete nicht zu gefallen. "Nun komm endlich, Naruto, oder ich gehe ohne dich!"

"Oh! Bin ja schon auf dem Weg! Jiisan, Oniichan, einen schönen Tag noch!"

Mit diesen Worten und einer Verbeugung von Sakura verabschiedeten sich die beiden Mitglieder von Team sieben.
 

"Na, so ganz egal ist ihr Naruto dann doch nicht", murmelte ich mehr zu mir selbst. "Wenn sie schon raus geht um ihn zu suchen." Ich lächelte leicht, und der Chef lächelte mit.

"Sag mal, wer war denn dieses Mädchen eben gerade?", hörte ich Hanakos Stimme hinter mir. "Und warum hast du dich so gut mit ihr verstanden?"

"S-stehst du auf Pink?", klang Karins Stimme auf. "Ich könnte mir meine Haare färben, und..."

Mit einem Seufzer wandte ich mich meinen verspäteten Teammitgliedern zu. "Was Ihr schon wieder denkt. Glaubt Ihr wirklich, ich nehme meinem kleinen Kumpel Naruto die Freundin weg?"

Sichtlich erleichtert atmeten die Mädchen auf. "Na, dann ist ja alles in Ordnung."

Mein Magen knurrte in diesem Moment. "Dann setzt euch bitte, damit wir endlich essen können."

Sie schauten mich ein wenig verärgert an, denn beide hatten einiges an Mühe investiert, um sich heraus zu putzen, ohne zu bemüht zu wirken. Sie nahmen links und rechts von mir Platz.

"Ihr seht übrigens toll aus", bemerkte ich wie nebenbei.

Das zauberte ihre Lächeln zurück. "Danke, Mamo-chan."

"Und jetzt", sagte ich und rieb mir die Hände, "lasst uns was Anständiges essen."

Keine Einsprüche. Manchmal war das Leben einfach schön.

Feuerregen 7

Heute
 

Ich war hartes Arbeiten gewohnt. Nicht erst seit ich in Kumogakure Mädchen für alles gespielt hatte, auch in Konoha war meine Stamina zu Genin-Zeiten durch Alltagsarbeiten kontinuierlich aufgebaut worden. Deshalb machte mir die tägliche Routine der nächsten drei Tage nicht viel aus. Auf die Felder gehen und Reis ernten, an den Dämmen helfen, die das Wasser hielten, das Stauwerk des Baches, der das Wasser lieferte warten, Bäume für das Holz der Häuser fällen und bearbeiten, all das waren grobmotorische Arbeiten, die mir leicht von der Hand gingen. Feinere Arbeiten wie Zimmermannsarbeiten und Sägearbeiten - oder gar das Nägelgießen in der Schmiede - verweigerte ich. Ich stellte mich so ungeschickt an, dass man mich die Bretter nicht mehr hobeln, sondern nur noch tragen ließ.

Das Dorf gab sich dabei Mühe, mich hart ran zu nehmen. Ich empfand die Arbeit im Gegensatz zu meiner Zeit in Kumogakure hingegen als leicht. Ich schwitzte eher selten. Allerdings drohte ich zuzunehmen, weil Tsubasa nicht nur eine exzellente Köchin war, sondern auch der Meinung war, ich könnte ohne dreifache Portionen vom Fleisch fallen. Zu dem Zeitpunkt wuchs ich noch, weshalb ich nicht widersprach.

Inari und seine "Familie" zogen bereits am nächsten Tag wieder aus und bekamen die Hälfte eines bereits fertigen Hauses zugewiesen. Die Familie brauchte den Platz nicht. Nicht mehr, seit beide Kinder entführt worden waren. Bis sich bei den beiden also neuer Nachwuchs einstellte oder bis das neue Haus für Inaris "Familie" stand, würden sie dort wohnen können.

Also war ich der einzige Logis-Gast bei Genta und Familie. Und in diesen drei Tagen tat ich mein Möglichstes, um nicht auf Suzumes Provokationen herein zu fallen. Das Biest war erfinderisch und raffiniert. Einmal hätte sie mich fast dran gehabt, als ich sie am dritten Morgen unter meiner Decke gefunden hatte. Erstaunlich, dass ich ihre Annäherung nicht registriert hatte. Zum Glück aber neigte Tsubasa noch immer dazu, eher auf meiner Seite zu sein. Nach der Frage, ob sie fortan immer bei mir schlafen wolle und ob ihr Futon dann weggeräumt werden könne, gab Suzume die Posse auf.
 

Am vierten Tag, der gleich bedeutend mit dem fünften Tag der Reisernte war, bemühte ich mich, Suzume möglichst weiträumig auszuweichen. Offiziell, um ihren Spielchen auszuweichen. Inoffiziell, weil ich einen Zwischenbericht brauchte.

Nachdem ich bis zum Mittag auf den Feldern geschuftet hatte, schnappte ich mir ein paar Onigiri, kaum das Suzume in meine Richtung schaute, und verschwand zwischen den Bäumen auf dem Hügel im Westen. Sie war so verdutzt, dass sie nicht auf den Gedanken kam mir zu folgen, bevor die Bäume mich verschluckt hatten.

Am Fuß einer alten Eiche, die dank ihres zu harten Holzes bisher dem Hausbau widerstanden hatte, ließ ich mich nieder und verschlang mein Mittagessen.

"Also?", fragte ich zwischen zwei Bissen.

Hinata, die Byakugan aktiviert, sprang von der Krone herab und landete direkt neben mir. "Es ist niemand in der Nähe, Mamoru-sempai."

"Gut", sagte ich und schlang meinen zweiten Reisballen runter. "Was habt Ihr über die Topographie rausgefunden?"

"Es gibt fünf potentielle Anmarschwege, die für eine große Reitergruppe ausreichen, aber nur zwei erlauben eine schnelle Passage. Eine überwache ich mit Karin-sempai, die andere haben Kaminari-sempai und Kiba übernommen. Akamaru geht sicherheitshalber regelmäßig die anderen Wege ab, um sicherzustellen, dass sich niemand aus dieser Richtung nähert." Sie machte eine bedeutungsvolle Pause, bevor sie weiter sprach. "Gestern war ein Späher hier. Ich konnte ihn kurz verfolgen, aber da ich ihn nicht neutralisieren durfte, habe ich die Verfolgung aufgegeben, nachdem er den Wald verlassen hat."

"Ein Späher?"

"Ein Shinobi. Oder zumindest jemand, der ähnliche Fähigkeiten wie wir besitzt. Er beherrscht Step und hat am Waldrand die Dorfbewohner gezählt."

"Es könnten weitere kommen. Seid vorsichtig. Wenn sie euch entdecken, kann das unseren ganzen Plan vernichten."

Sie deutete auf die deutlich sichtbaren Narben in ihrem Gesicht, die Begleiterscheinungen des aktivierten Augen-Jutsu waren. "Keine Sorge. Ich habe Erfahrung darin, andere Shinobi mit meinen Byakugan zu finden."

"Da bin ich mir sicher, Hinata-chan. Es bleibt beim Plan. Wir warten, bis die Banditen eintreffen und lassen uns entführen. Ihr folgt uns mit einem halben Tag Abstand zur Basis der Halunken. Wenn Ihr eingetroffen seid, werden wir uns kurz koordinieren und unser weiteres Vorgehen entscheiden. Immerhin dürfen wir nicht voreilig sein. Wir müssen die zehn Kinder finden, die letztes Jahr entführt worden."

"Hoffentlich leben sie noch", sagte das Mädchen mit einem Zittern in der Stimme.

"Na, das sind ja Aussichten für diejenigen, die sie dieses Jahr entführen werden", erwiderte ich barsch.

"E-entschuldige, Sempai."

"Das war nur Spaß, Hinata-chan. Du wirst dir ein erheblich dickeres Fell zulegen müssen, um als Shinobi erfolgreich zu sein. Das gehört genauso dazu wie ein gutes Training."

"Ja, Sempai. Ich... Das Mädchen kommt."

"Das Mädchen?"

"Das Mädchen aus dem Dorf, das sich an dich ranschmeißt, Sempai. Sie ist noch fünfzig Meter entfernt. Sie geht grob in unsere Richtung."

"Verstehe. Du hast die Anweisungen. Zieh dich zurück, Hinata-chan."

"Ja." Die junge Hyuuga schien vor meinen Augen zu verschwinden. Ich spürte sie in der Krone der Eiche, und danach hörte ich, wie sie über die Äste der anderen Bäume hinweg huschte.
 

"Akiraaaa! Wo steckst du? Akiraaaaa, ich will doch gar nichts Böses!"

Das brachte mich dann doch zum Grinsen. Aber auch nachdenklich. Was wollte sie eigentlich von mir? Sie wollte mich kontrollieren, das war mir klar. Sie wollte Macht über mich. Aber was tat sie dann mit dieser Macht? Und warum war sie sich so verdammt sicher, dass es unproblematisch war, in mein Bett zu kriechen oder mir in einen finsteren Wald zu folgen? Gut, es war sicher, aber das konnte sie nicht wissen. Bei Tsubasa spürte ich, dass sie ahnte, warum ihr Mann auf Reisen gegangen war, und wen er da mit zurück gebracht hatte. Aber Suzume? Nein, ihr fehlte die Erfahrung.

"Akiraaaaa! Ich will... AH!" Ein derber Fluch folgte, den ich von dem eigentlich recht hübschen Mädchen noch nicht gehört hatte. Sie versuchte im Allgemeinen schon, den Eindruck einer gebildeten, höflichen jungen Dame zu erwecken, also mehr zu scheinen als zu sein. Deshalb verwunderte mich der wilde Kraftausdruck.

Also erhob ich mich und folgte ihrer Stimme.

Da lag sie, flach auf dem Boden wie beim ersten Mal, als wir uns getroffen hatten. Und sie fluchte wie ein Sake-Brauer, dem die Gärung misslungen war.

"Alles in Ordnung?", fragte ich.

Sie sah auf. Ihre Augen glänzten vor Tränen des Schmerzes. "NATÜRLICH NICHT, DU IDIOT!", blaffte sie. "ICH BIN ÜBER DIE DÄMLICHE BAUMWURZEL GESTÜRZT, DAS SIEHT MAN DOCH!"

Ihre Augen funkelten trotz der Tränen wütend. Dann sah sie von mir fort. "Na los, hau schon ab und lass mich hier liegen. Ich bin dir doch sowieso egal!" Neue Tränen füllten ihre Augen. "Du bist auch nicht anders als die anderen! Nach vorne hin nett und höflich, weil ich Tsubasas Schwester bin, aber nach hinten lacht Ihr über mich! Ich hasse euch! Ich hasse euch alle!"

Ich besah mir die Situation genauer. Ihr rechter Fuß befand sich tatsächlich neben einer Baumwurzel, die leichte Kratzer von ihren Fußnägeln aufwies. Ihr rechter Knöchel war rot und leicht geschwollen. Ihre Geta waren gerissen und lagen neben ihr. Sie musste Schmerzen haben. Und wenn ihre kleine Rede echt gewesen war, dann hatte sie nicht nur körperliche Schmerzen.

Ich setzte mich vor ihr in die Hocke. "Was bist du nur für ein merkwürdiges Mädchen. Wenn du öfters aussprechen würdest was du denkst, dann würden dich sicher auch mehr Menschen verstehen, denkst du nicht?"

"Das ist doch sowieso alles egal", brummte sie. "Ich bin eben Suzume, und nicht Tsubasa. Und weil Genta so knurrig ist, ärgern mich nicht mal die Jungs. Und wenn die Mädchen mit mir reden, dann geht es nur darum, dass Tsubasa so elegant und so hübsch ist. Ich bin das leid. Ich bin doch auch noch da! Und da dachte ich... Da dachte ich, da du doch neu im Dorf bist, da dachte ich... Mit dir könnte es anders sein... Aber du bist auch wie die anderen. Also hau endlich ab."

Ich überdachte die Situation für einen Moment. Dann erhob ich mich. "Also gut, wenn das dein Wunsch ist..." Langsam ging ich an ihr vorbei.

"Ja, lass mich nur zurück. Lass mich hier einfach liegen. Die wilden Tiere werden sich schon um mich kümmern. Wenigstens denen bin ich nicht egal."

"Wie kommst du nur darauf, dass du irgendjemandem egal bist, Suzume-chan? Du müsstest nur einmal die Augen öffnen, um es zu erkennen."

"Worte, alles nur Worte! Verschwinde einfach!" Sie schluchzte leise und vergrub ihr Gesicht im Waldboden.
 

So ließ ich sie zurück. Zumindest bis ich den nächsten größeren Baum erreicht hatte. Ich nahm mir vor, sie ein paar Minuten im eigenen Saft schmoren zu lassen, und ihr erst dann zu helfen, wenn sie versuchte selbst aufzustehen. Was bei einer simplen Verstauchung schmerzhaft, aber möglich war.

Also richtete ich mich gemütlich ein und überwachte sie mit meinen sensorischen Fähigkeiten. Der Schwerpunkt ihres Chakras lag noch immer am Boden, und damit auch ihr Körper. Ich hörte sie noch immer schluchzen. So ging das zwanzig Minuten. Dann kam der Moment, in dem sie mit dem fruchtlosen Weinen aufhörte und trotzig aufheulte. Ich konnte deutlich erkennen, dass sie sich aufrichtete. Sie versuchte sich daran, den verletzten Fuß zu belasten, aber sie scheiterte. Und stürzte wieder zu Boden. Weitere Tränen flossen, aber ihr Trotz war geweckt. Schneller als erwartet richtete sie sich wieder auf. Und plötzlich war alles anders.

Ich bemerkte das zweite Chakra sehr spät, was vor allem daran lag, dass ich so weit von Suzume entfernt war, dass sie beinahe an der Grenze meiner sensorischen Reichweite war.

Ein Schrei aus Entsetzen und Angst ließ mich automatisch reagieren.

"Oho, was haben wir denn hier?", klang eine reife Männerstimme auf. "Man muss im Wald anscheinend nur die Augen offen halten, und schon findet man was hübsches."

Ich eilte heran und erfasste die Situation auf dem ersten Blick. Der Mann von vielleicht vierzig Jahren hatte Suzume ergriffen und am Handgelenk auf die Füße gezerrt. Sie quiekte erschrocken auf, als sie unwillkürlich ihr rechtes Bein belastete.

"Oh, du bist verletzt? Dann läufst du mir ja nicht weg, meine Hübsche."

Auf seinen Zügen lag Erwartung, Gier, und einige andere Ausdrücke, die zusammengefasst nicht sehr freundlich waren. "Wie wäre es denn, wollen wir uns ein wenig die Zeit vertreiben?"

Er bemerkte mich spät. Ich war schon auf acht Meter heran gekommen, und das obwohl ich meine Ninja-Fähigkeiten nicht einsetzte, um meine Tarnung zu schützen.

Er schien ein Shinobi zu sein, aber sicher konnte ich das nicht sagen. Auf jeden Fall warf er eine Handvoll Shuriken in meine Richtung, als er mich nahen sah. Ich wich aus und hielt weiterhin auf ihn zu. "Lass sie los!", blaffte ich.

"Was denn, was denn, bist du der Freund dieser kleinen Kirschblüte? Dann willst du sicher nicht, das ihr etwas passiert, oder?" Mit einem kurzen Griff hatte er ein Kunai gezogen. Er hielt es Suzume an die Kehle.

Ich stoppte. "Das würde ich an deiner Stelle besser nicht tun", grollte ich den Mann an. Er trug kein Stirnband mit dem Zeichen seines Dorfes. Also hatte ich es vielleicht mit einem Nukenin zu tun. Das würde zu den Banditen passen.

"Keine Sorge, ihr passiert nichts Schlimmes, wenn du still hältst. Im Gegenteil, sie bekommt ein wundervolles Geschenk von mir. Aber dabei störst du leider, und deshalb..."

Natürlich sah ich das Kunai kommen. Natürlich wusste ich den Weg, den es nehmen würde. Natürlich wusste ich, wo es mich treffen würde. Etwas unter dem Brustbein, knapp unter den Rippen, wo es mein Herz verletzen würde. Aber ich konnte nichts tun, ohne meine Tarnung zu vernichten. Also tat ich das Einzige, was ich tun konnte. Ich ließ mich treffen, und fiel mit einem Laut der Überraschung zu Boden.

"Was für ein braver Junge. Er muss dich wirklich gemocht haben."

"Akiraa!", rief sie verzweifelt und riss am Griff des Fremden.

"Jetzt wo diese Nervensäge nicht mehr ist, können wir uns ja um den Spaß kümmern, oder?"

Vor Eifer und Gier wurde er unvorsichtig, hielt sie mit einer Hand fest und versuchte die andere unter ihre Kleidung zu schieben, um sie aufzureißen, aber Suzume wehrte sich mit Trotz und mit dem Mut der Verzweifelten. "Nun zier dich nicht so, mein Kätzchen. Es dauert auch nicht lange."

Dies war der Moment, in dem ich dem Mann die Klinge seines eigenen Kunais an den Hals legte. "Das gleiche würde ich von dir sagen. Lass sie los."

Entsetzt öffnete er seine Hände.

"Akira!", rief Suzume erleichtert. Auf Händen und Knien kroch sie von dem Mann fort und suchte hinter mir Schutz.

"W-wie ist das möglich? Ich habe dich..."

"Du hast geglaubt, mich getroffen zu haben", sagte ich mit Hohn in der Stimme. "Aber du hast es nicht nachgeprüft. Du denkst sicherlich, deine geworfenen Kunais sind schnell, aber ehrlich gesagt habe ich schon wesentlich Schnellere als deine erlebt. Ich brauchte deine Waffe nur zwischen beiden Händen zu fangen und so tun, als wäre ich getroffen worden. Du Idiot hast mir die ganze Schmierenkomödie geglaubt, hm? Selbstüberschätzung scheint deine Schwäche zu sein." Ich drückte das Kunai fester an seinen Hals. Blut rann am Schnitt herab. "Mehr Glück im nächsten Leben, du perverser Sack!"

"Warte!", rief er hastig. "Warte! Du kannst mich nicht töten! Ich bin Beamter!"

"So? Beamte laufen aber nicht in finsteren Wäldern herum und vergehen sich an jungen Mädchen, oder?" Ich drückte noch ein wenig fester zu.

"I-ich habe ein Amtssiegel dabei! Ich bin Zweiter Beamter im Dienste von Daimyo Harusame, dem Herrn dieses Dorfes! Der Vorsteher hat ihn letztes Jahr nach der Ernte besucht und ihm berichtet, dass bewaffnete Banditen die Ernte gestohlen und Kinder entführt haben! Meine Mission ist es festzustellen, ob sie in diesem Jahr wieder kommen! U-u-um ihnen eine Falle zu stellen!"

"Zeig mir das Siegel", forderte ich. "Aber langsam."

Er griff mit der Rechten in seine Kleidung und zog ein silbernes Medaillon hervor. Dort war für alle, die des Lesens mächtig waren, gut sichtbar eingraviert, dass dieser Mann dem Daimyo Harusame diente.

"Das erklärt allerdings noch nicht, warum du kleinen Mädchen nachstellst", sagte ich drohend und drückte so fest zu, dass der Mann ängstlich aufquiekte.

"Es ist doch nichts dagegen zu sagen, dass man auch in meinem Alter seinen Spaß hat, oder?", sagte er hastig, und mit einem belustigten Unterton, den ich am liebsten aus ihm heraus geprügelt hätte. "Meine Anwesenheit hier muss geheim bleiben, und das um jeden Preis. Eigentlich müsste ich euch töten."

"Danke für den Hinweis. Ist es dann nicht besser, wenn ich dich töte? Jetzt und hier?"

"Der Daimyo erwartet meinen Bericht. Kehre ich nicht zurück, wird es eine Untersuchung geben!", drohte er, für einen Moment, weil er glaubte, Oberwasser zu kriegen.

"Gut. Hoffentlich fällt diese Untersuchung mit der Ankunft deiner Banditen zusammen. Dann schlagen wir zwei Fliegen mit einer Klappe!", drohte ich.

Das entsetzte den Mann genug, um ihn zum zitternden Wrack werden zu lassen.

In diesem Moment nahm ich das Kunai ab. "Du bist erbärmlich. Ich bin mir zu Schade, um einen Feigling zu töten. Geh und komm mir nie wieder unter die Augen."

Für einen Moment zögerte er, doch dann erhob er sich auf seine zitternden Beine. Hastig verneigte er sich vor mir. "Danke! Danke, danke, danke. Ich werde niemals wieder kehren!" Er lief mit zittrigen Schritten in den Wald zurück.
 

Ich atmete erleichtert auf. In der Krone eines Baumes, in dessen Richtung er geflohen war, erkannte ich Hinata. Gut, sie hatte Suzume auch gehört. Ich bedeutete ihr, den Mann zu verfolgen, so weit sie konnte. Das Mädchen nickte und verschwand.

Dies war der Moment, in dem mich ein durchaus schmerzhafter Schlag in den Rücken traf. "Du blöder Kerl! Du Ekel!", rief Suzume. Sie hockte hinter mir, hatte sich in den Rückensaum meiner Jacke gekrallt und weinte schon wieder. "Ich dachte, du bist tot! Wie konntest du mir das nur antun?"

Ehrlich gesagt brachte mich das zum Lachen. "Tut mir leid, aber es ging einfach nicht anders, Suzume-chan. Ich kenne solche Situationen. Wenn man auf der Straße lebt, dann überlebt man nur, wenn man die Stärkeren überlisten kann. Er musste sich sicher genug fühlen, um seine Umgebung zu vergessen. Sonst hätte ich ihn nicht besiegen und dich retten können. Verstehst du das?"

"Du bist trotzdem gemein", hauchte sie und wischte ihre Tränen in meine Jacke. "Das hat so weh getan als ich dachte, dass du stirbst."

Das brachte mich wieder zum Lachen. "Du weißt schon, dass der Herr Beamte ein paar Tricks von Shinobi gelernt hat? Wie hätte ich ihn deiner Meinung nach besiegen sollen?"

"Du kannst das! Du hättest ihn mit links fertig gemacht und mit rechts hättest du mich aus seinem Griff gerettet!" Trotzig sah sie mich an.

Ich lachte erneut, kurz und abgehackt. "Suzume, ich bin leider kein Shinobi."

"Aber du solltest einer sein! Dann wären wir endlich sicher!"

Sie hatte "wir" gesagt. Also hatte sie all die Menschen, denen sie vorwarf, dass sie ihnen egal war, mit eingeschlossen. Sie gab sich zynischer als sie eigentlich war.

"Mein Leben ist bisher ziemlich verrückt verlaufen", sagte ich amüsiert und ging neben dem Mädchen in die Hocke. "Ich dachte eigentlich, wenn ich mit Genta mitgehe, kriege ich da endlich ein wenig Ruhe rein. Ein normales Leben, ein einfaches Haus, Familie, etwas in der Art."

"Familie?" Argwöhnisch sah sie mich an. "Du willst mit Hanako eine Familie gründen?"

Überrascht sah ich sie an. "Wie kommst du denn darauf, Suzume-chan?"

"Es stimmt doch, oder? So wie sie dich immer ansieht, ist das ja wohl klar! Glaubst du, ich habe keine Augen im Kopf?"

Ich tätschelte ihren Kopf. "Familie besteht aus mehr als der Frau die man heiratet. Oder den Mann. Und wenn du dir Mühe gibst, dann rechne ich dich vielleicht eines Tages auch zu meiner Familie, Suzume-chan."

Sie sah auf, mir direkt in die Augen. "Und heiratest mich? Nicht diese aufgetakelte Hanako?"

Ich lachte. Das war etwas, was ich Hana-chan besser nie erzählen sollte. "Nun übertreib mal nicht gleich. Fangen wir damit an, dass du meine kleine Schwester wirst, okay?" Ich drückte ihr etwas in die Hand. "Und das ist das erste Geschenk, das meine kleine Schwester von mir bekommt."

Sie betrachtete den silbernen Gegenstand erstaunt. "Aber das ist das Siegel des Beamten! Wie hast du...?"

"Sieh es als kleine Entschuldigung von ihm, dafür das er versucht hat, mich umzubringen und dich... Na ja. Ich bin jedenfalls sicher, dass er es nicht zurückfordern wird. Er hat Angst vor mir."

Ich wandte mich um und streckte die Hände nach unten. "Und jetzt komm. Ich trage dich nach Hause."

"Okay." Sie war federleicht. Ich hatte keine Mühe, sie auf meinen Rücken zu heben und mit ihr aufzustehen. Ihre warmen, zarten Arme legten sich um meinen Hals, und ihr Kopf ragte über meine rechte Schulter, damit sie mich ansehen konnte.

"Duuu, Akiraaaaa, behältst du das Kunai eigentlich?"

"Willst du das haben? Du hast doch schon das Beamtensiegel bekommen", lachte ich.

"Ich habe die letzten dreizehn Jahre nur ein Geschenk von dir bekommen, großer Bruder", sagte sie mit diebischem Vergnügen in der Stimme. "Da ist ein zweites Geschenk sicher nicht zu viel verlangt, oder?"

Ich lachte erneut. "Das Kunai ist eine Waffe, und hat in deinen zarten Händen nichts verloren, Suzume-chan. Außerdem habe ich von dir in den letzten dreizehn Jahren nicht mal ein Geschenk bekommen."

"Oh, da hast du Recht. Im Moment habe ich aber nur das." Sie lehnte sich vor und küsste meine rechte Wange. Dann schmiegte sie sich enger an mich.
 

Als wir den Wald verließen, wurden die Dorfbewohner auf den Feldern schnell auf uns aufmerksam. Bereits nach kurzer Zeit hatte sich eine bunt gemischte Traube um uns versammelt.

Besorgt erkundigten sich die Männer und Frauen über Suzumes Gesundheitszustand, und wo ihre Getas geblieben waren.

"Keine Sorge", sagte ich, "sie ist nur über eine Baumwurzel gestolpert und hat sich den Knöchel verstaucht."

"Und wo sind ihre Sandalen? Akira-kun, das du darauf nicht geachtet hast."

"Tut mir leid, aber die konnte ich nicht auch noch mitnehmen. Suzume ist ganz schön schwer. Autsch, nicht kneifen."

"Ich bin woll nicht schwer", protestierte sie.

"Du bist leicht wie eine Feder", sagte ich lächelnd.

"Hey, wenn du sie nicht mehr tragen kannst, soll ich dich dann ablösen?", fragte einer der Dorfjungen. Ich glaube, Kenji war sein Name.

"Du bist doch zu schwach und lässt sie nur fallen! Ich mach das dann, klar?", meldete sich ein zweiter Junge.

Eines der Mädchen trat näher heran und griff Suzume ins Haar. "Du hast ja lauter Laub und Stöcke in deinem Haar. Das passt aber nicht. Du hast doch immer so schöne, seidige Haare."

"D-danke", sagte sie verlegen, während das Mädchen, Anko, wenn ich mich nicht irre, den Unrat entfernte, den sie sich auf dem Waldboden zugezogen hatte.

Durch den Pulk besorgter Menschen kamen wir nur langsam voran, und mussten uns etliche Tipps und gute Ratschläge anhören. Aber ich konnte beinahe sehen, wie Suzume aufblühte. Nicht, weil sie der Mittelpunkt des Geschehens war, sondern weil das eingetreten war, was sie nicht mehr erwartet hatte: Sie wurde bemerkt. Nicht Tsubasa, nicht Genta, sondern sie.

"Schaut doch nur, sie hat Schmerzen. Sie weint, das arme Ding. Sei doch vorsichtiger mit ihr, Akira-kun", tadelte mich die Frau, die schon meine Blasen und Schnittwunden verarztet hatte.

"Ich tue was ich kann", erwiderte ich.

"Suzume-chan, sag Tsubasa, dass ich nachher mit einigen Heilkräutern vorbei komme, ja?"

"Ich richte es aus, Tante Mei."

Ja, sie war definitiv glücklich. Und ich war sicher, sie hatte es sich diesmal verdient.

***

Damals
 

Am Morgen des fünften Tages war ich früh wach. Ich war ausgeruht, hatte die Strapazen der letzten Mission und den Angriffs weitestgehend hinter mir gelassen, ich hatte meine Toten begraben und meine verletzten Kameraden im Krankenhaus besucht. Ich hatte all das getan, was man von einem Gruppenführer erwartete. Und irgendwann hatte ich doch den Mut gefunden, Konohamarus Familie zu besuchen. Die Herzlichkeit und die Selbstverständlichkeit, mit der ich in ihre Trauer aufgenommen worden war, hatte mir einiges vor Augen geführt. Nämlich das ich für sie mehr war als nur ein Ninja Konohas. Ich gebe zu, ich habe mich nie als etwas Besonderes gesehen, aber genauso habe ich lange Zeit angenommen, ich müsste für alle anderen Menschen auch gleich unscheinbar ausschauen. Interesse an mir, egal in welcher Form, hatte mich immer zuerst irritiert. Durch die Reaktion der Sarutobis aber wurde mir klar, dass ich mein eigenes Weltbild überarbeiten musste. Und dass es durchaus Menschen gab, die mich schätzten. Auch ohne, dass ich erst etwas Besonderes werden musste.

Der Besuch an sich war nicht so verlaufen wie ich erwartet hatte. Natürlich war die Stimmung durch die Trauer geprägt, aber Sarutobi-sama hatte schon vor langer Zeit verfügt, dass er mit einem Lächeln verabschiedet werden sollte. Darum gedachte man im Haushalt all seiner guten Seiten, erzählte sich Pointen, und ermunterte die Kinder dazu, wie sonst auch zu spielen.

Konohamaru hielt das als angehender Ninja natürlich für unter seiner Würde, also nannten wir und seine beiden Teamkameraden es einfach "Training", und die Welt war wieder in Ordnung.

Eine Zeitlang tollte ich mit den dreien umher, ich wurde zum Nachmittagstee und zum Abendessen eingeladen, und es war erst spät in der Nacht, als ich nach Hause ging. Was vor allem daran lag, das Asuma-sempai auch noch vorbei kam, und wir noch lange nach dem Essen am Tisch saßen und uns heitere Anekdoten über Hiruzen Sarutobi erzählten, den dritten Hokage.

Hinterher, auf dem Heimweg, war ich unheimlich erleichtert über das, was ich erlebt hatte, und ich war dankbar, dass ich doch noch den Mut gefunden hatte, hinzugehen. Ich merkte, ich wusste, nur weil mein Meister fort war, war ich nicht automatisch ein Niemand für die Sarutobis. Allerdings ließ die Mutter schon scherzhaft durchblicken, dass sie erwartete, dass ich Konohamaru zum Kontraktpartner machen würde, wenn seine Zeit gekommen war.

Seiner Meinung nach war das sofort der Fall. Meiner Meinung nach hatte er noch einige Jahre zu warten, um jene Jovialität zu entwickeln, die Affen so sehr liebten. Aber er zwang mich dann mehr oder weniger, seine erfolgreiche Ernennung zum Chunin als Termin festzulegen.
 

Als ich an diesem Morgen in voller Montur in die Küche trat, erwartete meine Familie mich bereits. Der Esstisch war reich gedeckt, meine Leibspeisen überwogen, und ein dreistöckiges Bento stand bereit. Das überraschte mich. Ich war schon öfters zu Missionen außerhalb des Landes des Feuers aufgebrochen, hatte schon oft B-Rang-Missionen erfüllt. Ebenso überraschte mich, dass sich die Frauen vollkommen ungezwungen unterhielten, während Vater stoisch die Zeitung las.

"Morgen", sagte ich und setzte mich dazu. "So viel Aufwand? Für mich?"

"Mach dich nicht lächerlich, kleiner Bruder", sagte Yuriko mit einem frechen Grinsen. "Wir hatten heute einfach Lust, mal ein paar Sachen zu machen, die es lange Zeit nicht gegeben hat."

"So, so", murmelte ich und setzte mich. Neben dem üblichen Morgenmahl Konohas - Reis, Miso und gebratene Makrele - gab es auch Toast, Speck und Würstchen, gebratene Nudeln, Marmelade, Wurst und Käse zu Graubrot, Brötchen und süßen Kuchen. Unmöglich, das wir vier das alles schaffen konnten. "Und? Wie viele Gäste erwartet Ihr noch?"

"Wie jetzt?" Erstaunt wechselten Mutter und Yuriko einen Blick. "Das ist alles für dich. Wir haben gehört, dass du beim Angriff auf Konoha eine Soldatenpille gegessen hast. Das soll uns nicht wieder passieren. Diesmal isst du dich richtig satt."

Ich ließ meinen Blick über die Mengen schweifen. "Tschuldigung, aber ich bin kein Akimichi."

"Aber wir bestehen drauf", fuhr Mutter fort.

Das schlug mir dann doch ein wenig auf den Magen.

"Lass dich doch nicht immer so leicht foppen, Herr Chunin", sagte Vater über den Rand seiner Zeitung hinweg. "Die beiden machen sich nur Sorgen um dich. Auf Missionen bist du schon öfter gegangen, aber diesmal ist es eine Invasion. Außerdem musst du nicht alles alleine essen. Meine beiden Mädchen haben deine beiden Mädchen zum Frühstück eingeladen. Sie müssten eigentlich gleich da sein."

Wie auf Stichwort klopfte es an der Tür. "Ich mache auf!", rief Yuriko und eilte zur Tür.

Für einen Augenblick war Stille, dann herrschte mehrstimmiger Tumult, der sich bis in die Küche zog, als Vater und Mutter die beiden hoch geschätzten Gäste begrüßten.

Ich beließ es mit einem Nicken. Wir drei waren Profis, und wir würden in den nächsten Tagen enger zusammenarbeiten als es eine innige Begrüßung zum Frühstück sein konnte.

"Setzt euch. Wir haben genug für alle gemacht", sagte Mutter stolz, drückte beide Mädchen herzhaft und platzierte sie links und rechts von mir.

"Na dann guten Appetit", sagte ich und griff selbst zu.

"Vielen Dank für die Einladung." Karin schaufelte sich erwartungsgemäß den Teller voll. Als Akimichi und dank ihres Jutsu hatte sie einen Stoffwechsel, der mit einem sehr heißen Brennofen zu vergleichen war. Sie war wie ein Rohr, durch das alles einmal hindurch lief. Doch in letzter Zeit blieb mehr und mehr von dem was sie aß auf der Brust hängen. Aus dem dürren Mädchen wurde... Ein Mädchen.

Hanako war nicht viel zurückhaltender. "Oh, frischer Speck. Und Würstchen. Sonst darf ich das ja nicht, aber wir haben einen langen Marsch vor uns. Und Mamo-chan passt schon darauf auf, das bei uns kein Fett ansetzen kann, nicht?"

Ich linste nach rechts zu ihr herüber in ihren Ausschnitt. "So? Dann war ich aber nicht sehr erfolgreich."

Dafür kassierte ich einen Schlag gegen die Schulter. "Mamoru Morikubo, du bist unmöglich", tadelte sie mich.

"Und genau das macht meinen Charme aus, oder?", erwiderte ich lachend und ergriff die Kanne. "Grüntee?"

"Bitte, ja." "Karin?" "Germme."

Ich schenkte den beiden ein und bewunderte, mit welcher Geschwindigkeit Karin drei dicke Pfannkuchen verschlang. Es war ein Anblick, der am besten mit einem Strudel und einem armseligen Schiff zu vergleichen war, das plötzlich hinein geriet.

"Und? Seid Ihr vorbereitet? Orochimaru wird mit einem Gegenschlag rechnen, oder?", fragte Vater unvermittelt.

"Ich habe keine Bedenken, dass wir auf Orochimaru treffen werden", sagte ich. "Er wird Otogakure aufgegeben haben, und sitzt genau jetzt in einem seiner Geheimverstecke bei seinen biologischen Experimenten."

"Biologische Experimente?" Für einen Moment schien Hanako grün im Gesicht zu werden.

"Unsterblichkeit, oder so. Mein Meister hat mir mal etwas dazu erzählt", sagte ich und betrachtete das junge Mädchen argwöhnisch. Wenn ihr schlecht wurde...

"Danke, geht schon", sagte sie und schluckte kräftig. "Jedenfalls ist das Ziel der Mission, dass Otogakure jede Möglichkeit genommen wird, je wieder Krieg zu führen."

"Das heißt, wir vernichten ihre Schmieden, kappen ihre Handelswege, nehmen ihnen ihre Geldressourcen und verhaften ihre Shinobi. Das ist jedenfalls der Plan für den Idealfall."

"Ich für meinen Teil werde die Augen nach Maria offen halten. Da ist noch eine Rechnung zwischen uns, die ist sehr persönlich", knurrte ich angriffslustig. Es hätte vielleicht cool gewirkt, wenn ich mir dabei nicht ein Brötchen aufgeschnitten hätte.

"Mamoru!", rief Karin entrüstet.

Ich fuhr zusammen. "Was ist? Darf ich nicht mal ein persönliches Rachebedürfnis empfinden?"

"Nein, das geht in Ordnung. Aber was Maria angeht, wirst du dich schön hinten anstellen. Sie hat Katou getötet, den Mann, der mir das Leben gerettet hat!"

Ich sah sie erstaunt an. "Nanu, so blutrünstig kenne ich doch sonst nicht, meine kleine Akimichi."

"Glaub bloß nicht, dass du hier der einzige mit dem Recht auf Rache bist", murrte sie und ließ einen weiteren Pfannkuchen verschwinden. Man musste sich das mal vorstellen. Sie war einen halben Kopf kleiner als ich, wog in etwa nur die Hälfte, hatte das Gesicht eines schwarzhaarigen Engels mit einem kleinen, volllippigen Mund, der wirkte als wäre er schon mit dem Umfang einer Kirsche überfordert, und dann verschwand ein Fingerdicker Zwanzig Zentimeter-Pfannkuchen darin, als hätte es ihn nie gegeben. Man sagte ja, Essen und Atmen wäre für Akimichi sehr ähnlich.

Ich vermutete, es war dasselbe.

"Wir werden sehen, wer sie zuerst zu fassen bekommt", erwiderte ich.

"Hey, vergesst dabei mich nicht!", beschwerte sich Hanako. "Ich war auch mit Katou befreundet. Und ich habe gesehen, wie Maria Lian verletzt hat! Hallo? Meine Freundin Lian? Also, bitte."

"Ihr redet über Suna-Ninjas, oder?", fragte Vater erstaunt.

"Ja. Wir haben mit ihnen die Chunin-Prüfung gemeistert", erklärte ich. "Ich habe davon erzählt."

"Waren sie zu dem Zeitpunkt nicht eure Feinde?", hakte er nach.

"Schon", erwiderte ich nachdenklich. "Und als Feinde haben wir sie behandelt. Aber wir haben sie nicht gehasst."

"Ich denke, das wäre auch eine gute Einstellung, um mit den Oto-Ninjas umzugehen. Was meint Ihr, wie viele von ihnen nur Befehle ausgeführt haben? Die gar nicht gewusst haben, wem sie eigentlich dienen?" Vater schlug seine Zeitung wieder hoch und sagte: "Denkt mal drüber nach. Hitzköpfe gibt es genug auf der Welt, aber es überleben die, die in Ruhe nachdenken können und überlegt handeln."

"Ha, Schatz. Du redest mal wieder über etwas, wovon du nichts verstehst. Du warst noch nie auf einem Schlachtfeld. Wenn man mal von den Angriffen auf Konoha absieht", tadelte Mutter. "Aber du hast Recht."

Sie wandte sich mir und meinen Mädchen zu. "Gerade wenn Gefühle involviert sind, müsst Ihr aufpassen, dass Ihr sie steuert, nicht sie euch. Gefühle können eine mächtige Hilfe sein, Kräfte wecken, die Ihr glaubtet gar nicht zu haben. Aber sie können euch auch unvorsichtig machen, leichtsinnig, verletztlich. Wer sich vom Rausch des Blutes dahin jagen lässt, muss schon ein ziemlich guter Ninja sein, will er seinen Feinden nicht etliche Eröffnungen präsentieren. Und seien wir doch mal ehrlich, Mamoru - du bist kein Sarutobi."

Das war schon richtig. Ich hatte nie mit Asuma mithalten können, geschweige denn von Hiruzen Sarutobi selbst. Das wusste ich. Aber es von der eigenen Mutter gesagt zu kriegen, war sehr demoralisierend. "Danke", erwiderte ich säuerlich. "Das war mir durchaus bewusst."

"Na, na, übertreiben solltest du es aber auch nicht", erwiderte Vater streng. "Immerhin, dein Sohn ist Chunin. Und das wird man nicht als zweitklassiger Ninja. Und ob es für den Jounin reicht werden wir früh genug sehen."

Das war zwar vom Grundtenor eher positiv, aber ich hatte die letzte Spitze wohl bemerkt. "Danke, Vater. Das baut mich jetzt wieder auf."

"Wie dem auch sei, und bevor Ihr beide meinem kleinen Bruder noch mehr zu schaffen macht", ging Yuriko dazwischen, "ich habe ein Bento für euch gemacht. Für euch drei. Ich hoffe, Ihr esst es unterwegs."

Das ließ die Augen der Mädchen strahlen. "Danke, Oneechan." "Ein Bento von Yuriko-Oneechan. Herrlich."

"Na, das will ich ja auch meinen. Ich habe mir richtig Mühe gegeben", sagte sie zufrieden.

Es war nicht verwunderlich, dass auch sie ihren Teil der Aufmerksamkeit genoss und mochte.

"Wir werden dein tolles Essen ausgiebig genießen", versprach ich.

"Gut. Ihr zwei, Ihr passt auf, dass Mamoru anständig isst. Ich will nicht, dass er sich wieder so eine Soldatenpille in den Mund stopft. Man hört ja so viel schlechtes darüber", sagte sie ernst.

"Verstanden!", rief Hanako. "Notfalls bekochen wir ihn!"

"No-notfalls", haspelte Karin, "füttern wir ihn!"

"Hoffentlich nicht Mund zu Mund", brummte ich.

Die darauffolgende Stille machte mich doch etwas nachdenklich. "Was ist los? Ich habe doch nur einen Scherz gemacht."

Vater stieß einen Laut des Missfallens aus und widmete sich wieder seiner Zeitung. Yuriko seufzte lang und ausgiebig, meine Mädchen traten mich heimlich unter dem Tisch, während ihre Gesichter kräftige Röte angenommen hatten, und Mutter schüttelte abfällig den Kopf. "Was, Ihr Götter, habe ich auch anderes von diesem Sohn erwartet?" Es folgte ein mütterlicher Seufzer, so voller Bedauern, aufrichtiger Trauer und unerfüllter Hoffnung, das ich mich unwillkürlich fragte, wen ich umgebracht hatte.

"Esst auf. Euer Treffen ist bald", sagte Vater hinter seiner Zeitungsbarriere. "Und, Hanako, Karin... Niemals aufgeben. Jeder kann dazu lernen. Selbst mein Trottel von Sohn."

"Das machen wir auch nicht, Otoo-sama." "Wir sind hartnäckig, Otoo-sama."

"Ich verstehe gerade gar nichts", murrte ich.

"DAS wundert uns nicht im Geringsten, Mamoru." Mutter seufzte erneut.

Und ich hatte es eilig, mit dem Essen fertig zu werden, um dieser Anti-Mamoru-Stimmung entkommen zu können.

***

Die Tore von Konoha glichen einen Heerlager. Es ging drunter und drüber. Shinobi liefen durcheinander, Melder wuselten durch die Menge, und ANBU waren überall und nirgends.

Ich schätzte die Zahl der sich nach und nach in Neuner-Zellen ordnenden Shinobi auf beinahe zweihundert. Das sollte ausreichen, um Otogakure einzustampfen, vor allem weil davon auszugehen war, dass Orochimaru selbst nicht anwesend sein würde. Und wahrscheinlich hatte er seine stärksten Kämpfer ebenfalls abgezogen. Es ging bei der Mission ohnehin darum, ein Zeichen zu setzen. Als ich das erkannte, begannen bei mir die Magenschmerzen. Ich musterte die Shinobi, und sah, dass der Anteil an Genin ungewöhnlich groß war. Tatsächlich erkannte ich auf Anhieb nur drei Chunin, die ich persönlich kannte, in der Menge, und nicht einen Jounin.

Zum Glück sah ich Asuma-sempai am Torhäuschen stehen. Er unterhielt sich gerade mit den beiden Räten Utatane-sama und Mitokado-sama. Dabei gestikulierte er ausdrucksstark mit den Armen.

Als er mich kommen sah, winkte er mich heran.

Ich nickte den Mädchen zu und gab ihnen damit Anweisung, ihren Platz in der Kolonne zu finden. Irgend einer würde schon wissen, wo wir eingesetzt wurden. Nun, es hätte mich irritieren sollen, dass einige der Shinobi zu ihnen kamen. Aber wahrscheinlich würden wir, wie wir es gewohnt waren, ein Neuner-Team übernehmen.
 

Als ich die kleine Gruppe erreichte, warf mir der alte Mitokado einen finsteren Blick zu. "Zu spät!"

Irritiert verharrte ich. Wir waren mindestens zwanzig Minuten zu früh. Ich konnte doch nichts dafür, dass die anderen Shinobi Konohas noch eifriger waren als ich.

"Ich bin vor dem avisierten Termin gekommen", verteidigte ich mich barsch.

"Als Anführer ist man eine Stunde früher da. Besser anderthalb", sagte er mindestens ebenso barsch.

"Anführer?" Entsetzt starrte ich die drei an. "Wie, Anführer?"

Daraufhin begann Asuma auf seine unnachahmliche Art zu lachen. "Oh, mein Fehler. Ich habe dir die neue Zeit zum Sammeln nicht zukommen lassen, Mamoru. Entschuldigen Sie uns eine kurze Zeit, Utatane-sama, Mitokado-sama. Ich muss ihn kurz instruieren."

Er legte mir eine Hand auf den Rücken und schob mich schnell hinter das Wachhäuschen am Eingang.

"Mamoru, wir befinden uns in einer prekären Lage. Natürlich haben mittlerweile alle Nationen, und damit alle Ninja-Dörfer, vom schweren Angriff auf Konoha erfahren. Und bald werden sie unsere Verlustlisten vorliegen haben. Um zu verhindern, dass irgend eine Nation versucht die Situation auszunutzen, solange wir noch unsere Verluste ausgleichen, müssen wir Stärke zeigen. Wir haben seit dem Überfall überdurchschnittlich viele A-Rang-, und S-Rang-Missionen angenommen. Fast alle Jounin und nahezu alle Chunin befinden sich auf diesen Missionen. Wir müssen der Welt beweisen, dass Konoha noch immer beißen kann. Auch ich muss gleich nachdem ich euch losgeschickt habe zu einer S-Rang-Mission aufbrechen. Die Alternative wäre sich in Konoha einzuigeln, bis wir uns wieder stark fühlen. Aber das würde bedeuten, Aufträge nicht zu erfüllen und keine neuen anzunehmen, die wir dringend brauchen. Gerade jetzt. Verstehst du das? Natürlich verstehst du das. Du bist ja nicht dumm."

Ich nickte langsam. Bis hierhin war es leicht. "Was sollte das mit dem Anführer? Ich bin kein Jounin, und selbst als Chunin erst ein gutes Jahr unterwegs."

"Keine Sorge, niemand macht dich zum Jounin. Du wirst aber bemerkt haben, dass die Chunin, die hier angetreten sind, eher zu den Spezialisten gehören, nicht unbedingt zu denen, die wie du Neuner-Teams angeführt haben."

"Ist so nicht richtig, Tonari ist dabei. Und ich habe Rose-chan gesehen", erwiderte ich. "Und die sind außerdem schon eine ganze Zeit länger Chunin als ich."

Asuma seufzte auf. "Ich will dir reinen Wein einschenken. Wir erwarten nicht, dass Orochimaru Otogakure verteidigen lässt. Aber wir schicken auf diese Mission, wen immer wir an Shinobi entbehren können. Gleicht durch Masse aus, was Ihr an besonderen Fertigkeiten nicht habt. Es wird kein Jounin mitkommen, um euch anzuführen, hast du das verstanden? Und es gibt nur einen Chunin in Konoha, der Erfahrung mit der Führung einer größeren Truppe hat. Das bist du, Mamoru. Dein Angriff auf den Sammelpunkt Otogakures hat gezeigt, dass du es kannst. Wir vertrauen auf dich, Mamoru. Wir brauchen dich. Ich würde es tun, aber möchtest du mit mir tauschen und meine S-Rang-Mission übernehmen?"

"Nein, das würde ich nicht so gerne", erwiderte ich mit einem Schauder in der Stimme.

"Siehst du. Und deshalb führst du die Expedition an. Ich habe dir die detaillierte Anweisungen hier in dieser Schriftrolle aufgeschrieben. Und ich habe dir Genin und Chunin nach den Gesichtspunkten einer Attacke auf verteidigtes Gebiet mitgegeben. Du hast überdurchschnittlich viele sensorische Ninjas, ein ansprechendes Kontingent an Medi-Nins, und du hast überdurchschnittlich viele Katon-Nutzer in deinen Reihen. Das macht deine Leute den Fuuton-Nutzern Otos überlegen. Du weißt, Feuer schlägt Wind. Und wem sage ich das, wenn nicht ausgerechnet dir. Alles was du tun musst, ist nur noch dieses Dorf finden, seine militärischen Möglichkeiten vernichten und seine Shinobi verhaften. Da Otogakure von Orochimaru gegründet wurde, hat das Land der Reisfelder grünes Licht gegeben, die Aktion als Konoha-internes Problem anzusehen und es uns selbst regeln zu lassen. Alle Shinobi, derer deine Leute habhaft werden, kommen bei uns vor Gericht, und anschließend je nach Sachlage in Haft. Komm schon, Mamoru. Konoha kann keine Jounin schicken, aber es kann dich schicken! Ich habe dich persönlich für die Mission ausgewählt. Und glaub mir, an deiner Stelle müssten wir einen Jounin entsenden, den wir nicht haben. Außerdem operieren drei ANBU-Teams im Zielgebiet. Ihr agiert unterschiedlich und habt übereinander keine Weisungsbefugnis, aber Ihr werdet euch koordinieren."

"Ja, ja, du brauchst mich nicht weich kochen, Asuma-sempai! Ich kenne meine Pflicht Konoha gegenüber. Ich hoffe aber, niemand jammert, wenn ich die ganze Truppe in den Untergang führe!"

"Na, na, nicht so pessimistisch, Mamo-chan", mahnte Asuma, jetzt deutlich zufriedener.

"Hat denn Rose-chan nichts dagegen, das ich die Truppe führe?", fragte ich zweifelnd. "Sie ist arrogant, selbstbewusst, anspruchsvoll und... Hatte ich arrogant schon?"

"Ich glaube, ich kann ihre Argumente in einem Satz zusammenfassen", sagte Asuma grinsend. "Du bist der, der Affenkrieger herbeirufen kann."

"Oh." Das leuchtete ein. "Und der Rat hat kein Problem damit, ausgerechnet mich...?"

"Probleme? Die beiden haben Magenschmerzen, seit ich den Plan vorgelegt habe. Sie fürchten, dass du zweihundert Shinobi in eine hoffnungslose Situation führen wirst, und ich habe acht Stunden auf sie eingeredet, um sie vom Gegenteil zu überzeugen. Das heißt, wenn du scheiterst, bin auch ich in der Scheiße."

"Ups. Du kannst dich drauf verlassen, Asuma-sempai, ich tue was ich kann, um das zu verhindern."

Er klopfte mir kräftig auf die Schulter. "Ich wusste, ich kann mich auf dich verlassen. Gehen wir zurück."

"Ist er jetzt ordentlich instruiert, Sarutobi-kun?", fragt Rätin Utatane.

"Er weiß was zu tun ist. Und er kennt den Plan. Und ich vertraue ihm und seinen Fähigkeiten."

"Sie sind optimistisch, Junge", sagte Rat Mitokado. Er musterte mich skeptisch. "Aber er kann Affenkrieger beschwören. Das wird die Situation wohl irgendwie retten."

Das weckte meinen Trotz. "Warum schicken Sie mich dann nicht einfach alleine los, um Oto einzuebnen?"

Für einen Moment schien Mitokado-sama ernsthaft drüber nachzudenken. "Abgelehnt. Die Welt soll wissen, dass Konoha auch wirklich da war. Also, mein Sohn, ich erwarte zumindest einen kleinen Erfolg."

Utatane-sama deutete hinter mich. "Bringen Sie so viele wie möglich wieder, Morikubo-kun. Ihre Truppen, Morikubo-kun."
 

Ich wandte mich um. Mittlerweile war in die Reihen Ordnung gekommen. Aber ich erkannte auf den ersten Blick, dass die Chunin gerade einmal reichten, um rund sechsundzwanzig Genin anzuführen, das Dreifache der üblichen Neuner-Zelle. Aber auch nur, weil Hanako und Karin wieder als Chunin auf Probe agierten.

Neben Rose und Tonari sah ich noch Fei-chan. Die anderen drei Chunin kannte ich nur vom Sehen. Dafür aber erkannte ich fast all die Genin wieder, die mit mir den Sammelpunkt Otos zerstört hatten, und etliche von denen, die durch meine Hände gegangen waren. Das machte keine hundert aus, also nicht mal die Hälfte. Aber es sollte mir genügend Reputation für diesen Angriff geben. Reputation. Mir. Wäre die Situation nicht so skurril gewesen, hätte ich gelacht und gerufen: Genug gescherzt. Welcher Jounin übernimmt ab hier?

Ich tat es nicht. Stattdessen wandte ich mich an Asuma und die beiden Räte. "Ich werde Sie nicht enttäuschen."

"Das weiß ich", sagte Asuma im Brustton der Überzeugung und knuffte mir vertraulich gegen die Schulter.

"Das hoffen wir", sagte Rat Mitokado säuerlich.

"Dann mache ich mich an meine Arbeit." Ich wandte mich ohne ein weiteres Wort ab und winkte die Chunin zu mir. Es sollte ja wirklich ein Spaziergang werden. Aber Sorgen durfte ich mir trotzdem machen. Dennoch, der Angriff begann in diesem Moment. Es gab kein zurück, und ich hatte das Pech, ihn anzuführen.

Feuerregen 8

5.

Heute
 

Am neunten Tag der Ernte kamen die Diener des Daimyos. Sie hatten nur wenige Wächter dabei, aber dafür viele Karren. Einige waren schon beladen, die Mehrzahl hingegen leer.

Der Anführer, ein großer, bulliger Bursche, führte ein langes Gespräch mit Genta. Die beiden schienen sich gut zu verstehen. Er war ein alter, vernarbter Soldat namens Koji. Besonders beeindruckend war die Narbe, die senkrecht auf seinem blinden weißen Auge lag, und die Länge eines Kunais hatte. Ein Schwertstreich, wie mir einer seiner Männer erzählte, den ich in ein Gespräch verwickelte.

Hanako tat das Gleiche bei den Beamten, die den zehnten Teil der Ernte berechneten und für den Daimyo requirierten. Es tat mir schon ein wenig weh, sie so offen flirtend zu sehen, und die bewundernden, aber auch begehrlichen Blicke der Beamten auf sich ziehend.

Ikuko sprach mit den Kutschern und ließ sich Komplimente dafür geben, was für eine junge Mutter sie doch war. Sie quittierte das mit einem entzückenden Lächeln und Lauten des Entzückens.

Inari hielt sich verärgert abseits und sagte jedem, der es hören wollte, was seine beiden "flirtenden Mädchen" daheim erwarten würde. Verärgert zu sein war natürlich nur seine Tarnung. Er prägte sich die Gesichter der Soldaten, Arbeiter und Beamten ein, sah sich die Karren und Pferde an, suchte besondere Merkmale an ihnen, die ihm leicht im Gedächtnis blieben.

Schließlich war da noch Shino, der eine Horde Jungen dabei anführte, den Männern des Dorfes zwischen den Beinen herum zu laufen um ihre Arbeit zu stören. Das war natürlich hauptsächlich als Ablenkung für unsere Aktivitäten gedacht, und er handelte sich genug Tadel ein, dass es für eine Woche ohne Abendessen gereicht hätte. Oder anders ausgedrückt: Er machte seinen Job.

Als die Wagen weiter fuhren, waren sie unter der Last der Ernte schwer beladen. Mit großem Bedauern hatten sie sogar einige Säcke zurücklassen müssen. Das Dorf produzierte wirklich gut, wenn das ein Zehner der Ernte war. Ich verstand, wieso der Verlust von fast einem Viertel des Reises Genta nicht so sehr aufbrachte wie die Entführung der Kinder.
 

Nach dem Abzug traf ich mich heimlich mit meinen Leuten. Der nächste Tag würde der entscheidende Tag sein, und ich wollte sichergehen, das wir alle auf dem gleichen Wissensstand waren.

Es begann damit, dass ich Hanako zu einem Spaziergang im Wald überredete, woraufhin ihr Vater und Mutter wutentbrannt folgten. Shino lief dem einfach hinterher. Soweit die Legende. Dass uns nicht viel Zeit blieb, sollte bei dieser simplen Lüge nicht verwundern.

Als ich zu dem Baum kam, der mir schon einmal als Treffpunkt mit Hinata gedient hatte, erwarteten die anderen uns schon. Kaminari winkte zu uns herüber. "Gibt das nicht Ärger mit deinen Eltern, wenn du mit so einem Windbeutel ausgehst, Hana-chan?"

"Ach, weißt du, Ryu-kun, ich bin sicher, wenn sie erst mal Akiras innere Werte kennen, gibt sich das wieder."

"Oh, ich werde mir seine inneren Werte ansehen", sagte Inari. "Mit dem Messer."

Kiba lachte. "Na dann viel Spaß. Dieser Akira sieht so aus als würde er mit einem Messer fertig werden."

"Quatsch nicht, Kiba. Sind alle da?"

Hinata kam aus der Baumkrone herab gesprungen. Karin folgte ihr dichtauf. Damit waren wir neun. Akamaru mitgerechnet zehn. "Gut, dann kann es ja losgehen. Wer ist auf Posten?"

Kiba hob die Rechte. "Zwei meiner Schattenklone überwachen die beiden Routen, während ein Schattenklon von Hinata den Wagen nachschleicht, so weit wie es geht."

"Gut", sagte ich. "Gibt es irgend etwas Besonderes bei den Wagen?", fragte Hinata.

"Ja. Und auch wieder nein. Es ist nur ein Verdacht", sagte ich nachdenklich.

"Oho, wenn Mamoru einen Verdacht hat, dann sind wir ja einer heißen Sache auf der Spur", sagte Inari. "Nur, was ist an der Steuererhebung des Daimyos so verdächtig?"

"Genau hier liegt das Problem. Shikamaru würde sicherlich schon auf der Zunge liegen, was bei mir nur ein vager Gedanke ist. Aber ich bin sicher, sie lassen sich von den Banditen bestechen. Warum sonst sollten sie einen Tag vor dem Ende der Ernte kommen, lange bevor alles eingebracht ist? Damit mindern sie den Gewinn des Daimyos, denn sie können die nicht geernteten Felder nur schätzen.

Und dann finde ich es auch noch sehr verdächtig, dass dieser Beamte nicht dabei war, der gestern versucht hat, Suzume zu vergewaltigen."

"Du meinst, er könnte ein Späher der Banditen gewesen sein?", fragte Shino. Jetzt, außerhalb seiner Rolle, hatte er eine nichtssagende Miene aufgesetzt und seine Körpersprache auf ein Minimum reduziert.

"Ja, das denke ich. Und wenn das der Fall ist, haben wir morgen ein Problem. Dann habe ich einen persönlichen Feind inmitten der Räuberschar. Und das kann übel ausgehen. Hana, wie gut waren deine Lehrstunden bei deinem Vater und bei Yuuhi?"

"Yuuhi?", fragte sie indigniert und zog eine Augenbraue hoch.

"Kurenai-sensei", korrigierte ich mich hastig.

"Yuuhi?", kam es nun auch von Karin. "S-seit wann sprichst du sie mit dem Vornamen an?"

"Seit wir verlobt sind, okay?"

Das brachte Karin erheblich aus dem Takt. "M-m-m-m-mamo...."

"Nur ein Witz. Hast du vergessen, dass du und Hana dabei waren, als sie mich gezwungen hat, sie beim Vornamen zu nennen? Mittlerweile ist es schon eine Gewohnheit. Das ist das ganze Geheimnis. Und mach nicht so ein Theater, Karin. Sieh dir Hanako an, die hat nicht mal reagiert.

Also, Hana, wie gut waren deine Lehrstunden?"

"Oh, ich glaube, sie kann dich nicht hören." Ikuko fuchtelte mit der Rechten vor ihren Augen herum. "Entweder hat sie ihr Jutsu benutzt und ihr Bewusstsein in einen anderen Körper transferiert, oder sie ist mit offenen Augen ohnmächtig."

"Na, da habe ich ja was Schönes angerichtet", murmelte ich. Langsam stand ich auf und ging zu dem blonden Mädchen herüber. Ich schnippte vor ihren offenen Augen, aber es erfolgte keine Reaktion. "Vollkommen weggetreten, das Mädchen. Mit so einer Frau kann ich nichts anfangen. Karin, ich glaube, ich heirate dann lieber dich."

"Häh? Was? Mamoru, das ist nicht dein Ernst!", rief Hanako.

"Oh, du bist ja wieder unter uns", sagte ich grinsend. Ich glaube, in genau diesem Moment hatte ich das ewige Spielchen, das die beiden Mädchen mit mir gespielt hatten, endlich gedreht. Nun legte ich die Regeln fest und hatte den Spaß. "Also, Hana, wie waren deine Lektionen?"

"Erwarte keine Wunder von mir. Aber für ein kleines Genjutsu wird es wohl reichen."

"Gut zu wissen. Es kann sein, dass wir da morgen drauf zurückgreifen müssen. Ich gebe dir den Einsatz vor. Dein Stichwort lautet: Nicht geliebt."

Skeptisch sah sie mich an. "Schlechte Scherze, wilde Sprüche, kryptische Anweisungen, wenn das die Welt eines Chunin ist, bin ich froh, dass ich noch keiner bin."

Das brachte mich zum Schmunzeln. "Warte es ab. Wenn dieser ominöse Beamte nicht dabei ist, gehen wir nach Plan vor. Wenn wir improvisieren müssen, denkt immer daran, dass wir unbedingt jemanden in ihr Lager einschleusen müssen. Shino?"

Der Aburame öffnete die rechte Hand. Ein Dutzend seiner Insekten flog auf und setzte sich auf Hinatas Hand. "Sie werden meiner Spur folgen. Sicherheitshalber werde ich auch einige der Säcke mit Pheromonen präparieren, für den Fall, dass wir aufgeteilt oder dass ich nicht entführt werde. Ich würde ja Hanako-sempai einen weiblichen Käfer mitgeben, damit Ihr ihr auf jeden Fall folgen könnt, aber sie hat dankend abgelehnt."

"Tu-tut mir leid, Shino, nichts gegen dich, aber Käfer sind für mich... Sind für mich... Sie sind halt nicht meins", sagte sie mit einem Schauder in der Stimme.

"Gut, dann ist das geklärt. Alle zurück auf ihre Positionen. Hana, Ikuko, Inari, Ihr geht zuerst raus. Ich schlage einen Bogen und suche mir eine andere Ecke, um den Wald zu verlassen. Vergesst nicht, ordentlich mit ihr zu schimpfen, weil sie mit diesem Windhund mitgegangen ist, der nur das Eine von ihr wollte. Und bitte macht es laut."

"Gar kein Problem", versicherte Ikuko. "Ich kann mich noch sehr gut erinnern, wie mir meine Mutter im gleichen Alter diese Predigt gehalten hat."

"Na, das wird ja ein heiterer Abend", seufzte Hanako.

"Ihr geht wieder auf eure Positionen. Akamaru meldet die Banditen durch ein Wolfsheulen an. Ihr wartet einen halben Tag, wie abgesprochen, dann folgt Ihr der Pheromonspur der Käfer. Wenn alles läuft, ist Konoha morgen auf der Jagd. Ryu? Kiba? Hinata? Karin?"

"Karin kann dich nicht hören", sagte Kaminari. "Sie ist weggetreten seit du gesagt hast, dass du sie heiraten willst."

"Nicht auch das noch", stöhnte ich. "Kann mir mal jemand meine Wirkung auf diese beiden erklären?"

"Erklären könnte ich es", sagte Ikuko schnippisch, "aber verstehen würdest du es nicht. Los, Familie, gehen wir. Und nicht vergessen, ordentlich streiten."

"Ja, ja, Mama."

Ich seufzte und wandte mich Karin zu. "Sie ist weg. Nun hör auf zu schauspielern, Karin."

Die Akimichi erwachte aus ihrer Starre. "Ich wollte nur nett zu ihr sein", erklärte sie. "Wenn sie sich so sehr erschrickt, dass sie in Ohnmacht fällt..."

"Und dass du ihr gegenüber einen Vorteil aufgibst, ist dir gar nicht bewusst?", tadelte ich grinsend.

"Wieso? Solche Details interessieren dich an einem Menschen doch gar nicht, Mamoru", erwiderte sie mit einem wirklich lieben, aber irgendwie doch heimtückischen Lächeln.

"Ich geb's auf", seufzte ich. Okay, vielleicht hatte ich nicht ganz das Oberwasser.

"Ihr habt eure Anweisungen. Wenn alles gut geht, sehen wir uns morgen Abend im Versteck der Banditen. Und jetzt, wieder auf eure Positionen."

Nacheinander sprangen sie davon. Ryu, Hinata, Karin, Kiba, Akamaru.

Ich blieb allein zurück. Blieb mir nur noch, einen Bogen zu schlagen, ins Dorf zurück zu kehren, und mich schon mal auf die Beschimpfungen und fiesen Sprüche vorzubereiten, die mich nach der versuchten Verführung von Hanako erwarten würden. Eventuell auch Neid und etwas Lob, aber da war ich mir nicht sicher.

***

Das Heulen eines Wolfs - ich wunderte mich gerade, wie der kleine Welpe diesen Laut überhaupt zustande brachte - kündigte die Banditen an, etwa eine halbe Stunde, bevor sie in das Dorf geritten kamen. Dabei waren sie nicht gerade zimperlich. Zwar verzichteten sie darauf, einige von uns zur Warnung der anderen zu töten, aber sie waren mit den stumpfen Enden ihrer Speere nicht gerade zurückhaltend. Einer von ihnen hatte eine Peitsche, die er effektvoll benutzte, um die Menschen von den Feldern zusammen zu treiben. Die Männer brachen mit gezückten Schwertern in die Häuser ein und trieben auch hier die Menschen hinaus.

Ich hielt während der ganzen Zeit Suzumes Hand fest umschlossen, und wurde mit ihr an der Seite vor die Hütte geführt. Gegenüber Genta und Tsubasa war man erstaunlicherweise höflicher, sehr viel höflicher als ich erwartet hatte.

Der Anführer der Banditen war tatsächlich eine Frau. Sie hatte ihr Gesicht hinter einer Ledermaske verhüllt, und nur ihre stechend blauen Augen blitzten hervor. Sie gab nur wenige Anweisungen, aber die Banditen führten sie ohne eine Sekunde zu zögern aus. Ein riesiger Kerl tat sich dabei besonders hervor. Ich wusste nicht, woher der Bursche seine Lederrüstung bekommen hatte, die sich über seinen fetten Wanst spannte. Wahrscheinlich war sie für ihn angefertigt worden, und er war ihr mit seiner Fettleibigkeit wieder entwachsen. Dennoch war er recht flink für sein Format.

Wir wurden schnell separiert. Die Männer von den Frauen, um den Banditen die mitgebrachten Karren zu beladen; genau einer mehr als sie für einen Zehner der Ernte brauchten, wie ich registrierte, und die Kinder von den Jugendlichen. Ich fand mich schnell mit Suzume an der Hand neben Hanako und Shino wieder, die sich halbherzig gegen die grobe Bewunderung eines stinkenden Bastards verteidigte.

Als er ihr verärgert über seine Ablehnung in die Haare griff und zu sich her zog, gab die Frau einen scharfen Befehl, der den Mann erbleichen ließ. Seine Hand öffnete sich, Hana konnte sich von ihm befreien. Mit einer Entschuldigung setzte er sein Pferd in Bewegung und trabte zu den Männern, die bereits die Karren beluden.

Die Frau kam nun, begleitet vom Dicken, auf uns zu. Wir waren weit über dreißig im Alter über vierzehn. Sie musterte uns mit hohem Interesse. Ihr erster Blick galt mir, dann sah sie zu Hanako herüber. Schließlich gab sie dem Mann mehrere Anweisungen in leisem Ton, den ich nicht verstehen konnte. Der Mann grunzte bestätigend und schickte über die Hälfte der Jugendlichen zu den Frauen. Darunter war auch Shino. Er machte kurz Theater, schrie etwas davon, "bei Oneechan bleiben" zu wollen, aber ein angedeutetes Kopfschütteln beendete seinen Widerstand. Jeder Zoll ein Rotzlöffel hatte er die Arme hinter den Kopf gelegt und drohte den Banditen mit Tod und Verderben.

"Was hast du gesagt, du Rotzlöffel?", rief einer von ihnen und zog sein Schwert. "Bengel, ich sollte dich..."

Ikuko stürzte vor und riss Shino an sich. "Bitte, Herr, er ist doch nur ein kleiner Junge, und er und seine Schwester sind alles was wir haben!"

Das schien den Mann nicht wirklich zu beruhigen.

"Bitte, Herr, tun Sie ihm nichts!", flehte Ikuko. Also, die Mutterrolle hatte sie wirklich gut drauf.

"Zurück ins Glied, Inamo!", zischte die Frau.

Der Mann warf ihr einen verärgerten Blick zu, aber gehorsam steckte er das Schwert wieder fort und zuckelte mit seinem Pferd auf seinen Platz zurück.

Nun ging es anders herum. Von den vierzehn Jugendlichen, die noch beisammen standen, musterte die Frau fünf Mädchen aus, darunter Hanako. Sie wurden nach links gewunken. Das letzte der fünf Mädchen sollte Suzume sein. Doch sie wollte meine Hand nicht loslassen.

"Weißt du", raunte ich ihr zu, "Träume gehen manchmal in Erfüllung, Suzume-chan. Geh, geh ohne Angst."

Zu einer Antwort kam sie nicht mehr, denn meine schlimmste Befürchtung trat ein. Der Beamte war unter den Räubern. Ich hatte ihn schon früher erkannt, aber bisher hatte er sich im Hintergrund gehalten. Nun ritt er auf uns beide zu und versperrte Suzume den Weg zu Hana und den anderen Mädchen. "So sieht man sich wieder", brummte er. "Wie erfreulich."

"Ach, der falsche Beamte", sagte ich grinsend, um seine Aufmerksamkeit abzulenken.

"Der Straßenjunge. Du hast etwas, das mir gehört. Das hier habe ich mir schon selbst genommen", sagte er und ließ das Kunai, das ich ihm abgenommen hatte, um den rechten kleinen Finger wirbeln. "Jetzt gib mir mein Siegel."

"Kuni!", zischte die Frau.

"Er hat mich bestohlen und gedemütigt", zischte er zurück. "Es ist mein Recht, seinen Kopf zu fordern!" Er sprang vom Pferd. Er streckte die Hand aus. "Gib mir mein Siegel."

"Ich habe es nicht", erwiderte ich.

"Ich habe es!", sagte Suzume hastig und holte die silberne Scheibe hervor. Demütig hielt sie ihm das Siegel hin.

"Na so was, eine tolle Überraschung!" Er griff nach den Händen, die ihm das Siegel anboten, und zerrte sie zu sich heran. "Dann muss ich dich wohl töten, oder?"

Sie quiekte erschrocken auf. Ihr flehentlicher Blick traf mich.

"Lass sie gehen. Ich habe es ihr gegeben, also ist es meine Verantwortung", sagte ich mit ruhiger Stimme.

"Weißt du, was du da sagst?", höhnte der Mann. "Gerade bist du dem Tod von der Schippe gesprungen, und nun willst du wieder rauf? Was bist du doch für ein Idiot."

"Ich..." Mein Zögern war Kalkül, ebenso wie das leichte Zittern meiner Hände, die ich zur Faust krampfte und wieder öffnete. "Ich..."

"Genug!", klang wieder die Stimme der Frau auf. "Lass das Mädchen rüber gehen und nimm dein Siegel an dich! Den da..." Sie deutete auf mich. "Tötet ihn."

"Das nenne ich mal eine sinnvolle Anweisung!", rief der Mann, den sie Kuni genannt hatte. Er zog sein Schwert.

"Nicht du. Du bringst es fertig und verfehlst ihn", sagte die Frau mit Spott in der Stimme.

Zwei ihrer Männer ergriffen mich rechts und links.

"Tötet ihn hinter dem Haus. Ich kann keine aufgebrachte Menge gebrauchen", befahl die Frau.

Unsere Blicke begegneten sich. War sie Maria, meine Nemesis, mein ewiger Feind? Die Frau, der ich noch etliche Revanchen versprochen hatte? Nein, entschied ich, nichts deutete auf meine Oto-Rivalin hin. Oder Maria tarnte sich mit einem exzellenten Jutsu.

"Akira...", klang Hanas ungläubige Stimme auf. "Du wirst dich doch nicht für dieses Gör töten lassen!"

Beinahe hätte ich bei diesen Worten gelächelt. Hanako eröffnete mir eine goldene Brücke. "Sie ist sowas wie eine kleine Schwester für mich. Sie bedeutet mir jedenfalls mehr als du, meine Schöne. Ich wollte nur zwischen deine Beine kommen. Ich habe dich nicht geliebt."

Das war das Codewort gewesen, und ich konnte nur hoffen, dass ihr Improvisationstalent sie nicht verlassen hatte.

Hanako begann wütend zu fauchen. Sie hatte die Hände zu Krallen verkrampft und fluchte. Zwei der Mädchen hielten sie zurück. "Ich bringe dich um! Oh, ich bringe dich um, Akira!"

"Keine Sorge, das besorgen wir schon für dich, Mädchen", sagte die Anführerin und lenkte ihr Pferd näher an den Pulk heran.

Hana sah die Frau an, und von ihr zu mir. "Ich will es sehen!", verlangte sie. "Ich will sehen, wie er getötet wird!"

"Du hast Temperament. Das gefällt mir. Aber warum willst du etwas so Schreckliches sehen?"

"Es ist mein Recht!", rief Hana wütend. "Als Ausgleich für das, was er mir... Was er mir..." Sie senkte peinlich berührt den Kopf.

"Oho, er war also schon zwischen deinen Beinen?" Die Frau lachte. "Diese Jugend. Keine Moral und keinen Anstand mehr. Aber..." Sie sah zu mir herüber und lenkte ihr Pferd in meine Richtung. Langsam beugte sie sich herab und betrachtete mich aus nächster Nähe. "Oh, irgendwie kann ich dich ja verstehen. Ein hübscher Bengel. Auf den fallen wohl auch noch ganz andere Mädchen herein. Es tut mir ja schon richtig in der Seele weh, dass ich Kuni seinen Willen lassen muss." Sie sah wieder zu Hanako herüber. "Sieh es dir an, wenn es deinem Seelenfrieden nützt."

"Ha!" Hanako riss sich von den Mädchen los. Sie folgte den Männern, die mich hinter Gentas Haus schleppten.

"Akira!", rief Suzume verzweifelt.

"Denk an deine Träume, kleine Schwester! Manchmal werden sie wahr!", rief ich.
 

Dann waren wir hinter dem Haus. Einer der Soldaten drückte mich zu Boden, zwang meinen Kopf nach vorne. Hanako trat hinzu und sah den Männern in die Augen. "Kö-könnt Ihr es langsam machen? So das er leidet?", verlangte sie.

Der andere Soldat zog sein Schwert. "Wenn du den Anblick ertragen kannst, sicherlich."

"Verdammte Scheiße", fluchte ich und schloss die Augen. Dann sauste das Schwert herab. Es traf meine Schulter. Dies war der richtige Zeitpunkt, um vor Schmerzen aufzuheulen, hatte der Bursche mir doch das Schulterblatt durchschlagen.

"Hör auf zu spielen. Egal wie hübsch sie ist", mahnte der andere. "Bring es zu Ende, oder ich tue es für dich."

"Du bist ein ewiger Spielverderber", murrte der mit dem gezogenen Schwert, nahm die Klinge wieder hoch und ließ es erneut niederfahren. Es trennte meinen Kopf sauber vom Rumpf. Bemerkenswert war dabei, dass er meinen Hals nicht ganz durchschlagen hatte. Er war noch durch Haut und Sehnen mit dem Körper verbunden. Das war eine Samurai-Technik, wie ich nicht besonders erstaunt registrierte.

Mein Körper fiel zu Boden.

Hanako begann irgendwie gleichzeitig zu lachen wie zu weinen. "Er ist tot", gluckste sie. "Er ist tot, tot, tot."

Der Bandit, der mich gehalten hatte, gab ihr eine schallende Ohrfeige. "Das war doch das was du wolltest. Nun siehst du was passiert, wenn sich Wünsche erfüllen!" Er griff hart zu und zerrte sie an der rechten Hand wieder zur Gruppe der Mädchen vor dem Haus.

Dort hatten sich mittlerweile drei Jungen hinzugesellen müssen.
 

Eine Stunde später brachen die Banditen wieder auf, mit der Reisernte, mit ihren acht Gefangenen.

Genta kam herbei gestürmt, um zu sehen, was passiert war, aber er fand nur noch meine geköpfte Leiche vor.

***

Vier Stunden später kleidete ich mich an. Die zweite Gruppe hatte sich ins Dorf geschlichen, um uns unsere Ausrüstung zu bringen, und ehrlich gesagt fühlte es sich sehr gut an, wieder die Einsatzkleidung zu tragen, die ich gewohnt war. Als ich den Stirnschutz befestigte, fühlte ich mich endlich wieder vollständig.

Ich sah entschuldigend zu Tsubasa und Genta. "Es tut mir leid. Der Plan hatte vorgesehen, dass ich bei Suzume bleiben kann, um sie notfalls zu verteidigen."

Tsubasa starrte mich an wie einen Geist. "Ich wusste, dass du etwas Besonderes bist. Und ich dachte, du wärst tot, als ich deine Leiche sah. Aber dass du ein Ninja bist, ein Chunin..."

Ich legte einen Finger an meine Lippen und deutete ihr damit an, leiser zu sprechen. Zwar war niemand in Hörweite in der Nähe, aber ich wollte, dass das Dorf glaubte, dass ich getötet, und von Inari und Genta in einem schmucklosen Grab bestattet worden war. Angeblich hatte sich Inaris Familie, um ihre Perle von Tochter beraubt, zum Klagen und Trauern zurückgezogen. In Wahrheit legten sie jedoch ihre Ausrüstung an, so wie ich.

Ich lächelte schmallippig. "Ich muss wohl doch das eine oder andere schauspielerische Talent haben. Was meinst du, Kiba?"

Der Hundejunge grinste breit. "Ich wäre nicht drauf reingefallen. Ein Kawarimi, ein Körpertausch gegen ein Stück Holz, dazu ein Genjutsu von Hanako, das die beiden glauben ließ, sie würden tatsächlich dich töten, und nicht einen Kanten Baumaterial, und dann der Bunshin, den du über das Holz gezaubert hast, das war ja gute Arbeit. Aber wie du Hanako-chan dazu gereizt hast, bei deinem Tod zu zu sehen, das war mies gemacht. Dafür hat sie die eifersüchtige Furie gut gespielt. Äh, sie hat doch gespielt, oder, Akamaru?" Der weiße Welpe bellte bestätigend.

"Es ist etwas schwierig zu erklären. Hätte Hanako die beiden nicht in ihr Jutsu ziehen können, hätte ich mein Leben retten müssen. Das hätte bedeutet, die Anführerin als Geisel zu nehmen und so weit wie möglich weg zu kommen. Das hätte viel ruiniert. Und da Hana nicht das ganze Dorf beeinflussen kann, und dazu auch noch die Banditen, musste ich uns irgendwie isolieren und Hana dazu kriegen, dabei zu sein."

"I-ich verstehe nicht so viel davon. Aber ich verstehe, dass meine kleine Schwester entführt wurde! Und ich verstehe, dass du hier bist, um sie zu retten. Du, Inari, seine Frau, seine Tochter, sein Sohn... Dazu der Junge da mit dem Hund... Seid Ihr alle Ninja?"

Ich nickte. "Wir sind alle stolze Shinobi Konohagakures, Tsubasa-sama. Allerdings haben wir auch den Auftrag, die Kinder zu retten, die letztes Jahr entführt wurden. Und dazu müssen wir den Banditen zu ihrem Stützpunkt folgen."

"Aber wie wollt Ihr das tun? Sie sind seit fünf Stunden weg! Selbst mit Pferden könntet Ihr sie nicht mehr einholen!", rief sie verzweifelt.

"Einer meiner Leute verfolgt sie. Er macht uns Zeichen, damit wie wiederum ihm folgen können. Und wir Shinobi wissen diese Zeichen zu lesen." Ich legte die Tasche mit den Kunai um.

"Fertig?", fragte Kiba.

"Fertig", bestätigte ich. Langsam ging ich auf Tsubasa zu. "Ich verspreche dir, deiner Schwester wird nichts passieren. Hanako passt auf sie auf, so gut sie kann. Und glaube mir, Hanako hat genügend Reserven, um auf sich selbst und eine zweite Frau aufzupassen. Was den Rest angeht, so hoffe ich, dass wir schnell genug sind. Ich..." Langsam ballte ich die Hände zu Fäusten. "Ich bin leider nur ein Shinobi, kein Gott."

Tsubasa riss mich übergangslos an sich und drückte mich fest. "Ich bin dir dankbar dafür, dass du nicht gestorben bist", hauchte sie mit tränenschwangerer Stimme. "Und ich bin dankbar dafür, dass du meine Schwester retten wirst. Danke, Akira. Danke."

"Nicht Akira", sagte ich lächelnd. "Mein Name ist Mamoru Morikubo."

Entsetzt entließ sie mich aus ihrem Griff und trat einen schnellen Schritt zurück. "Morikubo-sama?"

"Sama?", fragte ich überrascht.

"M-mein Mann hat mir alles über Sie erzählt. Aber er hat Sie immer kleiner geschildert. Und mit einem Affen auf der Schulter. Dennoch, er hat mir gesagt, das Sie ihm den Rat gegeben haben, der ihn dazu brachte, dieses Dorf zu gründen, das für so viele von uns... Es tut mir leid, wenn ich die letzten Tage ungebührlich gegenüber Ihnen war, Morikubo-sama!"

"Langsam, langsam", sagte ich hastig und wedelte mit den Armen. "Ich bin immer noch der Gleiche wie bei meiner Ankunft, Tsubasa-sama. Und ich bin nur ein Chunin, nicht der Hokage. Außerdem bist du die Frau meines Auftraggebers, und das macht dich für eine Zeitlang zu meinem Boss."

"D-das kann ich so aber nicht hinnehmen. Und so kann ich Sie nicht sehen", erwiderte sie.

"Aber ich sehe es so." Nun schloss ich sie meinerseits in die Arme. "Ich bringe sie zurück, versprochen." Dann reichte ich Genta die Hand. "Ich bringe sie alle zurück."

"Ich weiß", sagte er und packte fest zu. "Ich habe volles Vertrauen zu dir, Morikubo-sama."

Hinter uns ging die Tür einen Spalt weit auf. Die anderen Mitglieder meines Teams huschten herein, nun in voller Kampfmontur.

Hinata Hyuuga. Inari Asa. Ryu Kaminari. Shino Aburame. Ikuko Kenda. Karin Akimichi.

Dazu kamen ich selbst und Kiba Inuzuka. Wir waren auf dem Weg, um Hanako und Suzume zu retten. Und mit ihnen die Zukunft eines gesunden Dorfes.

"Wir sind abmarschbereit, Mamo-chan", sagte Ryu grinsend.

Tsubasa blies empört die Wangen auf. "Du sprichst aber sehr respektlos mit deinem Anführer", sagte sie empört.

"Weil ich ihn kenne", erwiderte er grinsend.

"Wie ich schon sagte, ich bin nur ein Chunin", wiegelte ich ab. "Wir marschieren los", befahl ich. Nacheinander schienen die Ninjas von Konoha zu verschwinden. Der Letzte, der ging, war ich. Ein letztes Nicken, dann machte auch ich mich auf den Weg.

***

Damals
 

Bis zur Grenze des Feuerlandes marschierten wir als eine einzige große Kolonne. Wir wurden flankiert von zwei ANBU-Teams, die anschließend die Grenze zusammen mit den regulären Truppen verteidigen würden, nur für den Fall, dass Otogakures Shinobis eine neue Dummheit versuchten, während wir sie im Dorf glaubten.

Sobald wir die Grenze übertraten, würden wir selbst für unseren Schutz sorgen müssen. Und ich hatte einen Haufen Genin mit sensorischen Fähigkeiten dabei.

Darum machte ich mir weniger Sorgen als über die Absichten unserer Gegner. Ein Gegenschlag dieser Größe war kaum zu verheimlichen. Und spätestens wenn wir in das Land der Reisfelder einrückten, würde irgendeine Meldung bis nach Otogakure vordringen. Otogakure, das noch immer über Genin, Chunin und Jounin in unbekannter Zahl verfügte. Dem hatte ich nur Masse entgegen zu setzen. Und - zugegeben - die Affenkrieger, die ich beschwören konnte. Und wenn ich ehrlich war, fand ich die Idee, alleine gegen Oto vorzugehen und meine Kontraktpartner zu nutzen, im Sinne der Shinobi, die ich anführte, gut. Andererseits war die Entschlossenheit, war der Zorn dieser Männer und Frauen groß; sie wollten diesen Angriff, sie brauchten ihn, nachdem ihre Familien gefährdet worden waren, nachdem etliche ihrer Kameraden gestorben und verletzt worden waren. Nachdem der Hokage getötet worden war. Ich durfte ihnen das nicht nehmen. Abgesehen davon, dass der Gedanke an sich schon Hybris war.
 

Das Land der Reisfelder war seit dem letzten Krieg ein wenig in Unordnung, konnte man sagen. Ninja-Clans in dem Sinne existierten nicht mehr. Wer sich nicht Orochimaru angeschlossen hatte, lebte als versprengte Horde irgendwo im Land. Das Land selbst war unter den lokalen Herrscherclans aufgeteilt. Gemein war ihnen nur der Wille, ihr Land gegen Invasoren zu verteidigen. Um das kleine, schwache Land nicht noch mehr zu schwächen, indem sie auch noch seine Soldaten dezimierten, hielt sich ein unsicherer Friede zwischen den lokalen Herrschern. Ideales Gebiet für Orochimaru, um ungestört sein eigenes Shinobi-Dorf aufzubauen. Zumindest bis jetzt.

Einer dieser Clans, die Aozora-Gumi, beherrschte jenes Gebiet, welches mit dem Feuerland eine Grenze bildete. Sie würden "Experten" aussenden, die uns bei "unserer internen Angelegenheit" begleiten würden, und darauf achten, dass "wichtige Werte des Landes auch im Land blieben". Was bedeutete, wir durften töten und zerstören, aber nicht eine einzige Münze als Reparation mitnehmen. Aber es ging uns eh nicht um Reparation, es ging um Rache. Taktisch abgewogen waren diese Aufpasser für uns nützlich, auch wenn sie potentielle Agenten Otogakures waren. Sie kannten das Gelände, und dieses Wissen würden wir nutzen.
 

An der Landesgrenze hatten wir ein letztes Mal Gelegenheit, durchzuschnaufen. Ich rief meine acht Chunin zu mir, darunter meine Mädchen, die als Chunin-Anwärter ebenfalls je eine Gruppe übernommen hatten. Die Genin unter unserem Kommando bekamen die Gelegenheit sich auszuruhen und zu fokussieren. Sobald wir über den Fluss schritten, der dem Feuerland und dem Land der Reisfelder als Grenze diente, befanden wir uns im potentiellen feindlichen Gebiet.

Die Grenztruppen des Land des Feuers stellten uns für die Besprechung ein Zelt zur Verfügung. Ihr Oberbefehlshaber, ein respektabler General und Befehlshaber über sechstausend Mann, begrüßte uns freundlich, wohnte unserer Besprechung bei, hörte aber nur zu, ohne sich einzumischen.

Der Grund hierfür lag auf der Hand. Die Alternative zu unserem Gegenschlag war offener Krieg, und ein offener Krieg gegen das Land der Reisfelder würde als Eroberungsversuch angesehen werden; ruckzuck konnte da die ganze Region in Flammen stehen, denn keines der mächtigen Nachbarländer würde dabei zuschauen, wie das Feuerland sein Gebiet vergrößerte.

Ein Ninja-Krieg war furchtbar, und durch die Macht, die jedem einzelnen von uns Shinobi innewohnte, erschütternd in seinen Konsequenzen. So wurde beispielsweise das Land des Regens im letzten Ninja-Weltkrieg verwüstet. Aber ein Kampf Armee gegen Armee, womöglich noch mit Ninja-Unterstützung, würde alle beteiligten Länder nicht nur erschüttern, sondern auf Jahrzehnte zeichnen.

Es gab zwei Regeln für den Einsatz von Shinobi außerhalb des eigenen Landes. Diese lauteten: Musst du gegen Shinobi vorgehen, setze selbst Shinobi ein. Und: Ein Shinobi ersetzt fünf Soldaten. Setze sie ein, wenn äußere Umstände wie Versorgung, Missionsziel oder Entfernung des Ziels eine kleine Gruppe Kämpfer bevorzugen.

Shinobi erledigten daher viele Auslandsmissionen, weil sie schlicht günstiger waren als eine Armee auf dem Marsch. Die eigentliche Armee zur Landesverteidigung einzusetzen machte auch dahingehend Sinn, weil ihre Soldaten ihre Heimatregionen besser kannten als jeder Angreifer und die Versorgungswege kurz waren. Es kam auch nicht selten vor, dass Shinobi reguläre Armeeverbände unterstützten, gerade in Situationen, die wiederum den Einsatz von Soldaten bevorzugten, so wie die Belagerung einer Burg oder die Durchsetzung einer Handelssperre. Shinobi bildeten dabei deutlich die Minderheit, aber sie konnten mit ihren besonderen Fähigkeiten effektiv unterstützen. Ansonsten herrschte eine wohlmeinende Rivalität zwischen Soldaten und Shinobi. Doch davon war heute nichts zu merken, denn wenn die Shinobi oder die Armee des Feuerlandes angegriffen wurden, griff sie immer beide Institutionen an, und beide militärische Arme des Daimyo reagierten dann als eins.
 

Dankbar nahm ich vom General das Kartenmaterial entgegen und breitete es auf dem Tisch aus. Es war von den ANBU, welche die Oto-Nins verfolgt hatten, aktualisiert worden. Ich seufzte leise, als ich die häufigsten Symbole erkannte: Zeichen für Ninja-Fallen.

Ich winkte die anderen heran und deutete auf das Kartenmaterial. "Seht euch das an. Es scheint so, als hätten die Oto-Nin ganze Arbeit geleistet. Dies sind alles verminte Gebiete. Sie sind Otogakure übrigens nur bis auf fünf Kilometer nahe gekommen. Das heißt, der Rest der Strecke ist unbekannt und für uns potentiell gefährlich.

Uns stehen zwei Optionen zur Auswahl. Entweder wir versuchen es mit einem schnellen Durchmarsch und erobern Otogakure im Sturmangriff, oder wir nehmen uns Zeit, suchen gezielt nach Fallen, vernichten diese und arbeiten uns so nach und nach an das Ninja-Dorf heran. Meinungen?"

Tonari hob eine Hand. "Da wir eine große Anzahl an sensorischen Ninjas haben, bietet sich ein schneller Vormarsch an. Wir haben drei bis vier sensorische Ninjas mit teilweise exzellenten Fähigkeiten in jeder Gruppe. Da die Spreng-Tags meistens mit Chakra aufgeladen sind, werden sie für unsere sensorischen Ninjas gut zu finden sein. Und was der eine übersieht, entdecken dann die anderen beiden."

Fei Long hob ebenfalls die Hand. "Ich widerspreche, Tonari. Wir treten hier nicht gegen Genin an, sondern auch gegen ihre Chunin und ihre überlebenden Jounin. Gut, gut, sofern Orochimaru sie noch nicht abgezogen hat, was wohl auch für das ganze Dorf gilt. Aber wenn wir schnell vorpreschen, setzen wir uns nicht nur der Gefahr von Sprengfallen aus, sondern auch normalen Fallen, die rein mechanisch arbeiten. Hast kann uns Shinobi kosten, die wir im eigentlichen Kampf brauchen. Vergiss nicht, wir haben die zahlenmäßige Übermacht. Das heißt, wir hoffen, dass wir sie haben."

"Guter Einwand", sagte Tonari. "Allerdings haben wir fünf Tage für die Vorbereitungen gebraucht. Ich denke, wenn wir noch irgendjemanden in diesem Dorf stellen wollen, müssen wir schnell sein."

Den nächsten Sprecher kannte ich nur vom Sehen. "Hiro Nakakura, Morikubo-sama", stellte er sich vor. Verhöreinheit. Ich stimme Tonari-kun zu. Eine schnellere Vorbereitung war uns bei der Mobilisierung von zweihundert Ninjas nicht möglich, wäre sogar fahrlässig gewesen, aber jetzt sollten wir aufs Gas treten."

"Weitere Meinungen?", fragte ich, während ich mich noch über das Suffix Sama wunderte, mit dem mich Nakakura angesprochen hatte.

Eine Frau meldete sich. Ihrer Kleidung nach gehörte sie eindeutig zu den Medi-Nins Konohas. Das hieß aber keinesfalls, dass sie als Ninja unterschätzt werden durfte. "Rei Hanabi, Morikubo-sama. Ich bin eine Kohai Ihrer Mutter", sagte sie. "Ich denke, wir haben Oto hart getroffen, als wir ihren Angriff zurückschlugen. Wir waren in der Lage, nur fünf Tage nach dem Angriff einen Gegenschlag vorzubereiten. Egal, was Orochimaru angeordnet hat - und ich erinnere daran, dass der Sandaime ihn schwer verletzt hat, bevor er getötet wurde - ich bezweifle, dass bereits alle Shinobi diese Anweisungen ausgeführt haben. Somit haben wir das Glück, oder vielleicht eher das Pech, dass unsere Chancen, auf Chunin und Jounin zu treffen, höher sind, je schneller wir einrücken.

Andererseits bin ich ein entschiedener Gegner der Idee, vermeidbare Verluste für einen schnellen Vormarsch in Kauf zu nehmen. Ich denke, wir könnten Bunshin benutzen, um die Fallen auszulösen. Oder auch Kage Bunshin."

"Du bist ein kleiner Scherzkeks, Rei-chan", tadelte Rose. "Wie oft willst du denn Bunshin oder Kage Bunshin durchführen lassen? Willst du, dass wir nach dem zehnten oder elften Schattenklon ohne Chakra da stehen?"

"Ich bin ebenfalls für einen schnellen Anmarsch", meldete sich Hanako nach Handzeichen zu Wort. "Orochimaru werden wir auf keinen Fall erwischen, aber unser Auftrag lautet ohnehin, Otogakure die Möglichkeit zu nehmen, jemals wieder Krieg zu führen. Wir werden umso mehr ihrer Shinobi erwischen, je früher wir eintreffen. Außerdem werden sie ihre Kriegslager und Produktionsstätten zum großen Teil noch nicht verlagert haben. Zumindest hoffe ich das."

"Danke. Und was meinst du, Karin?"

Die junge Akimichi hielt meinem Blick stand. Noch vor der Schlacht um Konoha wäre sie zuerst erschrocken zusammengezuckt, wenn sie angesprochen wurde. "Ich denke, die ANBU haben eine gute Vorarbeit geleistet und uns Wege eröffnet, über die wir sicher bis auf fünf Kilometer an Otogakure heran kommen können. Ab da beginnen unsere Probleme. Und ab da müssen wir unsere schiere Zahl ausnutzen."
 

"Ich fasse das mal zusammen", sagte ich ernst und sah ins Rund. "Wir werden schnell vorstoßen, indem wir die Gebiete, die Oto vermint hat, umgehen. Die Zeichen auf der Karte sind unmissverständlich, alle anderen Gebiete sind Fallenfrei. Das gilt aber nicht für den Fünf Kilometer-Radius um Otogakure, der von den ANBU nicht betreten wurde. Wir werden bis zu diesem Punkt südlich von Oto als Kolonne vorstoßen, natürlich mit unseren sensorischen Ninjas an der Spitze, in der Flanke und als Nachhut. Einen Schlag in unseren Rücken halte ich nicht für wahrscheinlich, aber hinnehmen müssen wir ihn auch nicht. Hier an diesem Punkt teilen wir uns in acht Gruppen auf. Ich werde mit den ANBU vor Ort reden und dafür sorgen, dass sie euch durch das Gebiet scouten. Wir werden Oto dann in acht Positionen einschließen. Wichtig dafür sind der kleine Flusslauf, der hier am Dorf vorbeifließt, sowie dieser Weg in Nord-Südwest-Richtung, und dieser Weg in Ost-West-Richtung. Die letzten beiden Positionen liegen hier und hier, bei den beiden Hügeln, welche das Dorf umgeben. Sie erlauben uns eventuell einen ersten Blick in den Ort.

Um die restlichen fünf Kilometer bis zum Dorf zu überwinden lassen wir uns Zeit. Zwar steigt dadurch die Gefahr, das wir entdeckt werden, aber dank unserer sensorischen Ninjas reduzieren wir die Gefahr, dass uns jemand unerkannt entwischt, weil wir den Ring um Oto mit jedem Meter, den wir überwinden, enger ziehen. Wenn wir das Dorf selbst erreichen, gibt es keine Lücken mehr in unserer sensorischen Erfassung. Und ich bezweifle, dass die Oto-Nin das eigene Dorf vermint haben. Wichtig ist folgendes: Trefft Ihr an irgendeinem Punkt der Aktion auf einen oder mehrere Jounin, meldet mir das sofort. Ich werde in dem Fall Affenkrieger beschwören, die sich der Oto-Jounin annehmen werden. Ihr müsst sie hinhalten, aber Ihr dürft sie nicht ernsthaft bekämpfen. Selbst für fünfundzwanzig Konoha-Genin kann das sehr leicht tödlich enden. Soweit alle einverstanden?"

Laute der Zustimmung erfüllten das Zelt.

"Gut. Ich verteile die Positionen. Rose-chan, du übernimmst den südlichen Punkt, den Ausgangspunkt unseres Angriffs hier am Unterlauf des Flusses. Ich selbst werde bei dir bleiben." Die Shinobi nickte verstehend.

"Fei-chan, du beginnst hier, am Süd-West-Punkt der Straße." "Gut."

"Nakakura-kun, Sie kriegen den Westen mit der Straße." "Ein gutes Anmarschgebiet mit wenigen Möglichkeiten, uns einen Hinterhalt zu legen, Morikubo-sama."

"Äh, ja. Karin, Nord-West ist deine Position. Der Oberlauf des Flusses." "In Ordnung, Mamo-chan."

"Hanako, du übernimmst den Norden mit der Straße." "Verstanden."

"Hanabi-kun, der Hügel im Nordosten gehört Ihnen." "Ich werde Sie nicht enttäuschen, Morikubo-sama."

"Okay... Tonari, die Oststraße." "Geht klar, Mamo-chan."

"Bleibt der Hügel im Süd-Osten. Und es bleibt nur noch ein Chunin übrig." Fragend sah ich die junge Frau an, die bis jetzt noch kein einziges Wort gesagt hatte. Ihr Blick irritierte mich ein wenig. Er hatte etwas fanatisches und passte so ganz und gar nicht zu ihrem verzückten Lächeln.

Ich räusperte mich vernehmlich. War sie eventuell stumm? Taub? Beides waren kein Hindernis, um ein begabter Ninja zu werden. Im Gegenteil, körperlich eingeschränkte Shinobi waren zu teilweise größeren Leistungen fähig als ein normaler Ninja. Ich kannte einen blinden Shinobi, der allein durch seine sensorischen Fähigkeiten die Umwelt erfasste und seine Kämpfe bestritt. Er war so gut, dass er selbst mittlerweile Chunin war.

"Kennt sie jemand?", wandte ich mich aus Mangel an Reaktion an die Umstehenden.

Das nahm Rose zum Anlass, um der jungen Frau einen kräftigen Schlag auf den Hinterkopf zu verpassen.

"Autsch! Wofür war der denn, Sempai?", maulte sie.

"Wach mal wieder auf, Anna. Der freundliche Chunin hat dich was gefragt", sagte sie ohne den üblichen amüsierten Ton in der Stimme. "Du musst meinen Kohai entschuldigen, Mamo-chan. Normalerweise ist sie ein fähiger Chunin, aber heute ist sie so verdammt merkwürdig."

"Ist es besser, sie zu ersetzen?", fragte ich Rose.

Das brachte die junge Frau auf Touren. Sie wedelte mit beiden Händen abwehrend und rief: "N-nein, keine Sorge, ich bin jetzt voll da! Ich war nur etwas in Gedanken versunken, weil ich Ihre Art, wie Sie diese Besprechung geführt haben, so bewundere, Morikubo-sama! Anna Moriyama, Chunin, Scoutteam, Morikubo-sama. Den Süd-Osten mit dem Hügel, ja, habe ich verstanden. Ich werde Sie um keinen Preis enttäuschen, Morikubo-sama! Aha. Hahahahaha. Versprochen!"

Ich sah wieder zu Rose herüber, die ratlos die Schultern hob. Also war Anna Moriyama normalerweise nicht so... Wie sollte ich es in Worte fassen? Fixiert?

"Hier und hier werden wir nach jeweils einem Tagesmarsch rasten", sagte ich und zeigte die Positionen auf der Karte. "Dann beginnen wir mit der Aufteilung der Kolonnen. Ihr habt eine Stunde, um eure Positionen zu erreichen, dann zwei weitere Stunden, um bis auf Rufweite an Oto heran zu kommen. Lasst niemanden entkommen, aber behandelt sich ergebende Shinobi und Zivilisten bestimmt, doch freundlich. Wer sich wehrt, sollte allerdings schnell einsehen, dass das eine dumme Idee ist. Wir koordinieren uns mit Hilfe eines Roten Milans aus Konoha, der von den ANBU zur Beobachtung Otogakures eingesetzt wird. Der erste Schrei bedeutet vorrückten. Der zweite Schrei bedeutet angreifen. Solltet Ihr vorher entdeckt oder gar angegriffen werden, brecht die Funkstille und informiert mich sofort. Während des Kampfes um die Stadt will ich ständig über eure Gegner und eure Verluste informiert werden. Ich werde bereits einen Affenkrieger beschwören, bevor der Kampf beginnt. Aber mein Limit sind drei, und das verkürzt die Zeit für die anderen Kontraktpartner beträchtlich. Das heißt, ich werde meinen Kontrakt sehr dosiert einsetzen müssen. Dazu brauche ich exzellente Informationen. Alle verstanden?"

Leise Bestätigungen hallten durch das Zelt.

"Welchen Affenkrieger werden Sie denn beschwören, Morikubo-sama?", fragte Moriyama mit leuchtenden Augen. "Ranma-sensei? Doktor Tofu? Oder gar Enka O Enma persönlich?"

"Ich gebe zu, ich kann meine Beschwörungen nicht in dem Maße steuern. Wir werden sehen, wen ich kriege. Aber je mehr Chakra ich in die Beschwörung lege, desto mächtiger ist der Affenkrieger."

"Ooooh, ich kann es gar nicht erwarten, einen zu sehen. Oder sogar drei!" Vor lauter Begeisterung hatte sie die Hände vor der Brust gefaltet und sah mich mit einem Blick an, den ich ansonsten nur von Hunden kannte, die gleich ihr Leckerli bekommen würden.

"Du wirst einen Teufel tun!", fluchte Rose wütend, und versetzte ihr noch einen Schlag. "Du wirst gefälligst deine Aufgabe erfüllen! Und du wirst nicht mitten in der Schlacht nachsehen gehen, welche Affenkrieger Mamo-chan beschworen hat. Hast du das verstanden, Anna?"

"Keine Sorge, ich werde mich doch ausgerechnet von Morikubo-sama nicht blamieren", erwiderte sie beleidigt. "Und außerdem, musst du so hart zuschlagen, Sempai?"

"Kleine Schläge auf den Hinterkopf erhöhen das Denkvermögen, Anna", sagte Rose bestimmt.

"Wie dem auch sei!", sagte ich mit lauter Stimme, um anzudeuten, dass die Besprechung noch nicht beendet war. "Drei Schreie des Milans bedeuten Abbruch der Mission. In diesem Fall ziehen wir uns zwanzig Kilometer zurück, jeder in die Richtung, aus der er gekommen ist. Anschließend schlagen wir uns zum ersten Rastpunkt durch, hier, wo wir uns wieder sammeln. Entweder versuchen wir es dann erneut, oder wir ziehen uns zurück, je nachdem welcher Umstand einen Missionsabbruch erforderte. Ich sage das vorsichtshalber, nicht weil ich glaube, dass Orochimaru oder sein Leutnant Kabuto in der Stadt sein werden. Ich sage es, weil ich für jede Option gerne eine Lösung habe. Wenn das alle verstanden haben, dann ist die Besprechung beendet. Frischt eure Vorräte auf und macht euch und eure Leute bereit. Wir ziehen in einer Stunde weiter."

Zustimmendes Gemurmel antwortete mir, und nach und nach verließen die Chunin das Zelt. Rose ging mit ihrer Kohai und redete wütend auf sie ein, weil sie sich von ihr blamiert fühlte. Zu Recht, wie ich damals fand.

"Aber er ist doch noch so jung, und dabei schon so cool! Kannst du das nicht verstehen, Rose-sempai? Er ist was ganz besonderes!"

Ich erstarrte, als ich diese Worte hörte. Anna konnte doch unmöglich mich gemeint haben, oder?
 

Ich war angemessen irritiert. Andererseits war die Mission wichtiger, also begann ich meine Arbeit zu machen und das Kartenmaterial einzurollen. Es würde uns noch gute Dienste erweisen.

"Herr General, ich bedanke mich für die Möglichkeit, meine Besprechung hier abzuhalten."

"Kein Problem, Morikubo-tono. Immerhin ist ein Angriff auf einen Diener des Landes des Feuers ein Angriff auf alle Diener des Landes des Feuers", sagte er freundlich. "Gehen Sie raus, und reißen Sie den Oto-Idioten mächtig den Arsch auf."

"Das war der Plan", erwiderte ich grinsend.

"Ach, und noch etwas. Seien Sie umsichtig mit Ihrem großen Problem. Ein abgelenkter Offizier macht leicht ein paar Fehler, die seinen Leuten oder gar sich selbst das Leben kosten können."

"Abgelenkter Offizier? Ach, Moriyama-kun. Ich werde sie rechtzeitig austauschen, wenn sie sich als Nachteil erweisen sollte."

"Das ist nicht das Problem mit ihr, Morikubo-tono."

"Aber ich glaube doch, dass es die Lösung ist, Herr General", beharrte ich.

Der erfahrene Mann musterte mich einige Zeit. Dann seufzte er und erhob sich, um mir die Hand geben zu können. "Ich wünsche Ihnen viel Glück, Morikubo-tono. Sie werden es brauchen."

"Danke, Herr General. Mit ein wenig Glück bringen wir die Mission schnell hinter uns."

Er öffnete den Mund, so als wolle er noch etwas sagen, aber dann ließ er es doch.

"Ist noch etwas?", fragte ich neugierig.

"Nichts, nichts", antwortete er und klopfte mir auf die Schulter. "Ich bin sicher, Sie werden schon von selbst darauf kommen. Sie sind ja noch jung."

"Worauf kommen?"

"Ich sagte schon, das kriegen Sie selbst raus. Irgendwann." Er reichte mir die Karten und komplimentierte mich aus dem Zelt.

Ich lief dabei in Kaminari, der mich wissend angrinste. "Ich übernehme wieder deine Rückendeckung, wenn es dir recht ist. Bei dem anderen Problem kann ich dir allerdings nicht helfen."

"Welchem Problem? Dem mit Moriyama?"

"Genau", sagte er, noch breiter grinsend.

"Und warum nicht? Weil du es nicht kannst, oder weil du es nicht darfst?"

"Weil ich es nicht will. Ist lustiger so."

"Ich verstehe kein Wort", beschwerte ich mich.

"Ja, ich weiß", sagte er und klopfte mir auf die Schulter. "Wird bestimmt lustig zu beobachten sein."

"Ryu, du steigst im Moment nicht gerade auf meiner Beliebtheitsskala."

"Oh. Ich werde es überleben."

"Na klasse." Ich schob den Gedanken beiseite. Schließlich hatte ich gut zu tun. Ich musste ein Ninja-Dorf zerstören.

Feuerregen 9

Heute
 

Man kann sagen was man will, aber einem Dutzend Käfer zu folgen hatte etwas Lächerliches. Fast erwartete ich, dass die kleinen Krabbler, während sie vor uns hinweg flogen, in der Finsternis des sehr frühen Morgens leuchteten; aber sie taten mir nicht den Gefallen, dieses Klischee zu nähren.

Klar war die Methode effektiv, und dankenswerterweise war Shino nicht wie geplant mit entführt worden, was die Kontrolle über die Käfer erhöhte. Dummerweise fehlte er nun ebenso wie ich im Tross der Entführer. Wir hatten sie nur mit einen Ninja infiltrieren können, und das war beinahe gleichbedeutend mit einem Fehlschlag. Meine Strategie hatte vorgesehen, den Banditen nach einem halben Tag nachzufolgen, mit einer sicheren Methode, um sie aufzuspüren. Allerdings mit drei erfahrenen Shinobi Konohas unter ihren Gefangenen, die ihre anderen Gefangenen jederzeit effektiv beschützen konnten. Nun trug ein Shinobi Konohas alleine diese Bürde, und dass das ausgerechnet Hanako war machte es nicht leichter für mich.

Gewiss, ich vertraute ihr wie kaum einem anderen Menschen, aber meine Angst um sie war ohnehin irrational und aus meinem Beschützerkomplex geboren. Dementsprechend waren wir zu früh aufgebrochen. Sechs Stunden oder gleich ein halber Tag machte schon einen Unterschied, aber an diesem Punkt der Ereignisse hatte ich mich mit meinem eigenen Plan nicht mehr wohl gefühlt.

Es war eine alte Weisheit, dass man weit voraus planen konnte. Aber die Welt steckte voller Variablen und Unbekannten, sodass das, was anschließend passierte, nicht unbedingt dem Plan folgen würde. So war es auch jetzt, als wir den Banditen folgten. Dazu kam, das wir sie nicht einholen durften, bevor sie ihr Versteck erreichten. Es bestand die Gefahr, das wir jede Spur zu jenen Kindern verlieren würden, die vor einem Jahr entführt worden waren.

Beim Gedanken, was ihnen in dem einen langen Jahr alles passiert sein konnte, stieg mir die Galle hoch. Beim Gedanken, was Hanako in den letzten sechs Stunden passiert sein konnte, kochte mein Gemüt über. Und beim Gedanken daran, was mit Suzume passiert sein mochte, stieg mein Blutdruck bedenklich an. Dennoch versuchte ich, ruhig zu bleiben, das Geschehen sachlich zu betrachten.

Die Infiltration hatte nur zu einem Drittel funktioniert, das stand unumstößlich fest. Im Gegenzug aber hatte ich, mich eingeschlossen, acht Ninjas unter meinem Kommando, die ihre Ausrüstung bereits bei sich trugen und einsatzbereit waren. Das Missionsziel war die Rettung der Gefangenen. Mit einem Insider im Stützpunkt der Banditen und acht Ninjas, die von außerhalb attackierten, sollte ein Erfolg möglich sein. Nach meiner ersten Abschätzung würden die Banditen uns keinen großen Widerstand bieten; lediglich bei der Anführerin war ich mir nicht sicher, wie ich sie einzuschätzen hatte. Ihr merkwürdiger Befehl, mich hinter dem Haus exekutieren zu lassen, hatte meinem Plan in die Hände gespielt. Hanako hätte niemals alle Banditen und Dorfbewohner unter ihre Genjutsu nehmen können, und ich hätte einiges aufbringen müssen, um mich, Hana-chan und so wenig Banditen wie möglich an einen Ort zu locken, an dem ich meinen Tod inszenieren konnte. So war es sehr viel einfacher gewesen, und das gab mir zu denken. Das Leben machte nichts einfacher, es trat eher noch nach, wenn man schon am Boden lag. Und da war noch der Dicke, der gerade so in seine Rüstung gepasst hatte. Den Burschen würde ich auch im Auge behalten müssen, vor allem da Hinata-chan berichtet hatte, die Chakra-Zentren der beiden wären ungewöhnlich stark gewesen.
 

Also hetzten wir den Käfern hinterher, mit Shino an der Spitze, dicht gefolgt von Hinata-chan, die mit ihren Byakugan den Weg auf Hinterhalte und Fallen absuchte. Ryu Kaminari und Inari Asa waren auf den Flanken, Karin bildete die Nachhut. Ich hielt mich mit Ikuko Kenda in der Mitte. Sie hatte ihr sensorisches Netz entfaltet, und ich machte mir derzeit Gedanken über unsere Situation.

Shino pfiff leise. Das vereinbarte Zeichen, dass die Spur der Pheromone, der seine Käfer folgten, dichter wurde. Wir schlossen also auf, und das reichlich früh.

Ich ließ halten. Wir sprangen von den kräftigen Ästen, die uns als Weg gedient hatten, und landeten auf dem Waldboden.

"Niemand in der Nähe", sagte Ikuko.

"Ich kann auch niemanden sehen", sagte Hinata-chan.

"Wir können sie riechen", sagte Kiba. "Sie waren vor einer Stunde noch hier." Akamaru bellte bestätigend.

Das "wir" irritierte mich ein wenig, aber immerhin hatte ich es bei dem Jungen mit einem waschechten Inuzuka zu tun.

Für den Moment waren wir sicher. Fallen hatten sie auch keine auf ihrem Weg aufgebaut.

"Kiba, Hinata, geht so nahe ran wie es euch möglich ist und schaut sie euch an", befahl ich. "Die anderen ruhen sich aus."

Die beiden Genin von Team acht bestätigten und verschwanden wieder im Geäst der Bäume.

Ich ließ mich gegen den Baumstamm sinken und angelte seufzend nach meinem Proviant. Die oberste Regel für einen Shinobi war Einsatzbereitschaft. Wer sein Chakra anstrengte, musste gut essen, um bei Kräften zu bleiben.
 

Karin setzte sich neben mich. In ihren Augen flackerte Unsicherheit. "Meinst du, es geht ihr gut?", fragte sie unvermittelt.

Ich tätschelte ihren Kopf, wie ich es bei einem kleinen Kind getan hätte. "Mach dir keine Sorgen. Wenn es jemanden gegeben hätte, der Hanako auch nur zu nahe gekommen wäre, hätten wir längst die Explosionen gehört oder eine Spur aus Leichen entdeckt."

Sie lachte nicht über meinen Scherz, und das stimmte mich nachdenklich.

"Es gibt Situationen, in denen es besser ist, nachzugeben, Mamo-chan", sagte sie nachdenklich. "Hana weiß, das mit ihr die Mission steht oder fällt. Und wir Kunoichi haben... Sie zögerte, sah mich an, sah wieder fort und errötete. "Wir haben eine besondere Ausbildung, die euch nicht zuteil wird. Euch Männern, meine ich. Wenn wir... Wenn wir alt genug sind, trainieren uns unsere Kunoichi-Sempais, damit wir mit unseren potentiell verletzlicheren Körpern in... bestimmten Situationen richtig agieren können."

"Du sprichst davon, dass Ihr Kunoichi eher in Gefangenschaft vergewaltigt werdet als wir Männer?" Ich lachte rau. "Hast du Otogakure schon vergessen?"

"N-nein, natürlich nicht. Aber ich dachte, euch Männern macht so etwas nicht so aus."

"Es ist nicht so, dass ich mich darüber gefreut hätte. Und ich hatte Glück, dass es Maria war, und nicht Orochimaru. Zum Beispiel." Ich seufzte und schob diese irritierenden Erinnerungen beiseite. Das war über ein Jahr her, und noch ein Grund dafür, warum ich Maria umbringen würde, wenn ich sie das nächste Mal sehen würde. Niemand verfuhr mit einem hilflosen Konoha-Shinobi, wie es ihm gerade passte. Aber auch diesen Gedanken schob ich beiseite.

"Das trifft es noch nicht ganz. Manche von uns werden ausgebildet, um..." Sie senkte wieder den Blick. "Man trainiert sie, damit sie solche Situationen zum Wohle der Mission überstehen. Damit sie später wieder als Kunoichi agieren können. In manchen Missionen gehören... sexuelle Gefälligkeiten zu den erforderlichen Dingen, die diese Kunoichi leisten müssen. Auch wenn wir nicht für diese Gruppe ausgesucht werden, so wird doch jedem weiblichen Ninja klar gemacht, was es bedeuten kann, in dieser Situation zu stecken. Und Hana-chan hat vor all den Leuten behauptet, du hättest mit ihr geschlafen."

"Ach so", sagte ich, legte einen Arm um ihre Schulter und drückte sie an mich. "Mach dir doch keine Sorgen darum, dass die Banditen glauben, sie wäre leicht zu haben. Stell dir vor, einer dieser rauen, ungewaschenen Kerle schnappt sie sich, wenn diese Anführerin nicht aufpasst. Was wird er tun? Er schleppt sie in eine stille Ecke, wo sie alleine sind. Und dann?"

Karins Augen begannen zu strahlen. "Und dann setzt Hana-chan ihn unter ihr Genjutsu!"

"Richtig. Und was immer der Bandit glaubt, was er gerade erlebt, Hana steht daneben und versucht nicht zu lachen. Vertrau ihr also. Immerhin ist sie unsere Hanako Yodama."

"Ja, du hast Recht. Hana-chan geht es vermutlich gut. Aber die anderen Mädchen? Suzume-chan?"

"Hanako wird auf sie und die anderen Mädchen aufpassen. Falls sich einer der Banditen für eine von ihnen interessiert, wird sie ihn becircen, ins Abseits locken, und ihr Genjutsu benutzen. Falls die Banditen für so etwas überhaupt Zeit haben. Denn das erfordert eine Pause."
 

"Mamoru-sempai!", klang Hinatas Stimme atemlos zu mir herüber. "Die Banditen machen eine Pause!"

Ich tauschte einen überraschten Blick mit Karin. "Regel Nummer eins, Mamo-chan", sagte sie tadelnd zu mir. "Beschwöre niemals eine schlechte Entwicklung, indem du sie beschreibst."

"Ich will es mir merken. Hinata-chan, konntest du Hanako und die anderen sehen?"

Das junge Mädchen und Kiba landeten direkt vor meinen Füßen. Sie nickte heftig. "Man lässt sie rasten und hat ihnen zu trinken und zu essen gegeben. Es scheint, dass sie die letzten Stunden durchmarschiert sind. Sie waren also die ganze Nacht auf den Beinen."

"Das ist aber noch nicht alles", sagte Kiba. "Es scheint, als wäre noch jemand mitten in der Nacht unterwegs." Er deutete nach Süden. "Und zwar unsere Freunde von der Steuererhebungstruppe des Daimyos Harusame. "Ich habe Akamaru ausgeschickt. Er wird zurückkehren, wenn die beiden Trupps aufeinander zu treffen drohen."

"Wuff!" Akamaru kam über den Boden gehetzt, blieb vor seinem Herrn stehen und bellte erneut.

"Was genau jetzt der Fall ist. Es scheint, als würde die Karawane des Daimyos genau in Richtung vom Rastplatz der Banditen ziehen."

"Wenn etwas schief geht, dann aber auch richtig", murmelte ich verdrossen. Die Beamten des Daimyos waren gut bewacht; ich hatte die nicht gerade zahlreichen, aber sehr gut ausgerüsteten Soldaten gesehen. Trafen sie auf die Banditen, würde es zwangsläufig zum Kampf kommen. Und der Ausgang dieses Kampfes war nicht gewiss.

"Verdammter Mist. Muss denn alles schief gehen?" Missmutig sah ich die anderen an. "Na toll, jetzt müssen wir alles noch mal umstellen."

"Wenn es zum Kampf kommt, dann...", begann Kaminari.

"Können die Gefangenen fliehen. Einige werden das sogar. Aber wohin werden sie laufen? Werden sie verfolgt werden? Sie wissen ja gar nicht, das wir hier sind. Was passiert mit den Beamten, wenn die Soldaten besiegt werden? Was wird aus den Gefangenen des letzten Jahres, wenn die Banditen besiegt werden?" Ich faltete die Hände vor meinem Gesicht ineinander und drückte sie auf meine Stirn. "Denk nach, Mamoru, denk nach."

Stille herrschte, während ich versuchte, meine Gedanken zu ordnen und die Situation an die neuen Daten anzupassen.

"Hier ist der Plan", sagte ich schließlich. "Ryu, du und ich greifen auf Seite der Beamten des Daimyo ein, sobald der Kampf beginnt.

Hinata-chan, Inari, Ihr zwei achtet auf Gefangene, die die Situation nutzen und fliehen. Sammelt sie ein und beschützt sie vor Verfolgern." Die beiden nickten.

"Karin, Kiba..." Ich zögerte einen Moment. "Und Akamaru. Ihr dringt zu den anderen Gefangenen vor und unterstützt Hanako dabei, sie zu beschützen." Der Hund bellte bestätigend, und die beiden nickten.

"Shino, Ikuko, Ihr überwacht die Banditen. Sobald einige von ihnen fliehen, verfolgt Ihr sie. Hoffentlich bis zu ihrem Versteck." "Verstanden", sagte der Käferjunge. Ikuko nickte.

"Gut. Wie lange noch, bis die Karawanen aufeinander treffen, Akamaru?"

"Wuff!" "Nicht mehr als eine halbe Stunde", übersetzte Kiba.

"Gut. Wir schleichen uns an so nahe wie es geht, und warten auf das Ausbrechen der Kämpfe. Wir greifen sofort ein. Kein Zögern, kein Nachdenken. Sollte etwas schrecklich schief gehen, ist hier wieder unser Sammelpunkt. Haben das alle verstanden? Gut, dann lasst uns gehen."

"Verstanden!"

Sechs meiner Shinobi verschwanden, um ihre Positionen aufzusuchen. Kaminari und ich blieben zurück. "Du hast vergessen für den Fall zu planen, wenn die Banditen die Soldaten überwinden", tadelte Kaminari.

"Für welchen Fall, Ryu?", fragte ich interessiert.

"Kann es sein, dass du in letzter Zeit ein klein wenig selbstüberzeugt und arrogant geworden bist? Nur weil du auf Seiten des Daimyos kämpfen wirst, heißt das nicht automatisch, dass die Soldaten gewinnen werden."

"Nein, das heißt es sicher nicht", sagte ich mit einem dünnen Lächeln. "Aber du kämpft auch auf ihrer Seite, oder?"

Kaminari sah mich verblüfft an. Dann musste er lachen. "Okay, das ist ein sehr gutes Argument."

Ich klopfte dem lachenden Mann auf die Schulter. "Lass uns gehen, alter Freund."

Seite an Seite verschwanden wir im Wald, auf dem Weg zu bevor stehenden Schlacht.

***

Kaminari und ich erreichten eine gute Beobachtungsposition zur Kolonne des Daimyos nur wenige Sekunden, bevor der erste Wachtposten der Banditen die fremden Reiter und Wagen entdeckte. Natürlich meldete er seine Sichtung. Die Fackeln, welche den Männern den Weg erleichterten, waren nicht zu übersehen. Und damit gingen die Dinge ihren Lauf.

Im Lager der Banditen wurden Pferde klar gemacht, und es dauerte nur wenige Augenblicke, bevor sie den Soldaten entgegen ritten. Der Anführer der Soldaten, Koji, ritt ihnen mit nur wenigen Begleitern entgegen. Ohne meine und Kaminaris Unterstützung stand ihnen eine blutige Niederlage bevor. Dachte ich.

"Na, dann wollen wir doch mal", begann Kaminari und formte erste Fingerzeichen.

Ich legte ihm eine Hand auf die Schulter. "Warte."

"Was?" Er hielt inne. "Stimmt was nicht?"

"Sie ziehen ihre Schwerter nicht", sagte ich alarmiert. "Sie reiten aufeinander zu und ziehen ihre Schwerter nicht."

"Jetzt wo du es sagst... Ach du Scheiße. Du meinst doch nicht etwa..."

Keine fünfzig Meter von uns entfernt trafen sich die beiden Gruppen. Auf einer Seite Koji und seine Leute, auf der anderen Seite die geheimnisvolle Frau mit dem Beamten und dem Dicken an der Seite. Man begrüßte sich höflich, aber nicht überschwänglich. Von einem Kampf konnten sie nicht weiter entfernt sein. Sie sprachen einige Zeit miteinander. Es ging um Nutzen, Ertrag, Gesamtergebnisse.

"Glaubst du, die Beamten lassen sich schmieren?", fragte Kaminari halblaut.

"Ich glaube, es ist noch viel schlimmer", erwiderte ich ernst.

Ich behielt Recht. Nach dem ersten Gespräch winkte Toji die Wagen heran. Im Lager der Banditen wurde es derweil laut, während die Banditen einen Teil ihrer Rüstungen gegen solche austauschten, welche die Männer des Daimyo Harusame zu tragen pflegten.

"Ja, da soll mich doch...", brauste Ryu auf, aber wieder hielt ich ihn zurück.

"Wir gehen zum Sammelplatz", raunte ich ihm zu. Lautlos verließen wir unsere Beobachtungsposition.
 

Als wir unser altes Lager erreicht hatten, waren Hinata und Inari schon eingetroffen. Kurz darauf folgten Karin und Kiba mit Akamaru. Als Letzte trafen Shino und Ikuko ein. Für eine Zeit herrschte ein aufgebrachtes Durcheinander von Stimmen und Meinungen.

Ich ließ sie ihren Ärger von der Seele reden, zumindest für eine gewisse Zeit. Dann hob ich die Hand. Die anderen kamen zur Ruhe.

"Ich würde gerne eure Einschätzungen hören. Shino."

Der Aburame blickte mich durch seine Sonnenbrille genau so stechend an, als wenn ich ihm direkt in die Augen sehen könnte. "Es ist offensichtlich, dass sowohl Banditen als auch die Soldaten des Daimyos gemeinsame Sache machen. Wahrscheinlich sind sie alle Soldaten."

"Das kannst du nicht wissen", warf Hinata ein. "Es kann auch sein, dass sie die Beamten und Soldaten besiegt haben, um ihre Rollen einzunehmen."

"Unwahrscheinlich", warf ich ein. "Genta kannte Koji vom letzten Mal."

"Und wenn sie schon damals...?", begann sie hoffnungsvoll, seufzte aber und nickte verstehend. "Gut, dumme Idee. Der Daimyo wäre längst dagegen vorgegangen."

Ich nickte zufrieden. "Also, was haben wir hier? Kiba?"

"Von meiner Warte sieht es so aus, als würden diese Schweine unseren Auftraggeber gleich zweimal zur Kasse bitten. Zuerst ziehen sie die reguläre Steuer ein, dann holen sie sich noch ein Extra. Inklusive der Sklaven. Um die mache ich mir übrigens gerade ernsthafte Sorgen, denn sie haben gesehen, wie die Banditen sich umgezogen haben. Die müssen sich sehr sicher sein, dass ihre Gefangenen ihr Wissen nicht weiter geben werden."

"Viele Möglichkeiten gibt es da nicht", fügte Inari hinzu. "Entweder werden sie alle getötet, lebenslang eingesperrt, oder in die Fremde verkauft."

Ich konnte deutlich fühlen, wie das Unwohlsein in der Gruppe stieg. Hanako war da mitten drin. Suzume war da mitten drin. Und kamen wir für die Kinder aus dem letzten Jahr zu spät?

"Kommen wir zu politischen Situation. Hinata-chan, wie ist die aktuelle Lage Im Land des Wassers?"

"Mizu no Kuni besteht aus diesem Transitland auf dem Kontinent, und unzähligen größeren und kleineren Inseln, die teilweise tausende von Kilometern auseinander sind. Dies erfordert eine föderalistische Regierungsstruktur, keine Zentralregierung. Das heißt, dass das Festland in drei, und die Inseln in acht Regierungsbezirke aufgeteilt sind, denen jeweils ein Daimyo vorsteht. Über ihnen allen steht der Daimyo des Landes des Wassers. Er ist keiner der elf, sondern eine übergeordnete Instanz. Sein Titel wird vererbt. Er treibt zum Beispiel für Kirigakure, das Ninjadorf, überregionale Steuern ein. Oder für den Unterhalt der Armee, Pflege der Straßennetze und dergleichen. Dies sind alles Dinge, die unter seine direkte Jursidiktion fallen."

"Hinata-chan, ich glaube, ich habe einen Hörsturz. Kannst du das noch mal erklären, ich meine in Worten?", fragte Kiba.

"Tu-tut mir leid, war ich zu kompliziert?", fragte sie erschrocken.

"Weiter im Text", mahnte ich, bevor die verbale Kabbelei Kibas ausufern konnte. "Der Reis, der in Gentas Dorf als Steuer erhoben wurde, ist also teilweise für den Mizu-Daimyo?"

"Das ist richtig. Ich rechne ungefähr mit der Hälfte", sagte Hinata.

Nachdenklich strich ich mir übers Kinn. "Korruption", sagte ich ernst.

"Korruption?", echoten die anderen.

"Korruption", bestätigte ich. "Daimyo Harusame lässt nicht nur Gentas Dorf auf diese Weise bluten, sondern viele weitere Dörfer unter seiner Aufsicht. Einige von ihnen sind daran zerbrochen, was den großen Zuzug in Gentas Dorf erklärt. Andere widerstehen noch. Alle Beschwerden über die Banditen gehen an Harusame, der der eigentliche Urheber dieser Übergriffe ist. Somit hat er nicht nur die Hälfte der Steuern in Form von Reis zur Verfügung, sondern das Anderthalbfache. Und da alle Beschwerden an ihn gehen, kann er das Spiel so lange weiter treiben, bis der Mizu-Daimyo einmal davon Wind bekommt und hier tüchtig aufräumt."

"Aber so lange können wir nicht warten, oder?", fragte Kaminari grinsend.

"Nein, können wir nicht", erwiderte ich. "Wir brechen sofort auf. Wir umgehen beide Karawanen und ziehen direkt zum Schloss des Daimyos."

"Einen Moment noch, Mamo-chan", sagte Shino. "Es gibt immer noch die Möglichkeit, dass Harusame hiervon nichts weiß. Müssen wir uns nicht auf diese Möglichkeit vorbereiten?"

"Die Möglichkeit besteht, aber sie ist verschwindend klein", erwiderte ich.

"Was macht dich so sicher?"

"Das Beamtensiegel. Es war echt, und mein gewalttätiger Freund ist sein rechtmäßiger Besitzer. Er ist das direkte Auge des Daimyos bei dieser Operation. Was ich sehr interessant finde, denn sein Herr hat ihn nicht Koji zur Seite gestellt, sondern der Frau, um auf sie aufzupassen." Ich klopfte dem Aburame-Spross auf die Schulter. "Aber ich behalte den Gedanken im Hinterkopf, nur für den Fall der Fälle."

Ich sah ins Rund. "Gleiche Formation wie eben. Los jetzt, Konoha-Shinobi. Da wartet ein Job auf uns, für den wir bezahlt wurden."

"Verstanden!" Nach und nach verschwanden meine Ninjas im Geäst des Waldes. Ich folgte nach. Warum musste die interessanten Dinge eigentlich immer mir passieren? Oder kam es mir nur so vor, weil die anderen Shinobi mit solchen Wendungen ihrer Aufträge nicht prahlten?

***

Damals
 

Auf der anderen Seite der Grenze zum Land der Reisfelder erwartete uns unser Verbindungsmann. Der große, breitschultrige Blondschopf trug seinen Kimono nachlässig offen, und hatte ein Schwert geschultert, das eher an einen Stahlblock denn eine Waffe erinnerte.

"Ich bin Ryuji Nekozumi vom Clan der Nekozumi", stellte er sich vor. "Ich begleite euch Konoha-Shinobi, um sicher zu stellen, dass unsere Vereinbarungen eingehalten werden. Aber ich werde mich nicht an den Kämpfen gegen Otogakure beteiligen."

Ich nickte bestätigend. "Das hat auch keiner verlangt. Seien Sie uns willkommen, Nekozumi-san." Damit hatte ich gleich richtig gestellt, dass ich den Mann keinesfalls als höhergestellt ansah.

Er grinste schief. "Mamoru Morikubo-san, der ewige Chunin. Ich denke, ich werde diese Erfahrung, Sie kennen zu lernen, zu schätzen wissen."

Mit dem Suffix San hatte auch er zum Ausdruck gebracht, dass er mich nicht als höherrangig ansah.

"Das freut mich zu hören", sagte ich freundlich, während unsere Blicke eine einsames Duell ausfochten. "Ich hoffe, Sie können mit uns mithalten, Nekozumi-san."

"Bisher ist mir noch niemand davon gelaufen, Morikubo-san", sagte er mit abfälligem Ton in der Stimme.

"Gut. Wir haben Erlaubnis, bis Otogakure vorzustoßen?"

"Die haben Sie."

"Dann ziehen wir weiter." Zuerst die Vorhut, dann die Hauptmacht mit dem Flankenschutz, und schließlich die Nachhut setzten sich in Bewegung. Auf Ninja-Art, mit Steps.
 

Im Zielgebiet angekommen empfing uns ein ANBU. Drei Teams waren eingesetzt, also zwölf der kampfstarken und hochgefährlichen Spezialisten. Wahrscheinlich hätten sie alleine gereicht, um Otogakure zu vernichten. Aber es wäre keine öffentliche Aktion gewesen, keine Warnung an die Welt, dass Konoha noch da war, noch stark war, dass man mit der Stadt rechnen musste. Noch immer. Also blieb es doch an mir hängen.

Der ANBU deutete eine Verbeugung an. Seine Tiermaske zeigte einen stilisierten Tiger. "Haben Sie neue Anweisungen für uns mitgebracht, Morikubo-tono?", fragte er mit dumpfer Stimme.

Ich verneinte.

"Dann bleibt es bei den Anweisungen, dass wir nicht in den Kampf eingreifen werden. Allerdings überwachen wir weiterhin die Aktion, und sollten sich Konoha-Genin bis in unseren Überwachungsbereich zurück ziehen, werden wir sie natürlich unterstützen."

"Dafür bin ich dankbar." Das war eine große Zusage gewesen, ein großes Eingeständnis und ein Zeichen der Kameradschaft. Der ANBU hatte seine Befehle sehr lax ausgelegt, beinahe schon dagegen verstoßen. Das konnte ihm Ärger einbringen, so paradox das auch klingen mochte. Aber die Arbeit der ANBU war etwas anderes als die Arbeit der Shinobi. Sie war schwerer und gefährlicher, und meistens auch hinterhältiger. Nun auch noch Amme für davonlaufende Genin zu spielen war daher eine großherzige Entscheidung.

"Wann beginnen Sie, Morikubo-tono?", fragte Tiger-san.

"Sofort", erwiderte ich. Auf mein Zeichen spritzten die Shinobi auseinander.
 

Die ersten Schritte der Aktion verliefen schweigend und wie am Schnürchen. Ich bezog mit Kaminari als meiner Rückendeckung Position im Süden bei Rose und ihren Leuten. Nekozumi schloss sich schweigend an. Die anderen Teams huschten im Laufe der nächsten Stunde außerhalb des Fünf Kilometer-Radius, der von den ANBU nicht erkundet worden war, auf ihre Positionen. Als sich theoretisch alle Teams in Position befanden, marschierten wir voran, mit den sensorischen Ninjas in der ersten Reihe.

"Wartet!", rief eine junge Kunoichi und ließ die Truppe halten. "Neji sagt, er spürt schwaches Chakra, aber weit verteilt."

Kurz sah ich nach vorne, zu den Leuten an der Spitze. Ein Hyuuga war dabei. Exzellente Einteilung von Rose.

"Sprengfallen", sagte ich zu ihr.

Rose nickte. "Und vielleicht noch ein paar weitere Vorrichtungen, die uns treffen sollen, wenn wir die Sprengfallen-Tags auslösen."

Kaminari griente mich an. "Kage Bunshin, so wie vor fünf Tagen, als wir die Position der Oto-Nin überrannt haben?"

"Du willst die Sprengfallen auslösen?", fragte ich schmunzelnd. "Das widerspricht doch etwas der Idee, sich unentdeckt zu nähern. Wir..."

Eine Explosion in der Ferne ließ uns aufschauen. Sofort krachte es in meinem Funkempfänger.

"Fei hier! Mamo-chan, wir sind in einem Kampf ver... DU DENKST WOHL, DARAUF FALLE ICH REIN? FRISS DAS! HAHAHA! HAHAHA!"

"Oh, es klingt, als hätte sie Spaß", sagte Nekozumi mit spöttischem Ton in der Stimme.

"Nicht jetzt!", zischte ich ihn an. "Fei-chan!"

"Was? Oh, sorry, ich hatte zu tun. Wir sind mitten in die Evakuierung des Dorfes hinein geschlittert! Dutzende Zivilisten verlassen Otogakure auf dieser Route, und sie werden nur von wenigen Shinobi beschützt. Oder anders ausgedrückt: Was soll ich mit denen machen?"

Ich sah zu Rose. "Detachiere zehn Mann, Rose-chan."

Die Kunoichi nickte und sandte mit einer knappen Anweisung zehn Genin auf den Weg.

"Nakakura-kun?" "Hier, Morikubo-sama!" "Detachieren Sie ebenfalls zehn Leute für Fei Long, aber rücken Sie weiter vor. Fei-chan, behandle die Zivilisten vorerst wie feindliche Shinobi. Haltet sie auf, bindet sie, aber versucht dabei nett zu sein!"

"Ich... Autsch, nicht beißen, du kleines Aas! Dir ziehe ich den Hosenboden stramm! Ich bin so nett, wie die mich lassen! Tooru, da kommen zwei Dreier-Teams! Fass! Also gut, ich versuche es zumindest. Wir binden sie und bringen die Situation somit unter Kontrolle."

"Alle anderen: Räumt die Peripherie, so schnell Ihr könnt! In das Dorf zu kommen hat jetzt oberste Priorität!"

"Verstanden!", hallte es mir mehrstimmig entgegen. Das Ergebnis waren weitere Explosionen. Ich hoffte, das diese nur entstanden waren, weil meine Leute die Tags absichtlich ausgelöst hatten.

Nekozumi schnaubte neben mir anerkennend. "Sie werden Ihrem Ruf gerecht, ewiger Chunin."

"Was immer Sie sagen, Nekozumi-san. Rose-chan, wir wollen weiter. Räumt die Spreng-Tags."

"Ich mach das schon!", rief das Mädchen von eben. Sie wirbelte herum, entrollte eine Schriftrolle und entließ daraus eine Unzahl an Kunais, Shuriken und Schwertern. Diese streuten über das Gelände und schlugen eine regelrechte, mehrere Meter breite und hunderte Meter lange Schneise ins Gelände. Dabei lösten sie etliche Sprengfallen und noch ein paar andere Schweinereien aus, wie ein an Seilen befestigter Baumstamm gut zeigte, der mit einer Wucht unseren Weg schnitt, die ihresgleichen suchte. Kein Shinobi hätte solch einen Schlag überlebt.

Ich warf mein Kunai auf die dicken Halteseile des Stamms. Als er wieder in die Waagerechte schwang, setzte ich den schmalen Draht mit meinem Feuer-Jutsu in Brand, der meine Hände mit dem Kunai verband. Die große Hitze unterbrach die Verbindung und ließ den Stamm zu Boden fallen. Dort begann er, einer Walze gleich, das sanfte Gefälle in Richtung Otogakure herab zu rollen. Dies löste weitere Sprengfallen aus.

"Das war gute Arbeit, Ihr zwei", sagte ich zu den beiden.

Das Mädchen griente mich an. "Keine Sorge, Morikubo-tono, da kommt noch mehr. Nicht, Neji?"

Der Junge sah mich mit den typischen weißen Augen des Hyuuga-Clans an. Er musterte mich für einen Moment, während neben uns nicht nur Sprengfallen, sondern noch weitere Gemeinheiten ausgelöst wurden. Darunter war ein riesiger Bär, wie ich ihn schon von Beschwörungen der Oto-Nin kannte. Aber Rose war alleine schon mehr als genug für das Biest, sodass es selbst die Beschwörung auflöste und sich lieber in Sicherheit brachte.

"Mamoru Morikubo-sama", sagte der Hyuuga-Junge anerkennend. "Kou spricht sehr wohlwollend von Ihnen. Ich bin Neji. Das ist Tenten."

"Kou spricht so wohlwollend von mir, weil er mit meiner Schwester geht", wiegelte ich ab. Ich nickte in Richtung der Spitze. "Los, übernehmt wieder die Führung. Das hat sich bewährt."

Die beiden lächelten kurz, dann verschwanden sie vor meinen Augen, nur um auf dem Baumstamm, der zur Ruhe gekommen war, wieder aufzutauchen. Wir hatten mehr als zwei Kilometer geschafft.

"Noch ist alles frei!", rief Tenten von ihrer Position und winkte fröhlich.

Ich sah Nekozumi an. "Nanu? Kein Kommentar?"

Der große Mann schulterte sein Schwert in eine bequemere Lage und sah mich breit grinsend an. "Wozu? Die beiden sprechen für sich selbst." Er deutete nach vorne. "Sollten wir nicht aufholen?"

Kurz sah ich zu Kaminari, der immer noch bei mir war. "Das sollten wir wohl, Nekozumi-san."
 

Ich führte Step aus, schloss mit Ryu und Nekozumi zu Rose auf. "Die beiden gefallen mir. Solche Genin kriege ich normalerweise nicht für meine Missionen."

Rose lachte. "Du kriegst vor allem die Problemfälle, die eine harte, aber gerechte Hand brauchen. Die beiden sind nichts davon. Sie sind das Team, das Guy-sama betreut. Und sie haben an der Chunin-Prüfung teil genommen. Der dritte der Runde, Rock Lee, liegt mit zerschlagenen Knochen im Krankenhaus. Tenten hat es zumindest in die dritte Runde geschafft, und Neji hat erst in der Endrunde gegen den Bengel verloren, der alleine lebt. Du weißt schon, den Lehrling von Jiraiya-sama."

"Naruto Uzumaki", sagte ich.

"Genau der. Der Kleine steht total auf Ramen. Ich habe ihn neulich bei Ichiraku essen gesehen... Würde er nicht noch wachsen, würde ich mich fragen, wo er das alles lässt. Jedenfalls hat Neji verloren."

"Heißt das, dass Naruto Chancen darauf hat, Genin zu werden?" Mit einem Schauder erinnerte ich mich an meine Prüfung. Hätte ich damals gewusst, dass ich eines Tages Verantwortung für die Leben von zweihundert Shinobi übernehmen musste, hätte ich vielleicht freiwillig gegen den Kuro-Nin verloren.

"Keine Ahnung. Der Letzte, der nach einem Examen zum Chunin befördert wurde, warst du, Mamo-chan. Und deine beiden Häschen auf Reserve. Es scheint so als wenn die nachfolgenden Jahrgänge nicht euren Biss haben." Sie grinste mich an. "Andererseits hätte ich mir dich als Anführer auch 'ne ganze Zeit nicht vorstellen können."

"Wie überaus schmeichelhaft", erwiderte ich säuerlich.

Ich presste eine Hand gegen meinen Empfänger. "Die erste Gruppe, die Otogakure erreicht, macht sofort Meldung über die Zustände, die dort herrschen."

"Verstanden!"

"Hanabi hier. Haben jetzt auch Feindkontakt. Keine Flüchtlinge in dem Sinne, aber... JOUNIN!"

Ich reagierte ohne nachzudenken. Sofort hetzte ich los, formte noch im ersten Sprung die Fingerzeichen für das Kage Bunshin no Jutsu, und ließ fünf meiner Klone die Minensucher spielen. Fünfzehn weitere Klone rasten an mir vorbei. Eine Detonation weiter vorne bewies, wie weise diese Idee war.

Ich sah kurz hinter mich, erkannte Kaminari. "Ich habe deinen Rücken, Mamo-chan."

Ich nickte ihm zu. Dann ging mein Blick zu den anderen beiden Genin, die mich begleiteten. "Und Ihr?"

Tenten lachte verlegen. "Rose-chan meinte, wir sollten Minenräumen helfen. Das muss jetzt ganz schnell gehen, sonst ist Hanabis Truppe Fischfutter."

"Das waren nicht ganz ihre Worte, aber Recht hat sie trotzdem", sagte der Hyuuga. Er aktivierte die Byakugan. "Die nächsten fünfhundert Meter sind sicher."

Neben Kaminari bewegte sich Nekozumi. "Ich habe mich dazu entschlossen, bei Ihnen zu bleiben, Morikubo-san. Aber ich greife nicht in die Kämpfe ein."

Das ließ mich kurz schmunzeln. Vielleicht konnte man mit ihm ja doch auskommen, vor allem wenn man bedachte, dass zwei der Schattenklone von ihm gewesen waren.

"Na, dann mal los", sagte ich. Um Rei Hanabi und ihre Leute zu erreichen musste ich Otogakure kreuzen. Fähige Shinobi dabei zu haben mochte sich noch als nützlich erweisen.
 

Wir brachen aus dem Wald hervor, kamen an den Ortsrand. Keine Sekunde später meldete Karin über Funk: "Wir sind drin, Mamo-chan."

"Ich komme von Süden und versuche Hanabi zu erreichen." Ich erhielt keine Rückmeldung von der Medi-Nin, und ich hoffte, das geschah nur, weil sie beschäftigt war. Nicht weil sie tot war.

Ich hetzte durch das Dorf, mitten unter panisch durcheinander laufenden Bewohner und einige vereinzelte Genin, die verzweifelt versuchten, einen Überblick zu bekommen. Ich ignorierte sie, solange sie uns ignorierten.

Doch das galt nicht für alle. Ich sah die Shuriken von einer Gruppe Oto-Nin heran fliegen, machte mich bereit, sie abzuwehren, aber Neji war plötzlich vor mir. Er fischte die gefährlichen Waffen aus der Luft oder schlug sie beiseite. Das war das Juuken, die geheime Technik seines Clans.

"Ich kümmere mich um die und rücke nach", versprach er. Neji verließ unsere kleine Gruppe. Er landete direkt von den Oto-Nin, und machte bei seiner Landung einen so nachhaltigen Eindruck, dass die vier Shinobi angstvoll einen Schritt zurück wichen.

Wir übrigen setzten den Weg fort. Wir überquerten das größte Gebäude des Dorfes, nutzten das Dach als Plattform für einen weiteren Sprung. Meine Nackenhaare richteten sich auf, als ich die kalten Ziegel berührte. Irgendwas an diesem Bau war merkwürdig. Ich sollte später herausfinden, was ich gespürt hatte. Und es würde mir nicht gefallen.

Wir hatten fast zwei Drittel des Dorfes überquert, an drei Stellen erkannte ich Kämpfe zwischen Konoha-Nin und Oto-Shinobi. Kalt erwischt, nannte man das. Andererseits wäre das Dorf leer gewesen, wenn wir nur einen einzigen Tag länger gebraucht hätten. Aber wir hatten Hanabi-san noch immer nicht erreicht. Geschweige denn, dass sie sich per Funk meldete.

Eine Wassersäule, die sich vor mir zum Drachen formte, verfehlte mich nur knapp. Ich wirbelte um das Wasser herum, versuchte wieder in den Tritt zu kommen. Hinter mir umgingen Tenten und Nekozumi das Wasser ebenfalls. Tenten trennte sich von uns, entrollte zwei Schriftrollen und attackierte den Wasser-Jutsu-Nutzer. "Ich komme gleich nach!", rief sie, und entließ einen Waffenschauer auf den Oto-Nin.

Schließlich war der Ortsrand erreicht. Kurz bevor wir in den Wald eintauchten, um Hanabi-san zu erreichen, sah ich im Osten Tonaris Leute, die ohne jede Gegenwehr von Otogakure Besitz ergriffen. Im Norden war die Situation ähnlich. Hana-chan, gut zu erkennen an ihrer goldenen Haarflut, war schon beinahe bis zum Ortskern vorgedrungen.

Allgemein eine positive Entwicklung, mit dem einen Fehler, dass ein Teil meiner Leute gerade in diesem Moment von Jounin massakriert wurden.
 

Als ich zwei Kilometer tief im Wald Kampflärm hörte, wusste ich zumindest, dass nicht alle Genin aus Hanabis Gruppe getötet worden sein konnten.

Ich hielt so plötzlich an, dass Nekozumi beinahe in mich hinein gerannt wäre. "Was ist los?"

"Ich beschwöre jetzt meine Affen-Krieger", sagte ich. "Es wäre fatal, wenn ich in eine Situation laufen würde, die mich daran hindert, die Beschwörung auszuführen."

Nekozumi grinste und schwang sein Schwert. "Das hätten wir doch mal sehen wollen, Morikubo-san."

Ich lächelte matt. "Ich dachte, Sie wollten nicht kämpfen, Nekozumi-san."

"Nun, sagen wir, eventuell könnte ich etwas Bewegung vertragen."

Ich biss mir in den Daumen, bekam etwas von dem Blut, mit dem ich meinen Kontrakt unterschrieben hatte. "Kuchiose no Jutsu!" Es erfolgte die übliche Verpuffungswolke. Daraus schälten sich zwei Gestalten. Eine Doppel-Beschwörung? Das war mir bisher noch nie gelungen. Aber schnell wurde mir klar, warum ich plötzlich zwei Affenkrieger vor mir hatte. Auch wenn sie miteinander mehr stritten als zusammen zu arbeiten schienen, sie konnten nicht ohne einander.

"Grüße von Doktor Tofu", sagte der Mann und rückte die überdimensionierte runde Brille zurecht, "er ist noch zu erschöpft von den Kämpfen um Konoha. Ebenso Ranma und Ranko. Von König Enma ganz zu schweigen." Suchend sah er sich um. "Wo ist der Feind?"

"Genau!", ereiferte sich die Frau. "Wo Feind?"

Ich lächelte kurz bei ihren Worten. Sie neigte dazu, Wörter zu verschlucken, wenn sie aufgeregt war, oder wenn sie sich freute. Augenscheinlich tat sie beides.

Ich nahm mir einen Augenblick Zeit, um die beiden zu betrachten. Mousse, der schlanke, hochgewachsene Waffenmeister, hätte Tenten bestimmt gefallen. Ich konnte nie in Erfahrung bringen, ob er wirklich halbblind war und tatsächlich diese Brille brauchte. Aber ich wusste seinen Eifer und seinen Ehrgeiz zu schätzen. Seine stilvolle Robe im Stil des Lands des Wassers verbarg durch die gebauschten Ärmel seine Hände - und mindestens zwei bis drei Dutzend tödlicher Waffen. Shampoo hingegen konnte sehr gut sehen. Und sah auch noch blendend aus. Ihr Stil war der Nahkampf. Oder, um es mal mit Ranma-senseis Worten auszudrücken: Sie mochte es, wenn ein Kampf weder große Worte, noch große Techniken erforderte. Und wenn viel Körpereinsatz erforderlich war.

Sie war eine Taijutsu-Meisterin, die es durchaus mit Ranko-sama aufnehmen konnte. Er war Fernkämpfer für mittlere Distanzen, sie ging die Kurzdistanzen an. Sie ergänzten einander, schoben sich gegenseitig die Ziele zu. Sie hassten sich, aber nur auf die eine Art, mit der man seine Liebe verbergen konnte. Für den folgenden Kampf gegen die Jounin der Oto-Shinobi waren sie perfekt geeignet.

"Diese Richtung. Fünfundzwanzig Konoha-Genin, eine Chunin, die sich nicht mehr meldet. Der Feind ist eine unbekannte Anzahl an Jounin Otogakures."

"Wir kümmern uns darum", versprach Mousse, rückte seine Brille zurecht und wollte davon springen, aber Shampoo erwischte ihn am Saum seiner Jacke. "Andere Richtung, Idiot!", zischte sie. "Blamieren du willst?"

"Nun werde nicht gleich sauer. Dann geh du halt voran", murrte Mousse.

Die beiden benutzten Step. Diesmal in die richtige Richtung.

"Das waren Affenkrieger?", fragte Nekozumi erstaunt. "Ich hätte sie mir mit mehr Fell vorgestellt."

"Sie tarnen sich. Als Menschen", erklärte ich.

Ich biss mir erneut in den Daumen, förderte wieder etwas Blut. "Kuchiose no Jutsu!"

Diesmal trat eine alte Bekannte aus der Rauchwolke. Besser gesagt, sie flog mir um den Hals. "Mamo-chaaaaan!"

"Nicht jetzt, P-chan! Wir müssen ein paar Leben retten!"

"Später vielleicht?", fragte sie hoffnungsvoll.
 

Der Kampflärm wurde lauter, kurz bevor wir den Ort erreichten, an dem gekämpft wurde. Das lag an den Affenkriegern, die eingegriffen hatten. Der Kampfplatz selbst kündigte sich schon früh an. Mehrere Bäume waren entastet oder gleich gefällt. Einer stand in Flammen. Der Boden war aufgerissen, ein Teil unter Wasser gesetzt. Ich zählte auf Anhieb mindestens acht Konoha-Shinobi, die sich nicht mehr rührten. "Medi-Nin zur Gruppe Hanabi", sagte ich tonlos über Funk.

P-chan löste sich von meiner Seite, sprang in die Tiefe. "Ich schaue mal, was ich tun kann", versprach sie.

Nekozumi und ich eilten weiter, dem Kampflärm nach.

Ein Oto-Nin, Blutüberströmt und schreiend wie ein Wahnsinniger, sprang auf mich zu, sein Schwert zum Schlag erhoben. Der Mann war vollkommen von Sinnen und in seinen Augen glomm Wahnsinn. Bevor er mich erreichen konnte, traf ihn jedoch der schwere Stahlblock, der Nekozumi als Waffe diente. Er wurde vom Schwert mittig getroffen und an den nächsten Baum geschleudert. Es gab zwei hässliche Geräusche, als der Baum brach, und irgendetwas in seinem Leib.

Als Nekozumi die Waffe wieder abnahm, fiel der Oto-Nin ohne ein Wort zu Boden und blieb mit verrenkten Gliedern liegen.

"Beeindruckend", sagte ich. Immerhin konnte dieser Mann ein Jounin gewesen sein, und der Mann aus dem Land der Reisfelder hatte ihn mit einem Schlag ausgeschaltet, vielleicht getötet.

"Ach, man lernt halt dies und das, wenn man die Augen offen hält", wiegelte er ab und schulterte die Waffe wieder.
 

Weitere Konoha-Genin lagen am Boden, ich zählte noch einmal fünf. Mehr als die halbe Truppe von Hanabi-san. Dann erreichten wir den Kampf selbst. Ich erkannte fünf weitere Konoha-Shinobi, die leblos am Boden lagen. Unter ihnen war auch Hanabi. Sie hielt sich ihren blutüberströmten Leib und atmete so flach, das ich es kaum sehen konnte.

Ein Blick zu den Affenkriegern sagte mir, dass sie die Situation im Griff hatten, so wie es ihre Art war. Shampoo setzte einem Oto-Nin mit katzenhafter Gewandheit und Schnelligkeit zu, ließ ihre Krallen sprechen und tötete den überraschten Gegner; Mousse verfolgte mit seinen Waffen drei weitere Oto-Nin und erwischte den hinteren mit seinen gefürchteten Sicheln an den Waffenketten. Der Unglückliche wurde mit den Waffen an einen Baum genagelt. Die anderen beiden, ein großer Dicker mit orangen Haaren, und eine junge Frau mit Turban, schafften es gerade so, seinen anderen Waffen zu entkommen.

Dies war der Moment, in dem ich erkannte, das es vorbei war. Aber um welchen Preis? Hätte ich den Weg, den die Jounin nehmen würden, nicht voraus ahnen sollen, ja müssen? Hätte ich ihre Anwesenheit nicht besser einkalkulieren müssen?

Mousse wollte den anderen Jounin hinterher, aber wieder war Shampoo schneller. "Lass sie, die auf und davon. Mamo-chan, wenn nichts anderes zu tun, helfen wir jetzt Eroberung von Otogakure!"

Ich nickte geistesabwesend. Beide waren keine Heiler wie Ranma oder P-chan. Sie nützten nur an der Frontlinie etwas, und die befand sich im Dorf. Im übrigen bestand immer noch die Hoffnung, dass die ANBU die fliehenden Jounin stellen würden.

Als die Ruhe nach dem Kampf einkehrte, hörte ich von hier und da Stöhnen, Husten, leise Rufe nach Hilfe, und hier und da auch mal einen herben Fluch.

Ein Mann kam aus einer Baumkrone herab gesprungen. Man hatte ihm alle Finger gebrochen, ein Auge blau geschlagen und dazu noch den Arm gebrochen. Das hatten sie getan, um einerseits einen natürlichen Sadismus auszuleben. Andererseits, um den Genin daran zu hindern, Fingerzeichen zu formen. Er sah mich mit bebenden Lippen an, als er mich erkannte. Er hob die demolierten Hände, wie um sich zu entschuldigen. Tränen liefen aus dem nicht zugeschwollenen Auge.

"Schon gut, Haku. Niemand wird sagen, dass du vor dem Gegner geflohen bist."

Meine Worte überzeugten ihn nicht ganz. Vielleicht würden sie das, wenn sein Schock vergangen war, und die Schmerzen seiner Verletzungen den Verstand reinigten. Ich klopfte dem Mann auf die Schulter. "Nicht deine Schuld. Es war meine Schuld."

"Nein, Morikubo-sama, es war nicht deine Schuld", widersprach er heftig. "Nicht deine."

"Wir werden sehen, was der Rat dazu sagt."
 

Weitere Shinobi kamen aus dem umliegenden Gehölz. Manche mussten von ihren Kameraden gestützt werden. Allen war gemein, dass sie erschöpft waren, verletzt, zerschlagen. Ich sah am Boden fünf Shinobi mit den Insignien Otogakures, einer hing immer noch, von Mousse dorthin befördert, tot an einem Baum. Zwei weitere hatte ich fliehen sehen. Das machte neun mit dem, den Nekozumi erwischt hatte, und mindestens einer musste ein Jounin gewesen sein.

"Ihr habt dem Gegner überraschend viel Widerstand entgegen gebracht!", sagte ich laut, damit mich alle hörten. Bei einigen hellte das die Mienen etwas auf. Manche, so sie noch die Kraft hatten, weinten lautlos oder starrten blicklos vor sich hin.

Das war meine Schuld. Ich hatte sie hierher geschickt. Ich war der Anführer. Ich hatte die Truppe aufgeteilt, weil ich nicht damit gerechnet hatte, dass sich tatsächlich noch Jounin im Dorf befanden.

Ich würde für diesen Fehler eine angemessene Bestrafung bekommen. Ich hatte sie auch verdient. Wie viele Shinobi waren hier gestorben? Zehn? Fünfzehn? Unter ihnen Rei Hanabi?

Ich fühlte frustrierende Hilflosigkeit in mir aufsteigen. Ich hatte nie besonderes Talent für die Heilung gezeigt, war nie in Mutters Fußstapfen getreten. Ich konnte hier rein gar nichts machen, niemanden retten, nicht einmal jemanden trösten, so wie den Genin mit den gebrochenen Fingern.

"PLATZ DA!", gellte es hinter mir auf. Gleich zwölf Genin auf einmal rauschten an mir vorbei. Gemein war bei jedem die Aura voll aufgeladenen Chakras. Zwei von ihnen waren sensorische Ninjas, die sich sofort auf die Suche nach den restlichen Konoha-Genin machten; die anderen waren Medi-Nin, die mit der Konoha eigenen Präzision ans Werk gingen.
 

Ich sah mir die Szene für mehrere Sekunden wie gebannt an, sah Menschen aufschrecken, die ich schon für tot gehalten hatte, sah aber auch solche, die trotz aller Bemühungen der Medi-Nin nicht zu retten waren. Auch bei Hanabi-san hockte eine Medi-Nin, und ließ gut sichtbar Unmengen an Chakra in sie hinein fließen. "Verdammt, nun nimm es doch endlich an!", fluchte sie.

"Morikubo-tono", sagte Nekozumi und legte mir eine Hand auf die Schulter. Er hatte seine Anrede an mich respektvoller gesetzt, und das ausgerechnet zu einer Zeit, in der ich es nicht verdient hatte. Ich nickte schwer. "Sie haben Recht." Ein letztes Mal blickte ich auf die Menschen Konohas, die Hilfe brauchten, die Hilfe leisteten. Dann machte ich mich wieder auf den Rückweg. "Morikubo hier. Hanabi-sans Gruppe wurde ausradiert. Etliche sind tot oder schwer verwundet. Die Medi-Nin leisten bewundernswerte Arbeit, und ich hoffe, sie können einige von ihnen retten." Ich atmete tief durch, während ich an der Seite von Nekozumi von Baum zu Baum sprang. "Bericht. Rose, du fängst an."

"Wir sind jetzt auf dem Dorfplatz. Haben hier etwa dreißig Zivilisten und fünf Shinobi, die sich ergeben haben, ergriffen. Zwei wurden getötet. Keine Verluste. Im Übrigen habe ich Neji und Tenten wieder eingesammelt. Auch ihnen geht es gut."

Ein Lichtpunkt. Ein winzig kleiner. "Gut. Fei-chan."

"Wir hatten als Erste Feindkontakt. Drei Verletzte, einer davon schwer. Aber wir haben acht Genin und etwas über zweihundert Zivilisten ergriffen. Außerdem haben wir weitere fünf Oto-Nin getötet."

"Verstanden. Karin."

"Kein Feindkontakt. Um die fünfzig Zivilisten ergriffen. Wir bringen sie gerade zum Dorfplatz zu Rose-chan."

"Okay. Hanako."

"Wir hatten Feindkontakt. Ein Toter, fünf Verletzte, teilweise schwer. Mousse-sama hat uns raus gehauen. Wir vermuten, dass wir auf den Jounin gestoßen sind, der die Nachhut bilden sollte. Und wenn ich schon mal dabei bin, dankenswerterweise bisher keine Spur von Orochimaru oder seinem Leutnant Kabuto."

Ich nickte schwer. Der wievielte Tote war das unter meinem Kommando? Ich wusste es nicht. Und der Gedanke, dass ich sie auch alle hätten verlieren können, war nur eine dumme Ausrede, eines Ninja des Nara-Clans nicht würdig. "Ja, gut. Tonari."

"Keine Verluste, aber auch keine Gefangenen. Wir sind gleich auf Anhieb bis zum Haupthaus durch gekommen. Der Osten ist bereits komplett evakuiert. Ich befinde mich gerade im Haupthaus. Unter dem Keller ist noch ein Keller, gespickt mit Fallen. Kann ich den Hyuuga für eine Erkundung kriegen?"

"Bist du sicher, dass du da unten etwas erkunden willst?", fragte ich mit einem Schauder in der Stimme.

"Nachsehen müssen wir", konterte er.

"Also gut, Rose-chan, schick ihm Neji und Tenten nach."

"Warum auch Tenten?", fragte Rose verwundert.

"Brich niemals ein Siegerteam auf", antwortete ich. "Moriyama, Meldung."

"Moriyama hier. Keine Verluste. Der Osten der Stadt ist tatsächlich evakuiert. Wir haben einen Gefangenen. Besser gesagt eine. Sie sagt, sie will zu Ihnen, Morikubo-sama. Ihr Name ist Maria."
 

Für einen Moment fühlte ich mich, als hätte mein Herz ausgesetzt. Ich befand mich mitten im Sprung auf ein Häuserdach, und beinahe hätte ich die Steine verfehlt. Nur weil mich Nekozumi stützte, fiel ich nicht fünf Meter in die Tiefe. Maria? War sie doch noch hier? "Danke, Nekozumi-tono." Ich hoffte, auch er würde verstehen, was ich sagen wollte. "Moriyama, bringen Sie Maria zum Dorfplatz." Ich atmete tief durch. "Ich möchte gerne eines feststellen: Otogakure ist in diesem Moment fest in der Hand von Konoha. Wir sammeln uns in der Dorfmitte, versorgen unsere Verwundeten und unsere Toten, sammeln uns und ordnen unsere Reihen. Danach beginnen wir mit der Zerstörung sämtlicher militärischen Einrichtungen, der Waffenlager und der Häuser. Noch währenddessen werden Karins und Hanakos Gruppen die Zivilisten und die gefangenen Oto-Shinobi nach Süden führen, aus dem Ort raus. Die Gerichte im Land des Feuers werden sich jedes einzelnen annehmen; um die Shinobi werden sich Konohas Gerichte selbst kümmern."

Wieder etwas mehr gefestigt setzte ich meinen Weg neben Nekozumi fort.

"Warum sollen ausgerechnet Karin und ich das machen, Mamo-chan?", beschwerte sich Hanako.

"Weil das eben die Aufgabe für einen Chunin auf Probe ist, Hana-chan", sagte ich barsch.

In Wirklichkeit wollte ich sie und Karin außer Reichweite Marias haben. Ich musste mich mühsam zurückhalten, um nicht dem Wunsch nachzugehen, sie umzubringen. Wie mochte es da erst meinen Mädchen gehen?
 

Zügig trafen wir vor dem Hauptgebäude ein. Die Menschenmenge umfasste vielleicht dreihundert Menschen und ungefähr vierzig Ninjas. Beinahe zwanzig tote Oto-Shinobi hatte man in einer Ecke des Platzes abgelegt, und es würden noch ein paar hinzu kommen. Unter ihnen die Jounin, die Mousse und Shampoo getötet hatten.

Dennoch erkannte ich Maria in der Menge ohne Probleme sofort wieder. Da stand sie, lächelnd, mit ihrem blendenden Aussehen, ihrem wie Seide wirkenden, langem schwarzen Haar, kokett so stehend, das es ihre weiblichen Proportionen bevorteilte. "Hallo, Mamo-chan", säuselte sie.

Ich ging auf sie zu, ergriff sie am Kragen, holte bereits aus, und hätte nicht ausgerechnet Mousse mich zurückgehalten, hätte ich sie geschlagen, so wie sie da stand. "Sag nie wieder Mamo-chan zu mir", zischte ich sie an, ließ aber langsam den Arm sinken und ihren Kragen fahren. "Was willst du von mir?"

"Wie, was will ich von dir? Deine Leute haben mich gefangen", sagte sie salopp.

"Halte mich nicht für dumm. Was ist es? Bist du wegen der Verluste beim Angriff auf Konoha in Ungnade gefallen und willst dich jetzt bei mir einschmeicheln? Suchst du mit einem perfiden Plan Rache? Oder hoffst du auf unser aller Vernichtung durch deinen Herrn Orochimaru?"

Sie warf einen Blick auf die Zivilisten und Genin, die mit ihren Karren und Besitztümern zum Abmarsch vorbereitet wurden. "Was geschieht mit ihnen? Viele wussten nicht einmal, dass Orochimaru-sama dieses Dorf gegründet hat."

"Das Recht des Siegers. Wir entscheiden, wer Schuld trägt, und wer nicht." Es klang arrogant, selbst in meinen Ohren. "Auf jeden Fall aber werden wir sie nicht pauschal verurteilen. Sie werden aber kaum zurückkehren können, jetzt wo Otogakure zerstört ist. Jene, die unschuldig sind, oder die zumindest nichts mit dem Angriff auf Konoha zu tun haben, werden wohl im Land des Feuers siedeln dürfen. Aber ich will dem nicht vorgreifen. Vielleicht dürfen sie auch ins Land der Reisfelder zurückkehren, wenn sie dies wünschen."

Nekzumi sah mich ernst an. "Wir werden sehen", sagte er mit neutraler Stimme.

"Also verlassen sie das Dorf."

"Ja, ich lasse sie wegbringen. Wir zerstören es nachher."

"Ich glaube, die Arbeit kannst du dir sparen", orakelte sie. Kurz ging ihr Blick zur Sonne. "Und ich will dir zeigen, warum. Habt Ihr die unterirdischen Kavernen schon erforscht? Orochimaru-samas hiesige Forschungseinrichtung?"

Ich spürte, wie mir das Blut aus dem Gesicht wich. "Wir sind dabei", gestand ich.

"Du solltest es dir ansehen. Sieh es als meinen Gefallen dafür, dass du die besiegten Genin nicht hinrichten lässt. Ein kleiner Fingerzeig der Freundschaft, denn eigentlich habe ich persönlich überhaupt nichts gegen dich, Mamo-chan."

Ich musste mich abwenden, um ihr Gesicht nicht mehr sehen zu müssen. Was sprach dagegen, sie doch noch zu töten? Was sprach dafür, ihr zu glauben und ihrem ominösen Fingerzeig zu folgen?

Ich sah sie erneut an, ergriff ruppig ihren rechten Arm und zerrte sie mit in Richtung Haupthaus. "Tonari, ich komme mit einer ortskundigen Gefangenen nach. Wie weit seit Ihr?"

"So fünf Meter, würde ich sagen. Der Hyuuga ist unglaublich, aber hinter jeder Wand, hinter jedem Stein scheint ein Waffenarsenal zu stecken", sagte Tonari.

"Oh, das kann ich bestimmt schneller", sagte Maria schmunzelnd.

"Wir werden sehen. Enttäusche mich besser nicht", erwiderte ich.

"Oh, du wirst auf deine Kosten kommen", versprach sie mit einem verheißungsvollen Lächeln.

Verdammt. Sie hatte mich in der Falle, und sie wusste es auch.

Feuerregen 10

Heute
 

Hanako Yodama hatte den schwersten Auftrag ihres Lebens. Sie war schon öfters als Bodyguard eingesetzt worden, hatte oft mit unwilligen, störrischen Personen zu tun gehabt, die ihr ihre Arbeit unnötig schwer gemacht hatten, aber nichts davon war mit der jetzigen Situation zu vergleichen. Wie bewachte man jemanden, der einen mit absoluter Verachtung hasste? Und es stand außer Frage, dass Suzume Hanako dafür hasste, dass sie Akiras Tod hatte mitansehen wollen. Gerade so als hätte sie selbst das Schwert geführt. Das machte die Situation in mehrerlei Hinsicht schwierig. Niemand konnte sagen, wie lange sie unterwegs waren, wann Mamoru und die anderen aufholten, was zwischendurch passieren mochte. Durchaus möglich, dass die Mädchen von den Banditen vergewaltigt werden würden, eventuell auch die Jungen. Und dann war das Mädchen, für dessen Schutz Hanako besonders sorgen musste - das wusste sie auch ohne eine Anweisung von Mamoru - derart widerspenstig und abweisend, dass man verzweifeln konnte.

Andererseits hätte sie im umgekehrten Falle das Biest, das Akiras Tod genussvoll mitverfolgt hatte, nicht mal eines Blickes gewürdigt. Suzume sah sie zumindest noch hasserfüllt an. Und dann waren da immer noch drei Mädchen und drei Jungen, die sie auch noch irgendwie beschützen musste.

Und durch ihre taktische Lüge, die nötig geworden war, um in Akiras Nähe zu kommen, hatte sie sich vielleicht als Mädchen hingestellt, das leicht zu haben war. Das war sowohl von Seiten der Banditen als auch der drei Jungen, die mit ihnen gingen, ein nicht zu unterschätzendes Problem. Nun, nicht unbedingt während sie unterwegs waren. Aber eventuell schon bei der ersten Pause.
 

Die acht Gefangenen aus Gentas Dorf waren an den Händen gebunden worden. Zwischen ihnen ging ein Seil entlang, das jedem einzelnen nur einen Meter Spiel ließ. Ein Pferd zog das Seil, und es lag an der Laune des Banditen, ob sie schnell laufen mussten, oder langsam trotten durften. Sie gingen mehrere Stunden lang, durchquerten in der stockfinsteren Nacht Wälder und Felder, ohne eine Pause einzulegen. Die Banditen führten keine Fackeln mit. Sie fanden ihren Weg auch so, und Hanako vermutete zu Recht, dass dies an der Anführerin lag. Die große Frau in der schweren Rüstung mit dem schlichten Stahlhelm bewegte sich so sicher, als wäre es hellster Tag.

Später in der Nacht, es mochte drei Uhr morgens sein, ließ sich Hanako fallen. Dies brachte die ganze Reihe zum Stolpern, und schließlich lagen alle am Boden. Der Reiter bemerkte zum Glück schnell genug, was passiert war. Das verhinderte, dass sie vom Pferd mitgeschleift wurden.

Hanako nahm das mit Genugtuung zur Kenntnis. Das bedeutete, dass sie einen Wert besaßen, der gemindert wurde, wenn die Ware beschädigt wurde. Das war ein Pfund, mit dem sich wuchern ließ.

"Was soll der Mist? Auf die Beine, oder ich prügle euch hoch!", rief der Bandit, sprang vom Pferd, zog eine Gertenrute unter seinem Sattel hervor und schlug damit ein paarmal auf die Arme des vorne gehenden Jungen. Der sprang prompt unter den Schmerzen auf, und auch die anderen kamen wieder hoch. Nur Hanako blieb am Boden. Schwer atmend lag sie da. "Schlag mich ruhig, töte mich ruhig, aber ich kann keinen Schritt mehr gehen", japste sie.

"Mädchen, ich werde dich...", drohte er und hob die Rute zum Schlag. Ängstlich quiekend hob Hanako die Arme zum Schutz hoch. Was tat man nicht alles, um als schwächstes Mitglied der Sklavengruppe zu gelten? Sie würde die Hiebe und die Schmerzen hinnehmen und später von Inari heilen lassen. Bis dahin würde sie mit den Striemen leben, als stolze Shinobi Konohas, einer Meisterin der Verstellung und des Kampfes in den Schatten.

Bevor die Rute auf ihre nackten Arme schlagen konnte, ging ein gepanzerter Fuß dazwischen. "Iori, was soll das?", tadelte die Anführerin.

"Sie will nicht aufstehen", erwiderte der Mann. "Ich bringe sie zum Aufstehen."

Die Frau musterte Hanako. "Binde sie vom Seil ab."

"Was?" "Ich sagte, binde sie vom Seil ab. Ich nehme sie auf meinem Pferd mit. Oder möchtest du vielleicht vor dem Daimyo gerade stehen, wenn du seine neueste Blüte blutig und mit Striemen ablieferst?", fragte die Frau spöttisch.

Hanako wäre beinahe zusammen gezuckt. Der Daimyo? Was hatte er mit dieser Geschichte zu tun?

"Jawohl, Terumi-sama!" Der Mann durchschnitt den Strick, der Hanako mit dem Führseil verband.

"Hilf ihr auf", befahl die Frau.

Barsch griff er in Hanakos Kragen und zerrte sie auf die Füße.

Dort erwartete sie die dargebotene Hand der mysteriösen Frau. "Reiten ist besser als laufen, oder? Und es ist ja nicht mehr weit bis zu unserem ersten Halt."

Zögerlich griff Hanako nach der Hand. Bevor sie sich versah, hatte die Frau sie schon auf den Pferderücken gezogen. "Halte dich fest, es könnte etwas schnell werden. Und du, Iori, bring den Rest auf die Beine. Sie können sich am Treffpunkt ausruhen."

Der Wächter bog die Gerte durch. "Gerne doch, Terumi-sama."

Das brachte alle, die noch nicht standen, schnell dazu wieder in die Höhe zu schnellen.
 

Die Frau namens Terumi lachte dazu, gab ihrem Pferd durch Flankendruck das Zeichen zum Aufbruch und ritt wieder an die Spitze.

Suzumes bösartige Blicke verfolgen Hanako. Mist, das war nicht so gelaufen, wie es hatte sein sollen. Sie hatte unterschätzt werden wollen, aber keine Extrabehandlung erwartet. Im Gegenteil, ein paar Schmerzen, ein paar Tränen und etwas Gewinsel hätten Suzume für sie vielleicht sogar weich gekocht. Nun aber war sie der neue Liebling der Anführerin, und das entfernte sie noch weiter voneinander, und das nicht nur körperlich. Hanako konnte nur hoffen, dass sie bei der Rast wieder bei den anderen Gefangenen sein konnte.

Es wurde ein schneller, scharfer Galopp, und Hanako hielt sich angstvoll fest. Dazu kreischte sie leise. Als Tochter einer Bauersfamilie durfte man von ihr nicht erwarten, dass sie schon einmal geritten war, und das auch noch im Galopp.

"Ist ja schon vorbei", murmelte Terumi und zügelte das Pferd wieder. Sie waren nun wieder an der Spitze der Kolonne. Mit Unbehagen bemerkte Hanako, dass sie sehr weit vor der eigentlichen Spitze ritten. Weit genug für eine ungestörte Unterhaltung.

"Das war ein ganz besonders feines Kawarimi", bemerkte Terumi amüsiert. "Dein Anführer hat ein großes Talent. Seid Ihr zusammen?"

"I-ich weiß nicht, wovon Sie reden!", erwiderte Hanako. "Was ist Kawarimi? Kann man das essen?"

Die Frau lachte. "Du brauchst mir nichts vorzuspielen. Ich hätte Kuni niemals erlaubt, seinem Ego nachzugeben und diesen Burschen hinrichten zu lassen, wenn ich nicht sein fein eingestelltes Chakra bemerkt hätte. Und deines." Sie lächelte. "Du brauchst keine Angst zu haben. Und du brauchst mich nicht zu bekämpfen. Jedenfalls jetzt noch nicht."

"Deine Worte sind ein wenig rätselhaft", stellte Hanako fest.

"Ich habe mich noch nicht entschieden, was ich mache. Einerseits habe ich einen Kontrakt zu erfüllen. Andererseits steht in diesem Kontrakt nichts darüber, dass ich mich um Shinobi kümmern muss, die das Heim meines Herrn infiltrieren wollen." Sie lachte leise. "Im Moment finde ich das noch recht amüsant. Vielleicht ist es auch nur ein Ausdruck meiner Hilflosigkeit." Terumi wandte sich halb im Sattel nach hinten. "Aus meinem Dorf werdet Ihr nicht sein, das hätte ich sofort gewusst. Und Kirigakure neigt nicht dazu, die eigenen Ninjas gegeneinander zu hetzen. Nun, zumindest nicht mehr in unseren Tagen. Woher kommt Ihr? Konoha? Suna?"

Hanako überdachte ihre Optionen. Diese Frau hatte sie schon in Gentas Dorf enttarnt, sie aber nicht verraten. Sie hatte auch den Bluff von Mamorus Hinrichtung durchschaut, ja, ihn sogar erst hinters Haus geschickt, wo sich ein Shinobi leicht gegen zwei bewaffnete Männer hätte durchsetzen können. Hanako sah dies nun ganz klar. Auch die derbe Erlaubnis, mit der Hanako hatte "zusehen" dürfen, war nur erfolgt, weil Terumi es zugelassen hatte.

"Warum?", fragte Hanako leise.

"Dein Heimatort?"

Sie zögerte. "Konohagakure."

"Eine Neun Mann-Zelle?", fragte sie ernst.

"Ja."

"Endlich", zischte sie und trabte noch ein Stückchen weiter vor.

"Mir sind die Hände gebunden, Hanako-chan. Ich bin durch Eid und Kontrakt an den Daimyo gebunden. Ich muss und werde ihn verteidigen, mit allem was ich habe, auch wenn ich das, was er tut, weder gutheiße noch liebe. Das bedeutet, das wir zwei womöglich kämpfen werden. Das könnte spaßig werden. Aber ich habe nichts davon, wenn ich euch verrate oder jetzt schon bekämpfe. Vielleicht gelingt es mir ja sogar, eure Anwesenheit in der Burg komplett zu verdrängen, oder?" Sie sah Hanako lange an und seufzte. "Nein, sicher nicht. Ihr werdet das Übel an der Wurzel ausrotten wollen. Das wird sicherlich ein guter Kampf. Euer Anführer ist Jounin?"

Bei diesen Worten hätte das blonde Mädchen beinahe aufgelacht. "Er ist Chunin, und wenn es nach ihm geht, dann wird er das auch den Rest seines Lebens bleiben."

"So?" Irritiert zog sie eine Augenbraue hoch. "Es ist sehr dumm, wenn man als Shinobi nicht auch jene Position bekleidet, die man erreichen kann. Es sind immer die Fähigeren, Klügeren, Schnelleren, Stärkeren, die vorne stehen und die anderen anführen. Wenn man sich nach vorne kämpfen kann und es nicht tut, dann wird man von schlechteren angeführt. Das solltest du deinem Chunin sagen."

"Ich kann es gerne ausrichten, aber es wird nichts nützen", gab Hanako freimütig zu. "Er hat seine ganz eigene Sicht der Dinge."

Terumi lachte. "Und, ist er ein guter Anführer?"

Hanako lächelte. "Ja, das ist er. Und er kümmert sich gut um seine Leute." Sie zögerte einen Moment. "Er hat die Zerstörung Otogakures angeführt."

"Was?" Entsetzt sah die Frau aus Kirigakure das Mädchen an. "Er ist hier?"

Erst war es nur ein schwaches Zittern, doch dann wurde es stärker, bis Hanako begriff, dass die Frau von einem Lachanfall geschüttelt wurde. Schließlich lachte sie lauthals auf. Als sie sich beruhigt hatte, lag eine fiebrige Erwartung in ihrer Stimme. "Es tut mir leid, Mädchen. Ich hätte gerne ein Auge für euch zugedrückt, aber... Aber ein Kampf mit ihm, das muss ein Erlebnis sein. Das kann ich mir nicht entgehen lassen. Er kann Affenkrieger beschwören, nicht?"

Hanako versteifte sich sichtlich. "Du wirst auf deine Kosten kommen, Terumi-sama. Auch ohne, dass er Affenkrieger beschwört", sagte sie trocken. Verdammt, die Frau war nicht nur eine Shinobi aus Kirigakure, so wie der Dicke wahrscheinlich auch, sie war auch mindestens auf Chunin-Level, wenn nicht gar ein Jounin. Das konnte ein Desaster werden.

"Ich will hoffen, dass du Recht behältst. Vielleicht gelingt es ihm ja, mich von diesem vermaledeiten Kontrakt zu befreien." Sie lachte erneut auf. "Falls er überlebt."

"Oh, er ist immer für ein Überraschung gut", versprach Hanako. Erleichtert atmete sie auf. Diese Frau würde sie nicht behindern, bis sie eine Möglichkeit fand, um mit Mamoru zu kämpfen. Und Hanako hatte nur wenige Möglichkeiten, um ihren Anführer und Freund vorher zu warnen. Verdammt.
 

"So, da sind wir auch schon. Geh wieder zu den Gefangenen zurück. Ich lasse euch Wasser geben. Und komm nicht auf den Gedanken, mir den Spaß zu verderben, indem du eine Botschaft zurücklässt, oder den Genin kontaktierst, der deinen Bruder gespielt hat."

Hanako sah sie erstaunt an, als sie vom Pferd rutschte. Das hatte sie auch rausgefunden?

Terumi lächelte bestätigend. "Ohne die vermeintliche Hinrichtung deines Anführers hätte ich bereits mit zwei Shinobi zu kämpfen gehabt. Einen dritten wollte ich mir nicht antun, deshalb habe ich ihn zurückgelassen. Bei den Kleinen weiß man sowieso nie, woran man ist."

Hanako erschauderte. Diese Frau war auf Jounin-Level, definitiv.
 

Langsam schlenderte sie zwischen den Wachen und den Wagen hindurch, hin zu jenem Platz, an dem die anderen sieben Gefangenen zu Boden gesunken waren, um sich auszuruhen.

"Hier. Nimm das mit, und bring mir danach den Beutel", sagte die Wache namens Iori und reichte ihr einen Trinkschlauch mit Wasser.

Hanako nickte bestätigend. Sie trat zu den anderen. "Hier ist Wasser. Trinkt. Wir wissen nicht, wie weit es noch ist." Sie reichte den Schlauch herum, und die Gefangenen tranken was sie konnten. Nur Suzume verweigerte den Schlauch. "Ich nehme nichts von dir", zischte sie böse. Für einen Moment wurden ihre Augen traurig. "I-ich habe dich lachen gehört."

Betroffen verharrte Hanako für einen Augenblick. Das tat ihr mehr weh, als Suzume überhaupt ahnen konnte.

Sie gab der Jüngeren eine kräftige Ohrfeige. "Autsch! Ich habe dir nichts getan!", beschwerte sie sich.

"Und ob du das hast! Du versuchst hier zu verdursten! Aber du kannst es dir aussuchen. Entweder du trinkst jetzt, oder ich gebe dir so lange Ohrfeigen, bis du deine Meinung änderst."

"Du hast mir gar nichts zu sagen... AUTSCH!"

"Das war Nummer zwei", sagte sie drohend.

Einer der Jungen, Seto, erhob sich halb. "Hanako-chan, lass sie doch in..."

Die blonde Frau wandte sich ihm zu. In ihren Augen lag ein gefährliches Funkeln. "Hast du etwas gesagt, Seto-san?"

Erschrocken ließ er sich wieder auf seinen Hintern fallen. "N-nein, natürlich nicht, Hanako-chan. Du solltest wirklich etwas trinken, Suzume-chan. Sie meint es nur gut mit dir."

"Schön, dass du das so siehst, mein Bester", schnurrte sie. "Und, wie sieht es aus? Noch eine Ohrfeige, oder trinkst du jetzt?"

"Vielleicht einen Schluck", murrte sie, sich die schmerzende Wange reibend. Tatsächlich aber trank sie fast den ganzen Schlauch leer. Für Hanako selbst blieb nur ein kräftiger Schluck übrig. Aber das war egal, denn als Kunoichi Konohas hatte sie gelernt, tagelang nichts zu trinken, ohne in ihrer Leistungsbereitschaft nachzulassen.
 

Als aufgeregte Rufe durch das Lager klangen, suchte Hanako schnell die Quelle für die Unruhe und fand sie in einer nahenden Karawane, die von Soldaten mit Fackeln begleitet wurde. Doch nicht einer der Banditen wurde unruhig oder gar nervös. Es schien das Normalste von der Welt zu sein. Einige der Banditen begannen sich sogar umzuziehen. Hanako kannte die neue Kleidung. Die Wachen des Daimyos, die in Gentas Dorf den Tribut abgeholt hatten, trugen sie.

Nun machte die Erwähnung des Daimyos durch Terumi mehr als Sinn.

Seto wollte sich erheben. "Wenn sie anfangen zu kämpfen, sollten wir davonlaufen."

Hanako drückte ihn wieder zu Boden. "Siehst du nicht, dass die Banditen ruhig bleiben?", zischte sie. "Die stecken unter einer Decke. Tue nichts, wofür man dir einen Pfeil in den Rücken jagen kann!" Sie deutete auf eine der Wachen, der einen gespannten Langbogen nebst Pfeileköcher an seinem Sattel aufgehängt hatte, während er seine Kleidung wechselte.

"So viel zur guten Gelegenheit", murrte er.

Hanako pflichtete ihm bei. Sie konnte nur hoffen, dass Mamoru und die anderen schon in Sichtreichweite waren und die richtigen Schlüsse zogen.

In was für ein Wespennest hatten sie da nur rein gestochen?

***

Am frühen Morgen wurde ich von Hinata geweckt. Das Mädchen hatte die Byakugan aktiviert und sah auf mich herab. Interessant daran war, dass sie kopfüber von einem Ast über mir herab hing. "Sie ziehen weiter, Mamoru-sempai."

Ich schüttelte einen Augenblick den Kopf, um den letzten Schlaf zu vertreiben. Noch in der Nacht hatte ich einen Wachturnus aufgestellt und alle anderen zum Schlafen geschickt. Ich selbst hatte die erste Wache übernommen. Dem Sonnenstand nach war es jetzt fast neun Uhr. Das bedeutete mindestens zwei weitere Wacheinheiten. "Weck die anderen, Hinata-chan. Wir folgen ihnen mit der gebotenen Vorsicht."

"Verstanden, Mamoru-sempai."

Auf ihren Weckruf hin kamen die Shinobi Konohas aus ihren Erdverstecken, verließen die Kronen der Bäume, oder traten einfach wie hingezaubert mitten zwischen uns. Nur wenige Augenblicke nach dem Ruf waren wir abmarschbereit.

"Also los, gleiche Formation wie gestern. Wir machen uns zuerst zum Rastplatz auf. Eventuell hat Hanako uns eine Nachricht hinterlassen. Danach folgen wir den Karren."

"Verstanden!"

Einer nach dem anderen nutzte Step und machte sich auf den Weg. Ich folgte als Letzter.

***

"Verdammt", murmelte ich ärgerlich, während meine Rechte auf der verbrannten, nahezu kreisförmigen Fläche ruhte, auf der die Gefangenen geschlafen hatten. Also auch Hanako. Wenn sie uns eine Nachricht hinterlassen hatte, dann war sie mit Sicherheit verbrannt.

"Das passt nicht zusammen, Mamo-chan", sagte Karin. "Wenn sie den Rastplatz der Gefangenen abbrennen, um zu verhindern, dass Hanako-chan uns eine Nachricht hinterlässt, betreiben sie einen unnötigen Aufwand. Sie hätten sie auch töten oder fesseln und auf die Wagen werfen können. Oder uns einen Hinterhalt stellen. Aber sie ging mit allen anderen weg, als wäre nichts geschehen. Erst als sie außer Sicht waren, kehrte ein Reiter zurück und zündete den Platz an."

"Ein Reiter?", fragte ich leise.

"Eine Reiterin. Die Anführerin", half Hinata aus.

"Das ist ja auch eine Nachricht", sagte ich ernst.

"So. Und was für eine?", klang neben mir die Stimme eines älteren Mannes auf.

Ich zuckte furchtbar zusammen, als ich der Gestalt neben mir gewahr wurde. "Jiraiya-sama!"

"Onii-chan!", hörte ich einen Ruf aus der Nähe kommen. Aus dem Gebüsch stürmte ein fröhlich winkender, blonder Ninja hervor.

"Naruto!" Mehr entsetzt als erstaunt sah ich von einem zum anderen. "Wie...? Was...? Ikuko-chan?"

Die junge Kunoichi hob abwehrend die Hände. "Ich habe nichts gespürt! Selbst jetzt ist da, wo Jiraiya-sama steht, für mich nichts zu erfassen!"

Das klang logisch. Jiraiya-sama war auch ein Schüler des Sandaime und hatte den größten Teil der bekannten Welt bereist, um seine Ninja-Künste zu verfeinern. Und um seine Bücher zu schreiben, für die er über die Landesgrenzen des Reichs des Feuers bekannt war. Zudem war er einer der berühmten Sennin, zu denen neben ihm der desertierte Orochimaru und die Godaime Hokage gehörten, drei der mächtigsten Ninjas unserer Zeit. Wenn nicht er einen kleinen Chunin überraschen konnte, wer dann?

Naruto grinste breit und legte den rechten Arm hinter den Kopf. "Wir sind gerade auf dem Weg ins Inselreich des Landes des Wassers und sind hier eher zufällig vorbei gekommen, weil in der Nähe eine wichtige Straßenkreuzung ist. In der Nacht fielen uns die Karawanen auf, die mit den Gefangenen und die mit den Soldaten. Ero-sennin wollte schon eingreifen, aber dann hat er unter den Gefangenen Hanako-oneechan erkannt. Also haben wir abgewartet."

Ich stutzte. Jiraiya-sama wusste von Hanako? Der Ero-sennin, wie Naruto ihn genannt hatte, verfügte nicht nur über einen herausragenden Ruf als Autor und Ninja, er war auch, vorsichtig ausgedrückt, dem Fleische recht zugeneigt. Drei seiner Bücher, die berühmtesten, handelten von erotischer Literatur, und es hieß, dass sich Jiraiya-sama für die Feldrecherche ganz schön ins Zeug legte. Zwar hatte er auch hier einen tadellosen Ruf, aber irgendjemand hatte mir mal gesteckt, das der so unscheinbar aussehende, nicht besonders hübsche Mann ein Womanizer übelster Sorte mit einem Charme war, dem kaum eine Frau widerstehen konnte. Was, wenn er ein Auge auf Hanako geworfen hatte? Was, wenn er sich für Karin interessierte?

Hm, wie nannte man dieses Gefühl? Eifersucht, ah ja, richtig.
 

"Hm. Jiraiya-sama, Naruto-kun, ich führe euch mal schnell in den Hintergrund ein", begann ich.

Kurz und bündig erzählte ich unsere Erlebnisse bis zu diesem Punkt.

Jiraiya-sama sah mich aufmerksam an. "Und du denkst, Ihr schafft das alleine? Ich glaube, es ist kein Zufall, dass wir uns hier treffen, Mamoru-kun. Bedenke, was für eine Nachricht dir mit dem verbrannten Kreis gegeben wurde. Jemand weiß, dass Ihr kommt. Mit zwei weiteren Ninjas könnt Ihr das ausgleichen.

Ich stockte sichtlich. "Jiraiya-sama, das ist eine große Ehre für mich. Wirklich, ich weiß Ihr Angebot zu schätzen. Aber ein Elite-Ninja wie Sie würde nie unter meinem Befehl dienen, und ich bin nicht bereit, meine Mission abzugeben."

"So?" Der alte Mann musterte mich eine lange Zeit. "Woher nimmst du deine Zuversicht?"

"Sarutobi-sensei hat mir einen Kontrakt mit den Affen verschafft, Jiraiya-sama", sagte ich ernst.

"Mit den Affen? Ach ja, ich habe davon gehört." Sein Blick schien in alte Zeiten zu gehen. "Tsunade sollte damals Kontraktträgerin werden, aber sie hat sich für die Schneckenmagie entschieden, damals, weil sie nicht an etwas gebunden werden wollte, was sie zu oft an den Titel des Hokage erinnerte. Sie... Aber das tut jetzt hier nichts zur Sache. Mamoru-kun, tust du mir einen Gefallen?"

"Jeden, Jiraiya-sama. Außer, Ihnen das Kommando zu geben." Kurz ging mein Blick zu Karin. Aber die junge Akimichi zeigte noch keinerlei Anzeichen von unendlicher Verehrung für den Sennin.

"Kannst du bitte Enka O Enma beschwören? Ich kenne ihn schon eine sehr lange Zeit, und ich würde mich gerne mit ihm besprechen."

"Natürlich, Jiraiya-sama. Kuchiyose no Jutsu!"

Erst als der Rauch der Beschwörung verzogen war, schrak ich auf. Ich hatte gehandelt ohne nachzudenken. Dabei war es mir bisher nie möglich gewesen, den König der Affen zu beschwören. Ob sich Jiraiya-sama auch mit Ranko-sama oder Doktor Tofu zufrieden gab?

"Enka O Enma ist angekommen!", hörte ich die kraftvolle, würdevolle Stimme des Königs sagen.

"Wir haben uns lange nicht gesehen, Mamoru-tono."

"Das haben wir wirklich nicht", erwiderte ich. Nur langsam überwand ich mein Erstaunen und mein Entsetzen darüber, was ich getan hatte. Ich hatte ihn tatsächlich beschworen. Mit dem gleichen Unglauben musterte ich meine rechte Hand. Woher hatte ich die Kraft dafür genommen?

"Jiraiya-kun." "Enma-sama." Der Sennin neigte leicht das Haupt. "Es gibt da einiges, worüber wir sprechen müssen."

"Natürlich, Jiraiya-kun. Entschuldigt uns bitte."
 

Die beiden gingen in den Wald, uns zurücklassend.

Naruto lachte schallend. "Dass wir uns hier treffen würden, hätte ich nie gedacht. Oder euch, Hinata-chan, Kiba."

"Vergisst du da nicht jemanden?", fragte ich vorsichtig.

"Wen sollte ich denn...? Oh, Shino, bist du schon lange hier?"

Der Aburame seufzte deprimiert. "Ich stehe hier schon die ganze Zeit, Naruto-kun. Bin ich so leicht zu übersehen?"

"Na, mach dir nichts draus", rief Kiba übermütig, und klopfte dem Käferbändiger auf den Rücken. "Die Stillen übersieht Naruto doch immer."

Dies ließ Hinata aufschrecken. Sie warf einen erschrockenen Blick in Kibas Richtung, dann wandte sie sich Naruto zu. "G-gu-guten Morgen, Naruto-kun. D-das ist aber eine Überraschung, dich hier zu treffen."

"Von wegen. Es ist eine Überraschung, euch hier zu treffen. Und Ihr habt ja richtig gut zu tun. Du machst dich ganz gut in dieser Gruppe, oder?", fragte Naruto noch immer grinsend.

"Sie macht einen perfekten Job", sagte ich.

"Na also!" Überschwänglich legte Naruto seine Rechte auf ihre linke Schulter. "Ich habe nichts anderes von dir erwartet. Du hast versprochen nicht still zu stehen, und du wirst immer besser."

"Das ist ja noch gar nichts. Wenn wir die Mission erfolgreich abschließen", sagte Kiba mit viel zu lauter Stimme, "wollen wir das Chunin-Examen nachholen."

"Ich habe keine Zweifel, dass Ihr das schafft. Besonders bei dir nicht, Hinata."

Mit einer Mischung aus Entsetzen, Panik, höchstem Glück und nahender Ohnmacht starrte sie ihn an. Ihre Wangen wurden puterrot, und für einen Moment wirkte es tatsächlich so, als würde ihr die zu Kopf gestiegene Hitze eine Emission in Form einer explosiven Dampfwolke bescheren.

Als sie drohte umzukippen, griff Naruto auch noch mit der anderen Hand zu und stützte das Mädchen. "Hey, Hinata-chan, alles in Ordnung?"

"D-danke, es geht. Ich war nur so überrascht, als du mich gelobt hast. Ich..."

Nachdenklich runzelte ich die Stirn. Naruto war anscheinend beliebter als ich dachte. Und wenn ich sein Gesicht musterte, hatte er nicht den Hauch einer Ahnung davon, dass dieses Mädchen zumindest gut von ihm dachte. Wenn das mal reichte.
 

Die Rückkehr von Jiraiya-sama und dem König der Affen unterbrach ihre Unterhaltung.

"Ich habe mich entschieden", verkündete der Sennin. "Ich werde mit Enma-sama auf einem nahen Berg ein paar Tage Training einlegen. Du musst die Beschwörung über diese Zeit aufrecht erhalten, Mamoru-kun."

"Das wird schwierig", gestand ich. "Eventuell habe ich nicht mehr genügend Chakra zur Verfügung, um einen weiteren Krieger zu rufen, wenn ich ihn brauche."

Der König und Jiraiya-sama wechselten einen amüsierten Blick. Der Affenkönig sagte: "Das war keine Bitte, Mamoru-tono. Das war ein Befehl. Es gibt einiges, was ich Jiraiya-kun von seinem alten Meister noch beibringen muss. Du weißt, dass er ebenso wie du ein Schüler Hiruzens war."

Skeptisch nickte ich. Theoretisch stimmte das, auch wenn zwischen meinem und Jiraiya-samas Training knapp vierzig Jahre lagen. Als sein Kohai war ich ihm in mehr als einer Hinsicht verpflichtet. Als mein Sempai aber hatte er auch mir gegenüber Pflichten.

"Als Ausgleich nimm das hier mit", sagte Enma O Enka, und drückte mir eine der schwarzen Soldatenpillen der Affen in die Hand. "Wenn du meinst, du brauchst mehr Chakra, dann iss sie."

"Außerdem wird Naruto mit euch gehen", fügte Jiraiya-sama an. "Ihr werdet ihn brauchen können."

"Super!" Naruto riss beide Arme in die Höhe. "Ich hätte nicht gedacht, dass es schon so bald wieder was zu tun geben würde! Ist das nicht toll? Chiba? Hinata-chan? Ich darf euch begleiten!"

"Glaub ja nicht, dass du mir wieder das Rampenlicht klauen kannst!", verkündete Kiba lachend. Akamaru bellte bestätigend.

"D-das ist eine tolle Nachricht, Naruto-kun", haspelte Hinata. "A-aber k-kannst du mich wieder los lassen?"

Naruto spritzte von ihr davon, als hätte er etwas Heißes angefasst. "Tu-tu-tu-tut mir leid, Hinata-chan!"

"Das muss es nicht. Du hast es ja gut gemeint", erwiderte die junge Hyuuga mit peinlich gesenktem Blick.

Naruto lachte. Er wandte sich dem dritten Mitglied von Team acht zu. "Ach, nun hör auf den Deprimierten zu spielen, Shino. Ich habe doch nur so getan, als würde ich dich ignorieren."

Der Aburame schnaubte verächtlich. "Hinterher kann man das immer sagen."

"Gut. Ich sehe, Ihr versteht euch", sagte Jiraiya-sama. "Wir gehen dann mal. Und vergiss nicht, Mamoru-kun, du musst die Beschwörung aufrecht erhalten."

"So vergesslich bin ich nicht", beschwerte ich mich.

"Gut zu wissen, Mamoru-tono." Die beiden nickten noch einmal in die Runde, dann waren sie auch schon verschwunden.
 

Ich sah Ikuko-chan fragend an.

Sie schüttelte den Kopf. "Ich kann nicht mal die Richtung bestimmen, in die sie verschwunden sind."

"Das ist also das Kaliber eines Sennin", sagte Kaminari tief beeindruckt.

"Okay, wir disponieren leicht um. Naruto, du gehst in Team acht. Shino, du übernimmst das Kommando."

"Verstanden."

"Ryu, Inari, Ikuko-chan, wie gehabt, zweites Team. Karin, du führst sie an."

Die vier nickten zustimmend.

Ein wenig ratlos betrachtete ich die Soldatenpille des Affenclans. Das letzte Mal, als ich sie gegessen hatte - lediglich ein Fünftel - da hatte ich über enorme Chakra-Reserven verfügt. Aber ich war auch relativ schnell in ein richtig tiefes Loch gefallen und war hilflos wie ein Neugeborenes gewesen, was mich... Nun, daran dachte ich nicht so gerne zurück. Es war erschreckend, sich auszumalen was passieren würde, wenn ich eine Ganze essen würde.

"Dann wollen wir keine Zeit mehr verlieren. Wir folgen wieder deinen Käfern, Shino."

"Geht klar." Der junge Genin sprang als erster davon, wir folgten ihm nach und nach, bis wir schließlich alle durch den Wald hetzten, von Ast zu Ast springend. So, so, jemand aus der Karawane wusste also, dass es uns gab, und dass wir Ninjas waren. Und er hatte uns keine Falle gestellt. Noch nicht. Ich wusste, das würde eine wirklich interessante Mission werden. Wobei sich interessant und lebensgefährlich im Leben eines Shinobi eher selten ausschlossen.

***

Damals
 

Es war geradezu gespenstisch, mit welcher spielerischen Sicherheit Maria die Fallen deaktivierte. Sie tat das mit einer Fröhlichkeit, die an ein Spiel denken ließ. Und dabei hatte sie auch noch die Frechheit, nebenbei fröhlich zu summen.

"Falls du dich wunderst, Mamoru-chan, warum ich die Fallen so einfach deaktiveren kann... Ich war für ihre Wartung eingeteilt. Als Strafe für mein Versagen beim Chunin-Examen."

"Mich wundert eigentlich die schlichte Anzahl der Fallen." Ich wechselte einen Blick mit Neji Hyuuga, der Maria und den Gang mit seinem Byakugan weiterhin im Auge hielt.

"Ach, das hat einfache Gründe. Orochimaru-sama ist kein Mann großer Worte. Er hat den Dorfbewohnern genau einmal befohlen, dass sie nicht hier runter kommen dürfen. Wer es doch getan hat, hatte nicht einmal die Zeit, um es zu bereuen. Wir anderen wissen, wie wir uns hier unten bewegen müssen, um keine der Fallen auszulösen. Und es sind deshalb so viele, um einen Massenandrang einerseits und einen Massenausbruch der Specismen andererseits zu verhindern."

"Mamoru!", blaffte Neji, die Etikette vollkommen missachtend.

Ich zögerte nicht eine Sekunde, griff Maria in den Kragen.

"WHOA!" Ich riss sie einen Schritt nach hinten. Gleichzeitig klappten drei Steine in der Wand auf und entließen einen Schauer an Pfeilen. Nur einen Gedanken später sah die gegenüberliegende Wand aus wie ein Nadelkissen.

"Die Falle hast du anscheinend nicht gewartet", spottete ich.

"Nein, die muss neu sein. Kabuto war neulich hier, und ich war mit anderen Dingen beschäftigt." Erstaunt sah sie mich an. "Du hast mir das Leben gerettet, Mamoru-chan."

Ich ließ sie wieder los und gab ihr einen Schubs. "Weil du die Fallen entschärfen sollst. Weiter geht es im Text."

"Isjagutichmachjaschon", murrte sie.

Meine Nackenhaare richteten sich auf. Maria war viel zu selbstsicher. Erst ließ sie sich ohne Gegenwehr gefangen nehmen, obwohl sie wusste, dass ich ihr versprochen hatte, sie umzubringen, dann half sie mir bereitwillig, die Fallen in Orochimarus unterirdischer Anlage zu entschärfen. Was zugegeben ziemlich schnell ging. Wir hatten schon über fünfzig Gangmeter in der gleichen Zeit geschafft, in der Neji vier geschafft hatte.
 

"Da kommt eine Tür", rief jemand hinter mir, während wir Falle für Falle vordrangen.

"Das sind nur die Aufenthaltsräume für Orochimaru-samas Leutnants. Es könnte interessant sein, sie zu durchsuchen, falls sie dort etwas lagern. Aufzeichnungen, persönliche Gegenstände, Waffen..."

Ich öffnete nach Nejis Nicken die Tür. Er trat an mir vorbei in den Raum, sah sich gründlich um. "Sicher."

"Ryu." "Schon dabei, Chef." Mit zwei weiteren Ninjas drang Kaminari in die spartanische Zelle ein und begann sie zu durchsuchen.

Wir gingen weiter. Schritt für Schritt, Falle für Falle. Wir erreichten weitere Räume, die Neji kurz einsah, bevor weitere Ninjas sie kontrollierten.

"Gleich kommen die ersten Labors." Maria sah zu mir zurück. "Du hast doch hoffentlich einen guten Magen, Mamoru-chan?"

"Kannst du dieses Chan nicht mal sein lassen? Ich brauche zwar dich, aber den Hintern versohlen kann ich dir trotzdem."

Sie sah mich an, den rechten Zeigefinger an den Mund gelegt und die Wangen gerötet. "Den Hintern versohlen? Ist das deine Art von Vorspiel, Mamoru-chan? Macht dich das scharf?"

Von einem Moment zum anderen glaubte ich, die Blicke aller anderen auf mich zu spüren. Das, und die stetige Röte, die mein Gesicht erfüllte. Ich stand kurz vor einer Explosion.

"Was macht wen scharf?", rief Shampoo, und ließ ihre Hand mit brachialer Gewalt auf meine Schulter krachen. "Mann, Mann, Mann, Ihr seid aber schon weit gekommen. Interessant, so sieht also ein Schlupfwinkel von Oro... Oro... Von diesem Schlangenmann aus."

"Shampoo-sempai? Was machst du denn hier?"

Shampoo griente mich an. "Mousse kommt auch gleich. Draußen wir fertig sind. Deshalb dachten wir, wir schauen mal, ob nützlich wir hier sein können."

"Ihr seid draußen fertig?", hakte ich nach.

"Draußen kämpft keiner mehr. Alle sich ergeben haben. Wenn sie noch leben, heißt das. Und die ersten Gefangenen verlassen das Dorf. Also: Fertig. Da dachten wir, gehen wir dir noch zur Hand ein wenig." Gönnerhaft klopfte sie mir auf die Schulter. "Bei allem, was anliegt jetzt noch. Bei allem, Mamoru-chan..."

"Na, du gehst mir aber ein wenig zu vertraut mit meinem Mamoru-chan um", beschwerte sich Maria.

"Ach ja? Ich mit ihm gehe so vertraut um wie ich will. Was dagegen?"

Die beiden Frauen standen nun Gesicht an Gesicht. "Allerdings, Affe. Ich..."

Hastig griff ich ein, schob Shampoo hinter mich und Maria wieder in Richtung Gang. "Labor. Jetzt."

"Isjagutichgehjaschon", murrte sie erneut.
 

"Mamoru-kun! Wir haben gewonnen!" Nun war es Mousse, der meine Schulter traktiere. "Hat stellenweise sogar richtig Spaß gemacht, vor allem als wir an den letzten Jounin geraten sind. Der Halunke hat so ein ekliges goldenes Zeug versprüht und ist dann stiften gegangen. Hat ihm eine halbe Sekunde eingebracht, bis ich es zerstören konnte. Aber die hat er genutzt. Na, man trifft sich immer zweimal im Leben." Mousse hob fragend eine Augenbraue. "Irre ich mich, oder ist die Stimmung hier gerade ein wenig... Gereizt?"

Anklagend zeigte Maria auf Shampoo. "Sie baggert Mamoru-chan an!"

Shampoo wies ihrerseits auf Maria. "Sie lässt mich Mamoru-chan nicht anbaggern!"

Mit Mousse ging eine erschreckende Veränderung vor. "Ah, so."

Seine Brillengläser wurden erst blind, dann lag ein goldener, blendender Schimmer auf ihnen. "Shampoo....", grollte er leise.

Die Affenkriegerin quiekte erschrocken. "Ja?"

Im nächsten Moment hatte er ihren Kopf zwischen seinen Fäusten und drehte sie auf ihren Schläfen. "Was hat Ono dir gleich noch mal gesagt? Was sollst du auf keinen Fall mit Mamoru-tono machen?"

"Auuuuuutsch! Das weh tut, du gemeiner Kerl! Ist ja gut, ich lasse es! Aber hör auf!"

Mousse ließ von ihr ab, und Shampoo stürzte theatralisch zu Boden. "Du bist soo fies, Mousse. War doch nur Spaß, ein wenig."

"Deinen Spaß kenne ich aus erster Hand", knurrte der Affenkrieger. "Versuch es wieder, wenn du es ernst mit ihm meinst. Da müssen wir also hin? Wir..."

"Nicht!", rief Maria, aber es war schon zu spät.

Gleich der erste Schritt von ihm löste eine Falle aus. Ein unteramdicker Speer schoss aus der Wand hervor und nagelte den Affenkrieger an die gegenüberliegende Wand.

"Mousse!", schrie Shampoo erschrocken auf und eilte zu ihm. "Mousse!"

"Keine Sorge, mir ist nichts passiert", ächzte er, und offenbarte die Schwertklinge, mit der er den Speer daran gehindert hatte, ihn zu durchbohren. "Aber erschrocken habe ich mich. Tüchtig erschrocken."

"Heißt das, ich darf wieder voran gehen?", erkundigte sich Maria sarkastisch. "Danke."
 

Als wir das erste Labor erreichten und geöffnet hatten, wünschte ich mir, wir hätten diese verdammte Tür niemals geöffnet. Es war eine Sache, Krieg und Tod zu erleben, im Schlachtgetümmel zu stecken und Kameraden sterben zu sehen.

Es war eine ganz andere Sache, eine Versuchsanordnung zu sehen, in der menschliche Körperteile die Grundlage bildeten. Zumindest hielt ich es für äußerst falsch, dass sie alle vom Blut, das sie durchfloss, pulsierten, und hin und wieder zuckten.

"Unglaublich!", rief Rei Hanabi, während sie sich hinter mir in den Raum drängelte. Sie sah reichlich lädiert und bandagiert aus. Ihr rechtes Auge war unter einer dicken Schicht Mull verschwunden und der halbe Schädel bandagiert. Aber augenscheinlich hatte sie es überlebt, direkt in die Oto-Jounin gelaufen zu sein. Viele ihrer Leute hatten das Glück nicht gehabt, aber es wäre kleinlich gewesen, ihr ihr Überleben vorzuwerfen, wenn die Schuld doch bei mir lag, nicht bei ihr.

Sie ging die Versuchsreihen entlang und musterte die Anzeigen. "I-ich sage das nicht gerne, Morikubo-sama, aber wir sollten diese Präparate mitnehmen. Sie könnten uns entscheidende Hinweise bei der Transplantation von Körperteilen geben!" Sie stutzte und strich gedankenverloren über den Rahmen eines Versuchs, in dem ein rotes Auge steckte, das uns einzeln zu mustern schien. "Zumindest werden dann die, die für diese Präparate sterben mussten, nicht vollkommen umsonst gestorben sein. Wir werden bessere Verwendung für diese Ergebnissen finden."

Mein erster Reflex war, Feuer an das ganze Teufelsding hier zu legen und zusehen das wir alle raus kamen. Aber dann winkte ich Neji zu mir.

"Das sind einfach nur Organe und Körperteile", teilte er lapidar mit. "Und sie leben."

Diese drei Worte erschraken mich mehr als alles andere. Ich zögerte, einige bange Sekunden lang. "Nehmt sie mit", entschied ich schließlich. Ich hatte mich schon durch fehlerhafte Planung in die Bredouille gebracht, Dutzenden Kämpfern Konohas den Tod und schwere Verletzungen eingebracht. Was brauchte ich jetzt noch meine Ehre, die ich kompromittierte, indem ich Orochimarus Versuchsanordnungen stahl?

"Danke, Morikubo-sama!", rief Hanabi überglücklich. Sie rief ein paar der anderen Ninjas zu sich und begann die Anlagen abzubauen. "Zehn Minuten, dann ist hier alles leer!"

"Weiter", befahl ich.
 

Weitere Labors kamen, die aber nicht ganz so interessant gefüllt waren. Meistens nur bizarr oder mit merkwürdig verstümmelten Toten. Ich ahnte, wo Orochimarus Testobjekte hergekommen waren. Ich sah auch einen Menschen in einem Tank schwimmen. Als ich an die Scheibe klopfte, schreckte er hoch. Er sah mich an, aus allernächster Nähe. Und er atmete unter Wasser. Er rief etwas, aber ich konnte ihn kaum verstehen. "Ryu, mach ihm auf."

"Hey, der kann unter Wasser atmen, ist dir das schon aufgefallen?"

"Wir haben hier Shampoo und Mousse bei uns. Was könnte uns schon passieren?", rief ich barsch.

"Also gut, du bist der Chef." Kaminari zog sein Schwert und zog es in vier schnellen Hieben über das Glas. Es geschah nichts.

"Zielen musst du schon, Kaminari", spottete jemand in der hinteren Reihe.

"Ich habe gezielt. Gut gezielt, denke ich", erwiderte Kaminari ruhig. Vor uns war plötzlich ein mannhohes Viereck sichtbar, das langsam aus dem Tank glitt. Dann fiel es raus, und mit ihm kam ein Schwall des brackig riechenden Wassers - und der Mann, der unter Wasser atmen konnte.

Er stürzte zu Boden, in einer Lauge aus Wasser und Dreck, hustend, niesend und würgend.

"Danke", ächzte er, kaum dass er wieder richtig atmen konnte. "Ich weiß nicht, wie lange ich da drin war, aber diesmal haben sie die Filter und den Sauerstoff abgeschaltet. Ich dachte, ich sterbe."

"Wie ist dein Name?", fragte ich.

Er sah zu mir auf. "M-mein Name? Keine Ahnung, echt. Ich weiß nur, dass dieser bleiche Schwarzhaarige diese merkwürdigen Experimente an mir durchgeführt hat, diese... Diese... Oh Gott, wie lange bin ich denn schon hier?"

Ich überlegte. Der Mann war nackt, erschöpft, halb erstickt und unbewaffnet. "Bringt ihn raus. Verhört ihn, und anschließend kommt er in den Treck nach Konoha."

"Bist du sicher?", fragte Kaminari zweifelnd.

Ich sah zu Neji herüber.

Der Hyuuga nickte mir zu und bestätigte so meinen Verdacht. Sein Chakra war nahezu verbraucht. Dieser Mann würde so schnell keine Gefahr sein, für niemanden. "Ich bin sicher."

Kaminari seufzte und griff dem Mann unter die Achsel. "Na, dann komm mal hoch. Oben geben wir dir was zum anziehen und was zu essen. Ich nehme an, zu trinken brauchst du erstmal nichts?"

"Ha, ha, sehr witzig. Steck du erstmal in so einem Tank." Willig ließ er sich auf die Beine ziehen. Aber sie konnten ihn nicht tragen, deshalb stemmte sich Kaminari unter seinen Arm. "Ich werde Hanabi mal von ihrem Labor los reißen, damit sie ein Auge auf ihn wirft, Chef."

"Ist gut. Wir anderen machen weiter."
 

Irgendwann erreichten wir die Verliese, nach Dutzenden leeren Räumen, Laboren mit merkwürdigen Versuchsanordnungen und etlichen Metern Gang. Es war eine Kaverne, einer Arena nicht unähnlich. Sie erstreckte sich über drei Etagen und war übersät mit vergitterten Zellen. Sie waren nur schwach belegt, und die meisten, die hier eingesperrt waren, hatten das Schlimmste bereits hinter sich. Merkwürdigerweise lag keinerlei Verwesungsgeruch in der Luft. Ich tippte auf Orochimarus Experimente.

"Lasst sie raus", befahl ich, "und bringt sie an die Oberfläche. Sie kommen mit nach Konoha."

Niemand reagierte. Wir hatten alle schon viel gesehen, zu viel gesehen.

"Ich sagte: Lasst sie raus!"

"Verstanden!" Erst jetzt spritzten die Genin auseinander, um meine Befehle auszuführen.

Ich sah Maria an, mit einem Blick, der sie einen Schritt zurück machen ließ. "Welcher Wahnsinnige hat das hier veranstaltet? Wie konntest du ihm dabei auch noch helfen? Was...?"

"Plustere dich hier mal nicht so auf!", erwiderte sie barsch. "Gegenüber den Ninja-Weltkriegen ist das hier gar nichts, verstehst du? Gar nichts! Außerdem hast du absolut keine Ahnung davon, wenn du keine andere Wahl hast als in Otogakure Ninja zu werden, oder dreckig auf der Straße zu sterben! Dir ging es immer gut im Leben, du bist in deinem friedvollen Konoha aufgewachsen, wo alle lieb und nett zueinander sind! Aber hier draußen in der Welt sieht es ein wenig anders aus! Hier wird nicht auf dem Dorfplatz abends Gruppengekuschelt! Hier sterben selbst die Kinder, wenn niemand für sie sorgt, oder wenn sie das nicht alleine schaffen!"

Natürlich erschraken mich ihre Worte. Sie waren nur allzu berechtigt, denn unsere Verhörexperten hatten aus unseren Gefangenen herausgeholt, wie Orochimaru sie rekrutiert hatte. Einen Teil der Berichte hatte ich gelesen, und ich wusste, dass sie die Wahrheit sprach.

Aber dennoch, den Tod von Katou und die Angriffe auf Tooma und Lian konnte ich ihr nicht vergeben. Niemals. Aber ich verstand. Ein wenig.

"Gut. Geht es hier noch tiefer?"

Sie sah mich wütend an. Im Hintergrund wurden die Zelltüren geöffnet, und kurz wurde es laut, als wir einen vermissten Konoha-Shinobi lebend retten konnten.

Ich hielt ihrem Blick nicht stand. Sie hatte ja Recht. Ich war in Konoha aufgewachsen, und sie nicht. Konoha kümmerte sich auch um seine Waisen, wie Naruto einer war. Auch wenn er äußerst stiefmütterlich behandelt wurde, er musste nicht hungern. Vor allem nicht, wenn wir uns im Ichiraku Ramen trafen, und ich die Rechnung beglich.

"Geht es noch tiefer, Maria?", wiederholte ich.

"Es gibt noch einen Raum. Aber den willst du nicht sehen, glaube mir. Wenn du reingehst, dann erlebst du eine wirklich böse Überraschung."

"Was ist in diesem Raum?", hakte ich nach.

"Eine von Orochimaru-samas neueren Erfindungen. Und vertrau mir, du willst da nicht rein."

Damit hatte sie zweifelsohne Recht. Aber es ging ja auch nicht darum, was ich wollte. Es ging darum, was ich zu tun verpflichtet war. "Zeig ihn mir."

Sie seufzte, auf eine seltsame, erfüllte Art. "Wirf mir das bitte niemals vor. Ich habe dich gewarnt."

Ohne ein weiteres Wort schritt sie voran, während die Überlebenden den Weg nach oben antraten. Dank der Deaktivierung der Fallen würden sie nur wenige Minuten brauchen, während wir Stunden zugebracht hatten.
 

Sie führte mich zu einer Tür, die anstelle eines vergitterten Verlieses in der Wand eingelassen war. Dahinter war ein weiterer Gang, der allerdings nicht mit Fallen gespickt war.

Kurz sah ich zu Neji herüber, der beruhigend den Kopf schüttelte. Tenten ging knapp hinter ihm, jederzeit bereit, ihre Waffen einzusetzen. "Also, jetzt ist echt das erste Mal, dass mir hier die Nackenhaare zu Berge stehen", sagte sie mit einem Schauder in der Stimme.

"Jetzt erst?", spottete Neji. "Mir geht das schon so, seit wir das erste Labor gefunden haben."

Ich verzichtete darauf, zu sagen, seit wann mir die Nackenhaare zu Bergen standen.

Maria öffnete eine Tür. Die einzige Möglichkeit, weiter zu kommen. "Wir sind hier unter dem absoluten Zentrum von Otogakure. Etwa fünfzig Meter tief", erklärte sie. "Diesen Raum dürfen nur autorisierte Oto-Nin betreten, oder die ganze Stadt vergeht in einer gewaltigen Explosion."

Ich hielt inne, gerade auf dem Weg, den entscheidenden Schritt zu tun. "Neji!"

"Ich sehe ein weiteres Labor. In einem großen Glasbehälter ist ein Mensch gefangen. Keine Absonderlichkeiten. Keine Fallen. Keine Sprengvorrichtungen und dergleichen."

Ich zögerte. Maria hatte so überzeugt geklungen. Andererseits erkannte ausgerechnet das Byakugan keine Gefahr, und ich vertraute dem Augen-Jutsu der Hyuuga.

Und, dessen war ich mir sicher, ich konnte gar keine schlimmere Entscheidung mehr treffen.

Entschlossen trat ich ein.

"So", sagte Maria neben mir trocken. "Wir haben jetzt genau noch zwei Minuten, um einen Kilometer weit fort zu kommen."

"Wovon redest du?", fragte ich.

Der Mann im Glasgefängnis wandte sich uns zu. Er musterte mich mit einer Intensität, von der ich sicher war, dass sie mir Löcher in die Haut brannte. "Konohagakuregllllllllllll...!"

Seine Stimme ging in einem Gurgeln unter. Er streckte seine Zunge so weit heraus, dass ich glaubte, sie müsse herausfallen. "Der Feiiiiiiiind!" Wieder gurgelte er.

Auf seiner nackten linken Schulter flammte ein schwarzes Siegel auf. Es begann sich zu drehen, Ableger zu bilden und auf seiner Schulter zu wachsen. Die Ausläufer rasten den Arm hinab und den Hals hoch.

"Das ist nicht gut! Er verdreifacht sein Chakra!", rief Neji. "Er vervierfacht! Versechsfacht!"

"Darf ich vorstellen? Guin, die lebende Selbstzerstörungseinrichtung von Otogakure", sagte Maria. "Sobald Guin jemand anderen als einen autorisierten Oto-Nin zu sehen bekommt, erwacht Orochimaru-samas Siegel und potenziert sein Chakra ins Unermessliche. Sobald sein Körper das Chakra nicht mehr halten kann, vergeht er in einer Explosion. Und alles, was sich in seiner Nähe befindet, vergeht ebenfalls." Sie neigte den Kopf zur Seite. "Ihr habt jetzt noch eine Minute, um der Explosion zu entkommen."

Ich ergriff sie am Kragen, während Guins Körper mehr und mehr vom Siegel bedeckt wurde. "Gibt es einen Weg..."

"Um ihn zu stoppen?" Sie lächelte sardonisch. "Nein. Um ihn zu bremsen? Ja. Aber das hat seinen Preis. Wer immer ihn bremst, muss bei ihm bleiben, oder Guin geht hoch."

"Wie?", fragte ich. "Wie stoppt man ihn?"

"Du musst ihn mit deinem eigenen Chakra eindämmen. Du musst sein Chakra daran hindern, das Glasgefängnis zu füllen. Das ist ein Kampf des Willens, Mamoru-chan."

Ich stürzte an den Alkoven, legte beide Hände darauf. Die schiere Kraft von Guins Chakra schien mich davonspülen zu wollen, aber ich ließ mich nicht irritieren. Zumindest bis zu dem Punkt, an dem ich mich an der nächsten Wand wiederfand.

"Wir helfen!", rief Mousse. Er und Shampoo stürzten zum Glas, legten beide Hände darauf und produzierten Unmengen an Chakra. "Geht! Wir halten ihn auf! Wir brauchen nur den Kontrakt zu lösen und sind in Sicherheit!", rief er den Konoha-Ninjas zu.

Ich wusste, das war eine Lüge. Die Zeit, den Kontrakt zu lösen, würden sie niemals bekommen, und hier unten mit Guin vergehen. Es gab nur eine Lösung, die ich wählen konnte, ohne noch mehr Unheil anzurichten. Ich richtete mich wieder auf. "Alle verlassen das Dorf!", blaffte ich. "Ihr müsst mindestens einen Kilometer entfernt sein, wenn Guin hoch geht!"

Einige Ninjas eilten davon. "Was ist mit Ihnen, Morikubo-sama?"

"Ich tue hier meine Pflicht", knurrte ich. "Jetzt geht! Das ist ein Befehl!"

Nach und nach lösten sich die Shinobi von der Tür und eilten davon. Hektische Befehle klangen auf, und Dutzende Sohlen ließen Laufgeräusche vernehmen.

Dem Himmel sei Dank hatte ich Hanako und Karin bereits zuvor aus der Stadt rausgeschickt.

Ich tastete meine Kampfweste ab, bis ich fand, was ich gesucht hatte. Ranko-samas Soldatenpillenfünftel. Ich schluckte sie, und fühlte beinahe sofort den Effekt auf mein Chakra. Es war ein wenig so, als wäre mein bisheriges Leben auf Leerlauf gewesen, und jetzt hatte jemand in den höchsten Gang geschaltet.

Ich stürzte neben Shampoo und Mousse an den Tank, half das Chakra von Guin zurück zu drängen. "Ihr werdet Zeit brauchen, um die Beschwörung zu lösen! Die wird euch Guin nicht lassen!"

"Mamoru-tono, du hast ja keine Ahnung, was Ranko machen wird, wenn wir zulassen, dass du hier stirbst. Geh, ich bleibe hier und lasse Shampoo den Vortritt!"

"Keine Chance", erwiderte ich. "Denkst du ich kann es ertragen, wenn ich an deinem Tod Schuld sein werde, Mousse-sempai?" Ich lächelte verzerrt, während ich mehr und mehr Chakra in den Alkoven pumpte. "Außerdem ist das hier meine Aufgabe. Versuchen wir den anderen, so viel Zeit wie möglich zu erkaufen."

"Und das könnten jetzt lockere drei Minuten werden", klang hinter mir Marias Stimme auf.

Ich sah sie an. "Warum bist du noch nicht weg?", schrie ich. "Lauf, du dummes Mädchen!"

"Ich denke, ich bin alt genug um selbst zu entscheiden, wann ich wo sein möchte", sagte sie. Ihr Lächeln hatte etwas Diabolisches. "Und jetzt gibt es keinen besseren Ort als diesen für mich."

Ich schnaubte aus. Also würde sie mit mir sterben. "Tu was du willst."

"Wie immer."
 

Ich wusste nicht, wie viel Zeit verstrichen war, als Mousse an sein Limit geriet. Aber ich wusste, dass Shampoo nicht viel länger durchhalten konnte. Für mich bedeutete das, für die entscheidenden Sekunden Guin alleine in Zaum zu halten. Aber für das Wohl der Affenkrieger musste ich das! Es ging nicht anders.

"Geht!", rief ich. "Geht beide! Jetzt!"

"Mamoru-chan, ich..."

"GEHT!"

Die beiden Affenkrieger sahen mich an, mit eine Freundlichkeit, ja, Zärtlichkeit, die ich so nie in ihren Augen gesehen hatte. Shampoo beugte sich herüber und gab mir einen Kuss auf die Wange. Mousse klopfte mir auf die Schulter. Pathetisch, bedauernd, endgültig.

Dann lösten sie die Beschwörung und verschwanden.

Derweil stemmte ich mich mit aller Kraft gegen die immer stärker werdende Kraft von Guins Chakra. Eine verdammte menschliche Chakra-Bombe. Was diesem Verrückten nur alles einfiel...

"Das sind sie also, die letzten Sekunden meines alten Lebens?", fragte ich sarkastisch in den Raum. Langsam begann mich Guins Chakra zurückzudrängen. Ich spürte, bis zu seiner Explosion waren es nur noch Sekunden.

"Dann lass mich diese Sekunden doch ein wenig angenehmer machen", hauchte Maria. Sie drängte sich zwischen meine Arme, nahm meinen Kopf zwischen beide Hände, und zwang mir einen Kuss auf. Danach wurde es hell, so unglaublich strahlend, gleißend hell. Und danach... Wurde es dunkel.

***

Feuerregen 11

Heute
 

"Also, das glaube ich jetzt nicht!" Hastig schlug sich Hanako eine Hand vor den Mund, als sie merkte, dass sie laut gesprochen hatte. Aber natürlich hatte Terumi-sama, die ihr wieder das Privileg gewährt hatte zu reiten, sie gehört.

Vor ihnen erstreckte sich eine große Trutzburg auf einem natürlichen Hügel, direkt an einer wichtigen Handelsstraße, die ins Reich der Blitze führte. Hanako kannte die Burg. Sowohl in diesem Zustand als auch reichlich zerstört. Unwillkürlich suchten ihre Blicke jenen Platz auf der Straße, in dem sie in einen nicht enden wollenden Pulk von Angreifern geraten waren, als Mamoru so schwer verletzt worden war. Davon war nichts zu sehen. Aber das damals reichlich zerstörte Haus auf der Spitze des Hügels hatte einen Wachturm erhalten, der eine weite Rundumsicht gestattete. Der Daimyo wurde also vorsichtiger.

"Erzähl mir nicht, dass du es dir nicht schon selbst zusammengereimt hast. Ja, es gibt keine Banditen. Ja, es ist alles ein Plan des großen Daimyos Harusame. Er will nicht nur doppelt und dreifach an der Reisernte beteiligt sein, ohne dem Groß-Daimyo seinen Teil zu senden, sondern er braucht auch neues Personal und neue Soldaten für sein Heer. Und die ganz besonders Hübschen dürfen sogar in sein Bett. Freust du dich nicht, Hanako-chan?"

Missmutig sah Hana der schmunzelnden Kunoichi in die Augen. "Na, danke. Ich kann mir echt was Schöneres vorstellen."

"Heißt das Schönere vielleicht Morikubo?"

Hanako wurde rot.

"Ah, Treffer ins Schwarze." Sie lächelte matt. "Ich sage dir, wie viel ich dir helfen kann, ohne mein Wort zu brechen. Du willst sicherlich die Kleine mit den schwarzen Haaren beschützen, nicht? Sie ist zu jung, aber es ist abzusehen, dass sie mal eine Schönheit wie ihre Schwester wird. Es ist nicht auszuschließen, dass Harusame daran Gefallen finden sollte, sie aufwachsen zu sehen. Oder sie früh zu pflücken. Er ist ein... Mann mit diesem Talent. Ich werde dafür sorgen, dass sie mit den anderen Mädchen in die Küche kommt. Da wird er sie erst mal nicht zu Gesicht bekommen. Damit das gelingt, damit er nicht einfach alle Gefangenen zu sich befiehlt, wirst du ihn... Ah, ein wenig ablenken müssen. Sei ein wenig kokett, zeige deine Reize. Du hast die Fähigkeit, ihn bei Interesse zu halten, notfalls ein paar Tage. Das kannst du doch, kleine Kunoichi?"

"Wir sind nicht vollkommen unfähig in Konoha", erwiderte sie grimmig. Sie sah wieder auf die Straße, auf das Tor, das sie zerstört kannte, zerschmettert von Kirabi-sama und Uzuki-sensei.

"Was hat der Daimyo vor? Soldaten für seine Armee, Frauen für seinen Haushalt, Reis für ihre Versorgung?"

"Oh nein, den Reis verkauft er gegen klingende Münze.Und dieses Geld braucht er dringend. Einerseits für seine hochtrabenden Pläne sich an Daimyo Kurosame zu rächen, der vor etwas mehr als zwei Jahren diese Burg zerstören ließ, andererseits um seine Umsturzpläne für den Groß-Daimyo voran zu treiben. Und natürlich für die Ninjas in seinen Diensten. Wir sollten dankbar sein, dass er den Ausbau seines Heeres vorzieht, anstatt weitere Kiri-Ninjas anzuwerben."

"Kurosame ließ die Burg zerstören?", fragte Hanako leicht amüsiert.

"Ein unglaublich geschickter Schachzug von ihm, auch wenn mich einiges daran verwirrt", erwiderte Terumi-sama. "Ich trat erst später in Harusames Dienste und darf für ihn diese Drecksarbeit machen." Sie lachte bellend. "Kurosame war sehr geschickt. Er ließ zwei Jounin die Burg infiltrieren, die sich wirklich nach allen Gesetzen der Gastlichkeit benahmen. Bis Harusame ein wenig zu gierig wurde, und sein Stellenangebot an die beiden mit Gewalt durchsetzen wollte. Sagen wir es so, damals dienten ihm noch keine Ninjas. Deshalb zerstörten die Jounin die halbe Burg. Muss ein toller Anblick gewesen sein. Aber etwas an dieser Geschichte ist merkwürdig."

Sie deutete auf die Wiese nördlich der Straße, wo ein kleiner Wald aus verbrannten Bohlenstümpfen zu sehen war. "Als sich Harusame wieder in seine eigene Burg traute, fanden seine Leute einen ganzen Haufen Leichen an dieser Stelle vor. Sie waren keine Männer des Daimyos, und es wurde nie geklärt wer sie waren und wer sie geschickt hatte. Sie hatten sich hinter den Bohlen versteckt, die jetzt abgebrannt sind, und auf ihre Chance gewartet, um in die Burg einzudringen. Ein Jutsu verhinderte, dass man hinter die Bohlen sehen konnte. Ein Riesenaufwand. Harusame meint, der dritte Daimyo, Goname, hätte dahinter gesteckt, um den eigenen Vorteil aus dem Konflikt der beiden zu ziehen. Das klingt plausibel. Dennoch wissen wir nicht, wer sie getötet hat. Da wurde mehr als einem Herrn tüchtig in die Pläne gespuckt, denke ich."

Hanako verkniff sich jedes Wort, obwohl es ihr auf der Zunge brannte, der Kunoichi zu erzählen, wer die Burg zerstört und wer die Angreifer hinter den Bohlen ausgeschaltet hatte.

"Seither ist Harusame sehr, sehr nervös und forciert seine Pläne. Hat er bisher die Dörfer unter seiner Obhut nur ausgenommen, so ist er jetzt dabei, Soldaten zwangszurekrutieren und ihre Frauen zur Arbeit oder Schlimmeren zu zwingen. Im nächsten Jahr will er bereit sein, um Kurosame und Goname zu vernichten, ihre Burgen einzunehmen und Beherrscher des Festlands zu werden. Dann wird er den Groß-Daimyo herausfordern. Und es werden erstmals seit langer Zeit wieder Kiri-Shinobi gegen Kiri-Shinobi kämpfen. Das wird unser ganz persönlicher kleiner Ninja-Weltkrieg."

Sie sah Hanako in die Augen. "Ich denke, eure beste Chance wird es sein, die Gefangenen zu befreien, euch leise zurück zu ziehen und beim Groß-Daimyo zu intervenieren. Oder beim Mizukage. Aber er ist alt, und es steht noch kein fähiger Nachfolger fest. Es kann sein, dass er die Situation ignoriert, weil er ihr nicht mehr gewachsen ist. Oder wird dein Anführer die harte Tour wählen und die Burg dem Erdboden gleich machen, um seinen Auftrag zu erfüllen?" Sie lachte. "Beinahe hoffe ich es. Das würde einen tollen Kampf bedeuten. Vielleicht habe ich dann keinerlei Bedauern, wenn es mein letzter sein sollte."

"Warum kämpfen Sie für Harusame, wenn Sie ihn so verabscheuen, Terumi-sama?", platzte es aus Hanako heraus.

"Verabscheuen? Ha, ha! Ich verabscheue doch meinen Auftraggeber nicht! Was hätte ich denn davon, meinen Geldgeber zu verprellen? Ha, ha! Nein, natürlich respektiere ich ihn für seine glorreichen Pläne und Taten. Und natürlich muss für ein Vorhaben dieser Größenordnung auch mal ein Opfer gebracht werden. Natürlich nicht von ihm, aber von seinen Bürgern!" Missmutig wandte sie sich wieder nach vorne. "Ich muss wohl wieder meine Gesichtsmaske überziehen, wenn ich mit dir rede, kleine Kunoichi. Du durchschaust mich zu schnell. Aber ich will dir sagen, warum ich für ihn kämpfe: Weil er mich angeworben hat, und weil ich ihm deshalb auf Gedeih und Verderb ausgeliefert bin, bis der Kontrakt beendet ist."

Erneut sah Terumi-sama nach hinten. "Du kennst deine Rolle. Becirce ihn. Nimm seine Aufmerksamkeit ein. Aber sei nicht zu leicht zu haben."

"Wa-wa-was soll das denn heißen?", rief Hanako entrüstet.

"Oh, ich habe da so einiges über euch Kunoichi aus Konoha gehört."

Das blonde Mädchen bekam rote Ohren.

"Du anscheinend auch", lachte Terumi-sama.
 

Sie durchritten als erste das Tor zur Festung. Nicht ohne Grund hatten sie einen satten Vorsprung vor den anderen. Das war nicht nur für das Gespräch gedacht gewesen. Auf diese Weise würde Hanako auch die volle Aufmerksamkeit des Daimyos haben, und die anderen Sklaven konnten fern seiner Augen neu aufgeteilt werden.

Hanako schluckte trocken, als ihr die ganze Tragweite des Geschehens schlagartig bewusst wurde.

"Vorsicht", raunte Terumi-sama ihr ins Ohr. "Töten darfst du ihn nicht. Wenn er aufdringlich wird, lege ein Genjutsu über ihn. Er ist nicht gerade der Willensstärkste."

"Dafür muss ich wohl mit ihm alleine sein", erwiderte Hanako sarkastisch.

"Ich sehe, wir verstehen uns", sagte Terumi-sama fröhlich und gab dem blonden Mädchen einen wohlmeinenden Klaps auf den Po.
 

Sie durchritten zwei weitere Tore und kamen nun schnell vor dem Haus an, das den Gipfel krönte.

Hanako fühlte Dutzende Blicke auf sich ruhen. Einige anerkennende Pfiffe klangen auf, und trotz der Situation war das schon irgendwie schmeichelhaft. Schöne Mädchen machten sich eben zurecht, damit sie bemerkt wurden. Entweder vom Richtigen, oder von möglichst vielen Männern, denn wenn schon die Liebe nicht befriedigt wurde, dann wenigstens das Ego. Außerdem stimmte das uralte Stichwort, dass Frauen sich hübsch machten, weil die Augen der Männer besser entwickelt waren als ihr Verstand. Ausnahmen wie Mamoru bestätigten diese Regel.

Als sie einen kleinen Vorplatz erreichten, ließ die Kunoichi aus Kirigakure das Pferd austänzeln. "Tono!", rief sie mit lauter Stimme.

"Moment mal, ich kenne dieses Mädchen!", rief einer der Männer plötzlich.

Hanako wurde heiß und kalt zugleich. Letztendlich war sie schon einmal hier gewesen, vor zwei Jahren, bei der Zerstörung der Burg.

"Ja, natürlich kennst du sie", spottete ein anderer Mann. "Du bewegst dich ja auch in Kreisen, in denen es nur so schöne Frauen gibt."

"Jedenfalls mehr als in deinen Kreisen", konterte der Mann.

Bevor der Disput ausufern konnte, ging eine Schiebetür auf, und die Männer nahmen Haltung an.

Ein junger Mann trat hervor, Mitte zwanzig, höchstens dreißig, mit pechschwarzem Haar, die zu einem strengen Zopf nach hinten gebunden waren, scharf gezogenen Augenbrauen, samtig braunen Augen, vollen Lippen. Das schmale Gesicht wirkte edel geschnitten, und die Nase wirkte wie hinein modelliert. Der Mann war attraktiv, das musste Hanako zugeben. Selbst das Katana in seinem Gürtel unterstrich diese Attraktivität noch, weil Gefährlichkeit einen gewissen Reiz hatte. Er trug einen schlichten Kimono, über den eine Schulterschürze drapiert war, die seine Statur breiter machte.

"Was bringst du mir da, Mei-chan?" Er betrachtete Hanako mit kalten Augen.

Terumi-sama ließ das Pferd seitlich näher tänzeln, bis sie an der kleinen Veranda stand. "Nur die hübscheste Blume aus Genta-sans Dorf. Sie war gerade frisch zugezogen und der ganze Stolz ihrer Eltern. Ich dachte mir, Ihr wolltet sie gleich als allererstes sehen, Tono."

"So, wollte ich das?" Er sah von Hanako fort, in Richtung der Kiri-Ninja. "Jetzt habe ich sie gesehen. Wann kommen der Reis und die Sklaven an?"

"Sie waren dicht hinter mir. Kuni überwacht den Transport."

"Noch ein Grund mehr, sie..."

Terumi-sama kniff dem Pferd heimlich in die Flanke. Es scheute kurz und machte einen leichten Satz nach vorne. Hanako verstand diese Geste als diskrete Hilfeleistung und Aufforderung, aktiv zu werden. Sie musste Suzume beschützen.

Ihr entfuhr ein niedliches, überraschtes Quieken, dann wurde sie vom Pferderücken direkt auf die Veranda katapultiert. Dabei dankte sie Hayate-sensei dafür, dass er ihr beigebracht hatte, nicht nur mit in den Füßen konzentriertem Chakra auf Bäume zu klettern und über Wasser zu laufen, sondern die gleiche Kraft aus jedem Körperteil als Abstoßung zu verwenden.

Der Daimyo reagierte reflexartig und versuchte Hanako aufzufangen. Das misslang zum Teil, und das blonde Mädchen musste einen Teil der Wucht selbst abfedern. Geschickt täuschte sie dabei vor, mit dem linken Fuß umzuknicken. Wieder entkam ihr ein niedlicher Schmerzenslaut, und sie brach in die Knie ein. Ihre schauspielerische Leistung hatte Erfolg. Der Daimyo konzentrierte sich auf sie. Für ein paar endlos lange Sekunden sah er ihr direkt in die Augen. Lange genug, um Interesse für sie zu entwickeln?

Sie ließ erneut einen Laut des Schmerzes hören, und unterbrach den Blickkontakt. Langsam das Interesse anheizen, ganz wie sie es gelernt hatte.

"Geht es dir gut, Mädchen?", fragte der Daimyo.

"Nein, es geht mir nicht gut! Und ich heiße nicht Mädchen, sondern Hanako! Und ich will auch gar nicht hier sein! Ich will nach Hause zu Mama und Papa und Shino, und... Und... " Störrisch versuchte sie sich aus dem Griff des Daimyos zu befreien, und ebenso störrisch hielt er sie plötzlich fest. "Du wirst sehen, dass auf dich nun ein besseres Leben wartet als in einem Dorf voller Reisbauern", stellte der Daimyo fest. "Ich verspreche dir, schon morgen wirst du nicht mehr weg wollen." Er sah an ihr herab, auf den abgespreizten Fuß. "Aber zuerst wollen wir dich verarzten lassen." Er griff schwungvoll zu, mit einer Geschwindigkeit, die er wohl als wirklich fix bezeichnete. Für Hanako war er so langsam wie eine Schildkröte. Trotzdem ließ sie zu, dass er sie auf die Arme nahm.

"Lass mich wieder runter, du großer, klobiger Kerl!", rief sie entrüstet und trommelte ihm schwächlich gegen die Brust. Sie vermied es bewusst, Kraft einzusetzen oder gar sein hübsches Gesicht zu verletzen. Das hätte der Schönling nicht verziehen. Aber ihre schwächlichen Schläge zu ertragen, ohne die Miene zu verziehen, das gestattete sie ihm. Das war gut für sein Ego und sein Bild vor den eigenen Soldaten, die bereits milde amüsiert lachten.

"Hanako-chan war dein Name, richtig? Wenn du aufhörst mich zu schlagen, lasse ich meinen Arzt einen Blick auf das Bein werfen."

Die blonde Kunoichi stellte ihre fruchtlosen Bemühungen ein. "Es tut weh", klagte sie.

Nun zeigte der stoische Daimyo seine erste Reaktion. Ein mildes Lächeln umspielte seine Lippen. Und Hanako wusste, sie hatte den ersten Kampf um Suzumes Sicherheit gewonnen. Nun musste sie nur noch einerseits das Interesse des Daimyos wach halten bis Mamoru kam, und andererseits den Abstand wahren. Nichts, was eine Kunoichi Konohas nicht hinkriegen würde.

Und so trug der Daimyo seine vermeintliche Beute in die Burg.

***

"Also, das glaube ich jetzt nicht", staunte ich, als ich die Burg erkannte, zu der Shino uns führte.

Karin, die neben mir auf dem Weg stand, unterdrückte ein ungläubiges Kichern.

"Hm? Was ist denn los, Onii-chan?", fragte Naruto neugierig.

"Das ist die Burg, die mein Sensei und der Sensei meiner Freunde aus Kurogakure zerstört haben." Ich runzelte die Stirn. "Sind wir jetzt daran schuld, dass der Daimyo sein eigenes Volk plündert?"

"Oh", klang hinter mir Ikukos Stimme auf, "ich bin mir ziemlich sicher, dass es seine ureigenste Entscheidung war. Und wenn nicht jetzt, dann später." Ein wohlgemeinter, aber harter Klaps traf mich am Hinterkopf. "Hör endlich auf, bei allen Dingen die Verantwortung bei dir zu suchen, Mamo-chan."

"Ist ja gut", murmelte ich.

Ich warf einen schnellen Blick nach hinten. Dort standen Shino und Inari beisammen. Links hatten sich Kiba und Hinata platziert, rechts hockte Kaminari neben Ikuko und Naruto, und musterte die Burg skeptisch. "Das wird leicht", sagte ich zuversichtlich.

"Oh, du bist nicht Uzuki-sensei", sagte Karin.

"Das ist mir durchaus bewusst." Nachdenklich ließ ich den Blick über das Gelände streifen. Beinahe sofort fand ich das Lager des Überfallkommandos, das wir ausgelöscht hatten. Ich erkannte die verrußten Stumpen der Planken, sah die Straße, auf der ich beinahe gestorben wäre. Es waren furchtbare Minuten gewesen, aber wir hatten alle überlebt. Vielleicht würde uns das Glück noch einmal hold sein.

"Kommt zusammen", befahl ich, und ging ein paar Schritte in die Deckung des Waldes zurück.

Die anderen Shinobi gruppierten sich zu einem Halbkreis um mich.

"Augenscheinlich gibt es keine Banditen und kein Geheimversteck. Sieht das jemand anders?"

Nein, das war nicht der Fall. Alle machten Gesten der Verneinung.

"Gut, dann frage ich euch: Wie gehen wir weiter vor?"

Hinata meldete sich. "Unser Auftrag lautet, die Banditen zu vernichten und die Gefangenen zu befreien, die von diesem Jahr, und die vom letzten Jahr, Mamoru-sempai."

Ich lächelte bitter. "Tja, jetzt ergibt sich eben nur das Problem, dass augenscheinlich ein Daimyo der Übeltäter ist. Zudem ein Daimyo des Landes des Wassers."

"Was ist, wenn jemand aus seiner Befehlskette diese Verbrechen begeht?", fragte Shino.

"Dann ist der Daimyo entweder ein ausgemachter Idiot, oder ein Gefangener im eigenen Haus", sagte Karin und schüttelte den Kopf.

"Einer musste die Frage stellen", sagte Shino ernst.

Akamaru bellte bestätigend.

"Und das zweite Problem ist, dass wir es mit mindestens einem Ninja zu tun haben", ergänzte ich. "Das ändert einiges."

"Was für Optionen haben wir also?", fragte Inari. "Du weißt, wenn du den Angriff auf die Burg befiehlst, werde ich dir ohne zu zögern folgen, Mamo-chan. Aber sollten wir hier nicht eher darauf setzen, die Gefangenen zu identifizieren, aus der Burg zu schaffen und den Behörden ihren eigenen Weg zu lassen? Ein Hinweis an den Groß-Daimyo sollte genügen."

Kiba grinste in die Runde. "Die Rettung der Gefangenen hat Priorität. Aber wir sollen auch die Banditen auslöschen. Wenn wir das dem Groß-Daimyo überlassen, verletzen wir unseren Kontrakt."

"Zugegeben", murmelte ich. "Zugegeben." Ich ballte meine Hände zu Fäusten. Während wir hier saßen und die neue Situation besprachen, waren Hanako und Suzume irgendwo da drin, und erlebten wer weiß was.

"Sind sich alle darüber im Klaren, dass die Vernichtung der Banditen bedeutet, diese Burg wieder zu zerstören? Eventuell den Daimyo Harusame zu töten oder gefangen zu nehmen? Das kann Gentas Dorf als Revolte ausgelegt werden", mahnte Ikuko.

"Aber es entspräche unserem Kontrakt. Und der ist erfüllt, wenn die Banditen besiegt sind." Karin räusperte sich. "Und die Entführten befreit wurden."

Ich hob eine Hand, bevor Kaminari sprechen konnte. "Bedenkt bitte, meine Fähigkeit Affenkrieger zu rufen ist stark eingeschränkt, solange ich Jiraiya-samas Befehl befolge, und die Beschwörung von König Enma nicht rückgängig mache."

"Es geht nicht so sehr um deine Fähigkeit, Affenkrieger zu beschwören, Mamo-chan", tadelte Kaminari. "Das kriegen wir auch ohne sie hin. Die Frage ist einfach, riskieren wir einen diplomatischen Aufstand? Es sollte das Vorrecht des Groß-Daimyos sein, seine Unter-Daimyos zu feuern oder zu töten. Oder die Unfähigen aus seinen Diensten entlassen."

Inari lachte. "Oh, Ryu-kun, ich denke mal, niemand glaubt, das wir es hier mit einem dummen oder gefangen gesetzten Daimyo zu tun haben. Ich glaube, der Kerl ist schuldig bis ins Mark."

Zustimmendes Gemurmel klang auf.

"Was uns zwei Möglichkeiten mit Folgen lässt", sagte Karin. "Entweder wir gehen heimlich rein, retten die Gefangenen beider Jahrgänge und gehen heimlich wieder raus, ohne die Banditen zu vernichten, also den Daimyo jetzt. Oder wir greifen an, riskieren dabei, dass die Gefangenen aus dem Vorjahr verletzt oder gar getötet werden, und rotten die Bedrohung am Stumpf aus, auch wenn wir uns damit in die Innenpolitik eines der fünf großen Reiche einmischen."

"Also, ich bin für Möglichkeit Nummer zwei", sagte Shino. "Ich bin gerne für vollendete Tatsachen."

"U-und mit Hanako-sempai wären wir zehn", sagte Hinata.

"Ich bin auch für Nummer zwei", sagte Naruto und lachte verlegen. "Ich habe noch nie einen Affenkrieger gesehen. Wenn wir Möglichkeit eins nehmen, beschwört Mamo-Onii-chan vielleicht gar keinen."

"Der König zählt für dich wohl nicht, was?", spöttelte Kiba.

Davon ließ Naruto sich nicht entmutigen. "Ich habe gehört, die Affen können sich in Waffen verwandeln. Das würde ich zu gerne einmal sehen."

"Naruto-kun, du kannst das doch nicht aus Eigennutz sagen", tadelte Hinata.

"Und wir haben immer noch mindestens einen feindlichen Shinobi in dieser Burg, der weiß das wir kommen. Eventuell mehrere", sagte ich mit fester Stimme.
 

Ich sah ins Rund, musterte jedes Gesicht. "Ich spüre, das wir nicht mehr viel Zeit haben. Ich will nicht auf die Nacht warten, aber das bleibt nicht aus, wenn wir leise, still und heimlich rein gehen wollen. Wenn wir angreifen, ist es am Tage ohnehin besser. Die Sicht ist besser."

Sie nickten, einer nach dem anderen. Ihre Entschlossenheit sprach Bände.

"Wir mischen uns in die verdammte Innenpolitik ein", sagte Kaminari entschlossen.

"Denen werden wir helfen, Kinder zu entführen und harmlose Bauern auszunehmen", sagte Naruto entrüstet.

Wieder sah ich ins Rund. "Ikuko-chan? Inari? Shino? Kiba? Hinata-chan? Karin?"

Nacheinander nickten meine Shinobi.

"Ich folge dir, egal was du planst. Das weißt du doch, Mamo-chan", sagte Karin lächelnd.

"Gut", sagte ich, mit einem Hauch Erleichterung in der Stimme. "Dann ist das der Plan..."

***

Damals
 

Laut fluchend betrachtete der Verbindungsmann des Landes der Reisfelder, Ryuji Nekozumi, das gigantische Loch, das einmal Otogakure gewesen war. "Man hat mir gesagt, dass ich die Augen nicht von Morikubo nehmen soll! Verdammt, warum habe ich da nicht drauf gehört?" Er sah auf einen über einen Kilometer breiten und achtzig Meter tiefen Krater hinab. Die Explosion des Chakras war ohrenbetäubend gewesen. Einige Shinobi, die zu nahe dran gewesen waren, waren immer noch taub. Einige, die in das Licht der Explosion gesehen hatten, waren kurzzeitig erblindet. Aber immerhin hatte sie keinem weiteren Shinobi das Leben gekostet. Wenn man von Morikubo einmal absah.

Karin betrachtete das gigantische Loch, das langsam von dem Fluss gefüllt wurde, der neben dem Dorf geflossen war. "Na, das nenne ich mal einen gewaltigen Abgang."

Tonari, der das Kommando übernommen hatte, sah auf. "Hast du was gesagt, Karin-chan?"

Karin seufzte. "Nur, dass Mamo-chan mal wieder Eindruck gemacht hat."

"Du machst dir wenig Sorgen", stellte Tonari fest und beäugte sie aufmerksam. "Es gibt keine Anzeichen dafür, dass Mamoru überlebt haben kann."

Karin hob die Arme. "Darum mache ich mir keine Sorgen. Und Hanako auch nicht."

"Wieso nicht?", fragt Neji Hyuuga. Er und Tenten hatten es als so ziemlich die allerletzten aus der Zerstörung heraus geschafft. Viele der Toten Otogakures waren in der Explosion ausgelöscht worden, auch gefallene Genin aus Konoha hatten nicht mehr geborgen werden können und würden nun nie wieder nach Hause zurückkehren. Tenten indes schwammen die Augen vor Tränen.

Karin deutete nach hinten, wo Hanako stand, und mit Hilfe eines Clipboards den Abtransport der Gefangenen organisierte. Neben ihr stand P-chan und half mit naiver Begeisterung, führte jeden ihrer Befehle aus. "Deshalb. Wäre Mamoru tot, denkst du, ausgerechnet seine beschworene Kontraktträgerin hätte das nicht gemerkt?" Sie seufzte. "Die Frage, die ich mir stelle, ist eine vollkommen andere. WO ist Mamo-chan? Da unten ist er jedenfalls nicht."

"Ja, ich denke, da kann ich dir zustimmen", sagte Tonari.

"Ich kann nichts erkennen", sagte Neji bedauernd. "Werden wir ihn suchen?"

"Natürlich werden wir ihn suchen", rief Nekozumi barsch. Mit einem Satz sprang er in den Krater.

"Wohin des Weges, Nekozumi-san?", rief Tonari ihm nach.

"Nach irgend etwas suchen, was uns weiter helfen wird!", rief er zurück.

Karin seufzte erneut. "Wäre er in der Nähe, hätten wir ihn schon gefunden. So aber wird es ein starkes Stück Arbeit, ihn zurück zu kriegen." Sie sah zu Neji und Tenten herüber. "Maria war bei ihm?"

"Zumindest bis wir ihn verlassen haben", sagte Neji ernst.

"Ich wusste es. Sie hat etwas geplant, und sie hat es durchgezogen. Noch ein Grund mehr dafür, dass er überlebt hat." Unwillkürlich ballte sie die Hände zu Fäusten. "Und wir haben nicht aufgepasst."

"Zumindest lebt er noch, wenn du mit Perine Recht hast", sagte Tonari tröstend. "Kümmern wir uns jetzt um den Abmarsch. Ich informiere die ANBU und stelle zusätzliche sensorische Ninjas ab, um das weitere Umland abzusuchen."

"In diesem Moment bedaure ich es, keiner zu sein", erwiderte Karin.

"Man kann nicht alles haben und sein im Leben", erwiderte Tonari, halb lächelnd, halb ernst.

"Leider." Sie sah zu den beiden Genin. "Kommt Ihr, oder hofft Ihr, dass Nekozumi wirklich da unten etwas findet?"

Neji legte einen Arm um die Schulter seiner Teamkameradin. "Wir kommen." Ohne ein weiteres Wort zog er sie mit sich.

***

Zugleich auf dem Affenberg empfing Enka O Enma, der König der Affen, seinen Rat.

Shampoo und Mousse waren gerade erst zurückgekehrt und nicht zu trösten gewesen. Nicht ganz zu Unrecht, denn als Ranko davon erfuhr, wie und weshalb sie zurückgekehrt waren, da war die mächtige Affenkriegerin entgegen ihrer Art ganz still geworden, hatte sich gesetzt, so als hätte sie plötzlich keinen Funken Kraft mehr im Leib... Und dann hatte sie leise zu weinen begonnen. Das tat sie vor aller Augen, ja vor den Augen des Königs.

"Sempai, ich ertrage das nicht!", sagte Mousse flehentlich. "Greif mich an, schlag mich, schimpf mit mir, aber sitz nicht einfach da und weine. Meinetwegen bring mich um!"

Ono, der Sohn des Königs, musterte die Szene mit steinerner Miene. "Was das Umbringen angeht, würde ich nachher gerne mit dir reden. Du als allererster solltest wissen, wie sehr es uns mitnimmt, wenn wir unseren Menschen verlieren!" Ein vorsichtiger Blick ging zu seinem Vater, der seinen eigenen Menschen erst selbst verloren hatte, aber der König zeigte keine Reaktion.

"Ich war bereit mich zu opfern", sagte der Affenkrieger. "Ich wollte die Explosion aufhalten, ihm die Zeit zum Entkommen erkaufen, und danach Shampoo den Vortritt lassen. Aber das hat er nicht akzeptiert."

"Also hast du sein Opfer akzeptiert um dein Leben zu retten", stellte Ono fest.

"Doktor Tofu, du warst nicht da. Und ich lasse mir von dir keine Feigheit vorwerfen", sagte Mousse drohend."

"Richtig, ich war nicht da. Ich sehe nur die Ergebnisse. Wir haben unseren letzten Kontraktträger in Konoha verloren. Mehr noch, einen sehr guten Freund, ein Familienmitglied für uns alle. Wir Affen hängen unsere Herzen nicht leichtfertig an die Menschen. Aber wenn wir es tun, dann aus tiefer Liebe. Und wir alle lieben Mamoru."

"Das ist richtig", sagte Enma. "Wir haben einen großen Verlust erlitten, nicht nur Ranko-chan alleine. Aber wir wissen alle, dass Mamoru-tono ein sehr störrischer Charakter ist. Natürlich hätte er Mousse niemals gestattet sich zu opfern. Bis hin zur absoluten störrischen Entscheidung, mit ihm unterzugehen. Das wissen wir, denke ich, wohl alle." Der große Affenkönig erhob sich und ging auf Ranko zu. Sanft legte er eine Hand auf ihre Schulter. "Du brauchst nichts zu tun, als zu trauern. Ich werde Ranma informieren."

"Über was informieren?", fragte Ranma-sama, als er den Ratsraum betrat. "Entschuldigt die Verspätung, aber ich musste da noch schnell was kontrollieren."

Nun war der König doch peinlich berührt. "Es geht um Mamoru. Er, hm, wie soll ich das sagen... Er hat die letzte Mission..."

"Überlebt", stellte Ranma fröhlich fest.

"Was?", rief der König erstaunt. "Was?", kam es von Mousse. "Was?", riefen Ono und Shampoo zugleich. "Was?" Verwundert sah Ranko auf, mit einem schwachen Schimmer der Hoffnung in den Augen.

Ranma-sama zog die Kontrakt-Schriftrolle von seiner Schulter und breitete sie auf dem Tisch aus. "Ich habe zwar keine Ahnung, wo er jetzt ist, aber ich weiß auf jeden Fall, dass er noch lebt. Hier, schaut selbst. Sein Name steht noch immer in der Rolle."

Ranko stürzte an den Tisch heran, suchte Mamorus Namen, und als sie ihn gefunden hatte streichelte sie zärtlich über die Lettern. Dann fiel sie ihrem Zwillingsbruder um den Hals. Vor Erleichterung weinte und lachte sie zugleich. "Du Dummkopf! Konntest du nicht schneller sein?", tadelte sie, während sie ihn dabei fast erdrückte.

"Nun, als Shampoo und Mousse so vollkommen aufgelöst wieder kamen, dachte ich mir, es wäre keine schlechte Idee, die Rolle zu kontrollieren. Nicht, Mousse?"

Der Affenkrieger hatte ihn allerdings nicht gehört. Er hatte Shampoo umarmt und seufzte vor Glück und Zufriedenheit, während die Kriegerin erleichtert weinte. "So, wir haben ihn nicht verloren! Er lebt noch, er lebt! Wir sollten... Wo bleibt denn Perine?"

"Sie ist noch nicht zurückgekehrt", sagte Ranma lächelnd. "Noch ein wichtiges Zeichen dafür, dass Mamoru-chan noch am Leben ist. Und ich denke, es ist besser, sie bei den Menschen zu belassen, anstatt ihr die Rückkehr zu befehlen. Ohne Beschwörung durch einen Kontraktträger brauchen wir zu lange, um Konoha zu erreichen. Besser, sie hilft vor Ort."

"Dem stimme ich zu", sagte der König. Er seufzte erleichtert auf. "Gibt es denn gar nichts, was diesen Menschen umbringen kann?"

"Vorsicht!", rief Ranko und funkelte Enma mit bösen Augen an. "Vorsicht vor dem was du dir wünschst, mein König."

Er lachte, als er die Mischung aus Belustigung, Ernsthaftigkeit und Schalk sah, die in ihrem Blick lag. "Da hast du vollkommen Recht, Ranko. Er ist mir lebend auch viel lieber. Menschen sterben auch so viel zu früh."

Dem konnten die anderen Affen nur wehmütig zustimmen.

"Schwesterchen, lässt du mich jetzt wieder los? Das ist doch ein wenig peinlich."

Sie legte den Kopf nachdenklich zur Seite. "Nein."

Ranma seufzte. Er hatte eigentlich nichts anderes erwartet. "Und? Werden wir in die Menschenwelt aufbrechen, um bei der Suche nach Mamoru zu helfen? Wir müssten das bald tun."

Der König verneinte. "Ich denke nicht, dass er die Hilfe braucht. Und ich habe Vertrauen in P-chan."

"Sie ist eine gute Schülerin", betonte Ranko.

"Ja, das wissen wir alle, Schwesterherz. Lässt du mich jetzt wieder los?"

"Nein."

"Auch gut. Wenigstens heute noch?"

"Eventuell."

Ranma seufzte erneut. Zwilling zu sein war manchmal so anstrengend.

***

Es dauerte fünf Tage, bis der große Treck der Gefangenen die Grenze vom Land der Reisfelder zum Reich des Feuers erreichte. Die Grenztruppen übernahmen von den siegreich heimkehrenden Shinobi im Jubel die Zivilisten, um sie den Gerichten zu überstellen. Schon jetzt stand fest, dass die Meisten ungeschoren davon kommen würden. Was man dann mit ihnen machen würde stand allerdings noch nicht fest. Auf jeden Fall aber wollte man sie nicht wieder zu einer leichten Beute für die Verführungen eines Mannes wie Orochimaru machen und ihnen eine andere, bessere Perspektive geben. Diese Aussichten beruhigten die Menge sichtlich.

Es dauerte weitere zwei Tage, bis die Shinobi mit ihren Kriegsgefangenen Konoha erreichten und sie an das Ninja-Gefängnis überstellen konnten. Auch ihnen würde nach und nach der Prozess gemacht werden. Die neutralen Gerichte würden dafür Sorge tragen, das Recht für den Angriff auf Konoha gesprochen wurde, keine Rachejustiz-

Die fünf überlebenden Chunin und die beiden Chunin auf Probe wurden sofort vor den Rat zitiert, während die Genin überschwänglich begrüßt wurden.
 

Die fünf Chunin und die zwei Chunin auf Probe mussten stehen, während die wichtigsten Shinobi Konohas, angeführt von Rat Mitokado und Rätin Utatane, einen Überblick über die Operation verlangten. Tonari intonierte für sie alle, aber gerade Utatane hakte immer wieder wieder bei Rose und Rei Hanabi, die noch immer verletzt war, nach, um Details erläutert zu bekommen.

Schließlich drohte Hanabi zusammenzubrechen, und nach einem Protest vom Clanführer der Naras wurde ihr erlaubt, sich zu setzen.

"Wie hoch also waren unsere Gesamtverluste, Tonari-kun?", fragte Rat Mitokado schließlich.

"Nicht so hoch wie wir anfangs befürchtet haben. Wir kommen auf elf Tote, fünfundfünfzig Verletzte, davon achtzehn schwer, und einen Vermissten."

Utatane sah missmutig in seine Richtung. "Ich nehme an, Sie zählen Morikubo als Vermissten?"

"Ja, Rätin Utatane."

Sie klopfte auf den Tisch, wo zahlreiche Bilder des Kraters lagen, der einmal Otogakure gewesen war. "Was bringt Sie zu der Veranlassung, dass Morikubo ausgerechnet das, einen halben Meter von der menschlichen Bombe entfernt, überlebt haben soll?"

Tonari lächelte so nachsichtig, als würde er einem Küken auf der Akademie eine simple Erklärung wiederholen. "Die Tatsache, dass P-chans Beschwörung noch immer aktiv ist, bedeutet, dass er noch am Leben sein muss. Davon abgesehen hätte sie es gemerkt, wenn der Kontrakt erloschen wäre, den die Affen mit Mamo-chan - ich meine Morikubo-sama haben."

"So. Und wo ist diese Affenkriegerin?"

"Sie befindet sich noch immer im Land der Reisfelder und unterstützt unseren Verbindungsmann Nekozumi und die ANBU vor Ort bei der Suche nach Morikubo-sama", sagte er mit fester Stimme.

"Warum ist sie nicht hier, und erstattet uns Bericht?", verlangte Utatane zu wissen.

"Weil sie ihren Kontrakt mit Morikubo-sama hat, und nicht mit Konoha", erklärte Tonari jovial.

"Das ist...!", rief sie entrüstet und sprang auf.

Rat Homura Mitokado griff nach ihrem Arm und zog sie wieder auf den Sitz. "Das ist vollkommen richtig, Koharu. Und das weißt du auch."

"Ich hätte trotzdem erwartet, das ausgerechnet der Affenclan, der mit Hiruzen verbündet war, mehr Taktgefühl zeigt", sagte sie wütend.

"Wie, mehr Taktgefühl als bei der Suche nach Sarutobi-samas jüngsten Schüler?", fragte Shikaku Nara ernst. "Nebenbei bemerkt ist der Junge ein Mitglied meines Clans, und ich weigere mich, bevor ich einen eindeutigen Beweis sehe, seiner Familie zu sagen, er soll tot sein."

"Sehen Sie sich die Fakten an, Nara-tono, und sehen Sie es ein: Kein normaler Chunin kann diese Explosion überlebt haben!", herrschte sie den Nara an.

"Ein anderer Fakt ist, dass eine Affenkriegerin steif und fest davon überzeugt ist, dass der Kontrakt, den Morikubo-kun mit ihnen hat, nicht erloschen ist, er also nicht tot sein kann", sagte Asuma, der als Berater hinzu gezogen worden war. "Ich halte also absolut nichts davon, ihn für tot zu erklären. Davon abgesehen ist er kein normaler Chunin."

Diese Worte bewirkten einiges an Gelächter.

"Es wäre einfacher gewesen. Dann müssten wir ihm dieses Desaster nicht anlasten", sagte Utatane, halb überzeugt.

"Wieso Desaster?", fragte Hyashi Hyuuga. "Ich sehe, dass wir hier einige Chunin und viele Genin in den Kampf geschickt haben. Sie stießen auf Jounin, und natürlich auf weiteren Widerstand. Ich will nicht zynisch klingen, aber von meinem Standpunkt aus sind die Verluste kein Desaster. Im Gegenteil. Es gelang uns über fünfzig Oto-Shinobi zu töten und weit über sechzig gefangen zu nehmen, darunter auch solche von Chunin-, und Jounin-Level, diese meist schwer verletzt. Darüber hinaus konnten wir Dutzende Menschen aus Orochimarus Verließen retten, darunter einen seit Jahren vermissten Konoha-Shinobi. Wir konnten auch einige Shinobi an Suna, Kirigakure, Kumo und Getsugakure zurückschicken, was unsere Reputation und unseren Ruf deutlich steigern wird. Und es wird die Bereitschaft, sich erneut mit Orochimaru einzulassen, für alle größeren Dörfer sinken lassen, egal was er anbietet. Außerdem deutete Hanabi-tono an, dass sie und andere medizinische Ninjas wichtige für uns verwertbare Forschungsprojekte bergen konnte, die, wenn wir sie für unsere Zwecke verwerten können, einen Vorteil auf dem Schlachtfeld einbringen werden.

Einen Vorteil, der eventuell an Tsunade-samas Ceibo-Jutsu heran reichen wird, die Totalgeneration aller Körperzellen." Hyuuga tippte ebenfalls auf die Fotos auf dem Tisch. "Und letztendlich wollen wir nicht vergessen, dass wir in einer schwierigen Lage waren, keine Jounin erübrigen konnten und Morikubo-kun genauso gut mit seinen zweihundert Leuten in den sicheren Tod geschickt haben könnten, wenn sich Otogakure hätte vorbereiten können. Und zuguterletzt, erinnern wir uns an den Auftrag, den wir ihm erteilt haben: Zerstöre Otogakure. Ich denke, den Teil der Mission hat er mustergültig erfüllt."

Shikaku Nara meldete sich erneut zu Wort. "Dazu kommt, wie ich betonen möchte, dass Mamoru sich selbst opfern wollte, um seinen Leuten die Zeit zur Flucht zu erkaufen. Er hat die Chakra-Bombe mit eigenem Chakra gedämpft, bis auch der letzte Konoha-Shinobi in relativer Sicherheit war. Wenn er wirklich noch lebt, was ich von Herzen glaube, dann sollten wir ihn zu einem grandiosen Sieg gratulieren, aber nicht wegen eines Desasters bestrafen."

"Darüber hinaus", sagte Hyuuga, wieder das Wort ergreifend, "sollten wir uns um Hilfe bei der Suche beim Land der Reisfelder bemühen und die Suchteams verstärken. Wir könnten die ANBU abziehen und einen Teil der Genin einsetzen, die bei der Schlacht um Otogakure dabei waren. Das wäre doch auch in Ihrem Interesse, Utatate-sama?"

"Die ANBU frei zu setzen würde sicherlich helfen", gab sie zu. "Wir suchen immerhin noch nach Orochimaru und seinem aktuellen Versteck. Und da sind einige Oto-Nin vom Jounin-Level, die entkommen konnten und womöglich wieder gegen uns eingesetzt werden. Ja, wir können die ANBU-Teams sehr gut gebrauchen."

"Dann ist es abgemacht." Homura Mitokado erhob sich. "Wir werten die Attacke auf Otogakure als Sieg für Konoha und beglückwünschen den Anführer der Expedition, Mamoru Morikubo, zu seinem Sieg. Zugleich entsenden wir aus den Reihen der Shinobi, die an der Schlacht um Oto beteiligt waren, fünf Neun Mann-Zellen, die aus Freiwilligen bestehen werden. Diese Freiwilligen lösen die drei ANBU-Teams im Land der Reisfelder ab, und setzen deren Suche nach Mamoru Morikubo fort. Dazu suchen sie Unterstützung beim Clan Nekozumi und anderen Clans des Landes, die bereit sind, uns Hilfe zu leisten."

Roses Hand flog nach oben.

"Ja, Rose-kun?"

"An dieser Stelle möchte ich mich für die Suchaktion freiwillig melden."

Tonari hob ebenfalls die Hand, und die Hände von Karin und Hanako schossen ebenfalls hastig in die Höhe. Anna Moriyama riss empört die Rechte hoch. "N-nicht vordrängeln!"

Nakakura und Hanabi schlossen sich an, obwohl die Medi-Nin dem Tod in der Schlacht von Otogakure nur knapp von der Schippe gesprungen und noch immer nicht wieder hergestellt war.

Rat Mitokado runzelte die Stirn. "Ich nehme an, das sind alles Freiwilligenmeldungen?"

Die sieben Shinobi nickten bestätigend.

"Nara-tono, übernehmen Sie das bitte. Und sorgen Sie dafür, dass Hanabi-san Zuhause bleibt. Sie hat mehr als einmal übertrieben, seit man sie auf dem Schlachtfeld heilen konnte."

"Ich bin fit!", protestierte die Medi-Nin und faltete abweisend die Arme vor der Brust ineinander.

"Rei-chan, du sitzt auf einem Stuhl, weil du nicht mehr stehen konntest", sagte Shikaku Nara.

"Das hat nichts zu sagen! Nur eine momentane Schwäche!"

"Du bleibst hier, und damit basta!"

Die junge Kunoichi schnaubte entrüstet, aber sie protestierte nicht länger.

Der Anführer des Nara-Clans musterte die anderen Freiwilligen Chunin. "Ich glaube, an Partizipanten wird es nicht mangeln. Aber wir brauchen nur fünf Anführer für die Neun Mann-Zellen, und Hanako-chan und Karin-chan können die Erfahrung sicher gebrauchen." Er musterte die Anwesenden. "Tonari, du bist raus."

"Was? Wieso ich? Was habe ich denn getan?"

"Du hast Mamorus Arbeit exzellent weiter geführt und die Sache in einem Fluss abgeschlossen. Vor dir liegen eine ganze Reihe wichtigerer Aufträge, und wir werden dir ab jetzt mehr Verantwortung übertragen. Dagegen ist die Suche nach Mamoru wirklich nur ein kleiner Fisch. Abgesehen davon wird er sich schon selbst bemerkbar machen, irgendwann."

Dies löste bei einigen der Chunin zustimmendes Gelächter aus. "Der Rest geht nach Hause und schläft sich aus. Ich suche in der Zeit weitere Freiwillige. Der erneute Aufbruch ist morgen um neun. Ihr könnt wegtreten."

Die sieben angetretenen Anführer bestätigten und verbeugten sich vor dem Rat. Hanabi erhob sich von ihrem Stuhl, verneigte sich ebenfalls und verließ den Raum.
 

Als die Ratsmitglieder unter sich waren, erschien der Anführer der ANBU neben Utatane.

"Wie hoch stehen die Chancen, dass Morikubo tatsächlich überlebt hat?", fragte sie.

"Sehr hoch. Nur weil wir nicht wissen, wie er überlebt hat, heißt das nicht, dass wir die Fakten ignorieren können", antwortete der ANBU.

"Und ist es sinnvoll, die ANBU abzuziehen und gegen die Genin auszutauschen?"

"Sicherlich. Eine Suche ist keine Mission, die besondere Fähigkeiten erfordert. Nur Geduld und gute Augen. Und fünfzig Augen sehen weit mehr als zwölf."

"Gut. Ich habe keine Einwände mehr. Nara-tono, Ihre Aufgabe."

Die Anwesenden erhoben sich. Nach und nach verließen sie den Raum.

"Ich hoffe, das war so in Ordnung für euch", sagte Shikaku Nara zu Chouza Akimichi, dem Anführer des Akimichi-Clans, und zu Inoichi Yamanaka, den Anführer des Yamanaka-Clans.

Chouza lachte laut. "Das war die einzig richtige Entscheidung. Wenn wir Karin verweigert hätten nach Mamo-chan zu suchen, nachdem sie ihre Pflicht erfüllt und unsere Genin heim gebracht hat, hätte sie das uns nie verziehen. Ich denke, bei Hanako wäre es ähnlich gewesen."

"Oh", sagte Inoichi mit gerunzelter Stirn, "ich bin fest davon überzeugt, dass sie dem Rat oder mir nicht widersprochen hätte." Die anderen beiden Männer starrten den dunkelblonden Mann ungläubig an.

"Stattdessen wäre sie desertiert und hätte auf eigene Faust weiter gesucht."

Shikaku seufzte lang und tief. "Ja, das klingt nach etwas, was sie tun würde. Und das ist nur ein Vorgeschmack auf das, was uns noch bevorsteht, wenn unsere eigenen Kinder in diesem Alter sind."

Die anderen beiden Clansführer nickten mit Leidensmienen. Vielleicht aber verstanden sie nun endlich ihre eigenen Eltern besser.

"So, ich werde dann mal unter den Veteranen der Oto-Schlacht nach Freiwilligen suchen." Shikaku Nara wandte sich zur Tür und trat auf den Gang hinaus. Klackende Schritte sagte ihm, das die anderen beiden Clanführer ihm folgten."Kommt Ihr mit euren Frauen heute Abend zu mir zum essen? Wir haben einen Sieg zu feiern."

"Na, da sage ich nicht nein", sagte Chouza lachend.

"Wir kommen gern", fügte Inoichi an. "Immerhin ist dieser Sieg auch ein Sieg des Ino-Shika-Chou-Teams." Als diese alte Bezeichnung fiel, lächelten die drei Jounin. Das erinnerte an alte Zeiten. Aber auch an den gemeinsamen Kampf, den sie erst vor wenigen Tagen bei der Rettung Konohas gefochten hatten. "Wenn alle Teams so gut zusammen arbeiten wie Mamo-chan, Hanako und Karin, dann brauchen wir uns um die Zukunft Konohas nicht allzu viele Sorgen machen", lachte Chouza erneut.

Sie traten vor das Ratsgebäude und blieben erstaunt stehen. Über einhundert Shinobi standen hier in Reih' und Glied bereit.

"Was wird denn das, wenn es fertig wird?", fragte Shikaku, der etliche der Genin wieder erkannt hatte, die gegen Otogakure geschickt worden waren.

Asuma, der neben der Tür an der Wand lehnte und seine berüchtigte Zigarette rauchte, grinste die Clanführer an. "Das sind die ersten Freiwilligen, die nach Mamo-chan suchen wollen, meine Herren. Scheint so, als hättest du freie Auswahl, Shikaku."

Ein kurzes, erheiterndes Lächeln huschte über die Züge des Naras. "Na also. So ein schlechter Anführer kann Mamo-chan gar nicht gewesen sein."

Feuerregen 12

Heute
 

Es war eine merkwürdige Sache. Der Arzt hatte sie freundlich behandelt, sie sogar zum Lachen gebracht, während er keine schwere Verletzung diagnostiziert hatte. Dennoch hatte er ihr ein paar Tage Ruhe verschrieben, in der sie nicht laufen durfte, nur langsam gehen.

Dies missfiel den Daimyo augenscheinlich. Wahrscheinlich hatte er Hoffnung gehabt, sie erneut tragen zu dürfen. Gut so. Hanako hätte nicht gewusst, ob sie ihren erwachenden Abscheu vor diesem Mann weiterhin so gut hätte verbergen können. Glaubte der Kerl wirklich, nur weil er gut aussah und Macht hatte, dass alle Mädchen auf ihn flogen?

Hana hatte einen Blick auf seinen Harem werfen können, auf sechs wirklich hübsche junge Mädchen, die in teure Kleidung gehüllt und aufwendig geschminkt worden waren. Sie waren wie hübsch anzuschauende Puppen, die sich mit Puppendingen beschäftigten. Hanako hatte sie beinahe sofort verachtet.

Eine der Frauen, die einzige, die die neue Konkurrenz nicht mit Ablehnung angesehen hatte, hatte die Kunoichi in das Bad der Burg gebracht. Dort hatte sie sich mächtig ins Zeug gelegt, um Hanako zu entkleiden und ordentlich abzuschrubben, damit jeder Rest Dreck und Bäuerlichkeit, wie sie sich ausdrückte, abgewaschen werden konnte. Nach dem Spülen hatte Hanako den Gefallen erwidert und dem Mädchen, das wirklich eine wundervolle Haut hatte, den Rücken geschrubbt. Anschließend waren sie zu zweit ins angenehm heiße Wasser im großen Bottich gestiegen, und Hanako bemerkte, wie sehr sie ein heißes Bad vermisst hatte. In Gentas Dorf hatten die Leute kein gemeinsames Bad, jeder hatte seinen eigenen Kübel, den er aufwändig beheizen musste. Sich ausstrecken zu können erschien ihr auf einmal wie verbotener Luxus.

"Ahhhhhh...", machte die junge Frau und streckte sich ebenfalls aus. "Das ist das Einzige, was ich hier vermissen würde, wenn ich von hier fort kommen könnte."

"Du willst von hier fort?", fragte Hanako erstaunt. "Mach dich nicht lächerlich. Harusame scheint mir nicht der Mann zu sein, der gerne auf etwas verzichtet, was er haben will. Und seine Soldaten da draußen werden das zu verhindern wissen."

"Kennst du die Geschichte vom Vogel im Käfig?", konterte sie. "Lange halte ich es hier nicht mehr aus, so oder so nicht."

Hanako begriff. Die junge Frau testete sie. Warum sie das tat, wusste die Kunoichi nicht. Aber da Mamo-chan ohnehin bald angreifen würde, beschloss sie auf Risiko zu spielen. "Und das, obwohl es euch gut geht? Gutes Essen, teure Kleidung."

Die junge Frau schnaubte verächtlich. "Ich habe mir dieses Leben nicht ausgesucht." Sie fixierte Hanako. "Du musst auch aus Gentas Dorf sein, obwohl ich dich da nie gesehen habe."

"Du bist aus Gentas Dorf?", fragte Hanako und legte Erstaunen in ihre Stimme. "Du gehörst zu denen, die letztes Jahr entführt wurden?"

Das Mädchen nickte. "Das tue ich. Und seitdem behandelt mich Harusame wie sein Anziehpüppchen. Den anderen mag es ja gefallen, fürs Nichtstun teure Kleidung zu tragen und gutes Essen zu bekommen. Aber ich..." Sie ballte die Hände zu Fäusten. "Nimm es mir nicht übel, aber ich glaube, ab heute tauschen wir die Plätze. Du bist ein hübsches Ding, und Harusame interessiert sich sehr für dich. Du wirst die nächste Zeit wohl seine neue Favoritin. Das gibt mir die Gelegenheit..." Sie verstummte.

"Auszubrechen", vervollständigte Hanako. "Sicherlich hast du einen Freund oder einen Verwandten unter den Männern, die entführt wurden. Oder sogar mehrere. Und jetzt planst du, mit ihnen zu fliehen." Die beiden Frauen sahen sich ernst an.

"Wirst du mich verraten?", fragte das Mädchen.

"Nein", sagte die Kunoichi entschlossen. "Im Gegenteil, ich würde am liebsten mitkommen. Ich bin Hanako."

"Ich bin Tsukasa. Kennst du meine Eltern? Sie haben ein Haus direkt neben Genta-sama."

"Oh. Da haben wir drin gewohnt, bis wir uns ein eigenes Haus gebaut haben, sozusagen. Deine Eltern sind sehr nett."

"Geht es ihnen gut?", fragte Tsukasa aufgeregt.

"Es geht ihnen gut, aber sie leiden sehr, weil du und dein Bruder fort seid."

"Das wird nicht mehr lange der Fall sein", sagte das Mädchen grimmig. "Und es wird auch nicht wieder vorkommen, denn wir kehren nicht einfach in unser Dorf zurück." Sie senkte die Stimme. "Wir beschweren uns beim Groß-Daimyo. Und dann hat der Spuk hier ein Ende. Kannst du also einige Zeit die Favoritin sein? Nur solange, bis Harusame abgesetzt wird?"

Misstrauisch hob Hanako eine Augenbraue. "Was muss denn eine Favoritin so machen?"

Die junge Frau errötete bis an die Haarspitzen. "Ach, du weißt schon. Was alle Frauen irgendwann machen. Dies und jenes mit dem Daimyo. Sie..."

"Ja?"

"Sie schläft mit ihm."

Hanako blies die Wangen auf und spürte, wie Röte ihr ganzes Gesicht bedeckte. Unwillkürlich legte sie beide Hände auf ihren Schoß. Das kam ja wohl mal gar nicht in Frage! Nicht gegen ihren Willen und erst Recht nicht mit diesem Kerl! Wenn sie schon mit jemandem schlief, dann kam ja wohl nur Mamoru in Frage! "Nein!", sagte sie fest. "Eher bringe ich mich um! Oder ihn! Oder beides!"

"Sei doch nicht so störrisch! Denke doch lieber dran, dass es dir hier nicht schlecht geht! Und wenn unser Plan funktioniert, kommen wir zurück und retten dich! Außerdem weiß Harusame, was er tut." Wieder wurde die Frau rot. "Und das sogar ziemlich gut. Wäre er nur nicht so ein sich selbst überschätzender Idiot..."

"Du hast mit ihm geschlafen?", fragte Hanako direkt.

"Hey, ich bin seine Favoritin! Natürlich habe ich! Es ist ja auch nicht gerade so, als hätte ich eine Wahl gehabt. Hätte er eher eines der jüngeren Mädchen aus der Küchen nehmen sollen? Schön war es nicht, aber notwendig."

Hanako begann leise zu kichern. "Man ist doch mit ihm alleine, wenn er mit einem schlafen will, oder?"

"Ja, das ist eigentlich immer der Fall", murmelte Tsukasa.

Die Kunoichi nickte entschlossen. "Dann sollte ich versuchen, so schnell wie möglich mit ihm zu schlafen." Oder übersetzt, ihn unter ihr Genjutsu und damit außer Gefecht setzen, während sie mit Tsukasa die erste Person gefunden hatte, die sie retten wollten.

Erstaunt sah Tsukasa sie an. "Woher dieser plötzliche Sinneswandel?"

"Sagen wir, es passt in meine Pläne." Sie lächelte breit. "Und? Sind in Harusames Harem weitere Mädchen aus Gentas Dorf? Es waren vier Jungen und sechs Mädchen, richtig?"

"Nein, ich bin die Einzige und die Jüngste. Deshalb sind die anderen Frauen ja so eifersüchtig. Erst auf mich, und jetzt auf dich."

So, so, der Daimyo bevorzugte also tatsächlich junge Mädchen. Suzume in die Küche zu schicken war wahrscheinlich eine sehr gute Idee gewesen.

"Die anderen sind unter der Dienerschaft. In der Küche oder der Wäscherei. Die Jungen sind in den Kasernen. Sie werden zu Soldaten gedrillt."

Hanako hätte beinahe in die Hände geklatscht. Na, da lief ja beinahe perfekt. "Du kennst doch ihre Gesichter noch?", hakte sie nach.

"Natürlich kenne ich ihre Gesichter noch!", erwiderte sie entrüstet. "Nur weil der Daimyo mit meinem Körper spielt, bin ich noch keine so abgehobene Schnepfe wie die anderen Frauen!"

"Gut. Das wird für uns nützlich sein."

"Nützlich bei was?"

"Na, wenn du mit Hilfe vom Groß-Daimyo zurückkommst. Jemand muss die Jungs unter all den Soldaten identifizieren, oder?"

"Ja, da hast du Recht."

Irgendwo in der Festung erklang ein Signal. Tsukasa erhob sich. "Ich muss jetzt langsam mal raus aus dem Wasser. Ich muss Harusames Nachmittagstee zubereiten. Du hast noch ein wenig Zeit. Ich lege dir Kleidung bereit. Zwei Dienerinnen helfen dir beim Anlegen. Sie werden dich auch schminken und deine Haare zurecht machen. Danach bringen sie dich zu Harusame. Und wichtig ist, nenne ihn nie beim Namen. Sag Daimyo oder Tono zu ihm, nie seinen Namen. Das hat er nicht so gerne."

"Ich verstehe."

Tsukasa kletterte aus dem Wasser. Sie war höchstens ein Jahr älter als Hanako, und ihr Körper hatte nichts von der jugendlichen Schönheit verloren. Der Daimyo musste ein großer Egomane sein, wenn er dieses Mädchen für die Kunoichi auszutauschen gedachte.
 

"Hast du genügend gehört, Terumi-sama?", fragte Hanako leichthin in Richtung der Fenster.

Das Gesicht der Kunoichi erschien dort. "Genug, um Tsukasa sofort des Verrats anzuklagen und sie auf der Stelle hinzurichten."

"Und? Warum tust du es dann nicht?", fragte Hanako.

Die Frau lächelte auf eine äußerst liebenswürdige Art. "Wir wissen doch beide, das der Tag eine sehr scharfe Wendung nehmen wird."

"Auf die du dich schon freust", stellte Hanako fest. Sie erhob sich nun ebenfalls aus dem Wasser.

"In der Tat", erwiderte die Kiri-Nin, und es lag tatsächlich ein wenig Aufregung in ihrer Stimme.

"Dann solltest du beim Daimyo sein, nachher, um nichts zu verpassen", sagte Hanako kess. Innerlich aber war sie in Aufruhr. Mamoru war kein Idiot, er wusste spätestens seit ihrer Nachricht im Gras ihres Rastplatzes, dass mindestens zwei Shinobi auf ihn warteten. Aber was, wenn diese Frau, diese stumpfsinnige Befehlsempfängerin, stärker als Mam-chan war? Das wollte sie sich nicht ernsthaft vorstellen.

Im Vorraum erwarteten sie bereits die Dienerinnen. Sie trockneten das blonde Mädchen ab und hüllten es anschließend in mehrere Lagen eines farbenfrohen Kimonos, der vor allem mit herab fallenden Kirschblüten bedeckt war. Unter anderen Umständen hätte ihr das Kleidungsstück sicherlich sehr gefallen. Die Schminke wehrte sie ab, denn sie wusste ganz genau, das ihr hübsches Gesicht so wie es war, jugendlich und mit vollen roten Lippen, ihr größter Schmuck war. Sie ließ aber zu, dass ihr Haar kunstvoll aufgesteckt wurde. Die beiden Frauen verstanden ihr Fach. Nach einem Blick in den nächsten Spiegel wäre sie beinahe vor sich selbst zurückgezuckt, weil sie sich fragen musste, wer diese außergewöhnlich schöne Frau sein musste, die sie so kritisch musterte.
 

Als sie zum Daimyo in den Residenzsaal geführt wurde, hatte sie alle unbewussten Zeichen ihres Körpers umgestellt. Alles, was "Komm" und "ich bin bereit für dich" sagte, strahlte Harusame entgegen, als man ihr eine Tatami neben dem Herrscher zuwies, auf der sie warten sollte, bis er seine Geschäfte mit dem Gesinde erledigt hatte.

Sie hielt ihre Lippen ein wenig feucht, indem sie immer mal wieder langsam und bedächtig mit der Zunge drüber leckte, sie hatte sie immer einen Spalt weit offen und spielte mit einer Strähne ihres Haares. Sie saß in der gleichen Richtung wie er, aber ihr Oberkörper war ihm leicht zugedreht. Außerdem hatte sie ihren Kimono korrigiert, sodass man ein wenig Busen blitzen sehen konnte. Alles, was man ihr in Konoha beigebracht hatte, fand Anwendung. Sehr zum Missfallen der anderen Frauen von Harusames Harem, Tsukasa ausgenommen.

Und so dauerte es auch nicht lange, bis sich der Daimyo nicht mehr auf die Arbeit konzentrieren konnte. Endlich brach er die Sitzung ab und erhob sich. Er hielt Hanako eine Hand hin, um ihr beim Aufstehen zu helfen. "Komm!", sagte er.

Hanako, innerlich triumphierend, ergriff die Hand. Nun musste sie nur noch mit ihm alleine sein, ihr Genjutsu entfalten und ihn in einem erotischen Traum einsperren. Schon hatte die Burg ihren Anführer verloren.

Soweit die Theorie, als eine gewaltige Explosion erklang, deren Druckwelle sogar durch die Fenster bis in den Saal wehte und ihre Haare in Unordnung brachte.

Missfallend und enttäuscht ließ sie den Daimyo wieder los, der sie schlagartig vergessen hatte und Befehle brüllte. Nur fünf Minuten, das hätte ihr gereicht, und sie hätte der Schlange das Haupt genommen. Aber die Explosion hatte auch etwas Gutes. Es war nicht zu überhören gewesen. Ihre Kameraden aus Konoha waren eingetroffen. Und natürlich Mamo-chan. Dieser Gedanke ließ sie wieder lächeln.

***

Es mochte etwas hochtrabend klingen, wenn ich mich selbst als erfahrenen Chunin bezeichnete - in einem Alter von sechzehn Jahren. Dabei spielte natürlich hinein, dass ich wie die meisten Ninjas bereits mit zwölf meine erste Kampferfahrungen in der rauen Welt der Shinobi gemacht hatte und seit zwei Jahren als Chunin selbst Shinobi anführte. Daher, so denke ich, war meine Erfahrung vielleicht nicht sehr lange, dafür aber sehr intensiv. Natürlich, ich hatte bereits getötet, und es hatte mir nie besonders gut gefallen. Aber ich hatte immer getan, was notwendig gewesen war. Allerdings neigte ich nicht dazu, unnötig zu töten.

Als ich also die Wachen am Tor ausschaltete, betäubte ich sie nur. Karin erschuf ein Erdversteck, in dem wir sie die nächsten acht Stunden verbergen konnten.

Mit Hilfe der Körpertäuschung nahmen wir das Aussehen der beiden Wachen an und nahmen ihre Waffen an uns und ihre Plätze ein. Bald war Wachwechsel, und dann gelangten wir problemlos in die Burg Harusames. Außerdem hatten wir weitgehend freie Hand, da ich nicht vorhatte, brav in die Kaserne einzukehren. Ein paar herumvagabundierende Soldaten während der Freizeit würden hoffentlich lange genug nicht auffallen. Es galt ja immerhin, die entführten Kinder zu finden und zu befreien. Dabei würden wir die Burg auf dem Hügel durchsuchen, und, falls es notwendig sein sollte, Hanako retten.

Während Karin und ich also regulär über das Haupttor rein kamen, schlichen sich Ikuko-chan und Inari über ein Nebentor ein. Sie als sensorische Ninja hatte beste Chancen, in einem unbewachten Moment über den Wall zu kommen. Ihr Ziel waren die Kasernen und die Gesinderäume unter der Burg, in denen wir weitere Entführte vermuteten.

Sobald wir sie gefunden hatten, würde ich Kaminari, Hinata-chan, Kiba und Akamaru, Shino und Naruto das Zeichen zum Angriff geben. Sie würden die Festung attackieren und die Verteidigung testen. Das war auch ein wichtiger Test für meine weiteren Pläne. Ich würde anhand des Widerstands entscheiden, ob wir die Burg zerstören würden, oder uns mit den befreiten Gefangenen zurückzogen. Hierbei fiel Ikuko-chan und Inari die Aufgabe zu, zusammen mit Hanako Babysitter zu spielen und die Kinder während des Kampfes aus der Burg heraus zu führen. Karin und ich hatten die weitaus schwerere Aufgabe, dann die beiden Ninjas zu stellen. Die Anführerin des Raubüberfalls und den Dicken, der aus seiner Rüstung hervor quoll. Da sie augenscheinlich wussten, dass Ninjas auf ihrer Fährte waren - zumindest die Frau - standen die Chancen aber nicht schlecht, dass sie sich aus den Kämpfen heraus hielten. Allerdings verließ ich mich nicht darauf.

Natürlich rechnete ich auch mit einer Falle, aber Hinatas Byakugan hatte zumindest auf den unteren Stufen der Burg keine Soldaten im Hinterhalt entdecken können, und auf ein Byakugan war wirklich Verlass.

Also hatten sie ihren Verdacht nicht verraten, spielten ihr eigenes Spiel. War das womöglich Unterstützung für uns? Oder hatten wir es hier wieder mit egomanischen Ninjas zu tun, die taten und ließen, was immer sie wollten? Und spielte uns das in die Hände?

Ich war versucht zu hoffen, dass es so war.

Soweit die chronologische Reihenfolge, wenn alles glatt über die Bühne lief. Aber wann war das schon mal der Fall? Meine Erfahrung als Chunin hatte mir oft genug bewiesen, dass man gezwungen werden konnte, einen eigentlich guten Plan zu verwerfen und zu improvisieren. Nun, wir würden sehen, was uns hier erwartete, mit den beiden Ninjas als Unsicherheitsfaktor.
 

Hinter uns öffnete sich das Tor, und zwei Soldaten traten hinaus.

"Beeilt euch lieber mit den reinkommen. Vom Mittagessen ist fast nichts mehr da", sagte einer von ihnen und nahm meinen Platz ein. Ich eilte an ihm vorbei, und auch Karin wechselte ohne ein Wort in die Burg. Wir imitierten das Aussehen der Soldaten, nicht aber ihre Stimmen.

"Hey!", rief einer von ihnen.

Ich erstarrte. Neben mir hielt Karin an. Wir sahen zurück.

Einer der neuen Wachleute warf mir einen Geldbeutel zu. "Der gehört doch sicher einem von euch beiden, oder? Seid froh, dass ich meine großzügigen fünf Minuten habe."

"Danke, das ist meiner", rief ich und lief weiter. Mit ein wenig Glück würde er über meine Stimme nicht nachdenken, auch weil ich dabei gelaufen war. Karin folgte mir.

"Wohin jetzt?", fragte sie leise.

"Die Küche der Burg. Wir brauchen jemanden, der die Gefangenen vom letzten Jahr kennt." Ich lachte rau. "Und bei meinem Glück gehören die beiden, die wir in das Erdversteck verfrachtet haben, dazu."

"Vorsicht, Mamo-chan, beschwöre es nicht", raunte Karin mir zu.

"Beschwöre was nicht?", klang eine spöttische Frauenstimme vor uns auf.

Ich hielt erneut und sah nach vorne. "War ja so was von klar", murrte ich, als ich die Anführerin der Banditen erkannte, und neben ihr den Dicken, von dem ich annahm, dass er ein Shinobi war.

"Was war sowas von klar?", hakte die Frau nach, die diesmal ihren Gesichtsschutz nicht trug.

"Wir unterhalten uns über schöne Frauen. War doch klar, dass wir dann prompt einer begegnen."

"Was? Schöne Frau?" Verzaubert berührte sie die eigenen Lippen. "Ich?"

"Das sieht doch wohl jeder", sagte ich hastig und drückte mich mit Karin an den beiden vorbei. "Doch jetzt haben wir dringende Geschäfte zu erledigen."

"Ich bin also schön...", murmelte sie noch immer beeindruckt, und ich wünschte mir, dass sie das noch eine lange Zeit sein würde.

Nun, ich hoffte es zumindest, bis ich den Schwall heißer Luft in meinem Nacken spürte, Karin wegschubste und selbst auswich, nur um einem lavaartigen Brei auszuweichen, der mir die Augenbrauen versengte und die Gesichtshaut fast verbrannte.

"Nicht so eilig. Abgesehen das ich selbst weiß wie schön ich bin - habt Ihr wirklich geglaubt, Ihr würdet euch so einfach ausgerechnet an mir vorbei schleichen können? Nun, Mamoru-kun?"

"Ich weiß nicht wovon du sprichst!", rief ich und sprang wieder auf die Beine. "Was sollte das? Du hättest uns umbringen können!"

"Vom Mann, der Otogakure vernichtet hat, habe ich erwartet, dass er meiner Lava ausweichen kann, also beschwere dich nicht, Mamoru Morikubo." Sie lächelte, und das auf eine Art, die man durchaus mit restlos bezaubernd bezeichnen konnte.

Ich schnaubte aus. "Karin, mach weiter."

"Aber Mamo-chan, du kannst doch nicht gegen...", begann sie.

"Das ist ein Befehl!" Ich sah zu der Kunoichi herüber. "Sie darf doch gehen?"

"Mein Herr hat mir nicht befohlen sie aufzuhalten. Oder, Kyun?"

Der dicke Riese brummte bestätigend.

"Los, ab!", rief ich Karin zu.

Mit einem letzten Blick auf mich stürzte sie davon.
 

"Mir scheint, Ihr seid eurem Herrn etwas untreu, wie?"

Die Kunoichi lächelte. "Er besteht darauf, dass wir Anweisungen abwarten."

"Ach, wie praktisch in dieser Situation", kommentierte ich.

"Ja, nicht wahr? Sicherlich wird es ihn freuen, wenn ich ihm erzähle, dass ich deshalb den gegnerischen Anführer stellen konnte."

Der dicke Riese grunzte ärgerlich.

"Wir", korrigierte sich die Frau automatisch. Sie sah zu ihrem Kameraden herüber. "Willst du den ersten Versuch haben, Kyun?" Sie wandte sich wieder mir zu. "Du bist doch Feuer-affin, nicht wahr? Dann wirst du an Kyuns Attacke deine wahre Freude haben."

"Darf ich wirklich?", fragte der Dicke mit einem erfreulich angenehmen Tenor, der nun wirklich nicht zu seiner Gestalt passen wollte.

"Nur zu, sei mein Gast. Wenn er dir nicht wenigstens eine Minute stand halten kann, dann ist er meine Aufmerksamkeit nicht wert." Sie lachte leise. "Du brauchst übrigens keine Rücksicht auf die Gebäude nehmen. Sie sind leer."

"Oh. Gut." Diese beiden Worte, vom Dicken gesagt, waren so mit Genugtuung gesättigt, dass es einem Angst und Bange werden konnte. Zumindest für den Moment.

"Katon! Goukakyuu no Jutsu!"

Konsterniert starrte ich auf die Fingerzeichen, die der fremde Ninja formte. Kein Zweifel, er würde auslösen, was er gesagt hatte, und eine große Kugel aus Feuerplasma ausspucken, die normalerweise alles auf ihrem Weg verbrannte. Aber dieses Jutsu hatte ich schon mit dreizehn gemeistert. Ich fühlte mich ehrlich gekränkt, weil diese recht einfache Kunst mich aufhalten sollte.

Diese Kränkung hielt aber nur so lange an, bis ich sah, wie groß das Katon wurde. Schnell nahm es den ganzen Laufweg zur Burg ein, schnell schabte es an den umstehenden Häusern. Und schnell wurde mir klar, dass das Mistding, bis es sich aufgezehrt hatte den ganzen Weg bis zur Trutzburg gehen würde.

Kyun löste das Jutsu aus. Die Kugel, beachtliche fünfzehn Meter oder mehr groß, raste auf mich zu.

Mir blieb keine Wahl, ich musste versuchen, das Jutsu zu stoppen, wenn ich nicht die Gefangenen im Schloss gefährden wollte.

Ich bedeckte meine Hände mit meinen eigenen Flammen. Dann stemmte ich mich in die heran rasende Kugel. Sie trieb mich zwanzig, dreißig, vierzig Meter weit, die Hitze ließ mir den Schweiß auf die Stirn treten. Das war definitiv nicht das Jutsu, das mir die Augenbrauen weg gesengt hatte. Dieses war viel zu kalt. Auf der anderen Hand aber war es mächtig, wirklich mächtig. So, so, Kyun war also auch ein Katon-Nutzer. Dann würde es ein Kampf darum werden, wer die besseren Techniken hatte, das meiste Chakra, den stärksten Willen.

Als ich die Kugel endlich gestoppt hatte, begann ich selbst zu drücken, mein Chakra hinein zu pumpen. Damit setzte ich den Feuerball wieder in Bewegung, nur diesmal in die Höhe. Kaum zehn Meter über uns zehrte sich das Jutsu auf und explodierte in einer gigantischen Druckwelle, der ich nur entging, weil ich unter ihr stand, und damit im ruhigen Zentrum war. Ein Regen aus Feuer ging über den näheren Umkreis hernieder und setzte alles Brennbare in Brand.

Ich löschte das Feuer auf meinen Armen wieder, um Chakra zu sparen. Vielleicht war es jetzt eine gute Idee, einen Affenkrieger zu beschwören. Na, zumindest das Signal zum Angriff hatte ich mir gespart.
 

Vor mir rappelten sich die Kunoichi und der Shinobi wieder auf; die Druckwelle hatte sie von den Füßen gefegt.

"Nicht schlecht", kommentierte Kyun widerwillig. "Soll ich wirklich...?"

Die junge Frau grinste zufrieden und klopfte sich ein wenig Staub von der Kleidung. "Oh, bitte, sei mein Gast. Ich amüsiere mich gerade köstlich."

Das brachte mich zum Grinsen. Solange sie sich amüsierte, würde sie hier bei mir bleiben und meinen Leuten damit freie Hand geben, und das in einer Burg, deren Bewohner mit Löscharbeiten beschäftigt waren. Außerdem war ich sehr gespannt darauf, was Kyun mir noch zeigen würde. Und was die Kunoichi drauf hatte. Es versprach, keinesfalls langweilig zu werden.

***

Damals
 

Ryuji Nekozumi war nicht der Mann, der leicht genervt werden konnte. Sein Clan war ein chaotisches Konstrukt, das auf Stärke und Gehorsam beruhte. Seine Position im Clan war knapp unter seinem Vater, dem Anführer. Und es war abzusehen, dass er auch dann noch eine hohe Position inne hatte, sobald seine älteste Schwester Vater in den Ruhestand schickte, so oder so. Natürlich musste er sich dabei gegen Intrigen, Angriffe und dergleichen von oben und unten wehren. Ein schwieriges Leben, aber er war es gewohnt. Und dank seiner Gelassenheit, seiner kühlen Überlegung - und weil er das große Eisenschwert beherrschte - war er jetzt da, wo er war, knapp unter dem Clanführer. Er konnte wirklich sagen, dass ihm nichts geschenkt worden war, er hatte sich alles unter den strengen Augen seines Vaters erworben. Er war hart, knallhart. Aber nicht unbedingt ungerecht. Doch dieser Lebensstil war es, der die Nekozumis zum stärksten der sieben Clans machte, die deshalb im fragilen Machtgefüge des Reichs der Reisfelder so etwas wie eine Führungsposition einnahm. Zumindest, was die Außenpolitik anging. Und es war genau diese Außenpolitik, die ihm gerade zu schaffen machte. Und zwar so sehr, dass er wütend alle Karten vor sich vom Tisch fegte und anschließend ärgerlich auf die Holzplatte einhämmerte. "Verdammt!"

"Was ist denn los, Nekozumi-san?"

Ryuji Nekozumi ließ sich auf einem Schemel nieder, stellte einen Ellenbogen auf den Tisch und stützte die Stirn darauf ab. "Ach, es ist nichts. Nicht mehr als gestern oder vorgestern oder den Rest der Woche. Morikubo-tono kann überall sein, und ich habe nicht die geringste Spur zu ihm! Wir suchen und suchen, und der Clan droht mir damit, die Unterstützung zu entziehen, weil er die Aussage des Affen für nicht relevant hält. Vater wäre es am Liebsten, wir würden ihn für tot erklären, Konoha unser Bedauern aussprechen und die Sache damit beenden."

"Und das ärgert dich? Das wäre doch der einfachste Weg, oder?" Hinter ihm begann jemand, die Karten wieder einzusammeln.

"Natürlich wäre es der einfachste Weg! Aber ich finde, er hat es nicht verdient, so abgeschrieben zu werden! Die Konoha-Shinobi berichteten, dass er bereit war, sich für seine Leute zu opfern. Und wie wollen wir ihm das vergelten? Mein Clan steht gegenüber Konoha im Wort, um genau das zu tun, was ich hier mache - nach ihm suchen! Aber jetzt die Suche abzubrechen halte ich für Verrat. Vor allem an Morikubo-tono." Er seufzte lange und laut. "Aber mit der Handvoll Leuten kann ich eh nichts reißen. Ich habe ja nicht einmal einen Anhaltspunkt, an dem ich beginnen kann! Wie hat er es aus der Explosion raus geschafft? Wo ist er hingekommen? Wo ist er jetzt? Fragen über Fragen. Und mir fehlen die Helfer hinten und vorne."

"Na, dann wird es dich ja freuen, was ich zu berichten habe", sagte Rose und legte die Karten wieder auf den Tisch. "Ich bin gerade mit fünf Neun Mann-Zellen plus Chunin aus Konoha eingetroffen, um dir beim Suchen zu helfen."

Entsetzt fuhr Nekozumi auf, als er erkannte, mit wem er die ganze Zeit geredet hatte. "Rose-chan! Was machst du denn hier?"

Der Shinobi lächelte. "Nun, wir geben Mamo-chan auch nicht so einfach auf." Sie winkte hinaus.

Daraufhin betraten fünf weitere Konoha-Ninjas das Zelt.

"Also", sagte Rose und schürzte die Lippen, "bring uns auf den neuesten Stand. Wo hast du schon überall gesucht, und wo können wir weiter machen?"

***

Ich erwachte mit einem fürchterlichen Brummschädel. Es fühlte sich ein wenig so an, wie als wenn mein Kopf eine riesige Bronzeglocke wäre, und jemand hatte nichts besseres zu tun gehabt, als ein paarmal kräftig mit dem nächstbesten mannsdicken Baumstamm darauf einzuschlagen, um sie zum Schwingen zu bringen. Ich kannte dieses Gefühl, es war mir vage vertraut. Ich hatte die Erfahrung schon ein paarmal durchgemacht. Sie nannte sich totale Erschöpfung bei komplettem Chakra-Verlust. Also hatte ich mich wieder bis über mein Limit strapaziert und zahlte nun den Preis.

Dabei blieb aber eine wichtige Frage hängen: Wer war ich überhaupt?

Ich wusste was Bronzeglocken waren, kannte Bäume und Chakra. Aber mein eigener Name wollte mir nicht einfallen. Meine Identität wollte mir nicht einfallen. Dabei wusste ich genau, dass das für mich sehr wichtig war. Noch schlimmer, mir fehlte so ziemlich alles, was für einen direkten Bezug wichtig war. Familie, Freunde, Heimatort, all das kannte ich dem Namen nach. Aber ich konnte diese Begriffe nicht mit Personen, nicht mit Bedeutung füllen. Ein ganz klarer Fall von Amnesie, vermutlich verursacht durch einen schweren Schock. In meinem Beruf konnte das durchaus vorkommen. Tröstlich für mich war, dass Mutter einmal gesagt hatte, so etwas wäre meistens nur temporär und würde wieder weg gehen... Mutter? Für einen winzigen Augenblick dachte ich, das Bild einer lächelnden Frau an einem Küchentisch erhaschen zu können. Aber da war es auch schon wieder weg.

Also, rekapitulierte ich in Gedanken, was wusste ich? Definitiv war ich amnesiert, ich wusste nichts und gar nichts von niemandem. Zwar kannte ich Begriffe und Gegenstände, aber da mein Leben weg war, da meine Beziehungsverhältnisse komplett weg waren, war ich fast so hilflos wie ein Neugeborenes. Hm, immerhin wusste ich noch, dass ich ein Ninja war, sogar ein Chunin, was mich über die meisten Shinobi erhob und zu einem Anführer machte. Zu einem reichlich hilflosen, wie es ausschaute.
 

Alles Zögern half nichts. Ich musste mich meinen Problemen stellen, ich musste mich der Welt stellen. Und das bedeutete, dass ich, gerade frisch erwacht, meine Umgebung kontrollieren musste. Dazu öffnete ich meine Sinne, so weit ich konnte. Riechen, hören, fühlen. Meine sensorischen Fähigkeiten erwachten und wussten mir zu berichten, dass es eine starke Chakraquelle in gut zehn Metern Entfernung gab. Und eine kleine, untrainierte keinen Meter von mir entfernt.

Regelmäßiges Atmen verriet mir, dass die Person, die zum Chakra gehörte, schlief. Allerdings sehr unruhig, denn sie war immer wieder an der Schwelle zum Aufwachen. Ich sog den Geruch ein, der mich umgab. Sie hatte was von geschlossenen Räumen. Es ging kein besonders starker Geruch von der Person aus, daher schloss ich einen Mann oder eine Frau vorerst aus. Wahrscheinlich ein Kind. Das passte zur Größe des Chakras.

Vorsichtig öffnete ich die Augen. Tatsächlich ein Raum, nur halb beleuchtet durch ein Fenster, dessen Vorhänge zugezogen worden waren. Die Decke war schmucklos, lehmbraun und ohne Leuchtmittel. Ich sah an mir herab. Aha, ich lag also in einem Bett, und die Decke war mir bis zur Brust hoch gezogen worden. Die Brust war nackt, und das ließ eventuell auf den Rest schließen. Ein Gedanke, der mir Unbehagen bereitete, aber ich wusste nicht so recht, warum.

Ich sah zur Seite, erkannte das Kind. Langes, schwarzes Haar, vielleicht ein Mädchen. Acht oder neun Jahre alt.

In diesem Moment schreckte es wieder hoch und blinzelte für einen Moment verschlafen.

Ich vergaß, dass es besser gewesen wäre, die Augen noch geschlossen zu halten, bevor ich mir darüber im Klaren war, ob ich hier Gast oder Gefangener war, und deshalb kam es, wie es kommen musste. Das Mädchen wurde ganz wach, lief aus dem Zimmer und rief einen Erwachsenen. "Maria-chan! Er ist aufgewacht!"

Sofort merkte ich, wie die zweite Chakra-Quelle, die stärkere, trainiertere, den Standort wechselte und in meine Richtung kam. "Bist du sicher?", klang eine gutturale, weibliche Stimme auf, die mir sofort gefiel. Und sie kam mir sehr bekannt vor.

Sie trat durch die türlose Öffnung in das Zimmer. Sie, das war eine nicht zu große, schlanke und sehr schöne Frau mit einem gleichmäßigen Gesicht, einem schmalen Schädel, hohen Wangenknochen, fröhlich glitzernden grünen Augen - grün wie meine - und langem schwarzen Haar, das ihr wie ein Wasserfall auf die Schultern fiel. Sie trug einen Kittel und eine Schürze und trocknete sich gerade die Hände an einem Tuch ab. Hausarbeiten?

Ich sah ihr in die Augen. Wahrscheinlich war das ein guter Zeitpunkt, um herauszufinden, ob ich auch noch sprechen konnte.

Übergangslos stürzte sie an mein Bett, griff nach meiner Rechten, die auf der Decke lag, und drückte sie fest. "Mamoru-sama! Endlich! Oh, ich kann dir gar nicht sagen, wie froh ich bin, dass du endlich aufgewacht bist. Ich weiß nicht, was ich hätte tun sollen, wenn... Aber so ist es ja nicht gekommen! Du bist wieder wach!"

"Mamoru?", fragte ich. Ja, das brachte was zum Klingen. Ich mochte diesen Namen. Eventuell war es mein eigener, aber ich blieb vorsichtig.

"Erkennst du deinen eigenen Namen nicht mehr, Mamoru-sama?" Bestürzt rückte sie zum Kopfende vor und legte beide Hände auf meine Schläfen. "Himmel hilf, hier ist ja einiges durcheinander. Die Explosion muss dir fast dein ganzes Chakra weg gerissen haben, bevor ich uns raus teleportieren konnte. Ich hätte dran denken müssen, die Verbindung zu Guin schneller zu unterbrechen. Aber es waren noch nicht alle in Sicherheit, und deshalb habe ich gezögert." Wieder ergriff sie meine Hand. Tränen standen ihr in den Augen. "Und das auf deine Kosten, Mamoru-sama."

Okay, ich war mir ziemlich sicher, dass sie nicht log. Guin, der Name kam mir bekannt vor. Richtig, da war diese Kammer gewesen, der Mensch unter der Glasglocke. Etwas auf seiner Schulter war expandiert, und dann hatte er ein riesiges Chakra aufgebaut, das... Das...

Ich fasste mir mit der Linken an den Kopf. Neue Schmerzwellen rasten hindurch, und ich glaubte fast, selbst explodieren zu müssen.

"Ich glaube, das überfordert dich alles, Mamoru-sama", sagte sie leise. "Du solltest noch etwas schlafen, um dein Chakra zu ordnen und wieder zu Kräften zu kommen."

"Nein", sagte ich ernst und drängte den Schwindel, die Übelkeit und den Schmerz beiseite. "Ich... Erinnere mich an Guin. An sein Chakra. Daran wie ich versucht habe ihn zu stoppen. Daran, wie alles in einer Explosion puren Chakras verging... Und auch nicht. Was ist passiert?"

Maria setzte ein schüchternes Lächeln auf. "Verzeih mir, Mamoru-sama. Ich weiß, du wolltest nicht, dass ich mich in Gefahr begebe, aber ich war schon einmal in der Kammer, mit Kabuto-sama. Damals habe ich einen Spot gelegt, und das Gegenstück in den Wäldern, außerhalb der Reichweite der Explosion. Als die Konoha-Shinobi dann Guin als lebende Bombe auslösten und du versucht hast, ihn zu stoppen, um uns die Flucht zu ermöglichen - sogar den Shinobi aus Konoha - bin ich entgegen deines Befehls bei dir geblieben. Du dachtest sicherlich, ich wollte nur mit dir sterben, denn du wusstest ja nicht, dass ich schon einmal im Raum gewesen bin und einen Spot habe legen können." Sie musterte meine verwirrten Augen. "Tore zur Nebenwelt. Ich kann die Nebenwelt betreten und wieder verlassen. Wenn ich zwei oder mehrere Tore miteinander verbinde, kann ich sie als Weg benutzen. Das ist sehr anstrengend und Kräftezehrend, aber es war der einzige Weg, den ich gesehen habe, um dir das Leben zu retten, Mamoru-sama.

Für dich ist mir keine Kraftanstrengung zu groß. Du hattest Recht, Mamoru-sama, du hattest mit allem Recht. Wir waren nicht mehr als Arbeiter, als fleißige Bienen für Orochimaru-sama. Unsere Leben bedeuten ihm nichts. Ob wir leben oder sterben ist ihm egal. Er hat Otogakure genauso schnell aufgegeben, wie du vorhergesagt hast. Er hat uns verraten, uns, die wir ihm vertraut haben. Uns, die wir für ihn unsere Leben riskiert haben, um Konoha anzugreifen... Und dann, als wir ein primäres Ziel für Konoha geworden waren, wo ihre Ninjas über uns herfielen, wo war da Orochimaru-sama? Wo sein Leutnant? Wo unsere Jounin? Nur wer Orochimaru-sama noch etwas nützte, durfte zu ihm kommen. Alle anderen wurden der Vernichtung durch die Chakra-Bombe Guin preis gegeben. Hätten die Konoha-Nin nicht vorgehabt, ihre Gefangenen ins Reich des Feuers zu schaffen, hätte es noch viel mehr erwischt, und... Aber ich schweife ab. Du hattest Recht, und ich hatte Unrecht. Ich kann nur um Verzeihung bitten, um Vergebung für meinen blinden Gehorsam, für meine unangebrachte Begeisterung für Orochimaru-sama... Nein, ich nenne ihn ab jetzt nicht mehr Sama. Er hat sich nicht als würdiger Führer erwiesen. Du aber, Mamoru-sama, du hast dein Leben wissentlich riskiert, für uns alle. Du hast so viele Menschen gerettet, so viele, Freund wie Feind, es ist unglaublich. Zwar sind viele in Gefangenschaft geraten, aber die Nachrichten sagen, dass das Land des Feuers die Zivilisten anständig behandelt. Sie verurteilen sie nicht für den Angriff unserer Shinobi auf Konoha." Sie lächelte verkniffen. "Auch das hast du vorher gesagt. Und dennoch, wir..."

Sie zwinkerte, zwinkerte erneut und musste lachen. "Aber das weißt du ja gar nicht, weil ich es selbst organisiert habe! Als abzusehen war, dass Konoha angreifen würde, haben wir bei den Jounin die Evakuierung Otogakures durchgesetzt, erinnerst du dich daran? Nein? Nun, ich habe mich bemüht, heimlich und ohne Wissen der Jounin unsere eigene Evakuierung aufzustellen, die vornehmlich aus jenen Shinobi besteht, die gegen Konoha gekämpft haben und keine Gnade erwarten können. Wir haben Otogakure mit den Familien heimlich während des Trubels der eigentlichen Evakuierung in eine andere Richtung verlassen. Jetzt, im Moment, befinden wir uns in einem Sammellager, einer Zwischenstation, etwa zwei Tage von Otogakure entfernt. Oder dem, was davon übrig ist. Es sind jetzt acht Tage seit der Zerstörung des Ninja-Dorfs, und langsam wird es Zeit für uns, weiter zu ziehen. Wir wollten nur sichergehen, dass du transportfähig bist, Mamoru-sama. Und jetzt geht es dir bereits so gut. Oh, ich bin so dankbar."

Das Mädchen von eben lugte schüchtern durch die Türöffnung. "Geht... Geht es ihm gut?"

"Aber ja, Anne-chan. Du wirst sehen, bald ist er wieder bei Kräften. Und dann bringt er uns über die Grenze."

"Über die Grenze?", fragte ich verwirrt.

"Das Land der Reisfelder hat uns verständlicherweise aufgegeben. Aber damit habe ich gerechnet. Ich habe schon zuvor vorsichtige Verhandlungen mit einem der kleineren Ninja-Dörfer aufgenommen. Wenn wir es über die Landesgrenze schaffen, werden sie uns auf Probe aufnehmen. Sie..." Wieder zögerte Maria. "Ich weiß, dies ist meine Evakuierung, nicht deine. Du wärst lieber nach Konoha gegangen und hättest dich ihrer Gerichtsbarkeit gestellt. So warst du schon immer. Irgendwo weit oben, moralisch und ethisch, und ich war schon immer hier unten, nur das kleine hübsche Ding mit den falschen Werten. Aber diesmal wollte ich es richtig machen. Und ich habe gehofft... Ich habe gehofft, dass, wenn ich dich rette, dass du uns dann helfen wirst. Und dass du mit uns gehst. Dass du... " Sie wurde rot, bis zu den Haarspitzen. "Ah, das kann ich doch nicht sagen..."

Ich hob beide Augenbrauen. "Was nicht sagen, Maria-chan?"

"D-das... D-d-dass..." Sie versuchte sich an einem verlegenen Lächeln. "D-das du diesmal bei mir bleibst, Mamoru-sama! Hyaaaa, jetzt habe ich es wirklich gesagt!"

"Hä?"

Ihre Röte wich erschreckend schnell einer normalen Gesichtsfarbe, als sie mich konsterniert ansah. "Na, dass du... Dass wir... Ich meine, wir..." Sie seufzte. "Verzeihung, Mamoru-sama, ich vergesse immer wieder, dass du eigentlich noch so jung bist. Ich bürde dir immer viel zu viel auf deine Schultern, und jetzt komme ich auch noch mit einem Thema, das dich eigentlich gar nicht interessiert. Beziehungen zwischen Mann und Frau sind dir ja so was von egal..."

Nun wurde ich rot. "E-es ist nicht so, als wären sie mir egal, aber ich habe keine Erfahrungen auf diesem Gebiet. Ich hatte nie Zeit dafür." Stimmte das? Merkwürdigerweise hatte ich keine Zweifel an diesem Gedanken. So weit ging meine Amnesie dann wohl doch nicht. "Aber was hast du denn davon, ausgerechnet mit mir eine Beziehung zu führen? Ich meine, so ein hübsches Mädchen wie du, und dann ausgerechnet mit mir..."

Maria seufzte ergeben.

"Er ist genauso, wie du gesagt hast, Maria-chan", lachte das Mädchen.

"Ja, leider." Sie seufzte erneut. "Sagen wir, ich habe meine Gründe, Mamoru-sama. Wenn du also irgendwann einmal die Zeit findest, dich damit zu beschäftigen, bin ich gerne mehr als bereit, dir zu helfen, dich in das Thema einzuarbeiten. Und solltest du dann zu dem Schluss kommen, dass wir beide zusammen passen, dann..." Wieder errötete sie. "Dann sage ich nicht nein, bestimmt nicht."

Eines wusste ich mit absoluter Sicherheit. Das war der direkteste Antrag gewesen, der mir je gemacht worden war, oder von dem ich je gehört hatte.

Unsicher sah ich sie an. "Es ist vielleicht eine dumme Zeit, darüber nachzudenken, solange ich mein Gedächtnis verloren habe. Aber ich komme darauf zurück."

"V-versprochen?", fragte sie hastig.

"Du hast mein Wort."

"Wirklich?" Freudestrahlend ergriff sie meine Rechte erneut und drückte sie auf ihren Brustkorb. Dabei bemerkte ich zum ersten Mal die wunderbaren Proportionen, die sie dort hatte.

Ich hüstelte verlegen. Wie kam ich aus der Nummer wieder raus? Vorerst zumindest?
 

"Ich würde gerne aufstehen", sagte ich statt einer direkten Antwort. Wie ich erwartet hatte, war Maria sofort besorgt. "Aber das geht nicht! Du bist noch zu geschwächt, Mamoru-sama!"

Ich richtete mich auf und versuchte dabei zu ergründen, ob ich vielleicht vollkommen nackt war.

"Mein Chakra-System ist stabil, und ich fühle mich kräftig genug. Ich habe nicht mal Hunger. Doch, Maria, ich würde jetzt gerne aufstehen."

"Natürlich, Mamoru-sama. Anne-chan, bring uns den Yukata."

"Bin schon weg."

Es dauerte nur wenige Sekunden, dann war das Mädchen mit dem Mantel zurück. Ein ausnehmend schlichtes graues Stück, wie Bauern zu tragen pflegten. Mit einem knappen Danke nahm ich ihn entgegen, zog ihn über die Schultern und gurtete ihn über dem Bauch fest. Dann schlug ich das Deckbett zurück, registrierte erleichtert die Unterwäsche und schwang die Beine aus dem Bett. Mit sicherem Schritt stand ich auf. Ungewöhnlich für einen Mann, der am Ende seiner Chakra-Reserven war, aber ich nahm es hin.

"Vorsichtig, Mamoru-sama", sagte Maria hastig und trat neben mich. Sie stützte mich nicht, drängte sich nicht auf, wie ich zufrieden feststellte. Aber sie stand neben mir, bereit mir zu helfen.

"Hier, Mamoru-sama", sagte das Mädchen und hielt mir ein kurzes Schwert in einer Holzscheide hin. "Maria-chan sagt, du magst lieber Kunais, aber ich denke, dieses Wakizashi macht mehr her."

"Danke", murmelte ich und verstaute die Waffe in meinem Gürtel. Ich kannte diese Dinger. Sie wurden von Soldaten und Samurai benutzt, und man schliff sie so scharf, dass ein Rasiermesser dagegen stumpf wirkte.

"Das solltest du auch anlegen", sagte Maria und reichte mir einen Stirnschutz. Ich nahm ihn entgegen. Die Viertelnote von Otogakure prangte darauf, das Zeichen dafür, dass ich ein stolzer Shinobi dieses Ortes war. Aber ein Kunai oder ein Schwert hatte zwei lange und tiefe Kratzer mitten hindurch gerissen und bildeten ein X, dessen Zentrum sich auf der Note befand.

"Nanu?", fragte ich.

"Das Zeichen dafür, wo wir herkommen, und dafür, wohin wir nie wieder gehen werden", erklärte Maria. "Wir sind jetzt Nukenin, Mamoru-sama. Zumindest, bis uns ein anderes Dorf aufnimmt. Für uns ist es der Beweis, das wir mit Orochimaru gebrochen haben."

Seltsamerweise zögerte ich nicht eine Sekunde, dem zuzustimmen. Nichts verband mich mit diesem Namen, außer einem leichten Ärger, wann immer dieser Name genannt wurde.

Ich legte den Stirnschutz an, und seltsamerweise fühlte ich mich jetzt erst komplett.

"Also gut", sagte ich, "schauen wir uns die anderen mal an."

***

"Schön, dass du wieder gesund bist", rief Karin beinahe fröhlich zu ihrer Partnerin, während sie mit Steps über die grasbewachsene Ebene jenseits der Wälder hetzten.

Ikuko Kenda schenkte der Jüngeren ein Lächeln. "Ich wäre schon bei der Mission gegen Otogakure dabei gewesen, wenn die Medi-Nin mich gelassen hätten. Aber nein, ich war ja soo schwer verletzt. Und was ist jetzt, nur einen knappen Monat später? Jetzt bin ich gesund genug, um wieder in den Einsatz zu gehen? Also, wenn du mich fragst, dann hat Konoha entweder wahre Zauberkünstler als Ärzte, die das Unmögliche vollbringen können, oder diese Quacksalber haben mich übermäßig geschont."

"Ich hätte dich auch gerne gegen Otogakure dabei gehabt", gestand Karin. "Vielleicht hättest du heraus gefunden, was selbst den ANBU nicht gelungen ist. Wir wissen noch immer nicht, wie Mamo-chan aus der Explosion verschwunden sein kann. Wir wissen nur, dass er es ist und noch lebt." Sie brummelte etwas Unverständliches.

"Was? Ich habe das nicht verstanden, Karin-chan", sagte Ikuko.

"Ich habe gesagt, dass ich ihn das nächste Mal übers Knie legen werde, wenn er es wieder wagt, mich fortzuschicken!", murrte sie. "Wir sehen ja, wohin das führt."

"In Chaos, Explosionen und... Hatte ich Chaos schon? Also eben typisch Mamoru", spöttelte die sensorische Kunoichi.

Die beiden Frauen sahen sich an und lachten.

"Es explodiert vielleicht nicht ganz soviel bei ihm wie bei den Jounin", fügte Karin mit todernster Miene an, "aber ich sehe da durchaus Potential. Bei den Explosionen, meine ich."

"Durchaus, durchaus", pflichtete Ikuko ihr bei. "Und in den anderen Dingen? Wie sieht das Potential da aus?"

"Hä? Was meinst du? Ob er Chancen hat, Jounin zu werden?"

Ikuko lächelte verschmitzt. "Das steht doch hoffentlich außer Frage. Dieser kleine Tiefstapler soll doch bestimmt gleich nach seiner Rettung erneut befördert werden. Nein, was ich meine, das bist du, Karin. Denkst du, er lernt irgendwann mal, was er an dir hat? Und an Hanako?"

"Oh, das." Karin stoppte, und auch Ikuko hielt an. "Ich bin mir sehr sicher, dass er weiß was er an Hana-chan und mir hat. Als Ninjas. Was uns als Frauen angeht, so bin ich mir nicht so sicher. Ich meine, er war damals in Kumogakure zusammen mit Omoi im Frauenbad, um zu spannen, also hat er schon mal nackte Frauen gesehen. Das war vielleicht der Fehler, denn jetzt sieht er uns nicht mehr als Frauen an. So konturlos und flach, wie wir sind."

Ungeniert griff die Ältere der Kunoichi an den Brustkorb. "DAS nennst du flach? Manche erwachsene Frau würde sich da gerne eine Scheibe von abschneiden. Und ein gebärfreudiges Becken hast du auch. Ich schätze, du musst dich nur besser präsentieren. Sieh dir Hana-chan an. Sie hat weniger Oberweite als du, aber sie trägt immer enge Oberteile, damit es nach mehr aussieht. Und wenn du Recht hast, und unser Mamo-chan auf solche Reize fixiert ist, dann muss ihm das auffallen, wenn du engere Sachen anziehst."

"Aber das ist unvorteilhaft für einen Shinobi, wenn die Sachen zu eng sind."

Ikuko lachte laut auf. "Sag das mal nicht Mighty Guy. Der schwört auf seinen grünen, extra engen Kampfanzug. Und er hat Recht damit. Also, vielleicht probierst du es mal mit einem engen Top und darüber ein Netzhemd, das könnte ihm gefallen."

"M-meinst du wirklich?"
 

"Ähemm!", hörten sie eine herbe Männerstimme neben sich.

Sie fuhren erschrocken herum und starrten Kaminari ins Gesicht. Der erfahrene Nukenin sah die beiden mürrisch an. "Abgesehen davon, dass wir den Mann gerade suchen, dessen Lernfähigkeit und dessen Augen Ihr gerade bewertet, solltet Ihr dieses Gespräch doch besser in eure Freizeit verschieben." Er deutete hinter sich, wo fünf Männer und drei Frauen standen, und mehr oder weniger peinlich berührt zur Seite blickten. "Die Jungs kriegen rote Ohren, wenn Ihr so weiter macht. Habt Ihr vergessen, dass Ihr in einer Neunerzelle unterwegs seid?"

"Was kann ich denn dafür, dass Ihr so steif und verklemmt seid?", stichelte Ikuko. "Außerdem sind wir Kunoichi Konohas nicht zu Unrecht sehr stolz darauf, dass wir die bestgekleidetsten Kunoichis der fünf großen Reiche sind."

Leise Zustimmung der anderen drei Frauen klang auf.

"Wie auch immer. Auf jeden Fall sollten wir jetzt weiter suchen, Karins Oberweite hin oder her." Er räusperte sich verlegen. "Und ja, da wird manche erwachsene Frau neidisch. So, jetzt aber weiter im Text. Jeder kleine Hinweis kann entscheidend sein. Wir dürfen nichts übersehen! Karin-chan, du bist die Chunin auf Probe. Du musst uns... WHOA!"

Die junge Akimichi war bei Kaminaris Worten tüchtig errötet. Als sie seinen Entsetzensschrei hörte, reagierte sie aber sofort und griff mit ihrem Körperjutsu zu, bevor der Ninja in den bodenlosen Schacht fallen konnte, über den er im wahrsten Sinne des Wortes gestolpert war. Aus den Tiefen klang scheppernder Lärm auf, als der Deckel, der nur ungenau aufgelegen hatte und für Ryu beinahe zur Todesfalle geworden war, aufschlug.

"Danke, Karin-chan. Das war knapp. Was ist das hier?"

"Ein Schacht, hier mitten in der Wildnis?" Karin ließ Ryu wieder los und trat an den Schacht heran. Sie griff in einen ihrer Beutel und zog ein Feuerzeug hervor. Dann rupfte sie trockenes Gras, drehte eine Fackel und entzündete sie. Das Feuer ließ sie in den Schacht fallen. "Unten scheint ein Gang zu sein."

"Und wir haben Lampen", rief Ikuko aufgeregt. "Das ist unsere erste Spur! Sehen wir uns das an!"

"Natürlich sehen wir uns das an", erwiderte Karin. "Und ich wünsche mir gerade, wir hätten den kleinen Hyuuga diesmal auch mitnehmen dürfen, wegen der Byakugan. Ryu, du darfst zuerst."

"Das habe ich kommen sehen", murmelte er, griff nach seiner Lampe, aktivierte sie und kletterte in den Schacht. "Aha, eine Leiter. Ungefähr in einem Meter Tiefe. Da sollten wir alle ran reichen. Keine Anzeichen von Fallen." Er kletterte tiefer, bedächtig, sich immer wieder umsehend. Aber nichts passierte. Es wurden keine Fallen ausgelöst. Schließlich erreichte er den Boden und damit den Schacht. "Fußspuren!", rief er hinauf. "Von mindestens einer Frau und zwei Männern! Dazu Schleifspuren, die zwischen den beiden Männern verlaufen! Der Gang mündet in einem Gewölbe! Und wurde schon ewig nicht mehr gelüftet!"

"Schleifspuren zwischen den beiden männlichen Fußspuren?", fragte Ikuko aufgeregt. "So als wenn zwei Männer einen dritten zwischen sich getragen hätten."

Karin aktivierte ihr Funkgerät. "Rose? Karin hier. Es scheint, wir haben so etwas wie eine Spur gefunden. Kaminari ist im wahrsten Sinne des Wortes darüber gestolpert. Wir brauchen Inari oder einen der anderen sensorischen Ninjas hier. Und schick uns bitte Perine herüber. Ja, danke."
 

Zehn Minuten später stand die Anführerin der Suchexpedition selbst im Gewölbe, neben ihr die Affenkriegerin in ihrer menschlichen Gestalt. Das Affenmädchen sog die stickige, staubige Luft tief in die Lungen ein - und musste husten, um den Dreck wieder aus ihren Atemwegen heraus zu befördern. "Verdammter Mist! Dämlicher Staub! Orochimaru könnte hier ruhig mal wischen lassen. Aber er war hier, definitiv."

"Wer?", fragte Kaminari verständnislos. "Orochimaru?"

"Nein, du Depp! Mamo-chan war hier!", rief P-chan entrüstet. "Was meinst du, wen wir hier suchen?"

"Aber das Gewölbe hat nur einen Zugang", murmelte Rose und suchte die Wände ab. "Ein geheimer Zugang? Irgendwo? Eine Falltür oder dergleichen? Hm, nein. Nein, auch hier nicht. Dies hier ist ein gemeines Zwischenlager, nicht mehr und nicht weniger. Es ist leer und in einem schlechten Zustand. Es wurde aufgegeben, schon vor Jahren. Aber Mamoru war hier... Nur wie ist er hinein gekommen? Haben sie hier übernachtet, gerastet?"

"Hier!", klang die Stimme von Inari auf. Er stand in der Mitte des Gewölbes. "Hier ist etwas!" Er legte eine Hand auf den Boden und leitete Chakra hinein. Beinahe sofort leuchtete ein Bannkreis auf."

"Das ist ein Tor", sagte Karin bestimmt. "Ein modifizierter Kreis zur Beschwörung von Kontraktpartnern."

"Okay. Ich glaube, wir kriegen so langsam eine Ahnung davon, wie Mamoru überleben konnte. Nur kann er das nicht selbst angeleiert haben, oder?", fragte Rose.

P-chan sah entsetzt auf. "Maria! Sie soll bei ihm gewesen sein, bis zu Schluss! Wenn er in ihrer Hand ist, dann..." Entsetzt warf sie sich herum und versuchte zum Schacht zu kommen.

Rose griff kompromisslos zu und hielt sie am Kragen fest. "Ruhig, Mädchen, ruhig. Alleine kopflos drauflos stürmen hilft ihm auch nicht. Wir wissen aber jetzt, wo er Otogakure verlassen hat, und das engt die Suche ein wenig ein. Wenn wir jetzt geordnet vorgehen, werden wir ihn viel schneller finden, als wenn du planlos einher stürmst."

Die Affenkriegerin gab nach. "Du hast ja Recht. Aber Maria, verstehst du das nicht, Maria! Oh, wenn ich mir vorstelle, was sie alles mit ihm anstellen kann, wird mir Angst und Bange! Die beiden sind Todfeinde."

"Sie hat ihn gerettet, also will sie nicht sofort seinen Tod", sagte Rose ernst. "Dafür sollten wir dankbar sein. Das gibt uns die Chance, ihn zu retten." Sie rieb sich die Nasenwurzel. "Egal was sie ihm antut, solange er lebt, hat sie nicht gewonnen."

Karin nickte dazu bedächtig, und versuchte zu verbergen, wie sehr sie zitterte...

Feuerregen 13

Heute
 

Suzume wirbelte durch die Burgküche, dass es einem schwindlig werden konnte, wenn man zusah. Zuerst hatte sie den kompletten Holzboden gewischt. Dann hatte sie die großen Töpfe geschrubbt, bis diese eingesehen hatten im Nachteil zu sein, und das erste Mal seit Jahren Glanz angenommen. Anschließend hatte sie sich mit Feuereifer auf das Essen gestürzt, das hier für das ganze Schloss und all seine Bewohner zubereitet wurde. Harusame brüstete sich gerne damit, dass er niemals besser aß als der rangniedrigste seiner Leute... Was dazu führte, das man in seiner Burg verdammt gut zu speisen pflegte. Und es sah ganz so aus, als würde es heute noch eine Spur besser werden, wenn man bedachte, wie raffiniert die junge Frau die Speisen abschmeckte.

Die anderen Leute im Raum, Köche, Köchinnen und deren Handlanger, fühlten sich nicht nur an den Rand gedrängt, sie kamen auch nicht mehr aus dem Staunen heraus.

"Bist das wirklich du, Suzume?", fragte eine der Frauen maßlos erstaunt. Sie war eines der Mädchen, die im Vorjahr entführt worden waren, und sie hatte die kleine Schwester der Frau des Dorfvorstehers irgendwie anders in Erinnerung.

Irritiert starrte das Mädchen die Ältere an. "Wer sollte ich denn sonst sein?"

"A-aber du bist so schnell und so fleißig. Und du kochst so gut."

"Ach, das", sagte sie und winkte ab. "Kochen hat mir Tsubasa-oneechan beigebracht. Und gearbeitet habe ich doch schon immer viel und gerne." Sie verschwieg wohlweislich, dass die Arbeit ihr half, auf andere Gedanken zu kommen, nicht dauernd an Akiras scheußlichen Tod zu denken und mit ihrer Angst fertig zu werden. Allerdings war es für sie schon eine Erleichterung zu wissen, dass das blonde Flittchen nicht hier bei ihr in der Küche war, sondern irgendwo weiter oben.

"Davon habe ich nie was mitgekriegt", sagte die junge Frau.

Für einen Moment hielt sie inne, während sie bereits die zehnte Pfanne Takoyaki briet. "Das wundert mich überhaupt nicht. Ihr habt ja immer nur gesehen, was Onee-chan gemacht hat. Ich war ja nur das Anhängsel." Sie überspielte ihrer Bitterkeit mit einer aufgesetzten fröhlichen Miene. "Aber eine gut getane Arbeit ist ja Lohn genug. So, die Takoyakis sind auch fertig. Ah, mein Feuer geht aus. Ich werde Holz hacken."

"Warte", sagte das andere Mädchen, "das kann ich doch..."

"Du musst doch auf den Reis für die Sashimi aufpassen. Das geht schon."
 

Sie floh mehr als das sie ging auf den kleinen Platz hinter der Küche, der von zwei Kasernen zu einer Art Innenhof zusammengedrängt wurde. Dort stand fertig gespaltenes Holz bereit, das sie nur noch reintragen musste. Aber ihr war nach etwas körperlicher Arbeit. Beobachter mochten meinen, dass sich die junge Frau in nur einem halben Tag gut eingefügt hatte und ihr neues Leben genoss. Aufmerksame Beobachter aber würden auf ihre Hände hinweisen, die zitterten, wenn Suzume nichts zu tun hatte. Sie war verängstigt, bis ins Mark, sie hatte Angst davor, was ihr passieren würde, und sie sah ihre einzige Chance, am Leben zu bleiben darin, unverzichtbar zu werden und niemandem zur Last zu fallen. Auch deshalb hackte sie ihr eigenes Holz. Es wäre undenkbar schlecht für sie gewesen, hätte jemand anderes Anspruch auf die fertigen Stücke erhoben, und sie hätte sie fortgenommen. Außerdem hatte sie schon immer das Holz gehackt, und darin war sie richtig gut. Also stellte sie einen Klotz auf den großen Stumpf, fasste die Hauklinge fester und ließ sie auf das Holz nieder sausen. Sie spaltete es schon nach dem ersten Schlag zur Hälfte auf. Also nahm sie Beil und Klotz hoch und schlug beides erneut nieder. Das Holz war halbiert. Sie sammelte beide Hälften auf und stellte eine hochkant hin, um erneut zuzuschlagen. Mit Schwung holte sie aus und... stockte?

Erstaunt fuhr sie herum. Hinter ihr stand ein Soldat des Daimyos, und hielt den Stiel der Hauklinge umfasst. Es war ein großer, breitschultriger Kerl, der auf den ersten Blick zumindest annähernd sympathisch wirkte. "Na, na, mit scharfen Dingen spielt man nicht, Mädchen. Hat dir das keiner beigebracht?"

Erschrocken ließ sie das Beil fahren, fuhr drei Schritte zurück und wurde von der Wand einer Kaserne gestoppt. Hastig verbeugte sie sich. "En... Entschuldigung. Ich wollte niemanden gefährden. Ich wollte nur meine Arbeit machen. Ich... ich..." Sie spürte, wie ihr die Tränen in die Augen stiegen. Akira, verdammt, wo war er, wenn sie ihn am Nötigsten brauchte?

"Keine Sorge, ich bin dir nicht böse, Mädchen", sagte der große Kerl und schlug mit nur einer Hand nach dem Holz. Er spaltete es und versenkte die Klinge auf der ganzen Länge im Hackklotz. Bedächtig kam er näher und ergriff ihr Kinn mit der Rechten. "Du bist eine von den Neuen, oder? Ich habe dich vorher nicht gesehen, und glaube mir, dieses hübsche Gesicht würde ich wiedererkennen. Wie alt bist du, Mädchen?"

"V-v-v-vierzehn", stammelte sie. Akira, wo war nur Akira? Ach ja, tot.

"Und wie ist dein Name?", fragte er, während er ihr Gesicht hin und her drehte, um es von allen Seiten zu betrachten.

"Suzume!"

Sie fuhren beide zur neuen Stimme herum. In einer der Türen zur Kaserne stand ein kleinerer, schlanker Mann. In seinen Augen blitzte Ärger, und diese merkwürdige Abzeichen auf seiner Brust wiesen ihn als jemanden aus, der kein gemeiner Soldat war. "Ihr Name ist Suzume. Und sie mag keine älteren Männer, also schlag sie dir gleich wieder aus dem Kopf, Tohou."

Langsam löste der Ältere die Hand von Suzumes Gesicht. "Ich war nicht gemein zu ihr, Gun-so", verteidigte er sich.

"Das habe ich dir auch nicht unterstellt. Hast du nicht irgendwas zu tun?" Sein Blick wurde ernst, geradezu zwingend.

Der Ältere schrumpfte unter diesem Blick merklich zusammen. "Ach, da war ja noch was. Richtig, wir haben gleich eine Schwertübung, an der ich teilnehmen muss. Nichts für ungut, Gun-so, aber ich muss los. Also, Mädchen, sei weiter so schön fleißig, ja?" Er winkte und verschwand hinter dem Neuen in der Kaserne.
 

Suzume begann zu schluchzen.

"Alles in Ordnung bei dir?", fragte der Junge professionell. Sie schluchzte nur noch mehr.

Er wollte ihr beruhigend eine Hand auf die Schulter legen, aber sie zuckte vor ihm zurück.

"Also, das verletzt mich jetzt wirklich, Suzume-chan. Ich meine, wir haben zusammen gespielt, und jetzt behandelst du mich, als würdest du mich nicht mehr kennen?"

Sein Tonfall war derart beleidigt, dass es sogar Suzume in ihrer Angststarre erreichte. Sie sah auf. "Tsuyoshi-kun?"

Er unterdrückte ein prustendes Lachen. "Jetzt sag bloß, du hast mich nicht erkannt, Suzume-chan."

"Wer sollte das denn können? Groß bist du geworden, und so breit im Rücken. Und so ernsthaft. I-ich... Da ist nicht mehr viel von dem Jungen, mit dem ich gespielt habe. Und du bist in dieser Rüstung nicht wiederzuerkennen." Misstrauisch sah sie ihn an. "Was ist ein Gun-so?"

"Oh", machte er, bevor er leise zu lachen begann. "Ein Anführer. Ich kommandiere drei Trupps mit je zehn Mann."

"Du hast Karriere gemacht", stellte Suzume fest.

"Ich musste", sagte Tsuyoshi fest. "Meine eigene Schwester kann ich nicht beschützen. Sie ist oben im Palast und... Dient dem Daimyo direkt. Aber die anderen, für die muss ich da sein. Also habe ich mich angestrengt, und sieh mich an was ich heute bin. Ich kommandiere die Soldaten, die mich noch vor einem Jahr entführt haben. Und ich passe, so gut ich kann, auf meine Freunde auf. Ich hoffe, das nimmst du mir nicht übel."

"Nein, aber... Was ist mit Tsukasa? Sie dient dem Daimyo?"

"Es ist etwas schwierig zu erklären. Und du willst das auch nicht genauer wissen. Aber eines verspreche ich dir. Wenn dich irgendjemand dumm anschaut, wenn dir jemand zu nahe tritt, sag ihm, dass du unter dem Schutz von Gun-so Tsuyoshi stehst. Selbst die Offiziere sollten sich dann zweimal überlegen, was sie sich trauen."

"Und der Daimyo? Was ist mit dem?"

Tsuyoshis Gesicht wurde aschfahl. "Ich fürchte, vor dem kann ich dich nicht beschützen. Aber bald, da..." Er verstummte. "Auf jeden Fall passe ich auf dich auf. Das verspreche ich dir."

"Danke. Das ist nett von dir. Das hätte ja eigentlich Akira machen müssen, aber..."

Misstrauisch hob er eine Augenbraue. "Akira? Wer ist das? Und wieso soll er dich beschützen?"

Sein Tonfall erweckte Suzumes Trotz. "Akira ist mein neuer großer Bruder. Er hat versprochen, mich zu beschützen. Und das hätte er auch eingehalten, wenn..."

Das wütende Schnauben Tsuyoshis unterbrach sie. "Wie hätte er dich beschützen können? Diese Burg ist uneinnehmbar. Man kommt nicht hinein. Und selbst wenn man bereits drin ist, stehen fünfhundert Soldaten bereit. Dein Akira hätte so oder so keine Chance gehabt."

Sie wollte sagen, dass Akira getötet worden war, sie wollte sagen, dass sie seine Hinrichtung und Hanakos hysterischen Jubel gehört hatte, aber zum Trotz kam nun auch verletzter Stolz. "Akira-oniichan hätte es geschafft", sagte sie in wehleidigem Ton.

"So? Glaubst du tatsächlich, dieser Akira hätte es bis in die Burg geschafft? Und was dann? Würde er alle Soldaten des Daimyos alleine besiegen? Wie das denn?"

In genau diesem Moment sah Tsuyoshi eine große Flammenkugel in die Luft steigen und explodieren. Instinktiv nahm er Suzume schützend in die Arme und warf sich über sie auf den Boden. Die Druckwelle kam kurz darauf und schüttelte beide durch. "Verdammte Shinobi!", keuchte er, kaum das er wieder Luft bekam. "Warum packen sie ihr starkes Kaliber aus?"

In Suzume stieg die Hoffnung. Eine irrwitzige Hoffnung, entgegen besserem Wissen. Entgegen jeder Erfahrung. Entgegen der Realität. "Akira", hauchte sie, und mit jeder Faser ihrer Seele hoffte sie.
 

"Suzume-chan?", klang hinter ihr die Stimme eines Mädchens auf, das sie nicht kannte.

"Uärgs!", machte Tsuyoshi, als er von eine gigantischen Hand hochgehoben wurde. "Was macht dieser Kerl da mit dir?"

Als wenn die Situation nicht schon verzwickt genug gewesen wäre. Sie fuhr herum und sah diese schöne schwarzhaarige Frau mit dieser tollen Oberweite und dem hübschen Gesicht. Sie trug die Kleidung einer Shinobi, und auf ihrer Stirn prangte der berühmte Stirnschutz Konohagakures. Einer ihrer Arme war ins Riesenhafte vergrößert. Damit hielt sie Tsuyoshi etwa auf Augenhöhe vor sich. Ihr Blick war... Rachsüchtig war noch zu schwach. Suzume kannte das schöne Mädchen nicht, aber sie mochte sie sofort. Und erkannte, was gerade geschah.

"Tu Tsuyoshi bitte nichts!", rief sie hastig. "Er hat mich doch nur vor der Explosion beschützt! Und er stammt aus meinem Dorf!"

"Oh", machte die Frau. "Oh. Ach so." Sie setzte Tsuyoshi wieder auf dem Boden ab und lächelte verlegen. "Tut mir leid, da habe ich wohl was missverstanden. Ahahaha. Aber egal, damit habe ich ja schon zwei gefunden." Sie sah zu Suzume herüber. "Suzume-chan, Mamo... Ich meine, Akira schickt mich. Ich soll dich suchen und beschützen, während er mit den Kiri-Nin kämpft."

"Moment mal, ich verstehe hier gar nichts mehr! Was ist hier eigentlich los?", rief Tsuyoshi aufgebracht.

"Akira? Er ist hier? Aber er wurde doch..."

"Ich kann das alles erklären. Alles", sagte sie in Tsuyoshis Richtung. "Wir sind ein Team aus Konoha. Genta hat uns angeworben, um dich zu beschützen, Suzume-chan, und um euch zu retten, Tsuyoshi-kun. Glückliche Sache, dass ich gleich über euch beide gestolpert bin. Kannst du deine Kameraden zusammenziehen, die auch aus Gentas Dorf stammen, Tsuyoshi?"

"Ja. Ja, ja, das geht! Soll ich das gleich machen?"

"Das wäre keine schlechte Idee. Nehmt die Stirnbänder ab, und legt die Rüstungen ab, damit Ihr nicht zwischen die Fronten geratet."

"Halt! Akira ist hier?", rief Suzume. "Aber wie?"

Die hübsche Frau lächelte. "Ich weiß, das hörst du jetzt nicht so gerne, aber Hana-chan ist auch eine Shinobi. Sie hat den Banditen vorgegaukelt, sie hätten Akira getötet. Dann ging sie mit, um dich zu beschützen, Suzume-chan. Weißt du zufällig, wo sie ist?"

Suzume schluckte heftig. Alles was sie glaubte, alles was sie wusste, wurde nun mit einem Schlag auf den Kopf gestellt. Und Hanako war gar nicht das blutrünstige Monster, sondern hatte sie beschützt. Das machte Sinn, wenn sie zurückdachte, wie es ihr ergangen war, seit sie das Dorf verlassen hatten. Hanako war immer in ihrer Nähe gewesen und hatte die Banditen von ihr abgelenkt. Aber was noch viel wichtiger war, Akira lebte noch! Er war nicht tot! Nicht tot! Träume wurden also doch wahr! Und das hatte er gemeint, als er das letzte Mal mit ihr gesprochen hatte! Oh, sie war froh, so froh... Und fühlte sich, als hätte jemand sie mit Eiswasser übergossen. "Hana-chan ist beim Daimyo", sagte sie mit fahler Stimme. "Und ich weiß nicht, was er gerade mit ihr macht."

"Beim Daimyo also?" Das Mädchen lächelte fies. "Na, dann hat der nichts zu lachen. Ich bin übrigens Karin. Nennt mich so. Und jetzt bring mich in die Küche, Suzume-chan, und zeige mir alle jungen Leute aus deinem Dorf. Tsuyoshi-kun, beeile dich, um deine zu finden. Hier wird es gleich von Ninjas wimmeln, und wir sind nicht zimperlich."

"Ich habe verstanden. Ich vertraue dir Suzume-chan an! Pass gut auf sie auf. Sie ist mir lieb!", rief er und stürzte die Straße hinab, zu den Baracken, die seinen Freunden als Unterkunft dienten.

Suzume errötete.

Karin unterdrückte ein Auflachen. Hatte Onii-chan hier etwa Konkurrenz um Suzumes Gunst? Nun, ihr konnte das nur Recht sein. Sie hatte absolut keine Lust, den Mamoru-Pakt auf sechs Frauen zu erweitern. "Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren, Suzume-chan."

"U-und was ist mit Akira?", fragte sie.

"Du glaubst doch nicht, das er verlieren kann?"

"Nein", hauchte Suzume, und so etwas wie Stolz überschwemmte sie.

"Na, dann machen wir uns mal an unseren Teil der Arbeit", sagte Karin fröhlich.

***

Hanako stieß einen Laut äußersten Missfallens aus. Irgendwas lief da doch wieder nicht nach Plan. Ob einer der Genin gepatzt hatte? Oder war Mamoru geradewegs in die Kiri-Nin gelaufen? Egal. Der nächste Schritt war nun, die Frauen aus Gentas Dorf zu finden und zu beschützen. Also ging sie auf die Haremsfrauen zu. Tsukasa würde wissen, ob noch eine weitere aus Gentas Dorf unter ihnen war. Und ob sie überhaupt würde mitkommen wollen. Und wo sie die anderen suchen mussten.

"Tsukasa!", rief sie bereits von Weitem.

Eine kräftige Hand legte sich auf ihre Schulter. "Warte in meinen Gemächern auf mich. Das wird nicht lange dauern", sagte der Daimyo.

"Ich habe jetzt keine Zeit für dich, du armer Trottel", sagte sie und wischte die Hand von ihrer Schulter.

Erschrockenes Raunen ging durch die Männer und Frauen in der Halle.

Der Daimyo starrte sie konsterniert, geradezu entsetzt an. Dann machte er einen Schritt auf sie zu. "Wie kannst du es wagen..."

Hanako machte ebenfalls einen Schritt auf ihn zu, stellte das rechte Bein in seine Gangrichtung zwischen die Beine des Daimyos. Dann drehte sie ihren Körper in seinen hinein, ergriff mit beiden Händen seinen rechten Arm und zog ihn über ihre rechte Schulter stramm. Dann, in einer fließenden Bewegung, beugte sie sich vor und schleuderte den Daimyo über sich hinweg. Er schlug hart auf dem Rücken auf und ließ vor Schmerz die Luft aus den Lungen.

Doch Hanako war noch nicht fertig. Sie hatte noch immer sein Handgelenk in der Rechten. Sie streckte den Arm des am Boden liegenden durch, kippte das Handgelenk nach vorne und drehte die Hand nach außen, bis Harusame vor Schmerz aufschrie. Mit ihrer üblichen Arroganz verschloss sie den Mund des Daimyos mit ihrem rechten Fuß. "Jetzt hör mal genau zu, du Dummkopf. Ich bin eine Kunoichi aus Konoha mit dem Auftrag, deine Burg in Schutt und Asche und dir das Handwerk zu legen. Verhalte dich still, dann lasse ich dich am Leben. Wage es, mir meine Arbeit zu erschweren, dann verlierst du mindestens dein hübsches Gesicht. Hast du das gefressen?"

Der Daimyo antwortete nicht. Stattdessen schien er zu lächeln.

"Ob du das verstanden hast, du Idiot?"

"Äh, Hana-chan", klang Tsukasas Stimme auf. "Ich glaube, er kann in deinen Kimono..."

"WAS?" Die blonde Frau wurde knallrot. "Du perverses kleines Schwein!" Wütend trat sie zu. Und noch einmal. Und wieder.

"Hana-chan, ich glaube, damit tust du ihm nur einen Gefallen. Manchmal mag er sowas", erklärte Tsukasa.

"So?" Ein dämonisches Lächeln huschte über ihre Züge. "Na, dann wollen wir ihm doch mal den Himmel auf Erden bereiten."

Sekunden darauf ging ein gequälter Schrei durch die Burg, das Ergebnis von unglaublicher Qual, von kaum ertragbaren Schmerzen... Aber auch von allergrößtem Vergnügen.

***

"Da ist doch was schief gelaufen!", rief Ikuko und hetzte los, als das Feuerzeichen - mehr eine ausgewachsene Explosion - über der Burg stand. "Scheiß auf die Planung! Rein und Angriff!"

"Das brauchst du uns nicht erst zu sagen! Los, Akamaru, Sempai braucht unsere Hilfe!", rief Kiba.

Die beiden sprangen als erste über das Tor hinweg. Die Shinobi und Kunoichi folgten ihnen auf dem Fuß.

"Naruto! Erschaffe ein paar Dutzend Schattenklone, die uns bei der Suche helfen! Ich muss wissen, wo die anderen sind! Und wo unsere Gegner stehen!"

"Keine Sache, Ikuko-oneechan!" Naruto verharrte nicht einmal in der Bewegung, als er die Fingerzeichen für die Schattenklone formte. Was für ein Talent hatte der Junge.

"Kage Bunshin no Jutsu!" Übergangslos entstanden aus Dutzenden Rauchwolken fast vierzig Duplikate Narutos, die sich sofort weitläufig auf dem großzügigen Gelände verteilten. Einige strebten nach unten, einige zur Burg, ein paar zu der Stelle, an der die Explosion gestanden hatte.

"Eindringlinge!", erklang es aus einer der Baracken. Mehrere Dutzend Männer in Rüstungen kamen hervor.

"Überlasst das mir!", rief Hinata aufgeregt und stellte sich den Männern in den Weg. "Byakugan!"

"Schaffst du das, Hinata-chan?", rief Ikuko.

"Ja, keine Sorge!"

"Sie hat die Byakugan", sagte Shino. "Normale Menschen sind keine Gegner für... Himmel, Hinata, der hätte mich beinahe getroffen! Pass doch auf, wo du deine besiegten Feinde hinwirfst."

"Tu-tut mir leid, Shino-kun!"

"Wenn du fertig bist, komm nach! Wir müssen die Burg erobern!", rief Ikuko gespielt professionell, um ihre Überraschung über die kleine Hyuuga zu überspielen.

"Verstanden!", rief das Mädchen, während es drei weitere Soldaten durch die Luft schickte. Es war eher selten, das kleine Mädchen furchteinflößend waren. Hinata verbreitete Angst und Schrecken.
 

"Weiter zur Burg! Zumindest Hanako sollte jetzt für uns wichtige Informationen haben!" Ikuko sah zum Pfad herüber, über dem der Feuerball aufgestiegen war. Was, wenn Mamoru Hilfe brauchte? Wen sollte sie schicken? Mamoru war bereits der Stärkste in der Gruppe, und seine Leutnants... Karin war eventuell bei ihm, und Hanako definitiv in der Burg. Kaminari vielleicht? Nein, das hätte die Gruppe um eine sichere Kalkulation beraubt. Doch sie musste Kontakt zu den dreien aufnehmen, und das schnell. "Naruto!", rief Ikuko, "du gehst da runter und schaust dir an, wer dort kämpft. Ich meine damit, du gehst, und nicht einer deiner Klone."

"Habe verstanden!", rief Naruto, grinste fröhlich und sprang auf das Dach einer nahen Baracke. Sofort entfernte er sich in Richtung der Explosion.

"Hoffentlich geht das gut", murmelte Ikuko.

"Keine Sorge. Naruto ist stark", sagte Shino. Er ließ sich zurückfallen, als aus einem Seitengang weitere Soldaten hervor quollen. "Ich kümmere mich um die und rücke später nach!"

Ikuko sah nach hinten. "Schafft er das? Er ist ja nur ein Insektenbändiger der Aburame."

Kaminari und Inari sahen sie entgeistert an. "Du hast noch keinen Aburame kämpfen sehen, oder?", fragte Inari schaudernd.

"Äh, nein, eigentlich nicht."

Der Medi-Nin lachte. "Dann vertrau mir. Der Junge wird sich durchboxen."

"Mit kleinen Käfern?", fragte sie zweifelnd.

Kaminari grinste. "Du hast wirklich noch keinen Aburame kämpfen sehen!"

***

Mist, Mist, Mist, verdammter. Ich fühlte, wie mir die Situation entglitt. Natürlich musste ich gleich zu Anfang nicht nur auf einen schweren Gegner treffen, sondern gleich auf zwei. Und das Schlimmste an der Situation war, dass ich bisher nur mit einem kämpfte, mit dem völlig verfetteten Kyun. Terumi, die ich als noch stärker einschätzte, begnügte sich damit, uns lediglich zuzusehen. Dennoch musste ich ständig auf der Hut sein. Ich wäre nicht der erste Ninja gewesen, der an seinem Glauben, ein dritter Ninja würde nicht in ein Duell gegen seine Gunsten eingreifen, sterben würde.

Dazu kam auch noch, dass der Kampf recht ausgewogen war. Wir waren beide Feuer-Benutzer und verfügten über ein gutes Taijutsu. Unser Kampf war recht schnell, um nicht zu sagen rasant. Das ließ uns wenig Zeit für anspruchsvolle Katon-Techniken, und so begnügten wir uns damit, während wir mit unseren Kunais immer wieder aufeinander prallten, Feuerbälle und dergleichen nach einander zu werfen. Nun, Kyun hatte es dazu auf drei Feuerklone gebracht, was mich doch sehr verdrießte. Ich spielte mit dem Gedanken, Kage Bunshin einzusetzen und zwei Dutzend Klone von mir zu erschaffen. Aber wie würde die Frau das sehen? Und was nutzten sie mir angesichts von Kyuns Katon? Klone hatten niemals alle Fertigkeiten jener, die sie erzeugten. Das war leider so. Zuletzt hatte ich es daran gemerkt, als Terumi wie nebenbei ein halbes Dutzend Klone meines Kohais Naruto, die zufällig in unserer Richtung unterwegs gewesen waren, wie nebenbei aus der Luft gewischt hatte. Schlecht für meine eigene Kunst, aber eine gute Nachricht. Meine Leute waren jetzt in der Burg.

Als mich eine riesige Pranke aus der Luft fischte, merkte ich das ich unaufmerksam gewesen war. Der Griff war hart, aber nicht unaufbrechbar für mich. Und der feste Halt bot mir zudem etliche Punkte für schwere Angriffe aus nächster Nähe auf den Fettsack. Für den Moment aber schien es mir geboten, mal den alten Schauspieler raus zu holen, und Kyun in Sicherheit zu wiegen. Also kämpfte ich mit immer mehr erlahmenden Kräften gegen den Griff an und hoffte, dass der Riese nicht bemerkte, dass ich den Hals mit Chakra verhärtet hatte. Zumindest nicht sofort.

"Was denn, schon aus?", fragte Terumi enttäuscht. "Ich hätte mehr vom Zerstörer Otogakures erwartet." Sie seufzte unzufrieden. "Bring ihn nicht um, Kyun. So schlecht ist er nun auch nicht, und wenn er lebt, kann er nützlich für uns sein.

Der Riese sah sie mit kalten Augen an. "Lebend ist er eine Bedrohung. Ich hatte lediglich Glück."

"Kyun, du wirst...", begann sie verärgert, während der Riese den Druck auf meinen Hals erhöhte. Na Klasse, so würde er schnell merken, das ich mich geschützt hatte. Zeit für Plan B.
 

"RASENGAN!"

Bevor ich mich versah, ließ Kyun mich los. Das eher unfreiwillig, denn sein Körper wurde gerade schwer malträtiert und zudem fliegen geschickt. Durch ungefähr fünf Baracken.

Naruto kniete neben mir. "Alles in Ordnung, Onii-chan?"

"Ja, es geht. Er hat mich lediglich überrascht. Er ist wie ich ein Feuernutzer, das macht es etwas schwierig für mich, Naruto."

"Oh, in Ordnung. Ruh dich einen Moment aus, ich übernehme den Dicken! Kage Bunshin no Jutsu!" Übergangslos hatte ich es mit einem guten Hundert Narutos zu tun.

"Warte! Du bist Wind-Benutzer, Naruto! Wind hat gegenüber Feuer große Nachteile!"

"Ich benutze doch Taijutsu!", beschwerte sich der Blondschopf und eilte inmitten seiner Klone auf den noch immer reichlich belämmerten Kyun zu.

"Warte!", rief Terumi. "Du glaubst doch nicht, dass ich dich..."

"Keine Zeit, Onee-chan!", rief Naruto und eilte an der Frau vorbei.

"Onee... chan?" Sie sah Naruto nach. "Was für ein höflicher junger Mann. Und er hat ja so einen scharfen Blick."

"Okay, das will ich jetzt nicht verstehen", murmelte ich mehr zu mir selbst.

"Willst du ihm nicht helfen? Kyun ist ein schwerer Gegner", sagte sie in meine Richtung.

Ich winkte ab. "Ich habe erhebliche Probleme gegen ihn. Wir sind beide sehr schnell und annähernd gleich stark. Wir kommen beide nicht dazu, unsere wirklich guten Jutsu auszupacken. Außerdem vertraue ich Naruto."

"Du schickst einen Genin gegen einen Jounin?", fragte sie erstaunt. "Ich wusste nicht, dass Ihr Konoha-Shinobis so kaltblütig geworden seid."

"Naruto ist nicht irgend ein Genin. Er ist der Schüler von Jiraiya-sama", erklärte ich. "Ich bin sicher, Kyun wird eine herbe Überraschung erleben. Also, mich hat dieses Rasengan sehr überrascht."

"Und Kyun erst mal", sagte Terumi mit einem Seufzen. Sie stieß sich von der Wand ab, von der aus sie meinen Kampf mit dem Dicken beobachtet hatte. "Und? Glaubst du jetzt etwa, gegen mich hast du mehr Chancen? Ich nutze auch Katon, und ich bin stärker als Kyun."

Ich lächelte abschätzend. "Bist du nicht etwas jung, um mächtiger sein zu wollen als der Dicke?"

Meine Worte trafen den Nerv, den ich zu erwischen gehofft hatte. Sie errötete und sah zu Boden. "Das machst du doch mit Absicht", tadelte sie mich.

"Ich sage nur wie es ist. Du interessierst mich mindestens so sehr, wie ich dich interessiere. Deshalb glaube ich, das du gerne das Jutsu sehen möchtest, mit dem ich Otogakure zerstört habe."

Sie sah auf, und Freude stand in ihren Augen. "Das würdest du tun?"

"Du solltest mich besser aufhalten. Wenn ich es erst mal durchgezogen habe, hast du keine Chance mehr." Das war natürlich nicht nur ein wenig übertrieben, denn die Beschwörung von Enma raubte mir bereits einen beträchtlichen Teil meines Chakras.

"Was? Oh, nein, mach ruhig. Das interessiert mich sehr." Sie lächelte wölfisch. "Vor allem bei der Ansage."

Ich seufzte bedauernd. "Na, da bleibt mir wohl nichts anderes übrig. Kuchiose no Jutsu!"
 

Ich presste meinen blutenden Daumen auf die Erde, der Beschwörungszirkel entstand, und in einer Rauchwolke erkannte ich... Zwei Gestalten? Und das in einer Kombination, wie sie schlimmer gar nicht sein konnte. Schlimm für meine Gegnerin, aber sicherlich auch schlimm für mich.

"Ha-hallo, Ryoga-sempai", sagte ich vorsichtig. Dann wandte ich mich der zweiten Gestalt zu. "Kasumi-chan, schön, dich wieder zu sehen."

"Ach, Mamo-chan", erwiderte die schlanke, schwarzhaarige Schönheit und verdeckte ihren lächelnden Mund mit der Rechten. "Du bist charmant wie immer. Ich freue mich auch, dich wiederzusehen. Nachdem wir uns letztes Jahr alle so große Sorgen um dich gemacht haben. Auch der Tendo-Clan."

Ich fühlte, wie die Schuld auf mir zu lasten begann. Kasumi war so verteufelt gut darin, jemandem ein schlechtes Gewissen aufzubürden. Wirklich, wirklich gut. Und sie hatte ja auch Recht.

"Mamoru-kun!", klang Ryogas scharfe Stimme auf. "Was genau hast du mit meiner Schwester angestellt?"

Nun fühlte ich noch etwas anderes. Nämlich einen eisigen Schauder, der mir den Rücken hinabfuhr, verbunden mit dem Ausbruch wirklich kalten Schweißes. "Ich mit ihr? Nichts!"

"Und was hat sie dann mit dir angestellt?", hakte er nach.

"Mich geküsst!", platzte es aus mir hervor.

Terumi nutzte die Gunst des Augenblicks für eine Attacke: "Youton: Youkai no Jutsu!"

Eine Welle des ultraheißem Jutsu, dem ich selbst nur knapp entkommen war, schoss auf Ryoga zu. Ich identifizierte das Jutsu als einen Schwall heißer, kompakter Lava, die Terumi aus ihrem Mund ausspie. Eine hochwertige Technik, die sie kaum Vorbereitungszeit gekostet hatte.

"Technik des deprimierten Löwen!" Der Affenkrieger staute sein Chakra zu einer fast sichtbaren Welle vor sich, in der sich die Lava fing. Noch während sie antriebslos zu Boden fiel, kühlte sie sich sichtbar ab. "Warte bitte, bis du dran bist, junge Dame", sagte Ryoga mit Nachdruck.

Kasumi lächelte sie an wie eine strahlender Engel "Nur eine winzig kleine Minute, bitte. Das geht doch in Ordnung? Nicht?"

"N-natürlich", erwiderte Terumi, noch immer geschockt darüber, wie ihr Angriff ausgefallen war.

"Also, Mamoru-kun, du weißt, dass ich dich mag. Aber du weißt auch, dass diese Affenkrieger und Mensch-Beziehung so gut wie nie funktionieren. Nun ja, fast nie. Also, ehrlich gesagt, klappt das bei einigen ganz gut, aber..." Hilflos zuckte er die Schultern. "Mich ärgert ja auch nur, dass ich seit einem Jahr bei Perine vollkommen abgemeldet bin! Es heißt nur noch Mamo-chan hier und Mamo-chan da! Wo bleibe ich da, bitte? Ich bin ihr großer Bruder, und ich war immer ein Monument für sie. Und nun bin ich entweder Luft, oder ihr versklavter Zuhörer, wenn sie mir davon erzählt, was der große Mamo-chan schon wieder geniales getan hat. Kannst du dir vorstellen, was das für mich bedeutet? Ich bin frustriert, Mamoru-kun! Richtig frustriert!" Er stampfte wie ein trotziges Kind auf dem Boden auf. Der zerbrach auf einer Länge von fünfzehn Metern und bildete eine Spalte von einem schlappen Meter Breite. Das nächststehende Gebäude stürzte in sich zusammen. "Und du, mein Freund, wirst die Verantwortung übernehmen!", rief er und deutete auf mich. Ein Umstand, der mir nicht gefallen wollte. "Wenn sich das mit Perine nicht bessert, hole ich dich auf den Affenberg! Und dann.... Und dann..." Übergangslos verschwand seine ganze Wut und Anspannung. Stattdessen drückte er beide Zeigefinger verlegen aufeinander. "Und dann hilfst du mir bei Akari-chan, ja? Seit zwei Jahren will ich ein Date mit ihr, aber nie kriege ich die Worte raus."

Ich spürte, wie die ganze Anspannung von mir wich und fand mich auf dem Boden sitzend wieder. Ich wusste nicht, ob ich lachen oder weinen sollte. "Versprochen", ächzte ich, als sich meine Stimme wieder gefangen hatte.

"Ah! Sehr gut!" Grinsend wandte sich Ryoga wieder Terumi zu. "So", sagte er und ließ seine Knöchel knacken. "Jetzt habe ich Zeit für dich."

"Ich passe derweil auf Mamo-chan auf, damit er nicht zu Schaden kommt", sagte Kasumi und legte mir ihren linken Arm um die Schulter. Bevor ich mich versah, war sie mit mir dreißig Meter nach hinten gesprungen.

Ryoga war sicherlich nicht der erfahrenste Krieger der Affen, und sicher auch nicht der mit den besten Jutsu. Aber er war unbestreitbar der Stärkste. Und das versprach noch lustig zu werden. In einem ironischen Sinn.

***

Damals
 

Ich verbrachte zwei Tage in der improvisierten Siedlung, die von Maria für die Flüchtlinge aus Otogakure requiriert worden war, um wieder zu Kräften zu kommen. Ich hatte früher aufbrechen wollen, aber die Shinobi hatten das einheitlich verneint. Die Suchteams Konohas waren uns noch nicht auf der Spur, der Fluchtweg war noch immer offen, und ich musste auch erst wieder zu Kräften kommen, nachdem ich Guin, im Versuch seine Explosion zu verhindern, mein ganzes Chakra eingespeist hatte.

Zwei Tage waren knapp bemessen, aber ich wollte die Flucht nicht weiter verzögern. Konohas Ring zog sich immer enger um uns. Wir mussten los, ob ich fit war oder nicht. Sehr hinderlich erwies sich dabei auch, dass meine Erinnerung noch nicht zurückgekehrt war. Aber ich hatte die Flüchtlinge kennen gelernt - neu kennen gelernt - und ich hatte das Gefühl, dass ich für sie Verantwortung übernehmen musste. Viele von ihnen waren mir sympathisch, und obwohl ich einigen, vor allem den Zivilisten, Angst machte, versuchten sie ihr Bestes, um nett zu mir zu sein. Einige der Shinobi waren auch sehr schnell mit mir warm geworden, und ich fühlte eine starke Sympathie für sie.

Mit Maria verband mich die innigste Verbindung. Ich hatte mich bisher nicht zu fragen getraut, aber so wie sie mit mir umging, musste ich mich fragen, ob ich ihr vor meiner Amnesie ihr Freund gewesen war. Oder kurz davor gestanden hatte. Aber ich schob den Gedanken beiseite, denn was sollte eine Klasse-Frau wie sie mit einem jungen Bengel wie mir?
 

Am Morgen des dritten Tages packten wir zusammen. Nun galt es. Wir würden unsere Fluchtroute nutzen und Konoha entkommen. Maria half mir dabei, mich anzukleiden, als ich die traditionelle Fleckentarn-Uniform Otogakures anlegte. Sie war modifiziert worden, war nun nicht mehr grau, sondern blaugrün, um anzuzeigen, dass uns nichts mehr mit Orochimaru und der vernichteten Stadt Otogakure verband, aber ich bezweifelte das Konoha unseren Willen anerkennen würde.

Mit einer Miene, die große Zufriedenheit und Stolz ausdrückte, schnallte sie mir meine Kunai-Tasche um. Es folgte das Futteral für das kleine Wakizashi, das ich nun auf dem Rücken trug, bereit, über die rechte Schulter gezogen zu werden.

Dann legte sie mir das Stirnband an, auf dem die Achtelnote Otogakures prangte. Sie hatte die Note mit zwei schrägen Strichen durchgestrichen, so wie es auf allen Stirnschutzen unserer kleinen Gruppe passiert war. Wir waren nun keine Oto-Shinobi mehr. Wir waren desertierte Ninjas aus einer zerstörten Stadt, ohne jegliche Bande zu Orochimaru, der uns hatte fallen lassen wie eine heiße Kartoffel, als sein Plan, um Konoha zu zerstören, so vollkommen in die Binsen gegangen war.

Schließlich legte sie mir die tiefschwarze Schutzmaske an, die mein Gesicht vom Kinn bis zum Stirnband bedeckte - mein Markenzeichen. Der Stoff lag eng an, aber ich hatte keine Schwierigkeiten beim Atmen, und zwei große Linsen erlaubten es mir, hindurch zu schauen, ohne das mein Gegenüber meine Augen sehen konnte.

Ich verstand, dass das einen Gegner oder einen Untergebenen verunsichern konnte. Also war ich eine Art großes Arschloch? Oder einfach jemand, der den großen Auftritt liebte? Wahrscheinlich irgend etwas dazwischen. Aber ich konnte mir große Auftritte oder ein Arschloch-Dasein nicht erlauben. Nicht, wenn ich für so viele Menschen die Verantwortung trug.

"So, fertig", raunte sie mir ins Ohr. Für einen Moment nur, der mir aber wie eine kleine Ewigkeit vorkam, ruhte ihr Gesicht nahe meinem, waren ihre Lippen nur einen Zentimeter von meiner Maske entfernt. Es war, als wolle sie mir einen Kuss auf die Wange geben, sich aber mit aller Kraft zurückhalten.

Ich nickte und zerbrach den Augenblick damit. "Dann lass uns gehen."
 

Ich trat vor das alte Gebäude. Der Tross stand bereit, und auf meinen Befehl hin eilten fünf Shinobi voran, als unsere Vorhut. Weitere fünf sicherten die Flanken, der Rest blieb bei den wehrlosen Menschen. Ich selbst bildete mit Maria die Nachhut. Hier würde am ehesten ein Feindkontakt mit Konoha erfolgen. Und ich wollte so viel von meiner Verantwortung mit eigenen Schultern tragen, wie ich nur aufladen konnte.

"Kage Bunshin no Jutsu!" Ich erzeugte fünf Schattenklone, die sofort ausschwärmten und Beobachtungspositionen bezogen. Sie würden uns und damit dem Treck im gleichen Tempo nachfolgen und auf Verfolger achten.

Langsam verschwanden die Karren in den Wäldern. Als ich sie nicht mehr sehen konnte, fragte ich Maria: "Wollen wir?"

Sie nickte, und in einer gemütlichen Spaziergangsgeschwindigkeit schlichen wir den Überlebenden von Otogakure hinterher. Wir hielten zu meinen Klonen eintausend Meter Abstand, und zum Ende des Tross fünfhundert Meter. Das war nicht gerade viel, aber ich hatte nicht genügend Kraft, um wesentlich mehr Schattenklone zu erschaffen. Mir war so, als... Als würde ein Teil meines Chakras aus mir heraus fließen. Und all meine Bemühungen der letzten beiden Tage, entweder dieses Leck zu stopfen oder die Quelle zu entdecken, waren im Nichts geendet. Was immer es war, ich wurde es nicht los. Also hatte es auch keinen Sinn, es weiter zu bekämpfen.

Plötzlich raschelte es hinter mir im Gebüsch. Sofort hatte ich ein Kunai gezogen, meine bevorzugte Waffe, und zur Abwehr hoch gerissen. Maria neben mir versteifte sich merklich und griff zu ihrer kurzen Schwertklinge. Das tat sie sehr elegant mit einer Geste, die mir Bewunderung abrung. Das, und ihre nette Oberweite, die bei dieser Bewegung betont wurde.

Ich sah die Bedrohung, fuhr zu ihr herum, und... Tat nichts.

Der Angreifer traf mich, landete auf meiner Schulter, und bevor ich es verhindern konnte, bekam ich meinen ganz persönlichen Anteil an feuchter Affenliebkosung.

Ein kleines Äffchen mit zottigem Fell begann mich abzuküssen. Ich wusste nicht wieso, aber es schien so vollkommen richtig, so normal zu sein.

Maria ließ ihre Waffe wieder sinken. "Oho. Nur ein Äffchen."

Das schien den kleinen Affen aufzubringen. Lautstark begann er zu zetern und zu schimpfen. Dabei warf er Maria bitterböse Blicke zu.

"Ruhig, mein Mädchen. Maria ist eine Freundin", sagte ich zum Affen und kitzelte ihren Bauch. Woher wusste ich, dass sie ein Mädchen war?

Der Affe reagierte nicht wie erwartet. Anstatt zu kichern und sich den gekitzelten Bauch zu halten, starrte er mich nur fassungslos an. Und Maria sah erstaunlich blicklos vor sich hin. "Ja. Ein Freund. Das ist richtig, Mamoru-sama."

"So habe ich das nicht gemeint", merkte ich verlegen an. Marias Worte von jenem Tag, an dem sie aufgewacht war, brannten immer noch in meinen Gedanken. Sie strebte eine Beziehung mit mir an, wollte ihr Leben mit mir teilen. Bei einer so schönen Frau, bei ihrer Intelligenz und ihrer Stärke erachtete ich das als großes Kompliment. Aber es fühlte sich... Merkwürdig an. "Ich wollte meiner Freundin hier nur bedeuten, dass du auch ihr Freund bist."

"Wirklich?", fragte sie hoffnungsvoll.

Dies löste eine erneute Schimpfkanonade des Äffchens aus, und hätte ich es nicht gehalten, hätte es Maria angesprungen. "Ruhig, mein Schatz. Keine Eifersüchteleien. Wir sind auf der Flucht und haben für über einhundert Leute zu sorgen."

Der Affe verstummte und sah mich aus großen Augen an.

"Flüchtlinge aus Otogakure. Sie haben wie ich mit Orochimaru gebrochen und wollen das Land verlassen. Sie halten genau wie ich den Angriff auf Konoha als riesengroßen Fehler. Ich bin sicher, so etwas Dummes werden sie nie wieder tun." Ich stockte. Was für ein merkwürdiger Gedanke. Hatte ich eigentlich gegen Konoha gekämpft? War ich Teil der Mission gewesen, die das Ziel gehabt hatte, mit unseren Suna-Verbündeten eine der fünf stärksten Ninja-Fraktionen der Welt auszuschalten? "Jedenfalls wollen sie jetzt ihre Leben selbst bestimmen." Ich nickte zu diesem Gedanken. "Ich helfe ihnen dabei."

"Und er bleibt bei uns", sagte Maria trotzig zum Affen. "Das hat er gesagt!"

Erstaunt runzelte ich die Stirn. "Wo sollte ich denn sonst hin, Maria-chan?", fragte ich.

"Ach ja. Ahahahaha, so habe ich das doch gar nicht gemeint. Ich habe mich nur gefreut, als du sagtest, dass..."

Sie versuchte nach meinem rechten Arm zu langen, aber der kleine Affe kletterte bis auf meine rechte Hand und schimpfte erneut. Wenigstens verzichtete er auf Drohgebärden wie gefletschte Zähne und dergleichen.

"Oh", sagte Maria und verharrte in der Bewegung. "Verstehe. Einbruch in dein Territorium. Aber du kannst nicht den ganzen Mamoru-sama haben."

Der Affe verdrehte erstaunt den Kopf.

"Wollen wir ihn uns nicht teilen? Du bleibst links, und ich nehme die rechte Hälfte?"

Der Affe schien darüber eine Zeitlang nachzudenken. Dann kletterte er voller Würde den Arm wieder hoch und ließ sich auf der linken Schulter nieder. Mit majestätischer Gelassenheit deutete das Affenmädchen auf meinen rechten Arm.

"Danke." Ohne ein weiteres Wort hakte sich Maria bei mir ein. Oh, es schien ihr wirklich ernst zu sein. Und das war durchaus kein furchtbarer Gedanke.

***

Mit einem gewaltigen Step vom Waldrand bis zur frisch verlegten Zeltstadt - immerhin über fünfhundert Meter - landete Ryuji Nekozumi, der Botschafter des Nekozumi-Clans und offizieller Leiter der Suchaktion von Konoha und dem Land der Reisfelder nach dem verschollenen Chunin Mamoru Morikubo. Er stürzte sofort in das zentrale Zelt. "Ihr habt eine Spur?"

Rose empfing ihn mit hochgezogener Augenbraue. "Was sind das denn für Manieren, Herr Botschafter? Kannst du nicht anklopfen?"

"Wo denn? An der Zeltplane?", giftete er. "Also, es gibt etwas Neues?"

"Wir wissen jetzt, wie Mamoru aus Otogakure raus gekommen ist. Und das gefällt uns ganz und gar nicht. Denn nach Zeugenaussagen einiger Shinobi, die Mamoru bis zur Chakra-Bombe begleitet haben, war Maria bis zum Schluss bei ihm."

"Bitte, wer?"

"Oh, das kannst du ja nicht wissen. Maria und Mamoru hassen einander. Sie hat während seiner Chunin-Prüfung versucht, ihn, Karin und Hanako zu töten, angeblich weil sie den Auftrag dazu hatte. Auf Konohas Seite griff dann eine Gruppe Suna-Nin ein, tötete Marias Gefährten und ließ sie im Testgelände zum Sterben zurück.

Sie hat aber überlebt und war am Angriff auf Konoha beteiligt. Doch anstatt sich auf uns zu konzentrieren, hat sie die Suna-Nin vom Examen gejagt und einen von ihn getötet. Darüber war Mamoru sowas von stinksauer, dass er sie zu seiner Todfeindin gemacht hat. Seitdem jagt er sie."

"Und das bedeutet für seine Flucht?"

"Sie hat ihn mit Hilfe einer Art Beschwörungssystem in eine Kelleranlage geschafft, die hier auf dieser Wiese steht. Von hier ist sie mit zwei Helfern weiter geflohen. Mamoru war, wie wir anhand der Schleifspuren zu glauben wissen, zu dem Zeitpunkt bewusstlos." Auf ihrer Stirn pochte eine zornige Ader. "Verstehe mich nicht falsch, Ryuji, ich bin mir sehr sicher, dass Maria nicht vorhat ihn zu töten. Jedenfalls nicht sofort. Sie will ihn lebend, und jetzt hat sie ihn lebend."

"Du denkst doch nicht etwa, dass sie..."

"Wie gesagt, sie sind Todfeinde. Und ich kann nicht anders als zu glauben, dass sie ihm etwas Schlimmes antun wird. Etwas, was vielleicht schlimmer ist als der Tod. Perine, Karin und Hanako scheinen das auch zu glauben. Die Affenkriegerin sucht alleine, die beiden mit ihren Gruppen unter Hochdruck nach Spuren von Mamoru hier in der Region. Und seit einiger Zeit hat sich Perine nicht mehr zurückgemeldet. Das muss bedeuten, dass sie dicht dran ist. Deshalb habe ich Karin und Hanako bereits in ihren Suchsektor umgeleitet."

"Wo ist dieser Sektor?", verlangte Nekozumi zu wissen.

Roses Finger deutete auf der Karte auf eine Region. "Hier, in diesem Bereich. Relativ weit, aber so weit nun auch wieder nicht."

Nekozumi nickte. "Gut. Falls an unserem Verrückten noch irgend etwas dran ist, was sich zu retten lohnt, dann werde ich helfen, um ihn nach Hause zu holen." Nekozumi schulterte den mächtigen Metallklotz, den er Schwert nannte, und wandte sich zum Gehen. Am Ausgang blieb er noch einmal stehen, und fragte ohne sich umzudrehen: "Glaubst du wirklich, sie foltert ihn?"

"Oh, ich bin mir sicher, genau jetzt muss unser Mamo-chan unglaubliche Qualen ertragen. Also beeile dich, bitte", flüsterte Rose betreten.

Der große Krieger sah nun doch zurück und lächelte. "Ich tue was ich kann. Und dass ich so viel Mühe für einen von euch Konoha-Shinobi-Idioten aufwenden würde, hätte ich nie gedacht."

"Das geht vielen so, wenn sie Mamo-chan noch nicht kennen", erwiderte sie, ebenfalls lächelnd.

Dann verschwand Nekozumi aus dem Zelt, als hätte es ihn nie gegeben.

***

"Hatschi!"

Maria, die meinen Arm fest umklammert hielt wie eine Ertrunkene, drängte sich enger an mich und sah mich aus großen, ängstlichen Augen an. "Gesundheit. Geht es dir gut, Mamoru-sama?"

Ihr Busen drückte gegen meinen Brustkorb, und ihre herrlich roten Lippen waren nur ein paar Zentimeter von mir entfernt. Aber ich war nicht der Mamoru, den sie kannte und liebte. Noch nicht. Deshalb lachte ich auf und sagte: "Keine Sorge, ich fühle mich nicht krank. Da hat wohl einfach jemand an mich gedacht."

Neben mir seufzte die Äffin in einer Mischung aus Ergebenheit, Resignation und Erleichterung, als Maria ihre alte Position einnahm. "Oh. Mach mir nicht immer so viele Sorgen, Mamoru-sama."

"Wenn du keine Sorgen magst, dann darfst du keine Shinobi lieben, sagte meine Mutter immer", erwiderte ich heiter.

Für einen Moment schien sie entsetzt, dann aber sah sie mich mit strahlenden Augen an. "Mamoru-sama, erinnerst du dich etwa an deine Mutter? Oh, wie schön!"

"Nein", sagte ich und hob abwehrend die Linke. "Nein, das tue ich nicht. Es ist nur eine Redewendung, die ich mal gehört habe. Da gehört der Hinweis mit der Mutter als Quelle einfach dazu."

"Ach so. Wie schade." Frustriert blies sie die Wangen auf.

Ich wollte etwas sagen, irgend etwas, um sie zu trösten, aber mir fielen nicht die richtigen Worte ein. Dazu kam dann auch noch, dass ich einen meiner Schattenklone verlor. Ich erstarrte.

"Mamoru-sama?", fragte sie, als sie ebenfalls stoppte.

"Das ging schneller als ich gedacht habe. Schnell, warne den Tross! Konoha ist dicht hinter uns."

Unschlüssig sah sie mich an. Doch sie gab sich einen Ruck. "Ich komme sofort wieder zurück! Beginne den Ausweichplan ja nicht ohne mich, Mamoru-sama!", rief sie, bevor sie mit Steps dem Treck hinterher eilte.
 

Als der Affe von meiner Schulter sprang und sich in eine junge und hübsche Frau verwandelte, erschrak ich nur im ersten Moment. Es erschien mir auch... Normal zu sein.

"Und?", fragte sie mit Resignation in der Stimme. "Was wird hier gespielt? Hast du wirklich Amnesie?"

"Äh", machte ich. Ihr Gesicht rührte etwas in mir an. "P-chan?"

"Richtig. Ich bin deine P-chan. Klingelt da noch mehr? Bei Karin? Hanako?"

Ich ließ mir den Gedanken durch den Kopf gehen. "Nein, da ist nur ein warmes Gefühl in meinem Bauch."

"Na, wenigstens fühlst du noch was für sie", seufzte P-chan. Sie deutete in die Richtung, in die Maria verschwunden war. "Und was ist der Ausweichplan? Was findest du überhaupt an ihr?"

"Sie ist nett. Und hübsch. Und schlau."

"Und? Das bin ich auch."

"Stimmt."

Perine errötete leicht. "Keine Schmeicheleien. Erkläre mir lieber mal, warum du für die Oto-Nin kämpfst und so wie sie angezogen bist. Na ja, fast wie sie."

Ich dachte über diese Worte nach. Hinter mir kamen die Konoha-Shinobi immer näher, aber es war noch Zeit, um nach ein paar Antworten zu suchen. "Ich habe tatsächlich Amnesie", gestand ich. "Seit zwei Tagen, vielleicht länger. Aber in dieser Zeit habe ich viele der Menschen kennen gelernt, die ich beschütze. Ich mag sie. Ehrlich, ich mag sie. Und sie teilen meine Meinung über Orochimaru. Sie haben mit ihm gebrochen, und ich denke, sie verdienen ihre zweite Chance in einem anderen Ninja-Dorf. Ich will ihnen helfen. Einfach nur helfen."

Perine legte den Kopf schräg und lächelte mich an. "Das ist mein Mamo-chan." Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und drückte mir einen Kuss auf die Maske, dort wo meine linke Wange lag.

Danach klatschte sie einmal in die Hände. "Also gut, ich habe mich entschieden. Ich helfe dir, Mamo-chan. Du bist mein Kontraktpartner, und wer bin ich, dass ich ausgerechnet gegen deinen Willen handle? Was interessiert mich Konoha?" Sie verwandelte sich wieder in den Affen und erkletterte meine Schulter erneut. Keine Sekunde zu früh, denn nun tauchte Maria wieder auf.
 

"Alles klar, der Tross zieht schneller weiter! Wir haben die Flanken verstärkt und eine neue Nachhut aufgebaut! Bleibt uns nur noch, die nachrückenden Konoha-Shinobi in einen Kampf zu verwickeln und dann auf die falsche Fährte zu locken."

"Du meinst, mir bleibt nur noch, die nachrückenden Konoha-Shinobi in einen Kampf zu verwickeln und dann auf die falsche Fährte zu locken", korrigierte ich sie.

Trotzig sah sie mich an. "Eher schneide ich mir eine Hand ab, bevor ich dich im Stich lasse!" Sie zückte ihre Klinge und legte sie an der Rechten an. Für einem Moment schnaubte sie vor Wut und Entschlossenheit. "Wenn du von mir verlangst, dass ich zum Tross zurückkehre, dann schneide ich sie mir sofort ab!"

Sie hatte keine Chance, um zu reagieren. Ich umschloss ihre beiden Handgelenke mit einer Geschwindigkeit, die ihr gespenstisch vorkommen musste. Ich drückte beide Arme auseinander und hielt so das Schwert von der rechten Hand fern. Trotzig blickte sie an mir vorbei. "Das ändert gar nichts! Ich kann das nachholen, überall und jederzeit.

"Maria", sagte ich.

Sie sah mir in die Augen. Oder vielmehr in die Linsen meiner Maske.

Sanft drückte ich meine Lippen auf ihre. Auch wenn der Stoff der Maske dazwischen war, fühlte es sich doch sehr angenehm, warm und auch ein wenig elektrisierend an. "Ich schicke dich nicht weg", sagte ich und ließ ihre Hände fahren.

Ein wenig fassungslos berührte sie mit der Rechten ihre Lippen. "Nicht?", fragte sie erstaunt.

"Noch nicht", korrigierte ich. "Versprich mir, das du dich absetzt, wenn ich es dir befehle. Ich kann mich durchaus alleine durchschlagen. Aber ich kann dann nicht auf dich aufpassen, verstehst du?"

"Du... bleibst also bei mir?"

"Ich habe nichts anderes vor", erwiderte ich.

"Natürlich höre ich auf dich, Mamoru-sama!", rief sie enthusiastisch. Sie steckte das Schwert wieder weg und umklammerte wieder meinen rechten Arm.

"Das dürfte im Kampf etwas hinderlich werden", sagte ich tadelnd zu ihr.

"Ich lasse schon noch los", versprach sie. "Rechtzeitig. Aber keine Sekunde früher."

Ich seufzte. Das war also die Liebe einer Frau?

***

"Was ist los?"

Kaminari landete direkt von Karin, federte sich ab und steckte sein Kunai fort. "Ein Schattenklon. Er hat Inari ziemlich kalt erwischt und die heiße Scheiße aus ihm rausgeprügelt. Da bringen sie ihn gerade."

Auf einer Bahre brachten zwei Medi-Nin den erheblich blessierten Kollegen. Sein Gesicht war geschwollen, und der entkleidete Oberkörper mit Flecken in allen Farben übersät.

Er winkte ab, als er an den beiden vorbei kam. "Keine Sorge, Karin-chan, ich heile mich gerade selbst. Aber das war die schlimmste Abreibung, die ich je bekommen habe. Diese Schmerzen... Diese Schmerzen..."

"Der Klon hat ihn nicht getötet?", fragte Karin erstaunt. "Oh, ich bin dankbar dafür. Aber... Warum nicht?"

"Keine Ahnung. Ich habe mich von hinten heran geschlichen, wollte ihn niederstechen, da wirbelte er herum und legte mir ein Kunai an die Kehle. Aber er zögerte, und ich war nicht besonders nett. Da merkte ich, dass ich es mit einem Kage Bunshin zu tun hatte. Einem starken Kage Bunshin. Wie stark ist dann erst sein Erzeuger?"

"Ich verstehe." Sie aktivierte ihr Funkgerät. "Karin Akimichi hier. Achtung, Warnung vor starken Schattenklonen in der Region. Sie decken den Rückzug der Oto-Nin. Wenn Ihr einen entdeckt, geht ihn Gruppenweise an oder überlasst ihn einem Chunin! Wir... WHOA!"

Kaminari und Karin spritzten auseinander, als dort, wo sie gerade noch gestanden hatten, ein Schwarm Kunai zu Boden fuhr. Kurz darauf setzte an der gleichen Stelle ein Ninja auf, zog ein kurzes Katana und ließ den Kopf in alle Richtungen kreisen. Seine Uniform ähnelte ein wenig an Oto, aber die durchkreuzte Achtelnote sprach Bände. Er trug außerdem eine Gesichtsmaske, welche die Augen unter schwarzen Linsen verbarg. Man konnte nicht sehen, wohin er wirklich schaute.

"War es einer wie dieser, Ryu?", fragte Karin schaudernd.

"Oh ja, das ist mein kleines Monster!" Er zückte seine eigenen Kunais und warf eine Garbe Shuriken nach dem Klon.

Der wich aus und ging Karin an. Natürlich, er musste an ihrem Chakra erkannt haben, dass sie die stärkere Gegnerin war.

Karin parierte, und Kunai prallte auf Kunai. "Baika no Jutsu!" Die junge Akimichi vergrößerte ihre andere Hand ins Riesenhafte, um hart und schmerzhaft zuzuschlagen. Doch sie konnte es nicht. Sie brachte es nicht über sich. Ihre Hand lag auf seinem Körper auf, aber sie bewegte sich nicht weiter. "Na los! Los jetzt!", feuerte sie sich selbst an. Aber es ging nicht. "Was ist das für ein Jutsu?"

Ihr Gegner bemerkte seinen Vorteil. Sein Kunai rutschte von ihrem ab und lag plötzlich auf ihrer Kehle auf. Erschrocken holte sie Luft. "Mamoru...", hauchte sie vor Angst.

Der tödliche Schnitt kam nicht. Er verharrte genauso wie sie mit ihrer Hand.

"KARIN!" Kaminari sprang hinzu, hieb einmal von unten zwischen den beiden hoch, um den Angriff auf die Chunin zu unterbrechen, wobei er die Maske des Klons traf. Dann setzte er nach und versuchte ihn in der Brust zu treffen. Der Klon wich zurück, Kaminari hielt den Druck aufrecht. Dabei flatterte die zerfetzte Maske auf. Der Klon landete mit dem Rücken an einem Baum, und Kaminari setzte den tödlichen Stich an. Der Klon verpuffte.

"RYUUUUU!", rief Karin erschrocken.

"Es ist doch gut! Ich habe ihn besiegt! Wieder mal. Er zögert immer kurz vorher..."

"Natürlich zögert er vorher! Weil das ein Klon von Mamoru ist!", rief sie aufgebracht.

"Von Mamoru? Das erklärt einiges. Außer das wie. Ich glaube, ab hier wird es kompliziert."

Er sollte Recht behalten.

Feuerregen 14

Heute
 

Es gab einen wichtigen Grund dafür, dass man mich als starken Shinobi eingestuft hatte: Meine Fähigkeit, Mitglieder des Affenclans zu beschwören. Sicherlich, mittlerweile weiß ich, dass ich selbst für einen Shinobi recht stark bin. Und das obwohl ich nie an Asuma-san oder Kakashi-san heran reichen kann, die in einem Alter in dem ich erst an die Ninja-Akademie gekommen war, bereits Chunin waren. Aber ich war stärker als die meisten anderen Ninjas, auch ohne Affenkrieger zu beschwören. Einer der wichtigsten Gründe, warum ich überhaupt Chunin geworden war. Damals sah ich das natürlich anders. Etwas, zumindest. Aber es war eben diese Fähigkeit, und die Tatsache, das ich lange Zeit der einzige Kontraktpartner der Affen in Konoha gewesen war, wegen der ich mir selbst erlaubte, mich als etwas Besonderes anzusehen. Das änderte sich auch nicht merklich, nachdem sich Konohamaru Sarutobi als Ninja bewiesen hatte, und ich ihn mit Erlaubnis des Affenkönigs Enma zum zweiten Kontraktpartner Konohas gemacht habe. Aber dazu vielleicht später mehr.

Damals, als junger Chunin im zweiten Jahr, waren viele meiner Fähigkeiten groß, aber sie bedurften noch des Schliffs. So war es mir nicht immer möglich, Affenkrieger gezielt zu beschwören. Gerade in einem Kampf hatte ich selten die notwendige Konzentration aufgebracht, leider.

Ansonsten war die Beschwörung ein wenig wie Straßenlotto: Man wusste nie, was man sich erdrehte. Erst in späteren Jahren lernte ich durch die erworbene Routine, meine Affenkrieger danach auszusuchen, wen ich zum Gegner hatte, also sie auch unter Stress und Zeitmangel gezielt zu beschwören.

In diesem speziellen Fall stand ich unter Stress. Mein Gegner war stark, hatte einen höchst gefährlichen Partner im Rücken, der jederzeit angreifen konnte, und Zeit hatte ich auch nicht wirklich. Also spielte ich mein Straßen-Lotto, und hatte Glück mit der Beschwörung von Kasumi-chan und Ryoga, und das in mehrerlei Hinsicht. Kasumi war eine sanfte, behütende Meisterin der feinen Künste, eine der tödlichsten Kriegerinnen, die ich kannte. Hinter ihrer Zurückhaltung, die der einer sehr hoch geborenen Dame glich, hinter ihrem zarten, verzeihenden und liebevollen Wesen, da steckte eine sehr energische Person, die manchmal mit einer Geste und einem Lächeln mehr erreichte als andere mit einem geworfenen Berg. Und so war es auch nur eine simple Geste, mit der sie durch ihr Chakra eine Sphäre für uns beide aufbaute, die uns vor herabregnendem Feuer so sicher schützte, als gäbe es keine ultraheiße, herab regnende Lava.

Ryoga indes, der für die Verteilung der Lava durch seinen Abwehrkampf verantwortlich war, zeichnete sich durch Stärke und Wildheit aus. Oh, er war kein Idiot. Aber er verlor sich viel zu schnell in einem Kampf, als dass er sich mit nachdenken selbst aufgehalten hätte. So hatte er auch mit seiner Waffe, seinem roten Kampfschirm, Terumis Lava-Angriff in den Himmel abgeleitet, ohne an die Konsequenzen für die umstehenden Gebäude oder gar für uns zu denken. Oder gar für Naruto, der irgendwo östlich von uns in einer halb zerschlagenen Baracke gegen Kyun kämpfte.

Ryoga stemmte den Schirm nach erfolgter Abwehr vor sich in den Boden. Das löste ein Zittern aus, welches das bereits brennende Gebäude zu unserer Rechten einstürzen ließ. Kein Wunder, denn der so harmlos wirkende Papierschirm bestand aus purem Stahl und wog seine fünfzig Kilo. In Ryogas Hand war das eine Waffe, die man am ehesten so beschreiben konnte: Wenn man aus einhundert Metern Höhe auf einen Betonboden stürzte, konnte man ungefähr ansatzweise die Leiden erahnen, die ein Treffer Ryogas mit sich brachte - solange er gute Laune hatte. Im Moment schien er sogar sehr gute Laune zu haben, denn über seine grimmige Miene huschte ein Lächeln. "Ich würde jetzt gerne etwas Neues sehen, wenn es Recht ist."

"Spielst du mit mir? Du spielst doch nicht etwa mit mir?", rief Terumi empört. "Oh, ich hasse es, wenn die Männer mit mir spielen."

"Also, ich würde gerne mit dir spielen", murmelte ich leise.

"Ohoho, war das für meine Ohren bestimmt, Mamo-chan?". fragte Kasumi lächelnd.

Entsetzt sah ich zur Seite und fühlte mich in meinen schlimmsten Befürchtungen bestätigt. Die Affenkriegerin lächelte mit zusammengekniffenen Augen. Das war bei ihr ein Zeichen allergrößter Freude. Zwar war sie bei weitem nicht so intrigant und hinterhältig wie ihre Schwester Nabiki, die sogar einem ANBU noch etwas über geheimes Verhalten beibringen konnte, aber in ihrer Freude war sie... Anstrengend. Und ehrlich. Und das führte zu... Dingen, die man nur schwer ertragen konnte. Dass sie zudem nicht in ihrer Affengestalt, sondern in ihrer Tarnung als Mensch vor mir stand, machte es auch nicht leichter.

"Aber ich kann dich verstehen. Die junge Dame hat so eine tolle Haut. Und einen so wunderschönen Busen." Über ihr Gesicht schien Erkenntnis zu zucken. "Aber wenn es ein schöner Busen ist, der dich interessiert, kann ich dir gerne aushelfen."

Übergangslos fand ich mich an ihrem Dekolletée wieder. Es war weich, es war warm, es war extrem erniedrigend. Aber Protest in diesem Moment hätte unaussprechliche Konsequenzen nach sich gezogen. Im Affenclan sprach niemand darüber, was genau passierte, wenn man Kasumi düpierte, beleidigte oder enttäuschte. Aber es musste schrecklich sein, wenn sogar Ranma-sensei nur mit zitternder Stimme davon berichten wollte. Also tat ich das einzig Richtige. Ich drehte meinen Kopf so, dass ich den Kampf weiter verfolgen konnte, ohne meine Position zu verlassen, bis es Kasumi-chan einfach zu langweilig wurde. Merkwürdig, als sie das das letzte Mal mit mir gemacht hatte, da hatte ich bequem stehen können. Nun beugte ich mich unbequem vor. War ich in den letzten beiden Jahren gewachsen? Ein ganzes Stück sogar? Das war an mir vorbei gegangen.

"So, nun ist aber genug, sonst wird Ono-chan noch eifersüchtig auf dich", sagte sie und hielt mich in Armeslänge vor sich. "War es schön, Mamo-chan?"

"Oh ja, sehr schön." Moment, was hatte Doktor Tofu damit zu tun? Ich wusste zwar, dass er einen ziemlichen Crush auf Kasumi hatte, aber die Affenkriegerin war ja sowas von blind, um die vielen Bergegroßen Hinweise zu deuten, dass es mir schon beim Hinsehen wehtat... Hatte es der zweitgrößte Krieger der Affen endlich mit seinem größten Feind aufgenommen, seiner eigenen Schüchternheit? Oh ja, dann war es definitiv keine gute Idee, ihn zu verärgern, indem ich den Busen seiner Freundin weiterhin als Ruhelager missbrauchte, wenn auch unfreiwillig.

"Ach egal, ein paar Minuten mehr schaden ja nicht", sagte sie, und flugs ruhte ich wieder auf ihrer Brust. Na, das hatte ja so kommen müssen.

Und, ein paar Minuten mehr schadeten wirklich nicht.
 

"Futton: Koumo no Jutsu!", rief Terumi. Irritiert sah ich auf, und das zu Recht. Sie spie einen Nebel aus, der als sich aufplusternde Wolke zwischen den Baracken umher quoll. Ryoga schnaubte abfällig und stieß seinen Schirm in den Nebel. Allein der Stoß bewegte einen Teil der Schwaden wieder in Terumis Richtung. Aber als er den Schirm wie einen Fächer benutzte, erschuf er sich eine breite Schneise ohne Nebel. Das war definitiv eine gute Idee, denn der Nebel hatte es in sich. Die Balken der Baracken begannen zu zischen, wenn der Nebel mit ihnen in Berührung kam. Die so harmlos aussehende weiße Wolke war im höchsten Maße ätzend. Das Gebäude, das Terumi am Nächsten stand, fiel nach wenigen Sekunden in sich zusammen. Die Nebel waberten auch zu uns, aber Kasumi machte keinerlei Anstalten, sich auf höheren Grund zurück zu ziehen. Sie ließ mich zwar fahren, aber nur um ihr Jutsu zu überprüfen. Die konzentrierte Miene behielt sie bei, solange der Nebel uns umwaberte. Aber er war nicht in der Lage, bis zu uns durchzudringen.

Ryoga stütze sich erneut auf seinem Schirm ab. Er grinste breit. "Okay, das war was Neues. Und gegen jeden anderen Gegner als mich wäre das wohl recht effektiv gewesen. Aber einen Windnutzer mit einer Waffe anzugreifen, die auf die Verbreitung durch Wind angewiesen ist, war nicht die klügste Idee."

"Oh, danke. Du hättest auch sagen können, es sei saudumm. Es ist nett, dass du es netter formulierst", erwiderte die Kiri-Kunoishi.

"Ich bin nicht von Natur aus beleidigend", sagte Ryoga. "Aber ich bin ehrlich."

"Das weiß ich zu schätzen. Umso mehr tut mir leid, was ich jetzt tun muss. Du bist ein zu starker Gegner, Affe. Aber es war eine Freude, dich kennen gelernt zu haben. Falls du überlebst, würde ich dich gerne noch einmal treffen." Sie sah zu mir herüber. "Halte dich bereit, ihn zurück zu schicken, und das schnell, Mamoru Morikubo!"

Sie hatte mit einem Ernst gesprochen, der mich irritierte. Ich fühlte mich alarmiert, merkte das ich die Hände für die Handzeichen aneinander legte. War das ein Jutsu? Ein Genjutsu, um mich zu zwingen, die Affen wieder fort zu schicken? Nein, da war etwas in ihrer Stimme, eine... Überlegenheit, die mich schaudern ließ.

"Youton: Youkai no Jutsu!"

Ich erwartete wieder einen Schwall Lava aus ihrem Mund kommen zu sehen, so wie beim ersten Mal. Dieses merkwürdige Misch-Jutsu war auf jeden Fall effektiv und gefährlich.

Doch diesmal war alles ein klein wenig anders, denn einerseits begannen die noch nichtabgekühlten Brocken vom ersten Angriff auf Ryoga herab zu regnen, was der mit seinem Schirm konterte, andererseits begann der Boden unter ihm zu glühen. Übergangslos schoss ein Ring aus Lava um ihn herum aus dem Boden und bildete einen Dom. Einen Dom aus ultraheißer, alles verdampfender und verbrennender Lava. Ich hatte nur eine Sekunde, um zu entscheiden, ob Ryoga-sempai aus dieser Falle entkommen konnte, oder ob er gerade bei lebendigem Leib verbrannte. Als ich glaubte, ihn schreien zu hören, sandte ich ihn zurück, genauso wie Terumi es mir geraten hatte.

"Das war Nummer eins", hörte ich sie sagen. Augenblicke, bevor Kasumi mich ergriff und meterweit nach hinten warf. Während ich mich mehrfach überschlug, sah ich, warum sie mich so rabiat behandelt hatte. Eine wahre Flutwelle an ultraheißem Magma stürzte wie ein mittlerer Berg auf sie und ihre Schutzblase herab. Als das heiße Medium sie begrub, ging ich auch hier auf Nummer sicher. Ich sandte auch sie zurück. Verdammt, ich hätte Ryoga nicht alleine kämpfen lassen dürfen, hätte mich beteiligen müssen. Und dadurch, dass ich auf Kasumis Spielchen eingegangen war, hatte ich sie als Ziel geradezu angepriesen. Das war mein Fehler. Einzig und allein mein Fehler. Und, Terumi hatte Recht. Sie war weit stärker aus Kyun. Und dieser Stärke stand ich nun allein gegenüber, denn der kleine Rest Chakra, den ich nun noch besaß, brauchte ich, um Enmas Beschwörung aufrecht zu erhalten.

"Kommen wir zum letzten Problem, Mamoru Morikubo. Ich denke, du hast dir einen Kuss verdient. Einen besonders heißen Kuss", sagte Terumi, und kam langsam auf mich zu. Okay, die Optionen hatten mich verlassen. Mir blieb nur noch, Terumi so lange ich konnte zu binden, um meinen Kameraden die Zeit zu geben, vollendete Tatsachen zu erschaffen. Auch wenn ich dabei sterben musste.

***

Hanako war sauer. Richtig sauer. Okay, das war so nicht korrekt. So sauer war sie in ihrem ganzen Leben noch nie gewesen. Und das lag nicht nur daran, dass sie in diesem Kimono keine Unterwäsche trug, und dieser Windhund Harusame... Genug gesehen hatte, um den Rest seines erbärmlich kurzen Lebens glücklich zu sein. Es hatte auch damit zu tun, wie sich diese widerwärtigen Haremsmädchen verhalten hatten, die natürlich die Gunst der Stunde hatten nutzen wollen, um Harusame zu verhätscheln und wieder in seiner Gunst aufzusteigen. Das konnte sich Hana genau zehn Sekunden ansehen, dann stand sie über den tüddelnden und gurrenden Weibern und ließ ihre Knöchel knacken. Mit ihrer tiefsten Stimme sagte sie: "Okay, Ihr Schnepfen, das wird euch jetzt mehr weh tun als mir!"

Fünf Sekunden später teilten sich die Mädchen nach der rabiaten Behandlung den Platz und die tiefe Bewusstlosigkeit mit ihrem Herrn und Meister.

Tsukasa starrte die leicht lädierten Schönheiten entgeistert an.

Hanako lachte entschuldigend und legte die Rechte in den Nacken. "Ahahaha, tut mir leid, da habe ich wohl überreagiert."

"Das wollte ich schon immer machen!", rief Tsukasa plötzlich. Sie lächelte Hanako an. "Danke, das war ja wie die Erfüllung eines Wunschtraums."

"Äh, echt?"

Tsukasa seufzte. "Lebe du mal ein Jahr mit diesen zickigen, eifersüchtigen, zänkischen und Ränkeschmiedenden Weibern zusammen. Dann kannst du mitreden."

"Oh." Hanako deutete auf die Bewusstlosen. "Eine aus deinem Ort dabei?"

"Garantiert nicht!", sagte sie abwertend. "Los, gehen wir in die Küche. Da finden wir die meisten. Die Leute aus meinem Dorf können alle ziemlich gut kochen, weil Tsubasa-sama eine so gute Lehrerin ist."

"Oh. Dann liegen wir ja bald wieder im Zeitplan", freute sich Hanako und ging dem Mädchen hinterher.

Als sie die Wachen und Berater passierten, die am Tor zusammengedrängt standen, sah Hanako mit einem wirklich niedlichen Lächeln zu ihnen herüber. "Einwände, meine Herren?"

Ein vielstimmiger Chor verschiedenen Wortlauts, aber der einhelligen Meinung, keine Meinung zu haben, antwortete ihr.

"Dann ist ja gut", erwiderte sie und verließ den Saal. "Los, erobern wir diese Burg!"

"Meinst du das ernst?", fragte Tsukasa erstaunt.

"So lautet mein Auftrag. Und ich nehme meine Aufträge immer sehr ernst."

Nachdenklich neigte Tsukasa den Kopf nach links. "Könnte sogar klappen, solange du dabei bist."

Hanako lachte leise. Solange sie und die anderen Konoha-Shinobi, die dem Daimyo nachhaltig die Bedeutung der Wörter "Nein" und "Verboten" einbleuen würden, dabei waren, ergänzte sie in Gedanken.

***

"Brauchst du Hilfe, Shino-kun?", fragte Hinata schüchtern, als sie den Insektenbändiger passierte.

Shino sah nur kurz zu ihr herüber, während seine Schwärme Angst und Schrecken unter den Soldaten verbreiteten. Wer von einem Schwarm erfasst wurde, war der absoluten Pein von ein paar zehntausenden, krabbelnd-kitzelnden Beinen ausgesetzt, und stürzte nach wenigen Sekunden ohnmächtig zu Boden, nachdem die Tierchen ihnen ihr ganzes Chakra ausgesaugt hatten.

Ihre Kameraden halb vor Pein und halb vor Zwang irre lachen zu sehen, nur um sie dann dabei zu beobachten, wie sie wie tot umfielen, hatte einen sehr demoralisierenden Effekt auf die Männer. Wie bekämpfte man auch mehrere tausend Insekten?

"Ich bin hier gleich fertig, Hinata-chan. Dann können wir bei der Suche helfen." Shino sah kurz auf. "Sie haben mindestens dreißig Schattenklone Narutos vernichtet. Hier sind nicht nur unfähige Leute am Werk. Einige können auch was, also sei vorsichtig, Hinata."

"I-ich passe auf, versprochen."

Die letzten aktiven Soldaten verließen in blanker Panik den Kampfplatz, und Shino zog seine Tiere zurück. Sie verschwanden in seinem Körper, als hätte es sie nie gegeben.

"Wir können", sagte Shino nur. Kurz hielt er Hinata am Kragen ihrer Jacke zurück. "Warte."

Vor dem Mädchen krachte ein Brocken rotglühendes Gestein auf den Boden.

"Lava?", fragte Hinata irritiert. "Hier?" Hastig baute sie ihre absolute Verteidigung auf, aber für den Moment blieb es bei einem Stück.

Shino setzte den Weg fort. "Wir gehen zur Burg. Dort sind Karin-sempai und die anderen. Und die Chance ist am größten, unsere Verschollenen zu finden."

"O-okay."
 

Sie sprangen auf das nächste Gebäude, das am Stil der Burg angelehnt war und wie eine kleinere Version wirkte. Eventuell ein Verwaltungsgebäude. Von dort ging es zum nächsten Dach weiter, bis sie die Burg erreicht hatten.

"Wo ist Karin-sempai?"

"Byakugan! Die Küche ist meistens im Erdgeschoss, oder? Damit man das Wasser und das Feuerholz nicht so weit schleppen muss. Ah, da habe ich was. Am Ostende der Burg. Ja, da ist Suzume-chan, und sie ist von Dutzenden Leuten umgeben.

Karin-sempai ist bei ihr, und ich sehe im Hof ein paar Wachen. Am Haupteingang kann ich Ryu-sempai, Ikuko-sempai und Inari-sempai sehen. Sie durchbrechen das Tor." Sie beendete das Byakugan und sah Shino fragend an. "Wo gehen wir hin?"

Der Aburame steckte die Hände in die Jackentaschen. "Hinata, du wirst eines Tages gezwungen sein, die Kriegsstreitmacht deines gesamten Clans in den Kampf zu führen. Das heißt, du musst lernen, Entscheidungen zu treffen." Die Augenwinkel des Jungen warfen Falten, das einzige Anzeichen hinter seiner Sonnenbrille, das er lächelte. "Du kannst dich nicht ewig darauf verlassen, dass ich dir alle Entscheidungen abnehme. Also sag du, was wir machen."

"Aber Shino, das kannst du nicht...", begann sie.

Doch der Insektenbändiger schnaubte nur leise und wandte sich von ihr ab.

"I-ich... Aber ich kann doch nicht..." Flehentlich sah sie Shino an, doch der ließ sich nicht erweichen.

"Byakugan!" Sie übersah die Lage, nicht nur in der Burg, sondern auch in anderen Bereichen der Anlage. "Wir gehen Kiba helfen", bestimmte sie schließlich. "Er ist auf der Treppe zur Burg, und bekämpft fünfzig Soldaten in Rüstungen. Mir nach!"

"Nicht die schlechteste Entscheidung", murmelte Shino zufrieden und folgte dem Mädchen. "Du hast gute Chancen, mal ein guter Anführer zu werden, Hinata."

***

Manche Shinobi sagten, Narutos Schattenklone seien nichts besonderes. Dabei übersahen sie natürlich gerne mal, dass ein Schattenklon schwerer zu beschwören war als ein normaler Klon. Und sie übersahen dabei auch geflissentlich, dass Naruto ohne größere Probleme zehn, zwanzig, hundert, zweihundert, vielleicht sogar noch mehr Klone auf einen Schlag beschwören konnte. Nun konnten dieselben Spötter natürlich einwenden, dass zweihundert unfähige Genin keine Verstärkung auf dem Schlachtfeld waren, und tatsächlich verpufften bei Narutos Angriffen viele seiner Klone bei den verschiedensten Angriffswellen.

Weil sie es konnten. Weil sie mehr riskieren durften als das Original. Weil sie dafür geschaffen waren, um Naruto selbst die Gelegenheit für einen harten Treffer zu ermöglichen. Und selbst wenn Naruto dutzende Klone verlor, machte das keinen Unterschied. Er hatte hunderte. Und hunderte schwache Gegner konnten einen einzigen starken zu Boden zwingen. Der Haken dabei war: Naruto war nicht schwach, und seine Klone waren es auch nicht.

Als also über zweihundert Klone den Angriff auf Kyun fortsetzten, hatte das mehr was von einer gigantischen orangen Flutwelle, weniger vom Bären und den angreifenden Hunden.

Kyun reagierte überlegt und ruhig, nachdem er aus dem Trümmern des Hauses gestiegen war, in das er von Narutos Rasengan getrieben worden war. Er warf zwei Wurfsterne, die mit Seilen an ihn gebunden waren, dann schickte er sein Feuer hinterher. Die flammenden Wurfsterne und die Seile wirkten wie riesige Sensen, die durch die Reihen der Schattenklone fuhren, und sie zu Dutzenden auflöste. Zu Dutzenden, aber Naruto hatte über zweihundert, die Kyun nicht nur auf der Horizontalen angriffen, sondern auch von oben.

"Katon dai Endan!" Der dicke Riese feuerte eine Feuerkugel nach oben ab, die weitere zwanzig Klone vernichtete, bevor sie ihre Bewegungsenergie aufgezehrt hatte, und nahe der Kämpfenden zu Boden fiel. Wieder gab es die bekannte Detonation, die weitere fünfzehn Klone in den Untergang riss.

Kyun grinste zynisch. "Du solltest aufgeben, kleiner Konoha-Genin. Ich werde deinen Tod schnell und schmerzlos machen."

"Aufgeben? Wieso aufgeben? Ich fange gerade erst an!", rief Naruto. Mehrere Schattenklone vollführten Fingerzeichen für noch mehr Schattenklone. Binnen weniger Sekunden war die Zahl wieder auf über zweihundert heran gewachsen.

Kyun klappte die Kinnlade herab. "Wie viel Chakra hast du eigentlich?", fragte er entgeistert.

"Weiß nicht. Wie viel Chakra hast du denn?", konterte Naruto, auf die großen Jutsu anspielend, die der Dicke bereits benutzt hatte.

Wieder griffen Narutos Klone an, stürzten sich aus allen Richtungen auf den Kiri-Nin, wieder wehrte er sich, diesmal mit einem normale Katon Endan, das er, sich um die eigene Achse drehend, auf alles ausspie, was orange aussah. Damit vernichtete er wieder über vierzig Klone. "Genug Chakra, sodass wir dieses Spiel den ganzen Tag spielen könnten, wenn ich wollte. Aber ich habe keine Zeit, um mit dir zu spielen, während Terumi-chan den echten Spaß hat! Darum werde ich die Sache jetzt beenden! Katon: Kaen Senpuu!"

"RASENGAN!"

Kyun, gerade dabei, seinen tödlichen Feuerwirbel aus Flammen und Vernichtung auf die nächsten fünfzig Meter seiner Umgebung abzufeuern und damit alles zu vernichten, was ich Reichweite war, hielt verblüfft inne. Das hatte doch so geklungen, als hätte jemand... Unter ihm gerufen?

Eine Bodenplatte flog unter ihm beiseite und brachte ihn aus dem Gleichgewicht, als sein rechter Fuß jeden Halt verlor. Er fiel vornüber, versuchte sich mit der Rechten abzufangen, als er den orangenen Blitz bemerkte, der ihm aus dem Boden entgegen schoss. Hatte diese kleine Konoha-Ratte ein Erdversteck benutzt? Nein, sie waren beide zum ersten Mal hier. Hatte er sich dann durch den Boden gegraben, bis er seine Position erreicht hatte? Unmöglich! Wer war so stur und penetrant, um das zu riskieren? Dennoch, da war der kleine orangene Zwerg, trug wieder dieses blaue, flimmernde Jutsu namens Rasengan in der Hand, und presste es gegen Kyuns voluminösen Bauch. Übergangslos fühlte er sich, als würden seine Därme rotieren, fühlte er sich, als würde er selbst rotieren. Es war wie ein starker Schlag, nein wie eine unendliche Abfolge starker Schläge.

Kyun fühlte sich emporgehoben, während er verprügelt wurde, spürte wie sein Körper ein Momentum bekam - und fand sich übergangslos in über dreißig Meter Höhe wieder.

Als er wieder gen Erdboden fiel, schon halb bewusstlos durch das Rasengan, machte er sich klar, dass er den Aufprall nicht gut verkraften würde. Die kleine orange Teppichratte von Konoha hatte ihn tatsächlich besiegt. Damit lag alles bei Terumi. Und damit im grünen Bereich. Eigentlich.

Dann kam der Aufprall und löschte sein Bewusstsein aus.

***

"Das glaubst du nicht!", rief Tsukasa aufgeregt. "Draußen hat sich gerade ein kleiner Hund in einen Jungen verwandelt! Und den gibt es auch noch doppelt!"

"Oh, doch, das glaube ich dir", erwiderte Hanako. Sie eilten zu zweit durch die Burg, an den Außenfenstern vorbei, die den Blick nach Norden gewährten, Richtung Hauptzugang der Burg.

"Gijuu Ninpo: Juujin Bunshin!"

"Und jetzt bilden beide so eine Art Wirbelsturm und fahren durch die Soldaten! Unglaublich!"

"Oh doch, glaube das ruhig. Das ist Kiba, einer meiner Kameraden."

Entsetzt sah Tsukasa die Kunoichi an. "Aber er ist doch noch so JUNG!"

"Alter ist eher selten ein Kriterium für Shinobi", erklärte Hanako, während sie über eine Treppe ins unterste Stockwerk wechselten. Dutzende Soldaten eilten hierhin, dorthin, belästigten sie aber nicht. Viele wichen Hanako mit deutlichen Anzeichen von Angst weiträumig aus. "Wir haben einige Shinobi in Konoha, die schon im Kindesalter Chunin oder gar Jounin geworden sind."

Sie grinste, als von draußen lauter Lärm herein drang. "Er scheint seinen Spaß zu haben."
 

Sie erreichten das Haupttor. Von hier waren es nur noch wenige Dutzend Gangmeter bis zur Küche. Das Problem waren die vielleicht fünfzig mit Lanzen und Schwertern bewaffneten Soldaten, die die Innenseite bevölkerten. Und die hier waren nicht nervös und wichen Hanako freiwillig aus.

Tsukasa zupfte die junge Frau am Ärmel ihres Kimonos. "W-wir sollten einen anderen Weg nehmen, Hana-chan."

Fünfzig waren vielleicht doch etwas viel für einen einzigen Shinobi, der auch noch jemanden beschützen musste, ging es Hanako durch den Kopf.

Einen Augenblick später beulte sich das Tor erst nach innen, dann zerbarst es unter dem Druck einer Explosion, drückte die Hälfte der Männer zu Boden und schleuderte den Rest davon.

Ryu Kaminari kam durch die Trümmer, seine Rechte haltend. "Also ehrlich. Ich habe geklingelt, und niemand hat aufgemacht. Da musste ich eben anklopfen."

"Das nennst du anklopfen?", tadelte Inari. Kurz ging er zu den Orientierungslosen, Besinnungslosen oder schlicht verstörten Soldaten, um ihren körperlichen Zustand zu bestimmen.

"Was regst du dich auf?", fragte Ikuko spöttisch. "Hat doch funktioniert, sein anklopfen. Weiter, wir müssen... Oh, Hana-chan. Na, da haben wir ja schon mal einen Vermissten gefunden." Die sensorische Kunoichi lächelte erleichtert.

Hanako umfasste Tsukasas Schulter. "Zwei, Ikuko-chan. Ich habe auch die erste Vermisste vom letzten Jahr gefunden, und aus einem Schicksal schlimmer als Sklaverei befreit."

"Schlimmer als Sklaverei?", fragte Kaminari, während er über die Trümmer hinweg auf die beiden Mädchen zuschritt. Dass er dabei auch etliche Soldaten als Trittleiter missbrauchte, kümmerte ihn nicht weiter. "Wie kann das denn gehen?"

Hanako errötete. "Stell nicht so viele dumme Fragen. Wir müssen jetzt zur Küche weiter. Dort ist Suzume, und Tsukasa sagt, dass wir dort noch weitere Mädchen aus Gentas Dorf finden."

"So, du heißt also Tsukasa. Freut mich, dich kennen zu lernen. Ich bin Ryu. Ryu Kaminari."

"F-freut mich. Hallo, Ryu-sama."

"Ryu reicht. Ich bin nicht unser Anführer Mamoru. Ich... Auuuuutsch! Hanako, was machst du da?"

Die Kunoichi hatte den Shinobi am Ohr ergriffen und zog ihn jetzt in einer unvorteilhaften Pose hinter sich her. "Hör auf mit ihr zu flirten. Sie ist zu jung für dich. In die Küche, habe ich gesagt. Ikuko, Inari?"

"Wer würde es wagen, dir zu widersprechen?", sagte Ikuko. Unauffällig trat sie zu Tsukasa. "Was genau hat sie so sauer gemacht?"

Die junge Frau errötete. "Nicht so wichtig!" Hastig eilte sie Hanako hinterher.

"Na, auf die Erklärung bin ich gespannt", murmelte Ikuko.

***

Damals
 

Erst war es nur ein Klon, dann ein zweiter. Schließlich hatte ich alle Schattenklone verloren, die ich ausgesandt hatte. Ich seufzte. Die Eindrücke, die sie mir mit ihrem Erlöschen vermittelt hatten, waren irgendwie... Schwierig. Meine Klone hatten gezögert. Ich hatte gezögert. Lag das daran, dass ich befürchtete, mit weiteren toten Konoha-Shinobi würde nur der Wille angefacht, unsere Leute zu finden, oder steckte da mehr hinter?

"Es geht los." Ich sah zur Seite, wo ich Maria wusste. "Sie kommen von mehreren Seiten, passieren uns teilweise. Ich werde sie jetzt herlocken."

Maria schluckte trocken. Sie wusste um die Gefahr, in die sie sich begab, wenn sie bei mir blieb. Dennoch war sie hier. Ich verstand nicht, was diese Klasse-Frau an mir fand, aber ich empfand es als beruhigend, dass es jemanden gab, der solche Gefühle für mich hegte.

"Wenn ich es dir sage, dann..."

"Keine Sorge, dann verschwinde ich. Aber keine Sekunde früher, Mamoru-sama." Der Trotz stand ihr deutlich ins Gesicht geschrieben. Nein, mit dieser Frau konnte ich nicht verhandeln.

Ich kitzelte dem kleinen Äffchen auf meiner linken Schulter den Bauch, und diesmal reagierte es verspielt und amüsiert. "Was meinst du dazu, Perine? Wirst du auch gehen, wenn es schwierig wird, damit ich genügend Bewegungsfreiheit bekomme?"

Der Affe legte nachdenklich den Kopf schräg. Dann schüttelte er ihn.

"Oho, da haben wir ja jemand besonders anhänglichen", lachte ich und tätschelte dem Affen über den Kopf.
 

Ich fixierte den Himmel über mir. Genauer gesagt, den Himmel exakt über mir. Es wäre vermessen gewesen zu versuchen den ganzen Himmel in Brand zu setzen, aber einen kleinen Ausschnitt konnte ich schaffen. "Doton: Endan!"

Ich spie eine Feuerlohe aus, die Dutzende Meter hoch reichte. Wenn die Konoha-Shinobi das nicht gesehen hatten, dann waren sie vollkommen unfähig. Natürlich war es von meiner Warte aus riskant, es mit allen zugleich aufnehmen zu wollen, aber hatte ich eine andere Möglichkeit, die Flüchtlinge zu schützen?

"Keine Toten auf ihrer Seite", mahnte ich Maria. "Meinetwegen Blessuren, Brüche und Bewusstlose. Aber keine Toten. Tote stacheln sie nur dazu an, uns energischer zu verfolgen. Wenn wir sie besiegen und demütigen, kühlt das hingegen ihr Mütchen."

"Okay, das klingt logisch." Maria zog ein Kunai und postierte sich auf meiner rechten Seite, um Angriffe aus dieser Richtung abzufangen. Logischer wäre, weil ich Rechtshänder war, meine Linke abzudecken, aber Perine hatte sehr deutlich gemacht, dass sie diese Seite nicht aufgeben würde.

Andererseits brauchte ich für normale Shinobi nicht besonders viel Deckung durch andere. Ein arroganter Gedanke, damals wie heute. Leider hatte ich Recht.

Ich nehme an, mein Hang zur Arroganz, den ich seither zu unterdrücken versuche, stammt aus dieser Situation, in der ich an Selbstüberschätzung keinen Mangel hatte.

Als das Kunai mit dem Spreng-Tag vor meinen Füßen landete, machte ich mir auch nicht die Mühe, fortzuspringen. Ich trat das Kunai um und löschte das Spreng-Tag mit einem Fußtritt aus.

"Das war doch hoffentlich noch nicht alles", murmelte ich mehr zu mir selbst.

Aus den Bäumen links von mir huschten drei Shinobi zu mir herüber. Sie trugen die üblichen grünen Westen und die Stirnbänder Konohagakures, waren mit Kunais und Schwertern bewaffnet. Der Vorderste warf eine Salve Shuriken, die ich mit meinem eigenen Kunai abwehrte. Dann waren sie heran, stürzten sich auf mich und Maria.

Ich schritt zwischen zweien von ihnen hindurch, einen kurzen Step benutzend, und schlug dem Linken heftig gegen die Schläfe. Er fiel um wie ein Sack Reis. Der Mittlere wirbelte auf mich zu, sein Schwert in der richtigen Höhe, um mir den Kopf von der Schulter zu trennen. Ich wehrte ihn mit links ab, und rammte ihm die geballte Rechte in den Solarplexus. Der Schlag hob ihn leicht vom Boden ab, und als ich ihn los ließ, fiel er zu Boden und krümmte sich vor Schmerzen. Nummer drei hätte alle Chancen der Welt gehabt, mich zu attackieren, während ich beschäftigt gewesen war. Stattdessen hatte er mit einem Schaudern zugesehen, wie ich seine beiden Kameraden ausgeschaltet hatte. Ich erwartete, dass er sein Heil nun in der Flucht suchen würde, und kurz flackerte Panik in seinen Augen auf. Doch dann wurde sein Blick wieder fest. Er umfasste sein Kunai mit beiden Händen, stieß einen wilden Schrei aus, und stürzte todesmutig auf mich zu. Zumindest zwei Schritte weit, dann sank er bewusstlos vor mir zu Boden. Maria, die Handkante gerade zurückziehend, lächelte mich an. "Keine Toten, ich halte mich dran."

Das ließ mich schmunzeln. "Gute Arbeit. Ich hoffe, Konoha hat noch was Besseres zu bieten, sonst könnte mir langweilig werden."

"Vorsicht, Mamoru-sama, wenn du so etwas sagst, dann geht dein Wunsch auch in Erfüllung", tadelte sie mich.

"Was meinst du dazu, P-chan? Lieber einen schwachen als einen starken Gegner?"

Der Affe zuckte mit den Schultern. Ihr war wohl jeder Gegner Recht.
 

"Einmal starker Gegner, kommt sofort!", klang es vor uns auf. Aus dem Unterholz brach dieser Riese hervor. Er sprang auf uns zu, und holte mit etwas aus, das mich irgendwie an eine eiserne Planke erinnerte. Maria und ich sprangen ein paar Schritte zurück.

Als das Stück dicken Stahls in den Boden fuhr, löste es eine Druckwelle aus. Der Boden bäumte sich auf, und ich musste noch ein Stück zurück, um nicht zu stürzen. Maria hatte nicht so viel Glück. Sie fiel mit einem Laut der Überraschung auf den Lippen zu Boden.

Der Mann sah auf und grinste mich an. "Stark genug, oder soll ich noch ein paar Kohlen drauf packen?"

Ich zog meine Klinge, jene, die ich in unserer Zuflucht erhalten hatte. "Sei mein Gast, Konoha."

"Nicht Konoha. Ich bin ein Gesandter des Landes der Reisfelder", sagte er und zerrte seine Waffe aus dem Boden.

"Nanu? Seit wann hat das Land selbst etwas gegen sein eigenes Shinobi-Dorf?", fragte ich, nicht unbedingt ernst gemeint. Aber wenn es ein paar Sekunden erkaufte, würde ich den Burschen gerne reden lassen.

"Es ist nicht so, als würde ich offiziell arbeiten", erwiderte er und schulterte die mächtige Klinge, "aber Ihr habt da was, was ich haben will. Und dafür bin ich gerne bereit, Konoha ein wenig auszuhelfen."

Hinter ihm versuchte Maria wieder auf die Beine zu kommen.

"Bleib lieber liegen, Mädchen. Das wird zu heftig für dich", sagte der Gesandte. "Mein Name ist Ryuji Nekozumi. Ich bin auf der Suche nach... Einem Kameraden. Rückt ihn freiwillig raus, und ich überlege es mir vielleicht, ob ich euch leben lasse."

"Ein Kamerad?" Ich sah zu Maria rüber. "Hast du eine Ahnung, wovon er redet?"

Sie zuckte die Achseln. "Vor ein paar Tagen hatten wir es mit einem Konoha-Shinobi zu tun. Wir mussten ihn leider töten, weil er zu viel gesehen hatte. Vielleicht meinte er den?"

"Haben wir tatsächlich?", fragte ich.

"Nein, haben wir nicht. Aber ich wollte mal sehen, wie der Große hier reagiert." Sie setzte sich auf und musterte den großen Mann. "Du wirfst dich ja ganz schön ins Zeug für deinen Kameraden. Schuldest du ihm einen Gefallen?"

Nekozumi lachte auf. "Ich glaube nicht, dass man mit ihm etwas aufrechnen kann. Oder sollte. Er ist einfach wie er ist, und das reicht mir." Er sah zu Maria herüber. "Du solltest ihn kennen, denn du hast ihn entführt, Mädchen."

Sie blies die Wangen auf. "Wohl eher gerettet! Willst du mir das vorwerfen?"

"Moment, Moment, alles nochmal auf Anfang! Wir haben einen Gefangenen aus Konoha?", fragte ich verwirrt. "Warum sagt mir das keiner?"

"Nein, keinen Gefangenen", begehrte sie auf. "Ich habe ihm das Leben gerettet, das ist alles. Es ist nicht mein Problem, wenn Konoha die eigenen Leute nicht mehr wiederfindet."

"Starke Worte für eine Oto-Nin", sagte Nekozumi und ließ die schwere Klinge auf Maria niederfahren.

Das Mädchen quiekte erschrocken auf. Aber nur für die erste Schrecksekunde. Als sie realisierte, dass ich die Klinge mit meinem Wakizashi bereits abgefangen hatte, reagierte sie erleichtert. "Mamoru-sama."

Derweil erhöhte Nekozumi den Druck. Ich spürte, wie ich durch das Erdreich geschoben wurde. Der Mann war stark wie ein Bulle, und nur durch Zugabe von Chakra konnte ich ihm standhalten. Aber für wie lange?

"Mamoru-sama?", fragte er verwirrt, und nahm den Druck ab.

Diesen winzigen Augenblick der Wehrlosigkeit nutzte ich aus. Ich ließ die Klinge fallen, verschränkte beide Hände ineinander und schlug von unten hart nach oben. Ich traf sein Kinn mit all meiner Kraft, schaffte es aber nicht, ihn auch nur einen Millimeter anzuheben. Stattdessen taten mir die Hände weh.

Er schüttelte den Kopf wie ein Betrunkener, der seine Sinne zurück wollte. "Autsch."

Hätte ich nicht die Maske mit den Linsen getragen, er hätte das Entsetzen in meinen Augen gesehen. Dieser brutale Schlag hatte nicht gereicht?

Mühsam fand Nekozumi seinen Stand wieder, und das viel zu schnell. Himmel, der Schlag hätte einen Bären ausgeknockt, perfekt ausgeführt, genau auf die Kinnspitze, und dieser Mann schwankte nur ein bisschen. Also Plan B.

Ich sprang ihn an, umfasste seinen Kopf als Ankerpunkt und riss mein rechtes Knie hoch. Mit brutaler Gewalt rammte ich es auf sein Sonnengeflecht. Jeden anderen hätte ich damit getötet, aber nicht diesen Riesen. Als ich ihn fahren ließ, stand er noch immer. Mehr oder weniger.

"Duuuu...", sagte er leise, bevor er doch noch zur Seite fiel. Aber er war noch immer nicht ohnmächtig. Blind tastete er nach seinem Schwertgriff, obwohl er unfähig war, in nächster Zeit zu kämpfen, geschweige denn die Klinge zu heben.

In einem Anflug von Freundlichkeit schob ich die Waffe in seine Richtung.

Nekozumi griff zu und schloss die Finger fest um sie. "Danke", hauchte er, bevor die Kraft in vollends verließ. Was für ein Monster von Kerl. In einem anderen Leben hätte ich mich gefreut, ihn zu meinen Freunden zu zählen.
 

Das war ein paar Sekunden, bevor die nächsten Genin ihren Angriff starteten, diesmal von rechts. Maria sprang auf die Füße, ihr Kunai erhoben, und ich beeilte mich, das Wakizashi wieder aufzuklauben.

"Doton: Kage Bunshin no Jutsu!", hörte ich einen der Konoha-Shinobi rufen, und rund um mich wuchsen Erdsäulen empor, die sich in Kopien ihres Beschwörers verwandelten. Erdklone. Nicht schlecht. Nur leider keine Gegner für mich, wenn sie so lange brauchten, um sich voll zu entwickeln. Ein einziger Rundumstreich mit meinem Schwert löschte alle vier wieder aus.

"Bitte etwas mehr Mühe", mahnte ich.

Der Erdjutsu-Benutzer sah mich mit wutverzerrter Miene an. "Deine Arroganz wird dir noch im Halse stecken bleiben, versprochen!"

"Na, dann kommt!" Das ließen sie sich nicht zweimal sagen.

***

Die Bürotür des Hokage-Büros flog auf. "Hey! Alter Mann!"

Shikaku Nara, der kommissarisch die Hokage-Geschäfte übernommen hatte, musterte den Eintretenden streng. "Immer langsam mit den jungen Pferden, mein Sohn. Nichts auf dieser Welt ist so wichtig, dass du hier mit der Tür ins Haus fällst."

Shikamaru Nara stieß einen Seufzer aus. "Da bin ich einmal in meinem Leben enthusiastisch, und dann ist es auch nicht richtig. Gerade sind die neuesten Nachrichten von Rose-chan eingetroffen. Per Habicht. Ich dachte, es interessiert dich, wie es um deinen eigenen Neffen steht."

"Die neuesten Nachrichten? Ja, warum beeilst du dich dann nicht? Her damit!", rief der Herr des Nara-Clans.

Shikamaru drückte seinem Vater die kleine Papierrolle in die Hand. "Ich habe sie noch nicht gelesen, sondern gleich zu dir gebracht. Das ist mir schwer gefallen", betonte der Junge.

"Schon gut. Ich weiß, dass du an Mamoru hängst." Er entrollte sie ein Stück und begann zu lesen. "Junge, Junge, gut das sie einen Habicht genommen haben, und keine Brieftaube. An dem Gewicht hätte sich eine Taube einen Bruch gehoben. Das ist keine Nachricht, das ist ein Bericht! Ich muss Rose beizeiten mal erklären, was der Unterschied zwischen einer Nachricht ist, die man per Luftpost verschicken kann, und einem Bericht, den man nach Abschluss der Mission... Oh. Oh. OH!"

"Ist etwas noch schlimmer geworden?", fragte Shikamaru besorgt.

"Wie man es nimmt. Sie wissen jetzt definitiv, dass Mamoru noch lebt. Und sie wissen auch, wie er aus der Explosion entkommen konnte. Leider bedeutet das, dass er in den Händen der Oto-Shinobi ist. Und ich habe keine Ahnung, wie lange er das überlebt."

"Aber er lebt?"

"Ich will es mal so formulieren. Anscheinend kann man jetzt eine Leiche finden, und das halte ich durchaus für eine Verbesserung. Wenn man ihn nun auch noch lebend findet, dann ist die Mission erfüllt." Shikaku Nara rieb sich nachdenklich die Nasenwurzel. "Werden die detachierten Shinobi reichen, um ihn zu finden?"

"Wir könnten weitere ausschicken!", sagte Shikamaru, der sich nicht wirklich mit dem Gedanken anfreunden wollte, seinen Cousin als Leiche wiederzusehen. "Wir könnten auch ein paar Gefallen beim Nekozumi-Clan oder Getsugakure einfordern, damit sie uns unterstützen."

"Zu wenig und zu spät", murrte sein Vater. "Das hätten wir früher in die Wege leiten sollen, notfalls auch an den Räten vorbei. Jetzt können wir nur auf unsere Shinobi vertrauen und das Beste hoffen. Es dürfte Konoha schweren Schaden zufügen, wenn wir unseren einzigen Kontraktträger mit dem Affenclan verlieren."

"Ist das der einzige Grund für deine Besorgnis?", fragte Shikamaru.

Sein Vater sah ihn spöttisch an. "Was denn? Denkst du wirklich, ich würde in Mamoru nicht mehr sehen als einen Shinobi Konohas, als ein Mitglied des Nara-Clans? Du hast noch eine Menge zu lernen, mein Junge, damit du einerseits professionelle Entscheidungen treffen kannst, andererseits aber auch das Maß nicht verlierst, um ein Mensch zu bleiben."

"Eine merkwürdige Wortwahl für einen Ninja, alter Mann."

"Die Welt der Shinobi lebt von ihren Paradoxa." Shikaku erhob sich. "Ich werde mich mit Hyuuga-tono besprechen müssen."

"Nur mit Hyuuga-sama? Was ist mit den anderen Räten?"

"Ich will die anderen Räte nicht hintergehen. Ich will nur einen Rat von der Fraktion Konohas, die ihre eigenen Leute restrektiver behandelt als jeder andere Clan in der Stadt."

"Und was für ein Rat soll das sein?", fragte Shikamaru.

"So wie ich Mamoru kenne... Ich werde ihn fragen müssen, wie ich Mamorus Hals am Besten aus der Schlinge kriege."

"Seinen Hals? Aber er ist das Opfer!", begehrte Shikamaru auf. "Alles was er getan hat, war sich retten zu lassen!"

Shikaku schnaubte verächtlich. "Weißt du, mein Sohn, die Politik hat schon Shinobi für ihre eigenen Belange bei weit geringeren Verfehlungen geopfert. Hoffe, dass mein Besuch bei Hyuuga-tono umsonst bleibt und ich mir zu viele Sorgen mache."

"Also, jetzt machst du mir Angst."

"Gut so. Vielleicht lernst du ja dadurch was fürs Leben, mein Sohn", sagte der Anführer der Nara und ging an ihm vorbei zum Ausgang seines Büros.

***

Die Zahl besiegter Shinobi Konohas lag nun bei elf. Ich atmete schwer. So richtig fit war ich immer noch nicht, wie ich zu meinem Bedauern feststellen musste. Aber die Konoha-Nin waren auch zäher gewesen als ich gedacht hatte. Sie hatten alle bis zum Allerletzten gekämpft, waren nie bereit gewesen, sich zurück zu ziehen. Diese Entschlossenheit beeindruckte mich sehr, denn sie konnten unmöglich wissen, dass ich mir vorgenommen hatte, ihre Leben zu schonen.

Mein Blick ging kurz nach links zum Affen, der auf meiner Schulter mitritt. "Alles in Ordnung, P-chan?"

Der Affe keckerte erfreut und gab mir einen Kuss auf die Wange. "Das werte ich als ja. Auch bei dir alles in Ordnung, Maria?"

Die junge Frau sah mit einem schmerzverzerrten Lächeln zu mir herüber. Sie blutete aus einer Armwunde. "Es geht. Tut weh, aber behindert mich nicht. Konoha vergiftet seine Kunais doch nicht, oder?"

"Woher soll ich das denn wissen?", fragte ich.

"Oh. Ja, sehr guter Punkt. Verdammt, warum war ich nur so unaufmerksam?"

"Das liegt wohl eher an mir. Hättest du sie schwerer verletzen dürfen, hätten sie dich nicht verletzt. Ich sollte..."

"Nein", begehrte sie auf. "Du hast vollkommen Recht, Mamoru-sama. Wenn wir hier einen von ihnen töten, werden uns die anderen nur umso vehementer verfolgen, auch über die Landesgrenze hinweg. Sie werden auf Rache aus sein, schlimmer als bei der Zerstörung von Otogakure. Da haben sie ja wenigstens noch Gefangene gemacht." Sie sah mich an. "Keine toten Konoha-Shinobi, Mamoru-sama."

Ich erwiderte ihren Blick ernst. Für den Moment wünschte ich mir, diese Maske mit den Linsen nicht tragen zu müssen, mein "Markenzeichen", damit sie meine Augen sehen konnte. Ihre Entschlossenheit beeindruckte mich. "Verschwinden wir hier zum nächsten Punkt, bevor zu viele von denen auftauchen."
 

"Das", hörte ich eine Frauenstimme hinter uns sagen, genauer gesagt genau aus unserer Fluchtrichtung, "dürfte etwas schwierig ausfallen."

Ich wandte mich um und erkannte zwei Konoha-Shinobi, einen Mann und ein Mädchen. Das Mädchen war nicht sehr groß, aber recht gut gebaut für ihre vielleicht fünfzehn Jahre. Ihre Augen sprudelten vor Selbstbewusstsein, und das schwarze Haar, das ihr Gesicht einrahmte, verlieh ihrer Schönheit den letzten Pfiff. Wäre sie keine Gegnerin gewesen, hätte ich mich in sie verlieben können.

"Hallo, Maria", sagte sie, und musterte meine Gefährtin. "Dir ist es seit dem Angriff auf Konoha viel zu gut ergangen."

"Ich tue was ich kann, Karin", erwiderte Maria.

Anklagend deutete die Konoha-Kunoichi in meine Richtung. "Das tust du wirklich! Was zum Henker hast du mit meinem Mamoru gemacht?"

Ehrlich gesagt, nun war ich doch verblüfft. Ich war... Ihr Mamoru? Was war das für eine Taktik? Und warum fühlten sich diese Worte gut an?

Ich hob beide Hände. "Können wir den Smalltalk überspringen und gleich zum Kämpfen kommen? Ich habe heute noch mehr zu tun."

"Oh, wir brauchen nicht zu kämpfen", sagte das Mädchen, und knöpfte ihre Weste auf. Danach öffnete sie das darunter liegende Hemd und eröffnete mir Einblicke in ihr Dekolletée und ihren Geschmack in Oberkörperunterbekleidung. Sie setzte ein Kunai an, ungefähr an der Stelle, an der ihr rechter unterer Herzbeutel saß. "Du kannst mich gleich hier und sofort töten. Für dich gebe ich mein Leben gerne, Mamo-chan."

"Karin, das ist aber eine Scheiß Idee", raunte der Mann herüber. "Er ist nicht er selbst!"

"Ich habe Vertrauen in meinen Mamo-chan!", sagte sie hart. Dann stand sie vor mir, nahm meine irgendwie kraftlose rechte Hand und legte sie auf den Griff des Kunais. "Wenn du nicht mehr der wirst, der du warst, dann hat mein Leben keinen Sinn, Mamo-chan", hauchte sie, und eine Träne rann ihre Wange herab. "Dann ist es gnädiger, wenn du mich tötest."

Ich sah in ihre Augen, sah zu Maria herüber, und riss mir die Maske vom Kopf. Meine Hand glitt vom Kunai ab. Ich konnte sie nicht töten, ich konnte sie nicht verletzen. Ich konnte ihr nichts Böses tun. Es ging nicht, denn ich liebte sie. Diese Erkenntnis löste eine Blockade, einen Damm tief in mir, und überschwemmte mich mit allen Erinnerungen, die ich seit Tagen vermisste. Natürlich, Karin! Und Ryu! Und... Und... Maria!

Was tat ich hier eigentlich? Wozu hatte Maria mich getrieben?

"DU!", grollte ich böse, während ich den zerkratzten Oto-Stirnschutz von meinem Kopf riss.

Maria quiekte erschrocken auf und ging instinktiv einen halben Schritt zurück.

"Du hast mich dazu getrieben, meine Kameraden anzugreifen!", rief ich. "Meine Kameraden, die unter mir gekämpft haben! Die hier sind, um mich zu retten! Du!"

Eines war definitiv klar. Das würde Ärger ohne Ende bedeuten. Eventuell endete es auch mit meiner Exekution. Ich seufzte und sah zu Boden. "Du musst das Hemd nicht zuknöpfen, Karin."

"Was? Wie? Du entwickelst doch nicht etwa... Maria, was genau hast du eigentlich mit ihm gemacht?"

"Ich... I-ich..." Zögernd hob sie eine Hand.

"Geh!", sagte ich barsch. "Geh einfach! Du hast mir immer noch das Leben gerettet, mich vor Guin beschützt! Das ist eine Schuld, die ich niemals abbezahlen kann! Auch wenn du mich überhaupt erst in diese Situation getrieben hast!"

Sie sah mich an, zögernd.

"Ryu, Karin, Ihr lasst sie passieren."

"Aber das ist Maria! Hast du schon vergessen, was sie...", begann Kaminari.

Ich warf ihm einen Blick zu.

"Schon verstanden. Kannst durch, du kleines Miststück."

Wieder sah sie zu mir herüber.

Ich schüttelte den Kopf. "Habe keine Sorge. Ich verrate die Route deiner Leute nicht. Und ich lasse auch keinen Konoha-Shinobi weiter als bis zu diesem Punkt kommen, bis Ihr das Land verlassen habt. Du hast dich nicht nur in mein Herz eingeschlichen und mich benutzt, du hast mir auch gezeigt, dass jeder einzelne der Oto-Leute, die in ein anderes Land fliehen, weit besser sind als du. Ich werde für sie kämpfen, weil ich sie mögen gelernt habe."

"Mamoru-sama, ich...", begann sie.

"Geh, bevor ich heute doch noch jemanden töte!", blaffte ich.

Sie wandte sich um. "Ja, Mamoru-sama."

"Maria!", sagte ich.

"Mamoru-sama?"

"Sollten wir uns einmal wieder begegnen, dann ist meine Schuld abbezahlt. Solltest du mir jemals wieder unter die Augen treten, werde ich dich töten. Ich hasse dich für das, was du mir angetan hast. Ich hasse dich für das, was ich für dich getan habe. Sei schlau und lauf mir nie wieder über den Weg."

Sie starrte mich an, beinahe eine Minute. "Ich verstehe, Mamoru-sama", sagte sie seltsam tonlos. Für einen Moment glaubte ich, sie würde eine Verbeugung andeuten, dann war sie fort.
 

"Soll ich nicht besser...", begann Ryu.

"Nein! Wenn du ihr folgst, verpasse ich dir die Tracht Prügel deines Lebens."

Entsetzt sah Kaminari mich an. "Das meinst du ernst, oder?"

"Hey, letztendlich hat sie mein Leben gerettet."

"Mamo-chan!", rief Karin erleichtert und warf sich mir an den Hals.

"Karin, dein Hemd ist immer noch auf."

"Das ist doch jetzt vollkommen egal", schluchzte sie. "Ich habe geglaubt, das niemals wieder tun zu können, dich in Armen zu halten. Und jetzt kann ich es doch! Ich... P-chan, wie lange bist du eigentlich schon bei ihm?"

Der Affe sprang von meiner Schulter zu Boden und verwandelte sich dabei in ihre Gestalt als junge Menschenfrau. "Lange genug, um den Willen meines Meisters zu kennen. Er will, das der Treck der Oto-Shinobi und ihrer Angehörigen das Land unbehelligt verlassen kann. Also werde ich jeden Konoha-Shinobi aufhalten, der diesen Punkt zu passieren versucht."

"Perine-chan, das ist doch nicht dein Ernst!", sagte Kaminari entgeistert. "Ich meine, das sind alle unsere Konoha-Kameraden!"

"Du meinst wohl deine Konoha-Kameraden. Ich bin Kriegerin des Affenclans. Für mich zählt nur der Kontrakt zu Mamo-chan", erklärte die Affenkriegerin stolz.

"Ich helfe dir auch, Mamo-chan", verkündete Karin. "Egal welche Entscheidungen du triffst, ich unterstütze dich."

"Versuche nicht, mich weich zu kochen", sagte ich ärgerlich.

"Ich versuche, dich zu unterstützen!", sagte sie ärgerlich. "Siehst du das nicht?"

"Damit wir beide vor ein Militärgericht kommen, wegen Landesverrat?"

"Das ist mir egal!" Sie löste sich von mir und ergriff ihre eigenen Kunais. "Kein Konoha-Shinobi soll diesen Punkt passieren, richtig? Befehl verstanden, Morikubo-sama."

"Ach, was soll der Mist, ich bin doch ohnehin ein Nukenin", murrte Kaminari und reihte sich ein. "Kein Konoha-Shinobi über diesen Punkt hinaus, verstanden." Kurz sah er sich um. "Beeindruckende Bilanz bisher, Mamo-chan."

"Danke", sagte ich leise. "Ihr seid Idioten, wisst Ihr das?"

"Deine Idioten", murrte Kaminari.

"Das weiß ich zu schätzen", erwiderte ich. Also verriet ich tatsächlich Konoha, und verhalf Otogakure zur Flucht. Das hätte ich mir nie träumen lassen. Aber auf der anderen Seite waren eben auch nur Menschen.

Feuerregen 15

7.

Heute
 

Eines musste man Terumi-san lassen, sie kannte ihren Auftritt. Langsam ließ sie den Helm vom Kopf gleiten, nahm die Nadeln aus ihrem Haar und schüttelte es. Eine wahre Flut prächtigen roten Haars entlud sich auf ihre Schultern. Sie wölbte leicht die Lippen, ihre Augen funkelten spöttisch, und ihr selbstsicherer Gang machte klar, wer hier jetzt das Sagen hatte, nachdem sie meine Affenkrieger in Schimpf und Schande nach Hause geschickt hatte. Sie kam auf mich zu, wie ein großer weiblicher Wirbelsturm der Schönheit, und ihr Lächeln war gleichermaßen Verheißung wie Drohung.

"Beinahe tut es mir ein wenig leid um dich. Nein, das ist gelogen. Ich hätte gerne noch einmal mit dir gekämpft, ein paar Jahre in der Zukunft, um zu sehen, was für ein Shinobi aus dir dann geworden ist. Aber wir Kiri-Ninja sind da sehr strikt. Ein besiegter Feind muss sterben. Ich meine, ein besiegter Kiri-Nin darf bei uns auch nicht überleben, warum sollen wir dann bei unseren Feinden nachsichtiger sein?" Sie lächelte und hielt an, einen Meter von mir entfernt.

"Außerdem warst du ein großartiger Gegner, und nur ein wirklich furioses Ende wird deiner gerecht, Mamoru Morikubo. Fühle dich geehrt von meiner Hand zu sterben."

"Terumi-san, ich lasse mich nie bei der ersten Verabredung töten", wandte ich ein. "Das geht gegen meinen Codex."

Sie stutzte, und dann begann sie zu lachen. Sie sah mich an, Lachtränen in ihren Augen. Bedächtig wischte sie sie mit einem letzten ächzenden Lachen fort. "Mach es mir doch nicht noch schwerer, Morikubo", sagte sie leise. "Youton: Youkai no Jutsu", flüsterte sie leise, und zwischen ihren Lippen kräuselte eine kleine Rauchfahne hervor. Mit Youton benutzte sie ein Jutsu, das sogar jenen überlegen war, das zwei verschiedene Grundarten mixte. Also Beispielsweise Feuer und Blitz. Sie setzte noch einen obendrauf. Eine derartige Kraft hatte ich noch nie gesehen, war ihr noch nie begegnet. Andererseits hatte ich Sarutobi-sensei auch nie in einer ernsthaften Schlacht erlebt, und wenn es einen Konoha-Shinobi gab, der drei Elemente beherrschen und vereinen konnte, dann sicher der legendäre Professor. Oder Hatake-sensei, der vielgerühmte Copy-Ninja, von dem erzählt wurde, er könne jedes Jutsu, das kein Bluterbe war, kopieren.

Sie trat an mich heran, legte beide Hände um meinen Nacken. Ihre Lippen näherten sich den meinen, ich fühlte die Hitze, die sich durch ihr Jutsu in ihrem Mund zu sammeln begann. Sie würde ihre heiße Lava in meinen Rachen schießen. Ich kannte nur einen Ninja, der das überleben konnte, und das war Jiraiya-sama, der ein Jutsu beherrschte, das den Raum beeinflussen konnte. Er hätte die Lava einfach in einen Froschdarm schicken können. Pech für den Frosch, aber gut für ihn. Ich kannte solche Techniken nicht. Mein Ende war besiegelt, vor allem weil mein Chakra bedenklich zusammen geschmolzen war. Na, dann war es ja Zeit für Plan B. Dachte ich zumindest, bis ich eine bekannte Stimme rufen hörte: "RASENGAN!"

***

"Nein, die doch nicht!", rief Karin erschrocken und ergriff Kaminari am Kragen seiner Weste, um ihn in seiner Angriffsbewegung zu stoppen. "Diese Soldaten sind die entführten Jungs aus Gentas Dorf! Siehst du denn nicht, dass sie ihre Rüstungen abgelegt haben?"

"Das muss mir aber vorher einer sagen!", beschwerte sich der ehemalige Nukenin, und ließ den ersten Burschen, den er sich schon gegriffen hatte, zu Boden fallen. "Nichts für ungut, Kleiner."

"Schon okay", ächzte der Junge. "Hätte mir ja auch passieren können."

Durch die Tür zum Holzhof traten Kiba und Akamaru ein. Ihnen folgten dichtauf Hinata und Shino.

"Wo ist Naruto-kun?", fragte Hinata.

"Irgendwo in der Richtung, wo es gerade am Meisten kracht", erwiderte Kiba mit einem breiten Grinsen. "Scheint so, als hätte er sich die stärksten Gegner heraus gepickt." Sein Grinsen erlosch. "Und er wird garantiert nicht teilen! Verdammt!"

"Hör auf zu jammern, Kiba-kun", tadelte Hanako. "Wir sind hier noch nicht fertig. Unser Auftrag lautet nicht nur, die Vermissten zu befreien, sondern auch... Uff, Suzume-chan, was tust du denn da?"

Suzume hatte Hanako beinahe umgerannt, als sie ihr in die Arme gesprungen war. Nun drückte sie ihr Gesicht in den Kimono ihrer Sempai und heulte Rotz und Wasser. "Es tut mir leid, Hana-chan. Es tut mir leid, was ich gesagt habe. Es tut mir leid, was ich gedacht habe. Ich wusste doch nicht, dass... Dass..." Sie sah auf, und ihre Heultour setzte sich fort.

"Na, was soll's, der Kimono gehört sowieso nicht mir. Habt Ihr meine Uniform?"

"Na logo", sagte Kaminari grinsend und reichte ihr ihren Rucksack.

"Oh, danke. Suzume, ich verstehe ja, wie du dich fühlst, aber wir müssen dafür sorgen, dass von hier nie wieder ein Überfall ausgehen wird. Das heißt, wir müssen die Burg zerstören. Den Daimyo habe ich schon erledigt. Zumindest für die nächste Zeit... Diesen Schuft."

"Hanako, dein Chakra brennt gleich die Küche an", mahnte Karin.

Übergangslos beruhigte sich das blonde Mädchen wieder. "Wie dem auch sei, wir müssen jetzt nur noch die Burg vernichten, die Soldaten besiegen, die geretteten Kinder beschützen. Das sind unsere Aufgaben. Nicht unbedingt in dieser Reihenfolge. Also, los geht es. Shino, Team acht bewacht unsere Geretteten."

"Verstanden."

"Inari, Ikuko, Ryu, Karin, wir machen mit der Zerstörung der Burg weiter."

"Ich glaube", grollte eine tiefe Bassstimme hinter ihnen, "das kann ich nicht erlauben."

Der große Soldat trat in die Küche, den Genta Koji genannt hatte. In seiner Rechten hatte er ein gezogenes Schwert. "Ihr habt Harusame-sama besiegt. Darum habe ich keine andere Wahl." Suchend ging sein Blick über die Shinobi. "Also? Wer ist der Anführer?"

***

Naruto Uzumaki sprang zwischen mich und Terumi. Sein Versuch, die Frau mit seinem Jutsu zu treffen, endete darin, das er das Gleichgewicht verlor, an ihr vorbei taumelte und gegen eine Hauswand prallte, die zwar die letzten Misshandlungen überlebt hatte, aber nun den Rasengan erlag. Steinsplitter flogen wie kleine Schrapnelle in alle Richtungen davon.

Naruto kam auf seinem Gesicht zu liegen, den Hintern in die Höhe gestreckt. Aber er rappelte sich sofort wieder auf. "Kage Bunshin no Jutsu!" Ein Schattenklon entstand neben ihm, und sofort begann er damit, ein neues Rasengan zu formen. "Keine Sorge, Oniichan, ich lasse dich nicht in Stich!"

"Das ist nett von dir gemeint, Naruto, aber eigentlich hatte ich die Lage unter Kontrolle", erwiderte ich.

"Was? Aber sie hat doch ihr Jutsu... Und du hast da gestanden... Wie jetzt?"

In diesem Moment verging ich. Oder vielmehr mein eigener Schattenklon. Dafür tauchte ich direkt hinter Terumi mit Step auf und schlug ihr die Handkante gegen den Hals. Kräftig. Richtig kräftig. Einen normalen Menschen hätte ich damit getötet. Sie aber betäubte ich nur, und das auch nur zum Teil. "Weil ich hinter ihr war. Deshalb."

"Oh", sagte Naruto. Das Rasengan versiegte wieder, und sein Schattenklon löste sich auf.

Terumi hustete am Boden. "W-wie hast du...?"

"Du hast mir geholfen", erklärte ich. "Mein Chakra ist am Ende, und ich war mir sehr sicher, du würdest mich töten. Dann dachte ich, dass du so ziemlich das Gleiche denkst, und glaubst das du deine Beute schon sicher hast, Terumi-chan. Also habe ich, als du dir mit der Lavasäule auf Kasumi-chan selbst die Sicht versperrt hast, einen Schattenklon erzeugt und mich abgesetzt, um dich weiträumig zu umgehen, und im richtigen Moment anzugreifen. Mit Naruto habe ich jetzt überhaupt nicht gerechnet, aber bis dahin hat es ja funktioniert."

"Hehe. Tschuldigung, Mamo-oniichan", sagte Naruto grinsend, verlegen eine Hand am Hinterkopf.

"Schon in Ordnung, Naruto. Ich konnte sie nur noch mit Taijutsu kriegen und hatte nur einen Versuch. Den hast du mir wohl erleichtert." Ich kniete neben der Kiri-Kunoichi. "Also, Terumi-chan, ergibst du dich?"

"I-ich... Ich bin besiegt. Töte mich, Morikubo!"

"Was? Hör mal, du hast nur verloren. Es besteht kein Grund, dich umzubringen."

"Es macht keinen Unterschied", sagte sie und hustete ausgiebig. "Wenn ich hier nicht sterbe, werden meine Kameraden mich töten. Mit Versagern machen wir kurzen Prozess."

"Was für ein Quatsch", murmelte ich. "Dabei sind doch die, die überleben, diejenigen mit neuen Erkenntnissen. Ihr seid ein bisschen blöde in Kirigakure."

"Das haben wir schon immer so gemacht", erwiderte sie verärgert. "Wo kommen wir denn dahin, wenn wir das ändern?"

Ich prustete leise. "Naruto, warum erzählst du Terumi-chan nicht mal von deinem großen Traum?"

"Traum? Oh, ja, gute Idee." Der blonde Junge kam herüber, ging vor Terumi in die Hocke und griente wie ein Honigkuchenpferd. "Weißt du, Terumi-oneechan, mein Ziel ist es, eines Tages Hokage zu werden."

"Hokage? Du?"

"Er hat Kyun besiegt, oder?", wandte ich gegen ihren Protest ein. "Und er ist noch jung. Er hat noch viel Zeit, bis er Hokage werden kann, und noch mehr Zeit, bevor er es werden muss." Ich schmunzelte. "Außerdem ist er eine Riesenüberraschung für mich, jedes Mal wenn ich ihn wiedertreffe. Er scheint immer stärker zu werden. Und das vor allem durch seine Niederlagen. Wenn er besiegt wird, arbeitet er nur noch härter an sich, um seine Gegner das nächste Mal zu übertrumpfen."

"Nicht doch, Mamo-oniichan, lob mich nicht so. Ich werde ja rot."

"Hhhh", machte Terumi. "Und warum willst du Hokage werden, Naruto-chan?"

Das Gesicht des blonden Jungen wurde ernst. "Ich... Ich hatte bisher kein leichtes Leben. Ich war immer ein Außenseiter, immer das Kind, das alleine leben musste und von allen ignoriert und gehasst wurde. So war das eine sehr lange Zeit, ohne dass ich wusste, warum das so war. Ich..."

Hastig bedeutete ich Naruto, nichts vom Neunschwänzigen zu erwähnen. Es hatte diese Kiri-Kunoishi nicht zu interessieren, dass er ein Jinchuriki war, Träger des neunschwänzigen Fuchsdämon.

Naruto sah mich für einen Moment irritiert an, als er verdauen musste, dass ich es hingegen wusste.

Nachdenklich fuhr er fort. "Ich war immer entschlossen, das zu ändern. Hokage zu werden, um die Aufmerksamkeit der Leute zu erringen. Ihr Vertrauen. Vielleicht ihre Bewunderung. Dafür habe ich hart gearbeitet. Sehr hart. Und diese harte Arbeit hat mir die Freundschaft von Iruka-sensei eingebracht, die meiner Einsatzgruppe, die von Kakashi-sensei, von Mamo-oniichan und vielen mehr."

Er richtete sich auf und sah mich stolz an. "Ich will immer noch Hokage werden. Aber nicht mehr für so dumme Sachen wie von jedem auf der Straße erkannt oder bewundert zu werden. Sondern weil ich Konoha liebe und es beschützen will. Dort leben die Menschen, die ich meine Freunde nenne, und viele mehr, die mir Freunde sein könnten, eines Tages. Ich werde Hokage, um sie zu beschützen. Und um Konoha zu ändern. Zu einem Ort, an dem niemand mehr eine Kindheit haben muss, wie ich sie hatte. Ich werde Konoha bis in die Grundfesten erschüttern und wieder errichten. Mit meiner Kraft und mit meinen Freunden."

Ich richtete mich ebenfalls auf und hielt Naruto die rechte Faust hin. "Gut gesprochen."

"Danke, Oniichan." Er klopfte seine rechte Faust gegen meine.

"Und warum erzählst du mir das alles? Der Mizukage wird Änderungen niemals zustimmen." Ächzend drückte sie sich hoch und setzte sich auf. Hilfe von mir wehrte sie ab. "Wir werden uns niemals ändern."

"Sicherlich nicht, wenn du dich töten lässt, Oneechan", sagte Naruto verwundert. "Aber wie ist es, wenn du selbst Mizukage wirst, und Kirigakure änderst? Ich glaube, du hast die Kraft dazu."

"Was? Ich? Mizukage werden? Aber... Ich habe verloren!"

"Und du bringst neues Wissen mit, oder? Und dieses Wissen hat dich stärker gemacht", sagte ich und reichte ihr eine Hand zum Aufstehen. Diesmal griff sie zu, und ich zog sie auf die Füße.

"Und es ist angenehmer als Sterben. Nicht unbedingt leichter, aber angenehmer", fügte Naruto hinzu.

"Das ist nicht euer Ernst", sagte sie, von einem zum anderen schauend.

"Was hast du zu verlieren?", fragte ich spöttisch. "Mehr als sterben kannst du nicht."

"Ihr zwei seid doch wohl..."

"Also, ich finde die Idee gut", klang Kyuns Stimme auf. "Ruhig, kleiner oranger Blitz aus Konoha. Ich weiß, wann ich besiegt bin. Terumi-chan, was kann uns schon Schlimmes dabei passieren, wenn wir Kirigakure ändern? Das Beste ist, dass du Mizukage wirst. Das Schlechteste, dass du stirbst."

"A-aber ich? Mizukage? Und meine Heiratschancen sind dann auch..."

"Besser?" Ich grinste. "Immerhin ist so ein Mizukage eine tolle Partie."

"Ja, wenn du es so siehst..."

"Gehen wir zur Burg hoch. Ich denke, du hast viel nachzudenken, Terumi-chan." Ich legte einen Arm um Narutos Schulter, teils aus Freundlichkeit, teils weil mir nun wirklich mein Chakra ausging. Dann stiegen wir uns mit unseren Gefangenen die Treppe hoch. Ich hoffte, noch lange genug wach zu bleiben, um zu sehen, was meine Leute im oberen Teil der Burg angerichtet hatten.

***

Je näher wir der Festung auf der Spitze kamen, desto mehr wunderte ich mich. Die Schäden hielten sich in Grenzen. Das Haupttor war eingedrückt worden, und rund um uns verteilt versorgten sich mehr oder weniger lädierte Soldaten gegenseitig. Sie sahen zu uns herüber, als wir sie passierten, doch keiner machte Anstalten, uns zu attackieren.

Wir traten durch das Haupttor ein, stiegen über die Trümmer hinweg, nur um weitere Soldaten zu sehen, die reichlich lädiert waren und sich gegenseitig verarzteten. Inari Asa half bei ihrer Versorgung.

"Inari?"

Der Medi-Nin sah auf und deutete nach oben. "Audienzsaal, Mamo-chan."

Ich runzelte verwundert die Stirn. Die Situation sah ganz danach aus, als hätten wir gewonnen; nur passten einige Dinge nicht dazu. Die Burg hatte viel zu wenig Zerstörungen, und die unverletzten Gefangenen waren nicht inhaftiert und noch immer bewaffnet. Zudem zeigten sie alle Anzeichen von Respekt, wenn wir vier sie passierten.

Als wir in den großen Saal kamen, den Harusame für seine Besprechungen und die Repräsentationen reserviert hatte, erwartete mich ein äußerst ungewöhnliches Bild. Meine Ninjas und Soldaten der Burg standen in trauter Eintracht beieinander.

Der Riese, den ich schon aus Gentas Dorf kannte, wandte sich zu uns um. "Also?", fragte er unumwunden, "wer hat den Kampf der Shinobi gewonnen?"

Drei Finger zeigten auf mich. Ich räusperte mich verlegen. Ich wollte Narutos Anteil nicht unterschlagen. "Konoha", sagte ich also. "Dank Naruto."

"Oh", machte der Mann. Koji hieß er, wenn ich mich recht erinnerte. Er trat auf uns zu und zog seine Klinge. "Dann habe ich keinen Grund mehr, mich zurückzuhalten."

Ich fingerte mit der Rechten nach meiner Kunai-Tasche. Er würde doch nicht...?

Koji nahm das Heft in die Rechte, und das Blatt in die Linke. Er öffnete beide Hände nach oben und bot mir sein Schwert an. "Wir kapitulieren, Morikubo-sama. Der Daimyo ist gefangen, meine Leute zersprengt und verletzt. Ich kann keinen Widerstand mehr organisieren. Die Burg ist gefallen."

Ich musterte die Klinge. "Behalte deine Waffe, Koji-san. Mein Auftrag lautet zu verhindern, dass Gentas Dorf je wieder überfallen wird. Das beinhaltet nicht, dass du mir deine Waffe übergibst. Im Gegenteil, ich fürchte, ein anderer wird über dich richten."

Der große Soldat musterte mich einige Zeit, dann steckte er die Waffe wieder fort.

"Oniichan!" Plötzlich hing Suzume an meinem Hals. Sie schluchzte und schluchzte, aber es schienen keine Tränen fließen zu wollen. Stattdessen strahlte sie mich an. "Ich weiß alles! Hana-chan hat es mir erklärt! Ich habe nie daran gezweifelt, dass du überlebt hast, Akira-onii... Ich meine Mamoru-oniichan. Ich wusste, du würdest mich retten!"

Seltsam ergriffen streichelte ich ihr über den Kopf. "Das habe ich dir doch versprochen. Dass Träume wahr werden, weißt du? Aber alleine hätte ich es nicht geschafft. Terumi-chan hat mir geholfen."

Die Kiri-Nin räusperte sich verlegen. "Ein wenig vielleicht."

Suzume sah sie grummelnd an, dann versenkte sie ihr Gesicht in meiner Uniform und brummelte ein halbherziges Danke.
 

Ich legte ihr einen Arm um die Schulter und drehte sie nach vorne, damit sie sehen konnte, was ab hier passieren würde.

"Damit das klar ist: Hier hört jetzt alles auf mein Kommando!", sagte ich scharf ins Rund.

Es dauerte ein wenig, aber nach und nach bedeuteten die unverletzten ehemaligen Berater des Daimyo ihre Zustimmung. Es half sicherlich sehr, dass Hanako mit einem furiosen wütenden Blick einige der Nachzügler fixierte.

"Wo ist der Daimyo?", fragte ich.

Hanako warf mir einen Blick zu, der so voller Wut war, wie ich es selten erlebt hatte. Vielleicht in den Anfangstagen, als sie noch das kleine, sich selbst überschätzende und geldgierige Aas gewesen war. Zumindest hatte ich sie so gesehen. "Oh, er ist sicher verwahrt", antwortete sie unterkühlt. Ich merkte schnell, dass die Wut in ihrem Blick nicht mir gegolten hatte. Dennoch fühlte ich mich wie unter einer Eisdusche. Was zum Henker war hier passiert? Und warum verbrannte ein eigentlich sehr aparter Frauenkimono in einer Feuerschale langsam zu Asche?

"Ja, sicher vor dir, Hana-chan", sagte ein junges Mädchen in höfischer Kleidung. Wie aus Protest hatte sie ihr Make-up verwischt und ihre Haar geöffnet.

"Ist vielleicht auch richtig so, Tsukasa-chan", erwiderte sie schnippisch. Ein drohendes Lächeln erschien auf ihren Lippen.

"Hanako." "Ja, Mamo-chan?" "Du machst mir Angst." "Entschuldige, Mamo-chan."

"Was ist genau passiert?"

Sie errötete bis unter die Haarspitzen. Das bildete einen interessanten Kontrast zur goldenen Haarflut. "N-nicht so wichtig. MIR ist jedenfalls nichts passiert!"

"Ich bin gespannt auf deinen Bericht", sagte ich, und schritt, Suzume, Naruto, Terumi und Kjun neben mir, auf das Podest zu, auf dem der Daimyo zu residieren pflegte.

Dort angekommen packte mich der Größenwahn, und ich setzte mich auf den Feldstuhl, der für Harusame dort aufgestellt worden war. Ein sehr deutliches Zeichen, was die Besitzansprüche über die Burg anging. "Hiermit klage ich Harusame der Korruption an, des Sklavenhandels, der Entführung von Kindern, der versuchten Rebellion gegen den Groß-Daimyo, des Missbrauchs der Ehre von Kiri-Ninjas, und nicht zuletzt des schweren Raubs. Eine Petition wird heute noch an den Groß-Daimyo entsandt werden, und bis dieser Harusame und seine Verantwortlichen zur Rechenschaft zieht, übernehme ich diesen Platz." Ich sah von einem Berater zum anderen. Nur Koji erwiderte meinen Blick. "Überlegt euch schon mal, was Ihr dem Groß-Daimyo sagen werdet. Und das nur nebenbei, ein gutes Betragen in den Tagen bis zur Ankunft seiner Stellvertreter kann sich positiv auf euer Strafmaß auswirken."

Zustimmendes Gemurmel klang auf. Zaghaft, leise, schwammig.

"Was sagt man?", donnerte Koji.

"Jawohl, Morikubo-sama!", kam es von den Beratern und Soldaten zurück.

Ich lehnte mich zurück und grinste. "Einen gibt es da, der schon eine verdammt gute Beurteilung bekommen wird, Koji-san."

"Das bin ich nicht wert, Morikubo-sama. Ich... Habe zu lange mitgemacht."

"Ihr Leute aus Mizu no Kuni seid merkwürdig. Einerseits seid Ihr so verdammt stolz auf eure Loyalitäten, so stolz, dass Ihr euch ausnutzen lasst. Andererseits gebt Ihr nicht einen Zentimeter nach, wenn man euch fragt, ob euch euer Dienstherr ausgenutzt hat. Ich halte das für ein elementares Problem der Soldaten dieses Landes. Ich werde das mit dem Groß-Daimyo besprechen."

Koji musterte mich ungläubig. "Ich... Verstehe, Morikubo-sama."

Ich klatschte in die Hände. "Na dann wollen wir doch mal aufräumen, oder?"
 

"Apropos aufräumen!", klang eine erfreute Jungenstimme zu uns herüber.

"Tsuyoshi!", rief Tsukasa. "Wo warst du denn?"

Der große Junge griente sie an. "Eigentlich wollte ich nach Hiroki und Kaito sehen. Die beiden sind so komplett verschwunden, als hätte die Erde sie verschluckt." Er sah in meine Richtung. "Die letzten der entführten Jungen aus Genta-samas Dorf, die zum Dienst an der Waffe gezwungen wurden, Morikubo-sama."

Ich sah zu Karin herüber. Konnte es sein, dass die beiden Wachen, die wir vor dem Tor ausgeschaltet und in einem Erdversteck zwischengelagert hatten, ausgerechnet die beiden Jungen waren, die Tsuyoshi gesucht hatte?

Sie wurde ein wenig bleich, vermutlich beim gleichen Gedanken, den ich gerade hatte. Was, wenn wir vorhin die Wachen sicherheitshalber getötet hätten, anstatt sie zu betäuben und zu verstecken?

"Ich glaube, ich weiß, wo sie sind. Karin?"

"Bin schon auf dem Weg. Ryu, begleite mich."

"Ich weiß zwar nicht, worum es geht, aber ich bin dabei", sagte der ehemalige Nukenin verwundert und folgte der jungen Frau.

Ich sah Tsuyoshi an. "Du warst bei "eigentlich"."

"Was? Oh ja, den hier habe ich erwischt, als er sich gerade absetzen wollte", rief Tsuyoshi fröhlich, und zerrte einen gefesselten Burschen am Kragen seiner Jacke in den Raum. "Kam sich immer mächtig wichtig vor. Und dann schleicht er sich still und heimlich davon, kaum dass sein Herr geschlagen ist." Der junge Soldat warf einen Beutel vor meine Füße, in dem es klimperte. "Zusammen mit einem Sack voller Gold-Ryou."

Ich ignorierte den Beutel und erhob mich stattdessen voller Freude. "Na, wer hätte denn das gedacht, dass man sich im Leben immer dreimal sieht? Hallo, Kuni, alter Freund. Versuchst du heute gar nicht, kleine Jungs hinrichten zu lassen oder junge Mädchen zu vergewaltigen?"

Mit bedächtigen Schritten kam ich näher, und der gefangene Beamte wurde mit jedem Schritt noch bleicher. "Versuchter Mord, versuchte Anstiftung zum Mord, versuchte Vergewaltigung, Korruption, vorsätzliche Körperverletzung, schwerer Raub, Diebstahl von Staatseigentum. Oh, mein Junge, du hast eine strahlende Zukunft vor dir."

Neben mir huschte jemand vorbei, einen Speer in der Hand. Ich griff zur Seite, bekam Suzume am Bauch zu fassen und riss sie hoch. Sie hing in meinem Griff, den Speer in der Hand. "Lass mich!", rief sie empört. "Er hat es nicht anders verdient!"

"Natürlich hat er es nicht anders verdient", beschwichtigte ich sie. "Aber in dieser Burg geht es jetzt nach meinen Spielregeln. Und die besagen, dass auf den Mann ein Prozess unter dem Groß-Daimyo wartet. Ich dulde keinen Widerspruch." Zwingend sah ich ihr in die Augen, bis sie fortsah.

"Ja, Oniichan", sagte sie missmutig. Ich ließ sie wieder auf die Füße.

"Ich bin sehr zufrieden mit dir, Tsuyoshi. Sperr ihn irgendwo ein, wo es feucht und dunkel ist. Ein Ort, an dem er darüber nachdenken kann, wie er in dieser Lage landen konnte." Ich beugte mich vor, sodass mein Gesicht nur eine Handbreit von seinem entfernt war. Angst zeichnete sich überdeutlich in seinem ab. "Und warum schlechte Taten schließlich doch auf einen selbst zurückfallen. Aber..." Ich zögerte und griff in seinen Kimono. "Ah ja. Das nehme ich an mich, als Reparation." Ich deutete in den Gang. "Na los, bring den Schuft weg, Tsuyoshi-kun."

"Mit dem allergrößten Vergnügen, Morikubo-sama!", rief der Junge, griff noch ein wenig fester zu und schleifte ihn wieder den Gang entlang. Spontan schlossen sich Soldaten an, nicht um Kuni zu tragen, sondern um beim Ziehen zu helfen.

"Sehr beliebt war er anscheinend nicht", murmelte ich.

Zustimmendes Raunen ging durch den Saal.

Ich ging zu Suzume, und nahm ihr den Speer weg. "Was habe ich dir über Waffen und Mädchen gesagt? Nimm lieber das hier. Das kennst du doch noch, oder?"

Ich hielt ihr die silberne Beamtenplakette vor die Nase.

Zögernd griff sie zu. "Danke, Oniichan."

Ich tätschelte ihren Kopf. "Und diesmal pass besser darauf auf."

Schließlich setzte ich mich wieder auf den Sitz auf dem Podest. Das war ungefähr eine Sekunde, bevor mir ins Bewusstsein kam, dass es mit der Eroberung der Burg noch nicht getan war; immerhin wurde von hier aus eines der drei Festlandreiche des Landes des Wassers regiert. Arbeit, die nun an mir hängen blieb. Mist.

***

Damals
 

Ich weiß nicht genau was ich erwartet hatte. So eine Art letztes Gefecht vielleicht, bei dem die Übermacht der Konoha-Shinobi mich und meine Gefährten überrennen würde, nach ein paar Minuten erheblichen Widerstands von unserer Seite aus. Was dadurch erschwert werden würde, dass ich nun erst Recht keine Konoha-Shinobi töten wollte.

Aber die Wirklichkeit war skurriler, so viel skurriler, als ich mir hätte vorstellen können.

Es fing mit einem Grollen an, das eher an ein wildes Tier erinnerte als an einen Menschen. Mit eben diesem Grollen kam Ryuji Nekozumi langsam wieder auf die Füße. "Duuuuuu..."

Karin trat einen halben Schritt vor mich, um mich zu beschützen, während mein Verbindungsmann mit wackligen Schritten auf mich zukam. "Duuu..."

Ich machte eine abwehrende Handbewegung in Karins Richtung. Das war eine Schuld, die ich ihr nicht aufbürden wollte. Nicht mehr als sie ohnehin schon bereit war auf sich zu nehmen.

"Wenn ich daran denke, wie lange und wie verzweifelt ich dich gesucht habe..."

Er stand vor mir. Ich stand vor ihm. Er war einen guten Kopf größer als ich, zehn Jahre älter, und benutzte ein Schwert, das andere als Grundlage für ein Dutzend normale Schwerter verwendet hätten. Die Klinge ging zu Boden, und irritiert folgte ich dem Geräusch mit den Augen. Großer Fehler.

Plötzlich steckte ich in Nekozumis Griff. Nein, Griff war nicht das richtige Wort. Es war eher eine Art Mischung aus Umklammerung und Umarmung. "Und dann finde ich dich hier, unverletzt. Warum musst du mir so viele Sorgen machen, Mamoru? Warum musst du uns allen so viele Sorgen machen?"

"Äh, ich hatte Amnesie?"

"Ja, das kleine schlaue, schwarzhaarige Biest hat eindeutig was mit dir angestellt", grollte er. "Aber du scheinst keine Rache zu wollen, oder?"

Ich zuckte hilflos mit den Schultern. "Sie ist mir egal, aber..."

Nekozumi seufzte und ließ mich fahren. "Schon verstanden. Ich kann das nachvollziehen. Aber..." Er drückte mir den rechten Zeigefinger schmerzhaft auf die Brust. "Aber, Mamoru, für einen Shinobi bist du ein ganz schönes emotionales Weichei, weißt du das?"

"Schuldig im Sinne der Anklage", erwiderte ich peinlich berührt.

"Also keine Verfolgung? Stattdessen tun wir alles, um die Oto-Nukenin entkommen zu lassen?"

"Wir?", fragte ich leicht irritiert.

Ryuji griff nach seinem Schwert und stellte sich in unsere Reihe. "Hallo, P-chan. Jetzt weiß ich, wo du die ganzen Tage warst."

"Es hat sich so ergeben", sagte die Affenkriegerin.
 

Einer der von mir verprügelten Konoha-Shinobi richtete sich unerwartet auf. Er setzte sich hin und musterte mich. "Ach, verdammt, ich wusste doch, das mir an dem Kampfstil was bekannt vorkam." Jammernd kam er in die Höhe. "Au, mein Rücken. Du warst ganz schön rücksichtslos, Mamo-chan", sagte er tadelnd.

"Tut mir leid, Nobu-kun. Ich war nicht ganz bei mir."

"Ja, das habe ich gemerkt." Er streckte sich sichtlich und ließ einen weiteren Schmerzenslaut hören. Dann zog er zwei Kunais. "Es geht mir zwar gegen den Strich, die Oto-Nin entkommen zu lassen, aber Befehl ist nun mal Befehl."

Verdutzt sah ich den Genin an. "Aber ich habe doch gar nicht..."

"Du bist unser Anführer. Ich kann mich nicht dran erinnern, dass Rose-sempai etwas anderes gesagt hat. Du hast einen Befehl geäußert, und, hey, wer bin ich, dass ich rebelliere?" Er reihte sich auf der anderen Seite ein. "Außerdem hast du nur Glück gehabt. Wärst du fünf Minuten später von deiner Amnesie geheilt worden, hätten wir dich eingeseift, nur damit das klar ist."

"Eingeseift?", fragte ich. Meine Verwunderung stieg beträchtlich.

Nobu grinste schief. "Kommt mal hervor, Leute."

Auf dem Feld des Kampfes lösten sich ein paar der geschlagenen Genin auf. Bunshin?

Stattdessen öffneten sich drei Erdverstecke, über das Gelände verteilt, davon eines hinter mir. Ein weiterer Genin löste sich aus einem Felsen, ein anderer aus einem Baum. Zudem richteten sich zwei weitere der Bewusstlosen auf. Halunken. Hatten sich versteckt und erholt, um auf ihre Chance zu warten. Ich konnte nicht verhehlen, ich war stolz auf meine Genin. Das hätte sogar klappen können, wenn sich Karin und die anderen nicht auf meine Seite gestellt hätten. Auch diese sieben reihten sich ein. Und ich nahm mir vor, Konoha-Genin sicherheitshalber niemals zu unterschätzen.

"Ihr schafft mich, Leute", ächzte ich.

"Was denn?", fragte Nobu grinsend. "Das ist immer noch besser, als noch mal gegen dich zu kämpfen."

Zustimmendes Gelächter klang auf.

***

Nach zwanzig Minuten hatte ich dreißig Shinobi und drei Chunin um mich versammelt. Weitere zehn Minuten, und die Oto-Nin würden es über die Grenze geschafft haben. Ich hatte für ihre Sicherheit nicht ein einziges weiteres Mal kämpfen müssen. Aber ich konnte sie noch einholen, angreifen, aufbringen, und vor ein ehrliches Konoha-Gericht stellen lassen. Ich... Nein, das war keine Option mehr. Ich war alles, aber kein gefühlloser Killer, der seine Aufträge erledigte, ohne selbst zu denken. Ich konnte meine Emotionen nicht ausschalten, wie immer ich es wollte. Oder gar vollkommen Gefühlskalt werden. Es ging nicht. Ich hatte die Oto-Shinobi kennen gelernt, und ich mochte viele von ihnen. In einer anderen Zeit, unter anderen Umständen hätten wir Freunde werden können. Ohne den Einfluss Orochimarus, ohne den Angriff auf Konoha.

"Damit das klar ist!", rief ich meinen Leuten zu, "Ihr handelt alle aufgrund meiner Befehle!"

"Und was sind das für Befehle, Mamo-chan?", klang Roses Stimme vor mir auf. Sie schälte sich aus dem Erdreich hervor und war nur noch eine Armlänge von mir entfernt.

"Hallo, Rose."

"Was sind das für Befehle?", hakte sie nach.

"Kein Konoha-Shinobi kommt an diesem Punkt vorbei", sagte ich mit zitternder Stimme.

"Oh, damit kann ich leben." Sie lächelte mich an. "Kein Shinobi geht weiter als bis auf Mamo-chans Höhe!"

Rings um uns flitzten Schatten herbei, benutzten Shinobi Step und standen bald Auge in Auge mit meiner Seite. Keiner hatte seine Waffen gezogen, keiner setzte zu einem Jutsu an. Niemand war aggressiv. Im Gegenteil, es herrschte eine Atmosphäre der Freude, der Erleichterung.

Rose indes hatte ihr Lächeln verlernt. Stattdessen verzerrte es sich vor tiefem Weltenschmerz. Tränen flossen ihr über die Wangen. "Dass es dir gut geht... Dass du es raus geschafft hast, als wir alle dachten, du..." Sie umschlang mich wie eine Ertrinkende und begann zu weinen. "Wie konntest du das nur machen, Mamo-chan? Wir hatten alle solche Sorgen um dich! Wie hätten wir denn nach Hause gehen können, ohne dich?"

Es war eine peinliche Situation für mich. Rose war sechs Jahre älter als ich, eine persönliche Freundin meiner Schwester, und sie kannte mich, seit ich laufen konnte. Allerdings war sie auch verheiratet, wie die meisten Shinobi in ihrem Alter. Ich wusste, dass sie mich sehr mochte, wie einen kleinen Bruder. So emotional aber hatte ich sie noch nie erlebt.

Vorsichtig, sehr vorsichtig, streichelte ich ihr über den roten, kurzen Haarschopf, der so typisch für ihren Namen schien. "Es tut mir leid, Rose-chan. Ich musste mich von Maria retten lassen. Sie hat mir einen Gedächtnisverlust verpasst. Dann hat sie mich die Oto-Nin kennen lernen lassen, und ich kann nicht mehr gegen sie kämpfen. Sie... Sie sind wie wir, und..."

"Das geht in Ordnung. Wir haben ohnehin genug gekämpft. Wir brauchen nur noch nach Hause zu gehen. Mit dir, Mamo-chan." Sie schniefte laut und vernehmlich. "Mamo-chan?"

"Ja, bitte?"

Sie legte ihren Kopf auf meine Brust. "Können wir noch einen Moment so bleiben?"

Ich schluckte unterdrückt, denn mehr als fünfzig Augenpaare beobachteten die Szene. Davon war die Hälfte Frauen, und von denen kamen recht eifersüchtige Blicke. Ich wusste nicht, dass Rose so beliebt bei den Genin war.

Dann bemerkte ich Hanakos Blick. Sie kam herüber. "Mamo-chan! Wie kannst du das machen, hier vor allen Leuten?"

"E-entschuldige, Hana-chan, aber..."

"Ich meine, wenn du schon Rose-chan umarmst, warum dann nicht auch noch mich?"

"Was, bitte?"

"Und mich! Immerhin haben wir dich gerettet!", merkte Karin hastig an.

Jemand klopfte mir auf die Schulter. "P-chan?"

"Und mich! Ich meine, nicht nur Nekozumi und Rose-chan haben da ein Recht drauf. Immerhin bin ich deine Kontraktpartnerin!"

Ich seufzte. "Ihr schafft mich, Leute. Wisst Ihr das?"

Ryu Kaminari lachte und klopfte mir auf die Schulter. "Das war der Plan, furchtloser Anführer. Das war der Plan."

Natürlich log er. Es gab keinen Plan. Sie machten das aus rein persönlichen Motiven, und dafür improvisierten sie. Ziemlich gut, wie ich zugeben musste. "Mist. Soll ich euch jetzt etwa alle drücken?"

"Na ja, nicht alle", bemerkte Ryu grinsend. "Aber einige scheinen das zu wollen. Und vergiss nicht, das ist erst der billige Teil für unsere ganzen Mühen, dich zu finden und zu retten. Ich bin sicher, du wirst sicherlich alle Shinobi, die bei der Zerstörung von Otogakure geholfen haben, zum Essen einladen."

Die zustimmenden, teils begeisterten Rufe versetzten mich in Angst und Schrecken für meinen Geldbeutel. Aber vielleicht schuldete ich ihnen wirklich eine Feier. Falls ich den Rat von Konoha überleben würde, denn ich war mir sehr sicher, dass im besten Fall einige unangenehme Fragen auf mich warteten. Im schlimmsten Fall aber die Exekution. Und all das wegen Maria.

"Ihr schafft mich, Leute", seufzte ich. "Aber ich beschwere mich nicht."

Zumindest hatte ich die Lacher auf meiner Seite.

***

Ein paar Kilometer entfernt erreichte die Oto-Kolonne über einen Trampelpfad, der ihre Karren gerade so passieren lassen konnte, die grüne Grenze.

Maria erreichte die Nachhut gerade in dem Moment, als der erste Ochsenkarren das Land der Reisfelder verließ.

Auf der anderen Seite der grünen Grenze erwarteten sie bereits drei Shinobi. Drei, die sie sehen konnte. Ihre Stirnzeichen waren mit dem Mond-Symbol geschmückt.

"Sie sind schon da?", fragte Maria freudig überrascht, und eilte an die Spitze.

Als sie neben dem Anführer der Gruppe landete, einem Chunin, spürte sie mindestens neun weitere Shinobi im sie umgebenden Wald.

Der Anführer, ein drahtiger, kleiner Bursche, lächelte sanft, als er ihren Blick bemerkte. "Keine Sorge, sie sind nur zu eurem Schutz auf den Flanken aufgestellt. Wir haben die Erlaubnis, das Land unbehelligt zu durchqueren, um nach Getsugakure zu kommen. Ich bin Amir."

"Maria", antwortete sie und verneigte sich tief vor dem Getsu-Nin. "Wir sind sehr dankbar dafür, dass Getsugakure sich bereit erklärt hat, uns aufzunehmen. Wir..."

"Geschenkt", erwiderte Amir. "Falls du dich erinnerst, wir waren auf der gleichen Chunin-Prüfung. Und du hast unseren Freunden aus Konoha das Leben schwer gemacht."

Maria fühlte sich, als hätte ihr jemand eine Eisdusche verpasst. "Das war... Ich..."

"Ich erwähne das hier, damit du später nicht überrascht werden kannst. Du und deine Leute werdet euch sehr bewähren müssen, um unser Vertrauen zu verdienen, Maria. Getsugakure ist nur ein kleines Dorf, und wir sind für die Verstärkung dankbar. Wir können fähige Shinobi immer gebrauchen. Und wir sind Profis genug, um das Vergangene ruhen zu lassen, wenn die Situation sich geändert hat. Ich erwarte das Gleiche von euch."

"Natürlich", erwiderte sie. "Wir haben uns von Orochimaru losgesagt, und alle Kontakte mit ihm abgebrochen. Die Zerstörung Otogakures spielt uns dabei zusätzlich in die Hände. Davon abgesehen haben wir alle schon seit der Attacke auf Konoha mit ihm gebrochen. Es war Wahnsinn, was er da getan hat, und wir haben den Preis für seine Hybris bezahlt. Das will ich nie wieder für meine Leute. Und ich... Ich..." Sie schluckte trocken. "Wir wollten nicht den einen skrupellosen Herrn gegen den nächsten eintauschen. Deshalb sind wir froh über die positive Antwort aus Getsugakure."

Amir lächelte. "Habt Ihr das gehört, Hassin, Khal? Es klingt ehrlich."

Der große, dürre Hassin beugte sich leicht vor. "Davon sind wir von vorne herein ausgegangen, oder? Hallo, Maria. Du und deine Leute seid willkommen. Unsere Reise wird nicht sehr lange dauern. Aber wie Amir schon erwähnte, eure Handlungen werden zeigen, wo Ihr steht. Unser Respekt und unser Vertrauen will erworben werden."

"Natürlich verstehe ich das. Und ich wünsche mir, dass Ihr uns hart prüft, damit es schon bald kein Misstrauen zwischen uns gibt. Zumindest..." Sie zögerte.

"Hm", machte Amir. "Ich habe gehört, du bist meinem alten Freund Mamoru Morikubo begegnet. Er ist jetzt Chunin, nicht wahr?"

"Ja", sagte sie. "Und er macht einen guten Job. Er..."

"Schon gut. Wir reden später über ihn. Jetzt weise deine Leute ein. Der Pfad wird vorne breiter, und die Karren werden es bequemer haben", sagte Amir. "Wir haben noch genug Zeit für Geschichten."

"Aber uns interessiert dieses Jutsu sehr, mit dem du sein Gedächtnis gelöscht hast, Maria", sagte der Dritte, ein dicker, geradezu gewaltiger Getsu-Nin.

"Mit dem ich... Was? Habt Ihr uns beobachtet?", fragte sie überrascht.

"Khal war immer in eurer Nähe und hat die Situation beurteilt. Du hast das geschickt gelöst, Maria. Ich weiß nicht was passiert wäre, wenn uns eine Horde Konoha-Shinobi bis über diese Grenze verfolgt hätte. Wir hätten euch vielleicht nicht schützen können."

"Was Mamo-chan angeht, so..."

"Mamo-chan?", fragte Amir amüsiert. "Ich glaube, wir werden einiges zu bereden haben." Er lachte und setzte sich an die Spitze des Zuges. Maria, Hassin und Khal folgten ihm.

***

Ein ganz anderer Zug war in der Gegenrichtung unterwegs. Es war der Zug der Konoha-Shinobi, die nun endlich die Vernichtung von Otogakure zum Abschluss bringen konnten. Um zu verstehen, welche Emotionen die meisten dieser Shinobi und jener, die in Konoha hatten zurückbleiben müssen, bewegten, hätte man dabei sein müssen, bei der gigantischen Chakra.-Detonation, die das Ninja-Dorf ausgelöscht hatte. Man hätte neben jenen stehen müssen, die es nur wenige Meter aus dem Gefahrenbereich hinaus geschafft hatten, zu jenen gehören müssen, die vom Druck der Detonation von den Beinen gefegt worden waren. Man hätte sich mit ihnen aus umgestürzten Bäumen, aus Geäst und Büschen befreien müssen, und dann hätte man mit ihnen an den Rand des Kraters treten müssen, der sich dort befand, wo es kurz zuvor noch Otogakure gegeben hatte.

Man hätte hören müssen, wie die Genin und Chunin untereinander geredet hatten, wie sehr es ihnen bewusst war, dass viele von ihnen es nicht aus der Gefahrenzone hinaus geschafft hätten, wäre nicht Mamoru Morikubo bereit gewesen, bei Guin auszuharren, um ihn so lange wie möglich daran zu hindern, Otogakure und die Konoha-Shinobi zu vernichten.

Man hätte mit ihnen dort stehen müssen, ihre entsetzten Blicke sehen müssen, mit denen sie in den kreisrunden Kessel hinab gesehen hatten, der langsam vom von Süden kommenden Fluss gefüllt wurde. Man hätte sehen müssen, wie sich das Begreifen, knapp dem Tode entronnen zu sein, mit der Trauer mischte, als ihnen bewusst geworden war, warum sie noch leben durften. Und wer sie mit all seiner Kraft gerettet hatte.

Man hätte dort sein müssen, die Hoffnungslosigkeit, die Trauer und die Wut spüren müssen. Dann hätte man verstehen können, was die Nachricht angerichtet hatte, P-chan wäre noch nicht wieder auf den Affenberg zurückgekehrt, weil die Beschwörung nicht beendet worden war.

Das konnte nur bedeuten, dass Morikubo noch lebte. Aber wo war er? Wie war er entkommen? Das "wo" war für die Genin besonders wichtig. Viele Dutzend von ihnen verdankten ihrem Anführer das Leben, und Undankbarkeit gehörte keinesfalls zum Wortschatz der Shinobi des Landes des Feuers.

Nun hatten sie das Unmögliche vollbracht. Sie hatten nicht nur Orochimarus verräterische Ninja-Siedlung zerstört, sie hatten nicht nur Orochimarus Schergen in Schimpf und Schande davon gejagt, sie hatten auch Mamoru Morikubo wiedergefunden und gerettet. Sie hatten den Mann wiedergefunden, der sie in die Schlacht um Oto geführt hatte, und der sie vor der großen Falle bewahrt hatte. Und das war die untertriebene Version.

Die Laune in den Reihen der Shinobi war jedenfalls sehr gut, und die Aussicht auf eine gemeinsame Feier mit allen überlebenden Teilnehmern der Strafexpedition stand in Aussicht. Besser konnte es nicht mehr werden.

***

Wir hielten an der Grenze zum Land des Feuers an, um eine letzte Pause vor der eigentlichen Heimreise zu machen. Auf der anderen Seite des Feuers hatte der Daimyo die Grenzpatrouillen bereits auf das normale Maß reduziert und die Armee wieder in den regulären Dienst versetzt.

Und auf dieser Seite teilten wir uns eine letzte Mahlzeit.

"Du bist anstrengend, Mamo-chan", stellte Nekozumi fest. "Und teuer. Deine Extratouren werden mich im Clan einiges an Ansehen kosten."

"Das tut mir leid", erwiderte ich, ehrlich besorgt. "Wenn ich das irgendwie wieder gutmachen kann, dann..."

"Bah", sagte er und machte eine abwehrende Handbewegung. "Es war meine Entscheidung, und ich stehe zu ihr. Unabhängig von den Konsequenzen. Ich warte nur darauf, das mich jemand aus meinem Clan für weich hält - um ihm das Gegenteil zu beweisen. Hier." Er reichte mir ein Stück Käse. "Eine unserer Spezialitäten."

Ich probierte und japste nach Luft. "Scharf!"

"Was denn? Der Sieger von Otogakure verträgt keine scharfen Sachen? Dann solltest du bei einigen Frauen in deiner direkten Umgebung..."

"Ryuji-tono!", rief Karin hastig und griff nach seiner Hand, um ihn auf die Beine zu ziehen. "Rose-chan hat gesagt, sie muss dich bevor du gehst noch mal ganz dringend sprechen!"

"Was? Oh. Na dann bis gleich." Er ließ sich hochziehen und verschwand in Richtung der Chunin.
 

"Was werden sie wohl mit mir machen?", fragte Perine. Sie hockte neben mir, in ein Stück Brot vertieft, in ihrer menschlichen Tarngestalt.

Ich sah zu ihr herüber. "Wer ist sie?"

"Na, der Rat von Konoha. Ich meine, ich habe direkte Befehle von ihnen missachtet, um dich zu suchen." Sie schluckte trocken. "Ich meine, es waren so dumme Befehle, wie zu einer Untersuchung nach Konoha zurückzukommen, wenn doch die Zeit drängte, um dich zu finden. Aber Menschen sind so... Sind so..."

"Hm." Ich konnte ihre Sorge verstehen. Ich kannte die Menschen. Und das nur zu gut. "Das Beste wird sein, wenn wir etwas Gras über die Sache wachsen lassen. Außerdem solltest du ohnehin zum Affenberg zurückkehren, um Ranko-sama zu sagen, dass Ihr mich gefunden habt. Ich werde dich ein andernmal beschwören, P-chan, und dann sicherheitshalber nicht in Konoha."

Sie musterte mich eine lange Zeit. "Denkst du denn, du kommst dazu, mich noch einmal zu beschwören?"

"Mir wird nichts passieren", prahlte ich. "Was sollen sie auch mit mir machen? Ich meine, wenn sie mich degradieren wollen, gerne! Wenn sie mich ins Gefängnis werfen wollen, jederzeit! Urlaub und viel Ruhe auf Kosten der Stadt, was will man mehr? Um mich hinrichten zu lassen habe ich nicht genügend angestellt. Und das werde ich in Zukunft auch nicht." Ganz so sicher war ich da nicht, aber zumindest war ich fest entschlossen, mich einer Hinrichtung zu entziehen.

"Gut, also Gras über die Sache wachsen lassen. Ich..." Sie sah zu Hanako herüber, die etwas abseits von mir saß. Das blonde Mädchen nickte ihr zu.

P-chan sah wieder mich an. "Mamo-chan, kannst du mich bitte erst wieder beschwören, wenn ich erwachsen bin? Ich verspreche, ich werde dir dann eine ganz besondere P-chan zeigen können, die ein würdiger Kontraktpartner für dich ist. Ich werde hart unter Ranma-chan und Ranko trainieren, versprochen."

"Wie lange dauert es denn, bis du erwachsen bist?", fragte ich nachdenklich. "Bei euch Affen kenne ich mich noch immer nicht so richtig aus."

Sie lächelte. "Ein dreiviertel Jahr, vielleicht ein ganzes. Versprichst du mir das? Ich meine, in einem Notfall kannst du mich natürlich jederzeit beschwören, Mamo-chan."

"Das weiß ich doch, P-chan. Also gut, ich beschwöre dich das nächste Mal, wenn du erwachsen bist."

"Danke." Sie sprang auf und drückte mir einen Kuss auf die rechte Wange. "Ich gehe mich von Hana-chan und Karin-chan verabschieden. Dann kannst du mich zurückschicken."

"Okay."
 

Nekozumi kam zurück. Er hatte eine mürrische Miene aufgesetzt.

"Was hat Rose-chan denn so wichtiges gewollt?", fragte ich.

"Ach, es ist nichts besonderes. Nicht für Konoha, zumindest. Aber es scheint, dass meine Mühe, die ich bei der Suche nach dir aufgewendet habe, doch nicht auf mich zurückschlägt. Eher im Gegenteil. Die Hälfte meines Clans ist ganz aus dem Häuschen, wie es scheint." Er streckte sich. "Veränderungen. Wie lästig. Ich hasse sie."

"Sieh Veränderungen nicht als Hindernis, aber immer als Chance. Das hat mir mein Sensei beigebracht."

"Dein Sensei ist ein tatkräftiger Mann, wie mir scheint", brummte Nekozumi.

"War. Er wurde ein paar Wochen vor dem Angriff auf Konoha ermordet."

"Oh, das..."

"Ja, ich weiß. Aber damit ist die Geschichte noch nicht beendet. Eines Tages treffe ich seinen Mörder, und dann wird mein Kunai mit ihm eine ausgiebige Unterhaltung führen." Ich seufzte. "Wenn man mich lässt."

Nekozumi klopfte mir auf die Schulter. "Keine Sorge. Kein Ninja-Dorf kann es sich leisten, Talent versauern zu lassen. Und Konoha mag ein paar mehr Shinobi haben als andere Ninja-Dörfer, aber das reicht noch nicht, um so mir nichts, dir nichts einen fähigen Chunin kalt zu stellen. Meine Meinung." Er reichte mir die Rechte. "Ich muss dann."

"Danke für deine Meinung", sagte ich, griff zu und drückte seine Hand nachdrücklich.

"Ich freue mich darauf, dich und deine Mädchen in der Zukunft wiederzusehen", sagte er zuversichtlich. "Und das bald."

"Wir werden sehen. Vielleicht bin ich dann aber auch zu beschäftigt."

"Und das wäre gut. Denn das bedeutet, dass du immer noch ein Shinobi bist." Er klopfte mir noch mal auf die Schulter, und dann war er per Step verschwunden.

Ich erhob mich. "Langsam fertig werden, Leute. Wir wollen nach Hause."
 

Nachdem ich P-chans Beschwörung aufgehoben hatte, machten wir uns auf den Weg nach Konoha. Wir hatten kaum die Grenze überquert, da versperrte uns ein Team ANBU den Weg. Unruhe klang bei meinen Genin auf, aber ich beschwichtigte sie so gut ich konnte.

"Mamo-chan", sagte der vorderste ANBU und nahm die Maske ab. "Der Rat erwartet dich so schnell wie möglich in Konoha. Du musst uns begleiten."

"Natürlich, Uzuki-sensei." Es war ein geschickter Schachzug gewesen, mir einen ANBU entgegen zu schicken, mit dem ich emotional verbunden war. Ich fragte mich, wie es gerade in Uzuki-sensei aussah. Mein Sensei Hayate war ihr fester Freund gewesen, und sie hatte ihn ebenso verloren wie ich oder Hana-chan oder Karin-chan. Nein, das war so nicht richtig. Für sie musste es noch schwerer gewesen sein. Sogar schwerer als der Tod von Sarutobi-sensei.

"Rose-chan, du übernimmst den Rest. Bring die Leute sicher nach Hause."

"Das werde ich tun. Aber..." Zweifelnd sah sie mich an.

"Es ist sicher nur eine Befragung. Immerhin war ich eine gute Woche verschwunden, oder?", erwiderte ich zuversichtlich, jedoch ohne diese Zuversicht wirklich zu verspüren. "Außerdem reden wir hier von Konoha."

"Du hast Recht", antwortete sie leise. "Ich verlasse mich auch dich, Uzuki-sensei."

Die schwarzhaarige Frau senkte die Maske wieder über ihr Gesicht. "Wir haben alle unsere Pflichten und Prioritäten, Rose-chan", erwiderte sie, und das war wohl das Schlimmste an Insubordination, das ich jemals wieder von der ANBU zu hören bekam.

Die Vierergruppe nahm mich in die Mitte, und gemeinsam machten wir uns auf den Weg.

"Ich bin ausgeruht. Wir können normales Tempo vorlegen", sagte ich leise.

"Junge, Junge, da hat es aber einer eilig, zu seinem Anschiss zu kommen", kommentierte einer der anderen ANBU.

Nun, ein Anschiss war noch kein Kriegsgericht. Zumindest hoffte ich das.

Feuerregen Epilog

Epilog:

Heute
 

Am dritten Tag nach der Eroberung der Burg erwies sich die Situation als erstaunlich stabil. Ein Bote mit Nachricht über die Situation war bereits zum Ober-Daimyo unterwegs, und wir hatten bereits ein paar der entführten Kinder nach Hause geschickt. Ich hatte ihnen Naruto und Hinata als Eskorte mitgegeben. In der Zeit bis zur Antwort des GroßDaimyos versuchte ich, die Lücke, die Harusame durch seine Gefangenschaft hinterlassen hatte, so gut wie möglich zu füllen. Dabei ließ ich mich tatkräftig von Koji unterstützen, ohne dessen Erfahrung ich hoffnungslos verloren gewesen wäre. Ich war ein Shinobi, kein Verwaltungsangestellter. Und ein Drittel des Festlandes des Landes des Wassers zu verwalten war ein enormer Arbeitsaufwand. Natürlich wurde es leichter, nachdem ich herausgefunden hatte, welcher von Harusames ehemaligen Beratern wirklich arbeitete, und wer als schmarotzender Parasit nur im Glanz des Daimyos gestanden hatte. Nach einer Bereinigung der Reihen der Berater - diejeningen, die übrig geblieben waren, hatten diesen Vorgang mit grimmiger Freude beobachtet - war erstaunlicherweise die Zahl der Aufgaben auf ein Drittel geschrumpft. Das war immer noch viel zu tun, aber mir wurde klar, was eine sich selbst aufblähende Verwaltung war. Und wie man eine Verwaltung aufbaute, die die Verwaltung verwaltete. Nach dem radikalen Schnitt und dem Entzug einiger Kompetenzen sah die Geschichte vollkommen anders aus. Zumindest behauptete Koji das; für mich bedeutete es sechzehn Stunden Arbeit am Tag, die hauptsächlich darin bestand, Dokumente zu lesen und zu unterzeichnen. Das Lesen hatte Harusame seinen Beratern überlassen, es war also kein Wunder, dass er sich einen Hofstaat an Schmarotzern zugelegt hatte. Wo es etwas umsonst gab, kamen immer schnell die Nassauer.

Alles in allem kam ich jede Nacht auf acht Stunden Schlaf. Vor allem deshalb, weil Inari das so angeordnet hatte; nachdem ich durch die Beschwörung von Enma-sama, Ryoga und Kasumi Chakra-Raubbau betrieben hatte, zudem Enma Os Beschwörung weiterhin aufrecht erhalten musste, hatte er mir ausreichend Schlaf befohlen und keinen Widerspruch zugelassen.

Dabei fühlten sich diese acht Stunden an, als hätte mein Kopf gerade erst das Kopfkissen berührt, wenn man mich wieder weckte. Ich fühlte mich, als hätte mich jemand tüchtig durch die Mangel genommen. Ach ja, das war Terumi-chan gewesen.

Terumi und Kjun waren auch noch in der Burg, um uns zu unterstützen, falls der eine oder andere meinte, man müsse Harusame aus seinem Verließ im Burgkeller befreien. Außerdem würden sie den Beamten, die der Groß-Daimyo entsenden würde, Rede und Antwort stehen. Sobald sie das überstanden hatten, würden sie nach Kirigakure heimkehren und dort das Unmögliche wagen, die gesamte Gesellschaft des Ninja-Dorfs zu ändern. Ich wünschte ihnen sehr, das es gelang. Auch wenn man von einem Shinobi mehr verlangen konnte als von einem normalen Bürger oder einem Soldaten, so waren wir doch auch nur Menschen, tief innendrin.
 

"Und deshalb beantragt das Handelshaus Shoda zusätzlich zur Nordost-Passage die Südostpassage als einziger Konzessionsnehmer für den Import von Sake und Rauchwaren aus dem Land der Blitze." Ich grübelte darüber nach. Die Situation vor allem auf dem Handelsmarkt war mir nicht vertraut, aber ich wusste, was ein Exklusivimportrecht war. Shoda führte über den Seeweg exklusiv Genussmittel aus dem Nachbarland ein. Nun wollte es auch auf dem südlichen Seeweg die Konkurrenz per Gesetz ausschließen lassen. Dies würde sich natürlich in höheren Steuern umsetzen, aber die Frage war schon, wie viele andere Importunternehmen dadurch vor die Hunde gehen würden, wie viele Arbeitsplätze zerstört werden würden. Ich sah zu Koji herüber.

Der große Mann räusperte sich. "Es ist allgemein bekannt, dass Shoda durch die alleinige Konzession von Sake und Tabak an der Nordküste unverschämt reich geworden ist, weil der Sake aus dem Nachbarland billiger verkauft wird als der, der im Inland produziert wird. Wir haben eine hohe Steuer auf einheimischen Sake, aber nicht auf importierten. Und es ist allgemein bekannt, dass Shoda hart gegen Schmuggler und Konzessionsbrecher vorgeht. Sogar Handelshäuser aus dem Land der Blitze, die eigentlich gar nicht unter die Konzession fallen, wurden von Shoda aus dem Geschäft gedrängt."

Ich runzelte die Stirn. "Warum sind die Steuern auf einheimischen Sake so hoch?"

"Damit die Leute weniger trinken. Als das Gesetz erlassen wurde, war man sich einig, das eine höhere Steuer weniger Sake-Konsum bedeutet. Und weniger Sake-Konsum bedeutet weniger Alkoholkrankheiten."

"Ach. Und dann führt man billigeren ausländischen Sake ein?" Ich unterdrückte ein gequältes Auflachen. "Abgelehnt." Mit einem langen schwarzen Pinsel fuhr ich zweimal über das Dokument und machte ein dickes schwarzes X. Ich reichte das Papier dem Schreiber, der neben mir wartete. "Das klingt mir doch sehr nach Korruption", sagte ich ärgerlich.

"Wie man es nimmt. Shoda beliefert die Burg umsonst mit Sake. Jeden Monat kriegen wir eintausend Liter geliefert. Dazu kommen die Steuereinnahmen auf den Sake-Verkauf."

"Tausend Liter? Ich dachte, man ist allgemein der Ansicht, dass der Konsum von Sake schlecht ist. Und dann geht der Daimyo nicht mit gutem Beispiel voran?"

"So wurde hier bisher regiert, Morikubo-sama."

Ich schlug mir eine Hand vor den Kopf. "Schreiber. Eine Mitteilung an den Groß-Daimyo. Seine Beamten sollen prüfen, ob sowohl das exklusive Handelsrecht der Shodas als auch die erhöhte Steuer auf einheimischen Sake rechtens sind."

"Ich mache mich sofort an die Arbeit", versprach der junge Mann und begann konzentriert zu schreiben. Neben ihm lagen bereits dreißig Depeschen, die alle mit ähnlichen Fällen gefüllt waren, und die ich nicht selbst zu klären wagte. Als rechtmäßiger Daimyo wäre das in meinem Ermessen gewesen, nicht aber als Verwalter, der sich selbst eingesetzt hatte. Das bedeutete dann schon über einhundert Anfragen, Beschwerden oder Hinweise, die ich an den Groß-Daimyo gerichtet hatte.

Vielleicht hatte ich ja doch ein Faible für Verwaltungsarbeit. Das war kein ermutigender, aber auch kein hoffnungsloser Gedanke.
 

Zumindest war es der Fall, bis der wutschnaubende ältere Mann in meiner Tür stand, in beiden Händen mehrere Packen Papierdokumente. "Morikubo!", donnerte er. "Hören Sie auf, meine Verwaltung mit Arbeit zuzuscheißen!"

Verwundert musterte ich den Mann. Er trug Reitkleidung im Stil der Soldaten des Landes des Wassers. Er war Schnurrbartträger, und zudem ziemlich wütend. "Hier, diese dreißig Depeschen haben mich während der Reise erreicht! Und das Gleiche ist noch mal unterwegs! Können Sie sich nicht selbst entscheiden?"

Koji neben mir wurde bleich. Auch die anderen Personen im Raum - Inari und Kaminari ausgenommen - erblassten. Wie gefällte Eichen sanken sie auf die Knie.

Koji zischte mir zu: "Das ist der Groß-Daimyo persönlich!"

"Oh." Ich erhob mich und verbeugte mich vor dem Herrscher des Reichs des Wassers. "Natsusame-sama."

Wütend schritt der Mann in den Raum. So schnell hatte ich keine Reaktion erwartet. Ich hatte den Groß-Daimyo nicht erwartet. Er sah sich um, betrachtete ein paar bekannte Gesichter, und kam schließlich bis auf mein Podest. Bereitwillig räumte ich ihm den Sitz, und der Herr über eines der fünf großen Reiche ließ sich wie selbstverständlich darauf nieder. Na ja, nicht nur wie selbstverständlich. Es war selbstverständlich. Ich war in diesem Land mehr oder weniger nur Gast, und er war sein legitimer Herrscher.

Ausgiebig begann sich der Daimyo zu kratzen. "Oh, ich hasse Reitkleidung. Und ich hasse es, so durch das Land zu hetzen! Aber was ich noch mehr hasse, das ist, hintergangen zu werden! Wo ist dieser missratene Bengel, der seinen eigenen Onkel angreifen wollte?"

Erst jetzt bemerkte ich Enma O und Jiraiya-sama, die hinter Natsusame-sama den Raum betreten hatten und nun neben der Tür standen. Okay, nun verstand ich, wieso ausgerechnet der Groß-Daimyo hier war, und vor allem so schnell. Die beiden mussten ihn geholt haben. Dazu waren sie in der gleichen Nacht aufgebrochen, in der wir den Sklavenkonvoi verfolgt hatten. Das zeigte nur, wie ernst der Groß-Daimyo die Situation nahm. Und meine Berichte, in denen ich die Machenschaften Harusames ausgiebig geschildert hatte.

"Im Kerker, Tono", sagte ich.

"So? Na, da sollten wir ihn auch lassen, bis ich die Dinge hier wieder in Ordnung gebracht habe und ihn mit nach Hause nehme. Angst und Schrecken über die eigenen Schutzbefohlenen zu bringen, was für ein hanebüchenes Fehlverhalten. Hat er noch mehr Dörfer mit dieser Masche der falschen Banditen überfallen?"

Koji rückte sich, noch immer auf einem Knie knieend, so zurecht, dass er den Daimyo ansehen konnte. "Sieben Orte, von denen drei mittlerweile aufgegeben sind."

"So." Ein wütendes Schnauben entfuhr seiner Kehle. "Und du hast ihn nicht aufgehalten."

Koji wollte antworten, aber der Daimyo winkte ab. "Schon gut. Ich habe dich hier eingesetzt, um ihm zu dienen, also bin ich selbst daran schuld, das so etwas passieren konnte. Genauso wie es meine Fehlentscheidung war, ihn hier Verantwortung zu lehren. Er hat seinen eigenen Harem aufgebaut?"

"In der Tat", sagte ich. "Und die Mädchen sind noch immer hier, wenngleich sie jetzt für ihren Lebensunterhalt etwas mehr tun müssen aus hübsch auszusehen und die Beine zu spreizen. Im Moment verstärken sie die Küchenmannschaft. Dort fehlen viele Köche, weil nicht wir nicht nur junge Leute aus Gentas Dorf heim geschickt haben. Es waren viele dabei, die ihre Familien suchen wollten, selbst jetzt, wo ihre Orte aufgegeben und zerstört wurden."

"Ich... Verstehe. Dieser Genta muss ein erstaunlicher Mann sein, wenn er in nur drei Jahren so viel hat leisten können. Ich sollte ihn zu mir bestellen, um mich mit ihm zu unterhalten."

Das war eine große Ehre, und sie wurde längst nicht jedem Ortsvorsteher zuteil. Es gab zu viele von ihnen. Allerdings hatte ich keine Ahnung wie der ehemalige Ronin und Straßenräuber darauf reagieren würde, mit seinem obersten Herrn reden zu müssen.

"Dann solltet Ihr aber auch klarstellen, warum Ihr mit ihm reden wollt, Tono", sagte ich. "Eine Einladung des Groß-Daimyos kann vieles bedeuten. Zum Beispiel könnte man glauben, Ihr wollt ihn maßregeln, weil er ausländische Shinobi angeworben hat."

"Oh. Guter Einwand, Morikubo. Ich werde das bedenken."

"Danke." Ich sah zur Seite. "Tsukasa. Wir brauchen Tee für den Groß-Daimyo. Und etwas Leichtes zu essen. Und das Bad soll für ihn und seine Begleiter vorbereitet werden. Ich denke, sie haben einen anstrengenden Ritt hinter sich."

Der Groß-Daimyo raunte anerkennend. "Gut mitgedacht, Morikubo. Und nein, ich bin Genta nicht böse, weil er Konoha involviert hat. Jiraiya-sama und Enma O haben mir die Situation erklärt. Und ich denke, ich sehe ihre Erklärungen bestätigt." Ein wenig spöttisch sah er mich an. "So, so. Du hast also die Burg eines Daimyos meiner Verwaltung gestürmt, erobert und seine Amtsgeschäfte weiter geführt - und all das nur an einem Tag?"

"Wir waren zu neunt", wagte ich zu widersprechen.

"Vergiss nicht, dass du auch zwei Jounin aus Kirigakure besiegt hast", klang Terumi-chans Stimme vom Eingang auf. Sie betrat gerade den Saal und ging sofort auf die Knie. "Natsusame-sama!"

"Ah, Terumi-chan, nicht wahr? Dir habe ich auch keinen guten Dienst erwiesen, als ich dich mit dem Schutz meines missratenen Neffen betraut habe. Das tut mir leid. Ich werde mit dem Mizukage reden und dafür sorgen, dass dich und deinen Kameraden keine Schuld trifft."

"Mit Verlaub, Natsusame-sama, aber das wird nicht nötig sein. Kjun und ich haben vor, Kirigakure auf den Kopf zu stellen und neu zu ordnen. Wir werden einige der alten Regeln abschaffen."

Diesen Worten folgte Stille. Im Gesicht des Groß-Daimyos arbeitete es sichtlich. Und ich fragte mich derweil, wie ich und Naruto es geschafft hatten, ausgerechnet gegen zwei Jounin zu bestehen. Zweifelnd betrachtete ich meine Hände.

"Dass ich das zu meinen Lebzeiten aus dem Mund eines Kiri-Nin hören darf, ist ein echtes Wunder", flüsterte er. Er winkte Terumi zu sich heran und deutete links von sich. "Ich erwarte Großes von dir, Terumi-chan."

Sie erhob sich und kniete sich links vom Daimyo auf dem Podest nieder.
 

"Der Tee!", sagte Tsukasa. Sie kam eilig herein, aber nicht hastig, und bereitete unter den Augen des Daimyo den Tee frisch zu. "Bitte, Herr." Der Herrscher nickte anerkennend.

Ihr Blick ging zu mir. "Tee?"

"Hm?", machte der Daimyo.

"Nun, im Moment ist er der Burgherr", sagte die junge Frau mit einem unschuldigen Lächeln.

"Das meine ich nicht. Es ist selbstverständlich, dass du auch ihm und Terumi-chan Tee servierst. Mich wundert nur dein Talent und deine Eleganz."

Die junge Frau errötete. "Ich musste einiges lernen, seit ich hier bin."

"Und du hast gut gelernt."

"Sie ist eine der Entführten aus Gentas Dorf", sagte ich.

"Und? Wirst du in dein Dorf zurückkehren? Oder wirst du im Haushalt des Daimyos dienen, den ich hiernach einsetze?"

Ihr Blick ging zu mir, und ich hob abwehrend die Arme. "Um Himmels Willen. Ich bin Konoha-Shinobi, und ich habe keine Ahnung von Verwaltung."

"Das erscheint mir nicht so der Fall zu sein", brummte der Groß-Daimyo amüsiert und deutete auf den Packen mit meinen Anfragen. "Dennoch, ich werde jemanden einsetzen, dem ich schon länger vertraue und der Erfahrung im Verwaltungswesen hat. Koji."

"Ja, Herr." "Du machst den Job, sobald Konoha sich entschließt, die Burg wieder an uns zu übergeben." "Ja, Herr." Über diese Entscheidung war er augenscheinlich nicht glücklich. Aber warum sollte es ihm besser gehen als mir?

"Nun, Tsukasa-chan?"

"Ich weiß nicht. Ich habe nicht nur schlechte Erinnerungen an diesen Ort. Aber meine Eltern warten auf mich und meinen Bruder. Doch der hat irgendwie Gefallen daran gefunden, Soldat zu sein, und... Ich weiß es wirklich nicht."

"Du bist noch jung. Du hast noch Zeit. Aber man sagt, ich erkenne Talent, wenn ich es sehe, und du würdest sicherlich eine gute Künstlerin werden, wenn nicht eine Diplomatin, die den Kontakt des Daimyos mit den Menschen in den Dörfern halten kann... Damit so etwas wie unter meinem Neffen nicht so schnell wieder passieren kann."

"Ja, Herr." Sie senkte den Blick. "Ich werde darüber nachdenken."

"Ihr Bruder?", fragte Natsusame Koji.

"Tsuyoshi. Ein fähiger Bursche. Ich wollte ihn demnächst zum Leutnant machen, auch wenn er erst siebzehn ist."

"Wenn er bleiben will, dann befördere ihn. Nach all der Misswirtschaft braucht dieses Land fähige Leute an der Spitze."

"Ja, Herr."

"So, und jetzt will ich die ganze Geschichte von Anfang an hören." Er winkte Enma O und Jiraiya-sama herbei, damit sie sich ebenfalls zu ihm setzten und Tee tranken.

Meinen Tee in der Hand begann ich meinen Bericht über die letzten dreizehn Tage.

***

"Junge, Junge", sagte Kaminari. Er hatte beide Arme hinter dem Hinterkopf verschränkt und grinste von einem Ohr bis zum anderen. "Ich dachte wirklich, jetzt ist es passiert, und der Groß-Daimyo wirbt dich doch noch ab."

"Mach dich nicht lächerlich", erwiderte ich bissig. "Ich bin vielleicht kein besonders guter Ninja, aber ich bin noch schlechter in der Verwaltung eines Landes."

"So? Natsusame-sama hat das anders gesehen."

Ich winkte ab. "Rede du nur. Fest steht, das ich lieber ein Shinobi bin."

"Und dafür sind wir alle dankbar", sagte Karin und hängte sich lächelnd an meinen rechten Arm.

"Sehr dankbar", sagte Hanako und hängte sich an den linken Arm.

Okay, damit würde ich in Zukunft leben müssen. Ausflüchte gab es keine mehr für mich, seit ich beiden meine Liebe gestanden hatte. Nur fragte ich mich, wer die letzten beiden der fünf Frauen waren, mit denen sie ihren Pakt um mich abgeschlossen hatten. Entsprechende Fragen hatten sie vehement abgeschmettert.

Ich seufzte ergeben. Ich hätte es wesentlich schlimmer treffen können, als mit zwei wirklich schönen Mädchen am Arm durch den Wald zu gehen. An der Spitze einer kleinen Marschkolonne, bestehend aus den Befreiten und meinen Shinobi, auf dem Weg zurück ins Dorf.

Suchend sah ich mich um. "Nanu? Suzume kommt ja gar nicht hinzu."

"Was deine kleine Schwester angeht", merkte Karin an und deutete hinter sich, "so wirst du sie in Zukunft teilen müssen."

Ich sah in die angedeutete Richtung. Suzume ging zwischen Tsuyoshi und Tsukasa, die sich entschlossen hatten, vorerst nach Hause zurück zu kehren. Für ihn war es eine Art Urlaub, für sie eine Zeit der Entscheidungen. Das Angebot des Daimyos, mit ihren Eltern auf die Burg zu ziehen hatte vieles vereinfacht, aber auch verkompliziert. Aber manche Aufgaben suchten einen aus, nicht umgekehrt.

"Hm", machte ich unwillig, als ich sah, wie gut sich Suzume ausgerechnet mit diesem frechen Bengel unterhielt. Und der Blick, den sie ihm zuwarf, der gefiel mir überhaupt nicht.

"Tsuyoshi hat sich bei der Eroberung der Burg bewährt?", hakte ich nach.

"Ja, das hat er." Hanako seufzte. "Und das hast du uns schon ein Dutzendmal gefragt. Wann hörst du endlich auf, so eifersüchtig zu sein? Jeder große Bruder muss seine Schwester irgendwann gehen lassen."

"Ja, aber doch nicht mit einem Soldaten! Ich meine... Eifersüchtig?"

"Ja, du bist eifersüchtig, Mamoru-sama. Und das finden wir süß." Karin drückte mir einen Kuss auf die Wange. "Aber nur damit du es weißt, unseren Pakt erweitern wir nicht."

"Na ja", kam es gedehnt von Hanako, "wenn man sie näher kennt, ist Suzume-chan ein sehr liebes Mädchen. Ich bereue nichts von dem Aufwand, den ich für sie betrieben habe. Sie ist jede Anstrengung wert, und..."

"Hana-chan!", sagte Karin entrüstet.

Hanako streckte der Freundin die Zunge raus. "War nur Spaß."

"Ihr beiden schafft mich", seufzte ich.

"Mich wundert, dass du das nicht hast kommen sehen, Mamo-chan", sagte Ikuko gut gelaunt, als sie uns passieren ließ, um ihre Vorhut mit Kaminari gegen die Nachhut einzutauschen.

Wahrscheinlich hatte sie Recht.
 

Während wir dahin schritten, dachte ich über die letzten beiden Tage nach, an denen Natsusame-sama eine peinlich genaue Untersuchung vorgenommen hatte, bei der sein Neffe in allen Anklagefällen schuldig gesprochen worden war. Aber da Blut dicker als Wasser war, hatte er ihn lediglich zum Soldaten degradiert und mitgenommen, damit er sich erneut die Ränge nach oben arbeiten konnte. Wenn er beschäftigt war, konnte er wenigstens keine Dummheiten anstellen, hatte der Daimyo gesagt. Und vielleicht lernte er diesmal ja etwas Demut.

Koji hatte uns herzlich verabschiedet und zugesagt, den gestohlenen Reis noch in dieser Woche zurückzubringen, zusammen mit einer beträchtlichen Summe Geld aus dem Verkauf der Vorjahresernte. Außerdem hatte er bereits angeordnet, auch die anderen ausgebeuteten Dörfer zu entschädigen und die zerstörten Siedlungen wieder aufzubauen. Und er hatte einen Prozess gegen Haus Shoda eröffnet, um ihre dubiosen Handelspraktiken zu untersuchen.

Terumi-chan und Kjun waren ebenfalls am Ende der Untersuchungen aufgebrochen. Sie hatten allerdings die Zeit genutzt und Boten entsandt, um sich für ihre Aufgabe der Unterstützung weiterer Kiri-Shinobi zu versichern. Viele Rückantworten waren sehr positiv ausgefallen, und ich hoffte tatsächlich auf eine große Veränderung in Kirigakure. Es konnte für Konoha nur gut sein, wenn Kiri seinen Ruf als mörderisches Dorf verlor, das Versager mit dem Tod bestrafte. Das war sicherlich für viele Auftraggeber ein Grund gewesen, Kiri-Nin anzuheuern...

Die Beschwörung von Enka O Enma hatte ich erst an diesem Morgen aufgehoben. Der König der Affen hatte sich dazu hinreißen lassen, mir ein neues Ninjutsu beizubringen. Außerdem hatte ich mit ihm in seiner Waffenform als Kampfstab üben dürfen, was ich für eine sehr große Ehre hielt.

Jiraiya-sama begleitete uns zu Gentas Dorf, um dort Naruto abzuholen. Danach wollte er das Training mit ihm fortsetzen. Der große, weißhaarige Sannin war schon seit dem Aufbruch schweigsam und entgegen seiner Art nicht mal an der hübschen Ikuko interessiert. Stattdessen murmelte er nur vor sich hin. Seine Abgelenktheit hatte während der ersten Pause ihre Erklärung gefunden, als Jiraiya-sama plötzlich angefangen hatte zu schreiben. Er arbeitete also an einem neuen Buch. Anscheinend hatten ihm die Erlebnisse um Harusame, der hoffentlich für eine sehr lange Zeit auf jeden Luxus verzichten musste, einen Ideenschub beschert.

Apropos Ideenschub. Ich spielte mit dem Gedanken, P-chan zu beschwören, jetzt wo ich wieder Reserven hatte. Aber dann entschied ich mich doch dagegen. Von Affen hatte ich erst einmal die Nase voll.

***

Am frühen Nachmittag erreichten wir das Dorf, und wir wurden mehr als stürmisch empfangen. Die Eltern konnten ihre letzten verlorenen Kinder in die Arme schließen, Suzume wurde überschwänglich von ihrer Schwester Tsubasa in Empfang genommen, und allgemein schienen wir in das Erntefest hinein geraten zu sein.

Meine Shinobi und ich waren die Ehrengäste, auch jene, die die Dorfbewohner noch gar nicht kannten. Es sah ganz so aus, als hätten die ersten Heimkehrer, Hinata und Naruto ganze Arbeit geleistet und viel erzählt. Jedenfalls wollten die Dorfbewohner von jedem von uns die Eroberung der Burg geschildert bekommen. Hanako hielt sich übrigens bei ihrer Schilderung der Infiltration merkwürdigerweise an manchen Stellen sehr zurück und blieb sehr vage. Aber darüber machte ich mir keinen Kopf.

Um Naruto zu finden musste ich nur dem größten Lärm folgen. Er steckte natürlich inmitten einer Horde Menschen, die er mit seinen Erzählungen alleine unterhielt. Die arme Hinata saß neben ihm, und bei all den Lobpreisungen, die der Ninja auf sie und ihre Fähigkeiten hielt, hatte ihr Gesicht eine kräftige Röte angenommen. Sie versuchte ab und an, die Schilderungen Narutos abzumildern, aber der handelte nach dem Prinzip: Ehre wem Ehre gebührt.

"Naruto", sagte ich. "Jiraiya-sama hat entschieden, dass Ihr erst morgen aufbrecht. Du kannst also mit uns feiern."

"Super! Es gibt nämlich sehr gute Sachen zu essen, Oniichan." Verschwörerisch beugte er sich vor. "Tsubasa-chan ist übrigens eine verdammt gute Köchin. Ihr Essen ist super. Und sie hat Hinata schon was beigebracht." "Dir nicht?"

Der Blondschopf lachte verlegen. "Ich kann vieles, aber kochen gehört nicht dazu. Das überlasse ich lieber den Leuten mit Talent, nicht, Hinata-chan?"

"S-so viel habe ich jetzt auch nicht gelernt", wiegelte sie ab.

"Hm", machte ich. "Wenn du Recht hast, Naruto, dann gibt Hinata-chan eines Tages ja eine perfekte Braut ab. Da solltest du ein Auge drauf haben, Kleiner."

War Hinata zuvor schon gerötet gewesen, so schoss ihr die Farbe richtig ins Gesicht. Beinahe erwartete ich einen Dampfausbruch, weil ihre Peinlichkeit das Wasser in ihrem Körper zum Kochen gebracht hatte. "B-braut?"

"Da hat er vollkommen Recht. Du wirst eines Tages eine tolle Braut für einen glücklichen Kerl abgeben, Hinata-chan", sagte Naruto und klopfte ihr auf die Schulter.

Okay, das kannte ich. So war ich auch mal gewesen.

Hinata sah ihn an, die Röte ging zurück. Schließlich seufzte sie nur leise. "Danke für das Kompliment", sagte sie trocken.

Tröstend tätschelte ich ihr den Kopf. "Sieh es positiv, Hinata-chan. Ich habe dazu gelernt. Also kann er es auch."

"Meinst du wirklich, Sempai?" "Aber ja." Nun, das ließ sie zumindest wieder lächeln.

"Worüber redet Ihr? Oniichan? Kannst du mir das erklären? Mamo-oniichan?"

"Frag deinen Meister", erwiderte ich und ging weiter. Himmel, war ich auch so unbedarft wie Naruto gewesen?
 

Ich ging zu Genta zurück. An seinem Tisch hatten sich seine Leutnants und die Shinobi versammelt und aßen nach besten Kräften. Tsubasa kochte aber auch zu gut.

Bevor ich mich auf meinen Platz setzte, umarmte ich Hanako und Karin von hinten und gab jeder einen Kuss auf die Wange.

"Wofür war der denn?", fragte Hanako erstaunt.

"Ich war gerade bei Naruto und Hinata und habe gesehen, was das arme Mädchen unter Narutos Ahnungslosigkeit auszustehen hat. Das war eine kleine Entschuldigung von mir. Ich war sicher nicht viel besser."

Kaminari begann lauthals zu lachen. "Das trifft es nicht annähernd, Mamo-chan."

Ich grinste und setzte mich. Mein Blick ging über die Anwesenden. Wo war Suzume?

"Wollten die zwei nicht herkommen?", fragte Kiba.

"Ach, da wo sie gerade sind, amüsieren sie sich ganz gut. Lass ihnen doch die Zeit", erwiderte ich. Ernsthaft, wo war Suzume?

"Hier, Mamo-chan. Sag Aaaah." Amüsiert betrachtete ich Hanako. "Du willst mich doch nicht etwa füttern? Dafür bin ich vielleicht etwas alt."

"Aber ein Essen schmeckt am besten, wenn man es von einem schönen Mädchen bekommt", protestierte sie. "Und das Rindfleisch ist wirklich gut."

"Genau! Und probiere mal die Nudeln!", sagte Karin und hielt mir von der anderen Seite ihre Essstäbchen hin.

"Jetzt ist aber genug!", donnerte Tsubasa. Meine beiden Mädchen zuckten erschrocken zusammen.

"Wenn hier jemand jemanden am Tisch füttert, dann bin das immer noch ich! Morikubo-sama, willst du nicht mal den Fisch probieren? Ich habe ihn besonders gewürzt."

Nun hatte ich drei paar Essstäbchen vor der Nase. Resignierend ließ ich den Kopf hängen. "Ich bin mir nicht ganz sicher, womit ich das verdient habe."

Genta lachte lauthals. "Das ist der Preis des Erfolgs, Morikubo-sama." Amüsiert betrachtete er seine Frau. Die sah ebenso amüsiert zurück. Aha, also hatten die beiden Spaß an der Situation und an den Handlungen meiner Mädchen.

Aber ernsthaft, wo war Suzume?

***

Nach einem wirklich schönen Fest wollten wir am nächsten Morgen aufbrechen. Naruto und Jiraiya-sama gingen schon eine Stunde vor uns los, und ich sah es Team acht an, dass sie es schwer hatten, den Gleichaltrigen ziehen zu lassen. Kiba überspielte das natürlich mit seiner Großmäuligkeit, Akamaru hingegen winselte traurig. Shino zeigte seinen Abschiedsschmerz, indem er dreimal so viel redete wie üblich, und Hinata... Hinata... Es war beinahe ein Trauerspiel, dabei zuzusehen, wie sie sich vor dem Abschied wand. Allerdings war Kaminaris wohlgemeinte Hilfe dann doch zu viel; er hatte sie Naruto kurzerhand in die Arme geschubst, was sie mit einer nervösen Ohnmacht quittierte. Sie würde nie erfahren, wie rührend sich der Schüler von Jiraya um sie gekümmert hatte. Auch weil sie prompt wieder in Ohnmacht gefallen war, als sie gemerkt hatte, dass Naruto besorgt ihre Hand hielt.

Dann waren sie weg, und mir wurde schmerzhaft bewusst, wie sehr mir der quirlige kleine Kerl fehlen würde. Jiraiya-sama hatte gesagt, dass sie mindestens zwei Jahre trainieren wollten. Eine verdammt lange Zeit für einen so jungen Menschen wie mich.
 

Eine Stunde später und mit einer stabilen Hinata Hyuuga wollten auch wir aufbrechen. Das ganze Dorf kam zusammen, und ließ uns noch einmal hochleben. Wir bekamen einen kräftigen Bonus aus der Schatzkammer Harusames, den wir natürlich nicht ablehnten, immerhin hatten wir hart und erfolgreich gearbeitet, und ich kam nicht umhin festzustellen, dass ich diesen Genta sehr mochte.

Tsubasa heulte Rotz und Wasser, als sie mich zum Abschied umarmte. Sie hatte jedem von uns noch kaltes Essen gemacht und nahm mir unter Tränen das Versprechen ab, so bald wie möglich wieder zu kommen.

Tsukasa verabschiedete sich derweil von Hanako auf eine Art und Weise, die mir merkwürdig vorkam. Aber wahrscheinlich hatten sie ihre gemeinsamen Erlebnisse in der Burg zusammengeschweißt.

Und so ging es reihum, bis die Befreiten und ihre Familien nochmal ihren Dank ausgesprochen hatten. Aber... Wirklich jetzt, wo war Suzume?
 

"Akira-oniichan!" Ich fuhr herum, als ich meinen Decknamen hörte.

Freudestrahlend kam Suzume auf mich zu, begleitet von Tsuyoshi. Ebenso freudestrahlend flog sie mir in die Arme und umarmte mich. Dabei zerbrach ihre fröhliche Fassade, und sie begann ebenso intensiv zu weinen wie ihre Schwester. "Ich wolltedochstarksein", schniefte sie. "Wolltenich' dassdumichweinensiehst." Ich stellte meine Fragen hintenan, warum sie mit diesem Bengel zusammen war, wo sie die Nacht über gewesen war, und erwiderte stattdessen ihre Umarmung.

"Ich komme bald mal wieder vorbei", versprach ich. "Dann sehen wir uns alle wieder."

"Wirklich?", fragte sie hoffnungsvoll. "Wirklich."

Nun, das zauberte ihr Lächeln zurück. "Ich habe was für dich, Mamo-oniichan! Ich habe gestern den ganzen Tag und noch heute morgen daran gearbeitet."

Tsuyoshi räusperte sich vernehmlich. "Wir. Und Ryu-sempai hat auch geholfen."

Ich sah zu Kaminari herüber, der die Wolken plötzlich sehr interessant fand.

"Hier, bitte. Als Andenken an mich und an unser Dorf."

Sie reichte mir ein Bund blauen Stoff. Nein, das war nicht richtig. Es war mehr als das. Ich entfaltete es, überrascht über das Gewicht und hatte schnell ein großes Tuch in der Hand. An einem Ende war ein Stirnschutz befestigt. Auf ihm prangte das Zeichen Konohas. Dieses Tuch falteten wir entweder zu einem Stirnband, oder wir banden es als Mütze. Karins kleiner Vetter Chouji band sich sein Stirnband so, dass ein Strang quer über den Kopf lief und zwei große Lücken ließ, um seine buschige Mähne durchzulassen. Es sah immer ein wenig so aus, als würde er eine Unterhose auf dem Kopf tragen, aber ich hatte noch niemanden erlebt, der ihm das ins Gesicht gesagt hätte.

"Danke", murmelte ich erstaunt, und betrachtete die feine Gravur. Erstaunt sah ich sie an. "Du hast doch nicht etwa..."

"Doch. Tsuyoshi hat das Beamtensiegel für mich eingeschmolzen, mehrfach gefaltet und dann in Form gebracht. Dann habe ich es graviert und auf das Tuch genietet. Ryu-sempai hat mir erklärt, wie das geht. Wir sind gerade erst fertig geworden, und ich wollte es dir doch vor deinem Aufbruch geben."

Gerührt umschloss ich den Stirnschutz. Da er aus Silber war, würde ich ihn kaum in einem Gefecht tragen können. Silber war nicht widerstandsfähig genug. Aber es war ein tolles Andenken. Ich schloss sie in die Arme. "Vielen Dank, Suzume-chan. Ich glaube, es kann keine bessere kleine Schwester geben als dich."

Gerührt fing sie wieder an zu weinen.

Nach einiger Zeit sah ich zu Tsuyoshi herüber. "Kannst du sie nehmen? Wir müssen los."

"Natürlich, Morikubo-sama." Er umschloss ihre Schultern, und sie drückte sich an den großen jungen Mann. Nun, vielleicht war er keine schlechte Wahl, auch wenn mir der Gedanke nicht gefiel, dass sie überhaupt jemals einen Freund haben sollte, egal in welcher Form. Aber es war ihr Leben, und wenn ich sie in einen Käfig sperren und vor der Welt beschützen wollte, hätte ich sie mit nach Konoha nehmen müssen. Das war auch nicht die Lösung. Dann war es doch besser, ihr ihr eigenes Leben zu lassen.
 

Ich sah ins Rund meiner Leute. "Haben sich alle verabschiedet? Hat jeder sein Gepäck?"

Meine Leute murmelten Bestätigungen, und Akamaru bellte zustimmend.

"Gut, dann sollten wir langsam aufbrechen."

Als wir gingen, folgte uns der Jubel und die Abschiedsgrüße der Menschen aus Gentas Dorf, so lange wie sie uns sehen konnten.

"Was ist eigentlich mit diesem Film, von dem Tsunade-sama mir erzählt hat, die Gerechten Sieben? Kennt den schon einer? Lohnt es sich, den zu sehen?"

Inari und Kaminari wechselten verblüffte Blicke aus. "Gut, dass du den nicht gesehen hast. Wer weiß, wie unsere Mission dann ausgegangen wäre", lachte Kaminari.

"Was? Wieso?", fragte ich reichlich verständnislos.

"Nun ja. Die Gerechten Sieben bauen eine Verteidigung gegen die Überfälle auf und trainieren die Dorfbewohner zum Kampf. Alle bis auf drei sterben bei der Verteidigung", sagte Inari. "Deine Methode war wesentlich erfolgreicher."

"Oh. Klingt nicht nach der Sorte Film, die ich gerne sehe."

"A-aber wir können trotzdem reingehen!", rief Karin eifrig und hängte sich an meinen rechten Arm.

"Nur wir drei! Und anschließend gehen wir was schönes essen", fügte Hanako hinzu und hängte sich an meinen linken Arm.

Ich seufzte und überdachte meine Optionen. Ich war mir nur zu bewusst, dass die anderen diese kleine Showeinlage genossen. Wobei Hinata errötete, Shino sich wie immer nichts anmerken ließ, und Kiba vor sich hinmurmelte, das es doch nichts langweiligeres gäbe als mit Mädchen ins Kino zu gehen.

"Okay", sagte ich. "Wir gehen ins Kino."

Meine Mädchen jubelten erfreut auf. Aber damit war mein Pulver noch nicht verschossen.

"Ihr habt doch Zeit, oder? Ikuko, Hinata-chan, Ryu, Inari, Shino, Kiba, Akamaru?"

Als meine Mädchen enttäuscht seufzten, musste ich grinsen. Punkt für mich.

***

Damals
 

Nachdem wir Konoha erreicht hatten, wurde mir eine kurze Erholungszeit Zuhause zugestanden. Meine Eltern sprachen nach einer innigen, aber stillen Begrüßung kaum ein Wort, und ich wagte nicht zu fragen, was ihnen solche Angst machte, nachdem ihr totgeglaubter Sohn doch noch nach Hause zurückgekehrt war.

Nur meine Schwester war fröhlich wie eh und je. Yuriko umarmte mich herzlich, drückte mich fast zu Tode und meinte nur: "Natürlich hat hier keiner geglaubt, du könntest tot sein. Der Tod liefert dich doch glatt wieder ab, wenn er dich nur fünf Minuten ertragen musste." "Yuriko-nee..."

"Was denn? Ich habe doch Recht. Und jetzt ab unter die Dusche. Ich lege dir frische Sachen raus. Wenn der Rat zusammentritt, sollst du aussehen wie aus dem Ei gepellt. Und dann will ich sehen, was sie gegen den Mann vorzubringen haben, der Otogakure zerstört hat."

"Aus der Dusche wird wohl nichts", klang eine bekannte Stimme vom Eingang her. "Aber ich sehe es genauso wie Yuriko-chan. Entschuldigt, Kenshiro, Yuria, dass ich mich selbst reingelassen habe, aber die Tür stand auf."

"Kein Problem, Shikaku. Du weißt, dass du hier ein-, und ausgehen kannst, wie es dir beliebt", sagte Vater.

Der große Clanführer kam auf mich zu und legte mir eine Hand auf die Schulter. "Was du geleistet hast, macht uns alle sehr stolz. Der ganze Clan steht hinter dir, Mamoru. Ach, und Shikamaru wurde zum Chunin ernannt."

"So, wurde er? Arme Sau. Ich weiß, wovon ich rede."

Shikaku lachte kurz auf. "Ich habe ein wenig hinter den Kulissen mit Leuten gesprochen", sagte er schließlich. "Mit Hyuuga und Asuma und einigen anderen. Es scheint ganz so, als würde man darüber hinweg sehen, dass du Konoha-Shinobi unter Amnesie angegriffen hast. Aber nicht, dass du, als du deine Amnesie überwunden hast, die Oto-Nin weiterhin beschützt hast."

Ein tiefes, gefährliches Grollen klang hinter mir auf. Natürlich, es kam von meiner Mutter. "Wenn dieser dämliche Rat glaubt, dass sie meinen Jungen auch nur..."

"Ruhig, Yuria, ruhig", mahnte Shikaku lächelnd. "Wie ich schon sagte, ich habe im Hintergrund mit einigen Leuten gesprochen. Man wird hart mit Mamoru umspringen, vielleicht etwas zu hart. Aber die Todesstrafe ist definitiv vom Tisch."

Erleichtert seufzte Mutter auf. "Das hätte ich auch nicht zugelassen."

"Eigentlich stand sie überhaupt nicht zur Debatte. Dafür hat sich Mamoru nicht genug Unfug geleistet. Aber es könnte einen anderen, ähnlich schmerzhaften Einschnitt geben, der... Nun, auch oder gerade für Konoha Schade sein könnte... Aber dazu später mehr."

"Mamo-chan, es ist Zeit." In der Tür erschien Uzuki-sensei, so als hätte sie jemand hingezaubert.

Ich nickte ihr zu. "Ich komme." Ein letztes Mal sah ich meine Familie an, dann folgte ich der hochgewachsenen ANBU. Ohne Dusche, ohne frische Kleidung, aber konnte mir irgend etwas egaler sein?

Merkwürdig, war Uzuki-sensei mir schon immer so klein vorgekommen? Oder war ich so gewachsen? Onkel Shikaku schloss sich schweigend an.
 

Draußen auf der Straße stand mein Cousin Shikamaru. Und nicht nur er. Etliche Mitglieder des Clans waren da. Sie betrachteten schweigend den Zug aus vier ANBU, mit mir in der Mitte.

Ich nickte Shikamaru aufmunternd zu, und er zeigte mir einen erhobenen Daumen. Danach grüßte ich Bekannte und Verwandte. Schnell merkte ich, dass es nicht nur Naras waren, die hier standen. Neben einer ganzen Reihe Genin, die ich von der Zerstörung Otogakures kannte, standen hier auch Akimichis, Yamanakas, aber auch von anderen großen Familien Konohas. Sie säumten den Weg bis zum Amtssitz des Hokages, in dem der Rat tagen würde.

Die Soldaten, die unter mir gedient hatten, grüßten mich, und ich erwiderte die Grüße. Ihre besorgten Blicke machten mir zu schaffen. Aber ich konnte dem Spektakel nicht entkommen. Ich wollte es auch gar nicht.
 

Als ich schließlich vor dem Rat stand und Onkel Shikaku Platz genommen hatte, fühlte ich mich seziert. Die beiden Ratsvorsitzenden, Utatane und Mitakado, sahen mich mit Blicken an, die wohl sagen wollten: Ha! Wir haben es doch gewusst! Aber ich ließ mich nicht nervös machen. Zumindest nicht nervöser als ich ohnehin schon war.

"Chunin Mamoru Morikubo, Sie stehen hier heute vor dem Rat, um sich zu verantworten für Ihre Handlungen nach der Zerstörung von Otogakure", sagte Mitakado förmlich. "Der Rat hat bereits festgestellt, dass Sie äußerst umsichtig, selbstlos und tapfer gehandelt haben, als die Explosion der Chakra-Bombe drohte. Wir sind uns einig, dass dies als mildernde Umstände geltend gemacht werden können, auch für Ihre unglaublichen Taten gegen Shinobi Konohas. Auch gilt die Tatsache, dass es keine Toten gab, als mildernder Umstand. Allerdings tragen Sie die Verantwortung dafür, dass fünfzig Shinobi Konohas, darunter Chunin, defacto Ihnen zuliebe desertiert sind. Das ist nicht das Bild, das wir von unseren Shinobi erwarten! Das ist nicht das Verhalten, das wir von unseren Shinobi sehen wollen!"

Meine Miene versteinerte. Ach, so lief der Hase also.

"Morikubo-kun", nahm Rätin Utatane den Faden auf, "wir sind uns immer noch nicht im Klaren darüber, wie wir Sie bestrafen sollen. Dass es eine Strafe geben muss, steht außer Zweifel. Sie haben wissentlich gegen Ihre Kameraden gekämpft. Unabhängig von Ihrer großartigen Leistung sowohl beim Angriff auf Otogakure als auch bei der Vernichtung der Stadt und Ihrem heldenhaften Einsatz, um Ihren Kameraden die Flucht zu ermöglichen. Deshalb wird viel von Ihrem Bericht abhängen. Erzählen Sie dem Rat detailliert von Anfang an, was passiert ist."

Ich holte Luft. Na, das konnte ja dauern.

***

Zwei Stunden später war ich fast am Ende meiner Erzählung angelangt, aber gerade der Teil hatte es in sich. Immer gab es Nachfragen nach Details oder Personen, und so kam ich nur langsam voran. Es war mühselig. Vor allem weil ich zu meiner Beziehung zu Maria regelrecht gelöchert wurde, in der Zeit als ich Amnesie gehabt hatte. Einig war man sich nur darin, dass Maria oder ein Oto-Shinobi die Amnesie künstlich ausgelöst hatte, um mich für ihre Zwecke zu missbrauchen.

"Und wie stellte sich das Verhältnis zu Maria in den nächsten Tagen da?", fragte Shikaku interessiert.

Ich spürte, wie mir die Röte in die Wangen schoss. "Sie nutzte meine Amnesie zu einhundert Prozent aus."

Nun beugte sich auch Hiashi Hyuuga interessiert vor. "Inwiefern, Morikubo-kun?"

"Nun, sie... Redete mir ein, wir wären... Nun."

"Morikubo-kun", mahnte der Hyuuga.

"Sie hat mir subtil untergeschoben, wir seien ein Liebespaar gewesen, und ich habe ihr geglaubt", gestand ich. "Ich entwickelte Emotionen für sie, Gefühle, die..."

"Gefühle?", fragte Utatane.

"Liebe. Sie hat Liebe von mir gestohlen", sagte ich mit rauer Stimme.

"So, so. Sie hat Ihnen eingeredet, Sie wären ein Paar gewesen, und prompt haben Sie Liebesgefühle für sie entwickelt, die sie ausgenutzt hat", stellte Mitakado fest.

"Das ist es noch nicht ganz", sagte ich leise.

"So? Erklären Sie das, Morikubo-kun."

Ich sah den alten Mann an. Ich musste mehrfach schlucken, weil mir die Stimme wegzusacken drohte. "Wie ich schon sagte, sie hat mir Liebe gestohlen, als ich tatsächlich glaubte, wir seien ein Paar." Meine Stimme versagte, und Scham und Wut kämpften sich in mein Bewusst sein. Wie hatte sie mir das antun können? Wie hatte dieses widerliche Biest... Na ja, es war nicht unangenehm gewesen, das auf keinen Fall.

"Himmel, Mamoru, willst du uns etwa erzählen, sie hat mit dir geschlafen?", brach es aus Shikaku hervor.

Ich sah ihn entsetzt an. Meine Stimme war nun ganz weg, und ich konnte nur noch zustimmend nicken.

Utatane schnaubte frustriert aus, Hyuuga begann zu lachen. Onkel Shikaku sah mich entsetzt an, der Rest des Rates, Asuma eingeschlossen, redete wild durcheinander.

Mitakado räusperte sich. "Na gut, das erklärt einiges. Sie öffnete also körperlich die Tür für Emotionen für alle anderen Oto-Nin der Gruppe?"

"So kann man es sehen, ja", antwortete ich mit viel zu rauer Stimme. Maria, wenn ich sie jemals wieder in die Hände bekam, würde ich... Würde ich... "Es sind keine schlechten Menschen, vor allem jetzt nicht, wo sie Orochimarus Einfluss entzogen sind", hörte ich mich selbst sagen.

"Es lohnt also eher nicht, sie zum Ziel einer ANBU-Mission zu machen, oder sie ins Kopfgeldjägerbuch zu setzen?", hakte Utatane nach.

"Nein, nach meiner Erfahrung nicht. Sie sind keine Feinde Konohas mehr."

"Gut. Das spart uns eine Menge Geld, würde ich sagen." Die alte Frau sah mich streng an. "Morikubo-kun, wir halten Ihnen zugute, dass Sie Amnesie hatten und dass diese Frau Sie emotional manipuliert hat. So wie vermutlich der ganze Haufen Nukenin. Deshalb wird Ihre Strafe zwar gravierend, aber nicht zu gravierend ausfallen. Ich denke, alle Ratsmitglieder sind mit mir einer Meinung, dass Morikubo-kun trotz der unerfreulichen Ereignisse rund um Otogakure zu unseren bewährten Chunin gehört."

Zustimmendes Gemurmel erklang. "Allerdings scheint er mir noch nicht bereit für wirklich wichtige Aufgaben, und deshalb... Nara-kun, warum sind Sie so aufgesprungen und wedeln mit den Händen? Wenn Sie etwas zu sagen haben, sollten Sie das auch tun."

"Rätin Utatane, ich bin der Meinung, wir sollten die Strafe unter uns besprechen!", sagte er hastig. "Es gibt da etwas, was Sie nicht wissen können, Mamoru betreffend!"

Asuma erhob sich ebenfalls. "Ach, die Geschichte! Ich bin auch dafür, dass wir ohne Mamoru über seine Strafe verhandeln!"

Die alte Frau schnaubte energisch. "Ich will ihn ja gar nicht bestrafen, ich will nur eine Empfehlung aussprechen! Und diese lautet, und ich hoffe, der Rat folgt mir da, dass wir Morikubo-kun auf unbestimmte Zeit den Aufstieg in die Jounin-Ränge versperren, und... Warum fuchteln Sie denn schon wieder so, Nara-kun?"

"Zu spät", seufzte er und setzte sich wieder hin.

"Ja, leider", sagte Asuma ebenfalls seufzend und setzte sich ebenfalls wieder.

Irritiert sah die Rätin zu den beiden herüber. "Nun gut, schließen wir ihn aus. Warten Sie draußen, Morikubo-kun."
 

So setzten sie mich vor die Tür. Hm, wenn ich wirklich damit davonkam, nie zum Jounin befördert zu werden, konnte mir das nur Recht sein.

Beinahe war ich versucht an der Tür zu lauschen, als es drinnen plötzlich laut wurde. Aber ich bin sicher, die ANBU hätten das verhindert.

"War es schlimm?", fragte Uzuki-sensei.

Ich zuckte mit den Achseln. "Nicht so wirklich. Sie wollen mir wohl verbieten, ein Jounin zu werden. Aber das hätte ich sowieso nie geschafft, also ist es kein Verlust."

Uzuki-sensei zischte leise: "Idioten."

"Ich wollte doch sowieso nie Jounin werden", sagte ich hastig.

Drinnen wurde plötzlich gelacht. Lange und ausgiebig. Dann ging die Tür wieder auf. "Morikubo-san, wieder eintreten."

"Viel Glück", wünschte Sensei.

"Danke."

"Wir sind zu einer Entscheidung gekommen, Sie betreffend, Morikubo-kun", verkündete Mitakado. "Wir verhängen eine zehnjährige Sperre, die Ihnen verbietet, in die Jounin-Ränge aufzusteigen. Aber da ich informiert wurde, dass Sie das nicht als ernsthafte Strafe ansehen, hat sich der Rat zu einer wesentlich handfesteren Strafe entschlossen. Und zwar werden Sie ab sofort sehr viel mehr Pflichten übernehmen als zuvor. Außerdem setzen wir Sie auf die Liste der Shinobi für A-Missionen. Sie werden die nächsten Jahre hart arbeiten, um Ihren Fehler wieder auszuwetzen."

Na toll, mehr Arbeit. Das musste auf Onkel Shikakus Mist gewachsen sein. Ihm war es zuzutrauen, das er mir die Arbeit zuschusterte, die sonst ein Voll-Jounin erledigen musste. Ihm ja.

"Das war alles, Morikubo-kun. Aus unserer Sicht ist das Vertrauensverhältnis zwischen Konoha und Ihnen wieder hergestellt. Sie können gehen."

Erst nickte ich nur. Aber als mir klar wurde, das es vorbei war, dass mein Abenteuer keine wirklich schlimmen Konsequenzen nach sich tragen würde, verbeugte ich mich tief.

Gerade als ich mich umwendete, um zu gehen, hielt mich Utatanes Stimme zurück. "Ach, noch etwas, Morikubo-kun. Der Rat beglückwünscht Sie zur erfolgreichen Vernichtung Otogakures."

"Danke", antwortete ich trocken. Ich verbeugte mich erneut und verließ den Saal.

Ich musste erleichtert grinsen. Ich konnte gar nicht anders.

"Dann ist es wohl glimpflich gelaufen?", fragte Uzuki-sensei.

"Wie man es nimmt. Sie erhöhen meine Arbeitslast und lassen mich A-Missionen machen."

Die ANBU sah mich verblüfft an. "So, so. Sie schieben dir also die Arbeit eines Jounins zu, um dich zu bestrafen."

"Ja, so sieht es aus. Also nichts Schlimmes."

Das brachte sie zum Lachen. Doch sie verbarg es schnell hinter ihrer Maske. "Ich denke, dann können wir wieder abziehen. Du bist ein freier Mann, Mamo-chan."

Mann klang irgendwie ein wenig merkwürdig in meinen Ohren, aber sie hatte wohl Recht. Ich war älter und reifer geworden. Und dank Maria war ich... Verlegen sah ich zu Boden. Wenn ich dieses Aas je wieder in die Finger bekam, würde ich... Würde ich... Ärgerlich schob ich diese Gedanken beiseite. Es gab Menschen in Konoha, die wissen wollte, was mit mir geschehen würde.

***

Gegen Abend trafen die Suchtrupps in Konoha ein. Sie hatten die gute Nachricht bereits gehört und waren entsprechend enthusiastisch. Der Enthusiasmus wurde größer, als ich sie, ebenso wie die anderen Genin, die in Otogakure gekämpft hatten, zu einer gemeinsamen Feier einlud. Dank eines großzügigen Bonus, den ich für die Vernichtung der feindlichen Ninja-Stadt bekommen hatte, absolut kein Problem für mich. Natürlich hatte ich auch Familie und Freunde eingeladen, auch Uzuki-sensei, die ich längst zu meiner Familie zählte.

Es wurde eine große, fröhliche Party, und ich probierte das erste Mal in meinem Leben Bier. Es schmeckte furchtbar.

"Wo sind eigentlich Hana-chan und Karin-chan?", fragte ich schließlich in die Runde.

"Frag nicht so viel, iss lieber was. Die beiden kommen sicher gleich wieder", sagte Asuma und drückte mir eine Schale Takoyaki in die Hand. Aber das stellte mich nicht zufrieden. "Rose-chan, hast du meine Mädchen gesehen?"

"Nein, tut mir leid, schon zehn Minuten nicht mehr. Fei-chan, hast du sie gesehen?"

"Nein, auch schon einige Zeit nicht. Aber die kommen schon wieder, keine Sorge. Sie... Warte mal. Nakakura, was ist mit dir? Hast du Karin und Hanako gesehen?"

"Zuletzt vor einer halben Stunde. Sie wollten frische Luft schnappen. Vielleicht weiß Hanabi mehr. Hey, Mädchen, hast du Karin und Hanako gesehen?"

Die Medi-Nin sah auf. Sie war noch immer ein wenig lädiert, aber bei bester Laune. "Vor einer Viertelstunde am Buffet. Aber das nützt wohl nicht viel. Anna, hast du... Nein, du hast ja nur Augen für Mamo-chan. Armes, bedauernswertes Mädchen. Tonari, was ist mit dir?"

"Karin und Hanako? Sind gerade raus. Wollen noch was für das Fest erledigen, haben sie gesagt. Und dass sie gleich wieder kommen", sagte der Chunin zwischen zwei Bissen.

Das beruhigte mich wieder. Was sollte ihnen auch passieren, ausgerechnet in Konoha?

***

Die einsame Gestalt hatte sich unter einem Kapuzenmantel verborgen. Sie hielt sich im Schatten, aber wagte sich nahe heran. Sehr nahe. Zumindest nahe genug, um durch eines der Fenster in die Halle zu spähen, in der die Konoha-Shinobi feierten. Dabei hoffte sie, einen Blick zu erhaschen, einen Blick auf ihn... Nur ganz kurz, nur für einen winzigen Augenblick.

Das war etwa eine Sekunde, bevor zwei riesige Hände nach ihr griffen. "Karin!", entfuhr es ihr. Sie wich aus, sprang in die Höhe und versuchte das nächste Dach zu erreichen. Doch in ihren destinierten Landeplatz fuhr eine Salve Kunais und Shuriken, also sprang sie gegen die Hauswand, stieß sich ab und versuchte es beim anderen Haus. Dort stand eine große junge Frau mit blondem Haar, die sie durch ihre zu einem Rechteck geformten Daumen und Zeigefinger betrachtete. "Hanako!", entfuhr es der einsamen Gestalt.

"Körpertausch!"

"YIEKS!" Sie spürte, wie sie die Kontrolle über sich verlor. Wie sie in einen Abgrund stürzte. Und dann sah sie sich selbst, die Kapuze zurückschlagen und sich von oben betrachtend. Karin landete daneben. "Also Maria."

Hanako, in Marias Körper, nickte. "Natürlich Maria. Was hast du denn gedacht? Wer sonst hätte die Chuzpe, ausgerechnet Konoha zu infiltrieren?" Die beiden Mädchen grienten sich an. Dann wandten sie sich der Gefangenen zu. "Und jetzt sollten wir uns mal über das unterhalten, was du mit unserem Mamoru angestellt hast, Mädchen. Und über das, was die Zukunft noch so bringt", sagte Hanako in ihrem Körper, nun drohend. "Dir ist ja wohl klar, dass du für deine Taten die Verantwortung übernehmen musst? Aber dass du hier bist, zeigt ja schon, dass du dazu bereit bist."

Karin lächelte liebenswürdig. "Für Mamo-chan kann nur die Beste gut genug sein. Darf ich dir vielleicht ein Konzept namens Mamo-Pakt vorstellen? Da du mit ihm geschlafen hast, bist du uns gegenüber im Vorteil und wir werden dich wohl einlassen müssen..."

Okay, ging es Maria durch die Gedanken, jetzt wird es richtig verrückt.

***

Wenn ich an diese Zeit zurückdenke, habe ich viele gute Erinnerungen - und viele verdammt schlechte. Aber diese Tage haben mich geformt, so wie die früheren Tage ihre Spuren hinterlassen hatten. Und die späteren Tage, die noch folgen sollten, und die schwer werden würden. Aber wenn ich mein damaliges Ich betrachte, so hat es nicht mehr viel gemeinsam mit dem kleinen Jungen, der unter Hayate-sensei seine ersten Gehversuche als Genin gemacht hatte, jung, unsicher und ohne eine Spur Selbstbewusstsein. Ich war gereift, und das erheblich. Ich hatte nicht nur Verantwortung übernommen, sondern auch gesucht. Und damals wurden Weichen in meine Zukunft gestellt, die...

Obwohl, das ist schon eine andere Erzählung.
 

Ende der zweiten Erzählung

Schneidender Wind 1

Prolog:

Wenn ich bisher mit meinen Erzählungen, meinen Erinnerungen an meine Zeit als junger Shinobi unterhalten konnte, so ist das ein eigentlich ungewollter Nebeneffekt. Sicher, es ist ein blutiges, gewalttätiges Gewerbe voller Tod und Vernichtung, und jeder Lacher tut einem gut. Und wahrscheinlich verkläre ich in meiner Erinnerung durchaus die eine oder andere Geschichte ein wenig, und sehe damals brenzlige Situationen mit meiner jetzigen Erfahrung eher gelassen. Aber wenn ich etwas vorhatte, dann sicher nicht, einen humorvollen Text zu schreiben. Den Humor, der sich einschleicht, sehe ich als kostenlose Zugabe an. In erster Linie geht es mir darum, meine eigenen Erlebnisse zu verarbeiten, zu konservieren, selbst zu verstehen was ich noch weiß. Selbst zu verstehen, was ich getan habe, was mir passiert ist.

Und irgendwie stehen mir die Erinnerungen an jene Tage seltsam klar vor Augen. Ich sehe sie, als würde ich sie als Begleiter meines jüngeren Ichs gerade selbst erleben. Ich kann mich an Details erinnern, die so unwichtig sind, dass ich mich frage, womit sich mein jüngeres und dümmeres Ich nur beschäftigt hat, in diesen oder jenen Momenten. Aber ich kann mich nicht tadeln, denn gerade ich weiß, was für schreckliche und grandiose Zeiten noch auf ihn warten. Und so nehme ich es hin, dass ich noch weiß, dass Hanakos Haar nach Flieder geduftet hat, als sie zum vollwertigen Chunin erklärt wurde, nur ein paar Tage, nachdem wir aus dem Land des Wassers zurückgekehrt waren. Und das Karin am gleichen Tag, als auch sie Chunin geworden war, vor der Ernennung bittere Tränen geweint hatte, weil das bedeutete, das wir nicht mehr zu dritt agieren würden. Zumindest sehr viel seltener als zuvor. Aber ich habe sie stolz und strahlend gesehen, als sie ihre Bestätigung im Chunin-Rang empfangen hatte.

Ich erinnere mich an den Geruch von frisch geschnittenem Gras, als ich erst Karin, und dann Hanako zu ihren ersten eigenen Chunin-Missionen verabschiedet hatte, sehe immer noch die dicken Gewitterwolken, die nur eine Stunde später einen heftigen Starkregen nach Konoha bringen würden, erinnere mich an jedes Wort unseres Abschieds. Und ich verspüre immer noch die innere Zerrissenheit, als ich zuerst die eine, dann die andere mit ihrer Dreiergruppe verschwinden sah. Ich hatte mich selten hilfloser gefühlt. Ich war mir vorgekommen, als hätte ich meine Mädchen verraten. Aber es ging nicht anders. Wir waren nun alle drei Chunin, und die Zeit würde kommen, in der wir wieder zusammen arbeiteten. Bis dahin blieb mir nur, ein guter Ninja und Anführer zu sein. Und ich hoffe, das war ich, in all den Jahren...
 

Meine nächste Erzählung setzt ein halbes Jahr später ein. Ich hatte meinen sechzehnten Geburtstag schon lange hinter mir, und meine Mädchen mittlerweile auf drei Gruppenmissionen gehen sehen, während ich mehrere A-Rang-Missionen bestritten hatte, eine davon alleine. Damals war ich natürlich fest davon ausgegangen, sie nicht zu überleben, weil ich meine Kräfte nicht einschätzen konnte. Aber ich war auch trotzig gewesen, nach dem Motto: Jetzt erst Recht. Ich behielt Recht, übrigens.

Ein halbes Jahr später aber sollte ich ohne meine Mädchen auf eine eher harmlose Mission, bei einer Chunin-Prüfung in Sunagakure einen Lehrer spielen und die Leistungen unserer Genin beurteilen. Eine einfache Sache. Dachte ich. Bis zu einem gewissen Punkt. Ich verrate nicht zuviel, wenn ich sage, dass dem leider nicht so war.

Aber was rede ich. Hier ist die Geschichte.
 

1.

"Herein!"

Tsunade-samas laute Stimme ging mir durch Mark und Bein. Die große blonde Frau mit der beträchtlichen Oberweite konnte einigen Shinobi Angst machen. Nicht nur weil sie angeblich im Besitz eines Jutsu war, das sie unsterblich machte; ihre Persönlichkeit war ein Vorschlaghammer, den sie an unvorsichtigen, frechen oder dummen Shinobi ausführlich trainierte. Täglich.

Ich selbst hatte diesen Hammer schon mehrfach abbekommen. Nach ihrer Aussage, um mich stärker zu machen. Ich vermutete ja eher, es machte ihr Spaß, mich zu quälen.

"Ich sagte: Herein! Morikubo-kun!", blaffte sie.

Ich stellte meine Gedanken hintenan und betrat ihr Büro. "Du hast mich rufen lassen, Tsunade-sama?"

"Ja, das habe ich. Schön, das du so schnell reagiert hast, Morikubo-kun." Sie grinste, auf eine überlegene Art. Das war nie ein gutes Zeichen bei ihr. Also ersparte ich es mir, ihr zu erklären, das ich gerade in der Wanne gelegen hatte, als sie mich rufen ließ, und das meine Kleidung am nassen Körper klebte - und draußen war der junge Frühling klamm und nass.

Sie musterte mich eindringlich. "Morikubo-kun, du wirst nach Suna gehen."

"Nach Suna?", fragte ich erstaunt.

"Ja, Himmelherrgott, habe ich hier ein Echo im Raum?", fuhr sie mich an.

Ich straffte mich. "Sunagakure. Jawohl, Tsunade-sama. Was soll ich dort tun?"

"Schon besser", sagte sie süffisant. Sie deutete neben sich. Dort saßen auf einer Stuhlreihe Kurenai-sensei, Asuma und Uzuki-sensei, rechts neben ihnen Might Guy-sensei und Hatake-sensei. Letzterer las nicht einmal in seinem Lieblingsbuch, was einiges über Tsunade-sama aussagte.

"Wir schicken diesmal sechs Genin zur Chunin-Prüfung nach Sunagakure", sagte Kurenai-sensei. "Meine Gruppe, und die von Guy. Wir sind der Meinung, dass sie es diesmal schaffen werden."

"Deine Gruppe kenne ich ja, Kurenai-sensei." "Yuuhi!" "Yuuhi-sensei", beeilte ich mich zu sagen. "Aber die Gruppe von Guy-sensei kenne ich leider nicht."

Der große schwarzhaarige Mann in seinem grünen Trainingsanzug begann bellend zu lachen. "Natürlich kennst du sie schon, zumindest zwei von ihnen." Der Mann erhob sich lächelnd und verbeugte sich knapp, aber lange vor mir. "Als ihr Lehrer entrichte ich dir den längst überfälligen Dank dafür, dass du bei der Zerstörung von Otogakure so gut auf sie geachtet hast und sie hast entkommen lassen, wobei du dein Leben riskiert hast, Mamoru-tono!"

Das brachte mich in die Bredouille. Ich hatte damals zweihundert Genin unter meinem Kommando gehabt. Wenn sie aber Teil einer Genin-Gruppe waren, die noch immer einen Jounin hatte und nun zu einem Examen aufbrechen würde, konnten das durchaus jüngere Genin sein.

Ich stutzte. "Ach, genau! Neji-kun und Tenten-chan!", rief ich aufgeregt. "Ich habe die zwei ja schon eine mittlere Ewigkeit nicht mehr gesehen! Wie geht es den beiden?"

Guy setzte zu einer Erklärung an, aber Tsunade-sama fuhr uns dazwischen. "Beredet das später! Jetzt wollen wir erst mal die Fakten klären. Dies ist die erste Chunin-Prüfung, an der wir seit dem Angriff auf Konoha wieder teilnehmen, und ich will, dass es so viele unserer Genin wie möglich in die Finalrunde schaffen. Dies wird unsere neue Visitenkarte für die Welt sein. Und ich erwarte einen verdammten Erfolg!"

"Ja, Tsunade-sama", murmelte ich, und hörte die gleichen Worte aus weiteren Mündern.

"Jedenfalls ist kein Jounin verfügbar, der noch mitgehen könnte. Asuma hat dann dich vorgeschlagen, und Kakashi hat dem zugestimmt."

Merkwürdig. Ich hätte erwartet, Zuspruch von Kurenai-sensei und Uzuki-sensei zu erhalten. Aber von Kakashi? Ich erinnerte mich noch zu gut daran, wie er mich vor meiner Mission ins Land des Wassers mit einem Fingerschnippen meterweit hatte fliegen lassen.

"Ich erwarte kein besonderes Gefahrenpotential für unsere Genin, oder gar für unsere Jounin oder dich, Morikubo-kun. Dennoch, werdet nicht leichtsinnig. Ein Shinobi weiß nie, was hinter der nächsten Hausecke auf ihn wartet."

Sie musterte mich einige Zeit eindringlich. "Du bist der Wunschkandidat meiner Jounin. Und ich muss gestehen, ich denke auch, dass du die Leistung deines Genins gut genug bewerten kannst, um ihn uns zu empfehlen oder nicht. Ich erwarte dann deinen Bericht. Ihr brecht Übermorgen früh auf."

Wir bestätigten, und verließen nacheinander das Büro. Das war relativ kurzfristig, aber nicht ungewöhnlich.
 

"Wen ersetze ich denn?", fragte ich nonchalant, als wir zu sechst auf dem Flur standen.

"Gekko", sagte Uzuki-sensei, während sie an mir vorbei trat.

Ich fühlte mich, als hätte man mir einen Kübel Eiswasser in den Nacken geschüttet. "Sensei, ich..."

Sie wandte sich mir zu. Ihr hübsches Gesicht zeigte ein Lächeln, das sogar ihre Augen erreichte. Obwohl sie mittlerweile kleiner war als ich, wuschelte sie mir durch die Haare. "Und ich finde, dass das eine gute Entscheidung ist. Du wirst Gekko Ehre machen. Noch mehr Ehre als ohnehin schon. Ich bin sicher, er wäre sehr stolz auf dich und Karin und Hanako, wäre er noch unter uns."

Die Verlegenheit schloss meine Kehle. Ich brachte kein Wort hervor. Wusste sie eigentlich, was sie mir gerade antat?

"Na, na", klang Asumas Stimme auf. "Wer wird denn hier alte Geschichten aufwärmen? Wollen wir nicht lieber irgendwo schick essen gehen, um unsere gemeinsame Reise einzuläuten? Ich hätte Lust auf koreanisches Barbeque. Und ich gebe einen aus."

"Na, das ist doch mal ein Vorschlag!", stimmte Uzuki-sensei zu. "Ich bin dabei."

"Ich auch", sagte Kurenai-sensei. "Was ist mit euch? Guy, Kakashi?"

"In einem gesunden Körper kann man nur stecken, wenn man ihn mit allen wichtigen Nährstoffen versorgt! Natürlich bin ich dabei!", rief Guy aufgeregt.

Hatake-sensei atmete einmal kurz tief aus. "Dann muss ich wohl auch. Also, gehen wir." Er sah zu mir herüber. "Was ist mit dir, Mamo-chan?"

"Oh, ich komme gerne mit. Aber vorher müsste ich noch mal schnell nach Hause und ein paar wichtige Sachen erledigen." Mich aus meinen klammen Klamotten schälen, noch mal abbrausen, ordentlich abtrocknen und trockene Sachen anlegen.

"Das verstehe ich nicht. Deine Mädchen sind doch gar nicht in der Stadt", feixte der weißhaarige Jounin.

"Seine Mädchen? Habe ich da was nicht mitgekriegt?", fragte Guy interessiert.

"N-nicht so wichtig! Ich komme jedenfalls nach!", sagte ich hastig. "Asuma, der gleiche Laden wie immer?"

"Ja, der wie immer. Und lass dir ruhig Zeit beim Abtrocknen!", rief er mir nach. Spöttisches Gelächter hallte mir nach. Natürlich freundlich gemeintes spöttisches Gelächter. Ab jetzt war ich mit fünf Jounin unterwegs, und es schien, dass sie mich das gleich vom Start hinweg spüren lassen würden. Nun gut, sie waren Jounin, und ich nur ein Chunin. Das sie mich ausgewählt hatten, war alleine schon eine Riesenehre. Dennoch nahm ich mir fest vor, mich nicht unterkriegen zu lassen. Nicht von Konoha-Jounin. Ich grinste bissig.

***

Ich fühlte mich nach der zweiten Dusche und in frischen Klamotten deutlich wohler. Als Ninja hatte ich schon weit größere Missstände in Kauf genommen, zum Beispiel damals im Land der Reißzähne, als ich zwanzig Stunden unter Wasser verbracht hatte, mit nicht mehr als einem simplen hohlen Schilfrohr zum Luftholen ausgestattet, um meinen Verfolgern zu entgehen... Goldene Erinnerungen. Und es bewies, dass ein Schilfrohr im Schilf nicht auffiel. Manchmal waren die Klassiker eben die besten Tricks. Aber wenn ich schon mal nicht auf einer Mission war, dann sah ich auch keinen zwingenden Grund, auf ein wenig Komfort zu verzichten.

Gut gelaunt machte ich mich also auf den Weg zur Gaststätte. Wenn die Jounin glaubten, dass sie mit dem Herrn Chunin verfahren konnten wie immer sie wollten, würden sie bald einsehen, dass auch der kleine Shinobi Mamoru Morikubo ein klein wenig mehr war als sie erwarteten.

"Wohin des Weges?", sprach mich eine vertraute Stimme an.

Ich wandte mich ihm zu. Natürlich, mein Cousin Shikamaru. Wer sonst würde mitten am hellichten Tag nutzlos auf der Straße herumgammeln?

"Asuma gibt einen aus. Willst du mitkommen?"

Er sah mich einen Moment berechnend an, bevor er sich zu einem entsagenden Seufzer durchrang. "Nein, kein Bedarf. Aber kann ich dich ein Stück begleiten?"

"Ich habe nichts dagegen. Wo drückt denn der Schuh?"

Shikamaru drückte sich von der Wand ab und schloss zu mir auf. Die ersten Meter gingen wir schweigend, während sich der junge Chunin sortierte. Ich spürte, dass ihm der Grund, wegen dem er mit mir sprechen wollte, zu schaffen machte.

"Niichan, hat es dich nie gestört, dass...", begann er, brach aber unsicher wieder ab.

"Dass ich das Schattenjutsu der Naras nicht beherrsche? Dass ich früher von einigen Clansmitgliedern als unfähig angesehen wurde? Dass ich erst die Chunin-Prüfung bestehen musste, bevor sie kapiert haben, dass ich auch ohne die Schattenkünste ein erfolgreicher Shinobi sein kann? Meinst du das?"

Shikamaru lächelte schmallippig. "Du hast es schon immer gut verstanden, in die Herzen anderer Menschen zu blicken. Eine Fähigkeit, die ich auch gerne hätte. Aber ich hatte nie so viel Interesse an anderen Menschen, und..."

"Und außerdem würde das ja Mühe bedeuten, oder?", fragte ich grinsend. Shikamarus Faulheit war legendär, aber ohne wirklich belegt werden zu können. Es war eher so, dass er sich nach einfachen Strukturen sehnte, nach einfachen Entscheidungen. Zwar wurde er dank seiner hohen Intelligenz gerade mit komplexen Problemen geradezu spielerisch fertig, aber der Aufwand war es, der ihm das Genick brach. Hinsetzen, nachdenken, Lösung finden, all das war kein Ding. Für die Lösung dann aber zwanzig Ninjas zu koordinieren ging ihm gegen den Strich. Und ausgerechnet dafür hatte er grandiose Fähigkeiten... Es war ein Kreuz für ihn. Aber die Alternative war, dass Schlechtere als er auf seine Missionen gingen, und das konnte er auch nicht zulassen.

Manchmal fragte ich mich, ob ich in Shikamarus Sicht auch einer der "Schlechteren" war. Wenn ja, hat er es mich nie merken lassen.

Er legte beide Arme an den Hinterkopf, verschränkte sie und sah in den Himmel. "Auch", gestand er. "Aber manchen Dingen kann man im Leben nicht entkommen, ohne zu riskieren, was man ansonsten vom Leben erhalten hat, denke ich." Er sah mich wieder an. "Und? Wie lautet deine Antwort, Niichan?"

Ich schnaubte amüsiert. "Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht fluche wie ein Seemann, weil ich nicht die geringste Affinität zur Nara-Kunst habe. Ich komme mir seit meiner frühesten Kindheit wie ein erbärmlicher Versager vor, der immer nur im Hintergrund stehen darf. Ich habe Jahre gebraucht um zu begreifen, dass ich eigentlich für einen Platz im Vordergrund geschaffen worden bin. Aber dennoch, meinen Schatten nicht manipulieren zu können ist eine schlimme Strafe." Ich senkte den Kopf. Meine eigenen Worte hatten mir weh getan. Weil sie so wahr waren, elementar wahr.

"Und du hast es im Griff?"

Ich lächelte dünnlippig. "Manche Dinge musst du nicht im Griff haben. Dafür sind sie auch gar nicht gedacht. Du musst sie nur akzeptieren. Aber sie hören nie auf zu schmerzen."

"Also quält es dich jeden Tag."

Ich nickte. "Früher mehr als heute, weil es für mich unwichtiger geworden ist. Ich habe andere Fähigkeiten, andere Qualitäten. Und ich werde nicht auf meine Fähigkeit reduziert, Affen beschwören zu können. Das hilft ein wenig, denke ich. Und gegen das Gefühl, nicht dazu zu gehören, habe ich ja dich und deinen Vater."

Für einen Moment stockte Shikamaru bei diesem Lob, aber wirklich nur für einen Moment. Dann hatte er in seine Spur zurückgefunden. "Das mit den Affenkriegern finde ich wiederum phantastisch. Ich kann nur ein bisschen Schatten manipulieren, du aber hast die gleichen Kontraktpartner wie der Sandaime Hokage. Du weißt, dass die Affen sich sehr genau aussuchen, mit wem sie einen Kontrakt schließen. Es soll nicht nur einmal vorgekommen sein, das ein bestehender Kontrakt von ihrer Seite aus wieder gelöscht wurde."

Nun, ich hatte die Rolle gesehen, auf der ich mit meinem Blut unterschrieben hatte, und ich kannte die Zahl jener, die einen Kontrakt abgeschlossen hatten. Und die Zahl jener, deren Name wieder gelöscht worden war. Die Rolle ließ diese Felder frei, und mit einem guten Auge konnte man die Namen noch erkennen, wenn man es wollte. Ob ich ihm erzählen sollte, dass Orochimaru zu jenen gehörte, deren Kontrakt gelöscht worden war? Ich entschied mich dagegen. Das war eine interne Angelegenheit der Affen und ihrer Kontraktpartner.

"Danke, dass du mich trösten willst. Aber ich bin mittlerweile sehr viel härter im Nehmen, als ich es früher war. Mach dir also keine Sorgen um mich. Ich gewinne meine Kämpfe auch ohne die Fähigkeiten der Naras."
 

Nachdenklich sah ich ihn an. "Aber darum geht es dir auch nicht so richtig, oder?"

"Woher...?"

"Nur so ein Gefühl. Also raus mit der Sprache, Lieblingscousin: Was nagt an dir?"

Verlegen sah er zu Boden. "Sie wollen mich zum Jounin machen. In einem halben oder ganzen Jahr. Wegen meiner Leistungen und meiner Qualitäten als Anführer."

Ich klopfte dem Kleineren kräftig auf die Schulter. "Na, das ist doch großartig! Ich meine nicht für dich, dann hast du ja noch mehr Arbeit. Aber du kannst dich dann ruhigen Gewissens zu den besten Shinobi Konohas zählen."

"I-ich wollte ablehnen", stammelte er. "N-nein, nicht weil ich die Arbeit nicht haben will. Es ist nur so, dass... I-ich kann doch nicht Jounin werden, wenn du..."

Verblüfft sah ich ihn an. "Du willst kein Jounin werden, bevor ich nicht Jounin bin? Das ist es?"

Shikamaru sah mich stumm an und nickte.

"Dann mach es. Nichts könnte mir mehr Recht sein, als nicht zum Jounin befördert zu werden. Lass dir das nicht zu schaffen machen, Shikamaru. Es gibt da eine alte Regel für Shinobi: Jeder wird bis zur Grenze seines persönlichen Könnens befördert. Meine Grenze ist der Chunin. Jedenfalls zur Zeit, aber ich sehe nicht, dass sich das ändern wird. Vielleicht bieten sie mir eines Tages den spezialisierten Jounin an, so wie Aoba-sensei, aber ich glaube nicht, dass ich je in den elitären Kreis der besten Ninjas Konohas aufsteigen werde. Das wäre vielleicht etwas viel verlangt."

Shikamaru sah mich auf eine merkwürdige Art an. "Äh, Niichan, du weißt aber schon, dass sie dich auf A-Rang-Missionen schicken, oder? Das hat doch schon was von einem spezialisierten Jounin, oder nicht?"

Nun, ich gebe zu, damals war ich in diesem Thema betriebsblind und störrisch. Und ich klammerte mich an Kleinigkeiten, um meine Welt zusammen zu halten. Also antwortete ich auch störrisch. "Solange mir niemand sagt, dass ich plötzlich die Fähigkeiten für einen Jounin entwickelt habe und im Rang aufgestiegen bin, gehe ich davon aus, dass ich weiterhin Chunin bin. Und das ist mein letztes Wort."

Shikamaru lächelte verschmitzt. "Okay, habe es kapiert. Also kann ich ruhig Jounin werden, oder?"

"Wie ich schon sagte, mach es. Ich glaube, es gibt nicht sehr viele Shinobi in Konoha, die in deinem Alter als würdig befunden wurden, Konoha, das Land des Feuers und seine Kameraden in dieser Position zu verteidigen. Du machst mich sehr stolz, wenn du in absehbarer Zeit Jounin wirst."

Er stockte, als er antworten wollte. Nachdenklich sah er wieder in die Wolken. "Hat man dir das eigentlich mal erzählt, diese Geschichte, dass man gewisse Posten nicht ablehnen sollte, weil sie sonst Schlechtere übernehmen und so? Und dass es dann in einer Situation, die man selbst gemeistert hätte, unnötig viele Verluste unter den Shinobi geben kann?"

"Ja, das hat man. Und ich bin froh, dass ich diese Position erreicht habe, in der ich Konoha am Besten dienen kann, Shikamaru."

Er warf mir einen scheelen Seitenblick zu, bevor er leise seufzte.
 

"Du machst mich auch stolz, Niichan", sagte er unvermittelt.

Erstaunt blieb ich stehen. Damit hatte ich nicht gerechnet. "Was?"

"Ich sagte, dass du mich auch stolz machst. Nicht nur auf meinen Cousin, sondern auch auf den Shinobi, der du bist. Für mich bist du ein wichtiges Vorbild."

Hastig wedelte ich mit beiden Armen. "Vergiss das mal schnell wieder, das mit dem Vorbild. Such dir da lieber andere Leute aus. Asuma zum Beispiel, Kurenai-sensei, oder meinetwegen Tsunade-sama. Aber an mir gibt es nicht viel, worauf man stolz sein kann."

Shikamaru lachte abgehackt. "Lass mich mal nachdenken. Du hast die Chunin-Prüfung bestanden, oder?"

"Ja, in einem Alter, als Asuma längst spezialisierter Jounin war", wiegelte ich ab. "Und du bist auch Chunin, oder etwa nicht?"

Shikamaru lächelte. "Okay, was ist mit dem Gegenangriff auf die Oto-Nin, vor den Toren Konohas? Du bist mitten in ihre Neuordnung rein geplatzt und hast sie aufgesprengt, bevor sie erneut in die Stadt eindringen konnten."

"Das war ich doch nicht alleine", sagte ich hastig. "Und wenn du gleich als Nächstes zum Angriff auf Otogakure kommst, da war ich auch nicht alleine."

"Und was ist mit dieser Chakra-Bombe, die du stabilisiert hast, bis der letzte Shinobi und der letzte Mensch aus Otogakure den Gefahrenbereich verlassen hatte?"

"Okay, das war tapfer, aber auch dumm", murmelte ich. "Allerdings auch absolut notwendig."

"Und dann ist da noch die Geschichte mit der Burg, die du mit nur acht Shinobis erobert hast, oder? Man erzählt sich ja, der Groß-Daimyo des Landes des Wassers hätte ein sehr lobendes Schreiben an Tsunade-sama verfasst."

Erstaunt sah ich den Jüngeren an. "Davon weiß ich ja gar nichts!"

Shikamaru lachte leise. "Wahrscheinlich haben sie dir absichtlich nichts erzählt. Aber egal. Ich sehe mehr als genügend Gründe, um auf dich stolz zu sein, Niichan."

Ich seufzte leise. "Nicht, dass mich das nicht freuen würde. Immerhin bist du für mich wie ein kleiner Bruder, und welcher große Bruder freut sich nicht, wenn der kleine stolz auf ihn ist. Aber nimm dir wenigstens andere Vorbilder als mich."

"Vorbild? Davon habe ich nie was gesagt, Niichan."

Auf diese Worte muss ich ein so dummes Gesicht gemacht haben, dass Shikamaru einen Lachanfall erlitt. Er wollte gar nicht mehr aufhören, zumindest bis ich ihn zurückzulassen drohte.

"War-hahaha-warte doch, Niichan. Hi, hi. Das war doch nur Spaß. Kein Grund beleidigt zu sein."

"Doch, jetzt bin ich beleidigt!"

"Niichan!", rief er und ergriff mich an der Schulter. "Es tut mir leid. Aber ich habe so wenige Gelegenheiten, dich mal richtig baff zu sehen, da habe ich halt die Situation ausgenutzt. Glaub mir doch, du bist eines meiner Vorbilder. Weil du nicht aufgibst. Weil du hartnäckig bist, und etwas wieder und wieder versuchst, bis es gelingt. Weil du selbst dann noch kämpfst, wenn dein rechter Arm gar nicht mehr kann - dann eben mit links. Das sind doch gute Dinge, die man sich zum Vorbild nehmen kann, oder?"

Ich blickte kurz auf meinen rechten Bizeps. Dort wusste ich unter dem Ärmel eine lange, gleichmäßige Narbe, die genau jene Stelle markierte, an der ich vor Harusames Burg beinahe den ganzen Arm verloren hätte. "Das mit den Schmerzen solltest du vermeiden. Nimm das mal als guten Rat an", scherzte ich.

"Ist gut." Er musste zwar noch immer grinsen, aber er lachte wenigstens nicht mehr.
 

Während wir weiter gingen, musterte ich ihn.

"Was ist, Niichan?"

"Ich frage mich gerade, warum du so offen bist."

"Ach weißt du, Mamo-niichan, ich habe über einiges nachgedacht. Über den Tod deines Senseis. Über den Tod des Sandaime Hokage. Wir sind in der gleichen Branche, oder? Und wir können auch jederzeit sterben, sei es durch eine Falle, oder weil wir einem Ninja begegnen, der stärker ist als wir. Da habe ich mir überlegt, wie gerne Hayate-sensei wohl noch ein letztes Mal mit euch hätte sprechen wollen, also mit Uzuki-san, dir und den Mädchen. Ich meine, ich möchte nicht, dass irgendwelcher Groll oder Missverständnisse bei meiner Familie und meinen Freunden zurückbleiben, wenn ich sterbe und sie nicht mehr aufklären kann." Abwehrend machte er eine Handbewegung in meine Richtung. "Nicht, dass du denkst, ich glaube meinen eigenen Tod zu ahnen, oder so. Aber wenn ich ehrlich... Ich meine, ehrlicher durchs Leben gehe, und Missverständnisse gar nicht erst aufkommen lasse, dann... Nun, viele meiner Freunde sind Ninjas, und können auch sterben. Ich will nicht, dass dann zwischen ihnen und mir ein Wort unausgesprochen ist. Oder zwischen dir und mir, Niichan. Das würde mir wehtun."

Ich klopfte dem Jüngeren auf die Schulter. "Verstehe. Du hast ja Recht. Also ist das der Grund für deine neue Gesprächigkeit."

"Ja. Ich will, dass du immer weißt, wie sehr ich dich schätze. Und ich will, dass du..."

Ich brachte ihn mit einer Handbewegung zum Verstummen. "Ich hoffe, du zweifelst niemals daran, was ich wirklich in dir sehe, kleiner Bruder?"

Das verblüffte ihn für ein paar Sekunden. Doch dann lächelte er. "Nein, natürlich nicht."

Ich klopfte ihm erneut auf den Rücken, und wir gingen weiter.

"Ich bin froh über deine neue Einstellung", sagte ich. "Ich denke, einiges von dem, was wir uns heute erzählt haben, gehörte ohnehin dringend ausgesprochen."

"Ja, das denke ich auch. Ich freue mich, wie du über mich denkst, und wie du zu mir stehst, Niichan. Und wenn wir gerade dabei sind ehrlich zu sein: Was meinst du denn, wer es wird in deinem Leben? Karin-chan oder Hanako-chan?"

"So ehrlich will ich dann doch nicht werden", sagte ich grinsend.

Shikamaru musste erneut lachen. "Okay. Aber wenn du dich entschieden hast, vergiss nicht, es mir zu sagen."

"Du wirst der Erste sein, der es erfährt", versprach ich wenig überzeugend.

"Wenn ich es überhaupt erfahre, reicht mir das." Er klopfte mir zum Abschied grinsend auf den Oberarm und wandte sich um. Winkend ging er davon. "Viel Spaß in Sunagakure. Grüß mir Temari-chan, wenn du sie siehst."

"Temari-chan? Wer ist das denn?", fragte ich spitzbübisch, um ihn in die Ecke zu treiben. "Deine Freundin?"

Zu meiner Überraschung sah er kurz zurück, ohne verlegen zu sein. "Ein Freund. Glaube ich. Hoffe ich." Er winkte erneut, und setzte seinen Weg fort.

"Also, auf diese Temari bin ich gespannt", murmelte ich, und setzte meinen Weg fort. "Sie muss schon sehr interessant sein, wenn sie Shikamaru eine Erwähnung wert ist."

Ich beschloss, Asuma zu diesem Thema zu löchern. Ausführlich.

***

"Also nochmal, du hast was?", fragte Guy. Seine Wangen waren vom Sake und vom Bier gerötet, und sein Blick war vor wenigen Sekunden noch fahrig gewesen. Nun aber schenkte er mir seine volle Aufmerksamkeit.

"Hör mal, Sensei, ich hatte Amnesie, und sie hat die Situation ausgenutzt, und... Sie hat mir auch noch eingeredet, wir zwei wären..."

"Also hast du tatsächlich..." Hastig leerte Guy sein Bier und orderte ein neues. "Und nun? Dein Stolz könnte verletzt sein, weil sie dich so sehr getäuscht hat, aber ich denke, es war eine ganz besondere..."

"Komm wieder runter, Guy", sagte Uzuki-sensei mit verärgerter Stimme. "Du musst hier nicht alles wissen."

"Aber Mamo-chan ist der Schüler des Sandaime Hokage", begehrte er auf.

"Trotzdem. Du erzählst ihm ja auch nicht, mit wem du schläfst. Oder einer von euch anderen."

Asuma begann spontan zu husten, und Kurenai-sensei verschluckte sich prompt an ihrem Sake, doch ich schien der einzige zu sein, dem das auffiel. Kakashi sah kurz auf, aber wie immer konnte ich seinen Blick nicht deuten.

Uzuki-sensei rückte ein Stück zu mir herüber. "Mamo-chan, dass du mir nichts davon gesagt hast, dass dich diese kleine Oto-Schlampe ins Bett gezerrt hat, um mit dir zu schlafen, das finde ich doch ein wenig befremdlich. Ich meine, wie lange ist das her? Zwei Jahre? Und in der ganzen Zeit nicht ein einziges Wort."

Ich sah verlegen und verärgert fort. "Guy-sensei hat vollkommen Recht. Mein Stolz wurde verletzt. Warum sollte ich damit hausieren gehen? Schlimm genug, dass es der ganze Rat weiß. Schlimm genug, dass es mir raus gerutscht ist. Ich glaube, Bier ist nichts für mich", murrte ich und schob das halb geleerte Glas von mir. Dann musterte ich das Glas mit kaltem Gerstensaft und zog es wieder zu mir heran. "Andererseits hasse ich Verschwendung. Sensei, du weißt, ich schätze dich sehr. Nein, das reicht nicht. Sensei, ich liebe dich wie Hayate, für das was du für mich und Hana-chan und Karin-chan getan hast, aber auch für das, was du bist. Und dafür, dass du für uns da warst, als Hayate ermordet worden war und du eigentlich zu viele eigene Probleme hattest. Aber verlange nicht von mir, dass ich dir alle meine peinlichen Geschichten erzähle."

"Punkt für ihn würde ich sagen, Yugao-chan", sagte Kurenai-sensei, froh über die Ablenkung.

"Oh, heiße, glutende Jugend!", rief Guy und langte über den halben Tisch, um mir auf die Schultern zu klopfen. "Das ist nichts, worüber du dich schämen musst! Im Gegenteil, auch wenn unsere Frauen das nicht gerne hören, und es kein Mann offen sagen würde, aber es gibt viele Männer, die würden dich um diese Erfahrung beneiden! Nein, sie beneiden dich sicherlich, wenn sie davon hören! Nicht, Kakashi?"

Der weißhaarige Jounin sah auf, als hätte man ihn aus dem Schlaf geschreckt. "Ich bin mir nicht so sicher, ob die Männer ihn noch beneiden, wenn sie hören, was er danach in der Klinik mitgemacht hat."

Ich spürte, wie mir das Blut in die Wangen schoss. Und wie dumpfer Zorn in mir aufstieg. "Kakashi-sempai, bitte..." Ich wusste nicht, warum er davon wusste, und das machte die Sache mehr als ärgerlich.

Der Copy-Ninja machte eine zustimmende Geste als Zeichen dafür, dass er nicht fortfahren würde. Gut so. Er hatte einen Stein bei mir im Brett.

Aber leider reichte das nicht, um vom Haken zu sein.

"Klinik?" Uzuki-sensei sah mich aus großen Augen an. "Mamo-chan, du hast dir doch nicht etwa...", begann sie stockend.

Ich wedelte mit beiden Armen, um sie zum Verstummen zu bringen. "Nein, nein! Natürlich nicht! Okay, so natürlich was das dann doch nicht, aber ich habe mir nichts eingefangen!"

Guy prustete in sein Bier, als er das hörte. Kurenai-sensei fiel die kleine Keramiktasse aus der Hand. Mist. Da hatte ich mich ja gründlich tiefer in die Scheiße geritten.

Nun hatte ich keine andere Wahl, ich musste da durch, komme was wolle. "Aber der Rat hat halt angeordnet, dass ich mich regelmäßig auf mögliche Infektionen testen lasse, und dass ich vorbeugend Antibiotika und Chakra-Behandlungen erhalte. Nur um auf Nummer sicher zu gehen. Etwa ein halbes Jahr lang." Und sicherlich auch, um mir die Peinlichkeit dieses Vorgangs auf immer ins Gedächtnis zu brennen. Tief, tief einzubrennen, damit ich es nie wieder vergessen würde. Oh, ich könnte die beiden Alten... Ich könnte sie...
 

"Das klingt ja stark nach einer Schikane", murmelte Guy, und sah zu Asuma herüber, der bisher nur schweigend zugehört hatte. "Und du hast das gewusst?"

Ein entschuldigender Blick traf mich. Ich nickte bestätigend.

"Natürlich habe ich davon gewusst. Ich war im Rat, als die Entscheidung getroffen wurde, Mamo-chan regelmäßig ins Krankenhaus zu schicken, nur für den Fall des Falles. Ich habe alles getan was in meiner Macht steht, um die Sache klein zu halten, weil ich weiß, wie peinlich ihm das ist." Er sah mich spöttisch an. "Aber ich nehme an, damit kann ich jetzt aufhören, nachdem du es selbst ausgeplaudert hast, Mamo-chan."

"So schlimm oder so wichtig ist es nun auch wieder nicht", murrte ich leise und trank mein Bier aus. Verdammtes Teufelszeug. Wem hatte ich es nur zu verdanken, dass ich diesen Mist trank? Ach ja, mir selbst und meiner Experimentierfreudigkeit. Mist.

"Aber Guy hat Recht", sagte Kakashi. "Es gibt sicherlich Männer, die dich um diese Erfahrung beneiden. Und Frauen, die dich deshalb hassen. Obwohl du nichts falsch gemacht hast. Einfach so, weil du ihnen eine Angriffsfläche bietest."

"Ja, sowas habe ich mir schon gedacht", murmelte ich. Das war einer der Gründe gewesen, warum ich die Sache klein halten wollte. So klein, dass nicht einmal meine eigene Familie etwas von den Untersuchungen und Injektionen gewusst hatte.

Zwei schlanke, weiche Arme schlangen sich um meinen Hals, und ich wurde gegen einen weichen Busen gedrückt. "Also, ich hasse Mamo-chan auf keinen Fall!", sagte Uzuki-sensei mit Nachdruck. "Auch wenn ich es schon etwas lotterhaft finde, was er da mit dieser Oto-Kunoishi getrieben hat, im wahrsten Sinn des Wortes, so bleibt er doch immer mein geliebter Schüler."

"Danke", ächzte ich aus meiner unbequemen Situation heraus. Ich musste mittlerweile wirklich größer als Uzuki-sensei sein, so unbequem wie diese Haltung für meinen Rücken war.

"Geliebter Schüler in welchem Sinne?", fragte Asuma.

Die ANBU wurde rot. "So meine ich das bestimmt nicht, Asuma." Langsam ließ sich mich wieder fahren. "Sei dir sicher, Mamo-kun, wann immer und wo immer ich kann, werde ich dir zur Seite stehen."

Das waren rührende Worte, und ich konnte die für mich sehr unerfreuliche Diskussion vollends zur Seite schieben. "Danke, Uzuki-sensei."

"Yaguo!", sagte sie mit Nachdruck. "Du bist jetzt fast erwachsen und ein mehr als vollwertiger Shinobi."

"Aber Uzuki-sensei, ich..." "Ya-gu-o!", wiederholte sie mit noch mehr Nachdruck.

"Yaguo-sensei?", bot ich an.

Für einen Moment verzog sie die Miene, dann aber lächelte sie. Nur um kurz darauf zu seufzen. "Du hattest Recht, Yuuhi, er hat immer noch diesen Genin-Respekt vor uns. Zu mehr Zugeständnissen ist er nicht bereit, der gute Mamoru."

"Das kann er ja auch nicht machen, und euch bei euren Vornamen zu rufen, ohne ein Sensei, ein Sama oder ein Tono anzufügen", spottete Asuma. "Sein Kopf könnte ja explodieren."

Ärgerlich sah ich den Sarutobi an. "Das war überhaupt nicht nett, weißt du das?"

"Natürlich war das nicht nett. So hatte ich es schließlich auch gemeint." Er sah mich ernst an. "Du bist jetzt Chunin, und damit einer von denen, die besser und damit auch weniger sind. Du gehörst zu denen, die ständig Entscheidungen treffen müssen. Du hast wie wir Verantwortung für ganz Konoha übernommen. Und deshalb solltest du langsam mal lockerer mit uns umgehen."

"Das werde ich mir merken, Asuma-kun!", erwiderte ich trotzig.

"So locker nun auch wieder nicht", schmunzelte er.

Das neue Bier kam, und ich griff nach dem Glas. "Wenn es darum geht, lockerer zu werden... Wir haben gut gegessen, und jetzt sollten wir alle noch gut trinken. Geht ja auf den freundlichen Herrn dort."

Für einen Augenblick sah mich Asuma verblüfft an, dann begann er zu lachen. "Na also, geht doch."

Mist. Selbst in der Niederlage machte der Bursche noch Boden gut. Furchtbare Leute, diese Jounin.

***

"GUTEN MORGEN!"

Entsetzt fuhr ich von meinem Futon hoch. Es war spät geworden, und ich hatte etwas zu viel getrunken, einfach nur weil es auf Asumas Kosten gegangen war. Aber sofort griffen meine Ninja-Reflexe, und ich griff nach meiner Kunai-Tasche. Schade nur, dass ich sie in Konoha eher selten zu tragen pflegte, geschweige denn im Bett. Entsprechend verwirrt sah ich in die Welt hinaus. Nun, zumindest jenen Teil der Welt, der mein Zimmer umfasste. Es dauerte einen Augenblick, bis ich den Fremdkörper erkannte, der nicht in diese Welt gehörte. Vor meinem Bett stand... Guy? Ich blinzelte. Nein, Might Guy schaute nicht so grimmig in die Welt, hatte nicht so dicke Augenbrauen und füllte den grünen Kampfanzug, den er zu tragen fehlte, auch nicht so miserabel. Und er war definitiv nicht so jung. "Morgen", ächzte ich. "Du hast drei Sekunden, um mir zu sagen, was du hier tust, bevor ich dich verprügle."

Das schien ihn zu erstaunen. Die mürrische Miene wich auf.

"Nun?", fragte ich.

"Äh, sind die drei Sekunden nicht schon um? Du hast doch noch weiter geredet, als du mir die drei Sekunden gegeben hast, Sempai."

"Oh mein Gott", murmelte ich und ließ mich wieder auf mein Kissen fallen. "Okay, du hast eine Minute."

Dies schien den Jungen zufrieden zu stellen. Er begann zu lächeln, nein, eher zu strahlen. "Ich bin hier, um dich abzuholen, Morikubo-sempai! Es ist mir eine große Ehre, mit dem Mann zu reisen, der Otogakure zerstört hat! Neji und Tenten-chan haben mir schon viel von dir erzählt, und ich hatte dich immer kennenlernen wollen, aber..."

"Moment, Moment", sagte ich mürrisch. "Neji? Tenten? Du bist Nummer drei aus Team neun?"

Der junge Bursche straffte sich. "Rock Lee, Sempai! Zu deinen Diensten, Sempai!"

Ich ächzte leise. "Nicht ganz so laut, bitte. Freut mich, dass du so enthusiastisch bist, aber ich habe gerade leichte Kopfschmerzen. Was machst du eigentlich hier, Lee-kun?"

"Guy-sensei schickt mich. Damit du den Abmarsch nicht verpasst."

Hastig ging mein Blick zur Uhr. Ich hatte doch nicht verschlafen? Nein, es war zwar schon spät, aber nicht so spät. Ich hatte noch eine knappe halbe Stunde, bevor ich mich auf den Weg machen musste. "Sehr fürsorglich", ächzte ich. "Und, wer hat dich reingelassen?"

"Na, wer wohl?", klang die Stimme meiner Schwester von der Tür her auf.

"Yuriko? Du hast ihn in mein Zimmer gelassen?"

Sie grinste. "Nun, er wollte dich unbedingt kennen lernen. Und du bist nicht aufgewacht, als ich dich wecken wollte. Zweimal, mittlerweile. Da dachte ich mir, lass es mal Rock Lee versuchen."

Sie ging zu dem kleinen grünen Halunken und tauschte mit ihm einen Handschlag aus. "Gute Arbeit, Lee-chan."

"Eine meiner leichtesten Übungen", erwiderte Lee lächelnd.

"Okay", brummte ich, schlug die Decke zurück und schwang die Beine aus dem Bett. "Verstehe. Gibt es Frühstück?"

"Steht seit einer halben Stunde für dich bereit, Mamoru", sagte sie tadelnd. "Ich gehe dann die Miso-Suppe noch mal aufwärmen. Lee-chan, hast du schon gefrühstückt?"

"Oh, ich wachse noch. In meinen Magen passt eigentlich immer was rein!", rief der Junge fröhlich und folgte ihr auf den Flur.

So ließen sie mich alleine, halb aufgeweckt und vollkommen verkatert. Bei der Gelegenheit schwor ich mir, das nächste Mal Maß zu halten, auch wenn es darum ging, Asuma einen auszuwischen.
 

Als ich frisch geduscht und komplett angezogen in die Küche kam, war sie bis auf Rock Lee und Yuriko leer. "Mom und Dad?", fragte ich.

"Schon unterwegs. Mutter ist wie immer im Krankenhaus, und Vater hatte ein frühes Meeting." Sie tischte mir Pfannkuchen auf. Land der Blitze-Frühstück mit Miso-Suppe. Eine tolle Kombination. Dachte ich zumindest, bis zu der Sekunde, in der mir aufging, dass sie die Miso-Suppe nur für mich gemacht hatte. Ich liebte das Zeug eben. "Danke. Du wirst für Kou mal eine tolle Ehefrau abgeben", neckte ich sie.

"Ja, da hast du Recht. Und bis es so weit ist, habe ich deine beiden Mädchen auf meinen Stand gebracht, was das Kochen angeht. Falls du dich doch noch für eine der beiden entscheidest, wirst du mein Essen nicht missen müssen", neckte sie mich.

"Na, danke", murrte ich und strich Marmelade auf den Pfannkuchen.

Lee hatte derweil seinen Teller geleert, und das mit Enthusiasmus.

"Noch einen?", fragte Yuriko freundlich.

"Es gibt noch mehr?", rief Lee erfreut.

"Ich habe mehr als genügend Teig gemacht. Mamoru ist so ein guter Esser", sagte sie fröhlich und goss machte sich an die nächste Portion. Wenn sie etwas neben Kou und ihrer Familie wirklich liebte, dann waren das gute Esser.

"Allerdings wird es für einen Nachschlag dann doch ein wenig spät", mahnte ich.

Yuriko lächelte mich verschmitzt an. "Nun iss erst mal. Danach finden wir schon eine Lösung, Mamoru."
 

"Tolle Lösung", murmelte ich, in der Hand mehrere Papiertüten mit eingeschlagenen und mit Marmelade bestrichenen Pfannkuchen haltend. Die waren für die anderen Reisenden. Meinen persönlichen Vorrat hatte Yuriko mir in den Rucksack gepackt. Weil die auch kalt schmeckten. Wirklich, sie würde eine sehr gute Ehefrau abgeben. Und es wurde höchste Zeit, dass ihr immer weiter ausufernder Mutterkomplex andere Ziele fand als mich.

"Finde ich auch", ereiferte sich Lee und knabberte an einem seiner Tütenpfannkuchen. Ironie schien er nicht zu kennen. "So kann die Marmelade nicht raus fallen, und... Hey, wir bringen Pfannkuchen für alle mit!"

Winkende Gesten antworteten, und wenig später standen wir in einem großen Pulk vor dem Tor Konohas. Sechs Genin, fünf Jounin und ein Chunin.

Ich drückte den Genin die Hand. "Tenten, schön dich wieder zu sehen. Hinata, es freut mich, dass du so selbstbewusst ausschaust. Neji, schön, dich zu sehen. Kiba, Akamaru, Ihr seid ja das blühende Leben. Und Shino... Tja, was soll ich sagen? Wie geht es dem großen Krabbeln?"

"Dieser Witz war vollkommen unnötig, Mamoru-sempai", murrte der Aburame. Nach einiger Zeit fügte er hinzu: "Es geht ihnen gut."

"Freut mich zu hören." Ich wandte mich den höheren Ninjas zu und begrüßte einen nach dem anderen. "Ist Kakashi noch nicht da?"

"Nein. Aber wir haben ja auch noch Zeit", sagte Uzuki-sensei. "So ungefähr zwei Minuten. Er wird schon kommen."

Asuma tauschte einen Blick mit Guy aus. Guy nickte, als Asuma ihn fragend ansah.

"Ich gehe ihn holen. Ich glaube, ich weiß, wo er ist. Mamo-chan, willst du mitkommen?"

"Natürlich."

Asuma nickte mir zu, und dann verschwand er vor meinen Augen. Step, ungefähr zwanzig Meter weit, gerade am Erfassungsrand meiner sensorischen Fähigkeiten, damit ich die Richtung wusste. Ich folgte ihm sofort. Es ging Richtung Friedhof. Und das weckte ein paar Erinnerungen, Kakashi betreffend. Was hatte er damals auf dem Friedhof gemacht, als er mich gemaßregelt und mir ins Gewissen geredet hatte? Den Sandaime und meinen Sensei besucht? Zufälligerweise zur gleichen Zeit wie ich? Nein, da musste mehr hinter stecken.

Vor dem Treppenaufgang zum Friedhofsareal beendete Asuma Step. Ich war dicht hinter ihm. Die Stufen erklommen wir wie normale Menschen, aus Respekt jenen gegenüber, die hier begraben waren, die ihr Leben gewagt und verloren hatten, im Dienste Konohas und des Landes des Feuers.
 

"Oh, Sakura", sagte Asuma und blieb stehen.

Vor ihm stand das Mädchen mit den rosa Haaren, das ich ab und an mit Naruto sah. Sie war seine Teamkameradin. Mitglied Nummer drei war, während ich mit Otogakure beschäftigt gewesen war, zu Orochimaru desertiert und stand jetzt auf der Schwarzen Liste, aber noch nicht im Kopfgeldjägerbuch. Ausgerechnet Sasuke Uchiha, der Letzte, der in Konoha mit dem Sharingan geboren worden war. Na, es war abzusehen gewesen. Man hatte mir den kleinen Uchiha als besessen dargestellt, als besessen, um Rache an seinem Bruder zu nehmen, der für den kleinen Genozid an allen anderen Uchihas verantwortlich war, und nur Sasuke verschont hatte. Und da waren auch noch die Gerüchte über einen Putsch der Uchihas, der bevorgestanden hätte, wäre Itachi nicht Amok gelaufen. Oder seinem blutigen Auftrag gefolgt. Vielleicht würde ich eines Tages mehr darüber erfahren.

"Sakura, hast du deinen Sensei gesehen?"

Das Mädchen nickte. "Er ist auf dem Friedhof, am zentralen Gedenkstein. Er... Ah, Mamoru-sempai, hallo."

"Hallo, Sakura-chan", erwiderte ich. "Du hast doch hoffentlich nichts dagegen, dass wir uns deinen Sensei ein paar Wochen ausborgen, oder?"

Ihr verlegenes Lächeln hatte etwas Schmerz, aber auch Entschlossenheit, fand ich.

"Das geht in Ordnung. Jetzt, da Naruto mit Jiraiya-sama auf Trainingsreise ist, bin ich sowieso die Letzte im Team, und meine Ausbildung zum Medi-Nin unter Tsunade-sama nimmt mich ohnehin sehr in Beschlag. Nehmt ihn ruhig mit. Aber bringt ihn in einem Stück wieder, ja?"

Asuma lachte auf seine eigene unnachahmliche Art. "Versprochen, Sakura. Wenn du versprichst, eine gute Medizinische Kunoichi zu werden."

"Abgemacht. Wir haben einen Deal", scherzte sie. Doch für einen Moment flackerte da wieder dieser Schmerz in ihren Augen auf. "Entschuldigt mich. Ich werde zurückerwartet."

Ich sah ihr nach. "Sakura-chan."

"Sempai?"

"Sakura-chan, du musst immer schön lächeln."

"Es ist nicht so, dass...", begann sie zaghaft, doch ich schnitt ihr die Worte im Mund ab.

"Ein Lächeln ist die schönste Art, dem Leben die Zähne zu zeigen."

Das verblüffte sie für einen Moment, aber die Idee schien ihr zu gefallen. Ein ehrliches, richtiges Lächeln, frei von Sorgen, schlich sich auf ihr Gesicht. Hocherfreut deutete sie eine Verbeugung an. "Danke für diesen guten Rat, Sempai! Ich werde ihn beherzigen!"

Ich erwiderte die Verbeugung, und sie wandte sich wieder zum Gehen.

"Du hast gut erkannt, dass etwas an ihr nagt", sagte Asuma.

"Ja. Das war nicht schwer. Ihr zu helfen wird wesentlich schwerer. Und ich fürchte, ich kann es nicht", murmelte ich.

"So? Du hast ihr doch schon geholfen, du kleiner Dummkopf." Er knuffte mir spielerisch gegen die Brust, was ich mit einem dünnen Lächeln quittierte. Hatte ihr das wirklich geholfen? Ein schöner Gedanke.

Tatsächlich sahen wir den Copy-Ninja beinahe sofort. Er stand wirklich neben den zentralen Gedenkstein. Er wirkte tief in sich zurückgezogen.

"Kakashi!", rief Asuma und winkte. "Kakashi, wir wollen los!"

Der weißhaarige Shinobi schreckte hoch. Er wandte sich uns zu und lächelte für einen Moment - soweit man das bei seiner Maske erkennen konnte, zumindest. "Bin auf dem Weg!", rief er.
 

Als wir zu dritt zurück zum Tor gingen, trat ich an Kakashis Seite. "Du hast mir einmal gesagt, dass man sich nicht von den Toten zwingen lassen soll, damit man nicht mehr Zeit bei ihnen als bei den Lebenden verbringt, Kakashi-sensei."

"Ja, das stimmt. Und?"

Ich sah ihn ernst an. "Warum lässt du es dann zu?"

Er schwieg einige bange Sekunden, bevor er antwortete. "Weil ich nicht die Kraft dazu habe, den Zwang auf mich zu lüften, Mamoru. Er ist schon zu alt und zu stark, als dass ich ihn einfach abtun könnte. Aber es ist nicht so, als würde ich es nicht versuchen."

"Du weißt, der Junge hat Recht", murrte Asuma. "Was heißt also, du würdest es versuchen? Sei ein Mann und stell dich ihr."

"Das ist nicht so einfach wie du denkst", erwiderte Kakashi.

"Natürlich nicht. Es ist nie einfach."

"Entschuldigt, aber habe ich was nicht mitgekriegt? Wenn ich euch zuhöre, dann kommt es mir so vor, als würdet Ihr nicht mehr über den Zwang reden, sondern über eine Frau."

Die beiden Jounin blieben abrupt stehen und sahen zu mir herüber.

"Er ist gut", stellte Kakashi fest.

"Ja, das ist er wohl. Und er steht noch ganz am Anfang." Asuma grinste breit. "Du hast Recht, Mamo-chan, es geht um eine Frau."

"Und mehr Details wollt Ihr mir sicher nicht verraten, was?", sagte ich und seufzte gespielt enttäuscht.

"Das ist nicht richtig. Wir haben einen langen Weg vor uns, und ich denke, wir werden dir einiges zu erzählen haben", sagte Kakashi nachdenklich. "Auch, von wem Asuma und ich gesprochen haben und wie ich zu ihr stehe."

"Das klingt nicht nach Beziehung, eher nach Militär", stellte ich fest.

"Es ist ja auch eine militärische Beziehung", erwiderte Kakashi.

Asuma schüttelte in Unverstand den Kopf. "Und genau da fangen all deine Probleme an, Kakashi. Zumindest die Selbstgemachten."

"Ja, wahrscheinlich hast du Recht", erwiderte der Copy-Ninja

Spätestens jetzt war ich auf die ganze Geschichte gespannt. Ich erwartete von dieser Reise einiges an Aufregung.

Es sollte sich als Untertreibung herausstellen.

Schneidender Wind 2

2.

Unsere Reise war kurzweilig. Ich meine, trotz der endlosen Sandwüste, die wir durchqueren mussten, um die Versteckte Stadt im Sand zu erreichen. Trotz der eisigen Nächte und der überhitzten Tage. Und das waren noch die besseren Seiten unserer kleinen Expedition.

Dazu kam ein kleiner Strom an weiteren Gruppen, die nach Suna zogen, zumeist Ninjas wie wir, die zur Prüfung wollten. Die meisten wichen der großen Gruppe aus Konoha aus; normalerweise zogen die Dörfer ihre Extra-Jounin, welche halfen die Leistung ihrer Endrundenteilnehmer zu bewerten, erst am eigentlichen Finaltag nach, vor allem da man nicht wusste, wie viele Genin eines Dorfes überhaupt das Finale erreichten. Wenn also Konoha bereits jetzt ebenso viele Jounin wie Genin - mich kleinen Chunin eingeschlossen - entsandte, dann sagte das genug darüber aus, was Konoha von seinen sechs Genin erwartete.

Eine Gruppe war nicht ausgewichen, und ich war dankbar dafür. Bereits am ersten Tag in der Wüste waren wir aufeinander getroffen, kaum das wir die Wälder des Landes des Feuers verlassen hatten. Wir hatten das halbe Land auf parallel verlaufenen Straßen durchquert, und diese Erkenntnis hatte uns herzlich lachen lassen.

Es war die Gruppe aus Getsugakure. Sie wurde angeführt von meinem alten Freund Amir, der nun schon Jounin geworden war. Der kleine dünne Mann begleitete drei viel versprechende Genin, die alle so um die dreizehn waren. Das normale Alter, um einen ersten Versuch bei der Chunin-Prüfung zu wagen.

Es waren zwei Mädchen und ein Junge. Amir stellte sie als Anne, Illan und Mohad vor.

Anne war ein kleines, dürres schwarzhaariges Mädchen, das mir irgendwie vertraut erschien - und zudem gerade mal wie zwölf. Illan war das genaue Gegenteil, eine große, bereits recht weibliche Rothaarige, die wie eine kleine Version der jungen Hanako wirkte. Mohad war ein dürrer großer Bursche mit stechenden Augen, blonden Haaren und verkniffener Miene. Auch an ihm kam mir einiges bekannt vor.

Nach dem ersten Schrecken beschlossen wir, den restlichen Weg zusammen vorzunehmen. Unsere Genin freundeten sich recht schnell mit den Getsu-Nin an. Neji wohl vor allem deshalb, weil er die Möglichkeiten seiner potentiellen Gegner ausleuchten wollte. Dabei biss er bei Mohad auf Granit, aber Illan erwies sich als sehr mitteilungsbedürftig. Mehr noch, sie schien sofort in den eher ruhigen Hyuuga-Burschen vernarrt zu sein. Ich nutzte die Gelegenheit, um mit Anne zu sprechen.
 

"Irgendwie kommst du mir bekannt vor", sagte ich zu ihr. "Habe ich dich schon mal gesehen?"

"So, hast du das?" Ihr Blick war vielschichtig. "Hast du das wirklich?"

"Es kommt mir so vor, ja."

"Wann willst du mich denn getroffen haben, Morikubo-sama?"

So, wie sie die Worte sprach, klingelte da etwas in mir. Ich musterte sie erneut und dachte über ihre Frage nach. Und dann kam mir die Erkenntnis. Natürlich, wenn es schon einige Zeit her war, dass ich sie getroffen hatte, dann musste sie erheblich jünger gewesen sein. Zwei, drei, vielleicht fünf Jahre jünger. Aber in dieser Zeit gab es nicht besonders viele Gelegenheiten, bei denen ich auf Getsu-Ninjas getroffen war.

Entsetzt blieb ich stehen. "Ach, erinnerst du dich jetzt?", fragte Anne amüsiert.

"Amir!", bellte ich.

Der Jounin aus Getsugakure zuckte zusammen. "Hast du es etwa herausgefunden?", fragte er zerknirscht.

Ich ging hastig ein paar Schritte nach vorne und ergriff den Jounin am Kragen. "Uzuki-sensei, entschuldige uns einen Moment", sagte ich fröhlich. Nicht zu fröhlich, jedenfalls.

Dann ging ich mit dem Burschen hinter die Gruppe... Weit, weit hinter die Gruppe.

"Ich hatte mir schon gedacht, dass die Möglichkeit besteht, dich ausgerechnet dann in Suna zu treffen, wenn ich mit Anne da bin. Aber ich hatte ehrlich gesagt nicht erwartet, dich schon früher zu treffen. Und ich hätte nicht erwartet, dass du so lange brauchen würdest, um sie zu erkennen."

Ich deutete auf das junge Mädchen, das immer wieder zu uns zurück spähte, meistens mit einem zynischen Lächeln, das Kamui stolz gemacht hätte. "Das ist Anne."

"Ja, so habe ich sie vorgestellt. Probleme, die Realität zu akzeptieren, Mamoru?", fragte er kess. Etwas zu kess für meinen Geschmack. Ich grollte böse.

Amir winkte ab. "Pluster dich nicht auf, Mamo-chan. Ja, du hast Recht. Das ist Anne aus Otogakure. Ja, wir haben die Oto-Nin, die mit Maria geflohen sind, bei uns aufgenommen. Ja, sie hat das Talent zur Kunoichi. Nein, sie ist nicht mit Maria verwandt oder verschwägert. Und nein, es gibt kein Abkommen zwischen Getsugakure und Konohagakure, das uns untersagt, Nukenin aufzunehmen. Die Oto-Nin haben sich die letzten zwei Jahre bewährt, sie haben unser Vertrauen erworben. Sie haben sich integriert, gut integriert. Deshalb lassen wir ihre Kinder an die Akademie und erlauben ihnen die Chunin-Prüfung. Das war die Kurzversion. Willst du die lange hören?"

"Die anderen beiden? Illan und Mohad?"

"Nein, sie sind keine Kinder von Oto-Nin. Das wird dir gefallen. Illan ist meine Nichte, und Mohad der Sohn von Hassin."

"Der Sohn von Hassin? Das hätte ich eigentlich an der verkniffenen Miene erkennen müssen", murmelte ich mehr zu mir selbst. "Und deine Nichte?"

"Ja, meine Nichte. Wenn ich das so reflektiere, haben wir damals bei der Prüfung nie über unsere Familienverhältnisse gesprochen, obwohl wir Getsu-Nin alt genug für eigene Familien waren. Vielleicht auch, weil deine Verhältnisse recht offensichtlich waren. Wie läuft es denn mit deinen beiden Schönheiten?"

"Mehr schlecht als recht", erwiderte ich. "Sie haben mir offenbart, dass sie mit drei anderen Frauen einen Pakt geschlossen haben, damit auch eine der fünf irgendwann in der Zukunft Frau Morikubo werden wird. Und ich kenne zwei der Frauen nicht. Sie wollen es mir aber auch nicht verraten."

Amir sah mich aus großen Augen an. "Du hast tatsächlich... Ich meine, du weißt schon, dass du hier über Liebe, Beziehungen und Sex redest, oder?"

Ich sah wütend zurück. "Für was für einen Volltrottel hältst du mich eigentlich?"

"Also, in Liebesdingen für den größten Dummkopf in Land des Feuers. Damals, zumindest. Da haben mir deine Mädchen wirklich, wirklich leid getan. Und? Wer ist denn dieses Wunder an Schönheit, Entschlossenheit und Kampfkraft, dem deine Mädchen erlaubt haben, in den Pakt um deine Hand einzutreten?

"P-chan."

Amir zuckte zurück, als hätte er einen Schlag erhalten. "Was? Der Affenkönig?"

"Wovon redest du? Perine, die Affenkriegerin, mit der ich einen Monat Sparring betrieben habe!"

"Bei deinem Sparring war ich nicht dabei. Ich erinnere mich nur an den Affenkönig, der sich in das kleine Mädchen verwandelt hat, nachdem er Jardin und die Riesenschlange alleine mit seinem Chakra besiegt hat."

"Aber das WAR P-chan! Sie hatte sich nur als Enma verwandelt, und..."

Amir hielt an und griff nach meinem Arm. "Mamo-chan, jetzt mal unter uns beiden, ganz ehrlich. Glaubst du wirklich daran, dass deine P-chan ein solches Volumen an Chakra schmieden kann? Du hast die Kraft gespürt, oder? War das P-chan?"

Entsetzen ergriff mich. Verdammt, er konnte Recht haben. Das Chakra hatte sich überhaupt nicht nach P-chan angefühlt. Aber die Rückverwandlung... Das war doch P-chan gewesen! Ihre Worte, ihr Verhalten, all das war P-chan! Warum hätte Enma dies tun sollen? "Aber das ist unlogisch!", rief ich.

Amir begann zu lachen. "Nicht bei dir, ewiger Chunin. Nicht bei dir. Also das Mädchen, das... Diese P-chan ist die dritte in der Liste. Interessant. Sie muss ziemlich gut sein, wenn deine Mädchen sie akzeptiert haben."

"Und hübsch", murmelte ich, in Erinnerung an unsere letzte Begegnung. "Selbst in ihrer Affengestalt."

"Ach ja, da war ja noch ein Nachteil bei der Geschichte", sagte Amir, noch immer lachend. Er stutzte.

"Was hast du?"

"Ich stelle mir gerade vor, wie die anderen beiden Frauen sein müssen, um..." Er runzelte die Stirm. "Oh, oh. Wenn ich wieder daheim bin, werde ich ein ernstes Gespräch führen müssen, um... Du weißt, dass Maria... Wie sage ich dir das jetzt?"

"Maria arbeitet für euch?", fragte ich.

"Sie arbeitet mit der klaren Auflage, niemals gegen Konohagakure eingesetzt zu werden."

"Das halte ich für eine gute Idee eures Tsukikages."

"Es war ihre Auflage dafür, dass sie in die Ninja-Ränge eingetreten ist", erwiderte er trocken.

"Ja, Himmel, warum sollte sie das tun?", fragte ich entgeistert.

"Weil sie Angst vor dir hat?", bot Amir an.

Nachdenklich kratzte ich mich an der Stirn. "Okay, das macht irgendwie Sinn."

Amir atmete erleichtert auf. "Schön. Du bist in manchen Dingen immer noch der Alte, Mamoru. Das ist gut zu wissen. So, jetzt weißt du alles. Anne ist allerdings keine der Ninjas, die Orochimaru überall in der Welt aufgelesen hat. Sie ist das Kind normaler Bürger und hat einfach nur ein Talent für die Shinobi-Welt bewiesen." Er musterte mich eindringlich. "Du hast doch nicht vor, wenn du wieder in Konoha bist, Getsugakure aufzusuchen und Maria zu töten?"

Nein, das hatte ich nicht. Es war mir gar nicht in den Sinn gekommen. Das war merkwürdig. Ich hätte gedacht, dass ich, wenn ich einmal erfuhr, wo meine persönliche Nemesis war, sofort aufbrechen und fürchterliche Rache nehmen würde. "Nein", sagte ich. Ob diese Frau nicht nur meine Erinnerung, sondern auch meinen Willen manipuliert hatte?

Amir atmete auf. "Gut. Danke. Wir können diplomatische Verwicklungen mit einem der großen fünf Reiche im Moment gerade überhaupt nicht gebrauchen. Und es würde einerseits ziemlich schlecht wirken, wenn wir der Godaime Hokage beichten müssten, dass wir ihren Helden von Otogakure getötet haben, oder andererseits einen Krieg mit Konoha anfangen würden, nachdem du auch unser Dorf vernichtet hast."

"Nun übertreib mal nicht gleich in beide Richtungen!", sagte ich scharf. "Ihr werdet ja wohl kaum eine Chakra-Bombe unter dem Ort haben!"

Amir lächelte dünnlippig. "Tja, wer weiß? Für kleine Ortschaften ist das schon eine tolle Absicherung, finde ich.

Also, ich fasse mal zusammen. Marias Gruppe gehört jetzt zu Getsu. Sie wird Konoha niemals angreifen, das hat sie uns geschworen, und auch dem Rat als Versprechen abgenommen. Das gilt für sie wie für alle anderen Shinobi aus Oto. Anne ist eines der Kinder aus Otogakure, aber voll integriert. Und da du nicht vorhast, uns stantepede anzugreifen, sind alle Probleme vorerst gelöst, denke ich." Er sah mich schief von der Seite an. "Aber hast du nicht mal Lust, auf Besuch zu kommen? Auf einen normalen Besuch? Es könnte eine große Überraschung für dich werden, unser Dorf zu sehen und die Leute kennen zu lernen. Khal und Hassin werden sich auf jeden Fall freuen."

Ich zwinkerte mehrfach, um die Worte zu verdauen. "Nein, danke. Ich kann nicht garantieren, dass ich Maria nicht doch... Ich meine, wenn ich sie sehe, und... Da ist so viel Wut in meinem Bauch, dass ich... Dass ich..."

"Wut? Weil sie dich verführt hat?"

Ich erstarrte. "Erzählt das Biest das etwa in Getsugakure herum?"

"Äh, nein. Ich habe nur eins und eins zusammengezählt. Es muss ja einen gewichtigen Grund geben, warum sie Konoha nicht bekämpfen will, nicht mal auf Missionen gehen will, auf denen wir kollidieren könnten. Wir sind halt Ninjas, und da hat man eigentlich solche Möglichkeiten in Kauf zu nehmen. Sie lässt sich da aber eine ganz schöne Extrawurst braten."

"Na toll, dann habe ich es dir selbst verraten. Und, siehst du jetzt auf mich herab, Amir?"

Der Ältere klopfte mir gewichtig auf die Schulter. "Mamo-chan, Mamo-chan. Warum sollte ich das tun? Sie hat dich verführt, nicht umgekehrt. Außerdem... Diese Frau ist so heiß, dass dich automatisch jeder Mann um diese Erfahrung beneidet."

"Echt? Weißt du, ich kann das nicht sagen, das mit dem Beneiden. Nachdem mich Maria ausgenutzt hat, habe ich es mir zur Regel gemacht, mich nicht mehr von sexy Kunoichi verführen zu lassen", sagte ich säuerlich.

"Das heißt, du hast keine weiteren Erfahrungen gesammelt", stellte Amir fest.

"Hey, ich bin erst sechzehn!", protestierte ich. "Sechzehn! Außerdem vergisst du meine Mädchen. Mit einer von ihr zu schlafen würde bedeuten..."

"Ach ja. Du bist immer noch so ein verdammter Moralapostel. Das erklärt einiges. Willst du nicht doch nach Getsugakure kommen? Vielleicht mit uns?"

Ich schüttelte nachdrücklich den Kopf. "Nein, keine Chance. Ich will unsere guten Beziehungen nicht zerstören." Ich sah Amir nachdenklich an. "Waren Karin oder Hanako eigentlich jemals in Getsugakure? Ich meine, wenn Maria wirklich so heiß ist, dass mich alle Männer um diese Erfahrung beneiden, könnte ich mir vorstellen, dass sie..."

"Nein!", sagte er bestimmt. "Sie waren noch nie in Getsugakure. Weder einzeln, noch zusammen. Und sie haben auch nicht geholfen, als Maria..." Er verstummte.

"Als Maria was?"

"Oh, das willst du nicht wissen, mein alter Freund. Das willst du nicht wissen."

Er sah nach vorne, wo die anderen ein gutes Stück voran gekommen waren. "Lass uns wieder aufholen, bevor sie uns zurücklassen, Mamoru."

Ich hatte zwar das Gefühl, das noch nicht alles gesagt worden war, dennoch folgte ich dem Getsu-Nin.

"Ach, eines noch, Mamo-chan. Warum weißt du eigentlich nicht, dass wir die Oto-Nin aufgenommen haben? Wir haben auch einige von denen aufgenommen, die von Konoha frei gesprochen worden sind. Die Godaime Hokage weiß das alles. Warum du nicht?"

"Oh. Das ist eine sehr gute Frage." Und es ärgerte mich sehr, dass ich darauf keine Antwort hatte.

Gemeinsam gingen wir der Gruppe hinterher, um wieder aufzuschließen. Ich würde wohl die eine oder andere Frage stellen müssen. Entweder jetzt Asuma, oder später Tsunade-sama persönlich.

***

Als wir den Wall erreichten, der Sunagakure umgab und der wirksamste Schutz des Dorfes war - sah man einmal von den Fähigkeiten des Godaime Kazekage ab - passierten wir mehr als zwei Dutzend Suna-Nin, die jede unserer Bewegungen misstrauisch beäugten. Sie bildeten eine Art Vorposten auf der Außenseite der Mauer, gut getarnt und wachsam. Ich konnte sie mit meinen schwachen sensorischen Fähigkeiten erspüren. Aber ich vermutete wohl zu Recht, dass es rund um den Wall weitere Posten gab.

Konoha hatte das anders gelöst. Unser Tor stand am Tage immer offen, aber dafür patrouillierten ANBU und andere Shinobi in unregelmäßigen Rastern das Umland. Ich musste für einen Moment schlucken, als ich mich erinnerte, dass beim Überfall auf Konoha dieser Raster verraten worden war.

"Na, na, wer macht denn da so ein trauriges Gesicht?", empfing mich eine laute Stimme. Eine laute und bekannte Stimme. Lian.

Die junge Kunoichi lehnte an der linken Seite des Walls und griente zu mir herüber. Ich erkannte sie kaum wieder. Sie hatte ihren Turban abgelegt und ihren Bekleidungsstil geändert. So wirkte sie um einiges burschikoser als damals im Wald, wo sie durchaus als Mann durchgegangen wäre. Als Mann mit mehr Oberweite als Karin, zugegeben. Die buschigen, blonden Zöpfe, die sie nun trug, unterstrichen ihre natürliche Aggressivität um einiges. Allerdings war ihr Gesicht weicher, fraulicher geworden, oder anders ausgedrückt: attraktiver. Sie stieß sich von der Wand ab und kam auf die Konoha-Gruppe, die bei ihren Worten angehalten hatte, zu.

"Hallo, Lian", antwortete ich und betrachtete ihren Bodystocking, der nur aus Netzgewebe zu bestehen schien, dem heimlichen Betrachter aber keinen einzigen Einblick erlaubte. Raffiniert gemacht, das musste ich zugeben. Im Kampf gegen Männer würde ihr das wertvolle Sekunden einbringen.

"Denkst du gerade darüber nach, ob du irgendwie unter meiner Kleidung meine Brustwarzen sehen kannst, oder gratulierst du mir gerade zur Strategie, die mir im Kampf gegen männliche Gegner eine Schrecksekunde verschafft?", fragte sie.

"Äh, letzteres."

Sie seufzte lang und tief. "Das ist so typisch Mamo-chan, dass ich regelrecht beruhigt bin." Übergangslos begann sie vor Freude zu quieken, und schloss mich in die Arme. "Mamo-chan! Endlich kommst du mal nach Sunagakure! Oh ich bin so glücklich, dich zu sehen! Geht es dir gut? Natürlich geht es dir gut. Eine scheuern sollte ich dir dafür, dass du beinahe in Otogakure gestorben bist! Und wo sind Karin und Hana-chan? Warum hast du sie nicht mitgebracht?"

"Mamoru, warum stellst du uns nicht deine kleine Freundin vor?", fragte Kakashi-sensei.

"Das ist nicht nötig", sagte Kurenai-sensei lächelnd. "Hallo, Lian. Lange nicht gesehen."

Die beiden reichten sich sittlich die Hand. "Seit Kumogakure nicht mehr. Und das ist mein Glück", sagte sie betont, und die beiden Frauen lachten bei der derben Anspielung auf den Überfall auf Konoha.

"Hallo, Lian", sagte nun Uzuki-sensei, gefangen zwischen spröde und freudig. "Ich habe vorher keiner Gelegenheit gehabt, mit dir zu sprechen. Es tut mir leid um Katou. Er war ein feiner Bursche."

Für einen Moment wirkte sie verlegen. "Und mir... Es tut mir leid um Hayate-sensei. Ich habe ihn nie kennen gelernt. Aber so wie Mamo-chan und die beiden Mädchen immer über ihn sprachen ist das ein großes Versäumnis für mich. Dein Verlust schmerzt mich, Uzuki-sensei."

Die ANBU zögerte eine Sekunde, dann nickte sie und reichte dem Suna-Mädchen die Hand. "Es war Krieg", sagte sie schlicht.

Lian nickte dankbar und wandte sich nun Asuma zu, mit dem sie eine laute und derbe Begrüßung austauschte, die nicht nur mich erstaunte.

"Oh, Amir, dich sehe ich ja jetzt erst. Ich dachte, du wärst nur ein weiterer Genin", scherzte sie.

"Sehr lustig. Du bist jetzt vielleicht größer als ich, aber die Ohren lang ziehen kann ich dir immer noch", erwiderte der Getsu-Ninja. Die zwei drückten sich kurz und voller Freude.

Dann verbeugte sie sich leicht vor Kakashi und Guy sowie den Genin aus Konoha und Getsu. "Darf ich mich vorstellen? Mein Name ist Lian. Ich bin Kunoichi aus Sunagakure. Ich war zusammen mit Mamo-chan, Hanako und Karin sowie mit Amir, Hassin und Khal bei der Chunin-Prüfung in Kumogakure. Wir haben uns verbündet und gemeinsam einiges überstanden.

Als ich dann hörte, wer die Konoha-Teilnehmer begleiten würde, war ich ganz aus dem Häuschen und hätte am liebsten jeden Tag bis zu eurer Ankunft hier gewartet, aber ich muss ja nebenbei auch noch was tun.

Mamo-chan, bevor du fragst, Tooma muss jede Sekunde hier sein. Als die Späher meldeten, dass die Konoha-Abordnung mit Copy-Ninja Kakashi Hataki, Elitewächter Asuma Sarutobi, Konohas grüner Bestie Might Guy und dem ewigen Chunin Mamoru Morikubo mit Begleitung - Entschuldigung, Uzuki-sensei, Kurenai-sensei, Amir-kun - eintreffen würden, habe ich ihn kontaktiert. Aber was rede ich, wir sollten hier nicht rumstehen. Ihr müsst durch die Begrüßung, und dann wartet bereits Tooma. Hoffe ich. Ihr wohnt selbstverständlich bei meinem Clan, damit das klar ist. Meine Eltern hätten mir auch sonst was erzählt, wenn ich den Mann, der mein Leben gerettet hat, in einem profanen Gasthaus hätte schlafen lassen."

"Das Leben gerettet?", fragte Kakashi amüsiert. "Also, das habe ich in deinen Berichten nie gelesen, Mamo-chan."

"Es steht aber drin, Kakashi-sempai. In meinem Bericht über den Abwehrkampf in Konoha, Seite fünf: Erster Kampf mit Maria. Sie hatte Katou bereits..." Ich ballte bei dieser Erinnerung die Hände zu Fäusten. Es gab vieles, was ich ihr nicht vergeben konnte. Und dann war da doch etwas an Maria, was... Was... Was mich verwundert nach hinten taumeln ließ, als Lian mir ohne jede Vorwarnung eine scheuerte, dass ich glaubte, mein Kiefer würde nachgeben.

"Mamoru-sempai!", rief Lee aufgeregt und wollte an meine Seite eilen. Amir war mitten in einer Abwehrbewegung erstarrt. Tenten war schon halb auf dem Wege, um zwischen mich und Lian zu treten, aber beide wurden von der ruhigen Stimme der Kunoichi gestoppt. "Das war dafür, dass du die Chance hattest, Katou zu rächen und Maria zu töten, und es nicht getan hast", sagte sie und reichte mir die Hand. Sie lächelte. "Damit ist von meiner Seite aus alles erledigt. Kann aber sein, dass Tooma den einen oder anderen Einwand hat."

Ich nahm ihre Hand und schüttelte sie. "Beinhalten seine Einwände auch körperliche Gewalt?"

"Nein, keine Sorge. Er ist nicht so schlimm wie ich. Er wird dir eher ein schlechtes Gewissen einreden, und das mit einem Hundeblick, der dich bis ans Ende deiner Tage verfolgt."

"Na, danke. Ich nehme lieber noch eine Ohrfeige", murmelte ich und rieb mir die schmerzende Wange. Was sie wohl mit mir tun würde, wenn sie je herausfand, dass ich mit Maria... Nun. Eigentlich ging sie das überhaupt nichts an. Aber wenn sie es gewusst hätte, hätte sie mir dann sicher gleich noch eine gescheuert.

"Gehen wir", rief sie fröhlich und zog mich hinter sich her. Akamaru bellte bestätigend. Kiba murmelte: "Und das ist einer der Gründe, warum ich Mädchen nicht verstehe."

"Das ist ja nichts neues für uns, Kiba-kun", sagte Tenten spitz.

Amir murmelte leise etwas von Konoha-Männern und ansteckend, aber es war nicht laut genug, dass ich es komplett verstehen konnte. In mehrerlei Hinsicht.

Während wir weiter gingen, wandte sich Lian mir zu und fragte leise: "Und, war sie gut im Bett?"

Ich wankte zwischen einer spontanen Ohnmacht und einem Wutausbruch, aber schließlich reichte es nur zu einer Gegenfrage: "Woher weißt du das denn?"

"Oh, ich habe den Bericht gelesen. Zwar nur die Kopie, die Kirigakure von deinem Bericht an Tsunade-sama gemacht hat, aber immerhin."

"Aha." Geheimdienstwitze. Ich mochte sie nicht besonders. Vor allem nicht, wenn sie wie in diesem Fall nur allzu wahr sein konnten.
 

"Hey, Konoha!" Am Ende der Schlucht stand Tooma und winkte heftig mit der rechten Hand. Dabei strahlte er über das ganze Gesicht. Er war in Begleitung eines groß gewachsenen Mannes, der den klassischen Suna-Turban trug. Seine linke Gesichtshälfte war durch ein Stück weißes Tuch verhängt. Es konnte eine Verletzung verbergen, oder eine Geheimwaffe wie Kakashis Sharingan.

"Das ist Baki", raunte mir Kakashi von hinten ins Ohr. "Hat den Angriff auf Konoha angeführt. Das hat aber sicher nichts mit Taktlosigkeit zu tun, denn er hat auch die Kapitulation ausgehandelt. Er ist Ratsmitglied, und man sagt, für den Godaime Kazekage Gaara ist er die wichtigste Stütze."

"Ein wichtiger Mann also", stellte ich fest.

"Vor allem ein gefährlicher Mann. Ein guter Shinobi."

Aus Kakashis Mund war das ein großes Lob. "Lian, gibt es vielleicht eine Gelegenheit, mit dem Kazekage zusammen zu kommen?", fragte ich. "Ehrlich gesagt bin ich neugierig, ihn zu treffen. Er ist jünger als mein Kumpel Naruto, und er hat schon dessen Traum, Kage zu werden, wahr gemacht."

Lian stockte, und ich lief auf sie auf. "Naruto?", fragte sie verwundert.

"Naruto", bestätigte ich.

"So ein Blonder mit wirren Haarspitzen, einem Dauergrinsen, und unfähig aufzugeben."

Neji begann spontan zu lachen. "Sie beschreibt unseren Naruto ziemlich gut."

Auch die anderen Genin amüsierten sich über diese Worte.

"Ihr kennt ihn auch?", fragte Lian.

"Wir sind Freunde", sagte Neji nach einer kurzen Pause. "Zumindest sehe ich das so."

Lee nickte dazu. Kiba grinste breit, Akamaru bellte bestätigend. Tenten lächelte, als sie ebenfalls nickte, und Hinata wurde einfach nur rot wie eine Tomate. Ach ja, ihr Naruto-Leiden.

"Oh. Das gibt aber Pluspunkte für ein Treffen mit dem Kazekage."

Neji winkte lachend ab. "Ich glaube, das hätte ohnehin keine Probleme gegeben. Wir kennen Gaara a... Ich meine den Kazekage vom Chunin-Examen in Konoha, und einige von uns haben mit ihm und seinen Geschwistern bei einer gemeinsamen Aktion von Suna und Konoha Seite an Seite gekämpft."

"Na dann wird das ja fast eine Familienzusammenführung!", rief sie fröhlich und zog wieder an meiner Hand. "Tooma, schau doch mal, ich habe einen Streuner gefunden. Darf ich ihn behalten?"

"Meinetwegen, aber er wird entlaust und dann kastriert", erwiderte er mit gespielter elterlicher Stimme.

"Tooma, manchmal könnte ich dich...", raunte ich böse.

"Wir reden später. Entschuldige, Baki-sensei, ich wollte mich nicht vordrängen."

Der große Suna-Shinobi lächelte leicht. "Es ist in Ordnung, Tooma. Sie werden sowieso bei Lian unterkommen. Da passt es schon. Falls sie dem Drängen ihrer Familie nachgeben und nicht doch bevorzugen, ein Gasthaus aufzusuchen." Baki lächelte ins Rund und begrüßte jeden Jounin mit Namen, anschließend fand er noch einige nette Worte für die Genin.

"Ich heiße euch herzlich willkommen in Sunagakure, dem zweiten Herz des Landes der Winde. Wir Ihr ja mitbekommen hat, besteht der Familienclan Toroza darauf, für euch Unterkunft und Verpflegung aufzubringen, deshalb habe wir eure Reservierung stornieren lassen. Ich bitte diese eigenmächtige Handlung zu entschuldigen.

Amir-tono, Ihre Reservierung ist nicht betroffen."

"Verständlich. Immerhin sind wir ja nicht wirklich Begleiter von Mamo-chan."

"Aber, aber", wiegelte Lian ab, und winkte mit der Rechten. "Wer redet denn von so was? Selbstverständlich habe ich es arrangiert, dass Ihr ebenfalls bei uns unterkommt, Amir-kun, kaum das ich deinen Namen auf der Anmeldeliste gelesen habe. Baki-sama weiß nur nichts davon, weil Ihr eigentlich von Kankurou-sama empfangen werden solltet. Da Ihr aber zusammen eingetroffen seid... Tja. So sind die Dinge."

Amir lächelte erfreut. "Das habe ich nicht erwartet. Vielen Dank, Lian-chan. Wir nehmen natürlich gerne an."

"Sehr schön. und wie ist es mit Konoha?", fragte Lian burschikos.

"Wie gesagt", fügte Baki an. "Die Toroza bestehen darauf."

"Kein Problem, Baki-tono", sagte Kakashi. Er deutete auf mich und das junge Mädchen. "Wir würden ohnehin ein Brecheisen brauchen, um sie von Mamo-chans Seite zu kriegen. Also nehmen wir das Angebot gerne an."

"Das erleichtert mich. Natürlich hätte ich die Stornierung rückgängig machen können. Aber so ist es besser, denke ich. Die Registrierung für das Examen wurde erfolgreich abgeschlossen. Morgen ist die erste Prüfung im Schulungsturm. Zuvor lädt der Kazekage die ganze Abordnung Konohas zu einem informellen Essen ein. Die Getsugakure-Gruppe wurde für heute Abend zu einem Essen mit den Ratsmitgliedern und den anderen Teilnehmern des Chunin-Examens eingeladen."

"Danke, wir kommen gerne", sagte Amir.

Ich lächelte verschmitzt. So weit reichte der Arm der Toroza dann doch nicht, wie es schien. Aber es freute mich, dass ich mit meinem alten Freund unter einem Dach wohnen konnte. Außerdem ergab das vielleicht Gelegenheit, Anne noch ein wenig auszuquetschen, und...

Ich unterbrach den Gedanken, als ich bemerkte, dass Uzuki-sensei Baki musterte. Nein, das war nicht richtig. Sie sah auf seine Brust. Und mit jeder Sekunde, die sie dorthin starrte, veränderte sich ihr Gesicht vom üblichen beherrschten Lächeln zu einer zitternden Leidensmiene. Doch sie beherrschte sich, unterdrückte diese Gefühlswallung und ließ das nichtssagende Lächeln wiederkehren. Irritiert sah ich selbst zu Baki-tono herüber, versuchte zu ergründen, was Uzuki-sensei so erschüttert hatte... Und dann sah ich es. Ich SAH es. Ich sah den haarfeinen Riss in Baki-tonos Chakra. Keinen Riss in dem Sinne, weil Chakra ein fließendes Feld erzeugte. Es wirkte wie ein Riss, war aber nichts weiter als implantiertes Chakra, das eine bestimmte Aufgabe zu erfüllen hatte. Mächtige Shinobi benutzten es für die verschiedensten Techniken - und mein Sensei Hayate war so ein Shinobi gewesen.

Er hatte immer sein eigenes Chakra in sein Wind-Jutsu eingepflegt, als eine Art Markierung, die er sich in seiner Zeit bei der ANBU angewöhnt hatte. Für den Fall, dass er einen Kampf nicht überlebte, hinterließ er bei seinem Gegner ein Markenzeichen, das Eingeweihte selbst noch nach Jahren erkennen konnten. Eingeweihte wie Uzuki-sensei. Eingeweihte wie ich. Dieser Mann hatte mit meinem Sensei gekämpft. Und es gab nur eine zeitnahe Gelegenheit, bei der Suna-Shinobi und Konoha-Shinobi aneinander geraten waren: Die Invasion Konohas durch Suna und Oto. Beziehungsweise ein paar Wochen vorher, um einen unliebsamen Mitwisser auszuschalten. Ich war in diesem Moment dankbar für Lians Griff um meinen Arm, denn ich wusste nicht, ob ich mich nicht ansonsten brüllend auf Baki-tono gestürzt hätte, oder einfach kraftlos zu Boden gefallen war. Die Zeichen sprachen sehr dafür, dass es Baki-tono gewesen war, der meinen Sensei getötet hatte. Er war es gewesen, er! Und Uzuki-sensei wusste das. Auch wenn sie bis auf den kleinen Moment der Schwäche nichts nach außen hatte dringen lassen, sie wusste es. Und ich wusste, was sie nun würde tun wollen. Aber ich wusste auch, dass ich das niemals zulassen durfte. Niemals.

"Also, Baki-sama wird auch noch die nächsten Gruppen empfangen müssen. Deshalb bringen Tooma und ich euch jetzt erst mal nach Hause, damit Ihr euch nach der anstrengenden Reise frisch machen könnt", sagte Lian fröhlich und zog schon wieder an meinem Arm. Tooma ergriff meinen anderen Arm und zerrte nicht weniger enthusiastisch. Das half, damit ich den Schrecken überwandt, und der Welt einen Mamoru vorzuspielen, den es gerade nicht gab.
 

2.

Wir betraten Sunagakure. Die fremde Architektur überraschte mich. Die Gebäude waren zumeist rund, mehrere Stockwerke hoch, und trugen Kuppeln als Dächer. Sie wirkten auf mich wie... Kürbisse. Zumindest manche der Bauten.

Wir gingen durch die Straßen, die gut besucht waren. Wohl weil heute auch Markt war.

Mit mir an der Spitze führten Tooma und Lian unseren Trupp durch das Gewühl, das in Konoha als schlecht besuchter Nachmittagsverkauf durchgegangen wäre. Lian versprach, mit den Genin später zum Markt zurück zu kehren, als Tenten mit leuchtenden Augen eine Auslage mit verschiedenen Waffen betrachtete, aber zuerst wollte man das Clanshaus erreichen.

Nun, das ging relativ fix, als wir das größte Gebäude im Viertel erreichten, das gewiss fünf Stockwerke hatte, sowie vier etwa halb so hohe Anbauten neben und hinter dem Haupthaus.

Unser Empfang verlief stürmisch und aufgeregt, wir wurden vom Clansoberhaupt begrüßt, der, wie sich herausstellte, Lians Großvater väterlicherseits war.
 

"Willkommen, willkommen!", rief der greise Mann, als wir das Haupthaus betraten.

Es waren etwa zwanzig Personen zu unserem Empfang angetreten, und viele erkannte ich auf den ersten Blick als Shinobi. Was bei den Stirnbändern nicht schwer war. Oder der Kampfkleidung. Oder den Turbanen, die für Suna-Nin so typisch waren.

"Opa, das ist Mamo-chan", berichtete Lian stolz und gab mich direkt vor dem alten, aber rüstigen Burschen frei.

"So, so. Das ist also dieser Mamoru Morikubo, von dem ich schon so viel gehört habe." Er sah an mir vorbei. "Asuma-kun, was sagst du denn über ihn?"

Der Shinobi lächelte, während er sich eine Zigarette anzündete. "Ich bin leider befangen, weil mein Vater ihn zum Kontraktpartner der Affen gemacht hat, Lokke-sama."

"Schade. Ich hätte gerne deine Meinung gehört. Wie ist es dann mit dir, Guy-kun?"

Das grüne Biest von Konoha trat einen Schritt vor und ließ krachend eine Hand auf meine Schulter fallen. "Ich kenne ihn erst einen Tag persönlich, aber ich weiß natürlich was über ihn geredet wird."

Das machte mich neugierig. Neugierig genug, um die Gedanken über Baki beiseite zu schieben. Was wurde denn genau über mich geredet?

"Und er ist exakt so, wie man sagt. Nein, ich glaube, er ist auch noch ein wenig besser."

Der alte Mann lachte leise. "Morikubo, das war ein großes Lob aus Guys Mund. Ich hoffe, du weißt das zu schätzen." Wieder lachte er. "Aber was rede und rede ich, wir haben eure Zimmer vorbereitet. Selbstverständlich auch für unsere Gäste aus Getsugakure. Amir-san, ich habe die Berichte über dich und deine Getsu-Nin sehr gerne von meiner Enkelin gehört. Es ist mir eine Freude und eine Ehre, dich und deine Gruppe in meinem Haus begrüßen zu können."

"Nicht doch, Lokke-sama. Es ist mir eine Ehre, dass wir Ihr Haus betreten durften."

"Na, na, übertreib mal nicht so. Die Zeiten, in denen ich selbst auf dem Schlachtfeld stand, sind lange vorbei." Er schwieg eine Sekunde mit geschlossenen Augen. "Also, ich denke, Ihr solltet euch einrichten und frisch machen. Dann wollen wir gemeinsam etwas Tee trinken und miteinander reden, bis Ihr zu euren Feiern müsst. Seht für die nächste Zeit, die Ihr in Sunagakure seid, dieses Haus als eure Heimat an." Er sah zur Seite. "Keema, würdest du bitte dem Retter deiner Tochter und deines Schwiegersohns sein Zimmer zeigen?"

Die Angesprochene, eine große blonde Frau mit viel weicheren Zügen als Lian, aber einer kaum zu verwechselnden Ähnlichkeit, lächelte. "Natürlich, Vater. Na, dann kommt mal mit. Hier entlang, Mamoru-kun."

Nun traten auch die anderen Familienmitglieder heran, um die Neuankömmlinge auf ihre Zimmer zu bringen. Ich verstand. Der Stammsitz der Toroza war groß, aber es gab kein eigenes Haus für Gäste. Die wurden entweder gemeinsam untergebracht, oder auf freie Zimmer in allen fünf Gebäuden aufgeteilt.

"Moment mal, Schwiegersohn?", fragte ich. "Also, nicht, das ich das nicht habe kommen sehen, aber... So früh?"

Lian griente mich an. "Na, bist du enttäuscht, Mamo-chan? Ich bin leider nicht mehr zu haben."

Ich griente zurück. "Ich ja, meine Mädchen aber sicherlich nicht."

"Guter Konter", gab sie zu.

Tooma räusperte sich verlegen. "Es ist nicht so, als wären wir schon verheiratet. Es gibt Gesetze in Suna, die das regulieren. Aber da mein Clan und ihr Clan sich einig sind, und da wir beide uns auch einig sind, und..."

"Und weil ich meinen Mann ungespitzt in den Boden ramme, wenn er versucht sein Töchterchen zu "schützen"...", fügte Keema lächelnd hinzu.

Tooma nickte dankbar. "Genau. Darum bin ich Lians designierter Ehemann. Ist eine lange, aber lustige Geschichte, wenn du mich fragst."

"Oh, ich werde während des Examens genügend Zeit haben, um sie zu hören."

"Denkst du denn, Ihr bleibt bis zum Ende hier? Suna hat drei Teams aufgeboten", sagte Lian.

"Oh, unsere Genin waren schon einmal in der dritten Runde eines Chunin-Examens, einer im Finale. Ich mache mir da keine Sorgen. Außerdem weiß ich wie sie kämpfen. Na, zumindest bei fast allen."

"Ach, du meinst, sie sind durchgefallen", sagte Lian amüsiert.

"Na, na, sag das nicht so abfällig, nur weil wir wegen unserer Leistung in Kumogakure zu Chunin ernannt wurden. Du hattest ein halbes Jahr Probezeit", stichelte Tooma.

"Ja, schmier es mir nur immer wieder aufs Brot, Herr Jounin", brummte sie ärgerlich.

"Jounin?", fragte ich.

"Jounin. Sie haben mich vorher nicht gerade gefragt. Aber ich denke, sie haben vor allem einen Jounin gebraucht, auf den sich Gaara, also der Godaime Kazekage, verlassen kann."

"Na, na, stell dein Licht mal nicht so unter den Scheffel", tadelte Keema lächelnd und öffnete eine Tür. "Dein Raum für die nächsten vier Wochen, Mamoru."

Lian und Tooma zogen mich hinein. Das war kein Raum, das war ein eigenes Haus für sich. "Ist das nicht etwas groß? Ihr könntet hier einen Kage unterbringen, und er würde sich nicht beschweren", sagte ich und schluckte trocken.

"Oh, hier waren schon Kages untergebracht, wenn es dich interessiert. Als wir die Räume aufgeteilt haben, dachten wir natürlich an die Zukunft, und dass du uns mal mit Karin und Hana-chan besuchen kommst. Dann kriegt Ihr drei wieder diesen Raum", sagte Lian stolz.

"Lian, treib ihn nicht so in die Ecke. Es ist immer noch Mamo-chan."

"Aber jetzt wo er doch erste Erfahrungen gesammelt hat, dachte ich, er würde mit den Mädchen... Ich meine, Mamo-chan ist doch auch nur ein Mann, und..."

Tooma seufzte. "Garantiert nicht, bevor er sich entschieden hat. Oder denkst du, er würde mit beiden...?"

"Ja, ja, der alte Männertraum", sagte Keema und öffnete eine Schiebetür, die ein großes Bett offenbarte, das tatsächlich bequem für drei Personen gereicht hätte. Ich war beeindruckt. Nein, das stimmte nicht. Ich war mehr als beeindruckt.

"Selbst für drei Leute wäre das hier noch zu groß", stammelte ich. Mein eigenes Zimmer passte hier sechsmal rein, und da hatte ich den Bettraum noch nicht eingerechnet.

"Siehst du? Er zieht es zumindest in Betracht", sagte Lian triumphierend.

"Ja, sich das Zimmer mit ihnen zu teilen und auf dem Boden zu schlafen", konterte Tooma.

Ich zuckte bei diesen Worten zusammen. Konnte der Bursche Gedanken lesen?

"Siehst du? Ich habe Recht", triumphierte Tooma.

Lian musterte mich frustriert. "Wie langweilig."

"Ich bin erst sechzehn, Lian", sagte ich abwehrend.

"Das ist kein Argument", erwiderte sie.

"Na, Ihr zwei, nun lasst Mamoru doch erst zu Ruhe kommen. Mamoru-kun, pack in Ruhe aus. Anschließend kannst du baden, wenn du möchtest. Bis zum Tee ist genügend Zeit. Ich bin sicher, Lian oder Tooma stehen dann bereit, um dich zum Bad zu bringen."

Sie kam zu mir und schloss mich in die Arme. "Danke, dass du Lian und Tooma gerettet hast."

"Keine Ursache", antwortete ich mit schwacher Stimme. Die Herzlichkeit der Suna-Leute überraschte mich.

Sie löste sich von mir mit einem Lächeln, dann wedelte sie mit beiden Händen Richtung Tür. "Und jetzt alle raus hier. Mamoru braucht jetzt etwas Freiraum."

"Ja, ja", murrte Tooma, ging aber als erster.

Bald darauf stand ich alleine in dem großen, gut möblierten Zimmer. Nun hatte ich nur noch zwei Probleme zu bewältigen. Das erste war zu entscheiden, in welchen der vielen Schränke ich die wenigen Habseligkeiten und Wäschestücke packte, die in meinem Rucksack waren. Das zweite war, dass ich Sensei daran hindern musste, Hayate-sensei zu rächen und Baki zu töten.

***

In diesen Breitengraden ging die Sonne früher unter als in Konoha. Kurz nach sechs war es dunkel. Der Empfang beim Kazekage würde um sieben sein. Ich spürte, während wir mit Lokke-sama und einigen Familienmitgliedern beim Tee saßen, wie Uzuki-sensei immer nervöser wurde, während die Uhr unaufhaltsam das Ende der siebten Stunde anzeigte. Sie wollte, das der Tee-Empfang endete, damit sie vor dem Besuch beim Kazekage aufbrechen konnte. Ihre Nervosität war so groß, dass sie nicht einmal registrierte, dass ich es wusste. Ein so unaufmerksamer Ninja konnte an seinem Leichtsinn sterben. Noch ein Grund, sie aufzuhalten. Endlich, gegen halb Sieben, ergab sich die Gelegenheit für sie, sich zurückzuziehen. Sie war kaum gegangen, als ich ziemlich unüblich für einen Gast aufsprang und aus dem nächsten Fenster hechtete. Asuma rief mir nach, aber da war ich schon auf dem Dach eines Nebengebäudes und orientierte mich. Nein, Uzuki-sensei war zu schnell für mich gewesen. Sie war bereits außerhalb meiner sensorischen Reichweite. Aber da ich ihr Ziel kannte, konnte ich trotzdem noch rechtzeitig eintreffen.

Ich musste es nur versuchen. Mit Step bewegte ich mich in Richtung Eingang Sunagakures.
 

Ich kam gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie Uzuki-sensei eintraf. Da sie eine Konoha-Kunoichi war und wir derzeit ein sehr gutes Verhältnis mit Suna hatten, wurde sie nicht behelligt. Ich hingegen ging auf Nummer sicher, landete auf einem nahen Dach, von dem ich einen sehr guten Blick auf das Geschehen hatte, und mit Step eingreifen konnte, sobald es nötig wurde.

Uzuki-sensei ging sehr offen auf Baki zu und sprach mit ihm. An seiner entsetzten Haltung konnte ich erkennen, was sie ihm gesagt hatte. Sensei war eine sehr direkte Frau.

Ein paar Suna-Shinobi, die herbei eilen wollten, schickte Baki weg. Er sprach noch ein paar Worte mit Uzuki-sensei, dann verschwanden beide mit Step.

Ich spürte Sensei, hatte sie am Rand meiner sensorischen Erfassung und konnte den beiden folgen. Sie steuerten auf den Außenwall zu, und dort auf eine Erhebung, die als Sportfläche diente. Hier, nur vom Streulicht Sunas und dem Sternenhimmel erhellt, waren sie allein. Niemand bemüßigte sich, jetzt gerade seinem Hobby zu frönen. Ein idealer Kampfplatz.

Ich kam diesmal nahe genug heran, um die beiden sprechen hören zu können.

"Wie ich schon sagte, du trägst Gekkos Markierung in deinem Chakra. Ein Irrtum ist ausgeschlossen. Wie bist du dazu gekommen?"

Baki wirkte blass, beinahe ein wenig verlegen. Er atmete tief durch und hielt beide Arme zum Boden ausgestreckt, die Handflächen in Richtung Sensei deutend. "Es war ein Zufall. Ich habe mich im Vorfeld der Invasion Konohas mit meinem Oto-Kontaktmann besprochen. Hayate-tono hat mich belauscht. Ich konnte ihn nicht leben lassen. Du als ANBU verstehst das sicherlich, Uzuki-tono. Aber er hat sich formidabel gewehrt. Ich habe selten einen Ninja mit seinem Talent gesehen. Er war zu Recht ein Jounin Konohas."

Uzuki-sensei zitterte wie Espenlaub. Mir ging es nicht viel besser. Natürlich verstand ich Bakis Worte. Der Ninja in mir gab ihm Recht. Aber da war auch noch der Schüler Hayates, und der schrie nach bitterer, blutiger Rache.

"Wenn du mich als ANBU Konohas um Verständnis bittest, wirst du vielleicht verstehen, dass ich als Frau Konohas nicht verzeihen kann. Gekko war mein Gefährte."

Die Miene Bakis, zumindest das was man davon sehen konnte, versteinerte. "Ja, ich verstehe." Er zog eine Waffe hervor, ein Kunai. Aber das war nicht die Waffe, mit der er Sensei getötet hatte. Alarmiert machte ich mich auf den Weg.

Uzuki-sensei hatte ihr Schwert gezückt. "Genug geredet!", rief sie und stürmte vor.
 

Sie stockte. Weil ihre Erfahrung und ihre Instinkte sie dazu trieben. Ausgelöst wurden sie durch das Kunai, in dessen Spitze sich ihr Hals gebohrt hätte, wäre sie weiter gerannt.

Das Kunai wurde von meiner Hand gehalten. "Nein, Sensei!", sagte ich scharf.

Wütend stierte sie mich an. "Was soll das, Mamo-chan? Dieser Mistkerl hat Gekko getötet! Es ist meine Pflicht..."

Ich schüttelte den Kopf. "Uzuki-sensei, nein! Hayate-sensei hätte das nicht gewollt! Konoha und Suna halten Frieden. Wenn einer unserer ANBU einen Ratsherrn Sunas tötet, gibt es einen Konflikt!

Und nicht irgendein ANBU, sondern einer, der mir lieb und teuer ist! Sensei, wirf nicht dein Leben und deine Karriere weg! Das ist das allerletzte, was sich Hayate-sensei für dich erhofft hat!"

Ich umfasste das Kunai fester. "BITTE! Beherrsche dich! Bändige die Wut! Lass los vom Hass! Ich kann es nicht ertragen, wie du alles wegzuwerfen drohst, was dich in Konoha groß macht."

Ich spürte ihr Zittern, als ihr Hals die Spitze meiner Klinge berührte. "Wenn du zustechen musst, dann tu es Mamo-chan. Aber ich werde nicht Halt machen."

In einer flüssigen Bewegung zog ich die Klinge wieder von ihrem Hals fort. Nun war die Geschichte ein Vabanque-Spiel mit ungewissem Einsatz. Ich setzte mir das Kunai nun selbst an den Hals, auf Höhe der rechten Halsschlagader. "Ich töte mich, wenn du mit ihm kämpfst, Uzuki-sensei!"

Entsetzt sah sie mich an. Sie begann wieder zu zittern, so sehr, dass ihr das Schwert aus den Händen glitt. Sie wollte auf mich zueilen, ließ es dann aber doch, als sie meinen entschlossenen Blick sah. "Mamo-chan! Wie soll ich vor Gekko treten, wenn du dich tötest?"

"Du wirst vor Hayate treten, nachdem du Konoha lange und erfolgreich gedient hast, nachdem du ein erfülltes Leben hattest", sagte ich ernst und drückte die Klinge tief in mein Fleisch. Blut spritzte, aber nicht sehr viel. Ich hatte mir die Stelle für den ersten Stich sehr genau ausgesucht.

Sie schrie überrascht auf. Dann brach sie in die Knie ein. "Es ist gut, Mamo-chan! Es ist gut! Ich werde ihn nicht angreifen! Ich gebe auf! Aber nimm das Kunai weg!"

Langsam zog ich die Klinge heraus. "Ich bin froh, dass du dein Leben nicht wegwirfst, Uzuki-sensei." Ich machte zwei Schritte auf sie zu, ging auf die Knie und schloss sie in die Arme.

Die ANBU erwiderte die Umarmung. Ein paar einsame Tränen flossen ihre Wangen herab. "Du bist ein ekelhaftes Untier, Mamo-chan", tadelte sie mich mit tränenschwangerer Stimme. "Ich hätte ihn töten können. Ich hätte Gekko rächen können."

"Ja, ich weiß. Aber ein ANBU Konohas darf es nicht tun."
 

Baki räusperte sich. "Ich... Ich entschuldige mich in aller Form für euren Verlust. Was diese Szene hier angeht, so werde ich kein weiteres Wort darüber verlieren und..."

"Natürlich wirst du kein weiteres Wort darüber verlieren. Tote sprechen eher selten", erwiderte ich.

Baki sah mich erstaunt an. "Was? Aber..."

"Uzuki-sensei, ein ANBU darf diesen Mann nicht töten. Aber ein kleiner Chunin ist kein großer Verlust für Konoha", sagte ich und löste mich aus ihrer Umarmung.

"Was? Mamo-chan! NICHT!"

Mit Step verschwand ich aus ihrer Nähe, raste direkt auf den überraschten Suna-Nin zu. Meine geballte Rechte, geladen mit meiner ganzen Wut, landete in seinem Bauch, traf ihn mit einer Aufwärtsbewegung und ließ ihn um meine Faust zusammenklappen wie ein Klappmesser. Als ich die Bewegung beendete, oberhalb meines Kopfes, wurde Baki davon geschleudert. Mehrere Meter entfernt fiel er schwer zu Boden, stieß einen halb erstickten Schrei aus und schnappte ächzend nach Luft. Doch das reichte mir nicht. Ich eilte per Step erneut zu ihn, stand drohend über ihn gebeugt. Er sah auf, in meine Augen, und er fand dort sicherlich keine Gnade. "Der war für Uzuki-sensei. Der nächste ist für Hana-chan", sagte ich ernst. Diesmal trat ich ihn in die Seite. Wieder wurde er davon gewirbelt. Ich hatte ihn, und das wusste er. Keine Konzentration für sein Jutsu, mit dem er Sensei getötet hatte, keine Zeit und keine Kraft, um der Benommenheit zu entkommen, um ein anderes Jutsu zu bereiten oder sich auch nur zu wehren. Wieder setzte ich mit Step nach. "Das ist für Karin", sagte ich und schlug ihm noch einmal in den Bauch. Kehle, Schläfen und andere verletzliche, potentiell tödliche Positionen vermied ich. Noch.

Ich zerrte Baki auf die Beine, hielt ihn mit links am Kragen. "Und das ist für Hayate-sensei!", rief ich und schlug ihm mit einer rechten Geraden auf den Unterkiefer. Irgend etwas brach mit hässlichem Knacken. Es entsetzte mich für einen bangen Moment, meine Wut wollte zurückfließen, aber ich begehrte auf. Noch nicht. Noch lange nicht. Ich riss ihn mit links wieder hoch, hob ihn an, bis er über mir in meinen Griff hing. "Und das ist für mich", grollte ich, und holte weit aus. Mein Chakra verhärtete meine Hand, und meine Fuuton-Gabe umgab die Faust mit einer feurigen Aureole. Dann ließ ich meine Faust vorzucken, auf seinen Solar Plexus. Dieser Schlag würde ihn töten.
 

"GENUG!", rief eine Stimme über die Sportstätte hinweg, die ich zum Schlachtfeld gemacht hatte.

Meine Faust raste auf Baki zu, doch eine Wand aus Sand baute sich mit atemberaubender Geschwindigkeit vor mir auf. Meine Faust drang ein, tief, sehr tief. Mein Chakra riss an der Struktur des Hindernis, und fast war ich dabei, den Sand zu durchdringen, als ich erneut die Stimme hörte. "Genug, Morikubo! Merkst du nicht, dass er sich gar nicht wehrt?"

Verblüfft zog ich die Rechte zurück und ließ seinen Kragen los. Baki fiel zu Boden, wurde aber vom Sand aufgefangen und sanft zu Boden gebettet. Er hustete und atmete schwer, und wenn ich mich nicht irrte, spuckte er dabei Blut.

Ein Suna-Shinobi, den ich nicht kannte, ein mittelgroßer Kerl mit roter Gesichtsbemalung, kam mit Step herbei und ging neben dem Mann auf die Knie. "Baki, kannst du mich hören? Baki?" Er wandte sich halb um und winkte ein paar Shinobi herbei. Sie mussten Medi-Nin sein.

Und neben den Medi-Nin standen eine junge blonde Frau, und... Der Godaime Kazekage.

Vor meinen Füßen rauschte der Sand mit irrsinniger Geschwindigkeit wieder zu ihm zurück und verschwand im Gefäß auf seinem Rücken. Er sah mich an. Sein Blick war stechend und sehr ernst. "Bist du jetzt zufrieden, Mamoru Morikubo? Er hat nicht einen deiner Angriffe abgewehrt, hast du das nicht gemerkt?"

Verwirrt sah ich den Kazekage und dann meine Hände an. Ich hatte angenommen einfach schneller als er zu sein. Ihn zu hart erwischt zu haben, um zu reagieren. Was, wenn er akzeptiert hatte, was ich ihm antun wollte? Ich sah zu ihm herüber. Die Medi-Nin nahmen eine erste Behandlung vor, und wieder hustete der Mann Blut. Aber er konnte sich wieder aufrichten. "Was für ein Monster, dieser Bengel!", schimpfte Baki in Richtung des Schwarzgewandten. Seltsamerweise machte mich das sehr zufrieden. Ich trat beiseite, weg von Baki, dem Schwarzgewandten und den Medi-Nin. Langsam ging ich auf den Kazekage und seine blonde Begleiterin zu. "Kazekage-sama, ich bin mir der Konsequenzen bewusst. Ich werde sie tragen."

Neben mir kam Asuma aus dem Step, direkt neben Uzuki-sensei, die gerade erst wieder aufgestanden war. Himmel, war das alles so schnell gegangen, dass nicht mal die ANBU hatte reagieren können? Oder hatte sie mir zugesehen? Ihr entsetzter Blick irritierte mich. Es hätte doch in ihrem Sinne sein sollen.

"Mamo-chan, du großer Dummkopf!", rief sie wütend herüber. "Denkst du denn, es ist besser, wenn du ihn tötest? Wenn du bestraft wirst, kann ich Gekko erst recht nicht mehr unter die Augen treten!"

Ach ja, an diese Option hatte ich in meinem Zorn gar nicht gedacht. Ich schluckte trocken. Ganz toll, Morikubo, grandios. Super Leistung.

"Mir scheint, du hast an diese mögliche Entwicklung überhaupt nicht gedacht", sagte der Kazekage zufrieden. "Aber du scheinst wenigstens lernfähig zu sein. Kankurou, kommst du, oder begleitest du Baki ins Krankenhaus?"

"Ich begleite ihn. Es ist besser, wenn ich die nächsten Stunden nicht in der Nähe dieses Konoha-Idioten bin!", grollte der Schwarzgewandte mit den roten Gesichtszeichen herüber.

"Das ist mein Bruder Kankurou", erklärte der Kazekage. Er nickte in Richtung seiner Begleiterin. "Dies ist meine Schwester Temari."

"Temari?", fragte ich erstaunt.

"Ich bin auch nicht besonders glücklich darüber, was du mit Baki gemacht hast", knurrte sie. "Aber ich..."

"Ich soll dich von meinem Cousin grüßen. Shikamaru", sagte ich.

"Shikamaru? Er ist dein Cousin?" Ich konnte ihren Blick nicht definieren, aber beide Worte schienen zu meinen Gunsten auszusagen. Die Frau öffnete ihre geballten Hände. "Oh. Danke."

"Keine Ursache. Kazekage-sama, was die Konsequenzen angeht, so..."

"Welche Konsequenzen?", fragte der Kazekage.

Erstaunt sah ich ihn an. "Was?"

"Ich sagte: Welche Konsequenzen? So wie ich das sehe, haben Baki und du ein wenig trainiert, und dabei hast du deine jugendlichen Kräfte überschätzt, und warst etwas zu ruppig mit dem alten Mann."

"Hahahahaha", machte der Jounin, als er auf einer Trage an uns vorbei getragen wurde.

"Es gibt also keinen Grund für eine Strafe egal welcher Art. Sofern es das gewesen ist mit Angriffen auf meine Shinobi. Wir haben Konoha für die Toten kompensiert."

Seine Worte verblüfften mich. Ich sah ihn verdutzt an, erforschte meine Gefühle, und erkannte, dass er Recht hatte. Es würde keinen Angriff mehr geben. Ich hatte Uzuki-sensei aufgehalten. Ich hatte den Mann verprügelt, der meinen Sensei getötet hatte, obwohl unsere Dörfer Verbündete waren. Und er hatte meinen Sensei gelobt. Ein Kompliment von einem Feind zählte tausendmal mehr als das eines Freundes, weil ein Feind keinen Grund hatte, Komplimente zu verschenken.

"Nein, es wird keine Angriffe mehr geben", sagte ich.

"Gut. Dann sehen wir uns in zehn Minuten bei mir zum Essen, Mamoru Morikubo. Ich bin sehr gespannt, Neues über meinen Freund Naruto zu hören. Du bist ihm vor kurzem begegnet, wurde mir gesagt."

Ja, die Geschichte mit Harusame. "Es gibt einiges zu erzählen."

"Gut. Ich freue mich." Der Kazekage wandte sich ab. "Mein Name ist Gaara. Merke ihn dir, Mamoru."

Ich stieß einen Laut der Überraschung aus, den Temari mit einem spöttischen Lächeln quittierte.

"Ja, Gaara-sama."

"In zehn Minuten", fügte er hinzu und ging. Temari wandte sich um und folgte ihm.

Asuma und Uzuki-sensei traten zu mir. Zehn Minuten waren eine verdammt kurze Zeit, um Lokke-sama zu erklären, was genau seine Gäste getrieben hatten. Und er würde nicht erfreut sein. Jedenfalls nicht allzu sehr.

Schneidender Wind 3

3.

Die Aufregung hielt sich in Grenzen. Wenn man vielleicht davon absah, dass das Gros der Aufregung in Uzuki-senseis Richtung ging. Ausgerechnet Guy-sensei hielt ihr eine Moralpredigt, die sich gewaschen hatte. Dafür brauchte er genau zwei Minuten, und die junge ANBU war geknickt wie ein Schilfrohr im Wind.

"Und das Allerschlimmste", schloss Guy seine Rede, "ist, dass du das auch noch allein machen wolltest! Wir sind Konoha-Shinobi! Wir lassen Kameraden nie im Stich!"

Erstaunt sah die junge Frau auf. "Du meinst, Ihr wärt..."

Das Lächeln der Jounin irritierte sie nicht nur ein wenig. "Ihr hättet tatsächlich für mich... Für meine Rache..."

"Sagen wir einfach, wir hätten dich nicht zurückgelassen", betonte Guy.

Kakashi sah zu mir herüber. "Mamo-chan, das bleibt unter uns Jounin. Kein Wort zu den Genin, und erst Recht kein Wort zu..."

"Ja, ja, ich weiß, zum Kazekage und seinen Leuten."

"...zu Tsunade-sama, wollte ich sagen."

"Oh, an die Variante habe ich gar nicht gedacht."

"Wir müssen los", sagte Kurenai-sensei. "Nur noch zwei Minuten. Unsere Genin warten bereits unten."

"Dann sollten wir uns beeilen", schloss Asuma. Die Jounin Konohas wechselten einen letzten Blick, der die Entschlossenheit und Gemeinschaft betonte, für die sie lebten und kämpften. Selten war ich stolzer darauf gewesen, ein Teil dieser Einheit zu sein. Was konnte es für einen größeren Freundschaftsbeweis geben als das dir jemand sogar in einen offensichtlichen Fehler folgte, um dir den Rücken frei zu halten?

Als Uzuki-sensei an mir vorbei kam, legte sie mir eine Hand auf die Schulter. "Mamo-chan, danke. Danke für alles. Du..."

Ihre Worte ließen einen dicken Kloß in meinem Hals entstehen. "Uzuki-sensei..."

Übergangslos fand ich mich in einem Schwitzkasten wieder. Sie nutzte ihre freie Rechte, um mit den Knöcheln auf meiner rechten Schläfe herum zu reiben. "Wehe, ich erwische dich noch mal dabei, wie du absichtlich dein Leben wegwerfen willst, hast du das verstanden?"

"Ich tu's nie wieder, versprochen! Autsch!"

Sie ließ mich wieder fahren. "Das will ich auch hoffen, Mamo-chan. Ich hätte nie wieder an Gekkos Grab kommen können, wenn ich dich wegen meiner Dummheit verloren hätte, Mamo-chan."

Na toll, der Kloß im Hals war zurück, mit Verstärkung.

"Gut. Nachdem das geklärt ist, müssen wir los. Nur noch eine Minute", sagte Asuma, und fackelte nicht lange. Er schob uns beide ohne sichtbare Kraftanstrengung aus dem Zimmer.
 

Gerade zur letzten Sekunde erreichten wir die Privatwohnung des Kazekage. Gaara erwartete uns persönlich, flankiert von seinem Bruder und seiner Schwester. Kankurou warf mir einen giftigen Blick zu, den ich ihm nicht einmal verdenken konnte. Seine Schwester Temari schien mehr interessiert als wütend. Wahrscheinlich, weil ich Shikamarus älterer Cousin war.

"Willkommen", sagte der Kazekage. "Bis zum Essen haben wir noch Zeit. Ich würde die Zeit gerne nutzen, um mit einigen meiner Gäste ein paar Informationen auszutauschen. Kurenai-tono, Guy-tono und ihre Gruppen bitte ich, mit meiner Schwester Temari bereits zu Tisch zu gehen. Sie kann euch einiges über die Gruppen der anderen Dörfer erzählen, die zum Chunin-Examen bereits eingetroffen sind. Natürlich verraten wir nichts über unsere eigenen Genin."

Leises Gelächter antwortete dem Kazekage.

"Sarutobi-tono, Hatake-tono, Uzuki-tono, Mamoru, bitte folgt mir und meinem Bruder Kankurou in mein Büro."

Zu meiner allergrößten Verwunderung gehörte ich zur Gruppe, die von Gaara separat eingeladen worden war. Aber ich konnte ja nicht ahnen, was hinter dieser Einladung wirklich steckte, was die nächsten Tage und Wochen auf uns zukommen würde.
 

Sein Büro entpuppte sich als gut möblierter Arbeitsraum mit einer großzügigen Eckcouch und vielen weiteren Sitzgelegenheiten. Gaara nahm auf einem Zweiersofa Platz, Kankurou postierte sich hinter ihm. Uns dirigierte er auf die Couchecke. Sein Blick ging von einem zum anderen. Schließlich seufzte er. "Ich bitte Bakis Abwesenheit zu entschuldigen. Er hatte einen... Kleinen Trainingsunfall."

Ich konnte nicht anders, ich musste nervös lächeln. Immerhin war ich dieser Trainingsunfall.

"Das schränkt uns ein wenig ein, weil er euch ursprünglich begleiten sollte. Diese Aufgabe übernimmt nun mein Bruder Kankurou. Ich würde selbst mitkommen, aber die ersten zwei Phasen des Chunin-Examens bedürfen meiner Anwesenheit. Wir befürchten eine Infiltration durch Orochimaru. Unter anderem."

Irritiert sah ich von einem Jounin Konohas zu anderen. Was wurde hier gespielt? Und wenn etwas gespielt wurde, warum hatte man mir nichts davon gesagt, obwohl ich offensichtlich eine Rolle spielen sollte?

"Wenn die Mission so verläuft wie wir es geplant haben, sind wir in einer Woche wieder hier", versprach Kakashi. "Und wir wissen die Hilfe von Kankurou-kun zu schätzen."

Ich fühlte mich, als hätte mich jemand auf glühende Kohlen gesetzt. Okay, was für eine Geschichte hätte ich hier um ein Haar versaut? Es ging in jedem Fall um eine große Kooperation von Suna und Konoha, das stand fest. Wobei groß nichts mit der Zahl der involvierten Shinobi zu tun hatte, dafür aber mit der Qualität. Was hier neben mir saß, gehörte zu den stärksten Jounin Konohas. Spontan schätzte ich Kankurou auf den gleichen Level wie sie.

"Eine Woche, zwei, das ist egal. Aber wir können es nicht mehr vertuschen, wenn Ihr zum Finale nicht in Sunagakure seid", sagte Gaara ernst und sah erneut in die Runde. "Andererseits gab es keine bessere Gelegenheit als diese, um fünf der besten Ninjas Konohas unauffällig in unser Land einzuschleusen."

Langsam hob ich die Rechte.

"Ja, Mamoru?"

"Gaara-sama, ich möchte nicht unhöflich erscheinen, aber worum geht es hier?"

"Um den Mordauftrag, natürlich."

Ich riss die Augen auf. Natürlich, so etwas gehörte ebenso zu den Pflichten eines Ninjas wie eine Eskortmission oder ein geschickter Diebstahl. Mein Kopf ruckte zu meinen Senseis herüber. "Mordauftrag?"

Übergangslos begannen sie unisono zu grinsen. Gut, bei Kakashi vermutete ich es nur. "Mamo-chan", sagte Kakashi, "du bist nur ein Chunin und erfüllst nicht die Sicherheitskriterien. Deshalb haben wir damit gewartet, dich zu informieren, bis wie beim Kazekage sind."

"Wir sind beim Kazekage. Also?"

Der Kazekage räusperte sich leise. "Nun gut, dann werde ich etwas weiter ausholen. Mamoru, ich habe gehört, du hast Otogakure vernichtet. Warst du auch beim gemeinsamen Angriff von Oto und Suna in der Stadt?"

"Nicht in der Stadt. Aber ich habe an der Mauer mitgekämpft, Gaara-sama."

"Gut. Wie du vielleicht weißt, begann die Attacke auf Betreiben Orochimarus, der damals das Ninja-Dorf Otogakure beherrschte. Normalerweise ist es nicht im Sinne einer der fünf großen Nationen, dass sie ihr Ninja-Dorf verliert, weil das entstehende Machtvakuum das Umland in Chaos reißt. Du weißt, dass die militärische Stärke eines Landes zu einem großen Teil von seinen Shinobi abhängt. Wäre Konohagakure vernichtet worden, wäre das Reich des Feuers geschwächt worden. Entscheidend geschwächt worden. Daraufhin hätten die Nachbarn vor der Wahl gestanden, entweder unterstützend einzugreifen, alte Bündnisse zu befolgen - oder schneller zu sein als die anderen im Versuch, möglichst viel Territorium aus dem Land heraus zu reißen, bevor es die anderen können."

Ich nickte stumm. Ähnliches war mir auch durch den Kopf gegangen. Es war einer der Gründe dafür, dass Konoha direkt nach den Kämpfen Stärke hatte demonstrieren müssen. Und der Hauptgrund dafür, dass ich mit zweihundert Genin und einer Handvoll Chunin Otogakure angegriffen hatte.

"Der Drahtzieher hinter den Bestrebungen von Oto ist eindeutig: Orochimaru, dem das Versteckte Dorf de facto gehörte. Im Land des Windes sieht es schon ein wenig anders aus. In unseren stabilen, geordneten Strukturen wäre es dem Kazekage, meinem Vater, schwer gefallen, im Alleingang Konoha anzugreifen. Selbst wenn er gesiegt hätte, so gibt es noch genügend dem Land des Feuers freundlich gesinnte Beamte und Lords, unter ihnen der Daimyo selbst. Tatsächlich war der Angriff auf Konoha kein Wunschprojekt der Shinobi. Es wurde uns befohlen. Damals war mir das natürlich reichlich egal, aber heutzutage kann ich mir den Luxus nicht mehr erlauben, nicht hinter die Kulissen zu blicken." Gaara machte eine Atempause. "Die Anti-Konoha-Strömung, die mit Orochimaru paktiert und den Angriff gegen den Willen Sunagakures durchgesetzt hat, trug nach Sunas Niederlage große Schäden davon. Sie wurde geschwächt, und ihr Einfluss am Hof des Daimyos schrumpfte auf null. Zumindest bis heute."

Ich erinnerte mich sehr genau, wie schnell die Kapitulation Sunas akzeptiert worden war. Nicht nur, um den Rücken frei zu bekommen. Nein, Konoha hatte selbst keine Freude daran gehabt, gegen den alten Verbündeten und Partner zu kämpfen. Ich selbst hätte keine Freude daran gehabt, mit Tooma oder Lian kämpfen zu müssen. Und langsam begann ich zu ahnen, wie der Hase lief.

"Leider", fuhr Gaara fort, "hat die Politik es versäumt, mit dieser politischen Richtung und ihren Anhängern aufzuräumen. Sie mussten aus der Tagespolitik weichen, und das befand man als genug. Das erweist sich jetzt als fataler Fehler, denn die Anti-Konoha-Strömung gewinnt neue Fahrt, neue Kraft. Sie baut mit Hilfe ehemaliger Oto-Shinobi eine militärische Macht auf, die höchstwahrscheinlich gegen das Land der Winde gerichtet sein wird. Ein Putsch, Mamoru. Leider wissen wir nichts genaues, und ohne offizielle Anklage und ohne Einsatzbefehl oder einen Auftrag können wir nicht gegen sie vorgehen. Es sind noch immer einflussreiche Menschen von Rang in ihren Reihen."

"Ich verstehe", murmelte ich. Politik war mir schon immer suspekt gewesen.

Gaara stützte sein Kinn auf beiden Händen ab, die Ellenbögen auf den Knien. "Aber Konoha kann etwas unternehmen."

Irgendwie gefiel mir nicht, in welche Richtung das ging. Und dann wieder doch.

"Fakt ist, dass sich Suna bedingungslos ergeben hat, nachdem es eine vernichtende Niederlage gegen Konoha erlitten hat. Die Anti-Konoha-Strömung hat dies jedoch nie getan. Oder anders ausgedrückt, es wird toleriert, wenn Konoha wegen des Überfalls gegen die Anti-Konoha-Koalition vorgeht. Der Daimyo selbst hat zugestimmt, die Angelegenheit als Konoha-internen Polizeieinsatz zu betrachten und agieren zu lassen. Bedingung ist, dass von dieser Aktion nichts an die Öffentlichkeit dringt; dass die Offensivfähigkeiten der Gruppe vernichtet werden; und das die Anti-Konoha-Fraktion anschließend zerschlagen ist.

Die Godaime Hokage, Tsunade-sama, hat dem zugestimmt. Als Möglichkeit eine entsprechende Streitmacht nach Suna einzuschleusen wurde dann das Chunin-Examen gewählt."

Ich nickte. "Gut, das habe ich verstanden. Also sollen wir fünf die Anti-Konoha-Fraktion angreifen und aufreiben, und wenn es geht, dabei die Oto-Nin in ihren Reihen ausschalten. Kankurou-san wird uns dabei unterstützen, und Kurenai-sensei wird mit ihren überragenden Genjutsu-Fähigkeiten unsere Anwesenheit vorgaukeln."

"Yuuhi!", klang ihre mahnende Stimme auf. "Wie oft muss ich dir das noch sagen, Mamo-chan?"

"Yuuhi-sensei", korrigierte ich.

Gaara nahm den kurzen Disput unkommentiert hin. "Richtig. Ihr startet noch vor der ersten Prüfung und verlasst die Stadt. Uns liegen Informationen darüber vor, wo sich die Anti-Konoha-Fraktion sammelt. Sie muss aufgehalten werden, oder das Land der Winde wird sich mit einer offenen Revolte, einem Putsch oder im schlimmsten Fall mit einem Bürgerkrieg auseinandersetzen müssen. Dieser würde auch Suna zerreißen. Und das hätte eventuell die gleichen Folgen für unser Land, wie der Konoha-Krieg für das Reich des Feuers. Der einzige Unterschied wäre, dass es für uns schlimmer kommen würde, weil bei uns Shinobi und Politik bereits angeschlagen wären."

Nachdenklich musterte Gaara uns einen nach dem anderen. "Copy Ninja Hatake. Wächter Sarutobi. Grünes Biest Konohas Might Guy. ANBU Uzuki. Und ewiger Chunin Morikubi. Mit euch Puppenmeister Kankurou. Ihr seid die Streitmacht, die dieses Land retten soll. Und ich gebe ehrlich zu, solange Narutos Sensei dabei ist, glaube ich, weiß ich, dass Ihr es schaffen werdet."

Erneut hob ich die Hand.

"Ja, Mamoru?"

"Gaara-sama, wird Kankurou-san ebenfalls kämpfen, oder ist seine Aufgabe die des Ortskundigen und Beraters?"

"Kankurou hat natürlich das Recht, sich jederzeit zu verteidigen. Als Bruder des bei der Anti-Konoha-Fraktion verhassten Kazekage wird er mit Sicherheit angegriffen werden."

Kankurou lachte spöttisch. Irgendwie macht mir das den Mann sympathisch.

"Ich denke, das ist alles, was ich euch mitteilen kann. Kankurou wird euch auf der Reise im Detail briefen, also die Stärke des Gegners, Zahl und Art seiner Streitkräfte, und so weiter unterbreiten. Was uns angeht, so sollten wir jetzt zum Essen gehen, bevor unserem Zusammensein mehr Wert beigemessen wird als gut für die Mission ist. Ach, bevor ich es vergesse, Kurenai-sensei wird für den Zeitraum eurer Abwesenheit Kage Bunshin erschaffen, die euch vertreten werden."

"Kazekage-sama, Tsunade-sama lässt euch durch mich mitteilen", sagte Asuma ernst, "dass wir die Chance, mit den Drahtziehern des unprovozierten Angriffs auf Konoha konfrontiert zu werden, sehr zu schätzen wissen, nachdem es uns schon gelungen ist, Otogakure abzustrafen."

"Sunagakure ist dankbar für die Chance, diesen Streit nicht in einen Bürgerkrieg ausufern zu lassen, in dem Suna-Nin eingesetzt werden müssen, vielleicht gegeneinander. Mich beschäftigt nur eine Frage: Wird Konoha wieder so endgültig mit seinen Gegnern umgehen wie in Otogakure?"

"Oh, frag das nicht mich, Gaara, frag das ihn", sagte Asuma und deutete auf mich.

"Ich? Hör mal, ich habe keine Chakra-Bombe unter dem Ort versteckt!", sagte ich empört. "Gut, vielleicht habe ich sie ausgelöst."

Gaara lächelte dünnlippig. "Ich habe nicht gesagt, dass ich dagegen bin, wie du mit Otogakure umgesprungen bist, Mamoru."

"Vielleicht sollten wir jetzt wirklich essen gehen", murrte ich. "Das waren ein paar Informationen zu viel mittlerweile."

Die Jounin lachten und stimmten mir zu. Gemeinsam verließen wir Gaaras Büro.
 

Ich wandte mich noch einmal um. "Gaara-sama, wir können sicher sein, dass unser Plan bisher nicht an den Feind durchgesickert ist?"

"Man kümmert sich darum, dass dies nicht passiert", erwiderte der Kazekage einsilbig. Mit diesen Worten ließ er mich stehen. So blieb mir nichts anderes übrig, als ihm und den anderen zum Essen zu folgen.

Kankurou wartete, bis ich zu ihm aufgeschlossen hatte. Dann raunte er mir zu. "Waffenstillstand, Konoha. Aber sobald die Mission durch ist, unterhalten wir zwei uns mal über das, was du mit Baki angestellt hast."

Ich schnaubte amüsiert. "Gerne. Ich stehe zu meiner Verantwortung, Kankurou-san." Es schien, als hätte ich mir hier nicht gerade einen Freund geschaffen.

***

Im Büro des Kazekages herrschte die Stille der Betriebslosigkeit. Der Raum war leer, verlassen. Nun, fast. An der Decke wackelte die Holzvertäfelung, dann wurde ein Segment entfernt. Zwei dunkle Schatten huschten herab. Es entsponn sich ein geflüsterter Dialog. "Wir müssen das sofort Senjiro-sama weiter melden!", sagte der Erste.

"Unsinn. Es sind nur fünf Shinobi. Sie stellen keine Gefahr für unsere Operation dar", meinte der Zweite.

"Du siehst das falsch! Der eine war Copy Ninja Kakashi! Man sagt, sein Sharingan hat ihm zum Meister über eintausend Ninja-Künste gemacht. Es gibt kaum einen gefährlicheren Shinobi in Konoha. Dann Asuma Sarutobi, der Sohn des Sandaime Hokage! Er ist bekannt dafür, dass er Hundertschaften alleine ausschaltet und starke Shinobi zum Frühstück verspeist. Dazu Might Guy, das grüne Biest! Für dich ist er vielleicht nur ein Mann mit lächerlicher Frisur und lächerlichem Anzug, aber er erreicht alleine mit Körperkraft Zerstörungskräfte, die andere mit Ninjutsu nicht erreichen! Über die Frau weiß ich nichts, aber wenn sie eine ANBU ist, dann ist sie eine der besten Attentäterinnen Konohas! Und der Junge, das ist der, der Otogakure im Alleingang vernichtet hat!"

"Ja, weil er eine Bombe ausgelöst hat, der Idiot!"

"Der Idiot bist du! Er hat einen Kontrakt mit dem Affenclan!"

"Das wusste ich nicht", sagte der Zweite beeindruckt. "Wir sollten dann wirklich keine Zeit verlieren."

"Wir verschwinden sofort wie... Was ist das?" Der Erste deutete auf eine Gestalt, die an der Wand saß.

"Das ist eine der Kampfpuppen von Kankurou. Wir sollten sie mitnehmen und studieren. Vielleicht können wir..."

"NICHT ANFA...!" Die Warnung kam zu spät. Kaum hatte der Zweite die Puppe berührt, schossen haarfeine Nadeln hervor und trafen die beiden fremden Shinobi. "Du Idioooooo...", hauchte der Erste, und war betäubt, bevor er auf dem Boden aufschlug.

Gleichzeitig ging ein stiller Alarm zur Wache des Kazekage, um sie zu informieren, dass Spione im Privatbüro abzuholen waren. Wieder einmal. Egal, wie gut die Shinobi waren, egal wie weit sie kamen, egal, wie viele Wachen sie überwanden, keiner konnte der Chance widerstehen, Kankurous Puppen zu untersuchen.

***

Das Abendessen war eine nette Plänkelei gewesen. Wieder mal ein Essen, eben, wieder mal mit einem Kage, der zudem auch noch in meinen kleinen Kumpel Naruto geradezu vernarrt war. Ich musste ihm jede Kleinigkeit von meiner Mission in Gentas Dorf erzählen, vor allem alles, was Naruto betraf, außerdem quetschte Gaara auch noch Kiba.kun und Shino-kun um jedes weitere Detail aus. Mit Hinata hatte er allerdings nur eine leise, kurze Unterhaltung, die schließlich darin endete, dass Hinata deprimiert zu Boden sah, und Gaara ihr aufmunternd auf die Schulter klopfte und dabei sagte: "Das ist eben Naruto."

Ich konnte mir da ein Grinsen nicht verkneifen, weil ich ziemlich genau wusste, worum es gegangen war. Naruto war in Liebesdingen noch schlimmer als ich in meinen besten Zeiten.

Zwischendurch nahm mich Temari in Beschlag und fragte mich über den Nara-Clan aus, und im Speziellen über meinen Cousin Shikamaru. Ich erzählte, was die Geheimhaltungsvorschriften Konohas zuließen, und im Gegenzug erzählte sie mir von den Gelegenheiten, bei denen sie Shikamaru getroffen hatte. Damals in der Arena, als sie durch sein Schatten-Jutsu verloren hatte - und der Trottel einfach aufgegeben hatte.

Das hatte sich bei der Entführung des kleinen Uchihas wieder ausgeglichen, als sie zusammen mit Gaara und Kankurou zur Rettung des fünfköpfigen Konoha-Teams geeilt gekommen war, für den Kampf gegen die Leibwache Orochimarus.

Ich konnte mir nicht helfen, aber irgendwie spürte ich eine unterschwellige Rivalität, die sie für Shikamaru empfand. Und in dieser Rivalität verbarg sich ein erhebliches Maß an Interesse. Als Schwester des regierenden Kazekage aber würde sie Suna nie den Rücken zukehren, soviel war sicher. Interesse hin oder her. Und mein Cousin war der Erbe des Nara-Clans. Es war auch eher unwahrscheinlich, dass er Konoha verließ. Egal für wen. Es machte mich schon ein wenig traurig, als ich erkannte, dass das Interesse, das Temari für meinen Cousin empfand, ebenso für den Müll war, wie Shikamarus Interesse an ihr. Die einzige Möglichkeit für sie, zusammenzukommen, wenn das Interesse tatsächlich einmal so stark sein sollte, wäre wohl die Zerstörung einer der beiden Städte, nach der die andere Stadt die Überlebenden aufnahm.

Das war nichts neues. Es kam nicht sehr oft, aber auch nicht selten vor, dass eines der kleineren Shinobi-Dörfer vernichtet wurde, und die Überlebenden anschließend bei einem Verbündeten Unterschlupf fanden. Oder in alle Winde zerstreut wurden. So war es mit Oto geschehen, beispielsweise. Viele der Shinobi, die wir gefangen genommen hatten, und die weder exekutiert noch zu Haftstrafen verurteilt worden waren, hatten ihr Glück in anderen Versteckten Dörfern versucht, einige waren sogar in Konoha geblieben. Aber lohnte es sich, um heraus zu finden, ob zwischen den beiden mehr als Interesse war, Sunagakure oder Konohagakure zu vernichten?

Eine interessante Frage. Also, das mit dem Interesse, nicht die mit der Vernichtung einer der beiden Städte.

Wir aßen gut und reichlich, und die Älteren sprachen Sake oder Bier zu. Die Genin blieben bei Saft. Alleine schon weil am nächsten Tag die Prüfung beginnen würde.

Alles in allem verbrachten wir einen netten Abend in freundlicher, entspannter Atmosphäre in sympathischer Gesellschaft.
 

Am nächsten Morgen nahm Asuka nach dem Aufstehen den Hausherrn beiseite und informierte ihn darüber, das wir aufgrund einer Mission eine längere Zeit nicht da sein würden, und dass Kurenai-sensei mittels Kage Bunshin unsere Anwesenheit simulieren würde.

Das Gleiche erzählten wir dann den Genin und den wichtigsten Hausbewohnern. Lokke-sama verpflichtete sie zum absoluten Stillschweigen, und das hatte Gewicht.

"Sollte ich nicht besser mitkommen?", fragte Rock Lee mit ernster Miene. "Ein zweiter Taijutsu-Kämpfer könnte von großem Wert sein! Vor allem wo die Mission so wichtig ist!"

"Lee!", rief Guy-sensei ergriffen. "Diese Entschlossenheit, dieser Mut! Der nie enden wollende Enthusiasmus der Jugend! Ich bin ergriffen!"

"Sensei!"

"Lee, wir wissen deinen Vorschlag zu schätzen, aber du hast dabei eines übersehen!", tadelte Guy seinen Schüler. "Du hast deine eigene Mission zu bewältigen! Und die lautet, ein Chunin zu werden!"

"Jawohl, Guy-sensei! Ich werde dich nicht enttäuschen!", rief der Junge, Tränen in den Augen.

"Das ist mein Schüler", sagte der Jounin, selbst den Tränen nahe.

"Guy, wir müssen los", mahnte Kakashi.

Guy nickte schwer. "Ja. Es wird Zeit."

Wir verabschiedeten uns von den Genin und von unseren Gastgebern.

"Es dauert höchstens eine Woche", versprach ich ihnen, ohne ein Detail der Mission zu verraten.

"Na, das will ich auch schwer hoffen", sagte Lian schmollend. Sie sah mich nicht mal an.

"Gib darauf nichts, Mamo-chan", sagte Tooma und klopfte mir auf die Schulter. "Sie versucht nur ihren Abschiedsschmerz zu überspielen."

"Ooooh! Tooma, du bist so unmöglich!", beschwerte sie sich ärgerlich.

"Und trotzdem willst du mich heiraten." Der Puppenmeister lächelte sie an.

"Ich kann dir einfach nicht böse sein", hauchte sie.

Lokke-sama winkte Keema heran. Lians Mutter zeigte lächelnd zum Treppenhaus. "Bitte folgt mir. Wir haben einen Geheimgang, der euch ungesehen zu Kankurou-sama auf den Wall bringen wird."

"Danke. Bitte gehe uns voraus, Keema-sama." Kakashi nickte uns zu. Wir erwiderten das Nicken und erschufen Trugbilder, die aus uns äußerlich Suna-Ninjas machten.

Kurenai-sensei erschuf vier Schattenklone, die sich kurz darauf in spöttische Ebenbilder der drei Jounin und mir verwandelten. "Passt auf euch auf", sagte sie, "und kommt alle in einem Stück zurück."

Ich wollte etwas sagen, aber Asuma war schneller. "Falls du den alten Witz mit der Frage nach welchem Stück bringen willst, Mamoru, dann bist du ein kleines bisschen spät dran."

"Menno."

Asuma lachte lauthals. "Ich kenne doch meine Pappenheimer. Los, verschwinden wir."

Nach einem letzten Winken in die Runde folgten optisch gesehen vier Suna-Genin mit Allerweltsgesichtern Keema in den Keller, und dort in den geheimen Gang, der uns bis auf den Außenwall brachte, noch jenseits der Wachtposten.
 

Kankurou erwartete uns bereits. "Danke, Keema-tono."

"Gern geschehen. Ich kehre dann wieder zurück. Ach, und Mamo-chan!"

"Ja, Keema-sama?"

"Sieh zu, dass du auch in einem Stück wiederkommst. Und achte besonders auf das eine Stück. Deine Freundinnen könnten sonst böse mit dir werden."

"Das... War jetzt wirklich nicht nötig, Keema-sama", sagte ich peinlich berührt.

"Du weißt doch, Mamo-chan, wer die Hitze nicht ab kann, soll nicht in die Küche gehen."

Sie lächelte noch einmal ins Rund, dann war sie wieder im Geheimgang verschwunden. Die Pforte verschmolz ohne jede Spur wieder mit dem umliegenden Gestein.

"Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren. Machen wir uns auf den Weg", sagte Kankurou. Er ging voran, und die Konoha-Jounin folgten ihm. Es versprach, eine interessante Zeit zu werden.

***

Offiziell brach Kankurou mit ein paar Genin zu einer B-Rang-Mission auf. Inoffiziell führte er uns Konoha-Shinobi über einen geheimen Pfad und an lediglich zwei Wachstationen vorbei vor die Stadt. Die Suna-Nin, die dort Dienst schoben, waren in nichts eingeweiht, aber sie waren es gewohnt, dass Kankurou-sama zu den unmöglichsten Zeiten aufbrach, und stets mit anderen Begleitern. Wir konnten bei unserem Jutsu darauf hoffen, dass auch in Suna nicht jeder Ninja den anderen kannte, gerade die Genin bildeten eine große Masse. Chunin und Jounin waren schon erheblich seltener, man konnte sich durchaus jeden einzelnen merken. Und Geheimhaltung, ja, vor den eigenen Leuten, war bei dieser Mission essentiell.

Wir passierten den Posten ohne unangenehme Fragen. Das verdankten wir wohl nicht zuletzt Kankurous mürrischem Wesen. Der Puppenmeister mit den beiden Bündeln auf dem Rücken war nicht gerade als duldsam bekannt, weshalb die Suna-Nin sich darauf beschränkten, ihn passieren zu lassen, und ihn nach Möglichkeit nicht anzusprechen.

Dieses Glück hatten die Führer der Posten natürlich nicht. Sie mussten nach Sinn und Zweck fragen - und forderten Kankurou zu einer Litanei heraus, beginnend bei der Unzeit, zu der er aufbrechen musste, dass er sich seine Begleiter buchstäblich in letzter Sekunde von der Straße hatte zusammenkratzen müssen, dass er Notfälle hasste, und das es ins Land des Feuers ging, weil Konoha um Hilfe ersucht hatte. Die Anführer der Wachtposten begnügten sich damit, nicht nur weil der Bruder des Kazekage Teil des Rates der Stadt Sunagakure war, sondern weil Kankurous Sermon nervig war. Selbst ich fühlte mich in Versuchung, ihm in den breiten Hintern zu treten, damit er mit der Litanei aufhörte. Auf der anderen Seite musste ich bewundern, wie der Schwarzgewandte geschickt ein paar Desinformationen streute, die alle Shinobi in beiden Posten hörten.
 

Als wir die Stadt hinter uns gelassen hatten, suchte ich seine Nähe und ging neben ihm. "Warum Konoha, warum das Land des Feuers?"

Kankorou maß mich mit einem abschätzenden Blick. Ich schätzte ihn auf mein Alter, obwohl er dank der weißen Schminke und den violetten Akzenten wie Ende zwanzig wirkte. "Eine gute Lüge hat immer einen Kern aus Wahrheit, Morikubo-kun", erwiderte er. "Ich habe bei dieser Mission eine starke Verwurzelung mit Konoha. Indem ich das betone, brauche ich nicht zu lügen, so wie ich bei beiden Posten mit keinem Wort gelogen habe. Ich war nur... etwas erfinderisch."

Diese Worte entlockten mir ein Lächeln. Shinobi waren darauf trainiert, zu erkennen, ob ihr Gegenüber log oder nicht. Sie waren aber auch darauf trainiert, selbst zu lügen. Es gab kleine und kleinste Zeichen im Gesicht und in der Körpersprache des Gegenübers, die auf Lüge oder Wahrheit hinwiesen. Wir Shinobi hatten gelernt, diese Zeichen zu deuten oder sie zu übertünchen. Ich ahnte, das seine Gesichtsbemalung Teil seiner Methode war. Es war schwer, in dem kalkweißen Gesicht zu lesen, selbst wenn man nicht nach Spuren einer Lüge suchte. "Ich verstehe, Kankurou-sama."

"Du hältst dich übrigens gut, Morikubo-tono", sagte er wie beiläufig. "Von Kakashi-sempai und den anderen habe ich es nicht anders erwartet. Aber von dir heißt es, du seist ein impulsiver Hitzkopf. Es freut mich, dass du dich beherrschen konntest."

Ich runzelte die Stirn. Wer erzählte denn so einen Quatsch über mich. "Kankurou-sama, ich..."

"Es tut mir leid, was Baki mit deinem Meister getan hat", begann er unvermittelt. "Aber ich weiß, dass die beiden ein faires Duell hatten. Wir wussten damals alle nicht, wie weit Orochimaru in seinem Verrat zu gehen bereit war, und wir haben den Preis bezahlt. Er hat meinen Vater getötet, um seine Rolle einnehmen zu können. Deshalb danke ich dir für die Zerstörung von Otogakure. Es war mir eine tiefe innere Befriedigung, als ich hörte, dass das Versteckte Dorf heute ein Kratersee ist."

"Nicht, dass ich für den Teil die Verantwortung trage", erwiderte ich.

"Dafür nicht. Aber sicher dafür, die Bombe bis zum letztmöglichen Moment von der Detonation abgehalten zu haben." Nachdenklich sah er voraus, in die lichte, unendliche Wüstenei vor uns, wo es nur drei Dinge gab: Gelbes Gestein, rotes Gestein und Horizont, so weit das Auge reichte. "Du bist Shinobi, Morikubo-kun, und du weißt, was ein Auftrag ist. Baki handelte damals nach bestem Wissen und Gewissen nach dem Willen Sunagakures und des herrschenden Daimyos. Es war seine Pflicht."

Wir schwiegen einige Zeit. Dann fügte Kankurou hinzu: "Es gibt nicht viele Ninjas, die sich einer Pflicht verweigern und lieber das Richtige tun. Es war von vorne herein verkehrt, unseren besten Verbündeten anzugreifen. Wir haben einen großen Preis dafür bezahlt. Und wir sind immer noch dabei ihn zu bezahlen. Am Ende unserer Mission werden wir weiteres Blut vergossen haben, um uns von unserer Niederlage, nein, vom Angriff, reinzuwaschen. Doch es wird nie ganz gelingen. Und vielleicht dauert es auch nur so lange, wie Gaara Kazekage ist; der nächste Kazekage wird vielleicht wieder auf die Anti-Konoha-Fraktion hören."

"Außer, wir löschen sie aus", wandte ich ein.

Das Gesicht des Jounin verzog sich zu so etwas ähnlichen wie einem Lächeln. "Wir können sie niemals alle auslöschen. Es ist niemals ganz vorbei. Aber wir können sie so schwer treffen, dass sie für eine lange Zeit ihre Ränke nur in den Schatten schmieden können, in die sie zurückgeworfen gehören."

"Verstehe." Nachdenklich knetete ich meine Hände. Wir waren definitiv auf einer Terminierungsmission. Unser Ziel war es, möglichst viele, wenn nicht alle Parteigänger der Anti-Konoha-Fraktion zu töten. Ich tötete niemals gerne, aber es gehörte zu meiner Arbeit als Shinobi dazu. Ich stand unter Befehl und hatte einen Auftrag. Außerdem wollte ich mich diesem Befehl gar nicht verweigern, denn nun konnte ich, nachdem ich Orochimaru Oto weggenommen hatte, auch Rache am Land des Windes bekommen. Rachelust war keine gute Eigenschaft für einen Shinobi, das war mir klar; sie trübte den Verstand, das Urteilsvermögen, die Voraussicht. Aber wenn Baki für mich kein Ziel mehr war, wenn ich meinen Sensei an ihm nicht länger rächen konnte, dann musste es jemand anderen geben. Meine Wut auf Baki war verraucht. Was war besser, als jene zu strafen, die ihn beauftragt hatten? Es lag eine höhere Gerechtigkeit darin, denn normalerweise hielten nur wir Shinobi die Köpfe hin, eher selten unsere Auftraggeber. Diesmal war es anders. Diesmal würden wir direkt gegen die Urheber vorgehen.
 

Kankurou sah zurück, während wir weiter gingen. Sunagakure war nun schon so weit entfernt, wir konnten kaum noch die Spitze der Klippen erkennen. "Nicht mehr lange, und Ihr könnt das Jutsu auflösen", sagte Kankurou. "Wir durchqueren ein Gebiet, in dem man Montag schon sehen kann, wem man Sonntag begegnen wird. Wir brauchen also kein Chakra für ein Verwandlungs-Genjutsu verschwenden."

Das waren ein paar gute Argumente. Außer natürlich, irgendwo hier in der Wüste hatten sich ein paar Shinobi eingegraben, ausgerechnet an jener Stelle, die wir passieren würden. Nur, um anschließend von den Konoha-Jounin in Begleitung Kankurous zu berichten.

"Ich denke, wir sollten die Tarnung aufrecht erhalten", merkte ich an. "Wir können nicht ausschließen, enttarnt zu werden, weil der Zufall es so wollte."

"Oho, da ist aber jemand sehr gewissenhaft!" Eine große Hand legte sich auf meine Schulter und drückte leicht zu. Guy-sensei. In dieser einen Hand steckte genügend Kraft, um Haut, Muskeln und Knochen meiner Schulter zu einem matschigen Brei zu zerquetschen, ging es mir durch den Kopf. Guy-sensei war ein Jounin, Bestandteil einer Welt, die ich selbst nach zwei Jahren als Chunin immer noch kaum kannte. Beinahe war ich froh, dass ich zu schlecht war um selbst jemals Jounin zu werden. Ich hatte bereits gegen Jounin gekämpft, und ich hatte nicht viel Freude beim Gedanken, noch öfters gegen Jounin zu kämpfen.

"Reines Kalkül. Bei unserem Glück legen wir die Verwandlung ausgerechnet dann ab, wenn wir ein paar eingegrabene Shinobi passieren."

Guy, der für seine Suna-Transformation einen glatzköpfigen Turbanträger mit großer Nase und Knopfäuglein darstellte, lachte lauthals. "Also, da müssten wir aber wirklich viel Pech haben, Mamoru-kun!" Er hob, noch immer lachend, einen Stein auf und wog ihn in der Hand. "Meinst du nicht auch, Kakashi?"

Kakashi-sempai, der während des Marschierens in einer Novelle von Jiraiya-sama las, sah nicht einmal auf. "Das Glück ist mit den Tüchtigen, Guy, das weißt du doch."

Das erheiterte den großen Taijutsu-Meister über alle Maßen. "Mamoru-kun, wenn du Recht hättest, dann würde ich jetzt den Stein werfen und damit einen Ninja treffen, den wir gerade passieren."

Um seine Worte zu unterstreichen, holte er Schwung und warf den Stein mit aller Kraft.

Was folgte war ein erschrockenes Quieken, und dann sprang etwas geschwind aus der Wurfrichtung des Steins. Der Stein selbst dellte plötzlich die Realität ein - oder vielmehr ein mannshohes Tuch, auf dem der Horizont abgebildet war. Es knüllte sich um den Stein zusammen und flog mit ihm mehrere hundert Meter weit.

Kakashi startete zeitgleich mit mir. Uzuki-sensei reagierte als Dritte, während Guy noch ungläubig seinem Stein hinterher sah. Asuma hatte da auch reagiert und schlug einen Bogen, um den Geflohenen in die Zange zu nehmen. Kankurou tat es von der anderen Seite gleich.

Im Laufen zog ich mein Kunai, hechtete auf den Felsen, hinter dem ich den unbekannten Spion vermutete und stürzte vor. Ein weiterer quiekender Schrei empfing mich. Zentimeter vor meinem Ziel hielt mich Kakashi an meiner Weste fest und stoppte mich.

Vor mir hockte ein verängstigter Suna-Shinobi im Sand und heulte Rotz und Wasser. "Töte mich nicht, Morikubo-sama!", hörte ich die hohe, beinahe mädchenhafte Stimme flehen.

Verblüfft hielt ich inne, und Kakashi ließ mich los.

Uzuki-sensei erreichte uns, und Asuma beendete seinen Bogen. Kankurou kam von der anderen Seite. So standen wir zu fünft um den verängstigten schlanken Suna-Nin herum. Der junge Mann zitterte erbärmlich. "Bitte. Ich habe es doch nicht böse gemeint."

Kakashi seufzte. "Das passiert mir aber auch nicht häufig, dass ich mich von einem Genin an der Nase herum führen lasse. Muss daran liegen, dass ihr Chakra noch nicht voll ausgebildet ist."

"Ihr?", fragte ich irritiert.

Die anderen, Kankurou einmal ausgenommen, grinsten wissend.

Nun erst fiel mir auf, dass die Stoffbahn ein gutes Stück hinter meiner sensorischen Reichweite gestanden hatte. Kein schlechtes Jutsu, ich war ihm schon oft begegnet, aber selten in dieser Perfektion. Und noch seltener einem Jutsu, das sich dem Hintergrund anpasste. Der Shinobi musste uns auf diese Weise schon seit Sunagakure begleiten. Noch schlimmer, womöglich seit wir Keema durch den Geheimgang gefolgt waren, denn sie hatte mich trotz Tarnung bei meinem Namen genannt. "Ihr?", wiederholte ich.

"Ich denke, es wäre eine gute Gelegenheit, das Jutsu aufzulösen, Anne-chan", sagte Uzuki-sensei mit sanfter Stimme.

Zögerlich nickte der junge Bursche. Die Verwandlung verpuffte, und übrig blieb ausgerechnet die kleine, zu dünne Anne aus Otogakure.

Mit verheulten Augen sah sie zu mir hoch. "Ich wollte nichts Böses, Morikubo-sama. Aber nachdem ich dich nicht habe kämpfen sehen, als wir geflohen sind, dachte ich mir, einmal, wenigstens einmal kann ich dich..." Sie stockte. "War wohl keine gute Idee."

"Musst du nicht deine Chunin-Prüfung abnehmen lassen?", fragte ich streng. "Du lässt deine Kameraden gerade ganz schön im Stich."

"Muss ich wirklich zurück? Kann ich dich nicht begleiten?", fragte sie mit flehendem Blick.

"Da hat sie einen wunden Punkt getroffen, Mamoru", sagte Asuma. Er ließ seine Tarnung verschwinden und zog in aller Seelenruhe seine Zigaretten und das Feuerzeug hervor. "Sie ist zwar für das Examen hier, aber sie ist eigentlich ein feindlicher Shinobi. Zumindest müssen wir im Moment davon ausgehen."

"Heißt das, wir müssen sie töten?", fragte Guy. "Um die Mission nicht zu gefährden?"

Kankurou grunzte unwillig. "Wer sich in Gefahr begibt, kommt darin um."

"Lasst mich das machen", sagte Uzuki-sensei. "Ihr Männer seid bei so was ja solche Waschlappen." Sie zückte ihr Schwert. "Das dauert nicht lange, Mädchen, versprochen."

Erschrocken quiekte sie auf und hängte sich an meine Weste. Automatisch legte ich eine Hand auf ihren Rücken. "Wowowowowow, Yaguo-sensei, wir wollen doch nichts überstürzen!"

"Du bist weich, Mamoru", tadelte Asuma. "Sie weiß zu viel. Zurückschicken können wir nicht. Die Gefahr, das sie uns verrät ist zu groß. Außerdem ist sie nur eine Getsugakure-Kunoichi, keine Verbündete."

"Wir sollten vorher vielleicht herausfinden, für wen sie arbeitet", merkte Kakashi an.

"I-ich arbeite für niemanden!", sagte sie hastig. "Ich wollte Morikubo-sama ja nur bei der Arbeit zusehen! Bitte, ich bin auch keine Last für euch!"

Kakashi seufzte erneut. Er beugte sich leicht vor. "Mädchen, verstehst du das nicht? Wir werden dich jetzt töten müssen, weil du für unsere Mission eine ernsthafte Gefahr bist."

"Kakashi-sensei!", begehrte ich auf.

"Verteidigst du das Mädchen etwa?", fragte Kankurou. "Warum gibst du dir solche Mühe? Verstehst du, wir können sie nicht zurückschicken. Und mitnehmen können wir sie auch nicht. Sie ist nur eine Genin, und unsere Mission ist brandgefährlich."

"Ihr werdet mich nicht töten", sagte sie entschlossen. "Morikubo-sama würde nicht mit euch kämpfen, wenn Ihr so leichtfertig mit einem Leben umgehen würdet."

Uzuki-sensei machte einen Schritt näher. "Ich bin eine ANBU. Ich gebe nichts auf Leben."

Anne quiekte erneut und verbarg ihr Gesicht hinter meinem Rücken.

"Yaguo, vor dir hat sie Angst", stellte Asuma amüsiert fest. "Warum nicht vor uns?"

"Was mich viel mehr interessiert ist ihr Jutsu. Wie hast du das gemacht, Anne-kun?", fragte Kankurou. "Und versuch gar nicht erst, uns anzulügen."

"E-es ist ein Genjutsu. Nur ein ganz einfaches, leichtes. Es lässt einem die Stelle, wo das Tuch ist, einfach ignorieren." Trotzig sah sie den Suna-Jounin an. "Hat ja auch gut funktioniert, oder?"

"Anne-chan", begann Kakashi, "wie lange bist du denn schon bei uns?"

Sie sah auf und errötete. "Seit gestern Abend. Seit Morikubo-sama mit dem Suna-Nin gekämpft hat." Ihre Augen wurden groß. "Das war phantastisch. Ich habe noch niemanden gesehen, der so schnell war wie er. Da kommt nicht mal Amir mit, und der ist schon flink!"

"Und dann?", fragte Kakashi-sensei. "Hast du uns auch zum Kazekage begleitet?"

"Ja, aber ich bin nicht rein gekommen. Die sensorische Überwachung war zu stark. Aber ich bin euch dann heute morgen gefolgt, als Ihr dachtet, wir wären schon alle beim Examen. Ich habe meinen Schattenklon geschickt." Sie seufzte. "Noch ist er nicht enttarnt worden. Vielleicht hält er ja durch die ganze Prüfung."

"Ich glaube nicht, weil wir dich vorher...", begann Uzuki-sensei erneut, und wieder quiekte Anne erschrocken.

"Nun lass doch mal die ganzen Drohungen, Yaguo-sensei", sagte ich barsch. "Ich übernehme die Verantwortung für sie, also höre bitte auf zu sagen, dass du sie töten willst."

"Wirklich?", rief das Mädchen strahlend. "Ich darf mit?"

Als ich Asuma grinsen sah, wurde mir eines bewusst. Die Jounin hatten den Druck nur zum Teil für Anne aufgebaut. Sie hatten von Anfang an nicht vorgehabt, die Getsu-Kunoichi zu töten. Sie hatten nur erfahren wollen, warum sie uns gefolgt war. Und der andere Teil des Drucks war in meine Richtung gegangen, damit ich mich bereit erklärte, auf sie aufzupassen. Die logische Konsequenz, wie ich mir eingestand. Ich war der schwächste Shinobi unserer Gruppe, daher war es kein Verlust, wenn ich einen Teil meiner Zeit und Kraft für Annes Schutz abzweigte. Guy lachte laut. "Dieser Enthusiasmus der Jugend. Natürlich darfst du mit! Aber dein Verhalten wird entscheiden, ob wir dich als Gepäckstück mitnehmen, oder ob du selbst gehen darfst."

Erneut krallte sich ihre Hand in meine Weste. Dabei erwischte sie eine ordentliche Portion Haut. Und es tat weh. "Anne-chan..."

"I-ich werde mich benehmen, und ich werde auf jeden Befehl hören, versprochen!", erklärte sie feierlich. "U-und ich werde Morikubo-sama beschützen, so gut ich es kann!"

Das brachte die anderen Shinobi zum Lachen.

"Das ist nicht zum amüsieren!", begehrte sie auf. "Ich bin eine Kunoichi von Getsugakure!"

"Wir lachen nicht über dich, wir lachen mit dir", sagte Kakashi. "Entschuldige, das wir dir mit dem Tod gedroht haben, aber wir mussten wissen, warum du hier bist. Und zurück willst du sowieso nicht."

"Das mit der Drohung macht mir nichts", sagte sie ein wenig kleinlaut. "Ich bin sicher, Morikubo-sama hätte mich beschützt."

"Ach", machte Kankurou. "Hast du nicht gerade noch gesagt, dass du ihn beschützen willst, Anne-chan?"

Trotzig sah sie ihn an. "Das werde ich auch noch!", versprach sie mit großem Ernst in der Stimme.

"Dann ist es beschlossen. Wir nehmen sie mit." Uzuki-sensei steckte ihr Schwert wieder fort. "Alleine schon, weil wir das niemandem erzählen dürfen, dass sie fünf Shinobi von unserem Kaliber genasführt hat."

Die anderen Jounin lachten. Nur mir war nicht zum lachen zumute. Sie hatte uns wirklich dran gekriegt, uns durch die Posten verfolgt ohne aufgehalten oder entdeckt worden zu sein, und anschließend Kilometerlang begleitet. Das war blamabel. Oder auch nicht.

Ich griff nach ihrem Kragen und hob sie vom Boden auf. "Morikubo-sama?", fragte sie verwundert, als sie eine Handspanne über dem Boden hing.

"Habe einen Moment Geduld, Anne-chan. Ich will nur etwas überprüfen. Kakashi-sensei, wenn ich bitten dürfte..."

"Natürlich." Der weißhaarige Shinobi drückte seinen Stirnschutz hoch und entblößte sein linkes Auge. Das berühmte Sharingan kam zum Vorschein, das Kakashi wann immer er konnte schonte.

Ich sah, wie das Sharingan zu rotieren begann. Anne sah direkt hinein, und ihr Gesichtsausdruck wurde seltsam wesenslos.

Kakashi zog sein Stirnband wieder über das Auge. "Du kannst sie wieder auf ihre eigenen Füße setzen, Mamoru", sagte er mit leiser Enttäuschung in der Stimme. "Dieses kleine dreizehnjährige Mädchen ist tatsächlich ein kleines dreizehnjähriges Mädchen. Wir waren eben nachlässig."

"Aha." Ich setzte sie wieder ab. Beinahe sofort kehrte das Leben in ihre Augen zurück. Dennoch stand sie einen Moment so wacklig, dass ich sie stützen musste.

Also hatte uns wirklich eine Genin dermaßen getäuscht. Hätte Guy nicht den Stein geworfen, hätte sie uns vielleicht den ganzen Tag begleitet, ohne das wir etwas gemerkt hatten. Und daran war ich zu einem großen Teil Schuld. Was hatte mir Asuma immer wieder gepredigt? Ich sollte meine sensorischen Fähigkeiten nicht so sehr vernachlässigen, und mich nicht immer auf meine Kunst verlassen, Affen zu beschwören. Hätte ich an meiner sensorischen Reichweite gearbeitet, wäre sie mir vielleicht aufgefallen. Vielleicht aber auch nicht.
 

Apropos Affen. Ich biss mir in den Daumen und legte die Hand auf den Boden. "Kuchiose no Jutsu."

Rauch stieg auf und verzog sich nur schwerfällig.

"Warne uns bitte vor, wenn du das nächste Mal eine Beschwörung vollziehst", tadelte Asuma.

"Wieso? Du nebelst uns doch auch ein, ohne uns zu fragen", konterte ich.

"Frechdachs", brummte Asuma, nahm einen tiefen Zug von seiner Zigarette und stieß den Rauch durch die Nase aus.

Ich grinste schief. So war er, mein Sempai.

"Puki?", erklang es herzzerreißend niedlich an meinen Füßen. Ein kleiner Affe hockte da und zog an meiner Hose.

"Ranko-sensei!" Ich beugte mich herab und streckte ihr einen Arm hin. Geschickt kletterte das Äffchen am Arm auf meine Schulter und umarmte meinen Kopf. Und ich bekam natürlich meinen Anteil an feuchten Affenküsschen.

"Ja, ich freue mich auch, dich zu sehen, Ranko-sensei."

Anne war zu diesem Zeitpunkt bereits von den Haarspitzen bis zu den Zehen vor Entzücken weggetreten. Sie strahlte den Affen an. "Ist der niedlich."

"Sie. Sie ist niedlich", korrigierte ich und bekam für meine Wortwahl noch ein Küsschen. "Sie heißt Ranko. Willst du sie halten?"

"Darf ich wirklich?", fragte Anne aufgeregt.

"Natürlich. Ich habe sie beschworen, damit sie auf dich aufpasst", sagte ich lächelnd. Ich wechselte einen kurzen Blick mit Ranko-sensei. Sie nickte. Sie hatte vollkommen verstanden, was ich von ihr erwartete. Dann ging mein Blick zu Asuma. Der nickte ebenfalls.

"Kann mir mal einer sagen...", begann Kankurou.

"Später", fiel ich ihm ins Wort. Ich beugte mich vor und streckte den Arm in Richtung Anne aus. Behende kletterte Sensei daran herab und wuselte auf Annes Schultern herum. Das Mädchen lachte vor Entzücken, als die Äffin sie kitzelte. "Sie ist so hübsch und so niedlich. Und Ranko-chan ist so ein schöner Name. Viel besser als Anne."

Ich beugte mich so weit vor, bis ich mit ihr auf Augenhöhe war. "Wenn du uns schon begleitest, dann will ich, dass du dich nützlich machst, Anne-chan", sagte ich. "Ranko-sensei ist ein wichtiger Soldat. Sie ist mein bester Späher. Deshalb will ich, dass du dich um sie kümmerst, wenn sie nicht im Einsatz ist. Kriegst du das hin?"

"Ja! Ja, natürlich!" Sie schmiegte ihr Gesicht in das weiche Fell des Affen. "Es ist so zart und leicht wie Seide!"

"Dann sind ja alle Fragen geklärt. Ziehen wir weiter", sagte Asuma und schritt voran.

"Kann mir mal einer erklären...", begann Kankurou erneut. Ich nahm ihn beiseite.

"Anne-chan, gehe schon mal mit den anderen vor. Ich muss Kankurou-sama noch über die veränderte Taktik-Lage informieren, die mein Späher mit sich bringt."

"Ist gut." Sie warf Uzuki-sensei einen misstrauischen Blick zu und hielt sich nahe bei Guy. Was mich nicht wenig erstaunte.

Uzuki-sensei ächzte. "Wirst du jetzt den Rest der Mission Angst vor mir haben, Anne-chan?", fragte sie verzweifelt.

"Weiß nicht. Vielleicht nicht", murmelte sie. Unsicher sah sie zu mir zurück.
 

Als sie außer Hörweite waren, begann ich zu erklären. "Wie du sicher weißt, kann ich Affenkrieger beschwören."

"Ja, man erzählt sich so etwas", erwiderte der Suna-Nin.

"Ranko-sensei ist eine Soldatin direkt unter Enka O Enma, dem König der Affen. Sie gilt als eine der stärksten Kriegerinnen, die der Affenclan je hervor gebracht hat. Nur Doktor Tofu und Enma selbst sind noch stärker. Und bei ihrem Zwillingsbruder Ranma kann ich es nicht wirklich sagen."

"Du willst mir doch nicht etwa erzählen, dass du so eine mächtige Kriegerin beschworen hast, damit sie auf das kleine Mädchen aufpasst?"

Ich nickte trotzig. "Überlege doch mal. Entweder ist sie eine ungeheuer gefährliche Kunoichi, die uns alle gefährden kann. Dann hat sie mit Ranko-sama bereits einen erschreckend starken Gegner direkt vor ihrer Nase. Oder sie ist wirklich das kleine Mädchen, das uns mit Glück und Chuzpe getäuscht hat. Dann kann sie jeden Schutz gebrauchen, den sie kriegen kann."

"Und was ist der wahre Grund?", fragte Kankurou.

Ich zuckte verlegen die Achseln. "Ich habe sie über ein Jahr nicht für eine Mission beschworen. Da dachte ich mir, dass es eine gute Gelegenheit wäre, um wieder mit ihr zu arbeiten."

"Und das ist die ganze Wahrheit?"

"Mehr Gründe habe ich eigentlich nicht", erwiderte ich. "Außerdem wird sich ihre Kampfkraft noch positiv auswirken, wenn wir die Anti-Konoha-Fraktion angreifen."

"Vom Affenclan habe ich schon viel gehört. Ich bin sehr gespannt, sie in Aktion zu sehen."

"Was unbestreitbar ein Vergnügen an sich ist", sagte ich zweideutig.

"Wie meinst du das?"

"Sie ist eine Frau", sagte ich schlicht.

"Verstehe."

An seinem Blick sah ich, dass er wirklich verstand. "Folgen wir den anderen", schlug ich vor.

Wir nickten einander zu, dann holten wir mit Step zu den Jounin und der Genin auf. Es versprach, eine interessante Zeit zu werden.

Schneidender Wind 4

Erfreulich für uns: Die Spionage-Abteilung Sunagakures hatte ganze Arbeit geleistet. Im uns avisierten Gebiet, einer zerklüfteten Berggegend mit im Schnitt zweitausend Metern hohen Gipfeln und tief eingeschnittenen Tälern - was auf ein jungen, vor wenigen zehntausend Jahren aufgeworfenes Gebirge hindeutete, aber auch bedeutete, dass der Boden wegen fehlender Sedimente nicht sehr fruchtbar war und eine externe Versorgung notwendig machte - fanden wir unser Ziel recht schnell. Es handelte sich um das größte Tal, ein graubrauner Streifen tief eingeschnittenes Land, durchzogen von einem Bach, der sich in den letzten Jahrzehnten sein Bett gegraben hatte, mit spärlicher Vegetation an den Ufern. großartige Vegetation war auch nicht notwendig, denn alles was die hier versammelten Menschen brauchten, war Platz. Platz für ihre Zelte, Platz für ihre Kampfübungen, Platz für ihre Versammlungen.

Als wir den ersten Spähposten auf einem Bergkamm registriert hatten - Kakashi hatte ihn mit seinen Sharingan entdeckt, bevor wir die vegetationsreiche Zone am Fuß der Berge verlassen hatten - waren wir außer Sichtweite geblieben und waren mit aller gebotener Vorsicht in die Berge eingedrungen. Wir befanden uns nun selbst in einem kleinen kargen Tag, das ebenfalls von einem Bach durchzogen wurde, gespeist von einem kleinen Gletscher, der sich an einen nahen Berggipfel klammerte. Zumindest Wasser hatten wir damit genug. Uzuki-sensei und Asuma waren, nachdem wir so etwas wie ein Camp aufgebaut hatten, aufgebrochen, um die Lage auszukundschaften.

Sie waren zurückgekehrt, ohne entdeckt zu werden, mit Daten über die Topographie des Tals und einer ziemlich genauen Zahl der zu erwartenden Gegner.

Vier unserer Schattenklone standen Wache, und wir lauschten dem Bericht der beiden Jounin.

Uzuki-sensei hatte uns eine Karte gemalt, und Asuma und sie nutzten das Papier, um relevante Informationen zu erklären.

"Hier, hier und hier", erklärte Uzuki-sensei, während sie auf Berggipfel deutete, "haben die Kontras Beobachtungsposten eingerichtet, die alle acht Stunden ausgewechselt werden. Die Moral in den Posten ist miserabel. Wahrscheinlich, weil zu lange zu wenig passiert ist. Die Meldewege sind lang und umständlich. Hier, hier und hier sind Beobachtungsposten, die die Pässe, die in das Tal führen abdecken. Auch hier, lange Meldewege, schlechte Moral."

Kontras. Der Name gefiel mir. War auf jeden Fall kürzer als Anti-Konoha-Fraktion.

Asuma zog mit dem Zeigefinger einen großen Kreis um ein Drittel des Tals. "Hier haben sie ihre Zelte. Sie beherbergen rund zweihundert Kämpfer. Dreißig von ihnen sind, wenn wir den Stirnbändern trauen dürfen, Suna-Nin."

Kankurou räusperte sich. "Wir vermissen keine so große Zahl an Ninjas, weder Jounin, noch Chunin, noch Genin."

Asuma verzog das Gesicht zu einer nachdenklichen Grimasse. "Es sind eindeutig Ninja, das steht fest."

"S-soll ich mal nachschauen?", ereiferte sich Anne. "Eventuell sind es Oto-Nin, und das würde ja auch Sinn machen."

Verwundert betrachtete ich das kleine Mädchen. "Macht dir das denn nichts aus? Ich meine, Oto-Nin..."

"Wieso? Alle, die mir etwas bedeuten, sind mit nach Getsu gegangen. Die anderen Shinobi sind, wenn sie immer noch auf Orochimaru hören oder gegen Konoha kämpfen wollen, oder beides, verblendete Idioten. Entschuldigt, wenn ich das so deutlich sage." Sie räusperte sich und versuchte ihrer Stimme einen erwachsenen Klang zu geben. "Ich wäre nie Kunoichi in Getsugakure geworden, wenn die Shinobi-Strukturen auch nur ein wenig Ähnlichkeit mit dem totali... totili... mit dem restriktiven Rangsystem in Oto gehabt hätten."

"Restriktive Shinobi-Strukturen?", hakte Uzuki-sensei nach.

"Ja. Orochimaru pflegt einen grausamen Stil. Ein Oto-Nin hat in erster Linie zu gehorchen, und dagegen ist nicht viel einzuwenden. Aber er ist auch verpflichtet, sich ohne jeden Hintergedanken gegen seine eigenen Kameraden zu wenden. Das muss ihm nicht befohlen werden, es muss ihm nur nützen. Orochimaru erhoffte sich, dadurch einen kleinen Kreis besonders fähiger und talentierter Shinobi zu sammeln. Letztendlich aber hat es sich erwiesen, dass er nebenbei auch noch Fußvolk brauchte und nicht jeden Shinobi handverlesen konnte. Es gab also den brutalen inneren Zirkel, in dem es keine Freunde gab, und in der man so weit kam wie man sein Kunai halten konnte, und den wesentlich größeren äußeren Kreis, von dem man in den inneren aufsteigen konnte, wenn man bereit war, Freunde zu töten, um ihre Plätze einzunehmen. Natürlich gab es im äußeren Kreis nur Genin. Jeder, der fähig genug war, Chunin oder gar Jounin zu werden, wurde in das perfe... porfe... in das kranke Spiel um töten und getötet werden hinein gezogen." Sie schüttelte sich, als hätte sie in etwas saures gebissen. "Ich war froh, als wir Oto verlassen konnten, ohne Orochimaru, nur mit Maria-neechan und den anderen. Wir... Oh, ich weiß, was du jetzt denkst, Mamoru-sama, aber es ist wirklich nicht so, dass..."

"Du hast nicht einmal ansatzweise eine Ahnung, was ich gerade denke", brummte ich böse. Maria. Verdammt, Maria. Hätte sie jetzt vor mir gestanden, ich hätte nicht gewusst, ob ich sie lieber erstochen oder erdrosselt hätte. Meine Wut auf sie war noch lange nicht verraucht. Ich fühlte mich noch immer missbraucht und verraten. Okay, so schlimm war dieser Verrat nicht gewesen, und der erzwungene Kampf gegen meine Kameraden hatte zum Glück keine Opfer gefordert, aber...

Ich schüttelte wütend den Kopf, um diese unfruchtbaren Gedanken abzuschütteln. Ich würde meine Wut behalten, bis ich ihr eines Tages wieder begegnete, das hatte ich mir selbst versprochen.

Anne sah mich mit großem Ernst an. Dann hockte sie sich auf den Boden und verbeugte sich formvollendet vor mir. "Ich entschuldige mich im Namen Maria-neechans in aller Form bei dir, Mamoru-sama. Alles, was geschehen ist, geschah nur, um die Sicherheit unserer unschuldigen Zivilisten zu gewährleisten. Und auch wenn Maria-neechan bereit war, einiges für ihre Sicherheit zu tun, so... Sind doch einige Dinge passiert, die vielleicht erschrecken auf den ersten Blick, aber die dann doch... Dann doch..." Sie drückte die Stirn auf den Boden. "Ich bitte vielmals um Vergebung."

"Erhebe dich, Anne-chan", sagte ich mit fester, wieder ruhiger Stimme. "Du hast nichts mit meinem Streit zu tun."

Langsam richtete sie sich wieder auf. "Aber ich habe geholfen, dich zu täuschen. Wenn du also wütend auf Maria-neechan bist, dann musst du auch wütend auf mich sein." Trotzig sah sie mich an.

"Okay, das lässt sich einrichten", drohte ich finster, doch das Mädchen hielt stoisch dagegen. Nicht rebellisch, abwehrend, aber stur und stoisch.

"Wir sind hier noch nicht fertig", klang Kakashis Stimme auf. "Anne-chan, bist du sicher, dass du sie erkennen würdest, wenn es ehemalige Oto-Shinobi sind?"

"Kakashi-sempai, du wirst doch nicht ein kleines Mädchen in dieses Lager schicken?", fragte ich vorwurfsvoll.

"Nicht irgendein kleines Mädchen, sondern das kleine Mädchen, das dich dreißig Kilometer lang täuschen konnte, sensorischer Ninja Mamoru Morikubo", spottete er milde. Mit einem resignierenden Seufzer fuhr er fort: "Und natürlich uns."

Allgemeines Gelächter klang auf, auch wenn es weniger fröhlich war, mehr gezwungen.

"N-natürlich könnte ich das", sagte sie eifrig. "Ranko-chan und ich können uns anschleichen, und ich kann sie identifizieren!"

"Hm", machte ich. Ich glaubte Anne ihre Geschichte mittlerweile, auch wenn ich nicht so recht verstand, warum sie mich verehrte. Wenn sie das Lager infiltrierte, zumindest weit genug, um Gesichter zu erkennen, und mit verwertbaren Daten über die Personen zurückkam, würde uns das sehr helfen. Wenn sie Ranko-sama mitnahm, schlugen wir zwei Fliegen mit einer Klappe. Anne-chan war sicher, und Ranko-sama konnte sich ein erstes Bild vom Gelände machen. "Meinetwegen", murmelte ich mürrisch. "Aber du gehst kein Risiko ein."

"Aber ich habe doch Ranko-chan bei mir", begehrte sie auf. "Die werde ich doch nicht in Gefahr bringen."

"Nicht so neidisch, Mamo-chan", merkte Uzuki-sensei an. Sie lächelte. "Vergiss nicht, Anne-chan ist eine Kunoichi, die für die Chunin-Prüfung angemeldet ist. Und sie hat uns alle einen halben Tag an der Nase herumgeführt. Ich werde sie begleiten und nahe genug heran führen."

"Nein", widersprach Kakashi. "Kuchiose no Jutsu."

Qualm flog auf und ließ ein kleines, graues Etwas zurück. "Yo", machte das kleine, dicke Wesen.

"Erkläre den Weg. Pakkun wird die beiden begleiten und darauf achten, dass sie ungesehen rein und wieder raus kommen. Er hat bessere sensorische Fähigkeiten als Mamo-chan."

Die kleine Gestalt, einer von Kakashis Kampfhunden, sah mich aus seinen großen, gelangweilten Augen an. "Hast du deine sensorische Reichweite noch immer nicht vergrößert, Mamoru-kun? Du solltest wissen, dass es nicht reicht, sich auf sein Talent zu verlassen, Affenkrieger zu beschwören."

"Kakashi-sempai, dein Hund ist ein wenig vorlaut, dafür das er beschworen wurde, um deine nicht vorhandenen sensorischen Fähigkeiten auszugleichen", sagte ich bissig.

Unsere Blicke trafen sich, verhakten sich ineinander, fochten ein stummes Duell miteinander aus.

"Oh, da hast du wohl Recht", lachte er und legte verlegen einen Arm an den Hinterkopf. "Yaguo-chan, zeige den dreien doch den Weg hinein. Je eher sie aufbrechen, desto schneller kriegen wir neue Informationen."

Ich fühlte mich, als hätte mir jemand die Beine unter mir weggezogen. Normalerweise gab Kakashi nicht so leicht nach, außer, der andere war im Recht. Hatte ich gerade den Copy-Ninja gekontert? Ein sehr beunruhigender Gedanke, der zweierlei Dinge bedeuten konnte. Entweder ich wurde besser, oder er ließ langsam nach. Beide Gedanken waren gleichermaßen beunruhigend.

"Gut. Schaut mal, hier ist ein Trampelpfad, der die Berg hinter uns hoch führt. Dort liegt ein kleines Zwischental, und über die gegenüberliegende Wand kommt Ihr ins Zieltal. Ungefähr ab hier, am Fuß der zweiten Bergwand, musst du dich mit deinem Talent verbergen, Anne-chan. Ranko-sama - ich meine Ranko-chan - und Pakkun sind klein genug und lautlos und werden nicht entdeckt werden. Pakkun, du achtest auf die Umgebung."

"Natürlich. Dafür wurde ich beschworen", erwiderte der kleine Hund ein klein wenig beleidigt.

"Hier und hier sind Beobachtungspunkte. Wenn Ihr dieser Rille folgt, werden sie euch nicht sehen. Hier ist im Sattel des Berges eine Art kleiner Pass, leicht zu überwinden, aber zu schmal für uns Große. Du und deine Begleiter passen hier ohne Probleme lang. Damit gelangt Ihr ins Tal, fast bis an den Fuß des Bergsattels. Von dort aus bist du nahe genug dran, um Gesichter zu erkennen, Anne-chan. Es reicht, wenn du einige identifizierst, dann wissen wir schon, woran wir sind. Denkst du, du schaffst das?"

Ein flüchtiges, kaum ängstliches Lächeln huschte über ihr Gesicht. Kurz ging ihr Blick zu mir. "Natürlich schaffe ich das. Natürlich schaffen wir das." Sie beugte sich vor und nahm Pakkun hoch wie ein Kätzchen. "Nicht wahr, Pakkun?"

"Natürlich." Der grummelige Hund ließ sich diese Behandlung gefallen, auch wenn sie nur den Oberkörper hielt, und der Rest herabhing wie ein nasser Wäschesack.

Ich wechselte einen schnellen Blick mit Ranko-sama. Sie nickte als Antwort. Natürlich würde sie mit allem was sie hatte auf das Mädchen aufpassen.

Anne nickte noch einmal ins Rund, dann wandte sie sich um. Ich folgte ihr, bis sie den Fuß des ersten Bergsattels erreicht hatte.
 

Asuma räusperte sich. Allerdings nicht um etwas zu sagen, sondern weil er sich eine Zigarette angesteckt hatte und die Kehle frei kriegen wollte.

Uzuki-sensei sah das mit einem Lächeln und übernahm. "Wie gesagt, wir schätzen, das etwa dreißig von ihnen Shinobi sind. Oto-Nin, Nukenin und eventuell ein paar Suna-Nin. Einwände, Kankurou-sama?"

"Ein paar ist durchaus möglich", lenkte der große Suna-Jounin ein. "Auch in unseren Reihen gab und gibt es Anti-Konoha-Koalitionäre. Oder eben Kontras."

Uzuki-sensei nickte zufrieden. "Gut. Weitere dreißig können ebenfalls Ninja sein, aber nur auf dem Level eines Genin, bestenfalls. Der Rest der Leute gehört zur Soldatenkaste, die es hierzulande gibt, um dem mittleren und niederen Adel zu beschützen, mitunter auch die höheren Klassen, die sich keine Shinobi als Leibwächter leisten können oder wollen. Dazu kommen zehn bis zwanzig Angehörige des innersten Verschwörungszirkels. Sie residieren in den Zelten in der Mitte. Ich rechne nicht mit genug Gegenwehr, um uns Probleme zu bereiten. Unser Hauptproblem wird es sein, alle zu erwischen, nicht unbedingt zu gewinnen." Sie strahlte vollkommene Zuversicht aus. Sie war eine ANBU, genauer gesagt die Anführerin ihrer eigenen ANBU-Einheit. Sie gehörte ohne Zweifel zum Besten, was Konoha zu bieten hatte. Und sie hatte maßgeblichen Anteil daran gehabt, die Invasion Konohas abzuwehren. So wie alle Jounin in diesem Rund.

"Wir müssen sie nicht alle erwischen", schränkte Guy ein. "Wir müssen nur genügend erwischen."

"Nehmen wir Gefangene?", fragte Asuma, zog an der Zigarette und stieß den Rauch aus Mund und Nase aus. Für einen Augenblick wirkte er wie ein gestaltgewordener Oni, wozu das gefährliche Grinsen beitrug. Nun, wir waren Ninja, und wir waren nicht zimperlich. Gerade, oder besser vor allem nicht, wenn es um die Sicherheit Konohas ging.

Kankurou ließ ein leises Hm hören. "Es kann nichts schaden, wenn wir ein paar der Rädelsführer in die Hand bekommen. Als Druckmittel gegen die Unterstützer. Offiziell ist Suna überhaupt nicht hier, aber ich bin sicher, wenn ich die Anführer sehen würde, könnte ich mich schnell entscheiden, wen ich lieber tot sehen will, und wer für unsere Zwecke lebend nützlicher wäre."

Offiziell, tja. Offiziell begleiteten wir gerade das Chunin-Examen.

"Kann ich daraus schließen, dass es dir nichts ausmachen wird, uns im Angriff zu begleiten, Kankurou-sama? Natürlich nur in beratender Funktion?", fragte Uzuki-sensei lächelnd.

Kankurou grinste sie an. "Als Beobachter kann man am Besten beobachten, wenn man nahe dran ist, oder? Und sollte wirklich jemand so dumm sein, mich anzugreifen, dann... Tja. Der Kazekage hat betont, dass ich mich verteidigen darf. Und er hat auch klargestellt, dass es im meinem Ermessen liegt zu bestimmen, was Verteidigung bedeutet."

"Wie überaus praktisch", sagte ich. Und das war es auch. Ein Freibrief seines Kazekages. Ich hoffte, Kankurou würde davon eifrig Gebrauch machen. Ich konnte es kaum erwarten, seine Puppen in Aktion zu sehen.

"Kommen wir zum Angriffsplan", sagte Uzuki-sensei. "Auch wenn wir nicht mit Chunin oder Jounin rechnen, so sollten wir zweihundert Gegner nicht unterschätzen. Wir müssen sie schnell und hart und nachdrücklich treffen. Nicht unbedingt in der Reihenfolge."

Wir nickten zustimmend.

"Ich schlage vor, wir schalten ihre Außenposten in Richtung Wüste aus, und zwar ein, zwei Stunden, bevor sie abgelöst werden sollten. Ihre ohnehin lasche Aufmerksamkeitsspanne dürfte da auf einem Tiefpunkt sein. Ich denke, Asuma sollte in der Lage sein, das alleine zu handhaben und schnell zu uns aufzuschließen."

Asuma grunzte bejahend und stieß noch mehr Rauch aus. "Zwei Minuten. Maximal."

Und das war nicht übertrieben.

"Guy und ich führen kurz darauf den Hauptangriff von der linken Flanke aus. Unser Ziel ist es, so viele Gegner so schnell wie möglich zu besiegen. Mamo-chan, du wirst zwei weitere Affenkrieger beschwören und mit ihnen über die rechte Flanke kommen. Gleiches Missionsziel. Wir treffen uns in der Mitte bei den Rädelsführern der Kontras. Kakashi, beschwöre bitte deine Ninja-Hunde, damit sie uns bei der Attacke unterstützen. Ansonsten halte dich zurück, bis entweder offensichtlich wird, das wir gewinnen, oder das wir auf mehr Widerstand treffen als wir erwartet haben. Du bist unser stärkster Shinobi."

"Das sei dahin gestellt. Aber bist du sicher, dass Ihr auf mich verzichten könnt?"

"Wir brauchen den stärksten Trumpf in der Hinterhand. Nur für den Fall, dass wir auf unerwartete Schwierigkeiten treffen", erwiderte sie. "Aber ich mache hier nur Vorschläge. Ihr dürft euch ruhig alle einbringen, wenn Ihr bessere Ideen habt."

"Mamoru-kun und die Affenkrieger von der rechten Flanke sollten reichen, damit wir die Kontras zwischen uns zerquetschen können", sagte Guy mit ungewohnt ernster Miene. "Außerdem haben wir immer noch Ranko in Reserve, wenn es hart auf hart kommt."

Kakashi seufzte leise. Es gefiel ihm sichtlich nicht, derart auf die Reservebank abgeschoben zu werden.

"Ach komm schon, alter Freund", rief Guy. "Du kannst ja einsteigen, sobald abzusehen ist, das wir gewinnen. Bis dahin spielst du eben die Reserve. Und wir haben ja auch noch deine Hunde auf unserer Seite."

"Du musst nicht versuchen, die Sache für mich schmackhafter zu machen." Er sah Uzuki-sensei mit seinem rechten Auge schneidend an. "Ich werde selbst entscheiden, ob und wann ich eingreife, Yaguo-kun."

"Nichts anderes habe ich von Copy-Ninja erwartet", erwiderte sie. Sie sah zu Kankurou herüber. "Kankurou-sama, bitte begleite mich und Guy. Auf diese Weise bringen wir dich schnell in die Mitte, und du kannst... Entscheidungen treffen."

Der weißgeschminkte Mann nickte grimmig. Ob und wie viel er kämpfen würde, lag nicht in seiner Hand.

"Bleibt noch Anne-chan", sagte Asuma. "Sie hat bewiesen, dass sie ein Talent für Genjutsu hat, dass sie sich gut verbergen kann. Und sie ist Genin. Wir müssen uns darüber klar werden, ob wir sie involvieren oder nicht. Was ist sicherer für sie: Wenn sie hier im Lager bleibt, oder wenn sie einen unserer Trupps begleitet?"

"Falls sie im Lager bleibt", wandte ich mürrisch ein.

"Dann ist es beschlossen", sagte Asuma zufrieden. Er griente mich an. Seine Zigarette war zu einem kleinen, abgerauchten Stummel geschrumpft. "Ich schlage vor, dass Mamoru Wort hält und weiterhin auf sie aufpasst. Auf diese Weise reißen wir auch die Affen nicht auseinander. Wir... Hm?" Er legte den Kopf schräg und lauschte. Als er sich erhob, zog er seine Kunais. Wir besser ausgebildeten, sensibleren Shinobi spürten das Wind-Chakra auf den Klingen, das die Waffenschneide etwa um die Hälfte verlängerte und ums Doppelte tödlicher machte. Ich reagierte automatisch und erhob mich ebenfalls. Dabei zog ich das kurze Schwert, das ich seit der Oto-Sache ab und an benutzte. Auch die anderen Jounin reagierten augenblicklich. Das war eine Sekunde, bevor Pakkun wie von Furien gehetzt über den Bergsattel gerannt kam, den Hang hinab sprintete, sich mehrfach überschlug, wieder aufstand und weiter hetzte. Mehr brauchten wir nicht, um zu reagieren. Wir waren Shinobi. Mehr noch, wir waren Konoha-Shinobi.

***

"Folge mir dichtauf", befahl Pakkun in seiner besonderen, ruhigen Art. "Bleib hart an mir dran. Dann kriegst du auch eine besondere Belohnung."

"Was für eine besondere Belohnung?", fragte Anne erstaunt, die gerade erst ihre Überraschung überwunden hatte, dass der Hund sprechen konnte.

Pakkun blieb stehen, hockte sich auf seinen Hintern und hob die recht Pfote. "Du darfst schon mal Probe-anfassen."

"Das ist die Belohnung?", fragte sie irritiert. Dennoch berührte sie die Pfote des Ninja-Hundes.

Ein helles Quieken entfuhr ihr. "Das ist ja fluffig-weich!"

"Genau. Und das Beste ist, alle meine Pfoten sind so weich."

Der Affe auf Annes Schultern kletterte über ihren Arm interessiert näher und piekte ebenfalls in die Pfote. Das Ergebnis schien Ranko zu erfreuen, denn sie schnatterte zufrieden.

Pakkun errötete. "Nicht doch, Ranko-sama. Dein Fell ist doch tausendmal weicher als diese alten Hundepfoten."

Der Affe schnatterte erneut, und der Hund wandte verlegen den Kopf ab. "Ich nehme das Kompliment in aller Bescheidenheit an, Ranko-sama."

"Du kannst verstehen, was sie sagt?", fragte Anne verblüfft.

"Du kannst nicht verstehen, was sie sagt? Ich dachte, du bist Kontraktträger des Affenclans."

"Äh. Nein. Mamoru-sama hat Ranko-chan beschworen. Er hat sie mir mitgegeben, damit sie auf mich aufpasst. Und damit ich mich um sie kümmere." Sie lächelte zufrieden. "Und das macht so einen Spaß. Ranko-chan hat so weiches Fell, und sie riecht so gut und sie ist so fröhlich."

Ranko teilte dem Mädchen aus Getsugakure einen erheblichen Anteil feuchter Affenliebe zu, was diese erneut erfreut aufquieken ließ.

"Also, es scheint so, als würde sie aber dich verstehen", stellte Pakkun zufrieden fest. "Mamoru-kun sagte, du verfügst über ein besonderes Genjutsu, das dich vor den Augen anderer verbirgt?"

Statt zu antworten breitete das Mädchen eine Decke aus, und legte sie sich über den Kopf. Sie zog die Seiten an und war komplett verschwunden.

Pakkun seufzte leise. Er hatte mehr erwartet. "Gut, gut. Bleib einfach in meiner Nähe, und wir schleichen uns schon... Anne-chan?" Pakkun blinzelte mehrfach, aber das Mädchen war von einem Moment zum anderen verschwunden. Er schnüffelte ein wenig, erst nebensächlich, dann aufgeregt. "Anne-chan?"

Ihr Kopf erschien mitten in der Landschaft. "Mein Genjutsu ist gut, oder?"

"Das kann man wohl sagen", entfuhr es dem Ninja-Hund. "Richtig gut. Ich habe dich nicht mal mehr gerochen. Und das will was heißen. Wo hast du so ein mächtiges Jutsu gelernt?"

"Ach, mächtig", sagte das Mädchen und seufzte. "Dass es so gut funktioniert liegt doch daran, das ich noch kein voll trainiertes Chakra besitze. Es ist leicht für mich, einfach zu verschwinden, weil ich eigentlich vollkommen unwichtig bin." Sie sah zu Boden. "Ich bin eine Getsugakure-Kunoichi, und ich bin da sehr stolz drauf. Aber ich... Nun, ich bin die Schwächste in unserer Genin-Gruppe, und manchmal habe ich das Gefühl, ich halte meine Freunde nur zurück. Ich meine, es ist einfach für einen unwichtigen Menschen, unwichtig zu erscheinen, oder?" Sie lachte gekünstelt.

Pakkun zog die krause Stirn noch krauser. "Haben sie das gesagt, Anne-chan?"

"Nein. Mohad und Illan sind immer nett zu mir und helfen mir wo sie nur können. Sie würden mir niemals auf die Nase reiben, wie schlecht ich wirklich bin."

"Und was gibt dir die Gewissheit, dass du schlecht bist?", fragte Pakkun interessiert.

"Wie ich doch schon gesagt habe, ich bin die Schwächste. Nicht nur in meiner Gruppe, im ganzen Jahrgang."

Der Ninja-Hund fixierte sie für einen Moment. "Körperlich?"

"Natürlich körperlich. Wenn es darum geht, Kunais weit zu werfen, wenn es um Nahkampf geht, dann bin ich immer hintenan. Ich bin nur in unwichtigen Sachen gut, wie in Genjutsu und Ninjutsu. Ich..." Für einen Moment schien es, als wolle das Mädchen in Tränen ausbrechen. "Ich dachte, wenn ich Mamoru-sama beobachte, dann lerne ich vielleicht etwas, um nützlicher zu werden. Ich meine, er hat alleine Otogakure zerstört, und er hat uns ganz alleine die Zeit erkauft um zu fliehen."

"Mamoru-kun ist dein Held, nicht wahr?"

Ihre traurige Stimmung verflüchtigte sich. Mit strahlenden Augen sagte sie: "Ja, das ist er. Letzte Nacht hat er in Sunagakure gegen einen Suna-Jounin gekämpft und ihn ordentlich durchgeprügelt. Ich kenne keinen Shinobi, der schneller ist. Oder stärker. Keiner, der besser ist."

Pakkun schluckte die erste Antwort runter, die ihm auf der Zunge lag. Nämlich, dass Mamoru-kun mit vier Ninjas reiste, die erwiesenermaßen besser als er waren. Wie lange, nun, das lag in den Sternen. Aber im Moment war Mamoru-kun eindeutig der Schwächste der Runde. Das hatte jedoch nicht so viel zu sagen, denn der junge Mann war bereits mindestens auf dem Level eines spezialisierten Jounin und wurde auch so eingesetzt. Das wussten alle, die damit zu tun hatten, nur der Junge selbst widersetzte sich sehr erfolgreich der Realität.

Seine zweite Anwort war wohlüberlegt. "Folge mir, Mädchen." Er trottete voran, und Anne richtete ihre Decke wieder, um erneut zu verschwinden. So vollständig, das Pakkun nicht sagen konnte, ob sie ihm tatsächlich folgte, oder einfach stehen geblieben war. Er konnte nicht einmal ihren Atem hören, aber wenn er sich anstrengte, hörte er ein rhythmisches Geräusch, das eventuell ihr Puls sein konnte. "Weißt du, Taijutsu wird stark überschätzt. Natürlich ist es wichtig, mit Schwertern, Kunai und Wurfsternen umgehen zu können. Natürlich ist es wichtig, den Gegner aushebeln zu können, mit bloßen Händen bekämpfen zu können. Aber das ist nicht alles für einen Ninja. Oh, Might Guy ist da eine gute Ausnahme. Wusstest du, das er der unumstrittene Taijutsu-Meister Konohas ist? Fast alle seine Künste basieren nur auf Kraft und Geschwindigkeit. Damit ist er einer der wichtigsten und größten Kämpfer Konohas. Auch Kakashi und Asuma beherrschen Taijutsu in einem erschöpfenden Maße, aber ihre vorherrschenden Talente sind auf dem Gebiet des Ninjutsu. Und das zieht sich durch die Reihen der Jounin bis zu den Genjutsu-Benutzern. Natürlich müssen sie Taijutsu beherrschen. Ihre Körper stählen. Ihre Künste perfektionieren. Aber jeder hat einen anderen Weg vor sich, und die meisten Ninjas gehen in Richtung Ninjutsu. Dann erst kommt Genjutsu an die Reihe, und danach Taijutsu. Es ist so leicht Taijutsu mit Genjutsu oder Ninjutsu zu kontern. Und es ist schwer, im Taijutsu so gut zu werden, um nicht mehr gekontert zu werden. Viele gehen den einfachen Weg, auch weil er ihrem Talent entspricht. Und wenn du, Anne-chan, ein Talent für Genjutsu hast, dann ist dein Weg vorgezeichnet. Und du wirst eine gute Genjutsu-Nutzerin werden, wenn du jetzt schon so gut darin bist."

"Aber...", begehrte sie auf und bewies, dass sie knapp hinter ihm war, "...das ist doch meine einzige Genjutsu-Kunst!"

"Noch", entgegnete Pakkun lächelnd. "Du hast noch einen langen und weiten Weg vor dir, und du wirst einmal eine gute Kunoichi werden und für dein Genjutsu bekannt sein."

"Und was ist", begann sie mit Trotz in der Stimme, "wenn ich lieber versuche, eine Taijutsu-Meisterin zu werden, um dieses elende Defi... Defa... Um den Nachteil zu einem Vorteil zu machen, Pakkun?"

Der Hund lachte kurz und laut. "Dann würde ich mich vor dir verneigen, Anne-chan. Einmal für deinen Entschluss heute, und einmal wenn du es geschafft hast. Es gibt nichts Schwereres, als einen solchen Nachteil auszugleichen, und dir ein Feld zu erobern, auf dem du keine natürliche Affinität hast. Wenn du tatsächlich eine Taijutsu-Meisterin wirst, die Ninjutsu und Genjutsu auskontern kann, dann wirst du erst Recht berühmt."

"Meinst du? Und wie mache ich das?"

"Genauso wie du dein Genjutsu erlernt hast. Jeden einzelnen Tag trainieren. Hart und ausgiebig. Guy wird dir dazu einiges sagen können."

"Oh, gut. Vielleicht mache ich das auch."
 

Der Hund wurde langsamer und hielt an. Sie waren nur noch einen Meter unter dem Kamm des Berges. "Wir müssen über diese Felsen, und dann durch das Tal auf der anderen Seite. Dann noch mal über eine Felswand, und wir sind im Zieltal. Dort bringe ich dich so nahe es geht an die Zelte heran, damit du versuchen kannst, die Ninjas zu identifizieren."

Annes Kopf erschien wieder, neben ihr Ranko. "Und wenn sie mich finden, wenn ich zu nahe heran gehe?"

"Oh, ich glaube nicht, dass sie dich finden werden, Anne-chan. Dein Genjutsu ist wirklich gut."

"Aber was wenn doch?"

Pakkuns Miene wurde ernst. "Oh, dann bleiben dir nur zwei Optionen. Flucht oder Kampf."

"I-im Kampf bin ich nicht so gut", gestand sie.

"Hast du schon mal gekämpft?"

"Ja. Aber ich war keine große Hilfe. Meine Freunde mussten mich retten", sagte sie leise.

"Hast du schon mal einen Gegner mit einem Kunai angegriffen? Hast du ihn verletzt oder getötet?"

"Ja. Verletzt. Aber ich konnte ihn nicht schwer genug verletzen oder töten. Deshalb konnte er ja mich angreifen. Ich..." Sie sah betreten zu Boden. "Vielleicht bin ich doch keine gute Kunoichi."

Pakkun schüttelte den Kopf. "Du stehst noch ganz am Anfang. Es wird sich zeigen, ob du nicht nur eine gute Kunoichi bist, sondern auch eine gute Kämpferin." Er setzte sich wieder in Bewegung. "Kampf ist eine ganz merkwürdige Sache. Mal lässt er Stunden auf sich warten, mal erwischt er dich im Bruchteil einer Sekunde. Es bedarf Jahre des Trainings, um richtig zu reag..."

Pakkun verstummte, als er den Kopf über die Steinkrone stecken konnte, denn auf der anderen Seite, ziemlich exakt ihm gegenüber, streckte ein großer, kräftiger Ninja mit einem Suna-Stirnschutz den Kopf über den Felssattel.

Pakkun reagierte sofort. Er knurrte auf, sprang vor und fuhr mit seinen Krallen über die Augen des Suna-Nin. Der Mann heulte auf, als der Hieb ihn blendete. Das alarmierte einen weiteren Ninja, der über die Krone kam, einen schlanken, geradezu dürren Burschen mit dem Stirnband Otogakures. Er stürzte sich mit gezücktem Schwert auf den Hund, und das Tier sprang nach hinten davon, ungefähr zwei, drei Meter weit. Er zeigte alle Anzeichen von Aggression und knurrte den Angreifer böse an.

"Ah! Meine Augen! Bring die Töle um, Malt!", heulte der geblendete Mann aufgebracht.

Weitere Shinobi kamen über die Krone, bedrohlich ihre Waffen gezogen, kampfbereit. "Bleib wo du bist, Anne-chan", zischte der Hund leise. "Ich locke sie weg!"

In diesem Moment huschte etwas Schnelles, Pelziges aus dem Nichts hervor, beziehungsweise aus Annes Jutsu. Mitten im Sprung wurde es groß. Größer. Kräftiger. Als es landete, war aus dem kleinen Äffchen Ranko-sama in ihrer Kampfform entstanden. "Lauft!", rief sie, während ihre krallenbewehrte Pranke den Schwertmann samt Klinge beiseite wischte. Er überschlug sich mehrfach und blieb stöhnend mit einer tiefen vierfachen Wunde liegen. "Das ist ein Überraschungsangriff! Warne Kakashi und die anderen!"

Pakkun grunzte zustimmend und huschte los. Jetzt, in diesem Moment, war es wichtiger, die Jounin zu warnen, anstatt Anne zu beschützen. Pakkun hoffte, dass Mamorukun ihm das verzeihen würde. Er hoffte, dass Anne ihm das verzeihen würde. Er machte einen großen Satz den Berghang hinab und sprang erneut, kaum das seine Pfoten den Boden berührten.
 

Ranko-sama hatte sich das Schwert des ersten gegriffen und widmete sich den anderen Angreifern. "Kommt schon. Mal sehen, was Ihr taugt, wenn Ihr es nicht mit einem niedlichen kleinen Hund, sondern mit einem Affenkrieger zu tun habt!", sagte sie herausfordernd und nahm Kampfstellung ein.

"Affenkrieger!", rief einer von ihnen voller Abscheu. "Das bedeutet Morikubo, diese elende Pest!"

Für einen Moment verlor Ranko-sama ihre Ausgeglichenheit und ging den Mann an, der so respektlos über ihren Kontraktnehmer sprach. Dies nahm einer von ihnen, ein kleiner, kompakter Mann, als Gelegenheit wahr, um Ranko von der Seite zu blockieren. Er zischte einen Befehl zu einem Mann hinter sich. "Töte den Hund, bevor er seine Leute warnen kann!"

Ein schlanker Schatten huschte hinter ihm vorbei, unerreichbar für Ranko-sama, wenn sie nicht ihre eigene Deckung vernachlässigen wollte.

Anne sah all das aus ihren Versteck heraus. Sie sah Pakkun hinterher, der wie von Furien gehetzt in Richtung Tal stolperte. Sie sah den Angreifer, der einen riesigen Shuriken von seinem Rücken nahm, um ihn den Ninja-Hund hinterher zu werfen. Sie sah auch den Metalldraht, mit dem er den Shuriken lenken würde, was dem Hund nur wenig Chancen lassen würde, wenn er die Waffe überhaupt bemerkte. Anne wusste, dass sie Getsu-Ninja war, dass sie mit diesem Kampf nichts zu tun hatte. Dass ihr niemand einen Vorwurf machen würde, wenn sie in ihrem Versteck bleiben würde, bis der Kampf für eine Seite ausgestanden war. Nicht einmal Mamoru-sama würde schimpfen. Das war ihr klar. Aber sie würde es wissen. Den Rest ihres Lebens würde sie es wissen. Dass sie nicht gekämpft hatte. Dass sie Mamoru-sama nicht beschützt hatte. Und sie würde nicht damit leben können.

Im Schutz ihrer Decke umfasste sie eines ihrer Kunais mit beiden Händen. Als der Ninja fast direkt auf sie zukam, stürzte sie in seinen Weg und stieß ihm das Kunai schräg von unten in die Eingeweide, um seine Lungen oder gar sein Herz zu erwischen. Der Mann rannte sie um, und der Griff des Kunais verschwand fast in seinem Balg. Der Rest bohrte sich ihr schmerzhaft in die Rippen, und sie meinte hören zu können, wie eine davon brach. Ihr Umhang glitt halb von ihr herab, und der Mann starrte sie hasserfüllt an. "Du... Gör...", brachte er stockend hervor und suchte fahrig nach seiner Kunai-Tasche. Er zog eine der Klingen heraus und hob sie leicht.

Anne machte sich bewusst, dass sie wehrlos war, solange der Mann auf ihren Armen lag. Mit reiner Körperkraft konnte sie nichts mehr ausrichten. Ihr Ende war besiegelt.

***

Amir konnte sich nicht helfen, irgendetwas war anders. Er konnte es nicht genau definieren, nicht erfassen. War es Mamoru, der heute ungewöhnlich mürrisch wirkte und kaum mit ihm sprach? Möglich, aber nicht wahrscheinlich. Amir hatte über drei Hintertürchen und Latrinenparolen erfahren, dass er mit einem Jounin des Rates Sunas "trainiert" hatte. Dabei hatte er tüchtig übertrieben und den Mann ins Krankenhaus geschickt. Zufällig war der Mann, Baku, nicht nur Ratsherr, sondern auch noch Mentor des Kazekage, und deshalb war es mehr als verständlich, dass Gaara-sama sich den übermütigen Burschen zur Brust genommen hatte. Und das tüchtig. Wenn der Konoha-Shinobi heute also eher mit der Nase über den Boden schleifte, dann musste der Kazekage ihn ordentlich zusammengefaltet haben. Nein, das war es nicht. Auch wenn es zu Mamoru passte, wie die Faust aufs Auge.

Er erinnerte sich noch gut, wie sie am Morgen gemeinsam aufgebrochen waren, die beiden Konoha-Gruppen und seine Gruppe. Er erinnerte sich, das Anne ungewöhnlich still gewesen war, selbst für ihre Begriffe, und das sie ihre Anhimmelungen des "mächtigen Shinobi Mamoru Morikubi" drastisch reduziert hatte. was ihr wohlmeinenden Spott von Illan und Mohad eingebracht hatte, aber auch darauf hatte sie nur halbherzig reagiert, so als wenn sie mit ihrem Verstand weit, weit weg wäre. Amir hatte sich gewundert, aber da er wusste, was für ein Stress so eine Chunin-Prüfung war, hatte er zu Recht angenommen, dass es mit der Prüfung selbst zusammenhing. Eventuell war sie bereits viel zu sehr drin in der Prüfung. Zu Recht war sie, was die Theorie anging, eine der Besten ihres Jahrgangs, und das, so hoffte Amir, würde auch Illan weiter helfen.

Aus Fairness-Gründen, und weil es ihm damals auch niemand gesagt hatte, hatte er den dreien nicht verraten, dass sie nach Herzenslust während des Examens spicken durften. Er hatte ihnen auch nicht gesagt, dass das Examen in Kumogakure von einer einzigen Frage abhängig gewesen war; das wäre auch fahrlässig gewesen, denn kein Examen war wie das andere. Jeder Ort entschied selbst, wie er die talentiertesten Bewerber aus der Schar der Anwärter heraus filterte. Die Prüfer waren immer bestrebt, möglichst viele Genin bereits in der ersten Prüfung auszusieben, weil die zweite Prüfung mit erheblichen Gefahren verbunden waren. Und gewisse Shinobi daran teilnehmen zu lassen, die es zwar mit Ach und Krach zur ersten Prüfung geschafft hatten, aber zu halbherzig waren, um in der zweiten Prüfung mit aller Kraft und allem Ehrgeiz zu kämpfen, war so verantwortungslos, so furchtbar verantwortungslos. Es starben auch so schon genug junge Genin beim zweiten Teil der Prüfung.

Was für eine Ironie, ging es ihm durch den Kopf. Im ersten Teil würden Illam und Mohad auf Anne angewiesen sein, um diesen Teil zu schaffen. Und im zweiten Teil würde Anne ohne die beiden nicht überleben. Sie bildeten eine nahezu perfekte Symbiose. Und Amir war sich sicher, dass Anne noch einen guten Weg vor sich hatte, wenn sie erst einmal selbst ihren Weg erkannt hatte. Das galt natürlich auch für Illam und Mohad. Sie mussten ihren Weg noch finden. Und wenn sie das schafften, dann würde der schwerere Teil erst noch beginnen. Amir wusste, wovon er redete. Er hatte die Chunin-Prüfung erst im dritten Anlauf geschafft. Dafür aber war er danach relativ schnell Jounin geworden.
 

Amir schob den Gedanken beiseite und betrachtete den Prüfungsraum. Natürlich hatte der Prüfer, der Chunin Tomari, ihnen das Examen erklärt und betont, dass sie sich wie stolze Shinobi benehmen sollten, und ihnen damit durch die Blume verraten, das nur offensichtliches Abschreiben bestraft werden würde. Die Prüfung selbst dauerte schon sehr lange, ging in die dritte Nachmittagsstunde, und hatte bereits zwei Pausen beinhaltet. In dieser Zeit waren aus den neunundneunzig Teilnehmer neununddreißig geworden. Die Mehrzahl war beim Abschreiben erwischt worden - beim plumpen Abschreiben - und der Rest hatte wegen dem Druck aufgegeben, den die Jounin der verschiedenen Dörfer, die das Geschehen überwachten, auf sie ausübten.

Zufrieden registrierte Amir erneut, das seine drei Genin noch im Rennen waren, und das sie dank Anne bisher ein gutes Examen ablieferten. Auch wenn es sich am Schluss als vielleicht nicht relevant erweisen würde, so beschäftigten sich Illam und Mohan doch endlich mal intensiv mit der Theorie, und das konnte für sie nur nützlich sein, im Endeffekt.

Auch die sechs Konoha-Genin waren noch im Rennen, was Amir nicht weniger erfreut zur Kenntnis nahm. Die sechs Genin, angeführt vom Ältesten, Neji Hyuga, hatten seine drei Anfänger unten im Eingang unter ihre Fittiche genommen und an dem üblichen Spiel vorbei geschleust, das die Chunin Sunagakures mit den Anwärtern trieben, indem sie einen falschen Raum vorgaukelten, oder, wie bei ihm und Mamoru, eine Tür, wo nur eine Steinmauer war. Hier in Suna hatte man es mit der Tür probiert, die gar nicht da war, und etliche Genin waren erbost darauf herein gefallen. Erst als sie merkten, dass sich die Veteranen der Chunin-Prüfung überhaupt nicht mit der Tür beschäftigten, waren sie gefolgt und hatten den richtigen Examensraum gefunden. Das war nett gewesen. Und nicht selbstverständlich, denn die drei Gruppen waren spätestens ab der zweiten Prüfung Feinde. Auf dem Papier eigentlich auch untereinander, aber Amir bezweifelte stark, dass sich die Konoha-Genin gegenseitig bekämpfen würden. Um keinen Preis der Welt.

Er hatte ja die leise Hoffnung, dass sich Konoha und Getsugakure beim zweiten Part, der noch Teamwork erlaubte, gegenseitig helfen würden. Vielleicht hatten die Konoha-Genin mit den jüngeren Genin aus Getsu genug Zeit verbracht, um ihnen gegenüber einen Beschützerinstinkt zu entwickeln. Das würde hilfreich für seine Schutzbefohlenen sein und sie eventuell bis zum dritten Teil der Prüfung bringen.
 

Ein lautes Räuspern ließ ihn kurz von den Kiri-Nin aufsehen, der sich anschickte, nicht besonders intelligent abzuschauen, nachdem er die bisherigen Bögen alleine ausgefüllt hatte. Jeder durfte sich zweimal erwischen lassen, beim dritten Mal war Sense.

Das Räuspern war von Mamoru gekommen, der zusammen mit den anderen Jounin Konohas im Raum an den Wänden stand und die Genin überwachte. Er hatte sich am Morgen geradezu zum Genin-Schreck entwickelt, indem er alleine schon fünf Gruppen des Raums verwiesen hatte. Ein Räuspern von ihm ließ fast die gesamte linke Flanke nervös werden.

Es war nicht unüblich, dass man die Jounin der anderen Dörfer als Prüfer mit hinzu bat, wenn man das erste Examen startete, auch wenn man sie nicht die eigenen Schützlinge bewerten ließ. Es bedeutete aber einen besonderen Vertrauensbeweis für Mamoru und die anderen drei Jounin, dass sie hier stehen durften, denn sie betreuten keine Konoha-Gruppe. Sie würden lediglich ihre Beurteilung übernehmen. Es konnte natürlich auch andersrum sein, und der Kazekage hatte sie dazu verdonnert, die Prüfer zu spielen, gerade weil Mamoru letzte Nacht so furchtbar übertrieben hatte. Das würde seine miese Laune erklären.

Amir grinste den Shinobi burschikos an, und wunderte sich für einen kurzen Moment, dass der Kamerad der Chunin-Prüfung leicht errötete, bevor er seine Aufmerksamkeit wieder dem Kiri-Nin zuwendete. Der junge Bursche sah verzweifelt nach rechts und links. Er hatte noch drei offene Fragen und nur noch acht Minuten Zeit. Seine Gruppenkameraden ignorierten ihn. Immerhin war er in seine Prüfung so vertieft, dass er ihre Kontaktversuche nicht einmal bemerkt hatte. Die Verzweiflung wuchs, und Amir konnte fast körperlich spüren, dass der junge Mann schon bald das Risiko eingehen würde, auf nicht ganz Ninjagerechte Art abzuspicken. Und das würde sein erster Verweis sein. Dem würde ein zweiter folgen, dann der dritte, und damit der Ausschluss seiner Gruppe aus der Prüfung. Beinahe tat es ihm leid, aber mit ihm hatten die Prüfer ja auch kein Mitleid gehabt. Davon abgesehen war er nicht der einzige, der den Burschen im Blick hatte.

Seine Verzweiflung erreichte einen absoluten Höhepunkt, und es war abzusehen, dass er gleich etwas sehr dummes tun würde.

Da sprang plötzlich Anne auf, mit weit aufgerissenen Augen und Schreckgezeichneter Miene. "Ach du Kacke!", rief sie aufgeregt, und verschwand in einer Rauchwolke.

Okay, nun wusste Amir, was ihn irritiert hatte, was nicht gestimmt hatte. Anne war die ganze Zeit...

"Ein Kage Bunshin?", kam es mehr als überrascht von Kurenai-san, die auf der anderen Seite stand und für Anne zuständig gewesen war.

Der Kiri-Nin sah sie mit leichtenden Augen an. "Ah! Genau! Danke!", rief er fröhlich, und trug die Antwort in die entsprechende Frage ein.

Amir und Kurenai wechselten einen vollkommen perplexen Blick, fassungslos, entsetzt, verständnislos. Sein Blick sagte sehr genau, dass er absolut keine Ahnung hatte, was hier vorging, und dass das nicht abgesprochen gewesen war. Und das hinterließ zwei sehr schmerzhafte, ja quälende Fragen: Wo war das Original, und warum hatte sich der Schattenklon aufgelöst, obwohl er nicht verletzt worden war? Amir spürte Panik in seinen Eingeweiden aufsteigen. Wo war Anne, zum Henker? Und warum hatte er nicht bemerkt, dass er nur einen ihrer Schattenklone vor sich gehabt hatte? In Gedanken überschüttete er sich mit den schlimmsten Vorwürfen.

Illan und Mohad sahen fragend zu ihm herüber, ebenfalls erstaunt und entsetzt. Aber er gab ihnen zu verstehen, die Prüfung abzuschließen, um jeden Preis.

"Tja", sagte er einfach aus dem Grund heraus, um irgend etwas zu sagen, "sie war schon immer recht gut in Ninjutsu, speziell bei Kage Bunshin."

Das ließ die anderen Prüfer kurz schmunzeln, aber es brachte keine Antworten.

***

Pakkun lief langsamer auf uns zu, als er uns entgegen kommen sah. Als wir ihn passierten, huschte er Kakashi auf den Rücken.

"Hinterhalt?", fragte der weißhaarige Jounin.

"Kann ich nicht sagen. Sie waren plötzlich da. Aber sie schienen auch überrascht zu sein. Eventuell einer von diesen mistigen Zufällen."

"Oh, das wäre nett, denn dann haben wir doch noch eine Chance, sie alle zu erwischen! Asuma, Yaguo, rechts! Guy, Mamoru, links! Mamoru, Affenkrieger!"

"Verstanden!", blaffte ich. Während ich kurz innehielt, um mir in den Daumen zu beißen und eine Beschwörung auszuführen, huschten die anderen an mir vorbei. Mittlerweile waren es über zwanzig Gegner auf der Kammkrone, die sich mit Ranko-sensei balgten, und weitere zehn hatten sie schon passiert.

"Durch! Gleich durch!", rief Kakashi, als er mich zurückließ, um sich in den Kampf zu werfen.

"Kuchiose no Jutsu!" Die charakteristische weiße Rauchwolke entstand, und als sie Sekunden darauf wieder verwehte, gewahrte ich Ryoga und Dr. Tofu. Ich war kaum, dass der Rauch aufgestiegen war, weiter geeilt, und die beiden folgten mir ohne zu zögern.

Ryoga holte zu mir auf. "Ich weiß, ich habe mich schon ein Dutzend Mal bei dir entschuldigt, und du hast gesagt, das sei nicht nötig. Aber in der Burg habe ich die Kiri-Kunoichi unterschätzt und damit dein Leben gefährdet, Mamo-chan. Danke, das du mich jetzt beschworen hast, in einem Kampf. Ich werde alles zurückzahlen, das verspreche ich dir." Mit diesen Worten sprang er voran, seinen superschweren roten Regenschirm vor sich haltend. Damit wischte er gleich zwei Angreifer mit Oto-Stirnbändern zur Seite, als seien sie nur Papierpüppchen. Sie wurden dutzende Meter weit weg geschleudert und blieben mit verdrehten Gliedmaßen liegen. Von Ryogas Schirm getroffen zu werden, wenn er damit zuschlug, hatte etwas davon, einen Tritt von einem kräftigen Elefanten zu erhalten. Von einem kräftigen, übereifrigen, schlecht gelaunten und verärgerten Elefanten. Falls sie den Schlag überlebt hatten, würden sie in diesen Kampf nicht mehr eingreifen können.

"Da siehst du es, Mamo-chan", sagte Dr. Tofu beinahe lachend, wieder einmal in seine menschliche Form gehüllt. "Er meint es wirklich ernst. Die Lage?"

"Einfach drauf, durch das Tal auf der anderen Seite, und das darauffolgende Tal. Alle Kräfte, die Widerstand leisten, sind zu eliminieren!", sagte ich hastig, und wehrte eine Handvoll Shuriken mit dem Schwert ab. Okay, ich konnte Ranko sehen. Sie kämpfte und wirkte unverletzt. Und als die Jounin eingriffen, wurde sie stark entlastet. Ich huschte einher, die erschrockene Frau im Blick, die mich mit Shuriken eingedeckt hatte. Sie warf erneut eine Salve, dann noch eine. Unwillkürlich fragte ich mich, wo sie die Waffen versteckt hatte, bis mir die Schriftrollen auffielen. Eine Beschwörerin. Und es schien ihr zu dämmern, das ich schneller als ihre Waffen war. Mit Panik in den Augen wich sie zurück, aber ich setzte nach und erwischte sie auf der Kammhöhe mit dem Schwert. Zwar benutzte ich nur die stumpfe Seite, aber ich schleuderte sie weit über den Kamm hinaus, und sie wurde mehrere Meter fort getrieben, bevor sie in die Tiefe fiel. Sofort wandte ich mich dem nächsten Gegner zu, aber in meiner Reichweite war niemand. Also tat ich das einzig Richtige. Ich konzentrierte mich auf neue Gegner. Und das waren die fünf Shinobi, die gerade versuchten, das Tal zu durchqueren, um ihr Lager zu warnen. "Ryoga!", rief ich, und der Affe reagierte sofort. Er schickte seinen aktuellen Gegner auf einen Rundflug, und folgte mir ohne zu zögern. Mittlerweile dämmerte mir, dass die Kontras mehr als dreißig Ninjas haben mussten. Eventuell waren etliche hinzu gekommen, vermutlich Nukenins.

Ich hetzte hinterher. Es würde uns Vorteile bringen, wenn sie das Lager nicht warnten.

Als Ryoga meine Höhe erreicht hatte, sprang ich in die Höhe. Ryoga fing mich auf, stieß sich vom Boden ab und rauschte in die Tiefe. Er hatte den Schirm wieder auf dem Rücken verstaut, und drehte sich, mich im Griff, mit dem Rücken zur Felswand. Ich stemmte meine Füße in seine Hände, vertraute mich einem der körperlich stärksten Affen an, die ich kannte. "Guten Flug!", rief Ryoga, und schleuderte mich davon, in Richtung der Fliehenden. Ich flog vier-, fünfhundert Meter, schlug auf, rollte mich ab und lief den Ninjas hinterher. Einem warf ich ein Kunai nach und brachte ihn mit einem Beintreffer zu Fall. Auf den, der an der Spitze lief, schleuderte ich einen Shuriken. Er wich aus, aber damit hatte ich gerechnet. "Katon!" Mein heißes Feuer lief dem Draht nach, der den Shuriken mit mir verband. Ich riss die Schnur herum und folgte so dem Fliehenden. Zu schnell fur den Suna-Nin. Die Flamme berührte ihn, sprang auf ihn über und machte aus ihm eine lodernde Fackel. Er hatte nicht mal Zeit zum Schreien. Eine der Ninja, eine Oto-Kunoichi, griff mich mit allen Zeichen absoluten Abscheus an. Sie trug Klingenfäuste als Waffen und drang damit auf mich ein. Ich blockte sie mit meinem Schwert und mit links, während ich den brennenden Shuriken weiter zog, auf den fliehenden Shinobi ganz Rechts. Der wich mit entsetzter Miene aus, stürzte und überschlug sich mehrfach. Für den Augenblick würde er nirgendwo hingehen.

Ich spürte die Gefahr, als ich ahnte, dass der fünfte Shinobi vom Körper der Frau verdeckt wurde. Ich löste mich von ihr, Sekundenbruchteile, bevor eine scharfe Schwertklinge unter ihrer rechten Achsel hervor schoss und jene Stelle durchschnitt, an der sich Sekunden zuvor noch meine Brust befunden hatte.

Ein eingespieltes Team, aber garantiert keine Oto-Nin. Die hätten anders auf mich reagiert.

Die Frau grinste mich wild an. Und das, obwohl sie gesehen hatte, dass ich Feuernutzer war.

"Katon: Dai Endan!" Ich stieß einen Feuerball in ihre Richtung aus, zu groß für sie um auszuweichen. Nur ein Erdwall oder ein Wasserjutsu hätte sie jetzt noch gerettet. Sie besaß beides nicht, und verschwand in der Feuerlohe. Zuerst als Schatten, dann als verwehender Staub.

Der letzte Angreifer, der mit dem Schwert, hatte wieder die Deckung seiner Kameradin genutzt, um sich abzusetzen. Ich reagierte automatisch, warf ihm mein Schwert hinterher. Es überschlug sich genau viermal, dann senkte sich die scharfe Spitze links neben der Wirbelsäule knapp unter dem Rippenansatz in seinen Rücken und durchschnitt ihn die linke Lunge, und, wenn ich gut genug getroffen hatte, die untere rechte Herzkammer. Auf jeden Fall brach der Shinobi in sich zusammen.

Hinter mir hörte ich ein lautes Krachen, das ich kannte und nicht besonders mochte. So klang es, wenn jemandem etwas gebrochen wurde. Ryoga war da. Unter seinem rechten Fuß befand sich das, was vom Arm des fünften Shinobi noch übrig war. Den steifen Fingern entwand er eine Pistole. Nicht gerade das, was Shinobi bevorzugten. Aber wahrscheinlich hatte er mir damit wenn schon nicht das Leben gerettet, dann aber doch eine schmerzhafte Schusswunde mit der gefährlichen Samurai-Waffe erspart.

"Ich sage es dir wieder und wieder: Erst erledigen, dann weiter kämpfen, Mamo-chan!", sagte er vorwurfsvoll. Er sah zu dem winselnden Schwerverletzten herab. "Brauchen wir Gefangene?"

In diesem Moment fühlte ich mich müde, matt, ausgelaugt. Auch wenn diese Shinobi Konoha angreifen wollten, für einen Augenblick konnte ich sie nur als Menschen sehen. Das ging genau so lange gut, bis mir eine wichtige Frage wieder einfiel: Warum hatte ich auf dem Bergsattel nichts von Anne gesehen? War sie sicher unter ihren Genjutsu? War sie tot? Wo war sie überhaupt? Ich eilte zurück, vorbei an den Jounin, die mich für den Angriff auf das eigentliche Lager passierten.

"Keine Antwort ist auch eine Antwort", sagte Ryoga, es knackte erneut, und das Winseln verstummte.

"Mamo-chan!", rief Kakashi, als er mich passierte.

Ich erwartete einen Tadel und den Befehl, ihm zu folgen, stattdessen warf er mir Pakkun herüber. "So findest du sie schneller!", rief er und hetzte weiter.

"Danke, Kakashi-sempai!", rief ich erleichtert zurück. Egal ob sie noch lebte oder tot war, ich würde sie finden. Und ich würde meine Kameraden aus Konoha nicht länger als unbedingt nötig alleine kämpfen lassen. Und ich wusste keine Affenkrieger bei ihnen. Trotzdem war ich verzweifelt, und fühlte mich feige. Und ich hatte entsetzliche Angst davor, was ich finden würde.

Schneidender Wind 5

5.

Ryoga wurde seinem Namen als einem der Stärksten des Affenclans gerecht, als sie die Anhöhe ins Tal erklommen, in dem der Gegner der Anti-Konoha-Fraktion campierte. Auf halbem Weg begegneten sie einem Alarmposten, der vom Lärm aufgeschreckt worden war. Ryoga schlug zu, und von der Wucht des Stoßes mit seinem supermassiven Regenschirm verschwanden zwei Gegner, als hätte es sie nie gegeben. Doch das war noch nicht alles. Der Stoß war so kraftvoll geführt worden, das auch der Bergkamm, in seiner ganzen Stärke von fünfzehn Meter, kreisförmig um den Schlag auf drei Meter verschwand.

"Musst du immer so übertreiben?", tadelte Doktor Tofu grinsend, während er durch die Reihen der Kämpfenden tänzelte, als wäre er auf einer Matsuri, nicht in einem Kampf auf Leben und Tod verstrickt.

"Das musst du gerade sagen", tadelte Ryoga seinerseits den ältesten Sohn des Königs, der wie beiläufig drei besiegte Feinde an ihrem Kragen hinter sich her schleifte.

"Nicht reden, sondern kämpfen, Jungs!", rief Ranko und huschte durch die von Ryoga geschlagene Bresche. Sie war die Erste. Das war in vielerlei Hinsicht eine gute Idee, galt sie doch als eine der Top-Kämpferinnen des Clans und hatte die vielleicht besten Reflexe der Elite-Krieger. Wenn jemand auf eine ungewohnte Situation angemessen reagieren würde, auf einer Skala von eins bis zehn, würde sie eine zweiundzwanzig schaffen. Heftiger Kampflärm bewies, wie recht diese Behauptung hatte.

Ryoga grinste schief, als er der Kameradin nacheilte.
 

Die Konoha-Shinobi teilten sich auf wie besprochen, und Asuma setzte sich ab, um die Wachtposten zu eliminieren. Je eher er damit fertig war, desto schneller würde er in die eigentlichen Kämpfe eingreifen können.

Blieben die drei Affenkrieger, Kakashi, Guy und Uzuki für die Attacke auf einen Feind unbekannter Stärke, der sie schon einmal damit überrascht hatte, dass er mit über dreißig Ninjas aufgewartet hatte. Das war eigentlich nach ihrem Wissensstand die maximale Zahl der Shinobis der Kontras, aber Kakashi war nicht so naiv zu glauben, dass sie die Ninjas bereits alle erledigt hatten. Im Gegenteil, ab hier konnte es nur noch schlechter werden.

Kankurou erschien direkt neben Kakashi, als dieser über den Hang glitt. Viel zu weit vorne für seine neutrale, beratende Situation. Andererseits hatte sich die Lage derart zu ihrem Nachteil verändert, dass ihnen diplomatische und taktische Spielereien nur weitere Nachteile bringen konnten.

Während sie Seite an Seite den Hang hinab liefen, erstarrte Kankurou für einen Moment. Die Zahl der Zelte lag weit über dem, was er erwartet hatte.

"Das kann nicht sein", sagte er ärgerlich und holte wieder zu Kakashi auf. "Wenn ich das richtig sehe, erwarten uns da unten über tausend Gegner!"

"Und wenn wir Glück haben, sind weniger als die Hälfte Shinobi", erwiderte Kakashi mit ruhiger Stimme.

Uzuki hatte den Ernst der Lage ebenfalls erkannt, und eilte so schnell sie konnte auf das Zeltlager zu.

"Nicht so weit vorneweg!", rief Kankurou, der die Gefahren selbst für einen guten Shinobi kannte, der die Rückendeckung seiner Partner verließ und sich exponierte. ANBU hin, ANBU her, ihr voreiliges Handeln konnte sie töten.

"Nur die Ruhe. Yaguo-chan weiß, was sie tut", versprach Kakashi, beschleunigte aber ein wenig, um schneller zu ihr aufzuschließen.

Ryoga schloss sich ihnen an, während Ranko und Dr. Tofu mit Guy die Zeltstadt umgangen, um den Feind von zwei Seiten anzugehen.

Das Zeltlager begann langsam zu erwachen. Alarm wurde geschlagen, und ein unglaubliches Durcheinander erfasste die Soldaten und Shinobi. Kakashi räusperte sich verlegen, als er erkannte, dass sie es selbst bei einem gelungenen Überraschungsangriff kaum besser hätten haben können. Der Feind war verwirrt, desorientiert und ohne jede militärische Struktur.

Als Uzuki die ersten Zeltreihen erreicht hatte, tat sie ihren Teil, um die Verwirrung ins Unendliche zu erhöhen. "DORYU TAIGA!" Zu ihren Füßen bäumte sich die Erde auf, als sie Erd-Jutsu und Wasser-Jutsu kombinierte, um eine alles verschlingende Schlammwelle zu erschaffen, die von ihrer Position aus pyramidenförmig ins Lager rollte und alles auf ihrem Weg mitriss. Über fünfzig Zelte verschwanden, als hätte es sie nie gegeben, und mit ihnen eine unbekannte Anzahl Soldaten, rund ein Viertel des Lagers. Einige Shinobi würden hieraus wieder kommen, aber die normalen Soldaten sahen ihrem sicheren Ende entgegen.

Trotzdem schien endlich jemand verstanden zu haben, und versuchte, Ordnung in das Chaos zu bringen. Ein Teil der Streitkräfte formierte sich um die Mitte der Zeltstadt, wo sich laut ihren Informationen die Drahtzieher der Kontras aufhielten, einflussreiche Fürsten und Politiker des Reichs der Winde.

"Katon! Dai Endan!" Kakashi schickte einen heißen Feuerball über die Schlammfläche in Richtung Zeltmitte. Das heiße Feuer trocknete den Schlamm aus und machte aus ihm eine betonharte Masse; zugleich schoss die Feuerkugel in die mittleren Zelte, ging durch sie hindurch wie ein heißes Messer durch frische Butter, und setzte alles in Brand, was sie berührte. Sie schoss über die Mitte hinaus, passierte die Peripherie der anderen Seite der Zeltstadt und hinterließ eine brennende Schneise der Verwüstung.

"Okay, ich bin beeindruckt, und das nicht nur ein bisschen!", rief Kankurou ihm zu. Er zückte eine Schriftrolle, setzte sie frei, und verfügte damit über zwei seiner drei Kampfpuppen, die er derzeit benutzte. Von ihnen flankiert warf er sich in den Kampf.
 

Guy, Dr. Tofu und Ryoga hatten sich derweil dazu entschlossen, nicht bis zum anderen Ende der Zeltstadt zu laufen, um dem Feind dort den Weg abzuschneiden. Sie drangen an der Stelle der Peripherie ein, an der das Zentrum endete. Wenn sie diese Flanke komplett zerstörten, war das mit einem Zangenangriff gleich zu setzen. Und niemand konnte zweifeln, das das grüne Biest und die beiden Affenkrieger das schaffen würden. Den Anfang machte Guy, der mit einem massiven Tritt, ausgeführt aus reiner Kraft, einen Spalt in die Erde riss, der von seiner Position aus das halbe Zeltlager durchwanderte und schnell mehrere Meter breit und tief wurde.

Als Ryoga angriff, hob die Druckwelle seines ersten Hiebes Dutzende Menschen und Zelte an, und wirbelte sie in alle Richtungen davon. Wer dem widerstand, wurde mit Doktor Tofu konfrontiert, der in seiner menschlichen Gestalt gerade mehr einem Dämonen glich. Er glühte vor geschmiedetem Chakra, das man meinen könnte, man hätte den Neunschwänzigen vor sich, während er seinen Wirt ummantelte. Ein einziger Fingerzeig von ihm wirkte wie ein Peitschenhieb auf alles und jeden, der im Wege stand.

Uzuki stand derweil im Nahkampf. Sie bewegte sich wie eine begabte Tänzerin durch die Reihen ihrer Gegner, und wo sie gefochten hatte, hinterließ sie nur Tote. Kakashi konnte sie verstehen. An Baki hatte sie ihre Rachegefühle nicht auslassen können. Aber hier, bei den Kontras, brauchte sie keinerlei Rücksicht zu nehmen. Es war im Sinne beider Ninja-Dörfer, im Sinne beider Nationen, wenn diese Bewegung schnell und nachhaltig in sich zusammen stürzte und nie wieder aufsteigen würde.

Kankurous Puppen, von ihrem Meister mittels Chakra-Fäden gesteuert, schnitten sich wie gierige Critter durch jene Unglücklichen, die sich ihnen in den Weg stellten. Was bewies, das sie es hauptsächlich mit Genin und normalen Soldaten zu tun hatten. Es bewies allerdings auch, dass sie hier mit weit mehr Shinobi rechnen mussten, als sie selbst bei pessimistischer Erwartung hätten vorfinden sollen.

Hinter ihnen klang eine Explosion auf. Asuma war eifrig bei der Arbeit. Immerhin.
 

Kakashi ließ sich etwas zurückfallen, gerade weit genug, um die Zeit zu haben, sein Sharingan zu benutzen. Er lüftete das Stirnband, das sonst sein linkes Auge verdeckte und benutzte das einmalige Augen-Jutsu der Uchiha. Schnell fielen ihm starke Chakra-Quellen im Zentrum der Zeltstadt auf. Aha, die Chunin und die Jounin. Kurz stockte Kakashi, als ihm ein wichtiges Detail auffiel: Er kannte einige der Chakras, auch wenn er ihnen vor Jahren das letzte Mal begegnet war. "Iwagakure", sagte er mit wehleidiger Stimme. "Werden die denn nie schlau?"

Dennoch, es passte gut zusammen. Iwagakure und Konoha hatten eine lange gemeinsame Geschichte als Feinde. Der Yondaime Hokage selbst galt in Iwa als Schreckgespenst, mit dem man kleine Kinder zur Räson zu bringen versuchte. Es hatte nie einen formellen Friedensvertrag nach den letzten Kampfhandlungen gegeben, und wo immer sich Iwa-Nin und Konoha-Shinobi trafen, konnte es schnell heiß her gehen, sogar tödlich werden. Es war relativ einfach zu erkennen, warum Iwa nicht am Angriff vor zwei Jahren auf Konoha beteiligt gewesen war; die Stadt versteckt unter den Blättern hätte dann schnell erkannt, das Suna Verrat betrieb, und sie hätten Kumo um Hilfe anrufen können; immerhin hatte Konoha besonders viele fähige Spione bei diesem Feind installiert, um einer solchen Attacke zuvor kommen zu können. Aber jetzt, fast zwei Jahre später, war es verständlich, warum sich Iwa beteiligte. Es rechnete keiner mit ihnen. Und es war ein bequemer Weg für sie, um sich an Konoha zu rächen. Ging es schief, konnte sich der Sandaime Tsuchikage immer noch damit rausreden, es wären Nukenin gewesen, oder das Dorf wäre bei der Kontraktschließung hintergangen worden.

Das änderte freilich nichts daran, das sie hier waren, und das sie die Reihen der Shinobi entscheidend verstärkt hatten. Was im Umkehrschluss bedeutete, dass die Jounin hier durchaus verlieren konnten. Es galt also, so viel Schaden wie möglich zu machen und so viele Krieger wie möglich zu besiegen. Das Hauptaugenmerk lag bei den Anführern. Waren sie einmal getötet, verloren auch die Truppen ihre Motivation für den Kampf. Zumindest der Teil, der nicht aus Iwa gekommen war, um gegen Konoha zu kämpfen.

"Yaguo! Kankurou! Es sind Iwa-Nin!", rief er zu ihnen herüber.

Uzuki, gerade dabei, einen gegnerischen Schwertkämpfer zu töten, der geglaubt hatte, das sie hinten keine Augen hatte, nickte ihm nach ihrem tödlichen Streich zu, um zu bedeuten, das sie verstanden hatte. Kankurou stieß einen wüsten Fluch aus, blieb aber konzentriert bei der Sache.

Ranko, die sich fast bis zur Mitte durchgearbeitet hatte, hinter sich eine Spur aus Tod und Verwüstung, wandte sich mit einem wilden Grinsen um. "Es ist doch egal, wer sie sind. Sie haben sich mit den Falschen angelegt, und werden nicht mehr viel Zeit haben, um es noch zu bereuen!"

Nun, dem musste Kakashi Recht geben.
 

Er eilte weiter, focht ein paar Sekunden mit einem Gegner auf Chunin-Rang, bevor er ihn in einem Erdversteck für den Moment neutralisierte, passierte ein paar bereits getötete Oto-Nin, und stutzte. Da war doch etwas gewesen... Etwas Bekanntes, an das er keine erfreulichen Erinnerungen hatte. Überhaupt keine erfreulichen Erinnerungen!

Er blieb stehen, fuhr herum, sah sich suchend um. DA! Eine der Leichen hatte einen versiegenden Rest an Chakra, was nicht sehr ungewöhnlich war. Ungewöhnlich war schon eher, das er dieses Chakra kannte, und den Besitzer nicht besonders mochte, wenn man es vorsichtig formulierte. "Suiton! Suiryuudan no Jutsu!" Das Wasser-Jutsu saugte jeden Tropfen Flüssigkeit aus dem Bach, der die Zeltstadt durchlief, und trocknete den Boden noch weiter aus. Es reichte für einen Wasserdrachen, der mit tödlicher Gewalt auf die Leichen niederfuhr, von denen eine noch Chakra in sich trug.

Als der Drache mit der Gewalt einer Explosion unter die Toten fuhr, stellte sich heraus, das einer der Toten nicht ganz so tot war, wie er vorgegeben hatte. Er sprang davon, und landete etliche Meter von Kakashi entfernt auf dem steinharten Lehm, den Uzuki beschworen und Kakashi festgebrannt hatte. "Wie immer mit Kanonen auf Spatzen schießen, Hatake-sensei", sagte der Bursche tadelnd. Sein feistes Grinsen hätte Kakashi auch erkannt, ohne das die Gesichtsmaske - zweifellos das tatsächliche Gesicht eines armen Teufels, der jetzt hoffentlich tot war - in Fetzen herab hing. "Kabuto!"

"Aber, aber. Ist das eine Art, mit einem alten Freund zu sprechen, Hatake-sensei? Ich hätte zumindest das Suffix San erwartet, nicht diese plumpe Vertraulichkeit."

"Ich hätte es wissen müssen. Wenn es gegen Konoha geht, und wenn Oto-Nin involviert sind, können Orochimaru und seine Schergen nicht weit sein! Ist dein Meister auch hier?"

"Diese Angelegenheit ist viel zu unwichtig, als dass Orochimaru-sama sich darum kümmern müsste. Ich bin auch nur hier als, ah, Beobachter. Aber so wie ich das sehe, ist meine Zeit hier ohnehin beendet. Du wirst gestatten, das ich mich empfehle, Hatake-sensei?"

"Du wirst nirgendwohin...", begann Kakashi, bevor er begriff, das er die Zeit, die er mit Reden verbracht hatte, lieber für ein Jutsu verwendet hätte, so wie Kabuto.

Als der Vertraute Orochimarus sein Jutsu gewirkt hatte, erstarrte selbst Kakashi, der schon vieles gesehen hatte, für einen Moment. Die Toten erhoben sich wieder, selbst aus der zu Stein getrockneten Schlammdecke schossen die Fäuste der Getöteten hervor. Ein rascher Überblick verschaffte ihm die genaue Zahl seiner Gegner. Mindestens dreihundert, und sie wirkten nicht gerade arthritisch auf ihn. Im Gegenteil, sie schienen über ihr volles Potential zu verfügen, und sie waren denen, die sie getötet hatten, nicht gerade dankbar.

"Ich lasse dir genug zum Spielen hier, Hatake-sensei. Wenn du mich jetzt entschuldigen würdest..." Kabuto benutzte Step, um zum Nordwestrand des Tales zu kommen. Zeitgleich wurde Kakashi von den wütenden Toten angegriffen. Sein Sharingan registrierte zwanzig verschiedene Ninjutsu-Angriffe auf Doton-, Suiton- und Raiton-Basis. Verdammt, dieser Kabuto war eine Gefahr für sich, beinahe so schlimm wie Orochimaru. Dieses Tote erwecken-Zeugs musste ein Jutsu seines Meisters sein; der ehemalige Schüler des Sandaime war schon immer vom Tod besessen. Und wie er ihn für sich selbst vermied. Die Frage war nur, wie lange diese toten Soldaten und Shinobi kämpfen würden. Allerdings waren bereits die ersten zwanzig Angriffe für ihn persönlich eine Gefahr. Eine Gefahr, um die er sich kümmern musste, anstatt Kabuto verfolgen zu können.

Hinter den Toten gab es eine heftige Bewegung, und rund zwei Dutzend der wandelnden Leichen wurden davon gewirbelt. Ein Teil der Jutsu erlosch, als die neue Bedrohung auftauchte, den anderen Teil konnte Kakashi dank des Sharingan abwehren.

Asuma stand inmitten der verdrehten Leiber, wie immer im Mund eine brennende Zigarette, ohne jede Angst mitten unter dem Feind. Er grinste, seine Faustklingen angriffsbereit gehoben. "Ich würde sagen, wir schicken Kankurou und Mamoru hinterher, während wir Konoha-Jounin hier weiter aufräumen."

Kakashi beschwor erneut den Wasserdrachen und fegte mit ihm über dreißig Tote hinweg. "Warum Kankurou?"

"Weil die Leichen ihn nicht als Gegner sehen und es Probleme und Fragen geben wird, je länger er kämpft."

Kakashi nickte, was unter anderem dazu führte, das er unter dem heftigen Schwerthieb eines Wiedererweckten hindurch tauchte. Ein Doton beendete dieses Problem. "Und die Affenkrieger?"

"Helfen uns. Danach können sie die Beschwörung auflösen, und Mamo-chan weiß, dass sie hier fertig sind." Asuma grinste breit. "Gehen lassen können wir den Bastard jedenfalls nicht. Ist ein viel zu schöner Zufall, das wir ihn hier getroffen haben."

"Ich gehe schon!", rief der Ratsherr aus Sunagakure, passierte die Toten, die ihn tatsächlich nicht behelligten, und machte sich gleich an die Spur des fliehenden Verräters.

"Ich benachrichtige Mamoru. KUCHIOSE NO JUTSU!"

Als sich der Rauch der Beschwörung verflüchtigt hatte, standen die restlichen Ninja-Hunde aus Kakashis Rudel vor ihm. "Untote, Kakashi-san?", fragte Buru, der größte der Nin-Ken.

"Untote. Ich habe gehofft, Ihr würdet mir ein wenig zur Hand gehen. Oi, Bisuke."

Einer der kleineren Hunde sah auf.

"Suche Pakkun auf. Mamo-chan ist bei ihm. Sie sollen Kankurou dabei helfen, Kabuto zu verfolgen, den wir hier zufällig getroffen haben."

Bisuke nickte zustimmend. Die Hunde sprangen auseinander, suchten sich ihre Gegner im Gewühl der Leichen, und Bisuke suchte sich seinen Weg, indem er Pakkuns Witterung folgte.

"Gut. Kommen wir zurück zu Teil A des Plans. Vernichtung der Kontras!", rief Asuma, lockerte die Finger ein wenig und ließ sie dabei laut knacken, bevor er sich wieder in den Kampf stürzte.

Sie waren noch keine drei Minuten im Lager des Feindes, aber sie hatten es schon zur Hälfte vollkommen verheert. Wie hätte es hier wohl ausgesehen, wenn ihnen ein Überraschungsangriff gelungen wäre?

***

"Kannst du sie riechen?", fragte ich aufgelöst, als ich das Gelände absuchte, so gut es meine sensorischen Fähigkeiten zuließen. Verdammt, wenn Anne tot oder verwundet war, schaltete sich ihr Jutsu dann ab? Oder lag sie hier irgendwo unter dem Tuch, mit dem sie sich verbarg, und würde bis in alle Ewigkeit nicht gefunden werden? Zumindest bis das Tuch verrottet war? Ich wusste es nicht. Und ich hoffte es auch nicht. Bis jetzt bedeutete es, das sie unsichtbar war, für mich das sie noch lebte. Punkt.

"Nein, kann ich nicht. Das Jutsu dieses kleinen Mädchens ist erstaunlich gut", erwiderte er. "Ich kann ihr Herz nicht hören, ihren Atem nicht hören, ich kann ihren Eigengeruch nicht riechen. Ich kann sie nur finden, wenn ich direkt über sie stolpere."

Ich spürte meine Hoffnungen sinken. Verdammt. Verdammt, verdammt, verdammt. Mir hatte zwar niemand die Verantwortung für das Mädchen aufgehalst - Kakashi schon, aber das war ja nichts Offizielles - aber ich war für sie eben doch verantwortlich. Und ich hatte diese Verantwortung nicht erfüllt. Vielleicht lag sie gerade hier irgendwo, einsam, sterbend, unfähig meine Rufe zu beantworten? Apropos Rufe, warum hatte ich nicht längst versucht, nach ihr zu rufen?

"Aber ich kann etwas anderes", sagte Pakkun.

Neue, vorsichtige Hoffnung flammte auf. "Und das wäre?"

Pakkun grinste mich an. "Ich kann das Stofftuch riechen, mit dem sie sich tarnt. Den Geruch kann sie nicht verstecken. Allerdings kann ich nur ungefähr sagen, wo sie sein kann, auf dreißig Meter oder etwas mehr genau."

"Das macht nichts! Ich kann die Schattenklone, die unser Lager beschützen, herbei rufen, damit sie uns suchen helfen!"
 

Wir huschten durch das Zwischental, in dem ich gekämpft hatte. Pakkun witterte, aber er nahm die Spur nicht auf. "Hier nicht!", bestimmte er und eilte weiter. "Hätte mich auch gewundert. Zuletzt gesehen habe ich sie auf der Campseite des Hangs."

"Und warum haben wir dann Zeit verschwendet, um auf dieser Seite zu suchen?", fragte ich vorwurfsvoll.

"Weil ich gerne auf Nummer sicher gehe. Genau wie ein gewisser Mamoru Morikubo", erwiderte er spitzzüngig.

"Punkt für dich", murrte ich.

Wir hetzten den Berghang hoch, der das Tal abgrenzte, in dem unser Lager stand. Der Boden war übersäht mit den Resten der Schlacht und mit den Toten. Selten wird einem Shinobi bewusst, das hinter seinen Künsten die Zerstörung und das ewige Vergessen steckt, weil es in einer Welt der Gewalt so schrecklich normal erscheint. Aber die Sinnlosigkeit, mit der mancher Shinobi stirbt, aus Stolz, aus Gleichmut, weckt dann doch den Trotz und fördert den Gedanken, das eine Welt ohne Gewalt eine bessere wäre. Leider erforderte es Gewalt, um die Welt ohne Gewalt zu erschaffen. Die pure Ironie, die dahinter steckte, bewies nur eines: Die Götter, die diese Welt geschaffen hatten, besaßen einen sehr merkwürdigen Humor.

Und all die Toten, die hier lagen, wofür waren sie gestorben? Für die vage Chance, Konoha auszulöschen. Und was hatten sie bezahlt für ihren Wagemut? Sie hatten ihre Leben hingegeben. Was für ein hoher Preis.

Ja, auch ich musste vielleicht eines Tages mein Leben geben, aus Gehorsam, aus Gleichmut, weil ich ein Shinobi war und man solches Handeln von mir erwartete. Und ich hatte Angst davor, einen so sinnlosen, traurigen Tod zu sterben, irgendwo in der Fremde, nicht in der Lage zu wissen, ob die Sache für die ich gestorben war, überhaupt einen Abschluss finden würde, und ob mein Opfer sie überhaupt begünstigt hatte.

Die meisten Shinobi, die auf dem Schlachtfeld starben, verreckten so dreckig. Sinnlos, meistens bei einem Rückzug in einer bereits verlorenen Sache, in einem Hinterhalt, dann auch noch durch einen verirrten Pfeil. Es war den wenigsten von uns vergönnt, im Duell mit einem oder mehreren großen Ninjas zu sterben, in einer Schlacht, die zur Legende wurde, und deinen eigenen Namen unsterblich machte. So wie der Yondaime Hokage, der dabei gestorben war, als er den Kyuubi im Körper Narutos versiegelt hatte. Oder der Sandaime im direkten Kampf mit seinem ehemaligen Schüler Orochimaru, den er zwar nicht besiegen, aber empfindlich verstümmeln konnte.

Für Anne, wenn sie hier gestorben war, hatte es einen ersteren Tod gegeben, wie für diese Shinobi hier. Sie hatte eigentlich nichts mit der ganzen Geschichte zu tun gehabt, und meine größte Hoffnung war, das sie das auch gewusst und sich raus gehalten hatte. Hoffentlich. Alleine, glauben konnte ich es nicht.
 

Wir huschten über den Hang, und Pakkun wurde aufgeregt. "Hier entlang!"

Ich legte beide Hände als Trichter an den Mund und rief die Schattenklone herbei. Einer gehörte mir, einer Asuma, der Nächste Kakashi und der Letzte Uzuki.

"Anne-chan liegt irgendwo im Umkreis von dreißig Metern von Pakkun unter ihrer Tarnung versteckt, womöglich verletzt! Helft mir suchen!"

Die Schattenklone reagierten wie die Originale, Kakashis Klon benutzte sogar sein Sharingan, um Annes Position zu finden.

"Hier in der Nähe muss sie sein!", sagte Pakkun bestimmt. "Ich kann das Tuch, hinter dem sie sich versteckt vage riechen!"

Also teilten wir uns auf und suchten rund um seine Position nach ihr. Mit wachsender Verzweiflung, weil ich nicht nur Amir erklären musste, was mit seiner Schutzbefohlenen passiert war, sondern weil ich auf diese Weise die Jounin weiter im Stich und alleine kämpfen ließ. Okay, so sehr kam es ausgerechnet auf meine Hilfe nicht an, schlecht fühlte ich mich trotzdem. Aber richtig schlecht würde ich mich fühlen, wenn ich den toten Körper des kleinen Mädchens finden würde.

"Anne! Wo steckst du! Anne-chan!"

"Hier!" Asumas Klon ging neben einem toten Shinobi in die Hocke. Der Kerl war groß, breit und massig. Er hob den gewiss drei Zentner schweren Brocken an, als wäre er nur Pakkun, und schleuderte ihn davon. Darunter kam blanker Boden zum Vorschein. Und ein Loch, aus dem eine feingliedrige weiße Hand ragte.

Asuma riss das Tuch beiseite, das Annes Jutsu transportierte und offenbarte den Blick auf das Mädchen. Augenblicklich begann sie zu husten und zu japsen. "Danke", sagte sie zwischen zwei halbherzigen Atemzügen, "der Kerl war so schwer, und mein eigenes Kunai hat mir in den Bauch gedrückt, Asuma-sama."

Ich stürzte zu dem jungen Mädchen. "Kakashi-sensei!"

"Schon da!" Kakashi musterte das Mädchen erneut mit dem Sharingan und schüttelte den Kopf. "Blaue Flecken und ein paar leichte Quetschungen, aber ansonsten geht es ihr gut."

Erleichtert atmete ich aus. Das war eine Sorge weniger. Fassungslos darüber, wie viel Glück sie gehabt hatte, fassungslos darüber, dass wir sie überhaupt erst in diese Gefahr geschickt hatten, tätschelte ich über ihren Kopf. "Schön, dass du noch lebst."

"Ja, das ist schön", murrte sie ärgerlich. "Aber ich habe mich so erschrocken, das ich meinen Schattenklon in Suna aufgelöst habe. Das gab bestimmt ein großes Hallo, als ich verschwunden bin."

"Falls die Prüfer nicht gemerkt haben, dass da nur ein Kage Bunshin von dir saß, waren sie bestimmt mehr als überrascht." Nun, nachdem ich ihr Tarn-Jutsu gleich zweimal erlebt hatte, zweifelte ich nicht daran, dass ihr Kage Bunshin nicht entlarvt worden war, bevor sie ihm ihre Unterstützung und damit seine Existenz versagt hatte.

"Schade eigentlich", murmelte sie. "Ich habe alle Fragen beantworten können. Ich hätte die Prüfung bestimmt bestanden."

Die Jounin lachten wissend, und auch ich verkniff mir den Hinweis darauf, dass die Prüfung nicht die Beantwortung der Fragen war, sondern der Beweis der eigenen Ninja-Kunst, meistens gewürzt mit einer Moral-Frage, wie bei meiner Prüfung. "Eventuell nehmen sie deine Freunde nicht aus der Prüfung raus und lassen sie für die zweite Prüfung zu zweit antreten", sagte ich erleichtert.

"Aber das müssen sie doch gar nicht. Ich habe für den Fall der Fälle einen zweiten Schattenklon zurückgelassen. Er wird behaupten, die richtige Anne zu sein, den Platz einnehmen, den der erste hinterlassen hat, und meine Freunde bei der Prüfung unterstützen." Sie wurde rot vor Ärger. "So weit wie es mir möglich ist, halt."

Ich schnaubte abfällig. "Du hast immer noch keine Ahnung von deinem Potential, richtig?"

Asumas Klon griff nach meinem Kopf und drückte ihn mit sanfter Gewalt in ein demütiges Nicken. "Schaut mal, wer da spricht", lachte er.

Die anderen Jounin stimmten ein. Nun, zu meiner Verteidigung muss ich sagen, dass ich mich damals immer noch daran geklammert hatte, nicht aus der Menge hervor zu ragen. Was nicht besonders schwer war in Konoha, das vor überragenden, fähigen Ninjas nur so wimmelte. Diese Einstellung war ein Erbe meiner Leidenszeit, als meine Fähigkeiten vom eigenen Clan wieder und wieder in Frage gestellt worden waren, und ich mich dazu entschieden hatte, eher im Hintergrund zu bleiben. Denn nur wer gesehen wurde, wurde auch kritisiert.

Jedenfalls war ich mehr als erleichtert, das Mädchen lebend wieder zu sehen. "Was machst du nur für Sachen", tadelte ich sie. Ich warf einen Blick auf den Mann, der auf ihr gelegen hatte, ihren Gegner. Oder sollte ich besser sagen: Ihr Opfer? Sie hatte ihn sehr sauber mit einem Kunai erwischt, sein Herz getroffen. Definitiv tödlich. Und eventuell ihr erster toter Gegner. "Aber du lieferst saubere Arbeit ab, Anne-chan."

"Ich konnte ihn doch nicht vorbei lassen", murrte sie. "Was, wenn er dich angegriffen hätte, Mamoru-sama?"

Ich war versucht, mir eine Hand vors Gesicht zu schlagen. Aber letztendlich war sie eine Shinobi, die sich selbst entschieden hatte, was sie tun würde. Und das nötigte Respekt ab. Meinen Respekt.

Ich richtete mich auf, Asumas Hand glitt von meinem Kopf, und ich erhob mich. "Ab hier keine Experimente mehr. Du bleibst hier mit den Klonen im Lager, verstanden? Ich kehre zu den anderen zurück und helfe in der Schlacht. Ich habe so ein mieses Gefühl, dass wir auf ein paar Gegner mehr treffen werden als wir erwartet haben, und..."

"Morikubo! Pakkun!" Einer der Hunde Kakashis kam den Berghang hinab geschossen. Er bremste zwischen uns ab und sah uns hektisch an. "Kabuto war im Lager, aber er konnte fliehen! Die Jounin sind auf das Dreifache an Gegners gestoßen, das sie erwartet haben und können ihn nicht verfolgen! Kakashi hat mir den Auftrag gegeben, dir zu sagen, dass du und Pakkun Kankurou-sama bei der Verfolgung unterstützen sollt!"

Ich reagierte sofort. "Pakkun!"

"Ich habe Kankurous Geruch bereits in der Nase! Er bewegt sich westlich am Tal vorbei!"

"Gut!" Ich huschte mit Step zu unserem Lager und nahm mein Gepäck auf. Um Kabuto, dem Erzverräter, den Weg abzuschneiden, war es wohl zu spät, und eine Verfolgung konnte lange dauern. Besser, ich verfügte dann über meine volle Ausrüstung.

Neben mir griff Anne nach ihrer Tasche.

"Ich komme mit!", sagte sie trotzig.

Mir lagen tausend Gegenargumente auf den Lippen, verbunden mit tausend Flüchen und der späten Einsicht, was für ein Früchtchen ich mir da eingefangen hatte. Aber ich kannte sie mittlerweile gut genug, um zu wissen, dass sie mir, wenn ich sie nicht gleich mitkommen ließ, hinterher schleichen würde. Alles was sie dafür tun musste, war ihre überlegene Tarnung einzusetzen.

"Ach, und noch etwas", meldete der Hund Kakashis.

"Was denn, Bisuke?", fragte Pakkun.

"Kakashi hat festgestellt, dass sich eine Menge Iwa-Nin unter der Truppe befinden. Nur für den Fall, dass Ihr auf Shinobi aus Iwagakure trefft, wisst Ihr Bescheid, das ihnen noch weniger als sonst zu trauen ist."

Ich nickte gewichtig. Verdammte Scheiße, Iwa war eine der fünf großen Ortschaften, und sie hatten wegen uns Konoha-Shinobi ohnehin ständig so 'nen Hals. Das war keine nette Entwicklung. "Kehre zu Kakashi-sensei zurück und melde ihm, das ich mit Pakkun und Anne die Verfolgung Kabutos aufgenommen habe. Ich rechne mit einer längeren Abwesenheit. Aber ich denke, Kankurou und ich können ihn stellen und überleben die Begegnung."

"Sollen wir mitkommen?", fragte Asumas Schattenklon.

Ich überlegte mir dieses Angebot einen Moment, bevor ich es verneinte. "Hier gibt es jetzt nichts mehr zu beschützen. Greift in den Kampf ein", sagte ich ernst. "Niemand weiß ob und wann eure Beschwörung aufgelöst wird, weil die Originale das Chakra brauchen. Ihr nützt ihnen im Kampf mehr."

Mein eigener Schattenklon hob eine Hand. "Du beschwörst gerade drei Affenkrieger und musst auch noch mich unterstützen. Ich empfehle, mich aufzulösen."

Ich nickte gewichtig und beendete das Kage Bunshin. Sofort floss das Wissen des Schattenklons auf mich über. Und ich stellte fest, das er mit Asuma einige tiefschürfende Diskussionen über Ethik und Moral gehalten hatte. Dinge, über die ich schon lange mit ihm hatte reden wollen.

"Wir sind dann auf dem Weg", verabschiedete ich mich von den Klonen meiner Senseis und nickte ein letztes Mal.

"Bisuke, mach dich auch auf den Weg. Pakkun, Richtung Westen?"

"Richtung Westen", bestätigte der kleine Hund.

Derweil machten sich die übrigen drei Kage Bunshin mit dem zweiten Hund auf den Weg in die Schlacht.

Ich benutzte Step, Pakkun auf der Schulter, und Anne dicht hinter mir. Kabuto, ausgerechnet Kabuto. Natürlich, wo sich ehemalige Oto-Nin zum Kampf auf Konoha bereit machten, konnten Orochimarus Schergen nicht weit sein. Aber warum ausgerechnet in Ninja, der über zehn Jahre lang unerkannt Konoha infiltriert hatte, und laut Kakashi auf dem Kampflevel eines ANBU war? Stand von vor zwei Jahren, wohlgemerkt.

"Ich schätze, du kannst jetzt mal zeigen, was du kannst, Kankurou-san", murmelte ich. Eventuell konnte ich ihm wenigstens ein bisschen nützlich sein. Ich würde es merken, wenn die Affen die Beschwörung lösen würden, was hoffentlich bedeutete, das die Schlacht geschlagen war. Dann hatte ich genügend Reserven, um einen anderen Affenkrieger für den Kampf mit Kabuto zu beschwören. Ein Kampf, der - das ahnte ich damals schon - noch in der Zukunft lag und langwierig werden würde.

***

Die Prüfer standen beieinander, sichtlich irritiert. Vor ihnen stand Anne aus Getsugakure. Allerdings war es wieder nur ein Schattenklon, darauf hatten die Jounin und Chunin diesmal besonders geachtet. Ihre Gruppe hatte die erste Prüfung bestanden und stand vor der zweiten. Die Frage war nun einfach, ob man den Schattenklon mitgehen lassen würde, oder ob man den beiden Getsu-Nin befahl, mit der Chancenungleichheit zwei gegen drei in die Prüfung zu gehen.

Für Amir war es relativ simpel. Im direkten Kampf würden Illan und Mohad ohnehin die Führung übernehmen, und Anne würde von hinten dirigieren. Allerdings würden alle anderen Gruppen wissen, dass diese Anne nur ein Schattenklon war, der bei einem geschickten Treffer ausgelöscht werden würde. War es da nicht besser, von vorne herein nur die beiden zu schicken? Und dann war da noch das Problem, dass Annes erster Klon sich aufgelöst hatte, der zweite jedoch nicht. Das bedeutete zumindest, das sie noch lebte. Aber wo zum Henker war sie? Und was hatte sie dazu gebracht, den Klon aufzulösen, der mitten in der Prüfung steckte? Amir schüttelte unwillig den Kopf. Warum konnte das Leben nicht einmal einfach sein?

Allerdings konnte er sich eine Frage selbst beantworten, nämlich die nach dem "wo". Aber wenn er die beantwortete, stellte sich eine andere Frage, die nach dem "wer".

Wenn Anne, das Original, in Mamorus Nähe war, sie sich aber nicht in Sunagakure befand, wer war dann der Morikubo vor ihm? Wenn er darüber nachdachte, dann war ihm schon aufgefallen, dass sich dieser Morikubo etwas unwirsch verhalten hatte, was das Original eher selten gezeigt hatte. Und er war verschlossen und wenig kommunikativ. Das traf auf die Jounin Konohas auch zu, die sich seltsamerweise zurückzogen, wann immer sie die Gelegenheit dazu hatten. Was also war hier los?
 

"Wir lassen den Schattenklon mitgehen", sagte Temari-sama, die Schwester des Kazekages, schließlich. "Ein Schattenklon ist zwar instabiler als das Original, aber er trifft seine Entscheidungen und begeht seine Taten ebenso wie sie. Aber..." Die blonde Frau legte eine Kunstpause ein, bevor sie auf das dünne Mädchen deutete. "Wenn du dich auflöst, aus welchen Gründen auch immer, ist dein Original durchgefallen, hast du verstanden?"

"Du bist aber großzügig, Temari-sama", stellte Annes Klon fest. "Also, ich hätte mich rausgeschmissen."

"Es gibt da gewisse Umstände, die für dich sprechen", sagte Temari schmunzelnd. "Zum Beispiel, das du zwei Schattenklone über so lange Zeit stabil halten konntest, und das in deinem Alter. Oder das du es geschafft hast, über zwanzig Chunin und Jounin mit deiner Kunst zu täuschen. Ich erkenne Potential, wenn es mir unter die Nase kommt."

"Oh. Dann sage ich danke." Fröhlich machte sich der Schattenklon auf dem Weg zu seinen Gefährten, um die gute Nachricht zu verkünden. Und es war ja auch eine gute Nachricht, fand Amir.

Der kleine Mann aus Getsu trat zu der Gestalt heran, die so aussah wie Mamoru Morikubo. "Mamo-chan, was wird hier gespielt?"

Morikubo grinste leicht. "Das wüsste ich selbst gern. Aber eine beeindruckende Leistung deiner Schülerin, muss ich schon sagen."

"Ich meine nicht bei Anne. Wo sie ist, dürfte auch dir klar sein, oder?"

Morikubo erblasste merklich.

Amir sah die Gestalt, die aussah wie Morikubu, auffordernd an.

"Später. Zuhause. Ich sage dann mehr", sagte er hastig. "Nur soviel: Es ist ein Auftrag."

Amir nickte zögernd. Einerseits war er sich jetzt sicher, das er es nicht mit dem Original zu tun hatte. Andererseits brannte er darauf, mehr zu erfahren, denn das bedeutete herauszufinden, in welcher Gefahr Anne gerade steckte.
 

Ein wenig abseits standen die jüngeren Getsu-Genin mit den Konoha-Genin beieinander.

"Es hängt natürlich von der Aufgabe ab, die wir zu erfüllen haben", sagte Neji gerade. "Bei meiner ersten Chunin-Prüfung wurden alle Gruppen in zwei Fraktionen aufgeteilt und zwei verschiedene Schriftrollen ausgegeben. Bestehen konnte nur, wer jeweils eine Schriftrolle erobern konnte. Aber von Mamoru weiß ich, dass die Gruppen bei seiner Prüfung in noch kleinere Gruppen aufgeteilt wurden und nur bestehen konnten, wenn sie mindestens eine Partnergruppe gefunden hatten. Wir wissen noch nicht, was Sunagakure bereit hält, aber wenn es hart auf hart kommt, versuchen wir, euch aus dem Weg zu gehen."

"Genau", sagte Tenten fröhlich. "Ihr seid doch jetzt unsere Kohais."

Illan bekam feuchte Augen, als sie das hörte. Sie sprang der Konoha-Kunoichi regelrecht in die Arme. "Tenten-chaaaan!"

Mohad räusperte sich verlegen. "Nehmt keine falsche Rücksicht. Wir haben ohnehin schlechte Karten, weil wir statt Anne nur ihren Kage Bunshin bei uns haben, und..."

Ein deftiger Schlag traf den jungen Getsu-Nin am Hinterkopf. "Was heißt hier nur den Kage Bunshin?", beschwerte sich Anne. "Autsch. Hast du einen harten Schädel."

"Du weißt genau, was ich meine", murrte er und rieb sich die schmerzende Stelle. "Ein Kunai, das dich streift, und du bist weg. Und wir sind dann nur noch zu zweit. Ich überlege ohnehin, ob wir hier nicht besser abbrechen, unsere Erfahrungen mitnehmen und es in einem halben Jahr noch mal probieren. Was meinst du, Shino-sempai?"

Der Insektenbändiger sah ihn blicklos an. Zumindest dachte Mohad das, denn wie immer trug Shino die undurchdringliche Sonnenbrille, die seinen Blick verhüllte. "Ich denke, Ihr solltet so weit wie möglich zu kommen versuchen. Es sind Erfahrungen, die euch nützen werden, solltet Ihr hier scheitern. Aber wichtiger noch ist es, am Leben zu bleiben. Ihr solltet also versuchen, in unsere Nähe zu kommen und mit uns zusammen zu arbeiten, egal wie die Losauswahl ausfällt, egal welche Aufgabe uns gestellt wird."

Nun waren es Mohads Augen, die feucht zu schimmern begannen. "Da-danke für das großherzige Angebot, Shino-sempai."

Shino wollte noch etwas hinzu fügen, aber dann ließ er es doch. Es brachte überhaupt nichts, ihnen ein paar Stunden vor der schwierigsten Prüfung zu erklären, dass sie bei der dritten Phase womöglich gegeneinander antreten mussten.

"Und davon abgesehen", klang Lees Stimme auf, "bietet sich euch eine gute Gelegenheit, potentielle Gegner kennen zu lernen. In Abschnitt drei kommt es zu Einzelduellen um den Einzug in Abschnitt vier. Da kann es durchaus passieren, dass Ihr gegen uns antreten müsst."

Shino seufzte leise. Lee hatte es netter formuliert, aber die demoralisierende Wirkung war die gleiche.

"Darum mache ich mir keinen Kopf", erwiderte Mohad. "Erst mal müssen wir durch die zweite Prüfung durch, dann kommt der Rest."

"Eine erwachsene Einstellung", lobte Neji. Es stand für die Konoha-Nin ohnehin fest, das sie mehr als ein Auge auf ihre Kohais haben würden; immerhin waren sie nicht die einigen Veteranengruppen, die es jetzt erst recht wissen wollten. Und nachdem man sie so oft miteinander gesehen hatte, würde jeder, der Konoha treffen wollte, zuerst Getsu attackieren.

Neji klopfte dem Jüngeren anerkennend auf die Schulter. "Wir schaffen das."

Allerdings gab es da zehn Gruppen, die dagegen Einspruch einlegen würden...

***

"Das wir mal ein Team bilden würden...", sagte ich grinsend, nachdem mein letzter Step mich neben den rasch dahin eilenden Kankurou gebracht hatte.

Der eher humorlose Mann ließ sich zu einer Grimasse hinreißen, die so ziemlich alles sein konnte. Ich interpretierte sie als Lächeln. "Das ich mal mit dir und diesem Gör eine Dreier-Zelle bilden würde... Wo war sie überhaupt?"

"Sie lag unter einem Toten, dem sie ihr Kunai ins Herz gejagt hat", erklärte ich.

Kankurous Stirn legte sich in Falten. "Hm. Ich muss meine erste Meinung über dich wohl etwas revidieren, Anne-chan."

Trotzig sah das Mädchen aus Getsugakure, das problemlos mit mir Schritt gehalten hatte, zu Kankurou herüber. "Und du wirst noch mehr revidieren, Kankurou-sama. Ich habe mir geschworen, Mamoru-sama nicht zur Last zu fallen, und dabei bleibe ich."

Kankurou lachte lauthals. "Ehrlich, du gefällst mir immer mehr." Er sah zu mir herüber. "Kabuto."

"Über den weißt du sicher mehr als ich. Er war euer Verbindungsmann für Oto in Konoha. Damals, beim feigen Überfall. Du erinnerst dich? Dein Chunin-Examen diente als Vorwand für den Angriff."

"Bist du da immer noch nicht drüber weg?", fragte Kankurou missgestimmt.

"Keine Sorge, ich stichele nur aus Gewohnheit, Herr Ich habe nur auf Befehl gehandelt."

Kankurou verzog die Miene zu einem eindeutigen sauren Lächeln. "Dir würde es auch nicht einfallen, einen direkten Befehl deines Hokages zu missachten."

Ich stockte einen Moment. Ein direkter Befehl von Tsunade-sama... Angenommen, ich missachtete ihn, verweigerte ihn... Was würde dann mit mir geschehen? Übergangslos begann ich zu zittern. "Garantiert nicht", bestätigte ich mit Grauen in der Stimme. Es hieß, Naruto habe mit ihr gekämpft und mithalten können. War sie nun einfach freundlich zu ihm gewesen, oder hatte der Bursche Glück gehabt? Denn Tsunade zu voller Kampfkraft entfesselt war... Gespenstisch. Ich war dankbar, das die Sannin auf der Seite Konohas war. Definitiv.

"Siehst du. Also wirf mir nicht vor, was du auch getan hättest."

"Schon gut. Hier ist das, was ich weiß: Kabuto Yakushi, ein Waisenkind, das nach einer Schlacht von Konoha-Shinobi mit einem unbekannten Feind überlebt hat. Einer der Medi-Nin nahm ihn an Sohnes statt an. Der Junge lernte medizinische Jutsu, ging auf die Akademie und wurde bereits mit zehn Genin. Danach war seine Entwicklung, nun, langweilig. Er war auf jeder Chunin-Prüfung der letzten Jahre, egal ob Konoha teilnahm oder nicht. Wir haben ihn auf meiner gesehen. Von Naruto weiß ich, das er die Gefechtsparameter jedes Genin aufgenommen hat, der auf einer der Prüfungen zu sehen war. Er hat also einen der besten Überblicke über den derzeitigen Nachwuchs aller größeren Ninja-Dörfer, wenn er diese Karten noch hat. Ich sehe es als sicher an, das er auch eine Karte von mir besitzt. Als es offensichtlich wurde, das er für Orochimaru arbeitet, benutzte er einen Skill, mit dem er einen toten ANBU lenkte, um Kakashi zu entkommen. Kakashi schätzt seine wahre Stärke auf Jounin-Level ein. Und durch sein starkes Chakra und seine medizinischen Fähigkeiten ist er nicht leicht zu töten." Ich sah Kankurou auffordernd an.

Der Jounin aus Suna dachte kurz nach. "Uns gegenüber trat er immer als direkter Vertreter des Utaukages auf, des Kages von Otogakure. Wir waren damals überrascht von der Chuzpe, sich selbst Kage zu nennen, aber auch von der unerwartet hohen Kampfkraft der Oto-Nin. Kabuto hat sich als heller Kopf, schneller Denker und Improvisateur heraus gestellt. Ein sehr gefährlicher Gegner. Er ist auf den Nahkampf spezialisiert. Er formt sein Chakra zu Klingen, die in den Körper eines Menschen eindringen können, ohne ihn zu zerschneiden. Im Körper hingegen richten sie dann furchtbare Verheerungen an. Und dieses Jutsu, das du angesprochen hast, Kabuto konnte meines Wissens nach zehn bis zwanzig präparierte Leichen mit Hilfe seines Chakras kontrollieren.

Heute aber hat er dreihundert Tote benutzt, die er nur vielleicht manipuliert hat. Kakashi-san und die anderen kümmern sich darum. Aber gefährlich bleibt diese Fähigkeit trotzdem."

"Was ist mit Beschwörungen? Weißt du, ob er Schlangen beschwören kann wie Orochimaru?", hakte ich nach.

"Das Schlangenbeschwören war gang und gebe unter Oto-Nin", mischte sich Anne ein. "Es sollte unwahrscheinlich sein, das er es nicht beherrscht. Allerdings muss man für die wirklich großen Tiere entweder Orochimaru selbst sein, oder entsprechend viel Chakra zur Verfügung haben. Viele solcher Beschwörungen werden von zwei oder mehr Shinobi ausgesprochen."

Ich nickte anerkennend. "Gehen wir also davon aus, das er uns zumindest Schlangen auf den Hals schicken kann, die auch gegen Konoha eingesetzt worden sind."

Ich runzelte die Stirn. "Apropos Kabuto. Du bist ihm doch auf der Spur, oder?"

"Ich habe ihn schon vor Minuten aus den Augen verloren, kurz bevor du kamst. ich folge dem letzten Kurs, den er eingeschlagen hatte. Ansonsten vertraue ich Pakkun, falls er statt durch diesen Pass lieber über die Berge kraxelt."

"Zu Recht", sagte Pakkun zufrieden. Er witterte. "Kabuto war hier, keine Frage."

"Also setzt er auf seine eigene Geschwindigkeit und eine lange Jagd", stellte Kankurou fest.

Ich nickte bestätigend. Wenn er wirklich eine Karte mit meinen Fähigkeiten sein eigen nannte, sollte er eigentlich wissen, dass ihm die Flucht nicht viel nutzen würde.

Ich stockte erneut mitten im Sprung. "Die Affen haben die Beschwörung aufgelöst."

"Das bedeutet, das der Kampf vorbei ist, so oder so. Nur wie ist er gelaufen?"

"Hm." Schnell nahm ich die übliche Geschwindigkeit wieder auf, um Schritt mit dem dahin eilenden Ninja und der jungen Kunoichi zu halten. "Pakkun, sag mir in fünf Minuten Bescheid, ja?"

Der kleine braune Hund auf meiner Schulter warf mir einen neugierigen Blick zu. "Bescheid für was?"

"Sag mir einfach Bescheid. Ich werde dann einen Affen beschwören."

"Ah, verstehe. Du gibst den anderen Kriegern genügend Zeit, um sich auszutauschen. Wenn du dann einen Affen beschwörst, wird er dir berichten können, was passiert ist", stellte Kankurou anerkennend fest.

"Nicht nur. Ich werde Gosunkugi beschwören. Er ist der beste Affenkrieger, wenn es darum geht, zu scouten und zu suchen. Nicht, das er der Klügste wäre, aber für solche Dinge hat er ein Faible. Abgesehen davon, das er Ninjutsu wesentlich lieber mag als Taijutsu."

"Ah." Kankurou schien nachdenklich. "Recht ungewöhnlich für einen Affen."

"Ja. Aber sie fächern ihre Talente ohnehin sehr weit auf, was sie sehr flexibel macht. Und da ich gerade der einzige Kontraktträger des Affenclans bin, stehen mir all diese Talente zur Verfügung."

"Was mich zu einer Frage bringt: Welchen Tribut leistest du den Affen für ihre Dienste?", fragte der Suna-Nin neugierig.

Ich schnaubte amüsiert. "Oh, die Affen sind sehr pflegeleicht. Sie wollen keine Opfergaben, keine Juwelen, kein Gold, kein Silber, keine Kriegstrophäen und dergleichen. Sie wollen ihren Tribut meistens zur gleichen Zeit, wie ich sie beschwöre. Aber alle zwei Jahre, da..." Ich stockte.

"Alle zwei Jahre muss ich all mein Chakra für einen vollen Monat aufsparen, ein Onsen-Gasthaus aufsuchen und die Affenkrieger beschwören. So viele wie ich kann. Dann muss ich mit ihnen auf meine Kosten feiern. Und zwar genauso lange, wie ich die Beschwörung durchhalte. Du kannst dir denken, dass sie dafür sorgen, dass das eine möglichst lange Zeit ist." Ich verzog mein Gesicht zu einer säuerlichen Miene. "Das hat bisher mein Sensei übernommen. Er konnte alle wichtigen Affenkrieger auf einen Schlag beschwören, wenn auch nur für einen Abend. Bald wird es Zeit für mich, diese Pflicht zum ersten Mal selbst auszuführen. Ich hoffe Enka O Enma wird mit meiner Leistung zufrieden sein."

"Du meinst, du schmeißt eine riesige Party für sie in den heißen Quellen?", fragte Kankurou mit weit aufgerissenen Augen. "Das ist alles?"

"Wie, alles? Hast du schon mal einen Affen feiern sehen? Ich sage dir, ich spare jeden Ryou, den ich kann, und diese Feier wird mich locker dreißigtausend kosten, wenn nicht noch mehr."

"Oh. Bei der Party wäre ich gerne dabei", lachte er.

"Ich lade auch Weggefährten der Affen ein. Vielleicht stehst du auf der Liste", scherzte ich.

"Ich bitte darum. Diese Party wird mir sicher Spaß machen."

Ja, Spaß würde sie machen. Und umgehen konnte ich sie ohnehin nicht. Auch wenn dreißigtausend Ryou oder sogar mehr ein Haufen Geld waren.
 

"Die fünf Minuten sind um, Mamo-chan", sagte Pakkun. "Hier ist er abgebogen, den Bergkamm hoch. Er versucht seinen Weg mit einem Aroma zu übertünchen, und legt eine falsche Spur mit dem puren Aroma, aber meine Nase kann er nicht täuschen."

"Gut zu wissen. Ich beschwöre jetzt den Affenkrieger. Kuchiyose no Jutsu!"

Die typische Rauchwolke entstand. Aus den Schwaden schälten sich die Umrisse eines gut zwei Meter großen Giganten mit breiten Schultern hervor. Der Affe, der sich aus den Schwaden schälte, hatte einen kräftigen Schädel mit gewaltigen Hauern, die scharf wie Dolche wirkten. Seine Klauen waren lang, schwarz und blinkten wie frisch geschliffener Stahl. "Ah, Mamoru. Hat Ranko doch richtig gelegen. Ich bringe Nachrichten", sagte der Riese mit dunkler Stimme.

"Später, Hikaru, später. Wir sind Kabuto noch immer auf der Spur. Verwandle dich in deine Reisegestalt und erzähl es mir unterwegs."

"Verstanden. HENSHIN!"

"Whoa!", machte Kankurou verwundert, und Anne rieb sich ungläubig die Augen. Wo zuvor der Bulle von Affenkrieger schlechthin gestanden hatte, befand sich nun ein dürrer kleiner Junge in der Kleidung eines Konoha-Shinobi. Auffällig an der mageren Gestalt war vor allem der dicke Schatten unter beiden Augen, der wirkte, als hätte Gosunkugi die letzten drei Wochen jede Nacht damit verbracht, durchzumachen.

"Weiter", befahl ich, und huschte voran. Es dauerte einen Moment, bis mir Gosunkugi folgte, und beinahe drei Sekunden, bevor Kankurou und Anne es ihm gleich taten.

"Ist das noch der gleiche Affe wie vorhin?", fragte Anne ungläubig.

Gosunkugi lächelte verschmitzt. "Wie hat Mamo-chan es doch genannt? Dies ist meine Reisegestalt. Ich bin der Fahnder und Infiltrator im Rat der Affen. Meine Familie hat eine lange Tradition als Schattenkrieger, Späher und Jäger. Wenn ich in der Welt der Menschen unterwegs bin, bewege ich mich unauffällig und versuche unerkannt zu bleiben. Ein kleiner, dürrer, nichtssagender Mensch mit einem uninteressanten Maß an Chakra kommt fast überall durch."

Ich grinste. "Genau. Aber unterschätzen würde ich Hikaru deshalb nicht. Auch wenn er jetzt so schmächtig und schwächlich aussieht, so hat er dennoch die Kraft seines bulligen Affenkörpers."

"Noch ein Vorteil, den diese Gestalt hat", sagte er ärgerlich, "man wird nicht so schnell auf seine Muskeln reduziert."

"Seit wann bist du so empfindlich?", tadelte ich lächelnd. "Pakkun, wie alt ist die Spur?"

"Zehn Minuten höchstens. Hier am Berggipfel vorbei in das Tal dahinter. Dann den Pfad bis zum Gletscher entlang. Ist er das nicht da hinten?"

Ich strengte meine Augen an, als ich den Gipfel passiert hatte. Tatsächlich, auf dem mehrere hundert Meter langen Gletscher war deutlich eine kleine Gestalt zu sehen, die tiefer ins Tal lief. Dabei bediente sie sich der gleichen Vorankommensweise wie wir. "Wir folgen auf jedem Fall deiner Nase, Pakkun", sagte ich. Ich wäre nicht der erste Ninja gewesen, der sich, seinen Augen vertrauend, von seiner Beute täuschen ließ.

"Wollte ich auch gerade sagen", merkte Kankurou an.

Wir stießen uns ab und machten einen Step in Richtung Tal. "Und, wie lautet deine Nachricht?"

Gosunkugi räusperte sich. "Zuerst die gute Nachricht. Bis jetzt leben noch alle, Jounin wie Affenkrieger."

"Wieso bis jetzt?", fragte ich argwöhnisch.

***

Nachdem Might Guy das fünfte Innere Tor, das Tor der Grenze, geöffnet und dessen Kraft angewendet hatte, war die Schlacht zum Erliegen gekommen. Der Widerstand flaute ab und erlosch schließlich ganz. Es gab nicht mehr als eine Handvoll Überlebender, die der Macht und Wut der Affenkrieger und Jounin Konohas entkommen waren. Es waren die Schlaueren, die reichtzeitig kapituliert hatten. Die große Mehrheit war nicht so klug gewesen, und auch wenn sie aus dieser Mehrheit einen großen Teil ein zweites Mal hatten töten müssen, stand außer Frage, wem das Schlachtfeld gehörte: Konoha.

Asuma erschuf zwei Schattenklone, die, zusätzlich zum Klon, der vom Lager herüber gekommen war, die Befragung der Gefangenen übernehmen würde und kam zu Kakashi herüber, der neben Uzuki kniete. Im Hintergrund beteiligten sich Ryoga und Dr. Tofu daran, nach weiteren Überlebenden in dieser perfekten Zerstörung zu suchen, zusammen mit dem Schattenklon Kakashis.

"Tut es weh?", fragte er die am Boden liegende ANBU.

"Nur wenn ich lache", ächzte sie. "Verdammt, am meisten tut mir weh, das ich mich wie eine Anfängerin habe erwischen lassen." Sie betrachtete den Speer, der sie einmal durchstoßen hatte, glücklicherweise auf Höhe ihrer Gedärme, nicht bei den wichtigeren Organen. Hier konnte es bestenfalls die Milz erwischt haben, was zwar tragisch, aber nicht tödlich sein würde.

"In der Hektik der Schlacht passiert das schon mal", sagte Kakashi, und betrachtete die Wunde mit seinem Sharingan. "Hast Glück gehabt. Vieles angeschnitten, aber nichts durchtrennt. Es wurden nur kleinere Arterien geöffnet. Nein, warte, die größeren hast du bereits selbst wieder geflickt."

"Und das ist keine Lösung auf Dauer. Ein guter Medi-Nin wird sie wieder öffnen und richtig versiegeln müssen", ächzte sie. "Können wir den Speer raus ziehen? Er behindert mich beim Gehen."

"Na, na, was soll denn der Galgenhumor?", mahnte Ranko, als sie zu der Gruppe trat. Sie kniete sich neben der Kunoichi nieder und musterte sie vorwurfsvoll. "Wer hat dir eigentlich gesagt, dass du dich am weitesten von allen vorwagen sollst? Sowas musste doch passieren, wenn du keine Rückendeckung hast."

"Entschuldige, Sensei. Ich habe jeden Tadel verdient." Sie stöhnte leise. "Aber ich freue mich darüber, das ich noch lebe. Es ist ein gutes Gefühl, zu leben."

"Ja, das ist wahr." Ranko berührte die Seite der jungen Frau, was die mit einem Schmerzenslaut quittierte. "Das wird jetzt etwas weh tun." Sie hob den Körper an und drehte ihn auf die Seite. Mit der Kralle ihres rechten Zeigefingers schnitt sie die Spitze des Speeres direkt am Schaft ab. Polternd fuhr die schwere Eisenwaffe, der Todesgruß eines Taijutsu-Nutzers, zu Boden. "Mindestens zwanzig Kilo. Hätte er deine Brust oder deinen Kopf getroffen, wärst du jetzt nicht mehr unter uns."

"Tut mir leid", ächzte sie, von Schmerzen gepeinigt, "aber das war das Beste, was ich rausholen konnte, als ich den Angriff bemerkte."

"Sarkasmus ist unangebracht, Yaguo-chan", erwiderte die Affenkriegerin sachlich. Sie griff nach dem Stiel des Speers. Alleine diese Bewegung ließ Schmerzwellen durch Uzukis Körper fahren, aber sie biss tapfer die Zähne zusammen. "Ich ziehe den Speer jetzt raus."

Die ANBU nickte heftig.

Ranko zögerte nicht lange, und riss den Speerschaft hervor, ohne lange zu zögern. Blut lief in Schwallen aus beiden Enden ihrer Verletzung, und die Kunoichi konnte einen Schmerzenslaut nicht unterdrücken. Aber sie schrie nicht.

Ranko untersuchte beide Seiten der Wunde mit ihren scharfen Krallen. Sie entfernte Dreck, Holz und Metallsplitter, so gut sie es vermochte. Und bei einer Affenkralle, die einem Skalpell glicht, vermochte sie das richtig gut. Schließlich war sie zufrieden mit ihrer Arbeit. "Ich werde dich erst mal zusammenflicken, aber geschlossen werden kann die Wunde erst in Sunagakure in einem Ninja-Krankenhaus. Bis dahin wirst du es locker schaffen."

"Eventuell nicht auf den eigenen Füßen", schränkte Uzuki ein. Kurz sah sie sich auf dem Schlachtfeld um, das vor nicht einmal einer halben Stunde noch eine Zeltstadt für über tausend Menschen gewesen war. "Aber das war es wert, denke ich."

"Konohas Sicherheit ist vieles wert", erwiderte die Affenkriegerin. Sie legte je eine Hand auf eine der noch immer blutenden Öffnungen und ließ sie unter ihrem heilenden Chakra verschwinden.

Uzuki zuckte leicht zusammen, als die Heilung begann, aber sie wurde zusehends ruhiger.

"Du wirst es schaffen, Yaguo-chan", sagte Ranko mit Überzeugung in der Stimme. "Du bist ein zähes Mädchen und hast gutes Heilfleisch."

"Und jetzt zwei Narben mehr", seufzte sie.

"Narben sind dazu da, damit wir unsere Dummheit nicht vergessen", sagte Asuma grinsend.

"Apropos Dummheit. Wir sollten die Beschwörung auflösen und Mamo-chan sein volles Chakra zur Verfügung stellen. Ihr braucht uns ja nicht mehr, oder?"

Kakashi verneinte. "Geht ruhig. Wir haben alles im Griff."

Guy trat nun auch heran, musterte die ANBU besorgt. "Ihr geht es gut?"

"Den Umständen entsprechend." Ranko räusperte sich. "Wir kehren jetzt zurück. "

"Gut. Mamo-chan ist ein schlauer Junge. Er wird damit rechnen, das Ihr die Euren auf dem Affenberg über die Schlacht informiert. Er wird einen von euch beschwören, um zu wissen, was hier passiert ist. Und wenn das geschieht, sollte man ihm möglichst schonend beibringen, das Yaguo-chan verletzt ist."

"Ja, das wird ihn mitnehmen", sagte Ranko mit einem trotzigen Grinsen. "Und ich denke, ich weiß, wen er beschwören wird. Ryoga! Dr. Tofu! Wir wollen zurück!"

Die beiden Affenkrieger winkten zum Zeichen, das sie verstanden hatten. Kurz nacheinander verschwanden sie zurück auf den Affenberg.

Kakashi reichte Uzuki eine Hand. Als sie auf den Beinen stand, mehr schlecht als recht, stemmte er sich unter ihren linken Arm. "Aufräumen können andere für uns. Gehen wir mit unseren Gefangenen nach Suna zurück. Das war nicht die letzte Behandlung, die Yaguo-chan brauchen wird."

"Ist gut." Asuma drückte seine Zigarette aus und zündete sich eine neue an. Kein Wort fiel darüber, das Kakashi sich offensichtlich vorgenommen hatte, Uzuki bis nach Sunagakure zu stützen. Kein Wort fiel darüber, das er Uzuki zutraute, auf eigenen Beinen die Ninja-Stadt zu erreichen. Wozu auch? Sie waren Shinobi Konohas. Es gehörte zu ihrem Job, ihre Kameraden bestmöglichst einzuschätzen. Und es gehörte auch zu ihrem Job von diesem Schlachtfeld wieder zu verschwinden, als wären sie niemals hier gewesen...

Schneidender Wind 6

6.

Ich schwebte in einer Blase aus Wärme, beinahe Hitze. Ich fühlte mich angehoben, und zugleich begraben. Meine Stirn glühte ebenso wie meine Wangen, während mein Körper seinen Widerstand, seinen schmerzenden, hartnäckigen Widerstand, nach und nach aufgab, sich dem Medium ergab, einfach losließ. "Ich sterbe...", murmelte ich. Ich grinste und öffnete die Augen. "Vor Glück."

"Na, na, na, mal nicht so melodramatisch", mahnte Kankurou. Er goss sich gerade aus seinem zweiten Fläschchen seine dritte Tasse Sake ein. "Nur weil wir nach acht Tagen wilder Hatz endlich mal dazu kommen, eine Pause in einer heißen Quelle einzulegen, musst du nicht gleich solche Sprüche klopfen." Er deutete auf die Bambuswand, die unser Bad in der Gaststätte vom Frauenbad trennte. "Ich sehe es kommen, dass dein Zwerg hier rüber gestürmt kommt, weil sie dich beim Wort nimmt, um dich zu retten."

"Ich bin kein Zwerg!", klang Annes trotzige Stimme auf. "Ich gehe dir fast bis ans Kinn, Kankurou-sama!"

"Nicht aufregen", klang die Stimme Akanes auf. "Ich wasche dir auch den Rücken." Ich hatte die Affenkriegerin auf halbem Weg beschworen, damit wir für Anne eine weibliche Begleitung hatten. Ranko-sama hatte ich nicht schon wieder bemühen wollen, nicht nach der Schlacht, von der Hikaru mir berichtet hatte. Sie gehörte nicht unbedingt zu den stärksten Affenkriegern, aber definitiv zu den schönsten. Ihre Qualitäten waren auch eher im Ninjutsu und am Verhandlungstisch zu finden, deshalb bildete sie auch so eine gute Kombi mit Hikaru Gosunkugi, sehr zum Ärger Ranmas, der nicht nur ein Auge auf die junge Frau aus dem Tendo-Clan geworfen hatte. Aber selbst wenn Akane bemerkt hätte, das Hikaru durchaus freundschaftliche Gefühle für sie hegte, sie hätte nichts damit anfangen können. In der Hinsicht ähnelte sie meinem alten Ich.

"Ich rege mich nicht auf", erwiderte Anne ärgerlich. "Aber ich bin fast dreizehn! Vor hundert Jahren haben die Frauen in meinem Alter noch geheiratet! Ich muss mich nicht von jedem hergelaufenen Suna-Ninja als Kind hinstellen lassen."

Kankurou prustete seinen Sake wieder aus, als er das hörte. "Hört, hört", murmelte er. "Dass dein Zwerg Zähne hat, wissen wir ja schon länger. Aber das sie auch bissig ist, war mir neu."

"Sie ist kein Zwerg, und vor allem ist sie nicht mein Zwerg", erwiderte ich. Das herrlich warme Wasser stank ein wenig nach faulen Eiern, war also vulkanischen Ursprungs, und enthielt einen deftigen Anteil an Schwefel, der angeblich besonders gut gegen Abzesse, Verspannungen und offene Wunden sein sollte. Auf jeden Fall hatte er eine desinfizierende Wirkung, und wer Onsen-Bäder gewohnt war, traf des Öfteren auf weit heißere Quellen, die schlimmer rochen.

"Dein Zwerg auf keinen Fall, Kankurou-sama!", kam es erbost von Anne.

"Ach, lass doch die Männer", sagte Akane leichthin. Es plätscherte von drüben, als die Affenkriegerin das Bad verließ. "Komm ich wasch dir den Rücken." "A-aber..."

"Da hast du es. Also nenne sie bitte nicht Zwerg. Ich habe ohnehin noch damit zu schaffen, dass Uzuki-sensei verletzt wurde. Ich meine, wer kann eine ANBU verletzen?" Ich schüttelte verwundert den Kopf. Hikaru hatte mir einiges berichtet, aber er hatte naturgemäß nichts dazu sagen können, wie ihre weitere Behandlung in Suna verlaufen war. Oder was mit denjenigen passiert war, die sich ergeben hatten.

"Oh, du hast aber eine tolle Haut, Anne-chan. Und, oho, wenn ich mir das hier genauer ansehe, dann wirst du mal Körbchengröße C brauchen, wenn du älter bist", klang Akanes fröhliche Stimme herüber.

"Yieks! Nicht da anfassen, Akane-chan!"

"So eine große Basis. Ja, das wird mal richtig viel. Und wenn ich mir deine Hände ansehe, dann wirst du wohl bald noch einen kräftigen Schuss in die Höhe machen. Hm, hm, hm."

"UH! D-da bin ich kitzlig, Akane-chan!"

"Wo? Hier?"

"Yieks!"

"Oder meintest du hier, Anne-chan?"

"A-akane-chan, nicht da... Nicht..."

"Hab dich doch nicht so. Wir sind doch unter uns", klang Akanes viel zu fröhliche Stimme auf.

Kankurou sah mich irritiert an. "Was zum Kazekage machen die da?"

Ich verzog das Gesicht zu einer sauren Miene. "Sie knüpfen Bande. Du warst wohl noch nicht oft mit weiblicher Begleitung in einem Onsen, oder?"

"Sie knüpfen Bande? Wie merkwürdig. Und nein, wenn ich mit Frauen im Onsen war, dann hatten wir meistens ein gemeinsames Bad. Und wir hatten dann meistens schon Bande geknüpft, wenn du verstehst, was ich meine, Mamo-chan."

Ich lächelte verlegen. Die letzten Tage hatten uns enger zusammenrücken lassen. Dementsprechend waren wir persönlicher geworden. Wir hatten Kabuto im Gletschertal schnell vollends aus den Augen verloren und waren die letzten Tage lediglich seinen Spuren gefolgt, die Pakkun und Hikaru verfolgt hatten. Kankurou und ich hatten dann entschieden, das zu unserem Vorteil zu nutzen, und Kabuto einzukreisen, bevor wir ihn angriffen. Der Junge hatte mehr als einen Trick in der Hinterhand, und der Überraschungsvorteil, gerade wenn er glaubte, seine Verfolger abgeschüttelt zu haben, konnte enorm wichtig für uns werden. Seine Spur endete mehr oder weniger in dieser kleinen Ortschaft, in der wir uns befanden. Dummerweise nicht im Bad, sondern im Umland. Nicht zu Unrecht vermuteten wir in der Nähe eine geheime Basis Orochimarus, wenn sich Kabuto mehrere Stunden nicht bewegte. Pakkun und Hikaru zogen derweil die Schlinge enger um ihn, während wir Shinobi eine dringend notwendige Entspannungspause einlegten; immerhin hatten wir die letzten Tage bestenfalls Katzenwäsche betrieben.

"Du warst nie mit deiner Schwester in einem getrennten Bad? Sie und ein paar Freundinnen auf der anderen Seite, und du auf der Männerseite?"

"Doch, schon. Aber wenn meine Schwester baden geht, dann herrscht auf ihrer Seite meistens herrliche Stille."

Ich runzelte die Stirn. Ja, das machte Sinn. Temari war ein sehr hübsches Mädchen, aber auch ein sehr energisches. Wenn nicht jemand vom gleichen Kaliber im Bad war, und ich redete hier von ANBU-Level, dann würden die meisten Frauen verschreckt reagieren. Oder zumindest ehrfürchtig.

"Okay, verstehe. Dann werde ich dir das erklären. Wenn Frauen, die sich mögen, zusammen in einem Bad sind, dann begnügen sie sich nicht damit, einander einzushamponieren und sich gegenseitig den Rücken abzuseifen. Sie unterhalten sich auch sehr offen über ihre Körper, deren Vorzüge und berühren sich an pikanten Stellen. Zumindest sind das meine Erfahrungen, wann immer ich mit Karin und Hanako in einem getrennten Bad war."

"Ah. Interessant. Und was bezwecken sie damit? Was wollen sie erreichen? Ich meine, abgesehen davon, ihre Bänder zu knüpfen?"

Ich zuckte mit den Schultern. "Sie wollen uns zweifellos in den Wahnsinn treiben."

Kankurou dachte darüber einen Moment nach. "Plausibel, Mamo-chan."
 

Die Tür glitt auf, und ein Diener brachte frischen heißen Sake für Kankurou, und ein herrlich kühles Bier mit hübscher Schaumkrone für mich. Außerdem fragte er nach unseren Wünschen. Wir entschieden uns für eine landestypische Mahlzeit des kleinen Reiches. Wenn Ishi no Kuni, das Land der Steine, in dem das Gasthaus stand, schon wirtschaftlich nicht viel zu bieten hatte, geschweige denn landschaftlich, so war es doch ein kulinarisches Erlebnis, das viel Geflügel, Schwein und Insekten anzubieten hatte. Ja, Insekten. Sie galten hier als tägliches Brot, und, wenn man als Fremder seinen ersten erwartungsgemäßen Ekel überwunden hatte, boten sie eine Menge für den verwöhnten Gaumen. Die hiesigen Insekten waren nicht nur größer als viele ihrer Kollegen im Land des Feuers, sondern eindeutiger auch schmackhafter. Es half natürlich, sie mit Garnelen oder Scampis zu vergleichen, die ich für mein Leben gerne aß. Meinen Begleitern hatte ich das Essen dann auch als "Land-Scampis" angedreht, damit sie ohne Vorurteile kosteten. Nun, Anne hatte es geschmeckt. Aber ich bezweifelte, das Shino Aburame Spaß an diesem Menu haben würde.

Ich fand jede Reise nach Ishi no Kuni sehr belebend, kulinarisch belebend, denn es gab auch ein paar sehr gute Reissorten hier, die auf den erwartungsgemäß kargen Böden unerwartet gut gediehen. Ansonsten lebte das Land, als Transitland zwischen dem Land der Erde im Norden, dem Land des Windes im Süden, und dem Land des Feuers im Osten sehr gut vom Handel und importierte all das, was die Böden nicht hergaben. Also, ich kam gerne hierher, und ich war Orochimaru geradezu dankbar, das er in dem unscheinbar wirkenden Land augenscheinlich eine Basis errichtet hatte. Unser Ziel war es, sie zu finden, und, wenn möglich, zu zerstören. Am besten zusammen mit Kabuto.

Als der Diener wieder ging, hörte ich ihn erschrocken aufkeuchen. Ich sah zu ihm herüber, und erkannte auf der Papiertür zum Umkleideraum den gigantischen Umriss von Hikarus Affengestalt. Deutlich erkannte man seine Hauer und die krallenbewehrten Pfoten. Er griff nach der Tür, zog sie auf, und die Welt hielt den Atem an. Heraus spazierte der Affenkrieger allerdings in seiner menschlichen Gestalt als junger, dürrer Bursche, der sich ein viel zu großes Handtuch um die Lenden gebunden hatte, um diesen Eindruck noch zu verstärken. Verständnislos sah er den Diener an. "Ist irgendwas?"

"N-nein, nein, verehrter Gast. Alles in Ordnung. Aber ich sollte wohl mal meine Augen überprüfen lassen..." Er drückte sich an Hikaru vorbei, nachdem er auch dessen Wünsche aufgenommen hatte, und verließ das Bad so schnell er konnte, ohne zu laufen.
 

Hikaru Gosunkugi ließ sich mit einem wohligen Seufzer ins Bad gleiten. Behaglich streckte er sich aus. "Alles in Ordnung bei euch, Akane?", fragte er laut.

"Alles in grünen Bereich. Anne-chan und ich verstehen uns wunderbar", klang ihre fröhliche Stimme auf.

"Ich dachte jetzt eher daran, ob du dich beobachtet fühlst", erwiderte Hikaru einen Ton zu barsch.

"Beobachtet?", fragte Akane erstaunt.

Kankurou richtete sich ein wenig auf. "Ich glaube, jetzt wird es interessant."

"Was habt Ihr raus gefunden? Und wo ist Pakkun?", fragte ich ernst.

"Pakkun ist auf Posten. Um es kurz zu machen, wir glauben, das Versteck gefunden zu haben. Es ist relativ leer, Pakkun hat kaum einen Menschen außer Kabuto gerochen, und ich habe bestenfalls ein Dutzend Herzschläge gehört. Es können mehr sein, aber um sicher zu gehen, hätte ich eindringen müssen. Ich fand es besser, zurückzukehren, solange ich unbemerkt bin. Zumindest hoffe ich, das ich unbemerkt geblieben bin. Allerdings hat Pakkun mich auf ein kleines Problem hingewiesen."

"Und das wäre?" Vorsichtshalber verzichtete ich darauf, von meinem Bier zu trinken, solange der Affe nicht weiter sprach. Ich wollte mich nicht verschlucken.

"Der Gute hat einige Gerüche in der Umgebung wieder erkannt", sagte Hikaru gedehnt, "Gerüche, die er aus der Stadt hier kennt."

Ich wechselte einen verdutzten Blick mit Kankurou. "Willst du mir sagen, die Städter treiben sich an Orochimarus Geheimversteck herum?"

"Ja, etwas in der Richtung", bestätigte der Affenkrieger. "Eventuell arbeiten auch nur einige Städter für ihn. Aber im schlimmsten Fall, Mamo-chan, ist diese ganze verdammte Stadt der eigentliche Stützpunkt von Orochimaru."

Kankurou schüttelte sich. "Eine grauenvolle Vorstellung. Wir müssen also damit rechnen, hier in der Stadt so oder so nicht sicher zu sein. Er wird andere Gefolgsleute Orochimarus sicher darüber informiert haben, das er verfolgt wurde und vielleicht noch wird. Unser großer Vorteil ist, das er unser Aussehen nicht kennt."

Ich legte eine Hand an mein rechtes Ohr und formte damit eine Hörhilfe. "Oho, das klingt ja so, als käme da gleich noch was. Etwas wie: Es war doch eine gute Idee, das ich mich abschminken und umziehen sollte, Mamo-chan."

Kankurou glitt bis zur Nase ins Wasser und grummelte vor sich hin. Luftbläschen stiegen vor ihm auf.

"Wie bitte?"

Weitere Luftbläschen kamen hinzu.

"Ich kann dich nicht verstehen, Kankurou-sama."

Nun kam er wieder ein Stück hoch. "Ja, du hattest Recht. Es war eine gute Idee, dass ich mich abschminke und die Kleidung wechsle. So erkennt mich niemand, der nicht zumindest aus Sunagakure stammt."

Ich grinste breit. "Na also. War doch gar nicht so schwer, oder?" Ich streckte mich aus und griff nach dem Bier. "Schätze, wir haben genügend Zeit, um zumindest heute ein wenig auszuruhen und gut zu essen. Aber spätestens morgen müssen wir uns um die Anlage kümmern. Ob Kabuto noch da ist oder nicht."

"Das versteht sich von selbst", erwiderte Kankurou, und auch Hikaru beeilte sich zu nicken.

"Geht in Ordnung", klang Akanes Stimme von drüben auf.

"Gut, dann können wir uns ja auf ein ruhiges Abendessen freuen", frohlockte ich. Aber in mir, tief in mir nagten Hikarus Worte an meinen Nerven. Was, wenn tatsächlich die ganze verdammte Stadt aus Orochimarus Leuten bestand, die über uns herfallen würden, sobald sie wussten, wer wir waren? Und ehrlich gesagt reichten ja auch schon ein paar Dutzend, die ohne Vorwarnung aus ihrer täglichen Rolle ausbrechen und uns angreifen würden, um uns Schwierigkeiten zu bereiten.

Und außerdem beschäftigte mich Uzuki-senseis Verletzung noch immer. Zu gerne hätte ich gewusst, wie es ihr gerade ging. Mir fiel es schwer, diesen Gedanken hintenan zu stellen. Zu wichtig war Yaguo für mich mittlerweile.

***

"Hatschi!"

"Gesundheit", sagte der Medi-Nin, der direkt vor Yaguo Uzuki stand. Indigniert griff er nach einem Taschentuch und wischte sich übers Gesicht.

"Verzeihung, Doktor, aber das kam so über mich", sagte die ANBU und schniefte. Nicht nur, das sie verletzt worden war, beim Angriff auf die Kontras, sie musste sich auch noch einen Virus oder so eingefangen haben, denn seither schniefte und nieste sie bei jeder unpassenden Gelegenheit.

"Wahrscheinlich denkt gerade jemand an Sie, Uzuki-san", erwiderte der Arzt säuerlich, während er den alten Verband löste.

"Ja, das könnte natürlich sein", scherzte sie, ohne aber wirklich daran zu glauben. "Und, wie sieht es aus, Doc?"

"Gut. Richtig gut. Uzuki-san, Sie haben gutes Heilfleisch. Es werden zwar Narben bleiben, aber auf Ihren Gedärmen ist das egal, oder? Und hier auf der Haut werde ich tun was ich kann. Aber Sie behalten definitiv ein Andenken."

"Zwei", korrigierte sie. Da, wo der Speer wieder ausgetreten war, würde sie auch eine behalten.

"Ja, zwei", bestätigte der Mediziner. "Wollen Sie mir nicht endlich erzählen, wie Sie sich in einer Sportstunde derart verletzen konnten?"

Uzuki lächelte gequält. Offiziell war sie die ganze Zeit in Suna gewesen, hatte es die Schlacht gegen die Kontras nie gegeben. Also hatte sie sich beim Training verletzt. Es hatte einige Mühe gekostet, etwas einigermaßen plausibles zu konstruieren. Es hatte etwas vom Versuch gehabt, den Regenbogen nach oben zu biegen. "Pure Dummheit, Doc. Pure Dummheit." Und das war nicht mal gelogen.

Der Arzt begann den Verband zu wechseln. "Wie auch immer. Ab nächster Woche können wir auf Verbände verzichten. Dann brauchen Sie nur noch zu mir zu kommen, wenn Sie Beschwerden haben, Uzuki-san."

"Danke, Doktor", sagte sie leise. Und wenn doch jemand an sie gedacht hatte?
 

Vor der Tür erwartete sie Kakashi, wie immer, wenn er nichts oder wenig zu tun hatte, in seiner Lieblingsnovelle schmökernd. "Und, was hat der Onkel Doktor gesagt?"

"Das Übliche. Nehmen Sie zwei Kopfschmerztabletten und kommen Sie nächste Woche noch mal rein", scherzte sie.

"Na, das klingt doch viel versprechend. Das alte Sprichwort stimmt also doch, dass man die eigene Dummheit überleben kann." Er klappte sein Buch zu und schenkte der ANBU ein Lächeln, was ein wenig merkwürdig ausfiel, da man nur eines seiner Augen sehen konnte.

"Ja, zumindest diesmal", merkte sie an und rieb sich jene Stelle ihrer Weste, unter der ihr Verband lag. "Gibt es etwas Neues?"

"Meinst du von den Verhören, den Untersuchungen, oder dem Examen?"

"Alles", erwiderte sie. Neben Kakashi ging sie durch das Krankenhaus.

"Die Verhöre haben ein paar... Nun, Vernetzungen ergeben, die Suna so nicht erwartet hatte. Der Daimyo wurde informiert, und es stehen wohl ein paar Verhandlungen vor seinem Thron an. Das könnte einige einflussreiche Menschen Geld, Macht, Privilegien und Titel kosten."

"Schön wenn es so kommt. Was bedeutet das für uns?"

"Wir waren so erfolgreich, dass das Reich des Windes und damit auch Sunagakure für einen längeren Zeitpunkt ein vertrauenswürdiger Partner bleiben wird."

Uzuki unterdrückte ein Kichern. "Definiere den längeren Zeitraum, Kakashi."

"Lang genug, hoffe ich. Dazu kommt der Druck von außen, nicht nur durch Orochimaru, sondern auch durch die Akatsuki-Gruppe, der unser Bündnis zusätzlich stabilisiert."

"Akatsuki. Itachi Uchiha ist Teil der Organisation", sagte sie bedächtig.

"Ja, und damit ist er ein Kunai an Konohas Kehle. Wir kennen ein weiteres Mitglied, einen Nukenin aus Kiri, der als einer der sieben Schwertmeister bekannt ist."

"Ich habe von ihm gehört. Kisame, nicht?" Uzuki legte nachdenklich die Linke ans Kinn. "Akatsuki rekrutiert sich aus starken Nukenin der Ninjadörfer, richtig? Schade, wäre unsere Zusammenarbeit besser, könnten wir eine gemeinsame Liste unserer besten desertierten Ninjas erstellen und gemeinsam zur Fahndung ausschreiben."

"Informationen sind das wichtigste Handelsgut in der Welt der Ninjas, Yaguo-chan, das weißt du doch. Zumindest Iwagakure würde zumindest zögern, bevor es uns diese wichtigen Informationen ohne Not zur Verfügung stellt."

"Hoffentlich kommt es nicht zur Not, und nicht wenn es bereits zu spät für Iwa ist", erwiderte sie trocken.

Der weißhaarige Ninja schnaubte leise. "Es ist schon erheblich mehr Druck vonnöten, um Iwagakure und den Tsuchikage davon zu überzeugen, mit uns Informationen auszutauschen, geschweige denn mit uns zusammen zu arbeiten. Die Iwa-Nin, die wir im Lager der Kontras ausgelöscht haben, dürften die Bereitschaft des Sandaime Tsuchikage nicht gerade erhöht haben."

"Obwohl seine Leute höchst illegal in diesem Land waren und noch illegaler gegen Konoha hatten vorgehen wollen", schloss Uzuki.

"Hast du Beweise dafür, das die Iwa-Nin im offiziellen Auftrag hier waren?", erwiderte Kakashi trocken.

Verdutzt blieb die ANBU stehen.

"Eben", kommentierte Kakashi und ging weiter.
 

Uzuki holte schnell wieder zu Kakashi auf. "Was ist dann mit den Untersuchungen?"

"Oh, ja, da hat sich was interessantes ergeben. Das Spezialistenteam aus Konoha, das wir angefordert haben, hat erste Erfolge erzielt. Natürlich dank der Vorarbeit ihrer Suna-Kollegen."

Uzuki verdrehte leicht die Augen. Das klang nach einer politischen Formulierung. Sie hasste Politik. Ihr war es lieber, man sagte ihr, wann sie wen und wo zu bekämpfen hatte. Das machte das Leben sehr viel einfacher. "Und was haben die Suna- und die Konoha-Experten heraus gefunden?"

"Dass wir uns keine Gewissensbisse machen müssen, weil wir so viele Krieger getötet haben."

Uzuki hob eine Augenbraue. "Äh, Kakashi, nur falls es dir noch nicht aufgefallen ist, aber du sprichst hier mit einer ANBU. Gewissensbisse und dergleichen habe ich nicht. Vor allem nicht, wenn ich einem Angriff auf Konoha zuvorkommen kann. Und dir nehme ich es nicht ab, dass du Gewissensbisse haben solltest. Du bist ein feiner Kerl, und dein Herz ist manchmal etwas zu groß, trotz deiner Zeit als ANBU, aber bei Gegnern Konohas, die zudem so hinterlistig vorgehen, kennst du auch keine Gnade."

Kakashi musterte sie amüsiert. "Ich glaube, du gehst falsch an die Information heran. Stell dir vor, Anne-chan hätte die Ninjas alle getötet. Unter welchem Umstand müsste sie sich keinerlei Gewissensbisse machen?"

Uzuki zuckte die Schultern. "Wenn sie schon vorher tot waren, nehme ich an."

"Scharfsinnig wie immer, das lobe ich mir, Yaguo-chan."

"Moment mal, meinst du das ernst? Ich weiß ja, das Kabuto hunderte von ihnen wiedererweckt hat, aber..."

"Nicht wiedererweckt. Zumindest nicht den Tag. Ja, es bedeutet genau das, was du vermutest. Die große Zahl an Ninjas und Kriegern im Lager können wir jetzt dadurch erklären, das Orochimaru hunderte Tote zur Verfügung gestellt hat, die von Kabuto gesteuert wurden."

Uzuki schüttelte sich vor Entsetzen. "Was ist der Kerl für ein Monster! Wie viel Chakra muss der Kerl haben, um so etwas zu bewerkstelligen? Und Mamo-chan ist hinter ihm her! Wir müssen...", begann sie, doch Kakashi hielt sie am Arm fest. "Hiergeblieben, Yaguo-chan. Erstens weißt du gar nicht, wo Mamoru gerade ist, du kannst ihm also gar nicht helfen. Zweitens bist du noch gar nicht wiederhergestellt. Und drittens kommt es in diesem Fall weniger auf die Chakra-Menge an, sondern mehr auf die Technik. Es scheint, das Orochimaru einen effektiven Weg gefunden hat, einer unbekannten Anzahl an Leichen Leben einzuhauchen, und dies mit einigen Methoden, die mehr an Zauberei als an Forschung oder Chakra-Kontrolle erinnern."

"Du willst damit doch nicht sagen...", hauchte Uzuki, während sie Kakashi durch das Frontportal nach draußen folgte.

"Wir haben es bereits beim Kampf gesehen, als der Sandaime gefallen ist", sagte Kakashi erklärend. "Er ist durchaus in der Lage, kurzfristig tote Shinobi zu erwecken. Und Kabuto ist sein Leutnant. Wir müssen die Möglichkeit in Betracht ziehen, das er womöglich eine Armee aus hunderten toten Shinobi bereit hält, die er für sich kämpfen lassen wird - und dies mit derem vollen Potential."

"Das ist keine besonders erfreuliche Zukunft", erwiderte sie schaudernd.

"Ein erkannter Feind ist nur noch um die Hälfte gefährlich", kommentierte Kakashi. "Und was die dritte Frage angeht..."

"Ja?"

"Die Nachverhandlungen haben nichts ergeben. Sie haben Annes Fall beiseite geschoben, bis sie wieder nach Suna kommt, oder bis das Chunin-Examen offiziell beendet ist. Bis dahin ist sie offiziell durch die zweite und die dritte Prüfung durch. Aber der Kiri-Genin, den Neji als Stellvertreter für Anne-chan besiegt hat, wird sie zum Duell fordern, wenn sie es noch rechtzeitig schafft. Kommt sie nicht innerhalb der nächsten drei Wochen zurück, rückt er auf ihren Platz nach."

"Was bedeutet, dass, falls sie gewinnt, alle drei Getsu-Nin in der vierten Phase wären, ebenso wie unsere Genin", folgerte sie. "Damit stellen Getsu und wir neun der zwölf Finalteilnehmer. Im Idealfall." Sie lächelte. "Es war niedlich von Neji, das er angeboten hat, sie zu ersetzen, nachdem sich ihr Schattenklon durch die ganze zweite Prüfungsphase gekämpft hatte, ohne zu verpuffen."

"Ja, das war eine beeindruckende Leistung. Wohl der Hauptgrund, warum Gaara eine Ausnahme zugelassen hat. Es war auch eine beeindruckende Leistung von Neji, Mohad und den anderen, wie sie Anne-chans Klon immer wieder in letzter Sekunde gerettet haben. Ich glaube, das war die Hauptleistung, die sie letztendlich bis zum dritten Abschnitt gebracht hat, wo sie die restlichen fünfzehn Teilnehmer der dritten Phase getroffen haben."

"Sie sind relativ spät eingetroffen, wie Yuuhi erzählt hat. Aber sie sollen drei der fünf Gruppen, die auf der Strecke geblieben sind, ausgeschaltet haben."

"Es war wohl ein Riesenvorteil, das die neun von vorne herein zusammen gearbeitet haben, obwohl Gaara das klassische Spiel mit der Schriftrolle der Erde und der Schriftrolle des Himmels zelebriert hat. Ich denke, sogar Hinata war einen Moment lang in Versuchung, als sie entdeckt haben, dass die Getsu-Genin eine Schriftrolle der Erde hatten, und Konoha zwei der Luft-Schriftrollen."

Uzuki lachte leise. "Kann ich mir bei ihr nicht vorstellen. Aber das bringt uns zum nächsten Problem, oder?"

Kakashi sah sie interessiert an. "Welches meinst du?"

"Wann sollten wir in Konoha um die Entsendung eines weiteren Jounin bitten? Möglichst früh, oder lieber erst in letzter Sekunde?"

Kakashi kniff das sichtbare Auge zusammen. "Warum das?"

"Na, weil wir einen sechsten Prüfer brauchen, falls Mamo-chan nicht rechtzeitig zurückkommt", erwiderte sie.

Kakashi begann leise zu glucksen. "Das glaubst du doch wohl selbst nicht, Yaguo-chan."

Die junge Frau fiel in das leise Lachen ein. "Nein, natürlich nicht, Kakashi."

Mit der besten Laune, die sie in dieser Situation haben konnten, schritten die beiden Jounin durch die Morgensonne, die Sunagakure beschien, in Richtung der Trainingsanlagen, auf denen die Getsu- und Konoha-Genin für das Finale in drei Wochen hart trainierten. Keiner der beiden bezweifelte es, das Mamoru Morikubo rechtzeitig wieder in Suna sein würde. Auch weil das bedeutete, dass er überlebt haben würde.

***

Die jungen Genin Konohas trainierten hart und ausdauernd für das Finale, und bezogen dabei auch ihre Kohais aus Getsugakure mit ein. Bei zwölf Finalisten stand es außer Frage, dass in jedem Fall Freunde gegeneinander antreten würden müssen, egal ob es sechs Finalkämpfe oder ein Turniersystem geben würde, was durchaus im Ermessen des Kazekages stand. Das bedeutete, dass sie im gemeinsamen Training miteinander auch potentielle Gegner kennen lernten.

Abgesehen davon, dass die Konoha-Genin einander recht gut kannten und durch die vielen Kämpfe Seite an Seite kaum Geheimnisse voreinander hatten, konnten sie auf diese Weise auch die Möglichkeiten der Getsu-Nin erkunden, und - das hatten sie sich versprochen - in den übrigen drei Wochen weiter verbessern. Denn im Finale kam es nicht darauf an, wer gewann, sondern darauf, wie die Finalisten bewertet wurden. Es gab viele Kriterien, die den Aufstieg zum Chunin bestimmten. Einer davon war die Frage, ob man dem einzelnen Finalisten wirklich das Leben anderer Shinobi anvertrauen konnte. Tote gab es immer, und jeder Einsatz konnte diese Verluste mit sich bringen. Aber es wurden größere Verluste, wenn der Anführer leichtfertig, desinteressiert oder sogar Menschenverachtend handelte, alles dem Ziel unterordnete und seine Leute führte wie Lämmer zur Schlachtbank. Einige andere Bewertungsaspekte hatten sie noch nicht herausgefunden, aber eine gewisse, nun, Grundstärke spielte in jedem Fall eine Rolle. Ein Chunin war nicht einfach nur ein Genin mit Kommandoverantwortung, er sollte auch deutlich stärker als ein Genin sein. Zumindest stärker als die meisten, denn von ihm wurde auch erwartet, das er sich auch gegen die eigenen Genin durchzusetzen wusste. Je deutliche der Stärkeunterschied ausfiel, desto leichter fiel ihm das. Außerdem war der Chunin die Vorstufe zum Jounin, und die Jounin eines Versteckten Dorfs waren die stärksten Krieger, die zur Verfügung standen. Mit den Chunin wurde bereits eine Vorauswahl getroffen, gewissermaßen. Ihr aller Ziel war demnach auch nicht, Chunin zu werden, sondern mit Hilfe der Erfahrung als Chunin so schnell wie möglich Jounin zu werden. Nun, bei den meisten war es so. Morikubo-sempai bildete dabei womöglich die einzige Ausnahme.
 

Neji Hyuuga lächelte bei diesem Gedanken ein wenig. Wusste, ahnte Mamo-chan wirklich nicht, was die Hokage mit ihm anstellte? Oder verdrängte er dieses Wissen einfach nur, so gut es ging? Es war offensichtlich, das er bereits Jounin-Aufgaben versah, und das er vom Kampflevel durchaus mit den Jounin mithalten konnte. Auch seine Missionen waren auf Jounin zugeschnitten. Das waren sie schon gewesen, als er Neunergruppen angeführt hatte, fand Neji. Und spätestens als er zweihundert Genin gegen Otogakure geführt hatte, musste selbst dem dümmsten Genin klar geworden sein, dass Konoha in keinem Fall irgendeinen Chunin mit der Führung einer so großen Truppe beauftragen würde, wenn der eine oder andere Chunin nicht eigentlich auf Jounin-Level war, und nur durch besondere Umstände zurückgehalten wurde. So wie Rose-san, die, wie sie selbst gerne zugegeben hatte, einen Ekel vor mehr Verantwortung empfunden hatte. Nun, den Ekel gab es nicht mehr, als sie nach Mamo-chans Verschwinden plötzlich in die Führungsverantwortung aufgerückt war. Bevor sie sich versehen hatte, war sie zum spezialisierten Jounin ernannt worden, und heutzutage drückte sie sich nicht mehr vor der Verantwortung. Sie ekelte sich auch nicht mehr davor. Es war alles eine Frage der Gewöhnung gewesen. Und sie war gut in ihrem Job.

Neji dachte zurück an die Tage, als sie Oto zerstört hatten, dachte an die riesige Chakra-Bombe im Herzen des Dorfs. Wie hatte der arme Teufel gleich noch mal geheißen, der für diese perfide Waffe missbraucht worden war? Ach ja, Guin. Hatte sich selbst und eine Riesenmenge Chakra hoch gejagt, und dabei einem Kratersee hinterlassen, dort wo zuvor Otogakure gestanden hatte. Diese Explosion konnte niemand überlebt haben, aber merkwürdigerweise war er die ganze Zeit davon überzeugt gewesen, dass Mamo-chan noch leben würde. Und er hatte Recht behalten. Auch diesmal hatte er ein positives Gefühl, den Älteren betreffend. Er war einer der Shinobi, über die man sich keine Sorgen zu machen brauchte. Denn wenn er in Schwierigkeiten geriet, die er nicht bewältigen konnte, dann stand es um ganz Konoha schlimm; und eine solche Situation zu erkennen traute Neji sich durchaus zu. Seltsam wie das Leben so spielte. Da gab es Naruto, den jungen Burschen, der immer stärker werden wollte, um eines Tages Hokage zu werden und sich den Respekt jedes Bewohners Konohas zu verdienen; und da gab es Mamo-chan, der sich fast schon verzweifelt bemühte, bescheiden zu sein und seine Fähigkeiten herunter zu spielen - nur um ihr volles Ausmaß im nächsten Moment zu entfalten und seine Umgebung maßlos zu verblüffen. Dabei war es gar nicht mal so sehr seine Fähigkeit, Affenkrieger zu beschwören, er beherrschte sein Katon hervorragend, beinahe auf dem Level eines Uchiha, wie Kakashi-sensei einmal festgestellt hatte. Außerdem war sein Feuer ungewöhnlich heiß. Es hieß, das sein Katon alles außer Stein verbrennen konnte. Dennoch gab er sich so zurückhaltend, das selbst Hinata neben ihm wie ein Prahlhans wirkte.
 

Ein Handtuch landete auf seinem Gesicht. Neji nahm es ab und warf dem edlen Spender einen amüsierten Blick zu. Es war Anne-chan, oder vielmehr ihr Schattenklon, der noch immer als Platzhalter bei ihnen verweilte, aber nicht trainieren durfte. Die Gefahr, das sie durch einen Trainingsfehler verletzt wurde und ihre Existenz aufgeben musste, war zu groß. Natürlich wäre es einfacher gewesen, wenn sie die Beschwörung selbst aufgehoben hätte. Aber die Konoha-Nin und ihre Kohais aus Getsu hatten so viel Mühe damit gehabt, den Schattenklon durch die zweite Prüfung zu bringen, nun wollte auch keiner mehr auf diese Trophäe verzichten. Sie war hier, wegen ihr waren die acht durch unglaubliche Anstrengungen gegangen, und jetzt sollte sie gefälligst auch bleiben. Und Handlangerdienste verrichten, wie zum Beispiel Handtücher verteilen, als kleine Rache, sozusagen. "Danke", sagte Neji, und wischte sich den verschwitzten Nacken ab.

"Woran denkst du?", fragte Anne interessiert. "Ich meine, aus deinen weißen Augen kann man ja ohnehin nicht viel lesen, aber diesmal warst du sehr weit weg."

"Ach, ich habe an Otogakure gedacht. Ich war dabei, als wir es zerstört haben", sagte Neji wie beiläufig und beobachtete Annes Reaktion. Immerhin war sie damals Bewohnerin des Ninja-Dorfs gewesen.

"Echt jetzt? Wusste ich noch gar nicht. Waren Tenten und Lee auch dabei?", fragte das Mädchen interessiert.

Mohad griff von hinten über die Schultern des schmächtigen Mädchen und sicherte sich das nächste Handtuch von ihrem Stapel. Er hatte gerade eine sehr anstrengende Taijutsu-Runde gegen Lee hinter sich. "Würde mich auch interessieren", brummte er, während er sich den Schweiß vom Gesicht rieb. "Ah, tut das gut. Und hiernach ein langes Bad."

Neji lächelte. "Tenten war dabei. Aber Lee war damals verletzt. Es stand sogar auf der Kippe, ob er jemals wieder als Ninja dienen konnte." Verschwörerisch beugte sich der Hyuuga vor. "Ihr habt es nicht von mir, aber seine Arbeit als Ninja hing von einer riskanten Operation ab, bei der er fünfzig Prozent Überlebenschance hatte."

"Echt jetzt?", fragte Anne verblüfft. "Also, das nenne ich mutig."

"Bah", sagte Mohad, "bei vielen meiner Missionen war die Erfolgsaussicht bei dreißig Prozent oder weniger. Da hätte ich auch sterben können."

"Mag ja sein, aber das hattest du in der eigenen Hand", warf Tenten ein, während sie näher kam, Illan im Schlepp, die sich ihren Allerwertesten rieb. Anscheinend hatte sie dort einiges abbekommen. "Bei der Operation aber lag sein Schicksal in fremden Händen."

"Worüber redet Ihr?", fragte Illan. "Aua, das gibt bestimmt einen blauen Fleck. Du bist immer so grob, Tenten-chan."

"Warte es mal ab, in der Arena werden deine Gegner noch gröber mit dir umspringen", feixte sie. "Sie reden über Lee, wie es scheint. Und über die mutigste Entscheidung seines Lebens." Kurz wiederholte sie die Geschichte für das Mädchen aus Getsu.

"Okay, das ist mutig. Oder verzweifelt, das kann man sehen wie man will", sagte sie anerkennend.

"Aber er hat dadurch den Kampf um Otogakure verpasst", sagte Anne. "Wurmt ihn das nicht?"

Neji sah sie verblüfft an, bevor er laut lachte. "Sagen wir es mal so: Tenten und ich waren mit Mamo-chan in Otogakure. Hinata, Shino und Kiba - Akamaru nicht zu vergessen - haben ihn auf einer Mission begleitet, bei der er eine ganze Burg erobert hat. Als Lee gehört hat, wer uns auf die Prüfung begleitet, war er außer Rand und Band."

Tenten unterdrückte ein Kichern. "Ja, das stimmt wohl. Umso tragischer, das Mamo-chan gar nicht mehr hier ist, sondern irgendwo da draußen."

Die drei Getsu-Nin verzogen bei diesen Worten keine Miene. Es war nicht schwer für sie gewesen, spätestens nach den ersten Tagen herauszufinden, das mit den anderen Jounin aus Konoha etwas nicht stimmte. Dass sie verwandelte Schattenklone von Kurenai-sensei waren, hatte dann niemanden mehr überrascht, vor allem nicht Amir.

"Ihr hängt das ein wenig zu sehr an Morikubo auf", sagte Mohad. "Da seid Ihr irgendwie wie Anne. Sie himmelt ihren Mamoru-sama ja regelrecht an, aber das ist normal bei verliebten Mädchen. Bei euch würde ich doch mehr, hm, Zurückhaltung erwarten."

Neji schnaubte leise. "Du glaubst doch hoffentlich nicht, das ich in ihn verliebt bin, oder?"

"N-nein, so habe ich das nicht gemeint!", beeilte sich Mohad zu sagen. "Ich sage ja nur, dass... Dass..."

"Hina, Shino!", rief Neji. "Bitte kommt doch mal! Lee, du auch!"

Die drei Genin traten zu der Gruppe. Hinata und Lee nahmen dankbar die Handtücher entgegen. Shino, der für ihren Kampf den Schiedsrichter gespielt hatte, verzichtete. "Was ist denn?"

"Unsere niedlichen Kohais interessieren sich für Mamo-chan. Ich dachte mir, Ihr wollt vielleicht ein wenig über die Mission im Land des Wassers plaudern."

"Oh ja, da war einiges los." Kiba grinste breit. "Alleine wenn ich an den Kampf in der Burg denke. Ich meine, Mamoru und Naruto auf einem Fleck, und dann noch gegen zwei Kiri-Jounin, das war ein Erlebnis. Zum Glück blieb für uns normale Shinobi noch genügend zu tun."

"Hm." Shino sah den Jungen vom Clan der Inuzuka schief an. "Es hängt wohl von deiner Laune oder deiner Tagesform ab, wie du über die Kämpfe auf der Burg berichtest. Anscheinend hast du gerade gute Laune."

"W-wie kommst du denn darauf?", fragte Kiba enerviert.

"Normalerweise bist du eine ganze Ecke neidischer, wenn du davon erzählst."

"Neidisch? Ich?" Akamaru bellte bestätigend. Beinahe verzweifelt sah Kiba seinen Hund an. "Was? Du auch?"

"Akamaru ist eben ehrlicher als du", stichelte Tenten.

"Ich orientiere mich eben an den Besten", sagte Kiba ausweichend. "Nur wenn man sich hohe Ziele steckt und sich ordentlich motiviert, kann man selbst besser werden."

"Das hast du schön gesagt", lobte Tenten. "Und wenn du gerade in Redelaune bist, erzähl doch mal gleich die ganze Geschichte. Da können unsere Kohais gleich was über Menschenführung und Taktik lernen. Das werden sie nämlich brauchen, so als Chunin."

Kiba seufzte. "Also gut. Dann will ich die Geschichte mal erzählen. Wir waren anfangs neun Shinobi, und unser Auftrag lautete..."

***

Es war später Abend, als sie angriffen. Es ging auf Mitternacht zu, und wir gaben vor, bereits einige Zeit tief zu schlafen. Es war klar, das weder Hikarus Nachforschungen unbemerkt bleiben, noch unsere eher schlichte Tarnung als einfache Reisende von besonders langer Dauer sein konnte. Sicher, wir hätten uns wesentlich mehr Mühe geben können, aber die Ereignisse hatten uns schlicht und einfach überrollt. Wir hatten mit einem Tag Ruhe gerechnet, mit einem Atem schöpfen auf unserer Hatz nach Kabuto. Nicht damit, ausgerechnet hier auf einen Stützpunkt Orochimarus zu treffen. Auf einen Stützpunkt, dessen Besatzung teilweise in dieser Stadt lebte. Als aufrechte Ninjas Konohas mussten wir die Gelegenheit nutzen, den Stützpunkt erobern und so viel wie möglich darüber lernen. Kabuto war dadurch beinahe nebensächlich geworden, aber ich rechnete durchaus damit, das er im Stützpunkt sein würde, wenn wir angriffen. Anders ausgedrückt, hätten wir damit gerechnet, hier einen Stützpunkt zu finden, wären wir anders vorgegangen. Aber Improvisation war ein großes Talent der stolzen Shinobi Konohas.

Gut, wenn ich es genauer betrachtete, war ich der einzige stolze Shinobi Konohas. Wir hatten auch stolze Shinobi Sunas, Kankurou, und stolze Kunoichi Getsugakures, Anne, dabei. Dazu kamen zwei höchst gefährliche Affenkrieger, und das sollte uns in die Position bringen, mit der Bedrohung fertig zu werden.

Wir teilten uns einen Raum. Akane lag mit Anne links, einen Arm beschützend über sie gelegt. Ich hatte die Mitte, Hikaru Gosunkugi lag neben mir, außen schlief der Ratsherr aus Suna.

Zumindest so lange, bis fünf vermummte Gestalten den Raum betraten, als hätten sie Step durch eine Wand hindurch benutzt. Sie trugen Angriffsbereite Schwerter in den Händen, und auf jedes schlafende Bündel ging eine Klinge hernieder. Es gab drei Verpuffungen, als die schlafenden Schattenklone ausgelöscht wurden. Verwundert hielten die fünf Männer inne. Spätestens jetzt mussten sie merken, das ihr Überraschungsangriff in eine Falle geraten war. Als sich aber die letzten beiden Schlafenden, die Schwerter noch im Körper, aufrichteten, musste es zur Gewissheit werden. Einer von ihnen öffnete seinen Torso und verschlang den am nächsten stehenden Angreifer. Der andere verwandelte sich in einen tödlichen Wirbel aus Klingen, den einen zweiten Angreifer erwischte. Das war das Signal für den Angriff. Hikaru kam durch die Decke. Nicht in seiner schmächtigen Menschengestalt, sondern als Affenkrieger. Er wischte zwei der Angreifer mit einem Hieb beiseite, der sie durch die nächste Wand trieb. An dieser Stelle sollte ich erwähnen, das man in Ishi no Kuni zwar ähnlich leicht baute wie im Reich des Feuers, aber man legte weit größeren Wert auf feste Wände, weshalb die hiesigen Wände meilenweit von den leichten Papierwänden entfernt waren, die es mancherorts auch in Konoha gab. Hier waren die Wände aus Stein oder aus Holz. Massivem Holz. Hikarus Hieb war stark genug gewesen, die verdutzten Angreifer eben dieses Holz durchbrechen zu lassen. Als Gegner fielen sie die nächste Zeit aus. Übrigens spätestens dann, wenn Akane mit ihnen fertig war, die zusammen mit Anne im Nebenraum auf genau diese Situation gelauert hatte.

Den letzten Angreifer erledigte ich selbst. Mit einem schnellen Schritt war ich aus meinem Versteck heran, und bevor mein Gegner auch nur entsetzt aufschreien konnte, hatte ich ihn mit meinem Kunai getötet. Bedauern oder Gnade empfand ich dabei nicht. Das Schicksal, das sie uns zugedacht hatten, war überdeutlich zu sehen gewesen. Alles andere außer kühler Überlegung wäre unangebracht gewesen. Und uns reichte ein Gefangener vollkommen.

Die Welt der Shinobi war oft genug grausam. Die Aufgabe eines guten Anführers war es, zu verhindern, das die Grausamkeiten der eigenen Gruppe passierten.
 

Gosunkugi wechselte wieder in die Menschengestalt und machte Licht. Das Ausmaß der Bescherung wurde offensichtlich. Auf jeden Fall hatten die unbekannten Angreifer fünf Futons und eine Wand ruiniert.

Ich griff nach dem, den ich getötet hatte, und lupfte seine Maske. Auch wenn der Tod das Gesicht entstellte, konnte ich ihn identifizieren. Er war der Fischverkäufer, der die Straße runter sein Geschäft hatte. Der zweite Tote war ebenfalls aus dem Ort, ein Tagelöhner, der sich mit Transportarbeiten über Wasser gehalten hatte.

Akane steckte ihren Kopf durch das Loch und nickte uns zu zum Zeichen, das sie ganze Arbeit geleistet hatte. Sie war eine der wenigen Affenkrieger, die selbst in ihrer wahren Gestalt zierlich wirkten, geradezu zerbrechlich hübsch und beinahe so schön anzusehen wie in ihrer menschlichen Hülle. Sie deshalb zu unterschätzen war ein Fehler, den ein Angreifer nur einmal beging. Eine zweite Chance gab es nicht für die Toten. Außer natürlich, Kabuto oder Orochimaru hatten ihre Finger im Spiel. "Der Gemüsehändler und seine Frau", sagte sie.

Kankurou trat aus den Schatten hervor. Um seine Finger spielte eine Ahnung vom Chakra, mit dem er seine beiden Kampfpuppen lenkte. "Dann bin ich gespannt, mit wem wir es hier zu tun haben." Er klopfte gegen die Puppe, die er Kuroari nannte, und die unseren einzigen Gefangenen beherbergte.

"Du hast genau zwei Optionen, Bursche. Sprich, und du lebst vielleicht. Schweige, und du lebst garantiert nicht mehr."

Ein wilder Fluch antwortete ihm, was Kankurou seufzen ließ. "Wieso glaubt immer alle Welt, Ninjas würden bluffen?" Er bewegte die linke Hand, und erstaunt sah ich, wie sich die Arme von seiner zweiten Puppe lösten, die er Karasu nannte, obwohl sie wenig Ähnlichkeit mit einem schwarzen Rabenvogel hatte. An den Enden der Arme steckten kurze Schwerter. Die Arme schwebten zu Kuroari und schoben sich in Nischen den Puppenkörpers. Ich erschauderte beim Gedanken, das Kuroari genau zu diesem Zweck gemacht worden sein musste. Die erste Klinge fuhr hinein, und ein Schmerzensschrei antwortete, der selbst von der massiven Puppe kaum gedämpft wurde.

Ich erschrak. "RAUS!" Ich wandte mich der Schiebewand zu, die in den Garten führte, und spie ein Katon Dai Endan aus, der die Wand aus ihren Angeln brach und das Material zu Asche verbrannte.

Der Feuerball tobte durch den Garten und detonierte schließlich auf dem Boden. Ob und wen ich dabei erwischt hatte, war dabei schwerlich zu sagen. Es war auch nur wichtig, das unser Weg frei war. Ich sprang auf die Veranda, bereit, mich zu beiden Seiten zu verteidigen. Ich musste auch nicht lange warten, denn von rechts fuhr ein Katana auf mich hernieder. Nicht gerade die klassische Ninja-Waffe. Ich wehrte mit einem Kunai ab, und Akane, die in diesem Moment durch ihre Schiebetür brach, fuhr mit ihrer Linken wie beiläufig über den Körper meines Angreifers, als wolle sie ihn streicheln. Der Effekt war aber um einiges spektakulärer, als der Mann mittig halbiert wurde. Immerhin, sie war eine Affenkriegerin von hohem Rang.

Gosunkugi sicherte die linke Seite, aber noch war kein weiterer Angreifer auszumachen. Der, den Akane getötet hatte, war eventuell nur ein Aufpasser gewesen, und wir hatten trotz des Kampflärms und meines nicht gerade leisen Dai Endan eine gute Chance, auf gute alte Ninja-Art spurlos zu verschwinden.

Kankurou, seine Puppen im Schlepp, folgte uns. Fragend sah er mich an.

Ich deutete auf Kuroari. "Die Stimme des Gastwirts!", erklärte ich und überwand den Garten mit einem schnellen Step, wo Hikaru bereits den Zaun erklomm.

"Der Gastwirt? Ist denn hier jeder Einzelne ein Agent Orochimarus?", rief der Ratsherr zornig und ließ auch die zweite Klinge hinein fahren. Dies war vielleicht gar nicht mehr nötig gewesen, denn diesmal hörten wir nicht einen Ton. Kankurou zog Karasus Arme wieder hervor und ließ Kuroari sich entleeren. Ein flüchtiger Blick auf den Toten bestätigte mich. Es war der Gastwirt.

"Leute, wir haben vielleicht ein- bis zweihundert Probleme", sagte Hikaru, als er die Zaunkrone erreicht hatte. "Vielleicht ist nicht die ganze Stadt auf Orochimarus Lohnliste, aber ein Viertel tut es ja auch, oder?"

Ich sprang neben ihm auf die Zaunkrone. Das sah nicht besonders gut aus. Drei Straßen führten zum Gasthaus, und aus allen Straßen waren aufgeregte Rufe zu hören und der Schein von Fackeln zu sehen. Ich wandte mich um und erkannte auf dem Dach des Gasthauses geduckte Gestalten, die versuchten, in den Schatten lauernd, ihren Moment abzupassen. Wir waren eingekreist. Mir blieb nur noch übrig, alles auf eine Karte zu setzen, wenn wir eine Chance haben wollten, hier lebend raus zu kommen. "Kankurou, pack deine Puppen weg! Hikaru, Akane! Nehmt die beiden mit!"

"Warte mal, du willst doch nicht etwa alleine...", begann Hikaru aufgeregt.

"Ich bin sensorischer Ninja. Wenn jemand entkommen kann, dann sicherlich ich", entgegnete ich. "Alleine habe ich die besten Chancen gegen diese Übermacht! Also tut was ich euch sage!"

Kankurou kommentierte meine Worte nicht. Er beendete die Waffenbeschwörung seiner Puppen, wie ich es ihm gesagt hatte. Dann nahm er verwundert die Hand, die der riesige Affe ihm reichte. Akane hatte derweil nicht lange gefackelt und Anne fest in die Arme geschlossen. "Wir sind bereit."

Ich nickte. "Ich werde euch später wieder beschwören. KAI!"

Mit diesem Wort löste ich die Beschwörung der beiden Affenkrieger auf und schickte sie zurück auf den Affenberg. Und mit ihnen entsandte ich Kankurou und Anne, in die relative Sicherheit fern dieses riesigen Hornissennests.

Als die vier in relativer Sicherheit waren, blieb mir nur noch eines: Entkommen und Pakkun aufsuchen, wo ich Akane und Hikaru erneut beschwören konnte - und mit ihnen die beiden Shinobi. Um das zu erreichen musste ich grob werden. Der Plan stand schnell fest. Ich würde das Gasthaus in eine Flammenhölle verwandeln, und diese Flammenhölle nutzen, um in ihr zu verschwinden. Zeit für eine Kleinigkeit, die mir Asuma beigebracht hatte.

Ich schmiedete Chakra, konzentrierte es in meinem Mund und produzierte Asche statt Öl. "Haisenkishiou!" Die Asche spie ich auf das Gasthaus aus, wo es sich großflächig ausbreitete. Die unbekannten Angreifer auf dem Dach reagierten viel zu spät, als die ersten Ascheflocken sie und das Haus schon umwehten. Die letzten Flocken, die meinen Mund verließen, steckte ich mit ein wenig schnell produziertem brennenden Öl in Brand. Der Effekt war durchaus mit einer Mehlverpuffung zu vergleichen, wenn man davon absah, das es nicht zu einer einzigen großen Explosion kam, sondern nur zu einer einzigen gigantischen Brandwolke, die einen Großteil des Gasthauses und etliche meiner Gegner auf den Dächern einhüllte. Als sich die Effekte des Feuers zu lichten begannen, stand das Gasthaus nur noch zur Hälfte und brannte lichterloh. Von den Shinobi auf den Dächern war nichts mehr zu sehen. Also beeilte ich mich, den immer näher kommenden Fackelträgern zu entkommen und sprang in das brennende Inferno. Es war eine alte Weisheit unter Katon-Anwendern, dass das eigene Feuer einem nichts anhaben konnte. Leider war das wie vieles im Leben eine hoffnungslose Übertreibung. Aber zumindest konnte ich mein eigenes Feuer kontrollieren. Mit diesem Gedanken stürzte ich mich in die Flammenhölle.

***

"Du kommst spät", sagte Pakkun. "Außerdem riecht man dich schon auf einen Kilometer Entfernung, Mamo-chan. Was hast du gemacht? Einen Großbrand gelegt?"

Ich kam aus dem Step und landete direkt neben dem Ninja-Hund. "Etwas in der Art, ja. Kennst du das, wenn sich eine ganze Stadt gegen dich verschworen zu haben scheint und dich jagt? Ich hatte eine aufregende Zeit."

"So siehst du auch aus. Deine Haare sind versengt. Und du hast Brandblasen im Gesicht und an den Händen. Ich dachte, Ihr Katon-Nutzer könnt von Feuer nicht verletzt werden", sagte der kleine braune Hund.

Ich hätte beinahe aufgelacht. "Ja, das dachte ich auch. Aber das scheint ein riesiger Irrtum zu sein." Ich folgte Pakkuns Blickrichtung. "Hat sich was am Stützpunkt getan?"

"Seit Gosunkugi weg ist, sind hier über dreißig Leute rein und wieder raus. Es war ein ständiges Kommen und Gehen. Kabuto war nicht darunter, also nahm ich an, es bestand kein Grund zum Eingreifen. Viele von ihnen rochen nach der Stadt, also nehme ich an, du bist ihnen bereits begegnet?"

"Ja, das bin ich."

"Wo sind die anderen?"

"Sorgst du dich um sie?", fragte ich amüsiert.

"Natürlich. Vor allem um Anne. Sie hat zwar dieses Talent, sich vollkommen zu verbergen, aber sie ist immerhin nur eine Genin."

Nun lachte ich doch. Es war nur ein kurzes Lachen, und ich hustete danach eine qualvoll lange Zeit an der Asche in meiner Kehle. "Ich kann dich beruhigen", krächzte ich zwischen zwei Hustenanfällen, "ich habe Kankurou und Anne zusammen mit Akane und Hikaru auf den Affenberg geschickt."

"Und da werden sie wohl auch bleiben, bis du sie wieder beschwörst, nehme ich an."

"Gut erkannt, kleiner Hund." Ich sah wieder zum Stützpunkt herüber, der sich nur dadurch verriet, das er einen gut getarnten Eingang in die Erde sein eigen nannte. "Und da werden sie wohl erstmal einige Zeit bleiben, weil ich noch nicht weiß, wie nachtragend die Stadtbewohner sind. Und ob sie mich hier oben suchen werden. Was sagt deine Nase, Pakkun? Ist mir jemand gefolgt?"

"Es kommen einige Menschen den Hügel hoch, aber wenn ich mich nicht irre, wollen sie zum Stützpunkt. Sie sind nicht als Suchtruppe aufgestellt, sondern als Pulk unterwegs." Pakkun hielt die Nase hoch und witterte. "Einige von ihnen riechen auch nach Verbranntem. Und es sind mehrere Pulks. Auch einzelne Personen."

"Aha."

Der Hund warf mir einen misstrauischen Blick zu. "Irgendwie will mir dieses Aha überhaupt nicht gefallen, Mamo-chan. Was soll ich Kakashi sagen, wenn du nicht wiederkommst? Was soll ich Gaara sagen, wenn ich ihm erklären muss, das sein Bruder auf dem Affenberg festsitzt, weil du durch deinen Leichtsinn umgekommen bist? Was soll ich Amir erklären?"

"Beruhige dich. Die Gelegenheit ist günstig. Sie sind in Aufruhr und in Unordnung. Es wird nie leichter als jetzt sein, diesen Stützpunkt zu infiltrieren. Und wenn ich erst einmal drin bin, dann..."

"Ich halte das für eine sehr, sehr dumme Idee. Du hast absolut keine Ahnung, wie viele Gegner du da drin hast."

"Solange meine Verkleidung nicht durchschaut wird, brauche ich nicht zu kämpfen. Vorerst, meine ich. Außerdem kann ich jederzeit Affenkrieger beschwören, oder?"

"Wenn du gelähmt oder tot bist, nicht mehr, Mamo-chan", mahnte mich der Ninja-Hund eindringlich.

"Trotzdem. Noch muss ich damit rechnen, das sie nach mir suchen werden, auch hier am Depot. Aber wenn ich in ihren Reihen untertauche, die Identität eines der ihren annehme, kann ich die Geschichte schön aussitzen, und nebenbei Informationen sammeln. Oder nicht?"

"In der Planung klingt das toll", sagte Pakkun in einem Tonfall, der absolut keinen Zweifel daran ließ, was er von der Planung wirklich hielt.

Ich klopfte ihm auf die kleine Schulter. "Wie steht es eigentlich mit deinem Henge? Kannst du dich als Mensch tarnen?"

"Nein, leider nicht. Aber ich kann den armen Burschen verschwinden lassen, dessen Identität du annehmen willst."

"Nanu? Habe ich dich etwa doch überzeugt?", fragte ich verwundert. "Und seit wann beherrschst du Doton?"

"Nicht überzeugt, aber wenn du schon etwas Dummes tust, dann werde ich dir helfen, damit es nicht vollkommen dumm ist. Und was das Doton angeht, dies hier sind meine Doton-Fähigkeiten." Er hielt mir seine Pfoten hoch. "Ich bin ein verdammter Hund. Ich grabe den Burschen einfach irgendwo ein."

"Na also", sagte ich strahlend. Der Plan nahm doch richtig Formen an. Fehlte nur noch ein einzelner Nachzügler, zu dem ich werden konnte. Außerdem hatte ich noch einen Vorteil. Ich kannte die Fallen, mit denen Orochimaru seine Verstecke zu spicken pflegte. Je mehr ich darüber nachdachte, desto mehr gefiel mir meine Idee. Aber das war bei meinen dummen Ideen selten anders als bei meinen guten Ideen.

Schneidender Wind 7

7.

Einen der Nachzügler zu überwältigen war relativ leicht gewesen. Zwar hatte die Gefahr bestanden, auf einen wirklich starken Gegner zu treffen, aber wenn ich mir die Gesamtleistung der Bewohner der Stadt in Erinnerung rief, so war es eher ihre schiere Zahl gewesen, die für uns gefährlich gewesen war, weniger ihr überragendes Können. Und einhundert Katons konnten einen Jounin ausradieren.

Der Bursche, den ich mir aussuchte, war augenscheinlich ein Eigenbrödler, und zudem ziemlich hässlich. Pakkun bestätigte mir, das er zwar nach dem Öl roch, mit dem wir Ninjas unsere Kunais pflegten, aber nicht nach Sprengstoff-Tags oder exotischen Giften. Mit ein wenig Glück hatte ich einen der direkten Handlanger Orochimarus heraus gepickt. Allerdings hatte ich keine Zeit für langwierige Verhöre, und auch gar nicht die Gelegenheit. Alles musste schnell gehen.

Pakkun war vor ihm aus dem Gebüsch getrottet, hatte sich aufgesetzt und "Tag auch" gesagt. Die Zeit, die mein Gegner gebraucht hatte um zu erkennen, dass er es nicht nur mit einem sprechenden Hund, sondern mit einem Ninja-Hund zu tun hatte, reichte mir, um hinter ihn zu kommen, ihm den Mund zu verschließen und mit einem schnellen Stich durch den Hals Klarheit zu schaffen.

Das Ninja-Handwerk war ein blutiges, grausames Werk; dies vor allem, weil die Gegner grausam waren, und wir Ninjas uns nicht den Luxus leisten konnten, besser zu sein als sie. Nun, zumindest nicht sehr viel besser, moralisch gesehen.

Pakkun hatte die Blutlache verscharrt, die der Tote hinterlassen hatte, ich hatte mir die Leiche aufgeladen und war in die Büsche verschwunden. Dieser Teil der Aktion hatte also funktioniert.
 

Fünf Minuten später war ich mir sicher, das ich ein einhundert Prozent überzeugendes Trugbild von ihm erzeugen konnte. Ich war auch sicher, seinen merkwürdigen Gang imitieren zu können. Damit endeten aber auch meine Vorteile. Ich wusste weder seinen Namen, noch seine Funktion in dieser merkwürdigen Stadt oder in diesem Geheimversteck. Unterlagen oder Pässe konnte ich auch keine bei ihm finden. Wenn diejenigen, die das Versteck kannten, einfach so dort ein und aus marschierten, musste der Stützpunkt Orochimaru entweder reichlich egal sein, oder aber er sah die Sicherheit durch die Städter auf seiner Seite gewährleistet.

Es half nichts. Ich würde improvisieren müssen. Dabei half mir allerdings die Persönlichkeit meines Gegners, die ich als mürrisch, ja, verschlossen einschätzte. Mit so einem Gesicht hatte man nur sehr, sehr mutige Freunde.

"Wünsch mir Glück, Pakkun", sagte ich, und erschuf das Trugbild, das mich diesen Burschen darstellen ließ, und das bis ins letzte Detail.

"Du brauchst kein Glück, du brauchst ein Wunder", murrte der Ninja-Hund, der bereits damit begonnen hatte, eine Grube für den Leichnam auszuheben. Später würde er den Burschen dort verscharren und dafür sorgen, dass nichts auf dieses einsame Grab hinweisen würde.

"Wie auch immer. Ich gehe dann jetzt. Sollte ich im Morgengrauen nicht wieder hier sein, weißt du, was du zu tun hast."

Der Hund nickte gewichtig. "Ich gehe rein und haue dich raus."

"Äh, ja. Ich dachte mehr daran, zu Kakashi zurück zu kehren und ihn und die anderen hier her zu führen, damit sie meine Reste aufklauben können."

"Siehst du. Da ist meine Idee doch viel praktischer. Ich habe wenigstens noch eine Chance, dich zu retten."

"Pakkun", sagte ich in mahnendem Tonfall.

"Oder ich komme gleich mit rein."

"Das geht nicht. Ich brauche hier draußen jemanden, der nicht so leicht gefunden wird, und der von meiner Dummheit berichten kann."

Der kleine braune Hund sah mich mürrisch an. "Wieso gehst du überhaupt erst rein, anstatt hier draußen deine Affenkrieger, Anne-chan und Kankurou-sama zu beschwören und dich gleich richtig um die Sache zu kümmern?"

"Weil ich eine Gelegenheit erkenne, wenn ich sie vor mir habe", sagte ich bestimmt. "Und bei all dem Chaos, das ich verursacht habe, fällt eine kleine Erkundung doch überhaupt nicht weiter auf."

"Dein Wort in Kakashis Ohr", murrte der Hund. "Gut, ich bleibe hier und warte. Aber wenn du was mit dir anstellen lässt, und ich Kakashi erzählen muss, dass ein Ratsherr aus Sunagakure wegen dir auf dem Affenberg festsitzt, dann suche ich deinen Geist heim, das verspreche ich dir."

Ich lachte leise. "Ich verspreche, ich werde vorsichtig sein. Und ich verspreche, ich werde wiederkommen."

Das beruhigte Pakkun nicht wirklich, aber wenigstens widersprach er mir nicht mehr.

Ich winkte ihm noch einmal zu, dann verschwand ich zwischen den Büschen.
 

Ich nutzte eine gute Gelegenheit, um mich an eine andere Gruppe zu hängen. Dabei tat ich so, als hätte ich gerade gepisst und käme nun erleichtert aus den Büschen hervor.

"Sieh an, sieh an. Wir stehen alle Kopf, und der feine Herr Umato nimmt sich die Zeit für einen gemütlichen Struller", sagte der Linke aus der Dreiergruppe Männer. Sie wirkten alle mittleren Alters und machten nicht den Eindruck, besonders fähige Shinobi zu sein.

"Der feine Herr Umato-sama!", knurrte ich angriffslustig. Nun hatte ich einen Namen. Und zugleich die Gelegenheit, um zu sehen, wie weit ich gehen konnte, welchen Status der hässliche Kerl, den ich imitierte, bei den Städtern und im Versteck hatte.

"Nun blas dich mal nicht so auf. Du sitzt mit uns Städtern genauso im Boot, wenn wir uns vor Kabuto-sama rechtfertigen müssen!", sagte der andere. Allerdings waren seine Augen ängstlich aufgerissen, sein Tonfall beinahe weinerlich und seine Hände zu einer abwehrenden Geste aufgestellt.

Der Mittlere, ein ruhiger Mann mit grau durchzogenen schwarzen Haaren, hob eine Hand. "Streit nützt uns gar nichts. Wir alle haben uns heute nicht mit Ruhm bekleckert. Weder wir vom Bündnis zum Erhalt der Stadt, noch die Shinobi in Orochimaru-samas Diensten. Das weißt du, Toko. Und du auch, Umato-san."

"Mag sein, dass ich diese Shinobi-Ratten nicht erwischt habe. Aber wenigstens bin ich nicht so nervös wie Toko-kun und fürchte meinen eigenen Schatten. Ich gehe pissen, wenn ich muss", sagte ich mit tiefer Stimme.

"Du brauchst gar nicht so zu grollen", meldete sich der Dritte zu Wort, ein kleiner, frettchengesichtiger Mann mit durchtriebenen Augen. "Du warst auf dem Dach und solltest die Flucht der Shinobi verhindern. Du warst auch mit der Verfolgung beauftragt. Man sagte mir, du hättest dich geweigert, in das brennende Gasthaus zu gehen."

"Weil es viel zu heiß gebrannt hat. Es war ein Chakra-verstärktes Feuer. Und ich stehe zu meiner Entscheidung, draußen auf den Shinobi gewartet zu haben, anstatt drinnen zu Asche zu verbrennen."

"Und dadurch ist er uns entkommen", ätzte Toko. "Und du willst ein Shinobi sein."

Ich schnellte vor und umklammerte die Kehle meines Gegenübers. Dabei hoffte ich, nicht zu sehr aus der Rolle zu fallen. Andererseits hatte ich in meinen Tarnungen bisher eigentlich recht gutes Gespür für meine Umgebung gehabt. "Es gibt schnelle Shinobi und es gibt alte Shinobi", zischte ich. "Ich habe vor, ein alter Shinobi zu werden! In den sicheren Tod werfe ich mich nur auf einen Befehl Orochimaru-samas hin, nicht weil vielleicht ein Shinobi aus Suna eventuell nicht in seiner selbst produzierten Flammenhölle zu Asche verbrannt ist!"

"Das reicht jetzt, Umato. Lass ihn los", sagte der Mittlere mit Autorität in der Stimme. "Du wirst dich ebenso vor Kabuto-sama verantworten müssen wie wir anderen auch. Wir werden sehen, wie er dein Handeln beurteilt."

Langsam löste ich den wohldosierten Griff, der vor allem dazu gedacht gewesen war, Toko Angst zu machen. Das schien ich erfolgreich getan zu haben. Aber war ich damit aus der Rolle gefallen? Benahm sich Umato überhaupt so? Zumindest der Mittlere, der in der Hierarchie weiter oben angesiedelt sein musste, hatte keinen Verdacht geschöpft.

Das Frettchen sah mich misstrauisch an. "Suna-Shinobi? Woher willst du das wissen?"

"Ich habe irgendwen sagen hören, jemand habe ein verkohltes Suna-Stirnband in den Flammen gesehen, bevor es verbrannte. Was weiß ich", murmelte ich und täuschte Müdigkeit vor. "Es war eine lange Nacht, es ist viel passiert, und ich will nur noch meinen Bericht abgeben."

"Ein Suna-Stirnband. Das ist hochinteressant. Gima, hatten wir Suna-Nin nicht bisher ausgeschlossen?"

Der Mittlere zuckte erschrocken zusammen. War das Frettchen höher im Rang als er? Oder waren sie gleichrangig? "Es... erschien mir zu offensichtlich. Es war schlimm genug, das plötzlich Shinobi aufgetaucht sind, kaum das Kabuto-sama den Ort betreten hat. Und wir haben sie angegriffen, weil es eine Verfolgergruppe gewesen sein könnte. Aber bis jetzt habe ich nicht wirklich daran geglaubt. Und ich tue es auch jetzt noch nicht, Temmat."

Das Frettchen sah ihn interessiert an. "Und warum tust du das nicht?"

"Wegen dem Feuer. Es... ist typischer für Konoha. Und warum sollten Konoha-Shinobi Kabuto-sama aus dem Land des Windes verfolgen?"

Beinahe hätte ich triumphierend gegrinst. Hatte es Kabuto tatsächlich versäumt, die Natur seiner Verfolger weiter zu geben? Ja, die verdammte Geheimniskrämerei hatte auch ihre Schattenseiten. Und irgendwann schlugen sie auf einen selbst zurück.

Mittlerweile hatte sich Toko vom Schreck wieder erholt. Er stand wankend auf. "Das merke ich mir, Umato! Das wirst du büßen, verlass dich drauf!", giftete er mit sich überschlagender Stimme.

"Du und welche Armee?", grollte ich böse.

Er trat einen Schritt zurück, und das genügte als klares Signal, wer hier der Überlegene war.

"Wir sollten weiter gehen", schlug ich vor. "Man lässt Kabuto-sama nicht warten."

"Ja, da hast du sicher Recht, Umato-kun", sagte Gima, und ging voran. Ich ließ auch die anderen beiden passieren und folgte ihnen dann in einem Schritt Entfernung. Toko sah dabei mal ängstlich, mal böse immer wieder zu mir zurück. Wäre Umato nicht schon tot, jetzt hätte er sicherlich einen Todfeind gehabt.

Ich hoffte inständig, während wir auf den Eingang des Verstecks zugingen, wo ein Verkehr wie am Konoha-Haupttor herrschte, dass dieser Umato auch so Redebegeistert war, wie ich ihn dargestellt hatte. Mit erhöhter Aufmerksamkeit entfaltete ich meine sensorischen Fähigkeiten, nur für den Fall, dass mir jemand eine Falle bereiten wollte.
 

Bis zum Tor geschah nichts. Ich sah Männer und Frauen, darunter ein paar Jugendliche, die das Versteck betraten oder verließen. Die, die es verließen, waren darüber sehr erleichtert. Die, die es betraten, waren darüber mindestens ebenso tief nicht begeistert. Ich konnte mir vorstellen, was auf sie wartete, und angenehm war das nicht. Kabuto war mir und meinen Mädchen gegenüber die wenigen Male, die wir einander begegnet waren, stets freundlich gewesen. Aber er hatte nicht eine Sekunde gezögert, ANBU zu töten, als es ihm genützt hatte. Er war also gewaltbereit, verschlagen, kampfstark, hintertrieben, und, wenn er es konnte, zudem nicht zimperlich in dem, was er tat oder umsetzte. Eigentlich hervorragende Eigenschaften für einen Chunin oder gar Jounin, fand ich. Nur leider war er auf der ganz falschen Seite.

Als ich hinter den drei Männern das Tor passierte, kamen uns ein paar Städter entgegen, die reichlich blass um die Nase waren. Es schienen zwei Paare zu sein, bei denen die Männer Brüder waren. Ich erinnerte mich flüchtig an sie. Der Kaufmann und der Postmeister aus der Nebenstraße vor unserer gefährlichen Gaststätte. Nur die Frau des Kaufmanns war nicht blass. Im Gegenteil, sie war so knallrot, das sie jederzeit zu platzen drohte.

"Ich habe es euch immer gesagt", zischte sie, "es war ein großer..."

"Hase, nun reg dich doch nicht auf. Komm, wir gehen nach Hause, essen ein schönes Frühstück und trinken heißen Tee, und dann sieht die Welt schon anders aus", beschwichtigte sie ihr Mann, dem der Schrecken noch immer in den Gliedern saß.

"Ich will mich aber aufregen!", keifte die ältere Frau empört. "Seit dieser... dieser Orochimaru unsere Stadt heimge..."

Mein Schlag traf sie an der Schläfe. Wohldosiert, damit ich sie nicht tötete. Aber sie würde mehrere Stunden bewusstlos bleiben.

Sofort stürzte ihr Mann herbei, um sie aufzufangen, während sein Bruder und dessen Frau mich entsetzt anstarrten.

"Verzeihung, Umato-san! Sie hat nur laut gedacht, und..."

Ich legte dem Kaufmann meine Rechte auf die Schulter und drückte mit einem Großteil meiner Kraft zu. Er stöhnte vor Schmerzen auf. "Sag deiner Frau, wenn sie wieder aufwacht, dass sie das laut denken auf Zuhause beschränken soll. Nicht jeder Diener von Orochimaru-sama ist so nachsichtig wie ich, wenn der Meister kritisiert wird." Ich hoffte ehrlich, diese Warnung würde ankommen. Und das ziemlich deutlich. Gleichzeitig bereute ich es, mich eingemischt zu haben. Aber hätte die Frau weiter gesprochen, hätte es garantiert Ärger, wenn nicht gleich den Tod für die vier bedeutet. Orochimaru und seine Schergen fackelten nie lange.

"Ja! Ja, selbstverständlich. Danke für den Hinweis, Umato-sama!" Er winkte seinem Bruder, der ihm tragen helfen sollte. Zu zweit wuchteten sie die Frau hoch und trugen sie in die Nacht davon. Mist, mein gutes Herz war wieder mal mein größtes Handicap. In dieser Situation konnte mein Handeln mir leicht den Tod bringen. Vor allem wenn ich daran dachte, was mich in Orochimarus Versteck unter Otogakure erwartet hatte. Ich würde noch viel Gelegenheit dafür haben, Mitleid zu haben, und das war auf einer Infiltrationsmission eine ganz dumme Handlungsweise.
 

"Hier gibt es Ärger?", klang eine jugendliche Stimme auf. Die Menschen, die in den Eingang strömten oder ihn verließen, machten Respektvoll Platz für einen schmächtigen weißhaarigen Burschen, der mit einem Selbstbewusstsein einher schritt, das mit der Angst der Menschen vor ihm gut Schritt halten konnte. Für so ein dünnes Gerippe eine tolle Leistung. Andererseits durfte man ihn nicht unterschätzen, wenn er augenscheinlich in wichtiger Position für Orochimaru arbeitete. Vor allem nicht bei einem Typen, der seine Zähne hatte anspitzen lassen, damit sie wie ein Haifischgebiss aussahen.

"Guten Morgen, Houzuki-sama", kam es von den Menschen, und selbst Gima und seine Gruppe machten dem jungen Burschen respektvoll Platz.

"Kein Ärger", sagte ich ernst und machte eine abfällige Geste. "Nur eine alte Vettel die laut gedacht hat. Ich habe sie zum Schweigen gebracht. Eventuell getötet, was weiß ich."

"Oho. Spielst du dich hier etwa als Scharfrichter im Namen Orochimaru-samas auf?", fragte der weißhaarige Zwerg und grinste mich an.

Ich schnaubte amüsiert, während ich innerlich Blut und Wasser schwitzte. Meine sensorischen Fähigkeiten verrieten mir, das der junge Bursche vor mir durchaus auf Chunin-Level war. Und er lief quasi gerade im Leerlauf. Mich mit ihm anzulegen war die zweitdümmste Idee, die ich haben konnte. Dümmer war nur noch eine direkte Konfrontation mit Kabuto, ohne entsprechende Unterstützung durch ein, zwei Abteilungen ANBU. "Scharfrichter? Ich habe es nicht auf deinen Job abgesehen, Kleiner. Geh wieder rein und übe mit deinem Hackemesser", sagte ich in überheblichem Ton und deutete auf das Schwert an seiner Seite.

Das Gesicht meines Gegenübers verfärbte sich merklich ins Rote. Aber dies war die einzige Möglichkeit gewesen, meine Situation zu retten. Entweder kämpfte ich hier und jetzt und suchte mein Heil in der Flucht, oder ich bluffte den Bengel und lavierte mich an ihm vorbei.

"Hackemesser? HACKEMESSER?" Der Blick, den er mir zuwarf, konnte man am Besten mit tödlich beleidigt beschreiben. Ich spannte mich an, bereit meine Kunais zu ziehen und mich zu verteidigen. Zugleich ließ ich unauffällig Öl in meinen Mund tropfen, um für meine Feuerkunst bereit zu sein.

Der tödlich beleidigte Gesichtsausdruck wandelte sich in tiefe Enttäuschung. "Du... Du doofer Kerl!" Mit einem Schluchzen warf er sich herum und verschwand wieder im Versteck.
 

Auf diese Szene folgte einige Zeit absolute Stille. Ich fühlte mich von vielen Augen angestarrt.

"Uff", klang es schließlich von Gima, "das war beeindruckend. Normalerweise ist Houzuki-sama bei seinem Katana noch empfindlicher als er ansonsten schon ist. Aber ich hätte nicht gedacht, das er vor dir kuschen würde, Umato-san, auch wenn du technisch gesehen sein Sempai bist."

Temmat runzelte die Stirn. "Das ist nicht gut. Das kann nicht gut sein. Ich bin mir sicher, Houzuki-sama lässt das nicht auf sich sitzen. Mach dich gefasst darauf, das er dir eins auswischen wird, Umato-san."

Toko griente mich an. "Vielleicht habe ich Glück, und er bringt dich einfach um."

Ich trat vor und ergriff den Kleineren am Kragen. "Vorher breche ich dich in winzigkleine Stückchen, Kerl!"

Temmat ging dazwischen, als der freche Kerl in meinem Griff vor Schreck quiekte. "Schluss damit! Wie ich schon sagte, wir sitzen im gleichen Boot! Wir alle!"

"Gilt das auch für den Fall, dass Houzuki mir Ärger macht?", fragte ich sarkastisch, ließ Toko aber los.

"Nein, natürlich nicht. Was erwartest du auch?", erwiderte Temmet.

"Gut, das wir diese Frage geklärt haben." Ich drückte mich respektlos an ihnen vorbei und betrat den Stützpunkt. Gut, ich war drin, und ich war meine drei Begleiter los. Vorerst.

Aber ich wusste, der kleine Weißschopf mit seinem Schwerttick und den Haifischzähnen würde mir noch mal über den Weg laufen. Garantiert.

***

"Das dauert mir alles zu lange!" Ein lautes Krachen erfolgte, als der Tisch umflog, auf dem die Affen ein spätes Abendmahl für ihre Gäste serviert hatten. Zum Glück schon abgeräumt, aber unhöflich war die Geste dieses ungeduldigen Ninjas trotzdem.

Kankurou starrte die kleine Anne entsetzt an. Woher hatte der Zwerg die Kraft genommen, den gewiss einen Zentner schweren Tisch umzuwerfen?

"Beruhige dich, Anne-chan", sagte Ranko. "Du hilfst niemandem mit deiner Nervosität." Sie stand ein paar Meter abseits und kaute Fingernägel, versuchte dabei aber möglichst cool auszusehen. Von allen Anwesenden machte sie sich zweifellos die meisten Sorgen um ihren Schützling.

"Ich will aber lieber bei Mamoru-sama sein!", entfuhr es ihr. "Und diese Warterei macht mich wahnsinnig! Wann beschwört er uns endlich wieder?"

"Geduld ist eine der wichtigsten Tugenden, die ein Ninja haben kann, Anne-chan", sagte Ranko, ignorierte dabei aber geflissentlich ihr nervös auf den Boden trommelndes linkes Bein.

"Ich will aber keine Geduld haben!", sagte Anne eine Spur zu scharf. "Ich bin sicher, Mamoru-sama erlebt gerade wieder ein spannendes Abenteuer! Und ich hätte ihn mit meiner Kunst begleiten können, ohne das mich jemand entdeckt! Aber nein, ich habe ja zuerst gehandelt und dann nachgedacht! Ich musste ja mit der blöden Akane auf den Affenberg gehen, und... Warum seht Ihr mich alle so entsetzt an? Ich habe doch nicht wirklich was Schlimmes gemacht, oder?"

Hinter der jungen Kunoichi aus Getsugakure schienen sich zwei feurige Rubine aus dem Nichts zu schälen. Sie glühten wie die Abendsonne, und ihr Fokus ruhte auf dem Mädchen. "Blöde Akane?", klang es kehlig und viel zu tief hinter ihr auf.

Anne wandte sich um. Auf ihrer Stirn stand kalter Angstschweiß, ihre Augen waren schreckgeweitet. "D-das hast du doch hoffentlich nicht missverstanden, Sempai?"

Drei Sekunden später hockte Anne am Boden und hielt sich die fette Beule auf dem Kopf. "Autsch. Das hat wehgetan, Akane-sama."

"Das sollte es auch!", rief die Affenkriegerin entrüstet. Aber jeder konnte sehen, das ihr Zorn verraucht war. "Ich mache mir doch auch Sorgen. Aber du machst uns alle nur verrückt mit deiner Wut, verstehst du das nicht, Anne-chan? Wir sind ohnehin selbst ein recht ungeduldiger Haufen."

"Ich weiß ja, ich weiß. Aber ich kann mich nicht beruhigen! Mein ganzer Körper kribbelt, und... Und... Es geht einfach nicht."

"Ach so. Nach dieser Kopfnuss bist du immer noch nervös?" Ein merkwürdiges Lächeln huschte über Akanes menschliches Gesicht. "Ich denke, da kann ich helfen. Oder vielmehr kenne ich jemanden, der es kann." Sie schnippte mit der rechten Hand. "Kasumi."

Ihre ältere Schwester schien aus dem Nichts zu entstehen. Sie lächelte mit zusammengekniffenen Augen in ihrer menschlichen Gestalt. "Aber gerne doch, Schwesterchen."

Bevor Anne es verhindern konnte, war die Kriegerin heran und herzte sie. Dabei drückte Kasumi das Mädchen mit Elan an ihren Busen. Das hatte einen merkwürdigen Effekt auf die Kunoichi. Sie wurde beinahe sofort ruhig, geradezu apathisch.

Akane besah sich das Geschehen grinsend. "Ich wusste es. Die Mutter-Nummer funktioniert immer. Halte sie so noch einige Zeit, Kasumi. Sagen wir zwei, drei Stunden."

Die Ältere lächelte mütterlich. "Keine Sorge, das halte ich auch vier Stunden oder länger aus. Anne-chan ist so ein hübsches, liebes Ding... Hach. Ich könnte sie ewig halten."

"Du gibst die perfekte Mutter ab", kommentierte Ranko. Sie sah zu Akane herüber. "Was Neues?"

"Wie man es nimmt. Der König will Kankurou-san sehen."

Der Suna-Nin überlegte für einen Moment, ob ihm hier, ausgerechnet hier, auf dem Affenberg, deren Bewohner keinen Kontrakt mit Suna hatten, auf einem höflicheren Suffix bestehen sollte, wie Tono oder Sama. Dann entschied er sich dagegen. Zu deutlich stand ihm die Kopfnuss vor Augen, die Akane der kleinen Anne verpasst hatte. "Ich komme."

"Ich bleibe hier und passe darauf auf, das Kasumi Anne-chan nicht zu Tode drückt."

Kasumi sah kurz auf. "Ranko-chan, musst du mich immer necken?"

"Ich tue gerne Dinge, die mir Spaß machen, das weißt du doch", erwiderte Ranko.

Kasumi grummelte einen Laut des Unwillens, allerdings nicht sehr überzeugend, und widmete sich wieder Anne.
 

Kankurou folgte Akane aus dem Saal des Königspalasts und trat in die Nacht hinaus. Wenn der Affenberg nicht in einer anderen Dimension lag, war dies ein Hinweis darauf, dass er zumindest keine halbe Weltendrehung von Suna entfernt war. Wenn die Dinge wirklich schief gingen, dann musste er zumindest nicht die halbe Welt bereisen, um nach Hause zurückkehren zu können.

Bei Tag musste das hier ein phantastischer Anblick sein. Die Siedlung der Affen, die Obsthaine und die terrassenförmigen Reisfelder, die den Berg hinab liefen, das Schloss des Königs, die Trainingsanlagen, und was es noch alles zu sehen gab, wovon Kankurou keine Ahnung hatte. Für einen winzigen Moment überlegte er, ob es sinnvoll sein würde, einige Zeit hier zu bleiben, um mehr über die Affen zu lernen. Doch diesen Gedanken verwarf er wieder. Es war wichtiger, Mamoru zu helfen.

"Ist es klug, das Gosunkugi nicht in der Nähe ist? Wie soll er Anne rechtzeitig erreichen, wenn er beschworen wird?", fragte Kankurou.

Akane lächelte dünnlippig. "Du scheinst zu glauben, das wir Affen nicht sprechen können. Wenn Mamo-chan jemanden beschwört, der dich und Anne nicht mitbringt, wird er die Beschwörung wieder auflösen. Danach beschwört er die Affenkrieger, die euch beide mitbringen werden. Weil der erste Affe es ihm gesagt hat."

"Dieses System ist ein Chakra-Fresser", merkte Kankurou an.

"Oh, Mamo-chan ist durchaus nicht gerade mit wenig Chakra ausgestattet. Er kann in einer Kampfsituation drei Krieger zugleich beschwören und die Beschwörung über Stunden, ja, Tage aufrecht erhalten. Es gibt nur sehr wenige Shinobi mit diesem Potential." Sie zerbiss einen Fluch auf den Lippen. "Und einen viel Versprechenden haben uns die Frösche vor der Nase weggeschnappt."

Konsterniert blieb Kankurou stehen. "Naruto?"

"Naruto-chan", bestätigte Akane. "Er ist auch ein Schüler des Sandaime Hokage, und wir hatten große Hoffnungen in ihn. Aber dann ist der Sandaime Hokage gestorben, und ausgerechnet Jiraiya kam uns dazwischen. Ich meine, schon wieder. Es ist ein Kreuz mit dem Jungen. Aber wenigstens haben wir dank ihm rechtzeitig erkannt, dass Orochimaru nicht länger nach unseren Werten handelt."

Kankurou setzte seinen Weg fort, diesmal aber erschrocken. "Orochimaru war Kontraktträger der Affen?"

"Richtig. Er war. Eigentlich sollte Tsunade-chan Kontraktträgerin werden, aber diese verdammten Schnecken hatten sich bereits bei ihr eingeschleimt. Eine Kunst aus einer Seitenlinie ihrer Familie mütterlicherseits. Dann hatten wir die Wahl zwischen Orochimaru und Jiraiya."

"Und Jiraiya lehnte ab", schloss Kankurou.

"Ja, leider."

Kankurous Augen weiteten sich. "Eigentlich wollte ich scherzen."

"Kein Scherz. Wir haben es ihm angeboten, und er hat es abgelehnt. Stattdessen hat er einen seiner Schüler vorgeschlagen. Den Yondaime Hokage. Ein viel versprechender Bursche. Aber anstatt ihn uns zu überlassen, führte Jiraiya ihn bei den Fröschen ein." Akane fuhr mit ihrer Rechten durch die Luft, als gäbe es dort etwas zu zerfetzen. Kankurou war sich sicher, das die Affenkriegern gerade Luft in Fetzen gerissen hatte.

"Also habt Ihr Orochimaru gewählt."

"Nichts sprach gegen ihn", sagte sie, während sie nebeneinander den Pfad in Richtung Audienzraum betraten. "Er machte sich gut. Aber er nutzte unsere Dienste immer seltener, selbst noch im dritten Ninja-Weltkrieg. Irgendwann beschwor er uns gar nicht mehr. Dies tat er, weil er uns und unsere Integrität fürchtete. Nun, er wurde stärker und stärker, deshalb stand zu befürchten, das er einen von uns für seine Experimente beschwören und überwältigen würde. Deshalb lösten wir den Kontrakt mit ihm." Sie sah kurz herüber. "Affen sind langlebig. Und er war auf der Suche danach, lange zu leben."

"Wäre er einfach ein Affe geworden, hätte er es einfacher haben können", scherzte Kankurou.

Akane erwiderte nichts, aber sie sah den Suna-Shinobi mit einem Blick an, der ihm einen Eisschauder über den Rücken jagte. "Hier entlang, Kankurou-san."
 

Das Volk der Affen galt als eitel, und einige von ihnen mochten das auch sein, aber der Thronsaal, in dem Enka O Enma seine Entscheidungen zu treffen pflegte, war schlicht eingerichtet und nicht besonders groß. Er hatte auch keinen wuchtigen Thron; für ihn und seine Minister gab es nur ein Rund von niedrigen Sitzhockern im Norden des Saals, wo sie auf gleicher Höhe sitzen konnten. Niemand führte hier den Vorsitz, und der König nahm bei jedem Gast und jedem Anliegen einen anderen Sitz ein.

In einer Ecke stand ein wuchtiger, breiter Tisch, das eindrucksvollste Möbelstück im Saal, das aber auch einen Zweck erfüllte. Es war der Kartentisch, an dem der König mit seinen Ratgebern plante und diskutierte.

An eben diesem Tisch standen Enma und sein Sohn Ono und diskutierten mit Ryoga, Hikari und Ranma. Die Ankunft der Affenkriegerin und des Menschen wurde bemerkt, und die Gespräche endeten. "Komm heran, Kankurou von Sunagakure", sagte der König und bat ihn, neben ihm am Tisch Aufstellung zu nehmen. Akane stellte sich zu Hikari Gosunkugi, weil ihrer beider Mission in der Menschenwelt noch nicht beendet war. Kankurou fiel auf, das Ranma dies so gut er konnte zu ignorieren versuchte.

"Wir entscheiden gerade, wer gehen wird. Und wir haben uns entschlossen, deinen Rat zu berücksichtigen, Kankurou von Suna", sagte Ono, den die Menschen nur Doktor Tofu nannten. "Eine Entscheidung haben wir bereits getroffen. Die Ehre zu gehen wird nur jemanden treffen, der in dieser Mission bereits an Mamo-chans Seite gekämpft hat." Er deutete ins Rund. "Das ist außer dem König und den Anwesenden nur noch meine Schwester Ranko."

"Ihr könnt entscheiden, wer beschworen wird?", fragte Kankurou verdutzt.

"Wir spüren den Willen unserer Kontraktträger, wenn sie uns beschwören wollen. Dann hängt es von der Stärke seines Chakras ab, wen er beschwören wird. Ein Nutzer wie Mamo-chan, der ohnehin genügend Chakra hat, um selbst den König zu beschwören, ist aber ein anderes Kaliber. Für ihn gelten keine Obergrenzen, und daher entscheiden wir, wer von uns die Beschwörung ablehnt, und wer sie akzeptiert. Dafür haben wir bestenfalls ein paar Sekunden, wollen wir es nicht doch dem Zufall überlassen, wer letztendlich zu Mamo-chan geht. Deshalb sprechen wir jetzt darüber."

Kankurou nickte. Das hatte er verstanden. Und er hatte ein paar wichtige Informationen erhalten. Es juckte ihm in den Fingern, mit dem König über einen Kontraktträger aus Suna zu verhandeln.

"Sage mir, Kankurou von Suna, wie schätzt du die Situation ein? Mamorus Name auf der Schriftrolle ist nicht erloschen, also lebt er noch. Warum aber beschwört er keine Affen?", fragte der König.

Der Suna-Ratsherr dachte einen Augenblick nach. "Es gibt nur zwei Möglichkeiten, warum er mich und Anne-chan noch auf dem Affenberg lassen sollte. Zumindest wenn wir ausschließen, das er gefangen und in Feindeshand ist."

Ranma lehnte sich interessiert vor und auch Ryoga spitzte die Ohren. Die anderen Affen waren mehr oder weniger interessiert. Ein Zeichen dafür, das sie das Thema ausgiebig besprochen hatten und nichts Neues mehr erwarteten. Der König nickte ihm als Aufforderung zu sprechen zu.

"Meiner Meinung nach, und wenn ich Mamoru richtig beurteile, hat er uns deshalb noch nicht wieder beschworen, weil er uns in Sicherheit belassen will. Das bedeutet entweder, das er noch immer auf der Flucht ist...", sagte Kankurou gedehnt.

Ein Grinsen huschte über Ranmas Gesicht. Auch Ryoga ließ sich zu einem amüsanten Schnauber hinreißen.

"...oder aber er infiltriert in genau diesem Augenblick die Basis des Feindes, um so viel Wissen wie möglich über ihn zu erlangen."

Akane stöhnte genervt auf. Hikaru ließ ein "war ja zu erwarten" aus. Ranka grinste nur noch breiter, und Ryoga massierte sich die fleischigen Hände in stiller Erwartung. Ono wechselte einen Blick mit seinem Vater, hielt stummes Zwiegespräch. Laut sagte er: "Wir wissen nicht, ob er auf der Flucht ist, oder aber den Feind infiltriert. Darum frage ich euch jetzt nach eurer Meinung, basierend auf der Erfahrung, die Ihr mit Mamo-chan gemacht habt. Wer ist der Meinung, das er den Stützpunkt Orochimarus infiltriert hat?"

Die Hände der Anwesenden schossen nach oben. Selbst Kankurou hob im Reflex die Hand. Und zu seiner Erheiterung sah er sogar Enma die Rechte heben.

"Die Gegenprobe spare ich mir dann mal", sagte Ono leise glucksend. "Was also wird die Affen erwarten, die er in nächster Zeit beschwört?"

"Krieg, Tod, Zerstörung, und eine große Portion Kampf", sagte Ryoga. "Wahrscheinlich."

"Dem habe ich nichts hinzu zu fügen", sagte Ranma. "Dann sollten wir also festlegen, wer geht. Und wir müssen entscheiden, ob wir Kankurou-tono und Anne-chan mitgehen lassen. Bei Kankurou-tono sehe ich nicht wirklich das Problem. Er wird seinen Mann stehen. Aber das Mädchen? Sie wird in einer Situation, wie wir sie erwarten, in Lebensgefahr sein."

"Werde ich nicht!", erklang die wütende Stimme der Getsu-Kunoichi.

Für einen Augenblick wollte Kankurou resignieren, weil diese Entwicklung zu erwarten gewesen war. Dann aber griff er zu und holte quasi aus dem Nichts das Mädchen hervor, das sich nicht nur mit seiner Kunst perfekt getarnt hatte, sondern sogar bis an den Kartentisch getreten war.

Etwa im gleichen Moment kam Ranko hereingestürzt, etwas außer Atem. "Ha-habt Ihr vielleicht Anne-chan ge... Oh. Hier. Gut. Das hätte ich eigentlich erwarten sollen."

Sie trat neben das Mädchen an den Kartentisch. "Das nennst du also auf Toilette gehen, du kleine Biest."

"Tschuldige, Ranko-chan. Aber ich finde, wenn über mein Leben entschieden wird, habe ich das Recht, mit zu reden."

Flüchtig strich die Affenkriegerin dem Mädchen über den Kopf. "Ich glaube, da hast du nicht Unrecht."

In die anderen Affen kam nun wieder Leben.

"Ja", sagte der König und räusperte sich, "vielleicht nicht in Lebensgefahr. Ihre Kunst ist ganz erstaunlich, wenn nicht einmal Gosunkugi und Akane sie bemerkt haben."

Die beiden schwiegen mit versteinerten Mienen. Das sagte genug.

Ono strich sich übers Kinn. "Ich stelle also fest, dass Anne-chan defensiv gut aufgestellt ist. Offensiv wird sie dennoch nicht zu Leistungen auf dem Niveau eines Chunin fähig sein - entschuldige bitte, Anne-chan - aber darum geht es auch gar nicht. Wenn sie sich nicht in Lebensgefahr begibt, sobald sie in das Versteck beschworen wird, haben wir, fürchte ich, keine moralische Grundlage, um sie hier, nun, festzuhalten."

Die Getsu-Kunoichi strahlte den Prinzen der Affen an wie der kommende Morgen. "Wirklich? Ich darf wieder mit zurück und Mamoru-sama helfen?"

"Da hat wohl einer nicht richtig zugehört", kam ein Einwand von Hikari Gosunkugi. "Wenn du zurückkehrst, sollst du dich verstecken, und nicht versuchen dein Leben wegzuwerfen, indem du vielleicht gegen Kabuto selbst antrittst."

"Das habe ich auch mitgekriegt", sagte sie mürrisch. "Aber wenn ich Mamoru-sama dadurch retten kann, dann bin ich gerne bereit, meines zu riskieren."

Konsterniert schwiegen die Affen ein paar bange Minuten.

"Wenn wir etwas schätzen, dann sind das Opfermut und Pflichtbewusstsein. Und selbstverständlich ein großes, liebendes Herz, wie du es dein Eigen nennst, Anne-tono", sagte der König.

Verwundert registrierte Kankurou die Anrede, die der König verwendete. Sie war gleichgestellten Kriegern oder Beamten vorbehalten und wurde auch oft für Menschen höheren Ranges verwendet, wenn der andere Respekt, aber keine Demut zeigen wollte.

Ranko beugte sich vor und flüsterte der Getsu-Nin ins Ohr: "Das heißt, du darfst mit. Endgültig. Und vielleicht noch ein wenig mehr."

Enma sah sie ernst an. Aber seine Miene wich schnell einem Schmunzeln. "Ich glaube, du würdest gut zu uns passen, Anne-tono. Aber dazu vielleicht später einmal mehr."

Der König sah ins Rund. "Ono oder ich, einer von uns beiden wird in jedem Fall gehen."

Es durfte nur einer der beiden sein, das wusste jeder der Affen. Die Thronfolgelinie durfte nicht unterbrochen werden, wenn nicht das absolute Chaos ausbrechen sollte. Und da Ono weder geheiratet noch ein Kind gezeugt hatte, blieb das auch so. Und zwar noch für eine lange Zeit, denn der Krieger, der auf dem Schlachtfeld als Dr. Tofu gefürchtet war, konnte sich auf dem Schlachtfeld der Liebe nicht einmal selbst bezwingen.

"Ich lasse dir den Vortritt, Vater", sagte Ono.

Dies ließ die Affen aufraunen. Alle wussten, das die beiden nahezu gleich stark waren. Wenn Ono also dieses eine Quentchen mehr als notwendig erachtete, sagte das genug darüber aus, wie er die Situation einschätzte. "Wer noch?"

Die Hände der übrigen Affen fuhren in die Höhe. Damit blieb die Wahl beim König.

"Ryoga. Du wirst als zweiter gehen."

Der große Krieger nickte gewichtig.

Nun streifte der Blick des Königs zwischen den übrigen Affen hin und her. Rein von der Kraft her hätte seine Wahl auf Ranma, dessen Schwester Ranko oder auf Gosunkugi fallen müssen, aber jeder der drei brachte eigene, spezielle Fähigkeiten mit, die vielleicht gebraucht wurden.

Der König atmete tief ein und wieder aus. "Stärke besitzt Ihr drei in großem Maße. Heilkunst, sensorische Fähigkeiten, Ninjutsu. Dies sind die Faktoren, nach denen ich entscheiden muss. Was nützt Mamoru-tono am meisten?"

"Akane", sagte Ono schlicht.

"I-ich?" Das Mädchen winkte ab. "So stark wie Ranko, Ranma oder Hikari bin ich nicht."

"Das nicht, aber du bist stark genug. Außerdem hast du etwas, was den dreien fehlt", sagte Ono ernst. "Du bist mit Abstand die flinkeste Denkerin an diesem Tisch. Deine taktischen Entscheidungen waren bisher stets goldrichtig. Gegen viele Gegner wird dein Köpfchen gebraucht werden. Und zwar noch vor brachialer Gewalt."

"Von der wir dank mir und dem König genügend haben werden", schloss Ryoga grinsend.

"Dann ist es entschieden. Du, Akane, bist die Nummer drei. Gosunkugi, du wirst beschworen, sobald ich meine Beschwörung auflöse, sollte das nötig werden."

Hikari nickte bestätigend. Besser als nichts.

Kankurou verstand. Die Affen hatten eine Reihenfolge festgelegt für den Fall, dass Mamoru nur einen oder zwei der Affen beschwor. Eine kluge Entscheidung.

"Es geht los!", rief Akane. Sie schnellte an Annes Seite und ergriff ihre Hand.

Kankurou spürte, wie sich die Pranke des Königs auf seine Schulter legte. Es war nett von Mamoru gewesen, solange zu warten, bis sie hier auf dem Affenberg die Details geklärt hatten, fand der Suna-Nin.

***

Die Infiltration des Stützpunkts barg keine Überraschungen. Er begann als langer, schier endloser Gang, der mit verschiedenen Fallen gespickt war. Die meisten waren ausgeschaltet oder wurden gewartet. Die Gespräche der Leute, die die Wartungen vornahmen, wiesen darauf hin, dass sie Städter waren. Wenn ich den Informationen trauen konnte, die ich so erhielt, dann war etwa ein Viertel der Stadt eingeweiht; sie hatten einen Pakt mit Orochimaru abgeschlossen, um seinen hiesigen Forschungsstützpunkt zu versorgen. Im Gegenzug hatte er Ninja-Training, Material und Geld angeboten. Diese Beziehung hatte sich über die Jahre vertieft und verstärkt, sodass das eine Viertel der Städter nun das restliche Dreiviertel dominierte und sich über die anderen erhoben hatte. Sie kontrollierten neunzig Prozent des Geldes, siebzig Prozent der Ernten, einhundert Prozent des durchgehenden Handels und fast sechzig Prozent der Geschäfte. Eigentlich ein Widerspruch, aber Gewalt, Terror, leere Versprechungen und hier und da ein geschickter Mord würden über die nächsten Monate und Jahre schon noch dazu führen, dass das obere Viertel seine Macht festigte und die anderen drei Viertel in eine moderne Form der Sklaverei führte. Bisher hatten sich die Paktisten auch sehr gut bei diesem Geschäft gefühlt. Es war ja auch nichts Gefährliches geschehen, und es war Geld geflossen. Das, was man hier oben zu sehen bekam, darüber redete man einfach nicht. Auch wenn es bedeutete, den Nachbarssohn, den man selbst abgeliefert hatte, hier oben nach einer längeren Versuchsreihe wiedergesehen zu haben.

Dabei schien dieser Stützpunkt durchaus zu den Erfolgreichen zu gehören. Angeblich waren hier drei der vier als Oto-Quartett bekannte Oto-Shinobi "gezüchtet" worden. Diese Truppe hatte nach dem Angriff auf Konoha, selbst noch nach der Zerstörung Otogakures, zugeschlagen und den jungen Uchiha entführt. Wie man hörte, nicht ganz gegen dessen Willen. Eine gemeinsame Aktion Konohas und Sunas hatte die vier ausgelöscht. Das war einerseits beruhigend. Aber ich machte mir Vorwürfe, denn hätte ich damals bei der Vernichtung Otogakures nur ein klein wenig effektiver handeln können, hätte ich sicherlich einen oder zwei der Mitglieder stellen können. Das hätte Naruto und seinen Freunden, die auf diese Mission angesetzt gewesen waren, sicherlich einiges an Leid und körperlichen Schmerzen erspart.

Nach mehreren hundert Metern zweigten die ersten Türen ab; später kamen Nebengänge dazu. Alles in allem ähnelte dieses Versteck jenem unter Otogakure, und daher wusste ich, wohin ich mich wenden musste. Die wirklich wichtigen Labors lagen bei den Kerkern, und wenn ich Kabuto irgendwo zu finden hoffen konnte, dann sicherlich dort. Und was tat ich, wenn ich ihn gefunden hatte? Zurückziehen, meine Gefährten beschwören und die Lage neu überdenken. Selbst wenn Kabuto uns entkam, wir waren ihm immer noch auf der Spur. Das war beruhigend zu wissen.

Für einen Moment dachte ich daran, welches Ungemach der Leutnant Orochimarus wohl in Zukunft anrichten würde, wenn er mir entkam. Genügend. Mein Entschluss, ihn zu stellen, wurde dadurch nur noch vertieft. War ich erfolgreich, würde ich nicht nur Konoha in Zukunft eine Menge Ärger ersparen.
 

Die ersten Labors enthielten das Übliche. Versuchsanordnungen für Tiere und Menschen, die vordergründig dazu dienten, sie zu quälen und zu traktieren. Hintergründig aber ging es um körpereigene Elektrizität, Lebenserwartung, Zellteilung und Reproduktion. Ich kannte viele dieser Bilder schon, und in meiner Verkleidung als Umato hatten sie mich nicht zu kümmern, geschweige denn als Ninja Konohas. Aber als Mamoru Morikubo fühlte ich Haß und Hilflosigkeit in mir aufsteigen, wenn ich mir ansah, was hier an menschenverachtender Forschung vollzogen wurde.

Ich konnte es nicht lassen, ich musste eingreifen. Aber nicht, noch nicht. Nicht jetzt, nicht hier. Es brachte nichts, der Schlange ein paar Schuppen aus dem Kleid zu brechen. Man musste ihr das Haupt abschlagen. Für die bedauernswerten Menschen - und die Tiere - konnte ich nichts tun. Für viele von ihnen würde ohnehin jede Hilfe zu spät kommen. Sie waren längst in Agonie verfallen, und nur der Tod würde sie erlösen können.

Ich ballte in meiner Wut die Hände zu Fäusten. Nein, ich durfte nicht eingreifen, nicht sofort. Nicht hier. Nicht jetzt. Nicht solange ich allein war. Nicht solange ich nicht wenigstens meine Gefährten und drei Affenkrieger beschworen hatte. Selbst dann würden uns die Städter und die Arbeiter und Forscher aus Orochimarus Versteck noch weit an der Zahl übertreffen.

Aber eventuell gab es einen Ort, an dem ich das Verhältnis umdrehen konnte. Das war ein Schimmer der Hoffnung, und ich konnte den Blick von den Versuchsanordnungen abwenden.
 

Mit eiligen Schritten ging ich voran, in Richtung des Kerkerbereichs. Dieses mehrstöckige, wie eine Theaterrondell aufgebaute Bauwerk hatte in Oto sechzig oder mehr Zellen Platz geboten. Untergebracht waren dort dreißig oder vierzig Leute, ich wusste es nicht mehr. Aber viele von ihnen waren Shinobi gewesen. Nun war Otogakure reichlich ausgebeutet gewesen. Vielleicht gab es hier mehr Gefangene? Gefangene, die bereit waren, sich zu erheben? Es war zumindest eine Chance. Allerdings würde ein Aufstand schwierig werden, solange Kabuto hier war. Er war ein Unsicherheitsfaktor, der meine Fähigkeiten nur zu gut kannte, aber den ich kaum einschätzen konnte. Und dann war da noch der kleine beleidigte Junge mit den Haifischzähnen, den ich auch nicht einordnen konnte, der aber wo er ging Angst verbreitete. Dennoch, das würden meine Affenkrieger kontern können. Aber ich brauchte einen Überblick, einen verdammten Überblick, wer sich in diesen Zellen befand, und ob sie bereit waren, für ihre Freiheit zu kämpfen. Und schnell musste es gehen, wenn ich daran dachte, was ich an Elend und Grausamkeit in den Labors gesehen hatte. Ich verstand nicht, wie die eingeweihten Städter dies ertragen konnten. Aber vermutlich war es eine Art Gewöhnungseffekt gewesen. Immer ein Quentchen mehr, bis es für sie normal geworden war. Und solange es sie nicht selbst betraf, schien es in Ordnung zu sein. Nun, das würde ich schnell und nachhaltig ändern, schwor ich mir selbst.

Bald erreichte ich den Gang zum Gefangenentrakt und ging ihn so eilig wie ich konnte ohne aufzufallen hinab. Ein Geruch schlug mir entgegen, der in einen Kuhstall gepasst hätte, den man eine Woche nicht gespült hatte, dazu Aromen von Blut und Erbrochenem. Ja, das kannte ich aus Otogakure. Also waren die Verstecke identisch angelegt worden. Eine große Erleichterung für mich.

Schon sah ich durch die ferne Ausgangstür in der gegenüberliegenden Wand die ersten eingelassenen Gitterstäbe der Zellen, hörte das leise Whispern ihrer Stimmen. Meine sensorischen Fähigkeiten reichten nicht so weit, aber mit jedem Schritt, den ich näher kam, erspürte ich mehr und mehr Menschen. Und diese Chakren passten recht gut zu Shinobi, wie ich fand. Zumindest einige. Das machte mir Hoffnung, und nun lief ich doch fast, indem ich in eine Art Trab fiel. Das war ungefähr eine Sekunde, bevor mir das recht mächtige Chakra auffiel, das sich rechts von mir befand. Als ich die dazu gehörige Tür passieren wollte, klang eine Stimme auf, die ich kannte.

"Ah, Umato-san. Schön, dass du zufällig gerade in der Nähe bist."

Ich blieb abrupt stehen. Langsam wandte ich mich der Tür zu, und damit dem Besitzer der Stimme. Es war Kabuto. Verdammter Mist. "Natürlich, Kabuto-sama." Ich räusperte mich verlegen und trat in das Labor.
 

Der Nukenin war mit einem Experiment beschäftigt. Glücklicherweise beinhaltete es keine Menschen oder andere Lebewesen. Er untersuchte nur etwas unter einem Mikroskop.

Als ich die Tür passierte, nahm ich erst die zweite Präsenz im Raum wahr. Kabuto hatte sie überdeckt, oder ich war zu sehr auf ihn fixiert gewesen, kaum das ich ihn gespürt hatte. Natürlich, Houzuki. Der freche Bengel griente mich an. Für einen Moment wirkte er auf mich wie der Klassenstreber, der gerade einen seiner Mitschüler verpetzt hatte, weil er auf eine Belohnung hoffte. Und damit lag ich wahrscheinlich nicht einmal so falsch.

Kabuto sah mich kurz an und seufzte. "Weißt du, Umato, als ich dich herein rief, hatte ich ursprünglich vorgehabt, dir einen langen Vortrag zu halten. Darüber, das wir gegen die Stadt geschlossen auftreten müssen. Dass man seine Kameraden nicht vor einem Partner in Verlegenheit bringt. Dass wir alle in erster Linie Orochimaru-sama dienen, und uns das immer bewusst sein muss."

"Hast du das gehört, du großer Trampel? Orochimaru-sama dienen! So, wie ich ihm mit meinem Schwert diene", maulte der Bengel.

Kabuto brachte ihn mit einer Geste zum Schweigen. "Ich wollte dich daran erinnern, warum du hier hin gestellt wurdest, was sich Orochimaru-sama davon versprochen hat. Dass du nicht vergessen sollst, dass alle Menschen in diesem Ort nur dann einen Wert haben, solange sie Orochimaru-sama dienen. Dass wir alle mit all unserer Kraft dem hehren Ziel unseres Meisters dienen müssen, der uns teilweise aus der Gosse aufgelesen hat, und dem wir alles zu verdanken haben."

"Genau! Alles zu verdanken!", kam es von Houzuki.

Wieder gebot Kabuto ihm, zu schweigen. "Doch dann kamst du durch diese Tür, und alles hat sich geändert."

"Wie, geändert?", rief Houzuki enttäuscht. "Ich dachte, ich kriege meinen Kampf, um ihm zu beweisen, dass ich ein Schwert führe, und kein..." Er holte Luft vor Entsetzen und Wut. "Und KEIN Hackemesser!"

"Dazu wäre es auch noch gekommen", sagte Kabuto mit beschwichtigendem Lächeln. "Aber vieles hat nun keine Gültigkeit mehr."

Der Leutnant Orochimarus sah mich an. "Weißt du, Umato, ich bin eigentlich eher zufällig hier. Eine große Operation unseres Meisters wurde verraten, und ich habe es erst vor wenigen Tagen geschafft, meine Verfolger abzuschütteln. Ich hoffte, hier etwas Erholung zu finden, vielleicht ein Mittel gegen meine Erschöpfung und meine Enttäuschung. Zumindest sah der Plan das vor, bevor die fremden Ninjas im Gasthaus abgestiegen waren."

"Sie wurden vernichtet", knurrte ich.

"Eventuell hast du Recht, Umato. Aber du duftest so herrlich, dass ich das nicht glauben kann. Nach Blut. Nach Tod. Umatos Blut und Umatos Tod." Er lächelte, und es hätte ein freundliches, vergnügtes, ja verschmitztes Lächeln sein können, wenn es auch nur ein Gramm Freundlichkeit in diesem Burschen gegeben hätte. "Erstaunlich, wie weit du es geschafft hast, vorzudringen. Es war eine vortreffliche Idee, dich der Identität eines meiner Untergebenen zu bedienen, der ohnehin als eigenbrödlerisch und mürrisch bekannt war. Aber du hättest ihn nicht selbst töten dürfen. Orochimaru-sama hat früher mit ihm Experimente mit einem Kekkei Gendai durchgeführt, die ihn befähigen sollten, seine eigenen Knochen zu kontrollieren und diese als Waffen zu benutzen. Deshalb kenne ich den Geruch seines Blutes sehr gut. Du hast dir nicht die Mühe gemacht, deine Kleidung zu reinigen und dich ganz auf deine Illusion verlassen." Er seufzte, während Houzuki langsam sein Katana zog. "Bleibt nur noch eine Sache zu klären, mein falscher Umato. Bist du zufällig hier, oder bist du einer meiner Verfolger aus Konoha oder Suna?"

Okay, das erklärte einiges. Auch und vor allem, warum Umato so ein hässlicher, deformierter Kerl geworden war. Die wenigsten Menschen überlebten es, wenn man ihnen die genetischen Informationen zu einer Kunst einpflanzte, die wir Kekkei Gendai nannten, das Bluterbe. Wer es überlebte, überstand die Rosskur meistens nicht ohne schwerwiegende körperliche Schäden. Die Augen der Uchiha waren ein solches Erbe, ebenso wie die Augen der Hyuuga. Ein Bluterbe, das die Knochen kontrollierte, war mir bekannt, aber es hieß, der blutrünstige Clan, der es besessen hatte, hätte sich im eigenen Rachedurst verfangen und wäre ausgelöscht worden, und dies schon vor etlichen Jahren. Und das erklärte leider auch meine Enttarnung.
 

Ich löste das Jutsu auf, ließ das Tarnbild erlöschen.

Houzuki hinter mir stieß einen Laut der Überraschung aus. Kabuto verzog kaum eine Miene. "Na, wenn das mal nicht mein alter Freund Mamoru Morikubo ist. Wie geht es deinen Mädchen, vor allem der naiven süßen Karin?"

"Willst du wirklich mit mir Konversation betreiben?", fragte er sarkastisch.

"Nun, ich kann dich auch gleich töten lassen." Er nickte dem Jungen zu, der sofort in meine Richtung sprang, das Katana zum Schlag von oben bereit.

Mit einer beiläufigen Bewegung schleuderte ich eines meiner Kunai an der rechten Hüfte vorbei. Ich hörte es aufschlagen und Houzuki überrascht aufkeuchen. Ich hatte auf sein Herz gezielt.

"Nette Idee, aber wärst du schlau gewesen und hättest Umato vorher verhört, dann wüsstest du, das ich aus Wasser bestehe", klang seine höhnische Stimme auf.

Ich wirbelte herum, Bestürzung simulierend, um meinen Körper in Richtung Tür drehen zu können. Tatsächlich, das Kunai steckte in seinem Leib, aber es schien darin zu schwimmen. Rund um den Treffer hatte sein Körper die gallerte Farbe von blauem Wasser angenommen. Und die Konsistenz.

Ich sammelte Öl im Mund. "Katon!"

Er lachte abfällig. "Suiton ist Katon gegenüber im Vorteil, hat dir das niemand beigebracht?", höhnte er.

"DAI ENDAN!" Ich spie die Feuerkugel auf ihn. Sie hatte eine beachtliche Größe und füllte schnell den ganzen Raum mit Flammen. Hinter mir hörte ich Kabuto erschrocken aufkeuchen. Tja, mit so einem Wahnsinnigen wie mir, der in einem derart kleinen Raum ein Dai Endan auslöste, hatte er es nicht so oft zu tun. Und verbrannt war ich eh schon. Die Verwirrung nutzend huschte ich nach vorne, wo ich die Tür wusste. Hastig bog ich rechts ab, machte einen Step, und fiel, halb blind vom Flammeninferno, das ich selbst verursacht hatte, haltlos in die Tiefe des Gefangenentrakts.

***

Kabuto musste zugeben, das er kalt erwischt worden war. Er hatte nicht damit gerechnet, dass Morikubo Katon einsetzen würde. Er hatte sich auf einen beschworenen Affen eingestellt. Stimmten die Gerüchte etwa doch, dass die Affen nach dem Tod des Sandaime alle Kontrakte eingezogen hatten? Schade, und doch wieder gut. Er konzentrierte sein Chakra, und begann damit, seine Hautverbrennungen zu heilen, während er gleichzeitig Alarm auslöste. Morikubo mochte nicht sehr stark sein, aber ihn frei in einem geheimen Stützpunkt Orochimaru-samas herum laufen zu lassen war gar keine gute Idee. Außerdem waren sie hier direkt neben dem Gefängnistrakt, und was der Konoha-Nin hier wollte, konnte sich Kabuto denken.

Bevor er Morikubo verfolgte, fiel sein Blick auf den jungen Schwertkämpfer. Houzuki hatte es übel erwischt. Fast die Hälfte seines Körpers war verdampft, einfach verschwunden. Er lebte noch, aber es war abzusehen, das er ein paar Monate oder besser gleich Jahre in einem Labortank verbringen sollte.

"Dieses Arschloch. Dieses verdammte Arschloch! Wenn ich ihn in die Finger kriege...", flüsterte Houzuki. Gewiss, wenn noch so viel Leben im Nukenin aus Kirigakure steckte, dann war seine Rettung einen Versuch wet, alleine schon wegen seiner überragenden Fähigkeiten. Aber Morikubo mit seinem ungewöhnlich heißen Katon musste zuerst gestoppt werden. Kabuto machte sich selbst an die Verfolgung. Und er hörte schon seine Leute herbei eilen, bereit zur Hetzjagd auf den Konoha-Nin. Blieb nur noch die Frage, ob er Morikubo töten sollte, oder ob er Orochimaru-sama lebend von Nutzen sein konnte. Sein Schicksal jedenfalls hatte er mit seinem frechen Eindringen besiegelt.

Schneidender Wind 8

8.

Als ich aus den Flammen trat, rauchte meine Kleidung. Und meine Gesichtshaut spannte stark genug, um mir mitzuteilen, dass ich mich an sekundärem Feuer erneut verbrannt hatte. Mein Feuer, mit meinem Chakra angereichert, tat mir nichts; aber alle brennenden Gegenstände mit sekundärem Feuer, von mir in Brand gesetzt und selbst brennend, verzehrten mich. Ob dies das Ende für mein hübsches Gesicht war, und ich besser in Zukunft stärker vermummt als Kakashi herum laufen sollte, würde die Zeit zeigen. Andererseits hatten Katon-Benutzer nicht nur eine gute Feuer-Resistenz, sondern auch gutes Heilfleisch bei Verbrennungen.

Diese eigentlich nebensächlichen Gedanken gingen mir durch den Kopf, als ich halb geblendet durch Rauch und Feuer in die Tiefe des Gefangenentrakts stürzte. Vage konnte ich den Boden erkennen, und mich nach dem ersten Kontakt abrollen. Ich überschlug mich mehrfach, und rammte schließlich, die Beine oben und den Rücken voran, die Gitterstäbe einer Zelle. "Autsch."

"Gute Haltungsnoten für den Flug, aber Abstriche bei der Landung, würde ich sagen", klang eine sarkastische Stimme aus der Zelle auf. Eine Stimme, die mir merkwürdig bekannt vorkam. "Ryu?"

"Hätte ich mir ja denken können, dass wo Rauch ist, Feuer nicht weit sein kann. Musst du immer so übertreiben, Mamo-chan?"

"Ryu!", rief ich erfreut, drehte mich aus meiner würdelosen Pose heraus und richtete mich auf. "Ryu, verdammt, was machst du hier?"

"ICH bin ein Gefangener. Was aber machst DU hier?", stellte er eine entrüstete Gegenfrage.

"Ach, das Übliche. Kabuto verfolgen, Orochimarus geheime Stützpunkte infiltrieren, mich es mir mit der gesamten Besatzung verscherzen..."

"Mit weniger gibst du dich nicht zufrieden, oder?", fragte Kaminari und lachte abgehackt. "Los, hol mich schon hier raus."
 

"So ungern ich den Plausch unterbreche, wenn sich zwei Freunde wiedergefunden haben", klang Kabutos sonore Stimme auf, "aber leider habe ich das ältere Recht an Mamoru Morikubos Aufmerksamkeit."

Neben ihm standen kampfbereite Ninjas mit der berüchtigten Achtelnote auf dem Stirnband, dazu etliche Bewohner der Stadt. Und rings um mich herum kamen weitere Ninjas aus dem Step, um mich zu umringen.

Mittlerweile hatte auch der Letzte im Gefangenentrakt begriffen, das hier etwas ungewöhnliches geschah. So mancher von denen, die noch denken konnten, witterte womöglich Morgenluft - oder zumindest ein wenig Unterhaltung.

"Feiglinge", knurrte Kaminari. "Lasst mich hier raus, und zu zweit fahren wir mit euch Schlitten!"

Beschwichtigend hob ich eine Hand in seine Richtung. In der Geste steckte ein Fingerzeichen aus unserer gemeinsamen Zeit, das besagte: Überlass die Situation mir.

Kaminari grummelte, aber er enthielt sich eines weiteren Kommentars. Dennoch, ich spürte seine Anspannung, seine Kampfbereitschaft. Allzu lange konnte er noch nicht hier sein. Oder er hatte sich Trotz und Körperkraft gut bewahren können, und das in dieser Hölle.

"Katon! Endan!" Ich wirbelte um die eigene Achse und legte einen Feuerring um mich. Die Oto-Nin, die hier unten bei mir standen, versuchten zu entkommen. Nicht allen gelang es. Einer brannte lichterloh, zwei andere verloren Teile eines Beins an die Hitze meiner Kunst.

"Ich bin Mamoru Morikubo aus Konohagakure!", rief ich mit lauter Stimme. "Ich bin hier, um gegen Orochimaru und seinen Schergen Kabuto zu kämpfen!"

Rings um mich spürte ich, wie sich die Chakra-Produktion erhöhte. Quellen, die ich für apathisch oder gar katatonisch gehalten hatte, entflammten wie eine Fackel in dunkler Nacht.

"Ich will diesen ganzen Stützpunkt ausheben und vernichten! Die Experimente beenden und die Opfer befreien! Aber dafür brauche ich Hilfe! Eure Hilfe!"

Ich sah ins Rund. "Ja, eure Hilfe! Ich werde euch gleich befreien! Diejenigen unter euch, die mit ihrem Schicksal zufrieden sind, sollen bleiben wo sie sind! Diejenigen unter euch, die noch Stolz und Kampfkraft haben, die nicht untergehen wollen, ohne einen Kampf zu liefern, oder gar ihre Freiheit erringen wollen, sollen aus ihren Zellen hervor treten und Kabuto in den Arsch treten!"

Eine eisige Sekunde herrschte Schweigen. Kabuto lächelte schmallippig. "Schöne Ansprache, aber hier sind alle lamm..."

"Konoha! Ich bin dabei!", rief ein bulliger Kerl im zweiten Stockwerk.

"Zähl mich auch dazu! Alles ist besser als hier zu sein!", rief eine Kunoichi mit Kiri-Stirnband.

Nun mehrten sich die Stimmen. "Hier!" "Ich auch!" "Bin dabei" Bald hatten sich alle Gefangenen gemeldet, die noch zu eigenen Handlungen fähig waren.

Kabutos Miene gefror. Er sah einen seiner Begleiter an. "Sieht es so aus, wenn ich dir befehle, den Willen der Gefangenen zu brechen? Sehr gebrochen sehen sie mir nicht aus, Okami!"

Der Angesprochene zuckte merklich zusammen. "Bis auf den Konoha-Nin, den wir erst letzte Woche im Gasthaus geerntet haben, waren sie das auch! Ich weiß nicht, wie dieser Konoha-Shinobi das hingekriegt hat, aber bevor er aufgetaucht ist, hatten wir hier alles im Griff!"

"Später. Ich werde dir beizeiten sagen, was deine Strafe sein wird", zischte Kabuto. Zu mir gewandt fügte er hinzu: "Und, wie willst du sie befreien? Willst du die Zellen mit Endan öffnen, und die Gefangenen in den Zellen hinter den Gittern medium garen?" Er sah wieder seinen Begleiter an. Okami, lass ihn angreifen."

"Jawohl, Kabuto-sama. Zweite Schwadron...!"

Ich zögerte nicht länger, biss mir in den Daumen. "Ich brauche kein Endan, um die Gitter zu schmelzen, Kabuto! Ich habe meinen eigenen Türöffner!" Ich presste die Rechte auf den Boden und erhöhte meine Chakra-Ausschüttung auf mein aktuelles Maximum. "Kuchiose no jutsu!"

"Haltet ihn...!", blaffte Kabuto noch, aber es war bereits zu spät. Die typische Rauchwolke der Beschwörung entstand, und hüllte den Boden des Zellentrakts ein. Träge zog er wieder ab, und enthüllte damit nach und nach drei Affenkrieger und einen Menschen.

"Wir sind in Orochimarus Zellentrakt!", rief ich, noch bevor ich einen der Affen erkennen konnte. "Öffnet die Zellen! Sie werden uns helfen!"

"Ryoga, tu das. Ich halte uns den Rücken frei", sagte Enka O Enma und trat vor. Langsam zog er ein Schwert. Erst später sollte ich erfahren, das es einst Orochimaru gehört hatte und von großer Macht war. Enma hatte es in der Schlacht erbeutet, die dem Sandaime das Leben gekostet hatte.

"Natürlich, Tono. Yaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa!" Ryoga sprang über uns hinweg an den Rand des dreistöckigen Rings, der das Gefängnis bildete. Er riss seinen Schirm vom Rücken, rammte ihn in die Wand und begann zu rennen. Sein Schirm durchtrennte den Stein wie Butter, und er zertrümmerte und zerquetschte damit die Gittertüren.

Ein erstaunter Ninja, der als erster reagierte und ihn daran hindern wollte, machte Bekanntschaft mit Akanes rechtem Fuß - hart genug, um ihm den Kiefer zu brechen und auf links zu drehen, seine kinetische Energie durch den Abwärtssprung aufzuzehren, und ihm genügend neue Energie zu geben, um die Gegenrichtung zu nehmen. Oder anders ausgedrückt, er bekam sowas von auf die Fresse, das er in die Decke krachte, dort zentimetertief ins Gestein einschlug und dort stecken blieb.

"Und ich decke deinen Rücken, Ryoga", keuchte Akane. "Uh, man merkt, das Mamo-chan hier ist. Es stinkt furchtbar nach Rauch."

Ich grinste verhalten bei diesem Tadel.

Kabuto sah mit steinernem Gesicht zu mir herab, während Ryoga auf den zweiten Ring wechselte, um dort mit der gleichen brachialen Methode die Zellentüren zu öffnen. "Tötet sie alle", sagte er mit zwingendem Ton in der Stimme. "Jetzt!"

"Jawohl, Kabuto-sama!" Okami sprang an der Spitze der Verteidiger in die Tiefe.

Weit kam er nicht, denn Kuroari, Kankurous zweite Kampfpuppe, erschien vor ihm und verschlang ihn einfach in ihrem Innern.

"Ihr habt doch hoffentlich nichts dagegen, wenn ich Euch zur Hand gehe, Enma-sama?", fragte der Ratsherr aus Suna, während er neben den König der Affen trat.

"Natürlich nicht, Kankurou-tono." Er schwang sein Schwert, und die Klinge wurde lang genug, um bis auf die obere Galerie zu reichen. Dort wirbelte er die Klinge herum, und wer nicht schnell genug zurücktrat oder auswich, wurde von der Klinge getötet.

"Das Schwert von Kusanagi!", rief Kabuto entrüstet. "Die Waffe, die du Orochimaru-sama gestohlen hast! Heute hole ich sie mir zurück!"
 

Eine schwere Hand legte sich auf meine Schulter. Ich sah zur Seite und blickte in Kaminaris grinsendes Gesicht. "Ich glaube, das solltest du noch mal überdenken, Kurzer! Hier ist nämlich ein Konoha-Nin, der mächtig sauer auf deine Leute ist!"

"Und drei aus Kirigakure!" "Zwei aus Kumogakure!" "Vier aus Sunagakure!" "Zwei aus Iwagakure!" Das waren zwölf neue Mitstreiter, und dabei hatten sich die Shinobi der kleineren Dörfer noch nicht zu Wort gemeldet.

"Vor wem habt Ihr mehr Angst? Vor denen, oder vor mir? Greift an!", blaffte Kabuto.

"Jawohl! Kage Bunshin no Jutsu!" Einer seiner Ninjas vervielfältigte sich, und andere schlossen sich dem an. Mehrere Dutzend Schattenklone sprangen auf uns hernieder; ihnen prasselte ein Potpourri aus Ninjutsu entgegen, das über die Hälfte auslöschte, bevor sie den Boden erreichen konnten. So einfach ging es dann doch nicht. Die überlebenden Klone griffen uns im Nahkampf an, aber sie waren der geballten Wut der Affen und der befreiten Shinobi nicht gewachsen. Triumphierend sah ich zu Kabuto hoch. An den letzten Angriffen hatte ich mich nicht beteiligt, um mein Chakra zu sparen. Nun wurde es wieder Zeit für ein Dai Endan.

"Die Zellen sind auf!", hörte ich Ryoga rufen. Er schwang sich von der obersten Zellenreihe hoch zur Galerie. Sein Schirm fegte ein Dutzend Angreifer links von sich in die Felswand, als er auf Kabuto zustürzte. "Zeit, die Dinge zu beschleunigen!"

"Ryoga!", blaffte ich noch, aber es war zu spät. Kabutos Hände zerfetzten Ryogas berühmten Schirm, und danach glitten sie über Brust und Kehle des Affenkriegers. Wie eine Marionette, der man die Fäden gekappt hatte, fiel er zu Boden. Das war Kabutos unheimliche Fähigkeit, sein Chakra wie ein Skalpell zu formen, das sogar innerhalb eines Körpers schneiden konnte, ohne ihn äußerlich zu verletzen. Ich hatte von Naruto davon gehört, aber ich erlebte diese Kunst nun zum ersten Mal. Ryoga hatte versucht, ihn zu überraschen. Nun war er selbst überrascht worden.

Akane sah zu mir herüber, ihr Blick wild irrlichternd. "Mamo-chan!"

"Ja!", erwiderte ich, und löste Ryogas Beschwörung auf. Damit kehrte er zum Affenberg zurück, zu den Heilern der Affen. Und es war anzunehmen, das sich Ranko-sensei nicht weit entfernt befand. Ihre Heilkräfte waren legendär. Wenn ihn jemand retten konnte, dann sicherlich sie.

"Ist das alles, was Ihr Affen könnt?", fragte Kabuto provozierend amüsiert. "Ich bin zutiefst enttäuscht, Morikubo!"

Ich senkte erneut die Hand auf den Boden. Erneut murmelte ich die Beschwörung. Diesmal enthüllte sie einen dünnen, schwarzhaarigen jungen Burschen, der aussah, als bekäme er zu wenig Schlaf. "Ich kann mich noch steigern!", rief ich ihm zu.

Kabuto betrachtete Hikari Gosunkugi mit einer Mischung aus Amüsiertheit und Verwunderung, bevor er in lautes Gelächter ausbrach. Auch seine Ninjas und Helfer wollten sich ausschütten vor Lachen. "DAS soll ein Affenkrieger sein?", fragte er, nach Luft japsend.

Ich grinste. "Hikari, Zeit für die Kampfgestalt."

"Natürlich, Mamo-chan." Der dürre Junge veränderte sich auf schreckliche Weise. Er wurde größer, bulliger, auf seiner Haut wuchs plötzlich Fell, sein Gebiss veränderte sich, und seine Eckzähne wurden lange, scharfe Hauer. Seine Hände wurden zu Pranken, bewehrt mit Krallen, die ein Kunai an Schärfe weit übertrafen. Aus seinen Rücken konnte man dreimal Kabuto machen, und seine Muskeln schienen ihn vor lauter Kraft kaum gehen zu lassen. Das war seine Affengestalt. Und wer sie nicht kannte, wurde leicht in Erstaunen versetzt. Oder in nackte Angst, wie im Fall von Kabuto und seinen Schergen. "Zu-zurück!", befahl er, und verschwand durch einen der Gänge. Nach und nach folgten ihm seine Leute; es wirkte gemächlich, dauerte aber nur wenige Sekunden.

"Ihnen nach!", rief ich. "Solange sie noch nicht wieder klar denken können!"

"Das lasse ich mir nicht zweimal sagen!", rief Kaminari, lief zu einem der toten Oto-Nin, nahm ihm die Waffen ab und sprang auf die Galerie hoch. Gosunkugi folgte ihm, Akane ebenso. Auch etliche der befreiten Shinobi sprangen hoch, um sich am Kampf zu beteiligen.
 

"Soll ich auch mitgehen?", klang Annes Stimme neben mir auf. Verdutzt sah ich hin, und erkannte, wie sie direkt hinter mir unter ihrer perfekten Tarnung hervor blinzelte.

Ich schluckte hart. "Nein. Du bleibst in meiner Nähe. Ihr habt sie vom Affenberg wieder mitgebracht?", fragte ich vorwurfsvoll in Richtung des Königs.

Der große Affe schmunzelte. "Hättest du dich zurückhalten lassen?"

"Nein." "Eben."

Verdutzt schwieg ich zum Thema. Treffer. Mist. "Bleib in meiner Nähe", schärfte ich Anne ein, bevor ich ebenfalls auf die Galerie sprang. Neben mir kamen Anne, der König und Kankurou aus dem Step.

"Die restlichen Gefangenen werden klar kommen müssen, bis wir Zeit für sie haben", sagte Kankurou ernst. Er benutzte erneut Step, und folgte damit dem rachsüchtigen Mob, der den panischen Mob verfolgte.

Bevor ich ihm folgen konnte, hielt mich der König zurück.

"Dies hier ist das Schwert von Kusanagi", sagte er bedächtig, als er mir die Klinge reichte. "Sie war im Besitz von Orochimaru und hat dabei geholfen, Hiruzen-tono, deinen Sensei, zu töten. Du hast gesehen, das es sich verlängern kann. Es hat auch die Eigenschaft, nahezu alle Materialien zu schneiden: Holz, Stahl, Fleisch und Knochen, nahezu fast alles. Und sie hat noch einige Extras darüber hinaus. Ich denke, es ist nur gerecht, es heute dir zu überlassen, damit du deinen Sensei rächen kannst."

Mit gemischten Gefühlen nahm ich die Klinge entgegen. Ich schwang sie ein paarmal in der Luft herum, befahl ihr zu wachsen und zu schrumpfen. Durch meine Übung mit Ranko-sama und ihren Bruder im Schwertzustand war ich mit Klingenwaffen sehr vertraut, auch wenn ich mich damals höchstens als erfahren, nicht aber als Meister bezeichnet hätte. Ich erkannte sofort, das ich eine gute, ausbalancierte Waffe in Händen hielt. "Gut", sagte ich mit angemessener Ehrfurcht in der Stimme. "Ich werde sie benutzen, um Kabuto zu töten."

Dankbar nickte ich dem König zu, der würdevoll zurücknickte. Dann sprangen wir Seite an Seite mit Step in den Gang, um Kabuto und seine Schergen zu verfolgen.

"Hey!", klang Annes protestierende Stimme hinter uns auf. "Nehmt mich mit!"

***

"Wie es ihnen wohl geht?", fragte Tenten nachdenklich, während sie dankbar das trockene Handtuch von Mohad entgegen nahm. Seit sie die Phasen zwei und drei des Examens abgeschlossen hatten, war kein Tag vergangen, an denen sie nicht bis an ihr Limit trainiert hatten.

"Meinst du wen bestimmtes?", fragte Anne, oder vielmehr ihr Klon.

"Sehr witzig", erwiderte Tenten, und warf dem Schattenklon ihr Handtuch so zu, sodass es sich über ihrem Kopf entfaltete und sie einhüllte. "Wen soll ich denn meinen? Unsere Sensei sind alle wieder hier, nur Mamo-chan, Kankurou und Anne sind noch weg."

"Wo immer sie auch sind", mischte sich Neji ein, "es verdichten sich die Hinweise darauf, das es nicht harmlos ist. Denkt an Uzuki-senseis Verletzung. Und denkt an die auffällig-unauffälligen Transporte von Gefangenen durch Konoha-ANBU in unsere Heimatstadt. Und was so an Gerüchten zirkuliert, ist auch recht... Vielsagend."

Jemand schlug ihm leicht mit dem Handballen auf den Hinterkopf. "Da denkt einer zuviel", sagte Lian amüsiert.

"Heyyy", kam es nicht sehr nachdrücklich von Neji.

"Aber wenn Ihr wollt, kann ich euch ein paar Mosaikteilchen hinzufügen, die ich von Großvater habe."

Die Genin horchten auf und umringten die Suna-Kunoichi. "Lass hören."

"Man hat, ungefähr einen Tag entfernt, in den Bergen augenscheinlich eine Art Massengrab entdeckt. Drei-, vierhundert Leichen, die meisten von ihnen mit Oto-Nin-Stirnband. Auch einige Suna-Nin sind darunter. Der Witz ist jetzt, das es sich bei den Oto-Nin eigentlich um solche handeln soll, die beim Angriff auf Konoha getötet worden sind. Das macht die ganze Sache furchtbar mysteriös."

"Also, da hast du uns aber einen echten Brocken hingeworfen", murrte Neji.

Kiba sah auf, als er einen Geistesblitz hatte. "Moment mal, Moment. Oto und Suna, das ist die Kombination vom Angriff auf Konoha. Ein Schelm, der Böses dabei denkt."

Lian pfiff anerkennend. "Ach, hast du das auch schon bemerkt? Aber eure Senseis sind ja mittlerweile wieder da, auch wenn Yaguo-chan diese Speerwunde hat."

Nejis Augen verengten sich zu Schlitzen. "Also haben sie einen Auftrag erledigt. Ein Auftrag, der über dreihundert Ninjas umfasste, die, hm, eigentlich schon lange tot sein müssen. Und in der Folge des Auftrags sind Kankurou, Anne und Mamo-chan weiter gezogen, während Asuma und die anderen zurückgekehrt sind. Das ergibt keinen Sinn. Wer sollte Anne auf eine gefährliche Mission schicken?"

"Zumindest wissen wir, das Mamo-chan noch lebt", sagte Hinata.

"Und woraus schließt du das? Machst du uns hier den Shikamaru, oder was?", fragte Tenten.

Hinata lächelte schmallippig. "Wäre ihm was passiert, hätte Konoha längst einen Ersatz für unser Examen geschickt, oder?"

Die anderen sahen die junge Erbin des Hyuuga-Clans entsetzt an. "Solche Frechheit aus deinem Mund. Ich bin erstaunt", murmelte Tenten.

"Ich habe nur das Offensichtliche ausgesprochen. Auch das Anne noch unter uns weilt, ist ein sicheres Zeichen dafür, das sie noch lebt. Und wenn - Entschuldige - die schwächste Kunoichi noch lebt, stehen die Chancen gut, das Kankurou und Mamo-chan auch noch leben, oder?"

"Also, ich kann mir keine Mission vorstellen, auf die sie Anne mitnehmen müssten", beharrte Neji.

"Vielleicht ist sie einfach so dabei?", mutmaßte Shino. "Zur falschen Zeit am falschen Ort, oder so."

"Ja, sowas soll vorkommen", pflichtete Kiba ihm bei. Akamaru bellte ebenfalls zustimmend.

"Wir fassen also zusammen. Unsere Jounin haben die Gelegenheit genutzt, uns zur Prüfung zu begleiten, um zusammen mit Kankurou diese drei- bis vierhundert toten Oto-Nin noch mal zu töten. Äh, sie sind doch tot, oder?"

"Sie sind tot, und sie bleiben tot", bestätigte Lian. "Unsere Spezialisten haben da sehr genau drauf geachtet. Was immer sie erweckt hat, es kann sie nicht dauerhaft am Leben erhalten. Eventuell noch nicht."

Lee schnaubte erschrocken durch die Nase. "Hoffentlich nie. Sonst wird ein Kampf mit ihnen eine endlose Geschichte."

Die anderen nickten zustimmend.

"Jedenfalls sind Mamo-chan und Kankurou mit Anne unterwegs", fuhr Neji fort. "Und da unsere Senseis nichts weiter dazu sagen, bedeutet dies, das die offizielle Mission noch nicht beendet ist. Mich wundert nur, das sie keine Unterstützung erbringen. Für Kakashi wäre es ein Leichtes, ihre Spur aufzunehmen und sie zu verfolgen. Oder für dich, Kiba."

Der Inuzuka-Spross grinste wild.

"Vielleicht haben sie keine Notwendigkeit gesehen, ihnen zu folgen. Vielleicht ist die Spur auch nur zu kalt. Sie haben es versucht, aber es hat sich nicht ergeben."

"Letzteres", klang Kakashis Stimme hinter ihnen auf. "Es ist richtig, Mamo-chan und Kankurou befinden sich noch auf der Mission. Ihre Spur verliert sich auf einem Gletscher. Mehr braucht Ihr nicht zu wissen. Mehr solltet Ihr auch nicht wissen."

Erschrocken fuhren die Genin zu ihm herum. Nach dem ersten Entsetzen erwachten sie aus ihrer Schockstarre. "Kakashi-sensei! Du sollst es doch lassen, so aus dem Nichts aufzutauchen", murrte Tenten. "Wenn wir uns zu Tode erschrecken, sind wir umsonst zur Prüfung gekommen."

"Da hast du wahrscheinlich Recht. Jedenfalls wurden wir bisher nicht kontaktiert. Wir wissen nicht, wo sie sind und können demnach auch nicht helfen. Aber darüber würde ich mir keine Gedanken machen. Kankurou und Mamo-chan sind mehr als genug für die Anforderungen der Mission. Und davon abgesehen wird es sich Mamo-chan nicht nehmen lassen, rechtzeitig zur vierten Prüfung wieder hier zu sein."

"Stimmt", sagte Tenten lächelnd. "Das wird er sich nicht nehmen lassen."

"Ach", meinte Lee, "Ihr macht euch aber auch zu viele Sorgen um Mamo-sempai. Ich meine, er hat Anne-chan dabei und wird aufpassen, das er nicht in großen Ärger gerät... Tenten, warum feixt du mir zu?"

"Ach, nichts, nichts." Sie wechselte einen wissenden Blick mit den anderen. "Du hast sicher Recht, und er geht großem Ärger aus dem Weg."

"Sicherlich", sagte Neji übertrieben betont.

"Ach, kommt, Leute! Wie viel Ärger kann er denn schon haben?", fragte Lee.

Diese Frage brachte die anderen zum Lachen, und nur Lee und die Getsu-Genin konnten sich nicht am Gelächter beteiligen. Kakashi schon.

"Okay, zurück zum Training. Ihr könnt Mamo-chan, Anne-chan und Kankurou nicht helfen. Aber Ihr könnt für eure Prüfung fit werden. Also tut das, was Ihr könnt."

"Ja, Sensei."

"Im Ernst. Wie groß kann es schon werden?", fragte Lee erneut.

"Und genau deshalb sagen wir, das du mal mit Mamo-chan auf einer Mission sein musst", erwiderte Tenten amüsiert. "Manchmal sucht nicht er den Ärger, sondern der Ärger ihn."

"Kann ich mir nicht vorstellen", erwiderte Lee im Brustton der Überzeugung.

***

Ich nieste leise. Und das in einem äußerst ungünstigen Moment für mich, in dem es bedeutete, mit dem verlorenen Sichtkontakt auch mein Leben zu verlieren. Vor allem gegen diesen Gegner.

"Gesundheit", sagte Kabuto.

"Danke", erwiderte ich, und hielt mein Schwert wie ein Schild vor mich. Kabuto war als Feind keinesfalls zu unterschätzen. Und im Nahkampf war er schlüpfig wie ein Aal. Ich hatte mir genau angehört, was Naruto über ihn zu erzählen gehabt hatte, bei jenem Kampf, in dem die drei Sannin aufeinaner geprallt waren. Außerdem hatte ich riesengroßen Respekt vor seinen Chakra-Klingen. Sie hatten Ryoga von den Beinen geholt, ausgerechnet Ryoga.

So stand er da, der verräterische Bursche, in die Ecke gedrängt, umringt von den letzten seiner Leute - irgendwo brannte es noch ein wenig, obwohl das Feuer keine Nahrung mehr haben sollte, und der Rauch biss in Nase und Lungen - in defensiver Haltung, und forderte seine Häscher auf, doch gefälligst näher zu kommen. Das letzte Aufgebot, sieben Mann, und jeder von ihnen ein Ninja.

Die Häscher, das waren wir. Das Team, das ihn ursprünglich verfolgt hatte, meine Affenkrieger, sowie die Überlebenden der Kämpfe, die wir aus den Zellen gelassen hatten. Wir hatten einander nichts geschenkt, davon zeugte meine Beinwunde, verursacht durch ein Shuriken, dem ich in einem unbedachten Moment nicht hatte ausweichen können. Aber ich bemühte mich nach allen Kräften, Kabuto nicht anmerken zu lassen, vor allem weil die Häscher und die Affen über den gesamten unterirdischen Komplex verstreut waren, und ich Kabuto nur mit Kankurou, Kaminari und einem Dutzend weiteren Ninjas gestellt hatte. Ich spielte auf Zeit, bis die Affenkrieger zu uns aufgeschlossen hatten. Aber es würde nicht lange dauern, bis Kabuto das durchschaute. Oder spielte er seinerseits auf Zeit, um einen unbedachten Moment unsererseits auszunutzen? Tja, Pech, den hatte er gerade verspielt.

"Was also tun wir? Stehen wir uns nun so lange gegenüber, bis einer von uns einschläft?", scherzte mein Gegner.

"Kerl, ich werde dich...", begann Kaminari, aber ich hielt ihn mit meinem freien Arm zurück.

"Wir haben ein Patt. Und sobald meine Affenkrieger kommen, habe ich die Übermacht und kann dich vernichten."

"Bist du dir sicher? Die Kämpfe waren hart, vor allem für deine Affen", sagte Kabuto. "Ich bin mir gar nicht so sicher, ob wir wirklich im Moment ein Patt haben. Und von deinen Affen sehe und höre ich nichts."

Das war das eigentliche Problem. Ich glaubte auch nicht an ein Patt. Kabuto war auf Jounin-Level, und seine spezielle Kunst der Chakra-Klingen wog einen weiteren Jounin auf. Gut, ich hätte mit dem Schwert von Kusanagi mitten durch sie hindurch schneiden und sie alle töten können. Was aber, wenn er genau darauf lauerte und mich angriff, während ich noch, nun, mit schwingen beschäftigt war?

"Und wenn deine Affen kommen, haben wir trotzdem nicht mehr als ein Patt", fügte er an. "Keine Sorge, ich mache mir keine Illusionen. Wenn ich dich jetzt angreife, werden wir hier gar nicht herauskommen."

"Du redest zuviel", erwiderte ich barsch.

"Und du greifst nicht an", konterte er.

Das war nicht von der Hand zu weisen. Seine Kampfkunst machte mich nervös. Er machte mich nervös. Dieses ewigliche, kalte Lächeln, der starre Blick durch die Brille, wie eine Natter, kurz bevor sie zustieß. Ich hatte nicht richtig Angst vor ihm, aber in den Kämpfen, die uns auf das reduziert hatten, was ich nun gegen ihn führte, hatte er mehr als einmal bewiesen, das man ihn als Ninja ernst nehmen musste. Alleine schon, wenn man überleben wollte. Ich befand mich also in der unvorteilhaften Lage, das mein Verstand mir sagte, dass ich auf Enka O Enma warten musste. Richtiger wäre es gewiss gewesen, ohne nachzudenken alles auf eine Karte zu setzen und die Sache zu bereinigen, auch auf das Risiko hin, selbst getötet zu werden.

"Gibt es einen besonderen Grund dafür, dass du deinen vermeintlichen Vorteil nicht ausnutzt?", fragte ich.

"In der Tat gibt es den. Mit dir kann man verhandeln, Morikubo. Mit den Affen nicht."

"Du willst also verhandeln."

Kaminari knurrte angriffslustig auf. Wieder hielt ich ihn zurück. Tja, ein ungestümer Charakter, wie Ryu Kaminari ihn sein eigen nannte, war hier sicherlich mehr von Vorteil, als mein ruhiges, überlegtes Wesen. "Und worüber willst du verhandeln?"

"Freier Abzug für mich und meine Leute. Was Ihr mit den Stadtbewohnern macht, ist mir egal. Jetzt, wo der Stützpunkt enttarnt ist, sind sie für Orochimaru-sama wertlos geworden." Seine Miene verzog sich ärgerlich. "Du hast absolut keine Ahnung, welchen Schaden du hier angerichtet hast, oder, Morikubo?"

"Wenn es dich nicht genug ärgert, war es augenscheinlich noch zu wenig." Ich räusperte mich. "Dir sollte klar sein, dass ich dich nicht ziehen lassen kann. Du hast versucht, erneut Konoha anzugreifen."

"Oh, diesmal bin ich unschuldig. Ich habe diese Angriffspläne nicht gehabt, und Orochimaru-sama auch nicht. Es war ein Alleingang unserer, hm, nun wohl ehemaligen Verbündeten im Reich des Windes. Wir haben lediglich etwas Know-how zur Verfügung gestellt."

"Know-how?"

"Braucht dich nicht zu interessieren. Informationen sind in unserem Geschäft nichts, was man freimütig hergibt, ohne einen Nutzen zu haben", erwiderte er, und sein Grinsen wurde eine Spur kühler.

"Deshalb bist du trotzdem ein Deserteur und Verräter."

"Was? Nein, garantiert nicht. Nie gewesen. Ich war schon immer ein Infiltrator, der seinem Land und seinem Meister treu gedient hat. Wie würdest du es wohl nennen? Ein erfolgreicher Spion."

Ich schnaubte abfällig. "Ich erinnere mich an diese Karten, die du haben sollst. Eine über jeden Chunin-Examensabsolventen der letzten acht Jahre. Du warst sehr erfolgreich als Spion."

"Oh, danke. Man tut eben, was man kann."

"Ich hatte nicht vor, dir Komplimente zu machen."

Kabuto runzelte die Stirn. "Was ich sagen wollte, ist, das ich kein Verräter bin. Im Gegenteil, ich bin äußerst loyal. Nur nicht Konoha gegenüber, wo ich treu meine Rolle gespielt habe. Du kannst mir also nicht vorwerfen, Konohagakure verraten zu haben, wenn genau das doch meine Aufgabe war."

"Wäre dies ein Rhetorik-Kurs", sagte ich gepresst, "hättest du jetzt wahrscheinlich eine eins verdient. Aber auch Spione sterben, wenn man sie entdeckt. Auch das ist elementares Wissen in der Shinobi-Welt."

"Mag sein, aber nicht heute. Und ich will immer noch freien Abzug für mich und meine Leute. Ich weiß, dass ich mit dir zumindest reden kann. Besser als mit diesem Hitzkopf neben dir, oder als mit den Affen."

"Es gibt nichts, was du mir anbieten kannst, um freien Abzug zu bekommen. Ich habe dich in der Falle. Wenn du mich angreifst, beginnt nur der Kampf vor der Ankunft meiner Affenkrieger", sagte ich mit ernster Stimme. "Und du würdest mir damit einen großen Gefallen tun."

"Aber, aber, mein guter Morikubo, nicht so blutrünstig. Ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass du Angst vor mir oder dem Tod oder irgendetwas hast."

Der Gedanke schüttelte mich ein wenig. Ich hatte definitiv Angst vor Yuriko-nee. Manchmal.

"Aber?"

"Da deine Tapferkeit außer Frage steht, kannst du also nicht annehmen, ich würde dir aufgrund eines Patts eine Evakuierung aus den Rippen leiern", sagte er.

"Und?"

"Das bedeutet, das ich etwas anderes habe, was ich dir anbieten kann. Toori!"

Einer seiner Männer ließ etwas zu Boden fallen, was ich nicht sehen konnte. Das erschrockene Quieken, das aufklang, kam mir erschreckend bekannt vor. Oh nein, hatten sie etwa...

Kabuto stellte seinen Fuß auf irgend etwas ab. Er schwebte etwa zwanzig Zentimeter in der Luft, und ein leises Ächzen sagte mir, das der Fuß nicht wirklich schwebte. "Ganz recht, Morikubo. Ich habe einen von deinen Ninjas gefangen. Übrigens, brillante Tarnung, die die kleine Kunoichi hat, das muss man neidlos zugeben. Sie hat es fast geschafft, mich von hinten mit dem Kunai zu erdolchen. Aber dafür musste ihre Waffenhand die Deckung verlassen, und das konnte man sehen. Langer Rede, kurzer Sinn: Ihr Leben gegen ein Ende der Kämpfe und Abzug meiner Leute."

Es dauerte einen Augenblick, bevor ich meine Fassung wieder errang. Er hatte tatsächlich Anne gefangen. Ich hatte es gewusst, in der Sekunde, in der ich sie das erste Mal vermisst hatte, dass das keine guten Nachrichten waren. Verdammt noch mal keine guten Nachrichten.

"Ich gehe drauf ein", sagte ich, und senkte die Klinge in meiner Hand ein wenig.

"Gut." Kabuto nahm den Fuß wieder hoch, griff zu Boden und zog etwas hoch. Dann zog er Anne aus ihrer Tarnung hervor. "Damit du mir auch glaubst."

"Entschuldige, Mamoru-sama. Ich dachte, ich erwische ihn. Aber dann hat mich der grobe Kerl daran gehindert..."

Der grobe Kerl lachte bei diesen Worten leise.

"Ich bereite dir gerade eine Menge Ärger, oder?", fragte sie betrübt.

"Nein, tust du nicht", log ich. Andererseits, vielleicht war es doch eine gute Lösung, Kabuto ziehen zu lassen. Die Vernichtung eines Stützpunkts Orochimarus war sicher ein ähnlich lohnenswertes Ziel wie Orochimarus Leutnant zu fassen.

Anne begann plötzlich zu gurgeln, ungefähr so lange, bis Kabuto sie kräftig durchschüttelte.

"Lass das! So kann ich meine Zunge nicht verschlucken!", beschwerte sie sich. "Von wegen, diese Methode ist unfehlbar. Ich sag euch was: Diese Handbücher werden alle von Theoretikern geschrieben!"

"Du willst deine Zunge verschlucken?", rief ich entsetzt.

"Wenn ich tot bin, bin ich keine Belastung mehr für dich, Mamoru-sama!", erwiderte sie todernst.

Für einen Moment griff ich mir mit der Linken an die Stirn, weil ich glaubte, schwere Migräne zu bekommen.

"Konsequentes kleines Biest. Und ja, die eigene Zunge zu verschlucken ist sehr schwierig. Besser, du beißt sie dir ab, und verschluckst sie dann", riet Kabuto.

"Oh, danke. Daran habe ich noch gar nicht gedacht."

"Gib ihr nicht auch noch Ratschläge!", rief ich bissig. "Anne, du wirst KEINEN Selbstmord begehen!"

"Aber ich..."

"Anne!"

"Ich meine doch nur, dass..."

"Nein!"

"Ich bin doch im Moment bloß..."

"Sei still, du dummes Gör! Solange ich was zu sagen habe, schmeißt du dein Leben jedenfalls nicht weg!", fuhr ich sie an. "Abgesehen davon, dass ich Amir nicht mehr in die Augen schauen könnte, wenn du dich tatsächlich selbst umbringst, könnte ich nicht mehr in den Spiegel schauen, wenn du denkst, mir mit deinem Selbstmord zu nutzen! Wenn du tot bist, bist du weg. Nichts bringt dich wieder zurück, und das will ich nicht erleben, Anne!"

"Nicht ganz richtig, aber deine Argumentation ist gut", schmunzelte Kabuto. "Also, haben wir einen Deal?"

"Ich will ja auch nur, dass..."

"Anne, wenn du dich umbringst, bringe ich mich auch um. Hast du das verstanden?"

Verblüfft sah die junge Kunoichi mich an. "Meinst du das ernst, Mamoru-sama?"

"Ja", erwiderte ich barsch. "Ist anscheinend die einzige Methode, um dir diese Flausen auszutreiben."

"Oh, daran will ich nicht Schuld sein. Also gut, lebe ich eben weiter."

Nun war es wirklich Migräne. War ich jemals so leichtfertig mit dem eigenen Leben umgegangen? Ich konnte mich nicht erinnern. Aber auf jeden Fall hoffte ich, das ich meinem Sensei Hayate nie solche Probleme bereitet hatte, wie Anne sie gerade mir bereitete. Das Schlimme daran war, dass sie als Kunoichi durchaus konsequent handelte.

"Der Selbstmord ist also abgesagt?", freute sich Kabuto. "Gut, dann können wir ja über das wie verhandeln."

"Ich höre."

Kabuto setzte eines seiner falschen strahlenden Lächeln auf. "Du lässt uns ziehen, und ein paar Kilometer entfernt lassen wir Anne-chan einfach frei."

"Und du glaubst tatsächlich, darauf gehe ich ein?", fragte ich entgeistert.

Irritiert sah mich Kabuto an. "Warum denn nicht? Ich meine, ich habe doch absolut keinen Nutzen von ihrem Tod. Und wenn wir dir erst mal entkommen sind, habe ich auch keinen Nutzen davon, sie mitzuschleppen."

"Wer garantiert mir, das du sie nicht einfach tötest? Du gehst mit ihr bis zum Ausgang, und dort lässt du sie frei."

"Ist mir zu unsicher. Ich gebe dir mein Ehrenwort, das ich sie lebend und unversehrt freilasse, sobald du mir nicht mehr folgen kannst."

Ich lachte gehässig auf. "Ja, auch gerade."

"Was? Mein Ehrenwort hat einen hohen Wert!", blaffte er. "Ich habe mein Wort noch nie gebrochen!"

Verblüfft sah ich ihn an. Jetzt, wo er es sagte, fiel mir das auch auf. Das lag wohl aber eher daran, dass ich ihn nie dabei erlebt hatte, dass er ein Ehrenwort gegeben hatte. Ich hatte auch von niemandem gehört, das er je Kabutos Ehrenwort erhalten hatte. Ich konnte ihm also kaum widersprechen.

"Junge, wenn du denkst, dass wir darauf reinfallen, dann..."

Erneut hielt ich Kaminari zurück. "Du hast dein Ehrenwort noch nie gebrochen?", fragte ich.

"Noch nie", bestätigte er. "Nicht einmal in meiner Eigenschaft als Spion in meiner Zeit in Konoha."

Das war ohne weiteres möglich, denn wir Shinobi leisteten keinen Eid auf Konoha oder das Land des Feuers. Es war für uns selbstverständlich. Es war eine Frage der Ehre. Diese Ehre nannten viele von uns ehrfürchtig den "Willen des Feuers". Es war klar, das ein Spion sich davon kaum beseelen ließ.

"Okay", sagte ich, nahm das Schwert ganz ab und reichte es Kaminari, "machen wir einen Test, wenn du einverstanden bist. Bedenke, davon wird es abhängen, ob ich dich ziehen lasse."

"Gut. Was für einen Test?"

"Lass mich dir einen Arm brechen." Ich fixierte seinen eisigen Blick. "Gib mir dein Ehrenwort, dass du es zulässt."

Wütend sah er mich an. Ich sah, wie sich seine Lungen füllten, wie er hinausbrüllen wollte, was er dachte. Röte trat ihm auf Wangen und Stirn. Ich sah ihn beide Hände ballen. Doch dann beruhigte er sich wieder. Mit der freien Linken schob er seine Brille wieder die Nase hoch. Leise begann er zu lachen. "Gut gespielt, Morikubo." Er streckte den linken Arm in meine Richtung aus. "Also gut, du hast mein Ehrenwort, dass ich dich meinen linken Arm brechen lasse. Den Unterarm, wohlgemerkt."

Ich trat einen Schritt vor, was Kabutos Leute in Abwehrhaltung rief. Doch der Leutnant Orochimarus reagierte wunschgemäß. "Zurück. Ich habe mein Wort gegeben." Die Oto-Nin rutschten wieder auf ihre alten Positionen. "Dir ist klar, dass ich Speiche und Elle schnell wieder geheilt haben werde, oder, Morikubo?", fragte er spöttisch.

"Ja. Was ich sehen will, ist, ob dein Wort stabil genug ist, dass du Schmerzen duldest."

Seine Miene verzerrte sich. Er reckte seinen Arm ein Stück vor. "Einen sauberen Bruch, bitte. Und schnell, wenn es g..."

Sein gellender Schrei klang mitten im Satz auf. Ich war so schnell an ihn heran getreten und hatte den Unterarm umgeknickt, dass Kabuto mir kaum hatte folgen können. Für ein Chakra-Skalpell hätte es sicher gereicht, aber dem hätte ich ausweichen können. Nun, er hatte zugelassen, dass ich ihm den Arm umgeknickt hatte, wie man einen dünnen trockenden Holzzweig brechen konnte.

Ich ließ seinen Arm fahren, und Kabuto verzog sein Gesicht vor Schmerz, wankte aber nicht eine Sekunde oder versuchte mich anzugreifen.

Ich wandte mich um. "Gut. Wir haben einen Deal. Du und deine Männer können abziehen. Wenn Ihr in Sicherheit seid, lasst Ihr Anne frei. Darauf will ich dein Wort."

"Ich gebe dir mein Ehrenwort", sagte Kabuto mit schmerzerfüllter Stimme.

"Gut."

"Noch etwas, Morikubo. Du erinnerst dich an den Raum, in dem du Wahnsinniger ein Dai Endan abgefeuert hast?", fragte er mit vor Schmerzen abgehackter Stimme.

"Was ist damit?"

"Ich will den Schwertkämpfer mitnehmen. Den aus Wasser. Dafür kannst du gerne alle anderen behalten, die du schon gefangen hast."

Ich wandte mich wieder um. "Du kannst ihn haben. Aber sei versichert, wenn Anne was passiert, dann ist kein Versteck Orochimarus sicher genug. Darauf gebe ich dir mein Ehrenwort."

"Dein Ehrenwort, unseren freien Abzug betreffend, wäre mir lieber."

"Du hast es." Wir tauschten einen langen Blick aus, mit dem wir den anderen neu einzuschätzen versuchten.

"Es ist hier etwas ruhig für einen Kampf", klang Gosunkugis Stimme hinter mir auf.

"Wir kämpfen nicht mehr. Sie haben eine Geisel, und freien Abzug ausgehandelt."

"Oh. Das ist Mist." Der große Affenkrieger nahm seine Menschengestalt an. "Na, dann kann ich es ja ruhiger angehen lassen."

"Kannst du, Hikari. Nichtsdestotrotz haben wir wohl gewonnen."

Kabuto nickte dazu. "Orochimaru-sama hat heute einen wichtigen Stützpunkt verloren, die Keimzelle für ein neues Otogakure. Das ist unbestreitbar. Aber er hat auch gewonnen. Die sieben zähesten Shinobi dieses Stützpunkts wurden heraus kristallisiert."

"Ich bin kein Freund von solchen Auslese-Sprüchen", erwiderte ich.

Wieder maßen wir uns mit Blicken. "Ach ja, noch etwas, bevor ich Houzuki holen gehe, Anne betreffend."

"Ja, bitte?"

Ich sah ihn an, und Kaminari hatte mir später erzählt, meine Augen hätten so unheilvoll aufgeleuchtet bei meinen nächsten Worten. "Was Anne angeht, so will ich sie lebend, aber ich brauche sie nicht vollkommen unversehrt."

"Worauf willst du hinaus?", fragte Kabuto argwöhnisch.

"Es käme mir durchaus zupass, wenn ihr jemand für ihren Selbstmordversuch, sagen wir, den Hosenboden stramm zieht."

Kabutos Augen versanken in einem grellen, beinahe strahlenden Blick. "Verstehe. Und weil ich von deiner Warte gesehen aus "böse" bin, soll ich das übernehmen."

"Weil du eher als ich dazu Gelegenheit haben wirst", erwiderte ich hämisch.

Anne schluckte kräftig.

"Oho. Sehe ich da etwa das Potential für einen wirklich großen Shinobi an dir, Morikubo? Gerne doch. Sieh es als Sonderservice an."

Ich grinste hämisch, er grinste hämisch zurück. Und ich hoffte wirklich, dass Anne daraus etwas lernte. Im Idealfall würde sie sogar ihre überzogene Verehrung für mich verlieren. Man würde sehen.

***

Mamoru Morikubo hielt sein Wort - und die Affenkrieger zurück. Der Ton zwischen den Shinobi der beiden Lager wirkte beinahe schon vertraulich, und die Flucht von Kabutos Truppe beinahe wie eine Verabschiedung.

Sie hielten beide die Bälle flach. Er selbst und auch Morikubo. Wie es von zwei Vollprofis zu erwarten gewesen war. Mit Houzuki im Schlepp, der mehr tot als lebendig war, und es sich trotzdem nicht nehmen ließ, mit zittriger Stimme Flüche und Bedrohungen über den Konoha-Nin auszuschütten, verließen sie das Versteck, und eilten nach Osten, auf das Land des Feuers zu. Es war sicher, dass die Zerstörung des Stützpunkts, der noch immer an manchen Stellen brannte, die hiesigen Behörden auf den Plan rufen würde, und dann war es mit Orochimaru-samas Verbündeten Geschichte. Nicht, dass es schade um diese Wendehälse und Opportunisten gewesen wäre.

Letztendlich waren sie nun zu acht. Die acht zähesten loyalen Diener Orochimaru-samas aus diesem Stützpunkt, den neunten als Handgepäck dabei. Plus eine Geisel.

Schnell brachten sie einen Kilometer hinter sich. Dann einen zweiten, einen dritten. Liefen auf einem Flusslauf einen weiteren Kilometer gegen die Strömung hinauf. Dann noch einen Kilometer, und darauf noch einen Bach hinauf. Als sie fünf Kilometer Luftlinie entfernt und reel acht Kilometer zurückgelegt hatten, ließ Kabuto halten. Er winkte Zuuto zu sich, der die gefesselte und geknebelte Anne trug und ließ sie vor sich absetzen. Mit schreckgeweiteten Augen sah sie ihn an, während er ihr den Knebel abnahm. "Wie wirst du es tun? Mit einem Lederriemen? Einem Gürtel? Einem Stahlstock oder einer frischgeschnittenen Rute? Nur zu. Ich bin eine Kunoichi. Ich halte das aus!"

Für einen Augenblick wusste Kabuto nicht, ob er lachen oder weinen sollte. "Ich denke, ich schneide dir die Fesseln auf und lasse dich einfach frei."

"Das ist nicht dein Ernst", sagte sie verblüfft. "Ich meine, du bist doch der Böse. Willst du nicht wenigstens versuchen, was böses zu tun?"

"Aber ich bin doch gerade dabei", sagte Kabuto mit einem wölfischen Grinsen. "Morikubo erwartet, dass ich dir den Arsch versohle. Indem ich es nicht tue, betrüge ich ihn. Ich habe ihm ja auch nie geschworen, dass ich es machen würde."

"Hä? Das passt aber nicht zu dir. Ich meine, du bist doch..." "Böse? Du erwähntest es schon. Aber böse und gut, das ist eine Frage des Standpunkts. Bin ich böse, nur weil ich meinem Meister treu bin, und tue, was er für notwendig erachtet? Bin ich böse, weil ich glaube, das er ein großes Ziel verfolgt, bei dem es sich lohnt, ihn zu unterstützen? Manche würden vielleicht ja sagen, manche nicht. Manche würden einen Konoha-Nin von vorne herein für böse halten. Viele Kumo-Nin denken so wegen der Schrecken im letzten Krieg. Und viele Konoha-Shinobi halten die Oto-Nin für böse, weil sie für Orochimaru-sama gekämpft haben. Du bist eine Oto-Nin. Kannst du dir vorstellen, dass man dich in Konoha für böse hält?"

"Ich war nie Oto-Nin. Ich bin erst in Getsugakure Kunoichi geworden", erwiderte sie trotzig.

"Oh. Gut, das du das erwähnst. Jetzt habe ich nicht mal mehr einen Grund, dich wegen deinem Ungehorsam Orochimaru-sama gegenüber zu maßregeln.."

War sie enttäuscht? Anscheinend ja. Menschen waren so merkwürdige Wesen, vor allem, sobald sie mehr Freiheiten und Möglichkeiten bekamen. Dann konnten sie nicht nur merkwürdig sein, sondern skurril, widersprüchlich, ja, irrational. Da waren die klaren Strukturen, in denen Kabuto lebte, doch eindeutig vorzuziehen. Er würde immer wissen, wo er hin gehörte: An die Seite seines Meisters, um ihm zu dienen und um ihm die Unsterblichkeit zu verschaffen, nach der er sich sehnte.

Aber zurück zu diesem Gör.

"Hast du was gemerkt? Du bedeutest Morikubo etwas. Genug, um mich gehen zu lassen. Weißt du, was du ihm angetan hättest, wenn du es tatsächlich geschafft hättest, Selbstmord zu begehen?", tadelte Kabuto.

"Das muss ich mir von dir sicher nicht anhören", sagte sie trotzig. "Ich bin eine Kunoichi! Ich weiß, dass ich im Kampf sterben kann, und das jederzeit!"

"Das ist sicherlich richtig und konsequent gedacht. Aber hast du schon mal daran gedacht, dass dein Leben wertvoll sein könnte? Nicht nur für Morikubo-sama, sondern auch für dein Dorf, das Zeit, Ausrüstung und Lehrer aufgebracht hat, um eine Kunoichi aus dir zu machen? Es ist die erste Regel, die jeder Shinobi zu lernen hat: Tote Shinobis nützen nicht mehr. Obwohl das auch nicht ganz richtig ist..."

"Ich bin also ein Wert", sagte sie missmutig.

Kabuto nickte. "Ein Wert, der deinem Dorf verloren geht, und das ohne jeden Gegenwert. Du bist ja nicht einmal auf einer offiziellen Mission, die deinen Tod verständlich machen würde. Verstehst du das?"

"Du redest ganz schön viel für jemanden, der etliche Ninjas getötet hat", murrte sie.

"Oh, verstehe mich nicht falsch", sagte er lächelnd. "Ich bin jederzeit dazu bereit für meinen Meister zu töten und zu verletzen. So wie ich auch dazu bereit war, mich von Morikubo verletzen zu lassen." Er hob den Arm in seiner Schlinge. Eine Behandlung zum Wachstum seiner Knochen hatte er bereits vorgenommen. Weitere würden folgen, wenn er mehr Ruhe hatte.

"Aber ich töte nicht sinnlos. Ich hätte auch nichts davon. Werde ich überrascht, und die Geheimhaltung ist in Gefahr, bin ich bereit und in der Lage, zufällig Involvierte zu töten, klar. Das tun alle Ninja, die ihre Mission ernst nehmen. Aber einfach jemanden töten, um ihn zu töten, das liegt mir fern." Er beugte sich vor und sah Anne in die Augen. "Selbst für mich ist der Tod keine Freizeitbeschäftigung. Alle meine Handlungen haben einen tieferen Sinn. Und auch wenn dich das erstaunen wird, dies ist nicht, diese Welt in ein Leichenhaus zu verwandeln."

Er richtete sich wieder auf. "Und genau deshalb lasse ich dich gehen, auch ohne dir den Hosenboden stramm zu ziehen. Sollten wir uns wieder begegnen, und solltest du meine Mission stören, werde ich dich allerdings ohne mit der Wimper zu zucken töten. Oder töten lassen." Er nickte dem Mann zu, der Anne getragen hatte. "Öffne Ihre Fesseln."

Zuuto zögerte nicht lange, und durchschnitt die Riemen an Händen und Füßen.

"Hey! Ihr könnt sie jetzt haben!", rief Kabuto in den Wald. Einige Zeit geschah nichts, doch dann raschelte es in den Bäumen, und dieses schmächtige Persönchen kam herab geschossen, das Gosunkugis Menschentarnung darstellte. Er landete in sicherer Entfernung, fast zwanzig Meter von der Gruppe entfernt. "Es verwundert mich, dass du mich entdeckt hast", gab er zu.

"Ich habe dich nicht entdeckt. Aber Morikubo ist kein Idiot, beileibe nicht. Ich an seiner Stelle hätte mir auch einen oder zwei Affenkrieger nachgeschickt. Werdet Ihr uns verfolgen?"

"Nein, nicht sofort. Es ist zu viel am Stützpunkt zu tun. Du und deine Leute werdet mindestens einen Tag Vorsprung haben."

"Aber er gibt nicht auf", sagte Kabuto mit gepresster Stimme.

"Hast du etwas anderes erwartet?" Gosunkugi schmunzelte.

"Ich werde die Zeit zu nutzen wissen. Geh, Anne-chan. Und lauf mir besser nie wieder über den Weg."

Verächtlich sah die Getsu-Kunoichi zu Kabuto hoch. "Das Gleiche wollte ich dir auch gerade sagen."

Es klatschte, als Kabuto das Mädchen hart ohrfeigte. Sie hatte den Schlag nicht einmal kommen sehen. "Arroganz ist eine ganz schlechte Eigenschaft für einen Shinobi, vor allem wenn da nichts hintersteckt. Jetzt geh."

Der Schlag hatte ihr nicht so weh getan wie die Tatsache, dass sie den Schlag nicht gesehen hatte. Ja, sie hatte nicht einmal eine Armbewegung gesehen, nur den beißenden Schmerz verspürt, als er getroffen hatte. Dieser Mann war ein Monster. Hätte er den Schlag mit seinem Chakra-Klingen ausgeführt, hätte er sie töten können. "J-ja", murmelte sie, sich die Wange haltend. Langsam ging sie auf Gosunkugi zu, der wachsam die anderen Oto-Nin musterte.

"Wir ziehen weiter!", sagte Kabuto bestimmt. "Und, Anne-chan, richte Morikubo noch etwas von mir aus: Hiermit sind wir quitt. Er soll nach Möglichkeit versuchen, nicht auf meine schlechte Seite zu geraten."

Wütend sah sie zu ihm herüber. "Ich glaube, ich kann dir jetzt schon seine Antwort sagen: Dito!"

Verdutzt schwieg Kabuto, bevor er schallend zu lachen begann. "Nun geh, bevor ich es mir anders überlege. Eventuell tue ich Konoha doch einen Gefallen, wenn ich dich aus dieser Welt entferne."

Die Kunoichi wurde blass und beschleunigte ihren Schritt. Als sie Gosunkugi erreicht hatte, sprang Akane aus den Ästen eines anderen Baumes zu ihnen herab. Sie nahmen die Gestsu-Kunoichi in die Mitte und sprangen mit Step davon.

Kabuto machte sich keinerlei Illusionen, Morikubo betreffend. So schnell würde er nicht aufgeben. Sie würden wieder aufeinander treffen, und dann würde einer den anderen töten.

***

Als Kabuto abzog, nickte ich Gosunkugi und Akane zu. Die beiden Affenkrieger nickten. Sie würden der Gruppe Oto-Nin folgen. Hikari Gosunkugi war der Garant dafür, dass sie den Kontakt nicht verloren, und Akane Tendo würde der Situation angepasst entscheiden, was sie tun würden. Mir war klar, dass Kabuto die beiden eventuell entdecken würde. Sollte er doch. Das würde ihn daran erinnern, dass er bei mir im Wort stand. Zweifel, das er sich an seinen Teil des Deals halten würde, hatte ich keine.

Im Osten stand die Sonne bereits eine Handspanne über dem Horizont. Es war eine verdammt lange Nacht gewesen, voller Kämpfe, Blut und Tränen. Kabuto war mir entkommen, vorerst. Und Anne war entführt worden, auch vorerst. Beides für mich kaum zu ertragen. Zudem hatte er seine Gruppe vergrößern können. Und das hiesige Versteck Orochimarus hatte an mehreren Stellen gebrannt, woran ich keinesfalls unschuldig gewesen war. Tatsächlich hätte der Stützpunkt leicht zur Todesfalle werden können mit seinen engen Gängen und dem vielen Rauch. Aber glücklicherweise gab es nicht viel brennbare Materialien im Versteck. Das bedeutete natürlich auch, dass es stabil bleiben würde.

"Wie wirst du weiter vorgehen, Morikubo-tono?", fragte Enka O Enma.

"Ich habe einen Boten entsandt, der die Behörden alarmiert", sagte ich leise. "Ich werde ihnen das Versteck übergeben und die Verschwörung in der Stadt aufdecken. Anschließend warte ich, bis Akane und Hikari mit Anne zurückkommen. Sobald man mich hier fort lässt, werde ich die Verfolgung von Kabuto wieder aufnehmen."

"Was für eine dumme Idee", sagte Pakkun tadelnd. "Mit deiner Beinwunde kommst du eh nicht weit. Sei froh, dass das Shuriken nicht vergiftet war."

Ich sah fragend zu dem Hund runter, der vor meinen Füßen hockte.

"Ich rieche das Blut. Und die Entzündung in der Wunde", erklärte er.

"Entzündung."

"Ja."

Ryu Kaminari, der ebenfalls bei uns stand, räusperte sich. "Nicht zu vergessen, dass er sich verbessert hat. Alleine ist er gekommen, und nun sind es acht."

"Die Umstände sprechen gegen uns", sagte Kankurou. "Niemand würde es uns verübeln, wenn wir abbrechen oder auf Verstärkung warten."

"Niemand, außer uns selbst", sagte ich ernst.

"Sicherlich." Kankurou seufzte resignierend. "Verstärkung?"

"Annehmbar." Ich lächelte schmallippig. "Bist du dabei, Ryu?"

"Hey, ich war gerade mit einer Mission fertig, als sie mir in diesem feinen Gasthaus einen vergifteten Drink serviert haben, damit ich in Orochimarus Labor Laborratte spielen soll. Ich habe Zeit. Und ich lasse doch meinen alten Kumpel Mamoru nicht in Stich."

"Ich wurde ebenfalls mit dieser Aufgabe betraut", sagte Kankurou. "So schnell wirst du mich nicht los, Mamo-chan."

"Und ich wurde dir von Kakashi zugewiesen. Solange ich keinen anderen Befehl kriege, bleibt es dabei", sagte Pakkun. "Einer muss dich ja vor Leichtsinn beschützen."

"Danke, Leute."

"Was mich angeht, werde ich die Beschwörung wieder aufheben und Ranko-tono schicken", sagte der König der Affen. "Sie wird sich deiner Wunde annehmen, damit du die Jagd fortsetzen kannst."

Dankbar nickte ich. "Das ist eine gute Idee." Ich reichte dem König die Klinge von Kusanagi. "Enka O Enma, nimm bitte dieses Schwert wieder mit. Ich brauche es nicht, so gut es auch ist. Die Affenkrieger sind meine Waffen."

Der erfahrene Krieger nahm das Schwert entgegen und nickte verstehend. "Gut. Ich akzeptiere deine Entscheidung. KAI!"

Der König der Affen verschwand in einer Verpuffung.

"Tja, was machen wir denn jetzt? Wir können Kabuto bestenfalls verfolgen, und was soll uns das bringen, solange er sieben neue Freunde hat", murmelte Kaminari. "Einen Abstecher über Konoha?"

"Drei Affenkrieger, Kankurou, du, ich... Hm, ich denke, das dürfte einiges an Gewicht haben. Aber ich werde wohl besser eine Botschaft an Konoha schicken und um Verstärkung bitten, sobald ich weiß, in welche Richtung Kabuto reist."

"Gute Entscheidung", lobte Pakkun.

"Hier kommt eine noch bessere." Ich legte die Rechte auf den Boden. "Kuchiose no Jutsu!"

Schneidender Wind 9

9.

"Autsch."

Ranko-sama sah mich amüsiert an. "Stell dich nicht so an, Konoha-Chunin. Du bist zwei Stunden mit der unbehandelten Verletzung rumgelaufen, und jetzt tut sie dir weh?"

"War nur ein Reflex", erwiderte ich. "Hat nicht wirklich weh getan." Kritik, Widerworte oder Auffälligkeiten verboten sich gerade von selbst. Ranko-sensei war zu einhundert Prozent im Bemutterungsmodus, und damit einher ging ihr Dominanzverhalten. Entweder, man ordnete sich unter, oder man ging unter.

Die Affenkriegerin war in ihrer menschlichen Gestalt erschienen, die sie etwas kleiner machte. Ihr langes, schwarzes, seidiges Haar fiel ihr lose über die Schulter, und sie trug wieder die übliche Felduniform der Konoha-Shinobi. Allerdings mit einem Unterschied. Statt eines Hemds hatte sie das bei Kunoichi recht beliebte Netzhemd unter gezogen, was den Anblick ihres Busens noch aparter machte. Auch ein Grund, sie nicht bei der Arbeit zu stören.

"Starrst du mir etwa auf den Busen, Mamo-chan?", fragte sie amüsiert.

"Äh...", machte ich verlegen.

"Du bist verletzt, also darfst du das ruhig. Wenn ich etwas tun kann, damit es dir besser geht, leiste ich es gerne." Sie zwinkerte mir zu, und dieses Zwinkern ging mir durch Mark und Bein.

"Ranko-sama, du solltest nicht so viel mit ihm spielen", mahnte Kaminari grinsend. "Der arme Junge mag mittlerweile das Konzept der Liebe begriffen haben. Aber das der Erotik ist für ihn immer noch ein Buch mit sieben Siegeln."

"Oh, dem könnte abgeholfen werden", sagte sie mit einem Lächeln, das einen wohligen Schauder über meinen Rücken jagte. Begann sie etwa, mich als Mann ernst zu nehmen? Das war ironisch - ich selbst tat es nämlich nicht.

"Aber davon abgesehen", sagte Kaminari, und hockte sich neben uns. "Wie geht es seiner Beinwunde?"

"Du meinst, wegen seiner Verfolgungsjagd? Drei Tage, bevor er wieder Step einsetzen oder laufen kann. Hält er sich nicht dran, wird sich die Wunde entzünden, eitern, er wird Fieber kriegen und dann erst Recht ausfallen."

"Drei Tage? Bis dahin ist Kabuto über alle Berge", murrte ich.

"Ich kann ihn auch alleine verfolgen", sagte Kaminari gedehnt, "und Spuren hinterlassen, die Pakkun verfolgen kann."

Der kleine braune Hund nickte leicht. "Das ist eine Möglichkeit."

"Du könntest auch deine Affenkrieger die Verfolgung aufnehmen lassen", sponn er den Faden weiter. "Und wir ruhen uns hier drei Tage aus, und gehen ihnen dann nach."

"Zwecklos. So lange hält der da nie durch", sagte Ranko-sama mit einem ironischen Lächeln. "Bereits heute nachmittag wird er nervöser sein als ein Bräutigam vor der Hochzeit, nur weil es nicht weiter geht."

Das war, fand ich, eine sehr treffende Umschreibung meines derzeitigen Gemütszustands. Mist, war ich tatsächlich so einfach zu deuten?

Ich blickte wieder auf meine Beinwunde, in die Ranko-sama ihr Chakra fließen ließ, um die Wunde zu schließen. Sie hatte nicht übertrieben, als sie sagte, nach drei Tagen Ruhe würde die Wunde geschlossen sein. Sie war eine exzellente Heilerin, die sich ohne Weiteres auf eine Stufe mit Tsunade-sama stellen konnte.

Und dabei sollte man nicht die geschlagene Stunde untrschlagen, die sie zuvor aufgewendet hatte, um die mittlerweile schmerzenden und nässenden Verbrennungen in meinem Gesicht zu behandeln. Außerdem hatte sie Kahlschlag an meinen verbrannten schwarzen Haaren betrieben, und den Rest so weit wieder hergerichtet, das ich wieder unter Menschen gehen konnte. Zum Glück war mein Haar sehr dick und fest, sodass es meist nur kurz und dann hauptsächlich an den Spitzen gekokelt hatte. Verbrennungen im Gesicht hätte ich ertragen, oder einfach den Rest meines Lebens eine Maske getragen. Das machte mir nicht viel. Aber der Gedanke, kahle Stellen auf dem Kopf zu haben, weil die Verbrennungen meine Haarwurzeln irreparabel beschädigt hatten, erschreckte mich. Bei meinen Haaren war ich erschreckend eitel. Sehr erschreckend. Sehr eitel. Nicht, dass ich sie besonders pflegte. Nur da sein mussten sie. Ranko-sensei wusste das, und hatte sich ihnen mit Hingabe gewidmet. So wie sie sich nun meiner Beinwunde widmete, die in der Dringlichkeit auf den letzten Platz gerutscht war. Ich konnte gar nicht sagen, wie sehr ich Senseis Hilfe zu schätzen wusste.
 

"Wie immer bin ich dir sehr dankbar für alles, was du tust, Ranko-sensei", sagte ich tief ergriffen.

Ihr Antwortlächeln war voller Wärme und Liebe, wie Affen es bei Menschen zu tun pflegten, zu denen sie eine innige Beziehung aufgebaut hatten. Dieses Lächeln - und ihr wirklich schöner Busen, von der Weste nur halb verdeckt, machten die Heilung wirklich angenehm.

"Du weißt, alles was ich für dich tue, tue ich aufgrund meiner großen Liebe zu dir, Mamo-chan."

"Und ich bin dankbar. Dankbar, das es dich gibt, und dankbar, dass du mich liebst, Ranko-sensei. So, wie ich dich liebe."

Sie lächelte mit zu Schlitzen verschlossenen Augen. "Danke. Das hört eine Frau doch immer wieder gerne. Aber versteif dich nicht darauf, sonst kommst du noch auf den dummen Gedanken, etwas mit mir alter Frau anzufangen, und das würde ja so gar nicht passen."

"Sensei, du bist doch keine alte Frau. Im Gegenteil, seit ich dich kenne, bist du nicht einen Tag gealtert", erwiderte ich.

Ihr Lächeln wich einem überraschten Gesichtsausdruck. Der widerum wich einer wehmütigen Miene. "Auch das hört eine Frau immer gerne", erwiderte sie keck. Sie schlug mir auf die Wunde, was mir wie zu erwarten gewesen war keine Schmerzen bereitete. "So, die erste Sitzung ist beendet. Deine Wundheilung wurde einhundertmal beschleunigt. Aber heute Abend müssen wir noch daran arbeiten, um ein paar hundert Muskelfasern zu kitten."

"Darf ich aufstehen?", fragte ich hoffnungsvoll.

"Aufstehen, herum gehen. Und ich betone ausdrücklich gehen. GEHEN, Mamo-chan. Schrittgeschwindigkeit. So wie ein gemächlicher Fußgänger. Wehe, ich sehe dich Step benutzen."

"Du brauchst das nicht so zu betonen, Sensei. Ich habe das schon beim ersten Mal kapiert."

Ranko-sensei sah amüsiert zu Ryu herüber, der auflachte. "Und akzeptiert hat er es eventuell bei "Fußgänger", würde ich sagen."

Nun lachten beide, ganz klar auf meine Kosten. Ich ließ es über mich ergehen, denn vermutlich hatten sie Recht.

"Ranko-sensei? Wie geht es Ryoga?" Damit war die Frage heraus, vor der ich mich gedrückt hatte, so lange ich gekonnt hatte.

"Hibiki-tono geht es gut. Als er zurückgeschickt wurde, konnten wir zuerst mit seinem Zustand nichts anfangen. Dann fand ich bei einer ersten Untersuchung die Schnitte in seinem Innern, ohne äußere Verletzungen erkennen zu können. Kabutos Spezialität, wenn ich mich nicht irre. Ich konnte ihm erstmal das Leben retten, und habe ihn dann Akari und Nabiki anvertraut."

Ich stöhnte entsetzt auf. "Akari war eine gute Idee. Sie ist sehr fürsorglich und aufopfernd. Aber Nabiki ist sicher schon dabei und schreibt ihm eine Rechnung für all die Sonderleistungen, die sie erbracht hat."

Ranko-sama lachte auf. "Später vielleicht. Als du mich beschworen hast, war sie jedenfalls noch viel zu hektisch, weil sie sich solche Sorgen um Ryoga gemacht hat. Die Wunden sind sehr schwer und sehr gefährlich. Kabuto weiß, was er tut und wie er es tun muss."

Ich nickte. Genau deshalb hatte ich ihn auch mit viel Respekt behandelt. Sehr viel Respekt. "Gut zu wissen, das er es schaffen wird."

"Wenn irgendjemand seine eigene Dummheit überleben kann, dann sind das Mamoru Morikubo, und Ryoga Hibiki", sagte Sensei schmunzelnd.

Darauf konnte ich nichts erwidern. Sie hatte ja Recht.
 

"Morikubo-tono?"

Ich sah auf. "Jaro-tono", begrüßte ich den Kiri-Nin, den meine Affen aus dem Gefängnis befreit hatten. Der hochgewachsene Genin war ebenso wie Ryu in einem Gasthaus "geerntet" worden, indem man ihm Schlaftropfen in seinen Sake getan hatte. Anschließend war er hier wieder aufgewacht und hatte als Versuchskaninchen dienen müssen. Einer seiner Kameraden hatte sein Ende in den Labors gefunden, und er wäre für den heutigen Tag für eine Versuchsreihe vorgesehen gewesen. Wir hatten die Reste seines Kameraden gefunden - eine große, unförmige Masse Fleisch. Die Forscher hatten die Zellalterung stoppen wollen. Stattdessen hatten sie die Zellen zu ungezügelter Teilung angeregt. Ich konnte nur hoffen, das der Ninja schnell gestorben war.

"Morikubo-tono, ich bringe Nachricht aus der Stadt. Die örtlichen Behörden sind eingetroffen. Hast du schon mal gesehen, wie eine ganze Stadt verhaftet wird? Es ist ein interessanter Anblick."

Für einen Moment war ich erstaunt. Dann aber erkannte ich, das meine Botschaft an den nächsten Militärstützpunkt dem Verantwortlichen keine andere Wahl gelassen haben konnte, wenn er seinen Job ernst nahm.

"Gut, ich werde mit ihrem Anführer sprechen, sobald er das Labor inspizieren will." Ich sah kurz zu Boden. "Um deinen Kameraden tut es mir leid."

"Ja, mir auch. Aber... Nun, ich könnte jetzt auch tot sein, wenn du nicht gewesen wärst, Morikubo-tono. Ein Tag später, und..." Er schluckte trocken. "Ich verdanke dir und deinen Affenkriegern mein Leben."

"Wenn das so ist, kannst du den Mizukage vielleicht dazu überreden, einen entsprechenden Bericht an den Hokage zu schicken, der mein doch eigenmächtiges Handeln vergessen lässt und den Erfolg in den Vordergrund stellt, wenn es Recht ist."

Jaro grinste breit. "Ich glaube nicht, das ich Mei-chan... Ich meine, Terumi-sama, also ich glaube, ich werde sie dazu gar nicht groß anzustiften brauchen. Wenn es irgend etwas gibt, womit sie dir helfen kann, wird sie es von sich aus tun. Sie spricht nur lobend von dir, Morikubo-tono. Und wie ich in dieser Nacht gesehen habe, hat sie Recht damit."

Ich sah ihn erstaunt an. "Terumi-chan erinnert sich an mich? Also, das ist ein großes Kompliment."

"An dich erinnern ist ein wenig untertrieben. Sie sagt stets, sie hat den Yondaime Mizukage nur abgesetzt, weil du sie angestiftet hast. Seither hat sich vieles in Kirigakure verändert." Er kratzte sich verlegen am Haaransatz. "Und sie ist noch stärker geworden."

"Das war zu erwarten gewesen", erwiderte ich trocken. "Sie war zwar schon Jounin, aber ihr Potential ist noch lange nicht erschöpft. Nutzt sie immer noch dieses Gekkai Kenkai mit der Lava?"

Jaro lächelte verschmitzt. "Konohas Geheimdienstmühlen mahlen wohl langsam. Sie hat ein zweites entwickelt. Wohl ein Erbe ihres Urgroßvater mütterlicherseits, der vor neunzig Jahren in die Familienlinie eingeheiratet hat."

Konsterniert sah ich ihn an. Es war eine Sache, ein Kekkai Genkai in der Familie, also im Erbgut zu haben. Es heraus zu arbeiten war bei vielen nicht leicht; ich selbst hatte nie mein Nara-Erbe, die Schattenkunst, erlernen können. Ich hatte einfach kein Talent dafür, obwohl es vielen Nara leicht von der Hand zu gehen schien. Aber ein zweites aus dem Erbgut heraus zu kristallisieren und zu nutzen, wow, das war eine Hausnummer. Das machte Mei-chan wahrscheinlich zu einer der stärksten Ninjas auf dieser Welt.

"Keine Details, bitte. Ich werde sonst noch neidisch. Also abgemacht, du bequatschst Terumi-chan, damit sie einen positiven Bericht schreibt, der mich nach meiner recht eigenmächtigen Aktion hier am Stützpunkt gut aussehen lässt."

Jaro schmunzelte mich an. "Sieh es als bereits erledigt an, Morikubo-tono."

Dankbar lächelte ich. "Wann brecht Ihr auf?"

"Sobald die Situation hier klar unter Kontrolle ist und wir nicht mehr gebraucht werden. Die anderen werden dann ebenfalls aufbrechen. Viele von uns sind schon Monate verschwunden. Wir müssen uns dringend in unseren Dörfern zurückmelden."

"Die Pflicht eines Shinobi geht immer vor", dozierte ich.

"Das hast du gut gesagt, Mamo-chan", sagte Ranko-sama.

"Ein alter Ausspruch meines Senseis." Meine Miene verdüsterte sich leicht. "Hayate-senseis."

Aber mit einem Lächeln sah ich wieder zu Jaro herüber. "Ich denke, so können wir es machen. Kabuto hat sich zwar sieben Kameraden zugelegt, aber ich habe meine Affenkrieger und Ryu. Wenn er also nicht allzu sehr im Weg herumsteht..."

"Heyyyy", protestierte der Chunin lautstark.

Ich grinste ihn frech an. "...dann ist auch Kabuto zu packen. Außerdem ergibt sich vielleicht eine Möglichkeit, an Verstärkungen zu kommen. Bisher flieht er in eine gefällige Richtung, nämlich nach Osten, in Richtung Land des Feuers."

Jaro lachte. "Ich sehe schon, ich brauche mir keine Sorgen um dich zu machen. Allerdings habe ich das auch nicht erwartet." Er bot mir die Hand, um mich auf meine eigenen Füße zu ziehen. "Danke nochmal für die Lebensrettung, Mamo-chan."

"Jederzeit wieder. Solange wir keine Gegner sind", erwiderte ich.

"Davor möge das Schicksal mich behüten", lachte er und schüttelte meine Hand.
 

Als er ging, konnten wir beide nicht wissen, dass wir uns nicht mehr als Gegner sehen würden, aber wohl als... Doch das führt zu weit.

Auch die anderen Ninjas, die wir befreit hatten, würden sich verabschieden. Sie wussten, wem sie ihre Leben verdankten, und ich sah es als selbstverständlich an. Ich selbst hätte mich auf jeden Fall so verhalten, hätte Dankbarkeit gezeigt. Natürlich fühlte ich mich schon im Stich gelassen, da keiner von ihnen unsere Hatz begleiten würde. Aber ihre Argumente waren richtig und wohl durchdacht. Ich konnte nichts dagegen sagen. Gar nichts. Außer, ich missgönnte ihnen ihre Rettung, die es ihnen ermöglichte, ihre Pflicht wieder aufzunehmen.

Aber noch waren sie nicht fort, noch halfen sie aus bei der Befreiung der anderen Gefangenen, bei der Rettung der Versuchspersonen aus den Labors, und bei der Bewachung der Gefangenen, von denen wir einige gemacht hatten.

"Ach ja, bevor ich es vergesse", sagte Ranko-sama, schlang ihre langen, grazilen Arme um mich und drückte mich an sich. "Herzlichen Glückwunsch zu deinem siebzehnten Geburtstag, Mamoru Morikubo."

"Danke", sagte ich automatisch, aber es dauerte einige Zeit, bis die Information auch wirklich meinen Verstand erreichte. Richtig, ich hatte Geburtstag. Daran hatte ich nicht mehr gedacht seit... Teufel, ich hatte mich das letzte Mal vor den Kämpfen um Konoha selbst an meinen Geburtstag erinnert, als ich vierzehn geworden war. An meinen fünfzehnten und meinen sechzehnten hatten mich andere erinnert, und ich hatte beim Beginn der Mission überhaupt nicht daran gedacht, das ich durch meine Mission in Suna an meinem Geburtstag gar nicht Zuhause sein konnte. Auch meine Eltern hatten nichts gesagt, aber für sie ging die Pflicht ohnehin vor. Bestimmt planten sie aber schon eine Überraschungsparty für den Tag meiner Rückkehr. Und nun hatte mich doch jemand daran erinnert. "Danke", wiederholte ich, aber diesmal begreifend, was die Worte bedeutet hatten. Ich umarmte meinen Sensei im Gegenzug. Und sie fühlte sich gut an. Ein wenig peinlich war es mir aber schon, denn so umarmte sie mich, seit ich sie mit zwölf das erste Mal kennen gelernt hatte. Ich hatte ihr auf Anhieb gefallen, und ihr scherzhaft vorgetragener Vorschlag, ob ich nicht Kontraktträger der Affen werden könnte, hatte sowohl bei Hayate-sensei als auch bei Hiruzen-sama zuerst Heiterkeit, dann aber Zustimmung ausgelöst.

"Und weil du jetzt fast ein großer Junge bist, kriegst du auch ein Geschenk für einen großen Jungen", sagte sie lächelnd, und küsste mich auf den Mund. Bei der Berührung durchfuhr mich ein kleiner Stromschlag. Ich hatte nicht gewusst, dass man Chakra auch in einen Kuss einfügen konnte.

"Danke", wiederholte ich, vollkommen verblüfft.

Ranko-sensei ließ mich fahren, offenbar sehr gut gelaunt. Aber irgendwie auch ein wenig peinlich berührt.

Okay, ich war jetzt also siebzehn. Damit kam ich der Sex-Sache unaufhaltsam näher. Und auch dem Moment der Entscheidung, welche Frau ich an meine Seite nehmen würde. Eine aus dem Mamo-Pakt, oder doch jemand ganz anderen. Nebenbei bemerkt wusste ich noch immer die Identität von zwei Frauen aus diesem Pakt überhaupt nicht. Elektrisiert sah ich auf. War etwa eventuell ausgerechnet Ranko-sama...? Nein, das konnte nicht sein. Nicht eine klasse Frau wie sie. Und dann ein Bengel wie ich. Unmöglich. Aber was, wenn... Was, wenn doch?

Ich seufzte leise. Dann würde ich mich aber noch mehr ins Zeug legen müssen, um für ihr Interesse überhaupt würdig zu sein.
 

"Da kommen Akane und Hikari", sagte Kaminari. "Und sie bringen diese Rotzgöre mit. Hätten sie sie mal bei Kabuto gelassen."

"Er hat also Wort gehalten", sagte ich zufrieden.

"Du hast daran gezweifelt?", fragte Ryu verblüfft.

"Nein, nicht wirklich. Aber dass er sein Wort wirklich gehalten hat, sagt einiges über ihn aus. Es ist eine Schwäche, die wir ausnutzen können."

"Von dem Standpunkt hatte ich es noch gar nicht gesehen", sagte Kaminari.

Die beiden Affen kamen schnell näher. Schließlich landeten sie direkt vor Kaminari, Ranko-sama und mir.

Gosunkugi bückte sich, damit Anne von seinem Rücken steigen konnte.

"Probleme?", fragte ich.

"Nein, keine Probleme. Und er hat uns nicht entdeckt, aber aus unserer Deckung geblufft", sagte Akane mit Frustration in der Stimme.

Ich deutete auf Anne, die verlegen zu Boden sah. "Hat sie ihren Arschvoll bekommen?"

Die beiden Affenkrieger sahen sich an. "Äh...", begann Hikari gedehnt, "das ist Auslegungssache."

"Also nicht", schoss ich ins Blaue.

"Er hat mich kräftig geohrfeigt", sagte Anne, den Blick noch immer starr zu Boden gerichtet.

"Und du hattest es verdient", sagte Akane ohne Mitleid in der Stimme.

Trotzig sah die Getsu-Nin auf. "Aber..."

"Keine Widerrede", sagte Akane mit strenger Miene.

Sie brummelte etwas leise vor sich hin, und sah wieder zu Boden. "Es tut mir leid, das ich dich enttäuscht habe, Mamoru-sama. Und es tut mir leid, dass ich nicht wie abgesprochen bestraft wurde. Immerhin habe ich wirklich Selbstmord begehen wollen."

"Entschuldigt uns kurz", sagte ich kurz angebunden, legte einen Arm um Annes Schultern und ging mit ihr ein paar Dutzend Meter. "Pakkun, lauschen ist eine schlechte Angewohnheit", tadelte ich einen Busch, der neben uns wuchs.

Der Ninja-Hund kroch unter den Zweigen hervor und blinzelte missbilligend. "Ich habe nur den gleichen Weg gehabt, Mamo-chan."

"Wie dem auch sei, zurück zu Ranko-sama."

Brummige Worte murmelnd ging Pakkun zu den Affen herüber.

"Also, Anne-chan, wir beide müssen mal reden."

"Willst du mich jetzt selbst bestrafen?" Sie seufzte. "Ich verstehe das, schon gut. Wie willst du es machen? Nimmst du einen Gürtel?"

"Ich glaube, du verstehst hier etwas falsch", sagte ich mit drohender Stimme, die sie zusammenzucken ließ.

"Mamoru-sama..."

"Um es kurz zu machen, erlasse ich dir deine Strafe. Wir werden schnell reisen müssen, und da kann ich einen lädierten Ninja nicht gebrauchen. Nicht noch einen, meine ich", sagte ich, und deutete auf mein verletztes Bein.

"Ja, verstehe. Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben, oder?"

"Lass es mich so sagen. Wenn du die Klappe hältst und Uzuki-sensei nicht verrätst, das ich dir auch mit Selbstmord gedroht habe, wenn du dich umbringst, dann haben wir einen Deal."

"Ach ja, da war ja was. Auf dem Sportplatz, beim Kampf gegen Baki. Den hast du ja so richtig schön vermöbelt, und..." Sie sah mich erstaunt an. "Stimmt. Du hast ihr versprochen, nie wieder mit Selbstmord zu drohen. Wenn sie das erfährt, uiuiui."

"Anne-chan..."

Abwehrend hob sie beide Arme. "Ich könnte nie etwas tun, was dich gefährdet, Mamoru-sama. Jedenfalls nicht freiwillig."

"Dann haben wir einen Deal?"

"Sicher."

Erleichtert atmete ich auf. Das war einfacher gewesen als ich gedacht hatte.

"Und er hat dich geohrfeigt?"

"Ja, und das tut ganz schön weh. Kabuto, du blöder Kerl. Er sagte, das ich die für meine Arroganz verdient hätte. Ich... Mamoru-sama, lachst du mich gerade aus?"

Ich konnte nicht anders, ich musste lachen. Laut und kräftig. Ja, das war sehr passend formuliert gewesen. Bei unserem nächsten Treffen musste ich Kabuto unbedingt einen ausgeben, bevor wir versuchten, uns gegenseitig zu töten. "Ein klein wenig. Also, denk mal drüber nach, ob Kabuto nicht eventuell Recht haben könnte."

"Mamo-chan, hör auf zu quatschen!", rief Kaminari zu uns herüber. "Kankurou-sama ist zurück aus der Stadt!"

"Wir kommen!", rief ich, und wandte mich wieder den Freunden zu. Dabei nahm ich den Arm von Annes Schulter. Merkwürdig, war die nicht immer schmaler gewesen? Und hielt sie sich jetzt nicht viel aufrechter? Strahlte ihr Gesicht nicht geradezu vor Leben? Ach nein, das war der rote Fleck von Kabutos Schlag. Aber sie sah doch selbstbewusster aus als noch Tage zuvor. Ein gutes Ergebnis unserer bisherigen Reise.
 

Kankurou traf mit einem Trupp berittener Soldaten kurz vor mir am Eingang an. Wenn ich daran dachte, das er ganz alleine die Hauptstraße der Stadt auf beiden Seiten gesperrt hatte, um die Flucht derjenigen zu verhindern, die mit Orochimaru paktiert hatten, wurde mir wieder einmal klar, welcher Unterschied zwischen mir kleinem Chunin und einem echten Jounin lag.

"Ah, Mamo-chan. Du kannst ja wieder gehen." Er lächelte grimmig, und dabei wirkte er für die durchkämpfte Nacht, die hinter uns lag, auch noch viel zu frisch. Das Leben war manchmal ungerecht. Oder es lag an seiner Gesichtsbemalung, die er anscheinend vor kurzem frisch hatte auftragen können.

"Ich darf langsam gehen. Mehr erlaubt mir mein Arzt nicht", erwiderte ich.

"Und das vollkommen zu Recht", mahnte mich Ranko-sensei.

"Ja, das kommt noch hinzu. Die Lage in der Stadt ist unter unserer Kontrolle?"

"Unter meiner Kontrolle", sagte der Anführer der Reiterei, und stieg ab. "Ich bin Tai-sa Torani von der achten Brigade der Landesverteidigung. Ich bin mit eintausend meiner Männer aufgebrochen, als ich Ihre Nachricht bekommen habe, Morikubo-tono. Wir wussten schon länger, das hier Ungebührliches passierte. Die vielen Berichte über Menschen, die spurlos verschwanden, hatten uns bereits Investigationen vornehmen lassen. Leider verschwanden die Inspekteure meistens auch, so wie die Mehrzahl der Spione. Ihr Bericht hat dann alle Puzzleteile zusammen gefügt. Wir haben erst einmal die ganze Stadt verhaftet, und werden dann die Spreu vom Weizen trennen." Der große, im Dienst ergraute Soldat deutete auf die Gruppe unserer Gefangenen. "Ich nehme an, bei denen kann ich davon ausgehen, das sie definitiv schuldig sind?"

"Es liegt nahe", sagte ich. "Jedenfalls hatten sie Zugang zu Orochimarus Stützpunkt und waren Teil seiner Experimente. Auf der Täter-Seite."

"Wir werden auch über sie richten und ihnen ihre gerechte Strafe zukommen lassen", versprach der Tai-sa. "Will ich wissen, welcher Art die Experimente waren?"

"Wollen, nein. Müssen, ja", erwiderte ich. "Ich hoffe, Sie haben einen starken Magen."

"Ich wusste, dass ich das hier nicht mögen würde. Trupp, die Gefangenen übernehmen!", rief er seinen Leuten zu, die prompt und entschlossen reagierten. Ein Teil stieg ab, ein Teil blieb auf den Pferden in der erhöhten Position. Derart aufgestellt übernahmen sie die Positionen der Shinobi. Dann führten sie ihre Gefangenen in Richtung Stadt ab.
 

Die nun freigestellten Shinobi kamen zu einer letzten Verabschiedung zu uns. Erneut wurden viele Hände geschüttelt, und ich rang jedem einzelnen Dorf das Versprechen eines Schreibens an meine Hokage ab, um meinen Hals weiter aus der Schlinge zu ziehen. Anschließend wollten die Shinobi zurückkehren.

Doch Takemi-tono, einer der Ninjas aus Iwagakure, nahm mich kurz beiseite. "Ich glaube, wir haben noch nicht alle Ratten ausgeräuchert. Wir kennen die Struktur eines solchen Verstecks noch nicht gut genug, und jedes kann anders sein. Ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube, es gibt Fluchträume für den Fall einer Eroberung, die auch Chakra abschirmen. Jedenfalls habe ich eine Präsenz in der Luft gespürt, einen Geruch, der nicht hatte da sein sollen, als ich die Labors kontrolliert habe... Es ist einen Versuch wert, denke ich."

Ich musterte die Gefangenen, die gerade abgeführt wurden, und tatsächlich vermisste ich ein paar Gesichter, die ich kannte. Das wiederum ließ mich grinsen. "Danke für den Hinweis, Takemi-tono. Ich kümmere mich darum."

"Gut. Leider kann ich nicht länger bleiben. Aber vielleicht führt uns das Schicksal noch einmal zusammen. Vielleicht unter günstigeren Bedingungen."

Ich nickte zustimmend. "Die Zeit wird es zeigen."

Wir gaben einander die Hand, dann trat er zu seinen Landsleuten, und nach und nach verschwanden die Ninjas der verschiedenen Dörfer mit Step.
 

"Was hat er gesagt?", wollte Kaminari wissen.

"Das wir noch nicht alle erwischt haben. Die Schlausten, vermutlich." Ich lächelte sardonisch. "Aber ich weiß, wie wir sie kriegen können."

"Immer, wenn du so lächelst, weiß ich nicht, ob ich grinsen oder mich fürchten soll", murrte Kaminari.

"Du hast nicht von mir zu befürchten", erwiderte ich stirnrunzelnd.

"Ja, behauptest du", erwiderte er säuerlich.

"Ich für meinen Teil wäre Ihnen sehr verbunden, Morikubo-tono, wenn Sie den Stützpunkt komplett säubern würden. Es würde meine Aufgabe erheblich erleichtern", sagte der Tai-sa.

"Genau das war mein Plan. Pakkun, ich brauche deine guten Augen."

"Planst du das, was ich denke, das du planst?"

"Eventuell ja."

"Oh, gut. Das bedeutet dann nämlich, das du auch mal vernünftige, rationale Entscheidungen treffen kannst, Herr Chunin."

Bei diesem Tadel verdrehte ich die Augen. "Alle meine Entscheidungen sind vernünftig und rational."

"Behauptest du", konterte der braune Hund. Damit hatte er die Lacher auf seiner Seite. Mist.

***

"Tsunade-sama?"

"Tritt ein, Shizune." Vor der Hokage hatte sich ein beachtlicher Stapel Akten diverser Verwaltungsangelegenheiten angehäuft, den sie kontinuierlich abarbeitete. Aber irgend ein böses, heimtückisches Wesen schien zu verhindern, dass der Stapel weniger wurde. Misstrauisch beäugte Tsunade deshalb ihre Assistentin. Doch statt dem erwarteten Stapel Akten brachte sie nur eine einzige. Das ließ sie innerlich aufatmen.

"Tsunade-sama, ich sollte sofort den Bericht unserer Mediziner über die Leichen aus dem Reich der Winde bringen."

"Ah, der Kontra-Zwischenfall." Sie hielt die Hände nach der Akte auf.

Shizune legte die Akte hinein und bückte sich dann nach Tonton, dem kleinen Haustier der Hokage. Das Schweinchen an sich gedrückt wartete sie, bis Tsunade mit der Lektüre der Akte fertig war.

"Also ein vollkommen anderes System als jenes, mit dem Orochimaru meinen Großonkel und meinen Großvater kurzfristig in ein Pseudoleben geholt hat, als er gegen Hiruzen-sama gekämpft hat."

"So sieht es aus. Als er den ersten und den zweiten Hokage für seinen Kampf missbraucht hat, war dies eine Beschwörung. Hier aber haben wir etwas völlig anderes vor uns. Zudem scheint es noch nicht perfekt zu sein, wenn ich das anmerken darf."

"Noch nicht perfekt? Es ist so schon gruslig genug. Wie tötet man also einen Toten?"

"Kakashi und seinen Leuten ist es augenscheinlich gelungen", erwiderte Shizune.

Nachdenklich legte Tsunade beide Hände zusammen, und hielt sie, auf die Ellenbögen gestützt, vor sein Gesicht. "Müssen wir also von der Möglichkeit ausgehen, dass der Schüler den Meister zu überflügeln versucht, oder hat Orochimaru eine neue Version seiner Beschwörung erfunden?"

"Wie dem auch sei, wir werden uns mit Sicherheit in naher Zukunft erneut mit diesem Jutsu auseinander setzen müssen. Es wäre ratsam, auch in Zukunft Exemplare von Kabutos Wiedererweckungskünsten untersuchen zu können, wenn es uns schon nicht gelingt, ihn auszuschalten."

"Apropos ausschalten. Hast du Neuigkeiten über unseren letzten Jounin, der an Kabutos Spur klebt?"

"Unser Chunin Mamoru Morikubo", sagte sie, und betonte den Rang nachdrücklich, "hat seinen letzten Brief aus einem Dorf im Reich der Steine abgeschickt, so ziemlich an der Grenze. Dort beschreibt er die grobe Fluchtrichtung Kabutos als Nordost. Die Nachricht ist zwei Tage alt. Er hat sie per Express verschicken lassen und als Nachnahme versendet." Mit einer gewissen Empörung räusperte sie sich. "Fünfhundert Ryou hat der Bote verlangt."

"Wenn unser Jounin auf seiner Spur bleibt, dann ist diese Nachricht fünftausend, was sage ich, fünfzigtausend Ryou wert, Shizune."

"Tsunade-sama, wir haben doch besprochen, das wir Mamo-chan nur als..."

"Himmel, siehst du ihn hier irgendwo? Hältst du mich für so alt und senil, dass ich mich ausgerechnet vor ihm derart verplappere?", erwiderte sie ärgerlich. "Wenn wir unter uns sind, sollten wir schon mal die Wahrheit aussprechen, oder? So viele hochklassige Ninjas vom Jounin-Kaliber nennt Konoha nun auch nicht sein eigen, da können wir dem einen oder anderen schon mal extra den Bauch pinseln, so wie Morikubo-tono. Wenn er denn unbedingt glauben will, nicht das Zeug zum Jounin zu haben, dann lassen wir ihn in diesem Glauben, solange es seiner Entwicklung gut tut. Aber deshalb müssen wir das nicht mit einem Schweigegelübde belegen."

"Natürlich, Tsunade-sama. Du hast ja Recht, Tsunade-sama", antwortete die getadelte Assistentin.

"Nein, du hast Recht, wenn du mich an meine eigene Entscheidung erinnerst", gab die Hokage zu. "Ich habe wohl einfach etwas überreagiert. Aber wenn ich daran denke, das ich für diesen verdammten Lausebengel so eine Scharade abhalten muss, bei der ich auch noch halb Konoha einbeziehe, dann platzt mir der Kragen! Wann wird der Junge endlich erwachsen?"

"Vielleicht nie", entfuhr es Shizune, was ihr einen entsetzten Blick ihrer Chefin einbrachte. "Nur ein Scherz!"

Tsunade atmete für den Moment auf. "Einen zweiten Jiraiya würde Konoha auch nicht aushalten, glaube ich. Es ist schlimm genug, das wir all diese Probleme mit dem jungen Uchiha und mit Naruto haben, vom Neunschwänzigen einmal vollkommen abgesehen."

"Denkst du denn, Mamo-chan könnte auf ein Niveau kommen, das einem Sannin entsprechen könnte, Tsunade-sama?"

"Ehrlich gesagt weiß ich das nicht. Aber ich bin mir sehr sicher, das er eines nicht allzu fernen Tages durchaus mit Asuma und Kakashi mithalten können wird. Wenn er das nicht schon längst tut. Teufel auch, er ist dafür geboren worden, um in den Jounin-Rängen mitzuspielen, und seine Teamgefährten, Hana-chan und Karin-chan, sehe ich auf einem guten Weg mindestens zum spezialisierten Jounin. Wir brauchen diese guten Leute, und zwar dringend. Der Angriff auf Konoha hat uns gezeigt, wie verwundbar wir sind. Ohne unsere Besten kommen wir nicht weiter. Wir... Aber genug davon. Spielen wir ihm so lange die Schmierenkomödie vom Chunin vor, bis er abgeklärt genug ist, um es zu akzeptieren. Der Bengel ist in mancher Beziehung unreifer als Naruto, und in anderer Beziehung erfahrener, als sein Alter vermuten lässt." Tsunade sah zu ihrer Assitentin herüber. "Sagt er etwas in seinem Brief über seine Begleiter?"

"Ja, Tsunade-sama. Der Suna-Ratsherr Kankurou ist immer noch bei ihm, ebenso die Genin aus Getsugakure, Anne. Außerdem begleiten ihn zwei Affenkrieger, Akane Tendo und Hikari Gosunkugi."

"Die beiden sind zu jung, als das ich sie kennen kann", sagte Tsunade nachdenklich. "Aber wenn die Affen den beiden erlauben, mit ihrem einzigen Kontraktträger mitzugehen, müssen sie sehr fähig sein."

"Mamo-chan bezeichnet sie als Taktiker und Scout."

"Tendo wird der Taktiker sein. Soun, ihr Vater, wird dieses Talent in der Familie weiter vererbt haben. Und Gosunkugi sagt mir gar nichts. Andererseits ist es eine gute Eigenschaft für einen Scout, nicht bemerkt zu werden." Sie nahm die Hände wieder ab, und legte sie auf den Schreibtisch. Nervös trommelte ihre Rechte einen Takt auf dem Holz. "Wie können wir ihn unterstützen?"

"Solange wir nicht wissen, wo er sich jetzt befindet, können wir nur auf gut Glück handeln, Tsunade-sama", gab Shizune zu bedenken. "Wäre er Naruto, bräuchten wir nur den Rauchwolken zu folgen. So aber dürfte es schwieriger werden. Mamo-chan hinterlässt weniger Schutthaufen als Naruto-kun. Er ist ein klein wenig eleganter." Sie lächelte. "Außer, sie haben sich ausgetauscht. Man sagt, sie sind gute Bekannte."

"Der Morikubo-Haushalt ist einer der wenigen Orte, an denen Naruto voll akzeptiert wird. Das ist traurig, vor allem wenn man bedenkt, was Naruto schon für Konoha geleistet hat und noch leisten wird", sagte Tsunade knurrig. "Hiruzen-sama hat die Zügel hier eindeutig schleifen lassen, und das auf Kosten von Narutos Gefühlen. Ich werde das mit ihm ausdiskutieren, sollte ich ihm noch einmal dank Orochimarus Wiedererweckungs-Jutsu begegnen."

"Die Götter mögen uns davor bewahren, gegen den Professor antreten zu müssen", sagte Shizune schaudernd.

"Oder gegen den Yondaime", fügte die Hokage hinzu. "Aber in einem Punkt hast du Unrecht. Auch Morikubo-kun hinterlässt deutliche Rauchwolken, wo er geht und steht. Erinnere dich an Otogakure, an die Burg Harusames, an die Chunin-Prüfung. Wo der Mann geht und steht, hinterlässt er Trümmer. Aber Verwüstungen anrichten erschöpft mit der Zeit... Hm, haben wir nicht einen ANBU mit Flugeigenschaften?"

"Du meinst Sai. Er erweckt seine Malereien mit seinem Jutsu zum Leben. Diese haben dann alle Fähigkeiten, die das gemalte Wesen haben sollte. So können seine Vögel tatsächlich fliegen und ihn transportieren."

"Na, dann soll er besser mal nicht in einen Regen geraten. Benachrichtige Sai. Er soll mit einem ANBU-Team an der Grenze zum Reich der Steine nach Feuer Ausschau halten und Morikubo finden. Findet er ihn, soll sein Team ihm volle Unterstützung gewähren."

"Uzuki-tonos Team käme in Frage. Sie sind gerade ohne ihre Anführerin und wurden in die Nachschulungsseminare transferiert."

"Das würde ein volles ANBU-Team bedeuten. Und wenn wir sie automatisch Morikubo unterstellen, kann es auch keinen Streit um den Posten als Anführer zwischen ihnen und Sai geben."

"Und wer hat das Sagen, bis sie Mamo-chan gefunden haben?"

Tsunade lächelte. "Natürlich der, der fliegen kann. Setz einen entsprechenden Befehl auf, Shizune. Ich habe so ein Gefühl, dass Kankurou-tono und Morikubo diese Unterstützung werden gebrauchen können. Nicht nur wir können Verstärkung schicken."

Nachdenklich tippte sich die Hokage gegen die Nase. "Bleibt noch eine wichtige Frage. Wie sind die toten Oto-Nin überhaupt ins Land geschmuggelt worden? Was sagt unsere Grenzwache dazu, was unsere Spione in den anderen Ländern?"

"Es liegen mir keine Nachrichten über größere Bewegungen vor, Tsunade-sama."

"Eventuell sind sie dann übers Meer gekommen", sagte sie nachdenklich. "Dann würde Kabuto bei seiner Flucht am ehesten den Südwesten unseres Landes tangieren. Instruiere Sai entsprechend, Shizune."

"Verstanden, Tsunade-sama. Ach, eines ist da noch." Die Assistentin schmunzelte. "Mamo-chan hat heute Geburtstag. Mit einem ANBU-Team als Unterstützung hast du ihm gerade unwissentlich ein Geburtstagsgeschenk gemacht."

"So, habe ich das?" Sie lachte auf. "Na, umso besser. Mal sehen, was er aus diesem Geschenk machen wird."

Die Hokage sah zufrieden zu ihrer Assistentin herüber. "Ich habe da noch eine Frage, Shizune. Seit wann nennst du Morikubo bei seinem Kosenamen Mamo-chan?"

Die junge Frau errötete und hob in abwehrender Geste beide Hände. "A-aus keinem besonderen Grund. Es machen einfach alle, und es passt so gut zu ihm."

Diese Antwort ließ die Hokage auflachen. "So? Sollte ich es dann auch damit versuchen? Mamo-chan, ja, das geht locker über die Zunge."

"Tsunade-sama!", rief Shizune entrüstet.

Die Godaime Hokage seufzte. "Ja, du hast Recht. Wenn ich ihn Mamo-chan nenne, wird er eventuell größenwahnsinnig. Dabei habe ich ihn mir gerade so schön erzogen." Erneut seufzte sie.

"Also los, bring Morikubo sein Geburtstagsgeschenk."

Shizune lächelte. "Bin schon auf dem Weg."

"Und lass Tonton hier."

Für einen Moment schien die Assistentin verwirrt. Dann starrte sie auf das Schweinchen in ihren Armen. "Ach so, ja." Behutsam setzte sie es ab. "Bleib brav, Tonton. Ich bin auf dem Weg, Tsunade-sama."
 

Als sich die Tür hinter der Assistentin geschlossen hatte, erhob sich Tsunade und blickte auf Konoha hinab. "Ich will wirklich hoffen, dass du dich dem ganzen Aufwand, den wir wegen dir betreiben, als würdig erweisen wirst, Mamo-chan. Ich habe große Erwartungen in deine Arbeit als Jounin. Nicht unbedingt weniger als Kakashi oder Asuma. Oder dein eigener Onkel."

Kabuto zu erwischen war eine riesige Chance für Konoha. Die Chancen standen gering, Orochimaru wirklich zu schaden, aber der Versuch alleine war einen riesigen Aufwand wert. Vielleicht sollte sie zwei ANBU-Teams ausschicken... Nein, das wäre Morikubos Ego nicht gut bekommen. Sie seufzte, wandte sich ab und setzte sich wieder. Ihre Arbeit wurde nicht weniger. Sie wurde nie weniger. Und hatte nicht jemand heimlich den unerledigten Aktenstapel wieder erhöht?

Sie seufzte erneut und ergab sich in ihr Schicksal.

***

"Hör auf, dich zu verstellen, Ryoga. Ich weiß, dass du seit zwei Minuten wieder wach bist", tadelte Ranma Saotome den Kampfgefährten.

Zögerlich öffnete Ryoga Hibiki die Augen. "Ich habe nicht damit gerechnet, zu überleben."

"Du hattest sehr viel Glück. Mehr Glück, als du verdient hast, nachdem du Kabuto Yakushi frontal angegriffen hast", sagte Ranma in tadelndem Tonfall.

"Ich weiß ja, ich weiß. Ich habe nur die günstige Gelegenheit gesehen, und... Sag mal, schläft da Akari auf meinen Beinen?"

"Ja. Sie hat dich bis zur eigenen Erschöpfung betreut und sich dabei vollkommen verausgabt. Nabiki liegt im Nebenraum und schläft ebenfalls. Aber nur, weil ich sie fast mit Gewalt da rein gesteckt habe. Da du übern Berg bist, reiche ich vollkommen aus, um deine Genesung zu überwachen."

Ryoga hob eine Hand an die Stirn. "Danke, Alter. Ich werde mich auch bei den Mädchen angemessen bedanken, sobald sie wieder aufgewacht sind." Er sah zu Ranma herüber. "Ich habe Mist gebaut, richtig?"

Ranmas Wangenmuskeln arbeiteten. Er griff zu Boden und hob einen Schirm auf. "Hier, den soll ich dir geben. Dein Reserveschirm. Dein Vater bestand darauf, das du ihn noch am Krankenbett bekommst."

"Und du hast ihn tatsächlich mitgebracht. Ich danke dir." Ryoga griff nach dem Schirm und stellte ihn neben sich ans Bett. Nur mit der stahlverstärkten Waffe fühlte er sich vollständig. "Wie schlimm ist es für mich?"

"Oh, lass mich nachdenken. Das war dein zweiter Patzer, aber diesmal hast du nur dich selbst gefährdet. Wenn ich daran denke, dass du letztes Mal bei den Kämpfen in Harusames Burg erst dein Leben und dann das von Kasumi-chan und auch das von Mamo-chan gefährdet hast, dann..."

"Ja, schon gut", stieß Ryoga hervor. "Sag mir geradeheraus, was mich erwartet!"

"Lass mich das übernehmen", bat Dr. Tofu, während er eintrat.

"Ono, ich weiß nicht, was..."

"Mein Vater kam zurück und hat über den weiteren Verlauf der Kämpfe berichtet. Demnach haben sie mit den Gefangenen, die du befreit hast, den kompletten Stützpunkt erobern können. Dabei hättest du eine wertvolle Hilfe sein können, Ryoga."

"Ich weiß ja, ich weiß. Und ich habe Strafe verdient", gab er kleinlaut zu. "Chakra-Skalpelle, die im Innern des Körpers eingesetzt werden, wer rechnet denn mit sowas?"

"Jeder, der aufmerksam zuhört, wenn der König spricht", erwiderte Ono mit kräftigem Tadel in der Stimme. "Andererseits hätten wir dich bei deiner schlechten Orientierung garantiert nach den Kämpfen in den Tiefen des Verstecks suchen müssen."

"Eventuell", gab Ryoga zu. "Wie schlimm ist es also?"

"Ziemlich schlimm. Dir wird das Privileg entzogen, dich beschwören zu lassen."

Äußerlich blieb Ryoga ruhig. Nur seine zuckenden Augenbrauen verrieten, was in ihm vor sich ging. "Nicht mal, damit ich mich bei Mamo-chan entschuldigen kann? Für wie lange?"

Dr. Tofus Miene wurde noch härter. "Auf unbegrenzte Zeit."

Ryogas stoische Miene zerbrach. Er fasste sich an die Stirn, und eine einzelne Träne lief seine linke Wange herab. "Das ist eine gerechte Entscheidung", sagte er mit stockender Stimme.

"Du wirst neu trainiert werden. Mein Vater wird deine Neu-Ausbildung persönlich leiten. Und wenn er meint, dass er alle deine dummen Fehler aus dir raus gekriegt hat, dann vielleicht, und auch wirklich nur vielleicht, wird dir wieder erlaubt werden, dich beschwören zu lassen. Es liegt also an dir, ob du..."

"Onoooooo!", rief Ryoga vollkommen aufgelöst, und umarmte den Sohn des Königs erleichtert. Beinahe hätte er angefangen, den Älteren abzuküssen vor lauter Erleichterung über die zweite Chance.

"Na, na, na", sagte Dr. Tofu überrascht und seltsam zufrieden. "Aber versprich dir nicht zuviel. Wir diskutieren einen neuen Kontraktnehmer, und es kann sein, dass du für eine sehr lange Zeit ihm zugewiesen wirst."

"Anne-chan?", argwöhnte er.

"Anne-chan", bestätigte Dr. Tofu.

"Anne-chan", sagte nun auch Ranma.

Nun begann der gestandene Affenkrieger erst Recht Rotz und Wasser zu heulen. "So viel Gnade habe ich gar nicht verdient."
 

"Ja, was zum... Was ist denn hier los?", rief Akari entrüstet, nachdem Ryogas Stimme sie aus ihrem Erschöpfungsschlaf gerissen hatte. Ihr Blick ging von einem zum anderen und blieb bei Ryoga hängen, dem Tränen die Wangen und Rotz die Nase herab liefen. Für einen Moment wirkte sie, als wolle sie einen Mord begehen. Besser gleich zwei. "Ihr beiden", sagte sie mit einer Stimme, die so schneidend war, als könne sie allein Stahl zerteilen, "raus, aber sofort!"

"Aber wir haben gar nichts gemacht!", rief Ranma zur Verteidigung.

"Ihr beide habt Ryoga-kun zum weinen gebracht!", rief sie ärgerlich. "Raus mit euch zwei, bevor ich grob werde!"

"Rückzug ist hier die bessere Taktik", sagte Dr. Tofu. Er klopfte Ranma auf die Schulter. "Komm, mein Großer."

"Vielleicht hast du Recht. Wir kommen später noch einmal wieder, Ryoga."

Sein Abschiedsgruß ging vollkommen unter, denn Dr. Tofu hatte den Krieger und sich selbst bereits durch die Tür bugsiert.
 

Akaris Wut verrauchte sofort. "Ryoga-kun!" Sofort rückte sie zu ihm auf, zog ein Tuch aus ihrer Kitteltasche und begann sein Gesicht zu reinigen. "Diese hinterhältigen... Diese idiotischen... Diese fiesen... Was haben sie dir angetan, Ryoga-kun?"

"Sie haben mir gesagt, das ich eine zweite Chance kriege..."

"Tatsächlich?" Ihre Augen begannen zu strahlen. Sie umarmte Ryoga aus Leibeskräften. "Das freut mich so für dich, Ryoga-kun." Leise begann sie vor lauter Erleichterung selbst zu weinen. "Ich bin so glücklich."

Ryoga, etwas perplex und überfordert, schloss seinerseits die Arme um die junge Affenkriegerin. Das fühlte sich unerwartet gut an. Ebenso wie ihre Sorge sich unerwartet gut anfühlte. Und ihre Stimme klang so angenehm in seinen Ohren. Bisher hatte er nur Augen für Akane gehabt, wenn er ehrlich zu sich selbst war. Aber hier, in diesem Moment, erwachte da etwas in seinem Magen. Ein Brennen, ein Kitzeln. Ein Gefühl für Akari. Ein gutes, aufschäumendes Gefühl. "Danke, dass du für mich da warst, Akari-chan", flüsterte er.

"Das war doch selbstverständlich", erwiderte sie.

Ryoga hielt sie einen Arm weit von sich ab. "Nein, das war es nicht. Das, was du geleistet hat, geht weit darüber hinaus." Sanft küsste er sie einmal kurz auf die Lippen.

Die junge Kriegerin sah ihn erstaunt an, fragend, schien den Moment für einen Traum zu halten. Doch dann lächelte sie. "Noch einen", sagte sie.

"Zu Befehl."

***

Eigentlich war im Versteck einiges los. Nach den Shinobi wimmelten nun an jeder Ecke die Soldaten, und durchsuchten die weitläufige Anlage Orochimarus.

Inmitten des Gewimmels versuchte eine einzelne Gestalt, ein großer, bulliger Kerl, zu einem der Nebeneingänge zu kommen, die hoffentlich noch nicht entdeckt oder nicht bewacht waren: Umato.

Dabei schleppte sich der offensichtlich verletzte Bursche mühsam voran und stützte sich des öfteren an einer Mauer ab, und murmelte in seiner Erschöpfung Namen vor sich hin.

So sah zumindest mein Plan aus. Dank Pakkuns gutem Gedächtnis hatte ich meine Umato-Verkleidung so gut es nur ging wieder hergestellt, inklusive eines gebrochenen Knöchels und eines aufgeschlitzten Arms. Die Soldaten waren natürlich eingeweiht, und hatten den klaren Befehl, mich nicht zu finden, mir aber immer wieder nahe zu kommen. Einige der Gewitzteren liefen vor mir durch den Bereich, in dem der Iwa-Nin das Versteck vermutet hatte, und murmelten Dinge von "wandernden Schatten" oder "da war doch jemand, oder?". All das sollte helfen, sollte Druck aufbauen. Nicht für mich, sondern für meine neuen besten Freunde.

Als ich mich wieder einmal gegen eine Wand lehnte, und wie im Fieberwahn murmelte: "Kabuto-sama, wo bist du?", öffnete sich vor mir die fugenlose Wand und gab einen breiten Raum frei. Nicht schlecht, uch hatte die Geheimtür nicht erkannt. Und erst jetzt, als sie offen stand, konnte ich die drei Personen erspüren, die sich im Raum befanden. Einer von ihnen, Toko, das kleine Frettchen, winkte mir mit mürrischer Miene, näher zu kommen.

Ich stieß mich mit einem Laut der Erleichterung von der Wand ab und taumelte ihm entgegen. Um der Show die Krone aufzusetzen, ließ ich mich in seine Arme fallen. Toko wich mir mit angewiderter Miene aus und ließ mich zu Boden fallen. Ruppig schob er meine Beine soweit in den Raum, damit die Geheimtür sich schloss.

Ich blieb am Boden liegen, und japste nach Luft, stöhnte vor Schmerz. Niemand half mir auf.

"Umato-tono, kannst du mich hören?", klang Gimas Stimme auf. "Du bist vorerst in Sicherheit."

"Kabuto-sama", haspelte ich hervor. "Wo ist Kabuto-sama?"

"Hat einen Deal mit dem verrückten Konoha-Shinobi gemacht, der den Laden hier ausgehoben hat", murrte Toko, und trat mir, als er an mir vorbei ging, auf das gesunde Bein. "Freier Abzug für ihn und eine Handvoll seiner Shinobi. An uns hat er nicht einmal gedacht." Er grinste hämisch. "An dich anscheinend auch nicht."

"Das tut jetzt nichts zur Sache", sagte der Dritte, der greisenhaft kleine Temmat. "Umato-tono, wenn du versprichst, uns zu unterstützen und zu unseren Gunsten bei Orochimaru-sama vorzusprechen, damit er uns erneut aufnimmt, werden wir dir hier raus helfen."

Aha, so lief der Hase. Sie wussten nur zu gut, das sie besser nie wieder in die Stadt zurück kehren sollten. Also wandten sie sich in die Richtung mit der vielversprechendsten Alternative: Orochimaru.

"Das ist doch ein Plan", erwiderte ich, und ließ meine Worte in einem Hustenanfall enden. "Aber ich fürchte, er ist undurchführbar."

"Keine Sorge, dieses Versteck ist sicher. Und die Vorräte reichen mehrere Tage", sagte Gima. "Wir haben Zeit, um auf unsere Gelegenheit zu warten."

"Ihr versteht nicht", erwiderte ich. "Dieses Versteck ist nicht sicher. Der verrückte Konoha-Shinobi weiß bereits, wo es ist."

"Was?" Entsetzt kam Gima zu mir herüber. Selbst Temmat wirkte erschüttert. "Woher soll er das wissen, Umato? Antworte mir."

Ich richtete mich auf, stand auf den Knien und kam dann taumelnd auf die Beine. "Weil..."

"Weil?"

"Weil..."

"Weil?"

Ich grinste frech, und löste meine Verwandlung auf. "Weil ich der verrückte Konoha-Shinobi bin."

Genüsslich knetete ich mit der Linken meine rechte Faust. "Soviel dazu. Ihr seid übrigens festgenommen. Oh, bitte, sagt mir, das Ihr Widerstand leisten werdet."

Ich wurde enttäuscht. Sie wollten nicht.
 

Nach diesem Erfolg machten wir uns schnell an die Abmarschvorbereitungen. Ich hatte Gosunkugis Vorschlag, mich zu tragen, angenommen. Das war besser als hier drei Tage zu warten, und Hikari Gosunkugi war ein verdammt zäher Kerl, der mich tagelang tragen können würde.

"Haben Sie vielen Dank für Ihre Hilfe, Morikubo-tono, Kankurou-sama, Kaminari-tono, meine Damen und mein Herr Affenkrieger. Und unser kleiner Genin und der Ninja-Hund. Unser Land steht in Ihrer Schuld. Wie tief, kann ich jetzt noch gar nicht sagen." Er deutete auf Toko, Gima und Temmat, die gerade abgeführt wurden. "Und es wird mit jeder Minute mehr."

"Es war in beiderlei Interesse", erwiderte ich. "Orochimaru einen Stützpunkt abzunehmen nützt Konoha sicher mehr als dem Reich der Steine."

"Dennoch. Wie versprochen werde ich der Godaime Hokage einen lobenden Brief schreiben, um Sie zu unterstützen, Morikubo-tono. Obwohl ich nicht glaube, das ich Ihre Leistungen auch nur annähernd würdigen kann."

"Danke. Das wird mir wahrscheinlich den Hals retten." Ryu und ich gaben dem Tai-sa die Hand, verabschiedeten uns ein letztes Mal, und ich kletterte auf Gosunkugis Rücken. Er hatte seine Affenform angenommen, und so wirkte es auf mich, als müsste ich einen Hügel erklimmen.

"Sitzt du gut?", fragte er.

"Ja. Wir können dann. Los, nach Südost!" Mit einem letzten Winken in Richtung der Soldaten verabschiedeten wir uns, dann brachen Kaminari, Kankurou, Anne, Hikari mit mir auf dem Rücken, Akane, Ranko-sensei und Pakkun auf, um Kabutos Spur wieder aufzunehmen.

Diesmal würde er nicht entkommen. Diesmal nicht.

***

Der junge ANBU-NE Sai war mit dem derzeitigen Arrangement nicht besonders zufrieden. Er hätte nicht sagen können, warum genau. Vielleicht war es das Wissen, das man sich in ein bestehendes Team nicht binnen fünf Minuten einfügen konnte. Vielleicht mochte er es nicht, das der Teamleiter nicht dabei war, und er während des Flugs die Verantwortung für die anderen vier ANBU-Mitglieder des Uzuki-Teams hatte. Vielleicht kam er auch einfach nicht damit klar, dass diese ANBU keine ANBU-NE-Mitglieder waren wie er selbst. Nicht, das er glaubte, sie würden schlechter sein als er selbst. Sie waren halt anders. Ja, das war es wohl, das ihn so irritierte.

Aber Befehl war Befehl, wenn er von der Hokage kam. Nicht einmal Danzou-sama konnte dem widersprechen. Also flog er jetzt auf einer seiner Vogelzeichnungen die Grenze zum Land der Steine ab, die drei ANBU-Mitglieder hinter sich, und suchte nach Rauch. Vielleicht nahm er die Hokage dabei aber auch einfach zu wörtlich. Vielleicht musste es nicht unbedingt rauchen, wenn dieser Morikubo in der Nähe war. Vielleicht war er aber auch in einer ganz anderen Richtung unterwegs, und sie suchten umsonst.

"Da ist tatsächlich Rauch", sagte Nekohime, die einzige Frau der Gruppe.

"Wo?" Kuma-san, der riesige, bärenhafte ANBU, versuchte Nekohimes Entdeckung zu erkennen.

"Da, etwas dreißig Kilometer hinter der Grenze."

"Mit deinen Falkenaugen kann ich nicht mithalten, Hime-chan", seufzte Kuma-san. "Gehen wir nachsehen, Sai-kun? Laut Befehl sollen wir dort nachsehen, wo Feuer ist."

"Es wird zumindest nicht schaden", erwiderte er, und lenkte den Vogel über die Grenze zum Reich der Steine.
 

Als sie über dem Rauch kreisten, hatten sie eine kleine Stadt erreicht. Die Rauchwolke stammte von einem großen Gebäude, das heftig in der Nacht gebrannt haben musste. Merkwürdigerweise wimmelten alle Straßen von Soldaten, die die Bewohner zusammentrieben.

"Was geschieht hier?", fragte Kitsune-san, der schlanke Spezialist für Sprengtags der Gruppe. "Das sind Soldaten des Reichs der Steine. Fallen sie über eine ihrer eigenen Städte her? Aber von Rebellion und dergleichen war doch in letzter Zeit keine Rede."

"Wir wurden entdeckt", sagte Sai, und zog seinen Vogel zur Seite. "Aber wir werden nicht beschossen."

Nekohime musste schmunzeln. "Einer der Offiziere deutet die Anhöhe hoch, in Richtung Wald. Es scheint, als will er, das wir dort landen. Und wir haben keinen Krieg mit ihnen. Wir sollten es riskieren."

Die anderen ANBU stimmten zu, also tat Sai, was die Mehrheit wollte. Sie erreichten schnell eine Art Lagerplatz, der sich um einen Bunker gruppierte. Dutzende Soldaten marschierten ein und aus. Die, die raus kamen, brachten ihre Beute in die Zelte. Einige der Beutestücke sahen merkwürdig aus. "Das sind Menschenteile", sagte die Frau stockend. "Mamo-chan, der Kabuto verfolgt, ein Versteck in der Erde, aus der Menschenteile abtransportiert werden... Ein Versteck Orochimarus?"

"Also, das ist doch etwas gewagt als Spekulation", brummte Okami-san, der letzte Mann der Runde. "Wir wissen, dass Mamo-chan schon mal Pech im Leben hat. Aber so viel Pech?"

"Ich lande jetzt", verkündete Sai.

Sie gingen direkt neben dem größten Zelt nieder, und wurden sofort vorgelassen.

"Ah, Konoha-ANBU. Ich bin Tai-sa Torani von der achten Brigade."

"Sehr erfreut, Sie kennen zu lernen. Verzeihen Sie mir, aber ANBU tragen keine Namen", sagte Nekohime. "Und ich möchte mich für das Eindringen in Ihr Gebiet entschuldigen."

Torani lachte. "Konoha-Shinobi haben, glaube ich, die nächsten Wochen und Monate Narrenfreiheit in unserem Land. Wir verdanken ihnen viel zu viel. Zum Beispiel die Aufdeckung des Komplotts dieser Stadt mit Orochimaru. Wir erforschen gerade seinen Stützpunkt."

"Mamo-chan", sagte Kitsune-san mit einem Seufzer. Aber es klang durchaus amüsiert.

"Mamoru Morikubo, der Suna-Ratsherr Kankurou, und eine junge Genin aus Getsu, begleitet von drei Affenkriegern", bestätigte der Tai-sa. "Sie haben den Stützpunkt quasi im Alleingang ausgehoben und die Stadt abgesperrt. Bei Kankurou-sama kein Wunder, aber... Ist Morikubo wirklich nur ein Chunin?"

Diese Frage brachte die Mitglieder von Uzukis Team dazu, laut zu lachen. Sie kannten die meisten Macken des jungen Shinobi.

"Sagen wir es so, es hat seine Gründe, warum er Chunin bleiben will", erwiderte Nekohime. "Also, wo ist er, unser Held?"

"Schon wieder auf Kabutos Spur. Er hat uns erst geholfen, die letzten Verstecke im Stützpunkt auszukundschaften, dann ist er auf dem Rücken eines riesigen Affen zurück auf Kabutos Fährte. Er darf nicht laufen, weil er eine Beinwunde hat."

"Wie lange ist das jetzt her?", fragte Kuma-san.

"Eine gute Stunde etwa."

Die ANBU sahen sich an. "Wir folgen ihnen zu Fuß. In der Luft laufen wir Gefahr, sie zu übersehen", sagte Okami-san. Er sah zu Sai herüber. "Einwände?"

"Wir sollten uns kombinieren. Ich fliege, Ihr sucht am Boden."

"Gut, das ist ein Plan." Okami-san wandte sich dem Tai-sa zu. "In welche Richtung sind sie aufgebrochen?"

"Sie gehen direkt nach Südosten."

Der ANBU verneigte sich. "Danke, Tai-sa Torani. Sie haben uns sehr geholfen."

"Findet ihn schnell. Ich denke, er wird jede Hilfe gebrauchen können, die er kriegen kann."

Die ANBU nickten, dann verschwanden sie mit Step.

Sai runzelte unter seiner Maske die Stirn. Er spürte eine Emotion in sich, die er nicht kannte, oder lange vergessen glaubte. Nach einiger Zeit, als er sich auch verabschiedet hatte und wieder auf seinen Vogel stieg, erkannte er es: Neugier. Neugier auf Morikubo-kun.

Schneidender Wind 10

10.

Wir kamen gut voran und hatten das Land gewechselt. Seit mehr als einer Stunde befanden wir uns im Reich der Seen, dem südlichen Nachbarland des Reichs des Feuers. Da dieses allerdings Kooperationsverträge mit Konoha hatte, rechnete ich nicht mit Komplikationen. Ohnehin ging der Trend zurück ins Reich der Winde, wenn die Nukenin ihre bisherige Route beibehielten, und man die Kurven und Haken, die sie schlugen, um uns los zu werden, mal außen vor ließ. Wenn sie radikal nach Süden abbogen, würden sie auch die Berge erreichen können, in denen wir Kabuto das erste Mal gestellt hatten, und das wollte mir gar nicht gefallen. Was suchte der Bursche erneut hier?

Und vor allem, warum zwang er uns zu einer Pause? Der schlaue Kerl hatte mehrere Finten gelegt, beziehungsweise legen lassen, indem er Kleidungsstücke mit seinem Körpergeruch mit einigen seiner Leute auf eigene Routen geschickt hatte. Das macht vier Routen, die wir kontrollieren mussten, um die richtige Spur aufzufinden.

Das hatte sich für einen von ihnen als fatal erwiesen. Er war mit Kabutos Hose unterwegs gewesen, allerdings nicht schnell genug, um Akane zu entkommen. Sie hatte ihn nach einem kurzen, heftigen Kampf gestellt und verschnürt wie einen Rollbraten zurück gebracht. Das waren zwei Erfolge. Wir hatten Kabuto einen seiner Ninjas abgenommen, und er hatte keine Hose mehr an. Und wir konnten nun schon zwei Routen ausschießen. Jene die Akane erkundet hatte, und jene, die Pakkun kontrolliert hatte. Verdächtig blieb Route drei, die Ranko-sensei erkundet hatte, und Route vier, die Kaminari noch immer erkundete. Aber ich erwartete ihn jede Sekunde zurück.

"Was machen wir denn jetzt mit dem da?", fragte Gosunkugi. Er hob eine seiner Pranken und deutete mit einem messerscharfen Nagel auf den eher unscheinbaren Oto-Nin. "Soll ich ihn verhören?"

Der Shinobi wahrte eine stoische Ruhe und verriet nicht mal durch ein Muskelzucken, welche Angst er vor dem riesigen Affen hatte. Das war auch nicht nötig. Der Angstschweiß, der das Gesicht bedeckte, sagte genug.

"Wir haben keine Zeit für sowas", erwiderte ich. "Akane?"

Die Taktikerin, im Moment in ihrer menschlichen Tarnung unterwegs, die sie als attraktive junge Frau mit kurzgeschnittenem schwarzen Haar darstellte, sah auf. "Mamo-chan?"

"Ich schicke dich mit ihm auf den Affenberg. Ich überlasse das Verhör Dr. Tofu. In etwa einer Stunde werde ich dich erneut beschwören. Eventuell gibt es dann bereits Ergebnisse."

Die junge Kriegerin aus dem ehrwürdigen Tendo-Clan seufzte lautstark, um ihr Missfallen zum Ausdruck zu bringen. Ich konnte es in ihren Augen lesen: Warum schickst du nicht Hikari?

Die Antwort darauf konnte sie in meinen Augen lesen: Weil du vielleicht stark genug bis, um mich zu tragen, aber dann kann ich mich bei meinen Mädchen nicht mehr blicken lassen.

Sie seufzte erneut und griff nach dem Kragen des Shinobi. Mit einer Leichtigkeit, die man diesem schmächtigen Körper überhaupt nicht zugetraut hätte, zog sie ihn in die Höhe und legte ihn wie eine sperrige Last auf ihre schmale Schulter. "Kann losgehen."

Ich nickte und löste die Beschwörung auf. Sowohl die Affenkriegerin als auch der feindliche Shinobi verschwanden in einer Rauchwolke. Die Idee war simpel und einfach. Anstatt Zeit zu verlieren, um Informationen zu bekommen, die uns eventuell gar nichts nützten, wenn wir den Ninja selbst verhörten, hatte ich nun einen Spezialisten für dieses Verhör, den Sohn des Königs. Außerdem konnten wir die anderen Spuren weiter verfolgen.
 

Kankurou sah mich ernst an. "Bleiben noch zwei Spuren übrig. Welche ist die wahrscheinlichere? Die, auf der Ryu unterwegs ist, oder die von Ranko-sensei?"

"Die von Ranko-chan", sagte Pakkun. "Sie ist die schwächere und hat weniger Gerüche von seinen Begleitern. Also ist es sehr wahrscheinlich, das Kabuto hier entlang ist, weil er ein gerissener Bursche ist. Nur deshalb ist er immer noch auf der Flucht vor uns."

"Und das ohne Hose", sagte ich. "Was machen wir mit dem Ding?"

Ratlos hielt ich das Wäschestück vor mich. Es roch nicht besonders... Angenehm. So, wie die Kleidung eines Shinobi nun mal roch, wenn man direkt aus einem schweißtreibenden Kampf nahe eines qualmenden Feuers kam, und mehrere Stunden nicht dazu kam, die Kleidung zu wechseln. "Mitnehmen würde ich es eher nicht."

"Hier lassen würde ich es aber auch nicht", mahnte Kankurou. Und er hatte Recht damit. Wer wusste schon, was Kabuto mit der Hose angestellt hatte? Es war weitaus klüger, sie zu vernichten. Sehr viel klüger. Dem Nukenin war alles zuzutrauen, und ich war nicht bereit, ein Risiko einzugehen. Was, wenn er ein Sprengtag eingewebt hatte, das dann explodieren würde, sobald er uns nahen sah? Was, wenn er ein Jutsu eingeflechtet hatte, das dann aktiv wurde, wenn wir am wenigsten darauf achteten? Nein, es war klüger, sich von dieser Last zu befreien.

"Also gut." Ich legte die Hose auf den Boden. "Anne-chan, geh mal ein paar Schritte zurück."

Als die anderen einen Sicherheitsabstand von mehreren Metern eingelegt hatten und niemand in meiner Frontrichtung stand, begann ich mein Jutsu. Ich ging auf Nummer sicher, und sammelte deshalb besonders viel Öl in meinem Mund. "Katon! Dai Endan!"

Ich spie das Öl als brennende Kugel aus, die so heiß war, dass die Hose - egal was Kabuto mit ihr getan haben mochte - zuerst zu Asche verbrannte, und dann die Asche noch feiner pulverisierte. Das Gleiche tat die Feuerkugel mit dem Gras, auf dem die Hose gelegen hatte. Und mit dem Baum, der in drei Meter Entfernung vor mir stand. Und dem Baum daneben. Und dem dahinter. Und dem in fünf Meter Entfernung, dem in acht Meter Entfernung, und, und, und. Mein Dai Endan zog eine acht Meter breite Schneise der Zerstörung, die alles zu Asche verbrannte, gut fünfzig Meter weit dahin. Alles, was neben dieser Schneise stand, begann sofort zu brennen.

"Ja", kam es sarkastisch von Anne, "es war ein sehr guter Rat, ein paar Schritte zurückzutreten."

Konsterniert betrachtete ich mein Zerstörungswerk. Himmel auch, war ich das gewesen? Ich hatte doch nur sämtlichen Chakra-Tricks und Jutsus Kabutos vorbeugen wollen. Und jetzt brannte der Wald. "Aber die Hose ist vernichtet", erwiderte ich, und verbarg mein eigenes Entsetzen hinter einem schiefen Lächeln.
 

In diesem Moment erschien Ranko-sama zwischen uns. Sie war der anderen Spur gefolgt. "Was ist passiert? Hat Kabuto angegriffen?", fragte sie aufgeregt.

Ich hob beide Arme und wedelte abwehrend. "Nur die Ruhe, nichts passiert. Ich habe nur ein bisschen viel Chakra verwendet, als ich sicherheitshalber Kabutos Hose verbrannt habe. Wir haben einen von ihnen erwischt. Ich habe ihn mit Akane auf den Affenberg geschickt, um ihn von Dr. Tofu verhören zu lassen."

"Ein Glück. Ich dachte schon, das arme Ding hätte aus Versehen dort gestanden." Sie deutete anklagend auf die brennende Schneise.

Ich wischte mir verlegen ein paar Ascheflocken aus dem Gesicht. "Vielleicht war es doch mehr als ein bisschen viel Chakra."

Ranko-sensei runzelte die Stirn. "Du bist ein Monster, Mamoru Morikubo, weißt du das? Du erhältst seit sechzehn Stunden die Beschwörung von drei Affenkriegern aufrecht, und hast immer noch genug Chakra, um diese Bescherung anzurichten."

"Nun ja, es war vielleicht sogar sehr viel Chakra, das ich eingesetzt habe, aber ich wollte ja auch auf Nummer sicher gehen. Wer weiß schon, was Kabuto mit seiner Hose angestellt hat?"

"Ich bin stolz auf dich", sagte sie.

"Was?" Erstaunt riss ich die Augen auf.

"Na, schau dir doch mal dieses Musterbeispiel an absoluter Zerstörung an. Was bist du nur für ein tödlicher Shinobi geworden. Ich hätte es nie gedacht, dass du es einmal so weit bringen wirst, obwohl ich wusste, dass in dir ein Jounin steckt."

"Ich hatte jetzt eher mit einem Tadel gerechnet", sagte ich stockend.

Kankurou lachte abgehackt. "Ich habe auch mit einem Tadel gerechnet. Schwein gehabt, Mamo-chan."

Hikari Gosunkugi grinste breit. "Stärke ist auch eine Eigenschaft, die wir Affen sehr schätzen. Ranko-chan hier hat Mamo-chan bereits im Alter von zwölf Jahren als potentielle Gefahr für die Menschheit bezeichnet." Er knuffte mir locker gegen den rechten Oberarm. "Sieht so aus, als würde sie Recht behalten."

Das brachte Anne zum Lachen.

"Wie? Gefahr für die Menschheit?", fragte ich anklagend. "Sensei, wie kannst du so etwas über mich sagen?"

Stumm und mit ausdrucksloser Miene deutete sie die Schneise hinab, die mein Dai Endan geschlagen hatte.

"Ja, schon, aber gleich Gefahr für die Menschheit?", murrte ich.

"Auf jeden Fall hast du viel zu viel Chakra. Damit spielst du automatisch in der Oberliga mit, Schatz." Sie nahm mein Gesicht in ihre rechte Hand und hob es etwas an. Schon sehr lange brauchte ich zu ihr nicht mehr aufsehen, wenn sie ihre Menschenform angenommen hatte. Jetzt, in ihrer Affengestalt, waren es nur ein paar Zentimeter, die ich aufsehen musste, um ihr in die Augen schauen zu können. Ich genoss wie immer ihre Berührung. Wer sich auf die Affen einließ, der nahm auch in Kauf, das sie viel sozialen Kontakt suchten, gerne einander berührten und auch gerne mal miteinander badeten. Besser, man mochte sowas. Sonst waren Affenkrieger definitiv die falsche Wahl.

"Und deshalb denke ich, dass du ein zweites Element trainieren solltest."

"Ein zweites Element?", fragte ich argwöhnisch. "Dazu habe ich doch überhaupt nicht die Veranlagung."

"Doch, oh doch. Du hast ein gewisses Talent für Fuuton an den Tag gelegt. Das haben wir bemerkt, als du mit Ranma in seiner Schwertform trainiert hast."

Ranko und Ranma, die Zwillingsschwerter, besaßen besondere Eigenschaften. Während Ranko-sensei in ihrer Schwertform mein Katon unterstützte und Feuerklingen entsandte, entließ Ranma-sensei in seiner Waffenform ultrascharfe Schneiden aus komprimierter Luft. Es war klar, das ich mit Ranko-sensei in ihrer Schwertform als Feuernutzer gut zusammenpasste. Aber es erstaunte mich, das mein Training mit ihrem Zwillingsbruder ein Talent für Fuuton aufgezeigt haben sollte. Obwohl, mit Ranma kämpfte ich genauso effektiv wie mit Ranko. Und wenn Sensei sagte, das ich Affinität zu einem zweiten Element hatte, dann... Tja, dann stand mir ein langes, hartes und ungerechtes Training bevor, wenn ich mit Fuuton auch nur annähernd so weit kommen wollte, wie ich mit meiner Feuerkunst bereits war.

"Ich werde Asuma-chan bitten, dich zu unterrichten."

"Warum ausgerechnet Asuma?", fragte ich verwundert.

Sensei stutzte, doch dann lachte sie auf. "Mamo-chan", sagte sie in einem tadelnden Tonfall, "wie lange kämpfst du schon mit Asuma-chan zusammen?"

Gute Frage. Wann hatten wir das erste Mal zusammen gekämpft? Nicht, dass ich da eine große Hilfe gewesen war, aber... Ja, das war kurz nach Gründung von Team drei gewesen. Eher eine zufällige Begegnung Hayate-senseis Dreiergruppe mit Asuma. "Fünf Jahre etwa."

Sie schmunzelte. Und das tat sie eigentlich nur, wenn ich sie amüsierte. Das war selten ein gutes Zeichen. "Und in dieser Zeit ist dir nie aufgefallen, dass er nicht nur Fuuton nutzt, sondern auch Katon?"

Entsetzt sah ich sie an. Nein, das hatte ich nicht. "Bisher nicht", ächzte ich erschüttert.

Sensei legte den Zeigefinger auf den Daumen der rechten Hand, und schnippte mir gegen die Stirn. Es plackte leise, als der Zeigefinger auf meinen Stirnschutz stieß. Aber gegen meine Erwartung wurde ich nicht von den Beinen gehoben und meterweit davon gewirbelt. "Und du willst ein sensorischer Ninja sein?", fragte sie tadelnd. Für mich war es beinahe ein Dolchstoß ins Herz.

"Ich arbeite ja an meinen sensorischen Fähigkeiten", brummte ich widerwillig. "Ich schaff jetzt fast siebenundzwanzig Meter, und... WEG!" Ich griff mit links nach Anne, mit rechts legte ich einen Arm um Senseis Taille, und benutzte Step, um unter die nicht brennenden Bäume zu kommen. Keine Sekunde zu früh, denn dort wo wir eben noch gestanden hatten, landete eine Gestalt. Bleich wie der Tod, bauchfrei, männlich und hager, mit einem kurzen Schwert bewaffnet. Sie trug eine ANBU-Maske.

Kankurou und Hikari hatten bei meiner Warnung instinktiv reagiert und waren ebenfalls im Wald verschwunden, von Pakkun sah ich auch nichts mehr. Soweit so gut.

Der ANBU sah auf. "Nanu? Keiner da? Habe ich mich verguckt?"

Gut, für den Moment sammelte der ANBU kein Chakra für einen Angriff, also trat ich vor.

"Du hast sicher mich gesehen", stellte ich fest.

"Oh, Morikubo-sama. Sie habe ich gesucht." Er deutete eine Verbeugung an. "Ich bin Ihr Geburtstagsgeschenk, mit besten Grüßen von Tsunade-sama. Mein Name ist Sai."

Sai, Sai, Sai, der Name ließ etwas klingeln in mir. Viel hatte ich nicht über ihn gehört, aber seine Fähigkeit, auf seinen mit Tinte gezeichneten Vögeln fliegen zu können war so besonders, dass eigentlich jeder Shinobi zumindest die Gerüchte über ihn vernommen hatte. Das erklärte, warum er so plötzlich von oben gekommen war.

"Du kannst uns wohl wieder loslassen, Mamo-chan", sagte Ranko-sensei.

Nur zögerlich löste ich den Arm, den ich um sie gelegt hatte. Noch war ich in voller Alarmbereitschaft, noch pochte mein Beschützerinstinkt in mir. Auch meine Rechte, die Annes Hand hielt, wollte sich nicht öffnen. Nicht sofort, zumindest.

Ich trat einen weiteren Schritt vor. "Wie hast du uns gefunden, Sai-kun?", fragte ich.

Wortlos deutete der ANBU auf die noch immer brennende Schneise.

"Okay, das war wohl gut sichtbar von oben", sagte ich, und fühlte mich getadelt. Kabuto hatte es sicher auch gesehen, und konnte nun abschätzen, wie weit wir hinter ihm waren.

"Nicht nur von oben", sagte Sai mit seltsam emotionsloser Stimme. "Ich wette, das ANBU-Team, das mir auf dem Boden gefolgt ist, hat die Explosion auch sehr gut gesehen."

"ANBU-Team?"

"Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Morikubo-sama", sagte Sai in seltsam emotionsloser Stimmlage. "Tsunade-sama hat uns aufgrund Ihrer letzten Berichte in ein Gebiet geschickt, das Sie bei der Jagd nach Kabuto voraussichtlich durchqueren würden, um Sie zu unterstützen. Dabei haben wir einen vernichteten Stützpunkt von Orochimaru gefunden. Wobei ich der einzige war, der das bemerkenswert fand."

Leises Gelächter klang auf, das ihn zu irritieren schien. "Jedenfalls hat uns Tai-sa Tonari den Weg gewiesen. Ich habe Sie aus der Luft verfolgt, und das ANBU-Team am Boden. Wir hofften, auf diese Weise selbst die kleinste Spur Ihrer Anwesenheit finden zu können. Aber die kleinsten Spuren waren überhaupt nicht nötig."

Wieder lachten die anderen leise. Machte das Sai Spaß? Machte es ihm Spaß, mich aufzuziehen? Seiner Stimme war nichts zu entnehmen, was darauf hinwies. Eventuell war er auch einfach nur ein geborener Sadist. "Und wie weit ist das ANBU-Team noch entfernt?", fragte ich, um das Thema zu wechseln.
 

"Mamo-chan!", rief eine Stimme, die mir gut bekannt war. Es dauerte auch nur ein paar Augenblicke, bis ich in einem Griff steckte, der in Konoha zu Recht als Folter verschrien war - Kuma-sans Bärenumarmung. Der riesige ANBU riss mich vom Boden hoch in seiner Begeisterung, und erdrückte mich dabei fast. "Mamo-chan! Wir sind ja alle so froh, dass du Kabuto so einen eingeschenkt hast, und noch immer lebst!"

Ich ächzte in seiner zärtlichen Umarmung wie unter einem Schraubstock. Nun, ich war es gewohnt.

"Was haben wir nach dir gesucht. Aber Neko-chan hatte vollkommen Recht. Wir merken über kurz oder lang automatisch, wo du bist. Hast ja auch ein schön großes Signalfeuer für uns abgebrannt."

Das löste wieder leises Gelächter aus. Ich machte gute Miene dazu. "Würde es dir was ausmachen, mich runter zu lassen?", fragte ich, während ich versuchte, der Umarmung aus eigener Kraft zu entkommen. "Du lässt mich schlecht aussehen vor Sunagakure."

Überganglos nahm er die Arme weg, und ich fiel einen halben Meter. Autsch, das hatte meine Beinwunde aber gespürt.

"Mamoru!" Übergangslos hatte ich den Nächsten am Hals. "Nekohime-chan?", fragte ich verdutzt. "Hat Tsunade-sama denn das ganze Uzuki-Team akquiriert?"

Diese Frage erübrigte sich, als Okami und Kitsune hinzu stießen. "Hallo, Mamo-chan."

"Mamoru, wir haben dein Feuerwerk gesehen. Kabuto nimmt wohl gerade die Beine in die Hand, wenn er das gesehen hat." Okami legten den Kopf schräg. "Andererseits, wenn er das nicht gesehen hat, ist er eh aus unserer Reichweite raus."

"Ja, ja, spotte du nur", murrte ich. "Neko-chan, was ist denn? Du bist doch sonst nicht so..."

"Anhänglich ist das Wort, das du suchst", half Kuma aus. "Peinliche Anhänglichkeit."

"Das sagt der Richtige", tadelte Nekohime, und hatte damit die Lacher auf ihrer Seite. Sie schob die Maske beiseite und schenkte mir ein strahlendes Lächeln. "Das ist nur, weil, ich bin so wahnsinnig stolz auf dich, Mamo-chan. Immer, wenn du was kaputt machst, dann kleckerst du nicht, dann klotzt du, und zwar so richtig."

Ich seufzte ergeben. Dagegen konnte ich ja wohl nichts sagen. "Okami-kun, wärst du vielleicht so nett, und würdest dich um den Waldbrand kümmern?"

"Natürlich, Mamoru." Er klopfte mir beim vorbeigehen auf die Schulter und ging bis zur Schneise. "Suiton: Daibakufu no Jutsu!" Vor dem ANBU erhob sich eine Wasserwelle, die etwas höher und etwas breiter als die brennende Schneise war. Mit ihrer ureigensten Gewalt spülte sie bis zum Ende meines Zerstörungswerks hinab und brach dann zusammen. Nach dem mächtigen Jutsu des ANBU kokelte oder rauchte es hier und da noch ein wenig, aber die Flammen waren gelöscht.

"Danke, Okami-kun." Ich sah Nekohime an. "Ich will ja nicht drängeln, aber wenn du so an mir kleben bleibst, kriege ich erstens mächtig Ärger mit meinen Mädchen, und zweitens haut uns Kabuto ab. Möchtest du das?"

"Was denn, was denn? Soll ich etwa auf die vorzügliche Chance verzichten, meinen Mamo-chan ein wenig zu necken?" Sie umarmte mich noch ein wenig fester, und diesmal verstand ich, worum es ihr ging. Ihr Busen drückte am meisten gegen mich. Früher hätte mich das aus der Fassung gebracht, aber heutzutage entlockte mir das nur noch ein müdes Lächeln.

"Was ist passiert?", kam es atemlos von Kaminari, als er ins Lager zurückgestürmt kam. "Ich habe diese riesige Explosion gesehen, und... Also ehrlich, Mamo-chan. Musst du, wo du gehst und stehst, Frauen aufsammeln?"

"Ich habe sie nicht aufgesammelt. Sie ist von selbst gekommen", erwiderte ich.

"Noch schlimmer", lachte Kaminari ärgerlich. "Man sollte meinen, eigentlich hast du schon genügend."

"Oh, ich hätte nichts dagegen, in den Club der Verehrerinnen meines süßen kleinen Mamo-chans aufgenommen zu werden. Oder mache ich dir da den Platz streitig, Ryu Kaminari?", fragte sie schelmisch.

"Also... Das ist doch... Also..." Kaminari schnappte bei diesem Vorwurf wie ein Fisch auf dem Trockenen.

"Wie dem auch sei", sagte Ranko-sensei, und legte mir eine Hand auf die Schulter, "wir sollten weiter ziehen. Kabuto hat das gesehen, und er hat die richtigen Schlüsse gezogen." Sie senkte den Kopf, bis sie Nekohime in die Augen sehen konnte. "Also keine weiteren Verzögerungen, Neko-chan."

Murrend ließ sie mich wieder los. Ebenso murrend wandte sie sich um, kickte nach einem Stein und ging ein paar Schritte fort. "Wenn man mal etwas Spaß haben will..."

"Wir sind ANBU. Wir haben keinen Spaß", platzte es aus Sai hervor.

"Ja, sagst du. Aber so sind nur deine dämlichen ANBU-NE", konterte sie.

Kitsune hob eine Hand, bevor der Disput sich fortsetzen konnte. "Wie dem auch immer sei, wir haben unsere Aufgabe erst zur Hälfte erfüllt. Mamo-chan zu finden war diese eine Hälfte. Die andere ist, ihn zu unterstützen." Er schnaubte amüsiert. "Gratuliere zum Geburtstag, Mamo-chan. Wir sind dein Geschenk."

"Ja, so was hatte Sai-kun schon erwähnt", sagte ich. "Schön, dass Tsunade-sama mir ausgerechnet Uzuki-senseis Team geschickt hat."

"Ach", meinte Nekohime, und winkte ab. "Uns wurde ohnehin schon langweilig in den Auffrischungskursen."

"Freut mich zu hören. Langweilig war es bei uns nämlich die letzten Tage nicht." Ich sah mich um. "Wo ist Pakkun?"

"Hier", klang die Stimme des kleinen braunen Ninja-Hunds auf. Er wühlte sich aus einem Busch hervor. "Bereit für den Abmarsch."

"Was hast du denn im Busch gemacht?", fragte ich erstaunt.

"Mich in Sicherheit gebracht. Als du uns gewarnt hast, habe ich einfach reagiert." Der Ninja-Hund rieb sich die Stirn. "Allerdings hat mir keiner gesagt, das hinter dem Busch eine Grube ist."

"Eine Grube?" Tatsächlich, eine halbmetertiefe Senke, die jedoch natürlich entstanden zu sein schien. Und da war Pakkun, Kopf voran, hinein gestürzt. Autsch.

"Sollen wir dich tragen?"

"Ach, Quatsch. So ein kleiner Plumps bringt mich nicht um. Aber warne uns das nächste Mal etwas früher, bitte. Dann brauchen wir vielleicht nicht zu hetzen.

Erneut wurde gelacht, und wieder auf meine Kosten.

Ich seufzte ergeben. Und diesen Haufen sollte ich nun anführen? Der einzige Lichtblick dabei war Sai, der sich am Lachen nicht beteiligt hatte. Einerseits sehr höflich. Andererseits bedenklich, machten wir doch diese Sprüche und Spielchen, um Spannungen abzubauen und besser zu einem Team zu finden. War Sai eventuell nicht teamfähig? Ich beschloss, das zu beobachten.

"Okay, wir folgen weiterhin Kabuto. Sai, du eskortierst uns aus der Luft." "Verstanden."

"Pakkun geht vorweg, Kitsune und Okami gehen auf die Flanken." "Verstanden."

"Nekohime deckt nach oben, Kuma übernimmt die Nachhut." "Verstanden."

"Ranko-sensei bleibt direkt hinter Pakkun, Ryu unterstützt sie." "Verstanden."

"Anne bleibt bei mir und Hikari." "Kann ich nicht 'ne richtige Aufgabe bekommen?"

"Ist mein Bodyguard zu sein keine richtige Aufgabe?", erwiderte ich. "Oh. Verstanden!"

"Kankurou, wenn du schwindelfrei bist, hätte ich gerne, dass du Sai begleitest." Der Puppenmeister lächelte grimmig. "Verstanden."

"Also gut", sagte ich schließlich, "ihm nach."

Hikari bot mir seinen Rücken, und ich sprang auf. Dann setzten wir uns mit Pakkun an der Spitze in Bewegung, während Sai und Kankurou auf einer von Sai gemalten Taube in die Höhe schossen. "Jemand soll mich dran erinnern, das ich in einer Stunde Akane beschwören will", sagte ich noch, dann folgte der ganze Trupp dem scharfen Tempo, das Pakkun vorgab.

***

"Verdammt aufdringlich, dieser Bursche", knurrte Kabuto unwillig. Natürlich hatte er die Explosion gesehen, und das machte ihm bewusst, wie nahe dieser penetrante Konoha-Shinobi ihm schon war. Weit näher als er gedacht hatte. Allerdings machte er sich nach diesem Feuerball keine Illusionen; von einem seiner Kleidungsstücke und einem seiner Ninjas konnte er sich getrost verabschieden.

Dieser Morikubo erwies sich als nerviger als die Moral-Anfälle eines Naruto Uzumaki; und seine Penetranz, mit der er auf seiner Spur blieb, hatte Kakashi-hafte Züge. Wahrscheinlich konnte er sich glücklich schätzen, dass Kakashi dem Affenliebling nur die kleine braune Töle ausgeliehen hatte, und nicht gleich das ganze Rudel.

Und wieso war er eigentlich so nahe hinter ihnen? Kabuto hatte die Störung in Morikubos Chakra sofort erkannt, die seine Beinwunde verursacht hatte. Allerdings glaubte er nicht, das Morikubo seine Affen alleine vorgeschickt hatte. Dieser Bursche war einer von denen, die alles selbst erledigen wollten. Aber alleine konnte der Konoha-Nin nicht so schnell sein. Nicht mit dieser Wunde. Wahrscheinlich wurde er vom bulligen Affenkrieger getragen. Das war eine wichtige Information, bedeutete sie doch, dass zumindest einer der Affen erschöpfter war als die anderen. Ebenso bezweifelte Kabuto, das der König Morikubo immer noch begleitete. Sicher hatte er Ersatz beschworen. Selbst ein König der Affen hatte mehr zu tun, als für die Menschen zu kämpfen.
 

Onot und Mera trafen zur festgesetzen Zeit von ihrer Ablenkungsmission ein, und mit ihnen seine Weste und sein Hemd. Automatisch zog Kabuto das Hemd aus, das er sich von Hibiki geliehen hatte, um seine eigenen Sachen wieder anzusehen. Doch die Hose wollte nicht zurückkommen. Und länger warten war gefährlich.

Sehnsüchtig starrte Zuuto auf Kabutos Beinkleider. Er hatte dem Anführer ihrer Gruppe seine Hose überlassen, solange Rokuro mit dessen Hose unterwegs war. Nun sah es so aus, als würde er sie nicht zurückbekommen. Das bedeutete, das er eine lange Zeit unten ohne unterwegs sein würde. Er seufzte vielsagend. Natürlich wäre es weitaus schlimmer gewesen, wenn ausgerechnet Orochimarus Leutnant ohne Hose herumlaufen würde, aber insgeheim verfluchte er das Schicksal, das es ironischerweise eingerichtet hatte, dass er und Kabuto die gleiche Hosengröße hatten.

"Weiter", befahl Kabuto. "Sie sind uns dicht auf den Fersen."

Sein Blick kreuzte den Zuutos. Er hielt inne. "Was?"

"Nichts, Kabuto-sama."

"Hm." Er sah an sich hinab. "Ach, du willst deine Hose wieder. Sag das doch."

Abwehrend hob Zuuto die Arme. "Kabuto-sama, natürlich finde ich es peinlich, in Unterhose zu fliehen. Aber noch peinlicher wäre es mir, wenn das mein Anführer tun müsste."

"So", sagte Kabuto, der bereits am Bund genestelt hatte. "Gut, das akzeptiere ich. Und ich verspreche dir etwas. Die erste Hose, die wir finden und die dir passt, gehört so gut wie dir."

"Danke sehr, Kabuto-sama. Ich weiß das zu schätzen."

Unter Orochimarus Untergebenen sollte dieses Ereignis als Kabutos Hosenschwur ein geflügeltes Wort werden, und für die Zuverlässigkeit des Leutnants stehen.

***

Das Verhör war kurz und knapp. Die Anwesenheit von zwei Dutzend Affen in ihrer wahren Gestalt übte einen solchen Druck auf den Shinobi aus, das er bereitwillig alles erzählte, was Dr. Tofu von ihm wissen wollte. Der Bursche nannte sich Hibiki, und überschlug sich fast mit Freundlichkeit und Liebenswürdigkeit, um seinen Wert zu beweisen. Immerhin war er ein Feind des Kontraktpartners der Affen, Hibiki musste also zu Recht glauben, den Affenberg nie wieder verlassen zu können. Im Umkehrschluss hieß das, das er herausfinden musste, wie gerne er weiterlebte. Je lieber er lebte, desto besser war es, mit den Affen gut auszukommen und dienlich zu erscheinen. Umso länger lebte er. Welchen Grund sonst sollten sie haben, ihn am Leben zu lassen? Im Prinzip war er bereits tot. Die Frage war nur wann er starb, und von wessen Hand. Nun, Hibiki lebte sehr gerne, und wenn es ging noch viele erfüllte Jahre. Der Rest stand im Protokoll.
 

Dr. Tofu stand nach dem Verhör vor dem Bau, der den Affen zur Unterbringung ihrer Gefangenen diente, und sah auf die Stadt der Affen hinab. In seiner Hand hielt er ein Tabakröllchen, von dem er ab und an rauchte. Eigentlich war er von dieser Menschendroge schon lange wieder entwöhnt, nur unter großem Stress steckte er sich die eine oder andere an, einfach um etwas in der Hand halten zu können. Viel hatte Hibiki nicht berichten können, aber er hatte den Bericht des Königs mit der Perspektive Kabutos ergänzt. Und erst jetzt zeigte sich, wie genial, aber auch wie gefährlich der Streich gewesen war, den Mamoru Orochimaru und seinem Leutnant gespielt hatte. Und nur weil Hibiki nicht viel zu berichten gehabt hatte, war es nicht automatisch harmlos. Im Gegenteil, eine Information, die er direkt von Kabuto erhalten hatte, enthielt aggressiven Zündstoff. Genug, um Ono Tofu wieder zur Zigarette greifen zu lassen.

Ranma, der beim Verhör assistiert hatte, löste sich aus seiner Unterhaltung mit Akane, die nervös und fahrig wirkte, während sie darauf wartete, nach Ablauf der Stunde von Mamoru wieder beschworen zu werden, um ihn warnen zu können. Wenn er es denn nicht vergaß, oder er keine Gelegenheit mehr dafür hatte.

"Akane ist bereit", sagte Ranma. Sein Gesicht war ein einziger Ausdruck der Sorge. "Hoffen wir, das Mamo-chan nicht zu schnell unterwegs ist.

Dr. Tofu lachte rau bei diesen Worten. "Hikari ist ein ausdauernder Büffel mit der Kraft eines Elefanten. Der wird nicht müde. Sie werden weiterhin so flink voran kommen. Und dann steht ein verletzter Affenbeschwörer, ein Chunin Konohas, die kleine Genin, deine Schwester und Hikari allein gegen fünfzig wiederbelebte Kiri-Shinobi."

"Den Hund nicht vergessen, Pakkun."

"Ja, richtig, der Hund. Wie konnte mir das nur passieren?" Dr. Tofu trat seine Zigarette aus und ergriff Ranma an den Schultern, um ihn zu schützen. "Mamo-chan wird in erheblicher Gefahr sein, kapierst du das? Und mit ihm Ranko und Hikari! Potentiell tödlicher Gefahr! Und das Schlimmste ist, das er definitiv Akane beschwören wird, sobald er sieht, in welche Scheiße er geraten ist! Und dann ist es zu spät, um ihn zu warnen!"

"Aber wir haben immer noch Hoffnung, dass das Schiff, das die Toten nach Suna geschmuggelt hat, weit genug entfernt ist, sodass die volle Stunde vergeht, bevor Mamo-chan eintrifft", wiegelte Ranma ab.

"Das glaubst du doch selbst nicht!", knurrte Dr. Tofu.

"Nein, wenn ich ehrlich bin, glaube ich es nicht", gestand Ranma. "Ich habe es gehofft."

Er sah zur Seite, als eine Person zu ihnen trat. "Wenn man vom Teufel spricht. Da kommt Sanzennin mit dem Kartenmaterial."
 

Mikado Sanzennin, Leiter der Abteilung West und Chefkartograph, hatte wie erwartet schnell auf die Anfrage der Abteilung Ost unter Ranma reagiert. "Hoheit, Saotome-san." Der große, schlanke Affenkrieger verbeugte sich vor den beiden knapp. "Ich habe mir die Freiheit genommen, die Karte Sunas bereits selbst zu überprüfen. Ich muss Ihnen leider sagen, Hoheit, das Ihre Befürchtungen real sind. Wir haben Herbst, und selbst in einem wüsten Land wie Suna gibt es Regionen, die begrünt sind, in denen große Flüsse fließen. Dies ist im Nordosten der Fall." Er breitete seine Karte aus, und bat die anderen, ihm beim Halten zu helfen. Sanzennin deutete auf das Land unterhalb des Reichs des Feuers. "Hier fließt der Tonegawa direkt aus dem Kawa no Kuni, dem Reich der Flüsse, ins Land der Winde hinein. Hier, direkt an der Grenze, erreicht der Tonegawa bereits Schiffbarkeit für große Transporter. Ein beständiger Westwind macht das Aufkreuzen schwierig, also die Fahrt Flussaufwärts. Aber Flussab kann selbst ein großer und träger Transporter binnen einer Stunde das Meer erreichen."

"Sie könnten also schon weg sein, wenn Mamo-chan eintrifft", sagte Ranma vorsichtig optimistisch.

Sanzennin schüttelte den Kopf. "Es gibt etwas, was dem widerspricht. Akane-chan."

Die Affenkriegerin sah auf. Normalerweise ignorierte sie den Minister, weil er ein berüchtigter Schürzenjäger war und es gerade auf sie im Besonderen abgesehen hatte. Aber in diesem speziellen Fall hatte die Ost-Sektion die West-Sektion um Hilfe gebeten. Und falls er ausfallend wurde, konnte sie ihm immer noch die Krallen über das hübsche Gesicht ziehen. "Ja?"

"Wo genau hat Morikubi-kun deine Beschwörung aufgehoben?" Er entfaltete eine weitere, genauere Karte, die das Reich der Steine und das Reich der Flüsse zeigte, dazu einen Ausschnitt des Reichs des Feuers und einen großen Teil des Reichs der Winde.

Akane überlegte für einen Moment und deutete auf einen Punkt im Land der Flüsse. "Hier waren wir etwa."

"Mal sehen. Hier kann Kabutos Transporter liegen, mit dem er die über dreihundert toten Oto-Nin ins Land gebracht hat, um die Kontras des Land der Winde zu unterstützen. Nehmen wir den schlimmsten Fall an, und es handelt sich um ein Fluss-Schiff, nicht um ein seetaugliches Schiff, dann... Nein, diesen Punkt haben sie schon passiert. Also ein seetaugliches Schiff. Hier. Dies ist der Punkt, an dem Kabuto sein Schiff geankert und die toten Kiri-Nin als Wache zurück gelassen haben wird." Sanzennin deutete auf einen Punkt der Karte, der nicht allzu weit von jenem Ort entfernt war, auf den Akane gedeutet hatte.

"Das sind fünfzehn Kilometer. Und Akane wurde vor einer halben Stunde heim geschickt", stellte Ranma fest. Seine Stimme zitterte.

"Es geht los!", rief Akane plötzlich aufgeregt. "Ich werde beschwo..."

Die Affenkrieger wechselten wissende Blicke.

"Die West-Sektion kann nicht vor zehn Tagen Beobachter in der Region haben", sagte Sanzennin bedauernd. "Hättet Ihr mich früher informiert, hätte ich schon jemanden auf den Weg schicken können. Aber da Ihr ja so auf eure Autonomie bedacht seid, Saomtome-san, kann ich da nichts machen."

"Ruhig, Ranma", sagte Dr. Tofu, und hielt den Krieger an der Schulter fest, bevor er gegenüber Sanzennin tätlich werden konnte. "Er hat ja Recht. Und ausnahmsweise haben wir diesmal nicht voraus geahnt, in was für ein Wespennest Mamo-chan stolpern würde. Und vergessen wir bei der ganzen Geschichte eines nicht."

"Was? Das Ranko bei ihm ist? Eine der stärksten Kriegerinnen des Clans?", fragte Ranma wenig überzeugt. "Viele Hunde sind des Bären Tod."

Dr. Tofu schnaubte amüsiert.

"Was seine Hoheit sagen will, ist wohl", sagte Mikado Sanzennin mit ernster Stimme, "dass Kabutos Leute es mit Morikubo-kun zu tun haben werden. Er soll nicht ganz unfähig sein, habe ich mir sagen lassen."

"Was? Kerl, ich werde dich..."

"Oh, du scheinst ihm ja doch viel zuzutrauen", spottete Sanzennin. Milder fügte er hinzu: "Dann solltest du ihm auch vertrauen."

Ranma wechselte einen Blick mit dem Prinzen. "Ja, vielleicht sollte ich das." Einen Moment später lachte er über seine Sorgen. Was geschehen musste, würde geschehen. Und Mamoru Morikubo war nicht umsonst ein Protégé der Affen.

***

"Muss es denn eigentlich immer die zwölf auf der Gefahrenskala bis zehn sein, wenn ich mit dir unterwegs bin?", rief Kaminari, während er einem Schwall Wurfsterne auswich.

"Es zwingt dich ja keiner, mit mir abzuhängen", erwiderte ich, während ich das Schwert meines Angreifers zur Seite drückte, um ihm mit der Linken ein Kunai in die Rippen zu rammen.

Über diese Misshandlung, die jeden anderen Shinobi getötet hätte, grinste mein Feind nur.

"Sinnlos. Ich kann nicht getötet werden, Konoha-Nin."

"Ja, das ist mir auch schon aufgefallen", erwiderte ich, während mein Kunai in seinen Rippen nach seinem Herzen tastete. "Deshalb versuche ich mir gerade etwas Neues einfallen zu lassen."

Kaminari hatte durchaus Recht. Warum mussten wir in ein Dutzend wiederbelebter Ninjas geraten, die Kabutos Rückzug deckten, und zudem auch noch am liebsten Wasser-Jutsu verwendeten, die der natürliche Feind meines Feuers waren? Ein Dutzend nur, und sie erwiesen sich für die fünf ANBU, meine beiden Affen, Ryu, Kankurou und mich als ernsthafte Behinderung, weil sie einfach nicht wieder sterben wollten.

Ich gab dem Kiri-Nin einen Stoß mit dem Schädel mit, der dankenswerterweise wie bei einem normalen Ninja wirkte, und ihn taumelnd zu Boden schickte. Benommen schüttelte er den Kopf, um seine Sinne wieder beisammen zu bekommen. "Hey, Konoha, warum haust du ab?", rief er mir nach, während ich mich absetzte.

"Ich will nicht in der Nähe sein, wenn das Sprengtag in deiner Brust ausgelöst wird."

"Das was?", fragte er noch, als das Tag explodierte. Ich sah seinen Brustkorb platzen und seine Schultern in feuriger Glut versinken. Der Schädel wurde zerrissen, die Arme halb abgetrennt. Und da, wo einmal sein Oberkörper gewesen war, klaffte nun ein beeindruckend großes Loch.

Das, was von ihm übrig geblieben war, zuckte am Boden vor sich hin. "Ruhig", ermahnte ich mich selbst bei diesem schaurigen Anblick, "er war doch schon vorher tot."

Und, um auf Nummer sicher zu gehen, zog ich mein Schwert, und trennte die Reste vom Kopf vom Rumpf. Ich wartete darauf, das er sich auf eine wie magisch wirkende Weise wieder zusammensetzte, doch nichts geschah.

"Man kann sie zerfetzen!", rief ich meinen Kameraden zu. Das war etwas, was wir Shinobi eher selten mit unseren Gegnern taten. Wir trafen verwundbare Stellen, suchten uns wichtige Organe als Ziel, versuchten stets, mit wenig Aufwand größtmöglichen Schaden anzurichten. Umso länger konnten wir kämpfen. Aber in diesem Fall hieß es wirklich klotzen statt kleckern.

Ich atmete tief durch und sah mich um. Ranko-sensei kämpfte mit dreien zugleich und wurde langsam müde, Sai und die ANBU hatten jeweils einen Gegner, Kankurou hatte einen Gegner in seiner Puppe Kuroari gefangen, und bekämpfte einen zweiten mit Karasu, Ryu hatte einen, und Hikari beschäftigte zwei. Einen hatte ich erwischt, und er war immer noch tot. Hoffentlich blieb er das auch. Diesmal zumindest.

"Danke für den Tip!", rief Ranko-sensei. Sie fuhr mit ihren Krallen einmal quer über den Leib eines ihrer Gegner. Das hatte in etwa den gleichen Effekt wie von einem Schwert zerschnitten zu werden: er wurde halbiert.

"Probieren wir das doch mal aus", kommentierte Kankurou und ließ Karasus Gliedmaßen als Schwerterwirbel über seinen Gegner fahren. Dieser hatte sich vollkommen auf die üblichen Ninja-Techniken eingestellt, die auf potentiell tödliche Spots zielte, also Kehle, Magengrube, Herz, Halsschlagadern, Schläfe; nicht aber auf einen burschikosen Angriff, der ihm einfach Körperteile abschlagen wollte. Als Gegner Nummer eins in Einzelteilen zu Boden fiel, steuerte er die Klingen an den Enden der Arme und Beine Karasus zu Kuroari. Dort schnitten sie in den präparierten Körper, und beendeten die Existenz auch dieses Feinds.

Dies schien unsere Gegner zu irritieren. Einer von ihnen pfif schrill, und sie lösten sich von ihren Gegnern, um sich zurückzuziehen. Bei dieser Absatzbewegung vernichtete Hikari den fünften mit einem Streich seiner gewaltigen Krallen. Wir sicherten noch einen Moment unsere Umgebung, aber mit meinen sensorischen Fähigkeiten erkannte ich, dass sie tatsächlich in jene Richtung flohen, in die sich Kabuto zurückgezogen hatte.

"Jemand verletzt?", fragte ich in die Runde.

"Ja, mein Stolz", kam es sarkastisch von Kitsune. "Das Geheimnis ist also, sie zu zerteilen, so als wäre ich ein dummer Dorfsamurai, der einen kleinen Ladenbesitzer in Stücke schneidet, weil er ihn nicht gegrüßt hat? Das hätte ich früher wissen müssen."

"Tut mir leid, das ich es erst jetzt heraus gefunden habe. Kommt zusammen, wir haben einiges zu bereden."

"Wie gehen wir weiter vor, großer Anführer?", fragte Nekohime, als sie neben mich trat. Seltsamerweise klang es nicht spöttisch.

Ich zog ein paar Sprengtags aus meiner Waffentasche, als die anderen einen Halbkreis vor mir bildeten. "Wir benutzen Katon und Sprengfallen gegen sie. Kankurou, deine Angriffspuppe Karasu hat sich auch als effektiv erwiesen. Ebenso eure Krallen, Ranko-sensei, Hikari-sensei."

Die drei nickten bestätigend. "Wer hat Sprengtags dabei?"

Nacheinander holten alle ihre Tags hervor. Es waren insgesamt elf, also mehr als wir für die restlichen sieben Gegner brauchten. "Na, das ist doch eine ganze Menge."

Jemand zupfte an meinem Hemd. Ich sah zur Seite und erkannte Annes Arm, der wie aus dem Nichts hervor zu ragen schien. In der Hand hielt sie einen Sprengtag. Das machte zwölf.

"Du musst dich nicht mehr verstecken", tadelte ich.

"Ich halte mich streng an deine Anweisungen, Mamoru-sam", erwiderte sie trotzig. "Ich will ja nicht noch mal ein Druckmittel gegen dich werden. Außerdem muss ich ja Pakkun beschützen."

"Stimmt", klang die Stimme des Ninja-Hunds hinter ihrer Barrikade auf.

Na ja, so rum war es besser, als wenn sie übermütig wurde. "Gut, das macht zwölf Sprengtags für sieben Gegner. Wir kleben sie auf Kunai und stoßen sie unseren Gegnern in den Körper. Wenn es geht so nahe wie möglich ans Herz."

Kaminari hob eine Hand. "Was ist, wenn es mehr als sieben Gegner sind? Wenn das hier quasi nur die Vorhut war?"

Ich seufzte resignierend, als Ryu die goldene Ninja-Regel Nummer eins gebrochen hatte, nämlich eine schlimme Situation nicht noch schlimmer zu reden. "Dann kommen du, Nekohime-chan, Kuma-kun und ich an die Reihe, weil wir Katon-Nutzer sind. Dein Dai Endan ist doch hoffentlich nicht schwächer geworden?"

Kaminari grinste schief. "So groß wie deines ist es nicht, aber mir hat es immer gereicht."

"Spötter." Ich sah zu Kitsune herüber. "Deine Fuuton-Klingen werden einen ähnlichen Effekt haben." Der ANBU nickte.

"Und wenn wir noch einen Erdnutzer unter uns hätten, könnten wir dein Suiton nutzen, Okami-kun, und eine Schlammlawine hervorrufen, die sie zumindest für einige Zeit bändigen würde."

"Ich bin Doton-Nutzerin", klang Annes Stimme neben mir auf.

Ich sah zu ihr herüber. Beziehungsweise dorthin, wo sie zu sehen gewesen wäre, wenn sie ihr Jutsu nicht benutzt hätte. "Du bist was?"

"Ich bin Doton-Nutzerin. Ich kann ein Erdjutsu beschwören, das Okami-sensei dann mit seinem Suiton in eine Schlammlawine verwandeln kann."

Für einen Moment war ich verwirrt, doch schließlich begann ich zu lachen. Ich hatte Anne tatsächlich auf ihre Tarnfähigkeiten reduziert und hatte nie angenommen, das sie, obwohl eine Ninjutsu-Nutzerin, tatsächlich ein Element trainiert hatte. "Okay", sagte ich. "Okay. Probieren wir es doch mal aus."

"Gut. Ich werde ein Arijigoku benutzen, weil es bereits einen Treibsandartigen Lehm beschwört, den Okami-sensei dann nur noch fortzuspülen braucht."

Nun war ich richtig irritiert, denn dieses Doton war etwas für Fortgeschrittene.

Anne kam aus ihrem Versteck. Pakkun, der dabei ebenfalls sichtbar wurde, sah müde und gelangweilt ins Rund.

"Es dauert ein wenig, deshalb setze ich es auch nicht im Kampf ein", entschuldigte sie sich, und begann mit den notwendigen Fingerzeichen. "Doton! Arichigoku!"

In ihrer Blickrichtung stieg ein Schlammpfuhl in die Höhe. Immerhin beeindruckende zwölf Meter im Durchmesser.

"Nicht schlecht", lobte Okami das Mädchen. "Und was ist dein Maximum?"

"Zwanzig Meter Durchmesser."

Jemand pfiff anerkennend. Zwanzig Meter alleine mochten reichen, um so manchen Ninja allein mit dieser Kunst zu fangen. Verbunden mit einem Suiton ergab das eine erkleckliche Schlammlawine.

"Wir machen es wie folgt. Sobald es sich für notwendig erweist, gibt Mamo-chan dir ein Signal. Am besten vereinbart Ihr ein Passwort. Du verlässt dann dein Versteck und versuchst so viele Gegner wie möglich einzufangen. Ich spüle das, was übrig ist, dann hinfort."

Ich nickte zustimmend. "Das Passwort wird dein Name sein, Anne-chan. Sobald ich dich rufe, fängst du an. Oho, wir kriegen ein wenig Hilfestellung, wie es scheint. Es beginnt zu regnen."

"Ich würde das nicht unbedingt Hilfestellung nennen", meldete sich Sai zu Wort. "Wasser und Tinte sind keine guten Freunde."

"Das ist natürlich schlecht, aber deine Tintenzeichungen sind nicht gerade ein Arichigoku oder ein Dai Endan."

"Es schränkt mich in meiner Effektivität ein."

"Du bist ANBU. Du wirst schon effektiv sein. Oder ist das Schwert auf deinem Rücken nur zur Zierde?"

"Nein. Ich kann es einsetzen."

"Dann ist das Problem gelöst, denke ich."

"Es gab nie ein Problem", erwiderte Sai.

"Okay. Ich dachte schon, du wärst sauer auf mich."

"Sauer zu sein ist eine Emotion, richtig? ANBU-NE haben keine Emotionen. Wir sind dann effektiver bei der Erfüllung unserer Aufgaben."

"Und genau deshalb seid ihr ein sehr spezieller Trupp innerhalb der ANBU Konohas", stichelte Kitsune.

"Das war ein Kompliment, richtig? Was sagt man hierauf? Danke?"

Ich runzelte die Stirn. "Junge, du solltest dir schnellstmöglich ein paar Emotionen zulegen."

"Wieso? Emotionen behindern einen wahren Shinobi nur", erwiderte er verwirrt.

"Dann", sagte ich gedehnt, "solltest du zumindest dringend lernen, wie man Emotionen deutet. Denn das schränkt einen wahren Shinobi ebenfalls ein."

Das schien Sai zu verunsichern. "Das kann sein", sagte er schließlich. "Ich werde darüber nachdenken."
 

"Gut. Ich beschwöre nun Akane. Ich bin sicher, wir werden einen weiteren Krieger bald gebrauchen können, wenn wir auf die sieben Toten, Kabuto und seine sieben Nukenin stoßen."

Ich biss mir in den Daumen, quetschte etwas Blut hervor und legte die Hand auf den Boden. Die Belastung durch die Beschwörung und das Erhalten der Beschwörung war eine Sache, aber irgendwann in diesen Tagen würde ich noch meinen Daumen durchbeißen. "Kuchiose no Jutsu!"

Akane kam aus der Rauchwolke, in beiden Händen Kunais. Sie wirbelte einmal um die eigene Achse, misstrauisch in jede Richtung spähend. "Wo ist...? Komisch, ich hätte erwartet, das du mich nur früher beschwörst, wenn Ihr in einem Kampf steckt." Erleichtert atmete sie auf. "Mamo-chan, es ist eine Falle! Du läufst mitten in eine Horde Untote, die... Igittigitt, was ist das denn?"

"Einer der Untoten", erklärte ich lapidar. "Wir sind schon hinein geraten, und ein Teil konnte sich zurückziehen. Aber wir wissen jetzt, wie wir sie vernichten können."

"Was? Ihr habt fünfzig wiederbelebte Kiri-Nin in die Flucht geschlagen? Beachtlich."

Ich spürte, wie mir der kalte Angstschweiß ausbrach. "Wie viele?"

"Fünfzig. Das hat das Verhör unseres Gefangenen ergeben, Hibiki. Stimmt was nicht?"

Kaminari winkte ab. "Sieben, fünfzig, wo ist der Unterschied? Das schaffen wir doch auch noch."

Nekohime fügte hinzu: "Wir sind mit einem Dutzend aneinander geraten. Sie haben uns gestoppt, während Kabuto weiter geflohen ist."

"Dann ist er wohl auf dem Weg zum Tonegawa-Fluss, wo der Transporter ankert, der die wiederbelebten Shinobi der Kontras ins Land geschmuggelt hat."

"Das erklärt dann wohl auch, wo die Kiri-Nin herkommen", sagte ich ärgerlich. Kaminari hatte Recht, wahrscheinlich würden wir mit den nun noch fünfundvierzig Kiri-Nin fertig werden, aber wenn Kabuto mit dem Schiff floh, war er uns entkommen. Mir entkommen. Meine Angst, in eine unübersichtliche Situation zu geraten, und meine Wut auf Kabuto rangen miteinander. Was blieb mir nun noch zu tun? Abbrechen, oder angreifen? Im allerschlimmsten Fall hatten wir zweiundfünfzig Gegner, und wir waren nur zwölf, selbst wenn ich Anne hinzu rechnete, und Pakkun ausließ.

"Es ist deine Entscheidung, Mamo-chan", sagte Kankurou. "Aber ich empfehle, diese günstige Gelegenheit zu nutzen."

Na toll, damit goss der Suna-Nin auch noch Öl ins Feuer. Überdies war die Grenze zum Land der Winde ganz in der Nähe, wenn ich meinem Gefühl trauen durfte. Komplikationen über Komplikationen.

"Sai, kannst du genügend Vögel erschaffen, um uns alle zu tragen? Wir würden die Truppe dann einfach umgehen, und flussabwärts eine Falle für Kabuto und seine Leute bereiten. Das ist allemal besser, als hier durch ihre Reihen zu stürmen. Selbst wenn er alle Kiri-Nin wieder an Bord nimmt."

Der ANBU-NE winkte ab. "Das wäre kein Problem, wenn es nicht regnen würde."

"Ach ja. Mist." Und so wandelte sich ein Vorteil wieder in einen Nachteil. "Also, was machen wir?"

"Du bist der Anführer. Also führe uns, Mamo-chan", sagte Kaminari grinsend.

"Ich denke, niemand würde es uns übel nehmen, wenn wir an dieser Stelle abbrechen würden. Die Übermacht ist gewaltig, und die Zeit ohnehin knapp." Zustimmendes Gemurmel klang auf.

"Andererseits sind wir eine Gruppe mit überragenden Fähigkeiten, und die Gelegenheit ist günstig wie nie. Außerdem können wir Orochimaru erheblich schaden, wenn wir Kabuto gefangen nehmen oder töten. Und wir schulden ihm mehr als genug für den Angriff auf Konoha."

Wieder wurde zustimmend gemurmelt.

Ich seufzte leise und winkte den anderen, mir zu folgen. "Also los. Werfen wir uns in die unüberschaubare Gefahr für unser aller Leben. Ich würde es mir nie verzeihen, wenn ich es nicht wenigstens versuchen würde."

Und wieder murmelten sie zustimmend. Also, entweder waren sie eine Bande von Wendehälsen - und das konnte nicht sein, dafür kannte ich sie zu gut - oder sie vertrauten mir. Dieser Gedanke gab mir große Selbstsicherheit.

Schneidender Wind 11

11.

Das Schiff, es war zum Greifen nahe, bestenfalls zweihundert Meter entfernt. Aber um dieses Schiff zu erreichen, mussten wir eine Wand aus Shinobi überwinden, die sich auf den ersten einhundert Metern auf einer Breite von vierhundert Metern aufgefächert hatten. So stellten sie sicher, dass wir sie nicht mit einigen großen Jutsu schnell dezimieren konnten. Und sie zwangen uns dazu, uns ebenfalls aufzuteilen, um zu verhindern, das die Flanken in unseren Rücken schwenkten. Aber wenn sie gedacht hatten, uns damit aufhalten zu können, hatten sie fasch gewettet. Aber sie bremsten uns.

Eine feine kleine Hilfe war die Anhöhe, die wir hinabkamen. Das sparte uns Kraft.

Ich eröffnete den Kampf mit meiner Standard-Kunst. "Katon! Dai Endan!"

Der Feuerball, den ich ausspie, hatte in etwa die Größe, die Hitze und die Kraft jenes Dai Endan, den ich auf Kabutos Hose gespuckt hatte. Da ihn kein Wald behinderte, riss er seine acht Meter breite Schneise fast bis zu Kabutos Schiff. Da die wiederbelebten Kiri-Nin aber viel Platz zueinander hatten, erwischte ich nicht viele von ihnen. Vielleicht drei. Der Rest wich aus. Aber der Weg zum Schiff war für den Moment offen. Wenn es gelang, es zu beschädigen, das Ruder zu vernichten oder die Segel, die gerade gehisst wurden, in Brand zu setzen, hatten wir eine reale Chance. Gut, dann mussten wir uns noch Kabuto und seinen Oto-Nin stellen. Aber eins nach dem anderen.

Nekohime, Kuma und Kaminari taten es mir nach und spien ihre Dai Endan aus. Auch sie erwischten zusammen neun Kiri-Nin, die von ihrem widernatürlichen Leben befreit wurden.

Eine ähnliche Strategie verfolgte Kitsune, der seinen Kontraktpartner beschwor, einen mächtigen Adler, der seine Luftsicheln mit seinen Flügeln abfeuerte. Diese hochkomprimierte Luft war messerscharf, und der Greifvogel konnte bestimmen, wie groß die Klingen waren. Er alleine erwischte zehn der Kiri-Nin, bevor diese überhaupt ein Shuriken geworfen hatten.

Wir erreichten die Spitze ihrer Formation, gerade als die Kiri-Nin ihre Reihen zu schließen versuchten. Das war der Nachteil ihrer weiten Formation: Breschen konnten nicht schnell genug geschlossen werden.

Gosunkugi, der mich noch immer trug, gab mir ein Zeichen, und ich sprang von seinem Rücken ab. Er selbst fuhr die Krallen aus und sprang wie ein Lebensmüder mitten in die Reihen der Kiri-Nin. Seine langen, messerscharfen Krallen zerteilte einen unvorsichtigen Kiri-Ninja längs, und stoppten den Schwertstreich eines zweiten, bevor Gosunkugi die Klinge wie beiläufig abbrach.

"Anne!", rief ich. Dies war auch das Signal für Okami, zu mir zu kommen.

Die Getsu-Kunoichi erschien mit Pakkun aus ihrem Versteck, um ihr Jutsu zu wirken. In dieser Zeit beschützte ich sie, so gut ich konnte.

"Doton! Arichigoku!" Direkt in meiner Laufrichtung entstand ihr Jutsu, ließ drei Kiri-Nin eilig fortspringen, zog aber zwei, die nicht schnell genug waren, in seine Tiefen.

"Suiton: Daibakufu no Jutsu!" Die Welle schwappte direkt vor Okami auf, erfasste Annes Treibsand und spülte seine Schlammmassen bis zum Schiff hindurch fort. Dabei begrub sie zwei weitere Kiri-Nin unter sich. Das bedeutete eine Schwächung des Gegners um ein Drittel, bevor dieser überhaupt auch nur ein eigenes Jutsu gewirkt hatte. So was konnte vorkommen, wenn man sich selbst zu sicher war. Oder wenn man gar nicht für Kabuto kämpfen wollte. Eventuell hielten sich die Toten absichtlich zurück. Ein Geschenk, das ich nicht zurückwies.

Nun ahnte sicher auch Kabuto, welche Strategie ich verfolgte. Nicht, die wiederbelebten Kiri-Shinobi zu vernichten, sondern zu seinem Schiff durchzukommen. Egal wie oft die Kiri-Nin die Bresche wieder schlossen, sie wurden dabei dezimiert. Sie konnten nicht beides tun, ihre Reihen schließen und die Bresche halten. Ihre Formation wurde enger, und damit waren sie für unsere Jutsu angreifbarer.

Ein Schmerzenslaut ließ mich zurücksehen.

"Es ist nichts, nur ein Kratzer", beschwichtigte Okami mich, die Rechte auf eine blutenden Wunde in seiner Seite gepresst. Sie sah harmlos genug aus, deshalb ging ich zu Teil zwei meines Plans über. "Ryu!"

Kaminari kam an meine Seite. Zusammen stürmten wir die Bresche entlang, die Anne und Okami geschaffen hatten. Dabei deckte ich die linke Seite, und Kaminari die rechte.

"Katon! Endan!" Wir spien unser Feuer-Jutsu diesmal nicht als Feuerball aus, sondern benutzten sie als eine Art Schutzschild gegen die Kiri-Ninjas. Wir zogen einen Bogen, während wir das Jutsu ausführten, was die effektive Tiefe eindämmte, uns aber die nahesten Shinobi vom Hals hielt. Einer von ihnen war schlau genug, das Endan zu überspringen, und mich direkt anzugreifen. Ich merkte es nicht, trotz meiner sensorischen Fähigkeiten.

"Vorsicht!", rief Anne, und warf ein Shuriken, das den heran fliegenden Ninja aus dem Konzept brachte. Als er ein Stück abseits von mir landete, hielt Anne ihn bereits mit ihrem Kunai auf, während sie mit der freien Hand ein Kunai mit Sprengtag in seine Brust trieb.

Verwundert blickte der Kiri-Nin auf die Klinge. Verwundert genug, um mir Zeit zu geben, Anne einen Arm um die Hüfte zu schlingen, und mit ihr ein Stückweit fort zu kommen, bevor das Sprengtag den wiederbelebten Ninja in Stücke riss.

"Versteck dich wieder!", sagte ich ihr hastig, während ich sie absetzte. "Nimm Pakkun wieder mit rein!" Sie gehorchte, was ich wohlwollend zur Kenntnis nahm.
 

Erneut spien Kaminari und ich unsere Endan aus und kamen so dem Schiff immer näher. Dort waren die Vorbereitungen bereits abgeschlossen. Der Anker wurde bereits gehievt, und ich erkannte Kabuto, der am Heck an der Reling stand, und unser Treiben, wie es schien, amüsiert musterte.

Zu diesem Zeitpunkt hatten wir schon einhundert Meter geschafft, aber die Kiri-Nin begleiteten uns. Sie waren keine statischen Punkte, sondern bewegliche Shinobi, die immer noch versuchten, unseren großflächigen Jutsu auszuweichen, indem sie sich nicht zu dicht stellten.

Immerhin war das Geschehen rasant genug, um die Kiri-Ninjas davon abzuhalten, eigene Jutsu einzusetzen. Noch. Aber wir kämpften ja auch erst eine gute Minute.

Kaminari und ich eilten weiter, während die ANBU und die Affen unsere Flanken und den Rücken deckten. Ein schneller Blick nach hinten verriet mir, das sich die Flanken geschlossen hatten, wir von den Kiri-Nin im Rücken eingeschlossen waren. Aber ihre Zahl schrumpfte rapide, beinahe auf die Hälfte. Ich wurde den Eindruck nicht los, das sie nicht wirklich kämpfen wollten. Aber wie konnten wiederbeschworene Ninjas einen eigenen Willen haben, beziehungsweise genug Kraft aufbringen, um sich dem Willen ihres Beschwörers entgegen zu setzen? Als Orochimaru den Ersten und den Zweiten Hokage eingesetzt hatte, um Hiruzen-sensei zu töten, hatten diese seinem Willen nicht zuwider handeln können. Nicht einmal ansatzweise, wie diese Kiri-Nin. Also verwendete Kabuto ein anderes Jutsu als sein Meister, und die Zusammenarbeit mit den Kontra-Rebellen des Reichs der Winde war so etwas wie seine finale Prüfung gewesen. Mir schauderte beim Gedanken daran, was passierte, wenn Kabuto dieses Jutsu noch verbessern würde. So war es bereits grausam genug.

Sechzig, siebzig, achtzig Meter. Kaminari setzten weiterhin die Chakra-sparenden Endan anstelle der Dai Endan ein, und vernichteten so drei weitere Kiri-Nin. Vor Feuer hatten sie Respekt. Großen Respekt.
 

Einhundert Meter. Es war soweit. "Okami! Ryu!"

Der ANBU und Kaminari übernahmen meine Verteidigung. Ich würde nur ein paar ungestörte Sekunden brauchen, aber die musste man sich auch erst mal erkämpfen. Ich schmiedete Chakra, so viel mein gemarteter Körper hergab, sammelte Öl in meinem Mund. Dieses Jutsu brauchte länger als ein Endan oder Dai Endan, dafür aber schlug es auch weit besser durch als eine der beiden Künste, wenngleich der Flächenschaden gering war. Ich hatte es einst von Hiruzen-sensei gelernt, der es als eines der bevorzugten Jutsu der Uchihas bezeichnet hatte.

"Katon! Gouenka!"

Ich spie drei parallel fliegende Feuerkugeln aus, die auf das Heck von Kabutos Schiff zuschossen, das bereits ablegte. Ich hatte die Flammen so ausgespien, das eine der Kugeln das Heck mit dem Ruder erwischen, eine Kabuto treffen, und die letzte in die Segel gehen würde. Wenn auch nur eine traf, wenn nur eine traf...

Die Segel des Schiffs blähten sich, und schnell nahm es Fahrt auf. Dies war wirklich, wirklich die letzte Chance für uns, um ihn ein für allemal zu erwischen.

Mein Feuer-Jutsu raste auf das Schiff zu, doch Kabuto sah den Feuerkugeln gelassen entgegen. Für meinen Geschmack zu gelassen. Warum, wusste ich, als kurz bevor mein Jutsu das Schiff traf, eine Wand aus Flusswasser in die Höhe schoss, um mein Feuer abzuwehren.

Meine Gouenka schlugen im Wasser ein und lösten Explosionen aus. Immerhin. Wasser war Feuer immer überlegen, also sollte ich mich auch über kleine Erfolge freuen, nachdem ich gerade grandios gescheitert war. Mist.

Als die Wasserwand wieder in sich zusammensackte, fühlte ich mich wenigstens ein klein wenig zufrieden. Ein Stück vom Heck brannte, und Kabuto sah etwas verrußt aus. Ein Teil meines Feuers musste durchgeschlagen haben. Aber die Segel blähten sich noch immer, unbeschädigt, und brachten meine Beute von mir fort. Für den Moment war ich versucht, meine Kameraden in Stich zu lassen und das Schiff am Ufer zu verfolgen, um es erneut zu beschießen; aber Kabuto würde die Chance, mich allein zu erwischen, sicherlich nutzen. Alleine war ich ihm nicht gewachsen. Die richtige Reihenfolge war also, diesen Kampf hier zu beenden, und dann die Verfolgung wieder aufzunehmen, in der Hoffnung auf ein Ende des Regens und Sais Tinten-Jutsu.
 

Mit einem derben Fluch wandte ich mich ab, um mich um die Schlacht mit den Kiri-Nin zu kümmern, die... Ja, die gerade vollkommen zum Erliegen gekommen war.

Erstaunt registrierte ich, das die Kiri-Shinobi sich in den Saizen gesetzt hatten. Es war keine Spur von Kampfeswillen zu spüren. Im Gegenteil, sie schienen die Ruhe selbst zu sein.

Die ANBU, die Affen, Kaminari und Kankurou hielten bei diesem ungewöhnlichen Anblick inne.

Ich beeilte mich, zu meinen Leuten aufzuschließen.

"Diese Situation ist ungewöhnlich", sagte Sai.

Das hätte mich normalerweise zum Lachen gebracht, aber dazu war die Situation zu ernst. "Das trifft nicht ganz den Kern der Situation, Sai", sagte ich. Ich fixierte den erstbesten Kiri-Nin. "Was tut Ihr?"

Der Shinobi, ein wuchtiger, breitschultriger Bursche, der Kyun durchaus ähnlich sah, deutete eine Verbeugung an, bevor er sprach. "Kabutos Befehle besagten nur, ihm die Flucht zu ermöglichen. Hier enden seine Befehle, deshalb stellen wir alle feindseligen Handlungen ein."

Das verwunderte nicht nur mich. "Ihr tut was?"

"Wir kämpfen nicht mehr. Im Gegenteil, wir..." Kurz ging sein Blick über die anderen Kiri-Nin, von denen noch elf weitere übrig waren. "Wir bitten euch darum, unserer unwirklichen Existenz ein Ende zu setzen, jetzt wo die Befehle Kabutos ausgelaufen sind." Er verbeugte sich richtig, diesmal bis zum Boden. "Wir bitten in aller Form!" Auch die anderen Kiri-Nin verbeugten sich, einige drückten dabei die Stirn auf die Erde.

"Bitte. Wir sind doch ohnehin schon tot, und wir wollen unsere Ruhe zurück."

"Beantwortet mir erst eine Frage", sagte ich. "Warum Kiri-Nin? Wie konnte Kabuto Zugriff auf so viele eurer Toten erhalten?"

Der Riese zögerte. "Ich bin nicht mit allen Einzelheiten vertraut, aber ich weiß, das unsere toten Körper Orochimaru vom abgesetzten Yondaime Mizukage zur Verfügung gestellt wurden, zu einer Zeit, als er noch für die Terroristenorganisation Akatsuki gewirkt hat."

"Vom Mizukage? Akatsuki?" Das ergab wenig Sinn, außer, der Yondaime Mizukage hatte gegen sein eigenes Dorf gearbeitet. Und zwar entweder für Orochimaru, oder - noch schlimmer - für Akatsuki. Diese besondere Gruppe bestand aus mächtigen Nukenin mit großer Zerstörungskraft, die sie imer wieder ohne besonderes Muster einsetzten - beinahe schien es, nur um des Terrors Willen. Eine Gefahr war Akatsuki alleine dadurch, da sie aus Nukenin bestand. Ihr unbekanntes Ziel und die übermächtigen Ninja in ihren Reihen, darunter ein Uchiha aus Konoha, machten sie noch unberechenbarer, schwerer einschätzbarer.

So gesehen war es vielleicht eine sehr gute Idee von Mei-chan gewesen, sich selbst zum neuen Mizukage zu putschen und damit diese unselige Verbindung zu unterbrechen. Wobei ich bezweifelte, das sie davon erfahren hatte. Auf jeden Fall war diese Information wichtig genug, um ihr nachzugehen und Mei-chan zur Verfügung zu stellen. Dringend zur Verfügung zu stellen.

"Wir werden der Mizukage von eurem Schicksal berichten."

Wieder verbeugte sich der Große bis auf den Boden. "Sie haben unseren uneingeschränkten Dank, Konoha-taisho."

Ich nickte dazu. "Mein Name ist Mamoru Morikubo. Und ich werde euch nun aus diesem Zustand befreien und euch eure Ruhe wieder geben."

Erneut verbeugte sich der Große, und die anderen Kiri-Nin taten es ihm gleich.

Ich zögerte einen Moment, weil ich die Situation so ungerecht fand. Aber es war ihr Wunsch, und ich konnte den Sinn dahinter gut erkennen. Also akzeptierte ich das, was geschehen würde, als notwendige Realität. "Bitte rückt enger zusammen."

Die Kiri-Nin bestätigten und hockten sich in drei Reihen vor mir auf den Boden.

"Ich weiß, das Ihr nicht mit voller Kraft gekämpft habt. Das rechne ich euch an."

Der Große lächelte fahrig. "Hättet Ihr das Schiff aufgehalten, hätten wir die Befehle Kabutos nicht mehr beugen können. So aber gab es keinen Grund zu versuchen, Sie oder einen Ihrer Leute zu töten."

Ach so. Na, wäre ja auch zu schön gewesen, wenn es tatsächlich an unserer geballten Kraft gelegen hätte. "Ich verstehe."

Respektvoll verbeugte ich mich vor den Ninjas, und meine Leute taten es mir gleich. Blieb also nur noch eines.

"Katon! Dai Endan!" Durch mein Jutsu vergingen nun achtzehn tote Kiri-Shinobi, die gegen ihren Willen erneut ins Leben gerufen und zum Kämpfen gezwungen worden waren, wieder zu Asche.

Seltsamerweise rannen Tränen meine Wangen hinab. Ich wischte sie fort. So traurig ihr Schicksal auch gewesen war, es hatte erneut ein Ende gefunden. Und da war immer noch Kabuto.
 

"Und nun?", fragte Kaminari.

"Wir verfolgen das Schiff - und hoffen auf gutes Wetter", sagte ich mit einem Seitenblick auf Sai.

Leises Gelächter erklang. "Sind noch alle einsatzbereit? Okami?"

Der ANBU hielt noch immer seine rechte Seite, aber es floss kein Blut mehr. "Ich habe mich mittlerweile selbst geheilt."

"Gut. Dann machen wir uns auf den Weg. Hikari."

"Ich wette, so bequem bist du noch nie gereist, was, Mamo-chan?", scherzte der Affe, und bot mir seinen Rücken an.

Ohne zu zögern sprang ich auf. "Über das bequem lässt sich streiten, über das Reisen nicht."

Wieder wurde leise gelacht. Eine Sekunde später machten wir uns an die Verfolgung, auch wenn es ohne Sais Vogelzeichnungen ein unmögliches Unterfangen war.

***

Von der Reling des Frachters beobachtete Kabuto das Eintreffen der Konoha-Shinobi. Nicht ohne Erstaunen registrierte er die Anwesenheit einer Abteilung ANBU. Mochte der Henker wissen, wo Morikubo die aufgetrieben hatte. Auf jeden Fall brachte das seine Kalkulation ein wenig durcheinander. "Kapitän, wir müssen ablegen. Jetzt!", rief er. Sein Blick ging zu seinen Getreuen.

"Zuuto, die Leute sollen den Matrosen helfen."

"Ja, Kabuto-sama."

Der Leutnant Orochimarus hielt ihn kurz zurück. "Wurde Houzuki-kun in den Tank gelegt und an die Lebenserhaltung angeschlossen?"

"Ich habe es selbst erledigt, Kabuto-sama."

"Gut. Er darf nämlich noch nicht sterben. Er wird noch nützlich für Orochimaru-sama sein." Er nickte dem Ninja als Zeichen, das er entlassen war, zu. Zuuto beeilte sich, die Befehle Kabutos weiterzugeben. Die hektische Aktivität auf dem Schiff wurde noch hektischer. Niemand hatte Lust, ausgerechnet dem überkandidelten, selbstgerechten Konoha in die Hände zu fallen.
 

Kabuto wandte sich wieder der Schlacht zu, die sich gerade entwickelte. Obwohl die Kiri-Nin weit aufgefächert aufgestellt waren, versuchte es Morikubo mit Flächenschaden. Er und drei seiner Begleiter wendeten verschwenderisch viel Katon an, und das mit Erfolg. Aber das war noch nicht alles. Spätestens als der eine ANBU eine Schlammlawine beschwor, die direkt auf den Schiffsrumpf zuhielt - und hatte er nicht auch das freche Gör aus Getsu bei ihm gesehen? - war klar, das Morikubo durchbrechen wollte und sich nicht von den Kiri-Nin ausbremsen ließ. Mit seinen vorigen Begleitern, dem Konoha-Shinobi, der rotzfrechen Blage aus Getsugakure, dem Ratsherr aus Suna und seinen drei Affen hätte er sich das nicht trauen können. Aber mit der Hilfe von fünf ANBU war es beinahe zu einfach, und die kleine Falle wurde zur noch kleineren Bremse. Sobald dem Schiff die Abfahrt gelungen war, würde der stetig breiter werdende Fluss die erste Barriere für die Konoha-Nin sein. Dann mussten sie erstmal vom Fluss auf das Schiff kommen, und schließlich und endlich würde das Schiff nicht müde werden, die Ninja schon. Solange traute Kabuto es seinen Leuten zu, das Schiff zu verteidigen. Und wenn alle Stricke rissen, dann konnte er sich immer noch alleine absetzen. Obwohl das schon beim ersten Versuch nicht so ganz funktioniert hatte. Aber er hatte eine höhere Verpflichtung gegenüber Orochimaru-sama einzuhalten, und kein dahergelaufener Konoha-Chunin würde ihn davon abhalten.

Wütend knirschte Kabuto mit den Zähnen, umklammerte die Reling mit viel zu festem Griff, sodass sich seine Knöchel weiß abzeichneten, und sah auf den Fluss hinab. Dadurch entging ihm der letzte ernstzunehmende Angriff der Konoha-Shinobi.

"ACHTUNG!", rief Zuuto. Hastig beschwor er mit seinem Suiton eine Wasserwand am Heck des Schiffs - was von vorne herein seine Aufgabe gewesen war, bevor Kabuto ihm neue Befehle gegeben hatte. Die Wasserwand wuchs aus dem Fluss fast zwanzig Meter hoch und hatte eine Dicke von mindestens acht Metern. Dennoch schlug das Katon an zwei Stellen hindurch. Aber es war nur noch stark genug, um das geteerte Holz am Heck in Brand zu stecken, nicht mehr, es zu durchschlagen, und um Kabuto selbst einen Moment lang mit Hitze zu umspülen. Außerdem meinte er, seine Haare ansengen zu spüren. Entgeistert starrte Kabuto nach Westen, während das Schiff endlich spürbar Fahrt aufnahm, kaum das es in die Flussmitte getrieben war. Wie heiß war das Jutsu gewesen, bevor es auf das Wasser getroffen war? Und welcher Konoha-Nin hatte es abgefeuert? Das waren wichtige Informationen, und er hatte nicht darauf geachtet, weil er sich zu sehr über diesen mickrigen kleinen, Affenbeschwörenden Chunin aufgeregt hatte. Kabuto beschloss, bei seinen Leuten nicht nachzufragen. Das hätte nur seine überlegene Position gestört.

Während sich nun auch die Segel im Wind blähten und dem Schiff zusätzliches Momentum gaben, sah Kabuto ungläubig, wie sich die Kiri-Nin regelrecht ergaben. Er schlug mit der Rechten zornig auf die Reling. Wieder ein Fehler, und diesmal sein ureigenster. Er durfte nicht mehr mit Befehlen arbeiten, die beliebig interpretiert werden konnten. Es musste einen besseren Weg geben, um die Toten in seinem Sinne zu manipulieren. Und er würde ihn finden. Sobald er Morikubo entkommen war.

Eine erneute Explosion ließ ihn wieder aufsehen. Sie ereignete sich nicht in der Nähe des Schiffs, sondern auf dem Feld, auf dem die Kiri-Nin die Konoha-Shinobi hatten aufhalten sollen. Also hatte Morikubo kurzen Prozess mit den Kiri-Shinobi gemacht. Interessant. Also hatte er auch eine grausame Seite. Eine Information, die sich später vielleicht noch einmal nutzen ließ.

Aber Kabuto wusste, was das bedeutete. Mussten sie sich nicht mehr um die Kiri-Nin kümmern, hatten sie Zeit, um ihn zu verfolgen. Das war bei der derzeitigen Geschwindigkeit des Frachters zwar illusorisch, aber sie konnten immer noch auf einen Patzer seinerseits hoffen. Noch waren sie nicht in Sicherheit.

Am Ufer formierten sich die Shinobi neu. Sie liefen auf den Fluss hinaus und begannen mit der Verfolgung des Frachters. Und dabei, erkannte Kabuto, würden sie den geraden Weg nehmen, anstatt wie das Schiff dem kurvenreichen Flussverlauf zu folgen. Dadurch würden sie immer wieder aufschließen, und wenn die Jagd lang genug dauerte, dann... "Schlau, Morikubo. Schlau", kommentierte Kabuto. Aber das bot ihnen auch ein paar Abwehrmöglichkeiten. Sprengtagfallen auf dem Ufer von Schleifen, die das Schiff umfahren musste; Öl, in den Fluss gegossen und angezündet; Kage Bunshin, die dem Gegner an Engstellen auflauerten. "Aber du wirst merken, das du diesmal nicht gewinnen kannst", sagte er mit einem dünnlippigen Lächeln.

***

Manch Spötter sagte, das Glück sei mit den Dummen. Andere behaupteten, es war mit den Fleißigen. Aber alles in allem ging es darum, Glück überhaupt erst zu haben. Das Problem im Fall meiner kleinen Gruppe war, dass das Glück durchaus aufgrund Dummheit oder Fleiß zu uns gekommen sein konnte, und den Regen beendet hatte, damit Sai uns auf dem Luftweg befördern konnte - es war in jedem Fall zu spät gekommen. Zuerst hatte Kabuto uns verzögert, immer wenn wir nicht dem Flusslauf gefolgt waren, sondern die Biegungen genutzt hatten, um unsere Strecke abzukürzen. Sprengfallen, Kabe Bunshin, brennendes Öl in seinem Kielwasser, was ihm halt so an Schweinereien eingefallen war. Und wir hatten hindurch gemusst, wenn wir nicht hatten aufgeben wollen. Dann hatte das Schiff mehr und mehr Abstand gewonnen, während wir unmerklich langsamer geworden waren. Als der Frachter fast außer Sicht gewesen war, hatte es auf mich wie ein Wunder gewirkt, als der Regen plötzlich geendet hatte. Und geradezu freudig hatte ich dabei zugesehen, wie Sai uns die Vögel gemalt hatte, die uns tragen würden.

Mein Enthusiasmus hatte keine Grenzen gekannt, als wir aufgestiegen waren und den Frachter beinahe wieder eingeholt hatten. Dann aber hatte ich meine Lektion in Sachen Glück erhalten. Es lief aus. Denn der Regen, der Sai zuvor daran gehindert hatte, seine Tintenkunst einzusetzen, war nur ein Vorbote für einen ausgewachsenen Sturm gewesen. Und so ein verdammter Sturm brachte immer Regen mit sich. Regen war Gift für Tinte. Also musste ich zähneknirschend mit ansehen, wie Kabutos Kahn nur zwanzig Kilometer von uns entfernt um den Sturm herum kurvte und seine Ausläufer durchschnitt. "Verdammt!"

Eigentlich war es eine Ungerechtigkeit, das ein Segelschiff sogar entgegen kommenden Wind nutzen konnte, um voran zu kommen. Unter diesem Gesichtspunkt betrachtet hatte Kabutos Schiff eine fähige Mannschaft, da sie genau das tat. Sie halste gegen den Wind auf, nutzte die hohen Windgeschwindigkeiten für den eigenen Zweck, und fuhr uns davon. Hilflos vor Wut und Ärger ballte ich die Hände zu Fäusten. Ich hatte den Burschen so lange verfolgt. So elendig lange. Es tat weh, ihn nun verschwinden zu sehen. Aber sobald wir in den Regen gerieten, löste sich Sais Jutsu auf. Zwar konnten wir auf dem Wasser laufen - sogar Anne beherrschte das - aber dies in einem Sturm zu tun war nicht nur auf den ersten Blick eine sehr dumme Idee. Es war schlichter Wahnsinn. Ich hatte zwar so eine Ahnung, das ich diese Entscheidung noch bitter bereuen würde, aber ich rief die anderen beiden Vögel unserer Gruppe näher zu mir heranrief.

"Wie ist der Plan?", wollte Kitsune wissen, während sich vor uns bedrohlich das Gewitter aufwölbte. Er wirkte entschlossen, alles zu tun, was ich befahl, und das rechnete ich ihm hoch an. Auch die anderen machten einen entschlossenen Eindruck. Das machte es mir umso leichter. Ich sah sie an, einen nach dem anderen. Kitsune, Okami, Nekohime-chan, Kuma, Sai, Anne, die Pakkun trug, Kaminari, Kankurou, Akane-chan, Ranko-sensei und Gosunkugi. Ich atmete enttäuscht aus. "Wir brechen die Verfolgung ab. Ihm in diesen Sturm zu folgen ist schlicht und einfach Wahnsinn. Vielleicht haben wir ja Glück, und das Problem löst sich von selbst und das Schiff geht unter."

"Wir geben also auf?", fragte Okami. Er fixierte das sich entfernende Schiff. "Wenn wir den Sturm auch umgehen, und das Schiff dann in der Flanke nehmen..."

"Zu Fuß wären wir nicht schnell genug, und für unseren fliegenden Untersatz sprüht da definitiv zu viel Gischt herum, von Nieselregen ganz abgesehen. Außerdem braucht Kabuto nur richtig in den Sturm zu segeln, dann kriegen wir ihn so oder so nicht."

"Und wenn wir ein Schiff auftreiben?", fragte Nekohime.

Ich schüttelte den Kopf. "Keine Zeit für solche Spielchen. Dann auch noch eines zu erwischen, das einerseits schnell genug ist, um Kabuto einzuholen und andererseits stabil genug für diesen Sturm ist auch Glückssache. Oder ist einer von euch Seefahrer?"

Alle verneinten, selbst die Affen. "Aber wir geben nicht auf", sagte ich mit fester Stimme.

Erstaunt sahen mich die anderen an. "Nicht?"

"Nein. Wir suchen den nächsten befreundeten Ort auf, und schicken so schnell wir können eine Nachricht an unsere Verbündeten aus, in der wir beschreiben, wann und wo wir Kabuto das letzte Mal gesehen haben. Mit etwas Glück erwischen die ihn für uns."

Neu entflammte Hoffnung war in den Augen der anderen zu sehen. Selbst die ANBU hatten nun bessere Laune. Wenn man von Sai mal absah, der, nun, halt Sai war. Himmel, er musste wirklich dringend etwas über Emotionen lernen.

"Getsugakure", sagte Anne. Sie deutete nach Süden. "Getsugakure liegt südlich, und ist näher als Suna oder gar Konoha. Wir haben eine Habicht-Verbindung zu Konoha. Eventuell kann man uns dort auch mit einem Hochseetauglichen Boot und einer erfahrenen Mannschaft aushelfen."

"Na also! Das ist eine gute Idee." Ich nickte in Sais Richtung. "Getsugakure also."

"Verstanden." Sai ließ den gezeichneten Vogel scharf vor dem Gewitter abdrehen, die anderen beiden folgten. Keine Sekunde zu früh, glaubte ich doch schon, Gischt im Gesicht zu spüren.

Die Sache war noch nicht vorbei. Definitiv war sie noch nicht vorbei.

Als wir auseinander drifteten, sagte Anne noch: "Au Backe. Das habe ich ja ganz vergessen."

Ich sah zu ihr herüber, um sie zu fragen, was sie vergessen hatte, aber da waren wir bereits zu weit voneinander entfernt.

***

Mit einer gewissen Erleichterung sah Kabuto zu, wie die künstlichen Vögel mit den Konoha-Shinobi vor dem Sturm zurückschreckten und abdrehten. Nicht, das er nicht glaubte, Morikubo nicht gewachsen zu sein, aber nach einer Woche Verfolgungsjagd begann der Bursche wirklich zu nerven. Außerdem schien er sich gegen alle Logik zu vermehren, und wer mochte sagen, mit wie vielen Shinobi er erst in einer zweiten Woche unterwegs sein würde? Kabuto hoffte, das damit die direkte Verfolgung erst einmal ein Ende hatte, das ihm der Landgang und die Rückkehr zu seinem Meister gelingen würde. Dass er weiterhin ein Gejagter war, darüber machte er sich keinerlei Illusionen. Vor allem, weil das Reich des Wassers, das er auf jeden Fall passieren musste, seit Orochimaru-samas Austritt aus den Akatsuki nicht mehr zu ihren Verbündeten gehörte. Und Morikubo würde, auch wenn er selbst nicht mehr an der Verfolgung teil nahm, zumindest Konoha und alle seine Verbündeten rebellisch machen. Doch das war einerlei. Ab einem bestimmten Punkt im Geschehen war er so gut wie untergetaucht. Dann allerdings würde er sich für den Verlust des Stützpunkts im Land der Steine verantworten müssen, der die Keimzelle für ein neues Otogakure hatte werden sollen. Er hatte Morikubo direkt dorthin geführt, und der hatte nichts Besseres zu tun gehabt, als ihn und die dazu gehörige Stadt voller Verbündeter auszuheben. Hätte er jetzt auch noch eine moralische Ader gehabt, hätte man ihn fast mit dem nervigen orangen Zwerg Naruto verwechseln können. Aber - nein, das tat er Morikubo dann doch nicht an. Ganz so schlimm war er wirklich nicht. Außerdem lernte Naruto bei Jiraiya, einem viel größeren Meister, als es Hayate je gewesen war. Es wäre ungerecht, beide auf eine Stufe zu stellen. Naruto war auch penetranter als Morikubo.

Dass es das noch nicht gewesen war, stand ohnehin fest. Sie würden einander erneut begegnen. Aber bitte erst weit in der Zukunft, wenn sich Orochimaru-samas Pläne entfalteten. Dann würde es Kabuto ein wahres Vergnügen sein, den nervigen Chunin ein für allemal zu vernichten.

Und zuvor ergab sich vielleicht die Möglichkeit, ihn ein wenig, ah, abzulenken... Eventuell... Mit seinen beiden ehemaligen Teammitgliedern... Ein Plan begann in Kabuto heran zu reifen.

"Zuuto, wir bleiben hart am Sturm. Wir fahren nicht hinein. Es ist nicht mehr notwendig."

Der Gefolgsmann hatte bis jetzt eine entschlossene Miene aufgesetzt gehabt, und Kapitän und Mannschaft angetrieben, um Kabutos Pläne auszuführen. Er hatte allen klar gemacht, das ihnen ein Kampf oder gar Gefangenschaft blühte, wenn sie nicht in den Sturm fuhren. Aber das Kabuto diese Anweisung nun zurücknahm, weil sie unnötig geworden war, erleichterte ihn doch. "Verstanden, Kabuto-sama! He, Kapitän, wir bleiben hart am Wind!"

Der Frachter behielt den Kurs bei, und ließ sich bei halbem Zeug vom Wind nach Norden tragen, während die Konoha-Shinobi mit jeder Sekunde weiter zurückblieben. Sie würden entkommen.

Allerdings war der angerichtete Schaden so oder so groß genug. Kabuto schnaubte missmutig. Es war nicht zu ändern. Aber es blieb immer noch die Rache am Mann, der die Vernichtung von Otogakure verursacht und überlebt hatte.

***

Unsere drei Vögel landeten auf dem gelbweißen Strand der sichelmondförmigen Insel, auf der Getsugakure stand. Das Klima war warm und trocken. Nicht so heiß wie in Suna, aber auch nicht so Feuchtigkeitsabsorbierend. Es war angenehmes Strandklima. Urlaubswetter. Ob Getsugakure immer dieses Urlaubswetter hatte? Dann wunderte es mich überhaupt nicht, warum sich die desertierten Oto-Nin ausgerechnet Getsu als Zuflucht ausgesucht hatten.

Kaum waren wir abgestiegen, löste Sai das Jutsu. Keine Sekunde zu früh, denn ein warmer Sommerregen, der auch nach Urlaub schmeckte, setzte ein.

Wir wurden von einer Delegation empfangen, die von Hassin angeführt wurde. Mir war nicht ganz klar, wieso es eine freundliche Delegation war, und keine bewaffnete, misstrauische Horde, aber ich nahm es hin, als ich freudestrahlend auf den großen, dürren Freund zuging, und ihm die Hand schüttelte, kurz bevor ich ihn herzlich umarmte. "Hassin, es ist eine Ewigkeit her, seit wir uns gesehen haben."

"Und es sind gute Erinnerungen, die uns verbinden", sagte er lächelnd. Er zog eine Augenbraue hoch, als er meine Begleiter betrachtete. "Die ANBU und die Affenkrieger verstehe ich ja noch, aber wie kommst du an einen Ratsherrn von Suna? Und warum begleitet dich einer unserer Genin, der eigentlich jetzt in diesem Moment für das Chunin-Examen trainieren sollte?" Ein scharfer Blick traf Anne, die unter diesem Blick zusammenzuckte. "Es... es hat sich halt so ergeben", stammelte sie.

"Später ist noch genügend Zeit, um sie angemessen zu bestrafen", sagte ich abwiegelnd. "Jetzt sind erstmal andere Dinge wichtiger. Konoha und Getsu haben doch ein gutes Verhältnis miteinander, oder?"

"Ja, das stimmt. Worauf willst du hinaus?"

"Ich brauche so schnell es geht einen Zugang zu eurem Habicht-Horst."

"So schnell es geht?" Er deutete in Richtung der nahen Stadt. Getsugakure. Ein schöner Flecken Erde. "Dann folgt mir bitte."
 

Während wir gingen, informierte ich Hassin in aller Knappheit über das, was seit dem ersten Teil des Chunin-Examens vorgefallen war. Zuvor hatte ich mich mit Kankurou und den ANBU darauf geeinigt, was ich erzählen konnte, und was nicht. Wobei Geheimhaltung ohnehin sinnlos war, weil Anne als Getsu-Nin dabei gewesen war, und die Details, die ich ausließ, ohnehin nachliefern würde.

Das waren ohnehin nicht viele. Kaum etwas von dem, was bei der Jagd auf Kabuto passiert war, erachtete ich als Staatsgeheimnis des Reichs des Feuers, oder Konohas im Speziellen.

Hassin hörte mir mit unbewegter Miene zu, bevor er sagte: "Du hast Recht. Das müssen wir weiter melden. Ich werde den Tsukikage informieren lassen. Getsugakure bietet seine volle Unterstützung an." Er lächelte dünnlippig. "Falls du es noch nicht erraten hast, seit unserem gemeinsamen Chunin-Examen sind wir drei erheblich aufgestiegen. Wir sind alle drei Jounin geworden und wurden in den Rat berufen. Nun, bis auf Khal. Der wollte lieber hauptsächlich ein aktiver Jounin bleiben."

"Das nenne ich eine steile Karriere, wenn man bedenkt, in welchem Alter Ihr das Examen abgelegt habt", stichelte ich.

Hassin lächelte immer noch. "Sagen wir, es war unsere Strategie."

"Was immer du sagst", erwiderte ich grinsend.

Als wir das Stadttor durchschritten, hielt Anne nicht mehr an sich. "Ist Maria-sama...?"

Der Name ließ eine schmerzhafte Saite in mir aufklingen. Ach ja. Verdammt noch mal, ja. Maria. Hatte ich total verdrängt.

"Sie ist auf einer Mission, und wird mindestens noch einen Monat unterwegs sein." Er musterte mich. "Du hast doch nicht gehofft, sie zu erwischen?"

Abwehrend hob ich die Arme. "Um des lieben Friedens willen würde ich ihr in Getsugakure nichts antun. Sie soll mir bloß da draußen nicht begegnen."

Hassin hob eine Braue. "War es denn so schlimm, was sie dir angetan hat?"

Ich spürte Röte in mein Gesicht steigen. "N-nun, sie hat mich benutzt, ausgenutzt und gesteuert. Das war schon nicht sehr nett. Aber ich sehe es durchaus auf der Haben-Seite, das sie mich davor bewahrt hat, Konoha-Nin zu töten. Was ich aber eventuell gar nicht gekonnt hätte."

"Was zweifellos gut für die Konoha-Shinobi war", sagte Hassin spöttisch. "Hier geht es zum Habicht-Horst. Ach, da ist ja Hana-chan. Hanako! Schau mal, wer vorbei gekommen ist!"

Wie angewurzelt blieb ich stehen, als ich das blonde Mädchen sah, das gerade über die Straße schlenderte, schwer beladen mit einer gut gefüllten Einkaufstasche. Sie lächelte, als sie Hassins Stimme hörte. Als ihr Blick aber auf mich fiel, wurde sie blass, geradezu bleich. Bevor ich auch nur ein Wort sagen konnte, benutzte sie Step und war verschwunden.

"Also, ich habe ja schon viele merkwürdige Reaktionen von Frauen erlebt, die mit dir zu tun haben", sagte Kaminari, und kratzte sich am Stirnansatz, "aber dass sie vor dir fliehen, ist eher neu."

Mit vor Entsetzen weit aufgerissenen Augen sah ich Hassin an. "Das war Hanako."

Hassin nickte bestätigend.

"Hanako Yodama! Die Hanako Yodama aus dem Yamagata-Clan! Die Hanako Yamagata aus meinem Team drei! Meine Freundin Hanako Yodama!"

Hassin musterte mich mit unbewegter Miene. "Und?"

"Was, und? Was macht Hanako hier?", rief ich.

"Urlaub", sagte Hassin schlicht. "Falls es dir noch nicht aufgefallen ist, unsere Insel ist ein schöner Flecken Erde für ein wenig Urlaub."

"Das kannst du jemandem erzählen, der sich die Hose mit dem Kunai anzieht! Ich will wissen, was hier gespielt wird!"

"Das kann sie dir selbst sagen, Mamo-chan. Aber zuerst solltest du deine Pflicht Konoha gegenüber erfüllen."

Tja, da hatte er Recht. "Gut."

"Sehr schön. Hier geht es weiter."

Aufgeschoben war nicht aufgehoben. Ein Gedanke ging wie ein Stich durch mich hindurch. Was, wenn Hana-chan hier war, um Maria zu töten?

***

Heftig atmend erreichte Hanako Yodama in einer bunten Straße eines der zweistöckigen Häuser. Sie trat ein, eine Hand vor der Brust verkrampft.

Sie wurde von Karin Akimichi empfangen. Das schwarzhaarige Mädchen spielte mit einem Jungen von vielleicht einem Jahr Alter. "Nanu? Hast du so gehetzt, Hana-chan?", fragte sie amüsiert. "Hast du den Broccoli-Brei für Aki-chan gekriegt?"

"Ja, ja, habe ich. Kein Problem. Aber das ist jetzt egal."

"Wie, egal?" Trotzig sah Karin ihre Freundin an. "Wir waren uns doch einig, das Akira eine ausgewogene Diät bekommen muss, damit er einmal groß und stark wird."

"Mamoru ist hier."

Karin, die gerade den auf sie zulaufenden Jungen hatte fangen wollen, erschrak sich so sehr, das ihr Griff daneben ging. Die Folge war, das der kleine Junge an ihr vorbei stolperte und zu Boden fiel. Aber anstatt zu heulen, rappelte er sich wieder auf und lief Karin erneut in die Arme, über das ganze Gesicht strahlend. Diesmal fing sie ihn auf. "Was hast du gesagt? Was sollte Mamo-chan hier wollen?" Entsetzen glitt über ihr Gesicht. "Ist er uns auf die Schliche gekommen?"

"Ich weiß es nicht!" Nervös ging Hanako in die nahe Küche und begann ihren Einkauf zu verstauen. "Er hat Kaminari dabei. Und Yugaos ANBU-Team. Und seine Affenkrieger. Ranko, Gosunkugi und Akane. Und da ist noch ein Ninja, den ich nicht kenne. Aber er scheint ein Puppenmeister aus Sunagakure zu sein. Und ach ja, Anne-chan habe ich auch gesehen. Sie läuft mit Hatake-senseis Ninja-Hund im Arm rum, dem kleinen Braunen."

"Pakkun", half Karin aus.

"Ja, Pakkun. Sie kamen durch das Haupttor, gerade als ich zurückkehren wollte. Ich habe mich so verjagt, als Hassin mich gerufen hat."

"Mit ANBU und Affenkriegern wird er wohl kaum auf einen Höflichkeitsbesuch hier sein. Konntest du erkennen, wer die Gruppe anführt?"

"Das war wohl Mamo-chan", sagte sie leise. "Was ist, wenn er Maria töten will?"

Karin wurde bleich. "Das ist... Nicht sehr produktiv."

"Ja, das denke ich auch. Aber trotzdem ist er hier, und er hat mich gesehen", sagte Hanako verzweifelt. "Egal, warum er hier ist, er wird mich suchen. Und er wird mich finden. Und damit auch dich. Ich meine, er hat Gosunkugi dabei. Der Junge ist ein Spürhund. Was tun wir denn jetzt?"

"Ich würde sagen, Ihr macht uns erst mal einen Tee", kam es vom Eingang. Ranko, Hikari und Akane traten, ohne aufgefordert zu werden, ein. Sie hatten sich mit ihren menschlichen Gestalten getarnt. "Und dann bereden wir, wie wir aus dieser Sache wieder raus kommen."

"Ich bin mir gerade nicht sehr sicher, was hier passiert", sagte Gosunkugi vorsichtig.

"Das musst du auch nicht. Es geht dich nämlich nichts an. Entschuldige, wenn ich das so barsch sage." Ranko kniete sich auf den Boden. Sie deutete auf den Jungen. "Ist er das?"

Hanako und Karin nickten synchron.

Ranko setzte ein hoch erfreutes Lächeln auf. Sie breitete die Arme aus. "Na, wer will in meine Arme? Wer will in meine Arme?"

Mit einem Jauchzer der Freude löste sich der kleine Junge, und stolperte auf die Affenkriegerin zu. Die fing den kleinen Burschen auf und drückte ihn an sich. "Du willst in meine Arme. Du, mein kleiner Schatz. Endlich lerne ich dich mal kennen."

Hanako und Karin lächelten bei diesem Anblick, aber schnell tauschten sie einen besorgten Blick. "Was tun wir denn jetzt, Ranko-sensei?", fragte Karin ängstlich.

"Eine gute Lüge versteckt man am Besten in möglichst viel Wahrheit." Ranko sah zur Tür, wo Khal gerade eintrat. "Nicht wahr, mein massiger Freund?"

"Ich bin nur hier, um zu dienen", brummte der große dicke Mann. "Und wenn es für meine beiden Schätzchen Karin und Hana-chan ist, diene ich umso lieber."

***

Noch während ich die dringenden Boschaften an Kirigakure, Konohagakure, Sunagakure und Kumogakure verfasste, trat der Tsukikage ein.

Ehrfürchtig verneigte ich mich, immerhin hatte das Oberhaupt des Ninja-Dorfs den Weg zu mir gemacht, anstatt darauf zu warten, das ich zu ihm kam, wie es richtig gewesen wäre. Ein so mächtiger Mann ließ die Leute zu sich kommen, nicht umgekehrt.

"Es ist mir eine große Ehre, Tsukikage-sama", sagte ich höflich, und stellte mein Team vor, das, wie ich plötzlich bemerkte, ein klein wenig Affenlos war. Wann waren die denn stiften gegangen? Und warum hatte ich das nicht gemerkt, ausgerechnet ich, der sensorische Ninja? Weil ich mir einem Kopf darum machte, warum Hana-chan hier war, darum.

Der Tsukikage begrüßte mich und meine Teammitglieder freundlich, aber bestimmt. "Ich wurde bereits in groben Zügen darüber informiert, worum es geht. Hassin hat richtig entschieden. Alle Einrichtungen des Dorfs stehen Ihnen zur vollen Verfügung, Morikubo-tono. Allerdings haben wir kein Schiff, das wir zur Verfolgung von Kabuto einsetzen können, so sehr ich das bedaure."

"Wäre auch zu schön gewesen, um wahr zu sein", erwiderte ich säuerlich. "Dennoch, die Habichtboten einzusetzen ist bereits mehr als ich erwarten durfte."

"Das ist selbstverständlich. Konoha und Getsu haben gute Beziehungen zueinander."

"Dafür möchte ich mich im Namen von Konoha nachdrücklich bedanken, Tsukikage-sama."

Der oberste Ninja des Ortes nickte wohlwollend. "Womit können wir Sie noch unterstützen, Morikubo-tono? Und wie lange planen Sie zu bleiben?"

Irritiert sah ich ihn an. "Wir müssen immer noch zurück zur Chunin-Prüfung, auch wenn das noch ein paar Tage Zeit hat." Ich deutete auf Anne, die unter dem zwingenden Blick ihres Dienstherrn verlegen lächelte. "Ich habe also nicht vor, hier Urlaub zu machen."

Merkwürdigerweise ließ das Hassin aufatmen.

"Warum denn kein Urlaub", fragte Nekohime. Sie umfasste mich von hinten und drückte mich an sich. "Ich meine, was spricht denn dagegen, hier einen oder zwei Tage zu verbringen? Sai kann die Farbe echt gebrauchen, und eingreifen in die Hatz auf Kabuto können wir sowieso nicht mehr. Und ich meine ja nicht mal so sehr mich, aber du und Kankurou-sama und Anne könnt bestimmt eine kleine Pause vertragen, von Pakkun mal ganz abgesehen."

"Sind bei Ihnen alle ANBU so anhänglich, Morikubo-tono?", fragte der Tsukikage amüsiert.

"Nur die, die mich kennen, seit ich zwölf bin", erwiderte ich säuerlich. Aber Neko-chan hatte natürlich Recht. Ich war immer noch verwundet, dazu merklich ausgelaugt, und hatte immer noch die Spuren der Verbrennungen im Gesicht. Und ich war mir sicher, auch Kankurou war unter seiner Schminke bleich und erschöpft. Fragend sah ich den Suna-Nin an.

"Ich habe nichts dagegen ein paar Tage Ruhe einzuschieben und meine Puppen warten zu können." Er schnaubte amüsiert. "Sie haben eine Menge Kampf gesehen in letzter Zeit."

"Und außerdem ist da noch das Rätsel zu klären, warum Hana-chan hier ist, oder?", warf Kaminari von der Seite her ein.

Ich wäre ohnehin nicht gegangen, bevor ich das nicht gelöst gehabt hätte, inklusive der Frage, warum sie vor mir geflohen war.

"Hana-chan?" Der Tsukikage hob fragend eine Augenbraue. "Ach, Yodama-chan. Sie ist des öfteren zu Besuch. Sie und Akimichi-chan. Mal zusammen, mal einzeln."

Hassin fuchtelte mit den Armen, aber der Tsukikage sprach ungerührt weiter. "Sie sind dann meist Gäste bei einem meiner Jounin. Ich glaube, Sie kennen ihn recht gut. Ihr Name ist..."

"Maria", sagte ich, einer plötzlichen Eingebung folgend.

Der Tsukikage nickte zustimmend. "Maria. Ja. Hassin, bring unsere Gäste bitte zu Marias Haus. Morikubo-tono, geben Sie und Ihre Leute mir die Ehre, heute Abend mit mir zu essen?"

"Es wird uns eine Freude sein, Tsukikage-sama", erwiderte ich.

"Dann bis heute Abend." Der Tsukikage gab ein Zeichen, und die Falkner entließen die Habichte mit meinen Nachrichten für unsere Verbündeten.

Schneller als erwartet konnte ich mich an die Lösung meines neuen Rätsels machen. Warum war Hanako geflohen? Ausgerechnet vor mir? Das machte mir sehr zu schaffen. Aber eventuell hatte es damit zu tun, das sie in Marias Haus wohnte. Moment mal, war Maria nicht auf einer Mission? Wie passte das zusammen? Ich war mehr irritiert als gespannt, wie sich dieses wilde Durcheinander würde entwirren lassen.

Schneidender Wind 12

12.

Als ich das zweistöckige Haus betrat, blieb mir nur wenig Zeit, um meine Eindrücke zu verarbeiten. Ich meine, eine Sekunde war ich erst da, und schon hatte ich einen Schock.

Karin saß mit Hanako-chan, Ranko-sensei und Khal auf einer bequemen L-förmigen Couch vor einem flachen Tisch und zwei Sesseln, und sah mir entgegen, als ich, von Hassin vorgelassen, als erster eintrat. Was mich dabei schockierte, war das Kleinkind auf ihrem Schoß.

Tausende Fragen brodelten in mir und fanden keine Antwort. Hatte sie etwa...? Aber wann? Und warum? Und mit wem? Oder war es doch ganz anders? Ich fühlte, wie ich abwechselnd rot und wieder bleich wurde.

Auch Karin errötete, und ich erkannte schnell, das es nicht die übliche Röte der Peinlichkeit war, die ihr ansonsten zu schaffen machte. Es war Zorn. "Nein, das ist nicht mein Kind!", stellte sie auf meine unausgesprochene Frage fest. "Du solltest wissen, das es nur einen gibt, mit dem ich ein Kind machen würde, und das bist du, Mamo-chan."

Fragend ging mein Blick zu Hanako, die nun auch errötete. "Ich bin auch nicht die Mutter", sagte sie entrüstet. "U-und ich würde auch nicht... Ich meine, ich würde nicht... Nur mit dir..."

Das war zwar nett von ihr, aber es half ebenso wenig wie Karins Reaktion, die Existenz des kleinen Mannes zu erklären. Mein Blick wanderte weiter, bis Ranko-sensei in scharfem Ton sagte: "Denk nicht mal dran, herzuschauen, Mamo-chan."

Wie von einem Eisenpfeiler aufgehalten verharrte mein Kopf in seiner Drehung.

Diese Gelegenheit nutzte Kaminari, um sich an mir vorbei zu drängeln und die Wohnung zu betreten. "Hübsch hat sie es hier, die kleine Mamoru-vernaschende Teufelin." Er grinste in die Runde. "Karin-chan, Hana-chan, hallo. Gut steht dir der Kleine, Karin-chan."

"So? Findest du?", fragte Karin, und drückte ihre Lippen für einen Kuss in sein schwarzes Haar.

"Ich nehme an, der gehört wohl Maria", stellte er fest, und ließ sich ebenfalls auf dem Sofa nieder.

"Ja", sagte Hanako. "Das ist Akira. Marias Sohn."

"Willst du ewig da stehen bleiben, oder lässt du uns auch noch rein?", fragte Kankurou griesgrämig.

"Entschuldigung." Hastig trat ich beiseite, um den Suna-Nin, Anne und Hassin einzulassen.

"Du solltest dich ebenfalls setzen", sagte Gosunkugi, der lässig auf der anderen Seite des Raums an der Wand lehnte. "Eventuell ist das besser... Ufff!"

Akane, die neben ihm stand, zog die Linke zurück, mit der sie ihm schmerzhaft in die Eingeweide geboxt hatte.

"Nur um das klarzustellen", sagte Hassin, als er sich neben Ranko-sensei niederließ, "selbstverständlich stehen Maria und ihr Sohn unter der Protektion von Getsugakure."

Ich erbleichte. "Du wirst doch wohl nicht glauben, das ich ein Kind... Ich meine, das ist nur ein Kleinkind. Ich bin doch nicht in der Lage..." Entsetzt schnappte ich nach Luft.

"Ich wollte es nur mal deutlich sagen, Herr Chunin", betonte Hassin.

"Wie alt ist denn der kleine Schatz?", fragte Kaminari gut gelaunt. "Auf den ersten Blick würde ich ihn auf ein Jahr schätzen."

"Dreizehn Monate und vier Tage", sagte Karin, den Kleinen an sich gedrückt.

"So, so", brummte Kaminari. "Na, dann bist du ja aus dem Schneider, Mamo-chan. Er ist zwei Wochen zu alt, um von dir zu sein."

"Was?", fragte ich entsetzt. Mir wurden die Knie weich, und nur dem Umstand, das Gosunkugi mich stützte, war es zu verdanken, das ich nicht stürzte. An diese Option hatte ich noch gar nicht gedacht. Aber das hatte sich ja quasi von selbst erledigt. "Erschick mich doch nicht so! Wenn ich daran denke, das der Kleine aus dem entstanden sein könnte, was Maria mit mir angestellt hat, dann..." Ich trat näher, begleitet von Hikari, der der Stabilität meiner Beine noch nicht ganz traute.

Vor dem Sofa ging ich in die Hocke. Ich versuchte zu lächeln, so gut das eben ging mit fast verheilten Brandverletzungen im Gesicht. "Ich hoffe, ich erschrecke den Kleinen nicht. Es gab ein paar Umstände mit Kabuto."

"Du bist mit Kabuto zusammen gestoßen?", fragte Karin entsetzt. "Auf den Kerl ist eine S-Rang-Belohnung ausgesetzt!"

"Nur die Ruhe, es ist ja alles gut gegangen. Aber er ist mir entkommen." Ich seufzte, und fasste den Jungen am Kopf. Angst schien er nicht vor mir zu haben. Im Gegenteil, er lächelte mich freudestrahlend an. Einer seiner Ärmchen streckte sich in meine Richtung, als er versuchte, mich zu berühren.

"Was ist das denn für ein süßer kleiner Mann?", klang Nekohimes Stimme auf, als sie an der Spitze der ANBU das Haus betrat. Beinahe sofort kniete sie neben mir, und rieb ihr Gesicht an dem kleinen Menschenkind. "Ist das deiner, Mamo-chan? Oh, bitte, sag mir, dass das deiner ist." Beinahe bettelte sie.

"Leider nicht, Neko-chan", sagte Kaminari bedauernd. "Er ist zwei Wochen zu alt, um der heißen, heftigen Affäre zwischen Maria und Mamo-chan entsprungen sein zu können, als er Amnesie hatte."

"Oooch, aber er ist soooo niedlich! Ich will, dass das dein kleiner Sohn ist, Mamo-chan", beharrte sie trotzig.

"Er ist aber nun mal nicht meiner", erwiderte ich, was mich einerseits ganz froh machte, denn wer wurde denn schon gerne mit siebzehn Vater, und das auch noch aus heiterem Himmel. Andererseits aber... Nun ja, ich würde sicherlich noch Gelegenheit dazu bekommen, ein Vater zu werden, wenn ich lange genug im Shinobi-Business überlebte.

"Was die Frage aufwirft, von wem er ist", sagte Pakkun, als er als Letzter eintrat. Er trottete bis an das Sofa und hockte sich davor und schnüffelte ein paarmal. "Wenn ich meiner Nase trauen darf, dann muss ich aber feststellen, dass..."

Ranko beugte sich vor, griff den Hund im Nackenfell und setzte ihn sich auf den Schoß. Sie begann mit ihren langen, filigranen Fingern, den Nacken des Hundes zu kraulen. "Na, fühlt sich das gut an, Pakkun?"

"Oh, sogar sehr gut. Nach so einer anstrengenden wochenlangen Verfolgungsjagd ist das richtig angenehm. Mach ruhig weiter, Ranko-sama."

"Dass Maria die Mutter ist, haben wir ja schon festgestellt", sagte ich, und sah meine Mädchen wieder an, die erneut erröteten. "Kenne ich den Vater?"

Ein leiser Seufzer ging durch den Raum.

Khal grinste breit. "Natürlich kennen wir den Vater. Ich bin es."

Ich zwinkerte, zwinkerte ein zweites Mal, und fragte: "Wie bitte?"

Der große, dicke Ninja lachte gutgelaunt. "Ich weiß, man sieht es mir nicht an, aber ich habe durchaus Schlag bei den Frauen. Meine "Du musst auch hinter das Äußere schauen"-Masche hat schon oft zum Erfolg geführt." Er betrachtete den kleinen Akira lächelnd. "Maria und ich hatten einen dieser Moment, verstehst du? Man sieht sich, man riecht sich, man will sich, man verzieht sich... Das war, als die abtrünnigen Oto-Nin mit Getsugakure die Übernahmebedingungen ausgehandelt hatten. Es ging heiß und heftig daher."

"Bitte keine Details. Mein Kopfkino kommt da gerade nicht hinterher", erwiderte ich, richtete mich wieder auf, und ließ mich zwischen Hassin und Hana-chan auf dem Sofa nieder. "Und was macht Ihr beide dann hier? Nicht, das ich eure Hilfe nicht bewundere, aber... Ausgerechnet für Maria? Ich hätte eher erwartet, dass Ihr..."

"Hätten wir auch. Beinahe. Aber sie war nicht im Dienst, und sie war schwanger, also haben wir ihr Leben verschont", erklärte Hana-chan. Ihre Wangen röteten sich vor Eifer. "Und das, obwohl wir sie hatten, das möchte ich betonen."

"Die Sache ist die", sagte Khal mit schuldbewusster Stimme, "ich bin ein ganz miserabler Familienmensch. Außerdem noch immer aktiver Jounin für S-Rang-Missionen und dergleichen. Ich kann nicht mit ihr Familie spielen - was Maria auch gar nicht will. Ich schätze mal, von der Hitze des Gefechts ist einfach nur ein vages Gefühl der Verbundenheit zurückgeblieben. Wir sind nicht zusammen, aber Maria möchte ihre Arbeit als Kunoichi fortsetzen, so oft sie kann. Du erinnerst dich sicherlich an einige ihrer Künste, darunter die Möglichkeit, Portale anzulegen."

Ja, daran erinnerte ich mich noch sehr gut. Damit hatte sie mich vor dem explodierenden Guin gerettet. "Ein sehr nützliches Jutsu."

"Nun, wie ich schon sagte, ich bin ein miserabler Familienmensch und ein noch schlechterer Vater. Es reicht gerade mal dazu, ein paar Tage den Babysitter zu spielen, ohne Aki-chan gleich in Lebensgefahr zu bringen. Zudem bin ich auch oft genug auf Missionen. Hassin und Amir kompensieren viel für mich, aber längst nicht alles. Deshalb habe ich einfach mal meine beiden Konoha-Perlen hier gefragt, obwohl ich von ihrem schlechten Verhältnis zu Maria weiß. Aber es geht ja auch nicht um Maria, sondern um den kleinen Akira."

"Gibt es denn niemanden in Getsugakure, der das übernehmen könnte? Anne zum Beispiel?", fragte ich erstaunt.

"Aber ich bin doch auch eine Kunoichi", protestierte sie. "Angemeldet beim Chunin-Examen. Ich kann auch nicht immer hier sein."

"Es hat sich halt so eingebürgert, das Karin-chan und Hanako-chan immer hier rein schauen, wenn sie in der Gegend sind. Das ist mit der Hokage so abgesprochen."

"Ihr habt Tsunade-sama da mit rein gezogen?", fragte ich verblüfft.

"Es ist ja nur für ein paar Jahre, bis Aki-chan alt genug ist, um an die Ninja-Akademie zu gehen", murmelte Karin brummig.

Ich legte meine Stirn in Falten. "Also, wäre das mein Sohn, dann würde ich nicht automatisch davon ausgehen, das er Ninja werden will." Ich bereute diese Worte beinahe sofort wieder. Sie waren aus dem kleinen Rest meiner Unsicherheit entstanden, die mich seit jeher beherrschte, seit ich mich dazu entschlossen hatte, ebenso wie meine Mutter Shinobi zu werden, und dies gegen den Rat der Mehrheit der Familie, die einen Nara ohne Schattenkünste nicht für einen Shinobi geeignet befanden. Nun war ich Chunin, und die Skeptiker waren einigermaßen beruhigt. Mein Beißreflex war aber immer noch vorhanden. Und ebenso wie ich um jeden Preis Shinobi hatte sein wollen, so war ich fest entschlossen, meinen Kindern - falls ich lang genug leben würde, um sie zu zeugen - die Wahl zu lassen, was sie werden wollten. Ob sie nun Shinobi wurden, Handwerker, Verwaltungsbeamte, Kaufleute wie mein Vater, Köche, Verkäufer, was auch immer: Ich würde ihnen vieles zeigen, aber nichts vorschreiben.

"Es steht ja auch noch gar nicht fest, das Aki-chan Ninja werden will", sagte Hanako in beruhigendem Tonfall. "Das hat Karin ja nur als mögliche Option genannt. Immerhin, Maria und Khal sind beide Ninjas, und gute obendrein. Da liegt es nahe, das Aki-chan ein solides Talent mitbringt."

"Okay, das sehe ich ein. Und ich habe hier ja auch nichts zu entscheiden." Spöttisch sah ich Khal an. "Und es würde mich doch sehr wundern, wenn du viel zu sagen hättest."

"Du weißt ja gar nicht, wie Recht du hast."
 

Kitsune, der als Letzter der ANBU eingetreten war, ließ ein leises Schnauben hören. "Nachdem also die Herkunft des zugegeben niedlichen kleinen Manns geklärt ist, schlage ich vor, wir diskutieren über das Naheliegendste. Ich fasse zusammen." Er warf sich schwungvoll in einen der beiden Sessel vor der Couch, "Wir holen Kabuto garantiert nicht mehr ein, unterstehen aber immer noch deinem Befehl, Mamo-chan. Bis zum Eintreffen neuer Befehle tun wir, was du sagst. Und da wir noch einiges an Luft haben, bevor Anne für das Finale der Chunin-Prüfung in Sunagakure sein muss, möchte ich gerne den Vorschlag des Tsukikages noch mal aufgreifen."

"Du meinst den mit dem Urlaub?", fragte Kankurou.

"Nur ein oder zwei Tage. Baden, sonnen, entspannen", sagte Kitsune. "Wann haben wir dazu in solch einem Klima schon die Gelegenheit, wenn nicht jetzt?"

Okami setzte sich auf die Couch, möglichst weit weg von Karin und dem kleinen Akira. "Du gibst die Befehle, Mamoru."

Ich runzelte die Stirn. "Kuma?"

Der große, breitschultrige Riese sah hinter der Küchenzeile auf, wo er gerade dabei gewesen war, unbemerkt von uns allen den Kühlschrank zu plündern. "Was? Oh, ich bin für Urlaub. Verdammt lecker, diese Broccoli-Paste."

"AAH!", rief Karin, und drückte Hanako Aki-chan in die Arme. "Das ist der Brei für Akira! Den kannst du doch nicht einfach so essen, Kuma-chan! Frag doch wenigstens vorher!"

Enttäuscht seufzte Nekohime auf, als das Objekt ihrer Bewunderung aus ihrer Reichweite geschafft wurde. Mit einem Seufzer ließ sie sich auf Karins Platz nieder, während Karin den Riesen alleine mit ihrer schieren Präsenz in die Ecke zu treiben schien.

"Aber ich habe doch solchen Hunger", sagte der Mann schuldbewusst, und ließ die Arme hängen.

"Kannst du nicht vorher fragen?" Oh, es war schon ein Anblick für die Götter, als sich die zierliche Karin wie eine Gestaltgewordene Rachegöttin vor dem drei Köpfe größeren Kuma aufgebaut hatte, und diesen mindestens um einen Meter zu überragen schien. "So was macht man nicht! Vor allem nicht, wenn man Gast ist!" Sie drückte den Riesen mit einer Leichtigkeit beiseite, die mich überraschte, und langte in den Kühlschrank. Sie nahm sich mehrere Speisen und Brot aus einem Schrank, und hatte nach wenigen Sekunden ein wirklich großes Sandwich fertig. "Hier. Iss das. Das wird ja wohl eine Zeitlang vorhalten."

"Oh, danke!" Mit Feuereifer stürzte sich der Riese auf die unerwartete Mahlzeit.

"Wenn du schon mal dabei bist, Karin-chan", sagte Okami, "wir sind am Abend beim Tsukikage zum Essen eingeladen, und bis dahin dauert es noch ein wenig."

"Hrm. War ja wieder klar. Frag die Akimichi, die versteht was vom Essen. Schau dir ihre Verwandten an. Alle Akimichi-Frauen müssen tolle Köche sein." Vorwurfsvoll sah sie ins Rund. "Nur damit ich das mal klarstelle! Nicht alle Klischees haben einen wahren Ursprung."

Schuldbewusst senkten wir die Köpfe.

Sie seufzte. "Am Abend seid Ihr beim Tsukikage eingeladen? Na, dann wird er mich ja bald holen lassen, damit ich die Küche übernehme. Ich mach mal fix eine gemischte Imbißplatte. Kankurou-sama, haben Sie besondere Wünsche?"

"Oh, ich lasse mich überraschen", sagte der Ratsherr aus Suna.

"Na dann." Mit großem Eifer machte sich das junge Mädchen an die Arbeit.

Als sie unsere Blicke bemerkte, hielt sie inne. "Was? Nur weil ich tatsächlich gut kochen kann, heißt das noch lange nicht, das Ihr Klischees bedienen dürft!"

Das klang plausibel genug. Wir nickten zustimmend und warteten auf Karin-chans unverwechselbare, schmackhaften Appetithappen mit Meeresfrüchten, Käse, Geflügelfleisch und Rindfleisch. Dafür war sie berühmt.
 

"Also, was ist nun, Mamo-chan?", fragte Gosunkugi. "Für ein paar Tage Urlaub bleibe ich gerne noch hier. Aber wenn du gleich nach Suna zurück willst, können wir eigentlich auch zurückkehren."

Ich überlegte einen Moment. "Die Unterbringung?", fragte ich Hassin.

"Marias Haus ist mit Karin und Hanako noch unterbelegt. Ich dachte daran, Ranko-sama und Akane-chan hier einzuquartieren. Wenn es euch nicht zu eng wird, auch noch Nekohime-san. Die Männer wollte ich auf mein und Khals Haus aufteilen. Kein Problem, da ist genügend Platz für alle. Das halten wir Wochenlang aus."

Ich nickte zustimmend. "Also gut. Wir bleiben drei Tage für Strandurlaub hier."

Verhaltener Jubel klang auf. Wahrscheinlich war es deshalb kein richtiger Jubel, weil ich den Zeitraum nicht auf eine ganze Woche festgelegt hatte, ging es mir durch den Kopf.

Eine kleine Hand legte sich auf meine Wange, und erstaunt wandte ich den Kopf in Richtung von Aki-chan. "Tut au?", fragte der kleine Bursche mitfühlend, und berührte eine weiße Hautstelle, eine fast verheilte Verbrennung, die ich mir zugezogen hatte, als ich in einem engen Zimmer im unterirdischen Versteck Orochimarus eine Dai Endan gezündet hatte, um Kabuto zu entkommen.

Ich lächelte sanft. "Nein, jetzt nicht mehr."

Das brachte den Kleinen zum Strahlen.

Hanako sah mich irritiert an, sehr irritiert, bevor sie mir den Jungen auf den Schoß setzte. "Hier, tu mal was für dein Geld, Herr Chunin." Vom anderen Ende der Couch ließ Nekohime einen Laut abgrundtiefster Enttäuschung hören, als das Objekt ihrer Bewunderung noch weiter fort geschafft wurde.
 

Nun hatte ich das einjährige Kind im wahrsten Sinne des Wortes am Hals. Ein Umstand, der dem kleinen Burschen überaus gut gefiel. Er herzte mich und küsste mich aufs Kinn. Dank meinen jahrelangen Erfahrungen mit Affenliebe war ich das gewöhnt und wurde nicht davon überrascht. Ich wusste zwar nicht viel mit dem kleinen Ratz anzufangen, aber es fühlte sich gut an, ihn zu halten. Vielleicht etwas zu gut. Immerhin war er Marias Kind.

Hanako indes hatte die Arme vor der Brust gefaltet, und sah Kuma sehr, sehr ernst an. "Ich kenne jemanden, der jetzt sofort einkaufen geht und ein neues Glas Broccoli-Brei für Aki-chan besorgt", sagte sie bestimmt.

Kuma schluckte trocken. "Ich glaube, den kenne ich auch. Zeigt mir jemand den Weg?"

Hassin erhob sich. "Ich erkläre ihn dir schnell, Kuma-tono."

Mittlerweile hatte Karin ihre Arbeit beendet. Uns erwarteten nun auf vier großen Platten diverse Schnitten und Häppchen. "Puh. Ich hoffe, Ihr habt nicht zu lange gewartet", sagte sie, die ersten beiden Platten auf den flachen Couchtisch tragend.

"Ging so", kommentierte Kaminari, und griff als Erster zu. Bald kaute er genüsslich an seinen Happen. "Also, ich weiß nicht, wie sich das mit dem Klischee vereinbart, aber diese Akimichi, die kann wirklich kochen", sagte er grinsend.

"Hach, nun hör auf, mir Honig ums Maul zu schmieren. Ich habe dir doch schon Essen gemacht", erwiderte sie lächelnd. "Das muss dann aber reichen, bis Ihr zum Tsukikage geht." Sie warf einen Blick in Richtung Hanako. "Ist Aki-chan nicht auch an der Reihe für sein Nachmittagsgläschen?"

Hana-chan nickte. "Natürlich. Zeit für seinen Brei. Was ist denn noch da?"

"Pürierte Banane."

"Gut, nehmen wir." Sie langte nach den kleinen Jungen auf meinem Schoß. "Komm, kleiner Mann, es gibt Essen."

"Will nicht", sagte er trotzig, und hielt sich an meiner Weste fest. "Will bei... Will bei..." Fragend sah er mich an, bevor ihn ein Geistesblitz zu erleuchten schien. "Will bei Papa bleiben."

Für einen Moment war es totenstill im Raum. Warum, erschloss sich mir nicht so genau.

"Nein, das geht leider nicht, kleiner Mann. Höre schön auf Hanako und iss deinen Brei", sagte ich bestimmt. "Du kannst ja hinterher wiederkommen."

Traurig sah er mich an. "Wirklich?"

"Wirklich."

"Na gut." Er ließ meine Weste los, tat einen Seufzer, wie ihn ein Erwachsener, der eine Entbehrung vor sich hatte, nicht hätte besser von sich hätte geben können, und streckte die Hände nach Hana-chan aus. Die nahm ihn auf, hob ihn hoch und setzte ihn sich gekonnt auf die Hüfte, wo sie ihn nur mit der Linken platziert hielt.

"Du wirst mal eine tolle Mutter abgeben, Hanako-chan", sagte Kaminari grinsend.

Die junge Frau runzelte die Stirn. "Wir werden sehen", erwiderte sie, und trat in die Küche.

An der Haustür hatte Hassin seine Erklärung für den ANBU beendet. Hoffnungsvoll sagte der Riese, bevor er aufbrach: "Lasst mir was übrig, ja?"

"Und das sagt er nach einem Sandwich groß wie sein eigener Kopf", murmelte Kitsune amüsiert. Er griff nach dem Essen, und sagte frohlockend: "So lasse ich mir einen Urlaubsbeginn gefallen."

"Interessant", klang nun Sais Stimme auf; das erste Mal, seit wir das Haus betreten hatten. "Was ist das, ein Urlaub?"

Ich seufzte. Nun, das hätte ich erwarten sollen, oder?

***

Etwa eine Stunde später brütete in Sunagakure der Kazekage Gaara zusammen mit seiner Schwester Temari sowie Asuma und Kakashi über der Nachricht, die sie aus Getsugakure erreicht hatte.

"Zuerst einmal die blanken Fakten. Keiner wurde getötet, und die ganze Truppe ist in Sicherheit", sagte Gaara mit einem kaum merklichen Aufatmen. "Zudem können wir sicher sein, das Kabuto das Land der Winde tatsächlich verlassen hat." Der Kazekage sah auf und fixierte Kakashi. "Wie hat Morikubo eigentlich bisher überleben können? Es scheint wirklich so, das er jede Gelegenheit, ums Leben zu kommen, mit Freude mitnimmt. Ich sage jetzt nicht, das er Glück hat, weil das hier alles nichts mit Glück zu tun hat. Im Gegenteil: Er hat Pech, wo er geht und steht."

"Das kann man so oder so sehen", erwiderte Kakashi. "Natürlich war es ein wenig Pech, das er Kankurou-sama direkt in eine Ortschaft geführt hat, die von Orochimarus Partnern überlaufen war, und noch mehr Pech, auf ein mit voller Kraft arbeitendes Labor zu stoßen, wo Kabuto ein mehr an Material und Shinobi zur Verfügung stand. Und sicher hatte er nochmal eine ganze Ecke mehr Pech, als er auf eine Abteilung untoter Kiri-Nin gestoßen ist, die Kabutos Abfahrt gedeckt haben. Aber bisher hatte er immer Glück dabei, um sich und andere da wieder lebend raus zu winden."

Temari hüstelte leise. "Wie heißt es doch so schön? Glück haben ist schön und gut, sich auf Glück zu verlassen ist Selbstmord."

Asuma lachte schallend. "Ja, das könnte Mamo-chan über kurz oder lang passieren. Aber was soll schon sein, wenn das Glück ihn verlässt? Der Sarutobi-Clan hat dafür gesorgt, das er gut ausgebildet wurde, und das schon vor dem Tod seines Senseis." Ein kurzer dunkler Schatten schlechter Erinnerungen flog über seine Augen. "Beider Senseis", fügte er hinzu.

"Allzu schlecht scheint er sich ja nicht zu machen, wenn Kankurou-niichan noch nicht das Kommando an sich gerissen hat", sagte Gaara. "Ich vertraue da auf die solide Ausbildung Konohas und speziell der Sarutobi-Familie. Außerdem glaube ich, ein Potential einschätzen zu können, wenn ich es sehe. Und Mamoru hat sicherlich das Potential, einmal Jounin zu werden."

"Wissen wir", sagte Asuma. "Er hat da nur gewisse Hemmungen, die... Nun, die wir ihm nicht austreiben können. Bereits jetzt übernimmt er die Aufgaben eines Jounin. Meistens die eines spezialisierten Jounin, aber... Nun." Der bärtige Riese grinste unsicher.

Gaaras fragender Blick ging zu Kakashi.

"Er ist Träger eines Kekkai Genkai", erklärte der weißhaarige Jounin. "Er wurde in den Clan der Naras hinein geboren und hat in seinen Genen die Schattenkunst geerbt."

"Ah." Gaara richtete sich ein Stück auf. "Ich erinnere mich an die sehr gelungene Vorstellung bei meinem Chunin-Examen, die Shikamaru-chan im Kampf gegen meine Schwester abgeliefert hat. Mamoru ist also ein Naara."

"Mit einem kleinen Fehler, Gaara", sagte Kakashi bedauernd. "Er kann sein Kekkai Genkai nicht einsetzen. Mit anderen Worten: Als Nara ist er keinen Pfifferling wert."

"Oh. Das ist bedauerlich. Sogar mehr als bedauerlich. Aber ich habe ihn gegen Baki kämpfen gesehen, und einen Anfänger oder schlechten Taijutsu-Nutzer habe ich nicht entdeckt", sagte der Kazekage.

"Das ist so eine Familiengeschichte. Der Clan hat wohl entschieden, das ein Nara, der keine Schattenkunst einsetzen kann, niemals ein Ninja werden kann. Mamoru konnte sich nur unter größten Mühen durchsetzen, um es zumindest zu versuchen. Nun, vom Standpunkt Konohas aus gibt es keinen Grund, an seinen Fähigkeiten zu zweifeln, die zudem noch lange nicht voll entwickelt sind. Aber die Nara hatten ihn erst als Ninja akzeptiert, als er die Chunin-Prüfung bestanden hatte."

"Versteh die Nara nicht falsch, Gaara", fügte Asuma an. "Mamo-chan wurde nicht gegängelt oder für unfähig erklärt. Es fällt einem Nara nur sehr schwer zu akzeptieren, das man sich in der Ninja-Welt ohne Schatten-Kräfte durchsetzen kann. Sie wollten ihn schlicht und einfach vor sich selbst beschützen. Mamo-chan ist durch diese Zeit gegangen, weil er sich immer zurückgenommen hat, den Hintergrund gesucht hat. In den Vordergrund zu rücken bedeutete die Diskussion nach vorne zu schieben, deshalb hat er immer getan was er konnte, um hinten stehen zu können. Deshalb ist er auch noch kein spezialisierter Jounin. Ihm ist der Gedanke, tatsächlich mehr leisten zu können, als das Nara-Clan ihm jemals zugetraut hat, zutiefst suspekt. Immerhin schätzt und respektiert er seinen Clan. Und kann sein Clan irren? Das ist eine tief verzweigte und vertrackte Geschichte in seinem Denken. Dass er zum Kontraktträger der Affen gemacht wurde, hat es nicht besser gemacht, weil er seine Erfolge nun alle den Affen zuschiebt." Asuma seufzte und hob die Schultern. "Er ist unser Sorgenkind, aber ein liebes."

"Ja, ich mag ihn auch", brummte Gaara. Als ihn daraufhin alle ansahen, kniff er das rechte Augen zu einem Schlitz zusammen. "Nein, das war keine Ironie. Abgesehen davon, das er Baki zusammengeschlagen hat, aber auch nur weil er Glück gehabt hat, trage ich ihm nichts nach. Er hat die Leistungen erbracht, die die Hokage und Ihr Jounin von ihm erwartet habt.

Aber genug davon. Reden wir wieder über diesen Bericht."

"Meiner Meinung nach können wir nichts tun, um bei der Jagd auf Kabuto zu helfen", sagte Asuma mit ernster Stimme. "Wir sind zu weit vom Schuss. Überlassen wir die weitere Hatz Konoha, Kiri und Kumo."

Gaaras fragender Blick ging zu seiner Schwester, die zustimmend nickte; dann zu Kakashi, der die Geste wiederholte. "Gut. Ich werde dennoch je ein Untersuchungsteam an den Schauplatz des letzten Kampfs und an die Küste schicken. Sicher ist sicher. Wir sollten besser alles lernen, was wir über Kabutos Wiederbelebungskunst in Erfahrung bringen können."

"Und was machen wir mit Morikubos Team?", fragte Temari.

"Oh, es ist noch etwas Zeit bis zum Finale, bevor Anne-chan hier sein muss. Ich bin sicher, auch die Hokage sieht das so, und lässt die Truppe ein wenig ausruhen. Wer weiß, vielleicht kommt Kankurou ja mit einer gesunden Bräune zurück."

"Du hast einen skurrilen Humor, kleiner Bruder", tadelte Temari, konnte sich aber ein Grinsen nicht verkneifen.

"Schuldig im Sinne der Anklage", erwiderte der Kazekage. Die vier Shinobi lachten.

***

"Na, herzlichen Dank auch!", sagte Tsunade ärgerlich, als sie den Bericht aus Getsugakure in Händen hielt. "Kabuto versteckt sich also in einem fünfzig Kilometer durchmessenden Unwetter, das in diesem Moment über Land kommt und ihm in den nächsten zwölf Stunden über einhundert Kilometer Küste bietet, um in seinem Schutz Landgang zu nehmen? Wie bitte sollen meine Shinobi ihn dann finden? Bei solch einem Wetter bleiben nicht einmal Geruchsspuren."

"Sieh es von der Haben-Seite, Tsunade-sama", warf Shizune ein. "Die Gruppe um Mamo-chan hat immerhin ein Versteck Orochimarus ausgehoben. Und laut dem Bericht konnte Ryu Kaminari in diesem Versteck gerettet werden."

"Ein sehr glücklicher Zufall. Ich habe schon mit dem Gedanken gespielt, das er eventuell doch und vollends desertiert sein könnte. Hätte ich da die Oinin der ANBU auf ihn angesetzt, hätten wir das Versteck vielleicht früher gefunden. Ich sollte mehr auf meinen Bauch hören. Der hat mir gesagt, das es nichts schaden kann, Oinin los zu schicken."

"Er hat dir aber auch gesagt, das Kaminari-kun nach seinem erfolgreichen Auftrag keinen Grund hatte, sich ins Gebüsch zu schlagen. Deine eigenen Worte, Tsunade-sama", erwiderte Shizune.

"Das Glück ist eben mit den Dummen. Und damit meine ich mich selbst, Shizune." Sie faltete die Hände vor ihrem Gesicht zusammen und stützte die Ellenbögen auf dem Schreibtisch ab. "Uns geht es viel zu lange schon viel zu gut. Ich fürchte, das wird nicht mehr lange so weiter gehen." Ihr rechter Zeigefinger trommelte einen nervösen Rhythmus auf ihrem rechten Nasenflügel. "Auf der einen Seite Orochimaru, auf der anderen Seite die Akatsuki. Dazwischen die Ninja-Dörfer, von denen uns mindestens eines der großen Dörfer feindlich gesinnt ist. Dazu ungezählte kleinere."

"Außer denen, in denen Naruto schon einmal gewesen ist", warf die Assistentin ein.

"Ja, das ist mir auch schon aufgefallen. Wenn er mit Jiraiya wieder in Konoha ist, sollten wir aus ihm einen Diplomaten machen und auf Good Will-Tour durch alle Ninja-Dörfer schicken."

"Das wird er nicht mitmachen. Er wird darauf drängen, den kleinen Uchiha zu suchen, bevor Orochimaru Sasukes Körper übernehmen kann. Das ist auch nur noch etwas mehr als ein Jahr."

"Ja, ich weiß. Naruto-kun ist geradezu davon besessen, ihn zu "retten". Ich frage mich, ob er die Wahrheit ertragen wird."

"Was ist denn die Wahrheit?", fragte Shizune.

"Die Wahrheit...", begann Tsunade, "...ist irgendwo da draußen."

"Ja, wo auch sonst", sagte Shizune, und nickte bekräftigend. "Und was machen wir jetzt wegen Kabuto?"

"Wir schicken ein paar Teams unserer sensorischen Spezialisten und ANBU aus, um unsere Küste zu überwachen. Vor allem die Flussmündungen und die Häfen. Und was Morikubo und sein Team betrifft: Hat Getsugakure nicht einen tollen Sandstrand?"

"Äh, was bitte?"

"Einen Sandstrand, Shizune. Am Meer."

"Ja, Tsunade-sama. Aber..."

Die Hokage schnaubte zufrieden. "Gut, dann geben wir Team Morikubo doch ein paar Tage frei. Wenn sie schon mal in der Sonne sind..." Ein neidisches Seufzen entrang sich ihrer Kehle. Sie war nicht in der Sonne, geschweige denn in ihrer Freizeit. Aber man konnte nicht alles haben.

"Noch ein Geburtstagsgeschenk. Ist notiert. Was ist mit den ANBU?"

"Die können mit Sai zurückkehren. Sobald... Sobald er der Überzeugung ist, das die Witterung seine Tintenvögel nicht mehr gefährden kann."

"Das ist aber eine sehr vage Formulierung, Tsunade-sama", tadelte Shizune.

"Ich weiß", erwiderte die Hokage lächelnd.

***

"Nii-san!"

Der vierte Raikage Kumogakures sah unwirsch auf, als sein Bruder Kirabi in sein Büro gestürmt kam. "Was ist denn?"

"Du hast Nachrichten von Mamo-chan bekommen, habe ich gehört?"

"Das kann man wohl sagen." Der große Mann atmete bedächtig, aber nachdrücklich aus. "Scheint so, als wäre er knietief in der großen Scheiße gewatet. Hat sich mit Orochimarus Leutnant angelegt, diesen Nukenin aus Konoha, Kabuto. Es gab etliche Schwierigkeiten. Und nun ist dieser Kabuto inmitten eines schweren Sturms auf See verschwunden und könnte sogar an unserer Küste anlegen. Ich habe bereits zwanzig Teams zur Überwachung unserer Seehäfen, Flussmündungen und natürlichen Buchten detachiert. Weitere vierzig starten morgen früh. Ich möchte, das du die Koordination übernimmst, Kirabi."

Der Raikage runzelte die Stirn. "Hast du verstanden, Kirabi?"

"Ja, ja, schon verstanden, da hilft nur schnelles Handeln." Kirabi trat bis an den Schreibtisch des Führers Kumogakures heran. "Aber was schreibt Mamo-chan über sich?"

Der Yondaime Raikage stockte und griff nach der kleinen Schriftrolle. Sorgfältig las er die Botschaft noch einmal durch. Endlich kam er zu einem Ergebnis. "Nicht viel."

"Wie, nicht viel? Hat er uns vergessen? Seit drei Jahren will er uns besuchen kommen, und nichts ist passiert. Heute schickt er eine Eilnachricht an dich, Nii-san, und er schreibt nicht viel über sich?"

Für einen Moment fühlte sich der Raikage in einer Zwickmühle zwischen seiner Pflicht und seinen eigenen Gefühlen gefangen. Hilflos zuckte er die Schultern. "Immerhin schreibt er, das es ihm gut geht."

"Echt? Das hat er geschrieben?" Mit einem erlösten Seufzer ließ sich Kirabi auf den erstenbesten Stuhl fallen. "Uff. Das erleichtert mich aber. Wenigstens kriegt der Herr Chunin mal das Maul auf."

Nun, da gab es keine zwei Interpretationen, fand der Raikage. Morikubo hätte durchaus noch ein wenig mehr schreiben können. Immerhin waren der Chunin aus Konoha uns er keine Fremden füreinander. "Die Nachricht kam aus Getsugakure. Ich werde antworten und um weitere Informationen bitten, wenn du das willst."

Kirabi schreckte aus seiner erschöpften Haltung hoch und sah seinen Wahlbruder an. "Ja. Ja, das wäre nett von dir! Möglichst viele Informationen. Ist er immer noch zu dumm, um zu sehen, was seine Mädchen für ihn empfinden? Wann wird er Jounin? Wie geht es ihm? Wann kommt er uns besuchen?"

Der Raikage räusperte sich. "Bii, du bist zu emotional."

"Und? Das bin ich doch immer", konterte der kleine Bruder A's.

Der lachte nach einem kurzen Moment der Verblüffung. "Da hast du auch wieder Recht. Also gut, ich frage ihn das alles, und noch mehr."

"Danke. Schick mir die Antwort direkt an die Front. Ich kann doch Omoi mitnehmen? Karui und Samui sind ja auf Missionen, aber Omoi ist verfügbar."

"Ich habe ihn als deinen Leutnant eingeteilt. Wird Zeit, das der faule Hund Verantwortung übernimmt", sagte der Raikage grinsend.

"Ganz meine Meinung. Er lässt sein Talent viel zu sehr brach liegen. Man muss ihn beinahe so sehr die Erfolgsleiter hochprügeln wie Mamo-chan. Na, vielleicht noch etwas mehr."

"Dem habe ich nichts hinzu zu fügen", sagte der Raikage.

Dies ließ Kirabi lächeln. "Na, dann gehe ich mich doch mal prügeln."

"Eines noch", hielt A seinen Bruder zurück. "Du trägst ja wieder Sonnenbrille. Und sehe ich da einen Bartschatten?"

"Äh, es war Zeit für einen Imagewechsel. Wenn meine Karriere als Sprechsänger endlich durchstarten soll, muss ich ein modisches Zeichen setzen."

Irritiert sah der Raikage den Jüngeren an. "Wie auch immer, solange du das nicht im Dienst tust. Und jetzt kümmere dich um deine Truppen."

"Bin schon weg!", rief Kirabi, sprang auf und verließ das Büro im Laufschritt.

"Bruder, Bruder, Bruder... Ob du es willst oder nicht, auf deinen Schultern ruht die Zukunft Kumogakures." Der Raikage schüttelte den Kopf. Sie hätten es wesentlich schlechter treffen können. Sogar sehr viel schlechter.

***

"Mizukage-sama", sagte Kjun, als er nach respektvollem Anklopfen eintrat. "Eine Nachricht aus Getsugakure ist soeben eingetroffen."

Mei Temari warf ihrem Freund und Kampfgefährten einen undefinierbaren Blick zu. "Du kannst den Mizukage-Quatsch lassen, wenn wir allein sind, Kjun-chan. Das weißt du doch."

"Sicher, Mizukage-sama", sagte der dicke Kiri-Nin pikiert. Er hatte Terumi geholfen, den Yondaime zu stürzen, damit sie neue Mizukage werden konnte, war ihr wichtigster Weggefährte gewesen, und auch jetzt handelte er nur zu ihrem Nutzen. Sie hatten die Krone errungen, gemeinsam. Und jetzt sollte er auf den Genuss verzichten, den es ihm bereitete,wenn er Mei Mizukage nannte? Niemals.

Terumi seufzte resignierend. "Nun gib schon her. Was ist denn für Getsugakure so wichtig, dass der Tsukikage uns kontaktiert?"

"Die Nachricht ist nicht vom Tsukikage, sondern von Morikubo."

Terumi sah erstaunt auf und strich sich jene Haarsträhne fort, die zumeist ihr rechtes Auge bedeckte. "Mamo-chan?"

Kjun nickte, und reichte ihr die Nachricht.

"Du hast es schon gelesen?", fragte sie, während sie das kleine Dokument entfaltete.

"Ich habe mir sogar erlaubt, der Angelegenheit entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Was ich aber für interessant, wenn nicht essentiell halte, das ist im letzten Absatz geschrieben."

Die Mizukage sprang sofort zum letzten Teil des Schriftstücks, jenen Part, der den Kampf mit den wiederbelebten Kiri-Nin betraf. "Orochimaru hat was?", rief sie aufbrausend. "Und wie viele?"

"Genügend, wie es scheint", sagte Kjun.

Schwungvoll stand die Mizukage von ihrem Stuhl auf und stieß ihn dabei um. Sie krempelte ihren rechten Ärmel hoch, und ballte die Hand zur Faust. "Kabuto! Wenn ich dich erwische, dann..."

Kjun hielt die Mizukage zurück, bevor sie aus dem Büro stürmen konnte. "Ich halte es jetzt weder für konstruktiv, noch für notwendig, das du dich selbst darum kümmerst, Mei-chan. Außerdem ist es schlecht für die Haut, sich so aufzuregen, und es mindert die Heiratschancen."

"Ha-heiratschancen?"

Kjun richtete den Sessel wieder auf und drückte Terumi wieder hinein. "Wichtiger ist jetzt, das wir uns darum kümmern, wo dieser kleine Teufel die Leichen her hatte. Deshalb habe ich mir schon erlaubt, nach Ao schicken zu lassen."

Terumi setzte sich wieder komfortabler hin. Ao war ein wichtiger Verbündeter für sie. Er hatte das Komplott entlarvt, das der Yondaime gesponnen hatte, und ihr damit den Weg als Godaime Mizukage geebnet. Außerdem hatte er im letzten Ninja-Krieg ein Byakugan erobert. Ihres Wissens nach war Kiri damit das einzige Ninjadorf, das dieses Kekkai Genkai außerhalb Konohas einsetzen konnte. Die Spur der Leichen, die auf Kabutos Befehl reanimiert wurden und im Reich der Winde gekämpft hatten, würde eine Untersuchung erforderlich machen. Aos wacher Verstand, sein Byakugan und seine Kombinationsgabe, die schon den Yondaime entlarvt hatte, prädestinierten ihn geradezu, die Untersuchung zu leiten.
 

Als es klopfte, bat Terumi sofort herein.

"Mizukage-sama", sagte der große Shinobi, und neigte ergeben das Haupt.

"Ao, ich habe einen speziellen Auftrag für dich, der höchstwahrscheinlich in direktem Zusammenhang mit dem Komplott des letzten Mizukages zusammenhängt."

Für einen Moment schien der Ninja enttäuscht zu sein. "Was? Ich hatte damit gerechnet, die Küsten gegen Kabuto abzuriegeln... Das Komplott des Yondaime?"

"Richtig", antwortete Terumi, und ging darüber hinweg, das Ao augenscheinlich früher als sie selbst über die Sachlage informiert worden war. "Dieser Kabuto hat rund fünfzig Leichen reanimiert und für sich kämpfen lassen. Die Leichen von Shinobi."

"Ein verwerfliches Vergehen", sagte der große Ninja ernst.

"Du weißt gar nicht, wie verwerflich. Es waren Kiri-Nin."

Ao runzelte die Stirn. "Verzeihung, Terumi-sama, aber können wir dem Überbringer dieser Nachricht weit genug vertrauen, um diese Information ernst zu nehmen?"

"Entscheide selbst. Die Nachricht wurde von einem Konoha-Chunin verschickt, den ich kenne und schätze. Sein Name ist Mamoru Morikubo."

"Ich meine mich schwach daran zu erinnern, dass Sie von ihm erzählt haben, Terumi-sama. Wenn er für Sie vertrauenswürdig genug ist, ist er das selbstverständlich auch für mich."

"Gut", murmelte sie zufrieden. "Du beginnst deine Untersuchungen sofort, Ao. Stell dir ein Team zur Unterstützung zusammen und beginn auf dem Friedhof. Untersuch zuerst die Kavernen mit den Massengräbern aus dem letzten Ninja-Weltkrieg."

"Verstanden, Mizukage-sama." Der große Ninja verbeugte sich vor ihr und wandte sich dann wieder der Tür zu.

"Ach, Ao?"

"Mizukage-sama?"

Mei Terumi lächelte. "Ich erwarte einen verschwenderischen Einsatz deines Byakugans."

"Jawohl, Mizukage-sama."
 

"Ich habe Angst vor dem, was Ao entdecken wird", gestand Kjun, als dieser das Büro verlassen hatte.

"Ich habe Angst vor dem, was er übersieht", sagte die Mizukage mit tonloser Stimme.

***

Es war Mitternacht, als das Transportschiff in einer kleinen Bucht vor Anker ging. Der Wind peitschte das Meer auf, die Schaumkronen gischteten auf den Kämmen der Wellen, und die Rahe der Masten, die von der Last der Segel befreit waren, knarrten bedrohlich bei jeder kräftigen Böe.

Kabuto dankte seinen persönlichen Glücksgöttern für diesen Sturm, der seinen Landgang buchstäblich verschluckte.

Er wechselte ein paar letzte Worte mit dem Kapitän und gab Anweisungen, die Verbrennungen am Heck abzuhobeln, bevor er seinen regulären Hafen anlief. Ohne diese Markierung, und ohne Kabuto und seine Begleiter an Bord, war der Frachter nur einer von vielen, und würde seine subversive Tätigkeit für Orochimaru-sama fortsetzen können.

Als dies erledigt war, rief er seine Shinobi zusammen.

Zuuto trug dabei den Tank mit dem verletzten Suigetsu Housuki. Der junge Mann aus Wasser würde für Orochimaru-sama noch seinen Nutzen haben, dessen war sich Kabuto sicher.

Kurz sah er an Land, in Richtung der dunklen Küste. Nur ein paar hundert Meter trennten ihn davon, und dann war es keine weite Reise zum nächsten Versteck, wo sie sich einige Tage von der Hetzjagd dieser renitenten Konoha-Nin erholen konnten. Und besonders er selbst.

Der Sturm würde alle ihre Aktionen verschlucken. Dies brachte ihn zum Lächeln. Das Schicksal war auf seiner Seite, wieder einmal.

Er hob eine Hand, und winkte seinen Leuten, ihm zu folgen. Dann sprang er über die Reling, und stand auf dem aufgewühlten Meer. Die Shinobi folgten ihm, kamen einer nach dem anderen unten auf. Sie bildeten einen Keil mit Kabuto an der Spitze und begannen auf das nahe Land zu zu laufen, was sich durch die Wellenberge und -Täler nicht ganz einfach gestaltete.

Schließlich verschluckte sie die dunkle Küste, so als hätte es sie nie gegeben. Wieder einmal war Kabuto entkommen. Ein Sieg war es freilich nicht, nur ein Erfolg. Und er würde solange erfolgreich bleiben, wie er nicht getötet wurde. Daran konnte auch dieser widerliche Chunin nichts ändern, der ihm beinahe so sehr auf die Nerven ging wie die orange Ratte Naruto Uzumaki. Aber nur beinahe.

***

Das Abendessen bot keine Überraschungen. Vielleicht deshalb, weil ich Karins Küche - sie wurde tatsächlich geholt, um die Gäste des Tsukikages zu bekochen - ja schon kannte. Der herrlich bodenständige Tsukikage hielt nicht viel von Luxus, und alltags kochte seine Frau. Nur bei besonderen Gelegenheiten, bei denen sie anwesend sein musste oder wollte, holten sie ein auswärtiges Team. Seit es Karin nach Getsugakure verschlagen hatte, war sie diese Köchin. Ihr Ruf war mittlerweile so gut, das es die professionellen Köche der Stadt als große Ehre ansahen, wenn sie an ihrer Stelle den Kochlöffel schwingen durften. Wieso auch nicht? Sie war eine Akimichi, und Akimichi liebten gutes Essen. Insoweit stimmte das Klischee also doch.

Die Gesellschaft, an der auch einige Ratsmitglieder Getsus teil nahmen, dauerte bis spät in die Nacht. Als sie endete, war es so spät, das wir uns gleich schlafen legten.

Ich selbst war so ausgepumpt, so erschöpft, das ich schon schlief, kaum das mein Kopf das Kopfkissen berührt hatte. Ein guter Shinobi konnte an jedem Ort, zu jeder Zeit, in jeder Situation schlafen. Aber anscheinend hatte ich mir von diesem Luxusgut während der Jagd auf Kabuto zu wenig gegönnt.
 

Als ich am nächsten Morgen auf meinem Futon erwachte, erwartete mich bereits der Geruch von warmem Frühstück. Und ein Körper, der an allen Ecken und Enden schmerzte. Wie sagte meine Mutter doch immer? "Überanstrenge deinen Körper, solange er jung ist. Dann steckt er das besser weg." Im Moment kam ich mir sehr, sehr alt vor.

Als ich mich aus dem Bett schwang, murrte Kaminari unwillig auf seinem Futon. Himmel, er musste noch erschöpfter als ich sein. Immerhin hatte er gerade einen Einsatz abgeschlossen gehabt, als ich in Orochimarus Versteck auf ihn gestoßen war. "Willst du noch schlafen?"

Mürrisch öffnete er ein Auge. "Probier den Kaffee, und sag mir, ob es sich lohnt." Er gähnte herzhaft, und drehte sich auf die andere Seite.

"Okay", erwiderte ich, und ließ meinen Blick durch den Raum schweifen.

Die anderen beiden Futons waren verlassen. Also waren Kitsune und Sai schon auf den Beinen.

Kitsune fand ich in bester Laune, und ohne ANBU-Maske am Küchentisch sitzen, zusammen mit Hassin, während seine Frau, ein ausnehmend hübsches Wesen, in deren Gesicht ich Mohad wiedererkannte, in der offenen Küche werkelte.

"Wie ist der Kaffee?", fragte ich Kitsune, als ich in die Küche trat. Der ANBU, mit sich und der Welt zufrieden, schmökerte in einer Tageszeitung.

"Ryu soll seinen Hintern aus dem Bett schwingen, sonst kriegt er nur noch Grüntee", murmelte er statt eine Antwort.

"Ich hasse Grüntee!", rief Kaminari aus dem Raum herüber, der uns als Schlafzimmer diente. "Also gut, also gut. Ich stehe auf. Immerhin riecht der Kaffee hervorragend."

Hassins Frau, sie hieß Padme, lächelte mich freundlich an. "Du nimmst sicher lieber einen Schwarztee, nicht wahr, Mamoru-kun?"

"Also ehrlich, Schatz. Du redest hier mit einem Chunin Konohagakures. Und nicht mit irgendeinem Chunin, sondern mit dem Chunin, der Otogakure zerstört und all seinen Kameraden die Flucht ermöglicht hat." Hassin blätterte in seinem Teil der Tageszeitung. "Sag Mamo-chan zu ihm, wie wir alle. Sonst steigt ihm sein Ruhm noch zu Kopf."

"Ha, ha. Sehr witzig. Selbst wenn ich Ruhm hätte, Ihr würdet schon dafür sorgen, das ich auf dem Teppich bleibe", erwiderte ich.

"Und das zu Recht", sagte Kitsune, und grinste mich über den Rand der Seiten in seiner Hand an.

Ich schnaubte leise aus. "Schwarztee klingt hervorragend, Padme-san."

Sie lächelte liebenswürdig. "Ich setze eine Kanne auf. Normalerweise sind wir ein Kaffeehaushalt."

"Ich warte gerne", erwiderte ich. "Wo ist Sai?"

"Draußen auf der Veranda. Er zeichnet." Kitsune deutete mit einer Hand hinter sich. "Irgendwo da hinten. Und bevor du fragst, es sind ganz normale Zeichnungen, nicht sein Jutsu."

"Ah, ja. Ich sehe einen Moment nach ihm."
 

Leise trat ich vor die Tür. Hier hatte ich einen Blick auf das nicht allzu ferne Meer. Wir hatten vielleicht sechshundert Meter zum Strand, und das Wetter war hervorragend. Langsam sog ich die Luft ein, und schmeckte dabei die tausend Aromen, die über dieser wunderschönen Insel schwebten. Getsu-Luft schmeckte ein klein wenig wie Wassermelone.

LInks von mir hockte der ANBU-NE, und zeichnete eine Skizze der Landschaft.

"Guten Morgen", sagte er. Sai trug seine ANBU-Maske ebenfalls nicht, und sah mich aus seinem ausdruckslosen Augen an."War das richtig so?"

"War was richtig so?", fragte ich irritiert.

"Das mit dem Gruß. Hier steht, das man das so macht." Er hielt mir ein kleines Büchlein hin, das den viel versprechenden Titel trug: Höfliche Umgangsformen leicht erklärt.

Ich runzelte die Stirn. Also nahm er sich meinen Vorschlag tatsächlich zu Herzen.

"Ja, das war richtig. Guten Morgen, Sai." Ich betrachtete das Buch genauer. "Vielleicht solltest du dir ein weiteres zulegen. Irgendwas wie "Freunde finden leicht gemacht". Da findest du sicherlich ein paar Anleitungen für Emotionen, und dergleichen."

"Lohnt sich der Aufwand?"

Ich unterdrückte ein Auflachen. "Vielleicht. Wollen wir ein Experiment wagen? Kneif mal deine Augen zusammen. Und jetzt zieh die Mundwinkel hoch. Hoch, nicht runter. Und jetzt sag mal was Nettes."

"Was Nettes."

"Nein, nein, was ich meinte, war... Ach ja. Ich vergaß. Sai, sag einfach danke."

"Danke."

"Ja, das kam schon sehr überzeugend rüber. Also, wenn Padme-san uns zum Frühstück holen kommt, dann machst du das Gesicht von eben, und sagst danke zu ihr. Wir werden sehen, ob sich der Aufwand lohnt."
 

Tatsächlich trat die Frau von Hassin einige Minuten später auf die Veranda. "So, Kaminari-san, der Langschläfer, ist nun auch am Tisch. Wir wollen beginnen, Mamo-chan, Sai-san."

Versteckt machte ich eine auffordernde Handbewegung in Richtung von Sai. Der schien für einen winzigen Moment erschrocken, dann kniff er die Augen zusammen und zog die Mundwinkel hoch. "Danke, Padme-san."

Ein Lächeln ging über ihr Gesicht. "Was für ein höflicher junger Bursche", verkündete sie, und ging wieder in die Küche.

"Also?", fragte ich amüsiert.

"Vielleicht...", sagte Sai, und verfiel wieder in sein nichtssagendes Allerweltsgesicht, "Vielleicht kaufe ich mir so ein Buch."

Ich lachte zufrieden und klopfte dem ANBU-NE auf die Schulter. "Und nachher zeigst du mir deine Zeichnungen."

"Muss das sein?", murrte er.

"Na also. Mürrisch kannst du auch schon gucken", lachte ich. "Essen wir. Uns erwartet ein langer Tag am Strand."

"Ich würde lieber..."

"Hast du vergessen, das ich immer noch den Befehl habe?"

Sai zwinkerte verblüfft. "Ach ja. Du wirst mir sicher nicht befehlen, im Haus zu bleiben, oder?"

"Mit Sicherheit nicht."

Sai lächelte. Es wirkte beinahe echt. "Tja, da kann ich wohl nichts machen, oder?"

Er erhob sich, und ging an mir vorbei zurück in Hassins Haus.

Immerhin, seine Emotionslosigkeit hatte einen kleinen Riss bekommen.

Und uns erwartete ein Tag am Strand. Was wollte ich mehr? Ich meine, außer Kabuto zu fangen?

"Mamo-chan! Der Tee ist fertig!", rief Padme.

Eilig folgte ich Sai. "Bin schon da!"

Schneidender Wind 13

13.

Sommer. Sonne. Strand. Decken, Sonnenschirme, leicht bekleidete Männer und Frauen, Barbeque, dessen Geruch sich bereits leicht verbreitete, ja, das fühlte sich sehr nach Urlaub an. Nur noch nicht für mich. Ich lag auf einer der Decken unter einem Sonnenschirm, und ließ von Ranko-sama meine Brandwunden behandeln.

"Sensei, du machst mich fertig", brummte ich missmutig.

Ranko-sama, die auf meinen Rücken kniete, lachte leise. "Was denn, was denn? Der großartige Mamoru Morikubo, der Konoha-Ninja, der Otogakure vernichtet hat, der mit weniger als einem Dutzend Ninjas die Burg eines unteren Daimyos des Reichs des Wassers erobert hat, der Mann, der Orochimaru einen Stützpunkt abgenommen hat, beschwert sich?" Mit diesen Worten ließ sie ihre Hände weiter über meinen bäuchlings liegenden Körper wandern.

Wusste sie eigentlich, was sie mir antat, wie es in mir aussah? Natürlich wusste sie es, und sie spielte mit mir. Ich für meinen Teil war froh, das ich auf dem Bauch lag, denn die sanften, filigranen Hände meiner Lehrerin auf meiner nackten Haut zu spüren, hatte... Unwillkommene Nebenwirkungen, die ich selbst in den weiten Badeshorts kaum verbergen konnte. Mir blieb nur zu hoffen, dass Sensei mich nach der Behandlung meiner Brandwunden nicht sofort zwang aufzustehen. Diese auffällige Beule musste selbst ein Blinder sehen. Andererseits, wenn ich es schnell ins Wasser schaffte, dann...

"Kannst du nicht zumindest mit deinen Knien von meinem Rücken runter gehen?", flehte ich leise. Die Berührung von derart viel nackter Haut meines Senseis war viel zu aufregend für mich. Ich meine, sie trug einen Bikini, der nicht gerade das verwendete, was man in Shinobi-Kreisen Stoff nannte. Er war nicht provokant geschnitten, einfach nur... Großzügig darauf bedacht, Stoff einzusparen. Sensei war zu neunzig Prozent nackt, und ihre nackte Haut berührte meine nackte Haut. Das war... Kontraproduktiv.

"Na, wenn du meinst..." Ich spürte, wie sie die Beine spreizte, und mit ihren Knien von meinem Rücken glitt. Nun saß sie auf mir, auf Höhe meiner Nieren. Oh, ich verfluchte den Tag, an dem mir bewusst geworden war, was eine Frau war, was eine Frau ausmachte, und was es mir bedeuten konnte. Und, was man mit Frauen tun konnte. Sensei in ihrer Menschengestalt wusste das nur zu gut. Sie piesackte und neckte mich, wo sie nur konnte. Weil dies der Strand war, hatte sie gesagt.

Und meine Mädchen? Hatten dazu nur gegrinst, weil sie "mir die Lektion gönnten". Es schien tatsächlich so, dass sie ein wenig nachtragend waren, was mein Verhalten ihnen gegenüber in den letzten Jahren betraf.
 

Mein Blick ging, als sich die zarten Finger Ranko-samas heiß wie Feuer und kalt wie Eis zugleich auf eine kleinere Verbrennung legten, zu Karin und und Hana-chan herüber. Die beiden Verräterinnen spielten mit Ryu und Kitsune Volleyball.

Hanako machte dabei in ihrem kanariengelben Bikini eine recht gute Figur, wenngleich ich den Verdacht hatte, das ziemlich knappe Höschen müsste ihr jederzeit von der Hüfte rutschen. Auf jeden Fall kaschierte das Oberteil durch den Faltenlook die wahre Größe ihrer Oberweite, die sich seit dem Chunin-Examen nicht besonders vergrößert hatte. Ihr goldenes Haar, zu einem Zopf gebunden, schlackerte um sie wie eine Schlange, bei jedem Sprung, wirkte aber wie ein teures Juwel. Ihr Haar war schon immer ihr wichtigstes Accessoire gewesen. Ihre schlanke, gut proportionierte Gestalt machte aus ihr ein Gesamtkunstwerk an Fraulichkeit.

Karin in ihrem Einteiler machte eine exzellente Figur mit ihrer schmalen Taille, den Hüften, die genau richtig proportioniert waren, ihrem langen schwarzen seidigen Haaren, und... Und einer Oberweite, die sie wohl mit einem Schuhlöffel in diesen Badeanzug gestopft haben musste. Dazu bebte ihr Busen bei jedem Sprung und jeder Landung derart auf, dass die beiden Männer schon gar nicht mehr wussten, wo sie hingucken sollten.

Das Ergebnis war, dass meine Mädchen bereits mit zehn Punkten führten. Und sie waren nicht nett genug, um ihren Vorteil nicht auszunutzen.

Nekohime war ebenfalls am Strand. Sie trug den farblosesten Einteiler, den ich je gesehen hatte, den sie aber ausfüllte, wie ich es bei diesen "Schulbadeanzug" genannten Einteilern noch nie gesehen hatte. Auch hier wieder - das Schuhlöffelprinzip. Sie beschäftigte sich ausgiebig mit Aki-chan, und schien dabei im siebten Himmel zu sein. Sie bauten gemeinsam an einer Burg, und jede Bewegung, jedes Wort des gerade ein Jahr alten Jungen wurde von ihr begrüßt wie eine Offenbarung. Sie war schon nicht mehr vernarrt in Marias Sohn - sie hatte sich Hals über Kopf verliebt.

Blieb noch Anne, die einen recht züchtigen Zweiteiler trug, der am Höschen mit einem kleinen Rock benäht war. Der konnte allerdings auch nicht verhüllen, dass das Wort "Hüfte" noch nicht zu ihrem Gebrauchsschatz gehörte. Ihr Oberteil war ähnlich wie bei Hana-chan mit Rüschen aufgepeppt, die verhindern sollten, dass... Ja, sorry, aber sie war flach wie ein Brett. Allerdings war sie noch nicht in dem Alter, in dem sie Busen haben sollte.

Moment, korrigierte ich mich selbst. Auch wenn sie nicht danach aussah, sie war beinahe vierzehn Jahre alt und für die Chunin-Prüfung zugelassen worden. Sie war so alt wie ich damals, als ich selbst das Examen abgelegt hatte. War sie eine Spätentwicklerin? Würde sie so dünn bleiben? Der Gedanke bereitete mir einige Sorge. Nicht etwas jene Sorge, die ich - seit ich es gelernt hatte - für einen potentiellen Partner haben würde. Was nicht sehr abwegig war, immerhin war ich nur drei Jahre älter als sie. Nein, es war die Sorge, die man einem Schutzbefohlenen gegenüber empfand. Oder einem Kohai.

Doch, sie würde sich noch entwickeln, und zu einer attraktiven jungen Frau heran wachsen. Das stellte ich mit einer Art brüderlichem Trotz fest. Der Gedanke irritierte mich. Hatte ich Anne-chan etwa in Gedanken schon adoptiert?
 

"Autsch."

"Oh, da bin ich abgerutscht. Hat es sehr weh getan?", säuselte Sensei.

"Es hat mich nur überrascht", erwiderte ich, mir Ranko-samas Nähe wieder bewusst werdend. Vor allem, wie ihre warmen, weichen Schenkel meine Seiten umrahmten, ja, einspannten. Was hätte ich in diesem Moment für eine kalte Dusche gegeben.

"Warum tust du das mit mir, Ranko-sensei?", fragte ich vorwurfsvoll.

"Weil ich es kann", stellte sie fest. "Und weil ich dich gerne necke."

Ja, das hatte sie schon immer gerne getan. So sehr, das ich eine Zeitlang wirklich Angst vor ihr gehabt hatte. Okay, diese Zeit war noch nicht vorbei, aber ich liebte sie trotzdem. "Das erklärt einiges."

Ich hörte sie leise auflachen. Das war immer noch laut genug, um Kankurou, Kuma, Hikaru und Okami, die im Wasser Ball spielten, zu uns herüber sehen zu lassen. "Du hast ja keine Ahnung", säuselte sie. Sensei beugte sich vor, bis ich ihr wunderschönes Menschengesicht rechts neben mir erkennen konnte. Sie lächelte, und es war eines der schönsten Lächeln, die ich je gesehen hatte. "Aber sei versichert, dass du der Mensch bist, den ich am meisten liebe."

"Aber das weiß ich doch, Sensei."

Ihr Lächeln wurde für einen Moment glanzlos. Doch dann küsste sie mich auf die Wange. "Ja, das war mir klar, mein kleiner Schatz." Sie richtete sich wieder auf, und schlug mir mit fester Hand auf meinen Po. "So, das war die Heilbehandlung. Wir sind fertig."

"Super! Danke!", rief ich, und wollte aufstehen, aber Sensei blieb auf mir sitzen. "Moment, Mamo-chan. Vorher will ich dich eincremen. Sonnenschutz ist für dich gerade besonders wichtig."

Akane-chan, die neben uns lag, grinste herüber. Sie trug eine nachtschwarze Sonnenbrille, die sie hochschob, als sie fragte: "Soll ich dir helfen, Ranko-chan?"

"Keine Sorge, das kriege ich auch alleine hin", erwiderte sie im Brustton der Überzeugung. Dann traf etwas Kaltes meinen Rücken. Sonnencreme. Wieder spürte ich Senseis Hände auf meiner Haut, und es war geradezu gefährlich angenehm.

Mein Blick ging zu Akane, die einen blauweißen Einteiler trug. Nichts besonderes, und auch die "Füllung" riss mich nicht gerade zu Begeisterungsstürmen hin, aber ich mochte sie, sehr sogar, weil sie nicht einfach nur als nettes Mädchen auftrat, sondern eines war. Zudem aufrichtig, zuverlässig, ehrlich, vielleicht etwas verbohrt. Manchmal fragte ich mich, ob sie eines der beiden Mädchen sein konnte, die ich aus dem Mamo-Pakt noch nicht kannte. Aber... Nein. Nein, das konnte nicht sein. Ranma-sempai hätte mich dann längst beiseite genommen, denn ich wusste aus sehr, sehr guter Quelle, dass er unglaublich auf Akane stand. Wie übrigens auch Hikaru, und ein gutes Dutzend anderer männlicher Affen. Und wir sollten die Kriegerinnen nicht vergessen, unter denen Akane auch Fans hatte... So ein Affenleben war schon kompliziert.
 

"Dreh dich bitte um, Mamo-chan", sagte Sensei, und erhob sich, damit ich mich wenden konnte. Sie setzte sich an die Seite, das Sonnencremefläschchen in der Hand.

"Nanu? Ich hätte nicht gedacht, dass du von mir runter gehst. Willst du mich heute nicht bis zur Neige necken?", fragte ich, verzweifelt auf dem Bauch liegen bleibend. Denn da... Ich erwähnte es schon.

"Nein. Weißt du, es gibt... Regeln. Ich möchte sie nicht überschreiten."

Verwundert sah ich zu ihr herüber. "Regeln?"

Sie deutete zum Volleyballfeld. Dort standen Hanako und Karin. Nachdem sie Ryu und Kitsune gnadenlos zerstört hatten, lächelten sie zu uns herüber. Als ich sie ansah, winkten beide auf eine sehr liebenswürdige Art. Das jagte mir einen eiskalten Schauder den Rücken runter. Hätten sie böse herüber geschaut, ärgerlich, oder demonstrativ desinteressiert fortgeschaut, das hätte ich verstanden. Aber diese demonstrative Freundlichkeit, die machte mir Angst. Dabei war Sensei nicht mal Teil des Mamo-Pakts, dieses mir immer noch teilweise unbekannten Zirkels aus fünf Frauen, die mich unter sich ausmachen wollten. "Oh-oh", murmelte ich.

"Ja, genug gespielt", sagte sie, und die alte, etwas sterile Freundlichkeit kehrte in ihre Stimme zurück, mit der sie mich im Training anzusprechen pflegte. "Dreh dich bitte um, Mamoru."

Und das war genau das, was ich gerade nicht tun konnte.
 

"Morikubo-san! Eine Nachricht von Tsunade-sama!", hörte ich Sai rufen, während er auf den Strand gelaufen kam.

"Das ist wichtig!", sagte ich hastig, kam auf die Beine und rannte los, bevor Ranko-sensei überhaupt realisierte, was gerade geschah.

Als ich Sai erreichte, tat ich so, als würde ich mir von ihm ein Schriftstück geben lassen, das ich ausgiebig studierte. "Danke. Du hast mir aus der Patsche geholfen, Sai."

Der blasse junge Mann setzte sein gefälschtes Lächeln auf. "Ich folge nur deinen Befehlen, Morikubo-san. Du hast gesagt, hol mich nach einer Viertelstunde raus. Dem bin ich gefolgt."

"Trotzdem. Du hast einen gut bei mir." Ich musterte den voll bekleideten ANBU. "Und? Hast du deine Badehose mitgebracht?"

Dies ließ den Jungen irritiert schauen. "Äh. Ich dachte, wenn ich dir die nicht existierende Nachricht bringe, dann kann ich wieder zurück gehen, und..."

"Davon habe ich kein Wort gesagt. Ich sagte nur, das du mich raushauen sollst."

Kurz sah ich an mir herab. Gut, DAS Problem begann sich zu erledigen. "Von einem Freibrief, die Freizeit zu schwänzen, habe ich nie gesprochen."

"Aber sollte ein solcher Dienst nicht belohnt werden?", warf Sai ein.

"Und genau das versuche ich ja gerade. Weißt du, da hinten stehen Hassin, Khal und fünf weitere Getsu-Nins, die ein wundervolles Mittagessen für uns zubereiten. Selbst du Gefühlsabstinenzler wirst doch gutes Essen zu schätzen wissen."

"Ich dachte, ich hole mir dann einfach meine Portion", wandte er ein.

Ich grinste triumphierend. Also doch! Sai mochte gutes Essen! Und er musste den Bratengeruch, der von den Steaks und den Bratwürstchen ausging - das übliche Grillgut in Getsugakure - bereits gerochen haben. Auch wenn der Mensch vor mir einer der gefühlskaltesten war, die mir je begegnet waren, so bemerkte ich doch, wie er sich beim Gedanken an das Essen die Lippen leckte. Wenigstens eine Konstante.

"Keine Widerrede. Wir gehen zurück, du wechselst in deine Badeshorts und genießt ein wenig die Sonne, bevor wir essen. Äh, du kannst doch Sonne vertragen?"

Irritiert sah er mich an. "Wie kommst du auf den Gedanken, das ich es nicht könnte?"

Nun war es an mir, irritiert zu sein. "Hallo? Du bist bleicher als Frischkäse! Du siehst aus, als hättest du dein ganzes Leben bei künstlichem Licht unter der Erde verbracht! Da ist es doch gerechtfertigt, wenn man dich fragt, ob du Sonne überhaupt ertragen kannst!"

"Oh, ich verstehe. Keine Sorge. Ich vertrage Sonne sehr gut. Im Gegensatz zu deiner Vermutung lebe ich weder unterirdisch, noch nokturn."

"Nokturn?"

"Nachtaktiv."

"Ah. Hätte aber zu dir gepasst."

"Bitte, Morikubo-san..."

"Ich spreche ja nur das Offensichtliche aus. Also, warum wirst du dann nicht brauner? Ein wenig zumindest?"

Sai seufzte. Das sah ich zum ersten Mal an ihm. Interessant. "Ich habe keine Ahnung. Ich nehme einfach keine Farbe an. Nicht, dass ich es versucht hätte, aber... Ich bleibe so farblos wie eine meiner Tintenzeichnungen."

Nun, das waren gewichtige Aussagen. Aber wenn ich die Essenz extrahierte, dann kam dabei heraus: "Also verträgst du Sonne."

"Ja, das habe ich doch schon festgestellt."

"Gut. Dann hast du ja keine Ausrede mehr. Gehen wir."

Der zweite Seufzer seines Lebens. "Jawohl, Morikubo-san."

Na also, ging doch.
 

Als wir wieder zu den Decken, Liegen und Sonnenschirmen zurück kamen, die das Revier Konohas auf diesem Strand darstellten, sah ich Hana-chan und Karin bei Ranko-sensei auf meiner Decke hocken und miteinander tuscheln. Als ich sie fast erreicht hatte, sahen sie mich an, als wenn sie die Weisheit des Universums mit Löffeln gefressen hätten, und begannen zu dritt zu kichern.

Früher einmal hätte mich das irritiert, noch ein wenig früher mehr hätte ich nicht mal verstanden, was gerade passierte. Aber nach der Jagd auf Kabuto war ich in vielerlei Hinsicht gelassener geworden.

"Na, was amüsiert euch drei denn so?", fragte ich gut gelaunt.

"Du, Mamo-chan", sagte Hanako unverblümt. "Hat dich Ranko-sama so aufgeregt, dass du eilig flüchten musstest?" Sie senkte leicht den Kopf, lächelte spöttisch und schürzte die Lippen. "Vielleicht sollte ich dich das nächste Mal eincremen. Ich bin gespannt, ob ich die gleiche Wirkung erziele."

Peinliche Röte wollte mir in die Wangen schießen, aber ich war fest entschlossen, diesmal mit der Neckerei zu leben. Ich war eben auch nur ein Mann, und die drei Frauen vor mir waren Frauen, die mich viel zu gut kannten. Hm, nein, ich würde noch viel mehr tun, als damit zu leben.

"Mach dich nicht lächerlich!", sagte ich barsch. Meine Worte ließen sie zusammenzucken.

"Natürlich hätte es die gleiche Wirkung auf mich, wenn du mich eincremst, Hana-chan. Denkst du, deine Berühungen würden mich kalt lassen?"

Mit einer gewissen Befriedigung sah ich ihre Wangen rot werden. Ich sah, wie sie leicht zitterte, wie von einem kalten Windhauch, und ihre Arme überzogen sich mit Gänsehaut. Beschämt senkte sie den Blick. "Mamo-chan..."

"Und das gilt selbstverständlich auch für dich, Karin", sagte ich mit einem amüsierten Lächeln.

Die Angesprochene wurde noch roter als Hanako. Beinahe wäre sie ohnmächtig zur Seite gekippt, aber Ranko-sensei fing sie rechtzeitig auf.

"Nicht schlecht, junger Schüler. Wirklich nicht schlecht", stellte sie anerkennend fest. "Eine Schwäche in einen Vorteil zu verwandeln ist etwas, was nicht jeder beherrscht."

Ich zwinkerte ihr verschmitzt zu. "Erstens bin ich nur der gelehrige Schüler meiner drei Lehrerinnen, und zweitens habe ich endlich die Regeln verstanden."
 

Ich ließ mich ebenfalls auf meiner Decke nieder, weil es illusorisch erschien, den dreien hier am Strand zu entkommen. Energisch klopfte ich auf den Sand neben meiner Decke. "Du kannst dich hier ausbreiten, Sai. Hast du deine Zeichnungen mit? Ich wollte doch reinschauen."

"Natürlich, Morikubo-san." Wortkarg entfaltete er eine der Decken, die für diesen Zweck von Getsugakure bereit gelegt worden waren, entkleidete sich bis auf die Badehose - aha, also doch vorbereitet, Sai - und zog sein Malbuch hervor. Er machte ein paar Pinselstriche, und hielt mir das Skizzenbuch hin.

Dort hatte er geschrieben: Ich weiß nicht, was hier vor sich geht, aber es ist unfair, dass du mich da mit rein gezogen hast.

"Eine sehr schöne und korrekte Arbeit", sagte ich. "Das erinnert mich an die Pflicht, die jeder Shinobi seinem Vorgesetzten gegenüber zu erfüllen hat."

Etwas knackte laut. Ich sah zur Seite. Zwar lächelte der ANBU-NE, aber der Malstift in seiner Hand war durchgebrochen worden. Von seinem Daumen. "Natürlich hast du Recht, Morikubo-san", sagte er in einem Tonfall, der viel zu liebenswürdig war.

Hm, da hatte ich wohl übertrieben. Ich hätte mich mehr auf Ryu verlassen sollen, wie immer. Es würde mich einiges kosten, um Sai wieder zu versöhnen. Aber andererseits - endlich zeigte der Junge mal Emotion. Und das Mittagessen würde sicherlich auch einiges reißen.

***

Der erste Tag verging wie im Flug, und für uns Gäste aus Sunagakure und Konoha gab es mit einbrechender Nacht sogar ein Feuerwerk. Natürlich nur ein kleines, aber ich rechnete es Hassin hoch an, überhaupt eines für uns über der tropischen Badebucht veranstaltet zu haben.

Wir konnten uns nicht über zu wenig Sonne beschweren. Oder über mangelnde Versorgung. Abends gab es eine landestypische Speise, eine große Reispfanne mit verschiedenen Meeresfrüchten, die sie in Getsu Paella nannten, und die wirklich gut schmeckte.

Als die Sonne untergegangen war, sahen wir uns das Feuerwerk an. Wir empfanden es als großartige Geste gegenüber Konoha und Suna, und die Feuerwerker gaben sich große Mühe.

Als der letzte Komet dahin gegangen war, die letzte feurige Blume für immer verblasst war, die letzte Staffette vergangen war, sammelten wir uns um ein Lagerfeuer. Es wäre im Anbetracht der warmen Witterung nicht notwendig gewesen, aber es war gut für die Atmosphäre. Irgendwie fühlte ich mich wie auf einem Ausflug, und meine Laune hätte nicht besser sein können, als Sake und Bier die Runde machten. Auf ein gutes Essen etwas gutes zu trinken, wie wundervoll.

Während ich also am Feuer saß und einen frisch gezapften Krug mit dem Gerstengebräu genoss, gingen die anderen ihren eigenen Gewohnheiten nach. Kitsune und Kuma tranken nie. Sie hielten sich an Limonade und Saft. Nekohime hingegen sagte dem Sake so sehr zu, dass sie schon bald zusammengerollt wie eine Katze zu Okamis Füßen lag, und leise im warmen Sand vor sich hin döste. Sie wachte nur ab und an einmal auf, um einen weiteren Schluck aus ihrer Sake-Flasche zu nehmen. Einen besseren Hinweis darauf, dass man Alkohol in Maßen genießen sollte, gab es nicht. Außerdem durfte ich in meinem jungen Alter ohnehin nur Bier trinken.

Ranko-sensei trank mit dem Tsukikage, der sich entschlossen hatte, uns Gesellschaft zu leisten. Die beiden waren bester Laune, und erzählten sich gegenseitig Anekdoten, die aus dem letzten Ninjaweltkrieg stammten. Ich hatte nicht gewusst, dass auch das kleine Getsugakure daran teil genommen hatte. Andererseits, welches Land wurde von einem Weltkrieg verschont?

Ryu saß rechts von mir am Bierfaß, und zapfte eifrig nach. Da er dabei einen erheblichen Teil seiner Arbeit selbst konsumierte, befürchtete ich für ihn das gleiche Schicksal wie für Nekohime-chan.

Hikaru saß abseits und trank Sake. Ich hatte ihn vorher alleine mit Akane gesehen, und seither war er deprimiert. Hatte er sie erneut gefragt, ob sie mit ihm gehen wollte, und hatte er wieder eine Abfuhr bekommen? Es sah ganz danach aus. In dieser Phase, wenn die Wunde noch frisch war, ließ man ihn am Besten in seinem Tran. Ich würde später mit ihm sprechen, und helfen, die Schäden an seinem Herzen notdürftig zu beheben.

Akane saß da, trank Sake, und sah so aus, als könne sie kein Wässerchen trüben. Eventuell hatte sie nicht einmal gemerkt, das der arme Bursche ihr seine Liebe hatte gestehen wollen, bevor sie ihm mit ihrem Nein den Gnadenstoß versetzt hatte.

Khal und Hassin hatten sich ebenfalls zu uns gesellt, und Padme, Hassins Frau, kam gerade mit einem Tablett voller Knabberzeug zu uns herüber.

Hanako und Karin hatten den Tag fürchterlich übertrieben, sich tüchtig überanstrengt. Sie lagen hinter mir auf ihren Decken, von mir gut zugedeckt, Gesicht zu Gesicht beieinander. Sie lächelten selig, und hielten einander bei den Händen. Beste Freundinnen halt.

Kankurou saß links von mir, und war mit einer Flasche Sake beschäftigt. Ungeschminkt wirkte er um Jahre jünger. Aber er sah immer noch älter aus als ich, obwohl ich wusste, das uns nur ein knappes Jahr trennte.

Anne saß neben ihm im Sand. Im Gegensatz zu meinen Mädchen war sie noch fit, aber verärgert. Doch egal wie viel sie meckerte, sie war zu jung für Bier, und musste sich an Limonade halten. Blieb noch der Letzte der Runde, Marias Sohn Akira. Nachdem seine potentiellen Pflegemütter eine nach der anderen ausgefallen waren, hatte ich mich, teils aus Empörung, teils dank meines Instinkts als Anführer, seiner angenommen. Nach dem Abendbreichen hatte ich ihn auf den Schoß genommen, wo er beinahe sofort eingeschlafen war. Ich hoffte, das er länger schlafen würde als Hanako und Karin, ansonsten würde ich vielleicht in die Verlegenheit kommen, Windeln wechseln lernen zu müssen. Ob Kakashi Windeln wechseln konnte? Normalerweise beherrschte der Copy-Ninja ja alle Künste, die er einmal sah, und die kein Kekkai Genkai erforderten. Doch in dem Fall war ich durchaus im Zweifel.

Dennoch, den kleinen Menschen auf meinem Schoß zu haben, ihn satt und zufrieden an mich gelehnt schlafen zu sehen - die Breireste auf meinem Hemd ignorierend, die er wieder ausgespuckt hatte - war alleine schon die Reise wert gewesen. Er ging sehr nach seiner Mutter, was das Aussehen anging, und wenn ich Khal betrachtete, war das wahrscheinlich eine unterstützenswerte Entwicklung für den kleinen Burschen.
 

Ich sah zur Seite, als ich den Blick bemerkte, den Kankurou mir zuwarf.

Der Suna-Nin setzte zum Sprechen an, zögerte, versuchte es erneut. "Wie ich gehört habe, hat die Mutter dieses Kindes dich verführt."

"Es ist nichts worüber ich gerne spreche", erwiderte ich. Ein Großteil meines Ärgers auf Maria basierte darauf, dass sie Katou getötet hatte, der Rest darauf, wie sie mich ausgenutzt hatte, damit ein Teil der Oto-Nin hatte nach Getsugakure emigrieren können. Das war alles nicht sehr nett gewesen. Aber hasste ich deswegen ihr Kind? Nein. "Sie hat mich benutzt", seufzte ich. "Eiskalt benutzt."

"Ja, das tun Frauen öfter", sinnierte Kankurou. "Vielleicht nicht so wie in deinem Fall, Mamoru, aber das Benutzen kommt doch öfters vor."

Der Suna-Nin musterte mich mit einer hochgezogenen Augenbraue. "Aber dass du dich um den Kleinen kümmern würdest, hätte ich nicht gedacht. Immerhin sitzt der Vater hier."

"Ist schon in Ordnung", wiegelte Khal ab. "Ich bin eh zu ungeschickt für sowas. Aber langsam sollten wir ihn mal ins Bett stecken." Er seufzte ebenfalls. "Ja, Kinder bedeuten eine Menge Verantwortung. Und man kann sich nicht mehr in die gleichen Risiken stürzen wie zuvor. Zumindest nicht mehr mit der gleichen Begeisterung." Er warf mir einen fragenden Blick zu. "Mamo-chan, willst du mal Kinder haben?"

Ich schnaubte überrascht aus. "Was ist das denn für eine Frage? Ich bin gerade erst siebzehn geworden. Ich denke, ich zäume das Pferd mal nicht von hinten auf, und suche mir erstmal eine feste Freundin, die ich dann eventuell auch heirate. Dann denke ich über Kinder nach."

"Aber generell würdest du schon, oder?"

Ich lächelte. "Dafür werden alleine schon meine Eltern sorgen. Sie würden sagen, sie haben mich nicht in die Welt gesetzt, damit ich kinderlos sterbe."

"Na, das ist doch beruhigend zu wissen." Er grinste, und verschränkte dabei seine Hände hinter dem Kopf. "Steht dir übrigens gut, mein kleiner Aki-chan."

"Danke."
 

Ich erhob mich. Dabei zog ich den schlafenden Jungen auf meinen Arm. "Bettzeit, sagtest du? Dann bringen wir den Kleinen doch mal nach Hause."

"Du solltest Karin und Hanako wecken", riet Khal. "Sie sind schließlich hier, um auf ihn aufzupassen."

Skeptisch musterte ich die beiden. "Meinst du, die kriegt einer wach?"

"Meinst du, du schaffst es, alleine auf den Kleinen aufzupassen?", konterte er.

Ich erstarrte. Nach diesem Schock der Erkenntnis hockte ich mich neben meine Mädchen und rüttelte sie. "Los, wacht auf. Es wird Zeit, Akira ins Bett zu bringen."

Erstaunlicherweise waren die zwei sofort hellwach. "Aki-chan? Wo ist Aki-chan?", fragte Hanako in plötzlicher Panik.

"Hier, auf meinem Arm."

Die beiden wechselten einen klaren Blick. Zusammen erhoben sie sich. Karin nahm mir den Jungen vom Arm, und Hanako begann, seine Sachen einzusammeln.

"Du brauchst nicht mitzukommen", sagte Hanako. "Du hattest eine schwere Mission und musst dich erholen. Außerdem sind wir dafür da, um für Aki-chan zu sorgen."

"Genau. Amüsier du dich ruhig noch", half ihr Karin aus. "Du wirst ja eh wieder bei Hassin schlafen." Sie sah zu Ranko-sama herüber. "Sorgst du mit Akane dann dafür, dass es Hime-chan auch nach Hause schafft?"

"Geht klar, geht klar", erwiderte die Affenkriegerin, und winkte die beiden fort. "Ich habe hier alles im Griff. Seht zu, dass der Kleine ins Bett kommt."

Meine beiden Mädchen atmeten erleichtert aus. Sie drückten mir je einen Gutenachtkuss auf die Wange, dann waren sie auch schon in Richtung der kleinen Stadt unterwegs. Und ich wurde immer noch nicht schlau aus der Situation, so sehr ich Khal selbst auch mochte.
 

"Mamoru, gehen wir ein paar Schritte", sagte Ranko-sama unvermittelt, und erhob sich. "Ich muss mir die Beine vertreten. Entschuldige mich kurz, Tsukikage-sama."

Ich nickte und stand ebenfalls auf. Gemeinsam gingen wir an die Wasserlinie, wo die Wellen des Meeres rhythmisch an den Strand aufliefen.

"Was denkst du eigentlich von Maria, so zwei Jahre danach?"

"Ein merkwürdiges Thema", erwiderte ich. "Ich habe doch schon gesagt, das ich ihr nichts tun werde. Hier in Getsugakure nicht, und auch wenn sie mir da draußen über den Weg laufen sollte."

"Denkst du, du hältst das durch? Sie hat es besonders schlimm mit dir getrieben." Ranko-sama legte kurz den Kopf schief. "Okay, unglückliche Wortwahl."

Ich überging ihre letzte Bemerkung. "Sie ist jetzt eine Mutter, die ihr Kind allein groß ziehen muss. Sie hat wohl keine Zeit mehr, um sich an Tooma und Lian zu rächen. Also denke ich, das ein Waffenstillstand nicht das Schlechteste ist. Man muss ja auch bedenken, dass sie sich von Orochimaru losgesagt hat."

"Was, wenn ich dir sage, dass Akira doch von dir ist?", fragte sie.

Für einen Moment war ich verblüfft. Aber wirklich nur für einen Moment. "Ich wäre wahrscheinlich überrascht. Vielleicht auch zufrieden. Ich meine, Aki-chan ist gut entwickelt, wird mal ein hübscher Bengel, und eventuell ein fähiger Getsu-Nin. Als Vater könnte ich stolz auf ihn sein, denke ich." Ich lachte leise. "Aber das ist ja alles rein rhetorisch. Er ist zwei Wochen zu alt, als das ich ihn mit Maria... Nun."

Ranko-sama sah mich erstaunt an, bevor sie aus tiefster Seele zu seufzen begann. "Okay, akzeptiert. Und was denkst du von Anne-chan?"

"Was hast du akzeptiert?", fragte ich argwöhnisch.

"Nicht so wichtig. Ich hätte deine Antwort einfach so erwarten sollen. Ich habe dir übrigens eine Frage gestellt."

"Anne." Ein flüchtiges Lächeln spielte über meine Züge. "Ich mag sie. Sie ist ein wenig vorlaut, sie ist in mich vernarrt, sie unterschätzt sich gewaltig. Sie ist irgendwie wie eine kleinere, weibliche Version von mir." Ich lachte, diesmal etwas lauter. "Ich mag sie sogar sehr. Am liebsten würde ich sie mir unter den Arm klemmen und mit nach Konoha nehmen. Ich glaube, sie wäre eine tolle kleine Schwester." Ich stutzte. "Moment, Ranko-sama, du wirst mir jetzt doch nicht etwa erzählen, das sie in mich verliebt ist, oder so etwas?"

"Nein, keine Sorge. Das ist keine Liebe, das ist mehr so eine Liebesform der Bewunderung. Immerhin hat sie sehr gut miterlebt, wie du den Oto-Nukenin fast allein die Flucht ermöglicht hast. So etwas prägt einen jungen Menschen wie sie. Aber es kann natürlich noch sein, dass sie sich richtig in dich verliebt, wenn sie ein wenig älter ist. Das soll ja schon ein paarmal vorgekommen sein."

Ich wollte lachen, aber ich stutzte dabei. "Das arme Mädchen. Sollte das der Fall sein, wird sie ganz schön Ärger mit Hana-chan, Karin und P-chan bekommen. Und von den anderen beiden Frauen aus dem Mamoru-Pakt, die ich noch nicht kenne, oder?"

"Es würde sich in Grenzen halten", erwiderte Ranko-sensei. Sie hob eine Hand. "Nummer vier vom Mamoru-Pakt ist übrigens hier."

Skeptisch sah ich sie an. "Ja, klar."

"Doch, doch, das ist schon richtig so. Weißt du, als Hana-chan, Karin-chan und P-chan ein wenig aneinander gerieten, als es um dich ging - also in der Zeit, als du zwar wusstest, das es Frauen gibt, aber nicht, was das bedeutet - da habe ich mich kurzerhand an die Spitze gestellt und meine Ansprüche an dir klargestellt. Daraufhin haben wir unsere Rechte an dir verglichen, und sind zu dem Schluss gekommen, dass wir alle gleichgroße Rechte an dir hatten." Sie lachte leise. "Natürlich habe ich mehr so zum Spaß mitgemacht, damit zwischen den dreien nicht der große Privatkrieg ausbricht. Und weil ich es schwer fand, dich so früh schon herzugeben. Aber je älter du wirst... Je größer du wirst... Fällt es mir schwer, meine Rolle zu bewahren."

Ich starrte die Affenkriegerin sprachlos an. Vielleicht eine geschlagene Minute. "Mensch, Ranko-sama, jetzt hast du mich aber ordentlich dran gekriegt. Beinahe hätte ich dir geglaubt. Aber es freut mich, dass du so etwas unmögliches überhaupt aussprichst."

"Ah, Regel eins wieder", seufzte sie. "Ein bisschen Spaß muss halt sein, Mamo-chan. Und was Anne angeht, so wird sie warten müssen, bis einer der fünf Plätze vakant ist, oder dich aufgeben. Falls sie sich tatsächlich in dich verlieben wird. Aber deshalb wollte ich nicht mit dir sprechen."

Interessiert sah ich sie an. "Ich bin ganz Ohr."
 

"Du hast hoffentlich gemerkt, dass Akane ein gewisses Verhältnis zu Anne entwickelt hat. Eine Freundschaft, wenn du so willst", sagte sie bedächtig, und ging weiter.

Die Wellen umspülten unsere nackten Füße, während wir voran schritten. Ein angenehmes Gefühl.

"Ja, das habe ich gemerkt. Denkst du, der König wird ihr einen Kontrakt anbieten?"

"Ja." Unverblümt auf den Punkt gebracht. "Sie wird eine Kontraktpartnerin der Affen. Und da du... der einzige Kontraktparter der Affen bist, zumindest bis jetzt, wirst du ihre Unterschrift abnehmen."

Ich nickte bestätigend. "Das ist eine große Ehre für mich. Und riesengroße Fußstapfen, in die ich da treten muss. Ich hoffe, ich fülle Sarutobi-samas Schrittspuren irgendwann einmal aus."

"Du hast Zeit dafür, um das zu erlernen", sagte sie zuversichtlich. "Was ich wissen will, ist, wie du dazu stehst."

"Positiv", erwiderte ich, ohne nachzudenken. "Mir ist selbst schon der Gedanke gekommen, dass sie ein hervorragender Kontraktpartner sein würde. Und wie gesagt, ich mag sie, und die Affen mögen sie. Ich nehme an, auf dem Affenberg hat sie nicht wenige Affenkrieger überrascht."

Ranko-sama lachte unterdrückt. "Ja, das kommt noch dazu."

"Na, da habe ich doch einen tollen Vorwand, um sie ab und an mal zu sehen", erwiderte ich lächelnd. "Sie und eventuell den kleinen Akira."

"Man wird sehen, was passiert", sagte sie mit leisem Erstaunen in der Stimme. "Hast du einen Narren an Aki-chan gefressen?"

"Einen kleinen gewiss." Ich winkte ab. "Leider hatte ich nie jüngere Geschwister, und Shikamaru ist kaum zwei Jahre jünger als ich. Also denke ich, mir geht da einfach etwas ab, was ich als Kind nicht erlebt habe, und als Erwachsener vielleicht erleben werde."

"Und so ein fremdes Kind macht dir ja auch keine Arbeit", stellte sie fest.

"Und so ein fremdes Kind macht... Sensei!", rief ich vorwurfsvoll.

Sie lachte, und klopfte mir dabei auf die Schulter. "Schön, dass du in vielen Dingen noch der Genin von früher bist, Mamo-chan." Ranko-sama hakte sich bei mir ein. "Gehen wir zurück zu den anderen."

"Dein Wunsch ist mir Befehl, Ranko-sensei."

"Und du tust gut daran, dass es auch so bleibt", mahnte sie lächelnd.

"Nie im Leben würde ich dir widersprechen", versicherte ich.

"Ich werde dich bei passender Gelegenheit daran erinnern." Sie lachte. Es war laut, glockenhell und klar. Ein schönes Lachen, das ich schon oft hatte hören dürfen, und das ich sehr mochte.
 

Als wir an das Feuer zurückkamen, sah Anne uns mit brennenden Augen an.

Ranko-sama lächelte sie an. "Er ist einverstanden, Anne-chan."

Das junge Mädchen stieß ein erfreutes Quieken aus, derart hoch, das ich meine Entscheidung spontan wieder bereute, und raste auf mich zu. Bevor ich mich versah, steckte ich in ihrer Umarmung. "Mamoru-sama! Jetzt sind wir beide Kontraktpartner der Affen!"

Zögerlich schloss ich auch meine Arme um sie. "Ja, das sind wir. Und vergiss niemals eines: Die Affen werden dich immer lieben, sobald sie dich einmal ins Herz geschlossen haben."

"Wie wahr, wie wahr", säuselte Sensei, und legte ihren Kopf auf meine Schulter. "Bist du gewachsen?"

"Ich wachse ständig in letzter Zeit, Sensei."

Das brachte sie zum lachen. "Ja, das stimmt allerdings. In mehrerlei Hinsicht."

Die Bedeutung des zweiten Satzes ließ ich mir vorsichtshalber nicht erklären.

***

Am zweiten Tag unseres Strandurlaubs war es soweit. Ich hob Hikarus Beschwörung auf, und er kehrte auf den Affenberg zurück. Stattdessen beschwor ich - nach ein paar Minuten Wartezeit, damit sich der junge Gosunkugi mit den anderen Ratsmitgliedern austauschen konnte - erneut einen Krieger. Zu meinem nicht geringen Erstaunen war es Enka O Enma selbst. "Majestät."

"Ah, Morikubo-tono. Wie ich sehe, hat sich Ranko gut um deine Verletzungen gekümmert." Er griff nach meinem Kinn, und bewegte mein Gesicht von links nach rechts. "Nicht mehr viel zu sehen von den Verbrennungen."

"Und ich bin dankbar dafür. Aber wir Katon-Nutzer heilen Brandwunden ohnehin schnell aus."

"So." Er tätschelte meine Wange, zufrieden, wie mir schien. Das hatte er noch nie zuvor gemacht.

"Und wie stehst du zum Vorschlag, ein zweites Element zu lernen?"

"Positiv", erwiderte ich. "Ich denke, Asuma wird mir das Wind-Element nahe bringen können."

"Ranma-tono ebenso. Und zwei Lehrer sind besser als einer", sagte er mit bestimmtem Tonfall.

Ich nickte. Das war ein guter Rat. Und ich würde mit Ranma in seiner Waffenform noch besser umgehen können, wenn ich seine Fuuton-Fähigkeiten mit meiner eigenen Beherrschung des Windes besser koordinieren konnte.

"Und da ist ja auch schon Anne-tono", sagte der König der Affen. Er lächelte das Mädchen freundlich an. "Ehrlich gesagt freue ich mich auf das, was wir hier und heute tun werden, sehr."

"Ich mich auch, Enma-sama", sagte sie mit vor Aufregung zitternder Stimme.

"Dann wollen wir nicht mehr länger warten", verkündete Enma-sama. Sein Blick ging zum Tsukikage. "Ein großer Tag für Getsugakure, Tsukikage-sama."

"Ein sehr großer Tag, Enma-sama", erwiderte der Tsukikage. "Noch nie hat unser Dorf einen Kontraktträger der Affen in seinen Reihen gehabt. Wir versprechen uns viel von dieser Entwicklung."

"Wir auch", erwiderte der Affenkönig. Er löste ein Band auf seiner Brust, und von seinem Rücken löste sich eine Schriftrolle. Geschickt fing ich sie auf.

"Morikubo-tono, du hast die Ehre."

"Danke, Enma-sama." Ich kniete mich vor ihm nieder und entrollte die Schriftrolle, in der alle Kontraktträger der Affen eingetragen waren, lebende wie tote. Siebzehn Einträge waren zu sehen, drei weitere Felder waren weiß, weil die Namen hier gelöscht worden waren. Wieder glaubte ich im zweitjüngsten Namensfeld, das gelöscht worden war, Orochimarus Namen noch schwach erkennen zu können.

Ich riss mich zusammen. "Anne, du musst deinen Namen mit deinem Blut hier rein schreiben", sagte ich mit feierlicher Stimme.

Das Mädchen nickte, biss sich in den Daumen, und presste Blut hervor. Sie zitterte ein wenig, als sie zu schreiben begann. Aber schließlich prangte ihr Name auf der Rolle des Affenclans.

Applaus der Umstehenden erhob sich, und die Schriftrolle verschwand in einer Verpuffung, als hätte es sie nie gegeben. Die Affen gaben diese Rolle nie einem Kontraktpartner, wie es zum Beispiel die Frösche zu tun pflegten. Deshalb wurde die Rolle nach der Zeremonie auch sofort wieder auf den Berg geschafft.
 

"Nun, Anne-tono, versuche doch mal, einen Affen zu beschwören", sagte der König freundlich.

"Okay." Sie drückte ihren noch immer blutenden Daumen auf den Boden, und rief: "Kuchiose no Jutsu!"

Rauch stieg auf, und aus dieser trägen, weißen Wolke schälte sich eine kleine Gestalt hervor. Der winzige Affe, nicht größer als Ranko in ihrer Affentarnung, hoppelte auf Anne zu, kletterte an ihren Beinen hoch und erklomm ihre Schulter. Dort ließ er sich nieder.

"Na, wenn das mal nicht Ryoga ist", stellte ich zufrieden fest. "Ich freue mich sehr, dass es dir wieder gut geht."

Der kleine Affe mied meinen Blick. Also das war seine neue Aufgabe. Anfänger trainieren. Eine wichtige, aber ungeliebte Betätigung für die Krieger des Affenbergs. Doch das war immer noch besser, als niemals wieder beschworen zu werden.

"Ich bin auch froh, das es dir wieder gut geht, Ryoga-sama", sagte Anne, schüchtern lächelnd.

"Aha, Hibiki-tono also", stellte der König fest. "Du hast einen sehr mächtigen Krieger beim ersten Versuch beschworen. Das ist eine sehr gute Leistung. Du hast mehr Talent, als wir erwartet haben, Anne-tono."

Sie lächelte verlegen, und sah zur Seite. "Danke, Enma-sama."

Der König sah ins Rund. "Und jetzt lasst uns feiern."

Dem war nichts mehr hinzu zu fügen.

***

Als wir nach unserem Kurzurlaub aufbrachen, am Morgen des vierten Tages, war ich mir sehr sicher, in Getsu drei bis vier Kilo zugenommen zu haben. Das Essen war so gut und reichlich gewesen, es konnte nicht anders sein.

Da standen wir also am Stadttor Getsugakures, und bereiteten uns darauf vor, mit Sais gemalten Vögeln zurück aufs Festland zu fliegen. Dort würden wir uns trennen. Die ANBU und Kaminari würden nach Konoha fliegen, und Anne würde mit mir und Kankurou nach Suna zurückkehren. Enma-sama war schon gestern Abend wieder zurückgekehrt, Akane und Ranko würden noch vor unserem Aufbruch auf den Affenberg zurückkehren. Geleitschutz bis Suna hielt ich nicht mehr für notwendig. Nach all den Kämpfen würden Akane und Ranko dann zu ihrer verdienten Pause kommen. Von all den anderen Affenkriegern mal ganz abgesehen.

Diese Mission bedeutete auch eine sehr erfreuliche Entwicklung für mich, bewies sie doch, das ich mein Maximum von drei Affen immer länger aufrecht erhalten konnte. Für die große Party, die ich für die Affen ausrichten würde, waren das gute Nachrichten. Eventuell schaffte ich den Abend fünf, sechs, oder sogar sieben Krieger vom Affenberg zu mir zu holen. Und eventuell konnte ich ihre Beschwörung einen ganzen Abend aufrecht erhalten. Dabei hatte ich jetzt ja tatkräftige Hilfe, denn Anne hielt Ryoga noch immer in der Beschwörung, und das war definitiv keine Kleinigkeit.

Nachdem sich die Affenkrieger von uns verabschiedet hatten, schickte ich sie zurück. Auch Anne löste Ryogas Beschwörung auf, obwohl es mich interessiert hätte, wie lange sie durchgehalten hätte. Nun war die Reihe an uns, auf Wiedersehen zu sagen.
 

Ich schüttelte Khal und Hassin die Hand, umarmte Padme herzlich, und tauschte mit dem Tsukikage ein paar freundliche Worte. Dann ging ich zu meinen Mädchen. Um keinen Neid aufkommen zu lassen - damals war mir dieser Gedanke immer noch irgendwie unwirklich vorgekommen - umarmte ich beide zugleich. Hana-chan und Karin küssten meine Wangen zum Abschied. Im Anbetracht der großen Menschenmenge verzichteten sie darauf, mich richtig zu küssen, was leider auch nicht so oft vorkam.

Dann nahm ich Aki-chan noch einmal auf den Arm und drückte ihn an mich. Wenn es einen Grund gab, warum ich Maria pauschal alles verzeihen sollte, dann war es definitiv ihr Sohn. Ich küsste dem Baby auf die Stirn, und gab es Hanako wieder zurück. "Wir sehen uns in Konoha", sagte ich zu den beiden. Ich tätschelte Akira den Kopf. "Sei ein braver Junger, ja?"

Anschließend wandte ich mich um. Immerhin wartete da noch ein Chunin-Examensfinale auf uns.

"Papa, nich' geh'n!", hörte ich Aki-chan rufen. Dies tat er mit so einer traurigen Stimme, das ich tatsächlich stehen blieb. Für einen winzigen Moment glaubte ich sogar, erstarrt zu sein. Für eine Schrecksekunde meinte ich, nicht mal mehr einen Finger rühren zu können.

"Kai!", rief Karin hastig.

Ich wandte mich ihnen wieder zu. "Kai? Welches Jutsu hast du gerade aufgehoben, Karin?"

"Ahahaha. Nein, das hast du missverstanden. Da hinten steht nur Kai, ein Neffe von Hassin im gleichen Alter wie Aki-chan. Kai kommt manchmal zum Spielen rüber." Sie nickte gewichtig zu ihren Worten. Mit dem Ellenbogen stieß sie Hanako an, die nun auch zu lachen begann. "Richtig, Kai. Noch so ein süßer Fratz. Ganz Getsugakure steckt ja voll mit niedlichen Kindern. Hahaha."

Ich musterte meine Mädchen besorgt. "Ihr schwitzt ja so. Ist euch nicht gut?"

"W-wie kommst du denn darauf?", sagte Hana-chan hastig. "Nein, alles in Ordnung. Aber Karin hat zuviel Chili in die Miso-Suppe gemacht, glaube ich. Und jetzt, in Verbindung mit der Sonne..."

Ich starrte sie fragend an. Mein Blick bohrte sich in ihre Augen. "Okay, das klingt plausibel."

Ein Aufstöhnen ging durch meine Mädchen, das ich nicht so recht verstand. "Karin, ich weiß, du magst es gerne scharf, aber vergiss nicht, auf Hanako Rücksicht zu nehmen. Und nichts Scharfes für Aki-chan."

"Ja, ja, ist schon klar. Und jetzt flieg endlich los", haspelte sie. "Musst du nicht Anne-chan zum Chunin-Examen bringen?"

"Das habe ich nicht vergessen." Ich winkte noch mal, und wandte mich erneut zum Gehen.

"Papa..." "KAI!"

Ich sah über die Schulter zurück. "Ihr müsst nicht warten, bis ich abgeflogen bin, wenn Aki-chan mit Kai spielen soll. Wirklich nicht."

"Gute Idee, Mamo-chan", sagte Hanako. Schwitzte sie jetzt noch mehr?

"Weniger Chili, Karin."

"Verstanden, Mamo-chan."

Ein letztes Mal hob ich grüßend die Hand, bevor ich mich auf den vordersten wartenden Vogel schwang.
 

"Schau mal, wer es auch noch zum Abflug geschafft hat", sagte Kankurou. In seinen Armen hielt er Pakkun. Der kleine braune Hund sah gelangweilt zu mir herüber. "Yo."

"Aber gerade so rechtzeitig", murrte ich.

Kankurou ließ den Hund auf die eigenen Füße, und sah zuerst meine Mädchen, und dann mich skeptisch an. "Du weißt aber schon, dass... Ach, schon gut. Sai, wir wollen starten."

"Verstanden." Die beiden gezeichneten Vögel erhoben sich vom Boden, und erfüllten damit die Definition aus dem Befehl an Sai, "erst dann zu starten, wenn er meint, dass die Witterung seine Zeichnungen nicht auslöscht". Was nach meiner Definition an diesem Morgen zu erfüllen war. Schnell gewannen wir Höhe, und strebten in Richtung Sunagakure davon. Dort würden wir uns von den ANBU und dieser bequemen Art zu reisen trennen.

Schneidender Wind 14

14.

Am späten Nachmittag des Tages der Abreise der Konoha-Ninjas traf ein prominenter Vertreter der gleichen Ninja-Stadt ein. Ein Clan-Chef, ein Ratsherr, ein herausragender Ninja. Shikaku Nara.

Er wurde im kleinen Kreis empfangen. Nur Hanako Yodama, Karin Akimichi, Hassin und Khal erwarteten ihn.

Mit steinerner Miene musterte der Herr des Nara-Clans die Angetretenen. "Es ist also passiert", sagte er anstelle einer Begrüßung.

Hanako nickte zögerlich. "Ja, Onkel Shikaku. Es ist passiert. Und beinahe hätte er etwas gemerkt."

"Aber das ist doch großartig. Dann werden endlich auch die letzten Gerüchte verstummen, die Yuria immer unterstellen, Mamoru könnte eventuell doch nicht von Kenshiro sein. Wie hat es sich geäußert?"

Karin lächelte verlegen. "Als Mamoru gehen wollte, hat Akira-chan ihn mit Hilfe der Nara-Schattenkunst gestoppt. Du kannst dir nicht vorstellen, wie wir uns erschrocken haben, Onkel Shikaku. Zweimal musste ich sein Jutsu auflösen. Danach hat der Kleine eine Stunde geschmollt."

"Hm." Nachdenklich rieb sich der Nara das Kinn. "Gibt es einen besonderen Grund dafür, das er Mamoru nicht hatte gehen lassen wollen?"

"Und dafür, das er Mamo-chan Papa genannt hat?", hakte Hassin nach.

Die beiden Mädchen drucksten verlegen und sahen zu Boden. "Nun. Maria hat Aki-chan wohl ein Foto von ihm gezeigt, und ihm erklärt, dass das sein Papa ist", sagte Hanako in entschuldigendem Tonfall.

Shikaku Nara musterte die Frauen mit strengem Blick. "Und das Foto hat sie wie bekommen?"

"Wir haben es mitgebracht", gestand Karin. "Aber es konnte ja auch keiner wissen, dass er ausgerechnet hierher kommt, ohne sich anzukündigen. Zum Glück ist Khal in die Bresche gesprungen und hat sich als Vater ausgegeben."

Shikaku sah den riesigen Ninja an. "Und das hat er geglaubt?"

Khal grinste schief. "Ich kann sehr überzeugend sein, wenn ich will."

"Gut. Soviel dazu. Bringt mich zu ihm."

"Hier entlang, bitte, Nara-tono", sagte Hassin, und ging voran.
 

Während sie in Richtung von Marias Haus gingen, brummte Shikaku, wer weiß zum wievielten Male: "Warum um alles in der Welt wollt Ihr Akiras Existenz unbedingt vor Mamoru verheimlichen? Sicher, mit sechzehn ist er etwas jung dafür, um ein Kind aufzuziehen, aber das steht doch auch gar nicht zur Debatte, oder?"

"Es...", stammelte Karin, "es ist etwas komplizierter."

"So? Ich habe Zeit."

Hanako wischte sich flüchtig den Schweiß von der Stirn. "Da ist zum Beispiel Maria. Mamo-chan hasst sie, und sie hat Angst, das er sein eigenes Kind auch hasst, nur weil es von ihr ist."

"Was für ein Schwachsinn."

"Mag ja sein, dass es Schwachsinn ist. Und sie hat ja auch nicht ewig vor, Aki-chan vor Mamo-chan zu verheimlichen. Nur ein paar Jahre, bis etwas Gras über die Oto-Sache gewachsen ist", erklärte Karin. "Und dann ist da noch die andere Geschichte."

"Welche andere Geschichte?", fragte der Nara.

"Daran sind wohl wir schuld", murmelte Hanako fast unhörbar.

Shikaku schnaubte amüsiert. "Oh, ich ahne übles. Was also habt Ihr getan, in eurer grenzenlosen Eifersucht?"

Die beiden Mädchen sahen betreten zu Boden, und sagten lange Zeit kein einziges Wort.

"Volltreffer, nehme ich an", sagte Shikaku, und für einen Augenblick amüsierte ihn diese doch sehr ernste Situation.

"Wir...", begann Karin leise, "...wir dachten halt, da Mamo-chan Maria hasst... Ich meine, sie hat ein Kind von ihm. Das haben sie gemacht als er glaubte, sie wäre seine Geliebte. Wenn sie jetzt mit dem Kind kommt, und an die Gefühle von damals appelliert, dann hat sie einen unfairen Vorteil, finde ich. Und Hanako sieht das auch so. Und P-chan ebenso."

"Moment mal, ihr habt Maria VERBOTEN, Mamoru die Wahrheit zu sagen?", rief Shikaku entsetzt.

"N-nicht verboten", verteidigte Hanako sich und Karin. "Sie hatte selbst keinerlei Hoffnung, dass Mamo-chan Aki-chan anerkennen würde. Wir haben ihr den Vorschlag einfach nie gemacht. Wir haben das immer ausgespart für den Tag, an dem Mamo-chan ihr vergeben kann, dass sie Katou getötet hat."

"So, wie ich ihr vergeben habe", murmelte Karin.

"Und bis zu diesem Tag kümmern wir uns gemeinsam um Aki-chan. Ich meine, er ist Mamorus Sohn."

Shikaku legte eine Hand an die Stirn und schüttelte seinen plötzlich schwer gewordenen Kopf. "Oh, Ihr selbstsüchtigen kleinen Mädchen."

Die beiden Kunoichi zuckten wie unter einem Schlag zusammen. "Du... Du wirst es Mamo-chan doch nicht sagen?"

"Wie könnte ich, wenn die Mutter wünscht, dass Ihr damit noch etwas wartet? Es ist vollkommen plausibel, noch ein wenig Zeit ins Land gehen zu lassen, damit Mamorus Zorn verraucht. Aber ich denke, dieser Tag ist nicht mehr allzu fern. Sein Besuch hier in Getsugakure hat sicherlich einiges von seiner Wut genommen."

"Ja, das hat er", sagte Hassin. "Er hat Aki-chan sehr gut kennen gelernt, und sich auch selbst um ihn gekümmert. Wenn du meine Meinung als Vater hören willst, Nara-tono, dann sollten diese drei Frauen sich nicht mehr allzu viel Zeit lassen, solange Mamoru positive Gefühle für Aki-chan hat."

Nun sahen die Mädchen erst Recht betrübt zu Boden. Selten hatte Shikaku so niedergeschlagene Kunoichi gesehen. Kunststück, wenn alles, was sie gesagt und gedacht hatten, von anderen als falsch auseinander genommen wurde.

"Hier ist es", sagte Hassin, und öffnete die Tür.
 

Hassins Frau Padme empfing sie. "Nara-sama", sagte sie, und nickte den Konoha-Nin freundlich zu. "Ist es normal, dass ein Kleinkind die Schattenkunst anwenden kann, ohne ein Jutsu erlernt zu haben?" Sie reichte ihm Akira.

Shikaku nahm den Jungen auf den Arm, und musterte ihn eingehend. Der fasste das als Einladung auf, und zupfte interessiert an seinem Kinnbart herum.

"Na, du bist aber ein lebendiger kleiner Bursche. Du hast eindeutig Yurias Augen. Und das Gesicht geht recht genau in Richtung Nara." Mit dem kleinen Jungen auf dem Arm setzte er sich auf die Couch. "Nehmt Platz. Ich fürchte, das dauert länger."

Gehorsam setzten sich die Mädchen. Die Getsu-Nins folgten ihrem Beispiel. "Es ist nicht gerade üblich, das ein Kind die Nara-Schattenkunst beherrscht. Ich würde auch nicht behaupten, dass Akira sie beherrscht. Ich denke aber, das er sie auf einer unbewussten Ebene anwenden kann. Ohne Form, ohne besondere Kunst. Einfach nur... anwenden kann."

Er kitzelte den Jungen am Bauch, was diesen erfreut kichern ließ. "Ja, das mögen alle Nara-Jungs."

Sein Blick ging zu den Frauen. "Es kommt selten vor, das ein Nara-Kind so etwas kann. Aber es ist gefährlich. Ein so junger Körper kann dem Jutsu nicht so viel Chakra spenden, wie die Schattenkunst braucht. Wenn wir ihn das Jutsu weiterhin unkontrolliert ausführen lassen, kann er daran sterben."

Erschrocken sprangen Hanako und Karin wieder auf. "Sterben?"

Shikaku lächelte zufrieden, als er die ehrlichen, positiven Gefühle für Mamorus Sohn in ihren Augen las. Ja, das war wohl der Hauptgrund, warum sie hier waren. Nur für Mamorus Kind, wohl eher weniger für Getsugakure oder gar Maria. "Keine Sorge, deshalb bin ich ja hier. Padme-san, von einhundert Kindern kann das vielleicht eines. Es passiert meistens dann, wenn die Schattenkunst eine Generation überspringt. In diesem Fall aber hat sie zwei Generationen übersprungen. Kenshiro, Mamorus Vater, beherrscht die Nara-Kunst ebenfalls nicht. Aber er hatte auch nie Ambitionen, ein Ninja werden zu wollen. Mamoru ist ebenfalls das, was wir einen Aussetzer nennen, und das war schon mehr als ungewöhnlich. Und einer der Gründe dafür, warum die Shinobi unter den Nara Mamorus Karriere aufmerksam verfolgt haben. Beziehungsweise zu Unrecht geglaubt haben, ohne Schattenkunst würde sich Mamoru selbst umbringen." Er griff dem Kleinkind unter die Arme und setzte es auf seinem Schoß um. "Das Ergebnis ist hier. Ein Nachkömmling der Naras, der das Jutsu der Nara auf einem Level beherrschen können wird wie ich oder mein eigener Sohn. Und wir gehören zu den Stärksten im Clan. Allerdings muss er da erst einmal hinkommen."

"Was schlägst du vor, Nara-tono?", fragte Hassin.

"Ich werde sein Chakra versiegeln. Das verhindert, das er sich durch unkontrollierten Gebrauch seiner Kunst zu sehr verausgabt und sich selbst tötet. Wenn er sechs ist, werden wir die Siegel entfernen, und ihm die Grundlagen unserer Kunst beibringen. Allerdings werde ich dann ein zusätzliches Siegel anbringen, das ich jederzeit aktivieren kann."

Hassin und Khal nickten zustimmend. Die Schattenkunst der Nara einem fremden Ort zu überlassen machte nur Sinn, solange beide Ninja-Dörfer Verbündete waren. Es war weitaus humaner, im Falle eines Krieges die Kunst dieses Kindes zu versiegeln, als es zu töten.

"Hana-chan, nimm ihn bitte mal", sagte Shikaku, und reichte ihr das Kind.
 

Der Nara erhob sich und trat in den Raum hinein. Aus seiner Shuriken-Tasche holte er Kreide hervor. Mit geübtem Griff begann er einen Beschwörungskreis aufzuzeichnen.

"Ich gestatte eure Anwesenheit im Zuge der guten Beziehungen, die Getsugakure und Konohagakure unterhalten", sagte er in Richtung der Getsu-Nin, die mit Interesse die Elemente musterten, die Shikaku für seinen Kreis verwendete.

"Wir werden es nicht gegen Konoha verwenden", versprach Hassin.

"Lügner", sagte der Nara grinsend. Sie wussten beide nur zu genau, dass er es doch tun würde, sollten sie einmal Feinde sein.

"Aber ein guter", erwiderte Hassin, ebenfalls grinsend.

"Gebt mir jetzt Akira", sagte Shikaku.

Zögerlich erhob sich Hanako, den Kleinen auf dem Arm. "Und ihm kann nichts passieren?"

"Er wird danach ein normaleres Kleinkind sein als zuvor", versprach der Clanchef.

Es dauerte trotzdem einige Zeit, bis sich Hanako dazu entschließen konnte, Akira in die Mitte des Bannkreises zu setzen. Der kleine Junge musterte interessiert seine Umgebung. Womöglich ahnte er, das gleich etwas passieren würde.
 

Der Ratsherr aus Konoha legte beide Hände auf den Kreis, dessen Symbole dabei aufleuchteten. Sie begannen, um Akira als Mittelpunkt zu rotieren. Als eine bestimmte Konstellation erreicht war, setzte Shikaku Nara das Siegel an. "FUIN!"

Der Kreis erlosch, die Kreideschriftzeichen lösten sich vom Boden. Sie flossen auf das Kleinkind zu, krochen an ihm hoch, und verschwanden mit einem letzten Aufglühen in seinem Körper.

Shikaku atmete erleichtert auf. "Gut. Sein Leben hätten wir erst mal gerettet."

"Danke, Onkel Shikaku", sagte Hanako, beeilte sich aber, Akira wieder auf den Arm zu nehmen und zu ihrem Platz auf der Couch zurück zu gehen.

Der Nara grinste. "Nachdem wir das erledigt haben, versprecht mir eines."

"Wenn wir es erfüllen können", sagte Karin gedehnt.

"Sobald Ihr Mamoru diesen ganzen Schlamassel erklären müsst, will ich dabei sein."

"Ich übrigens auch", sagte Hassin todernst. "Und Khal sicherlich auch."

Der Riese lachte. "Vergessen wir Amir nicht. Der wird für sein Leben gerne dabei sein wollen."

Deprimiert sahen die beiden Mädchen in die Runde.

Padme lachte verhalten, bevor sie es mit einem Hüsteln unterdrückte. "Wer den Schaden hat, braucht für den Spott eben nicht zu sorgen", sagte sie würdevoll.

Sie hatte vollkommen Recht.

***

Auch wenn Kabuto Yakushi es nicht zeigte - als er den Raum betrat, in dem sein Meister residierte, verspürte er kreatürliche Angst angesichts seines Versagens.

"Orochimaru-sama, ich bin zurück", sagte er in seinem üblichen, freundlichen Tonfall, der diese Angst überdecken sollte.

"Oh, gut. Du kommst rechtzeitig genug, um einige Fortschritte von Sasuke zu begutachten", erwiderte der ehemalige Sannin. "Er entwickelt sich gut, der kleine Uchiha."

Für einen Moment war Kabuto verwirrt. War Orochimaru-sama etwa noch nicht über das Geschehen im Land der Steine informiert worden?

Kabuto beschloss, konkreter zu werden, anstatt darauf zu hoffen, dass die Niederlage der Aufmerksamkeit seines Meisters entgehen würde. "Orochimaru-sama, ich habe versagt."

Dies erzeugte die erste wirkliche Reaktion des Nukenin. Er sah zu Kabuto herüber, und Erstaunen lag in seinem Blick. "Was? Wobei hast du versagt?"

Nun war Kabuto erst recht verwundert. Er machte eine fahrige Geste, und setzte zu einer Erklärung an. "Nun, ich habe den Stützpunkt im Land der Steine verloren."

"Ach, das." Der große, schwarzhaarige Mann wandte den Blick wieder ab. "Halb so wild."

"Halb so..." Entsetzt schnappte Kabuto nach Luft. "Halb so wild? Orochimaru-sama, ich habe den gesamten Stützpunkt verloren! Ich habe alle unsere Verbündeten in der Stadt verloren! Ich habe die Experimente verloren! Ich habe etliche Versuchsobjekte verloren!"

"Ja, ich weiß. Es ist gut, Kabuto."

"Orochimaru-sama!" Entsetzt eilte er an die Seite seines Meisters. "Ich habe versagt!"

"Und?", fragte Orochimaru ironisch. Er sah seinen Schüler ernst an. "Was erwartest du jetzt, was ich tue?"

Kabuto straffte sich. "Ich erwarte eine nachdrückliche Bestrafung für mein Versagen."

Orochimaru musterte den jungen Mann einige Zeit, bevor er leise zu lachen begann. Aus dem leisen Lachen wurde ein lautes, und daraus ein schallendes Gelächter, das im Raum widerhallte.

Kabutos Verwirrung wuchs. Noch schlimmer, für einen winzigen Moment zweifelte er an der geistigen Zurechnungsfähigkeit seines Meisters. "Orochimaru-sama, ich..."

"Kabuto, Kabuto", tadelte der Nukenin. "Denkst du nicht auch, dass deine Arbeit mir mehr wert ist, als es jeder Stützpunkt sein könnte?"

Überrascht erstarrte der Medi-Nin. So hatte er das noch nicht gesehen. "Aber...", haspelte er hervor, "die Verbündeten! Die Experimente!"

Orochimaru seufzte. "Du machst dir so viele Sorgen darum, angemessen bestraft zu werden, sodass ich mir mehr als bewusst bin, wie sehr du unter dem Geschehenen leidest. Selbst wenn du Strafe verdient hättest, nichts könnte schlimmer sein als diese Selbstkasteiung, die du dir antust, Kabuto."

Orochimaru erhob sich. "Darüber hinaus bist du nicht mit leeren Händen zurückgekommen. Man sagte mir, du hättest die besten acht Ninjas aus dem Labor mitgebracht."

"Ursprünglich waren es neun, aber meine Verfolger haben einen gefangen genommen."

Orochimaru schien ihn gar nicht gehört zu haben. Oder seine Erwiderung interessierte ihn einfach nicht. "Aus diesem Experiment die Essenz mitzubringen, war eine gute Idee. Alleine das hat meine Truppen verstärkt. Die besten acht, die nun Kampferfahrung haben. Ich habe gehört, das es ein schwieriger Rückweg war. Eure Verfolger müssen gut gewesen sein."

Für einen Moment brannte Kabutos Gesichtshaut so heftig, als wäre er wieder in dem Raum im Versteck, Augenblicke nachdem dieser Wahnsinnige sein Dai Endan ausgespien hatte. Zwar hatte er sich mittlerweile selbst geheilt, aber diese Phantomschmerzen würden ihn wohl noch einige Zeit begleiten. "Sie waren sehr hartnäckig."

"Berichte mir von ihnen", verlangte Orochimaru.

"Es waren Kankurou vom Sand, Ratsherr aus Sunagakure, und Mamoru Morikubo, einer der Schüler des Sandaime. Der, der den Kontrakt mit den Affen hält."

"Mit den Affen?" Interessiert sah Orochimaru seinen Gefolgsmann an. "Ah, ich erinnere mich. Man sagt, alles was er kann, ist, Affen zu beschwören und für sich kämpfen zu lassen. Aber das sagen sie zu allen, die Affen beschwören können. Was denkst du?"

"Er hat durchaus Talent. Er ist alleine ins Versteck eingedrungen und hat die Gefangenen befreit. Damit hat er uns von innen heraus besiegt. Dabei bediente er sich dreier Affen, aber..."

"Du hast einen der Affen mit deiner Kunst verletzt", sagte Orochimaru bestimmt. "Einen Hibiki."

Kabuto war überrascht über die Detailgenauigkeit, mit der sein Meister informiert zu sein schien. "Ich kenne seinen Namen nicht. Aber Morikubo nannte ihn Ryoga."

"Eindeutig ein Hibiki. Sein Sohn, nehme ich an", murmelte Orochimaru zu sich selbst. "Wurde er getötet?"

"Nein, Meister. Morikubo hat ihn auf den Affenberg zurück geschickt."

"Dann können wir davon ausgehen, das er noch lebt." Ein kühles Lächeln glitt über Orochimarus Züge. "Du hast Glück gehabt, dass dir so ein Streich gegen einen Affenkrieger gelungen ist. Viele von ihnen können es mit einem Jounin aufnehmen."

"Ich habe so gehandelt, wie ich es in dieser Situation für angemessen gehalten habe", erwiderte Kabuto.

"Zweifellos hast du so dein Leben gerettet." Nachdenklich ging Orochimaru ein paar Schritte. Kabuto folgte ihm.

"Wie viele Affen konnte er zugleich beschwören?"

"Drei, Orochimaru-sama."

"Drei?" Verblüfft sah er wieder herüber. "Das ist nicht schlecht für einen so jungen Shinobi. Er muss gute Chakra-Reserven haben."

"Ja, Orochimaru-sama. Das denke ich auch. Und hartnäckig ist er auch noch."

Der Nukenin nickte zufrieden. "Alleine diese Informationen sind es wert, das wir diesen unsäglichen Stützpunkt losgeworden sind."

"Losgeworden?", fragte Kabuto erstaunt.

Orochimaru seufzte. "Weißt du, Kabuto, die Sache mit der Stadt und dem Versteck stand von vorne herein auf wackligen Füßen. Die Menschen in der Stadt wollten zu schnell zu viel, und in ihrer Arroganz nutzten sie ihre Macht aus. Und das nicht gerade unauffällig. Sie hielten sich für unverwundbar."

"Jetzt wo du es sagst, Orochimaru-sama, sehe ich die Anzeichen dafür auch."

Der Nukenin nickte zustimmend. "Es war schon lange abzusehen, das sich die Stadt diesen Kurs nicht mehr lange würde leisten können. Ihr Hochmut hatte längst die Behörden alarmiert, und ich habe schon vor langer Zeit begonnen, den Stützpunkt zurückzubauen und in den Labors falsche Fährten zu legen. Weißt du, wenn die Shinobi der fünf großen Nationen nicht ab und an einen meiner Stützpunkte finden, suchen sie zu intensiv nach den anderen, die wirklich wichtig sind. Und deren Verlust würde mich sehr treffen."

"I-ich verstehe, Orochimaru-sama", sagte Kabuto, meinte aber doch das Gegenteil. Hatte Orochimaru tatsächlich vorgehabt... Den Stützpunkt im Land der Steine zu opfern? Dann hatte er die Dinge nur unwesentlich beschleunigt.

"Du hast nichts falsch gemacht, Kabuto. Du bist mit wichtigen Informationen zurückgekommen, und mit acht wertvollen Shinobi, die nun mehr Erfahrung haben als zuvor. Weit mehr Erfahrung. Und was den Kontraktnehmer angeht..."

"Morikubo, Orochimaru-sama."

"Morikubo. Nun, sollte er das Pech haben, erneut auf uns zu treffen, werden wir uns seiner angemessen annehmen. Aber... Bis dahin interessiert er mich nicht, der kleine Kohai."

Es kam nicht oft vor, aber Kabuto spürte, dass Orochimaru log. Ob er nun seinen Untergebenen anlog oder sich selbst, konnte der Medi-Nin nicht sagen. Aber er tat es. Und die Verwendung des Suffix Kohai, der für Untergebene in der eigenen Abteilung oder Schule gedacht war, zeigte an, das er seine Zeit als Kontraktpartner der Affen nie wirklich hinter sich gelassen hatte. Kabuto wusste natürlich, dass Orochimaru von der Schriftrolle gelöscht worden war, und er hatte gehört, dass sein Meister darüber sehr betrübt gewesen war. Konnte es sein, dass Morikubo nun einen Bonus erhielt, weil er selbst Kontraktträger der Affen war?

"Sehen wir uns jetzt Sasukes Fortschritte an, Kabuto."

"Jawohl, Orochimaru-sama." Er machte einen Schritt vorwärts, und mit dieser Bewegung kam die Erkenntnis. Er war immer noch am Leben. Er stand weiterhin hoch im Ansehen bei seinem Meister. Und er würde nicht bestraft werden. Na, wenigstens etwas Positives nach all dem Ärger mit diesem hartnäckigen Spürhund aus Konoha.

***

Ich nieste. Mehrfach hintereinander.

"Sand in der Nase?", fragte Kankurou, was im Anbetracht der riesigen Wüste, über die wir hinweg flogen, eine logische Erklärung gewesen wäre.

"Nein, da hat wohl jemand an mich gedacht."

"War sicherlich nichts nettes", murmelte Pakkun.

"Du bist still, du Hund", tadelte ich. "Ich habe zwar gesagt, wir machen Urlaub, aber das du drei geschlagene Tage auf der Insel herumstreunst und erst Minuten vor dem Abflug auftauchst, war nicht sehr nett von dir."

"So interpretiere ich eben Urlaub", murrte Pakkun.

"Wir wäre fast ohne dich geflogen, weil wir dich schon fast vergessen hätten", erwiderte ich streng.

"Ist ja schon gut", murrte er, rollte sich zusammen, und gab vor zu schlafen.

Gut, das ließ ich ihm durchgehen. Diesmal noch.

"Mamo-chan!", gellte Nekohimes helle Stimme zu uns herüber. Die ANBU und Kaminari, der sich langsam mal in Konoha melden musste, flogen auf einem eigenen von Sais Zeichenvögel, während diejenigen, die nach Suna weiter reisen würden, mit mir zusammen waren. "Wir müssen hier ab! Aber Sai sagt, wenn Ihr euren Vogel aus Sandstürmen und Regenschauern raus haltet, wird er euch bis Sunagakure tragen!"

Ich winkte. "Verstanden! Jeder Meter, den wir nicht laufen müssen, ist pure Erholung für uns! Ich sollte dich öfter dabei haben, Sai!"

"Besser nicht, Mamoru-san!", rief der blasse Ninja zurück. "Du bist so anstrengend!"

Das brachte Kankurou zum Lachen. "Oh, da kenne ich aber einige Konoha-Shinobi, auf die das auch zutrifft!"

"Wie dem auch sei!", rief ich, den Ratsherr aus Suna ignorierend, "ich wünsche euch eine gute Heimreise!" Ich winkte erneut.

Die ANBU und Kaminari winkten zurück, dann machte ihr Vogel einen scharfen Schwenk nach Nordosten in Richtung Konohagakure. Es dauerte nicht lange, und sie waren außer Sicht.

"Tja, damit wäre unser Begleitschutz passé. Aber wir sind unserem Ziel einen Riesenschritt näher gekommen." Ich sah hinter mich, wo die Getsugakure-Kunoichi saß. "Du hast dann noch ungefähr eine Woche, um für das Finale zu trainieren, Anne-chan."

Das Mädchen griente mich an. "Du denkst doch nicht, dass ich nach dieser Tour mit dir ein Trainingsdefizit haben könnte? Außerdem, wenn es dicke kommt, kann ich immer noch einen Affenkrieger beschwören."

Energisch schüttelte ich den Kopf. "Von wegen. Du solltest sofort einen Affenkrieger beschwören. Es nützt überhaupt nichts, wenn du mit deinen starken Jutsu zurückhältst und deshalb verlierst."

"Aber ich will aus eigener Kraft gewinnen", erwiderte sie störrisch.

"Kapiere es: Affenkrieger zu beschwören ist ab jetzt Teil deiner eigenen Kraft. Es ist absolut legitim, sie zu beschwören, damit sie dich unterstützen können. Du wirst übrigens hart an dir arbeiten, damit du möglichst bald zwei Krieger zugleich beschwören kannst. Und dann noch härter, damit es für drei reicht. Es muss für dich so selbstverständlich sein wie atmen, Chakra für die Stabilisierung ihrer Beschwörung zu spenden. Ich sage dir das als dein Sempai."

Missmutig sah Anne mich an. "Aber ich hätte durchaus aus eigener Kraft..."

"Sagte die Genin, die sich mit Kabuto angelegt hat", kam es spöttisch von Kankurou. "Seit wann hast du ein so überbordertes Selbstbewusstsein?"

"Überbordert?", fragte sie erstaunt. "Was bedeutet das?"

"Das bedeutet soviel wie dass du dich selbst überschätzt, und zwar gewaltig", sagte ich. "Und ein Shinobi, der sich selbst überschätzt, hat in Shinobi-Kreisen einen eigenen Fachbegriff."

"Habe ich noch nie gehört. Wie lautet dieser Fachbegriff?", fragte Anne maulig.

Kankurou grinste sie an, was bei seiner voll aufgetragenen Schminke schon ein wenig gruselig war. "Wir nennen diese Shinobi Opfer."

Ein kalter Schauder ging über Anne hinweg. Es war deutlich zu sehen, wie es sie schüttelte. "Okay", murmelte sie, "ich glaube, ich habe es kapiert."

"Wir werden sehen", sagte ich. "Wenn wir zurückgekehrt sind, wirst du als erstes einen Affenkrieger beschwören und mit ihm trainieren."

"Ja, ja, Sempai."

"Das Sempai klang ja schon ganz gut, aber zweimal Ja heißt Arschloch, oder?"

Das junge Mädchen wurde rot. "S-so habe ich das aber nicht gemeint, Mamoru-sama!"

"Also?", fragte ich lächelnd.

"Ich habe verstanden, Mamoru-sama. Wenn wir in Sunagakure sind, beschwöre ich einen Affenkrieger, und trainiere mit ihm."

"So will ich das hören", murmelte ich zufrieden.

Und was mich betraf - ich hatte ein wenig Angst, Hatake-sempai unter die Augen zu treten und ihm zu erklären, dass ich Kabuto hatte entwischen lassen.

***

Wir landeten vor dem Haupttor Sunas, um die Luftabwehr nicht unnötig zu beschäftigten. Ich löste das Jutsu Sais auf, und zu viert schritten wir auf die lange Schneise zu, die in die Stadt führte.

Wir wurden schon früh erkannt, und anfangs befürchtete ich Probleme, aber ich konnte unmöglich wissen, was sich in Sunagakure während unserer Abwesenheit abgespielt hatte. Dementsprechend war ich schon sehr erstaunt, dass ich den Wachen nicht erklären musste, wieso ein Mamoru Morikubo in die Stadt wollte, während er doch als Gast von Lians Familie bereits drin war.

Schon beim ersten Wachtposten erfuhr ich, dass Kurenai-sensei meine Tarngeschichte nach der Ankunft Kakashis und der anderen eingestellt hatte. Danach war es allgemein bekannt gewesen, was ich in der Zeit getrieben hatte. Also ich, Kankurou, Anne, Pakkun, und meine Affenkrieger in wechselnder Besetzung.

Hinter dem Gang erwartete uns auch das Empfangskomitee: Kakashi Hatake, der Kazekage, Ratsmitglied Baki, wieder gesund, wie es schien, und Amir. Letztgenannter starrte so intensiv auf Anne herab, dass sie sich spontan hinter mir versteckte.

"Alles in Ordnung, Amir!", sagte ich hastig. "Sie hat nicht allzu viel falsch gemacht, war den Großteil der Zeit nützlich, und ist jetzt Getsugakures einzige Kontraktträgerin mit den Affen."

Amir sah mit dem gleichen missbilligenden Blick von Anne zu mir. "Die lange Version will ich auch noch hören."

"Das ist doch selbstverständlich", versicherte ich.

Jemand räusperte sich. Es war der Kazekage, den ich dank des Disputs mit Amir ungewollt ignoriert hatte. "Ihr seid spät dran", sagte er.

Kankurou machte ein zustimmendes Geräusch. "Wir haben einen Kurzurlaub an einem herrlichen Sandstrand eingelegt. Getsugakure hat sich fast schon rührend um uns gekümmert."

"Einen Kurzurlaub?" Gaara hob eine Augenbraue. Ein äußerst seltenes Ereignis bei dem jungen Mann, der nur Wut als Emotion zu kennen schien.

"Kurzurlaub", bestätigte ich. "Meine Entscheidung. Meine Verantwortung."

Kakashi lachte leise. "Niemand klagt dich an, Mamo-chan."

"Noch nicht?", riet ich.

"Überhaupt nicht", versicherte der Copy-Ninja. "Übrigens, Kabuto konnte nicht aufgespürt werden. Er muss während des Sturms unerkannt an Land gegangen sein."

Ich ächzte auf. Wäre ja auch zu schön gewesen um wahr zu sein. "Also Versagen auf der ganzen Linie", sagte ich deprimiert. Ich hatte ihn gehabt, verdammt, ich hatte ihn gehabt! Ganz nahe war ich dran gewesen! Und warum hatte ich nicht zugegriffen? Ach ja, weil das bedeutet hätte, sich nicht nur mit Kabuto anzulegen, sondern auch mit seinen sieben Gefolgsleuten, während ich alleine auf weiter Flur gewesen wäre. Mist, verdammter.

"Was Suna angeht, so war die Mission erfolgreicher, als sie hätte sein müssen", sagte Gaara. "Das Reich des Windes ist zufrieden, wie der Daimyo mir versichert hat."

Na, immerhin etwas.

"Hätte mich auch schwer gewundert", sagte Kankurou, und das tat er mit beeindruckender Selbstsicherheit. "Haben wir schon Nachricht aus dem Reich der Steine erhalten?"

Gaara ließ für einen winzigen Augenblick den Ansatz eines Lächelns aufblitzen. "Du meinst wegen dem Versteck Orochimarus, das Ihr ausgehoben habt?"

Baki räusperte sich. "Uns wurde ein Dankesschreiben des Daimyos zugestellt. Damit verbunden war eine Prämie, die wir, deine Entscheidung vorweg nehmend, einem guten Zweck zur Verfügung gestellt haben."

Kankurou starrte seinen Sensei entsetzt an. "Äh, ja, ich hätte selbstverständlich ebenso entschieden."

"Nachdem das geklärt ist, kommt bitte in mein Büro. Ich will aus erster Hand wissen, was ich bisher nur durch deine äußerst knappen Berichte lesen konnte, Kankurou. Danach könnt Ihr zwei, Anne und Mamoru, zum Haus der Toroza zurückkehren. Ich glaube, da muss sich auch jemand noch dringend auf die Abschlussprüfung vorbereiten, oder?"

Unter Gaaras Blick zuckte Anne schuldbewusst zusammen. "Ja, Kazekage-sama."

Kein Widerspruch, ein reines Schuldbekenntnis. Ich wusste nicht, wie Gaara das gemacht hatte, aber ich wollte das auch können. Definitiv.

"Also los, gehen wir. Kakashi-sensei, es ist wohl eine gute Idee, die anderen Konoha-Jounin hinzu zu ziehen, damit die drei nicht alles doppelt erzählen müssen."

"Wir werden sie in deinem Büro treffen, Kazekage-sama", erwiderte der Ninja.

"Wie immer hast du mitgedacht. Das ist sehr erfreulich. Also los, gehen wir."

Gaara wandte sich um, ging los, und verließ sich absolut darauf, das wir ihm folgten. Ohne Zweifel, ohne Zaudern. Und was taten wir? Wir folgten ihm. Ich wusste nicht, wie Gaara das hinbekam, aber auch das würde ich sehr gerne erlernen.

***

Nach der Sitzung mit den Jounin und dem Kazekage musste ich meine Geschichte doch noch ein zweites Mal erzählen - zumindest die Passagen, die nicht unter Geheimhaltung fielen. Und zwar unseren Genin, und dem Haushalt Lokke-samas im Toroza-Stammhaus.

Und diesmal mussten Anne und ich auch noch jenen Part übernehmen, den Kankurou erzählt hatte, da er nicht mit uns gekommen war.

Der Abschied von ihm war merkwürdig gewesen, obwohl wir nur wenige hundert Meter voneinander getrennt waren. Aber nachdem wir fast drei Wochen miteinander verbracht hatten, fiel es mir schwer, ihn nach all den überstandenen Abenteuern und Gefahren nicht an meiner Seite zu wissen. Ich fand wirklich, wir waren ein sehr gutes Team. Deutlich merkte ich, dass sich meine Bande zu Suna erneut vertieft hatten. Und der Kazekage schien da auch nichts gegen zu haben.

Wenigstens war Pakkun noch bei uns. Noch hatte Kakashi-sensei es nicht für nötig befunden, ihn zurück zu senden.
 

Als wir geendet hatten, bemerkte ich die gedrückte Stimmung unter den Genin. Und das konnte nicht an der Erzählung unserer Abenteuer liegen. "Also, was ist los?", fragte ich geradeheraus.

Neji zuckte die Schultern. "Wir haben die Aufteilung für die Kämpfe ausgelost. Es gibt zwölf Finalteilnehmer, also sechs Kämpfe."

"Das heißt also, selbst im ungünstigsten Fall führt Ihr drei Kämpfe gegen euch selbst, wenn ich eure Getsu-Kohais mitrechne."

Neji nickte. "Das Problem ist, dass wir in vier von vier möglichen Kämpfen gegeneinander antreten werden." Er deutete auf Tenten und auf Lee. "Die beiden sind im ersten Kampf."

Dann sah er Hinata an. "Hinata-sama wird gegen Kiba antreten."

Sein Blick ging zu Anne. "Du kämpfst gegen Shino. Und Affenkrieger hin oder her, den du jetzt beschwören kannst, damit hast du den schwerstmöglichen Gegner erwischt."

Er sah zu Mohad herüber. "Du hast das unglaubliche Pech, gegen mich antreten zu müssen."

"Pech oder nicht, wir werden es noch sehen", erwiderte Mohad, und reckte gespielt das Kinn herausfordernd vor. Die anderen lachten, als sie das sahen.

"Nur Illan hat einen Shinobi aus Sunagakure zugelost bekommen. Ach, und dann gibt es noch den sechsten Kampf. Der besteht ebenfalls aus zwei Suna-Shinobi."

Mit einem Schlag wurde mir wieder bewusst, weshalb ich eigentlich nach Suna gekommen war. Ich hatte zwar die ganzen Tage immer daran gedacht, Anne rechtzeitig zum Finale zurück zu schaffen, aber die Bedeutung war mir nicht mehr so richtig ins Bewusstsein gerutscht. Es ging darum, diese jungen Menschen auf die nächste Stufe der Verantwortung vorzubereiten, zu schauen, ob man ihnen Leben anvertrauen konnte.

"Bullshit", murmelte ich. "Natürlich ist es toll, wenn man seinen finalen Kampf gewinnt, aber das ist nicht nötig, um zum Chunin befördert zu werden. Erinnerst du dich an deinen Kampf, Neji? Naruto hat dich nach allen Regeln der Kunst eingeseift, obwohl du seine Tenketsu, die Chakra-Knoten, geschlossen hattest. So hat man es mir zumindest erzählt."

Ein flüchtiges Lächeln huschte über das Gesicht des Hyuugas. "Das kann man durchaus so stehen lassen."

"Und? Wurde Naruto ein Chunin? Nein. Warum nicht? Weil er zwar hervorragende Fähigkeiten gegen einen überlegenen Gegner bewiesen hat, aber sich diese Fähigkeiten mehr für einen Einzelkämpfer eignen. Shikamaru hingegen, der sachlich einem nachvollziehbaren Plan gefolgt ist, unter Einbeziehung aller Möglichkeiten und Fähigkeiten, hat aufgegeben, und wurde dennoch Chunin."

"Ja. Das ist wahr", gab er zu.

Shino räusperte sich. "Und das heißt für uns?"

"Das heißt für euch, dass Ihr gar nicht gewinnen müsst. Ihr müsst euch nur so gut Ihr könnt verkaufen. Bei einem Chunin wird auch gerne gesehen, wenn er zurückzieht, sobald er merkt, dass es nicht geht. Es gibt zehntausende Shinobi, aber jeder ist ein Einzelstück. Ich habe mal in einem Buch gelesen. In dem hieß es, die Shinobi wären Goldstücke, die man oft benutzen, aber nur einmal ausgeben kann. Hat man sie ausgegeben, dann hoffentlich für eine wichtige Sache, denn dann sind sie weg." Ich grinste in die Runde. "Wenn erkennbar wird, dass Ihr eure Goldstücke beisammen haltet, anstatt sie sinnlos zu verschleudern, bringt euch das dem Chunin-Rang näher. Also, wenn der Kampf unmöglich zu gewinnen ist, bricht man lieber ab und wartet auf die nächste, bessere Gelegenheit. Und da das so ist, müsst Ihr auch keine Angst umeinander haben. Im Gegenteil, Ihr solltet die seltene Gelegenheit nutzen, und mit voller Kraft gegeneinander kämpfen. Nie wieder werdet Ihr aus erster Hand erfahren, wie die Kampfkunst eurer Freunde ist. Verstanden?"

Rock Lee stand mit verbissenem Gesichtsausdruck vor mir. Seine Augen füllten sich mit Tränen der Rührung, und sein Mundwinkel war eisern verkniffen. "Das ist der Elan der Jugend! Das soll unser Ziel sein! Lasst uns alle mit voller Kraft kämpfen und Ruhm erwerben! Keiner soll zögern oder zaudern! Das Finale soll unser Wendepunkt werden, an dem sich für uns alles verändert!"

Nach dieser reichlich Pathos enthaltenden Rede flossen die Tränen richtig bei ihm. Aber zu meinem großen Erstaunen reckte ausgerechnet Neji die rechte Faust. "So soll es sein!"

Kiba grinste und hob ebenfalls die Faust. Akamaru bellte zustimmend.

Illan sprang auf die Füße und reckte die Rechte empor. "Ich bin dabei!"

Nach und nach folgten auch die anderen Genin, und schließlich waren sie sich alle einig, ihr Bestes geben zu wollen, um ihre Kameraden nicht zu enttäuschen.

"Und damit", sagte ich lächelnd, "habt Ihr den ersten Schritt auf dem Weg zum Chunin bereits hinter euch gebracht."

Eine Hand legte sich auf meine Schulter. Sie gehörte Asuma. Als ich ihn ansah, nickte er zufrieden. Anscheinend hatte auch ich gerade etwas richtig gemacht. Von Asuma sah ich zu Kakashi-sensei, der mit zugekniffenem rechten Auge zu mir herüberlächelte. Ebenso Kurenai-sensei - Yuuhi-sensei! - Yugao-sensei und Guy-sensei, wobei sich die Augen des grünen Biests von Konoha ebenfalls mit Tränen gefüllt hatten. Selbst Amir grinste mich sehr zufrieden an. Ich musste irgend etwas sehr richtig gemacht haben.
 

Später am Tag nahmen Lian und Tooma mich beiseite. Keema, Lians Mutter, gesellte sich dazu, und wir gingen auf mein Zimmer. In das wohlgemerkt die Wohnung meiner Eltern hinein gepasst hätte. Allein daran konnte ich erkennen, wie sehr mich Clan Toroza schätzte. Aber mittlerweile konnte ich damit umgehen.

Wir ließen uns auf Sitzmatten am Boden nieder, einen flachen Tisch zwischen uns, und Lian schenkte jedem einen Grüntee ein.

"Also?", eröffnete ich das Gespräch. "Was ist so wichtig, dass Ihr mich vom Training meiner Kohais wegholt?"

"Geradeheraus direkt ans Ziel", sagte Keema staunend. "Ohne sich groß bei Höflichkeitsfloskeln aufzuhalten oder ein wenig Small Talk zu betreiben."

Verlegen räusperte ich mich. "Verzeihung, Keema-sama, aber ich dachte, das ist unter uns nicht notwendig."

"Oh, ich habe dich nicht getadelt, Mamo-chan", erwiderte sie lächelnd. "Ich war eher beeindruckt."

"Oh." Nun war ich beeindruckt.

"Die Sache ist die", sagte Tooma, und hüstelte leise, "zuerst einmal, denke ich, sollten wir dir gratulieren, dass du ausgerechnet diesen Kabuto vor dir hergetrieben hast, und einen von Orochimarus Stützpunkten zerstören konntest."

"Mit geringer Hilfe von Kankurou-sama", warf Lian ein. Alle drei lachten darüber. Mir hingegen wäre jedes Lachen im Halse stecken geblieben, wenn es Kankurous Leistungen gemindert oder lächerlich gemacht hätte. Mir war klar, dass die drei es so nicht gemeint hatten. Aber nachdem wir so lange Seite an Seite gereist waren und gekämpft hatten, kam es mir nicht richtig vor.

"Er ist mir entwischt", betonte ich.

"Ach, komm", erwiderte Tooma. "Die Tatsache, dass du die Verfolgungsjagd überlebt hast, ist doch schon ein Riesenerfolg. Ich meine, wir reden hier von Kabuto."

"Dann bedanke ich mich bei euch." Bedächtig nahm ich die Teeschale auf und trank einen Schluck. "Und was ist der wahre Grund?"

Lian und Tooma wechselten einen schnellen Blick. "Der Termin für unsere Vermählung steht fest", sagte sie mit ernster Miene. "Und ich hätte gerne, dass Hanako meine Brautjungfer wird."

Dazu musste ich lächeln. "Und ich soll sie dazu überreden? Das wird nicht notwendig sein. Um nichts auf der Welt würde sie sich dieses Erlebnis entgehen lassen. Wann soll es denn soweit sein?"

Tooma sagte: "Zwei Jahre hat sie noch. Wenn wir beide zwanzig sind, werden wir heiraten. Aber Lokke-sama war es wichtig, so früh wie möglich einen Termin festzulegen, damit die Planung beginnen kann. Und auch mein Clan hat gerne etwas mehr Vorlaufzeit, und deshalb..."

Lian stieß ihm den Ellenbogen in die Seite. "Los jetzt, du Feigling", flüsterte sie ihm zu.

"Äh, ja. Mamo-chan, hättest du etwas dagegen, bei der Hochzeit mein Sekundant zu sein? Natürlich nur wenn du willst."

"Dein Sekundant?", fragte ich verwirrt. "Musst du dich vorher duellieren?"

Keema seufzte laut und lange auf. "Tooma hat dich gerade gefragt, ob du sein Trauzeuge werden wirst, Mamo-chan. Sekundant ist ein alter Name für diese Aufgabe, der schon eine Ewigkeit nicht mehr benutzt wird."

"Trauzeuge? Ich?" Bestürzt sah ich die beiden an. "Ich meine, ich?"

Tooma und Lian verschränkten je eine Hand in die des anderen. "Es ist unser gemeinsamer Wunsch, das unser Lebensretter uns hilft, den neuen Lebensabschnitt, den wir betreten werden, begleitet. Und das in prominenter Rolle."

"Muss ich da viel machen? Kann ich was falsch machen? Kann ich euch was versauen?", fragte ich ängstlich.

"Nein, du musst nur zeugen", sagte Keema.

"Wie, zeugen? Vor allen Leuten? Und wieso ausgerechnet ich?"

Lian lachte auf. "Mutter, jetzt hast du ihm den Rest gegeben. Mamo-chan, du sollst Zeugnis ablegen, dass Tooma und ich die Ehe geschlossen haben. Mehr nicht. Und, wenn es geht, dabei vielleicht einen guten Anzug tragen."

Mein Entsetzen wich einer gewissen Erleichterung. "Okay, das werde ich wohl hinkriegen. Ich meine, ich habe einen Angriff von zweihundert Shinobi koordiniert. Da werde ich ja wohl neben euch stehen können und eure Ehe bestätigen."

"Okay, jetzt hat er es kapiert", sagte Lian amüsiert. Sie streckte ihre andere Hand über den Tisch aus und griff nach meiner Rechten. Sanft drückte sie die Hand. "Und du musst natürlich Karin bequatschen, damit sie meine zweite Brautjungfer wird."

"Oh, das sollte ich auch noch hinkriegen." Ich erwiderte den Druck ihrer Hand. "Es ist mir eine Ehre, das Ihr mir eine so bedeutende Aufgabe anvertraut. Auch wenn ich zugegeben nicht viel falsch machen kann. Was vielleicht besser so ist."

"Es bedeutet uns auch sehr viel, dass du diesen Job machst." Tooma klopfte mir auf die Schulter. "Wenn ich mich nicht auf dich verlassen könnte, Konoha, dann wäre diese ganze Welt für mich verlassen."

Ich fühlte Stolz bei diesen Worten. Stolz, von Tooma und Lian Freund genannt zu werden. Stolz, ihnen nützlich zu sein. Stolz, hier in Suna beinahe eine zweite Familie zu haben, die mich derart hoch schätzte.

"Du weißt, wenn ich es kann, bin ich für dich da. Bin ich für euch da."

"Ja, das wissen wir." Die beiden grienten sich an, und lächelten für mich. Gut, das Thema hätten wir abgearbeitet.

"Und?", fragte Keema salopp. "Wann ist es bei dir mal so weit, dass du zumindest in feste Hände kommst, Mamo-chan?"

Ich verschluckte mich, und versuchte hustend, meine Kehle frei zu bekommen. Mist, das war wirklich ein schlechtes Thema.

"Und jetzt", lachte Lian erneut, "hast du ihn wieder verschreckt, Mutter."

Schneidender Wind 15

15.

Am Tag des Examens war Sunagakure bis zum Platzen gefüllt. Schaulustige, potentielle Auftraggeber, Vertreter der anderen Ninja-Dörfer, Prominente, Politiker, Verwaltungsbeamte und normale Touristen füllten die Stadt und das großzügig ausgelegte Stadion auf. Nun, das verstand ich unter einem wirklich gechäftigen Freitagnachmittagsmarkt in Konoha.

Natürlich entsandte Getsugakure zwei Jounin, welche zusammen mit Amir die Leistungen von Mohad, Illan und Anne beurteilen würden. Den ersten erkannte ich sofort wieder. Es war natürlich Hassin.

Kaum hatte ich ihn entdeckt, war ich auch schon auf ihn zugeeilt und hatte ihm die Hand gedrückt.

"Hätte ich mir doch gleich denken sollen, dass du dabei zuschauen willst, wie dein Sohn abschneidet."

Hassin lachte. "Um nichts in der Welt würde ich mir einen Kampf gegen einen Hyuuga entgehen lassen. Und wie es scheint, werden das viele nicht tun."

Ich nickte. "Ja, Sunagakure stößt an die Grenze seiner Kapazitäten. Und, wie geht es meinen Mädchen und Aki-chan?"

"Hanako und Karin dürften mittlerweile wieder daheim sein. Und was Aki-chan angeht, kannst du dich selbst überzeugen."

"Du hast ihn mitgebracht?", fragte ich argwöhnisch. Wo war eigentlich die Mutter unterwegs, wenn sich immer jemand anderes um ihren Sohn kümmern musste? War er also mit dem Vater hier?

"Ich nehme an, Khal ist der dritte Jounin?"

"Äh, nein, nicht ganz. Es ist... Komisch, eben war sie doch noch neben mir." Suchend wandte er sich um. Schließlich grinste er. "Du brauchst dich gar nicht zu verstecken, du kleiner Feigling."

Zögernd trat ein Shinobi hinter einer Häuserecke hervor. Jung, gut aussehend, feminies Gesicht, ein aparter schwarzer Kurzhaarschnitt, und ein schüchternes Lächeln auf den Lippen. In einem Tragegurt transportierte er Aki-chan vor dem Bauch.

"Nun komm schon. Suna ist neutrales Gebiet. Dir kann nichts passieren", sagte Hassin drängend.

Zögerlich trat der Shinobi näher heran. Der kleine Mann im Tragegurt reckte den Kopf, um sehen zu können, was geschah. Als er mich erkannte, strahlten seine Augen. "PAPAPAPAPAPA!"

Das ließ den schwarzhaarigen Getsu-Nin zusammen zucken. Verlegen sah er herüber.

Okay, spätestens in diesem Moment hätte mir etwas auffallen müssen. Irgend etwas. Aber das tat es nicht. Ich bin Shinobi und stolz darauf, aber genauso war und bin ich auch ein Mann. Und Männer konnten dazu neigen, betriebsblind zu werden. Vielleicht war ich auch nur zu sehr auf das Kleinkind fixiert.

Besagtes Kleinkind streckte die Ärmchen nach mir aus. "PAPAPAPAPAPA!"

Daraufhin nahm der Shinobi das Kind aus dem Tragesitz und stellte ihn auf die eigenen Füße. Prompt lief er in meine Richtung, legte sich mit großer Kunst auf die Nase, rappelte sich wieder auf, und lief weiter in meine Richtung. Als er nahe genug war, bückte ich mich nach ihm und nahm ihn auf den Arm. "Na, Akira, hast du mich vermisst?" Natürlich gab es keine Antwort. Stattdessen schlief der kleine Mann einfach ein.

"Die Reise war wohl etwas viel für ihn", sagte der fremde Shinobi, während er zögerlich näher trat. Auch die Stimme passte zu seinem femininen Auftritt. Sie war sehr weiblich, sehr hell.

"Hallo, Mamoru-sama", sagte er, und endlich, jetzt endlich fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Vor allem, warum sich Khal nicht um seinen Sohn kümmerte. "Maria", sagte ich erschrocken.

Sie legte den Kopf auf die Seite, und ich merkte, das ich mich vom raspelkurzen Haarschnitt hatte ordentlich über den Hühnerdreck führen lassen. "Ach ja? Hast du mich tatsächlich jetzt erst erkannt, Mamoru-sama?"

Ich schwankte zwischen Aufregung und Bestürzung. Außerdem hatte ich ihren Sohn auf dem Arm. "Es ist vielleicht keine gute Idee, wenn du Tooma oder Lian oder beiden unter die Augen trittst, Maria", sagte ich schroff.

"Heißt das, du hast mir vergeben?"

Ich wollte lachen, aber ich konnte es nicht. "Rein rechtlich gesehen sind wir jetzt wohl Verbündete, und meine Mädchen scheinen das wohl getan zu haben." Erneut musterte ich die Frau vor mir. Weibliche Hüften, flacher, kaum auftragender Busen, schmale Taille, ungeschminkte Lippen, raspelkurze Haare, die besser zu einem Mann passten, aber dieselben tiefblauen Augen und das aparte, symmetrische Gesicht mit den hohen Wangenknochen. Wir hatte ich sie auch nur für eine Sekunde für einen Mann halten können? Wirklich nur wegen der Haare?

Ihre Wangen röteten sich, und sie sah zur Seite. "W-wenn du mich so anstarrst, Mamoru-sama, dann machst du mich ganz verlegen."

"Tja, da musst du wohl durch", sagte ich leicht gehässig. "Ich versuche mir gerade klar zu werden, warum ich dich nicht sofort erkannt habe."

Ich musterte sie eingehender. Dabei bemerkte ich kaum, dass Hassin mir Aki-chan abnahm. "Du bist größer. Zumindest was die Körpergröße angeht. Und dein Gesicht hat nicht mehr so viel Babyspeck. Obwohl ich das ganz niedlich fand, bevor du versucht hast, mich im Chunin-Examen zu töten."

"Ach ja. Die Geschichte, in der mich Tooma gelähmt zurückgelassen hat, damit mich eine fleischfressende Pflanze verschlingen konnte", sagte sie tonlos.

"Sagen wir unentschieden?"

Erstaunt sah sie mich an. "O-okay. Einverstanden. Unentschieden."

Ich musterte sie weiterhin, vollkommen ungeniert. Immerhin hatte ich diese Frau nicht nur nackt in meinen Armen gehalten - was durchaus keine schlechte Erfahrung gewesen war, nein eine einprägsame, sodass ich mir bis heute keine weiteren sexuellen Kontakte erlaubt hatte - sondern sie auch geliebt. Was also sollte sie vor mir verbergen müssen? "Du bist mindestens drei Zentimeter gewachsen. Dein Busen jedoch nicht."

Dies ließ noch mehr Röte in ihre Wangen schießen. "N-natürlich bin ich noch etwas gewachsen. Immerhin war ich damals in Otogakure erst sechzehn. Was meinen Busen angeht..." Sie griff sich mit beiden Händen an die Brust. "...war das nach Aki-chans Geburt eine ganze Menge mehr. Aber als ich wieder anfing zu trainieren und zu arbeiten, ist es wieder weniger geworden."

Sie seufzte. "Schade, ich hätte gerne ein wenig mehr behalten. Aber man kann sich halt nur für eines entscheiden: Muskeln oder Fett."

Ich räusperte mich verlegen. "Ich habe nichts gegen kleine Busen."

Nun begann sie zu lächeln. "Ja, ich weiß, Mamoru-sama. Ihr drei seid ja alte Freunde."

Nun begann ich rot zu werden. Gut, da hatte ich meine Erklärung. Sie war selbst erst achtzehn Jahre alt und noch ein Stück gewachsen. Ihr Gesicht war ein klein wenig schmaler geworden, und der Kurzhaarschnitt, der ihrer seidigen Haarflut hatte weichen müssen, hatte sie in einen ganz anderen Typ Frau verwandelt. Fest stand für mich, dass ich auf diese Frau jedenfalls nicht mehr böse genug war, um sie zu töten. "L-lassen wir die Vergangenheit hinter uns, und versuchen wir als Verbündete neu anzufangen. Wenn meine Mädchen das können, dann kann ich das auch."

Zögerlich streckte ich meine Rechte aus. Beinahe noch zögerlicher griff Maria zu. Der Händedruck, den wir tauschten, war so lasch und zaghaft wie der Kuss zweier frisch Verliebter. Und ebenso abrupt beendeten wir ihn wieder. Ein komisches Gefühl, wenn ich daran dachte, dass ich mit dieser Frau gebumst hatte. Diese Zurückhaltung schien mir nicht... richtig zu sein.
 

"Habt Ihr schon Quartier bezogen?", fragte ich nach einer peinlichen Pause des Schweigens.

"Ja, Amir hat uns was besorgt. Ihr wohnt bei Lian, habe ich gehört?"

"Wie ich schon sagte, geh ihr lieber aus dem Weg. Allerdings..." Ich musterte sie erneut. "Allerdings dürfte sie es schwer haben, dich wieder zu erkennen. Du bist ein vollkommen anderer Mensch."

Sie senkte den Blick. "Ich habe in einem schweren Kampf meine Arroganz verloren, wenn du das meinst. Dieselbe Arroganz, die mich mein ganzes Leben beschützt hat, die mich auf der Straße nicht verhungern ließ, bevor Orochimaru mich aufsammelte, um meine Kraft zu missbrauchen."

"Oh, wie interessant. Wer hat sie dir weggenommen?"

Ein Lächeln, schön wie ein Sonnenaufgang, huschte über ihr Gesicht. "Aki-chan. Seit er geboren wurde, da... Sehe ich alles anders."

Ich stand erstarrt da, ich wusste nicht wie lange. Aber endlich rang ich mich zu einer Entscheidung durch. "Das kann ich akzeptieren. Fall mir und meinen Freunden niemals in den Rücken, und..."

"Und?", fragte sie hoffnungsvoll.

"Und wir werden in Zukunft gut miteinander auskommen."

Das erfreute Lachen, das sie daraufhin hören ließ, erinnerte mich doch stark an das kleine, gerissene Biest, das mich unter Otogakure bis in Guins Kammer begleitet hatte, um mich dann vor dem sicheren Tod zu retten - und das mit dem gleichen Selbstbewusstsein wie jetzt. Aber etwas war anders. Vorher war es ihr um ihren eigenen Spaß gegangen. Oder ihren eigenen Nutzen. Nun aber war sie zu zweit und würde es noch eine sehr lange Zeit bleiben. Ich beschloss, diese Frau ein klein wenig zu mögen. Zumindest hatte ich diesen Gedanken, bevor sie mir um den Hals fiel und mich so fest sie konnte an sich drückte. "Danke, Mamoru-sama! Danke! Du weißt gar nicht, wie viel mir das bedeutet!"

Konsterniert ließ ich die Annäherung über mich ergehen. Ich roch ihren Körperduft, den Geruch ihrer Haare, spürte die Wärme ihres Körpers. All das hatte ich schon einmal gehabt, erlebt, nackte Haut auf nackter Haut, und... "Du machst es mir gerade sehr schwer, meinen neuen Entschluss umzusetzen", tadelte ich sie.

"Oh. Ja, du hast Recht." Wie ein bei einem Streich ertapptes Schulmädchen ließ sie mich wieder los. Sie räusperte sich lautstark in ihre rechte Faust. "Ich nehme an, du wolltest ins Stadion gehen, Mamoru-sama?"

"Allzu viele Alternativen gibt es nicht, wenn ich meinen Genin bewerten soll, oder?"

"Äh. Das war keine ernstgemeinte Frage. Mehr so belanglose Konversation, um das Eis zu brechen, Mamoru-sama."

"Ich bezweifle, dass Eis zwischen uns lange überleben könnte."

"So habe ich das nicht gemeint. Ich wollte einfach nur ein normales Gespräch führen."

Das brachte mich zum Lachen. Nicht, weil ihre Bemerkung erheiternd war. Nein, weil sie sich so sehr um mich bemühte, das es mir schon ein wenig peinlich war. "Gehen wir einfach ins Stadion, okay?" "Okay."

Ich sah mich nach Hassin um, der noch immer den schlafenden Akira auf den Armen trug. Ein Schmunzeln zierte sein Gesicht. "So, kommt Ihr zwei jetzt miteinander aus? Und muss ich nicht befürchten, das einer versucht den anderen zu töten? Zumindest für die nächsten zwei Stunden?"

Ich hob abwehrend die Hände. "Keine Tötungsabsichten meinerseits."

Maria sah ihn angemessen entsetzt an. "Warum sollte ich, ausgerechnet ich, Mamoru-sama töten wollen?"

"Na, dann ist ja alles geklärt." Mit diesen Worten setzte er sich an die Spitze.
 

Als wir das Stadion betraten, besuchte ich, wie es sich für einen ordentlichen Jounin-Ersatz gehörte, die Umkleidekabine der zukünftigen Kontrahenten. Vielleicht, um ihnen ein letztes Mal Mut zu zu sprechen. Amir und die Konoha-Jounin waren bereits da, ebenso Kankurou, Temari, und ein Suna-Shinobi, den ich noch nicht kannte. Ah, das Bewertungsteam von Suna, und der dritte Shinobi musste der Gruppenführer sein.

Als Hassin mit dem schlafenden Akira auf dem Arm eintrat, war das Kleinkind sofort bewunderter Mittelpunkt der Mädchen und des aus Prinzip immer neugierigen Rock Lees. Selbst die beiden Suna-Mädchen, Kiari und Sunada, wie ich später erfuhr, waren von dem Kleinen entzückt. Illan und Anne ließen den anderen Mädchen den Vortritt, da sie Aki-chan Zuhause sehen konnten, so oft wie sie wollten.

Mohad war aus einem anderen Grund aufgekratzt. "Maria-sempai!", rief er freudig, als die ehemalige Oto-Nin nach mir eintrat. "Ich habe es ins Finale geschafft, Maria-sempai!"

Die schlanke Getsu-Jounin klopfte Mohad angemessen stolz auf die Schulter. "Das habe ich dir doch gesagt, Mohad-kun."

Stolz grinste der hagere Genin sie an. "Unser langes Training hat sich ausbezahlt. Ich konnte sogar Anne beschützen. Also ihren Schattenklon, während die Echte lieber mit Mamoru-sempai herum gezogen ist."

"Na, na, na. Wir haben Kabuto gejagt. Ist das etwa nichts?", warf ich ein.

"Maria?", klang Uzuki-senseis Stimme auf. Sie kam auf die Getsu-Nin zu. "Die Maria, die aus Otogakure desertiert ist?"

Da standen sie einander gegenüber. Die große, schlanke und kampferfahrene Yugao Uzuki, ANBU, Elite-Shinobi, Jounin Konohas, und eine der erfahrensten Kämpferinnen der hinter den Blättern versteckten Ninja-Stadt, und die etwas kleinere, etwas schmalere und etwas verlegenere junge Jounin aus Getsugakure, die aber bei der vollen Präsenz Yugaos irgendwie ins Hintertreffen geriet. "Äh... Ja."

"Dann muss ich dir danken. Du hast Mamo-chan in Oto das Leben gerettet. Auch wenn das alles von dir geplant war, um ihn in eine Falle zu locken, fest steht, das er noch am Leben ist."

Sie streckte der jungen Frau die Hand entgegen, und zögerlich griff Maria zu.

Als beide Frauen zudrückten, zeigte sich auf beiden Mienen schnell ein verbissener Gesichtsausdruck. Unbedarfte Beobachter hätten vielleicht Überschlagsblitze aus Chakra gesehen. Ich sah vor allem, wie sich die Haut auf den Händen dort wo die Finger zudrückten bei beiden Frauen bläulich zu verfärben begannen. "Keine Ursache, Uzuki-san. Ich hätte es selbst schade gefunden, wenn Mamoru-sama durch diese hinterhältige Bombe den Tod gefunden hätte. Deshalb habe ich seine Rettung von vorne herein vorbereitet gehabt. Mir war klar, das er der Erste sein würde, der Guins Raum betreten würde. Und der Letzte, der ihn verlassen würde."

Dies ließ Uzuki-sensei in jähem Erkennen aufseufzen. "Ja, da hast du vollkommen Recht."

Die beiden Frauen beendeten den schmerzhaften Händedruck. Für den Augenblick herrschte zwischen ihnen Waffenstillstand, obwohl mir nicht ganz bewusst war, worum es eigentlich im Detail ging.

"Das ist also Maria? Die Maria?" Kiba pfiff anerkennend, bevor er mich angrinste. "Dann ist es ja kein Wunder. Ich wäre dann auch nicht sauer auf sie, wenn sie..."

"Kiba-kun!", sagte Kurenai-sensei hastig.

Asuma brachte das zum Lachen. Er löste sich aus seinem Gespräch mit Amir und trat zu den beiden Frauen. "Ich bin Asuma Sarutobi, der Sohn von Mamo-chans Sensei, dem Dritten Hokage. Ich habe schon einiges über dich und Aki-chan gehört."

"Nur Gutes, hoffe ich", sagte sie flapsig.

"Sagen wir, so halb und halb." Er streckte ihr die Hand hin, und die junge Frau griff zu. Diesmal artete es nicht in einen Wettkampf aus.
 

Die sich abzeichnende Begrüßungsoperette wurde davon unterbrochen, dass Gaara eintrat. Sein Blick wanderte durch den Raum, in dem sofort jedes Geräusch verstummte. "Genin", sagte er mit ernster Stimme, "es ist soweit. Jeder einzelne von euch hat seinem Dorf Ehre gemacht, indem er es bis hierher geschafft hat. Jeder, der die Endrunde erreicht, hat Großes vollbracht. Das wird euch niemand mehr nehmen können, egal ob Ihr da draußen gewinnt oder verliert. Und solltet Ihr verlieren, was sechs von euch passieren wird, dann macht euch bewusst, dass es ein Mannschaftssport ist, ein Shinobi zu sein. Und Ihr habt euch in der Gruppe bewährt, mehr als so mancher Shinobi vor euch."

Gaara machte eine Pause, ließ seinen Blick schweifen. Die Genin nickten ihm lächelnd und entschlossen zu.

"Also geht da raus, und zeigt, was Ihr könnt. Und vergesst nicht, dabei euren Spaß zu haben."

Diese Worte lösten einen wahren Jubel bei den zwölf Genin aus. Na ja, ausgenommen bei Shino, der wie immer irgendwie eine Lücke, eine Nische oder einen Schatten fand, in den er sich still zurückziehen konnte. Er war eigentlich der perfekte Agent.

"Tenten, Rock Lee, Ihr habt den ersten Kampf. Ich erwarte, einiges zu sehen zu bekommen."

Kankurou lachte leise. "Das tun wir alle. Es ist eine erstaunliche Kombination, die wir hier ausgelost haben. Geschwindigkeit gegen unendlich viele Waffen."

"Wir werden sehen, was das Ergebnis sein wird", sagte Gaara. Aber er sah Lee mit einem mahnenden Blick an, so als wolle er sagen: Wehe, du verlierst, alter Freund.

Rock Lee quittierte das mit einem grimmigen Lächeln.

Das wiederum gefiel Tenten überhaupt nicht, und ich wusste, wie das bei dem sturen Mädchen endete. Von diesem Kampf konnten wir uns einiges erwarten.

"Lee!", sagte sie bestimmt. "Ich will, dass du mit voller Kraft kämpfst. Leg deine Gewichte ab, bitte."

"Wie? Jetzt schon?"

Might Guy sah seinen Schüler erstaunt an. "Du wirst gegen Tenten kämpfen. Hast du sie noch immer nicht abgelegt?"

"Ich wollte nicht unhöflich sein", erwiderte Lee verwirrt. Er bückte sich, und begann die Beinbandagen zu lösen. Er zog zwei Gewichte hervor, und legte sie behutsam zu Boden.

Gaara trat näher, und versuchte, eines der Gewichte aufzuheben. Es gelang ihm nicht, das Gewicht weit genug anzuheben, um die Finger darunter zu bekommen. "Wie immer äußerst beeindruckend, Lee", sagte er, und wischte sich heißen Schweiß von der Stirn.

Nun war ich selbst neugierig. Ich war kein Schwächling, aber natürlich auch kein Bulle wie Asuma. Dennoch versuchte ich mein Glück. Stärker als der schmächtige Gaara würde ich ja wohl sein. Mit Mühe und Anstrengung, und ohne meine Kraft mit Chakra zu verstärken, gelang es mir, eine Platte vom Boden aufzuheben. Mit tiefrotem Gesicht und Schweiß auf der Stirn schaffte ich es, mich aufzurichten. "Himmel hilf! Und davon trägst du zwei?", fragte ich den Jungen verdutzt.

"Nur permanentes Training führt letztendlich zum Erfolg, wie Guy-sensei immer sagt."

Er löste auch seine Armbänder, die mit leisem Krachen zu Boden fielen.

"Respekt", sagte ich, und ließ mein Gewicht fallen. Es zerschmetterte eine Steinfliese, als es aufschlug.

"Aber, aber, Mamoru, du willst hier doch nicht randalieren", tadelte Gaara. Sein Sand floss aus dem Behälter auf seinem Rücken hervor, nahm das Gewicht auf, das ich hatte fallen lassen, dazu die anderen drei Gewichte, und sortierte sie fein säuberlich in einer Ecke des Raumes. Zurück blieb die zerschmetterte Steinfliese.

"Äh, ich komme für den Schaden auf."

"Nein, das geht in Ordnung. Für solche Fälle haben wir uns versichert. Es geht immer einiges kaputt beim Chunin-Examen. Aber Baki möchte wissen, ob du weitere Zerstörungen anzurichten gedenkst."

"Äh, nein, eigentlich nicht."

"So? Dann bin ich beruhigt." Gaara nickte noch einmal in die Runde, dann verließ er den Raum.

Draußen in der Arena wurden die ersten beiden Kämpfer angekündigt. Tenten und Lee tauschten einen entschlossenen Blick. Wie schwer musste es ihnen fallen? Immerhin waren sie nicht nur aus dem gleichen Ort, sondern auch aus dem gleichen Team. Aber sie schienen entschlossen zu sein, die Sache durchzuziehen.

"Wir sollten auf die Empore gehen", schlug ich den Jounin vor. "Falls nicht gerade jemand versucht, diesmal Suna mit einem Überraschungsangriff zu überziehen, sollten wir von dort den besten Blick haben."

Kankurou schüttelte energisch den Kopf. "Regel Nummer eins, Mamoru. Rede solche Situationen gefälligst nicht herbei."

Erst sehr viel später sollte ich erfahren, dass die untoten Oto-Ninjas von Orochimarus Suna-Verbündeten genau dazu hatten eingesetzt werden sollen: Um das Chunin-Examensfinale zu überfallen, und die wichtigsten Shinobi, einschließlich Gaara, zu töten.

Als wir auf die Balustrade hinaus traten, fand ich mich plötzlich in einer recht merkwürdigen Paarung wieder. Hassin mit Aki-chan auf dem Arm hatte die ungeteilte Aufmerksamkeit Kurenai-senseis, und damit auch die von Asuma, der sich über ihr Interesse tatsächlich zu freuen schien, anstatt sicherheitshalber die Beine in die Hand zu nehmen und so weit weg zu laufen wie er nur konnte; Guy-sensei und Amir bildeten eine Gruppe für sich und unterhielten sich über die ungeheuer schweren Gewichte, die Lee getragen hatte; Kankurou war zu Kakashi getreten, und die beiden sahen ohne ein Wort zu wechseln in die Arena hinab; Temari versuchte so unauffällig, das es schon wieder auffällig war, in die Nähe von Hassin und Aki-chan zu kommen; der mir unbekannte Suna-Jounin schloss sich dem schweigsamen Duo an; und zu meinem mittleren Entsetzen platzierten sich Uzuki-sensei links und Maria rechts von mir. Aus irgend einem Grund machte mich das nervös.
 

Unten auf dem Sand - wie überaus passend für Sunagakure - traten Tenten und Rock Lee in die Arena, während der Stadionsprecher beide namentlich ankündigte. Die Ränge waren voll, richtig voll. Kein Platz schien unbesetzt zu sein. Und genau diese Menge jubelte jetzt in Erwartung eines großartigen Kampfes.

"Was denkst du, Mamo-chan? Wer wird gewinnen?", fragte Kakashi unvermittelt.

"Lee", sagte ich ohne zu zögern.

"Ach, haben dich die Gewichte beeindruckt?", fragte er amüsiert.

"Das ist es nicht. Tenten hat mit ihren Waffenschriftrollen ein beeindruckendes Arsenal, dem niemand entkommen kann. Zumindest nicht auf Dauer. Nein, ich schätze, Lee wird gewinnen, weil sie schlauer ist als er."

"Eine interessante Prognose", sagte der mir unbekannte Suna-Jounin. "Wir werden sehen, ob sie wahr wird."

Der Kampf begann mit einem freundlichen Abtasten der beiden. Lee griff sofort an, und Tenten wehrte sich mit einem Hagelschauer aus Kunais, die sie aus ihren Schriftrollen beschwor. Lee wich mit seiner wahnwitzigen Geschwindigkeit aus, und versuchte sich ihr zu nähern. Genau das aber versuchte Tenten zu verhindern. Sobald der Taijutsu-Nutzer bis auf Armeslänge heran kam, war der Kampf für sie vorbei, das wusste sie nur zu genau. Aber ihre Abwehr stand wie eine Eins, und das obwohl Lee bereits durch die abgelegten Gewichte einen Geschwindigkeitsvorteil verbuchen konnte. Um noch mehr Geschwindigkeit erreichen zu können, bediente er sich einer Shinobi-Technik, die sich des Chakras bediente, ohne das Chakra an sich zu verformen. Er öffnete das erste der Chakra-Tore in seinem Chakra-System. Das Ergebnis war ein abrupter Geschwindigkeitsanstieg, der ihn für normale, untrainierte Augen verschwinden ließ.

Ich konnte seinen Bewegungen folgen. Noch. Soweit ich wusste, konnte er auf Kosten seiner Muskeln noch drei weitere Tore öffnen, bevor er nicht nur mit einem massiven Muskelkater, sondern auch mit seinem Leben spielte. Tenten hatte nur eine Chance, und genau deshalb würde sie verlieren.

Noch hielt sie mit, erahnte jeden seiner Vorstöße. Dabei bediente sie sich nicht nur ihrer Schriftrollen, sondern auch der Waffen, die sie bereits ausgestreut hatte. Geschickt wich sie Lee aus, ließ sich von ihm treiben, und erreichte dabei ihre geworfenen Salven, die sie wieder in die Rollen bannte, während sie zugleich Lee selbst abwehrte.

Der Junge erkannte, das er auf diese Weise Tenten nicht dazu bringen konnte, all ihre Waffenrollen zu verbrauchen. Also öffnete er das zweite Tor und bekam einen erneuten Geschwindigkeitsschub.

"Ich sehe ihn nicht mehr", gestand Maria.

"Ich schon." Aber auch aus meiner Sicht verschwand er für ein paar bange Sekundenbruchteile, während er die Waffen abwehrte, die Tenten nach ihm schleuderte.

Schließlich geschah, womit ich gerechnet hatte: Ein Schwert traf doch, und verletzte Lee am Arm. Es war nur ein leichter Schnitt, aber er besiegelte Tentens Ende.

Lee zog sich ein Stück weit zurück, und inspizierte seine Wunde.

"Lee! Ist es schlimm?", fragte sie, voller Sorge um ihren Teamkollegen.

"Nur ein Kratzer. Nichts ernstes." Er richtete sich auf und sah zu ihr herüber. "Tenten, ich werde jetzt das dritte Tor öffnen. Du musst dich mit all deiner Kraft wehren."

Und dies war der Punkt, an dem meine Prophezeiung Wirklichkeit wurde.

Die Kunoichi hob die rechte Hand. "Ich gebe auf."

Enttäuschtes Raunen ging durch das Stadion.

"Und daran bist nur du schuld, du Sturkopf!", warf sie Lee vor, wandte sich um und stürmte aus der Arena.

Rock Lee schien aber nicht überrascht zu sein. Er wirkte ernst, sehr ernst. Und da erkannte ich, dass er es geplant hatte.

"Du hattest Recht. Lee hat gewonnen", sagte Maria. "Aber warum hat Tenten-chan aufgegeben?"

"Weil sie keine Alternativen hatte. Sie hätte nur auf eine Art gegen ihn gewinnen können, und das wäre, ihn zu töten", erklärte ich. "Sie wusste das, Lee wusste das. Deshalb hat er sie mit jedem weiteren Chakra-Tor in Zugzwang gebracht. Sie musste sich entscheiden, ob sie seinen Tod in Kauf nimmt, oder aufgibt. Sie hat sich für Lees Leben entschieden. Lee auf der anderen Seite hätte so viele Tore geöffnet wie nötig gewesen wären, um seine Geschwindigkeit so sehr zu steigern, sodass er Tenten überwinden konnte. Es hat nur so ausgehen können. Dafür kenne ich Tenten zu gut." Ich lächelte. "Was mich aber überrascht hat, das ist, dass Lee das auch wusste und so provoziert hat. Viel versprechend für einen zukünftigen Chunin."

Der fremde Suna-Jounin nickte zustimmend. "Eine gute Analyse. Wie sieht es im nächsten Kampf aus? Wer wird gewinnen?"

"Eine Hyuuga, die gegen einen Inuzuka antritt? Da würden alle auf Hinata wetten, oder?", fragte ich grinsend. "Dennoch, ich tippe auf Kiba."

"Weil sie ihren Teamkollegen nicht töten wird?", riet der Suna-Nin.

"Nein. Das ist es nicht. Sie hat die Möglichkeit, ihn auszuschalten, ohne ihn töten zu müssen."

"Dann tippe ich auf die Hyuuga", sagte der Suna-Jounin.
 

Unter uns wurden die Kontrahenten angekündigt. Hinata trat ein, jeder Schritt pure Entschlossenheit. Kiba war leichtfertig wie immer. Allerdings war, wie mir gerade auffiel, Akamaru mittlerweile zu groß, um von Kiba auf dem Kopf getragen zu werden. Er hatte seine dreifache Größe erreicht und ging an der Seite seines Herrn. Soweit ich wusste, sollte er aber noch größer werden. Groß genug, dass man auf ihm reiten konnte. Nun, ich war gespannt.

"Kiba-kun! Ich werde mit allem kämpfen, was ich habe", sagte Hinata. In ihrem Gesicht erschienen die typischen Adern, die die Aktivierung des Byakugans anzeigten.

"Das ist gut. Ich werde mich nämlich auch nicht zurückhalten. Stimmt's, Akamaru?"

Sein Hund bellte bestätigend.

Als der Kampf freigegeben wurde, verschwanden die beiden in einer Rauchwolke, und hervor kamen zwei Kiba. "Juujin Taijutsu Ougi: Gatsuuga !" Die beiden Kibas verwandelten sich in einen Wirbelsturm aus Krallen und Zähnen. Wie ein Tornado huschten sie davon, und griffen Hinata von zwei Seiten aus an.

"Shugo Hakke Rokujuuyon Shou!" Hinata begann, während sie sich leicht um sich selbst drehte, mit ihren Händen einen Verteidigungskreis zu beschreiben. Dabei deckte sie dreihundertsechzig Grad ihrer Umgebung ab. Eine nahezu unpenetrierbare Verteidigung, solange ihre Kraft reichte.

Kiba und Akamaru versuchten es trotzdem. Sie griffen Hinata an, und wurden abgewiesen.

Erneut attackierten sie, und wieder scheiterten sie an der perfekten Verteidigung der Hyuuga.

"Ist schon merkwürdig", sagte Kurenai-sensei, die sich für den Kampf ihres Schützlings tatsächlich von Aki-chan hatte losreißen können. "Sie greift gleich zu ihrer stärksten Technik. Normalerweise hätte sie zuerst Juuhou Soushiken verwendet, also ihr Chakra in den Fäusten gesammelt und damit attackiert. Sie muss Kiba und Akamaru sehr ernst nehmen."

"Sie muss es ja am besten wissen. Immerhin sind beide im gleichen Team", kommentierte Kakashi.

Unter uns wurden die beiden Wirbelstürme aus Krallen und Zähnen mittlerweile ein sechstes Mal abgewiesen. Beide Kibas kamen zum Stehen, schwer atmend, aber wütend. "Du machst dich gut, Hinata", sagte einer von ihnen.

"Danke. Ich gebe mir Mühe", erwiderte sie über den Lärm der begeisterten Menge hinweg.

"Aber ich glaube, ich muss das hier und jetzt beenden, bevor ich zu erschöpft bin", verkündete Kiba, und ging mit seinem Double erneut in den Wirbelsturm.

"Erschöpft? Jetzt schon?", fragte ich verwundert.

"Hakke Sanjuuni Shou", erklärte Kurenai-sensei. "Sie schlägt mit ihrem eigenen Chakra direkt auf die zweiunddreißig Knotenpunkte des Chakra-Netzes und verschließt sie. Dadurch lassen Kraft und Geschwindigkeit bei Kiba natürlich nach."

"Das tut sie jetzt schon?", fragte ich verwundert.

"Natürlich. Jedes Mal, wenn sie Kiba und Akamaru abweist, verschließt sie auch ein oder zwei Tenketsu."

"Eieieieiei. Ich hätte doch auf Hinata setzen sollen", murmelte ich.

Unter uns brachen die beiden Wirbel in den Boden ein, wirbelten Staub und Sand hoch. Unter Hinata kamen sie wieder hoch, rissen sie von den Beinen, und wirbelten sie meterweit durch die Luft; sie attackierten auf die einzige Art, die einer Hyuuga gefährlich werden konnte.

Hinata landete geschickt auf beiden Füßen und der linken Hand, doch Kiba ließ sich den frisch gewonnenen Vorteil nicht nehmen. Er stürmte einher, und griff sie frontal an, solange sie nur eine Hand einsetzte.

Dann war es vorbei. Großer Jubel klang auf, als Kiba wehrlos wie ein Sack Wäsche zur Seite kippte. Dabei gab er die Sicht auf Hinata frei, die mit ausgestrecktem rechten Zeigefinger vor ihm stand. Der Finger glühte von ihrem Chakra.

Der zweite Kiba wandte sich ihr zu, wandte sich wieder ab, und löste seine Verwandlung auf. Es war Akamaru.

"Verdammt. Wann hast du...?", fragte Kiba aus seiner unbequemen Position.

"Drei bei jedem deiner Angriffe. Ich konnte mich vollkommen auf dich konzentrieren und Akamaru ignorieren. Aber hättest du nicht versucht, mich mit vielen Angriffen in Sicherheit zu wiegen, hättest du nach dem vierten oder fünften Angriff die Attacke durch den Boden geführt, hättest du gewinnen können."

"Ah, Mist. Natürlich erkennt dein Byakugan, wer der echte Kiba ist. Tja, da habe ich wohl verdient verloren", murrte Kiba.

Als sie als Siegerin verkündet worden war, hockte Hinata sich neben Kiba und löste die gesperrten Chakra-Knotenpunkte wieder, sodass er sich wieder von selbst bewegen konnte. "Du bist trotzdem ein großartiger Shinobi, Kiba."

Der Junge aus dem Inuzuka-Clan lachte auf. "Daran besteht doch wohl kein Zweifel, oder?"

Nun, ich hatte daran keine Zweifel. Ich kannte seinen und Hinatas Kampfstil aus erster Hand.
 

Als nächstes waren der Insektenbändiger und Anne an der Reihe. Ich hatte keine Zweifel daran, dass Shino Aburame mal ein großartiger Chunin werden würde. Er war von der gleichen besonnenen Art wie Shikamaru, mein jüngerer Cousin. Er würde ein guter Anführer werden. Aber in diesem Kampf setzte ich nicht einen Cent auf ihn.

"Anne gewinnt", stellte ich fest.

"Bist du sicher?", fragte Maria zweifelnd.

"Absolut sicher. Shino hat keine Chance."

"Aber was, wenn er die nutzt?", fragte sie stirnrunzelnd.

Okay, das war ein Argument. Anne konnte zum Beispiel darauf beharren, ihren Affenkrieger nicht zu beschwören. Dann würde sie verlieren.

Als der Kampf eröffnet wurde, entließ Shino sofort in einem Versuch, als Erster zuzuschlagen, seine Insekten. Sie zogen in riesigen Schwärmen auf Anne zu und hüllten sie ein.

"Schachmatt, würde ich sagen", kommentierte der Suna-Jounin. "Die Aburame-Insekten fressen Chakra. Sie wird noch schlimmer dran sein als der Inuzuka."

"Dem möchte ich widersprechen", sagte Kankurou.

Und tatsächlich, die dichte Wolke aus Insekten begann auf einmal, sich zu dehnen. Hatten sie vorher ziemlich genau Anne umschlossen, so war nun genügend Platz, damit ein ausgewachsener Mann neben ihr stehen konnte.

Plötzlich gab es einen Lichtblitz, und die Insekten wurden davon geschleudert. Sie gaben Ryoga in seiner Affengestalt frei, der siegessicher und Kampfbereit ins Rund sah - bevor er anfing, sich mit seinen langen Krallen durch sein Fell zu gehen. "Insekten! Ausgerechnet Insekten! Bah! Wehe, ich finde auch nur eines der Biester in meinem Fell. Dann gnade dir die Hokage, Shino Aburame, ich tue es nicht!"

Shino schlug eine Hand vors Gesicht. "Warum wechselst du nicht einfach in deine Menschenform, Ryoga-san?"

"Oh. Danke für den Tipp." Der große Affe verwandelte sich, und war nun ein Mensch. Tatsächlich gab die Verwandlung ein paar von Shinos Insekten frei, die nun eilig zu ihm zurückkehrten. Ebenso wie die anderen Insekten, die von Ryoga über die gesamte Arena verteilt worden waren.

"Keine Ursache. Bringen wir es zu Ende, Ryoga-san."

"Hey, und was ist mit mir?", maulte Anne.

Ryoga sah zu ihr zurück. "Du hast mich beschworen, damit ich dein Schwert sein kann. Also lass mich bitte auch dein Schwert sein."

"Wichtige Lektion für alle, die andere führen wollen", murmelte ich. "Wissen, wann man selbst eingreifen muss, oder die anderen machen lässt."

"Na gut", murmelte sie grummelig. "Ich hätte mir gleich denken sollen, das ich keinen Spaß mehr am Kampf haben werde, sobald ich Ryoga-sama beschwöre."

"Wird das hier nun was?", fragte Shino ärgerlich.

"Geht gleich los. Anne-sama, du musst das jetzt verstehen. Ich bin wie ein Teil von dir. Wie ein Arm. Das heißt, wenn du mich beschwörst, wirst du einfach nur mehr, aber du lässt keinen anderen für dich kämpfen."

"Hm, wenn man es so sieht..."

"Ich fang dann schon mal an, ja?"

"Ist in Ordnung, Shino-kun. Also, Anne-sama?"

"Ja, kapiert. Du bist von mir beschworen worden, und Shino-sempai hat ja auch seine Insekten, oder Kiba-sempai seinen Hund. Ich sehe es ein. Können wir dann mal gewinnen?"

Ryoga, der bereits von den erneut angreifenden Insekten umspült wurde, lächelte liebenswürdig. "Ich wusste, du bist logischen Argumenten zugänglich, Anne-sama." Er wandte sich Shino zu. "Entschuldige die Wartezeit."

"Macht nichts. Ich bin dankbar dafür", erwiderte der Aburame. "Auf diese Weise konnten meine Insekten einen beträchtlichen Teil deines Chakras verwerten, und mir eine echte Chance geben."

"Ach, Chakra wollen die kleinen Biester?" Ryoga grinste schief. "Sollen sie haben."

Es war wie eine Art Explosion, nur ohne Knall. Übergangslos stand Ryoga in einer einen guten Meter tiefen Mulde, die Luft um ihn schien zu flimmern, und etliche Insekten lagen betäubt am Boden.

"Waaah! Was hast du gemacht?", rief Shino verzweifelt.

"Ich habe ihnen Chakra gegeben. Sehr, sehr, sehr viel Chakra. Sie haben sich überfressen. Keine Sorge, davon werden sie sich schon noch erholen."

Shino brach in die Knie ein. "Ich gebe auf."

"Und hier haben wir wieder die wichtige Eigenschaft für einen Chunin, zu wissen, wann man zurückzieht", kommentierte ich das Geschehen.

Anne wurde zur Siegerin verkündet, was sie trotz allem Verständnis nicht so sehr freute, wie es eigentlich sollte. Aber sie versuchte es, und sie bedankte sich artig bei Ryoga, bevor sie ihn zurückschickte. Anschließend, den Kampf diskutierend und unter dem Jubel der Zuschauer, verließ sie mit Shino die Arena.
 

"Jetzt kommt dein Sohn. Hast du Hoffnungen, das er gewinnt?", rief ich zu Hassin herüber.

"Mohad? Gegen einen Hyuuga? Er ist ein Nahkämpfer. Als Fernkämpfer hätte er eine Chance gehabt. Aber nicht wenn nahe heran gehen genau das ist, was Neji bevorteilt."

"Ja, das dachte ich mir."

Die beiden Jungen betraten den Sand der Arena. Wieder wurde gejubelt.

Mohad sah den Älteren verbissen an. "Ich verzeihe es dir nicht, wenn du nur mit halber Kraft kämpfst, Sempai."

Neji lächelte dünnlippig. "Wieso sollte ich mit halber Kraft kämpfen? Ich habe dir vier Wochen lang beigebracht, wie man einen Hyuuga überwindet. Ich bin gespannt auf das Ergebnis."

"Gut", sagte Mohad zufrieden. "So und nicht anders will ich es."

"Das Geheimnis bei der Geschichte ist einerseits, zu verhindern, dass Neji Mohads Tenketsu verschließt", sagte Asuma, "und andererseits, lange genug durchzuhalten, sodass Nejis absolute Verteidigung wegen Erschöpfung zusammenbricht. Man kann es drehen und wenden wie man will, der entscheidende Handlungsträger hier ist Neji."

"Wir werden sehen, wie es sich entwickelt", erwiderte ich.

Tatsächlich war der erste Angriff ein vorsichtiges Abtasten auf beiden Seiten. Neji verzichtete in dieser frühen Phase darauf, sein eigenes Chakra einzusetzen. Die beiden begegneten sich nur mit Taijutsu. Diese Kampfphase dauerte ungefähr zehn Minuten. Dann erst begann Mohad, seine Fäuste mit Chakra zu umhüllen, das ihm bei einem Körpertreffer eine hohe Schadenswirkung auf Neji verschafft hätte.

Im Gegenzug hüllte sich der Hyuuga in seinen Juuken, seine absolute Verteidigung. Dies ging weitere fünfzehn Minuten gut, bevor beide Kämpfer erschöpft inne hielten. Aber für einen Shinobi waren sie noch nicht mal dabei, ihre Atemreserven anzugreifen. Ihre Körper waren damit noch nicht mal auf Betriebstemperatur.

"Jetzt wird es spannend", kommentierte Kakashi. Für diese Phase des Kampfes hatte er sogar sein Sharingan aktiviert.

Unten in der Arena gingen sich die beiden Shinobi wieder mit Taijutsu an. Dabei versuchte Mohad überraschend, seine Fäuste mit Chakra zu verstärken und einen Treffer zu landen. Und es gelang ihm. Für einem Moment hielt Neji inne, eine Hand auf die getroffene Körperstelle gepresst.

Mohad legte nach, triumphierend, den Sieg vor Augen, ganz wie er es gelernt hatte, und schlug mit Elan mit der Rechten nach Nejis Brustkorb.

Der ergriff den rechten Arm, drehte sich in Mohads Körper, und hebelte ihn einmal über sich hinweg. Mohad kam hart genug auf, um ihm die Luft aus der Lunge zu treiben. Verzweifelt nach Atem ringend blieb er liegen. Als er endlich wieder Luft bekam, sagte er: "Ich... gebe auf. Ich gebe auf. Keine Lust mehr." Er begann zu lachen. Erst war es nur ein Kichern, dann ein Keckern, wurde Gelächter, und schließlich lachte er aus vollem Hals. Neji fiel ein.

Schließlich reichte der Hyuuga dem Getsu-Nin eine Hand, um ihm beim Aufstehen zu helfen, und unter dem Jubel der Massen verließen sie angeschlagen und erschöpft die Arena.
 

"Illan", stellte ich fest. "Wer ist ihr Gegner?"

"Taric", sagte der Suna-Jounin. "Mein Schützling."

"Und? Ist Taric gut?"

"Er ist im Finale des Chunin-Examens", erwiderte er.

"Stimmt."

Gespannt lehnte ich mich vor. Für mich war dieser Kampf eine einzige große Überraschung, weil ich weder Illans Fähigkeiten, noch die von Taric kannte. Was war das vorherrschende Element in Suna? Spötter mochten sagen, es wäre Sand, weil der Kazekage das Sandjutsu beherrschte wie kein anderer. Aber tatsächlich war es Wind. War Taric ein typischer Suna-Shinobi? Und was war mit Illan? Was war sie außer laut, frech und hübsch? Amir war ein Erd-Nutzer, und ein guter obendrein. Erde gegen Wind, da war keiner im direkten Nachteil.

Ich wurde nicht gerade unangenehm überrascht, als sich die beiden nach der Freigabe des Kampfes fünf Minuten lange bewegungslos gegenüber standen. Meine schwache sensorische Fähigkeit sagte mir, dass die beiden wirklich dort waren, wo wir sie zu sehen glaubten. Zugleich aber bemerkte ich einen steten Fluss von Chakra von Taric in Richtung Illan. "Interessant", sagte ich, während auf den Rängen bereits lautstark nach einem Beginn oder einer Annulierung des Kampfes gerufen wurde.

Der Suna-Jounin sah zu mir herüber. "Was ist interessant?"

"Taric ist also Genjutsu-Nutzer. Und er hat Illan unter Kontrolle. Wahrscheinlich hetzt er sie durch eine Traumwelt. Und wenn sie tief genug drin ist, besiegt er sie in dieser Welt."

"Genjutsu ist nur eines seiner Talente", sagte der Suna-Nin, womit er unterschwellig zugab, das ich Recht hatte.

Tatsächlich, nach weiteren fünf Minuten, begann sich der Suna-Genin zu bewegen. Erst unsicher, dann aber mit immer festerem Schritt ging er auf Illan zu. Er fischte nach einem Kunai aus seiner Waffentasche, hob es hoch, und wollte es Illan an den Hals legen. Entweder, um seinen Sieg zu proklamieren, oder um ihr die Kehle durchzuschneiden, was, grausam wie es klang, durchaus im Rahmen der Regeln möglich war.

Da aber schoss Illans Hand vor, und hielt ihn fest. Schweißperlen standen in dicken Tropfen auf ihrer Stirn. Taric entriss ihr seine Hand wieder, musterte sie ausgiebig, und kam zu dem Schluss, das es eine unbewusste Reaktion gewesen war. Also versuchte er es von hinten. Dies endete in einem weiteren Fiasko, als sie nach seinem Arm griff, und wie zuvor Neji den anderen Genin über sich hinweg hebelte. Sie sprang hinterher und landete mit beiden Knien zuerst auf seinem Bauch. Der Aufprall war hart genug, um ihm die Luft zu nehmen.

Nun öffnete Illan langsam die Augen. "Es war eine dumme Idee von dir, mich komplett allein in der Traumwelt zu lassen", sagte sie. "Ohne deine Irrbilder habe ich relativ schnell raus gefunden. Außerdem hast du tatsächlich geglaubt, mein Körper wäre wehrlos, wenn mein Bewusstsein ihn nicht steuert."

"Ja, ich weiß. War eine dumme Idee", antwortete der Suna-Genin. Er bäumte sich auf, warf Illan von sich ab, griff nach dem Kunai, das er fallen gelassen hatte, und attackierte die Getsu-Nin erneut.

Illan zog ihrerseits ein Kunai, und die beiden trafen sich für einen schnellen Passierangriff. Dem folgte ein zweiter, ein dritter, sie steigerten ihr Tempo.

"Taijutsu scheint auch zu seinen Talenten zu gehören", sagte ich.

"Auch", gab der Suna-Jounin zu.

Nun war es an Illan, die Dinge anzuheizen. Und das im wahrsten Sinne des Wortes. "Katon! Endan!" Sie jagte Taric mit ihrer Flamme, einmal um sich herum, bis das Feuer erlosch.

Erneut suchten sie die direkte Konfrontation, stießen mit den Kunais aufeinander, trennten sich wieder, kollidierten erneut.

"Sie sind gleich schnell", sagte Kakashi. "Aber der Kampf wird bald zu Ende sein."

"Wie?", fragte der Suna-Jounin erstaunt.

"Kannst du es nicht erkennen, Isago?", erwiderte Kankurou. "Das Genjutsu hat sowohl Taric, als auch Illan erschöpft."

Wie um seine Worte zu bestätigen, kollidierten beide Genin erneut miteinander, stemmten sich ineinander - und fielen übergangslos und schwer atmend zu Boden.

"Ich...", japste Illan, "ich kann nicht mehr."

"Ich kann... Ich kann auch nicht mehr", erwiderte Taric im selben Tonfall. Er versuchte, sich aufzustützen, scheiterte aber kläglich. "Wollen... Wollen wir eine Münze... werfen?"

"Dummkopf", erwiderte sie. "Wir brauchen... keinen Sieger. Das hat Mamoru-sempai uns erklärt. Manchmal... ist es einfach besser... wenn man zurückzieht... damit man noch mal... antreten kann."

"Oh", machte Taric, und ließ sich wieder zu Boden fallen. "Unentschieden?"

"Wenn du... nicht noch Reserven hast... Ich bin alle."

Taric lächelte. "Also Unentschieden."

Damit war auch dieser Kampf entschieden, und höchstwahrscheinlich ahnte kaum einer der Anwesenden, was in den ersten zehn Minuten dieses Kampfes passiert war. Dafür bejubelten sie den Taijutsu-Teil aber ausgiebig.

"Schade", sagte Isago. "Ich habe auf Taric gesetzt. Also kein Geld jetzt. Ich dachte aber, er würde gewinnen."

"Und?" Kankurou sah ihn amüsiert an. "Dafür hat er eine sehr wichtige Lektion gelernt. Nicht viele Shinobi erlernen sie im Feld. Meistens sterben sie daran, weil sie selbst in aussichtsloser Lage noch versuchen zu siegen. Ich denke, er ist heute einen Riesenschritt weiter gekommen."

Isago lachte leise. "So kann man es auch sehen." Er sah dabei zu, wie die zwei langsam wieder auf die Beine kamen, die Medi-Nin wieder fort winkten, und Arm in Arm versuchten, die Arena zu verlassen. Dies geschah unter dem Jubel des gesamten Publikums. "Na, da bin ich aber gespannt, wie die Mädchen sich schlagen."
 

Im letzten Kampf trafen nun Kiari und Sunada aufeinander. Das versprach ebenfalls interessant zu werden.

"Mamo-chan, Yugao-chan", sagte Kakashi. "Kommt bitte mit rein."

Ich nickte, und stieß mich von der Balustrade ab. Sensei folgte mir. Ich nickte Maria zu, bevor ich ging. Sie erwiderte das Nicken mit einem Lächeln, das ich nicht so richtig einsortieren konnte.

Die Konoha-Jounin sammelten sich in einem leeren Umkleideraum, während draußen der reine Suna-Kampf spektakulär zu verlaufen schien, denn die Menge brach immer wieder in Jubelsalven aus.

Asuma führte das Wort. "Also, mittlerweile können wir, denke ich, davon ausgehen, dass Sunagakure nicht überfallen wird. Jedenfalls nicht heute."

Wir lachten. Das heißt, ich lachte gequält, und die anderen Jounin lachten über mich.

"Daher wollen wir zu einer ersten Auswertung kommen." Asumas Blick ging über die Anwesenden. "Guy-san, du bewertest Lee."

Das grüne Biest von Konoha nickte. Ein Taijutsu-Nutzer, der einen anderen Taijutsu-Nutzer bewertete. Das war logisch. "Ich bin ohne weiteres bereit, ihn als Chunin zu empfehlen. Er hat seine Fähigkeiten wohl dosiert eingesetzt und zudem mentalen Stress für Tenten aufgebaut. Seine Planung war fehlerfrei."

"Gut. Deine Empfehlung wurde registriert. Kakashi. Du hast Tenten-chan."

"Hm." Der Copy-Ninja dachte einen Moment nach. "Sie kennt ihre Grenzen, und überschreitet sie nicht. Und sie hat heute das Gleiche von Mamo-chan gelernt wie Illan. Sie hat zurückgezogen, im vollen Bewusstsein, dass sie damit einen zweiten Versuch riskiert. Aber das war ihr das Leben ihres Kameraden wert. Dafür."

"Okay. Yuuhi-chan. Du hast Hinata-chan."

Yuuhi Kurenai nickte. "Auch Hinata-chan hatte eine gute Taktik. Sie ließ Kiba-kun in dem Glauben, das er sie auspowern könnte, und hat ihn dann bei seinem letzten, alles entscheidenden Angriff matt gesetzt. Sie ist mittlerweile ruhiger, sachlicher, überlegter geworden. Sie ist nicht mehr das ängstliche Mädchen von der ersten Prüfung. Sie ist jetzt eine sehr gute Shinobi, die mit kaltem Blut an die Sachen heran geht. Dafür. Ich glaube zwar, das sie noch nicht wirklich so weit ist, eine Chunin zu werden, aber ich denke, das ihre erste Aufgabe, in der sie Verantwortung tragen muss, ihr genau das Wissen vermittelt, das sie braucht, um eine gute Chunin zu werden."

Asuma lachte bei dieser Erklärung. "Gut, das habe ich notiert." Er sah Uzuki-sensei an. "Yugao-chan. Kiba."

"Kiba hatte eine tolle Taktik, die wohl zum Erfolg geführt hätte, was bei einer überlegenen Abwehr wie die der Hyuuga eine mittlere Sensation gewesen wäre. Man könnte jetzt vielleicht sagen, er hätte nicht den Fehler begehen dürfen, Hinatas Byakugan zu unterschätzen. Aber ich denke, da steckt mehr hinter."

Ich räusperte mich. "Wenn du mich fragst, ist Kiba einfach zu nett."

"Erkläre das, Mamo-chan", sagte Kakashi.

"Nun, ich habe das Gefühl, das er Hinata hat gewinnen lassen. Nicht, das ich nicht glaube, das Hinata auch aus eigener Kraft hätte gewinnen können. Aber er hat sie so gewinnen lassen, wie es am meisten nützte. Beziehungsweise ihrem Selbstvertrauen."

Kakashi lachte. "Du willst also sagen, er hat die Chunin-Prüfung geschmissen, damit Hinata ihr Selbstvertrauen aufbauen kann?"

"Wieso die Prüfung geschmissen? Wenn er wirklich so gehandelt hat, mit diesem Gedanken im Hinterkopf, wenn er bereit war für seine Teamkollegin so weit zu gehen, dann sollte er als allererster Chunin werden", argumentierte ich.

Uzuki-sensei prustete verblüfft. "Wenn man es so sieht... Ich unterstütze seine Beförderung, Asuma."

"Ist notiert." Sein Blick ging zu mir. "Mamo-chan. Du hast Shino."

"Echt jetzt Shino? Dabei haben wir doch so gut wie gar nichts gemeinsam, was unser Jutsu angeht", murrte ich.

"Schon, aber du kennst Anne und die Affen besser als jeder von uns", warf Guy ein.

"Anne ist so gut wie Chunin", sagte ich. "Getsugakure kann gar nicht anders, denn der einzige Weg, sie zu bändigen, ist, ihr Verantwortung aufzuhalsen. So viel wie möglich. Sagt mal, warum grinst Ihr eigentlich alle plötzlich?"

Asuma winkte ab. "Nicht so wichtig, Mamo-chan. Was aber sagst du zu Shino, wegen dem du hier bist?"

"Zu Shino? Einhundert Prozent ja. Macht ihn zum Chunin. Er hat es sich verdient. Eine klare, exzellente Strategie, ein Notfallplan, und dann der Rückzug, als es aussichtslos wurde. Sein strategischer Verstand ist bei den Chunin hervorragend aufgehoben. Und wenn er noch das eine oder andere Jutsu über seine Insektenkunst hinaus lernt, dann denke ich, schafft er es bis in die Jounin-Ränge."

"Gut. Ich werde deine Empfehlung Tsunade-sama weitergeben. Bleibt noch Neji. Ich denke, Mohad hatte eine gute Strategie, um gegen ihn zu gewinnen, aber Neji hatte eine bessere Gegenstrategie. Ich möchte kurz anmerken, das er zu lange mit Mohad gespielt hat, anstatt den Kampf zu beenden. Andererseits hat er gegenüber den potentiellen Kunden sehr gut dargestellt, was ein Hyuuga zu leisten vermag. Dafür."

"Dann sind wir uns also alle einig, das unsere sechs Finalisten die Kraft haben, um Chunin zu werden", sagte Kakashi. Er sah zu Kurenai-sensei herüber. "Oder sie durch das Chunin-Amt erwerben werden."

Wir nickten, einer nach dem anderen.

Asuma zündete sich eine Zigarette an. "Normalerweise folgt der Rat den Empfehlungen der Jounin, die vor Ort zuschauen. Also denke ich, dass dieses Jahr denkwürdig für Konoha werden wird. Sechs neu ernannte Chunin bei nur einer Prüfung habe ich jedenfalls noch nicht erlebt."

"Tja", sagte ich, und verschränkte beide Hände hinter dem Kopf, "bleibt nur noch ein Problem."

"Und das wäre, Mamo-chan?", fragte Kurenai-sensei.

"Wir müssen einen Weg finden, unser Grinsen zu verbergen, bis der Rat uns offiziell bestätigt hat."

Die Jounin lachten. Doch diesmal nicht über mich, sondern mit mir.

"Holen wir unsere zukünftigen Chunin ab", sagte Asuma. Gemeinsam suchten wir ihre Kabine auf. Damit war die Prüfung vorbei, und ein verdammt harter Monat ging zu Ende.

***

Es gab Momente im Leben, die erstaunlich waren, sogar für mich, der nun wirklich noch nicht wenig erlebt hatte. Als Lian davon erfuhr, das Katous Mörderin in der Stadt war, und das ich sie getroffen hatte, ohne sie sofort zu liquidieren, war sie fuchsteufelswild geworden und kaum zu bremsen gewesen. Tooma war beherrschter, aber nur, um seine Energie für den Mord an Maria aufzusparen. Es dauerte nicht lange, und sie hatten die junge Frau, die für den Tod ihres Partners verantwortlich war, in ihrer Herberge aufgespürt. Sicherheitshalber war ich mitgekommen, um das Schlimmste zu verhindern, denn heutzutage tötete man keine Verbündete mehr, wie Maria es vorgemacht hatte.

Aber ich hatte wohl zu viel befürchtet. Zuerst erkannte Lian die Getsu-Nin nicht einmal, als sie direkt vor ihr stand, von Tooma ganz zu schweigen. Und dann, als sie wütend werden wollten, um eine riesige Dummheit zu begehen, war es ausgerechnet Aki-chan, der die Krise entschärfte. Als er "Mama" rufend auf Maria zulief und sich an ihre Beine klammerte, war der Zorn der beiden wie weggewischt. Aber es war nicht Lian, die zuerst dahin schmolz wie Butter in der Sonne, sondern Tooma. Er versuchte Akira zu locken, mit Süßigkeiten zu bestechen, sich bei ihm einzuschmeicheln; aber erst als ich dem Kind zunickte, durfte er den kleinen Mann auf den Arm nehmen. Dort wurde er von Tooma ausgiebig betüttelt, während Lian fassungslos daneben stand. Nicht, weil er eine so feminine Seite und einen guten Umgang mit Kleinkindern präsentierte, was bei drei jüngeren Geschwistern vielleicht nicht so unerklärlich war, sondern weil er sie Aki-chan erst nach langer Überredung halten ließ.

Dieses hin und her wurde schließlich sogar dem ausgeglichenen Kleinkind zuviel, und er bettelte, bei Papa auf den Arm zu dürfen. Papa war natürlich ich, und es bedurfte einer sehr langen und ausführlichen Erklärung, um den beiden zu erklären, das ich nicht wirklich sein Vater war.

Auf jeden Fall schoben die zwei ihre Rachegelüste weit in die Zukunft. Vorerst siebzehn Jahre, damit Aki-chan erwachsen werden konnte. Aber wenn er keine Mutter mehr brauchte, dann... Tja, bis dahin hatten sie ihre Wut wahrscheinlich schon vergessen. Zumindest hoffte ich es.
 

Am Tag nach dem Examen brachen wir wieder auf. Erneut gingen wir mit den Getsu-Nin und teilten uns einen Abschnitt des Heimwegs.

Die Verabschiedung von den Suna-Nin war sehr herzlich.

Ich reichte Baki die Hand. "Keine Ressentiments, Baki-tono."

Der große Suna-Nin schüttelte mir die Hand. "Keine Ressentiments, Morikubo-tono." Danach schüttelte er Uzuki-sensei die Hand. Sie sagten dabei kein Wort, aber die stumme Entschuldigung in seinen Augen fanden endlich Resonanz in ihren.

Temari reichte mir eine versiegelte Schriftrolle. "Hier. Für Shikamaru. Wenn du so nett bist, sie mitzunehmen..."

"Aber selbstverständlich. Was ist es denn? Ein Kuchenrezept?"

"Es ist kein Lie... Ich meine, Kuchenrezept", erwiderte sie harsch, und errötete, als sie sich verhaspelte.

"Gut. Ich gebe es ihm." Daraufhin reichte ich ihr die Hand.

Die Reihe kam an Lokke-sama, der es sich nicht hatte nehmen lassen, bis ans Stadttor mitzukommen. Er ergriff meine Hand und drückte sie fest mit einer Kraft, die sein Alter Lügen strafte. "Lian und Tooma haben mir erzählt, das du zugestimmt hast. Das freut mich sehr. Ich hoffe doch, es dauert trotzdem keine zwei Jahre, bis du mal wieder kommst, Mamo-chan. Wer weiß, wie lange ich noch zu leben habe, nicht? Und wenn du kommst, ist wenigstens ordentlich was los", sagte er mit einem Seitenblick auf Maria, die ein klein wenig verzweifelt versuchte, Aki-chan wieder von Tooma loszueisen.

"Ich werde sehen, was ich tun kann, Lokke-sama." Und das war meine ehrliche Absicht. Zumindest damals.

Keema war da ein ganz anderes Kaliber. Sie umarmte mich herzlich, bevor ich irgend etwas sagen konnte. "Komm gut heim und komm bald wieder. Das Haus der Toroza ist jetzt auch dein Haus, und das von Karin und Hanako."

"Ist gut, Keema-sama. Ich richte es aus", erwiderte ich, ihre Umarmung sehr vorsichtig erwidernd.

Als ich aus dieser Umklammerung entkam, geriet ich gleich in die nächste. Diesmal bestand Lian auf ihr Recht. "Mach es gut, sei vorsichtig und pass auf meine Freundinnen auf, versprich mir das."

"Geht klar", erwiderte ich flapsig.

"Ach, und es ist sooo schade, dass Aki-chan nicht von dir ist. Er hat ja zumindest deine grünen Augen, Mamo-chan. Wäre er deiner, dann könntest du uns mit ihm besuchen können. Und das wäre so toll." Sie sah zu Tooma herüber, der auf das Betteln Marias hin endlich Aki-chan wieder auf den Boden setzte. Dort aber wurde er von Kurenai-sensei in Beschlag genommen. Und das würde sicherlich noch ein wenig so weiter gehen. "Wir könnten dann an einer kleinen Freundin für Aki-chan arbeiten." Sie griente mich bei diesen Worten an. So fraulich war sie mir noch nie vorgekommen. Nicht einmal in ihrem Netz-Bodystocking.

"Aber leider ist er nicht meiner. Also geht das nicht. Aber du kannst dich ja mit Maria anfreunden."

Sie schnaubte amüsiert. "Scheint so, als würden neue Zeiten anbrechen."

"Ja, ganz neue Zeiten."

"Ich überlege es mir. Und jetzt verabschiede dich von Tooma."

Sie schob mich zu ihrem Verlobten herüber. Auch er schloss mich ohne große Worte in die Arme. "Verdammt, Konoha, wenn ich dir nie begegnet wäre, was wäre mir alles im Leben entgangen. Du, Junge, bist der beste Freund, den ich auf dieser Welt habe."

Meine Stimme verließ mich. Ich konnte vor Rührung nichts erwidern.

Er ließ mich los und sah mich an. "Schon klar, das ich bei dir nicht auch der beste Freund sein kann. Aber ich bin doch wenigstens in der Top Ten?"

Ich wollte antworten, aber der dicke Kloß in meinem Hals machte es mir unmöglich, etwas zu sagen.

"Du bist gemein", sagte er theatralisch, und tat, als würde er weinen.

Endlich konnte ich mich räuspern. Darauf folgte das Sprechen. "Suna, du bist einer meiner allerbesten Freunde. Mehr kann ich dir nicht geben, und mehr solltest du auch nicht verlangen."

"Danke, das reicht mir schon", sagte er fröhlich. Von Tränen keine Spur. Dieser alte Schauspieler. Er klopfte mir kräftig auf die Schulter. "Gute Reise, Konoha, und komm bald wieder. Oder sag Bescheid, wenn du Getsu besuchst, dann machen wir da zusammen Urlaub."

"Ja, das ist eine Idee", erwiderte ich. Wie zwei alte Veteranen schüttelten wir uns die Hand. Abgeklärt. So viel schon gesehen. Zuversichtlich in unsere Fähigkeiten und in unsere Freundschaft.

Schließlich gelangte ich zu Kankurou. Wir tauschten einen vollkommen stummen Händedruck aus und sahen uns in die Augen. Worte waren nicht notwendig. Wir dachten gemeinsam an die erlebte Zeit, an die Kämpfe, die wir bestritten hatten. Es war ein Gefühl der Verbundenheit.

Doch plötzlich begann Kankurou prustend zu lachen. "Gut, das du den verrückten Versuch, das Versteck zu infiltrieren, überlebt hast. Wenn ich daran denke, das ich wer weiß wie lange auf dem Affenberg festgehangen hätte, wie ein gewisser Oto-Shinobi jetzt gerade..."

Ich lachte ebenfalls. "Das Glück ist halt mit den Dummen."

"Und mit dir, Mamoru. Und mit dir." Er klopfte mir auf die Schulter, und trat dann an die Seite, um noch einmal mit Asuma zu sprechen.

"Dann war es das also", sagte Gaara. Er musterte mich nahezu emotionslos.

"Ja, das war es, Kazekage-sama."

"Gaara", sagte er beharrlich und reichte mir seine Rechte.

Ich griff zu. Der Kazekage hatte einen erstaunlich festen Händedruck. Aber das lag wahrscheinlich an seiner legendären Sandrüstung. "Du warst meinem Land eine große Hilfe. Das werde ich mir merken."

"Ich denke, wir alle waren eine Hilfe, aber Konoha hat weitaus mehr profitiert als Suna."

"Wir wollen doch nicht anfangen unter Freunden solche Dienste gegeneinander aufzurechnen", tadelte Gaara. Langsam ließ er meine Hand los. "Einer der befreiten Suna-Shinobi hat mir berichtet, das du um ein Empfehlungsschreiben gebeten hast, um Tsunade-sama gnädiger zu stimmen."

"Ja", sagte ich, "sicherheitshalber."

"Ich habe eines verfasst, und dich sehr gelobt, Mamoru. Aber ich habe nicht übertrieben. Das wäre mir auch schwer gefallen." Er lachte leise. "Du erinnerst mich an Naruto. Aber du bist dankenswerterweise eine ganze Ecke ruhiger als er."

"Ja", sagte ich, "das kann ich nur bestätigen. Narutos Überaktivität kann anstrengend sein."

Wir sahen uns an, und seufzten zugleich. Naruto war ein netter, feiner Kerl, aber eben auch anstrengend. Ich verstand, warum der Träger des Kyubis nach Anerkennung suchte, gerade bei einem Schicksal, wie er es durchlebt hatte, aber manchmal, nur manchmal ging seine Fröhlichkeit über meine Kräfte.

"Wenn du Naruto sehen solltest... Ich meine, du bist ihm ja schon einmal begegnet, oder? Dann grüß ihn von mir."

Erstaunt sah ich den Kazekage an. "Hat Tsunade-sama dich über mein Abenteuer in Mizu no Kuni informiert, Gaara?"

Er lachte auf. "Ich habe die Abschrift einer Kopie deines Berichts aus Iwagakure zugespielt bekommen."

Höflich lachte ich über den ältesten Ninja-Witz, den die Welt kannte. Obwohl, es musste nicht mal ein Witz sein. "Ich verspreche es. Wenn ich ihn sehe, werde ich ihn von dir grüßen, Gaara."

"Leute, wir wollen los", sagte Amir.

Wer sich noch nicht von allen verabschiedet hatte, holte es nun schnell nach.

Ich nickte dem Kazekage zu, er erwiderte das Nicken, und dann ging ich zu Amir und Asuma, um die sich alle, die fertig mit den Verabschiedungen waren, sammelten. Drei Minuten später verließen die erfolgreichen Ninjas aus Konoha und Getsugakure Suna.

***

Nach einem halben Tag hatten wir den Punkt erreicht, an dem wir uns auch von den Getsu-Nin trennen mussten. Diese Verabschiedung war nicht weniger laut und herzlich als die in Sunagakure.

Ich umarmte Amir und Hassin herzlich, während unsere Genin sich von ihren Kohais verabschiedeten und ihnen noch einen Haufen praktischer Tipps mit auf den Weg gaben.

Zeit genug für mich, um Aki-chan auf Wiedersehen zu sagen. Und Maria.

Verlegen sah sie zur Seite, als ich auf sie zutrat. Sie war tatsächlich ein vollkommen anderer Mensch, so ganz anders als damals im Trainingsgelände bei der Chunin-Prüfung. Oder später im Umland von Konoha. Oder in Otogakure. Es war, als wäre ihr ein Großteil ihrer Arroganz genommen worden und durch Demut ersetzt worden.

"Was?", fragte sie lachend, nachdem ich Aki-chan ein letztes Mal auf den Arm genommen hatte, und sie nun anstarrte.

"Ich frage mich sehr, wie du dich so sehr ändern konntest. Ich wünschte, du wärst schon früher so gewesen. Liegt es wirklich an dem kleinen Mann hier?"

"Nein, es liegt an dir, und an niemand anderen sonst, Mamoru-sama." Sie sah mich an, mit einem klaren Blick, den ich nicht erwartet hatte. "Als ich dich soweit manipuliert hatte, dass du die Nukenin verteidigt hast, bei unserer Flucht aus Otogakure, hatte ich dich schon viel zu gut kennen gelernt. Die ersten Stunden hatte ich noch immer eine Hand um mein Kunai gelegt, aber es fiel mir zunehmend schwerer. Ich lernte dich kennen, und ich mochte dich sehr. Ich mag dich sehr." Verlegen fuhr sie sich mit der Rechten durch ihr raspelkurzes Haar. "Als du dann erkannt hast, wie sehr ich dich getäuscht hatte, und du trotzdem bereit warst, die Oto-Nin auf der Flucht zu beschützen, da ist etwas in mir zerbrochen. Nein, nicht einfach zerbrochen. Ich habe auf einmal klar gesehen. So klar wie noch nie in meinem Leben. Bis zu diesem Moment war ich ein halbherziger Mensch gewesen, der sich mit dem begnügt hatte, was er hatte erreichen können. Aber ab diesem Moment, beschämt und doch erhöht, da... Da habe ich gelernt, das man die größte Kraft daraus schöpft, wenn man für andere da ist. Wenn man sie liebt. Du hast mir das Leben geschenkt, Mamoru-sama. Und das kann ich dir niemals vergelten."

"Oh, du hast da schon eine wunderbare Anzahlung geleistet", sagte ich, und räusperte mich verlegen.

Maria errötete bis zu den Ohren. "Mamoru-sama. Doch nicht vor dem Kleinen."

Ich lachte auf. Ein letztes Mal drückte ich Aki-chan und gab ihn dann seiner Mutter zurück.

"Gestattest du.. Ich meine, erlaubst du...?", fragte sie stockend.

"Was immer du willst, tu es ruhig. Ich bin dir nicht mehr böse."

Sie nickte dankbar. Dann senkten sich ihre Lippen zu einem flüchtigen Kuss auf meine, und das weckte Erinnerungen an ganz andere Dinge, die wir zusammen getan haben. "Auf Wiedersehen, Mamoru-sama."

"Auf Wiedersehen, Maria." Ich streichelte Aki-chan über den Kopf. "Auf Wiedersehen, kleiner Mann."

"Wiedersehen! Wiedersehen!"

Ich trat zu den Genin, umarmte Illan herzlich, und klopfte Mohad anerkennend auf die Schulter. Schließlich nahm ich auch Anne in den Arm. Sie verkniff sich mit aller Kraft, in Tränen auszubrechen, aber eine feine Spur lief bereits über ihre Wangen. Und es hätte mich nicht gewundert, wenn auch noch Rotz aus ihrer Nase gelaufen wäre. "Mamoru-sama, ich vermisse dich schon jetzt."

Ich lachte bei diesen Worten, und drückte das Mädchen an mich. Ich hätte nie gedacht, das ich einmal so empfinden würde, aber beim Gedanken, sie nach Getsu gehen zu lassen, hatte ich das Gefühl, meine eigene Schwester fortzugeben.

"Was denn, was denn?", tadelte ich sie. "Du wirst in der nächsten Zeit oft nach Konoha kommen müssen. Immerhin werden wir als die einzigen Kontraktträger der Affen viel zusammen üben müssen."

Ihre schlechte Laune verflog. "Versprochen?" Ein skeptischer Blick folgte. "Meinst du, der Tsukikage macht da mit?"

"Natürlich macht er da mit", sagte Amir, und klopfte ihr auf die Schulter. "Du bist jetzt die einzige Kontraktträgerin der Affenkrieger in Getsu. Es ist doch klar, das wir einen solchen Goldschatz pflegen und hegen, und dir so oft wie möglich die Chance geben werden, von deinem Sempai zu lernen." Er grinste mich an. "Natürlich kann dein Sempai auch mal nach Getsugakure kommen, anstatt uns die ganzen Reisekosten tragen zu lassen."

"Wenn ein Wochenende am Strand drin ist, bin ich dabei", lachte ich.

Ich ließ Anne fahren. "Also, sei nicht traurig. Wir sehen uns schon wieder. Und bis dahin trainierst du schön deine Fähigkeiten, einen Affen zu beschwören."

"Jawohl, Mamoru-sama." Sie schniefte, drückte mir einen Kuss auf die Wange und wandte sich ab. "Wir sehen uns wieder, Mamoru-oniichan!"

Teufel auch, damit hatte ich wohl tatsächlich eine kleine Schwester. Was würde Mutter darüber erfreut sein. Allerdings vermutete ich, dass sie mir gleich darauf einen Vortrag halten würde, doch zuerst mit einer Freundin aufzuschlagen, bevor ich adoptierte Schwestern mit nach Hause brachte.
 

Als sich die Getsu-Gruppe von uns trennte, winkten wir noch einige Zeit hinter ihnen her, bevor wir uns auf den eigenen Heimweg machten.

"Aki-chan ist ja sowas von niedlich", sagte Uzuki-sensei, und prickte mir in die Seite. "Ich wünschte, er wäre von dir, dann könnten wir ihn öfter sehen."

"Sensei, ich bin doch erst siebzehn", beschwerte ich mich.

"Und? Maria ist achtzehn, und sie kümmert sich bereits um ein Kind, und sie ist weiterhin Kunoichi im aktiven Dienst."

"Trotzdem. Etwas mehr Zeit hätte ich schon noch, bevor ich einen weiteren Morikubo auf die Welt los lasse."

Dies brachte die Genin und die Jounin zum Verstummen. Zumindest bis Asuma zu lachen begann, und sich dabei den Bauch halten musste. "Ich finde, Yugao-chan, da hat er aber ein ziemlich gutes Argument, oder?"

Uzuki-sensei grinste. "Ja, das ist ein sehr plausibler Gedanke. Konoha hat ja schon Naruto-kun und Mamo-chan. Ob wir einen zweiten Mamo-chan ertragen könnten?"

Wieder lachten die anderen.

"Hey", protestierte ich der Form halber. "Ich bin jedenfalls keine Naturgewalt auf zwei Beinen wie unser Naruto."

Tenten fing an zu kichern. "Das beschreibt ihn doch ganz gut, unseren Naruto. Findest du nicht, Hinata-chan?"

"Ja, Naturgewalt trifft es doch. So beharrlich, wie er immer seine Ziele verfolgt", sagte sie mit nachdenklichem Blick. Als sie unsere Aufmerksamkeit spürte, sah sie auf, und winkte mit beiden Händen ab. "I-ich meine, Naruto-kun ist Naruto-kun, und das ist auch gut so. Wir wollen ihn doch gar nicht anders."

"Wollen wir ihn gar nicht anders, oder willst du ihn gar nicht anders, Hinata-sama?", stichelte Neji.

"Beides", erklärte sie resolut, wandte sich um, und ging voran.

"Sie ist definitiv gewachsen", stellte Kurenai-sensei zufrieden fest. Sie klatschte in die Hände. "Also gut, wir hatten für den Moment genügend Spaß. Also, Herrschaften, auf das wir nach Hause kommen."

Nach Hause, das klang doch richtig gut. Ich konnte es kaum erwarten, wieder über Konohas Straßen zu wandeln, in meinem eigenen Bett zu schlafen, vor dem Büro der Hokage zu warten, bis sie mich rein rief, um mich zu maßregeln... Zuhause war doch der schönste Ort auf der Welt.
 

Epilog:

Nach Hause kommen war schön, auch wenn ich ahnte, das ich für mein Versagen im Fall Kabuto noch meinen Anteil von Tsundade-sama verpasst bekommen würde.

Als wir durch das Tor schritten, schoben wie so oft Kamizuki und Hagane am Tor Wache. Die beiden waren mittlerweile als unzertrennlich bekannt.

Izumo Kamizuki begrüßte die Neuankömmlinge und gab ihnen ihre Rapportzeiten für den Rat, wo über ihre Empfehlungen entschieden werden würde. Als er mich ansah, lag so etwas wie Mitleid in seiner Stimme. "Was dich angeht, Mamoru, so hast du leider Pech. Du musst hier warten, bis Shizune-san dich hier abholt und direkt zu Tsunade-sama bringt." Er räusperte sich. "Sie wurde sofort informiert, als du in Sichtweite warst, es kann also nicht lange dauern, bis sie hier ist."

Bestürzt sah ich den Ninja-Kollegen an. War es wirklich so schlimm, mein Versagen? Selbst die Jounin machten ihre Bemerkungen zum Thema, teil verwundert, teils entsetzt.

"Wird wohl wegen Kabuto sein. Ich habe nichts anderes erwartet."

"Mamo-chan?", klang hinter mir Shizunes Stimme auf.

Obwohl ich es nicht wollte, zuckte ich heftig zusammen. "J-ja?"

"Tsunade-sama will dich auf der Stelle sehen. Lass deine Tasche bei Kamizuki-kun und folge mir."

"Verstanden." Also stellte ich meine Tasche unter und schloss zu Tsunade-samas Sekretärin auf.

"Vergiss nicht, Mamo-chan, wir wollen heute Abend grillen gehen", rief mir Asuma hinterher. Dieser sorglose Mensch. Ich war mir nicht sicher, ob ich am Abend noch in Stimmung war, überhaupt etwas zu unternehmen. Oder gar in der Lage dazu.
 

"Ist es schlimm?", fragte ich leise.

"Sehr schlimm", sagte Shizune nach einem tiefen Seufzer. "Tsunade-sama ist sehr, sehr wütend auf dich."

Ich schluckte trocken. Also hätte ich doch, damals vor dem Schiff, alles auf eine Karte setzen sollen. Aber was half mir diese späte Erkenntnis? Wie ein geprügelter Hund schlich ich Shizune hinterher.

Wir erreichten das Ratsgebäude, und für meinen Geschmack viel zu schnell erklommen wir den Weg zu Tsunade-samas Büro. Erneut schluckte ich trocken, als Shizune bereits anklopfte.

"Tsunade-sama? Ich bringe Mamoru Morikubo."

"Soll reinkommen!", rief sie in einer solchen Lautstärke, das ich meinte, die Tür wäre gar nicht verschlossen.

"Viel Glück", raunte mir Shizune zu, und blieb draußen. Na, das konnte ja was werden.

"Tsunade-sama, ich habe keine Entschuldigung dafür, das ich Kabuto nicht erwischen konnte. Ich bitte um eine harte und gerechte..."

"Kabuto? Nicht erwischt? Blödsinn. Du hattest einen guten Versuch, ihn zu kriegen, und du hast getan was du konntest. Nicht viele Shinobi hätten ihm so lange auf der Spur bleiben können, und hätten nebenbei noch einen Stützpunkt Orochimarus ausgehoben. Nein, da habe ich dir nichts vorzuwerfen."

Erleichtert wollte ich aufatmen, aber laut Shizune war die Hokage sehr sauer. Das dicke Ende kam also noch.

"Jedoch!", rief Tsunade-sama, und mir wurde wieder einmal klar, warum ich Angst vor der blonden Frau hatte. "Jedoch bin ich äußerst ungehalten hierüber!" Sie schlug mit der flachen Linken auf ihren Schreibtisch. Da lagen mehr als ein Dutzend Depeschen.

"Verrate mir, Mamoru Morikubo, warum ich von acht Kage, neun Ländern und siebenundsechzig Einzelpersonen offizielle Benachrichtigungen bekommen habe, in denen dein Einsatz in Orochimarus Geheimversteck über den grünen Klee gelobt wird, und in denen ich explizit gebeten werde, dich nicht zu hart zu bestrafen? In einigen Briefen werde ich sogar gefragt, ob sie dich abwerben können! Kannst du mir das erklären, Mamoru?" Sie faltete beide Hände unter ihrem Kinn zusammen, legte das Kinn darauf und sah mich missmutig an. "Was denkst du eigentlich, wie ich jetzt in der Welt dastehe?"

Ich schluckte mehrfach. Also war die tolle Aktion, die ich mir ausgedacht hatte, vollkommen nach hinten los gegangen. Mist, Mist, Mist. "Als ziemlich streng? Was ja nichts schlechtes ist, Tsunade-sama", wagte ich einzuwenden.

"Als großer, böser blonder Drache!", murrte sie lautstark. "Ich bin äußerst unzufrieden, Mamoru! Und das hat für dich Konsequenzen! Zwei weitere Jahre Beförderungsstopp zum Jounin für dich! Und du wirst ab nächster Woche dein eigenes Dreierteam Nachwuchs-Genin übernehmen, und ihnen die Basisfähigkeiten vermitteln!"

"Müssen das nicht sonst die Jounin machen?", wagte ich aufzubegehren.

"Es wäre ja keine Strafe, wenn ich dich vorher zum Jounin machen würde, oder siehst du das anders? Und widersprich mir nicht!", rief sie ärgerlich.

"Jawohl, Tsunade-sama!"

"Also, dein eigenes Team Genin frisch von der Akademie. Solange wie ich es dir befehle, verstanden? Ach, und besser drei Jahre Beförderungsstopp! Und mach dir keine Hoffnung auf den spezialisierten Jounin, der bleibt dir auch verboten!"

Langsam besserte sich meine Stimmung. Alles in allem war das doch nicht wirklich schlecht. Und die Kids frisch von der Akademie würde ich auch noch überleben.

"Hier, für dich", sagte sie mürrisch, während sie einen Zettel über den Schreibtisch schob.

Ich trat vorsichtig näher, und nahm den Zettel auf. "Das ist was?"

"Dein Bonus für die erfolgreiche Zerstörung eines Labors von Orochimaru. Plus mehrerer Boni, die uns für dich erreichten, weil du Shinobi anderer Nationen gerettet hast. Ich denke, du wirst zufrieden sein."

Ich klappte den Zettel auf. Für einen Moment spürte ich meine Füße, meine Hände und meinen Kopf nicht mehr. "D-danke."

"Ich habe den Betrag aufgerundet. Du hast ja in nächster Zeit die Feier mit den Affenkriegern auszurichten, oder? Da wirst du ohnehin einiges an Ryou brauchen."

"Ja, das stimmt, Tsunade-sama."

Sie winkte mich fort. "Geh, Mamoru. Mein Zorn ist verraucht. Aber du wirst einiges leisten müssen, um wieder auf meine gute Seite zu gelangen."

"Verstanden, Tsunade-sama." Ich verbeugte mich lang und tief vor ihr, und wandte mich dann um. Nur noch raus, bevor was Schlimmes passierte.

"Mamoru!", rief sie.

Ich erstarrte mitten in der Bewegung. "Ja, Tsunade-sama?"

"Was für eine Schande, dass Aki-chan nicht von dir ist, oder?"

"Tsunade-sama, ich bin erst siebzehn!", tadelte ich sie.

"Ach ja. Herzlichen Glückwunsch nachträglich. Und jetzt raus mit dir, bevor mir noch was einfällt, was ich mit dir anstellen kann."

Ich nickte noch einmal, und dann hatte ich die rettende Tür erreicht.
 

Shizune sah mich skeptisch an. "Drei Jahre Beförderungsstopp. Das ist viel zu hart für einen Stapel Belobigungsbriefe für dich, Mamo-chan. Ich werde mit ihr reden."

Hastig winkte ich ab. "Was mich angeht, könnte ich nicht zufriedener sein. Stell dir doch mal den Schaden vor, den ich als Jounin anrichten könnte. Nein, so ist das schon in Ordnung."

"Oh. Da bin ich zwar anderer Meinung, aber na gut. Ich rede nicht mit ihr."

"Shizune!", rief die Hokage.

"Ich komme, Tsunade-sama!" Sie sah noch einmal zu mir. "Sieh zu, dass du nach Hause kommst, Mamo-chan."

Damit war ich erlöst. Beschwingt sprang ich die Treppe hinab. Nachher noch Barbeque mit den anderen, ein dicker Bonus in der Tasche, Beförderunsstopp zum Jounin... Es versprach eine tolle Zeit zu werden.

***

"Beförderungsstopp zum Jounin, aber ihm eine Anfängergruppe geben?", fragte Shizune ungläubig. "Dicker aufgetragen geht es doch gar nicht, Tsunade-sama."

"Aber er hat es gefressen, richtig?"

Shizune musste grinsen. "Augenscheinlich hat er das. Er hat nicht mal in Frage gestellt, wieso plötzlich ein Chunin den Nachwuchs trainieren soll. Gut, er ist nicht der einzige, der mit irgendwelchen Komplexen durchs Leben geht, aber seine sind gut gefüttert."

"Du musst das verstehen. Seit er geboren wurde, hat man im Nara-Clan gesagt, das er sich selbst umbringen würde, wenn er Ninja wird. Weil er eben die Schattenkunst nicht beherrscht. Und was ist passiert? Er wurde ein sehr passabler Shinobi. Aber wenn man so lange eingeredet bekommt, dass man kein Ninja werden sollte, dann ist jeder Erfolg nur schwer mit dem eigenen Weltbild vereinbar. Immerhin unterstützt ihn sein eigener Clan jetzt vorbehaltlos. Und sobald er das selbst mitbekommt, ist er vielleicht auch diesen Komplex los, der ihn glauben macht, als Jounin würde er nur Schaden anrichten. Aber bis dahin geben wir ihm das, wa er haben will."

"Einen Haufen Lügen."

"Zu seinem Besten, ja."

"Das ist eine Menge Aufwand für einen jungen Shinobi."

Tsunade lächelte. "Den er aber wert ist. Ein Ninja-Dorf ist immer die Summe aller seiner Shinobi. Und Mamo-chan neigt die Waagschale in die richtige Richtung."

"Wenn du es so siehst, Tsunade-sama..." Die Sekretärin der Hokage deutete auf die Briefe und Berichte. "Und was ist damit?"

"Ach, die Bittschriften? Du wirst sie alle beantworten, und jedem einzelnen versichern, das es sein Brief war, der mich davon absehen ließ, gegen Mamo-chan ernstere Maßnahmen zu ergreifen. Da sie ohnehin denken, das ich ein grausamer blonder Drache bin, werden sie sich geschmeichelt fühlen. Und in unserer Schuld stehen. Das tun sie ohnehin wegen der Shinobi, die Mamo-chan befreien konnte, aber es kann nichts schaden, sie daran zu erinnern."

"Ein kluges Manöver, Tsunade-sama."

Die Godaime Hokage nickte, und erhob sich von ihrem Schreibtisch. Sie sah auf Konoha herab. "Jeder Shinobi Konohas ist ein Einzelstück, und braucht seine ganz individuelle Pflege. Nur dann sind wir wirklich schlagkräftig, Shizune."

"Und Mamo-chan ist diese intensive Pflege wert."

Tsunade lächelte. "Ja, das ist er. So wie jeder andere Jounin unter meinem Kommando. Wir polieren ihn noch ein wenig auf, und dann schauen wir dabei zu, was er noch für Konoha leisten wird."

Sie trat näher an ihr Fenster heran. "Ich bin schon sehr gespannt, und habe große Erwartungen, Mamo-chan."
 

Ende

Der ewige Chunin 1

Prolog: Ich blicke zurück über den Abgrund der Zeit, und sehe auf mein jüngeres Ich. Ich betrachte ihn, und frage mich, was er damals hätte besser machen können, was er besser hätte machen sollen, und was wohl genau richtig gelaufen war. Früher, fünf Jahre in der Zukunft, hätten die Kategorien eins und zwei wohl über neunzig Prozent ausgemacht. Heute, in einer Zeit, in der ich gealtert, gereift, aber auch gefestigt und bestätigt bin, macht Kategorie drei die neunzig Prozent aus, und die zwei hat bestenfalls zwei Prozent Gesamtanteil.

Will sagen: Ich denke, dass viele Fehler, die ich gemacht hatte, gar nicht so schlimm waren, und einige waren sogar richtig produktiv für mich. Weil, aus Fehlern konnte man lernen, besser werden, sich verstärken. Eine kluge Frau hat mal gesagt - sie ist ein Kino-Sternchen: "Wenn ich könnte, würde ich alle meine Fehler noch mal machen, aber früher, damit ich mehr von ihnen habe."

Nun, ich würde nicht alle meine Fehler wiederholen wollen, aber ich würde vielleicht meinem jüngeren Ich wünschen, etwas früher ein wenig von dem Selbstvertrauen, der Selbstverständlichkeit, der Sicherheit zu besitzen, die ich im Alter von fünfundzwanzig Jahren endlich erreicht hatte.

Apropos Fehler: Meinen größten Fehler darf man nicht vergessen. Nebenbei ist es aber auch mein liebster, mein allerliebster Fehler. Es war etwa eine Woche, nachdem ich vom Chunin-Examen in Suna zurückgekehrt war. Tsunade-sama hatte mich dazu verdonnert, eine Genin-Gruppe frisch von der Akademie zu trainieren. Sprich, ihnen die Grundlagen beizubringen, für sie das zu sein, was Hayate-sensei für mich, Karin und Hanako gewesen war. Diese Aufgabe wurde normalerweise von einem Jounin übernommen. Vornehmlich, damit die jungen Genin ihre eigenen Fehler, die anfangs in Massen auftreten, zu überleben. Ich hatte zuvor nie eine schrecklichere Zeit, aber sie wurde die beste Zeit meines bisherigen Lebens.

Hatte ich zuvor Genin trainiert, die teilweise erheblich älter als ich waren, in Zusammenarbeit und in Kommunikation der Fähigkeiten, die jeder einzelne besaß, so musste ich all dies erst einmal bei meinen drei Genin heraus kitzeln. Egal, für wie gut sie sich schon hielten.

Ach ja, und ich hatte herauszufinden, was sie tatsächlich schon mitbrachten.

Diese drei Genin, die mir schnell ans Herz gewachsen sind, sollten mit mir an der Spitze durch etliche Gefahren gehen, bevor sie sich selbst qualifizieren konnten, um Chunin zu werden. Dass sie es überhaupt bis zum Versuch schafften, war nach unserer ersten Begegnung noch nicht abzusehen gewesen...
 

1.

Mit einem wohligen Laut streckte Shinji Nanahara sich mit nach oben verschränkten Armen. Als er meinte, nun ginge es ihm gut genug, schritt er zum Tresen des öffentlichen Bades von Konoha. "Eine Erdbeermilch, Frau Yamada."

Die Frau am Tresen lächelte ihn verschmitzt an. "Die sollst du haben. Und die geht auf mich, Shinji-chan. Weil du doch jetzt die Prüfungen bestanden hast."

"Ui, danke! Das ist aber nett von Ihnen!", rief der Junge erfreut.

"Keine Ursache. Kira-chan und du habt doch so gut zusammengearbeitet, da ist so eine Kleinigkeit doch selbstverständlich." Die hübsche Frau mittleren Alters durchsuchte den Kühlschrank hinter ihrem Tresen. "Schade, hier habe ich nichts mehr. Aber ich kann hier auch nicht weg." Sie wandte sich Richtung Tür. "Kira-chan!"

Die Schiebetür des Eingangs öffnete sich, und ein schlacksiger blonder Junge trat ein, in der Hand einen Besen. "Ja, Okaa-chan?"

"Zieh doch bitte mal eine Erdbeermilch für Shinji-chan aus dem Automaten. Die habe ich ihm versprochen, wegen eurer tollen Zusammenarbeit." Sie schob eine Münze über den Tresen, die der etwas zu kräftige Blondschopf Shinji mit äußerstem Wohlwollen betrachtete.

Kira nahm die Münze auf und ließ den Besen stehen. "Es war doch nur diese eine Genjutsu-Prüfung, von der wir beide keinen Plan hatten", murrte er halblaut.

Etwas zu laut, denn seine Mutter, eine liebenswürdige weißhaarige Frau - den Haarton verdankte sie ihrem Clan, den Hatakes, während ihr Sohn das blonde Haar ihres Mannes geerbt hatte, denn für weiße Haare war sie definitiv noch zu jung - räusperte sich. "Kira-chan, was sage ich dir immer im Bezug auf deine Freunde?"

"Aber ich habe keine Freunde", erwiderte Kira trotzig.

"Eben", sagte seine Mutter mit einem energischen Ton in der Stimme. "Shinji-chan ist wohl am nächsten dran an dieser unmöglichen Aufgabe, also mach es ihm nicht so schwer. Was, wenn Ihr in eine gemeinsame Gruppe kommt und aufeinander angewiesen seid?"

Shinji betrachtete den Gleichaltrigen mit funkelnden Augen. "Keine Sorge, Frau Yamada, ich werde schon auf ihn aufpassen."

Kira lachte rau. Er trat vor Shinji, und die beiden sahen sich in die Augen. "Wer wohl auf wen aufpassen muss, du kleiner Fettsack."

"Pass mal auf, was du sagst, Funkenjunge, sonst übernehme ich nach deinem Fegen noch das Wischen, um deine Reste zu entfernen."

Frau Yamada klatschte in die Hände, und die beiden zukünftigen Genin fuhren erschrocken zusammen. "Hach, ihr versteht euch ja schon so gut. Was wünsche ich mir, dass Ihr Freunde werdet und in eine Gruppe kommt. Vielleicht steckt man euch ja mit Konohamaru-chan zusammen. Das wäre doch schön." Sie lächelte liebenswürdig, mit leicht zusammengekniffenen Augen. Aber wer genauer hinsah, der erkannte, dass sich ihre Rechte um einen zerbrochenen Bleistift spannte. "Kira-chan, die Milch." Sie schob eine weitere Münze über den Tisch. "Hier, trink auch eine, und mach ein paar Minuten Pause, um mit deinem Freund zu reden."

"Er ist nicht...", begann Kira, aber das Lächeln seiner Mutter ließ ihn erblassen. Letztendlich war sie eine Hatake, und vor ihrer Hochzeit eine aktive Medi-Nin gewesen, und solch einem Menschen widersprach man nicht. Mit gesenktem Kopf kam er zum Tresen und nahm die Münze auf. "Danke, Okaa-chan."

"Gut", erwiderte sie. Sie wandte sich um, und damit waren sowohl Kira als auch Shinji aus dem Schneider, denn Shinjis Mutter, ebenfalls eine ehemalige Medi-Nin, war die Ausbilderin von Kiras Mutter gewesen. Und die beiden Frauen verstanden sich vor-züg-lich, was wohl auch zum Wunsch von Kiras Mutter beitrug, dass die beiden zukünftigen Genin mehr freundschaftliche Zeit miteinander verbrachten.

Eingeschüchtert schlichen die beiden zu den Automaten.
 

Kira zog zweimal Milch. Einmal Erdbeer für Shinji, und einmal eine normale für sich selbst.

"Hier." Er reichte sie dem anderen.

"Danke."

Als Shinji zugriff, ließ Kira aber nicht los. Nicht sofort. "I-ich wollte dir nur sagen, das mit dem Fettsack, das habe ich nicht so gemeint."

"Keine Sorge, ich kenn dich doch. Und wenn es dich beruhigt, ich hab's auch nicht ernst gemeint. Aber wenn mir jemand auf die Füße steigt, dann reagiere ich immer gleich. Mutter sagt immer, ich schlage damit so sehr aus der Art, und ich soll mir doch ein Beispiel an Kawada-nii nehmen. Aber irgendwie schaffe ich das nicht. Ist bestimmt irgend ein Trick dabei."

Kira öffnete seine Milch und setzte sich auf eine nahe Bank. Dabei lachte er. "Dein Bruder ist neun Jahre älter als du. Der hat seine Sturm- und Drang-Zeit schon hinter sich und ist in der Chakra-Forschung. Kein Wunder, dass er ruhiger ist. Und disziplinierter. Und stärker. Und erfahrener. Und..."

Shinji sah den anderen Jungen gequält an.

Kira schoss kurz peinliche Röte über die Wangen, als er seinen Fehler bemerkte. "Was ich sagen will, das ist ganz einfach, dass Ältere fast immer besser sind als Jüngere. Du bist leider keine Ausnahme."

"Okay, das kann ich akzeptieren." Shinji öffnete ebenfalls seine Milch, und trank einen kräftigen Schluck. "Aaaahhhh, eisgekühlte Erdbeermilch, es gibt nichts Besseres nach einem heißen Bad. Sag mal, warum arbeitest du überhaupt? Alter, du bist jetzt ein Genin."

"Ach, halt die Klappe. Ich habe keine Angst davor, zu arbeiten, im Gegensatz zu dir. Du bist ja nur am Lesen, wenn du nicht gerade wie ein Verrückter durch die Gegend rennst."

Shinji zuckte die Schultern. "Du hast es doch selbst gesagt. Ich muss eine Menge aufholen, wenn ich den Stand meines Bruders erreichen will. Und ich habe vor, da nicht stehen zu bleiben, sondern es bis zum Voll-Jounin zu schaffen." Der blonde Junge legte beide Hände hinter den Kopf und sank gegen die Wand. "Morgen, also. Meinst du, wir kommen tatsächlich in ein Team? Nach unserer Kooperation bei der Genjutsu-Prüfung kann ich mir das gut vorstellen."

"Weiß nicht. Du bist mir auf jeden Fall lieber als Konohamaru und seine beiden Spinner. Der hält sich ja für was Besseres, weil er der selbsterklärte kleine Bruder von Naruto Uchimaki ist."

"U-zu-maki", verbesserte Shinji. "Naruto Uzumaki! Der Mann, der gegen das einschwänzige Bijou gekämpft hat! Der Schüler vom legendären Sannin Jiraiya-sama!"

"Ja, ja, stell mal 'nen Ton leiser. Du und dein Jounin-Tick, Ihr geht mir auf die Nerven. Aber ich sage dir was. Dein Naruto ist auch nur bloß ein Genin."

"Aber das wird er nicht mehr lange bleiben", sagte Shinji im Brustton der Überzeugung. "Ich gehe fest davon aus, dass er nach seiner Reise mit Jiraiya-sama so verdammt stark ist, dass er all die anderen hoffnungsvollen Genin mit einen Wink beiseiteschieben kann."

Kira lachte laut. "Na, dann hoff mal lieber, das er nicht ausgerechnet auf deiner Chunin-Prüfung antritt, und dich mit beiseite schiebt."

"Oh." "Ja, daran hast du nicht gedacht, eh?", erwiderte Kira grinsend.

"Aber das ist doch toll! Stell dir vor, ich darf gegen Naruto antreten, das ist doch..."

Kira seufzte auf. "Dir und deinem Jounin-Tick ist echt nicht mehr zu helfen."

"Ach was", meinte Shinji grinsend. "Ein wenig mehr Begeisterung würde dir auch gut tun. Wenn du mich fragst, fängt das damit an, dass du deine Verbissenheit endlich los wirst."

Kira sah auf seine Hände. "Leichter gesagt als getan. Für mich ist sie die Motivation, überhaupt weiter zu kommen. Ich habe die ganze Akademie-Zeit wie an mich vorbei plätschern gesehen. Als es dann ernst wurde, da..." Er ballte die Hände zu Fäusten. "Ich wusste, dass ich Shinobi werden will, um eines Tages in der Lage zu sein, meine kleine Schwester zu rächen. Oder wenigstens zu verhindern, dass so etwas noch mal in Konoha passiert."

"Lobenswert", sagte Shinji ungewöhnlich ernst. "Aber damit du als Einzelner was erreichen kannst, musst du schon Jounin werden."

Kira zuckte mit den Schultern. "Das habe ich doch sowieso vor."

Die beiden Jungen tauschten erneut einen langen Blick aus. "Dann sind wir Rivalen, Alter", sagte Shinji schließlich. Er reichte ihm die rechte Hand, genauer gesagt den kleinen Finger. "Los, wir werden gemeinsam Jounin, und scheiß auf die anderen. Wer es nicht schafft, muss eintausend Nadeln essen."

"Da bin ich dabei. Jetzt, wo es um was geht, habe ich wenigstens einen Grund, mich ins Zeug zu legen." Er hakte seinen kleinen Finger bei dem von Shinji ein, und beide sangen den Sermon von den eintausend Nadeln, die ihr Versprechen absicherten.

Als sie geendet hatten, widmeten sie sich wieder der Milch.

"Also, warum arbeitest du heute?"

"Frau Kubo ist krank, und meine Mutter bezahlt mein Taschengeld. Alles klar?"

"Oh, wie nett."

"Ja, genau das. Ist egal. Ich habe das hier schon oft gemacht." Kira trank aus und stellte die Glasflasche im bereit stehenden Kasten ab. "Hm, wenn ich es mir wünschen könnte, hätte ich gerne Yumi in unserer Truppe. Man macht ja immer gemischte Trupps, und Yumi hat schon richtig Busen."

"Yumi?" Shinji verdrehte gespielt die Augen. "Was findest du denn an Busen?"

"Gar nichts. Aber Kakashi hat mir gesagt, dass das für uns Jungs noch mal ein wichtiges Thema werden wird. Besser, wir sind vorbereitet."

"Äh, hast du auch nur den leisesten Hauch einer Ahnung, warum Hatake-sensei dir das gesagt hat?"

Kira seufzte über diese dumme Frage. "Na, weil es für uns WICHTIG sein wird. Darum."

Shinji lachte prustend. "Na ja, wir sind auch erst zwölf."
 

"Frau Yamada?", klang eine helle Frauenstimme aus dem Bad auf. "Ich habe mein Wasser fallen gelassen. Haben Sie bitte einmal Besen und Kehrblech für mich?"

"Ach, baden Sie einfach weiter, Fräulein Akimichi. Ich schicke jemanden, um das aufzukehren."

"Oh, danke. Sehr freundlich, Frau Yamada."

"Keine Ursache. Sie sind heute hier Gast, Fräulein Akimichi. Sind Sie denn gar nicht mit Herrn Morikubo hier?"

"Nein, der hatte keine Zeit." Die helle Frauenstimme seufte. "Für nichts. Darum bin ich mit Hana-chan hier."

"Mit der besten Freundin zu baden ist doch auch was feines. Die Männer können bei so einem kultivierten Ereignis gar nicht mithalten, denke ich."

Shinjis Augen strahlten. "Mensch, das wusste ich ja gar nicht! Karin Akimichi und Hanako Yodama sind bei dir im Bad?"

"Ja. Und? Außerdem ist es nicht mein Bad", erwiderte Kira. "Ich arbeite nur dreimal die Woche hier."

"Aber... Aberaberaber, die beiden sind Chunin! Chunin, verdammt! Und sie haben geholfen, als Morikubo-sama Otogakure ausgelöscht hat! Der Mamoru Morikubo, der, der Affenkrieger beschwören kann! Begeistert dich das denn überhaupt nicht?"

Kira zögerte. "Nun, mir ist bekannt, was er geleistet hat, und das er ein guter Shinobi ist. Aber bedenke, das er wirklich glaubt, Tsunade-sama hätte ihn tatsächlich noch elf weitere Jahre von der Beförderung zum Jounin ausgeschlossen. Das klingt nicht sehr erwachsen."

"Ach, Papperlapapp, jeder darf seine eigenen Macken haben! Sag mal, hättest du da keinen Spaß dran, Affenkrieger zu beschwören? Es gibt nur zwei Kontraktpartner insgesamt in den Ländern, und Morikubo-sama ist einer davon! Das macht ihn fast unbesiegbar!" Shinjis Augen begannen zu strahlen. "Ich würde sofort einen Kontrakt mit den Affen unterschreiben."

"Nee, das ist nicht meins. Ich habe es mehr mit den Hunden, oder noch besser, mit den Wölfen oder den Katzen."

"Aber... Aber stell dir doch mal vor, wir kriegen ihn zu unserem Sensei! Wenn wir seine Genin-Truppe werden, dann macht er einen oder alle von uns vielleicht zu Kontraktpartnern!", rief Shinji aufgeregt.

Dies ließ Kira nur schmallippig lächeln. "Eher würde ich Tsunade-sama fragen, ob ich einen Kontrakt mit den Schnecken kriegen kann, bevor ich..."

Eine gut gezielte Bürste, der Kira ziemlich genau am Hinterkopf traf, beendete den Satz.

"KIRA!", rief seine Mutter mit zorniger Miene. "Wirst du endlich herhören?"

"Autsch! Ich meine, ja, was ist denn, Okaa-chan?"

"Ich rufe dich schon seit zwei Minuten!", sagte sie böse.

"Ja, aber du hast mir doch gesagt, ich soll mit Shinji quatschen", entschuldigte er sich.

Dies ließ die böse Miene vom Gesicht seiner Mutter wieder verschwinden. "Ach, na gut. Geh bitte ins Frauenbad und kehre dort das Glas zusammen. Akimichi-chan hat eine Wasserflasche fallen lassen."

"Ist gut. Komme."

Kira sprang auf und wollte zu seiner Mutter eilen, aber Shinji hielt ihn fest. "Sag mal, bist du wahnsinnig? Du kannst doch nicht ins Frauenbad gehen!"

"Was? Wieso nicht?"

"Schau dir mal die Schriftzeichen der Tücher über den Türen an! Das da liest man "Mann", und das da liest man "Frau". Was denkst du, zu welcher Sorte du gehörst, Alter?"

"Und? Was willst du mir damit sagen?"

"Also, das verstehe wer will. Da möchtest du Yumi-chan wegen ihrem Busen im Team haben, und dann verstehst du nicht, worauf ich hinaus will?" Shinji seufzte. "Du hast wahrscheinlich Recht. Geh ruhig."

"Danke für deine großzügige Erlaubnis", brummte Kira. "Und mach dir keine Sorgen, ich gehe jedes Mal, wenn ich hier arbeite, ins Frauenbad. Das hat noch niemanden gestört. Ich bin doch erst zwölf." Er ging weiter, um Kehrblech und Handfeger zu holen.

"Ja, und Konoha reicht das Alter aus, um dich zum Genin zu machen", murmelte Shinji ihm hinterher.

***

Im Frauenbad ließ sich Karin wieder ins heiße Wasser sinken, direkt neben Hanako. "Frau Yamada ist richtig nett. Sie sagt, ich brauche mich um nichts zu kümmern. Sie schickt jemand zum Auffegen."

Hanako kicherte. "Vor drei Jahren hätte sie Mamo-chan schicken können. Der hätte sich überhaupt nichts dabei gedacht, hier rein zu kommen."

"Ach, Quatsch", widersprach Karin. "Erinnerst du dich nicht mehr an die Szene im Frauenbad in Kumogakure? Da ist er beinahe am Blutverlust gestorben, als Omoi ihn als Frau verwandelt mitgeschleppt hat. Was eine Frau ist, das wusste er damals schon."

Die beiden Mädchen grienten sich an. Anschließend streckten sie sich wieder genüsslich im Wasser aus.

Dabei wurden sie von einem mageren Mädchen beobachtet, das, ein Badehandtuch um den Körper geschlungen, bis zur Nase ins Wasser gesunken war, und mit den Nasenlöchern Blasen produzierte, während sie die beiden Chunin neidisch beobachtete.

Hanako reckte sich genießerisch, und ließ dabei einen Laut äußersten Wohlbehagens hören. Dann sah sie zu dem jungen Mädchen herüber. "Ja, Mai-chan? Was hast du denn?"

Das Mädchen wurde knallrot, und versuchte noch tiefer unterzutauchen. Dabei bekam es Wasser in die Nase, und musste wieder hochkommen, um es auszuniesen.

Karin sah ihr dabei interessiert zu. Sie lächelte nachsichtig. "Mai-chan?"

"Ach, sie kauft immer im Blumenladen der Hauptfamilie ein. Ich helfe da öfters, seit Ino auch eine Shinobi geworden ist und weniger Zeit für das Familiengeschäft hat. Sie ist so ein nettes, wohlerzogenes Mädchen. Und sie hat die Prüfung der Akademie abgeschlossen, nicht wahr, Mai-chan?"

"Ja, habe ich", erwiderte sie in einem trotzigen Ton.

"Dann freust du dich also auf deine eigene Gruppe und deinen eigenen Jounin?"

"Weiß nicht", murmelte sie. "Wir werden sehen, was passiert."

"Oh, glaub mir", sagte Hanako lächelnd, "mit der eigenen Gruppe beginnt dein Leben als Ninja überhaupt erst. Du wirst viel Spaß haben, durch viele Gefahren kommen, viel von der Welt sehen - vorausgesetzt, du kriegst einen guten Jounin als Sensei. Na, Konoha hat ja nur gute Jounin."

"Ja, und Mamo-chan", kicherte Karin. "Ob er es jemals merken wird?"

"Du meinst, ob er jemals aufhören wird, es zu ignorieren", erwiderte Hanako in tadelndem Ton. "Also, Mai-chan, du darfst dich ruhig freuen. Ich wette, deine Teamkollegen werden dir aus der Hand fressen. Alleine schon wegen der niedlichen Sommersprossen."

Diese Worte brachten die junge Frau dazu, wieder tiefer ins Wasser einzusinken. "Ich mag die Sommersprossen nicht. Sie machen mich so kindisch. Und außerdem habe ich nicht... Habe ich nicht... Nicht..."

"Du hast was nicht?", hakte Karin nach.

Sie fuhr aus dem Wasser und stand nun vor den beinen Chunin. "Na, na, na, ich habe nicht DAS!"

"Oh, du meinst das", sagte Hanako amüsiert, und griff sich mit beiden Händen an ihren Busen. "Du meinst, das unterscheidet dich von einem Kind, wenn du auch welche hast?"

"Komisch, der Ansatz ist doch schon da, Mai-chan", sagte Karin. "Das sehe ich doch auch durch das Handtuch. Der wird schon noch wachsen. Oder meinst du, wir beide hatten großartig Brust, als wir Genin geworden sind?"

"Da wart Ihr zwölf! Aber ich bin doch schon dreizehn!", rief sie aufgebracht.

"Oh, mit dreizehn hatte ich noch keine Brust", kommentierte Karin. Sie drückte ihre große Oberweite zusammen. "Das hier ist erst gekommen, als ich begonnen habe, weniger Akimichi-Techniken einzusetzen, oder sie mit Hilfe von Hayate-sensei zu modifizieren. Aber so einen Busen solltest du dir besser nicht wünschen, Mai-chan. Du glaubst ja gar nicht, was der wiegt, und wie das auf den Rücken geht. Ich hätte lieber sowas wie Hana-chan. Wann ist er denn bei dir gewachsen?"

"Oh, ich muss zugeben, das ging mit dreizehn los. Aber seit der Chunin-Prüfung ist nicht mehr viel dazu gekommen. Zwei Körbchengrößen, etwa." Misstrauisch beäugte sie ihre Brust. "Meinst du, da kommt noch was? Ich nehme Rückenschmerzen jederzeit gerne in Kauf, wenn ich auf E aufsteigen kann."

"Oh, glaub mir, das tust du nicht", erwiderte Karin lächelnd.

Hanako schmunzelte. "Käme auf einen Versuch an."
 

"Entschuldigt mein Eindringen", klang eine Jungenstimme vom Eingang auf. Kira Yamada, bewaffnet mit einem Kehrblech und einem Handfeger, trat in den Waschraum ein. "Wo hast du das Glas denn fallen gelassen, Karin-chan?"

Die Akimichi drehte sich im Becken und reckte sich ein Stück über den Rand. "Beim hintersten Waschplatz links. Von mir aus gesehen. Danke für's Auffegen, Kira-chan."

"Oh, gern geschehen, Karin-chan."

Karin wälzte sich wieder auf den Rücken. Dabei fiel ihr Blick auf die junge Mai. "Was hast du denn, Mädchen?"

"Also, so ist sie schon, seit Kira rein gekommen ist", murmelte Hanako.

Mai war erstarrt. Eine Hand hatte sie angstvoll um ihr Handtuch gelegt, die andere deutete in den Raum mit den Waschplätzen. Ihre Augen waren unnatürlich weit aufgerissen, und ihre Lippen zitterten. "D-d-d-d-da...", stotterte sie. "M-m-m-m-m-mann!"

"Wo?" Karin wandte sich wieder um. "Kira, siehst du einen Mann in unserem Bad?"

Der Gefragte drehte sich mehrfach um, bückte sich, guckte unter die Tische. Schließlich schüttelte er den Kopf. "Nein, kein Mann im Raum."

"Doch! DU bist im Bad, Kira!", rief Mai entrüstet.

Dies ließ für einen Moment alle Gespräche im Becken verstummen. Dann begannen alle Frauen zu lachen. "Aber das ist doch bloß Kira. Der kommt hier öfters rein", beschwichtigte Karin das Mädchen. Nun, zumindest versuchte sie es.

"Ö-ö-öfters? Kira, ich hatte keine Ahnung, dass du so..."

"Hä? Ich bin doch erst zwölf. Was interessieren mich Frauen? Und du interessierst mich schon mal gar nicht."

"Hä?" Entsetzt sah sie den Jungen an. "Nichts könnte mir egaler sein, ob du dich für mich interessierst oder nicht, aber deshalb bleibst du trotzdem ein Mann!" Sie fuhr sich mit der Linken fahrig über ihre von der Stirn nach hinten geflochtenen Haare. "Ach, feg einfach auf und geh, Kira. Geh, und..." Ungefähr in diesem Moment rutschte ihr Handtuch, das nun nicht mehr von ihrer linken Hand gestützt wurde. Erschrocken kreischte Mai auf, und schaffte es gerade so, zu verhindern, dass es ganz fiel. "N-nicht gucken, du Perverser!" rief sie mit hochrotem Kopf.

"Warum sollte ich gucken? Nicht, dass mich Frauenbrüste überhaupt interessieren, aber du hast ja noch nicht mal welche!", murrte der Junge.

Mais Hände ballten sich zu Fäusten. Ihr Kopf wurde tiefrot vor Wut. Reflexartig griff sie hinter sich, um die Tasche mit ihren Shuriken zu erreichen, aber natürlich trug sie die nicht im Bad. Also entspannte sie sich und öffnete die Fäuste wieder. "Ach, Kira, hier ist noch etwas, was du mitnehmen solltest", flötete sie in freundlichem Ton.

"Ja? Was denn? Ich bin immer hilfreich, wenn ich kann", sagte er, und trat bis an das Becken heran.

"Ach, nur eine Ohrfeige."

"Eine was?"

Da knallte es aber auch schon, und Mais Hand zeichnete sich weiß vor einer roten Wange ab.

"Ach das", nuschelte Kira.

***

Shinji kringelte sich vor Lachen am Boden. "Ich habe es dir doch gesagt", ächzte er zwischen zwei Lachanfällen. "Irgendwann musste das ja passieren. Aber das du ausgerechnet Mai-chan erwischst... Und dann machst du dir nicht mal was aus Frauen."

Kira, der neben ihm auf der Bank saß, und sein blessiertes Gesicht mit einem Steak kühlte, murmelte: "Keine Sorge, an Mai-chan ist auch nichts Frauliches dran."

Diese töricht ausgesprochenen Worte hatten zur Folge, dass der Kopf der besagten Mai Kobashi herum ruckte und Kira mit einem stechenden Blick fixierte. Dazu entrang sich ihrer Kehle ein angriffslustiges Knurren.

Kira wurde blass. Er hatte nie wirklich gelernt, sich gegen Frauen zu wehren, und das wurde jetzt zu einem richtigen Nachteil. Seit seine kleine Schwester eher nebensächlich in der Schlacht um Konoha getötet worden war, hatte er nicht mal einen Gedanken daran verschwendet, jemals eine Frau auch nur hart anzufassen. Und das, obwohl er ihre Mörderin anschließend eigenhändig mit einem Wakizashi erstochen hatte. Dies gereichte ihm nun zum Nachteil. Unter dem zwingenden Blick der Akademie-Abgängerin machte er sich klar, dass das ein tödliches Defizit war, das er sich da aufgehalst hatte.

Shinji hörte auf zu lachen. Er erhob sich wieder, und ging auf Mai zu. "Hör mal, Mai-chan, du weißt doch hoffentlich, dass Kira noch viel zu doof ist, um..."

"Ja, das weiß ich!", fauchte sie. "Und wahrscheinlich wird er so den Rest seines Lebens bleiben! Aber was er über mich gesagt hat, das... Das..."

"Ach, verdammt, dann entschuldige ich mich eben dafür, dass ich gesagt habe, dass du so fl..."

"Ach, ist es denn schon so spät?", rief Hanako, und schnitt Kira das Wort im Mund ab. "Da sollten wir wohl besser nach Hause gehen. Mai-chan, wir haben doch den gleichen Weg. Bitte begleite mich. Karin, kommst du?"

"Ja, natürlich." Hanako hakte sich rechts bei Mai ein, Karin links. Dabei tauschten sie einen sehr amüsierten Blick aus, weil ihnen die Situation sehr vertraut war. Kichernd schickten sie sich an, das öffentliche Bad zu verlassen.

"Guten Abend noch, Frau Yamada."

"Guten Abend noch, Fräulein Yodama, Fräulein Akimichi, Mai-chan."
 

Dann waren sie draußen, und genossen die laue Luft des Frühjahrs, das in den Sommer überging.

"Puh", machte Karin. "Zum Glück haben wir es raus geschafft, bevor unser kleiner Schatz hier richtig durchgedreht ist."

Mai errötete, diesmal vor Verlegenheit. "I-ich weiß doch, das ich nicht so weit bin wie die anderen in meinem Alter. Aber dass dieser Idiot so absolut keine Rücksicht nimmt, das ist... Das ist so gemein."

"Das erinnert mich an Mamo-chan", sagte Hanako mit einem Seufzer. "Wollen wir ihr die Geschichte erzählen?"

Karin nickte lächelnd. "Ja, vielleicht geht es ihr dann besser. Mai, gehen wir ein Stück."

"Was für eine Geschichte?", fragte Mai interessiert, während die beiden Frauen sie mitzogen.

"Ach, weißt du, als wir beide Genin geworden sind, da wurde uns Mamo-chan zugeteilt." Sie stutzte. "Mamoru Morikubo aus dem Nara-Clan. Hast du schon von ihm gehört?"

"Flüchtig. Er soll Affen beschwören können, und er hat Otogakure zerstört. Ein guter Shinobi."

Karin lächelte und schnaubte amüsiert. "Ja, so kann man das nennen. Und das war auch schon alles."

"Wie jetzt?"

Hanako tätschelte Mais Hand. "Ach, weißt du, als ich Mamo-chan kennen lernte, da dachte ich, dass er ein ruhiger, etwas zurückgebliebener Zeitgenosse wäre. Wie er die Prüfungen geschafft hat, war mir damals schleierhaft. Er war jemand für mich, den ich rumkommandieren konnte. Schließlich musste ja einer das Denken übernehmen, und das war ich. Aber er hat so eine Art, so ein Wesen, dass..."

"Ich war sofort in ihn verliebt. Von der ersten Sekunde, als ich ihn einmal sein Endan abfeuern gesehen habe", warf Karin ein. "Man sagt sich nicht ohne Grund, das sein Feuer eines der heißesten in ganz Konoha ist. Leider betrifft das nur sein Katon. Damals zumindest."

Hanako lächelte. "Ich habe mich in ihn verliebt, als wir überfallen wurden, und uns Hayate-sensei zurück geschickt hat. Ich wollte beim Sensei bleiben, und hätte ihn als kleine Genin damit unnötig gefährdet. Also hat Mamoru mich gezwungen - GEZWUNGEN - nach Konoha zu fliehen. Ich dachte mir, Wow, ist das wirklich dein Fußabtreter, der ein bisschen dämlich geblieben ist? Ab dem Moment entdeckte ich mehr und mehr von seinem wahren Ich. Und bevor ich mich versah, waren wir Konkurrentinnen, Karin und ich."

Die Akimichi griente die Freundin an. "Aber leider gab es ein Problem."

Hanako seufzte bei diesen Worten. "Ja, ein Riesenproblem."

"Und das war?", fragte Mai interessiert.

"Mamo-chan hat nicht gemerkt, was wir für ihn empfinden", sagte Hanako. "Jahrelang nicht. Ich meine, wir haben ihn geküsst, auf den Mund. Wie oft eigentlich?"

"Oft genug", erwiderte Karin.

"Und es hat nichts genützt. Für ihn waren Frauen... Ich weiß nicht, Shinobi mit einer anderen Bezeichnung?" Karin lachte leise. "Unsere Sensei hatten schon befürchtet, das er niemals Interesse an Frauen entwicken würde, und diese Vorstellung war für Hana-chan und mich einfach schrecklich. Aber wir gaben nicht auf. Und da wir keine Rivalen sein konnten, weil es nichts gab, warum man Rivalin sein konnte, beschlossen wir zumindest dafür zu sorgen, dass sich Mamo-chan ausgerechnet dann, wenn ihm klar wird, was Frauen sind, nicht einfach in irgendeine Frau verliebt, sondern in eine von uns."

"Und stell dir vor, als er endlich gemerkt hat, dass Kunoichi sich frappierend von Shinobi unterscheiden, da hat er sich mit uns beiden hingesetzt, und uns seine Liebe gestanden", erzählte Hanako seufzend. "Unsere Hoffnung wurde nicht enttäuscht. Und ich denke, bei Kira-chan ist auch noch nicht Hopfen und Malz verloren gegangen."

Mai schoss vor Verlegenheit noch mehr Röte in die Wangen. "I-ich will doch gar nichts von Kira! Ich meine, er ist zwölf! Und wenn, dann mag ich Shinji ohnehin lieber!"

Hanako und Karin kicherten.

"Was wir dir erklären wollten", begann Karin, "das ist, das auch jemand wie Kira-chan irgendwann einmal nicht nur weiß, was eine Frau ist, sondern dass er ihr gegenüber auch delikater werden wird. Das heißt, irgendwann kann er das Frauenbad eben nicht mehr einfach so betreten. Und dann wird er sicher auch merken, dass man eine Frau nicht auf ihre Brüste reduzieren kann."

Verstohlen fasste sich Mai an den Brustkorb. "Es ist mir egal, was Kira denkt. Ich will nur nicht, das er mich wie ein Kind behandelt, weil ich wie eines aussehe. Oder dass er mich für schwach hält. Das bin ich nämlich nicht", sagte sie trotzig. Ein wenig leise fügte sie hinzu: "Meint Ihr, da wächst doch noch was?"

Hanako lachte leise. "Du bist dreizehn, Mai-chan. Natürlich wächst dir da noch was. Schau dir doch deine Mutter mal an. Oder die Schwester deines Vaters. Auf beiden Seiten der Familie haben die Frauen Busen. Du kriegst auch noch einen, versprochen."

"Und wenn die ganze Krankengesch... Ich meine, ich bin doch so dünn geworden. Wenn sich das auch auf die Brust auswirkt..."

"Oh, das hat nichts damit zu tun. Aber es schadet sicher nichts, wenn du ein wenig fett isst, und jeden Tag Milch trinkst", sagte Karin.

"Oh. Hast du das damals gemacht, Karin-sempai?", fragte sie, plötzlich aufgeregt, und starrte auf ihren Busen.

"Oh ja, jeden Tag einen Liter, um genau zu sein", sagte sie mit großem Ernst. "Und das mache ich heute noch."

"Wenn ich einen Busen habe, dann nehmen sie mich auch ernster", sagte Mai entschlossen. "Und vielleicht verschwinden dann auch diese dämlichen Sommersprossen."

"Ganz bestimmt. Und für die Sommersprossen musst du Buttermilch trinken, und aus der Sonne bleiben", erklärte Hanako.

Die drei Frauen hielten an. "So, Endstation für dich." Hanako ließ ihren Arm fahren. "Geh früh schlafen, denn morgen ist ein wichtiger Tag, wenn deine Gruppe zusammengestellt wird. Da musst du fit und munter sein."

"Ja, da hast du wohl Recht, Karin-chan." Sie löste sich auch von Hanako. Die kleine Gruppe stand vor dem Haus ihrer Familie. "Ich gehe am besten sofort schlafen", versprach sie. "Gute Nacht!"

"Gute Nacht, Mai-chan", sagte Hanako, und winkte ihr hinterher.

"Gute Nacht, Mai-chan", sagte Karin.
 

Als sich die Tür hinter dem Mädchen geschlossen hatte, gingen die beiden Mädchen weiter.

"Das erinnert mich doch sehr an unsere Anfänge, Karin."

"Was du nicht sagst, Schatz. Sie wird mit ihrer Gruppe viel Spaß haben." Die Akimichi kicherte leise. "Mindestens so viel Spaß wie wir damals."

Hanako fiel ein. "Komm, gehen wir weiter. Ich muss dir noch erzählen, was Samui mir geschrieben hat..."

***

Am nächsten Morgen ging Mai Kobashi mit zwiespältigen Gefühlen zur Ninja-Akademie. Einerseits war sie sehr gespannt darauf, mit wem sie in ein Team kommen und wer ihr Jounin werden würde. Andererseits machte sie sich Gedanken über den gestrigen Abend im Bad. Sie haderte mit sich selbst, weil sie Kira geohrfeigt hatte, und dann auch noch wegen so einer Lappalie. Im Grunde hatte er ja vollkommen Recht, wenn er absolut kein Interesse für ihren Körper aufbrachte. Immerhin dachte sie ja selbst nicht besonders gut über sich selbst, zumindest was ihre weiblichen Reize anging. Aber es ärgerte sie schon, dass sie sich mit ihren dreizehn Jahren von ihren Klassenkameradinnen, die alle ein Jahr jünger als sie waren, nur durch ein paar Zentimeter mehr Körpergröße unterschied. Schuld daran war nur diese vermaledeite Krankheit, die sie ein geschlagenes Jahr ans Bett gefesselt hatte. Auch daran, dass sie immer noch nicht weiblich aussah, und deshalb grundsätzlich weite Klamotten tragen musste. Die Krankheit hatte sie ausgezehrt, und um ein Haar ihren Wunsch zunichte gemacht, eines Tages Kunoichi zu werden, weil sie kaum noch in Form und bei Kräften gewesen war. Aber wenn man sie sich heute ansah, auf ihrem Akademie-Abschlusstag, dann musste doch jeder sehen, welche unglaublichen Mühen sie auf sich genommen und gemeistert hatte, um so weit zu kommen. Schade nur, dass es nie jemand außerhalb ihrer Familie erfahren würde. Sie hatte ihr Bestes gegeben, um allen einzuschärfen, dass es ihr peinlich war, ein Jahr krank gewesen zu sein. Darum galt sie für diesen Zeitraum als "verreist". Hauptsache, es spielten alle mit. Und Hauptsache, sie erlitt nicht wieder einen dieser Schwindelanfälle, die sie die erste Zeit nach dem Krankenhaus sporadisch gehabt hatte.

Daher konnte Kira doch gar nichts von ihren inneren Dämonen wissen. Und hatte die Ohrfeige eventuell unverdient erhalten. Andererseits hatte er sie flach wie ein Brett genannt, und das war eigentlich unverzeihlich, denn sie hatte sehr wohl Busen! Er war halt noch sehr klein...

Oh, es war zum Verrücktwerden!
 

"Mai-chan?"

Die Kunoichi schreckte auf. "Was?"

Neben ihr stand Moegi, eines der wenigen Mädchen, mit denen sie überhaupt zurecht kam. Was wohl daran lag, dass Moegi genau wie sie die Gesellschaft von Jungs denen von Mädchen vorzog. Sie war grundsätzlich mit Konohamaru und Udon unterwegs. "Ah, Moegi-chan. Guten Morgen."

"Guten Morgen, Mai-chan." Das Mädchen mit der buschigen, zu zwei hohen Strängen gebundenen Frisur lächelte sie fröhlich an. "Bist du auch schon so aufgeregt wie ich? Wir kriegen heute unseren Jounin."

"Es geht so", murmelte sie. Kein Wunder, sie war in Gedanken ja vollkommen woanders.

"Was? Interessiert es dich gar nicht, mit wem du in ein Team kommst?"

"Mit wem du in ein Team kommen willst, steht ja außer Frage", erwiderte Mai schelmisch grinsend. "Und wer weiß, vielleicht hat ja Konohamarus Onkel was gedreht..."

Nachdenklich verschränkte Moegi ihre Hände ineinander und streckte sie vor sich. "Na ja, ich fände es schon Klasse, mit Konohamaru-chan und Udon-chan in ein Team zu kommen. Aber manchmal muss man sich ja auch auf was Neues einlassen können, oder?"

Mai hob die Schultern. "Ich glaube, neuer als bei mir geht es gerade nicht. Ich hoffe nur, ich werde nicht mit allzu unfähigen Idioten zusammengespannt, auf die ich dann aufpassen muss."

"Hast du da wen Bestimmtes im Sinn?", fragte Moegi.

"Yumi zum Beispiel."

Das andere Mädchen seufzte. "Ach, du wieder. Du findest doch alle Mädchen als Klotz am Bein. Du bist eine richtige Frauenhasserin. Gibt es auch nur ein Mädchen, das vor deinen Augen Gnade finden würde?"

"Ja, du, Moegi-chan."

Das brachte Moegi zum Lächeln. "Ich hätte nichts dagegen, mit dir ein Team zu bilden, Mai-chan."

Okay, zumindest mit einer Frau verstand sie sich.
 

Als sie den Klassenraum betraten, befand er sich noch im Aufruhr. Die fünfzehn Schüler, die dieses Jahr fünf Teams bilden würden, plapperten aufgeregt miteinander. Mai ließ das kalt. Egal mit wem sie zusammen kommen würde, bis zu einem gewissen Punkt konnte sie jeden mit durchziehen. Davon war sie fest überzeugt.

"Mai-chan!", hörte sie Shinji rufen, und sah auf. Er saß auf der obersten Bank des Raums, und winkte ihr zu. Erst wollte Mai zurück winken, aber dann erkannte sie Kira neben ihm, und mürrisch zu ihr herab sehen.

Mit einem Misslaut der Verachtung wandte sie sich ab, und nahm ihren eigenen Platz in der ersten Reihe ein. Dieser Platz hatte ihr überhaupt erst ermöglicht, ihr Nachholjahr durchzustehen. Sie würde ihn vermissen. Jedenfalls mehr als diesen Idioten Kira. Shinji schon ein klein wenig mehr. Aber man traf sich ja immer wieder in Konoha, oder?

"Wäre echt schön, wenn wir in ein Team kommen", sagte Moegi noch mal und lächelte pausbäckig.

Mai versuchte, Zustimmung zu heucheln, denn sie war sich sehr sicher, dass Konohamarus Team schon feststand. "Ja, das wäre super, Moegi-chan. Ich drücke uns beiden die Daumen."

"Wird schon schief gehen", erwiderte sie, griente sie an wie ein Stück Sachertorte, und ging zu ihrem eigenen Platz zwischen Udon und Konohamaru.
 

Kurz darauf betrat Iruka-sensei den Klassenraum. "Morgen. Ich werde jetzt die Aufstellung der Teams verkünden, die Ihr bilden werdet. Anschließend bleibt Ihr so lange hier, bis euer Teamchef euch abholt. Ich sage euch gleich, das kann bei einigen dauern." Der Sensei setzte sich, und kramte eine Akte aus seiner Tasche hervor. "Die erste Gruppe besteht aus Konohamaru, aus Udon und aus Moegi."

Mai verkniff sich ein zustimmendes Schnauben. Hatte sie es doch gewusst. Aber sie gönnte es den dreien. Sie klebten ohnehin wie Pech und Schwefel aneinander. Von ihrem Platz hier unten konnte sie die drei aufgeregt miteinander plappern hören, als ihr Traum erfüllt wurde.

"Euer Sensei wird Ebisu sein."

"Was? Wieso denn Ebisu-san?", rief Konohamaru aufgeregt. "Den kenne ich doch schon!"

"Eben gerade drum. Ein Siegerteam soll man nicht auseinander brechen", erklärte Iruka-sensei grinsend. Dann widmete er sich wieder seiner Akte. "Die zweite Gruppe besteht aus Kira..."

Mai spitzte die Ohren. Gut, war der Bursche schon mal aus ihrem Sichtkreis raus.

"Shinji..."

Ob das gut ging? Die beiden verstanden sich zwar, aber Kira hatte oft so eine ablehnende Art, und ob sich das mit Shinjis strahlendem Wesen vertrug? Außerdem neigten sie ständig dazu, miteinander zu konkurrieren, und... "...und Mai."

"Hääää?" Mai war aufgesprungen, und für einen Moment dachte sie, sie selbst hatte gerufen. Aber wenn sie genauer darüber nachdachte, dann war es von oben gekommen. Sie wirbelte herum, und sah, das Kira auch aufgesprungen war.

"Ich werde doch nicht mit der..."

Mai blies ärgerlich die Wangen auf. "Ich werde auf keinen Fall mit dem da..."

Dazu hockte Shinji wie zwischen zwei Fronten, und versuchte beide zu beruhigen. "Versuchen wir es doch mal miteinander."

"Ach, ich bitte euch!", rief Iruka-sensei. "Wir stellen die Gruppen so zusammen, sodass ihre Kampfstärke möglichst ausgeglichen ist, und sich die Fähigkeiten der Gruppe ergänzen. Dazu kommt, dass zwei von euch, nämlich Shinji und Mai, Fuuton-Charakter haben. Euer Sensei ist gerade dabei, sich ein zweites Element anzueignen, und das ist zufällig Fuuton. Und für dich, Kira, ist entscheidend, das er zu den guten Schwertkämpfern Konohas gehört. Das wird dich im Taijutsu weiter bringen."

Mai schnaubte überheblich, und verschränkte die Arme vor der Brust. Oben hörte sie Kira einen ähnlichen Laut von sich geben.

"Echt jetzt? Ein zweites Element? Heißt das, wir kriegen einen Voll-Jounin, keinen spezialisierten?", rief Shinji aufgeregt. Himmel, war der Junge leicht zu begeistern.

"Äh, nein, das heißt es nicht wirklich. Euer Sensei ist nur ein Chunin, und er übernimmt eure Gruppe auf Befehl von Tsunade-sama."

Das brachte die anderen Abgänger zum Kichern. Nur ein Chunin. Mai duckte sich ein wenig, denn irgendwie schämte sie sich gerade ein bisschen und fühlte sich selbst wie Ausschussware, weil sie keinen eigenen Jounin bekommen würde.

Oben auf der Bank von Shinji und Kira erklang ein sehnsuchtsvolles Schluchzen. "Dann... Dann ist es also wahr? Wir kriegen ihn? Sensei, kriegen wir wirklich ihn?"

"Kommt drauf an, wen du mit "ihn" meinst, Shinji", sagte Iruka-sensei amüsiert.

"Na, ihn! Den Affenkrieger-Kontraktträger! Der Mann, der mit acht Ninjas eine Burg erobert hat! Den Vernichter von Otogakure!"

Mai sah erneut hoch zu den Jungs, die nun, tja, den Rest ihrer Gruppe bildeten. Shinji schien regelrecht in Ekstase zu geraten, während Kira eher die Hand vor die Augen hielt und leise flehte: "Oh nein, bitte nicht dieser leichtgläubige Idiot."

"Ihr bekommt Mamoru Morikubo", verkündete Iruka-sensei.

Shinji quittierte das mit einem triumphierenden Freudenschrei, und wurde mit dem neidischen Gemurmel der anderen belohnt, denn die Vernichtung Otogakures war Teil des Lehrstoffs gewesen.

Kira stieß einen Seufzer absoluter Entsagung aus, weil das Schicksal so grausam zu ihm war.

Und Mai erinnerte sich gerade daran, woher sie den Namen kannte. Nicht nur aus dem Lehrstoff, sondern vor allem - von gestern Abend, als sie mit Karin und Hanako nach Hause gegangen war. "Ausgerechnet der?", rief sie erstaunt. Okay, ab hier wurde die Sache interessant.

"Keine Widerrede. Ihr seid so aufgestellt, wie es für euch das Beste ist", mahnte Iruka-sensei.

Dabei war sie erstaunt gewesen, und hatte mitnichten versucht zu protestieren.

"Kommen wir zur nächsten Gruppe..."

Aber da hörte Mai schon nicht mehr zu.
 

Etwa eine Stunde später saßen Shinji, Mai und Kira allein im Klassenraum. Nur Iruka-sensei war noch da und wartete mit ihnen. Entschuldigend sagte er: "Ich habe euch gewarnt. Jeder von uns Shinobi hat auch Pflichten, die er erfüllen muss. Und Mamo-chan, ich meine Morikubo-tono ist ein hoch geschätzter Gruppenführer, der meistens mit Neuner-Teams unter sich eingesetzt wird. Ihr seid zwar seine neueste Aufgabe, das aber erst, wenn er durch diese Tür kommt, und euch mitnimmt." Er sah auf seine Uhr. "So, ich muss los. Auf mich wartet Unterricht. Viel Glück, und viel Spaß wünsche ich."

Die drei murmelten ihre Verabschiedungen mehr gequält - wenn man davon absah, welche gute Laune Shinji hatte, und welchen Elan er an den Tag legte. Selten war seine gute Laune weniger hilfreich gewesen.

Als sie alleine waren, rieb sich der etwas dickliche Junge die Hände. "Also, was tun wir? Machen wir die Tür einen Spalt weit auf und klemmen einen schmutzigen Tafelschwamm dazwischen, damit er Morikubo-sama auf den Kopf fällt, weil er so spät dran ist?"

"Kindischer geht es wohl nicht", murrte Mai.

"Richtig. Es reicht vollkommen, wenn sich unser neuer Gruppenführer wie ein Kind benimmt und seinen Pflichten nicht nachkommt", stimmte Kira ihr zu.

Die beiden sahen sich zufrieden an, und nickten sich zu. Bis sie merkten, was sie taten, und sich wieder brüsk voneinander abwendeten.

"Leute. Leute!" Shinji legte beiden eine Hand auf die Schulter. "Wir sind ab jetzt ein Team. Eine Mannschaft. Ein Körper mit drei Köpfen, sechs Armen und sechs Beinen. Wir müssen wie eine gut geschmierte Maschine sein, wenn wir die Welt der Shinobi überleben wollen. Da ist es ein ganz schlechter Start, wenn wir das gleich mit einem Streit tun. Könnt Ihr nicht wenigstens versuchen, miteinander auszukommen?"

Kira blinzelte vorsichtig hinter sich. "Wenn... Wenn sie nicht so schnell beleidigt ist in Zukunft, wenn man mal die Wahrheit sagt..."

"Hm", machte Mai. "Wenn dieser Idiot eventuell, und ich meine wirklich nur eventuell begreifen könnte, was es mit Frauen an sich auf sich hat, und wie man sie richtig behandelt, dann ganz vielleicht."

"Normalerweise töte ich sie", entfuhr es Kira.

Mai schreckte auf. "Was?"

"Ahaha! Ahahahahaha! Mai-chan, komm doch mal mit!" Hastig zog Shinji sie ein paar Schritte fort. "Pass auf, das ist jetzt ziemlich wichtig. Damals, als Suna und Oto Konoha angegriffen haben, wurde seine kleine Schwester getötet, weil sie von der Evakuierungsgruppe getrennt wurde. Eine Oto-Nin hat sie umgebracht. Kira gibt sich daran heute noch die Schuld. Ach, und dann hat er die Kunoichi mit einem Wakizashi erstochen. Seither hat er es nicht so mit Frauen."

"D-du meinst, er hat schon mal getötet?"

"Ja, das meine ich. Aber das Wichtige hier ist, dass du das Thema besser... Aussparst, bis er selbst drauf zu sprechen kommt. Bitte? Ich meine, jeder von uns hat doch irgendeine Macke."

Das erinnerte Mai an ihre Macke, Frauen betreffend, und ihre körperliche Schwäche nach der Krankheit, die sie immer noch nicht ganz in den Griff gekriegt hatte.

"Okay?", fragte Shinji hoffnungsvoll.

"Okay", sagte Mai, und ging mit dem Jungen zurück zu Kira.

Sie sah zur Seite, streckte aber die Rechte aus. "I-ich entschuldige mich für die Ohrfeige. U-und ich wünsche uns eine gute Zusammenarbeit im neuen Team."

Misstrauisch beäugte Kira die ausgestreckte Rechte. "Shinji, was hast du ihr gesagt?"

"Dass du eine ehrliche Entschuldigung annehmen kannst, zum Beispiel?"

Für einen Moment rang er mit sich, dann aber schlug er ein, und sie schüttelten sich die Hände.

Als sie sich wieder voneinander lösten, scharrte er verlegen mit den Füßen. "U-und mir tut es leid, was ich über dich gesagt habe. Ich meine, dass du so flach wie ein Brett bist, und so. Ich habe das nicht böse gemeint. Ehrlich nicht. Und ich verspreche dir, ab jetzt achte ich darauf, was sich bei dir tut. Und ich freue mich mit dir über jeden Zentimeter Umfang. Ich meine, das wird schon, vertrau mir. Ich... Ist was?"

Shinji hatte beide Hände vor dem Gesicht zusammengeschlagen und schüttelte in stillem Leiden den Kopf, während Mai ihre Linke schützend vor ihren Brustkorb gelegt hatte und mit der Rechten ausholte. "Kiiiiiiiraaaaaaaa..."

"Autsch!"

Der ewige Chunin 2

2.

"Maria! Pass auf!"

Auf den Warnruf von Hassin hin warf sich die Getsu-Nin herum, und entging so dem Erdpfahl, der sie andernfalls aufgespießt hätte. Den zweiten blockte sie mit einem Kunai, und benutzte dessen kinetische Energie, um sich in Sicherheit zu bringen. "Danke!", rief sie dem Kampfgefährten zu, ohne den Blick von den Gegnern abzuwenden. Acht waren es jetzt, und durch die Bank waren sie Nukenin. Nicht gut, nicht gut. Und sie vertraten alle fünf Aspekte der Elemente: Erde, Feuer, Wasser, Luft und Blitze. Zudem hingen sie an ihrer Freiheit, und sie würden es überhaupt nicht gerne sehen, wenn die beiden Getsu-Ninjas ihren Dörfern erzählten, wo sie die Deserteure das letzte Mal gesehen hatten. Das hatten sie schon den ganzen Tag über deutlich gemacht. Verdammt hartnäckig, diese Nukenin.

"Sollen wir uns trennen?", fragte Hassin.

Maria winkte ab. "Wir sind stärker als sie, und ihr einziger Vorteil ist ihre Zahl. Wir müssen sie nach und nach reduzieren. Dafür sollten wir aber zusammen bleiben. Fliehen wir, und warten wir auf unsere Chancen."

"Du bist der Boss", sagte Hassin. Die beiden nickten einander zu, dann sprangen sie mit Step davon. Die acht Nukenin folgten ihnen ohne jede Verzögerung.

***

"Guten Morgen, Sempai!"

Zu Tode erschrocken fuhr ich aus dem Bett auf. Ich hatte die ganze Nacht damit verbracht, die Akten meiner drei Genin zu wälzen, und war erst spät ins Bett gegangen. Ich hatte mir schon die ganze Woche einen Kopf drum gemacht, wie ich meine Genin behandeln sollte, und gestern war es nicht besser gewesen. Derart aus dem Bett gebrüllt zu werden machte es nicht gerade leichter.

So, da stand ich also nun hellwach in meinem Bett. Ja, ich stand. Und vor mir stand Lee. Wieder mal. Die Szene kam mir doch sehr bekannt vor. Oder hatte ich die ganze Suna-Geschichte etwa nur geträumt? Nein, unmöglich. "Morgen, Lee-kun", erwiderte ich. "Was machst du hier?"

"Yuriko-chan hat mich geschickt, um dich zu wecken", erklärte der Schüler des Grünen Biests von Konoha mit stoischer Miene.

"Das sehe ich. Aber was machst du hier, Lee-kun?"

Nun sah er ein wenig verlegen zu Boden. "Es ist so... Obwohl du uns auf das Chunin-Examen begleitet hast, bin ich nicht dazu gekommen, dich in Aktion zu sehen. Und bis die Entscheidung, ob ich ein Chunin werde oder nicht, gefallen ist, habe ich keine Aufträge zu erfüllen. Eigentlich habe ich Urlaub. Und da ich gehört habe, dass du deine eigene Genin-Gruppe übernimmst, dachte ich mir... Da dachte ich mir, ich biete dir meine Hilfe an, Sempai."

Gut, das war schlüssig. Ich seufzte, und setzte mich wieder auf mein Bett. "Ich wurde schon mal angenehmer geweckt, weißt du?", tadelte ich ihn.

Lee wurde ein klein wenig nervös. "Yuriko-chan hat mich darauf hingewiesen, dass du einen tiefen Schlaf hast, und..."

"So, hat sie das?", fragte ich teils verärgert, teils amüsiert, und sah zur Zimmertür. Meine große Schwester beobachtete mich durch einen Türspalt und kicherte. War ja wieder klar gewesen.

Ich warf einen Blick auf die Uhr. Acht Uhr morgens. Eine Stunde später, als ich hatte aufstehen wollen. Aber vor zwölf musste ich die Genin auch nicht abholen. Ich hatte noch genügend Zeit, um ein paar drängende Fragen zu klären, die ich mir gestern gestellt hatte.

"Also, darf ich...?", fragte Lee vorsichtig.

"Was? Mitkommen?" Nachdenklich rieb ich mir das Kinn. Männlichmarkante Stoppeln machten diese Geste zu einem maskulinen Erlebnis. Noch zehn mehr, und ich würde mich sogar rasieren müssen. "Warum eigentlich nicht? Wenn du schon mal Zeit hast."

"Danke, Sempai!", rief Lee erfreut. Erstaunt sah ich, dass er vor Freude sogar ein wenig weinte.

"Nun übertreib mal nicht gleich. Genin zu trainieren, die frisch von der Akademie kommen, ist extrem langweilig."

"Merkwürdig. Mir ist die Anfangszeit mit Guy-sensei und den anderen nie langweilig vorgekommen", sinnierte Lee. "Es kommt wohl drauf an, was man daraus macht."

Ich musste lachen. Da war der junge Lee genau eine Minute mein Helfer, und schon hatte er mir eine wichtige Lektion erteilt. "Also gut. Machen wir was draus. Hast du schon gefrühstückt? Lust, mit mir zu essen?"

"Macht Yuriko-chan wieder diese tollen Pfannkuchen?", fragte er hoffnungsvoll.

"Darauf kannst du dich verlassen", brummte ich, und schwang die Beine aus dem Bett. "Wir treffen uns in der Küche."

"Jawohl, Sempai." Mit strahlenden Augen verließ er mein Zimmer. Zeit für mich, um mich anzuziehen. In der vollen Einsatzmontur mit kompletter Bewaffnung. Dazu gehörte nicht nur meine Kunai-Tasche, sondern auch das Kampfschwert, das ich von Maria erhalten hatte, als ich Amnesie gehabt und sie für meine Gefährtin gehalten hatte. Das weckte wiederum meine Erinnerung an die "neue" Maria. Sie verwirrte mich ein wenig, denn sie war genauso wie die Maria, die mir vorgespielt hatte, sie würde mich lieben. Ob sie mir immer noch etwas vorspielte? Das war wahrscheinlich nicht der Fall. Aber wer verstand schon die Frauen? Ich versuchte es seit siebzehn Jahren, und war bisher immer noch gescheitert.

Zum Beispiel war da Aki-chan. Es bestand eine ziemlich hohe Wahrscheinlichkeit, das ich sein Vater war, dass er entstanden war, als Maria - um mich noch enger an die fliehenden Oto-Nin zu ketten - mit mir geschlafen hatte. Dass sie ausgerechnet mit Khal geschlafen haben sollte, war in etwa so wahrscheinlich wie das es in Sunagakure regnete, aber dennoch mühten sie eine ganze Stadt ab, um mich davon zu überzeugen, dass ich mit Akira nichts zu tun hatte.

Gut, ohne einen Beweis konnte ich nur vermuten, sein Vater zu sein, und den blieben mir Maria und die Mädchen schuldig. Ich wusste nicht, warum sie zu so einer hanebüchenen Ausrede gegriffen hatten, aber wenn sie es unbedingt so wollten, dann war ich eben nicht sein Vater. Das war mir genauso Recht. Ich mochte den kleinen Burschen zwar sehr, und hatte ihn tief in mein Herz geschlossen, und es würde mir nichts ausmachen, tatsächlich für ihn ein Fremder zu sein... Aber wenn es doch so war, dann würden sie es mir irgendwann von selbst erzählen. Irgendwann. Und bis dahin spielte ich eben mit. Dann war es halt so, und nicht anders. Ich hatte ja Erfahrung darin, den Naivling zu spielen, der nichts mitbekam.
 

Als ich voll ausstaffiert war, schnappte ich mir die drei Akten meiner Genin und trat ich auf den Gang, und von dort in die Küche. Kou erwartete mich grinsend, einen Becher Kaffee in der Hand. "Morgen, Mamo-chan."

"Guten Morgen, du Perle der Hyuuga. Was treibt dich so früh in unser Haus?"

"Wer sagt dir, das ich erst heute gekommen bin?", fragte er grinsend.

Ich zuckte die Achseln und setzte mich an den Tisch, wo Lee bereits an einem Pfannkuchen mampfte. "Yuriko-oneechan ist eine erwachsene Frau, gesund obendrein, und sehr attraktiv. Sie kann tun und lassen, was immer sie für richtig hält. Wenn sie sich also an dich Trottel verschenken will, kann ich wohl schwerlich was dagegen haben."

Kou sah missmutig zu meiner Schwester herüber. "Früher hat es mehr Spaß gemacht. Da ließ er sich noch foppen."

"Tja, wir alle werden erwachsener. Ich, mein kleiner Bruder, Lee... Und sogar du, Kou Hyuuga. Aber die letzte Nacht war schon toll."

Nun regte sich doch so etwas wie Widerstand in mir, als die Fopperei von Kou einen wahren Kern zu bekommen schien. "Ha! Wissen Mama und Papa davon?"

Yuriko schaufelte mir einen Pfannkuchen auf den Teller. "Reg dich gar nicht erst auf, kleiner Bruder. Wir sind verlobt, und da ist es heutzutage normal, dass man auch die Nächte miteinander verbringt."

Ich stutzte. "Verlobt? Seit wann das denn?"

"Seit über drei Wochen. Ich habe es dir erzählt, Mutter hat es dir erzählt, Vater hat es dir erzählt, Kou hat es dir erzählt, aber du läufst ja seitdem herum wie ein Schlafwandler, ständig am Grübeln, und immer in diese drei Akten vertieft. Ich kenne deine drei Genin noch nicht mal, und schon werde ich eifersüchtig, weil ich dich nicht mal mit ihnen teilen kann. Sie nehmen dich total ein", tadelte sie mich.

"Ihr seid tatsächlich verlobt?", hakte ich nach.

Yuriko seufzte. "Ich gebe es auf. Mehr hat er nicht mitgekriegt. Und so ist er schon, seit Tsunade-sama ihn einbestellt hat. Ja, Mamoru, wir sind verlobt. Wir hatten dir eine Nachricht geschickt, damit du deinen Aufenthalt in Suna unterbrichst und für die Feier nach Konoha zurückkehrst, aber du bist ja lieber diesem Kabuto hinterher gejagt, als beim großen Tag deiner Schwester und deines besten Freundes dabei zu sein."

Mein Kinnladen klappte nach unten. Was? WAS? Das hörte ich echt zum ersten Mal. Und genau das war das Problem. Mit einer erbärmlich winselnden Stimme versuchte ich, mein Leben zu retten. "Entschuldigung?"

Kou lachte. "Ist schon in Ordnung, Mamo-chan. Wir haben damit gerechnet, dass du es nicht schaffst. Aufträge gehen immer vor, und es war auch eine sehr spontane Entscheidung, damit ich aus dem Anwesen der Hyuuga-Familie ausziehen konnte."

"Ausziehen? Wohin?", fragte ich erstaunt.

Kou warf meiner Schwester einen amüsierten Blick zu. "Er hat wirklich nichts mitbekommen, was?"

"Jedenfalls ziehen Kou und ich bald zusammen. Das Nebenhaus wird frei, weil der alte Herr Nobu nach dem Tod seiner Frau zu seinem ältesten Sohn zieht. Und dann machen wir die alte Verbindungstür auf, und es wird sich nicht allzuviel ändern."

"Oh. Das ist toll. Beides, meine ich. Die Verlobung, und dass Ihr zusammenzieht. Aber ich hatte ja eigentlich immer die Hoffnung, dich mal selbst heiraten zu können, Onee-chan", scherzte ich.

Sie drohte mir amüsiert mit dem Pfannenwender. "Du! Du hast mich gar nicht verdient, mich, deine unglaubliche, talentierte und wunderschöne große Schwester. Gib dich mit dem zufrieden, was du kriegen kannst. Und das ist ja auch ganz nett."

"Kann man so sagen", kommentierte Kou, und schenkte sich Kaffee nach. "Nicht so gut wie meins, zugegeben."

"Das hast du schön gesagt, Schatz." Sie gab meinem besten Freund einen Kuss auf den Mund.

"Gerne wieder, Yuriko."

"Aber Ihr turtelt jetzt nicht jeden Tag vor meinen Augen, oder?", stöhnte ich.

"Wieso nicht? Das haben wir vorher doch auch schon gemacht."

"Stimmt auch wieder." Ich ächzte leise. Und ich stand auf, um zuerst Kou brüderlich zu umarmen, und dann meine Onee-chan. "Na, da wünsche ich euch doch verdammt viel Glück, wenn Ihr wirklich versuchen wollt, euch zusammenzuraufen. Ich helfe gerne, wo ich nur kann."

"Ha", machte Yuriko, "als wenn ausgerechnet du uns in Beziehungsfragen eine Hilfe sein könntest."

"Nun sei doch nicht so gemein zu ihm, Yuriko. Er gibt sich schließlich Mühe", tadelte Kou.

"So? Ich bin wie immer zu ihm. Würde ich das ändern, dann würde ihn das mehr stören." Sie bleckte grinsend ihre Zähne. "Nicht, Mamoru?"

"Oh ja, eine verständnisvolle, sanfte und liebe Onee-chan würde mich zu Tode ängstigen."

Yuriko schlug mir gegen den Oberarm. "Redest du wieder. Ab, zurück auf deinen Platz. Der Pfannkuchen wird kalt."

Grinsend nahm ich wieder Platz. "Tee, bitte."

"NACHSCHLAG, BITTE!", rief Lee. "Yuriko-chans Pfannkuchen sind die Besten von ganz Konoha!"

"Dann bist du gar nicht gekommen, um mir zu helfen, sondern weil du Pfannkuchen essen wolltest, Lee-kun?", scherzte ich.

"E-ein bisschen von beiden, zugegeben."

Ich senkte den Blick und schnaubte leise. "Ihr schafft mich. Ehrlich, irgendwann schafft Ihr mich."

"Das war der Plan, kleiner Bruder", sagte Kou, und grinste mich über den Rand seiner Tasse an.
 

"Ach ja, bevor ich es vergesse. Ich war in der Kommission, die die neuen Genin-Gruppen zusammen gestellt hat. Ich habe dafür plädiert, dir Kira Yamada zuzuteilen. Er gehört zum Hatake-Clan, und seine Familie hat gute Beziehungen zum Haupthaus."

Ich horchte auf. Mit "Haupthaus" meinte er natürlich die Hyuuga-Familie, und dort die offiziellen Oberhäupter.

"Sein Vater ist Händler, aus Kumogakure eingewandert, ein, zwei Jahre vor dem Krieg. Er wird auch heute noch, fünfzehn Jahre später, sporadisch von den ANBU kontrolliert."

"Hm. Aus Kuro, Händler und in Konoha eingeheiratet, ausgerechnet bei den Hatakes", sagte ich nachdenklich. "Lass mich raten: Er wird verdächtigt, ein Spion zu sein."

"Ja, noch immer, obwohl es nie Beweise dafür gab. Und obwohl Tsunade-sama sagte, dass es immer ein paar Spione geben müsste. Er unterhält eben noch familiäre Bindungen nach Kumo, und sein Sohn hat eine Raiton-Affinität. Typisch für Kumo."

"Blitze also. Wie nett. Und wo ist das Problem? Ich nehme jeden Genin."

Kou schüttelte den Kopf. "Du verstehst nicht. Genau deswegen habe ich dafür plädiert, ihn dir unterzuschieben. Du denkst nicht alle zwei Minuten drüber nach, ob der Junge ein Spion sein könnte. Oder ob sein Vater einer ist. Du stehst da so vollkommen drüber, das es bewundernswert ist. Du weißt doch, der normale Bewohner Konohas ist von Natur aus misstrauisch und argwöhnisch."

"Ja, das unterschreibe ich sofort. Und was mache ich mit diesem Kira dann? Selbst ausbilden kann ich ihn nicht."

"Für sein Raiton wird Kakashi-san sorgen, sobald der Junge weit genug ist. Mach dir also darum keinen Kopf. Bring du ihm die Grundlagen des Teamplays bei, so wie es sich gehört."

Yuriko schenkte mir Tee ein. "Grüner heute mal."

"Danke, Onee-chan. Kou, alter Freund, mach dir keine Sorgen um Kira Yamada. Ich behandle ihn wie die anderen Genin auch."

"Das wollte ich hören", erwiderte Kou, und nahm einen Schluck Kaffee.

"Nur habe ich noch absolut keine Ahnung, wie ich die behandeln sollte", gab ich zu.

Kou erschrak von diesen Worten so sehr, dass er den Schluck Kaffee wieder ausspuckte. "Ach ja", murmelte er, "da haben wir wieder das Mamoru-Prinzip."

Yuriko hielt ihm einen Lappen vor die Nase.

"Hä?"

Sie deutete zu Boden. "Aufwischen, mein Lieber. Oder denkst du, ich bin deine Putzfrau?"

"Natürlich nicht", erwiderte er, und trocknete den Boden vom ausgespuckten Kaffee.

"Ah, ich sehe schon, wer von euch die Hosen anhaben wird." Grinsend machte ich mich über meinen Pfannkuchen und den Tee her.

"NACHSCHLAG BITTE!", rief Lee.

Was mich wieder daran erinnerte, worüber ich schon die ganze Woche gegrübelt hatte. Da waren immer noch drei Genin.

***

Etwa gegen halb neun Uhr morgens fand ich den ersten Menschen auf meiner Liste, die ich befragen wollte. Ich erwischte Asuma zwischen Tür und Angel im Sarutobi-Haupthaus. "Asuma! kann ich dich was fragen?"

Der große, bärtige Mann steckte sich eine Zigarette an und nahm einen tiefen Zug. "Mamo-chan, Lee, guten Morgen. Ich gratuliere zu deiner ersten eigenen Gruppe, Mamo-chan."

"Da sind wir ja genau beim Kern. Wie soll ich meine Genin eigentlich behandeln? Ich weiß, ich soll sie ausbilden, aber..."

"Ja, das weiß man anfangs nie so genau. Lass es doch einfach so auf dich zukommen, und entscheide spontan. Außerdem hast du doch einen guten Anfang, wenn ich dir und zweien deiner Genin die Grundlagen des Fuuton beibringe." Er dachte kurz nach. "Nein, das ist keine gute Idee. Dann stündest du mit ihnen auf einer Stufe, und das ist sehr, sehr schlecht. Besser, ich bilde dich aus, und du gibst dann das an deine Genin weiter. Schritt für Schritt für Schritt."

"Ist das nicht ein bisschen falsch? Und täuscht das nicht eine Stärke vor, die ich gar nicht besitze?", tadelte ich.

"Sagte der Mann, der Otogakure vernichtet hat", schmunzelte Asuma. "Ich sage, lass es auf dich zukommen, und entscheide spontan. Der Rest wird sich ergeben. Komm morgen vor sieben noch mal vorbei. Ich zeige dir dein erstes Fuuton-Jutsu."

"Danke für's Jutsu, Asuma, aber bei meinem Problem mit den Genin hast du mir nicht sehr geholfen. Ich kann es doch nicht unvorbereitet auf mich zukommen lassen. Ich brauche doch einen Plan. Irgendwas."

Asuma klopfte mir auf die Schulter. "Und den muss jeder Jounin für sich alleine herausfinden, wenn er eine Gruppe übernimmt. Also auch du."

"Ja, verstehe. Nur bin ich eben nur Chunin", murrte ich.

"Und du meinst, deshalb muss bei dir alles perfekter laufen als bei uns? Ach komm, Mamo-chan, versuch doch einfach Spaß zu haben."

"Auch das", murmelte ich bedrückt, "hilft mir nicht weiter. Die sollen was lernen bei mir, oder?"

"Auch", wandte Asuma ein. "Hm, vielleicht fragst du mal Yuuhi. Kiba, Shino und Hinata sind ihre allererste Gruppe. Du kannst sie fragen, wie sie sich vorbereitet hat."

"Okay, das ist eine gute Idee. Danke, Asuma."

"Viel Glück bei deinem Projekt. Lee, was machst du eigentlich hier? Bist du nicht auf einer Mission?"

"Äh, ich habe Freizeit, bis die Chunin-Kommission tagt. In der Zeit wollte ich Mamoru-sempai helfen, und mit ihm daran arbeiten, die Wunder der ungezügelten Jugend in kämpferische Bahnen zu lenken, sprich: Mich nützlich machen."

Asuma lachte lauthals. "Eine gute Idee. Wer rastet, der rostet. Yuuhi ist übrigens Zuhause, Mamo-chan."

"Danke dir", erwiderte ich, reichte ihm die Hand, und machte mich mit Lee auf den Weg.
 

Gegen halb zehn fand ich Kurenai-sensei. Ich wollte sie rufen, gerade als sie aus ihrem Haus kam, und zwar mit ihrem Nachnamen. Das erinnerte mich allerdings an ihre Reaktion. "Yuuhi... sensei", rief ich. Sie bestand zwar immer darauf, das ich sie mit ihrem Vornamen ansprach, aber ich konnte das Sensei einfach nicht weglassen.

Die Genjutsu-Nutzerin lächelte, als sie uns kommen sah. "Oh, schön, du lernst ja doch dazu. Hallo, Mamo-chan. Hallo, Lee. Was gibt es denn?"

"Wir wollen der Unrast der stürmischen Jugend nachgehen", sagte Lee mit ernster Stimme.

"Was er meint, ist, ich habe keine Ahnung, wie ich meine Genin-Gruppe handhaben soll. Asuma war mir keine große Hilfe. Er sagte, ich solle es einfach auf mich zukommen lassen."

"Und damit hast du ein Problem?", fragte sie mitfühlend. "Deine erste Gruppe, hui, da werden Erinnerungen wach."

"Ja, ja, genau darauf habe ich gesetzt! Wie hast du das gehandhabt, mit Hinata-chan, Shino und Kiba?"

Mitleidig sah sie mich an. "Ich habe es einfach auf mich zukommen lassen. Tut mir leid, Mamo-chan, aber es ist die beste Methode."

"Aber doch nicht für mich! Ich meine, ich bin nur ein Chunin, und da muss ich doch besser vorbereitet sein als Ihr. Tsunade-sama lässt mich bestimmt beobachten. Und sobald ich Mist baue..."

"Na, na, na, nicht so wehleidig. Hast du es denn schon bei Guy oder Kakashi probiert?"

"Kakashi ist mein Notnagel, wenn alles andere versagt. Aber Might Guy fragen ist auch eine gute Idee. Wo finde ich ihn denn?"

"Äh", machte Lee, "er ist gerade auf einer Mission an der Küste. Kommt nicht vor morgen zurück."

"Mist", entfuhr es mir. "Wen außer Kakashi kann ich denn noch fragen?"

"Wie wäre es mit Yamashiro-kun? Du kennst ihn doch recht gut."

"Ja, aber Aoba-san ist spezialisierter Jounin, und hat mit einer eigenen Gruppe nichts am Hut. Der Glückliche", erwiderte ich.

"Wie wäre es dann mit Genma? Oder gleich mit Yugao-chan?"

"An Shiranui habe ich noch gar nicht gedacht. Und Uzuki-sensei ist auch eine gute Idee. Danke dir, Yuuhi." Ich stutzte. "Entschuldige bitte, aber warum lächelst du so entrückt?"

Kurenai-sensei legte lächelnd den Kopf schräg. "Du hast mich gerade das erste Mal Yuuhi genannt, ohne ein Suffix zu benutzen. Das macht mich glücklich, Mamo-chan. Ich glaube, für dich gibt es tatsächlich Hoffnung."

"Wirklich?", fragte ich verblüfft.

"In der Tat. Und nun beeil dich mit den anderen. Deine Genin warten, oder?"

"Danke für die Hilfe, Yuuhi." Teufel, es ging ganz leicht über die Lippen. Ich umarmte sie zum Abschied, und eilte mit Lee davon. Wo also fand ich Genma Shiranui?
 

Gegen zehn, und zwar im Büro der Hokage. Dort wartete ich bis elf im Vorraum darauf, das Genma wieder rauskam, aber es tat und tat sich nichts. Schließlich wurde es mir zu bunt, und ich beschloss Uzuki-sensei zu suchen. "Komm, lass uns gehen, Lee. Es gibt noch andere Jounin, die ich fragen kann."

"Aber Mamoru-sempai, Ausdauer ist auch eine wichtige Eigenschaft für einen Shinobi", erwiderte er.

"Mamoru? Soll reinkommen!", hörte ich Tsunade-samas Stimme durch die Tür donnern.

Mist, das hatte ich jetzt davon. Entsprechend vorsichtig öffnete ich ihr Büro. "Ich wollte nicht stören, Tsunade-sama, nur mit Shiranui sprechen."

"Da hast du aber Glück. Er steht vor dir", sagte sie. "Nur zu, die kleine Unterbrechung können wir uns leisten. Oder, Shizune?"

"Wir liegen gut in der Zeit", sagte ihre Sekretärin nach einem Blick auf ihr Klemmbrett.

"Was gibt es denn, Mamo-chan?", fragte der große Jounin.

"Äh, das ist mir jetzt ein bisschen peinlich, aber Kurenai-sensei meinte, ich sollte dich mal fragen, Shiranui."

"Yuuhi weiß keinen Rat für dich? Na, das ist ja mal interessant", murmelte die Hokage.

Ich spürte, wie mir leichte Röte in die Wangen schoss. Gleich würde ich mich restlos blamieren.

"Es ist so...", begann ich, mit meinem Leben abschließend...
 

Schallendes Gelächter hallte durch den Amtssitz der Hokage. Es stammte von Tsunade-sama, und mit jeder Sekunde, die es anhielt, wurde ich kleiner und kleiner.

Als sie meinen zutiefst getroffenen Blick sah, hörte sie auf zu lachen und räusperte sich. "Entschuldige, Mamoru. Ich lache nicht über dich. Es ist die Duplizität der Ereignisse, die mich amüsiert."

"Duplizität der Ereignisse?", fragte Lee interessiert.

"Nun, diese Frage, die sich Morikubo da stellt, die hat sich jedem von uns gestellt, als er seine erste Gruppe anzuführen hatte", erklärte sie, und faltete ihre Hände vor dem Gesicht, die Ellenbögen auf dem Schreibtisch abgestützt, "und es wird wahrscheinlich so bleiben, solange Konoha Jounin an Genin zuteilt, um Drei Mann-Zellen zu bilden. Und ich gestehe, ich war genauso ratlos, als ich meine eigene Gruppe übernommen hatte. Ehrlich gesagt bin ich Zeit meines Lebens besser damit zurecht gekommen, Medi-Nin auszubilden. Was nicht heißen soll, dass ich meine Gruppe von damals missen möchte. Nicht, Genma?"

"Nicht eine Sekunde, Tsunade-sama", erwiderte der Shinobi fröhlich. Er nahm den Senbon aus dem Mund, auf dem er stets zu kauen pflegte - eine kleine Erniedrigung für den kurzen Wurfspieß, fand ich - und deutete damit auf mich. "Wenn du erlaubst, Tsunade-sama..."

"Oh, sei mein Gast. Dich wollte er doch von vorne herein fragen. Und mich interessiert, wie du antwortest, Genma."

"Ich bemühe mich, Tsunade-sama", sagte er grinsend, und steckte den Senbon wieder zwischen die Zähne. "Weißt du, Mamo-chan, am besten lässt du alles auf dich zukommen."

Lee und ich ächzten auf. "Wieder der gleiche Rat", murrte ich. "Ich kann aber so nicht arbeiten. Hast du nicht was besseres für mich?"

"Nun, so hat es Tsunade-sama mit uns gemacht, und so habe ich es mit meiner Gruppe gemacht. Aber es gibt noch eine Methode, die Aobas Jounin benutzt hat. Der hat seine Genin bestochen."

"Mit dem Kunai?", fragte ich argwöhnisch.

"Mit einer Belohnung. Hat sie super motiviert. Und schau dir an, wo Aoba heute steht. Er ist spezialisierter Jounin."

"Okay, darüber werde ich nachdenken. Aber das ist noch nicht die Antwort, die ich suche. Ich werde Uzuki-sensei fragen gehen."

"Das ist schwer möglich. Sie ist mit ihrem Team im Reich der Steine unterwegs", sagte Shizune.

"Oh. Dann also gleich zu Kakashi." Ich nickte Lee zu. "Und ich weiß auch schon, wo wir ihn finden könnten. Lass uns gehen."

Ich sah kurz zur Hokage herüber. "Tsunade-sama, Genma, Shizune, entschuldigt noch mal die Unterbrechung, und vielen Dank für eure Zeit."

Hinter Lee und mir schloss ich die Tür.

"Er entwickelt sich, nicht wahr?", hörte ich Tsunade-sama sagen. Meinte sie mich damit? War sie mit mir zumindest ein bisschen zufrieden? Das machte mich zufrieden.
 

Gegen halb zwölf fanden wir Kakashi auf dem Friedhof. Von den drei Orten, an denen ich ihn erwartet hatte, war er der letzte, den wir besuchten.

Nachdem ich den Gräbern meines Senseis und des Sandaime Hokages Respekt gezollt hatte, suchte ich ihn auf. Zu diesem Zeitpunkt plapperte Lee allerdings schon ausgelassen mit ihm. Das hieß, Lee redete, und Kakashi hörte zu. War der Junge doch zu was nütze. Er hatte Kakashi für mich schon vorgewärmt.

"Ah Mamo-chan", begrüßte er mich lächelnd. "Lee hat mich schon weitestgehend eingeweiht. Was bereitet dir denn Schwierigkeiten, wenn du an deine Genin denkst? Du hast doch so oft große Genin-Gruppen trainiert."

"Ach, das ist doch das Problem. Diese Genin waren alle ausgebildet, hatten Erfahrung. Was ich tun musste, war, sie subtil oder mit der Brechstange dazu zu bringen, zusammen zu arbeiten, und das in Gruppen, die größer als die üblichen Drei Mann-Zellen sind. Aber bei den dreien weiß ich nicht, was ich... Ich bin unsicher. Die älteren Genin musste ich korrigieren. Aber die kleinen muss ich ausbilden. Genma meinte, ich sollte sie bestechen, aber das hilft mir nicht weiter. Ebenso wenig wie Asuma und Kurenai-sensei, die sagten, ich solle es auf mich zukommen lassen."

Kakashi nickte. "So, so. Verstehe. Du hast die Hosen voll, weil du denkst, du könntest was falsch machen, oder ordentlich versauen."

"Ja, so in etwa, Kakashi."

"Ich würde damit anfangen, sie zu beeindrucken. Dann wissen sie gleich, wie der Hase läuft. Kennst du das Zwei Glöckchen-Spiel? Der Sandaime hat es erfunden, Jiraiya-sama hat es beim Yondaime angewendet, der hat es bei mir benutzt, und ich wende es auch an. Dabei geht es darum, herauszufinden, ob deine Genin echte Kameraden sein können und einander unterstützen, selbst wenn ihnen ihr Jounin das verbietet. Ich könnte dir..."

Hastig winkte ich ab. "Keine Sorge. Gute Kameraden zu sein bringe ich ihnen schon so bei."

"Mamo-chan", sagte Kakashi in weinerlichem Tonfall. "Ich spreche hier von einer Methode, die ich vom Yondaime geerbt habe, und die ich an dich weiter geben will. Und du bist so herzlos..."

Mit leichtem Entsetzen sah ich den Hatake an. Ich hatte ihn verärgert, schlimmer noch, verletzt. "Äh, vielleicht erklärst du mir noch mal, was du da gemacht hast. Eventuell kann ich es in meinem Sinne extrapolieren."

"Wirklich? Und das sagst du nicht auch nur so?"

"Wirklich. Du bist mein Sempai, Kakashi, und der Sandaime war mein Lehrer. Es geht mir ja auch nur darum, dass dieses Kameradenschwein-Spiel nichts für mich ist", sagte ich hastig.

"Oh, dann musst du dir eben deinen eigenen Schlussgag suchen. Jedenfalls geht das Spiel so: Du sagst ihnen, sie sollen am nächsten Morgen zum Trainingsgelände kommen, und das nüchern. Da hängst du dir zwei Glöckchen an den Gürtel, genau zwei. Wer von deinen drei Genin eines der Glöckchen kriegt, hat deine Prüfung bestanden, und kommt in die neue Gruppe, erklärst du. Dazu bringst du ihnen Mittagessen mit. Aber nur zwei Portionen. Du lässt sie dich ein wenig jagen, gönnst ihnen kleinere Erfolge, aber achtest darauf, das sie die Glöckchen nicht wirklich kriegen. Und wenn einer von ihnen schwach wird und wegen dem beißenden Hunger vor dem Mittag an die Bentos geht, bindest du ihn an die Pfähle. Es gibt immer einen, der das tut."

"Ach, deshalb stehen die Pfähle da. Ich habe mich immer darüber gewundert", murmelte ich.

"Ja, unter anderem. Dann sagst du den anderen beiden, sie dürfen zu Mittag essen, aber dem Dritten am Pfahl nichts abgeben, oder sie fallen durch. Na ja, ab hier setzt dann die Philosophie ein, die ich vom Sandaime und Jiraiya-sama habe. Sobald sie ihrem gefesselten Kameraden was abgeben, weil er ihnen nur etwas nützt, wenn er bei Kräften bleibt, tauchst du wieder auf, und verkündest, das alle drei bestanden haben. Wer seinen Auftrag nicht ausführt, ist ein wertloser Ninja, aber wer seine Kameraden in Stich lässt, ist ein noch wertloserer Ninja."

Nachdenklich strich ich mir übers Kinn. "Ja, das hat doch Potential. So kann ich mir gleich ein Bild von ihrem Leistungsstand machen. Aber die Motivation, die Motivation, die muss woanders her kommen."

"Heißt das, du nimmst die Methode an?", fragte Kakashi strahlend.

"Ja, im Großen und Ganzen schon. Ich brauche halt nur, wie du so schön sagtest, Sempai, einen anderen Schlussgag."

"Oh, das freut mich zu hören. Willst du dann morgen das Trainingsgelände haben?"

Ich schüttelte den Kopf. "Nein, ich denke, das kann ich auch heute noch durchziehen. Ich weiß noch nicht ganz wie, aber... Mir fällt schon was ein. Danke, Kakashi. Du bist mir wie immer eine große Hilfe."

"Das freut mich zu hören, Mamo-chan."

"Was die Motivation angeht", meldete sich Lee zu Wort, "hätte ich eine Idee. Wenn ich schon mal dabei bin, warum sollte ich sie nicht prüfen? Einen anderen Genin werden sie schnell unterschätzen, und das werden wir ausnützen können."

Verblüfft sah ich Lee an. "Das ist eine grandiose Idee. Wir lassen sie gegen dich antreten, und dann sehen wir, was sie können, wie ihr Teamwork ist, und wo noch Bedarf zur Bearbeitung ist. Was denkst du, Kakashi?"

"Ich habe eine Idee, wie du sie mit Aobas Rat motivieren kannst. Und schon weißt du auch, wie du deine Genin behandeln musst. Spätestens nach dieser Erfahrung."

Erneut lächelte er, und mir kam das Grinsen. "Ich bin ganz Ohr, Sempai."

***

Mit Lee vorweg ging ich zur Akademie. Auf dem Wege machte ich mir klar, das ich diesen Ort vor fünf Jahren das letzte Mal betreten hatte. Ich verband mit ihm einige Erinnerungen, obwohl ich mich meistens im Hintergrund gehalten hatte. Nach all der Kritik durch die Erwachsenen der Naras war mein Motto gewesen: Nur nicht auffallen. Also hatte ich mich zwanghaft bemüht, möglichst mittelmäßige Leistungen zu erbringen. Nicht zu gut, nicht zu schlecht. War mir nicht ganz gelungen. Von neun Absolventen meines Jahrgangs war ich Viertbester geworden. Doch, ich hatte hier meinen Spaß gehabt, das konnte ich sagen.

Wie war es mit meinen Genin? Wie würden sie diese Schule ansehen? Würden sie sie vermissen? Ich träumte manchmal noch von ihr, lief durch Hallen und Gänge, weil ich zu spät kam. Wahrscheinlich eine Spätfolge des Drucks durch die älteren Naras... Wenn ich es recht bedachte, sollte ich eventuell einigen von ihnen bei Gelegenheit den Arsch aufreißen, für mein Seelenheil. Andererseits waren sie nie gehässig gewesen. Also richtig gehässig. Eher besorgt, und das war eigentlich nett. Aber ein wenig Arsch aufreißen würde schon nicht schaden.
 

Wieder nahm ich die Akten zur Hand, die ich in der letzten Woche so oft durchgelesen hatte.

Wieder wälzte ich den Inhalt, den ich schon lange auswendig kannte.

Mai Kobashi, dreizehn, wegen Krankheit ein Jahr ausgefallen. Mochte es nicht, darauf angesprochen zu werden. Vater spezialisierter Jounin. Keine besonderen Taijutsu-Fähigkeiten, keine besonderen Veranlagungen für Genjutsu, dafür gute Affinität für mittlere und große Reichweite im Ninjutsu. Wind-Nutzerin. Vom Charakter ruhig, überlegt, zurückhaltend, mit gelegentlichen cholerischen Zügen, die wahrscheinlich von ihrer Krankheit her rührten.

Ich schloss die Akte und dachte über sie nach. Anführermaterial? Kontraktpartnermaterial? Ich wusste es nicht. Noch nicht.

Shinji Nanahara, zwölf, Vater ehemals spezialisierter Jounin, Mutter ehemalige Medi-Nin. Älterer Bruder, 21, in der Chakra-Forschung tätig. Wenig Talent für Genjutsu, recht begabt im Ninjutsu, besser im Taijutsu. Ebenfalls Wind-affin. Der Nahkämpfer der Truppe? Neigte dazu, größere Brocken abzubeißen, als er kauen konnte. Hm. Keine schlechten Eigenschaften für jemanden, der vorne stand. Und er beherrschte Senpuken bereits, eine Fuuton-Technik. Nicht mal ich hatte das drauf. Aber ich hatte mein Fuuton-Training ja auch noch gar nicht begonnen, wenn man es genau nahm.

Der Letzte: Kira Yamada, zwölf, Vater Händler aus Kumogakure, Mutter Medi-Nin im Ruhestand.

Beim Angriff auf Konoha vor drei Jahren wurde Ai getötet, die jüngere Schwester. Kira hatte daraufhin die Oto-Nin erdolcht, die diese schreckliche Tat ausgeführt hatte. Seither keine Anzeichen von Labilität, aber pathologische Schuldgefühle. Oh, das war interessant. Die Mutter war Shinjis Mutters Sensei gewesen. Also gab es da schon mal eine Bindung. Yamada? Ich erinnerte mich an eine Schalterdame im öffentlichen Badehaus. War das seine Mutter? Ach nein, das wäre ein zu großer Zufall gewesen. Was gab es noch von ihm zu berichten? Raiton-Natur, hatte sich bei mehreren Besuchen in Kumogakure bei dem dortigen Zweig der Familie einige der leichteren Künste der Blitzkunst beibringen lassen. Vom Charakter verschlossen, keine Freunde. Wird aber als loyal beschrieben. Und tatsächlich, die ANBU überwachten seinen Vater spontan und sporadisch auf Geheimdienstaktivitäten.

Ein Vermerk machte mich stutzig: Er hatte die Akademie weit unter seinen Fähigkeiten abgeschlossen. Genjutsu kein erkennbares Talent, aber besondere Fähigkeit, sich aus einem Genjutsu zu wecken. Bevorzugte Taijutsu, Schwertkampf mit dem Wakizashi, mit dem er die Mörderin seiner Schwester getötet hatte. Ninjutsu passabel, aber nur Grundkenntnisse. Noch ein Nahkämpfer? Auf jeden Fall ein überlegterer Kämpfer als Shinji. Aber was und wie sie alle drei waren, würde sich erst entscheiden, wenn sie in ihrem ersten wirklichen Kampf waren. Kira ausgenommen.
 

"Wir sind da, Sempai", klang Lees Stimme zu mir herüber. Der junge Genin schob die Tür zum Klassenraum auf, und prompt fiel ein schmutziger Tafelschwamm auf seinen Kopf. Eine Kreidewolke flog auf, und staubte ihn ein. Er hustete pikiert. "Also, was mich angeht, Mamoru-sempai, ich mag diese Genin schon mal nicht besonders."

Kurz war ich versucht zu lachen. Aber nur bis ich realisierte, dass der Schwamm für mich gedacht gewesen war. Und dabei war es noch nicht mal zwölf.

"Hm. Das scheinen ja drei wirkliche Früchtchen zu sein", kommentierte ich, während Lee versuchte, den Staub abzuklopfen.

Ich betrat den Klassenraum. Shinji sah erfreut zu mir herüber. Beinahe mit Herzchenaugen, wie man im Jargon zu sagen pflegte. Mai war interessiert, aber auch distanziert. Kira wirkte gelangweilt. "Mahlzeit, Team dreizehn", sagte ich, und trat an das Lehrerpult. "Ich bin euer Gruppenführer Mamoru Morikubo, und dies ist mein Assistent Rock Lee. Die nächsten Tage und Wochen werdet Ihr mit uns beiden verbringen, und ehrlich gesagt bin ich mir nach der Lektüre der Akten noch nicht sicher, ob ich wirklich Zeit in euch investieren sollte."

Diese harschen Worte lösten unterschiedliche Reaktionen aus. Für Shinji schien eine Welt zusammen zu brechen. Seine Miene zierte blankes Entsetzen. Kira sah plötzlich interessiert zu mir herüber. Wohl wegen der Möglichkeit, das ich sie aufgeben würde. Und Mai spielte die Desinteressierte, lauschte aber aufmerksam auf jedes meiner Worte. Na, das war ja ein Haufen.

"Ich will es kurz machen. Die Godaime Hokage hat mich dazu verdonnert, euch zu trainieren, und euch die Grundlagen beizubringen, die Ihr braucht, um in der Ninja-Welt zu überleben. Leider habe ich gerade verdammt wenig Zeit, weil eine Mission ansteht, die eine längere Reise erfordert. Der Groß-Daimyo des Reichs des Wassers hat mich in sein Land gerufen, genauer gesagt in die Festlandprovinzen."

"In die Provinzen, wo du eine Burg erobert hast, Sensei?", rief Shinji aufgeregt.

Ich war erstaunt. War das tatsächlich Allgemeinwissen?

Ich räusperte mich verlegen. "Ja."

"Geil!"

"Wie dem auch sei. Ich werde übermorgen aufbrechen. Und ich werde euch mitnehmen. Dazu gehört auch ein Abstecher nach Kumogakure, weil ich einiges mit dem Raikage zu besprechen habe. Das wäre eine gute Gelegenheit für dich, Kira, um an deinem Raiton zu feilen."

Nun zeigte der Junge aufrichtiges Interesse. "Das klingt interessant. Ich habe Verwandte in Kumo."

Ein leises Seufzen entrang sich meiner Kehle. Da war ja jemand nicht gerade freigiebig mit seinen Emotionen.

"Außerdem", fuhr ich fort, "bietet der Weg nach Kumogakure einige berühmte Onsen, die durch legendäre Heilquellen gespeist werden. Bisher habe ich in jeder einzelnen gebadet, wenn ich diesen Weg gegangen bin, und seht mich an. Gesund wie ein Bär."

Nun hatte ich auch Mais Aufmerksamkeit. "Heilquellen?"

"Mich interessiert natürlich eher der Bäder-Aspekt."

"M-mich auch", korrigierte sie sich.

"Also", sagte ich, und legte beide Handflächen auf den Tresen, "ich kann diese Reise mit euch machen, oder ohne euch. Im Moment sieht es so aus, als würde ich sie ohne euch machen, aber ich will nicht unfair sein. Ihr bekommt eine faire Chance, euch euren Platz zu erstreiten. Schafft Ihr es nicht, werdet Ihr bis zu meiner Rückkehr mit Lee-sensei hier neben mir Grundlagen trainieren. Und das zehn Stunden am Tag, volle sieben Tage. Ich verspreche euch, das wird kein Zuckerschlecken." Ich sah zur Seite. "Lee, die Beingewichte."

Ein Grinsen huschte über das Gesicht des Taijutsu-Spezialisten. "Gerne doch."

Er entfernte die Beingewichte, und legte sie auf den Tisch, vor dem die drei Genin saßen. Das heißt, er versuchte es. Sie krachten sofort durch die Deckplatte und landeten auf dem Fußboden, den sie ebenfalls durchbrachen, bis sie blanken Beton erreichten.

"Er wird euch trainieren. Ohne Gewichte."

Blankes Entsetzen stand nun in den Augen der Genin, während Lee seine Gewichte wieder einsammelte und erneut befestigte.

"Wie sieht diese Chance aus?", fragte Kira direkt, ohne zu zögern.

"Nun, das erkläre ich euch vor Ort. Trefft mich in einer Stunde auf dem Konoha-Trainingsgelände."

Und damit begann das Spiel.

***

Die drei Genin fanden sich pünktlich ein, beinahe auf die Minute. Shinji kam als Erster, aber das hatte ich erwartet. Er schien begeistert von mir zu sein. Mai als zweite. Sie hatte eine neutrale, aber latent interessierte Haltung. Kira kam als Letzter, aber nicht zu spät nach den anderen. Einerseits demonstrierte er Desinteresse, andererseits war er nicht zu nachlässig. Immerhin drohte Lees unbarmherziges Training.

Mittlerweile hatten Lee und ich alles vorbereitet. Wir waren bereit.

"Willkommen auf meinem Spielplatz", begrüßte ich meine drei Genin, während ich auf dem mittleren von drei Pfählen hockte. "Willkommen in meinem Spiel."

Ich hielt drei Glöckchen hoch. "Das Spiel geht folgendermaßen. Ich verteile genau sechs Glocken. Drei behalte ich. Ich werde sie an die drei Pfähle heften. Zwei bekommt Rock Lee. Das dritte bekommt P-chan. Eure Aufgabe wird es sein, jeweils ein Glöckchen zu erobern. Nur wer eines hat, wird mich begleiten. Wer keines ergattern kann, sagen wir bis Sonnenuntergang, bleibt in Konoha, und trainiert mit Lee."

Kira hob eine Hand. "Frage. Wer ist P-chan?"

Ich zwinkerte, und ein kleiner Affe kletterte von meinem Rücken auf meine Schultern. In Händen hielt er bereits ein Glöckchen. "Das ist P-chan. Sie ist eine Affenkriegerin von großer Macht, aber heute wird sie lediglich vor euch davon laufen. Wenn Ihr sie einholt und berührt, gibt sie euch das Glöckchen freiwillig. Das bedeutet für einen von euch, mich begleiten zu dürfen."

"Aha. Für einen."

"Ja."

Kira zuckte die Achseln. "Eine reicht mir."

"Das hättest du wohl gerne", giftete Shinji. "Wenn jemand Morikubo-sensei begleiten wird, dann bin ich das."

"Jungs, Jungs", mischte sich Mai ein, "über ungelegte Eier streitet man sich nicht." Sie wandte sich wieder mir zu. "Gibt es auch Auflagen für Lee-sempai?"

Bemerkenswert, dass sie das fragte. "Keine Auflagen. Er ist schließlich nur Genin wie Ihr. Er ist älter, erfahrener, aber Ihr solltet ihm in Teamarbeit die Glöckchen abnehmen können. Oder Ihr fragt einfach."

"Ja, ja, sehr witzig", murrte Shinji.

"Und wie sieht es mit dir aus, Morikubo-sensei?", fragte Shinji mit leuchtenden Augen.

"Oh, ich werde die drei Glöckchen hier mit all meinen Fähigkeiten verteidigen. Verlasst euch nicht darauf, dass mich zwei ablenken können, und einer sammelt die Glöckchen ein. Ich kämpfe mit voller Kraft. Und das erwarte ich auch von euch."

"Und wir brauchen jeder ein Glöckchen?", hakte Kira nach.

"Eventuell, wenn mich eure Performance überzeugt, lasse ich vielleicht bei einem Gnade vor Recht ergehen, wenn er kein Glöckchen hat... Also strengt euch bitte an. Okay?"

Die drei Genin tuschelten miteinander. "Also jeder für sich", schloss Shinji laut. "Vorerst."

"Ja, vorerst", sagte Kira.

"Hm. Ich bin skeptisch. Aber wir können es erst mal auf eure Art versuchen, Jungs", murrte Mai.

"Also seid Ihr dabei? Nicht, dass Ihr eine Wahl hättet. Wer ablehnt, bleibt automatisch für das Training mit Lee-sensei hier in Konoha."

"Wir sind dabei", sagte Mai. "Und wir werden jeder so ein verdammtes Glöckchen erobern. Versprochen, Morikubo-sensei."

"Ach, eines noch. Nennt mich bei meinem Vornamen. Mamoru-sensei."

"Jawohl, Mamoru-sensei."

"Dann kann es ja los gehen. Ich hoffe, Ihr seid in guter Form. Bis zum Sonnenuntergang ab... Jetzt!"

P-chan schnellte von meiner Schulter, sprang ins Gras hinab, und raste mitten zwischen den drei überraschten Genin hindurch in Richtung Wald.

Lee nutzte genau diesen Moment, zwei Glöckchen am Gürtel, um ebenfalls stiften zu gehen. Zurück blieb ich allein. Ich sprang vom Pfeiler herab, und befestigte in aller Seelenruhe die drei Glöckchen an den Stämmen. "Wir haben bereits angefangen", kommentierte ich.

Die drei Genin wechselten einen entschlossenen Blick, dann verschwanden sie zugleich per Step.

Meine sensorischen Fähigkeiten verrieten mir, dass Kira hinter P-chan her war, und sich Shinji anschickte, Lee hinterher zu jagen. Mai hingegen war gar nicht gesprungen, sondern hatte nur ein nahes Gebüsch erreicht, von dem aus sie mich beobachtete. Für Anfänger gar nicht mal schlecht. Das versprach interessant zu werden.

Der ewige Chunin 3

Die erste Begegnung mit seinem "Feind" hatte Kira. P-chan, der kleine Affe, war gerade knapp vor ihm im nahen Wald verschwunden, und er war dem Biest dicht auf den Fersen. Als er jedoch die ersten Bäume passierte, war von dem kleinen Vieh nichts mehr zu sehen. Das hatte er erwartet. Sicher war der Affe, kaum das er die Bäume erreicht hatte, im Geäst verschwunden. Und sicher hatte das Mitsvieh geglaubt, ihm damit entkommen zu sein. Na, dann hatte er sehr schlechte Nachrichten für den Affen, denn er war alles andere als ein mickriger kleiner Genin frisch von der Akademie. In ihm steckte schon ein wenig mehr. Und das würde er jetzt beweisen.

Kira zog seine Klingenwaffe, das Wakizashi, mit dem er die Mörderin seiner Schwester getötet hatte, und stieß es vor sich in den Erdboden. Dann begann er zu rechnen. P-chan waretwa zwei Sekunden vor ihm im Wald angekommen. Als er dem Affen gefolgt war, hatte er jedoch nichts gehört, was auf schnelle Fluchtgeräusche deuten ließ. Das bedeutete für ihn, dass das Biest höchstens fünfzig Meter entfernt war. Stark an seinem Limit, aber auf jeden Fall einen Versuch wert. Kakashi-jii hatte es ihm beigebracht, aber es war ihm nie gelungen, es auf einem wirklich hohen Niveau umzusetzen. Dabei hatte Kakashi-jii es im Alter von neun Jahren gemeistert, und er war schon elf gewesen. Die Technik hieß Raikin Issen, und sie bestand im Wesentlichen daraus, das man seine komplette Umgebung unter Strom setzte, der von der Raiton-Natur des Anwenders geschaffen wurde. Wie gesagt, sein Raikin Issen war nicht besonders stark, nicht stark genug für einen Kampf. Selbst auf kürzeste Distanz verursachte es nur schmerzende Schocks. Kakashi-jii hatte ihm zwar versichert, dass das mit mehr Chakra-Kontrolle besser werden würde, aber für einen Kampf reichte es eben noch nicht. Kira hatte aus der Not eine Tugend gemacht, und eine Taktik entwickelt, in der sein Raikin Issen nützlich war. Wenn er sein ohnehin schwaches Jutsu ausdehnte, bis an sein Maximum, erreichte es zwar nur die Wirkung eines milden Stromschlags, aber genau darauf war er aus. Er konnte alles im Umkreis von einhundert Metern unter Strom setzen. Erdverstecke, Hinterhalte über ihm, all das war egal. Mit diesem Jutsu konnte er sie aufspüren und sie dazu bringen, ihre Position durch einen schmerzhaften Schrei zu verteidigen. Es bestand immer die Gefahr - noch -, dass er an Gegner geriet, denen sein Strom nichts ausmachte, die stumm blieben, weil er nicht stark genug war. Aber ausgerechnet der winzige Affe sollte dazu in der Lage sein? Lächerlich. Oder auch nicht. Immerhin wusste er so gut wie nichts über die Affen. Also kam es auf einen Versuch an.

"RAIKIN ISSEN!", rief er, schmiedete Chakra, und griff nach seiner Klinge. Über sie leitete er sein Raiton direkt in den Boden, von wo es irrlichternd eine Sphäre aus Blitzen erschuf, die fünfzig Meter Radius hatte. Das war höher als die meisten Bäume.

"Autsch!", hörte Kira, und triumphierend zog er das Schwert wieder aus dem Boden. Bis ihm etwas auffiel. Sagten Affen Autsch?

Hastig folgte er dem Laut, den er gehört hatte, und zu seinem großen Entsetzen sah er eine hochgewachsene, schlanke und sehr stattliche junge Dame mit goldblondem Haar, das sogar noch kräftiger glänzte als das von Hina-chan. Das Mädchen, vielleicht sechzehn oder siebzehn Jahre alt, hockte wie eine Porzellanpuppe auf dem Waldboden, und rieb sich die schmerzenden nackten Füße. Dabei zeigte ihre Miene mehr als deutlich, dass sie die Geschichte sehr unangenehm fand. Sie trug einen rosa Yukata, auf denen rote Blütenblätter hin- und hergeweht zu werden schienen. "Mmhhh", machte sie, "damit habe ich nun aber wirklich nicht gerechnet."

Kira stand wie angewurzelt da. Sicher, er machte sich nichts aus Frauen, aber das hieß nicht, dass er Schönheit nicht erkannte, wenn er sie sah. Und die junge Frau vor ihm hatte die Anmut und die Schönheit einer Prinzessin aus den Legenden - die meisten echten Prinzessinnen sollten ja eher schrecklich normal aussehen, als sich an die Regeln zu halten, und Filmstars Konkurrenz zu machen. Ihre Leidensmiene berührte etwas in Kira, und als er genauer nachforschte, was das für ein neues Gefühl war, dann erkannte er: Es war Schuld.

Als sie wie zufällig zu ihm herüber sah, verschwand das gequälte Gesicht, das seine Schuldgefühle zementiert hatte, und wich einem Lächeln, für das geringere Männer getötet hätten. "Das war eine gute Strategie. Ich wusste zwar, das du eine Raiton-Natur hast, aber ich habe nicht damit gerechnet, dass du sie schon anwenden kannst. Vor allem so gut." Sie legte den Kopf schräg und kniff die Augen zusammen, während sie lächelte. Kiras Herz machte einen Sprung bei so viel geballter Schönheit, Grazie und Anmut.

"Ich bin Perine."

"I-i-i-ich...", stotterte er, von der Situation überfordert. Er spürte, wie er errötete. "I-ich entschuldige mich für das Raiton..."

"Das musst du nicht", sagte sie bestimmt. Sie winkte ihn heran.

Wie von Fäden geführt schritt Kira näher.

"Komm, setz dich", sagte sie, und klopfte auf das weiche Moos neben sich.

Kira ließ sich dort nieder. Er konnte einfach nicht den Blick abwenden.

"Du bist Kira", sagte sie. Und so wie sie es sagte, war es eine Feststellung, keine Frage gewesen.

Der Junge nickte. "Ja. Und es tut mir wirklich leid, wenn ich dich verletzt habe. Eigentlich sollte mein Raikin Issen nicht so stark sein, um wirklich weh zu tun. Ich nutze es nur, um versteckte Gegner aufzuspüren."

Nun verzog das hübsche Mädchen das Gesicht zu einer enttäuschten Miene. "Was denn? Wolltest du etwa den niedlichen kleinen Affen mit einem Stromschlag aus den Büschen treiben?"

Kira spürte, wie sein Gesicht vollends rot anlief. "Aber das ist doch meine Aufgabe!", rief er viel zu laut. "A-außerdem wusste ich doch nicht, dass ich es jetzt besser beherrsche!"

Das Lächeln kehrte auf die wunderschönen Züge zurück. Kira sah, wie sich ihr rechter Arm näherte. Dann legte sich ihre Hand auf seinen Kopf. Mit bedächtigen, aber kraftvollen Zügen ging sie ihm über das struppig stehende kurze Blondhaar. "Okay, dann vergebe ich dir. Weil du dir Mühe gegeben hast. Aber ich erwarte, dass du dir auch weiter so viel Mühe gibst. Mamo-chan erwartet viel von euch. Enttäuscht ihn nicht."

"Mamo-chan?" Erstaunt sah er die hübsche junge Frau an. "B-bist du eine Freundin von ihm?"

Das Mädchen lachte, und es passte in seiner kristallklaren Schönheit im Sopran vollkommen zu dieser feenhaften Erscheinung. "Natürlich bin ich seine Freundin."

"Und du hilfst ihm heute?", hakte er nach.

Das brachte Perine zum Schmunzeln. "Natürlich helfe ich ihm. Immerhin bin ich der kleine Affe, den du verfolgt hast", erklärte sie. Nach einem letzten Streichler nahm sie die Hand zurück und zog die Glocke hervor, die Kiras Ziel war. "Hier. Siehst du?"

"D-du bist der kleine Affe?", rief Kira erstaunt. Aber da währte nur eine Sekunde, und er griff nach der Glocke. Leider griff er ins Leere, denn Perine benutzte Step, und war fort, bevor er die Glocke erwischen konnte. Sie erschien ihm auf dem Ast eines nahen Baumes wieder. Lächelnd schwenkte sie das Glöckchen, das dabei leise bimmelte. "Bitte gib dir Mühe. Sonst kannst du nicht mit auf den Ausflug, und musst in Konoha bei Lee bleiben und die ganze Zeit Basisübungen machen!", rief sie.

"Warte!", rief Kira. "Der Auftrag war doch, dass ich dich nur berühren brauche, und du gibst mir die Glocke! Und wir haben uns doch gerade berührt, oder?"

Perine lachte erneut auf. "Was für ein schnell schaltender, aufgeweckter kleiner Genin du doch bist. Aber du begehst einen Denkfehler. Dein Auftrag lautet, mich zu berühren, oder die Glocke zu schnappen. Ich aber habe dich berührt, wenn du dich daran erinnern würdest, Kira-chan."

Der Junge konnte sich nicht helfen, aber das Suffix Chan, von diesem wunderschönen Mädchen an seinen Namen angehängt, ließ ihn für einen Moment träumen.

Perine bemerkte das, benutzte Step, und stand plötzlich hinter dem Genin. Mit der rechten flachen Hand klopfte sie ihm auf den Po. "Los, gib dir Mühe, und man Mamo-chan stolz auf dich", raunte sie ihm zu, und sprang ins Geäst des Waldes zurück.

Kira, nach dem ersten Schreck wieder aufgetaut, sprang ihr hinterher. "WARTE!"

"Junge, Junge, du glaubst doch nicht, das ich darauf höre, Kira-chan", spöttelte die Affenkriegerin milde.

Da hatte sie natürlich Recht. Hm, es schien für Kira ganz so, als wäre die vermeintlich leichteste Aufgabe nun die schwerste Aufgabe. Vielleicht waren die anderen Ziele leichter zu erreichen? Der Gedanke kam zu früh. Erst wollte er hier sein Glück probieren. "Gib mir wenigstens eine Chance, Perine-chan!", rief er, und eilte der Affenkriegerin nach.

***

Rock Lee war auf den See hinaus gelaufen. Nicht weit. Nur ein paar Meter. Aber an dieser Stelle war er beeindruckend tief. Dennoch stand er oben auf den Wellen.

"Boah, das ist cool!", rief Shinji, als er das sah. "Das hatten wir in der Akademie aber noch nicht! Wie machst du das, Sempai?"

Lee lächelte geschmeichelt. "Weißt du, eigentlich kann ich ja nur Taijutsu anwenden. Ich beherrsche nicht ein einziges Ninjutsu. Ich habe dafür einfach keine Affinität. Streng genommen aber ist das Wasserwandeln ein Ninjutsu. Und dann wieder doch nicht."

"Hä?", fragte der junge Ninja, und kratzte sich am Stirnansatz unter dem Konoha-Stirnschutz. "Das verstehe ich gerade nicht."

"Ich erkläre es dir", sagte Lee generös. "Weißt du, die Technik des Wasserwandelns oder des auf die Bäume kletterns verwendet Chakra. Man konzentriert einen Teil davon in den Füßen und benutzt es, um sich festzusaugen oder abzustoßen. Das ist so simpel, dass sogar ich das beherrsche."

"Kann ich das auch lernen?", rief Shinji begeistert. "Ich meine, nachdem ich dir die beiden Glöckchen abgenommen habe?" Just in diesem Moment durchstieß ein zweiter Shinji die Wasseroberfläche, und versuchte nach den beiden Glöckchen an Lees Gürtel zu greifen.

Der junge Mann mit dem grünen Trainingsanzug lächelte darüber nur müde. Es war zwar eine verdammt gute Leistung von dem grünen Bengel gewesen, seinen Schattenklon im Wasser entstehen zu lassen, einfallsreich dazu, aber weder die Fingerzeichen des Genin, noch die kleine Welle, die entstanden war, als der materialisierte Klon Wasser verdrängt hatte, waren Lee entgangen. Dazu hatte er den Kurs verfolgt, den Shinjis Klon unter Wasser genommen hatte. Er war also alles andere als überrascht.

Lee trat einfach einen Schritt nach hinten, und ließ den Schattenklon ins Leere fallen. Der Klon-Shinji fiel ins Wasser zurück, und sah seinen Sempai böse an. "Menno."

"Ha, ha. Etwas mehr Mühe musst du dir schon geben, Shinji-kun", sagte Lee in ermutigendem Ton.

Ungefähr in dem Moment realisierte Lee, dass der Junge zwei Klone erschaffen hatte, einen unter dem anderen. Und genau dieser zweite Klon war in diesem Augenblick in Lees Rücken zu spüren, und drohte ihn zu berühren.

Lee sah hinter sich, spürte mehr als das er es sah, Shinjis Hand näher kommen, nur noch Zentimeter entfernt, und... Trat mit dem rechten Fuß ins Wasser. Dies geschah mit einer solchen Wucht, mit so einer Kraft, das sich im Wasser zuerst eine Kuhle bildete, die beide Schattenklone für einen Moment in der blanken Luft rudern ließ, bevor sie durch den immensen Luftdruck, der dem Tritt folgte, vergingen, und danach eine große Welle ringförmig von Lee ausgehend auf dem See ausbreitete.

"Hey!", gelang es Shinji noch zu sagen, da verschluckte sie ihn schon, und ließ ihn erst drei Dutzend Meter das Ufer hoch aus ihrem Würgegriff.

Der junge Genin spuckte eine Zeitlang Wasser. Was war der Kerl für ein Monster? Und warum war er immer noch Genin? Und wie hatte er das gemacht, wenn er doch nur Taijutsu beherrschte? Konnte jemand so hart treten, das sich mehrere hundert Kubikmeter Wasser bewegten - und das sehr schnell und sehr kraftvoll? Wie geil war das denn?

Als er sich wieder aufrichtete, freute sich Shinji auf die zweite Runde mit dem Jungen im grünen Trainingsanzug.

Aber leise fragte er sich, ob die anderen beiden Prüfungen nicht eventuell leichter gewesen wären.

***

Mai hockte in einem Busch, zwanzig Meter von Mamoru entfernt. Sie hatte absichtlich den Eindruck erweckt, mit Kira mitgegangen zu sein, um den kleinen Affen zu jagen; stattdessen lag sie hier auf der Lauer und suchte nach einer Schwäche des Chunin vor ihr.

Sie durfte ihn auf keinen Fall unterschätzen, wie Kira das tat. Andererseits brauchte sie ihn auch nicht zu heroisieren, wie es Shinjis Art war.

Sie hatte, kurz bevor sie mit den anderen beiden hierher gekommen war, ihren Vater aufgesucht. Shouta Kobashi hatte der aufgeregten Rede seiner Tochter über ihre neue Gruppe, über die anstehende Reise und die dafür notwendige Prüfung wortlos zugehört. Dann hatte der spezialisierte Jounin das Wort ergriffen, und eindringlich auf seine Tochter eingeredet. "Kind", hatte er zu ihr gesagt, und diese Formulierung hatte er nicht mehr verwendet, seit sie im Krankenhaus mit ihrer schweren Krankheit gekämpft hatte, "du musst eines verstehen, so wie jeder Genin zuvor, der von seinem Jounin geprüft wurde: Du hast es mit einem Jounin zu tun, mit jemandem vom Kaliber deines Vaters."

"Aber", hatte sie aufbegehrt, "Morikubo-sensei ist doch nur ein Chunin."

Ihr Vater hatte bei diesen Worten nur milde gelächelt. "Es würde zu weit führen, dir alles en detail zu erklären, was der Rat und die anderen Jounin, geschweige die Godaime Hokage sich von Mamoru-chan versprechen und was sie von ihm erwarten. Ich sage nur, das er ein besonders starker Chunin ist, der sich mehrfach bewiesen hat. Denke an Otogakure, das hattest du sicherlich im Unterricht. Oder denk an seinen Lehrer, den Sandaime Hokage, den man wegen seinem Wissen um so viele Jutsu auch den Professor genannt hat. Denkst du, jemand kann eine andere Ninjastadt zerstören, oder der Schüler des Sandaime sein, ohne dass nicht zumindest das eine oder andere hängen bleibt? Und wenn wir es umdrehen, was denkst du, wie gut wird er sein, wenn er alle Erwartungen erfüllt?"

"Und warum ist er dann noch kein Jounin, so wie du, Otou-chan?", hatte Mai trotzig gefragt.

Dies ließ ihren Vater erneut milde lächeln. "Sagen wir, weil er feststeckt. Irgendwo zwischen dem besten und dem schlechtesten Ergebnis. Wo, das musst du mit deinen beiden Teamkameraden herausfinden."

"Na, danke. Das hilft mir genauso wenig weiter, wie mit diesen beiden Dummköpfen in ein Team gesperrt zu werden", hatte sie gemurrt.

Ihr Vater war ihr über den dunkelbraunen Schopf gegangen, den Seitenscheitel hoch über die aus dem Pony nach hinten geflochtenen Haare, und diesmal hatte er gegrinst wie ein Honigkuchenpferd auf Zucker. "Oh, ich habe Vertrauen. Vertrauen in dich, Vertrauen in Shinji-kun und Vertrauen in Kira-kun. Immerhin kenne ich ihre Eltern, und wenn sich etwas von ihnen in ihren Söhnen wiederfindet, werdet Ihr ein tolles Team bilden. Doch dazu müsst Ihr lernen, zusammen zu arbeiten."

"Hmpf."

"Du, deine Vorliebe sind doch Shuriken. Ich glaube, ich habe da was für dich", hatte Vater gesagt, war in seinem Arbeitszimmer zugange, und anschließend mit einer großen rechteckigen Schachtel wiedergekehrt.

"Was ist das?", hatte Mai neugierig gefragt, und mit der Erlaubnis ihres Otou-chan hatte sie sie geöffnet. In der Schachtel fand sie eine zusammengefaltete Riesenshuriken, eine Fuusha, die vier Blätter besaß. Entfaltet maß sie sechzig Zentimeter im Durchmesser. Vater hatte gelächelt, ihr die Waffe aus der Hand genommen und sie aufgefaltet. Mai war vor Entsetzen einen Schritt zurückgesprungen, als eine der Klingen nur Millimeter vor ihrer Nase zur Ruhe gekommen war.

Dann hatte Vater mit beiden Händen zugegriffen, und plötzlich waren es zwei gewesen.

"Ich erkläre dir jetzt einen Geheimtrick. Wenn du wirklich versuchst, die Prüfung alleine zu bestehen, dann hast du nur eine Chance. Du musst ihn einmal überraschen, um ihn zu überrumpeln. Aber das klappt auch wirklich nur dieses eine Mal. Wenn er merkt, was für ein Früchtchen du bist, wird er dich nicht mehr unterschätzen, und du hast keine Chance mehr. Hat dir schon mal jemand das Schatten-Shuriken gezeigt?"
 

Nun hockte sie hier, in ihrem Busch, hatte ihr Augenmerk auf Mamoru-sensei gerichtet, und auf die drei Glöckchen an drei Pfählen, von denen sie nur eines erwischen musste - und ihr Sensei marschierte sichtlich gelangweilt vor den Pfählen auf und ab, hüpfte mal auf einem Bein, kickte nach Steinchen, oder starrte gedankenlos in die Wolken. Verhielt sich so ein Shinobi? Vielleicht hatte ihr Vater seine Schilderungen absichtlich übertrieben, damit sie sich besonders anstrengte. Vielleicht aber verstellte sich Mamoru-sensei auch nur, damit sie ihren einzigen Versuch versaute, an eines der Glöckchen zu kommen. Mai beschloss, vorsichtig zu bleiben, und sich nicht einlullen zu lassen. Sie blieb bei dem Plan, den sie sich zurecht gelegt hatte, und der die größte Aussicht auf Erfolg versprach. Und sie beherzigte die Worte ihres Vaters, dass sie nur einen Versuch hatte.

Mamoru-sensei indes trug ein wenig Holz zusammen, und schichtete es einen halben Meter vor der mittleren Holzsäule auf. Er vollführte ein paar Fingerzeichen, die Mai aus ihrer Position nicht genau erkennen konnte, und flugs brannte der kleine Stapel mit einer halbmeterhohen Flamme. Mai beschloss, sich das zu merken. Beim Campieren in der Wildnis war der Sensei also ein vorzügliches Feuerzeug. Hm, wenn er schon mit Feuer spielte, dann musste er sehr gelangweilt sein. Sie wusste, dass er eine Feuernatur hatte. Zeit, ihren Plan in die Tat umzusetzen.

***

Etwa zwanzig Minuten waren vergangen, seit ich den Test um die Teilnahme an der Reise begonnen hatte. Shinji lernte unbewusst von Lee, wie man auf Wasser wandelte, während er versuchte, den anderen Shinobi zu erreichen - mehr schlecht als recht, aber ich war beeindruckt, das es ihm überhaupt gelang, sein Chakra so zu lenken - meine Späher berichteten mir, dass P-chan Kira kräftig durch den Wald hetzte... Und Mai-chan hockte noch immer in ihrem Busch. Natürlich wusste ich einiges über sie. Mehr als sie vielleicht vermutete. Wichtig für mich waren ihr Chakra-Level, die Anzahl ihrer Jutsu, die sie gut beherrschte, und ihre Vorliebe für mittlere und weite Distanzen. Für den Nahkampf fehlte ihr das Selbstvertrauen. Noch. Verständlich, wenn der Eindruck, ihr Körper habe sie während der Krankheit schmählich in Stich gelassen, noch immer in ihr vorherrschte. Eine Veränderung in ihrem Chakra-Fluss warnte mich vor, dass sie ihr Vorhaben nun langsam beginnen wollte. Ich war sehr gespannt darauf, was sie mir bieten würde. Hm, hatte Shouta-sempai ihr nicht gesagt, das ich zwar ein nur schwacher, nichtsdestotrotz aber ein sensorischer Ninja war? Anscheinend nicht, sonst hätte sie ihre Vorbereitungen nicht innerhalb meiner Reichweite vollzogen.

Langsam begann ich ein wenig Holz aufzuschichten. Mit einem Katon Bunshin setzte ich es in Flammen.

Dann begann für mich das Warten. Ich war sehr gespannt auf ihre Strategie; ihre Teamkollegen schlugen sich nicht schlecht, und jeder bewies eigene Fähigkeiten und Qualitäten. Mich interessierte aber vor allem, wie sie sich zusammen schlugen. Und dazu mussten sie einzeln scheitern.
 

Es begann mit einem quiekenden Schmerzenslaut und dem völlig unerwarteten Ruf: "Ameisen!"

Mai Kobashi huschte aus dem Busch hervor, sich dabei kräftig abklopfend, um die schwarzen, beißenden Plagegeister von ihrer Kleidung und von ihren Armen zu befördern. Als sie damit fertig war, wurde ihr augenscheinlich bewusst, was sie gerade getan hatte. "B-bilde dir ja nichts ein!", rief sie enrüstet. "Wenn die dämlichen Ameisen nicht gewesen wären..."

Sie errötete, als sie mich grinsen sah. "U-und mach dich nicht lustig über mich!"

"Ein Shinobi wird öfters mal in Situationen geworfen, die er nicht herbei geführt hat, oder die er nicht kontrollieren kann. Dann gilt es zu improvisieren", sagte ich ihr. "Ich bin gespannt, wie du es damit hältst."

"D-das wirst du schon noch sehen, Sensei!", rief sie wütend. Sie griff in ihre Kunai-Tasche, und Augenblicke darauf fuhr ein Schwarm Kunai auf mich zu, denen ich jedoch problemlos ausweichen konnte. Eines der Kunai trug ein Spreng-Tag, und so nahm ich mir die Zeit, es zu zertreten, bevor es explodieren konnte. Nicht auszudenken, wenn es losgegangen wäre und das Feuer gelöscht hätte.

"Das war nur zum Aufwärmen!", rief sie trotzig. Ihr nächster Angriff erfolgte mit Wurfsternen, die eine Serie neben mich schlugen und mich zwangen, nach links auszuweichen. Dort erwartete mich eine Salve Senbon, die ich tatsächlich mit meinem Kunai abwehren musste. Für einen Genin frisch von der Akademie war das schon beeindruckend. Nebenbei bemerkt machte sie einen guten Job dabei, mich von den Pfosten fort zu drücken, um das eigentliche Ziel hier zu erreichen, nämlich eines der Glöckchen an den Holzpfählen zu ergattern. Dies stellte ich mit einem Schmunzeln fest. Aber ich ließ mich dann doch nicht ganz fort treiben und kehrte mit Step an meinen alten Platz zurück. "Das war schon sehr beeindruckend. Ich bin sehr gespannt, was du mir ansonsten zu bieten hast."

Mais Miene zeigte Ärger. "Das werde ich dir zeigen, Sensei!"

Wieder warf sie Shuriken, und diesmal wehrte ich sie gleich mit meinem Kunai ab. Um sie ein wenig zu motivieren, ließ ich einen von ihnen meine Kleidung aufritzen. Ich kommentierte es nicht, so als hätte ich es nicht mal bemerkt. Aber ich sah, wie sich Mais Blick darauf heftete, und wie Triumph in ihren Augen aufglomm.

"Etwas mehr musst du mir schon bieten", sagte ich in gemütlichem Ton.

Ich wusste von Kakashi, das er, als er Naruto Sakura-chan und diesen Uchiha-Spross geprüft hatte, nebenbei provokativ in einer von Jiraiya-samas Novellen gelesen hatte, um seinen Genin seine absolute Überlegenheit vor Augen zu führen. Und es waren nicht die "Erzählungen eines verwegenen Ninjas" gewesen. Davon hielt ich nicht ganz so viel. Aber ein wenig Überheblichkeit zu demonstrieren war ja auch nicht so schlecht.

Diesmal sagte sie nichts, sondern warf einfach nur ihre Shuriken. Ich wich nicht mal aus, weil Mai daneben geworfen hatte. Das wiederum alarmierte mich. Mai warf nicht daneben. Wir Recht ich damit hatte, verstand ich, als Mai ihre Rechte nach hinten zog. Die Shuriken, die mich passiert hatten, zogen nun eine enge Schleife, und rasten auf meinen Rücken zu. Ich wich seitlich nach vorne aus, und war damit mehr als fünf Meter von den Pfosten entfernt. Würde ihr das schon reichen? Nein, sicher nicht. Diesmal warf sie ein großes, vierarmiges Shuriken, ein Fuusha, wie es oft im Krieg verwendet wurde. Ich erkannte es als eine der Lieblingswaffen ihres Vaters wieder. Sie beherrschte es für einen Neuling recht gut. Ich wich zur Seite aus, und drückte die Waffe zusätzlich mit meinem Schwert zur Seite. Das war ungefähr eine Sekunde bevor ich bemerkte, das im Deckschatten des ersten Shurikens ein zweiter folgte, und dieser scherte genau in meine Richtung aus, kaum das ich ihn sehen konnte. Shouta, verdammt! Ich beschloss, mit dem Kollegen ein ernstes Wort zu wechseln. Andererseits war es mein eigener Fehler, wenn ich mich von einem Genin töten ließ, oder? Mit Step in letzter Sekunde, besser noch, im letzten Sekundenbruchteil, wich ich der Waffe aus. Diesmal war ich zwanzig Meter von den Pfählen entfernt, und diese Distanz reichte Mai, um ihre Chance zu nutzen.
 

Gerade als ich aus dem Step kam, bewarf mich Mai erneut mit Senbon. Wieder musste ich sie mit meinem Kunai abwehren. Währenddessen aber sprangen zwei weitere Mais aus dem Gebüsch hervor, und rasten auf die Balken zu. Alles was sie zu tun hatten, das war, eines der Glöckchen zu ergreifen. Kage Bunshin, wie überaus interessant. Dazu hatte sie zwei erschaffen, und diese waren nun schon zehn Minuten stabil. Nicht schlecht für einen Genin, vor allem für einen, der noch immer an den Nachwirkungen einer einjährigen Erkrankung litt.

Die beiden Schattenklone hatten sich den vordersten Pfosten als Ziel ausgesucht, und flogen regelrecht darauf zu. Vier Hände streckten sich aus nach der Beute, die nur noch Zentimeter entfernt war, als aus der Flamme mein Feuerklon sprang, und beiden Mädchen die Fäuste in die Mägen rammte. Sie klappten wie Papier um seine Arme, stießen kurze, knappe Laute aus, die nach Schmerzen und viel zu wenig Luft klangen, und verpufften vor unseren Augen.

"Sensei!", rief Mai vorwurfsvoll. "Du kannst doch nicht..."

Doch das war nur Ablenkung. Einerseits ihre Worte, andererseits die beiden Schattenklone, die ich gerade vernichtet hatte. Ein dritter Klon hastete über meinen Feuerklon hinweg, benutzte den ersten Pfosten als Zwischenstation, und stürzte auf den letzten Balken mit seinem Glöckchen zu. Bevor der Schattenklon jedoch danach greifen konnte, entließ mein Feuerklon einen Flammenspeer, der das Mädchen regelrecht aufspießte. Mit einem Laut des Entsetzens verging auch der dritte Klon.

Ich applaudierte. "Nicht schlecht, nicht schlecht. Das waren drei Kage Bunshin. und deine Strategie war auch nicht schlecht. Hätten die anderen zwei dir geholfen, dann könntet Ihr jetzt drei Glöckchen haben."

Mit Entsetzen im Blick sah sie mich an. "Sensei", hauchte sie erschüttert, "was, wenn der letzte Klon gar kein Klon gewesen wäre? Was, wenn ich das selbst gewesen wäre?"

Ich lachte auf. "Ein sensorischer Ninja wird ja wohl bei einem Genin frisch von der Akademie erkennen können, wer der Klon und wer das Original ist, oder?" Ich stutzte, als ich ihre Verblüffung sah. "Sag mal, hat dir Shouta-sempai etwa seine Fuusha geliehen, dir aber nicht verraten, das ich sensorischer Ninja bin?"

Ihr vollkommen verblüffter Blick war Antwort genug. Ich lachte. Das glich die Schatten-Shuriken-Technik, die mich beinahe überrascht hätte, doch vollkommen wieder aus.

Mein Katon Bunshin zog sich wieder auf das Holz zurück und spielte weiterhin ein fröhliches Feuerchen, und ich nahm meine alte Position vor den Holzpfosten wieder ein.

"Du bist schon sehr gut geworden", lobte ich das junge Mädchen, zog die Shuriken, Kunais und Senbon aus der Erde und aus den Balken, um sie ihr wieder zu geben, "aber ich denke, du hast dein Feuer nun verschossen. Ich schätze es wird Zeit, dass Ihr es mit Teamarbeit versucht."

***

"Du hast dein Feuer nun verschossen", sagte Mai, und versuchte dabei, Mamoru-senseis Tonfall nachzuäffen. "Du musst es jetzt mit Teamarbeit versuchen."

Kira warf ihr einen missmutigen Blick zu, während er einen großen Schluck Wasser trank. "Ach, sei doch still. Wir sind alle gescheitert. So wie wir da stehen. Und dafür haben wir eine geschlagene Stunde gebraucht. Sensei hat vollkommen Recht. Jetzt müssen wir es mit Teamwork probieren."

Shinji, das Haar patschnass am Kopf klebend, weil er ihn einmal im kühlen See untergetaucht hatte, nickte bestätigend. "So ist das nun mal. Ich kriege Lee-sempai nicht von diesem See runter, und so sehr ich es auch versuche, ich schaffe nur ein paar Schritte, bevor mein Chakra versagt, und ich einsinke. Wie ist der Affe denn mit dir Schlitten gefahren, Kira?"

"Ach, hör auf, daran will ich gar nicht denken. Er hat mit mir gespielt. Einmal hat sie die Verletzte gespielt, dann die Erschöpfte, ein anderes Mal die Gefangene in einer garstigen Klappfalle, und jedes Mal hat sie mich heran kommen lassen, nur um mir kurz zuvor zu entwischen. Und dabei... Nun, es waren sehr schmerzhafte Lektionen."

"Sie?", fragte Shinji.

"Sie", bestätigte Kira.

"Aha. Und wie war es bei dir, Mai-chan?"

Das Mädchen seufzte, lehnte sich nach hinten ins Gras, und kaute auf einem Grashalm. "Ja, wie war es denn? Überraschend. Ich habe versucht, Sensei von den Pfählen weg zu drängen. Ihr wisst ja, die Aufgabe an den Pfählen lautet nicht, ihn zu berühren, sondern die Glöckchen zu schnappen. Um das zu schaffen, hatte ich drei Kage Bunshin in der Nähe versteckt, die zuschlugen, als Sensei so weit weg war, das er mit Step nicht mehr rechtzeitig bei den Pfosten sein konnte, bevor meine Klone nicht wenigstens eins erwischt hatten. Dachte ich. Vorsichtshalber ließ ich einen Klon mit Verzögerung angreifen. Tatsächlich hat Mamoru-sensei einen Feuerklon bei den Pfählen zurückgelassen, und der hat rabiaten kurzen Prozess mit den drei gemacht. So schnell konnte ich gar nicht gucken. Ich habe es dann noch ein paarmal auf andere Art probiert, aber Ihr seht es ja. Kein Glöckchen. Stattdessen sitze ich hier bei euch. Und nun? Hat jemand Vorschläge?"

"Ich plädiere dafür, das wir es zuerst bei Perine versuchen", sagte Kira. "P-chan", ergänzte er, als Shinji ihn fragend ansah. "Wenn wir sie zu dritt einkreisen, sollten wir zumindest ein Glöckchen bekommen. Danach können wir entscheiden, ob wir Lee-sempai vom See runter locken, oder ob wir unser Glück bei Sensei versuchen. Aber vorsicht. Glaubt nicht, nur weil P-chan ein Affe ist, würde es leicht werden."

"Ja, man sollte seinen Gegner niemals unterschätzen", rief Shinji fröhlich. "Nicht mal, wenn er nur ein kleiner, harmloser Affe ist."

"Hast du eine Ahnung", seufzte Kira.
 

Sie setzten den Versuch um. Nachdem Kira, wenig zimperlich, mit seinem Raiton die Position des Affen ermittelt hatte, stürzte er dem davon huschenden Kerlchen hinterher. Diesmal aber lagen Shinji und Mai auch auf der Lauer, und wie abgesprochen versuchten sie, ihm den Weg abzuschneiden.

Shinji gelang es am Besten, weil er auf der Außenflanke war. Bevor er sich versah, rauschte er fast in einen rosa Kimono hinein. Nur knapp konnte er ausweichen. Die Besitzerin des Kimonos quiekte lieblich und erschrocken zugleich, als sie ihm ebenfalls auswich, und sich auf dem Boden wiederfand. "Na, du bist mir aber ein rabiater kleiner Kerl", murmelte sie, und tastete ihre Beine auf Verletzungen und Verstauchungen ab, die durch ihren Sturz fast bis zur Hüfte nicht mehr vom rosa Yukata bedeckt wurden. "Autsch."

Shinji errötete bis an die Haarspitzen beim Anblick der blonden Schönheit und ihrer perfekten Beine. "Bi-bi-bi-bi...", stotterte er.

"Bin ich verletzt?", vervollständigte das Mädchen. "Nein, sieht nicht so aus. Das ist aber reines Glück, und das habe ich nicht dir zu verdanken, Shinji-kun."

Die Frage, woher sie seinen Namen kannte, kam ihm gar nicht in den Sinn. So wie ihm vieles nicht in den Sinn kam, zum Beispiel die Jagd auf P-chan. Zu seinem großen Bedauern bedeckte das blonde Mädchen die Beine mit dem Stoff des Yukatas, als sie seinen starren Blick bemerkte. "Und frech bist du auch noch", tadelte sie ihn in einem amüsierten Ton.

Das entsetzte Shinji, gerade so als würde er aus einer Starre erwachen. Er sah auf, und hätte es doch besser nicht getan. Das schöne, wie modelliert wirkende Gesicht war beinahe noch faszinierender als die langen, perfekten Beine. Er wusste zwar nicht genau, warum das so war. Aber hätte es in der Nähe einen Sockel gegeben, er hätte sie drauf gestellt und sie angebetet. Verlegen sah er zu Boden.

"Nanu, was ist denn jetzt mit dir? Kannst du mir nicht in die Augen sehen?", fragte sie amüsiert.

"I-ich will nicht unhöflich sein und starren. Du bist so hübsch", murmelte er verlegen, und zeichnete mit dem rechten Fuß verlegen Kreise auf den Boden.

Das blonde Mädchen strahlte. "Danke. Deine Komplimente sind etwas unbeholfen, aber sehr erfrischend. Du darfst mich ruhig ansehen, Shinji-kun."

Vorsichtig hob er den Blick - und starrte in Mais Gesicht, auf deren Stirn eine Zornesader pochte.

"Ach, fängst du jetzt auch noch damit an? Siehst ein hübsches Gesicht, und vergisst total, warum wir hier sind? Wer bist du? Kira Nummer zwei?" Ärgerlich deutete Mai hinter sich. "Und dann hat sie noch nicht mal Titten, nur ein hübsches Gesicht."

Shinji sah, wie das Lächeln auf dem Gesicht des blonden Engels einfror. "Ach, ist das so, Mai-chan?", hörte er das Mädchen sagen, und so wie sie es sagte, machte es ihm Angst.
 

Kira holte auf, so schnell er konnte. Ihm fiel gerade ein, dass er den beiden eine essentielle Information unterschlagen hatte, und die konnte über Sieg oder Niederlage entscheiden! Als er endlich die beiden Kameraden eingeholt hatte, war es bereits zu spät. Perine hatte sich mit pochender Zornesader auf der Stirn, Mai gegriffen, auf jeder Kopfseite eine Faust gespannt, und kräftig zu drehen begonnen. "Wie, keine Titten? Das sagst ausgerechnet du? Möchtest du das gerne wiederholen?"

"Auuuuuuuu! Nein, will ich nicht, Sempai! Es tut mir leiiiiiiiiiiid!"

Für einen Moment war Kira versucht, die Situation zu nutzen, und Perine ihr Glöckchen abzunehmen, aber bevor er auch nur einen Schritt gemacht hatte, traf ihn ihr böser Blick, der ihn erstarren ließ. Der Druck, den sie mental aufbaute, ließ keine weitere Handlung zu.

"Setzt euch!", befahl Perine, und die drei Genin gehorchten.

Was folgte, war ein geharnischter Vortrag darüber, andere nicht nach ihren Äußerlichkeiten zu beurteilen, was vor allem Mai eifrig bestätigte, sowie eine längere Tirade darüber, was die Aufgaben des Einzelnen in einem Team waren, und wie man verschiedene Strategien miteinander kombinieren musste, und auch konnte oder sollte, um zum Erfolg zu kommen.

Sie schloss den Vortrag damit, dass sie im Großen und Ganzen von den Genin enttäuscht war, und von nun an mit voller Kraft agieren würde. Zu diesem Zweck verwandelte sie sich in einen Affen. Nicht in das niedliche Äffchen, das sie zuvor gewesen war, sondern in ihre eigentliche Gestalt.

Auch in dieser war sie erhaben schön, und ihr goldener Pelz leuchtete, als wäre er wirklich aus purem Gold. Aber ihr hübsches Gesicht war von Augen geprägt, die nur den Sieg kannten, und ihre Hände wurden von wohlgeformten Klauen gekrönt, die gefährlicher als ein Kunai waren. Bei diesem Anblick und der augenscheinlichen Wut in den Augen der Affenkriegerin beschlossen die drei Genin, vorerst ihr Glück bei einer anderen Aufgabe zu versuchen.
 

Als die drei aus der Sitzhaltung aufgestanden und im Wald in Richtung See verschwunden waren, entging ihnen leider, dass sich Perine wieder in das Mädchen verwandelte. Sie sah den dreien nach und lächelte zufrieden. "Das war keine schlechte Teamarbeit, um mich in die Enge zu treiben. Ihr seid auf einem guten Weg." Sie öffnete den Yukata und ließ das Oberteil von ihrem Körper gleiten, damit sie leichter an die Wickel kam, die ihre Brust zurückgebunden hatte. Mai-chan machte ihr ein klein wenig Sorgen, weil sie etwas zu berechenbar war. Noch. Aber ihre strategischen Anlagen waren viel versprechend.

***

"Lee-sempai!", rief Mai so laut sie konnte zum jungen Genin herüber, der in der Mitte des Sees wie auf einer grünen Wiese da lag und in die Wolken starrte.

Lee richtete sich auf. "Was? Versucht es Shinji-kun wieder tauchend?" Er sah zum Ufer. Dort standen alle drei Genin beisammen. "Was gibt es denn, Mai-chan?"

"Wir wollen verhandeln!"

Interessiert erhob sich Lee und kam näher. "Verhandeln?"

"Lee-sempai, du bist auf dem See unangreifbar für uns. Aber es ist wohl klar, dass das nicht deine Aufgabe ist. Du musst uns die Gelegenheit geben, dich zu berühren, und dir ein oder zwei Glöckchen abzunehmen", sagte Mai.

"Ha. Und wenn ich das nicht will? Mamoru-sempai hat drei Glöckchen, und Perine-chan hat auch eines. Das sind vier. Mehr als genug für euch drei."

Als der Name der Affenkriegerin fiel, erschauderten die drei Genin für einen Moment. "Wenn du nicht willst, können wir dir auch nicht helfen. Aber wir bieten dir eine Herausforderung an. Wenn du darauf verzichtest, auf dem See zu bleiben, nehmen wir ein Handicap auf uns."

Interessiert kam Lee näher. "Wie sieht dieses Handicap aus, Mai-chan?"

"Wir verzichten auf Ninjutsu und Genjutsu, solange du an Land bleibst", sagte sie, und die beiden Jungs nickten bekräftigend. "Und wenn du noch einen weiteren Vorteil aufgibst, sind auch wir bereit, ein weiteres Handicap aufzunehmen."

"Und wie soll das aussehen?"

Kira räusperte sich. "Wir malen einen Kreis auf den Boden. Er wird zehn Meter durchmessen. Dir ist nicht erlaubt, ihn zu verlassen."

"Im Gegenzug", kam es von Shinji, "zählen wir die Körpertreffer, die wir bei dir erzielen, nicht als Erfolg. Solange wir im Kreis sind, müssen wir dir die Glöckchen abnehmen. Alles andere zählt nicht. Und wir werden auch immer nur ein Glöckchen zur gleichen Zeit attackieren."

"Das ist aber sehr interessant. Gerne doch. Ich liebe Herausforderungen."

Nun begannen die drei Genin untereinander zu diskutieren. Wortfetzen wehten zu Lee herüber, die Dinge beinhalteten wie: ...wusste doch gleich, das die Forderungen zu harmlos waren... ...hätten bestimmt mehr herausholen können... ...ihn nicht unterschätzen...

Als sie zu Ruhe gekommen waren, nickte Mai. "Dann ist es abgemacht! Wir malen den Kreis, und es geht in dem Moment los, in dem du in den Kreis eintrittst, Lee-sempai."
 

Den Kreis zu "malen" übernahm Kira. Mit seinem Wakizashi jagte er sein Raiton in den grünen Rasen, und erschuf so einen schwarzen Kreis. In diesen traten die drei Genin. "Bereit, wenn du bereit bist, Sempai", sagte Mai.

Das ließ sich Lee nicht zweimal sagen. Er jagte auf den Kreis zu und sprang hinein. Dann löste er die beiden Glöckchen von seinem Gürtel und hob sie provozierend mit der Linken, während er die Rechte ausgestreckt hielt, und den Genin nicht weniger provozierend winkte. "Kommt."

Das ließen sie sich auch nicht zweimal sagen.

Den Anfang machte Shinji mit einer Schlag-Tritt-Kombination, der Kira mit einem Spinkick folgte, der auf Lees Kopf zielte. Lee blockte Shinji mit der Rechten ab und stieß Kira mit einem Schlag in die Seite mitten im Tritt so weit von sich, das er erst außerhalb des Kreises wieder aufschlug. Diesen Augenblick nutzte Mai, indem sie nach einem kraftvollem Sprung von oben auf Lee herabfuhr. Keiner konnte verwunderter sein als sie selbst, als Lee das linke Bein hoch streckte, und ihr komplettes Körpergewicht mit einem Fuß abfing. Dann gab er Gegendruck, und auch das Mädchen wurde meterweit aus dem Kreis befördert.

"Ups", machte Shinji.

"Ja, Ups", sagte Lee, und gab Druck auf den rechten Arm, der immer noch den Fuß des Genins blockte. Der Junge überschlug sich mehrfach, und landete ebenfalls außerhalb des Kreises.

"Na, na, gebt euch doch ein bisschen mehr Mühe", tadelte Lee.

"Sempai, wenn du ein Genin bist, dann fresse ich mein Kunai", ächzte Shinji, während er wieder hoch kam.

"Ich komme gerade von meiner Chunin-Prüfung", sagte Lee. "Ich denke, meine Chancen auf Beförderung sind nicht schlecht."

"Aber das ist unfair!", rief Mai. "Woher hätten wir wissen sollen, dass wir es mit einem baldigen Chunin zu tun haben?"

"Nun, Ihr hättet fragen können. Mich zum Beispiel. Informationen sind genauso wichtig wie ein durchtrainierter Körper." Langsam zog Lee das Bein wieder ein und zog den rechten Arm zurück. Er hielt die Linke mit den Glöckchen hoch. "Aber jetzt wisst Ihr, dass ich fast ein Chunin bin, und diese Information bedeutet, dass ich die Hälfte ihres Vorteils verloren habe. Stellt euch darauf ein, und versucht es erneut."

"Los", ächzte Kira, und kam wieder auf die Beine. Er zog sein Wakizashi, und ließ sein Raiton darum aufleuchten. "Keine falsche Rücksichtnahme mehr."

Shinji nickte, rappelte sich ebenfalls auf, und zückte sein Kunai.

Mai erhob sich, hustete kurz, und griff in ihre Kunai-Tasche. "Entschuldige, wenn wir jetzt etwas grob werden, Sempai."

"Aber nicht doch", erwiderte Lee strahlend. "Macht ruhig! Um so mehr lernt Ihr doch."

"Spötter", sagte Mai mit einem wilden Grinsen und trat wieder in den Kreis. Kaum hatte sie das getan, warf sie eine Salve Shuriken nach Lee, während Kira mit seinem Raitongeladenen Schwert heransprang, und Shinji in Lees Rücken angriff. Es folgte eine Art Detonation.
 

Etwa eine Stunde später lagen die drei Genin erneut schwer atmend auf dem Boden.

"Toller Plan", sagte Shinji, und schnappte nach Luft.

"Wir schaffen das", beharrte Mai. "Unsere Kombi ist schon ganz gut, und wir schaffen das! Lee-sempai wird auch mal müde, Jungs."

"Das glaube ich weniger", brummte Kira, und deutete auf den grüngewandeten Genin, der gerade einhundert Liegestütze auf dem rechten kleinen Finger absolvierte. Dabei lächelte er ohne einen Tropfen Schweiß auf der Stirn zu ihnen herüber. "Lasst euch nicht zu viel Zeit. Sonnenuntergang ist erst in zehn Minuten."

Diese Information ließ die drei hoch fahren. Nur noch zehn Minuten! Schafften sie es nicht, in dieser Zeit die drei Glöckchen zu erobern, würden sie mit Lee in Konoha bleiben müssen, und ihre Basisfähigkeiten trainieren, bis sie kotzen mussten. Und wenn sie Lees Fitness und seine Kampfkünste in Betracht zogen, würden sie es oft tun. Kotzen.

Lee beendete seine Liegestütze und schnellte sich in den Stand. "Wisst Ihr, ab welchem Punkt es schief gelaufen ist?"

"Was? Unser kombinierter Angriff auf dich?", fragte Kira.

"Genau. Er ging schief, als Ihr freiwillig auf Ninjutsu und Genjutsu verzichtet habt. Taijutsu ist meine absolute Spezialität. Sich mit mir auf diesem Gebiet zu messen, während man noch andere Fähigkeiten hat, ist im besten Falle zweifelhaft, wenn nicht wagemutig. Oder sogar dumm. Ein anderes Handicap hätte es auch getan."

Resignierend ließen sich alle drei Genin wieder zurücksinken.

"Allerdings... Es gibt da immer noch eine Möglichkeit, mit der Ihr gewinnen könnt", sagte Lee.

Das brachte die Genin dazu, sich wieder aufzurichten. "Und die wäre?", fragte Shinji interessiert.

Lee deutete auf die drei Pfähle, vor denen Mamoru-sensei gelangweilt herum tänzelte. "Da oben sind drei Glöckchen, und mit ihm habt Ihr keine Absprache, euch zurück zu halten. Für einen Angriff mit all eurer Kraft reicht es noch."

Die drei wechselten entschlossene Blicke. Kira erhob sich, und reichte Mai die Hand zum Aufstehen. Sie griff zu und ließ sich hoch ziehen. Dann griff sie nach Shinji, und zog ihn auf die Beine.

"Einer von uns", sagte Kira ernst. "Wenigstens einer von uns muss so ein verdammtes Glöckchen erobern! Es geht hier um unsere Ehre und um unseren Stolz als Shinobi von Konoha." Er streckte die Rechte aus, und Shinji legte seine Hand darauf. "Einer wird es schaffen! Einer mindestens! Aber wir versuchen die drei trotzdem!"

Mai nickte begeistert und legte ihre Rechte obenauf. "Alle für einen!"

"Dann los! Auf Mamoru-sensei mit Gebrüll!"
 

Als die drei Genin auf ihren zukünftigen Gruppenführer zustürmten, lächelte Lee ihnen hinterher. Perine trat neben ihn. "Und, Lee-kun, bist du auch zufrieden mit ihnen?"

Der schwarzhaarige Genin mit den großen Augenbrauen lächelte verschmitzt. "Sie haben mir ganz schön eingeschenkt. An nur einem Nachmittag ist ihre Zusammenarbeit enorm besser geworden. Ich glaube, die drei mögen sich."

"Na, in dem Punkt bin ich mir nicht so sicher", erwiderte sie lächelnd, "aber auf jeden Fall hassen sie sich nicht."

Mit lächelnden Gesichtern sahen sie dem Ansturm zu, der auf Mamo-chan zukam. Es waren noch sieben Minuten bis zum Sonnenuntergang.

***

Das Kunai trug einen Spreng-Tag. Das sagte alles. Meine Genin gingen nun aufs Ganze, fuhren alle verfügbaren Geschütze auf, und versuchten, um jeden Preis an mir vorbei zu kommen.

Nun, das war Grund genug, um die Glacé-Handschuhe auszuziehen. Mit Kage Bunshin erschuf ich zwei Klone, um die Zahlen auszugleichen, aber auch um sie vergessen zu machen, dass an den Stämmen noch der Raiton Bunshin lauerte.

Kira fuhr auf meinen Schattenklon nieder, sein Wakizashi von seinem Raiton auflodernd, und wurde von einem Kunai gestoppt. Dies war aber für ihn nur eine Gelegenheit. Er ergriff den Arm des Schattenklons, und versuchte, ihn mit Hilfe seines Raitons zu elektrifizieren. Es gelang dem Schattenklon nur mit einem derben Tritt in den Bauch des Genin, sich von ihm zu lösen, bevor das Raiton ankam.

Derweil attackierte mich Shinji. Mitten im Lauf erschuf er drei Schattenklone, was nach der Anstrengung des Nachmittags eine erstaunliche Leistung war. Mit Kunais bewaffnet fielen sie aus vier verschiedenen Richtungen über mich her, während sich neben mir Kira wieder aufrappelte und meinen Klon erneut attackierte.

Mai indes hatte meinen zweiten Klon mit Shuriken angegriffen, und dieser hatte mit Shuriken reagiert. Zwischen den beiden war es ein werfen und ausweichen. Ihr Chakra-Level war schon stark gesunken. Viel fehlte nicht mehr zur Erschöpfung. Von ihr musste ich eine weitere Finte mit Kage Bunshin nicht befürchten. Dennoch band sie meinen zweiten Schattenklon an sich, zumindest für die ersten Minuten. Ihre Gefährlichkeit erwies sie, als ein Kunai, das sie geworfen hatte, an "ihrem" Mamoru-Klon vorbei glitt, auf Shinji zukam, der dem Wurfmesser mit einem Tritt eine neue Richtung und Beschleunigung gab, und zu Shinji flog, der das Messer, als es ihn passierte, elektrisch auflud. So fuhr es meinem Schattenklon in die Flanke. Er verpuffte, etwa eine Minute vor Sonnenuntergang. Diesen Einbruch in meiner Flanke nutzten vier Kira-Schattenklone, um das Gebüsch zu verlassen, und über meine ungedeckte Flanke zu den Pfosten zu kommen.

Mai rief noch: "Nicht! Der Feuerklon!", aber da war es zu spät. Mein zuverlässiger Wächter vernichtete die ersten beiden Klone mit der ersten Abwehr, den dritten erwischte er, als dieser auswich, mit einem Flammenspeer, und Nummer vier riss er zu Boden, indem er seine Beine blockierte, als dieser nur Zentimeter von einem Glöckchen entfernt war. Noch während der Klon versuchte, doch nich das Glöckchen zu erreichen, verschwand das letzte direkte Licht der Sonne. Es war Abend, und die Dämmerung lag über dem Land. Das Spiel war beendet.

***

Drei kleine Häufchen Elend hockten vor mir im Saizen-Sitz, zutiefst deprimiert, mühsam die Tränen zurückhaltend, um Fassung ringend. Shinji schniefte leise, Kira wischte sich verstohlen eine unerwünschte Träne aus dem Augenwinkel, und Mai war die Enttäuschung ins Gesicht geschrieben.

"Nur ein einziges. Wir wollten doch nur eines", sagte Shinji. Der arme Junge war am Boden zerstört.

Diese Vorlage wollte ich nutzen, um mit meinem Spiel weiter zu machen, aber in diesem Moment hörte ich Perine sagen: "Aber Ihr habt doch ein Glöckchen. Das von mir." Sie kam in Lees Begleitung zu unserer Gruppe, und schlug Mais Kragen auf. Auf der Innenseite war das Glöckchen befestigt. Der Schlitz war zugestopft, damit es nicht klingeln konnte.

Erstaunt sah Mai die Affenkriegerin an, während sie das Glöckchen löste. "Was? Aber Perine-sensei, das Glöckchen kriegt man doch nur, wenn man dich berührt!"

"Und du hast mich ja auch berührt, als du die Gelegenheit dazu hattest. Im Gegensatz zu deinen beiden Kerlen." Sie lächelte liebenswürdig, und wischte dem Mädchen eine Träne der Erleichterung vom Gesicht. "Als ich dir den Kopf mit meinen Fäusten gerieben habe, da hast du zugegriffen und meine Hände berührt. Eine total vernünftige Handbewegung, nicht wahr?"

"A-aber warum hast du denn nichts gesagt? Warum hast du sie versteckt?", fragte das Mädchen erstaunt.

"Na, weil niemand die Regel aufgestellt hat, das ich es euch sagen muss. Und Ihr hättet euch womöglich nicht mehr so sehr angestrengt nach dem ersten Glöckchen. Aber Lee-kun, ich und Mamo-chan wollten sehr gerne eure Teamarbeit sehen. Die hat uns übrigens gut gefallen." Sie drückte dem erstaunten Mädchen einen Kuss auf die Wange. "Du hast sie dir gemäß der Regeln verdient."

Mai strahlte über das ganze Gesicht. Die roten Flecken, die sie kurz zuvor in ihrer Trauer bekommen hatte, tanzten über ihr Gesicht. Stolz zeigte sie das Glöckchen ihren Teamkollegen.

"Gut gemacht, Mai-chan. Das hast du dir verdient", sagte Shinji.

"Ich bin vollkommen Shinjis Meinung. Gut gemacht. Dein Sieg, Mai-chan", sagte Kira.

Sie lächelte glücklich, schloss die Hand um das Glöckchen, und nickte. Dann aber stockte sie.

Zögerlich öffnete sie die Hand wieder. "Wir haben sie aber zusammen erobert. Es wäre egoistisch von mir, wenn ich sie behalten würde." Sie reichte das Glöckchen Shinji. "Hier, nimm du sie. Du hast am meisten Chakra verbraucht. Und dein letzter Angriff war erfolgreicher als unsere zusammen genommen."

"Was? Ist das dein Ernst?" Zögerlich nahm der Junge das Glöckchen von ihr entgegen. Er betrachtete es voller Freude. "Danke, Mai-chan!" Aber sein Lachen erstarb. "Nein. Ich habe sie nicht verdient. Shinji, du hast dich als einziger von uns auf Mamoru-sensei als Meister gefreut. Du hast als einziger gewusst, wie er uns einschenken würde. Du solltest das Glöckchen haben, und Sensei auf seiner Reise begleiten."

Mit Ehrfurcht im Blick nahm der Windaffine Junge das Glöckchen in die Hand. Fest schloss er sie zur Faust, um sie nie wieder los zu lassen. Dankbarkeit und Triumph lagen in seinem Blick, und eine einzelne Träne floss ihm die Wange herab. Dann aber öffnete er die Augen wieder und hielt das Glöckchen auf der Hand. "Nein, ich habe kein Recht auf das Glöckchen. Mai-chan, du hast sie erobert. Du hast alles gegeben. Du hast vielleicht nicht mehr Chakra verbraucht als Kira, aber du bist stärker an dein Limit gegangen. Du solltest sie haben. Hier."

Das Folgende sollte ich besser nicht in der exakten Beschreibung wiedergeben. Es war eine etwa dreiminütige Kakophonie aus: ...hast es viel mehr verdient... ...sollte deine sein... ...aber Kira... ...besser Shinji... ...Mai-chan es geschafft...

Dies erfolgte mit immer mehr zunehmender Lautstärke, und einem erheblichen Glöckchen-hin-und-her-schieben.

"Genug!", blaffte ich, und riss es Mai aus der Hand. Böse sah ich die drei Genin an. "Wenn Ihr euch nicht darüber einig werden könnt, wer die Ehre haben soll, das Glöckchen zu bekommen und mich auf meiner Reise zu begleiten", sagte ich, das Glöckchen hoch haltend, bevor ich eine Handbewegung machte, die aus einem Glöckchen drei machte, "dann solltet Ihr doch besser alle drei mitkommen. Oder nicht?"

Der Angriff, der darauf folgte, war so nicht zu erwarten gewesen. Ich hatte wohl vergessen, dass die drei bei aller Härte und aller Fähigkeiten noch immer... Kinder waren.

So aber stürzten sie aus ihrer sitzenden Haltung hoch und fielen mir zu dritt um den Hals. Was mir selbigen erheblich zuschnürte. Das hatten Hana-chan, Karin und ich oft bei unserem Sensei gemacht. Nun wusste ich endlich, wie er sich dabei gefühlt hatte. Und ich wusste, was es bedeutete, eine eigene Genin-Gruppe zu haben. Ich schwor mir, keinen von ihnen je verletzen zu lassen, geschweige denn einen von ihnen sterben zu sehen.

"Ich sagte es doch. Sie sind vielversprechend", sagte Lee grinsend zu Perine.

"Habe ich nie bestritten. Hach, bei diesem Anblick würde ich mir am liebsten selbst Schüler zulegen", erwiderte sie lächelnd.
 

"So", rief ich, während meine Genin mich noch immer umarmten, und löste meine Klone wieder auf, "damit steht es fest, dass Team dreizehn offiziell gegründet ist. Und zur Feier des Tages lade ich alle Anwesenden zu mir zu Hause zum Essen ein. Und nein, Lee, es gibt keine Pfannkuchen."

"Oooch, schade."

Shinjis Augen blitzten auf. "Heißt das, Yuriko-sama wird für uns kochen?"

Ich lachte leise. "Leider nein. Meine große Schwester hat auch ein eigenes Leben."

"Schade. Sie soll eine wahre Meisterin sein", sagte der blonde Junge mit dem struppigen Haaren enttäuscht.

"Dafür aber hat meine Mutter Zeit, die Yuriko-nee alles beigebracht hat", sagte ich.

Nun ruckte der Kopf von Kira hoch. "Wir kriegen das Essen von Yuria-sama bereitet? Der Sempai meiner Mutter?"

Mai schloss sich an. "Yuria-sama? Mein Vater hat mir von ihr erzählt. Exzellente Medi-Nin, und in der Lage, selbst in der Wildnis ein achtgängiges Menu zu bereiten."

Die drei Genin sahen sich mit blitzenden Augen an, bevor sie meine Hände ergriffen, und mich Richtung Kernstadt zerrten. "Los geht's, Sensei!"

Na, wenigstens wusste ich jetzt zwei Dinge. Ich hatte dieses Team auch bekommen, weil die ältere Generation miteinander verstrickt war; und ich kannte nun einen Weg, um sie zu kontrollieren, wenn es sein musste.

Ich sah über die Schulter und rief: "Worauf wartet Ihr denn noch, P-chan, Lee?" Ich sah über die andere Schulter. "Ihr könnt auch mitkommen. Ich habe mit euch gerechnet, Kakashi, Asuma."

Die beiden Jounin tauchten per Step neben mir auf, und begleiteten mich und die fröhlichen Genin.

"Deine sensorischen Fähigkeiten sind besser geworden", stellte Asuma fest. "Oder hast du geraten?"

"Nein, Ihr wart zu nahe an mir dran."

"Na, da wird ja ein Hyuuga neidisch, Mamo-chan", sagte Kakashi, und klopfte mir anerkennend auf die Schulter. "Herzlichen Glückwunsch zur eigenen Gruppe, und pass mir auf unseren kleinen Kira auf. Und du, junger Mann, mach dem Clan Ehre."

"Natürlich", brummte der Junge, als Kakashi ihm über den Kopf streichelte, "ich bin ja jetzt ein Genin."
 

"Da will man ja glatt mit auf diese Reise gehen, um zu sehen, wie die Dinge sich entwickeln", lachte Lee.

"Also, ich gehe mit", verkündete Perine. "Und, was hindert dich?"

"Meine Ernennung zum Chunin, fürchte ich", sagte der grüngewandte Junge deprimiert. Aber das währte nur einen Augenblick, dann sah er fröhlich wieder auf. "Yuria-samas Essen kenne ich noch gar nicht. Darauf freue ich mich!"

Zu Recht, wie ich anmerken möchte.

Der ewige Chunin 4

3.

Wenn man Maria zwei Dinge nachsagen konnte, die in jedem Fall stimmten, dann waren das erstens, dass sie auch mit den kurzgeschorenen Haaren eine gute Figur machte und definitiv zu den hübscheren der Kunoichi Getsugakures zählte, und zweitens, dass sie nicht dazu neigte, sich selbst mit falscher Sentimentalität zu schwächen. Richtige Sentimentalität war eine andere Geschichte, aber die betraf ohnehin nur eine einzige Person, nämlich Mamoru-sama. Ansonsten neigte sie nicht besonders dazu, sich von ihren Gefühlen ablenken zu lassen. Wozu auch? Sie war ja bereits so sehr verliebt, dass es alle anderen Gefühle mühelos überschattete. Dazu gehörten auch Furcht und Panik. Sie musste nur an Mamoru-sama denken, und daran, wie er wohl eine gefährliche Situation gemeistert hätte, und Angst und Unsicherheit verflogen.

So auch jetzt, als sie ihr Chakra quasi voll aufdrehte, um ihr Jutsu zu erfüllen.

"Wie lange noch, Maria?", fragte Hassin nervös.

"Zehn... Sekunden...", brachte sie mühsam hervor, während sie das letzte Fingerzeichen formte. Schweiß stand auf ihrer Stirn, und sie spürte, wie ihr lebenswichtiges Chakra regelrecht aus ihr heraus floss. "Fünf... Geschafft!"

"Gut, denn da kommen sie!", rief Hassin, sprang und wich so einer Salve Shuriken aus, und wehrte eine zweite mit seinem Kunai ab. "Hat es funktioniert?"

"Es hat funktioniert", versprach sie, sprang auf und zog ihr Schwert. Es war exakt die gleiche Klinge, die sie Mamoru-sama gegeben hatte. Geschmiedet vom gleichen Schwertmeister, aus der gleichen Charge Eisenerz, kurz nacheinander im gleichen Feuer gebadet. Sie war ihre ganz persönliche Verbindung zu ihrem Schwarm. Als ein besonders voreiliger Nukenin mit Step in ihren Rücken gelangen wollte, zuversichtlich, dass der Frontalangriff sie ablenken würde, war dies der letzte Fehler seines Lebens. Da stand er, Marias Rücken vor sich, sein Schwert zum tödlichen Streich erhoben - und eine Klinge in der Lunge. Das kaum erwachsene Mädchen hatte seine Klinge ohne hinzuschauen hinter sich gestoßen, und dabei die Rippen seines Gegners durchbrochen und die linken Lungensäcke durchbohrt. Blutiger roter Schaum trat auf seine Lippen. "Duuu..."

Zu mehr kam er nicht, denn Maria riss die Klinge höher und spaltete sein Herz. Dann zog sie den toten Shinobi vor sich, wo er als Schutzschild für eine weitere Salve Shuriken diente.

"Los, jetzt!", rief Hassin, und benutzte Step.

Maria nickte. Sie vollendete ihre Vorbereitungen, Augenblicke vor dem Generalangriff der anderen Nukenin.
 

Als die angreifenden Nukenin ihren von Wurfwaffen gespickten Kameraden erreichten, erkannten sie, dass die gefährliche Frau ihn gar nicht mehr stützte. Er stand von selbst, obwohl er schon tot war. Und auf seiner durchbohrten Brust klebte ein Spreng-Tag, das in dem Augenblick los ging, als ein besonders voreiliger Ninja den anderen umdrehte. Die Explosion hüllte fünf Nukenin ein, aber nur vier sprangen aus der Explosionswolke wieder hervor. Es war klar, dass die Frau die gefährlichere der beiden Getsu-Nin war. Sie mussten sie zuerst töten.

***

"Langt ordentlich zu", sagte meine Mutter lächelnd, "es ist genügend für alle da."

Meine Genin, Lee, Perine und meine Sempais sahen die extra aufgestellte große Tafel im Wohnzimmer vor sich, überladen mit den exquisitesten Beispielen ihrer Kochkunst. Ja, überladen traf es doch ganz gut.

Nach einem anstrengenden Tag war dieser Anblick genau das Richtige, um gute Laune zu bekommen. Und da sich mein Magen ohnehin schon meldete, beeilte ich mich, meine Gäste am Tisch zu platzieren und zum Essen zu ermuntern.

"Äh, eigentlich hatten wir gar nicht vor...", begann Asuma, aber Mutter war resolut und geradeheraus. "Setz dich, Asuma-chan. Du willst doch nicht, dass das schöne Essen umkommt."

"Natürlich nicht, Yuria-neechan."

Ihr Blick wanderte zu Kakashi. Der zuckte nur mit den Schultern, und nahm neben Asuma Platz. Wenigstens einer, der mit einer aussichtslosen Lage umzugehen verstand.

"Wow! Das sieht so gut aus", sagte Lee freudig, und rieb sich die Hände. "Guten Appetit!"

Das ließ ich mir nicht zweimal sagen. "Guten Appetit."

Nun griffen auch die anderen zu. "Guten Appetit."

Als erstes tat ich mir eine große Portion gebratener Nudeln auf, dazu nahm ich knusprig gebratene Entenbrust mit süßsaurer Soße. Da ich den Tag über nicht gerade wenig Chakra verbraucht hatte, konnte ich auch eine große Portion vertragen.

"Mutter, setz dich", sagte ich auffordernd.

"Danke, ich habe schon mit deinem Vater gegessen. Dies hier sind deine Gäste, und es ist dein Abend. Apropos Gäste." Sie spitzte die Ohren, und tatsächlich klopfte es an der Tür. "Da kommen wohl noch Nachzügler."

Sie verließ das Wohnzimmer und öffnete die Tür. Dem Geräuschorkan vom Flur entnahm ich zwei weibliche Stimmen. Na, das konnten ja nur meine Mädchen sein.

Perine lächelte erfreut, als sie die Ohren spitzte. "Ah. Hanako und Karin."

Tatsächlich standen sie schon bald in der Tür. "Guten Abend", sagte Karin verlegen. "Ich hoffe, wir stören nicht." "N'Abend", schloss sich Hanako weniger förmlich an.

Eine schnelle Zählung der Stühle ergab das Gegenteil. Mutter hatte die beiden erwartet, wenn nicht gleich eingeladen.

"Setzt euch und langt zu. Sonst schaffen wir das hier nie."

"Wenn wir euch auch nichts wegessen", sagte Karin bescheiden. Aus dem Mund einer Akimichi war das Untertreibung pur. "Guten Appetit", sagte sie förmlich, lud sich ihren Teller voll, und tat dann das, was ich für mich "staubsaugen" nannte. Alles, was sie vom Teller mit den Stäbchen zum zierlich-kleinen Mund führte, verschwand dort, als hätte es sich in Luft aufgelöst. Oder wäre eingesaugt worden.

Hanako war da schon ein etwas anderes Kaliber. Sie rieb sich die Hände, während sie die Pracht an Speisen begutachtete, rief gut gelaunt: "Guten Appetit!", und lud sich ebenfalls den Teller voll. Nicht ganz so graziös wie Karin, dafür aber wählte sie ihre Speisen mit Bedacht und in einer wesentlich kleineren Portion. Dass es beiden schmeckte, stand vollkommen außer Frage. Es stand in ihren Gesichtern geschrieben, und Mutter freute sich darüber natürlich.

Dazu gab es Bier für die Erwachsenen, und Fruchtsaft und Tee für meine Genin und Lee.
 

"Superlecker!", rief Shinji begeistert. "Probiert unbedingt das Omelette!"

"Du hast ja keine Ahnung!", tadelte Kira scharf. "Das Curry! Du musst das Curry essen, oder du hast noch nie ein Curry probiert!"

"Amateure", murmelte Mai-chan mehr zu sich selbst. "Wie immer fehlen euch die Sinne für die kleinen Untertöne. Nehmt zum Beispiel das Sushi. Alle tun das Gleiche rein, und es gibt nur wenige Zutaten. Nur ein wahrer Meister schafft es, da noch mehr Geschmack heraus zu kitzeln, als die natürlichen Zutaten überhaupt hergeben, so wie hier geschehen."

"Danke, Mai-chan", flötete Mutter, und stellte ein Schälchen eingelegte Gemüsegurken vor ihr ab. "Süße Kappa?"

"Ui, danke!"

Shinji und Kira sahen sich erstaunt an, und dann beeilten sie sich, noch etwas von den Sushi-Röllchen abzubekommen.

"Lecker! Lecker! Lecker!" Lees Augen wurden wässrig, als er die vielen Genüsse in sich hinein stopfte. "Das schmeckt alles so vertraut, und dann doch soviel besser. Du solltest ein Restaurant aufmachen, Yuria-sama!"

Dies brachte sie doch zum Schmunzeln. "Aber ich habe doch ein Restaurant, Lee-kun. Ich koche dort jeden Abend für unsere Gäste. Na, heute macht das Yuriko, weil ich ja hier bin. Ich habe es eröffnet, kaum das Mamoru in die Ninja-Akademie gekommen ist. Sonst wäre mir ja Zuhause die Decke auf den Kopf gefallen."

"Echt jetzt? Wie heißt es denn, und warum kenne ich es nicht?", rief Lee aufgeregt.

"Ach, es ist nur ein kleines Eckrestaurant. Vielleicht hast du schon mal davon gehört. Es heißt Sindo."

Lee fielen die Stäbchen aus der Hand. Mit herabgesunkener Kinnlade starrte er meine Mutter an.

Er schlug die Handflächen aufeinander und verbeugte sich. "Vielen herzlichen Dank, dass ich heute Abend hier essen darf, Yuria-sama!"

Irritiert sah ich auf. "Hey, hey, was ist denn nun kaputt, Lee-kun?"

Hanako seufzte vielsagend. "Das ist so typisch Mamoru, ich habe es kommen sehen."

Karin schloss sich mit einem eigenen Seufzer an. "Ja, nicht wahr?"

Shinji knuffte mich in die Seite. "Deine Mutter betreibt das Sindo!"

"Ja, ich weiß. Wenn ich früher von der Akademie kam, habe ich da gegessen. Ich habe auch ab und an bedient, wenn Not am Mann war. Vor meiner Zeit als Genin."

"A-aber das Sindo! Mamoru-sensei, das Sindo!"

"Vergiss es, Shinji", sagte Hanako resignierend. "Für ihn ist es das kleine, feine Familienrestaurant, in dem er ein- und ausgegangen ist, wie es ihm beliebte, wo er immer was zu essen bekommen hat, wenn er es wollte, und wo er manchmal ein weißes Hemd und eine schwarze Schürze getragen hat, um Abends die Gäste zu bedienen. Ein einfaches kleines Restaurant mit zwölf Tischen für je vier Personen."

"Das trifft es ungefähr. Und?", fragte ich, nun ehrlich erstaunt.

"Dass es eine drei Monate lange Warteliste gibt, um dort essen zu können, interessiert dich wohl auch nicht, oder?", warf Karin ein. "Dass zum Beispiel Tsunade-sama dort Stammgast ist, sagt dir auch nichts, was?"

"Hä? Das weiß ich doch. Ist vollkommen normal. So war es doch schon immer."

Wieder seufzten meine Mädchen, während meine Genin mich entsetzt ansahen.

Da fiel mir endlich der Groschen. "Ach so. Ich glaube, ich habe verstanden. Tut mir leid, aber für mich ist es nun mal alltäglich, von der besten Köchin Konohas bekocht zu werden, und auch heute noch im besten Restaurant der Stadt eine Zwischenmahlzeit zu bekommen, wann immer ich will. Ich gebe zu, dass ich Mutters gutes Essen so sehr gewohnt bin, ist unfair für alle anderen Köche der Welt, weil ich sie an ihrem Essen messe. Ich neige eben dazu, Dinge als gegeben zu sehen."

Hanako starrte mich mit offenem Mund an. "Du hast das tatsächlich mitbekommen?"

"Natürlich hat er das", erklärte Mutter an meiner Statt. "Er hat sogar ein Sammelalbum mit Ausschnitten aus Zeitungen und Magazinen, in denen das Sindo erwähnt wird. Er ist mein größter Fan."

"Also ist er nicht in jeder Hinsicht lernunwillig", schloss Karin lächelnd.

"Wollen wir es hoffen", sagte Mutter. "Immerhin will ich irgendwann einmal auch von ihm Enkel sehen. Nicht wahr, Hana-chan, Karin-chan?"

Karin, die gerade einen Schluck Tee genommen hatte, prustete ihn wieder aus, während Hanako sich an ihrem letzten Bissen verschluckte. Das Opfer der Tee-Attacke wäre Kakashi geworden, hätte dieser nicht geistesgegenwärtig eine Serviette entfaltet und hoch gehalten und den Tee aufgefangen. Den, der ihn beinahe getroffen hätte, und den, der beinahe auf die Speisen gekommen wäre.

"Danke, Kakashi-sensei", sagte Karin verlegen. "Okaa-chan, du kannst das doch nicht so aus heiterem Himmel sagen! Du weißt doch, dass wir noch..."

"Dass Ihr noch was?", fragte sie mit grimmiger Miene. "Der Bengel ist immerhin schon siebzehn. Er kann dem Thema höchstens noch fünf bis zehn Jahre davonlaufen."

"Mutter, du bist gerade nicht sehr konstruktiv", tadelte ich.

"Hm", machte sie. "Glaube nicht, du bist vom Haken. Das Thema ist aufgeschoben, aber nicht aufgehoben."

"Mutter, nicht jeder kann wie du mit zwanzig schon das erste Kind bekommen", sagte ich streng. "Manche sind noch viel früher dran. Maria zum Beispiel, nicht, Karin, Hanako?"

Diesmal erfolgte es umgekehrt. Hanako spuckte den Schluck Bier aus, den sie gerade im Mund gehabt hatte, und Karin verschluckte sich fast an ihrem nächsten Bissen. Asuma tupfte sich gerade pikiert die Weste und das Gesicht mit seiner Serviette ab.

"Maria?" Mutter horchte auf. "Du meinst, die Maria, die dich vor gut zwei Jahren amnesiert und ausgenutzt hat? Sie ist Mutter? Wie alt ist denn das Kind?"

"Ein gutes Jahr. Sie hat ihn Akira genannt", sagte ich.

Deutlich konnte ich sehen, wie sie zu rechnen begann. "Könnte es nicht sein, dass...", begann sie.

Shinji sah mich aus großen Augen an. "Dann bist du vielleicht schon Vater, Sensei?"

Mai-chan wurde rot, und Kira riss die Augen auf.

Ich winkte ab. "Nichts dergleichen. Er ist der Sohn eines Getsu-Ninjas. Man hat mir mehrfach versichert, dass Aki-chan zwei Wochen zu alt ist, um von mir zu sein."

"Zwei Wochen sind doch gar nichts", sagte Mutter bestimmt. "Als ich mit dir schwanger war, bist du drei Wochen vor deinem Termin geboren worden. Nein, zwei Wochen sind kein Argument."

"Das mag ja sein, aber wenn mir jedermann sagt, dass er nicht von mir ist, einschließlich Maria, dann wird da ja wohl was dran sein. Ich meine, abgesehen davon, das sie versucht hat, mich umzubringen, ist Maria mich betreffend von einer schon peinlichen... Wie soll ich das nennen? Verliebtheit? Unterwürfigkeit? Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass sie mir nichts abschlagen würde, und ich habe keine Ahnung, warum das so ist."

Meine beiden Mädchen seufzten erneut, aber ich ging nicht näher darauf ein.

"Und deshalb sehe ich keinen Grund für sie, mich, was Aki-chan angeht, anzulügen."

"Er ist also nicht von dir, weil man dir gesagt hat, er ist nicht von dir, Sensei?", fragte Kira. Er schnaubte amüsiert und schüttelte den Kopf. "War ja so klar."

"Nun, Kira-kun, es gibt Menschen in meinem Leben, denen ich vertraue. Absolut vertraue. Perfekt vertraue. Ich nehme alles, was sie mir sagen, als bare Münze, weil ich keinen Grund habe, an ihnen zu zweifeln." Mein Blick ruhte bei diesen Worten auf Karin, Hanako und P-chan. "Oder an ihren Worten. Ich lege mein Leben zu oft in ihre Hände, als dass ich zweifeln dürfte oder müsste. Warum also sollten ausgerechnet sie mich anlügen? Und wenn sie es doch tun würden, so bin ich sicher, hätten sie ihre Gründe. Wichtige Gründe." Ich sah zu Kira herüber und lächelte. "Und genau aus diesem Grund ist Aki-chan nicht mein Sohn."

Mutters Hände ruhten auf meinen Schultern. Sie drückte sie leicht, und ich spürte, wie etwa ein Viertel meiner Nerven aktiviert wurden, und fiese Stromimpulse bis in meine Zehen jagten.

"Nun, nun, als ehemalige Kunoichi kenne ich das Thema Vertrauen und Ehre ausgiebig, mein lieber Sohn. Und als deine Mutter ist mir deine grenzenlose Naivität natürlich vertraut. Aber ich sage dir eines: Wenn ich Oma bin, und es nicht weiß, weil du wieder mal so grenzenlos zutraulich bist, dann mach dich auf was gefasst, wenn es rauskommt."

"Kö-könntest du bitte aufhören, mit deinem Medi-Jutsu meine Nervenzellen anzuregen?", bat ich.

"Nein!", erklärte sie resolut. Es folgte ein besonders heftiger Schock, der meine Haare aufstellte. "Autsch!"

Damit ließ sie es dann doch bewenden. Ihr Blick ging zu Karin, Hanako und Perine. "Ihr drei. Küche. Jetzt."

Mit mulmigen Mienen erhoben sich die beiden Kunoichi und die Affenkriegerin, um meiner grimmig lächelnden Mutter in die Küche zu folgen.
 

"Sensei, wie kannst du nur so grenzenlos nai...", begann Kira.

"Das ist es, was ich mit Vertrauen meine", erklärte ich. "Ich habe mit Hana-chan und Karin-chan mein Team gebildet. Wir waren als Genin, und später als Chunin fast immer zusammen, haben Seite an Seite gekämpft, uns gegenseitig unsere Leben anvertraut. Jeder hat dem anderen ein Dutzend Mal oder öfter das Leben gerettet. Wenn ich ihnen nicht vertrauen soll, wem dann? Und selbst wenn sie mich angelogen haben, werden sie ihre Gründe haben. Gewichtige Gründe."

"Gut, wenn man es so sieht", murmelte Kira.

"Das nenne ich die Grundform der Kameradschaft", sagte Lee. "Du machst es vollkommen richtig, Mamoru-sempai. Gib Vertrauen, erhalte Vertrauen. Das ist die Kraft der Jugend."

"Wie siehst du das, Kakashi-ji?", fragte Kira.

Der weißhaarige Ninja, ebenso wie Kira ein Teil des Hatake-Clans, lächelte. "Ich denke, es gibt hier zwei Möglichkeiten. Alles ist so, wie es ist, oder es gibt da etwas, was Mamo-chan nicht erzwingen kann, egal wie sehr er es versucht. Weil er damit mehr kaputt machen kann, als er zu gewinnen vermag."

"Oh."

"Ich finde es trotzdem nicht so wirklich richtig", sagte Mai-chan unvermittelt. "Sicher, diese Frau hat dich betrogen, ausgenutzt, gegen deine eigenen Kameraden kämpfen lassen, und angelogen, was sie als Partnerin mehr als disqua... disku... ausscheiden lässt, aber dafür kann doch der Kleine nichts, Mamoru-sensei." In ihren Augen glomm es vorsichtig. "I-ich für meinen Teil hätte nichts dagegen, Klein-Akira mal näher kennen zu lernen."

Ich unterdrückte ein Schmunzeln. Aki-chan war schon immer gut bei Frauen angekommen. Dass das nun auch schon Frauen betraf, die ihn noch nie gesehen hatten, war eine deutliche Steigerung.

"Vielleicht lässt es sich einrichten. Wie ich schon sagte, ich werde mit euch zuerst in ein befreundetes Dorf in den Festlandprovinzen des Landes des Wassers reisen, und dann noch einige wichtige Dinge in Kumogakure mit dem Raikage klären. Anschließend ist es fast soweit..."

"Fast soweit für was, Mamoru-sensei?", fragte Shinji.

"Fast soweit für die alle zwei Jahre stattfindenden Affenparty." Nachdenklich tippte ich mir an den linken Nasenflügel. "Na, warum auch nicht. Es ist so, alle Kontraktpartner fordern ein Opfer von jenen, die sie beschwören. Einen Tribut in einer Form, die ihnen gefällt. Die Schlangen wollen Blut und Fleisch, die Schnecken nehmen - man glaubt es kaum - Salat, die Frösche vereinnahmen ihre Kontraktpartner... Und die Affen wollen in unserer Welt eine zünftige Party feiern."

"Was, bitte? Eine Party?", rief Kira erstaunt. "Wie sinnlos ist das denn?"

"Das sagst du auch nur, weil du noch nie eine Affenparty erlebt hast", erwiderte ich grinsend. "Meine letzte Party hat noch der Sandaime veranstaltet, kurz vor der Vernichtung Otogakures. Durch seinen Tod ist einiges durcheinander geraten, aber langsam muss ich den Tribut leisten. Zu diesem Zweck mieten die Kontraktpartner der Affen gemeinsam ein Lokal, beschwören so viele Affen, wie immer sie können, und feiern mit den Affen so lange, wie sie die Beschwörung aufrecht erhalten können."

"Das kann ja was werden, wo du doch der einzige Kontraktpartner der Affen bist, Sensei", sagte Shinji mit leuchtenden Augen. "Wenn du aber, sagen wir mal, einen Kohai hättest, der ebenfalls Affen beschwören kann, könntest du die Party bestimmt größer machen. Zufälligerweise habe ich..."

"Er hat eine Kohai", sagte Kira bestimmt, was ihm eine bittere Leidensmiene von Shinji einbrachte. "Hä? Was? Wen?"

"Eine junge Kunoichi aus Getsugakure. Sie heißt Anne. Wir haben vor gut einem Monat einen Schergen Orochimarus über drei Länder hinweg gejagt. Sie hat den Affen sehr gefallen, und deshalb wurde ihr ein Kontrakt angeboten. Ich werde sie kontaktieren, und mich mit ihr... In einem bestimmten Lokal mit Onsen-Quelle verabreden. Sie wird mich bei der Beschwörung unterstützen. Ich erwarte nach einem Monat noch nicht allzu viel von ihr, geschweige denn mehr als einen Affen zu beschwören, doch so oder so wird sie mir eine Hilfe sein." Ich lächelte zu Mai-chan herüber. "Ich weiß nicht, ob es möglich ist, aber vielleicht bringt sie ja Aki-chan mit, wenn ich sie darum bitte."

Kurz leuchteten Mais Augen auf. Doch nicht für lange. Sie setzte eine betont gleichgültige Miene auf und murmelte: "Wenn es sich so einrichten lässt, warum nicht? Oder wir gehen mal nach Getsugakure mit. Du musst deinem Kohai doch sicher noch was beibringen, oder, Sensei? Dann würde sich das doch zwangsläufig ergeben."

"Gut mitgedacht, Mai-chan", lobte ich. Das war ungefähr eine Sekunde, bevor ich drei schmerzende Blicke in meinem Nacken verspürte. Ich wandte mich um. Dort standen meine Mädchen, alle drei. "Mamoru, selbstverständlich helfen wir dir, die Party zu entrichten", sagte Hanako bestimmt. "In einem Monat, in dem Onsen-Gasthaus im Land der heißen Quellen, nehme ich an?"

Ich nickte bestätigend.

Karin sah mich ernst an. "Gut, dann ist das abgemacht. Bis dahin wirst du Perine-chan in Beschwörung halten, Mamoru."

Das brachte mich doch zum Schlucken. Wenn beide so förmlich waren, dann war meistens irgendwas im Argen. Nicht unbedingt für die Welt, aber eventuell für mich. "Gut, ich hätte sie eh mitgenommen, aber..."

"Freut mich zu hören, Mamoru-sama", sagte Perine. Sie sah mir mit einem strahlenden Lächeln in die Augen. Spätestens jetzt beim Suffix Sama wären meine Alarmanlagen losgegangen, aber das waren sie ja schon längst.

"Es ist mir immer eine Freude, mit dir unterwegs zu sein. Das weißt du doch, P-chan." Ich sah zu Lee herüber. "Kommst du auch mit?"

"Was? Nein, entschuldige. Aber für die Entscheidung über meinen Chunin-Status muss ich in Konoha bleiben. Wahrscheinlich bekomme ich dann auch schon meine erste Mission als Anführer. Ich werde also wohl auch nicht zur Affenparty mitkommen können. Leider, so sehr ich das auch tun wollte." Er seufzte entsagungsvoll.

"Ach, Mädchen, steht doch nicht in der Tür rum. Setzt euch wieder. Das Essen wird ja kalt", klang Mutters Stimme vom Flur auf. Sie strahlte über das ganze Gesicht, und während sie die Mädchen aufforderte, wieder Platz zu nehmen, schienen sich ihre Hände vervielfältigt zu haben, weil sie allein dreien liebkosend über Köpfe und Schulter ging - und das zugleich. Die Mädchen inklusive P-chan nahmen das mehr als dankbar an. Was hatten die vier bloß in der Küche besprochen? Mein fragender Blick ging zu Asuma, aber dessen Antwort war ein Zieh mich da bloß nicht mit rein, das ist deine Suppe-Blick.

Kakashi lächelte auf meine stumme Frage freundlich mit zusammengekniffenen Auge: Das findest du noch früh genug raus, Mamo-chan, hieß das.

Na, danke. Wenigstens das Essen war ein Erfolg.
 

"Und wann brechen wir auf, Sensei?", fragte Mai-chan schließlich.

"Übermorgen. Wir treffen uns mit vollem Gepäck am Haupttor."

"Hä? Aber warum denn übermorgen?", fragt Shinji erstaunt. "Meinetwegen können wir morgen schon aufbrechen."

"Absolut kein Problem, von mir aus gesehen", stimmte Kira zu.

"Klappt nicht", sagte ich. "Vorher muss ich noch eure Eltern besuchen.

"Was? Wieso das denn?", fragte Mai entrüstet.

"Meinst du, das bringt irgendwas, Sensei?", meinte Kira.

"Geil! Sensei bei mir Zuhause! Da musst du unbedingt mein Zimmer sehen! Und meine Shuriken-Sammlung! Und vielleicht haben wir noch Zeit für die Gamestation! Und..."

"Shinji-kun. Ich besuche deine Eltern, nicht dich."

"Och, menno."

"Und was euch beide angeht, so hängen eure Leben ab sofort von mir ab. Außerdem sind eure Eltern mit meinem bekannt. Es ist eine Frage der Höflichkeit, wenn sich der Metzger meldet, der euch Lämmer zur Schlachtbank führt. Ironisch betrachtet."

"Ironie versaut er also auch", murrte Kira. "Ich sehe da absolut keine Notwendigkeit zu. Ich meine, wir sind alt genug, um zu kämpfen. Warum also sollte es meine Eltern interessieren, wer mein Sensei ist?"

"Weil du noch Zuhause wohnst?", konterte ich. "Und weil sich Eltern immer Sorgen um ihre Kinder machen, egal wie alt sie sind?"

Verblüfft sahen sich die Genin an. "Da hat er Recht."

"Also gut, dann kommst du halt morgen vorbei, und wir gehen übermorgen los", sagte Kira großzügig. "Bei mir bitte nicht so früh. Vater ist auf Handelsreise, und Mutter macht vormittags das Badehaus."

"Bei mir ist es egal", sagte Shinji rasch. "Mein Bruder ist eh auf der Uni am Forschen, und meine Eltern haben beide morgen frei."

"Mein Vater ist auch unterwegs", sagte Mai. "Und Mutter ist erst am Nachmittag wieder Zuhause. Wenn es dir recht ist, Sensei."

"Na also, dann haben wir doch eine Reihenfolge. Vormittags besuche ich Familie Nanahara. Dann kommt Familie Yamada an die Reihe. Und den Abschluss macht dann Familie Kobashi."

Die drei nickten zustimmend.

Mutter lehnte sich schwer auf mich. "So, das ist jetzt aber genug über die Arbeit geredet. Hier warten noch so viele leckere Sachen auf euch. Esst, esst, esst. Ihr zwei auch, Asuma-chan, Kakashi-kun. Ihr langt gar nicht richtig zu."

Das veranlasste Asuma dazu, sich den Teller zuzuschaufeln. Auch Kakashi nahm sich nach. "Bei dem guten Essen lasse ich mich nicht lange bitten", sagte er lächelnd. Obwohl, bei seiner Maske und dem Konoha-Stirnband, das er immer über das Sharingan gelegt hatte, fiel es schwer, das eindeutig zu erkennen.

Aber er hatte Recht, und ich nahm wie alle am Tisch weiter kräftig nach. Wer wusste schon, wann ich wieder so etwas Gutes zu essen bekommen würde?

"Karin, hast du morgen vormittag Zeit?"

"Eh?"

"Ich würde es toll finden, wenn du zu den Nanaharas mitkommst."

"Natürlich, Mamo-chan."

"Warum nur Karin?", fragte Hanako schmollend.

"Dich wollte ich bitten, mich zu den Kobashis zu begleiten."

"Oh. Ah, da habe ich selbstverständlich Zeit für."

"Und du, P-chan, gehst bitte bei den Yamadas mit."

"Was immer du mir befiehlst, mein Kontraktpartner."

"Na, dann kann der Spaß ja kommen." Ich grinste zufrieden. Zumindest jetzt noch.

***

Ein wenig mulmig war es mir schon, als ich nach langer Zeit vor dem großen, wirklich großen Stadthaus stand, das sich ein wenig außerhalb in der Nähe des Stadions befand. Ich wusste, dass Ryouro Nanahara einen wichtigen Posten in der Stadtverwaltung bekleidete, seit er als Jounin ausgeschieden war, und dass die Familie ohnehin Geld hatte. Es reichte zu einigem Luxus. Wenigstens erschien es mir nicht mehr so groß zu sein, wie es mit vier oder fünf Jahren auf mich gewirkt hatte.

Ich wechselte einen Blick mit Karin, die nicht im Mindesten beeindruckt zu sein schien. Was hatte ich auch erwartet? Die Akimichi gehörten selbst zu den reicheren Sippen im Ort, und für sie musste das Haus gerade groß genug sein. Wie bescheiden kam mir da mein Elternhaus und die Wohngegend der Nara an sich vor. Doch bevor ich in Selbstmitleid versinken konnte, räusperte ich mich, straffte meine Haltung, und klopfte an der Haustür an.

"Mamo-chan", sagte die Frau des Hauses erfreut, als sie mir öffnete. "Na, das ist ja eine Freude. Was führt dich denn zu uns? Und wen hast du da mitgebracht? Ist das nicht die kleine Karin?"

"Guten Morgen, Frau Nanahara", sagte Karin ein wenig verlegen.

"Hallo, Soma-sama", sagte ich freundlich. "Hat Shinji-kun mich nicht angekündigt?"

Die braunhaarige Mittfünfzigerin sah mich erstaunt an. "Für was denn?"

"Äh, ich wollte ihn mit auf eine längere Tour nehmen, und muss da vorher mit euch einige Dinge besprechen."

Soma Nanahara nickte gewichtig. "Ja, das ist immer eine gute Entscheidung, wenn man eine Gruppe Genin übernimmt. Ich nehme also an, du besuchst die anderen Familien auch noch. Aber was rede ich, kommt doch rein, Ihr zwei. Papa ist in der Bibliothek, aber Shinji schläft noch. Kawada ist schon auf seiner Arbeit, aber ich nehme nicht an, dass du Shinjis großen Bruder unbedingt sprechen musst." Sie trat beiseite und ließ uns ein. "Geh durch. Du kennst den Weg, Mamo-chan. Ich mache uns Tee."

"Danke, Soma-sama", sagte ich, und beinahe hätte ich mich im Reflex verbeugt. Alte Konditionierungen brach man nur langsam auf, und gegenüber Soma-sama war ich zu Respekt erzogen worden, zumindest bei den seltenen Gelegenheiten, zu denen Mutter mich hierher mitgenommen hatte. Immerhin war Soma-sama ihr Jounin und ihr Ausbildungsleiter zum Medi-Nin gewesen, und die beiden Frauen unterhielten noch immer eine lebhafte Verbindung. Dennoch war es gewiss acht Jahre her, das ich zuletzt in diesem Haus gewesen war. Und wie gesagt, damals war mir alles noch viel größer vorgekommen.
 

"Warst du schon mal hier?", fragte ich Karin, während Soma-sama in der Küche verschwand, um den Tee zuzubereiten.

"Meine Eltern, ja, aber ich noch nicht. Was sollte ich auch hier? Kawada ist zu alt, als dass wir miteinander gespielt hätten, und Shinji-kun viel zu jung."

"Gut, dann gehe ich voran." Hinter uns hörten wir, wie ein Wasserkessel etwas zu schwungvoll auf einen Herd gesetzt wurde.
 

Wir nahmen die Treppe in den ersten Stock. Es war eine breit ausladende Treppe, die sich sicherlich dabei bewährt hätte, wenn es darum ging, einen Konzertflügel um ein Stockwerk zu befördern. Ironischerweise erwartete uns ein solcher Flügel in der Bibliothek. Nach kurzem Anklopfen wurden wir herein gebeten. Ryouro Nanahara sah auf, als wir eintraten. "Mamoru! Akimichi-kun! Was verschafft uns die Ehre eures Besuchs?", fragte er mit strahlendem Lächeln, und eilte auf uns zu, um uns die Hände zu schütteln. "Ach, was druckse ich herum, es geht sicher um Shinji. Ich hoffe, er hat sich bei dem Test gestern gut gemacht." Beinahe lag etwas Ängstliches in seinem Blick.

Ich lachte, um den plötzlichen Druck wieder zu nehmen, der in der Bibliothek herrschte. "Nein, keine Sorge. Er hat genau wie die anderen beiden meine Erwartungen erfüllt. Eigentlich sogar noch übertroffen." Ich räusperte mich. "Er hat sich mit Rock Lee angelegt, und den guten Jungen beinahe überlistet."

"So? Guys Schüler, nicht? Dann war das sicher keine schlechte Leistung. Warum ist er gescheitert?"

"Welcher angehende Chunin lässt sich schon von einem frisch gebackenen Genin hinters Licht führen?", erwiderte ich trocken.

Daraufhin lachte Ryouro erneut. Er deutete in Richtung einer Sitzecke. "Kommt, setzt euch doch. Shinji schläft noch, aber das ist nach dem Tag gestern auch kein Wunder. Muss ja hoch hergegangen sein, insgesamt gesehen."

"Ja, insgesamt gesehen", erwiderte ich lächelnd, und ließ Karin den Vortritt.

Wir setzten uns auf die breite Couch. Kaum das wir saßen, betrat Soma-sama mit einem Tablett den Raum. Der Tee roch schon von weitem angenehm.

Während sie die Tassen austeilte und beschenkte, schwiegen wir. Erst als auch sie sich in einen Sessel mir gegenüber gesetzt hatte, nahm ich das Wort wieder auf.
 

Zuerst verneigte ich mich in meiner sitzenden Haltung. "Ich möchte mich in aller Form bei euch entschuldigen, Ryouro-sensei, Soma-sama. Ich weiß, welche Zurücksetzung es für euch bedeuten muss, dass euer Sohn von einem Chunin ausgebildet werden soll, und nicht, wie es sich gehört, durch einen Jounin. Da Ihr beide Jounin wart..."

"Wie kommst du denn darauf, Mamoru?", fragte Ryouro verblüfft, und fiel mir damit ins Wort. "Gewiss, du bist nur Chunin, aber auch nur, weil der Rat dich mit einem Beförderungsstopp belegt hat. Verständlich, wenn ich bedenke, dass du deinen kühlen Kopf von Emotionen hast beherrschen lassen. Davon, und von einem prächtigen..."

"Schatz, ich bitte dich. Wir hatten doch gesagt, dass das kein Thema ist, wenn wir mit ihm reden", mahnte Soma-sama.

Ryouro brummelte etwas Unverständliches, fügte sich aber.

Soma-sama lächelte mich an. "Keine Sorge. Wir denken beide, dass du ein guter Sensei für Shinji sein wirst. Selbst Kawada sagt das, und du weißt, auf sein Urteil ist Verlass."

"Oh. Das freut mich zu hören", erwiderte ich verblüfft.

"Vor allem freut es mich, dass unsere alten Beziehungen aus meiner Zeit als aktiver Medi-Nin berücksichtigt wurden. Dass der Sohn von Yuria-chan nun meinen Shinji betreut, nachdem ich ihr Jounin war, das schließt den Kreis wieder. Ich habe größtes Vertrauen in dich, Mamoru."

Ich verneigte mich erneut. "Danke. Ich fühle mich sehr geehrt."

"Gern geschehen." Sie lächelte.

Nun nahm Ryouro das Wort wieder auf. "Aber erzähl schon. Warum bist du hergekommen?"

"Ich bin hier, um euch um Erlaubnis zu bitten, Shinji auf eine private Reise mitzunehmen. Ich muss zum Raikage, und wollte dabei ein paar Stationen meines bisherigen Lebens besuchen. Dies ist keine offizielle Mission, daher wird er dafür auch nicht bezahlt. Aber ich habe vor, eine sehr lehrreiche Erfahrung daraus zu machen. Für ihn und für seine beiden Kameraden."

"Der finanzielle Aspekt ist absolut kein Problem, das solltest du wissen. Wir sind mehr als bereit, ihm sämtliche Auslagen mitzugeben", sagte Soma-sama bestimmt. "Aber wie ich dich kenne, geht es eher darum, das es kein offizieller Auftrag Konohas ist."

"Richtig, Soma-sama. Wir sind dann quasi im Urlaub. Eventuell wird es sich in seiner Akte nicht so gut machen, wenn er im ersten Monat als Genin nicht mal eine einzige D-Mission hinter sich gebracht hat."

"Und ich denke, dass solide Grundlagen hier das einzig Wahre sind", erklärte Ryouro. Er feixte mir zu. "Nimm ihn mit, und fordere ihn ordentlich. Shinji ist sehr belastbar, recht geschickt und von schneller Auffassungsgabe. Das Einzige, was mich stört, ist sein Hang, dauernd dieses unfeine Wort zu sagen. Dieses "cool". Kannst du das eventuell abstellen, Mamoru?"

"Nein, leider nicht. Ich benutze es selbst ab und an", sagte ich in bedauerndem Tonfall.

"Wie schade."

"Danke für die Erlaubnis. Ich freue mich sehr, den Jungen zeigen zu dürfen, was ich selbst von meinen Senseis gelernt habe."

"Hayate, nicht?" Soma-samas Augen füllten sich mit Mitgefühl. "Es war ein Verlust für uns alle."

"Ebenso wie der Verlust des Sandaime Hokage", fügte Ryouro an.

"Danke", erwiderte ich ehrlich gerührt. Selbst nach all der Zeit, nach zwei langen Jahren tat es immer noch weh.
 

"Eine Frage habe ich noch. Was muss ich beachten, wenn ich Shinji mitnehme?"

"Wie meinst du das?", fragte Ryouro verblüfft.

"Schnarcht er beim Schlafen, schwimmt er im Onsen, ist er Langschläfer oder Frühaufsteher... So etwas halt."

Soma-sama schüttelte den Kopf. "Keine Sorge, er hat keine besonders auffälligen Macken. Sein großer Bruder trainiert viel mit ihm, und Ryouro hat in letzter Zeit viel mit ihm meditiert. Ich meine ja, er sagt nur deshalb dauernd cool, weil du ihn übertrainierst und überforderst, Papa."

"Ich will nur das Beste für ihn, Mama", erwiderte Ryouro mürrisch.

Aufmerksam musterte ich die beiden bei diesem Wortwechsel. "Dann weiß ich jetzt alles, was ich wissen muss." Ich nahm meine Teetasse. "Und ich verspreche, ich bringe ihn unbeschadet wieder zurück."

Auch die anderen ergriffen ihre Teetassen. "Davon gehen wir aus, Mamoru", sagte Soma-sama, und ihre Worte begleitete ein undefinierbarer Blick.

Ich für meinen Teil beschloss jedenfalls, meinen Worten Taten folgen zu lassen.
 

Als wir nach dem Tee wieder auf die Straße traten, ging ich mit Karin in ein Straßencafé, das sich auf Tee und Dangos spezialisiert hatte. Bei einer großen Portion der leckeren Süßspeise reflektierte ich mit Karin das Gespräch. "Dein Eindruck?"

"Shinji hat zwei starke männliche Bezugspersonen, einmal seinen Vater, und einmal seinen Bruder. Beide sind sehr erfolgreich, und es ist klar, das er versuchen wird, ihnen nachzueifern. Dazu kommt eventuell noch ein Schuldkomplex, seine Mutter betreffend. Immerhin hatte sie kurz vor seiner Geburt ihren Job als Medi-Nin an den Nagel gehängt. Und sie ist ja auch nicht gerade von Pappe." Sie seufzte. "Ein Wunder, dass sich der Junge bei so viel Druck ein so fröhliches Gemüt bewahrt hat."

Ich zuckte die Achseln. "Der Kleine ist teuflisch schlau. Das macht wohl das viele Training mit Papa und dem doppelt so alten großen Bruder. Denkst du, er hat wirklich Komplexe? Helden kann ich absolut nicht gebrauchen."

"Oh, zum Helden taugt er schon, denke ich. Aber eher zum Mamoru-Helden, nicht zum toten Helden", tadelte sie mich. "Er wird wohl Ehrgeiz entwickeln, aber nicht zum Risiko neigen. Erst Recht nicht, wenn es seine Kameraden gefährden sollte."

Sie griente mich an. "Jetzt weiß ich wenigstens, warum ich mitkommen sollte. Du hast seine Eltern getestet."

"Ich bin nur sichergegangen, dass ich mir keine Altlasten ins Team hole. Mein Freund Naruto ist auch immer fröhlich wie Shinji, und hast du mal die Dämonen gesehen, die ihn jagen?"

"Gutes Argument. Aber beachte bitte die Hauptweisheit des Niidaime Hokage, auch bekannt als Sejuus Kunai: Wenn ein kleiner fröhlicher Junge ein kleiner fröhlicher Junge ist, dann meistens, weil er ein kleiner fröhlicher Junge ist."

"So klein ist er doch gar nicht", erwiderte ich grinsend.

"Du weißt was ich meine, Mamo-chan", sagte sie, und versetzte mir einen Klaps auf die Schulter. "Schade, das ich bei den anderen beiden Gesprächen nicht dabei sein kann."

Ich zog die Stirn kraus. "Ich muss jede von euch dreien zu ihrem Recht kommen lassen. Das ist wohl besser so, wenn ich dran denke, wie Mutter euch nach dem Gespräch in der Küche behandelt hat. Oder?"

"Äh...", machte sie verlegen.

"Na also", sagte ich zufrieden. Langsam wurde das besser mit mir und den Frauen. Wie hoffnungsvoll.

***

Es war kurz nach eins, als ich mit Perine, diesmal hatte sie die Ninja-Uniform Konohas angelegt, vor dem Haus der Yamadas stand. Auf mein Klopfen hin öffnete Kira selbst die Tür. "Ihr seid zu früh", sagte er, öffnete aber den Weg für uns. "Mutter ist noch nicht wieder aus dem öffentlichen Bad da. Aber ich kann uns Tee machen."

"Danke, mein großer Held", flötete Perine, beugte sich ein wenig vor, und gab dem Genin ungeniert einen Kuss auf die rechte Wange. Verlegene Röte huschte durch sein Gesicht, und ich hütete mich davor, zu lachen.

"Wo lang, Kira?"

"D-da lang. Geradeaus und zweite Tür rechts", stotterte er. "Das Wohnzimmer."

Ich ging voran. Der Gang war klein, und wenn ich von den Türen auf die Größe der Zimmer schloss, war es hier etwa so groß wie bei mir Zuhause. Es war sauber, ordentlich, aber vor allem gemütlich eingerichtet. An jedem verfügbaren Fleck Wand hing ein Seidenmalereibild.

"Das sind gute Arbeiten, sehr gute Arbeiten", lobte ich, als ich vor dem Bild einer Frau im Kimono stehen blieb. "Wer ist denn der Künstler in eurer Familie?"

Kira gab mir keine Antwort. Stattdessen ging er an mir vorbei, öffnete die Tür zum Wohnzimmer und sagte: "Hier rein, Sensei. Ich mache den Tee."

"Ui, da hast du ihn aber gekniffen", raunte Perine mir zu.

"Das sehe ich", murmelte ich bedrückt.

Ich trat in das Wohnzimmer, und das Erste, was mir auffiel, war ein kleiner Schrein, wie er in vielen Häusern zu finden war. Meist war er einem nahen Verwandten gewidmet, der tot war. Tatsächlich stand auch hier ein Bild im Mittelpunkt, das auf einer Ecke einen schwarzen Trauerflor trug. Ich erschrak, als ich erkannte, dass ein vielleicht sechsjähriges weißhaariges Mädchen das Portrait zierte. Darunter stand eine besonders gelungene Seidenmalerei, die ein Blumenfeld zeigte.

"Das muss seine Schwester gewesen sein. Sie starb beim Angriff Otos auf Konoha", murmelte ich mehr zu mir selbst. Vor zwei Jahren noch hätte ich ihren Tod auf meine Kappe genommen. Heute sah ich das etwas realistischer.

Ich sank vor dem Abbild in den Saizen-Sitz und legte die Hände wie zum Gebet aufeinander, um ihr Respekt zu zollen. "Du musst Ai-chan sein. Ich will deinen Bruder ein wenig entführen, damit er die Welt zu sehen bekommst. Es ist wahrscheinlich nicht verkehrt, wenn du ihm dafür deinen Segen mit auf den Weg gibst, Ai-chan. Aber ich verspreche ohnehin, gut auf ihn aufzupassen."

"Ähm, Mamo-chan", sagte Perine leise.

In der Tür stand Kira, ein Tablett in der Hand. Er musterte mich aufmerksam. Als ich seinem Blick begegnete, räusperte er sich, murmelte ein Danke, und deckte den Tisch ein.
 

Ich erhob mich und setzte mich mit P-chan an den Tisch. Kira schenkte ein, und ich kostete von dem Tee. Ein Grüntee mit Jasmin-Note.

"Ach, da habe ich mich so beeilt, und dann bin ich doch zu spät", klang eine Frauenstimme von der Tür her auf. "Guten Tag, Mamoru. Die junge Dame in deiner Begleitung kenne ich leider noch nicht. Ich hätte auch eher Fräulein Akimichi oder Fräulein Yodama erwartet."

Ich lächelte, als ich die Frau in der Eingangstür sah. "Guten Tag, Frau Yamada. Entschuldigen Sie, dass wir so hereingeplatzt sind." Ich deutete auf meine Begleiterin. "Das ist Perine. Sie ist eine meiner Kontraktpartner im Clan der Affen."

"So? Na, ich habe schon Unglaublicheres gesehen." Sie gab uns beiden die Hand, und setzte sich anschließend zu Kira auf die Couch. "Also, was kann ich für dich tun, Mamoru?"

Erneut verbeugte ich mich. "Zuerst einmal will ich mich entschuldigen, weil Ihr Sohn nur einen Chunin bekommen hat, und keinen Jounin."

Die Mutter von Kira lachte glockenhell. "Das macht dir doch hoffentlich nicht wirklich Sorgen, Mamoru. Du bist der Sohn meiner alten Partnerin Yuria. Wenn ich mich nicht auf dich und deine Fürsorge verlassen kann, wenn es um meinen Sohn geht, auf wen dann? Nein, ich bin ganz froh, dass die Gruppen so zusammengestellt wurden, und dass du ihr Anführer geworden bist. So ist Kira mit seinen Freunden zusammen, und ich weiß, du wirst darauf aufpassen, dass er sich nicht zu weit vorwagt. Er macht immer gerne einen auf träge und faul, aber wehe, er wittert seine Chance. Dann kann er gefährlich werden." Sie lachte begeistert und schlug sich auf die Schenkel. "Was meinst du? Seit ich meinen Beruf an den Nagel gehängt habe, musste ich meine Heilkünste glatt öfter anwenden als vorher, weil dieser Lausejunge kein Risiko scheut. Welchen Knochen, außer dem Ossicula Auditus, vornehmlich dem Linken, hat er sich wie oft gebrochen?"

"Ossi-was?", raunte Perine.

"Das Gehörknöchelchen", raunte ich zurück. "Gilt als kleinster Knochen im Körper und arbeitet mit dem Trommelfell."

Ich lächelte verlegen, als ich Haruna Yamadas Blick bemerkte. "Ich habe mir ein wenig Fachliteratur angelesen."

"Es ist nie verkehrt, ein wenig Basiswissen über den menschlichen Körper zu haben", schmunzelte sie. "Also, ich habe kein Problem damit, dass du Kiras Sensei bist, und Mitsurugi hat das ebenfalls gesagt, bevor er zu seiner Handelsreise aufgebrochen ist."

"Gut. Dann sind wir auch schon beim nächsten Thema. Ich wollte Kira mit auf eine private Reise nehmen. Es ist keine Mission, deshalb wird Kira dafür auch nicht bezahlt. Aber ich dachte mir, er sieht mal was von der Welt. Der Raikage erwartet mich."

Sie knuffte ihren Sohn gegen die Schulter. "Was für ein Pech aber auch, Kira. Da geht es für dich und deine neue Gruppe in die Welt, und dann besucht Ihr die Stadt, die du ohnehin schon auswendig kennst, was? Aber das trifft sich gut. Du kannst deinen Onkel ja bitten, mit dir ein wenig Raiton zu trainieren. Kakashi hat ja so wenig Zeit für dich."

"Oh, es geht nicht direkt nach Kumogakure", sagte ich schnell. "Wir nehmen einen kleinen Umweg. Ich möchte Freunde besuchen."

"Na, das klingt doch schon besser. Aber kommst du damit aus, jemanden zu treffen, der deinen Sensei womöglich als fähigen Shinobi ansieht, vielleicht sogar verehrt?"

"Mutter, bitte", sagte Kira gequält. "Mamoru-sensei hat seinen Chunin-Titel durchaus nicht geschenkt bekommen. Das habe ich gestern gemerkt."

"So? Na gut. Also, ich habe nichts dagegen, wenn du Kira mitnimmst, Mamoru. Vielleicht trefft Ihr ja unterwegs seinen Vater. Er dürfte dann gerade von Kumogakure zurückkommen."

"Vielleicht", erwiderte ich. "Aber eine Reise besteht aus vielen Schritten, und jeder Schritt ist anders."

Damit sollte ich Recht behalten. Doch das konnte ich damals nur ahnen.
 

Als wir das Haus der Yamadas wieder verlassen hatten, kehrte ich mit Perine im Ichiraku Ramen ein. Während wir unsere Nudelsuppen verspeisten, startete ich meine Analyse. "Was denkst du, Perine?"

"Über Kira und seine Eltern? Sie ist mit einem der wichtigsten Jounin Konohas direkt verwandt, und ihr Mann geht in Kumogakure als Händler ein und aus. Würde mich nicht wundern, wenn ständig ein ANBU in seiner Nähe ist."

"Er wird sporadisch überwacht", sagte ich leise genug, sodass nur sie mich hören konnte. "Und Kira selbst?"

"Du spielst auf seine tote Schwester an. Nein, ich denke nicht, dass er einen Rachekomplex hat. Aber sicherlich einen leichten Schuldkomplex. Weil er lebt, und Ai-chan tot ist. Ich denke, das liegt vor allem an seinen Eltern. Ich meine, das er sich zwar schuldig fühlt, aber kein mörderischer Rächer ist. Sie sind rau, aber herzlich. Damit locken sie ihn immer wieder aus der Reserve, sodass er gar kein Eigenbrödler werden kann."

"Und was denkst du, wie er sich in der Gruppe machen wird?"

"Schwierig zu sagen. Er ist schlau, gewitzt, schnell, aber auch zurückhaltend, abwartend, lauernd. Nicht gerade Anführermaterial, wenn er nicht aus sich raus gehen kann. Ich sehe ihn eher als Strategen. Jemand, der vorher plant. Größere Risiken wird er nicht eingehen, außer er kann sich entsprechend absichern."

"Aha. Unsere Meinungen decken sich." Ich schlürfte einen großen Happen Nudeln ein. "Und, denkst du, er schnarcht?"

Perine lachte glockenhell auf, und knuffte mich in die Seite. "Wenn du das gefragt hättest..."

Ich grinste. "Bei Shinji habe ich das. Aber für Kira wäre damit eine Welt zusammengebrochen, fürchte ich." Ich trank einen großen Schluck Brühe. "Fehlt nur noch ein Genin."

***

"Mamoooo-chaaaan!", rief Hanako fröhlich, kaum das sie mich entdeckte.

"Hana-chan. Pünktlich wie immer. Oder bin ich zu spät?"

"Nein, keine Sorge. Ich bin gerade erst gekommen", versicherte sie mir. Sie deutete auf das große Mehrfamilienhaus, da so typisch für das Stadtbild Konohas war. Wenngleich die Wohneinheiten ein wenig größer auf mich wirkten, als es in der Innenstadt üblich war. "Kennst du die Kobashis?"

"Nein, leider nicht. Aber Shouta, Mais Vater, hat als Händler öfters mit meinem Vater und dem Vater Kiras zu tun." Ich runzelte die Stirn. "Manchmal erschaudere ich, wenn ich daran denke, wie sehr Tsunade-sama, meine Genin betreffend, vorgeplant hat."

"Das lässt dich erschaudern? Denk doch mal an uns. Wir sollten doch so eine Art Neuauflage des Ino-Shika-Chou-Teams werden, oder? Ein Nara, eine Akimichi, und eine Yamanaka. Hat doch soweit ganz gut geklappt, also vertrau mal denen, die die Teams zusammenstellen."

"Ich beschwere mich nicht. Es ist eine gute Zusammenstellung", erwiderte ich.
 

Entschlossen klopfte ich an.

"Ah, Mamoru. Und Yodama-kun", sagte die fröhliche Frau, die uns die Tür öffnete. "Kommt doch bitte rein. Ich bin Hitomi, Mais Mutter."

"Danke, Frau Kobashi. Mai sagte uns, Shouta-san wäre auf Geschäftsreise?"

"Ja, er ist auf dem Weg nach Suna." Sie schloss die Haustür hinter uns wieder. "Geht bitte in den zweiten Raum rechts. Das ist das Wohnzimmer."

"Danke." Ich musterte die Einrichtung. Sie war ähnlich gehalten wie bei den Yamadas. Gehaltvoll, fröhlich, lebendig. Als ich das Wohnzimmer betrat, natürlich nachdem ich Hanako vorgelassen hatte, wurden wir von Mai begrüßt. "Guten Tag, Mamoru-sensei. Hallo, Hanako-sama."

"Hallo, Mai-chan", sagte Hanako fröhlich. "Na, freust du dich schon?"

"Es geht so", erwiderte sie.

"Freuen auf was?", fragte Hitomi Kobashi, als sie mit einem Tablett ins Wohnzimmer kam.

"Oh, das ist genau der Grund meines Besuchs", sagte ich.

"Setzt euch. Mai, schenk doch bitte den Tee ein."

"Ja, Mama."

Die Hausherrin nahm mir gegenüber Platz. "Also, was gibt es so wichtiges, dass Mais Sensei persönlich herkommt?"

Zum dritten mal an diesem Tag verbeugte ich mich tief. "Ich möchte mich zuallererst aufrichtig dafür entschuldigen, dass Mai nur einen Chunin, und keinen Jounin als Lehrmeister bekommen hat."

"Entschuldigen?" Hitomi zog eine Augenbraue hoch. "Du denkst doch nicht ernsthaft, dass du ein schlechter Lehrer für Mai sein könntest, oder? Immerhin dürftest du der erste Chunin seit über dreißig Jahren sein, dem in Konoha erlaubt wurde, eine Gruppe Genin zu trainieren. Alleine das spricht doch schon für deine Qualifikation, oder?"

Verblüfft sah ich sie an. "So kann man es auch sehen."

"Und ich sehe es so", sagte sie lächelnd. "Außerdem hat mir Mai heute morgen erzählt, wie du gestern mit ihr Schlitten gefahren bist, Mamoru. Ich habe keine Bedenken, sie dir anzuvertrauen."

"Womit wir beim zweiten Thema wären. Hat sie auch schon davon erzählt?"

"Oh, ja. Die Reise. Klar, kein Problem. Ich bin sicher, sie wird eine Menge dabei lernen."

"Das Problem ist, dass es keine offizielle Mission ist. Es könnte sich merkwürdig in ihrer Akte machen, wenn sie im ersten Monat als Genin nicht mal eine D-Mission erfüllt hat", erklärte ich.

"Lieber ein holpriger Anfang, als ein abruptes Ende", erwiderte sie. "Nicht, Mai? Und du willst doch unbedingt mit."

Leichte Röte schoss dem Mädchen in die Wangen. "E-es ist doch unsere Pflicht, unserem Sensei zu folgen", haspelte sie.

"So? Vorhin klang das aber noch ganz anders.

"Mamaaaaa...", sagte Mai gequält.

"Auf jeden Fall wird sie eine Menge lernen", sagte ich amüsiert.

"Ach, eines noch, Mamoru. Du kennst doch ihre Akte, richtig?", fragte Hitomi gerade heraus.

"Ja."

"Und dann kennst du auch den Hintergrund ihres Auslandjahres."

"Ja."

"Hä? Was? Aber..."

"Eine Akte kann man nicht so leicht manipulieren, Mai", erklärte ich. "Aber keine Sorge, ich werde es vertraulich behandeln. Deine Teamkameraden erfahren nichts. Aber ich werde dich auch nicht verhätscheln. Die letzten Untersuchungsberichte lasen sich sehr positiv. Kein Grund, dich in Watte zu packen."

Das schien das Mädchen etwas aufzustacheln. "Gut, so will ich es auch, und nicht anders", sagte sie zufrieden.

"Na, na, na", machte ihre Mutter. "Das Gegenteil ist der Fall. Mamoru, du brauchst sie nicht in Watte zu packen, aber ich erwarte schon, dass du auf sie achtest. Sollte sie einen Rückfall bekommen, dann musst du sie beschützen."

"Mamaa..."

"Rede nicht, Kind. Ich bin deine Mutter, und weiß es besser."

"Natürlich, Frau Kobashi. Nichts anderes hatte ich vor. Ich bringe alle meine drei Genin wohlbehalten und ohne Kratzer wieder mit nach Hause." Ich dachte einen Moment nach. "Vielleicht mit ein paar Kratzern, oder ein paar blauen Flecken."

"Oh, damit wird sie klarkommen." Hitomi beugte sich vertraulich vor. "Und was die Reise angeht: Mai spricht im Schlaf. Außerdem wälzt sie sich, wenn sie auf einem Futon schläft, durchs ganze Zimmer. Und wenn sie in einem Bett schläft, durchquert sie es fünfmal in einer Nacht."

"Mama, das ist mir jetzt aber peinlich", sagte Mai.

Hitomi fuhr ungeachtet des Protests fort. "Und in einem Schlafsack robbt sie einmal rund ums Lagerfeuer, und solche Scherze. Mit ihr hast du echt eine Handvoll zu tun, Mamoru."

Ich lachte. "Das werde ich hoffentlich überleben. Außerdem nehme ich eine gute Freundin mit, die nicht viel anders schläft. Die beiden werden sich gut ergänzen."

"Du auch noch, Sensei?", sagte Mai gequält.

"So? Das freut mich. Und trinkt den Tee, bevor er kalt wird."

Ein gutes Argument, wie ich fand.
 

Als wir das Haus wieder verließen, ging ich mit Hanako ein Eis essen. "Also, was denkst du?"

"Ich weiß einiges über Mai-chan. Auch, dass sie sich große Mühe gegeben hat, um ihr Fehljahr in der Akademie aufzuholen. Dabei hat sie sich oft genug überfordert. Darauf solltest du achten, Mamo-chan. Sie wird mehr leisten wollen, als sie wirklich kann. Und dabei wird ihr immer die Angst vor einem Rückfall in den Knochen stecken."

"Hm, interessant. Was denkst du ansonsten von ihr?"

"Sie ist die Fernkämpferin der Truppe. Das macht sie zum taktischen Anführer, der von hinten die Attacken koordiniert. So sehe ich es zumindest im Moment noch. Mehr lässt sich erst sagen, wenn die drei gemeinsam in ihrem ersten Kampf gesteckt haben."

"Ja, der erste Kampf. Erinnerst du dich an unseren ersten Kampf? Mit diesen Kiri-Nin?"

"Ja, so als wäre er erst gestern gewesen. Was habe ich dich für ein Weichei gehalten. Und dann erledigst du den dreimal so schweren Angreifer, der dir auch noch mit seiner Wasserkunst gegenüber im Vorteil ist, einfach mal eben so mit Taijutsu." Sie griente mich an. "Da habe ich mich übrigens in dich verliebt, Mamo-chan."

"Ich dachte, das war erst später, im Chunin-Examen", sagte ich erstaunt.

"Da waren Karin und ich schon über ein Jahr von dir hin und weg. Und du hast nichts gemerkt, du Dummerchen."

Okay, das waren neue Informationen für mich. "Tut mir leid."

"Muss es nicht. Sieh nur zu, dass deine drei Genin nicht in eine ähnliche Situation kommen, in der sie sofort ernsthaft kämpfen müssen. Ich habe damals nicht von dir erwartet, das du in der Lage wärst, deinen Gegner tatsächlich zu töten. Und außer Kira hat noch keiner deiner Genin getötet. Ob es ihm wieder gelingt, wissen wir nicht. Damals ging es um seine Schwester. Worum geht es ihm heute?"

"Danke für den guten Rat. Ich hoffe, ich bin nur halb so gut wie unser Sensei."

"Das wirst du sein, Mamoru", erwiderte sie im Brustton der Überzeugung. Sie gab mir einen kurzen Kuss. "Aber sicherheitshalber. Damit du Glück hast."

"Ich fürchte, ich werde es brauchen", murmelte ich.

Wie Recht ich doch hatte.

***

Gegen Abend erreichte mich eine unerwartete Einladung von Tsunade-sama. Sie schrieb, wenn ich noch ein wenig Zeit hätte, sollte ich doch bitte noch in ihrem Büro vorbei schauen.

Übersetzt: Wenn du nicht in zwei Minuten hier bist, lernst du mich kennen!

Entsprechend beeilte ich mich, und hätte ich nicht darauf verzichtet, durch ihr Fenster zu brechen, hätte ich auch die zwei Minuten unterboten. So aber stand ich in ihrem Büro, atmete schwer, und versuchte mich auf ihre Worte zu konzentrieren.

Aber sie sagte nichts. Sie musterte mich nur stumm. Endlich fragte sie ihre Assistentin: "Seine Zeit, Shizune?"

"Tagesrekord."

"Gut." Zufrieden wandte sie sich wieder mir zu. "Ich habe einen Auftrag für dich. Eine D-Mission."

Das ließ mich verwundert die Stirn runzeln. "Aber Tsunade-sama, ich habe doch Urlaub für mich und meine Genin genehmigt bekommen."

Wütend sah sie mich an. "Lässt du mich vielleicht mal ausreden, Mamoru?"

Ich zuckte zusammen. "Ja, Tsunade-sama."

"Schon besser. Setz dich, es könnte vielleicht länger dauern."

Hastig nahm ich Platz. Ich war so schon viel zu sehr auf Tsunade-samas Kieker, als das ich riskieren wollte, von ihr richtig in die Mangel genommen zu werden.

Sie quittierte das mit einem ergebenen Seufzer. "Fakt ist, dein Urlaub ist genehmigt, und die Abwesenheit deiner Genin ist vermerkt. Außerdem wird dir Shizune nachher noch Geheimkorrespondenz für unsere Vertreter in Kumogakure und für den Raikage mitgeben. Du wirst sie sicher dort abliefern."

"Versteht sich von selbst, Tsunade-sama. Ich werde die Post mit meinem Leben verteidigen."

"Gut. Und auf dem Weg nach Norden erfüllst du eine D-Mission für Konoha. Ich dachte mir, dass es deinen Genin nur gut tun kann, wenn sie ihre erste offizielle Mission bestreiten können. Und D-Rang, weil die erste Mission eines Genin immer eine D-Mission ist. Aber bedenke dabei, dass ein Auftrag, der mit D gekennzeichnet ist, nicht unbedingt D bleiben muss. Du hast nie die Garantie, dass es nicht plötzlich C-Rang, A-Rang oder sogar S-Rang werden kann."

"Oh ja, davon kann ich ein Lied singen", murmelte ich, in Erinnerungen an meine Solo-A-Missionen schwelgend.

"Aber danach sieht es eigentlich nicht aus. Shizune?"

Die junge Assistentin der Godaime Hokage räusperte sich. "Wir haben einen Auftrag von Murata No-Son erhalten, einem Waldarbeiterdorf im Land des Feuers nahe des Ta no Kumi. Die Dorfbewohner beklagen sich seit mehreren Tagen über denVerlust alltäglicher Dinge ohne jede Spur oder Hinweis auf den Dieb. Dies, so der Dorfvorsteher, könne nur auf die Aktivität eines Shinobi hinweisen, womöglich eines versprengten Ninjas aus Otogakure. Bevor wertvolle Dinge wie Schmuck und Barmittel aus den Holzverkäufen verschwinden, oder sogar jemand verletzt oder umgebracht wird, sollen wir uns der Sache annehmen."

"Im Klartext heißt das, du wirst dich der Sache annehmen, denn wenn es sich um einen oder mehrere Oto-Nin handelt, dann fällt es in dein ureigenstes Interesse, diese aufzuspüren."

Es war unnötig von Tsunade-sama, das auch noch zu betonen. Seit das Wort Otogakure zum ersten Mal gefallen war, hatte sie meine volle Aufmerksamkeit. Und sie hatte Recht: Versprengte und auf eigene Faust operierende Oto-Nin waren immer meine volle Aufmerksamkeit wert.

"Ich verstehe. Ich werde das regeln."

"Nicht du wirst das regeln. Deine Genin nehmen das in die Hand. Du überwachst sie aus dem Hintergrund, verstanden? Du greifst nur ein, wenn es gefährlich zu werden droht."

"Alles klar. Kriege ich eine Karte?"

Shizune reichte mir ein dickes Bündel. "Hier die Briefe und eine Karte der Umgebung von Murata No-Son inklusive eines Empfehlungsschreibens für dich und deine Begleiter."

"Danke. Wenn es das jetzt gewesen ist, dann..."

"Dann bist du entlassen. Ganz richtig. Ach, und Mamoru: Übertreib es nicht bei der Affenparty. Wenn die erste Mission mit deinen Genin zu meiner Zufriedenheit läuft, wird Konohagakure die Feier ein wenig subventionieren."

"Danke, Tsunade-sama. Solche Hilfe ist mir immer willkommen."

"Du bist unser einziger Kontraktträger mit den Affen. Solche Leute muss man pflegen." Sie lächelte dünnlippig. "Du kannst gehen, Mamoru."

Ich verbeugte mich vor meiner obersten Chefin, wiederholte das nicht ganz so tief vor Shizune, und verließ das Büro wieder. Als ich aber draußen auf dem Gang stand, fragte ich mich, seit wann Tsunade-sama mich bei meinem Vornamen rief, und was das für meine Karriere bedeuten mochte...

Der ewige Chunin 5

4.

Wir trafen uns am frühen Morgen vor dem Hauptportal Konohas, und ich konnte eine gewisse Aufregung nicht leugnen. Seit vorgestern, meiner ersten Begegnung mit "meinen" Genin, machte mir die Geschichte immer mehr Spaß, und meine Zweifel, dass einem Siebzehnjährigen vielleicht zuviel Verantwortung aufgebürdet worden war, schwanden dahin, als die drei in trauter Eintracht mit ihrem Gepäck auf Perine und mich zusteuerten.

"Hey, Sensei!", rief Shinji überschwänglich und winkte uns.

Als die Dreierbande vor uns stand, musste ich grinsen. So musste sich Hayate-sensei auch gefühlt haben. Bei jeder Gruppe, die er in seinem Leben übernommen hatte.

Ich musterte die drei. Shinji ging ganz links, und seine blonden Haare standen wie bei einem Igel in vielen kleinen Strähnen zu allen Seiten ab. Dabei grinste er mit dem guten Wetter um die Wette. Nichts schien seiner guten Laune Einhalt gebieten zu können, aber ich wusste es besser. Als Einziger trug er die typische Konoha-Ninja-Uniform mit der grünen Weste.

In der Mitte ging Mai. Dank ihres Jahrs Vorsprung war sie genauso groß wie die Jungs. Sie trug eine graue Hose, einen dunkelgrünen, viel zu weiten Pullover, und hatte die meiste Mühe wie immer auf ihre Haare verwendet. Ihr Pony war kunstvoll nach hinten geflochten, und links trug sie Seitenscheitel. Sie schien mit Shinjis übertriebener Fröhlichkeit nicht viel anfangen zu können, aber ihre leuchtenden graublauen Augen verrieten sie. Dennoch war sie ängstlich, ein wenig zumindest.

Rechts ging Kira. Er lächelte sogar kurz und nickte mir zu. Also hatte er - vorerst - seinen Frieden mit mir und meinen Fähigkeiten gemacht. Zu seinem kurzen blonden Stachelputz trug er kurze beige Hosen und einen steingrauen Pullover.

"Guten Morgen, Team dreizehn", sagte ich mit strenger Stimme, nur um wesentlich freundlicher hinzu zu fügen: "Und? Freut Ihr euch auf eure erste D-Rang-Mission?"

"Natürlich!", sagte Shinji enthusiastisch.

"Die wird uns ja wohl nicht gerade vor Herausforderungen stellen", murmelte Kira mehr zu sich selbst als zu mir.

Mai sah für einen Moment nachdenklich drein. "Wird schon nicht so schwierig werden. Wir sind ja ein tolles Team, denke ich."

"Natürlich sind wir das!", rief Shinji im Brusston der Überzeugung.

"Ich sehe, Ihr seid soweit. Dann können wir also losgehen, oder?"

"Jawoll!", rief Shinji, und streckte die Rechte zur Faust geballt in die Luft.

Die Antwort der anderen beiden war nicht ganz so schnell, aber nicht viel weniger enthusiastisch.

"Fehlt nur noch eine Kleinigkeit", sagte ich bestimmt. "P-chan?"

Die blonde Affenkriegerin, wieder in der Verkleidung als Konoha-Ninja, reichte mir ein Paket.

Ich faltete das Papier auf, langsam und bedächtig. "Damit Ihr vollwertige Shinobis Konohas werdet, und damit das auch jeder da draußen in der Welt sieht, braucht Ihr das hier."

Mit diesen Worten hielt ich drei Stirnbänder hoch. Alle trugen das Spiralzeichen Konohas. Und alle drei hatte ich in meinem Leben schon mal getragen. Um ein Haar hätte ich keine drei zusammen bekommen, zwei hatte ich reparieren lassen müssen. Das Ergebnis war, das ich heute das Stirnband mit dem Silberbeschlag trug, das Suzume mir geschenkt hatte.

"Hier, die gehörten alle mal mir. Und ich habe sie in mancher Schlacht aufgehabt."

Die Reaktion meiner drei Genin war begeistert. Kiras Reaktion natürlich nach seinen eigenen Maßstäben gemessen.

Ich legte jedem der Genin eines der Stirnbänder in die Hände. "Shinji, deines habe ich damals von meinem Sensei erhalten. Ich habe es erst nach der Schlacht um Konoha ausgetauscht, weil es beschädigt wurde. Bis dahin hat es mir Glück gebracht."

Der junge blonde Bursche strahlte das Stirnband an wie einen gefundenen Schatz.

"Mai, deines habe ich bis zur Eroberung der Burg im Land des Wassers getragen. Dann wurde mir dieses Stirnband mit einem Beschlag aus Silber geschenkt, und ich hielt es für angemessen, mir ein neues geben zu lassen."

"Und warum habe ich nicht das aus Silber gekriegt?" Sie griente mich an. "Nur ein Scherz, Sensei."

Ich lachte kurz darüber. "Silber hält nicht viel aus. Darum."

Mein Blick ging zu Kira. "Deines habe ich bis heute morgen getragen. Es hat mich durch einigen Ärger begleitet, und viele Kämpfe gesehen. Behandle es pfleglich, und es beschützt dich so gut, wie es mich beschützt hat."

Er schloss die Hand um den Stahl. "Das werde ich, Sensei."

Zufrieden betrachtete ich die Dreierbande. "Perine, dein Part."
 

Die blonde Affenkriegerin nickte mir zu. Sie trat vor die drei. "So, und jetzt müsst Ihr entscheiden, wo Ihr das Stirnband tragen wollt. Ihr könnt es um die Stirn schlingen, als Kopftuch oder nur als Stirnband wie Mamo-chan. Ihr könnt es wie Lee-kun um den Bauch binden, oder um einen Oberarm. Ihr könnt es auch um den Hals tragen. Manche tragen es auch an ein Bein gebunden."

Die Genin sahen sich einen Moment irritiert an.

"Und Ihr könnt natürlich so lange herum probieren, bis Ihr die optimale Position gefunden habt", fügte P-chan an.

Entschlossen drehte Shinji sein Stirnband, und band es sich um die Stirn. "Klassisch, wie Sensei."

Kira musterte den Freund einige Zeit, dann entfaltete er das Band zur Mütze, und zog sie sich über den Kopf. "Ich probiere es mal so, für einige Zeit."

Die Blicke beider Jungen gingen zu Mai.

"Ich weiß, ich weiß!", fauchte sie. Unschlüssig hielt sie das Stirnband in den Händen. Schließlich band sie es sich lose um den Hals. "Gut so?"

Ich nickte zufrieden. "Jetzt seid ihr bereit für die Welt. Ich frage mich nur, ob die Welt bereit für euch ist."

"Die Welt hat kein Mitspracherecht!", rief Kira, plötzlich wieder enthusiastisch werdend.

Shinji und Mai fielen ein. Das ließ mich lächeln, und Perine grinste breit.

"Na dann, Welt, wir kommen!"

Derart angefeuert machten wir uns auf den Weg. Anfangs in einem anständigen Tempo, und später mit Step.

***

Wir erreichten Murata No-Son bereits am frühen Nachmittag. Ich hatte meine Genin ordentlich gefordert, und alle drei waren reichlich erschöpft. Der Dorfvorsteher, Herr Kamura, erwartete uns bereits. "Das ging schnell. Sehr gut. Je eher wir das Problem lösen, umso besser für alle." Er musterte uns fünf, und nickte. "Für die Dauer der Mission werdet Ihr in meinem Haus untergebracht. Ich habe zwei Räume, die Ihr nutzen könnt."

"Danke, Herr Kamura. Ich hoffe, dass wir Ihnen nicht lange zur Last fallen werden", erwiderte ich freundlich.

"Nicht doch, nicht doch, Morikubo-sama. Sie sind doch keine Last für uns, im Gegenteil. Als wir gehört haben, dass Konoha ausgerechnet den Sieger von Otogakure und sein neu gegründetes Genin-Team schicken würde, waren hier alle sehr aufgeregt." Er zwinkerte mir verschwörerisch zu. "Wir sind hier alle Loyalisten des Reichs des Feuers. Und das ist selten heutzutage."

Ich räusperte mich verlegen. "Danke für die Blumen. Und niemand zweifelt an der Loyalität des Dorfes, Herr Kamura. Sie brauchen das nicht zu betonen."

"Ich wollte nur sicherstellen, wie die Dinge sind. Vor allem, wenn wir es wirklich mit einem Nukenin aus Otogakure zu tun haben; dieses Pack findet hier keinerlei Hilfe. Nicht einmal bei den neu Zugezogenen." Er warf einen Blick auf meine drei jugendlichen Begleiter, die in verschiedenen Stadien der Erschöpfung nach Atem rangen. "War es ein harter Weg?"

"Wir haben uns beeilt. Könnten wir eventuell die Räume schon einmal nutzen, und könnten meine Genin Wasser und Tee bekommen, während sie sich ein wenig ausruhen?"

"Natürlich, natürlich", sagte der Dorfvorsteher jovial und winkte mich und meine Begleiter durch die Menschenmenge in Richtung seines Hauses.

Teufel auch, bei all den interessierten, teils verzückten Blicken hätte es mich nicht gewundert, wenn ich nach Autogrammen gefragt worden wäre.
 

Die beiden Räume, die uns zugewiesen wurden, waren klein, aber sauber, und mit den im ländlichen Gebiet sehr verbreiteten Tatami-Matten ausgelegt.

"Ich habe leider nur vier Futons vorbereitet, aber ich borge mir bereits einen", sagte Herr Kamura, und verbeugte sich entschuldigend vor Perine. "Ich hatte nicht mit einem vierten Begleiter gerechnet."

"Keine Sorge, Perine ist im Preis mit drin", schmunzelte ich. "Sie begleitet uns zu Beobachtungszwecken."

"Ah, um die frisch beförderten Genin einzuschätzen. Eine gute Idee." Er brachte einen flachen Tisch und fünf Sitzkissen. "Wenn Sie es wünschen, der Nebenraum ist etwas größer. Dort können Sie mit den Jungs schlafen, während die Damen hier bleiben können. Außer natürlich, Sie..." Verlegen stockte der Dorfvorsteher.

Ich lachte auf. "Danke, wir nehmen die Aufteilung so an." Ich nahm meinen Rucksack ab und befreite Shinji und Kira von ihren. Dann brachte ich alle drei in den Nebenraum.

Anschließend setzte ich mich zu den anderen an den Tisch, und ließ mir Tee servieren. Dabei ignorierte ich die Masse an Leuten, die durch die Fenster herein spähten, und auf dem Flur versuchten, durch die Schiebetür zu linsen. "Bitte, Herr Dorfvorsteher, erzählen Sie mir von Anfang an, was passiert ist."

"Gut. Also dann. Vor etwa fünf Tagen kam ein großer, vierschrötiger Mann in unser Dorf. Er sprach holprig und ging auf eine merkwürdige Weise. Er suchte nach Arbeit im Gegenzug für Nahrung. Zumindest hatte er das gesagt, aber einer meiner Bürger entdeckte, dass er mehrere Kunais bei sich trug. Als wir ihn mit der Frage konfrontierten, ob er ein Shinobi war, floh er. Das war, finde ich, äußerst merkwürdig. Wenn er es nötig hat zu fliehen, kann er kein Shinobi Konohas oder einer verbündeten Nation sein. Seither waren wir etwas wachsamer als sonst. Und dennoch... Wir... Nun, aus geschlossenen Häusern verschwinden seitdem Dinge. Anfangs waren das nur Nahrungsmittel. Brot, Käse, Sake, Fruchtsäfte, alles in kleinen Portionen, aber immer aus mehreren Häusern. Häuser, in denen teilweise geschlafen wurde. Aber auch tagsüber bemerkten wir die Verluste. Sie können sich vorstellen, dass sich niemand im Dorf wirklich damit wohl gefühlt hat, dass jemand während der Nacht durch das eigene Haus geschlichen ist, und man nichts davon bemerkt hat. Aber es ist niemandem etwas passiert, also hielt sich die Panik in Grenzen. Wir waren uns sicher, dass der fremde Shinobi, wenn er genügend zusammen geklaut hatte, schon von selbst gehen würde.

Am dritten Tag fehlten dann zwei Decken, die wir aber verschmerzen können; jedoch war es der Auftakt für eine dreistere Diebesserie. Nun begann, Geld zu fehlen, kleine Schmuckstücke, teilweise auch Werkzeug. Ich selbst vermisse meinen besten Satz Beitel."

"Beitel?"

"So eine Art u-förmiges Stecheisen, mit dem man Gravuren in das Holz treiben kann. Wir verkaufen nicht nur das rohe Holz, wir erledigen auch Auftragsarbeiten und erstellen Wandbilder und Statuen aus dem Holz. Mit den Beiteln geht das sehr gut. Ich hatte es gerade erst gekauft."

"Merkwürdig. Was will der Ninja denn mit einem Beitel-Set?", fragte ich nachdenklich.

"Na, was wohl? Verkaufen wird er sie! Sind ja eine Menge wert!", rief einer der Dorfbewohner. Polternd trat er ein und setzte sich uneingeladen. "Es sind alles Lügner und Diebe, diese Shinobi!"

"Kuroko-kun!", sagte Kamura scharf. "Wir reden hier mit Shinobi!"

"Shinobi? Ich sehe nur drei Kinder, und zwei etwas größere Kinder. Die sollen es wirklich mit dem roten Riesen aufnehmen?" Der Mann lachte verächtlich. "Das glaubt Ihr doch selbst nicht. Konoha nimmt uns nicht ernst, das ist es. Wahrscheinlich ist der Shinobi sogar aus Konoha, und sie stecken alle unter einer Decke, um Missionen zu generieren und Geld zu machen, und..."

Er verstummte schlagartig. Nun, jeder würde verstummen, wenn er von einem Faustschlag auf die Brust getroffen wurde, der ihn einmal durch die nächste Wand trieb, wo er sich mehrfach überschlug, und schließlich, erfüllt von Schmerzen und Leid, liegenblieb.

"Entschuldigung, Kuroko-kun", sagte ich lächelnd, und zog die Faust wieder ein. "Ich dachte, mit einer kleinen Demonstration könnte ich beweisen, dass ich durchaus kein großes Kind bin. Und da Sie gerade dabei waren, die Ehre von fünftausend Shinobi zu beleidigen, habe ich die Gelegenheit genutzt, um Ihnen zu zeigen was passiert, wenn man einen Konoha-Nin mit einem Kriminellen vergleicht. Ich hoffe, das ist angekommen. Oder muss ich der Lektion noch Nachdruck verleihen?"

Ich setzte einen Fuß auf, wie um aufzustehen. Das brachte den Neuankömmling dazu, trotz der Schmerzen auf die Knie zu rutschen und sich ehrerbietig zu verbeugen. "N-natürlich nicht, Morikubo-sama! Ich entschuldige mich in aller Form für meine Worte!"

"Gut. Sie können gehen, Kuroko-kun."

"Jawohl, Morikubo-sama!" Er verneigte sich erneut bis zum Boden, sprang hastig auf die Füße, und humpelte hinaus. Leises, schadenfrohes Kichern erfüllte die Luft.
 

"Kuroko-kun ist nicht gerade der beliebteste Mann im Ort, eh?", fragte ich. "Entschuldigen Sie bitte das Loch in Ihrer Zwischenwand. Ich werde es reparieren."

"Nein, das müssen Sie nicht, Morikubo-sama. Diesen vorlauten Burschen fliegen zu sehen, und ihn demütig zu erleben ist eine kaputte Wand mehr als wert." Herr Kamura grinste breit. "Er denkt, Wunder wer er ist und was er kann, und er redet, als wäre er der nächste Dorfvorsteher, aber das Meiste was er sagt und tut, ist nur heiße Luft. So ein Denkzettel tut ihm mal gut."

"Es freut mich, dass Sie das ebenso sehen, Kamura-sama." Ich verneigte mich vor dem Mann demonstrativ, um seine Autorität zu stärken.

"Aber zurück zum Thema. Ich möchte mir ein Bild der Diebstähle machen. Vor allem will ich wissen, was und wann und wo gestohlen wurde." Mein Blick ging zu meinen Genin. "Fühlt Ihr euch schon wieder kräftig genug, um mich zu begleiten?"

Shinji sprang, wie erwartet, voller Elan auf. "Natürlich, Sensei!" Kira erhob sich mit kaum zusammen gebissenen Zähnen. Mai trank zuerst ihre Schale Tee aus, dann kam sie ein wenig vorsichtig, aber entschlossen auf die Beine. "Wir können, Sensei."

Ich nickte anerkennend. Bei dem Tempo, das ich angeschlagen hatte, war ihre Erschöpfung kein Wunder. Ausdauer erlernten sie nicht auf der Akademie, aber alle drei hatten eine ansprechende Stamina, die ich ansonsten eher von ausgebildeten Shinobi erwartete, die bereits mehrere Jahre im Feld dienten. Sogar Mai, bei der ich einen Ausfall am ehesten erwartet hatte, war gut dabei, und zeigte keine Anzeichen von Zusammenbruch. Ihr Chakra-Fluss war stabil, und ihr Körper schien die Anstrengung gut verdaut zu haben. Ich war zufrieden. Perines Blick sagte mir, das sie ebenfalls sehr zufrieden mit meinen Shinobi war. Fehlte nur noch der Ernstfall.

***

Zuerst führte uns der Dorfvorsteher im eigenen Haus in die Speisekammer. "Wir wissen nicht, wie er herein gekommen ist, aber auf keinen Fall hat er das Fenster aufgebrochen." Er deutete auf ein vergittertes Fenster, das nach Norden ging. "Es ist meistens offen, wegen der Belüftung. Aber das Gitter, das wir gegen die Tiere gesetzt haben, ist unbeschädigt. Die Löcher sind zu klein, als dass ein Erwachsener hindurch greifen könnte, und die Regale mit der Nahrung stehen ohnehin zu weit weg für eine Armeslänge."

"Was wurde gestohlen?", fragte ich. Mit der Linken wischte ich über die einzelnen Streben des hölzernen Gitters, die etwa acht Zentimeter im Quadrat aussparten.

"Brot und ein paar Stücke Speck. Das Brot war aber zu groß, um durch das Gitter zu passen."

Ich betrachtete meine Hand. Ich hatte etwas bräunliches vom Gitter abgewischt. Getrockneter Pflanzensaft von frisch geschlagenen Trieben? Ich musste lächeln.

"Also muss der Dieb durch das ganze Haus gekommen sein, und das ist es, was meiner Frau und mir Angst macht. Wenn er hier so einfach rein und raus marschiert, ist ja niemand mehr sicher. Schon sagen die ersten Leute, dass der Shinobi die eine oder andere Kehle aufschlitzen wird. Einfach, weil er es kann."

"Oder einfach, weil es praktisch ist", murmelte ich mehr zu mir selbst.

"Was, bitte?", fragte der Dorfvorsteher.

"Ich habe gefragt, wie lange es her ist, dass hier Brot und Speck gestohlen wurde."

"Gleich am ersten Tag. Wahrscheinlich, während wir alle draußen standen und diskutiert haben, ob der Fremde wiederkommen würde."

Mit der Rechten glitt ich über das Wandregal. Dabei schob ich etliche getrocknete Krümel zusammen. "Was für ein Brot backt Ihr hier?"

"Wir stellen Weißbrot her, in rund sechs Zentimeter dicken und Handspannengroßen Fladen."

Ich grinste. Was für ein patenter Bursche.

Mein Blick ging zu Perine, die ebenfalls lächelte. Danach trat ich einen Schritt zurück in den Raum. "Na, dann macht mal, Mai, Kira, Shinji."

Die drei musterten mich einen Moment entgeistert, bevor sie sich zusammen rissen und nach Hinweisen suchten.

"Schaut mal, hier am Gitter, da klebt was!", rief Mai aufgeregt, und die beiden Jungs beeilten sich, ihren Fund zu betrachten.

"Das ist so eine Art Harz. Hier, riecht mal dran", stellte Kira fest.

"Nein, kein Harz. Getrockneter Pflanzensaft", stellte Mai fest.

"Oho, was haben wir denn hier?", rief Shinji, und hob etwas Braunes vom Boden. "Ein Stück getrockneter Rinde!"

"Was willst du uns damit sagen? Dass der Dieb zwei große Stäbchen benutzt hat?", fragte Kira. Nachdenklich kratzte er sich am Kopf. "Wartet mal hier."

Er verließ das Haus, umrundete es, und kam nach einiger Zeit mit zwei frisch geschlagenen Trieben zurück. "Geht zur Seite!", rief er, und begann, mit den beiden Stangen durch das Gitter hindurch zu hantieren. Er wählte dafür zwei verschiedene Löcher, mit einem Loch dazwischen. Nach mehreren Versuchen gelang es ihm, auf diese Weise einen Streifen Speck vom Regal aufzunehmen, der dort zum Durchreifen lag. Vorsichtig führte er es mit den Stäben zurück und zog es bis ans Gitter heran.

"Und was jetzt? Du brauchst einen dritten Arm", tadelte Mai.

"Wer braucht einen dritten Arm?", fragte Kira lachend, beugte sich vor so weit er konnte, ohne die Stäbe und damit das Speckstück loszulassen, und biss kräftig in das Fleisch. Auf diese Weise zog er es hervor. Stolz präsentierte er seine Beute. Ungefähr so lange, bis ihm aufging, was er getan hatte. Schuldbewusst nahm er es aus dem Mund und betrachtete die Bissspuren im Speckstück. "Tut mir leid", murmelte er betreten. "Jetzt ist es ruiniert."

Herr Kamura betrachtete ihn aus aufgerissenen Augen. "Nein, nein, Junge, das ist nicht so schlimm. Behalte es. Jungs in deinem Alter brauchen ab und an einen herzhaften Happen. Aber wenn der Dieb wirklich mit deiner Methode den Speck gestohlen hat, dann war er ja gar nicht im Haus. Das ist eine große... Moment." Er runzelte die Stirn. "Und wie hat er dann das Brot gestohlen? War er etwa doch...?"

"Tja...", sagten meine drei Genin zugleich.

Shinji trat an das Regal heran. "Sensei hat hier doch irgendwas... Ah, hier. Brotkrumen... Und der fremde Shinobi hat doch Kunais dabei gehabt... Kira, schieb mal einen der Stäbe rein."

Kira tat wie ihm geheißen, und Shinji spaltete den Stock mit seinem Kunai auf. Dann klemmte er es so zwischen die beiden unter Spannung stehenden Hälften, sodass es darin sicher festsaß. Anschließend trat er an das Regal. "Kann ich bitte so einen Laib Brot haben?"

"Natürlich. Ich hole eines aus der Küche. Also, jetzt bin ich wirklich gespannt", murmelte Herr Kamura. Als er wiederkam, war seine Frau dabei. Interessiert beobachteten sie, wie Shinji das Brot platzierte.

Anschließend ging Kira zur Sache; er zerteilte das Brot mit dem Kunai, zog es zurück und nahm es wieder aus dem Stock, nur um erneut das Brot Stück für Stück durch das Gitter zu holen.

"Und was sagt uns das?", fragte Shinji freudestrahlend.

"Es sagt uns, dass Familie Kamura engere Gitter braucht", stellte Kira fest, stolz auf seine Leistung.

"Nein, du Dummkopf", erwiderte Mai tadelnd. "Es beweist, dass der Dieb nicht im Haus gewesen sein muss. Er konnte Brot und Speck auch bequem vom Fenster aus klauen." Sie sah zu mir herüber. "Sensei, wir sollten uns noch ein paar andere Ecken ansehen."

Ich grinste über mein ganzes Gesicht. Da hatte ich ja einen besonders aufgeweckten Haufen Genin erwischt. "Ja, das sollten wir. Herr Kamura?"

"Natürlich. Schauen wir uns das Haus der Imados an. Dort wurden ebenfalls Lebensmittel gestohlen, hauptsächlich Obst."
 

Auch im Hause Imado war der Diebstahl, auch dank des noch weitmaschigeren Gitters der Vorratskammer, mit Kiras Methode problemlos möglich. Damit erhöhte er seine Beute von einem Stück Speck und vier Streifen Brot um vier Äpfel, weil Herr Imado einfach nicht glauben wollte, was er da sah. Als Kira sogar einen besonders großen Apfel vor dem Transport zerteilte, damit er durch das Gitter passte, wäre der gute Mann vor Erleichterung fast zu Boden gegangen. Anschließend spießte Kira die Apfelstücke mit dem Kunai auf, und holte sie wie mit einer Harpune raus. In Herrn Kamuras Haus wäre das nicht möglich gewesen; die Maschen waren zu eng, um mit der Aufspieß-Methode erfolgreich zu sein. Die Gefahr, die Beute oder gar das Kunai fallen zu lassen, wäre zu groß gewesen. Und wir hatten es hier mit einem Dieb zu tun, der gerne auf Nummer sicher ging. Immerhin ging es hier um etwas zu essen.

"Sensei!", rief Kira von draußen. "Das musst du dir ansehen."

"Ich komme."

Als ich neben Kira stand, deutete er auf einen braunen Fleck an der Hauswand. "Hier, das könnte doch mit unserem Dieb im Zusammenhang stehen."

Ich betrachtete die Stelle einen Augenblick, bevor ich ein Kunai zog, und ein wenig von der Substanz in meine Hand kratzte. Ich rieb sie einige Zeit zwischen meinen Fingern und roch daran. "Blut", stellte ich fest.

"Blut?", echote Herr Kamura.

"Ja. Unser Dieb ist verletzt, und zumindest beim Raubzug auf Familie Imado hatte er mit einer offenen Wunde zu kämpfen." Ich runzelte die Stirn. "Das will mir nicht gefallen. Ein verwundeter und zudem hungriger Shinobi ist zu allem fähig."

"M-meinen Sie, er wird jemanden töten, Morikubo-sama?", fragte Herr Imado ängstlich.

"Sicherlich wird er dafür nicht in den Ort kommen. Aber jeder, der ihn verfolgt, ist potentiell in Lebensgefahr. Wäre ich auf der Flucht, wäre es bei mir nicht anders. Herr Dorfvorsteher, bitte zeigen Sie uns jetzt eine Stelle, an der wertvolle Dinge gestohlen wurden."

"Ja, natürlich, Morikubo-sama."
 

"Ich weiß auch nicht, wie es passieren konnte", klagte Frau Mizuki. "Am Abend lag der Goldreif noch auf meinem Nachttisch, und am nächsten Morgen war er weg. Ich hatte ihn extra abgelegt, weil ich meinen Mann und Herrn Kuroko beim gemeinsamen Bad bedient habe, damit er mir nicht verloren geht."

"Kuroko?", fragte ich.

Frau Mizuki nickte erfreut. "Ja, die beiden baden ab und an zusammen und trinken Sake dazu. Herr Kuroko ist so ein gebildeter Mann, der sich so geschickt ausdrücken kann. Und freundlich ist er auch, denn als ich meinen Mann massiert habe und Herr Kuroko aus Versehen auch das Handtuch meines Mannes benutzt hatte, hat er sofort ein Neues für ihn geholt. Was für ein freundlicher Mensch."

"Lassen Sie mich raten. Sie bewahren die Handtücher im Schlafzimmer auf", sagte ich.

"Nein, im Flur in einer Kommode", erwiderte sie etwas irritiert.

Ich schnaubte abwertend. "Was sagt Ihr, meine Meisterdetektive?"

Kira, Shinji und Mai schwärmten über die Szenerie und begutachteten alles. Sie checkten die Fenster, klopften den Fußboden und die Wände ab, und mit meiner Hilfe kontrollierte Shinji sogar die Decke auf einen leichten Zugang zum Zimmer.

"Kein Zweifel möglich", fasste Mai schließlich für die drei zusammen. "Vom Fenster aus ist es mit Stöcken so gut wie unmöglich, bis zum Nachttisch von Frau Mizuki zu greifen. Wir gehen davon aus, dass der Dieb durch das Haus gegangen ist. Und wir sind der Meinung, dass..."

Ich bedeutete ihr zu schweigen. "Das bedeutet also was?"

Ein wenig ärgerlich sah sie mich an, bevor sie deutlich schluckte und fortfuhr. "Das bedeutet, das wir es mit zwei verschiedenen Methoden zu tun haben." Ihr Blick bekam etwas trotziges. "Wir haben es vielleicht auch mit zwei Dieben zu tun."

"Vielleicht haben wir das."

"Zwei Diebe?", raunten Herr Kamura und seine Begleiter.

"Ja. Einen, der verletzt ist, und sich Essen durch die Fenster hindurch zusammenstiehlt, und einen, der in die Häuser geht, und sie von innen ausplündert."

Dass, wenn es einen zweiten Dieb gab, dieser bewusst die Diebstahlserie von Nahrungsmitteln ausnutzte, um den Diebstahl der Wertsachen unserem unbekannten ersten Dieb in die Schuhe zu schieben, behielt ich für mich.

"Ich denke, wir haben genug gesehen. P-chan, wir machen uns auf den Weg."

"Hä? Nur Perine-sama und du? Aber was ist mit uns?", fragte Kira aufgeregt. "Wir sind auch Shinobi!"

"Ihr wartet hier und haltet die Stellung. Und im besten Fall verhindert Ihr, das weitere Wertsachen gestohlen werden", sagte ich mit Nachdruck. "Unseren unbekannten, verletzten und hungrigen Freund würde eine ganze Horde von uns Shinobi nur verschrecken, und ich habe keine Lust, ihn eine Ewigkeit lang zu suchen."

"Wir sollen hier also aufpassen?", maulte Shinji.

"Auftrag ist Auftrag", sagte Mai bestimmt. "Und das Dorf vor weiterem Diebstahl zu beschützen ist eine wichtige Aufgabe." Sie zwinkerte den beiden dabei verstohlen zu, und die zwei schwenkten in ihrer Meinung um einhundertachtzig Grad.

"Ja, hast Recht, das ist eine sehr wichtige Aufgabe", sagte Shinji gedehnt.

"Den normalen Bürger vor weiteren Verbrechen schützen ist für einen Shinobi eine ehrenwerte Aufgabe", sagte Kira.

"Dann ist alles klar. Ihr passt hier auf. Und bleibt gefälligst im Dorf. Soweit ich weiß, ist dort draußen irgendwo in den Wäldern eine Bestie unterwegs, die sich zwar von den Holzfällern fern hält, aber mit ein wenig Pech nicht von euch. Verstanden?"

"Ja, Sensei", sagten sie im Chor.

Ich nickte zufrieden und verließ mit P-chan das Haus der Mizukis.
 

Draußen auf den Straßen des Dorfes - die Menschenmenge war noch größer geworden - benutzten Perine und ich Step, um das Dorf zu verlassen.

"Wir haben den gleichen Verdacht, oder?", fragte Perine lächelnd.

"Ja. Dieser Kuroko ist nicht nur ein Großmaul, sondern er nutzt seine Gelegenheiten, sobald sie sich ergeben."

"Denkst du, deine Genin haben das rausgefunden?", fragte sie.

"Natürlich haben sie es herausgefunden. Für die meisten Leute im Ort ist es anscheinend undenkbar, dass Kuroko sie beklaut hat, und es auf unseren unbekannten Freund schiebt. Aber die drei sind Außenstehende, die von keinem Dogma umklammert sind. Für sie ist es klar, wer oder was Kuroko ist. Sie werden ihn überwachen, um zu verhindern, das er erneut stiehlt. Und er wird reagieren, das verspreche ich." Ich griente sie an. "Und du wirst aufpassen, dass es für die drei nicht lebensgefährlich wird."

"So was habe ich mir schon gedacht", erwiderte sie lächelnd, und verwandelte sich in ihre Form als kleiner Affe. "Puki."

"Wir sind doch ein tolles Team, P-chan", stellte ich grinsend fest.

"Pukiiiii", sagte sie mit einer abwehrenden Handbewegung. Sie winkte mir, und verschwand wieder in Richtung Dorf.

Damit blieb mir die Schnitzeljagd. Vielleicht wäre eine Treibjagd doch besser gewesen.

***

Die drei Genin waren mit ihrer Aufgabe sichtlich unzufrieden. Und es dauerte nicht lange, da hatten sie sich nur mit ihren Blicken abgesprochen. In kurzen Abständen verließen sie ihre Beobachtungsposten im Dorf, die sie bezogen hatten, um weitere Diebstähle zu verhindern, um den Abort im Hause des Dorfvorstehers aufzusuchen. An diesen Positionen wurden sie von interessierten Dorfbewohnern und ihren Kindern belagert, und eine ungestörte Kommunikation war unmöglich, vor allem aber ein nicht überwachtes Gespräch. Darum erschufen sie auf der Toilette je einen Schattenklon, der ihren Platz einnahm; anschließend verließen sie heimlich zu dritt die Toilette, benutzten den Hinterausgang des Kamura-Anwesens und unterhielten sich leise im Wald. Keiner der Dorfbewohner, da waren sich die drei sicher, würden ihre Schattenklone von den Originalen unterscheiden können.

"Denkt Ihr das gleiche wie ich?", fragte Shinji mit ernster Miene.

"Wenn du denkst, dass dieser Kuroko die Diebstahlserie benutzt hat, um Schmuck, Geld und wertvolles Werkzeug zu stehlen, dann ja", verkündete Kira. "Ich verstehe nicht, warum die Dorfbewohner das nicht ebenso sehen."

"Das ist doch leicht erklärt", sagte Mai seufzend. "Der Mann reißt das Maul auf, wie wir gesehen haben, plustert sich auf, erscheint größer als er ist, und wenn man ihn dann mal belastet, so wie Mamo-chan das gemacht hat, dann bricht das Kartenhaus zusammen. Und er redet jedem nach dem Mund und macht sich so beliebt."

"Ja, das stimmt. Er will Kamura-sama als Dorfvorsteher ablösen, und deshalb schleimt er sich überall ein. Und das mit Erfolg. Nur bei einigen der erfahreneren Holzfällern hat er mit der Methode keinen Erfolg. Den Rest stimmt er für sich mit billigen Geschenken und ein bisschen Anbiederei ein." Shinji schüttelte sich. "Dass man auf so einen Typen stehen kann..."

"Manche Menschen mögen Anbiederei", sagte Kira. "Und es gibt auch Menschen, die verwechseln sie mit echter Freundlichkeit. Genau deshalb ist wohl noch niemand auf den Gedanken gekommen, dass Kuroko da irgendwie mit drin hängt. Und wenn doch einer eine Parallele zieht, dann hat er sie für sich behalten, weil Kuroko mit den normalen Dorfbewohnern sicherlich das Gleiche getan hätte, was er bei Mamo-chan versucht hat. Und ich wette, die wären nicht so konsequent gewesen."

"Das ist unsere Gelegenheit, um Beweise zu sammeln", sagte Shinji. "Ihm ist bestimmt klar, dass alles auffliegt, sobald Mamo-chan den fremden Shinobi gefunden hat. Er wird versuchen, die Beweisstücke fort zu schaffen. Wenn er nicht gleich schlau genug war, sie überhaupt gar nicht erst in seinem Haus aufzubewahren. Aber sicher hat er noch die Sachen von seinem jüngsten Raubzug bei sich."

"Ja, hoffen wir es. Ohne konkrete Beweise können wir ihn nicht anklagen. Und da er weiß, dass diese Beweise nicht mehr fern sein können, wird er handeln, solange er noch kann. Ich schlage vor, wir beobachten sein Haus", sagte Mai. "Und zwar sofort. Nicht, das er schon weg ist."

"Als ich euch gefolgt bin, stand er noch in der Menge und hat Kiras Klon beobachtet", sagte Shinji. "Das ist keine fünf Minuten her. Ich wette mit euch, er weiß, dass wir ihm auf der Spur sind."

Mai nickte gewichtig. "Ja, das setzt ihn unter Druck. Also los, wir bleiben im Wald und beobachten ihn."

"Einverstanden."

"Bin dabei."

Sie nickten einander zu, und verschwanden mit Step im Wald, um mit einem großen Bogen zur Hütte Kurokos zu kommen.
 

Sie hatten gerade Beobachtungsposition bezogen, als Kuroko mit einem Bündel im Arm unbeobachtet von den anderen den Hinterausgang seines Hauses benutzte. Ohne sie zu bemerken lief er in den Wald hinein. Die drei Genin folgten ihm so unauffällig, wie es ihnen möglich war.

Zuerst war es nur ein Kilometer, dann zwei, schließlich fünf. Nach elf Kilometern hielt Kuroko endlich an. Er stand schwer atmend vor einem großen Felsen, in dem sich ein großer Spalt auftat. Eine Weile musterte er den Spalt, so als wolle er etwas sagen oder rufen, aber er schien sich dagegen entschieden zu haben. Stattdessen wickelte er das Bündel aus. Hervor kamen ein großer Holzkasten und diverse Schmuckstücke. All das warf er so weit er konnte in den Spalt hinein. Schließlich, zufrieden mit seinem Werk, und ein hämisches Grinsen aufgesetzt, steckte er das Tuch wieder ein, in das er seine Beute gewickelt hatte, wandte sich um, und schlenderte zufrieden davon.

"Das war doch der Armreif von Frau Mizuki", flüsterte Shinji den beiden zu.

"Und die Ohrringe von Frau Amado", flüsterte Mai zurück.

"Hey, ich wette, in dem Holzkasten ist das Beitel-Set von Herrn Kamura", fügte Kira hinzu.

"Und was tun wir jetzt?", fragte Shinji. "Informieren wir Sensei und lassen die Sachen an ihrem Platz? Oder sammeln wir sie ein und konfrontieren Kuroko damit, was wir beobachtet haben?"

Kira zuckte die Achseln. "Es ist wie es ist. Wenn sie unseren Worten nicht glauben, haben wir ohnehin verloren. Jetzt, wo er die Sachen hier weggeworfen hat, kann sie genauso gut jeder dort hinein geworfen haben, oder? Egal ob wir die Dorfbewohner hierher führen, oder ob wir die Beute wieder ins Dorf bringen, man muss uns glauben. Also ist es relativ egal."

"Ich weiß nicht", murmelte Mai. "Natürlich, die Ecke ist weit weg vom Dorf, und ohne unseren Augenzeugenbericht könnte irgendjemand die Sachen dort rein geworfen haben. Aber warum hat er sie ausgerechnet hierher gebracht?" Sie beschattete ihre Augen mit der linken Hand und deutete mit der Rechten nach Osten. "Hier hat jemand Bäume gefällt, aber noch nicht fortgeschafft."

Shinji kratzte sich nachdenklich am Ansatz seines Stirnbands. "Das ist merkwürdig. Man könnte den Holzfäller, der hier geschlagen hat, doch sofort mit dem Diebesgut in Verbindung bringen. Eine Ablenkung seinerseits, um den Verdacht auf einen anderen Dorfbewohner zu lenken?"

"Vielleicht schlägt er hier auf eigene Rechnung Holz, und niemand außer ihm kennt diese Ecke", sagte Kira nachdenklich. "Dann kann es ihm reichlich egal sein, ob jemand diesen Ort findet. Deshalb ist sie wohl auch so weit weg vom Dorf."

Die drei Genin warfen sich bedeutsame Blicke zu. Simultan seufzten sie.

"Ich bin für konfrontieren statt herholen", sagte Mai.

"Ich auch", sagte Shinji.

"Okay, holen wir das Zeug aus der Höhle raus, und zeigen es Mamo-chan", entschied Kira. "Soll er bestimmen, wie wir weiter vorgehen."

Die drei nickten sich zu. Sie verschwanden gemeinsam mit Step, und standen kurz darauf vor dem Spalt im Felsen. "Da drin ist es hell. Muss ein Spalt in der Decke sein", murmelte Shinji. Er betrat die Höhle, bückte sich, und kam triumphierend wieder hoch. "Frau Mizukis Armband."

"Und ich kann die Ohrringe sehen", verkündete Mai, als sie Shinji folgte.

"Hoffentlich ist der Werkzeugkasten nicht kaputt gegangen", murmelte Kira. Er ging als Dritter in die Höhle.

Als plötzlich Nebel um ihn herum aus dem Boden zu steigen schien, und seine Gefährten merkwürdig starr nach vorne sahen, ohne sich zu bewegen, wurde ihm mulmig. Als er merkte, dass er sich selbst auch nicht mehr bewegen konnte, war er sicher, dass sie in erheblichen Schwierigkeiten steckten. "Au Kacke. Ein Genjutsu."
 

"Na, was wurde mir denn da vom Sonnenschein hereingespült?" Was da von der Decke kam, gehalten von einem weißen Faden, war mit Sicherheit die größte Spinne, die Kira je gesehen hatte. "Ein kleines Mädchen und zwei kleine Jungs. Wie interessant. Ihr wollt wohl die Sachen haben, die der Irre hier reingeworfen hat, was?" Die Spinne kicherte amüsiert. "Ich weiß nicht, ob ich es hergeben sollte. Es glitzert doch alles so schön... Aber moment mal..."

Die acht roten Augen der Bestie richteten sich unvermittelt auf Kira. "Das... Du..." Die Spinne begann am ganzen Leib zu zittern. "Du riechst... Nach Essen!" Die Spinne kam die Decke ganz herab, setzte sich auf vier der acht Beine, und stakste merkwürdig und langsam auf Kira zu. Das Maul der Spinne öffnete sich. "ESSEN!" An dieser Stelle war sich Kira sicher, dass die Dinge für einen von ihnen hier drin nicht sehr gut ausgehen würden.

Das Biest schnappte zu.

***

Also, was hatte ich da? Einen augenscheinlich verletzten Mann, der Nahrung stahl, und dabei recht gewitzt vorging. Ich wusste, dass er nur Nahrung gestohlen hatte. Die Spur der Wertgegenstände und des Geldes wies eindeutig in Richtung des Narzißten, der mich herausgefordert hatte. Dass man diese Verbindung im Dorf nicht sah, war leicht zu erklären. Man suchte zum Beispiel Diebe gerne außerhalb der eigenen Gemeinschaft, oder bei den Außenseitern. Kuroko versuchte hingegen krampfhaft im Mittelpunkt zu stehen und sich dort festzukrallen. Mit einigem Erfolg, aber auch nicht zu erfolgreich. Es reichte immerhin dazu, das jene, die in Kuroko den Dieb vermuteten, vorsichtshalber die Klappe hielten, aber es reichte nicht, um zu riskieren, bei einem Shinobi handgreiflich zu werden, was mehr als ein wenig Mut erforderte. Vor allem nach der Stärke, die ich bewiesen hatte. Na, darum würden sich meine Genin kümmern, und Perine würde dabei auf sie aufpassen.

Wie also fand ich unseren gefährlichen Mundräuber? Er war verletzt, er war immer noch hier, und er versorgte sich regelmäßig neu. Mittlerweile bezweifelte ich allerdings, dass er Sake gestohlen hatte. Den würden wir sicher eher in Kurokos Hütte finden. Wahrscheinlich leer.

Er musste also in relativer Nähe sein, hier irgendwo ein Versteck aufgeschlagen haben. Allerdings auch nicht zu nahe, weil er Entdeckung durch die Holzfäller fürchten musste. Und da meine sensorischen Fähigkeiten leider noch immer sehr eingeschränkt waren, blieb mir eigentlich nur eine Möglichkeit, um ihn zu finden: Penibel suchen. Zu diesem Zweck erschuf ich zwanzig Kage Bunshin, um mit ihnen die Peripherie des Dorfes abzusuchen. Meine Bunshin und ich vernachlässigten die Rundumsicht des sensorischen Feldes zugunsten einer breiteren Frontsicht, was uns von hinten anfällig machte. Aber es erlaubte mir, einen Bereich von über eintausendzweihundert Metern - plus minus ein wenig - abzusuchen. Ich konnte also das Dorf mehrfach umrunden und suchte jedes Mal einen über einen Kilometer breiten Streifen ab.

Meine Bunshin gingen auf Position, und gemeinsam, auf die Abstände achtend, begannen wir die Suche.
 

Bei der ersten Runde ergab sich nichts, aber einer meiner Bunshin entdeckte eine gut getarnte Feuerstelle, deren Asche schon lange kalt war. In der Nähe waren die Kerne von verspeisten Früchten vergraben; eine andere Stelle hatte als Abort gedient. Ansonsten ließ der Platz jeden Luxus vermissen, den ein Verletzter sich würde schaffen wollen. Nichts deutete darauf hin, dass dieser Platz in den letzten beiden Tagen genutzt worden war. Aber die Feuerstelle war sehr aufwändig angelegt worden. Ein Feuer an diesem Ort würde gar keinen oder nur wenig Rauch entwickeln, den man kaum bemerken würde. Mein unbekannter bester neuer Freund verstand sich also auf unseren Wegen. Doch ein Ninja?

Nach Beendigung der Runde wechselten meine Bunshin und ich tiefer in den Wald, und zogen einen zweiten Suchgürtel. Wir hatten im Norden gerade einmal zweihundert Meter zurückgelegt, als einer der äußeren Bunshin Kontakt meldete. Wie als wenn wir es geübt hätten, schwenkten die anderen Bunshin rund um den potentiellen sechzig Meter durchmessenden Bereich, den die Sinne meines Bunshin erfassen konnte, mich eingeschlossen. Und tatsächlich spürte ich es selbst. Das Chakra eines Menschen, irgendwo tief unter mir, bezeichnenderweise in der Erde, zwanig Meter entfernt. Das Chakra war in Unordnung, wie ich erwartet hatte. Und erfüllt von Angst. Angst vor mir? Wie schmeichelhaft.

Ich löste das Jutsu auf. Nachdem ich den Burschen einmal aufgespürt hatte, würde er mir so leicht nicht mehr entkommen. Anschließend sprang ich auf Höhe seines Lagers auf den Waldboden. Es war eine Art Buschring, in dem er es sich bequem gemacht hatte: Eine Schlafstatt aus Laub und Moos, eine ähnliche Feuerstelle wie näher am Dorf, und ein Jute-Beutel, in dem ein Stück Käse und etwas Brot steckten. Und, hinter der Feuerstelle, in einem Erdversteck, der Gesuchte.

Ich hockte mich neben die Feuerstelle, in der noch etwas Glut war. "Du kannst jetzt rauskommen, Junge. Wird doch langsam unbequem, so unter der Erde."

Das ließ sich der Fremde nicht zweimal sagen. Er sprang hervor - oder vielmehr der gewaltige Bär, der sich dort versteckt hatte - und schnappte nach meiner Kehle.

Ich fing ihn ab, legte ihm die Linke auf die Stirn. "Kai!"

Nachdem ich das Verkleidungsjutsu aufgehoben hatte, blickte ich in das wütende, ja zornblitzende Gesicht eines Jungen von vielleicht vierzehn, fünfzehn Jahren. Seine blauen Augen blitzten vor Verachtung, und sein schulterlanges, verfilztes und schmutziges Haar schien wie unter einer eigenen Spannung zu stehen. Seine rechte Hand zuckte vor, ein Kunai führend. Ich wehrte den Angriff mit einem leichten Druck meiner Rechten gegen sein Handgelenk an mir vorbei. Nun hatte ich mehr als ein Dutzend Möglichkeiten, um meinerseits anzugreifen. Seine Rechte war für mindestens eine Sekunde aus dem Spiel, und seine Linke hätte nur eine meiner Hände aufhalten können, wäre sie nicht ohnehin damit beschäftigt gewesen, ein Stück Moos an seine Seite zu pressen.

Doch ich beließ es bei der Abwehr. Ich zog die Hand von seiner Stirn zurück. "Interessante Illusion, aber du solltest noch an der Detaildarstellung arbeiten."

Er zog sich einen Schritt zurück, hielt das Kunai wie zum Schutz vor sich. Unsicher musterte er mich, bevor die Wut wieder Oberhand nahm. Er griff an, schwang das Kunai und versuchte mich zu treffen. Zwei schnelle Schritte brachten mich aus der Reichweite beider Attacken. "Ruhig, mein Großer. Wir wollen reden."

Mein Gegner schien die Sinnlosigkeit seines Tuns eingesehen zu haben. "Ich aber nicht!", rief er, griff flüchtig nach einem durchgebluteten Hemd, das am Boden lag, und verschwand mit Step vor meinen Augen. Unnötig zu erwähnen, das er meinen sensorischen Fähigkeiten so nicht entkommen konnte.
 

Direkt neben ihm, während er von Ast zu Ast springend zu fliehen versuchte, kam ich aus meinem Step. "Ich bin Mamoru Morikubo, ein Chunin aus Konoha."

Der junge Mann betrachtete mich entgeistert für einem Moment, dann hieb er wieder mit dem Kunai nach mir. "Geh weg!", rief er, und versuchte einen Haken zu schlagen. Als ich ihm folgte, lief ich direkt in einen Schauer Shuriken. Ich musste einiges an Mühe aufwenden, um ihnen auszuweichen. Einer ritzte mein rechtes Hosenbein auf. Verdammt, ich nahm die Sache keinesfalls ernst genug. Also zog ich eines meiner Kunai.

Schnell war ich wieder neben ihm. "Ich habe mich vorgestellt. Wie wäre es jetzt mit deinem Namen?"

"Verschwinde!", blaffte er mich an. "Lass mich in Ruhe!"

"Aber du bist verletzt. Du brauchst Hilfe. Die Wunde hat sich entzündet, und du hast Fieber. Ist es dein Plan zu sterben?"

"Hör auf, mich zu verfolgen!", blaffte er mich an.

Nun gut. Ich blieb stehen. Der rothaarige Fremde verschwand im Geäst vor mir.

Ich nutzte die Gelegenheit, um mir mit der Spitze meines Kunais die Fingernägel zu reinigen, um die Wartezeit zu überbrücken.

Fünf Minuten später erschien der Rotschopf wieder, etwa zwanzig Meter von mir entfernt. "Warum verfolgst du mich nicht weiter?"

"Du hast mir gesagt, ich soll damit aufhören. Du bist nicht mein Feind, und ich will nur mit dir reden. Vielleicht dir helfen, denn du siehst echt beschissen aus, Junge."

Wütend sah er mich an. "Kümmer dich um deinen eigenen Sch..." Er verdrehte die Augen. Die Anstrengung der Verfolgungsjagd und die Belastung durch die Entzündung hatten ihm zugesetzt. Er verlor seinen Halt auf dem Ast auf dem er stand, und fiel in die Tiefe. Ich setzte ihm mit Step nach, und fing ihn auf.

"Uuuh..."

"Ruhig, mein Kleiner. Ich kann dir helfen. Wenn du mich lässt."

"Bin... nicht... dein Kleiner...", murmelte er, während er die Zähne vor Schmerzen zusammenbiss. "Will dein... Mitleid nicht..."

"Wieso Mitleid? Du bist verletzt, und du brauchst Versorgung, wenn du nicht sterben willst. Das ist die ganze Geschichte."

Seine blauen Augen starrten mich glasig an. "Wie... viel?"

"Was, wieviel?", fragte ich überrascht.

"Niemand... macht was... umsonst..."

"Würde es dich überraschen, dass ich ab und zu dazu neige, das zu tun?"

"Ich... traue dir... nicht...", ächzte er.

"Also gut", sagte ich, "machen wir es folgendermaßen. Du lässt mich dir helfen, und wenn es dir wieder gut geht, dann arbeitest du meine Hilfe ab. Einverstanden?"

"Habe wohl... keine andere... Wahl...", raunte er. "Hand drauf."

Ich ergriff seine ausgestreckte Rechte, und drückte sie. "Hand drauf."

"Gut", murmelte er. "Nehme... meine Ver... pflichtungen... ernst..." Er verdrehte die Augen und tat seinen letzten Atemzug.

***

Perine sträubten sich die Nackenhaare, als sie aus der Höhle, in die Mai, Shinji und Kira gegangen waren, diese... Merkwürdige Präsenz spürte, dieses... Bekannte und nicht besonders geliebte Gefühl. Und die drei machten nicht einen einzigen Laut da drin!

Besorgt und kampfbereit eilte sie in ihrer Äffchenform zum Eingang der Höhle, gerade rechtzeitig, um noch was von dem Elektroschock abzukriegen, den Kira just in diesem Moment austeilte, als sie den Boden berührte.

"Autsch! Musste das sein, du Irrer?", fluchte Shinji.

"Wäre es dir lieber, weiter unter ihrem Genjutsu zu bleiben?", hörte sie Kira antworten.

"Da hat er Recht. Wo ist die Spinne?", klang Mais Stimme auf. Gut, alle drei waren wohlauf. Sie eilte in die Höhle, entschied sich dann aber dazu, erst einmal zu beobachten. Dazu krallte sie sich an der Decke fest und übersah die Szenerie.

Zwischen Shinji und Kira lag ein junges Mädchen am Boden, gehüllt in einen weißen, sehr lockeren Yukata. Ihre Haut war fast ebenso weiß wie ihr Kleidungsstück, und ihre Haare wie zum Kontrast so tiefschwarz wie eine mondlose Sturmnacht. Mit tiefroten, gefährlich funkelnden Augen sah sie zu Kira hoch. Ängstlich, übrigens. "Tu... Tu mir nichts, ich tu dir auch nichts", sagte sie hastig, und versuchte, von Kira fort zu kommen.

"Du wolltest mich beißen!", begehrte Kira auf. "Das nennst du nichts tun?"

"Wollte ich gar nicht! Aber du hast Speck und Brot und Äpfel in der Tasche, und..." Was genau sie meinte, zeigte sich, als ihr Magen laut zu knurren begann. Nun irrlichterte tiefrote Scham über ihre Wangen. "Ich habe seit Tagen nichts gegessen."

"Nun gib ihr schon was", drängte Shinji. "Gegen ihr Genjutsu sind wir ja dank dir immun."

"Aber sie ist...", begehrte Kira auf.

Shinji verdrehte die Augen. "Ja, sie ist vor uns hier gewesen. Wir haben sie gestört. Und zwar, weil Kuroko sein Diebesgut hier rein geschmissen hat."

"Kuroko? Heißt so der große Kerl, ungefähr eins achtzig, schmale Schultern, ernstes Gesicht, braune, schulterlange zum Zopf gebundene Haare, eine Augenbraue über beiden Augen, und wieselartige braunschwarze Augen?", fragte das Mädchen.

"Ja, das kommt in etwa hin. Er hat das, was wir suchen, hier herein geworfen, damit du... Ja, uns frisst, nehme ich an." Kira runzelte die Stirn. "Ich bin sicher, die Erklärung wird gut ausfallen."

Wieder knurrte der Magen des Mädchens. "Also, wenn du versprichst, uns nicht zu essen, kannst du was haben."

"Warum sollte ich das tun? Ihr seid die mit den Waffen, und ich mag es nicht, wenn ich mein Essen erst noch töten muss. Nebenbei essen wir Spinnen keine Menschen. Weil, wir sind keine Menschen", stellte das schwarzhaarige Mädchen trotzig fest.

Kira seufzte. Er hockte sich vor dem Mädchen nieder und zog einen der Äpfel hervor. "Hier, fangen wir damit an. Falls du sowas magst."

"Echt?" Hastig riss sie ihm das Obst aus der Hand und biss gierig hinein. Ein schauriger Anblick, wenn man bedachte, dass ihre Eckzähne durchaus Dolchcharakter hatten. "Oh, der ist süß. Wie schön."

Kira atmete aus. "Ich denke, die Gefahr ist vorbei. Wir... Was ist mit deinem Bein?"

"Das ist mir auch schon aufgefallen", sagte Shinji. "Die Spinne in der Illusion hat nur vier ihrer Beine benutzt."

Erneut errötete das Mädchen und versuchte, ihr linkes Bein unter den Yukata zu ziehen. "Daran ist dieser Kuroko schuld. Er hat mich gejagt. Und dabei hat er mich verletzt. Und hier rein getrieben. Aber er hat sich nicht getraut, mir zu folgen, weil er mich für gefährlich hält."

Kira zog Fleisch und Brot aus seinem Beutel hervor, und begann es in Portionen zu schneiden. Er reichte dem Mädchen je eine Portion, als der Apfel bis auf den Stiel verdrückt war.

"Speck! Endlich mal wieder Fleisch! Äh, ich meine... Tja... Ach, egal." Herzhaft biss sie in Brot und Fleisch, und kaute auf eine nicht sehr vornehmen Art, aber mit größtem Wohlbehagen. "Seit der Kerl mich hier rein gejagt hat, hatte ich nichts zu essen als etwas Farn und einer Ratte."

"Einer Ratte?", fragte Mai angewidert.

Das Mädchen warf ihr einen ärgerlichen Blick zu. "Habe du mal tagelang Hunger. Dann wirst du schon sehen, was du dann alles essen kannst."

"Oh. Schon gut, entschuldige."

Sie schlang den letzten Happen runter, und rülpste leise. "Ihr habt nicht zufällig was zu trinken? Wir Spinnen können lange ohne Wasser auskommen, aber so langsam kriege ich Durst. Und der Speck war salzig."

"Natürlich." Kira griff nach seiner Wasserflasche.

"Ahahahahaha. Kira, du Witzbold", sagte Mai, drückten den Jungen beiseite und reichte dem Mädchen ihre Flasche. "Du wirst von einem Mädchen doch nicht verlangen, dass sie aus der gleichen Flasche trinkt wie ein Junge?" Sie errötete bei diesem Gedanken, und auch das Mädchen wurde wieder rot. "Danke." Sie leerte Mais Flasche in einem langen Zug.

"Na, du hast aber einen Durst."

"Wie ich schon sagte", meinte sie achselzuckend, "ich bin hier schon ein paar Tage drin."

"Mehr?", fragte Kira, und hielt ihr eine weitere Portion Brot und Speck hin.

"Danke, ja. Man soll ja nicht so viel, wenn man lange nichts gegessen hat, aber wird schon schief gehen." Herzhaft biss sie in die neue Portion.

"Mädchen, du kannst nicht...", begann Mai aufgeregt. Aber zu spät. Ob sie ihr sagen sollte, dass sie gerade das Stück gegessen hatte, in das Kira hineingebissen hatte? Sie entschied, die Unglückliche glücklich unwissend zu lassen. "...soviel auf einmal essen. Und deine Wunde müssen wir uns auch ansehen. Wie hat er dich verletzt?"

Ihre roten Augen blitzten zornig. Hastig kaute sie, um den Bissen in ihrem Mund schlucken zu können. Als sie das geschafft hatte, sagte sie anklagend: "Dieser elende Bursche hat mich auf einem Baum entdeckt. Als ich da nicht runter kommen wollte, weil ich gleich gesehen habe, was für ein Dreckskerl er ist, hat er einfach den ganzen Baum gefällt. Dabei habe ich mir das linke Bein gebrochen. Oh, ich weiß noch, wie er mich angesehen hat, als ich mich in die Höhle retten wollte. So... Widerlich. So gierig. Aber ich habe es geschafft, und als ich hier drin war, konnte ich auch endlich mein Genjutsu anwenden, und ihm vorgaukeln, ich würde ihn auffressen. Da hat er zwar Angst vor mir bekommen, aber seither kommt er ständig wieder, um zu überprüfen, ob ich noch da bin. Ich habe sogar Angst zu schlafen, weil dieser Kerl... Dieser Kerl..." Sie schien den Tränen nahe. "Und dann hat er dieses Zeug hier reingeworfen, und Ihr kamt hinterher. Den Rest kennt Ihr."

"Was für ein Widerling. Nicht nur, das er seine eigenen Leute bestohlen hat", sagte Shinji in Rage, "er hat auch noch diese harmlose Spinne bedroht."

"Oh, er bestiehlt die eigenen Leute? Warum wundert mich das nicht?" Sie griente, und biss sich noch ein Stück Brot und Speck ab. "Iff bimm übrigemmmf Kuwwomi."

"Kufomi?", fragte Kira.

"Kuwwomi!", korrigierte das Mädchen energisch.

"Sie meint Kuzomi", erklärte Mai schulmeisterisch, und das Mädchen nickte erfreut.

"Also Kuzomi-chan. Bleibt noch eine Frage: WAS bist du?", fragte Shinji.

"Ist das nicht offensichtlich?", fragte Perine, verwandelte sich in ihre Menschengestalt und sprang unter die Genin. "Sie ist eine Spinne."

"Uh, ein Affe. Heute ist wirklich mein Glückstag", stöhnte Kuzomi.

"Die Spinnen sind ähnlich wie wir, hm, formlos. Und so, wie wir Affen uns in Menschen verwandeln können, können das auch die Spinnen. Tatsächlich ist das, glaube ich, sogar ihre Urform. Zeig mal dein Beinchen, Klettermaxe."

"Wir können uns aber auch in Spinnen verwandeln. Aber ohne Haare. Ich mag diese Haare nicht. Und wir haben auch eine Mischform, so wie die Affen mit ihrer Kampfgestalt." Zögerlich streckte sie das Bein aus.

Perine legte vorsichtig ihre Hand auf die blaue Stelle am Schienbein. "Sauber gebrochen. Der Knochen hat sich nicht verschoben. Schwein gehabt, Spinnchen."

"Kriege ich jetzt eine Affenheilung?" Sie seufzte. "Dass ich das noch mal erleben darf... Was soll mich das kosten, Äffchen?"

"Nichts. Für Kinder mache ich sowas schon mal umsonst. Und du bist ja noch nicht mal trocken im Netz, Kleines."

Die Spinne blies die Wangen auf. "So jung bin ich gar nicht mehr! Ich bin immerhin alt genug, dass ich selbst ins Reich des Feuers kommen darf."

"Ja, ja, schon gut. Du bist durch und durch erwachsen. So erwachsen, dass du dein Genjutsu in einer Stresssituation nicht mal anwenden kannst."

Unglücklich sah Kuzomi die Affenkriegerin an.

Perine lächelte wie eine große Schwester, als sie ihr Chakra benutzte, um den Beinbruch zu heilen. "Aber du lässt dich nicht unterkriegen. Das finde ich gut."

"Und was machen wir jetzt mit dir?", fragte Kira. "Ich bin übrigens Kira Yamada. Das mit dem Blitz tut mir leid. Aber ich konnte ja nicht wissen, dass du das Essen in der Tasche leckerer findest als mich."

Shinji hüstelte unterdrückt. "Denk dir nichts dabei, Kuzomi-chan, er tut es auch nicht."

"So? I-ich habe mir auch nichts dabei gedacht", verteidigte sie sich. "Ich würde gerne nach Hause gehen, wenn es euch Recht ist. Dazu muss ich an einen bestimmten Ort in diesem Wald, an dem sich ein Portal zum Spinnenwald befindet. Meine Eltern machen sich sicher schon Sorgen um mich."

"Das lässt sich einrichten", sagte Perine. "Ich bringe dich in die Nähe des Portals, und ab da kannst du alleine gehen. Nicht, dass du Fremden die Position des Portals verrätst. Die Affen würden das einem der ihren übel nehmen."

"Die Spinnen auch", seufzte sie.

"Na, dann ist ja alles geklärt", sagte Mai. "Wir helfen Kuzomi-chan, nach Hause zu kommen, bringen unsere Beute zu Mamo-ch... Ich meine, Sensei, und dann klären wir mit ihm, was wir tun."

"Also bringe ich sie zum Portal, und Ihr sucht Mamoru auf", bestimmte Perine. "So, fertig. Es wird noch eine lange Zeit wehtun, aber immerhin kannst du dein Bein jetzt belasten."

"Danke. Ich danke euch. Und zahlt es diesem Kuroko so richtig heim!"

Das Mädchen zog ihr Bein wieder ein und erhob sich sittsam.

Perine drückte sie wieder auf ihr Sitzfleisch. "Hast du nicht was vergessen, Spinnchen?"

"Hä? Vergessen? Was denn?"

"Die Bezahlung."

Das Spinnenmädchen riss erstaunt die Augen auf. "Aber du hast doch gesagt, dass du nichts von mir willst!"

"Ich will ja auch nichts. Aber hast du schon vergessen, wer dir zu Essen gegeben hat?"

"OH!", machte sie. "Oh...", fügte sie leiser hinzu. "Ja, das stimmt natürlich. Kira-sama, wir Spinnen nehmen unsere Schulden sehr ernst. Aber wir neigen genauso wenig dazu, eine Schuld übertrieben zu betrachten. Ahahaha. Wenn das so wäre, müsste ich ja auch die junge Dame kompensieren, für das Wasser."

"Mai", sagte sie bestimmt. "Ich heiße Mai Kobashi. Und das hier ist Shinji Nakahara. Der Affenkrieger ist Perine, und wir sind Schüler von Mamoru Morikubo-sama. Hast du von dem schon mal gehört?"

"Nein, sollte ich?"

"Na, wenigstens einer", murmelte Kira. Shinji hingegen wirkte enttäuscht.

"Ja, was machen wir denn da, Spinnchen?"

"I-ich bin gut im Genjutsu. Ich kann eigenes spinnen oder eines auflösen. Wenn ich unverletzt bin, kann ich auch ein wenig Taijutsu. Ich würde dir bestimmt nützlich sein, Kira-sama. W-wenn du nichts dagegen hast, schließe ich einem temporären Kontrakt mit dir ab, und dann kannst du mich beschwören. Ich weiß, ich bin noch jung und unerfahren, und ich wollte eigentlich nie Soldat werden, aber... Für Kira-sama mache ich eine Ausnahme."

"Na, von mir aus. Genjutsu fehlt hier in der Truppe noch. Was heißt temporär, Kuzomi-chan?"

Die junge Frau hob dozierend den rechten Zeigefinger. "Das bedeutet, dass ich dir erst einmal für sechs Beschwörungen assistiere. Und ab da sehen wir weiter. Haben wir gut zusammengearbeitet, verlängern wir den Kontrakt. Gute Kontraktpartner sind selten heutzutage, und schwer zu finden. Passt die Chemie nicht, war es das halt. Bist du einverstanden, Kira-sama?"

"Ja, geht in Ordnung. Und wie schließen wir einen Kontrakt? Sensei musste mit Blut unterschr..."
 

Er wurde unterbrochen. Hauptsächlich deshalb weil ihm Kuzomi den Mund verschloss. Mit ihrem. Nach einer gefühlten Ewigkeit ließ sie von ihm ab. "Wir küssen unsere Kontraktpartner. Damit stellen wir uns auf sie ein. Rufen musst du mich aber mit deinem Blut."

Mai sah die beiden entsetzt an. Shinji stammelte fassungslos, und Perine war aus ihrer lockeren Haltung vor Schreck in eine verkrampftere Haltung geglitten.

"Müssen wir uns immer küssen, wenn ich dich beschwöre?", fragte Kira argwöhnisch.

Shinji knickte ächzend ein, Mai ließ einen Laut abgrundtiefer Verzweiflung hören, und Perine fragte nur: "Mamo-chan Nummer zwei?"

"Denk dir nichts dabei, Kuzomi-chan", sagte Shinji jovial, "er ist einfach noch nicht so weit."

"So? Na dann... Nein, wir müssen uns nicht jedes Mal küssen, Kira-sama. Aber ab und an, da wäre... Da wäre es nett, wenn du..."

"Oh, keine Sorge", sagte Mai, "loben kann er, und er kann auch tun, was du ihm sagst, selbst wenn er den Sinn nicht versteht."

"Ist es so schlimm?", fragte die Spinnenfrau verdutzt.

"Hey, ich bin doch erst zwölf", protestierte Kira gegen die Stimmung auf seine Kosten.

"Ja, das sagt er jedesmal", seufzte Shinji.

"Auf jeden Fall wird es interessant mit ihm", sagte Mai, aus dem unbegreiflichen Verlangen heraus, dem stupiden Kameraden auszuhelfen.

"Na immerhin." Das Spinnenmädchen lächelte mit zusammengekniffenen Augen. "Ich freue mich jedenfalls darauf, dass du mich das erste Mal beschwörst, Kira-sama. Ich verspreche auch, dir eine große Hilfe zu sein. Perine-sama, bringst du mich jetzt weg?"

"Aber klar. Los, hüpf auf meinen Rücken."

Das Mädchen erklomm den Rücken der Affenkriegerin. "Auf Wiedersehen, Shinji und Mai. Auf Wiedersehen, Kira-sama."

"Auf bald."
 

Perine sprintete los. "Wohin?"

"Erst mal nach Norden. Gut. Weiter so. Hm, ob das jetzt eine so gute Idee war, mit Kira-sama einen Kontrakt abzuschließen?"

"Wer weiß? Das wird die Zeit zeigen. Aber Mai hat Recht: Es wird in jedem Fall interessant werden."

Kuzomi lachte. "Also, ich langweile mich nicht so gerne. Auch wenn ich von verrückten Holzfällern erstmal die Nase voll habe."

"Keine Sorge, der Holzfäller kriegt sein Fett weg. Die drei sind gerade aufgebrochen, um ihren Sensei zu suchen. Und der ist bekannt dafür, dass er gerne mal ein Fass aufmacht."

Kuzomi kicherte. "Klingt wie jemand, den ich mögen würde."

"Oh ja, das würdest du."

***

Als der rothaarige Junge wieder erwachte, blickte er in das entrückend schöne Gesicht von Ranko. Sie lächelte ihn an, während ihre Hände auf seinem Körper ruhten. "Bleib ganz entspannt liegen, junger Mann. Ich bin hier bald fertig. Dann bist du zwar noch nicht wieder gesund, aber auf dem Weg der Besserung."

Irritiert starrte er die Frau an. Das Was? war ihm geradezu ins Gesicht geschrieben.

"Sie ist meine Freundin", sagte ich. Nun wandte er den Kopf und sah mich an.

Ich grinste und zeigte ihm mit Mittel- und Zeigefinger der Rechten das V-Zeichen. "Na, wieder unter den Lebenden? Eine Zeitlang hast du nicht mehr geatmet. Deshalb habe ich Ranko-sensei beschworen. Sie sagte, sie musste dich reanimieren, weil du teilweise schon mehr drüben als noch bei uns gewesen bist. Vergiss nicht, dich artig bei ihr zu bedanken."

"Ihr habt... Mir das Leben gerettet?", fragte er verdutzt.

"Ja, so kann man das sagen", bestätigte ich lächelnd. "Aber du wirst dich noch ein paar Tage schonen müssen, bevor du wieder unterwegs sein kannst. Ich sorge dafür, dass du einen bequemeren Platz zum Schlafen kriegst. Und genügend zu essen. Eventuell kann ich dir auch eine Anstellung im Holzfällerdorf besorgen. Ich habe so das Gefühl, dass da ohnehin bald eine Stelle frei wird."

"Nein", sagte der Junge entschieden.

"Wie, nein? Willst du nicht gesund werden?", fragte ich irritiert.

"Das ist es nicht. Du hast mein Leben gerettet, Morikubo-sama. Du und Ranko-sama. Ich stehe jetzt in eurer Schuld, bis ich euch die Leben zurückzahlen kann. Ab jetzt bin ich dein Gefolgsmann und Diener, Morikubo-sama."

Verdutzt sah ich Ranko-sensei an. Die zuckte mit den Achseln.

"Hör mal, das ist ja nett von dir, aber..."

"Eine Ehrenschuld muss abgetragen werden. Sonst bin ich es nicht wert, auf dieser Welt zu wandeln. Mein Clan sieht das sehr streng", sagte er ernst.

"Wo ist dein Clan?", fragte ich leise.

"Tot. Allesamt. Männer, Frauen, Kinder. Alle. Selbst meine kleine Schwester..." Er stockte und legte eine Hand auf sein Gesicht. "Tja. Es ist schon Jahre her, aber es tut immer noch weh."

Ich musterte den Jungen genauer. Bedeutete seine Erzählung etwa, dass er sich seit Jahren alleine durch die Welt schlug? Was für ein Schicksal. Konoha schickte zwar seine Shinobi in jungen Jahren ins Feld, und besonders begabte Kinder noch viel früher, aber wenigstens hatten sie immer einen Ranghöheren als Aufpasser und Lehrmeister. Dieser Junge hatte nichts von alldem.

"Also gut", sagte ich ernst. "Ich akzeptiere dein Angebot. Sei mein Diener und Gefolgsmann, bis du mir das Leben retten konntest. Wie du das mit Ranko-sensei regeln willst, überlasse ich dir selbst. Kann ich ihn transportieren, Ranko-sensei?"

"Ja, das geht in Ordnung. Schickst du mich zurück? Den Rest sollte Perine handhaben können."

"Ja, ist gut. Und vielen Dank für deine Hilfe, Ranko-sensei."

"Keine Ursache. Ich bin sicher, Enka-sama wird mir den Kopf auch nur halb dafür abreißen, dass ich mitten in der Sitzung verschwunden bin. Damit kann ich leben", sagte sie spöttelnd.

Ich drückte ihr einen Kuss auf die Wange. "Danke, dass du das für mich tust."

"Du weißt doch, bei dir werde ich immer schwach, Mamo-chan." Sie lächelte, und ich entließ sie aus der Beschwörung.
 

"Wie ist dein Name? Oder soll ich dich weiter Junge nennen?"

"Ich... bin Kishio. Kishio Moeru."

"Freut mich, Kishio Moeru. Komm, rauf auf meinen Rücken."

"Was?", rief er entsetzt. "Es steht mir nicht zu, meinen Herrn als Packesel zu benutzen! Eher sollte ich dich tragen!"

"Und?", fragte ich sarkastisch. "Kannst du das im Moment?"

"Nein", gestand er niedergeschlagen.

"Dann trage ich dich heute. Komm, spring auf. Das ist ein Befehl."

Resignierend fügte sich der Junge in sein Schicksal, und umklammerte meinen Hals.

"Na also", sagte ich zufrieden, und hielt ihn an den Beinen fest. "Ich hoffe, du bist schnelles Reisen gewöhnt."

"Sollte man ann... WHOA!"

***

"Sensei!"

Ich hielt an, Kishio auf dem Rücken, und wartete. Atemlos holten die drei Genin zu uns auf.

"Sensei, wir haben die Beute aus den Diebstählen gefunden, bei Kuzomi-chan, und Perine-sensei bringt sie gerade weg, und...", japste Shinji. "Und bei dir war es anscheinend auch interessant. Hallo, ich bin Shinji."

"Langsam, langsam. Mai, erzähl du mir, was passiert ist, und zwar der Reihe nach. Fang damit an, dass Ihr eure Wachtposten verlassen habt."

Das Mädchen wurde rot vor Scham und Ärger. "J-ja, Sensei."

Nun erhielt ich einen kompletten Überblick über das Geschehen, das ich mit einigem Entsetzen quittierte. "Du hast einen Kontrakt mit den Spinnen geschlossen, Kira?"

"Ja. Nein. Ja, irgendwie... Wieso, ist das schlecht?", fragte er argwöhnisch.

"Nein. Sie sind Kontraktpartner wie alle anderen auch, nur halt mit ihren ureigensten Fähigkeiten. Außerdem sind sie treu wie ein Affe, so sagt man. Nicht so eigensinnig und rechthaberisch wie die Frösche zum Beispiel."

"Ich soll das gestohlen haben?", fragte Kishio entsetzt. "Aber sowas mache ich nicht! Ich habe mir nur etwas Essen genommen. Und das von verschiedenen Orten, damit ich niemandem besonders zur Last falle. Ich konnte doch nicht weiter..." Deprimiert verstummte er.

Nun begann ich meine Geschichte zu erzählen, wies kurz darauf hin, wie nahe er dem Tode gewesen war, bevor Ranko-sensei ihn geheilt hatte, und endete mit den Worten: "Na, dann wollen wir mal jemandem einen Schrecken einjagen."

"Genau!", riefen die drei Genin, und streckten die rechten Arme in die Höhe.
 

Während wir weiter auf das Dorf zueilten, schloss P-chan zu uns auf.

"Alles klar mit der Spinne?"

"Oh ja, sie ist nett. Aber... Nur der Spinnenclan kommt auf den Gedanken, ein Portal in zwanzig Metern Höhe zu errichten. Und einer der Holzfäller, wahrscheinlich Kuroko, hat dem Baum gefällt, mit dem man es bequem erreichen kann. Der Mann wird mehr und mehr ein echter Schmerz im Arsch."

"Na, na, nicht so blumig vor meinen Genin", tadelte ich grinsend.

"Ach, darum mach dir keine Sorgen, Sensei", sagte Shinji jovial. "Arsch ist kein besonderes Wort. Wir kennen auch Worte wie Kacke, Mist, Kotze, Pisse, Arschloch..."

"Danke für den kleinen Exkurs, Shinji", sagte ich.

"Gern geschehen, Sensei", sagte er freudig.

"Und du darfst keines dieser Worte benutzen, wenn du in meiner Nähe bist."

"Ah, so ein M... Ich meine, das ist echt K... Dumm gelaufen."

Kira und Mai grinsten ihn an.

"Ihr zwei übrigens auch nicht."

"Sensei, das ist nicht fair."

"Niemand hat behauptet, dass ich fair sein muss, oder?" Ich lachte. "Bemüht euch, solche Worte nicht in Konversationen zu verwenden, okay? Wir sind übrigens fast da."
 

Tatsächlich schälte sich das Dorf schon aus dem Wald hervor. Es waren nur noch ein paar Sprünge, da hatten wir auch schon die Dorfmitte erreicht. Als wir so unvermittelt auftauchten, war die Aufregung groß.

"Da ist Morikubo-sama wieder! Mit seinen Genin!"

"Aber die Genin sind doch noch hier!"

"Schaut mal, sie haben den Dieb gefangen!"

"Und unsere Sachen haben sie auch gefunden! He, Kamura, sie haben deine Beitel wieder mitgebracht!"

Ich setzte Kishio ab, hob die Hände und schüttelte energisch den Kopf. "Es ist schon richtig. Der Junge hier hat das Essen gestohlen. Aber die anderen Diebstähle gehen nicht auf sein Konto. Löst bitte eure Kage Bunshin auf, Team dreizehn."

Meine drei Genin nickten, und im Dorf verschwanden ihre Ebenbilder in kleinen Rauchwolken.

"Langer Rede kurzer Sinn, dem wahren Dieb war natürlich klar, dass ich bei unserem Mundräuber hier kein Beutestück finden würde. Und dass ich dann den Verdacht, es könnten zwei Diebe gewesen sein, weiter verfolgen würde. Also hat er sich daran gemacht, seine Beute im Wald zu entsorgen, bevor jemand auf den Gedanken kommt, sein Haus zu durchsu... Moment Mal, Herr Kuroko, wohin wollen Sie denn? Wussten Sie, dass meine Genin den Auftrag hatten, Ihnen zu folgen? Und raten Sie mal, was sie gesehen haben?"

"Hatten wir den Auftrag?", fragte Shinji stirnrunzelnd. "Autsch."

"Natürlich hatten wir den Auftrag. Sensei hat genau gewusst, was wir tun würden. Und er hat uns Perine-sama mitgegeben", zischte Mai ihm zu, nachdem sie ihn getreten hatte.

"D-das ist doch absurd! Warum soll ausgerechnet ich der Dieb sein?", rief der Mann eingeschüchtert.

"Ich habe nicht gesagt, dass Sie der Dieb sind. Das waren Sie gerade selbst", sagte ich süffisant. "Aber wenn Sie es gerade erwähnen, so ist es doch merkwürdig, dass alle Leute, die einen Wertgegenstand vermissen, oder denen Geld abhanden gekommen ist, mir erzählt haben, Sie wären an dem betreffenden Tag oder Abend zu Gast gewesen. Und dabei haben Sie sich meist unbeaufsichtigt in den Häusern bewegt. Und dann haben Sie diese ganzen Beutestücke hier in einer weit entfernten Höhle entsorgt."

"D-das ist nicht wahr! Das Zeug hat mir jemand untergeschoben, damit es so aussieht, als wäre ich der Dieb! Das war bestimmt dieser rothaarige Teufel da!"

Ich trat vor ihn, als der Bursche mit anklagend erhobenen Zeigefinger auf Kishio zugerast kam. Er wich vor mir zurück. "Keine Ausreden mehr, Kuroko-san. Ich habe es bereits geprüft. Sie sind der Einzige, der zur Tatzeit in den betroffenen Häusern, die Wertsachen oder Geld vermissen, zu Gast war. Und die einzige Möglichkeit, die meisten Sachen zu stehlen, war von innen, nicht von außen. Kishio ist schwer verletzt, und hätte eine Rumturnerei auf einem Dachboden ohnehin nicht durchgehalten. Was sollte er auch mit Geld und Gold, wenn das was er brauchte, Nahrung war, die er sich gerade so aneignen konnte, nachdem ihm niemand hier geholfen hat? Oder ihm Arbeit gegeben hat, als er danach fragte?"

Betreten schwiegen die Dörfler. "Aber er hatte Kunais dabei. Und er hat sich so merkwürdig bewegt", sagte jemand.

"Ja, weil er eine schwere Verletzung in der Seite hat, die sich entzündet hat. Ich konnte sie beseitigen, aber gesund ist er deswegen immer noch nicht." Ich sah den Burschen an, der noch immer direkt vor mir stand. "Was kommt als Nächstes? Behaupten Sie, ich hätte die Sachen gestohlen, um sie Ihnen unterzuschieben?"

"Denkbar ist es doch", fauchte er.

"Das lässt sich alles ganz einfach regeln." Ich sah ins Rund. "Würden sich bitte alle melden, die etwas verloren haben, und schauen, ob ihre Sachen bei der Beute sind? Und würden mir die, die noch etwas vermissen dann sagen, was fehlt?"
 

Nach einem halbstündigen Prozedere hatten wir den Eigentümern ihre Wertgegenstände wieder gegeben. Allerdings fehlten noch ein paar Ringe, und aus einer Kette war ein Edelstein herausgebrochen worden. Alles Kleinigkeiten, die in einer Hand verschwinden konnten. Oder sich anderweitig gut verstecken ließen. "Kuroko-san, sind Sie damit einverstanden, dass wir Ihr Haus durchsuchen? Ich bin mir sicher, wir finden den Stein und die Ringe dort. Da Sie die letzten Tage nicht auf Reisen waren, hatten Sie bestimmt keine Zeit, um Ihre Beute zu verkaufen."

"Nein! Ich lasse Sie doch nicht in mein Haus, und... Und Sie die Sachen dort verstecken, um mich zu verleumden!", rief er.

"Gut, wenn Sie es mir nicht erlauben... Dann gehen eben meine Genin. Kira, Shinji, Mai. Durchsucht das Haus von oben bis unten."

"Jawohl, Sensei."

"Das werdet Ihr ni... AUUUU!"

Mai, die den Arm, der nach ihr hatte grabschen wollen, schmerzhaft verdreht hielt, lächelte freundlich, wenngleich eine Zornesader auf ihrer Stirn pochte. "Würden Sie es unterlassen zu versuchen, mich anzufassen? Das wäre sexuelle Belästigung, und das wäre nicht das erste Mal, nicht wahr? Bisher haben wir noch nicht erzählt, bei wem wir die Wertsachen gefunden haben."

"AUUU!"

"Okay, das akzeptiere ich als Versprechen, sowas zu lassen." Sie ließ ihn los, und ging weiter auf sein Haus zu. Kira und Shinji folgten ihm. "Guter Griff, Mai", lobte Kira.

"Ja, wie aus dem Lehrbuch", sagte Shinji.

"Ach, wisst Ihr, es ist wie Iruka-sensei gesagt hat. Wenn man es einmal gelernt und verinnerlicht hat, dann kommt es ganz von alleine raus, wenn man es braucht", erwiderte sie fröhlich.

Kuroko sah sich im Kreis der Dorfbewohner um. "Die wollen mir was unterschieben! Ihr wisst doch, dass ich eine ehrliche Haut bin!"

"Nun, du gewinnst beim Kartenspielen nur, wenn wir bei dir Zuhause spielen", warf jemand ein.

"Und du warst bei allen Familien, die bestohlen wurden", sagte eine andere Stimme.

"Und ein Großmaul, bei dem nichts dahinter steckt, warst du auch schon immer, Kuroko", sagte der Dorfvorsteher mit fester Stimme. "Wenn du jetzt auch noch zu klauen und zu lügen anfängst, würde mich das nicht wundern. Und es würde erklären, warum plötzlich außerhalb der Fällgebiete wild Holz geschlagen wird."

Diese Nachricht ließ die Arbeiter aufraunen. Niemand mochte es, wenn jemand auf eigene Rechnung Holz schlug und am Dorf vorbei zur eigenen Bereicherung verkaufte.

"Wartet! Ich kann das alles erklären!", rief er.

"So? Da bin ich aber gespannt", sagte ich. Um es vorweg zu nehmen, er konnte es nicht.

***

Keine zehn Minuten später hatten meine Genin die Beute gefunden. An einer Stelle, wie Mai sich ausdrückte, an der sie selbst etwas versteckt hätte. Damit war er derart in Erklärungsnot gekommen, dass sich die Dorfältesten genötigt sahen, das Bezirksgericht anzurufen, außer, Kuroko würde freiwillig das Dorf verlassen. Und Diebstahl wurde hart geahndet. Wie es sein Wesen war, ergriff er lieber das Hasenpanier, und keine halbe Stunde später - und nachdem man ihm um jenen Geldbetrag erleichtert hatte, den er gestohlen hatte, marschierte er mit Sack und Pack aus dem Dorf. Dabei sah er mich mit zitterndem Körper an. Hasserfüllt, übrigens. Aber was scherte die Eiche der Bambus? Nichts, richtig.
 

Kurz darauf klappte Kishio vor Erschöpfung zusammen, und wir brachten ihn ins Haus des Dorfvorstehers. Perine behandelte ihn auch noch einmal, und anschließend bekam er eine große Portion gekochten Reisbrei. Wahrscheinlich war es das erste Mal seit Wochen, dass er Reis überhaupt sah.

"Wir bleiben drei Tage hier, mit Ihrer Erlaubnis, bevor wir weiter ziehen", erklärte ich Dorfvorsteher Kamura. "Selbstverständlich bezahle ich für unsere Anwesenheit."

Der alte Mann wehrte ab. "Nicht doch, Morikubo-sama. Wir haben damit gerechnet, dass Sie eine Woche oder länger brauchen würden. Was sind da schon drei Tage? Seien Sie unser Gast. Natürlich auch Kishio-kun. Es war falsch von uns, ihn abzuweisen, als er Hilfe brauchte. Aber er hat so ein böses Gesicht gemacht, dass man sich gefürchtet hat."

"Ja. Weil er Schmerzen hatte", sagte ich leise.

"Das hat keiner von uns gewusst. Und er hat es nicht gesagt."

Ich schüttelte den Kopf. "Das war kein Vorwurf. Er hat eben bisher ein Leben geführt, in dem ihm nicht besonders oft geholfen wurde. Da ist so eine Introvertiertheit kein Wunder. Iss nicht zu hastig, Kishio, sonst bekommt es deinem Magen nicht."

"Jawohl, Morikubo-sama!"

"Sag Mamoru-sensei zu mir."

"Jawohl, Mamoru-sensei."

Ich klopfte dem Dorfvorsteher auf die Schulter, als ich den Raum verließ. "Trotzdem danke."

"Gerne, gerne, Morikubo-sama."

Draußen hockten meine Genin, und versuchten, ins Krankenzimmer zu linsen.

"So meine Herren und meine Dame Genin. Dass wir unseren Kriminalfall so schnell haben lösen können bedeutet nicht, dass wir hier drei Tage faul rumsitzen werden. Im Gegenteil. Wir werden auf Bäume klettern üben."

"Was?", rief Shinji. "Aber ich kann doch schon auf Bäume klettern!"

"Oh, du wirst überrascht sein, wie ich auf Bäume klettere", sagte ich lachend. "Folgt mir."

"Jawohl, Sensei!"

Das waren meine Genin. Meine viel versprechenden schlauen kleinen Genin. Und ab sofort auch Kishio, wie es schien. Also, langweilig wurde es wahrlich nicht.

Der ewige Chunin 6

5.

Wir hatten den ersten Einsatz in einer D-Mission binnen weniger Stunden erledigt. Meine Genin hatten sich, nachdem sie sich leidlich an mir orientiert hatten, mit detektivischem Spürsinn und Kombinationsgabe bewährt. Das ließ für die Zukunft hoffen. Oft genug, gerade bei den höherrangigen Missionen, war der Verstand die erste eingesetzte Waffe in unserem Gewerbe. Ich war sehr zufrieden, und meine Genin hatten eine Belohnung verdient. Und was war klassischerweise die Belohnung für eine bestandene Aufgabe? Eine noch schwerere Aufgabe natürlich.
 

Es wurde schon dunkel, viel Tageslicht würde uns nicht mehr bleiben, aber ich wollte ihnen doch einmal vorführen, was sie die Tage bis zu Kishio-kuns Heilung trainieren würden müssen. Also ging ich mit meinen Genin aus dem kleinen Dorf in den Wald hinaus, und suchte mir einen besonders großen Baum aus. "Ihr erinnert euch doch daran, das Lee-kun über Wasser laufen kann, oder?"

"Logisch, Sensei", murmelte Shinji. "Ich dachte, mir fallen die Augen aus."

"Den Anblick kann man ja kaum vergessen", fügte Kira an. Mit leuchtenden Augen ergänzte er: "Bringst du uns das bei, Sensei?"

Mai klopfte ihm mit der rechten Faust gegen den Oberarm. "Eins nach dem anderen, Kira! Heute ist erst mal klettern dran, so wie Sensei gesagt hat."

Ich schmunzelte. "Richtig. Heute klettern wir. Auf dem Wasser zu laufen erfordert eine feine Beherrschung des Chakra-Systems, die Ihr erlernt, nachdem Ihr euch als Genin bewährt und eure Jutsu hundertfach angewendet habt. Tatsächlich ist es ein inoffizielles Zeichen dafür, dass Ihr zur Chunin-Prüfung zugelassen werden könnt, wenn Ihr auf dem Wasser laufen könnt. Doch bis es soweit ist, müsst Ihr eure Jutsu üben, üben, üben. Erst dann könnt Ihr die feinen Nuancen nutzen, die man für das Wasserwandeln braucht. Auf Bäume klettern ist wesentlich leichter."

Ich deutete den Baumriesen empor. "Was denkt Ihr, wie hoch ist die Pappel?"

Shinji kniff die Augen zu Schlitzen zusammen. "Fünfzehn Meter?"

"Eher zwanzig", meinte Mai.

Kira brummte nur undeutlich.

"Es sind dreiundzwanzig Meter. Der Baum hier ist über einhundert Jahre alt, und er ist der Urtrieb für die anderen Pappeln, die ihn umgeben. Er ist sozusagen der Mutterbaum." Ich grinste frech. "Ich habe ihn vor allem deshalb ausgesucht, weil er hier schon hundert Jahre steht, und Stürme, Gewitter, Überschwemmungen und Wildfraß überlebt hat. Da wird er euch Genin auch noch verkraften, schätze ich."

"Sensei!", rief Shinji vorwurfsvoll.

"Jedenfalls", sagte ich, und klatschte dabei einmal in die Hände, "werdet Ihr den Baum hochlaufen. Oder spazieren. Wie, ist mir eigentlich egal, aber Ihr dürft eure Hände nicht benutzen."

"Wie, wir dürfen unsere Hände nicht benutzen?", staunte Mai. "Aber wie sollen wir dann...?"

"So", sagte ich, noch immer grinsend, und setzte einen Fuß auf den Stamm. Dann setzte ich den zweiten Fuß daneben, und ein kurzes Aufkeuchen ging durch meine Genin, als ich nicht wie sie erwartet hatten, stantepede auf der Erde landete. In gemütlichem Tempo spazierte ich nun den Baum bis in den Wipfel hinauf, und winkte den drei von dort freundlich zu. Für den Weg hinab benutzte ich Step. "Und?"

"Wow! Wie hast du das gemacht? Das habe ich ja noch gar nicht gesehen!", rief Kira aufgeregt.

"Es ist eine Fähigkeit, die für den Kampf bestimmt ist. Sie wird sie nicht an der Akademie gelehrt, weil es Sache des Jounin ist zu entscheiden, wann Ihr bereit seid. Meistens ist das nach den ersten Missionen der Fall, und es ist das Privileg des Gruppenanführers, euch diese Kunst beizubringen.

Deshalb werden dir, Shinji, dein Bruder und dein Vater nichts davon erzählt haben. Und dir, Kira, hat deine Mutter aus den gleichen Gründen nichts gesagt. Und Mai, ich wette, deine Eltern hätten ausweichend geantwortet, wenn du so ein Jutsu beobachtet, und sie mit Fragen bombardiert hättest."

Die drei sahen mich an und seufzten. "Typisch Erwachsene", sagte Mai. "Als wenn wir nicht selbst entscheiden könnten, ob..."

"Nun! Jetzt dürft Ihr es ja lernen. Wenn Ihr wollt!", unterbrach ich sie. "Ihr wollt doch, oder?"

"Jawohl, Sensei!", riefen sie aufgeregt.

"Nun gut. Dann will ich euch zuerst den Trick verraten, mit dem es funktioniert. Ihr dürftet heute noch, hm, dem Sonnenstand nach zu urteilen, eine halbe Stunde Sonnenschein haben. Bis zur Dämmerung lasse ich euch üben. Das ist noch mal eine halbe Stunde. Ansonsten trainieren wir die nächsten drei Tage, in denen Kishio das Bett hüten muss."

Ich ging in die Hocke, und mit einem inneren Schmunzeln beobachtete ich, dass die drei es mir nachmachten. "Das Geheimnis ist natürlich Chakra. Chakra, und die Kontrolle darüber. Je besser Ihr euer Chakra beherrscht, desto einfacher ist es. Und je besser Ihr beim Klettern seid, desto einfacher wird euch später das Wasserwandeln fallen."

Wasserwandeln. Alleine das Wort ließ die Augen der drei aufleuchten.

"Der Trick ist, dass Ihr Chakra in euren Füßen sammelt. Ihr wisst ja alle, wie man Chakra für ein Jutsu schmiedet, aber nicht, wie man es sammelt. Das werdet Ihr auf die harte Tour lernen müssen. Und dieses gesammelte fokussierte Chakra wird die einfachste Aufgabe erfüllen, die es ungelenkt vollbringen kann. Es wird sich festsaugen. Und damit könnt Ihr dann die Bäume hoch laufen."

Ihren Blicken nach zu urteilen konnte ich mir die "Habt Ihr das verstanden?"-Frage wohl sparen.
 

"Es hat mit Vorstellungskraft zu tun. Ihr müsst Chakra schmieden, und dann entscheiden, es in eure Füße zu schicken, wo es euch dann am Boden oder am Baum festsaugen wird. Anfangs wird es wirklich nur eure Vorstellung sein, aber mit jedem Meter, den Ihr den Baum hochkommt, wird es besser, leichter, einfacher. Von der Vorstellung bis zum Erfolg sind es nur wenige Schritte. Aber jeder Schritt muss absolviert werden. Habt Ihr noch Fragen?"

"Wenn ich es nicht gesehen hätte", murmelte Kira, "und wenn ich Lee-sempai nicht auf dem See gesehen hätte, würde ich es nicht glauben."

"Und genau das ist der springende Punkt. Es hat nichts mit Glauben zu tun. Nur etwas damit, es zu tun oder zu lassen. Oder... Hm, vielleicht erklärt euch das einiges."

Ich streckte meinen rechten Arm aus. Mit der Linken fokussierte ich mich, und sandte mein Chakra in den Arm. "So, jetzt geht's. Kira, nimm dein Wakizashi, und schlag mir auf den Arm."

"Was? Sensei, die Klinge ist Rasiermesserscharf und..."

"Keine Sorge. Mir wird nichts passieren. Los, schlag zu."

"A-auf deine Verantwortung, und weil Perine-sensei in der Nähe ist." Er zog die scharfe Klinge, zögerte, holte ein wenig aus, nahm den Schwung wieder raus, und hieb dann halbherzig zu. Nichts passierte.

"Aber... Aber..." Aus großen Augen sah er mich an.

"Zeig das Ding mal her. Autsch, ist ja doch scharf", brummte Shinji, und hielt sich die aufgeschnittene Daumenkuppe.

Der ganze Daumen hätte ab sein können. Das würde ich Shinji später noch eindringlich klar machen.

Bedächtig hob ich meinen Ärmel, um den Genin den Schnitt darin und die unverletzte Haut darunter zu zeigen. "Ich benutze sogenanntes hartes Chakra. Es hat meinen Arm so sehr verfestigt, dass er härter als Stahl ist. Diese Kunst erfordert aber viel Konzentration, und noch mehr Chakra. Früher hat man Blut für diese Technik verwendet, also aufgestautes Blut. Heutzutage nimmt man Chakra.

Chakra ist besser. Härter. Kontrollierbarer. Es geht vor allem schneller, sodass wahre Meister diese Kunst sogar in einem hektischen Kampf anwenden können. Manche wenden sie auf den ganzen Körper an, während wir armen Shinobi mit einer geringeren Chakra-Kontrolle vielleicht eine Hand oder auch nur ein paar Finger verhärten können, wenn unser Gegner uns die Zeit lässt. Das alles hängt mit der Chakra-Kontrolle zusammen. Je besser Ihr euren Chakra-Fluss koordiniert, desto mehr Möglichkeiten stehen euch offen. Das wollte ich damit sagen. Auf Bäume klettern, auf Wasser wandeln, den Körper verhärten bis ein Schwert ihm nichts anhaben kann, all das könnt Ihr erreichen, wenn Ihr euer Chakra kontrollieren lernt."

Langsam zog ich den Arm zurück. Die Stelle im Ärmel würde ich später nähen müssen. "Und wie kontrolliert man Chakra, werdet Ihr euch jetzt fragen. Wie schickt man es in die Füße? Das ist einfach, und doch ganz schwer. Ihr müsst euch vorstellen, wie das Chakra, das Ihr schmiedet, in die Füße fließt. Anfangs ist es tatsächlich nur das, eine Vorstellung. Aber je öfter Ihr das macht, je mehr Ihr euch anstrengt, desto mehr wird das Chakra tun, was Ihr verlangt. Es ist harte Arbeit, aber am Ende steht nicht nur die Fähigkeit, auf Bäume zu klettern als Belohnung an, sondern eine Verbesserung aller eurer chakrabasierten Fähigkeiten."
 

Skeptisch sah Kira mich an. "Du meinst, wir müssen uns vorstellen, dass wir die Bäume hochklettern können, und dann klappt das irgendwann von ganz alleine?"

"Geht doch ganz leicht, die Scheiße!", klang Shinjis fröhliche Stimme über uns auf. Unbemerkt von den anderen beiden Genin hatte er sein Glück probiert, und war mittlerweile sechzehn Meter hoch geklettert. "Man muss es sich wirklich nur vorstellen, und dann geht es ganz einfach!"

Ich schmunzelte. Besser konnte es ja gar nicht laufen. Es gab immer jemanden in der Genin-Gruppe, der bereits genügend Kontrolle über sein Chakra hatte, um den anderen weit voraus zu sein. Bei meiner Gruppe damals war es Karin gewesen. Das hatte Hana-chan und mich ganz schön angespornt.

"D-das kann ich auch!", rief Kira, schnellte hoch und rannte auf den Baum zu. Auf dem Stamm gelangen ihm tatsächlich zwei Meter, dann stürzte er wieder ab.

Mit einem Salto landete er auf dem Boden. Er zerbiss einen Fluch zwischen den Lippen.

"Sensei", sagte Mai, "warum gelingt es Shinji so problemlos, und Kira hat solche Mühen?" Sie setzte versuchsweise einen Fuß an, aber der Haftungseffekt wollte sich nicht ergeben. "Oder ich?"

"Hm, wie erkläre ich es am Besten? Stellt euch mal vor, Shinji erschafft drei Schattenklone. Die Menge Chakra, die er dafür benötigt, ist fünfzehn."

"Fünfzehn was?", fragte Kira.

"Fünfzehn irgendwas. Es lässt sich nicht wirklich messen, deshalb müssen wir uns dem Thema abstrakt nähern", erklärte ich.

"Abstrakt? Ist nicht die ganze Geschichte abstrakt?"

"Ich glaube, du kapierst es langsam, Kira", sagte ich grinsend. "Es ist tatsächlich abstrakt. Also, Shinji verbraucht fünfzehn Einheiten für drei Schattenklone. Jetzt versuchst du, Kira, ebenfalls drei Schattenklone zu erzeugen. Du brauchst aber zwanzig Einheiten dafür. Und du, Mai, brauchst sogar einundzwanzig, nur um das gleiche Ergebnis zu erzielen. Warum ist das so?"

Nachdenklich kratzten sich die beiden an der Stirn.

"Ist das ein cooler Mist!", rief Shinji enthusiastisch. "Schaut mal, ich hänge kopfüber!"

In ungefähr acht Meter Höhe wandelte der junge Genin auf der Unterseite eines besonders starken Astes.

Kira und Mai betrachteten das mit äußerstem Missfallen. "Warum brauche ich also fünf Einheiten Chakra mehr als Shinji, Sensei?", fragte Kira ärgerlich.

"Weil du zu wenig Kontrolle über dein Chakra hast", erklärte ich. "Und du noch weniger, Mai."

Das ließ sie verlegen beiseite sehen.

"Um mal einen Vergleich heran zu ziehen: Ich als trainierter Shinobi kann mit fünfzehn Einheiten Chakra, also mit der Menge Chakra, die Shinji für drei Schattenklone verbraucht, dreißig Schattenklone erschaffen."

Ich ließ die Zahl auf meine Genin wirken. Verblüfft sahen sie mich an.

"Dreißig? Ist das cool! WHOA!" Vor Überraschung hatte Shinji aufgehört, Chakra zu schmieden, und den Halt verloren. Er fiel in die Tiefe, drehte sich dabei und landete, mit den Beinen nachfedernd, in der Hocke.

"Wirklich dreißig?", staunte Mai.

"Das ist noch gar nichts. Kakashi kann mit dieser Menge Chakra vierzig Schattenklone erzeugen", erklärte ich. "Vielleicht sogar fünfundvierzig. Versteht Ihr, was einen guten Shinobi ausmacht? Natürlich ist die Menge an Chakra, die er erzeugen kann, wichtig für ihn, aber je besser er sein Chakra kontrolliert, desto mehr und desto stärkere Jutsus kann er ausführen. Und ein guter Shinobi versucht stets so wenig Chakra wie möglich zu verbrauchen. Denn wenn er kein Chakra mehr hat, dann ist er im ungünstigsten Fall bald tot. Auf einen Baum zu kletttern ist eure erste echte Herausforderung, seit man euch Kage Bunshin und Verwandlung beigebracht hat. Ihr müsst sie überwinden, um vollwertige Shinobi zu werden. Denn hier beginnt euer Jutsu überhaupt erst."

Ich musterte meine drei Genin, einen nach dem anderen. "Ich sag euch was. Wenn Ihr es zusammen in den drei Tagen schafft, alle bis auf die Spitze dieser Pappel zu klettern, bringe ich dir, Mai, und dir, Shinji, ein Fuuton bei, das mir Asuma neulich erst gezeigt hat. Kein Anfänger-Jutsu, sondern etwas für Fortgeschrittene. Und dir, Kira, zeige ich eine schwierige Schwertparade. Na?"

Shinji war aufgesprungen. "Das wird dann mein erstes ernsthaftes Fuuton!" Sein Blick ging blitzend zu den anderen. "Wir alle müssen es schaffen, in nur drei Tagen. Bereitet euch darauf vor, dass ich euch erbarmungslos antreibe."

"Du hast leicht reden", murrte Kira. "Du kannst es doch schon."

"Und auf dich warten neue Schwerttechniken. Davon redest du doch immer die ganze Zeit. Dass unser Sensei ein anerkannter Schwertmeister ist, und so. Jetzt hast du die Gelegenheit, von ihm einen besonderen Kniff zu lernen. Ich an deiner Stelle würde jetzt schon wieder am Baum stehen."

"Ist ja gut, ist ja gut." Kira erhob sich. "Du denkst doch nicht, dass ich dir diesen Vorsprung lange belassen werde."

Ich musterte Mai, die noch immer in der Hocke vor mir saß. Ihr Blick ging ein wenig ängstlich und skeptisch den Baum hoch.

Ich musste lächeln. "Eine gute Chakra-Kontrolle hilft einem guten Shinobi übrigens dabei, Krankheiten zu bekämpfen", sagte ich wie nebensächlich. "Tatsächlich habe ich Asuma oder Kakashi noch nie mit einem Schnupfen gesehen, geschweige denn etwas Schlimmeren."

"Mutter ist auch nie krank", murmelte Mai vor sich hin. "Das fällt mir jetzt erst auf."

Ihre Mutter hatte bis zu ihrer Hochzeit als Medi-Nin gedient, nicht gerade in der Gruppe von Nanahara-sama, aber sie war eine Heilerin. Daher war es kein Wunder, dass sie ihren eigenen Körper im Griff hatte. Und für die Tochter war es der Ausweg. Zumindest aus ihrer Angst vor einem Rückfall in jene Tage der Zusammenbrüche und der entwürdigenden Krankheit.

Entschlossen erhob sie sich und ging auf den Baum zu. "Ich schaffe das!"

"Wartet. Nehmt eure Kunais, und markiert die aktuelle Höhe, die Ihr erreicht. Das wird euch anspornen, um die Marke wieder und wieder nach oben zu verschieben. Ihr habt eine Stunde ab jetzt", sagte ich, zu Recht stolz auf meine Genin. "Ich kümmere mich bis dahin um Kishio. Und ich schaue mal nach, was Frau Kamura uns zum Abendessen bereitet. Shinji, sobald du es bis zur Spitze geschafft hast, übernimmst du hier das Training."

Der etwas dicke Genin salutierte vor mir. "Jawohl, Sensei."

"Dann legt los."

Und sie legten los.

***

Als ich ins Haus Kamura zurückkam, empfing mich Perine mit einem Gesichtsausdruck, den man nur mit genervt umschreiben konnte.

"Frustriert?", fragte ich.

Die blonde Schönheit seufzte tief vom Abgrund ihres Herzens, mit einer Wehmut, die schwächere Männer als mich dazu gebracht hätte, eine Armee aufzustellen, um den Verursacher ihres Leids in Grund und Boden zu stampfen.

"Kishio?", hakte ich nach.

"Du glaubst es nicht. Du glaubst es einfach nicht", begann sie, sich mehr und mehr in Fahrt redend, "nach der letzten Behandlung war er wach, und das Fieber war zurückgegangen. Ich habe angemerkt, dass er sich dann ja mal waschen könnte, weil er riecht wie ein Iltis in der Brunft. Und weil er das mit einem Arm kaum hinkriegen wird, weil der linke Arm mindestens noch einen Tag aktionsunfähig bleiben wird, habe ich gesagt, das ich ihn waschen werde. Du glaubst nicht, was der Junge für einen Aufstand veranstaltet hat. Um ein Haar hätte ich ihn wie ein verschrecktes Eichkätzchen von der Decke holen müssen. Ich verstehe das nicht. Absolut nicht. Ich meine, es gibt Männer, die würden töten, um sich von mir im Bad helfen zu lassen, oder?"

"Ich würde mich dafür duellieren", versicherte ich ihr.

"Und dann reagiert der Junge so? Ich wollte ihm doch nicht mal etwas Böses. Ich wollte doch nur..."

"Er ist einfach keine Nettigkeit gewöhnt, verstehst du das? Erst recht nicht ohne jeden Hintergedanken. Ich weiß nicht, wie lange es her ist, seit sein Clan ausgelöscht wurde, aber seither ist er nicht gerade auf Freundlichkeit gestoßen. Wenn ihn niemand in all dieser Zeit adoptiert hat, dann... Dann ist mit der Auslöschung seines Clans irgendetwas verbunden, was... Hm, die Leute hier hoffen lässt, das es sie verschont, solange sie Kishio fortschicken. Ich werde ihn deshalb befragen. Wenn er uns begleiten will, wenn er mich begleiten will, fangen wir am Besten mit etwas Ehrlichkeit an."

"Das hast du gut gesagt, Mamo-chan", erwiderte Perine. "Aber wir werden sehen, was letztendlich dabei herauskommt. Übrigens, das Bad ist heiß."
 

Ich nickte ihr für den Hinweis zu, und betrat das Haus. Frau Kamura winkte mir von der offenstehenden Küche zu, wo sie mit zwei Nachbarsfrauen werkelte. Es schien, als würde unser Essen reichlich ausfallen. "Schatz, er ist jetzt da!", rief sie durchs Haus.

"Sehr schön. Danke." Herr Kamura kam aus dem Wohnraum. "Morikubo-sama, auf ein Wort."

"Ja, Herr Dorfvorsteher? Was kann ich für Sie tun?"

"Es geht um Moeru-kun."

Ich runzelte die Stirn. "Ist es wegen der Aufregung, die er mit Perine verursacht hat? Ich versichere Ihnen, ich habe den Jungen im Griff."

Heftig schüttelte der Dorfvorsteher den Kopf. "Das ist es nicht. Es geht mehr um... Basisfragen. Bei der ganzen Aufregung des Tages ist es mir nicht in den Sinn gekommen, aber es fiel mir gerade wieder ein. Als der Junge in den Ort kam, um nach Arbeit zu fragen, da sah er aus wie Mitte zwanzig. Da bin ich mir sicher. Ebenso sicher wie ich mir jetzt bin, dass Sie mit Kishio-kun den Richtigen gefunden haben, Morikubo-sama. Das irritiert mich doch erheblich."

Ich erinnerte mich, dass die Dorfbewohner, und speziell Herr Kamura von einem vierschrötigen Kerl gesprochen hatten. Das brachte mich zum Schmunzeln. "Verwandlungsjutsu", sagte ich erklärend. "Sicher dachte er, er kriegt eher Arbeit im Ort, wenn er wie ein Erwachsener aussieht. Es ist ein einfaches Jutsu, aber es will auch erst einmal erlernt sein."

"Verwandlungsjutsu?", argwöhnte Herr Kamura.

"Henge!" Vor seinen Augen verschwand ich in einer Rauchwolke. Als sich die Schwaden verzogen hatten, stand er seinem Ebenbild gegenüber.

"Das ist eine der Möglichkeiten, die die Verwandlung bietet. Wir Shinobi wenden übrigens einen großen Teil unserer Aufmerksamkeit auf, um zu erkennen, ob unser Gegenüber ist, was er ist, oder ob uns ein anderer Shinobi mit diesem Jutsu täuschen will", erklärte ich ihm mit seiner eigenen Stimme. "Kai!"

Nun stand ich wieder in meiner normalen Form vor ihm. Ich lächelte ihn schief an. "So einfach ist das." Oder auch nicht. Die Nachwuchs-Shinobi verbrachten fast ihre ganze Zeit in der Akademie, damit sie dieses Jutsu beherrschen lernten.

"Und das hat... Kishio-kun damals auch getan? Hätte er die Kunai nicht bei sich gehabt, wir hätten so einen großen starken Kerl gerne genommen. Aber er hätte nicht die Arbeit leisten können, die wir erwartet hätten."

"Oh, er hätte sich bis zur Erschöpfung verausgabt, um die Erwartungen zu erfüllen. Was nicht viel gewesen wäre, weil er verletzt ist. Andererseits hätte sich die Wunde vielleicht nicht entzündet, wenn er im Dorf hätte bleiben können. Aber das sind alles Ereignisse aus der Vergangenheit. Kümmern wir uns jetzt um Gegenwart und Zukunft."

"Es gibt da noch etwas, Kishio-kun und die Vergangenheit betreffend", sagte der Dorfvorsteher. "Seine dunkelroten Haare, und seine blauen Augen sind eine seltene Kombination im Reich des Feuers. Tatsächlich gibt es einen Clan, der für seine dunkelroten Haare bekannt ist. Oder vielmehr war." Herr Kamura zögerte. "Er wurde von Unbekannten bis auf das letzte lebende Mitglied ausgelöscht. Seither fürchten sich die Menschen vor Rothaarigen, weil sie eventuell diese Gefahr mit sich bringen könnten. Natürlich nicht in Murata No-Son, was aber auch nur daran liegt, dass sich diese Tragödie nicht im Reich des Feuers abgespielt hat, sondern drüben im Reich der Reisfelder."

Ich hielt inne. Orochimaru? Wahrscheinlich war das so. Dann konnte ich den Konflikt, der Kishios Clan ausradiert hatte, auf fünf bis sechs Jahre in die Vergangenheit datieren, jenem Zeitpunkt, an dem der Abtrünnige Otogakure gegründet hatte. Dafür hatte er das Land der Reisfelder ins Chaos gestürzt. Eventuell war Kishios Clan ihm im Weg gewesen. Eventuell waren sie eine Bedrohung gewesen. Ich nahm mir vor, Kishio deshalb zu befragen. Kein Wunder, dass er seither elternlos umher streifte. Viele Menschen mussten Angst davor haben, dass sie sich mit dem Rothaarigen auch die Gefahr ins Haus holten, die seinen Clan ausgelöscht hatte. Die Vernichtung Otogakures hätte das eigentlich obsolet machen sollen, aber ich war mir sicher, dass sich die Warnung vor Rothaarigen verselbstständigt hatte. Viele Menschen machten es sich einfach, anstatt zu differenzieren. Diesmal hatten sie es auf Kosten eines Jungen getan. Und wer konnte es ihnen verdenken? Orochimaru trieb immer noch sein Unwesen.

"Ich denke, ich kann mir meinen Teil dabei denken. Den Rest wird sicherlich er mir erzählen können. Wenn er es überhaupt will." Ich nickte dem Dorfvorsteher dankbar zu. "Darf ich Sie um einen Gefallen bitten?"

"Natürlich, Morikubo-sama. Es gibt wohl kaum etwas, worum der legendäre ewige Chunin nicht bitten dürfte. Und noch weniger, was ihm nicht gegeben wird."

"Ewiger Chunin?", fragte ich amüsiert. War der Spitzname sogar bis hierhin vorgedrungen?

"Nun, es ist allgemein bekannt, dass der Mann, der Otogakure zerstört hat, für fünfzehn Jahre davon ausgeschlossen ist, ein Jounin zu werden", erklärte Herr Kamura. "Was ich übrigens für eine viel zu harte Strafe halte."

Ich musste lachen, als ich sah, was für ein wütender Blick diese Worte begleitete. "Machen Sie sich keine Sorgen um mich, Herr Kamura. Für mich ist das keine Strafe, sondern ein Segen. Ich bin noch nicht bereit für noch mehr Verantwortung."

"Wenn man es so sieht...", sagte er gedehnt. "Was also kann ich für Sie tun?"

"Ich möchte um saubere Sachen für Kishio-kun bitten. Außerdem würde ich gerne mit ihm das Bad benutzen, wenn ich darf."

"Morikubo-sama", sagte der Dorfvorsteher in tadelndem Ton, "offenbar verstehen Sie nicht, wer Sie wirklich sind, und welchen Respekt Sie genießen, gerade nachdem Sie die Diebstahlreihe so problemlos aufgelöst haben. Die Dinge, um die Sie gebeten haben, sind so selbstverständlich, dass es mir peinlich ist, dass Sie meinen, darum bitten zu müssen."

Ich fühlte, wie ich peinlich berührt errötete. "Entschuldigen Sie, Kamura-sama, ich hatte nicht vor, Sie in Verlegenheit zu stürzen."

"Die Verlegenheit hält sich in Maßen", versicherte mir der Ältere freundlich. "Das Bad ist heiß, und frische Wäsche liegt für Kishio-kun bereit, seit Perine-sama angedeutet hat, dass sie ihn waschen will."

"Danke sehr. Das Waschen übernehme ich dann wohl."
 

Ich öffnete die Tür zum Raum, in dem Kishio lag. "Kannst du aufstehen?"

"Ja, Herr", antwortete er.

"Gut. Denn wir wollen gehen."

"Wohin?"

Ich grinste. "Ins Bad des Hauses, dich waschen."

Erschrocken verhielt er so, wie er gerade war, halb aufgestanden, halb liegend. "Was?"

"Das war keine Bitte, Kishio", sagte ich streng.

"Aber. Aberaberaberaber..."

"Und ein Befehl wird auch nicht diskutiert", fügte ich an. Ich maß ihn mit meinem strengsten "So, so, du hast also eine eigene Meinung?"-Blick, und nach stattlichen zehn Sekunden sah er fort. Respekt. Ich hatte schon doppelt so alte Genin als ihn mit diesem Blick traktiert, und sie waren weit schneller eingeknickt als er.

"Also hoch mit dir", sagte ich, trat an ihn heran, und half ihm beim Aufstehen.

"Ja, Herr."

"Und lass den Herr-Scheiß. Sag Mamoru-sensei zu mir."

"Ja, Mamoru-sensei."

Gemeinsam traten wir auf den Flur. Dabei hielt ich den jungen Mann am Arm und stützte ihn.

"Perine. Du hilfst uns."

Das Grinsen der blonden Schönheit mit frech zu umschreiben wäre eine Untertreibung gewesen. "Ja, Herr."

***

Hatte es sich doch gelohnt, noch ein wenig in der Nähe des Dorfes zu bleiben. Akemi Kuroko beobachtete die drei Genin von seinem Versteck aus, während sie versuchten, eine Pappel hinauf zu laufen. Erstaunlicherweise gelang es dem Dicken recht gut. Er war bis zur Spitze gekommen, und feuerte seine Kameraden, den dürren Blonden und das magere Mädchen, von da aus an. Genau das kam Kuroko entgegen. Sobald sie erschöpft genug waren, würde er sie angreifen, die beiden Jungen töten, und sich mit dem dürren Mädchen vergnügen, bevor er auch sie tötete. Das würde diesem verfluchten Shinobi eine Lehre sein. Das würde seine Rache dafür sein, dass dieser miese kleine Ninja all seine Pläne, Murata No-Son betreffend, zunichte gemacht hatte. Als Dorfvorsteher hätte er die Verkäufe verwaltet, und sich dumm und dusselig verdient, und nach drei, vier Saisons hätte er sich steinreich absetzen können, um im Wohlstand in einer Stadt zu leben, umgeben von schönen Frauen, die ihm zu Willen waren. Das dünne Mädchen war zwar nicht ansatzweise das, was er normalerweise bevorzugte, aber diese spezielle Form der Rache würde es dennoch zu einem Vergnügen machen. Er musste nur darauf warten, dass sich die drei genügend verausgabt hatten, dann konnte er zuschlagen. Es waren schließlich nur Kinder.

***

Es gab eine ganz einfache Methode, um mit Kishio umzugehen. Ich musste ihm nur unmissverständlich befehlen, was er tun sollte. Das machte er dann auch. So dauerte es nicht sehr lange, bis er nur mit einem Handtuch um die Hüfte im Bad saß, und sich in sein Schicksal ergeben hatte. Vielleicht half es ihm ein wenig, das ich nicht mehr trug als er. Als ich seinen Dreckverkrusteten Körper betrachtete, fragte ich mich unwillkürlich, wann er das letzte Mal gebadet hatte. Und ob ich nicht besser einen Haarschirm verwenden sollte, der bei Kindern verhinderte, dass das Shampoo in die Augen lief.

"Ich komme dann mal rein", klang Perines fröhliche Stimme auf. Die Tür wurde aufgeschoben, und Kishio wollte hochfahren.

"Augen geradeaus und sitzen bleiben", kommandierte ich scharf. Der Junge gehorchte.

Ich sah zur Tür. Perine trat lächelnd ein und schloss hinter sich wieder. Sie hatte sich mit zwei Tüchern bewaffnet. Eines trug sie um die Hüfte geschlungen, eines um die Brust. Damit zeigte sie viel nackte Haut. Ansehnliche nackte Haut. "Na, was denkst du, Mamo-chan?"

"Ich denke gerade überhaupt nicht", erwiderte ich. Was für ein Anblick. Und all das konnte mir gehören, wenn ich... "Du versuchst doch gerade nicht, mich zu bestechen?", fragte ich argwöhnisch.

Mürrisch blies sie ihre Wangen auf. "Du hast auch schon mit Hana-chan und Karin-chan gebadet. Ich hole mir nur zurück, was sie an Vorsprung haben. Und wenn ich da an Maria denke, dann..." Immer noch mürrisch dreinblickend hockte sie sich neben mir nieder. "Es gefällt dir also?"

"Ich wünsche mir gerade, Konoha würde Polygamie erlauben. Himmel, ist es hier drin wirklich so heiß?"

"Danke, Mamo-chan", sagte sie lächelnd. "Soll ich dir jetzt den Rücken waschen, Herr?"

"Nein, hilf mir erstmal bei Kishio. So wie der Junge aussieht, hat er seit Jahren kein Bad von innen gesehen."

"Ich wasche mich regelmäßig", protestierte er. "Und immer wenn ich einen Bach oder einen Fluss finde, bade ich."

"Aber ich wette, ein heißes Bad ist eher selten zu finden, oder?", sagte ich amüsiert.

Für einen winzigen Augenblick fiel seine stoische Ratio, und sehnsüchtig sah er zum dampfenden Becken herüber.

"Lass mich doch gleich mal sehen", murmelte Perine, und ließ sich an Kishios verwundeter Körperseite nieder. Sie hob den halb tauben Arm an, und betastete die Entzündung, die sich langsam zurückbildete, gerade weil die Affenkriegerin eine so tolle Heilerin war. "Ja, das sieht doch alles gut aus. Wenn du heute zeitig schlafen gehst, erlaube ich dir morgen vielleicht schon aufzustehen."

"Danke, Perine-sama", sagte er zögerlich.

"Oh, er starrt mir in den Ausschnitt", sagte sie.

Ein Ruck ging durch den Jungen, und die Röte schoss ihm in die Wangen. "Tu-tut mir leid, Perine-sama!"

"Aber, aber. Gucken darfst du ruhig. Ich bin ja kein Unmensch." Sie ließ Kishio wieder los. "Was denkst du, brauchen wir eine Bürste?"

"Vor allem brauchen wir einen groben Kamm für die Haare. Kein Wunder, das er so ausschaut, wenn er eine Woche lang in Laubbetten campiert hat. Ich sag dir was. Du reinigst seine Haare, und ich kümmere mich um diese Dreckkruste auf seiner Haut."

"Einverstanden. Wo ist denn das Shampoo? Ah, hier. Mit Jasmin-Geruch."

"Perine, gibt es einen besonderen Grund dafür, dass du dich gebückt hast, um das Shampoo aufzuheben?", fragte ich amüsiert.

"Nur einen. Ich wollte dir einen schönen Anblick bieten, Mamoru-sama", shakerte sie.

"Das hast du", versicherte ich. Eines war klar: Ich durfte niemals mit ihr alleine baden, wenn sie ihre Menschenform angenommen hatte, oder ich würde an Blutverlust sterben. Es hätte mich zudem nicht gewundert, wenn meine Nase geblutet hätte.

Nun, meine Nase war in Ordnung, aber Kishio wischte sich verstohlen einen Tropfen Blut weg. Natürlich, dank des Spiegels, vor dem er saß, hatte er mindestens einen ebenso guten Blick wie ich auf Perines wunderschöne Kehrseite gehabt. Aber wie hatte sie so schön erklärt? Gucken durfte man ja.

Sie kam mit dem Shampoo und einem groben Holzkamm zurück. "Na, dann wollen wir doch mal."

Zuerst holte sie alles an Dreck und Staub aus den Haaren, was sich herauskämmen ließ. Zugleich rieb ich mit einem groben, nassen Tuch Kishios Körper ab.

Als Perine so weit war, ihn einzushampoonieren, war ich dazu übergegangen, den Jungen einzuseifen.

"Autsch, das ziept", entfuhr es ihm.

"Also doch den Duschring", sagte ich nach dem ersten Lacher. Auch P-chan konnte sich nicht zurückhalten, aber nur ein Mensch mit schlechten Absichten hätte bei diesem Lachen unterstellen können, sie lache den Jungen aus. Flink holte sie die Vorrichtung, und setzte sie Kishio auf den Kopf. "Besser?"

Statt einer Antwort senkte er beschämt den Kopf.

Ich lachte erneut. Dann nahm ich einen Kübel mit kaltem Wasser, und goss es ihm über den Rücken, um die Seife abzuspülen. Darunter kamen verschiedene blaue, rote und lila Flecken verschiedenen Alters hervor. "Junge, Junge. Du gehst Ärger nicht gerade aus dem Weg, was?", scherzte ich.

"Auch. Aber du hast ja keine Ahnung, wie schlecht es sich auf einem Laubbett schläft, Mamoru-sensei", seufzte er.

Nun war auch Perine so weit, um nachzuspülen. Mit ihrem Werk zufrieden nahm sie den Shampoo-Ring ab und fühlte die Strähnen seines Haars. "Jetzt, wo du sauber bist, sieht man erst, was du für schönes, seidenweiches Haar hast, Kishio-kun. Ich kann mir vorstellen, dass die Mädchen ganz schön hinter dir her sind."

"M-mit Mädchen habe ich nichts am Hut. Die sind doof und verstehen nichts vom Leben", erwiderte er, erneut errötend, und den Blick fest auf den Spiegel geheftet.

"So? Das erschien mir vorhin aber ganz anders, als du auf meinen Busen geschaut hast", neckte sie ihn. "Vielleicht hast du einfach noch kein Mädchen getroffen, das deine Erwartungen erfüllt. Wie immer die aussehen."

"Sie sollte... Nicht so leicht zu töten sein", erwiderte er.

Ich wechselte einen schnellen Blick mit Perine. Der Junge öffnete sich gerade ein wenig.

"Na, dann solltest du es mal mit einem Affenmädchen probieren. Die anderen sind zwar nicht so hübsch wie ich, aber sie sind verdammt schwer zu töten, glaub mir das."

Sie gab ihm einen Klaps auf den Hintern. "So, ab ins Bad mit dir. Ich seife derweil deinen Herrn und Meister ein."

"J-jawohl, Perine-sama." Er schrak hoch. Für die zwei Schritte zur Wanne brauchte er keine Hilfe, und auch in das warme Wasser ließ er sich alleine gleiten. "Heiß!"

"Danke. Das hört ein Mädchen doch immer wieder gerne", scherzte Perine.

"N-nicht du, Perine-sama! O-obwohl das ja eigentlich auch so stimmt, und... Nein, so habe ich das auch nicht gemeint! O-obwohl du wirklich..."

"P-chan, necke den Jungen nicht so sehr", tadelte ich.

"Aber wenn es doch so einen Spaß macht. Und es ist so einfach." Sie umarmte mich von hinten. Ich spürte dabei ihre Oberweite deutlich an meinem Rücken. "Dich kann ich ja nicht necken. Du hast leider zu früh herausgefunden, was Frauen sind, bevor ich erwachsen genug war. Aber ich wette, Ranko-sensei hat dich oft geneckt."

Ich runzelte die Stirn. "Oh, sie hat oft mit mir gebadet. Eigentlich fast immer, wenn wir uns getroffen haben. Damals habe ich mir nie was dabei gedacht. Aber sie ließ sich mindestens ebenso gerne Komplimente machen wie du, mein goldenes Wunderäffchen."

"Das hast du schön gesagt. Dafür kriegst du ein Küsschen", sagte sie strahlend, und drückte mir einen Kuss auf die Wange. Dann begann sie meinen Körper einzuseifen. "Himmel, ich dachte gerade daran, wie du vor vier Jahren ausgesehen hast, als du zur Chunin-Prüfung unterwegs warst. Seitdem bist du gewachsen. Und hast mehr Masse zugelegt. Wer hätte das gedacht, dass du mit siebzehn schon den Körper eines Veteranen haben würdest. Und wer hätte gedacht, dass ich dir den Rücken würde schrubben können?"

Verblüfft sah ich in den Spiegel. Der Mamoru, der mir da entgegen sah, hatte schon viel gesehen und viel erlebt. Vielleicht sogar ein wenig zu viel. Aber er hatte auch viel dafür zurück bekommen, wenn ich an meine drei Mädchen dachte. Sie waren nicht nur schön, sondern auch liebe, warmherzige Menschen - solange man an der richtigen Seite ihrer Kunais stand. Und wieder fragte ich mich, wer die letzten beiden Mädchen sein konnten, die es mit Perine, Hanako und Karin aufnehmen können sollten.

"Ich schätze, das bin ich jetzt. Ein Veteran, eh? Vater hat gesagt, ich werde wohl noch drei Zentimeter wachsen. Dann bin ich so groß und stabil wie Großvater in seiner besten Zeit. Aber immer noch schmaler gebaut als Asuma."

"Und du bist eindeutig hübscher, mein Schatz." Diesmal gab sie mir einen richtigen Kuss, und das war ja auch nach den Regeln der drei erlaubt.
 

Neben uns rauschte das Wasser, und ich erschrak. War Kishio das heiße Wasser nicht bekommen? Oder entrüstete er sich, weil wir beiden so unverhohlen miteinander shakerten? Wir sahen herüber, wo Kishio zitternd in der Wanne stand. Er hatte sein Handtuch verloren, aber das störte ihn nicht. Oder er hatte es nicht bemerkt. Mit zitternden Fingern deutete er in den Wald. "Die Kinder sind in Gefahr! Ich spüre jemanden mit Mordlust in ihrer Nähe!"

Erstaunt sah ich ihn an. "Du bist sensorisch begabt? Und das auf eine Entfernung von dreihundert Meter? Ich kann sie gerade mal so erkennen, weil ich mich ausschließlich auf sie fokussiere. Das ist erstaunlich. Deckst du permanent dreihundert Meter Umfeld ab, oder fokussierst du dich auch?"

"Aber, aber, aber, aber, Mamoru-sensei! Sie sind in Lebensgefahr!"

Ich tauschte ein Grinsen mit Perine aus. "Sie sind stolze Ninjas aus Konoha. Sie können ihre Leben verteidigen, sonst hätte ich sie weder mitgenommen, noch alleingelassen. Gegen einen Feigling wie Kuroko werden sie schon ankommen."

"Aber... Sie sind doch noch KINDER!", rief er entsetzt.

"Sie sind Shinobi. Selbst der schwächste und dümmste Shinobi ist stärker als ein untrainierter Mensch. Das ist eine Lektion, die du noch lernen musst: Vertrauen zu vergeben und es zu verdienen."

"Aber... Aber... Aber...", stammelte er.

Perine lachte leise. Sie beschloss offensichtlich, dass sie die Debatte beenden musste. "Nun, Kishio-kun, für deine fünfzehn Jahre bist du ja schon gut entwickelt."

Der Junge sah an sich herab, errötete bis zu den Haarspitzen, und bedeckte seine Blöße mit beiden Händen, bevor er mit einem spitzen Mädchenschrei wieder in der Wanne versank.

Perine kicherte. Dabei wisperte sie mir beinahe lautlos ins Ohr: "Ist es wirklich in Ordnung?"

"Ich habe Vertrauen in meine Genin", erwiderte ich. "Aber sieh es dir an, bitte. Und beurteile später ihre Handlungen."

"In Ordnung", hauchte sie mir zu.

Langsam erhob ich mich. "Mach mal Platz. Jetzt kommt der dienstälteste Shinobi in die Wanne, Kishio-kun."

"J-jawohl, Mamoru-sensei." Er rückte so weit zur Seite, wie es die Wände der Wanne zuließen. Mehr als genügend Platz für mich.

Mit einem Laut des Wohlbehagens ließ ich mich ins heiße Wasser gleiten. Wer immer die ganze Badekultur unserer Nation erfunden hatte, ich hoffte, jemand hatte ihm noch zu Lebzeiten ein Denkmal gesetzt.

Perine stand nun auch auf. "Warum ist nur für mich kein Platz mehr in der Wanne?", neckte sie. Die Frage alleine genügte, um Kishio erneut zusammenzucken zu lassen.

"Es ist wahrscheinlich besser so. Kishio-kun würde sonst vielleicht einen Herzinfarkt bekommen", erwiderte ich.

Perine kicherte amüsiert. "Ich gehe dann mal wieder. Ruft mich, wenn es ans Abtrocknen geht. Dann komme ich wieder rein." Sie winkte uns zu, und verließ das Bad.

Als die Affenkriegerin gegangen war, streckte ich mich aus, so weit ich konnte. Bei der geradezu luxuriösen Wanne bedeutete das, dass ich beinahe komplett in ihr liegen konnte. "Aaaaaaa, das ist Leben", seufzte ich. Fehlte nur noch ein kaltes Getränk.

"Und du meinst wirklich, dass...", begann Kishio erneut.

"In die Wanne legen. Entspannen. Und die Umgebung meiner Genin überwachen. Nur für den Fall, dass da draußen mehr als ein Gegner ist."

"J-jawohl, Mamoru-sensei."

Okay, was entspannen bedeutete, würde ich ihm noch beibringen müssen.

***

Schwer atmend, aber mit sich und der Welt zufrieden lag Kira auf dem Gras unter der Pappel. "Wie hoch bin ich gekommen?", fragte er zwischen zwei Japsern.

"Zehn Meter. Aber ich habe schon zwölf geschafft", erwiderte Mai. "Sieh mal, ich kann auch schon am Baum haften. Aber nicht sehr lange."

Kira knurrte wütend und wollte wieder aufspringen, aber für einen Sekundenbruchteil versagte sein Körper ihm den gewohnten Dienst. "Uff, bin ich fertig."

"Das wird gleich kein Problem mehr sein", klang eine Männerstimme auf, kurz bevor über ihm der Mann erschien, dessen Verbannung aus Murata No-Son sie gerade erst bewirkt hatten. Hasserfüllt starrte er auf Kira herab. Er hielt mit beiden Händen einen Dolch, den er auf den Shinobi niederfahren ließ. Unglücklicherweise betrog sein Körper Kira erneut.
 

"Kira!", schrie Mai auf. Aus purem Reflex heraus hatte sie ein Kunai aus ihrer Shurikentasche gezogen, und bevor sie es sich selbst bewusst gemacht hatte, hatte sie die Waffe auch schon geworfen. Die Waffe drang dem Mann in die Brust ein, und er verharrte bei seinem tödlichen Angriff auf Kira. Verdutzt betrachtete er das Messer in seiner Brust, dann ging sein Blick höher, zu Mai. "D-du kleine Schlampe!" Mit wutverzerrter Miene trat er auf sie zu.

Shinji erschien zwischen den beiden, und trieb ein weiteres Kunai in seine Brust. "Hände weg von Mai-chan!", zischte er. Der große Kerl starrte ungläubig auf das zweite Kunai. Er versuchte, Shinji festzuhalten, aber der Junge wischte den zupackenden Arm fort. Dann war da dieses Geräusch, das klang, als würde Stoff reißen, und der Mann verdrehte die Augen, bevor er zuerst in die Knie, und dann zu Boden ging. Hinter ihm kam Kira zum Vorschein, noch immer seine Waffe so haltend, wie sie nach dem tödlichen Streich gegen Kuroko gewesen war. Blut aus der klaffenden Rückenwunde, die er Kuroko angetan hatte, bedeckte sein Gesicht und seine Kleidung. "Tut mir leid, das ich nicht reagieren konnte, aber mein Körper hat mich in Stich gelassen." Seine Miene war hart, als er den Toten betrachtete. "Danke, das du mich gerettet hast, Mai-chan. Mit dem Kunai hast du sein Herz getroffen. Aber er hat sich beim Sterben Zeit gelassen."

"I-ich habe nicht konsequent genug reagiert", erwiderte sie. "Ich hätte einen ganzen Fächer Shuriken werfen müssen. Das hätte ihn sofort gestoppt. Shinji, wenn du nicht gewesen wärst, dann hätte er mich attackieren können. I-ich wollte gerade noch ein Kunai ziehen, statt der Shuriken, und ich weiß nicht mal, warum."

"Keine Ursache", erwiderte Shinji, und versuchte sich an einem Grinsen, obwohl er noch reichlich blass um die Nase war. "Aber mein Angriff hat ihn auch nicht gerade rechtzeitig gestoppt. Das hat erst dein Schwertstreich, Kira. Ein sauberer Treffer."

"Wir haben ihn alle drei tödlich getroffen", erwiderte Kira, und reinigte die Klinge seines Wakizashis mit Reispapier. "Merken wir uns für die Zukunft, dass tödlich treffen und aufhalten manchmal nicht das gleiche ist." Er fixierte Mai. "Alles klar bei dir? Oder machst du dir Vorwürfe? Musst du nicht. Er hatte es augenscheinlich auf uns abgesehen, um Mamo-chan eins auszuwischen. Er hätte uns alle drei getötet, wenn er gekonnt hätte. Du brauchst kein schlechtes Gewissen zu haben. Und immerhin hast du mir das Leben gerettet."

"Nein." Sie schüttelte energisch den Kopf. " Das ist es nicht, Kira. Ich habe mich nur die ganze Zeit gefragt, ob ich... Nun, wenn es soweit ist, ob ich..." Während sie gesprochen hatte, war sie immer blasser um die Nase geworden. Schließlich sank sie zu Boden, die Beine abgewinkelt auf dem Gras gespreizt, und landete mit ihrem Allerwertesten. "Uff. Klar hatte er es verdient, aber..." Sie hob ihre Hände vor die Augen. "Vorhin war es ganz leicht, aber jetzt zittere ich vor Angst."

"Uff", machte Kira, als er sich neben ihr zu Boden fallen ließ. "Mir geht auch ganz schön die Muffe. Ich glaube, ich stehe unter Starkstrom."

Shinji lachte, während er sich mit zitternden Händen den beiden gegenüber niederließ. "Du stehst doch immer unter Starkstrom, Funkenjunge."

Kira lachte wie über einen guten Witz. "Ihr hattet auch Angst?"

"Wahnsinnige Angst", gestand Shinji. "Aber vor allem um euch, nicht um mich. Ich weiß nicht, was ich getan hätte, wenn er dich oder Mai verletzt hätte." Er ballte die Hände zu Fäusten. "Ich würde für euch jederzeit wieder töten. Ihr seid meine Freunde."

Ohne jeden Übergang legte Mai je einen Arm um die Jungs, und drückte sie an sich. "Ich hatte auch Angst, furchtbare Angst. Aber ich bin doch die Älteste, und ich muss auf euch aufpassen. Und ich wollte nicht, dass er dir was tut, Kira. Es war doch richtig so, oder?"

"Natürlich war es richtig so, Mai-chan. Und die Sau hatte es verdient." Er schnüffelte an ihr. "Hey, hast du ein neues Shampoo?"

"Na hör mal. Ich sitze hier und zittere, weil ich einen Menschen getötet habe, und du fragst nach meinem Shampoo. Du hast keinen Sinn für den Ernst einer Situation, Kira", tadelte sie. "Es ist mit Tannennadelduft. Gut, nicht?"

Die drei lachten. "Ihr dürft übrigens jederzeit sagen, wenn ich damit aufhören soll, euch zu umarmen", sagte sie leise.

"Noch nicht", sagte Kira. Übergangslos steckte ihm ein Kloß im Hals, und er klammerte sich seinerseits an Shinji und das Mädchen. "Bleiben wir noch etwas so."

"Ja, bleiben wir noch so", sagte Shinji mit plötzlich stockender Stimme. "Aber erzählt Mamo-chan nachher nichts davon."

Das brachte die drei zum kichern.
 

Perine beobachtete die Genin von einem nahen Baum aus. Kurz hatte sie erwägt, einzugreifen, aber sie hatten souverän gesiegt. Sie beschloss, ihre Anwesenheit nicht zu verraten. Die meisten üblichen Gefahren würden die drei ohnehin mit ihrer Teamarbeit bewältigen können. Aber dass sie sich so aneinanderdrängten wie Hundewelpen, das würde sie Mamo-chan brühwarm erzählen, war es doch das beste Zeichen dafür, dass die drei ihren ersten Ernstfall gut verdauen würden. Und es war ein unverbrüchliches Zeichen dafür, dass sie zueinander standen. In solchen Momenten entstanden Freundschaften, die ein Leben lang hielten. Auch das würde sie Mamo-chan berichten.

***

Es hatte einiges an Aufregung gegeben, als die Genin zurück ins Dorf gekommen waren und vom Angriff auf sie berichtet hatten. Nach ein paar Erklärungen, die die Entrüstung der Dorfbewohner hochgepeitscht hatte, waren auch schon ein paar Männer unterwegs, die den Leichnam holen, und die nach seinen Habseligkeiten suchen sollten, die er zweifellos irgendwo in der Nähe versteckt hatte. Diese Artikel würden verkauft, und zusammen mit dem Geld, das er bei sich gehabt hatte, in das Vermögen der Gemeinde übergehen. Im Gegenzug würde ihm die Gemeinde ein ehrenvolles Begräbnis bereiten. Letzteres durch meinen energischen Zuspruch, bei dem es keine Widerrede gab.

Noch bevor ich meine noch immer nervösen Genin ins Bad gescheucht hatte, um sich zu reinigen vom Erlebten, hatte ich jeden einzelnen kräftig umarmt. Ihr Sträuben hatte ich mit dem Hinweis, selbst doch erst siebzehn zu sein, zerstreut. Und schließlich hatte ich noch Perine umarmen müssen, die sehnsüchtig und mit bettelndem Blick die Szene verfolgt hatte. Zum Glück hatte Kishio nichts davon gesehen, sonst hätte es wohl tatsächlich eine Umarmungswelle in Murata No-Son gegeben.

Ich schickte P-chan zu Mai ins Bad, und nutzte die Gelegenheit, die beiden Jungs beiseite zu nehmen, und mit ihnen das Geschehen zu besprechen.
 

Kira schimmerten die Augen feucht, als er jene Stelle erzählte, in der Kuroko angegriffen hatte. "Plötzlich hatte ich keine Kraft mehr. Es ging gar nichts. Weder vor, noch zurück. Ich hatte keine Angst, die kam erst hinterher. Aber ich war so erschöpft. Ich hatte das Gefühl, mein Körper würde keinen Finger mehr rühren können. Erst als Kuroko Mai und Shinji attackiert hat, bin ich aufgesprungen, habe mein Schwert gezogen, und..." Er schluckte heftig. "Ich war nicht feige", sagte er betont.

"Nein, das warst du tatsächlich nicht. Und du hast schon die Antwort darauf, wie du solche Momente überwinden kannst, gefunden." Listig lächelte ich ihn an, und in seinen Augen glomm Verstehen.

"Tatsächlich, das habe ich." Kurz flackerte ein triumphierendes Lächeln über sein Gesicht.

Ich klopfte ihm anerkennend auf die Schulter. Wie oft hatte Sensei das bei mir gemacht? Ich wusste es nicht mehr, aber ich war jedesmal sehr stolz auf mich gewesen. Wie sehr hatte ich Hayate-sensei geliebt. Für diese Liebe war ich bereit gewesen, einen Krieg mit Suna zu riskieren. Ob ich für diese Kinder eines Tages ebenso wertvoll sein würde?

"Waa! Du hast ja doch ganz schön was obenrum! Wie machst du das, Perine-sama? Und wie hast du überhaupt so viel gekriegt?", klang Mais Stimme aus dem Bad auf.

Ich räusperte mich verlegen. "Setzen wir uns doch besser woanders hin, wo wir die beiden nicht hören können."

"Ja, gehen wir, bevor das Geflenne losgeht", sagte Kira. "Wenn sie Perine-sama mit sich selbst vergleicht, wird sie in Tränen ausbrechen."

"Das habe ich gehört, Kira!", rief Mai zornig durch die Tür hindurch. "Und ich breche nicht in Tränen aus!"

"Gehen wir besser ganz weit weg", sagte ich schmunzelnd.
 

"Sensei, bleibt es immer so leicht?", fragte mich Shinji, kaum das wir am anderen Ende der das Haus umlaufenden Veranda wieder Platz genommen hatten.

"Bleibt was so leicht?"

"Das Töten", sagte er schlicht.

"Nein, das tut es nicht. Und ich wette, heute ist es dir auch nicht leicht gefallen.

"Oho, das ist doch ein viel versprechender Ansatz, Mai-chan", hörte ich Perines Stimme leise zu uns herüber wehen.

"W-was für ein Ansatz? Meinst du, ich kriege mal so viel wie Karin-chan? Sie hat gesagt, sie trinkt täglich einen Liter Milch, und ich trinke sogar zwei."

"Können wir nicht ganz woanders hingehen?", fragte Shinji mit gerötetem Gesicht. "Ich bin zwar auch erst zwölf, aber ich weiß schon ziemlich gut, um was es geht."

"Das weiß ich auch, aber es interessiert mich einfach nicht", sagte Kira ärgerlich.

Shinji griente ihn an. "Siehst du, das ist der Unterschied. Mich interessiert es."

"Jungs, Jungs", sagte ich und klatschte in die Hände. "Darüber könnt Ihr später reden. Jetzt geht es um den Kampf."

Die beiden sahen wieder zu mir. "Sensei, war es richtig, dass ich... Ich meine, ich habe ihn erstochen, und er hatte es verdient. Aber hätte ich ihn nicht besser nur abwehren sollen? Seinen Dolch, meine ich."

"Das ist eine gute Frage", murmelte ich. "Hast du denn das Gefühl, dass du ihn besser nur hättest abwehren sollen?"

"Nein, eigentlich nicht", erwiderte er.

"Das Ergebnis ist ausreichend, also hast du das Richtige getan. Es ist wichtig für einen Shinobi, Vertrauen in die eigene Urteilsfähigkeit zu haben." Ich klopfte beiden auf den Rücken. "Und natürlich Vertrauen in seine Teamkollegen zu haben. Wenn Ihr das verinnerlicht habt, seid Ihr einen Riesenschritt in Richtung Chunin unterwegs."

"Chunin?" Kira hob eine Augenbraue. "Ist es nicht noch viel zu früh, davon zu reden?"

"Es sollte das Ziel jedes normalen Shinobis sein, so hoch wie möglich zu streben", sagte ich dozierend.

Als ich ihr Kichern bemerkte, spielte ich den Beleidigten. "Was lacht Ihr so? Habt Ihr vergessen, dass ich vom Rat und von Tsunade-sama mit einem Verbot belegt wurde, zum Jounin aufzusteigen?"

"Also willst du doch Jounin werden?", fragte Shinji. "Ich habe gehört, das jemand gesagt hast, du wärst froh, wenn du nur Chunin bleiben kannst."

"Das ist so nicht richtig, aber auch nicht falsch", sagte ich mit einem Lächeln. "Tatsächlich bin ich mir sicher, dass ich eines Tages ein Jounin Konohas sein kann. Aber bitte erst zu einem Zeitpunkt, an dem ich es mir zutraue, und keinen Tag früher. Ein Jounin zu sein ist eine weit größere Verantwortung, als Ihr zwei ahnen könnt. Ruckzuck bin ich dann im schlimmsten Fall für hunderte Shinobi verantwortlich."

"Aber das warst du doch schon mal", sagte Shinji eifrig. "Damals, als du Otogakure vernichtet hast, hattest du das Oberkommando über zweihundert Shinobi! Zweihundert!"

"Und es war eine Riesenverantwortung, der ich leider nicht die volle Zeit gerecht geworden bin. Deshalb bin ich ja mit dem Bann belegt worden. Aber eines Tages, da werde ich genug Selbstvertrauen haben. Und wenn Konoha dann denkt, dass ich das Zeug dazu habe, wird mich der Rat zum spezialisierten Jounin ernennen, und später zum Voll-Jounin. Aber das liegt alles weit in der Zukunft. Weeeiiiiit in der Zukunft. Ihr drei und Kishio-kun seid aber direkt vor mir."

"Kishio-kun", sagte Kira mit Ärger in der Stimme. "Ist er den ganzen Aufwand überhaupt wert? Ich meine, warum musst du ihn mitschleppen, und unsere Ausbildung behindern? Lass ihn doch hier im Dorf. Ich bin sicher, er findet hier was zu tun, sobald er wieder gesund ist."

"Ja, ich weiß. Und das wäre auch das Beste für ihn. Aber genauso wie ich nicht bereit bin, Jounin zu werden, so ist Kishio-kun nicht bereit, sich auf ein normales Leben einzulassen. Eines Tages aber wird er das sein, und das wird er mir dann auch sagen. Bis dahin aber müsst Ihr euch dran gewöhnen, dass Ihr euren Sensei ein wenig teilen müsst."
 

Für einen Moment befürchtete ich, Kira würde aufbrausen und erklären, nicht teilen zu wollen, und schon gar nicht mich. Aber er beherrschte sich. "Nun, wenn es nur ein bisschen ist, und solange er auf seine Sempais hört, ist ja alles in Ordnung."

"Du siehst dich als seinen Sempai?", fragte Shinji erstaunt. "Hey, alles in Ordnung da oben?"

"Wir waren ja wohl vor ihm da", sagte Kira knurrig. "Außerdem verstehen wir sicher mehr vom Shinobi-Handwerk als er. Also sind wir seine Sempais, und er ist unser Kohai."

"N-nicht da, Mai-chan. Da bin ich doch kitzli-hihihihihi. Das gibt Rache!"

"Ah! Sensei, nicht! Ieks!"

Ich verdrehte die Augen. "Lasst uns einen Spaziergang machen, bis die beiden fertig sind, okay?"

Wir erhoben uns.

"Sensei, machen die das jetzt etwa jeden Tag, wenn wir ein Bad haben?", fragte Shinji. "Das ist doch Folter."

"Was meinst du, wird passieren, wenn wir ein schönes Onsen für uns entdecken?", erwiderte ich trocken.

"Oh. Man könnte fast meinen, die machen es absichtlich", murmelte Kira.

Shinji und ich bedachten ihn mit einem wissenden Blick.

"Echt jetzt?", fragte er verblüfft. "Und wieso?"

Die beiden Jungs folgten mir zwischen die Häuser. "Um das zu erklären, braucht es aber einen sehr langen Spaziergang..."

Der ewige Chunin 7

6.

Wenn ein Shinobi im Einsatz war, dann kam es durchaus vor, dass er einen oder gar mehrere Tage am Stück wach bleiben musste. Wahre Meister ihres Fachs schafften es, bis hin zu einer Woche aktiv zu bleiben, indem sie sich selbst ab und an in eine Art Dämmerschlaf versetzten, der den Schlaf ersetzte, ohne dass ihre Aufmerksamkeit darunter litt. Allerdings kam es eher selten vor, dass sie folgenlos einen ganzen Tag aktiv sein konnten, sprich: Kämpfen konnten, ohne den Preis dafür zu bezahlen. Für Hassin und Maria waren es nun schon fast vierzig Stunden, in denen sie ohne Unterbrechung kämpfen oder fliehen mussten. Die Anzahl ihrer Verfolger hatte in dieser Zeit nicht abgenommen - wenn man von jenen absah, die sie getötet hatten - und die Intensität, mit denen sie die beiden Getsu-Jounin verfolgten, hatte nicht nachgelassen.

Während Hassin und Maria die Schmerzen durchlitten, die ihnen die übermüdeten Leiber und die überstrapazierten Muskeln bereiteten, während ihnen jede Bewegung im Besonderen und jeder Muskel ohnehin weh tat, schienen ihre Gegner frisch wie ein Fisch im Wasser. Das war natürlich nur mit Drogen zu erreichen, und davon schienen die Nukenin reichlich konsumiert zu haben. Tatsächlich schienen sie nicht einmal Schmerz zu spüren. Und dass sie tot waren, bekamen sie auch nur mit Verzögerung mit. Einmal auf ihre Fährte gesetzt, war es den Getsu-Nin nicht mehr möglich, zu entkommen, ohne jeden einzelnen zu besiegen. Aber das war utopisch, solange die Drogen in ihren Leibern wirkten. Und bevor die aufputschende Wirkung nachlassen würde, bevor die Drogen ihnen die Gehirne frittierten, wären Hassin und Maria längst vor Erschöpfung zusammengebrochen. Sich der Überzahl an Gegnern zu stellen, war ebenso illusorisch und hätte mit ihrem sicheren Tod geendet. Aber eine Möglichkeit gab es ja immer.
 

Maria und Hassin waren im Kreis gelaufen. Sie erreichten einen Ort, den sie schon vor über zwanzig Stunden passiert hatten. Zudem waren sie zu langsam gewesen; als sie gerade erst aus dem Step kamen, erschienen rings um sie die Nukenin, immerhin noch neun an der Zahl, und alle bis zum Unterrand ihrer Augen mit Drogen vollgepumpt.

"Das war es dann wohl", sagte Hassin. Aber es klang nicht deprimiert. Es lag eine seltsame Zufriedenheit in seiner Stimme.

"Tatsächlich. Es sind alle da, wie ich sehe", erwiderte Maria, ebenfalls zufrieden. "Dann kann die Party ja steigen."

Die selbstsicheren Worte ihrer sicher geglaubten Beute tat ihren Teil und verunsicherte die Nukenin. Von diesem einen Zögern bis zu jenem Moment, in der der erste Shinobi ein brennendes Explosions-Tag entdeckte, war es nur ein Augenblick. Bei ihrem letzten Besuch hatten die Getsu-Jounin diesen Ort präpariert, unauffällig genug, sodass die Nukenin nicht ahnen konnten, dass sie in eine riesige Mine gelockt worden waren.

Hassin legte Maria eine Hand auf die Schulter. Die junge Frau nickte grimmig. "Feuerwerkszeit!"

"Tamaya", sagte Hassin, bevor die ersten Explosionen im Rücken ihrer Gegner aufblühten. Ihnen folgten Serien an weiteren Explosionen, die sich immer mehr auf das Zentrum zupflanzten, bis alles in einer einzigen, gewaltigen Detonation unterzugehen schien, um alles unter sich ein für allemal auszulöschen. Bäume, Sträucher, Gras, die Nukenin... Und die Getsu-Jounin...

***

"Morikubo-tono", wisperte eine Stimme. Sofort schreckte ich auf. Alles lag ruhig da, meine Genin schliefen, und auch aus dem Raum, wo P-chan und Mai schliefen, war kein Laut zu vernehmen. Aber ich registrierte, dass die Affenkriegerin ebenfalls erwacht war. Sie, und... Kishio.

Ich sah den jungen Mann an, der auf seinem Futon lag, und mit geöffneten Augen zu mir herüber sah. Fragend.

"Nein. Du bist verletzt. Und ich erwarte keinen Angriff", erwiderte ich leise, um Shinji und Kira nicht zu wecken. Er akzeptierte das mit einem Nicken.

Ich schlug das Deckbett zur Seite und erhob mich. Ich nahm nichts mit, nur mein Stirnband legte ich an, das mich als stolzen Shinobi Konohas auswies. So trat in erst auf den Flur, und danach auf die Verande.

"Morikubo-tono", hörte ich das Wispern erneut. Ich hatte die Ahnung einer groben Richtung. Mit Step huschte ich auf das Dach des nächsten Hauses, und von dort ging es für mich in den Wald hinein.

Am Fuße eines Hügels, der von mehreren ineinander verkeilten Granitplatten gebildet wurde, und der grasbewachsen war, hielt ich an. Interessant, das musste die Höhle sein, in der meine Genin das Spinnenmädchen entdeckt hatten. Wie hieß sie doch gleich? Kuzomi-chan.

"Morikubo-tono", erklang die Stimme ein drittes Mal, diesmal jedoch in geläufiger Lautstärke. Ich sah zu ihr hoch, und was ich sah, das war mehr als beeindruckend. Vor dem Lichterschein des Mondes, der voll am Himmel stand, und der zudem eine rötliche Färbung angenommen hatte, hing die riesigste Spinne, die ich je gesehen hatte, von einem Baum herab. Der Mond bildete den Hintergrund, sodass ich nicht viel mehr erkennen konnte als den Umriss der Spinne. Und ach ja, die acht rotglühenden Augen konnte ich auch zweifelsfrei erkennen.

"Der bin ich", sagte ich mit ernster Stimme. "Mit wem habe ich die Ehre?"

Die Spinne seilte sich langsam ab. Dabei ging eine geradezu abenteuerliche Verwandlung mit dem Tier vor sich. Je näher es dem Erdboden kam, desto mehr ähnelte sie nicht mehr einer Spinne, sondern mehr und mehr einem Menschen. Das, was dann schließlich den Waldboden berührte, war ein Mann, für den das Wort Hüne schon nicht mehr ausreichte. Auf eine gewisse Weise erinnerte er mich wegen seiner bleichen Haut und den langen, pechschwarzen Haare an Hyashi Hyuuga-sama, den Herrn des Hyuuga-Clans. Allerdings hatten Hyuuga keine tiefroten Augen, die im Dunkeln leuchteten. Der Riese, aus dessen Schultern man zwei für mich hätte machen können, hatte ein fein geschnittenes, aber sehr ernstes Gesicht, in dem ich die Andeutung für etwas zu lange Reißzähne erkennen konnte. Die Lippen waren bleich und wirkten blutleer. Er trug einen weißen Kimono, wie man ihn den Toten anzulegen pflegte, zumindest den toten Zivilisten. Der Unterkimono aber war, soweit ich das sehen konnte, von einem wunderhübschen hellblau, und mit Schmetterlingen bedruckt.

"Ich bin Kuzomis Vater, Kageji vom Kuzokami-Clan", sagte der andere. "Du weißt von ihr und ihrem temporären Kontrakt mit Kira Yamada?"

Ich nickte. "Er hat mich darüber informiert. Ich habe nichts einzuwenden."

Der Riese wies mit der Rechten zur Seite. "Gehen wir ein Stück, Morikubo-sama."

Erneut nickte ich. Ich schritt an die Seite des Spinnenmanns, und zusammen verließen wir die Höhle. Während wir gingen, zog Kageji-sama an etwas Unsichtbarem, und die Höhle fiel in sich zusammen. Verständlich, denn dieser Ort symbolisierte Hunger, Durst und Angst für seine Tochter.

"Als unsere Tochter nicht heimkam, waren wir in Sorge. Aber nicht genug in Sorge, um schon nach ihr zu suchen. Als wir es dann doch taten, galt unsere Suche den Städten und Dörfern, wo wir sie nicht finden konnten. Sie tauchte schließlich von selbst wieder auf und war nahezu unverletzt."

Er sah mich an und deutete eine Verbeugung an. "Sag bitte Perine-tono meinen aufrichtigen Dank dafür, dass sie Kuzomi geheilt hat."

"Ich werde es ausrichten", versprach ich. "Worum wird es genau in diesem Gespräch gehen? Es ist doch ein Gespräch, Kageji-sama?"

Um die blutleeren Lippen des bleichen Riesen spielte ein Lächeln. "Was hat mich verraten?"

"Du bist sehr selbstsicher und befehlsgewohnt. Der Gedanke liegt nahe, dass du im Clan der Spinnen einen hohen Rang hast."

"In der Tat. Ich bin der Wesir des Clans, und Ehemann der großen Clansführerin. Kuzomi ist unsere jüngste Tochter mit Rang fünf in der Erbfolge. Doch es geht nicht direkt um die Herrschaftsverhältnisse im Clan, Morikubo-tono."

Er streckte die Hand aus und ließ mich vor.
 

Ich betrat eine Lichtung. Sie war mit Spinnweben zu allen Seiten hin abgesperrt. Aber nicht einfach nur versperrt. Die Spinnenseide bildete massive Wände, die wie kostbare, leicht drapierte Vorhänge wirkten. Ebenfalls aus der Spinnenseide waren Möbelstücke erschaffen worden. Tische, Stühle, Bänke. Die meisten waren besetzt, zumeist von Erwachsenen. Diese deckten das übliche Bild von Menschen ab, die ich auch in Konoha erwartet hätte. Wenn man vielleicht einmal davon absah, dass man nicht so viele schöne Menschen auf einem Schlag erwartete. Außer, man kannte wie ich den Hang der Affen zur Eitelkeit.

"Hier entlang, bitte", sagte der Wesir, und deutete auf das andere Ende der Lichtung. Dort saß auf einem Thron aus Spinnenseide eine junge Frau, die nicht älter wirkte als ich. Im Gegensatz zu Kageji-sama hatte sie einen gut gebräunten Teint, und auch ihr Haar war nicht schwarz, sondern weißblond, was einen merkwürdigen Kontrast bildete. Natürlich waren auch ihre Reißzähne einen Tick zu lang. Aber ihre Augen strahlten golden, nicht tiefrot. Tatsächlich waren bleiche Leute hier relativ deutlich in der Unterzahl. Ich erkannte sogar ein paar, die direkt aus Kurogakure importiert zu sein schienen.

"Ich möchte dir meine Frau und unserer Clansführerin vorstellen, Morikubo-tono."

Ich verbeugte mich lange und steif vor der Frau auf dem Thron. "Es ist mir eine Ehre, dich heute kennenlernen zu dürfen, Ohime-sama."

Ihre Stimme war klar und weich, als sie sprach. Sie klang ein wenig nach Ranko-sensei, und war sehr angenehm in meinen Ohren. "Erhebe dich, Mamoru. Niemand verlangt von dir, jemandem Respekt zu zeigen, der ihn sich nicht von dir erworben hat. Mein Name ist Hino Kuzokami, Herren des Spinnenvolks. Du kannst mich Hino-chan nennen, wenn du möchtest."

Ich räusperte mich verlegen. "Hino-sama?", bot ich an.

Sie wechselte einen amüsierten Blick mit ihrem Gatten, der auffallend schmunzelte. "Er ist, wie man sich berichtet, nicht wahr?"

Kageji-sama nickte.

"Meinetwegen Hino-sama. Setz dich, bitte. Und habe keine Angst. Dein Leben ist hier nicht in Gefahr und wird es auch nie sein."

Das ließ mich doch ein klein wenig abfällig schnauben. "Ich fühle mich keinesfalls in Gefahr, Hino-sama." Ich setzte mich auf einen Hocker, der dem Thron gegenüber aufgebaut war.

"Dann haben wir einen guten Start", sagte sie wohlwollend.

Sie räusperte sich leise. "Weißt du, Mamoru, als Kuzomi nach Hause kam und davon berichtete, dass sie einen Kontrakt mit einem Menschen eingegangen war, wenn auch nur einen temporären Kontrakt, waren wir nicht sehr erfreut. Es hat seine Gründe, warum wir in der Anderswelt residieren, und diese Welt durch das Portal nur dann und wann betreten. Und dass wir diese Welt auch wieder verlassen. Einst... Einst waren wir Menschen wie du, Mamoru. Aber für unsere Künste und unsere Verwandlungsfähigkeit wurden wir gefürchtet und gehasst. Deshalb zogen wir uns zu einer Zeit, die Ihr den ersten Shinobi-Weltkrieg nennt, in die Anderswelt zurück, hin zu den anderen Tier-Enklaven, um dort in Frieden und für uns selbst zu leben. Dort wurden wir mehr. Dort wurden wir das Spinnenvolk. Und durch die sphärische Energie der Anderswelt wurden wir... Nun, wir wurden nach und nach mehr Oni als Menschen. Das sind wir nun.

Weißt du, Mamoru, in den vergangenen Jahrzehnten kam es durchaus vor, dass ein Krieger der Spinnen einen Kontrakt mit einem Menschen geschlossen hat, das er sich benutzen ließ für die vielen Kriege, die Ihr Menschen führt. Und wenn er es überlebte, kam er mit reicher Beute heim. Gold, Schmuck, teure Stoffe - wenngleich keine Stoffe, die Ihr Menschen produziert, mit unserer Seide mithalten können - exquisite Speisen und exotische Tiere. Es war genug, um unsere Neugierde zu wecken, weshalb wir zumindest begannen, regelmäßig in eure Welt zu kommen. Aber es ist nun einige Zeit her, dass wir einem Menschen erlaubt haben, Kontraktpartner zu sein. Damals führtet Ihr den dritten Ninja-Weltkrieg, wenn ich mich nicht irre. Und wir hatten auch keinen Bedarf dafür. Unsere lose Verbindung zur Menschenwelt, fern der Kriege, die Ihr führt, reichte uns.

Als Kuzomi als Kontraktträgerin nach Hause kam, den mehr als deutlichen Geruch von Kira Yamada an sich, hatte das etwas Irritierendes. Aber wir Spinnen nehmen unsere Verpflichtungen sehr ernst, und geleistete Hilfe vergessen wir nicht, bis sie abgegolten ist. Daher konnten wir gegen einen temporären Kontrakt auch nichts sagen. Einem permanenten Kontrakt aber standen wir ablehnend gegenüber. Es gibt nichts, was Ihr Menschen uns bieten könnt über das hinaus, was wir käuflich erwerben. Und selbst wenn Kira Yamada ein für sein Alter ehrenwerter und akzeptabler junger Mann zu sein scheint, gibt es immer jemandem über ihn, der ihm befehlen könnte, Kuzomi auszunutzen oder zu opfern."

"Ich... verstehe." Ich wusste nicht, ob man es meinem Gesichtsausdruck ansehen konnte, aber diese pauschale Unterstellung, so berechtigt sie auch war, machte mich wütend. Natürlich würde ich, solange wie ich für Kira verantwortlich war, dafür sorgen, dass niemand Kuzomi-chan ausnutzte oder gar in den Tod schickte.

"Doch dann hörten wir, wer sein Jounin ist, und das weckte unser Interesse." Sie lächelte ein wirklich süßes Lächeln, das mir durchaus eine Gänsehaut bescherte. "Denn wer in dieser Region der Welt einkauft, der weiß natürlich, was hier vor sich geht. Und wer Ohren hat um zu hören, hat mitbekommen, was mit Otogakure geschehen ist, und wer die Ninja-Stadt Orochimarus vernichtet hat. Du bist eine lokale Berühmtheit, Mamoru, und besonders lobenswert finde ich deinen unerschütterlichen Entschluss, bei der Bombe zu bleiben, bis der letzte Mensch Otogakure hat verlassen können. Außerdem gefällt mir dein Blick." Sie schlug sich mit beiden Händen auf die Oberschenkel. "Ja! Ich bin mir sehr sicher, dass wir dir, oder ja vielmehr Kira-kun, unsere Tochter anvertrauen können. Ich bin mir sehr sicher, dass du für sie kämpfen wirst, egal gegen wen."

Ihre Augen begannen zu leuchten. "Und dazu musst du auch bereit sein, denn auch wenn Ihr einen aufrechten Hokage in der Enkelin des Ersten Hokage habt, so ist nicht alles Licht in Konoha, und unter der Stadt dräuen Schatten. Zum Beispiel diese schrecklichen ANBU-NE."

Ich senkte den Blick. Viel Erfahrung mit den ANBU-NE, von Sai einmal abgesehen, hatte ich noch nicht gemacht, aber die Schatten hatte ich zur Genüge gesehen. Ich hatte erlebt, wie mein kleiner Kumpel Naruto behandelt worden war, einfach nur weil die Leute, normale Bürger auf der Straße, ihrer Angst anstatt ihrer Vernunft gefolgt waren. Ich war anfangs ähnlich gewesen, hatte nicht involviert werden wollen, und dafür schämte ich mich heute noch. Aber damals hatte ich auch noch nicht einmal den Hauch meines jetzigen Selbstvertrauens besessen, war nicht ansatzweise so stark gewesen. Sicher, ich war nicht Narutos wichtigster Vertrauter in Konoha, aber wir mochten uns, und ich mochte es vor allem, dass er mich Onii-chan nannte, auch wenn er es nicht wirklich ernst meinte. Sein wirklicher Onii-chan blieb Iruka, und das war wohl auch gut so, denn beide konnten eine Familie bitter gebrauchen. Davon abgesehen war Iruka nun wirklich schon viel zu lange allein, obwohl er in dem Alter war, eine anständige Familie zu gründen, am besten mit einer ruhigen Frau, die sein Kontrollfreakiges Wesen auskontern konnte, und...

"Mamoru!", klang die tadelnde Stimme der Herrin der Spinnen auf. "Hörst du mir nicht zu?"

"Was? Entschuldige, Hino-sama, ich war noch in den Schattenseiten von Konoha."

"Es sei dir vergeben. Du beschäftigst dich mit meinen Worten, das mag ich. Wirst du also auf unsere kleine Kuzomi achten?"

Ich grinste schief. "Nein."

Kageji-sama zuckte neben mir zusammen, und rund um mich raunte das Spinnenvolk. Nur Hino-sama lächelte tiefgründig. "Und warum wirst du nicht auf sie achten?"

"Weil ich nicht ihr Kontraktpartner bin. Auf sie zu achten, mit ihr zu arbeiten, das ist Kiras Sache, nicht meine. Aber es sollte außer Zweifel stehen, dass ich sie mit all meinen Kräften beschützen werde, sollte Kiras Kraft nicht ausreichen. Doch ich kann ihm nicht vorgreifen. Wie ich schon sagte, es ist sein Kontrakt."

Erneut ging ein Raunen durch den Hain, diesmal bestand er aus Erleichterung. Hino-sama ließ ein helles, teils arrogant klingendes Lachen hören. "Das war gut gesprochen, mein süßer Shinobi. Dann denke ich, haben wir alles getan, was wir haben tun wollen. Wir..."

"Einspruch!", klang die mädchenhafte Stimme einer weiteren Person auf. Neben dem Seidenthron der Herrin der Spinnen erschien eine weitere Gestalt. Eine junge Frau, die wie die kleine Schwester Hino-samas aussah. Sie hatte langes, im Mondlicht grün leuchtendes Haar, das ihr über den ganzen Rücken ging, ein schmales, hübsches Gesicht mit hohen Wangenknochen, und die gelben Augen ihrer Mutter. Ja, ich war mir sicher, dies musste eines der fünf Kinder von Kageji-sama und Hino-sama sein. Sie trug einen gelben Yukata, der knapp über ihren Knien endete. Kunoichi pflegten so etwas ab und an zu tragen. Und sie war schlank und groß, aber nicht gerade mit einem Busen gesegnet, wie er oft im Affenclan vorkam. Anders ausgedrückt, sie war reichlich flach.

Sie errötete und verschränkte beide Arme vor dem Brustkorb. "W-wo siehst du mir denn hin? Hast du keine Manieren, du ekliger Mensch?"

"Na, na, na. Nun tu nicht so, als gäbe es da viel zu gucken, Kuzoko-chan", tadelte ihre Mutter. "Verrate mir lieber, warum du hier so einen Aufstand machst, und das zu einem Zeitpunkt, an dem alles klar ist. Und jetzt erzähl mir nicht, dass du die Menschen hasst. Dafür bist du wirklich zu oft in ihren Städten unterwegs."

Die schlanke Frau schüttelte ärgerlich den Kopf. "Das ist es nicht, Mutter. Das ist es wirklich nicht. Und es geht mir auch nicht darum, dass du diesen Luftikus Kuzomi tatsächlich auf die Menschen loslässt. Aber angenommen, aus ihrem temporären Kontrakt wird ein permanenter, dann hat Kira-kun das Recht, sofern sein Chakra ausreicht, jeden von uns zu beschwören, sogar Vater oder dich, Mutter. Oder mich. Und entschuldige bitte, wenn ich da was gegen habe."

"Warum hast du denn etwas dagegen, mit Kira Yamada im Kontrakt zu stehen?", fragte ihr Vater.

"W-weil er nur ein mickriger kleiner Genin ist, darum!", sagte sie ärgerlich. "Und vor uns steht nicht mal ein Jounin, sondern nur ein Chunin! Wie sollte er einen aus unserem Clan beschützen, geschweige denn die kleine, schwache Kuzomi?"

"Apropos Kuzomi. Wo ist sie eigentlich? Hütet sie brav das Bett, wie ich es ihr befohlen habe?", hakte Hino-sama nach.

"Kurohito hat die Sache im Griff", versicherte Kuzoko-chan. "Notfalls setzt er sich auf sie."

Die Herrscherin der Spinnen lachte hinter vorgehaltener Hand. "Was habe ich nur für eine unruhige Brut. Nun, Kuzoko-chan, was würdest du also vorschlagen? Sollen wir den Kontrakt ebenso wie dem temporären Kontrakt für null und nichtig erklären?"

"Ja, das wäre wohl das Beste!", sagte sie ärgerlich.

"Das kann ich nicht gutheißen. Mein Untergebener Kira hat diesen Kontrakt abgeschlossen, und cih kann nicht akzeptieren, dass er wegen mir beendet wird."

Hino-sama sah zu ihrer Tochter herüber. "Da siehst du es. Und ehrlich gesagt neige ich dazu, ihm zu vertrauen und seinem Ersuchen stattzugeben. Der Ehre willen, und weil er ein guter Shinobi ist, werden wir zustimmen."

"Hm", machte Kuzoko-chan. Langsam zog sie ein mittellanges schwarzes Schwert hinter ihrem Rücken hervor. "Ich sehe, hier ist ein Kompromiss vonnöten. Ich will gegen ihn kämpfen. Wenn ich von seinem Potential überzeugt bin, ziehe ich den Einspruch zurück. Besiege ich ihn oder töte ich ihn sogar, will ich, das meinem Einspruch entsprochen wird."

"Also gut. Mamoru, bist du damit einverstanden?"

"Es liegt mir fern, Kuzoko-chan zu verletzen. Ich würde das lieber auf einem friedlichen Weg lösen wollen."

"Hast du Angst, du kleiner Feigling?", zischte sie.

"Nein, das ist es nicht. Ich meine... Hm. Hino-sama, könntest du die Nordecke räumen lassen? Ich möchte Kuzoko-chan nur gerne zeigen, worauf sie sich einlässt."

"Natürlich, Mamoru. Aber bitte nur ein Endan. Wir wollen nicht den ganzen Hi no Kuni wecken", sagte sie in amüsiertem Tonfall.

"Einverstanden."
 

Als die Ecke geräumt war, fixierte ich mein Ziel, irgendwo auf den Falten des Spinnwebenvorhangs.

Kuzoko-chan grinste mich voller Überlegenheit an. "Feuer-Jutsu, was? Na, dann streng dich mal an. Unsere Seide ist härter als Stahl. Wir..."

"Katon: ENDAN!" Ich sammelte Öl im Mund und spie es aus. Zugleich entzündete ich es. Das Ergebnis war ein beachtlicher Feuerball, der auf die ferne Wand zujagte. Es kam nicht gerade zu einer besonders großen Detonation, aber das war auch gar nicht mein Ziel gewesen.

"Sicher, dass das kein Dai Endan war, Morikubo-tono?", fragte mich Kageji-sama zweifelnd.

"Soll ich ein Dai Endan verwenden?", bot ich an.

"Nein. Für mich hat die Demonstration gereicht. Und wie sieht es bei dir aus, Kuzoko?"

Entsetzt starrte das Spinnenmädchen auf den Seidenvorhang. Nicht nur, dass die Seide brannte, in ihr klaffte ein riesiges, mannshohes Loch. "Da... Da... Da..."

"Mein Feuer gilt als eines der heißesten von ganz Konoha", erklärte ich. "Meine Flamme brennt so sehr, dass ich einen Angreifer mit meinem Endan bei einem Volltreffer zu Asche verbrennen kann."

"D-das ändert gar nichts! Du darfst halt einfach kein Feuer-Jutsu verwenden, so! Wir machen das mit gutem altem Taijutsu aus, jawohl!", blaffte sie ein wenig hysterisch.

"Kuzoko-chan", sagte ihre Mutter, "er kann auch Affenkrieger beschwören."

"D-das darf er auch nicht!"

"Ich arbeite gerade an meiner Windaffinität. Darf ich das auch nicht benutzen?", fragte ich sarkastisch.

"Was? Zwei Elemente? Aber... Du darfst gar kein Ninjutsu benutzen, basta!"

"Aber wehren darf ich mich noch, oder?"

"Nun sei nicht albern! Natürlich darfst du dich wehren!" Ansatzlos sprang sie mich an, ihr Schwert an der linken Hüfte, um es wie bei einem Ziehschlag über meinen Leib zu ziehen. Eine alte Kunst, die sich vor Jahrzehnten in Konoha einer gewissen Beliebtheit erfreut hatte. Zumindest bis das Kunai das Schwert mehr und mehr abgelöst hatte.

Ich wich aus, sprang einen Schritt nach hinten. Nun erwies es sich als weise Voraussicht, das ich das Kunai mitgenommen hatte. "Ich versuche, vorsichtig mit dir umzugehen, Kuzoko-chan. Du bist keine Kunoichi, und ich will dich nicht versehentlich töten."

"Soweit kommt's noch! Als wenn ein Mensch gegen mich eine Chance hätte!" Wieder griff sie an, frontal, und diesmal stoppte ich sie mit meinem Kunai. Sie drückte mit all ihrer Kraft, und das war beachtlich viel. Aber nicht genug für einen durchtrainierten Shinobi Konohas. Als sie merkte, dass sie mit dem Angriff nichts erreichte, spie sie mir ins Gesicht. Spinnenseide, die meine Augen verschloss. Sie sprang zurück, aus meiner Reichweite raus.

"Kuzoko, das war nicht fair", tadelte ihr Vater.

"Wir haben nicht ausgemacht, dass ich auf etwas verzichten muss", verteidigte sie sich. "Und in der Ninja-Welt muss man auf alles gefasst zu sein, oder? Sogar darauf, dass der Gegner einen blendet. Na, wie fühlt es sich an, Morikubo, mir so hilflos ausgeliefert zu sein?"

Bedächtig schüttelte ich den Kopf. "Ich bin ein Ninja. Ich brauche meine Augen nicht."

Sie schnaubte wütend und begann mich zu umkreisen. "Angeber! Die Seide macht dich blind, bis ich sie wieder entferne! Du bist absolut hilflos, und meiner Gnade ausgeliefert. Sieh deine Niederlage besser ein, bevor ich dich aus Versehen töte!"

"Kuzoko-chan!", rief ihre Mutter tadelnd.

"Ist doch wahr! Er hat angefangen!", murrte sie.

"Wie ich schon sagte, Kuzoko-chan, ich brauche meine Augen nicht. Wenn du ein Shinobi bist, spielst du in einer vollkommen anderen Liga als die anderen Menschen. Natürlich behindert es mich, dass du mich geblendet hast, aber nicht in dem Maß, den du dir erhofft hast. Ich versuche dennoch, nett zu sein."

"Nett? Du kannst mich mal am..."

Gut, das ich ihr nicht verraten hatte, dass ich auch ein sensorischer Ninja war, sonst hätte sie womöglich auch noch verlangt, dass ich auch das wegließ. So aber konnte ich sie sehr gut erkennen, wie sie in all ihrer Wut von schräg rechts hinter mir herangestürmt kam, ihre Klinge zum Schlag von oben, dem Karatake, erhoben. Dies tat sie lautlos, was ich für sie als Pluspunkt vermerkte. Dennoch würde ich die Gelegenheit nicht ungenutzt verstreichen lassen. Ich blieb still stehen, bis zu jenem Moment, an dem sich ihre Arme für den Schlag erneut anspannten. Dann passierte ich sie mit Step. "Es ist vorbei", sagte ich mit leiser Stimme.

"Wie, vorbei?", fragte Kuzoko erstaunt. Das war ungefähr eine Sekunde, bevor ihr gelber Yukata vorne aufging, und ungefähr eine weitere Sekunde, bevor er sich auf dem Rücken in zwei Teile spaltete. "Kyaaaaa!"

Mit Hilfe meiner sensorischen Fähigkeiten sah ich, wie sie erneut die Arme vor die Brust legte, und sich zu Boden hockte. "Du Perverser!"
 

Ich ging zu ihr, nahm das Schwert an mich, das sie fallen gelassen hatte, und kniete mich vor ihr nieder. "Das meinte ich damit, als ich sagte, dass du keine Kunoichi bist. Eine wahre Kunoichi hätte sich vom Verlust ihrer Bekleidung nicht beeindrucken lassen. Oder sie hätte aus dem Gefühl der Scham, das du gerade erfährst, die Kraft für den nächsten Schritt gezogen, um mich zu besiegen. Du aber bist wie ein hochgeborenes Prinzesschen in dich zusammengesunken, als das Spiel nicht mehr so ging, wie du es dir vorgestellt hast. Aus deinem Clan bist du wahrlich die schlechteste Wahl, um meine Fähigkeiten zu prüfen."

Ich spürte, wie sie kräftig errötete, allerdings vor Wut, nicht aus Scham. "Aber ich denke, du hast deine Lektion gelernt, Kuzoko-chan, und wirst deine kleine Schwester nun Kira anvertrauen. Ich verspreche, auf sie aufzupassen, wann immer er sie ruft, und ich zugegen bin."

"Gut, du bist nicht vollkommen unfähig. Aber können wir Kuromi wirklich mit so einem Perversen allein lassen, Mutter?"

"Vorsicht, Töchterchen. Nenn ihn nicht pervers. Du hast ihn selbst geblendet, damit er nichts sehen kann", tadelte sie. "Und wenn wir gerade dabei sind, mach es ab."

"Aber Mutter, dann kann er sehen, dass ich..."

"Mach! Es! Ab!"

"Ja, Mutter." Sie nahm die Linke, berührte die Seide auf meinem Gesicht, und löste sie von meinen Augen.

Höflich wie ich war, hielt ich sie verschlossen, bis sie fertig war. "Danke, Kuzoko-chan." Ich erhob mich und wandte mich von ihr ab. Erst jetzt öffnete ich meine Augen wieder. "Gibt es noch jemanden, der gerne widersprechen möchte, oder haben wir die Sache jetzt geklärt?"

"Nein, ist geklärt", kam es mürrisch von Kuzoko-chan. Zustimmendes Gemurmel lag in der Luft.

"Dann ist alles gesagt und getan", sagte Kageji-sama. Er zog seinen weißen Oberkimono aus und legte ihn seiner Tochter über die Schulter.

"Danke, Paps", murmelte sie und schniefte leise dazu.

"Dem gebe ich Recht", sagte Hino-sama. "Wir prüfen Kira Yamada-kun auf seine Tauglichkeit zum permanenten Kontraktpartner der Spinnen."

Ich deutete eine Verbeugung an. "Ich bedanke mich im Namen Konohas." Verlegen deutete ich auf das Loch im Vorhang. "Ich bitte um Entschuldigung für das Malheur."

"Das musst du nicht. Es war eine interessante Vorführung." Sie erhob sich von ihrem Thron und trat zu mir herab. Am Fuß des Throns aus Spinnenseide nahm sie ein Päckchen auf und legte es mir in die Hand. "Nimm dies als Geschenk des Spinnenclans für dich, deine Genin, für Kira-kun und für deine anderen beiden Begleiter. Sie werden nützlich für euch sein."

"Sie?", fragte ich, als ich das federleichte Paket in meinen Händen wog.

"Es sind Hemden. Hemden aus Spinnenseide. Sie sind weich und angenehm zu tragen, aber zugleich so hart wie Stahl. Wenn Ihr sie unter den Westen tragt, werden Kunais und Pfeile von ihnen abprallen. Ich hoffe, das wird euch eine kleine Hilfe sein."

Erstaunt sah ich das schmale kleine Päckchen an, das die Größe hatte, welches die Größe eines meiner Shirts hatte, wenn ich es zusammenfaltete. Und hier sollte genug für alle meine Gefährten drin sein? Aber es war ein Geschenk, und ein Geschenk wies man nicht ab. "Danke, Hino-sama."

"Das ist noch nicht alles. Leider bin auch ich nur eine Mutter, und deshalb will ich... Ah, eine Sicherheit haben. Das wirst du sicher verstehen, Mamoru."

"Ja, das tue ich. Welche Sicherheit?"

"Ich möchte, dass du auch einen temporären Kontakt mit uns eingehst. Nur für den Notfall, zum Beispiel, um einen von uns beschwören zu können, wenn etwas wirklich schief gelaufen ist. Oh, ich mag da gar nicht dran denken, aber... Nur um sicherzugehen."

Ich runzelte die Stirn. "Und mit wem soll ich einen Kontrakt eingehen? Kageji-sama wäre sicher eine gute Wahl."

Hino-sama kniff überrascht die Augen zusammen. "Mamoru, du weißt, wie wir einen Kontrakt eingehen, oder?"

"Ja, weiß ich. Und?"

"Nicht, dass ich nicht weiß, dass Kageji kein guter Küsser ist, aber stört dich das nicht?"

"Zugegeben, das ist ungewohnt für mich, aber es geht hier nicht um Knutschen, sondern um einen tieferen Sinn", erwiderte ich.

"Ich bewundere deine Entschlossenheit, aber es ist vielleicht etwas vermessen von dir, einen Kontrakt mit dem Wesir der Spinnen eingehen zu wollen."

Verlegen senkte ich den Blick. "Verzeihung, Hino-sama."

"Allerdings hast du deinen Wert bewiesen, und da ist jemand, der die Lektion gebrauchen kann. Kuzoko-chan!"

"Mutter, das ist nicht dein Ernst!"

"Was mein Ernst ist, und was nicht, das überlasse bitte mir, Schatz. Und jetzt komm und geh mit diesem tapferen Shinobi einen temporären Kontrakt ein."

Mürrisch erhob sie sich, raffte den Oberkimono enger um sich und band ihn mit dem Gürtel ihres Yukatas zu. "Wenn es denn sein muss."

Sie trat vor mich. In ihren gelben Augen glitzerte etwas, das ich nicht kannte. Hass war es jedenfalls nicht. "Hiermit biete ich dir einen temporären Kontrakt an, für sechs Beschwörungen", sagte sie, und drückte mir einen harten, schnellen Kuss auf die Lippen. "Glaub jetzt nur nicht, das machen wir jedesmal, wenn wir uns sehen", murmelte sie, und trat einen Schritt von mir fort.

"Keine Sorge, Kuzoko-chan, ich erwarte nichts." Ich trat den Schritt, der uns trennte, zu ihr hin und drückte ihr den Knauf ihres Schwertes in die Hand. Kurz ruhten meine Lippen an ihrem rechten Ohr. "Und mach dir keine Sorgen. Du bist obenrum schon ganz gut ausgestattet. Ich kenne flachere Mädchen als dich. Sehr viel flachere."

Ich erwartete eine harsche Reaktion von ihr, immerhin fuhr ich hier eine harte Provokation. Aber sie reagierte nicht. Also trat ich einen Schritt von ihr zurück. "Kuzoko-chan?"

Sie hatte entsetzt den Mund geöffnet, und ihr Gesicht war bis unter die Haarwurzeln errötet.

"Kuzoko-chan?", fragte ich erneut, und schnippte mit der Rechten vor ihren Augen.

Sie schreckte auf, sah mich an, und dann verlegen weg. "Wehe, du meinst das nicht ernst."

Diese Reaktion verblüffte mich dann doch. Frauen. Ich würde sie wohl nie begreifen.

"So, jetzt ist alles erledigt", sagte Hino-sama. "Ich freue mich auf unsere Zusammenarbeit, Mamoru."

"Ich freue mich auch darauf, Hino-sama. Ab wann kann Kira Kuzomi-chan beschwören?"

Kageji-sama räusperte sich. "Ab übermorgen Mittag. Ich würde mir wünschen, dass er sie beschwört, damit sie euch bei der Reise begleiten kann. Etwas Stamina wird ihr nach der Verletzung gut tun."

"Gut. Ich werde es ihm ausrichten." Somit war die Zahl meiner Reisegefährten erneut angewachsen. Aber... Ich freute mich auf die weitere Reise.

Ich sah auf. Unbemerkt von mir war die Sonne aufgegangen. Es war früher Morgen. Aber ich hatte die Nacht nicht vertan. Ich hatte viel Spaß gehabt. Dennoch wurde es Zeit, zu den Menschen zurückzukehren. Dort hatte ich viel zu tun. Also verabschiedete ich mich von den Spinnen, und machte mich auf den Rückweg.

"Wehe, wenn nicht!", klang mir Kuzoko-chans Stimme hinterher.

***

Die drei Genin waren gerade aufgestanden. Kishio hatte von Perine-sama die Erlaubnis erhalten, aufzustehen, und hatte wie die Jungs seinen Futon beiseite geräumt. Dann hatte er ohne gefragt worden zu sein den Futon von Mamoru-sensei ebenfalls beiseite geräumt, und sich in eine Ecke des Raums gesetzt, wo er still abwartete.

Kira beobachtete ihn misstrauisch. Es war noch nicht Zeit für das Frühstück, aber auch noch nicht Zeit für das Morgentraining, geschweige denn dafür, um die Baumkletterei wieder aufzunehmen. Und Sensei war nicht da. Perine-sama hatte zwar gesagt, dass sie sich keine Sorgen machen mussten, aber normal war das eben doch nicht, dass Sensei mitten in der Nacht verschwand, ohne sich abzumelden.

"Hey, Kishio!", rief Kira plötzlich. "Ich weiß, du bist älter als wir. Aber du siehst hoffentlich ein, dass wir deine Sempais sind! Ne?"

"Kira, das ist nicht nett von dir", sagte Mai.

"Er soll bloß nicht glauben, dass er Mamo-chans Zeit in Beschlag nehmen kann", sagte der Junge hitzig. "Wir sind ja auch noch da! Wichtiger noch, wir waren vor ihm da!"

"Erstaunlich, wie sehr du auf das Training mit Mamo-chan fixiert bist, dafür, dass du ihn anfangs für einen Schwächling gehalten hast", spottete Shinji.

"Das war was vollkommen anderes!", erklärte Kira rigoros. "Ich will hier auch nur ein paar Grundsätze klarmachen. Immerhin müssen wir ab jetzt mit Kishio auskommen, oder?"

Der große rothaarige Bursche erhob sich und kam auf den Tisch zu.

Unwillkürlich ging Kira in Abwehrhaltung. "W-was ist denn jetzt?"

Kishio nickte ihnen zu und verließ den Raum. Als er nach ein paar Minuten wiederkam, trug er ein Tablett mit sich. Es waren Teetassen, mit Grüntee gefüllt. Er setzte sich neben den Tisch, und stellte vor jeden der drei Genin eine Tasse ab. "Kamura-sama war so nett, mich ihre Küche benutzen zu lassen, obwohl sie dabei ist, das Frühstück zu machen", erklärte er, erhob sich wieder und ging in seine Ecke zurück.

"Aber das ist doch...", murrte Kira.

"Das ist doch eine nette Geste", sagte Shinji. "Und du wolltest es doch, dass er uns als Sempais anerkennt."

"Ja, aber... Aber..." Er sprang auf und lief auf den Flur. Kurz darauf kam er wieder, eine vierte Tasse in der Hand. Er stellte sie zwischen Shinji und Mai ab. "Kishio!", sagte er und deutete auffordernd auf die Tasse. "Ich glaube, du missverstehst mich. Oder ich habe mich falsch ausgedrückt."

"Ich möchte nicht im Wege stehen. Es würde mich freuen, wenn ich nützlich wäre", sagte der Rotschopf.

"Komm, und setz dich!", blaffte Kira ärgerlich.

Kishio zögerte. Dann aber erhob er sich und setzte sich, nachdem die Genin für ihn Platz gemacht hatten, ebenfalls an den Tisch.

"Was ich meinte, ist, dass wir schon länger bei Mamo-chan sind. Sicher, du wirst eine Menge drauf haben, wenn du hier draußen alleine überlebt hast, und so. Aber du bist kein Ninja. Ich meine, wir haben bestimmt alle mehr Techniken drauf als du. Was ich sagen will, ist, dass wir dir sicher eine Menge beibringen können. Dazu musst du nicht Mamo-chan fragen."

"Und ich bin mir sicher", mischte sich Shinji ein, "dass wir auch vieles von dir lernen können."

"Unbedingt", ereiferte sich Mai. "Wir haben zwar eine Ausbildung, die uns befähigt, hier in den Wäldern ohne Hilfsmittel zu überleben, aber du hast es gelebt. Wie lange eigentlich schon?"

"Sechs Jahre", sagte Kishio. Als die Worte heraus waren, sah er erschrocken in die Runde, so als ob er das niemals hatte verraten wollen.

"Sechs Jahre? Wie alt warst du da?", fragte Shinji erschrocken.

Kishio gab sich einen Ruck. Wenn er schon damit angefangen hatte, konnte er auch weiterreden. "Neun oder zehn. Es ist zu lange her."

"E-es gibt einige Shinobi in Konoha, die schon mit neun Jahren Genin geworden sind!", sagte Mai. "Nur sind die meistens nicht auf sich gestellt."

Shinji klopfte dem Größeren jovial auf die Schulter. "Das ist jetzt sowieso alles vorbei. Jetzt bist du in einem anderen Leben." Er griente den Rotschopf bei diesen Worten an. "Ab hier geht es dir besser, versprochen. Und wenn es etwas gibt, was du wissen willst, dann frag nur. Dafür sind deine Sempais ja da. Nicht, Leute?"

Die anderen beiden Genin nickten zustimmend.

"Willst du denn etwas wissen?"

Kishio musterte den blonden Genin. "Nicht im Moment. Aber ich werde im Lauf der Zeit sicher viele Fragen haben, Sempai." Der rothaarige Junge schaffte es, das letzte Wort nicht amüsiert klingen zu lassen. Er war schon zu lange alleine unterwegs, um bereit zu sein, sich auf andere zu verlassen vor allem nicht, wenn er sie erst einen Tag kannte. Und vor allem nicht, wenn sie jünger waren als er selbst. Andererseits war Alter für das Können eines Menschen keine optimale Bewertungsgrundlage. Immerhin hatte er sechs ewig lange Winter in dieser Region überlebt, auf die eine oder andere Weise, auch wenn er nie an einem Ort hatte bleiben können. In seinem letzten Winter zum Beispiel, wo er bei der älteren Dame hatte unterkommen können, im Gegenzug für Holzhacken, Saubermachen und Bett wärmen... Er hüstelte verlegen, als er daran dachte, was das Bett wärmen bedeutet hatte. Aber es war nicht unangenehm gewesen, und seither interessierte es ihn schon ein wenig. Er hüstelte erneut und drückte die Gedanken beiseite. "Und um das klarzustellen: Mamoru-sensei hat mir das Leben gerettet. Ich bin ihm verpflichtet, bis ich ihm das Leben retten kann, oder bis ich meine, meiner Ehre ist Genüge getan. Ich bin nicht hier, um von ihm zu lernen. Ich bin hier, um ihm zu dienen. Und wenn Ihr das wünscht, kann ich euch einiges abnehmen. Ich bin ein guter Koch, und so."

Kira schüttelte tadelnd den Kopf. "Nein, das geht gar nicht. Denkst du etwa, wir ziehen dich mit durch? Du wirst schon einiges lernen müssen. Von Mamo-chan, und auch von uns. Du musst mindestens so kampfstark sein wie wir, sonst bist du eine Belastung für uns. Ich weiß, solche Worte tun weh, aber wir müssen uns auf dich verlassen können. Und wir müssen wissen, was du drauf hast, damit wir uns auf dich einstellen können. Wir können uns ja nicht ewig hinter Mamo-chan verkriechen, das haben wir ja gestern gesehen."

Kishio öffnete den Mund, wie um etwas zu sagen, ließ es dann aber doch. "Gut."

"Ich bin sicher, du kannst das eine oder andere, was du dir abgeschaut hast, und so, aber wir müssen da echt 'ne Linie reinbringen. Das ist nun mal die Aufgabe für Sempais, nicht?" Er klopfte dem Älteren vertraulich auf die Schulter. "Wir werden schon gut zusammenarbeiten, und einen richtigen Konoha-Shinobi aus dir machen. Wir sind vielleicht jung, aber wir haben viel gelernt und einen wachen Verstand. Wir können dir viel geben, Kishio, und das müssen wir auch, wenn wir zusammenbleiben. Jeder muss dort eingesetzt werden, wo seine Stärke uns am Meisten nützt. und wir kriegen dich stark, Kishio, keine Sorge. Ich sehe großes Potential in dir."

Verdutzt sah der Rotschopf den jungen blonden Burschen an. Dann vollzog sich mit ihm eine erstaunliche Änderung: Er lächelte, und es schien, als würde in seinem Herzen eine neue Sonne aufgehen. "Danke, Kira-sempai."

Der Junge errötete, als er derart angesprochen wurde. "N-nur Kira. Wir sind vielleicht technisch deine Sempais, aber du bist ja älter als wir. Also, Kira reicht völlig."

Kishio schmunzelte. "Verstehe. Also dann - Kira."

Mai sah ihn verblüfft an. "Du hast aber ein schönes Lächeln, Kishio. Warum zeigst du das nicht öfters?"

Diese Worte ließen einen Schatten über sein Gesicht ziehen. "Ich hatte bisher nicht viel Grund zu lächeln, seit mein Clan..." Er schwieg, und die Stille erschütterte die Genin mehr, als es weitere Worte hätten tun können.

"Na, wie auch immer", beeilte sich Mai zu sagen. "Du solltest in jedem Fall mehr lächeln, Kishio."

"Wenn du das so nett verpackst, Mai-chan."

"Ja, genau das Lächeln meine ich." Sie lächelte zurück.

Kira stieß Shinji unter dem Tisch an. "Ahaha, aber ich habe eine Frage. Kishio, was hat es denn mit deinen Tätowierungen auf sich? Wir haben ja einige Clans in Konoha, die Tätowierungen als Zeichen der Zugehörigkeit benutzen. Wie war das bei dir so?"

"Das würde mich jetzt auch interessieren. Die Spiralen, die sich von deiner Stirn über die Schäfen über die Wangen ziehen, sehen nämlich Konohas Zeichen sehr ähnlich", sagte Kira.

Das Lächeln Kishios wurde verlegen. "Es tut mir leid, aber ich mag darüber nicht sprechen. Noch nicht. Es... Es ist alles, was mich noch mit meiner Vergangenheit verbindet, wie im Guten, so im Schlechten."

Vertraulich legte Mai ihm eine Hand auf seine Linke. "Wenn du nicht willst, dann musst du nichts erzählen, Kishio. Lass dir Zeit. Aber wenn du eines Tages etwas loswerden willst, dann sind wir für dich da. Nicht, Jungs?"

Shinji grunzte zustimmend.

"Natürlich!", ereiferte sich Kira. "Immerhin sind wir seine Sempais!"

Die beiden Genin tauschten einen Blick aus. "Sensei kommt und kommt nicht!", rief Shinji und sprang auf. "Ich bin dafür, dass wir vor dem Frühstück was Nützliches tun. Kishio, kannst du gut mit Shuriken umgehen?"

"Ich bin eigentlich mehr der Schwerttyp..."

"Aha, schon eine Lücke in deiner Ausbildung entdeckt!" Er griff nach der Rechten des Rothaarigen und zog ihn auf die Beine. "Komm, wir üben werfen, und ich zeige dir ein paar Kniffe. Bis zum Frühstück ist noch massig Zeit!"

"Ist gut", erwiderte er ein wenig überfahren.

Als die beiden den Raum verlassen hatten, seufzte Kira zufrieden auf. "Wollen wir dann auch mal, Mai-chan? Mai-chan, warum grinst du so?"

"Ach, nichts, nichts. Ich freue mich nur, weil ich so große, aufmerksame und stattliche Beschützer habe." Sie erhob sich, beugte sich vor, und gab Kira einen Schmatzer auf die Wange. "Los, gehen wir mit üben."

Verwundert rieb sich der blonde Junge die Wange. Wofür hatte er denn den verdient gehabt? "I-ich komme!", rief er hastig und erhob sich.
 

Draußen auf dem Flur sah Perine dabei zu, wie die vier jungen Leute nach und nach an ihr vorbeistieben, ohne sie zu bemerken. Mamoru würde, sobald er zurückgekehrt war, mehr als erfreut darüber sein, wie die Dinge sich hier entwickelt hatten. Genausogut hätte hier alles in Mord und Totschlag enden können.

Sie beobachtete die ersten Shuriken-Übungen der Kleinen, und musste schmunzeln, als Mai darauf bestand, dass Kishio mit ihren zusammenklappbaren Fuusha Shuriken trainieren sollte, anstatt erst mit den kleineren anzufangen. Doch Shinji setzte sich durch, als er darauf hinwies, dass Kishio mit den Kleinen noch nicht mal traf. Also betrieben die drei Genin eine Art Basis-Ausbildung für Mamorus Findling. Wobei sich die Affenkriegerin nicht sicher war, ob er sich nicht absichtlich zurückhielt, um den Jüngeren nicht die Freude zu vermiesen.

Sie stieß sich von der Wand ab und beschloss, Frau Kamura zu bitten, das Frühstück noch etwas herauszuzögern.

***

Rechtzeitig zum Frühstück erreichte ich das Haus des Dorfvorstehers und setzte mich nach einem fröhlichen Morgengruß an den Tisch.

Shinji, der sich gerade eine Ecke Reis in den Mund geschaufelt hatte, verschluckte sich fast. "Sensei! Warst du etwa nur in deiner Unterwäsche im Wald?"

Diese Frage verblüffte mich. Stimmt, ich hatte nur mein Stirnband angelegt, und ein Kunai mitgenommen. "Das sind doch Boxershorts. Die sind so gut wie Hosen, oder?"

Mai sah verlegen zu Boden. "Na, wenn Sensei das sagt, wird es wohl stimmen..."

"Nein, tut es nicht!", sagte Kira bestimmt. "Unterwäsche bleibt Unterwäsche. Da hättest du ja gleich im Fundoshi rumlaufen können, Sensei! Kishio, sag doch auch mal was!"

"Wenn Mamoru-sensei es befiehlt, dann sind Boxershorts so gut wie Hosen."

"Verräter!", murrte Kira.

Perine musste lachen. "Du solltest dir wirklich etwas anziehen, Mamo-chan. Sonst kann ich mich nicht auf das Frühstück konzentrieren."

"Okay, okay, ich habe es verstanden." Ich erhob mich wieder und zog Hemd und Hose von gestern an. Das heißt, ich wollte das Hemd anziehen, als mir das Geschenk der Spinnen wieder einfiel.

"Kira."

"Sensei?"

"Ich wurde gestern wegen deinem temporären Kontrakt zu den Spinnen gerufen. Ich habe die Clanschefin kennengelernt, Hino-sama. Sie hat gesagt, wenn du dich bewährst, steht einem permanenten Kontrakt nichts im Wege. Also gib dir Mühe. Und was zum Nachdenken. Ich habe Kuzomi-chans Vater kennengelernt, und den willst du garantiert nicht enttäuschen, glaub mir das."

"Ich werde mir Mühe geben, versprochen", murmelte er in seine Miso-Suppe.

"Und noch was habe ich mitgebracht." Ich legte das kleine Päckchen auf den Tisch und setzte mich.

"Was ist das denn?", fragte Mai neugierig.

"Ist es das, was ich vermute?", fragte P-chan.

"Wartet es ab", sagte ich fröhlich, und öffnete es. Der Inhalt war leicht und fluffig und irgendwie ganz schön viel für das kleine Päckchen. Mit einiger Mühe nahm ich die oberste Schicht ab und begann sie zu entfalten. Als ich damit fertig war, hielt ich ein kurzärmliges Shirt in Händen, wie wir Ninjas es unter den Jacken und Westen zu tragen pflegten. Ich betrachtete das hauchdünne Gespinst genauer. "Das wird dann wohl für mich sein." So begann ich zu sortieren. "Ah, für Perine. Das sieht so aus, als wäre es für Kishio gemacht. Hm, das ist für Mai-chan. Shinji, für dich. Und zum Schluss natürlich Kira." Verblüfft registrierte ich, dass das Päckchen noch immer da war. Ich wiederholte die Prozedur, und am Ende hatte jeder drei Hemden erhalten.

Verwundert schüttelte ich den Kopf. Wie war das möglich?

"Spinnenstahl", stellte Perine fest. Sie hatte einen ihrer Finger in eine Affenkralle verwandelt, und versuchte nun, durch das Material zu bohren. Es gelang ihr nicht. "Was für ein Geschenk."

"Spinnenstahl?", fragte Kira verwundert, während er eines seiner Shirts von allen Seiten betrachtete.

"Eigentlich ist es Seide, aber sie hat die Festigkeit von Stahl", sagte ich. "So hat es mir Hino-sama zumindest erklärt. Ultraleicht, aber superstabil. Genau das Richtige für einen Shinobi. Eine Rüstung, die ihn nicht behindert."

"Das ist ja mal ein tolles Geschenk!", sagte Mai freudig. "Wir müssen uns bei der Herrin des Spinnenclans unbedingt bedanken."

"Ja, das sollten wir. Und das werden wir auch", sagte ich lächelnd. Dass ich nun auch einen temporären Kontrakt mit den Spinnen hatte, verriet ich Kiras Ego zuliebe vorerst nicht.

"Sobald Ihr gegessen habt, macht Ihr euch wieder ans Klettertraining", bestimmte ich. "Shinji, nimm die beiden hart ran."

Der etwas dickliche Genin salutierte mit Zeige-, und Mittelfinger. "Na logo, Sensei. Wir wollen ja alle neue Tricks von dir lernen."

"Darf ich mit und zuschauen?", fragte Kishio überraschend. "Wirklich nur zuschauen!"

"Na, ich weiß nicht. Perine?"

Die Affenkriegerin lächelte verschmitzt. "Wenn er wirklich nur zuschaut, ist das in Ordnung. Aber du gehst wirklich nur bis zum Kletterplatz und wieder zurück, ja?" Ihr Lächeln wurde intensiver. So intensiv, das es beinahe wie eine Wolke über dem Tisch zu schweben schien. Und wenn ich Wolke sagte, meinte ich eine Gewitterwolke.

Kishio hob abwehrend beide Hände. "Ich will wirklich nur zuschauen. Ehrlich."

"Na, dann ist ja gut. Je länger du krank bleibst, desto später können wir weiterziehen."

"Alles klar!", rief Kira. Er sprang auf. "Gehen wir klettern!"

"Jawoll!", riefen Shinji und Mai, und streckten ihre Arme in die Höhe.

"Kira!", sagte ich scharf.

Der Junge verhielt mitten im Schritt. "Sensei?"

Kageji-sama hat gesagt, ab morgen kannst du Kuzomi-chan beschwören. Dann hat sie ihren Beinbruch ausgeheilt."

"Jawohl, Sensei."

"Kira!"

"Sensei?"

"Du wirst sie morgen beschwören."

"Ja, Sensei."

"Kira!"

"Sensei?"

"Sie wird uns ein paar Tage begleiten. So haben wir das vereinbart."

"Oh, das freut mich!"

"Toll!", ereiferte sich Mai. "Das wir Kuzomi-chan so bald wiedersehen würden, hätte ich nicht gedacht!"

"ICH habe es mir gedacht", sagte Shinji. "Vor allem wenn wir direkt neben dem Portal zur Anderswelt wohnen, meine ich."

"Kira!"

"Sensei?"

"Seid Ihr noch nicht weg?"

"Sind wir!", versicherte der Junge. Er ergriff Kishios Rechte, und zog ihn auf die Beine. "Bis zum Mittag dann!"

Die drein Genin liefen voraus. Kishio folgte ihnen in einem gemäßigteren Tempo.
 

Ich grinste, als ich den Kleinen nachsah. War ich auch mal so gewesen? So laut, so enthusiastisch, so flink? Und hatte ich mich auch so fix an Neues angepasst? Das, was Mai, Kira und Shinji gerade durchlebten, lag für mich erst fünf Jahre zurück. Aber manchmal schienen es mir Jahrzehnte zu sein.

"Und was machen wir beide Hübschen dann heute so?", fragte Perine mit unschuldigem Augenaufschlag. "Ich meine, nachdem du gebadet hast, Herr Ich war im Wald."

"Nun, ich wollte mich an einem Jutsu versuchen, das mir Asuma gezeigt hat. Wenn du mir helfen willst... Es ist verdammt schwierig, weil es Wind-Natur und Feuer-Natur benötigt. Es wird eine lange und harte Arbeit."

"Yay! Neues Jutsu!"

"Aber vorher sollte ich tatsächlich baden, oder?", fragte ich, nachdem ich an meinen Armen gerochen hatte.

"Yay! Baden!"

"Was wäre ich nur ohne dich, Perine?", fragte ich seufzend.

"Weiß nicht. Aber vermutlich wärst du mit der Oto-Perle damals durchgebrannt und würdest jetzt als Getsu-Nin arbeiten. Bei denen wärst du vermutlich mittlerweile Genin."

Ich lachte auf. "Ach ja, da war ja noch was. Gut, dass ich dich habe, Perine-sama!"

"Wehe, du meinst das nicht ernst, Mamo-chan", erwiderte sie mit einem angriffslustigen Lächeln.

"Oh, ich weiß, was ich an dir habe, mein Schatz." Ich zwinkerte ihr zu. "Ich bade."

"Yay!"

"Alleine."

"Wie langweilig."

"Langweilig, ja. Aber auch sicher. Für mich."

"Das sagst du nur, weil ich so gut gebaut bin, tolle Kurven habe, eine samtweiche Haut mein eigen nenne, und meine Finger so eine unglaublich prickelnde Berührung haben", schmollte sie.

"Richtig. Und genau deshalb bade ich alleine."

"Wenigstens hast du einen guten Grund", murrte sie.

Einen sehr guten Grund, wie ich fand. Ich verließ unseren Raum, mit einem Hemd aus Spinnenseide in der Hand. Auch darauf war ich sehr gespannt.

Der ewige Chunin 8

7.

Es war der dritte Morgen seit unserer Ankunft in Murata No-Son. Wir würden aufbrechen, so oder so, was vor allem Herr Kamura und seine Frau mit Bedauern aufnahmen. Kein Wunder, denn wir hatten nicht nur den geheimnisvollen Dieb entdeckt und eingefangen, wir hatten auch entdeckt, dass es zwei Diebe gewesen waren, und dass der zweite Dieb der gefährlichere der beiden gewesen war. Nun, vielleicht nicht gefährlicher, aber hinterlistiger, falscher, verbrecherischer. Ja, das konnte man so stehen lassen. Ich persönlich bedauerte Kurokos Tod nicht, der ihn ereilt hatte, als er meine Genin hatte hinterrücks attackieren wollen.

Apropos Genin: Die drei hatten am gestrigen Abend alle die Baumspitze erreicht, waren aber schon wieder beim Baum, um das Erreichte zu trainieren. Einerseits fand ich das lobenswert. Ein Ninja stand und fiel mit seiner eigenen Leistung, und die erwarb er sich durch Training. Andererseits war ich etwas besorgt, dass ich mitten auf der Strecke drei erschöpfte Genin würde tragen müssen. Eine kleine Sorge, zugegeben.

Es wäre natürlich klüger gewesen, gleich nach dem Frühstück aufzubrechen, um den Tag nutzen zu können, aber die Kamuras und ihre Freunde im Dorf hatten darauf bestanden, uns mit einem großen Mittagsmahl zu verabschieden. Ergo stand Frau Kamura mit ihren Freundinnen schon wieder in der Küche und arbeitete. Es wurde viel gelacht und gescherzt. Mit einem zufriedenen Blick besah ich mir die Szene in der Küche, glaubte für einen Moment sogar P-chan zwischen den Frauen zu sehen, während sie kochen half. Aber das war nicht möglich. Die Affenkriegerin ließ sich von den Genin ihre Fortschritte zeigen. Nein, das war nicht P-chan, es war... "Kishio!"

Eine der Gestalten mit Kopftuch, die lachend und scherzend in der Küche arbeiteten, sah auf, den Kopf in meine Richtung gedreht.

"Mamoru-sensei?"

Ich runzelte die Stirn. Ich war es nicht gewohnt, Männer kochen zu sehen. Nicht, wenn man wie ich aus einem Haushalt kam, in dem es bereits zwei perfekte Köchinnen gab, die ihre Küche und Position mit dem Leben verteidigten. Aber ich hatte in meiner Zeit als Shinobi oft genug selbst kochen müssen. Also wusste ich nicht, was mich mehr irritierte: Dass ein Mann kochte, oder dass er zwischen den Frauen nicht weiter auffiel, wenn man nicht genau genug hinsah. "Kann Frau Kamura dich entbehren?"

"Geh nur, Kishio-kun. Du warst uns schon eine große Hilfe", sagte Frau Kamura und schickte den jungen Mann mit einem Lächeln aus der Küche.

Während der rothaarige Junge auf mich zukam zog er das Kopftuch herunter. "Mamoru-sensei?"

"Du kannst gleich weitermachen, wenn du das möchtest", sagte ich und deutete auf den Raum, der uns als Wohnzimmer diente. "Ich möchte vorher nur einiges klären."

"Ja, Sensei."
 

Ich ließ mich am Tisch nieder und bedeutete Kishio, mir gegenüber Platz zu nehmen. Bedächtig sah ich den Jungen an. Er trug noch immer den Kochkittel. Und er war noch jung genug, um auf den ersten Blick als Mädchen durchzugehen. Ich ahnte ein klein wenig, welchen potentiellen Ärger ich mir mit ihm eingehandelt hatte. Gut so. Ich mochte Herausforderungen.

"Kochst du gerne, Kishio?"

Der junge Mann räusperte sich. "Ich habe so einiges gelernt in den letzten Jahren. Und wenn man wie ich viel allein ist, dann ist es nicht schlecht, es einigermaßen zu beherrschen. Es soll einen ja nicht nur vor dem Verhungern retten, wenn es geht soll es ja auch noch schmecken."

Ich musste schmunzeln. Der Bursche würde meiner Mutter sicherlich gefallen.

"Es wird nicht lange dauern", versprach ich erneut. "Und ich koche selber ab und zu, und das ziemlich gut, möchte ich behaupten."

Der Junge entspannte sich sichtlich. Hatte er mit einem Tadel gerechnet? Dann hatte er wohl gelernt, dass ich nicht auf Rollenklischees versteift war.

"Es geht um dich", sagte ich nachdenklich. Sofort versteifte sich Kishio.

"Nicht um dich in dem Sinne. Du hast deine Vergangenheit, Kishio Moeru, und ich respektiere, dass es deine Vergangenheit ist. Die Tätowierungen, die sich über deinen Körper verteilen, sind Symbole, die ich nicht kenne. Wenn du magst, kannst du mir etwas über ihre Bedeutung verraten, oder auch nicht. Es ändert nichts zwischen uns."

Für einen Moment wirkte der Junge nachdenklich. "Ja, Sensei", sagte er schließlich leise.

"Mir ist klar, dass du trainiert bist. Du schmiedest Chakra, beherrschst leidlich Step und kannst mit einigen Waffen umgehen. Nicht auf eine Weise, wie man manchmal Dinge lernen muss, weil es nicht anders geht, sondern auf die antrainierte Weise. Jemand hat es dir beigebracht. Zum Beispiel mit einem Messer umzugehen. Aber auch darüber brauchst du mir hier und jetzt nichts erzählen."

Kishio wurde wieder etwas steifer in seiner Haltung. "Sensei?"

"Oh, ich komme gleich zum Punkt. Ich weiß, dass du sensorische Fähigkeiten hast. Fähigkeiten, die meine hoffnungslos übertreffen. Das ist nicht schwer, denn die sensorischen Fähigkeiten waren nie meine Stärke. Sie waren immer ein nützliches Anhängsel für mich, und ich habe nie gelernt, sie merklich zu steigern."

"Wenn ich dir einen Tipp geben darf, Sensei, dann würde ich sagen, das liegt daran, dass..."

Ich hob einen Arm, um Kishio zum Schweigen zu bringen. Ein seltsames Gefühl. Ich war bestenfalls zwei Jahre älter als der Junge, und ich behandelte ihn, als wäre ich ein Jounin, und er ein mir zugeteilter Genin, mit all der Überheblichkeit, die ich an den erfahrenen Shinobi nie gemocht hatte. "Wir werden viel Zeit haben, um darüber zu sprechen. Es gibt eine Sache aus deiner Vergangenheit, die wir hier und heute bereden müssen, Kishio."

Die Anspannung wuchs. Ich erkannte keine Abwehrhaltung bei dem Jungen, aber ich sah seinen Augen an, wie er bereits sortierte, was er mir zu sagen bereit war, und was nicht.

"Kishio, als du ausgebildet wurdest, hat man da deine Chakranatur bestimmt?"

"Bitte, was?", fragte er verblüfft.

"Deine Chakranatur. Eine Affinität zu den fünf großen Kräften. Feuer, Erde, Blitze, Wasser, Luft. Das, was dich befähigt, entsprechende Jutsus zu bilden."

Für einen Augenblick sah er mich entgeistert an. Dann schlug er sich mit der Rechten sehr kräftig vor die Stirn. "Ach so! Und ich wundere mich immer, warum ich solche Sachen nicht nachahmen kann! Jetzt ist es ja klar..."

Ich musste schmunzeln. "Also hat man es nicht getan."

"Nein, ich war noch nicht weit genug in meiner Ausbildung, Sensei."

Aha, wieder ein Bröckchen mehr. Das machte mir Mut. Fröhlich zog ich einen Umschlag aus meiner Weste und öffnete ihn. Er enthielt ein Dutzend Papierbögen. "Na, dann wollen wir doch feststellen, über welche Natur du verfügst. Dies ist Chakra-Papier. Damit erkennen wir die Natur eines Menschen. Wenn ein Wasser-Nutzer es berührt, wird es nass. Bei einem Blitz-Affinen zerknittert es. Ein Katon-Nutzer, also ein Feuer-Nutzer, lässt es brennen. Bei einem Erd-Nutzer zerfällt es, und beherrscht du Fuuton, die Windkraft, zerreißt das Papier."

"Aha."

Ich sah die Skepsis in seinem Blick. "Also, ich mache dir das mal vor." Ich entnahm einen Bogen Papier und legte ihn auf den Tisch. "Jetzt pass gut auf. Du brauchst nicht viel Chakra, um..."

Die Stichflamme unterbrach mich. Sie hüllte fast den ganzen Tisch ein und hinterließ an der Decke einen dunklen Rußfleck. Entgeistert starrte ich auf die hauchdünne Asche, die gerade unter meiner Hand verwehte. Ich hatte wirklich nur ganz wenig Chakra benutzen wollen... Aber dann war ich auf Nummer sicher gegangen und hatte ein klitzeklein wenig mehr benutzt, nur damit Kishio den Effekt auch zu sehen bekam. Das war anscheinend schon zuviel gewesen.

Er sah mich aus weit aufgerissenen Augen an. "Himmel, was war das denn? Und warum hast du es im Haus gemacht?" Seine Augen weiteten sich noch ein wenig mehr. "Hast du dich verbrannt, Mamoru-sensei?"

"Äh, nein. Mein eigenes Feuer tut mir nichts, und wenn es noch so heiß ist. Hm, da habe ich wohl etwas viel Chakra geschmiedet. Ich gebe zu, es ist schon acht Jahre her, seit ich den Test das letzte Mal selbst gemacht habe. Eventuell habe ich mich ein wenig unterschätzt."

"So, so, ein wenig also", sagte Kishio, rückte aber wieder an den Tisch heran. "Wird das bei mir auch so schlimm werden?"

Ich lächelte. "Keine Ahnung, aber wohl eher nicht. Dein Chakra ist noch zu roh, zu ungeschliffen. Die eine oder andere Fähigkeit zu erlernen wäre genau das Richtige für dich, Kishio."

Ich zog ein weiteres Blatt hervor und legte es auf den Tisch. "Nur zu. Versuche es."

Zögernd legte er die Hand auf das Blatt. "Und jetzt?"

"Chakra schmieden."

Kishio schloss die Augen und konzentrierte sich.

"Ah, das ist interessant", sagte ich. "Nimm die Hand weg." Ich erstickte das brennende Papier mit meiner eigenen Hand. Wenn man lange genug so wie ich mit Feuer gespielt hatte, dann taten einem auch fremde Flammen nicht mehr so viel, solange sie nicht zu heiß waren. "Du bist also wie ich Feuer-affin. Ein Katon-Nutzer. Das ist gut."

"Feuer also? Warum ist das gut, Sensei?"

"Weil Feuer ja auch meine Hauptaffinität ist. Ich werde dir alles beibringen können, was ich weiß."

Die Augen des Jungen leuchteten auf. "Du bringst mir Feuer-Jutsu bei? Wirklich?"

"Das muss ich sogar. Wie willst du denn in der Gruppe mithalten, wenn du kein Ninjutsu beherrschst? Komm, schiebe den Küchendienst auf, und ich bringe dir dein erstes Katon bei. Es ist das Katon Endan, der Feuerball. Wir Katon-Nutzer erlernen alle dieses Ninjutsu als erstes. Ich zeige dir, welche Fingerzeichen du brauchst und was du tun musst. Dann schauen wir mal, ob du nicht bis zum Mittag was Neues lernst."

Freudig sprang Kishio auf. "Sofort, Sensei!" Er schälte sich aus der Schürze, griff nach seinem Hemd aus Spinnenseide und war schon halb aus dem Zimmer. "Wir gehen trainieren, Frau Kamura!"

"Ist schon recht."

Sehr gut. Die Wunden waren an ihm gut genug verheilt, sodass er sich wieder normal bewegen konnte. Er zeigte keine Beeinträchtigungen mehr. Wenn ich ihn nun noch ein wenig schonte, war er bald wieder gesund. Zum Glück war es nicht sehr weit bis zu Gentas Dorf.

"Ich habe den Tisch versengt und die Decke angekokelt, Frau Kamura", sagte ich.

"Ist in Ordnung. Ich habe es schon gerochen. Aber ich nehme an, es ist jetzt aus?"

Ich schluckte bei so viel Ruhe. "Ja, es ist aus."

"Dann mach dir keine Sorgen, mein Junge. Der Tisch ist eh alt, und die Decke gehört gestrichen."

"Danke, Frau Kamura."

"Ach, da nicht für. Trainiert schön, ja?"

Die Kamuras waren doch richtig nette Leute, fand ich.

***

Mit einer gehörigen Portion Stolz beobachtete Shinji, wie seine beiden Kameraden die große Pappel erklommen, indem sie den Stamm in aller Gemütsruhe hinauf stolzierten, anstatt wie zuvor daran hochzulaufen. Etliche Schnitte in der Rinde markierten ihre Steigerungen in den letzten beiden Tagen, zu denen er Kira und Mai angetrieben hatte. Dies tat er übrigens, während er kopfüber unter dem Ast einer Eiche klebte.

Neben ihm hing Perine-sama und beobachtete ebenfalls das Geschehen. "Das ist ja richtig gut. Und das alles in zwei Tagen", stellte sie fest.

"Tja, man muss die Dinge eben einfach nur richtig angehen. Für mich war es leicht, weil mein großer Bruder mit mir oft meditiert. Das hilft meiner Chakra-Kontrolle, sagt er immer. Was soll ich sagen, Onii-chan hatte Recht. Mai-chan war nach mir die Nächste, die es begriffen hat. Aber ihr ging immer bei halber Strecke die Puste aus. Und Kira wurde davon, der Letzte zu sein, so sehr angestachelt, dass er sich mal richtig Mühe gegeben hat. Sonst ist er ja nur mit halbem Herzen bei der Sache, aber diesmal hat er richtig Leidenschaft gezeigt. Finde ich."

Perine-sama lachte leise. "Mir ist klar, dass der richtige Weg, um Kira-kun anzutreiben, sein Ehrgeiz ist. Wenn er erst mal sieht, was er mit Fleiß und Anstrengung erreichen kann... Du siehst es ja selbst, in fünfzehn Metern Höhe."

Dort in der Krone der Pappel hatten Kira und Mai erneut die Spitze erklommen. Sie lachten vor Freude und hielten sich dabei an den Händen.

"Okay, das reicht!", rief die Affenkriegerin den beiden zu. "Wollen wir dem Training einen krönenden Abschluss verpassen?"

Die beiden Shinobi sahen zu ihr herüber. "Wie das?", fragte Mai.

Perine-sama deutete nach Osten, wo sich in mehreren Kilometern Entfernung eine Felswand erhob. Sie ragte steil und mit etlichen Überhängen fast zweihundert Meter in die Höhe. "Wollen wir da rauf klettern?"

"Also, ich bin dabei!", rief Kira freudig, stieß sich von der Pappel ab und landete auf beiden Beinem und einem Arm am Fuß des Baums.

Mai war nicht ganz so enthusiastisch. "Ist das nicht etwas zu schwierig? Und außerdem, wenn man hier fällt, fangen einen die Äste auf. Da aber fängt einen nichts auf."

Perine-sama rollte die Augen. "ICH fange euch auf, versprochen. Also, bist du dabei, Mai-chan?"

Zweifelnd warf sie einen weiteren Blick zur Felswand. "Und du bist sicher, wir haben die Zeit? Was, wenn Sensei uns frühzeitig zurückruft?"

Irgendwo südlich von ihnen erklang eine Detonation. Eine Stichflamme erschien über den Baumkronen, die sich aber rasch verlor. Die drei Genin starrten entgeistert auf die Rauchwolke, die anstelle der Explosion langsam verwehte.

"Oh, keine Sorge, bis zum Mittag ist der beschäftigt, wie es aussieht", sagte sie wissend. "Kommt, beeilen wir uns."

"Ja, Perine-sama."

An der Spitze der Genin-Gruppe diktierte Perine die Geschwindigkeit beim Step. Mai war die Letzte, die ihr folgte. Zweifelnd sah sie die Felswand an, während die Genin ihr immer näher kamen.

***

"Ist das nicht ein klein wenig hoch?", fragte Mai zögerlich. Vom Fuß der Felswand aus wirkte sie gleich noch mal eine ganze Ecke höher, und wesentlich bedrohlicher als aus der Ferne. Sie betrachtete die fast senkrechte Wand und die vielen Vorsprünge, die es zu überwinden galt. "Was, wenn einem von uns mittendrin das Chakra ausgeht?"

"Ach komm, Mai. Du wirst doch nicht kneifen?", rief Shinji enthusiastisch. "Ich meine, wenn wir diese Wand hochkommen, sind wir einen Riesenschritt weiter, um auf Wasser laufen zu lernen!"

Kiras Augen begannen zu leuchten, als er das hörte. "Genau! Das bisschen Felsen hier, das ist doch nur ein kleines Hindernis! Das schaffen wir! Wir haben so lange trainiert, so hart gearbeitet..."

"Aktuell habt Ihr zwei Tage hart gearbeitet", erinnerte Perine.

"Aber sehr, sehr hart in den zwei Tagen", erwiderte Kira trotzig.

Die Affenkriegerin lächelte. "Das ist unbestritten. Also, meine Genin, lasst mich die Früchte eurer Arbeit sehen."

"Sofort, Sensei!", rief Shinji, nahm Anlauf, und begann, die fast senkrechte Wand hinauf zu laufen.

"Ich auch!", rief Kira aufgeregt, nahm Anlauf, und folgte dem Freund.

"I-ich auch!", rief Mai. Sie überwand sich, nahm Anlauf und sprang auf die Wand. Dort angekommen konsolidierte sie ihren Chakra-Fluss und begann ebenfalls zu laufen. Das war vollkommen anders als auf dem Baum zu laufen. Es war... Besser. Leichter. Aber auch höher. Sie lief nicht mit voller Kraft, weil sie Angst hatte, dass sie sich zu schnell verausgaben würde. Über ihr wurden Shinji und Kira immer kleiner, aber sie wurde mit jedem Schritt sicherer. "He, Jungs! Wartet auf mi...!" Sie stockte mitten im Lauf. Oh nein, nicht hier, nicht jetzt, nicht an dieser Stelle, einhundert Meter über dem Boden! Ihre Kraft verließ sie, schien geradezu aus ihr herauszuströmen. Sie schaffte es nicht mehr, Chakra in ausreichendem Maße zu schmieden und in ihre Füße zu senden. Sie fühlte sich, als würde ihr Herz aussetzen.

Beinahe konnte sie dabei zusehen, wie ihre Füße den Halt zur Felswand verloren. Wie sie, den Kopf voran, in die Tiefe stürzte. Hatte sie ihre Schwäche also doch erwischt, und das zur schlimmsten aller Zeiten. Sie war kraftlos, absolut kraftlos, unfähig zu atmen, geschweige denn sich zu bewegen. Sie fiel. Einhundert Meter in die Tiefe. Das war dann wohl Schicksal.
 

"MAI!", hörte sie Shinji rufen. Er war umgekehrt und rannte mit allem was er hatte zurück zu ihr, während sie die Felswand hinab stürzte. Dabei wurde er von Kira überholt, der noch ein ganzes Stück schneller war als der dickliche blonde Shinobi.

Er rannte auf sie zu, sprang, und bekam ihre Hände zu fassen. Dabei versuchte er, mit seinen Füßen wieder Kontakt auf dem Felsen zu bekommen, um sein Chakra einsetzen zu können. Aber es gelang ihm nicht.

Nun war Shinji heran, sprang ebenfalls, umfasste die beiden und drehte die Gruppe so, dass er als Erster aufschlagen musste. Er wollte sie retten und sich selbst dabei opfern.

Nein!, schrie es in Mai. Nicht für sie, nicht für diesen Grund und nicht hier! Sie wollte es sagen, schreien, wollte etwas, irgendetwas tun, aber ihr fehlte die Kraft. Ihr Wille focht mit ihrem Körper, aber sie war reduziert darauf, eine bloße Puppe zu sein! Wegen ihr würde Shinji sterben! Tränen füllten ihre Augen.

"Nein, du Idiot! Ich...!", rief Kira, der mit Shinjis Handeln auch nicht einverstanden war.

Doch da war es schon zu spät. Ein heftiger Ruck durchfuhr alle drei.
 

"Nett, wirklich nett, euer Zusammenhalt und so", sagte Perine mit spöttischem Tonfall in der Stimme. "Aber euer Gedächtnis ist schon etwas kurz, oder?"

Mai blinzelte. Die Affenkriegerin hatte sie alle drei aufgefangen. Sie klebte an der Felswand, und in genau diesem Moment ging sie, alle drei haltend, zum Boden zurück.

"Ich habe euch doch gesagt, ich fange euch auf." Sie erreichten den Boden, und die Affenkriegerin setzte sie ab. "Shinji, Kira, tretet beiseite." Sie legte ihre sanften, warmen Hände auf Mais Körper. Beinahe sofort durchfuhren den Körper der Genin wohlige, warme Schauer. "Habe ich es mir doch gedacht. Kein Chakra mehr. Du hast dich überanstrengt, Mai-chan."

"Sensei", fragte Shinji in fast weinerlichem Tonfall, "wird sie wieder?"

"Keine Sorge. Gleich ist sie wieder fit wie ein Fisch im Wasser. Nur klettern sollte sie heute nicht mehr." Perine sah Mai in die Augen. "Willst du es ihnen nicht langsam mal sagen?"

Mai erschrak bei diesem Gedanken. Ihnen berichten, von ihrer Krankheit, von ihrer Schwäche? Von ihren potentiellen Fehlern? Ihr Vertrauen enttäuschen, sie enttäuschen? "I-ich... Ich..."

"Gut, sie kann wieder sprechen. Das ist ermutigend", kommentierte Perine.

"Will uns was sagen?", fragte Kira argwöhnisch.

"Nicht so wichtig, Kira-kun", wiegelte die Affenkriegerin ab.

Aber Mai legte eine Hand auf ihren Unterarm. "Es ist gut."

"Oh, die Hände kannst du auch schon wieder bewegen. Ja, es geht voran."

Mai schüttelte nachdrücklich den Kopf. "Nein, die andere Sache ist gut."

Sie atmete tief durch, sah ihre beiden Kameraden an, und dann begann sie die ganze Geschichte zu erzählen. Auch wenn Shinji und Kira sie fortan hassen würden.

***

Wir erreichten eine große Lichtung. Und mit groß meinte ich wirklich groß. Sie durchmaß über achtzig Meter, und die Stumpfe abgeschlagener Bäume sagten uns, wie sie entstanden war. Hier hatten Eichen gestanden. Zweifellos waren sie mittlerweile Möbel-, oder Bauholz. Zum Glück hatten die Holzfäller noch nicht mit dem Wiederaufforsten begonnen, sodass das Einzige, was ich hier in Brand setzen konnte, das Gras war.

"Ich führe es dir einmal vor", sagte ich zu Kishio, der mit großer Erwartung mit seinen Blicken an mir hing.

"Katon: ENDAN!" Ich sammelte Öl in meinem Mund, das metaphorisch für mein geschmiedetes Chakra stand, spie es aus und entzündete es dabei mit meinem Katon-Talent. Das Ergebnis war ein Feuerball von einer Größe, der durchaus als Dai Endan, die große Version dieser Kunst, durchgehen konnte, und der mit einem gewaltigen Rumms auf der Wiese einschlug. Mist, wieder übertrieben. Das war in mehrerlei Hinsicht ärgerlich, denn es gehörte zu den Fähigkeiten eines Shinobi, seine Ninjutsu wohldosiert einsetzen zu können. Aber in letzter Zeit nutzte ich immer viel zu viel Chakra bei meinen Katon-Jutsu. Ich reduzierte und reduzierte, bis ich meinte, das ich kaum noch genügend Chakra für das Jutsu übrig hatte, aber es kam immer noch so etwas heraus. Mir war klar, dass das vor allem daran lag, dass ich mein Chakra immer besser kontrollieren konnte. Und jetzt, wo mich Asuma die Windnatur lehrte, würde sie noch besser werden, und ich würde noch weniger Chakra verbrauchen, um ein einfaches Endan zu erzeugen. Spätestens vorletzte Nacht, als ich Gast der Spinnen gewesen war, war mir das klargeworden. Ich musste selbst einige Zeit üben, um wieder mit meiner Kraft umgehen zu können. Außerdem war da noch das Fuuton-Jutsu, das Asuma mir gezeigt hatte, und das ich dringend trainieren musste.

"Soll ich es dir noch mal zeigen?", fragte ich den Jungen.

Kishio schreckte auf. Anstatt mir zuzuhören, war er schon eifrig dabei, meine Technik zu imitieren. "Äh, was?"

"Nichts, schon gut. Mach weiter so. Du scheinst auf einem guten Weg zu sein. Ich werde derweil drüben am anderen Rand der Lichtung ein Wind-Jutsu einüben, das ich neulich erlernt habe."

"Meinst du denn, ich kann das alleine?", fragte Kishio unsicher.

"Oh, du hast schon eine kleine Flamme erzeugt. Das reicht vollkommen. Jetzt musst du daran arbeiten, dass das Entzünden des Öls, also des Chakras, für dich normal wird. Dann wirst du die Stärke heraufsetzen müssen. Das ist vor allem eine Konzentrationsfrage und eine Sache des Willens. Falls du Fragen hast, ruf einfach. Aber eigentlich heißt für dich die Devise jetzt: Probieren, probieren, probieren."

Immer noch ein wenig unglücklich sah Kishio mich an. "Okay, ich probiere es." Er wandte sich um, sah in Richtung der Bodensenke, die mein Endan geschlagen hatte, und versuchte sich erneut am Endan.
 

Ich beobachtete ihn bei den ersten Versuchen recht zufrieden. Wer immer ihn trainiert hatte, hatte großartige Grundlagen geschaffen, damit er eines Tages ein erstklassiger Ninjutsu-Anwender werden konnte. Dann aber hatte einfach niemand weiter mit ihm gearbeitet. Das unterschied ihn frappierend von meinen Genin. Das verschaffte ihm einen großen Vorteil ihnen gegenüber. Ich hatte keine Zweifel, das er relativ fix zu ihnen aufschließen würde. Wahrscheinlich würde er sie überholen, wie es seinem Alter entsprach. Aber erst einmal musste ihm ein Katon Endan gelingen.

Ich nickte zufrieden, bevor ich mich auf den Weg in meine Ecke der Lichtung machte.

Als Asuma mir die neue Technik gezeigt hatte, war ich begeistert gewesen. Ich kannte seine Windklingen, mit denen er seine Chakramesser unsichtbar auf das Doppelte verlängern konnte und hatte deshalb schon eine Ahnung davon gehabt, was man mit Wind-Jutsu alles anstellen konnte. Aber niemand hatte mich auf das Fuujin no Jutsu vorbereiten können. Diese Technik, die einen tödlichen Strahl aus Staub erzeugte, der alles zerstörte, was er traf, war einfach atemberaubend und zerstörerisch. Eingestuft war diese Kunst als A-Klasse, und mir war klar, wie lange ich üben musste, um die Technik auch nur halb so gut wie Asuma zu beherrschen. Ich war damit in der gleichen Lage wie Kishio und meine Genin. Ich musste meine Fuuton-Künste von Grundauf erwerben. Allerdings hatte ich mir fest vorgenommen, meinen Wind-Nutzern das Fuujin noch nicht beizubringen. Es war etwas zu zerstörerisch, und ihre Chakra-Nutzung war noch lange nicht ausgereift.

Das änderte nichts daran, dass ich viel zu üben hatte, um es im Kampf nutzen zu können.

Ich formte die Fingerzeichen, konzentrierte mich, visierte einen alten, umgestürzten Baum an. "FUUJIN NO JUTSU!" Der Staubstrahl, den ich ausspie, hatte mit dem tödlichen Orkan Asumas nicht viel zu tun, und auch die Reichweite war nicht gerade berauschend. aber es reichte für die Distanz von fünzehn Metern bis zum Baumstamm. Und das Jutsu hinterließ da, wo es den Baum traf... Nichts. Als wäre da nie etwas gewesen, als hätte der umgestürzte Baumriese schon immer diese Kerbe getragen. Sie war nicht groß, vielleicht eine Handspanne weit. Aber sie war ein sichtbares Zeichen meines Erfolges. Meine ersten Versuche waren nicht über die Länge eines Kunais hinaus gegangen. Dennoch, wenn ich Asuma als Maßstab nahm, brauchte ich ein gutes Jahr, um annähernd so effektiv zu sein wie er. Es im Kampf einsetzen konnte ich auch noch nicht wagen. Ich brauchte noch zu lange, um die Fingerzeichen zu formen und Fuuton-Chakra zu schmieden. Aber das war alles eine Frage der Übung. Wieder einmal.

Ich seufzte und probierte es erneut. "FUUJIN NO JUTSU!"

Das Loch, das der Strom aus Mahlstaub hinterließ, unterschied sich nicht besonders vom ersten. Ich wusste, mir stand ein langer Weg bevor.
 

Kurz vor Mittag war mein Jutsu noch immer nicht zerstörerischer geworden, aber ich hatte die Reichweite leicht erhöhen können, und das Schmieden von Fuuton-Chakra fiel mir ein klein wenig leichter. Tja, wenn man nur beharrlich genug blieb.

Auch Kishio machte gute Fortschritte. Hätte er bis zum Abend Zeit gehabt, hätte er eventuell ein Endan hinbekommen, das ich als solches hätte durchgehen lassen. Aber auch so waren seine Fortschritte beachtlich.

"Sie kommen", sagte er unvermittelt.

Ich schrak aus den Vorbereitungen meines zweihundertsten Versuch auf. "Eh?"

"Die Genin und Perine-sama", sagte er. "Sie kommen hierher. Es ist etwas passiert."

"So, so." Da Perine bei ihnen gewese war, konnte es nicht schlimm gewesen sein. Dachte ich zumindest, bis ich sie selbst erfasste und erkannte, dass Mai getragen wurde. Nun war ich doch etwas besorgt.

Ich kam zu Kishio zurück, und kurz darauf traten die vier auf die Lichtung.

Perine lächelte mich an, und Mais Chakra-Fluss war stabil. Vielleicht war es doch nicht so schlimm.

"Wo wart Ihr?", fragte ich.

"An der Felswand. Klettern üben. Mai-chan hatte auf halber Strecke einen Schwächeanfall. Die Jungs wollten sie auffangen, und ich habe sie alle drei aufgefangen."

Ich hätte jetzt darüber reden können, dass Mai einen Schwächeanfall gehabt hatte, so wie sie immer befürchtet hatte. Ich hätte darüber reden können, dass Kira und Shinji dabei versagt hatten, die abstürzende Mai zu retten, und dass sie dafür Perines Hilfe gebraucht hatten, was durchaus angebracht gewesen wäre. Stattdessen entschied ich mich für den positiven Aspekt der Geschichte, damit die beiden Jungs nicht noch verlegener wurden.

"Auf halber Strecke? An dieser Felswand?" Ich kratzte mich gespielt erstaunt am Ansatz meines Stirnbandes. "Junge, Junge. Für jemanden, der erst seit zwei Tagen weiß, wie man Chakra in die Füße schickt, ist das eine solide Leistung. Ich gratuliere."

Mai wurde rot. "D-danke, Sensei."

"Das ist doch noch gar nichts!", rief Shinji begeistert. "Ich meine, wäre ihr nicht unterwegs das Chakra ausgegangen, wäre sie bis zur Spitze gekommen! Ich war schon fast da, und Kira nur kurz hinter mir!"

Das war in der Tat eine beachtliche Leistung der drei Genin. "Herausragend. Ich habe große Hoffnungen in euch drei. Wenn Ihr so weitermacht, lernt Ihr das Wasserlaufen vielleicht sogar ohne fremde Anleitung. Ihr wisst ja, eine gute Chakra-Kontrolle ist das A und O für einen Ninja, und speziell für seine Ninjutsu."

Ich nickte Perine unmerklich anerkennend zu. Sie hatte ihre Aufgabe hervorragend erfüllt. Aber einen schmerzhaften Punkt musste ich dennoch anschneiden, jetzt nach dem Zuckerbrot.

"Der Schwächeanfall, Mai-chan...", begann ich vorsichtig.

Sie wirkte recht kleinlaut, als sie antwortete. "I-ich habe Kira und Shinji alles gesagt. Von meinem Krankenhausaufenthalt und meinen Schwächeanfällen und so. Ich habe nichts ausgelassen. Und jetzt sind sie... Sind sie..." Sie verstummte und schluckte hart.

"Ist ja wohl auch wahr", sagte Shinji verstimmt. "Das hättest du uns ruhig erzählen können. Als wenn wir dich in Stich lassen würden, oder sowas."

"Hast du eventuell geglaubt, wir würden dich als Last empfinden?", sagte Kira mit ärgerlichem Ton in der Stimme. "Mai-chan, wir sind Kameraden. Jeder von uns hat seine Fehler und Schwächen. Dass wir deine akzeptieren, ist doch wohl klar. Vor allem, nachdem wir zusammen so viel erlebt haben wie sonst in einem Jahr an der Akademie. Wir sind ein Team!"

Freudige Röte huschte über Mais Wangen. "Danke, Jungs", hauchte sie. "Perine-sensei, lässt du mich bitte runter? Ich kann wieder alleine gehen."

"Da ist auch wichtig. Immerhin wollen wir nach dem Essen sofort aufbrechen." Ich runzelte die Stirn. "War es ein Schwächeanfall?"

"Nein, eigentlich nicht. Ihr Chakra war plötzlich alle. Das war alles. Mehr habe ich nicht erkennen können", sagte Perine nachdenklich.

Kishio hielt dem Mädchen ein Stück Tuch hin, in dem etwas eingewickelt war. "Das kenne ich. Der Blutzucker war zu gering. Ist meinem Onkel häufig passiert, und deshalb hatte er immer was zu essen dabei."

"Danke." Mai nahm das Tuch entgegen, wickelte es aus und entdeckte darin eingewickelt eine Zuckerstange. "Hä?"

"Ha-hat mir Frau Kamura geschenkt, weil ich gestern in der Küche geholfen habe. Nimm nur, ich habe noch eine", sagte er und wandte sich von dem Mädchen ab, damit sie nicht sehen konnte, wie peinlich ihm die Geschichte war.

"Blutzucker?", fragte ich. "Perine, denkst du, er hat Recht?"

"Es würde zumindest einiges erklären. Auch deine früheren Anfälle, Mai-chan. Du solltest immer was Süßes bei dir haben, denke ich."

Das Mädchen nickte bestätigend, während sie an dem Zuckerstück zu lutschen begann. Mit Mühe hielt sie ihre Tränen zurück. "Dange", murmelte sie noch einmal mit vollem Mund.

Derweil klopften Kira und Shinji ihre Taschen auf der Suche nach weiteren Süßigkeiten ab. Besonders Shinji hätte dabei fündig werden können, aber anscheinend hatte er seine Ration bereits weggeputzt. Kira hatte etwas mehr Erfolg und zog einen Bonbon hervor. Aber leider war das Einwickelpapier weich geworden und pappte nun an der Zuckermasse. Nichts, was man einem Mädchen schenkte. Die beiden sahen sich ernst an und nickten. Ich ahnte schon, dass sie in Zukunft immer irgendetwas zu essen mit sich tragen würden, damit sie es Mai schenken konnten. Sehr gut. Auf diese Weise hatten sie für den Notfall auch etwas für sich selbst dabei.

"Was habt Ihr hier eigentlich gemacht?", fragte Perine mit einem Blick auf brennendes Gras und die deutlich sichtbaren Kerben im umgefallenen Baum.

Ich räusperte mich und bedeutete ihr, den Baum zu ignorieren. "Kishio hat Katon Endan trainiert. Kishio, zeig uns mal das Resultat deines Trainings."

"Soll ich wirklich?", fragte er ein wenig ängstlich. "Aber es ist noch nicht gut."

Ich schüttelte den Kopf. "Nimm nicht mich als Maßstab. Das wäre etwas viel verlangt. Ich trainiere das Endan seit sieben Jahren. Du erst seit ein paar Stunden."

Das schien ihn zu überzeugen, wenn auch nicht ganz. Nun, niemand blamierte sich gerne, und natürlich wollte Kishio vor den Genin gut dastehen, nachdem sie sich mit ihm gestern so vorbildlich solidarisiert hatten.

"KATON! ENDAN!", rief er und spie den Feuerstoß aus. Er erreichte etwa eine Länge von drei Metern bei einem Durchmesser von etwa einem halben Meter.

Shinji sah den Jungen entgeistert an. "Und du kannst das wirklich erst seit heute? D-das ist... Beachtlich!"

Kira war ein wenig blass geworden. "Doch, ganz annehmbar. Wenn man bedenkt, dass du älter bist als wir, sollte man das aber auch erwarten."

Nur Mai hielt nicht mit Lob zurück. "Kishio, das war super! So ein großes Endan von einem Totalanfänger ist doch eine Riesenleistung! Wenn du lang genug übst, machst du vielleicht auch so große Flammenstöße wie Sensei!"

Das große Lob ließ ihn lächeln, aber dann sah er mich mit zweifelndem Blick an. "Ich kann das irgendwie nicht ganz glauben. Sein Endan hat so eine große Reichweite und so viel Kraft..."

Perine begann zu kichern. "Es ist alles eine Frage der Übung. Habt Ihr eigentlich schon Mamorus Dai Endan gesehen?" Sie deutete nach Süden, wo der Baum lag, den ich eingekerbt hatte. Eine bessere Gelegenheit, die Beweise unauffällig verschwinden zu lassen bekam ich wohl nicht. Ich konnte Mai und Shinji ja wohl schlecht ein A-Klasse-Jutsu beibringen, mit dem sie sich womöglich noch selbst umbringen würden.

"Wollt Ihr mein Dai Endan sehen?", fragte ich gutgelaunt.

"Zu Studienzwecken wäre das sinnvoll", sagte Kishio zurückhaltend. Zweifellos befürchtete er eine gesteigerte Erwartungshaltung, wenn ich zu sehr vorlegte. Immerhin, ich trainierte mein Katon schon seit einer gefühlten Ewigkeit.

"Ich will es sehen!", rief Shinji aufgeregt. "Damals beim Kampf um die Glöckchen hast du ja nur dein Endan gezeigt!"

"Hm, da bin ich aber wirklich gespannt, Sensei. Sollten wir sicherheitshalber die Lichtung verlassen?", fragte Kira. Es wirkte spöttisch, aber da war kein Spott in seiner Stimme gewesen. Wie interessant.

"Nein, die Lichtung verlassen braucht Ihr wohl nicht. Aber stellt euch hinter mich."

Gehorsam traten die Genin, Perine und Kishio hinter mich

"KATON! DAI ENDAN!" Ich spie das entzündete Öl aus. Da ich eine Show bieten wollte, strengte ich mich leidlich an. Das Ergebnis war eine Feuerlohe, die über fünfzig Meter weit reichte und einen Durchmesser von beinahe zehn Metern am stärksten Punkt hatte. Zum Glück hatte ich mich diesmal nicht verkalkuliert und den Waldrand verschont. Aber zwischen mir und dem Ende des Dai Endan hatte ich alles zu Asche verbrannt. Auch den Baumstamm mit den verräterischen Fuuton-Spuren. Ach ja, das erinnerte mich daran, dass ich mit Mai und Shinji noch ein einfaches Fuuton trainieren wollte. Heute Abend, bei unserer ersten Rast.

"Das war beeindruckend, Mamo-chan. Aber warum hast du dich zurückgehalten?", fragte Perine mit einem Augenzwinkern.

"Ich wollte halt nicht den ganzen Wald anstecken. Herr Kamura wäre sicher nicht erfreut, wenn ich ihm einen Hektar Holz wegbrennen würde."

"D-das war zurückgehalten?", fragte Kira ungläubig. "Also, da will ich aber nicht reingeraten."

"Das solltest du auch besser nicht", sagte Shinji, der sich vor Begeisterung fast überschlug. "Weil, man sagt, Senseis Feuer ist eines der heißesten in ganz Konoha! Sieh nur, alles ist Asche! Sogar der Baumstamm, der da lag, ist weg! Oh, ich wünschte, ich wäre auch ein Katon-Nutzer! Dann könnte ich das von Sensei lernen!"

"Du kannst ja Katon als zweite Natur trainieren", stichelte Mai. "Ich habe mir sagen lassen, dass es von einem Jounin erwartet wird, mindestens zwei Naturen zu beherrschen. Und du willst doch Jounin werden, nicht?"

"Ich will das auch lernen!", sagte Kira hastig. "Wenn man zwei Naturen braucht, und Feuer ist sehr eindrucksvoll!"

"Und wie willst du dein Raiton mit Katon kombinieren, Dummkopf?", fragte Shinji tadelnd.

"Das wirst du schon sehen, Dicker! Ich werde einfach neue Jutsu erschaffen!"

Ich klopfte den beiden auf die Schultern, bevor es in einem Streit ausarten konnte. "Verschieben wir das. Lasst uns zurückgehen. Gleich ist Essenszeit."

"Ja, Sensei", murrten sie.

Als wir gingen, starrte Kishio noch immer auf die Stelle, an der mein Dai Endan eingeschlagen war. "Kommst du?", rief ich.

"J-ja, Sensei!" Hastig schloss er zu mir auf. "Kann ich das auch mal lernen?", fragte er aufgeregt.

"Wenn du hart und lang genug trainierst, sicherlich."

"Das werde ich!", versprach er. "Garantiert, Sensei!"

Innerlich musste ich grinsen, während ich nach außen nur lächelte. Kishios angefachter Ehrgeiz würde es sein, der auch meine Genin mit sich reißen würde. Mehr und mehr entpuppte es sich als gute Idee, Kishios Begleitung zu akzeptieren. Aber ich wartete auf die negativen Momente. Sicher würden sie irgendwann einmal kommen. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass es so perfekt und so gut laufen konnte. Zumindest nicht für immer und überall.

***

Nach einem üppigen Mittagsmahl, das nebenbei auch noch sehr exzellent war, brachen wir schließlich auf. Die Verabschiedung durch das Dorf Murata No-Son war spektakulär und hatte Volksfeststimmung. Besonders der Dorfvorsteher und seine Frau, die Kamuras, waren bei der Verabschiedung solange beharrlich, bis wir verprochen hatten, auf dem Rückweg noch mal für ein oder zwei Nächte vorbei zu schauen. Verabschiedet wurden wir mit viel Lärm und guten Wünschen für unsere weitere Reise.

Als wir das Dorf weit genug hinter uns gelassen hatten, ließ ich halten.

"Kira?"

"Ja, Sensei?"

"Dein Auftritt."

"Wie, mein Auftritt? Habe ich was verpasst?", fragte er irritiert.

"Na, dein Auftritt halt."

"Ich komme da nicht hinterher, Sensei. Wieso mein Auftritt?"

"Mensch, bist du langsam", sagte Shinji tadelnd. "Du sollst Kuzomi beschwören! Die Zeit ist um, sie ist wieder geheilt, und sie soll ja laut ihrem Vater was bei uns lernen."

Er hieb sich mit der flachen Hand an die Stirn. "Ach, Kuzomi beschwören. Ich wusste doch, das ich noch was vorhatte!" Er biss sich in den Daumen, quetschte etwas Blut hervor und drückte die Hand auf den Boden. "Kuchiose no Jutsu!"

Die charakteristische Rauchwolke entstand. Als sie sich verzogen hatte, stand ein blasses junges Mädchen zwischen uns. Wobei ich feststellen musste, dass der Kontrast der tiefschwarzen Haare und der nicht kränklich blassen, sondern vornehm weißen Haut sehr interessant war. Sie trug Hosen, einen Pullover und eine grüne Weste im Stil Konohas. Reisekleidung.

"Kira-sama!", rief sie aufgeregt und fiel dem jungen Yamada um den Hals. "Du hast Wort gehalten! Oh, ich weiß, wir werden viel Spaß haben auf der Reise!"

"Kuchiose nu Jutsu", sagte ich mit trockener Stimme. Aus meiner Beschwörung trat Kuzoko hervor.

Wie ich jetzt im Tageslicht erkannte, waren ihre langen Haare hellbraun, und ihre Augen hatten ein angenehmes gelbgrün. Sie trug fast die gleiche Kleidung wie ihre kleine Schwester, aber während die grün bevorzugte, waren Kuzokos Sachen schwarz.

"Kuzoko-chan? Was machst du denn hier?", fragte Kuzomi verdutzt.

"Das hat dir Vater wohl nicht gesagt, was?", spöttelte sie. "Ich bin hier, um auf dich aufzupassen."

"Um auf mich aufzupassen?", fragte sie beinahe beleidigt. "Aber ich habe doch schon Kira-sama!"

"Den du übrigens langsam mal wieder loslassen kannst!", sagte sie mit ärgerlicher Stimme. "Ja, um auf dich aufzupassen. Auf dich und auf diesen Menschen. Ist dir das gar nicht peinlich, mitten in der Öffentlichkeit von einem Mädchen umarmt zu werden?"

Kira runzelte die Stirn. "Hä? Sollte es das?"

Kuzoko wurde rot. "I-i-ist er etwa...?"

"Ahahahaha", lachte Shinji gekünstelt, trat an die größere Schwester heran und zog sie mit sich. "Ich glaube, ich muss dir was erklären, Kuzoko-chan."

Sie war neugierig, deshalb ging sie mit. Aus der Unterhaltung der beiden hörte ich ihre Antworten laut zu uns herüber schallen.

"Echt jetzt?"

"Gibt es so einen überhaupt?"

"Wie, er versteht es nicht?"

"Was?"

"Wie, er hängt hinterher?"

Als sie zurückkehrten, hatte sich Kuzokos Stimme merklich aufgehellt. Aber nur für einen Moment. "Jetzt kannst du ihn aber mal loslassen, Schwesterchen."

"Was? Oh, gar nicht gemerkt. Das hat sich so gut angefühlt." Sie löste die Umarmung und lächelte Kira verschmitzt an. Dabei blitzte einer ihrer Reißzähne über der Unterlippe auf. "Nicht, Kira-sama?"

"Es war auf jeden Fall warm", erwiderte er, sichtlich mit der Situation nicht vertraut.

"Wir werden euch also begleiten, um zu prüfen, ob du als permanenter Kontraktpartner der Spinnen in Frage kommst, Kira", sagte Kuzoko mit ernster Stimme. "Und meiner Meinung nach besteht da nicht viel Hoffnung.

"Onee-chan, hast du nicht was vergessen?"

"Wie, was vergessen?", fragte sie verdutzt.

"Sicher, Kira-sama ist nur ein provisorischer Kontraktpartner, aber er ist ein Kontraktpartner. Und du weißt, was das bedeutet."

"Äh, wir müssen doch nicht formeller als das Protokoll werden, Kuzomi-chan..."

"Das sagst ausgerechnet du, Onee-chan?"

"Ich bin sicher, ab und an eine Ausnahme schadet nicht."

"Onee-chan, du lässt es an Respekt missen."

"Dass DU das eines Tages mal zu MIR sagen würdest..."

"Onee-chan!"

"Gut, gut! Ich habe es ja verstanden." Ärgerlich sah sie zu Kira herüber, der unwillkürlich einen halben Schritt zurücktrat.

"K-kira... Kira-sama! So, Kuzomi-chan, bist du jetzt zufrieden?"

Lächelnd deutete die kleine Schwester auf mich. "Hast du nicht was vergessen? Zum Beispiel, wer dich beschworen hat?"

Ärgerlich sah sie die Jüngere an. Dann sah sie zu mir. War das möglich, dass da etwas Respekt in ihren Augen schimmerte?

Sie sank auf das linke Knie und stemmte die rechte Faust auf den Boden. "Verfüge über mich, Morikubo-sama."

"Mamoru reicht", sagte ich, peinlich berührt. "Du bist nicht mein Schüler."

"Ich bevorzuge Mamo-chan, Kuzoko-chan", half Perine lächelnd aus.

"Mamo-chan? Ist das nicht respektlos gegenüber dem Kontraktnehmer, Perine-tono?"

"Meinetwegen auch Mamo-chan", sagte ich.

"Also, ich finde Mamo-chan toll!", rief Kuzomi.

"Für dich heißt das Mamoru-sensei. Immerhin hat dich mein Schüler beschworen."

"Oh. Ach ja. Mamoru-sensei also. Klingt doch auch nicht schlecht."

Ich lächelte zufrieden. "Gut. Da wir nun alles geklärt haben, ziehen wir weiter. Ich will heute noch ein Gasthaus an der Grenze zum Land der Reisfelder erreichen."

Verstohlen beobachtete ich Kishio, als ich das sagte, aber der Name des fremden Landes löste keine Reaktion bei ihm aus.

"Gehen wir."

"Jawoll, Sensei!", rief Shinji und streckte eine Faust in die Luft. Erstaunlicherweise folgten ihm die anderen dabei.

Na, das versprach ja eine mehr als lustige Reise zu werden.

***

Mit einem Stirnrunzeln betrachtete Amir die zehn Meter große, unregelmäßige Grube, die von mehr als zwei Dutzend Spreng-Tags ausgehoben worden war. Die Spezialisten waren noch dabei zu recherchieren, was hier passiert war, aber es hing eindeutig mit dem Verschwinden der beiden Getsugakure-Jounin Maria und Hassin zusammen. Diese Stelle hier, und noch ein Dutzend weiterer.

Er wandte den Kopf, als Khal an ihn herantrat. Dabei übergab er einen gut verschnürten Mann an die Verhörspezialisten. Der Bursche war eindeutig ein Nukenin.

"Gibt es etwas Neues?", fragte Amir den Riesen.

"Wie man es nimmt. Es scheint so, als wären Maria und Hassin eher zufällig über diese Nukenin gestolpert. Aber sie hatten es in sich. Wir haben bereits einige Gräber exhumiert, die von ihren Opfern stammen. Wir haben aber auch Gerippe von Toten in en Wäldern entdeckt. Sie müssen sie getötet und dann einfach liegengelassen haben. Eine verrückte Bande, wenn du mich fragst."

"Warum hat man Wahnsinnige dieses Kalibers nicht schon längst ausgelöscht? Sie müssen hunderte Menschen und Shinobi getötet haben."

"Das ist die zweite Neuigkeit. Sie haben ein kleines Seitental beschützt, in dem sie ein ganzes Dorf dazu gezwungen haben, eine Drogenpflanze anzubauen, die sie anschließend über dunkle Kanäle in die halbe Welt verkauft haben. Die Menschen waren sehr froh, als wir kamen und die restlichen Nukenin besiegt haben."

"Tja, unterschätze eben nie eine offizielle Untersuchung von Getsugakure", sagte Amir spöttisch. "Das Ergebnis?"

"Acht weitere Tote und sieben Gefangene. Das Gros aus ihren Besten hat Hassin und Maria gejagt, wie es scheint. Die Zahlen waren wohl zwanzig gegen zwei. Und sie hatten ihre eigenen Drogen geschluckt, um die beiden erbarmungslos hetzen zu können. Aber du siehst ja, was es ihnen genützt hat." Er deutete auf den Sprengkrater, in dem vereinzelt vollkommen verdrehte Waffen und Knochenreste zu finden waren. "Einer von ihnen muss sich geopfert haben, um die Nukenin alle an einem Punkt zu konzentrieren."

"Unwahrscheinlich. Dann wäre der andere noch in der Nähe, und wir hätten ihn gefunden. Wir..."

"Amir-sama!", rief einer der Ninjas, die die Grube untersuchten. "Unsere Spezialisten haben im Zentrum des Lochs eindeutig Restspuren von Maria-samas und Hassin-samas Chakra festgestellt!"

Amir fühlte, wie eine eiskalte Hand nach seinem Herzen griff und es zusammendrückte.

"Was ist, wenn sie mit Marias Portalkunst entkommen konnten?", gab Khal zu bedenken.

"Was, wenn sie keine Zeit dafür hatte, einen Weg zu schmieden? Sie standen unter enormen Druck, wie du sehen kannst. Und das über einen langen, nicht unterbrochenen Zeitraum. Außerdem, würden sie nicht zu uns kommen, wenn sie noch am Leben wären?"

"Du bist zu pessimistisch."

"Ich bin Realist. Mir wäre es auch lieber, wenn Hassin noch leben würde, aber die Wahrscheinlichkeit spricht einfach dagegen. Ich setze sie auf die Vermisstenliste."

"Auf die lange, oder auf die kurze?"

"Auf die kurze. Wenn wir bis zum Ende der Untersuchung kein Lebenszeichen von ihnen finden, müssen wir sie für tot erklären. Keine Sorge, ich erzähle es seiner Familie."

Khal atmete auf. Für einen Moment hatte er wirklich befürchtet, dass er der Unglücksbote sein müsste. "Aber es gibt noch Hoffnung."

"Hoffnung gibt es immer. Aber sie ändert die Realität nicht ab. Bis zum Ende der Untersuchung, Khal. Benachrichtige Getsugakure. Es müssen Vorbereitungen für Akira-chan gemäß Marias Testament getroffen werden."

"Ich schicke sofort einen Boten", versprach der Riese. Er warf einen letzten Blick in die Grube, schauderte beim Gedanken, welche Gewalten dort gewütet haben mussten, und machte sich auf den Weg, um seine Aufgaben zu erledigen. Dann würde er sich wieder den Suchtrupps anschließen, die verzweifelt versuchten, die beiden Vermissten zu finden. Doch mit jeder Stunde sank die Hoffnung.

Der ewige Chunin 9

8.

Wir erreichten das Gasthaus noch in der Abenddämmerung. Besonders die Mädchen würde das Außenbad freuen, das von einer heißen Quelle gespeist wurde und bewies, wie nahe wir dem Land der Heißen Quellen schon waren. Ich insbesondere war froh, dass die Zahl der weiblichen Begleiter gestiegen war. Das konnte mit etwas Glück bedeuten, das die Frauen mit sich selbst beschäftigt waren und uns arme Männer weitestgehend verschonten. Aber Hoffnungen... Na ja.

Wir wurden bereits erwartet. Ich buchte kurz einen größeren Raum für die Mädchen nach, da ich bei der Bestellung nicht mit ihnen gerechnet hatte, und gab meinen Genin dann bis zum gemeinsamen Abendbrot frei.

"Juhuuu!", rief Kuzomi begeistert, während sie an Kiras Arm hing. "Gehen wir baden! Ich wasche dir den Rücken, Kira-sama!"

"Äh, Kuzomi-chan, Männer und Frauen baden hier getrennt", warf Shinji ein.

"Was? So ein Quatsch aber auch. Ich will lieber mit meinem Meister baden", murrte sie.

Ein heftiger Schlag von Kuzoko löste die Situation.

Beleidigt rieb sich die Jüngere den Kopf. "Autsch. Du bist so brutal, Onee-chan."

"Du hast es ja auch verdient, oder? Wenn Männer und Frauen hier getrennt baden, dann baden sie auch getrennt. Hast du das gefressen? Und es wird auch nicht versucht, über den Zaun zu schmulen!"

"Menno. Eine Spielverderberin bist du auch noch."

"Also, mir ist es egal", sagte Kira.

Shinji seufzte entsagungsvoll. "Es wird echt Zeit, dass du ein Stück erwachsener wirst, wenn du dich nicht andauernd in Teufels Küche bringen willst, Kira."

"Hä? Ist das schon wieder eine von diesen Sex-Sachen?"

"Exakt. Das ist es, Kira."

"Hm. Die Erwachsenen haben doch alle einen Knall."

Ich nickte zustimmend. "Ja, da ist was dran. Aber du brauchst wirklich mal einen kleinen Schubs in die richtige Rich..." Nachdenklich legte ich den Kopf schräg. "Hm. Hm."

Perine griente in meine Richtung. "Ahne ich, was in deinem Kopf vorgeht?"

"Eventuell. Und?"

Sie trat zu mir und gab mir einen Kuss auf die Wange. "Du bist mein Kontraktpartner. Was soll ich da noch zu sagen?" Sie lächelte noch immer, als sie die Mädchen zusammentrieb. "Kommt, meine Damen, ab ins Bad, den Staub von der Straße abspülen. Du auch, Mai-chan."

"I-ich kann doch später baden", haspelte sie hervor.

Ein Blitz schien über ihre Augen zu huschen. Eine Zornesfalte stellte sich deutlich auf ihrer Stirn auf. "Baden!"

"J-jawohl, Perine-sama!" Mai salutierte vor der Affenkriegerin und beeilte sich, zu ihr aufzuholen.

"Ich würde aber viel lieber mit Kira-sama baden! Ich habe vor ihm nichts zu verstecken! Autsch!"

"Du kriegst gleich eine Dritte, wenn du nicht mit diesem Unsinn aufhörst. Will ich vielleicht mit Mamoru-sensei baden?"

"Ha! Das weiß man bei euch Tsundere-Typen nie! Auuuutsch! Nicht so doll!"

"Noch ein Wort in diese Richtung, und ich..."

Erleichtert seufzte ich auf, als ich die Spinnenmädchen und ihren Disput nicht mehr hören konnte. Das wäre dann wohl geschafft.

"Kishio, Kira, kommt doch mal her zu mir."

"Ich nicht?", beschwerte sich Shinji.

"Oh, du kannst gerne zuhören und dann entscheiden, was du machst, Shinji", sagte ich amüsiert.

Ich musterte Kishio einen Moment. "Wie gut ist dein Täuschbild-Jutsu?"

"Äh, es ist leidlich, Mamoru-sensei. Ich habe es mir von einem Ninja abgeschaut, den ich für einen Auftrag beschattet habe."

Innerlich musste ich grinsen. Meine Politik der kleinen Schritte, den sensorischen Ninja betreffend, zeigte Früchte. Ich hoffte, bei ihm bald so viel Vertrauen zu spüren, wie ich von ihm erwartete. Dann würde er mir hoffentlich mehr über seine Vergangenheit erzählen. Zwar hatte ich schon eine Anfrage an Konoha verfasst und abgeschickt, den Namen Moeru betreffend, weil da irgendetwas in meinem Hinterkopf zwickte, aber aus erster Hand waren diese Informationen immer besser. Außerdem würde ich in naher Zukunft seine Fähigkeiten am Kunai und an den Shuriken testen müssen, von seiner enormen sensorischen Reichweite ganz zu schweigen. Aber das hatte später Zeit.

"Kishio, ich muss dich nun um einen Gefallen bitten, den du Kira tun musst, so wie ihn mir ein guter Freund mal erwiesen hat."

"Du brauchst doch nur zu befehlen, Mamoru-sensei!", sagte Kishio im Brustton der Überzeugung.

"Na, warte das erstmal ab. Ich möchte euch eine Geschichte aus meinem Leben erzählen, Jungs. Entscheidet dann."
 

Fünf Minuten später tippte sich Shinji bis zu beiden Ohren grinsend mit dem rechten Zeigefinger an die Stirn. "Ich bin da raus. Viel Spaß dabei."

Ich sah Kira an. "Und du?"

"Ich sehe das wie Kishio-kun. Du befiehlst, und ich mache es. Wo ist das Problem?"

Kishio war da schon eine andere Nummer. Er wirkte verlegen. "W-wenn du es verlangst, Mamoru-sensei, dann..."

"Tu es nicht für mich. Tu es für Kira."

Der große Rotschopf sah den kleineren Blonden an. "Wenn es doch zu seinem Besten ist... Gut, ich tu's."

Ich nickte zufrieden. "Dann los, Ihr zwei."

Entschlossen nickten sie und gingen davon.

Ich trat derweil wieder in den Begrüßungsraum an den Tresen. "Ist mein Gast schon angekommen?"

Die junge Frau am Schalter verneinte. "Nekozumi-sama ist noch nicht eingetroffen. Aber er hat eine Nachricht geschickt, laut der er es noch diese Nacht schaffen will."

"Gut. Benachrichtigen Sie mich sofort, wenn er ankommt." Leider hatte ich nur diesen einen Abend, um meinen alten Freund Ryuji wiederzusehen. Danach würden sein Terminkalender und meine Arbeit nicht miteinander übereinstimmen, und wir konnten uns eine weitere lange Zeit nicht sehen. Und ein Großteil meines Jahresurlaubs war schon Richtung Getsugakure fest gebucht.

Genauer gesagt hatte ich ihn nicht mehr gesehen, seit ich nach der Zerstörung Otogakures das Land der Reisfelder verlassen hatte. Ich freute mich sehr, den alten Haudegen wiedersehen zu können.

"Verstanden, Morikubo-sama." Die junge Frau verbeugte sich lächelnd vor mir. Ich erwiderte die Verbeugung ansatzweise. "Danke sehr."

Anschließend machte ich mich auf ins Herrenbad.

***

Angespannt lauschte Shinji am Bambuszaun, der Männerbad und Frauenbad voneinander trennte. Dabei trug er nur ein Handtuch um die Hüften. Ach ja, und sein Stirnband. Als er mich eintreten hörte, sah er kurz zu mir herüber. Aber er konzentrierte sich sofort wieder auf seine Tätigkeit.

Ich seufzte vielsagend und ging durch die übliche Routine vor einem Gang in ein Onsen. Ich seifte mich ein und spülte mich gründlich ab. Auch wenn das Wasser im Laufe des Tages ausgetauscht wurde war es unhöflich, anderen Badegästen zuzumuten, in der eigenen Dreckbrühe zu liegen. Während ich mir die Haare wusch, betrachtete ich mein Gesicht. Gegenüber dem Jungen, der einst das erste Mal das Stirnband Konohas umgeschnallt hatte, hatte ich mich schon verändert. Ich sah etwas älter aus, und der letzte Babyspeck war aus meinem Gesicht gewichen. Ob ich hübsch war? Wie viele Dinge im Leben war das sicherlich eine Ansichtssache. Zumindest fand ich mich nicht hässlich. Nachdenklich betrachtete ich die Narbe auf meinem rechten Oberarm, die ich trotz aller Künste der Medi-Nins Kumogakures und meiner Affenkrieger von dem Kampf behalten hatte, der mich beinahe den ganzen Arm gekostet hätte. Vieles war passiert. Sehr viel sogar. Und das war bei weitem nicht meine einzige Narbe, wenngleich die anderen weit besser verheilt waren als der fingerdicke rote Strich, der sich einmal über meinen Bizeps zog. Auf meinem Rücken wusste ich einen langen dunkelroten Strich, der sich über mein linkes Schulterblatt zog. Das letzte Überbleibsel einer Verwundung durch ein Kunai, das den Knochen nicht hatte durchdringen können. Hatte aber tierisch geblutet, und ich hatte es nur mit Hilfe eines Schattenklons behandeln können. Und wenn ich am linken Bein runter sah, da...
 

"Nein, absolut kein Problem. Kommt ruhig, Ihr zwei", klang Perines Stimme von drüben zu uns herüber. "Nicht, Mädels?"

Shinji begann leise zu kichern. Aha.

"Ich wäre jetzt viel lieber bei Kira-sama", hörte ich Kuzomi murren.

"Maul nicht und schrubb weiter, kleine Schwester", sagte Kuzoko.

"Meinst du, das nützt was? Du vernachlässigst deine Haut so sehr, da wäre Schleifpapier wohl besser geeignet", stichelte sie.

"Weniger reden, mehr schrubben. Hallo, ich bin Kuzoko. Das ist meine Schwester Kuzomi."

"Sehr erfreut, euch kennenzulernen. Ich bin Kizu, und das ist meine kleine Schwester Kiki. Kiki, sag doch auch mal was."

"Ja, ja, hocherfreut, euch alle zu treffen. Können wir jetzt baden?"

"Nicht so voreilig, Kiki-chan", sagte Perine fröhlich. "Komm, erst will ich dir den Rücken waschen."

"A-aber das ist nicht nötig. Das kann doch meine Schwester machen."

"Papperlapapp. Es gehört sich aber so. Und weil ich hier die Älteste bin, maße ich mir das einfach mal an. Ich bin übrigens Perine."

"M-musst du mir so nahe kommen, mit den Dingern, Perine-sama?"

"Mit den Dingern? Ach so, du meinst meinen Busen. Nun hab dich nicht so. Ich trage doch ein Handtuch."

"D-das ist es nicht. Sie sind so groß. I-ich meine, das sieht man sonst nicht."

"Ach, hast du mich drinnen schon gesehen, Kiki-chan? Ja, ich gebe zu, meistens trage ich keinen BH, und dann umwickle ich sie nur, damit sie Halt haben. Dann wirken sie flacher. Oh, du hast aber eine zarte Haut."

"Hiiiiii! Da-das kitzelt!"

"Und so feine Poren. Und du hast sicher viele Verehrer mit deinen blonden Haaren. Oh, die duften aber gut."

"G-geht so. Kö-könntest du bitte nicht... Yieks!"

"Ach so, ich verstehe. Du hast einen kleinen Komplex, weil du selbst noch so kleine Brüste hast, und meine so groß sind. Keine Sorge, Kiki-chan, deine werden mindestens mal so groß wie die von Kizu-chan. Nicht wahr?"

"Äh, ja. Wir sind doch Schwestern."

"Na, na. Du musst doch nicht rumstehen und warten, Kizu-chan. Mai-chan, komm und wasch ihr den Rücken."

"Okay, bin unterwegs."

"Nein, das ist nun wirklich nicht nötig. Ich kann... Ah, warum trägst du das Badetuch nur um die Hüften?"

"Warum nicht?", fragte sie verwundert. "Wir sind hier doch eh im Frauenbad, und zu gucken gibt es auch nichts bei mir. Ist doch simpel. Ja, wenn ich so viel hätte wie du, Kizu-chan, ja, dann... Du, die fühlen sich aber etwas merkwürdig an, finde ich."

"Äh, ich habe das nicht so gerne, Mai-chan. Wenn jetzt einer reinkommt, oder so."

"Aber wir sind doch unter uns. UND DIE BEIDEN KINDER DRÜBEN, DIE WERDEN NICHT SCHMULEN! Besonders Kira nicht. Der weiß ja noch gar nicht worum es geht."

"Weiß er doch!", rief Kiki heftig. "Äh, ich meine, ich bin mir sehr sicher, dass ihm die Thematik durchaus bewusst ist. Perine-sama, was ist das auf meinen Rücken?"

"Was genau, Kiki-chan?"

"Na, dieses unglaublich weiche, angenehme Gefühl, das so eine Behaglichkeit ausstrahlt."

"Hast du das gehört, Mamo-chan?" sagte sie kichernd. "Das ist mein Busen, Kiki-chan. Wenn er sich selbst durch das Handtuch gut anfühlt, dann danke ich dir für das tolle Kompliment. Nanu, wirst du etwa rot? Wie niedlich."

"Kizu-chan, du musst das Handtuch schon abnehmen, wenn ich dir den Rücken einseifen soll."

"O-okay, a-aber nur ein kleines Stück. So-sonst wäscht mir Kiki immer den Rücken, und ich bin das nicht gewohnt."

"Ach, nun hab dich nicht so. Siehst du? Nichts passiert. Uff, du musst aber viel arbeiten. Deine Haut ist irgendwie rauh. Ich habe da eine Lotion, die sollten wir nach dem Bad mal auftragen. Du musst schon mehr auf deine Haut achten, Kizu-chan. Du bist doch ein Mädchen. Äh, hast du was gesagt?"

"N-nein! Natürlich nicht! D-den Rest kann ich selbst waschen, danke!"

"Ach, nun hab dich doch nicht so, Kizu-chan. Ich... Nanu, was ist denn mit deiner kleinen Schwester los?"

"Nasenbluten", sagte Perine. "Keine Ahnung, wo das herkommt. Sie war ja noch nicht mal im Bad."

"Ich habe Papiertaschentücher. Soll ich die schnell holen?", fragte Kuzumi aufgeregt.

"Hahaha. Ahahaha. Das hat sie öfters", klang Kizus Stimme auf. "Da hilft nur hinlegen! Schade, dann können wir vor der Weiterreise doch nicht mehr baden, und wir haben uns doch so gefreut. Nein, es ist besser, wenn wir wieder rausgehen. Danke euch, Mädels, aber sie legt sich wirklich, wirklich jetzt besser hin. Komm, Schwesterherz. Ahahaha. Vielen Dank für alles!"
 

Als die Tür rummste, begann Shinji prustend zu lachen.

"Hör auf zu lauschen, Shinji!", rief Mai tadelnd herüber. "Und man lacht nicht über Leute mit Problemen."

Der dickliche blonde Junge hielt im Gelächter kurz inne. "Oh, ich lache nur über Kira, Mai-chan."

"Kira-sama? Ist ihm was passiert?"

"Oh, Mist..." Hastig führte ich ein Kage Bunshin aus und ließ die Klonkörper das Trugbild-Jutsu ausführen. In genau diesem Moment erklomm Kuzomi den Zaun und sah zu uns ins Bad. Sie winkte mit einer Hand. "Hallo, Kira-sama! Alles in Ordnung?"

"Ja, ja", erwiderte mein Klon. "Alles klar hier. Jetzt zumindest."

"Na, dann ist es ja... Ufff!" Das Mädchen verschwand wieder von der Krone der Abgrenzung. "Aua, das war fies, Onee-chan."

"Du darfst doch nicht ins Männerbad rüberschauen, Kuzomi! Rate mal, warum die Bäder getrennt sind! Wir können doch von den Männern kaum verlangen, dass sie nicht gucken sollen, und wir schauen dann ungeniert über den Zaun!"

"Aber es klang doch so, als wäre meinem Meister was passiert", murrte sie.

"Ab ins Bad mit dir, und wehe, das passiert nochmal!", bestimmte Kuzoko kategorisch.

Perine lachte glockenhell. "Mädels, mit euch wird das hier nicht langweilig. Komm, Mai-chan, wir gehen auch ins Bad."

"Ja, Sensei."

Zufrieden löste ich die Schattenklone wieder auf.

In diesem Moment öffnete sich die Tür und Kira und Kishio traten ein.

Schuldbewusst schreckte der rothaarige Junge vor Shinji zurück. "I-ich habe nichts gesehen! Wirklich nicht! Sie... Ich meine... Also..."

"Dafür habe ich umso mehr gesehen. Und gespürt." Kira musste für den Augenblick an sich halten, weil seine Nase erneut zu bluten begann. "Oh, ich sollte wohl besser nicht baden. Ich geh wieder raus und lege mich hin."

Ich unterdrückte ein Auflachen. "Und was ist mit dir, Kishio?"

Der Junge wirkte schuldbewusst, so als hätte er etwas ausgefressen. Das war ja eigentlich auch richtig, aber theoretisch hätte er wissen sollen, auf was er sich da eingelassen hatte.

"I-ich habe nichts gesehen."

Ich unterdrückte ein Lachen. "Ich wollte wissen, ob du baden willst. Aber ich denke, das können wir abkürzen. Komm her, ich wasch dir wieder den Rücken."

Während ich Kishio einseifte und abrieb, beschloss ich, sein Selbstbewusstsein ein wenig zu stärken. "Ich gratuliere übrigens zu deiner Verwandlung", raunte ich. "Perine ist darauf trainiert, so etwas zu erkennen. Wenn sie euch nicht entlarvt hat, dann seid Ihr zwei schon richtig gut auf dem Gebiet."

"Etwas zu gut", murrte der rothaarige Junge. Er wandte sich zu mir um und sah mir in die Augen. "Das dürfen wir Mai-chan niemals verraten, Sensei."

"Ich verrate es nicht, keine Sorge. Und Shinji verrät auch nichts. Oder?"

"Kein Sterbenswörtchen." Der blonde Junge winkte uns herüber. "Kommt ins Wasser. Es ist toll hier."

"W-wirklich nicht? Mai-chan ist so nett, und ich will sie nicht..."

Das ließ mich seufzen. "Keine Sorge. Im schlimmsten Fall ist es mit einer Ohrfeige erledigt. Die Mädchen von Konoha sind viel tougher, als du denkst." Ich spülte ihm die Seife vom Körper. "Und jetzt ab ins Bad, Meisterninja."
 

Ich musste zugeben, die hiesige Quelle war gut. Vor allem roch sie nicht so sehr nach Schwefel, was die Sache für mich angenehmer machte. Manche schwörten ja auf den Geruch von faulen Eiern, weil der Schwefel, von dem der Geruch kam, besonders gut für die Haut sein sollte. Ich nicht so sehr. Schwefliges Wasser neigte je nach Verdünnung dazu, auf jenen Stellen meines Gesichts zu brennen, an denen ich mich verbrannt hatte. Trotz meines guten Heilfleischs, trotz der Bemühungen der Affen, sodass die Verbrennungen zumindest nicht mehr zu sehen waren. Ich nahm das als deutliche Warnung.

Genüsslich streckte ich mich noch ein wenig mehr aus.

Drüben auf der anderen Seite klangen wieder die Stimmen der Mädchen auf. "So, ich habe genug. Ich geh dann mal wieder", sagte Kuzoko. "Kuzomi, du kommst mit."

"Denkst du nicht, ich bin alt genug um zu entscheiden, wie lange ich baden kann?", murrte sie.

"Das ist es nicht. Ich wollte vor dem Abendessen noch ein wenig trainieren. Und das geht besser zu zweit."

"Oh! Bringst du mir den Trick bei, von dem du mir erzählt hast?"

"Wenn du jetzt mitkommst..."

"Ich bin schon auf dem Weg, Onee-chan!", rief sie freudig. "Mai-chan, komm doch mit!"

"Ich weiß nicht. Darf ich denn?"

"Klar! Oder, Onee-chan?"

"Sie ist Mamoru-senseis Schülerin. Natürlich darf sie. Wir wollen ja auch etwas Taijutsu trainieren, nicht?"

"Ich bin dabei!", rief Mai aufgeregt. "Mamoru-sensei, darf ich?"

"Klar", rief ich herüber. "Das ist eine gute Gelegenheit für dich, um was Neues zu lernen."

"Supi!" Für einige Zeit hörten wir Wasserbewegungen, dann das Gekicher und die leisen Unterhaltungen der drei Mädchen, danach ging eine Tür, und der Zauber war vorbei.

Kishio erhob sich. "Mamoru-sensei, ich würde auch gerne trainieren. Du weißt sicher, dass wenn man seine Künste nicht regelmäßig trainiert, sie einrosten und man sogar von der Perfektion vergisst, die man einst hatte."

"Was wirst du denn trainieren, Kishio?"

"Taijutsu. Ich bin ziemlich gut im unbewaffneten Kampf. Aber auch mit den Shuriken und dem Schwert."

"Hast du noch andere Fähigkeiten, die ich noch nicht kenne, und von denen ich mir ein Bild machen sollte?"

"Außer meinen sensorischen Fähigkeiten? Ich bin austrainiert. Das war ich zumindest, bevor... Nun, bevor ich verletzt wurde. Ninjutsu hätte zu meiner Ausbildung gehört, aber..."

"Schon gut. Für das Ninjutsu bin ich ab jetzt verantwortlich. Und was die sensorischen Fähigkeiten angeht... Ich überlege schon die ganze Zeit, ob du mir nicht helfen kannst, meine eigenen zu verbessern, Kishio. Du bist mir auf diesem Gebiet weit überlegen. Allerdings habe ich wirklich nur eine kleine Gabe als sensorischer Ninja, und das Training mit den anderen sensorischen Ninjas Konohas hat mir nur wenig gebracht."

Kishio wirkte nachdenklich. Er betrachtete mich, suchte nach Worten, wandte sich ab und straffte sich dann merklich. "Sensei, wenn du mich fragst, dann gibt es einen bestimmten Grund, warum deine sensorischen Fähigkeiten so schwach sind. Wenn du erlaubst..."

"Nur zu. Sprich dich aus."

Kishio zögerte, wurde rot und vermied meinen Blick. "Meines Erachtens nach ist es mangelndes Selbstvertrauen, das sich so sehr zementiert hat, dass du..." Abwehrend hob er die Hände und sah ich fühlte, daswieder zu mir herüber. "Damit will ich nicht sagen, dass du schwach bist, Mamoru-sensei. Ich habe dein Fuuton und dein Katon gesehen, und ich spüre die Effektivität deines Chakra-Systems. Ich... Sensei?"

Nachdenklich rieb ich mir das Kinn. "Mangelndes Selbstvertrauen, was? Das würde sogar Sinn machen." Ich seufzte und ließ mich bis zum Kinn ins warme Wasser sinken. "Das wird ein hartes Stück Arbeit, das wieder loszuwerden."

"Sensei", merkte Kishio bescheiden an, "es gibt vielleicht einen schnelleren Weg. Mein Großvater, der mich trainiert hat, hat mir mit neun Jahren geholfen, nahe an mein jetziges Maximum heranzukommen. Es ist ein Clan-Jutsu, und es hat bisher noch jedem sensorischen Ninja weitergeholfen. Es ist schwierig, und es erfordert, dass ich die Kontrolle über dein Chakra-System übernehme, aber es kann dich auf einen Schlag verbessern. Vielleicht. Ich weiß nicht, ob es bei jemandem funktioniert, der nicht aus meinem Clan ist."

Ich war versucht, nachzubohren, ihm mehr über seine Vergangenheit und diesen Clan zu entlocken, die Moerus. Aber ich fühlte, dass die Zeit hierfür noch nicht reif war. Ich fühlte, dass er mir vertraute, weil er mir dankbar war und sich mir verpflichtet fühlte. Ich wollte aber, das er mir vertraute, weil ich ich war, bevor ich derart sensible Informationen von ihm verlangte.

"N-natürlich weiß ich, dass das eine große Menge Vertrauen erfordert, das ich noch lange nicht verdient habe", fuhr er fort. "Aber du kannst Perine-sama zur Überwachung meiner Aktionen einsetzen. Notfalls könnte sie dann eingreifen."

"Müsste sie eingreifen?", fragte ich lakonisch.

"Natürlich nicht, Sensei! Du kannst dich hundertprozentig auf mich verlassen."

Ich nickte. "Gut. Dann probieren wir das aus. Aber erst, sobald du wieder zu einhundert Prozent wiederhergestellt bist."

Für einen Moment wirkte er verblüfft. "Echt jetzt?"

"Ja, echt jetzt. Aber Perine wird auch dabei sein. Nicht um dich zu überwachen, sondern um uns beide zu schützen. Das ist nur vernünftig, wenn es um ein Jutsu geht, das du mit neun gelernt hast."

"Stimmt, Mamoru-sensei", erwiderte er nachdenklich. "Großvater sagte zwar immer, das sei wie ein Kunai werfen, man könne nicht besonders viele Fehler machen, aber ich habe es seither nicht angewendet. Es ist vernünftig." Er verneigte sich leicht vor mir. "Ich gehe dann mal trainieren."

Shinji kletterte ebenfalls aus dem Bad. "Und ich schau mal nach, wie es unserem Helden geht. Bei der Gelegenheit quetsche ich ihn aus, was seine Nase zum Bluten gebracht hat. Oh, ich hätte nie gedacht, dass es für ihn tatsächlich Hoffnung gibt." Er grinste fröhlich, winkte mir und folgte Kishio in den Umkleideraum.
 

"Na, Hübscher? Bist du öfters hier?", klang es vom Zaun herüber.

Ich winkte Perine zu, die über die Zaunkrone schaute. "Leider nur heute, schönes Mädchen. Was macht eine Kriegerin wie du alleine an einem Ort wie diesem?"

"Lustige Aufträge ausführen." Sie lächelte mich mit zusammengekniffenen Augen an. "Und, war es in etwa das, was du dir für Kira vorgestellt hast?"

"Ja, das kommt dem schon sehr nahe. Ich danke dir. Du bist wirklich ein duftes Mädchen."

"Ist doch nichts dabei. Sie konnten ja nicht wirklich was sehen. Ich habe mich zwar kurz erschrocken, als Mai-chan aus dem Wasser kam, aber Kishio ist ein perfekter Gentleman, selbst wenn er sich als Frau tarnt. Er hat sofort weggeguckt, und stur geradeaus."

"Apropos Kishio. Ich habe ihn für sein gutes Jutsu gelobt, das du nicht durchschaut hast..."

"Oh, das kannst du wirklich. Es hat einige Zeit gedauert, bis ich es auflösen konnte. Aber da ich die beiden erwartet habe... Shinji wollte nicht? Vernünftig, der Junge. Nicht, dass er solche schlimmen Sachen von seinem Sensei lernt. Böser Mamo-chan. Eigentlich müsste ich dich übers Knie legen."

"Willst du mich bestrafen oder belohnen?", fragte ich trocken.

Verdutzt sah sie mich an, bevor sie zu kichern begann. "Mamo-chan, Mamo-chan. Genau deshalb liebe ich dich. Weil du mir immer noch unter die Haut gehst wie bei unserer ersten Kata.

Habe ich dir eigentlich erzählt, dass ich große Angst vor dir hatte, als du mich das erste Mal beschworen hast? Ranko-sama und Ranma haben immer so großartige Dinge von dir erzählt, und ich stand dann plötzlich vor dir, und ich hatte große Angst davor, dass du mir einen Auftrag geben würdest, den ich nicht erfüllen kann und so... Und dann bist du mit mir Eis essen gegangen. Ich war sofort in dich verschossen."

"Was sollte ich auch mit dir machen? Ich hatte dich ja nur zum Üben beschworen, und einfach so zurückschicken wollte ich dich auch nicht, P-chan." Ich lächelte. "Den Tag hatte ich viel Spaß."

"Ich auch. Ich bin froh, dass ich rechtzeitig erwachsen geworden bin, bevor du es geworden bist. Auch wenn ich dich nicht kriegen sollte, Mamo-chan, die Chancen stehen ja eins zu fünf, kann ich dich wenigstens immer noch damit necken, was du verpasst, wenn du dich nicht für mich entscheidest."

Ich seufzte lang und tief. "P-chan, am liebsten würde ich euch ja alle drei heiraten, aber ich glaube, da hat der Rat der Stadt Konoha etwas gegen."

"Alle drei? Wir sind fünf."

"Ich kenne nur drei."

"Wie? Aber Ranko-sama hat doch gesagt, dass..."

"Nein, das nehme ich nicht ernst. Sie hat mir auch gesagt, dass sie euch damit in Zaum halten wollte. Also euch Mädchen jetzt. Außerdem ist es unmöglich, dass eine so tolle Superfrau wie sie ausgerechnet mich... Also echt jetzt."

Ernüchtert sah sie mich an. "Ich denke, es ist wohl ganz gut so, dass du das nicht ernst nimmst. Gegen Ranko-sama hätten wir eventuell keine Chance, alle vier wie wir dastehen."

Ich lächelte. Da war was dran. "Wenn wir gerade beim Thema sind, wer ist Nummer fünf?"

"Du weißt es doch längst. Willst du es unbedingt von mir hören?"

Das brachte mich erneut zum Seufzen. "Es ist Maria, nicht? Und die Mädchen haben sie reingelassen, weil sie mit Aki-chan schwanger war, und weil sie sicher waren, dass er von mir ist. Richtig?"

"Tut mir leid, aber ich bin nicht befugt, über den Mamo-Pakt zu sprechen, wenn die betreffenden Personen es dir nicht selbst verraten haben." Sie blinzelte zu mir herüber. "Wenn es Maria wäre, was dann? Ihr hättet dann ein Kind zusammen."

"Was sollte schon sein? Früher wollte ich sie umbringen, nachdem sie versucht hat mich umzubringen. Jetzt ist sie verknallt in mich, und ich weiß auch warum. Sie wollte mich ausnutzen und ist in ihre eigene Falle gegangen. Klar, wir hätten dann einen Sohn zusammen, aber sie ist nicht besser oder schlechter, nicht liebenswerter oder hübscher als Hanako und Karin. Oder du, P-chan. Das würde ihr nicht helfen."

"Ist ein enges Teilnehmerfeld auf gleicher Höhe, eh?", neckte sie mich.

"Für mich ist es vor allem ein Riesenproblem. Wenn ich mich entscheide, und..."

"Oh, da kann ich dich beruhigen. Wir haben schon längst beschlossen, dass das für uns nichts ändert. Wenn du dich entscheidest - und wehe, du nimmst eine andere als aus dem Mamo-Pakt - dann bleiben wir trotzdem alle Freunde und arbeiten miteinander wie bisher."

"Uff, das ist eine erwachsene Einstellung", sagte ich verblüfft.

"Die anderen vier werden dann einfach deine Geliebten."

Erschrocken sackte ich weg und verschwand unter Wasser. Als ich prustend wieder an die Oberfläche kam, empfing mich Perines amüsiertes Gelächter. "Oh, Mamo-chan, du bist so niedlich."
 

"Verehrter Gast, ich muss Sie bitten, vom Zaun runter zu gehen", sagte eine Stimme vom Eingang.

Perine sah herüber und erkannte eine der Hausdienerinnen, die mit einem Tablett in der Hand eingetreten war. Darauf standen zwei Sake-Fläschchen und zwei Becher. Sah ganz so aus, als wäre Ryuji eingetroffen.

"Ja, ja, habe schon verstanden." Sie winkte und ließ sich vom Zaun gleiten. "Du bist aber nicht vom Haken, Mamo-chan."

"Schon klar, schon klar. Und du weißt, dass ich dich liebe, P-chan."

"Wir finden schon noch heraus, wie sehr du mich liebst", erwiderte sie.

Touché, ging es mir durch den Kopf.

Die Angestellte kniete sich neben mir am Becken nieder, füllte einen der kleinen Becher mit heißen Sake und reichte ihn mir. "Nekozumi-sama bezieht gerade sein Zimmer. Ich soll Ihnen ausrichten, dass er so schnell kommt wie er kann, Morikubo-sama."

Ich nahm das alkoholische Getränk entgegen. "Danke sehr, junge Dame."

"Rufen Sie nur, wenn Sie Nachschub haben wollen. Ich bin für Sie in Hörweite." Sie erhob sich und verbeugte sich vor mir, bevor sie das Bad wieder verließ.
 

Dabei gab sie sich mit Ryuji die Klinke in die Hand. Der riesige Kerl schoss so erschrocken zurück, dass ich ihn kaum mit dem Mann aus meiner Erinnerung in Verbindung bringen konnte, den eiskalten, ausdauernden Riesen, der mit einem Schwert kämpfte, das andere benutzt hätten, um aus dem Stahl ein Dutzend anderer zu schmieden. "Warnen Sie mich doch vor, Frau! Dann hätte ich doch ein Handtuch umgelegt!"

"Verzeihung, Nekozumi-sama. Beachten Sie meine Anwesenheit überhaupt nicht. Ich bin eigentlich gar nicht da, nur ein Schatten."

"In Ordnung, in Ordnung." Beinahe hastig schlängelte sich Ryuji, nun mit einem Handtuch bekleidet, an ihr vorbei.

Als er mich sah, hellte sich seine Miene merklich auf. "Ja, hol mich doch... Tut das gut, dich zu sehen, Mamo-chan! Groß bist du geworden!"

Ich lachte auf. "Es ist viel passiert, seit ich Otogakure zerstört habe. Beeil dich mit dem Waschen, sonst wird der Sake kalt!"

Das ließ er sich nicht zweimal sagen. Allerdings bat er mich auch nicht, seinen Rücken zu waschen. Das hatte ich erwartet. Es wäre gegen seinen Kodex gewesen, um so eine Banalität zu bitten. Und da er keine der Hausdienerinnen mitgebracht hatte, um ihn zu unterstützen, wollte er folgerichtig keine Hilfe.

Als er sich neben mir mit einem Laut der Behaglichkeit ins heiße Wasser sinken ließ, schenkte ich ihm einen Sake ein. "Hier."

"Danke. Weißt du eigentlich, wie viele Hindernisse ich ausräumen musste, um jetzt hier sein zu können? Etliche. Hunderte. Ach, was sage ich, Tausende. Es ist nicht leicht, so einen verdammten Clan anzuführen. Hätte ich das vorher gewusst, hätte ich einen Teufel getan und den Platz meines Vaters eingenommen, als er überraschend zurückgetreten ist."

"Ich gehe dann auch mal raus", klang Perines Stimme vom Frauenbad herüber. "Du hast ja jetzt wen zum Spielen, Mamo-chan."

"Hey! Ist das Perine? Perine, bist du das?"

"Klar, Ryuji-nii!"

"Perine! Das ist eine Überraschung. Sehen wir uns noch?"

"Klar, wenn du mit uns zu Abend isst. Daran sollte aber wohl kein Zweifel bestehen, oder?"

"Natürlich nicht", sagte ich drohend. Wehe, Ryuji hatte etwas anderes geplant.

"Natürlich nicht", echote er. "Also, bis nachher, Perine."

"Ich freue mich schon, Ryuji-nii."

Die Tür im Frauenbad ging zu, und wir waren allein.

"Und jetzt", sagte ich fröhlich, "trinken wir den Sake, und schwelgen wir in Erinnerungen."

"Nun tu doch nicht so", erwiderte Ryuji lachend. "Gerade mal siebzehn, und benimmt sich wie ein alter Veteran."

"So komme ich mir manchmal echt vor", grummelte ich. "Du hast ja keine Ahnung, was die letzten Jahre so passiert ist."

Er grinste mich an, wartete bis ich getrunken hatte und schenkte sich und mir dann nach. "Erzähl mal."

***

Natürlich lud ich Ryuji, den Mann, der mir geholfen hatte, Otogakure zu vernichten, und der mich, als ich dank Maria verschwunden war, bis zur Erschöpfung gesucht hatte, ja, der sogar an meiner Seite gestanden hatte, als ich mich offen gegen meine eigene Stadt gestellt hatte, zum Essen ein. Was hätte ich anderes für einen Freund wie ihn tun können?

Als er eintrat, platzierte ich ihn rechts von mir am Stirnende. An der linken Seite saß Perine. Meine Genin, die Spinnenfrauen und Kishio saßen wild durchmischt. Kuzoko hatte ihren Platz direkt neben mir auf der rechten Tischseite gefunden, darauf folgte Kira, und neben ihm saß Kuzomi, die ihn nervös betüttelte, nachdem sie ihn mit Nasenbluten und liegend im Zimmer gefunden hatte.

Die linke Seite war durchmischt. Kishio saß auf dem Platz neben dem Stirnende. Dann kam Mai, und Shinji bildete den Abschluss. Diese Position schien ihm nichts auszumachen, denn er amüsierte sich köstlich über Kishios offensichtliche Verlegenheit und Mais Bemühungen, mit ihm Konversation zu betreiben.

Als Ryuji Platz nahm, musterte er Kishio mehrere Sekunden verwundert, sagte aber nichts. Ich machte mir eine mentale Notiz. Der Junge hatte gesagt, dass er aus dem Land der Reisfelder stammte. Das gleiche Land, das zu einem großen Teil von den Nekozumis regiert wurde. Seine Haltung war nicht hostil, also war ich nicht beunruhigt.

Das Essen, das aufgetragen wurde, konnte sich sehen lassen. Zwar war es nicht die gehobene Küche, eher ländlich und einfach geprägt, aber was die Küche nicht mit Raffinesse konnte, das tat sie mit Esprit und Menge. Anders ausgedrückt, es gab leckere Allerweltskost in großen Mengen.

"Ich muss zugeben, ich bin beeindruckt", sagte Ryuji zwischen zwei Bissen. "Es war für mich ja schon eine große Überraschung, als du mir geschrieben hast, dass Konoha dich damit beauftragt hat, eine Gruppe Genin auszubilden, obwohl du Beförderungssperre hast. Aber das es nun schon zwei Gruppen sind, ist eine noch größere Überraschung."

"Tja, die Welt ist voll mit Überraschungen", sagte ich, der unterschwelligen Frage ausweichend, woher die anderen drei gekommen waren, die keine Stirnbänder Konohas trugen.

"Wenigstens ist es gut ausgewogen. Drei Jungs, drei Mädels. Obwohl, du scheinst mir ein bisschen alt zu sein für einen Anfänger, junge Dame."

Kuzoko zuckte zusammen. Ich hatte sie bisher noch nicht gefragt, ob es ihr Recht war, wenn ich erzählte, dass sie vom Spinnenclan war und ich sie beschworen hatte. All das würde sich nun relativ schnell klären.

"Wir sind ja auch keine Anfängergruppe", sagte sie hastig, den Blickkontakt mit Kishio suchend. "W-wir, das heißt ich, Kishio-kun und Kuzomi-chan sind die Gruppe von Perine-sensei. Und wir sind schon drei Jahre dabei. Ahahahaha."

Aufmerksam beobachtete ich Ryuji, wie er darauf reagierte. Immerhin, er wusste, dass Perine eine Affenkriegerin war, die ich beschworen hatte. Kuzoko widerum konnte das überhaupt nicht wissen. Ich hatte es ihr ja nicht gesagt. Außer Perine hatte niemand davon gewusst, dass ich Ryuji für heute eingeladen hatte.

"Gut, das erklärt natürlich alles", log er, ohne mit der Wimper zu zucken. "Dann bist du als Älteste die Anführerin?"

"Perine-sensei ist unsere Anführerin. Aber ich bin..."

Kishio räusperte sich vernehmlich.

"Ich meine, Kishio und ich sind..."

"Menno", kam es von Kuzomi.

"Ich bin schon immer der Meinung gewesen, dass ein gutes Team nur einen Anführer braucht, und ansonsten sollte der Rest nur als gute Einheit funktionieren. Denke ich."

Die beiden machten Laute der Zustimmung.

Nanu? Entwickelte Kishio etwa Ehrgeiz? Das fand ich amüsant. Aber Kuzoko hatte recht diplomatisch gehandelt. Das würde ich im Auge behalten.

Ryuji beugte sich an mir vorbei zu Kishio herüber. "Sag mal, das interessiert mich schon die ganze Zeit, deine roten Haare betreffend."

Kishio versteifte sich. Ich spürte eine Veränderung in seinem Chakra-Fluss. Er machte sich bereit zur Abwehr eines Gegners. Mit einem deutlichen Blick brachte ich ihn dazu, seine Vorbereitungen abzubrechen. Ich fügte einen freundlicheren Blick hintenan, der ihm bedeutete: Du bist nicht in Gefahr. Dankenswerterweise nahm er es hin.

"Ja, Nekozumi-sama?"

"Kann es sein - du kommst ja aus Konoha - das du Vorfahren unter den Uzumakis hast? Es heißt ja, nachdem ihre geheime Stadt im letzten Ninja-Krieg ausgelöscht worden war, wären viele der Überlebenden nach Konoha gegangen. Ich frage nur, weil viele von ihnen auch rote Haare hatten."

"Ich habe meinen Familienhintergrund jetzt nicht so genau im Kopf", log Kishio, "aber die letzten drei Generationen lebt meine Familie bestimmt schon in Konoha."

"Oh. Das ist Schade. Es schließt aber nicht aus, dass du doch einen Uzumaki unter deinen Vorfahren hast. Es wäre jedenfalls interessant. Man sagt, sie waren als Clan gefürchtet, weil ihre Ninjutsu und ihre Siegeltechniken von herausragender Qualität waren. Dafür wurden sie dann auch vernichtet und in alle Winde verstreut."

Ich registrierte einen Wechsel im Fluss seiner Stimme. Das ließ mich aufhorchen.

"Eine ihrer Familien ist bis in unser Land geflohen. Eine mächtige Familie, die stets zur Stelle war, wenn man sie rief, um das Land zu verteidigen. Aber auch sehr bedacht auf die Eigenständigkeit. Das Rückgrat unserer Verteidigung. Sie zu verlieren war das größte Unglück, das uns hatte passieren können. Auch wenn einige sie als Dämonen fürchteten, wegen ihren unglaublichen sensorischen Fähigkeiten." Ryuji lachte leise. "Manche erzählten sogar über diese Leute, dass sie töten konnten, ohne ihre Gegner überhaupt zu berühren. Denen habe ich dann mal etwas über Genjutsu und Ninjutsu erklärt. Oder dass ich Stahl zerteilen kann, ohne ihn berühren zu müssen." Er lachte erneut. "Ich kann euch das gerne nachher mal vorführen."

Kishio spannte sich erneut an. "Das klingt... Interessant."

"Was jetzt? Die Geschichte über diesen Clan, oder über mein Taijutsu?"

"Der Clan... Du sprichst in der Vergangenheitsform über ihn, Nekozumi-sama. Was ist passiert?"

Ryuji hielt dabei inne, einen Schluck Sake zu trinken und setzte seine Tasse wieder ab. "Sie sind tot. Allesamt."

"Ja, Himmel auch, wieso das denn?", rief Kuzoko entsetzt.

Ryujis Blick wurde wehmütig. "Wie ich schon sagte, sie waren das Rückgrat der Verteidigung des Reichs der Reisfelder. Wer uns besiegen wollte, musste sie besiegen. Und da gab es tatsächlich jemanden, der sie vernichtet hat. Er griff sie an, löschte sie aus und trat dann an die großen Familien heran und behauptete, als Bezwinger dieses Clans wären er und seine Leute weit bessere Ninjas und deshalb geeigneter, um das Reich der Reisfelder zu schützen. Also erhielt er die Erlaubnis, auf dem Land des Clans ein geheimes Ninja-Dorf zu errichten. Übrigens das Land, aus dem du einen neuen See gemacht hast, Mamo-chan."

Ich hüstelte verlegen. "Das war ich ja nicht alleine. Guin, die lebende Chakra-Bombe, hat mir tatkräftig unter die Arme gegriffen."

"Na, na, nun stell dein Licht mal nicht unter den Scheffel, du zerstörerische Naturgewalt. Diesen Stützpunkt im Reich der Steine hast du ja auch quasi im Alleingang in eine Ruine verwandelt, nicht wahr?"

Ich hüstelte verlegen in meinen Sake. "Zufall."

"Und was ist mit der Burg im Reich des Wassers?"

"Ich hatte Hilfe."

"Ja, neun Ninjas. Gegen eine schwer befestigte Burg mit großer Garnison." Er kicherte und klopfte mir auf den Rücken. "Danke übrigens nochmal, dass du im Reich der Steine Orochimarus Stützpunkt vernichtet hast. Sein Ninjadorf Otogakure zu zerstören hat ihn ja nicht merklich geschwächt."

"Also hat Orochimaru... den Clan ausgelöscht?", hakte Kishio nach.

"Hat es sich noch nicht herumgesprochen in Konoha, dass er Otogakure gegründet hat?", fragte Ryuji eine Spur zu scharf.

"Manchmal bringt man einige Informationen nicht sofort miteinander in Zusammenhang", sagte Perine in mahnendem Tonfall. "Sei also nicht so streng, Ryuji-nii."

"Jawohl, Perine-sama", erwiderte er lächelnd. "Jedenfalls hat Orochimaru uns nach Strich und Faden hintergangen. Nach dem Ende der Uzumakis waren die Ninja-Clans dran, die sich ihm nicht unterwerfen wollten, und anschließend schürte er Unruhe unter den Familien, bis sie so sehr damit beschäftigt waren gegeneinander zu kämpfen, dass er mit Otogakure schalten und walten konnte, wie immer er es wollte." Melancholisch starrte er in seinen Sake, bevor er ihn austrank. "Manchmal wünsche ich mir, ich könnte die Zeit zurückdrehen und den Uzumaki-Clan vor der Vernichtung retten. Oder wenigstens ein paar von ihnen, als Grundlage für einen neuen Clan. Einer würde mir schon reichen. Ein einziger und genügend Zeit. Gerüchteweise soll es ja noch ein paar Versprengte geben, hier und da, aber die haben ein schweres Leben, weil Orochimaru natürlich ganze Arbeit geleistet und den Menschen auf dem Land eingeredet hat, bei Rothaarigen hätten sie es mit irgendeiner Form von Dämon zu tun. Die glauben das natürlich. Jeder halbwegs schlaue Uzumaki, der das Massaker überlebt hat, dürfte das Reich der Reisfelder schon vor Jahren verlassen haben. Und sie hätten ja auch Recht damit, es zu tun. Gut, gut, wenn ich genauer drüber nachdenke, würde ich den Uzumakis keinen Gefallen damit tun, sie zurückzuholen. Nicht, bevor die Menschen diese dummen Geschichten und Gerüchte vergessen haben. Vielleicht würde es auch helfen, endlich Orochimaru zu töten, ein für allemal. Oder ihn entscheidend zu schwächen. Aber die Chance hast du ja verpasst, Mamo-chan", sagte er, und nahm mich gespielt in den Schwitzkasten. "Orochimarus Leutnant nach einer Hatz durch vier Länder doch noch entkommen zu lassen..."

"Entschuldige bitte, das mir Grenzen gesetzt sind", erwiderte ich.

"Ist nur Spaß. Ehrlich gesagt war ich heilfroh, als ich gehört habe, dass du dich mit Kabuto angelegt und auch noch überlebt hast. Der Mann ist brandgefährlich." Er entließ mich wieder aus dem Schwitzkasten. "Komm, erzähl mir die ganze Geschichte. Zumindest den Teil, der nicht unter die Geheimhaltung Konohas fällt."

"Wenn du so begierig bist zu hören, wie ich verloren habe..." Also erzählte ich alles von meiner Reise nach Suna, was ich den Genin oder meinem alten Freund Ryuji erzählen durfte.

***

Stunden später, ich hatte die Jüngeren bereits ins Bett geschickt, saßen Perine und ich noch mit Ryuji zusammen und redeten über meine Erlebnisse während meiner Suna-Reise.

Die Genin hatten die Geschichte sehr interessiert aufgenommen und regelrecht mitgefiebert, als ich zu den gefährlichen Passagen gekommen war. Sie hatten regelrecht mitgefiebert, obwohl sie gewusst hatten, wie es ausgegangen war. Kishio zeigte ein gerechtfertigtes Maß an Erstaunen, Kuzuko gab sich betont desinteressiert, obwohl sie aufmerksam zuhörte, und Kuzomi hatte eindeutig mehr Interesse an Kira.

Jetzt, wo die Zahl der Zuhörer deutlich limitiert war, konnte ich über die gefährlicheren Passagen offener reden, darunter über einige Stellen, die ich vorher ausgelassen hatte, weil sie mir vor meinen Schülern peinlich gewesen waren. Ich wollte sie nicht unbedingt mit der Nase drauf stoßen, dass auch ihr Sensei zu dummen Entscheidungen neigte. So wie die, über die sich Ryuji geradezu ausschüttete vor Lachen.

"Und du hast ein Dai Endan abgefeuert? In einem geschlossenen Raum? Unter der Erde?" Er hielt sich den Bauch vor Lachen. "Na, da hätte ich aber zu gerne Kabutos Gesicht gesehen! So eine Wahnsinnstat konntest auch nur du dir ausdenken, Mamo-chan."

"Ja, Wahnsinnstat trifft es wohl", murmelte ich.

"Ach, komm schon", sagte er zu mir und klopfte mir auf die Schulter. "In der Situation konnte nur eine Wahnsinnstat helfen. Und du warst bereit, diesen Wahnsinn auszuführen, ohne zu zögern. Könnte sein, dass du nur deshalb noch lebst."

"So kann man es auch sehen", erwiderte ich, nur halb überzeugt.

"Hör auf Ryuji-nii", mahnte Perine. "Mamoru, eigentlich dachte ich, du hättest die Zeiten, in denen du dich sträflich unterschätzt hast, schon lange verlassen."

"Ich gebe mir Mühe, okay? Aber er ist mir entkommen, und..."

"Mamo-chan, merkst du nichts? Bei den meisten anderen Ninjas, die mit ihm gekämpft haben, hört man meistens so was wie: Ich konnte überleben. Aber du sagst: Er ist mir entkommen. Fällt dir was auf?", fragte Ryuji grinsend.

"Aber ich hatte ihn doch fast! Wären wir nicht in diesen schier endlosen Haufen an Untoten gestolpert, die die Abfahrt seines Schiffs gedeckt haben. Ich..." Während ich sprach, stockte ich in jäher Erkenntnis. "Eigentlich hast du Recht. Er ist vor mir geflohen. Vor mir, den ANBU und meinen Affenkriegern. Anne-chan und Kankuro nicht zu vergessen."

"Und? Fühlt sich das jetzt besser an?", fragte er grinsend.

"Etwas, zumindest."

"Na, das muss dich doch in deiner Rolle als Ausbilder bestärken, Mamo-chan. Meinst du nicht auch, Perine?"

"Unbedingt, Ryuji-nii. Und wir wollen nicht vergessen, dass Mamo-chan als Ausbilder arbeitet, seit er Chunin geworden ist. Wem hat er nicht schon alles dumme Marotten ausgetrieben."

"Jetzt übertreibst du", tadelte ich die Affenkriegerin. "Meine Methoden setzten eher selten auf Gewalt, mehr auf Ausbildung - oder ihnen einzureden, mein Vorschlag wäre ihre eigene Idee gewesen."

Wir lachten.
 

"Tolle Genin hast du da. Und wenn ich mich nicht irre, sind die beiden Mädchen, das blasse und das gebräunte, beschworen worden, nicht?"

"Kein Kommentar", erwiderte ich grinsend.

"Ist Recht. Aber was den Rotschopf angeht, deinen Kishio..."

"Was ist mit ihm?"

"Ich spreche jetzt nur zu mir selbst. Wenn er ein Uzumaki ist, und wenn er trainiert worden ist - und das wäre er, wenn seine Tattoos die gleiche Bedeutung haben, wie sie sie bei den Uzumakis aus unserer Region gehabt haben - dann könnte er theoretisch über die Fähigkeit verfügen, jemanden zu töten, ohne ihn zu berühren."

"Super. Ein effektiver Shinobi an meiner Seite", erwiderte ich.

"Macht dir das keine Angst?"

Ich seufzte. "Das fragst du mich? Ich komme aus dem Nara-Clan. Die meisten Shinobi mit dieser Herkunft brechen dir mit ihrem Schatten das Genick. Ich stehe auch dem Yamanaka-Clan sehr nahe. Sie bringen Kraft ihrer Gedanken deine Kameraden dazu, dich zu töten. Und ich kenne da einen gewissen Kerl aus dem Clan der Nekozumi, der schafft es, allein mit der Druckwelle eines Schwertstreichs Stahl zu zerschneiden. Und, davon mal abgesehen und in aller Bescheidenheit, ich bin auch ein ziemlich gefährlicher Ninja. Es wundert mich, dass mir normale Menschen nicht mit einem Schaudern aus dem Weg gehen, obwohl sie wissen, dass ich Dutzende von ihnen binnen eines Sekundenbruchteils töten könnte. Nein, ich habe keine Angst."

"Das beruhigt mich zu hören. Bleibe bei dieser Haltung. Es kann sein, dass er wegen seiner roten Haare negative Reaktionen provoziert, und das ist nie etwas Gutes."

Ich schnaubte abfällig. "Wegen seiner roten Haare? Wie primitiv muss man denn sein, um jeden Menschen mit roten Haaren zu fürchten, weil er ein Uzumaki sein könnte?" Das war natürlich nur die halbe Wahrheit, denn wenn ich an meinen Freund Naruto dachte - auch ein Uzumaki, aber kein sensorischer Ninja, geschweige denn rothaarig - und wie die Stadt, oder zumindest viele ihrer Bewohner mit ihm umgesprungen waren, hatte ich das Bild selbst vor Augen. Und das in einem Ort, der sich selbst als modern, aufgeschlossen und progressiv sah. Nur, weil der arme Junge den Kyubi in sich versiegelt trug. Ich hatte Naruto nie gegen solche verbohrten, ängstlichen oder einfach dummen Menschen beistehen können, auch weil die Ablehnung gegen ihn im Lauf der Jahre abgenommen hatte. Aber bei Kishio würde ich es können, und ich würde es tun.

"Du wirst es erleben." Ryuji klopfte mir auf die Schulter. "Aber mit dir als seinem Sensei habe ich keine Bedenken. Dennoch, vielleicht gibst du ihm besser eines der Konoha-Stirnbänder, aus denen man eine Mütze knüpfen kann."

"Ach. Du meinst, die roten Haare zu verbergen löst das Problem?", konterte ich.

"Du kannst nicht alle herausfordern. Vielleicht ist ein eleganter Ausweg das Beste. Sieh das als meinen guten Rat an, Mamoru Morikubo."

Seine Stimme war ernst geworden, ebenso sein Blick. Ich wusste, er hatte mir etwas Wichtiges gesagt, und ich würde mich später einmal an meiner heutigen Entscheidung messen lassen müssen.

"Danke. Ich denke drüber nach."

Den Rest des Abends verbrachten wir mit weniger schweren Themen.

***

Am nächsten Morgen, nach dem üblichen Training, stand unsere Abreise bevor. Das zwei der Hausdienerinen hinter uns standen und miteinander tuschelten, während sie auf Kishio zeigten, regte meinen Argwohn. Als der Junge dann aber zu ihnen herüber winkte, und die Frauen kicherten, hätte ich beinahe aufgelacht.

"So, sind alle bereit?", fragte ich in die Runde.

"Sensei, Perine-sensei ist nicht da", meldete Mai.

"Ja, ich weiß. Ich habe sie gestern Abend auf den Affenberg zurückgeschickt, damit sie etwas für mich erledigt. Das sollte sie ungefähr jetzt getan haben. KUCHIOSE NO JUTSU!"

Als sich der Rauch der Beschwörung wieder verzogen hatte, trat Perine daraus hervor.

Ryuji, der noch Zeit bis zu seiner Abreise hatte, betrachtete, was sie in beiden Händen hielt und stupste mich in die Seite. "Sehr guter Schachzug, Mamo-chan." Es waren Stirnbänder. Konoha-Stirnbänder.

"Hier, die habe ich heute Nacht machen lassen. Allerdings erwartet Enka-sama dafür eine außergewöhnliche Feier nächsten Monat", sagte sie mahnend in meine Richtung.

Ich nickte zustimmend. "Selbstverständlich. Ich habe nie etwas anderes geplant. Kishio, Kuzoko-chan, Kuzomi-chan, die Stirnbänder sind für euch. Ich möchte, dass Ihr sie ab jetzt immer tragt, damit jedermann sieht, dass Ihr zu Konoha gehört. Ihr könnt sie als Stirnband tragen, Ihr könnt sie zur Mütze formen oder zu einem Stirnband und einer Lage, die längs über den Kopf geht. Ich nenne das immer gerne den Schlüpfer, aber manche Shinobi brauchen das wegen ihrer eigenwilligen Haarpracht.

"Hier, Kuzomi-chan. Hier ist deins, Kuzoko-chan. Und dies ist für dich, Kishio-kun. Gebt gut darauf acht. Enka-sama selbst hat bei der Produktion geholfen."

Beeindruckend. Der Affenkönig selbst hatte daran mitgearbeitet. Aber vermutlich war es nur eine Geschichte von Perine, damit die drei gut auf die Stirnbänder aufpassten.

"Wie trägt man es denn am Besten?", fragte Kuzomi nachdenklich. "Oh, ich mache es wie Mei-chan." Also band sie es sich um den Hals.

"Hm. Ich denke, ich bevorzuge es klassisch um die Stirn", sagte Kuzoko. "Na, wie steht es mir?"

Ich zeigte ihr einen erhobenen Daumen. "Sehr gut."

"Danke, Sensei."

"Ich bin mir nicht schlüssig", sagte Kishio nachdenklich. "Wie soll ich es am Besten tragen?"

Neben mir versteifte sich Ryuji leicht in Erwartung dessen, was ich nun sagen würde.

"Am besten bindest du es dir um die Stirn, Kishio", sagte ich.

"Als Mütze oder als Stirnband?"

"Natürlich als Stirnband!", sagte ich barsch.

Ich hörte Ryuji neben mir leise glucksen. Er legte mir eine Hand auf die Stirn. "Ich habe keine Angst, dass du diese Entscheidung bereuen wirst, Mamo-chan", flüsterte er mir ins Ohr. "Aber ich weiß, dass einige andere deine Entscheidung bereuen werden. Und sie werden es verdient haben."

"Danke", sagte ich mit einem Lächeln.

Ich wandte mich meinen Schülern zu. "Und jetzt, auf in Gentas Dorf!"

"Jawohl!" Beachtlich, alle hatten mitgebrüllt, sogar Kuzoko. Wirklich, diese Reise wurde immer interessanter.

Der ewige Chunin 10

9.

So mancher sagte, das bei einer Reise oftmals weniger das Ziel eine große Rolle spielte; es war eher die Reise an sich, die einen wirklich voran brachte. Wenn ich mir meine aktuelle Reise ansah, dann war ich mir sehr sicher, dass diese Reise schon beachtliche Erfolge erbracht hatte. Alleine dass meine Genin den Dieb von Murata No-Son identifiziert hatten, war bereits beachtlich gewesen. Aber dass sie auch noch das Klettern erlernt hatten, machte mich besonders stolz. Was mich in Gedanken zu Kishio brachte. Die Schonzeit für den Jungen ging langsam zu Ende. Ich würde ihn einem Leistungstest unterziehen müssen um zu sehen, welche Fähigkeiten wir trainieren mussten - und welche dringend trainiert werden mussten. Dazu gehörte auch, ihn auf das Klettern und Wasserwandeln zu testen. Und sein Katon zu verbessern.

Das brachte mich widerum zurück zu den Genin. Ich hatte Shinji und Mai ein Fuuton versprochen, um ihre Windbegabung zu fördern. Die meisten Anfänger-Jutsus beherrschten sie ja bereits, und es wurde Zeit für sie, eine Stufe höher zu gehen.

Und Kira sollte noch immer seine Schwertkampfstunde erhalten, da ich ihn im Raiton nicht direkt unterrichten konnte. Ich spielte mit dem Gedanken, ihn eine Zeitlang meinem Freund Tooma anzuvertrauen, der ebenfalls Blitzaffin war. Aber noch nicht jetzt. Zuerst mussten meine drei Genin eine Einheit werden. Und wenn es dabei möglich war, musste ich dabei die Spinnenmädchen und Kishio so gut es ging integrieren. Das aber auch erst dann, wenn ich mir über die Fähigkeiten der drei im Klaren war. Nun, zumindest beherrschte Kishio bereits Step. Das ging in die richtige Richtung. Und er beherrschte das Verwandlungsjutsu, das hatte er in Murata No-Son bewiesen.

Kuzomi-chan beherrschte Genjutsu und konnte sicherlich wie ihre Schwester Seide spucken. Im Umkehrschluss bedeutete dies für Kuzoko-chan, dass sie neben ihrem Taijutsu und dem Seidespucken eine Genjutsu-Nutzerin war. Sobald ich da einen Überblick hatte, würde die eigentliche Arbeit beginnen. Verdammt, ich vermisste Karin und Hanako. Ich hätte Details an sie delegieren können und hätte sicher sein können, dass sie alles in meinem Sinne regelten. Klar, ich hatte P-chan, auf die ich mich auch zu einhundert Prozent verlassen konnte. Und ich hätte Ranma-sama oder Ranko-sensei rufen können, oder beide. Aber ich wollte, auch wenn es eigentlich schon längst zu spät war, um damit noch anzufangen, noch etwas Chakra sparen, denn die große Affenparty stand bevor. Zum Glück war mein Geldbeutel prall gefüllt, der Bonus nach der Suna-Mission hatte sich als sehr hilfreich erwiesen. Meinen Gästen würde es an nichts mangeln. Zumindest so lange, wie ich die Beschwörung halten konnte.
 

"Mamoru-sensei?", sprach Kishio mich an.

Ich stoppte, und neben und hinter mir kamen die anderen Mitglieder meiner Gruppe aus dem Step. Wir verließen die Bäume, sprangen auf den Waldboden und betraten eine weite Lichtung.

"Was gibt es?"

"Wenn du nichts dagegen hast, würde ich die Gruppe kurz verlassen. In der Nähe gibt es einen Bingo-Stand, und ich würde dort gerne etwas abgeben."

"Ein Bingo-Stand? Wie lahm ist das denn?", murrte Shinji. "Es gibt doch viel bessere Sachen, mit denen man sich beschäftigen kann."

"Shinji, du Dummkopf", sagte Mai halb belustigt, "doch nicht so ein Bingo-Stand. Kishio-kun meint sicher ein Kopfgeldjägerbüro, das Gelder für Personen aus dem Bingo-Buch bezahlt."

"Richtig", sagte Kishio und lächelte. "Ich habe, bevor wir uns getroffen haben, zwei Nukenin gejagt, die bereits einiges Unheil angerichtet haben, und auf die ein Preis ausgesetzt worden ist. Leider habe ich sie ein klein wenig unterschätzt, und prompt wurde ich verletzt. Den Rest der Geschichte kennt Ihr ja."

"Aber du hast gesiegt, oder?", rief Shinji plötzlich aufgeregt. "Ich meine, hättest du nicht, wärst du jetzt doch tot. Wo sind denn die Leichen? Hast du die hier in der Nähe versteckt?"

"Ja, klar. Und dann hat er sich verwundet bis nach Murata No-Son geschleppt", sagte Kira spöttisch. "Denk doch mal nach, bevor du etwas sagst."

Shinji murrte unwillig. "Und das bedeutet was?"

"Äh... Nun, er wird irgendetwas anderes gemacht haben."

Kishio begann schallend zu lachen. "Richtig, Kira-kun. Ich habe ihre Köpfe genommen und in einer Spruchrolle versiegelt. Das reicht als Identitätsnachweis, und ich kriege meine achttausend Ryou."

"Du hast die Köpfe versiegelt bei dir? Zeig mal, Kishio!", drängte Shinji aufgeregt.

"Iiih, abgetrennte Köpfe?", fragte Kuzomi. "Die sind doch bestimmt nicht mehr frisch."

"Na, irgendwie muss er ja beweisen, dass die Nukenin tot sind, oder?", meinte Kuzoko. "Ich sehe das ganz pragmatisch."

"Ich auch", schloss sich Kira an. "Zeig her die Dinger."

Ein wenig unentschlossen sah Kishio zu mir und zu Perine herüber. Dann ging sein unsicherer Blick zu Mai.

"Na", sagte das junge Mädchen, "wir haben nicht ewig Zeit. Nun zeig schon her, was du hast."

Das gab den Ausschlag. Kishio griff in seinen Rucksack, zog eine Schriftrolle hervor und entfaltete sie. "Kai."

Vor den Genin und den Spinnen erschienen zwei abgetrennte Köpfe auf dem Papier. Nicht gerade ein schöner Anblick. Einen erkannte ich wieder. Ich hatte seinen Steckbrief gesehen. Ein widerlicher Zeitgenosse, für den der Tod viel zu gut war. Er hatte sich darauf spezialisiert, abgeschiedene Gehöfte auszuplündern. Allerdings hatte ich gedacht, dass Konoha schon jemanden entsandt hatte, um sich um diesen Plünderer und Mörder zu kümmern. Nun, der Punkt war sicher erledigt. Ich nahm die Information in meinem geistigen Notizblock auf, um sie Tsunade-sama in meinem nächsten Bericht zu melden.

"Das ist ja grauselig. Iiih", ließ sich Kuzomi vernehmen. Aber sie hockte sich vor der Schriftrolle hin und stocherte an den reglosen Köpfen mit einem Stock herum. Sie hatte anscheinend ein gewisses Interesse am Morbiden. Das teilte sie mit vielen Mädchen in ihrem Alter.

"Ja, ganz nett. Sind aber nur abgeschlagene Köpfe", kommentierte Mai nach einem ausführlichen Blick. "Das muss ein harter Kampf gewesen sein. Die Wunde im Gesicht des rechten Kopfs sieht relativ frisch aus."

"Er war hart genug, um mich fast zu töten, Mai-chan", erwiderte Kishio. Unbewusst fasste er sich an die Seite. "Hätte Mamoru-sensei mich nicht gefunden..."

"Uff, sind die schwer", staunte Shinji.

"Du kannst die doch nicht an den Haaren hochheben", tadelte Kira. "Hast du keinen Respekt vor den Toten?"

"Na, wie soll ich sie sonst anheben? Unten anpacken will ich nicht. Und Respekt habe ich vor denen auch keinen. Immerhin sind das hier Mörder, oder?", konterte Shinji.

"Ich denke, das reicht heute für Anschauungsunterricht", sagte ich. "Kishio, versiegle die Köpfe wieder und mach dich auf, um dein Kopfgeld einzustreichen."

"Ja, Mamoru-sensei." Fingerzeichen, ein Wort, und die Köpfe waren wieder in der Rolle versiegelt.

"P-chan, du gehst mit ihm."

"Geht klar, Mamo-chan."

Ich sah Kishio beinahe ehrverletzt zu mir herübersehen.

"Sie geht zu deinem Schutz mit, Kishio. In einer Bingo-Bude kannst du auf Leute treffen, die skrupelloser als du sind. Sicher hast du die bisher auch allein überlebt. Aber warum drauf verzichten, wenn ich dir Perine mitgeben kann?"

Kishio stockte, dann aber nickte er. "Verstanden, Mamoru-sensei."

"Wir werden derweil ein wenig üben, während wir auf eure Rückkehr warten." Ich sah meine Genin an. "Ein zwei gegen zwei. Kira und Kuzomi-chan gegen Mai-chan und Shinji."

"Aber das ist unfair, Sensei", sagte Shinji mürrisch. "Kuzomi-chan beherrscht Genjutsu, und Kira ist der Einzige, der sich daraus befreien kann."

"Richtig", sagte Kuzoko. "Soll ich die beiden nicht besser unterstützen?"

"Nein, Kuzoko-chan", bestimmte ich. "Tja, Shinji, du wirst heute einfach sehr schnell lernen müssen, wie du ein Genjutsu überwindest, wenn du und Mai eine Chance haben sollen."

"Das ist unfair", beharrte Shinji, aber das kleine Glimmen in seinen Augen war nicht zu übersehen.

"Ihr könnt dann gehen, Kishio, P-chan."

"Sensei!" "Ist gut, Mamo-chan. Lass den Wald ganz."

"Ich versuch's", erwiderte ich grinsend. Die beiden verschwanden vor meinen Augen mit Step und hatten meine sensorische Reichweite relativ schnell verlassen.
 

"Also", sagte ich und rieb mir in freudiger Erwartung die Hände, "wir spielen ein Spiel. Es ist alles erlaubt. Ihr dürft jede Fähigkeit anwenden, über die Ihr verfügt. Aber es gibt eine Regel: Taijutsu darf unbegrenzt verwendet werden, ebenso Genjutsu. Wird aber jemand von einem Ninjutsu getroffen, gilt er als tot und scheidet aus. Und macht euch keine Sorgen, dass Ihr einander verletzen könntet. Ich schicke Kage Bunshin aus, die als Schiedsrichter fungieren und aufpassen, damit Ihr euch nicht gegenseitig verletzt." Ich legte kurz den Kopf auf die Seite. "Gut, macht euch doch ein bisschen Sorgen, und seht zu, dass Ihr nicht wirklich versucht, einander zu töten. Ich möchte das nicht euren Eltern erklären müssen. Soweit alles klar? Ja, Kira?"

"Äh, Sensei, ist es das jetzt? Du sagst Start, und wir kloppen aufeinander ein?"

"Nein, etwas komplexer ist es schon. Das Spiel, das wir spielen, dient dazu, um eure strategischen Fähigkeiten zu testen. Es heißt: Erobere die Flagge. Jedes Zweierteam bekommt eine Flagge, die es beschützen muss, und zwar an einem stationären Ort. Die Flagge mitzunehmen ist nicht gestattet. Ziel des Spiels ist es, die eigene Flagge am Flaggenort zu beschützen, und die Flagge des Gegners zur eigenen Flagge zu bringen. Gewonnen hat, wer die feindliche Flagge dreimal erobert hat. Noch Fragen?"

Shinji hob eine Hand. "Sensei, was tun wir, wenn Mai und ich kein Gegenmittel gegen Kuzomis Genjutsu finden?"

"Tja, keine Ahnung. Ich stecke ja nicht in euren Schuhen."

"Danke, das ist jetzt sehr hilfreich für uns", murrte Shinji.

"Ach, komm schon, Shinji. Uns wird irgendetwas einfallen. In einem Kampf müssten wir schließlich auch unsere Ideen umsetzen und können uns nicht auf Regeln verlassen."

Mürrisch sah Shinji seine Gefährtin an. "Aber es ist so ungleich verteilt."

"Das finde ich nicht", sagte Kuzoko. "Ihr wisst, dass meine Schwester Genjutsu beherrscht. Und diese Information macht das Genjutsu nur noch halb so effektiv. Eine Gefahr, die man abschätzen kann, verliert einen Teil ihrer Gefährlichkeit."

"Sag ich doch", sagte Mai.

"Na gut. Wir schauen halt, was passiert."

"Und bedenkt auch", sagte ich, während ich vier Kage Bunshin beschwörte, "dass man jeden Trick wahrscheinlich nur einmal benutzen kann. Kennt euer Gegner euer Repertoire, war es das für euch." Ich gab zweien meiner Klone Stofffetzen mit, die als Flaggen dienen sollten. Eine Blaue und eine Gelbe. Die Klone verschwanden mit Step, um die Flaggenplätze einzurichten. Die anderen beiden verschwanden ebenfalls mit Step, um ihre Positionen einzunehmen, von denen aus sie versuchen würden, die Genin vor sich selbst zu beschützen.

"Kira und Kuzomi-chan nach rechts, Shinji und Mai-chan nach links. Ihr startet vom Flaggenplatz aus. Einigt euch, ob Ihr jemanden zurücklassen wollt, um die Flagge zu verteidigen.

Ach ja, natürlich kehrt man, sobald das andere Team einen Punkt gemacht hat, als Toter wieder auf das Schlachtfeld zurück. Ihr startet, wenn ich pfeife. Und jetzt los."

Die drei Genin und das Spinnenmädchen nickten entschlossen, bevor sie mit Step in Richtung ihrer Basen verschwanden.

"Und was soll ich dabei machen, Mamoru-sensei?", fragte Kuzoko. "Du scheinst das ja sehr gut im Griff zu haben."

"Hm. Geh nach Norden und halte einen Abstand von vierhundert Metern zu uns ein. Von dieser Position aus achtest du auf Bewegungen in unsere Richtung. Passiert etwas Ungewöhnliches, alarmiere mich, und ich breche die Übung ab."

"Denkst du an etwas Bestimmtes, Mamoru-sensei?", fragte die Spinne.

"Ja, tatsächlich. Wir befinden uns nahe der Grenze zum Land der Reisfelder, und nicht jeder, der dort lebt, ist ein Freund von mir. Meine Anwesenheit könnte den einen oder anderen dazu verführen, sein Mütchen zu kühlen, oder Rache für Otogakure zu nehmen. Und darüber hinaus gibt es noch mehr Gründe, um uns anzugreifen."

"Wenn das so ist, rechnest du nicht damit, dass wir umgangen und von hinten angegriffen werden? Oder in den Flanken?"

"Jetzt rate mal, warum ich vier Schattenklone ausgesandt habe", erwiderte ich grinsend.

"Oh, verstehe." Sie lächelte grimmig. "Dann beziehe ich mal meinen Posten."

Ich nickte. Als sie mit Step verschwand, schob ich zwei Finger in den Mund und pfiff schrill. Das Schlachtfeld war eröffnet.
 

Den Anfang machten Shinji und Mai. Sie jagten über das Feld hinweg auf Kiras Flaggenplatz zu. Der schoss ihnen entgegen, und an ihnen vorbei, mit Kuzomi als Rückendeckung für das Lager.

Wie nicht anders zu erwarten war, nahm das Spinnenmädchen die beiden Shinobi unter ihr Jutsu. Sie erstarrten, waren gelähmt und zu keiner Aktion mehr fähig.

"Gut so! Halte das, Kuzomi-chan!", rief Kira hocherfreut. Mit einem letzten Satz war er am Flaggenplatz seiner Gegner, um die gegnerische Flagge zu holen und den ersten Punkt zu machen.

Dies war ungefähr der Augenblick, als Shinji unerwartet vor ihm auftauchte und ein Wind-Ninjutsu gegen ihn benutzte. "Fuuton: Juuta Shou!" Vor dem dicklichen Jungen entstand aus Chakra eine dünne Fuuton-Klinge, die auf Kira zuraste. Der Junge machte erschrocken einen Überschlag, wich der Klinge aus und zog sein Wakizashi. Da traf ihn aber schon das zweite Windjutsu Shinjis.

"Fuuton: Reppuushou!" Diese Technik, eigentlich dazu gedacht, eigene geworfene Shuriken und Kunais zu beschleunigen, wirkte sich in diesem Fall durch die Druckwelle aus. Bevor Kira landen konnte, riss ihn der Druck mit sich und schleuderte ihn äußerst unsanft in eine Baumkrone.

"Kira-sama!", rief Kuzomi-chan besorgt. "Moment mal, wenn Shinji da drüben ist, wen habe ich da unter meinem Jutsu?" Vor den entsetzten Augen der jungen Spinne löste sich Shinji auf und verriet seine Existenz als Kage Bunshin. Zu ihrem noch größeren Entsetzen zerfiel auch Mai in Rauch - und der hastige Blick hinter sich offenbarte ihr, dass ihre Flagge fehlte.

Als Mai mich passierte, hinter mir, durch die Bäume huschend, rief ich: "Auf den Weg achten, Mai. Triff die Äste ordentlich, dann musst du nicht wieder auf die Bäume springen."

"Ja, Sensei!", rief sie, huschte weiter und landete schließlich bei ihrer Flagge.

"Punkt für Shinji und Mai", sagte ich.

Einer meiner Klone kam aus dem Baum, in dem Kira verschwunden war, den Jungen auf den Armen, und landete neben den beiden Genin. "Kira wurde von einem Ninjutsu getroffen", erklärte er, also ich jetzt. "Deshalb galt er als tot. Kira, nimm deine Flagge und kehre zu Kuzomi-chan zurück. Zweite Runde."

Grummelnd, nachdem er auf die eigenen Füße gelassen worden war, schnappte er sich die gelbe Flagge und huschte mit Step über das Schlachtfeld. Es wurmte ihn sichtlich, dass das Genjutsu Mais mit zwei Schattenklonen ausgekontert worden war.

"Kira-sama, es tut mir so leid, dass...", begann das Mädchen, aber Kira winkte ab. "Schon gut. Passiert ist passiert, und ich war ja auch nicht besser. Aber ich habe bereits eine andere Idee..." Leise besprach er sich mit seinem Kontraktpartner. Als sie nickte, sah ich ihre Strategiesitzung als beendet an und pfiff erneut.
 

Wieder ging Kira offensiv vor, eilte sofort auf die gegnerische Flagge zu. Ihm kam nur Shinji entgegen, offensichtlich mit dem gleichen Vorhaben. Die beiden passierten einander, doch kaum das Kira in Shinjis Rücken war, wirbelte er herum. "Raiton: Erubow!" Sein rechter Ellenbogen versank in seinem Blitz-Chakra. Mit dem derart aufgeladenen Arm traf er Shinji ziemlich genau oberhalb der rechten Niere. Es war ein relativ schwaches Jutsu, aber es reichte, um den Jungen ein paar Meter aus dem Kurs zu schleudern und zu Boden zu werfen.

"AU!", rief er aufgebracht. "Au, Kira, das tat weh!"

"Was denn? Ich habe doch kaum Chakra hineingelegt", erwiderte der trocken. "Bleib schön liegen. Du weißt doch, wer von Ninjutsu getroffen wird, der ist tot."

"Mist", murrte Shinji und ließ sich ins Gras sinken.

Kira erreichte indes den Flaggenplatz des gegnerischen Teams. Ein Schwarm Shuriken empfing ihn, und beinahe wäre er darauf hereingefallen, dass sich hinter dem ersten Fuusha Shuriken, den Mai ihm entgegenwarf, ein zweiter, versteckter befand, aber eben nur fast. Dieses Jutsu seiner Kameradin kannte er schon. Statt getroffen zu werden blieb Kira offensiv. Er benutzte seine Raiton-Natur und setzte einen Umkreis von dreißig Metern unter Blitz-Energie. Mai, die nicht erwischt werden wollte, sprang in einen Baum.

Darauf hatte Kira nur gewartet. Er machte einen Satz nach vorne, schnappte sich die Flagge, was Mai ärgerlich fluchen ließ, und lief wieder in Richtung seiner eigenen Flagge. Mai setzte zur Verfolgung an und versuchte, ihm auf den Fersen zu bleiben. Aber Kira, von Blitzen bedeckt, legte einen Zwischenspurt hin, sodass er die eigene Flagge erreichte, als Mai noch über vierzig Meter entfernt war. Erneut fluchte das Mädchen, und zwar in so blumigen Worten, dass ich mich fragte, woher ein Mädchen ihres Alters solche Wörter kannte.

"Punkt für Kira und Kuzomi-chan!", rief ich. "Ausgangspositionen."

Mai nahm ihre Flagge von Kira wieder entgegen. "Guter Schachzug. Aber wir sind noch nicht am Ende mit unserer Kunst."

"Wir auch nicht!", rief Kuzomi, voll motiviert, und hängte sich an Kiras rechten Arm. "Nicht wahr, Kira-sama?"

"Ja, wir haben auch noch was in Petto."

"Na, da bin ich aber gespannt!", rief Mai, winkte den beiden zu und ging dann zu Shinji. "Hoch mit dir. Zwei Punkte musst du noch holen."

"Och nö, Mai-chan. Kannst du das nicht machen?"

"Sehr witzig von dir. Du bist doch viel schneller als ich."

"Versucht gar nicht erst, uns verwirren zu wollen", rief Kira. "Wir rechnen mit allem!"

"Ja, mit allem!", rief Kuzomi.

Mai lächelte spöttisch in seine Richtung. Ja, meine Genin hatten gerade richtig Spaß.
 

Als sie ihre Positionen wieder bezogen hatten, ließ ich sie kurz Strategiesitzung halten. Mit einem Pfiff gab ich den Kampf erneut frei, neugierig darauf, wie es jetzt ausgehen würde.

"Kage Bunshin!" Kira duplizierte sich und attackierte erneut. Auf der Gegenseite machte sich nur Shinji bereit, die Defensive Mai überlassend.

In der Mitte des Feldes trafen sich Kira, sein Klon und Shinji. Kira und sein Klon gingen Shinji sofort an, drängten ihn von der Mitte fort und zogen ihre Schwerter. Shinji antwortete, indem er ein Kunai zückte und in Abwehrhaltung ging. Eine Sekunde der Unaufmerksamkeit genügte allerdings einem der beiden Kiras, sich von ihm zu lösen und seine Flaggenstellung zu attackieren. "Mai! Verdammt!"

Kira blockierte den Genin. "Hooo! Hier spielt die Musik!"

Shinji versuchte es erneut mit Juuta Shou, aber Kira war auf der Hut. Er sprang aus dem Weg, überwand Shinji und gelangte in dessen Rücken. Diesen Augenblick nutzte der andere, um sich von Kira abzusetzen.

Der Raiton-Nutzer setzte ihm nach, dabei ein Jutsu schmiedend. "Sandaa Saberu!"

Aus Kiras Rechte zuckte ein Blitz, der knapp neben Shinji einschlug. Die Berührung mit dem Boden löste eine Explosion aus, die den Jungen erwischte und meterweit davonwirbelte, aber nicht ausschaltete. Während er wehrlos dahin segelte, stieß er einen saftigen Fluch aus, den er nur bei Mai gelernt haben konnte. Er landete relativ sicher, aber nach den Regeln war er für diese Runde "tot".

Nun wurde es spannend, denn der andere Kira hatte Mai erreicht. Die erwartete ihn gespannt, ihre geliebten Shuriken und Senbou in den Händen, bereit zu werfen. In diesem Moment aber löste sich die Verwandlung auf, und statt Kira stürmte nun Kuzomi auf Mai zu. Das verwirrte sie für einen winzigen Augenblick, und diese Zeit nutzte das Spinnenmädchen, um einen Schwall Spinnenseide auszuspucken, der Mai erfasste, davonwirbelte, und an einen Baum fesselte. In aller Seelenruhe schnappte sich Kuzomi die Flagge und ging zurück zu ihrem Flaggenplatz.

Was für eine schlaue Taktik. Je länger sie sich Zeit ließ, umso länger konnten Kira und sie sich erholen.

Als es hinter ihr ein Geräusch wie von reißendem Stoff gab, begleitet von einem derben Fluch, sah sie hinter sich und erkannte Mai, die sich dank eines Kunais gerade befreit hatte. "Oh! MIST!" Nun beeilte sie sich, und dank ihres beachtlichen Vorsprungs schaffte sie es sicher zu ihrer Flagge.

Shinji erhob sich und trottete auf Kira und Kuzomi zu. "Passt auf. Jetzt werden wir euch mal so richtig überraschen."

"Ich bin sehr gespannt", erwiderte Kira grinsend. "Du weißt, wir haben jetzt Matchball. Ich erwarte also sogar, dass Ihr euch richtig Mühe gebt."

"Damit können wir dienen!", rief Mai herüber und winkte.

Shinji ließ sich die Flagge aushändigen. Mit mehreren Steps war er bei Mai, und mit ihr kehrte er zu ihrem Flaggenplatz zurück. Dort begannen sie miteinander zu tuscheln.

Auch Kira und Kuzomi schmiedeten Pläne.

Bis zu diesem Augenblick war ich sehr zufrieden mit meinen Genin. Sie hatten gute Jutsus, und wenn ihre Chakrakontrolle erst einmal besser war, würden diese einfachen Ninjutsus, die sie mir gezeigt hatten, von erheblicher Gefährlichkeit für ihre Gegner sein. Die meisten normalen Genin würden sie mit diesem Können sicher besiegen können. Auch ihre Taktiken, die viel auf Verwirrung und Täuschung des Gegners basierten, machten mir nicht unberechtigte Hoffnungen, dass sich diese Combo im Ernstfall sehr gut schlagen würde.
 

Erneut gab ich die Arena mit einem Pfiff frei und harrte der Dinge, die da kommen würden.

Mai und Shinji eröffneten ihren Teil des Zugs, indem sie massenhaft Kage Bunshin erschufen. Ich zählte acht Mais und elf Shinjis. Das musste die beiden eine große Menge Chakra kosten. Vor allem, sie stabil zu halten, würde sie auslutschen. Langsam zwar, aber beständig.

Auf Kiras Seite war man auch nicht untätig. Kuzomi benutzte Spinnenseide, um eine Art Vorhang zu erschaffen, der den rückwärtigen Teil ihres Flaggenplatzes abdeckte. Ein geheimer Angriff von hinten wie von Mai in der ersten Runde wurde damit unwahrscheinlicher.

Kira antwortete mit eigenen Klonen. Er erschuf sechs. Zusammen mit diesen Klonen rückte er vor und verteilte sich gleichmäßig in einer Linie auf dem Kampfplatz. Als ich sein Chakra ansteigen spürte, wusste ich, was er vorhatte. Er plante, die heranstürmenden Schattenklone allesamt unter sein Raiton zu setzen, um sie damit ausscheiden zu lassen. Eine schöne, flächendeckende Taktik, die mit einem Schlag alles klar machen konnte, während Kuzomi in der Defensive stand, bereit, ihr Genjutsu zu benutzen.

Als die Flutwelle aus Kage Bunshin Kiras Höhe erreicht hatte, entließ der Junge sein Raiton und setzte einen großen Umkreis um sich und seine Klone unter seine Blitzenergie.

Bevor die Blitze jedoch die Klone erreichen konnten, warfen drei der Shinjis drei der Mais in die Luft. Als sie erwischt wurden, verschwanden sie in Rauchwolken, während die anderen Mais und Shinjis, sobald sie getroffen wurden, lediglich ihren Angriff einstellten. Die drei Mais aber stürzten sich auf die mittleren Kiras, von denen einer das Original war. Auch die Mai-Klone benutzten Fuuta Shou, die Windklingen, denen aber nur der Original-Kira ausweichen konnte. Seine Klone vergingen. Just in diesem Moment stürzte eine vierte Mai fast direkt hinter Kira vom Himmel. Sie warf ein Kunai mit Sprengtag, das detonierte, als es Kira fast erreicht hatte.

Aus der Explosionswolke schoss einer meiner Klone hervor, Kira fest umfasst. Er landete sicher auf dem Boden und setzte Kira ab, dem ein wenig die Beine zitterten.

"Vielleicht etwas weniger ernst, Mai-chan", mahnte mein Klon.

Das Mädchen winkte ab. "Keine Sorge, es war nur ein schwaches Sprengtag. Ich bin ja kein Unmensch."

"So? Darf ich dich dann an die Sache im Bad in Konoha erinnern?", rief Kira entrüstet. "Kein Unmensch, von wegen..."

"Nein, darfst du nicht! Und ich war im Recht damals! Du kannst froh sein, dass das nicht noch mal passiert ist!"

Kira setzte an um etwas zu sagen, schwieg dann aber doch.

"Na also."

Eine der Mais verwandelte sich in Shinji. Gemeinsam mit den anderen drei Mais lief er auf Kuzomi und die Flagge zu. Die Spinne entließ einen Schwall Spinnenseide, dem einer der Klone zum Opfer fiel, er verschwand in der charakteristischen Rauchwolke.

Mai und ihr Klon warfen weitere Shuriken mit Sprengtags, und Kuzomi beeilte sich, aus der Reichweite der Explosion zu kommen. Aber die Tags brannten war, doch sie zündeten nicht.

"Was? Aber...", fragte Kuzomi verständnislos.

Eines der Kunais verwandelte sich in Shinji. Er schnappte sich die Flagge und eilte sofort zurück.

"Moment!", rief das Spinnenmädchen entrüstet und wollte ihm hinterher, aber die Mais und der Shinji-Klon hielten sie auf. Unbeschadet, aber eigentlich mit letzter Kraft, erreichte Shinji seine eigene Flagge und ließ sich sofort fallen. Kira blieb wo er gerade war, rupfte Grashalme aus und analysierte die Situation. "Zwei zu zwei. Verdammt. Wir hatten einen Matchball. Aber Ihr seid richtig gut, Mai, Shinji!"

"Danke", erwiderte das Mädchen, während sie mit Kuzomi an ihm vorbei ging, "das Kompliment können wir nur zurückgeben. Wir sind schon sehr gespannt, was Ihr noch auspacken werdet."

"Das sind wir auch. Nicht, Kuzomi-chan?"

"Oh ja", sagte das Spinnenmädchen begeistert. "Das macht so einen Spaß. Und ich bin so gespannt, wer hier wohl gewinnen wird!"

Eine gesunde Rivalität, die aber nicht mit negativen Emotionen belastet war, so hatte ich mir die Szene hier gewünscht. Ich war sehr zufrieden. Und von allen Anwesenden war ich wohl der Gespannteste, denn ich konnte mir kaum vorstellen, wie meine Genin diesen Kampf noch steigern wollten, ohne über B-, oder A-Klasse-Jutsus zu verfügen.

"Zehn Minuten Pause, damit Ihr euch erholen könnt!", rief ich, um die Sache noch spannender zu machen. Ausgeruhte Genin würden noch mal ordentlich einen drauflegen. Dachte ich.
 

Als Kuzoko auf die Wiese gesprungen kam, war mir klar, dass das Match vorbei war. Und dass meine Ahnung leider in Erfüllung gegangen war.

"Mamoru-sensei!", rief sie herüber. "Ärger!"

Ich benutzte Step, um zu Kira, Kuzomi und Mai zu kommen. Shinji war bereits aufgesprungen und eilte auf unsere Position zu.

"Was gibt es?", fragte ich.

"Ungefähr zwanzig Personen, aus Richtung der Grenze des Lands der Reisfelder. Sie kommen mit Ninja-Techniken direkt auf uns zu. Sie werden in zwei Minuten hier sein, wenn sie nicht noch mal richtig Gas geben."

"Hm." Ich musterte meine Genin. Sie hatten alles gegeben und waren ausgepowert. Ich konnte von ihnen kaum verlangen, schon wieder zu kämpfen. Nein, das war falsch. Ich konnte und musste es verlangen. Aber ich würde sie nicht die Hauptlast des Kampfes tragen lassen. Sofern es zu einem Kampf kam. Eventuell würde er sich vermeiden lassen. Aber meine lange Erfahrung sprach dagegen. Ich schimpfte mich selbst einen Träumer. "Auf die Beine."

Meine Genin kamen hoch und machten sich kampfbereit.

Zehn vermummte Gestalten erschienen mit Step vor uns auf der Wiese. Das bedeutete, rund weitere zehn konnten uns seitlich oder von hinten angreifen, Klone nicht eingerechnet.

"Das ist nahe genug!", rief ich, als die Gruppe sich auf uns zubewegte.

Sie blieben stehen. Ich kannte ihre graue Kleidung mit den Fleckentarnmustern nur zu gut. Sie war typisch gewesen für die Ninjas von Otogakure. Und auch wenn sie keine Stirnbänder trugen, ordnete ich sie instinktiv Orochimaru zu. Mist.

Der Anführer machte einen Schritt nach vorne. "Wir suchen keinen Streit, Morikubo-sama."

"So? Dann zieht weiter. Ich gewähre euch freien Abzug."

Diese meine Worte ließen die Männer kurz auflachen. "Du verkennst deine Position, Morikubo-sama. Wir sind eine gut ausgebildete, eingespielte Truppe. Du hast nur deine Genin."

"Nur meine Genin?" Ich lachte auf. "Mit niemandem würde ich im Moment lieber einen Kampf bestreiten als nur mit meinen Genin. Unterschätzt sie nicht. Sie sind schon längst mehr als nur Genin."

Ich sah, wie sich die kleinen Shinobi bei diesem Lob stolz aufrichteten. Auch die Spinnen sahen sich gelobt und stellten sich entschlossener hin. "Also, was wollt Ihr?"

"Nichts von dir, Morikubo-sama. Wir möchten nur den rothaarigen Burschen, den Kopfgeldjäger. Wenn du ihn uns überlässt, verschwinden wir ohne einen Kampf. Darauf hast du mein Wort."

"So, so. Ihr verzichtet also auf einen Kampf, wenn Ihr Kishio erhaltet?" Ich atmete leise aus. "Was denkt Ihr, Team dreizehn?"

"Auf gar keinen Fall!", rief Shinji entrüstet. "Kishio ist einer von uns!"

"Na ja, jetzt nicht unbedingt schon einer von uns, auch wenn er sich Mühe gibt", fügte Kira hinzu, "aber auf jeden Fall ist er unser Kamerad und ein Schüler von Mamo-chan, und ich lasse meine Kohais aus Prinzip nicht im Stich!"

"Ich sehe das mehr wie Shinji", sagte Mai bestimmt. "Kishio gehört zu uns! Basta! Er ist zwar gerade nicht hier, aber wir verteidigen ihn, wo immer es nötig ist!"

"Kuzomi-chan? Kuzoko-chan?"

Kuzomi schüttelte energisch den Kopf. "Kira-sama hat vollkommen Recht. Er ist unser Kamerad. Wir geben ihn nicht her!"

Kuzoko runzelte die Stirn. "Wie viel Zeit wollt Ihr eigentlich noch für die anderen zehn erkaufen, die uns umgehen, hä?"

"Oh", sagte der Anführer mit falschem Bedauern in der Stimme. "Da sind wir wohl ertappt worden. Das bedeutet dann wohl, dass wir..."
 

Ich presste die rechte Hand auf den Boden. "KUCHIOSE NO JUTSU!"

Gleichzeitig sprangen meine vier Schattenklone hervor und feuerten jeweils ein Dai Endan auf die Feindgruppe ab. Meine Genin und die Spinnenmädchen zückten ihre Waffen oder bereiteten ihre Jutsus vor. Tja, wer Team dreizehn angriff, der musste damit rechnen, dass es sich verdammt noch mal wehrte.

***

Etwa eine Stunde später erreichten Perine und Kishio die Lichtung, auf der wir das Kriegsspiel abgehalten hatten.

Die Affenkriegerin musterte die Brände, die von Ranma-sama und Ryoga gerade gelöscht wurden, betrachtete die verkohlten Baumstümpfe dessen, was vor zwei Stunden noch eine Baumgruppe gewesen war, und sah Ranko-sensei dabei zu, wie sie einen verletzten, aber glücklich grinsenden Kira verarztete. Mai und Kuzoko waren bereits verbunden, aber keiner schien wirklich unglücklich zu sein. Im Gegenteil, die Stimmung war bestens.

Derweil renkte Akane Shinjis rechten Arm wieder ein. "Autsch. Okay, das war eine sehr dumme Idee, auch wenn sie funktioniert hat", murmelte er.

"Nanu? Habe ich dir nicht gesagt, du sollst den Wald nicht zerstören, Mamo-chan?", fragte sie spöttisch.

Ich rang die Hände in einer entschuldigenden Geste. "Hat sich halt so ergeben. Passiert manchmal."

"Apropos passiert. Was ist denn hier geschehen?", fragte Kishio mit Entsetzen in der Stimme.

"Ich glaube, ich fasse das alles am Besten zusammen, wenn ich sage, das wir eine Übung hatten, um die Zeit bis zu eurer Rückkehr totzuschlagen. Ach, und Kishio-kun, falls du in dicke Asche trittst, wisch dir die Füße ab. Glaub mir, die willst du nicht mitnehmen."

"Ja, aber... Aber...", stammelte er.

"War dein Geschäft erfolgreich? Hast du dein Kopfgeld gekriegt?", fragte ich.

"Ja, Mamoru-sensei, alles in bester Ordnung. Es gab kurz den Hauch von Ärger, aber mit Perine-samas Unterstützung war das kein Problem. Was war hier los, verdammt?"

"Ein kleines Intermezzo mit Nukenin, die in unsere Übung geplatzt sind", sagte Mai. Sie machte eine abwertende Geste. "Nicht der Rede wert. Trotzdem, meide die Aschehügel. Das sind nämlich die Nukenin. Sensei war nicht sehr gnädig mit ihnen. Übrigens, dieses Fuuton will ich auch lernen, Sensei!"

"Und ich auch!", ereiferte sich Shinji aufgeregt.

"Später. Wenn Ihr ein A-Klasse-Jutsu auch handhaben könnt", wiegelte ich ab. "Wenn die Brände gelöscht und alle versorgt sind, ziehen wir weiter. Ich hoffe, das wir es heute noch bis zum nächsten Gasthaus schaffen. Morgen sind wir dann in Gentas Dorf."

Kishio ging zu Kira. "Du wirst es mir doch sagen, oder? Was ist hier passiert, Kira-sempai?"

Der Raiton-Nutzer zuckte mit den Schultern. "Sie wollten dich. Wir wollten dich aber nicht rausgeben. Und dann haben wir unseren Standpunkt sehr deutlich gemacht. Das ist alles." Kira versuchte, eine gleichgültige Miene zu behalten, aber dann huschte ihm doch ein Grinsen über sein Gesicht.

Kishio sah ihn erstaunt an. Sein Blick ging zu Shinji, der ihm das V-Zeichen mit der rechten Hand zeigte. Von dort wanderte er zu Mai. Das Mädchen wirkte entschlossen und zufrieden. "Kein Problem, Kishio-kun. Wir sind mit ihnen Schlitten gefahren."

Von dort ging sein Blick über die Spinnenmädchen, die nickten und ihm zulächelten. Zuletzt sah er mich an.

"Du bist ein Teil meines Teams, Kishio. Ich allein entscheide, ob und wann du dich opferst, sollte es einmal nötig werden." Was in Shinobi-Kreisen absolut üblich war. "Aber bestimmt entscheiden das keine verdammten Oto-Nin an meiner Stelle. Es hätten ruhig ein paar mehr sein können."

"Was denn?", klang Kiras Stimme mit spöttischem Ton auf. "Zwanzig waren dir nicht genug, Sensei?"

"Ich hätte auch gegen dreißig gekämpft. Oder gar vierzig. Ich hatte ja euch, oder?"

Das ließ meine Genin aufsehen. Stolz erwiderten sie meinen Blick.

"Ihr alle...", hauchte Kishio. Er schien den Tränen nahe. "Es tut mir leid..."

"Muss es nicht. Es war unsere Entscheidung. Ende." Kira griente den anderen an. "Außerdem mussten wir was tun. Sie haben unser Training unterbrochen, das Kuzomi-chan und ich beinahe gewonnen hätten. Nicht, Kuzomi-chan?"

"Ja, Kira-sama!"

"Moment mal!", protestierte Shinji. "Den letzten Punkt haben wohl wir gemacht, oder? Wir waren ganz klar im Vorteil!"

"Ja, nachdem Ihr euch mit Kage Bunshin ausgepowert habt", spottete Kira.

"Für die Oto-Nin hat es ja wohl noch gereicht", warf Mai ein. "Dann hätte es auch noch für den nächsten Punkt gereicht."

"Ha!", rief Kira. "Sensei, ich fordere eine Wiederholung!"

"Die wird es geben. Wenn Ihr wiederhergestellt seid."

"So lange kann ich nicht warten!", protestierte er.

"Wir nutzen unsere verbliebene Kraft, um zu Gentas Dorf zu kommen. Dort, nach ein oder zwei Tagen Erholung, holen wir das Turnier nach, okay?"

"Wenn es denn sein muss", murrte Kira.

"Ich warte da auch nicht so gerne, um Kira eins auszuwischen", sagte Shinji grinsend.

"Männer", spottete Mai. "Nächstes Mal nehmen wir Kishio in unser Team auf. Ihr kriegt dafür noch Kuzoko-chan!"

Ich lachte leise. Wirklich, diese Shinobi waren vielversprechend. Sie würden es noch weit bringen.

Langsam wandte ich mich ab, um mit Ranma und Ryoga zu sprechen. Auf dem Weg passierte ich Kishio, der die Genin mit feuchten Augen beobachtete. "Willkommen Zuhause", flüsterte ich ihm zu. Die Antwort waren Tränen, die seine Wangen hinab flossen. Damals hatte ich keine Zweifel, dass Kishio bei uns angekommen war.

Der ewige Chunin 11

10.

Unsere weitere Reise erwies sich als recht entspannt. Ich ließ meine Affen-senseis uns weiter begleiten, und als wir theoretisch aus der Reichweite der vermeintlichen Oto-Nin, oder vielmehr ihres zweifellos vorhandenen Verstecks im Reich der Reisfelder verlassen hatten, schickte ich Ranko-sensei wieder auf den Affenberg, behielt aber Ranma, Akane und Perine weiterhin bei meiner Gruppe, um auf Nummer sicher zu gehen. Ryoga hatte ich mit einem speziellen Auftrag zu Ryuji geschickt. Ich hatte die nicht ganz unberechtigte Vermutung, dass uns die Oto-Nin angegriffen hatten, weil sie meinem alten Freund gefolgt waren. Eventuell, aber das war reine Spekulation meinerseits, war ihnen Kishio als leichtere Beute erschienen als der streitbare Daimyo mit dem mächtigen Schwert. Er war zweifellos einer der Männer, die so gut wie keine Gefahr zu fürchten brauchten, selbst wenn sie allein reisten. Und "so gut wie" fing ungefähr bei Kakashis Kampflevel an.

Ryoga holte uns ein, als wir uns in einem Gasthaus im Land der heißen Quellen vom Gröbsten erholten. Die Nachrichten, die er mir brachte, waren mehr als einen Blick wert, also zog ich mich mit ihm, Ranma und Perine zu einer internen Besprechung zurück, während meine teils lädierten Genin die angeblich heilende Wirkung der hiesigen Quelle genossen. Nur Kuzoko bestand eisern darauf, an der Besprechung teilzunehmen, weil sie meine Kontraktpartnerin war. Kishio, der weder Schnittwunden hatte, noch unter den Nachwirkungen ausgerenkter Gelenke leiden musste, hatte ich damit beauftragt, auf die Genin und Kuzomi-chan aufzupassen. Dies tat er mit Feuereifer, wie ich am Chakra-Aufwand seines Körpers feststellte. Er musste seine sensorischen Fähigkeiten bis an ihr Maximum aufgespannt haben, um rechtzeitig vorgewarnt zu sein. Das machte mich sowohl ehrfürchtig als auch neidisch. Ehrfürchtig einerseits, weil es mir schon schwer fiel, einen Radius von dreißig Metern rund um mich permanent zu erfassen und zu kontrollieren, ohne die Übersicht zu verlieren. Wie mochte das bei einem Radius von über einhundert Metern wohl sein? Neidisch andererseits, weil er damit effektiver war als ich, was die sensorischen Fähigkeiten betraf, die bei mir noch nie besonders gut ausgeprägt gewesen waren. Immerhin war ich der Beschützer der Truppe, und nun nahm er mir diese Aufgabe zumindest in Hinblick auf die sensorischen Fähigkeiten ab.

Nachdenklich fragte ich mich, ob Jounin wie Asuma oder Yugao-sensei bei ihren ersten Gruppen auch solche Schwierigkeiten gehabt hatten. Vermutlich ja. Und sie waren bestenfalls zu viert gewesen, während ich mir von Perine hatte helfen lassen - von vorne herein. Dies machte mir den Unterschied zwischen einem Kakashi und mir wieder einmal deutlich. Falls mein Beförderungsstopp jemals aufgehoben werden würde, war mir klar, dass ich aus Trainingsgründen besser ein halbes oder noch besser ein ganzes Jahrzehnt spezialisierter Jounin bleiben sollte. Wobei ich es vor mir selbst als arrogant empfand, dass ich so selbstverständlich annahm, ich würde zum Voll-Jounin aufsteigen können. Arrogant oder konsequent? Gewiss, ich war in einigen Dingen arrogant, aber auch da hatte ich meine lichten Moment und gestand mir selbst ein, was ich sah. Zum Beispiel den Zirkus, den Tsunade-sama und der Rat um meinen Chunin-Status veranstalteten. Es war relativ offensichtlich, dass sie mich schonen wollten. Daher gönnte ich mir den Luxus, das Thema von mir aus zu ignorieren, solange man mich ließ.

Dennoch kam ich mir wie ein kleiner Feldherr vor, als ich im Kreise von vier Affenkriegern und der Spinne saß. Ranma, Ryoga und Akane waren auf dem Level eines Jounin, P-chan irgendwo knapp davor, und alle hörten auf mich. Was mein Spinnchen konnte, hatte ich zu einem erheblichen Teil sehen können, als die Nukenin uns angegriffen hatten. Es reichte für eine Einstufung als Chunin.
 

"Zuerst einmal bedanke ich mich für euer tatkräftiges Eingreifen", sagte ich zu den Kriegern. "Ihr habt uns davor bewahrt ernsthafte Verluste zu erleiden." Wäre einer meiner Genin gestorben, nicht auszudenken, was ich mir für Vorwürfe gemacht hätte. Vollkommen zu Recht.

"Was soll ich sagen? Wir hatten keine andere Wahl. Du hast uns mitten in ein Kampfgebiet beschworen", scherzte Ranma und hatte die Lacher auf seiner Seite.

"Stell dein Licht mal nicht so unter den Scheffel, Mamo-chan", sagte Akane. "Du und deine Genin habt gut gekämpft. Sicher, du, deine Klone und wir Affenkrieger hatten die Hauptlast zu tragen, aber deine Genin haben gut mitgehalten. Klar können sie noch nicht auf unserem Niveau kämpfen, aber sie hatten ihre Tricks und sind dem Schlimmsten aus dem Weg gegangen, ohne gerettet werden zu müssen."

"Ja, ihre Tricks waren gut", lachte Ryoga. "Besonders der kleine Dicke. Was der mit seinem Fuuton gemacht hat... Eine kluge Idee, sein Windjutsu zu nutzen, um den Angreifer von sich wegzuschleudern. Er hätte aber den Gegendruck einkalkulieren sollen. Die meisten ehemaligen Oto-Nin sind ebenfalls Fuuton-Benutzer. Aber sein Gegner war hinüber, und der Baum, aus dem wir ihn pflücken mussten, war nicht soo hoch."

Wieder wurde gelacht. Wohlmeinend diesmal. Selbst ich lachte mit, denn angesichts dieser brandgefährlichen Situation war ich damit, wie meine Genin vorgegangen waren, mehr als zufrieden. Keine Offensive, defensive Haltung, aber mit aller Kraft, wenn sie direkt angegriffen worden waren, zurückgeschlagen. Ich konnte zufrieden sein. Keiner hatte den Helden spielen wollen, keiner hatte über Gebühr gewagt. Leider hatte ich genau deshalb die Befürchtung, dass sie ab jetzt ein wenig übermütig werden würden. Ihren ersten echten Kampf hatten sie hinter sich, nun auch ihr erstes Scharmützel, das sie bis auf ein paar Blessuren gut überstanden hatten.

"Ja, in diesem recht unübersichtlichen Schlachtgetümmel und der anschließenden Verfolgung haben sie gute Arbeit geleistet. Bessere, als man hätte von ihnen erwarten können", fügte Akane hinzu. "Aber ich hätte sie noch vor dem Angriff evakuiert."

"Was? Um mir die Gelegenheit zu nehmen, meine Anvertrauten im Gefecht beurteilen zu können?", fragte ich entrüstet genug, um zu überspielen, dass ich an diese Option überhaupt nicht gedacht hatte. "Haha. Ahahaha. Sie sind stolze Shinobi Konohas. Es war ihre Pflicht und ihr Recht, dort zu kämpfen."

"Na, wenn du es so siehst", murrte Akane.

"Wo wir gerade beim Thema sind, sich gut zu schlagen: Ryoga, danke, dass du gekommen bist. Wie hast du es geschafft, dich trotz Verbot beschwören zu lassen?", fragte ich.

"Nun", sagte der Affenkrieger, der bei seinem letzten Versagen beinahe gestorben und dafür mit einem Beschwörungsverbot belegt worden war, mit leiser Stimme, "ich kam gerade aus Getsugakure zurück. Anne-chan hatte meine Beschwörung gerade aufgehoben, als deine ankam. Ich wurde quasi umgeleitet. Das ist höhere Gewalt, dagegen kann ich nichts machen." Wie zur Entschuldigung zeigte er mir seine Handflächen. "Dagegen wird selbst der König nichts sagen. Hoffe ich."

Die anderen lachten zustimmend.

Ranma grinste breit. "Du drängst dich auch nicht gerade darum, zum Affenberg zurückzukommen. Du hättest mit Ranko zurückkehren können, nicht?"

"Nicht, solange Mamoru mich hier noch braucht", entgegnete Ryoga. "Ich sehe das hier als meine Chance, mich für meine Waghalsigkeit zu entschuldigen und mich zu rehabilitieren." Er verneigte sich so tief vor mir, dass seine Stirn den Boden berührte. "Ich bitte darum, dich bis zur Feier auf deiner Reise begleiten zu dürfen, Mamo-chan."

Peinlich berührt griff ich nach seiner Schulter und drückte sie. "Ryoga, Mann, du musst dich doch vor mir nicht verbeugen. Also gut, du und P-chan seid ab sofort meine festen Begleiter für diese Mission."

"Danke! Du wirst es nicht bereuen!", rief Ryoga freudestrahlend. Um ein Haar wäre er mir um den Hals gefallen.

"Was uns angeht", sagte Ranma und deutete auf sich und Akane, "so würde ich gerne wissen, wie lange du uns noch brauchst, Mamo-chan. Nicht, weil wir deine Nähe nicht mögen würden. Aber bis zur Feier ist es nicht mehr weit, und je mehr du von deinem Chakra verbrätst, desto weniger Affen kannst du beschwören, und desto kürzer dauern die Beschwörungen."

"Shinji", sagte Akane unvermittelt.

"Shinji-was?"

"Shinji." Akane leckte sich über die Lippen. "Ich weiß, es ist etwas vermessen von mir, das zu sagen oder gar vorzuschlagen. Aber mein erster Eindruck ist, dass er unserem Wesen sehr entspricht. Anne-chan wird bereits ins Land der heißen Quellen kommen, um ihren Sempai zu unterstützen und ebenfalls Affen zu beschwören. Wir könnten Shinji einen temporären Kontakt anbieten, und er kann dich unterstützen, Mamoru. Wenn ich mich auf meine Sinne verlassen kann, hat er die beste Kontrolle über sein Chakra von den dreien. Von der Menge des Chakras ist er der Letzte, aber sie sind eh nicht weit auseinander. Was sagst du dazu, Perine?"

"Was?" Die Angesprochene zuckte zusammen. "Shinji? Ich... Ich weiß nicht. Klar, er ist ein fröhlicher, ehrlicher, intelligenter und offener junger Mann, der gut zu uns Affen passen würde. Und ich habe auch kein Problem damit, ihm einen temporären Kontrakt anzutragen. Aber... Ich kann es nicht sagen. Seine Fröhlichkeit wirkt manchmal aufgesetzt. Da ist etwas Negatives in ihm, das ihn belastet. Ich weiß nicht, ob ihn das disqualifiziert. Aber ich würde ihn ungern wieder aus unserer Rolle löschen müssen, weil er sich als Belastung erweist. Der Schock wäre für ihn schlimmer, als er für Orochimaru damals war, wenn ich mal Kasumi rezitieren darf."

"Etwas Negatives?", fragte ich.

"I-ich kann es nicht definieren. Nicht genau. Es fühlt sich an wie eine Art Zwang. Ein liebender Zwang. Es ist sehr verwirrend", sagte sie.

Kurz dachte ich nach. "Wir werden das beobachten. Und ich werde mit dem Jungen sprechen. Vielleicht steht er einfach nur unter Erfolgsdruck, weil sein Vater Jounin ist, und sein Bruder Wissenschaftler in der Chakra-Forschung im Range eines spezialisierten Jounin."

"Ja. Schön, wenn es nur das ist. Dagegen können wir nämlich was tun." Sie seufzte tief und lang. "Ich will nicht, dass es etwas Schlimmeres ist, Mamo-chan."

Das konnte ich nachvollziehen. Es war schwer, Shinji nicht zu mögen.

"Wir kümmern uns um diese Frage", versprach ich. "Aber zuerst zum Thema zurück. Ryoga, was sagt mein alter Freund?"

Der Affenkrieger griff in seine Weste und zog eine Schriftrolle hervor. "Hier, bevor ich es vergesse. Eine Nachricht von Tsunade-sama an dich. Ich habe den offiziellen Boten getroffen, und nachdem er überzeugt war, dass ich tatsächlich Ryoga von den Affen bin - und ich mich davon überzeugt hatte, dass sie wirklich Shizune-chan ist - hat sie mich gebeten, die Nachricht für dich mitzunehmen.

Was deinen Freund Ryuji Nekozumi angeht, so lässt er dir ausrichten, dass die Gruppe, die du ausgelöscht hast, ihm schon seit Monaten hinterherhechelt. Er hat sie zwar immer gespürt, aber nie zu fassen bekommen. Sie waren stets schlüpfrig wie Aale. Bisher hat er das für eine Art Zermürbungstaktik gehalten. Jetzt aber fragt er sich, ob sie nicht einfach Angst vor ihm gehabt haben. Er bedankt sich dafür, dass du sie ausgeschaltet hast. Aber er kann die Zahl von zwanzig nicht bestätigen. Es könnten mehr gewesen sein, das kann er nicht mit Bestimmtheit sagen, da er nicht mal das mickrige sensorische Talent hat, dass du dein eigen nennst, Mamoru."

Ich runzelte die Stirn. Toll, da war jemand auf mein Mini-Talent neidisch. Aber wie hieß es so schön? Unter den Blinden ist der Einäugige König.

Was mich wieder dazu brachte, dass ich tatsächlich mit Kishio versuchen sollte, die Grenzen meiner Fähigkeiten zu sprengen. "Also haben wir die Möglichkeit, das wir weiterhin beschattet werden. Eventuell holt auch jemand Hilfe. Die Angreifer hatten teilweise Genin- und Chunin-Format, einer von ihnen meines Erachtens den Level eines spezialisierten Jounin. Von denen dürfte Orochimaru nicht mehr allzu viele haben. Zumindest hoffe ich das.

Ich fasse zusammen: Die Bedrohung für Kishio ist noch nicht gebannt. Und wenn Orochimaru gemeldet wird, bei wem er sich befindet, könnte das seine Ambitionen verstärken, uns zu finden. Er hat einige Leute in seinem Personalreservoire, die mir nicht gefallen. Und dann ist da noch dieses unsägliche Jutsu, dass sein Leutnant Kabuto beherrscht. Er könnte uns ein paar tote Shinobi auf den Hals hetzen."

"Ach", sagte Akane mit abwehrender Handbewegung, "es ist ja wohl nicht so, als hätte Kabuto die Hand auf jeden toten Shinobi legen können, der jemals gestorben ist."

"Und was ist, wenn er das getan hat?", fragte ich mit Schaudern in der Stimme. "Stell dir vor, er würde Hiruzen-sama auf uns hetzen. Also, ich würde nur sehr ungern gegen meinen Lehrmeister antreten müssen."

"Sarutobi-sama hat das getan. Er musste gegen den Shodai Hokage und den Nidaime Hokage antreten, nicht?", fragte Akane.

"Ja, als Orochimaru Konoha überfallen hat", sagte ich. Damals war ich nicht schnell genug vor Ort gewesen, um tatkräftig helfen zu können. Wäre irgendetwas anders gekommen, wenn ich mit meinen Leuten vor dem Angriff angekommen wäre? Manchmal fragte ich mich das. "Aber ich bin nicht mein Sensei. Sie nannten den Sandaime immer Professor, weil er über eintausend Jutsu beherrscht hat. Ich komme vielleicht auf..." Nachdenklich legte ich den Kopf schräg und begann zu zählen. Also, da war mein Talent, Affen zu beschwören, mein Endan, das Dai Endan, die Bunshin, Kage Bunshin, dieses und jenes... "Einhundertvierzehn Ninjutsu, wenn ich richtig gezählt habe."

"Ist doch ein Anfang", lachte Ryoga.

"Die meisten davon sind nicht gerade von einem Kaliber, dass Asuma mehr tun würde, als peinlich amüsiert zu grinsen", schränkte ich ein.

"Was bedeutet, dass einige darunter sind, die ihn nicht peinlich amüsiert grinsen lassen", schloss Perine messerscharf.

"Ein paar, vielleicht", brummte ich. Mist, erwischt.

"Mamoru-sensei, ist es möglich, dass...", begann Kuzoko, brach aber ab.

"Ja?"

"Nichts, ist schon gut."

"Nein, sprich ruhig. Du hast hier die gleichen Rechte wie alle anderen auch."

"Es tut nichts zur Sache, aber dein anderer Sensei, dein Jounin, wurde ebenfalls getötet. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass dieser Kabuto an ihn herankommt, wenn sein Meister Orochimaru schon den Shodai und den Niidaime missbrauchen konnte?"

Entsetzt sah ich sie an. "Sehr hoch." Ich glaubte, mein Herz würde für einen Moment aussetzen müssen, als ich mir vorstellte, ich müsste gegen Gekko kämpfen müssen. "Wenn er das wagen sollte, dann..." Zornig, beinahe außer mir, ballte ich die Hände zu Fäusten. "Wenn Kabuto das wagen sollte, dann wird es keinen Ort auf dieser Welt geben, der weit genug von mir entfernt ist!" Ich konnte mir nichts Schlimmeres vorstellen als wenn ein Schüler gegen den Menschen antreten musste, der ihm die Grundlagen seines Könnens in unendlicher Geduld beigebracht hatte, so wie Gekko Hayate es bei mir getan hatte. Hiruzen-sama musste sich furchtbar gefühlt haben, damals, als er gegen seine Lehrmeister hatte antreten müssen. Mit Mühe öffnete ich die Fäuste wieder. "Aber das ist im Moment nicht relevant. Wie gehen wir weiter vor?"

Ranma hob wie in der Schule die Hand.

"Ja, Ranma-sensei?"

"Wie sehen denn deine Pläne aus? Abgesehen davon, dass du in zweieinhalb Wochen unsere große Feier in einer bekannten Gaststätte mit Außenbad im Land der heißen Quellen begehen willst?"

"Nun", sagte ich leise, "der Groß-Daimyo des Lands des Wassers hat mich eingeladen, und ich hatte vor, der Einladung Folge zu leisten. Als Treffpunkt mit seinen Vertretern habe ich Gentas Dorf vorgeschlagen, wo man mich und meine Genin bereits erwartet. Anschließend wollte ich die restliche Zeit in Kumogakure verbringen. Einerseits um Kiras Raiton-Ausbildung ein wenig zu bereichern, und andererseits, weil A-sama mich ebenfalls gerufen hat. Er möchte meine Erfahrungen von der Hatz auf Kabuto aus erster Hand hören, und Tsunade-sama hat zugestimmt, das es nicht gegen die Interessen Konohas ist, Fakten über Kabuto preiszugeben. Das hilft allen versteckten Dörfern beim Kampf gegen Orochimaru. Anschließend kehre ich mit meinen Genin ins Reich der heißen Quellen zurück, und wir feiern unsere Party, nachdem mit Anne-chan die zweite Kontraktträgerin der Affen angekommen ist." Nach einer Pause fügte ich hinzu: "Nach Möglichkeit ohne einen weiteren Konflikt."

"Ein frommer Wunsch, Mamo-chan", sagte Ranma amüsiert.

Akane meldete sich. "Wenn wir gerade beim Thema sind, wie es weitergeht: Was wird aus Kishio-kun?"

"Was soll mit ihm sein?", fragte ich verwundert. "Ich nehme ihn auf und Ende. Er wird bei mir bleiben, solange er es selbst für nötig hält. Die Gefahr für mich selbst vergrößere ich damit nicht besonders. Spätestens seit der Hatz auf Kabuto hat mich Orochimaru ohnehin auf seiner Liste."

"Und du meinst, da stimmt er einfach zu? Was soll er machen, zu Füßen deines Bettes schlafen?", fragte Akane.

"Akane-chan, das ist vielleicht etwas spitz formuliert", wandte Perine ein.

"Nein, ich will das jetzt wissen. Also, Mamo-chan, wie geht es mit ihm weiter?"

"Onee-chans Zimmer wird frei. Natürlich werde ich nichts dagegen sagen, wenn er wieder seine eigenen Wege geht oder lieber allein lebt. Ich habe gehört, im Appartmenthaus, in dem mein Kumpel Naruto seine Wohnung hat, ist was frei. Und das ist gleich um die Ecke bei mir. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass meine Mutter mir sowieso in den Ohren liegen wird, ihn ins Haus zu holen, wenn wir den Platz schon mal haben. Wenn ich ihr schon keine zweite Tochter ins Haus bringen kann, wird ihr zumindest ein dritter Sohn gefallen."

"Äh, Mamo-chan, du meinst sicherlich zweiter Sohn", wandte Ranma ein.

"Nein. Dritter. Echt. Kou und meine Schwester haben sich verlobt und ziehen zusammen."

"Uff. Da gratuliere ich aber. Sind ja tolle Neuigkeiten. Das hat uns Perine ja noch gar nicht erzählt", sagte der Affenkrieger verblüfft.

"Hätte ich schon noch gemacht, keine Sorge", erwiderte sie verstimmt. "Aber hier geht es eigentlich um ganz andere Dinge, oder, Sempai?"

"Ja, stimmt. Also ist Kishios Schicksal geklärt, soweit das von deiner Warte aus möglich ist, Mamo-chan. Gibst du dich damit zufrieden, Akane-chan?"

"Meine Fragen sind beantwortet. Es hätte ja auch nicht zu unserem Mamo-chan gepasst, wenn er sich plötzlich als jemand aufgespielt hätte, der andere ausnutzt."

"Also gehen wir wie vor? Es ist klar, dass du deine Genin nicht für den Rest ihrer Leben vor der großen, grausamen Welt beschützen kannst, Mamo-chan", sagte Ranma, "aber solange ein Eingreifen von Orochimaru oder Kabuto droht, tust du gut daran, vorsichtig zu bleiben." Er stützte sich nachdenklich auf seinen Knien ab. "Ich möchte anmerken, das ich nicht abschätzen kann, ob ich es mit Orochimaru aufnehmen könnte. Dazu sind nur sehr wenige Ninjas in der Lage, und ich will nicht so verfroren sein zu behaupten, einer von ihnen zu sein."

"Er wurde verletzt, oder?", warf Ryoga ein. "Der Sandaime hat ihm die Kontrolle über seine Arme genommen."

"Ja", bestätigte ich. "Aber das macht ihn nur schwächer, nicht wehrlos. Und da ist immer noch Kabuto. Sein verdammter Leutnant ersetzt die verlorenen Hände. Wenn wir also auf beide treffen, haben wir es mit einem Sannin zu tun, der noch ein, zwei Kohlen drauflegen kann."

Ranma hob die Hände und ließ sie krachend auf die Knie fallen. "Das besiegelt es. Mamo-chan, Akane und ich bleiben bis Kumogakure bei euch."

"Einverstanden. Aber ich hoffe immer noch, dass wir für Orochimaru selbst zu uninteressant sind. Mit Kabuto werde ich schon fertig."

Ryoga lachte laut auf. "Ist das immer noch der gleiche Mamoru Morikubo, der sich immer gefragt hat, was er tun kann, um die Leistung seiner Gruppe nicht runterzuziehen? Und jetzt will er es mit einem gefürchteten Nukenin aufnehmen, vor dem jeder Jounin anständigen Respekt hat." Seine Augen lachten mindestens so sehr wie sein ganzes Gesicht. "Weiter so, Mamoru. Du gefällst mir sehr gut, so wie du jetzt bist."

Fast hätte ich mich dazu hinreißen lassen, einen Scherz aus seinen Worten zu machen. Wie er es sicher auch erwartet hatte, sonst hätte er mir solch eine Vorlage nicht gegeben. Aber seine Worte ließen eine Saite in mir anklingen. Ja, ich war selbstbewusster geworden. Ja, ich war stärker geworden. Und das lag nicht nur an meinem Glück. War ich mir nicht in den letzten Tagen des Öfteren bewusst geworden, dass ich älter geworden war? Nun kam noch die Erkenntnis hinzu, dass ich auch besser geworden war. Wenn ich daran dachte, wie Asumas Jutsu, das ich erstmals unter Kampfbedingungen angewendet hatte - nicht das Fuuton, das wäre zu früh gewesen, weil ich es noch nicht kontrollieren konnte - unter den Angreifern gewütet hatte, machte mich das betroffen und froh zugleich. Betroffen, weil ich begriff, wie gefährlich ich nun schon geworden war. Froh, weil ich die, die mir am Herzen lagen, nun noch besser beschützen konnte.

"Ich gefalle mir auch gerade ziemlich gut, Ryoga", erwiderte ich.

Die Affen verstummten und starrten mich an wie einen Geist.

"Was ist?", fragte ich verwirrt.

Ranma sah Akane an. "Akane-chan, kannst du mal rausgehen und nachsehen ob die Sonne explodiert ist? Das klang gerade so, als wäre Mamo-chan mit sich selbst zufrieden. Unwahrscheinlicher ist nur die Explosion der Sonne, finde ich."

Sie erhob sich. "Ich gehe nachschauen."

"Leute! Leute!", rief ich und zog Akane wieder auf ihr Sitzkissen zurück. "Ist es so ungewöhnlich, dass ich mal erkenne, dass ich womöglich schon stärker als ein Chunin geworden bin?"

"Und wenn du nachschaust, wirf einen Blick auf den Mond, Akane", sagte Ryoga trocken.

Dann begannen die Affen zu lachen. Natürlich auf meine Kosten.

Ich stöhnte leise: "Ihr schafft mich, Ihr schafft mich wirklich."

"Hm", machte Kuzoko, "ich glaube, unser temporärer Kontrakt entwickelt sich interessanter als ich erwartet habe, Mamoru-sensei."

***

Im Bad hatten sich die drei Jungs und die beiden Mädchen brav in ihre Bereiche aufgeteilt und genossen die Sonne und das warme Wasser. Während sie badeten, tauschten sie Anekdoten über die zurückliegende Schlacht aus, und Shinji zeigte sehr stolz die blauen Flecken, die eine Nebenwirkung seiner ausgerenkten Schulter waren. Kira konterte mit den leichten Verbrennungen an den Fingerspitzen seiner rechten Hand. Als er das Wakizashi unter sein Raiton gesetzt hatte, war der Stahl so heiß geworden, dass er ihm Sekundärverbrennungen zugefügt hatte. Allerdings hatte er mit dieser Raiton-Klinge durch einen Oto-Nin - sie waren sich alle einig, es mit ehemaligen Oto-Nin zu tun gehabt zu haben, auch wenn es nicht stimmen sollte - hindurchgeschlagen, der das harte Chakra angewendet hatte, das auch Mamoru-sensei vorgeführt hatte. Zwar hatte er den Mann nur verwundet, und er hatte ihn nur mit der Hilfe eines Kage Bunshins des Senseis besiegen können, aber die Fortschritte, die er während das Spiels erworben und im Kampf eingesetzt hatte, waren so enorm, dass sie ihn berauschten. Es stimmte also wirklich, was man sagte: Im Kampf lernte man am Schnellsten. Leider auch das Töten. Dieser Gedanke drückte seine Stimmung mindestens ebenso sehr, wie ihm der Gedanke Freude machte, dass seine Freunde alle mehr oder weniger gesund aus der Schlacht rausgekommen waren.

Drüben, auf der anderen Seite des Zauns, protzte Mai mit der Schnittwunde, die sie von dem einen Gegner erhalten hatte, der auf ihr verstecktes doppeltes Fuusha-Shuriken reingefallen war. Kuzomi, die als einzige relativ unverletzt geblieben war, bewunderte die Wunde im gleichen Maße, wie sie tödlich betrübt darüber war, dass Mais schöne Haut nun an der Hüfte so entstellt war.

Mai wiegelte das ab mit dem Hinweis, dass Uzuki-sensei ja auch stolz auf ihre Narben war, auf jede einzelne. Und sie vergaß auch nicht, Kuzomi ausdrücklich für ihre Leistung zu loben. Sie hatte einen sehr viel stärkeren Gegner unter ihr Genjutsu gezwungen und dort gehalten, bis Ranma-sensei ihr hatte zu Hilfe kommen können. Was zu einer wichtigen Erkenntnis für sie alle führte: Ihr Zusammenspiel war noch lange nicht das, was sie alle erreichen wollten. Aber wenn sie es schafften, wenn sie sich aufeinander einstellten, dann würde Mamo-chan stolz auf sie sein. Stolzer, als er ohnehin schon war.
 

Kishio hörte all das nur mit einem Ohr. Auch wenn er angesprochen wurde, antwortete er nur einsilbig und mechanisch. Kein Wunder, machte er sich doch einerseits die allergrößten Vorwürfe, weil er nicht dagewesen war, als es ausgerechnet um seine Auslieferung gegangen war, und gab er sich doch andererseits die allergrößte Mühe, niemanden, aber wirklich niemanden an diese Genin herankommen zu lassen. Dafür checkte er nicht nur permanent seinen größten Suchradius, er sandte auch immer wieder kurze sensorische Spitzen in die Umgebung.

Sie hatten für ihn gekämpft. Sie hatten für ihn gekämpft, verdammt. Und was hatte er getan?

Nun... Auch gekämpft. Und das war nicht gerade einfach gewesen, im Gegenteil. Er war sich darüber im Klaren, dass er ohne Perine-sama hätte fliehen müssen und sein Kopfgeld nie bekommen hätte, zumindest nicht an dieser Bingo-Bude.

So im Nachhinein erschien ihm das merkwürdige Verhalten der beiden alten Säcke natürlich verständlicher. Normalerweise wagte es niemand so leichtfertig, das Kopfgeld auf ihn einzufordern. Zumindest versuchte es keiner zweimal. Aber diesmal war es gar nicht so sehr um das Kopfgeld gegangen, sondern um seine Zeit. Und die beiden hatten ihn und Perine-sama lang genug aufgehalten. Er war in diese Falle getappt wie ein Anfänger.

Kishio erhob sich. Das heiße Wasser irritierte ihn und schränkte seine Fähigkeiten ein. Er musste... Ja, was eigentlich?

"Kishio-kun, bist du schon fertig?", fragte Kira verwundert. "Wir sind doch höchstens eine Viertelstunde drin." Dabei hob er die Rechte, die mit Pflastern übersät war. Auch der Verbrennungsfleck am linken Unterarm, den er sich mit der eigenen Klinge aus Versehen zugefügt hatte, war deutlich zu sehen, und in Kishio stieg das Schuldgefühl. Das, und eine Welle an Dankbarkeit für diese jungen Menschen aus Konoha, die ihn in ihren Reihen aufgenommen hatten.

"Ich kann nicht länger baden. Sensei hat mir eine Aufgabe gegeben", sagte er leise.

"Du musst das jetzt aber nicht hokagelicher als die Hokage machen", sagte Shinji verstimmt. "Wir sind jetzt schon weit weg vom Reich der Reisfelder. Die Gefahr sinkt."

"Aber sie ist noch vorhanden!", bellte Kishio.

Shinji ließ sich davon nicht beeinflussen. Er grinste den Rothaarigen frech an. "Und wenn schon. Dass wir keine Eintagsfliegen sind, haben wir ja wohl bewiesen, oder? Und jetzt stell dir mal folgendes Szenario vor: Perine-sensei, Mamo-chan, seine Affenkrieger, Kiras hübsches Spinnchen, Kuzoko-chan, wir drei Genin, und dann noch du dazu. Das ist eine kleine Armee, findest du nicht? Wer könnte uns widerstehen, wenn du und Perine mit uns kämpfen?"

Verblüfft ließ sich Kishio wieder ins Wasser sinken. Da hatte der kleine, nicht mehr ganz so dickliche Junge, der ein paar Pfund geschmissen hatte seit die Reise begonnen hatte, vollkommen Recht. Er war nicht mehr allein. Und er würde die Reihen seiner neuen Gefährten verstärken, wenn es hart auf hart ging. Für einen winzigen Moment erhaschte er einen Hauch des Konzepts von Kameradschaft, von dem er schon so viel gehört hatte.

"Na gut, vielleicht noch ein paar Minuten", murmelte er und ließ sich bis zur Unterlippe ins Wasser sinken. Natürlich vernachlässigte er dabei seine Rundumüberwachung nicht.
 

Als er nach einer halben Stunde als Letzter das Wasser verließ, fühlte er sich ruhig und entspannt. So gut hatte er sich seit Jahren nicht mehr gefühlt. Vielleicht an dem einen oder anderen Abend mit Yuki-san, aber auf eine andere Art und Weise.

Er spülte sich ab, kämmte sein Haar und betrachtete sich im großen Spiegel. "Kai." Die Illusion, die seine Tätowierungen verbarg, verschwand, und zeigte ihm jede einzelne der Arbeiten, die für Eingeweihte seine Ausbildungsfortschritte verrieten. Die Prüfung der Schmerzen... Sanft strich er sich über die Leiste. Ja, das hatte weh getan. Aber er hätte sein Leben dafür gegeben, wenn er weitere Tattoos seines Clans hätte erhalten dürfen, denn das hätte bedeutet, dass sie...

Kishio schluckte. Mit den Genin zusammmen zu sein machte ihn jeden Tag ein wenig weicher. Er machte sich Gedanken über Sachen, die er schon überwunden glaubte. Und er empfand Gefühle, von denen er nicht einmal gewusst hatte, dass er sie jemals besessen hatte.

"Henge." Die Tattoos verschwanden wieder. Sicherheitshalber. Mamo-chan mochte zwar drauf bestehen, dass er jedermann seine roten Haare zeigte, die ihn für jene, die es wussten, als Teil der Moerus auswiesen - in dieser Gegend eine gejagte Spezies, so sehr gejagt, dass er noch nie einen zweiten Überlebenden getroffen hatte - aber er musste sie nicht auch noch mit seinen Stammes-Tattoos drauf hinweisen, dass sie richtig lagen.

Bedächtig zog er sich an und legte seine Badesachen in die bereitstehende Schale. Sein Shampoo. Seine Seife. Sein Deodorant. Merkwürdig. Er hatte nicht damit gerechnet, die Sachen, die Yuki-san ihm zum Abschied geschenkt hatte, auch wirklich jemals in einem öffentlichen Bad zu benutzen.

Gedankenverloren, weil ein Großteil seiner Aufmerksamkeit noch immer der Überwachung der Umgebung galt, trat er vor das Bad, schloss die Tür und ging los.
 

"Aua!"

Erschrocken hielt Kishio an, als er in etwas Hartes rannte. Er kehrte in die Wirklichkeit zurück und erkannte... Mai?

Die saß auf dem Fußboden und rieb sich den schmerzenden Hintern. "Oh, mitten auf die Wunde."

"Tu-tu-tu-tut mir leid, Mai-chan!", stammelte er.

"Schon gut. Ich habe ja selbst nicht geschaut, wo ich hingehe." Sie sah ihn mürrisch an. "Was muss ein Mädchen tun, damit du ihr aufhilfst?"

"Natürlich nichts!", rief er hastig und griff nach ihrer rechten Hand.

"Danke", sagte sie, als er sie auf die Beine zog.

Kishio verwendete versehentlich etwas zu viel Kraft, und so schnellte sie gegen ihn. Aber diesmal brachte es sie nur zum Kichern.

So standen sie einen Moment, Auge in Auge, und Kishio konnte nicht umhin festzustellen, dass Mai über zwei wirklich hübsche graue Augen verfügte.

"Ist was?", fragte sie amüsiert.

Erschrocken fuhr er zusammen. Und dann tat er etwas, was er wirklich bereuen würde. In diesem Leben und im Nächsten, da war er sich sicher.

"I-ich habe dich im Frauenbad gesehen", stammelte er. "Ich war mit Henge verkleidet und bin ins Bad gekommen!" Ja, das war definitiv sein Todesurteil.

"So?" Mai entzog ihm ihre Rechte und hob sie.

Kishio kniff die Augen zusammen. Ja, den Schlag hatte er verdient. Und alles andere, was danach kommen würde, auch. Selbst wenn sie ihn ab jetzt hassen würde, dann...

Dann wurde er getätschelt. Erstaunt öffnete der Moeru die Augen wieder.

"Kishio, Kishio, Kishio..." Beinahe mitleidig sah sie ihn an. "Für wie dumm hältst du mich eigentlich?"

"D-du hast es gewusst?", fragte er erstaunt.

"Nein, natürlich nicht! Sonst wärt Ihr nie ins Bad reingekommen", sagte sie ärgerlich.

"N-natürlich. Wir?" Das hatte er nun nicht gewollt, seinen Kumpel Kira auch noch bloßzustellen.

"Versuch es gar nicht erst. Ich weiß, dass Kira die kleine Frau war."

"I-ich..."

"Ich sagte, versuch es gar nicht erst", tadelte Mai überraschend amüsiert.

"G-gut."

"Weißt du, es war wirklich offensichtlich. Ich meine, hallo, Kizu und Kiki? Und Ihr wolltet als Frauen durchgehen? Und du in deiner Verkleidung mit dieser Riesenoberweite, echt jetzt." Sie griente ihn an. "Du hast wohl noch nicht besonders viele Frauen nackt gesehen, oder?"

"N-nicht sooo viele", bekannte er. Die aber hatten es in sich gehabt, also die Begegnungen.

Das schien Mai milde zu stimmen. "Jedenfalls hat Perine-sama nichts gemacht, also dachte ich, sie hätte einen Plan oder würde sich amüsieren. Als dann Kira tatsächlich festgestellt hat, was ein weiblicher Busen ist, habe ich verstanden. Das war alles für einen guten Zweck. Ich hoffe, ab jetzt versteht der kleine Dummkopf das Konzept Frau besser."

Hastig nickte Kishio mehrfach. "U-unbedingt."

"Und was dich angeht, meine liebe Kizu..."

Kishio spürte, wie ihm die Verlegenheitsröte ins Gesicht schoss. "I-ich habe dich nackt gesehen. Verzeih!"

"Ach, kannst du um die Ecke sehen?", spottete Mai.

"Wie jetzt?"

"Na, als Perine-sensei mich gerufen hat, hast du sowas von starr nach vorne geguckt... Aber ich habe ja ein Handtuch getragen. Und obenrum sieht man ja eh nichts bei mir. Kein Wunder, dass du das nicht sehen wolltest, Kishio. Ich glaube, ich kenne deinen Geschmack bei Frauen, wenn ich mir dein Henge in Erninnerung rufe."

"D-das ist es nicht. D-deine Oberweite ist mir egal. D-du bist so ein toller Mensch, so ein toller Freund, i-ich hätte es als Betrug empfunden, wenn ich dich... W-wenn ich dich..." Verlegen sah Kisho fort.

"Aber, aber. Wenn ich ehrlich bin, wollte ich dich ein wenig necken. Und hättest du mehr als flüchtig geguckt, hättest du dafür ordentlich gebüßt", sagte Mai. "Ich wollte bei der Geschichte ja auch ein wenig Spaß haben. Aber ein Gentleman wie du... Keine Chance, da was zu finden, was einer Bestrafung würdig gewesen wäre." Sie seufzte. "Du bist ja so unnatürlich anständig, Kishio."

"E-entschuldige bitte, dass ich dich nicht enttäuschen will, Mai-chan."

"Hm. Das lasse ich als Ausrede gerade mal so durchgehen. Aber, Kishio, kommt jemals wieder eine dickbusige rothaarige Kizu ins Frauenbad, garantiere ich für nichts, hast du verstanden?"

"Vollkommen klar! Kein Frauen-Henge mehr! Und nicht ins Bad kommen. Klar wie Kloßbrühe!"

"Und kein Wort zu Kira. Wir wollen doch nicht, dass seine Fortschritte annulliert werden, nur weil es ihm plötzlich peinlich ist, dass Perine-sensei und ich gewusst haben, das er das im Bad war." Sie dachte kurz nach. "Und kein Wort zu Kuzomi, hast du verstanden? Ihr wäre das sicher nicht peinlich, aber die verpasste Gelegenheit, ihrem Meister den Rücken zu waschen würde sie nicht schlafen lassen. Alles in allem ist sie nett, aber sie ist jeden Tag ein wenig mehr besessen von Kira, findest du nicht?"

"Verliebt. Das Wort, das du suchst, ist nicht besessen, sondern verliebt, Mai-chan", korrigierte er.

"Oh. Ja. Verliebt passt besser. Danke. Umso mehr, seit er ihr in der Schlacht den Rücken... Aber was rede ich, das habe ich ja schon erzählt." Sie musterte ihn eindringlich. "Alles gut?"

"Ja. Alles gut", erwiderte er erleichtert. Ihm war, als wäre ihm ein Stein vom Herzen gefallen, der es zu erdrücken gedroht hatte.

"Fein. Dann sehen wir uns bei der Abend-Kata. Ach, und Kishio?"

"Ja, Mai-chan?"

"Beug dich vor."

"Ja?"

Mai gab ihm einen Kuss auf die linke Wange. "Deine Belohnung. Weil du so ein Gentleman warst."

Sie lächelte ihn an, winkte und ging zum Zimmer der Frauen.

Verwundert sah Kishio ihr nach. Dabei fasste er sich an die Wange, die sie geküsst hatte. Das war so anders, so vollkommen anders als alles, was er bisher erlebt hatte.
 

"Erstaunlich, nicht wahr?", fragte Shinji.

Kishio zuckte erschrocken zusammen. "W-wo kommst du denn plötzlich her?"

"Von da hinten. Du warst anscheinend zu beschäftigt für deine sensorischen Fähigkeiten, eh? Flirtest hier einfach mit unserer Mai."

"I-ich habe nicht geflirtet! Ich..."

Shinji lachte glucksend. "Ich habe alles mitgehört. Ich weiß Bescheid. Und ich merke gerade, dass sie ein Jahr älter ist als Kira und ich. Es heißt ja, die Mädchen sind den Jungs so rund zwei Jahre voraus. Das sehe ich jetzt ähnlich. Also entwickelt sie Interesse an Jungs." Er zuckte die Schultern. "Warum also nicht an dir, Kishio-kun? Ich meine, dann bleibt es wenigstens in der Truppe."

"Ich habe aber kein Interesse an...", sagte er und stockte mitten im Wort. War das noch die Wahrheit?

Shinji grinste ihn erneut an. "Wie ich schon sagte, es bleibt ja in der Gruppe. Und Kira weiß es noch nicht, aber sein Spinnchen hat ihn schon unter dem Pantoffel. Ach, und wenn ich gerade bei Thema bin: Glaub ja nicht, dass ich Mai-chan aufgeben werde, nur weil du dir einen Vorsprung geholt hast."

Betroffen sah Kishio den Jüngeren an. War das tatsächlich so? Es waren auf jeden Fall Gedanken, die ihm plötzlich sehr gefielen. Er ließ den Kopf hängen. "Es tut mir leid."

"Was denn? Das tut dir schon leid? Es ist noch nichts entschieden. Und das wird es auch nicht, bis einer von uns Mai-chan eines Tages mal heiratet, denke ich. Bis dahin ist die Schlacht eröffnet."

Shinji hielt ihm die linke Faust hin. "Komm, Kishio, möge der Bessere gewinnen, aber immer fair, und nie in den Rücken."

Kishio hob die Rechte und stieß gegen Shinjis Faust. "Immer fair, und nie in den Rücken, Sempai."

Shinji nickte zufrieden. "Und glaub mir, Großer, ich habe noch lange nicht aufgegeben. Genauer gesagt fange ich gerade erst an. Muahahaha!"

Für einen wirklich langen Moment hatte Kishio das Gefühl, dass er den dicklichen Jungen auf der einen oder anderen Ebene bisher maßgeblich unterschätzt hatte. Er war sich gar nicht mal so sicher, wer der Bessere sein würde, der letztendlich gewann. Verdammt.

Und das Wichtigste: Hatte er wirklich in den wenigen Tagen Interesse für Mai-chan entwickelt, eventuell sogar Verliebtheit oder gar Liebe? Verdammt, verdammt, verdammt! Immer diese lästigen Emotionen! Andererseits, ohne sie wären die Moeru schon viel früher ausgestorben, hatte sein Großvater ihm mal gesagt...

***

Der nächste Tag brachte uns noch weiter aus der Reichweite Orochimarus und seiner Nukenin heraus. Wir überschritten die Grenze zwischen dem Land der heißen Quellen und den Festlandländern des Reichs des Wassers gegen Mittag. Wir lagen gut in der Zeit, und bis zu Gentas Dorf konnten wir, wenn wir gut vorlegten, es noch diesen Abend schaffen. Wenn nichts dazwischenkam.

Natürlich kam was dazwischen, wie hätte es anders sein können?

Den Stirnschutz der jungen Frau, die vor mir aus dem Boden auftauchte, identifizierte sie als Kiri-Nin. Gut. Mit Kirigakure hatte ich im Moment keinen großartigen Ärger. Oder doch?

"Mori... Kubo-sama?", fragte sie stockend. "Chunin Mamoru Morikubo?"

"Ja, der bin ich. Ich wurde erwartet? Wird mir die Einreise verweigert?"

"Nein. Oh nein, Morikubo-sama. Natürlich darfst du das Reich des Wassers betreten, wie es dir beliebt. Immerhin stehst du in der Liste der Daimyos."

Verwirrt runzelte ich die Stirn. Ja, ich hatte mal die Aufgaben eines der neun Daimyos der Teilreiche Mizu no Kunis übernommen, damals, als ich diesen vollkommen machtgeilen und unfähigen Neffen des Groß-Daimyos gestürzt hatte. Natürlich nicht alleine. In die Rolle der Daimyos aufgenommen zu werden war ein großes Privileg für die "Ehemaligen". Erinnerte es doch die Bürger und Beamten daran, welche Privilegien selbst ein pensionierter oder zurückgetretener lokaler Daimyo zu erwarten hatte. Ein Ansporn, hart zu arbeiten. Es verwunderte mich nur, dass der Groß-Daimyo mich für die paar Tage hatte eintragen lassen. "Wie interessant", sagte ich trocken.

"Mamo-chan war mal Daimyo?", klang hinter mir Kiras erstaunte Stimme auf.

"Psssst! Du störst offizielle Geschäfte", raunte Mai ihm zu.

Ich lächelte innerlich. "Was also verschafft mir die Ehre Ihrer Anwesenheit, junge Frau?"

"Verzeihung, Morikubo-sama. Ich vernachlässige meine Pflichten. Ich war nur so maßlos darüber erstaunt, mit welch großem Gefolge du reist. Mir war nur eine Genin-Gruppe angekündigt. Aber das hier gleicht bereits einer schweren Einsatzgruppe."

Womit sie von der Wahrheit gar nicht mal so weit entfernt war. "Es hat sich während der Reise ergeben", sagte ich.

"Ah. Ach so. Ich verstehe. Das muss der ewige Genin-Faktor sein." Sie lächelte verschmitzt, und beinahe hätte man vergessen können, dass sie eine Kunoichi Kirigakures war, von dernen man sich heute noch erzählte, dass ihre Shinobi die härteste aller Abschlussprüfungen hatten, nämlich einander zu töten. War sie jung genug, um nach Mei-chans Reformen Ninja geworden zu sein? Nein. Sie war definitiv in meinem Alter.

"Der ewige Chunin-Faktor?", hakte ich nach.

"Nicht so wichtig. Aber bitte erlaube mir, dich als Erste im Land des Wassers willkommen zu heißen, Morikubo-sama. Mein Name ist Suirin. Ich diene Terumi-sama im Range eines Chunin. Ich und meine Gruppe wurden abgestellt, um dich in Empfang zu nehmen, und ich bin froh, dass ich es bin, die auf dich und deine Gruppe trifft."

"Was an der Straße liegen könnte", bemerkte Ranma amüsiert.

"Natürlich habe ich mich selbst an der Stelle positioniert, die den größten Erfolg versprochen hat", gestand sie. Die junge Frau machte eine einladende Geste. "Bitte, Morikubo-sama und Gefolge. Das Reich des Wassers steht euch offen. Ich und meine Leute eskortieren euch nach Genta No-Son, wo Ihr bereits erwartet werdet. Genta-sama hat eigentlich gestern schon mit euch gerechnet."

"Genta-sama?", fragte ich ein wenig ungläubig. Junge, Junge, der Bursche hatte es weit gebracht, nachdem ich ihn auf den rechten Pfad zurückgeschickt hatte. Ich war verblüfft, und ich war auch ein wenig stolz.

"Genta-sama. Er und der Daimyo, Koji-sama, sind im Dorf und bereiten ein großes Festmahl zu deinen Ehren vor."

"Junge, Junge. Ganz großer Bahnhof für Sensei. Das habe ich erwartet", sagte Shinji grinsend. "Nun guck nicht so ungläubig, Kishio-kun. Dir muss doch klargewesen sein, dass du nicht mit irgendwem unterwegs bist."

"Äh, ja."

Die Kiri-Nin machte die Fingerzeichen für die Kage Bunshin. Sie erschuf zwei von ihnen und jagte sie nach links und rechts los. "Ich trommle mein Team zusammen, und dann können wir los. Wie geht es eigentlich den anderen?"

"Welchen anderen?", fragte ich verwundert.

"Na, den anderen. Einige deiner Leute tragen Verbände oder Pflaster. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die, die das verursacht haben, besser aussehen als sie."

"Ach so, die anderen", murmelte ich.

Ryoga räusperte sich. "Ihnen geht es gar nicht mehr. Die sind jetzt Blumendünger."

"Ja, das war nicht anders zu erwarten von Morikubo-sama." Sie sah mich mit leuchtenden Augen an.

Dies war der Moment, in dem sich Perine bei mir einhakte und lächelnd ihren Kopf auf meine Schulter legte. Ein klares Signal an die Kiri-Nin, von vorne herein nicht mal daran zu denken, ob aus ihr und mir etwas werden konnte. Noch vor zwei Jahren hätte ich mit dieser Gestik nichts anfangen können. Aber man lernte ja dazu, sogar ich.

Ich räusperte mich ein wenig. "Ich akzeptiere deine Eskorte, Suirin-kun. Wir brechen auf, sobald dein Team vollständig ist."

Sie nickte gewichtig. "Jawohl, Morikubo-sama."
 

Der Einzug in Gentas Dorf - oder vielmehr in Genta No-Son - gestaltete sich triumphal. Das Dorf war keines mehr, sondern glich nun eher einer kleinen Stadt. Die Hütten waren abgebrochen worden, um sie auf einem nahen Hügel neu zu errichten, um das wertvolle Reisanbaugebiet nicht zu vereinnahmen. Und sie hatten sich vermehrt, erheblich vermehrt. Ich schätzte die Einwohnerzahl des Ortes nun auf zweieinhalbtausend, was den Namen Kleinstadt durchaus verdiente.

Als unser kleiner Zug aus Konoha-Nin und Kiri-Nin über die gut ausgebaute Straße in Sichtweite kam, wurde ein Horn geblasen. Erst Dutzende, dann hunderte Menschen beiderlei Geschlechts und jedes Alters liefen aus der Stadt und säumten nun den Weg. Ich erkannte etliche von ihnen wieder und winkte schon von weitem. In diesem Moment tat es mir sehr leid, dass ich Karin, Hana-chan und die beiden Genin-Teams von damals nicht dabei hatte. Sie hätten sich alle sehr über diesen Empfang gefreut.

Ein kleiner schwarzhaariger Schemen flog mir in die Arme. "Onii-chan!"

Ich schloss die Arme um das vor Aufregung zitternde Bündel Frau.

"Onii-chan! Endlich bist du da!"

Ich lachte auf. "Ich bin spät dran, Suzume-chan. Das tut mir leid."

Sie sah auf und strahlte regelrecht. In den letzten knapp zwei Jahren war sie größer geworden, hübscher, aber nicht gerade üppiger. Die große Oberweite ihrer Schwester schien nicht an sie vererbt worden zu sein. Aber das konnte ja noch kommen.

Ich wusste nicht, wie man so strahlen konnte, während man gleichzeitig wahre Tränenströme heulte.

"Das ist nicht wichtig! Es ist nur wichtig, dass du endlich da bist!" Sie strahlte noch ein wenig mehr. "Da gibt es jemand, den du unbedingt kennenlernen musst, Onii-chan!"

Von den Seiten kamen Einwände, dass Suzume nicht so eigennützig sein sollte, und gefälligst den Helden teilte, aber Suzume ließ die Einwände nicht gelten. "Zuerst kommt Shinnosuke dran!", bestimmte sie. "Er kennt Mamo-onii-chan noch gar nicht."

Das Argument schien zu ziehen. Man ließ uns weiter gehen, wenngleich ich schon nach wenigen Metern mehr Blumen in den Armen hatte als ich tragen konnte. Was, zum Teufel, war hier gleich noch mal los? Ich hatte doch nur das Dorf gerettet, und das nicht mal allein.

"Shinnosuke!", rief Suzume. Ein kleiner Junge kam den Hügel herabgelaufen. Er war vielleicht zwei Jahre alt, und er rannte meiner kleinen Wahlschwester direkt in die Arme. Sie hob ihn hoch und lud ihn mir auf, trotz der Blumen. "Shinnosuke, das ist dein Onii-sama Mamoru."

Der kleine Bursche, der in einem recht guten Kimono gehüllt war, sah mich voller Aufregung an.

"Hallo, Shinnosuke-kun", sagte ich zu dem kleinen Mann.

"Ha-hallo! Wi-willkommen in Genta So-Non, Mori..."

"Willkommen in Genta No-Son, Morikubo-sama", soufflierte Suzume.

"Willkommen in Genta No-Son, Morikubo-sama!", krähte er fröhlich.

"Danke, mein Großer", sagte ich erfreut. Etwa eine Sekunde später stutzte ich. Als ich abgereist war, da hatte sich Suzume doch mit diesem einen Soldaten so gut verstanden, Tsuyoshi, einem der Entführten. "Ist er deiner?", fragte ich, für einen Moment erschrocken.

Suzume nickte gewichtig. "Jawoll! Das ist meiner! Mein kleiner Neffe."

Für einen Moment spürte ich Erleichterung in mir aufsteigen. Für Kinder war meine kleine Suzume nämlich noch viel zu jung. Auch wenn ich nicht verhehlen konnte, dass ich Tsuyoshi mochte. Ach ja, Tsubasa, ihre große Schwester, war ja schwanger gewesen, als ich nach Konoha zurückgekehrt war.

"Mamoru-sama!", rief die bekannte, bärbeißige Stimme Gentas zu mir herüber.

Ich sah auf und erkannte den ehemaligen Straßenräuber oben an den Häusern stehen, gekleidet in den besten Yukata, den ich je an ihm gesehen hatte. Neben ihm stand seine Frau. Sie trug ebenfalls sehr gute Kleidung, wobei ich feststellen musste, dass niemand hier wirklich ärmlich angezogen war. Das Reisbauerngeschäft musste ziemlich gut laufen zur Zeit.

Und neben den beiden erkannte ich weitere bekannte Gesichter. Da stand Koji, der alte Soldat, den Natsusame-sama zu seinem neuen Stellvertreter in diesem Land ernannt hatte, gehüllt in die Amtsroben seiner Zunft, aber vollkommen unweltmännisch zu mir herüber grinsen; daneben, gehüllt in die Gewänder eines Beraters, erkannte ich Tsukasa-chan, die junge Frau, die über ein Jahr dem Neffen des Groß-Daimyo unfreiwillig als Konkubine gedient hatte. Ein Schicksal, das er übrigens auch Hanako hatte angedeihen lassen wollen. Genau wie von uns geplant. Dadurch hatten wir ihn gestürzt. Auch genau wie von uns geplant. Über die Stolpersteine, die Lücken im Plan und die Rückschläge deckte ich den gedanklichen Mantel des Schweigens. Ganz rechtsaußen stand ein Mann in prächtiger Rüstung. Ich musste zweimal hinsehen, um zu erkennen, dass es sich um Tsukasas Bruder Tsuyoshi handelte. Seinen Abzeichen zufolge kommandierte er nun die Truppen Kojis. Ein verdammt rasanter Aufstieg.

"Mamoru-chan!", rief Tsubasa zu mir herüber und winkte heftig. "Beeil dich! Es gibt Essen!"

Na, das ließ ich mir nicht zweimal sagen. "Schon unterwegs, Tsubasa-sama!"

Sie errötete, als ich sie mit Sama ansprach. Tja, alles wie geplant. Ich würde mich göttlich amüsieren. Und meine Genin hoffentlich auch.

Als ich merkte, das ich alleine voranschritt, sah ich zurück. Da standen sie, meine Begleiter, und starrten mich an - außer den Affen, die über das Verhalten meiner Genin nur schmunzelten.

"Wer bist du eigentlich, Sensei?", fragte Shinji ungläubig.

"Ich denke", sagte ich und gab Shinnosuke an Suzume zurück, "das klären wir am besten beim Essen." Bei Tsubasas hervorragendem Essen, wohlgemerkt.

Der ewige Chunin 12

Der Tsukikage brütete über dem Bericht seiner Jounin aus dem Krisengebiet, in dem er zwei seiner besten Leute verloren hatten. Als er aufsah, nahmen Amir und Khal Haltung an.

"Das ist es also? Ein paar drogensüchtige Nukenin, über die Maria und Hassin zufällig gestolpert sind? Das ist der Grund dafür, dass ich zwei Jounin verloren habe?"

"Das sind die Ergebnisse, Tsukikage-sama. Es gibt bei all dem Schatten aber auch Licht. Es gelang Maria und Hassin, die stärksten Nukenin auszulöschen, was für unsere Ermittlungen ein unschätzbarer Vorteil war. Dadurch war die Verteidigung der restlichen Nukenins rund um das Dorf, in dem sie die Drogen von zum Dienst gepressten Bauern anbauen ließen, stark geschwächt. Unsere Genin und Chunin vom Untersuchungsteam haben sie beim ersten Versuch überwältigt und die Dorfbevölkerung befreien können. Aus dem Reich der Steine liegt bereits ein Dankesschreiben vor, das ich dem Bericht angehängt habe. Und, das muss ich auch noch erwähnen, Maria und Hassin gerieten in diese unvorteilhafte Situation, nachdem sie ihren Auftrag zu einhundert Prozent erledigt hatten."

Der Tsukikage sah verstimmt auf. "Und das soll mich zufrieden stimmen? Wir haben nicht nur zwei wichtige Jounin verloren, sondern gute Freunde. Es fehlt jetzt ein Teil des Rückgrats von Getsugakure. Weiß der Henker, wie sich Maria bei uns so unentbehrlich machen konnte, aber es ist so. Sie war eine unserer verlässlichsten und belastbarsten Kunoichi, und ich war froh, dass wir sie und die anderen Oto-Nukenin integriert haben." Der Tsukikage rieb sich mit der Rechten die schmerzende Nasenwurzel. "Amir, Maria beherrschte die Translokation. Besteht die Möglichkeit, dass sie und Hassin die Nukenin in eine Falle gelockt haben, selbst aber fliehen konnten?"

"Natürlich. Die Möglichkeit bestand, und sie besteht immer noch. Ich persönlich hoffe sehr darauf, dass dem so ist. Aber, Tsukikage-sama, verlassen können wir uns darauf nicht. Ich gebe zu bedenken, dass die beiden sich uns zu erkennen gegeben hätten, wenn sie auf diese Weise hätten fliehen können."

"Was ist, wenn sie aus irgendwelchen Gründen noch immer in den Zwischendimensionen festsitzen, die Maria zwischen zwei Punkten treiben kann? Hast du daran gedacht?"

"Ja, natürlich. Für den Fall, dass sie aus welchen Gründen auch immer später auftauchen werden, habe ich einige Genin stationiert, die dort einen weiteren Monat abwarten werden. Anschließend werden wir das Gelände sporadisch auf neue Spuren absuchen, und das in unregelmäßigen Abständen. Aber bedenke, Tsukikage-sama, wir haben nicht den Hauch einer Idee, wie wir sie in so einem Fall finden, geschweige denn befreien könnten. Wir könnten uns nur darauf verlassen, dass es Maria gelingen kann, ihr eigenes Jutsu irgendwann aufzuheben."

"Gibt es niemanden aus den Reihen der ehemaligen Oto-Nin, die diese Fähigkeit erlernt haben oder gar anwenden können? Es ist ja nicht so, als wäre ich über wirklich alles informiert", hakte der Herr von Getsugakure nach.

"Nein, Tsukikage-sama. Das können wir komplett ausschließen. Marias Fähigkeit beruht auf einem Bluterbe, und soweit wir wissen ist sie die Letzte ihrer Familienlinie, Akira einmal ausgenommen. Und Entschuldigung, aber der Kleine wird in zehn Jahren nicht soweit sein, dieses Jutsu zu erlernen oder gar anzuwenden."

"Nein, Aki-chan fällt da natürlich aus." Er seufzte. "Wir haben keine Wahl, als die beiden vorerst als verschollen zu deklarieren, wie du empfohlen hast. Ich weigere mich, sie schon auf die Verlustliste zu setzen oder ihre Namen auf das Gedenkmonument setzen zu lassen."

"Tsukikage-sama, du kannst ihnen diese Ehre nicht...", wagte es Khal einzuwerfen.

"Nein, natürlich nicht, mein Junge. Aber hiermit ordne ich an, dass wir ein halbes Jahr damit warten, oder bis es eindeutige Beweise für ihr Ableben gibt." Die Augen des Anführers des Ninjadorfs gingen von einem zum anderen, um eventuellen Widerstand gegen seine Entscheidung sehen zu können, aber beide, sowohl der kleine, schmächtige Amir als auch der riesige, plumpe Khal schienen froh darüber zu sein, wie der Tsukikage entschieden hatte.

"Ich gehe dann Hassins Frau und Sohn die schlechte Nachricht überbringen", murmelte Amir. "Entschuldige mich, Tsukikage-sama."

"Und ich werde mich um Akira kümmern", sagte Khal. Er deutete eine Verbeugung an und verließ das Büro.

Als der Tsukikage allein war, spürte er das drängende Gefühl, irgendetwas Schweres zu ergreifen und durch den Raum zu werfen. Selbst nach all den Jahren hatte er immer noch nicht gelernt, auf die Verluste von Untergebenen und Freunden mit Gleichmut zu reagieren. Sein Vorgänger hatte behauptet, darin würde eine Stärke liegen, aber er fühlte sich davon immer nur furchtbar belastet. Vielleicht war er doch der Falsche für den Job.

***

Ich bemerkte relativ schnell, dass Kishio sich absetzte. Warum er das tat, ahnte ich auch sehr bald, und tadelte mich selbst für meine Dummheit. Ich selbst hatte ihm beigebracht, meine Anweisungen wortwörtlich umzusetzen. Also war der arme Junge, der noch immer den Befehl hatte, die Genin zu beschützen, hier mit voll aufgedrehten sensorischen Sinnen aufgetaucht. Ich konnte nicht genau sagen, was für ihn schlimmer war: Die Überflutung mit den Reizen und Eindrücken von ein paar hundert Menschen, oder die daraus resultierenden Kopfschmerzen. Ich musste ja nur selbst meinen kleinen Radius aufspannen, um eine Überforderung zu riskieren.

Allerdings tat dem Jungen eine Pause mal gut, also ließ ich ihn gewähren. Vorerst. Es wurde tatsächlich langsam Zeit, dass der Junge von der Ausführung klarer Anweisungen zur Interpretation von Befehlen wechselte. Und das musste ich ihm wortwörtlich befehlen.
 

Zwischen den Häusern, die ganze Hauptstraße hinab, hatten die Dorfbewohner Tische aufgestellt und Sitzkissen drapiert, und so eine große, lange Festmeile erschaffen. Genta setzte mich tatsächlich an ein Stirnende, das andere blieb frei. Tsubasa-sama platzierte sich links von mir und schenkte mir süßen Sake ein, Genta saß rechts von mir und dirigierte meine Begleiter an seine Seite. Neben Tsubasa nahm Koji Platz, danach folgten Suzume, Tsubasas kleiner Sohn, Tsukasa und Tsuyoshi und Gentas Leutnants.

Das Essen war prächtig anzusehen. Es gab Fisch, frittiert, roh und eingelegt; es gab Reis, Reisnudeln, süße Kartoffeln und ein paar Knollen als Sättigungsbeilage, die ich noch nicht kannte, Tsubasa-sama nannte sie Mannuuk; es wurden gebratene Enten, Hühner und Schweine serviert, und vorweg eine wohlschmeckende Miso-Suppe. Junge Mädchen und Burschen trugen die Speisen auf, kaum das ich saß, und zufrieden sah ich, dass die Speisen gleichmäßig für alle verteilt wurden. Nun war ich mir endlich sicher, dass es Genta-No-Son wirklich gut ging. Vielleicht waren die Bewohner nicht reich, aber sicher wohlhabend. Also lohnte es sich in diesem Teil des Mizu no Kuni wieder, hart zu arbeiten und an sich zu glauben. Eine entsprechende Frage meinerseits bestätigte Koji mit einem Nicken und dem Hinweis, dass seine Bilanzen durch nachhaltiges Wirtschaften die seines Vorgängers, des verwöhnten Neffen des Groß-Daimyos, bereits im ersten Jahr beachtlich übertroffen hatten. Auch hatte sich die Zerschlagung der Monopolstellung einer gewissen Sake-Brauerei als befruchtend auf die Wirtschaft ausgewirkt, wie er mich wissen ließ.
 

"Nanu?", fragte Tsubasa plötzlich. "Bei deinen Leuten fehlt aber noch jemand, oder? Uns wurden mehr angekündigt."

"Kishio!", rief Kira und schlug sich mit der flachen Hand an die Stirn. "Ich gehe ihn holen!"

"Nein, das brauchst du nicht. Ich mach das schon. Ich bin ja auch viel schneller!", ereiferte sich Mai.

"Nichts da! Ich bin der Schnellste hier. Und ich habe auch keine Hemmungen, ihn notfalls an seinen Haaren herzuschleifen", behauptete Shinji.

"Hinsetzen! Alle drei!", kommandierte ich. Gehorsam ließen sich meine Genin wieder auf die Sitzkissen sinken.

"Wenn du erlaubst, Morikubo-sama, werde ich deinen Genin holen. Ich weiß, wo er jetzt gerade ist", bot Suirin an, die Kunoichi, die mich mit ihrem Team im Mizu no Kuni empfangen hatte.

Ich musterte sie einen Moment lang. "Wollen du und deine Leute nichts essen?"

Sie errötete leicht. "Ich befinde mich im Dienst, Morikubo-sama, genau wie mein Team. Aber danke für das Angebot."

"Koji-tono, müssen wir das heute so streng auslegen?", fragte ich den Daimyo dieses Landstrichs.

Der große Mann seufzte. "Pflicht ist Pflicht, und Schnaps ist Schnaps, das weißt du doch, Mamoru. Sake ist absolut verboten, aber ich denke, es ist nichts dagegen zu sagen, wenn sie mitessen. Oder, Tsubasa-chan?"

"Nur zu. Es ist genügend da. Und wenn sie nicht mit uns am Tisch sitzen wollen, können sie ihre Wache auch mit einem Teller in der Hand halten."

"Aber ich...", begann Suirin.

"Setzen", befahl ich.

Die junge Frau hockte sich schräg links hinter mir auf den Boden. "Jawohl, Morikubo-sama."

Das war wohl das Maximum, was ich erreichen konnte. "Was Kishio angeht, werde ich ihn selbst holen." Ich formte die Zeichen für das Kage Bunshin und beschwor einen Doppelgänger. Der Schattenklon verschwand sofort per Step nach Südwesten, in Richtung des Wäldchen, das bereits einmal für mich wichtig geworden war.

"Und jetzt sag mir, was ich dir auftun kann, Suirin-kun."

"Jawohl, Morikubo-sama."
 

Es wurde eine fröhliche Runde. Mir war klar, dass mein Klon und Kishio nicht sofort zurückkehren würden, daher beschäftigten mich erst einmal andere Dinge. Oder mit anderen Worten, ich beschäftigte meine Genin, indem ich sie von der Konfrontation mit den zwanzig Nukenin berichten ließ.

Kira erzählte voller Stolz: "Und dann hat sie den bulligen Kerl einfach in ihrem Genjutsu gefangen! Ein Riese von Mann, mit Armen wie Baumstämmen, aber sie fängt ihn ein, nur mit der Kraft ihrer Gedanken. Das war atemberaubend, Kuzomi-chan."

"Ach das", wehrte das Spinnenmädchen ab. "Der Kerl war eh nicht der Hellste. Ein Wunder, das er sich überhaupt in der Realität zurecht gefunden hat. Ich hätte ihn ewig da drin halten können, wenn er nicht so erschreckend blöde gewesen wäre, sodass ihn ein Stoß gegen sein rechtes Bein wieder geweckt hatte. Ohne meine Affen-sempais hätte ich wahrscheinlich ganz schön Federn lassen müssen."

"Ja, da war noch was. Tut mir leid, Kuzomi-chan, aber ich hatte da alle Hände voll zu tun, die Tussi abzuwehren, die dich im Rücken attackieren wollte."

"Was du ganz hervorragend gemacht hast, Kira-sama! Sie war größer, sie war schwerer, sie war schneller, und sie hatte das längere Schwert. Aber du hast sie gestoppt! Das war ein Anblick..."

Beinahe hätte ich gelacht, als ich ihren schmachtenden Blick sah. Bisher hatte ich es für ihre Art gehalten, für ein antrainiertes Verhalten oder für eine Finte, eine Art äußeres Genjutsu. Aber je länger ich Kuzomi-chan kannte, umso mehr stellte sich die Gewissheit ein, dass... Ja, dass sie tatsächlich in Kira verliebt war.

Nun, andere waren nicht so gutmütig wie ich, und das Spinnenmädchen erntete einiges an wohlmeinendem Gelächter.

"Apropos Anblick!", rief Kira hastig und wandte sich von seiner Kontraktpartnerin ab, die Wangen stark gerötet. "Du hast ja einen tollen Anblick geboten, als du so geflogen bist, Windnutzer. Plus und Plus ergibt Plus, das solltest du doch wissen."

"Ach, hör auf", murrte Shinji. "Da kann ich mich endlich mal mit einem Windnutzer messen, der auch noch stärker ist als ich, und ich muss mit Geschick ausgleichen, was mir an Chakra fehlt, tja, und dann kollidieren unsere Fuuton derart miteinander, das ich mich in einem Baum wiederfinde."

"Sei froh. Dein Gegner hatte nicht so viel Platz, um zu manövrieren. Er ist mitten in ein Dai Endan von Mamo-chan, ich meine, Mamoru-sensei reingestolpert", sagte Kira grinsend. "Tja, Pech nenne ich das. Aber das hätten sie sich eigentlich von vorne herein denken können, wenn sie sich mit Konoha-Shinobi anlegen. Wir schlagen zurück."

"Nun hebe aber nicht gleich ab", tadelte Mai und knuffte ihn schmerzhaft in die Seite. "Wir hatten Senseis Affenkrieger auf unserer Seite, und es war trotzdem noch genug für uns Genin zu tun."

"Ja, vor allem du hattest gut zu tun. Erst hast du deinen Gegner auf einen Haufen Makibishi gelockt - und es geht sich wirklich schlecht, wenn man sich zwei Dutzend Spikes eingetreten hat - und dann hast du ihn mit deinem versteckten zweiten Fuusha Shuriken erledigt."

"Und es wären noch ein zweiter und ein dritter dazu gekommen, wenn unsere Affen-senseis nicht so schlagkräftig gewesen wären", erklärte Mai gönnerhaft. "Und vergessen wir nicht Mamo-chan... Ich meine Mamoru-sensei und seine Kage Bunshin, die ordentlich aufgeräumt haben..." Für einen Moment betrachtete sie ihre Finger, die leicht zitterten. "Dass unser zweiter echter Kampf gleich eine kleine Schlacht werden würde... Wie war das bei dir, Sensei?"

Ich lächelte still. "Mein erster Kampf war eine solche Schlacht." Ich sah kurz zur Seite, musterte Suirin. "Wir waren drei Genin und Hayate-sensei. Es war eine Transportmission. Wir wurden von acht Kiri-Nin attackiert, die in der Ware, die wir transportierten, wohl einen größeren Wert sahen als wir selbst. Mein Gegner war drei Köpfe größer als ich und gewiss viermal so schwer. Und er war ein Suiton-Nutzer, gegen das ich mein Feuer stellen musste. Besiegt und getötet habe ich ihn dann allerdings durch Taijutsu und mein Kunai."

Stille breitete sich am Tisch aus. Kirigakure war das versteckte Ninjadorf des Reichs des Wassers. Ihre Ninjas, von denen Suirin eine war, hatten das Land und seine Bewohner zu schützen. Als ich begonnen hatte zu erzählen, das ich einen ihrer Ninjas getötet hatte, war ich ein Risiko eingegangen. Aber es gab keinerlei Gewähr dafür, dass sie es nicht ohnehin wussten. Jemand, der mich hier und heute nicht als Helden verehrte, hätte schon einen nichtigeren Anlass nehmen können, um mich zu attackieren. Vielleicht war ich es als Feuernutzer auch einfach nur gewohnt, lieber einmal zuviel als einmal zu wenig mit dem Feuer zu spielen.

"Ich kenne die Geschichte. Acht Genin, ein Jounin. Ich weiß nicht, worum es in ihrem Auftrag ging, aber sie kamen nicht zurück", sagte Suirin leise. "Es war ein Auftrag, und sie haben ihn nicht erfüllen können. So etwas passiert, und es gibt nichts gegen die Sieger zu sagen. So sehe ich das." Sie sah auf und lächelte wehmütig. "Morikubo-sama, du brauchst dir da keine Gedanken zu machen. Das Leben als Ninja ist oft blutig und erfordert Grausamkeit. Und letztendlich hast du Kirigakure und dem Mizu no Kuni sehr viel mehr genutzt als geschadet. Man sieht es allein an diesem Dorf."

Zustimmendes Gemurmel klang auf, und die eisige Klippe war umschifft.

"Aber?", fragte ich sie.

"Aber, was?" Sie strich sich nervös durch die kurzen blonden Haare.

"Nichts. Es klang nur so, als wäre das Thema damit noch nicht beendet. Vor allem als du das Wort Grausamkeit genannt hast, klang es so, als würdest du es ausspucken."

"Es... Es ist nichts, Morikubo-sama. Nichts, was dich interessieren würde."

"Vielleicht interessiert es mich ja doch, Suirin-kun", sagte ich mit der Bestimmtheit eines Mannes, der dieses und ähnliches schon oft getan hatte, um bei seinen zugeteilten Genin den einen oder anderen Beweggrund für seine oder ihre Störrigkeit herauszufinden, um mit ihm oder ihr arbeiten zu können. Und dieser Frau lag definitiv etwas auf dem Herzen.

"Es ist... Nun, es gibt ein Beispiel, das ich nicht verzeihen kann. Etwas, was Ninjas nicht tun sollten. Dagegen ist dein Sieg über unsere Genin schon fast eine Ruhmestat."

"Ich höre", sagte ich interessiert.

"Suiren, meine große Schwester, wurde in einem Einsatz getötet. Sie sollte eine bestimmte Schriftrolle aus Kumogakure erhalten und ins Dorf zurückbringen. Dabei wurde ihr Team von Iwa-Ninjas überfallen und ermordet. Auch sie wurde getötet. Dabei hatte sie, gerade sie auf das Bündnis mit Iwagakure vertraut." Ihre Hände ballten sich zu Fäusten, und ihre Haut knirschte, als würde sie Leder gegeneinander reiben. "Sie hat oft davon gesprochen, dass die großen Ninja-Städte in Frieden miteinander leben sollten, und sie hatte gedacht, dass Kiri mit Iwa einen Anfang getan hätten. Es war ein unnötiger Verlust, den meine Familie hat erleiden müssen. Aber dieser Verrat hat gezeigt, dass manche von uns gar keinen Frieden wollen."

"Vielleicht war das so. Vielleicht ist das so. Vielleicht wird es aber so nicht bleiben", sagte ich leise. Ich erinnerte mich daran, dass ich im Reich der Steine, als ich Orochimarus hiesiges Labor zerstört hatte, auch Iwa-Nin befreit hatte. Iwagakure stand mir gegenüber in einer Bringschuld, das war beruhigend zu wissen. Ansonsten hatte ich nicht besonders viele Berührungspunkte mit dem großen Ninja-Ort gemein. Ich konnte also nicht so recht einschätzen, was die Iwa-Nin getrieben hatte, um ihr Bündnis mit Kirigakure wegen dem Besitz einer Schriftrolle derart zu zerstören und das gegenseitige Vertrauen auf Jahrzehnte zu vergiften. War es vielleicht der Beweggrund der Iwagakure-Führung gewesen, genau das zu erreichen? Nun, vielleicht würde ich das nie erfahren.

"Wie, vielleicht?", fragte Suirin verwirrt.

"Ich meine damit, vielleicht hat deine Schwester ja Recht, Suirin-kun, und das, was sich Suiren-san gewünscht hat, geht doch noch in Erfüllung. Orte verändern sich. Menschen verändern sich. Kirigakure hat sich verändert, oder?"

"Ja, mit Terumi-sama an der Spitze", sagte sie.

"Auch Konoha kann sich jederzeit verändern, zum Guten wie zum Schlechten. Das weiß ich selbst als Erster. Wobei ich durchaus daran arbeite, dass sich Konoha stets zum Guten hin entwickelt. Und genauso verhält es sich mit Iwagakure und den anderen großen Dörfern der fünf großen Reiche."

"Iwa-Ninjas und Kiri-Shinobi sollen sich eines Tages vertragen oder gar Seite an Seite kämpfen? Das klingt nach einem fernen Traum", sagte sie skeptisch.

"Vielleicht auch nicht. Eventuell muss die Bedrohung nur groß genug sein, um das zu erreichen", scherzte ich. Ernster fügte ich hinzu: "Iwagakure ist ebenfalls wie Kumo, Suna, Kiri und Konoha eine der fünf großen Ninja-Städte. Kriege zwischen uns führen wegen unserer großen Zahl an Shinobi und ihrer Talente stets zu einem Desaster sondergleichen, dass alle kriegsführenden Städte hart trifft. Wir sind zu groß, um gegeneinander zu kämpfen. Deshalb habe ich durchaus Hoffnung, dass wir in einer hoffentlich nicht allzu fernen Zukunft miteinander kämpfen werden, nicht mehr gegeneinander. Immerhin komme ich heutzutage auch sehr gut mit Kiri-Nin aus, obwohl der erste, der mir begegnet ist, mir ans Leben wollte. Obwohl ich auf Messers Schneide mit Terumi-sama gekämpft habe."

"Ich... Verstehe", sagte sie nachdenklich. Nun, zumindest die Sekunden, bis die relevante Information ihr Gehirn erreicht hatte. Ihr Kopf ruckte hoch und zu mir herum. "Moment mal, hast du gerade gesagt, dass du mit dem Mizukage gekämpft hast, Morikubo-sama?"

"Na, damals war sie noch nicht Mizukage. Das wurde sie erst später. Aber damals war sie noch ein schrecklicher Befehlsempfänger und besessen davon, ihre Befehle wortgemäß zu erfüllen. Das hat sie jetzt zum Glück hinter sich gelassen."

"Wann hast du mit Terumi-sama gekämpft, Morikubo-sama?", fragte sie entgeistert.

"Als ich von den Bewohnern von Genta-No-Son angeheuert wurde, um ihre Kinder zu retten. Ich musste dafür mit meinen acht Begleitern und meinen Affenkriegern die Burg des hiesigen niederen Daimyo erstürmen", erzählte ich. "Dabei geriet ich mit Terumi-sama aneinander, die strikt ihren Befehlen folgte, und den unfähigen, korrupten Neffen des Groß-Daimyos beschützte. Leider. Aber wie ich schon sagte, heute ist sie wesentlich schlauer."

"Du warst das?", fragte Suirin. In ihren Augen spiegelten sich Entsetzen, Bewunderung und eine Spur Angst wieder.

Sie rückte hastig ein Stück von mir ab und verneigte sich bis auf den Boden. "Entschuldige bitte, wenn ich dir gegenüber in irgendeiner Form unhöflich gewesen sein sollte, Morikubo-sensei. Aber niemand hat mir gesagt, dass ich... Dass ich..."

Nun war es an mir, irritiert zu sein. "Was genau weiß man über mich in Kirigakure, Suirin-kun? Oder vielmehr, was erzählt Mei-chan so über mich?"

Die junge Frau richtete sich wieder auf und nahm ihren alten Sitzplatz wieder ein. "Dass sie nicht verstehen kann, warum Konoha einen Ninja mit deinen Fähigkeiten nicht schon lange zum Jounin ernannt hat. Mir war nur nicht klar, dass du mit dem Ninja identisch bist, der sie zur Revolution in Kirigakure animiert hat. Dann hätte ich dich..."

"Mit noch mehr Gefolge empfangen? Ich habe an deinem Verhalten und an deiner Höflichkeit nichts auszusetzen, Suirin-kun. Im Gegenteil. Du hast Kiri Ehre gemacht."

"Danke, Morikubo-sensei. Vielleicht stimmt es ja doch, und wir werden eines Tages tatsächlich keine Kriege mehr gegeineinander führen. Oder sogar auf Dauer Freunde werden. Vielleicht für eine Generation oder sogar zwei."

"Das ist die richtige Einstellung", sagte ich lachend. "Wir sollten weiteressen, bevor die warmen Speisen kalt sind. Und Ihr, meine Genin, solltet besonders gut essen, denn wenn Ihr damit fertig seid, werdet Ihr euer Spiel beenden, das noch unentschieden steht."

Mai, Kira, Shinji und Kuzomi sahen mich mit purer Freude in den Augen an. "Jawohl, Sensei!" Die Gelegenheit, das Spiel zu beenden und zu beweisen, welches Team das bessere war, ließen sie sich nicht entgehen. Sie widmeten sich dem Essen mit noch größerem Enthusiasmus.
 

Tsubasa schenkte mir nach. "Es ist ein wenig schade, dass Hinako und Karin diesmal nicht kommen konnten. Geschweige denn Kaminari und Naruto-kun mit seinen Freunden."

"Es hat sich einfach nicht so ergeben. Aber was heißt denn diesmal, Tsubasa-sama?"

Die Frau des Dorfvorstehers griente mich an. "Na, im Gegensatz zu einer treulosen Tomate, die sich zwei Jahre nicht blicken lässt und mir nicht mal zur Geburt meines Sohnes gratuliert hat, waren die beiden schon ein paarmal wieder hier."

Ich schluckte hart. Wo sie Recht hatte, hatte sie Recht.

Ich verbeugte mich leicht vor ihr. "Ich entschuldige mich für mein Versäumis, Tsubasa-sama. Es war einfach sehr viel zu tun. Aber ich habe euch trotzdem schrecklich vermisst."

"Nun, wenigstens hast du eine fadenscheinige Ausrede", konterte sie. Ihr Grienen wurde ein Lächeln. "Und immerhin bist du endlich wieder hier. Daher kann ich dir verzeihen, wenn du..."

"Ja?"

"Wenn du endlich aufhörst, mich mit Sama anzureden, Mamoru Morikubo. Immerhin bist du der Mann, der meinen Mann auf den rechten Pfad zurückgebracht und diesen Ort damit überhaupt erst möglich gemacht hast."

Genta lachte dazu dröhnend. "Jahahaha. Goldene Erinnerungen. Was für eine schicksalhafte Begegnung das doch war!"

"Tsubasa... Chan?", bot ich an.

"Schon besser", lobte sie zufrieden.

"Was hat Sensei gemacht?", rief Shinji aufgeregt. "Genta-sama, erzähl doch mal!"

"Also, wenn euch die alte Kamelle interessiert... Sie ist aber nicht so schön. Und ich war damals auch noch nicht so schön wie jetzt. Und das verdanke ich alles eurem Sensei und meiner Tsubasa. Und meinen beiden Leutnants." Er fuhr Suzume mit der Linken durch die Haare, bis diese protestierte. "Und natürlich Suzume-chan, nicht? Also, wo fange ich am besten an?"

Während Genta die alten Geschichten aufzuwärmen begann, spürte ich, wie sich mein Schattenklon auflöste. Sein Wissen und vor allem das Gespräch mit Kishio fluteten auf mich ein. Ich musste lächeln. Da hatte ich ja mal sehr gut verhandelt. Und der Junge würde endlich zu uns kommen und am Essen teilnehmen. Das beruhigte mich sehr.

***

"Wenn du lieber allein sein möchtest, kann ich das verstehen", klang hinter Kishio eine Stimme auf. Erschrocken fuhr der Junge auf und spannte sein Kanshi wieder aus. "Sensei!", rief er entrüstet. Etwas kleinlaut fügte er hinzu: "Ich habe dich gar nicht kommen gespürt, weil ich meine Fähigkeiten einen Moment zurückgenommen hatte."

"Ist in Ordnung, Kishio", sagte Mamoru und hockte sich neben dem Jungen nieder.

Kishio war rund zwei Jahre jünger als er. Das war nicht viel, und doch wieder unendlich viel. In der Welt der Shinobi zumindest. "Zudem bin ich ja auch nur der Kage Bunshin."

"Ja, ich weiß", sagte Kishio. "Das habe ich sofort erkannt, als ich meine sensorischen Fähigkeiten aktiviert habe. Wenn es darum geht, dass ich nicht beim Essen bin, dann..."

"Ja, darum geht es. Aber ich denke, wir sollten vorher miteinander reden. Du hast die Bewachung der Genin bis hierhin fortgesetzt?"

"Ja, Sensei. Ganz wie du es befohlen hast. Als wir aber in die Stadt kamen, wurden es einfach zu viele Eindrücke, und ich musste zumindest aus der Menge raus", gestand Kishio.

"Ich verstehe." Nachdenklich rieb sich der Klon das Kinn. "Ich denke, wir müssen wirklich dringend miteinander reden, mein Junge. Gott, wie großkotzig klingt das. Ich bin vielleicht zwei Jahre älter als du, und ich benehme mich dir gegenüber wie... Wie..."

"Wie ein Veteran, der in einem Ort, den er gerettet hat, einen Heldenempfang bekommt?", half Kishio aus.

Mamoru lachte abgehackt. "Erwischt." Er betrachtete den Jungen einen Moment nachdenklich. "Kishio. Wie lange willst du bei mir bleiben?"

"Sensei?"

"Klare Frage, klare Antwort."

"Solange wie es notwendig ist. Mindestens aber solange, bis ich auch dein Leben retten konnte. Außerdem ist es hilfreich, denke ich, wenn wir unsere Kräfte bündeln, denn immerhin scheinen wir beide auf der Abschussliste von Orochimaru zu stehen, diesem Bastard."

Mamoru nickte verstehend. "Gut. Dann nehme ich an, dass du zumindest eine längere Zeit bei mir bleiben wirst, genau wie meine Genin. Wo möchtest du in Konoha wohnen?"

"Was, bitte?"

"Wo möchtest du wohnen? Das Haus, das ich mit meinen Eltern bewohne, ist jetzt nicht so groß, aber meine große Schwester zieht mit ihrem Verlobten zusammen, und sie hat sicher nichts dagegen, dass du ihr Zimmer bekommst. Dann gibt es noch Vaters alten Arbeitsraum, und... Tja. Aber wenn es dir lieber ist, kann ich dir auch ein Appartement in der Nähe besorgen. Je nachdem, wieviel Nähe du verträgst. Außerdem werde ich mich um deinen offiziellen Status kümmern, damit du bezahlt wirst, wenn du mich auf meinen Missionen begleitest. Ich werde dich als Genin anerkennen lassen. Dann bist du ein richtiger Konoha-Shinobi. Dein Vorteil: Du legst dann deine Kräfte nicht nur mit mir zusammen, sondern mit zehntausend weiteren Shinobi. Das dürfte in Zukunft hilfreich sein. Aber auch das gilt nur so lange, wie du es auch willst. Du kannst mich und Konoha jederzeit verlassen."

"Äh, Sensei, nur um auf Nummer sicher zu gehen, wie meinst du dieses "dich verlassen"? Ich meine, ich habe viel über die besonderen Freundschaften zwischen männlichen Shinobi und Soldaten gehört, aber ich denke, ich..."

Verblüfft sah Mamoru den Jüngeren an, bevor er schallend zu lachen begann. "Oh, keine Sorge. Ich wünsche mir dein Vertrauen und deine Freundschaft, aber bestimmt nicht deinen Körper. An dem ist nichts auszusetzen, aber wie du an Perine siehst, stehe ich doch mehr auf Frauen. Solltest du jedoch in diese Richtung tendieren, sei versichert, dass ich diese Einstellung toleriere."

"N-nein, ich denke, ich... Mich zieht es wohl auch eher zu Frauen hin, Sensei", sagte er.

Der Klon begann zu grinsen. "Was die Frauen angeht, kannst du dir vorstellen, dass ich von Perines Kaliber noch vier in petto habe?"

Kishios Gesicht überzog sich mit gesunder Röte. "Bei dir ist alles möglich, Sensei."

Mamoru lachte erneut. "Also, was wird es sein? Das Zimmer, oder lieber die Wohnung?"

"Was das angeht, so würde ich dir gerne das Kopfgeld geben, das ich verdient habe. Jetzt, wo du für mich sorgst und für mich bezahlst, brauche ich das Geld nicht."

"Na, das wirst du mal schön behalten, Kleiner", sagte Mamoru grinsend. "Auch wenn ich nicht danach aussehe, aber Geld habe ich genug. Meine Missionen waren stets ein wenig schwieriger als die der anderen, und ich wurde fürstlich dafür bezahlt. Das musste auch so sein, denn wenn die Affen erstmal ihre Party kriegen, dann wird mein Konto erheblich zusammengeschrumpft sein.

Wie gesagt, du wirst ein Shinobi Konohas, wenn du da keine Vorurteile hast. Und dann wirst du bezahlt werden. Von Konoha. Aber um auf Nummer sicher zu gehen habe ich gegenüber Tsunade-sama klargemacht, dass du als mein Vasall anzusehen bist. Alles, was dich betrifft, geht ausschließlich über mich. Nur für den Fall, dass Danzou, der alte Sack, an dir Interesse entwickelt. Oder die Oma und der Opa im Rat. Oder die ANBU, um ihre Reihen aufzufüllen. Ja, ein sensorischer Ninja deiner Stärke wäre für die ANBU ein gefundenes Fressen."

Er dachte kurz nach. "Das kannst du natürlich machen. ANBU werden, und so. Aber nur, wenn du das auch willst. Ich passe auf, dass dich niemand dazu zwingt, Kishio."

"Gut. Dann nehme ich das Zimmer, wenn es dir Recht ist. Ich bin viele Menschen einfach nicht mehr gewohnt, und wenn Konoha tatsächlich zehntausend Shinobi hat, und wenn ich da noch die Zivilisten hinzurechne, dann möchte ich ungern alleine leben. In dem Gewühl kann ich ja gar nicht auf dich aufpassen, Sensei."

Mamoru gluckste leise. "Oh, kein Spott, Morikubo. Du wirst wahrscheinlich noch früh genug Kishios Hilfe brauchen", tadelte er sich selbst. "Abgemacht. Ich muss das natürlich erst mit meinen Eltern abmachen, aber ich glaube nicht, dass sie uns da Steine in den Weg legen. Und mit deinen Kochkünsten wirst du bei Mutter und Yuriko bestimmt schnell Anschluss finden."

"Kochen sie auch so gerne?", fragte Kishio erfreut.

"Mutter hat sogar ein eigenes Restaurant, das ziemlich gut besucht ist. Du wirst deinen Spaß haben, wenn wir gerade nicht auf Mission sind", versprach Mamoru. "Kommen wir zum nächsten Punkt. Natürlich ist es wichtig für einen Ninja, einen direkten Befehl möglichst wortwörtlich auszuführen. Aber bei meinen Untergebenen wünsche ich mir, dass... Nun, dass sie wissen, wann sie einen Befehl wörtlich nehmen müssen, und wann sie interpretieren können. Zum Beispiel meine letzte Anweisung. Sie ist für dich obsolet geworden, denn meine beschworenen Affen bewachen alle vier Himmelsrichtungen. P-chan den Norden mit dem Meer, Ryoga den Osten mit der Straße nach Kumogakure, Akane den Westen mit dem Weg, den wir gekommen sind und Ranma-sensei den Süden mit dem Wald - Hi, Ranma-sensei!"

"Hallo, Mamo-chan. Ich hoffe, das Essen schmeckt."

"Keine Sorge, wir bringen euch bald was raus. Ich wollte ja nicht, dass Ihr Wache stehen müsst."

"Du bist wie immer etwas zu weich und etwas zu gutmütig, Mamo-chan", tadelte der Affenkrieger, bevor er vor den Augen der beiden spurlos verschwand.

"Ah, ja. Soviel zum Thema. Jedenfalls hast du gesehen, dass die Affenkrieger den Schutz übernommen haben. Du hättest deine sensorische Arbeit einstellen können. Wenn du dein Kanshi deaktivierst, wirst du auch nicht mit sensorischen Einflüssen überschüttet."

"Das ist es nicht. Nicht nur", gestand Kishio. "Ich habe es dir schon gesagt, dass ich große Menschenmengen nicht gewohnt bin. Ich... Ich habe es mit der Angst zu tun bekommen, glaube ich. Und ich habe eigentlich keine Angst. Nicht in dem Sinne."

"Verstehe. Es juckt mir in den Fingern, einmal die Welt so zu sehen, wie du sie siehst."

"Wie ich schon sagte, Sensei, ich kann dir helfen, wenn wir uns einen Ort suchen, der nicht so überlaufen ist. Ich weiß nicht, wie du darauf reagieren wirst, wenn du plötzlich zweitausend Menschen in allen Facetten spüren kannst."

Mamorus Miene verdüsterte sich. "Oh, ein Informationsflash, hm? Darauf kann ich getrost verzichten. Also gut, bevor wir nach Kumogakure weiterziehen, gebe ich der Sache einen Versuch."

"Du wirst es nicht bereuen. Und vielleicht erweitern wir damit auch den Radius deiner sensorischen Fähigkeiten, Sensei."

"Ja, das wäre ein wünschenswerter Nebeneffekt", erwiderte der Schattenklon. "Aber um nochmal aufs Thema zurückzukommen: Du bist ein aufgeweckter Junge. Aber du bist unbedingt gehorsam. Das wird dich als Konoha-Nin in Schwierigkeiten bringen. Ich will, dass du auch ab und an ausbrichst und dein eigenes Ding machst. Nein, das muss ich genauer erklären. Weißt du, der Niidaime Hokage hat mal eine Schlacht gegen Iwagakure geführt. Alles war geplant, jede Eventualität besprochen worden, und die Stärke des Feindes war bekannt. Dann kam es zur Schlacht, und alles spielte sich ab wie es sollte. Konoha war am Gewinnen. Mitten im Gefecht entdeckte aber einer seiner Jounin einen Weg, die Schlacht zu einem sofortigen Sieg zu führen. Ohne sich um den weiteren Plan zu kümmern, führte er diese Idee aus, besiegte den Feind, beendete die Schlacht und rettete damit Dutzenden Konoha-Shinobi das Leben, die wohl noch gestorben wären, wäre die Schlacht wie geplant weitergegangen.

Um das auf uns umzumünzen: Klar ist Gehorsam wichtig, und ich denke mir was bei meinen Befehlen, aber wenn du dort, wo du bist, eine bessere Übersicht hast und eine Gelegenheit siehst, dann ergreife sie auch."

"Das kann mich direkt in eine Falle führen", murrte Kishio.

"Sicher kann es das. Aber du hast doch selbstständiges Denken gelernt, sonst hättest du nicht jahrelang allein gelebt. Klar kannst du scheitern. Deshalb denke genau darüber nach, was du tun willst, und überschaue die Situation so gut es geht, bevor du handelst. Das ist nicht mehr und nicht weniger, als ich von meinen Untergebenen verlange. Und glaube mir, ich habe schon Dutzende ausgebildet. Risiko und Schwund sind immer."

"Ha, ha. Sehr witzig." Es klang spöttisch, aber Kishios Augen leuchteten dabei.

"Um es zusammenzufassen, will ich dich als meinen Genin und persönlichen Gefolgsmann in meine bestehende Genin-Gruppe integrieren. Du kannst so lange an meiner Seite bleiben, wie du willst oder für notwendig erachtest. Ich sehe dich als meinen ausführenden, aber selbstständig denkenden Arm, der mich beschützt und der meinen Schutz genießen wird. Egal gegen wen. Bleib mir treu, und ich bleibe dir treu. Und solltest du eines Tages die Schnauze voll haben, werde ich dich nicht aufhalten. Aber du kannst jederzeit zurückkehren, denn jeder Mensch braucht ein Zuhause.

Wenn wir nun nach Kumo weiterziehen, dann bist du nicht mehr, aber auch nicht weniger als die anderen drei. Ich werde dich ebenso wie sie ausbilden, so gut ich kann, beschützen, so gut ich kann, aber auch verlangen, dass du wie sie eigenständige Leistung erbringst. Solltest du irgendwann mal ANBU werden wollen, den Chunin-Rang oder gar den Jounin anstreben, werde ich dich unterstützen und nicht drauf beharren, dass du mein Gefolgsmann bleiben musst. Warum, fragst du dich, bin ich so großzügig? Weil du es gebrauchen kannst, Kishio. Einfach, weil du es gebrauchen kannst. Und ich habe schon viele negative Punkte auf meinem Lebenskonto, ich kann ein paar gute Taten fürs Ego dringend gebrauchen."

"Negative Punkte? Wie jetzt?"

Der Klon grinste. "Es führt zu weit, das alles zu erklären. Kommen wir zum letzten und wichtigsten Punkt: Du bist bei mir, nicht nur weil du bleiben wolltest, sondern auch, weil ich dich mag, Kishio. Abseits unserer Beziehung als Herr und Vasall hoffe ich, dass wir Freunde werden. Gute Freunde werden. Und ich will, dass du und die Genin Freunde werden, so die Chemie zwischen euch stimmt. Denn nichts kann ein Shinobi in dieser Welt mehr gebrauchen, als gute Ninja-Freunde, die für einen durch die Hölle gehen."

"Ich kann nichts versprechen, aber ich versuche es", versprach Kishio, plötzlich schüchtern klingend. "Meinst du, wir werden gute Freunde, Sensei?"

Mamoru lachte laut. "Wenn es so weiter geht wie bisher, machst du meinen beiden besten Freunden Kou und Ryu noch den Rang streitig, Kishio. Oder ich nenne dich eines Tages meinen kleinen Bruder. Also, mach einfach so weiter, und wir werden noch die dicksten Freunde."

Er klopfte dem Jüngeren auf die Schulter. "Bis dahin sind wir Partner. Und ich vertraue darauf, dass du mir dabei hilfst, auf die Kids aufzupassen und sie zu beschützen. Und zu trainieren. So wie ich dich trainieren werde. Zumindest im Katon, denn dein Taijutsu ist bereits ziemlich gut. Deine Familie?"

"Äh..."

"Du musst da nicht drüber reden. Aber du darfst drüber reden, wann immer du möchtest. Ich will dir das nicht befehlen und muss es wohl auch nicht. Tsunade-sama hat mich bereits mit allem versorgt, was in Konoha über die Familie Moeru zu finden war, und ich konnte mir einen eigenen Reim machen. Falls du drüber reden willst, ist es gut, falls nicht, ist es auch gut." Der Klon erhob sich wieder, aber Kishio ergriff seine Hand und zog ihn wieder in die Hocke. "Ich weiß nicht, was in der Nachricht von Tsunade-sama stand, aber ich will dir nicht nur vertrauen, Sensei, ich will auch das du mir vertraust. Deshalb will ich dir erzählen, was... Was ich dir erzählen kann."

"Gut. Und anschließend gehst du zum Essen rüber, okay? Ich löse das Jutsu dann auf und übertrage mein Wissen an Mamoru selbst."

"Einverstanden." Kishio atmete tief ein und sehr langsam wieder aus. "Geboren wurde ich als erster Sohn von..."

***

"Mamoru-sensei, ist es wirklich klug, dass...?", begann Kuzoko leise.

Grinsend betrachtete ich den Hügel, den ich als Austragungsort für den entscheidenden Punkt im Erobere die Fahne-Match zwischen Team Kira/Kuzomi und Team Mai/Shinji ausgesucht hatte. Keine Deckung, keine Bäume, nur die leicht gewölbte Erde des Hügels, mit Gras bewachsen, die ungefähr ein Viertel der Lichtung ausmachte, die wir im Wald genutzt hatten. "Keine Sorge, keine Sorge, es wird schon alles gut gehen. Außerdem habe ich wieder vier Schattenklone eingesetzt, die darauf aufpassen werden, dass sie sich nicht doch verletzen."

"Das meine ich nicht. Aber ist es klug, sie mit ihren Verletzungen kämpfen zu lassen?"

"Wir werden sehen, ob es klug ist. Aber spektakulär wird es in jedem Fall." Ungefähr fünfzig Laternen erhellten den Hügel. Auf meine Anweisung hin waren sie rundherum als Begrenzung aufgestellt worden. Die Flaggenplätze waren eingerichtet, die Kontrahenten brannten auf die Herausforderung, und die Bewohner von Genta-No-Son warteten auf irgendetwas spektakuläres. Nun, daran würde es keinen Mangel geben.

Ich gab erneut den Schiedsrichter. "Beginnt!"
 

Wie ich erwartet hatte, hielt es keinen der vier bei den Fahnen, die es zu verteidigen galt. Sie versuchten, die Mitte zu gewinnen und dort zu dominieren. Wer die Mitte gewann, der eroberte auch die Fahne. Der Plan beider Seiten war klar: Ihre Gegner durch "Tod" auszuschalten.

Mai und Shinji entschieden sich für die radikale Variante. Wie in der vierten Runde beim letzten Spiel erschufen sie Schattenklone in großer Zahl. Ich zählte achtzehn Mais und einundzwanzig Shinjis. Die Originale mixten sich dabei unter die Doppelgänger, um Kira das Leben schwer zu machen.

Auf der Gegenseite erschuf auch Kira Schattenklone, und Kuzomi würde zweifellos wieder ihre Seide benutzen - dachte ich bis zu dem Moment, in dem ein gutes Dutzend Schattenklone mitten im Laufen zusammenbrach. Natürlich, so konnte man die Herde auch ausdünnen.

Kira kümmerte sich um die andere Flanke und benutzte erneut sein Raiton, um den Boden unter Strom zu setzen. Damit erwischte er tatsächlich einige Klone, aber wie beim letzten Kampf warfen einige Shinjis einige Mais in die Luft, um dem Raiton zu entgehen. Prompt warfen die Mais Kunais mit Spreng-Tags, die zwischen den Schattenklonen niedergingen und sofort detonierten. Dabei tauchten sie in die Staubwolken der Explosionen ein, und einige der Laternen wurden umgeworfen und fingen Feuer. Aus der Staubwolke brandete erneut Raiton auf, und man hörte das charakteristische Geräusch, das entstand, wenn ein Schattenklon wieder verschwand.

Derweil hatte es ein Shinji - das Original, wie mir meine Fähigkeiten verrieten - es mit Step geschafft, an der Flanke entlang bis ins Drittel der Gegner zu kommen; ein weiterer Step brachte ihn direkt an die Flagge. Dort schoss Kuzomi aus dem Gras und warf ihre Stahlseide auf Shinji. Ein kurzer Check meinerseits offenbarte, dass sie ein Klon war. Teufel auch, wann hatte sie das gelernt, und vor allem so schnell?

Shinji schien zur gleichen Ansicht gekommen sein wie ich. Er benutzte ihren Kopf als Halt für sein Taijutsu, übersprang sie und stieß ihr sein Kunai in den Rücken. Sie verpuffte in einer Rauchwolke. Triumphierend schnappte sich Shinji die gegnerische Flagge und benutzte erneut Step. Er wurde aber aufgehalten, als eine Kugel aus Blitzenergie direkt vor ihm vorbei raste. Dem folgte Kira auf dem Fuß, und die beiden Genin tauschten einen heftigen Schlagabtausch aus. Sie ließen voneinander ab, suchten Distanz zu gewinnen und zogen ihre Waffen. Kira sein Wakizashi, das schon bald von seinen Blitzen überzogen wurde und damit tödlicher als ohnehin schon war, und Shinji sein Kunai. Ich musste mich nicht besonders anstrengen, um zu sehen, dass meine letzte Lektion, die ich ihm und Mai erteilt hatte, Früchte trug. Am Ende des Kunais prangte eine Windklinge. Keine besonders lange, gute und scharfe, instabil war sie auch noch. Aber sein Kunai war damit eine tödliche Überraschung für jeden Gegner. Mit wütenden Schreien stürzten sie aufeinander zu, ließen ihre Klingen in wilder Tötungsabsicht aufeinander niedersausen - ehrlich, man konnte einen Wettkampf auch zu ernst nehmen - und schlugen zu.
 

Stille folgte, atemlose Stille, die die Zuschauer erfasst zu haben schien. Auf der Wiese stand einer meiner Schattenklone und hatte sowohl Kiras Klinge mit dem rechten Unterarm als auch Shinjis Windwaffe mit dem linken Unterarm aufgefangen. Wäre ich das gewesen, hätte ich mich schwer verletzt. So aber verging der Klon nur in einer Rauchwolke. Nicht das erste Mal, dass ich diese Technik zu schätzen lernte. Mit einem Step war ich selbst zwischen den beiden Jungen. "Ihr übertreibt", sagte ich vorwurfsvoll.

Kira grinste, und Shinji griente von einem Ohr bis zum anderen. "Ach, Sensei, wir wussten doch, dass du auf uns aufpasst. Da sind wir halt in die Vollen gegangen."

Ich schüttelte den Kopf. "Trotzdem. Ihr seid beide ausgeschieden. Beide Treffer wären tödlich gewesen." Ich streckte eine Hand nach Shinji aus, eine nach Kira. "Tot", sagte ich, dann schnippte ich beiden vor die Stirn. Die Wirkung war so beachtlich, dass ich zusammenzuckte. Shinji wurde von den Füßen gerissen, überschlug sich mehrfach, landete hart und rollte noch etliche Meter, bevor er ächzend zur Ruhe kam. Kira flog einfach nur ein Dutzend Meter, schlug hart auf, kam wieder hoch und brach erneut zusammen.

"Sensei! Das hat weh getan!", rief Shinji.

"Kein Grund so brutal zu werden", murrte Kira. "Wir hatten doch nicht wirklich vor, uns gegenseitig umzubringen."

Irritiert sah ich von einem zum anderen. War ich das gewesen? Es schien, dass ich meine Kraft noch immer nicht richtig dosieren konnte. Zumindest bei Dingen, die ich zum ersten Mal tat. Verdammt, wie wenig Kraft hatte Kakashi wohl damals auf dem Konoha-Friedhof gegen mich eingesetzt, als sein Schnipser mich über die Gräber von Sandaime und Hayate-sensei geschickt hatte? Ich musste das unbedingt trainieren. Was für eine überraschende Waffe.

"Meckert nicht. Ihr seid selber schuld. Runter vom Feld", sagte ich. "Das Match ist noch nicht vorbei."

"Uff. Minute, Boss", stöhnte Shinji. Auch Kira wollte nicht so recht auf die Beine kommen. Besorgt sahen die Mädchen zu ihren Kameraden herüber. "Kuzoko. Kishio."

Die beiden erschienen mit Step auf dem Schlachtfeld. Kishio stemmte sich unter Kiras Arm, und Kuzoko nahm Shinji hoch, in einer Haltung, die oft scherzhaft "Prinzessinnengriff" genannt wurde. Mit ihren Lasten verschwanden sie wieder per Step.

"Weiter!", rief ich den Mädchen zu.
 

Mai löste ihre Schattenklone auf und Kuzomi beendete ihr Jutsu. Sie trafen sich in der Mitte.

"Kein Genjutsu", sagte Mai.

"Okay. Keine Sprengtags und keine Shuriken", forderte Kuzomi.

Die Konoha-Genin zog ein Kunai. "Wie gut ist dein Taijutsu, Spinnchen?"

Auch die Kontraktpartnerin zog ein Kunai. "Wirst es gleich erleben, mein Herz."

Die beiden Mädchen belauerten sich mit gezogenen Kunais. Dabei hielte sie die Griffe in der rechten Faust, und die Klinge zeigte nach unten. Klassische Ausbildung eines Shinobis Konohas für einen Kampf gegen Messer.

Mit wütenden Schreien gingen die Mädchen sich an. Ihre Kunais fuhren gegeneinander. Sie drückten beide mit ganzer Kraft. "Nicht... Schlecht, Spinnchen", presste Mai hervor.

"Du... Aber... Auch nicht", erwiderte sie mit zusammengebissenen Zähnen.

Mai trat mit links zu, Kuzomi konterte mit dem linken Fuß. Kuzomi schlug mit der linken Faust, Mai wehrte den Schlag mit der linken Hand ab.

Die Mädchen trennten sich wieder, beäugten sich misstrauisch und begannen, sich zu umkreisen. Erneut attackierten sie einander, ließen Kunai auf Kunai krachen, lösten sich diesmal aber schneller voneinander. Dies wiederholten sie noch dreimal, bevor sie sich in stillem Einvernehmen dazu entschieden, ein wenig zu verschnaufen.

"Bist ein guter Taijutsu-Kämpfer, Spinnchen", sagte Mai anerkennend. "Ich muss es wissen. Ich bin ja die Taijutsu-Expertin der Truppe."

"Du bist auch nicht ganz schlecht, mein Herz", erwiderte Kuzomi. "Ich muss es wissen. Ich bin die Jüngste in einem Haufen Taijutsu-Verrückter."

Mai lächelte. "Wollen wir es mal mit einem neuen Trick versuchen?" Sie nahm das Kunai in die linke Hand.

Kuzomi runzelte die Stirn und tat es ihr nach.

Übergangslos griff Mai wieder an, und auch Kuzomi reagierte sofort. Die Kunais krachten so heftig aufeinander, dass Funken stieben. Ich machte mich mit Step auf den Weg, war aber nicht schnell genug.

Derweil holte Mai mit Rechts zu einem Schwinger aus, während Kuzomi einen rechten Haken probierte. Während sie ihre linken Hände gegenseitig neutralisierten, traf Kuzomis Haken Mai nicht ganz am Kinn, aber seitlich unten am Wangenknochen. Zugleich traf Mai das Spinnenmädchen mit ihrem Schwinger teilweise am Oberkieferknochen und am Jochbein. Ihre Schläge explodierten auf den Schädeln ihrer Gegner und rissen beide von den Füßen. Ich und einer meiner Schattenklone kamen gerade noch rechtzeitig genug, um beide Mädchen aufzufangen.

Sie atmeten beide schwer und erschöpft.

"Weißt du was, Spinnchen?", fragte Mai zwischen zwei Japsern.

"Was denn, mein Herz?", fragte sie atemlos zurück.

"Was hältst du davon, wenn wir es hier gut sein lassen? Ein Unentschieden?"

Kuzomi stöhnte gequält auf. "Normalerweise würde ich ablehnen. Kira-sama und so. Aber im Moment könnte mich eine Fliege töten. Entschuldige, Fliegenwitze sind populär bei uns. Auch Fliegenbeleidigungen."

Mai lachte abgehackt, bezahlte das aber mit einem Hustenanfall. "Okay. Dann unentschieden."

"Okay."

"Unentschieden!", verkündete ich und die Zuschauer rasten vor Begeisterung. Alles in allem war es kein schlechter Tag gewesen.

"Ein guter Kampf", sagte Suirin, als sie neben mir aus dem Step kam. "Man merkt, dass dies deine Schüler sind, Morikubo-sensei."

Das war amüsant. "Oh, sie bringen alle von Haus aus schon eine Menge Talent mit", sagte ich, hob Mai auf meine Arme und trug sie zu den wartenden Ninjas.

"Sensei, das ist mir peinlich", begehrte Mai auf.

"Soll ich dich an Suirin-kun übergeben?"

"Das ist mir ja noch peinlicher", erwiderte sie.

Hinter mir folgte mein Schattenklon mit Kuzomi. Zumindest sie beschwerte sich nicht und freute sich über den kostenlosen Transport.

Als wir den Hügel verließen, kamen ihre Kameraden freudig auf die beiden Mädchen zugestürmt. Ja, definitiv ein guter Tag.

Der ewige Chunin 13

11.

Ich erwachte im Morgengrauen. Nein, kein antrainierter Reflex weckte mich. Und ich war auch nicht davon wach geworden, dass sich Suzume-chan wieder einmal in mein Bett geschlichen hatte. Oder P-chan. Nein, mir war schlicht und einfach kotzübel. Also wankte ich auf die Toilette und übergab mich mustergültig. Ganz vorschriftsmäßig mit dem rechten Zeigefinger im Winkel von achtzig Grad - von oben herab berechnet - in die Kehle versenkt, bis der Brechreiz einsetzte.

Derart erleichtert fühlte ich mich schnell besser. Aber mein Atem musste furchtbar stinken. Deshalb putzte ich mir die Zähne und spülte den Mund ordentlich aus. Nein, ich war nicht betrunken. Als Ninja von Konoha neigte ich nicht dazu, mich selbst außer Gefecht zu setzen, indem ich übermäßig zu trinken pflegte. Im Gegenteil. Zwar mochte ich ab und an ein oder zwei Bier, und gerne auch mal etwas heißen Sake, aber ich trank nie mehr, als ich mit Hilfe meines Chakras kompensieren konnte. Gerade nicht, wenn ich mich nicht in Konoha befand. Also, eigentlich hatte ich mich noch nie so weit betrunken, das ich für meine Handlungen nicht mehr hätte verantwortlich gemacht werden können. Immerhin das hatte ich auf der Haben-Seite. Außerdem war ich ja erst siebzehn, und da war mir ohnehin nur Bier erlaubt, und beim Sake drückten die Älteren ein Auge zu, solange ich es nicht übertrieb - wozu ich nicht neigte.

Als ich mich im Morgengrauen so mustergültig übergeben hatte, waren andere Dinge Schuld gewesen. Dinge, die ich so noch nicht erlebt hatte. Beim Abendessen hatte ich tüchtig zugelangt. Weil Tsubasas Essen so super gewesen war. Und weil ich mich darüber freute, wie sehr es sie freute, dass es mir geschmeckt hatte. Anschließend, nach dem Trainingskampf, war ich allerdings genötigt worden, noch mehr zu essen. Gutmütig, wie ich war, hatte ich das mit mir machen lassen und nicht darauf geachtet, wie fettig die letzten Happen gewesen waren. Das Ergebnis war eine sehr unruhige Nacht gewesen, die ich dreimal unterbrochen hatte, um draußen ein wenig frische Luft zu schnappen. Jeder meiner darauffolgenden Versuche, etwas Schlaf zu finden, hatte nicht lange vorgehalten. Als ich einsehen musste, dass es nicht besser werden würde, hatte ich mich zum radikalen Schnitt entschieden. Das gute Essen.

Aber auch das lernte ein Shinobi in Konoha: Sich so schnell wie möglich wieder kampfbereit zu machen. Tatsächlich gab es in der letzten Klasse der Akademie einen Kurs, der von jeder Schülergruppe jedes Jahrgangs der "Metzger-Lehrgang" genannt wurde. In diesem wurde mir damals beigebracht - so wie vielen Generationen vor und sicher noch vielen nach mir - woran ich erkannte, dass gewisse Gliedmaßen nicht mehr zu retten waren und wann ich mich ihrer besser entledigte. Die richtige Technik für diesen Schnitt, die Kauterisierung und Wundversorgung waren mir damals auch beigebracht worden. Als Nebeneffekt hatten wir auch gelernt, wie wir uns im Fall von Vergiftungen zu verhalten hatten. Der Lehrsatz bei schlechten Lebensmitteln war gewesen: Immer raus mit dem Dreck. Und da es eine wesentlich harmlosere Technik war, als das Entfernen von Körperteilen, hatten wir das auch geübt. Mein Schwachpunkt war Pflanzenfett gewesen. Ich hatte es warm und flüssig trinken müssen und mich anschließend zu gerne darin geübt, mich zu übergeben und das Zeug wieder loszuwerden. Bis zum heutigen Tag hatte ich es nicht gebraucht. Aber jetzt war ich meinem Sensei dankbar für diese Lektion.

"Alka Selzer oder Natron obendrauf?", fragte Kuzoko mitfühlend.

"Nein, geht schon. Ich bin es los. Aber gegen einen frühen Kaffee hätte ich nichts einzuwenden."

Das Spinnenmädchen nickte verständnisvoll und verschwand in der Küche, ohne einen Laut zu verursachen. Nur weil wir schon so früh fuhrwerkten, mussten wir ja nicht das ganze Haus wecken. So hoffte ich zumindest.

"Sensei?", fragte Kishio. "Alles in Ordnung mit dir? Dein Chakra ist schon die ganze Nacht so... Durcheinander."

In einer Mischung aus Ärger und Amusement betrachtete ich den jungen Ninja in der Tür zum Baderaum. Das hätte ich mir denken können. Und ich konnte ihm noch nicht mal böse sein, weil er mich mit seinen sensorischen Fähigkeiten überwacht hatte. Besser noch, ich durfte es nicht einmal. Nach dem, was er mir erzählt hatte, zumindest das, was er im Moment für relevant gehalten hatte, waren unbegründete negative Emotionen meinerseits mehr als dazu geeignet, um ihn zu verunsichern. Ich tat gut daran, ihn die nächsten Wochen mit Samthandschuhen anzupacken.

"Ich habe zu fett gegessen. Ich weiß, dass ich das nicht vertrage, aber... Ich mache es immer wieder." Mit der Rechten klopfte ich mir auf den Bauch. "Ich bin halt ein viel zu guter Esser."

Kishio zog eine Augenbraue hoch. "So? Davon sieht man aber nichts, Sensei."

"Ich verbrenne das Meiste."

Einen Augenblick stutzte der Junge, bevor er merkte, dass ich einen Katon-Benutzer-Witz zum Besten gegeben hatte. "Ach so."

"Als Ninja muss man gut essen. Sehr gut essen. Du musst es nicht gerade übertreiben wie die Akimichi, aber ein paar anständige Reserven sind nie verkehrt. Ein paar Jutsu zuviel, und du siehst sonst aus wie ein abgemagertes Etwas."

"Das hätte durchaus Vorteile", murmelte Kishio.

"Was denn? Nicht attraktiv auszusehen hätte Vorteile?", scherzte ich. Innerlich bemühte ich mich allerdings, meine Anspannung nicht durch mein Chakra erkennen zu lassen. Ich ahnte, dass das Gespräch in eine Richtung ging, die ich bisher tunlichst vermieden hatte, denn dies waren Dinge, die Kishios absolute Privatangelegenheit waren. Zumindest bis er meinte, dass er sich besser fühlte, wenn er sie mir erzählte. Vielleicht war dies einer dieser Momente.

Der junge Moeru fuhr sich fahrig mit der Rechten durch sein Haar. "Sensei, als du mich im Holzfällerdorf in der Küche gesehen hast, zwischen den Frauen, da..."

"Als du zwischen den Frauen fast verschwunden bist?"

"Ja", gestand er. "Es hat keine Vorteile, so auszusehen."

"Ich weiß", murmelte ich leise. "Als ich Genta das erste Mal traf, damals, als er noch ein Straßenräuber war, waren meine Haare länger und mein Gesicht noch sehr feminin. Damals wollten Genta und seine Jungs mich und meine Begleiter gegen Sex passieren lassen. Wie ich schon sagte, damals war er noch ein Straßenräuber, und ich musste ihm und seinen Leuten erst den Kopf zurechtrücken. Er und seine beiden Leutnants haben es geschafft, aber die anderen beiden sind wohl mittlerweile auf der Straße gestorben. Dennoch, ich trage Genta nichts nach. Außer, dass er mich mit einem Mädchen verwechselt hat", sagte ich mit gespieltem Groll.

"Du hast es gut", murmelte Kishio mit einem wehmütigen Lächeln. "Du wurdest mit einem Mädchen verwechselt. Bei mir haben sie genau gewusst, dass ich ein Junge war."

"Erzähl", bat ich.

Kishio Moeru setzte an, sprach aber kein Wort. Er versuchte es erneut, versuchte es wieder, aber sein Hals schien wie zugeschnürt zu sein. Als er endlich sprechen konnte, berichtete er mir davon, dass er von einem Nukenin vergewaltigt worden war. Ich hatte so etwas erwartet. Ich hatte gehofft, dass ihm so etwas nicht widerfahren war, vor allem, weil ich seine Kampfkraft kannte. Aber seine Erzählung, vor allem die alte Frau und ihre Enkelin betreffend, machten schnell klar, warum er nicht gekämpft hatte. Für einen Shinobi hatte er sich mehr als vorbildlich verhalten.

Ich hörte ihm zu, wie er von der Demütigung berichtete, von den Schmerzen, vom Darmbluten, das durch die grobe Behandlung eingesetzt hatte, und von seinen Gefühlen, während er den Nukenin und seine Begleiter einzeln hatte ausschalten können. Als er die Stelle erreichte, an der er in das Haus zurückgekehrt war, wusste ich schon vorher, was er darauf sagen würde. Er war rausgeworfen worden, obwohl er nichts Schlimmes getan hatte. Ich ahnte ungefähr, was in dem Jungen vor sich ging, wissen konnte ich es nicht.

Langsam schüttelte ich den Kopf. "Ich verstehe. Sie wusste, was mit dir passiert war. Aber du hast weitergemacht, als wenn nichts gewesen wäre. Deine Stärke hat sie sicher genauso entsetzt, wie ihre eigenen Schuldgefühle, wann immer sie dich gesehen hat. Es ist die Aufgabe der Erwachsenen, die Kinder zu beschützen. Und dann hast du das Schicksal auf dich genommen, das sie für sich selbst und ihre Enkelin vorhergesehen hatte. Sie ist an sich selbst verzweifelt."

Skeptisch sah mich Kishio an. Jetzt, wo er sich das von der Seele geredet hatte, wirkte er erleichtert. Und streitlustig. "Meinst du wirklich, sie hatte Schuldgefühle? Denkst du nicht, dass sie einfach nur das Monster in mir gesehen hat, wie all die anderen, die mich fortgeschickt haben, kaum das sie mich erkannten?", fragte er spöttisch. "Selbst der Clan deines Freundes Ryuji, der ein guter Verbündeter meines Clans war, hat mich fortgejagt wie einen räudigen Hund. Warum sollten die Oma und Rin-chan besser gewesen sein? Oder besser von mir gedacht haben? So sind die Menschen nun..." Entsetzt sah er zur Seite. Dort stand Kuzoko. Ihre Augen waren mit Tränen gefüllt, und die Tasse Kaffee in ihrer Hand zitterte.

Ein Schatten legte sich über Kishios Gesicht, so als erwarte er, nun von ihr ebenso behandelt zu werden. Ich spürte, wie sein Chakra in Aufruhr geriet. Dann veränderte sich etwas. Es beruhigte sich fast so schnell wieder, wie es hochgefahren war, wie als wenn eine Tsunami übergangslos in ihr Bett zurückglitt. Der Grund dafür war das Spinnenmädchen. Sie hatte mir die Kaffeetasse gereicht und den jungen Moeru in den Arm genommen. Nach anfänglichem Zögern ließ er diese Berührung zu. Er konnte mit der Nähe, mit ihrem Mitgefühl nicht umgehen, das sah ich auf den ersten Blick. Aber etwas an der Situation erleichterte ihn so sehr, dass ihm stumm die Tränen flossen. Es dauerte Minuten, bis er zögerlich seine Arme um den schlanken Leib Kuzokos schlang. Und dennoch wagte er es nicht einmal, ihre Kleidung einzudrücken.

"Es ist gut", hauchte sie leise. "Es ist alles gut. Hier und jetzt ist alles gut. Und mehr solltest du von der Welt nicht verlangen."

Es vergingen weitere Minuten, in denen Kishio nicht in der Lage war, ein Wort zu sagen. Nur zögerlich lösten sich die zwei voneinander.

"Weißt du, Kishio", sagte ich ernst, "dass ich die gleiche Ausbildung bekommen habe, die dein Großvater dir mitgegeben hat? Für den Fall, dass ich vergewaltigt werde. Disziplin, Entspannung, den Geist fortschicken. All das wurde ich genauso gelehrt, wie wir es unseren Kunoichi beibringen. Auch Mai, Shinji und Kira haben das an der Akademie gelehrt bekommen. Natürlich nur in der Theorie. Aber in unserem Gewerbe passiert so etwas nun einmal, und es ist besser, wenn jeder von uns weiß, wie man so eine Situation überlebt, nicht nur jene, die potentiell hineingeraten können."

Ich stellte den unbenutzten Kaffeebecher beiseite. "Natürlich hat das wenig mit dem zu tun, was du durchmachen musstest, und ich bin froh, dass ich das nicht nachvollziehen kann. Aber vielleicht beruhigt es dich, wenn ich dir sage, dass ich erwartet habe, dass du mir so etwas erzählen wirst, wenn du bereit bist. Ich bin sehr schlecht darin, anderen meine Gefühle zu zeigen oder sie einzufordern. Ich mache meist mehr kaputt, als dass ich Nutzen bringe. Deshalb habe ich gewartet, bis du selbst soweit bist. Und jetzt... Jetzt kann ich dir sagen, dass ich stolz auf dich bin, anstelle deines Großvaters. Du hast die richtige Entscheidung getroffen. Du hast die beschützt, die dir wichtig waren, und du hast überlebt. Du hast dich dazu entschlossen dann gegen deine Feinde zu kämpfen, als du eine Chance dazu hattest. Und du hast sie genutzt. Du bist trotz deiner jungen Jahre ein hervorragender Shinobi. Ich bin froh, dich getroffen zu haben." Ich trat an ihn heran und legte meine Rechte auf seinen Kopf. "Und du bist ein feiner Kerl, Kishio, kein Monster."

"Danke, Sensei", sagte er mit rauer Stimme.

"Ich denke mal, das bleibt erstmal unter uns vieren. Wenn du den anderen davon erzählen willst, dann tue es, wann du bereit dazu bist. Aber glaube ja nicht, dass die vier dumm sind. Sicher ahnen sie schon was. Es wird sicherlich das Vertrauen zwischen euch stärken, wenn sie wissen, wie stark du wirklich schon bist. Hier oben, meine ich."

"Danke, Sensei", sagte er erneut, und seine Stimme war nicht mehr ganz so rau.

"Und was das Monster angeht... Du hast ja keine Ahnung. Während des Morgentrainings gehen wir beide mal ans Meer, und ich zeige dir ein richtiges Monster, und das hat mit dem netten, freundlichen und bescheidenen Jungen hier vor mir nicht das Geringste zu tun."

Verwirrt sah er mich an. "Ein anderes Monster?"

"Ich meine mich. Extra für dich werde ich mal voll aufdrehen. Hoffentlich werden wir nicht anschließend aus dem Dorf geworfen", scherzte ich. "Anschließend können wir am Strand das sensorische Training ausprobieren, wenn es dir Recht ist. Und du kannst mir dein Taijutsu zeigen, falls du nicht vor Angst bibberst."

Kishio sah mich spöttisch an. "Glaubst du wirklich, du kannst mich ängstigen, Sensei? Mein Clan hat es geschafft, alleine mit seinem Chakra zu töten."

"Siehst du, ich muss es dazu in ein Ninjutsu pressen, aber mein Chakra tötet auch. Noch Fragen?"

"Ja, Sensei. Wieso soll es unter uns vier bleiben, wo wir doch nur drei sind?"

"Das liegt daran, das ich nur gelauscht habe", sagte Perine. Sie entstand neben mir wie aus dem Nichts. "Ich wollte nicht heimlich lauschen. Es ist einfach so passiert. Und hätte Mamo-chan mich nicht verpetzt, hättest du nichts davon erfahren, dass ich hier war. Es tut mir leid."

"Nein, das muss es nicht, Perine-sensei. Ich habe nur nicht erwartet, dass... Dass..."

"So. Bist du also auch einer von den Idioten, denen etwas Schlimmes angetan wurde, und die die Schuld dann bei sich suchen?", fragte Perine spöttisch. "Keine Sorge, du hast alles richtig gemacht. Würden diese Typen aber noch leben, würde ich mich jetzt sofort auf den Weg machen, um sie zu finden und zu liquidieren. Wegen Monstren wie ihnen schließen wir Affen unsere Kontrakte ab. Wir können es nicht dulden, das solche Bestien in Menschengestalt in der Welt ihr Unwesen treiben." Sie griente Kishio an. "Es reicht ja auch schon, dass die Welt mit Mamo-chan gestraft ist."

"P-chan!", beschwerte ich mich gespielt.

"Ist doch aber wahr", sagte sie. "Kishio, pass gut auf deine Hose auf, wenn Mamo-chan nachher zeigt, was er kann. Nicht, dass dir das Herz reinrutscht."

"So leicht bin ich dann doch nicht zu beeindrucken", erwiderte der junge Moeru amüsiert.

"Wir werden sehen", sagte das Affenmädchen augenzwinkernd. "Ach, was mir gerade einfällt. Du kannst doch lesen und schreiben, oder?"

"Ja, wieso?"

"Dann solltest du der alten Frau und ihrer Enkelin einen Brief schreiben, in dem du ihr erzählst, dass es dir jetzt gut geht und dass du unter Freunden bist. Das wird dich erleichtern, und es wird sie erleichtern."

"Ob sie so einen Brief überhaupt von mir will?", fragte der Junge mürrisch.

"Glaub mir, sie will einen solchen Brief von dir. Und du wirst dich sehr viel besser fühlen, wenn du ihn abgeschickt hast", sagte Perine.

"Das denke ich auch", sagte Kuzoko und nickte gewichtig.

Kishio seufzte gespielt auf. "Na gut, vielleicht schreibe ich den Brief. Aber nur, wenn Sensei mich nicht enttäuscht. Nicht, Mamoru-sensei?" Er grinste mich an und zwinkerte seinerseits.

"Oh, dann lege ich schon mal Papier und was zu schreiben bereit", sagte die Affenkriegerin. In ihrer Stimme war nicht der Hauch eines Zweifels.

Langsam spürte ich einen gewissen Erwartungsdruck. "Es wird Zeit für das Morgentraining. Wecken wir die anderen", sagte ich. Okay, das hatte ich jetzt davon. Diesmal würde ich mächtig übers Limit gehen müssen, um die Erwartungen von Kishio und den Mädchen nicht zu enttäuschen.

***

Nach den Morgenübungen, die die Genin wann immer sie konnten mit großem Ernst praktizierten, verabschiedeten sich Kishio und Mamoru-sensei von ihnen, um in der Abgeschiedenheit des nahen Strandes ein eigenes Training zur Verbesserung von Mamo-chans sensorischen Fähigkeiten durchzuführen.

Seit die beiden nach Norden verschwunden waren, um die Anglerhütte von Genta für diesen Zweck zu nutzen, tuschelten und diskutierten Perine-sensei und Kuzoko miteinander. Schnell hatten sie auch Kuzomi hinzugeholt, und schließlich hatte sich auch Mai angeschlossen. Die vier Mädchen glaubten, das sie relativ leise waren, aber ihre Aufregung machte sie unvorsichtig, sodass das eine oder andere zu laut gesprochene Wort zu Kira und Shinji herüberwehte.

Shinji schüttelte ernüchtert den Kopf. "Frauen! Kaum hören sie was von nackter Haut und Körperkontakt, schon brennen bei ihnen alle Sicherungen durch. Mensch, Mamo-chan und Kishio wollen nur trainieren!" Er stutzte und sah zu seinem Freund herüber. "Oder meinst du..."

"Ist mir alles vollkommen egal, solange Kishio wiederkommt, und er mir die letzte Kata noch mal zeigt. Die hatte echt Power", erwiderte Kira und schwang sein Wakizashi in einer seiner eigenen Katas, die ihm sein Onkel in Kumogakure beigebracht hatte.

"Dich kann wohl nichts erschüttern, oder?", murrte Shinji.

"Ach, komm! Wenn die Frauen Sensei nachlaufen wollen, um dabei zusehen zu können, wie er mit Kishio halbnackt in einer Hütte sitzt und die beiden Hautkontakt haben, dann lass sie doch. Mich interessiert das nicht die Bohne. Und wenn die davon Nasenbluten kriegen, ist das nicht mein Bier. Lass ihnen doch ihre homoerotischen Phantasien. Äh, ist was?"

Shinji starrte den Freund konsterniert an. "Du weißt tatsächlich, worum es geht?"

"War ja nicht schwer zu erraten, oder? Und nur zu deiner Information: Nur weil es mich nicht interessiert, heißt das nicht, dass ich darüber nicht Bescheid weiß. Also lass sie, wenn es sie glücklich macht. Hauptsache, Perine-sensei schockt sich nicht selbst mit ihren eigenen Erwartungen. Vergiss nicht, sie ist eine von fünf Frauen, die Mamo-chan unter sich aufteilen wollen."

"Selber Schuld, würde ich dann mal sagen. Aber was ist, wenn die Mädchen Mamo-chans und Kishios Training negativ beeinflussen?", fragte Shinji.

Leiser Donner klang zu ihnen herüber. Er war aus dem Norden gekommen und markierte ungefähr jene Stelle des nahen Meeres, an dem Mamoru und sein Zögling trainieren wollten.

"Wenn sie das Training negativ beeinflussen wollen", sagte Kira grinsend und deutete auf die Feuerlohe am Horizont, "sollten sie sich beeilen. Das war Mamo-chans Dai Endan. Damit beeindruckt er jeden, sogar mich. Schätze, er und Kishio gehen dann auch gleich zum anderen Training über."

Der Meinung schienen wohl auch die Frauen zu sein, die nun eine nach der anderen per Step verschwanden und am Fluss, der ebenfalls nach Norden floss, wieder auftauchten, nur um sofort wieder in den Step zu gehen.

"Ach, siehe da. Die Hübschen merken wohl, dass sie spät dran sind", sagte Shinji grinsend. Sein Grinsen erstarb aber gleich wieder. "Mai-chan. Mai-chan geht ja mit! Mist!"

"Wieso Mist? Sie ist eben auch nur eine Frau. Ärgere ich mich vielleicht, dass meine Kontraktpartnerin mitgeht? Lass sie einfach machen. Die beruhigen sich und kommen wieder, garantiert."

"Ja, aber, aber, aber, was ist, wenn sie Kishio wirklich halbnackt sieht, und ihm dann verfällt? Ich meine, ich habe doch die älteren Rechte", murrte er.

Kira stupste ihm mit dem Griff seines Wakizashis in den Bauch. "Das du sie mit deinem nackten Oberkörper nicht beeindrucken kannst, sollte wohl klar sein, Kleiner. Aber sieh es mal so: Wenn sich Mai-chan schon davon beeindrucken lässt, hattest du eh keine Chance bei ihr. Für sie sind wir ohnehin nur kleine Kinder, auf die sie als große Schwester aufpassen will."

"Du fühlst wohl gar nichts für sie, was?", murrte Shinji.

"Natürlich. Ich mag sie. Sehr sogar. Aber sie hat nicht... Wie soll ich es sagen? Nicht genug Oberweite. So ein wenig darf es schon sein. Mindestens soviel wie Perine-sensei hat."

Shinji starrte den Freund mit weit aufgerissenen Augen an. "Aha. Soviel wie Perine-sensei hat, also."

"Tja, was soll ich sagen", erwiderte Kira. "Ich bin nunmal ein fixer Lerner. Und sieh es doch mal von der Seite: Ein Konkurrent weniger um Mai-chan für dich."

"Ja, das ist auch das einzige Gute an der Situation", murrte Shinji.

***

"Mamoru-sama." Suirin kam neben mir aus dem Step und kniete sich nieder, die rechte Faust fest auf den Boden gestemmt. "Die Vorbereitungen sind getroffen, und mein Team hat die Wachaufgaben von den Affen übernommen, damit sie sich ausruhen können."

Ich verkniff es mir, ihr etwas über einen Affenkrieger zu erzählen, was "wachen" und "ausruhen" anging. Stattdessen lobte ich sie. "Gute Arbeit, Suirin-kun. Gibt es noch etwas zu berichten?"

"Ja, Mamoru-sama. Die Eskorte aus Kumogakure wird sich verspäten. Wenn wir euch an der Landesgrenze verlassen müssen, wird sie noch nicht eingetroffen sein. Aus politischen Gründen dürfen mein Team und ich dich aber nicht tiefer ins Land begleiten."

"Das verstehe ich. Steht es immer noch so schlimm um Kiri und Kumo?"

"Nein, im Gegenteil. Die Situation hat sich merklich verbessert. Aber das ist auch genau der Grund, warum wir nicht unerlaubt über die Grenze gehen können. Wir würden Vertrauen aufbrauchen, das wir mühsam aufgebaut haben."

"Auch das freut mich zu hören. Gibt es noch etwas?"

Sie zögerte und senkte den Blick. "D-darf ich so vermessen sein und..."

"Nur zu", ermunterte ich sie. "Ich beiße nur auf Wunsch."

Diese Worte ließen eine gesunde Röte über ihr Gesicht huschen. "Mamoru-sama!"

Ich lachte leise. "Nur ein Scherz, Suirin-kun. Was liegt dir denn auf der Seele?"

"Nun, ich... Ich will nicht vermessen klingen." Sie hob abwehrend die Arme. "Und ich will auch nicht spionieren, oder so! Aber darf ich... Erlaubst du mir, dein Training zu beobachten?"

Nun, es war in der Tat problematisch, den Ninjas anderer Nationen die eigenen Kniffe und Tricks zu zeigen. Und zweifellos würde Suirin weitermelden, welche Jutsu ich beherrschte. Aber warum einen Nachteil nicht in einen Vorteil verwandeln? "Ich habe nichts dagegen, Suirin-kun."

"Danke, Mamoru-sama", sagte sie voller Ernst. Sie richtete sich wieder auf, setzte sich aber brav in den Saiza-Sitz.
 

"Also, wo waren wir stehengeblieben?"

Kishio grinste mich an. "Du wolltest mich beeindrucken, Sensei."

"Ach ja, da war ja was." Ich erwiderte sein Grinsen und trat näher an den Strand, bis meine Füße vom Wellenschlag umspült wurden. "Hast du einen besonderen Wunsch? Oder soll ich einfach ein paar meiner besten Ninjutsu aufführen?"

"Du wolltest mich so sehr beeindrucken, dass ich dich mehr als Monster sehe als mich selbst", erinnerte Kishio mich. Er ließ sich im nassen Sand nieder. "Na, da bin ich aber mal gespannt."

Okay, spätestens jetzt hatte ich mich beim Versuch, es dem Jungen komfortabler zu machen, so richtig in die Nesseln gesetzt.

"Probieren wir es doch mal mit einem Trick, den mir Asuma beigebracht hat." Ich lächelte zu Kishio herüber. "Du wirst ihn mögen. Ein freundlicher, tödlicher Kerl, der Mann."

"Freundlich und tödlich?", erwiderte Kishio.

"Nun, wir sind Shinobi, oder?" Ich wandte mich wieder dem Meer zu. "Katon: Haisekishou!"

Ich spie aus meinem Mund einen Schwall Staub aus. Dieser verbreitete sich vor mir als fünfzig Meter weiter Fächer, der in etwa einen Meter Tiefe erreichte.

"Sehr beeindruckend", sagte Kishio spöttisch. "Also, Fläche schaffst du wirklich gut, Sensei."

Ich grinste schief, bevor ich den Staub entzündete. Asuma benutzte dazu einen Feuerstein, den er während eines Kampfes im Mund trug, aus Zeitgründen und wegen der Konzentration. Ich hatte aber genug Zeit, um mich meines Katons zu bedienen. Als ich aus dem Staub eine Flammenhölle machte, war mir nicht ganz klar, was mich selbst erwartete, denn gerade weil es ein so starkes Jutsu war, hatte ich versucht, mich zurückzuhalten. Nun, ein Teil des Meeres stand jedenfalls in Flammen, und der Teil der Asche, der bereits vom Wasser aufgesaugt worden war, sorgte für eine ordentliche Reaktion. Feuer und Wasser vermischten sich, und Dampf entstand. Heißer Dampf. Viel Dampf, der mir fast brühend ins Gesicht wehte. Ich erschrak ein wenig vor mir selbst. Und ich ahnte, warum Asuma mir eingebleut hatte: "Nur im Notfall über Wasser anwenden, Mamo-chan."

"Hervorragend ausgeführt!", ereiferte sich Suirin.

Ich sah zu Kishio herüber.

Der war ein wenig bleich geworden. "N-nicht schlecht, Sensei. Hat mich jetzt aber nicht so beeindruckt."

Ich muss ehrlich gestehen, ich fühlte mich herausgefordert. Mehr als das. "So, das war also nicht so beeindruckend?"

Ich spuckte auf ein Stück Treibholz, das am Strand lag. Es fing sofort Feuer. Wieder fixierte ich das Meer, um eine weitere Technik der Sarutobis anzuwenden, die große Flammenwand. "Hiuchi Yagura!"

Die kleine Flamme auf dem Holz wuchs plötzlich, breitete sich aus und wurde zu einer acht Meter hohen Flammenwand, die sich vor mir rund fünfzig Meter in beide Richtungen erstreckte. Heißer Wind schlug uns entgegen und trocknete unsere Kleidung vom Wasserdampf.

"Und?"

"Sehr beeindruckend, Mamoru-sama!", sagte Suirin, während sie applaudierte.

"J-ja, auch nicht so schlecht. Sicher schwierig in einem Kampf anzuwenden, Sensei", murmelte Kishio. "Hast du nicht was besseres?"

Ich schnaubte leise. "Wie wäre es denn mit einem Klassiker? Dem Dai Endan?"

"Das hast du mir damals auf der Lichtung schon gezeigt, Mamoru-sensei, als die anderen klettern geübt haben", sagte er.

"Stimmt, das habe ich. Aber diesmal gebe ich alles. Im Wald konnte ich ja nicht so wie ich gerne wollte, ohne ihn komplett niederzubrennen."

"Na, da bin ich jetzt aber gespannt", murmelte Kishio amüsiert.
 

Das war's. Definitiv. Er hatte es geschafft. Ich wandte mich wieder dem Meer zu. Bedächtig und voll konzentriert schmiedete ich mein Chakra. Ich erschuf so viel wie ich konnte, und das war eine ganze Menge. Anschließend produzierte ich Öl. Viel Öl. So viel Öl, dass mein Mund es gar nicht fassen konnte. Es drängte weiter nach, und es fühlte sich ein wenig so an wie das Übergeben am Morgen. "DAI ENDAN!" Ich spie das Öl aus, entzündete es sofort als riesige Feuerlohe. Selbst als ich meinte, es wäre genug, legte ich noch mal einen obendrauf. Das Ergebnis war wohl das größte Dai Endan, das ich jemals erschaffen hatte. Es reichte fast einhundert Meter weit und erreichte an der größten Stelle fast zwanzig Meter Durchmesser. Vor mir brannte sich das Dai Endan in den Sandboden und in das Meer. Mein Feuer war viel zu heiß, um Dampf überhaupt zuzulassen.

Als ich das Dai Endan beendete, war im Meer eine Kerbe entstanden, die nun erst wieder voll Wasser floss. Ein Glimmen lag in der Luft, aber kein Hauch von heißem Dampf.

"Und? Wie war das?", fragte ich, innerlich vor einer vernichtenden Antwort zitternd. Merkwürdig, irgendwas roch hier verschmort.

Ich wandte mich Kishio zu und wartete darauf, dass Suirin mich lobte. Das tat sie aber nicht. Darum ging mein erster Blick zu ihr. Sie starrte mich an, und ihr Mund klappte auf und zu, als wäre sie ein Fisch auf dem Trockenen. Es war aber kein Entsetzen, nur grenzenlose Begeisterung in ihrem Blick.

Ich sah Kishio an und fand heraus, was hier so verkokelt roch. Mein Dai Endan hatte ihm die Haare versengt und die Haut durch die Hitze gerötet. Auch er starrte mich an, und es war ein wenig Entsetzen in seinen Augen. "D-das ging noch stärker?", stammelte er fassungslos.

Also hatte die Hitze bis zu ihm gestreut. Was angesichts der Flammenlohe wirklich kein Wunder war. Ich konnte mich wohl glücklich schätzen, das mein eigenes Feuer mir nichts tat. Und ich stellte mir vor, was wohl passiert wäre, wenn ich dieses Dai Endan damals benutzt hätte, als ich mit Kabuto in einem Raum gewesen war. Von uns wäre wohl nicht besonder viel übrig geblieben.

"Oh, ich bin sicher, wenn ich mir Mühe gebe, dann kriege ich es noch größer hin. Warte, ich..."

"Sensei!", rief Kishio und fiel mir in den Arm. "Es ist gut. Ich habe meine Lektion gelernt. Aber ich bin nicht bereit, dich Monster zu nennen!" Ein Lächeln ging über sein Gesicht. "Sagen wir einfach, du bist gefährlicher als ich." Er sah zur Seite und hüstelte. "Viel gefährlicher als ich."

"Ein phantastisches Dai Endan!", rief Suirin, als sie endlich ihre Stimme wiedergefunden hatte. "Ganz hervorragend! Wenn ich so etwas sehe, kriege ich verdammt noch mal keine Lust, jemals gegen Konoha antreten zu wollen. Zumindest, solange du unter den Gegnern bist, Mamoru-sama!"

"Danke für das zweifelhafte Kompliment", erwiderte ich ein wenig säuerlich.

Ich klopfte Kishio auf die Schulter. "Sind wir uns also einig, dass ich den Titel Monster eher verdient habe als du?"

"Ich werde dich so nie nennen, wie schon gesagt", beharrte Kishio.

"Damit kann ich leben. Kommen wir zu deinem Part." Ich wandte mich der Kiri-Nin zu. "Suirin-kun, wo ist die Hütte?"

Sie erhob sich. "Bitte hier entlang, Mamoru-sama."

Ich atmete kurz nervös ein und aus. Jetzt also würde es sich entscheiden, ob ich meine sensorischen Fähigkeiten erweitern konnte, oder eben nicht. Und dafür musste ich mich auf einen Jüngeren verlassen. Mist, das machte mir zu schaffen.

***

Suirin kniete in respektvollem Abstand neben uns. Eine Leistung, wenn man bedachte, dass die kleine Wetterschutzhütte, die gerade mal Schutz vor ein wenig Unwetter und Platz für ein paar Utensilien wie Netze und Angeln bot, mit Verlaub gesagt nicht die größte war. Sie hatte darum gebeten, dabei sein zu dürfen, und ich hatte keinen Grund gesehen, ihr diese Bitte abzuschlagen. Vom eigentlichen Ninjutsu würde sie ohnehin nichts mitbekommen. Allerdings würden ihr ausgeglichenes Wesen und ihre Ruhe positiv auf Kishio und mich wirken. So hoffte ich zumindest.

Bedächtig legte ich das Stirnband aus Silber ab, das mir Suzume geschenkt hatte. Dann zog ich meine grüne Kampfweste aus, die für einen Chunin aus Konoha zum guten Ton gehörte, auch wenn sie den Genin nicht verboten war. Anschließend entledigte ich mich des Shirts aus Spinnenseide. Es war immer noch so fein und leicht wie am ersten Tag, und es nahm auch keinerlei Gerüche an. Was für mich der schönste Aspekt an den Shirts war. Anschließend setzte auch ich mich in den Seiza und machte ein paar Atemübungen zur Entspannung.

Kishio entkleidete sich ebenfalls. Als er sein Hemd auszog, fiel mir der deutliche Unterschied zwischen uns beiden auf. Er war ungefähr fünfzehn Jahre alt, und deshalb von der körperlichen Entwicklung noch eher ein Kind als ein Mann. Seine Muskeln waren trainiert, aber es waren eben noch die Muskeln eines Kindes, was ihm trotz seiner Kraft ein zierliches Aussehen einbrachte. Ich hingegen, schon halb erwachsen, hatte nach meinem letzten Wachstumsschub breitere Schultern bekommen, um die sich meine trainierten Muskeln gruppierten. Auch mein Pectoralis Major war deutlich größer und dicker. Also der große Brustmuskel, der darüber entschied, ob ein Mann eine Hühnerbrust entwickelte, oder die gut geformte Brustpartie eines durchtrainierten Shinobi. Dank guter Gene in der Familie stand mir letzteres bevor. Nicht, dass Shinobi, die mit kleineren Pectoralis Majors gestraft waren, weniger Kraft entwickeln konnten, aber es sah eben einfach besser aus, wenn der Muskel eine größere Körperfläche in Anspruch nahm. Wohin Kishios Weg ihn führen würde war noch nicht zu sagen.

"Äh...", machte Suirin, "benötigst du noch etwas, Kishio-kun? Etwas, um die Konzentration zu steigern? Etwas zum Verbrennen? Körperöl?"

Ich musterte sie. "Wofür den Körperöl?"

Sie errötete. "Für den Hautkontakt, Mamoru-sama."

Ich sah Kishio an. "Brauchen wir Körperöl?"

"Nein, Sensei. Es geht auch so. Ich muss mein Chakra auf dich übertragen, nicht mich an dir reiben."

Das schien Suirin ein wenig zu enttäuschen. Was nun wiederum mich amüsierte. "Langer Rede kurzer Sinn, ich bin bereit. Schauen wir doch mal, ob die Sache funktioniert, und ob sie sich positiv auf meine sensorische Reichweite auswirkt."

"Gut." Kishio erhob sich und trat hinter mich. "Wenn dir etwas unangenehm ist, sage es bitte. Nichts wäre unvorteilhafter, als wenn du jetzt verkrampfen oder mich unbewusst ablehnen würdest. Mit deinem Schattenklon hat es gut geklappt, aber diese Übung ist sehr viel intensiver. Damit wurden meine sensorischen Fähigkeiten im Alter von vier Jahren geweckt. Damit ich mitreden konnte."

Ich stutzte kurz. Davon hatte er mir berichtet. Die Moerus waren in der Lage gewesen, auf kurze Distanzen lautlos miteinander zu kommunizieren, wenn sie ihr Chakra gut genug beherrschten.

"Gut." Ich versuchte, mich weiter zu entspannen, aber eigentlich war ich aufgeregt. Ich war sehr darauf gespannt zu erfahren, wie Kishio die Welt sah.

"Ich fange dann jetzt an." Er zögerte. "Du weißt, dass mein Clan nur durch bloße Berührung töten kann, indem wir unser Chakra verwenden."

"Das hast du schon erzählt. Und du hast doch hoffentlich keinen Grund, um mich zu töten", erwiderte ich eine Spur zu barsch.

Das brachte den Jungen dazu, zu lachen. "Nein, natürlich nicht, Mamoru-sensei."

Er kniete sich hinter mir nieder und legte seine Hände auf meinen Rücken. "Fangen wir mit einer kleinen Übung an. Spürst du mein Chakra?"

"Ja", erwiderte ich. "Es ist... Warm. Und grün."

"Das hast du gut erkannt, Sensei. Wir Moerus erfassen Körpereigenes Chakra in verschiedenen Farben. Das erleichtert uns die Bestimmung des Zustands unserer Gegner. Grün und Blau sind Farben der Ruhe. Gelb und Rot stehen für Aufregung. Es würde zu weit führen, dir nun alle Details erklären zu wollen, aber soviel muss ich erklären: Grün steht für eine besondere Ausgeglichenheit, wenn man sich konzentriert."

Ich nickte verstehend. "Legen wir los, Kishio."

Der Junge zog seine Arme zurück. Dann spürte ich, wie er sich auf mich lehnte. Seine Hände schlang er um meine Brust. Ich spürte sein Chakra, auch ohne, das er es mit mir teilte, als ruhige, kraftvolle Quelle.

"Ich dringe jetzt mit mehr Chakra in dein System", sagte er.

Deutlich konnte ich spüren, wie sein grünes Chakra in meinen Körper drang. Ich stöhnte unterdrückt auf. "Zu tief. Zuviel."

Sofort nahm er das Chakra etwas zurück. "Besser?"

Ich nickte. Damit konnte ich umgehen.

"Es ist vielleicht besser, wenn ich mich darauf konzentriere, mit vereinzelten Stößen zu arbeiten, nicht mit einer permanenten Welle."

Wieder nickte ich.

Erneut spürte ich sein Chakra in mein System fluten. Ich verstand nun, wie es den Moerus möglich war, ihre Gegner alleine mit ihrem Chakra zu töten. Kishio nahm so selbstverständlich Einfluss auf mein Körpersystem, es wäre ein Leichtes für ihn gewesen, bei einem schlechter trainierten Shinobi als mir einfach das Herz anzuhalten. Allerdings war das auch keine grausigere Vorstellung, als in mein Dai Endan zu geraten. Zumindest sagte ich mir das.

'Also, ich will nicht so gerne in dein Dai Endan geraten, Sensei', hörte ich eine amüsiert klingende Stimme in meinem Inneren.

'Kishio?'

'Ja, Sensei. Ich habe genug von meinem Chakra implantiert, um mit dir auf die Moeru-Art zu kommunizieren. Das ergibt vielleicht Vorteile für die Zukunft. Ich weiß nicht, ob du es permanent erlernen kannst, und ob es ohne Körperkontakt funktioniert. Aber ab jetzt können wir uns absprechen, ohne Worte benutzen zu müssen.'

Erfreut nickte ich. Was für eine großartige Möglichkeit. 'Das eröffnet uns ein paar Variabeln.'

'Ja, das meinte ich. Sensei, ich beginne jetzt.'

'Beginnst was...', konnte ich noch denken, bevor meine Welt explodierte. Es war eine Sache, irgendwo zu stehen und die Natur um sich zu erfassen, wärend man zugleich etwas roch, die Wärme spürte und den Wind wahrnahm. Es war etwas völlig anderes, wenn man es so bewusst erlebte, als stünde man von jeder Pflanze, jedem Tier und jedem Stein nur einen Zentimeter entfernt. Und das auf einer Fläche von einem Quadratkilometer. Ich war es gewohnt, hatte selbst einen Radius von dreißig Metern permanenter Kontrolle. Aber dieser Eindruck war etwas völlig anderes. Es war beängstigend und bestürzend.

'Wow', dachte ich. 'Wie hältst du diesen Informationsfluss nur aus?'

'Wie hältst du es aus, Sensei? Ich habe schon befürchtet, zu weit gegangen zu sein', erwiderte er.

'Ich ignoriere das Meiste', erwiderte ich.

'Das ist aber nicht Sinn der Übung. Ich gehe auf einen Radius von einhundert Metern zurück.'

Die vielen komplexen Eindrücke verschwanden. Die Flut wich, machte einer beherrschbareren Größenordnung Platz. Damit kam ich gut zurecht. 'Besser.'

'Ja, ich spüre, dass du dich den Eindrücken nicht mehr verschließt, Sensei. Ich denke, dies ist der Bereich, den du eigentlich abdecken können solltest.' Er schwieg einige Zeit. 'Ich bin mir nicht sicher, ob diese Sitzung schon ausgereicht hat, um deine sensorischen Fähigkeiten so weit zu pushen. Eventuell sind weitere Sitzungen notwendig.'

'Das wissen wir nur, wenn wir es ausprobieren', erwiderte ich. 'Zieh dein Chakra zurück. Ich versuche es alleine.'

'Verstanden.'

Ich spürte, wie sein Chakra aus mir wich. Damit schrumpfte auch meine sensorische Welt zusammen. Als er nur noch genug Chakra in mir belassen hatte, um mit mir zu kommunizieren, spannte ich mein eigenes sensorisches Netz aus. Auf einen Schlag konnte ich fast doppelt so weit 'sehen'. Das war ein beeindruckender Erfolg. 'Es hat geklappt!'

'Ja, ich sehe es. Aber du bist noch nicht an deiner Grenze angekommen, Sensei', erwiderte er. 'Da wird noch einiges an Arbeit auf uns zukommen.'

'Das ist nichts, was ich scheue', erwiderte ich. 'Eine höhere sensorische Reichweite kann sich in Zukunft als wichtig erweisen, Kishio. Es muss ja nicht gleich so viel sein wie du erfassen kannst.'

Er lachte lautlos. 'Meine Schwester war noch viel stärker als ich. Sensei, soll ich dich mal bis an meine Grenzen mitnehmen?'

'Nein, danke. Mein Bedarf ist gedeckt. Zumindest für heute. Lass uns Schluss machen, nachdem wir ein wenig mit den Mädchen gespielt haben.'

'Den Mädchen?', fragte er erstaunt.

'Perine schützt sie vor dir. Sehr geschickt. Aber mich kann sie damit nicht austricksen.' Nun nahm ich Kishio quasi bei der Hand und zeigte ihm mein sensorisches Bild der Umgebung. Und in diesem Bild sah man Perine, Mai, Kuzomi und Kuzoko vor der Hütte hocken und lauschen. Ihr Chakra war in Unruhe. Nervosität und Unrast erfüllten sie.

'Warum verstecken sie sich?', fragte Kishio verständnislos. 'Sie hätten auch einfach fragen können. Nicht, dass sie ohne sensorische Fähigkeiten auch nur einen Hauch dessen verstanden hätten, was wir hier tun.'

'Oh, ich bin mir sicher, sie haben andere Beweggründe', erwiderte ich amüsiert. 'Das meine ich übrigens mit spielen.'

'Ich verstehe nicht, Sensei.'

Ich musste lächeln. 'Wusstest du, dass es Mädchen nervös macht, wenn sie sich vorstellen, wie zwei hübsche Jungs wie du und ich Hautkontakt herstellen und sich auch noch umfassen?'

'Aber das ist doch kein Sex, Sensei. Nicht einmal ansatzweise', wehrte Kishio belustigt ab.

'Ich glaube auch nicht, dass sie Sex erwarten. Aber, nun, etwas ähnliches.' Kurz erläuterte ich ihm meinen Plan.

'Wenn du das tatsächlich für notwendig hältst... Also gut.'

Wir unterbrachen den Kontakt unserer Chakren und kehrten beide in die normale Welt zurück. Natürlich tat ein sensorischer Ninja das nie wirklich; ein Teil von ihm scannte immer sein Umfeld. Aber wir fokussierten uns wieder auf die Optik und die Akustik.

Ich öffnete die Augen und bedeutete Suirin sofort zu schweigen, als sie verständlicherweise zu einer Frage ansetzte. Ich erhob mich in einer fließenden Bewegung und schlich mich an die Tür der Hütte. Dann gab ich Kishio ein Zeichen.

"Ich nehme jetzt das Hautöl, Sensei."

"Und du meinst, das ist nötig?", fragte ich.

"Ja. Wir gleiten dann besser. Ich hoffe, es ist nicht zu kalt."

"Etwas. Aber es ist nicht unangenehm. Du solltest es jedoch besser verreiben."

"So?"

"Ja, so ist gut. Kommt jetzt der Körperkontakt?"

"Ja, wenn es dir nicht unangenehm ist."

"Nein. Im Gegenteil, deine Wärme ist sehr komfortabel."

"Ich dringe jetzt in dich ein, Sensei. Sag mir, wenn es unangenehm für dich ist."

"Ich habe keinen Grund mich zu beschweren."

"Gut. Du wirst gleich die Kontrolle über deinen Körper verlieren, Sensei. Aber ich wache über dich. Lass deinen Kopf vertrauensvoll gegen meine Schulter sinken."

"Ist das Chakra nicht etwas groß, mit dem du in mich dringst, Kishio?"

"Kannst du es nicht handhaben? Ein erfahrener Shinobi wie du hat doch keine Angst vor Größe, oder?"

"Ich lege mich vertrauensvoll in deine Hände, Kishio."

"Ist es gut so, Sensei? Oder ist es zu fest?"

"Oh, es ist genau RICHTIG!" Mit einem Ruck riss ich die Tür der Hütte auf. Sie fiel nach innen, und ihr folgten vier Mädchen, die überrascht übereinander purzelten.

Ich musterte sie amüsiert. "Was macht Ihr hier, wenn ich fragen darf?"

"Wie? Ist schon alles vorbei?", fragte Kuzomi aufgeregt. "Und ich dachte, wir... Hey, Moment mal, du liegst ja gar nicht leblos in Kishios Armen! Und Chakra sehe ich auch nirgendwo."

"Kuzomi-chan, psst", zischte ihre Schwester ihr zu.

Ich zog Mai aus dem Wust an Armen und Beinen hervor. Das Mädchen hatte tatsächlich Nasenbluten. "Brauchst du ein Taschentuch?"

"Danke, ja. Muss eine Spätfolge meines Unterzuckers sein", murmelte sie.

Ich stellte sie an die Seite und gab ihr ein Papiertaschentuch von mir. Dann befreite ich Kuzomi, die lediglich enttäuscht wirkte.

P-chan reichte ich nur eine Hand zum Aufstehen, und Kuzoko ebenso.

"Es war nicht nett von euch, lauschen zu wollen", tadelte ich sie. "Und, P-chan, hast du wirklich geglaubt, du könntest vier Personen zugleich vor mir verstecken? Dafür wart Ihr mir doch zu nahe."

"Hätte ja klappen können", murrte sie. "Und? Hat es wenigstens was gebracht?"

"Ich habe meine sensorische Reichweite verdoppeln können."

"Das meinte ich zwar nicht, aber immerhin. Du hast einen großen Fortschritt erziehlt, Mamo-chan."

Ich seufzte leise. Mädchen. Biester. Und liebenswert. Man bekam sie immer nur als Paket, nie allein mit den Eigenschaften, die man an ihnen schätzte. "Also wirklich. Was habt Ihr gedacht, was Kishio und ich hier tun? Oder hat euch allein die Vorstellung angeheizt, wie sich unsere nackten Oberkörper berühren? Nehmt euch mal ein Beispiel an Suirin-kun. Sie war die ganze Zeit bei uns und hat... Suirin-kun, du hast Nasenbluten."

"Was? Oh, habe ich gar nicht bemerkt."

"Wie war es denn?", bestürmte Kuzomi die Kiri-Nin. "Was genau haben sie getan? Und wie haben sie es getan?"

Die Situation war so merkwürdig, ich hätte lachen wollen. Oder weinen. Am besten beides. Ich griff nach meinem Shirt aus Spinnenseide und zog es wieder an. Darauf folge die Weste, und zum Schluss legte ich das Stirnband an. Auch Kishio hatte sich wieder angezogen. "Wenn Ihr nichts dagegen habt, gehen wir schon mal", sagte ich und verließ die Hütte, ohne eine Antwort abzuwarten. Wie ich erwartet hatte, wurde Suirin nun noch mehr mit Fragen bombardiert.

"Meinst du, wir haben ein schönes Bild geboten, Sensei?", fragte Kishio amüsiert.

Ich schnaubte leise. "Für sie reicht es anscheinend. Komm, wir gehen zurück. Es gibt noch das eine oder andere für mich zu tun in Genta-No-Son." Ich ging in den Step.

"Ja, Sensei", erwiderte Kishio und folgte mir.

Merkwürdig, ich hatte gehört, was er gesagt hatte, nachdem ich in den Step gegangen war. Meine verbesserten sensorischen Fähigkeiten waren gewöhnungsbedürftig, aber sehr interessant. Diese Erkenntnis stellte mich zu recht zufrieden.

***

Der ewige Chunin 14

Es war ein gutes Gefühl, zu wissen, dass man an einem Defizit gearbeitet hatte, und das erfolgreich. Die gemeinsame Sitzung mit Kishio hatte zum gewünschten Erfolg geführt, und ich konnte jetzt permanent einen Radius von sechzig Metern um mich herum erfassen. Selbst wenn ein Ninja mit Step auf mich zukam, hatte ich mindestens eine Sekunde Reaktionszeit. Ich fühlte mich dadurch... Vollwertig. Auf jeden Fall besser. Mein Ego stieg, mein Selbstbewusstsein erreichte schwindelnde Höhen. Für meine Begriffe, wohlgemerkt. Ein anderer als ich hätte diesen trunkenen Zustand mit vorsichtig optimistisch umschrieben. Dazu kam, dass die Arbeit mit meinen Genin gut verlief. Sehr gut sogar. So gut, dass ich mich ernsthaft fragte, wann der erste Einbruch kommen würde. Wann, zum Beispiel, würden sie auf Kishio eifersüchtig werden? Wann würden Shinji und Kira um eines der Mädchen rangeln? Um Mai, um Kuzomi, oder sogar um die eine ganze Ecke ältere Kuzoko? Oder noch schlimmer, um P-chan? Wann würde ihre Rivalität einkicken? Wann würde Mai in ihr altes, deprimierendes Verhalten zurückfallen, ihre Leistungen negieren, ihre Fortschritte nicht mehr sehen, allgemein schlecht drauf sein und mir die Schuld in die Schuhe schieben? Womit sie auch noch Recht gehabt hätte.

Okay, okay, vielleicht machte ich mich da auch ein wenig selbst verrückt, aber meine bisherige Lebenserfahrung besagte eindeutig, dass es, wo es Licht gab, nun mal auch Schatten gab. Das war unumstößlich. Nichts ging auf Dauer gut. Und nirgendwo, wo Menschen interagierten, gab es einmal keine Missverständnisse. So gesehen wartete ich regelrecht auf die erste wirkliche Krise, die wie ein reinigendes Gewitter sein würde. Hoffentlich. Bis zu einem gewissen Punkt war es immer zu begrüßen, wenn sich Spannungen entluden. Solange es keine Toten gab. Solange niemand schwer verletzt wurde. Solange nicht Dinge gesagt und getan wurden, die nie wieder verziehen werden konnten. Es war meine Aufgabe, darauf zu achten, dass keiner meiner Genin so etwas tat oder erlebte. Sie hatten alle noch einen weiten Weg vor sich, der sehr erfolgreich verlaufen konnte, wenn sie es zuließen. Bereits das, was sie mir beim Glöckchenspiel gezeigt hatten, war eine gute Leistung für Genin frisch von der Akademie gewesen. Und mit Kishio und den Spinnen war auch ihr Genjutsu-Defizit ausgeglichen worden. Sie hatten alle drei eine gute Chance, Chunin zu werden, oder sogar in die Jounin-Ränge aufzusteigen. Das sah ich bei Kishio ähnlich, was aber wiederum davon abhing, welchen weiteren Lebensweg er für sich wählen würde. Er war ein Goldschatz durch sein Kekkai Genkai, den Konoha sicher nur zu gerne heben würde. Nur ich stand zwischen ihm und dem unweigerlich kommenden Versuch, ihn zu vereinnahmen. Ließ ich zu, dass er vereinnahmt wurde, zum Beispiel von den ANBU, konnte er Jounin werden. Ließ ich das nicht zu, sondern stellte mich beschützend vor ihn, verlangte, das er ausschließlich mit mir unterwegs war, versperrte ich ihm die Ninja-Ränge Konohas. Über diesen Punkt würden wir erst reden können, wenn ich mit der Hokage gesprochen hatte. Kishio konnte sehr wertvoll werden. Sehr, sehr wertvoll. Und genau deshalb war er sogar in Konoha in einer gewissen Gefahr. Wenn ich an die Gerüchte über die ANBU-NE dachte, wollte ich besser nicht die Wahrheit über sie wissen.

Es galt also, für alle drei - vier - die Weichen für die Zukunft zu stellen, so gut ich konnte. Und das war schwer, weil wir uns effektiv erst eine gute Woche kannten. Auch einer der Gründe, warum ich eine Krise herbei sehnte. Ich würde sie besser einschätzen können, wenn ich hinter ihre Maske würde blicken können. Ich musste nur aufpassen, dass dabei niemand starb. Immerhin, wir waren Ninjas. Und damit waren die anderen Möglichkeiten, durch die sie sterben konnten, noch nicht einmal erwähnt worden. Sie waren Ninjas Konohas, und Konoha hatte genügend Feinde. Dazu kamen jene Leute, mit denen ich es mir persönlich verscherzt hatte. Unter anderem einen knappen Viertel von Kumogakure, weil mein Team ihre Teams aus dem Chunin-Examen geworfen hatte. Und da war immer noch ein gewisser Jardin Nabara, dem ich das Finale versaut hatte. Selbst wenn er mittlerweile zum Chunin oder gar zum Jounin aufgestiegen war, er würde mich hassen wie die Pest. Und damit auch meine Genin. Und, um die Sache noch zu verkomplizieren, hatte Kira auch noch Verwandte in Kumogakure. Hier spielten also auch noch Familienbande eine Rolle, die ich berücksichtigen und schonen musste. Es hatte seine Gründe, warum ich meinen zweiten Besuch in Kumogakure bisher nicht angetreten war. Gut, abgesehen von Faulheit, Überbeschäftigung, schlechtem Timing und unzureichender Motivation. War nur einige der Gründe waren. Ha.

Aber diesmal musste ich gehen, auf Wunsch des Raikage, was so gut wie ein Befehl war, und anstatt mich auf Omoi, Sarui und Kamui zu freuen, machte ich mich mit den kommenden Problemen verrückt. Hm, vielleicht hatte ich deshalb bis heute überlebt.
 

"Das war ein anständiges Dai Endan, Mamo-chan", klang eine Stimme direkt hinter mir auf. Ich zuckte zusammen, als ich erschrak, und bevor ich mich versah, hatte ich ein Kunai in der Hand. Doch bevor ich damit herumwirbeln und angreifen konnte, hatte die Information mein Gehirn erreicht, dass es Ranmas Stimme gewesen war. Mit einem Laut, gemischt aus Empörung, Erleichterung und Resignation, ließ ich die Waffe sinken, bevor ich sie richtig erhoben hatte. "Da freut man sich gerade noch, dass man seine sensorischen Fähigkeiten verbessern konnte, und dann führst du sie ad absurdum, Ranma", tadelte ich.

Der große Affenkrieger griente mich an. "Tut mir leid. Ich konnte nicht widerstehen, herauszufinden, wie gut deine verbesserten sensorischen Fähigkeiten wirklich sind. Ich finde es gut, dass du mich nicht bemerkt hast."

"Oh, danke. Und das meine ich ernst. Immerhin hast du ein Defizit aufgedeckt."

"Nicht nur das. Ich habe auch festgestellt, dass es da noch Dinge gibt, die ich dir beibringen kann. Also werde ich noch einige Zeit dein Sensei bleiben können. Und das ist ein sehr beruhigender Gedanke." Burschikos legte er den rechten Arm um meine Schulter. "Ich und mein Schüler. Schätze, in das Tagebuch kommen noch ein paar Kapitel."

Dies sagte er so überzeugend, so jovial, dass ich ihm vorbehaltlos glaubte. Ranma war schon immer ein sehr guter Krieger gewesen, und ein noch viel schlechterer Lügner. Er trug sein Herz stets auf der Zunge. Nun ja, fast stets, denn was Akane anging, war er ein, nun, wirklicher Idiot. Ein noch viel größerer Idiot als ich noch vor fünf Jahren, denn er wusste, dass er in Akane verliebt war, und das diese Liebe zumindest nicht auf Ablehnung stieß. Aber in den letzten fünf Jahren hatte er, sie betreffend, noch keine Fortschritte gemacht. Aber alles in allem liebte und verehrte ich meinen Affen-sensei, und mir graute vor dem Tag, an dem wir gleichwertige Krieger sein würden, weil ich ihn eingeholt hatte.

"Aber wirklich, Mamo-chan, dein Dai Endan war ganz hervorragend. Das war schon keine Flammenzunge mehr, das war schon mehr ein Feuerball, ein Goukakyu. Allerdings pflegen die nicht sechzig Meter lang zu sein." Seine Rechte zottete durch meine schwarzen Haare. "Mensch, wie stark willst du denn eigentlich noch werden?"

"Ich weiß nicht. Bis sich keiner mehr traut, sich mit Konoha anzulegen, weil es mich gibt?", scherzte ich.

Für einen Moment sah mich Ranma fassungslos an. Dann aber grinste er. "Es ist nicht verkehrt, sich hohe Ziele zu setzen. Und ich weiß ganz genau, dass du dir in den großen und kleinen Ninja-Dörfern bereits einen Ruf erworben hast, spätestens seit du Dutzende Ninjas im Land der Steine aus Orochimarus Labor gerettet und nach Hause geschickt hast. Das wird auch deinem Ruf in Iwagakure gut tun, den du damals versaut hast, als du dich im Land der Reißzähne mit einigen ihrer Agenten angelegt hast. Wie viele Stunden hast du unter Wasser verbracht, um ihnen zu entkommen?"

Ich antwortete etwas kleinlaut: "Etwa zwanzig. Und es war sehr kalt."

"Aber es war gut für deinen Ruf. Für die Iwa-Nin bist du vollkommen spurlos verschwunden. So baut man sich eine Legende auf, Mamo-chan. Und ein guter Ruf ist manchmal besser, als unbesiegbar zu sein. Sprichwörtlich gesehen, meine ich."

"Hm. Wo du gerade die Verfolgungsjagd auf Kabuto und das Labor im Land der Steine erwähnst, Ranma... Yugao-chan hat mir so einen Floh ins Ohr gesetzt, und jetzt wo ich wieder an letzten Monat denken muss... Merkwürdig, es kommt mir vor, als wäre es schon Jahre her..."

"Was für einen Floh?"

"Sie sagte, es wäre nicht nur für mich an der Zeit, die schwierigeren Katon-Jutsu zu meistern, die Konoha mir beibringen kann, sondern auch ein eigenes Jutsu zu kreieren. Meine eigene Trumpfkarte, sozusagen. Meine Spitzenkunst, oder zumindest eine von vielen weiteren, die ich einmal an jüngere Katon-Nutzer weitergeben kann. Oder an Kakashi, wenn er mich mit seinem Sharingan beobachtet."

"Oder das", bestätigte Ranma grinsend. "Und, was beschäftigt dich jetzt?"

Ich betastete mit der rechten Hand mein Gesicht. "Weißt du, als ich mit Kabuto und diesem Wasserbengel alleine in einem Raum war, als mein Verwandlungs-Jutsu aufflog, da habe ich ein Dai Endan ausgespuckt. Ich bin aus dem Raum geflohen, meine Hat war verbrannt, und ich hatte schon damit gerechnet, besser zu den ANBU zu wechseln, wegen den Gesichtsmasken, weil ich nun bald ein Gesicht haben würde, das nur eine Mutter lieben konnte. Ich hatte Verbrennungen zweiten und dritten Grades. Am Gesicht, an den Händen, auf meinem Körper. Mein eigenes Feuer tut mir nichts, aber das sekundäre Feuer von jenen Dingen, die ich in Brand gesetzt hatte, die Flammen, die nicht mit meinem Chakra durchsetzt waren, haben mir ordentlich zugesetzt. Gut, es waren keine Verbrennungen vierten Grades dabei, und ich hatte auch nur wenige Schmerzen. Zudem verbrennen Katon-Nutzer nicht so leicht wie andere Menschen. Aber es ist doch ein Wunder, dass deine Schwester mein Gesicht restaurieren konnte."

Ranma nahm den Arm von meiner Schulter, stellte sich vor mir. Er griff nach meinem Kinn, bewegte es hin und her und studierte ausgiebig mein Gesicht. "Sie hat sehr gute Arbeit geleistet. Aber was Feuer angeht, hast du sehr gutes Heilfleisch. Dein Körper ist Feuer gewöhnt, deshalb heilst du schneller, und verbrennst nicht. Du leitest die Hitze der Flammen automatisch in den ganzen Körper ab, was dazu führt, dass sich die Gesamttemperatur erhöht, aber die Verbrennungen nicht so schwer werden. Erst wenn deine Körpertemperatur über einundvierzig Grad steigt, verbrennst du wirklich. Und das auch nur durch fremdes Feuer." Er ließ mein Kinn fahren. Sein Blick drückte seine tiefe Zufriedenheit aus. Ich fühlte mich ihm näher als je zuvor, auch wenn er mich gerade erst behandelt hatte, als wäre ich noch zwölf Jahre alt. Aber er sorgte sich um mich, sorgte für mich. Er war wie der große Bruder, den ich nie gehabt hatte.

"Wo also ziehst du den Zusammenhang zum Wahnsinn, in einem geschlossenen Raum unter der Erde ein Dai Endan zu zünden, der Heilkraft meiner Schwester und der Aufforderung deiner Lehrerin Yugao-chan, eigene Katon-Jutsu zu entwickeln?"

Ich druckste leise. "Mir schwebt da tatsächlich ein Jutsu vor. So etwas ähnliches wie die perfekte Verteidigung der Hyuugas, nur ohne toten Winkel, und vielleicht noch effektiver."

"Was immer es ist, es wird ein ganz schöner Chakra-Fresser sein. Willst du so etwas wirklich trainieren, eine Woche vor der Affenparty?"

"Ist ein gutes Argument, aber wenn alle Stricke reißen, nehme ich eine Soldatenpille der Affen. Dann habe ich garantiert genug Chakra."

"Und fällst anschließend ein bis zwei Wochen aus", tadelte Ranma. "Ist dir dieses Jutsu so wichtig?"

"Ja, ist es. Und ich..." Halb wandte ich mich nach hinten. "Und ich würde es gerne geheim halten, Suirin-kun. Deshalb wirst du nicht dabei sein."

Die junge Ninja entstand vor mir aus dem Step, kniend, die rechte Faust auf den Boden gepresst. "Verzeihung, Mamoru-sama, ich wollte dich nicht belauschen. Zumindest nicht absichtlich. Ich bin auch gerade erst gekommen..."

Ich gab einen leisen, knurrenden Laut von mir.

"Gut, gut, ich bin schon ein paar Minuten hier. Ich habe Ranma-sama gesehen und wollte mit ihm sprechen, um unsere weitere Wachaufgaben abzusprechen. Es war wirklich ein Zufall, dass ich das Gespräch mit angehört habe." Sie lächelte. Nun, zumindest versuchte sie es. "Und ich würde zu gerne dieses Jutsu sehen, dass du entwickelt hast, Mamoru-sama."

"Entwickeln werde. Bisher ist da nur die Idee", sagte ich abwehrend. "Und ich kann dich wirklich nicht zusehen lassen. Außer, ich verwende es im Kampf gegen dich."

Übergangslos stand der blonden Shinobi Schweiß auf der Stirn. "D-das war doch hoffentlich ein Scherz, Mamoru-sama. Ich kann mir Besseres vorstellen, als in dein Dai Endan zu geraten. Oder in Schlimmeres."

"Wir wissen nie, was die Zukunft bringt. Und sollte ich jemals gezwungen sein, gegen Kiri zu kämpfen, hätte ich gerne die eine oder andere Überraschung", erwiderte ich.

"N-natürlich, Mamoru-sama, das verstehe ich. Letztendlich sind wir alle Shinobi. Aber... Wenn ich es nicht sehen darf, verrätst du mir wenigstens den Namen deiner neuen Kunst?"

Oh, ich muss zugeben, ich hatte genau eine ziemlich schlimme Schwäche. Eine sehr, sehr schlimme Schwäche, und die hatte nichts mit Frauen im engeren Sinne zu tun, auch wenn man das vermuten konnte. Aber ich hatte mich bis zum Chunin-Examen immer zurückgehalten, so gut wie ich konnte, um nicht aufzufallen und womöglich bemerkt zu werden, was meinen sofortigen Abzug durch den Rat des Clans Nara bedeutet hätte, zumindest nach meinen damaligen Befürchtungen. Erst nach meiner Ernennung zum Chunin waren mein Ego und mein Selbstvertrauen nach und nach aufgeblüht, und seither arbeitete ich ein riesiges Defizit an nicht erhaltener Aufmerksamkeit und Bewunderung ab. Und Suirins Blick war so voller Bewunderung und Erwartung, dass sich der innere Mamoru die Rechte vor die Stirn schlug und leise lamentierte, dass ich auf diese Augen hereinfallen würde. Definitiv. Und er hatte Recht.

Ich räusperte mich. Mit dem Namen gab ich auch teilweise Informationen über die Technik preis. Aber noch war es ja nur ein Arbeitsname. "Higatsuku no kara."

"Der Feuer fangende Körper?", übersetzte sie mit glitzernden Augen. "Jetzt bereue ich es umso mehr, dass ich die Technik nicht sehen werde. Und ich hoffe, dass ich sie nie sehen werde, sollten wir einmal Feinde sein."

Abwehrend hob ich beide Hände. "Suirin-kun, diese Technik soll sowas wie mein letzter Ausweg werden. Vielleicht, wenn ich an ihr feile und sie gut trainiere, wird sie eines Tages wie mein Dai Endan sein. Aber bis dahin werde ich sie als das trainieren, als das ich sie erdacht habe." Ich räusperte mich. "Ich werde mich mit meinen Genin und den Affen am Nachmittag in die Wiesen der Flussmündung begeben. Kishio wird das Umland überwachen. Dennoch verlasse ich mich auf dein Wort, das kein Kiri-Nin versucht, mein Training zu beobachten."

"Das hast du selbstverständlich, Mamoru-sama", sagte sie mit einem Lächeln.

"Und auch keine beschworenen Tiere, Übertragungsmedien, Fernrohre, und was dir sonst noch so einfallen wird, Suirin-kun", mahnte ich.

"Ahahaha, Mamoru-sama, wie kommst du nur darauf, ich könnte an so etwas gedacht haben? Hahaha."

"Nun, weil ich daran gedacht hätte, und weil ich es tun würde", sagte ich trocken. "Immerhin sind wir Ninja und zuerst unserem Dorf und unserer Nation verpflichtet, Suirin-kun. Deshalb kann ich dich auch nicht tadeln. Ich kann dich nur bitten."

Ein Ruck ging durch ihren Leib. "Das musst du nicht, Mamoru-sama. Auch wenn es mir schwerfällt, ich gebe dir mein Wort und werde es halten."

Ich legte ihr eine Hand auf die Schulter. "Danke, Suirin-kun. Ich weiß das zu schätzen. Und davon einmal abgesehen dürftest du ja schon genug Daten über mich gesammelt haben, oder?"

"Noch lange nicht genug, um den aktuellen Stand des ewigen Chunins einschätzen zu können", murmelte sie.

"Hast du was gesagt?"

"N-nein, Mamoru-sama. Heute Nachmittag also? Ich informiere meine Leute."

Ich hielt sie am Kragen fest, als sie in den Step gehen wollte.

"Mamo...ru-sama?", fragte sie irritiert.

"Wolltest du nicht den Wachturnus mit Ranma besprechen?"

Die blonde Kunoishi schlug sich die rechte vor die Stirn. "Ach ja. Danke, Mamoru-sama."

"Viel Spaß. Ich gehe derweil vor."

"Und wohin gehst du?", fragte Ranma.

"Es ist Mittag. Natürlich gehe ich essen." Ich nickte den beiden zu, dann verschwand ich für sie per Step. Ich hielt mich in Richtung Dorf. Der Tag war bereits ereignisreich gewesen, und er war noch lange nicht zu Ende.

***

"Du hast mich rufen lassen, Raiden-sama?", klang die Stimme eines hochgeschossenen, hageren Mannes auf, als er die helle Terasse des Wohnhauses betrat. Die Plattform lag in achtzig Metern Höhe und ermöglichte dem alten Mann, der hier in seiner Liege lag und den Wind auf seinem Gesicht spürte, einen hervorragenden Ausblick auf den Hauptsitz des Raikages im Nordwesten.

Eine Zeitlang geschah nichts auf die Worte des Hageren, und er befürchtete schon, Raiden-sama hatte ihn nicht gehört oder war eingeschlafen, als der alte Mann eine Hand hob. "Moment, Nabara-kun. Nur noch diesen letzten Absatz." Wieder verging eine gute Minute, und endlich legte der alte Mann ein Buch beiseite, nicht ohne ein Lesezeichen hinein zu legen. Er wandte sich dem Neuankömmling zu und winkte ihn näher. "Jardin Nabara. Tritt näher."

Der hagere Mann tat, wie ihm befohlen worden war. Vor der Liege ging er auf ein Knie und senkte respektvoll das Haupt. "Raiden-sama. Ich bin hier auf deinen Befehl."

Der alte Mann nickte huldvoll beim Respekt, den der Chunin ihm zeigte. "Wie weit sind deine Vorbereitungen gediegen, um die große Schmach von deinem ersten Chunin-Examen zu tilgen, junger Nabara?"

Die Miene des Mannes verzerrte sich vor Hass. Aber er zwang dieses Gefühl nieder, bis sein Gesicht nicht länger seine Seelenzustand wiederspiegelte. "Gut, Raiden-sama. Ich habe aus unseren Kreisen zwanzig gut ausgebildete Shinobi rekrutiert. Sie werden mir helfen, meine Rache an Mamoru Morikubo zu bekommen." Ein verächtliches Grinsen legte sich auf seine Züge. "Es war ein großer Fehler von Morikubo, nach Kumogakure zu kommen und sein Kommen auch noch anzukündigen. Ich hatte mehr als genügend Zeit, um meine Leute zu trainieren. Wir werden ihn ausradieren. Das heißt, ich werde ihn ausradieren, und meine Leute sorgen dafür, dass ich dabei nicht gestört werde. Was mit seinen Genin geschehen wird, nun, nicht, das es mich interessiert."

"Gut. Du bist entschlossen und willig." Raiden-sama griff auf den Beistelltisch neben seiner Liege und reichte einen Packen Fotos an Jardin Nabara weiter. "Die Bilder von Morikubo und seinen Genin stammen direkt aus den Büro des Raikage. Ein Vertrauter hat sie dort für mich kopiert. Studiere sie gut, vor allem das von Morikubo. Die anderen Fotos zeigen seine Affenkrieger. Er reist mit vier von ihnen. Ich habe einen ANBU darauf angesetzt, der mir noch einen sehr großen Gefallen schuldet, aber selbst er musste die Fotos der Affen auf große Entfernung schießen und hat sich dabei erheblich in Lebensgefahr gebracht. Zudem wurde mir berichtet, das Morikubo drei weitere Begleiter hat, von denen weder Fotos existieren, noch kennt man ihre Fähigkeiten. Es ist fast so, als wären sie aus dem Nichts entstanden."

Nabara zerbiss einen Fluch zwischen den Zähnen. Immer, wenn er dachte... Immer, wenn er meinte, endlich würde er für die Demütigung in der Kumo-Arena Rache nehmen können, konfrontierte ihn Morikubo mit einer neuen Situation und vereitelte seine Pläne. Aber nicht diesmal, garantiert nicht diesmal. Nabara hatte einkalkuliert, das der Konoha-Nin nicht nur mit seinen Genin kommen würde und dementsprechend eine große Angriffstruppe aufgestellt. Zwei von ihnen waren zudem Fuuton-Nutzer. Ihr Wasser würde das Feuer Morikubos auskontern. Das hatte dann zwar nicht mehr viel von einem Zweikampf, aber das war dem Kumo-Nin egal. Er wollte endlich Rache, mit dieser Geschichte abschließen, sich selbst beweisen, dass er besser als der Konoha-Nin war. Ihn töten und die Geschichte beenden, endlich beenden.

"Willst du, das ich deine Gruppe vergrößere?", fragte Raiden-sama.

Dies ließ ein hämisches Grinsen über das Gesicht den Kumo-Chunin gleiten. "Nein, Raiden-sama. Ich habe mit so einer Reaktion gerechnet. Diesmal wird ihn nichts und niemand davor bewahren, von mir zerquetscht zu werden."

"Gut. Du hast einen Tag Zeit, um deine Gruppe an die Landesgrenze zu führen. Es ist mir gelungen, den Übergangspunkt, den Morikubo gewählt hat, aus den offiziellen Informationen herauszuhalten. Das Empfangskomitee wird über einhundert Kilometer entfernt sein und umsonst warten. Die Kiri-Nin, die Morikubo und seine Leute eskortieren, werden auf ausdrücklichen Wunsch des Raikages an der Landesgrenze zurückbleiben. Und genau das wird dir Möglichkeiten bieten."

Jardin Nabara strahlte beinahe, als er sich die vielen Möglichkeiten ausmalte, die sich ihm boten, um Morikubo endlich zu vernichten. "Danke, Raiden-sama. Ich weiß die Gelegenheit wirklich zu schätzen!"

Die Rechte des Alten legte sich auf seinen linken Oberarm und drückte mit unheimlicher Kraft zu. "Jardin Nabara. Solltest du versagen, hast du alleine gehandelt. Falls du dein Versagen überleben solltest, werde ich jedes Wissen leugnen, was dich betrifft. Du hast allein gehandelt. Und du stirbst allein. Keine Spur wird zu mir führen."

"Das versteht sich von selbst, Raiden-sama", sagte er gepresst, weil der Griff des Alten immer schmerzhafter wurde.

Übergangslos ließ Raiden-sama seinen Unterarm wieder los. "Da das jetzt geklärt ist, wünsche ich dir viel Glück. Du brichst sofort auf."

Nabara erhob sich und verbeugte sich steif in der Hüfte. "Zu Befehl, Raiden-sama." Er wandte sich um und ging wieder ins Haus, um es wie ein gesitteter Mensch verlassen zu können. Eben wie jemand, der seinen Großonkel mütterlicherseits besucht hatte, nicht wie ein Ninja, der Teil einer Verschwörung war, dessen Ziel es war, erneut einen Krieg mit Konoha auszulösen. Der Mord an einem Konoha-Chunin würde die ach so guten Beziehungen erschüttern. Und auch wenn es keinen Krieg geben würde, so bekam Nabara doch eines: Endlich seine langersehnte Rache. Und darauf freute er sich so sehr, dass er beinahe in den Step gegangen wäre.

***

Obwohl ich am Morgen wegen zu fettigem Essen gekotzt... Obwohl ich mich hatte übergeben müssen, freute ich mich auf Tsubasas Essen sehr, denn sie verstand es, aus nur wenigen Zutaten etwas zu zaubern. Ein klein wenig erinnerte mich ihr Kochstil an meine Mutter, und das war ein riesiges Lob. Wie sagte Mutter immer? "Versuche nicht, so zu kochen, dass es anderen schmeckt. Koche so, dass es dir schmeckt, und der Rest wird sich finden." Nun, mit dieser Philosophie betrieb sie ein eigenes, stets ausgebuchtes Restaurant.

Als ich mich nach einem fröhlichen Mahlzeit an den Tisch gesetzt hatte, stutzte ich nur kurz über die Stille am Tisch. Das passte so ganz und gar nicht zu dieser sonst so fröhlichen Familie. Dass aber auch meine Genin schwiegen, dass sie regelrecht angespannt und aufmerksam waren, gab mir zu denken. Was stimmte hier nicht?

Dankbar nahm ich eine Schüssel Reisnudeln entgegen. Tsubasa wusste eben, was ich mochte. Während ich die erste Portion in die Soßenschale tunkte, sagte ich wie nebenbei: "Mai, Kira, Shinji, ich werde heute ein neues Katon-Jutsu erfinden. Ihr werdet mir dabei helfen."

"Wirklich?", entfuhr es Shinji. Seine Augen begannen zu strahlen, und beinahe wäre er aufgesprungen. Aber die Aufregung verschwand so schnell, wie sie gekommen war. Er hüstelte sich verlegen. "Du kannst auf uns zählen, Sensei. Das wird bestimmt spannend."

"Ja, bestimmt", murmelte Mai. Hm, nahm sie mir die Sache von heute morgen etwa übel? Zugegeben, seit Kishio bei uns war, hatte ich weniger Zeit für die anderen. Was war zum Beispiel mit dem Wind-Jutsu, das ich Mai und Shinji hatte beibringen wollen? Gut, ich hatte es ihnen beigebracht, und ich nahm jeden Morgen die Fortschritte ihrer Übungen ab, aber ich hätte ihnen schon zwei oder drei mehr beibringen können. Fand ich zumindest. Ich bekam ein schlechtes Gewissen, als ich Mai ansah.

Und Kira... Zwar hatte ich ihm meine Kata beigebracht, und auch Kishio übte mit ihm einige klassische Kata der Moerus, die ich nebenbei gesagt sehr interessant fand. Aber ich hatte keine Blitz-Affinität, daher war ich für seine Raiton-Natur mehr ein Stolperstein als eine wirklich Hilfe, geschweige denn ein Sensei. Deprimiert stellte ich fest, dass es mit meinem Ego immer noch nicht so weit her war. Ein klein wenig Schuldbewusstsein, und ich fiel in alte Muster.

Kira sah mich gespannt über seine Reisschüssel an, so als erwarte er etwas von mir. Hm, das passte zumindest nicht ins Bild. Ein Verdacht keimte in mir auf. Ich erinnerte mich an vorletzte Woche, als ich Lee den Vortritt in den Klassenraum gelassen hatte, in dem meine Genin auf mich gewartet hatten. Da war die Sache mit dem Schwamm gewesen, der statt auf meinem auf Lees Kopf gefallen war. Ob sie hier wieder einen Streich vorbereitet hatten? Möglich war es. Man konnte es ihnen auch nicht übelnehmen. Immerhin kam ich meinen Pflichten als Sensei nicht so sehr nach wie meinen eigenen Interessen. Schließlich hatte ich heute morgen mein Jutsu trainiert, anstatt mit ihnen zu arbeiten. Wenn das so war, dann hatte ich alles Recht der Welt, mich dagegen zu "wehren". Und dazu musste ich nur herausfinden, was geplant war. Und wer daran beteiligt war. Mein Blick ging zu Suzume, die reichlich nervös wirkte und beinahe ihre Trinkschale fallen gelassen hätte, als ich sie ansah. Kleine Schwester, du etwa auch?

Dann wanderte mein Blick zu Genta, der ihn nervös erwiderte. Aha, er hing also mit drin und kam nicht mehr raus aus der Nummer. Das machte es gelinde gesagt interessant. Sehr interessant.

Dann sah ich zu Kishio, der meinen Blick angespannt erwiderte. Auch er spürte, das hier im Raum etwas nicht stimmte, wusste aber nichts darüber. Ihn konnte ich als Beteiligten wohl ausschließen. Er war genauso verwundert wie ich. Wer bot sich also als Informationsquelle an? Wer würde unter ein wenig Druck zusammenbrechen und mir verraten, was ich wissen wollte?

Mein Kopf ruckte herum. Ich fixierte Kuzomi. Durch diese Bewegung erschrak sie sich so sehr, dass sie alles, was sie in Händen hielt, in die Luft warf.

"Schreckhaft, mein kleines Spinnchen?"

Die junge Frau, über und über mit Reis und Schweinefleisch, kross gebraten, bedeckt, sah mich belämmert an. "Äh, was?"

"Na, deine Reaktion war etwas untypisch für einen normalen Esser. Hast du ein schlechtes Gewissen?", bohrte ich nach.

Ihre Rechte ging zum Mund. Eine klassische Lügner-Geste. "N-nein, warum sollte ich denn ein schlechtes Gewissen haben, Sensei. Ahahahaha. Ausgerechnet ich."

Gut, das nahm ich ihr ab. Ihre Augen waren klar. Sie war nicht involviert. Aber sie wusste mit Sicherheit, was hier gerade geschah. "Also macht dir etwas zu schaffen? Ein Geheimnis vielleicht?", fragte ich mit einem übertrieben freundlichen Lächeln. "Darf ich es erfahren?"

Sie wich ein Stück zurück. "I-ich... Entschuldige mich, Sensei, ich sollte mich waschen." Sie erhob sich, nickte in Kiras Richtung und eilte in Richtung Bad.

Mist. Nur etwas mehr Druck, und ich hätte sie gehabt, wo ich sie hatte haben wollen.

"Du brauchst sie nicht zu ärgern, Sensei. Wenn du wissen willst, was hier los ist, kann ich es dir auch sagen", sagte Kira.

"Kira-kun!", rief Suzume entsetzt. "Wir hatten doch vereinbart, dass..."

Erstaunt riss ich die Augen auf. Erst hatte ich dem Jungen über Umwege beibringen müssen, was eine Frau genau war, und jetzt hatte er gleich zwei Freundinnen? Sein Spinnenmädchen und Suzume? Okay, das war so unglaubwürdig, das es beinahe schon wieder möglich war.

"Irgendwann muss es ja doch raus, wenn es noch passieren soll, solange Mamo-chan hier ist", murmelte er in ihre Richtung. "Also werde es lieber gleich los, Suzume-chan."

Die Spannung am Tisch erreichte nie geahnte Höhen. Suzume? Doch Suzume? Ich fühlte mich wie im Fokus eines Raiton-Jutsu. "Ja, kleine Schwester?", fragte ich höflich, doch äußerst angespannt.

Verlegen sah sie mich an, dann druckste sie und sah wieder weg.

Ich sah zu den Affenkriegern herüber, die so taten, als könnte sie kein Wässerchen trüben. Alle bis auf eine. "Akane."

Das Mädchen fuhr kräftig zusammen. "I-ich weiß nichts! Ich weiß gar nichts! Und bevor du dein Katon einsetzt, Mamo-chan, du wirst doch sicher nicht Genta-sans Haus einreißen wollen. Oder den süßen kleinen Shinnosuke gefährden wollen."

Ärgerlich schlug ich auf den Tisch. Ein Wunder, dass Tsubasa mir das durchgehen ließ, ohne mich stantepede vor die Tür zu setzen. "Verdammt noch mal, ich will jetzt wissen, was los ist! Einer wird mir jetzt antworten! P-chan!"

Die blonde Affenkriegerin seufzte laut und innig. "Suzume, nun frag ihn doch endlich. Lange bleiben wir nicht mehr hier. Und du weißt wie lange es dauert, bis er sich bequemt, mal wieder vorbei zu schauen."

"J-ja, ich weiß ja. Aber es ist nicht so leicht."

Okay, P-chan war relativ neutral. Dann war es mit Sicherheit kein Antrag meiner kleinen Wahlschwester. Moment mal, Antrag? Wollte sie mir etwa gerade erklären, dass... Meine Kinnlade sackte heran.

"Um Himmels Willen, ich glaube, er hat es herausgefunden. Wir sollten besser in Deckung gehen", murmelte Ryoga und rückte vom Tisch ab. "Sicher ist sicher."

Doch es lag mir fern, das Esszimmer in eine Flammenhölle zu verwandeln. Noch nicht, zumindest. "Suzume, du willst mir doch nicht etwa erzählen, dass du einen Freund hast? Ich meine, du bist doch noch so..."

"Nein! Nein, nein, wirklich nicht, Onii-chan! Ich habe keinen Freund!"

Ich wusste nicht, wieso, aber ich atmelte erleichtert aus. Mir war klar, das das kein Zustand für die Ewigkeit war; Suzume musste irgendwann einmal einen Freund haben, später einen guten Mann heiraten und eine eigene Familie gründen und glücklich werden. Das konnte ich ihr nicht bieten. Nicht nur, weil ich meine eigene fünfköpfige Gruppe von heiratswütigen Frauen hatte, sondern auch, weil ich ihr gegenüber einfach nicht so empfand. Sie würde nie mehr für mich sein als die kleine Schwester, die ich dennoch innig liebte. Damit stand sie auf einer Stufe mit Anne-chan.

"Na, dann ist ja gut. Ich meine, nichts ist gut. Das Leben besteht nun mal aus Veränderungen, und auch du wirst eines Tages mal..."

"Ich ziehe in die Burg!", sagte sie hastig, mir das Wort abschneidend.

"Was?", machte ich erstaunt. Dann räusperte ich mich. "Tsubasa?"

"Ist schon alles abgesprochen. Sie bekommt dort eine Ausbildung als Köchin und eine Erziehung als Beamte. Tsukasa nimmt sich ihrer an. Du kennst Tsukasa noch? Die junge Frau, die du gerettet hast, Mamo-chan?"

Ja, ich erinnerte mich gut an die Frau, die gegen ihren Willen mit dem alten Daimyo hatte schlafen und ihm zu Diensten sein müssen. Es freute mich zu hören, dass sie immer noch in der Burg lebte und augenscheinlich diplomatische Arbeit verrichtete. "Warum Köchin und Beamte?", fragte ich verwundert.

"Darauf hat Koji-sama bestanden", erzählte Suzume hastig. "Ich koche mittlerweile so gut wie meine große Schwester, und er hat vor mir gekniet und mich inständig gebeten, auch für ihn zu kochen. Was blieb mir da anderes übrig als ja zu sagen?" Sie seufzte. "Männer. Ich wollte ja nur Beamte werden."

"Na, da gratuliere ich dir aber. Das ist ein großer Schritt für dich, raus aus Genta-No-Son."

"Ach, das ist nicht so wild. Ich bin ja eh öfters da", sagte sie, mit der Rechten abwinkend. "Es war die logische Entwicklung. Ich musste nur etwas finden, was mir gefällt. Und eine Karriere als Verwaltungsbeamtin ist genau das Gleiche, was du gemacht hast, als du die Burg erobert hast, Onii-chan." Ihre Augen leuchteten bei diesen Worten. Sie bewunderte mich, sie bewunderte mich wirklich.

Innerlich zerschmolz ich wie Butter in der Sonne. "Na, wenn das wirklich dein Wunsch ist, dann freue ich mich, dass du dein Lebensziel gefunden hast."

"Du hast nichts dagegen?", vergewisserte sie sich.

"Warum sollte ich was dagegen haben? Ich bestimme doch nicht über dein Leben. Und wenn es von Tsubasa-chan aus in Ordnung geht, habe ich da kein Problem mit. Im Gegenteil, das macht mich sogar stolz auf dich."

"Wirklich?", fragte sie vorsichtig.

"Wirklich, Suzume-chan. Wie könnte ich dir etwas verleiden, was gut für dich ist?", fragte ich im Brustton brüderlichen Wohlwollens.

"Dann hast du auch nichts dagegen, wenn ich einen Freund hätte?"

"Aber selbstverständlich nicht. So ist doch der normale Lauf der Dinge", sagte ich, furchtbar stolz darauf, wie erwachsen ich doch war. Moment mal, Freund? "Freund?"

Suzumes Augen waren ohnehin schon in Erwartung meiner Reaktion geweitet gewesen, nun sah sie mich entsetzt an.

"Ich sagte doch, das geht schief. Zum Glück sitze ich neben der Tür", frozzelte Shinji. Sein Essverhalten deutete allerdings nicht auf Flucht hin.

Ich war ehrlich verdutzt. Befürchtete Suzume etwa, ich würde tatsächlich den ganzen Raum verbrennen, weil ich wütend darüber war, dass sie sich einen Freund wünschte? Glaubte sie das wirklich von mir? Nein, erkannte ich, als ich in ihre Augen sah. Sie hatte keine Angst vor meinem Feuer. Also musste ich am Strand was falsch gemacht haben. Nein, sie wollte meine Meinung, mein Wohlwollen, meine Genehmigung, weil sie mich fast so sehr liebte wie den Glückspilz, der ihr erster Freund werden würde. Und nun zitterte sie in Erwartung meiner Antwort.

Ich legte eine Hand vor mein Gesicht und atmete ächzend aus. Dann begann ich zu lachen. Vor allem über mich selbst. Lange und ausgiebig. Als ich wieder zur Ruhe kam, nahm ich die Hand runter und lächelte sie an. "Dieser Tsuyoshi muss ein sehr interessanter Bursche sein, wenn er dein Interesse gewinnen konnte, Suzume-chan. Und immerhin, er ist Chef der Wache, nicht?"

"Du hast es gewusst?", fragte sie überrascht.

"Nein", erwiderte ich säuerlich. "Er ist nur der einzige Junge, von dem ich mir auch nur annähernd vorstellen könnte, dass ich ihm meine kleine Schwester überlassen könnte. Klug von dir, das es kein anderer ist, Suzume-chan."

"Du wirst ihm nichts tun?", fragte Kuzoko. "Mist, dann habe ich wohl meine Wette verloren."

"Hallo? Ich bin doch kein blutrünstiger, besitzergreifender Irrer. Ich werde ihm was tun, wenn er Suzume nicht glücklich macht, dann aber richtig. Ansonsten hat der Bursche nichts vor mir zu befürchten." Ich tippte an meinen Stirnschutz aus Silber. "Ich habe sowas schon geahnt, als er dir geholfen hat, die Schutzplatte zu gießen und zu gravieren, Suzume-chan. Und ja, du hast meine Erlaubnis, wenn sie dir so wichtig ist. Ich..."

"Danke, Onii-chan!" Sie eilte um den Tisch und fiel mir in die Arme. Mit einem leisen Lachen legte ich meine Hände um sie. Ja, Tsuyoshi war ein glücklicher Mistkerl. Und sollte er jemals nur ein Mistkerl sein, würde ich meine guten Vorsätze über Bord werfen, und doch ein blutrünstiger, besitzergreifender Irrer werden. Ich war mir sicher, dass er das wusste und das er Angst vor mir hatte. Das fing doch schon mal sehr gut an, fand ich.

"Aber zum Heiraten bist du zu jung", befahl ich streng. "Mir ist egal, was Ihr so treibt oder lasst, doch als Braut will ich dich erst sehen, wenn du alt genug bist, verstanden?"

"Was ist denn alt genug, Onii-chan?"

"So Mitte dreißig", erwiderte ich.

"Onii-chan!", tadelte sie entrüstet.

"Schon gut, schon gut", lachte ich, öffnete meine Umarmung und hielt sie ein Stück von mir fort. "In Konoha ist achtzehn das anerkannte Mindestalter für eine Hochzeit. Ich denke, hier ist das ähnlich. Und sollte es nicht so sein, werde ich Koji solange belagern, bis er es ändert."

"Oh, ich bin sicher, das wird er nicht riskieren", murmelte Genta grinsend, während er seine Reisnudeln aß. Ja, jetzt wo die Gefahr vorbei war, ließ sich auch der Dorfvorsteher vernehmen. War wieder klar.

"Noch Nudeln, Mamo-chan?", fragte Tsubasa, jetzt ehrlich erleichtert und von einem Ohr zum anderen strahlend.

"Gerne doch, Tsubasa-chan."

Den Rest der Mahlzeit wich Suzume nicht mehr von meiner Seite. Sie konnte nicht anders, als mich glücklich anzulächeln. Ich hoffte, das machte mich zu einem guten großen Bruder. Zumindest zu einem besseren als dem Mistkerl, der über ein Jahr gebraucht hatte, um sie endlich mal zu besuchen.

"Da bin ich wieder", sagte Kuzomi, als sie aus dem Bad zurückkam und sich wieder an den Tisch setzte. "Habe ich was verpasst?"

Die Antwort war ein lautes Gelächter der Anwesenden...

***

Wir würden noch zwei weitere Tage bleiben, in denen ich mehr Zeit mit Genta und seiner Familie verbringen und meine Genin trainieren konnte. Erst Überübermorgen würden wir unsere Reise nach Kumogakure fortsetzen. Der Plan sah vor, dass uns eine Einheit aus Kumo in Empfang nehmen und die Kiri-Nin ablösen würde. Zu Recht hoffte ich darauf, dass Omoi die Zeit hatte, dieser Truppe anzugehören. Ich hatte ihn über drei Jahre nicht gesehen, und ich war sehr gespannt darauf, wie er sich entwickelt hatte. Und ich war neugierig darauf, ob sich bei ihm irgendwas entwickelt hatte. Bei ihm und Samui und Karui.

Vor allem aber würde ich die Zeit nutzen, um die Grundlagen für mein Katon Higatsuku no kara zu erarbeiten. Nach einem angemessenen Zeitaufwand für meine Genin, versteht sich. Aber es führte kein Weg dran vorbei. Wenn ich mich als Lehrer von drei Genin beweisen wollte, musste ich meine Fähigkeiten an jene der Jounin heranführen. Deshalb das zweite Element, deshalb mein Training für ein eigenes Jutsu. Es würde hart werden und vielleicht nicht funktionieren. Aber es war alle Mühen wert.
 

Wir kamen auf der Wiese links der Flussmündung aus dem Step. Kishio nickte mir zu und ging sofort auf Distanz, um in einiger Entfernung, ungestört von unseren Unterhaltungen, die Umgebung nach Spionen oder allzu neugierigen Kiri-Nin abzusuchen.

Meine Genin, die Spinnenmädchen und die Affenkrieger standen vor mir, während ich auf und ab ging, an meiner Erklärung feilend. "Wie Ihr ja wisst", begann ich nervös, "bin ich ein Katon-Nutzer. Mein Element ist das Feuer, und mein Feuer gilt als eines der heißesten in Konoha. Darauf bin ich stolz, sehr stolz."

"Nicht ganz zu Unrecht", kommentierte Kira grinsend. "Wir haben den Rumms gesehen und den Krach gehört." Zustimmendes Gelächter erklang.

Ich lächelte verlegen. "Danke. Ich habe halt Feuer in mir."

"Bitte keine allzu lahmen Witze, Sensei", mahnte Mai.

"Gut, gut. Ich komme gleich zum Kern. Wie Ihr wisst, tut mir mein eigenes, mit meinem Chakra getränktes Feuer nichts. Aber es schadet anderen. Daraus ableitend wollte ich mein eigenes Jutsu kreieren. Etwas, was jeder Katon-Nutzer tun könnte, aber das nur bei jemandem, der so stark ist wie ich, wirklich effektiv sein wird."

"Das Higatsuku no Kara", sagte Shinji mit Aufregung in der Stimme. "Der entflammte Körper."

"Richtig, Shinji. Ich habe vor, Teile meines Körpers mit Flammen zu bedecken."

"Das bedeutet einen Vorteil im Taijutsu, richtig?", fragte Kuzoko.

"Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht. Ich wollte verschiedene Formen ausprobieren. Und Ihr sollt mir dabei helfen. Ich möchte wissen, wie heiß mein Feuer ist, und wie ich es für mich verwenden kann. Zu diesem Zweck habe ich dies hier mitgebracht." Ich zog eine Schriftrolle aus meiner Weste hervor, entrollte sie und löste das Jutsu. Ein Haufen Kunai, Senbon und Shuriken fiel zu Boden. Altes Material, das nicht mehr verwendet und daher eingeschmolzen werden sollte. Um es zu bekommen, hatte ich nur Tenten fragen müssen. Sie hatte die besten Quellen, auch für Waffen, die nicht mehr aufzuarbeiten waren.

"D-das will ich auch können!", rief Mia plötzlich. "Sensei, wie macht man das? Und wie setzt man das im Kampf ein?"

"Jetzt bin ich erstmal dran. Konzentriere dich auf unser Vorhaben, Mai. Wir werden hinterher darüber sprechen. Und wenn dein Interesse anhält, werde ich dich in Konoha mit einer Freundin bekannt machen, die mit dem Transportjutsu kämpft."

"Wirklich?", fragte sie strahlend.

"Wirklich." Ich zog die Weste und das Hemd aus Spinnenseide aus und legte mein Stirnband ab. "Ich werde jetzt einige Versuche mit meinem Feuer anstellen. Wenn ich es sage, Mai, Kira, Shinji, werdet Ihr mich mit den alten Waffen hier attackieren, wo ich es sage. Akane, Ranma, Ihr bewacht den Flusslauf im Osten. Ryoga, du nimmst eine Position im Norden ein, konträr zu Kishio im Süden. P-chan, du bleibst hier und passt darauf auf, das meine Genin mich nicht aus Versehen umbringen.

"Sensei...", murrte Shinji vorwurfsvoll.

Ich grinste. Seltsam, das ich vor dem Experiment so gute Laune hatte. "Kuzomi, Kuzoko, patroulliert den Strand. Wäre nicht das erste Mal, dass ein Shinobi über das Wasser kommt. Alles klar soweit?"

Die Affen, meine Genin und die Spinnen nickten.

"Okay, los dann." Die Affen spritzten auseinander, und die Genin bedienten sich an den alten Waffen. Mai hatte dabei soviel Spaß, sie pfiff ein fröhliches Lied, während sie einen großen Packen Senbon und Shuriken zusammenstellte. Vielleicht war die Waffen-Technik tatsächlich der richtige Weg für sie.

Als sich meine Genin ausreichend bewaffnet hatten, nickte ich zufrieden. "Setzt keine eurer eigenen Waffen ein. Es wäre schade, wenn sie beschädigt oder gar zerstört werden würden", sagte ich mahnend.

"Sensei, muss das sein?", fragte Mai.

"Muss was sein?"

"Dass du dich ausziehst", erwiderte sie, leichte Röte auf den Wangen.

"Das wird er wohl müssen, wenn er seine Kleidung nicht verbrennen will, Mai-chan", sagte Kira grinsend. Er hob seine neue Waffe, ein abgebrochenes Katana. "Bereit wenn du bereit bist, Sensei."

"Langsam, langsam. Erst einmal muss ich erforschen, was ich kann."
 

Für eine gute Minute ließ ich mich in den Kiza sinken. Ich saß also auf den Knien, aber im Gegensatz zum Seiza waren meine Füße nicht ausgestreckt, ich saß nicht auf meinen Fersen, sondern meine Zehen waren aufgestellt. In Shinobi-Kreisen galt dies als Kampfhaltung, weil diese Sitzhaltung ein sofortiges Aufstehen ermöglichte. Sie war entsprechend anstrengend. Kurz nur, um mich zu fokussieren. Dann erhob ich mich wieder in einer fließenden Bewegung. Ich hatte mir schon Gedanken darüber gemacht, was ich tun wollte, und wie ich es am besten tat. Ich hoffte, mein erster Versuch würde die Genin nicht allzusehr erschrecken.

Ich sammelte Öl in meinem Mund, eine kleine Menge nur, spuckte es auf meinen rechten Arm aus und entzündete es. Sofort stand er lichterloh in Flammen, und meine Genin zuckten erschrocken zusammen. "Es hält in etwa so lange, wie das Öl brennt", sagte ich. Fasziniert bewegte ich den Arm auf und ab. Wenn ich nicht nur eine Seite, sondern beide mit dem Öl bedeckte, war der Arm komplett in Flammen gehüllt. Nur, was hatte ich hier? Eine Rüstung, oder eine Waffe.

"Kira."

"Schon auf dem Weg." Der Junge eilte heran, das Schwert zum Schlag gehoben. Als er mich erreichte, ließ er die Klinge niedersausen. Sie traf meinen Arm, und... Brach ab. Es war ähnlich wie bei meiner Kunst des harten KI. Ich löschte das Feuer und betrachtete das Bruchstück von Kiras Katana. Die Bruchkante glühte rot vor Hitze. Ich hob das Stück mit der Rechten auf, und meine Finger schmolzen sich in das Metall hinein. Nicht schlecht, dafür, dass ich das Feuer bereits gelöscht hatte. Was mir eine Warnung sein musste. Ich würde noch eine ganze Zeit gefährlich sein, nachdem ich das Jutsu beendet hatte. Dennoch, ich fühlte es, das war noch nicht die endgültige Form dieses Jutsu. Aber sie eignete sich ziemlich gut für die Abwehr, wie es schien.

"Noch einmal, Kira. Diesmal greife ich an. Nur der rechte Arm ist dein Ziel."

"Okay, Sensei." Er packte sein Katana fester. "Bereit."

Wieder spie ich auf meinen Arm, und er stand erneut in Flammen. Ich attackierte Kiras Schwert. Zugleich schlug er zu, aber ich bekam es am Heft zu fassen. Unter meinem Griff glühte es durch. Der obere Teil fiel herab und landete auf meinem Arm, wo er zersprang. Die Überreste, rot glühend, fielen zu Boden. P-chan war auf einmal da und zog Kira zurück. Dort, wo sein rechter Fuß eben noch gestanden hatte, bohrte sich ein weißglühendes Stück Metall in den Boden.

"Danke", sagte ich zu ihr.

"Dafür bin ich doch hier", erwiderte sie lächelnd.

"Zweite Runde." Nun ließ ich beide Arme brennen. "Kira, Shinji, attackiert meine Arme."

Dies ließen sie sich nicht zweimal sagen. Shinji sprang herbei in jeder Hand ein Kunai, und Kira ließ den Griff seines nun nutzlosen Katanas fallen und zog ebenfalls Kunais hervor. Ich bewegte mich nicht. Zu groß war die Gefahr, versehentlich einen meiner Genin zu berühren und dabei schwer zu verletzen. Als Shinji meinen Arm attackierte, hinterließ meine Hitze auf seinen Kunais deutlich sichtbare Breschen von glutflüssigem Metall, ebenso bei Kiras Waffen. Shinji versuchte es ein zweites Mal, indem er zustach, aber die Spitze seines Kunais verschwand. Als er die Waffe aus den Flammen zog, gab es keine Spitze mehr.

"Vorsicht jetzt", mahnte P-chan. "Es liegt eine Menge flüssiges Metall am Boden."

"Wir gehen ein Stück", sagte ich. Weg vom Metall. Nicht, dass sich einer meiner Schutzbefohlenen mit einem Fehltritt schwer verletzte. Meine Flamme schmolz Metall, so ein kleiner Fuß aus Fleisch, Blut und Knochen war da gar nichts gegen.

Diesmal setzte ich auch meinen Oberkörper in Brand. Die Flammen schlugen nicht besonders hoch, aber sie waren hell, fast weiß. "Mai-chan."

"Jawohl, Sensei!" Sie warf über vierzig Senbon nach mir, jeder einzelne auf einen schwachen Punkt meines Oberkörpers gerichtet. Den Kopf und speziell die Augen verschonte sie, aber sie hatte keine Probleme, die Wurfspieße so tödlich einzusetzen, wie es ihr beigebracht worden war.

Zu meiner großen Erleichterung verschwanden die Waffen zwar in meinen Flammen, taten mir aber nichts. "Uff." Ich beugte mich vor und schon die geschmolzenen Metallmassen von meinem Leib. Anschließend löschte ich mein Feuer. Fürs Erste.

"Ich werde jetzt ergründen, wie sich das Feuer auf mein Chakra und meinen Körper ausgewirkt hat", verkündete ich und setzte mich wieder in den Kiza-Sitz.

"Und wenn du das ergründet hast, was machen wir dann, Sensei?", fragte Shinji.

Ich grinste. "Dann wiederholen wir die Übung solange, bis ich das Higatsuku no Kara im Schlaf beherrsche. Seid Ihr dabei?"

"Ja, Sensei!"

Diese Reaktion freute mich. Und ich hatte das Gefühl, erneut ein Stück mit meinen Genin zusammengerückt zu sein.

Der ewige Chunin 15

Am Morgen des vierten Tages reisten wir ab. Die Bewohner von Genta-No-Son gaben sich alle Mühe, um uns nach dem Frühstück möglichst eindrucksvoll zu verabschieden; ich hatte eine Menge Hände zu schütteln und Menschen, die ich mochte, fest zu drücken. Wobei es mir eine innere Befriedigung war, dass Tsuyoshi fast in die Knie ging, als ich seine Hand drückte. Ich schätze, hätte ich in meinem Leben tatsächlich eine kleine Schwester gehabt, wäre ich für all ihre Verehrer ein furchtbarer Schmerz im Arsch geworden.

Der Abschied von Gentas Familie war natürlich der schwerste. Ich konnte nicht umhin, zuzugeben, dass mir der neue, protektive und progressive Genta tausendmal besser gefiel als der Straßenräuber. Aber er hatte eben seine Aufgabe gefunden, seine Mitte. Und es machte das Gerücht die Runde, dass er neuer Bezirksvorsteher werden sollte, was die Verwaltung der umliegenden Umschaften in seine Hände legen würde. Ich konnte mir für diese Aufgabe keinen Besseren vorstellen.

Tsukasa, mit Gentas und ihrem Sohn Shinnosuke auf dem Arm, war den Tränen nahe, als sie mich und mein Team verabschiedete. Sie ließ mich erst gehen, als ich ihr hoch und heilig versprochen hatte, drei Hauptmahlzeiten am Tag einzunehmen und mit meinem Chakra zu haushalten. Beim Versprechen, "dieses schreckliche Selbstverbrennen nicht mehr zu machen", musste ich allerdings lügen. Die Letzte in der Runde war Suzume. Sie war sehr traurig, aber auch froh, da sie ja nun meine Erlaubnis hatte. Ich hatte vorher nie gewusst, wieviel ich ihr bedeutet habe. Ich war nicht nur ihr großer Bruder, ich war auch ihr erster wirklicher Freund gewesen, und so etwas prägte. Der erste Mensch, der ihr etwas gegeben hatte, ohne sich Vorteile zu erhoffen. Ich konnte nicht anders und sie ihr eigenes Leben lassen, sie dabei zu unterstützen, denn die einzige andere denkbare Alternative war, abgesehen von einem Leben in Konoha, sie den Rest ihres Lebens unglücklich zu machen. Und das war keine akzeptable Variante. Ich umarmte sie herzlich, nicht ohne noch mal zu betonen, dass jeder, der ihr und Gentas Familie etwas Schlimmes antat, damit rechnen musste, dass ich sauer wurde. Alle, die die Explosion des Dai Endan gehört hatten, konnten sich ungefähr vorstellen, was das genau bedeutete.

Bis sich auch meine Begleiter verabschiedet hatten, führte ich noch eine letzte Konversation mit dem regionalen Daimyou, Koji-san. Dabei ging es hauptsächlich darum, sicherzustellen, dass ich tatsächlich das Reich des Wassers verlassen würde. Die Aussicht, dass ich frühestens in einer Woche wiederkehren und recht fix durchreisen würde, hellte seine Stimmung merklich auf.

Seine genauen Worte waren gewesen: "Nicht, dass ich dich nicht mag, Mamoru-tono, aber wo du gehst und stehst, ziehst du Veränderungen, Entsetzen und Verwüstungen nach dir. Ein Wunder, dass Genta-No-Son noch steht, im Gegensatz zur armen Stadt im Land der Steine, die du halb zerstört hast, nur weil du fliehen musstest. Ach, und besuch meine Burg bitte nicht. Eine Eroberung reicht."

Was hätte ich darauf antworten können?
 

Als wir aufbruchbereit waren, verabschiedeten wir uns winkend und verließen die Stadt mit Step. Als wir auf unserem Weg nach Osten den nächsten Wald erreicht hatten, stießen zuerst meine Affenkrieger zu uns, und darauf Suirin und ihre Kiri-Nin-Gruppe. Suirin übernahm die Führung und leitete uns mit einem ansprechenden Tempo an. Schnell genug, um mich zeitig aus dem Reich des Wassers zu bringen, aber nicht schnell genug, um unhöflich zu wirken. Zumindest nicht zu unhöflich. Der Gedanke brachte mich zum Lachen. Tatsächlich folgte mir Zerstörung auf dem Fuß. Wenn ich sie nicht gleich selbst verursachte. Meistens.

"Sensei! Wie ist es eigentlich in Kumogakure?", fragte Shinji laut.

"Oh, es wird dir gefallen. Die ersten Tage werden etwas schwerfallen, weil die Luft da oben etwas dünn ist. Kumogakure liegt recht hoch. Aber die Menschen sind sehr freundlich und nett. Nicht, Kira?"

Der Junge beäugte mich bei diesen Worten. "Du kennst Kumogakure, Sensei?"

"Ich habe da mein Chunin-Examen absolviert. In der Vorbereitungsphase ließ mich Uzuki-sensei, die uns als Jounin begleitet hat, Dutzende Hilfsarbeiten pro Tag verrichten. So lernt man die Stadt kennen. Kann durchaus sein, dass ich dabei auch für deinen Clan gearbeitet habe, Kira. Ein paar Yamadas waren definitiv darunter, als ich Unkraut gejätet, Einkäufe erledigt, Transporte durchgeführt und Kinder unterrichtet habe", sagte ich lachend. Am Vorabend hatte Kira uns allen einen Einblick in die traumatischste Erfahrung seines Lebens gewährt, als er uns berichtet hatte, wie seine Schwester getötet worden war... Und in sein aktuelles Leben, sprich seine Familie in Kumogakure väterlicherseits. Und je mehr er davon berichtet hatte, desto sicherer war ich mir, den einen oder anderen zu kennen. Eventuell hatte ich damals sogar seine gleichaltrige Cousine, Shinobu, wenn ich mich richtig erinnerte, im Shuriken-Werfen unterrichtet. Ja, das waren schon tolle Erfahrungen gewesen. "Solltet Ihr vielleicht auch machen."

"Arbeiten, statt zu trainieren? Sensei!", protestierte Mai. Ihre lauten Worte freuten mich. Sie war mir seit dem nachgeholten Finale des Capture the Flag-Matches zu still gewesen, aber heute bewies sie mehr Stimme, mehr Präsenz. Ich fragte mich einerseits, was ihr einen Knacks mitgegeben hatte - eigentlich war ich davon ausgegangen, dass das Training von Kishio und mir in der Hütte ihre Stimmung gehoben hätte - und andererseits, welche positive Erfahrung sie wieder aus dem Tief herausgeholt hatte. Kurz sah ich zu Kishio herüber, fing aber seinen Blick nicht auf. Er hätte mir zumindest sagen können, wo sie die letzten Tage in ihrer Freizeit gewesen war. Doch das würde ich auf später verschieben müssen, zumindest bis wir das Land der Blitze erreicht hatten. Dennoch, ich hatte das Gefühl, sie und die anderen beiden Genin vernachlässigt zu haben. Das war ein Punkt, an dem ich jetzt, wo Kishio mehr und mehr integriert war, endlich wieder ansetzen konnte. Prompt hatte ich eine Idee.

"Aber es ist Training, Mai-chan. Gutes Training, weil es Flexibilität, Fähigkeiten und Ausdauer erfordert. Außerdem fördert es die guten Beziehungen zwischen Kumogakure und Konoha. Ihr seid ja quasi Botschafter der Hokage."

"Botschafter?", rief Shinji aufgeregt. "Ja, so kann man das ja sehen. Wir müssen uns von unserer besten Seite zeigen!"

Suirin kicherte leise bei diesen Worten. Sie warf mir einen wissenden Blick zu, enthielt sich aber eines Kommentars. Wirklich, ich mochte diese Frau.

"Ha, von wegen! Mamoru-sensei will uns ja nur aus dem Weg haben!", murrte Mai.

"Um ehrlich zu sein", begann ich, eine weitere Idee ausbrütend, "ja, du hast Recht. Der Raikage hat mich gerufen. Und das nicht, um Urlaub zu machen, oder um Kiras Familie kennenzulernen. Oder um Kira bei seinem Raiton zu helfen. Obwohl es kaum einen besseren Lehrer als den Raikage geben kann."

"Ja, wäre wohl etwas zuviel erwartet", murmelte Kira, leidlich enttäuscht.

"Vielleicht kann ich Kira-B belatschern, dass er dir was beibringt. Ich habe einen guten Draht zu ihm", murmelte ich.

"Wirklich? Du kennst B-sama?", rief Kira aufgeregt. "Nach dem Raikage ist er der stärkste Shinobi Kumogakures! Eine Legende!"

"Wenn er dir so gut gefällt, warum bist du dann nicht Shinobi in Kumo geworden?", stichelte Mai.

"Nun, Kira-B-sama ist cool und stark, aber ich bin durchaus bereit, Mamoru-sensei eine Chance zu geben", erwiderte er süffisant.

"Hmpf", machte Mai verstimmt.

"Jedenfalls seid Ihr nicht im Urlaub. Den hatten wir gerade erst. Ich werde in Kumogakure viel arbeiten müssen, denn es gibt nicht viele Möglichkeiten, warum A-sama mich hat rufen lassen. Die meisten Möglichkeiten drehen sich um meine Hetzjagd letzten Monat, als ich Orochimarus Leutnant Kabuto auf den Fersen war." Ja, das stimmte. Sehr viel mehr gab es nicht. Außer, A-sama wurde sentimental und wollte mich deshalb sehen. Was wohl die unwahrscheinlichste aller Möglichkeiten war. "Und es steht nirgends geschrieben, dass Ihr die Zeit nicht sinnvoll verbringen solltet. Da ist diese wundervolle kleine Trainingshalle, die ich bei meinen Vorbereitungen benutzt habe", sagte ich, einen wissenden Blick mit P-chan austauschend, "und ich denke, ich kann sie wieder bekommen. Außerdem habe ich aus meiner Zeit damals noch etliche Kontakte. Euch wird schon nicht langweilig werden."

"Sensei, schiebst du uns ab?", fragte Mai mürrisch.

"Na, na, was sind das denn für negative Gedanken?", tadelte ich. "Erstens müsst Ihr Kumo kennenlernen, als Shinobi Konohas. Egal, ob die Stadt unser Verbündeter bleiben wird oder nicht, wir müssen sie einschätzen können. Und das geht am leichtesten, wenn wir sie kennen. Und zweitens müsst Ihr, wie ich schon erwähnt habe, Konoha repräsentieren. Das ist außerdem ein sehr gutes Grundlagentraining für euch, und Ihr seid gerade mal die zweite Woche Shinobi und habt schon zwei Kämpfe hinter euch. Zeit, zum Basis-Training zurückzukehren." Tatsächlich, kam mir zu Bewusstsein, hatte ich meine Genin erheblich durch ihr Training gehetzt. Ich selbst hatte Baumklettern nicht beigebracht bekommen, bevor ich nicht ein halbes Jahr lang Shinobi gewesen war. Einfach, weil Hayate-sensei uns erst grundlegend hatte aufbauen wollen. Dies vernachlässigte ich bei meinen Genin. Mist.

Ich wandte mich zu Mai um. "Ich werde mit euch trainieren, wann immer ich es kann, aber ich habe in Kumo eine Mission zu erfüllen. Und mit meinen Affenkriegern haben wir mehr Sensei, als wir brauchen. Außerdem sind da auch noch Kuzoko und Kishio, von denen Ihr lernen könnt. Ein guter Shinobi lernt von allem und jedem, merk dir das, Mai."

"Aber ich habe doch gar nichts gegen sie gesagt", erwiderte sie hastig, mit einem schnellen Seitenblick auf die beiden. Hm, irgendetwas musste passiert sein.

"Und Ihr würdet mir einen großen Gefallen tun. Wenn ich die Affenparty veranstalte, möchte ich vor meinen Senseis besonders gut da stehen. Das geht am besten, wenn ich meine mächtigen Genin vorstellen kann."

Mai wurde rot. "Mächtig ist vielleicht etwas zu sehr übertrieben, aber ich verstehe, was du meinst. Und du hast das auch gemacht, Mamoru-sensei?"

"Ja. Und dabei hatte ich einen durchtrennten rechten Bizeps." Ich schob den rechten Ärmel hoch und zeigte ihr die Linie der Narbe, dem letzten Anzeichen der schweren Verletzung. "Ein Katana, zum Glück nicht allzu scharf, sonst hätte es mir den Arm abgetrennt. Ich hatte die Wahl, meinen Arm hinzuhalten, oder meinen Freund Omoi köpfen zu lassen. Die Entscheidung siehst du ja."

"Und damit hast du gearbeitet?", rief Shinji. "Sensei, du bist ein harter Kerl."

Ich grinste schmallippig. "Manchmal."

"Apropos harter Kerl", warf Kuzomi ein, "Sensei, wenn wir nach Kumo kommen, werden wir dann bei Kira-samas Familie wohnen?"

Bei dieser Frage musste ich überrascht auflachen. "Der Gedanke ist mir gar nicht gekommen. Der Raikage wird für unsere Unterkunft gesorgt haben, seid unbesorgt. Ich bezweifle zwar, dass dies bei den Yamadas ist, denn ich habe ihnen nicht mitgeteilt, dass Kira kommt, aber ich denke, wir werden zufriedenstellend untergebracht werden. Was nicht heißt, dass du deine Familie nicht besuchen kannst, Kira. Ich werde selbstverständlich mitgehen und mich als deinen neuen Sensei vorstellen. Und wie gesagt, wahrscheinlich kenne ich den einen oder anderen schon. Bei Shinobu klingelt sogar was bei mir. Sie könnte eine meiner Shuriken-Schülerinnen gewesen sein. Dass das schon wieder fast vier Jahre her ist..."

"Ich kann ja mal mit Opa sprechen!", ereiferte sich Kira. "Ich bin sicher, er hat überhaupt nichts dagegen, wenn wir alle bei ihm wohnen! Wir sind eine große Familie, und es ist verdammt viel Platz!"

"Kira, du bist euphorisch. Das ist mein Part", beschwerte sich Shinji gespielt.

"Ja, sorry, dass ich dein Rollenklischee kapere, aber ich bin wirklich aufgeregt. Ich freue mich darauf, meinen Onii-chan zu treffen. Also meinen großen Cousin Shinn. Und die Zwillinge. Und Opa, Tante Akiha und Onkel Seta, aber vor allem freue ich mich auf Shinobu. Vor einem Jahr hätte man uns noch für Zwillinge halten können, obwohl sie da noch größer war, und..."

"Komm mal runter von deinem Höhenflug", tadelte Shinji grinsend. "Das hast du uns alles schon gestern beim Abendessen erzählt. Und wir werden ja selbst bald mit eigenen Augen sehen können, ob du Shinobu beim Wachsen überholt hast." Er zwinkerte schelmisch. "Meinst du, sie zeigt mir mal die Narbe, die du ihr verpasst hast?"

Kira sprang zu Shinji herüber und legte vertraulich einen Arm um seine Schulter, während sie im Step dahinrasten. "Alter, wir sind Freunde. Und ehrlich, ganz ehrlich, noch vor zwei Wochen hätte ich nicht mal im Traum daran gedacht, das auch nur zu denken. Aber es hilft alles nichts. Für mich bist du wie ein kleiner Bruder." "Hey. Wieso kleiner Bruder?", protestierte Shinji.

Doch Kira fuhr unbeirrt fort. "Und du darfst jederzeit jede Narbe an meinem Körper sehen, die du sehen willst, versprochen."

Kuzomis Blick wurde glasig. "Kira-sama?"

Der Raiton-Nutzer seufzte. "Ja, ich zeige dir die Narbe nachher mal, Kuzomi-chan."

"Ui, das wird lustig, und gruselig", sagte sie erfreut.

"Jedenfalls, du kannst von mir haben, was immer du willst. Aber bei Shinobu ziehe ich die Grenze. Wenn sie mit dir flirtet, Pech, dann kann man nichts machen. Aber wenn du sie anbaggerst oder gar ihre Narbe sehen willst, Alter, dann ziehe ich dir den Hosenboden stramm."

"Kannst es ja mal versuchen", erwiderte Shinji herausfordernd.

"Jederzeit, kleiner Bruder. Jederzeit. Und hoffe nicht darauf, dass sie auf dich stehen wird. Sie mag keine Dicken." Mit diesen Worten kniff Kira ihm ins Bauchfleisch. "Hm, ist schon weniger geworden, was?"

"Ich bin nicht dick. Ich habe nur schwere Knochen. Und etwas Fett zum Schutz darum", murrte Shinji. "Und ich bin NICHT dein kleiner Bruder. Wenn, dann bist du hier der kleine Bruder, klar? Immerhin bin ich der Ältere von uns beiden. Und ich bin auch vernünftiger und muss deshalb auf dich aufpassen, nicht?"

"Wer hier wohl auf wen aufpasst?", fragte Mai gut gelaunt und drängte sich zwischen die beiden. "Von meinem Standpunkt seid Ihr beide meine kleinen Brüder, und ich würde es jedem raten, es sich zweimal zu überlegen, wenn er sich mit einem oder beiden von euch anlegt. Weil Onee-sama dann nämlich mit ihm Schlitten fährt, aber so richtig."

Die drei grienten sich an. Dies taten sie mitten in der besten Shinobi-Reisegeschwindigkeit, und allein das war beeindruckend und zeigte, wie gut sie mittlerweile geworden waren. Ich schnaubte zufrieden. Die Menschen wuchsen tatsächlich mit ihren Herausforderungen.

Dann sahen die drei zu Kishio herüber, doch der hob nur abwehrend die Arme. "Lasst mich da bitte raus. Ich bin zwar älter als Ihr, und ich stehe jedem von euch jederzeit zur Seite, egal bei welcher Scheiße, aber ich habe nicht vor, mich zum Gesamt-großen Bruder zu erklären. Das wäre so... Vereinnahmend."

Kira seufzte. "Ich sehe schon, Kishio braucht einen Crashkurs in Konoha-Verbrüderungsrituale. Also, große Schwester, da diese Sache jetzt geklärt ist, wer ist dein älterer Otouto?"

Mai sah einen Moment von einem zum anderen. "Shinji."

"Ja, Himmel auch, wieso das denn?"

"Weil er eindeutig der kuschligere von euch beiden ist, und das ist wichtig", sagte sie und rieb ihre Wange an seiner. "Ja, das nenne ich weich und zart."

Shinji wurde rot. "L-lass das bitte, Onee-chan. Nicht, dass ich mich noch in dich verliebe."

"Was? Bist du das etwa noch nicht?", rief sie in gespielter Empörung. "Bei Kira ist das ja klar, der hat nur Augen für sein Spinnchen."

Kuzomi errötete bis zu den Ohrenspitzen und sah erschrocken fort. "Kira-sama..."

"Aber bei dir dachte ich, auch wenn deine Onee-sama so mager und knochig ist, so magst du sie doch für ihren Charakter."

"Protest!", begehrte Shinji auf. "Du hast vielleicht nicht viel Brust, also noch nicht. Aber dafür einen tollen Hi..."

"Stopp!", befahl ich scharf und hielt an.

"Sensei, wir machen doch nur Spaß...", versuchte Mai sie zu rechtfertigen.

"Das ist es nicht. Irgendwas ist hier... Nicht, wie es sein soll."

Irritierte Blicke trafen mich.

"Dieser Wald ist die Grenze zwischen den Festlandbesitzungen des Reichs des Wassers und dem Reich der Blitze. Wir befinden uns auf der Hauptverkehrsstraße."

"Soweit, so gut. Aber?", fragte Kira verwirrt.

"Kishio!"

"Jawohl!" Der junge Shinobi trat vor und konzentrierte sich. "Bewegungen vor uns. Vage. Sie tarnen sich."

Langsam nickte ich. "An dieser Stelle müsste das Empfangskommando auf uns warten, oder, Suirin-kun?"

"Ja, Mamoru-sama. Ich verstehe das nicht. Unsere Nachricht war eindeutig."

"Vielleicht ein Missverständnis?", fragte Kuzoko.

"Ich habe in Kumogakure Feinde", erwiderte ich. "Es kann ein Zufall sein, dass da draußen Menschen sind, die sich vor der Erfassung durch einen sensorischen Ninja tarnen. Aber ich bin nicht gewillt, Risiken einzugehen oder gar die Leben meiner Genin zu riskieren." Mit mahlenden Kieferknochen dachte ich nach. "Suirin-kun, an der Grenze trennen sich unsere Wege."

"Ja, Mamoru-sama. Uns ist es nicht erlaubt, das Reich der Blitze zu betreten, ohne vorher um Genehmigung zu bitten."

"Dann bitte ich darum, dass du und dein Team noch einige Zeit an der Grenze warten. Es kann sein, dass wir uns aus dem Reich der Blitze zurückziehen müssen, und dann wäre etwas Unterstützung nicht verkehrt."

"Ja, Mamoru-sama. Und wenn es keinen Ärger gibt?"

"Dann werdet Ihr uns nach Osten weiterziehen spüren. Sind wir zwanzig Kilometer weit gekommen, werde ich euch ein Zeichen geben, das euch sagt, dass Ihr abziehen könnt."

"Und wie wird dieses Zeichen aussehen?", fragte sie.

"Oh, keine Sorge, Suirin-kun, du wirst es erkennen, wenn du es siehst." Ich grinste schief.

"Ja, das befürchte ich auch", erwiderte sie lächelnd.

"Also, uns bleibt nichts anderes übrig. Wir müssen weiter. Bleibt wachsam.

Suirin-kun, ich bedanke mich im Namen meines Teams für eure Unterstützung. Richte der Mizukage meinen tiefempfundenen Dank aus. Ich bin jederzeit bereit, Mei-chan... Ich meine, Terumi-sama zur Seite zu stehen, sofern ich ihr überhaupt helfen kann." Ein kalter Schauder ging über meinen Rücken, als ich an ihr Lava-Jutsu dachte. Whoa.

"Ich habe zu danken für die Gelegenheit, dich kennenlernen zu dürfen, Mamoru-sama. Die Gerüchte über den Ewigen Chunin Konohas sind nicht übertrieben."

Ich reichte ihr und ihren Leuten einem nach dem anderen die Hand. "Ich hoffe, wir sehen uns wieder."

"Das hoffe ich auch, Mamoru-sama."

Es blieb ein letztes Nicken, und wir verschwanden per Step ins Ungewisse. Eventuell war alles ganz harmlos. Ja, klar.

***

Die Situation war klar. Unser Empfangskomitee war nicht da. Entweder verspätet, verirrt... Oder tot. Stattdessen hatte Kishio eine vage Ortung von zehn, vielleicht zwölf Personen, die sich tarnten. Das konnte Schlimmes bedeuten. Im Interesse meiner Genin war ich nicht bereit, ein Risiko einzugehen. Nun, wir waren im Vorteil. Sie konnten unmöglich von Kishio und seinem Jutsu wissen; also konnten wir, bis sie sich in Bewegung setzten, den Kampfplatz und damit das Gelände selbst bestimmen. Aber noch war es nicht sicher, dass es zu einem Kampf kommen würde. Zuvorderst galt es, die Vorteile zu sichern, deshalb hatte ich meinen Affen befohlen, ihre Gestalten als kleine Affen anzunehmen und auf den Schultern der "Kleinen" mitzureiten. Ranma hockte nun Kuzomi auf der Schulter, Ryoga hatte es sich bei Mai bequem gemacht; Akane hockte auf Kiras Schulter, und Shinji trug nun P-chan. Kuzoko und Kishio hatten demnach keinen Affenkrieger erhalten, aber ihnen traute ich es durchaus zu, selbst eine gefahrvolle Situation zu überstehen. Warum die Vorsichtsmaßnahme? Als wir über die Oto-Nin gestolpert waren, hatten wir eine überschaubare Anzahl Gegner gehabt, die uns eher zufällig begegnet waren, und die keine Ahnung von unseren Fähigkeiten und unserem Jutsu hatten. Und meine Affenkrieger waren für sie eine absolute Überraschung gewesen. Diesmal aber, so es denn eine Falle war, hatten wir es mit einem Hinterhalt zu tun. Und ich zweifelte für diesen Fall nicht daran, dass der Gegner sich auf mich speziell eingestellt hatte und mit Affenkriegern rechnete. Das bewies alleine schon das Fehlen des Empfangskomitees.

Dass es tatsächlich eine Falle war, stellte sich relativ schnell heraus. Unser Glück.

"Mamoru-sama!", klang Suirins Stimme hinter uns auf. Ich ließ halten und sah mich um.

Die vier Kiri-Nin kamen uns hinterher.

"Suirin-kun! Ich denke, Ihr dürft das Reich der Blitze nicht betreten!", rief ich verblüfft.

"Ja, schon, aber dann habe ich mir gedacht: Scheiß drauf. Es ist leichter, um Verzeihung zu bitten, als um Erlaubnis zu fragen", sagte sie grinsend.

"Wow", sagte ich. "Wow, danke. Du bist mir eine große Unterstützung. Du und deine Leute. Aber wie lautet das Codewort?"

Ihre Gesichtszüge erstarrten im Lächeln, das sie aufgesetzt hatte. "Verdammt!", fluchte sie und zog ein Kunai. Ihre Gefährten spritzten auseinander. Das heißt, sie versuchten es. Bevor sie jedoch reagieren konnten, hatte ich Suirin und einen weiteren Kiri-Nin mit Shuriken getroffen. Einen Augenblick später war ich selbst heran und bohrte der Anführerin ein Kunai in den Leib. Rechts neben mir fiel Ranma in Kampfgestalt über den zweiten Verletzten her und tötete ihn mit seinen mächtigen Klauen, von links kam Ryoga heran. Nun erwachten auch meine Genin aus der Starre. Kira zog seine Klinge, Shinji warf seine Kunais und Mai einen Schwung Senbons. Kishio war verschwunden; er tauchte Sekunden später hinter dem dritten Kiri-Nin auf, sein Schwert aus der Brust des Toten ziehend.

Ich hielt die Sterbende in den Armen. Im Tode verblasste ihr Jutsu, und unter der Fassade kam ein Kumo-Nin zum Vorschein. "V... Verdammt", stammelte er, schaumiges Blut auf den Lippen.

"Das Geheimnis ist...", flüsterte ich ihm zu, "dass ich mit Suirin-kun aus genau diesem Grund kein Codewort vereinbart habe. Sie hätte das gewusst. Eure Beobachtung war nachlässig."

"Schlau...", gestand der Kumo-Nin mir zu. Dann starb er.

Ich ließ seinen toten Leib zu Boden gleiten. Wer sich mit einem Konoha-Chunin anlegte, musste damit rechnen, dass er schneller starb, als es ihm lieb war.

Akane hatte sich mittlerweile um den letzten, bereits von meinen Genin verletzten Kumo-Nin gekümmert. Damit stand es vier zu Null für Konoha.

"Weiter!", kommandierte ich. "Es gibt ungefähr fünf Kilometer nördlich einen Hügel! Wenn wir den besetzen, sind wir im Vorteil! Kishio, Vorhut! Schau nach, ob der Hügel vermint wurde! Shinji, du begleitest ihn!"

"Ja, Sensei!", riefen die beiden und huschten davon. P-chan, noch immer ein Äffchen, blieb bei Shinji.

"Mai, rechte Flanke! Kira, linke Flanke! Kuzomi-chan, Nachhut! Kuzoko, du bleibst bei mir. Es kann sein, dass wir schon bald ein gutes Genjutsu brauchen!"

"Verstanden!", riefen sie mir entgegen und nahmen den Abstand auf, den wir trainiert hatten. Sie blieben im Wald auf Sichtweite zu mir, der Vorhut und den anderen Gruppen.

Während wir der Vorhut folgten, nickte mir Kuzoko anerkennend zu. Ich hatte nicht nur die Genin delegiert, sondern auch die Affen. Damit machte ich alle Bereiche unserer Einheit äußerst schlagkräftig. Zudem befanden sich alle noch im Bereich meiner vergrößerten sensorischen Sicht. Darüber hinaus deckte ich weitere zwanzig Meter rund um uns ab. Es war anzunehmen, dass unsere Gegner noch nicht wussten, dass sich mein Radius verdoppelt hatte; es war ebenso anzunehmen, dass sie nur dann nahe heran kommen würden, wenn sie angreifen wollten. Das gab mir ein paar Sekunden Vorwarnzeit, um meine Genin zu beschützen.
 

Vor dem Hügel ließ ich halten. Es dauerte einen Augenblick, und Kishio kam per Step zu mir zurück. "Sensei! Der Hügel ist vermint, wie du es vermutet hast! Sicher hat man erwartet, dass Überlebende des Attentats bis hierhin fliehen und sich verschanzen würden! Wir brauchen einen anderen Rückzugsort!"

"So, so, vermint also?" Ich grinste schief. Besonders einfallsreich waren unsere Gegner ja nicht. Und ich konnte auch schon ungefähr einordnen, zu welcher Fraktion meiner speziellen Freunde ich sie rechnen musste. "Kuzoko, du übernimmst das Kommando, bis Ihr zu mir aufgeholt habt. Ich räume den Hügel, und Ihr kommt nach. Bleibt wachsam. Ich brauche eine Minute oder zwei."

Das Spinnenmädchen nickte. "Ja, Sensei." Sie wirkte angespannt, was angesichts der prekären Situation, einem baldigen Kampf auf Leben und Tod, auch kein Wunder war.

"Kage Bunshin no Jutsu!" Mit drei Schattenklonen im Schlepp nutzte ich Step und kam direkt vor dem Hügel an. Meine Klone beeilten sich, um sich um den Hügel zu verteilen. Einer meiner Klone löste ein Sprengtag aus und wurde ausgelöscht. Darum entschied ich mich, den Ring weiter zu ziehen, weil die Verminung größer war, als ich angenommen hatte. Ich erschuf drei weitere Klone. Zeit! Das kostete alles Zeit!

Als diese sich verteilt hatten, war es soweit. "Katon! DAI ENDAN!" Mamoru Morikubos Dai Endan mal sechs verteilte sich auf der bewaldeten Anhöhe und senkte sie in flammende Glut. Alles, was sich dort befand, stand für einen kurzen Moment in Flammen, bevor es zu Asche verging. Dutzende Explosionen erklangen. Unsere Gegner hatten mit Sprengtags nicht gespart.

Als mein Dai Endan erloschen war, absorbierte ich die Überreste des Chakras vom Boden, was half, die Asche zu kühlen, die anstelle der Bäume nun den Hügel bedeckte. "Kommt!", rief ich meinen Schülern zu. Der Erste, der auf den Hügel huschte, war Kishio, um mit seinen Fähigkeiten die Umgebung zu überwachen. Kira und Shinji folgten ihm auf den Fuß. Shinji war am linken Oberarm verletzt, aber meine sensorischen Fähigkeiten verrieten mir, dass der Stich zwar tief war, aber nicht sehr stark blutete. P-chan kam ihnen hinterher, in ihrer Kampfgestalt, die Klauen blutig. Sie zischte mir zu, während sie mich passierte: "Dreiergruppe. Einer tot, einer verletzt, aber entkommen."

Dann kamen Kuzomi und Mai. Kuzoko bildete den Abschluss. "Ich habe zwei Kumo-Nin unter ein Jutsu gesperrt", informierte sie mich hastig. "Aber ihre Leute werden sie bald daraus erwecken."

"Ist gut", erwiderte ich, während ich ihr auf den Hügel folgte. Ihr Genjutsu brauchte also nicht viel Vorbereitung und war sehr, sehr effektiv.

Oben auf dem Hügel löste ich drei meiner Schattenklone wieder auf, um Chakra zu sparen und teilte meine Genin und ihre Begleiter ein. Fünf Tote, mindestens ein Verletzter auf der Seite unserer Gegner, dazu minimal drei Sichtungen von weiteren Shinobi. Das machte schon mal neun Gegner. Irgendwie wusste ich, dass unsere Feinde es dabei nicht belassen hatten.

***

Der Vorteil einer erhöhten Stellung lagen immer auf der Hand. Wenn der Feind einen erreichen wollte, musste er erst mal raufkommen. Wollte man selbst zum Feind, musste man nur runter, und das war wesentlich weniger anstrengend. Das hatten auch unsere unbekannten Gegner vorausgesehen und den Hügel, das wahrscheinlichste Ziel unserer Flucht, vermint. Schwer vermint. Nahm ich jedes einzelne Sprengtag als Gradmesser des Missfallens mir gegenüber, dann hassten mich meine Gegner bis ins Mark. Verstehen konnte ich sie ja, war ich es doch gewesen, der die Anti-Konoha-Fraktion Kumogakures fast im Alleingang auf Jahre geschwächt und blamiert hatte. Die vier Gruppen Kumo-Nin, die mit mir, Hana-chan und Karin das Examen abgenommen hatten, waren allesamt dieser Gruppe zuzurechnen gewesen. Hätte auch nur einer von ihnen das Examen bestanden und wäre Chunin geworden, hätte dies nur positiv für sie ausfallen können. Da aber Jardin Nabara, ihr letzter Genin, im Kampf gegen mich ohne wirkliche Gegenwehr aufgegeben hatte, war ihnen nicht einmal das geblieben. Sie hatten sich selbst lächerlich gemacht. Lächerlich genug, um dem Raikage und seiner Politik gehörig den Rücken zu stärken. Aber das ist mir erst Jahre später so richtig bewusst geworden.

So standen wir also auf dem Hügel, einer Erdaufwerfung von gut achtzehn Metern Höhe, dessen Krone ungefähr achtzig Quadratmeter ausmachte. Nach Westen hin, der Richtung, aus der wir gekommen waren, fiel er im sanften Gefälle ab. Nach Norden und Süden war er recht steil, und nach Osten fiel er wieder sanft ins Gelände. Unsere Hauptverteidigungsrichtungen waren also Ost und West. Ich hatte Kuzoko im Norden positioniert und Kishio im Süden. Mai und Shinji hatten den Osten bekommen, P-chan und Ryoga, sowie zwei meiner Schattenklone. P-chan hatte Shinjis Wunde provisorisch behandelt. Er war fit genug für einen Kampf.

Ich selbst stand mit dem letzten Schattenklon bei Kira, Kuzomi, Akane und Ranma im Westen, jener Richtung, aus der wir am ehesten einen Angriff erwarten mussten. Die Zeit für Spielchen war vorbei, alle vier Affen hatten ihre Kampfgestalten angenommen. Das hätte normalerweise gereicht, um einen durchschnittlichen Gegner abzuschrecken, vor allem nach den ersten erheblichen Verlusten, die sie erlitten hatten. Aber nicht den fanatisierten Haufen Kumo-Nin, die ich als unsere Gegner vermutete. Alles in allem hatten wir eine überschaubare Position mit allen Vorteilen auf unserer Seite, und der Gegner musste zu uns kommen. Wir konnten hier ausharren, bis sich unser Gegner entweder abgearbeitet hatte, oder aber die Kumo-Delegation uns fand. Oder deren Rächer.

Natürlich hätten wir auch zum Gegenangriff übergehen können. Aber einerseits hatte ich Genin dabei. Niemand konnte sagen, ob unser Kampf wieder so glimpflich ausgehen würde wie gegen die eher schwachen Oto-Nin. Und andererseits konnte ich sie auch nicht allein lassen, um mit den Affenkriegern gegen den Gegner loszuschlagen. Ganz davon abgesehen, dass sie mir das sicher auch nicht verziehen hätten. Immerhin, sie waren Shinobi Konohas. Dennoch, ich sah uns auf der sicheren Seite. Zumindest, bis ich das Grollen im Boden vernahm, das mir sehr verdeutlichte, dass ich meinen Gegner doch unterschätzt hatte. Der Boden brach rings um mich auf, gab ein mächtiges Maul frei, das mich umschloss, und sperrte mich in Dunkelheit.

"Sensei!"

"Mamoru!"

Ich hörte ihre Rufe, aber für den Moment war ich zu verdutzt, um überhaupt zu reagieren. Der Angriff dieses... Dieses Riesenwurms? Er war zu überraschend gekommen. Ich hatte nicht mal Zeit gehabt, fortzuspringen. Und er hatte eindeutig mich zum Ziel. Dann waren die Stimmen fort.

***

Ich bemerkte den Ortswechsel erst, als sich das Maul wieder öffnete und ich mit einer großen Menge Erde und Gestein ausgespien wurde. Benommen blieb ich eine Sekunde liegen. Eigentlich hatte ich ja eher damit gerechnet, hinten raus zu kommen, oder mir meinen eigenen Pfad zu machen, quer durch das Fleisch des Wurms.

"Ist er das?", hörte ich eine betagt klingende Stimme sagen. "Deine Beschreibung seines Geruchs war recht gut. Ich hoffe, es ist der Richtige."

"Ja, Baa-chan, das ist der Richtige. Ich danke dir vielmals. Die Opfer stehen wie immer am vereinbarten Ort bereit. Ich habe das gesamte Altpapier Kumogakures dieses Monats aufgekauft."

"Oh. Das ist aber eine Menge. Habe vielen Dank dafür, Nabara-kun."

"Gern geschehen, Baa-chan. Du kannst dich jetzt dem Papier widmen. Für alles Weitere reichen mir Hyousuke und Kyousuke."

Ich hustete, ächzte und würgte. Ja, das war die Stimme von Jardin Nabara. Ich öffnete die Augen. Vor mir breitete sich eine weite Ebene aus, die aus, nun, Erde bestand. Oder mit anderen Worten: Aus der Scheiße von Regenwürmern. Große Wälder erstreckten sich um mich herum. Nein, das war falsch. Nicht Wälder, sondern Gärten, in denen gepflegte Bäume standen. Zwischen ihnen bewegten sich die Würmer; große, kleine, junge, alte. Ich begriff. Der Wurm hatte mich verschlungen und dann seine Beschwörung aufgehoben, um mich in seine Heimat zu bringen, das Wurmreich, deren wichtigster Exportartikel gut gedüngte Blumenerde war. Ihr Hauptimportartikel war Papier. Altpapier vornehmlich, weil es leichter zu beschaffen war. Würmer standen total auf Papier. Es war mir aber neu, dass die Würmer eine großartige Rolle bei den Shinobi spielten, oder sich sogar für den Kampf einspannen ließen.

Ich sah zu Jardin Nabara herüber. Er sah mir abschätzend entgegen. Hinter ihm, in einiger Entfernung unter einem Baum, lagen zwei weitere Würmer von dreifacher Manneslänge.

"So sieht man sich wieder, Morikubo", sagte der Kumo-Nin selbstgefällig. "Habe ich es mir doch gedacht. Natürlich bist du dort zu finden, wo es voraussichtlich am Gefährlichsten werden wird."

"Ja, du hast mich erwischt", sagte ich anerkennend, während ich mich erhob. Gut, keine Schmerzen. Der Transport per Wurmexpress hatte mich weder verletzt, noch negative Auswirkungen gehabt. Ein schneller Rundblick offenbarte mir, das wir die einzigen Menschen auf der riesigen Ebene waren. "Nur wir beide?"

"Nur wir beide", bestätigte Nabara nickend. Ich betrachtete ihn genauer. Er war größer geworden, genau wie ich. Etwas breiter in den Schultern. Er hatte aber definitiv mehr Muskeln als ich zugelegt. Und er war die Ruhe selbst. Ich hätte erwartet, dass er vor Eifer triefen würde, kaum das er die Chance bekommen hatte, mich zu töten.

"Mir war von vorneherein klar, dass du weder auf die Tarnung als Kiri-Nin hereinfallen würdest, noch auf den verminten erstbesten Hügel. Meine Unterführer glaubten sich ja so schlau und rechneten hier schon damit, dass sie die Hälfte deiner Leute abgeschlachtet hätten, vornehmlich die Affenkrieger, um sich bei den Genin genüsslich Zeit lassen zu können. Vornehmlich, während sie dich zusehen lassen würden... Hat nicht geklappt, wie mir scheint."

"Nicht so ganz", erwiderte ich. "Sind ja tolle Zeitgenossen, die du dir da ausgesucht hast."

"Steck mich mit ihnen nicht in einen Topf!", blaffte er. "Ich habe sie von vorne herein als Ablenkung ausgewählt, Mamoru Morikubo. Unsere Sache darf nicht geschwächt werden, so oder so nicht. Und da sie ihre recht eigenwilligen Ideen hatten, wie sie ausgerechnet dem Ewigen Chunin beikommen wollten, habe ich ihnen ihren Willen gelassen."

"Aha. Und, wie geht es weiter? Ich nehme nicht an, dass du mich ohne einen Kampf zurückschicken wirst?" Abgesehen davon hatte ich keine Lust, wieder im Wurm zu reisen.

"Das siehst du vollkommen richtig." Er stutzte. "Vielleicht sollte ich etwas weiter ausholen, Morikubo. Du weißt, unsere Gruppe hatte eigentlich Macht und Einfluss beim Kage stärken wollen, indem wir unsere vier teilnehmenden Gruppen schlussendlich als einzige Teilnehmer des Finales durchbringen wollten. Zwölf Kumo-Nin, die alle aus diesem oder jenem Grund einen Krieg mit Konoha wünschten. Hauptsächlich, weil sie aus Familien stammten, die Verluste im letzten großen Krieg gegen Konoha erlitten hatten. Von ihnen erreichten wegen dir nur drei das dritte Examen, und nur ich das Finale. Und das habe ich verloren, weil du... Nun, ich sage es nicht gerne, aber du warst der Bessere."

"Und du bist gerade der Meinung, dass sich das geändert hat?", fragte ich.

"Ja."

"Okay", sagte ich, mich dabei durchstreckend. "Du willst einen Kampf. Nur wir zwei. Das ist lobenswert. Und was dann?"

"Ich werde davon absehen, dich zu töten. Falls ich es schaffe, Morikubo. Du bist auf Einladung des Raikages hier, und ich würde unserer Gruppe einen schlechten Dienst erweisen, würde ich dich töten."

"Wie überaus höflich", spottete ich.

"Es wird andere Orte und andere Gelegenheiten geben. Aber im Moment bist du sogar wertvoll für Kumogakure. Man munkelt, wir haben ein Versteck Orochimarus ausgehoben, und es gäbe dabei etliche Fragen, von denen du einige beantworten sollst."

Ich nickte. "So etwas habe ich mir schon gedacht."

Nabara schnaubte. Es klang amüsiert. "Ein guter Grund, dich nicht zu töten. Aber das ist kein Grund, um, ah, eine Wiederholung des Examenskampfs nicht von dir zu fordern."

"Ach, darum geht es dir? Gut. Aber ich habe eine Forderung. Sollte ich dich besiegen, will ich zurückgeschafft werden. So schnell wie möglich."

"Einverstanden. Hyousuke und Kyousuke stehen bereit, um uns zurückzubringen, ob tot oder lebendig. Man kann auf ihnen reiten. Du musst dich nicht wieder verschlucken lassen wie von der ehrwürdigen alten Matriarchin der Würmer."

"Du stehst ja hoch im Kurs, wenn du den mächtigsten Wurm für deine Zwecke gewinnen konntest."

"Es geht so. Die Würmer sind keine Krieger, deshalb konnte ich nur einen besonders großen Wurm schicken. Baa-chan hat sich relativ schnell bereit erklärt, weil sie dich mal "schmecken" wollte. Sieh ihr ihr Tun nicht nach. Im Grunde sind die Würmer harmlos."

"Ich verstehe." Langsam zog ich mein Schwert hervor. "Ich kann leider nicht mit voller Kraft kämpfen, weil ich drei Schattenklone und vier Affenbeschwörungen aufrecht erhalten muss, aber ich hoffe, ich enttäusche dich nicht."

"Ach, komm. Für eine zusätzliche Beschwörung wirst du schon Saft haben. Ich jedenfalls werde mit allem kämpfen, was ich habe."

Okay, das war der Moment, vor dem ich mich gefürchtet hatte. Der Augenblick der Wahrheit. Würde ich es schaffen, fünf Beschwörungen aufrecht zu erhalten? Und für wie lange gelang mir dies? Was, wenn mein Chakra ausging und P-chan und die anderen mitten im Kampf wieder auf den Affenberg geschickt wurden? Andererseits, je länger ich hierblieb, desto länger fehlte ich bei meinen Genin. Und für den Notfall hatte ich immer noch eine Soldatenpille der Affen.
 

"Kuchiose no Jutsu!"

"Enko O Enma ist gekommen!" Der Nebel zerteilte sich und offenbarte den König der Affen. Er grinste mir über die Schulter zu. "Wie erwartet bist du in Schwierigkeiten, Mamoru-tono."

Ich starrte den Affen verblüfft an. In mir war noch genügend Dampf gewesen, um den König zu beschwören? "In erheblichen, Enma-O", gestand ich.

"Oh nein, darauf falle ich kein zweites Mal rein!", rief Jardin ärgerlich. "Sag deinem Affenmädchen, sie kann sich diesmal gleich zurückverwandeln!"

"Äh, nein, diesmal ist es der echte Enma", sagte ich.

"Das kann nicht sein! Es ist haargenau das gleiche Chakra wie damals bei unserem Kampf in Kumos Arena!", rief er ärgerlich.

"Ah, Nabara-tono. So sieht man sich wieder", sagte der König. "Vielleicht bist du ja diesmal bereit, mir einen Kampf zu liefern!"

"Morikubo! Wenn du mich nicht ernst nimmst, lasse ich dich auf dieser Ebene zurück!", rief er scharf.

"Aber es ist Enma-O!", begehrte ich auf. "Ich habe P-chan schon vor Tagen beschworen, und seither begleitet sie mich durch die... Aber das... Das heißt dann ja..."

"Hä?", rief Nabara. "Das heißt, all die Jahre habe ich... Aber... Wieso?"

Der Affe lachte schallend, bevor er sich mit Hilfe des Gestaltwandlers-Jutsu in die damals noch nicht ausgewachsene P-chan verwandelte. Die derart verwandelte Person zog das rechte Augenlid herab und streckte mir die Zunge raus. "Auch ein Affenkönig ist mal für einen Scherz gut, Mamoru-tono."

Ich spürte, wie mir die Sinne zu schwinden drohten. Ich hatte damals also wirklich und tatsächlich den König beschworen... Und ich konnte mir erklären, warum er sich als P-chan ausgegeben hatte. Um mein damals recht labiles Ego zu schonen. Verdammt.

"Und all die Jahre dachte ich, ich hätte mir dieses furchterregende Chakra nur eingebildet...", sagte Nabara, halb lachend, halb tobend. "Enma-sama, das war nicht nett!"

"Es war genauso nett wie dein Angriff auf mich, als du mich für ein kleines Mädchen gehalten hast", erwiderte der König streng. Er verwandelte sich in seine eigentliche Form zurück.

Ich musste zugeben, da hatte er einen Treffer gelandet.

"Ja. Ich verstehe." Die Hände des Kumo-Nin ballten sich zu Fäusten. Er sah auf, und in seinen Augen funkelte Vorfreude. "Dann werden wir also beide mit voller Kraft kämpfen können. Sehr gut. KUCHIOSE NO JUTSU!"

"Du hast mich gerufen?", fragte eine tiefe, grollende Stimme. Aus dem Nebel des Jutsus schälte sich eine gigantische Gestalt. Sie war über und über mit einem braunen Pelz bedeckt und trug einen Waffengürtel und eine blaue Weste, auf der vorne links unüberschaubar Kumogakure aufgestickt war. Es war ein riesiger, aufrecht gehender Bär. Nicht so riesig wie die Kodiaks im Nordwesten des Landes der Reißzähne, aber die hatten eher selten gesprochen. Und die hatten auch keine Schwerter und keine Kurisagama, die Wurfsichel mit der langen Kette, dabei.

"Ja, Matunus-sama. Ich stelle mich dem Feind, von dem ich dir berichtet habe."

Der Bär sah über die Schulter zurück. "Hast du dich zuerst deinem größten Feind gestellt?"

Der Ninja verbeugte sich tief vor dem grimmigen Bären. "Ja, Matunus-sama. Ich habe mich mir selbst gestellt. Ich will diesen Kampf nicht, um mein Ego zu befriedigen, sondern um festzustellen, wo ich als Ninja stehe."

"Dann ist es gut. Dies sind unsere Gegner? Der König der Affen und der Ewige Chunin Konohas?"

Ich fühlte mich vom Bären gemustert, beinahe bis auf die Knochen durchschaut.

"Wie weit ist dieser Spitzname denn noch verbreitet?", brummte ich.

"Oh, bist du nicht der Chunin, der auf dem Rang eines Jounin kämpft, aber vom Rat Konohas mit einem Beförderungsverbot... Was ist denn, Enma-tono? Warum winkst du so?"

"Zu spät", murmelte der Affe deprimiert.

"Oh, kein Sorge, Enma-O-sama", sagte ich leichthin. "Ich habe das schon selbst herausgefunden, und ich habe mich dem Problem gestellt. Ich kann jetzt damit leben."

Der Affe sah mich entgeistert an. "Wer sind Sie, und was haben Sie mit Mamoru-tono gemacht?"

"Hä? Ist es so unwahrscheinlich, dass ich akzeptieren kann, dass ich sehr viel besser bin, als ich all die Jahre gedacht habe?", erwiderte ich.

"WER sind Sie?", fragte Enma-sama erneut.

Das brachte mich zum Lachen. "Oh, ich muss mich furchtbar angestellt haben. Wie habt Ihr das nur ausgehalten?"

"Weil wir alle dich lieben, Mamoru-tono", erwiderte der Affenkönig mit einem einer seltenen Lächeln auf den Lippen.

"Genug geredet", sagte Nabara. "Lasst uns anfangen. Hier will nämlich jemand schnellstmöglich wieder zurück. Nicht, Morikubo?"

"Dann schlage ich vor, dass wir beide uns raushalten und euch nur zuschauen. Die Macht eurer Kontraktpartner und Beschwörungen habt Ihr einander bewiesen. Enma-tono ist war stärker als ich, aber in einem Kampf spielen viele Dinge eine Rolle. Da Ihr eure Stärke messen wollt, aber nicht unsere, ist unser Kampf nicht erforderlich. Auf der anderen Seite aber werden wir euch fortan besser einschätzen können", sagte der Bär.

Enma-sama nickte. "Ich stimme zu, Matunus-tono."

"Gut", sagte Nabara. "Gehen wir hier herüber. Ich habe absichtlich einen Bereich ausgesucht, in dem dein Feuer nicht allzu viel Schaden verursachen wird, Morikubo. Du kannst dich also auslassen, so viel du willst. Im Gegenzug werde ich das auch tun." Er zog seine Waffe, ein Schwert. Kurz darauf war es von zuckenden Blitzen bedeckt. Er war Raiton-Nutzer.

"Noch eine Bedingung für den Fall, dass ich gewinne", sagte ich. "Einer meiner Schüler ist Raiton-Nutzer. Ich kann ihm nichts beibringen, und..."

"Du willst, das ich ihm Raiton lehre? Du spinnst, Morikubo! Ich bin dein Feind!", blaffte er.

"Aber du hast genug Ehre im Leib, um am Angriff auf meine Genin nicht teilzunehmen. Und mir ist es egal, wie sehr der Lehrer meines Genins mich hasst, solange der Junge etwas lernt."

"Gut." Nabara lachte. "Dann auch von mir eine Bedingung, falls ich gewinne. Einmal in deinem Leben will ich deine Unterstützung. Du wirst sie mir geben, ohne nachzufragen oder dich zu weigern."

"Einmal?"

"Einmal, Morikubo."

"Gut. Ich nehme an." Ich richtete meine Klinge auf ihn. "Komm, Nabara-tono."
 

Mit wild funkelnden Augen griff er mich an. Ich parierte. Dabei raste ein Teil seines Raitons über mein Schwert in meinen Körper. Schmerzen erfüllten meinen Arm, aber das hielt ich aus. Das war nicht mehr gewesen als ein Willkommensgruß. Als Antwort spie ich ein Endan aus, dem Nabara aber auswich. Er sprang zur Seite und wich dem ihm folgenden Flammenatem aus, bis ich aufhörte.

"Beeindruckend, dein Feuer."

"Danke, das du mir nicht den Arm betäubt hast."

"Ich war mir nicht sicher, ob du anfällig für Raiton bist, deshalb habe ich eine Variante gewählt, die wenig Zeit kostet und mir meine Bewegungsfreiheit lässt."

"Sie tasten einander ab", kommentierte der Bär grimmig grinsend. Enma-sama nickte dazu.

Diesmal eröffnete ich, warf eine Spur Shuriken auf den Kumo-Nin. Er wich aus, und bevor ich mich versah, formte er Fingerzeichen. Es brauchte nicht das Grollen über mir, um mir klarzumachen, dass sich da im wahrsten Sinne des Wortes etwas zusammenbraute. "Raiton: Kumo no hyakuman no Kaminari!"

Aus der Wolke, die sich über mir zusammengebraut hatte, zuckten nicht ganz zehntausend Blitze, wie der Name des Jutsu vermuten ließ, aber es waren mehr als genügend, um mich durch die Gegend zu scheuchen. Es hieß, Kakashi hätte mal einen Blitz mit seinem Chidori gespaltet, und das war eine schwierige Sache bei etwas, das lichtschnell war. Diese Fähigkeit hätte ich gerade gut gebrauchen können.

Natürlich nutzte Nabara aus, dass ich meine Aufmerksamkeit aufteilen musste und griff an. Aber mein Endan hielt ihn auf Distanz.

Schwer atmend blieb ich stehen, meinen Gegner musternd. Nahkampf bedeutete, dass er mich unter Strom setzte. Und das vermutlich nicht mit der kleinlichen Dosis von vorhin. Davon konnte ich ihn allerdings abhalten, indem ich in mit meinem Feuer auf Distanz hielt. Uns stand ein Ermüdungskampf bevor, bei dem derjenige gewann, der am meisten Chakra hatte. Und genau das war eine Sache, die ich nicht hatte: Zeit.

Sein Raiton war zwar Wind-Jutsu gegenüber anfällig, aber ich war weit davon entfernt, mein Fuuton wenigstens auf Chunin-Level zu beherrschen. Es half alles nichts, ich musste aufs Ganze gehen."Augenblick", bat ich, stieß mein Schwert neben mir in die Erde und entkleidete mich.

Nabara beäugte mich misstrauisch. "Was hast du jetzt denn vor? Nur, damit du es weißt, mich kannst du nicht betören. Ich stehe mehr auf hübsche blonde Mädchen, weißt du?"

"Wer will dich denn betören?", erwiderte ich ärgerlich. Das letzte Kleidungsstück fiel, die Unterhose. Zum Glück hatte ich das nicht mit den Mädchen trainiert. Das hätte eventuell den Tatbestand der sexuellen Belästigung erfüllt. "Ich packe nur mein stärkstes defensives Jutsu aus. Greif mich an mit allem was du hast."

"Du willst es also zu Ende bringen? Gut."

Ich produzierte Öl und spie es über mir in die Luft. Es landete wieder auf mir, lief meinen Körper hinab. Dann entzündete ich es. Mein ganzer Körper war nun mit Flammen bedeckt. Das hielt ich genau eine Minute durch, bevor der Hitzestau mich ohnmächtig werden ließ.

"Okay", sagte Nabara grimmig. Sein ganzer Körper wurde von handspannenbreiten Blitzen überzogen, ein intensives Knäuel sammelte sich an seinem Schwert. Überschlagblitze huschten zwischen Boden und Schwert hin und her.

"Greif an!", forderte ich.

Nabara attackierte mich, mit seiner geballten Kraft als Raiton-Nutzer, mit seinem Schwert. Ich spürte, wie die Spitze, als sie mich berührte, sofort zu schmelzen begann. Das Nächste, was ich spürte, war sein Raiton. Es geriet in Konflikt mit meinen Flammen. Dann gab es eine Detonation. Danach war... Schwärze.
 

Ich erwachte aus der traumlosen Ohnmacht, Enmas Gesicht über mir. "Du bist in Ordnung, Mamoru-tono", sagte er zu mir. "Ich habe die überschüssige Hitze aufgenommen und abgeleitet."

"Danke", ächzte ich und erhob mich. "Nabara?"

"Lebt auch noch, obwohl das bei der Detonation für euch beide zweifelhaft erschien."

Zustimmendes Gelächter vom Bären erklang.

"Du solltest dir zuerst deine Sachen wieder anziehen", sagte Nabara, der schon wieder stand. Er schüttelte den Kopf, um wieder klar zu werden. Sein Blick ging zu seinem Schwert, das bis auf einen deformierten Rest vorne am Griff abgeschmolzen war.

"Ich habe verloren", sagte er ärgerlich.

"Morikubo-tono hat deine Waffe vernichtet", sagte Matunus-sama. "Aber du hast als Erster das Bewusstsein wiedererlangt. Ich würde sagen, unentschieden."

Sein Blick traf mich. Er war eine einzige Frage. Zögerlich nickte ich.

"Also gut. Unentschieden. Das bedeutet wohl, ich habe weiterhin intensiv an mir zu arbeiten."

"Und ich an mir", erwiderte ich. Raiton war nicht die typische Schwäche für Katon-Nutzer wie mich; das war das Wasser-Jutsu. Aber es hatte sich für mein Taijutsu als gefährlich herausgestellt. Als sehr gefährlich. Also musste ich meinen Nahkampf überdenken, zumindest wenn ich gegen einen Raiton-Nutzer kämpfte.

"Schade. Ich hätte es gerne gesehen, wenn du in meiner Schuld stehst", erwiderte er. "Das wäre die Krönung eines langen Trainings gewesen, das ich mir nur auferlegt habe, um dich eines Tages besiegen zu können. Tatsächlich... Wäre es etwas schade, wenn mein Ansporn nicht mehr da wäre."

Wir wechselten einen amüsierten Blick. "Und ich finde es schade, das ich die Gelegenheit verpasst habe, meinem Kira etwas über Raiton beibringen zu lassen. Das Jutsu der Zehntausend Blitze-Wolke ist interessant."

In seinem Gesicht arbeitete es. "Ich habe mein Bewusstsein vor dir erlangt, deshalb beanspruche ich meinen Preis trotzdem." Er hob eine Hand, um meinen vorhersehbaren Protest abzuwehren. "Im Gegenzug werde ich deinen Genin unterrichten, solange er in Kumogakure ist."

"Du forderst viel", erwiderte ich. "Aber du bist vor mir erwacht. Also gut, einverstanden."

Nabara grinste. "Es ist schön, zu sehen, dass du bereit bist, für deine Genin viel einzusetzen."

"Das Leben ändert sich eben, wenn man Kinder hat", scherzte ich.

"Ja, das stimmt." Erneut sah er mich an. "Aber glaube ja nicht, dass sich zwischen uns etwas ändert. Eines Tages werde ich dich erneut herausfordern und diesmal besiegen. Sollten wir bis dahin auf verschiedenen Seiten eines Schlachtfelds sein, erwarte kein Verständnis und keine Gnade von mir."

"Meine Worte", sagte ich, während ich mir das Hemd aus Spinnenseide überstreifte.

"Ihr habt beide schon einen weiten Weg hinter euch", sagte Matunus-sama, "und ein noch längerer Weg liegt vor euch. Ein wenig Rivalität ist nie verkehrt. Bedenke, Mamoru Morikubo-tono, wie weit Jardin gekommen ist, nur weil er zu dir aufholen wollte."

Ich nickte. "Ja, das erkenne ich an."

Der Kumo-Nin schwieg mit fest aufeinander gepressten Lippen. Harsch wandte er sich ab. "Komm, Morikubo. Die Würmer bringen uns zurück."

Ich klaubte mein Schwert auf und folgte ihm. Er hatte es etwas zu eilig, fand ich. "Enma-O-sama, ich sende dich zurück."

"Danke. Es hat sich gelohnt, zu kommen. Dein Jutsu ist sehr interessant, und ich erwarte, eines Tages die finale Form zu sehen. Allerdings noch nicht bei unserem Festmahl in anderthalb Wochen."

"Vielleicht ist es dann aber schon ausgereifter", sagte ich. "Und danke, Enma-O-sama."

Er nickte mir huldvoll zu. Daraufhin löste ich die Beschwörung auf und sandte ihn wieder auf den Affenberg zurück.

"Ich bin kein so großer Wortklauber wie Morikubo, Matunus-sama, aber ich weiß deine Unterstützung wirklich zu schätzen."

Der große Bär winkte bei Nabaras Worten großzügig ab. "Es ist mir Lohn genug, dass du so gut geworden bist und die Philosophie der Bärenkrieger angenommen hast. Das, und der Honig, zugegeben."

Irrte ich mich, oder zerdrückte der Kumo-Nin gerade eine Träne der Rührung unter dem rechten Augenlid, bevor er den Bärenkrieger zurücksandte?

"Komm jetzt", sagte er in einem barschen Ton. "Hyosuke bringt dich zu deinen Leuten. Kyosuke bringt mich zu meinem Ausgangspunkt. Und - ich war nie hier und habe nie mit dir gekämpft."

Ich nickte zustimmend. Immerhin wollte ich von ihm, dass er meinen Schüler trainierte.

Gemeinsam kletterten wir auf die Würmer, wechselten einen letzten Blick, und schossen in unterschiedliche Richtungen davon. Tatsächlich führte dieser Weg durch die Erde.
 

Als ich mich auf dem Hügel wiederfand, offenbarte sich mir ein Schlachtfeld, wie ich es erwartet hatte.

"Sensei!", rief Shinji enthusiastisch. "Es geht dir gut!"

"Euch anscheinend nicht so sehr", erwiderte ich und betrachtete die Misere. Mai hatte es erwischt. Sie trug den rechten Arm in einer Schlinge, die ihr P-chan angelegt hatte. Kuzoko hatte einen tiefen Cut unter dem linken Auge, und es war zugeschwollen. Kuzomi schien unverletzt, aber sie kümmerte sich hingebungsvoll um Kira, der ein Kunai im rechten Bein hatte. Augenscheinlich steckte die Spitze im Oberschenkelknochen, und um eine Fettembolie zu vermeiden, hatten die Affen die Klinge nicht entfernt. Damit hatten alle drei Genin und Kuzoko etwas abbekommen. Das lastete schwer auf meiner Seele. Von meinen Bunshin existierte nur noch einer. Das verriet mir genug darüber, wie schwer die Kämpfe gewesen waren, obwohl wir den Stellungsvorteil gehabt hatten. Kishio schien unverletzt, aber von ihm spürte ich unterschwellige Schmerzen. Ein totes Rhinozeros, das in seiner Nähe lag, sprach Bände, woher die Schmerzen kamen.

"Wir haben Akane auf den Berg zurückgeschickt. Sie wurde schwer verletzt", sagte Ryoga. "Ranma hat darauf bestanden, sie zu begleiten. Jetzt sind nur noch P-chan und ich hier. Wir sind nahezu unverletzt."

"Welcher Art ist ihre Verletzung?", fragte ich nach.

"Nichts, womit ein Affe nicht fertig wird", erwiderte P-chan grinsend. "Aber schwer genug, um ihr Ranma-niichans Fürsorge einzubringen." Sie feixte mir zu und ich verstand. Nun, warum sollte Liebe nicht ein wenig blühen dürfen, selbst nach einer Schlacht?

"Kuzoko?"

Sie kam zu mir. "Mamoru-sensei?"

"Ich nehme an, nachdem ich verschlungen wurde, hast du das Kommando übernommen."

"Ja, Sensei. Ich habe die Abwehr organisiert, mit Hilfe deiner Schattenklone. Sie haben nicht dagegen gesprochen, als ich übernommen habe."

Natürlich nicht. Weil sie ebenso wie ich hatten wissen wollten, wie sie sich geschlagen hat. Das nächste Mal würde ich Kishio das Kommando geben, danach einem der Genin. Und so weiter. Ich löste den letzten Kage Bunshin auf. Die Informationen flossen nun aus erster Hand in meinen Geist, zusammen mit dem Wissen der beiden zerstörten Klone, das sich im letzten Klon manifestiert hatte, was genug darüber aussagte, wie weit das Reich der Würmer vom Reich der Blitze entfernt war. Nun sah ich klar. Also waren es insgesamt zwanzig Angreifer gewesen, und von denen hatten nur zwei überlebt. Einer war geflohen, der andere lag, mittlerweile versorgt, am Fuß des Hügels, nicht transportfähig. Zumindest nicht für etwas anderes als ein ausgebildetes Medi-Nin-Team.

Sie waren mit Tierbeschwörungen und mit Kage Bunshin über meine Leute hergefallen; das Rhino hatte Kishio regelrecht auf die Hörner genommen, bevor er es getötet hatte. Shinji hatte sich durchgesetzt und einen Feind mit Wind-Jutsu zerteilt. Kira war verwundet worden, als er Kuzomi beschützt hatte, die wehrlos gewesen war, weil ihr Genjutsu einen Feind gefangen gehalten hatte. Und Mai hatte wütend gekämpft und sich in den Nahkampf gestürzt. Ein Gegner hatte ihr schließlich den Arm gebrochen, aber sie hatte ihm einen Senbon in die rechte Schläfe gestoßen und ihn getötet. Sie machte ihrem selbsternannten Titel als große Schwester Ehre. Über die Taten der Affen musste ich nicht viele Worte verlieren. Wie immer hatten sie gekämpft und gesiegt. Wenn Akane dabei verletzt worden war, sagte das genug über die Härte der Kämpfe aus. Ich schämte mich dafür, dass ich nicht bei ihnen gewesen war.

Ich würde ihnen später erklären müssen, was ich getan hatte, während sie um Leben und Tod gerungen hatten. Verdammt.
 

Ich spürte, wie Kishios Stresskurve stieg. "Da ist noch...!" Er sprang mit gezücktem Schwert vom Hügel, ließ die Klinge niederfahren.

Sein Gegner handelte geistesgegenwärtig und fing die Waffe zwischen beiden Handflächen auf. Kishio knurrte wütend und versuchte die Waffe seinem Gegner in die Brust zu rammen. Selbst als die Kunoichi, die plötzlich auftauchte, drohte, ihm mit ihrem Kunai die Kehle durchzuschneiden, hielt er nicht inne. Ich kam gerade noch rechtzeitig, um alle Klingen aufzuhalten. Das schloss die Klinge der zweiten Kunoichi ein.

"STOPP!", rief ich. "Kishio, nimm die Waffe zurück. Dies ist Omoi, mein guter Freund." Ich sah die Frau an, die dem Jungen ihr Kunai an die Kehle presste. "Und das ist meine gute Freundin Kamui-chan, die hoffentlich aufhört zu versuchen, meinen Genin zu töten."

Die große, rothaarige Frau raunte erschrocken auf und zog die Waffe zurück. Samui, die das Kunai geworfen hatte, das ich in letzter Sekunde aufgefangen hatte, kam per Step zu uns.

"Und dies ist ihre Anführerin, und auch meine besondere Freundin. Samui-chan. Sie ist Chunin in Kumogakure."

"Jounin. Das kommt davon, dass du nie zu Besuch kommst, Mamo-chan", tadelte sie mich. "Warum wart Ihr nicht am vereinbarten Treffpunkt?"

Omoi grinste. "Ich wusste doch gleich, dass das Feuer von Mamoru war. Äh, Kishio-kun, könntest du vielleicht..."

Der junge Moeru schien wie aus einem Traum zu erwachen. "Was? Ach so, ja." Er nahm den Druck von der Klinge, wartete, bis der große Ninja sie freigegeben hatte und steckte sie wieder fort.

"Was war hier los, Mamo-chan?", fragte Karui. Ihr Blick fiel auf einen Toten, der das Stirnband Kumos trug. "Und das würde ich gerne sehr genau wissen."

"Folgt mir zu meinen Genin. Ich erkläre euch alles, wenn wir uns auf den Weg nach Kumogakure machen." Ich wandte mich um, um per Step auf den Hügel zu gehen.

"Moment!" Omois Hand legte sich auf meine Schulter und stoppte mich. Bevor ich mich versah, steckte ich in seiner brüderlichen Umarmung. "Erstmal willkommen im Reich der Blitze, kleiner Bruder. Gut, dass du so ein großes Feuerwerk veranstaltet hast, damit wir dich finden konnten."

Ich lachte auf. "Ich habe mir Mühe gegeben, großer Bruder."

Ich war da, im Reich der Blitze. Nach so langer Zeit. Und es gab Menschen, die mich hier willkommen hießen. Ein schönes Gefühl.

Der ewige Chunin 16

12.

Es dauerte nicht lange, bis Omoi eine Patrouille erreicht und über den Anschlag informiert hatte. Eine Stunde später trafen weitere Shinobi, ein ANBU-Team und ein Medi-Nin-Team ein, das sich um meine verletzten Genin und den überlebenden verletzten Angreifer kümmerte. Die ANBU untersuchten die Toten, um ihre Identitäten festzustellen, vielleicht in der stillen Hoffnung, dass es doch keine Kumo-Nin gewesen waren, während die Shinobi das Gelände sicherten.

Mit ihnen kam Kirabi-sama. Er übersah das Schlachtfeld, den kahlgebrannten Hügel und meine verwundete Truppe, bevor er mich tadelte. "Mamo-chan, du Tölpel, du Dummkopf, als einziger unverletzt zu bleiben erfordert Glück oder Können. Aber musst du das nicht deinen Genin gönnen?"

Ich blinzelte überrascht. "Was, bitte?"

Omoi griente mich an. "Er rappt wieder."

"Was, bitte, genau?"

Samuis sonst so stoische Ruhe zerbrach für einen Augenblick. "Der Sprechgesang von Kumogakure. Eine Zeitlang war ja Ruhe, aber seit deinem Chunin-Examen hat er wieder damit angefangen und..." Sie warf die Arme in die Luft. "Ist ja auch egal. Jedenfalls will er dich fragen, warum du unverletzt bist."

Ich sah Kirabi-sama ernst an. "Ich war nicht hier."

"Du warst nicht hier? Dabei war es dein Bier, hier zu sein. Lass deine Genin nicht allein."

"Ich habe es nicht freiwillig gemacht. Ich wurde entführt. Und als ich den Weg zurück gefunden hatte, war der Kampf leider schon vorbei. Meine Schattenklone waren hier und haben mich vertreten. Einigermaßen würdig, denke ich und... KISHIO!"

Mit Step war ich neben dem umkippenden Jungen und fing ihn auf. "Verdammt, Junge, sag doch was."

Der rothaarige Bursche - nach der Sache am Strand waren es unwesentlich weniger rote Haare, weil Perine ihm die verschmorten Haare abgeschnitten hatte - versuchte sich an einem Lächeln. "Tut mir leid, Mamoru-sensei. Aber wenn ich auf Trance-Modus schalte, dann tue ich das ohne Rücksicht auf Verluste. Diesmal habe ich mich wohl zu sehr verausgabt." Wie sehr er sich verausgabt hatte, war daran zu sehen, dass seine Gesichtstätowierungen wieder erschienen, die er ansonsten mit einem Genjutsu zu verbergen pflegte. Wirklich, der Junge war am Ende.

"Sani!", rief ich. Einer der Kumo-Nin kam an meine Seite und legte seine Hände auf den Jungen. "Ruhig. Ihm fehlt nichts. Er ist nur vollkommen erschöpft. Noch eine Stunde länger und er hätte tot umkippen können."

"Eieieieiei." So langsam begann ich einige Dinge, den Moeru betreffend, besser und besser zu verstehen. Und ich verstand, dass es an meiner Führung liegen würde, ob Kishios fatale Kampfmethoden kanalisiert werden konnte, oder nicht. "Ich denke, wir tragen ihn besser."

"Das übernehmen die ANBU und Shinobi. Wir bringen die Genin direkt ins Hospital. Da dürften Sie sich ja noch gut auskennen, oder, Morikubo-san?", scherzte der Medi-Nin.

Ich sah genauer hin und erkannte, dass er damals, als ich vor knapp vier Jahren eingeliefert worden war, einer meiner behandelnden Mediker gewesen war. "Sadahara-sensei. Bei Ihnen weiß ich meine Leute in guten Händen. Ich werde dann mal ge..."

Gehen, und meine anderen Genin besuchen, hatte ich sagen wollen. Aber irgendetwas Großes, Schnelles griff nach mir und riss mich fort. Es dauerte einen Moment, bis ich begriff, dass es ein riesiger, fast einen Meter durchmessender und rund acht Meter langer Tentakel war. Es dauerte einen weiteren Moment, bis ich begriff, dass dieser Tentakel aus Kirabi-samas Rücken wuchs. Okay, zumindest stellte er keine Gefahr dar. "Du Tölpel, du Dummkopf. Fertig sind wir noch nicht. Deine Antwort brauche ich."

"Äh, Kirabi-sama, Ihre Reime in allen Ehren...", wandte ich vorsichtig ein.

Kirabi-sama seufzte. Der Tentakel ließ mich los und verschwand wieder in seinem Rücken. "Also, wo warst du, du großer Trottel? Du trägst jetzt eine riesige Verantwortung. Ich hoffe, das ist dir klar."

"Es ist ja nicht so, als wäre ich freiwillig verschwunden", erwiderte ich vorwurfsvoll. "Wie kannst du so etwas von mir denken, Sensei?"

Die Antwort machte ihn ein klein wenig verlegen. Für ein paar Sekunden hatte ich Oberwasser.

Zumindest, bis Karui sagte: "Keine Ausflüchte! Wo warst du, während deine Leute hier gegen eine Übermacht gekämpft - und zugegeben, gewonnen - haben?"

Ich überlegte meine Optionen. Jardin und ich hatten nicht vereinbart, dass wir nicht über unseren Kampf sprechen würden. Aber war es klug, ihn zu verheizen, wenn ich noch etwas von ihm wollte?

"Tut mir leid, Kirabi-sensei, aber im Interesse der Sicherheit Konohas bin ich nicht befugt, dir... WHOA!"

Kirabi-sensei grinste mich an und schob seine neue schwarze Sonnenbrille ein Stück die Nase hinab, um mir in die Augen sehen zu können. Das war eine ungewohnte Erfahrung, denn ich hing wieder an einem Tentakel, und dann auch noch kopfüber, genau auf Augenhöhe. "Wo warst du?"

Ich schluckte trocken. Dann erzählte ich die ganze Geschichte und ließ kein Detail aus.

Zum Dank wurde ich erstaunlich sanft wieder abgesetzt.

"Na also, du Tölpel, du Dummkopf. Warum nicht gleich so, junger Mann?" Er sah Samui an. "Er hat seinen Move gemacht, Samui-chan."

Die blonde Schönheit lächelte schmallippig. "Es war zu erwarten gewesen. Dann wird er ja bald zu uns kommen."

Ich zwinkerte verständnislos. Jardin Nabara war definitiv in den Anschlag auf mein Leben und das meiner Genin verwickelt gewesen, und auch wenn ich einen Privatfrieden mit ihm geschlossen hatte, hieß das nicht, dass Kumogakure ein Interesse daran hatte, dass er frei herumlief. Aber es schien nicht gerade so, als wäre Kirabi-sama drauf und dran, ihn zu finden und einzuknasten.

Omoi legte mir einen Arm um die Schulter. "Alles in Ordnung, Mamo-chan. Du hast nur gerade ein wichtiges Puzzlestück an seinen Platz getan. Wenn er fertig ist, wird er sich dir gegenüber sicher erklären. Und dann können wir auch darüber sprechen, denke ich. Bis dahin... Nun, du solltest dich um deine Genin kümmern." Er stutzte. "Sag mal, bist du größer als ich, kleiner Bruder?" Er nahm den Arm ab und maß uns. "Doch nicht. Aber fast so groß wie ich. Hör gefälligst auf zu wachsen, damit du mein kleiner Bruder bleiben kannst."

"Sehr witzig, Niichan." Ich seufzte. Aber er hatte Recht. Ich musste nach meinen Genin sehen.

"Eines noch, du Tölpel, du Dummkopf", sagte Kirabi-sama.

"Sensei?"

Er hielt mir die Linke hin, zur Faust geballt. "Willkommen zurück im Reich der Blitze, mein Schüler."

Ich konnte es nicht verhehlen, für einen Moment musste ich mit meiner Rührung kämpfen. Dann stieß ich seine Linke mit meiner Rechten an. "Ich bin wieder da, Sensei."
 

Ich klapperte meine Leute ab. "Mamo-chan." Kuzokos Auge sah schon viel besser aus, der Schnitt war beinahe verheilt und würde eventuell keine Narbe zurücklassen. Es wäre sehr schade um ihr hübsches Gesicht gewesen. Dennoch war sie kreidebleich. Wahrscheinlich traf sie die späte Erkenntnis, dass sie in diesem Gewimmel durchaus jemanden hatte verlieren können, vielleicht sogar die eigene Schwester, gerade besonders schwer.

Ich legte ihr eine Hand auf die Schulter und drückte leicht zu. "Gut gemacht. Du wirst mal ein guter Anführer, Kuzoko. Ich habe dir vollkommen zu Recht vertraut."

Ihr Blick wurde für einen Moment verwirrt, dann aber füllten sich ihre Augen mit Tränen. Bevor ich mich versah, war sie gegen meine Brust gesunken und hatte zu weinen begonnen. Das machte mich ein wenig hilflos. Ich tätschelte ihren Rücken, weil mir nichts Besseres einfiel. "Geht es?"

"I-ich weine nicht. Nicht wirklich", nuschelte sie. "Das sind Freudentränen. Ich dachte, du schimpfst mich aus oder schickst mich zurück."

Diese Worte erleichterten mich dann doch. Anscheinend musste der Mamo-Pakt nicht zwangserweitert werden. "Aber, aber", sagte ich, "so einen nützlichen Kämpfer wie dich schicke ich doch nicht grundlos zurück. Du hast alles richtig gemacht."

Langsam hob sie wieder den Kopf. Noch waren ihre Wangen rot von ihren Tränen, aber sie lächelte mich mit der Kraft der aufgehenden Sonne an. "Danke, Sensei. Ich bin sicher, ich werde viel bei dir lernen."

"Das hoffe ich doch." Mein Schmunzeln schien mir im Gesicht zu erfrieren, als mir bewusst wurde, dass es an mir liegen würde, diesen Wunsch zu erfüllen.

"Kishio?", fragte sie mit einem scheuen Seitenblick auf den Jungen, der nicht weit von uns am Boden lag und behandelt wurde.

"Hat sich bis zur äußersten Grenze verausgabt", informierte ich ihn. "Wenn wir nach Kumogakure aufbrechen, möchte ich, dass du an seiner Seite bleibst, Kuzoko. Jetzt begleite mich. Wir wollen nach den anderen sehen." Das hatte ich zwar schon gemacht, aber wenn ich den Genin Mut zusprach und Kuzoko dabei hatte, festigte es ihre Stellung in der Gruppe. Noch hatte ich nicht entschieden, ob und wen ich zu meinem Stellvertreter machte; heiße Kandidaten waren Kishio, Kuzoko und Shinji, was mich selbst am Meisten erstaunte. Ich hätte für so eine Entwicklung eher auf Kira oder Mai getippt.

Apropos Mai. Sie unterhielt sich mit Kuzomi, während einer der Shinobi die beiden mit Tee versorgte. Ich musste meine erste Meinung revidieren. Kuzomi war verletzt worden, aber nicht sehr schwer. Sie war mit einem Veilchen davon gekommen und ihre gekrümmte Körperhaltung bewies, dass sie auf der rechten Seite einen Schlag oder einen Tritt abbekommen hatte.

"Sensei!", rief Mai fröhlich und schwenkte die Hand mit dem Teebecher. Der andere war noch immer ruhig gestellt, obwohl ich mir sicher war, dass die Medi-Nin Kumos auch das bald wieder würden hinkriegen können. Ein Armbruch war nichts, was nicht mit ein paar Tagen Ruhe und weiteren Chakra-Behandlungen behoben werden konnte.

"Hallo", murmelte Kuzomi. Sie deutete hinter sich, wo ein Medi-Nin gerade dabei war, das Kunai aus Kiras Oberschenkelknochen zu ziehen, während sich der zweite bereitmachte, um den Knochen sofort wieder zu versiegeln. Es erstaunte mich, dass sie die Retraktion nicht erst im Krankenhaus vornehmen wollten. Aber anscheinend war die Wunde relativ sauber und betraf keine großen Blutgefäße. Voraussetzung für eine Infektion mit Knochenmarkfett, was wiederum zur gefürchteten Fettembolie führen konnte. "Sie ziehen gerade."

Ich besah mir das Mädchen genauer. Es zitterte. Und es schien sich nicht entscheiden zu können, ob sie bestürzt oder hocherfreut sein sollte. Ich verstand. Einerseits war sie bis zum Anschlag mit positiven Emotionen, Kira betreffend, überfüllt, nachdem er ihr wahrscheinlich das Leben gerettet hatte, andererseits musste sie sich wegen seiner Verletzung die allergrößten Vorwürfe machen.

"Gute Arbeit, kleine Schwester", sagte Kuzoko hastig. "Dein Genjutsu war fehlerlos."

Das brachte sie doch relativ schnell zum Strahlen. "Danke, Onee-chan."

"Und du, Mai... Ich werde Sensei dran erinnern, dass wir aus dir eine Multiwaffenkämpferin machen. Hättest du nur ein paar Senbon mehr gehabt..."

Die Erinnerungen, die mir von meinem Klon zugeflossen waren, umfassten leider nur einen Teil des Geschehens, weil beide hier stationierten Schattenklone relativ früh zerstört worden waren, um die Genin zu beschützen. Daher wusste ich nicht, wie Mai der Arm gebrochen worden war. Aber ich sah, dass ihre Ausrüstung zur Säuberung vor ihr auf einem Tuch lag. Und keines der Shuriken, Senbon und Kunai war unbenutzt geblieben.

Verlegen sah sie mich an. "Äh, meine Fuusha liegen beide noch irgendwo da draußen. Ich habe die Shinobi gebeten, sie für mich zu suchen..."

Ich senkte meine Linke auf ihren Kopf und meine Rechte auf Kuzomis Haarschopf. "Keine Sorge, wir gehen nicht, bevor du sie nicht wiederhast, Mai-chan. Sehr gute Arbeit. Und was dich angeht, mein kleines Spinnchen: Ich hoffe wirklich sehr, dass sich Kira als würdig für einen permanenten Kontrakt erweisen wird."

Die beiden Mädchen strahlten und nickten zugleich, bestätigende Laute ausstoßend. Von der merkwürdigen Ärgerlichkeit, die ich bei Mai die letzten Tage zu spüren geglaubt hatte, war nichts mehr zu erkennen. Oder noch nicht. Ich beschloss, das im Auge zu behalten.

"Sensei, was ist mit Kishio?", fragte Mai neugierig. "War sein Clinch mit dem Rhino doch zuviel?"

"So in etwa. Er hat kein Chakra mehr, der arme Kerl. Das hätte auch euch passieren können."

Ich räusperte mich. "Wir brechen auf, sobald deine Fuusha wieder da sind", versprach ich. "Die ANBU wollen in Ruhe ermitteln."

"Ja, Sensei!", sagten sie zugleich.

Ich zog meine Hände zurück und ging mit Kuzoko weiter zu Kira.

"Schmerzen?", fragte ich den Jungen.

"Geht so, geht so", erwiderte der Blondschopf grinsend. "Autsch, warnt mich doch!"

Als das Kunai entfernt war und der zweite Medi-Nin damit begann, den Knochen und das Fleisch zu schließen, sah er mich wieder an. "Das dauert nicht lange, Sensei. Hoffentlich bleibt eine schöne Narbe. Zum Angeben. Das ist übrigens schon das zweite Gefecht, in das wir geraten, weil dich jemand nicht mag, Sensei."

Ich schnaubte überrascht. Er hatte vollkommen Recht. Und mein schlechtes Gewissen war eigentlich noch nicht schlecht genug.

"Und? Stört dich das?"

"Ach, Quatsch. Natürlich nicht. Auch wenn es diesmal knapp war, wir haben gewonnen." Ein Schatten legte sich über sein Gesicht. "Es war nötig, oder?"

Damit spielte er auf die Toten an. "Sie hätten euch kalten Herzens sofort getötet, ja. Es ging um sie oder euch."

"Dann bereue ich nichts", murmelte er.

Als er wieder zu mir aufsah, strahlte er fast. "Hey, Sensei, ich konnte drei Sekunden lang meine Nervenimpulse beschleunigen! Damit habe ich einen erledigt, der wusste gar nicht, wie ihm geschah!"

Ich pfiff anerkennend. Normalerweise war ein Kampf ein Konzentrationskiller, und Kiras spezielles Raiton erforderte eine Menge Konzentration. Es im Kampf anzuwenden und zu behaupten, war eine enorme Steigerung. "Weiter so, und ich sehe jemanden vor mir, der sich für das Chunin-Examen empfiehlt."

"Meinst du das ernst, Sensei?"

Ich lächelte. "Wer weiß? Wir werden sehen, wie du dich in Kumogakure schlägst. Viele Eigenschaften sind notwendig, um kommandieren zu dürfen. Ich werde dich ausgiebig testen."

"Nur zu, nur zu!" Kira grinste breit. "Du wirst schon sehen, dass ich vor Shinji Chunin werde."

"Was soll denn der Scheiß?", rief Shinji und kam herüber, den rechten Arm ebenfalls in der Schlinge. "Natürlich werde ich vor dir Chunin, das steht ja wohl außer Frage!"

"Hauptsache, Ihr werdet beide Chunin", sagte ich, der Gerechtigkeit zu Willen. "Ich bin so oder so stolz auf euch."

"Danke, Sensei."

Ich winkte den beiden und ging zu den Affen weiter, die den ANBU gerade Rede und Antwort standen. Doch als ich sah, dass einer der ANBU Ryoga mit einem Bannspruch belegen wollte, beschleunigte ich unwillkürlich meinen Schritt. "HEY! Was soll der Mist?"

Der ANBU wandte mir sein Gesicht zu, oder vielmehr seine Tiger-Maske. "Ihre Affenkrieger müssen interniert werden, bis wir die Frage geklärt haben, wer hier wem aufgelauert hat. Immerhin sind achtzehn Kumo-Nin tot und ein weiterer schwer verletzt. Und der belastet Sie schwer, Morikubo-kun."

Hartes Chakra war eine feine Sache. Für den erfahrenen Nutzer einfach hergestellt und schnell projiziert. In diesem Fall leitete ich es in meine Arme und schlug ansatzlos auf kurze Entfernung zu. Der Tiger-ANBU wurde vollkommen überrascht und auf der Brust getroffen. Die Härte des Schlags riss ihn von den Beinen und schleuderte ihn meterweit davon. Bevor die ANBU mit der Eulenmaske, die ebenfalls neben den Affen stand, reagieren konnte, raste ich mit Step hinterher und tauchte direkt über dem benommenen ANBU, der noch immer vom Hügel hinab flog, wieder auf.

"Verleumdungen mag ich überhaupt nicht", zischte ich ihm zu. "Und bevor du das nächste Mal einen Gast des Raikages anpinkelst, informiere dich besser, ob er mit dir Schlitten fährt!"

Ich machte ein Rolle in der Luft, die beide Beine ins Spiel brachten. Damit trat ich ihm in den Brustkorb. Deutlich hörte ich mehrere Rippen knacken. Zusätzlich zum Bewegungsimpuls vom Hügel fort wurde er jetzt auch noch nach unten gedrückt. Hart schlug er auf, überschlug sich und rollte mehrere Dutzend Meter weit, bevor er benommen liegenblieb. Das war nicht genug gewesen, um einen ANBU zu töten, einen Konoha-ANBU zumindest nicht, aber es war hoffentlich eine deutliche Warnung gewesen. Ich, der Angreifer? Wie frech konnte dieser Bursche eigentlich werden?

"Wage es ja nicht, dieses Schwert auf mich zu richten", fuhr ich die Eulen-ANBU an, die mit gezogener Klinge neben mir aus dem Step kam, "außer, du willst es vor dem Raikage verantworten!"

"Fukuro-tono! Das reicht!" Kirabi-sama kam nun ebenfalls neben mir aus dem Step. Sein Blick schien sogar die schwarze Sonnenbrille zu durchdringen und die ANBU einzufrieren. Sie zögerte, wich einen Schritt zurück und steckte ihr Schwert weg, bevor sie sich formell von Kirabi-sama verneigte. "Jawohl, Kirabi-sama."

"Kümmere dich jetzt um Tora-tono. Es wird besser sein, du ziehst einen Medi-Nin hinzu."

Die ANBU bejahte und beeilte sich, zu ihrem Kameraden zu kommen.

"Checke seinen Hintergrund, Kirabi-sama", sagte ich noch immer verärgert. "Sicher hängt er irgendwie in der Anti-Konoha-Fraktion drin. Ich soll den Kumo-Nin aufgelauert haben? Pah!"

"Du Tölpel! Du Dummkopf! Musst du gleich das Messer wetzen? Musstest du ihn gleich verletzen? Wo ist dein Ruhe hin? Bist du noch der gleiche Chunin, den ich damals im Examen sah? Ist von ihm noch irgendetwas da?"

Erstaunt sah ich den Hünen an. "I-ich... Tut mir leid, Sensei, aber als ich sah, wie er Ryoga mit dem Bannzauber belegen wollte, da... Da bin ich ausgetickt." Tränen füllten meine Augen. Ich konnte nichts dagegen tun. "I-ich war nicht hier, als meine Genin angegriffen wurden. Alle wurden verletzt, nur ich nicht. Akane-chan wurde so schwer verletzt, dass sie zum Affenberg zurückgeschickt werden musste! Und als ich Ryoga in Gefahr sah, als ich diese hanebüchene Anschuldigung gehört habe, da... Da..."

Eine glatte Menschenhand legte sich auf meiner Schulter. Dennoch wusste ich sofort, dass sie einem Affenkrieger gehörte. "Nur die Ruhe, Mamo-chan. Wir sind doch recht gut ohne dich zurecht gekommen. Du musst dich nicht um jeden Scheiß selbst kümmern. Und deine Genin sind stolze Shinobi Konohas, die ihren Teil mehr als geleistet haben. Und diesen vorwitzigen ANBU hätte ich schon selbst in seine Schranken gewiesen, wenn er zu weit gegangen wäre." Röte zog über sein Gesicht. Verlegen sah er fort. "A-aber ich weiß es sehr zu schätzen, was du da getan hast. Das macht mich sehr froh und stolz. Es lässt mich fühlen, als wären wir Freunde..."

"NATÜRLICH sind wir Freunde, Ryoga! Und ich hätte für nichts garantiert, wenn ich erst gekommen wäre, nachdem er dich gebannt gehabt hätte!"

"Verantwortungskoller", sagte Kirabi-sama seufzend.

Mittlerweile kümmerte sich ein Mediziner um den verletzten ANBU, während Fukuro-tono zurückkehrte. "Ein paar Rippen sind gebrochen, viele blaue Flecken und ein leichtes Trauma der inneren Organe. Er wird es überleben." Die ANBU zögerte. "Um ehrlich zu sein, seine Anschuldigung kam mir sehr komisch vor. Vier Genin, vier Affenkrieger und zwei Chunin sind nicht wirklich das, was es im Angriff mit zwanzig Kumo-Nin aufnehmen können sollte, außer sie..."

"Außer, sie sind in der Defensive in einer vorteilhaften Position", vollendete ich den Satz.

"Genau. Ich entschuldige mich für meinen Kameraden, Morikubo-sama. Er ist bestimmt kein Anti und ich verstehe nicht, was da in ihn gefahren ist. Ich kann es kaum glauben, dass er die halbseidenen Anklagen des Verletzten geglaubt hat."

Ich lächelte geringschätzend. "Der Raikage hat mich eingeladen. Warum sollte ich dann Kumo-Nin angreifen oder angreifen lassen?" Ich stutzte kurz. Zwei Chunin? Dann musste sie Kuzoko und Kishio meinen. Interessant, dass sie vom Kennerblick eines ANBU so geadelt worden waren.

"Um die Anti-Fraktion auszudünnen? Es wäre zumindest ein Motiv. Und letztendlich sind wir alle Shinobi", erwiderte sie. Sie hob abwehrend die Hände. "Aber diese Erklärung ist so dünn, dass ich sie ohnehin nicht glaube."

"Es ist gut. Machen Sie Ihren Job, bitte", sagte ich, mit einem Anflug von Kopfschmerzen kämpfend. Himmel, seit wann agierte ich so impulsiv, unüberlegt, und... Ja, brutal? Seit ich drei Kinder beschützen musste, die frisch von der Schule gekommen waren. Seit sie verletzt waren. Seit ein Affenkrieger, den ich für ihren Schutz beschworen und der diesen Schutz gewährleistet hatte, über alle Maßen hatte brüskiert werden sollen.

"Verstanden, Morikubo-sama." Sie verschwand mit Step wieder auf dem Hügel.

"Ich helfe bei den Abzugsvorbereitungen. Sicher suchen sie noch jemanden, der Kishio-kun bis Kumogakure tragen kann", sagte Ryoga, tätschelte noch einmal meine Schulter und verschwand dann auch per Step.

Ich beobachtete, wie der lädierte Tiger-ANBU für den Abtransport vorbereitet wurde. Er sah nicht zu mir herüber. Das war erstaunlich. Ich war mir eigentlich sehr sicher, mir einen Feind auf Lebenszeit gemacht zu haben und dass er schon jetzt Rachepläne schmiedete. Er war ANBU, verdammt, und damit hatte ich nur auf den Überraschungsmoment setzen können! In einem regulären Kampf wären meine Chancen erheblich schlechter ausgefallen.

"Niemand tut deinen Genin etwas an. Dazu stehe ich, glaub es, Mann", sagte Kirabi-sama mit ruhiger Stimme.

"Danke, Sensei", sagte ich mit einer merkwürdig dumpfen Stimme. "Es tut mir leid, dass ich überreagiert habe."

"Das hast du wohl getan. Aber deine Botschaft, die kam an. Und du bist auf Wunsch des Raikage hier, darum ist es nicht Tiger-tonos Bier. Er wird getadelt und du wirst geadelt. Ein solcher Streich gegen einen ANBU ist beachtlich. In Kumogakure gilst du jetzt als fachlich hoch versiert und erfahren genug, als der Chunin, der einen ANBU schlug."

Ich lächelte dünnlippig. "Danke für die Blumen, aber höchstwahrscheinlich war es doch nur mein Ego, nicht das Pflichtbewusstsein meinen Leuten gegenüber."

Kirabi-sama lachte lauthals. "Das ist auch keine schlechte Eigenschaft. Es hat dir eine neue Legende für deinen Ruf eingebracht." Er verwuselte meine Haare mit der Rechten. "Jetzt komm mit zurück und auf in die Stadt. Und mit etwas Glück geht wenigstens das glatt. Der Mamoru-Faktor könnte uns verschonen. Und außerdem bin ich ein Jounin."

"Sensei, was soll das denn heißen? Morikubo-Faktor? Was siehst du in mir? Einen Unruheherd, oder was?"

"Natürlich sehe ich dich so. Du doch auch, gib's zu."

"Ein wenig, vielleicht", sagte ich widerstrebend.

Kirabi-sama lachte schallend und stellte die Misshandlung meiner Frisur ein. "Komm, lassen wir nicht noch mehr Zeit verstreichen. Wir wollen noch bei Tageslicht Kumogakure erreichen. Mein Bruder wartet bereits; und allmählich wird es Zeit."

"Sensei, die Reimerei nervt", beschwerte ich mich. "Ist das eine neue Waffe, die du da ausprobierst?"

"Du Tölpel! Du Dummkopf! Alles, was ich tue, tue ich mit großem Ernst. Und es wäre gut für dich, wenn du von mir lernst!"

"Gerne, aber bitte keinen Sprechgesang."

Kirabi-sama machte einen Laut des Missfallens und ließ dabei ein einzelnes Wort erklingen, das nach "Banause" klang. Aber er war mir nicht wirklich böse. Das würde er nie sein.

Per Step kehrten wir zum Hügel zurück. Rund um uns machten sich alle bereit zum Aufbruch. Die, die nicht laufen konnten oder durften, wurden auf kräftige Rücken gepackt. Das ging schneller, als eine Pferdekutsche kommen zu lassen. Und es war auch schonender für die Verletzten, als eine Reise per Kutsche.

"Sensei?"

"Hm?"

"Ich habe einen Genin unter meiner Fittiche, der Raiton-Benutzer ist. Sein Vater kommt aus Kumogakure und ist Händler. Da habe ich mich gefragt, ob du ihm nicht das eine oder andere Jutsu für Genin beibringen könntest."

"Das mache ich vielleicht, wenn du dich zu benehmen weißt."

Ich atmete erleichtert auf. Das war zumindest ein Fuß in der Tür. Zusammen mit dem, was ich von Jardin Nabara erwartete, falls er die Nacht überlebte, würde Shinji einiges lernen können. Hoffentlich. Ob ich auch den Raikage...? Nein, der hatte viel zu hohe Ansprüche. Das konnte Kira umbringen.

"Sensei?"

"Hm?"

"Ruft der Raikage-sama mich wegen dem Versteck Orochimarus in Reich der Steine, das ich zerstört habe?"

"Nein, das ist nur teilweise korrekt. Denn wir haben unser eigenes Versteck entdeckt."

Ich sah den großen, kräftigen Mann erstaunt an. "Und ich soll..."

"Es mit deinen erfahrenen Augen sehen und uns helfen, es zu verstehen."

Damit war ich also anerkannter Experte für Geheimverstecke des berüchtigsten Nukenins Konohas. Dabei hatte ich eigentlich nur Erfahrungen darin, sie zu erobern oder niederzubrennen. Aber wie alle meine Aufgaben nahm ich auch diese an. Da ich nicht annahm, dass das Versteck in Kumo lag, bedeutete dies eine Reise für mich. Die ideale Gelegenheit, um meine Genin durch das gleiche Training zu hetzen, durch das auch ich gegangen war. Ich begann unheilvoll zu lachen, als ich mir all die Arbeiten vorstellte, die sie ebenso wie ich vor fast vier Jahren verrichten würden: Einkaufen. Kindern Unterricht geben. Müll entsorgen. Unkraut jäten. Geldboten begleiten. Bodyguard spielen. Sonstige Botengänge erledigen. Das also war der Generationenvertrag von Konoha. Das, was einem die eigenen Sempais und Senseis auferlegt hatten, durfte man weitergeben - an die nächste Generation. Das musste man sogar, wenn die Genin einem am Herzen lagen. Das, was einen selbst geformt hatte, konnte für sie nicht schlechter sein. Hoffte ich zumindest. Aber in diesem Fall gab es nicht viele Zweifel. Nicht sehr viele.

Kuzoko, die wieder zu mir aufgeschossen hatte, sah mich erschrocken an. "Mamoru-sensei, mit dieser Lache machst du mir Angst. Das klang so, als würdest du etwas wirklich übles aushecken."

Unwillkürlich ging mein Blick zu Mai, Shinji, Kira, Kuzomi und Kishio, anschließend zu Kuzoko selbst. "Ja, das könnte man fast so stehenlassen."

Die fünf reagierten unterschiedlich, je nach Charakter, auf meine Worte. Die gängigste Reaktion jedoch war ein hartes Schlucken. Kuzoko hingegen wurde erst blass, dann puterrot im Gesicht. Irgendwie... Gefielen mir diese Reaktionen. Bedeutete es doch, dass sie durchaus etwas von mir erwarteten. Wie hatte doch Kakashi mal zu mir gesagt? Wenn deine Schüler nicht über dich fluchen, war die Lektion zu leicht. Es wurde wirklich Zeit, diese sechs bis an ihre Grenzen zu führen...

***

"Du hast mich rufen lassen, Raiden-sama?", klang die Stimme des hochgeschossenen, hageren Mannes auf, als er auf den Balkon hinaustrat. Hier, achtzig Meter über dem Boden, war der Wind häufig recht frisch. Und so war es auch jetzt. Jardin Nabara zog die Weste, die er trug, enger an seinen Leib.

Der Angesprochene lag auf seiner Liege in der Sonne und las ein Buch. "Einen Augenblick, Nabara-kun. Den Absatz noch." Der alte Mann las unbeirrbar weiter und beendete seinen Text. Als er das Buch zuschlug, versehen mit einem Lesezeichen, winkte er Nabara näher.

"Erkläre mir das Desaster. Erkläre mir, warum Morikubo noch lebt. Erkläre mir, warum du noch lebst."

"Nun, Onkel... Es war mir klar, dass die Mission scheitern würde... Scheitern musste, nachdem meine "Mitarbeiter" darauf bestanden, die Genin auszulöschen und sie dabei hoffnungslos unterschätzt haben."

"Komm mir nicht so! Du hast die Leute selbst handverlesen! Und du hast gesagt, dass die Affenkrieger kein Problem sein würden!", blaffte der alte Mann ärgerlich. "Du hast hier gestanden, und pulsiertest vor Hass, vor blankem Hass auf Mamoru Morikubo! Du wolltest beenden, was du angefangen hattest, damals von vier Jahren beim Chunin-Examen und..."

Der alte Mann stutzte. Für einen Moment schien er bleich zu werden, aber er fing sich schnell wieder.

"Richtig, Onkel. Mit diesen starken Emotionen habe ich meine wahren Gedanken überdeckt, weil ich wusste, dass du sie dann nicht erkennen können würdest. Ich musste nur wütend sein, unendlich wütend. Du hast nichts davon zu sehen bekommen, was ich tatsächlich geplant hatte." Ein Lächeln ging über sein Gesicht. "Was wir geplant haben."

Raiden sah sich um. Nabara war allein gekommen. Beinahe hatte er ANBU erwartet, die ihn verhaften würden. "Erkläre dich."

Ehrfürchtig verneigte sich der junge Mann vor dem Alten und ging in den Saiza-Sitz. "Als mich Morikubo im Finale des Chunin-Examens schlug und mich lächerlich machte, war dies auch ein harter Schlag für die Anti-Konoha-Fraktion. Ich war der letzte von zwölf jungen Genin, die dieser Gruppe zugerechnet worden waren. Wir hatten alles dafür getan, um die Konoha-Genin zu vernichten, ihr Versagen offenzulegen. Dafür hatten wir sogar die Oto-Nin damit beauftragt, sie umzubringen. Nichts hat geholfen. Ich versagte an einem einzigen Menschen, der auch nur ein Kind war: Mamoru Morikubo. Nun ist es keine Schande, gegen jemanden zu verlieren, der besser ist als man selbst. Aber eine große Schande, sich nicht anschließend an ihm zu orientieren und selbst besser zu werden.

Andere sahen das nicht so. Und obwohl wir keinen einzigen Genin verloren hatten, ergossen sich die Häme und der Spott alleine über mein Haupt. Die Anti-Konoha-Fraktion ließ mich fallen, wie ein heißes Eisen." Er verbeugte sich nochmal, diesmal fast bis zum Boden. "Raiden-sama, nur du und der Clan hieltet vorbehaltlos zu mir, selbst in diesen schweren Zeiten. Deinem Zuspruch ist es alleine zu verdanken, dass ich im Folgejahr erneut zum Chunin-Examen antreten durfte. Und dort war es, dass ich durch die Zusprache von Kirabi-sama zum Chunin ernannt wurde."

"Kirabi?", fragte der Alte erstaunt. "Mir war nicht bekannt, dass er bei der Prüfung anwesend war."

"Es war der erste Wir-Effekt. Er war ausgesandt worden, um mich zu beurteilen, da der Raikage selbst ein kritisches Auge auf mich geworfen hatte. Seither hat mich Kirabi-sama niemals mehr aus dem Auge verloren." Nabara dachte über diese Aussage nach. Okay, es gab Lücken, zum Beispiel, als Kirabi-sama für acht Wochen in dieser Glücksspielerstadt untergetaucht war...

"Es dauerte einige Zeit, bis ich verstand, was ich war und was ich werden würde. Mein Hass auf Morikubo bestand einerseits aus dem Hass auf Konoha, der mir antrainiert worden war, andererseits aus meiner Wut über meine Niederlage, obwohl ich die Kräfte eines Agenten Orochimarus kurz mein Eigen nennen durfte. Dies war auch der Hass, den ich aufrecht erhielt, jedesmal wenn wir miteinander sprachen, Raiden-sama."

"Sprich weiter, Nabara-kun", ermutigte der Alte den Chunin.

"Jawohl, Raiden-sama. Bald erkannte ich schon, dass es keinerlei Grund gab, sich nicht mit Morikubo zu messen, zu schauen, ob meine Kontraktpartner ähnlich mächtig sind wie seine, zu sehen, ob ich es als Shinobi mit ihm aufnehmen konnte. Auch ohne einen Krieg war dies möglich, aber ich brauchte einen Vorwand. Dass der Hass auf Konoha nicht meiner war, erkannte ich schnell, nachdem Kirabi-sama sich meiner annahm. Ich sah die Welt aus einem neuen Blickwinkel und erkannte, dass all der Hass, der in Kumogakure gegen Konoha herrschte, vor allem daher rührte, dass es dem Friedensboten, der nach Konoha ging, nicht gelungen war, Hinata Hyuuga zu entführen, mit der man Kinder mit Byakugan-Augen hätte züchten können. Und noch übler wurde es, als der Bote getötet worden war, man aber die Byakugan seines Mörders nicht verwenden konnte, weil sie versiegelt worden waren. Hätte der Raikage nicht eingegriffen, seine Leiche wäre wilden Hunden zum Fraß vorgeworfen worden. So aber erhielt sie ein würdiges Begräbnis. Dies war alles nicht meins, und ich bin mit unserem toten Boten nicht verwandt. Doch das Haus Imato, dem er entstammte, betrieb weiterhin aus Hass und Störrigkeit den Weg des Krieges."

"Das ist mir alles bekannt", sagte der alte Mann. "Was aber löste deinen Sinneswandel aus? Wie konntest du dir den Hass bewahren, den ich erspürte?"

"Raiden-sama, du weißt, ich wurde als Bedingung für die Teilnahme beim nächsten Chunin-Examen für ein Jahr ausgerechnet dorthin gesandt, nachdem die Anti-Konoha-Fraktion mich geschasst hatte, damit über die Emotionen die Ruhe der Zeit kommen konnte. In jener Zeit lebte ich bei einer Händlerfamilie, die ihre Wurzeln in Kumogakure hatte und deren Kumo-Zweig sehr für den Frieden mit Konoha eintrat. Konnte ich anfangs meinen Hass auf Konoha nur schwer bezähmen, so lernte ich doch die Stadt und die Menschen kennen. Mir wurde klar, dass es Unsinn ist, eine ganze Stadt zu hassen. Es ist allein richtig, einzelne Personen zu hassen, und dann auch nur für ihre Worte und ihre Taten. Nicht aus Prinzip. Solch ein Denken führt immer in den Untergang." Er verbeugte sich tief vor Raiden-sama.

"Das ist eine kluge Erkenntnis. Also wandte sich die Anti-Konoha-Fraktion von dir ab und du wandtest dich von ihr ab. Was dann?"

"Verzeihung, Raiden-sama, aber ich bin dabei, dir, dem Oberhaupt unserer Familie, Ungeheuerliches zu gestehen. Verfahre mit mir, wie immer du willst." Um seine Worte zu unterstreichen, zog er sein Schwert samt Scheide hervor und legte es dem Alten ehrerbietig zu Füßen.

"Fahre fort."

Nabara verbeugte sich erneut. "Jawohl, ehrwürdiger Großonkel. Nachdem ich erkannte, wie falsch der Hass auf Konoha war, weil die Menschen, die in dieser Stadt lebten und die Shinobi, die jetzt für ihre Stadt kämpften, kaum mehr etwas mit unseren Kämpfen Im Ninja-Weltkrieg zu tun hatten und den Frieden wünschten, erkannte ich, wie falsch es war, der Anti-Konoha-Fraktion anzugehören. Eigenmächtig beschloss ich, alles Menschenmögliche zu tun, um auch meine Familie aus der Koalition zu drängen. Nein, zu befreien. Darum besprach ich mich mit dem Raikage und Kirabi-sama, wie dies wohl zu schaffen sein würde, denn ich sah, dass die Koalition, wenn sie ihr Fehlen einsah, Kumo in einen Bürgerkrieg stürzen könnte. Nein, das ist falsch. Sie wird Kumogakure in einen Bürgerkrieg stürzen." Erneut verbeugte er sich tief.

"Erzähle mir von Morikubo."

"Jawohl. Als er mich besiegte, damals im Examen, war es mein einziges Lebensziel, mich an ihm zu rächen, unabhängig von dem, was die Koalition wollte. Ich war in Konoha und ich war bereit, es zu tun. Leider war er stets so beschäftigt, dass ich nicht mehr schaffte, als ihn zu observieren. Ich sah, wie sehr er gehetzt wurde, wie er Aufgabe über Aufgabe anzunehmen hatte und jede einzelne bewältigte. Manchmal folgte ich ihm auf Missionen. Manchmal ließ ich mir von ihm berichten. Ich konnte nicht umhin, während ich auf meine Chance wartete, anzuerkennen, was für ein Mann er ist. Ich respektierte ihn und das tue ich noch immer. Er ist ein großartiger Shinobi, auch wenn er der Letzte wäre, der dem zustimmen würde. Aber dennoch, da war immer noch mein Drang, mich mit ihm zu messen, ein für allemal zu klären, dass er mir nicht ewig voraus ist. Ich wollte diesen Kampf, ich brauchte diesen Kampf. Ich bekam diesen Kampf." Er straffte sich merklich. Stolz klang in seiner Stimme auf. "Es wurde ein Unentschieden. Ich bin ihm so nahegekommen, dass wir einander ebenbürtig sind. Ich bin nicht länger der Schwächere, was für mich eine befriedigende Erfahrung ist."

"Erzähle mir von den Vorbereitungen zum Kampf", forderte Raiden.

"Jawohl. Als klar war, dass Mamoru Morikubo vom Raikage gerufen worden war, wusste ich, dass die Koalition dies für einen Angriff nutzen würde, um Krieg mit Konoha vom Zaun zu brechen. Eine Gruppe junger Genin, abgeschlachtet, würde den Zorn der mächtigen Stadt wecken. Und wenn dabei einer ihrer Helden, der Vernichter Otogakures, ebenfalls starb, wäre sie in ihren Grundfesten erschüttert. Mir war klar, dass die Anti-Konoha-Fraktion es versuchen würde, also setzte ich alles daran, um an der Spitze dieses Versuchs zu stehen, was ich dank deiner Hilfe, Raiden-sama, auch geschafft habe. Fortan wählte ich meine Begleiter mit großem Bedacht. Ich nahm sie auf, wenn sie zwei Kriterien erfüllten: Kriterium eins war, dass sie wichtige Positionen in ihren Familien einnahmen, wenn möglich Erben des Hausvorstandes waren. Nummer zwei war, dass sie so von sich voreingenommen, so arrogant waren und den Lügen über die Schwächen der Konoha-Nin so sehr Glauben schenkten, dass sie sich für einen waghalsigen Angriff entscheiden würden, ganz entgegen meines Rates oder gar meiner Befehle. Somit vollführte ich das größte Attentat in Kumogakure nach dem letzten Ninja-Weltkrieg und bekam zugleich meinen Kampf mit Morikubo."

Erneut verbeugte er sich. "Die Gefallenen hatten wichtige Positionen in ihren Familien inne. Wie ich vorhergesehen hatte, scheiterten sie bereits an den Affenkriegern. Aber auch die Genin haben überlebt, was bedeutet, dass die Stärke der Anti-Konoha-Fraktion eine fragwürdige ist. Außerdem ist Mamoru Morikubo mit seinem Kuchyose eine Armee für sich selbst."

"Das steht außer Frage", murmelte der Alte. "Erzähl mir vom Bürgerkrieg."

"Jawohl, Raiden-sama! Uns allen war klar, dass ein Fehlschlag beim Angriff auf Morikubo die Anti-Konoha-Fraktion ein für allemal zerstören würde; von dieser Zerstörung würde sie sich auf Jahrzehnte nicht mehr erholen und alle Koalitionen in der Fraktion würden zerbrechen. Ihre einzige Möglichkeit, um dann noch zu bestehen, ist ein Attentat auf den Raikage und die Übernahme der Macht. Ein Attentat, das in diesem Moment ausgeführt wird."

Wie um seine Worte zu bestätigen, klang der Donner einer Explosion zu ihnen herüber. "Ein Attentat, von dem der Raikage natürlich weiß, aber nicht Kirabi-sama, sonst wäre er weder Morikubo entgegen gezogen, noch hätte er sich vom Raikage an jene Position schicken lassen, die du für das Begrüßungskommitee arrangiert hast, Raiden-sama. Aber es ist zu spät und sinnlos. Die ANBU reagieren in diesem Moment und verhaften die Attentäter und die Rädelsführer. Die Koalition ist zu weit gegangen und ihre Mitglieder werden bestraft werden." Er verneigte sich erneut. "Nur der Raikage, ich und du kennen die ganze Wahrheit, ehrwürdiger Großonkel."

"Was geschieht mit Haus Nabara?", fragte er.

"Das Haus Nabara hat keine Verbindungen mehr mit der Koalition und sie nimmt auch nicht am Attentat teil. Wir gehören nicht länger zu jenen, die einen Krieg mit Konoha wünschen."

"Verzeih, aber es war meine, wenn auch fehlgeleitete, Politik, einen Krieg mit Konoha zu unterstützen."

"Eine Bedingung für den Friedensschluss der Familie Nabara mit dem Raikage war, dass du nicht länger Vorstand der Familie bist, Raiden-sama. Niemand wird dich behelligen. Dein Ruhestand ist nicht gefährdet und niemand wird dich anklagen. Aber ich bitte dich inständig, gib deine Verantwortung in jüngere Hände, Raiden-sama."

"Und was ist, wenn ich mich weigere?", fragte er.

"Dann werden Ermittlungen gegen dich und gegen Haus Nabara aufgenommen und ich habe dem Raikage gegenüber mein Wort gebrochen." Erneut verbeugte er sich. Diesmal berührte seine Stirn den Boden.

Nun zeigte der Alte erstmals Emotionen. "Erhebe dich, Jardin Nabara. Es geziemt sich nicht, für einen Hausvorstand, sich so erbärmlich am Boden zu flegeln!"

"Jawohl, Raiden-sama. Äh, Hausvorstand?"

"Hausvorstand. Du wolltest, dass ich die Familie in jüngere Hände lege. Ich lege sie in deine."

"Aber es gibt bessere, stärkere, fähigere Shinobi in der Familie als mich!"

"Du hast eine Entscheidung für die Familie getroffen. Also vertritt sie gefälligst." Der alte Mann atmete sichtbar aus. "Ich werde einfach zu alt für diesen ganzen Intrigen-, und Haus anführen-Scheiß. Es wird wirklich Zeit, diese Dinge in jüngere Hände zu legen, sonst sterbe ich, ohne wirklich etwas getan zu haben, was ich will. Zum Beispiel will ich endlich mal dieses Buch zu Ende lesen. Ich versuche es seit Jahren, aber irgend jemand kommt garantiert mit irgendeinem Anliegen zu mir. Dabei ist es so interessant und lehrreich. Du solltest es auch lesen, Jardin."

"Verzeihung, aber vielleicht ist dies nicht die richtige Zeit, um ein Buch zu besprechen, Raiden-sama."

"Du bist jetzt der Hausherr. Du entscheidest, wozu es Zeit ist und wozu nicht." Wie um seine Worte zu unterstreichen, klatschte er in die Hände. Seine älteste Tochter erschien auf der Veranda. "Vater?"

"Ich habe mich entschieden, das Amt des Hausvorstands in Jardins Hände zu legen, nachdem er uns eigenhändig sowohl aus der Anti-Konoha-Fraktion gelöst, als auch uns einen erneuten guten Stand beim Raikage verschafft hat. Informiere die Familie, Keiko."

Die Frau, selbst schon jenseits des mittleren Alters, verbeugte sich tief vor ihm. "Dein Wille ist mir Befehl, Vater. Ich gratuliere dir, Jardin-sama. Fortan führst du die Geschicke des Hauses Nabara. Du wirst eine gute Arbeit verrichten." So, wie sie es sagte, klang es wie ein Befehl in Jardins Ohren. Zweifellos war es auch ein Befehl. Er bekam eine Ahnung davon, was ihm nun bevorstehen würde. War es immer so schwierig, seine Familie zu retten?

"Auf dich wartet Arbeit, Jardin-sama. Im Büro des Hausvorstands", fügte sie hinzu.

"Kriege ich keine Einarbeitungszeit?", fragte Jardin, nun leicht verzweifelt.

"Du bist das Oberhaupt. Du bestimmst, was passieren wird." Sie lächelte. "Brauchst du denn Einarbeitungszeit?"

"Nein, Keiko-sama, brauche ich nicht", sagte er resignierend.

"Dann warte ich im Büro auf dein Erscheinen, Jardin-sama." Sie verneigte sich vor beiden, dann verließ sie den Balkon wieder.

Unschlüssig sah Jardin zu seinem Großonkel herüber. "Spielt es überhaupt eine Rolle, wer Familienoberhaupt ist, solange Keiko-sama da ist?"

"Egal, wie ich hierauf antworte, du wirst dich schlecht fühlen. Sagen wir einfach, dass ich dich nicht aus heiterem Himmel heraus erwählt habe."

"Danke, dass du mich anlügst, Raiden-sama."

"Oh, so sehr ist es gar nicht gelogen. Lies dir einfach dieses Buch durch. In der Bibliothek gibt es noch eine Ausgabe. Dir wird vieles klarer werden, wenn du den Text kennst."

"Wenn du darauf bestehst... Was ist es denn für ein Buch?"

"Die Legenden eine ambitionierten Ninjas", sagte Raiden-sama amüsiert. "Geh jetzt. Du hast nicht genügend Zeit, um sie mit einem alten Mann im Ruhestand zu verschwenden."

"Jawohl, Raiden-sama."

Jardin Nabara verbeugte sich tief vor dem Alten und verließ den Balkon. Dabei kämpfte er mit dem Neid auf den alten Mann, der in ihm aufkam. Und war Raiden-sama nicht wesentlich besserer Laune als noch vor wenigen Minuten? Das Gefühl, mehrfach benutzt worden zu sein, ließ sich einfach nicht aus Jardins Gedanken verbannen. Mist.

***

Es war eigentlich unglaublich. Da verfügten wir über Reitpferde, über Kutschwagen, über Sänften und Handkarren und was einem noch an unsinnigen, luxuriösen oder praktischen Fortbewegungsmitteln eingefallen war - aber der sicherste Weg, um meine verletzten Genin zu transportieren, waren die Rücken der Medi-Nins und meiner Affenkrieger. Schneller waren sie in jedem Fall, zugegeben. Und Mai und Shinji wollten sich nicht tragen lassen; an ihrer Stelle wurde der von mir windelweich geprügelte ANBU von einem Medi-Nin transportiert, der sicherheitshalber einen gewissen Abstand zu mir einhielt. Auf diese Weise erreichten wir schnell das Hochland, und von hier die Bergstraße, die nach Kumogakure führte. Kontrollposten eines ließ uns problemlos passieren. Ebenso Kontrollposten zwei. Nichts hatte sich verändert. Alles war noch so, wie ich es in Erinnerung hatte. Teilweise waren die Posten noch mit den gleichen Shinobi besetzt, von denen mich auch einige erkannten und grüßten. Ein Gefühl der Nostalgie überkam mich. Alles in allem war es eine gute Zeit in Kumogakure gewesen, wenn man einmal davon absah, dass ich damals relativ schwer verletzt gewesen war. Wie zur Bestätigung begann mein rechter Bizeps zu jucken.

Als ich ihn kratzte, kam P-chan an meine Seite und flüsterte: "Keine Sorge, Mamo-chan, das sind nur Phantomschmerzen."

Wie ein ertappter Schuljunge stellte ich das Kratzen ein. "Seit wann kannst du meine Gedanken lesen?", fragte ich.

"Seit wann kann ich es nicht mehr?" Sie grinste frech. "Du bist ein offenes Buch für mich, Mamo-chan."

"Dafür, dass ich dich zu Tode erschreckt habe, als ich dich das erste Mal beschworen habe, bist du ganz schön kess, kleine Affenkriegerin."

"Und? Willst du es anders?", erwiderte sie, vollkommen unbeeindruckt von meinem Konter.

Ich gab ihr einen Kuss auf die Wange, obwohl sie in ihrer Affenform reiste. Aber wer mit den Affen leben wollte, der musste eine gewisse Freude an Fell mitbringen. Und ihres war seidigweich und angenehm wie das von Ranko-sama. Und es roch so herrlich nach Rosen. Außer, es war patschnass. Aber das war etwas, über das ich weder nachdenken, noch es ihr jemals sagen wollte. "Natürlich nicht, meine große, gefährliche Kriegerin."

"Du brauchst mir nicht zu schmeicheln. Ich liebe dich doch schon", gurrte sie mir zu, zwinkerte und ließ sich ein Stück zurückfallen, um zu Karui und Samui zu kommen, die die Nachhut bildeten.

Omoi kam dafür auf meine Flanke. "Hast ja ganz schön was gelernt, kleiner Bruder. Wenn ich daran denke, wie begriffsstutzig du vor unserem Ausflug ins Frauenbad warst..."

Hastig winkte ich ab, aber es war zu spät. Die Blicke von Kuzoko, Kuzomi und Mai richteten sich auf mich wie Magnete auf einen Eisendorn.

"Sensei!", rief Mai vorwurfsvoll. "Wie die Genin, so die Jounin, oder wie soll ich das verstehen?"

Entgeistert sah ich das Mädchen an. "W-was?"

"Also ehrlich, Sensei", murrte Kuzoko. "Bei den Kleinen kann man ja sowas noch akzeptieren, aber bei dir?"

"Äh..."

Kuzomi sah aufgeregt zwischen den beiden Mädchen hin und her. "Was denn? Was denn? Was ist los? Habe ich was verpasst?"

"Ach", meinte Mai mit leichter Stimme, "es scheint nur gerade, dass Sensei auch gerne als Frau verkleidet das Frauenbad aufsucht."

Verständnislos sah das Spinnenmädchen die Genin an. "Wieso auch?"

"Na, weil... Hast du von Kira und Kishios Besuch gar nichts mitbekommen?"

"Ach, die Lappalie? Ich dachte, es wäre was Ernsteres. Oder dass Shinji-kun jetzt auch noch... Ich meine, wie der Jounin, so die Genin, oder?"

"Du hast es auch gemerkt?", fragte Mai verblüfft.

"Wieso auch nicht? Hat doch Spaß gemacht, die beiden zu necken. Nicht, dass sie noch übermütig werden. Vor allem Kishio muss ab und an geerdet werden, damit wir den Anschluss an ihn nicht verlieren. Und Kira-sama hat sich so anständig benommen, wie ein weißer Ritter... Hach. Wer wagt es denn da, ihm auf irgendeine Weise böse zu sein?"

Ich warf kurz einen Blick zur Vorhut, bestehend aus Kirabi-sama und Sadahara-sensei, der Kira auf dem Rücken trug. Nein, bis nach da vorne war nichts gedrungen, wie es aussah.

"Wie es aussieht, habe ich euch wohl unterschätzt", gestand ich.

"Es war ein Spaß. Und wir haben gerne mitgemacht. War ja auch für einen guten Zweck. Und Kishio zu quälen war auch noch witzig", sagte Mai und wurde rot. "Mit uns kann man Pferde stehlen, merk dir das, Sensei."

Ich musste lachen. Mit einem kurzen Schritt war ich bei der jungen Frau und tätschelte ihre Haare, was ihren sofortigen Protest aus Bangen um ihre Frisur provozierte.

"Das weiß ich doch, Mai-chan. Ihr seid nicht weniger meine kostbaren, liebenswerten Genin wie die Jungs. Eher noch wertvoller."

"Das habe ich gehört, Sensei", sagte Shinji vorwurfsvoll, während er uns passierte. "Und nein, ich gehe nicht verkleidet in ein Frauenbad, nur weil es hier Tradition ist. So!"

"Keine Sorge, du kannst bei mir Zuhause baden", klang Kiras Stimme von vorne auf, nachdem er Shinjis lautes Organ gehört hatte. "Wir haben ein gemischtes Bad, das ist richtig groß. Aber nur mit Badehose, hast du gehört?"

"Ihr habt ein Onsen?", fragte Shinji aufgeregt und schloss vorne auf.

"Aha. Verstehe. Du hast das Gleiche für deine Genin getan, was ich für dich getan habe", schmunzelte Omoi. "Waren sie auch so begriffsstutzig?"

"Äh... Nur Kira. Kishio hatte eigentlich nichts damit zu tun, aber ich konnte Kira auch nicht alleine da rein schicken, also habe ich es ihm befohlen. Ich habe es beiden befohlen. Also, Mädels, nicht böse sein."

"Sind wir nicht", sagte Mai. "Zumindest Kishio kann ja gar nichts dafür."

"U-und Kira-sama muss ja nur sagen, dass...", begann Kuzomi, wurde aber von ihrer großen Schwester unterbrochen. "Kuzomi!"

"Was denn?", fragte die kleine Spinne unschuldig.

"Wie dem auch sei", fuhr ich sicherheitshalber dazwischen, "könnt Ihr Mädels in Kumogakure auf meine Kosten essen gehen."

"Wie, ohne Kira-sama? Wie langweilig", beschwerte sich Kuzomi.

"Ach, mecker nicht. Das wird toll. Wir machen einen Mädels-Abend, nur mit uns und P-chan!", sagte Mai aufgeregt. "Und wann?"

"Wann immer Ihr wollt. Ich weiß noch nicht, was der Raikage genau von mir will, deshalb weiß ich auch nicht, wo ich nächste Woche sein werde. Ihr geht essen und ich bezahle später. Keine Sorge, als Gast des Raikages ist das problemlos möglich. Außerdem gibt es ein paar Läden, die mich noch sehr gut kennen müssten. Bei denen stehe ich bestimmt noch hoch im Kurs. Ich kann, wenn ich den Ort verlassen muss, Kuzoko oder P-chan auch Geld dalassen. Je nachdem, welche von beiden ich vor Ort brauchen werde."

Die ältere Schwester errötete leicht. "D-du kannst mich doch nicht mit Perine-sensei auf eine Stufe stellen."

"Noch nicht", erwiderte ich lächelnd. "Zur Erklärung: Es kann einfach sein, dass deine besonderen Fähigkeiten gefragt sein werden. Oder Perines. Das wird sich noch entscheiden."

"Ach, kleiner Bruder", unterbrach Omoi mich, "nicht, dass ich deinen Redefluss unbedingt stoppen will, aber... Willkommen zurück in Kumgakure, Mamoru."

Ich sah auf und erkannte Kontrollposten drei. Von hier konnte ich Kontrollposten vier und den Stadteingang sehen. Ich musste kräftig schlucken, als meine Erinnerungen mich zu überwältigen drohten. Oh, wie sehr wünschte ich mir jetzt in diesem Moment, Hanako und Karin wären bei mir gewesen. "Ich bin wieder da", sagte ich freudig. Kumogakure. Endlich wieder Kumogakure.

Der ewige Chunin 17

Der vierte Kontrollposten. Wie oft war ich damals hier ein-, und ausgegangen, auf meinen vielen Jobs, die Uzuki-sensei mir aufgedrückt hatte, als Strafe dafür, dass Omoi mich mit ins Frauenbad genommen hatte? Dann der eigentliche Stadteingang. Auch hier, tausende Erinnerungen. Durchweg positive Erinnerungen. Ich war mir mehr als bewusst, dass ich und meine Mädchen damals von Ranko und Uzuki-sensei beschützt worden waren, dass wir laufende Zielscheiben gewesen waren, denn die Gruppe, die Ressentiments gegen Konoha gehabt hatte, war damals sehr stark gewesen. Aber ich hatte nur einmal überhaupt etwas davon mitbekommen. Damals, als ich Bodyguard für den Geldboten gespielt hatte. Ich hatte Ranko-sensei dabei erwischt, wie sie eine Horde Kumo-Nin windelweich geprügelt hatte. Und ich hatte keinerlei Zweifel daran, dass der Raikage die Gelegenheit genutzt hatte, um die Reihen seiner Shinobi zu bereinigen. Mittlerweile sollte er das Problem der kriegswütigen Feuerland-Hasser im Griff haben. Ich betrachtete die Attacke auf meine Genin als letztes Aufgebot dieser Fraktion. Natürlich warf dieser Gedanke Fragen auf. Einige nicht sehr willkommene Fragen. Zum Beispiel, warum unser Empfangskomitee nicht vor Ort war, wohl aber unsere Angreifer. Und warum vier von ihnen in der Lage gewesen waren, die Kiri-Nin darzustellen, die uns bis an die Grenze begleitet hatten.

Mein Blick ging über die Genin, die beiden Spinnenmädchen, meine Affenkrieger und Kishio. Keiner war unverletzt aus der Sache hervorgegangen. Und wenn es kein körperlicher Schaden gewesen war, dann war es nun die Angst und Sorge um die Kameraden, die ihnen zu schaffen machte. Natürlich, ich war stolz und zufrieden, dass meine Genin eine dritte Feuertaufe in so kurzer Zeit überstanden hatten. Ich konnte mit Fug und Recht behaupten, dass ich es hier mit drei besonders guten Akademie-Abgängern zu tun hatten, die nicht nur ihr erlerntes Wissen über die Wege der Ninjas hervorragend einsetzten, sondern auch fixe Lerner waren. Alleine, wie schnell Shinji und Mai das Wind-Jutsu adaptierten und Kira Fortschritte im Raiton machte, war beachtlich. Von ihrer Warte aus betrachtet. Alleine hätten sie keine Minute durchgehalten, nicht gegen diese Übermacht. Ohne die Spinnen, Kishio und die Affenkrieger wären sie nun alle tot. Genau da setzte mein Ärger ein, denn der leise Verdacht, der Raikage könnte mich und meine Genin als gezielte Attentäter eingesetzt haben, um seine Rivalen um die Macht in Kumogakure ein für allemal zu eliminieren, wurde in meinen Gedanken immer mehr zur Gewissheit. Und dafür würde der alte Knacker ganz schön blechen müssen. Oh ja.
 

"Meine Güte. Was ist denn mit dir passiert?", klang eine helle Mädchenstimme auf.

Wir hielten und ich sah in Richtung der Stimme. Auf einer Mauer in etwa acht Metern Höhe saß ein blondes Mädchen, ihr Kumo-Stirnband um den rechten Bizeps gebunden, also eine von uns. Es war unübersehbar, dass sie Kira mehr als ein wenig ähnlich sah. Shinobu, höchstwahrscheinlich.

"Tja, was soll ich sagen? Ihr Kumo-Shinobi habt uns angegriffen. Und das geht nun mal nicht ohne Scherben ab", konterte Kira großspurig.

Das Mädchen verschwand von der Mauerkrone und tauchte direkt vor dem Medi-Nin auf, der Kira trug. "Echt jetzt? Wir? Aber warum sollten wir uns um so einen Floh wie dich kümmern wollen?" Ihr Blick ging zu mir. "Bei ihm könnte ich es mir noch erklären."

Kirabi-sama räusperte sich. "Wir wissen noch nicht, wer die Angreifer waren. Offiziell haben sie sich als Kumo-Nin getarnt. Alles Weitere wird das Verhör unseres Gefangenen ergeben."

Ich spitzte die Ohren. Sensei rappte nicht und gab die offiziellen Informationen weiter, unter denen der Fall gehandhabt und nach Konoha weitergemeldet werden würde. Es wurde Zeit, meine Karten auszuspielen. "Schlimm, wenn sich herausstellen würde, dass es sich bei den Angreifern wirklich um Kumo-Nin gehandelt hat. Schlimm für die Beziehung unserer beiden Städte."

"Wir werden uns der Sache angemessen widmen und offen und direkt mit Konoha kommunizieren", sagte Kirabi-sama.

"Dennoch, ein wenig guter Wille von Seiten Kumogakures wäre durchaus nicht verkehrt in dieser Situation", sagte ich gedehnt.

"Was schwebt dir denn so vor als guter Wille Kumos, kleiner Bruder?", fragte Omoi grinsend.

"Nun, es wäre ein großartiger Vertrauensbeweis, wenn sich nicht nur Kirabi beim Training meiner Genin einbringen würde. Ich stehe immer noch vor dem Dilemma, Kira Yamada nicht bei seiner Raiton-Ausbildung helfen zu können, weil ich ein Feuer-Typ bin und gerade erst an meiner Luft-Affinität feile. Ein fähiger Raiton-Nutzer wie der Raikage wäre da genau das Richtige."

"Du hast ein zweites Element erlernt? Nicht schlecht, gratuliere", sagte Samui. Entgegen ihrer ansonsten recht unterkühlten Art zierte ein zartes Lächeln ihr Gesicht. "Aber du weißt schon, dass man sagt, dass ein zweites Element erforderlich ist, um in meine Liga aufzusteigen? Was wirst du tun, wenn das nun von dir erwartet wird, Mamo-chan?"

Ich winkte ab. "Da sind immer noch ein paar erkleckliche Jährchen Aufstiegsverbot vom Rat, weil ich zwei bis drei Dutzend Konoha-Nin verkloppt und anschließend zur Desertation überredet habe. Aber zurück zum Thema: Wie sieht es denn damit aus, Kirabi-sama? Kann ich auf Kumogakures wohlwollende Unterstützung rechnen?"

Verdrießlich sah mich der zweitstärkste Ninja Kumogakures an. "Du Dummkopf! Du Tölpel! Habe ich nicht schon gesagt, dass ich dich mag? Ich quatsche Aniki besoffen, dann kannst du drauf hoffen, dass er Kira-chan was lehrt. Und einen guten Lehrer stellt, der nicht verspricht, sondern hält."

Ich konnte mir ein freches Grinsen nicht verkneifen. Noch vor einer halben Stunde war ich der Bittsteller gewesen. Aber mit ein paar Erkenntnissen und einfachen Worten konnte ich fordern. Umso mehr, je mehr Kirabi-sama über die tatsächlichen Umstände des Angriffs auf uns wusste. Allzuviel konnte es nicht sein, wie ich zugeben musste. Sonst wäre Sensei nicht ein paar Kilometer entfernt gewesen, sondern in direkter Nähe, um rechtzeitig eingreifen zu können. "Das ist mehr, als ich mir wünschen kann, Sensei."

Kirabi-sama sah mich kurz über den Rand seiner Sonnenbrille an, bevor er sich grummelnd umwandte. "Die Verwundeten ab ins Lazarett, und du, Mamoru kommst mit mir mit. Du Dummkopf! Du Tölpel!"

"Ihr habt es gehört. Ab ins Krankenhaus mit euch. Du auch, Kuzoko. Der Schnitt ist zwar zu, aber noch nicht verheilt. Und wir wollen doch nicht, dass eine Narbe auf deinem hübschen Gesicht zurückbleibt."

"Ich weiß nicht so recht. Eine Narbe an der Stelle macht mich doch bestimmt verwegen, oder?", konterte sie lax.

"Keine Widerrede. P-chan, Ryoga, Kuzomi, Ihr geht mit ins Krankenhaus. Alles klar soweit?"

"Ich komme auch mit", sagte das blonde Mädchen. "Schlimm genug, dass Ihr nicht mal eine Stunde in unserem Land sein könnt, ohne verletzt zu werden. Da werde ich besser auf euch aufpassen."

"Guckt mal, wer da spricht", spottete Kira. "Hat gerade erst die Akademie verlassen, will aber ausgerechnet Mamo-chans Gruppe beschützen." Er räusperte sich vernehmlich. "Äh, Mamoru-senseis Gruppe, wollte ich sagen."

Ich unterdrückte ein Glucksen. Natürlich wusste ich, dass sie mich Mamo-chan nannten, wenn sie glaubten, ich könne es nicht hören. Alle nannten mich so. Aber diese kleinen Genin mussten sich das Recht, mich so anzusprechen, trotz allem erst noch verdienen müssen.

"Ich komme euch sobald ich kann besuchen", versprach ich, nicht weiter auf Kiras Versprecher eingehend, was ihn ungemein erleichterte.

"Samui, Karui, begleitet sie. Omoi, mit mir", sagte Kirabi-sama.

"Verstanden!"

Wir trennten uns. Und mich beschlich die Ahnung, dass das Abenteuer noch nicht vorbei war. Besonders nicht für einen gewissen Raikage. Andererseits... Konnte und wollte ich ausgerechnet so über A-sama denken. Klar, er war der hiesige Kage und er musste das Wohl seiner Stadt über alles andere stellen. Aber die Illusion, als Teil der Stadt, als Freund behandelt zu werden, war schwerlich loszulassen. Doch wenn ich diesen Gedanken durchdachte, dann war mir auch etwas anderes klar: Yugao Uzuki hatte mich damals nicht durch die vielen Jobs in Kumo gehetzt, damit ich genug Geld für mein Bankett verdiente, sondern damit ich die Stadt, ihre Shinobi und ihre Bewohner kennenlernte. Für den Fall eines Krieges. Ich wäre dann Teil der Speerspitze jedes Angriffs, der direkt auf Kumogakure zielen würde, weil ich die Stadt wie meine Kunai-Tasche kannte. Wäre ich überhaupt in der Lage, Kumogakure anzugreifen? Ein noch unerfreulicherer Gedanke. Aber führte ich beide zusammen, dann blieb mir wohl nichts anderes übrig, als A-sama zu vergeben. Immerhin war ich die größere Gefahr für das Versteckte Dorf in den Wolken. Und das nur, weil ich die Stadt kannte und liebte. A-sama musste sehr gut von mir denken, wenn er mich in den letzten Jahren nie als die Gefahr eingestuft hatte, die ich tatsächlich für Kumo war. Ich lebte immerhin noch.
 

Die Residenz des Raikages zu betreten hatte etwas Nostalgisches, fand ich. Und ich hatte immer noch die gleiche Schwellenangst wie damals, wie ich feststellen musste.

"Wenn wir schon mal hier sind, Omoi, wo sind wir denn diesmal untergebracht?"

Mein selbst ernannter großer Bruder wandte sich zu mir um, gut gelaunt wie stets. "Eigentlich wollte die Familie Yamada euch aufnehmen. Du weißt schon, wegen Kira-kun. Aber sie haben nur mit vier Gästen gerechnet, nicht mit elf."

"Hm?" Komisch, Akane und Ranma waren doch gar nicht mehr dabei. Was mich daran erinnerte, dass ich dringend auf dem Affenberg nachfragen musste, wie es der niedlichen Akane-chan ergangen war. Ich zuckte die Achseln. Dieses Missverständnis würde sich alsbald von selbst klären.

Wir hielten vor der Bürotür des Raikages. Alte Erinnerungen wurden wach. Wie oft hatte ich hier gestanden? Wie oft war ich im Büro gewesen? Selbst der Geruch von neuer Farbe an den Wänden konnte die Erinnerungen nicht verdrängen. Ich seufzte leise.

"Mamo-chan, sein ein Mann und geh voran", sagte Kirabi-sama.

Ein Dreifachreim. Langsam aber sicher begann mir sein Hobby auf die Nerven zu gehen. Hatte Samui ihm diesen Quatsch nicht abgewöhnen können? Anscheinend nicht.

Ich klopfte an. "HEREIN!" Unverkennbar die Stimme des Raikages. Beinahe freute ich mich auf sein stets verdrießliches Gesicht und seinen viel zu lauten Tonfall. Und Mabui-chan musste mittlerweile hauptberuflich seine Sekretärin sein. Ihr angenehmes, freundliches und sanftes Wesen hatte mir tatsächlich gefehlt.

Ich öffnete die Tür. "Papapapapapapapa!" Sofort schloss ich sie wieder.

Ich spürte, wie mir der Schweiß auf die Stirn trat. Mit allem hatte ich gerechnet, aber nicht damit.

Erneut öffnete ich die Tür. "Papapapapapapapa!" Wieder schloss ich sie.

Nun begann mein Herz bis zum Hals zu klopfen. Wartete im Büro des Raikages etwa tatsächlich... Akira-chan? Was hatte das zu bedeuten?

"Nun komm endlich rein, du kleiner Feigling!", donnerte die Stimme des Raikages durch die Tür.

"Ja-jawohl!" Während meine Freunde grinsten wie Honigkuchenpferde, riss ich die Tür auf und trat ein. Die Szene hätte kaum skurriler sein können. Akira, der Sohn von Maria, saß auf dem Schoß des Raikages hinter dessen Schreibtisch, liebevoll betüttelt von Mabui-chan und flankiert von... Anne-chan?

"Papa?", fragte der Kleine, von meiner Reaktion verunsichert.

"Überrascht?", fragte der Raikage. "Ich für meinen Teil war es. Anne-chan, dein Teil."

Ich hätte sie kaum wiedererkannt. Anne war ein Stück gewachsen, und dabei hatten wir uns bestenfalls drei Wochen nicht gesehen. Oder kam sie mir einfach größer vor? Oder war es nur ihr ernster Gesichtsausdruck? Sie kam um den Schreibtisch herum und reichte mit wortlos eine Schriftrolle. Dabei liefen ihr Tränen aus den Augenwinkeln. Hikari Gosunkugi lehnte im Hintergrund an der Wand und winkte mir zu. Eine beachtliche Leistung, einen Krieger von seinem Format zu beschwören. Ich nickte als Antwort und widmete mich der Schriftrolle. Es war eine Botschaft des Tsukikages an mich. "Mutter vermisst... Gilt als verschollen... Arbeiten dran... Wiederzufinden. Hassin auch... Bis dahin... Beim Vater... Oder für immer..." Ich schnaubte leise und rollte die Schriftrolle wieder ein. Na, da hatte ich es ja endlich schriftlich. Ich war Akiras Vater. Ich, nicht Khal. Meine Rechte krampfte um die Schriftrolle. Na, da hatten meine Mädchen, halb Tsukigakure und vor allem Anne meinen guten Willen ja schön ausgenutzt. An Marias Tod glaubte ich nicht eine Sekunde, aber an das Schicksal. Und das hatte gewollt, dass die Wahrheit endlich ans Licht kam. In Konoha kannte ich zwei Mädchen, die sich besser warm anzogen.

Eigentlich wäre das die richtige Gelegenheit gewesen, um Anne als Mitwisserin und Mitverschwörerin ordentlich zusammenzustauchen. Aber das Mädchen war fertig genug. Sie verehrte Maria mehr als jeder andere, und das ungewisse Schicksal ihrer Sensei musste ihr enorm zugesetzt haben. Statt sie zu tadeln nahm ich sie in die Arme und drückte sie fest an mich. Sofort begann sie zu schluchzen. "Es tut mir leid, Mamo-chan. Es tut mir leid. Ich hätte es dir sagen sollen..."

Mamo-chan, aha. Das letzte Mal hatte sie mich noch Mamoru-sama genannt. Zum Glück waren meine Genin nicht hier, um die Szene zu sehen. Ich ließ sie wieder los und strich ihr über den blonden Haarschopf. "Es ist gut, Anne-chan. Es ist schon gut. Ich habe es gewusst. Ich bin schließlich kein Idiot. Es hat alles viel zu gut gepasst." Ich ging zum Raikage und kam um seinen Schreibtisch herum. Ich streckte beide Hände nach meinem Sohn aus. "Darf ich?"

"Natürlich."

"Papa?", fragte der kleine Mann, noch immer verwirrt. Ich nahm ihn vom Schoß des Raikages, was dieser wie ein Mann hinnahm. Mabui hingegen vertrug die Lageänderung nicht wirklich gut. Zuerst war da grenzenlose Enttäuschung in ihrem Gesicht, als ihr der kleine Schatz entzogen wurde. Dann traf mich ein Blick, den ich bei der sanftmütigen und zarten weißhaarigen Frau nie erwartet hätte. Er war hart genug, um in mir den Fluchtreflex auszulösen. Dementsprechend hatte ich bereits eine Hand an der Kunai-Tasche, bevor ich wieder bewusst agieren konnte. Ich ließ das Kunai, das ich in der Tasche bereits umfasst hatte, langsam wieder los und zog die Hand wieder hervor. Dann setzte ich Akira-chan auf meine rechte Hüfte und unterstützte ihn mit dem rechten Arm. "Na, Aki-chan? Hast du Papa vermisst?"

"Ja. Papa weg. Papa da." Der Kleine strahlte. Und ich ahnte, wer noch bald mächtig strahlen würde. Allerdings war dies etwas, was ich gerade jetzt überhaupt nicht gebrauchen konnte. Wie sollte ich meine Arbeit und meinen Sohn unter einen Hut bekommen, zumindest solange, bis Maria - hoffentlich - wieder unter den Lebenden auftauchte? Und falls nicht, was tat ich dann? Wie zog ich ihn groß? Würde er mal ein Ninja werden, oder würde er sich für einen anderen Beruf entscheiden?

Ich küsste ihn auf die Wange. Endlich durfte ich das auch, offiziell als Vater bestätigt.

"Ein niedliches Kind", sagte Omoi. Er trat neben mich und hielt die Hände auf.

"Bist du dir da sicher? Kannst du überhaupt mit Kindern umgehen?"

"Omoi!" Akira strahlte den Kumo-Nin an.

"Rate mal, wer sich um ihn gekümmert hat, seit er mit Anne-chan und Gosunkugi-san hier eingetroffen ist."

"Gut. Aber nur solange die Besprechung dauert", sagte ich und reichte meinen Jungen weiter. Ich streichelte ihm über die schwarzen Nara-Haare und eine Welle väterlichen Stolz überkam mich, zusammen mit dem nagenden Zweifel, ob ich überhaupt als Vater taugte. Wieder ein Problem mehr. Aber immerhin, nicht das unangenehmste.

Omoi zwinkerte mir zu und trat ein paar Schritte zurück. Damit kam Akira in Reichweite von Karui und Samui, die darüber höchst erfreut waren. Okay, nun kannte ich die ganze Wahrheit. Und ich wusste, dass mein Sohn im Alter von einem Jahr ein ziemlicher Frauenmagnet war. Wirklich, ich musste mit Hana-chan und Karin ein mehr als ernstes Wort wechseln.

Ich wandte mich dem Raikage zu. Mabui hatte sich mittlerweile gefangen. Ihre Wangen waren von zarter Röte überzogen, die bewies, wie peinlich ihr ihr eigenes Verhalten war. Zu Recht. Aber ich war nicht nachtragend. "A-sama, du hast mich rufen lassen?"

"Tatsächlich. Zuerst einmal bitte ich um Verzeihung für die Umstände, unter denen du das Land betreten musstest, Mamoru-tono."

"Ach, das macht überhaupt nichts. Es gab nur zwei überlebende Angreifer, und die Verletzungen in meinem Team sind nicht lebensgefährlich. Natürlich gehe ich davon aus, dass meine Genin die bestmöglichste Behandlung bekommen, die Kumogakure zu bieten hat, so wie ich damals."

"Selbstverständlich. Sollten es tatsächlich Kumo-Nin gewesen sein, werde ich zusätzlich ein Entschuldigungsschreiben an Tsunade-sama verfassen."

"Und für einen meiner Genin ein oder zwei Trainingsstunden in Raiton-Ninjutsu."

Ich sah, wie die Zornesröte in sein Gesicht stieg. Wie konnte ich es wagen, den Raikage selbst derart in die Enge zu treiben? Nun, das ging zumindest mir durch den Kopf, während ich mir vorstellte, wie der Raikage im Zorn an mir einen Mord beging. Aber entgegen meiner Erwartungen beruhigte er sich sofort wieder. "Wenn Kira Yamada wieder vollständig genesen ist, werde ich mir ansehen, was er kann und daran feilen. Und mit gesund meine ich auch eine vollständige Genesung seines Nervensystems."

Ich zog die Stirn kraus. Hatte A-sama etwa von vorne herein vorgehabt, Kira etwas beizubringen und war er nur sauer geworden, weil ich ihn so offensichtlich erpresst hatte? "Genesung des Nervensystems?", fragte ich erstaunt.

"Das Raiton, das er benutzt, setzt vor allem am Anfang dem Nervensystem zu, über das er seine höhere Geschwindigkeit zu erlangen versucht. Es muss von Fachleuten repariert werden, bis es die Belastung gewöhnt ist. Über kurz oder lang hätte Kira Yamada ohnehin nach Hause kommen müssen."

Eine interessante Information, die ich mir für später merkte. Eventuell bestand die Chance, dass P-chan bei der Heilung zusah und das Verfahren lernte, damit wir Kira in Zukunft selbst behandeln konnten. "Ich danke für deine weise Voraussicht, A-sama."

Ich ging wieder um den Schreibtisch herum und stellte mich vor dem Raikage auf. "Verfüge über mich, A-sama."

"Du bist in letzter Zeit kess geworden, wie es scheint", sagte der Raikage. Ein Grinsen spielte um seine Mundwinkel, das ebenfalls das Attribut kess verdient hätte. "Aber das steht dir besser als die aufgesetzte Bescheidenheit von damals. Mabui-kun?"

"Ja, Raikage-sama." Sie kam um den Schreibtisch herum und reichte mir eine Mappe. "Das komplette Dossier, eine Anzahl an Fotos und Berichte über die Fundstücke, sowie ein Querschnitt des ganzen Systems, Mamoru-tono."

"Danke, Mabui-tono." Ich nahm die Mappe aus ihrer Hand entgegen und öffnete sie. Die ersten Fotos zeigten Teile der dort geleisteten, höchst illegalen Forschungsarbeit. Ich sah schnell, dass die Versuchsanordnungen dieses Mal nichts mit dem zu tun hatten, was im Land der Steine passiert war. Die Ausrüstung deutete auf wesentlich kleinere Studienobjekte hin. Elektronenmikroskope, Zellkulturen, DNS-Modelle... "Hat Orochimaru an der Innenstruktur der Zellen herumgepfuscht?", dachte ich laut.

"Ja, das hat er. Und wir haben jemanden gefunden, der von sich behauptet, das Untersuchungsobjekt gewesen zu sein. Allerdings ist es etwas unwahrscheinlich, dass er genau just dann seine Wächter überwältigen und als Oto-Nin verkleidet entkommen konnte, während wir angegriffen haben."

"Und wenn es hier wirklich um DNS-Experimente geht, reicht auch ein Vergleich mit den DNS-Exempeln aus der Forschung nicht, denn sie könnte ihm aufgeprägt worden sein, richtig?"

"Unwahrscheinlich, denn das Ziel der Forschung waren Teilaspekte, nicht die komplette DNS. Ich möchte, dass du dir die Person nachher ansiehst und uns hilfst, sie einzuschätzen. Du kennst Orochimarus Leute."

"Gottseidank Orochimaru nicht", entgegnete ich, schon tief im Dossier versunken.

"Wieso?", fragte der Raikage.

"Weil ich keinerlei Zweifel daran habe, dass er mich umgebracht hätte. Er spielt in einer vollkommen anderen Liga als ich. Nennen wir sie die Kage-Liga. Da habe ich wirklich nichts zu suchen."

"Noch nicht."

"Bestimmt nicht." Ich grinste dünnlippig. "Das ist merkwürdig. Es sind viel zu wenige Räume. Und den Raum unter dem Gefängnistheater scheint es auch nicht zu geben. Oder habt Ihr ihn nur nicht gefunden?"

"Es geht schon los. Ist er nicht famos?", witzelte Kirabi-sama.

"Tatsächlich dachte ich, dass du nach dem Gefangenenbesuch einen Blick in das Versteck werfen würdest, Mamoru-tono. Nachdem wir es komplett geräumt haben, wird es lediglich von einem Team ANBU überwacht, für den Fall, dass einer von Orochimarus Schergen noch nichts davon gehört hat, dass es erobert wurde."

"Ist es in der Nähe?", fragte ich leise, während ich den Bericht überflog. Wie, keine Gefangenen im Zellentrakt?

"Nahe genug, um uns Bauchschmerzen zu machen. Orochimaru hat beinahe unter unseren Nasen gearbeitet, wie es scheint." Der Raikage ließ einen Laut des Missmuts hören. "Und wie ich sehe, war die Entscheidung, dich kommen zu lassen, richtig. Allerdings habe ich nicht damit gerechnet, dass das Versteck für uns noch einmal interessant werden könnte. Wenn es wirklich noch Räume gibt, die wir nicht entdeckt haben, könnte es sich lohnen, die Untersuchungen wieder aufzunehmen."

"Eventuell. Es ist nicht gesagt, dass alle Verstecke Orochimarus bis in alle Details gleich angelegt sind, Raikage-sama", wandte ich ein. Ich schlug die Mappe wieder zu. "Gehen wir uns diesen Überlebenden ansehen."

"Du und B. Ich habe noch andere Dinge zu tun." Ein Schmunzeln huschte über seine Lippen. "Zum Beispiel in meinem Terminplan Platz für ein paar Trainingsstunden mit einem vielversprechenden Zögling zu schaffen."

Ich stockte. Die angemessene Reaktion in diesem Fall war Dankbarkeit, also verneigte ich mich. "A-sama."

"Ja, ja, schon gut. Bis du wieder zurück bist, werden wir geklärt haben, ob wir dich und dein Team immer noch bei den Yamadas unterbringen können. Und Team Samui wird sich wie vorher um Aki-chan kümmern."

"Ich nehme Anne und Hikari-kun mit", sagte ich. "Sie kennen das Versteck Orochimarus im Reich der Steine und werden mir hilfreich sein."

"Anne-chan?"

"Ich habe Anweisungen, meinen Sempai in jeder möglichen Beziehung zu unterstützen."

Okay, nun wusste ich, warum Omoi von elf Gästen gesprochen hatte. Außerdem wusste ich meinen Jungen bei ihm in den besten Händen. Aber es war schon ironisch, dass ich ihn schon wieder verlassen musste, kaum dass ich endlich die volle Wahrheit erfahren hatte. Ich musste dringend einen Brief nach Hause schreiben.

"Gehen wir, Sensei."

Kirabi-sama nickte mir zu und begleitete mich. Ich war neugierig auf diese Versuchsperson.

***

"Nun lass dir doch nicht jeden Rotz einzeln aus der Nase ziehen", klagte Shinobu. "Kannst du nicht einfach erzählen, was du erlebt hast? Immerhin sind wir eine Familie, richtig?"

Kira Yamada, ihr Cousin, der gerade der leicht schmerzhaften Behandlung unterzogen wurde, seinen Oberschenkelknochen zu schließen, grunzte unwillig. "Hat das nicht Zeit, Shinobu-chan? Spiel doch solange mit Shinji, während man mir lebendig die Haut vom Leib zieht."

"Man kann sich auch anstellen, Kira-kun", sagte Sadahara-sensei. "Warte erstmal ab, wie sich die Behandlung deiner lädierten Nervenbahnen anfühlen wird. Da ist nämlich nichts mit Betäubung."

Entsetzt sah der Junge den Arzt an. "Bitte, was?"

"Eine Nervenrestauration. Entweder das, oder nie wieder Raiton-Jutsu."

"Ich wusste, die Sache hat einen Haken", murrte Kira. "Aber da ich vermutlich bald zu sehr beschäftigt sein werde, um mit dir zu reden, Cousinchen: Darf ich dir Kuzomi vorstellen? Sie ist vom Spinnenclan und hat einen provisorischen Kontrakt mit mir."

"Und deshalb weicht sie dir nicht von der Seite?"

"Nein, das tue ich, weil ich es kann", gab sie schroff zurück.

Abwehrend hob Shinobu die Hände. "Ruhig, Spinnchen. Ich bin seine Cousine, keine Konkurrentin." Kurz entschlossen streckte sie dem Spinnenmädchen die Hand hin. "Sag Shinobu zu mir, bitte, Kuzomi-chan."

"Shinobu... Chan?" Es dauerte einen Moment, dann aber gab sie sich einen Ruck und ergriff die Rechte von Kiras Cousine. "Wie er schon gesagt hat, ich bin seine provisorische Kontraktträgerin. Provisorisch deshalb, weil meine doofe große Schwester glaubt, er könnte nicht dazu in der Lage sein, mit uns zu arbeiten. Na, das sollte sich erledigt haben."

"Ja, Kira kann ab und an schon mal eine Überraschung sein, nicht?" Sie griente ihren Cousin an. "Und manchmal sogar eine positive."

"Ach, ich BITTE dich. Bist du immer noch sauer wegen meinem Sieg damals?", erwiderte Kira.

"Es war ein Unentschieden. Wir haben beide getroffen, nicht? Weißt du noch, der Ärger, den wir kassiert haben?"

"Ja, diese Aufregung wegen der beiden kleinen Schnitte auf den Rippen. Unglaublich, wie überbeschützend die Erwachsenen manchmal sind."

"Die, wenn die Klingen nicht abgeglitten wären, durchaus bei euch beiden dazu geführt hätten, jeweils den unteren Beutel des linken Lungenflügels zu durchschneiden und eure Leben zu bedrohen", warf Sadahara-sensei ein. "Und wie ich feststellen muss, habt Ihr beide immer noch nicht verstanden, wie ernst die Sache damals war." Er wandte sich an das Spinnenmädchen. "Kuzomi-chan, kannst du bitte Perine-sama suchen? Sie wollte die Technik erlernen, mit der man die Nervenbahnen eines exzessiven Raiton-Nutzers wiederherstellt. Und wir wollen doch, dass sie es so lernt, dass es möglichst wenig schmerzt, oder? Auch wenn es auf diese Weise auch funktioniert."

"Ich gehe sie holen!" Kuzomi riss die Tür auf und war verschwunden.

"Eifriges Mädchen", stellte Shinobu anerkennend fest. "Sie mag dich, eh?"

"Ja, und ich liebe sie."

Entgeistert sah Shinobu ihren Cousin an. "Bist du dir im Klaren darüber, was du gerade gesagt hast?"

"Ja. Ich bin mir da ziemlich sicher. Deshalb werde ich auch mein Bestes geben, um einen permanenten Kontrakt zu erhalten, damit wir den Rest meines Lebens zusammen sein können. Äh, Shinobu, bist du weggetreten? Shinobu?"

"I-ich glaube, dieser Tag lohnt sich, rot im Kalender angestrichen zu werden. Und zwar als der Tag, an dem mein Cousin Kira beschlossen hat, kein Kind mehr zu sein."

Kira winkte ab. "Ach, das habe ich schon längst hinter mir. Spätestens seit ich mit Shinji gewettet habe, wer schneller Jounin wird."

"So, da bin ich. Wer will hier Schmerzen haben?", fragte Perine-sama vom Eingang her. Sie lächelte das blonde Mädchen an. "Würdest du bitte draußen warten, Shinobu-chan? Und dir am Besten die Ohren zuhalten?"

"Hey, hey...", protestierte Kira leise, immer bleicher werdend.

"I-ich glaube, ich gehe zum Spinnenmädchen."

Sie trat auf den Gang hinaus und schloss die Tür hinter sich. Gerade noch rechtzeitig, damit sie Kiras Schmerzenslaut und den darauffolgenden derben Fluch eben so verstehen konnte. Ein Grinsen stahl sich auf ihr Gesicht. Plötzlich fand sie es überhaupt nicht mehr unfair, dass Großvater Kira das Raiton zur Beschleunigung der Körperbewegungen gezeigt hatte, aber nicht ihr. Andererseits aber, wenn es die Schmerzen wert war... Sie würde mit Opa sprechen, wenn sie wieder zuhause waren.

"Hey", sagte sie zu Kuzomi.

"Hey", antwortete sie ängstlich, während sie auf jeden Schmerzenslaut Kiras achtete. "Au, das muss wehgetan haben."

"Ist nicht mehr als der gerechte Preis dafür, das er mal wieder Erster sein will, oder?", fragte Shinobu wissend.

Kuzomi versuchte es, aber auch sie konnte ein Lächeln nicht unterdrücken. "J-ja, a-aber ich denke, das ist Teil seiner guten Seite."

"Oh, durchaus, durchaus."

Ein neuer Schmerzensschrei klang auf, gefolgt von einem Fluch, die weibliche Anatomie zur Fortpflanzung betreffend, der sich gewaschen hatte.

Beide Mädchen wurden rot und sahen sich an. "S-sowas kennt er? Was lernt man denn bei euch in Konoha?"

"Keine Ahnung. Ich habe Kira-sama und Mamoru-sensei unterwegs kennengelernt. Wollen wir vielleicht die anderen besuchen, solange er behandelt wird?"

"Ja, ist vielleicht besser. Zu wem zuerst?"

"Zu meiner Schwester. Sie hat ein blaues Auge und einen Schnitt darunter. Sie hat Angst, dass eine Narbe bleibt, seit Sensei ihr Gesicht hübsch genannt hat." Kuzomi lächelte verschmitzt. "Sie sagt zwar immer, Mamo-chan interessiert sie nicht, aber das glaube ich nicht. Auf jeden Fall mag sie ihn."

"Auf mich wirkt er nett. Gar nicht so der Ladykiller. Wusstest du, dass er seinen eigenen Harem hat? Und als er hier in Kumogakure war, um seine Chunin-Prüfung abzulegen, hat er das Frauenbad unsicher gemacht. Mehrmals."

"Oh, das erklärt einiges", murmelte Kuzomi.

"Was hast du gesagt?"

"Äh, ich sagte, das sieht Sensei gar nicht ähnlich. Aber wenn sich die Frauen um ihn reißen, wundert mich das nicht. Für einen Mann ist er recht hübsch, finde ich." Sie öffnete die Tür zu einem anderen Behandlungsraum. Ihre große Schwester saß auf einem Behandlungstisch, während ein Medi-Nin ihre Wunde versorgte. Man konnte dabei zusehen, wie der Schnitt verschwand und das Auge abschwellte. "Raus. Ihr stört."

Die beiden Mädchen warfen sich einen vielsagenden Blick zu und kehrten wieder um. "Sie hat wahrscheinlich gehört, wie wir über Sensei gesprochen haben, und das war ihr peinlich."

"Ist es nicht!", klang Kuzokos Stimme durch die Tür.

"Uh-oh. Wer ist der Nächste?"

"Shinji-kun. Ein netter Kerl. Außer, du bist sein Gegner. Kira-sama und ich hatten einen tollen Trainingskampf gegen ihn und Mai-chan."

"Äh, sind Mai und er... Du weißt schon..."

"Nein, soweit ich das beurteilen kann, sind sie nur Freunde. Außerdem scheint Mai irgendwas mit Kishio zu verbinden. Die gucken sich manchmal so an, als würden sie ein Geheimnis teilen, wenn du verstehst, was ich meine."

"Ich denke schon."

Sie klopften an und betraten das Behandlungszimmer. Zwei Medi-Nin waren gerade dabei, den Arm zu richten.

Shinji winkte ihnen fröhlich zu. "Hi, Kuzomi-chan. Hi, Cousine von Kira. Sie mussten mir den Arm nochmal brechen. Also, die Elle jetzt, weil die Bruchstücke nicht richtig gelegen haben, als der Knochen provisorisch zum Wachstum angeregt wurde."

"Ach du grüne Neune. Ist der Arm wenigstens betäubt?", rief Shinobu entsetzt.

"Ach, Quark. Das Zusammenpfriemeln tut mehr weh als der Bruch."

"Und es würde schneller gehen, wenn du stillhalten würdest, Shinji-kun", mahnte einer der Medi-Nin.

"Tschuldigung. Ich bemühe mich. Ich glaube, es ist besser, wenn Ihr wieder raus geht, damit die Herren arbeiten können. Wir reden später noch. Vor allem freue ich mich, mit dir zu reden, Shinobu-chan." Er zwinkerte verschmitzt.

"Na, dann gehen wir zu Mai-chan weiter. Wir... Warum ziehst du denn so, Shinobu-chan?"

"Komm einfach mit."

Auf dem Flur, nachdem die Tür geschlossen war, lehnte sich das blonde Mädchen gegen die nächste Wand. "Haaaaaa... Ist er immer so?"

"Wie, so?"

"So... Interessant. Furchtlos. Schmerzfrei."

"Oh, ich glaube, er hatte kräftig Schmerzen. Seine Stirn war Schweißbedeckt."

"Aber er hat die Schmerzen nicht gezeigt. Und wir haben auf dem Flur auch nichts gehört. Ist er so hart?"

Kuzomi zuckte mit den Achseln. "Kann ich nicht sagen. Ich weiß nur, dass er nicht geklagt hat, nachdem die Angreifer ihm den Arm gebrochen haben. Im Gegenteil, er hat noch weitergekämpft, so als gäbe es den Bruch gar nicht. Er ist natürlich nicht so hart wie Kira-sama, aber ich verstehe schon, warum sie in einem Team sind."

"Aha." Sie lächelte verlegen. "Ist Mai-chan auch so? Ich meine hart gegen sich selbst?"

"Oh, Mai-chan ist eine Abteilung für sich. Sie hat ständig Unterzucker, weißt du? Aber trotzdem geht sie immer bis ans Limit. Da kennt sie keine Rücksichtnahme auf sich selbst. Aber sie ist auch ein echt nettes Mädchen und betrachtet sich als große Schwester von Kira-sama und Shinji-kun. Sie..."

Beide Mädchen erstarrten, als sie die Tür zu ihrem Behandlungsraum öffneten. Auch Mai wurde wegen Armbruchs behandelt, aber der behandelnde Medi-Nin hielt ihr eine Predigt, die sich gewaschen hatte. "Nicht jetzt!", sagte er in Richtung der beiden Mädchen.

Hastig schlossen sie die Tür wieder. "War das richtig? Mai hat fast geweint!", beschwerte sich Kuzomi. "Ich sollte Mamo-chan holen, damit er..."

"Warte. Hast du ihren linken Arm nicht gesehen?"

"Die Schnitte? Ja, die haben mich verwundert. Die sahen nicht so aus, als hätte sie die heute erst bekommen. Aber die sehe ich zum ersten Mal. Mai-chan muss die mit einer Körpertäuschung verborgen halten."

"Dann ist sie eine fähige Kunoichi. Das Jutsu quasi nebenbei aufrecht zu erhalten, sogar beim Schlaf und im Bad, das steht für eine Frau mit Power." Shinobu nickte gewichtig.

"Na ja, so kann man das natürlich auch sehen. Aber Mamo-chan sollte davon erfahren."

"Das wird er schon durch den Arzt erfahren."

"Es wundert mich ein wenig, dass Perine-sama nichts gesagt hat. Eigentlich sollte sie so etwas leicht durchschauen."

"Dazu muss man es aber erwarten", erklärte Shinobu. "Und jetzt zu Kishio?"

"Ja. Ein ganz interessanter Bursche. Mamo-chan hat ihm das Leben gerettet, und jetzt fühlt er sich durch Lebensschuld verpflichtet und begleitet uns. Er und meine große Schwester haben ein verdammt gutes Team abgegeben, als sie uns in der letzten Schlacht kommandiert haben." Kuzomi zwinkerte. "Er hat ein beschworenes Rhino getötet."

"Nicht schlecht."

"Und es hat ihm wohl ein paar Rippen gebrochen. Außerdem hat er fast sein ganzes Chakra aufgebraucht und ist zusammengebrochen. Wahrscheinlich wird er apathisch sein oder tief und fest den Schlaf der Erschöpften schlafen, und wir können nicht mal mit ihm reden..."

"Äh, dafür, dass er erschöpft ist, ist er aber ganz schön aktiv." Shinobu deutete den Gang hinab, wo besagter Kishio stand und mit zwei ANBU diskutierte, die ein Treppenhaus bewachten.

"Nur ein Blick! Ein einziger Blick! Ich bitte euch! Mehr will ich doch gar nicht!"

"Versteh doch, Kleiner, selbst wenn du der Hokage wärst, ohne schriftliche Erlaubnis von A-sama oder in Begleitung eines Ratsmitgliedes Kumogakures kommst du hier nicht durch! Nicht mal, wenn es um Leben und Tod geht!"

"Aber ich muss da runter! Es geht ja um Leben und Tod! Ich meine, es geht um Tote. Um jemanden, von dem ich gedacht habe, er..."

"Kishio, was ist denn?", fragte Kuzomi.

Der rothaarige Shinobi wandte sich zu ihnen um. Verzweiflung stand in sein Gesicht geschrieben. "Ich habe es gespürt! Nur ganz schwach, aber ich habe es gespürt! Es war eine ganz sanfte, unbewusste Berührung, aber... Ich bin mir ganz sicher, da unten ist jemand aus meinem Clan! Ich dachte, ich wäre der Letzte, doch jetzt..."

Die Mädchen tauschten einen irritierten Blick aus.

"Kleiner, da unten ist das Gefangenenhospital. Haben wir vielleicht einen Grund, deinen Clan zu inhaftieren?", fragte einer der beiden ANBU und trat drohend vor.

Kuzomi trat schnell vor und ergriff die Rechte Kishios. "Lass doch den Quatsch! Wenn du schon wieder genug Kraft hast, um mit einem ANBU zu streiten, dann geh doch besser zu Sensei und sieh zu, was du mit seiner Hilfe erreichen kannst."

"Genau", sagte Shinobu und ergriff die andere Hand. Gemeinsam zerrten die Mädchen den plötzlich so willenlosen jungen Mann hinter sich her. "Suchen wir Mamo-chan."

"Natürlich... Natürlich! Er kennt doch den Raikage persönlich!" Nun war es Kishio, der voranschritt, die überraschten Mädchen hinter sich herziehend.

***

Der Markt war belebt wie immer, wenn das Wetter gut war. Aber wehe, dieser eiskalte Wind wehte oder der noch eisigere Regen Kumogakures fiel. Dann waren die Stände aber ruckzuck wieder in den großen, mehrstöckigen Gebäuden.

"Kennst du den Weg, mein Freund, oder hast du versäumt, es dir zu merken und dein Wissen zu stärken, du Tölpel, du Dummkopf?"

Ich schmunzelte. "Ich kenne hier jeden einzelnen Meter Weg, Sensei. Wenn ich du wäre, würde ich im Falle eines Krieges eine Gruppe Attentats-ANBU auf mich ansetzen."

Entsetzt sah Sensei mich an. "Wie kannst du nur denken, die ANBU würden den Tod dir schenken?"

Okay, seine Reimerei ging mir definitiv auf die Nerven. Aber es rührte mich, was er implizierte. "Danke, Kirabi-sama."

"Das würde ich selbst erledigen. Anders könnte ich dir nicht in die Augen sehen."

Kleiner emotionaler Rückschlag. "Danke, Sensei. Denke ich."

Er klopfte mir auf die Schulter. "Das war nur Spaß, du Tölpel, du Dummkopf."

"Das will ich dir mal glauben, Kirabi-sama", erwiderte ich säuerlich. "Hey, das sind doch Kishio, Kuzomi und Shinobu. Sollte Kishio nicht noch im Bett bleiben? Hey Kishio!"

Das war ungefähr eine Sekunde, bevor meine Welt einen Salto zu schlagen wagte.
 

Ich sah das Geschoss, das auf Kishio zuflog, wie in Zeitlupe. Als ich nach meinem Kunai gegriffen und es geworfen hatte, wunderte ich mich mehrfach. Darüber, dass Kishio das Objekt nicht selbst bemerkte. Aber er war wohl wirklich erschöpft. Noch immer. Darüber, wohin es fliegen würde, aufgespießt von meinem Kunai. Darüber, wer es wohl geworfen hatte. Und warum es eine Tomate war. Dann ging alles ganz schnell. Das Kunai erwischte die Tomate etwa einen Meter vor Kishios Kopf, riss sie davon und landete schließlich schlitternd auf dem Boden des Marktplatzes. Etwa zugleich schrie eine hysterische Stimme: "MONSTER!"

Ein nicht besonders großer Mann stand inmitten der Menge, die Hand erhoben, den Zeigefinger auf Kishio zeigend. Wieder rief er: "MONSTER! EIN MOERU!"

"Okay, irgendwann habe ich das erwartet", brummte ich missmutig und ging in den Step. Das heißt, ich versuchte es, aber Kirabi-sama hielt mich mit einem seiner Tentakel fest. "Warte ab, was passiert. So etwas hat Kishio-kun sicher nie gespürt."

"Hä?"

Inzwischen waren die Geschäftigkeiten weitestgehend zum Erliegen gekommen und Kishio stand zwischen den beiden Mädchen mit einem Blick, der unsäglichen Schmerz verhieß. Kuzomi schnaubte wütend und stellte sich schützend vor den rothaarigen Jungen. "Na und?"

Nun hatten sie die Aufmerksamkeit der ganzen Menge. Der Mann sah sich selbstgefällig abschätzend um. "Er ist ein Moeru und er ist gefährlich!"

Shnobu hob in einer Geste der Gleichgültigkeit beide Hände. "Offensichtlich ein Verrückter. Kommt, Kishio-kun, Kuzomi-chan, suchen wir euren Sensei." Sie griff nach Kishios Linker und zog ihn fort.

"A-aber... Lasst ihn nicht entkommen! Er ist eine gefährliche Bestie!"

Jemand aus der Menge begann prustend zu lachen. "Seit wann fürchtet sich ein Kumo-Nin vor einem Konoha-Nin? Ehrlich, ein guter Witz."

Die Menge lachte verhalten. Der Mann sah sich verunsichert um. "A-aber er ist ein Monster von den Moerus! Sie können nur mit ihren Gedanken töten!"

"Oh, das kann ich auch!", rief Kuzomi begeistert. "Bin ich dann auch ein Monster? Das wäre sooo cool!"

"Äh, das kriege ich auch noch hin. Aber ich muss Fingerzeichen benutzen. Zählt das?", fragte Shinobu. "Außerdem sind wir alle gefährlich. Dies ist eine Ninja-Stadt, nur falls dir das noch keiner gesagt hat, alter Mann."

"Aber... Ihr versteht nicht! Man muss die Moerus töten oder wenigstens verjagen, wenn sie kein Unglück bringen sollen!"

Eine ältere Frau wandte sich ihm direkt zu. "War das gerade ein Aufruf dazu, einen Lynchmob zu bilden? Gefährdest du die öffentliche Sicherheit Kumogakures, Händler?"

"N-neinneinnein, so habe ich das nicht gemeint", erwiderte der Mann verdattert. "Aber man erzählt sich doch, wo ein Moeru ist, da folgt dieser Orochimaru, und dann tötet und vernichtet er alles und jeden!"

Die Menge verharrte atemlos. Die Stille war so allgegenwärtig, das man eine Stecknadel hätte fallen hören können. Ein recht junger Shinobi kam zu Kishio. "Hey, Konoha, stimmt das mit Orochimaru?"

Etwas hilflos hob Kishio die Schultern. "Mir ist er noch nie gefolgt, aber so erzählen es sich die Leute."

Der Shinobi ballte beide Hände zu Fäusten und reckte sie hoch. "Oh, wenn das wahr wäre, das wäre doch sowas von cool! Stellt euch das doch mal vor, Orochimaru gegen Kirabi-sama oder gleich gegen den Raikage!"

Zustimmendes Gemurmel klang auf.

"Aber es wird zivile Verluste geben!", begehrte der Händler auf. "Und da wo ich herkomme, haben wir besser damit gelebt, die Moerus wegzujagen!"

"Dann habt Ihr da wo du lebst alle keine Eier!", rief der junge Shinobi. "Und zivile Verluste wird es solange geben, wie Orochimaru frei herumläuft. Besser ein Ende mit Schrecken, als Schrecken ohne Ende!"

Das zustimmende Gemurmel wurde lauter.

"Genauer gesagt würde ich sofort mein Leben in seinen Giftfängen freiwillig aushauchen, wenn das bedeuten würde, das Bleichgesicht wäre endlich weg vom Fenster! Man stelle sich das mal vor, wie tief Konoha dann in unserer Schuld stehen würde! Jeder Kumo-Nin in Konoha wäre fast schon ein Gott! Wir schaffen das, was sie zehn Jahre lang nicht hingekriegt haben! Ach, wäre es doch nur wahr..." Der Ninja seufzte. "Aber ich sage dir was, Alter. Du und deine Leute, Ihr seid einfach nur feige und hysterisch. Oder hat Orochimaru auch nur einen eurer Orte plattgemacht?"

"Nein", erwiderte er trotzig. "Weil wir Leute mit roten Haaren immer fortgejagt haben!"

Ein alter Mann mit ehrwürdigem weißem Bart trat neben Kishio. "Der Junge ist keine sechzehn Jahre alt. Du und deine Leute, könnt Ihr nicht mal ein Kind beschützen? Was seid Ihr nur für Feiglinge. Das hätte mal einen stolzen Shinobi Kumogakures einfallen sollen. Klar, im Krieg kämpft man mit harten Bandagen und auch mit Sprengfallen und Gift. Aber wie kann Orochimaru einem Kind den Krieg erklären?" Er klopfte dem vollkommen verdutzten Kishio kräftig auf die Schulter. "Bleib mal ruhig in Kumogakure, junger Mann. Falls dieser Orochimaru auftaucht, kümmern wir uns angemessen um ihn. Und der Rotzbengel da hat vollkommen Recht. Es wäre jeden Toten wert. Und es wäre eine Riesenshow, wenn A-Sama ihn auseinandernimmt."

Wieder wurde zugestimmt, teilweise gejubelt.

"Aber... Aber... Aber...", stammelte der Mann, der die Tomate geworfen hatte. "Aber Ihr könnt doch nicht... Ihr könnt doch nicht eure Leben und die eurer Familien riskieren für einen dahergelaufenen..."

"Und genau das ist der Unterschied zwischen den Feiglingen, die du deine Leute nennst, und den Menschen von Kumogakure", sagte der Alte.

"Ja, Ihr seid ja auch Shinobi."

"Nur ein Teil der Menschen hier ist ein Shinobi. Aber unsere Herzen schlagen alle gleich. Uns würde es nie einfallen, jemanden in Not davonzujagen, wenn er unsere Hilfe braucht, egal wer hinter ihm her ist. Der Raikage würde ansonsten mit uns ganz schön Schlitten fahren."

Die Zustimmung in der Menge war allgegenwärtig.

"So, nachdem das geklärt ist, denke mal über deine Position nach, Händler. Ansonsten fürchte ich, kannst du dir in Zukunft den Weg nach Kumogakure sparen", sagte die alte Frau von vorhin. "Denn wenn wir etwas noch weniger in Kumogakure mögen als Feiglinge, dann sind es die, die andere ausgrenzen, aus welchen Gründen auch immer."

Verstohlen wischte ich mir eine Träne aus dem rechten Augenwinkel. Wirklich, ich war gerührt.

"Kumogakure ist doch immer wieder beeindruckend", sagte ich mit Stolz in der Stimme.

"Die Menschen sind zwei Jinchuriki gewohnt", sagte Sensei. "Dein Kishio ist jemand, der sie da eher schont." Er winkte mir, ihm nachzugehen.

"Ist ein Argument." Noch immer lächelnd folgte ich Sensei.
 

Als wir die drei Shinobi erreicht hatten, war der Tumult vollkommen auf den Händler konzentriert und unzählige Stimmen hielten ihm Vorträge über Toleranz. Wahrscheinlich lernte man sowas, wenn man Jahrelang erlebte wie der Hachibi ausbrach, und dann war dank Kirabi-sama endlich Ruhe im Karton und man lernte wieder, den Jinchuriki hinter dem Biju zu sehen. Allerdings gab es nicht wenige Bürger und Shinobi Kumogakures, die dem wie betäubt dastehenden Kishio versicherten, dass nicht nur alles gut war, sondern dass sie eher den Händler als ihn aus der Stadt jagen würden. Nun, seine Augen waren reichlich feucht. So etwas hatte er sicher noch nie erlebt. Er bedankte sich mit gebrochener Stimme bei jedem Einzelnen.

"Mamo-chan!", rief Kuzomi, als sie mich erkannte. "Kishio-kun, Sensei ist da!"

"Und Kirabi-sama auch!", rief Shinobu hocherfreut.

"Wa-was? Mamoru-sensei..." Er wischte sich über die Augen. "Geht gleich wieder."

"Kishio, wir müssen Sensei doch wegen dem Gefangenentrakt im Krankenhaus sprechen!", erinnerte Shinobu.

"Was? Ach ja. ACH JA!" Er trat an mich heran und legte beide Hände auf meine Schultern. "Sensei, ich habe im Krankenhaus..." Er stockte für einen Moment, als er überlegte, was er in der Menschenmenge sagen konnte. "Was dringendes von dir zu erbitten!"

Zugleich aber flüsterten seine Gedanken in mir: "Sensei, kannst du mich hören?"

"Klar und deutlich, Kishio. Was ist denn los?"

"I-ich habe die Gedanken einen Moerus gehört! Im Krankenhaus! Irgendwo aus dem Gefangenentrakt!"

Natürlich, jetzt machte vieles Sinn. Die DNS-Versuchsanordnung, der Gefangene, der vorgab, geflohen zu sein...

Kishios Gedanken stockten, als er meine Erinnerungen erfasste.

"Wer ist es?", fragte ich auf dem gleichen Wege.

"Ich weiß es nicht! Aber es ist auch egal! Es kann irgendjemand sein, hauptsache, ich bin nicht mehr allein! Ich..."

Nun legte ich eine Hand auf seine Schulter. "Du begleitest uns, Kishio. Und Ihr zwei kommt ebenfalls mit zurück, Shinobu-chan, Kuzomi-chan. Kirabi-sama, ich glaube, uns steht eine Riesenüberraschung bevor."
 

Etwa fünf Minuten später und ohne Diskussion mit den ANBU auf der Treppe und im Gang, standen wir vor dem Zimmer, aus dem Kishio die Gedanken eines Verwandten spürte. Die Mädchen hatten wir oben gelassen. Dies waren Angelegenheiten von Kumogakure, Konoha und dem Clan der Moerus, und zwar auf der allerhöchsten Ebene. Nicht jeder Genin musste darin involviert werden.

Noch einmal legte ich meine Hand auf Kishios Schulter, aber ich sprach laut. "Die Akte spricht von einem Mann, ungefähr zwischen zwanzig bis vierzig. Er hat eine Menge mitgemacht und sieht älter aus als er eigentlich ist, steht da. Du wirst ihn vielleicht nicht gleich erkennen. Und es tut mir leid, dass es nicht deine Schwester ist."

Für einen Moment legte sich ein Schatten auf Kishios Gesicht. "I-ich schraube meine Hoffnungen überhaupt nicht hoch. Mir reicht es schon vollkommen, dass ich nicht mehr alleine bin. Ich... Ich will es auch gar nicht wissen. Wenn er mich nicht sehen will und fortschickt, ist mir das Recht. Aber dann bin ich nicht mehr der letzte Moeru."

Der behandelnde Arzt trat vor die Tür. "Ich habe nach ihm gesehen. Er wacht gerade auf. Seien Sie behutsam. Er hat viel mitgemacht. Wenigstens der Teil seiner Geschichte stimmt."

"Ki... Kishio-sama?", hörte ich einen fremden Gedanken über die Verbindung zu Kishios Körper rufen. "Kishio-sama, bist du das? Oder träume ich wieder?"

"Ja! Ja, ich bin es! Bist du etwa... "

Ob Kishio wusste, dass er laut gesprochen hatte? Na, da würde ich ja einiges zu erklären haben, denn Kirabi war nicht dumm genug, um nicht zu merken, dass hier gerade etwas Ungewöhnliches geschehen war. Er riss die Augen auf, unnatürlich groß. Dann drängelte er sich am Arzt vorbei, öffnete die Tür so heftig, dass sie gegen die Wand geschleudert wurde und rannte in den Raum. "Shinpa-chan!" Halb auf dem im Bett liegenden, halb auf dem Fußboden stürzte er nieder. "Shinpa-chan! Du bist es! Du bist es wirklich!"

"Kishio-sama! Dir geht es gut! Oh, was habe ich dafür gebetet, dass du nicht mitten in die Zerstörungswalze geraten bist, die uns... Was bin ich froh, dass es dir gut geht."

"Shinpa-chan..." Kishio schluchzte. "Ich dachte, ich wäre allein. Ich dachte, es wäre keiner mehr da! Ich war so einsam und hätte ich Sensei nicht getroffen..."

"Du bist nicht allein, Kishio-sama!" Der andere Moeru schlug sich mit der Linken gegen die Brust, während er den Jungen mit der Rechten fest umklammert hielt. "Ich lebe und ich bin bald wieder fit wie eine Laufsandale!"

Ich sah kurz zum Arzt, der zustimmend nickte.

"Und das ist noch nicht alles! Ich habe Gerüchte gehört, dass Orochimaru nicht nur mich gefangengenommen hat. Ich weiß nicht, ob sie noch leben, aber ich weiß, dass deine Schwester auf jeden Fall noch lebt!"

"Sie... Tama-chan lebt?"

"Ja, sie lebt. Für diese Information habe ich beinahe teurer bezahlt als für den Beweis, den man mir gebracht hat, aber... Es hat sich gelohnt. Sie ist aber nicht mehr wie früher, Kishio-sama."

Kishio sah auf. "Shinpachi. Drei Dinge solltest du wissen. Erstens, hör auf, mich Sama zu nennen. Du bist der Ältere, und den Clan der Moerus gibt es nicht mehr. Zweitens möchte ich dir Mamoru-sensei vorstellen. Er hat mir das Leben gerettet und in seine Dienste aufgenommen."

Shinpachi Moeru nickte mir anerkennend zu. Ich erwiderte das Nicken.

"Und drittens: Erzähle mir alles. Von Anfang an der Reihe nach."

Ich sah Kirabi-sama herüber. "Und spätestens jetzt sollte jemand Protokoll führen, Kirabi-sama. Eine Abschrift bitte für Konoha."

"Ich denke, das ist eine gute Idee", murmelte er. "Wartet bitte noch einen Augenblick."

"Nach all der Zeit", sagte Shinpachi und lächelte wie ein Wahnsinniger, "kommt es auf ein paar Minuten auch nicht mehr an. Nicht, kleiner Bruder?"

"Nein, da hast du vollkommen Recht, Shinpa-chan. Darauf kommt es nicht mehr an."

Ich lächelte. Was wäre mir auch anderes übrig geblieben? Tatsächlich aber hatte meine Welt wieder mal ein wenig Geschwindigkeit zugelegt.

Der ewige Chunin 18

Anfangs hatte ich erwogen, Kishio rauszuschicken, um ihm die Details von Shinpachis Folterungen zu ersparen, aber mir war nur allzu klar, dass er den größten Teil von dem, was sein Freund uns erzählen würde, schon längst durch die Berührung mit ihm wusste. Kurz spielte ich mit den Gedanken, einerseits durch eine Berührung alles von Shinpachi direkt zu erfahren und diese Informationen so vor Kumogakure zu verbergen. Aber selbst wenn ich mich zu dieser Perfidität hätte durchringen können, so wäre der junge Mann noch immer in Kumogakure gewesen, nicht in Konoha. Und mir war eines sehr wohl klar: Wollte ich Kishio halten, musste ich Shinpachi in meine Heimatstadt bringen - zu welchem Preis auch immer. Der Taktiker in mir wusste zu gut, wie wertvoll ein Moeru für Konoha sein würde. Und der Himmel alleine mochte wissen, wie wertvoll ZWEI sein würden. Also arbeitete ich in Gedanken an einem Plan, um das zu ermöglichen. Teil davon war, dass Shinpachi alle Informationen offenlegte, die er über das Versteck besaß, sodass er seinen subjektiven Wert für Kumogakure reduzierte. Dann musste er, als unschuldig Gefangener, nur noch den Wunsch äußern, mit Kishio zu gehen. A-sama war im Grunde seines Herzens ein hochanständiger Mann, wenngleich er tödlicher war als mein alter Lehrer Sarutobi-sama, der dritte Hokage. Er würde sich, wenn es Kumo nicht schadete, nie dagegen stellen, dass der junge Mann nach dem Leid, das er erlitten hatte, in jenem Ort lebte, in dem er auch leben wollte. In Gedanken formulierte ich bereits die Eildepesche an Tsunade-sama, denn wenn ich etwas nicht wollte, dann war das ein Leben für die beiden Moerus in Konoha, das ähnlich aussah wie das von Naruto. Grundlegendes musste dringend geklärt werden, wenn ich auch noch die Option besaß, sie A-sama anzuvertrauen. Ich musste hier einerseits als Shinobi Konohas entscheiden, andererseits aber auch als derjenige, der für Kishio Verantwortung übernommen hatte. Und damit auch für Shinpachi.
 

Ich vertrieb diese Gedanken, als der ältere Moeru seinen Bericht begann, nachdem ihm von Kishio ein Schluck Wasser eingeflößt worden war. "Danke", murmelte er, obwohl er ebenso wie ich wissen musste, dass er auch alleine hätte trinken können. Aber Kishio war so verzweifelt darauf fixiert, irgend etwas für seinen "großen Bruder" zu tun, dass es fast schon ans Hysterische grenzte.

"Wo fange ich an? Am besten bei der Vernichtung von Moeru Macchi und der Ermordung der Einwohner. Es war ein Überfall, der uns aus heiterem Himmel traf. Es waren zwei Haupttäter, die in Begleitung des Vertreters des Daimyos gekommen waren, der die Moeru stets protegiert hat. Ich schätze, damit ist es jetzt wohl vorbei." Die Augen Shinpachis kontraktierten stark und tiefe Falten bildeten sich in seinen Augenwinkeln, die seiner Erschöpfung geschuldet waren. "Sie trugen schwarze Umhänge mit roten Wolken. Arglos wurden sie mit dem Gefolge des Vertreters, Imada-sama, ins Dorf gelassen, dachten wir doch, was könnte einem Moeru, geschweige denn allen passieren, wo wir doch mit der Kraft des Geistes töten konnten. Oh, wie sehr haben wir uns geirrt. Der eine von ihnen war Orochimaru. Er beschwor Mandara no Jin, der sofort angriff und das erste Dutzend in einem Schlag tötete. Sein Begleiter war ein Uchiha. Unverkennbar. Seine roten Augen haben sich für immer in mein Gedächtnis eingebrannt. Was er anstellte, war noch viel furchtbarer. Er setzte das ganze Dorf in Flammen... In schwarze Flammen, die wir nicht löschen konnten. Im Gegenteil, wer einmal von diesen Flammen berührt worden war, war unrettbar verloren. Wir..." Shinpachi schwieg für einen Moment, nahm sein Gesicht in beide Hände und schluchzte. "Wir haben sie getötet, weil sie die Qualen nicht ertragen konnten. Wahrscheinlich haben mehr Moerus ihre Familienmitglieder getötet, als der Uchiha oder Orochimaru auf dem Gewissen haben. Und die Leute des Daimyos, Imada-sama und seine Shinobi sahen nur dabei zu, wie das schwarze Feuer wie ein gigantisches Wagenrad durch das fuhr, was einst unser Dorf gewesen war."

Schwarzes Feuer, Uchiha, dazu die Umhänge mit den roten Wolken... Unverkennbar. Akatsuki. Itachi Uchiha, der zweite große Verräter Konohas. Ich fühlte Zorn in mir aufsteigen, weil es nicht nur ein Konoha-Nukenin, sondern zwei gewesen waren, die so viel Leid über die Familie Moeru gebracht hatten. Leider war ich keinem beiden auch nur annähernd gewachsen, wie ich mir schmerzlich bewusst machte.

Ryoga trat leise ein, nickte mir zu und postierte sich an der Wand. Wenn er seinen Posten, auf die "Kleinen" aufzupassen, verlassen hatte, dann musste etwas passiert sein. Wenn er nicht sofort mit mir sprach, war es ein längerfristiges Problem. Verdammt, ausgerechnet jetzt. Ich erwiderte sein Nicken. Kurz darauf sprach Shinpachi, beruhigt von Kishios tröstenden Berührungen, weiter.

"Ich weiß nicht, was danach geschehen ist. Ich war mit ein paar Halbwüchsigen und anderen Kindern außerhalb der Flammen. Darunter befand sich auch deine Schwester, Kishio-sama, Tama-chan. Ich versuchte sie aus dem Ort zu bringen. Aber dabei beging ich den Fehler zu glauben, bei den Leuten des Daimyos Schutz und Sicherheit zu finden. Natürlich fanden wir sie dort nicht. Sie nahmen uns gefangen, trennten die Kinder und vor allem Tama-chan von mir. Kurz dachte ich daran, mich selbst und die... Mich selbst zu töten, aber sie erpressten mich mit Tama-chans Leben, die zu jung war um zu verstehen, was gerade geschehen war." Er schluchzte leise und Kishio beäugte ihn mit Besorgnis.

"Ich weiß nicht, ob und wer überlebt hat. In einem Fall wie diesem gibt es die Anweisung, nach Tanima no Kuni zu fliehen, in die Obhut von Taeki und Nagisa, die auch für genau so einen Fall dort eine Zuflucht für alle Moerus aufgebaut hatten. Natürlich würden sie diese aufgeben, sobald die ersten Flüchtlinge eintrafen, denn mit Gefangenen war zu rechnen, auch mit Verfolgern. Es ist nur logisch, dass sie kurz darauf untergetaucht waren. Falls sie nicht schon tot waren, denn ich fürchte, dass nicht nur Moeru Macchi angegriffen wurde, sondern auch all unsere aktiven Leute im Einsatz. Wenn... Falls noch ein Moeru lebt, so nur in Abgeschiedenheit, Verborgenheit, möglichst weit fort von hier. Und die anderen? So ein massiver Angriff Orochimarus konnte nur das Ziel haben, uns auszulöschen. Warum sollte er dann jemanden absichtlich übersehen?

Ich traf einen Deal mit Orochimaru. Ich würde mich nicht selbst töten, und er würde Tama-chan und die anderen Kinder am Leben lassen. Ich weiß bis heute nicht, warum er darauf eingegangen ist, aber bis zum heutigen Tag hat er sich zumindest bei Tama-chan daran gehalten. Ob die anderen Kinder auch noch leben, weiß ich nicht. Ich hoffe es, aber ich fürchte, so wertvoll war ich dann doch nicht für ihn. Was ich aber vergessen hatte ihm abzupressen, das war ihm zu verbieten, Tama-chan zu manipulieren und zu seinem Werkzeug zu machen. Das allerdings hat er getan. Oder sie hat den einzigen Weg gefunden, wie sie überleben kann, indem sie tat, was Orochimaru ihr beigebracht hat. Heute nennt sie sich Karin und ist ihm voll ergeben."

Ich brauchte nicht hinzusehen, um zu wissen, dass Kishio sich bei diesen Worten versteifte. Da gab es Hoffnung, tatsächlich Hoffnung, dass neben Shinpachi und ihm selbst noch weitere Moerus am Leben sein mochten, und es war ausgerechnet seine Schwester, die er tatsächlich verloren hatte, bevor er sie wiederfinden konnte.

"Aber ich greife vor", sagte Shinpachi. "Wir wurden getrennt, aber nicht getötet. Gemäß meines Eides fügte ich mich. Anfangs aus eigenem Willen, später, weil Orochimaru mich unter eine Droge setzte, die nach und nach meine Fähigkeiten dämpfte. Darunter auch mein Gefühl für Zeit. Es würde zu weit führen, um all die Arten zu erklären, auf die ich gefoltert wurde. Wie grausig die Experimente waren, die sie vornahmen, und das nicht nur an mir. Wie viele Menschen sie in dieser Zeit töteten, die für mich merkwürdig schwammig war. Und wie brutal ich bestraft wurde, wenn meine Fluchtversuche scheiterten. Ich versuchte es wieder und wieder und wieder, und sie bestraften mich wieder und wieder und wieder. Sie..." Er entblößte seine Unterarme und zeigte uns ein Netz von Narben, die von den Experimenten, den Bestrafungen und dem Sadismus seiner Wächter herrühren mussten. Ich schüttelte mich unbehaglich. Wie um alles in der Welt hatte er all das so lange überlebt?

"Und alles nur", fuhr er leise fort, "um die Fähigkeiten der Moerus auf andere zu übertragen. Orochimarus Wissenschaftler versuchten alles. Mal versuchten sie, einen anderen Körper zu überreden, doch Moeru-Chakre anzunehmen, mal wurde es wie eine Maske über das Chakra einer Versuchsperson gelegt, mal versuchten sie es mit einem Vorrat meiner DNS, das sie in einen Körper implantierten, damit dieser auf meine Körperzellen und indirekt auf meine Fähigkeiten zurückgreifen konnte. Schließlich versuchten sie es mit meinen Genen selbst, um einen Moeru zu erschaffen. All das misslang. Die letzte Methode, die sie probierten, war, sich eigene Moerus zu züchten, indem sie mir Blut und... andere Körperflüssigkeiten abnahmen."

"Dieses Konzept ist Kumogakure auch nicht ganz unbekannt, oder?", warf ich spöttisch ein, auf die beinahe gelungene Entführung von Hinata Hyuuga anspielend. Mir war klar, welche Körperflüssigkeiten abgezapft worden waren. Und die wären auch zum Einsatz gekommen, um mit Hinata Kumo-Hyuugas zu zeugen. Kirabi-sama schnaubte leise. Er hatte mich wohl verstanden.

"Wie dem auch sei. Von alledem sah ich nie ein Ergebnis und verbrachte meine Zeit, ohne wirklich zu wissen, wie viel Zeit vergangen war. Aber wie ich jetzt sehe...", er streichelte Kishio über den roten Haarschopf, "muss es eine kleine Ewigkeit gewesen sein."

Erst jetzt fiel mir etwas auf. Beide Moerus waren erschöpft. So erschöpft, dass sie nicht wie gewohnt ihre Tätowierungen verdeckten, ein Bild, das ich schon seit zwei Wochen gewöhnt war. Diese Tätowierungen waren Kishio auf dem Markt auch prompt beinahe zum Verhängnis geworden, wären die Einwohner Kumogakures nicht insgesamt ein großartiger Haufen. Jedenfalls hatte Shinpa eine Tätowierung mehr als Kishio. Ich beschloss, die beiden beizeiten nach der Bedeutung des Bogens über dem Kinn zu fragen. "Es dürften fünf Jahre sein. Nicht, Kishio?"

Der junge Moeru sah auf. "Ein wenig mehr, Sensei."

Ich nickte. "Fahre fort, Shinpa-chan."

Der ältere Moeru nickte. "Während der letzten Wochen meiner Gefangenschaft war ich nicht im Mittelpunkt des Interesses meiner Kerkermeister und der Forscher, die mich drangsaliert hatten. Aus einem Grund, den ich nicht kenne, hatte einer meiner Kerkermeister Mitleid mit mir. Eines Tages wusch er meine Wunden nach einem besonders schlimmen Experiment, was das Netteste war, was ich seit Jahren erlebt hatte. Er versorgte mich auch ab und an mit zusätzlichen Rationen und neigte auch nicht dazu wie so viele andere vor ihm, mich zu hänseln und zu quälen, wenn ich zu schwach war, um mich auch nur zu bewegen. Aber er sagte nie ein Wort. Am Tag des Angriffs Kumogakures aber warf er mir die Kleidung eines Oto-Nins in meine Zelle und ließ die Tür offen. Diese Chance ließ ich mir nicht entgehen. Ich zog mich um, verließ die Zelle und suchte nach dem Ausgang. Und wäre ich die Strecke nur einmal in meinem Leben mit offenen Augen gegangen, hätte ich ihn auch gefunden. So aber irrte ich im Versteck umher, bis ich von Kumo-Nin gestellt wurde, die mich für einen meiner Kerkermeister gehalten haben. Ich schätze, ich verdanke mein Leben lediglich dem Umstand, dass ich zusammengebrochen bin, kaum dass sie mich entdeckt hatten. Tatsächlich hätte es sicherlich weniger Probleme gegeben, wenn ich in meiner Zelle geblieben wäre. Aber hinterher ist man ja immer schlauer. Ich fiel in Ohnmacht. Wachte wieder auf und war hier. Fiel wieder in Ohnmacht. So ging es seither. Seit über drei Wochen liege ich hier, und nur langsam spüre ich, dass überhaupt etwas von meiner alten Kraft zurückkehrt. Heute ist der erste Tag, an dem ich so lange Zeit am Stück wach bleiben kann. Und dieser Tag hat mir meinen kleinen Meister zurückgegeben." Bei diesen Worten grinste er breit und tätschelte Kishio den Kopf. Aber der Junge gab kein Widerwort. Überrascht berührte Shinpachi ihn. "Eingeschlafen", stellte er fest. "Einfach eingeschlafen."

Ich lachte leise, trat neben das Bett und wuchtete Kishio hinauf. "Ich schätze, für einen Tag müsst Ihr euch dein Bett teilen, wenn es dir recht ist, Shinpachi. Er ist nämlich auch verdammt erschöpft, weil er zuviel Chakra verbraucht hat. Und ich vermute mal, er würde protestieren, wenn ihn jemand heute aus diesem Raum entfernen würde."

"Ja, das klingt nach ihm." Der ältere Moeru schmunzelte. "Einen Tag werde ich das gern ertragen."

Ich sah den leitenden Arzt an, der zustimmend nickte. "Das geht in Ordnung. Aber ich schätze, wir können Shinpachi Moeru nach oben verlegen, raus aus dem Gefängnis. Eine normale Wache wird wohl reichen - zu seinem Schutz."

Ich nickte zufrieden und auch Kirabi-sama ließ ein zufriedenes Grunzen hören. "Na, dann lassen wir Kishio doch mal schlafen. Er hat es nötig. Du solltest auch schlafen, Shinpachi. Je schneller du dich regenerierst, desto besser. Vor allem für Kishio."

Der Moeru nickte schwach. Seine Lider begannen sich bereits zu schließen, ein Zeichen dafür, wie erschöpft er noch immer war. "Ja, Sensei." Kurz darauf war er eingeschlafen.

"Er hat immer noch Reste des Gifts im Blut, das er erwähnt hat", erklärte der Arzt. "In zwei bis drei Tagen wird es abgebaut sein, und dann wird es ihm schlagartig besser gehen. Orochimaru ist erfindungsreich."

"Verstehe", erwiderte ich. Ein apathischer, wehrloser Moeru war für seine Experimente sicher die beste Wahl. Es schauderte mich, als ich daran dachte, was für ein Mensch dieser Kerl doch war. Und ich verspürte Respekt für Shinpachi, weil er trotz seines Zustandes mehrfach zu fliehen versucht hatte. "Danke, Doktor."

"Gehen wir ein Stück. Und dann ab zurück, du Tölpel, du Dummkopf."

"Ja, Kirabi-sama. Vom Protokoll eine Abschrift an Konoha", mahnte ich den Medi-Nin, der mitgeschrieben hatte.

"Ja, ja, bin ja kein Dummkopf", murrte der Mann.
 

Zu fünft verließen wir das Zimmer, und Kirabi-sama, Ryoga und ich strebten dem Treppenhaus mit dem Aufgang zum zivilen Sektor zu, während die Medi-Nin in ihrer Abteilung blieben.

"Also ist Shinpachi Moeru keine Gefahr für Kumogakure", stellte ich fest.

"Nein, ist er nicht, der kleine Wicht", stimmte mir Kirabi-sama zu.

"Gut. Mehr wollte ich nicht hören. Selbstverständlich wird er Konoha überstellt."

"Du Tölpel. Du Dummkopf. Das wird der Rat entscheiden. Mein Bruder wird ihn leiten."

"Aber er hat kein anderes Verbrechen begangen als eine Oto-Uniform zu tragen", warf ich ein. "Und er wird verständlicherweise bei Kishio bleiben wollen."

"Kishio kann hierbleiben. Du kannst ihn uns überschreiben."

"Eine Lebensschuld kann man nicht so leicht übergeben, und das weißt du, Sensei. Außerdem habe ich mehr getan als sein Leben zu retten. Ich habe ihm ein Leben, eine Aufgabe gegeben. Das kann er nicht so einfach und vor allem nicht so schnell zurückgeben. Und das wird er wollen."

Mürrisch sah Kirabi-sama mich an. "Besser, du sprichst schnell mit Yugito, sie sagt dir was dazu."

"Gut, ich werde sie aufsuchen. Aber ich bin fest entschlossen, die beiden mit nach Konoha zu nehmen. Immerhin wurde ich für mein Attentat nicht einmal von Kumogakure bezahlt, also denke ich, Ihr steht ohnehin in meiner Schuld, Sensei."

Erstaunt sah Kirabi-sama mich an. Er lupfte sogar die Sonnenbrille. "Attentat?"

"Ich denke, so kann man den Kampf meiner Genin gegen die Anti-Konoha-Fraktion durchaus interpretieren", sagte ich mit einem Lächeln, das man auch gut zum Schneiden von Fleisch hätte benutzen können. "Ich denke, du solltest A-sama dazu mal ein paar Fragen stellen."

Die Brille rutschte wieder an die richtige Position. "Das werde ich und warte hier, ich schicke Yugito zu dir."

Es überraschte mich nicht, dass, wenn es eine geplante Aktion gewesen war, Kirabi-sama nichts davon gewusst oder geahnt hatte. So stark er auch war, er hatte auch eine herzerfrischend naive Seite und er wäre mir und meinen Genin zu Hilfe gekommen, wenn er davon gewusst hätte. Egal wie die Planung gelautet hätte. Aber ich war fest entschlossen, Kumogakure für Konohas Unterstützung bezahlen zu lassen. Shinpachi war da nur der erste Posten auf meiner Liste.

"Und wann geht es zum Versteck?", rief ich Kirabi-sama hinterher.

"Das läuft schon nicht weg!", rief er zu mir zurück. Dann war er aus dem Gang verschwunden.

"Gut, das wäre in die Wege geleitet. Und was liegt nun an?" Ich übersah meine kleine Schar, die gewachsen war, während ich mich mit Kirabi-sama unterhalten hatte. Zu Ryoga war nun auch noch P-chan getreten; mit ihr Kira, dessen Haare merkwürdig abstanden. Und roch da nicht irgendwas an ihm verbrannt? Seine Spinne war wieder bei ihm. Ach, und Kiras Cousine war natürlich auch dabei.

Ryoga winkte mir, ihm zu folgen. Also bedeutete ich den anderen, hier zu warten, während ich ihn begleitete.

"Was gibt es, Ryoga?"

Der Affenkrieger runzelte die Stirn. "Mamo-chan, ich..." Er stockte.

"Um was geht es? Um eine Affenangelegenheiten, oder um Shinji, Mai oder Kuzoko?"

"Können wir das abseits besprechen?"

Ich nickte leicht und wandte mich wieder den Genin zu. "Okay. Kira, Kuzomi-chan, ich möchte, dass Ihr zum Büro des Raikage geht und meine Kohai und ihren Affenkrieger herholt. Shinobu, schnapp dir bitte Shinji und geh mit ihm zu dir nach Hause. Der Raikage hat gesagt, die Yamadas wollen uns aufnehmen. Ich wüsste gerne, ob dieses Angebot noch gilt, nachdem wir doch mehr sind als angekündigt wurden, oder ob wir uns für unsere Unterbringung an den Raikage wenden sollten."

"Ich bin mir da zwar ziemlich sicher, dass das Angebot noch steht. Ich denke mal, Opa besteht sogar darauf. Aber okay, ich gehe fragen."

"P-chan, begleite Kira und Kuzomi bitte. Sie kennen Kumogakure nicht."

"Keine Sorge, das mache ich doch gerne." Sie klopfte Kira auf die Schulter. "Vor allem jetzt, wo Kira und ich doch so gute Freunde geworden sind, nicht, Kira-chan?"

Das verlegene Lächeln des blonden Genins war von leichtem Entsetzen durchzogen. Aber immerhin, er lächelte und widersprach nicht.

"Na, dann los."
 

Ich suchte mit Ryoga eine Wartenische auf, während die Genin auseinanderstrebten. Dort ließ ich mich mit dem Affenkrieger nieder. "Wie schlimm ist es?"

"Woher weißt du, dass es schlimm sein könnte?"

"Weil du alleine mit mir reden willst."

Ryoga grinste jungenhaft. "Es ist schlimm und doch wieder nicht schlimm. Du musst mit Mai reden. Du bist ihr Sensei."

Ich runzelte die Stirn. "Mit Mai reden? Was hat sie denn getan?"

Der Affenkrieger sah mich ernst an, dann aber von mir fort. "Kishio hat... Im Schlaf gesprochen, als ich ihn getragen habe. Er hat was gefaselt von Mai, die ihn nicht wegschicken soll, und ich hatte nicht das Gefühl, es würde um ein Beziehungsproblem gehen."

Ich versteifte mich automatisch, als ich das hörte. Befürchtet hatte ich es schon länger, dass es zu Eifersucht kommen würde, wenn ich Kishio bei mir behielt, aber nun war sie offen ausgebrochen. Ausgerechnet bei Mai. Aber nach alldem, was sie durchgemacht hatte und nach ihren Schwächeanfall am Tafelberg war das eigentlich auch anzunehmen. Jede Form von Rückschlag war schlecht für sie. Und wegen Kishio musste ich Zeit für ihr Trainung abknapsen. Dass sie es so schlimm nahm, und damit weit schlimmer als die Jungs, hätte ich nie geahnt.

"Danke, Ryoga. Ich rede mit ihr", sagte ich und wollte aufstehen.

"Das ist noch nicht alles, Mamo-chan", hielt er mich zurück.

"Noch nicht alles?" Erstaunt ließ ich mich wieder zurücksinken. "Ist was mit Shinji?"

"Nein, es geht immer noch um Mai. Sie... Nun. Sie schneidet sich."

"Sie tut was?"

Unschlüssig sah Ryoga mich an, bevor er seinen linken Unterarm entblößte und ein Kunai zog. "Sie schneidet sich. So etwa. In kurzen, gleichmäßigen Schnitten. Den ganzen Arm runter. Schön fein säuberlich nebeneinander." Zum Glück verzichtete er bei der Vorführung, seine Haut tatsächlich einzuschneiden.

"Und warum?", fragte ich ungläubig.

Der Affenkrieger zuckte die Schultern. "Wenn ich das wüsste... Sie versteckt die Schnitte und Narben normalerweise mit einem Jutsu."

"Das ich nicht bemerkt habe. Hm, nicht schlecht für so einen kleinen Ratz. Vielleicht hängen beide Themen zusammen. Aber ich habe jetzt wirklich keine Ahnung von Psychologie. Ich wüsste nicht, wie ich mit ihr umgehen soll."

"Es wäre eventuell ein Anfang, herauszufinden, wie ernst sie das wirklich meint. Das mit Kishio."

Ich nickte dem Affenkrieger zu. "Du hast wahrscheinlich recht. Ich konfrontiere sie mal mit meinem Wissen."

Irgendwo im Gang voraus klappte eine Tür, dann huschten Shinobu und Shinji an der Korridoröffnung vorbei. Oder vielmehr huschte das Mädchen und der arme Junge war dazu verdammt, von ihr halb hinterhergeschleift zu werden. Wenigstens zog sie nicht am gebrochenen Arm. "Wir gehen dann, Sensei!", rief er mir zu, aber die Zeit war zu kurz, als das ich ihn hätte dabei ansehen können. Sie waren schon wieder im Gang verschwunden.

"Energisches kleines Mädchen. Hat viel Ähnlichkeit mit Kira", sagte ich.

Ryoga lachte meckernd. "Hoffen wir mal, nicht zu viel Ähnlichkeit. Mit Tsundere-Persönlichkeiten dürfte Shinji nämlich überhaupt nicht klarkommen."

"Oh, der Junge ist immer für eine Überraschung gut", erwiderte ich grinsend. Erneut erhob ich mich. "Geh ihnen nach und pass auf, dass ihnen nichts passiert. Unauffällig."

"Verstanden." Ryoga nickte mir harsch zu, bevor er per Step verschwand. Nun war mir etwas wohler.

Ich seufzte leise. Na dann, Mamoru Morikubo, auf ins Gefecht zur ersten Schlacht mit deiner Genin.

***

"Na, du bist mir eine. Erst hetzt du so, und dann trödeln wir", sagte Shinji gespielt beleidigt, während das Mädchen für sie beide gefüllte Waffeln kaufte.

"Oh, ich nehme nur Rücksicht auf dich", erwiderte das blonde Mädchen. "Du musst doch bestimmt eine Menge essen, um dein Gewicht zu halten, oder?" Grienend hielt sie ihm die Erdbeerwaffel unter die Nase.

"Da hast du vollkommen recht. Ich habe schon viel zuviel abgenommen, seit ich mit Sensei unterwegs bin. Danke dir." Die Augen fest auf die Waffel gerichtet, ergriff er die Süßspeise und biss hinein. "Oooooh, göttlich. Zucker, jaaaa."

Shinobu kicherte in sich hinein und dirigierte den dicklichen Genin in Richtung einer Bank, die bei dem seltenen Sonnenschein in Kumogakure einen verlockenden Eindruck machte. Sie setzten sich, wobei sie es sich nicht nehmen ließ, auf der Lehne Platz zu nehmen und ihre Füße auf die Sitzfläche abzustellen. Erst hier kostete sie von ihrer Waffel mit Bananenfüllung. "Wir haben Zeit", sagte sie zwischen zwei Bissen. "Auf eine halbe Stunde kommt es heute nicht mehr an. Und ich weiß ja, was Opa sagen wird. Ein Yamada nimmt eine einmal ausgesprochene Einladung nicht wieder zurück. Das ist eine Frage der Ehre. Vor allem, wenn es um Mamo-chan geht." Sie griente den Konoha-Genin erneut an. "Wusstest du, dass ich ihn schon lange kenne? Damals, als er zum Chunin-Examen in Kumo war, hat er meine Klasse an den Shuriken und im waffenlosen Kampf ausgebildet. Damals war ich gerade erst an die Akademie gekommen und hatte furchtbare Angst vor den Waffen und davor, zu Boden geworfen zu werden. Und ich hatte noch mehr Angst, dass Kira deshalb über mich lachen würde. Aber Mamo-chan - er nannte mich damals Shi-chan, weißt du? - hat mir die Angst genommen, indem er mir zeigte, wie ich fallen muss und wie die Shuriken tun, was ich will. Er ist ein guter Lehrer und hat viel Geduld."

"Er ist aber auch ein hinterlistiger Mistkerl", sagte Shinji mit grimmiger Miene. "Weißt du, was er mit uns gemacht hat, bevor wir aufgebrochen sind? Er hat das Glöckchenspiel mit uns gemacht. Er hat P-chan, einen Freund von ihm, Lee-san, und sich selbst mit Glöckchen ausgestattet und uns gesagt, wir müssten ihm eine von drei, P-chan ihre einzelne oder Lee-san eine seiner beiden Glöckchen abnehmen. Wer kein Glöckchen hat, darf nicht mit. Wir haben uns also richtig ins Zeug gelegt, um diese Glöckchen zu kriegen, aber Sensei hat uns richtig hart angepackt. Am Ende hatten wir nur ein Glöckchen, aber das hat uns P-chan mehr oder weniger geschenkt. Und als es darum ging, wer denn von uns dreien mit auf die Reise nach Kumogakure gehen sollte, haben wir uns furchtbar gestritten."

"Wolltet Ihr alle so gerne mit, dass Ihr euch um das Glöckchen gestritten habt?", fragte Shinobu verwundert.

"Natürlich wollten wir alle mit. Aber gestritten haben wir darum, wem wir das Glöckchen geben sollten. Ich glaube, jeder hat das Glöckchen dreimal weitergereicht, bevor Sensei der Kragen geplatzt ist. Er hat es uns weggenommen und gesagt..." Shinji erhob sich, warf sich vor Shinobu in Positur und versuchte, seine Stimme wie die seines Senseis klingen zu lassen: "Wenn Ihr euch nicht darüber einig werden könnt, wer die Ehre haben soll, das Glöckchen zu bekommen und mich auf meiner Reise zu begleiten, dann solltet Ihr doch besser alle drei mitkommen. Oder nicht?" Und da hielt er plötzlich drei Glöckchen vor unsere Nasen. Der Halunke hat nämlich gar nicht wegen der Glöckchen mit uns gespielt, ihm ging es nur darum, wie weit unsere Jutsu entwickelt sind und wie gut wir als Team arbeiten würden. Und ich verwette meinen rechten Arm darauf, dass P-chan das Glöckchen an Mai-chan gegeben hat, damit genau die Situation passiert, die wir dann erlebt haben."

Grübelnd setzte sich Shinji wieder und biss gedankenverloren in seine Waffel. "Wemmich so müber machbenke, damm häppe er umm wohl zuhau'e gelaffem, wemm wir..." Irritiert stoppte Shinji mitten im Satz, als sich Shinobu neben ihm schier ausschüttete vor Lachen.

Shinji schluckte seinen Bissen runter. "Lustig? Ich? Weil ich mit vollem Mund rede?"

Verdutzt unterbrach das Mädchen seinen Lachanfall. "Was?" Als die Erkenntnis es erreichte, lächelte es und tätschelte Shinjis Wange. "Nein, Dummerchen. Mir ist nur eben eingefallen, was Mamo-chan uns damals schon eingetrichtert hat: Wenn die Gruppe im Einsatz ist, sind deine Kameraden deine besten Freunde, also behandle sie auch so. Gell, hättest du das gewusst, dann wäre euch die Prüfung sicher leichter gefallen."

Shinji schnaubte aus und stopfte sich den Rest der Waffel in den Mund, nur um gierig zu kauen und den Rest runterschlucken zu können. "UNS hat er das nicht beigebracht. Ich bin eifersüchtig."

"Oh, keine Sorge, das brauchst du nicht. Ich bin bereit, Mamo-chan zu teilen, wenn du es auch bist. Selbst wenn er mich nicht wiedererkennt. Aber ich habe mich ja auch verändert. Alles wieder gut?" Sie beugte sich vor und küsste Shinji auf die Wange. "Bitte, ja?"

Eine leichte Röte huschte über seine Wangen. Er sprang auf. "A-alles wieder gut. In Ordnung, wir teilen ihn uns. Ich meine, neben Mai-chan und Kira teile ich ihn mir auch mit Kuzomi-chan, Kuzoko-chan, Perine-sama, Ryoga und Kishio, da kommt es auf einen mehr auch nicht drauf an." Er sah verlegen zur Seite. "W-willst du was trinken? Da hinten steht ein Automat."

"Gerne. Kirschsoda, bitte. Du bist so aufmerksam, Shinji-sama."

"Bi-bin ich das? Das freut mich! Bin gleich wieder da!" Er lief los, winkte ihr dabei zu und beeilte sich, um ihre Kirschsoda und Cola für sich zu bekommen. Dabei pochte ein Gedanke hinter seiner Stirn, der ihm vehement mitzuteilen versuchte, dass ihm etwas Elementares, Kiras Cousine betreffend, gerade zu einem Ohr rein und zum anderen wieder raus gegangen war.
 

Als er mit zwei eiskalten Getränkedosen zurückkehrte, war Shinobu nicht mehr alleine. Fünf Jungs unterschiedlichen Alters umringten sie, und der Größte von ihnen, ein hagerer Blondschopf von vielleicht fünfzehn Jahren, der ein Kumo-Shinobi-Stirnband trug, redete auf sie ein. Das alles ließ sie von sich abtropfen, als gebe es weder den blonden Jungen, noch die anderen vier.

"Alles in Ordnung?", fragte Shinji argwöhnisch, als er näher kam.

Shinobu sah auf, als sie seine Stimme hörte. "Shinji-sama! Willkommen zurück!" Mit einem Satz hatte sie die Bank verlassen, die beiden Jungs vor ihr übersprungen und landete nun sanft wie eine Feder neben dem Konoha-Nin. "Oh, danke, Kira-sama. Ich bin am Verdursten. Und sogar meine Lieblingsmarke? Woher wusstest du das?"

"Äh", machte Shinji verlegen, der von der Situation etwas überfahren war, "es war nur diese Marke im Automaten."

"Dann muss es Schicksal gewesen sein, dass du ausgerechnet diesen Automaten ausgesucht hast, Shinji-sama. Oh, wir passen so gut zusammen."

"Was?", raunte Shinji, die Augen vor Schreck aufgerissen.

"Spiel einfach mit, ja? Das ist Gero, ein Idiot. Er stellt mir dauernd nach."

"Er stellt dir nach?", fragte Shinji wütend und wollte vorstürmen, doch Shinobu hielt ihn zurück.

"Keine Sorge, er belästigt mich nur damit, das ich seine Freundin werden soll. Aber ich gehe doch nicht mit so einem Idioten."

"Ich kümmere mich um ihn", knurrte Shinji und wollte erneut an ihr vorbei, doch ihre Hand war unerbittlich.

"Wenn du in Kumo bist, tue die Dinge wie die Kumos. Hat dir dein Sensei das nicht beigebracht? Spiel einfach mit, und ich habe für eine lange Zeit meine Ruhe. Ja?"

Shinji entspannte sich merklich. "Okay. Ich vertraue dir."

Röte huschte über ihre Wangen. "G-gut, Shinji-sama." Sie griff nach ihrer Dose und öffnete sie, um einen kräftigen Schluck zu nehmen. "Ah, das ist lecker."

"Wer ist denn der Typ da?", fragte der große Blonde, Gero mit Namen, als er nähertrat, seine Bande im Schlepptau.

"Oh, das." Shinobu legte besitzergreifend eine Hand um Shinjis Schulter. "Das ist Shinji-sama aus Konohagakure." Sie räusperte sich vernehmlich. "Mein Verlobter."

"Was?" Dieser Ausruf wiederholte sich fünfmal. Eigentlich sechsmal, aber Shinjis Entsetzen war in den Rufen der anderen untergegangen.

"Bitte, Shinji-sama", hauchte sie ihm zu.

"O-okay." Er trat einen halben Schritt vor und stellte sich halb vor sie. "Was sind das für Typen, Shinobu-chan, und warum belästigen sie dich?"

"Was willst du eigentlich, du Würstchen?", rief Gero aufgebracht.

"Das heißt nicht Würstchen, sondern Herr Würstchen! Oder noch besser, Verlobter von Shinobu-Würstchen!", knurrte er angriffslustig.

"Du", sagte einer der anderen Jungen, ein dunkelbrauner Bursche mit schneeweißen Haaren, "ich glaube, der meint das ernst, Gero."

"Erzähl doch nicht so einen Schwachsinn! Wer will schon was mit einem Konoha-Nin zu tun haben? Und selbst wenn's stimmt muss sie doch einer retten, oder?"

Zustimmendes Gemurmel der anderen klang auf.

Abfällig schürzte Shinobu die Lippen. "Du weißt aber schon, dass mein Clan Beziehungen nach Konoha unterhält, dass mein Onkel sogar nach dorthin geheiratet hat, oder? Opa sagt, aus jeder Generation soll mindestens einer von uns nach Konoha einheiraten und mindestens einer jemanden aus Konoha nach Kumogakure holen. Tja, und Shinji-sama ist nun mal meiner." Sie seufzte tief. "Oh, es war Liebe auf den ersten Blick, als wir uns getroffen haben. Nicht, Shinji-sama?"

"J-ja! Liebe auf den ersten Blick! Dieses wunderschöne Wesen, heller als ein Sonnenstrahl, hat mich sofort in seinen Bann gezogen! Und Ihr riskiert eine Tracht Prügel, wenn Ihr sie nicht in Ruhe lasst!"

"Gero, es ist vielleicht wirklich keine schlechte Idee, wenn..."

"Schnauze, Amati! Machst du mich an? Machst du mich tatsächlich an? Und wer soll dir das denn glauben, Fettie, dass ausgerechnet Shinobu-chan auf dich steht?"

"Gero, ich denke wirklich, dass..."

"Schnauze, Amati! Ich werde dem Kerl eine reinhauen, dass er Zähne spuckt wie ein Wunschbrunnen! Und dann ist ein für allemal klar, wer hier mit Shinobu-chan zusammen ist!"

Shinji schnaubte verächtlich. "Du könntest heute sogar eine echte Chance haben, weil mein Arm noch nicht wieder verheilt ist, Bohnenstange. Aber ich würde mir von einem oder zwei deiner Freunde helfen lassen", sagte er gehässig. "Nur um auf Nummer sicher zu gehen, du verstehst?"

"Wenn du glaubst, dass ich..."

"Gero, ich denke wirklich, wir sollten jetzt..."

"Schnauze, Amati! Ich lasse mich jedenfalls nicht von einem Burschen, der zwei Jahre jünger ist als ich, vorführen und verarschen! Wenn er..."

"Mamoru Morikubo ist sein Sensei!", sagte Shinobu scharf. "Und er ist Gast des Raikages!"

Für einen Augenblick stockte der blonde Bursche. Doch dann ließ er seine Knöchel knacken. "Wenn er wirklich der Schüler von DEM Morikubo ist, dann kann er sich wehren!"

"Gero, das ist wirklich keine..."

"Schnauze, Amati!"

"Du hast eh keine Chance bei mir, du widerlicher Angeber. Mein Herz gehört nur Shinji-sama", stellte Shinobu in verächtlichem Tonfall fest.

"Ha!", machte Gero abwertend. "Das sagst du, wenn du mich haben kannst? Das glaube ich dir n..." Er verstummte und wurde reichlich blass.

Der Grund hierfür war das Mädchen, das Shinji den Kuss seines bisherigen Lebens gab, von dem er nur deshalb nicht in Ohnmacht fiel, weil er sich nicht entscheiden konnte, dies aus absolutem Glück oder aus grenzenloser Panik zu tun.

Als sie sich wieder vom Konoha-Nin löste, warf sie Gero einen amüsierten Blick zu. "Denkst du, ich könnte ihn einfach so küssen, wenn ich nicht völlig in ihn verliebt wäre?"

Entsetzt sah der Kumo-Genin die beiden an. Mehrere bange Sekunden vergingen. Plötzlich zog er ein Kunai. "Dann muss er eben sterben, der dreckige kleine..."

"GERO, LASS DAS!", brüllte ihm der Weißhaarige aus nächster Nähe ins Ohr.

"Schnauze, Amati! Warum sollte ich das tun?"

"Weil der da verdammt sauer aussieht! Und er trägt ein Konoha-Stirnband!" Amati riss den Kopf des Älteren herum, sodass er sehen konnte... Eine grüne Weste auf Augenhöhe. Zwei pelzige Arme, die in Krallen endeten, die sehr verwandt mit Dolchen zu sein schienen. Der Blick wanderte höher und offenbarte ein behaartes Gesicht mit einem wirklich scharf aussehendem Gebiss. Darüber zwei drohende Augen und ein Konoha-Stirnband. "E-ein Affenkrieger!"

"Gibt es hier Ärger, Shinji-sama?", fragte er betont gelassen, wobei er das Sama deutlich betonte.

Shinji fing sich als Erster wieder. "Nein, kein Ärger, Ryoga. Die Herren wollten gerade für immer aufhören, Shinobu-chan zu belästigen. Und sie wollten gerade gehen."

"Ist das so?", fragte der Affenkrieger mit knurrender Stimme.

Eifrig bestätigten die fünf Ryoga Shinjis Worte.

"Gut. DANN GEHT!"

Die fünf nahmen die Beine in die Hand und liefen davon, so schnell sie konnten.

Vor den Augen Shinobus und Shinjis verwandelte sich Ryoga wieder in seine Menschengestalt. "Verzeih, Shinji-kun, ich weiß, du wärst selbst verletzt mit ihnen Schlitten gefahren, aber ich wollte die Situation möglichst ohne Tote lösen."

"Du überschätzt mich, Ryoga-sensei. Ich hätte mich tapfer geschlagen, aber fünf auf einmal?", gab er verlegen zurück. "Danke, dass du mich und Shinobu-chan gerettet hast."

Der Affenkrieger lachte abgehackt. "Bist du dir da so sicher? Dies hier waren nur Genin. Weißt du nicht mehr, gegen wen du heute morgen gekämpft hast? Waren diese fünf auch nur annähernd so stark wie deine Gegner auf dem Hügel?"

"Nein, natürlich nicht, aber..." Verblüfft hielt er inne. "Ich bin stärker als ein Genin?"

"Das ist toll, Shinji-sama!", rief Shinobu glücklich.

Ryoga lachte kehlig. "Sagen wir, für einen Genin bist du ganz schön stark. Vor allem, wenn du jemanden hast, den du beschützen kannst." Er zwinkerte der Kumo-Kunoichi zu, woraufhin die errötete.

"Mamo-chan schickt mich. Ich soll auf euch aufpassen. Aber ich bezweifle, dass das nötig sein wird. Aber wenn ich schon mal hier bin... Was gibt es hier denn noch außer Kirschsoda und gefüllten Waffeln zu kaufen, Shinobu-chan?"

"Oh, heute ist Markt! Es gibt so viele leckere Sachen! Wir können uns ja was für den Weg mitnehmen! Und für heute Abend! Das wird toll, das wird so toll!" Das Mädchen griff nach Shinjis Hand und zog ihn mit sich. "Komm, Ryoga-sensei!"

"Eieieieieiei", machte der Affe. Er hatte die ganze Szene beobachtet und fragte sich jetzt... Nun, manche Frauen waren tatsächlich so sprunghaft. Oder meinte sie es ernst?

"Ach ja, danke, dass du mich Sama genannt hast. Ich weiß das zu schätzen, Ryoga", rief Shinji ihm über die Schulter zu. "Auch wenn du es nicht ernst gemeint hast. Aber es passte zur Täuschung!"

"Also, meines war ernst gemeint, Shinji-sama", sagte Shinobu mit einem strahlenden Lächeln, das den jungen Genin erneut erröten ließ. "Hiervon müssen wir mitnehmen! Tintenfisch in gebratenen Teigkugeln! Wir nennen sie Takoyaki! Und da hinten, das sind Dangos, die habt Ihr in Konoha doch auch, oder? Müssen wir noch was für Mai-chan und die Spinnenmädchen suchen, was sie besonders mögen?"

"Für Mai-chan reicht es, wenn es süß ist. Sie hat eh so einen flachen Blutzuckerspiegel", erwiderte Shinji.

"Was? Sie auch? Manchmal esse ich morgens ein Stück Schokolade, um fit zu werden."

"Das werde ich ihr weiterempfehlen. Einer muss ja auf meine Onee-chan aufpassen", verkündete Shinji stolz.

"Eieieieieiei", wiederholte Ryoga und beeilte sich, um den Anschluss nicht zu verlieren.

***

Ich klopfte an Mais Behandlungszimmer an. "Herein."

Leise trat ich ein, zur Ärztin gerichtet, die anscheinend damit fertig war, ihr eine Standpauke zu halten. "Das trifft sich gut, dass Sie kommen, Morikubo-san. Sie müssen unbedingt..."

"Mit meiner Genin sprechen. Das werde ich. Jetzt sofort. Sie können sich jetzt Ihren anderen Aufgaben widmen, Sensei."

Die Ärztin sah mich verblüfft an. Die Verblüffung wurde schnell zu Wut. Zumindest, bis sie mich ansah und die stumme Bitte in meinen Augen sah. "Nun ja, ich habe durchaus noch mehr zu tun. Komm morgen zur Kontrolle wieder, Mai-chan. Guten Abend, Morikubo-san."

Sie rauschte an mir vorbei und warf die Tür hinter sich zu.

Ich trat vor Mai und setzte mich auf den Hocker, den die Medi-Nin benutzt hatte. "Hey."

"Hey, Sensei", erwiderte sie, das Gesicht abgewendet. Ihre Rechte lag auf dem linken Unterarm. Sie hatte das Jutsu, das die Schnitte verbarg, erneuert.

"Mai-chan, wir müssen reden."

"So. Müssen wir das?", fragte sie trotzig. Ihre Rechte umklammerte den Unterarm fester.

"Ja, wir müssen. Was hältst du davon, wenn wir Kishio aus der Gruppe entfernen?"

Ich spürte leichtes Entsetzen von ihr ausgehen. Sie ließ den linken Unterarm los und sah mich an. "Wieso? Hat er was ausgefressen? Ist was mit ihm? Ist was passiert?"

Ich stutzte kurz bei dieser Reaktion. So hatte ich das nicht erwartet. "Äh, nein. Aber man hat mir zugetragen, dass du ihn nicht mehr in der Gruppe haben möchtest. Und bevor es zu Unfrieden in der Gruppe kommt, muss ich eine Entscheidung treffen."

"Aber so habe ich das doch gar nicht gemeint!", rief sie aufgebracht. "Sicher, ich habe ihm gesagt, er sei schuld und so! Und ich habe ihm gesagt, dass... Dass..." Sie stockte wieder. "Aber ich habe es doch zurückgenommen! Ich weiß doch, dass er gar nicht schuld ist! Er kann ja auch gar nicht schuld sein! Ich war ungerecht, okay, manchmal bin ich das eben! Aber deshalb will ich ihn doch nicht loswerden! Wirklich, ich mag Kishio!"

"Dann liegt das Problem woanders. Ich bin es wohl. Trainiere ich dich zu wenig? Vernachlässige ich dich?"

Sie sah wieder zur Seite, Tränen in den Augenwinkeln. "Nein, Sensei, es ist nur... Es ist... Schwierig."

"Gut. Ich mag keine einfachen Sachen. Erzähle es mir. Und dann sag mir auch gleich, was wir hiermit anstellen können." Ich berührte ihren Unterarm. "Kai."

Das Jutsu wurde unterbrochen und offenbarte mehrere Dutzend parallele Schnitte, die den Arm hinabliefen. Ich betrachtete die Schnitte genauer. "Weißt du, wenn wir noch im rechten Winkel schneiden, können wir alle Linien verbinden. Dann haben wir ein Gitternetz, und wenn uns im Einsatz langweilig wird, können wir auf den Linien Go spielen. Was denkst du?"

Gegen ihren Willen musste sie kichern. "Sensei, du bist unmöglich."

Ich lächelte zurück. "Es hängt beides zusammen, nicht? Es geht sehr wohl um Kishio, aber sicher nicht so, wie ich mir das gedacht habe. Und sicher nicht so, wie er es sich denkt. Der arme Kerl. Wenn ich mir vorstelle, dass er sich deine Worte zu Herzen genommen hat, tut er mir leid."

"Ich habe es zurückgenommen, menno", murrte sie trotzig, die Lippen zu einem Flunsch vorgeschoben und den Blick gesenkt.

"Ich bezweifle, dass das bei ihm angekommen ist. Mai-chan, Kishio ist wie ein verschrecktes Wild, das Menschen nicht gewohnt ist. Jedes falsche Wort, jeder laute Ruf verscheucht ihn, auch wenn du das gar nicht willst. Er hat so lange Zeit alleine überlebt, ohne dass ihm jemand geholfen hat. Bei uns hat er das erste Mal so etwas wie ein Team, eine Familie. Aber diese Familie steht auf tönernen Füßen. Und selbst wenn die Tonfüße nicht zerbrechen, so kann er es immer noch denken und von selbst hinabstürzen." Ich ergriff ihre Hände. "Mai-chan, ich weiß, was du durchgemacht hast. Ich weiß, wie schwer es für dich war, dich wieder aufzurappeln und den Weg des Shinobi erneut zu gehen. Ich kann nicht nachempfinden, wie schlimm die Schmerzen waren, wie sehr du dich geplagt hast und wie schwer die Zweifel wogen, es vielleicht nicht zu schaffen. Aber du hast es geschafft. Du hast alle Hindernisse erklommen. Wieder und wieder und wieder. Und du hast mit Kira und Shinji zwei Freunde, die für dich Freunde fürs Leben werden können. Du hast gesehen, am Tafelberg, als dein Chakra zuende ging, dass sie sich für dich geopfert hätten. Beide. Und im Gegenzug hast du Seite an Seite mit ihnen gekämpft, hast dich als Kunoichi Konohas mehr als bewährt. Du bist dadurch größer geworden, Mai-chan. Kishio ist der Neue in der Konstellation, und du bist seine Sempai. Du musst auf ihn achtgeben, für ihn da sein. Du musst ihm zeigen, was du alles gelernt hast, als das Schicksal dich geprüft hat. Deine Ausdauer, deine Geduld, deine innere Stärke, die du erlangt hast. Ach, und die äußere Stärke. Von allen dreien bist du diejenige, auf die Kishio am meisten hört. Du bist seine Vertraute. Obwohl er immer noch mit deinen Worten kämpft."

"Meinst du wirklich?", fragte sie leise, den Blick noch immer gesenkt. "So habe ich das gar nicht gesehen. Und ich wollte meine Wut auch nicht an ihm auslassen. Aber ich dachte halt, du ersetzt mich bestimmt durch ihn, wenn ich wieder einen Fehler mache."

Ich sah ihr in die Augen, und das reichlich entgeistert. "Das glaubst du doch nicht wirklich." Schallend begann ich zu lachen.

"Lach mich nicht aus, Sensei", murrte sie. "Ich habe das ernst gemeint."

"Mai", sagte ich zwischen zwei Lachanfällen und einem Glucksen, "nichts und niemand kann dich aus deiner Gruppe entfernen. Okay, das Chunin-Examen, oder ein Einsatzbefehl für eine Solo-Mission. Schlechtes Beispiel. Niemand kann dir deinen Platz in Team dreizehn nehmen. Niemand. Ihr drei wurdet so aufgestellt und in dieser Aufstellung bleibt Ihr zusammen. Du, Shinji und Kira. Ihr seid der Kern und das Herz der Truppe. Man kann euch nicht austauschen, nicht auseinanderreißen. Ihr seid ein Team. Nicht einmal der Tod kann das ändern. Weißt du, als ich in Team drei war, damals, als Genin frisch von der Akademie, genau wie du heute, da habe ich unglaublich viele Fehler gemacht, unglaublich viel Mist angestellt. Ich schien irgendwie linke Füße zu haben. Aber es hat mir keine Angst gemacht. Weißt du auch, warum? Mein Sensei, Gekko Hayate, hätte mich nie aus seinem Team geworfen. Er war immer für mich da, besaß eine Engelsgeduld und unendliches Vertrauen in mich. Das stärkte mich so sehr, dass ich trotz meiner Unsicherheit meinen ersten richtigen Kampf auf Leben und Tod gewann. Ich verdanke meinem Sensei so viel, was ich ihm niemals wiedergeben kann. Aber ich kann es an meine Genin weitergeben, und du und Kira und Shinji, Ihr drei seid die Genin, denen ich all das gebe, was mir Hayate-sensei gegeben hat. Und so, wie ich immer meinen Platz in Team drei haben werde, so wirst du immer deinen Platz in Team dreizehn haben."

Übergangslos ließ sie meine Hände los und umarmte mich. Sie schluchzte leise, während sie ihr tränennasses Gesicht an meinen Hals drückte.

Ich wusste, das war nur ein erster Schritt auf dem richtigen Weg. Es war mein Fehler gewesen, nicht zu sehen, dass ihr Selbstbewusstsein noch mehr Aufbau benötigte; aber wer hätte das auch gedacht, nachdem er sie gesehen hatte, in zwei Schlachten und dem Spiel Genin gegen Genin. Vorsichtig drückte ich sie an mich, um ihre Verletzung zu schonen. So blieben wir einige Zeit, in der sie nur schluchzen und weinen konnte. Auch ich war einmal so gewesen, und damals war es Gekko gewesen, der für mich da gewesen war, bis die Tränen nicht mehr geflossen waren. Und er hatte nie etwas darüber gesagt, nicht zu Karin, nicht zu Hana-chan. Allerdings hatte ich die Vermutung, dass er Uzuki-sensei sehr wohl etwas gesagt hatte. Die ANBU musterte mich seitdem ab und zu so... Erwartungsvoll?

Als sie sich beruhigt hatte und mein Hemd aus Spinnenseide kräftig mit salzigen Tränen getränkt worden war, beschloss ich, einen kleinen Scherz zu machen. "Also, verbinden wir die Linien jetzt?Und was spielen wir dann? Go, oder doch lieber Shogi? Wir können auch Dschunken versenken spielen..."

Wieder musste sie gegen ihren Willen lachen. "Sensei...", mahnte sie mich, und ich lächelte darüber.

"Ich glaube", sagte sie mit leichtem Nachdruck in der Stimme, "wir müssen was dagegen tun, dass Kishio nur hört, was negatives zu ihm gesagt wird."

"Unbedingt."

"Und ich glaube, ich rücke ihm lieber mal den Kopf gerade. Nur weil ich ein kleines bisschen sauer war, will ich ihn doch nicht wegjagen. Ich sollte die nächsten Tage mit ihm arbeiten. Kannst du das einrichten?"

"Klar."

"Ich werde mich entschuldigen, aber diesmal so, dass er mich auch versteht und dass es hängenbleibt. Ich schätze, das bedeutet es, ein Sempai zu sein, oder?"

"Genau."

"Sensei?"

"Ja?"

"Können wir noch ein wenig so bleiben?"

Wieder huschte ein Lächeln über mein Gesicht. "Natürlich können wir das, Mai-chan."

Ich hielt sie noch gut zehn Minuten, bis sie sich wieder gut genug fühlte, um es mit der Welt aufzunehmen. Und die Welt war unvorbereitet.

***

Als Anne mit Hikaru Gosunkugi das Krankenhaus betrat, suchte sie vergeblich nach ihrem Sempai im Affenbeschwören. Auch Kira, einer der neuen Lehrlinge ihres auserwählten großen Bruders, konnte sie nur bis zu Mai, dem Mädchen der Gruppe, zu Ryoga-chan und zu Kuzoko bringen, der großen Schwester von Kiras beschworenen Begleiterin Kuzomi. Mamo-chan war wie vom Erdboden verschluckt. Perine begann ihn daraufhin zu suchen, aber er war auch nicht bei Kishio, der neben seinem ehemaligen Leibwächter und vielleicht letztem Überlebenden der Moeru schlief. Schließlich aber nahm sie seinen Geruch auf und führte die Gruppe bis an eine Tür, auf der Betreten verboten stand. "Mamo-chan, bist du hier?"

"RAUS!"

Erschrocken fuhr die Affenkriegerin zusammen. Das hatte nicht ihr Kontraktpartner gebrüllt, wohl aber Yugito Nii, Jounin Kumogakures und Gefängnis und Beherrscherin eines Biju, des Nibi. Und ihre Stimme hatte die Drohung enthalten, dieses Biju einzusetzen, wenn Perine nicht gehorchte. Ohne ein weiteres Wort wandte sie sich um und riss die Tür wieder zu. Mit hastig klopfendem Herzen lehnte sie gegen die Tür.

"Das war doch Yugito-chan, oder?", fragte Ryoga stirnrunzelnd. "Warum hat sie dich so angefahren? Hat sie etwa...?" Der Affenkrieger errötete bis über beide Ohren. "Haben sie und Mamo-chan etwa...?"

P-chan gab ihm einen Klaps hinter die Ohren. "Dummkopf! Meinst du, dann hätte mich selbst Nibi davon abgehalten, in den Raum zu stürzen und Mamoru die Ohren langzuziehen? Nein, sie reden nur, aber die Atmosphäre ist... Unglaublich angespannt. Ich schätze, es ist am Besten, wenn wir hier warten." Das erwies sich als gute Entscheidung. Selbst Anne beschwerte sich nicht. Sie hatte die Stimme gehört, und noch immer hatte sie eine Gänsehaut. Diese Frau gehörte definitiv zu denen, die man besser nicht verärgerte.

***

Als Yugito-chan eintraf - merkwürdig, es erschien mir gar nicht so lange her, dass ich sie Nii-sensei genannt hatte - begrüßten wir uns mit einer knappen Umarmung und einem rituellen Kuss auf die Wange. Auch wenn ich die letzten Jahre nicht in Kumogakure unterwegs gewesen war, ein paar gemeinsame Einsätze hatte es gegeben, und in einem davon hatte ich mit ihr zusammengearbeitet. Und wenn man sich gegenseitig das Leben rettet, mehrfach, kommt man sich automatisch näher. Wir waren, nun, Freunde. Und ich glaube, diese Freundschaft tat ihr gut. "Wo können wir reden?", fragte sie, plötzlich angespannt. "Alleine."

Durch ihre Anspannung verunsichert fragte ich nach. Und so stellte man uns schließlich einen Raum zur Verfügung, den normalerweise nur Mitarbeiter betreten durften. Selbst wir durften nur hinein mit der strengen Auflage, außer den Stühlen, die man uns hineinstellte, nichts anzufassen. Es war ein Labor zur Auswertung von allerlei Proben, und es war richtig vollgestopft. Wir fanden kaum Platz für uns selbst. Ich setzte mich rittlings auf meinen Stuhl und sah Yugito erwartungsvoll an. "Also, leg los. Warum hielt es Kirabi-sama für besser, wenn wir miteinander reden, bevor eine Entscheidung bezüglich der Moerus fällt?"

Die Kumo-Nin errötete kräftig. Ein netter Kontrast zu ihren blonden Haaren, wie ich fand. Sie setzte sich auf ihren normal aufgestellten Stuhl, schloss die Beine, kippte sie nach links und legte die Hände gefaltet in den Schoß. Das war schon ein Kontrast zu der breitbeinig sitzenden, sich auf die Schenkel klopfenden und schweinische Witze erzählenden Frau, die sie vor anderthalb Jahren gewesen war. Nach Ende unserer Mission. Sie wirkte verlegen, nein, das war nicht richtig, sie war regelrecht durch den Wind. "I-ich... Nun, Kumogakure hat Interesse an Kishio Moeru. Und das nicht erst, seit er eingetroffen ist. Wir beobachten ihn etwa seit eindreiviertel Jahren. Das heißt, wir versuchen es, aber es ist schon schwierig genug, das Gebiet zu finden, in dem er sich eventuell aufhält. Er ist ziemlich gut mit seiner typischen Moeru-Kunst, der Ortung."

Ich runzelte die Stirn. "Gut, ich nehme das zur Kenntnis. Aber Ihr könnt ihn nicht haben. Er steht in meiner Schuld und ich werde mein Möglichstes tun, um ihm ein so normales Leben wie nur irgend möglich zu bereiten. In Konoha, Yugito."

"Das darfst du nicht!", sagte sie ärgerlich und sah mir unnachgiebig in die Augen.

"Und warum nicht, meine blonde Perle aus Kumo?"

"W-weil ich mit ihm geschla..."

"Mamo-chan, bist du hier?", klang P-chans Stimme durch die Tür auf, als sie sie öffnete, um einzutreten.

Yugito wurde puterrot vor Entsetzen, Scham und Wut. "RAUS!", blaffte sie in einem Tonfall, den sie bisher erst einmal in meiner Gegenwart angewendet hatte. Und mit dieser Stimme hatte sie einen gestandenen, vierzigjährigen Shinobi zum Heulen gebracht. Ich konnte nicht anders, ein Stückchen beugte ich mich vor ihr zurück.

Die Tür klickte. Die Junchiriki entspannte sich merklich. "Steht sie noch draußen?", fragte sie argwöhnisch.

Ich überprüfte das. "Sie sind zur Sitzgruppe zwanzig Meter den Gang runter gegangen."

Erleichtert atmete sie aus. "Gut. Wie ich schon sagte, wir wollen Kishio Moeru. Weil ich... Weil ich... ein persönliches Interesse an ihm habe." Sie errötete erneut bis unter die Haarspitzen. "Kein romantisches, wirklich nicht! N-nicht nur. I-ich denke aber, dass er das bestmögliche Leben führen sollte, und das kann er hier in Kumo. Zusammen mit dem anderen Moeru."

"Shinpachi."

"Ah, danke. Willst du ihm dieses Leben nicht gönnen, Mamo-chan?"

Ich zog die Stirn wieder glatt und rieb mein Kinn. "Du hast also mit ihm geschlafen?"

"Haaaaaaaaaaaa! Mamo-chan!"

"Hast du gedacht, ich habe das wegen P-chan überhört?" Ich grinste breit. "Nun aber mal raus mit der ganzen Geschichte."

Verzweifelt sah sie mich an. Dann aber seufzte sie und senkte den Blick. "Okay. Die ganze Geschichte. Du weißt, dass es eine Menge Gerüchte über die Moerus gibt, nicht?"

"Klar. Ich habe ein Dossier von Tsunade-sama erhalten, das vor Gerüchten über sie nur so wimmelt. Die gesicherten Erkenntnisse betreffen ihre außergewöhnlichen Ortungsfähigkeiten und ihre Abstammung vom Uzumaki-Clan. Einige Details bleiben unerwähnt, aber über Kishio kann ich sagen, dass er über eine unerschütterliche Loyalität verfügt. Außerdem versteht er sein Geschäft. Wenngleich er ein Rohdiamant ist, der dringend etwas Schliff braucht."

"Es gibt auch das Gerücht, dass sie mit ihrem Chakra töten können. Sogar auf große Entfernungen und so. Und Kirabi-sama hat mir von seinem Verdacht erzählt, dass Moerus nur mit ihren Gedanken kommunizieren könnten. Äh, das war der Schluss, den er aus der Situation zog, als Kishio beim Betreten von Shinjis Krankenzimmer mit ihm zu reden schien."

"Shinpachi. Ich bestätige das. Über eine gewisse Entfernung können zwei Moerus mit ihren Gedanken kommunizieren. Ein Umstand, der ihm einigen Ärger eingebracht hat. Shinpachi jetzt. Als Orochimaru mit Itachi Uchihas Hilfe sein Dorf zerstörte, war er in den Gedanken jedes einzelnen Bewohners, der starb oder getötet wurde. Das muss die Hölle gewesen sein."

Sie nickte verstehend. "Jedenfalls mussten wir herausfinden, wie gefährlich er ist. Du weißt, gefährlich zu sein steht bei uns Shinobi bereits in der Berufsbeschreibung, also ist das nicht wirklich ein Kriterium. Aber wie gut hat er sich unter Kontrolle? Ich habe das getestet."

"Indem du mit ihm geschlafen hast?"

"Mamo-chan! Es war ein Auftrag!"

Ich lachte leise. Sie war ja so leicht dranzukriegen. "Erzähl weiter."

"Es war schwierig, ihm dichtauf zu bleiben. Viel zu oft verschwand er einfach hier und tauchte dort wieder auf. Er war nicht zu fassen, wie ein Geist. Das erklärt wohl, warum er immer noch lebt und auch Orochimaru nicht in die Hände gefallen ist." Yugito seufzte. "Also habe ich die Suchtrupps zurückgezogen und etwas Unerwartetes gemacht. Ich habe ihn mich finden lassen." Ein dünnes Grinsen huschte über ihr Gesicht. "Es war Winter, es war bitterkalt und er hat nicht lange gefragt, als er eine einsame ältere Frau irgendwo in einer einsamen Waldhütte traf, die ihn vor den warmen Kamin ließ, wenn er versprach, sich zu benehmen. Damals habe ich ihn persönlich konfrontiert, weil ich mir als Jinchuriki die besten Chancen ausrechnete, seine Angriffe zu überleben. Und um ihn über meine wahre Natur zu täuschen, benutzte ich das Trugbild einer Älteren. Er hat wirklich niemals danach gefragt, wie ich alleine da draußen all die Zeit überlebt habe. Es gibt einige Alleinstehende in der Gegend, weit verstreut, aber sie wohnen selten alleine. Die Hütte selbst war verlassen. Ich ließ sie von meinen Leuten wiederherrichten und wohnlich machen. Bei der Gelegenheit ließ ich gleich ein Bad anbauen. Ich liebe Bäder."

"Ich weiß", erklärte ich grinsend.

"Mamo-chan, bitte. Wärm jetzt keine alten Geschichten auf."

Ich lachte amüsiert, aber verhalten. "Weiter im Text, Yugito."

"Jedenfalls setzte ich ihn behutsam, aber nachdrücklich unter ein Genjutsu, das seinen Sinn für Realität etwas... Nun, umformte. Dadurch brauchte ich mich nicht mehr zu tarnen, und er vergaß nach und nach seine Fähigkeiten einzusetzen, obwohl er glaubte, er würde sie noch benutzen. Als dieser Schritt für meine Sicherheit getan war, setzte ich ihn mehrfach unter Trance und befragte ihn vorsichtig. Aber in seinen Worten fand ich nichts, was gegen ihn sprach. Er war einsam, verlassen und auch ein wenig verzweifelt, aber er war kein Soziopath. Oder gar eine Gefahr für jemand anderen. Außer, du warst ein Kopfgeldjäger, oder es war ein Preis auf deinen Kopf ausgesetzt."

"Ja, das erklärt das Preisgeld, das er vor zwei Wochen für zwei Strauchdiebe kassiert hat", sagte ich, leidlich amüsiert.

"Später testete ich seine körperlichen Grenzen und auch seine psychischen. Ich ließ ihn Dinge tun, die er hasste, um zu sehen, wann er... Nun, ausflippte. Aber das tat er nicht. Das tat er nie. Er hatte sich immer im Griff. Und dann... Nun, es war mitten im Winter, wir waren allein und er ist wirklich ein lieber, lieber Junge. Da ist es halt passiert und ich habe ihm nicht nur suggeriert, wir würden miteinander schlafen, wir taten es auch. Aber immerhin habe ich ihm das von vorneherein gesagt. Wenn er bei mir unterkommen will, muss er auch mein Bett wärmen." Sie seufzte. "Viel Erfahrung hatte er ja nicht, aber in den kalten Nächten war es durchaus ein Vergnügen."

"Gut, ich verstehe die menschliche Seite. Aber was willst du jetzt tun? Ihm verraten, dass du die alte Frau von damals bist, dass du dich in ihn verliebt hast und mit ihm zusammensein willst?"

"Nein! Oh nein, das hast du falsch verstanden, Mamo-chan! Ich habe mich doch nicht verliebt. Er ist ja ganz knuffig und so, aber der Altersunterschied ist doch ein wenig groß. Ich habe nur ein Gefühl der Verantwortung für ihn entwickelt. Ich wollte, dass der arme Junge ein Leben kriegt. Als der Winter vorbei ging, entließ ich ihn aus dem Jutsu, vollgestopft mit nicht ganz so korrekten Erinnerungen an die gemeinsame Zeit. Ich war mir sicher, ich könnte ihn wiederfinden, auch wenn es anstrengend werden würde. Anschließend kehrte ich nach Kumogakure zurück, um den Rat zu überzeugen, dass wir Kishio in unsere Reihen aufnehmen sollten. Aber du kennst ja diese Bürokraten und Paragraphenreiter. Sie sagten: "Wenn er von selbst kommt, zeigt er uns, dass er tatsächlich in Kumogakure leben will. Ansonsten nein." Und was soll ich sagen? Er ist von selber gekommen, bevor ich ihn finden und ihm ein geheimes Angebot machen konnte. Du versaust mir das doch nicht, oder, Mamo-chan?"

Nachdenklich musterte ich Yugito. Ich kannte sie, sogar recht gut. Und ja, ich mochte sie. Ich verstand auch ihre Beweggründe, wenngleich ich nicht glauben konnte, dass ihr Verantwortungsgefühl der einzige Grund war. So ein klitzekleines bisschen musste sie sich auch in den Rotschopf verknallt haben, auch wenn sie es sich nicht eingestand. Außerdem schuldete ich ihr mindestens ebenso oft mein Leben, wie sie mir ihres schuldete. Aber das war eigentlich eine andere, kurze, aber verdammt heftige Geschichte gewesen.

Ich schlug beide Hände auf meine Oberschenkel und erhob mich. "In diesem Fall müssen wir vor allem darüber entscheiden, was das Beste für Kishio und Shinpa-chan ist. Ich denke, es dürfte ihn schwer treffen, wenn ich ihn gegen seinen Willen hier ließe. Er vertraut mir, weil ich ihm die Normalität wieder zurückgegeben habe." Ich überdachte das Argument. "Und ein paar Kämpfe noch obendrein, aber hey, wir sind Shinobi. Ich sträube mich aber nicht dagegen, dass Kishio und Shinpa-chan ein offizielles Angebot von Kumogakure erhalten. Tatsächlich habe ich eine Eildepesche an Tsunade-sama geschickt und um uneingeschränkten Rückhalt des Amts der Hokage in diesem Fall gebeten. Sollte sie mir diesen Rückhalt nicht geben können, unterstütze ich Kumogakure."

Sie sah mich aus großen Augen an. "Klingt fair, Mamo-chan."

"Wie ich schon sagte: Ich entscheide im besten Sinne von Kishio. Du weißt, wie man in Konoha unseren Jinchuriki behandelt. Ich möchte so etwas nicht einmal ansatzweise für Kishio und Shinpa-chan. Sie sind nicht annähernd so gefährlich wie der Kyuubi, aber Gerüchte und Vorurteile entstehen schnell, obwohl es weit tödlichere Shinobi gibt."

"Das verstehe ich. Und, Mamo-chan, du bist ein guter Mensch." Sie erhob sich ebenfalls und schloss mich in die Arme.

"Du zerstörst gerade mein Image als brutaler Killer und Meister von eintausend Kampfkünsten", beschwerte ich mich lachend.

"Eintausend Kampfkünste? Willst du deinem Sensei nacheifern und auch Professor genannt werden?", lachte sie.

"Das ist besser als mein derzeitiger Name. Weißt du, wie sie mich nennen? Den..."

"Ewigen Chunin", sagte sie kichernd. "Und ich finde, der Name passt besser zu dir als Professor."

"Okay. Irgendwo muss die Legende von Mamoru Morikubo aus Konoha ja beginnen", erklärte ich grinsend. "Nicht, dass ich eines Tages auf mein Leben zurückblicke und keine Legende geworden bin."

Yugito hielt mich ein Stück von sich entfernt, bevor sie sich von mir löste. "Na, na. Da steckt sich aber jemand hohe Ziele. Bei unserem gemeinsamen Einsatz hat das aber noch ganz anders geklungen. Wächst du etwa, Mamoru Morikubo?"

Ich zuckte die Achseln. "Es heißt wachsen oder sterben, Yugito. Ich habe mich fürs wachsen entschieden. Komm, gehen wir wieder raus. Ich muss heute noch einiges klären, fürchte ich."

"Da bleibt aber noch eine Sache. Eine persönliche Bitte", sagte sie, die Hand auf der Tür, die ich gerade öffnen wollte.

"Wie persönlich?"

"Recht persönlich. Aber wie ich finde, erfüllbar, Mamo-chan."

"Okay, raus damit. Du weißt, ich schlage dir nie etwas ab."

"A-aber es ist doch recht persönlich..."

"Yugito... Sag es endlich."

Verlegen sah sie mich an, bevor sie den Blick abwandte. "Ka-kannst du nicht mal mit Omoi reden?Er lässt mich niemals nie Aki-chan halten, weil er sagt, ich bin zu ungeschickt und lasse ihn fallen. Aber ich finde, er begluckt Aki-chan so sehr, dass es dem Kleinen auch nicht guttut. Und du bist doch sein Vater... Ja?"

Ich schlug mir mit der flachen Hand vor die Stirn. Natürlich, NOCH ein Problem. Wie bekam ich meinen Sohn von Omoi wieder zurück? Der Junge hatte leider augenscheinlich viel Erfahrung mit kleinen Kindern und kümmerte sich hervorragend um ihn, während ich zu tun hatte. Aber würde er ihn auch wieder rausrücken? "Natürlich darfst du ihn mal halten", versprach ich lächelnd und öffnete die Tür. Als ich auf den Gang hinaustrat, klang eine mir sehr vertraute Stimme entgegen: "Papapapapapa!"

Ich musste lachen. "Und wahrscheinlich früher als du denkst, Yugito."

Der ewige Chunin 19

So leicht war die Welt in Ordnung zu bringen. Nachdem ich den kleinen Mann für eine kurze Zeit auf den Armen gehalten hatte, hatte ich ihn an Yugito übergeben, die ihn mit sichtlicher Wonne aufgenommen hatte. Ihr scherzhaftes "Kann ich ihn behalten?" hatte allerdings einen Blick voller Todesdrohungen von meinem selbsternannten großen Bruder Omoi ausgelöst, der sich verhielt wie ein nervöser Wachhund. Ich wusste nicht, was Aki-chan an sich hatte, aber bisher hatte ich angenommen, es würde nur auf Mädchen wirken. Es wäre interessant herauszufinden, inwieweit auch Tsunade-sama auf ihn reagierte. Wahrscheinlich würde ich das herausfinden, und zwar früher als mir lieb sein würde.

"Ich denke", sagte ich nach einiger Zeit, "wir sollten jetzt zu den Yamadas gehen. Shinobu-chan, bist du so gut und führst uns?"

"Natürlich, Sensei!", sagte sie mit solch einer Betonung auf das Wort Sensei, dass ich innerlich stutzte. Gut, mein Personengedächtnis war noch nie das Beste gewesen, aber auch nicht so schlecht. Und wenn ich mir die Kunoichi genauer betrachtete, kam sie mir doch bekannt vor. Und das lag nicht alleine daran, dass sie Kira so ähnlich sah, dass sie Geschwister sein konnten. Nachdenklich runzelte ich die Stirn. Es war fast vier Jahre her, dass ich zur Chunin-Prüfung hier gewesen war. Damals musste sie acht oder neun gewesen sein. Dann dieses auffallende Goldhaar. Ich schmunzelte. "Shi-chan, ich habe dir doch Taijutsu beigebracht, richtig?"

Sie atmete sichtlich aus. "Endlich. Und ich dachte schon, du erinnerst dich nicht mehr an mich." Sie lächelte mich an. "Gut, dass du die Kurve gekriegt hast, bevor ich dich dran erinnern musste."

"Dann kenne ich auch deine Familie. Zumindest deinen Großvater", stellte ich schmunzelnd fest, vor allem, um von mir abzulenken. "Hat mich ganz schön rumgescheucht, der Gute."

"Ja, das hat er erzählt." Sie lächelte noch immer, ergriff Shinji bei der Rechten und zog ihn den Flur hinter sich her.

"Äh, hey. Hey!", protestierte Kira und wollte ihnen hinterher.

Ich lachte leise und folgte ihnen mit den anderen. Dann wandte ich mich an P-chan. "Bleib bitte hier und bring uns Kishio, sobald er aufgewacht ist."

"Ist gut, Mamo-chan. Besser, er schläft noch eine Weile, oder?" Sie lächelte verschmitzt.

"Ja. Der Gute ist vollkommen verausgabt. Wenn er sogar keine Kraft mehr hat, sein Henge aufrecht zu erhalten und man seine Tätowierungen sieht... Und dann muss ihn das Gefühl, seinen großen Bruder wiedergetroffen zu haben, vollends von den Füßen gerissen haben."

"Hallo, Mamo-chan", sprach mich Kakashi-sensei aus einem Nebengang an, während wir ihn passierten.

"Hallo, Sensei. Wie gesagt, bring ihn rüber, sobald er aufwacht und sorge auch dafür, dass Shinpa-chan rübergeholt wird, sobald er transportiert werden oder selber gehen kann. Hikari, kannst du dabei helfen?"

"Hey!", beschwerte sich Anne lautstark. "Warum muss das mein Affenkrieger machen? Du hast doch Ryoga-chan bei dir, und den hast du mir auch noch geklaut. Dabei sollte er exklusiv für mich zu beschwören sein", sagte sie schmollend. "Nichts gegen dich, Gosunkugi-kun. Du bist ein guter Krieger und Freund."

"Habe ich so auch nicht aufgefasst", sagte der Affenkrieger mit dem übernächtigt aussehenden Menschengesicht. Wer die zierliche, beinahe zerbrechliche Gestalt betrachtete, konnte fast nicht glauben, dass er in seiner Kampfgestalt einer der mächtigsten Nahkämpfer des Affenclans war.

Ich lachte. "Weil ich dein Sempai bin und... Moment mal, Kakashi?"

Entsetzt warf ich mich herum und eilte den Gang wieder zurück. Im Seitengang stand tatsächlich der berühmt-berüchtigte Copy-Ninja Konohas.

"Junge, Junge, hast du heute wieder eine lange Leitung, Mamo-chan", beschwerte er sich bei mir, während er eine Akte durchging. "Ich dachte schon, du ignorierst mich absichtlich."

"Tut mir leid, Sensei. Ich habe gerade sehr viel um die Ohren und außerdem auch noch den Verdacht, dass der Raikage meine Genin absichtlich in Lebensgefahr gebracht hat, um eine Konoha-feindliche Fraktion in Kumo auszuschalten, und..." Ich legte den Kopf schräg. "WIR haben damit doch nichts zu tun, oder?"

Kakashi Hatake wedelte mit der rechten Hand. "Nicht im Geringsten. Und das wüsste ich aber. Hallo, Kira. War die Reise bisher spaßiger als der anschließende Krankenhausaufenthalt?"

"Kann nicht klagen, Onkel", sagte der blonde Genin. "Hier, das ist Kuzomi, meine temporäre Kontraktpartnerin des Spinnenclans." Stolz schob er sie einen halben Schritt vor.

Das Spinnenmädchen wurde schrecklich rot. "Hatake-sama, ich bin hocherfreut, dich kennenzulernen! Kira-sama hat mir ja so viel von dir erzählt, es ist mir eine Ehre!"

"Freut mich auch, dich kennenzulernen. Es ist eine kleine Ewigkeit her, dass ich jemandem vom Spinnenclan begegnet bin. Ist Hino-chan mittlerweile Clanchefin, wie es ihr Vater geplant hat?"

"J-ja, Hatake-sama! Sie ist meine Mutter!" Wieder verneigte sie sich.

Kakashi sah Kuzoko an. "Du bist auch vom Spinnenclan, oder?"

"Ja, Sensei", sagte sie und verbeugte sich ebenfalls vor ihm. "Ich bin die ältere Schwester und habe einen provisorischen Kontrakt mit Mamoru-sensei."

Kakashi lächelte und legte die Rechte an den Hinterkopf. "Ach, jetzt auch mit den Spinnen? Mamo-chan, du kannst doch schon vier Affen gleichzeitig beschwören. Kommen da jetzt auch noch die Spinnen dazu? Und wirst du dann noch einen anderen Clan in deine Liste aufnehmen? Wie stark willst du denn noch werden?"

Ich grinste schief. "Wie Kuzoko schon gesagt hat, es sind provisorische Verträge, um Kiras Tauglichkeit als Kontraktpartner zu prüfen. Kuzoko ist die Kontrollinstanz. Aber das hatte ich alles in meinem Bericht geschrieben", stichelte ich.

"Ich weiß, ich weiß. Und darum bin ich auch hier. Und hätte ich gewusst, dass dir und deinen Genin so ein Scheiß bevorsteht, wäre ich einen Tag früher gekommen und hätte Kirabi-sama begleitet. Aber ich bin leider gerade erst angekommen. Sai hat mich hergeflogen."

"Sai-kun?" Sofort stand das Bild des leichenblassen, schwarzhaarigen ANBU-NE vor meinem inneren Auge, der mit ein paar Pinselstrichen eine ganze Luftflotte herbeizaubern konnte. "Er ist in der Stadt? Ich würde mich freuen, ihn wiederzusehen."

"Oh, er hat Freizeit. Und laut eigenen Worten bemüht er sich, dir aus dem Weg zu gehen, weil du so "anstrengend" bist. So waren seine Worte."

Ich verkniff mir ein Lachen. Na, da hatte ich doch eine weitere Emotion aus ihm hervorgelockt: Unmut. "Also sind wir jetzt noch zwei mehr?", fragte ich.

"Du meinst wegen der Unterbringung bei den Yamadas? Das stimmt. Aber erstens ist bei Jin genügend Platz im Haus und zweitens gehöre ich zur Familie. Es war kein Problem für uns. Außerdem ist es nur für eine Nacht. Tsunade-sama erwartet meinen Bericht so schnell wie möglich."

"Was ist denn jetzt? Kommt Ihr?", rief Shinobu den Gang hinab.

Ich wandte mich ihr zu. "Shi-chan, könnt Ihr ein oder zwei Stunden über den Markt bummeln, aber diesmal ohne einen Massenauflauf?" Ich steckte Kira ein paar Ryou zu. "Kauft euch was Schönes. Hikari, Anne, Ihr könnt euch auch was kaufen." Bei diesen Worten steckte ich auch meiner Kohai ein paar Münzen zu. "Ryoga, Kuzoko, P-chan, ich glaube, wir haben was mit Kakashi zu besprechen. Und das wird sehr langweilig werden."

"Hm. Wer's glaubt", murrte Anne und wog das Geld in ihrer Hand. "Allerdings habe ich gerade Hunger und ein wachsendes Mädchen kann immer ein paar Kalorien gebrauchen. Gehen wir Schokobananen essen, Gosunkugi-kun. Sempai, gib mir bitte Aki-chan. Es ist ohnehin Zeit für sein Essen. Und ja, Omoi, du darfst helfen."

Erleichterung machte sich auf dem Gesicht des Kumo-Nin breit.

"Äh, Mamo-chan, brauchst du mich? Ich meine...", begann Yugito.

"Was das angeht, könnt Ihr ruhig alle gehen. Der Raikage wird jeden Augenblick zu uns stoßen. Wir werden einiges zu besprechen haben, denke ich." Mit diesen Worten hob er die Akte hoch, in der er geblättert hatte. "Eine ganze Menge sogar."

"Ich kann es kaum erwarten", erwiderte ich. Mir war klar, dass sich die Zukunft von Kishio und Shinpachi hier und jetzt entschied. Und viel hing dabei von mir ab.

***

Auf dem Weg zum Markt, der eigentlich ein angenehmer Bummel werden sollte, ging Anne sofort in die Offensive. "Okay, wer will mit Aki-chan Gehübungen machen?"

Omoi war sofort an ihrer Seite. "Ich kann das. Ich mach das. Habe ich auch schon für meinen Neffen gemacht."

"A-aber ich bin eine ausgezeichnete Lehrerin", wandte Yugito ein. "Außerdem bin ich Jounin."

Die Blicke der beiden trafen sich wie zwei Blitze.

Hikari Gosunkugi seufzte und nahm den kleinen Jungen aus Annes Händen. "Ich fürchte, bevor er Gehübungen machen kann, müssen wir erst einmal seine Windeln wechseln. Möchte das vielleicht jemand übernehmen? Dachte ich mir, dass das nicht sofort auf große Liebe stoßen würde."

"Habe ich leider noch nie gemacht", sagte Yugito betreten. "Aber ich helfe."

"Sorry, aber ich weiß noch, wie das riecht", sagte Omoi.

"So. Wenn es ernst wird, drückst du dich also", tadelte die Jounin, deutlich Oberwasser verspürend.

"Sagen wir, ich kenne meine Grenzen. Da drüben ist eine öffentliche Toilette mit Wickeltisch. Und dort drüben gibt es die Schokobananen. Wir treffen uns da - in zweieinhalb Bananen etwa."

Für einen Moment schien Yugito mit sich zu kämpfen, dann aber folgte sie dem Affenkrieger zum Wickeltisch, überzeugt, den besseren Handel gemacht zu haben.

"Zum Glück sind die Mädchen nicht hier", murmelte Omoi und meinte damit sowohl Karin und Hana-chan als auch Samui und Karui. Selbst ein erfahrenes Kleinkind wie Akira wäre bei der geballten Betüddelei der vier Frauen überfordert gewesen. Garantiert.

"Kommt schon. Ich gebe einen aus. Dann könnt Ihr das Geld von meinem kleinen Bruder für Cola und Kekse ausgeben", sagte er. Mit einem Lächeln schritt er voran. Dabei rotierte ein Lutscher in seinem Mund. Erdbeere. Der Nächste würde Zitrone werden.
 

Mittlerweile ging Anne neben Mai einher. Die junge Kunoichi aus Tsukigakure musterte Mai Kobashi mit unverhohlenem Unmut.

Mai indes wandt sich immer mehr unter dem mehr als unangenehmen Blick. Und dem Druck. "Anne... Chan? Ist etwas? Habe ich was im Gesicht?"

Die Tsuki-Nin schnaubte ärgerlich aus. "Nur damit du es weißt: Ich bin hier die einzige kleine Schwester von Mamo-chan. Wir sind zusammen durch die Hölle gegangen, haben Kabuto gejagt ud ein Versteck Orochimarus geplättet! Wenn du das erlebt hast, dann können wir weiterreden!"

Empört blies Mai die Wangen auf, die beträchtlich erröteten. "Ich will gar nicht Mamo-chans kleine Schwester werden!", empörte sie sich. "Ich fühle mich viel besser als seine Schülerin! Und er ist ein toller Lehrer! Nicht, Jungs? Nicht, Jungs?" Sie wandte sich Kira und Shinji zu, aber die beiden hatten es vorgezogen, mit Kuzomi und Shinobu vorzugehen, als sich der Schlagabtausch zwischen den beiden abzuzeichnen begonnen hatte. Derart verraten und verkauft stachelte es aber nur ihren Widerstand an. Immerhin hatte sie erst vor kurzem ihr Herz ausschütten und einen Teil ihrer Sicherheit zurückgewinnen können. Und sie hatte einen klaren Auftrag: Kishio mehr Sicherheit zu geben. Und das konnte sie nur, wenn sie selbst sicherer wurde. Und das musste gehen, ohne dass sie sich die Haut ihres Unterarms zerschnitt. Oder indem sie quer ritzte, um doch noch ein Go-Brett oder Shogi-Brett anzulegen. Gegen ihren Willen muste sie kichern. Verdammt auch, Mamo-chan!

"Was ist denn so lustig? Mamo-chan ist mein Sempai in der Affenbeschwörung, wie du an Gosunkugi-kun sehen kannst! Hat er dir vielleicht angeboten, Kontraktpartner der Affen zu werden?"

Mai schüttelte den Kopf. "Nein. Dafür bin ich wohl etwas zu depressiv. Noch. Aber ich bin sicher, die Affen mögen mich trotzdem. Außerdem wird wohl eher Shinji der Kontraktträger der Affen in Team dreizehn."

Annes Blick ging sofort zum dicklichen Blondschopf, der sein Möglichstes gab, um vorzugeben, von Shinobu derart mit Beschlag belegt zu sein, dass er die Konversation der beiden näher kommenden Mädchen unmöglich gehört haben konnte. Shinobu mit ihren feinen Gespür für Situationen unterstützte ihn dabei, indem sie zwanglos drauflos plapperte. Das unterbrach sie nur, um von der Schokobanane abzubeißen, die Omoi ihr gereicht hatte.

Der Kumo-Nin hielt auch Anne und Mai jeweils eine Banane hin. Die beiden nahmen sie entgegen und sahen einander in die Augen. "Damit du es nur weißt, wir haben auch in zwei furchtbaren Kämpfen gesteckt, und einmal mussten wir auf Mamo-chan verzichten, weil er entführt worden war! Aber wir hatten seine Schattenklone dabei, das hat echt geholfen."

"Ja, seine Kage Bunshin sind schon was besonderes", lobte Anne.

Auch Mai nickte entschlossen und lächelte. Zumindest bis beide merkten, was sie da taten. Sofort sahen sie einander wieder verbissen an. Es bestand keinerlei Grund, Freunschaft zu schließen. Immerhin war man für die andere der Feind! Die beiden sahen kurz auf ihre Schokobananen, sahen einander an... Und bissen gleichzeitig in die süßen Leckerbissen, um sie möglichst schnell zu verschlingen. Dabei hatte Mai die Nase um einen halben Bissen vorne. Das gefiel Anne überhaupt nicht. "Nachschlag!", sagte sie fordernd in Richtung Omoi.

"Gut, gut", sagte der dunkelhäutige Chunin und drückte ihnen je eine weitere Banane mit Schokoladenüberzug am Spieß in die Hand. Sofort stürzte sie sich erneut auf die Süßigkeit und diesmal war Anne schneller fertig gewesen. Triumphierend sah sie Mai an. "Zwei aus drei!", rief Mai Kobashi verärgert. "Nachschub!"

"Gut, gut", murmelte Omoi und drückte ihnen die nächsten Bananen in die Hand.

"Hey, Omoi-sempai", raunte Kira ihm zu, selbst eine - und zwar die erste - Schokobanane in der Hand, "hältst du es für klug, das zu unterstützen? Die kotzen mir Zuhause doch alles voll."

"Das haben wir gehört, Kira!", beschwerte sich Mai. "Und so schnell kotzt eine Kunoichi aus Konoha nicht!"

"Eine Kunoichi aus Tsukigakure auch nicht!", rief Anne entschlossen, nachdem sie diese Runde wieder verloren hatte. "Drei aus fünf! Nachschlag, Omoi-sempai!"

"Gut, gut", sagte der große Kumo-Nin und reichte den beiden je Banane Nummer vier.

"Um auf deine Frage zu antworten, Kira-kun", sagte er, während er beim Standbesitzer Banane Nummer fünf bestellte, "es ist mir lieber, wenn sie mit Süßigkeiten kämpfen, anstatt sich an die Kehle zu gehen. Oder meinst du nicht?"

"Du meinst, die würden sich wirklich was gegenseitig antun?"

Omoi zuckte mit den Schultern. "Sie sind Kunoichi, oder?"

"Gutes Argument."

"Ha! Sieg! Damit steht es Unentschieden!", rief Anne.

"Nachschlag, Omoi-sempai!", rief Mai. "Jetzt gilt es aber!"

"Gut, gut", murmelte der Schüler Kirabi-samas und kam mit Banane Nummer fünf, wohlweislich aber schon Banane sechs bestellend.
 

Als etwa zehn Minuten später Hikari und Yugito mit dem frisch gewindelten Akira hinzu stießen, empfing sie nicht nur eine frisch gemachte und gerade erkaltete Banane mit Schokoladenkruste, sondern auch zwei vollkommen aufgedrehte Kunoichi, die sich gegenseitig zu Lachkrämpfen animierten, indem sie Anekdoten über ihre Dörfer austauschten.

"Was ist denn hier los?"

"Oh, die beiden haben Zuckerrausch. Und Übelkeit", sagte Omoi grinsend. "Sie haben sich vorhin in den Busch hinter ihnen übergeben, aber es ist ihnen egal. Und Freundschaft scheinen sie auch geschlossen zu haben."

"Zuckerrausch? Übergeben? Wie viele Bananen hatten die zwei denn?"

Shinji sah sie mit allen Zeichen des Entsetzens an. "Acht pro Nase."

"Acht? Das ist doch nicht viel. Gut, sie sind noch klein und mager, da mag das anders sein. Aber für mich ist das ein entspannter Snack." Bei diesen Worten zerbiss sie ihre Banane in der Mitte und zog sie genüsslich vom Holzstil.

Omoi wurde ein wenig bleich. "Warne mich das nächste Mal vor. Da kriegt man ja Angst."

"Mimose", tadelte Yugito kauend. "Woran du schon wieder denkst..."

"Und dass du weißt, woran ich denke... Erstaunlich", konterte Omoi.

Yugito hüstelte verlegen und wurde rot. "Nachschlag, bitte."

"Papa wo?", kam es traurig von Aki-chan. Zumindest bis Hikari ihm half, von seiner Schokobanane abzubeißen.

***

Als der Raikage eintrat, erhoben sich die Konoha-Ninjas. "Raikage-sama."

"Kakashi. Leider konnte ich mir erst jetzt Zeit freischaufeln." Er gab dem Copy-Ninja die Hand. "Konoha hat eine Entscheidung bezüglich der Moerus getroffen?"

"Konoha hat eine Entscheidung bezüglich eines Moerus getroffen. Aber zuvor würde ich gerne Kumogakures Meinung dazu hören."

Sie setzten sich wieder und auch der Raikage nahm Platz. "Nun, es steht außer Frage, dass es Kumogakure war, das Shinpachi Moeru gerettet hat", stellte er fest.

"Was niemand bezweifelt", sagte ich.

"Wobei wir, was ich fairerweise sagen muss, nicht so ganz an seine Geschichte geglaubt haben. Es war auch etwas weit hergeholt, dass ihm ausgerechnet zum Zeitpunkt unseres Angriffs die Flucht in der Uniform des Feindes gelungen sein soll. Aber seine Narben und die Tatsache, dass er vor dem Team, das ihn gefunden hat, zusammengebrochen ist, haben ihm erst einmal eine pflegliche Behandlung gesichert. Anhand von Gewebeproben kam man dem Gift auf die Spur, das er noch immer in sich trägt. Es ist hoch verdünnt und lähmt die Muskulatur. In seinem Fall wurde er enorm geschwächt. Wie er damit in den Muskeln überhaupt gehen konnte, ist uns noch nicht ganz klar. Er muss über einen enorm starken Willen verfügen."

"Ja, das passt zu den Moerus. Zumindest zu dem einen, den ich kenne", sagte ich nachdenklich. "Was also plant Kumogakure mit Shinpachi und Kishio Moeru, A-sama?"

"Wir möchten die beiden bitten, bei uns zu bleiben. Ganz hochoffiziell als Vertreter des Moeru-Clans mit allen Rechten einer Minderheit in der Stadt. Natürlich werden wir ihre Dienste als Ninjas in Anspruch nehmen, wenn Shinpachi Moeru wieder vollständig genesen ist. Aber wir werden sie nicht gegen Konoha einsetzen, das kann ich versprechen. Tatsächlich...", er lächelte dünnlippig, "...hat sich die Anti-Konoha-Fraktion erheblich ausgedünnt. Und der Tag ist noch nicht zu Ende."

Ich sah Kakashi auffordernd an.

"Nach eingehender Prüfung deines Berichts, Mamo-chan, und nach Prüfung der Faktenlage, was wir selbst über den Clan Moeru wissen, hat sich der Rat Konohas dazu entschlossen, deinem Beispiel zu folgen. Wenn sie wollen, wird Konoha für sie ein sicherer Hafen werden. Das galt ursprünglich nur für Kishio, aber ich sehe hier kein Problem, das Angebot auch auf Shinpachi auszuweiten. Außerdem ist die Befehlskette sehr eindeutig: Kishio ist dir verpflichtet, Mamo-chan, und Shinpachi ist Kishio verpflichtet. Dein Onkel Shikaku hat bereits versprochen, dass der Nara-Clan die beiden aufnehmen wird. Du hast seine volle Unterstützung."

"Gut. Ich hätte es mir auch nicht vorstellen können, dass Konoha zu zwei so anständigen Menschen so grausam hätte sein können. Natürlich vollkommen ungeachtet der Tatsache, dass wir mit ihnen zwei der besten sensorischen Ninjas erhalten werden, die es auf der Welt gibt. Und zwei der Tödlichsten."

"Der Tödlichsten?", fragte der Raikage.

"Ich habe von einem meiner Schattenklone eine Szene mitgekriegt, in der Kishio einen Angreifer dazu provoziert hat, ihn zu küssen. Danach fiel er tot um. Der Angreifer. Die Moerus beherrschen die Kunst, mit Hilfe ihres Chakras zu töten. Das erfolgt, soweit Konoha weiß, meist durch Einflussname auf den Kreislauf. Herz, Gehirn, Lunge. Müsste übrigens in den Unterlagen Kumogakures über die Moerus stehen. In unseren habe ich es zumindest gelesen", stichelte ich verhalten.

"In unseren steht das auch, aber er hat seinen Gegner totgeküsst? Wie ungewöhnlich", murmelte A-sama.

"Ich werde Kishio damit noch angemessen aufziehen. Später", versprach ich. "Tatsache ist aber, dass ein voll ausgebildeter Moeru wie Shinpachi, der im Vollbesitz seiner Kräfte ist, nicht nur sein Chakra projizieren kann, um zu orten - er kann das Chakra auch aussenden, um ohne direkte Berührung zu töten. Je einfacher und untrainierter das Chakra des Opfers ist, desto leichter ist es und desto weiter kann er entfernt stehen. Ich bin mir sicher, das war unter anderem, worauf es Orochimaru abgesehen hatte. Entsprechende Vermutungen haben auch unsere Analytiker angestellt und den Unterlagen Konohas über die Moerus beigefügt. Und sicher hatte es Orochimaru auf Kishios Körper abgesehen. Wir kennen ja alle sein kleines Problem im Drei Jahres-Intervall, das ihm seine Unsterblichkeit sichert."

"Interessant", sagte der Raikage nickend. "Ein beeindruckendes Jutsu. Wäre Shinpachi also in der Lage, mich aus der Entfernung zu töten?"

Ich sah beinahe, wie es in seinem Kopf Klick machte und eine mentale Akte in die Schublade "Attentäter im Dienste Kumos" fiel. "Das weiß ich nicht. Sicher gab es stärkere Moerus als ihn, aber ich weiß bestimmt, dass er selbst im Vollbesitz seiner Kräfte zum Beispiel dem trainierten Chakra-System Kakashis ohne direkte Berührung wenig entgegenzusetzen hätte. Das gilt im weit größeren Maße für dich, A-sama. Ob ihr Clanoberhaupt dich per Berührung oder sogar auf die Entfernung hätte töten können, kann ich nicht sagen. Klar ist aber, je mehr Chakra sie auf einen Schlag aufwenden, desto stärker sind die Folgen. Darin unterscheidet sich die Kunst der Moerus nicht von anderen Ninjutsu.

Was mich gleich zu einem Problem bringt: Ich habe nicht vor, dabei zuzusehen, wie sich Kishio verausgabt, deshalb meine Frage: Gibt es Gefangene aus dem aufgebrachten Versteck?"

"Einige Wachen, ein paar Wissenschaftler. Nicht mehr als ein Dutzend", räumte der Raikage ein.

"Hatten sie Kontakt mit Shinpachi? Vor allem die Wissenschaftler?", hakte ich nach.

"Wahrscheinlich ja. Warum fragst du?"

"Weil ich nicht will, dass sich ein völlig verausgabter Kishio Moeru berufen fühlt, den Racheengel für seinen großen Bruder zu spielen und sich dabei vollkommen auslaugt, die Forscher und Wächter auf Distanz zu töten", sagte ich trocken.

"Was? Aber er muss doch wissen, dass wir das... Oh. Ja, ich verstehe. Wenn meinem Bruder so etwas passiert wäre, dann... Ja, durchaus verständlich. Aber es ist doch nicht damit getan, dass wir ihm eine Bannmeile rund um das Gefängnis setzen."

"Es wäre viel damit getan, ihm überhaupt nicht zu verraten, wo das Gefängnis ist", warf Kakashi ein.

"Gute Idee", sagte ich.

"Bah. Er muss nur jemanden auf der Straße fragen. Jeder weiß hier, wo das Shinobi-Gefängnis ist. Das ist keine Lösung. Aber als Shinobi-Kollege verstehe ich seinen Wunsch auf Rache für das, was man seinem Clan und seinem Bruder angetan hat. Die Investigationen laufen noch, aber mit einiger Sicherheit werden relativ schnell ein paar Todesurteile dabei herauskommen. Was wir im Versteck entdeckt haben, war... Nun, eklig ist das falsche Wort. Bestürzend ist auch noch zu schwach. Ein Wunder, dass Shinpachi Moeru dort über Jahre überleben konnte. Orochimaru und die gewissenlosen Mörder, die ihm helfen, sind entmenschlichte Bestien."

"Was mich kein bisschen wundert", erwiderte ich. "Du spielst mit dem Gedanken, die Moerus die Todesurteile ausführen zu lassen?"

"Einige zumindest. Nach der Verurteilung. Hier in Kumo geht alles den Dienstweg, oder gar nicht."

"Ich bin nicht sicher, ob es einem oder beiden helfen würde."

"Sie sind Shinobi, Mamoru-tono", mahnte der Raikage mich.

Widerwillig musste ich nicken. Das waren sie. Und Shinobi töteten. Wenn sie zudem ein Todesurteil an menschlichem Abschaum wie den Forschern Orochimarus vollstrecken konnten, würde es auf wenig Widerstand stoßen. Vor allem nicht nach dem, was Shinpachi erlitten hatte.

"Danke. Wahrscheinlich könnte es helfen", sagte ich bedächtig. "Dennoch sollten wir Kishio erst einmal vom Gefängnis fernhalten."

A-sama lachte. "Nichts leichter als das. Gib ihm den unmissverständlichen Befehl, sich ausschließlich um Shinpachi-tono zu kümmern. Das wird ihn zwei, drei Tage beschäftigen. Am Besten steckst du beide in einen einzelnen Futon. Wenn die beiden tatsächlich so eng zueinander stehen, würde nur ein sehr tapferes und sehr großes ANBU-Team Kishio-tono da wieder rausbekommen."

Ich lachte ebenfalls bei diesem Gedanken und Kakashi fiel ein. "Danke für den Tipp, A-sama."

"Gut, dann ist das auch geklärt." Kakashi sah den Raikage direkt an. "Ich denke, es steht außer Zweifel, dass Kishio Mamo-chan nach Konoha folgen wird. Und es steht außer Frage, dass Shinpachi Kishio folgen wird. Wir werden den beiden Kumos Angebot dennoch unterbreiten, der Fairness halber."

A-sama nickte bedächtig. "Ja, das fürchte ich auch. Keine Chance für uns. Leider. Aber das bringt uns zum nächsten Punkt auf meiner Liste. Die Moerus verständigen sich nur Kraft ihrer Gedanken, wie mir mein kleiner Bruder berichtet hat."

"Na, das ist ja interessant." Kakashi sah amüsiert zu mir herüber. "Kannst du das verifizieren, Mamo-chan?"

Okay, Karten auf den Tisch. "Ja, das können sie. Auch über größere Entfernungen, wobei die Verbindung dann schwächer wird. Ich selbst kann es mittlerweile auch, wenn ich Kishio berühre. Beide stammen sie aus einer Gesellschaft, in der es neben Worten auch immer... Nun, eine Art mentales Hintergrundrauschen gegeben haben muss. Quasi ein großer, bunter Marktplatz im Hinterkopf, der immer da war. Deshalb muss der Angriff, der das Dorf der Moerus ausgelöscht hat, besonders vernichtend gewesen sein." Ich sah Kakashi an. "Wenn ich Shinpachis Schilderungen trauen kann, und ich sehe keinen Grund, das nicht zu tun, dann hatte nicht nur Akatsuki ihre Hand im Spiel, sondern auch Itachi Uchiha und Orochimaru persönlich."

"Das erklärt, warum er später an jenem Ort Otogakure errichtet hat", sagte Kakashi nickend. "Aber wie hast du es erlernen können, Mamo-chan?"

"Hm. Ich denke, es hängt mit meiner sensorischen Gabe zusammen. Seit ich mit Kishio trainiert habe, konnte ich meine sensorischen Fähigkeiten beträchtlich erweitern. Im Moment beherrsche ich einen Radius von zweihundert Metern, Tendenz steigend. Jeden Tag kommt ein Stück mehr dazu. Wir teilen diese sensorische Gabe. Und ich bin der Meinung, dies ist der Ursprung der Moeru-Telepathie. Sie ist stark verwandt mit jener Langstreckenkommunikation, der wir Shinobi uns manchmal bedienen - mit Hilfe von maschinellen Verstärkern."

"Verstehe", murmelte der Raikage. "Verstehe. Das bringt uns zum letzten Punkt auf meiner Liste. Wann willst du dir das aufgebrachte Versteck ansehen, Mamoru-tono? Du bist ja mittlerweile ein Experte für die Verstecke Orochimarus."

"Wie dringend ist es denn?", erwiderte ich.

"Du musst nicht heute oder morgen aufbrechen. Im Laufe der Woche reicht vollkommen. Aber ich hätte gerne einen Bericht von dir, der die Unterschiede zu den anderen Verstecken auflistet. Eventuell findest du auch versteckte Räume, die uns bisher verborgen waren."

"Die werden wohl kaum an den Stellen zu finden sein, an denen sie sich in den anderen Verstecken befunden haben", erwiderte ich.

"Mag sein, mag nicht sein. Aber du hast die Erfahrung." A-sama strich sich über den Bart. "Anne-kun könnte dich begleiten. Sie war ebenso im Versteck, genau wie deine Affenkrieger." Während er das sagte, nickte er P-chan und Ryoga anerkennend zu, die zusammen mit Kuzoko schweigend der Diskussion gefolgt waren.

"Ich wurde ganz zu Anfang schwer verletzt und zum Berg zurückgeschickt", wiegelte Ryoga ab.

"Ich war gar nicht dabei", sagte P-chan.

"Äh, gut. Wer war denn dabei?"

"Hikari, der Affe, der Anne-chan begleitet. Und Akane, aber sie wurde beim Hinterhalt der Anti-Konoha-Fraktion schwer verletzt und ist zum Affenberg zurückgekehrt", sagte ich. "Und natürlich Enka O Enma."

"Du hast den König der Affen involviert?", staunte A-sama.

"Er ist ihr stärkster Krieger", erwiderte ich grinsend. "Noch immer."

"Zugegeben."

"Aber ich werde ihn für die Untersuchung des Verstecks nicht extra beschwören", konkretisierte ich.

"Das erwartet ja auch niemand." A-sama nickte zufrieden. "Damit, denke ich, haben wir alles Wichtige besprochen."

"Fehlt nur noch eine Sache." Ich fixierte den Raikage. "Die Geschichte mit den Antis... Sie hätte für meine Genin äußerst fatal ausgehen können. Es gab keine Garantien dafür, dass ich unterwegs noch weitere kampfstarke Verbündete auflesen würde. Du hast mich und vor allem meine Schutzbefohlenen einer erheblichen Gefahr ausgesetzt, A-sama."

Der große Mann grollte leise, während er mir in die Augen sah. Wir maßen einander mit Blicken. Wir waren beide Shinobi, wir waren beide darauf bedacht, unsere Heimat zu schützen. Wir wussten beide, wie unglaublich schief das gehen konnte. Wir wussten aber auch, welche Opfer wir zu geben bereit waren, um unser Ziel zu erreichen. Im Moment aber fühlte ich mich fast wie ein Vater, wenn ich an meine Genin dachte. Und meine Kinder hatten dem Tod ins Auge gesehen, weil Kumo sich dazu entschlossen hatte, die Anti-Konoha-Fraktion im Kampf mit mir und meinen Genin ein Ende finden zu lassen. Als Ninja verstand ich das Vorgehen des Raikage. Aber ich war nicht bereit, ohne einen Gegenwert den Platz zu verlassen. Abgesehen davon, dass ich meinen Genin nichts davon erzählen würde.

"Wir..." Der Raikage stockte. "Es mussten Konoha-Nin sein. Und nicht die stärksten Konoha-Nin, sonst wäre der Lerneffekt nicht so groß gewesen. Wir... Haben nicht damit gerechnet, dass du deine Gruppe auf dem Weg hierher verstärken würdest. Wir haben mit vier deiner Affenkrieger und mit dir und deinen Kage Bunshin kalkuliert. Aber da du mehr zu beschützen hattest, als wir angenommen hatten... Nun, inoffiziell bin ich bereit, die Verantwortung zu übernehmen. Offiziell war Kumogakures Führung nie auch nur beteiligt." Er sah Kakashi an. "Dennoch werden wir Konoha eine Entlohnung im Wert einer S-Mission zukommen lassen."

"Da bedankt sich Konoha aber", erwiderte der Copy-Ninja. "Und was tut Kumo für Mamo-chan?"

"Da war doch was im Raum, Kira Yamada betreffend. Er soll ein viel versprechender Raiton-Benutzer sein, der ein wenig Schliff braucht, nicht wahr?" Ein beinahe schüchternes Lächeln huschte über das Gesicht des Raikages.

"A-sama, wenn du tatsächlich mit ihm ein wenig trainieren würdest, würde es vor allem sein Selbstvertrauen stärken", sagte ich nickend. "Und eine andere Sache gibt es, die ich, ah, gerne hätte."

"Und das wäre, Mamoru-tono?"

Alte Rache genoss man süß. Das merkte ich in genau diesem Moment. "Nun, ich würde mich über eine Einladung zum Essen freuen. Im Land der heißen Quellen in meinem Lieblings-Onsen. Für mich, meine Genin, meine Freunde und meine Affenkrieger."

Der Raikage runzelte die Stirn. "Du verlangst von mir, dass ich dir deine Affenparty finanziere, Mamoru Morikubo?"

"Nun... Ja."

A-sama holte tief Luft. Und atmete sie wieder aus. "Abgemacht. Wenn ich teilnehmen darf. Und natürlich mein kleiner Bruder mit seinem Team. Uff, da komme ich ja leichter aus der Sache raus, als ich gedacht habe."

Verblüfft sah ich ihn an. Das war eine wirklich coole Reaktion gewesen. Und es machte mir den Unterschied zwischen einem Kage und einem Chunin mehr als deutlich. "Freut mich, dass ich helfen konnte", erwiderte ich trocken. Nun musste nur noch Kishio aufwachen und mit uns bei den Yamadas einkehren. Shinpa-chan würden wir dann auch noch transportiert kriegen. Ach ja, fiel es mir ein, eventuell sollte ich Shinpa-chan erzählen, warum ich ihn so vertraulich titulierte. Eventuell.

***

Letzten Endes dauerte es doch länger, weil A-sama darauf drängte, dass ich einem Verhör eines Wissenschaftlers beiwohnte. Also schickte ich meine Genin, nachdem Kishio wieder aufgewacht war, schon mal mit Kira und Shi-chan vor, während Yugito wieder zu uns stieß. Ryoga und P-chan beauftragte ich damit, sich um die Verlegung Shinpachis zu kümmern, den ich, nachdem die Ärzte grünes Licht gegeben hatten, so schnell wie möglich in Kishios Pflege sehen wollte. Die Angebote Konohas und Kumos wollten wir ihnen unterbreiten, sobald Shinpa-chan etwas kräftiger geworden war, aber mindestens noch in der Zeit, in der wir in Kumogakure blieben. Die Expedition zum Orochimaru-Versteck setzte ich auf den Nachmittag des Folgetages an. Eine Gruppe ANBU Kumos und eine Abordnung Shinobi der Chunin, die das Versteck ausgehoben hatten, würden mich, meine Affen, Anne und Hikari begleiten.

Nach dem mehr als unerfreulichen Verhör - selten hatte ich gesehen, wie sich ein Mensch derart am Boden wand und selten hatte ich jemanden sich so verschlagen aus einer Sache rauszuargumentieren versuchen gesehen - verbrachte ich mit Kuzoko noch eine Menge Zeit damit, die angefertigten Pläne des Verstecks zu studieren. Als wir endlich ebenfalls das Haus Yamada aufsuchen konnten, war es kurz nach Mitternacht. Und meine Genin benahmen sich, als wären sie auf einer Klassenfahrt. Nun, ich ließ sie machen, hieß das doch, dass sie die Schlacht am Morgen gut weggesteckt hatten. Dass sie damit auch die anderen Kinder der Yamadas mit rebellisch machten, war eigentlich vorherzusehen gewesen, aber Jin hatte meinen entsprechenden Hinweis mit dem Worten abgetan, dass "es ja noch Kinder seien", was ich zu übersehen drohte. Gegen eins hatte sich diese Rasselbande jedenfalls müde getobt und war von selbst schlafen gegangen. Etwa um die Zeit trafen dann auch P-chan und Ryoga mit Shinpa-chan ein und übergaben ihn Kishios Obhut. Nach Rücksprache mit Jin ging er mit ihm in eines der Bäder des Hauses, das er exklusiv für sich und seinen großen Bruder nutzen konnte. Ich verstand dieses Vorgehen. Abgesehen von der Vertrautheit, die die beiden verband, konnte Shinpachi die schrecklichen Erlebnisse seiner Gefangenschaft, der Folter und der Experimente unmöglich schon verdaut haben. Wenn ich also nicht wollte, dass Shinpa-chan unter einer Berührung die Decke hochging - schlimmer noch als Kishio vor einigen Wochen - war es eine sehr gute Idee, ihn von einem Moeru pflegen zu lassen.

Derweil nutzte ich die Zeit, um meine Führungsgruppe zusammenzurufen. Also Kuzoko, P-chan und Ryoga. Und weil Anne darin involviert sein würde, die mitgetobt hatte und nun ebenso selig schlummerte wie ihre neue beste Freundin Mai, Seite an Seite, einander an den Händen haltend, hatte ich Hikari hinzugebeten. Bei einem guten Tee und in Gesellschaft des Hausherren Jin-sama besprach ich das weitere Vorgehen, bei dem eigentlich noch Kishio fehlte. In seinem gut möblierten Büro. Warum neigten die Menschen nur dazu, mir ihr Allerheiligstes für meine Konferenzen anzubieten?
 

"Wir werden also zirka eine knappe Woche hier bleiben. Anschließend reisen wir binnen zweier Tage ins Land der heißen Quellen und beziehen unser Lieblings-Onsen. Ein Vorauskommando Kumogakures ist bereits auf dem Weg, sodass wir nur noch die anderen Affen beschwören und feiern müssen. Außerdem habe ich mir erlaubt, noch ein paar... Zusätzliche Gäste einzuladen, die es sich verdient haben, dort mit uns zu sitzen", erklärte ich grinsend.

"Zusätzliche Gäste?", fragte Ryoga. "Ryu Kaminari zum Beispiel?"

"Zum Beispiel", bestätigte ich. "Doch bis es soweit ist, werde ich das Versteck Orochimarus besuchen und erkunden, das Kumogakure ausgehoben hat. P-chan, du begleitest mich dabei. Ryoga, Kuzoko, ich möchte, dass Ihr derweil auf die Genin aufpasst. Natürlich wird der Raikage für ihre Sicherheit sorgen, falls es noch rachsüchtige Reste der Anti-Konoha-Fraktion geben sollte. Aber ich will, dass sie euch sehen. Und vor allem will ich, dass sie hart arbeiten und ebenso hart trainieren."

Ryoga grinste schief. "Überlass das uns, Mamo-chan."

"Moment mal", sagte Jin-sama mit seiner ruhigen, besänftigenden Stimme. "Ich gebe zu, ich habe hier nicht mitzureden und kann nur hier sitzen, weil ich der Hausherr bin."

"Na, na", sagte ich tadelnd in seine Richtung. Immerhin war der knapp sechzigjährige Mann noch immer aktiver und erfolgreicher Jounin Kumogakures und zudem Kopf der Friedensinitiative mit Konoha, was ihn zu unserem wichtigsten Verbündeten in diesem Ninjadorf machte. "Aber?"

"Aber ich frage mich, wann du anfangen willst, dein Chakra zu schonen. Du willst ja mehr als die üblichen vier Affen beschwören, Mamo-chan."

"Gar nicht", gestand ich freimütig.

"Gar nicht? Das wird dann aber eine kleine Party", wandte er ein.

"Gut, gut, ich werde mich vorher ausruhen, so gut ich kann. Und ich werde Anne-chans Hilfe bei der Beschwörung annehmen. Außerdem ist es im Gespräch, Shinji einen temporären Kontrakt anzubieten, damit er mir ebenfalls helfen kann. Aber bei der ganzen Geschichte habe ich etwas sehr wichtiges vergessen: Ich muss nur einen Affen beschwören. Der kann andere Affen beschwören, die wiederum andere Affen und so weiter. Wenn ich also Enma oder Doktor Tofu beschwöre und wir die Reihen runter gehen, kann ich relativ sicher sein, dass ihr Chakra lange genug ausreicht, um die Beschwörungen zumindest für den Abend anhalten werden. Aber schwinden ihre Kräfte, werden auch ihre Beschwörungen annulliert. Und deren Beschwörungen. Deshalb ist es schon wichtig, dass ich zumindest diese eine Beschwörung stabil halten kann. Aber es gibt ja keinen Grund, daran zu zweifeln."

"Ah, verstehe. Sehr schlau", sagte Jin-sama lächelnd.

"Ja, Sarutobi-sama wird es ebenso getan haben. Und ich habe mich immer gewundert, wie lange er sein Chakra aufgespart hat, um so viele Affen beschwören zu können. Ich dachte, ich müsste einen Monat, besser zwei, mit meinem Chakra haushalten, um es ihm nachzutun, dabei war die Lösung so simpel." Ich schmunzelte beim Gedanken an meinen toten Sensei. "Er hat es mir nie verraten. Aber er muss gehofft haben, dass ich auf die offensichtliche Lösung stoßen werde. Oder eben unter meiner Fehlentscheidung leide, bis ich es besser weiß. Etwas in der Art. Ihr wusstet das natürlich von Anfang an", sagte ich tadelnd in Richtung der Affenkrieger.

"Natürlich wussten wir das von Anfang an, Mamoru", sagte P-chan. "Aber wir hatten niemals Zweifel daran, dass du die Lösung finden würdest. Wenn nicht diesmal, dann beim nächsten Mal."

"Danke", erwiderte ich trocken und P-chan kicherte leise. Ryoga und Hikari fielen ein. Halunken.

"Hier! Hier!", rief Kuzoko und hob die Rechte wie in der Akademie. "Nachdem die Party geklärt ist: Was für Aktivitäten hast du denn so für die Genin eingeplant?"

Ich dachte kurz nach, bevor ich auf die Frage des Spinnenmädchens antwortete. "Nun. Als ich damals in Kumo war, hat mich Yugao-chan ganz schön herumgescheucht. Sie hat jede freie Minute dazu genutzt, um mich trainieren zu lassen. Erinnerst du dich, P-chan?"

"Ja, das war eine tolle Zeit damals", sagte sie lächelnd. "Ich hatte dich die meiste Zeit vollkommen für mich alleine."

"Äh, ja, das auch. Ansonsten hat Yugao-chan mich jede noch so kleine Arbeit verrichten lassen, mit der die Bewohner Kumos an sie herangetreten sind. Das ging los bei Botengängen, bei der Rasenpflege, weiter zu Bodyguardmissionen für die Geldboten Kumogakures bis hin zum Training der Achtjährigen in der hiesigen Ninja-Akademie. Und bei beidem war der Clan Yamada mit involviert." Ich lächelte matt. "Ich habe Shinobu-chan in der Akademie trainiert. Und Jin-sama hat mich damals für seine Einkäufe ganz schön gescheucht. Und er hat eine Menge Verantwortung auf meine Schultern gelastet, weil das, was er eingekauft hat, schon mal zehntausend Ryou wert sein konnte. Was ich dann auch noch bar bezahlt habe."

"Gab es einen leichteren Weg, dein Verantwortungsbewusstsein zu schärfen, Mamo-chan?", fragte mich der Clanführer lächelnd.

"Wahrscheinlich nicht", erwiderte ich, nun breiter lächelnd. "Jedenfalls sollen die Genin und auch Kuzomi-chan ordentlich rangenommen werden. Nehmt alles an, was angeboten wird. Und dreht sie, wenn sie Freizeit haben, im Training ordentlich durch die Mangel." Ich nickte Ryoga und Kuzoko zu, die beide breit grinsten. "Kuzoko-chan, mittlerweile kann ich dich gut einschätzen und kenne deine Kampfstärke und deine Fähigkeiten, um andere zu führen. Deshalb überlasse ich dir die Führung der Genin, bis ich wieder da bin. Allerdings mit einer Einschränkung: Sobald Kishio der Meinung ist, bei all der Betreuung von Shinpa-chan auch einmal Freizeit zu haben, drückst du ihm sofort die Verantwortung für die Genin auf. Und du lässt ihn damit allein. Das heißt aber nicht, dass Ihr nicht weiterhin auf sie Acht gebt, Kuzoko, Ryoga."

Die beiden nickten, diesmal ernster. "Hat es einen besonderen Grund, Kishio auch so zu fordern?"

Ich schnaubte leise. Sogar einen ziemlich guten Grund. "Ich will nicht, dass er Zeit bekommt, um an Rache an den Oto-Leuten zu denken, die Kumogakure im Versteck festnehmen konnte. Sie werden gerade verhört und ich möchte nicht, dass, bei allem Verständnis, das ich für ihn und Shinpa-chan habe, diese Leute, ah, plötzlich sterben für das, was sie Kishios Bruder angetan haben, bevor die Spezialisten alles aus ihnen rausgeholt haben, was es dort zu holen gibt. Außerdem hoffe ich, auch wenn es ehrlich gesagt nur ein kleines bisschen ist, dass sich der eine oder andere doch als besser erweist als er jetzt erscheint. Und das nützt ihm nichts, wenn er tot ist."

"Denkst du wirklich, Kishio würde so etwas tun?", fragte Ryoga zweifelnd.

"Wie würdest du dich denn verhalten, wenn du an seiner Stelle wärst?", fragte Jin-sama trocken.

"Oh. Ja, okay, verstehe. Wir bewerfen ihn mit Arbeit, wann immer er eine Minute hat, um frei zu denken", sagte Ryoga.

"Danke, das wollte ich hören", sagte ich. "Auch wenn ich keine neuen Erkenntnisse erwarte, wenn ich mit Anne das Versteck untersuche, getan werden muss es. Und sei es nur, weil ich Orochimarus Verstecke kenne."

Nachdenklich und in leicht angeberischer Pose strich ich mir übers Kinn. "So ist das halt, wenn man international gesehen eine wichtige Persönlichkeit ist."

Die Affen, Jin-sama und Kuzoko lachten leise.

"Vorsicht, mein junger Freund", sagte Jin Yamada spöttisch, "diese Art von Hochmut kommt meist vor einem besonders tiefen Fall."

Ich lachte bei seinen Worte ebenso wie die anderen. "Der Tadel ist angekommen, Onkelchen. Ich denke dran."

"Bleibt ja nur noch eines zu klären", sagte Hikari. "Warum nennst du Shinpachi-kun eigentlich Shinpa-chan, Mamo-chan?"

"Warum ich das tue? Das ist doch vollkommen offensichtlich, oder?", erwiderte ich amüsiert.

"Offensichtlich? Für mich nicht", sagte Hikari. "Würdest du also deine Weisheit mit mir und den anderen teilen?"

"Aber gerne doch. Ich nenne Shinpa-chan Shinpa-chan... Weil ich es kann."

Ein leises, enttäuschtes Raunen ging durch den Büroraum. "Mamoru. Was hat dir Jin-sama gerade über Hochmut und dergleichen gesagt?", tadelte Perine mich.

"Schon klar, schon klar", sagte ich lachend. Ich würde Shinpachi wirklich noch erklären müssen, warum ich ihn mit dem Suffix Chan bedachte. Aber das hatte nichts mit Hochmut zu tun, der mich stürzen könnte. Hoffte ich zumindest.

***

Am nächsten Tag brachen wir kurz nach dem Mittag auf. Ich hatte den ganzen Vormittag mit Aki-chan verbracht, während Kuzoko und Ryoga meine Genin mit den ersten Aufträgen zugekleistert hatten. Das war mir wichtig gewesen, weil ich den kleinen Mann, der ja mein Sohn war, ein wenig vernachlässigt hatte. Verdammt, nicht nur ein wenig. Und da er jetzt bei mir leben würde, zumindest bis das Schicksal von Maria und Hassin geklärt war und dann eventuell, bis er groß genug war, um selbst zu entscheiden, wo er zukünftig leben wollte, wollte ich ihn so gut kennenlernen, wie ich konnte. Also hatte ich den ganzen Vormittag mit ihm gespielt, hatte mit ihm gegessen, seine Windel gewechselt, mit ihm gebadet und ihm ein Spielzeug geschenkt, das ich in der Nacht für ihn geschnitzt hatte. Himmel auch, ich hatte so viel nachzuholen. Und dabei war ich doch selbst noch ein halbes Kind, das eigentlich nur den Erwachsenen spielte. Zumindest war das meine Meinung von mir, wenn ich mich kritisieren wollte. Konoha hingegen hielt mich für sehr erwachsen. Außerdem sorgte ich mich sehr um meine Bindung an Akira, die ich nicht so recht verspüren wollte. Aber es stimmte mich sehr froh, dass ich gerne mit ihm spielte und ich seine Nähe als Vergnügen empfand, nicht als Last. Wenn ich daran dachte, was wir noch alles würden tun können, wenn er erst älter war, wurde mir warm ums Herz. Drachen steigen lassen, Kunais werfen, Schwimmen, Klettern, es gab noch so viele Dinge, die ihm bevor standen und die ich mit ihm teilen konnte. Als ich schließlich mit Anne, Hikari und P-chan aufbrach, fiel es mir reichlich schwer, ihn zurückzulassen. Trotz meiner eigenen Jugend begann ich mich tatsächlich wie ein Vater zu fühlen. Ich empfand das als gutes Zeichen.
 

Insgesamt hatten wir vier Begleiter. Das ANBU-Team hatte nur halbe Stärke und würde lediglich die Wachaufgaben übernehmen, beziehungsweise verstärken, denn über zwanzig erfahrene Kumo-Nin bewachten das Versteck und hatten Hinterhalte für potentielle Boten, Heimkehrer und für Orochimaru selbst gelegt, auch wenn niemand wirklich daran glaubte, der gefährlichste Nukenin, den Konoha je hervorgebracht hatte, würde ausgerechnet zu dieser Zeit sein Versteck im Reich der Blitze besuchen. Die anderen beiden Begleiter waren Chunin und bei der Erstürmung des Verstecks beteiligt gewesen. Die Anführerin der Aktion, Samui, war leider nicht verfügbar, um Anne und mich zu begleiten. Ich vermutete sehr stark, dass ein gewisser Akira einen erheblichen Teil Schuld daran trug, dass sie unabkömmlich war. Verdammt, mein Sohn kam bei den Frauen besser an als sein alter Herr.

Sugai war ein großgewachsener, schwarzhäutiger Glatzkopf mit dem Temperament und dem Humor eines vollgefressenen Löwen. Seine Gegenwart war auf jeden Fall angenehmer als die der beiden ANBU mit der Wolfsmaske und mit der Schlangenmaske.

Lisang war eine kleine, braunhaarige Frau mit fast bleichem Teint, die ständig ein missmutiges Gesicht machte. Ich vermutete, dass das stark an ihrer Frisur liegen musste, die sie selbst den Peacock-Stil nannte und der eigentlich nur daraus bestand, ihr Haar in zwei möglichst üppigen Strähnenbündeln auf dem Kopf hochzubinden. Dennoch verströmte ihre Präsenz mehr Heimeligkeit als die der beiden ANBU. Und das obwohl ihre Stimme und ihre Äußerungen mit ihrer Miene zu einhundert Prozent konform gingen. Aber niemand hatte sie gerufen, damit sie die feingeistige Plauderin gab. Ein wenig wunderte ich mich schon, dass mir kein volles ANBU-Team zur Verfügung gestellt worden war, wie ich eigentlich gedacht hatte. Aber immerhin war ich hier Gast und musste nehmen, was ich kriegen konnte. Blieben noch Anne, Hikari und P-chan, um die Reisegruppe zu vervollständigen, die in etwas weniger als zwei Stunden ihr Ziel erreichte, etwa fünfzig Kilometer von den Bergen Kumogakures entfernt. Das war wirklich empfindlich nahe, nicht nur nach Ansicht des Raikages.

Dass etwas nicht stimmte, war mir sofort klar, als die ANBU hielten und auf den Eingang zeigten, der unscheinbar wirkte, aber zu einem riesigen Versteck führte.

"Da ist es", sagte der ANBU mit der Schlangenmaske. "Geht ruhig rein. Wir sprechen uns mit der Wachmannschaft ab und beziehen Position."

Und genau das war der springende Punkt: Es gab keine Wachmannschaft. Natürlich konnte sie sich verborgen halten. Immerhin lauerten sie auf Anhänger von Orochimaru, die noch nicht wussten, was hier geschehen war. Aber warum hatten sie nicht auf unsere Ankunft reagiert?

Doch, eines war da, was ich spürte. Ein Chakra, das... Ein Chakra...

"AUSEINANDER!", brüllte ich und sprang nach links davon. P-chan setzte den Weg zurück, den wir gekommen waren und Anne und Hikari eilten nach rechts fort. Der Schlangen-ANBU folgte P-chan, der Wolf mir.

Nur die beiden Kumo-Nin reagierten bange zwei Sekunden nicht. Zwei Sekunden zu lange, wie sich herausstellte, als quasi aus dem Nichts zwei Bündel dichtgepackter Schlangen zu entstehen schienen, die heranrasten und die beiden Kumo-Chunin einschnürten wie zwei Rollbraten.

"Aber was...?", fragte der Wolf.

"Orochimaru", zischte ich gepresst. "Oder Kabuto. Ich spüre das Chakra. Falls also nicht irgendein Kage auf der Lauer liegt, muss es einer der beiden sein! ENDAN!"

Mein Flammenatem loderte auf, strich über das Gras und fuhr über die dichtgedrängten Schlangenleiber, die Sugai und Lisang umklammert hielten. Mein ultraheißes Feuer verbrannte die Leiber und trennte die Köpfe von demjenigen, der sie ausgesandt hatte. Dennoch sanken die beiden Chunin zu Boden. Warum, wurde mir klar, als ich sah, dass einige der Schlangenköpfe sie gebissen hatten. Verdammt. Ich suchte nach den Chakra-Signaturen der anderen und erkannte erleichtert, dass Hikari und Anne verschwunden waren. Zweifellos hatte sie ihre Tarnkunst eingesetzt, um sich und den Affenkrieger zu schützen. Nun spürte ich nur noch Perine und den Schlangen-ANBU.

"Kabuto kann es jedenfalls nicht sein", sagte der ANBU überzeugt. "Also ist es Orochimaru."

Ich zerbiss einen Fluch zwischen den Lippen. Ja, das machte Sinn. Das erklärte auch, warum dieses Chakra jenes von Kabuto, das ich kannte, so sehr in den Schatten stellte. Niemand konnte in knapp zwei Monaten so viel mehr Chakra aufbauen. Nicht einmal Kabuto. "Das denke ich auch. Also schnappen wir uns die Chunin und hauen hier wieder ab. Den Wachtrupp können wir sicher vergessen, aber die beiden können wir retten. Und das am Besten, solange Orochimaru die Wunden leckt, die ich ihm gebrannt habe. Am Besten, bevor Kabuto auch noch auftaucht." Ich sprang mit Step in Richtung Waldboden und der ANBU folgte mir.

"Was Kabuto angeht, Morikubo-sama, so bin ich mir sehr sicher, dass er uns nicht in die Zange nehmen kann."

Ich lachte rau, während ich mir Sugai auf die Schultern lud. "Was macht dich so sicher, Hebi..." Ich spürte, wie Kälte meine Gliedmaßen emporkroch, als mir bewusst wurde, dass der ANBU eine Schlangenmaske trug.

Er nahm die Maske ab. Darunter kam ein bleiches, von weißen Haaren und von einer Brille dominiertes Gesicht zum Vorschein. "Weil ich schon hier bin, Morikubo-sama."

Noch während er die erste Silbe gesprochen hatte, spürte ich den Biss. Woher und von wem konnte ich nicht sagen. Aber augenblicklich gaben meine Beine nach. Ich stürzte, und Sugai rollte über den Boden, hilflos wie er war, bis er von Lisangs leblosen Körper gestoppt wurde. "Duuuu...", sagte ich, um jedes einzelne Wort kämpfend. Ich griff in meine Shuriken-Tasche und zog ein Kunai. Mit einem wütenden Knurren kroch ich auf den Mann zu, der mich gerade vergiftet hatte.

"Gib dir keine Mühe, Mamo-chan. Das Gift wirkt in dieser Dosierung nicht tödlich, aber deine Lähmung wird bald absolut sein. Nur ein bisschen mehr und du vergisst zu atmen."

Der zweite ANBU kehrte zurück. Er trug die regungslose Perine auf der Schulter. "Hat sie Schwierigkeiten gemacht, Zuuto?"

Der zweite ANBU nahm die Maske ab. Ich erkannte ihn sofort wieder, immerhin hatte ich ihn erst vor wenigen Wochen im Land der Steine im Versteck Orochimarus gesehen. Verdammt.

"Sie war mir gegenüber nicht argwöhnisch, deshalb konnte ich die vergiftete Nadel auf sie abfeuern. Aber sie rührt sich schon wieder."

Aus Kabutos Umhang schoss eine weiße Schlange hervor, die Perine biss. Beinahe sofort wurde sie ruhig. "So, das hält ein wenig vor. Wirf sie zu den anderen."

"Ja, Kabuto-sama." Er warf P-chan wie ein Bündel Wäsche auf die Kumo-Chunin. "Was machen wir wegen der beiden, die entkommen sind?"

"Oh, keine Sorge. Wahrscheinlich verstecken sie sich hinter der Kunst des Mädchens. Ein richtiges Gör, aber ihre Tarnung ist ungeheuer effektiv. Keine Sorge, sie wird zusammen mit ihrem Affen ihrem Sempai zu Hilfe kommen und dann schnappen wir sie alle beide."

Verdammt, verdammt, verdammt. Genauso würde es kommen. Und ich wusste nicht, was besser war: Hier zu sterben oder Orochimarus Gefangener zu sein.

"Komm mit, Mamo-chan. Ich möchte dir jemanden Wichtigen vorstellen. Ihr hattet den gleichen Sensei, wenn ich nicht irre." Er ergriff meinen rechten Fuß und zog mich hinter sich her.

Am Eingang erwartete uns eine Gestalt in einer weißen Kutte, die Kapuze zurückgeschlagen. Pechschwarzes Haar, kreidebleiche Haut... Orochimaru. "Das ist also mein kleiner Kohai?", fragte er interessiert, als Kabuto und Zuuto mit mir im Schlepp näher kamen. "Sein Feuer ist so heiß, wie man sich erzählt."

Aus den Augenwinkeln sah ich, wie mitten in der Luft ein Kunai auftauchte. Ich sah aber auch die haarige Klaue, die die Waffe wieder zurück ins Nichts zog. Verdammt, Anne! Auf diese Weise würde sie sich noch umbringen! Und ich war dann Schuld. Wenn schon nicht an ihrem Tod, so aber doch daran, dass sie in Gefangenschaft geriet und dieser Irre sie wegen ihres Tarnungs-Jutsu auseinandernahm und wieder zusammensetzte. Das konnte doch nicht wirklich passieren! Wie lange waren Zuuto und Kabuto überhaupt unsere ANBU-Begleiter? Von Anfang an? Hatten sie die Stadt infiltriert, nur um mich abzufangen? Oder lobte ich mich da selbst zu sehr und es war alles nur ein Zufall? Auf jeden Fall lagen jetzt wahrscheinlich vier gut versteckte und ziemlich tote ANBU irgendwo in Kumogakure.

"Aber ich habe dich mir größer vorgestellt, ewiger Chunin", stellte Orochimaru fest. "Was ist mit den anderen beiden?"

"Keine Sorge, Orochimaru-sama, die werden bald versuchen, Mamo-chan zu befreien. Dann fallen sie uns in die Hände."

Ich fühlte, wie mir eine Träne die Wange hinablief. Sollte, musste es so enden? Würde es so enden? Und würde mein Verderben noch andere mit in den Tod reißen? Nein, das sollte und das durfte es nicht. Nur wusste ich nicht, was ich tun konnte. Welche Optionen blieben mir jetzt, wo ich mich definitiv in Feindes Hand befand? Selbst wenn ich mich umbrachte, würde das nichts an Annes nächster Entscheidung ändern, fürchtete ich. Und dabei war ich schon so gut wie tot. Wahrscheinlich ein besseres Schicksal als das, was Orochimaru mir zugedacht hatte. Es blieb eigentlich nur noch eines.

"Ah, berechenbare, den Helden spielende Shinobi. So etwas habe ich immer gerne. Am liebsten habe ich es, wenn sie mir noch Phrasen an den Kopf schmeißen wie: Damit kommst du nicht durch."

"D-damit...", krächzte ich mit etwas, was ich kaum als meine eigene Stimme erkannte, "kommst du... nicht... durch... Sempai."

"Da. Da. Habe ich es nicht gesagt? Diese Naivität ist doch herzerfrischend. Und er hat mich Sempai genannt." Er beugte sich über mich. "Da ich unseren gemeinsamen Sensei getötet habe, was bin ich dann für dich?"

Ich versuchte die Hand mit dem Kunai zu schwingen, aber ich hatte weniger Kraft als ein altersschwacher Schmetterling. Dennoch bemerkte Orochimaru die Bewegung. "Arrogant wie alle Bewohner Konohas. Wenn wir ihn nicht noch bräuchten, um den zweiten Affen in die Falle zu locken... Töte ihn sofort, wenn wir ihn nicht mehr brauchen, Kabuto."

"Jawohl, Orochimaru-sama. Du hast den Meister gehört, Zuuto."

"Verstanden, Kabuto-sama."

Es verwunderte mich ein klein wenig, dass Zuuto nicht auch noch delegierte. Waren Orochimaru, sein Leutnant und Zuuto etwa die einzigen Nukenin, die zu diesem Versteck gekommen waren? Angesichts des unbändigen Chakras, das ich in Orochimaru spürte, erschien mir das nicht unwahrscheinlich.

"Sobald er tot ist und uns niemand mehr an Kumogakure verraten kann, ziehen wir wieder ab." Er seufzte. "Es scheint so, als hätte ich mein Spielzeug verloren. Schade. Nun bleibt mir nur noch Karin, sobald sie ein mir angenehmes Alter erreicht hat." Er wandte sich von mir ab, nachdem er mich zum Tode verurteilt hatte.

Ich konnte nicht glauben, wie leicht ich ihm und Kabuto in die Falle gegangen war. Ich konnte nicht glauben, wie wehrlos ich jetzt war, wie ausgeliefert. Und ich wollte nicht glauben, dass Hikari und Anne der sichere Tod bevorstand, weil sie mich natürlich nicht zurücklassen wollen würden. Zweifellos rechnete sich Anne durch ihr Jutsu eine Chance aus, um mich zu retten. Aber Kabuto kannte ihre Kunst und würde kontern. Zweifellos. Verdammt.

Ich spürte, wie mein Atem flacher ging, wie mein Herz langsamer schlug. Das Gift in meinem Blut entfaltete seine volle Wirkung. Ich drohte fortzudämmern. Mir blieb nicht mehr viel Zeit, irgendwas zu unternehmen, was den Lauf der Geschichte verändern konnte. Eigentlich gab es nur eine Lösung, und dafür musste ich mein Kunai fahren lassen. Es entglitt meiner Rechten. Langsam bewegte ich sie in Richtung meiner Brust. Es war ein Gefühl, als würde ich versuchen, mit nur einer Hand Tonnen zu bewegen. Das strengte mich furchtbar an. Vielleicht war es sogar das Anstrengendste, was ich je in meinem Leben gemacht hatte. Als ich die Hand auf meiner Brust spürte, richtete ich sie unter der gleichen Anstrengung auf. Kabuto beäugte mich misstrauisch, aber da ich die Linke nicht benutzte, vermutete er vollkommen zu Recht, dass ich kein Fingerzeichen anwenden wollte. Es gab ja durchaus Künste im Katon, die selbst für ihn oder Orochimaru auf kurze Distanz tödlich waren. Trotzdem fühlte ich leicht seine Nervosität. Aber er unterbrach mich nicht oder trat mir die Hand nicht wieder von der Brust.

Erschöpft ließ ich den Kopf nach hinten sacken, suchte, so weit ich sehen konnte, nach dem Affen und dem Mädchen. "Hi... ka... ri...", brachte ich mit schwacher Stimme hervor. Wenn ich mir eines noch wünschen durfte in meinem Leben, dann dass der Affenkrieger die richtigen Schlüsse zog.

"VERSTANDEN!", blaffte er. Keine acht Meter von mir entfernt entstand er aus dem Nichts, riss Anne mit sich, die mit gezücktem Kunai neben ihm gestanden hatte und sprang nach hinten. Zuuto und Kabuto setzten ihm sofort nach. Aber Hikari Gosunkugi floh nicht weit. Er sprang nur bis zu P-chan und den beiden Chunin zurück. "BEREIT!", blaffte er, als er zu allen dreien und zu Anne Körperkontakt hergestellt hatte.

"K...", kam es über meine Lippen. Dann verließ mich die Luft. Und das, obwohl Kabuto und Zuuto den anderen immer näher kam. Nein, das durfte nicht sein. Das konnte nicht passieren! Sensei, wenn ich jemals Hilfe gebraucht hatte, dann in diesem Moment! Luft! Ich schnappte nach Luft wie ein Ertrinkender unter Wasser, und plötzlich hatte ich Luft! "KAI!"

Kabuto und sein Untergebener stießen ins Leere, nachdem ich P-chan auf den Affenberg zurückgeschickt hatte. P-chan und jeden, den sie berührt hatte. Also auch Hikari, Anne und die beiden Chunin.

Erleichtert atmete ich aus. Ich hatte ihre Leben gerettet. Und auch wenn es ein weiter Weg für Anne nach Hause wurde, sie durfte weiterleben. Mist, ich hätte Shinji einen provisorischen Kontrakt eingehen lassen sollen. Dann hätte er jetzt die Fähigkeit gehabt, sie wieder zurückzuholen. Oder zumindest einen Affen zu beschwören, der ihm und meinen Genin erklärt hätte, was hier und anschließend auf dem Affenberg passiert war. Das war ungefähr mein letzter Gedanke, als sich ein Fuß auf meine Kehle setzte. "Selbst am Boden noch gefährlich, was?" Orochimarus ohnehin raue Stimme bekam einen gehässigen Klang. "Nun, damit hat es jetzt ein Ende." Damit drückte er zu.

"Orochimaru-sama!", rief Kabuto und kam neben uns aus dem Step. "Wenn du erlaubst, sollten wir ihn noch ein wenig leben lassen! Die Affen und die Shinobi wurden auf den Affenberg transportiert und er ist der letzte Kontraktpartner der Affen. Wir brauchen nicht zu fürchten, dass man uns entdeckt, bevor die Wache Kumogakures hier am Versteck ausgetauscht werden sollte. Und das ist erst in drei Tagen der Fall."

"Warum ihn leben lassen? Verrate mir das, Kabuto. Spielst du darauf an, dass er mein Kohai ist?"

"Nein, Orochimaru-sama, natürlich nicht. Und mein Vorschlag ist auch nicht, ihn generell am Leben zu lassen, sondern nur ein bisschen. Wir sollten aus ihm eine lebende Falle machen. Irgendwann wird man nach ihm suchen, und wenn man ihn findet und er ist eine einzige Mine... BUMM! Und wenn er so lange bei Bewusstsein ist, sodass er sein Ende noch selbst mitbekommt, und wenn ich an all die Stunden denke, die er sich quält, weil er hilflos dagegen ist, wie er seine Freunde ins Verderben lockt, da habe ich Spaß, Orochimaru-sama."

"Das klingt... Interessant." Der gleiche Fuß, der meine Kehle einzudrücken gedroht hatte, trat mich nun gegen die Schulter. "Hörst du, Kohai? Du darfst noch ein wenig leben."

Er wandte sich Kabuto zu. "Mach aus ihm deine lebende Falle, Kabuto."

"Danke, Orochimaru-sama."
 

Zehn Minuten später legte er mich ab, im Zentrum eines raffinierten mehrfach verschachtelten Systems aus Sprengfallen, Giftfallen und ordinären Fallen. Ich war der Köder in ihrem Zentrum. Und egal, ob und wann ich starb, mein Leib würde der Köder bleiben.

"Du fragst dich sicher, warum du noch am Leben bleiben darfst", raunte mir Kabuto ins Ohr, während Zuuto die Sprengtags scharf machte. "Nun, das ist einfach. Ich schulde dir noch etwas, und sei es eine winzigkleine Chance, die Sache hier lebend zu überstehen. Andererseits habe ich auch kein Problem damit, wenn du miterleben musst, wie deine Genin dich suchen und in diesem Minenfeld umkommen. Aber immerhin, es ist eine Chance. Es interessiert mich einfach, ob wir uns noch einmal wiedersehen werden, Mamo-chan. Allein der Gedanke elektrisiert mich. Ich bin sehr gespannt." Kabuto verschwand von meiner Seite und ließ mich im Zentrum einer einzigen großen Falle zurück. "Hauptzünder scharf stellen, Zuuto!"

"Jawohl, Kabuto-sama!"

Ich hatte nicht alles mitgekriegt, was die beiden angestellt hatten, aber ich wusste, dass ich selbst auf einer Bombe lag. Dass ich von einem Ring aus einzelnen Sprengtags umgeben war und dass weitere Sprengtags und Fallen rund um mich meterweit angeordnet waren, und zwar so, dass niemals alle Tags zugleich explodierten. Würde es jemand mit der Holzhammermethode versuchen, würde er fünf, sechs Explosionen benötigen. Und die siebte würde mich hochjagen. Zuuto, der dieses Netz konstruiert hatte, schien sich nach Herzenslust ausgetobt zu haben. Verdammt. Es gab nur eine Handvoll Shinobi, die dieses Netz erkannt und durchschaut hätten, und die Uchiha gab es fast nicht mehr und einen Hyuuga gab es nicht in Kumogakure. Tatsächlich würden auch die meisten sensorischen Ninjas Kumos mit dieser Falle überfordert sein - so sie sie denn erkannten. Auf diese Weise gefährdete die bloße Existenz meines Körpers mehrere, vielleicht Dutzende Leben.

Es gab nur einen Shinobi in ganz Kumogakure, dem ich eine kleine Chance gab, diese Falle zu durchschauen. Er hatte seine sensorische Sicht mit mir geteilt. So viele Details. Nur er hatte eine Chance, das Netz zu durchschauen und die richtigen Schlüsse zu ziehen. Er würde wissen, dass ich nicht zu retten war und das Richtige tun. Er würde die anderen abhalten, mir zu nahe zu kommen. Er würde es beenden. Nur Kishio Moeru konnte mich davor bewahren, für meine Freunde und Schutzbefohlenen zum Todesboten zu werden. Er musste es einfach tun.

Was wünschte ich mir in diesem Moment, ein vollwertiger Moeru zu sein und ihm einen gedanklichen Warnruf schicken zu können. Was flehte ich nicht, dass mir ein einziges Mal dieses Wunder gelang. Aber für Wunder waren die Shinobi Konohas einfach nicht zuständig. Zudem sackte ich mehr und mehr in einen Dämmerschlaf weg. Dieser Kabuto, ließ mich dämmern, damit ich nicht selbst was unternehmen konnte, zum Beispiel die Bombe, auf der ich lag, selbst auszulösen. Und das nannte er eine kleine Chance. Toll.

Und über all dem lag Bedauern. Das große tiefe Bedauern, dass ich meinen Sohn niemals wieder sehen würde, ihn nicht aufwachsen sehen konnte, nicht Freude und Leid mit ihm teilen konnte. Und ich würde meine Mädchen niemals wiedersehen. Aber ich hoffte inständig, dass ich meine Genin nicht mehr zu sehen bekam, denn wenn das geschah, standen sie womöglich vor diesem Minenfeld und liefen in ihr Verderben. Nichts konnte ich tun, rein gar nichts. Nur dahindämmern in einem Zustand irgendwo zwischen Schlafen und Erwachen, Kabutos Gefangener, dem nicht einmal vergönnt war zu sterben, um ihm wenigstens ein Schnippchen zu schlagen. Dämmern, immerzu, losgelöst von jedem Zeitempfinden, dämmern, nur dämmern... Nur dämmern... Dämmern...

Der ewige Chunin 20

13.

Kishio und Shinpachi blieben für fast vierzig Stunden unzertrennlich. In dieser Zeit untersuchten die Ärzte Kumogakures den älteren Moeru mehrmals und verabreichten ihm ein Gegenmittel gegen das Gift, das in seinem Körper gewütet hatte. Mit der besseren und regelmäßigeren Ernährung wurde auch seine Stimme schnell kräftiger. Die Erschöpfung wich aus seinem Gesicht und nahm die meisten kleineren Falten mit, aber die Mundfalten hatten sich unwiderbringlich von der Nase bis zum Kinn tief eingefressen. Das gab Shinpachi etwas Energisches, aber das war auch der einzige positive Aspekt. Dennoch, die Prognosen waren sehr gut. Shinpachi Moeru würde wieder vollkommen gesund werden, wenn man ihm Zeit gab und ihn gut versorgte. Das waren gute Nachrichten. Aber es war abzusehen, dass Kishio über kurz oder lang etwas Dummes tun würde. So zum Beispiel das Gefängnis angreifen, um die Peiniger seines großen Bruders zu töten. Zumindest erwartete Kuzoko das von ihm. Und sie lauerte auf ihre Chance, Kishio mit der Verantwortung für die Genin zu überschütten, um ihn gar nicht erst zu Atem kommen zu lassen. Aber merkwürdigerweise sprach Kishio mit nicht einem Wort über die gefangenen Gefolgsleute aus Orochimarus Versteck. Stattdessen wurde er bereits am Tag von Mamoru-senseis Aufbruch nervös, und diese Nervosität steigerte sich mit jeder Stunde. Dann war er am übernächsten Tag einfach verschwunden, von gleich auf jetzt und Kuzoko befürchtete schon, er wäre auf dem direkten Weg zum Gefängnis. Aber weder sie noch Ryoga, geschweige denn das extra abgestellte ANBU-Team konnte eine Spur von ihm in relativer Nähe zum Gefängnis entdecken. Die Wachen lösten dieses Rätsel, denn Kishio hatte sich ordnungsgemäß bei allen vier Posten abgemeldet, als er die Stadt verlassen hatte. Warum er das getan hatte, wo er doch eigentlich Shinpachi pflegen musste, war weder Kuzoko noch Ryoga klar, also sprachen sie mit Shinpachi selbst.
 

"Okay, Großer", sagte sie zum Moeru, während sie neben seinem Bett kniete, "wohin ist Kishio verschwunden? Und komm erst gar nicht mit dem Versuch, dich rauszureden. Ich weiß ganz genau, dass du weißt, wo er ist."

"Das ist doch auch kein Geheimnis." Shinpachi lächelte freundlich. Und es wäre ein zuvorkommendes, hübsches Lächeln geworfen, wenn er nicht so hohlwangig gewesen wäre.

"Und wo ist unser Superheld gerade?", fragte Ryoga von der Tür aus. Sie waren sich einig, dass nur einer von ihnen Shinpachis Schlafzimmer betreten würde, um den Moeru nicht unter zusätzlichen Druck zu setzen und es ihm so leicht wie möglich zu machen. Und da Kuzoko definitiv hübscher war, hatten sie beide die Theorie verfolgt, dass es dem Moeru leichter fallen würde, mit einem schönen Mädchen zu reden. Bis hierhin hatte es gut funktioniert.

"Simpel. Er ist auf dem Weg zu Mamoru-sama", sagte Shinpachi frei heraus. "Ich habe ihm gesagt, er soll das lassen, aber er hat leider nicht auf mich gehört."

"Wieso? Was will er bei Mamo-chan? Sein Platz ist hier, bei den Genin", sagte Kuzoko erstaunt.

"Wie soll ich das erklären? Nun, am Abend, als Mamoru-sama aufgebrochen ist, fing es bei ihm an. Er wurde zunehmend nervöser, fahriger. Das wurde besonders ersichtlich, weil wir eigentlich geschlafen hatten. Ihr wisst ja, wie erschöpft er war. Als er aufwachte, sagte er mir, Mamoru-sama müsse etwas passiert sein, er habe ihn rufen gehört."

"Was? Aber Mamo-chan hat doch gesagt, das erfordert bei ihm Körperkontakt", meinte Kuzoko erstaunt.

"Das habe ich Kishio-sama auch gesagt, aber er sagte, er hätte Mamoru-sama auch im Fokus, und er hätte seine Position seit Stunden nicht verändert." Shinpachi lächelte leicht. "Ihr müsst wissen, dass unsere sensorische Reichweite als Moerus enorm ist. Die von Kishio ist vielleicht größer als meine - im Moment - und seit Mamoru-sama aufgebrochen ist, hatte er immer einen Teil seines Fokus auf ihn gerichtet. Bewusst, unbewusst, er hatte einen Teil von Mamoru-sama immer in seinem Blick. Zwar nur einen sehr schmalen Streifen, aber alles zusammengenommen hätte es Kishio-sama umgebracht, wenn er dem nicht nachgegangen wäre. Ich habe seine Wahrnehmung geprüft und muss bestätigen, dass sich Mamoru-sama tatsächlich seit Stunden nicht bewegt hat."

"Ist er...?", fragte Kuzoko entsetzt. Dann aber sah sie Ryoga an. Der Affe nickte ihr zu. Richtig, wäre er tot, wären auch seine Kontrakte und die Beschwörungen beendet worden. Also lebte er. "Ich gebe zu, das ist beunruhigend, aber noch kein Grund, so...", begann sie, aber Shinpachi winkte ab.

"Das weiß ich. Das weißt du. Aber wenn es etwas gibt, das Kishio-sama nicht mehr erleben will, dann ist es, einen Menschen, der ihm etwas bedeutet, wieder zu verlieren. Ich hielt es für besser, ihm da zuzustimmen, als ihn weiterhin im eigenen Saft braten zu lassen. Außerdem hat er befürchtet, man würde ihn nicht gehen lassen. Der Raikage würde ihn nicht gehen lassen, hat er gesagt. Also ist er trotzdem gegangen. Wenn er falsch liegt, umso besser. Aber dieser ominöse Ruf und das schlechte Gefühl haben ihm keine Wahl gelassen."

"Dann hätte er mit uns sprechen sollen", sagte Ryoga. "Wir hätten ihn unterstützt."

"Ja, das weiß er. Aber er hat sich gesagt, es reicht, wenn sich einer blamiert. Dazu braucht es nicht mehrere und vor allem nicht diejenigen, die auf die Genin aufpassen. Sobald er Mamoru-sama erreicht hat, wird er außer Reichweite unserer Kommunikation sein, leider. Aber wenn er wieder in Reichweite ist, wird er mir sofort mitteilen, was er vorgefunden hat. Im besten Fall können wir immer noch sagen, er war einfach nervös und wollte sichergehen, dass Mamoru-sama nichts passiert ist. Dafür ist er durchaus bereit, jede Strafe in Kauf zu nehmen."

"Das ist Quatsch", brummte Kuzoko. "Niemand wird ihn dafür bestrafen, dass er sich Sorgen um Mamo-chan gemacht hat."

"Ja, das mag sein. Aber man wird ihn bestrafen, weil er seine Pflichten vernachlässigt hat", erwiderte Shinpachi. "Immerhin sollte er auf die Genin und auf mich achten, richtig?"

Er sah sich suchend um. "Apropos Genin. Wo steckt denn die Rasselbande?"

Ryoga zuckte die Schultern. "Im Moment halten sie sechs meiner Schattenklone beschäftigt und stellen Kumogakure auf den Kopf. Und wenn ich sage auf den Kopf, dann meine ich das auch so."

Shinpachi lachte leise. "Ich frage mich gerade, ob Kishio-sama mit seiner Entscheidung nicht das bessere Los gezogen hat."

"Keine Sorge", sagte Kuzoko, "wir lassen uns schon eine Strafe dafür einfallen, dass er sich gedrückt hat."

"Ich sagte doch, er würde bestraft werden", schmunzelte Shinpachi.

"Allerdings. Lässt uns hier mit der Arbeit sitzen", murmelte Ryoga. Er nickte Shinpachi zu. "Aber du hast vollkommen Recht. Es spricht nichts dagegen, dass er aufgebrochen ist. Selbst wenn es nur seine Nerven beruhigen soll. Es wird schon nichts passiert sein, sonst hätten wir das als Erste gemerkt. Und was seine liegengebliebenen Arbeiten angeht... Da ich bereits damit beschäftigt bin, auf Kira und die anderen aufzupassen, macht es dir doch sicher nichts aus, Kishios andere Aufgabe zu übernehmen, oder, Kuzoko-chan?"

"Kishios andere Aufgabe?", fragte sie für einen Augenblick irritiert.

"Ich glaube, er meint mich. Aber keine Sorge, ich komme klar", log Shinpachi.

Kuzoko unterdrückte ein Lachen. "Nein, kommst du nicht. Abgemacht, Ryoga-kun, ich übernehme Shinpachi-kun und du die Genin."

Der Affenkrieger nickte zufrieden, trat in den Gang hinaus und schloss die Tür.

"Also, Shinpachi-chan", sagte sie, ein wenig nervös die Hände ringend, "was kann ich für dich tun?"

Ein sichtlicher Ruck ging durch den Moeru. "Äh, es ist mir ein wenig peinlich, aber... Ich müsste mal auf Toilette. Kannst du mich vielleicht stützen?"

"Und du sagst, du kommst alleine zurecht. Du bist wie Kishio. Merk dir besser gleich und für die Zukunft, dass du jetzt in Team Morikubo spielst, und da passt jeder auf jeden auf." Sie stemmte sich unter seinen linken Arm, als Shinpachi ihn hob. Gemeinsam brachten sie den Moeru auf die Beine. "Übrigens, warum glaubte Kishio, dass der Raikage ihn bestrafen wollen würde?"

"Kishio geht immer vom Schlimmsten aus", sagte der Moeru trocken.

"Oh. Pessimist?"

"Strenger Großvater."

"Verstehe. Komm, es ist ja nicht weit. Und du darfst für den Weg eine schöne Frau im Arm halten."

"Glaub es oder glaub es nicht - das weiß ich wirklich zu schätzen", sagte Shinpachi lächelnd. "Und ich habe eigentlich nicht mehr damit gerechnet, so etwas noch erleben zu dürfen."

"Kompliment dankend akzeptiert", erwiderte sie lächelnd.

"Das war kein Kompliment. Es war eine Feststellung", korrigierte Shinpachi das Mädchen. "Nur eine Feststellung..."

Den Rest der Strecke legten sie schweigend zurück.

***

Auf dem Affenberg wiederholte sich eine Szene, die sich so derweil schon vor knapp zweieinhalb Monaten abgespielt hatte. Nur damals hatte sie nicht so lange gedauert. Auch zu dem Zeitpunkt hatte Mamoru Morikubo Anne auf den Affenberg geschickt, damit sie in Sicherheit war. Schon damals war sie nervös, ja, aufbrausend gewesen, weil sie zurück zu ihrem Sempai gewollt hatte, um ihm beizustehen. Diesmal aber war es schlimmer, ungleich schlimmer, denn sie hatte ihren Sempai noch mehr im Ungewissen zurückgelassen als damals, im Land der Steine. Und diesmal auch definitiv gegen ihren Willen. Ein Umstand, bei dem sie sich noch nicht sicher war, ob sie Gosunkugi-kun jemals wieder verzieh, denn er war ihr beschworener Krieger, aber er hatte auf Mamoru-sama gehört, nicht auf sie. Und natürlich waren ihre Chancen gering gewesen, aber sie hätte es zumindest versuchen müssen, anstatt Mamoru-sama alleine und sterbend zurückzulassen.

Und mit jeder Stunde, die verstrich, wurde aus ihrer Unruhe Angst, blanke Angst, dass plötzlich Ryoga zurück auf den Affenberg geschickt wurde, weil dies bedeutet hätte, dass Mamoru-sama verstorben sein musste und sein Kontrakt mit den Affen aufgelöst worden war. Angst, Ärger, Panik und Wut machten aus der jungen Kunoichi einen Menschen, von dem man einerseits am liebsten zwanzig bis dreißig Meter Abstand halten, ihn aber im gleichen Maße tröstend in den Arm nehmen wollte. Die einzige Person, die dieses Pulverfass im Griff zu haben schien, war Ranko-sensei, die sich neben ihrer anderen zahlreichen Pflichten so oft sie konnte ihrer annahm.
 

Sugai und Lisang betrachteten das vor Angst zitternde Mädchen, das nervös an jenem Fleck auf-, und abmarschierte, an dem die Affen nach einer Beschwörung zurückzukehren pflegten. Jedesmal, wenn ein Affe erschien, zuckte sie aufs Entsetzlichste zusammen, weil es womöglich Ryoga Hibiki sein konnte. Aber alle drei Affen gehörten zur Westsektion und hatten mit dem Kontraktpartner aus Konoha nichts zu tun.

"Können wir denn gar nichts für sie tun?", fragte Sugai ungewöhnlich einfühlsam, als Perine zu ihnen trat. Genau wie die Affenkriegerin hatten sie von den besten Medi-Nins der Affen eine Behandlung gegen das Gift erhalten, das Orochimaru ihnen allen hatte injizieren lassen, und daher waren sie erst kurze Zeit wieder auf den Beinen.

"Für Anne?" P-chan schüttelte den Kopf. Dabei konnte sie ihre eigene Angst kaum verbergen, denn sie fürchtete sich ebenso wie Anne vor dem, was unvermeidlich schien: Mamorus Tod.

"Dann wenigstens etwas für Hikari-kun?", fragte Lisang.

Wieder schüttelte Perine den Kopf. "Rein gar nichts. Da muss er selbst durch. Er hat sich entschlossen, lieber auf Mamoru zu hören als auf seine Kontraktpartnerin. Und er hat die Flucht dem Tod im Kampf vorgezogen. Damit haben er und Mamo-chan unsere Leben gerettet, das steht außer Frage." Bei diesen Worten presste sie die sonst so vollen Lippen zu schmalen, blutleeren Strichen zusammen und ihre Hände ballten sich zu Fäusten. Nein, sie war nicht zornig auf Hikari. Sie war zornig auf sich selbst, denn wenn sie dem ANBU nicht vertraut hätte, dann hätte Mamo-chan die Chance gehabt, mit Kabuto und Orochimaru Schlitten zu fahren, davon war sie überzeugt. Alleine dass sein Feuer die beiden Chunin hatte befreien können sprach Bände. "Anne-chan wird das eines Tages einsehen und ihm vergeben. Es war die richtige taktische Entscheidung, nachdem wir allesamt schon besiegt und so gut wie tot waren, auch wenn das bedeutet hat, Mamo-chan..." Sie schluckte für einen Moment, weil ihr die Kraft fehlte, um weiterzusprechen. "Auch wenn das bedeutet hat, Mamo-chan zurückzulassen. Nein, Hikari hat richtig entschieden. Er weiß viel zu gut, dass er nicht gegen Orochimaru und seinen Leutnant hätte kämpfen und auf Anne aufpassen können. Hätte es die Möglichkeit gegeben, zumindest Kabuto zu töten, hätte er sein eigenes Leben mit Freude riskiert. Aber es ging auch um Annes Leben... Und um unsere drei Leben. Auch das wird sie eines Tages einsehen. Nur wird Hikari bis dahin leiden wie ein Hund. Nicht, weil Anne ihm grollt. Sondern weil er die gleichen Zweifel, Ängste und Nöte durchlebt, die auch ich durchmache und die Anne so sehr plagen, dass sie noch nicht wieder geschlafen hat. Ranko-sama hat mir berichtet, dass sie das Mädchen die ganze Nacht in den Armen gehalten hat, aber dass sie nicht einmal die Augen geschlossen hat. Sie ist so sehr von Angst durchdrungen, mein Bruder könnte hier wieder erscheinen, als unwiderlegbarer Beweis von Mamo-chans Tod, dass... Dass..." Sie schluckte erneut. "Aber es gibt einen Hoffnungsschimmer, und das weiß sie auch."

"Einen Hoffnungsschimmer?", fragte Lisang.

"Einen Hoffnungsschimmer", bestätigte die blonde Affenkriegerin. Ein feines Lächeln kehrte auf ihre Lippen zurück. "Je länger es dauert, bis mein Bruder zurückkehrt, desto größer ist die Chance, dass sich Orochimaru verkalkuliert hat und dass Mamo-chan noch immer lebt. Und wenn er nur lang genug lebt, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Himmel ein Einsehen mit ihm haben und ihm einen Dämon schicken, der ihn rettet."

"Du meinst einen Engel", korrigierte Sugai.

P-chan zuckte die Achseln. "Wir reden hier nicht nur von einem Shinobi, wir reden vom ewigen Chunin. Also ist ein Dämon doch wesentlich passender."

Der Riese lachte kurz auf. "So gesehen hast du Recht. Dann bleibt uns also nur, abzuwarten, was zuerst geschieht. Ryoga-samas Rückkehr, oder Morikubo-samas Beschwörung eines Affenkriegers."

Sie nickten alle vage dazu und sahen wieder zu Anne herüber, die noch rastloser geworden war. Nicht so sehr wegen der Angst, den langen Rückweg nach Tsukigakure anzutreten, um nicht ewig auf dem Affenberg festzusitzen, es war tatsächlich und wirklich tiefgreifende Angst um ihren Sempai.

***

Ruhig. Ganz ruhig. Ruhe ist das Wichtigste. Was ist zu tun? Die Gegend erkunden. Keine Anwesenden, zumindest keine Lebenden. Merkwürdig. Er hatte Recht. Etwas stimmt nicht. Hier muss außer Mamo-chan noch jemand leben. Sogar eigentlich ziemlich viele. Sondieren. Suchen. Wo würdest du Tote verstecken? Aha. Gefunden. Mist. Also ist die Situation gefährlich. Mamo-chan lebt wahrscheinlich nur noch aus einem einzigen Grund: Er ist der Köder einer Falle. Der vernünftigste Gedanke ist daher, die Falle auszulösen, um zu verhindern, dass sie mehr Leben als das von Mamo-chan fordern würde. So würde der Chunin aus Konoha zumindest argumentieren. Aber du bist kein Shinobi aus Konoha, und er kennt deine Möglichkeiten nicht einmal ansatzweise. Also die Falle finden und untersuchen. Interessant. Interessantes Muster. Verschiedene Fallen, die zusammen ein System bilden. Fallen, die voneinander separat ausgelöst werden konnten, ohne die anderen zu aktivieren. Und ganz zum Schluss eine Falle unter Mamo-chan. Eine Bombe, die wahrscheinlich auf Gewicht basierte. Wenn es tatsächlich jemand schafft, all die Sprengkreise zu durchdringen, die letzte Falle würde ihn erwischen. Aber nicht dich. Druck, also. Wenn man weiß, wo die Fallen sind und wie sie funktionieren, so wie du mit deiner Gabe, dann sind sie nur halb so gefährlich - aber immer noch gefährlich. Dennoch, du traust dir zu, da durch zu kommen, bis zu Mamo-chan. Und dann? Was dann? Was dann, Oberhaupt der Moerus? Sobald du den Druck wegnimmst, geht die Falle hoch. Sicher, du kannst die Bombe manipulieren, für ein oder zwei Sekunden. Was aber dann? Du siehst auf und überlegst, ob es Sinn macht, dein eigenes Leben zu opfern. Nein, es macht keinen Sinn. Mamo-chan wird immer schwächer und braucht dringend Hilfe. Was also bleibt? Dann siehst du den Hirsch, der relativ sorglos in der Nähe der Sprengfallen grast und selbige jederzeit auslösen kann. Dummes Vieh. Weg da. Oder... Wieviel wiegt so ein Hirsch wohl? Ein Plan entsteht, ein Plan, der dir sehr gut gefällt. Du weißt nicht, wie Mamo-chan in diese Lage geraten ist und du weißt nicht, wer dafür verantwortlich ist. Aber du weißt verdammt genau, wer ihn wie wieder rausholen wird. Beim Stolz aller Moerus, du wirst es schaffen.

***

Ich wusste damals natürlich nicht, wie lange ich dort gelegen hatte, beziehungsweise hatte ich nicht genügend aktive Denkleistung, um ein so spektakuläres Gedächtniskunstwerk zustande zu bringen, mir die Anzahl der Tagesabläufe zu merken. Aber ich dämmerte immer mal wieder weit genug an die Oberfläche meines Bewusstseins, um genügend Kraft zu sammeln, um meine Augen zu öffnen. Dann sah ich. Die Abendsonne. Die Sterne am Himmel. Wieder die Sterne. Dann die Morgensonne. Mittagszeit. Früher Nachmittag. Später Nachmittag. Wieder die Abendsonne. Damals war von meinem Giftgemarterten Verstand gerade genug übrig, sodass ich erkennen konnte, dass ich bereits einen vollen Tag als Köder hier lag. Und hatte ich in der Nacht gefühlt, wie mein Körper ausgekühlt war, briet mich die Sonne am Tag über kräftig durch. Man merkte halt, dass das Frühjahr langsam, aber unaufhaltsam auf den Sommer überwechselte. Und es stand über dem Land der Blitze keine Wolke am Himmel, die mir Linderung verschafft hätte. Zum Glück konnte ich mit Verbrennungen sehr gut umgehen; mit dem, was mir an Chakra-Kontrolle geblieben war, sandte ich die Hitze der Sonnenstrahlen auf meinem Gesicht und den ungeschützten Händen weiter in den Körper, ein beinahe automatischer Vorgang für mich. Nur Stunden später, als das Licht der Sterne über mir funkelte, fraß sich die Kälte wieder in meine Knochen. Es gab einfach nichts, was die Wärme des Tages hätte speichern können. Es war noch zu früh, als dass zum Beispiel vom Meer warme Luft landeinwärts geweht wäre. Oder dass das Land sich derart aufgeheizt hätte, um auch unter dem Sternenlicht Wärme zu verbreiten. Ich fror erbärmlich. Aber wenigstens bekam ich in meinem losgelösten Zustand nicht allzuviel davon mit.

Was immer mir Kabuto in den Körper injiziert hatte, es reduzierte meine Körperfunktionen und damit auch meine Geistesleistung erheblich. Ich lebte im Zeitrafferland und bekam kaum etwas von dem mit, was mich umgab. Aber, immerhin, zum ersten Mal seit Jahren konnte ich mich richtig ausschlafen. Aber das war auch der einzige positive Aspekt, denn ich fühlte deutlich, dass mein Körper das Gift nicht abbaute. Im Gegenteil, die Wirkung verstärkte sich nach und nach. Und das konnte nur eines bedeuten: Kabuto oder Orochimaru hatte eine Schlange dagelassen, die mich nach und nach totbiss. Halunken, von wegen Chance.

In einem der wacheren Momente, die ich erlebte, es war wohl gerade früher Morgen, spürte ich deutlich den Biss im rechten Oberschenkel, den das Biest mir verabreichte.

Ich habe nicht wirklich bewusst reagiert. Es war mehr der permanent trainierte Reflex aus Wirkung und Gegenwirkung. Der Schmerz, der mich durchfuhr, weckte mich lange genug aus der Lethargie der Lähmung, um nach dem Kunai zu greifen, das ich vor wie vielen Tagen? hatte fallenlassen und damit die Schlange zu erstechen. Nun, es gelang, aber leider biss mich das Biest in seinen Todeszuckungen noch einmal. Eindeutig eine Überdosis, die mich so nahe an die Schwelle des Todes treiben ließ, dass ich mich auf einer großen, dunklen Ebene wiederzufinden glaubte, auf der ein einsames Lagerfeuer das einzige Licht war. Und an dem Lagerfeuer saß Kakashi-sensei. Oder zumindest jemand, der ihm sehr ähnlich sah. Doch der Moment war flüchtig, und bevor ich mich versah, dämmerte ich wieder weg.
 

Als ich das nächste Mal erwachte und die Augen öffnete, bekam ich den Schreck meines Lebens. Zumindest glaubte ich, mein vom Gift ohnehin geschwächtes Herz würde aussetzen wollen, als ich einem Hirsch direkt in die Augen sah. Ein Hirsch hier, im Herzen der Falle? Das konnte nur bedeuten, dass die Explosion, die mich ins ewige Vergessen befördern würde, unmittelbar bevorstand. Die Tatsache erleichterte mich so sehr, dass ich beinahe sofort das Bewusstsein verlor. Gut, ich würde kein Köder für einen oder mehrere meiner Kameraden und Schutzbefohlenen sein. Ich würde niemanden in den sicheren Tod reißen. Ich würde auch nicht jemanden wie Kishio zu einer wahnwitzigen Rettungsaktion treiben, die doch nur im Verderben enden würde. Danke, Hirsch. Damit löschte sich mein Bewusstsein und ich fiel in schwärzeste Finsternis.
 

Doch ich erwachte erneut. Und ich fühlte mich dabei kräftiger als in der ganzen Zeit, seit ich Kabuto so sehr auf den Leim gegangen war. Es war hell, aber ich spürte nicht die Verbrennungen meiner Haut durch die ungeschützt auf mich einbrennende Sonne. Zugleich aber war mir auch nicht kalt. Ich fühlte mich angenehm. Und ich war nicht allein. Das wusste ich, als ich am Rand meines erwachenden Bewusstseins die Präsenz eines anderen spürte. Unglaube erfüllte mich, denn ich kannte den anderen noch gut von unseren gemeinsamen Übungen. `Kishio?´ Erleichterung erfüllte mich. Ich war noch am Leben. Ich war aus der sengenden Sonne raus. Ich war... Ja, wo überhaupt?

`Sensei?´, antwortete er mir aufgeregt.

`Wo bin ich und was ist hier los?´

`Wir sind hier in einer Hütte und warten auf den Suchtrupp, der für dich losgeschickt wurde. Ich habe dich gefunden und hierher gebracht. Du bist schwer verletzt.´

`Und warum kuscheln wir hier?´, stellte ich die offensichtlichste Frage, denn die Wärme, die ich verspürte, kam direkt von Kishios Körper. Seine Antwort entsetzte mich, wenngleich sein mentales Lachen mich beruhigte. `Weil du eiskalt warst, Sensei. Und weil du hier an meinem Chakratropf hängst, und an meiner Herz-Lungen-Maschine.´

´Was?´, fragte ich erstaunt. Wie schlimm war der Biss der sterbenden Schlange denn gewesen? Und wie nahe hatte ich wirklich am Abgrund gestanden, quasi?

`Ich atme für dich und reguliere deinen Herzschlag. Und du benutzt hauptsächlich mein Chakra.´

`So schlimm?´, fragte ich, wohl Kishios Sorge und Angst spürend, die er wegen mir empfand.

`Ja, es war, oder ist, wie eine Lähmung, es fühlte sich fast so an wie bei Shinpachi. Ich habe mich noch nicht getraut, dich wieder alleine atmen zu lassen. Besser wir warten, bis der Medi-nin da ist. Weißt du noch, was passiert ist, Sensei?´

`Nicht so genau, aber da waren Schlangen...´ Schlangen. Und vor allem das eine Mistvieh, das Kabuto mir als Abschiedsgruß dagelassen hatte. Beim Gedanken, den weißhaarigen Bastard erwürgen zu wollen, reagierte mein Körper und wollte sich bewegen. Das war einerseits ein gutes Zeichen, ich erlangte einen Teil meiner Körperkontrolle zurück. Andererseits wollte ich Kishios Aufgabe nicht unnötig erschweren, deshalb beließ ich es bei einem Seufzer, der aber mehr nach einem Stöhnen klang. Aber der Ärger, der Unmut über meine Hilflosigkeit, das nagte weiter an mir. `Sie haben mich als Köder liegenlassen und ich konnte nichts tun, die Falle...´

Kishios mentale Stimme wurde neben all der Erleichterung auch strenger, als er erwiderte: `Mah, mah, Sensei, alles ist gut. Es ist niemandem etwas passiert. Du bist hier in Sicherheit und ich lasse dich auf keinen Fall sterben. Und in ungefähr zwei Stunden wird dann auch der Medi-nin hier sein. Ich habe Shinpa informiert und er wird es weitergeben. Schlangengift würde die Lähmung erklären, er hat sicher Gegengifte dabei. Und wenn nicht, kuscheln wir einfach, bis wir im Krankenhaus sind. Sehr gut, dann muss ich nicht laufen!´

`Warte, albere hier nicht rum! Wer hat mich gefunden?´, mahnte ich nun meinerseits ihn. Wie war ich aus der perfekten Falle rausgekommen? Wer hatte dieses Wunder zustande gebracht? Spontan traute ich es nur Kirabi-sama zu, indem er mich mit Hilfe des Hachibi gerettet haben könnte - auf Kosten mehrerer Arme. Teufel auch, ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass es ohne Verluste abgegangen sein konnte. Und immerhin war ich gerade alleine mit Kishio, oder? Wie viele Menschen hatten also für mich sterben müssen? Die Antwort auf diese Frage und auf das "Wer" lähmten meine Gedanken.

`Ich, ich hatte dich noch im Fokus, ich wusste, dass etwas nicht stimmt, deshalb bin ich los, um dich zu holen.´

Erstaunt sah ich mental auf. `Du hattest mich im Fokus? Über diese Entfernung?´

`Hai, Sensei, du hast nie gefragt, wo meine Grenzen liegen.´

Das hatte ich allerdings nicht. Ich hatte mich nie mit dem Gedanken anfreunden können, mehr von ihm zu verlangen, als er von sich aus zu geben bereit war. Aber implizierte das...? `Alleine?´

`Hai, Sensei, die Genin wollte ich nicht mitnehmen und die anderen haben mir nicht geglaubt. Für die Befehlsverweigerung kannst du mich bestrafen, aber ich schulde dem Raikage keinen Gehorsam! Und selbst wenn! Ich bin dein Beschützer! Wage es nicht noch einmal zu sterben, wenn ich nicht dabei bin, sonst bringe ich dich eigenhändig um!´

Die Erleichterung überfiel mich wie eine Woge, die mich einhüllte und an den Strand des Aufatmens spülte. Ich seufzte laut auf. Und bemerkte erfreut, dass ich die Kontrolle über meinen Körper zurückgewann. Es entlud sich in einem leisen Lachen. „Oh, Kishio....“

„Was?“

Ich grinste sowohl innerlich als auch nach außen, als ich die nächsten Worte sagte. Dieser Teufelskerl von Moeru war nicht nur gegen jede Chance alleine aufgebrochen, um mich zu retten, er hatte auch noch die Unverschämtheit besessen, bei meiner unmöglichen Rettung erfolgreich zu sein. Zum ersten Mal ahnte ich, wen ich mir da eingefangen hatte. Und dass wir mehr auf Augenhöhe waren, als ich bisher zuzugeben bereit gewesen war. „Hiermit erteile ich dir ausdrücklich die Erlaubnis dazu, mich eigenhändig umzubringen, wenn ich ohne dich sterbe!“

Ich spürte seine Verblüffung und hörte sie auch in seiner Stimme, als er leise antwortete: „Sensei...“

Erst war es nur ein Glucksen, daraus wurde ein Prusten und schließlich lachte er mit mir vor lauter Freude und Erleichterung. Dies ging wohl eine gute Minute so, bevor wir uns wieder beruhigten. Schließlich fragte er: „ Wenn es dir schon so gut geht, dass du lachen kannst, kann ich dich mal für eine Minute oder zwei loslassen? Ich bin auch ganz schnell wieder da, ich schwörs!"

Das verwunderte mich ein wenig. Bis ich über die mentale, körperliche Verbindung erfühlte, warum Kishio mich ein oder zwei Minuten allein lassen wollte: Er musste mal austreten.

Ich unterdrückte ein weiteres Auflachen. "Das werde ich überleben, schätze ich. Also los."
 

Später dämmerte ich wieder weg und bekam die Ankunft der Medi-Nin und einer ganzen Abteilung Ninjas und ANBUs gar nicht mit. Erst auf dem Rückmarsch erwachte ich wieder und konnte dem Anführer der Gruppe kurz Rede und Antwort stellen. Der Verlust der Ninjas, die das Versteck zu einer Falle gemacht hatten, der sich voraussichtlich herausstellen würde, behagte ihm gar nicht. Und als es um meine beiden ANBU-Begleiter ging, die sich als Kabuto und Gefolgsmann herausgestellt hatten, wurde er sogar sehr still. "Morikubo-sama, wir hatten vier ANBU für Sie abgestellt."

Also wurde es sehr wahrscheinlich, dass Kabuto und Zuuto die vier ANBU, die für meine Begleitung ausersehen gewesen waren, getötet und irgendwo in Kumogakure versteckt hatten. Ziemlich gut versteckt hatten, denn bis jetzt waren ihre Leichen nicht wieder aufgetaucht. Was der Leutnant Orochimarus in der Stadt gewollt hatte, war relativ offensichtlich. Er musste nach Shinpachi gesucht haben. Und der wiederum musste einen großen Wert für Orochimaru haben, wenn Kabuto so ein Risiko eingegangen war. Die Tatsache, dass wir den älteren Moeru ebenfalls bei den Yamadas untergebracht hatten, musste ihn vor der Entdeckung bewahrt haben. Jedenfalls reimte ich es mir so zusammen, sonst hätte Orochimaru am Versteck nicht davon gesprochen, "seinen" Moeru aufgeben zu müssen. Anschließend hatten Kabuto und Zuuto keine leichtere Möglichkeit gehabt, um die Stadt wieder zu verlassen, als sich als unsere ANBU-Begleiter auszugeben. Damit schloss sich ein Kreis. Als ich schließlich noch erzählte, dass die beiden Chunin in meiner Begleitung höchstwahrscheinlich noch lebten und auf dem Affenberg waren, schnaubte der Expeditionsleiter zufrieden und sagte etwas von wenigstens einem Lichtblick im großen, dunklen Schlamassel. Beinahe noch im gleichen Atemzug erzählte er mir, dass er einen Eilboten losschicken würde, um dem Raikage von Orochimarus Beteiligung zu berichten. Als wir später in der Stadt ankamen, erfuhren wir, dass Kumogakure mobil gemacht hatte und Orochimaru und seinen Leuten hinterher jagte. Fast fünftausend Ninjas hatten sich auf den Weg gemacht, um die drei zu stellen, auch wenn sie drei Tage Vorsprung hatten. Zumindest hatte der Raikage den Befehl dazu erteilt, noch während er meine Rettungsexpedition losgeschickt hatte. Gleichzeitig hatte er einen Eilboten nach Kirigakure geschickt, um Mei-chan, pardon, die Mizukage, um Amtshilfe zu bitten und Orochimaru in die Zange nehmen zu können. Aber drei Tage waren in der Ninja-Welt eine Ewigkeit und ich hatte keine Zweifel daran, dass Kabuto wieder entkommen war.

Wütend ballte ich die Hände zu Fäusten. Nun war es persönlich. Sehr persönlich. Wenn wir uns das nächste Mal trafen, würde nur einer von uns lebend den Platz verlassen. Das war so sicher wie dass über Konoha fünf Gesichter in den Stein gemeißelt waren. Aber es gab auch Positives. Der erste Medi-Nin, der mich behandelt hatte, hatte mir ein Gegenmittel gespritzt, das speziell für Shinpachi modifiziert worden war. Dieses Mittel schlug so hervorragend bei mir an, sodass ich bereits nach der Hälfte der Strecke quängelte, alleine laufen zu können. Dies rief allgemein Erleichterung und Heiterkeit hervor, denn wenn es mir schon wieder so gut ging, war ich wohl über den Berg. Zugleich aber spürte ich die absolute Entschlossenheit von allen, von Kishio über die Medi-Nin bis hin zum ANBU-Trupp, der uns beschützte, mich auf keinen Fall auf die eigenen Füße zu lassen, bevor wir nicht in Kumogakure waren. Also fügte ich mich ins Unvermeidliche. Vorerst.
 

Noch während wir nach Kumo zurückmarschierten, nahm ich mir die Zeit, um Kishio angemessen zu tadeln. Der Junge war noch immer erschöpft genug, sodass er sein Leben riskiert haben musste. Aber alles, was ich an ermahnenden Worten zu ihm sagte, prallte an seinem ergebenen Lächeln ab. Und ich wusste, er würde sogar eine empfindliche Strafe hinnehmen, im Angesicht des Bewusstseins, mein Leben gerettet zu haben. Aber ich würde ihn dafür sicher nicht bestrafen. Nur etwas mehr Selbstwertgefühl würde ich ihm beibringen müssen. Was aus meinem Mund, zugegeben, sehr ironisch klingen würde.

Ich seufzte. "Erklär mir wenigstens, wie du es gemacht hast, Kishio."

"Hai, Mamoru-sensei. Ich muss zugeben, es war ein echtes Kunstwerk. Sechs unabhängig voneinander geschaltete Fallen aus Sprengtags und Giftfallen und anderem, dazu eine große Mine unter dir, die auf Druck reagierte und jeden mit dir zerrissen hätte, der dich von diesem Platz entfernen würde. Ein wahres Meisterwerk, das mich an die Kunstfertigkeit eines Bildhauers erinnerte. Die Falle war nicht nur zweidimensional, sondern sogar dreidimensional. Ich zolle seinem Erschaffer für die filigrane Art und seinen Einfallsreichtum widerwilligen Respekt. Aber genau das war auch der Fehler an der Geschichte: Seine Komplexität erforderte diverse Sicherungen, damit der Fallenkomplex sich nicht selbst auslöste. Und an diesen Sicherungen anzusetzen war die Lösung. Weißt du, wenn du ein Sprengtag zertrittst, während es brennt, zündet es nicht. Wenn du aber verhinderst, dass es überhaupt erst zu brennen beginnt, kannst du es hintun, wohin immer du möchtest, und es ist immer noch so gefährlich wie zuvor. Außer dem Umstand, dass es nicht mehr da ist, wo es zuvor war."

Erstaunt sah ich ihn an. "Dann hast du also was gemacht?"

"Ich habe die Sprengfallen überbrückt und dann ihre Positionen verändert. Wie ich schon sagte, die Falle war dreidimensional, Sensei, also lag es nahe, dies auszunutzen. Im Endeffekt bin ich durch das gefährlichste Gebiet, die Sprengfallen, und habe einen Tunnel hindurch getrieben, indem ich sie umgehängt habe. Dadurch habe ich verhindert, eventuelle weitere, verstecktere Sicherungen auszulösen, obwohl ich keine gesehen habe. Und mit diesem Tunnel konnte ich bis zu dir gelangen."

"Die Mine?", fragte ich knapp.

"Eine Frage des Gewichts. Ich konnte sie ein paar Sekunden lang daran hindern, sich auszulösen, sobald ich dich hochnahm. Das hätte nicht gereicht, um dich zu retten. Aber es hat mir einen Trick erlaubt. Ich habe dein Gewicht durch das eines Rehs ersetzt, das ich mit mir durch den Tunnel nahm. Den ich übrigens von Anfang an großzügig gestaltete, denn ich musste dich ja wieder mit hindurch nehmen."

Ich hustete lachend. Das erklärte, wieso ich in einer meiner wachen Phasen einem Reh in die Augen geblickt hatte. "Das hast du sehr gut gemacht, Kishio", sagte ich schließlich. Und ich meinte jedes Wort ernst. "Jetzt stehe ich ebenso in deiner Schuld, wie du in meiner. Tatsächlich könnte man sagen, wir sind quitt."

Eifrig schüttelte der junge Moeru den Kopf. "Vielleicht schulde ich dir mein Leben nicht mehr, Sensei, hai, aber du hast mir viel mehr gegeben. Du hast mir ein Leben gegeben, dass zu leben sich lohnt. Du hast mir einen Verbündeten gegeben, der Orochimaru genauso hasst wie ich. Und du hast mir meinen großen Bruder wiedergegeben. All das kann ich dir nie richtig vergelten. Richtig, wir sind nun einander auf Augenhöhe. Du hast mich gerettet, ich habe dich gerettet. Aber wir sollten weit davon entfernt sein, und dies gegenseitig aufzuzählen, denn es wird sicher noch etliche Male vorkommen, Sensei." Beinahe trotzig sah er mich an. "Was ich sagen will, ist, einer muss ja auf dich aufpassen. Es ist mir unerklärlich, wie du bisher ohne mich unbeschadet durchs Leben gekommen bist."

Ich lachte bei diesen Worten auf, wenngleich bitter, wenn ich an meine zahlreichen Verletzungen dachte, die ich mir bereits in meinem Leben zugezogen hatte. "Also bleibt erst einmal alles beim alten?"

"Sieht ganz so aus. Wenn du mich und Shinpachi überhaupt willst, heißt das", sagte er leise, mit einem seltsamen Unterton von Furcht in der Stimme.

"Kishio. Wir sind Freunde, oder etwa nicht? Ich sehe keinen Grund, dich und Shinpa-chan zurückzuweisen. Du gehörst doch schon zur Familie und Shinpa-chan wird das auch sehr bald."

Er sagte nichts, aber ich spürte seine Erleichterung. Kurz berührte er mich an der Schulter und ich konnte sein mentales Danke hören. Ich nickte nur.

"Bleibt nur noch eine Sache, die mich wundert", sagte er schließlich.

"Und die wäre?"

"Nicht, dass ich etwas dagegen habe, aber... Warum nennst du meinen großen Bruder Chan?"

Nun war ich ehrlich verblüfft. "Äh..." Ja, warum machte ich das gleich nochmal? "Um es... Ihm leichter zu machen. Um ihn besser in die Familie zu integrieren. Und weil Chan so gut zu ihm passt."

Kishio lachte daraufhin laut und herzlich. "Das Letzte sollten wir ihm besser nicht erzählen", sagte er zwischen zwei Japsern, mit denen er wieder nach Luft schnappte.

***

Als wir in Kumogakure einzogen, waren die ersten Details schon durchgesickert. Vor allem die Toten am Versteck, die gerade von anderen Kumo-Nin geborgen wurden, hatten vielen Familien Kummer beschert. Aber die Nachdrücklichkeit und die Wut, mit der A-sama seine Shinobi auf die Jagd nach Orochimaru geschickt hatte, schien die Trauer im Moment in grimmige Entschlossenheit verwandelt zu haben. Während ich zur Nachuntersuchung ins Krankenhaus gebracht wurde, begleiteten mich etliche Blicke und tausende Fragen wurden mir gestellt, aber ich spürte keine Feindseligkeit, obwohl mancher Angehöriger in der Gewissheit des Todes eines Liebsten zusammenbrach - zumindest keine Feindseligkeit mir gegenüber.

Mir war klar, dass der Raikage sich schreckliche Vorwürfe machte. Immerhin hatte er eine Falle für Orochimaru gestellt gehabt, und nun stellte sich heraus, dass der die Falle nicht nur überlebt und alle Wächter umgebracht hatte, er hatte auch noch seinen Leutnant nach Kumogakure geschickt. Und hier war Kabuto im Herzen der Macht des Landes der Blitze frei herumspaziert und hatte auch noch vier ANBU ermordet, nach deren Leichen gerade verbissen gesucht wurde. Für mich war klar, dass Orochimaru so etwas nur mit Hilfe eines Verräters möglich gewesen sein musste. Ansonsten hätten wir von vorne herein die Waffen strecken können, denn dann wäre Orochimaru mächtiger als jeder Kage und jeder Jinchuriki. Und das war er nicht; Naruto hatte mir genau erzählt, wie sein Sensei Jiraiya zusammen mit Tsunade-sama gegen ihn und Kabuto gekämpft hatte. Ja, er war mächtig, auch noch mit den Verletzungen, die der Sandaime ihm im Kampf zugefügt hatte. Aber nicht so mächtig. Niemals so mächtig. An diesen Gedanken klammerte ich mich verbissen. Auch mein Feuer hatte ihn verletzen können und würde es wieder tun. Wieder und wieder, so oft wie es notwendig sein würde.
 

"Eieieieieieiei", murmelte Sadahara-sensei, während er mich untersuchte. "Damit habe ich wohl Ihr ganzes Team hier gehabt, Morikubo-san."

Er klopfte mir gegen den Rücken und lauschte auf den Klang. "Körperlich geht es Ihnen gut und Ihre Chakra-Knoten erholen sich von der Vergiftung, dank des Gegengifts, das wir erfolgreich bei Shinpachi Moeru angewendet und für seine Bedürfnisse modifiziert haben. Aber Sie sind noch schwach. Sie müssen sich schonen. Mindestens den Rest der Woche. Und Sie dürfen Ihr Chakra-System nicht über Maß belasten. Das heißt, kein Jutsu die nächsten drei Tage. Minimal." Streng sah er mich dabei an.

Missmutig sah ich zurück. Ich trug gerade nicht viel mehr als einen Kittel und eine Unterhose und hatte bereits allerlei Prozeduren über mich ergehen lassen. Natürlich wusste ich die Sorge von einem der besten Einsatzärzte Kumos zu schätzen, aber ich konnte ja wohl schlecht gegen meine Natur vorgehen.

"Eines müsste ich allerdings doch anwenden, Sensei", sagte ich, "um meine Begleiter vom Affenberg zurückzuholen."

Missmutig sah er mich an, bevor er seufzte. "Gut, gut, EIN Jutsu ist Ihnen erlaubt. Aber danach müssen Sie sich schonen. Ihre körperliche Fitness wird zurückkehren, sobald das Gift aus Ihrem Körper gespült wurde und Ihre Organe werden in den alten Tritt kommen, wenn wir die nächsten Tage stärkende Chakra-Behandlungen wie bei Shinpachi Moeru durchführen. Dabei geht es sogar relativ fix bei Ihnen, Morikubo-san, weil Sie dem Gift nicht so lange ausgesetzt waren, aber auf jeden Fall war es eine mittelfristig tödliche Dosis."

"Wem sagen Sie das?", murrte ich. Kabuto, wenn wir uns das nächste Mal sahen, hatte er besser ein verdammt gutes Suiton-Jutsu auf Lager, oder mein Katon würde ihn auf kleiner, ultraheißer Flamme langsam gar grillen. "Also schonen und für Chakra-Behandlungen wiederkehren?"

"Dreimal täglich. Dazu eine unterstützende Therapie mit Chakra-intensiven Medikamenten und weiteren Gaben des Gegengifts. Außerdem ordne ich für morgen eine Examination an, um festzustellen, ob Orochimaru etwas in Ihrem Geist zurückgelassen hat, eine Programmierung beispielsweise."

Ich schüttelte leicht den Kopf. "Tut mir leid, das kann ich nicht zulassen. Ich bin Geheimnisträger. Und sosehr ich Kirabi-sama und dem Raikage auch vertraue, ich kann nicht über den Schatten meines Trainings springen, Sadahara-sensei."

"Gut, aber ich werde das in meinem Bericht an den Raikage und die Hokage vermerken müssen. Spätestens in Konoha wird so eine Sondierung dringend notwendig sein."

Ich nickte zustimmend. "Solange Konohas Geheimnisse in Konoha bleiben..." Für einen Moment bedauerte ich es, dass Kakashi bereits wieder mit Sai nach Konoha zurückgekehrt war. Sein Sharingan hätte den gleichen Zweck erfüllt. In relativ kurzer Zeit und annehmlich für mich. Solange ihm nicht mal wieder der Schalk im Nacken saß und er die Fähigkeit des Sharingan zur Hypnose missbrauchte, um mich irgendetwas dämliches tun zu lassen. Nicht, dass das jemals schon vorgekommen wäre. Niemals. Nein, bestimmt nicht. Und es waren anschließend auch keine zwanzig Liter Terpentin nötig gewesen... Nun ja. Kakashi Hatake war nicht da und damit fiel diese Option flach. Da musste ich eben bis zu meiner Rückkehr nach Konoha damit leben, ein potentielles Sicherheitsrisiko zu sein, da hatte Sadahara-sensei zu einhundert Prozent Recht. Man konnte sich nie sicher sein, ob Orochimaru mir nicht mehr dagelassen hatte als die Schlange, die mich langsam und nachdrücklich hatte töten sollen.

"Das war es dann. Wir sind fertig. Sie können sich wieder anziehen."

"Danke, Doktor." Ich griff nach meinen Sachen.

"Wir sehen uns heute Abend zur ersten Chakra-Behandlung", sagte er und öffnete die Tür, um auf den Flur hinauszutreten. Dies löste allerdings eine Lawine aus. Eine Lawine aus Personen, die an der Tür gelehnt und gelauscht hatte. Meine Genin, natürlich. Und Omoi. Und Shi-chan. Und Karui. Und die Spinnen-Schwestern. Und wenn ich nicht ganz irrte, lehnte Samui lässig im Gang an der gegenüberliegenden Wand und gab vor, vollkommen uninteressiert zu sein. Direkt neben ihr Kirabi-sama. Und Ryoga stand auch dabei. Ganz abgesehen von der Abordnung weiterer Yamada-Angehöriger im Gang, einschließlich Jin-samas. Und ich stand da, lediglich in Unterhose, gerade dabei, meine Hose hochzuziehen.

Der Erste, der sich wieder aufrappelte, war Shinji. Tränen standen in seinen Augen und Rotz lief ihm sehr unappetitlich aus der Nase. "Sensei... SENSEI!" Mit gequälter Leidensmiene sprang er mir in die Arme.

"Na, na", murmelte ich.

"Wir haben's nicht gewusst, Sensei, sonst wären wir gekommen, um dich zu holen", sagte er schluchzend. "Und dann haben sie uns nichts gesagt, außer dass du verletzt warst, und... Und... Und..."

"Sensei!" Genin Nummer zwei. Mai-chan. "Mach sowas nicht nochmal mit uns", forderte sie, den Tränen nahe.

"Sensei!" Nummer drei und vier. Kira und Kuzomi, dicht gefolgt von Shi-chan. Dem Ansturm soviel roher Gewalt war ich nicht gewachsen. Ich ging zu Boden und wurde von meinen Genin regelrecht begraben. Natürlich war es peinlich, dass das geschah, während ich halbnackt war, aber mir war klar, dass meine Genin die Nähe brauchten, alleine schon um sicherzugehen, dass ich wirklich lebte und auch weiterleben würde. Also ließ ich sie weinen und schluchzen - aber ich würde garantiert anschließend duschen müssen, um den Schnodder wieder abzukriegen.

"Ich bin wieder da", sagte ich leise und freundlich, während ich schicksalsergeben am Boden lag. "Und ich gehe auch nicht so schnell wieder weg." Erstaunlicherweise konnte ich dieses Versprechen fast ein Jahr lang einhalten.

***

"Kuchiose no Jutsu!" Weißer Rauch wallte auf und nahm mir die Sicht. Dennoch schälten sich relativ schnell die Silhouetten von fünf Personen aus dem Rauch hervor. Und eine davon stürzte auf mich zu. "Mamo-chaaaaan!"

Bevor ich mich versah und bevor ich reagieren konnte - das schob ich allerdings auf Orochimarus Gift, nicht auf meine Reaktionszeit - hatte Anne sich mir an den Hals geworfen. "Ich dachte, du wärst tot! Und wie konntest du mich zum Affenberg schicken? Ich habe mir solche Sorgen gemacht! Und überhaupt, ich... Ich..." Sie begann übergangslos zu heulen und mir blieb nichts anderes übrig, als sie in die Arme zu schließen. Na toll, das Hemd durfte ich dann auch noch wechseln. Aber das war ein ungerechter, nebensächlicher Gedanke, während ihre Tränen mein Hemd durchnässten. Ich spürte viel zu sehr ihre Angst und ihre Erleichterung, mich wiederzusehen, vom Affenberg zurückgekehrt zu sein.

Als der Nebel sich weiter lichtete, erkannte ich P-chan, Sugai und Lisang... Und Hibiki. Ich nickte dem großen Affenkrieger voller Dankbarkeit zu. Er erwiderte das Nicken, aber seine Miene blieb starr. Ich war mir verdammt sicher, dass Anne ihm die letzten Tage tüchtig zur Hölle gemacht hatte. Ich würde das ausgleichen müssen. Irgendwie.

"Nun ist aber gut", sagte ich nach diversen Minuten. Ich löste ihre Umklammerung so sanft wie möglich und hielt sie ein Stück von mir. "Du wolltest schon wieder dein Leben gegen einen sehr viel stärkeren Feind riskieren. Einen Feind, dem du vor etwas mehr als einem Monat dein Jutsu gezeigt hast", sagte ich tadelnd.

"Ja, schon, aber es ging doch darum, dein Leben zu retten!", sagte sie mit verheulten Augen. Suchend sah sie sich unter den Anwesenden um. "Wer hat dich denn rausgehauen? Wem muss ich um den Hals fallen?"

Stumm zeigten alle Finger auf Kishio, der entsetzt auf die Szene starrte. Bevor er sich versah, klebte Anne an seinem Hals und drückte ihn fest. "Dankedankedankedankedankedankedanke."

Überrascht sah er das Mädchen an, aber langsam, sehr langsam drückte er es kurz.

Als Anne ihn wieder los ließ, seufzte sie tief. "Okay, du kannst anfangen, Mamoru-sama."

"Anfangen womit?", fragte ich.

"Damit, mich nach Strich und Faden zusammenzustauchen und mir klarzumachen, dass ich so dumm war, in einer aussichtslosen Situation mein Leben aufs Spiel zu setzen. Aber...", sie hob eine Hand und lächelte, "du musst mich nicht dafür tadeln, dass ich Gosunkugi-kun malträtiert habe. Gewiss, den ersten Tag war ich unausstehlich, aber am zweiten hatte ich ihm schon verziehen. Nicht, dass er viel davon mitbekommen hatte. Er hat sich ja mindestens ebenso sehr gegrämt wie ich, weil er dich auch zurückgelassen hat. Aber er hat auch viel bewundernswertes über dich gesagt. Zum Beispiel, dass du ein wirklich großes Paar haa..."

"Anne-chan", unterbrach ich sie hastig, "Hikaris Komplimente hin oder her, du weißt hoffentlich, dass ich wegen dir eine Höllenangst ausgestanden habe, bis du sicher auf dem Affenberg warst. Und natürlich auch um dich, Hikari."

Der Affenkrieger bestätigte mit einer schlappen Geste, die zu seiner menschlichen Tarnung als schwächlicher kleiner, übermüdeter Junge wunderbar passte.

"Und natürlich um dich, P-chan. Weitere Anwesende eingeschlossen", sagte ich mit einem Seitenblick auf die beiden Kumo-Chunin. Die beiden nickten unisono.

P-chan nutzte die Gelegenheit, um sich vorzudrängeln und um mich zu umarmen. "Aahhh, einmal lebendiger Mamoru Morikubo. Was habe ich dieses Gefühl vermisst. Und was hatte ich für eine Angst, es nie wieder erleben zu dürfen."

"Ich liebe dich auch, P-chan", sagte ich lächelnd und küsste sie sanft. Und das war nichts als die Wahrheit.

"Wenn es das ist, was ich kriege, wenn du in Lebensgefahr schwebst, kann das ruhig öfters passieren", scherzte sie.

"Bloß nicht", protestierte Anne. "Ich habe das Gefühl, meine Lebensspanne halbiert sich jedesmal, wenn es wieder passiert. Ich meine, wie oft bist du jetzt schon fast gestorben, Sempai? Ein halbes Dutzend oder öfter?"

"Eher öfter", gestand ich trocken. "Aber das tut jetzt nichts zur Sache, junge Dame. Du weißt hoffentlich, was für Sorgen ich mir um dich gemacht habe und wie verantwortungslos es von dir war zu versuchen, mir gegen Orochimaru beizustehen! Gegen Orochimaru! Wärst du geflohen, um nach Kumogakure zurückzukehren und Verstärkung zu holen, hätte mir das sehr geholfen. So aber, in der Reichweite Orochimarus, dein eigenes Leben gefährdend, war es die einzige Möglichkeit, dein Leben zu retten." Ich löste mich aus P-chans Umarmung und hob ihr Kinn an. "Und ich will nicht jemanden verlieren, den ich liebe, Anne-chan. Niemals."

"Sechs", murmelte P-chan in einem resignierenden Tonfall. "Sechs, das weißt du, Mamo-chan. Und du bist schuld."

"Ach, red doch nicht", erwiderte ich schmunzelnd. "Immerhin liebe ich die große Mehrheit der Anwesenden, oder etwa nicht?"

"Bei sechs sollten wir aber wirklich einen Schlussstrich ziehen!", forderte sie vehement. "Obwohl es nicht danach aussieht, als würde die Zahl sich wesentlich erhöhen. Dafür war Mai viel zu eifersüchtig, als Anne Ki..."

"Perine-sama! Wie ist es eigentlich so auf dem Affenberg?", rief die sommersprossige Genin laut. "K-kann ich da vielleicht auch mal mit?"

"Du kannst ja gleich mit mir mitkommen", sagte Hikari. "Ranko wollte nämlich, dass ich so schnell wie möglich zurückkehre, um ihr zu berichten, wie es dir geht, Mamo-chan."

Ein flüchtiger Blick von Mai ging zu Anne, die mich immer noch mit strahlenden Augen ansah. "Ich glaube, das kann ich sogar riskieren. Darf ich, Sensei?"

"Au ja, wollen wir nicht alle mit? Für eine Stunde, oder so?", fragte Shinji mit leuchtenden Augen.

Die Genin murmelten erfreut auf. "Gute Idee! Dürfen wir? Perine-sensei, Mamoru-sensei?"

"Wenn es nur für eine Stunde ist... Wie viel Chaos können sie schon anrichten?", fragte P-chan.

"Na gut, meinetwegen, aber wirklich nur für eine Stunde. Dann hole ich Hikari wieder zurück, verstanden? Macht mir keine Schande und haltet die Zerstörungen bei einem Minimum. Mai-chan. Kira. Shinji. Kuzomi. Shinobu. Habe ich wen vergessen? Kishio? Kuzoko?"

Die beiden winkten ab. Diesmal. Und so blieb es bei den fünfen. Sie umringten Hikari und hielten sich an ihm fest, was ihn in die erstaunliche Lage brachte, wenigstens einmal in seiner menschlichen Tarngestalt der Größte in einer Gruppe zu sein. Dann schickte ich sie zurück, für genau eine Stunde.

"Na, das kann ja was werden", murmelte ich, als Hikari Gosunkugi in einer Rauchwolke verschwand.

"Was soll schon groß passieren? Es sind doch nur Genin, oder?", fragte Ryoga grinsend.

"Mal den Teufel nicht an die Wand", murmelte ich. Leider zu spät.
 

Als ich meine Genin eine Stunde später per Hikari-Express vom Affenberg zurückholte, stellte sich heraus, dass ich überhaupt nicht hatte einschätzen können, wie groß das Chaos war, das meine Genin hatten anrichten können.

Shinji materialisierte mit allen Zeichen absoluter Bestürzung. "S-sensei", stammelte er. "Enka-sama hat mich..."

"Zum Kontraktträger gemacht. Du kannst jetzt also Affenkrieger beschwören."

Eifrig nickte der junge Genin. "Ja, schon, aber... Erstens weiß ich nicht, warum er das getan hat und zweitens traue ich mich nicht."

"Erstens kann ich dir genau erklären. Die Affen mögen Charaktere wie deinen eben. Und weil du mein Schüler bist, hast du allerbeste Empfehlungen. Mein Sensei, der Sandaime, war der letzte Kontraktträger Konohas, bevor er mich weiterempfahl. Genauer gesagt hat Ranko-sensei bei einem ihrer Besuche gefragt, ob sie "mich haben" könne. Und so wurde ich Beschwörungspartner der Affen. Bei ihnen geht fast alles über Gefühl, Instinkt, Geruch, Chakra. Dir steht anscheinend noch eine glänzende Karriere bevor. Ist noch jemand als Kontraktträger der Affen zurückgekehrt?", fragte ich in die Runde.

Wortlos hob Mai die Hand.

"Was?", fragte ich erstaunt.

"E-es ist nicht sowas", sagte sie hastig. "Nur eine Art Notfallkontrakt, wie bei den Spinnchen und dir und Kira. Aber wenn es pressiert, dann kann ich ab jetzt sechsmal Doktor Tofu rufen."

"WAS?" Beinahe hätte diese Eröffnung mich umgehauen. Der Sohn des Affenkönigs war nicht nur ihr zweitmächtigster Krieger, sondern auch einer der am schwersten zu beschwörenden Affen überhaupt, weil es viel Chakra und viel Kontrolle über dieses benötigte, um ihn zu rufen.

"Tja", sagte Mai und grinste von einem Ohr bis zum anderen, "es sieht ganz so aus, als wäre meine Chakra-Kontrolle besser als deine damals, Sensei. Also werde ich wohl auch sehr viel stärker als du werden."

"Na, großartig." Jegliche Spekulationen, warum man ihr so etwas gesagt hatte, verkniff ich mir, als ich sah, wie viel Auftrieb ihr diese Worte gaben. "Aber zurück zu Shinji. Warum traust du dich nicht?"

"Weil...", murmelte er betreten. "Weil... Weißt du, normalerweise beschwört man doch einfach einen Affen und schaut, wen man bekommen hat. Erst später mit genügend Übung, so wie du, Sensei, kann man einen Affen gezielt beschwören. Aber bei mir würde das nicht nötig sein, hat Doktor Tofu gesagt. Er meinte, ich könne schon gleich einen Krieger gezielt beschwören."

Aha, so fühlte es sich also an, wenn einem jemand den Boden unter den Füßen wegzog. Verdammter, zurückhaltender und sich selbst schwach redender Mamoru Morikubu, der ich einst war. Ich war mir sehr sicher, dass das der Grund dafür war, dass meine Genin mein jüngeres Ich derart überflügelt hatten. Verdammt sicher sogar. Mist.

"Und welchen Krieger sollst du beschwören? Enma-sama?", scherzte ich.

"Nein, nicht den König. Aber K... K... Konatsu."

"Konatsu ist doch in Ordnung. Nicht der stärkste Krieger, aber ein erfahrener Kämpfer und ein trickreicher dazu. Du solltest dich geehrt fühlen."

"J-ja, schon, aber er trägt Lippenstift. U-und er sieht fast so hübsch aus wie Shinobu-chan."

Das blonde Mädchen, bis eben aus mir unerfindlichen Gründen verärgert, schaltete auf "strahlen mit beiden Augen" um. "So? Findest du das wirklich, Shinji?"

"Habe ich doch gesagt."

Verlegen sah mich der dickliche Genin an. Und ich verstand sein Problem. Nun, das hatten viele mit Konatsu. Anfangs. Da fragte man sich schon mal, wieso ein Mann hübscher sein konnte als viele Frauen. Aber man gewöhnte sich daran.

"Tja, Pech gehabt. Wenn Doktor Tofu das so gesagt hat, dann wird es auch so geschehen. Ende der Geschichte."

"Ja, aber..."

"Du wirst dich dran gewöhnen. Und außerdem, was uns nicht umbringt, macht uns nur noch härter, Shinji."

"Ja. Klar. Sehe ich ein. Aber wir wollen doch nachher alle schwimmen gehen und jetzt frage ich mich die ganze Zeit: Geht Konatsu-sensei in den Herrenumkleideraum oder in den Damenumkleideraum?"

Bei diesen Worten musste ich herzhaft lachen. "Das solltest du Ukyo fragen." Ich räusperte mich vernehmlich. "Seine Frau."

"Einfach ging wohl nicht", murmelte Shinji, während die anderen lachten.

"Nein, sicher nicht. Immerhin reden wir hier vom Affenclan", lachte ich. Und der war immer wieder für eine Überraschung gut.

***

Der ewige Chunin 21

Drei Tage später erwachte ich schweißgebadet. Mit japsendem Atem und dem Gefühl, irgendetwas Schweres würde auf meiner Brust hocken und mir die Luft abschnüren. Schon wieder. Immer noch. Resignierend fasste ich mir an den Schädel. Wie oft denn noch? Wie lange denn noch? Sadahara-sensei hatte versucht, mich darauf vorzubereiten, hatte etwas von der "Schuld des Überlebenden" erzählt und wie sehr es mir zu schaffen machen würde. Aber ich hatte mir relativ wenige Sorgen darum gemacht. Immerhin war es mir gelungen, meine Begleiter fortzuschicken, bevor sie hatten getötet werden können, und die Wachen des Verstecks hatte ich nicht persönlich gekannt, wenngleich ich ihren Tod bedauerte. Aber es hatte nichts genützt. Dieses Gefühl der Hilflosigkeit, das Gefühl des Benutztwerdens war nicht mit meinen üblichen Versagensängsten oder meinen Minderwertigkeitsgefühlen zu vergleichen, in keinster Weise. Es war etwas vollkommen anderes. Ich zitterte vor Angst. Nicht weil ich den Tod an sich fürchtete. Sondern weil ich beinahe der Tod für meine Schüler und meine Kameraden geworden wäre, hätte Kishio nicht eingegriffen und mich aus dieser verdammten Sprengfalle herausgeholt. Und das, was der Raikage gestern mit mir besprochen hatte, Kishio und Shinpa-chan betreffend, hatte es auch nicht gerade einfacher oder leichter für mich gemacht. Im Gegenteil, es hatte die Schuld noch mehr getriggert und es half überhaupt nicht, dass Kishio von meiner Schuld an der Geschichte überhaupt nichts wissen wollte.

"Aniki?", klang seine Stimme von der Tür meines Raums her auf. Natürlich, wenn man vom Teufel sprach... In diesem Fall wohl eher von einem Engel. Meinem Engel, der sich zudem extraponiert hatte, in Gefahr gebracht hatte, um mir das Leben zu retten. "Nichts... Es ist nichts, Otouto", sagte ich mit leiser Stimme, den alten Begriff für "kleiner Bruder" benutzend. Ich hatte ihn schon immer familiär ohne Suffix angesprochen, was ich mit jedem tat, der mir schnell sympathisch wurde. Aber nachdem er mich vor dem sicheren Tod bewahrt hatte, sah ich ihn mehr und mehr als Teil meiner Familie. Seither nannte ich ihn meinen kleinen Bruder. Bisher hatte er nicht dagegen protestiert. Und von meinen Genin hatte es auch keine Einwände gegeben.

"Es ist nichts", wiederholte ich. "Nur... Nur die Selbstzweifel, die Seelenpein und die tiefsitzende Angst, nicht mehr ich selbst zu sein."

Kishio betrat den Raum und entfachte ein Licht neben meinem Futon. "Gut. Sadahara-sensei hat gesagt, dass du auf einem guten Weg der Besserung bist, sobald du einsiehst, was dein Problem ist, ne?"

"Ach. Hat er auch gesagt, wie lange dieser Weg dauert?", fragte ich sarkastisch.

"Hai. Aber das wird dir nicht gefallen. Du kannst es allerdings auch mal so sehen, Aniki: Ich war die letzten sechs Jahre meines Lebens ständig verzweifelt, alleine und mir vollkommen bewusst, wie sehr ich versagt habe. Nein, Aniki, lass mich ausreden. Man weiß nicht, was ich hätte ausrichten können, wäre ich im Dorf gewesen, ne? Die Wahrscheinlichkeit, dass ich Orochimaru hätte besiegen können, war nicht besonders hoch, geschweige wahrscheinlich, dessu ne? Aber sie war da und ich hatte die Chance nicht, konnte nichts tun. Die letzten sechs Jahre waren Jigokou für mich, die Hölle. Nicht nur, weil ich überall vertrieben wurde, weil mich jeder hasste, sondern weil ich mich auch selbst gehasst habe. Ich, der ich leben musste, während alle anderen tot waren. Das, was du hast, die Albträume, das schweißgebadet Aufwachen, die Ängste, die Zweifel, das habe ich gelebt, alles gelebt, sechs lange Jahre lang."

"Na, du machst mir ja Mut", murmelte ich. Es machte überhaupt keinen Spaß, nicht nur zu meinem alten Ich voller Ängste, Befürchtungen und Selbstzweifel zurückzukehren, sondern sogar noch tiefer zu gehen und die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass ich ernsthaft eine Gefahr für Konoha sein könnte. Was, wenn Kabuto und Orochimaru mir eine Gehirnwäsche verpasst hatten, die sich dann aktivierte, wenn es Konoha am meisten schadete? Diese Angst machte mir noch mehr zu schaffen als der Gedanke, meine Nachlässigkeit hätte Kishio oder meine Genin in den Tod reißen können.

"Na, den Gedanken vergiss gleich mal wieder, Aniki", sagte Kishio streng. "Alles, was ich getan habe, habe ich freiwillig getan. Du hast mir freien Willen zugestanden, mir erlaubt, wie ein selbstständiger Shinobi zu denken und mich so zu verhalten, ne? Warum wirfst du es dir jetzt vor?"

Noch immer tanzte der Albdruck vor meinem inneren Auge, noch immer hatte mich die Angst im Griff, noch immer sah ich die Bilder meiner gemordeten Genin vor dem geistigen Auge - so wäre es gekommen, hätten sie sich an den Fallen probiert. Gut, gut, es war nicht so gekommen, aber Ängste waren nicht rational und sie folgten auch keinen logischen Wegen. Je eher ich mich damit arrangierte, dass sie mich eine Zeitlang begleiten würden, desto besser für mich.

"Liest du meine Gedanken, Otouto?", fragte ich.

Kishio zögerte, dann ging er neben mir auf die Knie. "Ich habe viel Chakra aufgewendet, um dir zu helfen, Sensei. Es ist noch immer in deinem Körper. Daher fällt es mir leicht, deine besonders intensiven Gedanken wahrzunehmen, wenn ich in deiner Nähe bin."

"Dagegen kann man wohl nichts machen. Abgesehen davon, dass ich ohnehin nicht wüsste, was ich vor dir würde verbergen wollen."

"Oh, da gibt es immer ein paar Dinge."

Übergangslos spürte ich einen fremden Gedanken in meinem Bewusstsein. Kishio hatte meine Schulter berührt und sandte mir ein Bild. Ein recht unanständiges, das P-chan darstellte. P-chan in einem wirklich hübschen Kimono in Rückenansicht. Allerdings hing der Kimono nicht um ihre Schultern. "Kishio!", tadelte ich den jungen Shinobi.

"Was denn? Du hast sie geküsst, vor versammelter Mannschaft. Da dachte ich, du... Nun. NUN, eben."

"Sie ist eine Affenkriegerin, Otouto", sagte ich leise.

"Und?", fragte er offen.

"Und ich werde sie immer lieben. Sie wird immer ein ganz besonderer Mensch für mich sein. Ich meine, ein ganz besonderer Affe. Aber..."

"Aber?", fragte er lächelnd.

"Aber ich kann von ihr doch nicht verlangen, dass sie ihr eigenes Leben versaut, indem sie was für mich ist?" Ich schüttelte den Kopf. "Das kann doch keiner von mir verlangen. Das kann keiner von ihr verlangen."

"Das mag ja sein, Aniki. Aber warum schläft sie dann in deinem Bett?", fragte Kishio trocken.

"Was redest du da? Sie schläft doch nicht in...", begann ich und wandte mich zur anderen Seite. Nur, um in Perines schlafendes Gesicht zu sehen, das einen Ausdruck vollkommener Seligkeit angenommen hatte. Es hätte nur noch gefehlt, dass sie am Daumen genuckelt hätte, um das absolute Abbild tiefempfundener Zufriedenheit darzustellen. Sie grummelte leise im Schlaf. Ihre Linke tastete nach etwas und als sie meine Taille fühlte, griff sie zu. Mit einem Laut des Behagens zog sie sich näher an mich heran und kuschelte sich an mich. Gut, gut, wenigstens einer meiner Begleiter, den ich nicht damit verschreckt hatte, schreiend oder schluchzend aus dem Schlaf hochzuschrecken.

"Soll ich dann besser wieder gehen, Aniki?", fragte Kishio grinsend.

"Du...", sagte ich drohend. "Ich warne dich, nicht mehr Witze als üblich."

"Aber ich doch nicht, Sensei!", sagte Kishio in vollkommen übertriebenem Tonfall. Er erhob sich lächelnd. "Ich weiß, ich bin so ziemlich der letzte Mensch auf der ganzen Welt, der im Thema Beziehung was zu sagen hat. Meine Erfahrungen auf diesem Gebiet waren eher... Schmerzhaft bis unerwünscht, aber... Bei allem Respekt, Aniki, es geht nicht nur darum, was du willst. Es geht auch darum, was sie will. Und es ist überhaupt nicht nett, einen Menschen, der dir so nahe ist, vier Jahre lang auf eine Antwort warten zu lassen, oder?"

"Wessen Gedanken liest du jetzt? Meine oder ihre?", murrte ich.

"Meine eigenen", sagte er lächelnd. Leise ging er zur Tür und zog sie halb zu. "Gute Nacht, Sensei. Ryoga wird sich morgen zusammen mit Kuzoko wieder um die Genin kümmern und sie durch Kumogakure hetzen, damit du für deine Besprechung mit dem Raikage fit bist."

"Gute Nacht, Kishio", brummte ich als Erwiderung. Die Tür schloss sich und ich löschte das Licht. Na toll, auch keine schlechte Idee. Menschen, die nicht schliefen, hatten auch keine Albträume.
 

"Und du?", fragte ich. "Wie lange willst du noch vorgeben, im Tiefschlaf zu sein?"

Ihre Linke krallte sich in den Stoff des Shirts, in dem ich zu schlafen pflegte. "Ist es so offensichtlich?"

"Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand direkt neben mir weiterschlafen kann, wenn ich schreiend aufwache", sagte ich tadelnd.

Sie zog mich näher zu sich heran. "Mamo-chan, ich... Ich will, dass du weißt, dass ich keine Angst habe. Vor deinen inneren Dämonen. Vor deiner Schwäche. Vor deiner Angst, Orochimaru könnte dir etwas Schlimmes angetan haben. Die kenne ich ja nur zu gut und ich habe mich trotzdem in dich verliebt. Dazu muss man nicht deine Gedanken lesen, man muss dich nur kennen. Und eventuell lieben."

Beinahe hätte ich etwas sehr dummes gesagt, ihr Absolution erteilt, die ihr erlaubt hätte, meine Ängste als validen Grund zur Flucht anzunehmen. Aber sie kannte mich bereits schwach, selbstzweifelnd und verletzlich. Sie hatte einmal geholfen, mich aus diesem Keller herauszuholen, ich hatte keine Zweifel, dass sie es auch ein zweites Mal machen würde. Ich strich mit meiner Rechten über ihr blondes Haar. "Womit habe ich dich überhaupt verdient, Perine?"

Sie griente hocherfreut. "Die richtige Frage lautet: Womit hast du uns fünf verdient? Keine von uns hat vor, dich jemals aufzugeben. Und stellvertretend für die anderen vier bin ich jetzt da, an deiner Seite und helfe dir. Jeder hat mal eine scheiß Zeit, und im Gegensatz zum armen Kishio hast du mich an deiner Seite."

Ich küsste sie sanft auf die Stirn. "Ich habe dich nicht verdient."

"Doch, hast du. Mehrfach. Mit Aufschlag. Zumindest hat das Ranma-chan immer gesagt. Meistens in einem wirklich wütenden Tonfall, wenn ich mich recht erinnere."

Ich unterdrückte ein Auflachen. So konnte man die Dinge auch sehen. Ich küsste die Affenkriegerin erneut, diesmal auf den Mund. "Ich liebe dich, Perine."

"Was uns zum nächsten Thema bringt, Mamoru-sama."

Ein erschrockener Laut entkam meiner Kehle, als ich ihre rechte Hand an meinem Körper fühlte. Nun, in dieser Nacht würde ich wohl tatsächlich keinen Schlaf mehr finden. "P-chan, ich will dich nicht ausnutzen."

"Wo denkst du hin, Mamo-chan? Ich nutze dich aus. Und jetzt halt die Klappe und küss mich."

Neun von zehn Stimmen in meinem Kopf stimmten diesem Vorschlag zu, während die zehnte sich entschloss, auf eine Cheerleadertrommel zu schlagen und mich anzufeuern.

***

Etwa sechzig Meter höher, auf dem Dach des Familienhauses der Yamadas, kam eine Gestalt in einer weißen Kutte aus dem Step, die Kapuze hochgeschlagen. Das Gesicht wurde von einer gehörnten Oni-Maske verborgen: Es wäre übertrieben gewesen, anzumerken, dass hinter der Maske kein Hiesiger steckte.

Die Gestalt ging in die Hocke, berührte mit der rechten Hand den Boden. Ein leises, zufriedenes Glucksen erklang. "Beide Moerus auf einen Streich. Habe ich euch. Hat sich die kleine Falle ja doch noch richtig gelohnt."

Als etwas Schnelles, unglaublich Scharfes auf ihn zuraste, zerbrach die Maske und offenbarte ein hämisch grinsendes Gesicht. Doch das Grinsen schlug in verzerrten Hass um, als die Gestalt aufsprang.

"Bist du sicher, wer in wessen Falle ist, du Idiot, du Terrorist?" Kirabi-sama zog den Tentakel des Achtschwänzigen wieder ein, mit dem er der Gestalt in der Kutte die Maske zerschlagen hatte. "Yo, Kabuto."

Der weißhaarige Gefolgsmann Orochimarus sah den Elite-Krieger Kumogakures hasserfüllt an. "Das ändert gar nichts! Wenn wir sie jetzt nicht holen können, dann ein andernmal! Oder später! Und wieder und wieder, wann immer wir wollen und solange sie leben!" Kabuto sprang nach hinten, und während er langsam fortschwebte, verblassten seine Konturen. "Sie sind nie wieder sicher! Hahahahaha!"

Nun, das dauerte in etwa so lange, bis ihn etwas sehr nachdrücklich und sehr hart im Rücken traf. Hinter ihm stand Yugito Nii. Und es wäre eine hoffnungslose Untertreibung gewesen, hätte man gesagt, sie sei gerade nicht besonders erfreut gewesen. "Und wer hat behauptet, du seist sicher?", zischte sie. "Schlimm genug, was du mit Mamo-chan gemacht hast. Aber dass du jetzt auch noch Kishio-kun und Shinpachi-tono attackierst, ist unverzeihlich!"

Kabuto wurde kreidebleich. Vor ihm stand die Jinchuriki des Zweischwänzigen, hinter ihm der Träger des Achtschwänzigen - und beide waren stinksauer. "W-wartet! Wartet, wir...!"

Zu einem weiteren Wort kam er nicht mehr, denn beide Jinchuriki griffen zugleich an. Bevor Kabuto sich versah, war er auf mehr als zwanzig Arten zugleich getötet worden. Wobei der Abriss beider Beine definitiv in den Bereich absoluter sinnloser Übertreibungen gehörte. Er war bereits tot, bevor die Tentakel des Hachibi ihn zu Boden fallen ließen.

Yugito Niis Blick ging wütend und schnell durch die Dunkelheit. "Da muss noch einer sein! Findet ihn!"

"Hai!" Sechzehn ziemlich angepisste ANBU tauchten auf dem Dach auf und sprangen in alle Himmelsrichtungen davon, um den potentiellen zweiten Mann zu suchen. Und wenn es ihn gab, dann würden sie ihn finden, denn man konnte vielleicht einmal die Kumo-ANBU verarschen, aber sicher kein zweites Mal, ohne die Tat furchtbar zu bereuen.

Nii-sama und Kirabi-sama traten an den Toten heran. Seine Miene war vor Überraschung und Angst verzerrt. Eine Schlange, die sich unter dem Umhang hervorschnellte, um sich über den Dachrand in Sicherheit zu stürzen, kam nicht weit, als ein Tentakel des Hachibi dafür sorgte, dass sie einen bleibenden Eindruck auf dem Dach hinterließ. Ziemlich exakt achtundsechzig Zentimeter tief im Gestein.

"Das ist nicht Kabuto, der Schuft, der Idiot", sagte Kirabi-sama mit ernster Miene. Er ergriff das Gesicht des Toten und drehte es in seine Richtung. "Kai!"

Das Gesicht mit Kabutos Zügen zerfloss. Darunter kam ein anderes zum Vorschein. "Zuuto", sagte Yugito Nii verärgert. "Kabutos erster Gefolgsmann." Sie schickte einen Fluch hinterher, der undamenhaft und ziemlich sexistisch war.

"Yugito-chan..."

"Ja, ich weiß! Das ist auch ein guter Fang. Und wir haben unsere Freunde aus Konoha beschützt, und so. Aber trotzdem, ich hätte lieber Kabuto erwischt."

"Wer hätte das nicht, du dummer Wicht? Aber man nimmt was man kriegt, und wir haben gesiegt."

"Ich weiß ja, ich weiß. Aber Kabuto zu zerquetschen wäre viel befriedigender gewesen." Sie biss ihre Zähne derart heftig zusammen, dass sie knirschten. "Hat leider nicht sein sollen."

Sie sah wieder auf. "Erzählen wir Mamo-chan hiervon?"

"Dass Zuuto da war, ja. Mehr ist nicht passiert, klar?"

"Betonung auf war, was, Kirabi-sama?", fragte sie mit einem winzigen Anflug guter Laune.

"Korrekt."

Die beiden lächelten einander an. Den Kampfplatz überließen sie den Spezialisten, die anrückten, um Orochimarus Vasall Zuuto so viele Geheimnisse wie möglich zu entlocken, die sein Körper bergen mochte.

***

"Uuuuffff!" Das war der einzige Laut, denn Shinji machte, als er die Trainingsmatte unfreiwillig verlassen hatte. Genauer gesagt machte er das Geräusch, als er auf dem Hallenfußboden aufschlug.

Beinahe sofort war Shinobu an seiner Seite. "Geht es dir gut, Shinji-sama? Bist du verletzt?"

"Nein, nur mein Stolz", ächzte er, während er sich wieder aufrappelte.

"Das war viel zu doll, Shinn-nii!", beschwerte sie sich bei ihrem älteren Bruder mit zornblitzenden Augen.

Shinn Yamada grinste sie bösartig an. Er war das älteste Kind der Familie und damit der potentielle neue Clanschef. Aber vor allem war er ihr großer Bruder und hatte ihr gegenüber einen ausgesprochen großen Beschützerkomplex. "Shinji ist ein Shinobi. Wenn er Techniken dieser Stärke nicht handhaben kann, hat er vielleicht den falschen Beruf ergriffen."

"So! Soll er vielleicht mal Dr. Tofu beschwören? Einfach so, weil es zu seinen Fähigkeiten gehört?"

Shinn wurde ein wenig bleich. "Wir wollen ja nicht gleich übertreiben. Außerdem muss er sein Taijutsu trainieren. Du hast seinen Sensei gehört."

"Ja, ich weiß. Taijutsu verinnerlichen, damit die Gedanken fürs Ninjutsu frei bleiben", murrte sie. "Aber das geht doch auch sanfter."

"Natürlich geht das sanfter", erwiderte ihr Bruder, immerhin seit Jahren ein Chunin Kumogakures. "Aber Shinji macht es mir recht schwer, sanft mit ihm umzugehen."

Der junge Konoha-Genin stand wieder. "Geht schon, Shinobu-chan." Er trat wieder auf die Matte. "Noch eine Runde bitte, Sempai!"

"Sempai? Ich bin genauso alt wie dein Sensei. Wie wäre es also mit etwas Respekt, Kurzer?"

Shinji grinste frech. "Du hast keine Genin-Gruppe, oder, Shinn-sempai?"

Eine Zornesader begann auf seiner Stirn zu pochen. Mit der Rechten winkte er Shinji heran. "Komm schon, Kleiner."

"Hai, Sempai!"

Etwa zwanzig Sekunden später: "WHOAAA!"

Wieder sah Shinobu ihren Bruder böse an, während sie erneut zu Shinji eilte, der wieder von der Matte geworfen worden war. "Nicht so fest, habe ich gesagt! Shinji-sama, kannst du mich hören?"

"Autsch. Ich glaube, diesmal habe ich mir was getan. Dabei bin ich doch an der Stelle immer gut gepolstert gewesen."

Mai, die zusammen mit Kuzoko auf die Shuriken-Zielscheiben warf, wandte sich in seine Richtung um. "Sieh es ein, Kleiner, du hast die letzten drei Wochen mächtig abgenommen. Trotz all der Süßigkeiten, mit denen Shinobun dich füttert." Sie zwinkerte dem blonden Mädchen verschwörerisch zu. "Wenn du so weitermachst, sieht Kira neben dir noch fett aus."

"Das habe ich gehört!", beschwerte sich der dritte Genin von Team dreizehn lautstark. "Autsch!"

Jardin Nabara nahm das Shinai wieder herab, mit dem er Kira auf den Schädel geschlagen hatte. Schmerzhaft, aber nicht zu hart. "Hier spielt die Musik, junger Shinobi. Das hier hätte auch ein Katana sein können. Und dann wärst du jetzt tot."

"Aber wir trainieren doch bloß, Nabara-sempai!", protestierte der blonde Genin und rieb sich den schmerzenden Schädel.

Jardin griff nach seinem Kragen und hob ihn daran hoch, damit der Konoha-Nin ihm in die Augen blicken konnte. "Kerl, du bist auf dem Weg, in meiner Liga zu spielen. Und in meiner Liga kann jeder Fehler dein letzter sein, hast du verstanden? Dein Sensei hat mir gesagt, ich soll dich trainieren, und das tue ich auch! Jetzt denk mal zurück an die erste Trainingsstunde, die der Raikage dir gegeben hat. Was ist da dein erster Gedanke?"

"Äh, autsch?"

"Richtig!" Jardin ließ den Kragen los. Kira, so plötzlich befreit, landete auf seinem Hintern. Was lautstarken Protest bei Kuzomi, seiner Spinnenkriegerin, auslöste.

"Schon gut, schon gut, er hat ja Recht, Kuzomi-chan. Hättest du mich nicht vorher eingewiesen, Nabara-sempai, dann hätte der Raikage mich bereits auf kleinster Stufe zerpflückt. Stimmt es eigentlich, dass er früher regelmäßig ein halbes Dutzend Raiton-Nutzer frisch von der Akademie verschlissen hat, bevor er Kirabi-sama getroffen hat?"

"Ja, das ist die Wahrheit. Meistens haben diese Raiton-Nutzer weniger an den Schmerzen zu leiden gehabt, dafür aber umso mehr an den Schäden an ihrem Stolz und an ihrem Selbstverständnis." Jardin schüttelte den Kopf."Sicher, es ist lehrreich, von A-sama trainiert zu werden, aber bevor er den Raikage dazu erpresst hat, hätte dein Sensei daran denken sollen, wie groß der Unterschied zwischen euch beiden ist. Mit einer unbedachten Bewegung könnte der Raikage dich töten."

"Das können Frauen mit einer unbedachten Bemerkung auch", murrte Kira.

"Unangebrachte Kommentare?", fragte Jardin drohend.

"Äh..." Kira verbeugte sich, die recht Faust mit der linken Hand fest umschlossen. "Nabara-sempai, ich bitte um eine weitere Trainingsrunde!"

Jardin lächelte auf eine äußerst irritierende Art, nämlich erfreut. "Sollst du kriegen. Und wappne dich besser schon mal auf nachher, wenn dein Sensei von der Besprechung mit dem Rat zurückkommt und A-sama für dein Training mitbringt."

"WHOAAA!"

"Shinn-nii! Du sollst das doch lassen!", rief Shinobu bestürzt.

Kira war versucht, hinter sich zu schauen, aber er unterdrückte die Regung. "Ich werde bereit sein. Dank dir, Nabara-sempai."

"Gute Antwort", murmelte der Kumo-Chunin.

***

Zur gleichen Zeit fand eine Sitzung beim Raikage statt. Das, was dort besprochen wurde, hatte eine Brisanz, wie sie einem Sprengtag gleichkam. Eventuell war es auch gefährlicher.

Die sieben Kumo-Nin, die mit dem Raikage im Raum waren, hatten äußerst ärgerliche Mienen aufgesetzt, um den Ernst der Situation zu unterstreichen. Das war gut, denn die Miene A-samas war immer ärgerlich und kein Gradmesser für seine Emotionen. Unter ihnen waren Kirabi-sama, Omoi, Karui und Samui, Yugito-chan und zwei Shinobi, die ich nicht kannte. Die ich aber auch nicht kennenlernen würde, denn sie trugen ANBU-Masken. Die letzte in der Runde war A-samas Sekretärin Mabui. Ich hatte sie einige Zeit nicht gesehen und ich musste ehrlich sagen, sie war ernster, aber auch hübscher geworden in den letzten drei Jahren.

Mit mir waren Ryoga, P-chan, Kishio, Shinpa-chan und Kuzoko erschienen. Sozusagen mein Führungsteam. Nach einer mehr als knappen Begrüßung hatten die Enthüllungen begonnen, und keine davon hatte mir besonders gefallen.

"...haben wir die vier toten ANBU in den Abwasserkanälen gefunden", referierte der linke ANBU. "Sie wurden aus nächster Nähe getötet. Die Art, wie sie getötet wurden, verrät uns, dass sie bis zum Zeitpunkt ihres Todes keinerlei Argwohn gegen ihre Mörder verspürt hatten. Sie wurden vollkommen überrascht. Seither gehen wir von Verrätern aus, die in Kumogakure für Orochimaru tätig sind. Kein sehr erfreulicher Umstand."

"Ähnliches", nahm der andere ANBU den Faden auf, "gilt für die Truppe, die am Versteck Wache hielt. Auch hier wurde die Wachmannschaft von einigen der Ihren ermordet. Wir haben einige Leichen finden und identifizieren können. Andere fehlen ganz, was uns vermuten lässt, dass sie zu Orochimarus Agentennetz gehören. Jetzt, im Nachhinein, stellt sich das Geschehen für uns so dar: Orochimaru hat das Versteck geopfert, um Shinpachi no Moeru in unsere Hände zu spielen. Warum, ist uns ein Rätsel, aber ich bin mir sehr sicher, dass es so ist."

A-sama nickte mit starrer Miene. "Dazu kommt, dass heute Nacht auf dem Dach des Yamada-Hauses ein Nukenin gestellt wurde, den wir zuerst für Kabuto gehalten haben. Es war aber Zuuto, einer seiner Gefolgsleute, in perfekter Verkleidung."

"Was Zuuto betrifft", sagte ich.

"Er ist tot. Mein Bruder und Yugito-kun haben sich um ihn gekümmert."

Das machte eine Informationsquelle weniger, okay, aber es machte auch einen Gefahrenherd weniger, deshalb nickte ich bestätigend.

"Was uns auch gleich zu Kishio-kuns Aussage bringt", nahm Yugito-chan den Faden auf. "Kishio-kun, du sagtest, die Falle, in der dein Sensei steckte, war komplex aufgebaut, eine echte Herausforderung, aber du hattest sie selbst in deinem erschöpften Zustand meistern können."

Irritiert sah der junge Mann die Jinchuriki an. "Richtig."

"Nun, wir halten es für möglich, dass wir Orochimaru eine wirklich große Operation verpfuscht haben. Es ist im Bereich des Wahrscheinlichen, dass Orochimaru und Kabuto die Gelegenheit genutzt haben, als sie deinen Sensei in ihre Gewalt bekommen haben, um deine sensorischen Fähigkeiten als Moeru zu testen. Eventuell war alles, von der Entdeckung des Verstecks über dessen Eroberung bis hin zu der Falle, in der dein Sensei lag, Teil eines großen Ganzen, das für Orochimaru nun unbefriedigend ausgegangen ist."

"Dazu hätte er doch damit rechnen müssen, dass ich nach Kumogakure komme. Und das hätte bedeutet, dass er mein Treffen mit Mamoru-sensei hätte herbeiführen müssen. Denn das erfolgte nachdem der hiesige Stützpunkt Orochimarus aufgebracht wurde."

"Ja, aber die Rückeroberung des Stützpunkts durch Orochimaru erfolgte erst, nachdem Ihr in Kumogakure angekommen wart", wandte sie ein. "Ein paar Zufälle zuviel, wie ich finde. Ich sage jetzt nicht, dass alles zusammenhängt, aber sicher vieles. Und ich bin mir sehr sicher, dass die Falle ein Test war, den du bestanden hast. Nur hat Orochimaru keine Möglichkeit des Zugriffs, solange wir derart scharf auf euch aufpassen. Die Tatsache, dass wir mehrere hundert Shinobi hinter ihm her gehetzt haben, bedeutet übrigens nicht, dass wir die Verteidigung der Stadt vernachlässigt hätten. Diesem Irrtum ist er aber auch nur einmal aufgesessen."

Ich muss gestehen, ich war schockiert. Die Konsequenzen, die sich daraus ergaben, die sich für mich, meine Familie, Konoha und nicht zuletzt für die Moerus ergaben, waren kaum abzusehen. Und Kishio und Shinpa-chan hatten sehr wohl verstanden, was gesagt worden war.

"Ich sehe, Ihr versteht", sagte Yugito-chan. "Und genau deshalb möchten wir euch, Kishio-sama und Shinpachi-tono, anbieten, bei uns in Kumogakure zu bleiben. Damit ist kein Zwang verbunden, in unseren Streitkräften zu dienen, obwohl uns zumindest eine Hilfe bei der Ausbildung unserer sensorischen Ninjas sehr gelegen kommen würde."

Okay, es gab nicht vieles, was ich vor Kishio und Shinpachi verheimlichen wollte oder musste. Aber in diesem speziellen Fall, als Yugito Nii das Angebot Kumogakures an die Moerus überbrachte, gab ich mein Bestes, um ein paar Bruchrechnungsaufgaben zu lösen, damit ich nicht aus Versehen an etwas dachte, Yugito-chan betreffend, das... Nun, Kishios Meinung beeinflusst hätte.

Der junge Moeru schmunzelte und berührte meinen Oberarm.

'Du kannst damit aufhören, Aniki. Ich habe bereits mit Nii-sama... gesprochen. Ich... Habe mich dazu entschlossen, ihr zu vergeben. Aber ich habe ihr auch... Klargemacht, dass sie mir wehgetan hat. Und dass sie mich in meiner Verzweiflung zurückgelassen hat, ohne eine Chance auf ein besseres Morgen. Aber ich habe ihre Erklärung, den Rat Kumogakures betreffend, verstanden und akzeptiert. Es wird nichts mit meiner Entscheidung zu tun haben.'

Für einen Moment hielt ich die Luft an. Nur um zu merken, dass ich das schon die ganze Zeit getan hatte. Als ich heftig ausatmete, griff ich in meine Weste und zog eine Schriftrolle hervor. "Konoha bietet euch ebenfalls Zuflucht an. Ich habe in eurem Namen abgelehnt."

"Was? Aber Sensei...", begehrte Shinpachi auf.

"Ihr braucht keine Zuflucht von Konoha. Wenn Ihr nicht in Kumo bleiben wollt, werde ich euch mit nach Konoha nehmen. Ihr werdet als meine Vasallen in meinem Clan registriert und akzeptiert werden. Zumindest solange, bis Ihr euch wieder den Status eines selbstständigen Clans erworben habt. Bis dahin aber werden die Nara euch in ihre Mitte aufnehmen und von euch nicht mehr verlangen, als sie selbst euch zu geben bereit sind. Dabei bin ich immer und jederzeit die Schnittstelle zur Hokage und zum Rat. Natürlich sehen die das auch gerne, wenn Ihr euch in den Reihen der Shinobi engagiert, sogar die ANBU sind im Gespräch, aber ich habe sehr deutlich gemacht, dass erst einmal Shinpa-chans Rekonvaleszenz vorgeht."

"Einen Moment, Mamoru-sensei. Warum benutzt du bei mir eigentlich immer das Suffix Chan?"

"Stört es dich, Shinpa-chan?", fragte ich betroffen.

"Nein, das ist es nicht. Ich will es nur verstehen."

"Öh... Weil ich dich mag?"

Shinpachi no Moeru blinzelte einen Moment überrascht. "Wakata. Solange es einen guten Grund gibt... Weiter im Text. Wie sieht es denn mit den ANBU für Kishio-sama aus?"

"Nun, ich gebe zu", sagte ich erleichtert, "die ANBU scheinen für Kishio die natürliche Wahl zu sein. Aber das ist seine Entscheidung. So wie es deine Entscheidung sein wird, was du tust, sobald du wieder genesen bist, Shinpa-chan. Und deshalb werden die einzigen Missionen, die du, Kishio, bestreiten wirst, unter meinem Kommando sein, bis du etwas anderes entscheidest. Ich habe das Tsunade-sama unmissverständlich klargemacht. Wenn Ihr in den Einsatz geht, dann weil ich euch an Konoha verleihe. Und ich werde genau entscheiden, wann das sein wird. Natürlich werden wir drei das diskutieren."

"Oi, oi, Sensei, das hat die Hokage mit sich machen lassen?", fragte Kishio irritiert.

"Ja, das hat sie mit sich machen lassen", erwiderte ich stolz. "Dabei habe ich vollen Rückhalt von Shikaku-sama, meinem Onkel, dem Vorsteher des Nara-Clans."

Ein wenig kleinlauter fügte ich hinzu: "Was aber mich angeht, ich stehe unter der Befehlsgewalt Konohas. Ich fürchte, wenn ich Tsunade-sama zu sehr auf die Füße getreten bin, wird sie sich rachsüchtig zeigen und mich ein paar nicht ganz so nette Missionen ausführen lassen."

"Du meinst, Missionen, wie sie deine Genin gerade in Kumogakure erfüllen?", spottete P-chan. "Den Kindern in der Akademie Unterricht geben, Geldboten eskortieren, Unkraut jäten, Lebensmittel kaufen, Dienstbotengänge erledigen... Habe ich was vergessen?"

"Shinji hilft am Ramen-Stand beim Touro-Haus aus", sagte Kuzoko. "Das macht er ziemlich gut, finde ich."

"Und Kira wird von seinem Großvater und seinem Onkel in jeder freien Minute herumgescheucht. Wenn er nicht gerade in den Genuss der herausragenden Lehrer kommt, die Mamo-chan ihnen besorgt hat", warf Ryoga grinsend ein.

"Ja, so etwas schwebt mir ungefähr vor. Sie wird gnadenlos sein, fürchte ich."

"Nimm es locker", sagte P-chan und klopfte mir auf den Rücken. "Eventuell hast du Glück und sie lässt dich nur ein kleines Land erobern. Das macht doch bestimmt mehr Spaß."

Sie lächelte die beiden Moerus an. "Alles in allem ist das aber harmloser als das, was sie machen wird, wenn Mamo-chan euch nicht nach Hause bringt."

"Perine! Das ist unfair!", begehrte Yugito auf.

"Schon gut, schon gut." Kishio räusperte sich. "Als Clanoberhaupt des fast nicht mehr existierenden Clans der Moerus obliegt es mir, eine Entscheidung zu fällen. Ausnahmsweise habe ich mich dazu mit meinem ganzen Clan besprochen." Kishio und Shinpachi Moeru stießen ihre Fäuste gegeneinander, um ihr gegenseitiges Einverständnis zu unterstreichen. "Das Ergebnis war vollkommen eindeutig. Ich bin eine Verpflichtung gegenüber Mamoru-sensei eingegangen. Nicht, weil er mein Leben gerettet hat, sondern weil er für mich da ist. Diese Erfahrung habe ich sechs Jahre vermisst und ich will sie nicht mehr hergeben. Deshalb folge ich dir durch Himmel und Hölle, Sensei. Gib es vor, ich werde dort sein."

Shinpachi räusperte sich. "Und ich... Nun, ich bin nicht gerade der Fitteste. Aber da du ein Glückspilz bist, habe ich keine Vorbehalte, dir das Kommando zu geben, Mamoru-chan. Und du bist verflixt noch mal ein Chunin Konohas, ne?"

"Danke. Das habe ich erw... Wieso Glückspilz?"

"Ach, weißt du, Mamoru-sensei, ich habe nachgedacht. Als ich Orochimaru in die Hände gefallen bin, war ich so alt wie du jetzt. Ich denke, du hast sehr viel Glück gehabt, dass er dich in eine Falle als Köder gesteckt hat, anstatt dich für seine finsteren Pläne in eines seiner Verstecke zu verschleppen. Immerhin sollst du eines der heißesten Feuer von Konoha haben. Die Chancen standen nicht unbedingt für dich. Und stell dir vor, er hätte dich verschleppt. Wir Moeru hätten dich gesucht und wären für ihn frei Haus gekommen. So gesehen hast du sehr viel Glück."

Eine schauderhafte Vorstellung, die mir die Luft abschnürte. Ich kämpfte mit einem Würgereiz. Wenn ich mir ausmalte, ich würde erleben müssen, was Shinpa-chan erlebt hatte, und dies sechs lange Jahre oder noch länger, wurde mir übel. Panik kochte in mir hoch, aber mit gesteuerter, ruhiger Atmung bekam ich sie in den Griff und drängte sie zurück. Diesmal. "Danke für diese unerfreulichen Gedanken, Shinpa-chan. Also stelle ich fest, dass die Moerus uns nach Konoha begleiten."

"Tja, da kann man wohl nichts machen." Der Raikage erhob sich. "Wollen wir dann los? Sonst schließt sich das Zeitfenster für mein Training mit Kira-chan."

"Eines noch, A-sama", sagte ich schnell. "Was unsere Bezahlung für das Attentat angeht, das keines war, so würde ich gerne eine weitere Bedingung stellen."

Der Raikage runzelte die Stirn. "Konoha erhält die Bezahlung einer S-Rang-Mission, Kumogakure finanziert dir deine Affenparty und mein persönlicher Dank ist dir gewiss. Was kannst du da noch wollen?"

Ich straffte mich. "Was einen der Lehrer meiner Genin angeht, Jardin Nabara, und auch seinen Clan, so würde ich mir wünschen, dass Kumogakure ausnahmsweise... Gewisse Aktivitäten des Clans übersieht. Zumindest jene, die in der Vergangenheit liegen."

Verblüfft sah der Raikage mich an. Yugito-chan sackte die Kinnlade herab und Mabui verbarg ihr Gesicht hinter der Rechten. Ein undefinierbarer Laut kam von ihr.

Kirabi-sama zog seine Sonnenbrille ein Stück nach vorne. "Du Tölpel, du Dummkopf, Jardin Nabara und sein Clan sind..."

A-sama gebot seinem Bruder mit einer Handbewegung, innezuhalten. Er musterte mich ernst und streng. "Was versuchst du hier? Einem deiner Todfeinde zu helfen?"

"Ich denke nicht, dass wir noch Todfeinde sind. Jedenfalls vorerst nicht. Und er ist ein zu guter Shinobi, um ihn Kumogakure vorzuenthalten", erwiderte ich trotzig. "Meine Shinobi haben ihr Blut vergossen! Ich habe ein Recht..."

A-samas leises Lachen ließ mich innehalten. Als er laut auflachte, sodass es in seinem Büro wiederhallte, hatte ich das ungute Gefühl, zu hoch gepokert zu haben.

"So, so. Forderst du nicht etwas zuviel, junger Morikubo?" Er strich sich über seinen Bart. "In der Tat, du verlangst zuviel. Aber ich will mal nicht so sein. Ich denke, dass wir tatsächlich ein blindes Auge auf den Nabara-Clan haben können, wenn du... Nun, du sagstest, die Moeru-Brüder würden als deine Vasallen in Konoha eingeführt, richtig? Es wäre also kein Verrat, wenn du sie ab und an für Ausbildungszwecke an Kumogakure geben würdest. Zumindest solange wie wir Verbündete sind. Natürlich vergüten wir das angemessen."

Erleichtert atmete ich auf. "Ich bin einverstanden, A-sama."

"Gut. Dann lass uns zum Training aufbrechen. In zwei Tagen ist ja auch die Party, nicht wahr?"

"Ja, A-sama. Ein großes, rauschendes Fest, das Kumogakure finanziert", stichelte ich.

"Deine Feste sind immer sehr unterhaltsam, Mamoru-tono. Dieses wird nicht anders sein", schmunzelte der Raikage. "Also los, danach habe ich gleich wieder einen Termin. Mabui-tono?"

"Wir haben achtundsiebzig Minuten Zeit bis dahin."

"So, haben wir." Der Raikage ging an mir vorbei und lächelte. Das kam selten genug vor. Hatte ich es doch übertrieben? Mist.

Ihm folgte Kirabi-sama mit seinem Team. Er sah mich an und schüttelte nur den Kopf. "Mamo-chan. Du Tölpel. Du Dummkopf."

"Eh?"

Omoi legte mir einen Arm um die Schulter und grinste. "Schon gut, brauchst du nicht zu wissen. Sei einfach froh, dass alles so gut gelaufen ist, auch wenn du draufgezahlt hast."

"Eh?"

"Ist doch egal. Holen wir Aki-chan aus der Krabbelgruppe und schauen wir bei Kiras Training zu, einverstanden?"

"Aki-chan abholen. Eine sehr gute Idee", sagte Karui mit strahlenden Augen.

Samui hüstelte verlegen und tat desinteressiert. "Na, wenn es auch auf dem Weg liegt. Da kann man wohl nichts machen."

"Du darfst ihn schon mal nicht halten", murrte Karui böse.

"Häää? Aber warum denn nicht?"

"Wenn das für dich Arbeit ist, musst du es nicht tun, Samui."

"Aber so habe ich das doch gar nicht gesagt. Mamo-chan, hilf mir!"

Ich seufzte laut. Was immer ich draufgezahlt hatte, für Kumogakure und meine Freunde war es mir das wert.

***

Indigniert stand Shinji nach dem harten Training vor dem mannshohen Spiegel direkt neben dem Schwimmbecken im Familienhaus der Yamadas. "Bin das noch ich?", fragte er beinahe mürrisch. "Will ich das überhaupt sein?"

"Was denn, was denn?", rief Kira gutgelaunt, als er an seinem Kameraden vorbeiging und ihm kräftig auf den Hintern klopfte. "Steht dir doch gut, der Gewichtsverlust. Oder wolltest du in deinem Leben den Akimichi Konkurrenz machen?"

Shinji schüttelte sich, als er das hörte. "Den Akimichi?" Es war allgemein bekannt, dass der Akimichi-Clan nicht einfach nur aus fettleibigen Personen bestand - das, was sie an überschüssigem Körpergewicht mit sich herumschleppten, war essentiell für die meisten Formen ihrer Jutsu. Gleichzeitig bildete die Masse an sich eine Reserve für ihre fortgeschrittenen Jutsu, die einen Menschen ohne Reserven getötet hätten. Fazit: Akimichi bemühten sich stets, ihr Körpergewicht zu erhöhen. Dafür nahmen sie, nun, eine gewisse Unförmigkeit in Kauf.

"Das ist es nicht. Kein Bock, ein Akimichi zu werden. Ihre Jutsu beherrsche ich sowieso nie. Aber wenn ich schlank werde, was unterscheidet mich dann noch von dir, Kira? Blond sind wir beide auch noch. Dann sind wir ja rein optisch nicht mehr auseinander zu halten."

"Oh, glaub mir, euch beide kann man nicht verwechseln", sagte Mai, als sie überraschend gut gelaunt in Begleitung von Anne ebenfalls in die Schwimmhalle trat. Sie lächelte, obwohl ein Großteil ihrer Arbeit an diesem Tag aus schweren Erdarbeiten bestanden hatte. Sprich, sie hatte einen knappen Hektar Gartenland umgegraben und deshalb die Finger voller Blasen. Aber das schien sie nicht zu stören. Anne, die nicht zu Mamorus Genin gehörte, hatte ihr geholfen und sah ähnlich blessiert aus. Das hatte nur dazu geführt, Mais gute Laune zu steigern und die junge Frau mehr in ihr Herz zu schließen. Und die gute Laune ließ sie auch die anderen spüren. "Du, mein süßer kleiner Shinji, bist immer noch das Frohgemut vor dem Herrn, der Herzliche, Lebensfrohe und Freundliche."

"Also alles, was du nicht bist, Mai-chan", rief Kira spöttisch.

Anne kicherte bei diesen Worten und setzte sich an den Beckenrand. "Lass das nicht auf dir sitzen, Mai-chan."

Die Konoha-Kunoichi verzog keine Miene, als sie sich Kira zuwandte. "Und du, du nörglerischer, besserwisserischer, stets ärgerlicher, ständig unter Strom stehender missmutiger Angeber, dich kann man auch in zehntausend Jahren nicht mit Shinji verwechseln."

"Autsch." Depressiv sah Kira zu Boden. "Musst du mir es gleich richtig geben?"

Anne und Mai tauschten einen Handschlag aus. "Ich wollte nur sichergehen, dass du den Unterschied auch siehst. Und ich bin überhaupt nicht das Gegenteil von lebensfroh", murrte sie.

"Ja, nicht mehr, seit du dich mit Kishio zoffst, oder?", meinte Shinji grinsend. "Oder ist das mehr als zoffen? Du sagst ja immer, dass wir kleine Brüder für dich mehr Kinder als ernst zu nehmende Kollegen sind - was ich dir ein klein wenig übel nehme. Aber Kishio ist ja schon in einem anderen Alter und..."

"I-ist ein vollkommen anderes Thema!", haspelte sie.

"Wie, ein anderes Thema?", fragte Anne verwundert. "Ich dachte eigentlich, du würdest ihn zumindest mögen. Ist was passiert? Hat er was Schlimmes gesagt?"

"Er nicht", sagte Mai betreten. Geknickt sah sie zu Boden. "Als ich in Genta-no-Son ganz miese Laune hatte, habe ich alles an ihm ausgelassen. Das hat er sich zu Herzen genommen und das tut mir leid. Deshalb versuche ich jetzt einfach nur, das wieder gutzumachen. Das ist doch schon alles."

Kira lachte laut und ließ sich nach hinten ins Becken fallen. Als er wieder aus dem Wasser auftauschte, fragte er grinsend: "Und sein gutes Aussehen spielt da keine Rolle?"

Mai sah ihn mit aufgerissenen Augen an.

Kira runzelte die Stirn. "Was ist?"

Stumm deutete sie neben ihn.

"Wie?", fragte er verständnislos.

"Vermisst du nicht was, Konoha?", fragte Anne amüsiert.

Kira sah neben sich und erkannte seine Schwimmshorts, die gemächlich neben ihm her trieb. "HUCH!" Erschrocken legte er beide Hände über seinen Schritt, obwohl er bis zum Hals im Wasser steckte. "N-nicht gucken, Ihr zwei!"

"Als wenn ich freiwillig schauen würde", erwiderte Mai bissig. Nun, das war eine Sekunde, bevor ihr Blick etwas schelmisches bekam. Sie legte beide Hände trichterförmig an ihren Mund und rief in Richtung der Kabinen: "Oh Elend, Kira hat seine Badehose verloren!"

"WAS?" Kuzomi stürzte in den gekachelten Raum, das Oberteil ihres Bikinis in der Hand, aber noch immer in ihr Shirt aus Spinnenseide gekleidet. "N-natürlich muss ich sofort meinem Herrn zur Seite eilen und ihm suchen helfen! A-aber ich habe natürlich kein Interesse, aus seinem Dilemma einen Vorteil zu ziehen und ihn nackt zu sehen! Andererseits kann ich ihn aber auch nicht im Stich lassen... Ich darf ihn aber auch nicht übervorteilen! Aaah, immer diese Entscheidungen!"

"Schon gut, Kuzomi-chan. Ich habe meine Shorts schon wieder angezogen", sagte Kira fröhlich.

"Och nööö..." Mit einer Miene voller Herzensleid sackte sie auf die Knie.

Mai unterdrückte ein Auflachen. "Kuzomi, willst du dich nicht vollends umziehen und schwimmen kommen?"

"Oh, da war ja noch was. Richtig, Anego!" Das Spinnenmädchen erhob sich wieder und lief in Richtung der Kabinen zurück.

"Und du bist dir sicher...?", fragte Mai halb zu Kira gewandt.

"Sicher bei was? Hey, okay, ich bin zwölf und ich habe noch einen langen Weg vor mir. Aber ich bin schon alt genug, um zu erkennen, wann mich jemand liebt und wann ich jemanden liebe. Das ist bei mir und Kuzomi-chan nun mal so. Oder bei dir und mir, Mai-chan."

Das Mädchen wurde rot. "D-das kannst du wohl kaum vergleichen."

Kira winkte gönnerhaft ab. "Du weißt doch, wie ich das meine. Unsere Liebe ist mehr geschwisterlich, nicht?" Er grinste das braunhaarige Mädchen an. "Übrigens, schöner Bikini, den du trägst. Das Oberteil mit den Fransen kaschiert sehr gut, dass du keine..."

"Bei aller Liebe, kleiner Bruder...", sagte sie drohend und hob eine Faust.

Kira schluckte trocken. "...keine Probleme hast zu tragen, was immer du willst."

"Besser", sagte sie zufrieden und ließ die geballte Hand wieder sinken.

Anne setzte sich an den Beckenrand und ließ ihren Blick zwischen Kira und Mai schweifen. "Hm. Ich glaube, ich hätte es wesentlich schlechter treffen können."

"Schlechter womit?", fragte Kira interessiert.

"Schlechter mit meinen Kohais", erwiderte die Tsuki-Nin und ließ sich ins Wasser gleiten. "Ihr seid ein recht annehmbarer Haufen. Und Ihr macht Mamoru-sama nicht mehr Ärger als notwendig. Wirklich, ich weiß das zu schätzen."

"Ach, dafür sind wir dir aber sehr dankbar, Anne-chan", brummte Kira. Aber seine Miene strafte den mürrischen Tonfall Lügen.
 

"Also, was ist denn nun? Soll ich nicht besser wieder zunehmen?", nörgelte Shinji. "Helft mir doch mal dabei."

"A-auf keinen Fall!", klang eine weitere Stimme auf. Shinobu eilte zu Shinji und dem Spiegel und hakte sich bei ihm ein. "Schau doch mal, Shinji-sama, wie gut wir zusammenpassen, wenn du dieses Gewicht hältst. Und unser Haarton ist auch fast gleich. Wir sehen so gut zusammen aus."

Shinjis Ohren wurden rot, als er Kiras Cousine neben sich im Spiegel sah. Sie trug ebenfalls einen Bikini und traf damit den Geschmack des Shinobis mehr, als gut für ihn war. "S-sehr gut. Ich meine, du siehst sehr gut aus, Shinobu-chan, aber was habe ich da zu suchen?"

"Hrmpf, Shinji-sama! Du bist beinahe so wie Mamo-chan damals, als er das erste Mal in Kumogakure war! Sowas von ängstlich und nicht von dir überzeugt. Hättest du schwarze Haare, könnte man dich für seinen Bruder halten", tadelte sie ihn. "Dabei hast du absolut keinen Grund, dich zu verstecken."

Hilflos warf Shinji ihrem Cousin im Schwimmbecken einen Blick zu. Die Antwort des Yamadas bestand aus einem nicht weniger hilflosen Schulterzucken.

"Äh, hör mal, Shinobu-chan, ich verstehe, dass ich dir letzte Woche ganz recht kam, als dich diese Idioten angebaggert haben, aber du musst das nicht weiterspielen. Ich werde Kumogakure eh bald verlassen, und dann..."

Entsetzt sah sie den Konoha-Nin an. "Zweifelst du etwa an meiner Liebe, Shinji-sama? Glaubst du denn, das war alles nur Show? Niemals hätte ich so etwas gesagt, wenn ich es nicht auch gefühlt hätte, Shinji-sama! Ich weiß nicht, was noch in Zukunft passieren wird, was mit uns geschehen wird, aber hier und jetzt weiß ich ganz genau, dass ich dich liebe, Shinji-sama. Liebst du mich denn nicht? Nicht mal ein bisschen?"

Kira verdrehte im Schwimmbecken in komischer Verzweiflung die Augen. "Gib lieber auf, Shinji. Sie meint das todernst. Das ist exakt der gleiche Blick, mit dem sie mich zum Schwerttraining überredet hat. Und was passiert? Hätten wir die Klingen quer statt hochkant gehalten, hätten wir uns gegenseitig durch die Rippen gestoßen und einander getötet. Und das ist auch Teil ihres Wesens. Immer konsequent."

"Ah, da ist ja auch die Narbe von damals, Shinobu-chan", sagte Shinji hastig. Auf dem rechten Rippenbogen erhob sich der wulstige, etwa vier Zentimeter lange Schnitt. "Haben die Ärzte dir nie die Narbe entfernt?"

"Du findest die Narbe nicht etwa abstoßend?", fragte sie leise.

"Nein, natürlich nicht." Er hob den rechten Oberarm und zeigte ihr ein ähnliches Prachtexeplar, diesmal jedoch aus zwei Schnitten bestehend. "Wir sind Shinobi. Sowas gehört dazu. Hier, die hat mir Kira beim Kunai-Training verpasst. Seitdem hat er mich nicht mehr geschnitten, und dabei bleibt es auch." Ein böser Blick ging zum Jungen im Schwimmbecken, der, auf dem Rücken schwimmend, eine Fontäne Wasser ausspuckte. "Wenn du das sagst..."

"Du findest also nicht, dass die Narbe mich hässlicher macht?", hakte Shinobu nach.

"Mädchen, dazu gehört ja wohl eine Menge mehr als eine dämliche Narbe. Bevor du als hässlich gelten kannst, musst du deinen Kopf unterm Arm tragen. Falls das mal reicht."

Das blonde Mädchen stellte sich auf die Zehenspitzen und drückte Shinji einen Kuss auf die Lippen. "Danke, Shinji-sama. Es gibt zwei Gründe, warum ich die Narbe behalten habe. Einerseits, weil Opa darauf bestanden hat, damit Kira und ich uns immer an unsere Leichtfertigkeit erinnern und andererseits, weil ich mir immer dachte, dass jemand, der die Narbe als Teil von mir akzeptiert, mich niemals nach meinen Äußerlichkeiten beurteilt, sondern für das, was ich bin." Sie lächelte den größeren Genin hingebungsvoll an.

"Shinji hat 'ne Freundin", sang Mai spöttelnd.

"Und du hast dafür Ki...", begann Shinji, wurde aber von Mai unterbrochen. "Gar nicht wahr!" Ihr Kopf sackte fast auf die Brust. "Dafür habe ich ihn wohl zu sehr geärgert. Er spricht kaum noch ein Wort mit mir, und dabei habe ich mich entschuldigt. Aber Sensei hat gesagt, er hat so viel Schmerz erfahren und so viel Leid in seinem Leben, sodass er immer noch ängstlich ist und misstrauisch und vorsichtig, und dass jeder Rückschlag ihn noch vorsichtiger macht..."

"Das kannst du ihm ja wohl kaum verdenken, Mai-chan", sagte Kuzomi, als sie wieder eintrat. Sie legte der Älteren eine Hand auf die Schulter. "Denk doch mal nach. Als er neun war, wurde sein ganzer Clan ausgelöscht. Danach war er sechs Jahre auf der Flucht, ständig von irgendjemandem verfolgt und immer in Gefahr, getötet zu werden. Natürlich ist er ängstlich, vorsichtig und all das. Aber ich kenne einen Weg, auf dem du dich entschuldigen kannst, und bei dem es nicht mal den Hauch einer Chance gibt, dass er es missverstehen oder überhören kann."

"Wirklich?", rief Mai erstaunt. Sie ergriff die Hände des Spinnenmädchens und drückte sie fest. "Was immer es ist, verrate es mir! Ich mach's."

"Es ist ganz einfach. Du bittest ihn zu einer kurzen Unterhaltung unter vier Augen und... *whisperwhisper* Und dann *whisperwhisperwhisper* ...und *whisperwhisper* Klar?"

Mais Wangen bekamen einen sehr gesunden Rotton - für jemanden kurz vor dem Herzinfarkt. "Aber... A-a-aber... D-das geht doch nie gut!"

"Na ja, du musst da schon etwas Herz reinlegen. Aber ich garantiere dir, es funktioniert. Natürlich nur solange er noch nicht nach Konoha zurückgekehrt ist und dort mit den Frauen des Nara-Clans zu tun hat. Also, bist du ein Mann oder eine Memme?"

"Ich wäre lieber eine Memme...", murmelte Mai deprimiert.

"Aber?"

Langsam löste sie ihre Hände aus Kuzomis Griff. Verlegen drückte sie die Fingerspitzen aneinander. "A-aber ich würde mich wahrscheinlich den Rest meines Lebens schämen, wenn ich es nicht wenigstens versuchen würde. Immerhin habe ich unnötigerweise meinen Frust an Kishio ausgelassen und so. Dabei hatte er es viel schwerer als ich. Auch wenn das kaum vorstellbar ist..."

"Ha, hast du gehört, Kira? Sie hat seinen Namen ausgesprochen", rief Shinji grinsend.

"Also, ich weiß nicht, ob wir ihn zu nahe an Mai-chan ran lassen sollten", sagte der Raiton-Nutzer skeptisch. "Sicher, wir beide sind Freunde und trainieren zusammen und ich würde wieder und wieder mein Leben für ihn riskieren. Aber hey, wenn man zwei traumatisierte Pessimisten in einen Raum sperrt, kommt doch nur noch mehr Pessmismus bei raus."

"Ich bin aber gar kein Pessimist!", begehrte Mai auf und berührte wie versehentlich ihren linken Unterarm. "Vielleicht untermotiviert, aber kein Pessimist. Außerdem bin ich mir sicher, Sensei stärkt mir den Rücken und heitert mich auf."

"Ja, auf Mamo-chan ist Verlass", sagte Shinji. Er runzelte die Stirn. "Aber wir haben immer noch ein Problem, Shinobu-chan. Ich gehe wieder nach Hause, und du..."

"Aber Shinji-sama, glaubst du nicht, unsere Liebe überdauert auch eine lange Trennung?"

"Ich bin mir nicht sicher. Ich meine, sieh dich an. Du hast doch Dutzende Verehrer, und ich..."

"Ja, mir ist natürlich klar, dass dir die Mädchen in Konoha auch nachlaufen", sagte sie deprimiert. "Aber das macht überhaupt nichts! Ich komme dich die Sommerferien besuchen!

Was sagst du dazu, mein verkappter Zwilling?"

Kira tauchte unter und kam wieder hoch. "Ich sage, wir sollten langsam mal alle schwimmen gehen. Und du, Mai-chan, du musst halt diesmal den Mund aufkriegen, wenn dich was bedrückt. Vor allem, wenn du auch noch anfangen willst, Kishios Lasten zu schleppen. Vergiss nicht, du musst ihn in jedem Fall mit uns teilen. Und mit uns meine ich mich, verstanden? Was uns zu Shinobu-chan bringt. Klar, komm den Sommer rüber. Versuch, in ein Austauschprogramm zu kommen. Wenn es was mit dir und Shinji werden soll, dann wird es das auch werden. Und dann unterstütze ich dich auch."

"Wie? Mich nicht?", fragte Shinji.

"Verlang mal nicht zuviel auf einmal", murrte Kira.

"Juchuu!" Kuzomi sprang ins Becken, tauchte unter und kam neben Kira wieder hoch. "Hört auf ihn. Er ist zwar ein Dummkopf, aber mein Dummkopf. Und manchmal hat er echt was zu sagen."

"So denkst du über mich, Kuzomi-chan?" Mit wehleidigem Welpenblick sah er sie an.

"Psst. Wenn du zu perfekt rüberkommst, blockieren sie vielleicht deine Weisheit, Kira-sama", raunte sie ihm zu.

"Oh. Gutes Argument. Also, Leute, wer kommt jetzt noch ins Wasser? Morgen müssen wir Kumogakure Tschüss sagen und dies ist das beste Schwimmbecken, in dem ich je war."

"Arschbombe!" Shinji krachte mit angewinkelten Beinen ins Wasser, direkt neben Kira, der unter der Flutwelle verschwand.

"Einen haben wir ja schon", rief er lachend.

"Juhuuu! Shinji-sama, ich komme!" Mit einem Lachen sprang auch Shinobu ins Wasser.

"Die Letzten sind die, die am längsten drin bleiben können!", rief Mai und sprang hinterher.

Daraufhin kletterte Anne wieder auf den Rand. "Ich bin gar nicht reingesprungen, fällt mir gerade ein. Und das gehört für Konoha-Nin wohl zum guten Ton. Banzai!"

Dies war der Auftakt für über eine Stunde, in der die fünf Genin ausgelassen miteinander tobten.
 

Das kleine Äffchen, das, eine Banane mümmelnd, auf einer Bank saß und die Szene beobachtete, wurde von den Genin gar nicht wahrgenommen. Dafür nahm das Äffchen umso mehr wahr. Und der Haupttenor war, dass es zumindest diesen Genin richtig gut ging. Das Äffchen grinste zufrieden. Das würde auch so bleiben. Garantiert.

Der ewige Chunin 22

14.

Die kleine Kolonne, die ins Land der heißen Quellen unterwegs war, mochte klein sein. Aber sie hatte einen stärkeren Begleitschutz als manch andere vergleichbare Wandergruppe. Ich möchte an dieser Stelle nicht falsch verstanden werden, es war nicht so, als würden Horden von ANBU und Shinobi heimlich Eskorte geben. Aber wenn man in einer Gruppe unterwegs war, zu der der Jondaime Raikage, Kirabi-sama und dessen Team gehörte, konnte man nicht mehr sehr viel sicherer unterwegs sein. Und seit Mei-chan im Reich des Wassers zu uns gestoßen war - äh, selbstverständlich meinte ich Terumi-sama, die Mizukage - musste ich mir weder um mich selbst, noch um Orochimarus sicher nicht erloschene Interesse an Kishio und Shinpa-chan Sorgen machen. Das war auch gut so, denn meine Sorgen wurden anderweitig gebraucht. Nicht nur von meinem erneut angeschlagenen Selbstbewusstsein, hochkochenden Schuldgefühlen, Selbstzweifeln und unkoordiniertem Zittern der Gliedmaßen immer dann, wenn ich es nicht gebrauchen konnte - laut Sadahara-sensei war es eine Frage der richtigen Therapie, und meine jetzige empfahl er mir dringends weiter, da sie mir einen Halbjahresfortschritt in nur einer Woche eingebracht hatte, Perine sei Dank - sondern auch in Bezug auf die Mizukage, die mit kleinem Gefolge reiste. Bei ihr war natürlich Kyun, der große, dicke Shinobi, den ich vor gut zwei Jahren in der Burg eines gewissen Unter-Daimyo, an den ich mich nicht zu gut erinnern wollte, bekämpft hatte. Aber als Begleitschutz einer Kage reichte das noch nicht, deshalb war noch eine Gruppe unter der Führung eines erfahrenen Jounins namens Ao mit ihr unterwegs.

Das Problem war, wenn sie nicht mit A-sama lange Fachsimpeleien führte, kam sie zu mir. Und ihre geballte Persönlichkeit erschlug mich regelmäßig. Das, sowie andere Attribute ihrer Person.

"Mamo-chan!" Mei Terumi legte einen Arm um meine Schulter und drückte mich kameradschaftlich an sich. "Habe ich dir schon gesagt, wie sehr mich deine Einladung freut? Es ist sooo lange her, dass wir uns gesehen haben. Und wenn mal ein Brief von dir kommt, dann ist es ein Bettelbrief, um bei der Hokage gutes Wetter für dich zu machen", tadelte sie.

"Aber ich habe an dich gedacht, nachdem der Raikage angeboten hat, meine Affenparty zu finanzieren."

"Ja, das halte ich dir auch zugute. Aber trotzdem, merk dir das, Mamo-chan, seine Freunde muss man pflegen. Und da wir uns fast gegenseitig umgebracht haben, müssen wir Freunde sein, nicht wahr?"

Ich laute rau auf bei diesen Worten. Genau auf diese Weise waren Gaara-sama und mein kleiner Bruder Naruto Freunde geworden. Sie hatten sich gegenseitig fast umgebracht und Naruto hatte die besseren Reserven gehabt. Das war noch genug gewesen, um Gaara das Prinzip der Angst beizubringen. Das mit der Freundschaft kam dann später, nicht so schnell wie bei mir und der Mizukage, aber es kam. Vor allem, weil Naruto kein nachtragender Mensch war. "Natürlich sind wir Freunde, Mei-chan. Und falls du die Mizukage siehst, vor ihr habe ich höchsten Respekt."

Sie verzog die Miene mürrisch, als ich sie an ihr Amt erinnerte. "Ich werde es ihr ausrichten", versicherte sie mir. "Aber mal abgesehen von deinen Genin, den Moerus und dem ganzen Ärger, in den du reinschlidderst, wenn du einfach nur Urlaub machen sollst..."

Ich krümmte mich wie unter einem Schlag zusammen. Mir fiel wirklich nicht ein Gegenargument ein. Wenigstens war ich nicht so schlimm wie Naruto, von dem man sagte, man bräuchte nur den Explosionen folgen, um ihn zu finden. Oder sagte man das über Jiraiya-sama, seinen Sensei?

"...wen hast du denn so alles eingeladen? Abgesehen davon, dass du und der schnucklige kleine Ryoga-sama so viele Affenkrieger wie möglich beschwören werden... So vom rein menschlichen Standpunkt, nur die Menschen?"

"Ähemm", machte Anne, die ein Stück hinter mir ging.

"Ach ja, du wirst ja auch Affenkrieger beschwören", sagte Mei, ließ mich los und umarmte die Tsuki-Nin herzlich. "Noch so jung, aber schon eine Kontraktträgerin. Und dein niedlicher Kohai Shinji wird ja auch helfen, nicht? Gute Arbeit, Shinji-kun", rief sie zu ihm herüber. Der arme Junge wurde puterrot. "D-danke, Mizukage-sama."

Anne noch immer im Arm haltend holte sie wieder zu mir auf. "Also, wen hast du eingeladen? Ich meine, außer dem Grießgram, seinem Bruder und mir?"

Ich lachte leise, als A-sama bei Meis Worten die Miene merklich genug verzog, sodass sie erkennbar von mürrisch zu noch mürrischer wechselte. "Grießgram? Meinst du etwa mich damit, Terumi-sama?"

"Aber nein, natürlich nicht. Wer könnte dich denn auch nur ansatzweise für mürrisch halten, wo du doch überall, wo du gehst und stehst, nichts als die reine Sonne verbreitest", sagte sie trocken.

Mabui kicherte hinter vorgehaltener Hand bei diesen Worten und Kirabi-sama lachte lauthals. "Das ist ja so wahr. Aniki, sie stellt es treffend dar."

"Na gut, dann bin ich halt ein Grießgram! Aber dafür habe ich letzten Monat den Ikebana-Wettbewerb gewonnen, und das will doch auch was heißen, oder?"

Mei ließ Anne fahren, als sie das hörte. "Echt? Ikebana? Du?"

"Nun tu nicht so überrascht. Ich war achtmal Ikebana-Meister von Kumogakure und zweimal Landesmeister. Auch wenn man es mir nicht ansieht, ich habe ein Gespür dafür, aus vielen schönen Dingen ein großes schönes Gesamtkunstwerk zu machen."

Ihre Augen wurden zu Schlitzen. "Du weißt was das heißt, A-chan."

Der Raikage kniff ebenfalls die Augen zusammen. "Bedeutet das etwa...?"

"Neunmalige Stadtmeisterin, davon nicht einmal als Mizukage und dreimalige Landesmeisterin", zählte sie angriffslustig auf. "Das bedeutet, wir werden ein Blumensteck-Duell abhalten, A-chan."

So etwas Ähnliches wie ein Lächeln schoss über sein Gesicht. "Oh, endlich ein würdiger Gegner, bei dem es sich lohnt, ihn zu vernichten." Er lachte leise. "Hat sich die Reise also noch mehr gelohnt, als ich dachte."

"Gut gerettet, A-sama", rief ich nach hinten.

"Ich weiß."

"Mamo-chan, du hast meine Frage noch nicht beantwortet!" Wieder ging Mei neben mir. Diesmal drückte sie ihre Wange - ihre zarte, weiche, lieblich warme Wange - auf die meine. "Also, wen hast du noch eingeladen?"

"Nun, das ist kein Geheimnis. Meine Eltern kommen, meine Schwester, ihr Verlobter, natürlich alle Affen, die wir beschwören können, klar, die Hokage und ihre Sekretärin, der..."

"Moment Mal, hast du Hokage gesagt?", fragte Mei verdutzt.

"Ja, die Hokage. Stimmt was nicht?"

"Ich hatte eigentlich, wenn ich ehrlich bin, von ihr den Eindruck, sie sei ein großer, blonder, wütender Drache. Vor allem wenn ich daran denke, wie sie dich behandelt hat. So eine typische Machtfrau."

Ein Lächeln huschte über mein Gesicht. "Ja, das kann ich unterschreiben. Trotzdem würde ich sie für kein Vermögen der Welt eintauschen wollen. Denn genauso wie sie mich unterbuttert, würde sie sich ein Bein ausreißen, um mir zu helfen, wenn ich in Schwierigkeiten bin." Ich lachte leise. "Sie hat mir ein ANBU-Team zum Geburtstag geschenkt, als sie meinte, ich könnte dringend Hilfe gebrauchen." Ja, das war wohl wirklich der Fall. Sie war für mich da. Auch wenn sie mir den Arsch aufriss, wenn ich Fehler machte. Und ich war überzeugt, dass das zu den wichtigsten Eigenschaften eines Kages gehörte: Seine Leute in Grund und Boden stampfen, wenn sie Mist bauten, aber sie mit Zähnen und Klauen verteidigen, wenn es sein musste. All das erfüllte Tsunade-sama. Ich musste nur aufpassen, dass ich ihr diese Sicht der Dinge niemals verriet. Die Folgen wären nicht abzusehen gewesen. Vor allem nicht für mich. Dann doch lieber unser bisheriges Verhältnis, das man wohl am besten so umschrieb: Böser Lehrer, umhergescheuchter Schüler.

Mei pfiff anerkennend. "Ein ANBU-Team gleich? Sie scheint doch umsichtiger zu sein, als ich dachte. Vielleicht wird es mich freuen, sie kennenzulernen. Sie kommt doch auch, oder?"

"Ja, sie hat zugesagt", erwiderte ich. "Außerdem habe ich einige meiner Lehrer und Sempais eingeladen, dazu eine Handvoll meiner Kohais. Und hätte ich ihn nur irgendwo zu fassen gekriegt, hätte ich Naruto und Jiraiya-sama auch eingeladen, aber... Wer weiß, wo sie sich rumtreiben."

"Ach, Naruto-chan. Das hätte mich auch interessiert. Alleine um zu wissen, wie stark er noch zu werden gedenkt. Nicht, Kjun?"

Der dicke Shinobi verzog die Miene wehleidig. "Seine damalige Stärke hat mir schon gereicht. Der kleine Satansbraten, der."

Das brachte mich erneut zum Lachen. Etwas leiser fuhr ich fort: "Und einige meiner besten Freunde werden dort sein. Wirklich, ich frage mich, warum ich die Party nicht von vorne herein so ausgelegt habe. Genügend Geld hätte ich ja gehabt, schon allein wegen der Boni für die geretteten Shinobi."

"Manche Dinge finden einen selbst. Man kann sie nicht wirklich alleine finden", sagte Mei und drückte mich an sich. "Gute Ideen haben oft genau diese Eigenschaft. Also sei froh, dass du die Idee hattest, Mamo-chan. Habe ich schon erwähnt, wie sehr ich mich freue, dass du mich eingeladen hast?"

"Nicht in der letzten Minute."

"Hrmpf. Mamo-chan!", tadelte sie mich, und ich duckte mich unter ihrem gespielten Schlag weg.
 

"Hatte Suirin-chan eigentlich keine Zeit, dich zu begleiten?", fragte ich unvermittelt. Wir hatten das Land des Wassers bereits hinter uns gelassen und ich hatte weder etwas von der blonden Kunoichi, noch von ihrem Team gesehen.

"Suirin? Oh, die knabbert noch an ihrer Strafarbeit", sagte Mei in düsterem Tonfall.

"Strafarbeit?" Ich runzelte die Stirn. "Strafarbeit für was?"

"Sie hat dich in Stich gelassen, oder?", erwiderte Mei mit ernster Stimme. "Sicher, du warst bereits im Land der Blitze und damit außerhalb ihrer Jurisdiktion. Aber einen Kameraden lässt man nicht im Stich, vor allem nicht, wenn dein Kage seinen Schutz garantiert hat. Sie hätte dir mit ihrem Team folgen müssen, spätestens, nachdem du den Hügel abgebrannt hast, was auf fünfzig Kilometer weit zu sehen gewesen war. Die Grenzstreitigkeiten hätte man später noch regeln können, nicht, A-sama?"

"Sicherlich, Terumi-sama."

Ich wurde blass. "Das... Wäre ganz und gar keine gute Idee gewesen."

"Hm? Wieso das denn?"

"Weil ich Suirin umgebracht habe, kaum dass sie zu mir aufgeholt hatte", erklärte ich mit Schaudern in der Stimme. "Ich war davon ausgegangen, dass sie an der Grenze stoppen und auf Befehle warten würde, selbst wenn das ganze Reich der Blitze in Rauch aufgeht. Natürlich hätte ich vorher meine sensorischen Fähigkeiten besonders angestrengt, aber ich wäre die ganze Zeit über misstrauisch gewesen. Und das hätte meinen Kampfstil behindert, weil ich sie und ihr Team einerseits ausgegrenzt und andererseits beschützt hätte..."

"Ja, interessantes Szenario. Aber ich habe Suirin-chan und ihr Team vor allem deshalb ausgesandt, weil sie selbstständig zu handeln pflegen und sich um sich selbst kümmern können. Das ist tüchtig daneben gegangen. Und deshalb unterrichtet sie bis Ende des Jahres die Anfängerklassen. Sowas kennst du, nicht, Mamo-chan?"

Okay, das erweckte Erinnerungen an meinen ersten Besuch in Kumogakure. Und an Shi-chan.

A-sama lachte leise zu Meis Worten.

"Was für Freunde?", fragte die Mizukage.

"Wie, was für Freunde?"

"Na, du hast extra die Freunde erwähnt? Wen hast du geladen?"

"Nur ein paar wenige, besondere, die bereit sind, wegen mir weite Wege auf sich zu nehmen." Ob ich ihr sagen sollte, dass ich kurz mit dem Gedanken gespielt hatte, den Kazekage auch einzuladen? Aber das wäre absolut vermessen gewesen, nachdem ich bereits drei der Kage der großen versteckten Dörfer als Gäste hatte. Was mich zum logistischen Problem brachte, das ich verursacht hatte. Vor allem für drei Einsatzteams der ANBU, die zweifellos für den Schutz der drei würden sorgen müssen. Nicht, dass A-sama, Mei-chan und Tsunade-sama besonders viel Schutz nötig hatten. Schon gar nicht, wenn sie alle drei an einem Ort versammelt waren. Kein Gegner mit genügend Grips in der Birne hätte sie angegriffen. Akatsuki eventuell, aber ob diese Gruppierung SO wahnsinnig war?

"Ich habe Kankurou eingeladen. Wir haben zusammen Kabuto gejagt. Ich hoffe, er kommt."

"Kankurou no Suna, der Bruder des Kazekages und Ratsherr Sunagakures?" Mei pfiff anerkennend. "Alle Achtung. Kleine Brötchen backst du nicht gerade. Aber fast hätte ich erwartet, dass du den Kazekage selbst einlädtst."

Ich hüstelte verlegen. "Davon habe ich Abstand genommen."

Verblüfft sah sie mich an. "Du hast da wirklich drüber nachgedacht, Mamo-chan?"

"Wir duzen uns", gestand ich.

"Aber nach Iwagakure hast du noch keine Beziehungen aufgebaut, oder?", fragte sie.

"Ich habe mal ein paar Iwa-Nin getötet. Im Land der Reißzähne. Zählt das auch?", fragte ich.

"Äh, nein, das zählt wohl eher nicht. Wen hast du noch eingeladen?"

"Abgesehen von einigen Freunden aus Getsugakure... Einen guten Freund aus dem Land der Reisfelder. Ryuji Nekozumi." Bei diesen Worten sah ich zu den beiden Moerus herüber. Ich hoffte, Kishio würde die Gelegenheit zu einer Aussprache nutzen. Notfalls würde ich es ihm befehlen. Ich wollte nicht, dass Wut, Frust und Enttäuschung zwischen zweien meiner Freunde herrschte. Und ich wollte, dass Ryuji die Chance bekam, sich für seine Hilflosigkeit bei Kishio zu entschuldigen. Und wenn ich da nachhelfen musste.

"Ah, das Oberhaupt des Nekozumi-Clans. Wen du alles kennst. Sicher, dass der Tsuchikage nicht auch kommt?"

"Sehr sicher", erwiderte ich lächelnd. Allerdings blieb mir das Lächeln im Halse stecken, als meine linke Hand unvermittelt zu zittern begann. Verdammt. Sadahara-sensei hatte mir geraten, Tsunade-sama direkt zu konsultieren, weil sie eine Expertin für Schockbehandlungen war. Neben vielen weiteren Therapien. Auch Shinpa-chan sollte nach seinem Rat in ihre Therapie gehen. Es wurde wirklich Zeit, sie zu sehen.
 

"Papapapapapapapapa!"

P-chan kam neben mir aus dem Step und reichte mir meinen Sohn. "Hier, der kleine Mann will unbedingt zu dir. Muss an Karin liegen. Die hat ihn vollkommen mit Süßigkeiten überfüttert und jetzt hat er einen Zuckerrausch."

"Ich habe ihn nicht überfüttert, Perine!", protestierte Karin.

"Oh, ist das der kleine Sohn, den du illegitimerweise mit einer ehemaligen Oto-Nin hast?", rief Mei entzückt. "Du verstehst es wirklich, das Motto "Führt keine Kriege, macht mehr Liebe" in die Tat umzusetzen."

Ich nahm meinen Jungen von P-chan entgegen und hielt ihn zu Mei geneigt. "Ja, das ist Akira, mein Kleiner. Obwohl gewisse Leute ja beschlossen haben, mir fast zwei Jahre nicht die Wahrheit zu sagen." Tadelnd sah ich die Affenkriegerin und meine Freundin an.

"Oh, der ist ja süß. Darf ich ihn halten? Was meinst du, du süßer kleiner Mann? Willst du bei Onee-chan auf die Arme?"

Aki-chan sah die Mizukage aus großen Augen an. Wobei sein Blick an einem Ort besonders lange verblieb, den ein Kleinkind wie er wohl am ehesten mit Frühstück assoziierte. "Jaaaa!", rief er freudig, drückte mir einen nassen Schmatzer auf die Wange und reckte seine Ärmchen in Richtung Mei-chan. Also reichte ich ihn weiter.

Mei Terumi nahm ihn mit sicherem Griff entgegen und platzierte ihn geschickt auf ihrer Hüfte, so als hätte sie das schon tausendmal getan. Anschließend begann sie den Kleinen zu herzen und zu streicheln. "Oh, du bist so ein hübscher Junge. Ganz der Papa. Lach doch mal. Aki-chan, lach doch mal. Jaaaa, da sieht so süß aus. Onee-chan ist ganz schrecklich in dich verliebt, Aki-chan."

Damit war es amtlich. Akira hatte definitiv mehr Glück bei den Frauen als ich. "Ui, Mei-chan, du wirst bestimmt mal eine tolle Ehefrau abgeben. Mit Kindern umgehen kannst du jedenfalls sehr gut", scherzte ich.

Die Mizukage errötete leicht. "Ehefrau? Meinst du wirklich, Mamo-chan?"

"Sicher. Und es wäre eine Schande, würdest du nicht einmal heiraten und Mutter werden. Das wäre ein Verlust für unsere Welt."

"Es ist nicht gerade so, als würden die Männer bei der Mizukage Schlange stehen", sagte sie wehmütig.

"Es muss halt ein Mann sein, der mit dir mithalten kann." Ich stieß ihr sanft den Ellenbogen in die Seite. "Kommt Zeit, kommt Rat. Ist Ao denn schon vergeben?"

"Mamo-chan! Hör doch auf, alte Frauen zu piesacken!"

"Wieso? Ist die Hokage in der Nähe?"

Ungefähr fünfzig Kilometer entfernt musste eine weibliche, blonde Person niesen. Heftig. Mehrfach.

"Vie... Vielleicht finde ich ja mal den Richtigen." Verlegen und leicht lächelnd drückte sie Akira an sich. "Und wenn ich auf Aki-chan warten muss, nicht?"

Ich lachte leise. "Ich bin sicher, ein heißer Feger wie du bleibt nicht lange auf dem Markt, Mei-chan."

"Nein, eventuell nicht. Bevor ich für den Markt zu alt werde..." Sie seufzte lang und tief und eine sichtbare Welle der Depression schien von ihr auszugehen.

Dieses Gefühl verging aber, als Akira die Mizukage auf die Wange küsste.

"Ja, mein Kleiner, du verstehst mich. Meinst du, da draußen gibt es jemanden für mich? Jemand, der mit mir mithalten kann?"

Dankenswerterweise war Akira noch zu klein, um folgerichtig zu antworten. Es war auch eine schwierige Frage gewesen. Und zudem ließ er seine Lieblingsphrase nicht hören, sein "Papapapa", was mich wohl in Verlegenheit gebracht hätte. Stattdessen küsste er Mei erneut auf die Wange.

"Ja, du verstehst mich", seufzte sie. "Vielleicht ist es wirklich keine dumme Idee, auf dich zu warten, was?"

"So lange bist du nicht auf dem Heiratsmarkt, Mei-chan. Das garantiere ich dir", sagte ich lächelnd und legte ihr eine Hand auf die Schulter.

"Du hast wahrscheinlich Recht, Mamo-chan." Sie seufzte. "Aber genug davon. Freuen wir uns lieber auf die Feier."

"Ja. Freuen wir uns auf die Feier mit guten Freunden. Und sehr guten Freunden. Und noch ganz anderen Freunden."
 

Beim letzten Satz sah ich P-chan an, die ein klein wenig erötete. Dann ging mein Blick zu Karin. Die junge Akimichi errötete nicht einfach nur, sie sah aus wie nach einem sehr heftigen Sonnenbrand. Karin hatte unseren Tross kurz vor dem Aufbruch aus Kumogakure erreicht, um sich uns anzuschließen. Offiziell, um Anne bei Akiras Pflege zu helfen. Inoffiziell aber, um mich zu retten. Und sie hatte mich gerettet. Ich meine, Perine war dabei schon recht gut gewesen, mit ihrer Hingabe, ihrer Fürsorge, ihrer unerschütterlichen Zuneigung und Liebe. Aber Karin hatte in der Nacht unseres ersten Stopps noch viel mehr bewiesen und noch mehr gezeigt.

Ich erinnerte mich nur zu gut daran, wie sie mir, als ich unter Marias Genjutsu gestanden hatte, ihren blanken Brustkorb angeboten hatte, um sie mit meinem Kunai zu töten. Denn in einer Welt ohne mich, also den unbeeinflussten Mamoru, hatte sie nicht leben wollen. Das hatte den künstlichen Gedächtnisverlust beseitigt, den mir Maria verpasst hatte.

In dieser speziellen Nacht hatte sie an meiner Seite gelegen, über meinen Schlaf gewacht. Und als dieser nicht hatte kommen wollen, da... Da hatte das netteste, süßeste, fürsorglichste, fröhlichste und schönste schwarzhaarige Mädchen Konohas all meine Ängste und meine Verzweiflung in die Hand genommen und fortgejagt. Nicht auf Dauer, aber für eine gewisse Zeit. Genauer gesagt hatte sie mit mir geschlafen, wie P-chan schon die Nacht zuvor. Und sosehr ich mir dabei auch wie ein verstohlener Dieb vorkam, der sich nahm was er wollte und nichts dafür zurückließ, so richtig hatte es sich angefühlt. So vollkommen hatte es sich angefühlt. So gut war es gewesen. Es war so, als hätte es so sein müssen, von Anfang an. Die Erfüllung war ähnlich gewesen wie mit Perine, nur... Anders. Und durch meine stark verbesserten sensorischen Fähigkeiten hatte ich viel mehr gesehen und viel mehr gespürt, als ich in Worten ausdrücken konnte. Karin hatte davon partizipiert, an meinen Empfindungen teilgehabt, was ich teilweise auf Kishios Chakra zurückführte.

Kurz sah ich mit stummer Frage im Blick zu den Moerus herüber. Hatten sie ebenfalls auch partizipiert, oder waren Karin und ich weit genug von ihnen entfernt und Kishios Chakra schon schwach genug gewesen? Nicht, dass es mir etwas ausgemacht hätte. Aber Karin wäre es eventuell peinlich geworden. Aber jetzt, wo ich darüber nachdachte: Wo war P-chan in dieser Nacht gewesen?

Wieder sah ich die Affenkriegerin an, die mich immer noch verschmitzt anlächelte. Sie beugte sich in meine Richtung vor, was mir einen guten Blick auf ihr herabgeknöpftes Shirt bescherte, zumindest bis zum Kragen ihres Spinnenseideshirts. Was nicht genug war, um ihr Dekolletée zu kaschieren. Ich spürte ihre Lippen an meinem rechten Ohr und fühlte die angefeuchtete Haut über mein Ohrläppchen streifen. "Habe alles klar gemacht mit Karin. Wir probieren es dann mal zu dritt."

Für ein paar Sekunden spürte ich erst einmal gar nichts, weil mein Blut viel zu sehr rauschte, um irgendetwas zu erspüren. Dann war da ein Gefühl der sexuellen Gier. Und eine große Portion Schuld, die mir die Kehle abschnürte. Ich befand mich nun in genau der Situation, die ich nie hatte erleben wollen. Absichtlich hatte ich den Sex mit meinen Mädchen immer verweigert - bei Maria hatte ich das ja nicht gekonnt, aber aus anderen Gründen - damit ich sie nicht auf diese Weise an mich band. Ich hatte nur mit der schlafen wollen, die dann auch die meine werden würde. Wie es sich für einen braven, konservativen Familienmensch gehörte. Leider schien ich eher der sexuelle Rebell zu sein. Band ich damit nun zwei Frauen an mich und verweigerte ich ihnen ein eigenständiges Leben abseits von Mamoru Morikubo?

Und was war dann mit den anderen beiden, mit denen ich noch nicht geschlafen hatte? Was hatte ich da nur in meiner Schwäche für eine Lawine ausgelöst, die nun drohte, auf mich niederzugehen und mich zu erschlagen? Und das auch noch zu Recht, wie mir schien.

Ich räusperte mich ein paar Sekunden, um Zeit zu gewinnen. "P-chan, meinst du wirklich, dass..."

"Mamo-chan", säuselte sie mir ins Ohr, "erinnerst du dich daran, als ich sagte, die anderen vier vom Mamo-Pakt würden deine Geliebten werden, wenn du heiratest?"

"Ja, ich erinnere mich."

"Ich habe weder gelogen, noch übertrieben", erklärte sie mir lächelnd. "Und das ist unsere Entscheidung. Kann sich sicher noch ändern, aber... Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich es so und nicht anders möchte."

Orochimaru war Schuld. Definitiv. Wegen ihm war ich schwach gewesen, hatte Hilfe gebraucht, hatte mich an P-chan und an Karin geklammert. Hatte Sex mit ihnen gehabt. Guten Sex. Oh mein Gott, musste ich auch das Orochimaru aufs Konto schreiben? Und die Änderungen in meinem Leben, die es zwangsläufig ab jetzt geben würde? Mir wurde für einen langen Moment schwindlig. Da gingen sie hin, meine geruhsamen Zukunftspläne. Und willkommen, meine komplizierten Zukunftspläne.

"Ich freue mich", sagte ich zu P-chan. Das war nicht gelogen. Aber eventuell übertrieben. Ein klein wenig.

***

Kenshiro und Yuria Morikubo saßen am Stirnende eines kleinen Saals auf Reismatten. Yuria Morikubo bevorzugte den Seiza, der auch gut zu ihrem formvollendeten Kimono passte. Das violette Prachtexemplar mit den weißen Blüten sah alt, edel und teuer aus. Kenshiro hingegen bevorzugte den Schneidersitz und reguläre Arbeitskleidung für einen Kaufmann. Zudem bewahrte er nicht die gleiche Haltung wie seine Frau, sondern wippte neugierig und ein wenig aufgeregt hin und her. Nicht viel, aber genug, dass ein Ninja es bemerkte. Dies brachte ihm keinen tadelnden Blick seiner Frau ein, denn sie war voll und ganz damit beschäftigt, die junge, schwarzhaarige Frau zu mustern, die, in einen rosa Kimono mit Goldstickereien gehüllt, ebenfalls auf einer Tatami im Seiza sitzend, vor dem Ehepaar eine formvollendete Verbeugung absolvierte. Der hagere, hochgeschossene Mann, der als ihr Sekundant fungierte, saß auf einer Tatami rechts hinter ihr, leicht versetzt und verbeugte sich ebenfalls.

"Sumimasen, Morikubo-sama, für mein unerwünschtes Erscheinen", sagte die Frau und verbeugte sich fast bis auf den Boden, die Fingerspitzen dabei nur auf dem Holz aufgelegt, ohne sich tatsächlich abzustützen. Dass ihre Worte der Frau galten, war vollkommen offensichtlich. Vielleicht ein Grund, warum sich Kenshiro so viel informelles Verhalten herausnahm.

"Nun, es ist ja nicht vollkommen unwillkommen", sagte Yuria Morikubo mit einer fast neutralen Stimme, in der ein Hauch wohldosierter Ärger mitschwang. Diese Stimme hatte sie sich in langen Jahren erworben, in denen sie künftige Medi-Nin trainiert hatte. Sie verfehlte ihre Wirkung auf die junge Frau nicht, die sich sofort noch einmal verbeugte.

"Wir würden gerne etwas über dich wissen, Onna", sagte sie, wohlweislich den klassischen in Konoha üblichen Begriff für Frauen benutzend. In diesem Fall wirkte es neutral klassifizierend.

"Hai, Morikubo-sama." Die Frau verharrte in der Verbeugung.

"Wer sind deine Eltern?"

"Hai, Morikubo-sama. Meine Eltern sind tot."

Kenshiro fuhr für einen Moment zusammen. "Hast du sie etwa...?"

"Iie, Morikubo-tono", sprach sie den Mann an. "Sie starben im Bürgerkrieg in Ame no Kuni im Zuge der Gefechte Konohas mit Iwagakure."

Diese Worte ließen bei Yuria ein Augenlid flattern, wenn auch nur kurz.

Sofort verneigte die junge Frau sich erneut. "Ich habe keinerlei Wertung gemeint. Der Kampf war sicherlich notwendig und richtig für Konoha. Aber die Kämpfe haben vielen Zivilisten das Leben gekostet. So auch meinen Eltern, die von versprengten Konoha-Nin getötet wurden."

Ein leiser Knall ging durch den Saal, als der Fächer in Yurias Hand durchgebrochen wurde, obwohl sie ihn eingefaltet hatte. "Hast du dafür Beweise, Onna?"

"Iie, Morikubo-sama. Nur das, was ich mit eigenen Augen gesehen habe."

"Hast du die fraglichen Shinobi erkannt?"

"Iie, Morikubo-sama. Ich erkannte nur das Spiralsymbol."

Kenshiro mischte sich ein. "Wie alt warst du da?"

"Ich war sieben, Morikubo-tono."

"Was ist weiterhin mit dir passiert?"

"Die Konoha-Nin verschonten mein Leben. Sie haben mich verkauft."

"So?", fragte Yuria und eine spürbare Welle der Wut fegte durch den Raum.

"Hai", sagte das Mädchen, nun mit Trotz und Entschlossenheit in der Stimme. "Ich wurde im Land der Steine an ein Gasthaus verkauft, wo ich bis zu meinem dreizehnten Geburtstag unentgeltlich gedient habe. Als Sklave."

"Hast du Geschwister?", fragte Kenshiro.

"Hai. Mein Bruder diente in den Reihen der Shinobi von Ame no Kuni. Ich habe ihn nie wiedergesehen. Meine jüngere Schwester wurde in der Wiege von Trümmern erschlagen."

Ein hastiger Blick ging von Herrn Morikubo zu Frau Morikubo.

"Wie ging es danach weiter? Warum dientest du bis zu deinem dreizehnten Lebensjahr im Gasthaus, aber nicht länger?", fragte sie.

"Hai. Ich bin geflohen. Der Eigner verlangte Dinge von mir, die ich nicht verstand, aber die laut der anderen Mädchen schmerzhaft waren... Ich lief davon und lebte fortan auf der Straße."

"Und dort bist du..."

"Hai. Dort nahm mich mein neuer Herr an, kleidete mich, ernährte mich und bildete mich aus. Als einzigen Gegenbeweis verlangte er von mir, niemals aufzugeben und niemals zu verlieren. Verglichen mit meinem bisherigen Leben und dem auf der Straße erschien mir das ein erfüllbares Ziel."

"Und so kamst du in das Ninja-Dorf."

"Hai. Ich hatte ein relativ gutes Leben, wenngleich sich Freundschaften schwierig gestalteten. Man... Wurde schnell ausgetauscht, wenn man nicht genug Leistung brachte. Es war... Ein sehr schnelles Leben. Aber ich hielt es durch, bis ich an Mamoru-sama scheiterte." Erneut verbeugte sie sich bis zum Boden. "Er inspirierte mich dazu, meinen eigenen Weg zu gehen, Morikubo-sama."

"Und er hat wohl noch ein wenig mehr inspiriert", spottete Kenshiro grinsend.

"Anata", tadelte Yuria und klopfte ihm mit dem zerbrochenen Fächer auf die rechte Hand.

"Autsch."

Yuria Morikubo tauschte den Fächer gegen ein heiles Exemplar und entfaltete es. Sie verbarg sich dahinter, nur ihre Augen schauten hervor. "Deinen weiteren Weg kennen wir. Was uns jetzt interessiert, ist, wie du zu unserem Sohn stehst."

Das Mädchen sah auf. Es war nicht so wahnsinnig, sich Hoffnungen zu machen. Aber eventuell konnte es auf Vernunft hoffen. Ein wenig, zumindest. "Ich liebe ihn, Morikubo-sama."

"So", machte Yuria und wedelte sich kühle Luft zu. "Du weißt aber, dass dies nicht unbedingt auf Gegenseitigkeit beruht, nach all dem, was du mit ihm angestellt hast."

Sie verbeugte sich erneut. "Es geht mir nicht um ihn oder um mich. Ich bin nicht vermessen genug, um das zu denken. Aber meinen Sohn betreffend wünsche ich mir, dass er... Dass er Eurem prüfenden Blick vorgesetzt werden darf, Morikubo-sama. Er hat schon mütterlicherseits keine Familie und keine Großeltern mehr. Ich will ihm die andere Seite seiner Familie nicht verweigern. Ich bitte, meine dreisten Worte zu entschuldigen. Ich nehme gerne jede Strafe auf mich, die Euch genehm ist, Morikubo-sama."

Der Fächer schnappte mit einem lauten Knall zu, laut genug, sodass die junge Frau zusammenzuckte.

"Okaa-san."

"Hai?"

"Du nennst mich ab sofort Okaa-san. Und solange Getsugakure und Konoha Verbündete oder zumindest Freunde sind, bist du ab jetzt ein vollwertiges Mitglied der Familie. So wie dein Sohn." Yuria Morikubo lächelte ihren Mann an. "Einwände, Danna?"

Ihr Ehemann winkte ab. "Mich hatte sie schon, als sie erzählt hat, wie sie Waise wurde, Schatz."

"Ja, die Konoha-Nin, die sie verkauft haben." Ihr Lächeln gefror. "Wenn es sie gibt, wenn sie noch leben - und ich werde das herausfinden - werden sie nichts zu lachen haben." Sie erhob sich von ihrer Matte. Ihr Ehemann erhob sich ebenfalls.

"Erhebe dich, Maria. Du musst nicht vor uns knien. Du nicht und dein Sohn auch nicht."

"Hai, Morikubo-sama!"

"Okaa-san!", sagte Yuria energisch.

"Hai! Okaa-san!"

"Und ich bin Otoo-san für dich ab heute, Maria-chan", sagte Yurias Mann lächelnd.

Die junge Frau erhob sich, nur um im Stehen erneut eine tiefe Verbeugung auszuführen. "Ich bin Euch zu großem Dank verpflichtet, Okaa-san, Otoo-san."

"Unsinn. Du erhältst nur, was du auch bekommen solltest", widersprach Yuria. "Und jetzt komm. Wir wollen zusammen baden. Mein Sohn und mein... Enkel werden bald eintreffen. Und wir wollen einen guten Eindruck machen, nicht?"

Diesmal sah man das erste Mal eine Reaktion über das Gesicht der jungen Frau huschen. Es war Freude. Ungeteilte, grenzenlose Freude. "Hai, Okaa-sama!"
 

Als die beiden Frauen, übergangslos schwatzend wie alte Freundinnen, den Saal verlassen hatten, erhob sich der hagere Mann auch von seiner Matte. "Junge, Junge. Als deine Frau ihren Fächer zerbrochen hatte, habe ich gedacht, das wäre es."

Kenshiro grinste burschikos. "Sie hat den Fächer nicht zerbrochen, weil sie Maria nicht geglaubt hat, sondern weil sie den Konoha-Nin, die sie verkauft haben, tödliche Rache geschworen hat. Immerhin ist Maria die Mutter ihres Enkels. Und niemand rührt ihre Familie an, ohne dafür zu bezahlen." Sein Grinsen wurde eine wütende Miene. "Oder einen anderen Nara."

"Das habe ich gemerkt."

"Aber jetzt erzähl doch mal, Hassin. Wie habt Ihr es geschafft, einen ganzen Monat verschwunden zu bleiben?", fragte Kenshiro. "Einmal möchte ich mal etwas vor meiner Frau und meinem Sohn wissen."

"Oh, das war eine ganz dumme Geschichte. Wir..."

***

Die Ankunft im Gasthaus Frau Kubos war ein wenig wie Heimkehr. Wie oft war ich hier schon eingekehrt, wenn mich meine Missionen nach Norden geführt hatten? Oft, sehr oft. Es wunderte mich eigentlich, dass nicht schon einer der Räume meinen Namen trug. Na, das konnte ja noch was werden.

Ich sah nach hinten. Die beiden Moerus wurden von Ryoga und Hibiki getragen und schliefen selig. Natürlich hatte sich Kishio standhaft dagegen gewehrt, getragen zu werden. Schließlich müsse er, wenn überhaupt seinen Aniki Shinpachi tragen, und überhaupt. Dabei war es ihm anzusehen, dass er noch immer verausgabt war. Zwar hatte er sich in Kumogakure etwas erholen können, aber meine Rettung erwies sich jetzt doch als etwas kontraproduktiv. Tatsächlich nutzte er jede freie Minute, um sich auszuruhen, wollte allerdings auch keine Schwäche zeigen. Also hatte ich ihm befohlen, sich tragen zu lassen. Das hatte funktioniert. Noch.

Mein Blick ging zu Kuzoko, die ein Stück hinter den Genin ging und alles im Auge behielt. Sie machte sich wirklich gut, bewies Verantwortung, ein Auge für Details und nahm ihre Aufgaben ernst. Ich nahm mir vor, bei den Spinnen um einen permanenten Kontrakt zu bitten. Sie war eine Bereicherung für mein Team, definitiv. Und ich mochte sie, nachdem sie ihr anfänglich überhebliches Verhalten abgelegt und ihr wahres Ich gezeigt hatte. Ich kam sehr gut mit ihr aus. Fast ebenso gut wie Kira mit seinem Spinnchen. Die beiden ein Herz und eine Seele zu nennen wäre eine hoffnungslose Untertreibung gewesen. Mir war nicht klar, wie weit es mit den beiden gehen würde, aber... Zumindest passten sie gut zusammen. Und ein permanenter Kontrakt mit den Spinnen schien auch ihm sicher zu sein. Ich hätte nichts gewusst, was dagegen sprach. Vor allem, nachdem ihm zwei Raiton-Meister einige neue Kniffe gezeigt hatten.

Shinji, der zwischen Anne und Mai ging, hatte sich bisher auch gut gemacht. Ob er seine kleine Freundin vermisste, die er in Kumogakure hatte zurücklassen müssen? Und ob ich ihm erklären sollte, dass Fernbeziehungen großer Mist waren? Andererseits war jedes aktive Shinobi-Leben eine einzige große Fernbeziehung. Es bedurfte besonderer Partner, damit sie funktionierten. Auf jeden Fall war er jetzt Kontraktträger des Affenclans. Damit war er nur unwesentlich jünger als ich, als die Affen mich adoptiert hatten. Eine Entwicklung, die mich zufrieden stellte. Es erinnerte mich aber daran, dass ich Konohamaru versprochen hatte, ihn am Tag seiner bestandenen Chunin-Prüfung den Affen als Kontraktpartner schmackhaft zu machen.

Mai, hm. Sie war selbstsicherer als vor dem Aufbruch. Energischer, ohne frech zu wirken. Sie hatte einiges über sich selbst herausgefunden und vielleicht das erste Mal auch über sich selbst lachen können, seit ihrer schrecklichen Zeit im Krankenhaus, die sie so sehr zurückgeworfen hatte. Dass sie sich ihren Problemen gestellt und erkannt hatte, dass andere dafür verantwortlich machen sie nicht weiterbrachte, hatte sicherlich weitergeholfen. Nun, für sie würde ich eine hübsche Überraschung haben, und das war definitiv wörtlich zu verstehen.

Kuzomi hatte sich als nützlicher erwiesen, als ich gedacht hatte. Als sehr viel nützlicher, tapferer, direkter und talentierter. Ihr Genjutsu war stark für ihr Alter. Während ihre große Schwester auf Taijutsu und Ninjutsu setzte, war sie eine erfahrene Anwenderin von Illusionen. Genügend Übung würde sie schnell auf einen hohen Level bringen. Ich beschloss, Kurenai-sensei - Yuuhi - zu bitten, sich der kleinen Spinne anzunehmen.

Tja, und dann war da noch Kishio, den ich unterwegs quasi aufgegabelt hatte. Es war unzweifelhaft, dass einiges vom Ärger, den wir erlebt hatten, dadurch zustande gekommen war, weil ich ihn mitgenommen hatte. Aber das war zu kurz gedacht, denn als erklärter Feind von Orochimaru, der ich als Zerstörer Otogakures war, war es vollkommen egal, warum das Bleichgesicht oder seine Vasallen mich attackierten oder wer daran eine Schuld oder auch nicht trug. Es war ein Angriff meines Feindes auf mich, und so beantwortete ich ihn dann auch. Das nächste Mal, wenn wir uns trafen, würde ich mich nicht so leicht täuschen lassen. Und dann gab es gegrillte Schlange satt. Dieser Gedanke prickelte angenehm in meinem Verstand. Auch für dieses dämliche Zucken in meinen Händen würde Orochimaru mehr bezahlen, als ihm lieb war.

Kishio hatte sich gut gemacht, in die Gruppe integriert. Seine Talente hatten mir geholfen, meine sensorischen Fähigkeiten zu erweitern. Massiv zu erweitern. Ich deckte nun einen Radius von zweihundertzwanzig Metern ab, wenn auch nicht für lange Zeit. Darüberhinaus hatte der Glücksfall, der ihn mit Shinpachi zusammengebracht hatte, einiges getan, um sein altes Leben hinter sich zu lassen. Ich war zuversichtlich, auch wenn Shinpachi wohl das komplette nächste Jahr in Therapie verbringen würde. Was wiederum auch Kishio an Konoha binden würde. Schlecht für Missionen, zugegeben, aber bis sein großer Bruder wieder fit war - er sah von Tag zu Tag besser aus und näherte sich optisch wieder seinem tatsächlichen Alter - sah ich da keine Alternative. Zumindest nicht, bis Kishio von sich aus beschloss, dass er es riskieren konnte, seinen Aniki auch mal allein zu lassen.

Seine seelische Stabilität hing damit nicht mehr allein von mir ab. Auch nicht von Shinpa-chan und mir. Die Bande, die er mit Kira und Mai geschlossen hatte, waren fragil, aber vorhanden. Und auch Shinji schien da nicht außen vor zu sein. Irgendwas verband die beiden, auch wenn es schwächer war als das, was Kishio mit den anderen beiden unterhielt. Was die anderen Bande betraf, so hatte ich das Gefühl, dass sich eine kleine Tragödie anzubahnen drohte. Kishio war immer noch verletzt, weil Mai ihre Wut auf ihn projiziert hatte. Aber Mai schien sich für den zwei Jahre Älteren weit mehr zu interessieren als für einen Teamkameraden. In einem, nun, romantischen Weg. Der arme Junge. Er würde gar nicht umhin können, als dem Mädchen das Herz zu brechen, denn von diesem Thema verstand er noch weniger als ich. Andererseits war ein Ende mit Schrecken für sie vielleicht besser als Schrecken ohne Ende.

Ich wusste, die nächste Zeit würde arbeitsreich für mich werden. Aber es würde die Art von Arbeit sein, die einen noch zufriedener machte, je mehr man von ihr bekam. Ich freute mich darauf.
 

"Hey, großer Meister!", klang eine altbekannte Stimme auf. Ryu Kaminari kam direkt vor mir aus dem Step, rannte mich fast um und umarmte mich stürmisch. Dabei rieb er seine Wange an meiner. "Immer noch glatt wie ein Babyhintern. In dem Punkt bist du so unglaublich zuverlässig, es ist wundervoll." Ryu zwinkerte. "Äh, kannst du dem großen, bösen schwarzen Mann mit dem Kleinkind auf dem Arm sagen, er möchte bitte das Kunai von meiner Kehle nehmen?"

"Was denn? Er hat ja nicht zugestochen, also warum beschwerst du dich?", lachte ich. "Schon gut, Omoi. Das hier ist mein guter alter Freund Ryu Kaminari. Wir haben vor zwei Monaten im Land der Steine das Versteck Orochimarus auseinander genommen."

"Oh." Omoi ließ das Kunai wieder verschwinden und hielt dem Konoha-Nin die Rechte hin. "Freut mich sehr. Vor dir habe ich schon gehört, Herr Nukenin."

"EX-Nukenin, bitte", tadelte Ryu. "Ich bin vollkommen rehabilitiert. Omoi, hm? Von dir habe ich auch schon gehört. Überwiegend Gutes."

"So, was hört man den Schlechtes von mir?", fragte er, während sich beide Männer kräftig die Hände drückten.

"Auf Anhieb fällt mir da eine Sache in einem Frauenbad in Kumo ein", erwiderte Ryu.

"Ja, da war mal was", seufzte Karui, sah betreten nach vorne und ließ sich von Samui angemessen bedauern.

"Hm. Eine Rothaarige, eine Blonde... Deine Teamkollegin und deine Anführerin, richtig?" Ryu nahm die Hand zurück und drückte mit jeweils einer Hand eine Schulter der beiden Mädchen. "Freut mich wirklich, euch kennenzulernen. Und? Wer von euch ist Omois Freundin?"

"Äh..."

Ryus Augen weiteten sich. "Was denn, was denn, er ist mit zwei hübschen Mädels wie euch unterwegs und er hat nicht mal was versucht?"

Eine sichtbare Welle der Depression schien von beiden Mädchen auszugehen.

"Auweia. Ist er eine große Version von Mamoru?"

Samui seufzte. "Schlimmer. Viel schlimmer."

"Worum geht es da gerade?", fragte Omoi misstrauisch.

"Siehst du?", fragte Samui resignierend.

"Ja, leider." Er klopfte beiden aufmunternd auf die Schulter. "Lasst den Kopf nicht hängen, Mädels. Wenn sogar Mamo-chan dazu lernen kann, dann auch er."

"Wirklich, worum geht es da?", fragte Omoi erneut.

Die Depression schien sich zu verstärken.

Zeit, einzuschreiten. "Omoi, kannst du mir mal meinen Sohn geben?"

"Aber natürlich, kleiner Bruder."

Wäre Ryu ein Fuchs gewesen, er hätte jetzt die Ohren aufgestellt. Er sah zu uns zurück und ein merkwürdiges Leuchten lag in seinen Augen. Mit einem Sprung, der fast wie Step wirkte, kam er zu uns zurück. "Also, das ist Akira? Dein Junge, den du mit Maria hast?"

Soviel zum Thema Überraschung. "Ist das etwa Allgemeinwissen?", fragte ich irritiert.

"Nun ja, sie ist im Gasthaus als Gast deiner Eltern. Da hört man eben so einiges. Was mich gleich zum Grund meines Kommens bringt. Darf ich? Hallo, Aki-chan. Ich bin Onkel Ryu. Kannst du das aussprechen? Ry-uuuu."

"Ruuu."

"Fast." Er lächelte den kleinen Jungen herzlich an. "Deine Mutter hat mich geschickt, damit ich ihn abhole und schon mal hinbringe."

"Meine Mutter hat was?"

"Na, sie hat gesagt, du wirst ja wohl beim Raikage und bei der Mizukage bleiben. Dann hat sie Zeit, sich ihrem Enkel zu widmen. Was ja wohl auch allerhöchste Zeit ist. Und die Mutter will ihr Kind auch endlich wiedersehen."

"Das heißt dann ja wohl, dass Maria und Hassin doch entkommen sind", sagte ich in leicht sarkastischem Ton. "Wann wolltest du mir das denn sagen?"

"Reg dich ab. Ist ja noch früh genug, oder? Sag noch mal Ryu. Ry-uuuu."

"Ruuuu."

"Sehr gut, mein Kleiner. Nur noch ein wenig Übung.

Ach, und Tsunade-sama hat mir aufgetragen, Kishio und Shinpachi no Moeru mitzunehmen."

"Was, bitte?", fragte ich erstaunt.

"Ist so ähnlich wie mit deiner Mutter und Aki-chan. Shinpachi bedarf einer Behandlung, wie du uns mitgeteilt hast und Kishio soll noch wegen ein paar Details befragt werden, Orochimaru betreffend. Sie will das hinter sich haben, bevor die Party beginnt." Ryu warf den beiden Moerus einen prüfenden Blick zu. "Das werden sie alleine wohl nicht schaffen. Kage Bunshin no Jutsu!"

Zwei Schattenklone von Ryu erschienen. Die beiden übernahmen die Moerus nach kurzem Wortwechsel von Hikari und Ryoga und nahmen die schlaftrunkenen Männer ebenfalls auf den Rücken.

"Also, bis gleich, Mamo-chan.

Komm, Aki-chan, wir gehen jetzt zu deiner Mama, zu deiner Oma und deinem Opa, ja?"

"Ruuuu!"

"Das fasse ich als ja auf." Ryu winkte mir zu, dann verschwanden er und seine Schattenklone mit den Moerus per Step.

"Du kannst ruhig schon vorgehen, Mamoru-tono", sagte der Raikage. "Oder wir beeilen uns ein wenig und nehmen ebenfalls Shunshin no Jutsu."

Ich schüttelte mich einen Moment. "Tsunade-sama wartet im Gasthaus auf meinen Bericht. Es wäre mir mehr als lieb, wenn ich das ein wenig hinauszögern könnte."

Omoi grinste mich frech an. "Feigling. Ist es nicht schön, wenn es im Leben Konstanten gibt?"

"Spötter", murrte ich. Ihm schien es zu gefallen.
 

Als wir eine Stunde später am Gasthaus eintrafen, hatten wir schon zwei ANBU-Patrouillen passiert. Eine bestand aus Kumo-Nin, eine war eine gemischte Formation aus Konoha-Nin und Suna-Nin gewesen, was mich durchaus irritiert hatte. Ich hatte Kiri-Nin erwartet.

Der Innenhof glich einem kleinen Heerlager. Dutzende Genin unter der Führung handverlesener Chunin bildeten hier einen Verteidigungsparameter. Sie gehörten vier der großen Nationen an. So viel Aufwand für Kankurou? Okay, er WAR Ratsherr Sunas und dementsprechend wichtig. Aber man hätte meinen können, der Kazekage wäre hier.

Vor der Haustür erwarteten uns Frau Kubo und ihre Bediensteten.

"Willkommen, Morikubo-sama!", riefen mir zwanzig Frauen entgegen.

Ich verneigte mich leicht als Antwort, bevor ich zu Frau Kubo ging.

"Hallo, Mamoru", begrüßte sie mich formlos und mit einem Lächeln.

"Hallo, Frau Kubo. Der ganze Aufwand tut mir schrecklich leid. Ich hätte eher daran denken sollen."

"Aber nicht doch, nicht doch. Wann erlebt man so etwas schon mal im Leben? Und außerdem ist es eine große Ehre, die Kage von vier großen Nationen zu beherbergen, und das auf einen Schlag." Sie zwinkerte mir verstohlen zu. "Kommt der Tsuchikage auch noch?"

"Äh, nein, der schuldet mir leider nichts", erwiderte ich, für einen Moment verlegen werdend. "Aber darf ich Ihnen Mei Terumi-sama, die Godaime Mizukage und A-sama, den Yondaime Raikage, vorstellen, Frau Kubo?"

Die Wirtin verbeugte sich lang und tief vor den beiden und ihre Bediensteten taten es ihnen nach. "Es freut mich sehr, Sie kennenzulernen, Terumi-sama, A-sama. Mein bescheidenes Haus ist Ihr Haus."

"Keine Umstände", sagte der Raikage. "Wir sind nur Gäste Ihres Gastes."

"Ein Kage ist ein Kage. Auch wenn es ein wenig Mühe bereitet, in so einem kleinen Häuschen angemessene Räumlichkeiten für alle vier Kage bereitzustellen, so haben wir doch unser Bestes gegeben. Ich hoffe, Sie werden einigermaßen komfortabel sein", sagte sie mit einer erneuten Verbeugung.

"Okay, nur um sicherzugehen, Frau Kubo. Warum vier Kage?"

"Hallo, Mamo-chan", klang eine sehr bekannte Stimme vor mir auf.

Ich sah hoch und erkannte Kankurou. "Hey, Kankurou. Freut mich, dass du es geschafft hast."

"Guten Tag, Morikubo-sama. Ich entschuldige mich dafür, dass ich mich selbst eingeladen habe, aber ich hatte... Gründe."

Ich schluckte trocken, als neben Kankurou seine Schwester Temari vor das Haus trat. "Nicht doch, Temari-sama. Sie sind mein Gast."

"Danke sehr. Ich habe darauf gehofft", gestand sie mit einem Lächeln.

"Das Gleiche gilt für mich. Auch ich entschuldige mich dafür, uneingeladen erschienen zu sein, Mamoru."

Nun rutschte mir doch das Herz in die Hose. Gaara hatte sich neben seine Schwester gestellt. Zudem verbeugte er sich auch noch. Mit einem Laut des Entsetzens sprang ich vor den Kazekage. "Gaara, du musst dich doch nicht vor mir verbeugen!", sagte ich entsetzt. "Hätte ich gewusst, dass du kommen wolltest, hätte ich dich natürlich auch eingeladen!"

"Ach. Und warum hast du daran gezweifelt?" Ein kaum wahrnehmbares Lächeln huschte über sein Gesicht. "Immerhin bin ich sehr interessiert an dem, was du über Orochimaru in Erfahrung gebracht hast. Er ist auch mein Feind, wie du dich erinnerst."

Das wiederum erinnerte mich daran, dass ich Orochimarus Versteck im Reich der Blitze nie von innen gesehen hatte. Dafür aber hatte ich etliche Skizzen angefertigt, anhand derer Kumo-Nin während meiner Rekonvaleszenz tatsächlich einige geheime Räume entdeckt hatten. "Sicher, sicher, aber ich hielt es für sehr arrogant, gleich vier Kages einzuladen."

"Dann hast du mich also unter dem Raikage und die Mizukage eingeordnet?", fragte er spöttisch.

"Jedem so, wie er es verdient, Kazekage-sama", sagte A-sama eine Spur zu launisch. Es sollte wohl Rückendeckung für mich sein, aber es erzielte einen recht gegenteiligen Effekt. Gaara wandte seine Aufmerksamkeit nun dem Raikage zu. "Suna wäre ohne weiteres bereit gewesen, diese Feier im Namen Morikubo-tonos auszurichten, wie ich gerne anmerken möchte."

Das nahm der Raikage nicht sehr gut auf. Er setzte schon zu einer Antwort an, als ihm Mei-chan zuvor kam. "Kirigakure auch, wie ich feststellen möchte. Freu dich, Mamo-chan. Die nächsten beiden Affenparties scheinen schon finanziert zu sein."

Dies verärgerte nun wieder Gaara. "Natürlich. Sieh das als Zusage an, Mamoru."

"Ahahaha. Hahahaha. Ich denke, es wäre nicht verkehrt, Frau Kubo, wenn Sie dem Raikage und Mei-chan - ich meine Terumi-sama - ihre Räume zeigen. Meine Familie erwartet mich sicherlich bereits. Und es gibt vor der Feier für mich noch einiges zu erledigen."

"Natürlich, Mamo-chan. Ich meine, Morikubo-sama. A-sama, Terumi-sama, diese Damen bringen Sie und Ihr Gefolge in Ihre Räume." Sie verneigte sich tief vor den beiden Kages, die von zwei Bediensteten höflich in Empfang genommen wurden. "Und auch die anderen Herrschaften. Wir haben Räume vorbereitet. Bitte vertrauen Sie sich meinen Damen an."

Schnell leerte sich der Bereich vor der Tür, bis nur noch Karin, P-chan und die Suna-Nin davor standen.

"Mamo-chan, es gab da eine recht unerwartete Entwicklung, die ich aber in deinem Sinne abgewickelt habe. Ein Ehepaar namens Kuzokami ist heute angekommen. Sie haben sich als deine Gäste ausgegeben, daher habe ich ihnen einen Raum zugewiesen."

"Hino und Kageji Kuzokami?", fragte ich.

"Ja, das waren die Namen. Ein Fehler?"

"Im Gegenteil. Sie haben richtig gehandelt, Frau Kubo. Es dürfte etwas weit führen, alles zu erklären, aber setzen Sie sie mit dem Affenkönig gleich, den ich heute Abend beschwören werde."

"Oh. Dann sollte ich die Türen zum Nebenraum entfernen lassen, damit die beiden mehr Platz haben. Wir..."

"Ich bin sicher, sie sind gut untergebracht. Gibt es denn überhaupt noch Platz im Haus?"

Sie verneigte sich lächelnd ein klein wenig. "Wir sind vollkommen ausgebucht, Mamo-chan. Ich musste wegen der Flut der Ninjas, die über uns herfielen, weitere Räume in benachbarten Hotels meines Vertrauens anmieten. Diese Feier ist ein Segen für unseren Ort."

"Freut mich, dass ich helfen konnte", erwiderte ich. "Seid Ihr gut untergebracht, Gaara?"

"Danke. Wir können uns nicht beklagen. Allerdings verstehe ich immer noch nicht, warum Temari auf ein eigenes Zimmer bestanden hat."

Die blonde Kunoichi errötete. "D-das hat jedenfalls nichts mit Shikamaru zu tun! Ein Mädchen braucht eben ab und an seinen Freiraum. Und bin ich so ein popeliges kleines Zimmer für mich alleine etwa nicht wert?"

"Shikamaru und Shikaku-jii sind also schon da?", fragte ich, meiner Eingebung folgend.

"Sie kamen mit Tsunade-sama", sagte Gaara. "Du hast einen Termin bei ihr. Nachdem du deine Familie besucht hast. Maria ist auch da, wie man mir sagte."

Ich nickte beiläufig. "Gut, das hat man mir schon gesagt. Es ist eine Erleichterung für mich, dass sie noch lebt. Sie und Hassin, meine ich. Frau Kubo, sind die Räume für die Affen schon vorbereitet?"

"Leider noch nicht ganz, Mamoru. Wie gesagt, wir sind ausgebucht und arbeiten daran. Wenn ich dich also darum bitten darf, noch eine Stunde damit zu warten, die Affenkrieger zu beschwören..."

"Natürlich." Ich nickte ihr aufmunternd zu. "Gaara, Temari-sama, Kankurou, wir sehen uns auf der Feier.

Karin, P-chan, gehen wir Aki-chan suchen."

Gemeinsam mit Frau Kubo, dem Kazekage und seinen Geschwistern und den restlichen Bediensteten betraten wir das Haus. Bratengeruch stand im Empfangssaal. Wohl ein Hinweis darauf, wie hart die Bediensteten gerade arbeiteten, wenn sogar in jenem Raum, der fast am weitesten von der Küche entfernt war, die Beweise ihrer Bemühungen zu riechen waren. Wirklich, ich versprach mir einiges von diesem Abend. Und es war erst früher Nachmittag.

***

Mein Auftritt war mir peinlich. Anstatt in eine ganz normale, familiäre Runde zu kommen, entspannt, freundlich, so wie immer, kam ich in etwas, was der Hölle überraschend ähnlich war. Denn zu meinen Eltern hatte sie die Hokage gesellt. Und nicht nur das, sie spielte mit meinem Sohn, dem das sichtlich gefiel. Offensichtlich hatte sie ihn gerade gefüttert und wischte ihm nun den verschmierten Mund ab. Dabei wurde sie von meiner Mutter flankiert, die das Geschehen mit Wohlwollen betrachtete. Wie hatte Tsunade-sama sie wohl bestochen, damit Mutter dieses Privileg abgegeben hatte? Auf der anderen Seite saß Maria, halb belustigt, halb besorgt, weil es ja um ihr Kind ging. In einer anderen Ecke des Raums saßen Ryu und Vater, in eine Runde Shogi vertieft, die von Shikamaru interessiert begleitet wurde. Ihnen gegenüber hatten sich Inari Asa, Shikaku-jii und Uzuki-senseis ANBU-Partner Kitsune, Okame und Kuma niedergelassen, zwischen sich ein Bänkchen mit Sake-Flaschen, die sie gemächlich, aber unerbittlich leerten. Shizune war ebenfalls anwesend, allerdings schien sie mit Schreibarbeiten ausgelastet zu sein. An der Peripherie der Frauengruppe saßen Ikuko und Nekohime und warteten geduldig auf ihre Chance, Akira zu halten. Tja, dann war da auch noch ein recht unausgeschlafen wirkender Kishio, der ein wenig vor Tsunade-sama saß und sie irritiert ansah. Hatte ich wen vergessen? Ach ja, Hana-chan. Hana-chan, die nichts besseres zu tun hatte, als sich mir um den Hals zu werfen. "Mamoru, du Dummkopf. Kannst du nicht besser auf dich aufpassen? Musst du dich alle Naselang fast töten lassen?"

Ich lächelte sanft und schloss sie in die Arme. "Ich habe dich auch vermisst, Hana-chan." Für einen Moment war ich verwundert, als ich versuchte, sie zu küssen, sie mir aber nur die Wange anbot. Doch ich schob das auf Hemmungen, wegen meiner Eltern.

"Mamoru. Schön, dass du wieder mal überlebt hast", sagte Mutter mit deutlichem Spott in der Stimme. "Komm, setz dich neben Kicchan. Wir müssen reden."

Hanako löste sich von mir. "Nutzen wir die Gelegenheit mal. Maria, kommst du?"

Die junge Frau aus Getsugakure erhob sich. "Natürlich, Hana-chan. Hallo, Mamoru." Sie ließ nur sanft ihre Hand über meinen rechten Unterarm streifen, als sie mich passierte, obwohl ihr Blick warm und voller Erleichterung war. Irgendwas stimmte da doch nicht.

"P-chan, Karin, kommt Ihr?"

"Wir müssen Anne suchen", sagte Perine. "Lange Geschichte."

Ein kollektives Raunen ging durch die anderen drei Mädchen. "Mist."

"Tja, so ist das Leben halt."

"Gut, suchen wir Anne. Ich habe einen kleinen Raum für uns besorgt. Bis später, Mamo-chan, Ryu." Mit diesen Worten verließ Hanako den Raum als Erste. Für den Augenblick war ich irritiert. Was hatte Ryu damit zu tun, dass sich offensichtlich der Mamo-Pakt zu einer Sitzung traf? Na, Schwamm drüber.

Ich setzte mich neben Kishio. Mutter musterte mich zufrieden, aber auch mit einem Hauch jener Angst, die Eltern immer um ihre Kinder hatten.

"Du dummer kleiner Bruder!", hörte ich es hinter mir rufen. Dann schlangen sich schon lange, zarte Arme von hinten um mich. "Wieso kommst du eigentlich immer in diese schrecklichen Situationen? Irgendwann kommst du da nicht mehr raus. Versprich mir, dass du Orochimaru in Zukunft meidest, ja, Otouto?"

Ich legte eine Hand auf die Arme meiner Schwester. "Du, das geht leider nicht, Yuriko. Orochimaru und ich sind zu einem ausgiebigen Barbeque verabredet, bei dem es gebratene Schlange satt geben wird."

Hinter mir lachte Kou auf. "Ich sagte doch, der wird nicht schlauer. Aber immerhin, er wird besser. Hoffe ich."

"Keine Tiefschläge, bitte, Kou-chan", tadelte ich.

"Yuriko, lass dich nicht so gehen", tadelte Mutter. "Mach es wie ich und mach ihn nachher unter vier Augen fertig. Oder wie dein Vater. Der hat vor, ihn nach Strich und Faden beim Mahjongg auszunehmen. Inari-san hat sich bereits bereit erklärt, ihm dabei zu helfen." Sie klopfte neben sich. "Yuriko, Kou, setzt euch."

Kou half meiner Schwester auf. Zusammen ließen sie sich neben Mutter und der Hokage nieder.

"Hilfe", murmelte ich. "Kishio, alles in Ordnung?"

Der Junge blinzelte mich verschlafen an. "Was? Hmmmm. Ich weiß nicht. Mamoru-sensei?" Er riss die Augen auf. "Aniki?" Der Moeru blinzelte ein paarmal. "Ich habe geschlafen. Bin hier im Raum aufgewacht. Die blonde hübsche Frau hat sich über mich gebeugt und mir Chakra gespendet. Das hat gut getan."

Frische Röte huschte über das Gesicht Tsunade-samas. "Danke für das Kompliment, Kishio-kun."

"Sie hat auch Shinpachi behandelt. Und danach ging es ihm besser, aber er schläft schon wieder." Er gähnte herzhaft. "Ich bin auch wieder so müde."

"Kein Wunder. Das ist meine Schuld. Oder vielmehr meine Verantwortung", sagte Mutter. "Ich habe dich zuerst behandelt und dein Chakra-System auf Regeneration gestellt, bevor Tsunade-sama die schwierigeren Schäden beseitigt hat, die du deinem System zugefügt hast, Kicchan. Sobald wir hier fertig sind, kannst du dich wieder hinlegen, damit du zum Abend fit bist."
 

Sie sah die Hokage an und deutete leger in meine Richtung. "Bitte, Tsunade. Er gehört dir."

"Danke, Yuria." Die beiden lächelten einander vertraut an. Medi-Nin unter sich. Mist, das bedeutet nichts Gutes für mich.

"Zuerst einmal gratuliere ich dir dazu, dass du lebend nach Hause gekommen bist, Mamoru", sagte Tsunade-sama. "Und ich gratuliere dir dazu, dass es dir gelungen ist, auf einer Mission, die aus Urlaub bestehen sollte, viermal in potentiell tödliche Situationen zu geraten. Und wir wollen nicht vergessen zu erwähnen, dass du die Begegnung mit Orochimaru nur knapp überlebt hast. Und das auch nur dank Kishio no Moeru."

Auf einen Schlag war der Junge neben mir hellwach. "Ach das. Eine Falle. Für mich. Ganz offensichtlich. Ja, es war auch so schon eine Falle, aber... Ich meine, die Falle war nicht überwacht, weil Orochimaru die Fähigkeiten der Moeru kennt. Er wollte augenscheinlich sehen, wie gut meine Fertigkeiten entwickelt waren, dessu ne? Das hat gut funktioniert, denn die einzige Chance, nicht in diese Falle zu tappen wäre gewesen, Mamoru-nii sterben zu lassen. Und dazu war ich nicht bereit."

"Das erklärt den Agenten, der versucht hat, das Stadthaus der Yamadas zu infiltrieren und dabei von Kirabi-sama und Nii-kun getötet wurde", merkte Tsunade-sama an. "Ein Oto-Nin namens Zuuto."

"Ja, die Geschichte ist mir bekannt", erwiderte ich. "Sicher nicht der letzte Versuch Orochimarus, Kishios und Shinpachis Herr zu werden."

"Sicher nicht. Aber weil wir es wissen, können wir uns darauf einstellen. Was uns auch gleich zum Thema bringt. Yuria?"

"Danke. Mamoru, ich bin im vollen Umfang über deine Korrespondenz mit Tsunade informiert. Eine Lebensverpflichtung wirkt zwar etwas altmodisch, aber sie ist ernst zu nehmen. Natürlich gehört Kicchan damit zur Familie, und wenn Shinpachi seine Gefolgschaft zu Kicchan bestärkt, natürlich auch er. Wir haben bereits mit Kou und deiner Schwester gesprochen. Wir öffnen die Wände zum Nachbarhaus und teilen vorerst einige Räume, die die beiden noch nicht nutzen, bis uns etwas besseres einfällt. Auf diese Weise erhalten Kicchan und Shin-chan jeder einen eigenen Wohnraum. Solange zumindest, wie es die Situation erfordert oder es ihnen genehm ist."

Kishio sah sie schockiert an, dann verbeugte er sich tief vor ihr. "Als Oberhaupt der Moeru, oder vielmehr von jenem, was von ihnen übrig ist, bedanke ich mich vielmals, Yurio-sama."

"Nicht so förmlich. Okaa-san reicht vollkommen", erwiderte sie. "Du bist jetzt in mehr als einer Hinsicht Teil der Familie, Kicchan." Sie legte beide Hände an die Wangen. "Hach. Was für ein Tag. Mein Sohn ist zurück, ich habe plötzlich einen Enkel und eine neue Tochter, und jetzt nochmal zwei Söhne. Und du musstest diesmal nichts dafür tun, Kenshiro."

Mein Vater und mein Onkel sahen herüber und lachten. "Du aber auch nicht, Schatz", spottete Vater.

"Mehr als du. Wer hat sich denn mit Yuriko und Kou-chan zusammengesetzt und geplant? Immerhin brauchen wir ja jetzt auch ein Kinderzimmer, wenn Aki-chan und Maria uns besuchen kommen. Hast du dich darum gekümmert? Nein."

Vater winkte ab. "Ich wollte, aber du hast mich nicht gelassen."

"Nun häng dich mal nicht an Details auf", tadelte sie. "Also, Kicchan, du und Shinpa-chan seid jetzt Teil der Familie Morikubo, solange Ihr das wollt."

Ich sah, wie der junge Shinobi mit seiner Rührung zu kämpfen hatte. "Danke, Yuria-sama."

"Okaa-san!"

"Okaa-san", brachte er mit fast erstickter Stimme hervor. Ich sah Tränen in seinen Augen schimmern.

"Was uns gleich zum nächsten Punkt bringt. Shikaku?"

Wir wandten uns meinem Onkel zu, der noch immer mit Inari und den drei ANBU Sake trank. "Was die Naras angeht, so akzeptieren sie die Moerus als stimmberechtigte Minderheit in ihrem Clan. Es mag sein, dass er gerade nicht viel hermacht, und die Hälfte des Clans braucht auch noch einiges an Wiederherstellungszeit. Aber immerhin, Kishio, wirst du eine Stimme im Clansrat erhalten."

Aus großen Augen sah Kishio meinen Onkel an. "Was, bitte?"

"Du bist Clanoberhaupt der Moerus. Wir wissen, dass viele von euch getötet wurden. Aber unsere geheimdienstlichen Ermittlungen sagen aus, dass das Schicksal vieler Moerus ungewiss ist. Eventuell wird es sich lohnen, sie zu suchen, auch wenn wir nicht besser suchen können als Orochimaru. Und da sind noch die Samenspenden von Shinpachi, die nur wenigen möglichen Zwecken dienen können. Darüberhinaus ist ja nicht gesagt, dass du und dein großer Bruder kinderlos bleiben werdet. Wir rechnen mit einem kleinen, aber feinen Unterclan. Und wenn Ihr eines Tages groß genug seid und das wünscht, könnt Ihr wieder selbstständig werden." Shikaku räusperte sich vernehmlich. "Mamoru war da mit seinen Bedingungen und Anweisungen sehr deutlich und sehr unnachgiebig."

Kishios entsetzter Blick flog zu mir.

"Ich habe es versprochen, oder?", sagte ich.

"Was uns zum nächsten Punkt bringt", sagte Tsunade-sama. "Kishio no Moeru, aus Mamorus Berichten weiß ich, dass du seine schwachen sensorischen Fähigkeiten erweitern konntest. Deine Fähigkeiten und deine Kenntnisse machen dich wertvoll für Konoha. Obgleich du dein Element, das Feuer, noch nicht gut genug beherrschst, sodass ich dich freiwillig aus der Stadt lasse. Dein Bruder braucht ohnehin noch viel Zeit für die Heilung seiner Wunden, körperlicher wie geistiger. Und du wirst sicher in der nächsten Zeit seine Seite nicht verlassen wollen, obwohl du und Shinpachi wie dafür geschaffen seid, um in den Reihen der ANBU zu dienen." Sie sah mich ernst an. "Mamoru, ich erwarte, dass du dir die nächsten beiden Monate nimmst und deine bemerkenswerten Genin weiter drillst. Sie haben hervorragende Anlagen, wie erwartet. Aber sie brauchen jetzt Schliff."

"Jawohl, Tsunade-sama."

"Das gilt auch für dich, Kishio. Du brauchst Katon-Ausbildung. Mamoru, auch dafür sorgst du."

Ich nickte. "Verstanden."

"Und davon abgesehen wird dir Shinpachi mehr beibringen können, wenn es dir besser geht, Kishio. Außerdem erwarte ich natürlich von dir - wenn dein Herr Mamoru zustimmt, natürlich - dass du unserem sensorischen Korps in der Ausbildung und Weiterbildung hilfst. Natürlich mit der entsprechenden Vergütung. Mamorus Einverständnis vorausgesetzt werde ich dich und Shinpachi als vollwertige Shinobi in die Bücher Konohas eintragen lassen."

"Das überlege ich mir noch", sagte ich ernst. "Der Ausbilder geht hingegen in Ordnung."

Entsetzt sah Kishio mich an, als ich der Hokage widersprach. Er verbeugte sich tief vor der blonden Frau. "Ich danke für die freundliche Aufnahme und die gute Behandlung, Tsunade-sama."

"Das fasse ich als ja auf. Dann haben wir alles Wichtige mit dir besprochen. Du solltest dich wieder hinlegen, Kishio."

Wie als Antwort unterdrückte er ein Gähnen. "Jawohl, Tsunade-sama."

Ich hielt ihn kurz am Arm fest. "Ich habe Ryuji Nekozumi eingeladen. Er dürfte in den nächsten Stunden kommen. Es gibt da einiges, was er neulich nicht erzählt hat. Ich erwarte, dass du und Shinpachi ihn treffen und ihm zuhören."

Es lag Wut in Kishios Blick, viel Wut, verständliche Wut. Aber auch Zustimmung. "Jawohl, Aniki."

Ich ließ ihn fahren. Er erhob sich und verließ nach einer letzten Verbeugung den Raum, um zu schlafen. Zumindest hoffte ich das. Ich würde es überprüfen. Später.

"Wenn du dann mit ihm fertig bist, Tsunade-sama", klang Ryus Stimme hinter mir auf, "und Yuria-sama nichts dagegen hat, würde ich mir Mamoru gerne etwas ausborgen. Es gibt da was wichtiges zu besprechen. Und er hat ohnehin ein Bad nötig."

Ich sah die Hokage an. Sie seufzte. "Yuria?"

"Ich kann meine Standpauke durchaus aufschieben."

"Gut, dann geht. Wir haben alles Wichtige schon besprochen."

Und sie hatten Ablenkung in Form von Aki-chan, der sich auf dem Schoß Tsunades für meinen Geschmack viel zu wohl fühlte. Immerhin war es mein Sohn.

Ich erhob mich. "Was gibt es denn, Ryu?"

"Gehen wir baden. Dann erzähle ich es dir."

Ehrlich gesagt hatte ich kein so gutes Gefühl bei der Geschichte.

***

"Kuchiose no Jutsu." Aus dem Nebel von Perines Beschwörung trat die hochgewachsene, schlanke Gestalt von Ranko. Sie musterte die fünf Mädchen und lächelte. "Hallo, meine Damen."

"Ranko-sensei, hallo."

Die Affenkriegerin setzte sich an das Tischchen und schenkte sich Tee ein. "Ich nehme an, wir haben ein Treffen des Mamoru-Pakts."

"Jawohl, Ranko-sensei", sagte P-chan. "Und zwar gibt es ein sechstes Mitglied. Und ehrlich gesagt war es abzusehen. Und sie ist ja wirklich auch seine niedliche Kohai..."

Alle Frauen sahen Anne an. Das Mädchen sah auf, sah die Blicke. "Eh? Was denn, was denn?"

"Wir wollen dich aufnehmen. In die Gruppe jener Frauen, unter denen sich Mamoru seine zukünftige Frau suchen wird", erklärte P-chan. "Es hat ja auch so gut gepasst..."

"Eeeeeh? Was? Ich? Aber... Was? Leute, ich glaube, ihr versteht hier was falsch! Natürlich ist Mamo-chan nicht nur mein Sempai, sondern auch mein großer Bruder und so. Und nur damit das klar ist, ich liebe ihn abgöttisch, aber... Seine Frau werden? Tut mir leid, das zu sagen, aber dieser Gedanke ist so... Ist so bäh für mich. Er ist nun absolut nicht mein Typ, so als Mann, meine ich. Ich... Habe ich was falsches gesagt?"

"Okay, falscher Alarm", seufzte P-chan. Die anderen Frauen ließen ein Ächzen hören. Ihre Köpfe sackten vor Erleichterung durch.

"Dann sind wir offiziell immer nur noch fünf", stellte Karin froh fest.

"Nein. Vier", sagte Hanako.

"Vier? Aber wir waren uns doch einig, dass Maria es verdient hat, weil sie Aki-chans Mutter ist, Hanako", sagte Karin erschrocken.

"Nein, um Maria geht es nicht. Keine Sorge, Mädchen."

Die Frau aus Getsugakure stieß den angehaltenen Atem wieder aus. "Erschrick mich nicht so."

Ranko räusperte sich. "Dann hast du sicher gemerkt, dass ich...", begann sie amüsiert, wurde aber von Hanako unterbrochen.

"Ich steige aus."

Stille legte sich über den Raum.

"Wie, du steigst aus?", fragte Perine.

"Ich steige aus. Ich will Mamoru nicht mehr heiraten."

Erneut folgte Stille. Sie zog sich endlos lange Minuten. "Wie, du steigst aus?"

Das blonde Mädchen sah betreten zu Boden. "Ich habe mich in jemand anderen verliebt", gestand sie.

"Du hast was?" Karin nahm sie bei den Schultern und schüttelte sie. "Mädchen, komm zu dir! Du sprichst im Fieber! Wie kann man aufhören, Mamoru zu lieben?"

"Das tue ich ja auch gar nicht! Ich liebe ihn immer noch! Nur nicht... So... Ich liebe ihn, ich will bei ihm sein, aber da ist noch ein anderer Mann, den ich liebe und mit dem ich zusammensein will. Und er hat absolutes Verständnis dafür, dass Mamoru für mich immer einen Tick mehr sein wird als jeder andere. Aber... Als ich hörte, dass er von Orochimaru fast getötet wurde, da hat es in mir Klick gemacht. Ich hatte so viel Angst um ihn und habe mich davor gefürchtet, das mein Bild von ihm zusammenbricht, dass ich dachte, ich verdiene ihn nicht." Vorwurfvoll sah sie auf. "Ich werde niemals so hingebungsvoll sein wie du, Karin. Du warst bereit zu sterben, wenn er seine Gehirnwäsche nicht überwindet." Sie sah zu P-chan herüber. "Du liebst ihn so hingebungsvoll wie keine andere. Du fragst nicht wieso und nicht warum. Du liebst ihn einfach." Sie sah Maria an. "Und du, Mädchen, du kennst ihn besser als wir alle zusammen. Du hast ihn verführt und..."

"Ähemm", machte P-chan. "An dieser Stelle sollte ich vielleicht anmerken, dass wir auch das besprechen wollten. Mamo-chan brauchte ein wenig... Zuwendung nach seinem Zusammentreffen mit Orochimaru. Da haben Karin und ich auch mit ihm geschlafen."

Hanakos Kopf sackte nach unten. "Kommt das auch noch hinzu. Nein, ich kann und will da nicht mehr mithalten. Er wird mir immer wichtig sein, wie ein Bruder, wie der Bruder, aber nicht mehr wie der Geliebte, den Ihr euch erhofft. Was du dir erhoffst, weiß ich nicht, Ranko-sensei, aber es muss mehr Gewicht haben als unsere Wünsche und Träume zusammengenommen."

Die Affenkriegerin räusperte sich verlegen. "Etwas in der Art."

Das blonde Mädchen sackte weiter in sich zusammen. "Bitte hasst mich nicht dafür."

"Aber warum sollten wir dich hassen?", fragte P-chan. "Im Gegenteil, es tut weh. So als würde etwas von mir sterben. Wir haben so viel geteilt miteinander, so lange Zeit. Und das ist jetzt vorbei? Statt einem Neuzugang gehst jetzt du aus unserer Runde?"

"Den Mamo-Pakt verlassen will ich gar nicht. Ich will ihn nur nicht mehr für mich alleine haben."

"Oh. Wer ist denn der tapfere Mann, der es geschafft hat, ausgerechnet den ewigen Chunin auszustechen?", fragte Ranko amüsiert. "Müsste ich raten, käme ich zuerst auf..."

"Es geht schon einige Zeit. Das Interesse war da, seit wir gemeinsam im Mizu no Kuni waren. Damals, als wir die Festung erobert haben... Wir haben so viel gemeinsam. Wir agieren so gut zusammen. Wir passen richtig gut zueinander. Und wir verstehen uns blind." Sie drückte die Fingerspitzen der Zeigefinger aneinander. "Tatsächlich musste ich ihn überreden. Er liebt mich, liebt mich wirklich, aber er wollte Mamoru nicht hintergehen. Tatsächlich dürfte er ihm gerade beichten, was mit uns passiert ist."

"Und? Wer ist dieser Held?", fragte P-chan. "Da kommt ja nur Ryu in Frage."

Entsetzt sah Hanako auf. "Woher weißt du das?"

"Weil er neben Kiba und Shino der einzige ledige Mann ist, der uns begleitet hat", sagte Karin. "Den Rest hat man dann schnell zusammengezählt. Vor allem, weil ich weiß, wie viel Zeit Ihr miteinander verbringt, Hana-chan. Hach. Ja, vielleicht stimmt es und Ihr zwei passt gut zusammen. Sogar sehr gut. Aber es ist trotzdem traurig. Ich habe dich als meine Konkurrentin immer geschätzt. Habe mich an dir geschärft, mich verbessert. Ich bin das, was ich bin, nur wegen dir, Hana-chan."

"Ich weiß", antwortete das blonde Mädchen mit einem dicken Kloß im Hals.

"Also sind wir nur noch vier", sagte Perine.

"Drei", seufzte Ranko. "Mädchen, es ist wohl an der Zeit, dass ich euch gestehe, dass ich hierbei nur mitgemacht habe, um ein Auge auf euch zu haben. Damit Ihr nicht mehr kaputt macht als notwendig. Aber Ihr seid auf einem guten Weg, deshalb kann ich das Feld euch überlassen, Karin, Perine, Maria."

"Nun lüg doch nicht!", sagte Karin aufgebracht. "Du liebst ihn doch auch."

"Natürlich tue ich das." Die Affenkriegerin lächelte schmallippig. "Und das wird auch so bleiben. Aber Ihr denkt doch nicht, nur weil ich nicht mehr mit euch konkurriere, würde ich ihn mir nicht... Ah, ab und an ausborgen?"

Die Mädchen sahen einander an. "Ausborgen geht in Ordnung, finde ich", sagte Karin schulterzuckend.

"Aber wiedergeben", tadelte Maria.

Perine räusperte sich. "Nun ja, wenn nicht bei Ranko-sensei, bei wem würde es dann in Ordnung sein? Alle dafür? Ja. So, dann sind wir nur noch drei. Eine überschaubare Zahl."

Ranko lächelte, als die drei Mädchen viel zu ernste Blicke austauschten, nur um übergangslos aufzulachen.

"So, und jetzt lauern wir Ryu auf, weil er unsere schöne Hanako auf Abwege gebracht hat!", rief Perine.

"Alle dafür!"

"Na dann los!"

Anne sah den fünf Frauen hinterher. "Wie sieht es denn mit einer Ehrenmitgliedschaft für die kleine Schwester aus? Bei euch ist es lustig!"

***

Missmutig sah ich Ryu an. "So ist das also."

Sein Gesicht war steinern. "Ja. So ist das, Mamoru."

Mechanisch griff ich nach meinem Getränk und nahm einen Schluck. "Und du erwartest, dass ich dir Hana-chan einfach so überlasse?"

Er erwiderte meinen Blick, ohne zurückzuziehen. "Ja, das erwarte ich."

"Ich hatte immer den Gedanken, dass sie oder Karin es werden würden."

"Tut mir leid, dich enttäuschen zu müssen. Aber das Leben ist nicht statisch, Mamoru. Und auch wenn ich dir damit wehtue, ich würde mir und vor allem Hanako mehr wehtun, wenn ich das, was zwischen uns ist, dir zuliebe verleugne und ignoriere. Vor allem wenn man bedenkt, wie sehr sie trotzdem noch an dir hängt."

"Und wie weit wirst du für sie gehen?"

Ryu lächelte schmallippig. "Bis zur Grenze unserer Freundschaft. Liebe ist nun einmal so, Mamoru. Liebe ist so."

Ich seufzte. "Schon gut. Ich denke, ich kann aufhören, mich wie ihr Vater aufzuführen, der einen ungeliebten Kandidaten abwimmeln will. Du bist ohnehin der einzige Mann auf dieser Welt, dem ich meine Mädchen anvertrauen würde. Aber hey, das ist schwer für mich zu verdauen. Du zerrüttest mein Weltbild. Und wie lang geht das schon?"

"Seit unserer Zeit in Mizu no Kuni, als wir die Burg erobert haben. Der Unter-Daimyo konnte unter Hanas Kimono linsen. Und du weißt, darunter trägt man keine Unterwäsche."

"Aha. Das erklärt, wieso sie ihn so zugerichtet hat. Was hast du damit zu tun?"

"Nun, ich habe ein Vierteljahr damit zugebracht, sie zu beruhigen. Sie von dem Trip runterzubringen, nun, wo der Mistkerl "es" gesehen hatte, für dich nicht mehr würdig zu sein."

"Und daraus entstand etwas anderes? Eine Affäre mit ihr?"

"Mehr oder weniger. Man kann sich nicht so sehr mögen und ständig so eng beieinander sein, ohne dass etwas passiert. Mit dir konnte sie ja nicht darüber reden, aber eben mit mir. Und da ist noch nicht die frustrierende Erkenntnis drin, dass sie dich gewählt hätte, wäre sie die einzige Aspirantin auf den Titel Frau Morikubo."

Ich trat Ryu kräftig unter Wasser. "AUA!"

"Den Gedanken vergiss gleich mal wieder. Du bist kein Notnagel und keine Notlösung. Wenn sich Hana-chan dazu entschlossen hat, dich zu lieben, dann sicher nicht als Ersatz für mich. So ist sie nicht, und das weißt du auch."

"Ja, schon, aber es ist Hanako! Hanako! Es ist schon erstaunlich genug, dass sie in meiner Gegenwart lächelt. Aber dass sie mein sein will, das ist so unglaublich, so phantastisch, so unbegreiflich... Ich fühle mich gesegnet und geehrt. Ich habe so viel Glück nicht verdient, Mamoru."

"Unsinn. Du bist mein bester Freund. Du bist der, der meinen Platz einnehmen wird, wenn mir mal etwas passiert. Wenn nicht du, wer also dann?"

Wir schwiegen einige Zeit.

Endlich nahm sich Ryu Kaminari ein Herz. "Danke."

"Mach sie ja glücklich. Sonst komme ich über dich, Ryu."

"Natürlich mache ich sie glücklich. Falls ihre Familie uns überhaupt zusammenkommen lässt. Ich war mal Nukenin."

"Und ein ziemlich blöder noch dazu. Wie kann man nur vergessen, auch mal wieder nach Hause zu gehen?", spottete ich. "Mach dir keinen Kopf. Du hast meine Unterstützung. Nein, Hana-chan hat meine Unterstützung. Ich mache den Yamagatas schon die Hölle heiß, wenn da jemand nicht spurt."

"Von einem Katon-Nutzer bekommen diese Worte einen unerwünschten Realismus", kommentierte Ryu trocken. "Aber danke. Ich werde das sehr bald zu schätzen wissen - kleiner Bruder."

"Aber, aber." Ich rutschte zu ihm herüber und legte eine Hand um seine Schulter. "Das heißt ab sofort großer Bruder für dich. Probiere es mal: Großer Bruder Mamoru-sama."

"In deinen Träumen vielleicht", spottete Ryu.

"Na warte, du..."
 

"Mamoru?"

Ich sah auf, während ich versuchte, Ryu in den Schwitzkasten zu nehmen. "Yugito?"

"Ich bin im Frauenbad."

"Yugito? Was tust du hier?" Ich erhob mich und verließ das Becken. "Nicht, dass du nicht willkommen bist, aber du hast meine Einladung ausgeschlagen."

"I-ich entschuldige mich, dass ich so unangekündigt doch gekommen bin. Ich habe nachgedacht."

"Nachgedacht?"

"Hat Kishio dir erzählt, dass wir geredet haben?"

"Ja, hat er."

"Kannst du ihm befehlen, erneut mit mir zu reden?"

"Wieso? Es ging doch soweit alles gut. Er hat dich doch verstanden."

"Ja, schon, aber..." Ich hörte sie schlucken. "Aber es war so nicht richtig. Mir ist jetzt erst klargeworden, was ich getan habe. Natürlich, ich konnte nicht anders, musste Kumogakure zuerst setzen, aber... Ihm habe ich damit mehr wehgetan, als ich erkennen konnte und wollte. Dies ist nun anders. Mamoru, er hat mir vergeben, aber nicht verziehen. Und ich habe mich zwar erklärt, aber nicht entschuldigt. Ich muss mit ihm reden."

Das klang schlüssig. "Hast du einen besonderen Grund dafür, das zu überstürzen?"

Sie ließ ein raues Lachen erklingen. "Hallo? Ich bin eine Jinchuriki. Praktisch jede Sekunde kann das Biest in mir die Kontrolle übernehmen und mein Ich auslöschen. Ich würde etwas, das so wichtig ist, lieber sofort erledigen, als es vor mir her zu schieben, verstehst du?"

Nun, mir war meine Sterblichkeit auch bewusst geworden, vor gar nicht allzu langer Zeit. Deutlicher als zuvor. "Ryu?"

"Wie kann ich helfen?"

"Du musst mir einen Gefallen tun."

"Jeden, das weißt du."

Ich nickte ihm dankbar zu. "Yugito, ich kann ihm nicht befehlen, mit dir zu sprechen. Das ist etwas, was du selbst erledigen solltest."

"Das kann ich nicht", gestand sie.

"Aber ich habe ihm etwas anderes befohlen, nämlich mit meinem Freund Ryuji Nekozumi zu reden. Der hat wohl ein paar Details, die Moerus betreffend, ausgegraben und will sie Kishio mitteilen. Ryu wird dich zu diesem Gespräch bringen, sodass er dir zuhören muss. Geht das in Ordnung?"

"Ja, das geht in Ordnung", sagte sie mit tränenschwangerer Stimme. "Danke, Mamoru."

Ich lehnte mich gegen den Sichtschutzzaun und wünschte mir, ich wäre jetzt auf der anderen Seite, um sie tröstend in den Arm nehmen zu können. Natürlich hätte ich rüberspringen können, so wie sie von sich aus diesen lächerlichen Zaun überwinden konnte. Es wäre für sie nur gut gewesen, meine Freundschaft und meinen Trost zu akzeptieren. Aber es war nicht richtig. Noch war es nicht richtig. Zuerst musste sie aussprechen, was sie Kishio sagen wollte. Das akzeptierte ich.

"Ein verdammt ereignisreicher Tag ist das heute", murmelte ich. "Vier Kages, meine ganze Familie, ein Rudel alter Freunde, und alles wird von Kumogakure bezahlt. Und alles, was ich dafür tun musste, war, mich fast umbringen lassen."

"Klingt nach einem normalen Arbeitstag für dich, Mamoru", sagte Ryu trocken. Ich stutzte, denn die gleichen Worte waren über den Sichtschutzzaun gekommen. Er und Yugito hatten die gleichen Worte zur gleichen Zeit gesprochen. "Scheint so", sagte ich und fiel in das Gelächter der beiden ein.
 

Epilog:

"Kuchiose no Jutsu!" Die Stimmen meiner Kohai und meines Schülers ließen auf ihren Eifer und ihre Konzentration schließen, als sie weitere Affen beschworen.

Bei mir saß bereits Enka O Enma zusammen mit seinem Sohn Dr. Tofu und Ranko-sensei. Außerdem hatte ich schon Ranma beschworen, Shampoo, Mousse und Kasumi. Zudem hatten sich die Kuzokamis hinzugesellt. Dazu kamen die Kage, meine Freunde und meine Familie. Wir waren so viele, dass es unmöglich war, die höchstgestellten Gäste an ein Stirnende zu setzen, also hatte ich mich entschieden, sie allesamt wild durcheinander zu würfeln. Bis auf die wichtigsten Affen, die - noch - bei mir saßen. Selbstverständlich würde ich als Gastgeber öfter die Position wechseln und alle meine Gäste besuchen kommen. Aber in erster Linie war die Party für die Affen gedacht. Für alle Affen, auch wenn das bedeutete, Happosai dabei zu haben, einen quirligen alten Krieger, der gerne mal einem Rock zuviel hinterherlief. Aber irgendwo tief in ihm war er doch in Ordnung. Gaaanz tief in ihm. Ich hatte den Vater von Ranko-sensei und Ranma sowie den Vater von Kasumi und Akane, die übrigens wieder weit genug genesen war, um mit uns zu feiern, links und rechts von ihm positioniert. Sollten sich Genma Saotome und Soun Tendo um ihn kümmern. Und natürlich bedeutete es, dass Nabiki, die jüngste Tochter der Tendos, mit von der Partie war. Ich sah es kommen, sie würde in irgendeinem Hinterzimmer eine Spielrunde aufziehen und versuchen, ihre Gegenspieler auszunehmen. Da war sie sehr kreativ. Und sie spielte nie falsch. Das brauchte sie auch gar nicht. Ihr Pokerface war erschreckend effektiv.
 

Schließlich endete das Geräusch der Beschwörungen, die letzten Affen und meine Kohais suchten ihre Plätze auf. Zeit für mich, etwas zu sagen. Aber mir fehlten die Worte. In diesem Raum hatte sich so viel versammelt, Menschen wie Geschichten und Emotionen, ich konnte kaum einen klaren Gedanken herausbringen. Alles, was mir etwas bedeutete, war hier. Nun gut, fast alles. Ein paar Gesichter vermisste ich noch. Einige, weil ich sie nicht hatte einladen können, einige wie Tenten und Mai hauptsächlich deshalb, weil die beiden im Garten miteinander Mais neuen Kampfstil ausprobierten, nämlich Tentens Schriftrollenwaffenstil. Ich hatte von vorneherein das Gefühl, es würde gut zu ihr passen und Tenten hatte dem freudig zugestimmt. Vor allem weil es bedeutete, dass sie nun eine eigene Schülerin hatte. Ihre Gruppengefährten Neji Hyuuga und Rock Lee hingegen waren da, wo sie sein sollten: Hier am Tisch. Auch Shino Aburame, Hinata Hyuuga und Kiba Inuzuka hatten sich ihre Plätze gesucht und in der Nähe Gaaras und seiner Geschwister gefunden. Mitten im Gewimmel steckte natürlich auch Might Guy, das grüne Biest Konohas und mein Sempai Kakashi Hatake, der sich geduldig die Trainingsgeschichten seines Neffen Kira anhörte. Auch Yuuhi Kurenai und Asuma Sarutobi waren meiner Einladung gefolgt. Definitiv zwei Menschen, zu denen ich mich heute noch setzen würde. Und wo Asuma und mein Cousin Shikamaru waren, konnten seine Teamgefährten Choji Akimichi und Ino Yamanaga nicht fehlen.

Natürlich waren auch Yugao Uzuki-sensei ihrem ANBU-Team gefolgt und gerade noch rechtzeitig für die Party eingetroffen. Noch ein wichtiger Gast, den ich aufsuchen musste. Wichtig für mich.

Dazu kamen weitere Freunde und Bekannte. Genma Shiranui zum Beispiel, der selbst für das Essen nicht aufhörte, auf seinem Senbon herumzukauen. Das sollte ich ihm vielleicht bei Gelegenheit austreiben. Andererseits war es sein Markenzeichen.

Ich straffte mich. "Liebe Gäste. Zuerst einmal vielen Dank an Kumogakure für die Entscheidung, uns diesen heutigen Abend zu finanzieren." Hört, hört, wurde gerufen. Ein sichtlich stolzer Raikage hob sein Glas, um den Applaus entgegen zu nehmen.

"Und meinen herzlichen Dank an Sunagakure und Kirigakure, die Ähnliches für die nächsten beiden Parties planen."

Wieder wurde applaudiert und die beiden Kage mussten wohl oder übel in den sauren Apfel beißen.

"Nur, wenn ich wieder eingeladen werde", sagte Gaara mit dem Anflug eines Lächelns.

"Abgemacht", rief ich.

"Konoha übernimmt dann die dritte!", rief Tsunade-sama und bekam ihren Teil des Applauses.

"Ich nehme dich beim Wort, Tsunade-sama", sagte ich grinsend.

Kurz starrte ich in mein Glas, überwältigt von meinen Emotionen. Und von diesem Tag, an dem so viel passiert war. Ich sah Kishio, Yugito, Ryu und Shinpachi nicht, also nahm ich an, dass sie ihren Teil tun würden, um noch mehr passieren zu lassen. Aber so war es als Shinobi. Das Leben war immer in Bewegung.

"Mein Sensei Hiruzen Sarutobi müsste eigentlich an meiner Stelle hier stehen, um diese Party zu beginnen. Ich bin nur ein lächerlicher Ersatz für den legendären Professor, aber..."

"Kann man nicht sagen. Er hat nie vier Kage als Gast gehabt", rief Ranma dazwischen. Amüsiertes Raunen ging durch den Saal.

"Wie gesagt, ich bin nur der Ersatz. Aber die Zukunft der Kontraktträger des Affenclans geht in eine gute Richtung, nicht zuletzt wegen Sarutobi-samas goldrichtigen Entscheidung, mich auch zum Kontraktträger zu machen. Und genau deshalb kann ich diese Feier jetzt beginnen. Sarutobi-sama, auf dich und auf den Clan der Affenkrieger. Mögen unsere Freundschaft noch lange währen."

Geschlossen prosteten die Gäste mir zu.

"Ach, und bevor ich es vergesse: Die Party ist damit eröffnet!"

Die Türen zum Saal öffneten sich, allerdings ohne eine Schar mordlustiger Ninja hereinzulassen. Stattdessen kam ein stetiger, großer Strom an Bediensteten des Hauses Kubo und brachten die ersten Platten mit heißen Speisen, andere trugen neue Getränke. Damit hatte die Party begonnen. Definitiv.

***

"Wegen dir wurden meine Mädchen ganz schön blessiert, Mamo-chan", tadelte mich Hino Kuzokami, die Herrin des Spinnenclans, ärgerlich.

"Das tut mir leid, Hino-sama."

Kagejis Miene war starr. Ich konnte nicht darin lesen, wie sich dieses Gespräch wohl entwickeln würde, das ich mit dem Führungteam des Spinnenclans, den beiden Spinnenmädchen und Kira hier in einem Nebenraum während der Party führte. Gut fing es jedenfalls nicht an.

"Von tut mir leid wird es nicht besser. Was, wenn Kuzoko eine Narbe am Auge behalten hätte. Würdest du sie dann heiraten, wenn es kein anderer will?"

"Mutter!", rief die ältere Tochter erschrocken.

"Was denn, was denn? Im Gegensatz zu den Affen waren wir mal Menschen. Wir können gemeinsam Kinder zeugen, nicht?" Hino-sama grinste mich an.

Ich hüstelte verlegen. Auf sieben Heiratskandidatinnen wollte ich es eigentlich nicht bringen. Nicht in nächster Zeit. Und einen Harem versammeln wollte ich auch nicht. Eigentlich.

"Und was da mit Kuzomi passiert ist. Sie ist ja vollkommen unter deiner Fuchtel, Kira-kun! Wie erklärst du... Kira-kun?"

"Wie? Oh, entschuldige, Kuzokami-sama. Du bist so hübsch, da habe ich mich einfach in Gedanken verloren. Wie die Tochter, so die Mutter."

"Gut, gut, das erklärt, warum sie so auf dich steht, Kira-kun. Hast du ihm das beigebracht, Mamo-chan?"

Ich schüttelte den Kopf. Stimmt, Affen konnten mit Menschen keine Kinder zeugen. Aber Spinnendämonen und Menschen. Eine interessante Information. "Das ist sein eigener Charme, Hino-sama."

"Äh, danke?", fragte Kira verblüfft.

"Es ist ja auch nicht verkehrt, dass sie sich mal auf etwa konzentriert", wandte Kageji ein. "Vorher war sie so sprunghaft und hat die einfachsten Jutsu vermasselt. Nun kommt sie zurück als kampferfahrene junge Kriegerin."

"Und Kuzoko hat ihre übliche Arroganz abgelegt, kann sich unterordnen und funktionieren", bestätigte Hino-sama.

"Mutter!", begehrte die ältere Tochter auf.

"Was denn? Sage ich die Unwahrheit?"

"N-nun, nein", murmelte Kuzoko verlegen und wandte den Kopf ab.

"Jedenfalls scheinst du eine gute Schule zu sein, Mamo-chan. Und dein Schüler auch. Deshalb haben wir uns entschlossen, euch beiden permanente Kontrakte anzubieten. Und es wäre nett, wenn Ihr Kuzoko-chan und Kuzomi-chan den Rest des Jahres bei euch behaltet und trainiert."

"Einverstanden!", rief Kuzomi.

"Aha. Einer ist schon mal dafür. Wie sieht es da bei dir aus, Kira-chan? Hast du Platz Zuhause?"

"Das wird ein wenig eng, aber..."

Kurz dachte ich an seine tote Schwester. War es gut für ihn, spontan ihr Zimmer anzubieten? Ich entschloss mich, es nicht darauf ankommen zu lassen. "Natürlich werde ich Kuzoko und Kuzomi ein Zimmer in meinem Haushalt anbieten." Wenn es ging, bekam sogar jede ihr eigenes.

Kira sah mich teils unwirsch, teils erleichtert von der Seite aus an.

"Aha. Wäre das geklärt. Wie sieht es bei dir aus, Kuzoko?"

"Oh. Na, ich kann meine kleine Schwester kaum alleine in Konoha herumlaufen lassen. Ja, ich bin auch einverstanden."

Hino-sama lachte zufrieden. "Also gut, dann ist das abgemacht. Permanente Kontrakte für euch beide. Küsst euch fix und dann wieder zurück auf die Party.

Verlegen sah Kuzoko zu mir herüber. "I-ist für den Kontrakt."

Kuzomi hatte da weniger Berührungsängste. "Yay! Kira-sama küssen!"

"Entschuldigt, Leute, aber da liegt wohl ein Missverständnis vor", sagte Hino-sama stirnrunzelnd. "Ihr müsst meinen Wesir küssen. Weil der Kontrakt so hochwertig ist."

Kageji-sama legte gerade Lippenbalsam auf. "Regeln sind Regeln, meine Herren."

Verblüfft sahen wir den Vater der Spinnenmädchen an. Aber die Mädchen waren nicht weniger überrascht. Nun, das ging solange, bis Vater und Mutter schallend lachten. "Und sie haben es geglaubt", rief Kageji-sama amüsiert. Er und seine Frau tauschten einen Handschlag aus.

"Also doch Kira-sama küssen. Mmmmmmmmh."

"Niff wo fffnel, Kuwomi..."

"Äh, Mamoru-sensei..."

"Ist ja nur für den Kontrakt, Kuzoko." Ich lehnte mich kurz zu ihr herüber und drückte ihr einen flüchtigen Kuss auf die Lippen. Keine Nummer sieben. Um Himmels Willen, keine Nummer sieben.

"So, nachdem das erledigt ist, zurück zur Party." Hino-sama streckte die Rechte in die Höhe. "Party!"

"Yay!"

Trocken fügte sie an: "Kuzomi, du kannst jetzt aufhören."

"Ups. Mein Fehler. Na, dann mal auf zur Party, Kira-sama!"

Ein besorgter mütterlicher Blick traf mich. Er trug eine Menge Implikationen. Sehr viele Implikationen. "Keine Sorge. Meine Mutter war lange Jahre Medi-Nin. Ich sorge dafür, dass sie mit Kuzomi redet. Lange, lange vorher, meine ich."

"Das wird uns reichen müssen", murmelte Hino-sama. Sie seufzte leise. "Aber so ist der Lauf der Dinge nun mal. Und jetzt zurück. Der Raikage und ich wollen noch diese supertolle Grand Reserve-Flasche ausprobieren."

Ich seufzte ebenfalls und erhob mich, um Hino-sama und ihrem Mann zu folgen. Dabei streckte ich Kuzoko die Hand hin, um ihr beim Aufstehen zu helfen. Mit Leichtigkeit zog ich sie auf die Füße. "Dann werden wir ab jetzt mehr miteinander auskommen müssen. Geht das gut mit uns?"

Sie musterte mich stirnrunzelnd. "Mir geht eine andere Frage durch den Kopf. Du kannst jetzt jeden Krieger des Clans beschwören. Geht das gut mit dem Clan der Spinnendämonen und dir?"

"Ach ja", murmelte ich, "da war ja noch was. Als wenn meine üblichen Probleme noch nicht genug wären."

"Kopf hoch, Mamoru-sensei. Auch wenn alles andere scheitert, die Party bleibt."

"Ja, die Party bleibt." Und ich würde sie verdammt noch mal genießen.

Ich behielt Recht.
 

Ende

Der ewige Chunin Bonusgeschichten

Vorwort:

Wenn ich über Buch vier reflektiere, ist mir bewusst, dass ich einige Dinge ausgelassen habe. Manche habe ich vergessen. Ich erinnerte mich an sie, als ich das fertige Manuskript noch einmal las. Manche passten mir zu dem Zeitpunkt nicht in die eigentliche Geschichte. Tatsächlich sind es eigentlich nur größere und kleinere Fragmente, die zwar zum großen Gemälde gehören, die aber einfach nicht passen wollten. Deshalb möchte ich diese Geschichten in der Geschichte hier als Sammlung von Splittern, als Mosaik einzeln präsentieren. Denn sie sind es wert, erzählt zu werden.
 

1.

Maria und Hassin: Zwischen Tod und Leben
 

Die Situation war mehr als unbequem. Und das war nicht als Metapher zu verstehen. Maria lag bäuchlings auf dem Boden und Hassin lag auf ihr. Zumindest bis zu sechzig Prozent von ihm. Der Rest war auf dem engen Platz, der ihnen verblieb, verteilt. Das bedeutete, dass seine Füße bei Marias Kopf waren und sein Kopf bei ihren Füßen. Ungefähr.

Maria schüttelte benommen den Kopf. Sie hatte schon einiges erlebt in ihrem ach so kurzen Leben, aber neue und erschreckende Erfahrungen gab es doch immer wieder. So wie diese Erfahrung. Sie hatte damit begonnen, dass sie über eine illegale Drogenfarm gestolpert waren, die von Nukenin betrieben worden war. Diese Nukenin, über zwei Dutzend, hatten die Getsu-Nin als die Gefahr erkannt, die sie für die Geschäfte der abtrünnigen Ninjas auch waren. Dies war der Beginn einer gnadenlosen Hatz gewesen, die beinahe drei Tage angedauert hatte. Maria und Hassin war schnell klargeworden, dass sie nicht fliehen konnten. Also hatten sie sich dafür entschieden, ihre Verfolger auf einen Schlag ins Nirvana zu bomben. Zu diesem Zweck hatten sie eine Falle installiert, die aus über dreißig Sprengtags bestanden hatte, mit ihnen als Köder in der Mitte. Um nicht mit in die Luft zu fliegen hatte Maria vom Zentrum der Falle einen Tunnel durch die Raumzeit getrieben, so wie damals in Otogakure, als sie den Tunnel genutzt hatte, um sich und Mamoru-sama das Leben zu retten, bevor Guin, die lebende Chakra-Bombe, hochging. Dies war auch hier der Plan gewesen, und es hatte gut funktioniert, zumindest mit der Auslöschung der Nukenin inmitten ihrer großen Falle. Die Flucht durch den Tunnel allerdings kannte sie anders. Es war ihr nicht klar, was sie falsch gemacht hatte oder welche Einflüsse Ärger bereitet hatten, aber der Tunnel war nicht das, was er sein sollte. Vor allem aber führte er nicht wie vorherbestimmt zum Ausgang, den sie Stunden zuvor getrieben und beide Enden verbunden hatte. Nein, sie steckten hier irgendwo im Nirgendwo, in einer engen Kehre, in einem engen Gang, der gerade einmal die Breite ihres Körpers und die Länge eines ausgewachsenen Shinobis hatte. Zudem war die Explosion zu ihnen durchgeschlagen und hatte Hassin und sie durcheinander gewirbelt, denn eigentlich hatte sie den Tunnel nach ihm betreten. Und so lagen sie hier.
 

"Deine Füße stinken."

Maria knurrte leise. "Meinst du, deine riechen besser? Wir sind vier ganze Tage nicht dazu gekommen, sie zu waschen. Sei froh, dass wir offene Sandalen bevorzugen. Socken in geschlossenen Stiefeln könnten wir mittlerweile als biologische Waffen verwenden.

Kannst du aufstehen, Hassin?"

"Bist du unverletzt?"

"Ja."

"Dann kann ich aufstehen. Du musst unter mir durchkriechen, dann können wir uns beide aufsetzen. So, jetzt."

"Warte, ich... Ja, das geht. Moment. Jetzt nicht rutschen. Okay, das wäre geschafft."

Erleichtert setzte sich die Kunoichi auf ihre Füße. "Eng hier."

"Das habe ich auch schon bemerkt."

"Das ist nicht das Jutsu, das ich üblicherweise verwende, Hassin."

"Das ist mir klar", erwiderte der hagere Getsu-Nin. "Das erklärt aber nicht, wo wir gelandet sind." Umständlich setzte sich nun auch der Shinobi. "So wie ich das sehe, haben wir hier eine Körperlänge Platz. Die Wände sind diffus, bieten aber Widerstand. Der Boden glücklicherweise auch, sonst hätten wir ein Problem. Also, Frau Jounin, wo sind wir?"

"Wir sind im Gang, den ich wie geplant getrieben habe."

"Immerhin. Wir sind einen Schritt weiter. Und warum führt er weder vor, noch zurück?"

"Das kann ich dir nicht sagen." Sie biss sich ärgerlich auf die Unterlippe. "Selbst die Explosion, die wir verursacht haben, hätte uns nicht abschneiden dürfen. Sobald ich das Tor nach drüben schicke, wird es nicht mehr von der Außenwelt beeinflusst."

"Hm." Hassin dachte nach. "So ist es aber nicht. Wir unterliegen einem doppelten Einfluss. Einerseits ist uns der Weg zurück versperrt, andererseits auch der Weg an unser Ziel. Wir haben begrenzten Platz und deshalb wohl auch begrenzten Atem."

Maria musterte das Volumen, das ihnen zur Verfügung stand. "Die uns schnell ausgehen wird."

Hassin berührte die Wand neben sich. "Sie gibt nach. Und wir können hier drin atmen. Ich nehme also an, eine Art Luftaustausch ist möglich."

"Ich habe das nie so genau erforscht. Aber wenn hier quasi nach und nach Frischluft reinweht, dann nur sehr langsam. Und davon ist unser anderes Problem nicht gelöst. Nahrung. Wir haben beide nicht mehr als Rationen für neun Tage. Getränke nur für einen Tag."

Hassin nickte. "Wenn wir nicht rationieren."

"Ja, wenn wir nicht rationieren. Die Frage ist nur: Wollen wir das?"

"Richtig." Hassin zückte sein Kunai und legte es zwischen sie. "Langsam ersticken oder schnell sterben, was meinst du?"

Maria lächelte. "Du hast deine Frau und deinen Sohn Zuhause. Ich habe meinen Akira. Aufgeben ist keine Option."

"Sicher nicht. Aber wir sollten schon zu einer vernünftigen Entscheidung kommen." Er deutete hinter sich. "Kannst du den Gang weiter treiben? Einfach so geschätzt bis an die Stelle, wo er enden sollte?"

"Ich treibe die Gänge im Diesseits von Fixpunkt zu Fixpunkt. Hier im drüben fehlen mir alle Anhaltspunkte. Ich kann nicht einfach meine Gänge vorantreiben und hoffen, das Diesseits zu treffen. Aber...", die junge Frau stutzte.

"Du hast eine Idee", sagte Hassin lächelnd.

"Eine mehr als vage Idee. Tatsache ist, dieser Korridor ist der Überrest des Weges, den ich getrieben habe. Das heißt, er weist auf unser Ziel hin. Ich kann ihn weitertreiben, aber wenn ich nur einen kleinen Fehler mache, wenn ich ein paar Zentimeter abweiche, treibe ich den Gang am Ziel vorbei. Außerdem haben wir nicht so viel Zeit. Das würde Tage dauern. So lange reichen Luft, Wasser und Nahrung nicht."

Hassin nickte. "Normalerweise nicht. Aber es gibt eine Möglichkeit, all das einzusparen. Wir können das Wasser mehrfach verwenden."

"Du meinst, wir sollen unser Urin trinken?", fragte sie schaudernd.

"Ja. Der Körper kann es bis zu achtmal wiederverwerten, bevor es zu stark konzentriert ist. Danach wird es tödlich. Auf jeden Fall fangen dann die Vergiftungserscheinungen an."

"Das bringt uns Wasser für neun Tage. Aber davon haben wir noch keine Atemluft."

Der hagere Ninja winkte ab. "Wir brauchen Zeit, eh? Wenn wir merken, dass die Luft dünner wird, meditieren wir und reduzieren unser Atembedürfnis auf ein Minimum, bis sich die Luft auf einen annehmbaren Wert ausgetauscht hat. Das können wir ewig so halten."

"Das verdoppelt die Zeit, die ich brauche. Eventuell verdreifacht sich die Zeit. Und ohne Nahrung habe ich nicht genug Chakra."

"Das ist in Ordnung." Hassin löste seine Tasche vom Rücken, öffnete sie und entnahm ihr seine Essensration und sein Wasser. "Du bekommst meine Rationen."

"Hassin... Ich lasse dich hier nicht verhungern oder verdursten!"

Der Getsu-Nin lachte. "Das sollst du auch nicht. Ich werde... Nun, deine Bemühungen verschlafen."

"Verschlafen?", fragte sie erstaunt.

"Verschlafen. Ich werde die ganze Zeit, in der du deinen Gang treibst, hier sitzen und meine Körperfunktionen auf ein absolutes Minimum senken. Wenn ich nichts verbrauche, benötige ich auf diese Weise kein Wasser und keine Nahrung. Und ich werde weniger Luft verbrauchen, was dich befähigt, länger zu arbeiten. Du hast dann Nahrung für achtzehn Tage. Sparen macht da meines Erachtens keinen Sinn. Du musst bei Kräften bleiben und deinen Teil der Arbeit machen." Er deutete in die Ferne, irgendwo hinter den diffusen Wänden. "Unser Tunnel war drei Kilometer lang. Wir wissen nicht, an welcher Stelle wir gelandet sind. Aber wir kennen die Richtung. Der Rest liegt bei dir."

"Na, du machst mir Mut."

Hassin lachte. "Glaub mir, das ist unsere einzige Chance."

"Und du bist sicher, du schaffst es, knapp drei Wochen lang zu meditieren?"

"Hast du dich nie gefragt, warum ich so ein dünner, asketischer Bursche bin?" Er grinste burschikos. "Bevor ich mich für das Leben in Ehe und Familie entschieden habe, war ich ein kahlköpfiger Mönch, mit sich und der Welt fertig. Mein großes Ziel war es, mich als lebende Mumie zu Tode zu hungern, um den höchsten Grad der Askese zu erreichen. Tja, der Plan scheiterte, weil meine weltlichen Gelüste zu stark waren. Meine Frau ist einfach zu sexy."

"Ahso", sagte Maria mit gerunzelter Stirn. "Verstehe. Glaube ich. Du willst das wirklich durchziehen."

"Ja. Es tut mir leid, was ich dir damit antue. Es werden einsame Tage vor dir liegen. Ich kann dir nicht helfen, aber dafür esse und trinke ich auch nichts. Aber ehrlich, wenn du das schaffst und wir überleben, schulde ich dir mein Leben, Maria."

"Na, ist das nicht etwas, von dem jedes Mädchen träumt?" Sie seufzte. "Also gut, gehen wir es an."

***

Der erste Tag verging relativ schnell. Hassin versenkte sich in seine Meditation und Maria konnte nur wenig arbeiten, weil die Luft schnell knapp wurde. Also meditierte sie neben Hassin, bis die Luft wieder besser wurde. Anschließend arbeitete sie weiter. Sie wurde ohnmächtig, als der Sauerstoffmangel sie überfiel, weil sie einerseits nicht lange genug meditiert hatte, um die Luft sich maßgeblich austauschen zu lassen und weil sie andererseits nicht auf ihre Umgebung geachtet hatte. Betäubt fiel sie zu Boden. Kurze Zeit sah es kritisch aus, aber dann tauschte sich die Luft schneller aus, als die ohnmächtige junge Frau sie verbrauchen konnte. Als sie mit brummendem Schädel wieder erwachte, schalt sie sich eine Närrin. Sie trank ihr eigenes Wasser und nahm eine volle Mahlzeit zu sich, um bei Kräften zu bleiben. Dann machte sie mit dem Gang weiter, trieb ihn mit ihrem Chakra voran. Tag zwei und Tag drei gingen ähnlich vonstatten, aber ihre Pausen, sowohl die Meditationspausen als auch die Schlafpausen, wurden erheblich länger. Sie aß kräftig genug und sie trank auch Hassins Wasserration. Im Laufe des Tages sammelte sie ihr eigenes Urin in ihrer Trinkflasche, keinen kostbaren Tropfen verschüttend. Nun, fast keinen kostbaren Tropfen verschüttend. Ende des dritten Tages musste sie das erste Mal ihr Urin trinken.

Tag vier und Tag füng vergingen ohne Ereignis, aber sie begann, mit sich selbst zu sprechen. Hassin, der immer noch am gleichen Fleck meditierte, an dem er sich niedergesetzt hatte, war nun schon mehrere hundert Meter von ihr entfernt. Sie hielt sich nicht damit auf, zurückzugehen und neben ihm zu meditieren. Auf diese Weise tauschte sich die Luft für sie schneller aus und sie konnte länger arbeiten. Spätestens am siebten Tag hielt sie es aber nicht mehr aus. Hatte sie die Tage zuvor angefangen, laut auszusprechen, was immer sie dachte, so begann sie nun, mit sich selbst zu streiten.

Tag acht brachte eine kleine Tragödie. Sie hatte falsch gearbeitet. Hassins Rücken war durch den Gang nicht mehr zu sehen, was bedeutete, dass sie den Gang schief getrieben hatte. Nun stand sie vor der Wahl, den Gang zu erweitern, oder zu versuchen, wieder auf den richtigen Pfad zurückzukommen, indem sie den Winkel ihrer Fehlleistung ermittelte und korrigierte. Sie entschied sich für Letzteres und trieb den Gang weiter. Tag neun verbrachte sie komplett schlafend. Sie erwachte an Tag zehn und erbrach den ersten Schluck, den sie trank, gleich wieder. Nur mit äußerster Disziplin konnte sie sich überwinden, ihren Urin zu trinken. Er schmeckte bereits stark salzig. Tag elf, Hassin wieder sicher im Blick, nutzte Maria erneut zum schlafen. Sie aß auch eine doppelte Portion Nahrung und verfluchte den Umstand, nicht an eine Soldatenpille gedacht zu haben. Außerdem machte sie sich Sorgen wegen ihrer Exkremente, die naturgemäß anfielen, solange ihr Darm beschäftigt war. Anhand der Abstände konnte man gut absehen, wie weit sie an den einzelnen Tagen voran gekommen war.

Tag zwölf und dreizehn vergingen ereignislos, was vor allem daran lag, dass sie vollkommen apathisch und schwer atmend einfach nur im Gang lag. Die meiste Zeit übermannte sie die Verzweiflung und sie heulte wie ein Schlosshund. Wie sehr hätte sie jetzt, gerade jetzt ein lebendes Wesen gebraucht, um sich auszutauschen. Wie sehr wünschte sie sich ihren Sohn herbei. Oder seinen Vater, Mamoru. Sie brauchte Mamoru. Und sie brauchte ihn jetzt. Aber er war nicht da. Niemand war da.
 

Vielleicht war das der Grund für ihren keimenden Wahnsinn, denn plötzlich war doch jemand bei ihr. Es war Tag vierzehn und sie hatte erneut beschlossen, ihn wie ein Häufchen Elend zu verbringen, nur um anschließend Hassin von seinen Qualen zu befreien und sich danach die Kehle aufzuschlitzen. Sie konnte nicht mehr. Sie konnte einfach nicht mehr. Die Erniedrigungen und Entsagungen, die diese wahnwitzige Plan mit sich brachten, waren schlimmer als alles, was ihr je von anderen zugefügt worden war. Und dies tat sie sich selbst an.

"Es ist schwer, ich weiß", klang die Stimme eines alten Mannes auf.

Erschrocken fuhr Maria aus ihrem Selbstmitleid hoch. "Wer...?"

Der alte, weißbärtige Mann, der lächelnd mit zusammengekniffenen Augen vor ihr hockte, trug einen Helm und eine Stahlplattenrüstung. "Oh, niemand. Niemand wichtiges, zumindest. Weißt du, ich durchwandere die Zwischenwelt auf der Suche nach dem Ausgang. Das wird anscheinend noch ein paar Jahrhunderte dauern. Dabei bin ich auf Hassin gestoßen und habe mich mit ihm unterhalten."

"B-bist du wirklich?", fragte sie und griff nach dem Mann. Ihre Hand glitt jedoch durch ihn hindurch und er schien zu verschwimmen. "Nein! Geh nicht!"

"Ich gehe nirgendwohin, Maria", versprach der Alte und sein Bild manifestierte sich wieder. "Zumindest nicht, bevor du nicht dein Ziel erreicht hast. Du willst doch hier raus und Akira wiedersehen, nicht? Und seinen Vater, Mamo-chan."

Sie errötete bei den Worten des Mannes. Des Mannes? Wohl eher der Halluzination, die ihr überstrapazierter Verstand produzierte. Aber sie war dankbar, dankbar für dieses Zeichen des Wahnsinns, denn sie hatte das Gefühl, diese Begegnung zerrte sie wieder von der Klippe fort, auf dessen Abgrund sie gestanden und bereits in die dräuende Finsternis voller Dämonen hinabgeblickt hatte. "Wer bist du? Ich meine, ich weiß, was du bist. Ein Ausdruck meines Unterbewusstseins, das mich davor bewahren will, dass ich wahnsinnig werde. Aber wer bist du?"

Der alte Mann lachte in einem Tonfall, den man durchaus als gütig bezeichnen konnte. Gab es das? Konnte jemand gütig lachen? Oder war auch das Teil ihrer Phantasie?

"Nenn mich Hiruzen. Ich bin... Ich war einst ein Ausbilder, ein Lehrer. Mir oblag es, zukünftigen Generationen zu helfen, ihren Weg im Leben zu finden. Und das Rüstzeug dafür zu erwerben." Sein Blick bekam etwas Mitfühlendes. "Es ist mir leichtgefallen, mit Hassin zu kommunizieren, obwohl er so tief in sich selbst versenkt ist, dass ihn selbst ein Erdbeben nicht wecken könnte. Er hat mir von dir erzählt. Und er hat mich gebeten, etwas für dich zu tun. Nun, darum bin ich hier." Der alte Mann sah zurück, wo sich der Getsu-Nin nur noch als ferner Punkt abzeichnete. "Du bist alleine schon weit gekommen. Das sind zweieinhalb Kilometer, Maria. Eine beachtliche Leistung. Und du hast nur noch siebenhundert Meter vor dir. Allerdings reicht dein Wasser wohl nicht mehr so lange. Du musst aufstehen und weitermachen. Dringend weitermachen."

Wie unter einem inneren Zwang erhob sie sich. Ja, sie musste weitermachen. Hassin verließ sich auf sie. Sie konnte ihn nicht im Stich lassen. Sie musste für ihn da sein, so wie er so oft für sie dagewesen war. Für ihren guten Freund und Partner. Und nur auf diese Weise würde sie ihren Sohn wiedersehen können. Und Mamoru.

"Ich werde bei dir bleiben, bis du es geschafft hast." Wieder lachte der Alte gütig. "Zeit habe ich wirklich gerade im Übermaß."

"Danke. Aber bitte sprich mich nicht an, während ich den Gang treibe. Ich brauche meine ganze Konzentration dafür."

Der alte Mann schwieg, als Zeichen dafür, dass er sie ernst nahm und sie verstanden hatte. So ging es für sie weiter.

Tag siebzehn verging so, auch Tag achtzehn und Tag neunzehn. Sie schlief gerade genug, um weiterarbeiten zu können. Und jedes Mal, wenn sie die Augen wieder öffnete, war Hiruzen bei ihr und fand die richtigen Worte, um sie zu motivieren.

"Du warst wohl wirklich mal ein Lehrer", sagte sie mit Dankbarkeit in der Stimme.

"Oh, man nannte mich früher den Professor", schmunzelte er. Dabei sprach er nicht aus, dass dies ihr erster Tag ohne Wasser war. Sie sprach es auch nicht aus, aber sie beide wussten es.

Tag zwanzig brachte den schlimmsten Durst. Sie hätte irgendetwas getrunken, wenn es etwas gegeben hätte. Sie dachte sogar daran, Hassin die Halsschlagader aufzuschlitzen und sein Blut zu trinken, aber sie brachte es nicht über sich, obwohl der andere Shinobi wohl genau das vorgeschlagen hätte, "damit wenigstens einer überlebt". Stattdessen machte sie sich wieder an die Arbeit und trieb den Gang weiter. Dabei verrauchte ihr Chakra wie Staub im Wind. Jeder Meter, den sie bewältigte, brachte ihr immense Qualen. Und jedesmal, wenn sie aufgeben wollte, log Hiruzen sie an. "Es sind nur noch ein paar Meter. Komm, Maria, die schaffst du auch noch!" Und sie machte die paar Meter. Und noch mehr Meter, weil das Ende doch nicht in Sicht war. Irgendwann brach sie dann wieder zusammen, woraufhin Hiruzen noch dreister log. Irgendwann aber, es mochte der zweiundzwanzigste oder dreiundzwanzigste Tag sein, da ließ sie sich nicht mehr locken. Sie blieb liegen, im sicheren Bewusstsein, dass sie hier sterben würde. Der letzte Rest an Kraft war aus ihrem Körper gelutscht worden. Es gab da nichts mehr. Sie war fertig, am Ende. Doch Hiruzen sagte nichts. Das reichte, um ihr Interesse zu wecken. Mit trockener, vom Wassermangel gezeichneter Stimme fragte sie den Alten, der neben ihr hockte: "Warum treibst du mich nicht mehr, Hiruzen?"

"Pssssst", machte der alte Mann und legte sein Ohr an das Gangende. "Ich höre Stimmen."

Maria tat das ab, als weiteren Versuch, sie zur Arbeit zu motivieren. Erschöpft ließ sie sich wieder zurücksacken, wünschte sich den ewigen Schlaf herbei. Doch der wollte nicht kommen. Trotz der Müdigkeit, der Verausgabung. Es war auch nicht leicht zu schlafen, wenn man sie andauernd rief. "Lass das, Hiruzen", tadelte sie, doch der Alte gab keine Antwort. Sie öffnete die Augen, aber er war fort. Die Stimmen blieben. Sie kamen wie von ferne, und doch von nahem: "Maria! Hassin! Gebt nicht auf! Wo immer Ihr seid, wir finden euch!"

Das war Amirs Stimme gewesen. Amir. Amir! AMIR! Er suchte noch immer nach ihnen! Er vermutete sie zu Recht gefangen zwischen den Dimensionen in der Zwischenwelt! Aber wenn sie ihn hören konnte, dann... Mit einem hässlichen Krächzen rappelte sie sich auf, glitt aus und stürzte wieder. Es war ihr eigener Kot, verdammt. Wie egal war ihr das Hier schon gewesen, wenn sie sich neben ihre eigenen Exkremente gelegt hatte? Erneut versuchte sie hochzukommen, schaffte es auf die Knie und trieb den Gang weiter. Dabei schrie sie, was ihre Kehle noch hergab.

"Taisho! Ich höre etwas! Es kommt von hier!", rief jemand.

"Wo? Was hörst du?", rief Amir.

Maria schrie erneut, aber der Flüssigkeitsmangel ließ sie in einen Hustentaumel gleiten, bei dem sie dachte, sie müsse daran ersticken. Sie hustete, würgte, hustete erneut und sackte dabei auf die Seite.

"Maria! Maria, ich höre dich! Gib nicht auf! Es kann nicht mehr weit sein! Tu es nicht für dich, aber für Aki-chan!"

Erneut wuchtete sie sich mit einem wütenden Schrei auf die Beine. Sie mobilisierte ihre letzten Reserven, alles was noch in ihr war, setzte es in Chakra um und trieb es in den Gang hinein. Präzision war ihr nun egal, es ging nur noch um das Vorankommen.

"Maria!" Sie hörte die Stimme so klar, als würde Amir neben ihr stehen. Dann lag da eine wunderbar kühle Hand auf ihrer Stirn. Sie fühlte sich gedreht, hochgehoben und warm und weich gebettet. Etwas berührte ihre trockenen und eingerissenen Lippen. "Hier ist Wasser. Trink vorsichtig."

Den ersten Schlucken vollkommen unerwarteten Nass trank sie so gierig, dass er ihr in die Luftröhre geriet. Sie musste wieder husten und krümmte sich. Der nächste Schluck ging besser. Sie öffnete die Augen und sah, dass sie in Amirs Armen lag.

"Hier, noch ein Schluck!"

Sie nickte tapfer und schluckte erneut vom kostbaren Nass. Dann noch ein Schluck, noch einer, noch ein wenig mehr und ihr Magen rebellierte. Einen Teil würgte sie wieder aus. Aber es war auch noch etwas in ihrem Magen. Es war genug, um sie wieder sprechen zu lassen. "Amir... Hassin ist..."

Sie deutete den Gang hinab.

"Er meditiert, um Wasser und Nahrung zu sparen, nicht?" Amir lächelte sie an. "Das habe ich erwartet." Sein Blick ging zur Bresche, durch die er den Gang betreten hatte. "Ich brauche sofort Medi-Nins hier! Und jemand soll sofort zum Jounin Hassin am Ende dieses Gangs laufen und ihm Wasser und Notrationen bringen!"

"Jawohl!" Ein junger Genin wurde mit Wasser und Nahrung beladen. Er kletterte durch die beinahe zu kleine Öffnung in den Gang und lief los.

"V... Vorsicht, überall liegen meine Ex...", konnte Maria noch krächzen.

"Yeooow!" Der Genin rutschte aus und fiel auf den Rücken. "Was ist denn das für eine dämliche Scheiße?"

"Genau das ist es", kommentierte Amir trocken. "Sieh dich jetzt vor und beeile dich."

"Jawohl, Taisho!"

Kurz darauf traf eine Medi-Nin ein und koordinierte Marias Rettung aus dem Gang. Draußen, im herrlich warmen Licht des Tages untersuchte die Frau Maria ein erstes Mal. "Dehydration, Nahrungsmangel und Erschöpfung."

"Und Wahnvorstellungen."

"Und Wahnvorstell... Entschuldige bitte, Maria-sama, aber ich erstelle hier die Diagnose."

Maria lachte leise. "Aber ich hatte welche. Ein alter Mann, der mich angetrieben hat. Er hat mich immer wieder angelogen. Hat gesagt, es sind nur noch ein paar Meter. Aber es war immer noch ein Stück weiter, und ich habe ihm geglaubt und wieder geglaubt und..."

"So ein weißhaariger in einer Rüstung?"

"Ja."

"Langer Bart am Kinn?"

"Mittellang, ja."

"Trug einen Kriegshelm?"

"Ja."

"Nannte sich Hiruzen oder der Professor?"

Nun wurde es Maria unheimlich. "Ja. Er bezeichnete sich als verloren, als Wanderer zwischen den Welten und so. Woher weißt du...?"

"Er ist mir in meinen Träumen erschienen. Er hat mich fünf Tage lang in meinen Träumen traktiert, bis ich an dieser Stelle suchen ließ. Wieder suchen ließ. Er hat mir gesagt, wo du steckst, aber wer glaubt schon einem Traum? Andererseits war es hier genausogut wie anderswo, um weiterzusuchen, also habe ich nach euch gerufen. Und siehe da, der alte Mann hatte Recht.

Oh, schau mal, wen man da bringt. Hassin, alter Junge, du bist aber gut zu Fuß, wenn man bedenkt, das du über drei Wochen meditiert hast."

Der große, schlacksige Mann kniete sich neben Maria nieder. "Dann hat Hiruzen dich also erreicht.

Ich habe nie an dir gezweifelt, Maria. Ich wusste, du würdest es schaffen. Mit bescheidener Hilfe vom Professor, wohlgemerkt." Hassin streckte sich neben Maria aus. "Der Weg durch den Gang hat meine letzten Reserven aufgebraucht, Doktor. Ich habe Wasser und Nahrung zu mir genommen, aber ich brauche jemanden, der mich die nächste Zeit trägt oder stützt. Allerdings brauche ich erstmal keinen Schlaf."

Die Medi-Nin musterte ihn. "Die Diagnose treffe immer noch ich, aber so viel habe ich erwartet. Ach, und, willkommen zurück unter den Lebenden."

"Danke", schluchzte die Jounin, die nun endlich vollkommen begriff, dass sie leben durfte, dass sie überleben würde. Sie griff nach Hassins Hand und drückte sie. Mit der Linken suchte sie nach Amir. "Danke", hauchte sie. "Danke für euer Vertrauen. Das ist mehr, als eine dämliche Oto-Nin verdient hat."

"Ich sehe hier nirgends eine Oto-Nin, nur eine Jounin aus Getsugakure", antwortete Amir. Er drückte ihre Hand beruhigend und streichelte ihr sanft über die Wange. "Versuch ein wenig zu schlafen, Maria. Im Gegensatz zu dem da wirst du es nötig haben. Wir verpassen dir eine Feldinfusion gegen die Dehydrierung und setzen dir eine Magensonde für die künstliche Ernährung."

"Keine Magensonde. Ich kann essen, wirklich", beteuerte sie.

"Gut, dann werde ich das mit den Medi-Nin besprechen." Er tätschelte ihre Wange, ließ ihre Hand los und ging fort.
 

"Hassin?"

"Ja?"

"Du musst mir einen Gefallen tun."

"Gerne, wenn ich ihn erfüllen kann."

"Ich lebe noch."

Der andere Ninja lachte rau. "Das ist nicht zu übersehen, meine Freundin."

"Das war nicht geplant."

"Wie? Dass du überlebst?"

"Dass ich so lange unentschuldigt fortbleibe, um als vermisst zu gelten. Ich habe für diesen Fall sehr klare Anweisungen hinterlassen, Aki-chan betreffend. Wenn die Chancen, dass ich wiederkomme, gering sind, sollte er zu seinem Vater gebracht werden, damit er wenigstens noch einen Elternteil hat. Ich fürchte, der Tsukikage hat das tatsächlich getan."

"Und? Wo ist das Problem?"

"I-ich habe Mamoru bisher verschwiegen, dass er einen Sohn hat, wie du weißt. Und auch seine Familie in Konoha weiß es nicht. Jetzt habe ich Ihnen meinen Jungen untergejubelt und... Und ich weiß nicht, was ich jetzt tun soll. Ich will ihn wieder, aber ich will auch, dass er mit seinem Vater Zeit verbringt. Ich... Ich weiß nicht. Bisher habe ich gelogen, aber das geht nun nicht mehr."

"Ja, die Dinge ändern sich ab und an. Und was habe ich damit zu tun?"

"Begleitest du mich, wenn ich Mamoru und seiner Familie in die Augen schauen muss?"

Hassin lachte rau auf. "Du hast mir gerade das Leben gerettet. Du kannst viel von mir verlangen, fast alles. Es ist mir aber schleierhaft, wieso du meinst, du müsstest für eine Selbstverständlichkeit wie diese einen Gefallen von mir einfordern. Natürlich begleite ich dich. Und Amir und Khal werden das auch für dich tun."

"Nein, das wäre zu viel. Ich brauche nur dich. Du bist mein bester Freund. Außerdem bist du verheiratet, sodass es zu keinen Missverständnissen kommt", sagte Maria schnell.

Hassin lachte erneut. "Du kleine Pragmatikerin." Er strich ihr mit der Linken über die Stirn. "Ich verspreche es. Ich bin bei dir. Aber ich glaube, es wird nicht halb so schlimm, wie du jetzt denkst."

"Danke, das bedeutet mir eine Menge.

Hassin?"

"Ja, Maria?"

"Denkst du, ich ziehe besser einen Kimono an, wenn ich Mamorus Mutter unter die Augen trete?"

"Es kann nichts schaden, denke ich."

"Hassin?"

"Ja?"

"Kannst du Padme-san bitten, mit mir einen schönen Kimono einzukaufen?"

Hassin lachte erneut. "Das geht schon eher in Richtung Gefallen einfordern", scherzte er.

"Hassin...", beschwerte sie sich, fiel aber in sein Lachen ein. Es ging ihr gut in Getsugakure. Sie hatte hier viele gute Freunde. Und diese Freunde halfen ihr, jetzt, wo sie die Hilfe brauchte. Sie fühlte sich leicht und froh. Die Erleichterung war so groß, dass sie kaum merkte, wie ihr ein Infusionszugang und ein Tropf angelegt wurde. Kurz darauf war sie eingeschlafen.

"Sie wird es schaffen", klang die Stimme des würdevollen alten Kriegers in Hassins Geist auf. "Sie hat ein starkes Herz und ein hehres Ziel."

"Ja, das denke ich auch, Hiruzen-sama", erwiderte er in Gedanken. "Gut, dass sie Mamoru begegnet ist, damit er ihr Verstand einprügelt. Was wäre es für ein Verlust gewesen, wäre sie ein egomanisches Gör im Dienste Orochimarus geblieben. War das der Grund, warum du ihr geholfen hast? Weil es ihm schadet?"

"Nein", erwiderte der alte Mann. "Ich habe ihr geholfen, weil kein Kind so früh im Leben ein Elternteil verlieren sollte. Es passiert ständig, aber es ist nicht richtig."

Hassin lachte leise. "Man kann es nicht immer verhindern."

"Da hast du Recht, Hassin-san", sagte der alte Mann, während er sich aus dem Geist des Getsu-Nin zurückzog. "Man kann es nicht immer verhindern..." Dann war er fort.

Damit war Hiruzen natürlich aus der Nummer raus. Für ihn aber fing das Geschehen gerade erst an. Und wenn er die bewundernden Blicke der Genin betrachtete, die sie ihm und Maria zuwarfen, dann kam noch das Problem hinzu, dass Maria gerade an ihrer Legende gestrickt hatte...
 

2.

Piku? Zischelzischelzischel
 

"Piku?" Der kleine Affe huschte über das Bankett hinweg, über diejenigen, die nach der heftigen Party an Ort und Stelle eingeschlafen waren, anstatt es in ihre Betten zu schaffen, bis er es zu einer kleinen Schale mit Orangenscheiben geschafft hatte. Der Affe quiekte erfreut auf, nahm die Schale an sich und hoppelte mit seiner Last in Richtung Tür zum Garten, die weit offenstand.

Ein Geräusch, das an ein fernes Zischen erinnerte, warnte den Affen. Er sprang hoch in die Luft, die Schale fest in Händen. Unter ihm, an jener Stelle, an der er eben noch gewesen war, hing plötzlich ein Strang Spinnenseide. Die dazugehörige Spinne, etwa sechsmal so groß wie der Affe, kam mit einem Sprung heran, der acht Schlafende zugleich überbrückte. Die Spinne fixierte den Affen, der sich mit einem Arm am Türrahmen festhielt. Sie spuckte erneut ihre Seide und wieder wich der Affe aus, sprang in den Garten. Dort setzte er die Schale ab und nahm eine Taijutsu-Nahkampfgrundstellung an. Dies war für die Spinne eine Herausforderung. Sie duckte sich auf der Veranda des Zimmers und stieß sich hart ab. Als sie aufkam, dort wo der kleine Affe stand, drückte dieser zwei ihrer Beine seitlich fort und gab ihr einen Bewegungsimpuls mit, der sie in den nächsten Teich getrieben hätte, wäre die Spinne nicht auf die Idee gekommen, zwei ihrer Hinterbeine in den Boden zu rammen und so ihre Geschwindigkeit abzubremsen. Dabei wurde sie hart nach vorne geschleudert, aber sie hielt an. Doch der Affe wartete nicht, attackierte erneut und griff jene schmale Stelle an, die bei einer Spinne Vorderleib und Hinterleib verband und als besonders empfindlich galt. Doch eine Hand, eine menschliche Hand, blockte den Angriff ab. Die kleine Affenhand verschwand und machte einer filigranen, doch recht pelzigen und krallenbewehrten Klaue Platz. Es folgte eine Abfolge an Hieben und Schlägen, die von menschlichen Händen geführt wurden, nicht von Spinnenbeinen und Affenhändchen. Zugleich verwandelten sich beide von ihren Tiergestalten in etwas... Anderes. Die Spinne wurde zu einem Zwitterwesen zwischen Mensch und Spinne, der Affe nahm seine wahre, seine Kampfgestalt an. So fochten sie einige Zeit im Taijutsu, wobei der Affe auch seine Beine einsetzte, während die Spinne in diesem Fall durch die vier Hinterbeine eher gehandicapt war. Schließlich verknoteten sie ihre Arme in einem gegenseitigen Block, in dem sie sekundenlang verharrten. Nun setzte eine dritte Verwandlung ein, und statt des Affenkriegers stand eine große, schwarzhaarige Frau vor dem Spinnenhybrid. Der verwandelte sich in einen kräftigen, blassen, schwarzhaarigen Mann mit rubinroten Augen. Die beiden sahen einander an und lachten. Miteinander.

"Entschuldige, Ranko-tono", sagte der Mann und nahm die Arme wieder ab, "aber ich habe dich im Affekt für einen Spion gehalten. Auch wenn ich mir nicht erklären konnte, warum ein dressiertes Ninja-Tier an Orangen Interesse haben kann."

"Kein Problem, Kageji-tono. Ist nur meine verdammte Sucht nach dem Zeug, die mich aufweckte und danach suchen ließ. Ich wollte die Schläfer nicht stören, also bin ich in Affengestalt reingeschlichen. Ich konnte ja nicht wissen, dass so ein guter Wächter im Saal war." Sie lächelte den Wesir der Spinnen zu, und der große Mann lächelte zurück, was bei den etwas zu großen Fangzähnen nur unwesentlich bedrohlich wirkte. "Sind die Orangenscheiben so gut?"

"Oh ja. Diese hier sind zudem auch karamellisiert. Möchtest du probieren?" Ranko hielt ihm die Schale hin.

"Gerne." Er griff hinein, nahm eine Scheibe heraus und kostete. "Herrlich süß. Wir sollten die Küche bitten, noch mehr zu machen. Falls da schon jemand wach ist."

Ranko lachte leise als Zeichen dafür, dass sie zustimmte.

Dies beruhigte das gute Dutzend ANBU aus vier Nationen, das auf das kämpfenden Pärchen aufmerksam geworden war, soweit, dass es sich so leise und vorsichtig zurückzog, wie es hinzugekommen war, ohne dass die beiden Obstfreunde es auch nur bemerkten.

"Gehen wir wieder rein. Aber nicht durch den Saal", schlug Ranko vor.

"Gerne doch, Ranko-tono."
 

Hinter der Tür, die Kageji Kuzokami bewacht hatte, saßen derweil Enka O Enma und Hino Kuzokami beisammen, tranken bereits die dritte großbäuchige Flasche Sake und stießen miteinander an. "Also ist es abgemacht. Wir geben euch Konzessionen bei der Seidelieferung und dafür erhalten wir unseren gerechten Anteil an Mamoru Morikubo."

"Einverstanden. Eure Spinnnenseide ist so erstaunlich. Sie wird für uns Affenkrieger eine große Bereicherung darstellen."

"Und alles, was die Affen dafür tun müssen, ist uns im Kriegsfall beizustehen, die Honiglieferungen zu ermöglichen und Mamoru mit uns zu teilen. Möge er nie erfahren, was wir hier planen." Sie lachte amüsiert und der Affenkönig fiel ein.

"Ich glaube nicht, dass er damit ein Problem hätte. Er ist wie wir Affen", erklärte der König. "Hat er einmal sein Herz vergeben, dann nimmt er es nicht mehr so leicht zurück. Er hat ein Faible für Kuzomi-chan und Kuzoko-tono entwickelt und hätte ohnehin nicht mehr auf sie verzichtet."

Gespielt schlug Hino nach dem König der Affen. "Heißt das, ich hätte gar nicht so viele Zugeständnisse an den Handel machen müssen? Oh, Enma, das war unfair!"

Der Affenkrieger lachte erneut. "Aber schlimm ist es doch auch nicht, dass wir jetzt Handel treiben, oder? Handel ist immer besser als beispielsweise Krieg."

"Das stimmt natürlich", brummte sie. "Aber den Honig kriegen wir trotzdem."

"Ganz wie du wünschst, Hino-Oujo." Enka O Enma und Hino Kuzokami lächelten einander zu und stießen miteinander an. Damit war der Pakt besiegelt.

Zwanzig Meter weiter wurde ein gewisser Mamoru Morikubo von einem Niesanfall aus seinem Schlaf gerissen...
 

3.

Kampf mit Blumen
 

Der nächste Tag zeigte mit Sonnenschein und vorsommerlicher Wärme, begleitet von einem kühlen Wind, der gerade an der Schwelle zwischen kalt und erfrischend lag, seine volle Pracht und machte die schlimmsten Auswirkungen der exzessiven Party der letzten Nacht vergessen. Nun ja, fast. Nicht wenige hatten mit Kopfschmerzen zu kämpfen und einige hatten ihr Mittagessen nicht bei sich behalten können. Wie glücklich waren da doch die Jüngeren dran gewesen, die Genin und die jüngeren Chunin, denen der Konsum von Alkohol verboten war. Zu ihnen gehörte auch der Gastgeber, der mit seinen siebzehn Jahren wohl Bier und Sake trinken durfte, aber keines der stärkeren Branntweingetränke, die gestern auch reichlich geflossen waren. Kurzum, er war nüchtern, aber er wünschte sich, wie Asuma einen Brummschädel zu haben und sich von Yuuhi-sensei pflegen lassen zu können, anstatt hier mitten im Garten sitzen zu müssen - dem wohl gefährlichsten Ort auf der ganzen Welt. Soweit die Theorie, denn der Gastgeber war ich.

Und so hockte ich auf einer Tatami, im üblichen Saiza-Sitz, vor mir ein Set aus fünf Täfelchen, mit den Zahlen eins bis fünf nummeriert. Das machte mich zu einem von fünf Kampfrichtern im anstehenden Wettbewerb, obwohl ich Dutzendfach bedeutert hatte, von Ikebana absolut keine Ahnung zu haben. Yugao Uzuki war Kampfrichterin Nummer zwei; Yugito Nii nahm Platz drei ein, Gaara war der vierte Kampfrichter, und den letzten Platz hatte Ao eingenommen, dem seine Position beinahe noch peinlicher war als mir. Tsunade-sama fungierte als Schiedsrichterin.

Was uns zu den Kontrahenten brachte: Dem Godaime Raikage A-sama und die Godaime Mizukage Mei Terumi-sama. Ihr Kampf: Ikebana. Ihr Ziel: Den anderen in Grund und Boden zu stampfen. Ihre Waffe: Schnittblumen und verschiedene Accessoires, die sie benutzen würden, um das jeweils schönere Gesteck zu produzieren. Normalerweise fand Ikebana nicht als Duell statt. Die hohe Kunst des Blumensteckens war einer Ausstellung vorbehalten, einem würdigen Ambiente, und nicht dem Kampf zweier Egos, die ihre Blumen als Waffe gegen den jeweils anderen verwenden wollten. Dabei ging es durchaus freundschaftlich zwischen beiden Kage zu. Nun, zumindest noch. Und genau das war meine Befürchtung, dieses angeblich friedliche Duell betreffend. Beide waren sie Ausnahme-Shinobis, einer aus einer Million, beide verfügten sie über ihre ganz eigenen Jutsu und beide hatten sie ein Temperament, das es mit meinem Feuer aufnehmen konnte. Und das wollte schon was heißen. Wenn dieses Duell mies lief, wirklich mies lief, dann würden wir statt des Kampfs mit Blumen einen Kampf mit Fähigkeiten erleben, die wir wohl Zeit unserer Leben so und in dieser Intensität nie wieder erleben würden. Das hatte Seltenheitswert. Aber ich hatte zu Recht Bedenken, dass die Chancen groß waren, als Kollateralschaden auf der Strecke zu bleiben. Vor allem, weil Gaara zum Kampfrichter ernannt worden war, und ganz ehrlich, weder A-sama noch Mei-chan konnten wirklich gut mit ihm. Was ich natürlich sehr schade fand, denn wenn man erst mit ihm warm geworden war, gab es kaum einen besseren Freund; leider aber barg dieses Arrangement das Risiko, Raikage und Mizukage erst Recht aufzuregen... Nein, ich sah nicht mit besonders viel Zuversicht in die Zukunft.
 

Wie gesagt, ich verstand so gut wie nichts von Ikebana. Dafür verstand Gaara umso mehr vom Thema, und er hielt mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg.

"Flache Schalen, aha. Moribana-Schule, was? Mit dem Kenzan, dem Schwertigel, kann jeder Idiot Blumen stecken und hoffen, dass etwas künstlerisch Wertvolles dabei herauskommt."

"Moribana?", fragte ich unbedachterweise.

Gaara war nur zu bereit, mich nicht unwissend sterben zu lassen. "Eine Schule, mit der jedermann Ikebana betreiben kann. Die Vase wird unwichtig. Meist nimmt man eine flache Schale, für die man nicht viele Ideen braucht. Gesteckt wird im Kenzan, einem Gebilde, in dem jeder Pflanzenstängel gut Halt finden kann. Zudem wird so arrangiert, dass das Arrangement von allen Seiten beobachtbar ist. Der Standpunkt des Schaffenden geht so vollkommen verloren." Der Kazekage seufzte lang und tief. "Und wenn ich mir die bereitliegenden Materialien ansehe... Nichts gegen Frau Kubo, aber normalerweise bezieht man sich bei seinen Kunstwerken auf die Saison, aber ich sehe nicht eine Sommerblüte. Dabei sollten diese sich nicht so schwer besorgen lassen. Auch die Wahl der Farben des Beiwerks ist so disharmonisch. Ich kann da keine Linie erkennen. Aber ich glaube, wir müssen von diesen beiden Kandidaten ohnehin keine Wunder erwarten."

Ich hätte mir mit der flachen Hand vors Gesicht schlagen können. Klar, für Gaara war das Rache an Mei-chan und A-sama für die frostige Begrüßung von gestern. Und die Rache schlug voll ein, denn in den Augen der beiden sah ich deutlichen Ärger blitzen. Ich hätte trocken geschluckt, wenn ich das gewagt hätte.

"Davon habe ich keine Ahnung", sagte ich leise zu Gaara. "Ich kann kein Ikebana beurteilen. Ich kann nur feststellen, ob es mir gefällt oder nicht."

Der Kazekage zwinkerte mir zu. "Und damit hast du nicht das schlechteste Kriterium gewählt, Mamoru. Mach einfach, wie du denkst."

Ich zweifelte nicht daran, dass Gaara sich an seinen eigenen Rat halten würde.
 

"Beginnt!", rief Tsunade-sama. Augenblicklich griffen beide Kage zu den Zweigen, Blättern und Blüten.

Man sagte ja, ein Ikebana-Meister wusste schon bevor er die erste Blüte verwendete, wie das Gesamtwerk aussehen würde. Danach versuchte er nur noch, das Kunstwerk in seinem Geist in der Wirklichkeit nachzubilden. Zudem griffen A-sama und Mei-chan zu unterschiedlichen Materialen. Das Thema lautete zwar "Beginnender Sommer", aber selbst ich wusste, dass die Interpretationsmöglichkeiten endlos waren. So auch die Bewertungsmöglichkeiten. Und ich wusste,

der Kazekage würde mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg halten. "Ah, A-sama scheint sich für ein chokutai-Arrangement entschieden zu haben. Altrosa Blüten, sattgrüne Blätter, dunkles Holz. Ich verstehe, worauf er hinauswill."

"Chokutai?", wagte ich zu fragen.

"Ein stehendes Gebinde. Alles geht nach oben, ohne Ausnahme, ohne Abweichung. Nicht gerade leicht umzusetzen.

Terumi-sama hat sich für suitai entschieden, ein hängendes Gebinde. Schau nur, die weißen Blüten, die von ihren Stielen herabhängen, das nach unten deutende helle Geäst und die Zweige mit den leichten Bögen. Ich persönlich finde suitai schwieriger, aber es kommt eben immer darauf an, was am Ende dabei herauskommt. Wenn, dann versuche ich shatei zu stecken, geneigt, Mamoru. Es bietet die meisten Varianten, die schönsten Möglichkeiten. Meine Bewunderung dafür, dass beide sich nicht für den am einfachsten zu gehenden Weg entschieden haben. Wenngleich beide unter den Materialien, die ihnen zur Verfügung stehen, nicht das Beste für ihre Vorhaben gewählt haben."

Innerlich duckte ich mich. Gaara war auf einer extrem aggressiven Provokationswelle unterwegs, die er immer wieder mit Zuckerguss entschärfte. Aber wie lange ging das noch gut? Wann würden Kirigakure und Kumogakure Suna den Krieg erklären? Es konnte sich nur noch um Minuten handeln.

"Fertig", verkündete A-sama. Damit musste er noch zwei Minuten waren, bis auch Mei-chan zustimmte, dass sie ihr Werk vollendet hatte.

Vor uns breiteten sich zwei Kunstwerke aus. Das Linke von A-sama bestand aus einer senkrechten Basis aus Blättern in dunklem Grün, die von langstieligen, gerade nach oben schauenden Blumen in Altrosa begleitet wurden. Eine von ihnen erkannte ich als Gerbera wieder. Das klang altbacken und langweilig, aber die dazwischen arrangierten Äste ließen eine Gitterstruktur erahnen, die nur durch sich kreuzende Ästlein enstand. Hatte er das alles wirklich schon geplant gehabt, bevor er den ersten Zweig in der Hand gehabt hatte? Die Zweige wirkten wie ein Korb, nur dass es keiner war. Dennoch begleitete er die Blüten, bis sie sich gen Himmel öffneten.

Das Rechte von Mei-chan ging andere Wege. In der Mitte häuften sich drei, vier Stränge mit den hängenden weißen glockenartigen Blüten. Zwei große, hellgrüne Blätter gingen von da aus der Schale ab und ragten über den Rand hinaus und von da in die Tiefe. Einzelne, helle Grashalme setzten weitere hellgrüne Aspekte, und drei sich handtellergroß spannende Zweige gingen bogenförmig von der Mitte bis über den Rand hinaus und zeigten von dort in die Tiefe, eifrig bemüht, unterstützender Akzent für die strahlendweißen Blüten zu sein und nicht zu sehr zu dominieren. Dabei beachtete ich noch nicht mal das Füllmaterial der flachen Schalen, das ebenfalls mit Bedacht und zum Thema passend von den beiden Kage gewählt worden war. Aber nun gut, ich war ja auch der Total-Amateur.

"Was wollen sie uns damit sagen?", fragte Gaara spöttisch. "Dass es nur genügend Hände braucht, die sich nach oben recken, um den Himmel zu greifen? Oder dass ein paar weiße Blümchen reichen, um die allumfassende Depression der herabhängenden Hölzer und Blätter auszugleichen? Ich kann da keinen beginnenden Sommer sehen."

Worte, die bei Raikage und Mizukage nicht wirklich gut ankamen.

"Die Bewertungen für A-sama!", sagte Tsunade-sama.

Er bekam von jedem volle fünf Punkte. Nur Gaara bot lediglich zwei auf. "Für das mutige Arrangement", wie er verkündete. Selten hatte ich den großen, kräftigen Kumo-Nin so nahe vor einer Explosion gesehen.

"Die Bewertungen für Terumi-sama!", sagte die Schiedsrichterin.

Diesmal bekam sie nur dreimal fünf Punkte. Ausgerechnet Kjun, ihr Gefolgsmann, gab ihr nur vier. Und Gaara ließ sich zu drei Punkten herab. "Weil das Weiß der Blüten zumindest etwas Sommerliches hat."

Damit hätten alle Beteiligten glücklich sein können, denn es stand, wie Tsunade-sama verkündete: "Unentschieden." Außerdem war noch niemand gestorben und beide Kage hockten noch immer auf ihren Plätzen. Wir hätten die Sache hier beenden und nach Hause gehen können, im wahrsten Sinn des Wortes. Aber die Dinge liefen eben nicht immer so, wie sie sollten.
 

"Unzufrieden, Kazekage-sama?", fragte A-sama herausfordernd. "Dir steht es selbstverständlich frei, ein eigenes Gesteck anzurichten, um uns zu belehren, wie man es richtig macht."

Mei-chan nickte dazu bestätigend, ein wütendes Lächeln aufgesetzt. Das versprach in einer Katastrophe zu enden.

"Ich habe bereits mit drei Jahren meine ersten Arrangements gesteckt", verkündete Gaara, "auch wenn es in Suna damals niemanden interessiert hat. Aber ich habe meine Erfahrungen, und so schwer ist die Moribana-Schule nun auch nicht."

Nun, es stimmte natürlich, dass Ikebana früher nur von Männern betrieben worden war, gemäß dem Wahlspruch, dass in einem Krieger auch immer ein Künstler stecken musste, weil sonst alle Taten auf dem Schlachtfeld zur Farce verkamen, denn sich gegenseitig umbringende Hohlbirnen konnte man überall auftreiben. Menschen mit künstlerischer Ader, die mit Bedacht kämpften und mit scharfem Verstand töteten jedoch nicht. Das unterschied einen Krieger von einem Schläger. Später hatten die Kuniochi diese Kunst mehr und mehr für sich beansprucht, sodass Männer wie Frauen sie gleichermaßen betrieben. Es wunderte mich nicht, dass Gaara mit Ikebana Berührungspunkte hatte. Aber langsam wunderte es mich, dass es nie in meiner Ausbildung aufgetaucht war.
 

Gaara bekam eine flache Schale und die gleichen Materialien wie die beiden Kage. Dazu kam der Kenzan, der Schwertigel, der dem Arrangement seinen Halt verlieh. Ohne wirklich hinzusehen griff er nach Pflanzenteilen und schien sie wahllos in den Schwertigel zu stecken und das Füllmaterial zu verteilen. Doch als er innehielt, wirkte alles wie gewollt. Also, entweder hatte Gaara Recht, und mit einem Kenzan konnte jeder etwas arrangieren, was dem einen oder anderen wie Kunst vorkam, oder er war ein wahrer Meister in dieser Kunst. Letztendlich offenbarte sich uns ein shatei, ein Kunstwerk, in dem das Arrangement geneigt aufgestellt war. Es bestand fast nur aus Blüten, weiß, rosa, hellrot, orange, die mit ein wenig Phantasie eine untergehende Sonne darstellte - zumindest war es das, was ich als Laie sah, ohne auf die Steine und die ebenfalls verarbeiteten Zweige einzugehen.

Mit einigem Trotz präsentierte Gaara seine Arbeit. "Nun?"

Die Miene A-samas war versteinert. "Man kann sehen, dass du nicht vollkommen ohne Talent bist, Kazekage-sama."

Mei war ähnlich gnadenlos. "Eine gute Arbeit. Für einen Zehnjährigen."

Die Blicke, welche die drei austauschten, hätten töten können. Zumindest jeden unvorsichtigen Unbeteiligten, der zufällig in einen dieser Blicke hineinlief.

Auf dem Klimax der Spannung, einem atemlosen Moment, in dem wir alle uns anspannten in Erwartung der Eskalation der Situation zwischen gleich drei Kage, klang eine klare, freundliche Frauenstimme auf: "Nachmittagskaffee ist serviert."

Sofort wich alle Spannung aus dem Menschen. Auch Kazekage, Raikage und Mizukage nahmen sich zurück. Mei-chan schaltete als Erste auf offene Freude um. Tee und Kuchen war absolut ihr Ding. "Oh, da freue ich mich. Die Teestunde war gestern so abwechslungsreich."

"Na, da sollten wir uns aber beeilen, damit noch etwas für uns übrig ist", sagte A-sama und erhob sich.

"Ja, das sollten wir", sagte Gaara mit neutraler Miene.

Ich atmete erleichtert aus. Das war noch mal gut gegangen. Ein offener Krieg zwischen drei Kage der großen fünf Reiche war abgewendet worden - von Frau Kubo und ihrer Sachertorte. Ich nahm mir fest vor, der Wirtin aus eigener Tasche ein wirklich fürstliches Trinkgeld zu geben. Immerhin hatte sie auch verhindert, dass Konoha involviert worden wäre. Aber ich ahnte, dass das Verhältnis der drei Kage fortan nicht gerade durch Freundschaft und Verständnis bestimmt werden würde. Na toll, meine Party, Auslöser eines kalten Krieges. Vielleicht sollte ich das nächste Mal weniger Anführer von versteckten Dörfern einladen.

"Wie schade", hörte ich Tsunade-sama sagen. "Hätten sie sich zu einem zweiten Versuch entschlossen, hätten wir phänomenale Kunst erwarten können. Alle drei, wie sie da saßen. Nicht, Mamoru?"

Ich spürte, wie ich beim Gedanken daran, dass ein Ikebana-Wettbewerb einen Krieg zwischen drei großen Reichen einen Krieg hätte auslösen können, bleich wurde. "Ja, was ist uns nur entgangen", murmelte ich. Vielleicht reichte es das nächste Mal auch einfach, Ikebana zu verbieten. Ich würde es ausprobieren.

Der Regenmacher

Prolog: Was ich hier erzählen möchte, spielt etwas nach den Geschehnissen in und um Kumogakure. Etwas, na gut. Es beginnt etwa neuneinhalb Monate danach. Nun ist Zeit in einem Leben etwas Fließendes, sie ist nicht beständig und kann nur in abstrakter Denkweise "beginnen" und "enden". Wir denken in Kategorien wie Wochen, Monaten, Jahren, weil wir uns diesen Aufgaben abstrakt nähern. Weil wir um die Ecke denken. Also bedarf es schon besonders einschneidender Einschnitte in unsere Leben, die alle ihre Bereiche durchdringen, um wenigstens zum Teil so einen "Anfang" oder ein "Ende zu bedeuten. Eine Hochzeit zum Beispiel, im Idealfall die eigene, ist so ein Punkt, der einen gewissen Stellenwert für einen "Beginn" hat. Aber ich gebe zu, das ist eine Menge philosophischer Quatsch, den ich hier niederschreibe. Aber wenn man älter wird, wenn man seine Kinder aufwachsen sieht, wenn man sich entschließt, sich hinzusetzen und einen Teil der eigenen Vergangenheit Revue passieren zu lassen und zwangsläufig an jene Menschen denkt, die man nie wieder sehen kann, egal wie sehr man sie verehrt, gemocht oder gar geliebt hat, dann kommt man nicht umhin, sich Fragen zu stellen. Zu klassifizieren. Zu kategorisieren. Und deshalb ist dieser Zeitpunkt, acht Monate nach der Affenparty, für mich ein Punkt, an dem etwas neu begann. Etwas, was meinem Leben in vielerlei Hinsicht eine neue Richtung gab. Noch mehr als die Aufnahme meines Sohnes Akira in die Familie Morikubo, noch mehr als die Adaption der Moerus in die Naras, noch mehr als meine Genin, Kishio und Shinpa-chan in ein Leben zu integrieren, das ohnehin schon Kopf stand... Nur, um alle Zweifel auszuräumen, es war natürlich mein Leben, das Kopf stand. Aber das war ja mittlerweile der Normalzustand. Und ja, das Ereignis, von dem ich spreche, war... Nun, einschneidend, maßgebend für viele weitere Bereiche meines Lebens und vor allem erinnerungswürdig. Ganz davon abgesehen, dass es zu meinem achtzehnten Geburtstag nur noch zwei schlappe Monate waren, ein Datum, das mein Leben mindestens ebenso auf den Kopf stellte, wie das Ereignis, mit dem ich meine fünfte Erzählung beginnen möchte. Denn damals in Konoha geschah etwas, was ich nicht erwartet hatte. Noch nicht. Ehrlich gesagt geschah es meines Erachtens auch mehrere Jahre zu früh: Tsunade-sama nahm mich ein für allemal in die Mangel.
 

1.

"Morikubo und Team? Sollen reinkommen!"

Tsunade-samas kräftige Stimme gellte bis vor die Tür ihres Büros im Hokage-Tower herüber. Ich konnte ein kurzes Seufzen nicht unterdrücken. Beinahe hätte mir etwas gefehlt, hätte sie nicht gebrüllt. Ich öffnete die Tür, bevor Shizune mir öffnen konnte. An der Spitze meines Teams dreizehn und mit Kishio im Gefolge trat ich ein.

"Tsunade-sama, ich melde Team dreizehn inklusive Unterstützung angetreten", sagte ich mit feierlicher Stimme.

'Wie, Unterstützung? Das denkst du also tatsächlich von mir, großer Bruder?', stichelte Kishio in meinen Gedanken.

Ich warf ihm einen kurzen, mahnenden Seitenblick zu. 'Kishio, ich muss hier ernst bleiben, wenn mir Tsunade-sama nicht die Hölle heiß machen soll.'

'Du hast definitiv zu viel Respekt vor ihr, Niichan', tadelte mich der junge Moeru.

Ich musste mit mir kämpfen, um nicht zu grinsen. Das hätte Tsunade-sama sicher nicht für mich eingenommen. 'Es gehört zum Spiel, Kishio. Sobald du dein eigenes Team in den Einsatz führst, wirst du es verstehen.'

'Eigenes Team? Weißt du etwas, was ich noch nicht weiß?', fragte er überrascht.

'Still jetzt, oder ich werfe dich Tsunade-sama zum Fraß vor.'

"Hört Ihr mir zu?", fragte die Hokage mit mürrischer Miene.

Ich spürte, wie mir leichte Röte in die Wangen schoss. Ich hasste es, wenn sie mich dabei erwischte, wie ich mich mit Shinpa-chan oder Kishio über unsere sensorischen Fähigkeiten unterhielt.

"Tun wir, Tsunade-sama", versicherte ich.

"Tu-tun wir", stotterte Kishio. Hastig fügte er hinzu: "Hokage-sama!" Anscheinend machte es ihm zu schaffen, "erwischt" worden zu sein.

"Gut, dann weiter im Text, Mamoru und Team."

Es war noch nicht so lange her, dass Team dreizehn inklusive "Unterstützung" von einer B-Rang-Mission zurückgekehrt war. Ich hatte es als vorteilhaft erachtet, dabei mit Kishio lautlos kommunizieren zu können, also hatte er mir einen Teil seines Chakras gegeben. Dies baute sich nur langsam ab, und so war es sein Chakra in meinen Kapillaren, das es uns zur Zeit noch ermöglichte, miteinander zu kommunizieren. Zumindest auf kurze Distanzen. Eine sehr faszinierende Technik, die, dank unserer sensorischen Ninjas, die Langstreckenkommunikation Konohas in baldiger Zukunft komplett verändern würde. Ich war mir nicht sicher, ob Kishio tatsächlich wusste, was das für ihn und Shinpachi bedeutete. Oder für ihre Geldbeutel. Allein die Prämie würde das Geld, das wir für den Abschluss der B-Mission erhalten würden, um das zwanzigfache übersteigen.

'I-ich bin an Geld nicht interessiert. Du kannst es haben, Mamo-chan', hörte ich seine verlegenen Gedanken. Stimmt, mit Belohnungen, mit Geld und mit Aufmerksamkeit konnte er noch immer nicht so gut umgehen, obwohl es sich gebessert hatte. Und weil ich das Kind aus der Wildnis in ihm mehr und mehr zugunsten des zivilisierten Kishios zurückgedrängt hatte.

"Mamoru!", blaffte die Hokage.

Automatisch nahm ich Haltung an. "Tsunade-sama, ich höre zu!"

"Kann ich mich drauf verlassen, dass ich ab jetzt eure uneingeschränkte Aufmerksamkeit habe?", fragte die Hokage, und dabei pulsierte eine kräftige Vene auf ihrer Stirn. Kein gutes Zeichen. Definitiv kein gutes Zeichen. Argwöhnisch fokussierte sie Kishio, der unter diesem Blick ein wenig kleiner wurde. Spätestens seit er miterlebt hatte, was eine verärgerte Tsunade mit einem Felsbrock groß wie ein Haus tun konnte, hatte er einen gewissen Respekt vor ihr. Nun, ich gebe zu, man konnte den Schotter im Baugewerbe gebrauchen.

"Nein, Tsunade-sama", beeilte ich mich zu versichern. Sie musste schließlich nicht alles wissen.

"Hm! Mai-chan?"

Mai Kobashi ließ ein leises Schnauben hören. "Natürlich reden sie in Gedanken miteinander. Immerhin hat Sensei vor dem letzten Kampf Kishios Chakra aufgenommen. Und nur weil wir drei keine sensorischen Fähigkeiten haben, dürfen wir nicht mitreden. Es ist so unfair. Ich würde auch mal gerne mit Kish... mit ihnen meine Gedanken teilen!"

"Mamoru?", fragte sie mit einem bösen Begleitblick, der eine jüngere Version von mir in den Staub gezwungen hätte.

"Wir reden nicht im Moment miteinander, Tsunade-sama. Und ich höre ab jetzt aufmerksam zu", versprach ich hastig im Angesicht der zweiten pochenden Ader auf ihrer Stirn.

"So." Die Hokage ließ den Blick über meine Gruppe schweifen. Neben mir bestand sie aus Kishio no Moeru zur Verstärkung, die bereits erwähnte Mai Kobashi als meine Stellvertreterin - zumindest wenn weder Kishio, noch einer der Affenkrieger oder Kuzoko-chan verfügbar waren - Shinji Nanahara und Kira Yamada. Ganz klassisch das Team dreizehn Plus ein Unterstützer. Die Spinnenmädchen und meine und Shinjis beschworene Affenkrieger nicht eingerechnet.

Damit gab sie sich sichtlich zufrieden. Oh, ich wusste, es würde ihr eines Tages gelingen, Kishios und meine stummen Gespräche zu kontrollieren. Und das tat sie sehr effizient.

"Wie ist die Mission gelaufen, Mamoru? Es war immerhin eine B-Rang-Mission."

"Gut, Tsunade-sama. Wirklich gut. Es gab... Verletzungen. Kuzoko muss sich im Reich der Spinnen behandeln lassen, weil ihr ein Schwertstreich beinahe den rechten Arm abgetrennt hat." Für einen Moment schmerzte mein eigener rechter Oberarm, an genau jener Stelle, als mir der Bizeps durchtrennt worden war. Damals im Land des Wassers, als ich die Wahl gehabt hatte, den Schlag abzufangen, oder meinem großen Bruder Omoi in den Rücken fahren zu lassen. Diesmal war es ganz ähnlich gewesen. Kuzoko hatte mir damit das Leben gerettet. "Kira steht auf der Warteliste für eine Nervenregeneration, weil er sei Raiton wieder mal über Gebühr angewendet hat..."

"Aber immerhin schaffe ich es jetzt bei einem von zwei Versuchen!", ereiferte er sich. "Unter Stress, also bei Kampfbedingungen, drücke ich es um zehn Prozent!"

Ich tätschelte ihm die Schulter. "Dennoch solltest du mit deiner Körperbeschleunigung mehr haushalten. Wenn du ständig dein Nervensystem flicken lässt, ist bald nichts mehr übrig, was man flicken kann."

"Ich will ja nur besser werden", murrte er. "Meinen Meistern gerecht werden."

Und das waren ausgerechnet der Raikage und mein alter Feind Jardin Nabara, beide anerkannte Raiton-Meister. Wobei der Raikage eigentlich DER Raiton-Meister war. Ich beglückwünschte mich heute noch mindestens einmal am Tag dafür, das es mir gelungen war, ihn dazu zu erpressen, mit Kira zu trainieren. Es hatte für ihn einen enormen Sprung nach vorne bedeutet.

"Und Kuzomi-chan hat einen Schwertstreich ins Bein abbekommen. Sie wird ebenfalls bei den Spinnen behandelt. Mai-chan und Shinji blieben unverletzt, ebenso Kishio und ich."
 

"Moderate Verletzungen für eine B-Rang-Mission." Sie sah mich nachdenklich an. "Ich habe deinen Bericht bereits gelesen, aber ich würde jetzt gerne eine Zusammenfassung aus deinem Mund hören."

"Jawohl, Tsunade-sama." Wo sollte ich anfangen? Normalerweise fiel mir weder das Schreiben eines Berichts, noch dessen mündliche Rezitierung schwer. Diesmal aber war einfach zuviel passiert, als dass ich es in wenige Worte fassen konnte. Mein Bericht hatte demnach auch Überlänge gehabt. Außerdem erwartete Tsunade-sama mehr von mir als eine schlichte Beschreibung. Sie erwartete auch, von meinen Sinneseindrücken zu hören. Was bei einem sensorischen Ninja viel Sinn machte. "Um es mal zusammenzufassen, wir haben in ein verdammtes Wespennest gestochen. Ich habe das Land der Reißzähne ja ohnehin nicht in liebender Erinnerung, geschweige denn die Ninjas aus Iwagakure, mit denen ich mich schon öfters angelegt habe, aber diesmal war es... Eng."

"Du hast geschrieben, dass dir und deinem Team erlaubt wurde, auf Parole hin das Land der Reißzähne zu verlassen", hakte sie nach.

"Man... Hat sich daran erinnert, dass ich nicht nur einige von ihnen im Kampf getötet, sondern auch einige von ihnen gerettet habe. Damals, im Land der Steine, als ich das Geheimversteck von Orochimaru entdeckt habe." Ich ließ die entscheidende Szene Revue passieren. Eingekreist von dast einhundert Shinobi, ein Teil meines Teams verletzt, ich selbst erschöpft und am Rande meiner Leistungsfähigkeit - und ich hatte ja schon längst, was ich hatte haben wollen - nur noch die Entscheidung treffend, ob ich mich und mein Team an jenem Tag in den sicheren Tod führen, oder das Angebot aus freiem Abzug annehmen sollte, das mir der runzlige alte Knacker gemacht hatte. Nun, die Wahl war mir nicht schwergefallen.

"Du hast also deinen Auftrag abgebrochen, nachdem dich eine Übermacht Iwa-Nin in einem neutralen Drittland zu überwältigen drohte."

"Das fasst es sehr gut zusammen, Tsunade-sama. Auch wenn es Konsequenzen für mich bedeutet, mein Team sinnlos sterben zu lassen, hätte ich nicht zugelassen."

Protestierendes Gemurmel meiner Genin klang auf, unterbrochen von Tsunade-sama, die ihre Rechte so hart auf den Schreibtisch schlug, dass mir der Knall in den Ohren klingelte. "Unsinn! Du hast die richtige Entscheidung getroffen! Wenn wir etwas in Konoha überhaupt nicht mögen, dann sind es sinnlose Verluste aus Eitelkeit oder Dummheit. Alle anderen sinnlosen Verluste ebenfalls. Ich werde ein entsprechendes Dankesschreiben an den Tsuchikage aufsetzen."

"Danke, Tsunade-sama", erwiderte ich.

Sie faltete ihre Hände, die Ellenbögen auf ihrem Schreibtisch, vor dem Gesicht ineinander und sah mich über deren Rand hinweg an. "Hast du eine Vermutung, wie du in eine Operation dieser Größenordnung geraten konntest? Vor allem, solange du Kishio-kun dabei hattest."

"Zuerst einmal möchte ich feststellen, dass die Operation vom Daimyo des Landes der Reißzähne abgesegnet war. Er war es auch, der mich und mein Team aus dem Land weisen ließ, nachdem die Iwa-Nin uns verschont hatten. Ich verstehe nicht, wie ich so einen Rauswurf verdient habe. Immerhin wurde mir, wenn schon keine Zusammenarbeit, so doch Bewegungsfreiheit in seinem Reich zugestanden."

"Hängt es mit deinem Auftrag zusammen?", fragte sie, ein unheilvolles Funkeln in den Augen.

"Es ist zu vermuten, dass einige Aspekte eine Rolle spielen, ja", erwiderte ich. "Bei unserer Suche nach den gemeldeten verstärkten Aktivitäten der Akatsuki-Terrororganisation haben wir tatsächlich eine ihrer Zellen beobachten können. Gemäß meiner Anweisungen habe ich sie nicht direkt konfrontiert, sondern lediglich versucht, ihnen zu einem ihrer Verstecke zu folgen. Dies geschah mit Hilfe von Kishios überlegenen sensorischen Fähigkeiten, außerhalb der Reichweite ihrer Wahrnehmung. Währenddessen gerieten wir in Kontakt mit Iwa-Nin, die uns sofort attackierten. Wir wichen aus und versuchten, den Aktatsuki-Anhängern weiter auf der Spur zu bleiben, was uns für zwei Tage gelang, bevor die Iwa-Nin uns erneut einholten, diesmal mit großer Verstärkung. Und ich meine große Verstärkung. Die darauffolgenden Kämpfe zogen sich bis in den späten Abend und durch die Nacht hindurch hin. Erst gegen Morgen, nachdem wir bereits Verletzungen zu verzeichnen hatten, wurde uns das Angebot gemacht, das Schlachtfeld zu verlassen. Ich habe dabei mit einem ihrer Jounin direkt verhandelt, der mir seinen Namen nicht nennen wollte. Ich erklärte ihm, dass die Iwa-Nin zuerst angegriffen hätte und dass wir uns auf einer Aufklärungsmission befanden, um Spuren der Akatsuki-Terrororganisation aufzunehmen. Aber dieses Argument ließ er nicht zu. Er setzte mir ein Ultimatum und ich stimmte zu, das Land der Reißzähne zu verlassen, um mein Team zu retten. Wir wurden von Iwa-Nin bis zur Landesgrenze begleitet und von den offiziellen Behörden des Landes verwiesen. Natürlich haben wir die Spur der beiden Terroristen verloren."

"Hm. Du hast eine Personenbeschreibung der beiden Akatsuki-Mitglieder abgegeben. Würdest du sie wiederholen?"

"Jawohl, Tsunade-sama. Der Kleinere von ihnen war ein Mann, mittlere Größe, muskulös, etwas höheres Gewicht als gewöhnlich. Ungewöhnliches Chakra. Langes, silbernes Haar, streng nach hinten gekämmt, etwas länger als Schulternlang."

"Ungewöhnliches Chakra?", hakte sie nach.

"Kishio?"

Der Moeru räusperte sich leicht. "Ein recht untypisches Chakra für einen Menschen, Tsunade-sama. Ich weiß nicht, wie ich es zusammenfassen soll, aber es schien so, als hätte er Chakra-Reste von fast einhundert anderen Personen in seinem Chakra-System."

"Von fast einhundert Personen? Ist das sicher?"

Etwas pikiert sah Kishio die Hokage an. "Natürlich bin ich mir sicher, sonst hätte ich es nicht gesagt."

Sie lachte auf. "Ich frage nur aus beruflichen Gründen nach, Kishio-kun, nicht weil ich deinen Fähigkeiten misstraue. Weiter. Der andere?"

Ich nickte. "Fast so groß wie ich, aber mindestens zwanzig Kilo leichter. Er trug einen für Suna typischen Turban und eine Gesichtsmaske. Seine Augen waren ohne Iris und leuchteten hellgrün. Auch er hatte kein alltägliches Chakra. Kishio?"

"Er hatte vier Chakraknoten zuviel. Und auch sein Chakra selbst war ein ziemliches Durcheinander an verschiedenen, nun, Personen."

"Vier Chakraknoten zuviel?", fragte Tsunade-sama verblüfft.

"Vier", bestätigte Kishio nickend. "Sie verteilen sich über Brust und Bauch der Person."

"Das ist bei Shinobi nie ein gutes Zeichen", murmelte sie. "Shizune?"

Die Sekretärin der Hokage nickte und schlug eine Akte auf. "Anhand der Beschreibung von Mamo-chan konnten wir die beiden identifizieren. Von der maskierten Person sind keine Daten vorhanden, die jünger als fünfzig Jahre wären. Aber sein Stirnband weist ihm dem kleineren Ninja-Dorf Takigakure zu, mit dem wir zumindest keine feindlichen Kontakte unterhalten. Eine entsprechende Anfrage nach diesem Nukenin ist gestellt.

Den zweiten konnten wir eindeutig identifizieren. Sein Name ist Hidan und er steht im Bingo-Buch, weil er in seinem Heimatort Yugakure ein Massaker anrichtete, bevor er sich Akatsuki anschloss. Es heißt, dass er noch nie einen Kampf verloren hat. Das beinhaltet mindestens drei Kämpfe mit Jagdteams ANBU diverser großen Ninja-Dörfer. Es gab in keinem Team Überlebende. Es heißt, dies läge an seinen Verbindungen zum Geheimbund der Jashin, die bei allen großen Dörfern auf der Suchliste stehen und zur sofortigen Terminierung freigegeben sind."

Ich pfiff anerkennend. Es war vollkommen unüblich, jemanden zum Tode zu verurteilen, nur weil er hier oder dort Mitglied war. Wenn die Jashin aber auf Sicht zu töten waren, musste das eine besonders üble Bande sein, wenn sich alle fünf großen Städte darüber einig waren.

"Zusammengefasst kann man sagen: Alleine schon wegen Hidan hast du gut daran getan, dein Team aus ihrer Reichweite zu halten, Mamo-chan", sagte Shizune und schloss die Akte wieder.

"Hm", machte Tsunade-sama nachdenklich. "Glaubst du, zwischen der Bewegung der Akatsuki und den Iwa-Nin bestand ein Zusammenhang, Mamoru? Es besteht schon länger ein nicht besonders nettes Gerücht, dass Iwagakures Tsuchikage Akatsuki für Söldnerdienste anwirbt und sie Einsätze für sein Dorf ausführen lässt."

Ich dachte darüber nach. "Wenn ich eines ausschließen kann, dann dass die Iwa-Nin versucht haben, die Terroristen zu beschützen. Ich hatte vielmehr den Eindruck, dass wir aneinander gerieten, weil sie ihnen ebenfalls auf der Spur waren."

"Gab es Tote?", fragte Tsunade-sama unvermittelt."

"Wir haben drei Iwa-Nin getötet und weitere acht zum Teil schwer verletzt, Tsunade-sama." Bei diesen Worten lasteten meine Hände auf Mais und Shinjis Schultern. Beide hatten schon getötet, aber ich wusste, dass es einem Ninja, der ein Mensch bleiben wollte, nie leichter fiel als beim ersten Mal.

"Du missverstehst mich. Hatte Iwagakure Tote darüberhinaus?" Sie sah den Moeru an. "Kishio?"

Verdutzt erwiderte er den Blick. "Du weißt, dass Tote kein Chakra tragen, Tsunade-sama?"

"Deine sensorischen Fähigkeiten gehen weiter", sagte sie. "Hast du mit deinen sensorischen Fähigkeiten etwas sehen können, was einem Trauerzug ähnlich sah?"

"Iie, ich..." Kishio stutzte. "Hai! Jetzt, wo du es sagst... Ich meine, ein Team Iwa-Nin hat, von Nordwesten kommend, einen ihrer Toten evakuiert. Sie sind fast am Rand meiner sensorischen Reichweite vorbei gezogen und ich hatte nicht immer Zeit für einen guten Scan. Du weißt, ich kann entweder die Umgebung erfassen, oder kämpfen."

"Nordwesten war die Richtung, in der die Akatsuki-Mitglieder zu finden waren?", hakte sie nach.

"Hai, Tsunade-sama."

Sie wechselte einen Blick mit Shizune. "Was, wenn Iwagakure mit Akatsuki gebrochen hat? Was, wenn sie einander nun bekämpfen?"

"Äh, Gratulation, Iwagakure?"

"Tsunade-sama", sagte ich und hob meine Rechte.

"Sprich, Mamoru."

"Kurz bevor ich nach meiner Verhandlung mit dem Jounin entlassen wurde, hatte ich Gelegenheit, kurz mit einem Bekannten zu sprechen, den ich aus dem Land der Steine kannte. Ich hatte ihn in Orochimarus Versteck gerettet."

"Hat er dir Staatsgeheimnisse verraten?", fragte Tsunade amüsiert, die wohl vollkommen zu Recht einen Versuch der Desinformation vermutete.

"Nein, Tsunade-sama. Aber ich habe mit meinen eigenen bescheidenen sensorischen Fähigkeiten gespürt, wie angespannt er war. Er entschuldigte sich bei mir und erklärte mir, sie alle wären wegen dem Schutz des Jinchurikis sehr angespannt."

"Wegen dem Schutz des Jinchurikis?" Eine steile Falte bildete sich zwischen ihren beiden Augenbrauen. "Wegen dem Schutz des Jinchurikis? Hat er das so gesagt?"

"Ja. Wegen dem Schutz des Jinchurikis."

"Bist du dir sicher?"

"Absolut, Tsunade-sama. Ich habe vorsichtig nachgehakt und herausgefunden, dass der Träger des Gobi innerhalb der Stadt massiv beschützt wurde."

Wieder wechselte sie einen Blick mit ihrer Assistentin. Als sie wieder zu mir sah, waren ihre Augen zu kleinen Schlitzen zusammengekniffen. "Denkst du, Akatsuki spielt dabei eine Rolle?"

"Es würde zur ganzen Aufregung passen, Tsunade-sama. Und wenn es kein anderer Jinchuriki war, wer sonst sollte die Kraft für so etwas besitzen, wenn nicht die stärksten Nukenin der bekannten Welt? Ich weiß, was das impliziert. Und ich gebe zu, ich habe Angst vor den Dimensionen, die das annehmen kann. Aber es passt alles zusammen."

Erneut sah die Hokage zu ihrer Assistentin herüber. "Wo ist Naruto gerade?"

"Ist kurz nach seiner Rückkehr mit Kakashi, Sakura und dem ANBU-Ne Sai aufgebrochen, um ein mögliches Versteck Orochimarus zu inspizieren, in dem Sasuke Uchiha vermutet wird."

"Schick ihm ein ANBU-Team hinterher. Sie sollen ihn beschützen. Wenn möglich, so unauffällig wie es geht."

"Jawohl, Tsunade-sama."

Diese Nachricht ließ mich erschrecken. Wenn das, was die Hokage und ich vermuteten war wahr, und wenn es um Naruto ging... Aber immerhin waren Kakashi und Sai dabei. Alles in allem war Sai ein sehr verlässlicher Kamerad, wenngleich etwas emotionslos. Verdammte ANBU-Ne.
 

"Hm? Ist was besonderes an diesem Naruto?", fragte Kira. "Irgendwie verstehe ich die Aufregung nicht."

"Das ist einfach erklärt, Kira", sagte ich mit ernster Stimme. "Iwagakure hat nicht einen, sondern zwei Jinchuriki. Es besteht die Möglichkeit, dass einer ihrer Biju-Träger getötet wurde. Und die Chance ist nicht gerade klein, dass es Hidan und sein Begleiter von Akatsuki waren."

"Die haben ein Biju umgelegt?", fragte Shinji mit einem Schaudern in der Stimme. "Gut, dass wir die nur beobachten sollten."

"Ja, genau danach sieht es aus", erwiderte ich, selbst einen Schauder verspürend, der mir über den Rücken ging. Man musste ein ganz schönes Monster sein, um so ein Monster zu besiegen.

"Aber was hat das mit Naruto zu tun?"

Ich sah kurz zur Hokage herüber, die zustimmend nickte.

"Naruto ist der Träger unseres Biji, Kira. Er hat den Neunschwänzigen in sich."

"Was? Kyubi ist in Naruto? Das ist ja cool!", rief der junge Raiton-Nutzer. "Ne, ne, Sensei, du kannst doch gut mit ihm! Stellst du mich ihm vor?"

Erstaunt musterte ich meinen jungen Schüler. Das war nicht ganz die Reaktion, die ich erwartet hatte. Noch vor fünf Jahren war es üblich, Naruto mit Angst, Schrecken, Horror und Dutzenden Toten gleichzusetzen, obwohl der Biju nie aus ihm hatte ausbrechen können.

"Ist mal wieder typisch", murrte Shinji. "Immer drängelst du dich vor. Ich will ihn aber auch kennenlernen! Er soll so coole Sachen können wie sich mit dem Chakra des Kyubi einzuhüllen. Und wenn er mehr als vier Schwänze kriegt, wird es gefährlich. Wie lässig ist das denn? Ne, Sensei, wir treffen ihn doch, oder?"

"Ihr zwei seid Idioten!", fauchte Mai. "Wir reden hier über unseren Jinchuriki! Über jemanden, der direkt unter Tsunade-samas Befehl steht! Das heißt, wir müssen Tsunade-sama fragen, nicht Sensei!"

Nun hätte ich beinahe laut aufgelacht. Hatten meine Genin denn nicht das geringste Vorurteil gegenüber Naruto? Konnte sich Konoha so verdammt schnell verändern? Selbst ich hatte Naruto, als ich gerade zwölf Jahre alt geworden war, aus Angst vor Ärger ignoriert, bevor ich ihn kennengelernt hatte. Diese Generation schien eine völlig andere zu sein.

"Wir haben einen Biju?", fragte Kishio verwundert.

"Hast du gehört, Mamoru? Kishio hat "wir" gesagt", schmunzelte die Hokage.

Ich musste ebenfalls lächeln. Das hatte sehr gut geklungen.
 

"Und, was hast du für ein Gefühl bei der Geschichte, Mamoru?", fragte Tsunade-sama, unvermittelt wieder ernst werdend. "Haben die beiden Akatsuki einen der beiden Jinchurikis Iwagakures getötet?"

"Ja, Tsunade-sama, das glaube ich."

"Das ist nicht gut", murmelte sie. "Wenn sich das als wahr erweist, ist die Balance zwischen allen großen Dörfern ernsthaft in Gefahr."

"Das ist noch nicht alles, Tsunade-sama. Es hat nichts mehr mit der eigentlichen Mission zu tun und steht nicht in meinem Bericht, aber..."

"Sprich."

"Wir haben uns über das Land der Reisfelder zurückgezogen und bei meinem Freund Ryuji Nekozumi unsere Wunden geleckt. Dabei informierte er mich über den derzeitigen Sachverhalt seiner Recherche über mögliche Überlebende des Moeru-Clans. Ich weiß, wir sollten jetzt eigentlich ein paar Wochen Ruhe bekommen, um uns zu regenerieren, aber es gibt tatsächlich eine vage Spur, der ich mit meinem Team nachgehen wollte. Ich schreibe den dazugehörenden Bericht und reiche ihn morgen ein."

"Wohin führt diese Spur?"

"Kuni no Yuki, Tsunade-sama."

"Hmmm. Wie aktuell ist diese Spur?"

"Ungefähr die sieben Jahre seit dem Überfall auf das Dorf der Moeru, Tsunade-sama."

"In Kuni no Yuki gibt es tatsächlich gerade eine Mission zu erledigen, die an Konoha herangetragen wurde. Das könnten wir kombinieren. Aber wenn die Spur so alt ist, sehe ich keinen Grund, euch erschöpft und halb verhungert wieder auszuschicken." Sie klopfte auf ihren Schreibtisch. "Eine Woche Regeneration! Für das gesamte Team dreizehn! Vergesst nicht, wie viele Verletzte Ihr habt, nicht zuletzt bei den Spinnen und den Affen!"

"Eine ganze Woche? Aber...", begann Kishio.

"Wenn da oben Moerus leben, werden sie euch nicht weglaufen, Kishio-kun. Haben sie bis jetzt überlebt, dann werden sie das auch noch ein paar weitere Tage tun. Du hingegen stehst schon wieder so wacklig, als wolltest du gleich zusammenbrechen."

"Tsunade-sama!", protestierte er.

"Eine Woche, und keine Stunde weniger. Dein Hang, dich bis zur totalen Erschöpfung zu verausgaben, ist löblich in einer Kampfsituation, aber nicht, wenn du die Chance auf Regeneration hast!"

"Aber Tsunade-sama..."

"Sei still, Kishio. Sie hat vollkommen Recht. Und eine Woche ist mehr als bescheiden bemessen", sagte ich und klopfte ihm auf die Schulter. "Außerdem, sollten wir nichts finden, brichst du mir nicht so schnell vor Enttäuschung zusammen, wenn du ausgeruht bist."

Der junge Moeru brummte unwillig. Sehr unwillig.

"Kishio...", mahnte ich ihn.

"Wir können uns doch auf dem Weg ausruhen", schlug er vor.

"Gut. Wenn du bereit bist, das Mutter zu erklären, bin ich einverstanden."

Kishio runzelte die Stirn. "Äh... Gutes Argument. Und Shinpachi wird damit sicher auch nicht einverstanden sein." Er seufzte. "Aber muss es wirklich eine Woche sein? Eine ganze?"

"Kishio-kun! Das ist ein Befehl, und er wird nicht diskutiert!", donnerte Tsunade-sama.

"Das wollte ich auch gerade sagen", fügte ich lächelnd hinzu.

"Aber ich..."

"Ach, komm, Kishio! Du bist doch mindestens ebenso müde wie ich!", knurrte Shinji. "Was ist dagegen zu sagen, dass wir uns eine einzige winzige Woche erholen? Ich meine, schau dich an! Sogar Kuzomi-chan könnte dich jetzt gerade umhauen!"

Mai kicherte leise, als sie das hörte. Kira grinste unverholen.

Der Moeru seufzte vom Abgrund seiner Seele. "Na gut. Na gut. Eine Woche mehr oder weniger wird schon kein Problem werden."

'Und es wird auch nicht heimlich alleine aufgebrochen', mahnte ich ihn über unsere sensorische Verbindung.

'Wo denkst du hin, Sensei?', antwortete er. 'Selbstverständlich hätte ich deine Genin mitgenommen!'

Bei diesen Worten fiel mir die Kinnlade herab. Bis ich über unsere Verbindung seine Heiterkeit spürte. Gut, er würde also tatsächlich nicht voreilig aufbrechen. Oder er hatte gelernt, verdammt gut zu lügen.
 

"Also erholen wir uns erstmal eine Woche und bleiben in Konoha", stellte ich laut fest.

"Das musst du auch. Yuria hätte mir sonst reichlich Ärger gemacht, wenn ich dich gleich wieder fortgelassen hätte", sagte Tsunade-sama mit einem feinen Lächeln.

"Eh? Mutter? Wieso?"

Shinji boxte mich in die Seite. "Das könnte vielleicht damit zusammenhängen, dass du in drei Tagen Geburtstag hast, Sensei."

"Ach, richtig. Da war ja was." Verdammt noch mal, ich wurde achtzehn. Achtzehn Jahre. Dabei kam mir die Zeit sehr viel länger vor. Es war mir, als wäre ein Jahrhundert vergangen, seit ich als zwölfjähriger Akademieabgänger unter Hayate-sensei das erste Mal zu einer Mission aufgebrochen war. Himmel, war das wirklich erst sechs Jahre her?

"Ich werde achtzehn. Ich schätze, das sollte ich wohl feiern", murmelte ich. "Ein paar Freunde einladen, und so."

Als ich Tsunade-samas erwartungsvollen Blick sah, musste ich lächeln. "Natürlich bist du eingeladen, Sensei. Das heißt, wenn du kommen möchtest."

"Zu deinem achtzehnten Geburtstag? Mal sehen. Shizune, wie sieht denn mein Terminplan für den vierzehnten Mai aus? Können wir da ein halbes Stündchen für Mamoru reservieren?"

Die Assistentin der Hokage räusperte sich vernehmlich und schlug eine kleine Mappe auf. "Ich denke, in den frühen Abendstunden könnten wir ein wenig Zeit abzwacken, Tsunade-sama."

"Das freut mich zu hören", schmunzelte ich. "Also los, Team dreizehn, ab in den Feierabend. Kira, du kommst bitte heute Abend bei mir Zuhause vorbei."

Der Junge aus dem Hatake-Clan runzelte die Stirn. "Wieso? Liegt was an?"

"Ja. Es geht um Schwerter."

"Verstanden. Ich komme."

"Klärt das bitte draußen", sagte Tsunade-sama. "Hier muss die Arbeit leider weitergehen. Ihr seid entlassen.

Ich verneigte mich leicht vor der Hokage und mein Team tat es mir nach.

Anschließend verließen wir das Büro. Dabei konnte ich aus dem linken Augenwinkel Shizune sehen, wie sie mir vertraulich zuzwinkerte. Von wegen enger Terminplan.

Dann trat ich durch die Tür, hinein in eine erholsame Woche. Hoffentlich.

***

"Bin wieder da", sagte ich gutgelaunt, als ich mit Kishio im Schlepp das betrat, was sich in den letzten Wochen als Haupthaus etabliert hatte.

"Papa ist da!", rief eine laute, mir wohlbekannte Stimme. "Ooooopa, Papa ist da!"

Ich bückte mich, um den kleinen Nachwuchs-Shinobi vom Boden aufzunehmen. "Na, mein Großer? Wie geht es dir? Warst du denn auch immer brav und gehorsam?"

Aufgeregt nickte der Kleine. "Ich hab auf alles gehört, was Oma mir gesagt hat. Und Tante Yurika. Und Onkel Kou. Und Onkel Shinpachi."

"Was denn", lachte ich, "auf deinen Opa hast du nicht gehört?"

"Nö", erwiderte er. "Opa lässt mich ja immer machen, was ich will."

Vater räusperte sich leise. "Willkommen zurück, Jungs. Aki-chan, das erzählen wir aber nicht der Oma oder deiner Mama, verstanden?"

Der kleine Mann setzte eine verschwörerische Miene auf und nickte ernst. "Verstanden, Opa. Kriege ich dann ein Eis?"

"Was denn, was denn, Vater, bestichst du meinen Sohn etwa?"

"Warum nicht? Bei deiner Erziehung hat das wunderbar funktioniert. Und schau dir an, was für ein Prachtkerl du geworden bist. Und dein Sohn, der defacto mein Enkel ist, entwickelt sich auch ganz prächtig. Man sieht ihm den Nara deutlich an." Er runzelte die Stirn. "Maria kommt pünktlich zu deinem Geburtstag und nimmt Akira anschließend wieder zurück nach Tsukigakure. Du bist doch..."

"Unser nächster Auftrag steht fest. Aber wir dürfen uns eine Woche erholen." Ich sah meinen Jungen an. "Hast du schon zu Mittag gegessen, Aki-chan? Wollen wir zusammen was essen?"

Der Kleine schüttelte den Kopf.

"Nein? Wieso das denn nicht?"

"Kishio soll mich füttern!", sagte er bestimmt.

Überrascht sah ich den Rothaarigen an. "Ja, Himmel, warum denn Kishio und nicht dein Papa?"

"Kishio macht aus dem Löffel Brumm-Brumms, und Djijuuuus und Neooooongs und... Und... Und..."

"Wäääängs", half Kishio aus.

"Genau! Wäääängs!" Akira drehte sich auf meinem Arm und streckte Kishio die Hände entgegen.

"Das ich das noch erleben muss. Mein bester Mann entfremdet mir den eigenen Sohn", scherzte ich und reichte den Zweijährigen weiter.

"Das ist wohl nicht das Hauptproblem, Niichan", erwiderte Kishio ebenfalls grinsend. "Sondern, dass wir Aki-chan viel zu oft tragen, anstatt ihn alleine laufen zu lassen.

Und du musst viel laufen, wenn du ein guter Ninja werden willst, Aki-chan."

Verdutzt sah der Kleine den rothaarigen Jungen an, bevor er in seinem Griff zu strampeln begann. "Will runter. Selbst gehen. So wie Papa. Will ein Ninja werden wie Papa."

"Wow. Du kannst gut mit Kindern."

"Ich habe eine jüngere Schwester", erwiderte er lächelnd, nicht ohne etwas Schmerz in den Augen. Seine Schwester war Orochimarus willfährige Helferin und laut Shinpachi entweder ihrer Erinnerungen beraubt, oder skrupellos gegenüber ihrer eigenen Familie geworden. Aber immerhin lebte sie noch. Es bestand Hoffnung.

"Wer ist denn noch Zuhause?", fragte ich, um das Thema zu wechseln.

"Kou ist noch in der Hyuuga-Residenz. Yuria ist bereits zum Restaurant gegangen, um den Abend zu arbeiten. Shinpachi ist mindestens bis sechs Uhr Abends im Institut für Chakra-Forschung beschäftigt und Yurika lässt dir durch mich Tod, Folter und Verderbnis androhen, wenn du es wagst, den Hochzeitstermin deiner eigenen Schwester im Sommer auf einer Mission zu verbringen. Sie ist im Clanhaus und bespricht mit Shikaku ein paar Formalitäten."

Wurde es also ernst zwischen den beiden. Gut. Wenn mir mein Leben lieb war, sollte ich besser da sein, sobald Kou und Schwesterherz heirateten, und wenn die Welt zusammenbrach.
 

Wir gingen in die Küche, wo bereits das Abendbrot wartete. Es musste nur noch aufgewärmt werden. Verdammt, war der Tag lang und hart gewesen. Ich wollte eigentlich nur noch duschen und mich hinlegen. Aber auch wenn mir meine Eltern viel von dem abnahmen, was es bedeutete, Aki-chan bei mir Zuhause zu haben, so war immer noch ich sein Vater. Eine Verantwortung, die ich ebenso wenig ablegen konnte wie jene meiner Genin gegenüber. Oder die gegenüber Kishio und Shinpachi. Vater ging an den Herd und stellte ihn an. "Setzt euch, Jungs, ich mach den Rest. Steht heute noch was an, oder hast du Zeit, nachher mit zu Shikaku rüberzukommen?"

"Onkel Shikaku will mich sehen?", fragte ich argwöhnisch. "Warum das denn?"

"Hast du nun Zeit, oder nicht?"

"Kira kommt nachher noch rum. Ich habe eine kleine Überraschung für ihn. Shinji und Mai sollen sich ausruhen, aber ich zweifle nicht daran, dass sie ihren Kumpel begleiten werden." Kurz ging mein Blick zu Kishio, aber die Erwähnung der beiden hatte ihn zu keinerlei Reaktion verleitet. Hm...

"Was gibt es denn Schönes?"

"Reispfanne für die Großen. Und für Aki-chan Kartoffeln, Frühlingsgemüse und ein Stück Fischfilet ohne Gräten."

"Na, das klingt doch gut", sagte ich zufrieden, setzte mich an den Tisch und freute mich auf das gute Essen meiner Mutter. Das war ein wichtiger Grund, um nach Hause zu kommen, fand ich.

'Familie', sagte Kishio über unsere Verbindung. 'Ich würde es mittlerweile wirklich vermissen.'

'Familie ist das Wichtigste für einen Shinobi', erwiderte ich auf die gleiche Weise. 'Unser Job wird irgendwann einmal tödlich enden. Und das halten wir nur aus, weil wir hier unseren Rückhalt haben.'

Argwöhnisch musterte Vater uns. "Ihr sprecht doch nicht etwa schon wieder über eure Chakra-Verbindung miteinander und schließt mich aus? Ihr wisst, Yuria hat euch das im Haus verboten. Vor allem dir und Shinpa-chan, Kishio-kun."

Beteuernd hob der Moeru die Hände. "Habe ich nicht vergessen, Toochan."

"Aber du hältst dich nicht dran, was?"

Wir mussten lachen, alle drei. Wir waren eben eine Familie.

"Ist was?", fragte Aki-chan neugierig.

Ich wuschelte durch seine schwarzen Haare. "Es ist alles in Ordnung, Aki-chan. Alles so, wie es sein soll." Bis zum nächsten Auftrag zumindest.

***

Gegen sechs kam Kira vorbei. Shinpachi war nur unwesentlich früher da und erzählte gerade von seinem neuen Forschungsfeld, der Gedankenübertragung mittels Moeru-Techniken, sensorischer Ninjas und Technologie, die bereits jetzt Kommunikationen über mehr als fünf Kilometern erlaubte, als es an der Tür klopfte.

Ich entschuldigte mich am Tisch und öffnete.

"Kira."

Der blonde Ninja griente mich an. "Bestellt und nicht abgeholt, Sensei."

Er war im letzten Jahr größer geworden. Und er trug sein Haar raspelkurz, weil Kuzomi-chan es liebte, mit ihren Händen über seine Stoppel zu fahren. Im Einsatz trug er meist das Stirnband wie eine Mütze, deshalb sah man es nicht so oft. Hier aber lief er oben ohne herum, quasi.

Ich musterte seine Begleiter. "Kuzomi-chan?"

Das Spinnenmädchen stützte sich auf eine Krücke. Aber ich bezweifelte, dass Kira sie hatte bis hierher laufen lassen.

"Ich wurde gerade erst beschworen, Sensei. Die Heilung am Bein verläuft sehr gut, auch in beschleunigter Variante. Es wird auch keine Narbe oder Leistungseinbuße zurückbleiben. Aber eine Woche dauert es noch, bevor ich wieder trainieren darf. Das macht doch nichts, oder?"

Ich schüttelte den Kopf. "Nein, das macht nichts. Wie geht es deiner großen Schwester?"

"Besser, aber immer noch nicht so gut. Sie ist mindestens vier Wochen vom Training ausgeschlossen, aber sie hat auch Glück. Keine Narbe. Höchstwahrscheinlich. Falls du jemanden aus dem Clan der Kuzokami beschwören musst, sollst du Vater wählen, hat Mutter gesagt."

Ich nickte ihr anerkennend zu. "Eine große Ehre. Aber wir werden ohnehin erstmal eine Woche hierbleiben."

"Dann feiern wir deinen Geburtstag, Sensei?", rief sie erfreut. "Dafür musst du Kuzoko-chan beschwören. Sie besteht darauf."

Ich lachte leise. "Abgemacht. Und Ihr zwei, was tut Ihr hier?"

Shinji griente ebenso breit wie Kira. Er war nicht so sehr gewachsen wie Kira, aber er hatte große Teile seines Fettpanzers verloren. Er wirkte zunehmend agiler. Und wenn ich an seinen Vater dachte, würde er ein ziemlich breitschultriger Riese werden. "Ich kam zufällig bei Kira vorbei, als er aufbrach. Da dachte ich mir, gehe ich doch einfach mal mit."

"Und ich", sagte Mai hastig, "wollte zu Yurika-chan. Sie hat mir versprochen, dass sie mir genauso gut kochen beibringt wie Karin."

"Yurika ist noch nicht wieder da", sagte ich stirnrunzelnd. "Aber du kannst auf sie warten. Kommt rein. Ihr wisst ja, wo es langgeht."
 

Ich ließ die vier passieren und schloss die Eingangstür. Es war schon komisch, sich unterschwellig selbst zu fragen, warum es nur vier waren. Ich vermisste die Affen und ich vermisste Kuzoko schmerzlich.

"Wohnzimmer oder Küche?", rief Kira durch den Flur.

"Küche!", erwiderte ich.

Ich folgte ihnen und setzte mich auf meinen Stammplatz. Vater servierte derweil jedem Tee. "Karin und Hanako kommen übrigens morgen wieder von ihren Missionen zurück", sagte er, während er mich passierte.

Das ließ mich die Stirn runzeln. "Hast du Hana-chan immer noch nicht aufgegeben?" Kenshiro Morikubo war stets der lauteste Vertreter der Hanako-Fraktion gewesen. Und er hatte es damals nicht sehr gut aufgenommen, als er davon erfahren hatte, dass sie und Ryu ein Paar waren. Worte wie "zu jung für ihn", "nur eine Phase", "sie wird sich schon besinnen" und "wird schon noch merken, was sie verpasst", hatten damals zu seinem täglichen Repertoire gehört. Man hätte fast vermuten können, er wäre mehr an Hanako als am Glück seines eigenen Sohnes interessiert gewesen.

"Das ist nur eine Phase. Dieser Ryu ist doch nur ein Windhund, der dir nicht das Wasser reichen kann."

"Dieser Windhund ist zufällig mein bester Freund, Vater", sagte ich ärgerlich. "Und ich habe keinerlei Verfügungsrechte über Hana-chans Herz."

"Ja, weil du zu langsam warst. Hättest du vor zwei Jahren alles unter Dach und Fach gebracht, dann wärt Ihr jetzt schon verlobt."

"Aber ich habe mich doch bereits für Mai-chan entschieden, Vater", sagte ich laut und umarmte das Mädchen von hinten. "Du wirst doch nicht zwischen mir und meiner großen Liebe stehen?"

Mai spielte natürlich mit und grinste mit mir um die Wette.

Vater griff sich theatralisch ans Herz. "Müsst Ihr mich gleich terrorisieren? Außerdem glaubt dir das doch keiner. Mai-chan ist doch offensichtlich in..."

"In der Lage, eigene Entscheidungen zu treffen!", sagte sie hastig. "Und jetzt entscheide ich, dass Sensei damit rausrückt, was er von Kira-chan will."

Ich unterdrückte ein amüsiertes Prusten. Das war gut gerettet, Mai, gut gerettet. "Entschuldigt mich einen Moment."

Ich verließ die Küche, ging in mein Zimmer, das nun direkt neben dem von Aki-chan lag. Zumindest war es seins, wenn er mich besuchen kam. Seins und das seiner Mutter. Ursprünglich hatte Kishio hier gewohnt, bis wir ein Arrangement getroffen hatten, das ihm und Shinpachi mit Konohas finanzieller Hilfe ermöglicht hatte, das andere Nachbarhaus aufzukaufen und ebenfalls die Wand zu uns durchzubrechen. Ursprünglich war es eine sehr kleine Wohnung gewesen, zu klein für zwei. Aber da die beiden unsere Küche und unser Wohnzimmer nutzten, war es nun recht großzügig für die beiden.

Ich trat an meine Kampfausrüstung heran. Nun, zumindest an jene Teile, die ich im Moment nicht bei mir trug. Ich nahm mein Schwert von seinem Bügelständer und zog es hervor. Die mattierte Klinge war noch immer rasiermesserscharf. Was sehr ironisch war, denn noch immer musste ich mich nicht rasieren. Und das in meinem Alter. Verdammt. Mit einem wütenden Schnappen rastete es wieder ein, als ich es ins Futteral zurückstieß. Diese Klinge bot mir einige schlechte, aber auch sehr viele gute Erinnerungen. Ich hatte mit ihr viele Kämpfe durchgestanden und sie hatte mir fast so oft das Leben gerettet wie meine Kameraden.

Mit der Waffe in der Linken kam ich wieder in die Küche zurück. "Kira, du bist gewachsen. Wie viel?"

"Acht Zentimeter, Sensei." Er grinste. "Das war ein ganz schöner Schuss."

"Acht Zentimeter gleich? Komm mal her."

Der Junge stand auf und trat neben mich. Ich reichte ihm mein Schwert. "Hier, probier das mal aus. Es ist länger als ein Wakizashi, aber kürzer als ein Katana."

Gehorsam nahm er das Schwert in die Hand, zog es und hob die Klinge an.

"Wenn du ein Loch in die Decke schlägst, verpetze ich dich bei meiner Mutter", scherzte ich.

"Ich passe schon auf, Sensei." Mehrere Male schwang er es durch.

Ich nickte zufrieden. "Wie ich es mir dachte. Es ist lang genug für dich. Du kannst es haben, wenn du möchtest, Kira. Das heißt, falls es dir nichts ausmacht, dass ich es von Maria bekommen habe."

Dem Jungen sackte die Kinnlade herab. Entsetzt sah er mich an. "Sensei... Du schenkst mir dein Schwert? Deins? Dieses hier?" Er blickte auf die Klinge. "D-das kann ich nicht annehmen. Das kann ich unmöglich annehmen!"

"Aber das Wakizashi ist jetzt zu kurz, um dir als Schild zu dienen. Das weißt du so gut wie ich."

"Ja, schon, aber dies hier ist dein Schwert, Mamo-chan! Deines!"

"Und ich möchte, dass mein Schüler es fortan führt, wenn er an meiner Seite kämpft", sagte ich in besänftigendem Ton. "Es wäre mir eine Ehre, wenn du es nehmen würdest."

"A-aber.... Aberaberaberaberaberaber..."

Mai schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. "Nun nimm schon dieses dämliche Schwert an, Kira! Ist ja nicht so, als wenn du es dir nicht verdient hättest!" Sie klopfte sich gegen den Stirnschutz Konohas, den sie als Halsband trug. "Ist ja auch nicht das erste Mal, dass Sensei uns etwas Persönliches von ihm schenkt, oder?"

Kira sah gehetzt zwischen Mai und mir hin und her. Schließlich wandte er sich Kishio zu. "Was sagst du?"

"Dass du ein Loch in die Decke gemacht hast und besser mit üben anfangen solltest, damit du nicht noch mehr Schaden mit der längeren Klinge anrichtest", spottete er.

Von dort sah Kira zu Shinji herüber. "Was sagst du, Alter?"

"Mensch, Dicker, das ist Mamo-chans Klinge! Seine Waffe! Du wärst ein absoluter Vollidiot, wenn du sie ablehnen würdest! Damit hat er Kabuto gejagt! Wäre ich ein Schwertkämpfer, würde ich dich jetzt zu einem Duell um sie herausfordern!" Shinji schnaubte frustriert, als er seine Rede beendet hatte.

Kira begann leise zu lachen. Er steckte die Klinge wieder fort und sah mich an. "Danke, Sensei. Ich werde sie gut pflegen und in Ehren halten."

"Davon gehe ich aus." Ich setzte mich wieder und gebot Kira, ebenfalls Platz zu nehmen. "Da gibt es noch ein Thema, das ich gerne besprechen möchte. Ich denke, das wird euch allen gut gefallen. Na, Mai und Kuzomi wohl nicht so sehr. Ich habe vor, das Higatsuku no Kara zu verbessern. Und dazu brauche ich eure Hilfe, Shinji, Kira, Shinpa-chan und Kishio."

Die vier jungen Männer raunten je nach Temperament in unterschiedlicher Lautstärke auf und nickten mir zu.

"Mo-moment mal, Sensei! Warum können Mai-chan und ich dir dabei nicht helfen?", protestierte da Spinnenmädchen.

"Erstens, weil du verletzt bist, Kuzomi-chan. Und zweitens, weil ich mich für das, was ich plane, komplett ausziehen möchte."

"Ko-komplett ausziehen?", stotterte Kuzomi. "He-heißt das, du wirst na-nackt sein?"

"Ja, Kuzomi-chan. Du verstehst also, dass ich dich und Mai-chan unmöglich dabei haben kann."

"Hm? Das verstehe ich nicht, Sensei", sagte Mai trocken. "Meinst du, man hat uns in der Schule nicht beigebracht, wie Männer nackt aussehen?"

"Das ist doch hier gar nicht die Frage! Warum willst du dich ausziehen, Sensei?", rief Kuzomi erschrocken.

"Mai, mir ist klar, dass du schon Bilder gesehen hast. Aber ich bin ein altmodischer Sensei und möchte vor meinen Kunoichi noch ein paar Geheimnisse haben.

Und Kuzomi-chan, ich möchte nackt trainieren, weil ich mein Spinnenseidenhemd nicht verbrennen will. Tatsächlich könnte ich im Ernstfall gezwungen sein, das verbesserte Higatsuku no Kara einzusetzen. Dann ist es egal, ob ich mir die Kleidung vom Körper brenne oder mich ausziehen kann. Ich werde in jedem Fall nackt sein."

"Da haben wir es doch! Wenn du da ohnehin nackt sein wirst, Sensei, dann...", begann Mai.

"Himmel auch, Mai-chan, warum willst du Niichan unbedingt nackt sehen?", rief Kishio.

"Es geht mir nicht darum ihn nackt zu sehen", erwiderte sie mürrisch. "Es geht mir darum, dass Ihr mich und Kuzomi-chan ausschließt, weil wir Mädchen sind."

Das brachte die Diskussion in etwa auf den Punkt. Und ich hatte nicht vor, Hino oder Kageji oder beiden zu erklären, warum ich vor den Augen ihrer Tochter nackt in Flammen gestanden hatte. Oder Shouta und Hitomi.

"Also, ich sehe das genauso", sagte Shinji. "Was ist schon dabei, dass Sensei nackt ist, wenn er sein Jutsu trainiert? Und was ist schon dabei, wenn die Mädchen dabei sind? Ich meine, wir leben in einer offenen, progressiven Gesellschaft, und die Natürlichkeit des menschlichen Körpers sollte hier normal sein. Nacktheit ist nichts Unanständiges und nichts Krankes. Sie wird halt nur stigmatisiert. Und es stellt keinesfalls eine Provokation dar, nackt zu sein."

"Das hast du schön gesagt, kleiner Bruder", sagte Mai zufrieden.

"Und genau deshalb sage ich, lasst uns alle nackt sein. Nicht, Mai-chan, du hast da doch kein Problem mit, oder? Es ist nicht unanständig, nicht krank und auch keine Provokation."

"A-also, wenn Kira-sama sich auszieht, habe ich damit auch kein...", begann Kuzomi.

"Ich denke", sagte Mai schnell und hielt dem Spinnenmädchen den Mund zu, "wir sollten es in diesem einen Fall einfach als persönlichen Wunsch unseres Senseis sehen und nicht länger versuchen, ihm unseren Willen aufzudrängen. Wenn er eine Jungs-Runde Training einlegen will, dann lassen wir ihn doch einfach. Ahahaha. Hahahahaha."

Shinji verkniff sich ein lautes Auflachen. Punkt für ihn.

"Natürlich können wir alle dabei nackt sein, Jungs", stichelte ich. "Es ist tatsächlich die ursprünglichste Bekleidung, die uns Menschen mitgegeben wurde."

"Äh...", machte Shinji. "Meinst du das wirklich, Mamo-chan?"

"Andererseits werde ich es schön warm haben mit meinem Katon-Jutsu, Ihr aber nicht. Und in diesem Frühjahr ist es sehr kühl... Außerdem müsst Ihr für unsere Mission gesund bleiben. Also denke ich, Ihr solltet eure Kleidung anbehalten."

"Jetzt macht Sensei einen Rückzieher", murmelte Kira. "Wie war das mit progressiv und so?"

Ich lachte leise. "Nun lasst mir doch meinen Spaß. Ich wäre aber schon gespannt gewesen, was Asuma dazu gesagt hätte. Ich habe ihn bequatscht, damit er mich beratend unterstützt."

"Asuma ist eine gute Wahl. Feuer und Luft. Tolle Kombination. So wie deine, Sensei", sagte Shinji und nickte dazu gewichtig.

"Ja, das war auch mein Gedanke. Ich..." Kurz stockte ich, als ich zu Mai herüber sah. Seit Shinji sie gefoppt hatte, hatte sie beide Arme unter ihrer Brust verschränkt. Nun, von einem Busen konnte man noch nicht wirklich reden, aber es war unüberschaubar, dass sie zugelegt hatte. Dass sie weiblicher wurde. Und dass ihr der Gedanke, tatsächlich nackt mit den anderen in der Weltgeschichte herumzustehen, nicht wirklich gefallen hatte. "Mai-chan", sagte ich gedehnt, "kannst du mir einen Gefallen tun und raus zu Restaurant meiner Familie gehen? Dort liegt etwas bereit, was du für mich holen sollst.

Kishio, geh doch bitte mit und hilf ihr tragen."

"Na klar, Sensei. Was ist es denn?"

"Du wirst es schon sehen, Mai-chan."

"Ist es so schwer, dass ich ihr tatsächlich helfen muss?", fragte Kishio.

"Ist es eine Belastung für dich, sie zu unterstützen? Dann bin ich sicher, dass Shinji deinen Platz gerne..."

"Nein, nein", erwiderte der Moeru hastig. "Kein Problem. Alles kein Problem. Gehen wir, Mai."

"Ist gut, Kicchan."

"Junge, Junge", murmelte Shinpachi, nachdem die beiden das Haus verlassen hatte, "war das eine so gute Idee, Mamo-chan?"

"Wir werden sehen, Shinpa-chan. Wir werden sehen." Ich musste schmunzeln. "Kira, wie wäre es mit einer Übung mit deinem neuen Schwert im Hinterhof?"

"Au ja, da bin ich dabei!"

Ich schmunzelte. Egal, wie sehr sich die Welt drehte und veränderte, irgendwas bildete doch immer eine solide Konstante. Zumindest für ein paar Jahre.

***

Der Regenmacher 2

Der Weg durchs abendliche Konoha war sehr belebt. Die Straßen wimmelten von Shinobi und Passanten, die ihren Geschäften oder ihren Vergnügungen nachgingen. Beinahe konnte man sich nicht vorstellen, dass Tsunade-sama einen Angriff auf die Stadt und das Reich des Feuers erwartete, ausgeführt von den Nukenin der Geheimorganisation Akatsuki, die sie im Land der Reißzähne unter größten Vorsichtsmaßnahmen observiert hatten. Und sie hätten sie bis zu ihrem Versteck verfolgt, wenn ihnen die Iwa-Nin nicht ins Gehege gekommen wären. Da war sich Kishio sicher.

"Hm", machte Mai, während sie mit auf dem Rücken verschränkten Händen neben ihm her ging.

"Was?" Verwirrt sah Kishio auf. "Hast du was gesagt? Entschuldige, ich war in Gedanken."

"Nein, ich habe nichts gesagt", antwortete sie. "Aber ich wüsste wirklich zu gerne, was du jetzt gerade denkst."

Der rothaarige Ninja lächelte milde. "Unsere letzte Mission. Ich glaube, ich werde mir jetzt erst bewusst, in welcher Gefahr wir geschwebt haben. Und ausgerechnet ich hatte die beiden ständig im Fokus meiner sensorischen Fähigkeiten." Er verstummte, blieb stehen und starrte zu Boden. Zumindest bis sich Mais Gesicht zwischen seine Augen und die Straße schob. "Schon wieder am Grübeln?"

Er schreckte auf. "Uh? Ich reflektiere nur. Niichan hat sie ebenfalls gesehen, durch meine Fähigkeiten verstärkt. Ich weiß, er ist sauer, weil er nicht mit den beiden Akatsukis mithalten kann. Wir wissen beide, dass sie uns und die meisten Affenkrieger in die Tasche gesteckt hätten, vielleicht mit Ausnahme des Königs und Dr. Tofu. Mit Team dreizehn hätten sie leichtes Spiel gehabt, denke ich. Besonders der Typ mit den vier Chakra-Zentren zuviel war... Gespenstisch anzuschauen auf der Chakra-Ebene." Kishios Hände krampften für einen Moment. "Es ist nicht mal die Stärke ihres Chakras. Die war beachtlich, keine Frage, aber ich oder Sensei hätten das auch aufbieten können... Es ist mehr die Art des Chakras, die vielen verschiedenen Chakren, die in beiden zirkulierten. Ich weiß, Mediziner praktizieren das ständig, aber diese beiden, sie... Ich habe so etwas noch nie gesehen. Und glaube mir, ich bin aus dem Wundern nicht mehr raus gekommen, seit ich Konoha betreten habe, dessu ne?"

"Die Mission ist vorbei", sagte Mai achselzuckend und ging weiter. Kishio folgte ihr.

"Aber wir könnten wieder auf sie treffen. Und wenn Tsunade-sama Recht behält, werden wir das auch", wandte Kishio ein.

"Also tun wir gut daran, noch härter zu trainieren und noch besser zu werden. Besonders du und Sensei. Oder wer, denkst du, könnte auch nur eines dieser Ungetüme erledigen? Shikamaru vielleicht?" Mai kicherte. "Wohl eher nicht. Da werden wir wohl selbst ran müssen. Wenn keine ANBU zur Verfügung stehen."

"Oder die Voll-Jounin Konohas. Asuma-san würde es wahrscheinlich schaffen. Er ist unter den Top fünf-Shinobi Konohas."

"Platzier ihn mal lieber unter die ersten drei", sagte Mai.
 

Sie blieb abrupt stehen und beinahe wäre Kishio in das Mädchen hineingerannt. "Themawechsel, Kicchan. Ich habe über deine Tätowierungen nachgedacht."

"Du meinst mein Clanzeichen?" Kishio lächelte und lüftete sein permanentes Jutsu für einen Moment, damit die geschwungenen Linien in seinem Gesicht erschienen. Er verdeckte sie aber schnell wieder, denn es war eine alte Gewohnheit für ihn. Auch wenn er es in Konoha nicht mehr tun brauchte, war da immer noch dieses Gefühl, nicht identifiziert und nicht gefunden werden zu dürfen. Oder es zumindest den Kopfgeldjägern nicht zu einfach zu machen.

"Genau die meine ich. Du hast neue bekommen, am Kinn. Warum?"

Der junge Shinobi lächelte noch immer. "Weißt du, die habe ich mir verdient, als..." Er verstummte für einen Augenblick. Dann aber atmete er tief durch und sah das Mädchen an. "Ich habe mir jedes einzelne Zeichen damit verdient, dass ich eine Prüfung abgeschlossen habe. Die Tätowierungen sind meine Auszeichnungen, meine Abzeichen, damit jeder sehen kann, der sich mit Moeru-Tattoos auskennt, auf welchen Ausbildungsstand ich bin und welchen Stand ich im Clan habe. Als ich... Der Vernichtung des Dorfes entging, war ich auf einer weiteren Prüfung. Ich habe sie bestanden, mit Bravour, kedo, niemand war mehr da, der es bestätigen konnte. Mein Großvater nicht, meine Schwester nicht, Shinpachi nicht, niemand aus unserem Clan. Aber heute ist es anders. Shinpachi ist wieder zu mir zurückgekehrt. Der Clan ist wieder da. Klein zwar, aber immerhin ein Clan. Ich... Habe sehr lange mit mir gehadert, aber schließlich habe ich Sensei darum gebeten, dass ich mir die Tätowierungen für die damals bestandene Prüfung machen lassen kann. Ich bin sicher, Großvater hätte es auch gewollt. Aber die am Kinn stehen für eine neue Prüfung, die ich mit Shinpachis Hilfe abgelegt habe. Auch dafür habe ich Niichan um Erlaubnis gebeten. Es ist... eine gefährliche Prüfung." Und es erklärte, warum es einige Zeit im Hause Morikubo und im Nara-Clan so viel Wild zu essen gegeben hatte...

"Aha", meinte Mai. "Muss die Frau, die dich mal heiratet, auch tätowiert werden?"

"Gibt es einen besonderen Grund dafür, dass du fragst?", fragte Kishio erstaunt.

Mai zuckte erneut die Achseln. "Ich habe Angst vor Nadeln. Deshalb frage ich."

"Wieso?", neckte Kishio das Mädchen. "Planst du, mich zu heiraten?"

"Das hättest du wohl gerne", erwiderte sie spitz.

Kishio setzte zu einer Erwiderung an, stutzte aber. "Moment mal, du hast Angst vor Nadeln? Hai? Ausgerechnet du? Ich meine, ich weiß, was sich unter deinem Henge verbirgt, und..."

"Ach, das, meinst du?" Sie lüftete das Jutsu und entblößte den linken Unterarm und die unzähligen, zueinander angeordneten Schnitte, präzise und sortiert. "Das kann man nicht vergleichen. Ich habe nur Angst vor Nadeln, nicht vor Klingen. Außerdem..." Diesmal stockte sie und sah Kishio in die Augen. Ein Seufzer bewies, dass sie sich entschieden hatte. "Wenn ich mich geritzt habe, dann habe ich ohnehin nichts gespürt. Im Gegenteil, jeder Funke Schmerz war willkommen, um mir zu beweisen, dass ich noch lebe. Oder der Schmerz war meine Strafe, für jedwelchen Fehler, den ich begangen hatte. Es war gewollt. Ich mache das schon lange nicht mehr, aber die Narben sind gut so, wie sie sind. Sie erinnern mich daran, dass man Dummheiten begehen kann und dass man diese Dummheiten wiederholen kann, bis man ausbricht." Sie hielt den Arm hoch, damit Kishio ihn genau sehen konnte. "Außerdem ging mir der Platz aus. Und bevor ich auf Senseis Vorschlag zurückgreife und mich auch noch q uer ritze, damit wir Go auf dem Arm spielen können, habe ich darüber nachgedacht, mich zu entscheiden, was ich in Zukunft tue. Weiterhin selbst kasteien, selbst bestrafen, selbst verstümmeln, oder voran schreiten. Mit Sensei kann ich voran schreiten. Mit Kira, mit Shinji... Und mit dir, Kicchan."

"Dein Lob ehrt mich", sagte Kishio in einer Mischung aus Anerkennung und Betroffenheit. "Aber bist du sicher, dass du nicht auf dem anderen Arm anfangen wirst?"

"Nein, sicher bin ich mir nicht. Sich zu ritzen ist eine Sucht wie jede andere auch. Du brauchst das Glück, das dabei entsteht, brauchst das Gefühl, etwas zu tun. Etwas zu kontrollieren, zumindest bis du merkst, es kontrolliert stattdessen dich. Jedenfalls habe ich nur Angst vor Nadeln, nicht vor Kunais."

Kishio zog die Stirn kraus. "Nein, du würdest nicht tätowiert werden, wenn wir tatsächlich heiraten würden, weil du keine Moeru bist. Aber unsere Kinder würden tätowiert werden, jedes Mal, wenn sie eine Prüfung bestanden haben."

"Wow, gleich mehrere Kinder? Du planst weit voraus", neckte sie ihn.

"Keine Sorge, das war rein hypothetisch. Womit würdest du auch Babies füttern wollen?"

Erschrocken verschränkte sie beide Arme vor ihrer Brust. "Kishio!", beschwerte sie sich lautstark, und als er über sie lachte, schlug sie gespielt nach ihm. "So etwas sagt man einer Dame aber nicht."

"Es ist ja schon mehr geworden, nicht wahr?", neckte er sie erneut. "Vielleicht reicht es ja irgendwann mal für ein Baby."

Erneut verschränkte sie die Arme vor der Brust, nur errötete sie diesmal. "Ein Baby stillen hat nichts damit zu tun, wie groß die Brust ist, nur dass du es weißt, Kicchan! Außerdem ist das ja wohl nicht das Hauptkriterium, um ein Kind zu bekommen. Oder mehrere, wie du es vorhast."

"Ja, wie ich es vorhabe...", murmelte Kishio, noch immer grinsend, aber nachdenklicher werdend. "Weißt du, Mai-chan, ich werde wohl tatsächlich eine Menge Kinder in die Welt setzen müssen. Es geht gar nicht anders. Nicht, wenn die Moerus in dieser Welt überhaupt eine Überlebenschance erhalten sollen. Ohne den Clan sind die Moerus verloren, für immer verloren. So wie viele andere Kekkai Genkai-Träger, die einfach verschwunden sind."
 

Er setzte sich wieder in Bewegung und sie folgte ihm. "Aber du hast doch jetzt Verbündete, bist Teil der Nara. Und Sensei passt auf dich auf. Klar kannst du eine Menge Kinder zeugen und so. Aber du musst ja nicht sofort damit anfangen. Soll doch Shinpa-chan erst mal seinen Beitrag leisten."

"Ja, schon, mit beidem hast du Recht, Mai-chan, aber ich habe nicht nur eine Verpflichtung dem Clan gegenüber, sondern bin auch eine Verpflichtung den Nara und Konoha gegenüber eingegangen. Ich schulde es ihnen, die Moeru wieder auferstehen zu lassen. Alleine schon, weil Konoha mich aufgenommen hat. Nie hätte ich gedacht, in einem der fünf großen Dörfer aufgenommen zu werden. Nicht nach alldem, was ich da draußen erlebt habe, als sie mich wegen Orochimarus Kopfgeld gejagt haben."

"Ach", meinte Mai, "Konoha ist eben für die eine oder andere Überraschung gut. Und egal was du tust - an den Neunschwänzigen kommst du nicht so leicht ran. Du kannst dir also wirklich noch Zeit lassen. Und in aller Ruhe suchen, finde ich."

"Du bist ja doch daran interessiert", neckte er sie und griff nach ihrer Taille, um sie zu kneifen.

Ein Laut, der einem Yieks sehr nahe kam, verließ ihre Lippen und sie wich seiner Hand aus, so gut sie es konnte.

"Aber lass es dir gleich gesagt sein, du musst mich dann wohl mit mehreren Frauen teilen, Mai Kobashi."

"Hä? Wieso? Habt Ihr Moerus Vielweiberei betrieben, oder was?"

"Nein, ich sehe nur so entsetzlich gut aus, da kommen die Frauen von ganz alleine."

"Du bist ein schamloser Angeber, Kishio no Moeru. Ich habe noch keine Frauen gesehen, die dir nachgelaufen wären", tadelte sie ihn.

"Weil du nicht richtig hinschaust, Mai Kobashi", erwiderte er grinsend.

"Hrmpf", machte sie, blies die Wangen auf und schritt voran.

"Ach komm, Mai-chan. Nun sei doch nicht böse. Das war doch nur Spaß. Ich werde mir bestimmt nicht mehrere Frauen zulegen, solange Niichan das nicht auch macht. Und wir werden trotzdem immer Freunde bleiben." Er holte sie ein, überholte sie und stoppte sie damit. Wieder lächelte er. "Und du, Mai-chan, bist ein ganz besonderer Freund für mich. Sicher, wir hatten keinen guten Start und ich habe ewig lange gebraucht, um drüber wegzukommen, als du mir in Genta-no-son an allem, was in deinem Leben schieflief, die Schuld gegeben hast. Aber jetzt..."

"Wärmst du wieder alte Kamellen auf? Ich habe mich entschuldigt. So oft entschuldigt", murrte sie.

"Ja, ich weiß. Aber wenn ich ehrlich bin, habe ich das gebraucht. Diesen Druck. Dieses Gefühl von du oder ich. Das erste Mal seit Jahren, seit mein Dorf zerstört worden war, erkannte ich, dass es da einen Ort für mich gibt, an dem ich leben will und für den ich kämpfen muss. Ich wollte an Niichans Seite bleiben, auch gegen deinen Willen, Mai. Ich wollte dieses Leben in Konoha führen, wollte es unbedingt. Deine Wut, dein Widerstand waren es, die mich bis zu diesem Punkt getrieben haben. Nicht irgendwelche dämlichen Schwüre Niichan gegenüber, meine Verpflichtungen materieller oder symbolischer Natur, sondern dein Nein, Mai-chan. Ich habe das wirklich als Motivation gebraucht, zumindest eine Zeitlang, bis ich merkte, dass dieses Leben auch so nicht verschwindet. Und ich habe deine Entschuldigung angenommen. Jedes einzelne Mal, Mai-chan, dessu ne?"

"Und nie hat es sich richtig angefühlt. Nie war es so, dass..." Sie schluckte für einen Moment. "Nie hatte ich das Gefühl, dass du mir vergeben hättest. Ich hatte nie die Chance, dich..."

"Eieieieieiei, wie Sensei immer sagt. Frisst das schon länger an dir?"

"Ja", sagte sie mürrisch und sah zu Boden. "Seit du mich das erste Mal Freund genannt hast."

"Was ist denn falsch daran, wenn wir Freunde sind, Mai-chan?"

"Vielleicht will ich das gar nicht, nur dein Freund sein? Vielleicht ist da etwas anderes, was ich will, was ich zumindest mal ausprobieren möchte? Vielleicht einmal schauen, ob es neben ich und du auch ein wir gibt, Kicchan?" Sie sah auf. "Wäre es nicht einen Versuch wert?"

Konsterniert starrte der Moeru das jüngere Mädchen an. Gut, nur zwei Jahre jünger, aber das bedeutete keinen großen Unterschied, da Mädchen in der Regel zwei Jahre weiter waren als Jungen. Zumindest behaupteten die Mädchen das. Und wenn er ehrlich war, hatte er darüber nachgedacht, dass... Und sofort wieder verdrängt, weil es sich nicht richtig angefühlt hatte. Nicht bei Mai-chan. Und nicht bei einem Mitglied seiner Gruppe. Da hatte er sich fürchterlich am Riemen reißen müssen. Andererseits, er war kein Mitglied von Team dreizehn, er war... Nein, nein, nein, kein Einbruch, nicht gerade jetzt.

Kishio atmete angespannt aus. "Mai-chan, kannst du das?", fragte er und ließ Chakra um seinen rechten Arm aufleuchten. Es war grün.

"Natürlich. Ich bin keine Anfängerin mehr", sagte sie und ließ ebenfalls um ihren rechten Arm Chakra aufleuchten. Es hatte eine türkise Färbung, was Kishio doch überraschte. Konnte es sein, dass sie...?

"Weißt du, Mai-chan, ich war in meinem Dorf eine lange Zeit gefürchtet und gehasst. Als ich noch ganz klein war." Er hielt sein Chakra über ihres und sah dabei zu, wie sich ihre Auren berührten und verästelte Blitze austauschten. "Das Erbe der Moeru war stark in mir. Geradezu übermächtig. Große emotionale Momente weckten es und verstärkten es spontan um das einhundertfache. Ich erinnere mich nicht mehr daran, aber Großvater hat es mir erzählt, für mich als Warnung. Nach dem Tod meiner Eltern hatte ich eine Amme. Sie war keine Moeru, nicht mal aus dem Dorf, aber sie war uns empfohlen worden. Ich... Habe mit ihr gespielt und mich sehr gefreut. Dann habe ich sie auf den Mund geküsst, und..." Er stockte. "Das hat sie getötet. Mein Chakra ist in sie hineingeflutet wie Wasser aus einem geborstenen Damm und hat ihr Chakra-System zerstört. Sie starb, vor meinen Augen."

Mai hob die rechte Augenbraue und schürzte die Lippen. "So? Wo ist die Pointe?"

"HM!", machte er verärgert. "Als Shinpachi mein Aufpasser wurde, habe ich ihn getestet. Seine Aura getestet. Da er ein Moeru ist, sind sich unsere Chakren ähnlich und ich konnte ihn nicht so leicht verletzen. Auch als ich ihn geküsst habe, starb er nicht daran, wurde nicht mal verletzt. Du aber, Mai-chan, du bist keine Moeru und..."

"Ach?", fragte sie und griff nach Kishios Arm. "Du hast dein Chakra doch jetzt unter Kontrolle, oder?"

Kishio war derweil erschrocken zusammengefahren und hatte nur den Arm nicht bewegt, den Mai berührte. "Sicher", erwiderte er und Schweiß bildete sich auf seiner Stirn, "aber ich bin nicht allmächtig. Und wie leicht verliere ich mal die Kontrolle über mein Chakra. Und dann bist du tot, Mai-chan."

"Bin ich das dann?", fragte sie. Noch immer hielt sie seinen Arm umklammert. "Kicchan, ich bin eine Kunoichi Konohas, kein Kindermädchen. Mein Chakra ist trainiert. Ausgebildet. Hochgezüchtet. Ich will nicht angeben, aber meine Chakrakontrolle ist mittlerweile auf einem Level mit der von Shinji. Wie wäre es also, wenn du mal versuchst, mir weh zu tun?"

"Nein, nein, nein", murmelte er betreten, "Mai-chan, weißt du nicht mehr, damals im Land der Blitze, als ich den Kumo-Nin, der mich für ein Mädchen gehalten hat, totgeküsst habe? Ich will nicht, dass dir das Gleiche..."

Weiter kam er nicht, denn Mai hatte die Linke in seinem Kragen verschränkt und kräftig gezogen. Die dadurch resultierende Berührung war hart und ruppig, aber auch sehr nachdrücklich. Und als sich ihre Lippen auf die seinen drückten, war er viel zu verblüfft, um zu reagieren. Oder um irgendetwas zu tun. Nicht einmal seinen Chakra-Fluss hatte er im Griff.

Beinahe barsch brach sie den Kuss wieder ab und hielt ihn auf Distanz. "Davon einmal abgesehen, dass ich noch lebe, Kishio no Moeru, wie wahrscheinlich ist es, dass ich lerne, mich von deinem Chakra nicht töten zu lassen, wenn du mir die Gelegenheit dazu gibst?"

Mit einem Schnauben ließ sie ihn los und ging an ihm vorbei. "Freunde, wenn ich das schon höre..."

Verblüfft starrte Kishio noch einen Moment in die Leere vor sich. Seine Rechte ging zum Gesicht und die Fingerspitzen berührten seine Lippen. Mist, Mist, Mist, verdammter Mist.

"Kommst du?", rief sie ihm zu.

"J-ja!" Hastig ging er dem Mädchen nach. Konnte es sein, dass...? Es gab wohl einiges, über das er nachdenken musste. Und anscheinend dringender, als er bisher gedacht hatte.
 

Als die beiden das Restaurant Sindo erreichten, das im Familienbesitz der Morikubo war, betraten sie es wie selbstverständlich durch die Vordertür, vorbei an mehreren Gruppen wartender Gäste - für eine Lobby mit Bar war das Sindo viel zu klein. Dennoch waren die Plätze heiß begehrt und es gab viele Stammgäste. Die kannten die beiden natürlich, und so waren sie es, die die "Neuen" dahingehend beruhigten, dass das neue Pärchen ihnen nicht die Plätze wegnehmen würde.

"Tante Yuria, Mamo-chan schickt uns, um...", begann Mai, wurde aber von der Chefin des Hauses unterbrochen, als sie die beiden freudestrahlend begrüßte.

"Mai-chan, Kishio! Na, euch schickt der Himmel! Keita ist krank! Ich wollte schon Mamoru benachrichtigen, aber so ist es viel besser, zwei statt einer. Könnt Ihr bitte aushelfen? Nur ein paar Stunden? Wir haben heute so viele Gäste."

Und natürlich brachte es Yuria Morikubo nicht übers Herz, sie abzuweisen. Wenn aber auch die dritthöchsten Preise der Stadt die Gäste nicht abschrecken konnten...

"Äh, Tante Yuria? Mamo-chan hat gesagt, wir sollten hier etwas abholen", erwiderte Mai etwas kläglich.

"Davon weiß ich nichts. Zieht euch doch bitte um, ja? Kishio die Tische eins bis acht, du, Mai-chan, neun bis vierzehn, aber dazu der kleine Gruppentisch. Ihr wisst ja, wo eure Sachen hängen, nicht?"

Mit diesen Worten war Yuria Morikubo bereits wieder zu ihren Töpfen in die Küche gerauscht.

"Von wegen, wir sollen was abholen", maulte Mai. Verstohlen leckte sie sich über die Lippen. "Aber ich freue mich schon aufs gute Essen hinterher."

Auch Kishio lief das Wasser im Mund zusammen. Denn das Resteessen war im Sindo legendär. Abgesehen davon ließ sich Mama Morikubo bei der Bezahlung nie lumpen.

"Nun komm schon. Die Leute warten", sagte Mai fröhlich, griff nach seiner Hand und zog ihn mit sich in die Hinterräume zu den Umkleiden.

Kishio ließ sich willig mitziehen. Und das vor allem, weil ihm die Erkenntnis dämmerte, dass Mamoru nichts hatte geholt haben wollen, sondern sie beide zusammen losgeschicht hatte, damit sie die Gelegenheit zu einer Aussprache nutzten. Das hatte schon mal recht gut geklappt. Aber wie ging es von hier aus weiter? Kishio ertappte sich bei dem Gedanken, dass der Kuss trotz aller Ruppigkeit angenehm gewesen war. Viel zu angenehm. Schuld stieg in ihm auf. Leider hielt sie sich die Waage mit dem Gefühl, Gutes auch mal verdient zu haben. Er ahnte, dass die nächsten Wochen nicht leichter werden würden.

***

Die beiden Männer, die hinter dem Haus der Familie Morikubo ihre Kata ausführten, einhundert Karatake-Schläge mit dem Schwert von oben gerade nach unten, waren voll konzentriert. Und der Schweiß stand schon auf ihren Stirnen. Dennoch zogen der blonde Junge und der nur wenig ältere Schwarzhaarige ihre Übung ohne jedes Zögern und Stocken durch.

"Einhundert!", verkündete Shinji und beendete die Übung damit. Natürlich, Lee-san hätte, wäre er Schwertkämpfer, erst bei einhundert angefangen. Er und sein Meister Might Guy hatten erst bei den Tausendern wirklich Spaß. Beide waren entsprechend austrainiert, und Guy zählte vollkommen zu Recht zu den Top Ten Jounin Konohas.

Kuzomi-chan eilte, so gut ihre Wunde das zuließ, mit einem trockenen Handtuch auf den blonden Jungen zu. "Kira-sama, das hat gut ausgesehen."

"Ja, nicht?", meinte er zufrieden und hängte sich mit einem Danke das Handtuch über die Schulter. "Hat sich auch gut angefühlt."

"Hm", machte der Größere. "Kommst du mit der Waffe zurecht?"

"Ja, Sensei, sehr gut sogar", erwiderte der Genin stolz. "Vor einem Jahr noch hätte ich sie wahrscheinlich ständig in die Erde geschlagen, aber heute hat sie eine gute Länge. Immer noch ein Stückchen länger als ich es mag. Aber ich wachse ja wohl noch. Hoffentlich."

"Gut. Warte einen Augenblick. Es fehlt noch etwas", sagte Mamoru Morikubu und ging wieder ins Haus.

Sofort steckten die drei die Köpfe zusammen. "Und? Wie fühlt sich die Waffe an?", wollte Shinji sofort wissen. "Ist irgendwas von Maria dran? Hast du was gespürt? Etwas von ihrem Korridore-Chakra zum Beispiel?"

"Dann würde ich es nicht annehmen", ereiferte sich das Spinnenmädchen. "Das Chakra einer Frau in der Waffe meines Herrn ist wohl nicht das Richtige."

Kira schnaubte leise. "Kein Grund, gleich eifersüchtig zu werden, Kuzomi-chan. Und nein, ich habe nichts von Maria in der Waffe gespürt. Aber viel von Sensei. Die Bindung ist... Eingedrückt von seinen Händen. Und da er größere Hände hat als ich, habe ich keinen einhundertprozentigen Grip. Aber die Bindung austauschen lassen will ich auch nicht."

"Das würde ich auch nicht wollen", murmelte Shinji. Er feixte. "Wer hätte das gedacht, dass es für uns so einträglich werden würde, wenn Mamo-chan unser Sensei wird, was? Du auf jeden Fall schon mal nicht, Kira."

"Ja, ja, das alte Lied", meinte Kira abwehrend. "Dabei war ich anfangs höchstens ein wenig skeptisch. Und er hat uns so viel beigebracht."

"Das meine ich. Mai und ich haben viel über die Wind-Affinität gelernt, finde ich. Obwohl Sensei sein Fuuton gerade selbst erst erlernt, quasi. Aber man merkt schon den Unterschied zwischen einem Frischling wie mir, der die Kunst gerade lernt und jemandem, der bereits Katon gemeistert hat. Und jetzt sieh uns an: Du wurdest vom Raikage persönlich ausgebildet!"

"Na, das war wohl eher ein Feigenblättchen", erwiderte Kira lächelnd. "Ich meine, die speziellen Techniken, die A-sama beherrscht, werde ich eventuell in dreihundert Jahren auch drauf haben. Also hat er mir nur Basistechniken beigebracht, und Nabara-sensei hat ihnen den Feinschliff gegeben. Dennoch, nicht unbedingt Sachen, die ein grüner Genin gezeigt bekommt. Vor allem kein grüner Genin aus Konoha in Kumogakure."

"Das wollte ich sagen. Und du bist nicht nur Kontraktträger der Spinnen geworden, sondern hast nun auch noch Mamo-chans Schwert bekommen. Dein Bruder muss doch platzen vor Stolz!", sagte Shinji hochzufrieden.

Kira grinste breit. "Kann mich nicht beklagen." Ein Seitenblick streifte das Spinnenmädchen, das beschloss, unter diesem Blick ein klein wenig zu erröten. "Und, wie ist es bei dir, Herr Schüler von Mamoru Morikubo? Bist doch selbst ziemlich taff geworden. Dazu auch noch offizieller Kontraktträger der Affen. Was sagt denn dein Alter dazu? Der muss doch auch platzen vor Stolz."

Shinjis Miene wurde für einen Moment ein recht starres Lächeln. "Vater... Er ist natürlich stolz auf mich. Und er widmet mir eine Menge freie Zeit. Das weiß ich wirklich zu schätzen. Und Mutter ist begeistert von meinen Fortschritten - wenn das nicht bedeuten würde, dass ich mich immer wieder in Gefahr begeben muss... Und mein Bruder, der steht zu mir und hält zu mir und verbringt jede freie Minute mit mir, die Vater nicht in Beschlag nimmt..."

Kiras Miene wurde misstrauisch. "Alter, alles senkrecht im Gelände? Ist doch nicht normal, dass dein Vater sich so sehr für dich interessiert."

"Ist doch in Ordnung. Er ist mein Vater und er ist Jounin im Ruhestand. Und er wendet viel Zeit auf, um mit mir zu trainieren", wiegelte Shinji ab. "Schließlich habe ich auch einen Ruf zu verteidigen, oder? Ich bin ein Nakahara."

"Weiß Sensei, dass dein Vater dich zusätzlich trainiert?", fragte Kira argwöhnisch.

Shinji wollte aufbrausen, darauf hinweisen, dass es wohl egal sei, was er in seiner Freizeit tat und mit wem er sie verbrachte, aber er seufzte nur und ließ die Schultern nach vorne sinken. "Nein", gestand er kleinlaut. "Und ich habe Angst, dass er es herausfindet und Vater zur Rede stellt. Mein Bruder hat da so was angedeutet, dass Mamo-chan es nicht so gut finden könnte, wenn ich zweimal trainieren würde. Aber ich muss doch fit werden, stärker werden. Ich meine, wenn wir zum Chunin-Examen zugelassen werden sollen, dann..."

"Oho! Chunin-Examen!", rief Kira hocherfreut und klopfte dem Freund auf die Schulter. "Das ist das erste verdammte vernünftige Wort, das ich heute aus deinem Mund höre! Und mit Mai als vollwertiger Waffenbeschwörerin haben wir ein nahezu perfektes Team zusammen, um das durchzuziehen!"

"Ähemm!", machte Kuzomi.

"Und nicht zu vergessen unsere freundliche Genjutsu-Unterstützung von den Kuzokamis!"

"Hr-hrmmmm", machte Shinji.

"Und auch nicht zu vergessen dein jeweiliger beschworener Affenkrieger." Kira runzelte ärgerlich die Stirn. "Verdammt, wenn Kuzoko-chan oder Kishio in der Gruppe den Boss nach Mamo-chan spielen und Mai die Nummer drei ist, warum muss ich immer den verdammten Diplomaten spielen?"

"Vielleicht, weil du dich von der vier auf die drei vorarbeitest?", meinte Shinji.

"Ach komm. Du siehst dich doch nicht etwa selbst auf der fünf, oder?"

"Ich denke, es geht gar nicht so sehr um Nummern, sondern darum, dass wir nach unseren Fähigkeiten eingesetzt werden. Kishio ist uns meilenweit voraus und auch Kuzoko hat es drauf. Dass Mai die drei ist, ist logisch. Keiner von uns beiden würde mit ihr streiten wollen. Zudem macht es Sinn, wenn sie in einem Kampf den Überblick behält. Immerhin müssen wir mit unseren Kontraktpartnern kämpfen und sie nicht. Das verstärkt uns zwar, macht die Situation aber von innen unübersichtlich. Keine Ahnung, wie Sensei das alleine schafft, noch dazu mit vier oder fünf Kontraktpartnern."

"Hm. Das klingt jetzt mehr nach einer Ausrede, um Mai ja nicht ihren Stellvertreterplatz wegzunehmen", spöttelte Kira.

"Eventuell", räumte Shinji ein. "Sie blüht doch richtig auf, wenn sie was zu sagen hat, oder?"

"Zugegeben", meinte Kira.

"Und sie kann die Hilfestellung gebrauchen. Wenn sie etwas wichtiger auftritt, etwas mehr Präsenz hat, vielleicht übersieht Kishio sie dann nicht länger..."

Kira steckte sich die Zeigefinger in die Ohren. "La, la, la. Ich kann dich nicht hören!"

"Ach, komm schon. Du hast doch auch bemerkt, dass da was zwischen den beiden los ist und dass sie zu blöde sind, es alleine hinzukriegen, Kira!"

"La, la, la, la, la. Mai ist unsere Freundin, und eine feste Beziehung kommt für sie nicht in Frage!" Ärgerlich nahm er die Finger aus den Ohren und sah Shinji vorwurfsvoll an. "Na toll. Na TOLL! Jetzt habe ich Kopfkino, und du bist schuld!"

"Aber, aber. Nun gönn ihr doch mal ein eigenes Leben und eine Beziehung und..."
 

"Ich bin der gleichen Meinung", kam es von der Veranda.

Die drei fuhren herum. Dort saß ihr Sensei und lächelte. "Was meint Ihr, warum ich die beiden zusammen losgeschickt habe, um etwas für mich zu holen?"

"Oh", machte Shinji. "Ein guter Schachzug. Aber denkst du, das nützt was? Kishio ist manchmal so... So... Kishio."

Mamoru lachte. Dann warf er Kira etwas zu. Der fing es geschickt auf. "Eine Saya. Sensei, ist dies die Schwertscheide, zu der...?"

"Ja, das ist die Saya, die zu meiner alten Klinge gehört. Erst wollte ich sie wegwerfen und eine neue machen lassen, weil sie ganz schön gelitten hat. Ich musste oft mit ihr kämpfen. Aber dann habe ich sie reparieren lassen, damit du sie tragen kannst, bis sie auseinanderfällt, Kira."

Er erhob sich und lachte. "Und was Mai und Kishio angeht... Was meinst du, Shinpa-chan?"

Der Moeru, der bisher still in einer Ecke gesessen und "genossen" hatte, wie er es ausdrückte, grinste von einem Ohr bis zum anderen. Seine Erholungsphase bekam ihm gut. Er wirkte noch immer verhärmt, aber seine Züge entsprachen nun schon eher seinem tatsächlichen Alter. "Wir reden hier von Kishio", gab er zu bedenken. Er kicherte. "Aber auch von Mai-chan. Wir werden sehen, ob etwas passiert."

"Das sehe ich ebenso." Er trat vor und legte zuerst seinen beiden Genin, dann Kuzomi die Hand auf den Kopf. "Irgendwas wird schon passieren. Und nur wer enttäuscht wurde, kann von sich sagen, dass er es zumindest versucht hat. Richtig?"

"So, dessu ne", pflichtete Shinpachi ihm zu. Die beiden wechselten einen amüsierten Blick.

"Aber das bringt uns gleich zum nächsten Thema. Ihr müsst jetzt langsam mal das Wasserlaufen erlernen. Ich habe euch gesagt, dass das als Fahrtschein dafür gilt, ob Ihr zur Chunin-Prüfung zugelassen werdet. Wenn Ihr es bis zum Ende unserer nächsten Mission beherrscht, dann..."

Weiter kam er nicht, denn die drei waren ihm um den Hals gefallen.

"Sensei ist der Beste!", verkündete Kira mit lauter Stimme und die anderen stimmten ein.

Für einen Moment floss ein Schatten über das Gesicht Mamoru Morikubos. So, als erinnere er sich an die Schmerzen, die Lasten, die Gefahren und die Verluste, die er bei seiner eigenen Chunin-Prüfung erlebt hatte. So, als durchleide er das alles noch einmal. Dann aber klopfte er seinen Genin auf die Schultern. "Ihr werdet viel Spaß haben", versprach er. Nun, zumindest das, was Shinobi unter Spaß verstanden, und davon nicht zu knapp.

***

Zugegeben, ich war etwas irritiert, als ich das Haupthaus betrat. Die Familienbande bei den Naras waren eher informell, und Shikaku legte wenig Wert darauf, besonders strukturiert zu sein. Er nannte das System der Hyuuga immer gerne als Negativ-Beispiel. Die Aufteilung in Hauptfamilie und Nebenfamilien erinnerte ihn an die überzogene Art feudaler Familien, wie er mir einmal anvertraut hatte. Außerdem gefiel es ihm nicht, dass die Byakugan in der Hauptfamilie nicht versiegelt wurden, was auch für Konoha wesentlich sicherer gewesen wäre. Stattdessen verließen sie sich auf den Schutz der Nebenfamilie. Na ja, lamentieren konnte man eine ganze Menge, und durch Kou erfuhr ich ohnehin eine Menge Interna der Hyuuga, und auch die Nara hatten so ihre Problemchen und ihre Knackpunkte. Wenn ich alleine an den Rat dachte, der mir Jahrelang eingeredet hatte, ich hätte nicht das Zeug zum Ninja, weil ich die Schattenkräfte nicht beherrschte... Und nun? Wenn man mich anschaute, sah man einen Ninja, der Katon beherrschte, sich gerade Fuuton recht erfolgreich aneignete, Kontraktpartner der Affen war und einen Kontrakt mit den Spinnen hatte. Das reichte sicher nicht, um ein Nara zu werden, also ein typischer kämpfender Nara, aber für einen Chunin von Konoha reichte es allemal.

"Ah, Mamoru. Komm, setz dich. Möchtest du Tee?"

"Danke, Onkel. Gerne", erwiderte ich und setzte mich zu Shikaku an das Shogi-Brett. "Spielen wir eine Runde?"

"Was? Nein, das ist eine laufende Partie, die ich mit Shikamaru spiele. Er wird zwar nicht sauer, wenn wir neu aufbauen, weil er alle Züge im Gedächtnis hat. Aber ich fürchte, er wird schummeln, wenn er das Brett wieder herrichtet." Er grinste. "Nur Spaß."

"Zuzutrauen wäre es ihm. Er ist ein Shinobi Konohas", erwiderte ich lächelnd.

Wir stießen unsere Fäuste gegeneinander, als Zeichen unseres Verständnisses.

Seine Frau brachte uns frischen Tee. "Na, du Rumtreiber, auch mal wieder Zuhause?", neckte sie mich.

"Nur ganz kurz, Yoshino-chan", sagte ich anstelle von Baa, der korrekten Anrede für meine Tante. Vor allem, weil ihr das gefiel. "Damit ich meinen Geburtstag Zuhause feiere. Diesmal zumindest. Ihr kommt doch hoffentlich?"

Sie runzelte die Stirn. "Willst du nicht lieber eine Feier nur mit deinen jungen Leuten? Warum uns alte Säcke dabei haben? Was Kleines im gemütlichen Kreis ist doch viel schöner."

"Den kleinen Kreis kannst du vergessen, seit ich Tsunade-sama eingeladen habe", sagte ich leicht säuerlich. "Außerdem sehe ich hier keine alten Säcke."

"Das hast du schön gesagt, Mamoru." Sie küsste mich auf die Wange, wie sie es nicht mehr getan hatte, seit ich... Elf oder zwölf gewesen war? "Und jetzt unterhaltet euch schön. Wehe, du packst ihn zu hart an, Schatz."

Shikaku seufzte. "Niemand hat vor, irgendjemanden hier hart anzupacken. Versprochen, Liebling."

"Na, dann ist gut." Sie verschwand wieder in der Küche.
 

"Danke, dass du noch Zeit für mich gefunden hast, Mamoru. Du führst ein Team, und nicht gerade ein kleines. Ich hätte es dir nicht übel genommen, wenn du morgen oder erst übermorgen gekommen wärst."

Ich winkte ab. "Ach Quatsch. Ich habe Vater gesagt, er soll mit den Genin und den Moerus essen gehen. Wir haben genug Zeit. Und ehrlich gesagt genieße ich es ab und zu, mal andere Gesichter zu sehen. Nicht, dass es mir an Abwechslung mangelt", sagte ich mit der Andeutung eines Lächelns. "Worum geht es?"

"Dein Sohn, Mamoru. Akira-chan. Ich habe dir nicht erzählt, dass ich in Tsukigakure war, oder? Kurz nachdem du letztes Jahr selbst dort warst, nach der Jagd auf Kabuto. Ich habe die Nara-Kräfte in ihm versiegelt. Sie waren sehr stark und unkontrolliert für sein Alter."

Ich schürzte verächtlich die Lippen. "Ich weiß. Das habe ich deutlich zu spüren gekriegt, als ich mich verabschiedet habe. Aki-chan hat versucht, mich zurückzuhalten. Mit seinen Nara-Kräften. Ich habe so getan, als würde ich nicht merken, dass Hanako und Karin seine untrainierten Jutsu jedes Mal wieder aufgelöst haben... Aber ich habe es mir gemerkt, im großen Buch der unangenehmen Fragen, die ich ihnen gestellt habe, als sie mit der Wahrheit rausgerückt sind."

"Oh", machte Shikaku.

"Hm? Hast du tatsächlich gedacht, ich bin so weltfremd und kriege es nicht mit, wenn ich mittels eines Schattenjutsus gestoppt werde?", fragte ich pikiert.

"Nein, das ist es nicht. Ich bewundere nur deine Geduld. Ich hätte sie konfrontiert."

"Und damit hätte ich sie dazu getrieben, etwas zu tun, zu dem sie eventuell noch nicht bereit waren. Letztendlich hatten sie einen einigermaßen plausiblen Grund, nicht wahr?"

"Für eine Frau sicherlich."

Wir tranken von unseren Tees und ich sah den Clanführer nachdenklich an. "Du hast das Siegel auf ihn gelöst, als ich weg war, richtig?"

"Richtig", gestand Shikaku. "Die fähigsten Shinobi der Nara haben ihn getestet. Du weißt, sowohl du als auch dein Vater haben keine Affinität zur Kunst der Nara. Ausfälle über eine Generation kommen vor, über zwei Generationen aber nicht. Da bist du der Erste. Vielleicht auch ein Grund, warum der Rat der Nara nicht wollte, dass du Ninja wirst. Es schwang immer unterschwellig dabei mit, dass du das Ergebnis einer Affäre deiner Mutter mit einem Dritten sein könntest. Eingetrocknete, vorurteilsbeladene Bastarde", sagte er zähneknirschend. "Aber das hat sich jetzt erledigt. Wir wissen nun, dass Akira-chan eindeutig die Schattenkunst beherrscht. Auf einem sehr einfachen Level, aber bereits in einer erstaunlichen Stärke. Damit steht fest, dass er ein Nara ist. Und damit steht auch fest, dass er dein Sohn ist und du Kenshiros Sohn bist."

Für einen Moment grinste er von einem Ohr bis zum anderen. "Was für eine späte Genugtuung."

"Ach", murmelte ich. "War das so? Wem muss ich denn nachträglich in den Arsch treten?"

"Niemanden, dem du nicht schon in den Arsch getreten hast, seit du Shinobi geworden bist und dich bewiesen hast, Mamoru Morikubo. Es gibt niemanden im Clan, der dir nach deinem ersten Jahr abgesprochen hat, ein hervorragender Shinobi zu werden. Das macht mich stolz, weißt du?"

"Danke", sagte ich, gegen den Kloß ankämpfend, der mir plötzlich im Hals zu stecken schien. Ich räusperte mich. "Also, Aki-chan ist stark?"

"Ja. Und ich fürchte, er wird noch sehr viel stärker werden. Es gibt zwei Möglichkeiten für den Fall, dass die Affinität zur Nara-Kunst zwei Generationen überspringt: Erstens, die dritte Generation wird besonders schwach. Zweitens, die dritte Generation wird besonders stark, weil sie die fehlenden Kräfte der vorigen Generationen erhält. Ich fürchte, bei Akir-chan ist das der Fall."

"Hm." Nachdenklich sah ich ihn an. "Du hast seine Fähigkeiten wieder versiegelt?"

"Das habe ich. Besonders gründlich und mit ein paar zusätzlichen Sicherungen. Wir sind mit Getsugakure befreundet, aber deshalb dürfen wir nicht nachlässig werden. Die Chancen stehen gut, dass der Tsukikage die alten Siegel bereits hat erforschen lassen, damit er sie jederzeit aufheben kann. Deshalb die neuen."

Ich nickte verstehend. Sollten wir je mit Getsugakure Kopf stehen, würde Akira ein ordentlicher Zankapfel werden, wobei Getsugakure die besseren Karten hatte. Er lebte die meiste Zeit dort, und seine Mutter war dort eine angesehene Kunoichi. Was ich angesichts ihrer Vergangenheit für eine grandiose Karriere hielt. "Ja, das macht Sinn. Danke, dass du mir die Wahrheit gesagt hast."

"Tja, da gibt es aber noch ein Problem..."

Erneut trank Shikaku einen Schluck Tee, dann noch einen und dann leerte er den Becher auf einen Haps. "Weib! Sake!", kommandierte er barsch.

Ich zuckte zusammen, denn ich erwartete einen heftigen, einen sehr heftigen Ausbruch von Yoshino. Sie hatte einen eigenen Kopf. Den brauchte man allerdings auch, wenn man mit einem Nara zusammenleben wollte.

Stattdessen kam sie aus der Küche und brachte ein Tablett mit zwei Tässchen und zwei Karaffen Sake. Sie setzte sich neben den Shogi-Tisch, stellte jedem einen Becher hin und goss Sake ein. Dann stellte sie beide Kännchen vor uns ab. Anschließend erhob sie sich wieder. "Nicht zu grob, hast du gehört, Mann?"

"Ja, ja, ich gebe mein Bestes, Liebling", erwiderte mein Onkel barsch.

Langsam wurde mir die Geschichte unheimlich. "Shikaku, was...?"

"Trink deinen Sake, Mamoru."

Ich wurde zugegeben etwas nervös. Deshalb verfehlte ich die kleine Tasse beim ersten Versuch, sie zu greifen. "Prost", murmelte ich und schüttete mir den heißen Sake in den Mund. Shikaku tat es mir nach, und als ich die Tasse abgesetzt hatte, schenkte er uns nach. "Prost."

"Prost."

Das wiederholten wir noch zweimal, dann schien Shikaku genug zu haben. Vorerst.
 

"Mamoru, du musst verstehen, dass ich dir nichts Böses will, und... Manchmal muss ich eben Arschloch sein und im Sinne des Clans handeln. Dinge tun und Worte sagen, die ich nicht so meine, aber die gesagt werden müssen. Im Sinne der Nara und im Sinne Konohas."

"So?" Misstrauisch hob ich die recht Augenbraue. "Raus damit. Was hast du so schlimmes mit Aki-chan vor, Onkel?"

"Es geht schon um Akira, das hast du richtig erkannt, aber primär geht es darum, wie du dich in Zukunft verhältst. Ich spreche jetzt nicht als dein dich liebender Onkel, sondern als dein Clanschef Shikaku Nara. Und ich bitte dich hier und jetzt darum, dass du mir nicht böse sein wirst." Beinahe flehentlich sah er mich an. Dann verbeugte er sich so tief vor mir, dass er beinahe die Sake-Karaffe vor sich umgeworfen hätte.

"Oi, oi, Shikaku, du machst mir Angst", sagte ich mit einem Schauder in der Stimme. "Gut, ich verspreche es dir, aber rück endlich raus mit der Sprache."

Er sah wieder auf. "Wirklich?"

"Wirklich. Aber sag endlich, was du willst, oder ich gehe nach Hause."

Er atmete tief ein und wieder aus. Dann sah er fort. "Mist."

"Wie, Mist?"

"Er kriegt es nicht über die Lippen, Niichan", klang Shikamarus Stimme auf. Er stand in der Tür, die Arme vor der Brust verschränkt. "Und ich kann ihn verstehen. Ist ja keine Allerweltsfrage."

"Dann sag du mir doch, was so Wichtiges an meinem Sohn ist, dass er sich anstellt wie ein Genin auf der ersten Mission", murrte ich.

Mein kleiner Cousin seufzte. "Tja. Wie fange ich das denn an? Hm, sag mal, wer ist deine Favoritin, jetzt wo Hana-chan einen Neuen hat? Perine, Karin oder Maria?" Er schmunzelte. "Karin, nicht wahr?"

Ich fühlte, wie ich errötete. Ertappt, hm?

Shikaku seufzte ebenfalls. "Mist."

"Ja, Mist, Vater. Mamoru-nii, kannst du dir vorstellen, stattdessen Maria zu heiraten? Ich meine, in deine Familie aufgenommen ist sie ja nun schon. Aber ihr Status ist mehr der einer Ex-Frau, nicht?"

"Äh, hallo?" Verblüfft sah ich Shikamaru an. "Hast du gerade vorgeschlagen, dass ich Maria heiraten soll? Damit Aki-chans Nara-Talent in Konoha bleibt, beziehungsweise nach Konoha kommt?"

"Ja, das war ungefähr das, was Vater dir vorschlagen wollte. Vater und der Rat, von denen nicht ein einziger dieser Feiglinge heute hier ist, um ihm beizustehen."

"Okay...." Ich griff nach meinem Sake und trank ihn auf ex aus. Teufel, war das Zeug heiß! Ich hustete.

Shikaku schenkte mir aus seiner Karaffe ein und ich trank sie leer. "Magst du sie nicht? Kommt sie nicht in die engere Wahl, weil sie versucht hat, dich umzubringen? Shikamaru kann dir da auch was über sein Mä..."

"VATER!", unterbrach er ihn. "E-es geht um Mamoru und Aki-chan!"

Der Clanchef der Nara schmunzelte. "Schon gut, Sohn. Also, Mamoru, würdest du darüber nachdenken?"

"Eine politisch motivierte Heirat, um Akira an Konoha zu binden?", fragte ich.

"Nicht nur das. Wir wissen, dass sich Maria zu einer hervorragenden Kunoichi gemausert hat. Und ihre Fähigkeite, Gänge zu treiben, die sie vielleicht auf Akira vererbt hat, ist auch ein wichtiger Punkt. Und du magst sie doch auch, oder? Ich meine, warum sonst hast du mit ihr..."

"Vater...", mahnte Shikamaru.

Ich war ihm dankbar für den Einwand, bevor ich an Peinlichkeit starb. "Nun, ich hasse sie nicht. Nein, ganz gewiss nicht. Ich mag sie, sogar sehr, und das hat nichts mit Aki-chan zu tun. Ich fand sie immer sehr faszinierend, gerade weil sie versucht hat, mich umzubringen. Vielleicht nicht die beste Grundlage für eine Beziehung, aber auch nicht die schlechteste."

"Du ziehst es tatsächlich in Betracht?", rief Shikaku erfreut.

"Alternativ könntest du, wenn du Karin heiratest, Maria zu deiner Nebenfrau machen, Niichan. Die Gesetze von Konoha lassen das durchaus zu. Aber du müsstest mit dem Neid jedes männlichen Shinobi leben. Und wenn ich dann noch daran denke, dass du P-chan hast..." Shikamaru griente mir zu.

Ich griff nach Shikakus Kännchen und trank es leer. Das Schlimmste an der Situation war, dass ich sie mir durchaus in allen Varianten vorstellen konnte. Verdammt, war ich nur ein typischer Mann, oder war das schon ein Anzeichen für ein besonders schamloses Exemplar meiner Gattung? Was, wenn es für Männer vollkommen normal war? Was sagte das über Männer an sich aus? Verdammte Pubertät. Hätte ich sie doch besser nie durchlaufen.
 

"Immer langsam mit den jungen Pferden. Heißt das, der Clan der Nara und im speziellen unser aller Clanchef fordern mich dazu auf, Maria zu ehelichen, um Aki-chan in Konoha zu halten und um die Hand auf das Kekkai Genkai Marias legen zu können?"

"Ja, das fasst es vortrefflich zusammen, Mamoru", sagte Shikaku nach einer kleinen Pause. "Und du hast versprochen, nicht böse mit mir zu sein."

"Ich bin's ja nicht." Kurz dachte ich nach. "Na gut, etwas vielleicht. Was fällt dem Rat ein, sich in mein Privatleben einzumischen? Wir sind keine Uchiha und keine Hyuuga. Wir züchten uns nicht selbst!" Zu diesen Worten klopfte ich aufs Shogi-Brett und brachte das Spiel durcheinander. Schuldbewusst sah ich meinen Cousin an. "Tut mir leid."

"Ist in Ordnung", erwiderte er. "Und? Welche Antwort gibst du den Nara?"

"Ach ja, da war ja noch was."

Ich zwang mich, trotz des Sake sachlich zu denken, auf einem Standpunkt, losgelöst von Emotionen. Rational, nüchtern. Okay, letzteres ging vielleicht nicht mehr so gut. Aber zumindest versuchte ich, nicht verärgert zu sein. Für den Moment. Sollte ich Maria heiraten? Als Hauptfrau, als Nebenfrau? Laut P-chan waren ja alle Mädchen des Mamo-Pakts - zumindest die drei "Überlebenden" - dazu bereit, meine Geliebten zu werden, sobald ich eine von ihnen heiratete. Ob ihnen der Status als Nebenfrau mehr zusagte? Und wer war ich, dass ich ihnen auf diese Weise die Chance auf persönliches Glück und einen Partner nur für sich alleine versagte? Trotzdem, der Gedanke hatte was. Zumindest, solange meine Libido meinem Alter entsprechend gigantisch war.

Okay, den Gedanken schob ich beiseite. Ganz rational betrachtet, was würde Mutter sagen, wenn ich die Beziehung zu Maria legitimierte? Sie würde es freuen. Egal, ob Maria Nebenfrau oder Hauptfrau wurde. Und Vater? Der greinte wohl lieber Hana-chan nach, die nun die feste Freundin von Ryu war. Von ihm war keine Hilfe zu erwarten. Und dazu kam noch, dass die Angelegenheit nun eine Clan-Geschichte war. Und, da machte ich mir keine Illusionen, sicher auch eine Angelegenheit Konohas. Ich war mir sicher, von Tsunade-sama würde demnächst auch der eine oder andere Hinweis kommen, diesbezüglich zu handeln. Verdammt.

"Ich sage es mal so, Onkel. Ich bin zu jung zum heiraten. Frag mich das in zwei, drei oder fünf Jahren nochmal."

"Mamoru..."

"Aber dann... Wenn Maria dann immer noch bei mir ist, kann ich es mir durchaus vorstellen."

"Was ist, wenn die Umstände uns zwingen, früher zu handeln?", hakte Shikamaru nach.

"Dann sollte jemand sicherheitshalber von meinen Mädchen die Größen nehmen und Kleider vorbereiten", sagte ich sarkastisch.

"Sollen wir zwei Kleider oder drei Kleider vorbereiten?", fragte Shikaku im gleichen Tonfall.

Eine sehr gute Frage. Wie sehr würde ich damit Perine ihr Leben versauen? Menschen und Affen waren nicht kompatibel. Sie konnten sich lieben, körperlich und ethisch, aber sie bekamen keinen gemeinsamen Nachwuchs. Konnte, wollte und durfte ich das P-chan antun, auch wenn sie meinte, es zu wollen? "Ich weiß es nicht, Onkel. Ich weiß es wirklich nicht." Leise seufzte ich. "Ist noch Sake da?"

Yoshino erschien auffällig fix und schnell, um neue Karaffen für uns hinzustellen. "Armer Junge. Du hast es nötig", sagte sie, strich mir mitfühlend über den Kopf und verschwand wieder in der Küche.

"Willkommen in der Welt der Erwachsenen", sagte Shikaku, schenkte uns ein und prostete mir zu.

"Ich bin nicht sicher, ob das ein Danke verdient hat, Onkel", erwiderte ich sarkastisch.

"Das war ich damals auch nicht", sagte er trocken.

Wir sahen uns an und lachten. Noch konnten wir das.

Shikamaru setzte sich dazu und ordnete die Steine auf dem Shogi-Brett neu. "Wo wir gerade bei Wahrheiten sind, deine Beförderung zum Voll-Jounin..."

"Nicht zu viele umwälzende Informationen auf einmal, kleiner Bruder", mahnte ich hastig.

"Okay", murmelte er amüsiert.

Und ich wusste, damit hatte es erst so richtig angefangen, mein Leben als Erwachsener. Verdammt.

Der Regenmacher 3

Rückblende: Kishio vor sechs Monaten.
 

Es war Morgen in Konoha. Nicht früher Morgen, aber auch nicht später Morgen. Irgendwas um Acht rum, also eine Uhrzeit, zu der die Frühaufsteher bereits lange bei ihren Beschäftigungen waren und die Spätaufsteher sich ein vorletztes Mal umdrehten. Eine tolle Uhrzeit, wenn man gerade schlief.

Kishio no Moeru lag nicht gerade im Tiefschlaf, aber er schlief zufrieden, gleichmäßig atmend und von angenehmen Zeiten träumend. Er sah gut aus. Sein Gesicht war voller Farbe und von einem seligen Lächeln geschmückt. Was immer er träumte, es musste sehr angenehm sein. Alles in allem hatte ihm die einwöchige Zwangspause gut getan. Auch die Erkenntnis, wem er die Zwangspause verdankte, hatte sich nicht in schlechter Laune wiedergespiegelt. Im Gegenteil. Familie war für Kishio nun vielleicht ein nicht mehr ganz so abstrakter Begriff.

Alles hätte so schön sein können, wäre das Schicksal nicht ein grausamer Geselle. Manchmal war er auch ein Bursche mit geradezu furchtbarem Humor. Dieser Humor schien es zu sein, der dafür sorgte, dass ein Paar Beine mit orangen Wadenwärmern neben Kishios Bett erschienen. Wadenwärmer, die übrigens dazu dienten, ein halbes Dutzend sehr schwerer Metallplatten zu fixieren. Der dazugehörige Körper gehörte einem Shinobi, den sicherlich nicht wenige zu einem nervenden Idioten erklärt hätten. Aber sicher nicht vor seinen Freunden und bestimmt nicht von Angesicht zu Angesicht. Jene, die ihn besser kannten, und nicht nur von den exzessiven Trainingseinheiten mit seinem Meister, hätten andere Worte benutzt wie strebsam, ausdauernd, ernsthaft, aber auch begeisterungsfähig und übertreibend. Nicht wenige, darunter auch Freunde, gaben offen zu, dass er ein echter Schmerz im Arsch sein konnte. Aber er war immer mit Feuereifer bei der Sache. Zu Kishios Pech auch heute.

"GUTEN MORGEN, KISHIO-KUN!", brüllte Rock Lee aus voller Kehle.

Kishio fuhr vom Futon hoch, stand beinahe, hatte sofort ein Kunai in der Hand und stieß es nach dem Hals des Konoha-Nin. Dieser jedoch blockte den wilden, ungezielten, instinktiven Stoß mit zwei Fingern der Rechten mühelos ab.

Kishio blinzelte, blinzelte erneut und sah den anderen an. "Oh. OH! Lee-kun. Du bist das."

Der selbsternannte grüne Wirbelwind Konohas nahm die Hand zurück und grinste ein Heldengrinsen. Fast hätte man sich nicht gewundert, hätten dabei seine Zähne aufgeblitzt. "Ich bin das, Kishio-kun."

Irritiert sah der junge Moeru den anderen an und ließ die Hand mit dem Messer sinken. "Himmel, was TUST du hier? Ich hätte dich beinahe getötet!"

Ein wenig beleidigt schnaubte Lee. "Nein, hättest du nicht. Du bist schnell, zugegeben, aber nicht schnell genug, um mich in deinem schlaftrunkenen Zustand zu überraschen."

"Was uns gleich zum Thema bringt, dessu ne? Wirklich, was tust du hier?"

"Dich wecken, Kishio-kun."

"Was, bitte?"

Lee holte tief Luft und wollte erneut ansetzen, aber der Junge winkte ab. "Schon gut, ich habe verstanden. Warum hast du mich geweckt?"

"Dein Sensei hat mich darum gebeten."

"Wer?"

Nun schien Lee irritiert. "Na... Dein Sensei... Mein Sempai... Mamoru-sempai."

"Mamoru-sempai?", wiederholte Kishio verständnislos. Dann schien es bei ihm zu klicken. "Ach, Niichan! Und warum lässt mich Niichan aus dem Bett brüllen?"

"War ich so laut? Entschuldige bitte, das tut mir leid. Sempai hat gesagt, ich soll sichergehen, dass du auch wach wirst, da habe ich wohl übertrieben."

"Ich glaube dir keine Sekunde, dass es dir leid tut, Lee-kun", brummte Kishio ärgerlich. "Jetzt bin ich wach. Was also will er von mir?"

"Er hat einen Auftrag für dich. Du möchtest bitte aufstehen, frühstücken und dir anhören, was er von dir will", sagte Lee lapidar. "Ich soll dir übrigens heute helfen."

"Er hat einen... Du sollst mir... Hä?"

Lee seufzte. "Wasch dich, zieh dir was an und komm in die Küche, Kishio-kun. Okay?"

Der junge Moeru atmete stoßweise aus. "Okay. Muss ich mich beeilen?"

"Nicht mehr als sonst auch", erklärte Lee süffisant.

"Na toll, das hilft mir jetzt weiter." Er suchte sich ein paar Sachen zusammen und verließ das Zimmer, um das Bad aufzusuchen.

Lee grinste ihm hinterher und ging wieder in die Küche.
 

Als Kishio in die Küche kam, fand er Yuriko, die er Onee-chan nennen durfte, beim Kochen vor. Lee und Kou-san saßen am Küchentisch und aßen Pfannkuchen. Mamoru-sama las, während er einen Tee trank, in der Tageszeitung.

"Morgen", sagte Kishio.

"Morgen", erwiderten die Männer.

"Guten Morgen, Kishio", sagte Yuriko. "Wie viele Pfannkuchen möchtest du? Es soll ein langer Tag für dich werden, habe ich gehört."

"Wird es das?", fragte er interessiert. "Vier, bitte."

Mamoru sah von seiner Zeitung auf. "Setz dich bitte, Kishio. Nur zu deiner Information, ich habe Shinpa-chan schon weggebracht. Und ich werde ihn nachher von der Therapie zur Arbeitssitzung mit Kawada Nanahara von der Chakraforschungsgruppe bringen. Und ich hole ihn wieder nach Hause."

Kishio nahm Platz und bekam bereits den ersten Pfannkuchen aufgetischt. "Danke, Onee-chan. Gibt es einen Grund dafür, Niichan, dass du meine Pflichten erfüllst?"

"In der Tat", erwiderte er und faltete die Zeitung ein. Er sah Kishio direkt an. "Du hast heute viel zu tun. Ich denke, du hast dich die letzten Tage gut genug erholt, sodass ich kein schlechtes Gewissen haben muss, wenn ich dich herumscheuche. Aber ich finde, es wird höchste Zeit für dich, einige Dinge über Konoha zu lernen. Und über den Clan der Nara, dem du nun angehörst. Es könnte sich eines Tages als wichtig erweisen."

"Aha", sagte Kishio verständnislos, bedankte sich für den Tee, den Yuriko ihm einschenkte und begann den Pfannkuchen mit der Gabel zu bearbeiten.

"Ich habe mit Shinpachi gesprochen", sagte Mamoru bestimmt. "Er sagte, neben deiner Ausbildung im Feuer-Element, die mir obliegt, wird er deiner Ausbildung in den Künsten der Moeru den letzten Schliff geben, sobald er das wieder auf eigenen Beinen erledigen kann. Das heißt, du wirst deine Fähigkeit, mit Hilfe deines Chakras zu töten, verfeinern und vervollkommnen. Tsunade-sama ist sehr interessiert daran, dass das schnell geschieht. Nicht zu schnell, aber in einem vernünftigen Rahmen. Man hat mir zu verstehen gegeben, dass sich die ANBU für dich interessieren. Nachdem du etliche Anfänger traumatisiert hast, hat man einige Erwartungen in dich."

"So, habe ich das?", fragte Kishio frech. "Dann war es wohl ihre eigene Schuld."

"Meine Rede, meine Rede", seufzte Mamoru. "Ich habe ihnen gegenüber deutlich gemacht, dass deine Arbeit für sie und für das Verhörteam eine freiwillige Aufgabe ist und dass deine Pflichten mir gegenüber - also Shinpachi gegenüber - immer Vorrang haben. ANBU haben aber meist eine natürliche Arroganz, die durchschlägt, wenn sie ihre Masken tragen. Du warst noch arroganter. Das will einiges heißen, Kishio."

Verlegen sah der junge Mann auf. "Niichan, es ist ja nicht, dass..."

"Wie ich schon sagte, Kishio no Moeru, Shinpachi geht vor. Immer. Hättest du dich von ihnen gängeln lassen und wärst gesprungen, dann hätte ich schon vor Wochen einschreiten müssen. Schlimm genug, dass mir das im eigenen Haus nicht aufgefallen ist, aber das ist eine andere Geschichte." Er seufzte. "Auf jeden Fall haben die ANBU Interesse an dir, gerade an den sensorischen Fähigkeiten. Aber auch die Attentatseinheit erwartet einiges von deiner Kunst. Ich habe allerdings klar gemacht, dass die letzte Entscheidung bei dir liegt, und bei niemandem sonst. Du hast mehr als genügend Betätigungsfelder in Konoha. Du musst nicht unbedingt einer Elite-Einheit beitreten."

"Niichan, würdest du beitreten, wenn sie dich fragen würden?"

"Aber sofort", erwiderte Mamoru grinsend. "Nicht bei den ANBU-Ne, versteht sich. Ich hasse Geheimlogen inmitten von anderen Geheimlogen innerhalb einer Geheimloge. Aber die regulären ANBU wären eine Versuchung für mich. Leider habe ich mir diesen Weg verbaut, als ich mein eigenes Team angenommen habe. Ich bin noch mindestens bis zum Chunin-Examen meiner Genin quasi an diese Aufgabe gebunden. Nicht, dass ich mein Team dreizehn nicht auch jederzeit über eine Verwendung als ANBU setzen würde. Außerdem bin ich mittlerweile ein Anführer, und man sagt zu Recht, dass ein Anführer nur schwer wieder gehorchen lernt. Vermutlich macht es keinen Sinn, mir gleich eine ANBU-Einheit zu unterstellen. Und um den Job von der Pike auf zu lernen, bin ich wohl mittlerweile zu arrogant. Für dich jedoch besteht da Hoffnung."

"Aha."

Mamoru entfaltete die Zeitung wieder und sah hinein. "Jedenfalls habe ich dafür gesorgt, dass du den Rest des Tages nichts zu erledigen hast. Du kannst tun und lassen was du willst, und das in deiner eigenen Geschwindigkeit, solange du nur mit Lee meinen einzigen Auftrag erfüllst. Ich selbst werde heute damit beschäftigt sein, Team dreizehn zu überwachen. Sie haben eine C-Rang-Mission unter Führung von Mai-chan bekommen. Offiziell bin ich verhindert. Inoffiziell will ich sehen, wie sie sich schlagen."

"Oh", machte Kishio. "Da wäre ich gerne dabei, Niichan."

Mamoru lachte leise. "Wie gesagt, du hast andere Pläne.

Lee-kun."

"Jawohl!" Der junge Chunin zog eine Karte Konohas aus seinem Gürtel und legte sie auf den Tisch. "Kishio-kun, dies ist eine Karte Konohas und der Umgebung. Wir werden den Stadtwald, das Gebiet rund um die Mauer, den Außenwald und einige andere Orte erkunden, darunter den Medizinwald der Moerus."

"Aha. Und warum soll ich das machen?"

Mamoru sah wieder auf. "Vor allem, damit du weißt, wo du welche Tiere finden kannst, sobald Shinpachi mit dir trainiert. Du musst dazu Tiere töten, wenn du keine Menschen verwenden willst, oder?"

"Na-natürlich!", sagte Kishio hastig.

"Und du sollst sehr genau wissen, wo der Medizinwald ist. Wir Nara gewinnen dort eine bestimmte Sorte Chakragesättigtes Horn von Hirschen, das für diverse Medikamente verwendet wird. Nicht auszudenken, wenn ein Nara dort eines der Tiere tötet. Die Herde wäre in heller Aufruhr."

"Oh." Betreten senkte Kishio den Kopf. "Du meinst, dort sollte ich besser nicht üben?"

"Üben, ja. Deine Kunst, mit deinem Chakra zu töten, nein." Mamoru faltete die Zeitung klein und legte sie auf den Tisch. Er erhob sich. "Das ist dein einziger Auftrag heute. Lerne Konohas Wälder kennen. Es wird dir sicher auch mal guttun, wenn du aus dem Lärm der vielen Menschen rauskommen kannst, obwohl ich es lieber sehe, wenn du dich so schnell es geht dran gewöhnst. Aber jeder hat eine Pause verdient. Allerdings... Sollte etwas Wichtiges dazwischen kommen, was ich aber nicht glaube, oder sollte dir jemand eine wichtige oder zumutbare Aufgabe anvertrauen, musst du entscheiden, ob du sie annimmst oder nicht. Lee-kun wird dich in jeder Beziehung unterstützen, so gut er kann und dir auch Arbeiten abnehmen. Nicht?"

"Genau!", rief der Chunin. "Mit der Kraft der Jugend und dem Elan der Lebendigkeit werde ich dir zur Seite stehen, Kishio-kun!"

Der junge Moero legte den Kopf schräg und sah den anderen Shinobi irritiert an. "Äh, danke?"

"Wie auch immer, ich muss los. Lee-kun kommt vor allem mit, weil er ein Ortskundiger ist. Wenn du Fragen hast, wird er sie beantworten. Und studiere die Karte gut, Kishio. Ich will, dass du alle markierten Orte aufsuchst. Verstanden?"

"Verstanden, Sensei", sagte Kishio ruhig.

Mamoru klopfte ihm anerkennend auf die Schulter. "Dann ist ja gut. So, ich muss los. Lee-kun, pass gut auf ihn auf."

"Geht klar, Sempai."

"Kou, ärgere meine Schwester nicht zu sehr."

"Die zufällig meine Verlobte ist", erwiderte der Hyuuga.

Mamoru grinste. "Yuriko-neechan, danke für das Frühstück."

Die ältere Schwester Mamorus ließ sich an der Hüfte umfassen und hauchte ihrem kleinen Bruder einen Kuss auf die Lippen. "Alles nur, damit du wenigstens eine gesunde Mahlzeit am Tag bekommst. Viel Spaß da draußen, Mamo-chan."

"Werde ich haben." Er winkte noch einmal ins Rund, dann verschwand er per Step.

Kishio sah kurz noch auf die Stelle, an der sein Sensei verschwunden war, dann warf er einen Blick auf Lees Karte. Die Stadt kennenlernen, Trainingsgebiete erkunden, das war wichtig. Nicht besonders wichtig, aber es musste getan werden. Definitiv.

"Das wird heute ein spaßiger Tag, Kishio-kun!", rief Lee enthusiastisch.

Der Moeru sah den anderen mit Zweifel im Blick an. "Zweifellos interessant."

***

"Oh, das wird so ein Riesenspaß!", rief Lee aufgeregt, als er neben Kishio das Haus der Morikubos verließ.

Der Blick des jungen Moeros hingegen drückte Skepsis aus. "Ich bin mir da nicht so sicher. Andererseits ist es ja mal schön, einen ganzen Tag zum Spazieren gehen zu haben."

"Ich habe schon Pläne für das Mittagessen gemacht. Magst du Barbeque, Kishio-kun? Ich habe uns einen Tisch reserviert. Ich lade dich ein."

Konsterniert blieb Kishio stehen. "Äh, danke? Aber ich habe eigenes Geld, Konoha bezahlt meine Dienste in Morinos Stab recht gut, und..."

"Darum geht es doch nicht", tadelte Lee. "Es war meine Idee. Und ich werde für meine Missionen auch sehr gut bezahlt. Außerdem würde es mir eine Freude machen zu sehen, wie du wie ein Scheunendrescher reinhaust, Kishio-kun."

Dies schien den Moeru zu amüsieren. "Nun, ich muss eine Menge essen, um meinen Chakra-Haushalt stabil zu halten, das ist wahr."

"Also ist das abgemacht!", rief Lee und klopfte dem Rothaarigen auf die Schulter.

Der versteifte sich für einen kleinen Moment, entspannte sich aber sofort wieder. Auf seinem Gesicht erschienen weder Abscheu noch Anspannung. "Also Barbeque. Einverstanden. Aber..."

"Kishio-kun, hast du mal eine Sekunde?", klang eine bekannte Stimme an sein Ohr. Es war der Clanchef Shikaku. Er hatte die Rechte halb angehoben, die Handfläche nach oben und bewegte die Finger vor und zurück. Wieder war der junge Moeru irritiert. Bis er sich daran erinnerte, dass diese Geste, die in den meisten Ländern bedeutete, dass jemand gehen sollte, in Konoha das Gegenteil hieß. Worte und Geste stimmten überein. Er sollte näher kommen.

Interessiert trat der Junge näher. Lee folgte ihm selbstverständlich.

"Kishio-kun", sagte der Veteran, "ich weiß, du hast heute frei. Aber kannst du für mich etwas erledigen? Ein Schriftstück muss zur Hokage. Ich wäre dir wirklich dankbar, wenn du das für mich erledigen könntest."

Kishio zuckte mit den Achseln. "Nun, wenn es weiter nichts..."

"Einen Augenblick, Nara-sama", mischte sich Lee ein. "War das eine Bitte oder war das ein Befehl?"

"Wie bitte?", fragte der Mann mit dem Spitzbart irritiert.

"Nun", erklärte Lee, "Mamoru-sempai hat Kishio für den heutigen Tag sehr klare Anweisungen gegeben. Wenn es eine Bitte war, kann er sie ablehnen. War es aber ein Befehl, den Sie, Nara-sama, als Mamoru-sempais Clansherr an dessen Untergebenen Kishio ausgeben, dann muss er ihn ausführen."

Entgeistert starrte Shikaku den Jungen in der grünen Trainingsmontur an. "Du verlangst, dass ich einen Befehl daraus mache?"

"Dann war es eine Bitte? Kishio-kun, wir haben wirklich nicht den ganzen Tag Zeit. Wir..."

"Ja, verdammt, es ist ein Befehl!" Er drückte Kishio eine Schriftrolle in die Hand. "Es handelt sich um die Liste mit der Einsatzbereitschaft meiner Leute. Tsunade-sama braucht sie für das kommende Quartal, um die Annahme von Missionen zu planen. Bring sie ihr so schnell wie möglich. Danach habe ich keine Anweisungen für dich."

Der junge Moeru nahm die Schriftrolle entgegen. Ein unsicherer Blick traf Lee.

Der zuckte mit den Schultern und verschränkte beide Arme hinter dem Kopf. "Wenn es auch ein direkter Befehl des Clanchef der Naras ist..."

Kishios Hände schlossen sich um die Rolle. "Ich beeile mich."

"Wir beeilen uns", sagte Lee bestimmt.

"Äh... Danke", murmelte Shikaku.

"Dewa, Shikaku-ouji." Kishio nickte ihm zu und verschwand per Step. Lee folgte ihm auf dem Fuß.
 

Mit einigen schnellen Steps schossen die beiden Ninjas über die Stadt dahin. "Du bist wieder gut in Form, Kishio-kun", lobte Lee.

"So, findest du?"

"Ja. Bevor du deinen Zwangsurlaub angetreten bist, warst du reichlich blass um die Nase. Aber ich dachte immer, das wäre dein natürlicher Teint. Dass du einer von denen bist, die sich auch totarbeiten, wusste ich nicht."

"Wieso auch?", fragte Kishio amüsiert. Zumindest bis Lee zu grinsen begann und dem Moeru wieder einfiel, was für ein Trainingsfanatiker Rock Lee war. Und um ehrlich zu sein war der Mann vor ihm für seine Disziplin zu beneiden. Kishio grinste und nickte Lee anerkennend zu, der die Geste erwiderte.

Vor dem Hokage-Haus kamen sie aus dem Step. Ohne zu zögern traten sie ein und suchten das Büro der Hokage auf. Shizune-chan kam ihnen entgegen.

"Ah, Shizune-tono, yokatta", rief Kishio. "Kann ich dir diese Rolle von Shikaku-ouji mitgeben? Sie enthält die Einsatzbereitschaft des Nara-Clans."

Das schwarzhaarige Mädchen mit den Kurzhaarschnitt lächelte bestätigend. In ihren Armen trug sie wie meist das kleine Schwein der Hokage. "Sicher, Kishio-kun. Du brauchst nicht selbst reinzugehen. Genieße deinen freien..."

"KISHIO? SOLL REINKOMMEN!", blaffte Tsunade-sama laut genug, dass man meinte, man würde neben ihr stehen und nicht durch eine Tür und eine Wand von ihr getrennt sein.

Shizune sah die beiden Jungs betreten an. Mist, formten ihre Lippen lautlos. "Na, dann geht mal rein, Ihr zwei", murmelte sie und öffnete die Tür zum Büro.

Tsunade-sama erwartete die beiden, über einem Berg an Dokumenten brütend. "Kommt rein, es dauert auch nicht lange", murmelte sie und hob dabei den Blick nicht einen Moment.

Lee und Kishio bauten sich vor ihrem Schreibtisch auf, während Shizune ihren Platz neben der Hokage einnahm.

"Ich weiß, Kishio-kun, es ist dein freier Tag. Mamo-chan war hier und hat ausdrücklich darum gebeten, dass die ANBU und Morino-tono dich heute mit Arbeit in Ruhe lassen, außer der vierte Ninjaweltkrieg bricht aus."

Kishio pfiff kurz anerkennend. Zumindest bis er merkte, was er tat und den Pfiff eilig abbrach. "Das hat er getan?", fragte er schließlich, um den peinlichen Moment zu überbrücken.

"Ja, das hat er. Kam hier rein und hat tatsächlich von mir verlangt, dass ich mich an seine Anweisungen halte." Tsunade grinste. "Aber er hat ja auch Recht. Wir haben dich viel zu sehr gescheucht, Kishio-kun. Ich werde versuchen, im Auge zu behalten, dass man dir Luft zum Atmen lässt, egal wie wertvoll du für Konoha bist."

Kishio zögerte einen Moment. "Dafür danke ich, Hokage-sama." Er wechselte einen erfreuten Blick mit Lee, der ihn mit erhobenem rechten Daumen angrinste.

Tsunade sah auf. "Aber da du ja quasi selbst zu mir gekommen bist, wirst du mir ein paar Fragen beantworten. Und ja, das ist ein Befehl. Nur damit keine Missverständnisse aufkommen."

Lee, den Zeigefinger bereits erhoben, ließ ihn enttäuscht wieder sinken.

"Natürlich, Tsunade-sama", sagte Kishio schnell, um das Geschehen zu überspielen. "Frag, was du willst."

"Hm." Sie sah ihn an. "Kishio no Moeru, als du diese sechs Jahre da draußen im Nordwesten warst, hast du da je etwas von einer Gruppe namens Akatsuki gehört?"

Kishio wurde blass. Es war allgemein bekannt, wer sie waren, die Akatsuki. Welche Mitglieder sie hatten. Was ihre Ziele waren. Alleine der Gedanke, dass der hochtalentierte und brandgefährliche Itachi Uchiha für sie arbeitete, ein Mann, den zu vernichten die Oinin-Teams der ANBU bis heute nicht geschafft hatten, war erschreckend. "Natürlich, Tsunade-sama. Ich habe viel von ihnen gehört. Genug, um sie zu fürchten."

Tsunade nickte. "Hattest du da draußen je Kontakt zu ihnen? Haben sie dir zum Beispiel wegen deinem Kekkai Genkai je ein Angebot gemacht, ihnen beizutreten?"

Kishio versteifte sich. "Tsunade-sama, ich versichere dir, dass meine volle und alleinige Loyalität Mamoru-sama und damit auch Konoha gilt, und ich..."

"Das war nicht meine Frage!", blaffte sie. "Wage es ja nicht, dir meine Worte so zu verdrehen, dass du glaubst, ich würde dir nicht vertrauen." Ein warmes Lächeln spielte um ihre Züge. "Denn das wäre nicht wahr, Kishio no Moeru. Ich vertraue dir ebenso sehr wie Mamo-chan es tut."

Irritiert sah er die Hokage an. Aber warum dann diese Frage?

"Du fragst dich sicher gerade, warum ich dich das frage, nicht?"

Kishio und Lee nickten unisono.

"Nun, vielleicht, weil ich verzweifelt bin", sagte sie und seufzte. "Wir wissen, dass die Akatsuki aus einigen der besten und gefährlichsten Nukenin der größten Dörfer bestehen. Wir wissen auch, dass Iwagakure sie als Söldner anheuert und für sich Aufträge erfüllen lässt. Wir wissen aber bei weitem zu wenig, viel zu wenig über sie. Und deshalb quetsche ich jede Informationsquelle aus, die ich finden kann. Du bist in einem Gebiet gewesen, das ihrem vermutlichen Kerngebiet sehr nahe ist. Daher ist es nicht auszuschließen, dass du mit ihnen oder einem ihrer Untergebenen zu tun hattest. Oder zumindest etwas über sie gehört hast, was noch nicht meine Ohren erreicht hat."

Gut, das war schlüssig. Kishio legte den Kopf schräg und dachte nach. Dann begann er alles zu erzählen, was er hier und da mitbekommen hatte. Shizune setzte das Schweinchen auf dem Fußboden ab und schrieb eifrig mit, um es später mit den bekannten Daten abzugleichen.

"Begegnet bin ich nie einem von ihnen. Nur einmal hatte ich es mit einer Untergebenen zu tun", sagte Kishio, bei der Erinnerung plötzlich stockend. "Eine merkwürdige Person, die ein ungewöhnliches Jutsu beherrschte. Sie verwandelte sich in ungezählte Lagen Papier. Ich bin ihr nur dank meiner sensorischen Fähigkeiten nach einer sehr langen Hatz entkommen."

Tsunade sah interessiert auf. "Und? Was wollte sie von dir?"

"Was sie von mir wollte?"

"Ja, was wollte sie von dir?", fragte nun auch Shizune.

"Ja, was wollte sie von dir?", fragte Lee.

"Ich..."

"Ja?"

"Ich habe es vergessen", sagte Kishio, streckte mädchenhaft die Zunge zum linken Mundwinkel raus und deutete eine Kopfnuss an, um sich zu bestrafen.

Ein kollektiver Seufzer der Enttäuschung ging durch das Büro.

"Viele Worte wurden ohnehin nicht gewechselt. Sie hat ziemlich fix ihr Jutsu ausgepackt, um mich einzufangen. Und da sowas meinen Fluchtreflex auslöst... Nun. Ich habe sie seither nicht wiedergesehen."

"Über diese Person gibt es vage Berichte über Sichtungen, Tsunade-sama", sagte Shinzune.

Sie nickte. "Schade, ich hätte gerne mehr Details gehabt. Aber wenigstens wissen wir jetzt, dass sie ihren ganzen Körper in Papier verwandeln kann, nicht nur einzelne Lagen."

Die Hokage sah Kishio zufrieden an. "Ich denke, mehr kannst du uns im Moment nicht sagen. Aber wenn dir noch etwas einfällt, und wenn es dir noch so unwichtig erscheint, sag es mir oder Shizune. Was für dich unwichtig wirkt, kann für uns das entscheidende Puzzleteil sein, das wir benötigen."

"Hai, Tsunade-sama", sagte Kishio und verbeugte sich ansatzweise.

"Eine Frage noch, Kishio."

"Ja?"

"Fühlst du dich wohl in Konoha?"

Irritiert sah er die Hokage an. "Hai?"

"Gefällt es dir hier bei uns?"

"Oh. Ja. Ja, Tsunade-sama. Es gefällt mir sehr gut in Konohagakure. Alle sind sehr nett zu mir und Shinpachi. Und meine Arbeit wird sehr gewürdigt, das finde ich großartig. Jedoch..."

"Jedoch?"

Er lächelte verlegen. "Ich muss wohl noch lernen, mehr "nein" zu sagen. Ach, und es ist immer noch so laut hier. Sensorisch, meine ich. In einer Stadt, die so groß wie Konohagakure ist, prallen viel zu viele Eindrücke auf mich ein, wenn ich orte. Aber ich gewöhne mich daran."

"Das freut mich zu hören. Immerhin ist dies ja jetzt dein Zuhause", sagte sie mit Wohlwollen in der Stimme. "Danke für eure Zeit, Kishio-kun, Lee-kun. Ihr könnt jetzt gehen."

"Hai!" Kishio schlug die geballte Rechte in die offene Linke und verbeugte sich leicht. Lee verneigte sich steif ein wenig aus der Hüfte. Kurz darauf hatten sie das Büro verlassen. Bevor Tsunade-sama noch mehr einfiel.

***

Als sie den inneren Stadtwald erreichten, also jenen Teil, der auf der Innenseite der großen Schutzmauer stand, entspannte Kishio seine sensorischen Fähigkeiten und versuchte, seinem ursprünglichen Auftrag nachzukommen. Er scannte nach Tieren, die es hier gab und ordnete sie in Kategorien ein. Hauptsächlich hatte er es mit alltäglichen Waldbewohnern zu tun, aber es gab auch ein paar verwilderte Haustiere. In der Regel Hamster, aber auch ein paar Ziervögel, die eigentlich in wärmeren Gefilden beheimatet waren, sich hier aber doch recht gut zu machen schienen, da sie offensichtlich brüteten. Ein paar streunende Hunde waren dabei - und ein paar Katzen. Kishio grinste. Eine der Katzen kannte er sogar persönlich. Er bedeutete Lee ihm zu folgen und jagte auf die Position dieser einen Katze zu. Direkt neben ihm kam er aus dem Step.

"Hallo, Neko-tono."

Der ANBU zuckte heftig zusammen, als Kishio direkt neben ihm aus dem Nichts auftauchte. Was auch daran lag, dass Kishio so gut er es vermocht hatte, seine eigene Präsenz verhüllt hatte.

"Ah! Moeru-sama! Wo kommst du denn her?"

"Äh, ANBU-san...", kam es zaghaft von Lee.

"Draußen vom Walde komme ich her, und ich muss euch sagen..."

"Keine Kalauer, bitte", tadelte der ANBU.

"Jungs? Ich meine ja nur, dass..."

"Ich komme ganz zufällig vorbei und dachte, ich besuche dich mal, wenn du nicht zu beschäftigt bist, Neko-tono."

"Oh, es geht. Ich transportiere gerade ein paar Katzen. Kein wichtiger Auftrag, aber ein ANBU erfüllt jede seiner Aufgaben mit Stolz."

"Genau das will ich doch die ganze Zeit sagen!", rief Lee außer sich. "Dein Korb ist dir runtergefallen, ANBU-san, und die Katzen hauen ab!"

Die Maske ruckte nach unten, zum Korb, der aufgesprungen war, als er auf dem Boden aufgekommen war. Gerade rappelte sich die letzte Katze auf, um aus dem Korb zu springen und das Weite zu suchen. "Mokuton: Daijurin no Jutsu!", rief der ANBU. Aus seinen Händen wuchsen Bauholzquader, mit denen er versuchte, die letzte Katze einzufangen, aber das Biest entkam ihm.

"Verdammt!"

"Autsch. Das war keine Absicht, Neko-tono. Es sind genau elf. Ich helfe dir, sie wieder einzufangen. Keine Sorge, ich habe ihr Chakra gespeichert und werde sie überall wiedererkennen."

"Danke für das Angebot, aber ich bin ohnehin schon überfällig. Besser, ich alarmiere ein Team ANBU und blamiere mich, aber erfülle wenigstens meinen Auftrag."

"Aber ich weiß doch, wo sie sind", beharrte Kishio. "Es wird vielleicht wirklich dauern, weil sie überall verteilt sind, aber du musst dich nicht vor den ANBU blamieren, Neko-tono."

"Ich habe bestenfalls eine Viertelstunde, Moeru-sama. Die Zeit nutze ich besser, um mir Verstärkung zu holen. Und selbst wenn du mir hilfst, du kannst auch nur eine Katze zur gleichen Zeit verfolgen. Und Lee und ich haben deine sensorischen Fähigkeiten nicht."

"Oh, ich bin verdammt schnell", versicherte Lee. "Das ersetzt bestimmt drei Kage Bunshin. Und wenn du noch Kage Bunshin erschaffst, können wir alle elf auf einmal verfolgen. Wie viele Kage Bunshin schaffst du, Kishio-kun?"

"Äh, drei", sagte er zurückhaltend.

"Damit haben wir vier Katzen sicher", frohlockte Lee. "Wie viele Kage Bunshin kannst du erschaffen, ANBU-san?"

"Sieben."

"Wir könnten ja Teams bilden. Ein Moeru begleitet zwei ANBU-Klone, oder so", schlug Lee vor.

"Oder aber..." Kishio runzelte die Stirn. "Hast du ein zweites Funkgerät mit Ohrstecker dabei, Neko-tono?"

"Zufällig ja." Er reichte es Kishio ohne zu fragen.

Der Moeru legte es an. "Kage Bunshin no Jutsu!" Ein zweiter Kishio entstand, der sein Funkgerät an Lee weitergab. "Lee-kun, Neko-tono, Ihr werdet nach den Katzen suchen. Ich werde euch koordinieren. Ich weiß wo sie sind und werde euch führen. Neko-tono, erschaffe bitte drei Klone. Fünf von euch zu koordinieren ist ein Wert, den ich gut schaffe."

"Das ist doch mal eine Idee!", rief der ANBU hoch erfreut. "Kage Bunshin no Jutsu!"

Nun waren vier Katzen-ANBU anwesend.

"Lee-kun, die Richtung. Neko-tono eins, da lang. Zwei, da lang, drei, dorthin. Vier, die Richtung."

Die ANBU und Lee spritzten davon. Kishio nahm es mit Zufriedenheit zur Kenntnis. Er sah seinen Klon an. "Und du wirst..."

"Hai, hai, wakata", sagte der Klon grinsend. "Die Katzen in den Korb packen, auf den Korb aufpassen und nicht mit den Katzen spielen."

"Genau." Kishio zwinkerte seinem Kage Bunshin zu. Dann ließ er sich in den Saiza nieder. "Beginnen wir also." Mit einem Klick aktivierte er das Funkgerät.

"Lee-kun, geh fünfzig Meter weiter nach Süden und suche nach einem Ginsterbusch. Neko-tono eins, rechts von dir ist eine Eiche. Spring auf den untersten Ast. Neko-tono zwei, geh..."
 

Exakt elf Minuten später waren alle Katzen wieder eingefangen. Sie hatten sich als zähe, findige Biester erwiesen, aber letztendlich hatten sie sich den Shinobi geschlagen geben müssen.

"Verdammt zähe Biester", keuchte Lee außer Atem. "Es war so, als würden sie so was ihr ganzes Leben machen, also Shinobi entkommen. Das war richtig gespenstisch."

Der ANBU nickte. "Und genau das ist der Grund, warum ich sie bringen soll. Wenn sie sogar einem Chunin Schwierigkeiten machen, geschweige denn einem ANBU, dann lohnt sich eine Verhaltensstudie." Er verbeugte sich, den Katzenkorb fest geschlossen, vor Kishio. "Moeru-sama, ich bedanke mich vielmals für deine Hilfe."

"Was denn, was denn? Ohne mein Auftauchen wäre dir der Korb gar nicht erst runtergefallen und die Katzen wären nicht entkommen, dessu ne? Sagen wir, wir sind quitt."

"Einverstanden, Moeru-sama." Er nickte ein letztes Mal und verschwand per Step.

Lee klopfte Kishio anerkennend auf die Schulter. "Das war ein anständiges Stück Arbeit an Menschenführung, Kishio-kun. Du hast uns sehr gut angeleitet. Und was noch wichtiger ist, du hast auch mal delegiert."

Kishio lachte für einen Moment. "Das kann man doch nicht delegieren nennen. Aber gesteuert habe ich euch, ne?"

"Ja, das hast du. Deine sensorischen Fähigkeiten sind sehr nützlich. Kein Wunder, dass man im Rat davon spricht, was für ein Glücksfall es war, dass ausgerechnet Mamoru-sempai dich gerettet hat."

"Sie sprechen im Rat über mich?", fragte Kishio. "Was sagen sie denn so?"

"Zum Beispiel, dass du unsere sensorischen Ninjas um Jahre voranbringen wirst. Du bist einer der größten Schätze, die Konoha hat. Das sagen sie."

"Oh, ich fühle mich geschmeichelt", sagte Kishio schroff. Aber seine Miene bewies, dass er nicht gelogen hatte.

"Wer hätte gedacht, dass der Tag so viel Spaß machen würde?", rief Lee gut gelaunt.

Kishio gab ihm im Stillen Recht.

***

Zum Mittagessen gingen sie tatsächlich in den Barbeque-Grill, den Lee erwähnt hatte. Etwas irritierend fand Kishio es schon, dass man sich sein Essen selbst zubereiten musste, und das in einem Restaurant. Allerdings war er es gewohnt, sein Essen selbst zuzubereiten. Und ihm schmeckte das marinierte Fleisch hervorragend. Auch Lee griff eifrig zu, sodass auf dem Grill nie wirklich Platz war. Dazu tranken sie kalten grünen Tee.

"Weißt du, Kishio-kun", sagte Lee, den Mund verschmiert von seinen vier dreifachen Portionen, die er bereits verdrückt hatte (und die Kishio erklärten, warum es schlau gewesen war, sich einladen zu lassen), "wir haben schon eine Menge hinter uns. Nur noch der äußere Wald und der Medizinwald der Moerus. Herr Ober, nochmal zwei Portionen für unseren Tisch!"

"Drei!", rief Kishio, während er gegartes Fleisch vom Grill abnahm und das letzte rohe Fleisch auflegte. Wirklich, es schmeckte ihm.

"Aaah! Lee, gut, dass ich dich zufällig treffe!", klang eine helle Frauenstimme auf.

Kishio sah hoch und erkannte Ino-chan, die Cousine von Hanako-sama.

"Ino-chan." Den Mund voller Fleisch sah Lee sie an. "Waff gibt efff?"

"Es gibt da ein paar Dinge, die wir besprechen müssen. Du weißt doch, Mamo-chans Geburtstag naht, und Neechan hat mich gebeten, ihr bei ein paar Sachen zu helfen. Und außerdem ist Ryu-kun bis kurz vor der Feier nicht in der Stadt... Ach, hast du nicht mal zehn Minuten?"

Lee sah von ihr zu Kishio herüber. "Tut mir leid, Ino-chan, aber ich bin heute nur für Kishio-kun da."

Ino sah den Moeru bittend an. "Kishio-kuuuuun, kannst du ihn mir nicht kurz ausborgen? Bittteeeeeeeee. Ihr macht doch ohnehin gerade Pause. Nur fünf Minuten!"

Kishio sah sie mit starrer Miene an. Schließlich sagte er: "Soll ich dir dein Fleisch schon auflegen, Lee-kun?"

"Ja, das wäre nett!", rief Rock Lee und erhob sich.

"Wir beeilen uns!", versprach Ino-chan.
 

Kishio seufzte, nahm die neuen Schalen entgegen und packte einen Teil des fertig gebratenen Fleischs von Lee auf eine nicht so heiße Ecke, bevor es verkohlte. Hoffentlich war das keine Masche, um ihn mit der Rechnung sitzen zu lassen. Aber so etwas würde Lee doch nie tun. Er nicht.

"Kishio. Was für ein Zufall. Was machst du denn hier?"

Der Moeru sah auf. "Shikamaru-sama. Ich bin mit Lee-kun hier. Wir essen zu Mittag." Er deutete an den Nebentisch, an dem er mit Ino saß. "Ich habe ihn gerade verliehen, wie es scheint."

"So, hast du." Shikamaru grinste. "Wo ich dich gerade sehe, kann ich dich ja gleich mal was fragen. Hast du nicht Lust, mit mir heute Abend Shogi zu spielen? Und an den darauffolgenden Abenden? Kenshiro-jii hat mich gebeten, dir ein paar Kniffe beizubringen, damit er mehr Spaß dabei hat, wenn Ihr zusammen spielt."

"So, hat er das?"

"Ja, das hat er. Also, hast du Lust?"

"Lust schon. Aber... Ist dies eine offizielle Anweisung? Ein Befehl?"

"Wieso Befehl?"

"Wenn es kein Befehl ist, würde ich gerne ablehnen. Ich habe genug zu tun, Shikamaru-sama. Es spricht nichts dagegen, Shogi zu spielen, wenn ich Luft habe. Aber es voraus planen ist mir doch zuviel. Entscheiden wir das spontan."

Shikamaru zögerte. Dann nickte er. "Einverstanden. Aber heute geht klar?"

"Ich melde mich", versprach der Moeru.

"Okay. Ist in Ordnung." Er nickte ihm zu und ging dann zum Tisch von Ino und Lee.

"Oh, Kishio-san, isst du das noch?"

Bevor er Einwände erheben konnte, hatte sich Choji auf Lees Platz gesetzt. Mit glänzenden Augen betrachtete er das fertige Fleisch von Lee. "Bevor das gute Zeug verbrennt..."

Kishio klopfte dem Jüngeren nachhaltig auf die Finger, als er zu den Stäbchen greifen wollte. Zwar war er der Cousin von Karin-sama, jener Frau, die gerade die besten Aussichten hatte, Mamo-chans Hauptfrau zu werden - und Familie verpflichtete - aber Choji war selbst für einen Akimichi recht fett geraten. "Lee-kun kommt gleich wieder. Und ich erkläre ihm nicht, warum sein fertiges Fleisch weg, ist, Choji." Spöttisch sah er den Jüngeren an. "Was wird wohl Karin-chan dazu sagen?"

"Musst du gleich gemein werden?", brummelte der Akimichi und rieb sich die schmerzende Hand. "Und seit wann kannst du überhaupt nein sagen, Kishio-san?"

"Oh", erwiderte er, "ich habe geübt. Mit ANBU."

"Mit ANBU? Wow."

"Choji, komm rüber. Wir wollen bestellen!", rief Shikamaru.

"Oh!" Der Junge sprang auf. "Wir sehen uns, Kishio-san! Wartet! Lasst mich auflegen! Ihr könnt das nicht!"

Zur gleichen Zeit kehrte Lee zurück. Misstrauisch musterte er den Grill. "Er ist nicht leer. Hat Choji sich beherrscht? Ach was, abwegige Idee. War er satt?"

Kishio kicherte. "Ich habe ihm verboten, sich zu bedienen, Lee-kun."

"Oh. Ich bin beeindruckt." Er ließ sich nieder und sammelte sein Fleisch ein. "Genau richtig. Gut, dass du gelernt hast, nein zu sagen, Kishio-kun."

Ja, das hatte er in der Tat.

***

Der Weg durch den Konoha-nahen Wald verlief relativ unspektakulär. Wenn man von dem Zusammenstoß mit einer Patrouille Konohas, einem verhinderten Raubüberfall und einem kleinen Mädchen absah, das sich verlaufen hatte und nach Hause wollte, absah. Es war schon ein wenig merkwürdig, dass das Mädchen Hanabi-chan so ähnlich sah, der zweiten Tochter des Hauptzweigs der Hyuuga-Familie, die Kishio durch Kou recht gut kannte, auch wenn sie nicht die üblichen weißen Pupillen der Familie hatte. Aber dafür wollte sie verdächtig nahe am Haupthaus abgesetzt werden. Und wenngleich sie sich mehrfach bedankte, Kishio war sich nicht sicher, ob ihre schönen blauen Augen tatsächlich echt gewesen waren.

Nach einer ganzen Reihe weiterer Aufgaben, die auf sie warteten - inklusive eines Bären, der Amok lief und den Lee und er besiegten, betäubten und etliche Kilometer von der Stadt entfernt wieder aussetzten - machten sie sich auf den Weg zum Wald der Nara.
 

"Also, das ist der Medizinwald?" Kishio musterte den Wald mit großem Interesse, sowohl mit seinen Augen, als auch mit seinen Fähigkeiten. Er war groß und voller Leben und... Er stutzte. So etwas hatte er noch nicht gesehen. Er konzentrierte sich darauf.

"Was ist los, Kishio-kun?", fragte Lee.

"Ich... Ich weiß es nicht. Ich sehe eindeutig das Chakra-System eines Tiers. Eines Hirschs. Ein großes Tier. Sehr kräftig und gesund. Aber das Chakra-System ist... Ist so anders. Es wirkt auf mich wie... Wie das Chakra-System eines trainierten Shinobi."

"Das ist cool. Schauen wir uns den Burschen an?" Lee eilte voran.

"Warte!" Automatisch eilte Kishio dem grünen Wirbelwind nach.

Der Wald war tiefer, als der Moeru gedacht hatte. Ihr Weg führte sie tief hinein. Erst nach zwei Kilometern erreichten sie den Ort, an dem Kishio das Chakra erspürt hatte.

Sie hielten inne. Eine Lichtung umgab sie, Lichtdurchdrungen und mit saftigem Gras bestanden. Unwillkürlich traf der junge Moeru Assoziationen mit jenem Ort, an dem Mamo-chan im Zentrum einer Falle zurückgelassen worden war. Auch dort hatte es Hirsche gegeben. Aber nein, dieser Ort war anders. Ganz anders.

Es dauerte einen Moment, bis er begriff, was anders war. Er spürte die Tiere nicht mehr. Er sah sie nicht mehr. Er wusste nicht mehr, wo sie waren.

"Kishio-kun...", hauchte Lee.

"Ich weiß, ich weiß. Sie sind..." Kishio fuhr herum, als er sich fixiert fühlte. Aber da war niemand! Er hätte, seine sensorischen Fähigkeiten so voll aufgefahren wie jetzt, selbst Mamo-chan spüren müssen! Dennoch, als er hinter sich schaute, sah er in die alten Augen eines großen Hirschs mit einem Geweih, das in zweiundzwanzig Spitzen endete. Und sicherlich wog er mehr als jeder männliche Hirsch, den er je zuvor gesehen hatte. Das Tier setzte sich anmutig und doch voller Kraft in Bewegung. Kishio wusste: Dies war der König dieses Waldes.

"Kishio-kun...", flüsterte Lee.

"Keine Sorge. Er ist nicht aggressiv", flüsterte Kishio zurück.

Das mächtige Wesen erschien von einer Sekunde zur anderen in seiner sensorischen Sicht. Kishio zuckte zusammen, als er sah, was er bis dato für unmöglich gehalten hatte. Dies war das trainierte Chakra eines Shinobi, eines Chunin, eines Jounin gar.

Dann war der Gigant heran, sah ihm in die Augen. Sein heißer Atem schlug ihm ins Gesicht, aber es war nicht unangenehm.

Was darauf kam, hätte Kishio so nicht erwartet. Der alte Hirsch probierte seine Haare.

Kishio musste lachen. Das war ihm wirklich noch nicht passiert.

Der alte Hirsch hielt inne, nahm den Kopf wieder zurück und sah Kishio an. Neugierig, wie es dem jungen Moeru schien. Sehr, sehr freundlich. So, wie sein Großvater es manchmal getan hatte, bevor seine Eltern gestorben waren. Es lag eine gewisse Güte darin, die er von Yuria-sama kennengelernt hatte. Und... Ein wenig Stolz.

Bevor sich Kishio versah, begann der alte Hirsch, ihn abzulecken. Das kitzelte, und so lachte er erneut.

"Kishio-kun...", flüsterte Lee erneut.

"Was denn? Er ist doch vollkommen friedlich." Er sah auf und erschrak. Sie waren von Hirschen, Hirschkühen, Rehen und einigen anderen Wildtieren umgeben. Es waren mehr als einhundert. Und Kishio verstand mehr, so viel mehr. Dieses einmalige Chakra in ihren Leibern, ihre Art, ihre Lebensweise, das, was er in ihnen erkannte... Dies war der Medizinwald der Nara. Die Nara aber waren hier nur Partner, keine Herren. Die Herren hatte er hier vor Augen. Und die Herren wollten Antworten.

Er räusperte sich. "Mein Name ist Kishio no Moeru. Ich bin erster Gefolgsmann von Mamoru Morikubo-sama und damit ein Gefolgsmann des Clans der Nara. Ich freue mich sehr, hier sein zu dürfen und mich vorstellen zu können."

Dies löste noch mehr Interesse aus. Die Tiere kamen näher, berührten ihn, stupsten ihn an und wechselten sich ab. Manche ließen sich streicheln, manche fuhren mit ihren weichen Lippen über seinen Körper oder leckten ihn ab. Sie hießen ihn willkommen, wollten ihn riechen, schmecken, fühlen. Sie nahmen ihn auf, erkannten ihn als Nara an. Es war ein unglaublicher Vorgang. Kishio genoss jede Sekunde.

"Kishio-kun..." Diesmal klang Lees Stimme drängender

Er sah auf. Lee wurde von fünf großen Hirschen mit mächtigem Geweih bedrängt. Sie waren nicht aggressiv, aber sie hatten sich zur Abwehr bereit gemacht.

"Ach ja. Und das ist Rock Lee." Er räusperte sich. "Rock Lee gehört zu mir."

Beinahe sofort ließen die Hirsche von ihm ab. Nach und nach, ihn aber immer noch misstrauisch beäugend, zogen sie sich von ihm zurück.

Kishio hätte beinahe gelacht, weil die Szene so witzig war. Auch seine Erleichterung brachte Kishio fast zum lachen. Allerdings war er sich ziemlich sicher, dass die Hirsche gegen Lee den Kürzeren gezogen hätten, hätten sie wirklich angegriffen. Aber diese Hürde hatten sie umschifft.

Und beinahe hätte er laut geseufzt, als eine Hirschmutter ihr Kalb in seine Richtung dirigierte. Das Tier war sehr interessiert und gnabbelte ebenfalls an seinen Haaren herum, aber ohne etwas abzubeißen. Und es leckte ihm ebenfalls über sein Gesicht. Beinahe hätte er sich dazu hinreißen lassen, das Kalb mit nach Hause zu nehmen, egal was die Herde davon hielt. Beinahe.
 

Als sie endlich den Wald verließen, ging die Sonne bereits unter. Er und auch Lee standen noch immer unter dem Eindruck dessen, was gerade geschehen war.

Während sie zurück nach Konoha eilten, sah Kishio zu Rock Lee herüber. "Ich bin sehr froh, dass wir das heute gemacht haben, dessu ne?"

Lee nickte heftig. "Ja, das war eine ganz besondere Erfahrung. Ich war das erste Mal im Nara-Wald. Ich hätte nicht gedacht, dass mir das Probleme bereiten würde. Aber wir haben es gut gemeistert, nicht?"

"Ja, das haben wir", sagte Kishio zufrieden. "Nein, wirklich. Ich bin sehr froh und sehr dankbar dafür, was wir heute gemacht haben. Und ich bin sehr dankbar dafür, dass du mich heute begleitet hast, Lee-kun."

Er ging aus dem Step und Lee folgte ihm. "Wirklich, Lee-kun. Ich habe heute sehr genossen. Und ich würde mich freuen, dich eines Tages meinen Freund nennen zu dürfen."

Ein wenig konsterniert sah Lee den anderen an. "Sind wir das nicht schon längst, Kishio-kun? Freunde?"

Für einen Moment war Kishio so ergriffen, dass er kein Wort herausbrachte. Er vergaß sogar zu atmen. Erst als Lee ihm besorgt auf den Rücken klopfte, atmete er wieder ein.

Schweigend reichte er dem anderen die Hand. Lee ergriff sie. Ebenso schweigend schüttelten sie die Hände. Worte waren nun nicht mehr notwendig, um das Versprechen zu ihrer Freundschaft zu besiegeln. Die Gestik und die Blicke sagten genug. Kishio hatte seinen ersten Freund gefunden.

***

Müde, aber hochzufrieden kam Kishio zu Hause. Schon von weitem spürte er, dass Mamo-chan gerade Shinpachi abholte und nach Hause brachte. Und er spürte, dass Rock Lee zu seinen zusätzlichen zweihundert Runden um Konoha aufgebrochen war. Wie hielt der dürre Bursche das nur aus?

Im Haus selbst war niemand außer Otou-san. Erwartungsgemäß, denn im Restaurant war volles Haus. Noch immer beeindruckt von dem, was er erlebt hatte, kam er rein, zog seine Straßenschuhe aus und ging den Flur entlang. "Nabend, Otou", sagte er gähnend.

"Kishio. Sehr gut, dass du kommst. Hast du nicht Zeit, um mir bei..."

"Nein", kam es wie aus der Pistole geschossen vom jungen Moeru.

"Ups." Erschrocken sah Kenshiro Morikubo ihn an. "Nein?"

"Nein", bestätigte Kishio. Er griente. "Ich habe heute gelernt, wie man etwas ablehnt, was nicht unbedingt nötig ist."

"Oha. Ja, das ist gut. Und wichtig." Kenshiro kratzte sich am Haaransatz. "Und ich gebe zu, ich habe es wohl verdient, weil ich dich ein wenig rumgescheucht habe. Aber..."

"Aber?"

"Aber wer hilft mir jetzt dabei, diese Monsterpizza zu verspeisen?" Er deutete auf den Küchentisch, wo eine riesige Pizza wartete.

Kishio fing an zu lachen. "UND ich habe gelernt, Prioritäten zu setzen. Ich hole das Besteck, Otou."

"Das ist mein Kishio", lachte er.

Der Regenmacher 4

An diesem Tag war ich sehr gespannt auf das Ergebnis der Trainingsrunde, die ich für Kishio organisiert hatte, als ich nach Konoha zurückkehrte. Alle hatten versprochen mitzuhelfen, und mit jedem hatte ich seine oder ihre Rolle besprochen. Das kleine Gesamtkunstwerk, das meinem kleinen Bruder helfen sollte, sein Selbstbewusstsein neu zu definieren, hatte mich einige Mühen gekostet und etliche Gefallen verbraucht, die ich hier und da noch gehabt hatte. Am liebsten wäre ich in Konoha geblieben, um das Geschehen zu verfolgen. Aber einerseits hätte ich es nie durchgehalten, mich konsequent vor Kishio zu verbergen, und andererseits hätte er mir bei Entscheidungen den Vortritt gelassen, hätte ich ihn begleitet. Also hatte ich tatsächlich Konoha verlassen, um Mai-chan, Kuzomi-chan, Shinji und Kira unbemerkt zu verfolgen. Allerdings erst, nachdem ich Shinpachi vom Krankenhaus zu seinem Projekt begleitet hatte. Zwar war er kräftig genug, um allein zu gehen, aber da der neue Bruch am rechten Schienbein -nötig geworden, um eine Verwachsung zu korrigieren, ein "Geschenk" Orochimarus an den Moeru während seiner Gefangenschaft - noch nicht verheilt war, bestand ich darauf, dass ihn zumindest jemand begleitete.

Danach war ich meinen Genin gefolgt und hatte sie ziemlich genau da angetroffen, wo ich sie zu finden gehofft hatte - beim Mittagessen im Namenlosen Gasthaus, das ich vor jeder Mission mit ihnen aufsuchte, etwa zehn Kilometer von Konoha entfernt.

Den Rest des Tages hatte ich damit verbracht, sie zu observieren und mir Notizen zu machen, die ich ihnen nach ihrer Rückkehr um die Ohren hauen würde... Aber ich gebe zu, die Kleinen machten mich stolz. Sie hatten im vergangenen halben Jahr viel gelernt. Und sie wussten, wie man das Gelernte umsetzte. Das Wort "vielversprechend" drängte sich mir auf. Ich beschloss, der Hokage zu unterbreiten, mein Team zur Chunin-Prüfung im nächsten Jahr zuzulassen, die, wenn sich nichts mehr änderte, in Kirigakure stattfinden würde. Das erinnerte mich an Mei-chan. Ich meine, Terumi-sama. Wie es ihr wohl gerade ging? Es würde eine schöne Gelegenheit sein, sie wiederzusehen. Und auch Suiren-kun würde sich sicher freuen, mein Team und mich wiederzusehen. Aber das war Zukunftsmusik.
 

Vor den Toren der Stadt erwartete mich Rock Lee bereits. Ich grinste beim Gedanken daran, wie ich ihn und Kishio zusammengespannt hatte. Und ich war begierig darauf zu erfahren, wie der Tag gelaufen war.

"Lee!", rief ich und kam per Shunshin neben ihm aus dem Step.

"Ah, Mamo-sempai, guten Abend", sagte er freudestrahlend. "Es ist alles gut gelaufen. Na ja, gut, fast alles. Wie war es bei den Genin?"

"Folgen etwa einen Kilometer hinter mir. Waren recht erfolgreich, meine Kleinen." Ich runzelte die Stirn. "Was bedeutet fast alles? Hat was mit Neko-ANBU-san nicht funktioniert?"

"Was? Nein, da war alles in Ordnung. Die Katzen sind aus dem Korb geflüchtet, und Kishio ist von selbst darauf gekommen, wie man sie schnellstmöglich wieder einfängt. Er hat mich und Neko gut über Funk koordiniert. Aber..."

"Aber was?", fragte ich misstrauisch.

"Wenn du mich fragst, hat der Schattenklon, den er zur Bewachung der Katzen erschaffen hat, zu viel mit den Kätzchen gespielt", sagte Lee in verscwörerischem Ton und nickte gewichtig.

Ich zog beide Augenbrauen hoch. "So, hat er das?"

"Ja. Ich glaube, er ist Katzenfetischist."

"Das kann natürlich möglich sein." Ehrlich gesagt, wusste ich das schon längst. Alle Moerus schienen einen Katzentick zu haben, denn nicht einmal Shinpa-chan konnte an einer Katze vorbeigehen, ohne zu versuchen, sie zu locken und zu streicheln. Dabei betonte Kishio immer, er hätte als Kind keine Tiere halten dürfen und Shinpachi hatte nie eines gehabt, um Kishio nicht neidisch zu machen. Dass sie ihre Vorliebe nun auslebten, war mir durchaus Recht.

"Aber sonst ging alles glatt?"

"Na ja", druckste Lee verlegen, "da war dieser eine Bär..."

"Ein Bär?", fragte ich verständnislos. "Ein Teddy?"

"Oh nein, ein richtiger Bär. Ein Braunbär, fast zwei Meter fünfzig groß. Irgendjemand muss ihn geärgert haben, oder so. Jedenfalls ist er aus den Bergen herabgekommen und verschreckte hier die Leute. Und da wir die einzigen Shinobi in Reichweite waren, haben wir ihn betäubt und wieder in die Berge zurückgeschafft."

"Ihr habt einen ausgewachsenen Bären betäubt und in die Berge geschafft?"

"Ja, das trifft es."

"Aha." Wie nett. Kishio und Lee hatten also mit einem Bären gerungen. Und gewonnen. "Ist noch mehr passiert? Lief mit Shikamaru und seinen Freunden alles gut?"

"Keine Sorge, die Lektion in Sachen Entscheidungen treffen hat er gut gelernt und umgesetzt. Da war soweit alles in Ordnung. Uns kam aber ein Raubüberfall dazwischen. Nicht, dass der Mann eine Gefahr für uns war, immerhin sind wir stolze Shinobi, und das Messer war nicht wirklich ein Problem. Aber Kishio-kun war doch ganz schön sauer, weil das arme Opfer eine alte Oma war, die der Dieb brutal zu Boden gerammt hatte. Es war auch nicht sehr klug, Kishio mit dem Messer zu bedrohen. Wäre es ein Totschläger gewesen, würden die Ärzte aus Konoha es genau in diesem Moment operativ aus dem Rektum des Diebes entfernen müssen, wo Kishio es zwischengelagert hätte... Wie gesagt, er war reichlich sauer, aber ich konnte den Dieb beschützen."

"Den Dieb beschützen", wiederholte ich. Unglaublich. Kishio musste wirklich verdammt sauer gewesen sein. "Ist denn wenigstens mit Hanabi-chan alles glatt gelaufen?"

"Ja, das war super. Die Kontaktlinsen sahen klasse an ihr aus. Blaue Augen stehen ihr, und ich hätte sie beinahe nicht erkannt. Sie hat eine tolle Rolle gespielt und Kishio hat erneut eine gute Entscheidung getroffen, als er sie nach Hause gebracht hat. Ich fürchte nur, er hat Hanabi-chan auch erkannt."

Ich winkte ab. Das ging in Ordnung, solange der Tag als Ganzes lehrreich für ihn gewesen war. "Wie war es ansonsten? Im Medizinwald zum Beispiel?"

"Oh, da lief es wirklich gut. Kishio-kun ist super angekommen. Nur als Shikaku-sama uns zu Tsunade-sama geschickt hat, dachte ich kurz, all unsere Planungen würden den Bach runtergehen."

"Tsunade-sama?"

"Ja, sie wollte einiges mit Kishio besprechen. Und sie hat gefragt, ob er sich in Konoha wohl fühlen würde, jetzt wo hier sein Zuhause ist."

Ich begann zu grinsen. Das war besser als alles, was ich geplant hatte. Ein persönlicher Zuspruch von meiner obersten Chefin musste wie ein dreistöckiger Pfannkuchen mit Sirup-Zwischenlagen, jeder Menge Erdbeereis, tonnenweise Puderzucker und Kirschentopping für Kishio gewesen sein. "Nicht schlecht, nicht schlecht. Als hätte ich es geplant." Geplant vielleicht, aber Tsunade-sama drauf angesprochen hätte ich wohl nie. So sehr ich die Frau auch mochte, sie machte mir immer noch Angst. Vor allem dann, wenn sie es wollte.

"Lass uns zu Shinpachi gehen, Lee, bevor meine Genin kommen. Sie haben den Auftrag, sich gleich bei Tsunade-sama zu melden. Und anschließend sollen sie mich Zuhause aufsuchen. Für den Fall sollte ich vor Ort sein."

"Einverstanden."
 

Wir betraten Konoha durch das Stadttor und bewegten uns in Richtung Chakra-Forschungszentrum.

"Mamoru", rief eine bekannte Stimme hinter mir, als ich das Hauptgebäude mit Lee betreten hatte.

"Kawada." Wir warteten, bis der Chakra-Spezialist zu uns aufgeholt hatte und schüttelten ihm die Hand.

"Und? Wie macht sich Shinji?"

Ich lächelte, denn ich hatte die Frage ausgerechnet von Shinjis großem Bruder bereits erwartet. "Auf der Mission heute hat er sich sehr gut geschlagen. Ich konnte es kaum glauben, als er zwei Affenkrieger auf einen Schlag beschwören konnte. Er hat das eine halbe Stunde durchgehalten. Aber er hat sich auch tüchtig erschrocken, als die Beschwörung auslief." Ich legte einen Zeigefinger auf die Lippen. "Aber das weißt du noch nicht, denn offiziell habe ich nichts gesehen."

Kawada lächelte verschwörerisch. "Haben sich die anderen beiden auch so gut geschlagen?"

"Mai-chan macht sich sehr gut. Es war eine gute Idee, ihr Waffenbeschwörung beizubringen. Und Kira ergänzt sich immer besser mit seiner Spinne. Ja, alles in allem bin ich sehr zufrieden mit meinen Genin. Und da ist noch eine Menge Potential. Aber sie sind ja auch noch jung."

"Äh..." Kawada zögerte. "Mamoru, ist dir an Shinji... Etwas aufgefallen? Warum genau hat die Beschwörung der beiden Krieger nur für eine halbe Stunde gereicht? War sein Chakra verbraucht?"

"Ja, das war der Grund. Aber bei einer Doppelbeschwörung ist das nicht ungewöhnlich, gerade wenn er so etwas zum ersten Mal gemacht hat. Warum fragst du?"

"Vater", sagte er betont und gedehnt, "hat es sich in den Kopf gesetzt, aus Shinji einen Jounin zu machen. Wann immer mein kleiner Bruder Zuhause ist, hetzt er ihn durch ein spezielles Trainingsprogramm."

Ich runzelte die Stirn. Das war schlecht. Es musste nicht wirklich übel sein, aber als Shinjis Sensei war ich nicht nur sein Vorgesetzter, sondern auch für jeden Aspekt seiner Ausbildung verantwortlich. Es war nichts dagegen zu sagen, wenn Vater und Sohn im Zuge ihrer gemeinsamen Zeit etwas trainierten. Aber alles, was mein Training mit ihm beeinträchtigte, oder sogar seine Einsatzfähigkeit, fiel direkt auf mich zurück. Mein Kopf war da in der Schlinge, nicht der von Ryouro Nanahara. Und wenn Kawada so weit ging, mir dies zu verraten, dann übertrieb es sein Vater bei seinem kleinen Bruder. Okay, der Mann war ehemaliger Jounin und wusste, was er tat. Aber er kannte auch die geschriebenen und ungeschriebenen Regeln Konohas, und das bedeutete, dass er Shinjis Ausbildung eigentlich mir überlassen musste. Oder er musste dafür sorgen, dass mir die Befehlsgewalt über seinen Sohn entzogen wurde. Das ging und kam vor, wenn auch selten. Doch Kawadas Worte machten mir klar, in welcher Zwickmühle ich steckte. Es gab nur zwei Möglichkeiten: Entweder das Training rigoros unterbinden und Ryouro schwer brüskieren, oder sich das Training ansehen und mit dem Vater diskutieren, wessen Trainingsprogramm nun auf wessen Kosten reduziert wurde. Zu Lasten meiner Trainingsmethode ging es so oder so.

"Danke, Kawada. Ich werde die Tage mit deinem Vater reden müssen."

Kawada nickte ohne zu lächeln. Ihm war es sicherlich schwer gefallen, mir das zu sagen. So wie es mir schwerfiel, gegenüber seinem Vater meine Stellung behaupten zu müssen. Ich platzierte mich hier zwischen Vater und Sohn, und das war nie eine gute Idee. Die meisten Familien bildeten über das, was der Sensei tat, hinaus noch aus, aber wenigstens wussten die Senseis über die Art und über die Dauer des Trainings stets Bescheid. Das war das Mindeste, was ich fordern musste und würde.

Wir gaben uns erneut die Hand und gingen weiter.

"Das klang nicht so gut", murmelte Lee. "Mir war auch so, als wäre Shinji in letzter Zeit zwar stärker geworden, aber seine Kraft reicht nicht mehr so lange."

Ich war sehr nachdenklich geworden. Ryouro Nanahara war ein hochrangiges Mitglied der Stadtverwaltung und ein erfahrener Jounin. Eine Respektsperson, die ich schon seit Jahren gut kannte. Mir würde das Gespräch sicher nicht gefallen. Uns würde das Gespräch sicher nicht gefallen. Aber Respektsperson hin oder her, ich kam nicht drumherum, ohne Team dreizehn aufzugeben.

"Ja", pflichtete ich bei, "das klang gar nicht gut."
 

Wir entdeckten Shinpachi, der bereits auf mich wartete, und machten uns auf den Weg nach Hause.

Wir kamen gerade rechtzeitig, um Vater und Kishio bei der Schlacht gegen ein Wagenrad von Pizza zu helfen. Natürlich war Lee eingeladen.

"Und?", fragte ich möglichst neutral. "Wie war dein Tag, Kicchan?"

"Gut", erwiderte er und biss von einem Stück Pizza ab. "Sehr gut sogar. Ich weiß nur noch nicht, wie du Hanabi-chan dazu gekriegt hast, mir eine Blauäugige vorzuspielen. Und wo du den Bären her hattest."

Ich lächelte leicht. Also Hosen runter. "Mit dem Bären hatte ich nichts zu tun. Und Hanabi-chan war nur zu bereit, uns zur Hand zu gehen. Ich glaube, sie mag dich."

Kishio wurde ein klein wenig blass. "Äh..."

"Und ich meine, sie mag dich. Dein Leben als Single ist nicht ernsthafter in Gefahr als sonst auch", fügte ich trocken hinzu.

"Mhh. Und wie hast du Tsunade-sama dazu gekriegt, mir Honig ums Maul zu schmieren? Ich meine, es war doch irgendwann etwas offensichtlich, so wie sich die Zufälle häuften. Danke für die Lektionen, ich habe viel gelernt, aber..."

Ich hob beide Hände und zog dabei einen langen Faden Käse von meinem Pizzastück in die Höhe. "Ich bin vollkommen unschuldig. Außerdem bin ich der letzte Mensch, der ausgerechnet die Hokage manipulieren könnte."

Die Augen Kishios leuchteten auf. "Dann hast du... Auch im Medizinwald der Naras...?"

"Was ist damit? Hast du eine gute Zeit gehabt? Waren die Tiere nett zu dir? Ich habe dich angekündigt, aber Tiere sind keine Menschen. Sie können sich nicht so gut verstellen wie wir. Und wenn sie jemanden nicht mögen, dann zeigen sie das meist auch offen. Sie haben dich doch nicht abgelehnt?"

"Ihn nicht, aber mich", druckste Lee verlegen. "Sie haben mir misstraut. Einfach so. Dabei hatte ich nichts getan. Gar nichts."

"Mah, mah." Ich klopfte Lee aufmunternd auf den Rücken. "Solange sie dich nicht aus dem Wald gejagt haben, hassen sie dich zumindest nicht, Lee-kun."

"Na, das ist ja immerhin etwas", murrte er und trank seinen Tee wie ein trotziger Sake-Trinker, der seinen Frust runterspülen wollte.

"Wie war es denn jetzt, Kicchan?", drängelte ich.

"Was? Wie?" Kishio sah auf. Ein verträumter Ausdruck lag in seinen Augen. "Dann haben sie nicht... Ich meine, du hast ihnen nicht gesagt, sie sollen nett zu mir sein?"

"Gesagt habe ich es schon. Das heißt, ich habe sie drum gebeten, denn diese Tiere nehmen keine Befehle an", erklärte ich. "Sie waren doch nicht zu rau mit dir?"

"Nein, oh nein, Sensei, das waren sie nicht", beteuerte Kishio.

Ich wurde hellhörig, weil er mich nur noch sehr selten Sensei nannte. Meistens dann, wenn es um etwas Wichtiges oder um eine unangenehme Information ging. "Hm?", machte ich leise.

"Sie... Waren sehr nett zu mir und manche haben auf meinen Haaren herumgekaut." Kishio lachte. "Aber die haben ihnen wohl nicht geschmeckt. Und alle haben mich abgeleckt. Sogar das kleine Hirschkalb. Es war... Schön, die unverfälschte Zuneigung der Tiere zu spüren."

Ich war versucht, mir eine Hand vors Gesicht zu schlagen. Die Zuneigung von Tieren erkannte er, die von Menschen waren da schon schwerer für ihn zu erkennen. Vor allem die tieferen und komplizierteren Formen. Ich seufzte. Arme Mai. "Dann müssen sie dich auf Anhieb sehr gemocht haben, Kicchan", sagte ich.

Kishio sah mich zaghaft an. "Denkst du wirklich?"

Ich unterließ es, auf diese Fangfrage eine Antwort zu geben.
 

In diesem Moment klopfte es an der Hintertür. "Es ist offen!", rief Vater.

Über die Veranda kamen meine Genin und Kuzomi-chan herein. "Wir sind wieder da, Sensei!", rief Mai. Ihr Gesicht glühte sichtlich vor Aufregung. "Und wir haben eine Menge zu erzählen! Guten Abend, alle miteinander."

"Nabend. Setzt euch", sagte ich und ließ die vier mit an den Tisch. "Scheint ja ein wirklich guter Tag gewesen zu sein. Ihr wirkt so ausgeglichen."

"Also, mir geht es gut", sagte Mai mit froher Stimme, nachdem sie sich unauffällig den freien Platz neben Kishio gesichert hatte. Nicht, dass ihr jemand diesen Platz streitig gemacht hätte. Es gab wohl nur einen Menschen an diesem Tisch, der nicht wusste, warum immer ein Platz neben ihm leer blieb, bis Mai kam: Kishio.

"Für uns war es auch gut", brummelte Kira und schob seinem Spinnchen den Stuhl zurecht, bevor er sich selbst setzte. Man hatte mir erzählt, dass Mai das erste Mädchen gewesen war, mit dem er hatte frei reden können. Ansonsten war er gegenüber den Mädchen die Schüchternheit in Person gewesen. Davon war nichts mehr zu merken. Und daran war nicht zuletzt Kuzomi-chan Schuld. Sie hatte seinen Horizont beträchtlich erweitert. "Es war ein spannender Tag. Aber bitte, Sensei, schick uns nicht so bald wieder alleine auf eine B-Mission."

"Es war eine C-Mission, und das auch nur, weil euer Transportgut so wertvoll war", sagte ich.

"Wir wurden nachträglich aufgestuft", sagte Shinji, während er sich umständlich setzte. "Autsch, verdammt, ich wusste es!", fluchte er lauthals, als er mit der rechten Hand gegen die Tischkante stieß.

"Du bist verletzt?", argwöhnte ich. Davon hatte ich nichts gesehen, als ich meine Genin begleitet hatte.

"Nein, es ist eine Entzündung, die ich die letzten Tage hatte. Mutter hat es mir erklärt. Eine Sehnenscheidenentzündung. Nichts ernstes, und die letzten Tage ging es gut, aber heute muss ich mir die Hand verdreht haben. Ich lasse es nachher von Mutter behandeln."

Die Unterredung mit Kawada fiel mir wieder ein. "Keine Sorge, die nächsten Missionen werden wir zusammen begehen. Ich habe ohnehin was läuten gehört, als Nächstes ist eine B-Mission für uns an der Reihe, bei der wir eine Obversation durchführen werden. Das betrifft vor allem dich, Kishio."

Der junge Moeru nickte überrascht. "Wen werden wir denn observieren?"

"Jemanden, fürchte ich, dem ich nicht freiwillig folgen würde, wenn ich keinen sensorischen Ninja wie dich dabei hätte."

Die Anwesenden wechselten bedeutsame Blicke bei dieser Ankündigung. Ja, es war nicht leicht, ein Shinobi zu sein. Ja, man begab sich oft genug in Gefahr, viel zu oft in Lebensgefahr. Und viele Shinobi aus unseren Rangstufen starben bei solchen Missionen. Und das war nur der Missionspart, dazu kam jener Teil der Arbeit, der Zuhause verrichtet wurde. Dazu gehörte auch, einen Termin mit Shinjis Vater zu vereinbaren, um über sein privates Training zu sprechen. Verdammt, ein zehn Mann-Team aus Genin lenken war einfacher, als Neulinge zu betreuen. Sehr viel einfacher. Meistens waren alle Mitglieder dieser Teams zumindest volljährig und ich trug für ihre weitere Ausbildung keine Verantwortung. Andererseits, wollte ich meine Verantwortung für diese drei Genin überhaupt wieder abgeben? Um keinen Preis der Welt. Sie waren meine Genin. Meine.

Ich grinste bei diesem Gedanken. "Aber jetzt erzählt mal. Wie ist es euch ergangen? Lasst kein Detail aus."

Mai stieß Kishio einen Ellenbogen in die Seite. "Das musst du hören, das wird dir bestimmt gefallen, Kishio. Ich fange an. Also, es begann ja damit, dass..."

***

"Müssen wir in Reihe marschieren?", hatte Kira gewitzelt. "Macht dir dein erstes Kommando vielleicht ein wenig leichter, Mai-chan."

"Ha, ha, sehr witzig", murrte sie. "Vielleicht, wenn wir ins Büro der Hokage gehen. Das dürfte Eindruck auf sie machen."

"Oder auch nicht", seufzte Shinji. "Bringen wir es hinter uns. Mamo-chan ist zwar nicht mit dabei, aber es ist ja auch nur eine Transportmission."

"Nur ist gut. Es ist eine C Rang-Mission." Mai ächzte leise. "C Rang-Mission, jund ich trage die Verantwortung..."

Sie klopfte. "HEREIN!"

Nacheinander traten sie ein und stellten sich vor dem Schreibtisch der Hokage auf. "Team dreizehn ohne Mamo-chan ist angetreten, Tsunade-sama." Mai wurde rot ob ihren ersten Fauxpas. "Ich meine, ohne Morikubo-sensei."

Die blonde Frau hinter dem Schreibtisch lächelte leicht. "Und, wie fühlt es sich an ohne Mamo-chan?" Shizune, die neben ihr stand, wie meist einen Notizblock in der Hand, auf dem sie eifrig mitschrieb, gluckste leise.

"Na ja, wie schon? Ein bisschen einsam halt", sagte Mai unverblümt. "Als wir damals auf dem Hügel im Land der Blitze plötzlich ohne ihn auskommen mussten, beim Angriff der Kumo-Shinobi, da hat er uns an allen Ecken und Enden gefehlt. Deshalb haben wir alle immer so ein klein wenig Schiss ohne ihn, wenn ich ehrlich bin." Sie sah auf und lächelte. "Aber wir haben alle im letzten halben Jahr mächtig zugelegt und können uns jetzt mehr zutrauen. Ich denke, für so eine kleine Transportgeschichte sind wir bereit."

"So, seid Ihr das?" Tsunade-sama nickte ihrer Sekretärin zu.

Die legte ihren Block beiseite und nahm eine Schriftrolle vom Schreibtisch der Hokage. Sie entfaltete die Rolle, auf der ein Siegel zu erkennen war. "Kai!"

Eine Rauchwolke entstand, und als sie sich verzogen hatte, sahen die Genin eine kleine, goldbeschlagene Kiste vor sich stehen. Shizune öffnete sie und präsentierte den staunenden Genin eine prächtige mattweiß schimmernde Kugel.

"Dies ist Hyperion."

Die Kugel war größer als eine von Mamo-chans Fäusten, und das wollte schon was heißen.

"Eine Perle?", fragte Kira. Er kratzte sich nachdenklich am Kopf. "Gibt es so große Perlen?"

"In der Tat. Das ist eine Perle. Die größte Perle, die je gefunden wurde", sagte die Hokage, während sie die Genin interessiert musterte. "Ihr Wert beträgt etwas über vierhundert Millionen Ryou."

"V-vierhundert..." Kira bekam schwache Knie, als er diese Zahl hörte. "Vierhundert Millionen... Wow."

"Aber das ist doch sicher nicht die echte Perle, oder?", fragte Shinji. "Sicherlich ist das hier ein Duplikat, und das Original wird in diesem Moment von einem Jounin abgeliefert, richtig?"

"Oh, in der Tat ist gerade ein Jounin mit Hyperion unterwegs", sagte Tsunade-sama lächelnd. "Allerdings hat er die Fälschung, während Ihr das Original bekommt."

Mai, die die riesige Perle mit offenem Mund angestarrt hatte, schien wie aus einem Traum zu erwachen. "Ach so, verstehe. Weil niemand mit ein bisschen Verstand glauben wird, dass ausgerechnet drei Genin ein Schatz im Wert von vierhundert Millionen Ryou anvertraut wird. Alle werden sich auf den Jounin stürzen. Sofern sie davon wissen."

"Gut kombiniert. Allerdings rechnen wir zumindest mit dem einen oder anderen Interessenten, denn alleine die Kiste ist mit Gold im Wert von vierzigtausend Ryou beschlagen, um sie authentisch zu machen.

Wir haben die Hoffnung, dass, solltet Ihr versagen, der Original Hyperion für einen Appel und ein Ei als geschickte Fälschung verkauft werden wird und wir ihn billig zurückholen können", stichelte die Hokage.

"Tsunade-sama, das war jetzt nicht sehr nett", murrte Shinji.

"Was meinst du, wie nett ich werde, wenn ich Hyperion tatsächlich auf dem Schwarzmarkt suchen muss?", erwiderte sie amüsiert mit jenem Hauch Gefährlichkeit, der den Überlebensinstinkt jedes Shinobi anregte. Immer.

"Jedenfalls", fuhr sie fort, "besteht eine geringe Chance, dass Ihr angegriffen werdet. Da du, Shinji, Affenkrieger beschwören kannst, habt Ihr eine gute Chance, unverletzt durchzukommen. Oder auch unbemerkt."

"Äh, Tsunade-sama", fragte Kira, "wohin eigentlich?"

"Darauf habe ich gewartet", sagte sie noch immer lächelnd.

"Bisher hat Konoha den Hyperion in der Bank aufbewahrt und bewacht. Er gehört dem Daimyo und war bei uns sicher. Diese Perle stellte stets so etwas wie eine stille Reserve des Landes des Feuers dar, aber sie hat auch zeremonielle Bedeutung. Früher einmal wurden Perlen dieser Art den toten Herrschern in den Mund gelegt. Heutzutage begnügt man sich damit, sie am Kopfende der Toten aufzubahren.

Was denn? Nein, es ist niemand gestorben. Lasst mich ausreden und macht nicht so angewiderte Gesichter", tadelte sie.

"Tun wir ja", sagte Shinji schnell.

"Mittlerweile ist die Perle so etwas wie das inoffizielle Wahrzeichen der Familie des Daimyos geworden. Bei jeder wichtigen Zeremonie liegt sie aus. Einer der Söhne des Daimyos wird heiraten, und der Herrscher wünscht, dass die Perle in dieser Zeit ausgestellt wird, um den Reichtum seines Hauses und seines Landes zu präsentieren. Guy wird in der Zeit die Bewachung übernehmen, nachdem er sich durch den Wust an Dieben gekämpft hat."

"Aber warum hat er dann nicht gleich das Original mitgenommen?", fragte Kira verwundert. "Der Bursche kommt schon durch."

"Weil wir hier über Diebe reden. So sehr ich ihn als Krieger schätze, aber ich fürchte, ihm könnte die Kiste unter dem Allerwertesten fortgestohlen werden. Und dann war es das mit der Perle."

"Ah, verstehe. Dann müssen wir also in die Hauptstadt?"

"Richtig, Mai-chan. Das dauert nicht lange. Abends seid Ihr schon wieder zurück."

"Und nach der Zeremonie wird die Perle wieder nach Konoha gebracht?", fragte Kira.

"Richtig. Aber das wird erst am Ende der nächsten Woche sein. Eventuell werde ich auch eine andere Gruppe mit dieser Aufgabe betrauen, die die Übung und den Nervenkitzel gebrauchen kann für vierhundert Millionen Ryou verantwortlich zu sein. Alles klar soweit?"

Die vier Genin nickten.

Tsunade-sama nickte Shizune zu, die die kleine Kiste wieder schloss und in der Schriftrolle versiegelte. Anschließend rollte sie diese zusammen und überreichte sie Mai.

"V-vierhundert Millionen Ryou...", stotterte sie, als sie die wertvollste Schriftrolle aller Zeiten in Händen hielt. "Was man sich dafür an Schuhen kaufen könnte."

"Typisch Mädchen", murmelte Shinji. "Immer gleich an Schuhe und Klamotten denken."

"Ich bin nun mal eine Frau und will gut aussehen", erwiderte sie etwas zu heftig.

"Dies ist eine C-Mission. Du kannst dir genügend Schuhe von der Belohnung kaufen, Mai-chan", sagte Tsunade. "Im übrigen erwarte ich von euch, dass Ihr mit diesem Vermögen nicht desertiert, um irgendwo in der Fremde bis ans Ende eurer Tage in Saus und Braus zu leben."

"Warum sollten wir etwas so dummes tun, wenn alles, was wir lieben, hier in Konoha ist?", fragte Kira verdutzt.

Seufzend reichte Tsunade-sama ihrer Sekretärin eine Münze im Wert von zwanzig Ryou.

"Danke, Tsunade-sama. Ich wusste, einer von ihnen würde das sagen. Immerhin sind sie Schüler des Ewigen Chunin."

"Vielen Dank, Kira-chan. Und jetzt raus mit euch und auf eure Mission, bevor ich noch mehr Geld verliere."

"Du kannst dich auf uns verlassen, Tsunade-sama!", rief Mai aus vollem Hals. Die anderen stimmten ihr lautstark zu. Anschließend verließen sie das Büro.

"Die haben tatsächlich auf uns gewettet", sagte Kira zu Shinji, bevor die Bürotür zugezogen wurde.
 

"War das klug?", fragte Shizune. "Was, wenn jemand den Bluff durchschaut und sie angreift?"

Tsunade-sama lächelte. "Der Ewige Chunin wird sie zwar nicht anführen, aber er wird sie begleiten. Also keine Sorge, Shizune-chan."

Die junge Frau nickte hocherfreut. "Guter Schachzug, Tsunade-sama."

***

Nervös sah sich Kira zu allen Seiten um, als sie durch die Stadt gingen. Das gab sich nicht, als sie das Stadttor durchschritten. Auch nicht, als sie im Wald unterwegs waren.

"Halt", sagte Mai. Sie drehte sich zu Kira. "Kuzomi-chan, darf ich?"

"Nur zu. Mir geht er damit auch schon auf die Nerven", sagte das Spinnenmädchen lächelnd.

Mai ergriff die Schultern des jungen Shinobi, drehte ihn seitlich und brüllte ihm aus nächster Nähe ins Ohr: "HÖR AUF MIT DEM SCHEIß!"

Erschrocken fuhr Kira zusammen. Er riss sich los und taumelte für einen Moment, wurde aber von Kuzomi-chan aufrecht gehalten. "Oh Elend, jetzt bin ich auf dem linken Ohr taub. Hey, Mai-chan, was soll der Mist?"

"Das sollte ich dich fragen! Warum verhältst du dich so verdammt auffällig? Deine Nervosität ist so offensichtlich, dass sich jeder, der uns gesehen hat, fragen wird, warum du so aufgeregt bist. Und bevor wir uns versehen, haben wir irgendwelche Strolche am Hacken."

"Tatsächlich habt Ihr schon ein paar am Hacken!", dröhnte ein knorriger Bass aus dem Gebüsch rechts von ihnen. "Und Ihr tut gut daran, alles von Wert herzugeben, wenn Ihr nicht wollt, dass euch etwas passiert! Oder euren niedlichen Mädchen!"

Mai sah wütend nach hinten. Fünf Straßenräuber, gerade so gekleidet, dass sie in den Straßen Konohas nicht allzu sehr auffielen. Dies hier war noch Patrouille-Gebiet. Aber es schien keine in der Nähe zu sein, also mussten sie sich selbst drum kümmern.

Sie seufzte. "Shinji, würdest du bitte...?"

"Aber natürlich, Mai-chan. Sind ja nur fünf. Rück du derweil Kira den Kopf gerade."

"Ignoriert Ihr uns? Kinder, ich warne euch, uns zu ignorieren ist eine ganz dumme Idee!"

"Kuchiose no Jutsu!"

"Hör mal, Kira. Ich weiß, der Hyperion ist eine Menge Geld wert...", begann Mai.

"Du hast gerufen, Shinji-kun?"

"Ja, ich habe da ein leichtes Problem, Gosunkugi-san. Könntest du bitte in deine Kampfgestalt wechseln?"

"Das Würstchen soll uns aufhalten? Ha!"

Ungeührt fuhr sie fort: "Und ich weiß, das ist eine Menge Verantwortung, Kira, aber, sieh mal, sogar ich habe mich einen Moment gefragt, was für ein Leben ich mir mit vierhundert Millionen Ryou machen könnte. Und ich habe mich auch gefragt, was passiert, wenn ich versage, ob ich das überlebe und wenn ja, ob Tsunade-sama mich am Leben lässt. Oder euch."

"Dann verstehst du ja, wie es in mir rumort, Mai-chan. Wenn euch etwas passiert wegen diesem Ding, dann...", meinte Kira mit belegter Stimme.

"HIMMEL, IST DER GROß!"

"RÜCKZUG! RÜCKZUG! BLOß WEG HIER!"

"Ich lasse dir den Vortritt, Gosunkugi-san."

"Zu liebenswürdig, Shinji-kun."

Mai nickte heftig. "Genau das ist das Problem, Kira. Wir haben einen Auftrag zu erfüllen. Aber du bist so verdammt nervös, dass es jeder sehen kann. Du verrätst uns, Kira. Und was passiert wohl, wenn es keine viertklassigen Ganoven sind, die noch nie was vom Patrouillenparameter Konohas gehört haben?"

"Hey! Wir sind mindestens zweitklassig! Uuuuuuffffff!"

"Einer weniger, Shinji-kun."

"Zwei, Gosunkugi-san. Muahahahahaha!"

Mai lächelte. "Und außerdem, alter Freund: Seit wann hast du kein Vertrauen mehr in uns? Mich, Shinji, das Spinnchen?"

"Aber ich vertraue euch doch. Aber ich will nicht, dass euch etwas passiert... Oh..." Erkennen stieg im jungen Raiton-Nutzer auf.

"Ja, oh", sagte Kuzomi.

"HILFE! HILFE! HILFE!"

"Nix da! Erst große Töne spucken, und jetzt jammern ist nicht. Außerdem bringe ich dich ja nur fast um."

"Der Kleine ist brutaler als der Riesenaffe! Weg hier! Wir..."

"Wen hast du gerade Riesenaffe genannt?"

"Urgs..."

"Das waren drei und vier."

Mai ergriff Kiras Rechte und Linke. "Hier, Kira, fühlst du meine Hände? Spürst du ihren Druck? Vertrau mir doch einfach. Du musst uns nur so sehen wie damals auf der Kuppel mit Mamo-chan. Wir sind deine Vertrauten, deine Partner, deine Kameraden, dein Team. Du weißt, was wir können. Und gerade eben hat Shinji mit Gosunkugi vier von fünf Strauchdieben erledigt."

"AUTSCH!"

"Jetzt sind es alle, Mai-chan!"

"Okay, danke, Shinji. Bindet sie irgendwo fest und signalisiert der nächsten Patrouille.

Kira, verstehst du, was ich sagen will? Und wem ich es sagen will? Wir sind mehr als Teamkameraden. Wir sind diejenigen, denen du dein Leben in die Hände legst. Und du bist der, dem wir unsere Leben in die Hände legen." Sie küsste seine Hände. "Ist es besser mit dem Zittern?"

Verdutzt starrte er sie an, während Kuzomi daneben stand und eifersüchtig die Wangen aufblies.

"Äh... Ja. Das Zittern ist weg. I-ich bin nicht mehr so nervös."

Befreit lachte er auf, während Gosunkugi und Shinji ihre Gefangenen fesselten. Anschließend pfiff der dickliche blonde Shinobi einem der Patrouillenhabichte etwas zu, der daraufhin schrie und eine Patrouille benachrichtigte.

"Dann ist alles in Ordnung." Mai lachte laut auf. "Hey, ich kann jetzt Anführerreden halten! Verdammich, ich hätte nie gedacht, dass Mamo-chan so viel aus mir rausholt. Lasst uns weitergehen, damit wir unser Lieblingsrestaurant erreichen, bevor der Mittag vorbei ist. Das Essen geht auf mich."

"Yay!"

"Willst du auch mit essen, oder musst du auf den Affenberg zurück, Gosunkugi-san?"

Der Affenkrieger wechselte von seiner imposanten Affengestalt zu seiner Tarngestalt als schmächtiger, übernächtigter junger Konoha-Genin mit den dicken Augenringen. "Wenn es DAS Restaurant ist, komme ich gerne mit. Aber bist du sicher, dass du so viel ausgeben willst?"

"Ach", meinte Mai und machte eine wegwerfende Handbewegung", dann kaufe ich mir eben ein Paar Schuhe weniger." Sie winkte. "Los jetzt, Leute, ich habe Hunger!"

Das Mädchen ging in Step und verschwand, ihre Teamkameraden folgten ihr.

Kurz darauf kam das Patrouillenteam an und fand fünf überwältigte und gut gefesselte Banditen vor. Keine Frage, hier waren Kollegen vorbeigekommen.

***

"Das ist aber nett, dass Ihr wieder vorbeischaut", sagte Onkel Ma, der Betreiber der kleinen Namenlosen Gaststätte im Nirgendwo der Wälder des Land des Feuers. Wirklich, so hieß sie: Die Namenlose Gaststätte. Das machte sie zu einem der angesagtesten In-Läden in der Nähe und besonders am Wochenende war er rappelvoll mit Besuchern aus Konoha. Gerüchteweise hielt die Besitzerin des Shindo dreißig bis fünfzig Prozent an dem Lokal...

Suchend sah sich der Mann in der Mitte seiner Lebensjahre um. "Ist Mamo-chan spät dran?"

"Äh, nein, Onkel Ma. Wir sind heute alleine unterwegs", sagte Shinji, der bei diesen Worten fast vor Stolz zu platzen schien.

"Ach, tatsächlich? Wow, euer Sensei scheint euch wirklich zu vertrauen und euch eine Menge zuzutrauen, wenn er euch tatsächlich alleine losschickt." Der ältere Herr verzichtete darauf, die Kinder zu fragen, weshalb sie unterwegs waren, was ihr Auftrag war und wohin sie gehen würden, denn das fragte man einen Shinobi im Einsatz nicht. Dafür kannte er seine Gäste viel zu gut. Es hätte auch keine Antwort gegeben. Keine echte zumindest. Diese Kinder waren gut trainiert.

"Wollt Ihr euch draußen hinsetzen? Drin ist zwar noch was frei, aber einige meiner Gäste... Nun."

Kira zuckte die Achseln. "Kein Problem, Onkel Ma. Wir können auf uns aufpassen."

"Ja, das könnt Ihr zweifellos", sagte der Gastwirt nach einem Blick auf die Spinne und den Affenkrieger. "Aber die Gäste sind Großmäuler, und ich will nicht, dass sie deshalb ihre verdiente Prügel kriegen. Zumindest nicht, bevor sie ihre Zeche bezahlt haben."

"Schon verstanden", sagte Mai schnell. "Und es ist ja auch so ein schöner Tag. Wir essen draußen. Schreib bitte alles auf mich, Onkel Ma. Da ich heute die Anführerin bin, bezahle ich."

"Oh nein, Mai-chan. Bei einer so besonderen Gelegenheit wie deinem ersten Kommando seid Ihr selbstverständlich eingeladen. Esst und trinkt, was Ihr wollt."

"Gut, dann nehme ich den Sake und...", begann Kira.

"Außer alkoholischen Getränken, natürlich."

"Mist."

Mai-chan sah den Älteren unsicher an. "Kann ich das überhaupt annehmen?"

Der Gastwirt lachte. "Schau dir doch mal meine Preise an. An fünf Mahlzeiten und den Getränken dazu werde ich nicht des Hungers sterben. Außerdem plane ich für die Zukunft. Irgendwann werdet Ihr Chunin sein, dann Jounin. Bald darauf werdet Ihr eure eigenen Genin-Gruppen anführen. Und wo werdet Ihr wohl essen, wenn euch eure Missionen nach Norden führen? Beim alten Onkel Ma in seiner Namenlosen Gaststätte." Das war zwar nur die halbe Wahrheit, aber es war akzeptabel.

"Danke, Onkel Ma. Wir nehmen von deinen vorzüglichen gebratenen Nudeln. Dazu gebratenes Huhn und etwas Schwein."

"Aber, aber, Mai-chan, warum so bescheiden? Ich stelle euch noch Rind und Seefisch mit dazu. Wir haben frischen Lachs in der Küche."

Mai leckte sich mit der Zunge über die Lippen. Sie liebte Seefisch. "I-ich kann dich doch nicht so ausnutzen, Onkel Ma."

"Mach dir keine Gedanken, keine Gedanken. Setzt euch, bitte. Ich schicke euch gleich Sen zum Eindecken raus. Er wird euch auch eure Getränke bringen, wenn Ihr das Gleiche wie immer wollt."

Die fünf nickten und Onkel Ma machte eine kurze Verbeugung, bevor er ins Haus ging.
 

"Uiii, da haben wir aber Schwein. Und Schwein auch", schwärmte Shinji. Er stieß Mai den Ellenbogen in die Seite. "Sogar Lachs hat er da. Was für ein Glück, eh, Mai-chan?"

"Ist das nicht zu viel? Ich meine, ich habe doch Geld und will bezahlen..."

"Nun nimm das doch einfach hin", sagte Kira. "Das nächste Mal, wenn wir hier essen, bezahle ich halt und drücke dem guten Onkel ein dickes Trinkgeld auf, dann passt das wieder."

"Meinst du?", fragte Mai und nahm Platz.

"Kira hat vollkommen Recht. Setzen wir uns und genießen wir einfach, bevor wir weiter müssen", sagte Kuzomi mit Nachdruck und setzte sich ebenfalls.

"Na, wenn das so ist..." Nun nahmen auch die Jungs ihre Plätze ein.

Kurz darauf kam Sen heraus. Er brachte ein Tablett mit großen Teebechern, in denen grüner Tee und Weizentee war. Er wirkte etwas zerzaust, was bei dem Gleichaltrigen eine ungewöhnliche Erscheinung war. "Verzeiht die Verspätung, aber wir haben ein paar Gäste, die sich leider schlecht benehmen. Ich habe schon Hime nach hinten geschickt, bevor sie zu ungebührlich mit ihr umgehen."

Kiras Kopf ruckte hoch. Hime wurde Sens kleine Schwester genannt, weil sie sehr gute Manieren, ein aristokratisches Auftreten und eine Menge natürlicher Grazie besaß. "Was, bitte, haben die mit Hime gemacht?"

"Schon gut, schon gut, Kira. Es ist alles unter Kontrolle", beeilte sich Sen zu sagen und strich sich eine verirrte Haarsträhne aus dem Gesicht. "Noch zumindest."

"MEHR SAKE!", brüllte jemand aus dem Haus.

"Komme!", rief Sen. Murmelnd betrat er die Gaststätte wieder.

"Habt Ihr gehört? Er hat gesagt: Wenn das mal gutgeht", sagte Gosunkugi. "Soll ich nicht lieber mal..."

"Wir bleiben ruhig. Unser Hauptaugenmerk ist diese Schriftrolle", sagte Mai und deutete auf das, was davon zu sehen war. Ein kleinest Stück Wickelholz zwischen ihren Brüsten, dem derzeit sichersten Ort in Umkreis von fünf bis zehn Kilometern.

Hikari Gosunkugi, schon halb aufgestanden, setzte sich wieder und griff nach seinem Tee. "Wenn du das sagst."
 

Es vergingen etwa zwanzig Minuten. Das Essen kam und kam nicht. Dabei hätte eigentlich zumindest die grandiose Salatbeilage auf dem Tisch stehen müssen. "Soll ich mal...?", meinte Kira fragend.

"WO IST DIE KLEINE?"

"...erst mal bezahlen... ...kein Benehmen... ...Geld her und dann raus..."

"FÜR DIESEN FRAß AUCH NOCH GELD NEHMEN WOLLEN?"

"Soll ich wirklich nicht...?", fragte der Affenkrieger.

"Nun...", meinte Mai.

In diesem Moment erschien Sen in der Tür, die Haare noch zerzauster. Mit entsetztem Blick sah er zu den Shinobi herüber. "Ich glaube, jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, an dem wir uns unserer Freundschaft mit den Shinobi Konohas erinnern sollten. Wenn Ihr uns vielleicht zur Hand gehen könntet..."

"Aber klar. Kira, mach mal."

"Bin schon auf dem Weg." Mit einem Ächzen erhob sich der junge Shinobi. "Bleib mal gleich draußen, Sen. Onkel Ma, geh bitte in die Küche."

"WAS WILL DENN DER HÄNFLING?"

"Danke, Onkel Ma. Was der Hänfling will?", klang Kiras Stimme zu ihnen heraus. "Das Geld für das Essen, das Ihr verdrückt habt. Sofort."

"DU WITZPILLE DENKST WOHL, WEGEN DEINEM SCHEIß STIRNBAND HÄTTEN WIR..."

Das Geräusch einer kleinen statischen Entladung war zu hören. Aus der offenen Tür zuckte ein Blitz hervor, der in die kupferne Dachrinne einschlug, aber nichts beschädigte.

"Reicht das, oder soll ich noch einen drauflegen?", fragte Kira gelassen.

"...reicht! Reicht vollkommen, junger Herr! Entschuldigt bitte unser Auftreten, junger Herr. Ach, Ihr seid ja Shinobi aus Konoha. Großartige Stadt. Die mächtigsten Shinobi weit und breit. Ahahahah. Wir sind alle rechtschaffende, treusorgende und unsere Steuern bezahlende Bürger. Das war alles nur ein Missverständnis. Ahahaha. Natürlich bezahlen wir und legen noch ein saftiges Trinkgeld drauf, weil es sooo lecker war! Ahahahahaha."

"Und vergesst nicht, hier essen jeden Tag rund fünfzig Konoha-Shinobi zu Mittag. Und viele von denen sind nicht so nett wie ich", fügte Kira an.

"Aber wir haben doch keine Probleme mit Konoha-Shinobi. Bestimmt nicht. So, guter Wirt, hier ist das Geld und das als Trinkgeld. Wenn Ihr uns jetzt entschuldigen wollt..."

Kurz darauf floh eine Horde von sieben als Kaufleute gekleidete Burschen aus der Gaststätte, die sich alle dadurch auszeichneten, dass ihnen die Haare zu Berge standen, teilweise verkohlt waren und rauchten. Mit allen Anzeichen des Entsetzens flohen sie die Straße hinab.

"Die sind wir los", meinte Kira grinsend, als er ebenfalls heraustrat. "Sen, du sollst servieren helfen."

"J-ja, Kira-kun. Ich meine, Kira-sama."

Kira tätschelte dem Kellnerjungen die Wange. "Kira reicht. So wie immer. Und die Kerle haben Glück, dass Mai nicht selbst rein ist. Das hätte ich ihnen noch sagen sollen."

"Alles klar, Kira." Hastig eilte Sen ins Haus und Kira setzte sich wieder auf seinen Platz.

Nun kam Onkel Ma persönlich raus, zwei sehr große Schalen mit gebratenen Nudeln tragend.

"Verstehst du jetzt, Mai-chan, warum es gut ist, wenn ich den Konoha-Shinobi zu besonderen Gelegenheiten einen ausgebe?"

"Okay, jetzt ja, Onkel Ma." Sie lachte leise. Und rieb sich die Hände, als ihr der Geruch des gebratenen Fischs in die Nase stieg. "Der riecht ja lecker." Netterweise verzichteten die anderen darauf, ebenfalls vom Lachs zu essen, bis Mai nicht mehr mochte und sich dem Schwein zuwandte.

Und sie mussten wirklich nichts bezahlen.

***

Der Regenmacher 5

Zur selben Zeit, nur fünfzehn Kilometer weiter östlich, war der Jounin Might Guy mit dem unterwegs, was er für den echten Hyperion hielt. Zudem trug er die Kiste nicht in einer Schriftrolle verstaut, sondern auf Tsunades persönlichen Wunsch offen mit sich herum. Damit machte er sich natürlich zum Ziel. Aber wenn es etwas gab, was der "Grüne Wirbelwind von Konoha" in Massen hatte, dann unerschütterliches Selbstvertrauen in seine Fähigkeiten. Vor allem gegen ein paar banale Straßenräuber. Genau mit diesen, fünf an der Zahl, schlug er sich gerade herum. Das heißt, er benahm sich mehr wie eine Katze, die mit ihrer Beute spielte. Einen von ihnen, den maskierten Schwertkämpfer, hatte er gleich zu Anfang fast schon aus dem Rennen geworfen. Schwer atmend und am harten Aufprall laborierend starrte er die Kämpfenden an.

Diese waren nun nur noch vier. Der Anführer, ein Nukenin, flog gerade selbst durch die Luft, das harte Gesicht dabei verkniffen und sich auf den Aufprall vorbereitend. Die beiden Riesen, offensichtlich Zwillinge, versuchten derweil mit einiger Mühe Guys Bewegungen einzuschränken, während Nummer vier, eine kleine Gestalt mit verkniffenem Gesicht, vor der Szene stand und nicht wusste, ob er seine Dolche oder seine Wurfschlingen benutzen sollte. Oder ob er einfach den Tragegurt durchschnitt, der die Kiste mit dem wertvollen Inhalt auf Guys Rücken fixierte. Immerhin, Hidari und Migi hatten seine Arme ergriffen und schienen ihn halten zu können. Aber...

"Warum zögerst du?", rief der Chef nach seiner schweren Landung herüber. "Nur jetzt haben wir die Gelegenheit, zuzuschlagen!"

"I-ich bin mir nicht sicher, Boss", haspelte der kleine Mann. "D-der Typ ist doch... Ich meine, schau ihn dir doch an! Der enge Anzug und so. Man kann deutlich seine Pobacken sehen! Ich will mich von dem nicht anfassen lassen!"

Dem Anführer entgleisten die Gesichtszüge. "Äh..." Er fasste sich und stemmte sich in die Höhe. Seine Augenbrauen vereinigten sich dabei zu einer einzigen. "Und was willst du uns damit sagen, Buki? Dass du ihm nicht mal eine verdammte Kiste mit einem Vierhundert Millionen Ryou-Inhalt vom Körper schneiden kannst?"

"Ja", gestand der kleine Mann kläglich.

"Ja, Himmelherrgottnochmal, aber warum?"

"Der ist 'ne Tunte! Ganz klar! Den fasse ich doch nicht an! Was ist, wenn das auf mich abfärbt?"

Der Maskenträger ächzte auf. Auch der Chef fasste sich fassungslos an die Stirn, während Hidari und Migi enttäuscht ausatmeten.

"Hör mal, Buki, deine Homophobie in allen Ehren, aber erstens färbt so etwas nicht ab, und schon gar nicht auf dich, und zweitens gibt es vierhundert Millionen Argumente dafür, dass du es tust! Jetzt!"

"Aber ich will nicht! So was ist doch abartig und widernatürlich! Du kannst mich nicht dazu bringen, ihn anzufassen, nicht mal für vierhundert Millionen. Und das ist mein letztes Wort!"

Wieder ging ein geradezu verzweifeltes Ausatmen durch die anderen. Vor allem der Maskenträger ließ sich bei derart viel Bigotterie ins Gras sinken. "Buki, verdammt, werde erwachsen!", kam es schrill von ihm herüber.

"Wenn ich mich konzentriere, kann ich sogar seine... Seine... Nun, die kann ich auch sehen! Der ist sowas von stock..."

Ungefähr an dieser Stelle der Geschichte gab es eine bedeutende Änderung. Hidari und Migi begriffen zwei Dinge. Erstens, dass selbst sie mit fast dreihundert Pfund Körpermasse pro Mann in der Lage waren zu fliegen, wenn ihnen nur genügend Energie mitgegeben wurde, und zweitens dass der grüne Wirbelwind mit ihnen augenscheinlich nur gespielt hatte. Sie landeten mehre Dutzend Meter entfernt hart und blieben erst einmal liegen.

Guy indes ging auf den kleinen Mann zu. "Es tut mir leid, dich in dieser Beziehung zu enttäuschen, aber ich bin heterosexuell orientiert", klärte er den Kleinen auf. "Diese besondere Kleidung ermöglicht mir optimale Bewegungsfreiheit und die Gelegenheit, immer und überall zu trainieren. Für die Sicherheit und den Ruhm Konohas sind Gedanken an Auftreten und Image nebensächlich. Allein handeln zu können ist wichtig für mich."

Guy registrierte, dass er und der Kleine, Buki, vier sehr interessierte Zuschauer hatten. Und dass der Kleine ihm kein Wort glaubte.

"Äh..."

Guy legte ihm eine Hand auf die Schulter, was diesen erzittern ließ. "Du, mein kleiner Freund, solltest dringend etwas gegen deine Homophobie tun. Auch wenn ich keiner von ihnen bin, so weiß ich doch, dass auch schwule Menschen in erster Linie Menschen sind. Tatsächlich erfreuen sie sich gerade unter den Shinobi großen Rückhalts und großen Vertrauens. Sie sind nicht so zahlreich wie in den Reihen der Samurai, aber das liegt an der Sache an sich. Es werden jedes Jahr nur eine gewisse Anzahl homosexueller Menschen geboren, und die können nicht überall sein. Eine reine Männerdomäne wie die Samurai bietet da mehr Entfaltungsspielraum als die heterogenen Shinobi."

"Kö-könntest du deine Hand von meiner Schulter nehmen, bitte?"

"Nein."

"Nein? Warum nicht?"

"Weil du ein homophober Idiot bist, der andere nach ihrem Äußeren beurteilt, sie in Schubladen steckt, da nie wieder rausholt und sich am Glauben, auch noch was Besseres zu sein, selbst aufwertet. Alleine meine Berührung ist für dich wie ein Schlag ins Gesicht, einfach weil du mich schwul denkst. Also ist das eine angemessene Bestrafung, wie ich finde.

Und denk mal über das alte Sprichwort aus Konoha nach, das mir zur Situation einfällt: Wer quietscht, will geölt werden. Womöglich bist du selbst homosexuell und verdrängst es nur mit all deiner Kraft."

Erneut begann Buki zu zittern. Vor Wut, wie es schien. Dann aber wandte er sich ab, riss sich von Guys Hand frei und lief, einen Strom von Tränen hinter sich herziehend, in den Wald zurück. "Ich bin nicht schwul!"

Seufzend schüttelte Guy den Kopf. "Immer diese Selbstverleugner. Sie wollen mehr hetero als die Heteros sein und machen damit ihre eigene Lage nur noch schlimmer. Was ist so schwierig daran, Menschen als Menschen zu akzeptieren?"

Der Maskierte erhob sich und richtete sich zu seiner beachtlichen Größe von einem Meter achtzig auf. "Das waren sehr kluge Worte von dir, grüner Wirbelsturm. Ich bewundere deine Toleranz und dein fortschrittliches Menschenbild." Er trat näher an Guy heran. Seine Rechte hüpfte auf Guys Brust. "So ein feiner Kerl, nett noch dazu."

Guy fing die Hand ein. "Wie ich schon sagte, Herr Straßenräuber, ich bin hetero."

"So? Ich zufällig auch." Mit der Linken griff sich der Maskierte an die Kapuze und zog sie nach hinten. Eine Flut rotblonden Haares fiel auf seinen Rücken herab. Dann löste er die Fäden der Maske im Nacken, sodass ein herbes, aber durchaus frauliches Gesicht zum Vorschein kam. "Und ich finde, für deine Einstellung gehörst du belohnt, Migh-ty-Guy-sa-ma." Nun wanderte die Linke seine Brust hoch. Ihr Lächeln war warm und verheißungsvoll.

"Äh, ich lasse mich normalerweise nicht mit Straßenräubern ein", erwiderte er zaghaft.

"War da ein aber?"

"Aber ich habe einen Auftrag zu erfüllen, und so..."

"Ach, das. Die Kiste ist doch schon längst weg."

Erschrocken sah Guy an sich herab und erkannte, dass der Gurt durchschnitten war. Er sah hinter sich, aber dort lag keine Kiste. Dann schaute er sich um, aber er war mit der Frau alleine. Die beiden Riesen, der Kleine und der Boss fehlten. Wie hatte ihm das entgehen können?

"So ein..."

Ihre Rechte umfasste nun seine Rechte und hielt ihn fest. "Keine Sorge, die sind nicht weit. Und wenn du mich dich ein wenig verwöhnen lässt, verrate ich dir vielleicht, wo wir uns alle wieder versammeln... So ein feiner Kerl wie du..."
 

Eine ganze Ecke weiter, nämlich bereits beachtliche fünf Kilometer, bewegten sich Hidari, Migi und der Boss per Step so schnell sie konnten in Richtung Land der Steine. In der Hand hielt der Chef der Truppe die Kiste, die Guy beschützt hatte.

"Was ist überhaupt passiert, Boss?", fragte Hidari mit seiner kläglichen Fistelstimme. "Ich dachte eigentlich, mein Bruder und ich sollten ihn niederringen und dir die Flucht ermöglichen und du holst uns später aus dem Knast."

Der Chef grinste breit. "Hätte ich euch beide in meine Pläne eingeweiht, hätte es weniger Spaß gemacht. Versteht Ihr jetzt, warum ich einen bigotten, verlogenen und selbstgefälligen Hund wie Buki für diesen Überfall angeworben habe?"

"Und San-chan", kam es tief und brummig von Migi. "Gehörte das alles zum Plan?"

Der Anführer lachte laut. "Natürlich. Von Anfang an. Denkt Ihr, wir hätten gegen den grünen Wirbelwind von Konoha normalerweise auch nur den Hauch einer Chance gehabt? Der Mann hat seinen Namen nicht im Straßenlotto gewonnen. Er ist einer der wenigen Shinobi, die es mit dem legendären Kopierninja Konohas aufnehmen können. Nein, Jungs, der hätte mit uns den Boden aufgewischt und unsere Reste bei der nächsten Polizeistation abgeliefert. Aber was ist jetzt? Wir haben den Hyperion! Und wenn alles glatt läuft, dann beschäftigt San-chan ihn noch für ein, zwei Stunden."

"Ich verstehe immer noch nicht", beklagte sich Hidari.

Wieder lachte der Boss. "Denkt doch mal nach. Guy hat zwar gesagt, es ist ihm egal, und sein Outfit ist vielleicht für sein permanentes Training eine gute Idee, aber nicht für sein Image. Hohn und Spott sind da nicht weit. Oder so dämliche Vergleiche, wie sie Buki gezogen hat. Er hat sich aber nie wirklich davon distanziert, also nehme ich an, die Vergleiche waren ihm auch egal. Bis jetzt. Tja, man nehme also einen Schwulenhasser, der wahrscheinlich wirklich selbst schwul ist, jemanden, der sich Schwulenwitze bis zum Erbrechen anhören muss und deshalb automatisch Partei für sie ergreift, und schließlich eine nicht allzu hässliche, heterosexuelle Frau, die Sympathien für Homosexuelle hat und dementsprechend jedem gleichgesinnten Mann gegenüber... Sehr offen ist."

"Das war aber arg bei den Haaren herbeigezogen", murrte Migi.

"Aber es hat funktioniert, oder?" Der Chef lachte erneut. "Richtig gut funktioniert."

"Wir sind aber nicht auf dem Weg zum Treffpunkt", wandte Hidari ein.

"Für wie blöd hältst du mich? Natürlich nicht. Buki will ich gar nicht erst wiedersehen, und San-chan werden wir schon wiederfinden, sobald wir das Ding hier zu Geld gemacht haben." Breit grinsend klopfte er auf die Box.

"Und was ist, wenn das Ding nur ein Ablenkungsmanöver ist?", fragte Hidari.

"Dann ist das Ding laut meiner Quellen immer noch vierzigtausend Ryou wert. Wir können nur gewinnen, Jungs."

Das brachte die beiden Hünen zum Grinsen. "Du hast an alles gedacht, Boss", sagte Migi.

"Das hoffe ich doch. Und wisst Ihr, was das Beste ist? Wir würgen nicht nur Konoha einen rein, sondern machen unseren Überfall dazu auch noch legendär. Und Buki kriegt auch sein Fett weg. Mehr als genug."

Die drei lachten aus vollem Halse. Nur ein wenig Glück fehlte jetzt noch, um ungeschoren zu entkommen.

***

Zwei Stunden später stand ein ziemlich zerknirschter Might Guy vor seiner obersten Chefin. "Ich habe die Kiste verloren", gestand er schonungslos.

Tsunade betrachtete ihn nachdenklich über ihre vor dem Kinn gefalteten Hände hinweg. "Ich weiß. Vierzigtausend Ryou zum Teufel."

"Und obwohl ich nachgesucht habe, konnte ich keine Spur mehr von ihnen finden. Ihr Vorsprung war zu groß, aber wenn wir... Wie, vierzigtausend Ryou?"

"Hyperion wird gerade von Team dreizehn transportiert. Deine Mission diente nur der Ablenkung, Guy."

"Uff, da bin ich aber erleichtert. Aber sollte nicht noch jemand auf sie aufpassen, nur für den Fall, dass die Ablenkung nicht funktioniert oder dass sie in ganz banale Schwierigkeiten geraten? Einen unfreundlichen Jounin zum Beispiel?", fragte er.

"Darum haben wir uns schon gekümmert. Mamoru Morikubo begleitet die Genin heimlich, um sich von ihren Fortschritten zu überzeugen. Er wird eingreifen, falls es brenzlig wird. Und ich denke, das kriegt Mamo-chan schon hin."

"Ja, das glaube ich auch. Lee sagt, er ist noch stärker geworden als bei der Suna-Mission, und ich glaube ihm. Ich selbst habe große Erwartungen in Mamoru-kun", erwiderte Guy zufrieden. "Die Kraft der Jugend fließt durch seine Adern wie ein ungestümer, ungezügelter Gebirgsbach."

"Sagst du das wegen seinem unehelichen Sohn?", neckte Tsunade.

"Nicht zwingend."

Die Hokage grinste. "Aber mal was anderes. Warum konnten die Diebe einen Vorsprung gewinnen? Und ist das Lippenstift an deinem Kragen?"

"I-ich möchte nicht darüber reden, Tsunade-sama!"

"Ah. So, so." Sie ließ ein Schmunzeln folgen. "Dann liegt wohl alles weitere bei Team dreizehn. Und bei Mamo-chan."

***

Ich nieste. Heftig. Mehrfach. Und das, obwohl ich gesund war. Eigentlich. Das irritierte mich ein wenig, aber da es genauso schnell aufhörte, wie es begonnen hatte, schob ich es auf ein paar verirrte Pollen.

In aller Seelenruhe verspeiste ich drei Onigiri mit Lachsfüllung, die ich für meine Mittagsmahlzeit mitgenommen hatte, und beobachtete dabei meine Genin vor der Taverne ohne Namen. Ich war sehr zufrieden mit dem, was ich sah. Ihre Fortschritte konnten sich sehen lassen. Vor allem Kira hatte wohl dank seines Aufenthalt in Kumo im Rahmen eines Austauschs zwar sein Jutsu nicht verstärken können, dafür aber gelernt, wie man es stabiler anwendete. Gut für ihn. Und für seine Nervenleitungen, die natürlich weniger "Wartung" brauchten, wenn sein Jutsu funktionierte.

Auch Mai machte eine sehr gute Figur. Sie wuchs in ihre Anführerrolle gut rein. Na, da würde aber jemand überrascht sein, wenn er das nächste Mal mit den Genin unterwegs war. Und das würde bald sein, denn es war abzusehen, wann Shinpa-chan ohne die Betüttelung durch Kishio auskommen würde. Dies würde der Startschuss für die nächste Mission sein, deren groben Züge ich bereits kannte und die Kishios Fähigkeiten im Besonderen benötigen würde, sollte es keine Selbstmordmission werden. Nun ja.

Kuzomi überraschte mit einer außerordentlichen Ruhe, einer Gelassenheit, die mich erstaunte. Noch vor einem Vierteljahr hätte sie Todesängste um Kira ausgestanden. Nun hatte sie Vertrauen in seine Fähigkeiten, was ich als Plus vermerkte.

Apropos Mädchen. Shinji hatte die meiste Zeit des Austauschs mit Shinobu verbracht, der Cousine Kiras, die an seiner Stelle nach Konoha gekommen war. Es war ihm sichtlich schwergefallen, sie wieder gehen zu lassen und selbst ein Blinder hätte erkannt, dass da etwas lief. Deshalb war mir lange nicht aufgefallen, dass noch etwas anderes nicht mit ihm stimmte. Ich konnte es nicht in Worte fassen, aber ab und an wirkte er... Abwesend. Und er neigte dazu, öfters mal die Augen zu schließen. Man könnte es für Erschöpfung halten, würde er nicht ansonsten geradezu vor Energie übersprühen. Ich beschloss, die Sache weiter zu beobachten. Aber alles in allem war ich mit meinen Genin sehr zufrieden. Sie waren Shinobi, und sie waren besser als damals, als ich ihre Gruppe übernommen hatte. Das stellte mich zufrieden. Aber damit war ihr Gipfel noch lange nicht erreicht.

Ich ertappte mich dabei, dass ich daran dachte, sie zur Chunin-Prüfung zu schicken. Aber halt, das war vielleicht doch noch ein Jahr zu früh. Außerdem stand ich vielmehr vor dem Problem, Shinpa-chan und Kishio durch diese Prüfung zu jagen, um ihren Wert für Konoha zu steigern und der ganzen Welt zu zeigen, dass wir ein weiteres wertvolles Bluterbe adoptiert hatten. Kiri war Ende des Jahres dran, die Prüfungen auszurichten. Wenn ich einen dritten Mann finden konnte, der einerseits mit Kishio mithalten konnte und andererseits selbst noch kein Chunin war, konnte ich mir Kiri sehr gut vorstellen. Eventuell wäre es auch einen Versuch wert, Mai, Kira und Shinji teilnehmen zu lassen, um zu schauen, wie weit sie kamen und was sie daraus lernten... Ich würde drüber nachdenken müssen.
 

"Und dann?", hörte ich eine laute Stimme rufen.

"Pssssst!", machte eine weitere Stimme. "Wenn sie dich hören!"

Das reichte, um mein Interesse zu wecken. Ich spannte meine sensorischen Fähigkeiten auf und entdeckte in einhundertfünfzig Metern - und achtzehn Zentimetern - den ersten von fünf Männern, die unter einem Gebüsch hockten und die namenlose Taverne beobachteten.

Mit Step wechselte ich meinen Standort, sprang in einen Baum und von dort zum nächsten Baum über dem Gebüsch. Von dort hatte ich einen guten Blick auf die fünf. Es waren natürlich genau die fünf, die Kira kurz zuvor aus der Gaststätte rausfrittiert hatte.

"Und dann machen wir den Laden platt, das ist dann!", sagte die erste Stimme, diesmal aber wesentlich leiser. "Und anschließend setzen wir eintausend Ryou auf jedes der fünf Kinder aus und schauen genüsslich dabei zu, wie sich die Kopfgeldjäger drum schlagen, um die Prämie abzukassieren. Die Jungen tot und die Mädchen... Gut, viel haben sie noch nicht zu bieten, aber wenn man sie nicht kaputt macht und noch etwas wachsen lässt, dann..."

Ich glitt vom Baum herab und landete hinter den fünf.

"Was dann?", fragte ich.

"Stell dich nicht so dumm an. Du weißt, was ich meine", sagte der Erste wieder.

"Nein, weiß ich nicht", erwiderte ich.

"Benutz deine Phantasie!", zischte ein Zweiter. "Wir werden sie ordentlich durchnudeln, bis sie jaulen, und... Wer bist du eigentlich?"

Alle fünf fuhren zu mir herum, erstaunt, entsetzt, und sie hatten allen Grund dazu.

Ich hielt die Rechte in der Linken und massierte sie, bis die Knöchel knackten. "Ich? Oh, ich bin der Sensei dieser Ninja da drüben, auf die Ihr ein Kopfgeld aussetzen wollt, nachdem Ihr den Laden, übrigens eins meiner Lieblingsrestaurants, auseinandergenommen habt. Und was mir am allerwenigsten gefällt, das ist, was Ihr mit meinen Mädchen vorhabt. Meine Herren, ich bin verständlicherweise sehr sauer."

"Wir sind fünf gegen einen, und..."

"D-das ist Morikubo! Der ewige Chunin!", rief der Dritte.

"Und das heißt?", fragte der Erste irritiert.

***

Mai löffelte ihre fünfte Portion Reis in sich hinein. Es war noch gar nicht so lange her, da hatte sie Schwierigkeiten dabei gehabt, genügend zu essen. Aber jetzt, als aktive Kunoichi, fiel es ihr nicht nur leicht, sie konnte auch so viel essen, wie immer sie wollte, sie nahm einfach nicht zu. Okay, bis auf die Gewichtszunahme, die sich dadurch ergab, dass sie gerade einen ordentlichen Schuss machte. Und durch die Gewichtszunahme, die sich darin äußerte, dass sie alle Vierteljahre einen größeren BH brauchte. Aber ansonsten konnte sie essen und genießen. Zumindest bis die Druckwelle das Geschirr auf dem Außentisch tanzen ließ.

"Was war das denn?", fragte Shinji erstaunt und sah über die Schulter in die Richtung, aus der die hochkomprimierte Luft gekommen war. "Sensei? Hat er sein Dai Endan abgefeuert?"

"Nein, das war ein Fuuton-Jutsu", sagte Kira, während er ungerührt weiterkaute. "Ein recht nettes noch dazu."

"Mamo-chan beherrscht Fuuton", wandte Shinji ein.

"Aber er bevorzugt immer noch Katon, oder? Ich habe keine Stichflamme gesehen. Und wenn Sensei sein Katon einsetzt, dann sieht man zumindest die gigantische Feuerwalze, die er verursacht. Ich sehe aber keinen Rauch, und die Stichflamme habe ich auch nicht gesehen."

"Aber Mamo-chan beherrscht auch Fuuton."

"Ja, aber er ist dir und Mai nicht besonders weit voraus. Oder hat sich daran was geändert, dass er meistens mit euch unter Asumas Anleitung Fuuton trainiert?"

"Es kann ja auch nur ein einfaches Fuuton gewesen sein", maulte Shinji.

"Willst du unbedingt, dass Mamo-chan in der Nähe ist und für uns Kindermädchen spielt?", fragte Mai.

"Nein, das nicht. Klar, das wäre beruhigend, wenn ich bedenke, welchen Schatz wir mit uns rumschleppen", erwiderte Shinji und beugte sich vor, um Mai in den Ausschnitt zu schauen. "Aber es ist ja nicht so, als würden wir ihn brauchen."

"Shinji!", tadelte Mai entsetzt und hielt sich beide Hände vor der Brust.

Der Blondschopf seufzte. "Mai-chan, schon vergessen, wo du die Schriftrolle hingetan hast?"

"Ach ja. Aber so offen gucken ist trotzdem nicht nett!", tadelte sie.

"Solange ich nur gucke und sie nicht selbst rausnehme, sollte doch alles grün sein, oder?" Er gähnte herzhaft. "Ein kleines Nickerchen, bevor wir weiterziehen?"

"Sollten wir nicht lieber klären, was die Druckwelle ausgelöst hat?", fragte Kuzomi erstaunt.

"Das war ohne jeden Zweifel ein Shinobi", sagte Kira. "Ein sehr starker Shinobi. Und wenn ich mir die Richtung anschaue, aus der die Druckwelle gekommen ist, dann ist er unseren fünf Freunden über den Weg gelaufen. Und so wie ich die Großmäuler einschätze, haben sie sich mit ihm angelegt." Er legte beide Hände aneinander, klatschte zweimal und deutete eine Verbeugung an. "Friede ihrer Asche."

"Optimist", sagte das Spinnenmädchen. "Wir sollten trotzdem nachsehen."
 

Was die Genin fanden, war... Nichts. Wenn man von entwurzelten Büschen und halb zerschlagenen Bäumen absah. Eine kurze Rundumsuche ergab dann auch... Nichts. Keine Spur der fünf potentiellen Zechpreller. Oder dem, was ihnen hier begegnet sein konnte.

"Also, wenn es ein Fuuton war, dann aber ein heftiges", meinte Kira und deutete auf das Loch im Boden, das die Kerbungen einer Spirale aufwies. "Und so weit ist Mamo-chan noch nicht."

"Tja, hätte er früher mit Fuuton angefangen. Jeder, der Jounin werden will, weiß doch, dass... Oh." Shinji verstummte mitten im Satz, als ihm dämmerte, wo der Fehler im System lag.

"Richtig", schmunzelte Mai. "Jeder, der Jounin werden will. Und wer scheut diesen Rang wie ein Hund den Staubsauger?"

Die vier jungen Leute seufzten kollektiv auf.

"Und was jetzt, große Anführerin?", fragte Kira flapsig.

"Nun, wir behalten das, was hier geschehen ist, im Hinterkopf. Wir können theoretisch verfolgt werden. Ich will nicht riskieren, überfallen zu werden, während wir vielleicht mit etwas anderem beschäftigt sind."

"Wie sieht es mit einem schnellen Marsch aus? Wir nehmen Shunshin, so viel und so weit wir können, um die Residenz des Daimyou schneller zu erreichen", sagte Shinji.

"Oh, wir werden Step benutzen. Aber erstens haben wir noch genug Zeit, und zweitens kostet es uns Kraft, so schnell zu reisen", sagte Mai kopfschüttelnd. "Kraft, die wir vielleicht noch brauchen. Man weiß es nicht. Oder, Hikari-kun?"

Der Affenkrieger, der sich im Hintergrund gehalten hatte, während die Genin den Ort untersucht hatten, nickte knapp von seiner Position an einem wie durch ein Wunder unbeschädigten Baumstamm. "Spart lieber eure Kräfte. Du vor allem, Shinji. Dein Chakra ist ein wenig unstet heute. Wenn du meinen Kontrakt verlierst, während Ihr mich gerade dringend braucht, kann das in die Hose gehen."

Shinji knurrte angriffslustig. "Ja, verdammt, das weiß ich selbst!"

"Ach, sind wir etwas angefressen? Fehlt dir Shinobu-chan so sehr?", scherzte Mai.

"Es ist von allem ein bisschen!", fauchte er zurück. "Lass uns einfach nur..."

Übergangslos fand er sich an Mais Brust wieder. Nachdrücklich, aber nicht brutal, drückte sie ihn an sich. "Komm wieder runter, kleiner Bruder. Wir brauchen dich doch noch. Und du hilfst niemandem, wenn du dich unnötig aufregst."

Shinji, in eine unvorteilhafte Haltung gedrückt, nickte zu ihren Worten. Aber diese Bewegung war schon ein bisschen viel...

"Das kitzelt", sagte Mai lachend. "Shinji, lass das."

"Okay, ich bin wieder ruhig. Aber versprich mir eines, Mai-chan."

"Ja?"

"Kein Wort zu Shinobu hierüber, ja?"

Mit einem Schmunzeln ließ sie ihn wieder los. "Versprochen. Kein Wort zu Shinobu. Und jetzt kommt, Leute, wir müssen uns noch verabschieden." Per Step verschwand sie aus dem Wald.

Shinji sah zum Spinnenmädchen und Kira herüber. "Leute..."

"Schon klar, kein Wort zu Shinobu", sagte Kira großherzig und klopfte dem Dickeren auf die Schulter. "Du hast dich zwar nicht beschwert, aber du hast dich genauso wenig freiwillig gemeldet. Sieh halt nur zu, dass solche Attacken nicht zur Gewohnheit werden."

"Ha, ha, sehr witzig", murrte Shinji. Sein Blick ging zu Kuzomi.

Das Spinnenmädchen sah ihn aus großen Augen an. "M-meinst du, Shinji-chan, dass ich auch noch einen Schuss mache wie Mai. Ich meine, hierum und so?"

"Wenn ich an deine Schwester denke: Ja."

"Oh, das ist so nett gesagt, Shinji-chan!", rief sie enthusiastisch, umarmte ihn und drückte den Größeren an sich.

"Also, eigentlich ist hier schon genug, finde ich", murmelte Shinji.

"Du bist sooo ein netter Kerl. Shinobu-chan wird nur das Beste über dich hören", versprach sie und ließ ihn wieder fahren. "Kira, wir können."

"Necke ihn nicht zu sehr, mein Schätzchen. Ich brauche meinen besten Freund noch", tadelte Kira.

"Oh, ich übe doch nur, Kira. Ich übe doch nur."

"Was übst du? Bezirzungstechniken einer Kunoichi?"

"Rate noch mal", sagte sie augenzwinkernd und verschwand mit Step.

"Sie hat mich ganz schön eingesponnen, oder?" Seufzend folgte Kira ihr.

Als Hikari Gosunkugi Shinji passierte, klopfte er ihm auf den Rücken. "Und jetzt stell dir das mal mit Ranko-sama vor, und du verstehst, was dein Sensei schon durchmachen musste."

Shinji wurde rot. "Da kann ich mich ja glatt noch glücklich schätzen. DAS würde Shinobu mir nie verzeihen, glaube ich."

Der Affenkrieger lachte und sprang ebenfalls. Shinji folgte ihm nach einem letzten Blick ins Rund. "Wartet auf mich!"

***

Während Ranma und Ryoga die fünf Nachwuchsgangster für mich zum nächsten Gericht schafften, da ich davon ausging, dass sie noch mehr Dreck am Stecken hatten, blieb ich dicht an meinen Genin dran. Zumindest so dicht, wie ich es wagte. Zwar waren dies immer noch meine Genin, die ich vor etwas mehr als einem halben Jahr übernommen hatte, aber sie waren gewachsen, in mehr als einer Hinsicht. Und ach ja, Hikari war bei ihnen. Der Affenkrieger war ein Meister der Aufklärung und der Verfolgung. Die Wahrscheinlichkeit, dass er nicht zumindest bemerkt hatte, dass irgendjemand hinter Team dreizehn folgte, war nicht besonders hoch. Das bedeutete natürlich auch, dass es jeder andere Angreifer schwer haben würde, sich meinen Genin unentdeckt zu nähern... Vorausgesetzt, meine Präsenz lenkte Hikari nicht zu sehr von weiteren potentiellen Gegnern ab. Ich durfte also einerseits den Kontakt nicht verlieren, um rechtzeitig eingreifen zu können, wenn jemand sie für Hyperion umbringen wollte, andererseits aber nicht zu dicht aufrücken, damit ich nicht zur Ablenkung, zur Behinderung wurde. Dabei war es wichtig, dass ich die drei weiterhin beobachtete. Immerhin waren sie nur aus einem Grund allein unterwegs: Damit sie sich nicht auf mich verließen und zeigten, was sie bereits gelernt hatten. Es würde ihr Selbstvertrauen erheblich stärken. Allein das war den Aufwand schon wert.
 

Dann spürte ich am äußersten Rand meiner Wahrnehmung ein Chakra, das mir... Sehr bekannt vorkam. Nur hatte ich es das letzte Mal nicht im Reich des Feuers gespürt. Dieses Chakra, oder vielmehr die dazugehörige Person, hielt auf mich zu. Das war nicht gut, denn die Person war keine sensorische Shinobi wie ich. Und das bedeutete, ein zweiter Ninja musste ihr den Weg gewiesen haben. Ein Sensoriker, dessen Reichweite größer war als meine. Und das alles kombiniert bedeutete Ärger. Und das ausgerechnet dann, während ich mein eigenes Chakra damit blockiert hatte, indem ich zwei der stärksten Affenkrieger gleichzeitig beschworen und fortgeschickt hatte.

Ich wusste, wer da auf mich zukam. Und da er aus der Richtung kam, in die meine Genin gegangen waren, nahm ich an, dass er heute ein Gegner war, der es auf die Riesenperle abgesehen hatte. Keine besonders grandiose taktische Analyse, aber hey, wollte ich Hokage werden wie mein Kumpel Naruto?

Ich kam aus dem Step, landete auf einer Lichtung, deren Weite und Überschaubarkeit einem Katon-Nutzer diverse Vorteile bot; einem Fuuton-Nutzer ohnehin.

Mein Gegner kam schnell näher, oder vielmehr meine Gegnerin, denn wie gesagt, ich kannte das Chakra.

Dann war sie heran, kam selbst aus dem Shunshin no Jutsu und landete fünfzehn Meter vor mir im Gras. Sie kniete sich auf ihr rechtes Knie und setzte die rechte Faust auf den Boden. Ihr Haupt hatte sie respektvoll gesenkt. "Morikubo-sama."

"Suirin-kun", sagte ich. "Wie stehen die Dinge in Kirigakure? Geht es Mei-chan gut?"

"Mei-chan ist..." Sie errötete bis unter den blonden Haaransatz. "Ich meine, die Mizukage erfreut sich bester Gesundheit. Das war gemein, Morikubo-sama."

"Ach was, ich necke dich doch bloß ein wenig." Ernst sah ich sie an. "Du sollst mich ablenken, während dein Team den Hyperion besorgen soll?"

Sie erstarrte und sah noch starrer zu Boden. "I-ich habe nicht gewusst... Ich wusste nicht, dass deine Genin den Transport durchführen, Morikubo-sama. Wir haben auch nicht vor, sie zu töten. Wir sollen lediglich die Perle entführen. Sie wird später zurückgegeben, am letzten Tag der Hochzeit, um das Reich des Feuers etwas Demut zu lehren. Ich habe auch nicht gewusst, dass du sie begleiten würdest, Morikubo-sama. Nicht, dass es etwas ändert. Ich bin eine Kunoichi, und ich habe Befehl, Hyperion zu stehlen. Neun gut ausgebildete Shinobi Kirigakures stehen dazu bereit." Sie sah auf, das erste Mal, seit sie vor mir aufgetaucht war. "Ich habe Befehl gegeben, Mai-chan und die anderen zu schonen und auf keinen Fall zu töten, Morikubo-sama. Das musst du mir glauben."

"Und deine Befehle geben das her?"

"Meine Befehle lauten nur, den Hyperion zu stehlen. Wie ich dies mache, bleibt mir überlassen. Mir und meinen neun Untergebenen. Und auch die Befehle, die ich ausgegeben habe, sind eindeutig."

"Hm", machte ich, die junge Frau musternd. "Wenn du nicht wirklich gut zugelegt hast im letzten halben Jahr, was deine Kampfkunst betrifft, dann bin ich dir überlegen, Suirin-kun. Und ich habe keinen Grund, dich zu schonen."

"Das ist mir klar, Morikubo-sama. Ich bitte auch gar nicht um Schonung. Schließlich bin ich tatsächlich hier, um dich lange genug aufzuhalten, bis wir Hyperion gestohlen haben." Sie schluckte heftig. "Meine Leute haben Befehl, selbstständig nach Hause zurück zu kehren. Ich rechne nicht damit, dass ich diesen Kampf gewinnen werde. Ich erwarte keine Gnade und werde auch mit ganzer Kraft kämpfen! Und das erwarte ich auch von dir, Morikubo-sama! Du wirst es nicht leicht haben gegen mein Suiton!" Ich sah, wie sie erschauderte. "Verbrennen ist ein schrecklicher Tod. Aber dein Feuer ist so heiß, ich werde nichts spüren, oder?"

Sie meinte es ernst, so verteufelt ernst. Vor allem hatte sie ihren eigenen Tod bereits einkalkuliert. Und sie glaubte wirklich, ich würde sie verbrennen können? Nun gut, ich war Shinobi, hatte einen Auftrag und eine große Portion Stolz. Ich würde ihr einen Kampf liefern, definitiv. Das gebot schon meine Ehre und mein Respekt ihr gegenüber. Und ich respektierte sie sehr. Aber sie töten? Andererseits, würde sie mir eine andere Wahl lassen? Wenn ich den gleichförmigen, von tiefem Frieden erfüllten Blick betrachtete, den sie in den Augen hatte, dann wusste ich, dass sie bereit war zu gehen. Und das, obwohl sie tatsächlich nicht damit rechnete, mehr herauszuschinden als ein paar Minuten Zeitgewinn. Ich respektierte das. Sie war eine Kunoichi Kiris und sie stand zu ihrer Pflicht. Wenn ich die junge Frau nicht schon gemocht hätte, spätestens jetzt wäre es mir schwergefallen, es nicht zu tun.

"Eine einzige Bitte habe ich, Morikubo-sama", sagte sie zaghaft.

"Wenn ich sie gewähren kann, gerne."

"Erlaube mir, in den letzten Minuten meines Lebens das Higatsuku no Kara zu sehen."

Das war das Jutsu, das ich selbst entwickelt hatte, damals als sie mich und meine Genin als Eskorte durch das Reich des Wassers begleitet hatte. Damals hatte ich sie fortgeschickt, weil sie eine Kunoichi aus Kirigakure war, also eine potentielle Feindin, der man seine geheimen Jutsus nicht zeigte, außer um sie zu töten. Und genau damit rechnete sie jetzt.

Langsam nickte ich. "Also gut, Suirin-kun, deine Bitte sei dir gewährt. In den letzten Minuten deines Lebens wirst du das Higatsuku no Kara zu sehen."

So etwas wie ein Seufzer der Erleichterung verließ ihre Lungen. Beinahe selig gelöst sah sie mich an. "Danke, Morikubo-sama. Jetzt habe ich keine Bedenken mehr: Ich werde in Erfüllung meiner Pflicht sterben und endlich sehen, was du entwickelt hast."

Ich fühlte fast, wie sich meine Miene verdüsterte. Das, was ich diesem hübschen, intelligenten und wohl auch ein klein wenig in mich verliebten Mädchen würde antun müssen, trug nicht gerade dazu bei, meine Stimmung zu heben. Aber seit wann sollten Shinobi nett sein?

"Danke mir nicht zu früh", orakelte ich. Tatsächlich würde sie schon sehr bald sehr sauer auf mich sein, wenn alles so verlief, wie ich es gerade plante.

Bedächtig schälte ich mich aus meiner Chunin-Weste. "Das Higatsuku no Kara willst du also sehen. Magst du es, wenn ich in Flammen stehe?"

Ich sah einen Funken in ihren Augen aufblitzen. Ich hatte ihr den ersten Brocken hingeworfen, und als gute Kunoichi konnte sie nicht anders als diese Information aufzunehmen. Das amüsierte mich. Sie konnte ebenso wenig aus ihrer Haut raus wie ich selbst.

Ich zog das Hemd aus Spinnenseide aus und hoffte, dass mein Oberkörper zumindest ein wenig Eindruck schindete. Oder dass es Suirin egal war, dass mein Training mich noch nicht in einen ganzen Kerl wie Asuma verwandelt hatte.

"M-Morikubo-sama", stotterte sie.

"Ich muss noch mehr ausziehen, wenn du das Higatsuku no Kara sehen willst, Suirin-kun", sagte ich. Bedächtig öffnete ich meine Hose und ließ sie herabgleiten.

Entsetzt legte sie beide Hände vor die Augen. "Morikubo-sama!" Aber dabei linste sie zwischen zwei Fingern hindurch.

Ich stieg aus Sandalen und Hose. Anschließend legte ich zwei Finger unter den Bund meiner Shorts.

"M-Morikubo-sama!"

Dass diese Bewegung nicht dazu diente, mir die Unterhose vom Leib zu streifen, sondern ein erstes Fingerzeichen zu formen, kam ihr gar nicht zu Bewusstsein. Sie hatte viel vom sprichwörtlichen Kaninchen vor dem hypnotischen Blick einer Schlange. "Na, dann wollen wir doch mal!", rief ich fröhlich. Dem ersten Fingerzeichen folgte ein zweites, dann ein drittes. Und sie wurde immer noch nicht misstrauisch, solange ich dabei den Gummibund meiner Unterkleidung bewegte.

"Fuuton: Atsugai!" Eine Druckluftwelle entstand vor mir, die in Bruchteilen von Sekunden zu der Kiri-Nin herüber raste. Diese Druckwelle vernichtete alles, was sie traf - je nachdem mit wie viel Chakra sie ausgestattet war, hatte sie eine größere oder eine kleinere Zerstörungskraft. Ich hoffte, ich hatte das Atsugai diesmal gut genug dosiert, um Suirin eben nicht umzubringen.

Die Druckwelle traf die überraschte junge Frau mit ihrer ganzen Kraft. Ihre Überraschung löste sich in einem schrillen Schrei des Entsetzens. Dann startete das Atsugai seine Zerstörung und begann damit, die oberen Lagen ihrer Bekleidung aufzulösen. Anschließend fraß es die unteren Schichten, bis auf die blanke Haut auf. Dann war... Schluss.

Erleichtert atmete ich auf. Ich hatte genau so dosiert, dass ich ihr nicht die Haut vom Leib geshreddert hatte.

"Morikubo-sama!", rief sie entsetzt, während sie mit der Rechten ihren Busen bedeckte und mit der Linken ihre Scham. "Das ist definitiv nicht das Higatsuku no Kara!"

Ich grinste. "Nein, das ist es nicht. Aber ich habe dir ja nur gewährt, es in den letzten Minuten deines Lebens zu sehen. Und das ist hier und jetzt noch nicht erreicht."

Ich benutzte Step und kam direkt vor ihr zum Stehen. Langsam streckte ich meine Arme aus und berührte ihre nackte Haut. "Diesmal dachte ich, sollten wir mal niemanden töten, wenn es dir recht ist. Aber du kannst mich anderweitig aufhalten, wenn du möchtest."

"Morikubo-sama! Du hast eine Freundin!", tadelte sie mich. Doch ich spürte ihre Gänsehaut unter meinen Händen.

"Und? Dies ist ein Kampf zwischen zwei Shinobi. Wir erfüllen hier unsere Pflicht, Suirin... Chan."

Ich schloss die Arme um sie, drückte ihren unbekleideten Leib an mich. Dabei senkte ich meine Lippen auf die ihren und küsste sie.

"Morikubo-sama...", seufzte sie, bevor ich ihre Lippen mit den meinen verschloss. Ja, verdammt, es klappte.
 

Als sie in meinen Armen erschlaffte, bettete ich sie mit gebührendem Respekt auf den Boden. "Danke für den Trick, Sempai", murmelte ich in Gedanken in Kakashis Richtung. Hätte er mir nicht das Buch der Legende eines eifrigen Ninjas geliehen, hätte ich nie eine seiner Techniken angewendet, die tatsächlich Suirins Leben gerettet hatte. Ich selbst hatte dank meines Fuutons genug Luft gehabt, aber Suirin hatte nicht atmen können, während ich ihren Mund mit meinen Lippen und ihre Nase mit der linken Hand zugekniffen hatte. Das Ergebnis war natürlich eine Ohnmacht gewesen. Ich eilte mit Step zu meiner Kleidung zurück, holte meinen Ausrüstungsbeutel und meine Kleidung.

Als ich wieder bei ihr war, verlängerte ich ihre Betäubung mit einer vergifteten Nadel aus meinem Fundus. Dann deckte ich sie mit meiner Decke zu und legte ihr eines meiner Spinnenseidenhemden hin. Sie hatte es sich verdient, nachdem ich sie so sehr hintergangen hatte. Für die nackte Frau, gemessen an meiner Körpergröße, würde es schon ein kurzes Kleid sein.

"Es tut mir leid, dass ich dich so hintergehen musste, Suirin-chan, aber ich kann dich nicht töten. Du warst leider so ernst bei der Sache, dass mir nichts anderes eingefallen ist, als dich reinzulegen."

"Mamo... Chan..." murmelte sie in ihrer Ohnmacht. Natürlich. Wenn sie nicht in Hörweite war, benutzte sie meinen Spitznamen, genau wie alle anderen, genau wie meine Genin. Dazu kicherte sie. Anscheinend hatte sie keine schlechte Zeit.

"Ich wünsche dir angenehme Träume", sagte ich, drückte ihr einen Kuss auf die Stirn und erhob mich, um mich wieder anzuziehen. Es wurde höchste Zeit, meinen Genin hinterherzueilen. Diese Episode hatte mich fast fünf Minuten gekostet.
 

Als ich endlich aufgeholt hatte und aus dem Step kam, war die ganze Geschichte schon vorbei, die Schlacht geschlagen. Fassungslos starrte ich auf das Massaker, das sich vor meinen Augen ausbreitete. Ja, es gab kein besseres Wort dafür: Massaker. Ich fühlte ein Gefühl in mir aufsteigen. Es war Stolz.

***

Einen Strauchdieb, zwei Wegelagerer und einen molestierenden alten Perversen später, der es tatsächlich gewagt hatte, Kuzomi-chan an den Hintern zu fassen und nun deshalb mit Spinnenseide gefesselt unter einem Baum hing - irritierenderweise schien ihm das allerhöchstes Behagen zu bereiten, weshalb sich die Genin beeilt hatten, fortzukommen - hatten sie sich der Residenz des Daimyou bis auf eine Stunde gemütlichen Fußmarsch genähert. Etwa zu dieser Zeit rief ein Bussard, und die fünf Gefährten erstarrten. Der Bussard gehörte zum Nachrichtendienst Konohas und hatte sie gerade darüber informiert, was in relativer Nähe geschehen war.

"Na klar. Das war doch zu erwarten gewesen", murrte Shinji und schlug auf den nächsten Baum ein.

"Nein, ich finde nicht, dass das zu erwarten gewesen war", sagte Hikari. "Guy-sensei ist ein sehr mächtiger und gefährlicher Jounin. Einer der Besten, die Konoha je hatte. Ich denke, es liegt daran, dass er seine Kopie nicht in einer Schriftrolle transportieren durfte, und..."

Direkt vor ihnen brachen drei Männer aus dem Unterholz hervor, zwei Hünen und ein normal gebauter Mann, der eine Kiste vor sich her trug, die dem Behältnis von Hyperion verdammt ähnlich sah.

Die Konoha-Nin erstarrten erneut und die drei Männer musterten sie erschrocken. Als der Mann vorne, der normal große Typ, das Zeichen Konohas auf den Stirnbändern erkannte, versteckte er die Kiste hastig auf dem Rücken. "Welche Kiste?", fragte er nervös.

"Wir haben keinen Ton gesagt", versicherte Mai sofort, während sie mit der Linken den angriffslustig knurrenden Kira zurückhielt. "Außerdem haben wir eine wichtige Mission und müssen auch sofort weiter!"

"So."

"So."

"Na, dann wollen wir auch gar nicht länger stören... Ahahahaha! Einen schönen Tag noch! Los, Jungs, verbeugt euch auch!"

"Ebenso, ebenso. Und gute Reise! Kira, deine Verbeugung!"

"So, wir sind dann mal auf dem Weg. Auf Wiedersehen! Oder besser doch nicht..."

"Ja, lieber Adieu", sagte Mai mit dem falschesten Lächeln, das sie je aufgesetzt hatte.

Die drei Männer verbeugten sich noch einmal und verschwanden im gegenüberliegenden Wald.
 

"Warum hast du mich aufgehalten?", maulte Kira. "Warum hast du nicht den Befehl zum Angriff gegeben? Das war die Box, auf die Guy-sensei aufgepasst hat! Und sie ist vierzigtausend Ryou wert, ganz davon abgesehen, dass wir dann Guy-sensei noch einen Riesengefallen getan hätten!"

Eine heftige Kopfnuss traf den jungen Shinobi. Ärgerlich herrschte Mai ihn an: "Kira, denk mal nach, bevor du den Mund aufmachst! Äh, sorry, Kuzomi-chan, dass ich..."

"Schon gut. Wenn du ihm keine verpasst hättest, hätte ich es selbst getan", versicherte die Spinne.

"Hä?", machte Kira verständnislos.

"Überleg doch mal, Mann", sagte Shinji. "Was wäre wohl passiert, wenn wir ihnen die Kiste abgejagt hätten?"

"Äh, dann hätten wir die falsche Kiste mit dem falschen Hyperion gehabt."

"Dessen Aufgabe was ist?"

In Kiras Augen entstand ein Leuchten. Dieses wurde aber schnell von der beginnenden Erkenntnis ausgelöscht. "Von uns und dem echten Hyperion abzulenken."

"Und was wäre passiert, wenn wir das Lockmittel bei uns gehabt hätten?"

Mit einem erbärmlichen Blick antwortete Kira: "Okay, hab's verstanden. Dann hätten wir den echten und den falschen Hyperion gehabt und wären das Ziel von allen gewesen, die Wind davon gekriegt haben, dass die Riesenperle gerade transportiert wird. So gesehen war es eine gute Idee, die drei weiterziehen zu lassen, damit sie jeden möglichen Interessenten auf sich ziehen, der gerade unterwegs ist. Und das, wo sie dankenswerterweise die Kiste auch noch offen mit sich herumtragen."

Mai lächelte zufrieden und streichelte die Stelle, die sie gehauen hatte. "Das ist mein Kira-chan. Wenn du nur ab und an so fix denken würdest wie deine Blitze zucken, hätte ich keine Beschwerden mehr."
 

Kira wollte etwas erwidern, maulig wie er war, aber er konnte es nicht. Vorrangig deshalb nicht, weil sich Schall unter Wasser nur äußerst schlecht ausbreitete. Und er befand sich übergangslos unter Wasser. Unter viel Wasser. Er, Shinji, Hikari, Kuzomi und auch Mai. Unter Wasser konnte man nicht atmen. 'Daibaku Shouha!', schoss es ihm durch den Kopf. 'Die große Wasserkuppel!' Und für so ein Jutsu kam in erster Linie Kirigakure in Frage. Kein Zweifel, sie wurden hier gerade angegriffen. Von jemandem, der nicht auf den Lockvogel hereingefallen war. Oder von jemandem, der ihnen zugehört hatte, als sie diskutiert hatten. Scham brannte auf seinen Wangen. War er Schuld, dass sie angegriffen wurden? Zumindest hatte er für eine Ablenkung gesorgt. Aber was konnte er als Raiton-Nutzer hier bewirken, ohne seine eigenen Kameraden ebenfalls zu erwischen?

Eine dumpfe Stimme pflanzte sich bis zu ihm fort. Er wandte den Kopf und erkannte jemanden, der augenscheinlich nicht im Wasser stand. Er war über dreißig Meter entfernt. Und Kira hatte ihn schon mal gesehen. In Genta no Son. Ja, das war einer der Genin, mit denen Suirin-san unterwegs gewesen war.

"Keine Sorge!", klang seine Stimme zu ihm und seinen Gefährten herüber. "Wir werden euch nicht töten! Sobald Ihr ohnmächtig seid, lösen wir das Daibaku Shouha wieder auf!"

Kira ballte vor Wut die Hände zu Fäusten. Schlimm genug, dass sie wie Anfänger in die Falle getappt waren, aber jetzt wurden sie auch noch von Bekannten, beinahe von Freunden, eben wegen dieser Freundschaft und weil die Chefin einen Crush auf Mamo-chan hatte, geschont. Oh, verdammt!

Eine warme, weiche Hand legte sich auf sein Gesicht. Kira wandte sich um und sah Kuzomi-chan. Sie umarmte ihn und gab ihm einen Kuss. Dabei blies sie Luft in seine Lungen. Dazu sagte sie etwas, was durch seinen Mund noch dumpfer klang. Aber er verstand. Als sie den Kuss unterbrach, sah er zu Mai und Shinji herüber, die bohrende Frage im Hinterkopf, ob die beiden zustimmend nickten, weil Kuzomi auch sie geküsst hatte, um mit ihnen zu reden. Aber er schob die Frage beiseite. Für den Moment. Daran Atem zu verschwenden war erst sinnvoll, wenn sie wieder Atem hatten.

Shinji und Mai schwammen parallel nebeneinander, bevor sie ein Suiton auslösten. Der harte Schlag der komprimierten Luft war so stark, dass er einen großen, mannshohen Tunnel ins Wasser trieb. Durch diesen Tunnel sandte Kuzomi-chan ihr Jutsu und schickte einen Strang Spinnenseide hinaus, der zielsicher den überraschten Shinobi Kirigakures traf. Als dieser sich noch wunderte, was die Genin da veranstalteten, hatte Kira bereits den Seidenstrang von seinem Spinnenmädchen übernommen. Dann sandte er sein Raiton den triefnassen Faden entlang.

Der Überschlagblitz traf den überraschten Kiri-Nin vollkommen unvorbereitet. Verdutzt starrte er die Konoha-Genin an, bevor er langsam zur Seite kippte, bewusstlos oder sogar tot. Nein, eher nicht tot. Kira hatte sich zurückgehalten. Die Gelegenheit nutzten die Genin, um in den wasserfreien Korridor zu kommen. Kuzomi nahm den Faden wieder entgegen, umklammerte die drei Genin und den Affen so gut sie konnte und zog sie allesamt am Faden raus aus dem Wasser.

Draußen angekommen schnappten sie ächzend nach Luft. "Wie viele?", fragte Kira schließlich.

Hikari Gosunkugi schnaubte. "Acht noch." Er sah zu Shinji herüber. "Kira kann eine Verschnaufpause gebrauchen. Beschwörst du noch einen Krieger?"

"Wie lange kann ich zwei Beschwörungen aufrecht erhalten?", fragte der blonde Junge zweifelnd.

"Keine Sorge, solange es der richtige Krieger ist, werden ein paar Minuten reichen", erwiderte Hikari.

"Also gut." Fünf Kiri-Nin eilten herbei, alle Gedanken daran vergessend, die Konoha-Nin überleben zu lassen, ihre Waffen zum tödlichen Streich erhoben.

"Kuchiose no Jutsu!"

Sie drangen auf die fünf ein, jeder hatte sein Ziel, jeder war bereit zu töten oder zumindest bereit, schwer zu verletzen, als die Rauchwolke entstand.

Einen Augenblick später flogen sie in alle Richtungen davon.

"Na, na, na, wer wird sich denn hier mit meinen Lieblings-Genin anlegen?" Entsetzte Rufe kamen von den Kiri-Nin, als sie erkannten, wer beschworen worden war.

"Ranko-sama!", rief Shinji aufgeregt. "Wie habe ich das denn geschafft? Aber egal! Du kommst genau rechtzeitig! Die Kiri-Nin wollten uns ersäufen!" Das war zwar nicht ganz die Wahrheit, aber auch nicht ganz gelogen. Die Wirkung ließ nicht lange auf sich warten. "So, so, meine niedlichen Genin, die Schüler meines Favoriten Mamoru Morikubo wolltet Ihr ertränken wie ein paar Katzen in einem Sack in einem Fluss?" Die Affenkriegerin, in ihrer Verkleidung als Konoha-Jounin, ließ ihre Knöchel knacken. "Die fünf hier übernehmen ich und Gosunkugi-kun. Mai, Ihr macht die anderen drei, damit Ihr in Übung bleibt."

"Jawohl, Ranko-sama!"

"Das könnte euch so passen!", rief ein Kiri-Nin. "Den Dicken zuerst, dann verschwinden die Affen wieder!"

Ein anderer kam vor Shinji aus dem Step und rammte ihm ein Kunai in den Bauch. Ein Ächzen kam vom jungen Genin.

Als er aufsah, hatte er ein mörderisches Grinsen aufgesetzt. "Gut mitgedacht, aber nicht weit genug. Schon mal überlegt, ob ich mehr drauf habe, als Affenkrieger zu beschwören?" Deutlich war zu sehen, dass er das Kunai mit beiden Händen abgefangen hatte.

"Äh...", machte der Kiri-Shinobi ein wenig hilflos, Augenblicke, bevor Shinji dem Größeren seinen Schädel unters Kinn rammte, und ihn damit auf die Bretter schickte.

"Mai-chan!"

"Bin schon dabei!", rief sie, griff in ihre Gürteltasche und zog ihre Schriftrollen hervor. In den Angriff der letzten beiden Kiri-Nin hinein entfaltete sie die Rollen und entließ einen nicht enden wollenden Strom an Kunai, Schwertern und Shuriken auf sie.
 

Knapp fünf Minuten später war alles vorbei. Die teilweise verletzten Kiri-Nin knieten nach der Auflösung des Daibaku Shouhas vor den Konoha-Genin auf der grünen Wiese, die Köpfe gesenkt.

"Keine Sorge, wir töten euch nicht", sagte Kira mit einem verdammt arroganten Grinsen. "Auch wenn Ihr es verdient gehabt hättet. Aber wir wollen mal nicht so sein und..."

Entsetzt bemerkte er, dass sowohl Hikari als auch Ranko-sama verpufften. Zum Glück hatten sie aber hinter den Kiri-Shinobi gestanden, als es passiert war.

"Was Kira sagen will", half Mai aus, "ist, dass wir der alten Zeiten willens nicht nachtragend sind. Und Terumi-sama ist ja auch eine Freundin unseres Meisters. Deshalb wollen wir es mal nicht so genau nehmen! Ahahahaha! Also, nachdem wir euch verarztet haben, könnt Ihr einfach verschwinden. Und die Beziehungen zu Kirigakure bleiben unbelastet. Okay?"

"Okay", murmelte einer der Kiri-Nin, und die anderen nickten. Damit hatten die Genin neun Kiri-Nin besiegt. Mit Hilfe eines Spinnenmädchens, zweier Affenkrieger und einer Menge Chuzpe und Glück, aber eben auch mit Können. Das war verdammt viel.

"Na, dann wollen wir doch mal." Mai zückte ihr Verbandszeug.
 

Als sie eine Stunde später am Hof des Daimyous ankamen und Hyperion an den zuständigen Minister aushändigten, sparte der gute Mann nicht mit Lob und sprach, vor allem da der Lockvogel gestohlen worden war, von einer großzügigen Prämie. Was nicht verkehrt war, da Mamo-chan in ein paar Monaten seinen achtzehnten Geburtstag feiern würde.

Zufrieden machten sich die Genin auf den Heimweg. Hyperion war abgeliefert, die Hochzeit war gerettet, die Kiri-Nin noch am Leben. Und zweifellos würde Mamo-chan sie alle loben. Das war vielleicht das Beste an diesem Abenteuer.

Der Regenmacher 6

2.

Gegenwart, sechs Tage vor meinem Geburtstag.
 

Zugegeben, ich war aufgeregt. Vielleicht sogar etwas nervös. Hanako und Karin wurden am Nachmittag zurückerwartet. Und ich freute mich sehr darauf, meine beiden Mädchen wiederzusehen. Ich gebe zu, ich hatte Hana-chan emotional noch nicht genug "hergegeben". Ryu behandelte sie gut und benahm sich in ihrer Gegenwart wie ein verliebter Gockel, da hatte ich keine Beschwerde. Es war allerdings auch schwierig, eine Kunoichi von ihrem Kaliber anders zu behandeln als mit Respekt. Nicht umsonst war sie Chunin. Nun benahm sie sich aber auch äußerst verliebt mit Kichern, Flüstern, Küsschen hier und Küsschen da und einem längeren Kuss irgendwo hinter einer Ecke oder in einem Schatten. Ehrlich, wäre Hanako nicht Teil des Mamo-Pakts gewesen, wäre das ein toller Anblick gewesen. Zumindest bis er peinlich wurde. So aber war Hana-chan immer noch "meine", und ich hatte sie Ryu Kaminagi nur geliehen.

Was nun Karin betraf, so war sie in der Tat meine "Nummer eins". Das zarte Mädchen, das so gar nicht aussah wie die anderen Akimichi, war das Mädchen, bei dem ich mir am meisten vorstellen konnte, dass ich sie eines Tages heiraten würde. Sehr zur Freude Shikakus, weil dies "die Clanbande festigen" würde. Zumindest, bis der Rat der Nara ihm den Floh ins Ohr gesetzt hatte, ich müsse unbedingt Maria heiraten, um ihr Talent für Konoha zu sichern. Und ihren Sohn. Meinen Sohn.

Jedenfalls freute ich mich sehr. Und da Ryu nicht in Konoha war, hatte ich sie beide uneingeschränkt für mich. Ein Umstand, den ich sehr genoss. Und natürlich hoffte ich, dass beide bis zu meinem Geburtstag keine neuen Missionen bekommen würden, damit sie mit mir feiern würden. Dann war auch Ryu wieder da. Zumindest hatte er mir das versprochen. Und Maria war dann auch eingetroffen. Wenn ich außerdem noch ein paar Affenkrieger beschwor, waren nahezu alle Auswärtigen, von denen ich hoffen konnte, dass sie diesen Tag mit mir teilten, eingetroffen.

Doch bis es soweit war, standen andere Dinge an. Zum Beispiel das Higatsuku no Kara, die Kunst des brennenden Körpers. Ich wollte die Zeit und die Gelegenheit nutzen, um einiges über mein neues Jutsu zu lernen. Deshalb hatte ich meine Jungs zum Training gebeten.
 

Unser Treffpunkt waren die drei Pfähle auf dem Trainingsgelände innerhalb der Grenzen Konohas. Dieser Ort weckte Erinnerungen. Hier hatte ich vor einem knappen Jahr meine Genin getestet, ausgiebig getestet. Hier hatte ich meine persönliche Variante vom Glöckchenspiel erfunden, eine Aufgabenstellung, die von meinem Meister, Sarutobi-sama, an Jiraya-sama, den Yondaime und an Kakashi-sensei weitergegeben worden war. Und ultimativ von Kakashi an mich. Ich hatte also eine Tradition weitergeführt. Mir hatte dieser Tag viel Spaß gemacht und ich hatte viel gelernt. Über meine Genin, über mich. Es war ein wichtiger Tag gewesen.

Nun saß ich hier auf dem mittleren Pfahl, knabberte an einem Schokoriegel und ging die Parameter der Mission durch, die uns ins Reich des Schnees führen würde. Zwei Dinge hallten mir dabei noch durchs Ohr, seit ich in Tsunade-samas Büro gewesen war, um das Dokument abzuholen. Einerseits die Information, dass die Herrscherin des Yuki no Kuni nicht nur die berühmte Schauspielerin Fujikaze Yuki war, ein Alibi für ihren Herrschernamen Kazahana Koyuki, und dass gerade diese Schauspielerin meinem kleinen Kumpel Naruto im Besonderen verpflichtet war, was immer das heißen sollte; als zweites, da war ich eigentlich schon halb zur Tür raus gewesen, dass man meine Zeitsperre aufgehoben hatte und meine Beförderung zum spezialisierten Jounin beschlossene Sache war. Zum Geburtstag sollte ich die Ernennung erhalten und ein Jahr später Voll-Jounin werden, sollte ich bis dahin das Fuuton in einem angemessenen Maße beherrschen. Außerdem hatte sie mir ein drittes Element ans Herz gelegt und dabei Raiton favorisiert. Wegen Kira. Und ich könnte dann ja auch von den gleichen Meistern lernen. Wie raffiniert von Tsunade-sama. Und viel Arbeit für mich.

Ich gebe zu, den alten Mamoru Morikubo von vor einem Jahr hätte sie damit aus den Latschen gehauen. Niemals hatte dieser Mamoru höher aufsteigen wollen als Chunin, hatte sogar das als Belastung empfunden. Nun aber, ein Jahr später, kannte ich die Kage von vier Orten persönlich und war mir auch sicher, Mei-chan und Gaara Freunde nennen zu dürfen. Außerdem war ich Anführer meiner eigenen Genin-Gruppe, was immer einem Jounin vorbehalten gewesen war. Den Rest hatte ich mir sehr gut selbst denken, mich dran gewöhnen können. Aber ehrlich gesagt brummte mir der Schädel schon ein bisschen, wenn ich daran dachte, wie viel mehr Verantwortung damit auf mich zukam. Wie hatte es Gekkou-sensei, mein erster Lehrer, doch immer so treffend formuliert? "Jeder wird bis zur Grenze der eigenen Unfähigkeit befördert". Ich fürchtete, er hatte Recht.

Okay, die Sache beschäftigte mich doch sehr. Jedenfalls genug, sodass ich mich auf die anstehende Mission gar nicht richtig konzentrieren konnte. Und hatte ich nicht gerade ein Stück Schokoriegel und Papier abgebissen? Erstaunt hielt ich inne und spuckte den durchgeweichten Fetzen wieder aus.

"Verdammt, nun reiß dich aber mal zusammen, Morikubo!", fluchte ich ärgerlich.

"Ja, das wäre wünschenswert", erklang eine trockene Frauenstimme vor mir.

Ich sah auf. Na toll, ein Volltreffer. In mehrerlei Beziehung. Vor mir stand Yugao-chan. Meine Uzuki-sensei. Natürlich hatte sie das durchgekaute Stück Papier getroffen. "Warum bist du nicht ausgewichen?"

Sie stöhnte leise. "Ich habe nicht damit gerechnet, dass du mich anspuckst, Mamoru. Du hast nicht zufällig ein Papiertaschentuch?"

Ich sprang vom Pfahl, trat vor sie und reichte ihr das Gewünschte. Damit wischte sie das Papier von ihrer Brust ab und trocknete den Fleck mit meinen Speichelresten. "Einmal entsorgen, bitte." Sie reichte mir das Taschentuch zurück.

Ich ließ es in meinen Händen in Flammen aufgehen, bis es zu so feiner Asche geworden war, die vom nächsten Windhauch in winzigste Teile zerteilt und davon getragen wurde.

"T'schuldigung", sagte ich. Peinlich, peinlich, vor allem, wenn man bedachte, dass ich als sensorischer Ninja rund sechshundert Meter meiner Umgebung nach den Chakren von Kira, Shinji, Shinpachi und Kishio absuchte - aber Yugao-chan hatte ich nicht kommen gesehen. Ich musste mich wirklich, wirklich zusammenreißen.

"Ist nicht so wild. Was hat dich denn so aus der Bahn geworfen? Geht es um deinen Geburtstag?"

Ich winkte ab. "Mein Geburtstag ist das Thema, das mir gerade am wenigsten Schwierigkeiten bereitet. Vor allem, da Yuriko-neechan alle Vorbereitungen an sich gerissen hat. Ich muss nur da sein, hat sie gesagt. Meine Probleme sind anderer Natur."

Sie deutete auf das Dokument in meiner Hand. "Dann eine neue Mission?"

"Auch." Ich gab es ihr.

"Hm. Ja, also problematisch sieht es nicht aus. Zumindest nicht für dich. Und es ist eine B-Mission." Sie sah auf und reichte mir das Dokument zurück. "Was ist es dann?"

Ich atmete tief ein und wieder aus. "Zum Geburtstag werde ich zum spezialisierten Jounin befördert. Das ist Problem Nummer eins."

Für einen Moment erstarrte ihre Miene. "D-das ist ja unglaublich. Wie konnte Tsunade-sama das nur tun?"

"Danke für dein Mitgefühl, aber ich komme damit klar, Yugao-chan. Ich..."

"Da haben wir schon mal eine kleine Legende, und der Name des ewigen Chunin erhöht erwiesenermaßen die Zahl unserer Missionen, und dann radiert Tsunade-sama das einfach aus, indem sie dich befördert. Nicht zu fassen."

Irritiert sah ich sie an. War es das, was sie störte?

"Nur Spaß", sagte sie grinsend und klopfte mir auf die Schulter. "Mir ist schon klar, dass du spätestens als du deine eigenen Genin gekriegt hast, gemerkt hast, wie der Hase läuft. Asuma und Kakashi haben sich danach sehr dafür eingesetzt, dass du nicht nur heimlich, sondern auch offiziell befördert wirst. Ich dachte eigentlich, es würde dich mehr treffen, was Shikaku dir abverlangen würde."

"Das weißt du?", rief ich erstaunt.

Sie griente mich an. "Ich habe es mitbekommen, als der Rat Konohas den Naras eine entsprechende Empfehlung mitgegeben hat."

"Der Rat Konohas?" Nun war ich völlig von der Rolle. "Konoha mischt sich in mein Privatleben ein?"

"Sieh es doch mal andersrum. Die Zeiten, in denen Maria oder dein Sohn gar als Bedrohung angesehen wurden, sind damit passé, Mamoru."

"Mein Sohn wurde als Bedrohung gesehen?"

"Ups. Da habe ich wohl ein wenig zuviel verraten..."

Ich winkte ab. "Schon gut. Ist in Ordnung. In Tsukigakure hätte der Rat eh keinen Zugriff auf ihn gehabt, und in Konoha hat er immer die beiden effektivsten Leibwächter, die die Stadt kennt."

"Oh, du meinst Kicchan und Shinpa-chan", sagte sie lächelnd. Ich wusste nicht genau, warum, aber die Familienerweiterung der Morikubos um die Moerus hatte sie so was von kritiklos akzeptiert, ebenso wie die beiden auch, dass ich mich fragte, wo das alte, vorurteilsbelastete Konoha geblieben war. Ach ja, das hatte Angst vor meinem Sohn... "Nein, ich meine Mutter und Yuriko-nee."

Yugao erschauderte. "Da hast du natürlich Recht. Die beiden würden Aki-chan mit Zähnen und Klauen verteidigen, bis zum bitteren Ende. Und ich weiß eines ganz genau: Deine Schwester ist vielleicht nie Kunoichi geworden, aber deine Mutter war eine, und dazu eine verdammt fähige. Wir nannten sie früher gerne auch: Konohas Arznei für Schmerzen, weil sie relativ früh den Weg des Medi-Nin gegangen war. Aber so ganz aufgehört mit den Kämpfen hat sie nie in ihrer aktiven Zeit. Na, ich kann ihr ja in diesem Punkt nacheifern."

"Hm?", machte ich, neugierig geworden.

"Ich gebe meine Maske ab", sagte sie mit gespielter Leichtigkeit in der Stimme.

"Du beendest deine Karriere als ANBU?", fragte ich erstaunt. "Deine Leute werden das nicht gut aufnehmen."

"Wird schon, wird schon. Okame wird übernehmen. Er hat sie die Beförderung schon lange verdient. Das Team nimmt einen Neuen auf und sie werden weiterhin hervorragende Arbeit für Konoha leisten. Ich kenne meine Leute."

Misstrauisch beäugte ich sie. "Und was macht Voll-Jounin Yugao Uzuki?"

"Ich gehe zu den Medi-Nin und trete in die Fußstapfen deiner Mutter und Tsunade-samas", sagte sie in saloppem Ton. "Anstatt zu töten kann ich mich dann mal dran machen und Leben retten."

"Das ist nichts Schlechtes. Dann kann ich meine besiegten Feinde ja in Zukunft zu dir schicken."

"Bloß nicht, Mamoru. Ich bin wirklich schlecht im Puzzlen. Außerdem lieferst du besiegte Feinde meistens als Ascheregen ab. Was soll ich mit denen machen? Die Blumen vor dem Hospital düngen?"

"Dann würden sie zumindest was für Konoha leisten", brummte ich nach der Anspielung auf mein besonders heißes Katon.

Ich sah ihr ernst in die Augen. "Und was ist der Grund für deine Entscheidung, Yugao?"

Sie wich meinem Blick aus. "Wie ich schon sagte, ich will zur Abwechslung mal Leute zusammenflicken, anstatt sie ins Krankenhaus zu bringen. Ich komme aus der medizinischen Ecke, weißt du? Ich freue mich, meine Kenntnisse aufzufrischen und diesmal Leben zu retten. Ich..."

Überrascht hielt sie mitten im Wort inne, als ich sie an den Schultern umfasste. "Yugao-chan. Sensei. Du kennst mich besser als es Gekko getan hat. Du kennst mich wahrscheinlich besser als meine eigenen Eltern. Als Gekko getötet wurde, bist du in die Bresche gesprungen und hast meine Ausbildung und die von Karin und Hana-chan beendet. Für uns wirst du immer unser Meister sein, die andere Hälfte von Hayate-sensei. Und du weißt, dass ich dich liebe."

Diese Worte brachten sie zum Lächeln. Sanfst strich sie mit der Rechten über meine Wange. "Ich weiß ja, Mamo-chan, ich weiß. Aber diese Entscheidung hat nichts mit dir zu tun. Im Gegenteil, ich habe es aufgeschoben, bis ich mir sicher war, dass du es ab hier alleine schaffst. Und ich habe lange, sehr lange gezögert. Unwillkürlich ging ihre Hand auf die Hüfte. "Aber es wird alles ein wenig viel, weißt du? Hier ging der verdammte Speer rein, damals in Suna. Einmal durch mich durch, eine Verletzung, schlimm genug um mich zu töten, wäre Ranko-sama nicht zur Stelle gewesen. Das war quasi das Tüpfelchen auf dem i, das mich, nun, einige Dinge überdenken ließ. Und ich gebe es gerne zu: Ja, es ist wegen Gekko. Er ist fort, aber ich bin noch hier. Man sagt, die Zeit heilt alle Wunden, aber meine wird nur noch größer und größer. Ich..." Übergangslos begann sie zu zittern. "Ich werde unkonzentrierter mit jedem Tag der vergeht. Meine Entscheidungen fallen nicht mehr rasch genug, meine Reaktionen lassen nach. Wäre mein Team nicht so gut aufeinander eingestellt, hätte ich vielleicht einen von ihnen verloren. Ich bin kein Teamspieler mehr und ich bin auch keine Kämpferin mehr. Das wird mir alles zuviel. Ich kann nicht mehr, Mamo-chan."

Ich sah ihr eine lange Zeit in die klaren Augen, bevor ich sie in meine Arme schloss. Ich war nun größer als sie und konnte ihren Kopf gegen meine Schulter drücken. Lautlos begann sie zu schluchzen. Ihre Hände lagen auf meiner Brust auf, kraftlos, hilflos. Erst in diesem Moment spürte ich ihre volle Verzweiflung und ahnte, wie schwer der Konflikt in ihr war.

"Es ist gut", hauchte ich ihr ins Ohr. "Es ist alles in Ordnung. Ein Shinobi zu sein bedeutet immer Kämpfe, bedeutet immer zu verletzen oder zu töten. Das ist unser Job. Niemand kann von uns verlangen, diese Arbeit unser ganzes Leben zu machen. Und egal, ob du eine Auszeit brauchst oder dein Leben gleich ganz neu ausrichten wirst, ich werde bei dir sein und dich unterstützen, so gut ich kann. So wie du bei mir warst und mich immer unterstützt hast, Sensei.

Ich habe diesen Schmerz auch, tief in meiner Brust, den Verlust von Gekko, und er ist stark. Wie muss es erst dann in dir aussehen?"

"Ich vermisse ihn so sehr", schluchzte sie. "Ich wollte ihm noch so viel sagen, so vieles mit ihm erleben, ihn wenigstens ein letztes Mal ansehen. Ich..."

"Ja, ich weiß. Und ich werde an deiner Seite stehen, egal was du in Zukunft tust, Yugao. Du bist meine Meisterin und ich habe so viel von dir gelernt. Aber du bist auch meine Freundin, meine gute, liebe Freundin, für die ich immer da sein will. Ich kann Gekko nicht ersetzen, das kann niemand. Aber ich kann ich sein. Für dich."

Sie erbebte unter einem neuen Schluchzer, dann wurde es still. Langsam drückte sie mich von sich fort. "Danke, Mamoru." Sie wischte sich mit beiden Händen die Tränen aus den Augen. "Danke, das habe ich gebraucht. Du bist ein guter Tröster."

"Ich bin vor allem ein Schüler, der seinen Meister liebt. Und ich bin nur einer von dreien. Hana-chan und Karin werden dir ebenfalls zur Seite stehen. Bei allem, was du tust, was immer du vorhast. Aber das weißt du. Und dein ANBU-Team wird immer dein Team sein, das weißt du auch."

"Ja", sagte sie leise. Ein flüchtiges Lächeln huschte über ihr Gesicht. "Ich bin so froh, dass es dich gibt, Mamo-chan."

"Ich bin froh, dass es dich gibt, Yugao", erwiderte ich. "Dass ich heute den Ninjas der anderen Städte im Dutzend in den Arsch treten kann, verdanke ich nicht zuletzt dir und deiner Fähigkeit, mir den Schwertkampf beizubringen."

Sie kicherte leise. Das war ein gutes Zeichen. "Ach, ich bin da auch nur die Schülerin unseres gemeinsamen Meisters."

Ich schüttelte den Kopf. "Du hast dich weiterentwickelt, Yugao. Ich wette, würdest du heute auf Gekko treffen, kannst du ihn besiegen." Aber ich hoffte, dass das niemals geschehen würde. Leider eine sehr realistische Möglichkeit, wenn ich daran dachte, was Orochimaru beim Kampf gegen Sarutobi-Sensei oder in Suna veranstaltet hatte. Ich zwang mich, den Gedanken abzuwürfen. "Auf jeden Fall bist du besser geworden. Ich bin sicher, Gekko wäre stolz auf dich."

"Ja, da bin ich mir sicher. Aber sag mal, Mamoru, seit wann nennst du ihn bei seinem Vornamen?"

Ich zuckte die Achseln. "Bald werde ich achtzehn. Ich werde erwachsen. Was ich ja eigentlich schon lange sein müsste, wenn ich an den ganzen Mist denke, der mir schon passiert ist im Leben. Also denke ich, Sensei hätte nichts dagegen, wenn ich ihn beim Vornamen rufe."

"Das ist ein gutes Argument", bestätigte Yugao.

Ich nickte zufrieden. "Also, was verschafft mir die Ehre deines Besuchs? Oder sind wir uns nur zufällig über den Weg gelaufen?"

"Sei nicht albern, Mamo-chan. Warum sollte ich dir auf dem Trainingsgelände zufällig über den Weg laufen?", tadelte sie mich. "Ich habe davon gehört, dass du dein neues Jutsu anwenden willst. Ich würde da gerne Mäuschen spielen. Higatsuku no Kara hast du es genannt, nicht wahr?"

Ich hob beide Arme in einer alles umfassenden Geste. "Sei mein Gast, Sensei." Halb sah ich nach hinten. "Und Ihr seid keine Gäste, Ihr seid Bestandteil des Experiments, also kommt raus."

Nacheinander tauchten neben mir Kira, Shinji, Shinpa-chan und Kishio aus dem Step auf.

"Sensei!", rief Kira aufgeregt. "Macht es dir nichts aus, dass Mamo-chan sein Jutsu nackt anwendet?"

Yugao runzelte die Stirn. "Wieso? Sollte es das?"

"Ja, aber, er ist dann doch nackt!"

"Und?"

"Lass gut sein, Kira", sagte Kishio grinsend. "Mai kannst du damit vielleicht hinter dem Ofen hervorlocken, aber nicht eine der besten ANBU Konohas."

"Danke für die Schmeicheleien, Kishio-sama", sagte sie schmunzelnd.

Kishio wurde rot bis zum Haaransatz. "Sensei, du kannst mich doch nicht..."

"Wieso? War es bei den Moerus nicht üblich, den Clanchef mit dem Suffix Sama zu ehren? Und Schmeichelen von einem Clanchef nehme ich natürlich immer gerne an."

"Wie du schon gesagt hast, Kishio-sama", sagte Shinpa-chan ironisch, "sie ist eine der besten ANBU Konohas. Wir sollten sie bestechen, damit sie sich ein wenig um Kin-chan kümmert und ihm ein paar Kniffe beibringt."

"Oh, das hat Mamoru bereits getan. Und ich gebe zu, mein junger Kohai hat ein paar sehr gute Anlagen. Er hat ein Faible für Siegeltechniken und sowas wird immer gebraucht." Kin-chan, oder vielmehr Kintaro war ein junger ANBU mit einer durchaus positiven Leistungsbilanz, der das Pech gehabt hatte, mit Kishio zu kollidieren. Aber nach einigem Hin und Her hatten sich die beiden aneinander abgerieben und waren sogar Freunde geworden.

Yugao nahm Shinpachis Kinn in die Rechte und drehte sein Gesicht zu ihr. Noch vor einem halben Jahr hätte diese Berührung den Jüngeren in Panik versetzt, als Echo auf die Folterungen, die er durchlebt hatte. Aber das war mittlerweile Vergangenheit. Shinpachi hatte sich so gut es ging von der Folter erholt und würde mit uns in den nächsten Einsatz gehen. Endlich das vollwertige Moeru-Team zu meiner Verfügung. Endlich.

Sie sagte: "Du hinkst der Entwicklung zwar etwas hinterher, aber ich sehe, warum du das Hirn in diesem Team bist, und Kishio die Muskeln."

Shinpachi wurde rot. "So kann man das jetzt aber auch nicht sagen."

Kishio hingegen begann zu glucksen. Ihm war es augenscheinlich egal, ob er als Hirn oder als Muskeln angesehen wurde. Solange es eine schlichte Befehlsstruktur gab. "Jetzt hat sie dich am Wickel. Geschieht dir Recht, Shinpa-chan."

"Wenn wir dann fertig sind, Uzuki-SENSEI und Moeru-SAMA", sagte ich in mahnendem Tonfall, "würde ich langsam mal anfangen wollen. Meine Mädchen kommen bald nach Hause, und ich will sie frisch geduscht begrüßen."

"Was habe ich dir gesagt? Er nennt sie immer noch seine Mädchen. Alle beide. Kaum zu glauben, was man sich von ihm erzählt, als er so alt war wie wir, oder?", fragte Kira grinsend.

"Eine schlechte Angewohnheit, Kira, ich weiß", erwiderte ich. "Aber das wird sich wohl nie mehr ändern. Ich werde mich nie mehr ändern..."

"Ups, sorry, Sensei. Ich dachte, das hörst du nicht."

"Sehr witzig. Wir stehen direkt neben ihm, du Trottel", sagte Shinji tadelnd.

"Aber ich war leise, und..."

"Wenn dann Kira-SAMA und Shinji-SAMA auch so weit sind..."

Die beiden fuhren zusammen und strafften sich noch in der gleichen Sekunde. "Ossu!"

"Na, dann können wir ja."
 

Ich nahm das Stirnband ab. Noch immer trug ich das Silberstirnband, das mir meine Wahlschwester Suzume geschenkt hatte. Handgemacht, wohlgemerkt. Das war ein Defizit, denn das Stirnband sollte tatsächlich schützen. Leider wurde Silber leichter durchdrungen als Stahl, aus dem die Stirnbänder normalerweise gemacht wurden, was es zu einer Schwachstelle machte. Andererseits brauchte man schon viel Glück, um ausgerechnet am Stirnband getroffen zu werden, daher hatte ich es bisher vernachlässigt. Vielleicht etwas zu sehr. Anschließend nahm ich meine Waffentasche ab, zog die Weste aus, die mich als Chunin kennzeichnete und zog das Spinnenseidehemd aus.

"Äh, Mamo-chan", wandte Kishio ein. "Uzuki-sensei ist ja abgeklärt und so... Aber wollen wir die Zaungäste nicht vorher entfernen?"

"Zaungäste?", fragte ich amüsiert. Mit meinem Kanshi hatte ich sie nicht erspürt, also mussten sie weiter entfernt sein als sechshundert Meter. "Wo sind sie denn?"

"Etwa siebenhundert Meter nördlich von hier. Ich zähle vier."

"Vier?" Ich dachte kurz nach. "Lass mich raten: Mai-chan, Kuzomi-chan, Kuzoko und Perine?"

"Nicht eine einzige von denen."

"So?" Nun, da war immer noch die Möglichkeit, dass Perine das Chakra der Mädchen veränderte, damit Kishio sie nicht identifizieren konnte. Aber es war etwas viel Aufwand, fand ich.

"Jemand, den du kennst?"

"Schwer zu sagen."

"Ich kümmere mich darum." Yugao setzte ihre ANBU-Maske auf. "Hm, vielleicht lasse ich mir doch noch etwas Zeit mit dem Wechsel zu den Medi-Nin. Es scheint so, als würdest du mein Schwert mehr benötigen als meine Heilkünste, Mamo-chan." Mit diesen Worten verschwand sie per Step.

Für einen Moment überlegte ich, ob ich ihr Unterstützung nachsenden sollte. Wir waren zwar mitten in Konoha, aber rein theoretisch konnte es sich bei den vier Fremden um Shinobi in Spionage-Mission handeln, die schlau genug gewesen waren, meine derzeitige sensorische Reichweite zu ermitteln, nicht aber die von Kishio. Aber wenn sie feindlich gesinnt waren, würden wir es an den Explosionen merken.

Da stand ich also, bis zum Hosenbund entkleidet, und wartete darauf, was weiterhin geschah.

"Uzuki-sensei ist jetzt bei den vier Kontakten", sagte Shinpa-chan plötzlich. "Ich sehe Aufregung. Große Aufregung. Hektik, Panik. Kein Kampfeswille. Dazu Verlegenheit."

Ich unterdrückte ein Schmunzeln. Es geschah mir ganz recht, dass Shinpachi sich in den Vordergrund drängelte und mich dran erinnerte, wer das Arbeitstier bei den Moerus war. In Zukunft würde ich ihn stärker einbinden, stärker einbinden müssen.

"Die fremden Chakren ziehen ab. Sensei kommt zurück."

"Der Rest ist klar?"

Shinpa-chan grinste. "Nichts in meiner sensorischen Reichweite, was da nicht hingehört. Kishio-sama?"

"Ich sehe ebenfalls nichts in Reichweite, was uns stören oder beobachten könnte."

"Na also." Ich öffnete den Bund meiner Hose und ließ sie fallen. Anschließend spuckte ich auf einen kleinen Holzstapel, den ich vorbereitet hatte. Er ging sofort in Flammen auf. "Katon Bunshin no Jutsu." Aus den Flammen erschuf ich einen Flammenklon. Der Klon grinste mich an. "Interessante Ideen, die du da wälzt, Mamoru."

"Interessant, dass du sie interessant findest, Mamoru", erwiderte ich. Der Flammenklon war nicht anders als die Kage Bunshin, die ich ansonsten erschuf, nur dass er halt aus Flammen und Chakra bestand. Ansonsten war er ein Abbild meiner Fähigkeiten und meiner Persönlichkeit. Quasi mein zweites Ich, solange wie er existierte. Nur wusste er, dass er ein Klon war. Und er wusste, dass alles, was er erfuhr und erlebte, in mir aufgehen würde, sobald ich das Jutsu auflöste oder er zerstört wurde. Von ihm die Absolution für eines meiner Experimente zu bekommen, bedeutete mir viel und half, den nagenden Selbstzweifel zu unterdrücken.

Vor mir kam Yugao aus dem Step. Sie wirkte irritiert.

"Was war es?", fragte ich knapp.

"Hm", machte sie. "Hm." Sie musterte mich. "Die Shorts kommen aber auch noch runter, oder?"

"Keine Sorge, ich habe ein frisches Exemplar angezogen und keine Ersatz-Shorts dabei. Ich muss sie also ausziehen, wenn ich sie nicht verbrennen will."

"So, musst du das? Eventuell auch nicht. Du kannst deine Chakra-Kontrolle auf deine Kleidung ausdehnen. Wenn du genügend übst."

Das erschien mir plausibel. "Hey, keine schlechte Idee. Darauf bin ich gar nicht gekommen." Schon hatte es sich gelohnt, dass Yugao mich aufgesucht hatte. Aber das war etwas für später, wenn ich die Kontrolle über mein Higatsuku no Kara verfeinert hatte.

Sie lächelte geistesabwesend. "Der Gedanke kam mir auch eher zufällig. Ich habe nämlich den kleinen Mädchen erzählt, dass du dich gar nicht auszuziehen brauchst, weil deine Chakra-Kontrolle es unnötig macht und du deine Kleidung gar nicht verbrennen wirst. War natürlich gelogen, aber es kann möglich werden."

"Welchen kleinen Mädchen?", fragte ich irritiert.

"Ein paar Backfische von der Akademie und einige ältere in Mais Liga", erwiderte sie.

"Und was wollten die hier?"

Überrascht sah sie mich an, dann zu Kishio und Shinpa-chan. Die erwiderten den Blick auf gleiche Weise. Kira und Shinji reagierten mit Seufzern. "Hast du in letzter Zeit mal in den Spiegel gesehen, Mamoru? Du bist ein ziemlich gut aussehender Teufel."

Das von meiner Sensei gesagt zu kriegen ließ mich erröten. "Ach, Quatsch. Bei all den vielen Verbrennungen, die ich schon abbekommen habe... Ohne Ranko-sensei wäre ich doch längst eine Maske aus hart gebrannter Haut oder eine Kraterlandschaft mit Brandlöchern und Narben."

"Das bist du aber nicht und die hast du nicht. Und deshalb schauen dir die Mädchen nach." Sie räusperte sich. "Muss ich dich erst an eine gewisse Kiri-Nin erinnern, die du im Herbst recht subtil ausgeschaltet hast? Was meinst du, wie sie zu dir stand?"

"Oh, ich hoffe doch sehr, dass Suirin-chan meine Fähigkeiten, meinen Verstand und meinen Humor toll findet, und nicht einfach nur mein Gesicht."

"Und den Knackhintern."

"Und den Knack... Sensei!"

Yugao grinste breit. "Finde dich damit ab. Du hast einen Haufen weiblicher Fans in Konoha. Nicht so viele wie der junge Uchiha hatte, bevor er desertiert ist, aber immerhin mehr als Naruto Uzumaki. Davon hast du sicher bisher nur deshalb nichts mitgekriegt, weil der Mamo-Pakt dich in dieser Beziehung beschützt hat."

"So habe ich das noch nie gesehen", murmelte ich. Wirklich, da musste ich den Mädels ja wirklich dankbar sein. Sehr dankbar.

"Und weil er zu blind ist um zu erkennen, wenn er angebaggert wird", half Shinji aus.

Alle lachten über seine Worte - auf meine Kosten, natürlich. Selbst mein Katon-Klon lachte mit.

"Da hätte ich aber auch viel zu tun." In Gedanken ging ich die Frauen durch, denen ich begegnet war und die ich in den Kreis jener einordnen konnte, die mich zumindest nicht von der Bettkante schubsen würden, wie man in Konoha sagte. Das war schon eine beachtliche Zahl.

"Kommt schon, Leute. Sind wir hier, um Witze zu reißen, oder um zu trainieren?" Mit diesen Worten streifte ich die Boxershorts ab.

"Zum trainieren", sagte Yugao. "Wir könnten aber auch Witze reißen über..."

"Es ist lausig kalt hier", sagte ich vorsichtshalber. "Aber wenn wir ernsthaft über diesen Aspekt reden wollen, kann ich durchaus noch mal darüber nachdenken, ob Ihr euch aus Solidarität nicht auch ausziehen solltet..."

"Lass dich nicht ärgern, Sensei", sagte Kishio aufmunternd und klopfte mir auf die Schulter. "Es kommt immer auf die Technik an, glaube mir. Und es ist ja auch sehr kalt hier..."

"Danke", sagte ich meiner trockendsten Stimme. "Wenn wir dann genügend Witze gerissen haben - ich würde gerne in Flammen stehen."

"Gut, dass deine Mädchen das nicht gehört haben, Mamo-chan", sagte Shinpa-chan grinsend.

"Aber du wirst es ihnen erzählen?"

"Aber ich werde es ihnen erzählen", bestätigte er todernst.

In einer Geste der Verzweiflung warf ich die Arme hoch. "Können wir dann bitte, bitte, mit dem Training anfangen?"

Allgemeines Schweigen antwortete mir. "Danke."
 

Zuallererst kam der Selbstversuch. Bisher hatte ich das Higatsuku no Kara insofern verwendet, dass ich die Hitze des Feuers von jenen Bereichen, die brannten, in den restlichen Körper ableitete und wieder entließ, zum Beispiel durch die Fußsohlen. Dazu spuckte ich brennendes Öl auf meine Haut, genau das gleiche Öl, das wir Shinobi mit unserem Chakra für das Endan produzierten. Diesmal wollte ich es nicht mit dem Öl probieren. Zumindest nicht sofort.

Mein Katon Bunshin kam auf mich zu. "Sicher?"

"Sicher. Leg los."

Übergangslos verlor der Klon jedes menschliche Äußere und offenbarte seine Natur als Flamme. Seine lodernde Rechte, von der eine beachtliche Hitze ausstrahlte, legte sich auf meine Brust. Dampf stieg auf, für einen Moment fühlte sich die Brust ungeheuer kühl an, bevor es heiß wurde. Aber das war es auch schon. Ich fühlte keinen Schmerz. Allerdings bezweifelte ich, dass mein Fleisch Zeit gehabt hätte zu schmerzen. Der Klon bestand aus meinem Feuer, meinem eigenen Feuer. Es hätte gar keine Zeit gehabt zu schmerzen, bevor die Nervenzellen geröstet worden wären.

"Wie fühlst du dich?", fragte der Klon.

"Gut." Ich ergriff den Arm, der auf meiner Brust lag. Nichts passierte. Dann griff ich hindurch.

"Wollen wir es probieren?", fragte mein Klon.

"Ja." Ich sah ins Rund. "Tretet ein Stück zurück. Auf meinen Befehl hin attackiert mich mit Distanzwaffen."

"Hai!"

Ich spürte die gespannte Erwartung der anderen. Und ich war zugegebenermaßen selbst sehr gespannt, ob meine Idee funktionierte. Denn wenn sie es tat, würde es viele Möglichkeiten für mich eröffnen. Was mir vorschwebte, war, etwas zu erschaffen, was dem Chakra-Mantel Narutos ähnelte, wenn er sich in das Chakra des Kyubis hüllte. Vielleicht nicht annähernd so mächtig. Aber effektiv.

Der Klon wandte mir den Rücken zu. "Bereit, wenn du bereit bist, Mamoru."

"Dann komme ich jetzt, Mamoru." Ich trat in meinen Klon hinein, solange er aus sphärischer Flamme bestand. Für einen Moment war ich geblendet, aber das gab sich. Mein eigenes Feuer tat mir nichts, wie ich es erhofft hatte. Aber bereits nach einer halben Minute verließ ich den Klon wieder, weil ich nicht genügend Hitze hatte ableiten können. Ich brauchte ein paar Minuten, um mich wieder abzukühlen, bevor ich den Versuch erneut wagte, nur diesmal mit einem verbesserten Hitzetransport. Eventuell konnte es mir auch gelingen, das Feuer ganz auszuschließen, wenn ich mir eine innere Aura von Chakra zulegte, aber das war Zukunftsmusik. Ich würde das mit Asuma besprechen müssen.

Erneut trat ich in meinen Klon. Besser. Das würde ich einige Zeit aushalten. "Kai!"

Der Klon verschwand. Fast. Seine flammende Aura umgab mich wie ein Holo; immerhin war es mein eigenes Feuer. Ich betrachtete meine brennenden Hände, sah an mir herab, auf Bauch, Beine und den ganzen Rest. Alles war von der feurigen Aureole meiner Flammen umhüllt. Das hatte Ähnlichkeit mit der alten Methode mit dem Öl, aber in der Geschwindigkeit war es eine Steigerung. Und ich konnte diese Flammenaura sogar ein wenig steuern. "Weg vom See", befahl ich.

Kira, der zwischen mir und dem See stand, machte gehorsam Platz.

Ich hob den rechten Arm. "Katon: Karyuu Endan!" Die Flammen, durch das brennende Öl entstanden, hatten den Nachteil gehabt, dass ich sie kaum hatte regulieren können. Ich hatte sie aber mit einem steten Zufluss von Chakra stabil halten können. Dies gelang mir auch bei der Aureole. Aber sie hatte den Vorteil, dass ich wesentlich mehr Kontrolle über sie hatte. Mit ein wenig Übung würde ich diese Aureole auch erschaffen können, ohne einen Flammenklon zu benutzen.

Der Flammendrache, der meinen rechten Arm verließ und über dem See in einer eher kläglichen Detonation verpuffte, hatte nicht annähernd die Kraft, Reichweite und Außmaße des Karyuu Endan vom Sandaime. Das Jutsu erbärmlich zu nennen läge auf der Hand. Aber es war ein Anfang, ein vielversprechender Anfang, denn ich hatte das Jutsu ausgelöst, ohne dafür Fingerzeichen zu benutzen oder Chakra zu schmieden. Ich hatte lediglich den Chakrafluss ein wenig verstärkt. Die Flammen waren ja schon da gewesen.

"Es ist ein Anfang", sagte ich, war aber wesentlich zufriedener, als meine Worte vermuten ließen.

"Er nun wieder", sagte Shinji und verdrehte die Augen. "Schafft ein Katon-Jutsu ohne Fingerzeichen, und sofort stapelt er wieder tief."

Für einen Augenblick war ich verblüfft. Dann aber musste ich lachen. "Du hast Recht, Shinji. Es ist ein vielversprechender Anfang."

Der Junge ächzte wie unter Schmerzen. "Ist in Ordnung, Sensei. Ist in Ordnung."

"Hm", machte ich. Untertrieb ich immer noch? Aber darüber nachzudenken blieb später noch Zeit. "Okay", sagte ich. "Greift mich an."

Und sie griffen an.

***

Erschöpft, aber glücklich und frisch geduscht wartete ich zwei Stunden später am Stadttor auf Hana-chan und Karin. Sie waren auf einer C-Mission unterwegs gewesen und hatten gemeinsam drei drei Mann-Zellen angeführt. Im Prinzip war das eine Fortsetzung jener Trainingsmissionen, die früher ich geleitet hatte. Mit einem fähigen dritten Mann war es eine gute Gelegenheit, um Teamarbeit zu trainieren. Denn etwas anderes war es nicht; wir hatten damals Teamarbeit in größeren Verbänden trainiert, dies oft genug mit renitenten, weil älteren Genin. Nun, in über einem Jahr hatte ich keinen Misserfolg zu vermelden gehabt, und letztendlich hatte jeder Genin eine ziemlich gute Vorstellung von seiner Position in der Gruppe gehabt. Karin und Hana-chan würden keinen schlechteren Job machen als in der Zeit mit mir, davon war ich überzeugt. Einiges hing vom dritten Anführer ab, das war mir klar. Aber meine Mädchen waren Chunin, und dazu verdammt fähige. Ich erwartete nichts anderes als einen Erfolg der Mission. Es war ja nur C-Rang gewesen. Obwohl es niemals eine Garantie dafür gab, dass eine C-Mission nicht plötzlich B, A oder sogar S wurde. Ein beunruhigender Gedanke, der mich überkam, als die Gruppe eine halbe Stunde überfällig war. Ich schob ihn beiseite, aber er kehrte hartnäckig zurück. Dann waren sie eine Stunde überfällig, und ich redete mir ein, dass es durchaus Gründe dafür gab, dass Karin und Hana-chan ihren avisierten Rückkehrtermin überzogen und trotzdem sicher in Konoha eintrafen.

Nach anderthalb Stunden hielt ich es nicht mehr aus. Ich verließ die Stadt und eilte ihnen entgegen. Zumindest bewegte ich mich auf dem Kurs, auf dem sie zurückerwartet wurden. Zwei Stunden. Ich wurde nervöser und nervöser. In Gedanken malte ich mir die größten Horrorszenarien aus, sah meine Mädchen verletzt oder sogar tot, entführt, missbraucht und als Sklaven gehalten, oder als lebende Tote im Auftrag Orochimarus wandeln. Panik war nie ein gutes Gefühl für einen Shinobi, aber gerade jetzt und hier erfüllte sie mich. Ich hatte nackte Angst, nicht um mich, aber um Karin und Hanako. Ich eilte noch weiter voraus, bis zum Restaurant ohne Namen, dort nutzte ich Kage Bunshin und erschuf zwanzig Klone, die ich rechts und links der Straße nach Konoha zurücksandte. Damit deckte ich einen Streifen von zwölf Kilometern ab. Wenn ich sie so nicht entdeckte, dann wusste ich auch nicht weiter. Ich setzte mich an die Straße und wartete darauf, das einer meiner Klone die Mädchen fand und sich auflöste, damit sein Wissen über ihre Position an mich überging. Aber nichts geschah, nicht einmal, als meine Klone längst die Stadtmauern erreicht haben mussten.

Hilfe! Ich musste Hilfe holen! Kishio, Shinpachi, Yugao, Kakashi, Asuma, wen immer ich zu fassen bekam! Und Hikari Gosunkugi! Und Akane! Die sensorisch begabten Affen!

"Kuchiose no..."

"Mamoru!"

Ich fuhr erschrocken zusammen. Das war nun schon das zweite Mal heute, dass mich mein Kanshi im Stich ließ! Merke: Aufregung, Panik und andere starke Gefühle waren Gift für mein Jutsu.

Es erleichterte mich allerdings, als ich das Chakra erkannte: Es war Kintaro, der neue beste Freund von Kishio. Der ANBU kam direkt neben mir aus dem Step. "Mamoru, was tust du hier?"

"Wie, was tue ich hier?", fragte ich verblüfft.

"Warum bist du nicht in der Stadt? Karin-san und Hanako-san machen sie gerade rebellisch, weil niemand dich finden kann! Dabei haben sie erwartet, dass du sie empfängst!"

"Was?" Meine Verblüffung nahm zu. "Sie tun was?"

"Sie suchen dich seit drei Stunden und stellen nach dir die Stadt auf den Kopf! Sie haben auch Kishio und Shinpachi dabei eingespannt, dich zu suchen. Alle Beteuerungen, dass es dir heute Mittag noch sehr gut ging, nützen nichts, um sie zu beruhigen. Ich gebe zu, ihre Nerven sind zu Recht ein wenig dünn. Es gab wieder einen Zusammenstoß mit Iwagakure und die Gruppe hat einige Verletzte... Karin-san und Hanako-san sind nicht darunter, Mamoru!", beeilte er sich zu sagen. "Jedenfalls suchen sie dich, während du hier draußen... Was tust du hier eigentlich?"

"Ich...", sagte ich mit einer gehörigen Portion Sarkasmus in der Stimme, "suche meine Mädchen, die nicht zum verabredeten Zeitpunkt in die Stadt gekommen sind. Oder in der Stunde darauf. Oder..."

"Ah, ich verstehe deinen Standpunkt." Ich konnte sein Grinsen trotz der Tiermaske deutlich spüren. "Nun, sie sind schon gegen Mittag in der Stadt angekommen, haben ihre Verletzten ins Krankenhaus gesteckt und wurden anschließend von Tsunade-sama und dem Rat vereinnahmt, um einen sofortigen Bericht über den Zwischenfall abzugeben. Immerhin wurde eine Chunin schwer verwundet. Mich haben sie ausgeschickt, um im Haus Bescheid zu geben, aber du warst nicht da. Und du bist die letzten Stunden auch nicht aufzutreiben gewesen. Seitdem machen die zwei die Stadt rebellisch. Tja, und mir kam die Idee, vom letzten Ort, an dem du dich hast aufhalten wollen, zu suchen. Und hier bin ich. Na, also ich als Schattenklon. Das Original wartet am Stadttor auf eine Nachricht von mir und den anderen."

"Ich..." Die Worte stockten, denn in diesem Moment verging einer meiner Schattenklone und übertrug sein Wissen auf mich. Er war einem anderen Schattenklon Kintaros begegnet und sie hatten sich ausgetauscht. Danach hatten er und Kintaros Kage Bunshin sich aufgelöst, um ihr neues Wissen zu übermitteln. In schneller Folge kamen neue Informationen, als sich weitere Klone fanden. Alle mit den gleichen Nachrichten für mich. "Ich sehe es. Meine Klone sind weiteren deiner Kameraden begegnet. Sie haben sich dann jeweils beide aufgelöst und ihr Wissen übermittelt. Der Original-Kintaro weiß also Bescheid, wo wir sind und dass wir jetzt zurückkehren werden."

"Dann hat die Aufregung ja ein Ende, Mamoru. Gehen wir."

"Löst du dich nicht auf?", fragte ich.

"Nein. Ich will die Gelegenheit nutzen, um dir eine Frage zu stellen, während wir zurückkehren."

"Eine Frage?"

"Ja. Eine wichtige Frage. Was meinst du, werden Yuria-sama und Kenshiro-sama sagen, wenn ich frage, ob ich für einige Zeit bei Kishio-tono und Shinpachi einziehen werde?"

"Hä?"

Verlegen drückte der ANBU seine Finger aufeinander. "Mein Wohnblock wird kernrenoviert. Ich habe das lange nicht mitgekriegt, weil ich ständig unterwegs war in letzter Zeit. Bis morgen muss ich mein Appartement geräumt haben. Dafür stellen sie uns Abstellräume zur Verfügung, also ist das kein Problem. Aber ich habe mich nicht rechtzeitig drum gekümmert, wo ich unterkommen kann, und daher... Nun, alle günstigen Unterkünfte sind vergeben. Und da dachte ich... Da dachte ich..."

"Also, von mir aus gerne. Und ich lege bei Mutter und Vater ein gutes Wort für dich ein. Aber ich denke, sie werden nichts dagegen haben." Ich legte den Kopf schräg. "Selbst fragen musst du aber schon noch. Und vor allem musst du Kishio fragen. Wir reden hier über sein und Shinpachis Haus, da habe ich ihnen nicht reinzureden."

"Uff, da bin ich aber erleichtert. Kishio-tono hat nichts dagegen und Shinpachi auch nicht. Aber bei Yuria-sama war ich mir nicht sicher. Sie kann manchmal so streng sein und... Nun."

Ich lächelte freundlich. "Keine Sorge. Harte Schale, weicher Kern. Mutter freut sich immer, wenn wir Zuwachs kriegen. Was wohl demnächst noch mal der Fall sein wird. Eventuell."

"Was meinst du genau, Mamoru?"

"Nicht so wichtig." Es brachte wohl nicht besonders viel, wenn ich ihn aus heiterem Himmel damit konfrontierte, dass Orochimaru mit Shinpa-chans Sperma und mehr oder weniger freiwilligen Leihmüttern nicht nur das eine Moeru-Kind herangezogen haben konnte, das er selbst noch im Herbst in Selbstverteidigung getötet hatte. Eine unfaire Geschichte, wie ich fand. Wie hatte Orochimaru nur solch ein Kleinkind zur Waffe umfunktionieren können. Auch dafür würde er zur Rechenschaft gezogen werden. Nicht, dass ich noch Gründe brauchte, meinen Sempai mehr zu hassen.

"Kehren wir zurück. Erinnere mich daran, dass ich vorher mit meinen Eltern rede, um für dich gute Stimmung zu machen."

"Danke, Mamoru."

Ich spürte seine Erleichterung selbst durch die Maske. Aber ich fragte mich schon, ob sein Appartement wirklich renoviert wurde, oder ob er nicht einfach das Alleinleben satt hatte.

Ich benutzte Step, um zurück in die Stadt zu eilen, wo meine Mädchen warteten. Mit einer durchaus interessanten Geschichte, wie es schien.

Und ich war zwar wegen des neuen Zwischenfalls mit Iwagakure beunruhigt, aber wenigstens waren Hana-chan und Karin sicher.

***

"Karin!" Ich ließ der schlanken Akimichi nicht viel Zeit, um zu reagieren. Bevor sie sich mit der geänderten Situation vertraut gemacht hatte, hielt ich sie bereits in den Armen.

"Mamoru."

Ich küsste sie und freute mich, dass sie ihn so heftig erwiderte wie eine Ertrinkende. Angesichts der vielen Umstehenden verzichteten wir im stillen Einvernehmen aber auf die Zunge; als sie sich von mir löste, griff ich mit rechts nach Hana-chan und drückte meine Stirn an ihre. "Hana-chan."

"Mamo-chan." Wir tauschten einen nicht ganz so langen und wesentlich keuscheren Kuss aus, der unsere lange Verbundenheit und Freundschaft ausdrückte. Natürlich auch ohne Zunge.

Da stand ich nun mit meinen beiden Mädchen im Arm. Befreit atmete ich auf. "Wie könnt Ihr nur solche Sachen machen? Sich mit Iwa prügeln. Das ist ja wohl ganz klar meine Aufgabe."

"Oi", protestierte Karin und löste sich aus meinem Griff. "Immer willst du den ganzen Spaß für dich alleine haben."

"Nicht den ganzen", versicherte ich ihr augenzwinkernd.

"Es ist nicht so, als hätten wir uns diesen Spaß ausgesucht", sagte Hana-chan. "Karin behauptet ja, wir wurden nur angegriffen, weil mein Goldhaar zu weit geleuchtet hat, aber das halte ich jetzt doch für übertrieben."

"Karin."

"Hana-chan, du Petze", schalt Karin ihre Freundin und gab ihr einen Klaps auf den Po.

"Ieks!"

Ich lachte und meine Mädchen fielen ein. "Ernsthaft. Was war los? Gerne auch nur die offizielle Version."

Die beiden tauschten einen kurzen Blick. "Es hat Rose-chan erwischt", erklärte Karin.

Verdutzt sah ich die beiden an. "Was? Aber es hieß doch, es hätte nur Verletzte... Rose?"

"Äh, erwischt im Sinne von: Sie liegt schwer verletzt im Krankenhaus. Deshalb haben wir auch den kürzesten Weg direkt über den Westeingang genommen, nicht über das Haupttor."

"Deshalb haben wir uns verpasst", führte Hana-chan fort. "Und was passiert? Du gehst stiften und lässt uns nach dir suchen, bis wir glauben, dir ist wer weiß sonst was passiert! Vor allem, nachdem wir von deinem Zusammenstoß mit Iwagakure gehört haben, dachten wir, jetzt haben sie dich noch geholt."

"Unmöglich. Ihr hättet die Explosionen gesehen", erwiderte ich. Und das war keinesfalls ein Scherz gewesen.

"Argument", stimmte Hana-chan zu. "Und du? Hast du wenigstens Angst um uns gehabt?"

Unvermittelt griff ich zu und drückte beide wieder an mich. "Bis zur Taverne ohne Namen habe ich die ganze Strecke nach Konoha auf einer Breite von zwölf Kilometern abgesucht. Ich war drauf und dran, Kishio und Shinpa-chan und jeden, der bei drei nicht auf den Bäumen ist, auf die Suche zu jagen, und... Macht das nicht noch mal mit mir. Mein armes Herz."

"Einigen wir uns darauf", sagte Karin halb versöhnt, "wir haben uns alle umeinander Sorgen gemacht."

"Einverstanden", sagte Hanako.

"Einverstanden." Ich ließ die beiden wieder fahren. "Und jetzt erzählt mir, was mit Rose ist. Habt Ihr Mutter schon Bescheid gesagt?"

"Ja, sie ist auch gleich hin", sagte Hanako. "Sie hat ein Schwert in die Rippen gekriegt. Die Lunge wurde getroffen. Zum Glück nur die linke Seite und das Schwert steckt noch, deshalb konnte sie einigermaßen atmen. Das kriegen die Ärzte wieder hin. Hat Yuria gesagt."

Das war beruhigend. Wenn sich die Mediziner Konohas zu so einer positiven Prognose hinreißen ließen, konnte man beruhigt sein. "Weiter. Hattet Ihr noch mehr Verluste? Wo ist es geschehen?"

"Insgesamt wurden fünf verletzt, darunter Karin", erklärte Hanako.

"Was? Und ich gehe so ruppig mit dir um." Ich hielt sie von mir, um zu sehen, wo sie verletzt worden war.

"Oh, ich bin nicht aus Zucker. Aber ruiniert haben sie mich, die Ärzte", seufzte sie.

"Ruiniert?", echote ich.

"Nicht das ruiniert. Hier ruiniert. Als Frau, meine ich." Sie wandte mir den Hinterkopf zu und entblößte so einen stattlichen Verband, der mit Pflastern großzügig verklebt war. "Nennt sich Feldversorgung. Weißt du, wie viele Haare sie mir abgeschnitten haben, um die Wunde klammern zu können? Ich sehe da aus wie ein Ei. Und eine Narbe werde ich auch behalten."

Ich zog sie mit dem Rücken voran an mich, umarmte sie und küsste die Verbandauflage. "Hauptsache, du lebst und bist zu mir zurückgekommen. Mehr verlange ich gar nicht."

"Mamoru. Nicht auf den Verband", tadelte sie.

Seufzend ließ ich sie wieder los. Aber die Röte ihrer Wangen bewies, dass sie den Tadel nicht allzu ernst gemeint haben konnte. "Haare wachsen wieder, keine Sorge." Ich strich ihr sanft über die Wange. "Außerdem brauchst du einen kleinen Makel, sonst bist du einfach zu schön für diese Welt."

"So?" Sie verzog die Miene zu einem spöttischen Grinsen. "Ich fasse das mal als sehr merkwürdiges und plumpes Kompliment auf, mein Großer." Ihr Lächeln verschwand. "Sie haben uns an der Grenze erwischt. Es war mir absolut neu, dass wir mit ihnen im Streit lagen. Deshalb kam der Angriff auch so überraschend. Rose-sempai wollte mit ihnen reden, und zum Dank bekam sie ein Schwert in die Rippen. Tja, und dann ging es auch schon zur Sache. Jemand hat versucht, mir mit einer Kusarigama den Schädel zu spalten, andere wurden von Shuriken erwischt. Ich kann wahrscheinlich froh sein, dass ich so einen Dickschädel habe. Ein Hoch auf die Konstitution der Akimichi!" Sie reckte den Arm hoch und rief HOCH! Halbherzig machte ich mit. Auch Hanako folgte ihrer Vorlage eher unwillig.

"Was ist dann passiert?"

"Oh, das war merkwürdig. Ich weiß nicht, wie ich darauf kam, aber ich hatte gerade so einen großen Kerl am Wickel mit dem Kreuz eines Preisringers und einem Bauch, als hätte er schon sieben oder acht Shinobi gefressen, da entfuhr es mir, dass ich jetzt gerne dich und die Affenkrieger bei mir haben würde. Tja, und da zog er sich mit Step zwanzig Meter zurück und rief den anderen zu, ihm zu folgen. Und er fragte mich wirklich, in welcher Verbindung wir zum ewigen Chunin stehen."

"Ich habe dann ein wenig geflunkert und gesagt, ich wäre deine Verlobte", sagte Karin mit roten Wangen.

Was mir klar machte, dass ich zumindest den Punkt meines Lebens auf solide Füße stellen sollte.

"Daraufhin ließen sie von uns ab und zogen sich zurück. Lediglich der Dicke meinte, Iwagakure würde keine Verletzung ihres Territoriums tolerieren und wir sollten ins Land des Feuers zurückkehren. Dabei waren wir nicht einmal im Land der Erde, sondern im Land der Steine.

Also haben wir uns so schnell es ging mit Rose und den anderen Verletzten zurückgezogen. Und da habe ich deine Affenkrieger übrigens am meisten vermisst."

Ich nickte verstehend. Das klang nach einem der Iwa-Nin, die ich im Land der Steine befreit hatte. Akatsuchi war sein Name, und er war, einmal befreit und bewaffnet, eine große Hilfe gewesen. Dass sich Iwagakure nun vermehrt im Ishi no Kuni zeigte, war verständlich. Immerhin hatte es Orochimaru geschafft, quasi vor ihrer Haustür eine Basis zu errichten, die eine ganze Stadt involviert hatte. Ohne von den Behörden des Landes der Steine behindert zu werden. Und angesichts des vermutlichen Verlusts eines Jinchurikis und seines Bijuu war die Nervosität Iwas auch mehr als verständlich. Ich sah in der Zukunft eine Menge Probleme auf Konoha zukommen, und nicht wenige würden mit Iwagakure zu tun haben. Tatsächlich war ich mir, was die großen versteckten Dörfer anging, nur bei Suna sicher, dass sie unverbrüchlich an unserer Seite stehen würden. Diesmal zumindest. Ich hatte zwar einen guten Draht zum Raikage, aber er und Tsunade-sama waren nicht besonders gut aufeinander zu sprechen, seit sie sich beim Blumenstecken beinahe gegenseitig an die Kehle gegangen wären. Und auch Mei-chan mochte ich als meine Freundin bezeichnen und auch in ihren Augen ein Freund sein, aber die Interessen Kiris waren doch sehr verschieden von denen Konohas. Ich konnte mich keinesfalls darauf verlassen, dass es nur wegen meiner Freundschaft mit ihr und ein oder zwei Gefallen keinen Ärger mit ihnen geben würde. Überdies verwunderte mich, dass es noch immer keine Reaktion darauf gab, wie ich Suirin-chan außer Gefecht gesetzt hatte, damals im Herbst. Das war wirklich nicht sehr nett gewesen. Aber immerhin netter, als sie zu töten.

Das klang doch ganz nach einer Sitzung aller Jounin in Konoha innerhalb der nächsten Tage. Und da meine Beförderung beschlossene Sache war, würde ich das erste Mal an solch einer Sitzung teilnehmen. Ich wusste nicht, ob ich mich darüber freuen sollte. So ein Kriegskonzil war immer der Vorbote für eine Menge Ärger, Schwierigkeiten, Leid und Tod.

Ich legte meinen beiden Mädchen meine Arme um die Schultern. "Gehen wir ins Krankenhaus. Ich will Rose sehen. Danach kommt Ihr mit zu mir. Ich muss euch einiges erzählen, vor allem was Iwagakure angeht. Dann werdet Ihr verstehen, warum die so sauer waren. Übrigens, wer hat die Einheit geführt?"

"Na, Rose-chan natürlich", sagte Hanako.

"Nein, wer hat die Einheit nach Konoha zurückgeführt? Das wird ja wohl kaum eine halbtote Kunoichi mit einem Schwert in der Lunge gewesen sein."

"Oh", rief Hanako stolz. "Das war ich!" Etwas leiser fügte sie hinzu: "Aber Karin war eine tolle Stellvertreterin. Ohne sie hätte ich den logistischen Albtraum nie bewältigt. Hast du schon mal eine Trage über fünfzig Kilometer fortgeschafft, Mamo-chan?"

"Nicht in letzter Zeit", erwiderte ich. In diesem Moment war ich mir sicher, dass die Mission in Yuki no Kuni, in deren Zuge wir nach Angehörigen der Moeru suchen wollten, vielleicht unsere letzte Atempause war, bevor es wieder einmal heftig knallte. Und das bedeutete Tod und Zerstörung. Verdammt. Ich hatte mehr zu verlieren als jemals zuvor. Ich würde all das verteidigen. Mit meinem Leben.

Der Regenmacher 7

Während wir zum Krankenhaus unterwegs waren, informierte ich die Mädchen über die recht abenteuerliche Überwachungsmission, in derem Zuge auch Kozuko verletzt worden war. Allerdings war ich mir sehr bewusst, dass ein Kampf mit den Terroristen erheblich härter gewesen wäre als jener mit den Iwa-Nin und dass wir relativ gut bei weggekommen waren. Der alte Jounin, der mit mir verhandelt hatte, hatte vor allem seinen Leuten das Leben gerettet. Anmaßend von mir, das zu denken? Nein. Wir hatten sie getötet, nicht umgekehrt. Es war anzunehmen, dass eine Übermacht uns hätte auslöschen können. Aber der Preis für Iwagakure wäre hoch gewesen. Da stellte ich mir natürlich die Frage, warum die versteckte Stadt ausgerechnet diese Amateure ausgeschickt hatte, um Akazuki-Mitglieder zu verfolgen. Hatten sie keine fähigeren Leute mehr gehabt? Und der Tote, den sie fortgeschafft hatten, war es einer ihrer beiden Jinchuriki gewesen? Es war allgemein bekannt, dass der Uchiha-Verräter Itachi mit seinem Kiri-Kumpel Kisame hinter Naruto hergewesen war, um sein Biju in die Hände zu bekommen. Versuchten sie das Gleiche nun auch bei den anderen Jinchuriki? Unwillkürlich ging mein Gedanke voller Sorge in Richtung Yugito und Kirabi-sama. Was, wenn ihnen etwas passierte? Unwillkürlich ballte ich die Hände zu Fäusten. Was, wenn Naruto etwas geschah? Ich spürte, wie meine Nägel mein Fleisch aufschnitten. Dies brachte mich wieder soweit zur Besinnung, dass ich den unheilvollen Gedanken abschütteln konnte. Dennoch, eine Warnung an die anderen versteckten Dörfer, ihre Jinchuriki betreffend, konnte sicher nichts schaden. Aber dafür war später Zeit. Bis dahin ließ ich mir von meinen Mädchen jede Kleinigkeit ihres Einsatzes genau schildern und sog die Eindrücke auf wie ein Schwamm.
 

Vor dem Hospital trafen wir auf meine Genin und die Moerus, die von Hana-chan und Karin zwangsverpflichtet worden waren, um mich zu suchen. Sie hatten nun wirklich nicht so einen Aufstand machen müssen, ging es mir durch den Kopf. Solche Hysterie war mir vorbehalten.

Nach einem kurzen Hallo in Richtung Kintaro betraten wir die Klinik und wurden rasch weiterverwiesen.

Vor der Tür zu Roses Krankenzimmer standen meine Mutter und Tsunade-sama. Mom rauchte. Dieser Anblick verdutzte mich enorm. Ich wusste, dass sie früher geraucht hatte, vor allem im Einsatz, aber niemals Zuhause. Sie hatte das Laster schon über zwanzig Jahre aufgegeben. Und nun erwischte ich sie mit einem Glimmstengel in der Hand. Und was noch viel schlimmer war, sie teilte sich die Zigarette mit Tsunade-sama.

"Keine Sorge, Mamo-chan, das ist nicht das, wonach es ausschaut", sagte die Hokage, als sie meinen entgeisterten Blick sah. "Wir rauchen nicht. Wir paffen nur."

Ich sah zu meiner Mutter herüber, die müde abwinkte. "Es war eine anstrengende Geschichte mit Rose-chan. Hat uns beide viel Chakra gekostet. Die Zigarette wurde aus chakrabildenden Kräutern gedreht. Wenn man sie raucht, gelangen sie über die Mundschleimhäute schneller ins Blut."

Und das war die Wahrheit. Das musste die Wahrheit sein, denn sie kam von meiner Mutter.

"Verstanden?", fragte sie mit ernster Miene.

"Verstanden, Yuria-sama!" Das waren so ziemlich alle gewesen. Und das Sama war vollkommen zu Recht gefallen. Mom konnte sehr energisch werden. Tatsächlich konnte ich mir gut vorstellen, wie zu ihrem Ruhestand etliche Glückwunschkarten der anderen Dörfer eigegangen waren - froh darüber, dass sie das Schlachtfeld verlassen hatte, kurz nach dem letzten Ninja-Krieg.

Ich räusperte mich verlegen. "Wie geht es Rose?"

"Wie ich schon sagte, es war kompliziert. Das verdammte Schwert ist gesplittert", sagte Tsunade und reichte Mom die Zigarette weiter. "Kleine und kleinste Teile haben sich an den unpassendsten Stellen in die Lunge gebohrt und waren teilweise schon überwuchert und verkapselt. Ein ganz schöner Scheiß war das."

"Wir mussten jeden einzelnen Splitter suchen und entfernen, während Rose die ganze Zeit an der Grenze zum Kollaps stand. Sie schläft jetzt, weil sie es dringend nötig hat. Für sie war es noch anstrengender als für uns." Ihr missmutiger Blick traf mich. "Das heißt, du kannst alleine rein. Für eine Minute oder zwei. Wenn sie wieder wach ist, kannst du sie meinetwegen erneut besuchen."

Ich verstand. "Danke, Mom."

Mit einem Nicken verabschiedete ich mich von meinen Begleitern und betrat das Krankenzimmer.
 

Das Fenster war geschlossen, obwohl draußen ein warmer Wind ging. Rose lag mit blassen, eingefallenen Zügen im Bett und wurde beatmet. Ihr Oberkörper war bar der üblichen Kleidung, aber sie war bandagiert worden. Die Bandage bedeckte ihre Blöße. Die Stelle, an der das Schwert ihre Lunge erwischt hatte, war noch einmal besonders bandagiert. Eine schwierige Geschichte. Wie verhinderte man, dass, wenn Blut austrat, es in die Lunge lief? Ich war mir sicher, Mom und Tsunade-sama hatten das bedacht. Ich war mir sicher, sie hatten das nicht zum ersten Mal gemacht.

"Hey...", klang ihre Stimme leise auf.

Unwillkürlich zuckte ich zusammen. Sie war wach. "Hey", erwiderte ich, zog mir einen Stuhl heran und setzte mich neben sie. Der Herzmonitor piepte im Takt ihres Pulses in eintönigem Rhythmus. Sie streckte die rechte Hand aus und ich ergriff sie. "Wie fühlst du dich, Rose-sempai?"

"Beschissen", gestand sie. "Denken Tsunade-sama und Yuria-sama, dass ich schlafe?"

Ich nickte. "Ja. Sie sagten, die Behandlung war schwer für dich."

"Ich werde wohl auch gleich schlafen... Wir haben das ohne Vollnarkose gemacht, weißt du? Damit mein Körper nicht noch mehr belastet wird. Yuria-sama hat dazu mein Schmerzempfinden abgeschaltet... Sehr effektiv. Ich fühle da immer noch nichts." Sie sah mich an, tief in meine Augen. "Werde ich sterben, Mamo-chan?"

Das Gerät piepte etwas schneller. Das beunruhigte mich. "Irgendwann einmal, sicher. Jeder muss mal sterben. Aber sicher nicht in absehbarer Zeit. Und nicht wegen dieser Wunde."

"Gut... Ich weiß, dass du mir die Wahrheit sagst. Du würdest mir nichts verheimlichen."

"Weil du mir sonst den Hintern versohlst", schmunzelte ich.

"Weil ich dir sonst den Hintern versohle..." Sie lächelte sanft. "Aber wenn ich mir das richtig überlege, würdest du das heute mit mir tun, ewiger Chunin. Du bist stärker als ich mittlerweile."

"Vorsicht, klingen da unterschwellige Wünsche durch, Rose-sempai?", scherzte ich.

"Worauf du dir immer gleich Hoffnungen machst. Mamoru, du bist manchmal so ein Kind", tadelte sie mich. Nicht ganz zu Unrecht.

Betreten ließ ich den Kopf hängen. "Also kein Hintern versohlen?"

"Mamoru Morikubo, du bist unmöglich", kicherte sie. Eine Zeitlang griff sie fester zu und starrte an die Decke. "Wir sind ein gutes Team, oder?"

"Ja, Rose, das sind wir."

"Ich weiß noch, damals im Land der Reisfelder, als wir alle glaubten, du wärst in der großen Chakra-Explosion umgekommen, die aus Otogakure einen See gemacht hat, da war etwas in mir, das sich geweigert hat, zu glauben, dass du tot bist. Frage mich nicht, wieso, aber ich wusste es einfach. Und ich habe dich gesucht."

"Du hast mich gefunden. Etwas Gehirngewaschen, aber ansonsten noch ganz brauchbar."

"Aber ich habe dich gefunden", schmunzelte sie. "Und du passt auf mich auf."

"Ich bin hier", schmunzelte ich.

"Als ein guter Freund." Sie sah mich an. "Mein guter Freund. Weißt du, früher gab es nie eine Zeit, in der ich dachte, wir... Dann waren da die letzten beiden Jahre, und ich glaubte..." Seufzend begann sie mit meiner Hand zu schaukeln. "Wir werden doch immer Freunde bleiben?"

Ein mulmiges Gefühl erfasste mich. Irgendwas hatte ich nicht mitbekommen, das war mir klar. Aber im Gegensatz zu meinem früheren Ich war mein fast achtzehnjähriger Pendant etwas fixer in solchen Dingen.

"Rose, du hast darüber nachgedacht, dass du... Dass wir... Du und ich..."

"Nein! ...ja... Nein... Ja... Ach, weißt du, Mamo-chan, ich bin zehn Jahre älter als du. Das hätte doch nie funktioniert. Und du bist ja auch ganz süß und so und sowas von zuverlässig und gleichzeitig ein richtig guter Shinobi, eigentlich alles, was eine konservative Kunoichi sich erträumt. Aber ich bin eben nicht konservativ. Und ich habe absolut keine Lust, mich bei deinem Harem einzureihen. Daher: Nein."

Das verwirrte mich etwas. Erst Hana-chan, und nun auch noch Rose? Ich meine, bis eben hatte ich es nicht gewusst, zugegeben, aber was passierte hier? Nicht, dass ich Lust auf einen Harem hatte, wie sie es ausdrückte. Aber die plötzliche Aufmerksamkeit würde mir fehlen.

"Weißt du, als ich gemerkt habe, dass ich mich an deiner Mutter orientieren möchte und eine eigene Familie will, da warst du eben eine Zeitlang in meinem Visier. Aber ich war noch nie gut darin, die Nummer fünf zu sein." Sie stellte die wippende Armbewegung ein. Abrupt ließ sie meine Hand los. "So ganz wirst du mein Visier zwar nie verlassen, aber das ist rein freundschaftlich, Mamoru Morikubo. Und jetzt raus mit dir. Ich muss schlafen."

Okay, sie hatte mich rausgeschmissen. Ich beugte mich über sie und drückte ihr einen Kuss auf die Stirn. "Erhol dich gut, Rose-chan. Vielleicht darfst du zu meinem Geburtstag schon wieder raus."

"Das wage ich zu bezweifeln, aber schön wäre es. Gute Nacht, Mamo-chan." Demonstrativ schloss sie die Augen.

Seufzend erhob ich mich und ging zur Tür. Das machte mir wieder einmal etwas klar. Ich sollte irgendwann einmal konkrete Tatsachen schaffen. Besser früher als später. Karins "Ich habe da ein wenig geflunkert und behauptet, wir sind verlobt"-Geschichte war genau das, wonach sie sich angehört hatte: Eine Beschwerde. Und das vollkommen zu Recht.

Bevor ich die Tür öffnete, sah ich noch einmal zurück. "Ich habe dich lieb, Sempai."

"Ja, ich weiß." Sie lächelte und wirkte seltsam zufrieden. "Ich... weiß..." Und dann war ihr Chakra plötzlich weg. Nein, ich korrigierte mich nach der ersten Panik. Sie schlief, und ihr Chakra-System war in äußerster Ruhe. Ich musste wirklich weniger empfindlich werden.
 

Vor der Tür sah mich Tsunade-sama ärgerlich an. "Zwei Minuten habe ich gesagt." Dabei wälzte sie die Zigarette von einem Mundwinkel in den anderen. Das musste schon die zweite sein.

"Entschuldige, Tsunade-sama. Sie war wach. Wir haben uns unterhalten."

"Ich wusste, sie macht uns nur was vor", sagte Mutter belustigt. "Schläft sie jetzt wenigstens?"

"Tief und fest", versicherte ich.

"Gut. Dann wird sie auch heilen", schloss die Hokage. Sie sah Mutter an und zwinkerte. "Lust auf einen entspannenden Drink, Yuria?"

"Da sage ich nicht nein, Sempai. Mamo-chan, Kicchan, Shin-chan, wir sehen uns Zuhause. Mutter geht einen heben."

"Viel Spaß, Mutter!"

"Oh, wie schön. Im Chor geantwortet. Ich habe gute Söhne", gurrte sie in einem Tonfall, der bei ihr entweder baldige Gefahr, oder große Zufriedenheit verhieß. Ich ging von letzterem aus. Immerhin hatte sie geraucht und würde nun mit Tsunade-sama noch das eine oder andere Sake-Fläschchen leeren. Zusammen mit der Hokage ging sie an uns vorbei.

"Und, wie war das Training nun?", fragte Mai neugierig.

"Ich glaube, wir sollten einen Tee trinken gehen, und ich erzähle alle Details über mein neues Jutsu", lachte ich. "Bei mir Zuhause. Wir müssen ja nicht gleich Konohas neueste Katon-Kunst in der Öffentlichkeit breit treten." Ich griff nach Karins Linker. "Lasst uns gehen."

Verwirrt ließ sie sich mitziehen. "W-warte, nicht so schnell!"

Richtig, das hatte ich vorher noch nie gemacht. Und ich wünschte mir, dass die alten Säcke im Rat es sehen würden, damit ihnen klar wurde, dass Mamoru Morikubo durchaus eigene Pläne mit sich, mit der Welt und mit den Frauen hatte...

Es war nur die Frage, welche Pläne die Welt und die Frauen mit mir hatten.

"Ich liebe es, wenn du errötest", neckte ich Karin. Daraufhin schoss ihr das Blut erst richtig in die Wangen. "Mamo-chan!"

Ich lachte. Aber nur ein ganz klein wenig auf Karins Kosten.

***

"Das ist eigentlich auch schon alles", erklärte ich und deutete auf das Geschirr und Besteck, das ich auf dem Tisch verteilt hatte, um mein neues Jutsu zu erklären. "Meine neue Aura liegt nicht mehr auf meinem Körper auf, sondern umgibt ihn wie einen Mantel. Ich muss mich also nicht mehr ausziehen, wenn ich die Technik anwende. Zudem ist mein Feuer schon da. Ich kann einige meiner Jutsu damit ausführen, ohne Fingerzeichen zu formen. Das ist ausbaufähig."

"Ausbaufähig, nennt er das. Mamo-niichan, du bist ein Tiefstapler", tadelte Kishio grinsend.

Ich grinste zurück. "Ausbaufähig und gefährlich?"

Wir lachten.

"Was mich zum Angriff mit den Fernkampfwaffen bringt. Shinpa-chan, hast du...?"

"Ja, ich habe dran gedacht." Er stellte einen Beutel auf den Tisch und entleerte ihn. Neben dem Geschirr kamen nun ein Stapel Shuriken, Senbon und Kunai zum Liegen. Allen fehlte minestens die Spitze, bei den Shuriken eine oder zwei zugleich. "Das ist das Ergebnis des Angriffs mit Fernwaffen. Die Spitzen sind geschmolzen, bevor sie Mamo-chan verletzen konnten. Und hier, seht Ihr die Deformationen in der Mitte? Da haben die Shuriken noch einen mitgekriegt, weil sie bis da in seinem Feuer gesteckt haben. Das Ganze hat aber noch einen Nachteil."

Ich nickte und schob den rechten Ärmel hoch. Ein Dutzend teilweise großer blauer Flecke bedeckte ihn. "Richtig. Einen Nachteil gibt es. Zwar verformen sich die Spitzen im Feuer, und Kira hat bewiesen, dass ich auch Schwertschneiden verforme, bevor sie mich treffen..." Ich deutete auf einen langen Striemen am Unterarm. "Aber mein Feuer ist nicht heiß genug, um das Metall zu verdampfen. Die kinetische Energie schlägt durch und tut mir weh. Aber das ist ein kleiner Preis, wenn man bedenkt, dass mich diese Treffer ansonsten verletzt oder gar getötet hätten."

"So, so. Du bist also gegen stumpfe Angriffe immer noch empfänglich", sagte Hana-chan. "Ein Angriff mit einem Hammer dürfte dich also richtig schwer treffen, weil die volle Wucht durchschlägt, egal wie viel vom Hammer schmilzt."

"Ja, das ist richtig. Stumpfe Angriffe sind mein Feind", sagte ich ernst.

"Aber es gibt einen weiteren Vorteil", sagte Shinji schnell. "Den darf man nicht unterschätzen. Die wenigsten Angreifer werden Sensei mit Taijutsu attackieren, wenn das Higatsuku no Kara aktiv ist."

"Ja, das verbuche ich mal als Vorteil. Aber wie verhindere ich, dass ich mit jedem Fehlschlag etwas anzünde? Letztendlich IST mein Feuer sehr heiß." Ich schluckte trocken, als ich mich daran erinnerte, dass ein einziger Faustschlag ausgereicht hatte, um den mittleren der drei Pfosten auf dem Trainingsgelände in Brand zu setzen. Ich war dazu verdonnert worden, ihn auf eigene Kosten zu ersetzen. Und ich hatte einen ausgiebigen Vortrag über "Tradition" und "Zerstörungswut" erhalten, ausgerechnet von Genma, der der Rauchsäule gefolgt war und den Haufen Holzkohle gefunden hatte, der von meinem Fehltritt übrig geblieben war.

"Das heißt, du musst weiter an deinem Chakra-Fokus arbeiten", stellte Karin fest. "Du musst lernen, die Aura binnen weniger Augenblicke und scharf begrenzt abzuschalten. Und wieder zu aktivieren."

"So? Heißt das, du gibst mir heute noch eine Lektion in Chakra-Fokussierung? Du bist da weit besser als ich, Karin."

"Nun, vielleicht haben wir da heute Abend Gelegenheit zu." Sie zwinkerte mir verschwörerisch zu.

"Können wir dabei sein und zuschauen?", fragte Shinji. "Wir können da sicher was lernen."

Kira sah seinen Freund aus großen Augen an. "Ich denke nicht, dass wir bei dem Training dabei sein dürfen. Aber wir würden sicher was lernen."

"Was? Aber wieso denn nicht? Wir... Oh. OH! Gut, vielleicht nicht bei diesem Training."

Karin errötete erneut. "Ich habe ganz normales Training gemeint. Vorher."

"Vorher?", echote Kuzomi-chan.

"Ups."

Mit bedauerndem Blick erhob ich mich. "Ob das heute Abend noch was wird, kann ich nicht versprechen. Ich weiß, du und Hanako seid gerade erst zurückgekommen, und wir sollten die Zeit nutzen, solange Ryu nicht wieder zurück ist und wie in alten Zeiten zu dritt bei Ichiruka essen, aber es gibt da etwas, was ich erledigen muss. Es kann sehr spät werden. Es tut mir leid."

"Du hast etwas wichtigeres vor?", fragte sie mich erstaunt.

"Mamoru, das ist nicht dein Ernst!", rief Hana-chan verblüfft.

"Es war nur noch der Termin heute frei", sagte ich entschuldigend. "Shinpa-chan, du hast doch Zeit heute?"

"Was? Zeit? Ich? Was? Ja, aber... Worum geht es?"

"Vertrau mir einfach."

"Oh-oh. Ich mag es überhaupt nicht, wenn mir jemand so etwas sagt. Das endet meistens in einer Katastrophe oder einer bösen Überraschung."

"Shinpachi..."

Er seufzte. "Gut, ich vertraue dir."

"Soll ich mitkommen, Niichan?", fragte Kishio in beiläufigem Tonfall.

Unwillkürlich sah ich zu Mai herüber. "Ich denke, wir brauchen da keine Verstärkung, Otouto. Aber wenn du unbedingt möchtest, kannst du gerne mitkommen."

"Gut. Dann tue ich das doch. Worum geht es überhaupt?"

"Wir gehen zu Puny-sama. Sie hat sich extra für mich den Abend freigehalten."

"Puny-sama?" Hana-chan sah mich entsetzt an. "Du gehst zu Puny-sama? Ich meine, du..." Irgendetwas in ihrem Kopf machte klack. "Es geht um eine neue Technik?" Dann machte noch etwas klack. "Oder es geht... Okay, ich verstehe... Puny-sama also. Aber wehe, du schleppst meinen Ryu da mal mit hin."

"Keine Sorge, Hanako-sama, das werde ich nicht. Im Gegenteil, er schleppt mich immer hin."

Ärgerlich öffnete Hana-chan den Mund und schnappte dabei wie ein Karpfen auf dem Trockenen mit den Lippen. Aber es kam kein Laut dabei heraus.

"Neck sie doch nicht immer, Mamoru", tadelte Karin mich und legte einen Arm um ihre beste Freundin. Das beruhigte das blondhaarige Mädchen wieder etwas. "Das war doch ein Witz, oder?", vergewisserte sie sich.

Ich kicherte leise. "Natürlich war das ein Scherz."

"Mamoru, sag mir die Wahrheit, ich..."

"Das ist doch egal. Es ist Puny-sama, und wir vertrauen ihr. Gerade wir. Gerade du, Hana-chan."

Für einen Moment wirkte sie verblüfft, dann aber nickte sie. "Ja, das tue ich."

Karin lächelte sie an, bevor sie zu mir herübersah. "Sieh zu, dass es nicht zu lange dauert, ja? Vielleicht reicht die Zeit dann noch für ein Chakra-Fokustraining, Mamo-chan."

Ich lüftete meinen Kragen etwas. "Ich tue, was ich kann."

"Gut so, Mamoru Morikubo." Karin gab mir einen Kuss. "Und viel Spaß."

"Also, was ist denn mit dieser Puny-sama nun eigentlich los?", fragte Kishio und kratzte sich verlegen am Kopf.

"Du hast noch nicht von Puny-sama gehört?", fragte Mai verdutzt.

"Nein. Tut mir leid, da klingelt nichts."

"Aber warum willst du dann hingehen?"

"Weil Shinpachi hingeht. Einer muss auf ihn aufpassen, finde ich."

"Kishio-sama", raunte Shinpachi ehrfurchtsvoll.

"Und was ist nun mit ihr? Wer ist Puny-sama?"

"Puny-sama", dozierte Mai, "ist eine ehemalige Kunoichi. Eine spezialisierte Jounin, und die Beste in ihrem Gebiet. Noch immer. Jede Kunoichi lernt sie mindestens einmal kennen. Sie ist eine großartige Frau mit großem Können und großer Erfahrung. Sie ist der gute Geist aller weiblcihen Ninjas Konohas und..." Sie stockte. Um ihre Hand flammte Chakra auf. "Halt mal gegen", forderte sie Kishio auf.

Der junge Moeru folgte ihrer Bitte, ließ sein Chakra rund um die Hand entstehen und hielt sie neben Mais Hand.

"Sieht sich ähnlich, nicht wahr?" Mai sah zu mir. "Sensei, wenn ich ernsthaft eine Kommando-Funktion ausüben soll, will ich in die Moeru-Kommunikation eingebunden werden. Was muss ich dafür machen?"

"Nun", sagte Shinpachi, "Mamo-chan ist sensorischer Ninja, bei ihm war es leicht, eine kompatible Chakra-Basis zu finden und ihn partizipieren zu lassen. Bei dir aber geht das nicht, Mai-chan. Du bist kein Sensoriker."

"Gibt es trotzdem einen Weg?"

Der ältere Moeru grinste. "Aber ja. Den gibt es. Da eure Chakra-Farbe schon recht nahe beieinander liegt, könnt Ihr euch synchronisieren. Durch Gewöhnung." Für einen Moment zögerte er, dann aber lächelte er und beugte sich vor. "Durch Körperkontakt. Je mehr Körperkontakt Ihr haltet, desto eher werdet Ihr kompatibel. Und desto schneller kannst du an der Kommunikation teilnehmen."

"Na, das ist ja einfach." Bestimmt sah sie zu Kishio herüber. "Also Körperkontakt. Ab morgen. Und heute gehst du zu Puny-sama."

"Ich weiß immer noch nicht, was an ihr so besonders ist...", beschwerte sich Kishio.

"Oh, das wirst du merken", orakelte Hanako-chan.

Die Tür der Küche öffnete sich und Vater trat ein. "So, Aki-chan schläft. Uff. Und ich hoffe, deine Mutter macht keinen Lärm, wenn sie nach Hause kommt. Das letzte Mal, als sie mit der Hokage getrunken hatte, war sie laut genug für ein Regiment Samurais."

"Ich denke, sie erinnert sich daran, dass Akira schon schläft", erwiderte ich.

"Na, hoffen wir es. Und, was steht noch an heute Abend?"

"Wir besuchen Puny-sama, Paps."

"Ah, da will wohl jemand noch ein paar Tricks lernen. Verstehe."

"Nicht ganz falsch, aber auch nicht ganz richtig." Ich grinste schief. "Kishio, Shinpa-chan, trinkt aus. Wir wollen los. Kin-chan, willst du auch mit?"

"Oh, danke, nein, danke. Verzichte gerne. Mein letztes Treffen mit ihr steckt mir noch in den Knochen, Mamoru."

"Gut, dann nicht. Kommt, Jungs."

"Und was ist nun so besonderes an dieser Kunoichi?", fragte Kishio erneut.

***

Ich blieb Kishio die Antwort schuldig. Noch. Er würde früh genug merken, was es mit Puny-sama auf sich hatte.

Wir spazierten in ruhigem Tempo durch das abendliche Konoha. Es war wie immer viel los auf den Straßen, und die Bürger gingen gut gelaunt ihren Beschäftigungen nach. So wie immer, wenn Frieden herrschte. Frieden, was für ein schönes Wort. Ich mochte es sehr, und auch das, wofür es stand. Leider war es ein gefährdeter Zustand, wenn ich an die jüngsten Spannungen mit Iwagakure dachte, an denen ich selbst nicht ganz unschuldig war. Aber noch standen keine allzu finsteren und auch keine besonders zahlreichen Wolken am Horizont. Daher konnte man den Menschen ihren Frieden und ihren Spaß gönnen. Krieg würde es schon noch wieder früh genug geben. Der Gedanke ließ mich schaudern. Krieg war gar kein schönes Wort...

"Aniki", hallte Kishios Stimme durch meinen Geist.

Ich sah zurück und erkannte seinen Zeigefinger, den er mir in die Seite drückte, um mit mir Kontakt aufzunehmen.

"Ja?"

"Was ist denn nun mit Puny-sama?", flüsterten seine Gedanken in meinem Verstand, während sein Gesicht eine Maske der Ratlosigkeit war.

"Das wirst du noch früh genug sehen. Nicht schmulen", sagte ich, drängte den Jüngeren aus meinem Geist und unterbrach den Körperkontakt durch einen halben Schritt zur Seite.

Kishio sah mich fassungslos an. Er konnte nicht verstehen, warum ich um die Geschichte so ein Geheimnis machte.

"Shinpa-chan", sagte ich und klopfte dem älteren Moeru auf den Rücken. "Wie geht es dir?"

"Gut", erwiderte er und lächelte zaghaft. "Eure Ärzte in Konoha sind erstaunlich. Sie haben mich fast wieder auf den alten Stand gekriegt. Den Rest werde ich durch Training ausgleichen, aber... Nun, ich bin einsatzbereit und fast wieder fit."

"Das meinte ich nicht. Die andere Geschichte."

"Welche andere Geschichte? Ach, du meinst die Geschichte." Er runzelte die Stirn. "Nun, DEN Vorfall habe ich immer noch nicht verdaut. Das werde ich wohl auch nie. Ich meine, ich hätte nie gedacht, dass Orochimaru so skrupellos ist, dass er ein Kind von vielleicht vier Jahren als Attentäter auf Kishio-sama hetzt."

"Verstehe. Und wie stehst du mittlerweile zum Verwandtschaftsverhältnis? Unser Ärzte haben ja festgestellt, dass sie genetisch deine Tochter war." So, damit war es mal ausgesprochen. Orochimaru züchtete mit Shinpachis Samen und mehr oder weniger willigen Leihmüttern selbst kleine Moerus.

"Nicht gut. Ich meine, ich habe für das Kind nichts empfunden, weil ich nicht mal von seiner Existenz wusste, aber es betrübt mich, wenn ich an sein Schicksal denke. Das hatte sie nicht verdient. Das hatte keiner verdient. Noch ein Grund mehr, Orochimaru in kleine Fetzen zu zerreißen."

"Meinst du, sie war die einzige?"

Verdutzt sah er mich an. "Oh. Das habe ich vollkommen verdrängt. Denkst du, dass...? Natürlich denkst du das, Otouto. Sonst hättest du es nicht ausgesprochen."

Ich lächelte innerlich. Es kam nur selten vor, dass er mich Otouto nannte, Kleiner Bruder. Meistens gab er sich viel respektvoller als er wirklich war und nannte mich Sama. Oder Sensei. Aber bei diesem Thema waren seine automatischen Floskeln deaktiviert. "Ich denke, wo es eines gibt, wird es vielleicht noch mehr geben. Und alle sind sie in Orochimarus Hand und ihm ausgeliefert."

"Worauf willst du hinaus?", fragte er, stutzig geworden.

"Nun, du bist der genetische Vater. Du bist das, was bei diesen Würmern einer Familie noch am Nächsten kommt. Angenommen, ich sage wirklich nur angenommen, es gelingt uns, das Labor zu finden, in dem die Schlange Moerus züchtet, und wirklich nur angenommen, es gelingt uns, die Kinder in unsere Hand zu kriegen und eventuelle Programmierungen in ihren jungen Köpfen wieder geradezubiegen, was soll dann mit ihnen geschehen?"

Verdutzt wechselte Shinpachi einen schnellen Blick mit Kishio. Der war vom Thema nicht weniger überrascht als sein großer Bruder und Leibwächter.

"Es sind Moerus. Wir haben die Pflicht, ihnen durch die Leben zu helfen, in die sie ohne ihr Wollen gerufen wurden", sagte Shinpachi schließlich. "Ich... Ich weiß nicht, ob ich ein guter Vater sein werde. Mein eigener hat es mir nie besonders gut vorgemacht, wie man ein guter Vater ist. Aber ich kann mir Kenshiro als Vorbild nehmen. Er ist ein sehr guter Vater." Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. "Und an dir, Otouto. Du bist auch ein guter Vater."

Nun war ich verblüfft. Dieses Lob hatte ich nicht erwartet. "Kein sehr guter wie Paps?", scherzte ich, um meine Rührung zu überspielen.

"Sehr gut wärst du, wenn der Junge seinen Vater und seine Mutter immer hätte, anstelle von diesem Herumreichen", tadelte er. Und Kishio, der Verräter, nickte gewichtig dazu. Eine Verschwörung.

"Gut, gut", sagte ich, mich leise räuspernd, "ich persönlich hätte ja vorgeschoben, dass sich Konoha prinzipiell um die jungen Moerus kümmern muss. Alleine schon, weil ihre Fähigkeiten nicht noch einmal einem Feind in die Hände fallen dürfen. Daher werden die Nara tun, was in ihrer Macht steht, um diese Kinder groß zu kriegen. Immerhin hat der Nara-Clan Verantwortung für die Moerus übernommen. Egal, wie viele es gibt. Solange das Oberhaupt der Moerus das will." Ich sah Kishio ernst an. "Du weißt, dass Clanangelegenheiten der Moerus etwas sind, wo ich dir nicht dreinzureden habe."

"So hart würde ich es nicht formulieren, Mamo-chan", erwiderte Kishio stockend. "Aber ich nehme deinen Rat jederzeit an."

Ich nickte ihm zu und verfluchte mich gleich dafür, dass ich so ein Feigling war. Nun hatte ich einen potentiellen Clan auf seine Schultern abgeladen. Ich hätte mich ohne Weiteres zum Kommissar über die Moerus aufschwingen können, alleine über die Verbindung zwischen Kishio und mir, und wahrscheinlich wäre daraus mehr Gutes entstanden als Schlechtes. Aber ich selbst war kein Moeru. Und ich hatte Kishio nie in meiner Schuld gesehen. Nicht in dem Maße. Die Konsequenz? Kein Clanführer Morikubo für Clan Moeru, aber ein großer Bruder, der Kishio bei dieser schwierigen Aufgabe unterstützen würde, wie immer er konnte. Und der hoffte, trotz allem Autorität über die Moerus zu gewinnen. Bis zu einem gewissen Maße, als eine Art Sempai. Alleine schon, weil Konoha das von mir erwartete.

Zudem war da die Mission, von der wir uns weitere Informationen über eventuelle Überlebende des Clans erhofften. Bevor wir uns versahen, konnte es recht eng Zuhause werden. Aber das war Zukunftsmusik, und ich bediente die Probleme in der Reihenfolge, in der sie auftraten. Außerdem würde Mutter da mehr als ein Wort mitreden. Aber hier und jetzt hatte ich Kishios Autonomie bestätigt. Und er hatte im gleichen Atemzug um meine Hilfe gebeten. Hilfe, nicht Führung. Mehr hatte ich von dieser Situation nicht erwarten können. Also war ich zufrieden.

"Dann ist das geklärt. Wann wollen wir das alte Uchiha-Anwesen kaufen, um deinen Clan unterzubringen, Kicchan?"

Der junge Shinobi errötete ein wenig. "Ist das nicht etwas übertrieben, Mamoru?"

"Etwas vielleicht", erwiderte ich lächelnd.
 

Ich hielt an. "Wir sind da. Willkommen bei Puny-sama und ihren Schülerinnen."

Die beiden Moerus sahen auf, als würden sie aus einem Traum erwachen. Vor ihnen erstreckte sich, etwas abseits der eigentlichen Stadt, eine hohe Steinmauer und ein gewaltiges Holztor, bestehend aus zwei Flügeln, die jeder für sich eine Tonne wiegen mochte. Rechts war eine kleine Tür für Personen eingelassen. Dahinter erkannte man den ersten Stock eines recht großen und recht weitläufigen Gebäudes. Und die Mauer ging etliche Meter in beide Richtungen.

"Hier?", fragte Kishio verdutzt. "Wer ist diese Puny-sama? Ich habe mich immer gefragt, wer hier lebt, aber nie eine Antwort darauf gefunden."

"Oh, Puny-sama empfängt nicht jeden. Beileibe nicht." Ich grinste und legte beide Hände als Trichter vor den Mund. "Jemand Zuhause?"

"Wer ruft?", klang eine helle Mädchenstimme auf.

"Mamoru Morikubo!"

"Wir kaufen nichts! Vor allem nicht um diese Uhrzeit! Troll dich wieder!"

Ich grinste schief, während Kishio und Shinpachi ungläubig zwischen mir und dem Tor hin-, und hersahen. "Aber... Aber... Das können sie doch nicht machen!", stammelte Kishio. "Ich meine, du sagstest doch, du hast einen Termin, nicht, Aniki?"

"Genau! Ich habe einen Termin! Und wenn ich dazu das Tor eintreten muss!", rief ich mit gespieltem Pathos.

"Ha! Das will ich sehen! Da hat wohl jemand von Kraft geträumt!", neckte die Mädchenstimme.

"Na, und ob das." Ich nickte Kishio zu. "Zeig ihr, wie stark ich bin."

"Was, bitte?"

"Also, du jetzt, für mich. Das Tor. Ne?"

"Ach so." Unwillkürlich ging sein Blick die drei Meter hohen Flügeltüren hoch. "Das Ganze?"

"Ja, bitte."

"Ich glaube, das geht nur mit einem Dai Endan."

"Ich bitte darum, Kicchan."

In diesem Moment huschte ein Schatten über das Tor hinweg, sprang auf uns hernieder. Ein Fuß sauste auf meine Kehle zu. Ich blockte mit meinem Arm und wischte ihn fort. Die Gestalt drehte sich durch die Bewegung in der Luft und streckte beide Arme aus. Als diese sich um meinen Nacken gelegt hatten, ergriff ich den herumwirbelnden Körper und brachte die Bewegung zur Ruhe.

"Hallo, Fei Long", sagte ich zu dem Mädchen auf meinen Armen.

"Hallo, Mamo-chan." Sie blickte sich um. "Shinpachi-kun, hi. Ah, Kishio-sama ist ja auch dabei. Guten Abend."

"Soll ich dich runterlassen?"

"Wieso? Bin ich dir zu schwer?", neckte sie.

Ich schmunzelte. "Nein, ich trage nur ungern faules Fleisch."

"Ha, sehr witzig, Baka. Ja, du darfst mich runterlassen." Entgegen der harschen Worte lächelte sie. "Schön, dich wiederzusehen. Du hattest Ärger mit Iwa, habe ich gehört?"

"Mehr als genug. Und dann gibt es an der Heimatfront auch noch soviel zu tun." Ich seufzte.

"Ja, verstehe. Aber du kannst das nicht ändern, ich kann das nicht ändern. Vielleicht schafft es Torako-sama."

"Torako-sama? Wer ist denn das jetzt wieder?", fragte Kishio verwirrt. "Und warum wolltest du uns nicht reinlassen, Fei-tono?"

"Oh, du kennst sie sicher unter dem Namen Puny-sama, wie ich Mamoru kenne." Sie glitt von meinen Armen und schlug mich gespielt. "Böser, böser Junge."

"Autsch", sagte ich pflichtschuldig.

"Du wirst gleich sehen, warum man sie Puny-sama nennt", sagte die Kunoichi mit einem Blick voller Bewunderung. "Und warum ich euch nicht reinlassen wollte... Gönn mir doch auch mal ein wenig Spaß." Sie zwinkerte Kishio und Shinpachi zu. Anschließend wandte sie sich dem Tor zu und begann zu drücken. Scheinbar problemlos schwangen die Flügel nach innen.

"D-das ist... Beeindruckend, Fei-tono!", rief Kishio.

"Oh, das. Ein wenig tägliches Training, und man kriegt das hin." Sie grinste. "Allerdings ist der elektrische Tormechanismus für den Motor, der die Flügel bewegt, auch recht hilfreich."

Vor Enttäuschung wäre den beiden Moerus fast das Kinn abgesackt.

"Los, kommt, mir nach", rief Fei unbeschwert und schritt voran.

Ich legte je einem Moeru eine Hand auf die Schulter und zog sie mit mir. "Kommt, Jungs. Der Abend beginnt."
 

Hinter dem Tor wartete ein großer Aufgang. Ein Dutzend Kunoichi, teils in normaler Ninja-Kleidung, teils in Kimonos, erwarteten uns mit Lampions. "Konban-wa, Morikubo-sama! Konban-wa, Moeru-sama! Konban-wa, Moeru-tono!"

"Euch auch einen schönen Abend, meine Hübschen", sagte ich lächelnd. "Wie immer seid Ihr ein Anblick, der die Sterne verblassen und den Mond neidisch werden lässt."

"Mamoru, du bist so ein Flirter", warf mir eine der Damen vor, während die anderen über das Kompliment miteinander raunten.

"Ich bin nur ein gelehriger Schüler meiner Meisterinnen", erwiderte ich galant und nickte den Damen zu. Das Nicken wurde erwidert.

Die beiden Moerus mehr schiebend, schritt ich durch das Spalier hindurch. Im Hauseingang wartete Fei Long auf uns. Es war ein klassisch eingerichtetes Konoha-Haus, allerdings mit festen Wänden. Aber die Türen sahen wenigstens so aus, als wären sie aus Papier gemacht worden. "Hier entlang. Puny-sa... Ich meine Torako-sama erwartet euch im großen Saal."

"Und wo genau sind wir hier? Und was ist diese Puny-sama oder Torako-sama nun?"

"Unsere Sensei", erwiderte Fei schlicht und schritt voran. Hinter uns kamen die Damen mit ihren Lampions herein.
 

Fei öffnete eine Schiebetür und trat noch vor uns ein. Sie hockte auf einem Knie inmitten des Saals, eine Faust auf den Boden gestemmt. "Torako-sama, ich bringe dir pünktlich Mamoru Morikubo, Kishio Moeru und Shinpachi Moeru."

Als wir ihr in den Raum folgten, spürte ich, wie die beiden Moerus kurz zögerten.

"Ach, deswegen Puny-sama", klangen Kishios amüsierte Gedanken zu mir herüber.

Vor uns, auf einem Podest, saß eine Frau mit langen, schwarzen Haaren, die ihr, zum kunstvollen Zopf geflochten, vom Rücken hingen. Ihre Augen waren blau, ihr Gesicht weiß. Eine kleine Nase, hohe Wangenknochen, volle rote Lippen, ein passendes Kinn und ein Grübchen auf der rechten Wange machten aus ihr eine wahre Schönheit. Das, und die übrigen Proportionen. Sie war, nun, gut gebaut und noch besser bestückt. Ihr Busen drohte jede Sekunde aus dem viel zu kleinen Kimono zu fallen, oder ihn zumindest bersten lassen zu wollen. Der große Busen, der Tsunade-sama Konkurrenz machte, war beeindruckend, wenn man ihn das erste Mal sah. So wie die Moerus.

Ich schob sie beide weiter in den Raum hinein.

Fei machte Platz und deutete auf drei Matten, die vor dem Podest ausgelegt waren. Davor standen drei flache Tische, auf denen sich nichts befand. Noch nicht. Ich zweifelte nicht daran, dass noch Getränke und ein Snack serviert werden würden.

"Mamoru in die Mitte. Kishio-sama rechts und Shinpachi-tono links", dirigierte Fei uns.

Während wir uns niederließen, richtete Torako-sama das linke Bein auf. Bei der Bewegung rutschte der Kimono teilweise herab und entblößte fast das ganze hübsche, weißhäutige Frauenbein. "Wie viel hast du Shinpa-chan schon gesagt, Mamo-chan?", fragte sie amüsiert.

"Nichts, Puny-sama", erwiderte ich grinsend.

"Ach, aber diesen unpassenden Spitznamen, den hast du ihm verraten?"

"Man tut, was man kann, Puny-sama. Und ich finde ihn keineswegs unpassend." Ich deutete vor meiner eigenen Brust ihre beachtliche Fülle an.

"Nur kein Spott, Morikubo-sama", erwiderte sie lächelnd. Ihr Blick ging zu Kishio. "Ist er...?"

"Nein, er hat sich nur angehängt. Es wird sich zeigen, was... Ah, heute Abend passiert." Ich grinste noch immer, aber Torako-sama lächelte nur feinlippig.

"Dann seid erstmal willkommen, meine Herren.

Fei-chan, etwas zu trinken für meine Gäste."

"Natürlich, Torako-sama." Sie wandte sich der Tür zu. "Tragt auf."

Vier Kunoichi traten ein, die nicht draußen gewesen waren. Sie waren jünger, teilweise so alt wie Kishio. Ihre Tischchen waren beladen mit Sake für Puny-sama und Shinpachi und Bier für Kishio und mich sowie einem kleinen, leichten Snack aus eingelegtem Obst und Brotchips. Nachdem sie uns und Puny-sama bedient hatten, zogen sie sich manierlich wieder zurück.
 

"So", machte die große, hübsche Frau, "Mamoru hat euch also nichts erzählt, dieser Halunke?"

"Nicht ein Wort", bestätigte Kishio.

Puny-sama kicherte amüsiert. "Na, dann will ich euch mal aufklären. Ich bin Konohas Kunoichi-Trainerin und eine hochrangige Medi-Nin. Ich trainiere unsere jungen Kunoichi in... Nun, Künsten, die sie als Frauen brauchen da draußen. Und ich unterrichte sie auch in anderen Disziplinen, wenn sie die Neigung zum Thema zeigen. Diese werden unsere wertvollsten Agentinnen." Ihr Blick ging vorwurfsvoll zu mir. "Ich hatte ja immer große Hoffnungen auf Hana-chan gesetzt, Mamoru."

"Das sagst du aber auch nur, weil sie ein goldenes Juwel ist. Nicht, weil sie den Job mag", konterte ich.

"Sie mag vor allem dich, und das war ja das Problem. Das Gleiche gilt für Karin. So ein hübsches, unschuldiges Ding. Bis du unter die Oberfläche schaust."

"Oh ja", sinnierte ich. "Oh ja..."

"Was ist das für ein Training, Puny... Ich meine, Torako-sama?", fragte Kishio unvermittelt.

"Ich bilde die jungen Kunoichi darin aus... Ihre Körper als Waffe zu verwenden."

"Sind Ninjas nicht immer Waffen?", fragte Shinpachi.

"Ja und nein." Sie wurde für einen Augenblick ernst. Sehr ernst. "Weißt du, Shinpa-chan, durch meine Hände gehen alle weiblichen Ninjas Konohas. Den meisten bringe ich bei... Nun, ich bringe ihnen bei, wie sie sich bei Übergriffen schützen, wie sie sich in den unmöglichsten Situationen effektvoll wehren können. Und ich bringe ihnen bei, wie sie die Begierde eines Mannes oder einer Frau in ihrem Sinne lenken können, um ihre Ziele zu erreichen. Und jede dieser Frauen lernt bei mir, was man tut und was man lässt, wenn es... Zu spät ist. Wenn man nur noch ertragen kann."

"Wenn sie vergewaltigt werden", sagte ich mit einem Seitenblick auf Kishio, dem das Thema nicht fremd war. "Auch wir Männer erhalten dieses Training. Äh, es ist ein mentales Training, kein körperliches. Im letzten Ninja-Krieg hat es immer wieder Übergriffe gegeben, von allen Fraktionen, von allen Ninjas, Frauen wie Männer an Frauen wie Männer. Torako-sama war damals auch eines der Opfer..." Ich schwieg einen Moment, um die Worte wirken zu lassen. "Aber anstatt sich auch wie ein Opfer zu geben, hat sie sich durchgebissen, ihren Moment abgewartet und zurückgeschlagen." Genau wie du, Kishio. Ich hatte es nicht aussprechen wollen, aber ich war mir sicher, er wusste, dass ich es dachte. "Und seither sieht sie es als ihre Aufgabe an, Shinobi beiderlei Geschlechts auf diesen Missbrauch vorzubereiten. Denn letztendlich kann ein lebender Ninja zurückkehren. Ein toter aber nicht."

"Verstehe", murmelte Kishio. "Sind wir deshalb hier? Ist Shinpa-chan deshalb hier?"

"Ein klein wenig mehr ist da noch", sagte Puny-sama. "Die Frauen, die Talent zeigen, bilde ich darin aus, ihre Gegenüber zu verführen. Sich als Sex-Gespielinnen anzubieten und damit Kontrolle zu erlangen und damit in Bereiche einzubrechen, die uns Shinobi sonst verwehrt bleiben. So nutzen sie ihre Körper als Waffen. Auf eine andere Art als sonst, aber als Waffen." Sie lächelte unvermittelt. "Natürlich bringe ich ihnen auch bei, sich vor Krankheiten und vor einer Schwangerschaft zu schützen, aber das nur nebenbei. Was mich gleich zum wichtigsten Punkt meiner Arbeit bringt. Ich bin Sexualtherapeutin."

"Sexu-was?", fragte Kishio erstaunt.

"Da ich selbst sehr negative Erfahrungen gemacht habe, voller Gewalt, Herablassung und Kontrollverlust, worüber ich dank Tsunade-sama hinweg kommen konnte, habe ich es mir zur Aufgabe gemacht, anderen zu helfen. Vergewaltigten Menschen. Betrogenen Menschen. Oder einfachen Bürgern Konohas, bei denen es Zuhause im Bett nicht mehr läuft. Simpel ausgedrückt."

"Sehr simpel ausgedrückt."

"Also können betroffene Personen mit dir reden?", fragte Shinpa-chan geradeheraus. "Ihre negativen Erfahrungen loswerden? Bei dir Hilfe finden?"

"Nun, nicht nur. Wenn sie dafür bereit sind und wenn sie es wünschen, helfe ich ihnen auch dabei, zum Beispiel Berührungsängste zu überwinden." Sie beugte sich zu Shinpachi herüber. "Dein Fall interessiert mich sehr, Shinpa-chan. Vor allem als Mensch. So lange Zeit gefoltert zu werden, so lange Zeit misshandelt zu werden ist eine sehr, sehr schlimme Sache. Sie erinnert mich an das, was ich ertragen musste. Darum will ich dir helfen." Kurz ging ihr Blick zu Kishio. "Und wenn du reden willst, Kishio-sama..."

"N-nicht im Moment, danke", sagte der junge Moeru hastig.

"Was hast du vor, Torako-sama?"

"Dir wieder Vertrauen in Berührungen zu geben. Und zwar in dem Tempo, das du vorgibst, Shinpa-chan. Das ist wichtig für die Heilung. Wenn du es wünschst, werden wir uns heute Abend nur kennenlernen und ein wenig zusammen essen und trinken. Aber wenn du dich bereit dazu fühlst, werde ich dich in einem Nebenraum sanft massieren, um deine Muskeln zu lockern. Wohlbefinden ist ein wichtiger Schritt in Richtung Heilung. Sowohl der körperlichen, als auch der geistigen Narben."

Für einen Moment wurde Shinpachis Miene verschlossen. Dann aber seufzte er und setzte sich ein Stückchen weiter auf. "Na ja, wir können es versuchen, oder?"

"Na, dann komm und setz dich zu mir, Shinpachi no Moeru." Sie lächelte, als sie ihm ihre Seite anbot. Der ältere Moeru nahm sein Tischchen auf und betrat das Podest und setzte sich im Saizen neben Konohas berühmteste Therapeutin. Berühmt vor allem für... Nun, man nannte sie nicht umsonst Puny-sama.

Sie klatschte in die Hände. "Unterhaltung für meine Gäste."

Erneut traten Kunoichi ein. Fei-chan ging vorweg. Sie gesellte sich zu Kishio, stellte ihr Sake-Kännchen neben ihn und schenkte sich ein. Dann prostete sie ihm zu.

Links von mir setzte sich eine weitere Kunoichi nieder, die ich noch nicht kannte. Auch sie schentke sich Sake ein und animierte mich dazu, mit ihr anzustoßen.

Als ich ein Lächeln auf Shinpachis Lippen sah, wusste ich, es war eine gute Idee, hergekommen zu sein.

***

Das leise Stöhnen wirkte unwirklich in einer Welt, die aus Ruhe bestand. Heißer Wasserdampf erfüllte die Luft. Ein heiseres Seufzen zeugte von Wohlbehagen.

Shinpachi no Moeru lag die Brust voran auf einer Bank, nur mit seiner Unterhose bekleidet, und ließ sich von Torakos zarten, aber kraftvollen Händen massieren. Etliche Liter Öl mussten dabei ihre Anwendung gefunden haben, denn er glänzte wie frisch lackiert.

"Oh, das tut gut", murmelte er.

"Keine Assoziationen? Keine Gedanken an deine Peiniger?", fragte sie.

"Doch, aber es ist so fern, so weit weg. Ich denke, der Sake tut da einiges. Aber ich mag dich und ich vertraue dir, Puny-sama. Oh, entschuldige, Torako-sama."

"Ist schon gut. Sag ruhig Puny zu mir", erwiderte sie lächelnd. "Dreh dich bitte um."

"Äh."

"Hm?"

"Gomen, Torako-sama, aber das ist gerade eine ganz schlechte Idee..."

"Wieso? Genießt du meine Berührungen nicht etwa nur, sondern haben sie dich erregt?", fragte sie schmunzelnd. Wobei ihr bewusst war, dass zuviel Amüsiertheit den jungen Mann in ein bodenloses Loch werfen konnte. Aber in diesem einen Moment entschied sich so viel. Für ihn, für sein Leben. Für seine Gesundheit.

Er stockte kurz, bevor er leise seufzte. "Ja. Ich habe eine Erektion. Entschuldige das ungebührliche Verhalten, Torako-sama."

"Aber, aber. Das ist eine vollkommen normale Reaktion auf meine Massage. Ich hätte mich eher gewundert, wenn du nicht erregt worden wärst, Shinpa-chan", sagte sie mit weicher, heller Stimme, die fast mädchenhaft klang. "Tut das gut?"

"Oh ja, das tut sehr gut. Fast wünsche ich mir, dass..."

"Was denn, Shinpa-chan?"

"Nein, schon gut, Torako-sama. Das ist ungebührlich von mir."

"Nichts ist hier ungebührlich. Genau für so eine Aussprache bin ich doch da."

"Aber es ist ungebührlich von mir, dass ich denke, ich könnte hier und jetzt von dir verlangen... Nun... Wenn ich schon mal könnte..."

Ein helles, mädchenhaftes Lachen klang auf, schöner als Glockenklang. Warme, zarte Lippen drückten sich zwischen Shinpachis Schulterblätter und verschafften ihm eine Gänsehaut des Behagens. "Nichts ist ungebührlich, wenn wir beide es zugleich wollen, Shinpachi no Moeru. Also dreh dich um, wenn du mir vertraust."

Der junge Moeru drehte sich auf den Rücken. "Ich vertraue dir, Torako-sama."

"Gut. Ich vertraue dir auch, Shinpa-chan." Mit diesen Worten ließ sie ihren Kimono vom Körper gleiten. "Lass uns schauen, wie weit wir kommen."

"Ich bin im Himmel!", stieß Shinpachi hervor.

"Noch nicht, aber bald. Versprochen." Ihre Lippen verschlossen die seinen. Dabei drückten sich ihre großen, weichen Brüste auf seinen nackten, eingeölten Körper. Und dies war nur der Anfang...

Der Regenmacher 8

Am nächsten Morgen saß ich relativ unausgeschlafen am Küchentisch und stocherte lustlos in meinem Essen herum. Noch zwei Tage bis zu meinem Geburtstag, eine knappe Woche bis zur Mission, und meine Welt war nicht mehr in Ordnung.

"Morgen", sagte Kishio fröhlich, als er per Durchgang und Flur die Küche betrat. Gute Laune so früh am Morgen war bei im grundsätzlich verdächtig.

"Mor'n", nuschelte ich vor mich hin und griff dreimal an meinem Kaffeebecher vorbei.

"Guten Morgen", sagte Shinpachi, der ihm dichtauf folgte. Er beäugte mich, während er Platz nahm. "Schlechte Nacht gehabt, Otouto?"

"Wie man's nimmt. Meine Nacht war gut, bis zu einem Punkt, an dem ich erkennen musste, dass unsere geheime Funkverbindung mittels Chakra in beide Richtungen geht."

"Äh." Kishio setzte sich und sah mich verblüfft an. "Hast du meinen Albtraum letzte Nacht mitbekommen?"

"Ich habe einiges mitbekommen, Kicchan", erwiderte ich. "Deshalb bin ich mir ziemlich sicher, dass Ihr zwei eine gute Nacht gehabt habt." Ich brauchte nichts weiter zu erwähnen. Als sensorischer Ninja war ich mir stets darüber im Klaren, wer wer war und wer wo war, zumindest in meiner sensorischen Reichweite.

"Aniki, weißt du, das ist doch eigentlich ganz..."

"Und nachdem ich mitgekriegt habe, wie viel Spaß Ihr zwei letzte Nacht gehabt habt, ist mir klar geworden, dass Ihr immer, wenn ich Kishios Chakra absorbiere, Ihr auch mitbekommt, wenn ich..." Mein Mundwinkel zuckte unkontrolliert. "Wenn ich ebenfalls... Spaß... habe..."

Das unverschämte Grinsen der beiden sprach Bände. "Willkommen in der Familie, Aniki", sagte Kishio amüsiert. "Ich hoffe, das bleibt alles unter uns?"

"Es bleibt unter all jenen, die es angeht", erwiderte ich leicht säuerlich. Beinahe war ich versucht, Mai zu erwähnen. Ich war mir sehr, sehr sicher, dass Kishio der einzige Mensch in ganz Konoha war, der noch nicht gemerkt hatte, was sie für ihn empfand. Aber damit hätte ich ihr nicht geholfen. Vor allem nicht in einer Zeit, in der sie offensiver sein musste. Sitzen und hoffen brachte überhaupt nichts. Gerade nicht bei einem Mann wie Kishio, der so viele schlechte Erfahrungen im Leben gemacht hatte, gerade im Miteinander. Und Shinpa-chan... Er hatte einen ersten Schritt gemacht, als er sich auf Puny-sama eingelassen hatte. Dieser Schritt hatte ihn augenscheinlich inspiriert, in mehrerlei Hinsicht. Und nicht, dass ich in der Beziehung nur eine Weltsicht kannte, aber als Erstes fiel mir da Mai ein, und wie gut sie und Kishio zusammen passten. Dabei fiel Shinpachi hintenaus. Das musste ihm klar sein und es konnte ihm nicht gefallen. Dennoch war er stets nett und freundlich zu ihr, und ich war mir sicher, er mochte sie sehr.

Ich seufzte schwer. Es war schwierig, je mehr Leute in meinem Team waren. Aber Kishio und Shinpachi würden schon bald in der Lage sein, eigenständig auf Missionen zu gehen, eventuell mit einem eigenen ANBU-Team. Den ersten Kandidaten hatten sie hierbei in Kintaro, den jungen ANBU, der sogar eine Zeitlang bei den Moerus einziehen würde. Ob ich ihn vorwarnen sollte? Besser nicht. Der Teil des Geschehens ging mich nichts an. Und ich war mir sehr sicher, dass Kintaro keinerlei romantische Motive gegenüber meinem großen und meinem kleinen Bruder hatte. Und umgekehrt. Er suchte einfach nur einen Platz zum Dazugehören, wie mein kleiner Kumpel Naruto, den ich neulich nach seiner Drei Jahres-Tour verpasst hatte. Dummerweise.

"Unter allen, die es angeht?", fragte Kishio erstaunt. Ich spürte, wie er unbewusst auf meine Gedanken Zugriff nehmen wollte, aber ich sperrte ihn aus. Ich hatte das wirklich dumme Gefühl, dass sich seine durchaus positiven Emotionen Mai gegenüber ins Gegenteil verkehren würde, wenn er das Gefühl bekam, ich würde ihn in eine gewisse Richtung drängen oder gar einen Keil zwischen ihn und seinen Gefolgsmann treiben wollen. Damals, an Shinpas Krankenbett hatte er noch gesagt, es gäbe keinen Clan mehr... Dieser Vorsatz hatte nicht einmal einen Tag gehalten, da waren die beiden zu den alten Clanstrukturen zurückgekehrt. Der Clan war mächtig, und wenn er auch nur zwei Mitglieder hatte, er funktionierte.

"Alle, die es angeht", sagte ich nickend. Ich seufzte, schenkte mir Kaffee ein und griff nach dem Brot. Frühstück war langweilig, wenn Mutter oder Yuriko nicht da waren, um es zuzubereiten.

"Keine Ahnung, wie du das meinst, wenn du mich nicht reinlässt", erwiderte Kishio und tickte sich an den Kopf.

"Ist auch besser so. Shinpa-chan, müssen wir reden?"

Überrascht sah mich der Ältere an. Dabei wurde mir mal wieder bewusst, wie sehr sich der Mann vor mir von dem gebrochenen, gefolterten Häuflein Elend unterschied, das wir vor einem Jahr im Land der Blitze gerettet hatten. Konohas Ärzte hatten viele kleine Wunder an ihm vollbracht.

"Was? Nein, Mamoru-sama. Ich kenne meinen Platz."

Es tat mir beinahe weh, diese Worte zu hören und seinen Blick dazu zu sehen. Dass er mich mit dem Suffix Sama ansprach, unterstrich nur, wie ernst er es meinte. "Nicht das, Shinpa-chan", erwiderte ich. "Mir geht es nur darum zu wissen, wem ich beistehen sollte.

Die Miene des Älteren hellte sich auf, aber nur für einen Moment. Er gluckste. "Deshalb kenne ich aber immer noch meinen Platz, Mamo..."

"Sag noch einmal Sama, und ich schicke dich mit Perine auf den Affenberg", drohte ich gespielt.

"Oh, toll, da war ich noch nicht", rief er gespielt begeistert.

"Lässt sich alles arrangieren, mein Bester. Lässt sich alles arrangieren."

Wir grinsten uns an. Das kleine Wortgefecht tat uns beiden gut. Und es stellte klar, wen ich unterstützte: Alle. Was mich in keine angenehme Lage brachte.

"Ich verstehe kein Wort", murrte der Erbe der Moerus.

"Ja, das ist uns allen klar, Moeru-sama", sagte ich grinsend, während ich mein Brot mit Butter bestrich, einer der schwieriger zu bekommenden Delikatessen in Konoha. "Und es hätte uns schwer gewundert, wäre es nicht so gewesen."

"Was?", fragte Kishio verwirrt, sah mich grinsen, sah zu Shinpachi, der ebenfalls grinste und kapitulierte, indem er die Arme hochwarf. "Ich trinke einen Tee. Das ist produktiver, als über euch zu brüten und zu raten."

"Keine dumme Idee", murmelte ich.
 

"Papapapapapa!" Bevor ich mich recht versah, kam ein kleiner Shinobi in die Küche gelaufen. Er lief gegen mein Bein und wäre beinahe hintenüber gestürzt, aber ich fing ihn auf und hob ihn auf meinen Schoß. "Akira. Gut siehst du aus." Wirklich, der kleine Mann trug einen Konoha-Kampfanzug mit Chunin-Weste und Original Konoha-Stirnband in Kindergröße.

"Hat mir Opa geschenkt", erklärte er mir strahlend.

Ich sah zum Eingang, wo Vater stand und in die Runde lächelte. "Hm?"

"Dein hübsches Mädchen Maria soll gleich merken, in welchem Team Akira in Zukunft spielen wird, mein Sohn." Das war amüsant, zugegeben. "Bist du heute Abend da, wenn sie ankommt?"

Ich nickte. "Natürlich. Ich habe meinen Plan für den Tag extra drumherum aufgebaut."

"Wann kommt Kintaro-san?"

"Im Laufe des Tages. Viel zu schleppen hat er nicht, sagt er."

"Hm, gut. Wird Karin diesen oder nächsten Abend hier sein?"

"Sicherlich."

"Auch die Nächte?"

"Erstens: Warum willst du das wissen? Und zweitens: Das hängt nicht von mir ab."

Vater machte eine abfällige Handbewegung. "Ausrede."

Nun, da hatte er Recht. Aber ich konnte ihm ja schlecht auseinandersetzen, dass ich plötzlich Bedenken hatte, die beiden Moerus durch meine unkontrollierten Gefühle zu jagen, wenn sie und ich... Nun. "Gebe ich zu."

"Gut, dann lasse ich mich überraschen. Und nur damit das klar ist, ich habe Hana-chan noch nicht wirklich aufgegeben, mein Sohn."

"Paps!", erwiderte ich entrüstet.

"Die Hoffnung stirbt zuletzt." Er schnappte sich seine Tasche. "So, ich gehe dann mal Konohas Handel auf Touren bringen. Willst du mit, kleiner Mann?"

"Jaaaa!", rief Akira fröhlich und rutschte von meinem Schoß runter. Das gab mir schon einen Stich durchs Herz. Mein eigener Sohn verließ meine Nähe so bereitwillig für... Ja, für was? "Bestichst du ihn?", fragte ich argwöhnisch.

"Natürlich besteche ich ihn. Was für eine Frage", erklärte er mir kopfschüttelnd. "Er kriegt einen Lutscher pro Tag. Und neben meinem Büro ist der große Spielplatz."

"Ach, wie interessant."

Akira zögerte, sah zu mir zurück. "Soll ich bleiben?"

Gut, das gab mir erst Recht einen Stich durchs Herz. Ich beugte mich vor und küsste ihn auf die Stirn. "Nein, sollst du nicht. Geh mit Opa und habe Spaß, mein Kleiner. Der Ernst des Lebens beginnt noch früh genug."

"Versteh ich nich."

"Das wirst du noch früh genug", seufzte ich. "Los, geh mit Opa."

Kurz legte er den Kopf schräg und sah mich an. Dann aber, als mein Gesicht nichts anderes als ein Lächeln zeigte, lächelte auch er und lief zu seinem Großvater. Tja, seit er nicht mehr krabbelte und genug Gleichgewicht beim Gehen hatte, lief er nur noch. Genau wie in diesem einen Film... Wie hieß er doch gleich? Egal.

Vater nahm ihn jedenfalls auf den Arm. "Dann bis heute Nachmittag, Jungs."

Wir wünschten den beiden einen guten Tag.

"Und was nun, Aniki?"

"Ich denke, jeder hat sein Tageswerk zu verrichten, oder?" Nicht ohne ein Grinsen deutete ich auf Shinpachi. "Du musst am Kommunikationsprojekt weiter arbeiten, nicht?" Der ältere Moeru nickte.

"Und du gehst zu Mai und wirst den ganzen Vormittag eine erste Anpassung an dein Chakra vornehmen."

Kishio lächelte. "Ich bin schon sehr gespannt, wie das ausgehen wird. Immerhin hat sie meinen Kuss überlebt, und... Ist was?"

Entgeistert sah ich ihn an. "Otouto, du hast sie geküsst?"

Auch Shinpachi schien erstaunt.

"Halt, halt!", rief er und hob abwehrend die Hände. "So war es nicht. Ich habe ihr, als wir zu Okaa-samas Laden gegangen sind, halt nur davon erzählt, dass mein Chakra für viele tödlich ist, und dass ich schon jemanden mit einem Kuss getötet habe. Da hat sie mich geküsst, um mir zu beweisen... Nun... Ich war furchtbar entsetzt, aber es ist ihr nichts passiert."

Ich atmete heftig wieder aus. Für eine Sekunde, nur für eine einzige Sekunde hatte ich gehofft, Kishio wäre umsichtiger als ich in seinem Alter, was Frauen betraf. Ich hatte mich geirrt. Auch Shinpachi schien angemessen irritiert zu sein.

"Ich schlage vor, dass Ihr dann genau da weitermacht", sagte ich so sachlich, wie ich konnte. "Und dann steigert Ihr euch langsam. Eventuell unterstützt du die beiden, Shinpa-chan?"

Ein entsetzter Blick, eine Erkenntnis. "Äh... Denkst du wirklich, das ist eine gute Idee, Mamo-chan?"

"Man weiß nie, was sich ergibt", orakelte ich. "Behalte es im Hinterkopf."

"Nun..." Sein Gesicht sprach Bände darüber, dass er sich unsicher war, ob ihm dieser Gedanke gefiel oder nicht.

"Und was machst du heute noch?", fragte Kishio.

"Diverses", erwiderte ich. "Ich habe unter anderem einen Termin bei Tsunade-sama, dann wurde ich gebeten, im Akimichi-Clanhaus bei Choza-sama vorbei zu schauen. Und dann wird es Zeit, Maria vom Haupttor abzuholen. Tja, und dann bin ich nochmal acht bis zehn Stunden beschäftigt. Es gibt noch so viel zu klären für meinen Geburtstag."

"He? Ich dachte, Onee-chan macht das" sagte Shinpachi.

"Es gibt immer noch einige Sachen, die ich entscheiden muss. Ach, und Shikaku treffe ich voraussichtlich auch noch." Ich seufzte, trank meinen Becher leer und erhob mich. "Besser, ich mache mich auf den Weg." Als ich mich erhob, lächelte ich. "Viel Spaß, Ihr zwei."

"Der eine mehr, der andere weniger, wie mir scheint", erwiderte Shinpachi.

Wir nickten einander zu, was Kishio dazu brachte, ärgerlich zu brummeln: "Ich verstehe immer noch nicht, worüber Ihr da sprecht."

"Das wissen wir, Otouto. Das wissen wir." Ich winkte noch einmal, dann war ich schon halb auf dem Flur und fast aus dem Haus. Ein langer Tag stand mir bevor.

***

Mein erster Weg führte mich zu Shinjis Haus. Ich hatte etwa eine halbe Stunde vor dem Termin mit Tsunade-sama. Den hatte sie übrigens relativ kurzfristig einberufen und mir nur mitteilen lassen, es würde um meine bevorstehende Mission gehen; dementsprechend war ich gespannt, was sie mir zu sagen hatte. Aber dieser Termin war mindestens genauso wichtig.

Ich klopfte an der Tür. Soma Nanahara, Shinjis Mutter und die Jounin meiner Mutter, lange war es her, öffnete mir. Sie lächelte, als sie mich erkannte. "Mamo-chan. Schön, das du mal wieder vorbeischaust. Ich hätte die Tage eh mit dir reden wollen, wegen Shinobu-chan und Shinji."

"Gerne, Soma-sensei. Aber bitte nicht gerade jetzt. Ist Ryourou-tono da?"

Sie runzelte die Stirn. "Warum die Suffixe? Wir kennen uns wahrlich lange genug."

"Äh", machte ich verlegen. "Ich bin als Shinjis Sensei hier, So-chan."

"Hm. Ach so. Du kommst wegen dem Zusatztraining, das mein Mann Shinji gibt. Ich habe mich schon gefragt, wann du es bemerkst. Nein, eher, wann es dir zuviel wird."

Überrascht nickte ich. "Es ist nicht so, als würde ich seine Bemühungen nicht schätzen. Und Shinji ist euer Sohn, aber..."

"Das solltest du ihm alles selbst sagen. Geh hoch ins Musikzimmer. Ich mache uns Tee. Und, so ganz nebenbei von Sensei zu Sensei: Ich habe deinen Rücken, Mamo-chan."

Erleichtert atmete ich auf. Das war schon mal eine ordentliche Hausnummer. "Danke, So-chan."

Ich betrat das Haus, als sie beiseite trat, erklomm die Treppe und klopfte. "Ryourou-tono?"

"Mamoru?" Er schien überrascht. "Komm rein."

Ich öffnete die Tür und fand ihn am Tisch über einen Haufen Rollen und Bücher gebeugt. Er trug seine Lesebrille, die er immer aufsetzte, wenn er viel lesen musste. Es ermüdete sonst seine Augen zu sehr. "Störe ich?"

"Leider nicht genug, um diese Arbeit abzubrechen", ächzte er, nahm die Brille ab und rieb sich die Augen. "Diese Verwaltungsarbeit ist ein echter Schmerz im A... Im Allerwertesten. Man könnte meinen, wir wären nicht mehr in Konoha, sondern in Iwagakure. Stell dir vor, all diesen Mist muss ich lesen, weil die Bauvorschriften in einer winzigen Passage geändert werden. Steinbauten sollen in Zukunft gefördert werden, da sie notfalls als Behelfsbunker dienen können, wenn Konoha attackiert wird. Und dazu nimmt die Stadtverwaltung Stellung, die Bürgervertretung, die Vereinigung der Kaufleute Konohas - vor allem dein Vater schreibt zum Thema ganze Romane - von der Hokage, vom Rat, von den Immobilienhändlern... Dann die Stellungnahmen im Bezug auf Frauenförderung, Naturschutz, Beeinflussung der Infrastruktur, Gesetzeskonformität, Meinung der Verwaltung, und, und, und... Ach, waren das noch Zeiten, in denen ich auf dem Schlachtfeld auf Leben und Tod gekämpft habe. Da war man sicher, geborgen und nicht so furchtbar überlastet."

Ich lachte gehorsam. Weil ich glaubte, er hätte einen Witz gemacht.

Er sah zu mir herüber und grinste. "Setz dich, Mamoru. Was kann ich für dich tun."

Ich nahm Platz. Im gleichen Moment kam Soma-sensei herein, ein Tablett mit zwei der in Konoha üblichen Teebecher vor sich her tragend. Gut, das war sehr gut. Das bedeutete eine informelle Atmosphäre. Wäre sie mit dem Teeservice aus dem hauchdünnen Porzellan gekommen, wäre es ein sehr steifes Gespräch geworden. Sie servierte den Tee und zwinkerte mir zu. "Ganbate, Mamo-chan."

Ich schmunzelte. Eine Schlacht war schon gewonnen. Nun ging es um den Krieg.

"Mamoru?", fragte Shinjis Vater.

Ich straffte mich merklich. "Es geht um das Zusatztraining, dass du Shinji angedeihen lässt, Ryourou-tono. Es überlastet ihn. Langsam, aber sicher." Wohlweislich verschwieg ich ihm, dass sein älterer Sohn mich mit der Nase drauf gestoßen hatte. Ryourou-tono hatte es nie wirklich gut verwunden, dass Kawada seinen Forschungsjob einem Feldkommando vorgezogen hatte. Umso mehr Hoffnungen musste er in Shinji setzen, dass er seinem alten Herrn nacheiferte.

Ryourous Miene wurde starr. "Ich bin sein Vater, Mamoru."

"Und du bist außerdem ein erfahrener, talentierter und fähiger Jounin, Ryourou-tono", bestätigte ich. Das nahm ihm ein wenig den Sinn aus den Segeln. "Und mir ist klar, dass du vieles hast, was du an deinen Sohn weitergeben möchtest. Ich habe da selbstverständlich nichts gegen, aber..."

"Aber?"

"Aber es darf nicht zu Lasten Shinjis gehen. Ich meine, er ist gut, aber hast du ihn dir in letzter Zeit mal angesehen? Er hat mindestens fünf Kilo verloren, und das nur, um seinem Vater zu gefallen."

"Er will auch dir gefallen. Vor allem dir, seinem Sensei", korrigierte er mich. "Ach, bei der Gelegenheit bedanke ich mich dafür, dass du ihn als Kontraktpartner der Affen vorgestellt hast. Auch wenn die Affen letztendlich die Wahl haben und ihre Entscheidung treffen, du hast den Weg bereitet."

"Die Affen mögen ihn sehr", erwiderte ich, keine andere Möglichkeit mehr habend, sein Kompliment abzuweisen. Nun war ich ein wenig ohne Luft.

"Ja, das tun sie. Allerdings spüren sie auch, das etwas in der Luft liegt. Womöglich ein neuer Krieg. Warum sonst sollten sie so lange nach Sarutobis Tod auf Teufel komm raus Kontraktpartner suchen? Mit dir sind es vier, nicht wahr?"

"Nur, wenn man Mai-chan mitzählt. Sie hat eine Art Notfallkontrakt."

"Man kann ihn so nennen, aber ein Kontrakt bleibt es trotzdem."

"Da hast du natürlich Recht. Aber um aufs Thema zurückzukommen: Ich würde gerne einem Training mit Shinji beiwohnen. Ich würde auch gerne unter deiner Anleitung mittrainieren, damit ich ein Gefühl für die Belastung bekomme. Dann werden wir uns zusammensetzen müssen, um darüber zu reden. Anschließend sollten wir einen gemeinsamen Trainingsplan aufstellen. Ich meine, Shinji ist nicht Goku." Goku, der mystische Gott der Affen, der mit jedem Kampf und jeder Niederlage nur noch stärker geworden war... Ja, Shinji war auf einem guten Weg, aber er war definitiv nicht Goku.

"Was sein Gewicht angeht, so hat er auch einen Zentimeter an Größe hinzu gewonnen. Sein Speck verwächst sich ein wenig, denke ich." Er nahm einen Schluck Tee und sah mich ernst an. "Ich nehme an, der gemeinsame Trainingsplan geht dann auf Kosten meines Trainings?"

"Das muss nicht unbedingt sein, Ryourou-tono. Im Gegenteil. Ich will nur das Beste für meine Genin, und es kann durchaus sein, dass ich dich bitten werde, auch die anderen zu trainieren. Allerdings bitte ich dich, dein Training auszusetzen, bis wir von der Mission ins Land des Schnees zurück sind. Bis dahin soll er sich ausruhen wie die anderen. Ich nehme an, er ist gerade unterwegs?"

"Ja, mit Mai-chan", bestätigte Soma-sensei. "Sie wollten sich aber noch mit Kira-kun und seinem Spinnenmädchen treffen und gemeinsam etwas unternehmen." Sie lächelte. "Ich habe ihnen eingeschärft, die Zeit zu genießen und nicht heimlich zu trainieren. Aber ich fürchte, sie werden das Wasserlaufen üben. Als sie gegangen sind, habe ich was aufgeschnappt, was verdächtig nach Chunin-Prüfung geklungen hat."

Ach ja, da war ja noch was. Ich ächzte auf. Das konnte was werden. Verweigern konnte und wollte ich es aber auch nicht. Sie hatten die Chance verdient. In einem Jahr ungefähr.

"Sie sind ehrgeizig", stellte Ryourou-tono zufrieden fest. Wasser auf seine Mühlen.

"Ja, das sind sie. Und sie haben sich die Gelegenheit mehr als verdient", erwiderte ich. "Aber für die Mission brauche ich sie ausgeruht."

"Es wird doch nur eine C-Rang-Mission. Geleitschutz."

"Das ist richtig, Ryourou-tono, aber wir werden da oben nebenbei auch nach Spuren des Moeru-Clans suchen. Das könnte aufwändig werden. Sehr aufwändig. Wenn sie bis jetzt nicht gefunden wurden... Und es können immer noch falsche Spuren sein, die Orochimaru für uns gelegt hat." Und dann waren da noch die Kinder, die Orochimaru Shinpachi gezwungen hatte zu zeugen. Es wurde nicht leichter, aber ich ersparte den Nanaharas diesen Teil der Geschichte.

"Also gut. Kein Training für Shinji. Und wenn Ihr wiederkommt, trainieren wir zusammen. Soweit es meine Zeit zulässt."

"Ich danke dir, Ryourou-tono." Bedächtig griff ich nach meinem Tee. Er war ziemlich gut, was einiges darüber aussagte, wie hoch ich in Soma-senseis Gunst stand. "Aber zu etwas anderem. So-chan hat angedeutet, es gäbe da was wegen Shinjis Freundin Shinobu zu besprechen?"

Soma-sensei zog sich einen Stuhl an den Tisch und setzte sich. Erwartungsvoll grinste sie ihren Mann an. "Na, dann leg mal los, Schatz."

"Oh. Ja, da war ja noch was... Mamo-chan, weißt du, ich... Wir... Also wir alle, wir..."

Das konnte ja was werden.

***

Mein Weg führte mich etwa eine Viertelstunde später und mit einigen Informationen bestückt, die ich eigentlich nie hatte haben wollen, direkt zum Büro der Hokage. Mein Kopf schwirrte, und das nicht nur, weil das Gespräch mit den Nanaharas, speziell mit Papa Nanahara, so gut gelaufen war. Da kamen die Explosionen im Osten der Stadt genau recht, um meinen Verstand zu klären. Das war direkt in meiner Nähe, also ging ich in Step aufs nächste Dach und eilte in Richtung des Geschehens. Es waren definitiv Sprentags, nicht einmal besonders starke. Man nutzte sie vor allem, wenn man andere Shinobi in eine bestimmte Richtung drücken wollte. Ich erkannte reguläre Konoha-Nin und auch ANBU, die an dieser Jagd beteiligt waren. Ich eilte hinzu, zumindest bis ich meinen Fehler erkannte: Die Treiber hielten meine Richtung offen, also war hier die Falle platziert, die sie augenscheinlich stellten. Ich scannte die Umgebung und erkannte ein Dutzend ANBU im Henge, der Kunst der Vortäuschung, die hier als Gegenstände oder ältliche Personen auf den Zugriff lauerten. Die arme Sau, die sie jagten, musste ungewöhnlich geschickt sein.

Ich wollte meinen Fehler korrigieren, da ich die Falle verschloss, aber es war bereits zu spät. Aus einer Explosionswolke schoss ein Schemen hervor, direkt in meine Richtung. Ich zückte ein Kunai; der Griff nach meinem Schwert ging ins Leere, ich hatte es Kira geschenkt. So erwartete ich den unbekannten Feind. Wer war er wohl, wenn er drei Dutzend Shinobi in Aufregung versetzte?

"Mamoooooo-chaaaaaaaaaaaan!", rief der Schemen, machte ein paar Steps über Hausdächer, verschwand komplett und tauchte direkt vor mir auf. Verdutzt ließ ich das Kunai fahren und öffnete die Arme. Kurz darauf hielt ich eine schwarze Katze mit zwei Schwänzen darin geborgen. "Fuse?"

Die schwarze Katze sah mich ärgerlich an. "Kannst du diesen Idioten sagen, dass sie die Falsche jagen? Sie hören nicht auf mich."

Rund um mich kamen ANBU aus dem Step, und auch die regulären Shinobi kamen heran.

Fuse, das war der Katzengott, oder auch Katzendämon oder was auch immer sie war, der vor einiger Zeit einen Kontrakt mit Kishio geschlossen hatte. Ich vermutete ja, damit sie ihre Muttergefühle an ihm austoben konnte. Gefühle, die sie ohne Probleme auf "Benhiyous Rudel", wie sie es nannte, ausgeweitet hatte. Es hatte einige Zeit gedauert, bis sie mich als Anführer Kishios akzeptiert hatte. Damit war aber nicht automatisch verbunden, dass sie selbst mich als Anführer akzeptierte, aber immerhin hatte sie sich nie gegen mich ausgesprochen. "Was ist denn passiert, Fuse-chan?", fragte ich verdutzt. "Was ist los, Leute?"

Einer der ANBU, er trug eine Fuchsmaske, hob die Schultern. "Wir wurden alarmiert, als bereits die ersten Explosionen erklangen. Kennst du diesen zweischwänzigen Katzenoni, Mamoru?"

"Ich bin KEIN Oni!", fauchte Fuse entrüstet. "Mit solchen niederen Würmern habe ich nichts zu tu, merk dir das, Maskenmann!"

"Ruhig, Fuse." Sanft streichelte ich ihren Nacken, damit sie die Haare wieder abstellte. Wenn sie ärgerlich wurde, würde ich als Erster ihre Krallen spüren, das war sicher. "Kein Oni. Fuse ist ein Katzengott. Sie hat einen Kontrakt mit Kishio no Moeru geschlossen."

"Gott. Hach, ich mag dich und deine Schmeicheleien einfach, Mamo-chan." Genießerisch leckte sie mir mit ihrer rauen Katzenzunge über die linke Wange.

"Ach so", machte einer der Shinobi und versuchte, kleiner zu werden. "Aber sie hat auch nichts gesagt, als wir sie gestellt haben. Ich meine, hey, zweischwänzige schwarze Katzen sind nun nicht gerade häufig, nicht einmal in Konoha. Und dann verschwindet die schwarze Katze erst in einer Rauchwolke, und dann per Step. Wer würde da nicht dran denken, es mit einem Shinobi oder einem Shinobi-Tier zu tun zu haben?"

"Das ist recht schlüssig. Was hast du dazu zu sagen, Fuse-chan?"

"Aber... Aber...", maulte sie. "Ich war doch nur in meinem Revier unterwegs. Wie jeden Tag. Ganz normal. Mich kennen doch alle. Und als die da mich angehalten haben, wollte ich ja nur meine Ruhe. Also bin ich weg. Aber das hat sie nur noch mehr aufgeregt, und es kamen immer mehr dazu, bis sie mich schließlich richtig gehetzt haben, und... Und... Und..."

"Soviel dazu, dass du deine Ruhe haben wolltest", murmelte ich. "Fuse, dich kennt eben nicht jeder in Konoha. Ich würde vorschlagen, dass du dich in Zukunft per Henge in einen Menschen verwandelst, wenn du durch Konoha gehst."

"Aber die Menschengestalt ist so unpraktisch. Und so unbeweglich. So langsam. Und hässlich. Und... Ist was?"

Wir alle starrten die Katze in verschiedenen Stufen der Deprimiertheit an. "Fuse, wir sind Menschen."

"Oh. Gomenasai! Hatte ich gerade nicht so auf dem Schirm. Ihr könnt ja nichts dafür, als hässliche Menschen geboren worden zu sein."

"Fuse..." Ich schüttelte den Kopf. "Wahrscheinlich muss ich dankbar sein, dass du nicht in der Größe eines Löwen durch die Stadt gezogen bist, hm?"

"Ich versuche durchaus, mich anzupassen", erwiderte sie stolz. Dabei reckte sie sich, so hoch sie konnte, um ihre Schnauze auf meine Wange drücken und reiben zu können.

"Ihr seht, es ist eigentlich alles in Ordnung. Fuse, wir werden nicht umhin kommen, dich zu kennzeichnen."

Sie hielt in ihrer Tätigkeit inne. Ich spürte mindestens eine Kralle. "Du meinst... Per Brandzeichen?"

"Reg dich ab. Ich dachte an Konoha-Ninja-Kleidung. Eine Chunin-Weste zum Beispiel."

"Abgelehnt. Grün steht mir nicht."

"Oder ein Konoha-Stirnband. Du gehörst ja jetzt mehr oder weniger zum Team."

"Ein Stirnband? Kann ich es um den Hals tragen?"

"Ich denke, dagegen spricht nichts", meldete sich der Fuchs-ANBU zu Wort. "Und was schreibe ich jetzt in meinen Bericht?"

"Schreib rein, dass die Kosten für die Beschädigungen und für die Jagd an sich von Kishio no Moeru beglichen werden."

Man musste kein Sensoriker sein, um zu merken, dass der Fuchs hinter seiner Maske grinste. "Gefällt mir."

Ich sah den Shinobi an. "Und was deinen Bericht angeht, so schadet es nichts, eure Wachsamkeit ein wenig hervorzuheben. Immerhin, Ihr habt Fuse entdeckt und enttarnt. Das ist doch was."

"So gesehen... Und die Moerus kommen auch bestimmt für die Schäden auf?" Die die Shinobi und ANBU angerichtet hatten, wohlgemerkt.

"Ja, das werden sie. Fuses Taten fallen in Kishios Verantwortlichkeit."

"Uff, da bin ich aber erleichtert."

"Na, dann gebt mal Entwarnung. Ich muss zu Tsunade-sama. Dich nehme ich gleich mit, Fuse-chan. Du hattest genug Aufregung für heute."

"Na, wenn du meinst..."

Ich winkte den Shinobi ein letztes Mal zu. Anschließend verschwand ich per Shunshin no Jutsu und erschien wieder auf der Straße. Fuse kraulend setzte ich den Weg ins Büro der Hokage fort.
 

"Morikubo? Soll reinkommen!", hallte es mir entgegen, kaum das ich vor Tsunade-samas Büro ein lautes Wort gesagt hatte. Fuse auf den Armen trat ich ein. Der Tonfall verhieß nichts Gutes. "Guten Morgen, Tsunade-sama."

"Morgen!" Sie blaffte das Wort beinahe. "Brauchst dich nicht setzen, es geht schnell."

Ich unterdrückte das Verlangen, hart zu schlucken. "Geht es um Fuse-chans Pfad der Zerstörung?", fragte ich vorsichtig.

"Heyyyy, ich habe nichts kaputt gemacht", beschwerte sich die Katze.

"Nein. Das regeln wir ohnehin mit den Moerus. Dein Problem ist ein anderes."

Oh-oh. Das klang gar nicht gut.

"Mamoru, ich muss dich ehrlich fragen, was du dir dabei gedacht hast. Ich habe hier ein Beschwerdeschreiben von Terumi-sama, gleich nach der offiziellen Entschuldigung für den Angriff auf deine Genin, als sie den Hyperion transportiert haben. Hast du dich wirklich ausgezogen und Suirin-tono sexuell genötigt, bevor Ihr gekämpft habt?"

"Was, bitte? Sexuell genötigt?"

"Nun, hier steht, du hast dich ausgezogen, um angeblich dein Higatsuku no Kara vorzuführen. Stattdessen hast du sie geküsst und dabei ihre Nase zugehalten, damit sie in Ohnmacht fällt."

"Ich fand das wesentlich netter als sie zu töten, zum Beispiel durch Verbrennen", verteidigte ich mich.

"Oh, Mamo-chan, du bist ja ein Schlimmer", gurrte Fuse auf meinem Arm.

"Du, das ist gerade eine schlechte Zeit", erwiderte ich.

"Das kann mal wohl sagen. Soweit ich mich erinnere, hat Konoha noch nie einen Playboy in die Schlacht geschickt!"

"E-einen Playboy? Meinst du mich damit, Tsunade-sama?"

"Ja, dich, Mamoru. Mir scheint, du hast die letzten Jahre etwas zu viel dazu gelernt."

"Ich tat, was ich für richtig hielt, ohne Suirin-chan töten zu müssen."

"Und das war etwas viel. Nun, wir behandeln die ganze Geschichte auf Kage-Ebene und bemühen uns, dass so wenig Shinobi wie möglich davon erfahren. Es schadet ja vor allem deinem Ruf, Mamoru. Damit aber auch Konohas Ruf."

Ich fühlte, wie Kopfschmerzen in mir aufwallten. Daran hatte ich nicht gedacht. Plötzlich als Playboy verschrien zu sein, während ich gegen Iwagakure kämpfte, könnte sich nachteilig auswirken. Ein spontaner Hassmob der männlichen Iwa-Ninjas war da noch die harmloseste Variante. Und was mochten meine Freunde denken, zum Beispiel in Kumagakure? "Ich... Bemühe mich, das Higatsuku no Kara soweit zu verbessern, sodass es meine Kleidung nicht mehr verbrennt, Tsunade-sama."

"Und du wirst armen, in dich verknallten Kunoichi in Zukunft nicht das Herz brechen, okay?"

Nun schluckte ich doch trocken. "Okay."

"Gut, dann ist das geklärt. Du hast nämlich bereits genug Probleme mit zwei Frauen, Mamoru. Mehr als genug. Ach, und da kommt doch glatt noch ein Problem dazu. Im Yuki no Kuni wirst du einen Kiri-Nin bei seiner Mission unterstützen, sozusagen als Konzession unsererseits, um die Sache, ah, ein für allemal zu begraben, okay? Es ist ja nicht so, als hättest du die Leute nicht."

"Unterstützen?"

"Details erfährst du vor Ort. Nur soviel: Dein Kontakt trägt den Tarnnamen: Der Regenmacher. Du wirst ihn mit allen deinen freien Kapazitäten unterstützen. Terumi-sama baut da auf dich."

Na toll, moralisch wollten sie mich auch noch drankriegen. Und es funktionierte. "Jawohl, Tsunade-sama. Wenn Mei-chan... Ich meine, wenn Terumi-sama das so wünscht, stimme ich dem zu." Vor allem auch, weil Konoha die Ruhe zwischen sich und Kiri sehr gut gebrauchen konnte.

"Gut. Weitere Details im letzten Briefing vor dem Aufbruch. Das war es von mir. Sei in Zukunft vorsichtiger, verstanden?"

"Ja, Tsunade-sama." Ich verbeugte mich steif in der Hüfte.

"Sehr gut. Dann bist du hiermit entlassen."

"Danke, Tsunade-sama." Ich nickte ihr noch einmal zu, dann war ich auch schon draußen und hatte die Bürotür geschlossen.

Etwas tiefer im abwärts führenden Gang meinte Fuse irritiert: "Warum buckelst du denn so vor ihr? Besonders mächtig erschien sie mir nicht, und sie hat so viel rumgeschrien. Würde ich in meinem Clan so führen, eine meiner Töchter hätte mich längst abgesetzt. Gerade der Anführer muss die Contenance bewahren, und..."

"Fuse, kannst du mit nur einer Faust einen fünf Tonnen schweren Granitbrocken spalten?"

"Äh, nein?"

"Tsunade-sama macht sowas als leichten Frühsport. Und mir ist es sehr lieb, wenn sie auch in Zukunft Granitbrocken nimmt, und nicht meinen Kopf."

"Oh. OH! Okay, ich verstehe deinen Standpunkt. Und warum noch?"

Ich lächelte. "Weil ich sie als Anführerin wirklich zu schätzen weiß. Sie ist zwar laut und ruppig, aber alles was sie tut hat Hand und Fuß."

"Du magst sie", neckte Fuse mich.

Ich lachte leise. "Ja, das tue ich. Mindestens so sehr, wie ich Schiss vor ihr habe."

"Ja, das erklärt einiges."

***

Für meinen nächsten Termin lieferte ich Fuse bei Kishio ab. Wir diskutierten ausführlich das Thema und die beiden ANBU, die Fuse gefolgt waren, so unauffällig sie das bei Sensorikern konnten, und einigten uns schließlich gegen den milden Protest der Katze auf ein kleines Konoha-Stirnband, das sie anstelle eines Halsbandes trug. Einer der Kinder-Stirnprotektoren, die Vater für meinen Sohn gekauft hatte, mussten als Erstbestückung herhalten. Fuse war nicht wirklich begeistert. Aber immerhin sah sie ein, dass zweischwänzige Katzen nun mal Aufsehen erregten.
 

Anschließend machte ich mich zum Haushalt der Akimichis auf. Choji öffnete mir. "Ah, Mamo-chan. Schön, dich zu sehen. Wie war die Mission?"

"Erfolgreich, Choji. Zumindest erfolgreich genug, denke ich. Dein Vater wollte mich sehen."

"Ja, ich weiß. Ich habe bereits Tee aufgesetzt und bringe gleich was zu knabbern. Sind dir Chips recht?"

"Wirst du mir wieder den letzten Chip aus der Hand reißen?", fragte ich den korpulenten Chunin. Ja, tatsächlich, auch er war bereits ein Chunin. Überhaupt war sein Jahrgang ein sehr erfolgreicher. Bis auf Naruto hatten alle diese Rangstufe erreicht, und das war eigentlich nicht üblich.

"Natürlich. Der letzte Chip ist immer meiner", erwiderte er bestimmt.

"Na, dann ist ja gut." Ich trat ein und ging den Weg zu Chozas Büro. Choji machte sich auf den Weg in die Küche, um seine Vorbereitungen abzuschließen.

"Klopf, Klopf, Choza-sama."

"Mamoru. Tritt ein", begrüßte mich der stattliche Shinobi freundlich. Er stand auf, als ich näher kam und drückte mir die Hand. "Komm, setz dich. Tee und Snacks sind auf dem Weg."

Und das war keine kleine Sache bei den Akimichis. Da ein Großteil ihrer Jutsus auf der eigenen Körpermasse basierte - Karin hatte sich deshalb bei etlichen Familien-Jutsus sehr schwer getan und mit Gekko-sensei eigene entwickeln müssen - waren sie permanent am Essen. Und ich meinte permanent.

Ich nahm also Platz und versuchte zu ergründen, was das Oberhaupt der Akimichis von mir wollte.

"So, so. Du wirst also in zwei Tagen achtzehn. Dann gehörst du ja vollends zu den Großen in Konoha."

Ich winkte ab. "Töten darf ich schon, seit ich zwölf bin. Nur Alkohol trinken, rauchen und heiraten darf ich erst mit achtzehn. Verrückte Welt, nicht?"

Seine Augenmuskeln kontraktierten leicht, bevor er vorgab, über meine Worte zu lachen. "Ahahaha, ja, das ist schon ein Widerspruch. Aber wo du es gerade erwähnst... Es geht um Karin."

"Was ist mit Karin?", fragte ich bestürzt. Sie hatte mich doch nicht auch etwa verraten, verlassen und verkauft? Nein, das war unmöglich. Nicht Karin. Aber was, wenn da draußen doch jemand war, der besser, stärker, attraktiver, schneller, mächtiger als ich war, der Karin auf Anhieb gefiel? Ich fühlte, wie sich mein Magen zusammenzog.

"Das sollte ich eigentlich dich fragen. Was ist mit Karin?" Er runzelte die Stirn, als Choji hereinkam, Tee und Chips bringend. "Danke, mein Sohn."

"Ich habe eine besondere Sorte benutzt", verkündete er stolz.

"Danke, Choji!", sagte sein Vater mit Nachdruck.

"Aber es geht doch um Karin-nee, oder?"

"Danke!"

Murrend strich der Jüngere die Segeln und verließ den Raum.

"Und es wird nicht gelauscht!"

Noch mehr murrend zog Choji die Tür zu.

Zufrieden nickte Choza. "Um aufs Thema zurückzukommen: Ich weiß, unter welchem Druck du stehst, Maria-tono betreffend. Die Entscheidung des Rates war ganz großer Bockmist, wenn du mich fragst. Aber Politik ist nun mal Politik, und dein Sohn ist bereits jetzt stark in den Nara-Künsten. Wir können auch einem befreundeten Ninjadorf wie Getsugakure nicht erlauben, darauf die Hand zu legen, und... Na ja, ich frage mich halt als ihr Onkel, wo da meine hübsche Karin bleibt. Der ganze Clan fragt sich das, wie du an meinem Sohn erkennen kannst. DER ENTGEGEN MEINER ANWEISUNG HEIMLICH AN DER TÜR LAUSCHT!"

Lautes Poltern war zu hören, dann jemand, der sich wieder aufrappelte und anschließend davon eilte. "Kinder!", murrte Choza, aber es klang mehr amüsiert als verärgert. "Also, Mamo-chan?"

Bedächtig legte ich die Fingerspitzen aneinander. "Habe ich dir je erzählt, was ich mit Karin erlebt habe, damals, als Maria mich amnesiert hatte? Als ich den Rückzug der Oto-Nins gedeckt hatte, die von Orochimaru fallengelassen worden waren?"

"Nein."

"Bevor ich mein Gedächtnis zurückerlangte, habe ich gegen unsere Leute gekämpft. Aber Karin wollte nicht mit mir kämpfen. Sie öffnete ihr Hemd und bot mir den Brustkorb an, um sie zu töten, weil sie nicht mit mir kämpfen wollte. Weil sie nicht in einer Welt leben wollte, in der ich ihr Feind war. Das hat mich zurückgeholt, Choza-sama. Und nein, bevor du fragst, sie war nicht halbnackt. Aber damals konnte ich schon sehen, dass sie ein schönes Dekolletée bekommen würde." Ich hüstelte mich verlegen. "Ich weiß, es ist in Konoha eigentlich nicht üblich, eine Zweitfrau zu nehmen. Vor allem, weil die Frauen untereinander konkurrieren und miteinander streiten. Ich weiß nicht, wie das vor eintausend Jahren gemacht wurde, als solche Ehen noch üblich waren, aber heutzutage klappt so etwas nicht so ohne Weiteres."

"Hm."

"Was ich sagen will, ist: Ich werde Karin heiraten, wenn sie mich will. Nicht als Zweitfrau und erst recht nicht als Drittfrau. Sie ist meine Nummer eins. Sie ist die Frau, diese eine Frau für mich. Was danach kommt, was dazu kommt, wird sich entscheiden. Ich meine, ich hasse Maria nicht. Keinesfalls. Wir kommen gut miteinander aus, und sie hat sich gut in unsere Familie eingefügt. Ich kann es mir vorstellen, und Karin hat selbst gesagt, dass es kein Problem sein würde, weil sie und Maria gemeinsam im Mamo-Pakt sind... Wie viel ich darauf geben soll, weiß ich nicht."

"Und was ist dann mit P-chan? Hast du daran schon gedacht, Mamoru?", fragte Choza ernst. "Sie ist auch eine Frau. Eine Frau, die dich liebt."

"Ich weiß. Aber Affen... Es ist nicht so, als würde ich sie nicht wollen. Nur heiraten Affen keine Menschen. Und sie leben länger als wir, also sehen sie es nicht ein, sich hier zu binden. Und wenn ich sie doch an mich binde, nehme ich ihr die Chance, eine eigene Familie zu gründen und ihr Glück zu finden."

"Sind das ihre Worte, oder deine?"

"Die von Dr. Tofu. Aber ich werde mit ihr da noch drüber reden, versprochen." Leicht würde das nicht werden, denn mich verband viel zu viel mit der quirligen Affenkriegerin. Fast zuviel.

"Gut, ich war besorgt um sie. Das ist nun etwas besser. Aber du solltest sie nicht in der Luft hängen lassen, denke ich", mahnte Choza.

"Das werde ich nicht, versprochen."

"Dann wirst du dich auf deinem Geburtstag mit Karin verloben?"

Ich stockte beim Griff nach den Chips, übrigens Chojis Lieblingssorte. "Darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht, muss ich gestehen."

"Das solltest du aber fix nachholen, Mamo-chan. Bedenke, eine Verlobung ist ein Eheversprechen. Aber dieses Versprechen enthält keine terminliche Fixierung. Manche Shinobi-Paare waren ein Jahrzehnt und länger verlobt, bevor sie endlich geheiratet haben. Es setzt allerdings ein Zeichen."

Ich musste bei seinen Worten an Kou und meine Schwester denken. Die beiden hatten sich nicht mit einer langen Wartezeit abgefunden. Allerdings waren sie auch beide Mitte zwanzig, da tickten die Uhren wohl anders. "Ich schätze, ich sollte einen Ring besorgen gehen..."

"Das ist mein Mamo-chan!", lachte Choza und klopfte mir auf die Schulter. "Und jetzt lass uns in Ruhe den Tee trinken, die Chips essen, und du erzählst mir ein wenig von deiner letzten Mission. Sind die Moerus tatsächlich eine solche Bereicherung für Konoha?"

"Oh ja. Ich weiß nicht, wie ich dir das beschreiben soll, aber..."

Es wurde ein sehr unterhaltsamer Plausch.

***

Reichlich verspätet erreichte ich das Haupttor Konohas. Etwas zu spät, denn als ich endlich eintraf - verdammt auch, warum hatte ich mich bei Choza-sama so sehr verquatschen müssen - war Maria schon eingetroffen. In ihrer Begleitung war natürlich Anne, und Ryoga wiederum begleitete die junge Kontraktpartnerin mit dem unglaublichen Tarn-Talent.

Vater begrüßte Maria sehr herzlich und drückte ihr gleich als zweite Handlung ihren Sohn in die Arme. Sie begrüßte den kleinen Mann mit einer Herzlichkeit und Zärtlichkeit, die mir ein wenig in die Beine ging. Sie war eine gute Mutter. Und vor allem wusste sie, was für ihren Sohn gut war. Dafür nahm sie die Fernbeziehung zu meiner Familie in Kauf. Und zu mir, wenn ich exakt war.

Danach begrüßte Vater Anne, als wäre sie seine Tochter. Ja, an dem kleinen, dünnen Mädchen hatte er einen echten Narren gefressen, man sah es deutlich. Ryoga hingegen bekam einen männlichen Händedruck.
 

Ich kam hinzu. "Hallo, Maria."

"Mamo-chan!", rief sie erfreut. Die Getsu-Shinobi gab Akira an meinen Vater zurück und umarmte mich. Ein flüchtiger Kuss ging auf meine Lippen. Ich erwiderte die Umarmung, drückte das Mädchen, das früher einmal versucht hatte, mich umzubringen. Nicht die schlechtesten Voraussetzungen für eine Beziehung, wie mir manches Ehepaar versichert hatte. Dann küsste ich sie selbst. Kurz und knapp. Als ich sie fahren ließ, hielt sie mich ein wenig länger. "Können wir gleich reden? Nur wir zwei."

"Was? Natürlich." Ich wandte mich der Jüngeren zu. "Hallo, Kohai."

"Mamo-chan." Sie umarmte mich herzlich. "Es ist schön, wieder hier zu sein. Schöne Grüße von den Jungs. Sind im Einsatz, aber sie kommen später mal vorbei und machen mit dir Konoha unsicher."

Die "Jungs", das waren drei Jounin aus Getsugakure Amir, Hassin und Khal, wichtige Stützen des versteckten Dorfs. Gute Freunde von mir. Ich freute mich darauf, sie wiederzusehen. Schade, dass es nicht zu meinem Geburtstag war. "Besser als nichts", erwiderte ich daher leicht enttäuscht.

"Hallo, Ryoga."

"Mamo-chan." Der große Affenkrieger in der Menschenverkleidung umarmte mich herzlich. "Es tut gut, dich zu sehen. Wirklich richtig gut."

"Wieso? Geht dir Getsugakure schon auf die Nerven?", scherzte ich. Es war allgemein bekannt, dass er vorerst dazu verdonnert war, Anne-chan als Kontraktpartnerin zu dienen.

"Oh, Getsugakure ist toll. Jeden Tag Traumwetter, jeden Tag baden am Strand, und so. Aber ich habe meinen alten Kumpel vermisst." Spielerisch deutete er einen Kinnhaken an.

"Freut mich zu hören." Das freute mich wirklich, denn Ryoga war auch Perines großer Bruder. Wenn sich irgendetwas geändert hätte, jetzt hätte ich es gemerkt.

Ich sah ins Rund. "Paps, geht doch schon mal nach Hause. Ich habe noch zu tun. Maria, wenn du Zeit hast, es gibt da etwas, was du wissen solltest."

"Natürlich, Mamoru-chan."

Wir verabschiedeten uns mit einem Nicken und verschwanden mit Step.

Als wir das Trainingsgelände erreicht hatten, hielten wir an. Von unserem Hügel hatten wir eine gute Sicht auf den See. Und natürlich versuchten meine Genin, dort die Fähigkeit des Wasserlaufens zu erlernen. Mit durchwachsenem Erfolg, aber immerhin.

Ich setzte mich ins Gras. Maria setzte sich im Saizen neben mich. Ihre ganze Körperhaltung war sehr angespannt, das ging nicht nur aus ihrer Sitzhaltung hervor.

"Was kann ich für dich tun, Schatz?"

Unsicher sah sie mich an. "Es gibt... Bestrebungen, Mamoru."

"Bestrebungen? Was für Bestrebungen?"

"Dich enger an Getsugakure zu binden. Ich unterstütze das nicht aktiv, aber ich sperre mich da auch nicht. Ich..." Sie stockte, sah mich an, wurde rot und sah wieder fort. "Ich hatte ein Gespräch mit dem Rat des Dorfes. Sie wollen von mir, dass... Sie wollen von mir..."

Oh, ich verstand. "Du sollst mich heiraten."

"Ja."

"Um mich an Getsugakure zu binden."

"Ja."

"Für das Wohl des versteckten Dorfs."

"Ja."

"Und wo bleibst du dabei?"

Erstaunt sah sie mich an. "Ich hätte da nichts gegen, ehrlich gesagt, aber es geht ja nicht um mich. Nicht nur um mich... Aber du hast Karin und P-chan und... Nun."

Aha, nun kam also auch noch Druck von der anderen Seite. Wie herrlich. Mist.

"Meine Leute sagen das Gleiche."

Entsetzt sah sie mich an. "Du wirst doch nicht etwa Karin ausbooten? Da spiele ich nicht mit! Das hat sie nicht verdient, und..."

"Keine Sorge, das wird nicht passieren. Aber es ist im Gespräch, dass ich... Hm. Zweimal heirate."

"Du meinst, du sollst zwei Frauen bekommen? Was ist das? Der feuchte Traum von euch Männern?"

"Etwas in der Art. Aber auch eine Notlösung, um verschiedene Interessen zu vereinbaren. Und wenngleich ich in diesem Fall nicht unbedingt darauf hören will, was der Rat von mir will, so denke ich doch, dass es gut für Aki-chan wäre."

"Und das heißt? Das heißt für uns?"

"Ich denke auch, es wäre für uns beide nicht schlecht. Es würde etwas legitimieren. Und wir wissen beide, wir werden unsere Positionen in Konoha und Getsugakure nicht aufgeben und den Pendelverkehr aufrecht erhalten. Aber ein legitimer Unterbau würde einiges reißen, denke ich. Und seien wir ehrlich, ich mag dich, ich mag dich sehr. Vielleicht ist das auch schon Liebe."

Sie errötete. "I-ich..."

"Ich weiß." Sanft zog ich sie an mich. "Wie ernst meint Ihr Mamo-Paktler das eigentlich damit, dass Ihr meine Geliebten werdet?"

"Mamoru!", beschwerte sie sich. Leiser fuhr sie fort: "Ich könnte mich mit einer politisch motivierten Vermählung anfreunden und deine Zweitfrau werden, Mamoru. Du hast Recht, das wäre in der Tat gut für Akira. Und deine Eltern würden das auch gerne sehen. Und das Beste: Die Räte von Konoha und Getsu geben endlich Ruhe."

"Und ich werde mir sehr oft sehr viel zum Thema Zweitfrauen anhören müssen, denke ich."

"Da stehst du doch drüber, Mamoru", tadelte sie mich lächelnd.

Ich lachte leise. "Eventuell. Außerdem habe ich nicht vor, jetzt schon zu heiraten. Aber deine Ringgröße könnte ich brauchen, denke ich."

Sie lachte, aber es klang etwas gezwungen. Wirklich, ich begann, Politik zu hassen.

Der Regenmacher 9

3.

Mein Geburtstagsmorgen begann mit Selbstzweifeln. Ich wusste, das im Nebenzimmer Maria und Akira schliefen, und ich fragte mich, seit ich erwacht war, ob ich dem Jungen wirklich ein guter Vater war. Klar, der Kleine liebte mich abgöttisch. Das erste Wort, das er hatte sprechen können, war Papa gewesen, nicht Mama. Wenn ich in der Nähe war, war ich seine erklärte Nummer eins. Aber wofür? Ich war nicht dabei, als er geboren wurde. Ich hatte ihn nie gebadet, nie seine Windeln gewechselt, nie ihn einen ganzen Tag mit mir herumgetragen. Nun lief er schon selbst und wollte bestenfalls für ein paar Schritte auf meinen Arm. Und ansonsten? Die meiste Zeit verbrachte er, wenn er in Konoha und damit theoretisch bei mir war, bei meinen Eltern, damit ich "den Rücken für die Ninja-Geschichte" frei hatte. Aber war es wirklich das, was einen Vater ausmachte? Ich wusste es nicht, aber es fühlte sich in jedem Fall falsch an. Ich, der ich auf Missionen ging, war so richtig, und hunderte Shinobi machten es mir jeden Tag vor. Aber ihn zurückzulassen, nicht hier zu sein, ihn nicht jeden Tag zu begleiten, ihn aufwachsen zu sehen, all das zehrte mehr an mir, als ich öffentlich zuzugeben bereit war. Tatsächlich wusste ich, dass ich ein miserabler Vater war, dafür aber ein guter Schauspieler. Und mit Vater und Mutter hatte ich die besten Substituten, die ich mir wünschen konnte. Und wenn das nicht reichte, waren da immer noch Maria selbst, meine große Schwester, P-chan, Hana-chan und Karin. Aber wo war ich in der ganzen Geschichte? Ich war unzufrieden, das spürte ich jeden Moment. Ich hatte Aki-chan nicht gewollt, aber das hieß nicht, dass ich ihn nicht liebte. Da gab es keinen Zweifel. Wenn es jemanden gab, der mich manipulieren durfte, der von mir verlangen konnte, ohne zu geben, dann war es mein Sohn. Aber er gab mir dennoch so viel, obwohl er kaum etwas von mir erhielt. Es war schwer für mich, daraus schlau zu werden.

Als ich das erste Mal die Augen aufschlug, war ich also achtzehn Jahre alt geworden. Und es war noch mitten in der Nacht. Halb drei Uhr morgens. Überhaupt nicht meine Zeit, aber einfach umdrehen und weiterschlafen konnte ich auch nicht. Also stieg ich aus dem Bett, zog leichte Kleidung an und verließ den Raum durch mein Fenster.

'Aniki?', klang Kishios verschlafene Stimme in meinem Geist auf. Seine sensorischen Fähigkeiten waren permanent aktiv und er registrierte jede Veränderung in seinem Umfeld. Diese Veränderung hatte ihn geweckt. Daran hatte ich nicht gedacht.

"Schlaf weiter, Otouto", sagte ich leise, in der Gewissheit, dass ich die Worte auch dachte und er sie hören konnte. "Ich mache nur einen Rundgang."

'In Konoha der Frohsinn lacht, wenn Aniki einsam wacht', frozzelte Kishio, bevor seine Gedankenstimme verstummte. Eine weitere Stimme hallte auf. Das war natürlich Shinpachi, der unseren kurzen Dialog mitverfolgt hatte.

Ich lachte selbst, wenn auch nur in Gedanken. Aber es war ein schwermütiges Lachen.

'Dicke Gedanken?', fragte Kishio mitfühlend.

"Das heißt schwere Gedanken", korrigierte ich ihn. Selten fiel mir sein Dialekt des Landes der Reisfelder so sehr auf wie heute. "Ich werde etwas töten gehen, und schon wird es besser."

'Sehr komisch', erwiderte er gespielt beleidigt. 'Ich schlafe dann weiter. Ruf mich, wenn du gerettet werden musst.'

"Ich komme drauf zurück", versprach ich. Und das meinte ich durchaus ernst. In dem einen Jahr, in dem wir zusammen waren, waren wir mehr und mehr zu einer Familie zusammengewachsen, und ich gäbe mein Leben jederzeit in Kicchans Hände. Und in die von Shinpachi. Wenn ich mir jemandes sicher war, außerhalb der Familie, in die ich geboren worden war, und abseits meines Teams, dann waren es meine beiden Wahlbrüder.

Eine gerührte, melancholische Stimmung voller Dankbarkeit schwappte über mich hinweg. Es dauerte einen Moment, bis ich begriff, dass es nicht meine Gefühle waren, sondern die der beiden Moerus. Natürlich, ich war nahe genug gewesen, dass sie immer noch meine Gedanken hören konnten. Das machte mich verlegen. Ich redete so gut wie nie über meine Gefühle, und jetzt mitten in der Nacht einfach mit der Tür ins Haus gefallen zu sein war mir etwas peinlich. Und wie immer konnte ich mit dieser Situation nicht umgehen. "Ist halt so", sagte ich deshalb trotzig. "Ich bin dann mal weg." Mit diesen Worten begab ich mich in Step und verschwand aus dem Innenhof.
 

Ich eilte über das nächtliche Konoha hinweg. Meine Gedanken zogen dabei so konträr zu meinem Bewegungstempo dahin, als würde ein Hase gegen eine Schildkröte laufen. Wie hieß es doch gleich? Die Schildkröte schaffte einen bemerkenswerten zweiten Platz und der Hase wurde Vorletzter. Wieder hörte ich ein fernes, leises Lachen. Shinpachi. Ich war immer noch nahe genug, dass er meine Gedanken hören konnte. Verdammt, dabei war der Spruch so alt, der hatte schon Mumifizierungsspuren, fand ich.

'Bist du sicher, dass du keine Gesellschaft willst?', klang nun seine Stimme auf.

"Keine Sorge, ich komme klar. Ich muss nur selbst etwas nachdenken."

'Mein Angebot steht, Otouto', sagten seine Gedanken. Otouto nannte er mich äußerst selten. Meistens dann, wenn ihn seine familiären Gefühle übermannten. Dabei war er älter als ich, wenngleich ich mehr aktive Jahre als Ninja hinter mir hatte. Aber das waren nur Rechenexempel. Letztendlich war zwar der Wert eines Ninjas in Zahlen zu fassen, nicht aber der Wert eines Menschen. Und Shinpachi war ein prächtiger Bursche, an dessen Loyalität und Freundschaft ich keinen Zweifel hegte. "Du wirst noch genug Zeit dafür bekommen, wenn wir im Yuki no Kuni unterwegs sind", sagte ich schmunzelnd.

Er lachte auf. 'Hoffentlich nicht', erwiderte der ältere Moeru. Denn das hätte bedeutet, dass die Luft brannte - und das nicht wegen mir.

Ich schmunzelte, dann riss die Verbindung ab. Aber ich wusste, dass zumindest Kicchan mich immer noch in seiner Ortung hatte. Um sie zu verlassen, hätte ich Konoha hinter mir lassen müssen. Und selbst dann hätte Kishio mich noch wohl fokussiert tausende Kilometer weit verfolgen können, um über mich zu wachen. Den Beinahefehler von Kumogakure würde er nie wieder begehen. Und ich war ihm dankbar dafür.
 

Ich erreichte die Stadtmauer. Nachdem ich mich bei den Wachen angemeldet hatte, sprang ich auf die Zinne. Niemand durfte einfach so auf die Mauer. Weder nachts, noch tags, weder von außen, noch von innen. Außer, er war ein Shinobi und er meldete sich an.

"Morikubo-san?", klang eine bekannte Stimme auf. Meine sensorischen Fähigkeiten verrieten mir schnell, dass es sich um einen guten Bekannten handelte: Aoba Yamashiro.

"Seit wann heißt es San?", fragte ich den Mann, der für drei Dinge zu Recht berühmt war. Erstens dafür, dass er ein Tokubetsu Jounin war, ein spezialisierter Jounin, was ihn bis knapp unter die Riege der wichtigsten Ninjas Konohas erhob. Zweitens für sein Feuer. Sein Katon war nicht gerade das heißeste, aber kaum ein Katon-Nutzer, mich eingeschlossen, benötigte so wenig Chakra für seine Kunst wie er. Und drittens für seine Sonnenbrille, die er sogar jetzt in der Nacht trug. Es hieß, noch niemand hätte je seine Augenfarbe gesehen. Manche wollten sogar wissen, er war in Wirklichkeit ein sensorischer Ninja und hätte gar keine Augen. Das konnte ich widerlegen. Ich konnte sowohl seine Augen gut sehen als auch die Versorgung derselben mit Nährstoffen. Seit ich mit Kishio trainierte, war meine Kunst erheblich gesteigert worden. Eine Falle, wie sie Kabuto mir damals in Kumo gestellt hatte, würde diesmal sehr viel trickreicher sein müssen, damit ich auf sie hereinfiel.

"Seit du achtzehn bist. Herzlichen Glückwunsch, übrigens." Der kleinere Shinobi schüttelte mir die Hand. Verlegen erwiderte ich den Händedruck. "Danke, Aoba-san. Daran habe ich gerade nicht gedacht."

"Und was geht dir durch den Kopf, dass du um drei Uhr morgens die ANBU in Konoha scheu machst?"

Ich sah ihn an. Das war schwierig wegen der Sonnenbrille. Aber ich sah ihn an. "Mein Sohn macht mir zu schaffen", gestand ich.

"Akira-kun? Ich weiß, der Rat ist ganz aus dem Häuschen, weil er fürchtet, die Schattenkunst der Nara könnte von Tsukigakure absorbiert werden. Obwohl wir freundliche Beziehungen unterhalten. Aber das ist es sicher nicht, was dich umtreibt."

"Auch", gestand ich leise. "Aber ich denke, dafür habe ich eine Lösung gefunden. Was mir mehr zu schaffen macht, ist die Frage, ob ich ihm ein guter Vater bin. Ich meine, ich bin erst achtzehn und ich habe noch nichts für ihn getan."

Aoba runzelte die Stirn. "Ich bin kein Vater. Da kann ich dir nicht weiterhelfen." Er zuckte die Achseln. "Der Sandaime hätte dir da einen Rat geben können, denke ich. Aber ich... Tut mir leid."

"Yamashiro-kun, wer hält dich da von der Arbeit ab?", klang eine Befehlsgewohnte Stimme von unten auf.

"Oh scheiße. Nichts, Hyuuga-sama! Es ist nur Mamoru Morikubo!", rief er hastig hinab.

Ich sah nach unten und erkannte den Herrn der Hyuugas am Fuß der Mauer. Er trug die vollständige Jounin-Bekleidung Konohas, was eindeutig besagte, dass er heute Nacht in Dienst war. Und wie es schien, überwachte er die Mauer.

"Mamoru-san? Du solltest es besser wissen, als die Wachen bei ihrer Arbeit zu stören", tadelte er mich. Er winkte mir auf Konoha-Art, indem er die Hand ausstreckte und mit den Fingern wedelte, während die Handfläche nach unten zeigte. Im Land der Steine wäre es eine Aufforderung gewesen, fortzugehen. Hier und in Kumo aber hieß es: Komm mal.

Ich nickte Aoba noch einmal zu, dann verschwand ich per Step und kam vor Hyuuga-sama wieder hervor. Er musterte mich ernst, bevor er mir die Hand reichte. "Ich gratuliere zum Geburtstag, Mamoru-san."

Ich nahm die dargebotene Hand und drückte sie. "Danke, Hiashi-sama."

Er musterte mich einen Moment. "Begleite mich ein Stück, Mamoru-san." Er machte sich auf den Weg und setzte zweifellos voraus, dass ich ihm folgte. Nun, er war der Clanherr von Kou, und außerdem kannte ich ihn schon mein Leben lang. Gut genug. Immerhin.

"Weißt du, Mamoru-san", sagte er mit ernster Stimme, während wir die Mauer entlang gingen, "ich habe dir in den letzten beiden Jahren nie dafür gedankt, was du für Hinata getan hast."

"Hm? Ich habe nichts für sie getan, was der Aufmerksamkeit wert wäre."

"Du hast sie unbeschadet wieder abgeliefert. Das kommt selten vor, wenn ich ihren Missionsrekord anschaue", sagte er und schmunzelte. "Ständig übernimmt sie sich und verletzt sich oder wird grün und blau geschlagen, weil sie immer denkt, das, was sie leistet, ist noch nicht gut genug. Als du sie mitgenommen hast, kam sie fast unbeschadet nach Hause. Und sogar ein wenig selbstbewusster." Er hielt an und sah mir in die Augen. Irritierend, denn alle geborenen Hyuugas hatten eine weiße Iris. Ich fragte mich unwillkürlich, ob Kou und meine Schwester auch Kinder zeugen würden, die eine weiße Iris hatten - das Byakugan. Das war nicht unwahrscheinlich. Aber es gab auch geborene Hyuugas ohne Byakugan, wenn auch sehr selten. Die Frage war nur, was besser für die Kinder war. Alle, die nicht zur kleinen Hauptfamilie gehörten, die Hiashi-sama, seine Frau, Hinata und ihre kleine Schwester Hanabi umfasste, gehörten zur Zweigfamilie und mussten die Versiegelung über sich ergehen lassen. Mit der Versiegelung legten sie ihre Leben und vor allem ihre Byakugans in die Hände der Hauptfamilie, die absolute Macht über ihre Leben bekamen. Hiashi-sama konnte jederzeit und in wenigen Sekunden jeden anderen Hyuuga töten, wenn er es wollte. Oder ihn schmerzhaft bestrafen. Oder beides. Nein, das war kein Schicksal, das ich meinen Neffen und Nichten zumuten wollte. Freiheit war ein hohes Gut, egal wie wichtig die Byakugan für die Hyuugas und Konoha waren.

"Selbstbewusster?" Ich ließ die Mission Revue passieren, dachte an Harusame, den Unter-Daimyo, der sein kleines Reich mit perfiden Methoden ausgenommen und sogar Sklaven genommen hatte, dachte an Mei-chan, die jetzt gerade Mizukage in Kirigakure war. Nein, ich konnte mich nicht erinnern, sie mehr gefordert oder bevorzugter behandelt zu haben als die anderen. Gut, ich hatte sie zeitweise mit Naruto zusammengespannt, in den sie augenscheinlich total verknallt war - noch immer, wie ich vermutete - aber ansonsten... Moment Mal, ging es vielleicht in diesem Gespräch letztendlich um Naruto? Hatte jemand in der Familie bemerkt, dass die künftige Erbin der Familie ausgerechnet ihr Auge auf einen Clanlosen, Familienlosen Burschen wie Naruto geworfen hatte, der zudem auch noch Jinchuriki war? Was mich wieder daran erinnerte, wie Konoha Naruto behandelt hatte und noch immer behandelte, und das alles nur, weil man ihn ungefragt als Gefäß für den Kyubi, den neunschwänzigen Fuchs, benutzt hatte. Ärgerlich ballte ich meine Hände zu Fäusten. "Hiashi-sama, was liegt Ihnen auf dem Herzen? Wenn es darum geht, wen Hinata..."

"Naruto-tono ist nicht der Grund unseres Gesprächs", sagte der Herr der Hyuugas geradeheraus. "Aber wenn du über ihn reden willst, kann ich gerne etwas dazu sagen, weil ich weiß, dass Ihr Freunde seid." Er hielt an und atmete einen Moment tief ein. "Warum Naruto? Das ist es, was ich nicht begreife. Okay, er ist ein eifriger, schnell lernender Shinobi, der eher sterben würde als seine Kameraden zu gefährden. Er hat bereits mehrere S-Rang-Missionen hinter sich. Und mit Jiraiya-sama hat er einen der besten Lehrers Konohas. Dass er als Jinchuriki sein Biju beherrscht, ist sogar ein Bonus. Den Kyubi quasi in der Familie zu haben, würde die Rolle der Hyuugas in Konoha stärken. Aber das wird nichts werden."

"Sie denken weit voraus, Hiashi-sama", sagte ich mit unterdrückter Wut. "Aber warum wird es nichts?"

"Denkst du, ich bin blind? Ich weiß sehr wohl, was meine Töchter tun. Gerade die Ältere ist ein Quell ständiger Sorge für mich. Ich weiß nicht, was ich falsch gemacht habe oder wie es passiert ist, aber sie war von Anfang an ein ängstliches, zurückhaltendes Kind, ständig auf der Hut, immer bereit lieber nichts zu tun, als etwas falsch zu machen. Sie war in sich gekehrt und regelrecht feige. Ich hatte mich damit abgefunden, dass sie so war, aber dennoch war sie noch immer meine Tochter, und ich liebte sie damals und liebe sie heute. Es ändert nichts." Seine Augen mit der weißen Iris drangen durch mich hindurch. "Und dann änderte sich alles. Sie bestand darauf, Ninja zu werden. Sie bestand darauf. Hinata. Sie wollte etwas aus eigenem Antrieb. Ja, sie forderte es geradezu. Ich war überrascht und verwirrt und ängstlich. Was hatte sie verändert? Was hatte ihren Charakter beeinflusst? Und wohin führte sie dieser Weg? Und ich musste erkennen, dass es Naruto war. Der kleine, fiese Bengel, der ganz Konoha terrorisierte, nur um Aufmerksamkeit in Form von wütenden Schreien zu bekommen." Nun ballte auch Hiashi Hyuuga die Hände zu Fäusten. "Ich war dagegen, musst du wissen. Ich war immer dagegen, den Jungen alleine aufwachsen zu lassen. Glaub es mir oder nicht, aber ich hatte angeboten, ihn in meinem Haushalt aufzunehmen. Aber die anderen Familien wollten das nicht, weil dies ja bedeutete, dass der Kyubi zu den Hyuugas kam. Tatsächlich wollte keine der Familien, dass irgendeine Familie den Kyubi bekam. Und so wurde entschieden, dass er alleine leben sollte, sobald er dazu in der Lage war. Sein Leben wurde geopfert, weil erwachsene Menschen Politik gemacht haben. Aber gab er auf? Kam für ihn die Agonie? Nein. Er stand auf und kämpfte. Oh, er war ein lausiger Ninja, aber das lag an seinen lausigen Lehrern. Erst als er durch seine Beharrlichkeit überzeugte, erst als er kämpfte und Hayate-kun zugeteilt wurde, blühte er auf. Und je mehr er aufblühte, sich bewies, Freunde fand, umso stärker wurde Hinata. Die Hinata, die heute meine Tochter ist, und das blasse, stille Kind, das sie damals vor dem Akademie-Eintritt war, sind kaum noch zu vergleichen. Wenn dies so weitergeht, wird sie mir eine würdige Nachfolgerin sein. Und das alles nur wegen Naruto. Umso schwerwiegender ist es, dass ihre Wünsche und Hoffnungen nie erfüllt werden." Nun war sein Blick wehmütig, mitfühlend, ein wenig traurig.

"Wieso?"

Er seufzte. "Du kennst Sakura Haruno?"

Ich nickte. Oft genug hatte ich sie mit meinem kleinen Bruder Naruto gesehen. Team sieben. Das freche Ding, das bei Tsunade-sama in der Lehre gewesen war und Steinplatten mit bloßen Händen spaltete. Vornehmlich zusammen mit dem Boden, auf dem sie lagen.

"Naruto ist Hals über Kopf in sie verliebt. Ich weiß das. Ich kenne den Blick, den er hat, wenn er sie ansieht. Aber sie ist in den jungen Uchiha verliebt, der desertiert ist." Er schnaubte leise aus und bedeutete mir, weiterzugehen. "Noch ist sie auf Sasuke fixiert. Aber irgendwann wird etwas passieren. Sasuke wird sie verraten, oder die Aufspüreinheit wird ihn finden und töten. Und was dann? Dann sind da nur noch Sakura und Naruto. Ich weiß, dass Naruto Hinata mag. Sehr sogar. Weißt du, ich hatte nie etwas gegen Naruto, erst recht nicht seit ich weiß, welche Inspiration er für Hinata ist. Und schon gar nicht, seit er Neji mehr Verstand eingeprügelt hat, während der Chunin-Prüfung, kurz vor dem Angriff auf Konoha... Aber er sieht nicht, dass Hinata in ihn verliebt ist. Und niemand sagt es ihm. Niemand kann es ihm sagen. Und trotz all ihrer Fortschritte wird sie es ihm nie selbst sagen... Aber sollte eines Tages der junge Uchiha sterben, auf welche Art auch immer, sind da nur noch zwei im Liebestriangel. Und erzähl mir, was du willst, aber Sakura Haruno hat sich schon viel zu weit auf Naruto eingelassen. Sie verlässt sich auf ihn, stützt sich auf ihn, vertraut ihm. Und Naruto ist blind vor Liebe zu ihr. Sind das nicht Situationen, in denen man Naruto die Daumen drücken möchte? In denen man ihm wünscht, er möge endlich Erfolg haben, vor allem, da der Uchiha zum Feind Konohas geworden ist? Ich habe keine Idee, wie die Dinge geschehen könnten, sodass Naruto meine Hinata bemerkt, sich in sie verliebt und sie zusammenkommen. Es gibt nur zwei Möglichkeit, aber weder wird der junge Uchiha zurückkehren, noch wird die junge Haruno sterben. Ich kenne ihre Eltern, sie sind zäh wie Leder. Wenn das auf ihre Tochter abgefärbt hat, dann ist sie quasi unsterblich." Er schrak zusammen und hob abwehrend die Hände. "Ich wünsche ihr nicht den Tod, oder so."

"Habe ich auch nicht erwartet."

"Aber so sieht eben die Realität aus. Und das stimmt mich traurig, denn Naruto tut ihr gut. Wie viel könnte sie wachsen, wären sie wirklich zusammen?" Er seufzte. "Und Naruto hätte dann endlich einen festen Platz im Leben. Ich würde ihm einen schaffen. Mit diesen meinen Händen. Hätte ich das nicht vor, hätte ich ihn schon vor langer Zeit töten können, seit ich Hinatas Interesse das erste Mal mitbekommen habe."

Wir schwiegen einige Zeit. Das heißt, ich schwieg, und Hiashi Hyuuga fragte die einzelnen Posten ab, während wir die Mauer entlang gingen. Ninjas waren jederzeit kampfbereit.

"Jedenfalls danke ich dir. Du hast Hinata viel gegeben. Genug, um sie noch selbstbewusster zu machen."

Ich musste lächeln. Und ich erinnerte mich daran, wie wir damals vor der Mission damals zusammen gespeist hatten. Sie hatte ein Abendkleid getragen und war ein Blickfang gewesen, obwohl meine Mädchen dabei gewesen waren. Ja, an Hinata war so viel mehr dran, als man hinter ihrem schüchternen Wesen vermutete. "Sie ist etwas besonderes."

"Sie ist mein Kind. Selbst wenn sie nichts besonderes wäre, ich hüte sie und beschütze sie. Soweit sie mich lässt. Aber letztendlich muss man seine Kinder auch loslassen. Selbst wenn es bedeutet, ihnen den Freiraum zu geben, sich selbst den Hals zu brechen. Ich kann sie nicht vor der Welt einsperren und behüten, auch wenn ich das möchte. Ich muss sie all ihre eigenen Fehler machen lassen. Ich kann nur da sein, für sie da sein, wann immer sie zurückkommt. Ich kann nur ihr Anker sein, ihr Vater, ihre Familie..."

Erstaunt sah ich den großen Mann an. "Hyashi-sama, als ich heute morgen erwachte, plagten mich Zweifel wegen meines Sohnes."

"Akira-chan?" Er schmunzelte. "Kou hat ihn mitgebracht. Ein paarmal schon. Ich glaube, ich muss mich entschuldigen, weil Hanabi ihn mit Süßigkeiten überfüttert hat.

Was für Zweifel, Mamoru-san?"

"Bin ich ein guter Vater?"

Der Hyuuga hielt an und taxierte mich. Er legte beide Hände auf meine Schultern. "Das ist eine sehr gute Frage, die jeden Vater beschäfigt. Jeden plagen die Zweifel. Bin ich genug Vater? Verbringe ich genug Zeit mit meinem Kind? Bereite ich ihn gut genug auf die Welt vor? Kann ich ihn vor der Welt beschützen, oder beschütze ich lieber die Welt vor ihm? Wir alle stehen vor diesem Dilemma. Und das jeden verdammten Tag. Es hört nie auf. Niemals. Denn selbst wenn sie erwachsen werden, so bleiben sie doch immer die eigenen Kinder."

Ich fühlte, wie ich erbebte. Meine Augen wurden feucht. Hiashi-sama hatte einen Großteil meiner Ängste und geheimsten Gedanken ausgesprochen, und das berührte mich.

Er nahm mich in die Arme und drückte mich. "Es ist in Ordnung, Mamoru. Du bist seit sechs Jahren ein Ninja, tötest und kämpfst für Konoha, aber nie hat dich jemand auf den Kampf vorbereitet, ein Vater zu sein. Eigentlich bist du selbst noch ein halbes Kind, das viel zu schnell viel zu erwachsen sein musste. Aber die Antwort auf all deine Fragen und Zweifel liegen in einer Frage. Nicht in: Bin ich genug für meinen Sohn da? Sondern in: Bin ich für meinen Sohn da?"

Er löste sich, hielt mich ein Stück von sich. "Bist du für deinen Sohn da?"

"Ich bin meistens nicht mal hier", sagte ich bedrückt.

"Wenn Ihr zwei im gleichen Haus seid, bist du da für ihn da?"

"Ich bemühe mich", sagte ich bedrückt. "Ich bemühe mich sehr."

Der große Hyuuga lächelte. "Und damit hast du alle Antworten, die du brauchst. Denn mehr als sich bemühen kann niemand. Es gibt keine Perfektion. Gerade nicht für Eltern. Mehr kannst du ihm nicht geben, und mehr musst du ihm auch nicht geben. Außer deiner unverbrüchlichen Liebe und Treue, außer deinem Verständnis und deinen Schutz."

Übergangslos fühlte ich mich erleichtert. Es war, als hätte jemand Felsbrocken von meinem Herzen geräumt. "Hiashi-sama..."

"Ich weiß. Jeder Vater weiß das. Es wundert mich, dass Shikaku mit dir noch nicht darüber gesprochen hat. Aber es ist gut, dass wir es jetzt konnten." Seine kräftige Rechte klopfte auf meine Schulter. "Wurde aber auch Zeit, dass es dir jemand sagt, oder?"

Ich nickte leicht. Ich fühlte mich wirklich viel besser, obwohl seine Worte übersetzt bedeuteten, dass ich mich durchaus noch mehr anzustrengen hatte... Aber es fühlte sich gut an.

"Du solltest also besser wieder nach Hause gehen und schlafen, Mamoru", sagte er schmunzelnd. "Du hast noch einen langen Tag vor dir und musst ausgeruht sein, nicht wahr?"

Ich nickte schwach. Dieser Mann hatte die Byakugan? Er brauchte sie nicht, um mich bis auf die Seele zu durchschauen. "Den habe ich, Hiashi-sama."

"Dann geh stiften, Mamo-chan. Heute Nacht wache ich über Konoha, nicht du."

Erschüttert sah ich ihn an. Dann trat ich zwei Schritte zurück und verbeugte mich formell aus der Hüfte vor ihm. Das ließ ihn schmunzeln. Wohlwollend schmunzeln.

Wir nickten einander zu und ich verschwand per Step. Egal ob ich bereits ein guter Vater für meinen Sohn war oder nicht, ich wusste, dass es immer eine Möglichkeit gab, voran zu schreiten. Und ich würde voran schreiten. Alles andere hätte nicht meinem Wesen entsprochen.

Tatsächlich fand ich in dieser Nacht noch Schlaf für ein paar Stunden.

***

Als ich erwachte, erwartete mich eine handfeste Überraschung. Ich meine - ich bin Shinobi, und Überraschungen gehörten seit den ersten Tagen meines Trainings zum täglichen Brot, wie man im Land der Steine sagt. Es sollte eigentlich schwer fallen, mich zu überraschen. Und ich war ja auch schon einiges gewohnt. Hatte mehr als einen Tag in einem Teich verbracht, nur mit einem dünnen Schilfrohr bewaffnet, durch das ich Luft holen konnte, war bereits ein paarmal fast gestorben, hatte mich selbst mehrfach in Brand gesetzt und war auf dem besten Wege zu werden, was ich immer gescheut hatte, ein Jounin Konohas. Und ich war es auch gewöhnt, morgens zu erwachen und das Gesicht voller Haare zu haben. Nicht meine eigenen, versteht sich. Oder ich erwachte und spürte einen meiner Arme nicht mehr, weil ein Frauenkörper es sich auf ihm so richtig bequem gemacht hatte. Aber es kam eigentlich eher selten vor, dass ich die Augen aufschlug, und ein Mädchengesicht mit Schweiß auf der Stirn auf mich herabsah.

"Mamoru, hilf mir", sagte das Mädchen beschwörend.

"Hana-chan?", fragte ich verwundert, während ich versuchte, die Situation zu begreifen. "Hana-chan, was machst du in meinem Schlafzimmer?"

"Dich wecken", erklärte sie lapidar. Irgendwo knackte etwas, sie fuhr zusammen und richtete den Kopf auf wie ein Hund, der auf feinste Geräusche lauschte. Als nichts weiter passierte, fügte sie hinzu: "Damit du mir hilfst."

"Wobei soll ich dir helfen?", fragte ich, kurz den Verdacht hegend, dies wäre ein Traum, womöglich ein Wunschtraum mit meinen geheimen Begierden als Träger. Ehrlich, wenn man erst einmal Sex hatte, konnte man sich dran gewöhnen. Vor allem aber war man versucht..."

"ER ist hier, Mamoru! Und ER ist hinter mir her!"

Also kein Wunschtraum. Überhaupt kein Traum, denn in diesem Traum hätte Kishio sicher nichts zu suchen gehabt. Allerdings stand er in der Tür und beobachtete die Szene.

"Also noch mal von vorne. Was ist los, Hana-chan?", fragte ich und richtete mich auf.

"Wie ich schon sagte, er ist hier und er ist... Besser geworden. Angsteinflößend besser. Also, ich habe Angst, Mamoru."

'Weißt du, was sie meint, Otouto?', fragte ich Kishio mit meinen Gedanken.

Der junge Moeru zuckte die Achseln. 'Ich habe keine Ahnung. Sie kam hier vor einer Minute reingestürmt, lief geradewegs zu deinem Zimmer und hat dich so lange geschüttelt, bis du wach warst. Das hat mich dann geweckt.'

Ich richtete meine Aufmerksamkeit wieder auf Hanako. Ihr Adrenalinspiegel war verdammt hoch, sie war nervös, geradezu unruhig. Sie hatte vielleicht keine Angst, aber sie war verstört. In Gedanken ging ich unsere gemeinsamen Feinde durch, fand aber niemanden, der noch lebte und dazu in der Lage war. Ich legte ihr beide Hände auf die Schultern. "Natürlich helfe ich dir. Aber dafür musst du von vorne anfangen, Hana-chan. Wer ist hier? Und was will er von dir?"

"Was er von mir will?" Ihre Augen kontraktieren. "Meinen Körper, vermutlich. Wer er ist? Harusame."

Nun fuhr ich vollends auf. "Was?" Harusame, so lautete der Name des Unter-Daimyos, mit dem wir schon zweimal kollidiert waren. Nach dem zweiten Mal hatte ich gedacht, der Daimyo des Mizu no Kuni hätte ihn ein für allemal kaltgestellt. Was zum Henker machte er also in Konoha? Und warum war er hinter Hanako her?

"Mamoru, du hast einen Gast", sagte Vater, sah in mein Zimmer und trat ein Stück beiseite.

Der groß gewachsene Mann mit dem Kirigakure-Stirnband, das zu einer Mütze gebunden war, nickte mir ernst und respektvoll zu, bevor er mit leuchtenden Augen sagte: "Hanako-tono. Es freut mich, dich so schnell wiederzusehen!"

"Er ist HIER!", rief sie entsetzt und verkroch sich hinter meinem Rücken.

"Äh...", machte der große Kiri-Nin etwas hilflos. Halb streckte er eine Hand aus, aber da er einsah, dass das nichts brachte, ließ er sie wieder sinken.

"Harusame", stellte ich fest, den Mann taxierend, den ich selbst seines Postens enthoben hatte.

"Nur noch Haru, Morikubo-sama." Er verbeugte sich vor mir, weit tiefer und länger als ich verdient hätte. "Ich bin hier zu deiner Unterstützung, Morikubo-sama. Ich bin der Regenmacher."

Tick. Eins. Tick. Zwei. Tick. Drei. Ich war wach. "Aaaaaaah! Du bist der Regenmacher?"

"Frag ihn, was er von mir will, und dann bring ihn um", zischte Hanako hinter meinem Rücken.

"Ich bin der Regenmacher. So nennt man mich in Kirigakure." Er legte beide Hände aneinander und verneigte sich erneut, diesmal aber leichter, irgendwie eleganter. "Als du mich damals abgesetzt hast, Morikubo-sama, wurde ich unter einer Person platziert, die dafür sorgen würde, dass ich nicht erneut Unsinn anstellen kann. Und so sehe ich es heute, ich habe Unsinn angestellt. Viel Unsinn. Ich wurde Mei Terumi-sama zugeteilt, und sie ließ mich durch eine harte Zeit gehen. Eine Zeit, die ich verdient habe, jetzt, wo ich die Dinge klarer sehe, nicht mehr mit dem Blick des verwöhnten Kinds aus reicher Familie, sondern mit den Augen des erfahrenen, reifen Shinobi. Du möchtest sicherlich ein paar Erklärungen von mir hören, nicht?"

"Wollen wir nicht! Geh einfach wieder nach Kirigakure!", rief Hanako ärgerlich.

"Hanako-tono..."

"Ja, wollen wir", ging ich dazwischen. "Was ist passiert?"

"Ich... Wurde zum Ninja ausgebildet. Ungewöhnlich, einen Mann meines Alters noch einmal von Grundauf aufzubauen, ihm vollkommen Neues beizubringen. Die letzten zwei Jahre waren zweifellos die interessantesten, aber auch die härtesten meines Lebens. All meiner Privilegien verlustigt konnte ich mir nur neues Vertrauen und neues Verständnis erarbeiten. All dessen entledigt, was mit meinem Namen verbunden war, konnte ich nur den Weg gehen, der mich zum Verständnis über meine Taten und zur Buße über sie führte. Mein neues Leben ist eine Buße, Morikubo-sama, eine ewige Buße, die erst beendet ist, wenn ich sterbe." Für einen kurzen Moment starrte er ins Leere. Aber schnell hatte er sich wieder gefangen. "Wenn man erst einmal unten ist und um sein Überleben kämpft, in meinem Fall lernt, sieht man viele Dinge anders. Wenn man selbst auf der Stufe steht, auf die man alle anderen stets gesehen hat, verändert es die Perspektive. Man sieht klarer. Man versteht. Man verändert sich. Mir wurde relativ schnell klar, dass mein Weg hatte scheitern müssen. Dass ich dumm genug gewesen war, auf dumme, feige, gierige, arrogante und brutale Ratgeber gehört zu haben, während ich jene Ratgeber, die mein Onkel mir mitgegeben hatte, zwar benutzte, aber mir selten ihre Meinung anhörte. Ich habe damals versagt. Und dieses Versagen will ich gutmachen, mit jedem einzelnen Tag, den ich noch leben werde. Ich..." Er verstummte erneut, betrachtete stumm seine Hände und seine Kiefermuskeln kontraktierten. "Ich habe Blut an den Händen. Das lässt sich nie wieder fortwaschen. Schlimmer noch, es war mir damals egal. Ich war einem Leben gegenüber gleichgültig. Dies schlug alles auf mich zurück. Ich... Verstehe nun vieles. Ich... Weiß nun vieles. Und ich muss sagen, es ist ein gefährlicheres, aber auch schöneres, besseres Leben. Ich mag es, ein Ninja zu sein. Nun bin ich das Werkzeug."

"Aha. Und warum hat man dich mir zugeteilt, Haru?"

Er lächelte verschmitzt auf die gleiche jungenhafte Art, die mir von ihm berichtet worden war, bevor ich ihn hatte verhaften und einkerkern lassen. Mir war klar, dass manche Frauen darauf ansprachen. "Nun, ich habe darum gebeten, Morikubo-sama."

"Du hast was?"

"Ich habe darum gebeten, der Chunin sein zu dürfen, der dich begleitet."

"Chunin?", fragte ich argwöhnisch und zog eine Augenbraue hoch.

"Ist er immer noch da?", fragte Hanako ungehalten aus ihrem Versteck heraus.

"Chunin. Wie ich schon sagte, das Leben als Shinobi gefällt mir. Es fordert viele meiner Talente. Es tut gut, etwas zu tun, was man kann und an seine Grenzen gehen zu können. Manchmal auch darüber hinaus." Er zuckte die Achseln. "Und ich habe darum gebeten, weil du der Shinobi bist, der mich besiegt hat. Mich, Terumi-sama, Kyun-tono, meine Garnison... Selbst Koji-tono. Wenn man wie ich sein altes Leben fortwirft und neu anfängt, sucht man sich andere Lehrer als zuvor. Es war immer mein Wunsch, einmal auf der gleichen Seite wie der Stratege zu stehen, der mich besiegt hat. Nicht, dass ich es ihm schwer gemacht hätte. Aber er hat auch Mei Terumi-sama besiegt, die fünfte Kazekage. Für mich ist dies eine ganz besondere Gelegenheit, Morikubo-sama. Aber das ist noch nicht alles. Mir war klar... Ich meine, ich habe gehofft... Ich hoffte wirklich, bei dieser Gelegenheit Hanako-tono wiedersehen zu können."

"Ich habe dich gesehen! Jetzt geh wieder nach Hause!", murrte sie laut.

"Ich glaube nicht, dass du Chancen bei ihr hast", sagte ich.

Das traf ihn sichtlich. Er errötete stark, und hätte er nach seinen Waffen gegriffen, hätte ich nach meinem Schwert... Ach ja, das hatte ich ja Kira geschenkt. Aber meine Kunai waren immer in Griffreichweite. Doch es war anders. Die Röte kam nicht aus Wut. Es war ein Gefühl der Scham, das ich in seinen Augen sehen konnte. Und es war auch kein Adrenalin, das durch seine Adern jagte. Kishio, der einen halben Schritt zurückgetreten war, um ungehindert seine Waffen zücken zu können, verharrte in der Bewegung und ließ die Hände wieder sinken. Keine Gefahr. Auf sein Urteil konnte ich mich verlassen. Das war also dieses delegieren, eh? Konnte ich mich dran gewöhnen.

"Es ist... Nicht so, als würde ich herkommen und erwarten, dass Hanako-tono in ewiger Liebe zu mir verfällt, kaum dass sie mich sieht. Ich habe mich viel zu sehr wie ein selbstherrlicher, sich überschätzender Idiot verhalten, dass mich irgendjemand lieben könnte..." Seine Worte wogen schwer und klangen ehrlich. "Jene, die mich liebten, meinten meinen Status und mein Geld. Jene, die mich nicht liebten, konnte ich durch meine Macht zwingen. So, wie ich auch Hanako-tono gezwungen habe. Beziehungsweise hätte, wenn mehr Zeit geblieben wäre. Zumindest, bis sich die zarte Blüte in eine tödliche Kunoichi verwandelt hätte."

Diese Erkenntnis ließ mich grinsen. Breit grinsen. Hanakos Hände, die sich in meinen Rücken krallten, schlossen sich vor Genugtuung ein wenig. Auch sie grinste gerade zweifellos. Sie war ja für Schmeicheleien sowas von empfänglich.

"Was also ist es, was du willst?"

Er sah zu Boden. Sah wieder auf. Wieder fort. Erneut zu Boden. "Eine Chance, Morikubo-sama."

"Eine Chance?", echote ich.

Nun sah er mich wieder an. Auch Hana-chan verließ ihr Versteck ein Stück und linste über meine Schulter. "Eine Chance, ja." Er griff sich mit beiden Händen an die Brust. "Ich bin nicht mehr der, der ich vor zwei Jahren war. Harusame, der Neffe des Daimyos, ist tot, unwiderruflich gegangen, seit ich das erste Mal meine Waffen zog, um mein Leben zu verteidigen, ohne, dass jemand anderes dies für mich tat. Es war ein weiter Weg für mich, voller Entbehrungen, voller Anstrengungen und voller Erkenntnis. Ich habe viel geopfert." Er hob die linke Hand. Gut konnte man nun erkennen, dass ihm die obere Fingerkuppe und Teile der ersten Fingerglieder von Zeige-, und Ringfinger fehlten. Wer immer das getan hatte, er hatte einen sauberen Hieb gelandet. Dies war nicht das Werk einer gezielten Verstümmelung, wie die Yakuza, eine Verbrechergruppe im Land der Steine, von jenen ihrer Mitglieder verlangten, die für Fehler sühnen mussten. Dies war ein Schwertstreich gewesen. Ein leises "oh" des Mitgefühls kam von Hana-chan. Als Kunoichi kannte sie sich mit Verletzungen aus. Und mit den Einschränkungen, die sie brachten.

Haru lachte leise. "Der Streich war auf meinen Hals gezielt. Ich kann froh sein, dass es nur ein wenig Finger getroffen hat. Ich muss wohl nicht erwähnen, dass ich gewonnen habe."

Nein, das musste er nicht. Nicht mir gegenüber.

"Jedenfalls bin ich jetzt anders. Nicht besser oder klüger oder so etwas. Aber ich habe die Bedeutung der Worte Bitte und Danke gelernt. Auch die Bedeutung der Worte Vergebung und Gnade, weil mir beides zuteil wurde. Vielleicht bin ich jetzt, ah, ein wenig schlauer, aber auf jeden Fall ist Haru ein Mensch, der alles abgelegt hat, was Harusame ausgemacht hat. Bis auf eine Ausnahme."

Ich musste grinsen. Nun ließ der ehemalige Unter-Daimyo die Katze aus dem Sack. Hana-chans Hände krallten sich noch ein wenig fester in meinen Rücken. Sie spürte es auch.

"Was ich nie ablegen konnte, ist die Erinnerung an Hanako-tono. An ihr goldenes Haar, an ihr wunderschönes Gesicht, an ihre..." Er errötete, und für einen Moment spürte ich, wie Hana-chan nach ihrer Waffe griff. Adrenalin rauschte durch ihren Körper, und sie war bereit, jetzt und hier einen Mord zu begehen. "Ihre was?", hakte ich nach. Dies brachte dazu, Hana-chans Wut sofort verpuffen zu lassen. "N-nichts! Ist nicht so wichtig!", rief sie. "Sprich weiter, Haru!" Dies war eine Drohung gewesen, und der Kiri-Nin hatte sie wohl verstanden.

"Ich konnte dich nie vergessen, egal was ich je tat in den letzten beiden Jahren. Nicht das wunderschöne Wesen, das feengleich in meinen Palast geschwebt gekommen war, und nicht die knallharte Kunoichi, die mich binnen weniger Augenblicke besiegt hatte. In deinem Zorn, Hanako-tono, bist du noch viel schöner, als..." Verlegen sah er zur Seite. "Ich weiß, dass ich keine Chance gegen Morikubo-sama habe. Nicht in deinem Herzen. Aber wenn ich auch nichts ändern kann, was deine Zukunft betrifft, wenn es kein uns gibt, so will ich doch, dass deine Meinung von mir besser wird. Ich will nicht, dass du von mir nur von jenem Menschen denkst, den du als Harusame kennengelernt hast. Ich bin jetzt Haru, und ich bleibe es, bis ich getötet werde. Bis dahin will ich dienen und schützen, wie es sich für einen Kiri-Nin gehört."

"Aber sie ist doch...", begann ich, doch Hana-chan hängte sich um meinen Hals, wobei sie mich fast erwürgte. Sie küsste mich demonstrativ auf die Wange. "Ja, an Mamo-chan kommst du nie heran, das ist wahr." Okay, da würde jemand einem gewissen Ryu Kaminari eine Menge zu erklären haben, schätzte ich.

"Wie ich schon sagte, ich möchte die Chance nutzen, Morikubo-sama zu begleiten, um mich zu beweisen. Und vielleicht um zu verhindern, dass er weiteren Kunoichi... Ich meine, du hast doch schon Hanako-tono, Morikubo-sama, die schönste Frau ganz Konohas. Du musst da doch nicht auch noch mit armen, unschuldigen Kiri-Nin-Herzen spielen."

Nun errötete ich ein wenig. Irgendwie ahnte ich, dass mir diese Geschichte, mit der ich Suirins Leben gerettet hatte, auf genau diese Weise nachhängen würde. Und dies für eine lange, lange Zeit. Mist.

Nun wurde ihr Griff um meinen Hals richtig fest. "Das ist vielleicht keine so dumme Idee, Haru-san." Ich bemerkte wohl, was hier geschah. Und warum sie mich halb erwürgte. Obwohl sie sich offiziell einen anderen Freund gesucht hatte, war sie eifersüchtig auf das, was ich Suirin angetan hatte - abgesehen davon, dass ich ihr Leben gerettet hatte. Sie sah Haru an. "Wir werden sehen, was passiert. Und je nachdem, was man mir von dir berichten wird, werden wir sehen, ob sich meine Meinung ändert, Haru-san."

Der Kiri-Nin, der mal ein Daimyo gewesen war, nickte erfreut. Er verbeugte sich tief und steif aus der Hüfte. "Vielen Dank für diese Chance, Hanako-tono!" Als er wieder aufsah, war er für eine Sekunde nachdenklich. "Oh, da war ja noch was." Er öffnete seine Chunin-Weste und zog einen flachen Gegenstand hervor. "Dies soll ich dir von der Godaime Kazekage geben, Morikubo-tono. Und ich soll dir herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag wünschen."

Ich nahm das flache Päckchen entgegen und wog es in der Hand. Schwer war es nicht. "Richte Mei-chan... Ich meine Terumi-sama meinen Dank aus."

Ich öffnete das Paket. Es enthielt ein Ninja-Stirnband. Die Seite mit dem Symbol Konohas lag obenauf. Keine schlechte Idee von ihr, denn das Silberstirnband konnte ich nicht mehr lange tragen, ohne es zu beschädigen, und um ein neues hatte ich mich noch nicht gekümmert. Ich nahm das Stirnband auf und drehte es. Auf der Innenseite war auch ein Zeichen angebracht. Die vier kurzen Wellen Kirigakures. Ich stockte. Dies war mehr als ein Geschenk. Es war eine Einladung, mich überall und jederzeit als Kiri-Nin ausgeben zu können. Und dies mit Segen der Kazekage. Es gab nicht viele Geschenke, die man einem Shinobi machen konnte, die solch einen Wert besaßen. "Meinen aufrichtigen, tief empfundenen Dank", fügte ich berührt an. Für einen Moment war ich versucht, Haru auf die Party einzuladen, aber dort hatte er rein gar nichts verloren. Vielleicht nach der gemeinsamen Mission. Eventuell. Ganz vielleicht.

"Unsere Mission beginnt in zwei Tagen. Wo wirst du...?"

"Ich bin Gast der Godaime Hokage", sagte Haru. "Meine Mission erfolgt in direkter Absprache der Kages. Bis wir aufbrechen, werde ich mich meinem Training widmen, Morikubo-sama. Aber ich werde rechtzeitig am Haupttor sein."

Gut, das verschaffte mir zwei Tage Luft. Und er versaute mir meine Geburtstagsfeier nicht. Das war schon mal ein Pluspunkt. Er vergab die Chance, mit Hana-chan Zeit zu verbringen, ob sie wollte oder nicht. Eventuell hatte er sich wirklich verändert. Zum Besseren. Wir würden sehen.

Er verneigte sich erneut. "Ich habe nun einen Termin bei Tsunade-sama. Wenn Ihr mich entschuldigt, Morikubo-sama, Hanako-tono." Er nickte Kishio und Vater zu. "Morikubo-san, Moeru-san." Dann verließ er das Zimmer. Kurz danach ging die Haustür. Er war fort.

"Uff", machte Hana-chan und ließ endlich meinen Hals los. Wie eine Marionette, der man die Schnüre durchgeschnitten hatte, fiel sie auf die Kissen. "Das wäre geschafft. Dies ist wirklich das erste Mal, dass ich froh bin, dass Ryu nicht in Rufweite ist. Ich fürchte, wir hätten uns drum schlagen müssen, wer Haru töten darf."

"Sei dir mal nicht so sicher", sagte ich, schlug die Decke zurück und stand endlich auf. "Ein untrainierter Mensch, der es in zwei Jahren zum Chunin schafft, ohne sein Leben lang darauf vorbereitet zu werden, hat definitiv etwas auf dem Kasten." Das war nur zu wahr. Ich beschloss, vorsichtig zu sein. Sehr vorsichtig. Vor allem, solange er noch glaubte, ich sei Hana-chans fester Freund. Man konnte ja nie wissen.

"Papapapapapapapapa!" Akira kam in den Raum gelaufen, noch immer in seinem Schlafanzug. Ich nahm ihn auf den Arm. "Her... Herz..." Herzlichen...", half Maria aus, die lächelnd in der Tür stand.

"Herzlichenglückwunsch!" rief er begeistert und umarmte mich.

"Danke sehr, mein Sohn." Ich küsste seine Wange. "Vielen Dank." Das zweite Geschenk des Tages war auch nicht gerade schlecht. Und der Tag hatte noch einiges mehr zu bieten.

***

Der Tag verging wie im Flug mit den Vorbereitungen für die Feier im Gemeinschaftssaal der Nara. Vereinzelt trafen auswärtige Gäste ein. Ich freute mich sehr, als ich einen kräftigen Handschlag mit Ryuji Nekozumi austauschen konnte. Der Riese mit dem überdimensionierten Schwert war in den letzten Jahren einer meiner besten Freunde geworden.

"Es tut gut, dich wiederzusehen, Mamoru", sagte er, Augenblicke bevor er mich mit der Kraft eines Braunbären umarmte. "Und ich habe einiges zu erzählen."

So, wie er es betonte, ging es um die Mission. Interessiert sah ich ihn an. "Ich bin gespannt."

"Das darfst du sein", versprach er. Der große Clansführer reichte Kishio die Hand. "Moeru-sama."

"Nekozumi-sama." Sie schüttelten einander die Hände und lächelten sich grimmig an. Wie es schien, waren sie auch Freunde geworden.

"Hey, kleiner Bruder! Alles klar in Konoha?"

"Omoi!", rief ich erfreut. "Karui! Samui!" Ich eilte auf die drei Kumo-Nin zu und schüttelte ihre Hände. "Willkommen in Konoha. Ist Sensei nicht dabei?"

"Er schickt dir Grüße und ein Geschenk. Aber leider ist er auf einer Mission", erklärte Omoi grinsend. "Lutscher?"

Übergangslos steckte er mir einen der Lollis in den Mund, die er permanent zu lutschen pflegte. Himbeer. Immerhin hatte er Geschmack.

"Ich habe keinen Lutscher. Darf ich trotzdem eintreten?", fragte Kankurou.

Ich wandte mich zum Ratsherrn Sunagakures um. "Natürlich darfst du das, Kan-chan."

"Der Kazekage lässt sich entschuldigen. Er wäre gerne gekommen, aber im Moment kann er Sunagakure nicht verlassen. Es liegt etwas in der Luft", erklärte der schwarzgekleidete Puppenmeister, während wir einander die Hände schüttelten. "Aber er hat dir ein Geschenk gesandt und ich soll dir herzliche Glückwünsche ausrichten."

"Danke, Kan-chan."

"Was denn? Uns begrüßt du gar nicht?", beschwerte sich Lian bei mir.

"Natürlich tue ich das, aber alles geht hier streng nach Reihenfolge. Zuerst der mächtige Ratsherr von Sunagakure, dann seine Schergen", scherzte ich. "Hallo. Schön, euch zu sehen, Lian, Tooma."

Die beiden Suna-Nin begrüßten mich herzlich, obwohl es gar nicht so lange her war, dass wir einander gesehen hatten. Tooma war noch ein Stück größer geworden. Lian auch, wenngleich das nicht die Körpergröße betraf. Und ihr ehemals herbes Gesicht war nun mindestens so hübsch wie das ihrer Mutter. Aber man sagte ja, das nichts eine Frau schöner machte als die Liebe. Und sie und der Puppenspieler Tooma waren heftig ineinander verliebt.

"Ist hier zufällig das Ende der Schlange, um beim mächtigen ewigen Chunin vorstellig zu werden?", fragte eine weitere bekannte Stimme.

Ich sah erfreut zu den Neuankömmlingen herüber. "Amir! Hassin! Khal!" Die drei Jounin aus Tsukigakure kamen rasch näher und begrüßten mich herzlich. Wenn nicht zu meiner Volljährigkeit, wann sonst hätte ich sie einladen sollen?

"Da traut man sich ja gar nicht richtig...", klang eine schüchterne Mädchenstimme zu mir herüber.

"Susume-chan?" Erfreut eilte ich auf sie zu. "Was bist du gewachsen. Wie bekommt dir der Dienst in der Burg?" Ein scharfer Blick traf den Mann in ihrer Begleitung: Tsuyoshi, ihr Freund, der mittlerweile als Hauptmann diente. "Du behandelst sie doch gut?"

"Alles in Ordnung, Mamoru-san!", sagte er und hob beschwichtigend die Hände. "Ich trage sie auf Händen."

"Nur über Pfützen", scherzte Susume. "Ich soll schön von Papa und Onee-chan grüßen. Sie ist wieder schwanger, deshalb wollen sie nicht weit reisen."

Papa nannte sie Genta, den ehemaligen Banditen, der Genta-no-Son gegründet und zum Erfolg gemacht hatte, mittlerweile. Wirklich, der Straßenräuber hatte die Kurve gekriegt und sein Leben auf ein besseres Fundament gestellt. "Immerhin du bist hier."

"Und mein Freund." "Ach ja, und dein Freund", sagte ich gespielt säuerlich. Dennoch ging der Offizier einen halben Schritt zurück und lächelte verlegen. Hatte er Angst vor mir? Sehr gut.

"Kommt rein", sagte ich versöhnlich. Damit waren alle Auswärtigen, die ich geladen hatte und die auch hatten kommen können, eingetroffen. Dazu kam meine Familie - was die Nara einschloss - und einige spezielle Freunde aus Konoha, die schon da waren. Abzüglich einiger Leute, die nicht kommen konnten. Naruto zum Beispiel war auf einer Mission, was ich sehr bedauerte. Aber ansonsten konnte ich mich nicht beklagen. Freudestrahlend folgte ich meinen Gästen in den Saal.
 

"Mamo-chan, kann ich dich kurz sprechen?", fragte Ryu Kaminari. Er nickte in Richtung der Ecke, wo der Tisch stand, auf dem ich meine Geschenke sammelte. Nicht, dass ich damit gerechnet hatte. Aber für den frühen Nachmittag war er schon gut gefüllt. Eines der Geschenke war von Ryu. Bücher für meine umfangreiche Bibliothek, wie ich vermutete, wenn ich auf Gewicht und Form des Pakets schloss. "Natürlich."

Also stellten wir uns abseits. "Was diesen Haru angeht...", knurrte er.

"Ich bin ganz Ohr."

"Damit das klar ist, Hana-chan gebe ich nicht her. Nicht mal für dich."

"Glasklar." "Wenn dieser Haru sich also was einbildet, wenn er meint, er könnte hintenrum bei ihr landen, komme ich vornerum mit dem Schwert. Ich hoffe, das ist ihm klar."

"Wenn es ihm nicht klar ist, werden wir es ihm klar machen", versprach ich.

Ryus Miene hellte sich auf. "Ich kann mich also auf dich verlassen, Mamo-chan?"

"Natürlich kannst du das. Ich werde nicht zulassen, dass so etwas Dummes passiert wie dass sich ausgerechnet unsere Hana-chan auf so einen Kerl einlässt, keine Sorge."

"Danke. Schlimm genug, dass ich sie mit dir teilen muss", erwiderte er erleichtert, aber auch ein wenig verärgert. "Aber das wusste ich wenigstens vorher."

"Nun." Das machte mich doch ein wenig verlegen. Er hatte ja Recht. Ich schlief nicht mit ihr, das hatte sie nie gewollt, aber wir waren einander noch immer näher als manche Geschwister. Man konnte beinahe sagen, uns gab es nur zusammen. Glücklicherweise war Ryu gut mit mir befreundet, Teufel auch, er war mein bester Freund in Konoha. Allein deshalb konnte es mit ihm und Hanako gut gehen. Zumindest hoffte ich das, als Balsam für mein Ego.

Ich klopfte ihm auf die Schulter. "Keine Sorge, ich bin bei dir."

"Ich weiß", erwiderte Ryu. "Und ich weiß das zu schätzen."
 

"Wo ist denn das Geburtstagskind?", klang hinter uns die Stimme der Hokage auf.

"Hier, Tsunade-sama!" Ich lächelte erfreut und kam zur Tür. Dort stand sie, begleitet von Shizune, wie immer, eigentlich. Sogar Buta-kun, das kleine Schweinchen war dabei. "Danke, dass Ihr gekommen seid."

"Danke für die Einladung, Mamo-chan", sagte Shizune verschmitzt lächelnd. Das Schweinchen grunzte bestätigend.

"Kommt doch rein", bat ich.

"Langsam, langsam. Zuerst ist dein Geschenk dran. Mal sehen. Das letzte Mal habe ich dir zum Geburtstag ein ANBU-Team geschenkt", sagte sie nachdenklich, auf die Geschehnisse in Suna anspielend. "Was also kann ich dir dieses Jahr schenken?"

"Alleine deine Anwesenheit ist bereits Geschenk genug, Tsunade-sama", erwiderte ich.

"Galante Antwort. Aber ich habe schon etwas ausgesucht." Sie überreichte mir zwei Schriftrollen, die sie von Shizune übernahm. "Deine offizielle Akkreditierung als Tokubetsu Jounin Konohas inklusive einer temporären diplomatischen Immunität, die du im Yuki no Kuni eventuell gebrauchen kannst."

"Danke, Tsunade-sama." Diplomatische Immunität? Für einen Ninja? Wusste sie etwas, was sie mir noch nicht mitteilen wollte? Ahnte sie etwas? Gab es ein Problem? Mit gemischten Gefühlen nahm ich beides entgegen. Immerhin, ich dachte nicht länger über die Akkreditierung als Jounin nach und beschäftigte mich mehr mit der Immunität.

"Wenn du schon dabei bist, Geschenke auszupacken, dann mach unseres doch auch gleich auf." Kira grinste wie ein Honigkuchenpferd. Er, Shinji und Mai standen hinter mir und hielten mir das Päckchen entgegen, mit dem sie gekommen waren.

"Gut, gut." Ich öffnete es und fand zu meiner Verwunderung ein Buch und eine Vase mit Steckmoos. "Nanu?"

"Du hast zwar keine Ambitionen, mal Hokage zu werden", erklärte Shinji grinsend, "aber falls du dich doch mal dazu entschließen solltest, musst du Ikebana erlernen, die Kunst des Blumensteckens. Das scheint eine Grundvoraussetzung zu sein, wenn man Kage werden will."

Tsunade-sama lachte schallend. "Eine sehr gute Idee. Soll ich dir ein paar Stunden geben, Mamo-chan?"

Innerlich amüsiert, aber nach außen säuerlich sah ich mir das Geschenk an. "Danke, Tsunade-sama. Die werde ich jetzt wohl auch nötig haben."

Meine Genin grinsten dabei von einem Ohr zum anderen. "Nicht, dass ich wirklich Hokage werden möchte, oder so."
 

"Wenn du schon mal dabei bist... Hier, bitte."

Ich nahm das kleine Paket aus Shinpachis Händen entgegen. Es war eine Kreuzvorrichtung für den Rücken, mit der man zwei Schwerter tragen konnte. Ein übliches Gimmick unter Shinobi. Dieses hier war aus schwarzem Holz gefertigt, geschliffen, lackiert und dann an den entscheidenden Stellen mit geschwärztem Stahl beschlagen worden.

"Selbstgemacht?"

Shinpachi schmunzelte. "So gut bin ich dann doch nicht. Aber ich habe darauf geachtet, dass es die beste Arbeit Konohas ist."

Ich fühlte mich sehr bewegt. Die Sache hatte nur einen Haken. Ich trug nur ein Schwert. Wenn ich denn eines hatte. Aber diesen Einwand zu bringen wäre nicht nett gewesen. Es war schlimm genug, das Shinpa-chan es in meinen Gedanken lesen konnte. Aber warum grinste er dann noch immer.

"Mein Geschenk ist leider auch nicht neu", sagte Kishio bescheiden. Er breitete eine Beschwörungsrolle neben sich aus, berührte einen der Versieglungskreise mit einer Hand und hob die andere. "Kai." Die Versieglung brach auf. Hervor kamen zwei Schwerter, kunstvoll gearbeitete, mattierte Waffen, nur etwas kürzer als ein Katana, etwas länger als das übliche Ninja-Schwert. Augenscheinlich für einen Mann gearbeitet, der größer als der durchschnittliche Ninja war. Also perfekt für mich. Ich betrachtete die Ornamente auf den lackierten Scheiden für einen Moment und erkannte mehrfach jene Symbole, mit denen sich Moeru für bestandene Prüfungen zu tätowieren pflegten. Kishio nahm beide Waffen auf und bot sie mir mit nach oben geöffneten Handflächen dar. "Ich habe sie überarbeiten und schärfen lassen. Sie sind sofort einsatzbereit." Er lächelte seinen großen Bruder an. "Wir haben bei dem Geschenk zusammengearbeitet, Nii-chan."

Ich nahm die beiden Waffen entgegen. Es waren schöne, gut austarierte Klingen, die... Ich stutzte, als ich einen winzigen Gedankenfetzen Kishios erwischte, den er zu unterdrücken gedacht hatte. Es war der Blick auf eine verbrannte Hütte, begleitet vom Gestank von verbranntem Holz und verschmorten Fleisch, und ich sah junge Hände in der noch warmen Asche arbeiten, um zu einem Versteck im Boden zu gelangen, wo die Schriftrolle gelegen hatte. Kishio hatte diese Waffen aus den Trümmern seines Dorfes gerettet. Mehr noch, ein noch flüchtigerer Gedanke ließ mich diese Schwerter an einem voll ausgerüsteten Shinobi mit bereits ergrauten Haaren erkennen, der Kishio und Shinpachi verdammt ähnlich sah. Ich verstand. Ich verstand wirklich.

"Das kann ich nicht annehmen", sagte ich mit versagender Stimme.

"Du hast sie doch schon angenommen, Aniki", sagte Kishio lächelnd.

"Aber dies sind die Waffen deines Großvaters, und..."

"Es sind Waffen. Waffen wollen benutzt werden. Und für mich sind sie zu lang und Shinpachi ist kein Schwertkämpfer. Außerdem will ich, dass sie in der Familie bleiben."

Ich war gerührt, hatte einen Kloß im Hals. "Danke", sagte ich und schloss die Hände um die Waffen. Um meine Waffen. Ich steckte sie in die Halterung und platzierte diese dann auf dem Geschenktisch. Für die Reise ins Yuki no Kuni würde ich sie bereits tragen. Ob Kishio und Shinpachi wussten, welche Last sie mir damit aufgebürdet hatten?

Egal. "Lasst uns feiern", sagte ich fröhlich.

Leider ging das nicht, denn nun bestanden meine anderen Gäste darauf, dass ich ihre Geschenke öffnete. Und gerade kamen weitere Gäste aus Konoha an.

Der Regenmacher 10

Der Höhepunkt der Party war die Ankunft der anderen auswärtigen Gäste. Anne, Shinji und ich beschworen mit unseren Kontrakten drei Affen: Ich den König selbst, Anne ihren erklärten Liebling Ryoga und Shinji schaffte es erstaunlicherweise, Kodachi Kuno zu beschwören, die schwarze Rose der Affen, eine Frau, wegen der man überhaupt erst festgestellt hatte, dass Rosen Dornen haben...

Die drei Affen beschworen weitere Affenkrieger, sodass wir schnell auf insgesamt zwölf geladene Gäste vom Affenberg kamen. Anschließend wandten Kira und ich uns der zweiten Pflicht zu. Wir beschworen unsere Spinnen-Kontraktpartner. Kuzomi war ja bereits in Konoha, und wie immer wenn sie hier war, Kira nicht von der Seite gewichen. Also beschwor ich Kuzoko, ihren Vater und Wesir der Affen Kageji, sowie ihre Mutter und Clansführerin Hino Kuzokami. Kira gelang es, Kuzoro zu beschwören, den zweitältesten Bruder Kuzomis, der in den vergangenen neun Monaten mehrmals mit uns trainiert hatte. Ein feiner Kerl, der sich auf eine Kombination von Erd-Jutsu mit der so typischen Spinnenseide seines Clans spezialisiert hat, die uns... Nun, ich schweife ab.

Auf jeden Fall wurde die Party ab hier sehr lebhaft. Und wenn ich zuvor Bedenken gegen eine große Feier gehabt hatte, waren sie hier widerlegt. Es machte Spaß, zu sehen, wie die Menschen, die mir etwas bedeuteten, so viel Spaß miteinander hatten. Beinahe waren wir eine große Familie. Größer, als der Nara-Clan mit der Morikubo/Moeru-Unterabteilung ohnehin schon war. Aber der Spaß war nicht das Einzige, was mich an diesem Abend erwartete. Das merkte ich, als Shikaku-jii mich nach zwei Stunden kurz nach dem Essen in ein Nebenzimmer bat.
 

"Eines wirst du sehr bald merken, Mamo-chan", sagte er gut gelaunt, und das machte mich misstrauisch, "solche Feiern sind nicht nur Feiern, sondern auch erstklassige Gelegenheiten für Hinterzimmer-Vereinbarungen. Und wir sind gerade auf dem Weg zu solch einer Vereinbarung."

Dies waren seine Worte, bevor er die Tür zum nächsten Raum öffnete. Was mich erwartete, erstaunte mich. Es waren Hitomi und Shouta Kobashi, Mais Eltern.

"Also, jetzt wird es interessant", murmelte ich und ließ mich neben Shikaku auf einer Tatami nieder.

Hitomi-san war eindeutig die Wortführerin in dieser Geschichte, wie immer sie sich entwickeln wollte. Das merkte ich daran, dass sie ein Stück vor ihrem Mann saß. Warum, wieso, weshalb? Ich würde es merken. Bald. Und ob es mir gefallen würde, war vollkommen offen. Wie Recht ich damals hatte...

Hitomi verbeugte sich vor mir. "Mamoru-tono, als Kameradin, als Kunoichi und als ehemalige stolze Kriegerin Konohas bin ich hier, um Verzeihung zu erbitten."

Erst jetzt fiel mir auf, das Shinpachi ebenfalls im Raum war. Er hatte sein Chakra gelöscht und stand unauffällig neben einem Schrank. Der Verdacht kam mir, dass man den Schrank extra in den Raum geschafft hatte, damit er im Halbschatten stehen konnte - verdammter Poser. Wenigstens brachte mich das innerlich zum Lächeln.

"Verzeihung wofür?", fragte ich verwirrt.

Hitomi zog eine Augenbraue hoch. "Hat Kishio-kun nichts erzählt?"

"Nein", gestand ich ehrlich. Ich sah zu Shinpachi herüber, der aber nur den Kopf schüttelte.

Sie griff in die Brusttasche ihrer Kombination und zog einen Stapel Zettel hervor. "Diese Nachrichten habe ich direkt erhalten oder von anderen bekommen, als ich nachgefragt habe. Unter ihnen Kiras und Shinjis Eltern. Wobei Shinjis Eltern die meisten Zettel direkt nach dem Empfang weggeworfen haben. Hätte ich es auch mal so gehalten."

Ich sah sie an, die leichte Zornesröte auf ihren Wangen und den Ärger in ihrem Blick. Das war merkwürdig. Also griff ich nach den Zetteln und begann sie zu lesen. Und jeder Zettel machte mich wütend und wütender. Als ich damit fertig war, verbrannte ich das Papier spontan in meiner Hand. Vielleicht mit einer etwas zu heißen Flamme, denn Shikaku rückte ein Stück von mir ab. "Hooo, ruhig, Großer, ruhig."

Ich knirschte mit den Zähnen. Das, was auf den Zetteln gestanden hatte, war ungeheuerlich gewesen. "Gewiss, Kishio hat ein schweres Leben hinter sich, war auf sich gestellt und musste alleine überleben. Er hat Härten erlebt, die mancher Jounin nicht hinter sich bringen musste und Greuel gesehen, die kaum jemand ertragen kann. Aber ich kenne niemandem, der sich trotz all der Verletzungen, körperlich wie seelisch, so sehr sein Herz bewahrt hat, seine Freundlichkeit und seine Liebe. Man sollte meinen, jemand, der so hintergangen, verraten und missbraucht wurde, wäre dazu nicht mehr fähig, aber Kishio gibt jedem seine Chance. Was soll also dieser Mist mit er wäre ein Monster und würde Mai missbrauchen und wegwerfen, und dem anderen Dreck? Woher hast du diese Zettel, Hitomi?"

Wenn sie erstaunt war, dass ich ihren Namen ohne Suffix benutzte, zeigte sie es nicht. Stattdessen verneigte sie sich wieder leicht. "Ich habe sie erhalten, indem sie mir unter der Tür durchgeschoben wurden. Was aber schlimmer ist, ich habe sie geglaubt."

Ich spürte förmlich, wie sich Shinpa-chan versteifte und zugleich anspannte. Auch ich selbst spürte Ärger in mir aufwallen.

"Es ist nichts passiert", beeilte sich Hitomi Kobashi zu sagen, "aber ich war beim letzten Besuch Kishios etwas sehr rau zu ihm und stellte Fragen, die weit über das hinaus gegangen sind, was meine Sorgen erlaubt hätten. Zudem handelte ich gegen besseres Wissen. Ich hatte geglaubt, wollte wirklich glauben, er hätte uns, er hätte mich täuschen können. Ich hatte glauben wollen, dass er ein Monster sein konnte."

"WAS, BITTE?", rief ich entrüstet. Laut und heftig genug, dass Hitomi die Augen schloss. Kurz glaubte ich gar ihre Haare nach hinten wehen zu sehen.

"Aber ich bin eine Mutter!", begehrte sie auf. "Wenn ich mein armes Baby nicht beschütze, wer tut es dann?"

Shouta räusperte sich vernehmlich und amüsiert, aber Hitomi ignorierte ihn.

"Beschütze vor was?", hakte ich nach.

Nun zog sie einen regelrechten Schmollmund. "Natürlich davor, dass er mir mein Baby wegnimmt."

Ich versuchte, mir meine Überraschung nicht ansehen zu lassen. Kurz ging mein Blick zu Shinpachi, der, wie ich nur zu gut wusste, zur Zeit mehr mit Kishio tat als sein großer Bruder zu sein. Ein kurzer Gedanke erreichte mich von ihm. Es war ein verlegenes Gefühl, das mich darauf hinwies, dass Kishio gerade nicht mithörte, weil er sich abgekapselt hatte. Vermutlich waren ihm die Party, die vielen Leute und die Stadt wieder zuviel geworden und er hatte die Ruhe und die Einsamkeit gesucht. Das kam mir recht gelegen. Über die Verbindung der beiden würde Kishio eh erfahren, was hier gesprochen werden würde, aber ich fand es gut, dass ich es vorab erzählt bekam. Danach konnte ich mich auf die Reaktion des jungen Moerus vorbereiten, sie mildern oder unterstützen.

"Äh, Hitomi-san, bevor du dich da zu sehr reinsteigerst, ich dachte auch, Mai und Kicchan... Aber Shinpachi und er sind... Nun..."

"Das weiß ich", sagte sie. "Aber wir sollten dabei die Realität der Dinge nicht aus den Augen verlieren, Shinpachi-san. Ihr seid beide Männer. Und Männer alleine gründen keinen Clan neu."

Das war ein verdammt gut zutreffendes Argument, wie ich fand. Woher sie das allerdings wusste, oder ob sie es schlicht und einfach ins Blaue geschossen hatte, verriet sie nicht. Vielleicht hatte sie auch einfach nur gutes Einfühlungsvermögen in die menschliche Psyche. Immerhin war sie in ihrer aktiven Zeit eine Kameradin meiner Mutter gewesen, eine aktive und bekannte Medi-Nin.

"Und wenn wir ganz ehrlich miteinander sind und keine Scheuklappen aufsetzen, dann ist es doch offensichtlich, dass Mai bis über beide Ohren in Kishio-san verliebt ist."

"Mehr als offensichtlich", sagte der ältere Moeru. Dies tat er ohne Ärger, Neid oder Abwehr.

"Und wenn wir auch ganz ehrlich sind, dann ist Kishio-san zumindest nicht abgeneigt. Im Gegenteil. Ich denke, er mag Mai mehr, als er selbst zuerkennt."

"Moment mal, moment!" Mein Blick ging zu Shikaku. "Wohin führt dieses Gespräch, Shikaku-jii?"

"Zu einer Hinterzimmerverhandlung, Mamoru."

Ich fixierte Mais Mutter. "Zu einer Hinterzimmerverhandlung? Ohne die beiden Hauptprotagonisten?"

"Zu einer Hinterzimmerabsprache", beschwichtigte Mais Mutter. "Zu einem gegenseitigen Abklopfen, um... ah, Möglichkeiten aufzutun. Um Meinungen zu erfahren." Sie sah zu Shinpachi herüber und deutete eine Verneigung an. "Ich sage ja nicht, dass was aus den beiden werden wird oder muss. Ich sage ja auch nicht, dass das automatisch bedeutet, dass Shinpachi außen vor gestellt wird. Ich meine, wir sind hier in Konoha, und hier darf eigentlich jeder leben, wie er oder sie es für richtig hält. Du kennst Puny-sama, oder, Mamoru?"

Was für eine Frage. Ich nickte ihr zu als Zeichen dafür, fortzufahren.

"Was ich sagen will, ist, dass Kishio no Moeru seinen Clan neu gründen will und muss. Das hat keine Auswirkungen darauf, wen er liebt und mit wem er schläft. Wenn es aber jemand ist, den er ohnehin mag, den er vielleicht sogar liebt, dann sind das zwei Fliegen mit einem Kunai erwischen. Abgesehen wird Shinpachi-san sich selbst auch darum kümmern müssen, den Bestand an Moerus in der Welt zu vergrößern, oder?"

Ich spürte eine Welle der Verlegenheit von meinem anerkannten älteren Bruder kommen. Anscheinend hatte er darüber selbst schon nachgedacht, aber keine Antwort für sich gefunden.

"Was also ist dein Fazit, Hitomi?"

Sie wechselte einen Blick mit ihrem Ehemann, der nun bis über beide Ohren grinste. Mir war plötzlich klar, dass er seiner Frau den Kopf gewaschen haben musste.

"Nun", sagte sie leicht verlegen, "niemand kann sagen, ob und wie lange diese Gefühle der beiden füreinander Bestand haben. Niemand kann sagen, was im nächsten Jahr ist. Aber man kann sagen, dass... Eine Verbindung der Kobashis und der Moerus eine nicht gerade schlechte Verbindung wäre. Die Moerus sind hervorragende Shinobi, und sie werden in und für Konoha trotz ihrer kleinen Zahl Großes leisten. Zudem habe ich mir selbst eingestanden, was an meinen Vorwürfen an Kishio-san aufgrund der Zettel dran war - nämlich nichts. Ich hätte mir selbst mehr trauen sollen. Was ich aber nicht getan habe, weil ich meine Tochter nicht loslassen wollte." Sie schwieg einen Moment, ballte die Hände im Schoß zu Fäusten. "Aber ich will nicht enden wie meine eigene Mutter. Als ich an der Reihe war, mein eigenes Leben zu leben, war sie sehr gegen die Verbindung mit Shouta. Das war mir egal, und auch wenn es schwer war, wir haben unser gemeinsames Leben ohne die Hilfe meiner Familie aufgebaut. Noch heute reden wir nicht miteinander, aber ich stehe zu meiner Entscheidung. Ich will nicht eines Tages so für Mai dastehen. Lieber lasse ich sie scheitern oder erfolgreich sein."

Scheitern schien dabei ihre Lieblingsmöglichkeit zu sein, aber ich hütete mich davor, dies auszusprechen. "Was also schlägst du vor, Hitomi?"

Sie schnaubte amüsiert. "Ein wenig Handfestigkeit in die Geschichte zu bringen, wenn Shinpachi-san nichts dagegen hat. Du bist Kishios Herr, nicht, Mamoru-san?"

"Solange er sich an mich gebunden fühlt. Aber ich bin mir sicher, dass er mir über Claninterna keine Entscheidungsbefugnis einräumen wird. Vielleicht sucht er meinen Rat, aber meinen Befehl?"

"Und wenn es nur um ihn selbst geht?"

Ich schmunzelte. "Noch bin ich mir sicher, dass er mich da anhören wird und meinem Wort Gewicht gibt. Ja, vielleicht macht mich das zu Kishios Herrn, aber ich bin lieber sein großer Bruder."

Hitomi schnaubte trotzig. "Dann bitte ich dich als Kishios Herrn darum, einer Verlobung mit meiner Tochter zuzustimmen."

Erschrocken fuhr ich zusammen. Shinpachi fuhr auf. Shikaku hätte sich fast gekringelt vor Vergnügen.

"Äh, was, bitte?"

"Wenn Shinpachi-san nichts dagegen hat", fügte sie an.

Ich warf dem Moeru wieder einen schnellen Blick zu, aber da war kein Widerstand, nur Neugierde. Letztendlich hatte Hitomi in zwei Punkten Recht. Kishio mochte Mai wirklich gerne, und Shinpachi und er konnten keine Kinder kriegen, nur zeugen. "Das klingt sehr interessant."

"Nur, um den beiden eine Möglichkeit zu geben, einander näher zu kommen", sagte Hitomi schnell. "Ich meine, Mai sitzt stundenlang da und schreibt ihm Briefe, die sie nie abschickt, und er hält sie halbnackt in den Armen und denkt nicht mal daran, dass sie eine Frau ist, obwohl er sich für sie vor ein geworfenes Shuriken stellen würde. Kannst du das noch mit ansehen, Mamoru-san?"

Okay, damit hatte sie einen Nerv getroffen. "Rede weiter, bitte."

"Wir verkaufen es ihnen als Mittel, die Teamarbeit zu verbessern und die Moerus noch mehr an Konoha zu binden. Wenn es nicht funktioniert, können sie in ein oder zwei Jahren die Verlobung selbst auflösen. Aber wenn es funktioniert, richtig funktioniert, dann..."

Dann war sie die Großmutter des künftigen Clanschef der Moerus. Wie überaus interessant.

"Shinpa-chan?"

"Sie hat Recht", sagte der Moeru. "Mit so ziemlich allem. Aber kann Mai damit leben, dass... Kishio und ich..."

Für einen Moment dachte ich an einen gewissen Strand, an vier lauschende Mädchen, während Kishio und ich Chakra und seine sensorischen Fähigkeiten geteilt hatten... "Ich denke, sie kann dem Szenario positive Aspekte abgewinnen", sagte ich mit einem Hauch Amüsement in der Stimme. Und was darüber hinaus passierte, war nicht meine Angelegenheit.

"Sind wir uns da also einig, Mamoru-san?"

"Also gut", sagte ich und erhob mich. "Eine Verlobung also, begrenzt auf zwei Jahre, an deren Ende entweder die Auflösung oder die Verlängerung oder gar eine Hochzeit steht." Mist, das erinnerte mich wieder an meine eigenen Sorgen und Probleme. "Dann ist Kishio achtzehn und rechtlich in der Lage, zu heiraten. Allerdings ist das eine Sache, die wir weder ihm noch Mai aufzwingen sollten. Wir werden sie fragen müssen." Andererseits war es an der Zeit für meinen kleinen Bruder, etwas Glück zu finden. Das war eine Sache, die ich ihm vor allen andern Dingen in dieser Welt gönnte. Ihm, und natürlich Mai. Und ich war sicher, dass diese Familie, dieser Clan - der kleinste Konohas - sehr glücklich werden konnte. Die Idee hatte etwas, und das Herumgeeiere der beiden umeinander hatte dann auch ein Ende - wenn sich die Moerus und Mai arrangieren konnten, hieß das.

"Ach ja, noch etwas", sagte Hitomi unvermittelt. "Die Sache mit den Briefen, die Mai schreibt und nie abschickt... Das bleibt unter uns, okay?"

Ich schmunzelte. "Versprochen. Und wann setzen wir unsere kleine Verschwörung in die Tat um?"

Shikaku klopfte mir auf die Schulter. "Heute nicht mehr, Mamo-chan. Dies ist dein Abend. Da hast du es schon schwer genug."

Und er hatte verdammt noch mal damit Recht. "Aber fragen sollten wir die zwei trotzdem heute noch. Shinpa-chan?"

Der ältere Moeru - immerhin zwei Jahre hatte er mir voraus - schüttelte unwillig den Kopf. "Er schottet sich immer noch ab, Mamo-chan. Sein Kanshi ist zu stark. Ich kann nicht so einfach in seines einbrechen wie er es in meines könnte, um zu sehen, wo er gerade ist. Abgesehen davon, dass er es mir übel nehmen würde." Er stieß sich von der Wand ab. "Gehen wir ihn suchen, Otouto. Setzen wir das Gespräch in einer Stunde fort?"

Hitomi und ihr Mann erhoben sich ebenfalls. "Wir gehen Mai suchen. In einer Stunde, einverstanden."

Ich nickte bestätigend. Wenn das funktionierte - sobald das funktionierte, da war ich mir sehr sicher, würde sich einiges in Kishios Leben voran bewegen. Positiv gesehen.

***

"Mamoru-san, hast du Zeit für mich?", empfing mich Kuzoko, kaum, dass ich als Letzter das "Hinterzimmer" verlassen hatte. Da grübelte ich noch darüber nach, wie ich diese bahnbrechende, lebenverändernde Neuigkeit am Besten Mai-chan - und vor allem Kicchan - schmackhaft machen konnte, da stand augenscheinlich schon das nächste Thema an.

"Natürlich, Kuzoko-chan. Worum geht es denn?"

Die junge Spinnenfrau biss sich auf die Unterlippe. "Es... Es ist sehr persönlich. Wenn du vielleicht..."

Ich warf Shinpachi einen kurzen, fragenden Blick zu. Der ältere Moeru nickte. "Ich suche alleine. Tu du, was du tun musst, Otouto."

Ich nickte und hielt dem Spinnenmädchen die Tür zum Hinterzimmer auf. Nach ihr ging ich zurück in den Raum.

Sie ließ sich auf der Tatami nieder, auf der zuvor Hitomi gesessen hatte. Ich nahm ihr gegenüber Platz. Ihre Verlegenheit, ihre vollkommen offensichtliche Verlegenheit, war ihr sehr gut anzusehen. Die Röte in ihren Wangen sagte darüber genug aus. Mir schwante Übles.

"Möchtest du etwas trinken?"

"Habe ich schon", erwiderte sie und hielt sich eine Hand vor den Mund. Dennoch bemerkte ich einen Hauch Sake in ihrem Atem. "Sonst könnte ich das gar nicht."

"Aha." Sie hatte sich Mut angetrunken. Meine Ahnungen verstärkten sich. "Nun sag schon, worum geht es, Kuzoko-chan?"

Sie sah fort. Ihre gebräunten Wangen wurden von heftiger Röte geziert. Eigentlich ein sehr hübscher Anblick, wie ich fand. Wofür ich mich aber sofort wieder tadelte.

"Wie geht es dem Bizeps? Alles in Ordnung?", fragte ich, um ihr Gelegenheit zu geben, sich wieder zu fangen.

Sie nickte und zeigte mir erneut die feine, weiße Narbe. "Wirklich, es ist alles in Ordnung. Wir haben die Muskelfasern, die Sehnen und die Gefäße mit Spinnenseide vernäht. Das ist besser als eine reine Chakra-Heilung. Man ist quasi sofort wieder einsatzbereit. Es gibt halt nur ein paar unschöne Schwellungen, die ein paar Tage brauchen, um zu verschwinden. Blut und andere Körpersäfte, die in geprelltes Gewebe einsickern. Jeder gute Medi-Nin hat das aber im Griff." Sie sah auf und lächelte. "Ich bereue es nicht."

Tatsächlich hatte sie mich dadurch, dass sie zwischen mich und den Streich gegen meinen Rücken gegangen war, wahrscheinlich vor einer schlimmen Verletzung, vielleicht dem Tod bewahrt. Ich hatte ihr erzählt, dass ich das Gleiche für Omoi getan hatte, und sie hatte gelacht und gesagt, wie ähnlich wir uns doch wären. "Und ich bin dir immer noch dankbar dafür."

"Hai, Tai-sho", sagte sie mit einem frechen Grinsen, legte die rechte Faust in die linke Handfläche und verbeugte sich.

Ich erwiderte die Geste mit einer kürzeren Verbeugung. Dann lachten wir gemeinsam.

Wieder sah sie verlegen fort. "Ich habe es dir nie leicht gemacht, oder? Was war ich gemein zu dir, als Mutter dich eingeladen hatte, um den Kontrakt mit Kira-chan abzusprechen. Was habe ich dich unfair behandelt... Aber ehrlich, ich wollte nur meine süße kleine Schwester beschützen. Damals kannte ich dich noch nicht so wie jetzt. Damals schätzte ich dich noch nicht. Damals habe ich..."

Ich erhob mich. "An dieser Stelle sollte ich vielleicht Karin, Maria und P-chan hinzu holen."

Entgeistert sah sie mich an. "Wieso das denn?"

Konsterniert hielt ich inne. "Nun, wenn es darum geht, was ich vermute, wirst du mit den dreien reden müssen, weil..."

"Hä?" Ihr Blick war ein einziges Fragezeichen. "Wieso soll ich Karin-sempai und die... Ach so! Der Mamo-Pakt! Ich habe davon gehört." Übergangslos begann sie zu lachen. Sie lachte so sehr, dass sie sich mit beiden Händen den Bauch hielt und dabei vorneüber beugte. Dies tat sie fast zwei Minuten lang, und ich fühlte mich peinlich berührt, ja, ausgelacht.

"Setz dich bitte wieder, Mamoru-nii", sagte sie nach einem letzten Glucksen. In ihren Augen brannte der Schalk, während ich mich gehorsam wieder niederließ.

"Du solltest wissen", begann sie, "dass du durchaus ein hübscher kleiner Teufel bist. Ich verstehe, dass die Frauen dir nachlaufen, dass manche sogar einen eigenen Pakt gründen, nur um die Zahl deiner Verehrerinnen überschaubar zu halten. Und ich kann Suirin verstehen, wenn sie so Hals über Kopf... Nun, deine Persönlichkeit macht es auch leicht, dir zu verfallen. Deshalb mag ich dich ja auch so sehr, Mamoru-nii."

"Mögen?", fragte ich, nur leidlich erstaunt. Nach dem Lachanfall war mir klar, dass sie mir keine Liebeserklärung machen würde und sie auch nicht in den Mamo-Pakt aufgenommen werden wollte.

"Nein, das ist vielleicht nicht ganz richtig. Besser ist wohl wirklich, dass ich dich liebe, Mamoru-nii. Aber eben nur wie einen großen Bruder, wie jemanden, der mir so wichtig ist wie meine eigene Familie. Was jedoch das andere angeht..." Sie wiegte den Kopf. "Wir bringe ich dir das bei? Ich gehe nicht in diese Richtung, Mamoru-nii. Ich bin mehr so der Frauentyp."

"Was, bitte?"

"Ich liebe Frauen, keine Männer. Zumindest in der Hinsicht. Sie sind weicher, zarter, reinlicher, zurückhaltender und viel sanfter als Männer." Sie schüttelte sich kurz. "Die meisten zumindest."

"Was für ein Verlust für die Männerwelt", erwiderte ich, einfach um irgendetwas zu sagen.

"Das sehen die Frauen auch so", erwiderte sie grinsend. "Und das ist auch gut so."

Nun, was soll ich lange lamentieren, ich brauchte ein paar Minuten, um das Gehörte zu verdauen. Kuzoko benutzte die Zeit, um mir gehörig den Kopf zu waschen.

"Du darfst halt nicht denken, das alles, was einen Busen hat, dir automatisch verfällt. Nicht jeder ist so leicht zu begeistern wie Suirin, und Konoha hat noch mehr hübsche Teufel zu bieten als dich alleine. Und viele Frauen stehen auch auf den herberen Typen wie Asuma, der cool an seiner Zigarette zieht, bevor er ein Dutzend Gegner auf einen Schlag platt macht. Oder sie stehen mehr auf den androgynen Mann, den Typ Kishio. Was ich sagen will, ist, dass dir die wenigsten Frauen sofort oder auf lange Sicht verfallen werden. Das liegt nicht nur am Mamo-Pakt, mein Bester, sondern auch daran, dass du vielen Frauen schlicht egal bist."

Okay, das war hart zu verdauen. Zwar entsprach es vollkommen der Realität, aber es gesagt zu bekommen war eine andere Sache.

"Bist du deswegen gekommen? Um mich zu erden und um mir zu verraten, dass du die gleichgeschlechtliche Liebe bevorzugst?"

"Nein, natürlich nicht. Das hat sich so ergeben. Weshalb ich tatsächlich gekommen bin, das hat einzig und allein mit meinem Verhalten dir gegenüber zu tun." Sie streckte mir die Hand aus. "Ich wollte dich bitten, mein Freund zu werden. Etwas, was ich von Anfang an hätte tun sollen, anstatt mir einen so schweren Start mit dir aufzubürden. Damals wusste ich schon, dass du es wert bist, aber ich bin ein sturer Mensch und ich wollte Kuzomi-chan beschützen... Du kennst das ja."

Ich ergriff ihre Hand und drückte sie. "Du musst mich nicht um Selbstverständlichkeiten bitten, Kuzoko-chan."

"Ich weiß. Aber ich wollte es aussprechen, Mamoru-nii. Und damit sind wir auch schon beim nächsten Thema. Ich will deine kleine Schwester sein."

"Und damit auf die gleiche Stufe kommen wie Anne-chan und Suzume-chan?"

"Vor allem, um unser Band zu festigen." Die junge Spinnenfrau beugte sich vor und gab mir einen kurzen Kuss auf die Wange.

"Keine Einwände", sagte ich.

"Dann ist ja gut." Kuzoko erhob sich. Sie ging zur Tür und wandte sich dort noch einmal um. "Das hast du übrigens erstaunlich gut verdaut, Mamo-nii. Das habe ich nicht erwartet."

Ich seufzte, während ich mich erhob, um ihr zu folgen. "Glaub es oder glaub es nicht, bis ich sechzehn war, war ich der größte Liebesgrobmotoriker Konohas. Damals war es für mich vollkommen normal, dass Frauen mich als Bruder-Ersatz ansahen. Du kannst meine Überraschung verstehen, als ich lernte, das es noch etwas darüber hinaus gibt. Allerdings habe ich nie geglaubt, dass mir alle Frauen auf dieser Welt zu Füßen liegen würden." Ich grinste frech. "Höchstens achtzig Prozent."

Kuzoko lachte glockenhell, bevor sie trocken erwiderte: "Auf sechzig lasse ich mich hochhandeln."

Wir sahen und an und lachten diesmal gemeinsam. Zumindest der Bereich meines Lebens war derzeit im Lot. Aber ich ahnte, dass die Tage im Kuni no Yuki einiges daran ändern würden.

***

"Das ist es also?", brauste Kishio auf. Mit vor Zorn blitzenden Augen sah er mich an. "Das ist es, was du willst? Nun gut, du sollst es bekommen! Hai, Tai-sho!"

Verwirrt sah ich ihn an. "Kicchan, es ist nur ein Vorschlag..."

"NATÜRLICH ist es nur ein Vorschlag!", sagte er in ätzendem Tonfall, giftig genug, dass selbst Hitomi und Shouta verblüfft dreinsahen. Von Mai, die neben ihren Eltern hockte, gar nicht erst zu reden. Ihr standen Unverständnis und Entsetzen ins Gesicht geschrieben. "Es ist IMMER nur ein Vorschlag! Großvater hat NUR Vorschläge gemacht! Und dann hat er erwartet, dass sie schnellstens und so korrekt wie möglich ausgeführt wurden! Das ist nämlich der Sinn einer Hierarchie, der Sinn eines Herrn und seines Gefolgsmanns!"

"Kicchan, ich habe nicht vor, dich...", begann ich erneut, aber mein kleiner Bruder unterbrach mich erneut.

"Du verstehst es nicht, oder?", fragte er resignierend. "Du verstehst nicht, worum es mir geht." Er sah Shikaku an, aber der Clansführer der Nara zeigte eine unbewegte, stoische Miene. "Du hast mich aufgenommen, ohne Forderungen zu stellen. Du hast mich nie gefragt nach dem, was war. Niemals. Selbst, als ich dir alles, alles über meine Familie, über meinen Großvater, über den Clan erzählen wollte, hast du es abgeblockt."

Verlegen sah ich ihn an. Das hatte schmerzvoll geklungen. "Ich... Ich wollte nie, dass du einem Befehl folgst und dich vollkommen offenlegst. Jeder Mensch braucht ein oder zwei Geheimnisse. Für mich war immer nur wichtig, dass du mir dann, wenn es darauf ankommt, sagst, was ich von dir wissen will. Ich wollte dich nie zwingen, Kishio."

"Ja, das habe ich mir auch gedacht. Es widerspricht vollkommen dem Denken der Moerus, aber ich habe dich kennengelernt, und viele wichtige und relevante Informationen in unsere vielen Gespräche eingebaut, damit du dir nicht die Blöße geben musst, mir das zu befehlen, Tai-sho", sagte er mit resignierender Stimme. "Geschenkt hättest du es bekommen. Stattdessen musste ich es dir unterschieben, damit wir überhaupt Seite an Seite kämpfen konnten." Nun klang seine Stimme vorwurfsvoll.

War ich zu zaghaft, zu sanft, zu wenig fordernd ihm gegenüber gewesen? Ich hatte nie das Gefühl gehabt, zu wenig über ihn zu wissen, nicht zuletzt wegen der Moeru-Kommunikation.

"Ich nehme dir das nicht übel. Nicht mehr. Du hast mich gelehrt, dass du kein Clanführer-, und Clangefolgsmannverhalten von mir wünschst. Oder von Shinpachi-nii. Nach einiger Zeit hat es mir gefallen, und ich fühlte mich mehr und mehr wohl in der Rolle als dein kleiner Bruder, als Teil der Familie Morikubo." Er schwieg einen Moment. "Du hast mich aufgenommen. Dank dir habe ich Shinpachi lebend wiedergetroffen. Ich habe eine Heimat, eine Familie, Freunde, sehr, sehr wichtige Freunde." Kurz ging sein Blick an mir vorbei. "Und mehr als das."

Ich versteifte mich. Mir war klar, dass da noch was kommen würde, denn sonst hätte sein Wutausbruch keinen Sinn gehabt.

"Du hast einen Individualisten aus mir gemacht. Jemand, der Anweisungen befolgt, aber auch sein Potential, selbst zu denken, voll ausschöpft. Sonst wäre ich nie aufgebrochen, um dich in Kumogakure aus der tödlichen Falle Orochimarus zu retten."

"Und ich bin dankbar dafür", erwiderte ich, als er eine erkennbare Pause machte. Eine Pause für mich.

"Und nun erinnerst du mich wieder daran, dass du der Mann bist, auf den ich geschworen habe, dem ich gelobt habe zu folgen, dessen Befehlen ich gehorche. Nicht nur im Kampf, nicht nur als Shinobi, sondern als mein Lehnsherr, als mein Obmann. Wenn du nun statt eines Bruders eine Drohne willst, die Befehle befolgt, wenn du willst, dass ich gehorche, statt selbst zu denken, wenn du die Stelle meines Großvaters einnehmen willst, dann werde ich das so akzeptieren. Denn immerhin verdanke ich dir mein Leben, das steht unumstößlich fest. Aber was du dann bekommst, Tai-sho, das ist dann auch nur eine Drohne!"

Sein wütender Blick taxierte mich. Ich setzte zum Sprechen an, brachte aber kein Wort heraus.

Er schnaubte leise. "Nun gut. Wenn du das so willst, dann wirst du es so bekommen. Hai, Tai-sho! Ich, Kishio no Moeru, als dein getreuer Gefolgsmann, folge deinem Befehl, und..."

Abrupt erhob ich mich. Das unterbrach Kishios Redefluss. "Ich habe einiges falsch gemacht", sagte ich mit der festesten Stimme, die ich zustandebrachte. Was nicht viel sein konnte. "Ich habe vieles nicht gesehen, nicht erkannt, vielleicht auch nicht mitbekommen wollen. Du hast Recht darin, mich zu tadeln, Otouto. Und ich hoffe sehr, dass du mich auch weiterhin als deinen großen Bruder ansiehst. Ich kann es dir nicht verdenken, wenn du deinen Eid als obsolet ansiehst. Aber ich bitte dich, nimm meine Entschuldigung an und bleibe." Ich verneigte mich steif in der Hüfte vor ihm. Selten war ich mir so oberflächlich und dumm vorgekommen. Da ließ ich ihn mich großer Bruder nennen, und was tat ich? Nicht die Dinge, die ein großer Bruder tun sollte.

"Aniki...", hauchte Kishio betroffen.

Ich richtete mich wieder auf und verneigte mich nun vor der Familie Kobashi. "Es tut mir aufrichtig leid. Ich habe einen unverzeihlichen Fehler begangen. Ich möchte das nicht mit einem zweiten Fehler vertiefen. Deshalb sage ich die Idee einer Verlobung ab. Ich übernehme jedwelche Kompensation, die eure Familie mir dafür auferlegt, und..."

"Äh, Aniki", unterbrach Kishio mich, "die Verlobung ist eigentlich der einzige Teil deines Hinterzimmergesprächs, der meine Zustimmung findet."

Ich nickte beifällig. Das hatte ich mir gedacht. Und es war dazu geneigt, Kishio noch mehr zu verletzen, noch mehr zu ent... Was? "WAS?", rief ich überrascht.

Verlegen sah der junge Moeru beiseite. "I-ich meine, die Idee ist ja wirklich nicht schlecht, und wir zwei verstehen uns auch sehr gut, und sie verträgt die Einbindung in die Moeru-Kommunikation sehr gut, und es ist ja auch erstmal ein zeitlich begrenzter Versuch... Also, ich bin dafür."

"WAS?" Ich sah zu Mai herüber. Das Mädchen war puterrot bis zum Haaransatz, aber das hinderte sie nicht daran, heftig zu nicken. "I-i-ich bin da voll Kishios Meinung! Total sowas von! Die Idee ist doch gut! Versuchen wir es! Damit aufhören können wir doch immer noch! Eine sehr gute Idee, Mamo-chan, ich meine, Sensei!"

"Was?", fragte ich vollkommen verblüfft. Auch Shouta war sprachlos. Lediglich Hitomi und Shikaku zeigten ein feines Lächeln. Ich suchte Shinpachi, der wieder neben dem Schrank stand - tatsächlich war er schon vorher im Raum gewesen, der Schrank jetzt - und für mich eine beschwichtigende Geste machte. Na, auf die Erklärung war ich gespannt.

Kishio erhob sich. "Hanabi, ich denke, wir sollten jetzt über den Vorschlag von Mamo-nii und deinen Eltern reden. Alleine."

Mai kam ebenfalls auf die Beine. "Ja, sollten wir. Immerhin wirft das unser Leben doch sehr um."

Die beiden verließen den Raum. Kishios letzter Blick ging zu Shinpachi. Er hob den Zeigefinger, wollte etwas sagen, ließ die Hand fallen, setzte erneut an und ließ es dann doch.

Shinpachi legte die rechte Faust in die linke Hand und präsentierte beides. "Hai, Tai-sho."

Kishio grunzte zufrieden und ging mit Mai hinaus.
 

"Bedeutet das Ärger für dich, Shinpachi-kun?", fragte Hitomi.

"Warum sollte es das? Kishio hat sein Kanshi selbst gelöscht, während wir gesprochen haben. Ich war ohnehin nur hier als seine Augen und Ohren."

Das war nicht ganz falsch und nicht ganz richtig. Immerhin nahm ich mir vor zu versuchen, etwaigen Ärger in seine Richtung auf mich zu ziehen. Wie mir der junge Moeru klargemacht hatte, hatte ich ja auch genug falsch gemacht, um den Ärger zu verdienen. Verdammt.

Hitomi und Shouta erhoben sich nun ebenfalls. "Erklären wir das Thema für heute als beendet. Und, Mamoru-san, wirst du heute noch deine eigene Verlobung bekannt geben?"

Ich grummelte unwirsch. "Von Verlobungen hatte ich für heute echt genug."

"Das ist... Etwas unfair deinen Damen gegenüber, junger Mann."

"Es gibt ein paar rechtliche Probleme, die ich mit ihnen besprechen muss. Das will ich nicht heute tun müssen."

Hitomi dozierte mit dem Zeigefinger. "Mamoru-san, mach nicht noch einen Fehler heute."

Diese Worte erschreckten mich. "Ich... Ich will es versuchen." Bis hier war es ja wirklich ein grandioser Geburtstag für mich. Verdammt.

Ich spürte, wie Shinpachi mich am Arm berührte. Dadurch etablierte er die volle Moeru-Kommunikation, sodass ich seine beruhigenden Gefühle wahrnehmen konnte. Das, und die Erinnerungen eines gewissen Kishio no Moeru, die dieser gemacht hatte, während er sich total gegenüber Shinpachi und mir abgeschottet hatte. Anscheinend hatte er, als er Shinpachis Erinnerungen über die Verhandlung mit den Kobashis abgefragt hatte, nicht ganz auf seine Deckung geachtet. Anders konnte ich mir diese Bilder nicht erklären. Aber etwas anderes konnte ich mir erklären, nämlich, warum das Unwetter so schnell wieder von dannen gezogen war, wie es hatte aufziehen können: Während ich in einem Hinterzimmer gesessen hatte, war mir Kishio no Moeru nämlich einen Riesenschritt voraus gewesen und hatte in seinem Versteck ein langes Gespräch mit Mai gehabt. Und anscheinend hatten beide keine Probleme mit der Synchronisation ihrer Chakras mehr, denn... Nun, es hatte einen gewissen Austausch gegeben, an Chakra und Mundflorabakterien.

Okay, dafür, dass er dieses Wissen mit mir teilte, würde Kishio ihn garantiert leiden lassen. Aber es bewirkte zumindest, dass ich mich nicht mehr ganz so wie ein Versager fühlte. Im Gegenteil, nun war Kishio in Erklärungsnot. Und ich würde den Umstand ausnutzen. Garantiert.

***

Gegen Morgen gab es eine handfeste Auseinandersetzung, als die meisten Gäste schon gegangen waren. Ausgerechnet Kodachi Kuno und Kuzoro gerieten aneinander und stritten aufs Heftigste darüber, wer der bessere Kontraktpartner war, die Affen oder die Spinnen. Da ihre Clansführer zu dieser Zeit entweder schon daheim waren oder in Nebenzimmern in kleinem Kreis weiterfeierten - letzteres, garantiert, ich kannte meine Pappenheimer eben - war es an mir, sie zur Räson zu bringen. Aber erst die Androhung sie zurückzuschicken, verbunden mit der Aussicht auf ein Duell konnte die Frau mit vor Wut rot glühenden Wangen und den Spinnenmann mit vor nicht weniger Wut rot funkelnden Augen zur Ruhe bringen. Kuzoko und Ryoga waren mir dabei eine Hilfe, indem sie sich der beiden Streithähne annahmen und sie trennten. Das blieb auch die einzige Krise. Zumindest die einzige, die ich mitbekam.
 

Gegen vier Uhr schien das offizielle Ende der Party erreicht. Mutter hatte sich schon früh verabschiedet, um Aki-chan ins Bett zu bringen, der wohl den besten Schlaf seines Lebens haben würde, und Vater hatte sich mit dem König der Affen und Kuzokos Eltern verabschiedet, um in einem anderen Lokal weiterzutrinken; die meisten Affen waren auf den Affenberg zurückgekehrt und die Mehrzahl der Konoha-Shinobi hatte auch bereits ihr Limit erreicht. Zu dieser Zeit wurde mir bewusst, dass ich selbst kaum etwas getrunken oder gegessen hatte. Ich war vollauf damit beschäftigt gewesen, mich um meine Gäste zu kümmern und Hinterzimmerprobleme zu lösen. Wie hatte Kishio mir doch vor ein paar Tagen gesagt? "Wenn ich achtzehn werde, dann lade ich drei, vier, maximal fünf Leute ein, gehe mit ihnen ein Wochenende in ein Onsen und lasse es mir dort mit ihnen gutgehen." Diese kleine Lösung erschien mir mehr und mehr attraktiv zu sein. Zum Beispiel für meinen zwanzigsten Geburtstag. Andererseits lebte ich in der falschen Stadt, gehörte dem falschen Clan an und hatte die falschen Beschwörungspartner, um das durchziehen zu können. Solche Feiern waren es nämlich, die die Bande untereinander festigten. Und das waren wichtige Bande. Das merkte ich, als mich Shikaku beiseite nahm. "Ich habe recherchiert, die Zettel betreffend", sagte er. "Auch im Clan sind einige aufgetaucht. Als Überbringer diente ein Junge aus der Nachbarschaft, der dafür großzügig bezahlt wurde, aber nichts weiter über seine Auftraggeber weiß. Er hat die Zettel und ein Taschengeld erhalten und sie dann unter die Türen durchgesteckt, die ihm gesagt wurden. Allerdings habe ich Inoichi gebeten, seine Erinnerung zu sondieren, und er hat ein paar Erinnerungen aufgetan, die mir bei der Recherche weitergeholfen haben."

Ich starrte meinen Clansherrn und Onkel (zweiten Grades) fassungslos an. Hatte er all das während der Feier arrangiert und sogar die Yamanaka involviert? "Was für Hinweise?"

"Danzou."

Ich fühlte, wie etwas Eisiges nach mir griff. Danzou Shimura-sama bedeutete ANBU-Ne, und ANBU-Ne bedeutete Ärger, verdammt viel Ärger. "Danzou hat sich die Mühe gemacht, Kishio zu denunzieren?"

"Danach sieht es aus", bestätigte er.

Ich fühlte meine Gesichtsmuskeln arbeiten. Wut stieg in mir auf. Wut auf den Anführer der ANBU-Ne. "Er wollte also Kishios Resozialisierungsprozess abwürgen, unterbrechen, eventuell rückgängig machen. Das verstehe ich. Der alte Kishio, zurückhaltend und scheu, wäre eine gute Wahl für die ANBU-Ne gewesen. Zudem ist seine Fähigkeit, nur mit seinen Gedanken zu töten, ein Wunschtraum für die ANBU, der in Erfüllung geht." Ich ballte die Hände zu Fäusten. "Ich habe nichts dagegen, dass Kishio ANBU wird. Gewiss nicht." Ich kannte Kakashi, der lange Jahre Mitglied gewesen war, ich kannte Yugao-chan und ihr Team, hatte mit ihnen gearbeitet. Die ANBU waren eine wichtige Stütze für Konoha. Aber die ANBU-Ne... Wenn ich an Sai dachte, wenn ich an sein Auftreten, an dieses Fragment von Persönlichkeit dachte, dass die ANBU-Ne ihm gelassen hatten, war mir klar, dass ich nicht wollte, dass Kishio so wird. Und wenn ich den alten Mann dafür umbringen musste.

"Normalerweise tun sie so etwas nicht", sagte Shikaku. "Kicchan ist zu alt für sie. Sie suchen sich ihre Rekruten, wenn sie neun oder zehn Jahre alt sind. Eigentlich. Aber sein Kekkei Genkai macht ihn wohl auch so wertvoll genug. Zudem muss er nicht mehr aufwändig trainiert werden, wenn er von selbst zu seinem introvertierten Selbst zurückkehrt, das keinen Einfluss von außen zulässt und nur Befehlen gehorcht."

"Was in etwa dem Leben im Clan der Moerus entsprechen dürfte", schloss ich. Dieses Leben hatte Kishio ja erst vor ein paar Stunden vor mir ausgebreitet. Das war nicht gut. Das war gar nicht gut. "Ich gehe zu ihm."

"Was?"

Mein Blick war ernst, als ich meinen Onkel ansah. "Ich gehe zu Danzou und schlage ihm Kishio aus dem Kopf. Entweder mit Worten, oder auf die harte Tour."

"Du Wahnsinniger. Du willst ins Herz von Danzous Macht marschieren und ihn herausfordern? Willst du wirklich nur achtzehn Jahre alt werden?"

"Es gibt eine Alternative", sagte Shinpachi. Shikaku erschrak über sein plötzliches Auftreten so sehr, dass er spontan das Clansjutsu anwendete und den Moeru einfing. Erst als dieser in vorwurfsvoll ansah, zog er die Schattenkunst zurück und entschuldigte sich. "Du bist zu plötzlich aufgetaucht. Und Mamo-chan hat mich nicht vorgewarnt."

Ich lächelte schmallippig. Auch wenn Shinpachi sein Chakra gelöscht hatte, so hatte ich ihn doch bemerkt. Er hatte das hören sollen. Und ich wusste auch, was er nun vorschlagen würde.

"Jedenfalls gibt es eine Lösung, die Danzou-sama akzeptieren kann", führte er seinen Gedanken weiter. "Ich gehe zu den ANBU-Ne. Ich habe die gleiche Kekkei Genkai wie Kishio und..."

Ich legte ihm eine Hand auf die Schulter. "Wir beide werden morgen Mittag die ANBU-Ne aufsuchen."

"Du willst Shinpachi opfern?", fragte Shikaku entrüstet. Natürlich, schienen seine Gedanken sagen zu wollen, dann war Shinpachi fort, und Kishio und Mai würden es leichter haben, das neue Arrangement hinzunehmen, aber richtig war es deshalb noch lange nicht.

"Natürlich nicht, Shikaku-jii. Mein Plan ist ähnlich plump, aber er wird Kishio aus dem Fokus Danzous nehmen."

Shinpachi sah mich erst wütend, dann ernst und schließlich nachdenklich an. Durch den Körperkontakt konnte er meine Gedanken zum Thema lesen, und schließlich nickte er. "Guter Plan. Nicht perfekt, nicht nett, aber ein guter Plan."

"Lasst Ihr mich an eurem Plan teilhaben?", fragte Shikaku. "Ich sollte auf dem gleichen Stand mit euch sein, wenn wir drei da runter gehen."

"Du kommst mit?", fragte ich und spielte den Überraschten. Aber mir war klar, dass ausgerechnet Shikaku Nara nicht anders konnte.

"Natürlich komme ich mit!", sagte er eine Spur zu laut. "Kishio und Shinpachi sind Angehörige des Nara-Clans! Es ist meine Pflicht, sie zu beschützen!"

Damit war es beschlossen. Danzou Shimura und die ANBU-Ne würden einen denkwürdigen Tag erleben.

***

Letztendlich waren wir zu viert. Wir, das waren Shinpachi, Onkel Shikaku, ich, und als zusätzliches Druckmittel Fuse, die sich nicht lange hatten bitten lassen, nachdem ich der Dämonenkatze erklärt hatte, worum es ging. Hinzu kam... Nun, eine gewisse Lebensversicherung. Danzou war ein verschlagener Mann, der stets sein eigenes Süppchen kochte und dafür eine Privatarmee zur Verfügung hatte. Es war eine Riesendummheit, ihn zu unterschätzen. Oder sich, wie in meinem Fall, nur auf seine Fähigkeit zu verlassen, Affenkrieger zu beschwören.

"Unpraktisch, unpraktisch, unpraktisch", lamentierte Fuse zum viertenmal, während wir unter Konoha durch die Eingeweide der Stadt wanderten. Die meisten Menschen wussten es nicht, aber früher einmal hatte an dieser Stelle eine Fabrik gestanden. Was produziert worden war, wie viel und wofür, war in den Wirren des ersten Ninjakriegs verloren gegangen. Aber solche Fabriken hatte es damals öfters gegeben. Die Hauptstadt des Kuni no Ame war eine solche Fabrik. Wie ich wusste, war die Fabrik, die sich mehrere hundert Meter in die Höhe erhoben hatte, zerstört worden. Bis auf die Eingeweide, in denen wir uns bewegten. Damals war sie tief in die Felsen getrieben worden, an die Konoha heute im Norden grenzte. Das Jutsu oder die Waffe, die diese Fabrik ausgelöscht hatte, hatte eine kreisrunde Fläche vollkommen zerstört und das Halbrund aus den Felsen geschnitten, in dem heutzutage die Köpfe der ehemaligen Kages Konohas prangten. In den Resten des Runds hatte man die Stadt errichtet. Auch das war Wissen, das heute nicht mehr geläufig war. Die Reste der Fabrik, die sich hauptsächlich - so sie noch funktionierten - mit dem Transport von Wasser beschäftigten, ließen keinen Rückschluss auf die damalige Produktion zu. Viele industrielle Prozesse brauchten eine Menge Wasser. Aber wenn man durch diese Eingeweide wanderte, dann fühlte man sich beklommen und ängstlich angesichts dessen, was Menschen einander antun konnten... Andererseits, wenn man Ratten suchte, dann fand man sie dort, wo all das hinwanderte, womit der Mensch sich nicht belasten wollte. Im Untergrund. "Mamo-chan, ich rede mit dir!", begehrte Fuse auf.

Ich stoppte und sah sie an. Für unsere Mission hatte ich sie überredet, Menschengestalt anzunehmen. Seither wurde sie nicht müde, über die "Nachteile eines waffenlosen Menschen" zu reden. Sie hatte sich für die Gestalt einer hochgewachsenen, schlanken Frau mit langem, schwarzen Haar entschieden. Es hatte mich einiges an Diskussion gekostet, sie davon zu überzeugen, dass Frauen heutzutage keinen Bart trugen und auch ansonsten auf den Armen keine Haare hatten. Das Ergebnis konnte sich sehen lassen, fand ich. Wobei sie es beim Busen eindeutig übertrieben hatte. Das, was sie vor sich her trug, hätte einer normalen Frau schon nach zehn Minuten Rückenschmerzen bereitet. Erhebliche Rückenschmerzen. Nicht, dass es so viel war, dass sie sich damit mit der Hokage messen konnte. Aber für ihre sehr schlanke Gestalt war es eindeutig zu viel.

"Du wolltest diesen Mörderbusen", erinnerte ich sie.

"Ja, weil Shinpachi darauf steht", sagte sie und tätschelte dem Moeru die Wange. "Nicht, mein Lieber?" Der Moeru errötete leicht.

"Und du auch, Mamo-chan, nicht wahr?"

Ich kniff die Augen zusammen. "Ich kann mich nicht erinnern, das jemals gesagt zu haben."

"Was? Aber Ihr wart doch bei Puni-chan, oder nicht? Und die hat doch so gewaltige..."

"Das heißt nicht, dass ich große Busen bevorzuge."

"Aber Karin-chan hat doch auch so niedliche..."

"Maria aber nicht", konterte ich. "Und Hana-chan auch nicht."

"Oh, unterschätz mal Hana-chan nicht. Die ist gut gepolstert. Auch wenn man das nicht sofort sieht."

"Jedenfalls bevorzuge ich großen Busen nicht. Ich bin offen für alles, Fuse-chan."

"Hm. Da wollte ich dir mal einen Gefallen tun, und dann ist es auch nicht richtig."

"Wegen mir kannst du aber so bleiben", wandte Shinpachi schüchtern ein.

"Awwww, wenigstens einer, der zu seinen Bedürfnissen steht", schnurrte sie. Dabei drückte sie Shinpachis Gesicht an ihre Oberweite. Manche Shinobi hätten dies freiwillig als Hinrichtungsart gewählt.

Shikaku schmunzelte. "Genug jetzt. Wir sind gleich da", fügte er mahnend an.

"Verstanden", sagte Fuse. Sie entließ Shinpachi aus ihrem Griff und schritt weiter.
 

Wir erreichten eine Brückenkreuzung, die meterhoch über dem brodelnden Wasser stand. In der Mitte erwartete uns Danzou, ein gebückt gehender, stark bandagierter Mann, ehemaliger Vertrauter des Sandaime Hokages. Um ihn herum standen mehrere ANBU. Eine klare und sehr offensichtliche Drohung an uns. "Was wünschst du, Mamoru?", fragte er direkt.

Immerhin, ich kannte ihn persönlich, hatte als Lehrling Sarutobi-samas ein paarmal mit ihm zu tun gehabt. Daher wusste ich auch einiges über ihn, was nicht öffentlich bekannt war. "Seht ihm nicht in die Augen. Oder vielmehr das Auge", mahnte ich die anderen.

Der alte Mann lächelte mich arrogant an. "Das wird nichts nützen. Shinpachi no Moeru und du, Ihr mögt sensorische Ninjas sein und auch mit geschlossenen Augen kämpfen können, aber Shikaku-bozou und die Katze können das nicht. Zudem kennst du die Fähigkeiten meiner Leute nicht."

"Hm", machte ich leise. "Danzou-sama, das ist mir alles klar. Ich bin auch nicht hier, um zu kämpfen. Ich bin hier, um zu verhandeln."

Der alte Mann lächelte nun geringschätzig. "Und was bietest du mir an? Vergiss nicht, dein Higatsuku no Kara ist in einer Umgebung wie dieser, die vor Wasser nur so wimmelt, nicht viel wert."

Aha, er fürchtete also meine Kunst, mit der ich meinen ganzen Körper in Flammen setzen konnte. Das war eine interessante Information. Oder aber er hatte das absichtlich gesagt, damit ich meinen vermeintlichen Trumpf zog und damit scheiterte. Danzou war ein raffinierter alter Hund.

"Nichts dergleichen, Danzou-sama. Ich will mit dir über Kishio no Moeru verhandeln. Ich bin sein Meister, und dabei bleibt es auch."

Die Miene des alten Mannes versteifte sich. Sein linkes Auge, das rechte war unter einer Bandage verborgen, kniff er zusammen und sah mich wütend an. "Kishios Kunst eignet sich sehr gut für die ANBU-Ne. Wir dürfen ein solches Talent nicht ungenutzt lassen oder gar verschwenden. Seine sensorischen Fähigkeiten sind sehr gut, das alleine wäre es schon wert, ihn aufzunehmen. Aber sein Kekkei Genkai macht es zu einem Muss. Wir brauchen ihn und wir bekommen ihn."

"Nein, das tut Ihr nicht", sagte ich bestimmt und trat einen Schritt vor. Mehrere ANBU-Ne fuhren zusammen, gingen in Abwehrhaltung. "Wenn ich euch Kishio überlasse, wäre es das Gleiche, als wäre er tot. Aber ohne Kishio gibt es keinen Clan der Moeru, und ohne Moeru ist ganz Konoha einer großen Chance beraubt. Ich kann und werde das nicht erlauben. Das ist mein letztes Wort."

"Mamo-chan, lass das Gerede. Ich streife diesen unpraktischen Körper ab und dann lasse ich beim alten Knacker mal die Verbände fliegen", sagte Fuse fauchend.

Ich hielt sie mit einer Handbewegung zurück. "So weit sind wir noch nicht, Fuse-chan. Im Gegenteil, wir beginnen gerade erst, nicht, Danzou-sama?"

Danzou hatte den linken Arm gehoben, um die Reaktion eines seiner Leute zu verhindern. Der andere Arm steckte dick bandagiert in einer Schlinge, und wie ich den alten Sack kannte, kaschierte er damit entweder ein Jutsu, oder er versuchte zu erreichen, dass ein eventueller Gegner seine rechte Seite wegen dem verbundenen Auge und dem derangierten Arm unterschätzte. Danzou war ein tödlicher alter Bastard. "Sprich, Junge."

Ich lächelte geringschätzend, vermied es aber immer noch, ihn direkt anzusehen. Ich wusste, dass er unter dem Verband am Kopf ein Sharingan versteckte. Und ich wusste dank Kakashi auch, wie ich gegen ein Sharingan kämpfte. Zumindest gegen seine Funktion als Hypnosewaffe. Jene überlegenen Jutsu, die Madara Uchiha damit hatte einsetzen können, waren hoffentlich ein für allemal mit dem Clan gestorben. Mit ein wenig Glück würden auch die letzten beiden Überlebenden, Sasuke und sein älterer Bruder Itachi keine Kinder zeugen und ihre Kekkei Genkai nicht weitergeben, geschweige denn die Jutsu erlernen, die Madara zum zweitgefährlichsten Shinobi seiner Zeit gemacht hatten. "Man frisst nicht das Getreide, mit dem man säen will, alter Mann. Das weißt du doch. Willst du jetzt einen Moeru, der dir an die Kehle geht, sobald er herausbekommt, was du mit seinem Verstand tun wolltest, oder willst du später in aller Ruhe wählen können?"

"Oi, oi, Otouto, das war nicht abgesprochen", raunte Shinpachi mir zu.

"Erkläre mir das, Mamoru", forderte Danzou.

"Dir sollte klar sein, dass der Clan der Moeru ausgelöscht wurde. Und ehrlich gesagt würde es mich überhaupt nicht wundern, wenn du da deine Finger drin gehabt hast, um diese potentielle Gefahr für Konoha auszuschalten, Danzou-sama."

"Und wenn es so wäre?", fragte er geringschätzend grinsend. "Umso wichtiger ist es doch, die Talente der Moeru jetzt einzusetzen, solange es sie noch gibt."

"Du denkst falsch", sagte ich.

"Sie können mich haben!", sagte Shinpachi schnell. "Ich beherrsche die Jutsu des Clans besser als Kishio! Ich werde Ihnen eine größere Hilfe sein!"

"Und wieder hast du das gleiche Problem wie mit Kishio, nicht, Danzou-sama? Du hast doch einen bestimmten Grund, warum du deine ANBU-Ne im Kindesalter auswählst und lange trainierst. Beide, Kishio wie Shinpachi, sind erwachsen und haben ihren eigenen Kopf. Du kannst sie nicht lange zur Loyalität erziehen, und deshalb kannst du ihnen nie trauen, so wie deinen willigen Schlägern hier."

Unwillig raunten die anwesenden ANBU-Ne, aber Danzou lachte. "Was also schlägst du vor?"

"Warum jetzt das Saatgetreide fressen, wenn die Ernte viel ergiebiger sein wird? Wenn du wählen kannst?", sagte ich. "Kishio wird den Clan neu gründen und Kinder zeugen."

"Mamoru, du elender Bastard, du wirst doch nicht...", begann Shinpachi. Er sprang auf mich zu, aber einer der ANBU-Ne ging dazwischen und stoppte ihn. Vor ihm flirrte ein violetter Staub in der Luft. Ich wusste, es handelte sich um mikroskopisch kleine Insekten, die ein schnell wirkendes Gift produzierten. Eine verdammte effektive und heimtückische Waffe. "Du bleibst, wo du bist. Du siehst doch, was dies hier ist, oder?", drohte der Aburame Shinpachi.

Widerwillig zog sich der Moeru einen Schritt zurück. Shikaku trat neben ihn und legte ihm eine Hand auf die Schulter. "Ruhig, Shinpachi. Du weißt, dass dies hier notwendig ist."

"Das macht es nicht leichter", knurrte er.

"Amüsant. Was also bietest du mir an? Kishios Erstgeborenen?"

Ich lachte leise. "Ich sprach von der Ernte, nicht vom ersten Korn, Danzou-sama. Tatsächlich kann unter Kishios zukünftigen Kindern eines dabei sein, das deine Anforderungen perfekt erfüllt. Im Sinne der Sicherheit von Konoha könnte es dir überantwortet werden. Aber warum so lange warten?"

"Es geht schneller?"

"Es geht schneller." Ich deutete auf Shinpachi. "Orochimaru hat mit diesem Mann experimentiert. Mit ihm, seinem Körper und seinem Sperma. Wir sind schon einmal einem Kind begegnet, das auf diese Weise gezeugt wurde. Es diente einem Verbündeten Orochimarus als Spürhund. Ansonsten war es ein Mädchen ohne Verstand und ohne Willen. Ganz so, wie du es magst."

"Hüte dich", brummte der alte Mann. "Du willst mir also sagen, dass man die anderen Moerus, die Orochimaru mit Shinpachis Sperma zeugen ließ, finden kann, um sie für unsere Sache zu nutzen. Und dass dabei auch ein Exemplar sein kann, dass für die ANBU-Ne geradezu geschaffen ist?"

"Wenn es das nicht ist, kannst du immer noch auf Kishios Kinder setzen, Danzou-sama", sagte ich spöttisch grinsend. "Wie sieht es also aus? Haben wir einen Deal?"

"Mamoru, du Halunke! Das kannst du nicht machen! Wenn du das tust, dann schwöre ich dir, dass..."

"Dann was, Shinpachi? Du weißt, dass dies die einzige Möglichkeit ist! Oder nicht?"

Der Moeru knirschte mit den Zähnen. "Ja", presste er schließlich hervor.

"Also, Danzou-sama. Haben wir einen Deal?"

Der alte Mann begann leise zu lachen, steigerte sich und lachte schließlich aus vollem Hals. "Nun gut, ich versuche nicht mehr, Moeru no Kishio zu destabilisieren und in die ANBU-Ne zu holen. Dafür aber suche ich mir einen Moeru aus, der in meine Einheit passt. Ich suche ihn aus, wohlgemerkt."

"Einverstanden." Ich wandte mich von ihm ab. "Wir gehen." Wortlos schlossen sich Shikaku und Fuse an. Shinpachi fluchte unbeherrscht, dann aber folgte auch er.
 

Als wir wieder auf dem Weg zur Oberfläche waren und weder ich, noch Shinpachi Verfolger oder Überwachungsgeräte entdecken konnten, machten wir kurz Pause. Shinpachi seufzte erleichtert auf und ließ sich, wo er war, zu Boden sinken. "Puuuuh, ich hätte nicht gedacht, dass wir das überleben."

"Das war gut geschauspielert, Shinpachi-san", lobte Fuse, während sie dem Moeru die Haare tätschelte. "Ohne dein Talent hätte Danzou sonst gemerkt, wie sehr wir ihn über den Kamm barbiert haben."

"Und dank unsere entzückenden Fuse, auf die Danzou mehr als die Hälfte seiner Aufmerksamkeit verschwendet hat, weil er sie nicht einschätzen konnte", fügte ich an, "wird er es auch nicht mehr merken. Hoffentlich."

"Und selbst wenn, wird er es nicht wagen, Nachbesserungen zu verlangen. Immerhin war ich als Zeuge und Clanschef anwesend", ergänzte Shikaku. "Dennoch wurmt es mich, ihm überhaupt einen Moeru überlassen zu müssen."

"Besser ein leeres Kind ohne eigenen Verstand, für das das Leben als ANBU-Ne eine Verbesserung darstellen wird, als Kishios Erstgeborener", sagte ich. "Abgesehen davon ist Danzou ein alter Sack, der eh bald abtreten wird. Ob es dann überhaupt noch ANBU-Ne geben wird, steht auf einem ganz anderen Blatt. Jetzt, für den Moment, war dies die beste Lösung, um uns Ruhe und ein ruhigeres Leben zu erkaufen. Uns, und vor allem Kishio."

Ein sehr heftiger und wütender Gedanke erreichte mich. Von Kishio. Vehement hatte er sich dafür eingesetzt, ebenfalls mitgehen zu dürfen, um, so seine Originalworte "uns nicht alleine in unseren Tod rennen zu lassen". Aber einerseits hatte ich seinen schauspielerischen Fähigkeiten misstraut, und andererseits hatten wir nur einen Moeru mitnehmen können. Der andere hatte an einem nahen, aber sicheren Ort unsere Eindrücke überwachen müssen, um zu entscheiden, ob und wann das gemischte Team aus Spinnen, Affen und ANBU, die mir noch einen Gefallen schuldeten, eingreifen sollte. Dass sie nicht zum Einsatz gekommen waren, war kalkuliert gewesen, aber ich war trotzdem froh, dass die Geschichte so ausgegangen war. Seltsamerweise spürte ich nach dem ersten Zorn Bestätigung von Kishio. Verbunden mit dem Gedanken, Danzou nicht mal eines der "leeren" Kinder aus Orochimarus Arsenal zu überlassen. Nun. Wir würden sehen, ob und was nötig werden würde, solange Danzou und seine ANBU-Ne existierten.

Ich winkte die Truppe weiter. "Gehen wir. Der Untergrund von Konoha gehört meiner Meinung nach eingestampft."

"Hai, Tai-sho." Fuse kam an meine Seite und rieb sich an mir, so als wäre sie in ihrer Gestalt als kleine, zweischwänzige Katze. "Und so ein gerissener Tai-sho noch dazu."

"Ich tu, was ich kann, Fuse. Ich tu, was ich kann." Und das war bereits eine ganze Menge.

Der Regenmacher 11

4.

Man konnte einiges über Kankurou sagen; dass er eine kalte Aura hatte, dass er mit seiner Schminke bewusst Unsicherheit verbreiten wollte, dass er ein durchaus arroganter Mensch war... Vollkommen richtig. Was man aber auch über ihn sagen konnte, war, dass er Freundschaft ernst nahm. Und so wunderte es mich nicht, dass er mich stumm einige Zeit musterte, bevor er fragte: "Kann ich dir helfen, Mamo-chan?"

Verwundert sah ich ihn an. Es war keine Stunde her, dass wir unseren Ausflug in die Tiefen Konohas beendet hatten, und mir zitterten noch immer die Knie. Ich wusste, bei der nächsten Begegnung mit Danzou würde es zum Kampf kommen und womöglich einer von uns beiden sterben. Dabei rechnete ich mir durchaus gute Chancen gegen ihn alleine aus, nicht aber gegen seine gesammelte ANBU-Ne-Truppe, die Shinobi von hervorragender Qualität und zweifelhafter Moral zu bieten hatte. Ich meine, Shinobi wurden darauf trainiert zu töten und Befehle auszuführen, und dies schon ab einem Alter von acht Jahren, aber wir "normalen" Shinobi halfen nach der Schlacht den Verwundeten beider Seiten. Bei den ANBU-Ne wurden alle Toten nochmal getötet, nur um auf Nummer sicher zu gehen - eigene wie feindliche. Vielleicht konnte ich es mit Danzou und einem Begleiter aufnehmen, aber sicher nicht mit zwei oder drei. Und das auch nur, wenn ich die richtigen Affenkrieger beschwor, die die mir unbekannten Fähigkeiten seiner Begleiter kontern konnten. Das geraubte Sharingan konnte ein Sensoriker kompensieren, darum machte ich mir keine Sorgen. Aber von seinen kannte ich kaum die Fähigkeiten. Sai's waren mir bekannt, und die des Aburame mit seinen mikroskopisch kleinen Käfern. Auch sollte ein Yamanaga in ihren Reihen sein, aber sicher kein Nara. Der Rest war mir unbekannt. Ein unabwägbares Risiko. Einer der Gründe, warum ich Kishio nicht direkt mitgenommen hatte: Man wedelte nicht mit dem Hauptpreis vor dem Maul einer Bestie herum.

"Was?", fragte ich.

"Ob ich dir helfen kann." Eines seiner seltenen Lächeln zierte Kankurous Miene. "Mir wurde zugetragen, dass du kleine Probleme hast. Es wäre mir eine Freude, wenn ich ein klein wenig von dem zurückgeben könnte, was Suna dir schuldet."

Vor Schreck fiel mir die Gabel aus der Hand und landete krachend auf dem Teller. Die anderen Anwesenden in unserer Küche sahen mich an. "Was meinst du, Kan-chan?"

Nun wurde das Lächeln ein Grinsen. "Mir wurde zugetragen, dass, ah, eine gewisse innere Fraktion Konohas sich etwas zu sehr für die Moerus interessiert. Anscheinend hast du einen Frieden ausgehandelt, aber, nun, bei dieser Fraktion gehört Lügen und Betrügen noch mehr zum Geschäft als bei Shinobi üblich. Deshalb solltest du entgegen deiner Art jedem Konoha-Nin vorerst mit Misstrauen begegnen."

Meine Irritation musste an meinem Gesicht abzulesen sein, denn Kankurou lachte nun prustend. "Was bist du so schockiert? Seit wir unser Bündnis erneuert haben, habe ich viele neue Kontakte in der Stadt geschaffen", sagte er grinsend.

"Aha. Neue Kontakte", erwiderte ich. Natürlich meinte er Spione. Suna hatte also gerade inoffiziell zugegeben, dass es Spionage in Konoha verrichtete.

"Neue Kontakte", bestätigte er. "Du magst ein wundervoller Mensch sein, dem ich uneingeschränkt mein Vertrauen geben kann, aber du bist nicht Konoha, oder? Auch Tsunade-sama kann ich vertrauen, aber nicht allen Fraktionen und Strömungen Konohas. Es ist, ah, immer besser, schon vorab zu wissen, in welche Richtung sie marschieren, um gegebenenfalls gewappnet zu sein. Das ist in Suna nicht anders. Schon seit einiger Zeit beobachte ich mit Sorge eine Strömung gegen Gaara, die in letzter Zeit an Fahrt gewinnt. Es ist immer wichtig, in solchen Situationen Quellen vor Ort zu haben, sei es nun in Suna oder sei es in Konoha." Er lehnte sich zurück. "Diesmal aber habe ich nur unsere Kopien der Geheimdienstberichte aus Mizugakure gelesen."

"Sehr witzig, Kan-chan", brummte ich. Das war so ziemlich der älteste Witz im Spionagegewerbe. Andererseits verstand ich sehr wohl, was er sagen wollte. Ich dachte darüber nach und tauschte einen Blick mit Tooma aus, der diesen mit einem feinen Lächeln erwiderte. Wenn ich mich wirklich mit Danzou anlegte - und die Entscheidung darüber würde nicht von mir gefällt werden, wie mir schmerzlich bewusst wurde - dann konnte ich jede Hilfe gebrauchen, die ich kriegen konnte, denn der alte Mann war ein skrupelloser, gewissenloser und selbstgerechter alter Sack. Er redete zwar immer davon, dass er all das mit Schmerzen und nur im Sinne von Konoha tat, aber Konoha, das war in seinen Augen er selbst. Alles andere nur eine Irrmeinung. Wäre Tsunade-sama nicht eine durchaus wehrhafte Frau und wäre sie dank ihres persönlichen Jutsu nach nicht unverwundbar, hätte Danzou eventuell schon eine Dummheit riskiert.

Ich schob diese Gedanken beiseite, denn sie brachten mir nichts. Mehr als sie im Hinterkopf behalten konnte ich im Moment nicht. Und dann, wenn es akut wurde, konnte ich nur hoffen, dass ich einerseits schnell genug reagierte und andererseits überhaupt etwas helfen konnte, denn letztendlich war ich gegenübe Tsunade-sama nur ein kleines Licht. Wenn sie meine Hilfe, die eines kleinen spezialisierten Jounin, brauchte, würde die Kacke aber mächtig am Dampfen sein. Die Alternative war, den eigenen Standpunkt so gut ich es konnte verstärken. "Da gibt es tatsächlich etwas...", sagte ich gedehnt."Aki-chan hat es in Suna ziemlich gut gefallen. Aber vielleicht werde ich nicht mehr die Zeit haben, ihn dorthin mitzunehmen."

Kankurou kniff die Augen zu Schlitzen zusammen. Er sah kurz zu Maria herüber, die, über eine Tasse Tee gebeugt, die Konversation stumm mitverfolgte. Ihr Gesicht war eine undurchdringliche Maske. Natürlich hatte ich ihr nichts von den Problemen mit Danzou und den ANBU-Ne gesagt, niemand in der Familie sollte davon wissen, dass sie ihre Klauen nach Kishio ausgestreckt hatten. Das hieß aber nicht, dass sie es nicht selbst herausgefunden hatten.

Kankurou klopfte leise auf den Tisch. "Mach dir darum keine Sorgen, Mamo-chan. Wenn du keine Zeit hast, wird es mir eine Ehre sein, den Kleinen nach Suna zu holen und ihm die schönen Seiten der Stadt zu zeigen."

Ich fühlte eine gewisse Erleichterung in meinen Eingeweiden. Für einen Ninja bedeutete das Leben, dass er auch immer mit seinem Tod rechnete. Tatsächlich starben die wenigsten Shinobi an Altersschwäche, die Meisten starben in jüngeren Jahren auf dem Schlachtfeld. Ich rechnete also mit meinem eigenen Tod schon, seit ich das erste Mal ein Kunai in die Hand genommen hatte. Aber diese unterschwellige Gewissheit, diese Angst, hatte nichts mit Akira zu tun. Sollte also wirklich etwas passieren, sollte das Schlimmste passieren und die Familie Morikubo zerstreut oder gar vernichtet werden, dann hatte Aki-chan, falls er dann noch lebte, eine sichere Zuflucht in Sunagakure unter den wachsamen Augen von Kankurou.

"Danke", sagte ich mit einem knappen Lächeln. "Ich mag Sunagakure und seine Shinobi sehr."

"Und jetzt noch mehr, eh?", scherzte Tooma. Er sah seine Verlobte an. "Eigentlich ist das eine super Gelegenheit, um ein wenig Urlaub zu machen, findest du nicht, Schatz? Ein paar Wochen das gute Essen in Konoha wird uns guttun."

"Du willst ja nur, dass ich zunehme", erwiderte sie mürrisch. "Damit du mehr zu lieben hast."

"Und was ist falsch daran?", neckte er sie.

"Ihr wohnt dann selbstverständlich hier", erklärte ich rigoros. "So lange, wie Ihr wollt."

Tooma rutschte ein Grinsen durch die Fassade seines Lächelns. "Danke, Mamo-chan. Wir wissen das zu schätzen."

Innerlich atmete ich auf. Kankurou hatte die beiden in meinem Haushalt platziert, womöglich für den ganzen Zeitraum meiner Mission im Land des Schnees, damit sie auf meine Familie aufpassten. Nur für den Fall, dass sich der unfreundliche Teil Konohas gegen sie wendete. Ich konnte nicht in Worte fassen, wie dankbar ich dem Ratsherrn Sunas und meinen beiden Freunden Lian und Tooma war.

"Nicht doch. Ich danke euch, dass Ihr Konoha mit eurer Anwesenheit ehrt. Und dass Ihr Mutter ein wenig auslastet, während ich nicht da bin. Sie kommt sonst womöglich noch zum Nachdenken, und das ist immer gefährlich." Ich war mir sicher, dass Mutter genau jetzt niesen musste. Ihr sechster Sinn für derart Gesagtes war phänomenal. Deshalb war sie ja auch eine so gut Kunoichi gewesen.

Ich erhob mich. "Entschuldigt mich jetzt bitte. Termin bei der Hokage. Fühlt euch hier ganz wie Zuhause, bitte." Ich nickte Ryuji Nekozumi und Suzume-chan aufmunternd zu. "Kishi! Wir müssen los!"

"Hai, Aniki!", kam sein Ruf zurück, bevor er, sein Stirnband gerade umbindend, ins Gebäude rüberkam. "Ich habe noch kurz mit Kin-chan gesprochen."

Worum es dabei gegangen war konnte ich nur ahnen, aber bei Kicchans feinem Gespür für Situationen hatte er den ANBU, der seit ein paar Tagen bei ihm logierte (und zwar länger als eine Renovierung seiner Wohnung dauern würde), das Versprechen abgerungen, gegen ANBU-Ne auf der Hut zu sein. Wir hatten damit wahrlich in ein Wespennest gegriffen. Nein, das war falsch formuliert. Danzous Gier nach Kishios Fähigkeiten waren wie eine Hand, die aus dem Wespennest hervorgeschossen war, um uns hineinzuziehen. Und das würde ich dem alten Bastard nicht verzeihen. Nicht, solange ich lebte. Was hoffentlich eine lange Zeit sein würde.

Ich nickte bestätigend. "Gut. Lian und Tooma bleiben auch noch ein wenig hier. Maria, was ist mit dir?"

Die junge Frau lächelte, sehr falsch und sehr verstörend. Auch sie wusste mehr, als ich mir eingestehen wollte.

"Ich gehe mit Aki-chan zu seinem Großvater. Der Spielplatz dort ist toll."

Ihre Worte erinnerten mich wieder daran, dass sie seit einem Jahr ein offizielles Familienmitglied war. Und ich wurde auch daran erinnert, dass der Rat der Nara von mir erwartete, sie zu heiraten und Aki-chan damit noch enger an Konoha zu binden. Was mich wiederum daran erinnerte, dass ich mich mit Karin auch hatte verloben wollen. Gut, dass ich im Vorfeld meines Geburtstags keine entsprechenden Andeutungen gemacht hatte, wann ich das tun wollte.

Ich nickte als Zeichen, das ich verstanden hatte. Und zwar alles. Dann wünschten Kishio und ich noch einen schönen Tag in die Runde und machten uns auf den Weg.

***

In Tsunade-samas Büro eingetroffen erwartete uns zu unserer Überraschung Leere. Sie war nicht da. Auch Shizune, ihre Sekretärin und rechte Hand, war nicht aufzutreiben. Das war ungewöhnlich, denn ihre Termine hielt die Godaime Hokage immer ein. "Kishio?"

Der rothaarige Moeru nickte und spannte sein Kanshi auf. Da er Tsunade-samas Chakra gut genug kannte, würde er sie über kurz oder lang finden, wenn sie noch in Konoha war. Trotzdem dauerte es ein paar Minuten, bevor er meine Hand ergriff, damit ich an seinen sensorischen Fähigkeiten teilhaben konnte. Noch immer war meine Reichweite gegenüber der Kishios erbärmlich zu nennen, aber immerhin hatte ich mich von meinen Anfängen, lächerlichen zwanzig Metern, auf mittlerweile einen Kilometer hochgearbeitet. Und das war selbst unter sensorischen Ninjas nicht schlecht. Aber wahrscheinlich auch mein Limit.

Auf Kishios Fähigkeiten mitreitend fand ich sie schnell. Sie war im Krankenhaus. Das war nicht ungewöhnlich. Sie war die fähigste Medi-Nin Konohas, vielleicht die fähigste Medi-Nin aller fünf großen Länder und darüber hinaus. Es war nicht ungewöhnlich, dass sie zu komplizierten Fällen oder schwierigen Behandlungen gerufen wurde. Das bedeutete eine Wartezeit von fünfzehn bis zwanzig Minuten, die Tsunade-sama brauchen würde, um zum Büro zurückzukommen. Die restliche Zeit für das, was sie gerade tat, nicht eingerechnet.

Ich seufzte. "Tee?"

Kishio nickte. Es war mehr als genug Zeit, um in einem der Lokale einen Grüntee zu trinken. Und dank seiner sensorischen Fähigkeiten würden wir es wissen, wenn sie früher zurückkehrte. Es musste darüber hinaus sehr wichtig sein, wenn die Hokage ihren Terminplan komplett auf den Kopf stellte. Sicherheitshalber prüfte ich, erneut Kishios Fähigkeiten nutzend, die Umgebung Tsunade-samas auf Shizunes Anwesenheit. Aber seltsamerweise entdeckte ich sie nicht. Stattdessen aber fiel mir ein Chakra auf, das ich erst ein paar Tage kannte. Der Person, die es verströmte, traute ich nicht weiter, als dass ich einen der Hokage-Köpfe auf den Felsen über uns werfen konnte. Es war unser Regenmacher. Fragend hob ich beide Augenbrauen. Aber Kishio hütete sich, eine irgendwie geartete Vermutung auszusprechen. Dennoch fragte ich mich, was die beiden im Krankenhaus zu tun hatten. Und das im gleichen Raum. Hatte es mit unserer Mission zu tun? Ich konnte es nicht sagen. Und vielleicht würden wir es nie erfahren.
 

Eine halbe Stunde später standen wir erneut in Tsunade-samas Büro, weil Shizune eingetroffen war. Die junge Frau hatte eine erstaunlich schlechte Laune gehabt, aber sie versuchte tapfer, diese vor uns zu verbergen. Stattdessen betrieb sie belanglose Konversation und bot uns Tee an.

Fünf Minuten später traf Tsunade-sama mit Haru ein. Zusammen.

Die Hokage musterte mich und Kishio aufmerksam. Zwischen ihren Augen stand eine tiefe Falte. "Ihr habt uns gesehen." Das war keine Frage gewesen. Nur eine Feststellung.

"Hai, Tsunade-sama", sagte Kishio. "War es verboten?"

Sie setzte sich auf ihren Platz hinter dem Schreibtisch. "Nein. Es ist nur irrelevant für eure Mission." Damit schob sie das Thema beiseite und bot uns Plätze an. Haru nahm ebenfalls Platz, was logisch erschien, immerhin war dies ein Missionsbriefing. Nur, wie weit war Kiri in unser Vorhaben eingeweiht?

Die nächsten Worte Tsunade-samas bewiesen, dass sie nur das wissen konnten, was sie sich selbst zusammenreimten. "Als Tarnung für eure Untersuchung", begann sie, mit keinem Wort von den Moerus sprechend, "bauen wir auf der Arbeit Kirigakures auf. Nachdem Team sieben unter Kakashi eine Begleitschutzmission im Yuki no Kuni absolviert und dabei "aus Versehen" ein neues Staatsoberhaupt etabliert hat, entwickelte die neue Führung Interesse an, ah, Ninjutsu."

"Frage, Tsunade-sama", sagte Kishio. "Wie kann man aus Versehen ein neues Staatsoberhaupt etablieren?"

Ich musste grinsen. "Naruto."

Tsunade-sama nickte gewichtig. "Naruto." Damit war für uns beide diese Frage geklärt. Aber der junge Moeru, der Jiraiyas Meisterschüler noch nicht so gut kannte, runzelte die Stirn. Sein Gesicht war eine einzige Frage.

"Sagen wir einfach, dass Naruto die Fähigkeit hat, Ungerechtigkeiten zu erkennen und zu bekämpfen. Und wenn man ihn von der Leine lässt, dann bekommt ein kleines Land eben ein neues Oberhaupt." Bei diesen Worten musste sie nun grinsen. Sie hatte, lange nach diesen Ereignissen im Land des Schnees, ihre eigenen Erfahrungen mit Narutos Hartnäckigkeit gemacht. Shizune hatte mir ein paar Anekdoten erzählt, die Tsunade-sama nie freiwillig rausgerückt hätte.

"Auf jeden Fall bedeutet dies für uns, dass wir es mit Koyuki Kazahana zu tun haben. Diese ist, wie ich bereits erwähnt habe, vom Ninjutsu beeindruckt, sodass sie einige Zeit Kiri-Nin angeworben und eingesetzt hat, um talentierte Leute in den eigenen Reihen in die Grundlagen einzuführen."

"Warum Kiri-Nin und warum keine Konoha-Nin?", fragte ich erstaunt. "Ich hätte eher erwartet, dass sie sogar Team sieben direkt anfordert."

"Das hat sie auch getan, aber Team sieben war damals nicht verfügbar. Außerdem musste damals ein gewisses Gleichgewicht der Kräfte bewahrt werden, weshalb wir zugunsten Kirigakures auf den Auftrag verzichtet haben. Damals hatte Sarutobi-sama dich dafür im Auge, Mamo-chan, aber zugunsten der Außenpolitik wurde ihm aus dem Büro des Daimyos nahegelegt, an Kiri zu delegieren. Damals waren die Räte noch der Meinung, Kirigakure als Puffer zu Kumogakure zu brauchen." Sie deutete auf Haru. "Im letzten Jahr war er einer der Hilfsausbilder, die den ausgesandten Jounin unterstützt haben. Durch seine vortreffliche Arbeit bekam er die Einstufung Chunin und wechselte, genau wie du damals, Mamo-chan, ins Ausbildungsressort im Feld. Er kennt also die Leute, das Gelände und die örtlichen Gegebenheiten und Sitten. Faktisch eine sehr gute Wahl, um die Mission durchzuführen, denn um unser Erkundungsunternehmen nach Orochimaru zu kaschieren, haben wir Kiri darum gebeten, den Ausbildungsauftrag dieses Jahr an uns zurückzugeben, und Kazahana-sama hat dem zugestimmt, nachdem ihr gegenüber erwähnt wurde, du seist ein Freund Narutos."

"Ah, Vitamin B", schmunzelte ich. Nun, ich mochte es wirklich, wenn über Naruto gut geredet wurde. Das hatte er sich verdient, denn er war ein feiner Kerl. Und nur die Götter mochten wissen, wie groß sein Chakra war und wohin ihn sein Weg noch führen würde. Wer einmal das Rasengan gesehen hatte, das er hauptsächlich verwendete, ahnte, dass das noch lange nicht das Ende der Fahnenstange war. Er pflegte stets zu sagen, dass er Hokage werden und sich den Respekt aller verdienen wollte. Nun, letzteres würde er zweifellos irgendwann schaffen.

"Etwas in der Art, ja." Sie räusperte sich vernehmlich; Haru hörte aufmerksam zu, verzog aber keine Miene. Ich war mir nicht sicher, dass das nur an der Mission lag. "Um auf die eigentliche Mission zurückzukommen, so habe ich entschieden, dass du der Köder sein wirst, Kishio-kun."

"Äh, Tsunade-sama, Köder?", fragte er erstaunt.

"Kishio no Moeru, ja", sagte sie bestimmt. "Wir werden deine Anwesenheit durchsickern lassen und wir werden dich stets prominent positionieren. Jeder, der sich für die Moerus und ihren stärksten Überlebenden interessiert, wird davon angelockt werden wie die Motten nachts von einer Kerzenflamme. Das ist natürlich ein für dich sehr gefährliches Vorgehen und ich kann verstehen, wenn du ablehnst. Es gibt noch einen Plan B und einen Plan C in der Schublade, die..."

"Nein, nein, das geht schon in Ordnung", sagte Kishio lächelnd und hob abwehrend die Hände. "Ich bin ein Shinobi und ich werde meine Pflicht nicht vernachlässigen oder meine Arbeit einem Schwächeren überlassen, dessu ne? Außerdem vertraue ich Mamo-nii. Er wird schon auf mich aufpassen."

"Wer wohl auf wen aufpassen wird, Herr Sensoriker", scherzte ich und knuffte ihm einen Ellenbogen in die Seite.

"Schön, dass du das ansprichst, Kishio-kun. Wir haben intern diskutiert, wie wir den Köder noch attraktiver machen können und sind auf eine Idee gekommen, die, nun, von dir einiges an schauspielerischem Talent abverlangt." Sie sah mich an, und ich fühlte einen eisigen Schauder den Rücken runterlaufen. "Und von dir ein, ah, etwas größeres Opfer, Mamo-chan."

"Ich bin zu jeder Schandtat bereit", sagte ich jovial, zitterte aber innerlich vor dem, was sie verlangen würde. Verdammt, wenn sie so ein Trara darum machte, musste es etwas sein, was mir nicht gefiel.

"Gut, dann sei bitte heute Nachmittag um zwei mit Kira-kun in der Klinik."

"Mit Kira?", fragte ich verwundert. "Warum das denn?"

"Außerdem hast du die nächsten Tage bis zum Aufbruch ein paar Trainingseinheiten mit Kakashi", fuhr sie fort, meine Frage übergehend. "Wir wollen doch, dass alles zumindest perfekt aussieht, oder?" Zufrieden lehnte sie sich nach hinten. "Kishio, ich denke, du wirst einen guten persönlichen Sklaven abgeben."

In etwa so irritiert wie ein Kunde, der in einen Fleischerladen geht und dort einen Shop für Intimhygiene findet, sah Kishio unsere höchste Vorgesetzte an. "Hai?"

"Ein seinem Meister vollkommen ergebener, aber nicht ganz so guter Kishio no Moeru wird die Aufmerksamkeit erzeugen, die uns vorschwebt", sagte sie selbstzufrieden. "Für die einen wirst du schwach wirken, schwach genug, um dich in die Hand zu bekommen, für die anderen schwach genug, um den Wunsch zu wecken, ah, deine Situation zu verbessern." Ihr Lächeln verschwand und machte einem sehr ernsten Gesicht Platz. "Ich erwarte von euch beiden ein perfektes Spiel!"

Beim Ton ihrer Stimme fuhr ich zusammen, Kishio erging es ebenso. "Jawohl, Tsunade-sama!"

"Hai, Taisho!"

"Gut. Dann seid Ihr entlassen, Mamoru, Kishio. Haru, du ebenfalls."

Wir nickten der Hokage zu und verließen ihr Büro wieder.

Vor der Tür sah ich den ehemaligen Harusame an. "Darf ich wissen, was im Krankenhaus los war?"

Er zuckte mit den Schultern. "Warum nicht? Es ist kein großes Geheimnis. Ich werde bald sterben, Morikubo-sama." Mit diesen Worten ließ er uns stehen und ging davon.

Kishio knirschte mit den Zähnen. "Wenn er denkt, er kann sich bei uns einschmeicheln, hat er sich aber geirrt."

Ich runzelte die Stirn. Anscheinend musste ich mir keine Sorgen machen, dass Haru zu viel Sympathie entgegengebracht werden würde. Nicht mal meine eigene.

***

Eine Stunde vor dem Mittagessen waren wir wieder Zuhause. Bis auf Anne brachen meine Freunde aus Tsukigakure wieder auf. Und Maria blieb noch bis zu meinem Aufbruch, um Aki-chan wieder mitzunehmen. Für Lian und Tooma bedeutete das, wenn Kankurou Wort hielt - woran zu zweifeln ich nicht eine Sekunde wagte - ein bezahlter Urlaub an einem der schönsten Strände, die ich kannte.

Ryuji Nekozumi, mein alter Freund hingegen, würde mit uns aufbrechen, da wir, um auf den neuesten Stand zu kommen, noch mal bei ihm daheim vorbeischauen und aktuelle Geheimdienstberichte einholen würden, die Moerus betreffend. Einen Teil des Weges würde uns Team Samui begleiten, bis wir kurz vor der Landesgrenze verschiedene Wege gehen würden. Ich hatte Omoi und den Mädchen allerdings bereits das Versprechen abgeluchst, Suzume und ihren Freund sicher nach Hause zu bringen. Immerhin kannten sie die Burg, in der die beiden heutzutage arbeiteten, noch ziemlich gut aus jenen Tagen, in denen Kirabi-sama und Yugao-chan selbige zerstört hatten. War es ein schlechtes Vorzeichen, dass der damalige Unter-Daimyo, der meine Lehrerin und den Jinchuriki Kumogakures hatte anwerben und als das nicht gelang töten lassen wollte, nun als Chunin Kirigakures mit uns kam? Auf jeden Fall waren wir uns mehr als einig, ihm gegenüber mit keinem Wort zu erwähnen, dass wir überlebende Moerus suchten. Offiziell jagten wir Orochimarus Labore; da ich bereits in dreien von ihnen gewesen war, galt ich durchaus als Experte, denn die meisten Shinobi, die eines der Verstecke zu Gesicht bekamen, sahen nur eines - das, in dem sie anschließend umkamen. Darüber hinaus waren zwei Dinge nicht auszuschließen. Erstens, dass Orochimaru im Yuki no Kuni tatsächlich Stützpunkte und Labors unterhielt. Das Land war so abgelegen und so uninteressant für die fünf großen Reiche, für gewisse Forschungen und Experimente war es geradezu ideal. Und zweitens, dass Orochimaru theoretisch über die gleichen Informationen verfügte wie Konoha. Bedeutete dies einen Wettlauf um die letzten freien Moerus? Bedeutete dies, dass ihre Leben bedroht waren, falls es sie tatsächlich gab? Für die Spurensuche hatte Ryuji nur eine kleine Handvoll Personen eingesetzt, denen er vorbehaltlos vertraute. Aber letztendlich war jeder erpressbar oder unter Folter bereit, alles zu verraten, was er wusste. Und das war nicht einmal notwendig. Ein guter Spion musste einem anderen Spion nur folgen, um zu den gleichen Schlüssen zu kommen wie der andere. Zwar hatte es keinen Briefverkehr gegeben, nur mündliche Berichte, aber das war nur bis Nekozumi gewesen; Konoha hatte natürlich wieder einen Haufen Dokumente gebraucht. Wir waren sicher, dass es noch den einen oder anderen auf Oros Lohnliste in Konoha gab und deshalb die Gelegenheit genutzt, ein paar Fallen zu stellen, in denen sich früher oder später der eine oder andere Lohnsklave verfangen würde, aber wie erfolgreich würden diese sein? Hinzu kam, dass die meisten von ihnen sicherlich nicht einmal wussten, dass sie für Orochimaru arbeiteten. Und es kamen sicher noch ein paar Spione der anderen vier großen Nationen hinzu, die ihrerseits am Moeru-Komplex interessiert waren. Letztendlich aber würden die Klügsten unter ihnen folgerichtig annehmen, dass sie sich erst bewegen durften, wenn sich Kishio oder Shinpachi oder ich - oder alle drei zusammen - bewegten. Fehlten zum Beispiel Orochimaru Daten für eigene Ermittlungen, würde er einfach uns verfolgen lassen, um an sein Ziel zu kommen. War er uns voraus, kamen wir so oder so zu spät. Aber das waren Gedanken, die sich nur Anfänger machten. Profis nahmen hin, und gut war. Und es war ja nicht so, als wären wir Oro selbst nicht auch auf den Fersen. Mein kleiner Bruder Naruto befand sich just auf der Suche nach solch einem Versteck. Natürlich nicht nach dem Versteck selbst und das auch nicht alleine, aber er klapperte Informanten ab, um das Netz enger zu ziehen und Orochimaru endlich zu stellen. War er erfolgreich, würde Team Kakashi einen Präventivschlag führen. Ziel würde es sein, Orochimaru daran zu hindern, den Körper von Sasuke Uchiha nach seinem Drei Jahre-Turnus zu übernehmen und zu eigen zu machen. Falls die Anhaltspunkte zusammengetragen werden konnten.

Wie ich wusste, war Sakura Haruno in seinem Team, ein ziemlich vorlautes Gör, aber eine Schülern Tsunade-samas. Selbstverständlich führte Kakashi die Truppe an, und er war einer der besten Jounin, über die Konoha verfügte. Wenn ich es recht bedachte, waren Naruto und ich an der gleichen Mission beteiligt. Wir marschierten nur in verschiedene Richtungen und hatten verschiedene Einzelziele. Aber alles war darauf ausgerichtet, Orochimaru zu schwächen oder ganz zu vernichten. Was kam danach? Die alte Rivalität der fünf großen Reiche? Akatsuki, die mein Team bereits zu observieren versucht hatte? Ich wusste es nicht. Aber solange Orochimaru lebte und sein perfides Werk verrichtete, band er zumindest einen Teil der Ressourcen aller fünf großen Dörfer, die ansonsten vielleicht für einen vierten großen Krieg verwendet werden würden, und...
 

"Was?", fragte ich erstaunt und sah auf.

Kankurou schnippte erneut mit der Rechten vor meinen Augen. "Wieder da, Kleiner? Ich sagte, ich muss vorzeitig nach Hause aufbrechen."

"Was? Aber..." Mir war von vorne herein klar gewesen, dass ich auf meiner eigenen Feier nicht viel von meinen oft weitgereisten Besuchern haben würde, deshalb hatte ich jedem einzelnen angeboten, die Tage bis zu meinem Missionsbeginn zu bleiben. Kankurou hatte sich eigentlich die Zeit freigeschaufelt, um noch drei Tage in Konoha zu verbringen. Wenn er trotzdem am Tag nach meinem Geburtstag aufbrach, und das auch noch so plötzlich, dann war etwas im Busch. "Ärger?", fragte ich.

"Genügend", erwiderte er. "Ich bin es gewohnt, dass man Zuhause gegen Gaara intrigiert, aber es scheint etwas im Busch zu sein, das dieses normale Maß in den Schatten stellt. Es klappert und rappelt an viel zu vielen Ecken und Enden." Sein Blick, gedankenverloren in die Ferne gerichtet, kam zurück in die Wirklichkeit. "Irgendetwas wird passieren. Dann will ich in Suna sein, nicht in Konoha."

Ich nickte zustimmend. "Soll ich helfen?"

Verdutzt sah er mich an, bevor er schallend zu lachen begann. "Das habe ich von dir erwartet. Schade, dass ich nicht drauf gewettet habe." Er grinste in Richtung von Tooma, der das Grinsen erwiderte. "Danke. Du hast deine eigene Mission. Du nützt uns allen, wenn du die letzten Moerus findest."

Konsterniert sah ich ihn an. "Hast du das auch aus einer Kopie eines Berichts aus Kirigakure?"

"Nein, das ist meine Menschenkenntnis. Wenn Team dreizehn zusammen mit den Moerus aufbricht, um in eine abgelegene Gegend zu gehen und damit ihre wertvollen Leben riskiert, für nichts weiter als eine D-Mission, dann stinkt der Mist von unten. Da gibt es nur eine logische Schlussfolgerung." Er zuckte die Achseln. "Also gut, es gibt zwei, aber ich nehme nicht an, dass du schon wieder Wert darauf legst, mit Orochimaru und seinen Leuten zu kollidieren. Also bleibt Möglichkeit eins wahrscheinlicher. Ihr sucht nach weiteren Überlebenden des Moeru-Clans."

Ich zog die Stirn kraus. "Kan-chan, ich..."

"Mach dir lieber Sorgen darum, dass ich nicht der Einzige bin, der darauf kommen kann. Ansonsten ist die Information bei mir sicher. Ich werde sie nur im kleinen Kreis verbreiten. Und es gibt kaum wortfaulere Menschen als Temari, Gaara und Baki-sensei. Mit dem Rest musst du selbst klarkommen." Für einen Moment dachte er nach. "Es wird aber gewiss nicht schaden, wenn ich noch mal vor meinem Aufbruch bei Tsunade-sama vorbeischaue und an unseren Beistandspakt appelliere. Ist Naruto verfügbar? Und weißt du, wo Jiraiya-sama steckt?"

"Was genau befürchtest du eigentlich für Sunagakure?", erwiderte ich.

"Ärger. Hatte ich das nicht schon erwähnt?" Er klopfte mir auf die Schulter. "Tooma und Lian bleiben aber hier. Sie begleiten Aki-chan und Maria dann auch nach Tsukigakure zurück, um ein wenig Strandurlaub machen zu können. Die letzten Wochen waren hart für sie, und ein wenig Erholung steht ihnen zu."

Ich ergriff die Hand des Freundes, Ratsherr Sunagakures, und drückte sie fest. "Ich wünsche dir einen guten Heimweg, alter Freund. Und mögen sich deine Sorgen als unberechtigt herausstellen."

"Das hoffe ich auch. Aber leider bin ich zu sehr Realist." Mit der Linken klopfte er mir auf die Schulter. Dabei zeigte er eines seiner seltenen Lächeln. Mir wurde dabei Angst und Bange.

"Vielleicht sollte ich die Mission verschieben. Zwei oder drei Wochen, und mit dir nach Suna gehen. Wenn ich Shinpachi oder Kishio mitbringe, sollten wir..."

"Um Himmels Willen, lass das mal schön bleiben", sagte Kankurou erschrocken. "Meinst du, bei all dem Ärger, der Suna bevorsteht, will ich auch noch Orochimaru neugierig machen?" Er lachte erneut. "Bleib du mal schön bei deiner Mission. Und sei gefälligst erfolgreich. Das Letzte, was ich sehen will, ist Orochimaru mit einem Körper mit überlegenen sensorischen Fähigkeiten und der Kraft, mit Hilfe seines Chakras Menschen töten zu können."

Ich schluckte trocken. In mehrfacher Hinsicht, denn es war nicht gerade sehr aufbauend für mich, meine eigene Mission erklärt zu bekommen - von einem Ratsherrn Sunas. Auch, die Geheimnisse der Moerus geschildert zu bekommen half nicht gerade, um mein Vertrauen in die Gegenspionage Konohas zu verstärken. Auch wenn Sunagakure unser Verbündeter war, wir mussten irgendwo ein Leck haben, jemanden, der unsere Geheimnisse weiter verriet.

"Bevor du lange grübelst, es war Tsunade-sama selbst", sagte Kankurou unvermittelt. "Da unser Land erwiesenermaßen Orochimaru-frei ist, nicht zuletzt dank uns beiden, hat sie mich enger ins Vertrauen gezogen. Für den Fall, dass wir die Details wissen sollten, als Konohas wichtigste Verbündete."

Ich nickte zögerlich. Es war sicher nicht verkehrt, wenn Suna diese Dinge wusste und entscheiden konnte, wie es in den verschiedensten ungünstigen Entwicklungen, die möglich waren, vorgehen sollte. Falls das Bündnis hielt. Nein, ich ritt nicht darauf herum, dass Suna uns bereits einmal verraten hatte. Aber ich als Shinobi wusste nur zu gut, dass sich die Politik nicht viel um Freundschaft scherte. Es mochte der Tag kommen, an dem Kankurou und ich auf einem Schlachtfeld als Feinde auf verschiedenen Seiten zu finden waren. Möge dieser Tag niemals kommen. Oh, was für ein einfältiger Wunsch.

Ich nickte, nickte erneut und klopfte ihm auf die Schulter. "Komm gut nach Hause, alter Freund. Und pass gut auf Sunagakure auf."

"Will sehen, was sich da machen lässt." Err klopfte nun mir noch einmal auf die Schulter und ging ohne ein weiteres Wort an mir vorbei. Tooma hastete an seine Seite. Zweifellos würde er da bleiben, bis sich ihre Wege am Haupttor Konohas trennten.
 

Ich schüttelte den Kopf. Zu viele Informationen, zu viele Spekulationen. Und wie immer dachte ich zuviel. Viel zuviel. Das brachte nichts. Zuerst einmal musste ich meine Gedanken sortieren. Dann konnte ich immer noch spekulieren. Außerdem war es nicht gut, so kurz vor der Mission abzudriften und mir um Dinge Sorgen zu machen, mit denen ich voraussichtlich nichts zu tun haben würde. Aber ich machte mir eben Sorgen um Kan-chan, um Gaara, um Temari und erstaunlicherweise sogar um Baki, den alten Sack. Mein Hass auf ihn war erloschen, seit ich ihm die Scheiße aus dem Körper hatte prügeln können. Wirklich, der Gedanke, Gekko zu rächen, indem ich Bakis Leben nahm, war fort. Es war alles eine große Intrige Orochimarus gewesen, und mein erster Meister war nur eines der ersten Opfer. Baki hatte nur Befehle befolgt und war besser gewesen als Hayate-sensei. Und ich war besser als Baki gewesen. Schluss und gut. Aber es befriedigte mich durchaus, dass der alte Sack zu schwitzen begann, wenn wir im gleichen Raum waren... Genug. Wenn mir das gefiel, konnte es nicht mehr lange dauern, bis Baki, immerhin Ratsherr Sunas, seinen ANBU befahl, mich als potentielle Gefahr zu liquidieren, meine Freundschaft zu Kan-chan und das Wohlwollen des Godaime Kazekages hin oder her. Ich war nicht Kakashi, was bedeutete, Suna würde nur genügend ANBU schicken müssen, um mich tot sehen zu können.

"Mamo-chan? Mamo?"

Das entrückend schöne Gesicht vor mir lag leicht schräg. Ein Lächeln lag darauf, von leichter Sorge durchdrungen. Sorge, um mich?

"Maria?"

"Du warst weggetreten, seit sich Kankurou-sama verabschiedet hat."

Ich versuchte mich an einem beruhigenden Lächeln. Aber ich wusste, ich scheiterte. "Sorgen. Aber keine um uns." Damit wischte ich das Thema beiseite. "Wo ich dich gerade sehe, kannst du bitte Karin suchen? Ich würde euch beide gerne allein sprechen. Am See im Trainingsgelände. Karin weiß, wo das ist."

"Ich weiß auch, wo das ist, keine Sorge", erwiderte sie, nun weniger ernst lächelnd. "Und ich denke auch, ich weiß, wo sie ist. Sie verbringt jede freie Minute mit Hana-chan, weil die sich nicht sicher fühlt, solange Haru in der Stadt ist."

Aha. Noch eine neue Information. "Bring sie ruhig mit, wenn sie nicht alleine bleiben will."

"Und was ist, wenn Kaminari bei ihr ist? Darf der auch mitkommen?"

Eine gute Frage. Aber war es notwendig? Oder würde er sich zurückgesetzt fühlen, wenn ich ihn nicht dabei haben wollte? "Wenn er schon da ist..." Ich wandte mich um, sah noch mal über die Schulter und sagte: "Reichen zehn Minuten?"

"Ja, das reicht. Bis gleich, Mamo-chan." Sie verschwand mit Step. Anscheinend hatte sie eine wirklich gute Ahnung, wo die beiden steckten. Wie gut verstanden die drei sich mittlerweile, nachdem sie seit der Chunin-Prüfung mehrfach versucht hatten, einander umzubringen? Das Leben war manchmal wirklich merkwürdig.

Ich seufzte und machte mich selbst auf den Weg. Sonst konnte ich das Mittagessen ausfallen lassen und gleich direkt zur Klinik gehen. "Kuchiose nu Jutsu!"

Vor meinen Augen schälte sich Hikari Gosunkugi aus dem Nebel der Beschwörung. Der riesige Affe sah auf mich herab. Seine Klauen waren so scharf wie Samurai-Katana. Seinen Sinnen entging nichts. Sein Blick ruhte kalt und grausam auf mir. Das Einzige, was diesen Anblick ein wenig negierte, war die rosa Schürze, die er trug. Das, und die Aufschrift auf ihr: Küss den Koch.

"Verzeih, Mamo-chan, ich war gerade dabei, ein wenig fürs Abendbrot zu schnippeln", sagte er, während er die Schürze auszog.

"Soll ich dich zurückschicken, Hikari?", fragte ich.

"Nein, nein, schon gut." Er verwandelte sich vor meinen Augen vom riesigen Affen in den kleinen, mageren Menschenjungen mit den dunkel umränderten Augen, von dem kaum jemand jemals angenommen hätte, dass er zu den stärksten Affenkriegern gehörte, die der Clan hatte - außer, er hatte Gaara schon einmal in Aktion gesehen. "Ich koche mit Nabiki und Kasumi. Die beiden Tendo-Schwestern werden auch ohne mich klarkommen. Aber es wäre nett, wenn ich zum Mittagessen für eine halbe Stunde zurückkehren könnte."

"Oh. Ja, das ist machbar. Ich wollte mich auch nur mit dir unterhalten, während ich zu einem Treffpunkt gehe."

Hikari fühlte sich sichtlich unwohl, als er antwortete. "Hör mal, Mamo-chan, wenn es wichtig ist, können wir auch durcharbeiten. Ich bin sicher, Kasumi versteht das."

"Nanu? Läuft da was zwischen dir und der Jüngsten im Hause Tendo?", fragte ich erstaunt.

Der blasse kleine Shinobi errötete leicht. "Nein. Ja. Nein. Ja. Ach, ich weiß es nicht. Ich habe sie mir wohl nie so richtig angesehen, immer nur auf ihren Ruf als verschlagene Spielerin geachtet... Aber als ich das mal getan habe, fand ich einen schwierigen Affen vor, ja, aber jemand, bei dem es sich lohnt, mehr über ihn zu erfahren." Schüchtern hob er die Schultern. "Wir sind noch in der Kennenlern-Phase. Vielleicht passen wir auch gar nicht zusammen, aber seit einem Monat etwa bin ich mehr bei den Tendos als bei mir Zuhause. Onkel Soun hat mich schon ziemlich verstört gefragt, ob ich bereits in seinem Haus schlafe."

Ich kicherte. "Und? Tust du es?"

"Natürlich tue ich es, aber das brauche ich dem alten Wolf ja nicht gerade unter die Schnauze zu reiben, oder?" Er grinste wölfisch. Dabei wirkten seine Reißzähne länger als sonst, irgendwie affischer. Das erinnerte mich daran, dass selbst der dürre Junge vor mir nur ein Scheinbild war. Der riesige Affe war seine wahre Gestalt.

"Und? Denkst du, es wird was?"

Hikari seufzte. "Vielleicht wenn sie ein wenig von sich aufgibt und ich ein wenig, hm, offener werde. Erstaunlicherweise haben wir viele gemeinsame Interessen. Sie küsst phantastisch, und ihr Hintern, der ist eine echte Wucht. Da mal die Hand drauf legen, und du schwebst in Wolke sieben, und... Ist was, Mamo-chan?"

"Sicher, dass ich das hören soll?", fragte ich mit hochgezogener Augenbraue.

Hikari lachte und legte einen Arm um meine Schultern. "Ist doch egal. Du bist der Mensch, dem ich am meisten vertraue. Das macht dich in der Reihenfolge meiner Freunde zu Nummer vier oder fünf."

"Oh, ich fühle mich geehrt." Und das meinte ich nicht spöttisch. "Und? Ist es was ernstes? Ich weiß, du fandest früher Akane toll, aber..."

Er verzog das Gesicht zu einem wehmütigen Lächeln. "Ja, das ist auch so ein Problem. Ich fand sie immer klasse, und es tut mir weh, dass Ranma jetzt unverkennbar ihre Nummer eins ist. Aber nicht so sehr, wie ich befürchtet habe. Außerdem würde ich nicht Zeit mit Nabiki verbringen, wenn sie für mich nur ein Ersatz wäre. Du kennst mich."

"Ja. Bloß jedem unnötigen Aufwand aus dem Weg gehen." Ich knuffte ihn gegen die Schulter. "Das ist mein Hikari, wie ich ihn kenne."

"Und mag, wolltest du doch gewiss sagen?", fragte er argwöhnisch.

"Natürlich. Und jetzt komm, lass uns gehen und dabei reden."
 

Wir hatten ein gutes Tempo drauf, aber wir liefen nicht. Ab und an benutzten wir Step. Zwischendurch einmal hielt ich, weil ich Fuses Chakra entdeckt hatte. Aber keine Probleme, die Katze trug nun das Konoha-Stirnband als Halsband und ließ sich kraulen und überfüttern. Und das von ANBU. Die hatten sich aber schnell an die veränderte Situation gewöhnt.

Während wir also für Ninja-Begriffe schlenderten, informierte ich ihn über die Natur des bevorstehenden Auftrags. Hikari nickte, wiederholte einige Details und stellte dann Fragen.

"So, wie ich das sehe, wird Kicchan für die Suche zuständig sein, während Shinpa-chan die Außensicherung übernimmt. Team dreizehn beschützt beide dabei. Wozu brauchst du mich als Sensorik-Spezialisten?"

"Genau deshalb. Du bist Sensoriker und meinen Fähigkeiten weit überlegen. Außerdem bist du ein herausragender Kundschafter. Ich hätte gerne, dass du als zusätzliche Instanz die Peripherie überwachst. Wir, die wir mitten in der Materie stecken werden, neigen eventuell dazu, Details zu übersehen, die wichtig werden könnten."

"Du meinst so wichtige Details wie gewisse weißhaarige Shinobi, die Konoha verraten haben?"

"Zum Beispiel."

"Hm." Hikari legte den Kopf schräg. "Aber das Hauptziel ist es, potentielle Moerus zu finden, die nicht getötet wurden? Gibt es dafür überhaupt eine Wahrscheinlichkeit?"

"Eine gewisse. Einige Moerus waren auf Missionen unterwegs, und jene, die im Dorf waren, als es von Itachi Uchiha vernichtet wurde, können nicht gezählt werden. Wenn einige wie Kishio außerhalb waren und wenn der eine oder andere auf Mission schneller war als die auf ihn abgestellten Attentäter, kann es Überlebende geben. Sicher gab es Notfallpläne, Ausweichpläne. Kishio kannte keinen davon, sonst wäre er dem Notfallplan gefolgt."

"Himmel, aber warum kannte er keine? Ich meine, mit sechs musste er schon töten! Da wird doch irgendjemand in der Hierarchie doch daran gedacht haben, dass gerade der zukünftige Clanschef wissen muss, wie er sich im Notfall in Sicherheit bringen konnte!"

"Ein unglücklicher Zufall", erklärte ich. "Wirklich, ein dumme Geschichte. Die Moerus wechselten ihre Notfallpläne regelmäßig und bereiteten jeweils neue Verstecke vor. Als Kishio seine letzte Moeru-Prüfung durchlief, wurden die Verstecke turnusmäßig neu verteilt. Alle wurden informiert, nur nicht der kleine Kishio auf seiner Überlebensprüfung draußen im Wald. Als er heim kam und alles zerstört vorfand, suchte er die alten Ausweichplätze auf, fand aber niemanden. Er versuchte natürlich, die neuen zu finden, zum Beispiel in den Dörfern ihrer Verbündeten, aber die hatten ihn zum Feind erklärt. So kam eines zum anderen. Ach, und falls ich es noch nicht erwähnt hatte, als Shinpachi gefangen wurde, wurden mit ihm eine Handvoll Kinder gefangen. Über ihr weiteres Schicksal ist nichts bekannt. Nein, das ist falsch. Eine von ihnen, Kishios Schwester, arbeitet nun für Orochimaru. Sie soll ein ziemlich brutales und gewissenloses Biest geworden sein. Ich nehme nicht an, dass es den anderen Kindern besser ergangen ist."

Hikari starrte mich aus weit aufgerissenen Augen an. "Ach du heilige Scheiße. Wie mag dann erst der Rest aussehen? Falls es einen Rest gibt. Ich meine, wenn es Gefangene gab, haben die Angreifer auch bald über die Notfallpläne Bescheid gewusst, richtig?"

Natürlich, das war klar. Folter lockerte jede Zunge. Wer das Gegenteil behauptete, oder sogar meinte, er könne Folter widerstehen, hatte sie noch nie am eigenen Leib erlebt. Es gehörte zur Ausbildung eines Konoha-Nin, Folter kennenzulernen und zu erlernen, wie man ihr lange genug widerstand oder wie man zur richtigen Zeit die falschen Informationen preisgab. Man lernte auch, wie man sich selbst tötete, selbst wenn Arme und Beine gebunden und die Zunge aus dem Mund gezerrt worden war, für den ultimativen Selbstschutz. Kurz gingen meine Gedanken zu Puny-sama. Sie war auf solche Dinge spezialisiert. Ich konnte mir kaum vorstellen, was sie alles durchlebt hatte, aber ich wusste, dass sich eine ziemlich große und alte Narbe über ihre Bauchdecke zog. Ein Überbleibsel einer besonders schweren Gewalttat, die sie als Kunoichi über sich hatte ergehen lassen. Der Lohn war das Leben des Sandaime Hokages gewesen, der durch seine fähige Spionin rechtzeitig vor einem Komplott gegen ihn gewarnt worden war. Aber das war eine vollkommen andere Geschichte. "Deshalb werden sich die überlebenden Moerus nicht an die Notfallpläne gehalten haben, sondern sind eigenen Wegen gefolgt. Dadurch waren sie so gut wie unmöglich aufzuspüren. So gut wie unmöglich." Ein Grinsen huschte über mein Gesicht. "Mein Freund Ryuji hat eine Spur im Yuki no Kuni entdeckt. Weißt du, je weiter man sich vom Land der Reisfelder entfernt, desto seltener begegnet man dem Moeru-Mythos, der jedem den Tod prophezeit, der einem Moeru begegnet oder sich gar mit ihm einlässt. Im Yuki no Kuni sollte der Mythos demnach gänzlich unbekannt sein. Ist er aber nicht."

"Und das ist die ganze Spur?", fragte Hikari überrascht.

"Es gibt noch ein paar Details mehr, aber, ja, das ist unser Aufhänger. Und damit wir nicht vollkommen vergebens da hoch fahren, werden wir das neu aufgestellte Ninja-Kontingent des Landes trainieren."

Hikari nickte. "Klar, ist ja auch logisch. Der ewige Chunin ist dafür bekannt, dass er bis zu einundzwanzig Mann auf einen Schlag lenken kann und jeden einzelnen optimal nach seinen Fähigkeiten einsetzt. Das passt schon."

"Aber?"

Hikari lächelte. "Aber ich bin mir nicht sicher, ob es gut ist, wenn wir da oben tatsächlich Moerus finden. Sie werden eine verdammt misstrauische Bande sein. Und vergiss nicht die entführten Kinder. Wenn sie alle umgedreht wurden und da oben mitmischen... Das könnte hässlich werden."

"Wir werden sehen, Hikari. Genau deshalb will ich ja, dass du mitkommst."

"Ich verstehe immer besser, wieso." Wir erreichten das Trainingsgelände. "Wenn es das gewesen ist und du die Freundlichkeit besitzt, mich wieder zurückzuschicken... Es gibt gleich Essen."

"Natürlich. Danke, hast einen gut bei mir, Hikari. Kai!"

Der Affe verschwand in einer weißen Rauchwolke. Das war der leichte Part gewesen.
 

Ich zog mich in Richtung der drei Phäle zurück, setzte mich auf den mittleren und spielte mit dem Gedanken, einen Kage Bunshin zu erschaffen, der an meiner Stelle mit Maria und Karin reden würde. Etwas zu spät, denn kaum hatte ich es mir bequem gemacht, kamen drei Shinobi vor mir aus dem Step. Genauer gesagt waren es Kunoichi. Hanako, Karin und Maria. Hinter mir folgte eine vierte Person. Ein Mann diesmal. Ryu Kaminari, Hana-chans Freund. Ich spürte leichte Eifersucht auf ihn. Noch immer. Ja, auch ich konnte egoistisch und selbstverliebt sein.

"Na, da bin ich aber gespannt", sagte Ryu und ließ sich neben dem mittleren Pfahl zu Boden sinken, um sich hinzusetzen.

"Hast du nicht was zu tun?", fragte ich freundlich.

"Damit ich das hier verpasse? Keine Chance, alter Junge."

"Eins sage ich dir gleich. Das könnte hässlich werden."

"Eventuell kannst du dann jemanden gebrauchen, der auf deiner Seite ist", erwiderte er.

"Bist du denn auf meiner Seite?"

"Kommt drauf an", erwiderte er grinsend.

"Hört auf so zu reden, als wären wir nicht da!", rief Hana-chan entrüstet. "Nicht, dass es mich etwas angeht, aber solange dieser Haru hier rumläuft, bleibe ich bei Karin."

Ryu räusperte sich vernehmlich, und das blonde Mädchen errötete. "Außer nachts. Da übernimmt Ryu meinen Schutz."

Erneut spürte ich meine Galle aufkochen. Ich hatte es immer noch schwer zu akzeptieren, nicht mehr Hanas Nummer eins zu sein, obwohl ich es nie darauf angelegt hatte.

"Aber wahrscheinlich schadet es nichts, wenn ich meinen Frauen zur Seite stehe", schloss sie und setzte sich im Seiza. Maria und Karin folgten ihrem Beispiel.

Ich sprang vom Balken herab und ließ mich ebenfalls im Seiza vor ihnen nieder. "Karin, Maria, ich weiß nicht recht, wie ich das anfangen soll, aber... Nun. Eventuell habt Ihr erwartet, ich würde an meinem Geburtstag Tacheless sprechen, nachdem sogar der Rat der Nara mir im Nacken sitzt, um Aki-chan stärker an Konoha zu binden und so weiter. Aber ehrlich gesagt habe ich es nicht gewagt. Mich nicht getraut. Es ging mir schlagartig besser, als ich die Entscheidung getroffen hatte, es nicht zu tun."

Die beiden Mädchen sahen mich erstaunt an. "Heißt das etwa, du...?", begann Karin fragend.

"Nein, das heißt es nicht." Ich sah Maria an. "Du bist die Mutter meines Sohnes. Was habe ich dich früher gehasst. Es fiel mir nicht schwer, diesen Hass aufzugeben, weil ich von dir spüre, dass du dich vielleicht nicht geändert hast, aber dass sich deine Prioritäten verschoben haben. Auch wenn ich nicht behaupten kann, dass ich dich heute liebe, so mag ich dich mittlerweile. Sehr sogar. Und ich denke, durch deine und Akiras Aufnahme in die Morikubo-Familie haben wir einiges richtig gemacht." Ich sah Karin an. "Du und Hanako, Ihr beide seid für mich stets das Wichtigste auf der Welt gewesen. Immer, wenn ich gekämpft habe, habe ich mir gesagt, ich tue es für euch oder um euch wiederzusehen. Daran hat sich nichts geändert." Ich sah, dass beide Mädchen erröteten. Unsere Bande waren stark, und das mussten sie auch sein, denn wir waren ein Genin-Team gewesen. So etwas verband für das ganze Leben. "Du hingegen, Karin, hast einmal vor mir gestanden, dein Hemd aufgerissen und mir die Brust zum Todesstoß hingehalten, weil du nicht in einer Welt leben wolltest, in der ich dich nicht mehr kenne, in der ich dein Feind bin. Damals habe ich gemerkt, dass..." Ich musste lächeln, warm und aus der Tiefe meines Herzens. "Dass das kleine, stille, blasse und schüchterne Mädchen mein Herz erobert hat. Stärker und nachdrücklicher als alle anderen Frauen. Ich liebe dich, Karin, und das mehr als alles andere auf dieser Welt."

Sie sah mich an, als hätte sie diese Worte von mir zum ersten Mal in ihrem Leben gehört. Ihr Lächeln war wie ein wunderschöner Schmetterling, der das erste Mal seine Flügel ausbreitete und die Welt erfreute. Sie sagte nichts, aber ihr Blick erzählte mir, dass ich für diese Worte vor einer langen und anstrengenden Nacht stand. Was mich nicht unbedingt störte.

"Jedenfalls habe ich gut daran getan, euch beiden gestern keinen Antrag zu machen. Denn ich wurde heute morgen auf einen wichtigen Umstand aufmerksam gemacht." Danke, Kawada.

"Und dieser Umstand ist, dass Konoha zwar vom reinen Gesetz her eine legale Zweitfrau erlaubt, ein Erbe aus jener Zeit, als die Clans in unserer Stadt noch wesentlich stärker waren als heute, aber die Heirat erfordert, nun, die Erlaubnis der Hauptfrau."

Verwirrt sahen die Mädchen mich an. "Mamo-chan, du meinst..."

"Richtig, Hana-chan. Um mich mit Maria verloben zu können muss ich zuerst mit Karin verheiratet sein. Und um sie zu heiraten, muss ich mich erst mit ihr verloben. Ich denke, es wäre gestern das falsche Signal gewesen, das Gesetz zu brechen oder mich ohne diese Erklärung nur mit Karin zu verloben."

Die jungen Frauen wechselten ein paar Blicke untereinander. Teufel auch, wie gut sie sich mittlerweile verstanden. Alle drei. Und obwohl Hanako nicht mehr "im Rennen" war, spielte sie nur zu gerne ehrenhalber mit.

"Okay, das haben wir verstanden. Was also schlägst du vor, Mamo-chan?", fragte Karin.

Ich kratzte mich an der Stirn und sah verlegen in die Wolken. "Wann bist du denn bereit, mich zu heiraten, Karin?"

"Was?"

"Nur so ungefähr. Damit ich weiß, wie, nun, der Gesamtfahrplan aussehen wird."

"Sie hört dich nicht mehr." Hanako fuhr mit der rechten Hand vor ihren Augen auf und ab. "Vollkommen weggetreten. Du hättest das H-Wort nicht so unverblümt aussprechen sollen."

Ich betrachtete ihr vollkommen verzücktes Gesicht. Der Schock, den sie erlitten hatte - natürlich im positiven Sinne - war heftig gewesen.

"Nein!", hörte ich ihre Stimme energisch rufen. "Nicht jetzt. Nicht JETZT!" Ihre Augen wurden wieder klar. Sie sah mich an, aber das Lächeln blieb das Gleiche. "Muss es sofort sein?"

"Wir sind hier, um genau darüber zu reden."

Karin sah Maria an. "Maria-chan, wie lange darf es denn für dich noch dauern?"

Sie errötete ein klein wenig. "Oh, ich kann warten. Nur, was ist für Akira das Beste?"

"Guter Einwand."

"Wenn wir Akira hinzu ziehen, dann sollten wir das abschließen, bevor er auf die Akademie kommt. Denn er wird sicherlich ein Shinobi werden wie sein Vater", sagte Karin bestimmt.

"Ich weiß nicht. Das Handelsgeschäft seines Großvaters findet er auch ziemlich cool", warf Maria ein. "Aber der Zeitrahmen ist zumindest eine Idee."

Karin nickte zufrieden und sah wieder mich an. "Zwei Jahre. Lass uns zwei Jahre warten und dann eine endgültige Entscheidung fällen, wann wir heiraten. Und dann, wenn wir verheiratet sind, verlobst du dich mit Maria, und wir entscheiden, wann Ihr heiratet. Sind alle damit einverstanden?"

Maria nickte ohne zu zögern, Hanako ebenfalls. Warum hatte sie dabei eigentlich ein Mitspracherecht? Und Ryu meinte, als Karin ihn ansah: "Geht in Ordnung."

"Was hast du da eigentlich mitzubestimmen?", fragte ich ärgerlich.

Er beugte sich leicht vor, sodass er mir auf die Schulter klopfen konnte. "Geht schon in Ordnung. Ich gehöre zum inneren Kreis jener verschworenen Gruppe, die dir mächtig auf die Füße gestiegen wäre, wenn du dein Leben nächstes Jahr immer noch vor dir hergeschoben hättest. Natürlich nur aus rein freundschaftlichen Motiven, großer, böser Konoha-Nin."

Ich lächelte gequält. Wer die Mitglieder dieser Gruppe waren, ließ sich sehr leicht erraten. Und das Problem war, sie meinten es wirklich gut mit mir. Zumindest redeten sie sich das ein...

"Gut, dann sind wir uns einig", sagte ich und erhob mich. "Und nun ab nach Hause. Es gibt gleich Essen. Hana-chan, Ryu, kommt Ihr auch?"

"Yuria-samas gutes Essen werden wir uns wohl kaum durch die Lappen gehen lassen. Nicht, Schatz?", meinte Ryu.

"Darauf kannst du wetten!", erwiderte sie. Die beiden verschwanden per Step.

"Hey! Einen Vorsprung holen ist unfair!", rief ich. Kurz lächelte ich den beiden Mädchen zu, und gemeinsam gingen wir in den Step.

***

Eine Stunde später stand ich in einem sterilen Flur in Konohas Hospital. Ich war einigermaßen erstaunt, vielleicht sogar geschockt, seit ich wusste, was Tsunade-sama geplant hatte. Und es war umso erstaunlicher, dass es tatsächlich funktionierte.

Ich sah Kira an, der mir gegenüber saß und seine Gedanken ordnete. Komisch genug, ihn ohne Kuzomi zu sehen. Aber so tief in Gedanken versunken, so als würde er tatsächlich ernsthaft überlegen, war etwas vollkommen Neues. "Hast du Angst?", fragte ich.

Er winkte ab. "Nicht wegen sowas, Mamo-chan. Außerdem geht es in Ordnung. Es ist schließlich eine Mission. Und wer braucht schon Haare? Nein, was mir zu schaffen macht, ist die Entscheidung, wo ich sie mir entnehmen lasse. Dass ich das für dich tue, stand schon fest, bevor man mich gefragt hat."

Das war eine erwachsene Einstellung. Mehr noch, es bewies ein Vertrauen in mich, das ich kaum jemals rechtfertigen konnte. Und dabei hatte es beinahe harmlos begonnen.
 

Tsunade-sama hatte uns beide empfangen, begleitet von Kakashi, und einen langen Vortrag darüber gehalten, wie Chakra entstand, wie es sich manifestierte und woran es haften konnte. Dies schloss einen Vortrag über Kinkaku und Ginkaku ein, die der Legende folgend einmal vom Kyubi gefressen worden waren und sich am Leben gehalten hatten, indem sie sein Fleisch gegessen hatten - bis der Kyubi alle beide wieder ausgekotzt hatte. Na, besser da raus als anders herum. Auf jeden Fall hatten sie dadurch, dass sie sein intensiv chakralastiges Fleisch gegessen hatten, auch sein Chakra absorbiert, zumindest zum Teil. Es hieß sogar, ihre Körper hätten bis zu ihren Toden das Chakra dies Neunschwänzigen selbst produziert. Und genau das war der Punkt gewesen, an dem sie angesetzt hatten.

"Es ist nur eine Art Spielerei", hatte Tsunade-sama gesagt, "aber es wird eine Überraschung sein, und das ist es, was wir für diese Mission brauchen: Verwirrung unter Feinden und Freunden. Mamoru, ich will, dass du Körpersubstanz in dich aufnimmst, die von einem Raiton-Nutzer stammt. Dadurch wirst du für eine begrenzte Zeit in der Lage sein, künstlich eine schwache Raiton-Natur zu entwickeln. Genauer gesagt will ich, dass Ihr zwei, Mamoru, Kira, einen Teil eurer Haare tauscht."

"Ist das möglich, Tsunade-sama?", hatte ich überrascht gefragt.

"Es ist möglich. Aber wir stehen hier noch relativ am Anfang, also garantiere ich maximal fünf Wochen, bevor eure Körper die fremden Haare samt Wurzel abstoßen", hatte sie erklärt. "Bis dahin müsst Ihr wieder hier sein und die Haare zurücktauschen."

"Moment, Moment, noch mal für die billigen Plätze. Kira und ich tauschen Haare aus. Meine wachsen dann auf seinem Kopf, und seine auf meinem. Dadurch erlange ich eine, wenn auch schwache, Raiton-Fähigkeit, und er eine Katon-Ader?"

"Allerdings eine sehr schwache, die er kaum wird nutzen können", hatte sie bestätigt. "Bei dir wird es etwas anders sein, denn Kakashi hat sich bereit erklärt, ein paar seiner Haare zu opfern und dir eine Grundkontrolle im Raiton beizubringen. Die Haare sollen dir vor allem helfen, quasi mit einem Trick, Raiton-Chakra zu schmieden."

Ich hatte Kakashi gemustert. "Haare von dir, Sempai?"

Der weißhaarige Ninja hatte genickt. "Nur ein paar. Von einer Stelle meines Körpers, wo es nicht unbedingt auffällt, dass sie fehlen."

"Will ich wissen, von wo genau die Haare stammen werden?"

Doch Kakashi hatte nur gelacht. "Haare sind Haare. Kira bringt die Masse, ich bringe die Feinheiten."

"Okay, das kann ich akzeptieren. Aber warum brauche ich eine zeitweilige Raiton-Fähigkeit, Tsunade-sama?"

Sie hatte mich angesehen und beinahe gelacht. "Für die Show, Mamo-chan. Für die Show."

"Für die Show?"

Ihr Grinsen wurde diabolisch. "Für die Show. Mit diesem Raiton wirst du deinem Diener Kishio, der dir vollkommen hörig ist, von Zeit zu Zeit einen vollkommen harmlosen, aber sehr effektvollen Stromstoß verpassen, zu dem dieser höllische Schmerzen schauspielern wird. Ich kann gar nicht abschätzen, wie verwirrt unsere Feinde sein werden, wenn statt Mamoru Morikubos ein alter Mann mit Raiton-Fähigkeiten gen Norden gesandt wird. Und ich will behaupten, dass Kishios erbarmungswürdige Position einiges an Aufmerksamkeit und Mitleid wecken wird. Natürlich tust du das nur, um den kaum zu bändigen Moeru unter Kontrolle zu halten, damit er nicht sinnlos tötet."

Ich spürte einen kalten Schauder meinen Rücken runterjagen. "Show schön und gut, Haare schön und gut, und einen Moeru, der einem bösen Albtraum entsprungen sein wird schön und gut, Tsunade-sama. Aber warum soll ich einen alten Mann mimen?"

"Weil schauspielern für uns fast genauso wichtig ist wie ein Kunai zu werfen. Und weil Desinformation zu unserem Geschäft gehört. Du kriegst das doch hin, oder?"

"Natürlich kriege ich das hin."

"Na, dann überlegt euch mal, Ihr zwei, von wo wir die Haare nehmen sollen, Mamoru, Kira. Wir sehen uns wieder, wenn Ihr euch entschieden habt. Ach, und noch etwas. Kintaro wird als Bodyguard der Moerus mitgehen, nur falls du damit noch nicht gerechnet hast. Zudem gebe ich eine weitere ANBU mit."

Ich hatte die Ohren gespitzt, denn dass sie die weibliche Form so betonte, hieß tatsächlich nichts anderes, als dass sie eine weibliche ANBU zugeteilt hatte. Und mir schwante, dass da eine Geschichte dranhing.

Tja, und nun saßen wir zwei vor der Tür und überlegten uns, wo die Haare von unseren Köpfen fortgenommen werden würden. Das war vor allem für mich wichtig, denn die Haare, die Kakashi-sempais Haaren weichen würden, würde ich kaum wiederbekommen. Und: Wollte ich wirklich wissen, wo sich Kakashi die Haare entnehmen ließ, wenn er sie dort tatsächlich nicht mehr brauchte? Ich beschloss, diesen Teil für immer zu ignorieren.

Kira schlug beide Hände auf seine Oberschenkel. "Das ist es. Wir verpflanzen sie entlang des Mittelscheitels, bis runter zum Hinterkopf. Dieser schwarze Strich wird mir eine ganz besondere Note geben!"

Ich war tatsächlich beeindruckt von seinem Mut. Und von seiner Eitelkeit.

"Dann lasse ich mir meinen auf dem Hinterkopf entnehmen und deine dort einpflanzen. Für einen Nara-Teebesen sind sie nicht lang genug, aber eine blonde Strähne da hinten wird mir gut stehen."

Kira schnaubte amüsiert. "Pass bloß gut auf meine Haare auf, Sensei."

"Und du auf meine." Ich streckte ihm die Hand entgegen und er schlug ein.

"Tsunade-sama, wir haben uns geeinigt."

"Reinkommen!"

"Sensei, wenn ich deine Haare habe, auch wenn das Katon nur schwach ist - zeigst du mir ein paar Tricks?"

"Natürlich, Kira." Die Tür schloss sich hinter uns. Und eine neue öffnete sich vor uns. Sie führte in einen verdammt spannenden Raum namens Zukunft.

Der Regenmacher 12

Raiton... Was für eine Möglichkeit. Nachdem ich dank Asuma hart daran gearbeitet hatte, neben meiner Feuer-Affinität Wind zu meinem zweiten Element zu machen, um einige seiner besten Tricks übernehmen zu können - natürlich auch die nicht so guten - machte mich die Aussicht auf eine dritte Natur mehr als ein wenig nervös. Die Herrschaft über das Blitz-Naturell zu haben katapultierte mich automatisch in die Oberliga, in die Reihe derer, die Voll-Jounin waren, und unter ihnen noch eine Spur höher, wenn es mir gelang, Jutsu zu erlernen oder gar zu entwickeln, die alle drei Naturen kombinieren konnten. Dazu musste ich nicht einmal das Chakra mixen, ich musste nur verschiedene Künste aller drei Disziplinen kombinieren. Eine Sache hatte ich schon ausgearbeitet: Alle Entzündungs-Katons konnte ich mit Raiton viel leichter entflammen. Der Haken: Ich würde diese Affinität maximal fünf Wochen behalten können, danach würde mein Körper die fremden Haare von Kira und Kakashi wieder abstoßen. Dann würde ich, wenn ich weiterhin Raiton-Künste verwenden wollte, enorm viel Chakra aufwenden müssen, um meine Affinität zu wandeln. Luft war bereits schwierig für mich, aber nicht unmöglich. Blitz hingegen war weit von mir entfernt, eigentlich das Element, mit dem ich die geringsten Berührungspunkte habe. Eine Kunst, die ich aus eigenem Antrieb nie zu erlernen versucht hätte. Nun bekam ich sie geschenkt, wenngleich nur in einem sehr geringen Maß und für eine sehr begrenzte Zeit, denn die Haare produzierten von sich aus Raiton-Chakra, wenngleich nicht sehr viel. Aber es würde reichen, um jene "Blitzschläge" zu erzeugen, mit denen ich Kishio "foltern" würde, um das Interesse der Moerus zu wecken. Und vielleicht würde es noch für die eine oder andere Überraschung gut sein, denn davon lebte ein Ninja nun mal: Überraschung. Leider würde Kakashis bestes Jutsu, das Chidori, für immer und ewig aus meiner Reichweite bleiben. Und das war wirklich schade.
 

"Aniki."

Ich wandte mich um, als ich Kishios Stimme hörte. Nach dem Eingriff für die Haarverpflanzung - ich wollte es nicht eine Operation nennen - war ich in Konoha herum gewandert und stand nun in einem der Geschäftsviertel der Stadt. Wieder einmal drängte sich mir für Konoha der Vergleich mit einer jungen Frau auf, die sich aufgehübscht hatte. Ich mochte dieses Bild.

"Aniki?", fragte Kishio noch einmal, als ich nicht reagierte.

"Entschuldige, ich war in Gedanken. Was gibt es?"

Kishio drückte die Fingerspitzen beider Zeigefinger gegeneinander. "Äh... ja... ich entschuldige mich dafür, dass ich meine Beherrschung verloren und dich angebrüllt habe... Das hätte nicht passieren dürfen, egal, wie aufgebracht ich war. Und es hätte schon gar nicht passieren dürfen, wenn dritte anwesend sind und du dein Gesicht verlierst. Verzeih mir, bitte! Es tut mir leid!"

Verwundert runzelte ich die Stirn. "Aber du hast doch gar nicht geschrien. Zumindest nicht, dass ich mich erinnern könnte."

"Das ist hier nicht das Problem", erwiderte er. "Ich habe die Hierarchie missachtet und dich bloßgestellt. Unter vier Augen ist das in Ordnung, aber nicht vor Dritten. Und gerade nicht vor Mais Eltern."

"Otouto, dies ist Konoha. Du bist in ziemlich starren Clanstrukturen aufgewachsen, aber ich dachte, Du hättest mittlerweile gelernt, dass wir die Dinge hier etwas lockerer sehen. Wir sind weder die Hyuugas, noch die Uchihas. Wenn nicht dann, wann sonst hättest du mir wiedersprechen sollen?"

"Das ist etwas, was ich an dir nicht verstehe", gestand Kishio. "Einerseits bist du mein Taisho. Andererseits bist du so weich und nachgiebig, als würde dich dieser Status nicht interessieren. Als Beschützer der Moerus hast du einen Titel und einen Ruf zu wahren, egal wie liberal Konoha da auch ist. Letztendlich sind die Moerus noch strikter als die Hyuugas."

Ich runzelte die Stirn. "Denkst du nicht, dies wäre eine gute Gelegenheit, die, ah, Regeln etwas zu lockern? Du weißt doch selbst am Besten, wie sehr du unter deinem strikten Großvater gelitten hast."

"Es war damals die einzige Möglichkeit für den Clan, um zu überleben. Und selbst das hat uns letztendlich nicht vor Orochimaru retten können." Kishios Augen bekamen etwas Verlorenes, was ich dort lange nicht gesehen hatte.

Ich nickte unmerklich. Die Geschichte der Moerus, also der Hauptfamilie des Uzumaki-Clans und den überlebenden Moerus, war mir mehr als bekannt. Als ehemalige Verbündete Konohas hatten sie einen hohen Stellenwert genossen, aber nach Zerstörung des Heimatdorfs der Uzumaki hatten sie sich dem Land der Reisfelder zugewandt, nicht Konoha. Nun aber wollten wir den Fehler korrigieren und die Überlebenden hier in Konoha konzentrieren. "Mit Konoha zusammen wird es mehr Möglichkeiten zum Überleben geben, Otouto. Und mehr Freiheiten."

"Eine komische Aussage von einem militärischen Führer", sagte Kishio, halb ernst, halb im Scherz.

"Hm. Lass es mich mal so formulieren. Hast du je bemerkt, dass ich im Feld gezögert hätte, einen Befehl zu geben? Hattest du je das Gefühl, ich würde zögern oder zaudern, auch gefährliche Befehle auszusprechen?"

"Nein."

"Ich habe auch nicht vor, je zu zögern. Ich habe zu viele Genin trainiert und aus ihnen Drei Mann-Zellen gemacht, um nicht mit jeder Form von Schwierigkeit vertraut zu sein, von einfachem Trotz bis hin zu Insubordination."

"Insub-was?"

"Äh, offenes Aufbegehren", erklärte ich. Manchmal vergaß ich, dass Kishio sein halbes Leben in der Wildnis verbracht hatte. Der Junge holte so verdammt schnell auf, dass ich manchmal selbst daran zweifelte, ihn irgendwo halbtot im Wald aufgelesen zu haben, anstatt zu glauben, er wäre ein echter Konoha-Junge. "Aber hier in Konoha... Natürlich ist es nicht nett, wenn du mir vor Mais Eltern widersprichst. Aber wann hättest du dann widersprechen sollen?"

Kishio druckste verlegen. "Später. In einem Hinterzimmer. Nicht vor deinen Gästen. Ich habe mich hinterher sehr unwohl gefühlt, mich beinahe geschämt. Nein, Aniki, ich hätte nie so reagieren dürfen. Zwar hatte ich kurz zuvor mit Mai-chan gesprochen, wir haben alles geklärt zwischen uns, daijoubu, und hatten vereinbart, es langsam angehen zu lassen - da kommen wir wieder rein und man erklärt uns, wir wären jetzt verlobt."

"Na, dann weißt du ja, wie ich mich gefühlt habe, als mir der Rat nahegelegt hat, Maria zu heiraten", erwiderte ich trocken. "Oh, ein Eigentor."

"Mein Hauptproblem ist einfach, dass du mir die Wahl gelassen hast. Hättest du radikal gesagt: Otouto, du tust das jetzt zum Wohle der Nara, zum Wohle Konohas und zum Wohle Mais, was hätte ich da erwidern sollen? Aber es ist ja alles freiwillig. Und wenn du mir Freiheiten gewährst, dann nutze ich sie auch. Aber das reicht noch nicht als Ausrede, dich vor den Eltern meiner Verlobten derart bloßzustellen. Deshalb bitte ich dich, meine Entschuldigung anzunehmen."

"Ich bin mir immer noch nicht sicher, ob du das tatsächlich musst, Kishio, aber ich nehme die Entschuldigung an. Und ich verspreche dir, das nächste Mal, wenn ich versuche, dein Leben umzukrempeln, beziehe ich dich von Anfang an mit ein."

"Du meinst, du willst so was noch mal mit mir machen?", fragte Kishio mit hochgezogenen Augenbrauen.

"Wer weiß, wer weiß? Wir werden noch eine sehr lange Zeit zusammen bleiben, Kishio. Unser ganzes restliches Leben noch. Und ich kann heute noch nicht sagen, was uns alles passieren wird." Ich lächelte und reichte ihm die Hand. "Manchmal bin ich ein wenig egoistisch oder sehe die Welt nicht, weil ich Scheuklappen aufhabe. Und ich bin auch nicht dein Großvater und nicht das, was du als Taisho gewohnt bist. Ich bin eben nur ich. Das sind meine größten Fehler. Aber willst du es trotzdem mit so einem dummen Aniki probieren?"

Nun, zumindest lächelte er wieder. Er ergriff meine Hand und drückte sie fest. "Jederzeit. Und es ist vielleicht ganz gut, dass es so passiert ist und nicht anders. Ich denke, es wäre eh an der Zeit gewesen, unsere Beziehung neu zu definieren, jetzt, wo ich tatsächlich wieder so etwas wie einen Clan habe. Ich meine, du bist der Mann, der mich gerettet hat, als ich ganz am Ende war. Du hast mich zu meinem Bruder geführt und uns wieder miteinander vereint. Du warst mir Halt und Stütze, wann immer ich dich gebraucht habe. Aber der Clan ist der Clan, und..."

"Und da habe ich nichts zu sagen, verstehe."

"Ja. Nein. Ja. Du hast mir was zu sagen, und damit auch dem Clan. Und die meisten Dinge, die du anordnest, wird Shin-chan auch ohne Rückfragen ausführen. Weil du Teil der Familie bist. Aber eben mit der Einschränkung, das er nichts tun wird, was mir schaden könnte - nicht, dass ich glaube, du würdest je so etwas anordnen. Und im Prinzip muss alles über mich laufen, was den Clan und seine Mitglieder betrifft. Ich bin das Oberhaupt." Entschlossen sah er mich an. "Verstehst du das, Aniki? Ich kann halt nicht aus meiner Haut raus. Und sollte der Clan jetzt wieder größer werden, dann... Nun."

Ich lachte abgehackt und klopfte ihm auf die Schulter. "Schon gut, schon gut, ich wollte dir nie deinen Clan wegnehmen. Und ich wollte auch nie einen Untergebenen haben, sondern tatsächlich einen kleinen Bruder. Auch wenn die Bedeutung, die du in das Wort Aniki liegst, durchaus strenger interpretiert wreden kann. In deine internen Clan-Angelegenheiten werde ich dir nicht reinreden. Aber es wird mich freuen, wenn du hier und da meinen Rat annimmst."

Er lächelte und legte die Rechte auf meine Hand. "Das werde ich. Das weißt du doch, Aniki."

Oh ja, das wusste ich tatsächlich.

"Ach, und da ist noch etwas." Nun wirkte er verlegen, als er seine Hand abnahm.

Ich nickte in Richtung eines Teehauses. "Dauert es länger? Wollen wir dazu Tee trinken und ein paar Dangos essen?"

"Dazu sage ich nicht nein!", rief er fröhlich.

Ich zog meine Hand zurück und legte ihm den Arm um die Schultern. Was war er doch für einen weiten Weg gegangen vom verschreckten Wild, ständig auf der Hut zu jemandem, der hier und heute fast wie ein normaler Mensch leben konnte. Wirklich, ich war sehr stolz auf ihn.

"Geht es um deine Verwendung als ANBU? Kannst du es nicht mehr erwarten?", scherzte ich. "Immerhin kriegst du ja bei der Mission schon einen gewissen Vorgeschmack, wenn du mit einem echten ANBU in einer Drei Mann-Zelle arbeitest."

"Äh, nein, darum geht es nicht. Und es wird auch keine Dreier-Zelle werden. Ich habe von Kintaro gehört, dass wir ein viertes Mitglied kriegen." Er grinste frech. "Scheint so, als wäre der Spitzname für deine Gruppe mehr und mehr gerechtfertigt, Aniki."

"So?" Ich orderte Tee und Dangos für uns beide. Doppelte Portionen, denn ich wusste, dass Kicchan diese spezielle Süßspeise sehr mochte. "Wie lautet denn der Spitzname?"

"Mamorus Wanderzirkus."

Ich lachte abgehackt. "Ja, das passt.

Und, worüber willst du mit mir sprechen?"

"Es geht um das Schauspiel, das wir laut der Godaime Hokage veranstalten sollen, Aniki..."

Für einen Moment glaubte ich, eine Erkenntnis zu haben. "Der Part als Sklave macht dir Sorgen, nicht? Dass deine Autorität als Clanführer leiden könnte, wenn du dich öffentlich derart erniedrigst, auch wenn es nur eine Show ist. Das tut mir leid. Falls ich eine bessere Idee habe, wie wir unsere Suche umsetzen können, werde ich..."

"Nein, das ist es nicht, Aniki." Er dachte kurz nach. "Auch. Aber für einen Shinobi ist so etwas bei einem Auftrag nicht wichtig. Doch Fakt ist, wir brauchen es nicht. Genauer gesagt ist es sogar kontraproduktiv, denn wir können uns nicht gegenseitig anlügen. Wenn die Moerus erkennen, was für eine Farce wir für sie abhalten, könnte sie das verschrecken.

Abgesehen davon, dass wir auf diese Weise Orochimaru anlocken würden. Ich weiß nicht, ob Tsunade-sama genau das geplant hat, aber ich wette mit dir, er wird zumindest Leute dorthin schicken, wohin immer ich mich wende."

"Er hat Spione in Konoha, die wir noch immer nicht entdeckt haben. Vielleicht liest er auch einfach nur ein paar Zeitungen aus Konoha, ich weiß es nicht", bestätigte ich. "Aber wenn wir die anderen Moerus aufspüren wollen, müssen viele Gerüchte über dich kursieren. Gerüchte sind schneller als das Licht und werden sie neugierig machen."

"Nein, das ist ja der Punkt. Wir brauchen das alles nicht."

Ich musste zugeben, ich war baff. Tee und Dangos kamen, und ich starrte Kishio mit offenem Mund an. "Wieso?"

"Wir sind Moerus", sagte er schlicht und zuckte die Schultern.

"Und das bedeutet?"

Für einen Moment sah er mich verwundert an. Dann aber schien es Klick zu machen. "Aniki... Ich bin der stärkste Moeru, der gerade lebt. Ich habe eine so verdammt große Reichweite, dass ich einmal um die ganze Welt auf meinen eigenen Hintern gucken kann."

"Und was hat die verdammt große Reichweite mit... Oh."

"Ja. Genau. Die Moeru-Kommunikation. Wir müssen nichts schauspielern, müssen nichts versuchen zu erreichen. Ich muss sie einfach nur rufen. Und wenn Shinpa-chan und ich uns aufteilen, decken wir fast den doppelten Bereich ab. Wir rufen sie, und die Moerus werden uns hören. Und wenn sie das, was wir ihnen vorschlagen werden, anhören wollen, werden sie sich melden." Er schnaubte leise. "Ich bin zu lange mit dir unterwegs, Aniki. Damals, in meinem Dorf, wäre es undenkbar gewesen, einem einfachen Clansmitglied die Entscheidung zu lassen, ob er oder sie dem Ruf des Clansführers vielleicht antwortet. Sie hatten es zu tun! Oft genug hing unser aller Überleben von dieser Reaktion, dieser Treue ab. Und ehrlich gesagt, wenn sie mir nahe genug kommen, könnte ich sie zwingen. Denn ich glaube nicht, dass es einen lebenden Moeru gibt, der stärker ist als ich. Aber... Was nützt es, sie zu zwingen zu etwas, von dem sie nicht überzeugt sind? Das ist Sklaverei, und da ich genügend Formen von Zwang und Hilflosigkeit erlebt habe und weil ich die Einstellung Konohas zu diesem Thema kenne, werde ich ihnen die freie Wahl lassen, sich mir anzuschließen, und damit Konoha. Die Alternative wäre, dass Kintaro, Shina-nii und ich ihre Kanshi versiegeln, damit sie nicht gegen Konoha, nicht gegen uns eingesetzt werden können."

Ich schwieg beeindruckt. "So, so. Du rufst also einfach nach ihnen. Und wenn sie gute Laune haben, werden sie antworten."

"Das ist besser als anders herum, wenn wir versuchen, sie mit obskuren Gerüchten anzulocken. Das hat Orochimaru sicherlich ein paarmal selbst probiert. Sie werden da sensibel sein. Sehr sensibel."

"Bleibt aber immer noch der Punkt, ihr Interesse zu wecken, damit sie dir nahe genug kommen, um dich zu hören. Abgesehen davon, dass sie vielleicht nicht erbaut sein könnten, ihre Kräfte versiegelt zu bekommen. Aber immerhin, es ist besser als ewig von Orochimaru gejagt zu werden."

Kishio grinste schief. "Dafür haben wir doch dich, ewiger Chunin. Ich bin sicher, ein Shinobi wie du, um den sich so viele Legenden ranken, wird von ihnen zumindest oberflächlich kontrolliert werden, um sicherzustellen, dass er keine Gefahr für sie ist." Ein Seufzen folgte. "Falls die Moerus, deren Existenz wir vermuten, auch nur annähernd so sicherheitsbedürftig sind wie damals im Dorf."

Ich trank von meinen Tee und aß einen Spieß Dangos. "Heißt das also, ich habe mir Kiras Haare ganz umsonst einpflanzen lassen?"

"Das liegt ja wohl einzig an dir. Immerhin, Kakashi-sensei will dir ein paar kleinere Tricks beibringen, richtig? Das alleine ist es doch schon wert. Apropos, zeig mal her."

Ich wandte den Kopf, sodass er meinen Hinterkopf sehen konnte, auf dem nun ein Büschel von Kiras Haaren prangte. Kishio kicherte so sehr, dass er beinahe seinen Tee verschüttete.

"Was ist?", fragte ich irritiert.

"Aniki, die Haare sind so hell und so ungünstig platziert, es sieht aus, als hättest du da schon eine Platte."

"Na, danke", murrte ich. Kira würde seine Haare aber sowas von zurückkriegen, wenn die Mission vorbei war...

"Warte, ich weiß, was dich tröstet. Noch zwei Portionen, bitte!", rief Kishio.

"Und?", hakte ich nach, während ich den frischen Tee lächelnd entgegen nahm. "Wer wird der vierte ANBU sein?"

"Kin-chan musste es auch nicht, aber ich hoffe, es wird Neko-san sein. Er hat ein gutes Chakra und ich denke, wir würden gut zusammenarbeiten."

Neko-san, das war der ANBU, der das Team anführte, das zur Überwachung der Moerus angesetzt war. Zumindest nannte Kishio ihn so, weil er meist eine Katzenmaske trug. Und natürlich kannte er auch den richtigen Decknamen des ANBU: Tenzou. Aber er bevorzugte den Namen, den er Tenzou selbst gegeben hatte, warum auch immer. Da schlug wahrscheinlich der Shinobi in ihm durch, der ums Verrecken nicht leichtfertig Informationen weitertrug. Gute Eigenschaften für einen Ninja.

Und es würde Sinn machen, wenn Tenzou uns begleitete. Er kannte die Moerus bereits. Andererseits hatte ich leise Zweifel daran, dass er sich unter Kishio als Taisho so ohne weiteres einfügen würde, aber das sprach ich nicht aus. Spätestens wenn wir beide die Moeru-Kommunikation wieder etablierten, würde er von diesen Gedanken erfahren. Kein Grund, ihm jetzt schon den Tag zu versauen.

"Du glaubst nicht daran, dass es Neko-san wird, nicht, Aniki?", fragte er enttäuscht.

Hatte er mir meine Gedanken am Gesicht abgelesen? Mist. "Nein", gestand ich. "Aber ich denke, du hast Recht. Er hätte sich gut im Team gemacht."

Ich aß einen weiteren Spieß Dangos. "So, kleiner Bruder, wir futtern hier auf, und dann gehen wir zu Tsunade-sama. Wenn sie Zeit für uns hat."

"Um was zu tun?", fragte Kishio argwöhnisch.

"Um sie erstens zu fragen, welcher ANBU uns zusätzlich begleiten wird. Nicht, dass ich etwas dagegen habe, neben Kintaro einen weiteren ANBU mitzunehmen. Wenn wir Ärger mit Orochimaro, Akatsuki oder einem der anderen großen Dörfer bekommen, können wir die zusätzliche Kampfkraft sicher gebrauchen." Für einen Moment spürte ich mein Blut hochkochen. Oh ja, Orochimaru-sempai, ich wünschte mir, dass er uns verfolgte, damit ich die Gelegenheit bekam, die Rechnung zwischen uns auszugleichen. Er hatte mich zum Sterben zurückgelassen, in den Mittelpunkt einer Sprengfalle platziert und war dann seiner Wege gegangen. Das würde ich ihm zurückzahlen, bis auf den letzten Ryou! Und danach würde ich eifrig Zinsen zahlen!

Kishio legte mir eine Hand auf die Schulter und lächelte mich an. In diesem Moment wusste ich nicht, ob er meine Gedanken lesen konnte, oder sie nur erriet, aber sein Gesichtsausdruck verriet mir, dass er die Sache mit mir durchziehen würde, bis zum bitteren Ende. Auch er hatte mehr als genügend Gründe, den Konflikt mit Orochimaru zu suchen.

"Und was ist der zweite Grund, Aniki?"

Ein flüchtiges Lächeln huschte über mein Gesicht. "Wir werden ihr erklären müssen, dass ihr Plan mit einem Sklaven Kishio, der von mir mit Elektroschocks traktiert wird, leider nicht funktioniert."

"Na, das kann ja was werden", murmelte Kishio ernüchtert.

***

"WAS?"

Wie ich befürchtet hatte - Tinnitus. Ich prokelte mir mit beiden kleinen Fingern in den Ohren und sah dabei Tsunade-sama vorwurfsvoll an. Das schien sie für einen kleinen Moment verlegen zu machen. Kishio hingegen grinste mich verstohlen an. Er hatte sich Watte in die Ohren gestopft, etwas, was ich natürlich nicht gekonnt hatte, wenn ich der Hokage antworten wollte, wenn sie etwas sagte.

Dabei hatte es so vielversprechend angefangen. Wir hatten an ihr Büro geklopft, und Shizune-chan hatte uns hocherfreut geöffnet. "Ah, Kishio-kun, Mamoru-san. Gerade wollte ich nach euch schicken lassen. Da sparen wir gleich Zeit. Kommt rein."

Also waren wir eingetreten und vor Tsunade-samas Schreibtisch getreten.

"Ah, Mamo-chan, Kicchan, das spart uns Zeit. Ich wollte euch eh herrufen, um euch das vierte Teammitglied für Kishio vorzustellen. Meine Wahl fiel auf einen kampfstarken ANBU, der für die Möglichkeit beitritt, dass sowohl du, Kishio, als auch Shinpachi beschützt werden müssen, während Ihr mit euren Kanshi recherchiert. Zugleich ist er ein erfahrener Feldagent und ein Infiltrator, also die perfekte Ergänzung für eure Fähigkeiten." Sie grinste zufrieden. "Aber erzählt. Was führt euch von selbst her?"

Nun, in diesem Moment machte ich den Fehler, ES TATSÄCHLICH ZU SAGEN!

Da standen wir also, ich mit einem Pfeifen im Ohr, Kishio mit unbewegter Miene und Tsunade-sama teils peinlich berührt, teils verärgert. "Lass mich mal", murrte sie schließlich, kam um den Schreibtisch herum und legte beide Hände auf meine Ohren. Nach einiger Zeit ließ das Pfeifen nach.

"Danke, Tsunade-sama", sagte ich erleichtert. "Du hast aber auch Atü auf der Stimme."

"Das kommt davon, wenn man mit Jiraiya und Orochimaru in einer Gruppe sein muss. Irgendwann lernt man da das Brüllen, sonst dringt man nicht zu den beiden durch." Sie dachte kurz nach. "Aus unterschiedlichen Gründen, natürlich.

Aber jetzt erklär mir mal, warum mein exzellenter Plan nicht funktioniert. Und du, Kicchan, nimm die Watte aus den Ohren."

Kishio musste sie nicht verstehen. Ihr Blick in seine Richtung sagte genug aus, also entfernte er die Watte wieder.

Danach setzte sie sich wieder hinter ihren Schreibtisch und wir erklärten ihr ausführlich, warum es einerseits nicht notwendig war, die Moerus anzulocken, dass es sogar kontraproduktiv sein konnte, weil Orochimaru das sicher auch schon probiert und die Moerus damit sensibilisiert hatte, und dann andererseits, dass ein "versklavter" Kishio, der kein Sklave war, sie für immer vertreiben konnte, weil sich Moerus nicht anlügen konnten. Immerhin, sobald sie Kontakt zu Kishio hatten und es verstanden, sich vor ihm zu verbergen, bestand die Möglichkeit, dass sie die Wahrheit erfuhren, ohne sich offenbaren zu müssen. Und je näher wir uns dann an der Wahrheit hielten, desto wahrscheinlicher war es dann, dass die Dinge so laufen würden, wie wir sie uns wünschten.

Tsunade-sama hatte uns bei unserer zweistimmigen Erklärung nicht unterbrochen, und nun saß sie da und grübelte. Sie wirkte enttäuscht, was mich verwunderte. Bis ich begriff, oder vielmehr erriet, dass sie ein Freund von solchen Scharaden war. Vor allem, wenn sie Blutvergießen verhinderten. Sie war ganz Ninja, und wenn jemand oder etwas gewonnen werden konnte, ohne kämpfen zu müssen, war dieser Weg ihre erste Wahl. Erst wenn dieser Weg scheiterte, kämpfte sie. Dann aber ohne Kompromisse und ohne falsche Zurückhaltung.

"Also gut", murmelte sie. "Kein unwillfähiger Diener, der mit Elektroschocks gebändigt wird. Ich sehe ein, dass wir außerdem Orochimaru nicht mit Gewalt anlocken sollten. Wahrscheinlich wird er euch sowieso auf den Fersen sein. Wenn er nicht gleich eines der "leeren Kinder" einsetzt, die Kishio bereits einmal angegriffen haben." Ihr Blick war ernst, als sie Kishio ansah. "Das bedeutet Verkleidung für euch. Und weil wir gerade beim Thema sind, am besten eine ANBU-Ausrüstung. Du bist zwar formell kein ANBU, Kicchan, aber du bringst die Voraussetzungen für einen von ihnen mit. Außerdem hast du Anführerqualitäten. Das hast du oft genug bewiesen, wenn du die Gruppe anstelle von Mamo-chan führen musstest. Deshalb unterstelle ich die ANBU auch dir. Zumindest für diese Mission. Ihr alle seid aber Mamo-chan unterstellt, und er hat in jeder Angelegenheit das letzte Wort, verstanden?"

"Das steht außer Frage", sagte Kishio.

Als Tsunade-sama eine Augenbraue hob, schluckte der Moeru kurz. "Verstanden, Hokage-sama."

"Was uns gleich zum richtigen Punkt bringt. Die beiden ANBU, die dich begleiten werden, Kicchan. Kintaro kennst du ja schon, aber den anderen Kandidaten noch nicht. Kitsune!"

"Tsunade-sama!" Vor ihrem Schreibtisch kam ein ANBU aus dem Shunshin, dem Step, auf dem rechten Knie ruhend, die Rechte auf dem Boden aufgesetzt. Ich sah ihn von hinten, gekleidet in die typische graue Weste der ANBU, und ich spürte dankenswerterweise keine Anzeichen dafür, dass er ein ANBU-Ne war. Sie, korrigierte ich mich. Meine sensorischen Fähigkeiten signalisierten mir, dass ich es mit einer Frau... Ich versteifte mich, als ich das Chakra erkannte. Sicher, letztendlich hatten sie sich vertragen, aber dies war die Frau, die ausgerechnet in Puny-samas Haus meinem kleinen Bruder ohne Erlaubnis penetrant zu nahe gekommen war.

"Kitsune. Du wirst unter Kishio no Moerus Kommando in Mamoru Morikubos Einheit dienen. Dein Deckname für die Operation wird Hitomi sein."

"Äh, Tsunade-sama, mein wirklicher Name ist...", begehrte sie auf, aber sie stockte im Wort, als sie Tsunade-samas bösen Blick sah.

"Denkst du, ich weiß das nicht, Hitomi-chan? Für den Einsatz verzichtet Ihr auf ANBU-Kleidung, aber nicht auf die ANBU-Ausrüstung, verstanden?"

"Verstanden, Tsunade-sama." Die junge Frau erhob sich und riss sich die Maske vom Kopf. Dass sie weit mehr tat, erkannten wir, als sie kurz darauf in einem kurzen violetten Kimono dastand, der halb auf den Oberschenkeln endete und die bei einigen Kunoichi üblichen Bandagen an den Beinen zeigte. Ihr Haar war braun und lang, und ihr Konoha-Stirnband lag um ihren Hals. Sie war so hübsch, wie ich sie in Erinnerung hatte. Aber ihr Gesicht war geprägt von einem ängstlichen Aspekt. Woran das lag, konnte ich mir lebhaft denken.

"Auf gute Zusammenarbeit, Morikubo-sama, Moeru-sama!" Sie verbeugte sich tief vor uns beiden.

Ich spürte, wie es in Kishio arbeitete. Die Situation war ihm nicht einfach unangenehm, sie störte ihn. Wusste das Mädchen überhaupt, welcher Herausforderung es sich da stellte? Vielleicht ja.

Tsunade lächelte. Und so, wie sie das tat, geschah gerade etwas so, wie sie es geplant hatte.

"Mamo-chan, du hast einen Termin mit Kakashi, nicht wahr? Und Kicchan, Hitomi steht ab sofort unter deinem Kommando."

"Ich... Verstehe, Tsunade-sama."

Und sie grinste immer noch. Was immer sie plante, es war in vollem Gange. Verdammt.

"Also dann, ich verabschiede mich", sagte ich, verbeugte mich vor der Hokage und verließ das Büro. Ich konnte nur hoffen, dass Kishio ab hier besonnen agierte und die richtigen Entscheidungen traf. Denn der renitenteste Untergebene, den er je in Konoha gehabt hatte, war Kira gewesen, und der war nicht wirklich aus Prinzip renitent gewesen. Wie also würde er mit Hitomi umgehen? Mir war klar, dass es eine Lektion war, die er als zukünftiger Anführer einer ANBU-Einheit lernen musste. Das machte es aber nicht weniger ärgerlich für mich. Verdammte Pflicht. Die stille Hoffnung, dass dieser Kontakt gut ausgehen würde, schob ich weit von mir. Ich war kein Träumer.

...Gut, ich WAR ein Träumer, aber auch Realist.

***

"Kakashi-sempai."

Der weißhaarige Ninja schreckte hoch, als er meine Stimme hörte. "Mamo-chan?"

Wie üblich, wenn ich ihn schnell finden wollte und er in der Stadt war, hatte ich Kakashi auf dem Heldenfriedhof gesucht. Und gefunden. Er hatte bei der ewigen Flamme gestanden und so getan, als würde er in seinem Lieblingsbuch lesen. Er klappte es zusammen. "Ist es denn schon soweit?"

"Hm. Eine Zeit wurde mir nicht gesagt. Aber ich wusste, wo ich dich finde." Ich tippte ihm gegen die Brust. "Nämlich in der Vergangenheit."

Für einen Moment sah er mich verdutzt an, dann aber lächelte sein rechtes Auge. Erstaunlich, wie er mit einem Gesicht, das zu fast achtzig Prozent verdeckt war, Emotionen ausdrücken konnte. "Gomen, Mamo-chan. Es fällt mir immer noch schwer, mich von meinen eigenen Dämonen zu lösen. Ich stehe oft hier und frage mich..."

Ich hockte mich vor das Mahnmal und berührte den Stein, bevor ich den weißhaarigen Ninja unterbrach. "Wann und wo ich etwas hätte besser machen können. Was passiert wäre, hätte ich eine Sekunde schneller reagiert oder eine andere Entscheidung getroffen. Wäre jenen Weg gegangen und nicht den, den ich genommen habe. Und war es weise, sich zu dem einen Zeitpunkt nicht von meinen Kameraden zu trennen, war es weise, sich doch von ihnen getrennt zu haben?"

"Du fasst das ziemlich gut zusammen", gestand er.

"Weil es die gleichen Dämonen sind, die mich beuteln, Kakashi. Weil ich ebenso verloren habe. Wir alle haben verloren. Das ist kein Privileg eines Ninjas, aber Ninjas leben schneller und sterben jünger, deshalb kriegen wir davon besonders viel ab." Meine Hände krampften sich um den Stein, bis meine Knöchel weiß hervor traten. "Ich komme selbst ab und zu hierher und setzte mich an Sarutobi-senseis Grab und frage mich, was wohl gewesen wäre, hätte ich meine Truppe nur einen halben Tag früher nach Hause gebracht, als Suna und Oto uns angegriffen haben. Hätte ich Hiruzen Sarutobi retten können? Nein, sicher nicht. Aber wäre meine Truppe damals das Zünglein an der Waage gewesen und hätten wir dadurch den Angriff verhindern können? Vielleicht früher kippen können? Und wäre ich nie auf diese verdammte Mission gegangen, hätte ich Gekko zur Seite stehen können, um sein Leben zu retten? Ich weiß, ich hätte es zumindest versucht, auch wenn es mein Leben gekostet hätte. Ich habe nie gezögert und mich selbst auch in aussichtslose Situationen gestürzt. Ich habe nie von vorneherein aufgegeben. Dennoch zehren diese Dämonen an mir mit ihren Was wäre wenn's und Wie wäre es gewesen's... Sie fressen an mir, an meiner Seele, und werden Tag für Tag für Tag satter. Und sie werden mehr und mehr mit jedem Tag, mit jeder Mission."

Kakashi schwieg. Was hätte er auch darauf sagen sollen?

Ich erhob mich abrupt. "Aber weißt du, was die Dämonen im Zaum hält, Sensei? Ich mache es besser, im Hier, im Jetzt, für diejenigen, die ich liebe und die noch am Leben sind. Ich behaupte nicht, dass ich perfekt bin, oder dass ich es für sie besser mache, aber ich versuche es zumindest."

"Und das funktioniert?", fragte er.

"Ich habe auf jeden Fall weniger Zeit, um mir wegen Gekko und Sarutobi-sensei Selbstvorwürfe zu machen", erwiderte ich.

"Das war ein Tiefschlag."

"Zweifellos", erwiderte ich dünn lächelnd.

Kakashi seufzte geräuschvoll und klappte sein Buch zu. "Vielleicht sollte ich mich wirklich mehr auf die Gegenwart konzentrieren."

"Du hast mir schon einmal gesagt, die Vergangenheit hätte zu viel Macht über dich und du wolltest das ändern", erinnerte ich ihn.

"Ich habe es nicht geändert", erwiderte er.

"Augenscheinlich nicht. Aber das ist in Ordnung. Wenn du es weißt, bist du schon einen Schritt weiter."

Er schnaubte erneut, doch diesmal amüsiert. "Also zurück in die Gegenwart. Bereit für eine kleine Lehrstunde in Raiton, Mamoru Morikubo?"

"Äh, das wollte ich auch noch erwähnen. Die Geschichte mit dem Sklaven, den ich mit Blitzen foltere, hat sich erledigt. Du brauchst mir also nichts beibringen, Kakashi-sempai."

"So? Du hast aber immer noch Kiras und meine Haare, oder?", fragte er.

Ich nickte. "Und?"

"Weißt du, ich wollte dir nicht nur beibringen, wie du Kishio vermeintlich mit Blitzen quälst. Ich wollte dir noch den einen oder anderen Trick mitgeben. Sicher, dein Raiton wird von einer erbärmlichen Schwäche sein, sodass sogar Kira darüber lachen wird, aber... Es gibt da eine Sache, die du lernen musst, Mamo-chan."

Ich gebe zu, mein Interesse war erwacht. Ach, Quatsch, es loderte hell auf. "Und das wäre, Kakshi-sensei?"

"Folge mir, und ich erkläre es dir." Er verschwand per Step. Ich setzte ihm nach.

Ich verrate nicht zuviel, wenn ich erzähle, dass das, was ich von ihm lernte, erfuhr und tat, jemandem auf der Mission im Yuki no Kuni das Leben gerettet hat.

***

"Kishio-sama?", fragte die junge Frau vorsichtig, nachdem sie dem Moeru bereits zwanzig Minuten gefolgt war, ohne dass dieser eine Reaktion auf sie gezeigt hatte. Er hatte ihr lediglich zu verstehen gegeben, ihm zu folgen. Und so irrten sie durch die Straßen, scheinbar wahllos und ziellos. Für einen Moment erwischte sie sich dabei, wie sie nach der Schulter des Rothaarigen greifen wollte, aber sie hielt sich zurück, rechtzeitig. "Kishio-sama?"

Endlich zeigte er eine Reaktion, sah sie an und lächelte. "Dreizehn Minuten länger, als ich dir zugetraut habe. Interessant. Folge mir." Er verschwand mit Step, und Hitomi beeilte sich, ihm nachzukommen.

Im Stadtwald Konohas beendeten sie den Step. Kishio ließ sich in einer eleganten Geste in den Saiza nieder und bedeutete der jungen Frau, vor ihm Platz zu nehmen.

Ebenfalls im Saiza ließ sie sich nieder.

"Den Test hast du bestanden. Du hast abgewartet, aber nicht bis in alle Ewigkeit", sagte Kishio mit zufriedener Stimme. "Aber du hast länger gewartet, als ich von deinem Auftritt bei Puny-sama erwartet habe, deshalb bewerte ich es als eine positive Entwicklung."

Er sah sie freundlich, aber auch distanziert an. "Warum willst du an dem Auftrag teilnehmen?"

Sie senkte den Blick. "Ich bin ANBU. Ich frage nicht nach den Gründen für meine Aufträge, sondern führe sie aus."

"Hitomi-kun", mahnte Kishio.

Verlegen sah sie auf. "Also gut, ich habe ausdrücklich darum ersucht, bei deiner nächsten Mission dabei sein zu dürfen, Kishio-sama. Ich habe damals in Puny-samas Haus einen unverzeihlichen Fehler begangen, habe mich, obwohl ich eine Anfängerin war, als Meistertherapeutin aufgespielt und bin grandios gescheitert. Ich habe Mist gebaut, der unter anderen Umständen ein Leben hätte vernichten können, und dafür bin ich nicht zu Puny-sama gegangen. Im Gegenteil. Ich wollte erlernen, wie ich in meiner Arbeit auch positive Aspekte erleben und herbeiführen kann. Das ist gescheitert, weil ich zu schnell zu viel wollte und mich überschätzt habe. Zudem war ich vor Eifer blind für die kleinen Zeichen..." Spontan verbeugte sie sich. "Ich kann mich gar nicht genug entschuldigen. Meine Sempais haben mir ordentlich den Kopf gewaschen und es hat eine Zeit gedauert, bis ich eine weitere Sitzung begleiten durfte, bis man mir wieder vertraut hat. Aber du vertraust mir nicht, Kishio-sama, und dabei bist du derjenige, dem ich den größten Schaden zugefügt habe." Ein unsicheres Lächeln spielte um ihre Lippen. "Ja, an dieser Stelle kann man es belassen, wir gehen jeder unsere getrennte Wege und dienen Konoha auf unsere eigenen Arten. Aber es war mein verdammter Ehrgeiz, der mich meinen Weg einschlagen ließ, und ich will verdammt sein, wenn ich dir nicht beweisen kann, dass ich meine zweite Chance wert bin."

Kurz huschte ein Schmunzeln über Kishios Züge, eine Ahnung, ein flatternder Schmetterling, nicht lang genug, um sagen zu können, dass es wirklich da gewesen war. "Das kann ich akzeptieren." Er beugte sich vor. "Was bringst du in die Einheit?"

"Kishio-sama?"

"Ich werde meinem Aniki berichten müssen, was deine Stärken und Schwächen sind. Dazu muss ich sie von dir erfahren. Vielleicht legen wir sogar noch einen Testkampf ein, wir werden sehen. Aber ich brauche ein klares Bild von dir, vor dem Einsatz, damit ich weiß, wie du eingesetzt werden kannst. Und Aniki braucht meine Einschätzung von mir über dich, damit er mein Team entsprechend einsetzen kann."

Die junge Frau straffte sich. "Mein Element ist das Feuer, wie bei vielen hier in Konoha. Aber ich arbeite hart an einer Erd-Affinität. Mein Ziel ist es, spezialisierte Jounin zu werden, und, oder ein ANBU-Team zu leiten. Ich bin eine Expertin im Taijutsu, meine größte Kraft aber liegt im Genjutsu." Sie schwieg für einen Moment, dachte nach. "Als Kunoichi bin ich als Hana ausgebildet worden."

"Hana?", fragte Kishio interessiert.

"Ein interner Begriff, den du sicher noch nicht kennst. Wir Kunoichi tragen ihn nicht oft nach draußen, weil er Männer... Nun, manchmal auf dumme Gedanken bringt. Wie soll ich das erklären? Ich habe besonderes Training in der Infiltration erhalten und dabei gelernt, mein hübsches Gesicht und meinen weiblichen Körper einzusetzen. Ich wurde ausgebildet, um als Kurtisane zu dienen, um hochklassige Gesellschaften infiltrieren zu können."

"Kurtisane... Das beinhaltet auch..."

"Richtig, Kishio-sama. Das war der eigentliche Grund für meine Lehrzeit bei Puny-sama. Ich lernte spezielle Techniken, um einerseits als Bettgespielin dienen zu können, andererseits erlernte ich effektive Abwehrtechniken, um meinen Verstand bei sexuellen Übergriffen zu schützen. Inklusive einiger Methoden, mit denen ich mir selbst ein Ende setzen kann, wenn es zu schlimm wird." Beinahe fröhlich zuckte sie die Schultern. "Das Leben als Ninja ist hart, als Kunoichi nicht viel besser, aber auch Shinobi haben nicht immer gut zu lachen."

"Wem sagst du das?", murmelte Kishio.

Sie wurde blass. "Verzeihung, Kishio-sama, ich wollte dich nicht daran erinnern, dass du..."

"Schon gut. Es ist lange her, ich habe es einigermaßen verarbeitet und wir unterhalten uns in einer abstrakten Weise darüber." Er seufzte. "Was sonst bleibt uns übrig, als solch ein Geschehen zu verdauen, abzuhaken und weiterzuleben? Und ich habe mich für das Leben entschieden, Hitomi."

"Das bewundere ich sehr", erwiderte sie ehrlich. "I-ich war noch nie in einer solchen Situation, und ich weiß nicht, ob ich stark genug wäre, um... Nun."

"Das weiß niemand vorher." Kishios Augen verloren für einen Moment ihren Schimmer. "Es ist schlimm, was Menschen einander antun, wenn sie glauben, keine Strafe fürchten zu müssen. Beinahe genauso schlimm ist es, seine Rache zu haben und zu merken, dass sie nicht annähernd die Leere füllt, die eine solche Misshandlung in deine Seele reißt. Aber ich finde Trost darin, dass diese Burschen nie wieder jemandem etwas Vergleichbares antun können."

Ihr Blick schwankte zwischen mitfühlend und offener Härte. "Zu dem Zeitpunkt warst du kein Shinobi, der damit rechnen musste, vergewaltigt zu werden, richtig, Kishio-sama?"

Der Moeru lachte freudlos, kurz und abgehackt. "Nein, das war ich nicht. Aber ich hatte mein Training, mein eigenes Training, das im Clan gelehrt wurde. Ich war nachgiebig wie Bambus im Wind und zog mein Ich zurück in ein Versteck, ein Nest, und dort wartete ich auf meinen Moment, meine Gelegenheit, um zurückzukehren in die Welt der Schmerzen, der Demütigung, der Todesgefahr. Ich kam zurück... Entschuldige, ich wollte das alles nicht erzählen. Aber da du dafür trainiert hast, eine ähnliche Situation überstehen zu können, habe ich mich gehen lassen."

Die junge Frau richtete sich kerzengerade auf. "Kishio-sama, vielen Dank, dass du diese Gedanken mit mir geteilt hast. Ich verstehe immer mehr, wie wenig ich eigentlich erst weiß. Und ich verspüre in mir mehr und mehr den Wunsch, meine Fehler wieder gutzumachen und dir zur Seite zu stehen." Sie dachte einen Moment nach. "Und Mamo-chan, natürlich."

Kishio lachte. Es war nur kurz, aber es klang befreiend. "Ihr nennt ihn alle Mamo-chan, nicht?"

Nun lächelte die Kunoichi. "Alle", bestätigte sie. "Oder wir rufen ihn ewiger Chunin, auch wenn er jetzt endlich befördert wurde. Ihm eilt ein Ruf voraus."

Sie lächelte. "Was mich zum Gedanken bringt, dass wir deinen Ruf vergrößern sollten, Kishio-sama."

"Eventuell tun wir das", erwiderte Kishio. Er erhob sich in einer einzigen, fließenden Bewegung. "Also gut, ich akzeptiere dich. Deine Worte haben mich überzeugt, vorerst. Wir werden aber noch ein oder zwei Sparrings abhalten, damit ich, Shinpachi und Kintaro dich besser einschätzen können. Und sei versichert, fällst du in dein altes Verhalten zurück, bist du schneller auf dem Heimweg als der Bussard kreischen kann. Aber du kriegst deine Chance."

Die junge Frau unterdrückte das Strahlen, das ihre Züge zu überwältigen wollte. Stattdessen wahrte sie ihre neutrale Miene. "Mehr wollte ich nie, Kishio-sama."

"Dann solltest du die anderen kennenlernen." Kishio verschwand mit Shunshin. Hitomi folgte ihm ohne zu zögern.

***

Der Regenmacher 13

"Mamoru."

Ich schreckte auf, als die Stimme erklang. Ich war sensorischer Ninja. Selbst wenn ich wie ein Stein schlief, niemand dürfte sich an mich nahe genug heranschleichen können, dass mich erst seine Stimme weckte. Vor allem konnte und durfte das nicht passieren, wenn Kishio und Shinpachi nur drei Meter von mir entfernt schliefen. Ihre Moeru-Sinne waren noch schärfer.

Erstes Tageslicht erhellte den Raum. Vor mir erkannte ich den Schattenumriss einer Frau. Die Stimme kannte ich, kannte sie nur zu gut. "Shizune-chan?"

Der Schatten nickte. Okay, nun hatte ich eine Erklärung, wie jemand bis zu mir hatte vordringen können, ohne mich zu wecken. Tsunade-samas Sekretärin war auf Jounin-Level und verdammt gut in allen Dingen, die sie tat.

Ich ließ mich auf meine Ellenbögen zurücksinken. "Was kann ich für dich tun?"

"Ich habe wichtige Anweisungen von Tsunade-sama für das ANBU-Team von Kishio, die sofort ausgeführt werden müssen. Damit ich meinen Besuch auch überlebe, habe ich dich aufgesucht, damit du die Moerus aufweckst."

"Ja, das klingt vernünftig", brummte ich und schwang mich aus dem Bett. Ein Frauenarm fiel dabei ins Leere und die Besitzerin grummelte etwas Unverständliches im Halbschlaf. Ich beugte mich vor und küsste ihre nackte Schulter. "Schlaf weiter, Schatz. Dringende Geschäfte, aber nichts tödliches. Denke ich."

Wieder grummelte sie, drehte sich und sackte zurück in den Schlaf.

Shizune wirkte verlegen. "Verzeih, ich wusste nicht, dass..."

"Karin und ich sind fest zusammen, wollen heiraten. Damit hättest du rechnen können." Ich zog meine Shorts und meine Schlafanzughose über. "Gehen wir rüber."

Ich konnte ihre Verlegenheit deutlich spüren, was die erfahrene und kampfgestählte Kunoichi seltsam unerfahren auf mich wirken ließ. Aber vielleicht hatte sie auf diesem Gebiet tatsächlich nur wenig Erfahrung... Die Arme.

'Aniki?', vernahm ich Kishios mentale Stimme. 'Was ist passiert?'

'Werde ich dir sagen. Ich komme rüber', antwortete ich. Seine Stimme war mir sehr leise vorgekommen. Es wurde wohl Zeit für eine weitere Infusion mit Moeru-Chakra bei mir.

Shizune und ich nutzten den Durchgang zum Nachbarhaus. Dort ging ich zum Schlafzimmer meines Bruders und öffnete die Tür. Kishio erwartete mich bereits bei Licht, aber nackt, wie die Natur ihn geschaffen hatte. Neben ihm stemmte sich Shinpachi schlaftrunken von der Matratze.

Shizune wirkte verlegen und wandte ihren Blick ab.

"Ich bitte dich, Shizune-sempai. Wir sind hier alle Profis", sagte Kishio. "Was gibt es denn so früh am Morgen?"

Die Sekretärin Tsunade-samas räusperte sich verlegen. "Dringender Befehl von Tsunade-sama. Das ANBU-Team Kishio muss sofort nach Süden aufbrechen und einen Treffpunkt zehn Kilometer südlich von Konoha aufsuchen. Geschwindigkeit ist hierbei der Trumpf. Und bevor du fragst, Kishio-kun, es hängt selbstverständlich mit eurer Mission im Yuki no Kuni zusammen."

Kishio nickte. "Ich verstehe. Kin-chan! Aufstehen! Wichtige Mission!"

"Ja, ja, bin schon dabei", klang es aus dem Nachbarraum.

"Und jemand soll Hitomi Bescheid geben. Oder wird sie uns nicht begleiten?"

"Das habe ich bereits erledigen lassen. Sie wird euch am Stadttor erwarten", sagte Shizune. Sie streckte die Hand aus und reichte Kishio eine Schriftrolle, ohne ihn anzusehen. "Hier sind deine Befehle sowie eine Beschreibung des Treffpunkts verzeichnet."

"Danke."

Als er die Schriftrolle entgegen genommen hatte, trat die Kunoichi beiseite, um den jungen Männern Platz zu schaffen.

"Was soll das bedeuten?", fragte Kishio verwirrt, während er begann, sich anzuziehen. "Ich hatte mich eigentlich darauf gefreut, mit dir den Kampf mit den Doppelschwertern zu üben."

"Tsunade-sama befiehlt, und wir gehorchen. Ist wahrscheinlich auch nicht schlecht, wenn du jetzt schon aus dem Blickfeld der ANBU-NE kommst, Kicchan", sagte ich. Aber es war eher unwahrscheinlich, dass das der Grund für den vorzeitigen Aufbruch von Team Kishio war.

"Ja, wahrscheinlich schon." Er öffnete die Schriftrolle und überflog seine Anweisungen. "Hm, das könnte einige Zeit dauern, fürchte ich. Tsunade-sama schickt uns augenscheinlich in eine verdammt menschenleere Gegend."

"Ach ja? Will sie dir einen Gefallen tun, kleiner Bruder?", scherzte ich, auf Kishios Problem mit Menschenmengen anspielend. Seine Moeru-Sinne waren dann problematisch genug.

"Ha, ha, sehr witzig. Vielleicht will sie mir auch nur vor der eigentlichen Mission die Gelegenheit geben, meine Four Man-Cell in den Griff zu kriegen", erwiderte er belustigt, während er seine Ausrüstung anlegte.

"Sie würde dich nicht rausjagen, wenn du sie erst in den Griff kriegen müsstest, Kicchan", sagte ich lächelnd.

'Du bist ein so verdammter Schleimer', tadelte er mich über die Moeru-Kommunikation. 'Hör damit bloß nicht auf, Aniki.'

Ich unterdrückte ein Auflachen. Dann legte ich Kicchan eine Hand auf die Schulter. 'Du bist stark, kleiner Bruder. Du trägst Verantwortung. Mehr noch, du willst sie tragen. Du bist erfahren und du sorgst dich um die, die dir nahe stehen. Das wird dir durch vieles helfen. Nur eine Sache macht mir Sorgen.'

'Und zwar?'

'Du solltest Hitomi so schnell wie möglich zu den Menschen hinzufügen, um die du dich sorgst. Jeder ANBU ist eine wertvolle Münze. Sie kann oft benutzt, aber nur einmal ausgegeben werden. Verschwende sie nicht leichtfertig.'

'Der Tadel war jetzt nicht nötig, Aniki', antwortete er mürrisch. Er sah mich missmutig an, dann aber tätschelte er meine Hand auf seiner Schulter. 'Oder vielleicht doch. Ich gebe mir Mühe.'

Kintaro erschien neben Shizune in der Tür. Er trug seine Ausrüstung, aber nicht die ANBU-Maske. Wenn ich ihn mir so ansah, konnte er ohne weiteres ein ferner Verwandter von Kishio und den Moerus sein, so selbstverständlich hatte er sich im Haushalt und vor allem im Moeru-Teil eingelebt. Komisch, dass mir das gerade jetzt durch den Kopf ging. Allerdings widersprachen seine braunen Haare und sein stämmiger Körperbau den eher schlankem Grundtyp der Moerus, also schien es eher eine weitläufige Verwandtschaft zu sein. Nicht, dass Verwandtschaft wirklich etwas ausmachte, wenn man Bindungen einging. Eine andere Erkenntnis hingegen hatte ich wesentlich früher erlangt: Kintaro würde hier nicht wieder ausziehen wollen. Und Kishio hatte augenscheinlich nichts dagegen, geschweige denn Shinpa-chan. Zumindest nicht, dass ich es sehen konnte.

"Abmarschbereit", meldete der ANBU. "Unsere Befehle?"

"Wir treffen Hitomi am Tor und brechen zu einem Treffpunkt zehn Kilometer im Süden auf."

"H-hitomi? Sie kommt mit? Geht sie nicht mit Mamo-sempai nach Norden?"

"Sie gehört zu meinem Team, nicht zu seinem", sagte Kishio. "Du hast doch nichts gegen sie, oder?"

"Nein!", beeilte sich der junge Shinobi zu versichern. "Nein, natürlich nicht!"

"Okay, dann lasst uns loslegen." Kishios Doppelschwerter fanden ihren Platz in der Halterung auf seinem Rücken. Er war bereit. Shinpachi war ebenfalls fertig. "Auf zum Stadttor."

Ich nickte, halb belustigt, halb besorgt. Wenn ein Konoha-Shinobi zu einer harmlosen Mission aufbrach, gab es keinerlei Garantie, dass die Mission harmlos blieb. Die meisten Shinobi starben, weil sie eine D-Mission erwarteten und in eine S-Mission gerieten. "Haut ab."

Die drei Shinobi verschwanden per Step. Schließlich stand ich mit Shizune allein im Zimmer.

"Willst du mir jetzt sagen, was das eigentlich soll?"

Sie legte den rechten Zeigefinger an die Lippen und gebot mir zu schweigen. Erst nach einer guten Minute sagte sie: "Tsunade-sama wird dir Mittags alles erklären."

"Mittags? Wieso..." Als mir die Erkenntnis dämmerte, bemühte ich mich verzweifelt, die entsprechenden Gedanken nicht auszuformulieren, nicht zu denken, was sich da mit Gewalt in mein Bewusstsein drängte. Nun, ich war ein trainierter Shinobi und ich war auch auf Genjutsu vorbereitet worden, geschweige denn mentale Überwachungstechniken und wie ich sie kontern konnte. Es gelang. Dennoch war ich auf das Treffen gespannt.

***

Die drei Shinobi hetzten - ziemlich offen, aber immerhin waren sie ja noch in den sicheren Mauern Konohas - auf das Haupttor zu. Dort erwartete sie bereits ihr neues weibliches Teammitglied. Ihre ANBU-Maske war, wie das Klischee diktiert hätte, die einer Füchsin. Kishio erkannte sie bereits von weitem an ihrem Chakra. Und egal, wie er zu ihr stand, er fand ihren Wunsch, sich unter seinen Augen bewähren und ihren Fehler wieder gutmachen zu wollen, anerkennenswert und wollte ihr diese Chance einräumen. Neben ihr stand Morino-sensei. Die beiden sprachen kein Wort miteinander, sie sahen nur stumm zu den heraneilenden Shinobi.

"Morino-sensei", sagte Kishio, als er direkt vor den beiden aus dem Step kam, legte die rechte Faust in die offene linke Hand und verbeugte sich. Shinpachi und Kintaro taten es ihm nach.

Der oberste Ermittler Konohas erwiderte den Gruß mit einem deutlichen Kopfnicken, dann erst begrüßte Kishio Hitomi ebenfalls mit der Andeutung einer Verbeugung. "Hitomi."

Sie bevorzugte eine deutlich formellere Art der Begrüßung. Aus der Hüfte verbeugte sie sich steif nach vorne und ging dabei fast mit dem Oberkörper in die Waagerechte. "Kishio-sama!"

Hätte er zuvor noch Zweifel über ihre Entschlossenheit gehegt, so waren diese wie hinweggefegt. Diese Frau meinte es bitterernst. Sie würde sich zerreißen, um ihre Scharte wieder auszuwetzen.

Dann verneigte sie sich nicht so tief, aber deutlich genug vor den anderen beiden Mitgliedern seines Teams. "Shinpachi-tono, Kintaro-tono, ich bin neu in der Truppe und hoffe, euch nicht aufzuhalten. Auf eine gute Zusammenarbeit."

Wenn Kin-chan erstaunt darüber war, mit dem Suffix Tono belegt zu werden, einer sehr förmlichen Ansprache, zeigte er es nicht. Stattdessen verbeugte er sich ebenfalls, vielleicht eine Spur zu hastig. Shinpachi verbeugte sich ebenfalls und erwiderte die Grußformel, aber beides war neutral und verriet nicht viel über das, was in ihm vorging. Das jedoch konnte Kishio über die Moeru-Kommunikation ohnehin einsehen. Sein älterer Bruder war interessiert, auf eine professionelle Art. Und das war nichts Schlechtes.

"Ihr habt Tsunade-samas Befehle erhalten." Das war eine Feststellung von Morino, keine Frage.

Kishio nickte und zeigte ihm die Rolle. Dank seiner überragenden sensorischen Fähigkeiten konnte er sich sicher sein, dass die beiden Leute vor ihm die waren, die sie zu sein schienen. Komisch, dass ihm diese Selbstverständlichkeit gerade jetzt durch den Kopf ging. Wer wäre auch in der Lage gewesen, ihn zu täuschen? Tsunade-sama? Orochimaru? Ein Kage. Sicherlich. Darüber hinaus aber nur sehr wenige.

"Führt die Befehle wortgetreu aus", mahnte Morino.

Kishio bestätigte traditionell. "Ossu." Danach fragte er: "Morino-sensei, gibt es einen besonderen Grund für unser Zusammentreffen?"

"Ich verrate nicht zuviel, wenn ich sage, dass Ihr Teil einer größeren und extrem wichtigen Operation seid. Schnelligkeit ist hier der Trumpf, also zögert und hadert nicht."

Die vier ANBU verneigten sich erneut. "Ossu!"

"Kishio-kun, bring sie alle wieder heile nach Hause... Wenn es möglich ist."

Das feine Lächeln auf Morino-senseis Zügen erinnerte ihn daran, was sein Aniki stets zu sagen pflegte: Nur, weil man eine D-Mission antrat, gab es keinerlei Garantien dafür, dass sie sich nicht zu einer S-Mission entwickelte. Kishio nahm sich ein Herz. "Morino-sensei, wie ist die Mission eingeteilt?"

Die Frage verblüffte den Jounin sichtlich, aber er fasste sich schnell. "S-Klasse, Kishio-kun. Aber Ihr seid ein wenngleich wichtiger, so doch nur ein Teil der Gesamtmission. Ratet mal, warum wir ANBU aussenden."

Das leuchtete ein. "Ossu!"

"Also, dann ab mit euch."

Sie nickten einander zu, danach verschwanden sie im Licht des beginnenden Morgens mit Step durch das Haupttor. Draußen wandten sie sich, ihren Befehlen entsprechend, sofort und so schnell sie konnten, nach Süden. "So schnell sie konnten" war dabei ein Tempo, von dem Kishio glaubte, Kin-chan und Shinpa-nii würden es für zehn Kilometer durchhalten. Hitomi war dabei eine Unbekannte, weil sie das erste Mal Seite an Seite stritten. Als er sie getestet hatte, hatte er keine Zeit gehabt, ihre Ausdauer zu testen, leider. Aber sie hielt das scharfe Tempo ohne Probleme durch. ANBU halt. Es machte Kishio schon ein wenig stolz, dass diese ANBU zu Konoha gehörten, dass er zu Konoha gehörte, auch wenn die verdammten ANBU-Ne sein Leben gerade unnötig schwer machten, nachdem er endlich wieder eines hatte. Der Gewaltmarsch zum Treffpunkt würde jedenfalls eine recht kurze Reise werden.

***

Fünf Stunden, nachdem Kishio und sein Team aufgebrochen waren, machte ich mich auf den Weg zu Tsunade-sama. Ich wurde sofort vorgelassen, obwohl es noch nicht Mittag war. Doch statt gleich zur Sache zu kommen, erhob sie sich von ihrem Schreibtisch und nahm mein Gesicht in beide Hände. Schließlich nickte sie zufrieden. "Das Moeru-Chakra ist auf ein Maß gesunken, sodass niemand auf dich Zugriff nehmen kann, der dir nicht näher als ein Dutzend Meter ist."

Bei diesen Worten fühlte ich mich unwohl. Unwohl? Ich machte mir Sorgen. Auch, dass Hitomi nun dabei war, eine ANBU, eine Hana, half nicht gerade, mich zu beruhigen. "Sind Kishio und die anderen in Schwierigkeiten?"

"Ja", sagte Tsunade-sama schlicht und setzte sich wieder. "Und wir sind jetzt dabei, die Wurzel dieses Übels auszurotten."

Ich war gefangen zwischen meiner Sorge für Kishio und meiner Loyalität meiner Hokage gegenüber. So wie das klang, war es nicht gut für Kishio. Und das gefiel mir gar nicht.

"Welches Übel, Tsunade-sama?", fragte ich geradeheraus.

Sie lächelte. "Es ist schön, dass du das fragst. Sicher erinnerst du dich an den Zwischenfall, bei dem Kishio-kun von einem Moeru-Kind aufgespürt wurde, das augenscheinlich aus Orochimarus Labors stammte. Es war recht jung."

Ich nickte. Und verstand. "Es gibt ältere Kinder."

"Ja, davon gehen wir aus. Das erste Kind wurde als Testobjekt geopfert und um uns abzulenken. Das oder die älteren Kinder hingegen wurden in Stellung gebracht, um... Nun, ich bin sicher, Orochimaru hätte gerne, dass sie in Kishios Gedankenwelt einbrechen und sein Wissen über Konoha rauben können, aber dafür ist der Junge in jeder Beziehung zu stark. Daher gehen wir davon aus, dass das oder die Kinder versuchen werden, seine Bewegungen zu orten und ihn zu verfolgen. Außerdem sind wir uns sehr sicher, dass etwas über deine Mission ins Yuki no Kuni durchgesickert ist und Orochimaru die Chance nutzt, um an weitere Exemplare des Moeru-Clans heranzukommen. Ihr solltet ihn quasi direkt an die Quelle führen."

"Wie sicher ist das?"

Tsunade-sama faltete ihre Hände vor dem Gesicht ineinander. "Es gibt Gerüchte und eine bestätigte Sichtung über ein rothaariges Kind in Begleitung einiger Personen, von denen sicher keiner freiwillig mal ein Elternteil werden wird. Wir haben das erwartet. Ich würde es genauso machen, wäre ich am anderen Ende dieser Geschichte."

'Ich ebenso', ging es mir durch den Kopf.

"Gut. Kann ich teilnehmen?"

"Teilnehmen woran?", fragte sie amüsiert zurück.

"Teilnehmen an der Mission, das oder die Moeru-Kinder aufzuspüren. Es ist offensichtlich, dass Kishio und Shinpachi als Köder dienen. Die schnelle Reise zehn Kilometer nach Süden, offensichtlich als Teil der Mission, die anderen Moerus zu finden, wird die Agenten Orochimarus vor genau zwei Möglichkeiten stellen: Verfolgen oder bei Konoha abwarten, ob Kishio und die anderen wiederkommen. Wenn sie sich für verfolgen entscheiden, werden sie der schnell reisenden Truppe Kishios nicht mit der nötigen Vorsicht hinterher kommen. Die Shinobi und sicherlich ein paar ANBU, die auf der Lauer liegen, werden sie entdecken, identifizieren und, so der Zeitpunkt gekommen ist, abfangen. Aber dabei gibt es ein weiteres Problem: Die ANBU-Ne", sagte ich. "Danzou Shimura wird die Gelegenheit nutzen wollen, um sich seinen Moeru zu sichern, dazu in einem sehr guten Alter für eine Rekrutierung, vielleicht fünf oder sechs Jahre alt." Nun juckte es mir noch mehr in den Fingern, meinen Brüdern zu Hilfe zu kommen.

"Richtig. Wer die Moeru-Kinder zuerst aufspürt, die Begleiter besiegt und sie lebend in die Hände kriegt, entscheidet, wie das Spiel ausgeht. All das steht auch in Kishios Befehlen, die er lesen wird, wenn es für seine Verfolger - hoffentlich - bereits zu spät ist. Aber das ist nicht deine Aufgabe. Du wirst mit deinem fliegenden Zirkus noch heute abreisen und deine Mission antreten." Meinen Protest würgte sie mit einer Handbewegung ab. "Es gibt einen Treffpunkt mit Kishios Team im Land der Reisfelder. Sobald die Moeru-Geschichte erledigt ist, wird sein Team ein paar Haken schlagen und euch einholen. Ab hier aber müsst Ihr ständig damit rechnen, von weiteren Moeru-Kindern und den Agenten Orochimarus belauscht zu werden, so es diese Kinder gibt und er sie wie das erste Kind verwenden kann. Orochimaru kennt dein Ziel."

"Das war mir klar. Kakashi-sempai hat mit mir ebenfalls darüber gesprochen. Und deshalb habe ich einen Teil seiner Haare erhalten. Von wo, sagtest du, hat er sie sich entnehmen lassen, Tsunade-sama?"

Sie öffnete den Mund, verschloss ihn aber sofort wieder verdutzt. "Junge, Junge, da hättest du mich ja beinahe drangekriegt, Mamo-chan. Sagen wir einfach, dass es seine Haare sind, und gut ist."

"Mittlerweile will ich es auch gar nicht mehr wissen", sagte ich schaudernd beim Gedanken daran, wo am Körper eines erwachsenen Mannes überall Haare wachsen konnten. Was, wenn sie vom Rücken waren? Aus der Achselhöhle? Aus den Ohren? Aus der Nase? Oder gar... Vielleicht war es doch eine sehr gute Idee, sich nicht mehr mit dem Thema zu beschäftigen.

"Dann ist alles gesagt. Nekozumi-san wird dich wie abgesprochen begleiten. Im Land der Reisfelder werden seine Agenten dich zum Thema Moeru instruieren, Kishio-kun wird mit seinen ANBU hinzu stoßen, und Ihr übernehmt eure "Ausbildungsmission" im Yuki no Kuni, wobei Haru als Vertreter Kirigakures agieren wird."

Ach ja, da war ja noch was. Der ehemalige Harusame, der mich und mein Team als Chunin Kirigakures begleiten sollte, um mit seinem Wissen über das Land zu helfen. Und um ausgerechnet meine liebe süße Hanako zu beeindrucken, der er irgendetwas angetan oder abgeluchst hatte, als sie seine Burg infiltriert hatte, damals im Mizu no Kuni. Kurz bevor wir seine Burg zerstört hatten. Ach, und dann war da noch die Information, dass er bald sterben würde. Auch nicht gerade die besten Nachrichten. Warum? Woran? Wieso? Alles Fragen, über die er hinweg ging, als würden sie mich nicht interessieren. Vielleicht gingen sie mich auch einfach nur nichts an.

"Hai, Tsunade-sama."

"Gut, dann sieh zu, dass Morikubos Wanderzirkus auf den Weg kommt."

"Jawohl, Tsunade-sama." Endlich, der Startschuss zur Mission war gegeben worden. Wir konnten nun die anderen Moerus suchen. Wenn es denn noch welche außer Kishio und Shinpachi gab, die nicht aus Orochimarus Labor stammten.

Ich verneigte mich vor meiner Hokage. Diese Frau war ein dämonisches Wesen. Es gehörte schon einiges dazu, nicht nur darauf zu kommen, dass Kishio überwacht wurde, sondern auch einen Plan auszuhecken, um seine Verfolger einzufangen - ohne, dass der Moeru davon überhaupt etwas mitbekam. Als ich das Büro verließ, hatte ich ein Gefühl der Wärme in mir, das ich ansonsten nur von Gesprächen, Vorab-Briefings und Nachbesprechungen mit meinem Sensei Sarutobi kannte, ein wohliges Gefühl, verstanden und beschützt zu sein. Ich verstand, dass Tsunade-sama eine der Frauen war, für die ich sterben würde.

***

"Kishio ist nicht da?", fragte Mai sofort, kaum dass wir uns am Haupttor trafen. Der Aufbruch, zwei Tage zu früh, hatte meine Genin verwundert, aber nicht überrascht. Sie waren abmarschbereit.

"Sein ANBU-Team hat eine Spezialaufgabe erhalten. Sie werden später zu uns stoßen, im Land der Reisfelder", berichtete ich wahrheitsgemäß.

"Eine Spezialaufgabe? So eine ANBU-Sache mit finden und eliminieren, ohne jede Rücksicht und ohne Mitleid?" Das fasste das Aufgabengebiet der ANBU recht gut zusammen, fand ich. Einer der Gründe, warum ich selbst nie zu den ANBU gewollt hatte und warum ich sie trotz Yugao-chan - seltsam, wann hatte ich angefangen, meine Sensei so zu betiteln? - immer ein wenig argwöhnisch betrachtete, obwohl ich für das ANBU-Team Suzuki immer so etwas wie ein Maskottchen gewesen war. Einmal hatte ich sie sogar als eine Art Geburtstagsgeschenk erhalten...

"Und? Was stört dich daran?", fragte Shinji.

"Ich bin mir nicht sicher, ob das die richtige Aufgabe für ihn ist", gestand sie. "Da haben wir ein Jahr damit verbracht, ihm Vertrauen zu zeigen und seines zu verdienen, ihm das Leben in der Zivilisation schmackhaft zu machen, und nun zieht es ihn wieder in die Barbarei hinab."

Kira runzelte die Stirn. "Seit wann bist du zu solchen Wortgebilden fähig, Mai-chan?"

Das Mädchen ging nicht darauf ein. "Ich mache mir nur Sorgen, das ist alles. Du weißt, wie scheu und unsicher er war, als Mamo-chan ihn eingefangen hat."

"Ach, stimmt ja, Kicchan und ich sind quasi zusammen zum Team gestoßen", sagte Kuzomi unvermittelt. Das Mädchen vom Spinnenclan, Kiras ständige Begleiterin - und ich wollte gar nicht wissen, wie ständig ständig war - gestattete sich ein zaghaftes Lächeln. "Es ist so verdammt viel passiert in einem Jahr."

"Ja, und es verspricht keinesfalls ruhiger zu werden. Die Gerüchte über Akatsuki verdichten sich, und den Ärger, den wir auf der Mission ins Yuki no Kuni haben werden, kann ich jetzt schon riechen", pflichtete Shinji bei. "Allerdings sollte ausgerechnet Mamo-chans Wanderzirkus dieser Aufgabe gewachsen sein. Wenn uns nicht gerade der Tsuchikage auflauert, um uns für unsere Störung der Mission seines Dorfes gegen Akatsuki zu bestrafen." Als er sah, wie die anderen ihn entsetzt ansahen, grinste er schief und legte eine Hand hinter den Kopf. "War doch nur Spaß."

"Das sollte es aber nicht sein", sagte ich ernst. "Als Shinobi musst du diese Möglichkeit in Betracht ziehen und deine Abwehr vorbereiten. Falls sie eintritt." Ich legte ihm eine Hand auf die Schulter. "Bevor Konoha gegründet wurde, bevor die anderen versteckten Dörfer gegründet wurden, lag die durchschnittliche Lebenserwartung eines Ninjas bei etwa elf Jahren. Das ist eine Folge dessen, dass viele Ninja-Clans jedes ihrer Mitglieder in den Kampf warfen, sogar Sechsjährige. Diese Kämpfe waren absolut. Es wurde keine Gnade erwartet und es wurde keine Gnade gewährt. Die Kinder waren meist die schwächsten Shinobi auf dem Schlachtfeld und starben daher als erste. Als die Stadt gegründet wurde, haben nicht nur eine ganze Reihe Ninja-Clans alte Fehden abgelegt und einen großen Neuanfang gestartet. Es wurden Kräfte gebündelt, die uns damals in die Lage versetzt haben, die Kinder mit zwölf statt mit sechs in tödliche Missionen zu schicken. Ausnahmen gab es dabei immer, aber die konnten durchaus auf sich selbst aufpassen." Kakashi zum Beispiel war in so jungen Jahren zum Jounin befördert worden, als ich gerade mal als Genin unterwegs gewesen war. "Aber es ist keine Garantie dafür, dass dein oder euer Überleben in irgendeiner Form garantiert ist. Also rechnet immer damit, dass das Schlimmste passiert. Und habt dafür einen Ausweichplan parat. Ich meine, wir sind Iwagakure verdammt hart auf die Zehen gestiegen. Es ist möglich."

"Hängt das vielleicht mit Kishios Mission zusammen?", fragte Mai.

"Du kannst ihn selbst fragen. Wenn wir einander im Land der Reisfelder treffen", sagte ich lächelnd.

Halb wandte ich mich um, dabei die Hand von Shinjis Schulter nehmend. "Anne, willst du mit, oder bist du nur hier, um uns zu verabschieden?"

Beinahe direkt vor meiner Nase entstand aus dem Nichts die schlanke junge Shinobi, die über das beste Tarntalent verfügte, das ich bisher hatte kennenlernen dürfen. "Was hat mich verraten?"

"Nichts. Ich dachte mir nur, dass du da bist", entgegnete ich grinsend. "Allerdings hättest du auch einfach fragen können, ob du uns begleiten darfst. Aber nicht mich, sondern deine Vorgesetzten."

"Aber Tsukigakure und Konoha sind doch eh Verbündete", begehrte sie auf.

"Geh Maria fragen. Wenn sie dir die Erlaubnis gibt, nehme ich dich mit, okay?"

Mürrisch sah das Mädchen mich an. "Aber wenn..." "Maria." "Doch wenn sie..." "Maria." "Aber was ist, wenn..." "Maria." Sie ließ die Schultern sacken. "Aber Ihr seid noch hier, wenn ich sie gefragt habe?"

Das ließ mich schmunzeln. "Du hast fünf Minuten."

"Das reicht massig!", rief sie und verschwand per Step in Richtung des Nara-Viertels. Kurz darauf sah ich sie über die Dächer Konohas huschen. Ja, vielleicht war es eine gute Idee, jemanden zusätzlichen mitzunehmen, der Affen beschwören konnte. Shinji hatte sich als talentierter Kontraktpartner erwiesen, aber er hatte noch einen langen Weg zu gehen, bis er die wirklich talentierten Kämpfer der Affen für einen adäquaten Zeitraum beschwören konnte.

"Warten wir wirklich auf sie, oder hauen wir heimlich ab?", fragte Shinji. "Nicht, dass ich es nicht zu schätzen wüsste, dass Ryoga mit im Team ist."

"Das werden wir Anego ja wohl kaum antun", sagte Mai resolut. Aber etwas unsicher war ihr Blick schon, als sie mich ansah. "Richtig, Sensei?"

Ich lachte. "Richtig, Mai-chan. Wir warten tatsächlich."

Keine Minute später kam Anne auch schon wieder zurück. Vollkommen außer Atem landete sie direkt vor mir. "Maria... hat nichts... dagegen, aber... in drei Wochen... muss ich nach... Tsukigakure zurück... hat sie gesagt... Puuuuuh!"

Drei Wochen. Hm, das könnte zeitlich ungefähr mit der Mission passen. "Na, dann lasst uns aufbrechen." Ich öffnete die permanente Wunde auf meinem Daumen, die ich als Beschwörer trug, um ständig an mein eigenes Blut kommen zu können, presste einen Tropfen hervor und drückte das Blut in den Dreck der Straße. Dass Beschwörer-Shinobi nicht schon längst an Blutvergiftungen ausgestorben waren, war mir manchmal echt ein Rätsel. "Kuchiose no Jutsu!"

Auch Anne und Shinji bissen sich in die Daumen und drückten das Blut auf den Boden. "Kuchiose no Jutsu!" "Kuchiose no Jutsu!"

Kurz darauf standen drei Affenkrieger vor uns. In meinem Fall war es natürlich P-chan. "Mamo-chaaan!" Und natürlich fiel sie mir sofort um den Hals. "Oh, ich habe dich soooo vermisst!" Um ihre Worte noch zu unterstreichen, rieb sie ihre Wange an der meinen. "Soooo vermisst." Dabei war sie auf meinem Geburtstag gewesen.

Shinji, der Hikaru Gosunkugi beschworen hatte, besah sich die Szene und dann den Affenkrieger in seiner menschlichen Tarngestalt als schmächtiger Hänfling. Er breitete die Arme aus. "Falls du mich auch vermisst hast, nur zu, mein Freund, nur zu."

"Sehr witzig", brummte der Affenkrieger. "Kriegst du nicht genügend Zuneigung von Shinobu?"

An seine Freundin, Kiras Cousine aus Kumo, erinnert, hielt Shinji kurz inne und ließ die Arme etwas sacken. "Mir mangelt es nicht an zusätzlicher Liebe für all meine Teamkollegen", sagte er und hob die Arme wieder.

"Wie ich schon sagte, sehr witzig", sagte Gosunkugi und tätschelte dem Blondschopf die quirligen Haare. "Wir haben uns doch erst auf Mamo-chans Geburtstag gesehen. Meine Bedürfnisse nach Umarmungen von dir sind also nicht so groß. Außer natürlich, du gewöhnst dir an, endlich mal ein Deo zu benutzen."

Erstaunt hielt Shinji inne und begann, unter seiner Achsel zu riechen. "Da ist nichts."

"Seinen eigenen Schweiß riecht man auch nicht so gut", erwiderte der Affenkrieger grinsend.

Der Affe und der Genin sahen sich an, dann begannen sie beide zu lachen und sich dennoch zu umarmen. "Ich habe dich zwar nur zwei Tage nicht gesehen, Großer, vermisst habe ich dich aber wirklich."

"Und ich habe dich vermisst, Kleiner. Siehst auch nicht mehr so müde aus. Hey, Ryoga, findest du nicht auch..." Der Scout verharrte mitten im Satz. Sein Freund und Kampfgefährte befand sich, kaum entstanden, in einer prekären Situation. Anne war ihm um den Hals gefallen, kaum dass er aus dem Nebel getreten war. Und so hing sie an ihm und zwang ihn zu einer gebeugten Haltung. "Anne-chan, das ist mir ein wenig peinlich", raunte er.

"Wieso? Darf ich dir nicht mal meine Zuneigung zeigen?", beschwerte sie sich. "Oder schadet es deinem Image als großer böser Affenkrieger, wenn ein kleines, unansehnliches Mädchen wie ich dich umarmt?"

"Nein, es geht mir mehr um die Witze und Sticheleien, die ich jetzt von Mamo-chan und den Genin kassieren werde."

"Und? Das können wir eh nicht mehr ändern, Ry-o-ga-sa-ma..."

Ich lachte kurz auf. "Genug gespielt. Lasst uns aufbrechen." Kurz ging mein Blick zu Kuzomi. "Deine Schwertwunde?"

"Vollkommen verheilt, der Spinnenseide sei Dank." Sie legte den Kopf schräg. "Onee-chan braucht noch drei Tage, dann ist sie wieder fit für den Einsatz."

"Das sind gute Nachrichten über jemanden, dem fast ein Arm abgetrennt worden ist", sagte ich zufrieden und innerlich aufatmend. Zugleich fühlte ich Phantomschmerzen in der alten Wunde im rechten Bizeps. Ich hatte damals keine Unterstützung durch Ärzte der Spinnen gehabt, die mit Hilfe der Spinnenseide sogar einzelne Muskelfasern wieder miteinander verbinden konnten. Meine Qualen wären auf wenige Tage reduziert worden anstatt auf zwei Monate. Außerdem freute ich mich darauf, die Spinnenkriegerin wiederzusehen. Wir waren Kampfgefährten, Freunde, vielleicht mehr als das, Familie. Ich vermisste sie sehr. Aber Spötter behaupteten ohnehin, ich würde jeden sehr vermissen, den ich jemals kennengelernt hatte... Orochimaru-sempai vermisste ich jedenfalls nicht, und das aus gutem Grund.
 

Eine neue Präsenz in meinem Rücken aus Richtung des Stadttors fiel meinen sensorischen Fähigkeiten auf. Genauer gesagt machte der "Neue" mit seinem Chakra sehr deutlich, dass er da war. Er klopfte quasi bei mir an. Ich wandte mich um und sah meinen alten Freund Ryuji Nekozumi. Neben ihm aber stand Haru, der Regenmacher. Seine Präsenz spürte ich nicht. Er unterdrückte sie, und ausgerechnet ich, ein spezialisierter Jounin mit dem Ortertalent, konnte ihn nicht erfassen, so als wäre er nur ein Trugbild. Das machte mir zu schaffen, zeigte aber, dass Haru nicht umsonst Chunin war. "Okay, wir sind vollständig. Morikubos Wanderzirkus rückt aus."

Meine Genin rissen die rechten Fäuste hoch. "Oooo!" Dann schlossen wir zu Ryuji und Haru auf und verließen die Stadt.

***

Tsunade beobachtete von ihrem Fenster aus die Stadt. Sie konnte das Stadttor nicht sehen, geschweige denn die Aufbrechenden, aber sie wusste, dass sie da waren. Es war eine sensible Mission, in die sie den ewigen Chunin hetzte, aber hoffentlich eine, der er gewachsen war. Er und sein Team. Wenn alles klappte, hatte sie vor, Mai-chan, Kira-chan und Shinji-chan für die nächste Chunin-Prüfung zuzulassen. Das hatten sie sich verdient. Und sie hatten bewiesen, dass sie die Beförderung zum Chunin verdient hatten. Aber waren sie den Aufgaben eines Chunin gewachsen? Manche Shinobi versuchten es ein Leben lang, aber hatten einfach nicht das Talent zum Anführer. Wenn sie an Narutos Team Sieben dachte, fühlte sie Bedauern. Alle drei hatten großartige Veranlagungen und die Fähigkeit, bis zum Jounin aufzusteigen. Und Sakura hatte die Chunin-Prüfung bereits erfolgreich abgelegt, während sie auf Naruto noch wartete... Nur Sasuke Uchiha, der dritte im Bunde, würde als Deserteur nie die Ränge aufsteigen und Chunin sowie später Jounin werden. Was für eine Verschwendung eines vielversprechenden Ninjas. Ein Grund mehr, Orochimaru zu grollen.

Eines aber stand außer Frage: Wenn sich Kishio bewährte, würde sie ihn und natürlich Shinpachi ebenfalls zur Chunin-Prüfung anmelden. Und bis die Mission erfolgreich abgeschlossen war, hatte sie auch den dritten Mann für sein Team gefunden. Sie lächelte bei diesem Gedanken. Die Dinge wurden nicht leichter für Team Morikubo. Vielleicht sollte sie den Schritt, Kishios provisorisches ANBU-Team aus der Gruppe zu lösen und selbstständig einzusetzen, früher tun, als sie eigentlich vorgehabt hatte. Sehr viel früher. Die familiären Bande konnte sie damit jedenfalls nicht zerreißen.

***

Kishio nieste heftig.

"Da denkt wohl jemand an dich", scherzte Kintaro.

"Nein, das sind die Pollen", erwiderte er verschnupft und deutete auf die Wiese zurück, die sie gerade durchquert hatten. "Muss eine Pflanze bei sein, die ich nicht vertrage."

"Oder es denkt jemand an dich", beharrte Kintaro.

Kishio wollte antworten, sagen, dass NATÜRLICH jemand an ihn dachte, weil sich immer jemand um ihn Sorgen machte - Aniki zum Beispiel, Mai-chan, Shinji und Kira, Otoo-sama und Okaa-sama oder die Hokage, um nur die wichtigsten zu nennen. Da dämmerte ihm, was er gerade hatte sagen wollen und welche Bedeutung dies für ihn hatte. Eine wohlige Wärme erfüllte ihn bei diesem Gedanken und der Erkenntnis, wie tief er bereits in die Familie Morikubo und Konoha selbst eingebettet war. Und Shinpachi fühlte genauso. Sie tauschten einen stummen Blick und ein Lächeln.

"Ja, da denkt wohl jemand an mich", gab sich Kishio mit einem Seufzer geschlagen. "Du hast Recht, und ich habe meine Ruhe."

Kintaro machte einen nachdenklichen Laut. "Fühlt sich nicht so an, als würde ich Recht haben, Kishio-sama."

"Und auf dein Gefühl ist Verlass, Kin-chan", sagte Kishio.

"Niederlage akzeptiert", erwiderte er generös. "Also lass uns die Blumen schnell hinter uns bringen."

Sie gingen alle vier wieder in den Step, in fester Formation, verschwanden im nahen Wald.

"Stop!", sagte Kishio. Seine sensorischen Fähigkeiten hatten jemanden entdeckt, was hier, mitten in der Wildnis, schon ungewöhnlich war. Er sah zu Shinpachi herüber.

Der nickte. "Drei Personen. ANBU aus Konoha, wenn mich meine Erinnerung nicht trügt. Sie haben sich gerade erst für uns sichtbar gemacht. Bis dahin war ihr Chakra unterdrückt."

"Das heißt, sie rechnen jetzt mit uns", sagte Kishio. Er stoppte die Unterdrückung des eigenen Chakras und war nun für sensorische Ninjas gut sichtbar. In die drei Personen kam Bewegung. Sie bewegten sich auf ihn zu.

"Yugao-sensei ist bei ihnen", stellte Kishio fest.

"Yugao-sensei?", fragte Hitomi verwundert. "Ich hatte gehört, dass sie ihren Abschied bei den ANBU genommen hat. Das ist ungewöhnlich."

"Die anderen sind Okami-san und Nekohime-chan."

"Dann sind die anderen beiden auch nicht weit." Shinpachi fuhr sein Kanshi hoch, aber er konnte Kuma-san und Kitsune-san nicht entdecken.

Es dauerte nicht lange, dann hatte Yugao Uzuki sein Team erreicht. Sie lüftete ihre Maske. "Kishio-kun."

"Yugao-sensei. Es freut mich, dich zu sehen. Du wirst uns Einzelheiten über die Mission mitteilen?"

"Während wir unterwegs sind. Wir brechen sofort in Richtung Norden auf. Shinpachi und du werdet eure Kanshis so weit hochfahren, wie es euch möglich ist. Ziel ist es, jemanden zu finden, bevor es die ANBU-Ne tun."

"Wen?", fragte Kishio.

"Eins oder mehrere Kinder von Shinpachi aus Orochimarus Labor." Sie setzte die Maske wieder auf. "Los jetzt, ich erkläre alles weitere unterwegs."
 

Einen guten Kilometer weiter nickte Kishio verstehend. "Gut, das macht Sinn. Aber wir haben keine Nachricht der Verfolgerteams erhalten?"

"Nur, dass sie Kontakt mit dem Begleitschutz gehabt haben und es zum Kampf gekommen ist. Sie haben ein etwa fünfjähriges Kind identifiziert, wohl einen Jungen."

Eine Welle aus Frust rollte über die Moeru-Verbindung von Shinpachi zu Kishio herüber. Anscheinend war sein großer Bruder mit der Gesamtsituation nicht sehr zufrieden.

"Mir geht es gut", wiegelte Shinpachi ab. "Ich könnte Orochimaru nur langsam auf einem Röstspieß braten, bis seine blasse Haut eine schöne, knusprige Färbung angenommen hat, und dann..."

"Ach, hör auf", beschwerte sich Hitomi. "Da kriegt man ja Hunger." Sie lachten, und es nahm viel von der Spannung, die Yugao Uzukis Erklärung in den beiden Moerus aufgebaut hatte. Vor allem in Shinpachi.

"Wo war das?"

"Ganz zu Anfang der Hatz, ungefähr auf Kilometer drei", sagte Yugao. "Wie geplant fielen sie unseren Häschern auf, als sie versuchten, euch zu folgen. Zwei seiner Begleiter stellten sich zum Kampf, die anderen beiden und der Junge flohen weiter. Ob sie noch auf deiner Spur sind oder sich bereits abgesetzt haben, können wir mangels Kontakt nicht sagen. Aber wir wissen definitiv, die ANBU-NE sind ebenfalls hier. Vielleicht sind sie sogar näher dran, deshalb habe ich mich dazu entschlossen, dich und Shinpachi aktiv mitsuchen zu lassen."

Kishio nickte. "Shinpachi."

"Ich nehme Kintaro mit, und, wenn du es erlaubst, Yugao-sama, Nekohime-chan."

"Wir erweitern unseren Suchradius. Shinpachi wird am Rand meines Suchradius suchen, so decken wir einen größeren Bereich ab", erklärte Kishio. "Zwei ANBU dürften für seinen Schutz reichen, wenn er seine volle Aufmerksamkeit seinem Kanshi widmen muss. Das Gleiche wird bei mir der Fall sein."

"In Ordnung."

Nekohime kam zu Shinpachi herüber. Kurz darauf trennten sich die beiden und Kintaro von der Gruppe, um den notwendigen Abstand aufzubauen.

'Alles in Ordnung, großer Bruder?', sendete Kishio.

'Keine Beeinträchtigungen. Du kommst mit Hitomi klar?'

Er warf einen amüsierten Blick auf die ANBU. 'Sie gibt sich Mühe. Das erkenne ich an.'

'Gut. Ich melde mich, wenn ich etwas finde.'

'Das Gleiche hier, großer Bruder.' Laut sagte er: "Shinpachi ist in Position. Wir können beginnen."

"Beeilen wir uns", sagte Yugao.
 

Etwa auf Kilometer acht, von Konoha zu jener Stelle gesehen, an der sie die anderen ANBU getroffen hatten, spürte Kishio Kontakt. Mehrere Personen, ein Chakra erlosch, und dazwischen war ein... Ein sehr vertrautes Chakra, das ihm dennoch unbekannt war. Das musste das Kind sein, das Orochimaru mit Shinpachis Genen produziert hatte. Ja, produziert hatte. Der arme Bursche. Ob er genauso leer und willenlos wie das Mädchen war, das ihn damals aufgespürt hatte? "Ich habe sie. Einen Kilometer voraus. Jemand ist bei ihnen."

"Schneller!", kommandierte Yugao. Sie beschleunigten ihre Bewegungen. Hitomi ging automatisch in die Vorhut, um Kishio zu schützen, Okami ging nach rechts hinten, Yugao nach links hinten. Kishio bildete die Mitte eines gedachten gleichseitigen Dreiecks.

Sie kamen sehr gut voran, aber sie blieben nicht unentdeckt. Einer der Angreifer bewegte sich auf sie zu. Es war das Chakra eines ANBU-Ne, das er kannte. "Feind nähert sich."

"Ich übernehme." Yugao drängte sich nach vorne. "Ihr holt das Kind."

"Lebend?", fragte Kishio.

Die Frage schien Yugao zu verwirren, ihr Chakra wurde für einen Moment konfus. "Wenn es machbar ist, ja." Mit anderen Worten, sollte er in die Hand der ANBU-Ne zu fallen drohen, war es besser, den Jungen zu töten. Kishio bedauerte, diese Frage gestellt zu haben. Verdammt. Nicht, dass er zögerlich oder nicht in der Lage war zu tun, was notwendig war, aber bereits das leere Mädchen hatte ihm so leid getan, und der Junge war fast so verloren wie er damals, als sein Clan vernichtet und er allein auf der Welt gewesen war. Kishio versuchte, diese unnützen Gedanken abzuschütteln. So kurz vor einem Kampf bedeutete Mitleid einen Nachteil.

"Ich tue es!", rief Hitomi ihm zu.

"Wenn du musst!", rief er zurück. Sie schlugen einen Bogen, um Yugao bei ihrer Konfrontation mit dem ANBU-Ne Platz zu machen.

Dieser stieß kurz darauf vor ihnen aus dem Step hervor und griff sofort Kishio und seine Begleiter an. Allerdings hatte Yugao damit gerechnet und attackierte den Feind sofort, sodass dieser seine Attacke abbrechen und sich der ANBU-Squadführerin voll widmen musste. Kishio und seine Begleiter brachen durch.
 

Als sie am Ort des Geschehens auftauchten, starb gerade der letzte Begleiter. Der Junge, der ihr Ziel war, stand von ihnen aus gesehen hinter den Konoha-ANBU, mit dem Rücken an einem Baum, das Gesicht angsterfüllt. Es waren zwei ANBU-Ne, deren Chakren Kishio noch nicht kannte.

Einer von ihnen machte eine herrische Geste. "Euer Auftrag ist abgeschlossen. Wir schließen hier unseren ab, Kishio-san!"

Hitomi verschwand neben ihm. Als sie aus dem Step kam, wurde ihr Kunai Zentimeter vor der Brust des Jungen von einem ANBU-Ne mit seinem Sai abgelenkt.

"Nun, wenn Ihr darauf besteht, die Sache hässlich werden zu lassen..." sagte der Erste.

Kishio erkannte schnell zwei Dinge an ihm, nämlich, dass sein Chakra merkwürdig fragmentiert erschien und dass er Affinitäten mit den Chakras der Aburame hatte, die er kannte. Das erklärte das fragmentierte Chakra. Es war nicht zerstückelt, sondern teilte sich auf den ANBU-Ne auf... Und auf ein paar Millionen Insekten, mit denen er in Symbiose lebte. Diese Insekten schossen nun wie eine Flutwelle auf ihn und Okami zu; aber auch auf Hitomi, die, mit dem Rücken zum Aburame stehend, die Welle nicht kommen sah.

Kishio wich aus, Okami ebenso, und noch während er das tat, rief er: "Ausweichen!"

Hitomi reagierte sofort und sprang in die Luft. Der ANBU-Ne, mit dem sie gekämpft hatte, behielt seine Position bei, auf seinen Kameraden vertrauend. Tatsächlich spaltete sich die Insektenwelle vor ihm und dem Jungen und berührte ihn nicht.

Diese Insekten, erkannte Kishio, waren winzig, und darin lag ein Großteil ihrer Gefährlichkeit. Sie waren so winzig, dass er einzelne Exemplare nicht mal mit seinen scharfen Moeru-Augen erkennen konnte. Sie mussten das Format von Hautmilben haben. Dementsprechend war ihre Zahl riesengroß, wenn man sie als Welle erkennen konnte. War es möglich, dass der ANBU-NE tatsächlich nur aus diesen Insekten bestand? Eine schauerliche Vorstellung.

Kishio schmiedete Öl und sammelte es in seinem Mund. "Katon: Dai Endan!"

Er blies den Feuerball auf den Aburame. Dieser ließ die Insekten einen Schild um sich bilden, um dem Feuerball zu widerstehen. Das funktionierte, aber das heiße Feuer Kishios hatte große Lücken in seine Insektenarmee gerissen.

Hitomi versuchte wieder, den Jungen zu töten, aber der zweite ANBU hielt sie erneut auf.

"Das kann den ganzen Tag so gehen, bis einer stirbt!", rief der Aburame. "Zieh dich einfach zurück, Kishio-san! Du hast deine Aufgabe erfüllt, der Beobachter ist fort! Mach dich auf und folge Morikubo!"

"Was ich mache und was nicht, ist nicht deine Angelegenheit!", erwiderte Kishio ärgerlich. Das Feuer hatte geholfen, gut geholfen. Er konnte gewinnen, wenn er Distanz wahrte und seinen Gegner mit Katon attackierte. Allerdings war ihm klar, dass die kleinen Mistviecher hochgefährlich waren. Wahrscheinlich reichte schon eine Berührung, um ihn in ernsthafte Schwierigkeiten zu bringen. Aber bis dahin war es ein Patt. Ärgerlich, aber wahr. Die Seite würde gewinnen, die zuerst Verstärkung heranführen konnte. Und sie...

'Hilfe!'

Kishio erstarrte. Für einen Augenblick hatte er geglaubt, Shinpachi hätte ihn gerufen. Aber nein, das war...

'Hilfe! Papa, hilfe!'

Das war der Junge gewesen. Zweifellos. Er hatte über die Moeru-Kommunikation um Hilfe gerufen. Und das hatte etwas in Kishio berührt. Etwas, das... Nun, zumindest war dieser Junge nicht leer wie das Mädchen, das einer Marionette gleich nur Befehle ausgeführt hatte.

'Bleib ruhig', dachte Kishio. 'Wir helfen dir.'

'Papa?', fragte der Junge.

Konsterniert hielt Kishio inne. 'Papa?'

'Mama hat gesagt, wenn ich nicht mehr im Labor bin, wird Papa mich finden und retten.'

'Und das wird er auch!', klang Shinpachis kräftige mentale Stimme auf. Sekundenbruchteile darauf tauchten er, Kintaro und Nekohime neben ihm aus dem Step auf. Von der anderen Seite kam Yugao heran, den besiegten ANBU hinter sich herschleifend.

Die erste Gruppe, die Verstärkung erhielt, würde gewinnen. Sah ganz so aus, als wäre dies seine Truppe.

"Ich denke, es ist an der Zeit, die Mission als gescheitert anzusehen, Mushi-san", sagte Kishio.

"Ich..."

Einen Moment des Wunderns, des Innehaltens, war alles, was Hitomi benötigte. Sie kam am zweiten ANBU-NE vorbei, hob ihr Kunai und stieß zu.

"WARTE!", rief Kishio, aber da war schon alles geschehen. Sie hatte ihr Kunai in etwas hinter dem Jungen gerammt, das sich als Shinobi-Puppe herausstellte, ihn ergriffen und war mit ihm fortgesprungen, noch bevor Kishio seinen Ruf beendet hatte.

"Keine Sorge, du bist jetzt in Sicherheit", sagte sie zu ihm.

Er nickte zaghaft, aber ganz wohl war ihm nicht in Hitomis Armen, denn vor wenigen Minuten hatte sie noch versucht, ihn zu töten.

"Alles klar, alles klar", seufzte der Aburame. "Alle Trümpfe sind aus unserer Hand. Kriegen wir unseren Kameraden wieder?"

Yugao brummte unwirsch und warf dem ANBU-Ne seinen bewusstlosen Kameraden zu, so als wäre er nur eine leichte Strohpuppe, und kein ausgewachsener Mann.

"Ihr wisst, dass das in Konoha noch ein Thema werden wird", sagte der Aburame schließlich. Er nickte seinem Kameraden zu, legte sich den Bewusstlosen über die Schultern und verschwand dann mit Step.

Kishio verfolgte die drei mit Step, bis er sicher war, dass sie nicht überraschend Verstärkung erhielten oder zurückkehrten. "Das war's", sagte er zufrieden.

"Papa!", rief der Junge, riss sich aus Hitomis Armen los und lief auf Shinpachi zu.

Die Sinne beider Moerus waren in diesem Moment bis aufs Maximum hochgefahren. Shinpachi war bereit, den Jungen beim geringsten Anzeichen von Feindseligkeit oder einer versteckten Programmierung sofort zu töten, aber sie entdeckten weder einen hypnotischen Befehl in seinem Geist, noch eine verräterische Bewegung. Zudem glaubte der Junge, was er sagte.

"Papa."

Zögerlich ging Shinpachi in die Hocke und ließ sich von dem Jungen umarmen. Er zitterte am ganzen Leib. "Mama hat gesagt, dass du mich findest. Ich musste nur ruhig sein und alles tun, was die Männer von Orochimaru-sama mir sagen. Du würdest dann den Rest machen."

Zögerlich umschloss Shinpachi den Jungen. "Es ist in Ordnung. Du bist in Sicherheit." Bilder gingen ihm durch den Kopf, die ihn an jene Zeiten erinnerte, als er einen vierjährigen Kishio beaufsichtigt hatte. Kishio konnte nicht anders, bei diesen Bildern lachte er mental.

Eine stumme Frage stand in Shinpachis Gesicht geschrieben.

'Ich weiß leider auch nicht, was Tsunade-sama ab hier geplant hat', dachte Kishio bedauernd. 'Aber eines ist sicher. Einen Moeru sollte auch ein Moeru aufziehen.'

Sein großer Bruder schluckte trocken. Vielleicht wurde ihm gerade bewusst, was für eine Verantwortung auf ihm ruhen würde.
 

Kishio wandte sich Hitomi zu. "Für einen Moment hast du mir Angst gemacht, muss ich zugeben."

"Wieso?", fragte sie leichthin. "Als wir in der Überzahl waren, bestand keine Notwendigkeit mehr, den Jungen zu töten. Stattdessen habe ich die Falle entschärft, die sie hinter ihm aufgebaut haben und den Jungen aus der Gefahrenzone gebracht. Es tut mir leid, dass ich nicht auf deine Anweisungen warten konnte, Kishio-sama."

Kishio hob die Hand, hielt sie unschlüssig in der Luft und tätschelte schließlich die Schulter der ANBU, wenn auch nur zweimal. "Das hast du gut gemacht, Hitomi."

Die junge Frau schob die Maske hoch. Ihre Miene war ernst, aber man konnte sehen, mit welchem Kraftakt sie sich zu beherrschen versuchte. "Ich versuche nur, ein wertvoller Teil des Teams zu sein, Kishio-sama."

Kishio drückte ihre Schulter. "Du bist auf einem guten Weg", lobte er.

"Kishio."

"Yugao-sensei." Er gab Hitomi einen letzten Klaps, übersah die eine Freudenträne, die das rechte Auge hinablief und wandte sich der ANBU-Anführerin zu. "Wie geht es weiter?"

"Wir drosseln die Moeru-Fähigkeiten des Jungen erst einmal stark, sodass er quasi ein ganz normaler Junge und von Orochimaru nicht so leicht wiederzufinden ist. Dann übergeben wir ihn dem Morikubo-Haushalt. Wenn Ihr von eurer Mission zurück seid, werden wir alles wissen, was er weiß, und er wird hoffentlich bereits in Konoha integriert sein." Sie räusperte sich. "Es ist Tsunade-samas ausdrücklicher Wunsch, dem Jungen eine Kindheit zu ermöglichen."

Eine Kindheit, die Kishio nicht gehabt hatte. Es gab keinerlei Grund, diese dem Kind zu versagen. Falls Orochimaru nicht doch noch eine Schweinerei mit dem Jungen angestellt hatte, hieß das. Aber Okaa-sama und die ANBU würden das schon noch herausfinden.

Kishio nickte. "Und unsere Befehle?"

"Ihr brecht auf und begebt euch zum Treffpunkt mit Mamoru."

Shinpachi löste sich vorsichtig aus der Umarmung des Jungen. "Geh mit Uzuki-sensei mit. Sie bringt dich zu deiner Großmutter nach Hause. Dort tust du alles, was sie dir sagt. Dein Vater hat etwas wichtiges zu erledigen, aber in ein paar Wochen werden wir uns wiedersehen."

"Das ist in Ordnung", sagte der Junge freudestrahlend. "Ich habe mein ganzes Leben darauf gewartet, dich zu sehen, Papa. Das ist jetzt passiert. Ich bin zufrieden. Ich kann warten."

Shinpachi schluckte einen dicken Kloß im Hals runter und umarmte den Jungen erneut.

"Wie heißt du denn eigentlich?", fragte er, von den neuen Eindrücken zunehmend irritiert.

"Shintaro, Papa."

"Shintaro. Ein guter Name."

So beließen sie es, warteten fünf Minuten, zehn, dann fünfzehn, bevor Kishio befand, dass es Zeit für den Aufbruch war. "Shintaro-chan, wir müssen jetzt los."

"Das verstehe ich. Du bist Onkel Kishio, nicht? Ich habe von dir gehört."

Die beiden Moerus wechselten einen erstaunten Blick. Das war eine gewichtige Information für sie. Gab es jemanden in der Zuchtstation Orochimarus, der ihn von früher kannte? Oder waren Informationen über ihn durchgesickert, nachdem er sich Konoha angeschlossen hatte?

"Ich hoffe, nur Gutes", scherzte Kishio.

"Nur Gutes", bestätigte der Junge.

Yugao trat heran und nahm das Kind auf den Arm. "Wir bringen dich nach Hause." Sie nickte Kishio und den anderen zu. Dann verschwand sie, den Jungen an sich gedrückt, mit Step. Ihre ANBU folgten ihr fast zeitgleich.

"Na, das kann ja was werden", murmelte Shinpachi. Schalk glomm in seinen Augen. "Andererseits habe ich ja Erfahrung darin, Kleinkinder groß zu ziehen, nicht, Otouto?"

"Keine Sorge", sagte Kishio generös, "wenn die Erfahrung nicht mehr weiterhilft, helfe ich dir stattdessen." Es schien, ihr Leben in Konoha hatte gerade eine riesige Veränderung erfahren.

Der Regenmacher 14

Als wir das Land der Reisfelder erreichten, waren ein Tag und eine Nacht vergangen. Gut, nur ein halber Tag, und den größten Teil der Nacht hatten wir in unserer bevorzugten Herberge verbracht, direkt an der Nordgrenze. Damit betraten wir jenes Land, in dem Orochimaru einst sein eigenes Verstecktes Ninjadorf unterhalten hatte, Otogakure, das von mir zerstört worden war. Beim Gedanken an die Falle unter der Stadt, in die ich hineingelaufen war und daran, dass an der Stelle Otos nun ein See stand, lief ein kurzer Schauder über meinen Rücken. Ohne Maria und ihre Kunst, Korridore durch die Raumzeit zu treiben, hätte ich nicht überlebt. Natürlich hatte sie mich überhaupt erst in diese Lage gebracht, allerdings hatte ich so die Gelegenheit gehabt, die Falle so lange offen zu halten, bis die Einwohner und die Konoha-Shinobi unter meinem Kommando hatten fliehen können. Hätte ein anderer diese Falle ausgelöst, wären mit Pech Hunderte gestorben, viele von ihnen Shinobi meiner Stadt.

„Ich kann deine Gedanken lesen“, sagte Ryuji grinsend. Dies tat er, während er mit mit dem Eisenblock, den er dreist als Schwert bezeichnete, auf meine Schulter tippte. Ja, tippte. Hätte er auch nur leicht geklopft, alleine die Masse seiner Waffe hätte mir die Schulter zertrümmert. Wahrscheinlich wäre er ein ziemlich guter Shinobi geworden. Vielleicht aber war er da, wo er jetzt war, am besten aufgehoben. „Denkst du noch immer daran?“

„An die Zerstörung Otogakures?“ Ich seufzte. „Heute mehr denn je zuvor. Es ist das Land, in dem damals die Moeru ihr Dorf unterhalten hatten, bevor es von Orochimaru und Itachi Uchiha zerstört wurde. Ich weiß nicht, wie es für Kishio und Shinpachi sein wird, wenn sie an dem See stehen, der einmal ihre Heimat war, und wenn sie wissen, dass ich daran schuld bin.“

„Loben werden sie dich, Sensei“, sagte Shinji mit einem breiten Grinsen auf den Lippen. „Immerhin war es Orochimarus Dorf, oder nicht?“

„So leicht ist es nicht“, mischte sich Kira ein. „Heimat ist Heimat, bedenke das.“

„Und da kommt ja auch noch die Tatsache hinzu“, fügte Mai an, „dass die meisten Einwohner von Orochimaru und dem Nukenin aus dem Uchiha-Clan getötet wurden. Die meisten. Die, die noch leben, suchen wir ja gerade.“

„Ach, interessant. Und wann wolltet Ihr mir das sagen?“, beschwerte sich Gosunkugi und tat, als würde er schmollen. „Also echt, Shinji, und du willst mein Kontraktpartner sein, der mit mir auf Augenhöhe sein will? Freundschaft sieht anders aus.“

„Ich glaube“, sagte Shinji gedehnt und klopfte dem Affenkrieger in der schmächtigen Tarngestalt auf die Schulter, „dies ist der richtige Augenblick, um dir zu sagen, dass ich vorhabe, dich zu unterwerfen und in Zukunft an einer Leine zu führen, um meine Macht über dich zu verdeutlichen.“

„Du und welche Armee?“

„Mamo-chan reicht dazu vollkommen aus.“

Hikari Gosunkugi öffnete den Mund zu einer Antwort, sah zu mir herüber und schloss ihn wieder. „Verdammt, du hast recht, das wird reichen. Darf ich die Farbe der Leine bestimmen?“

Verdutzt sah ich meinen Genin und den Affenkrieger an. Dann begannen die beiden lauthals zu lachen, und die Szene, die sich für mich immer bedrohlicher angefühlt hatte, stellte sich als großer Witz heraus. Nun, es wäre auch arg gegen den Charakter des kleinen blonden Genin gewesen, vor allem da Hikari tatsächlich schon so etwas wie ein Freund für ihn war.

„Aber wenn uns arme Affen trotzdem jemand kurz in die Mission einführen könnte...“, fügte er an.

Kuzomi räusperte sich und hob dozierend den Zeigefinger. „Wir gehen davon aus, dass Orochimaru bei der Vernichtung des Moeru-Dorfs nicht alle erwischt haben kann. Also weder getötet, noch entführt. Und Ryuji-samas Agenten haben ja, wie du weißt, nach akribischer Recherche und durch viel Glück eine Spur zu möglichen Überlebenden der Moeru entdeckt, die ins Land des Schnees führt. Soweit so gut. Und wir sind auf dem Weg, um die aktuellen und sehr eindeutigen Hinweise entgegen zu nehmen.“

„Dabei gehen wir allerdings davon aus, dass die Heimat der Nekozumi bereits von Agenten Orochimarus infiltriert wurde“, sagte ich. „Höchste Geheimhaltung ist also Pflicht.“

„Auch vor Kishio?“ Mai war bei diesem Thema leicht reizbar, wie ich mittlerweile festgestellt hatte. Diese Verlobungsgeschichte hatte sie weit besser aufgenommen als ich erwartet hatte.

„Gerade vor Kishio. Wir werden ihm und Shinpachi viele wesentliche Daten vorenthalten. Vorenthalten müssen“, erklärte ich. „Und zwar, weil...“

Mai runzelte die Stirn. Schließlich aber nickte sie. „Das heißt also für uns beide, dass wir während des Einsatzes kein Moeru-Chakra aufnehmen dürfen.“

Ich nickte lächelnd. Sie war ein kluges Mädchen und nicht umsonst meine erste Wahl als Führerin der Genin gewesen.

„Moment mal, da komme ich jetzt nicht ganz mit. Warum Kishio und Shinpa-chan alles verheimlichen? Ich meine, okay, sie haben die Moeru-Kommunikation, aber sie sind auch die mit dem größten Talent auf diesem Gebiet. Kein Moeru kann gegen ihren Willen in ihre Gedanken einbrechen“, ereiferte sich Kira. „Geschweige denn in ihnen spionieren. Also, warum diese übertriebene Geheimhaltung?“

„Du bist naiv, kleiner Genin.“ Haru lächelte, aber es war kein verschmitztes Lächeln. „Nur, weil du und die beiden Moerus davon ausgehen, dass niemand in ihre Gedanken einbrechen kann, heißt das nicht, dass es unmöglich ist. Im Gegenteil, wir wissen, dass Orochimaru mit der unfreiwilligen Hilfe von Moeru no Shinpachi bereits eigene Moerus erzeugt hat. Und Orochimaru ist ein extrem findiger Mann, der einen Pfad zur Unsterblichkeit entdeckt hat. Wenn nicht er, wer dann könnte ein Kind mit Moeru-Fertigkeiten derart ausstatten, dass es sogar Moeru no Kishio belauschen könnte?“

„Oh“, machte Kira.

„Ja, oh. Also überlass die Informationsfrage und was wir den Moerus zukommen lassen, deinem Sensei. Er ist für diese Frage der mit Abstand Kompetenteste im Team.“

Für einen Moment fühlte ich mich gelobt, auch ein wenig gebauchpinselt. Bis mir bewusst wurde, dass er nur das Offensichtliche ausgesprochen hatte. Immerhin WAR ich der Anführer in diesem Einsatz. Und dann erinnerte ich mich daran, dass er selbst Hanako teilweise für sich hatte einnehmen können, und das, nachdem sie vor ihm geflohen war. Sie hatte seine Komplimente angenommen und über einen seiner Witze gelacht. Haru war definitiv gefährlich, und das in mehr als einer Hinsicht. Zum Glück war er auf unserer Seite. ...Er war doch auf unserer Seite? Ich konnte mir nicht vorstellten, dass Mei-chan, ich meine die Mizukage irgendetwas angeordnet haben könnte, was für mich gefährlich wäre, aber ich traute ihm durchaus zu, sein eigenes Süppchen zu kochen. Immerhin hatte ich seine Burg zerstört und seine Regentschaft beendet. Und damit war ich vielleicht auch der Grund, warum er bald sterben würde. Genug Gründe also, um mich zu hintergehen und zum Beispiel meinem Sempai Orochimaru ans Messer zu liefern. Wir tauschten einen Blick, ich täuschte ein Lächeln vor, und Haru lächelte ebenso falsch zurück. Schön, wir verstanden uns also.
 

„Also“, begann Shinji wieder, „wenn dein Haushalt mit Spionen überflutet ist, Ryuji-kun, warum erzählst du uns nicht alles, was du weißt, hier im Wald?“

„Hast du gerade Kun zu mir gesagt, kleiner Genin?“, grollte Ryuji mit dunkler Stimme. „Kun?“

Shinji schürzte die Lippen zu einem verächtlichen Lächeln. Natürlich kannte er die Suffixe wie Kun oder San und wusste um ihre Bedeutung und die Zusammenhänge der Bedeutung, die sie bekamen, wenn sie an Namen angehängt wurden. „Ich hielt Chan für zu familiär. Später vielleicht, Ryuji-kun.“

Für einen Moment wirkte Ryuji, als wäre er ein Fisch auf dem Trockenen. Sein Mund öffnete und schloss sich, aber kein Wort kam über seine Lippen. Er sah zu mir herüber. „Brauchst du den noch? Darf ich ihn mal eben töten?“

„Das hast du dir jetzt selbst zuzuschreiben, Shinji“, sagte ich ärgerlich.

„Heißt das, ich darf?“ Ryuji hob sein Schwert und richtete es auf den blonden Genin. Der wurde plötzlich blass, bewegte sich aber keinen Millimeter. Gosunkugi griff in Richtung seiner Kunai-Tasche, aber Shinji winkte ihn unauffällig ab.

„Also, kleiner Genin, willst du das mit dem Kun noch mal überdenken? So in den nächsten fünf Teilen einer Sekunde?“

„Nein“, antwortete er schlicht.

„Nein?“

„Nein. Du bist ein Freund vom Sensei, ein sehr guter sogar, und es wäre mir eine große Freude, wenn auch ich mal in diesen Kreis treten dürfte, denn ich halte dich für einen verdammt feinen Kerl.“

„So, tust du das?“ Ryuji hob das Schwert. „Und weißt du, was ich dazu zu sagen habe?“ Das Schwert sauste hernieder, ging neben Shinji in den Boden und spaltete ihn. „Ich halte das für eine sehr gute Idee. Schön, dass mal einer von euch das auf die Tagesordnung bringt. Kun ist vielleicht etwas zu direkt. Immerhin habe ich als Herr meines Hauses einen Ruf zu wahren. Aber ich denke, wenn du mich einfach Ryuji nennst, geht das in Ordnung.“ Er grinste in die Runde. „Das gilt für alle hier.“

Haru hob eine Hand. „Bin ich da inbegriffen?“

„Hm. Tja. Gute Frage. Du darfst mich San statt Sama nennen, in Ordnung?“

„Oh. Damit kann ich leben, Nekozumi-san.“

Innerlich atmete ich erleichtert auf. Aber ich nahm mir fest vor, in nächster Zeit mal mit Shinji über „Takt“, „Risikobereitschaft“ und „Selbstmord“ zu reden. Suizidale Tendenzen wollte ich bei meinen Genin nicht sehen.

„Wenn wir dann alle mit frotzeln, scherzen und verbrüdern fertig sind, können wir dann weiter?“ Ich deutete nach Nordwesten. „Diese Richtung, Shunshin, etwa vier Kilometer, dann eine kurze Pause.“ Ich verschwand mit Step, und nacheinander folgten mir meine Begleiter.
 

„Bist du nicht etwas zu unwirsch?“, klang die Stimme von P-chan neben mir auf. „Die haben doch nur gespielt.“

„Das ist es ja gerade. Das ist mir nicht aufgefallen. Für ein paar Sekunden habe ich echt Blut und Wasser geschwitzt.“

Die Affenkriegerin kicherte. „Keine Sorge, Hikari hat das auch geglaubt.“

„Na, das beruhigt mich jetzt“, murmelte ich, während wir durch das Land der Reisfelder hetzten.

Ich dachte über den kommenden Einsatz nach. Darüber, dass Orochimaru uns zweifellos überwachen würde, wann immer die Gelegenheit dazu hatte. Wann würde er wieder die Chance haben, direkt zu weiteren Moerus geführt zu werden, wenn nicht durch uns? Es würde uns einige Mühe kosten, seine Ratten abzuschütteln und endlich unsere Arbeit zu tun. Das lag noch etwas in der Zukunft, zugegeben, aber man machte sich besser früher als später dazu seine Gedanken, fand ich.

„Bist du sicher, dass wir sie abschütteln müssen?“, fragte Perine.

„Was?“

Sie lächelte mich an. „Du hast laut gedacht.“

Ich zwinkerte und schaltete von „innere Gedanken“ auf „Konversation“ um. „Was schlägst du vor?“

„Die Problematik ist doch schlicht und einfach, dass wir Orochimarus Spionen nicht ausweichen können. Sie wissen, dass wir kommen.“

Damit hatte die Affenkriegerin den Nagel auf den Kopf getroffen. Mir war klar, dass unsere Tarngeschichte, nach der wir die Ausbildung der kommenden Shinobi des Yuki no Kuni von Kirigakure übernehmen sollten, nicht einmal mich überzeugt hätte. Zudem reisten wir mit den überlebenden Moeru, also bald wieder, was erst Recht die Aufmerksamkeit Orochimarus wecken würde. Die Frage war also in der Tat nicht, ob wir mit seinen Agenten konfrontiert werden würden, sondern wann. Und Frage Nummer zwei: Würden wir ihm selbst begegnen? Zwar hatte Sarutobi-sensei sein Bestes gegeben, um ihn zu schwächen und sein eigenes Leben geopfert, um seinem ehemaligen Schüler zumindest die Arme zu nehmen, aber er war immer noch ein Shinobi, der weit über dem Jounin-Level stand. Aber dank Kakashi-sempai hatte ich ein Ass im Ärmel, um genau in diesem Fall... Nun, ich war nicht sicher, ob es stechen würde, aber ziehen würde ich die Karte auf jeden Fall. Gefallen würde es Orochimaru-sempai auf keinen Fall, dessen war ich mir sehr, sehr sicher.

„Das Problem ist nicht unbedingt, dass sich die Ratten an unsere Fersen heften und sich von uns zu den Moerus führen lassen, sondern, dass sie Kabuto oder gar Orochimaru rufen könnten. Und dann haben wir ein Problem.“

„Ja, schon, aber was sagt dir, dass einer von beiden oder gar beide bereits vor Ort sind? Komm schon, du hast doch sicher für diesen Fall etwas in der Hinterhand.“

„Oh, es gibt da in der Tat einen kleinen Trick, den mir Kakashi gezeigt hat“, sagte ich gedehnt. „Aber das ist nicht der einzige Grund. Ich mache mir auch Sorgen, wie wir auf die Moerus, die wir im Yuki no Kuni vermuten, wirken werden, denn wenn wir Orochimarus Agenten direkt auf die Spur der Moerus bringen, sobald wir ins Yuki no Kuni einreisen, wenn wir sie eben nicht abschütteln können, wenn es ein Wettrennen zu ihnen wird, kann ich mir eigentlich eine bessere Maßnahme zur Vertrauensbildung kaum vorstellen. Wahrscheinlich wimmelt es dort jetzt schon von seinen Agenten, und zwar seit dem Augenblick, in dem bekannt wurde, wohin Mamoru Morikubo und die Moerus das nächste Mal geschickt würden.“

P-chan nickte verstehend. „Zugegeben. Aber wir wussten von vorne herein, dass es nicht leicht werden würde. Davon abgesehen, bist du dir sicher, dass du tatsächlich die Moerus suchst?“

Erstaunt sah ich sie an. „Was, bitte?“

„Es kann ja immer noch eine große Ablenkung sein, genial in Szene gesetzt von Tsunade-sama. Sie pflegt doch oft zu sagen, dass weniger mehr ist. Manchmal reicht es, dem Feind einzureden, man würde eine komplizierte Aktion planen, nur damit er Kraft, Zeit und Personal darauf verschwendet, die Pläne hinter den Plänen aufzudecken.“

„Auf den Gedanken kann ich mich nicht einlassen, Perine“, erwiderte ich eine Spur zu grimmig. „Davon abgesehen glaube ich, dass nur Moerus Moerus finden können, und wir haben nur einen einzigen Versuch.“

„Vielleicht können wir Orochimaru aber weismachen, dass wir nur eine Ablenkung sind“, erwiderte sie gedehnt. „Ich meine, wenn sie sich verwandeln, andere Gestalten annehmen und ihre Moeru-Talente runterdrehen, könnte Orochimaru versuchen, die „echten“ zu finden.“

„Oh, das würde er. Aber er würde uns trotzdem verfolgen oder verfolgen lassen.“ Ich seufzte. Oh, ich HASSTE verzwickte Geschichten, Konterstrategien und Konterkonterstrategien. Deshalb spielte ich auch nicht mit allzu viel Enthusiasmus Shogi. Vor allem nicht gegen meinen jüngeren Cousin, aber das war eine andere Geschichte. Go war da eher meins. Übersichtliche, klare Strukturen, das war meine Welt.

„Aber seine Agenten wären vielleicht zahlenmäßig geschwächt oder sogar selbst abgelenkt“, gab sie zu bedenken.

Ich dachte über ihre Worte nach. Gewiss, Orochimaru zu täuschen konnte Vorteile bringen. Der Versuch wäre es wert. Aber es blieb eine Ungewissheit: Hatten wir ihn auch getäuscht? Außerdem hatte mein Sempai mir genau dafür diesen einen Trick beigebracht...

„Lassen wir es drauf ankommen, Perine“, sagte ich entschlossen. Jedenfalls weit entschlossener, als ich mich gerade fühlte.
 

Hinter mir klang Shinjis Stimme auf. „Also, warum sagst du es uns nicht einfach schon hier, Ryuji? Ich meine, spielen wir den Agenten einfach eine große Komödie vor und schicken wir sie nach Suna.“

„Dafür gibt es zwei Gründe. Erstens habe ich in meinem Haus ein Bad mit Wasserfall. Ich pflege alle absolut geheim zu haltenden Gespräche unter dem Wasserfall zu führen, weil er alle Überwachungsgeräte übertönt und auch das Mitlauschen unmöglich macht.“

„Respekt“, sagte Shinji. „Und Grund Nummer zwei?“

Ryuji lachte auf, und ich warf während des Steps einen Blick hinter mich. Ja, die beiden verstanden sich plötzlich ziemlich gut. „Das ist ganz einfach. Ich wurde zwar darüber informiert, dass meine Ermittler neue Hinweise gefunden haben, aber ich kenne sie selbst noch nicht. Und ich würde nirgends darüber sprechen wollen als unter dem Wasserfall. Zumindest nicht, solange wir im Land der Reisfelder sind.“

„Und wann wolltest du mir das sagen?“, fragte ich nach hinten.

„Habe ich das nicht? Oh, Verzeihung. Allerdings sollte der Ewige Chunin kleinere Fehler wie diesen leicht vergeben können, richtig?“

Bei seinem Grinsen fühlte ich mich an eine ganze Reihe an Fehlern erinnert, die auf mein Konto gingen. Zum Beispiel mein Versäumnis damals, als wir Kishio gefunden hatten, mich vollständig über seine Fähigkeiten zu informieren, anstatt anzunehmen, er würde seine Clantechniken vor mir geheim halten wollen. Als er mir seine Sicht der Dinge geschildert hatte, da hatten wir beide sehr gelacht, aber ich vor allem, weil ich die Lage vollkommen falsch eingeschätzt und ihn indirekt damit gefährdet hatte. Das würde mir nicht noch mal passieren.
 

Was mich zu Haru brachte. Unwillkürlich sah ich hinter mich. Sein Blick ging nach rechts zu jener Seite, den er in seiner Position in der langen Reihe an Steps zu decken hatte. Zugegeben, er war gut ausgebildet. Aber, und das war ein Punkt, den ich vor mir herschob, ich würde mich von ihm aufklären lassen müssen, welche Jutsu er beherrschte, damit ich ihn besser in das Team einbinden konnte. Das hätte ich in Konoha längst erledigen können, aber ich gebe zu, die letzten Tage hätte ich ihn ein paarmal fast vergessen, so viel war geschehen.

Er würde unser Kiri-Kontaktmann sein. Aber ich war sicher, dass Mei-chan, ich meine, die Mizukage Mei Terumi, auch Interesse daran hatte, in ihrem Dorf Moerus anzusiedeln. Ha, DAS Interesse hätten die Moerus verdient gehabt, als es sie noch gegeben hatte. Andererseits war vielleicht genau das passiert. Sie hatten Interesse geweckt. Viel Interesse. Zu viel Interesse. Und nun waren die meisten tot, verbrannt von Itachis Amaterasu, ihr Dorf dem Erdboden gleich gemacht, und nur eine Handvoll Kinder neben Shinpachi waren am Leben gelassen worden... Und vielleicht gab es noch ein paar Moerus, die während der Zerstörung nicht im Ort gewesen waren, so wie Kishio. Diese suchten wir nun. Vielleicht ergab sich eine Gelegenheit, und wir konnten jenes Labor von Orochimaru entdecken, in dem er versuchte, Moerus zu züchten – mit Shinpachis Sperma. Aber tat er dies mit „Freiwilligen“, oder mit Moeru-Frauen? Oder beiden Varianten? Es gab keine sichere Faktenlage diesbezüglich, und dank Amaterasu hatte man später nicht gerade feststellen können, wie viele Moerus gestorben waren. Shinpachi selbst wusste nur, wer mit ihm zusammen gefangengenommen worden war, aber nicht einen von ihnen hatte er je wiedergesehen. Tja, bis auf Kishios kleine Schwester, die aber von Orochimaru tüchtig durch den mentalen Fleischwolf gedreht worden und nun seine Erfüllungsgehilfin war... Eine Fremde mit einem großen Teil der Moeru-Fähigkeiten, ausgestattet mit überragenden sensorischen Fähigkeiten, aber anscheinend nicht mit dem Talent, mit Hilfe ihres Chakras zu töten. Und das war vielleicht der einzige Grund, warum sie noch lebte. Orochimaru brauchte alle drei Jahre einen Shinobi, dessen Körper er übernehmen konnte, einen Wirt quasi. Und mit dem Wirt übernahm er einen Großteil von dessen Fähigkeiten. Deshalb züchtete er sich entsprechenden Nachwuchs heran, mächtigen, und vor allem willigen Nachwuchs. Einer von ihnen war Itachis kleiner Bruder Sasuke. Mit seiner Übernahme erhoffte sich Orochimaru garantiert, über das Sharingan und einige damit verbundene Katon-Jutsu verfügen zu können. Ein erschreckender Gedanke. Der einzige Trost: Nach drei Jahren war der Wirtskörper dermaßen verbraucht, dass er starb und Orochimaru einen neuen Wirt benötigte. Und deshalb hatte er begonnen, Moerus zu züchten, in der Hoffnung, ihr Kanshi übernehmen zu können. Und wenn er nur genügend „machte“, würde ihm alle drei Jahre ein Wirt zur Verfügung stehen... Ein logischer Plan, aber kein besonders netter. Vor allem den Moerus gegenüber nicht. Obwohl, ich zweifelte nicht daran, dass er schon dafür sorgte, dass seine Probanden ihre Leben willentlich opferten. Für ihren Meister. Und das machte die Sache sehr gespenstisch, geradezu makaber. Jedenfalls sollte den Moeru ein solches Schicksal erspart bleiben. Das war das Ziel unserer Mission. Und wenn sich Hinweise auf das Moeru-Labor ergaben, umso besser.
 

„Du hast umgebaut“, rief ich nach hinten, als das Dorf der Nekozumis in Sicht kam. Ach was, Dorf, eine Stadt war es.

„Ein klein wenig“, rief er zu mir nach vorne. Eine bodenlose Untertreibung. In den beiden Jahren, in denen Ryuji den Clan anführte, hatte er entweder das Familienvermögen für Baumaßnahmen verpulvert, oder viele Dinge richtig entschieden und expandierte jetzt. Ich hoffte letzteres.

„Ist das deine Stadt?“, rief Shinji aufgeregt. „Mamo-chan erzählt manchmal davon, aber nicht genug. Dazu und zur Vernichtung Otos muss man ihm immer die Würmer aus der Nase ziehen, weil er von sich aus nie was sagt.“ Er verstummte für einen Moment. „Nun gut, einiges darf er uns ja auch gar nicht erzählen, weil es der Geheimhaltung unterliegt und nicht für Genin gedacht ist. Aber er hat die Stadt immer kleiner geschildert.“

„Das liegt vielleicht daran, dass ich ein paar Investitionen durchgeführt habe, die mein Vater immer gescheut hat, als er noch Familienoberhaupt war. Der alte Sack hat stets befürchtet, dass uns entweder ein anderer Clan oder Orochimaru bis auf die Grundmauern vernichten, deshalb hat er es leicht und übersichtlich gehalten. Aber auf die Dauer war das ein Hemmschuh für die Entwicklung meines Clans, deshalb habe ich mit seiner Vorsicht gebrochen. Etwas, zumindest.“

Ich hätte beinahe aufgelacht. Die bauten an einer neuen Außenmauer, Dutzende Gebäude entstanden, und er hatte etwas mit der Vorsicht seines Vaters gebrochen. Ryuji war ein fähiger Anführer. Zumindest hoffte ich das, denn es wäre eine Schande gewesen, wenn all dies wieder vernichtet worden wäre.
 

Meine Gedanken gingen wieder zu den Moerus im Labor. Wenn es tatsächlich Hinweise auf diese Zuchtstation gab, würde ich ihnen nachgehen und auch nicht zögern, Verstärkung aus Konoha anzufordern, um es garantiert hochnehmen zu können. Notfalls würde ich es alleine versuchen, wenn es sein musste. Immerhin war ich der Konoha-Ninja mit dem Kontrakt mit dem Affenclan.

Orochimaru-sempais Geheimverstecke hob ich am liebsten aus. Es würde dann mein viertes sein. Vielleicht einer der Gründe, warum er auf mich, seinen Kohai, nicht besonders gut zu sprechen war. Leider zeigte es auch sehr deutlich, dass vier Verstecke bei weitem nicht sein Limit waren. Die Mission, die uns bevor stand, versprach, schwierig und komplex zu werden. Ein Fehler von uns, und mein Sempai bekam weitere Moerus in die Hände, etwas, was wir um jeden Preis vermeiden mussten, vor allem im Sinne der Moerus. Und dann galt es auch noch, auf Kishio und Shinpachi aufzupassen. Kicchan war geradezu prädestiniert, Orochimarus Wirt zu werden, und Shinpachi war ein unwilliger Lieferant für Moeru-Gene gewesen. Liebend gerne hätte ich sie Zuhause gelassen, außerhalb der Schusslinie. Aber um Moerus zu finden, setzte man eben am besten Moerus ein. Zudem hatte Kishio die größten Fähigkeiten, die ein Moeru besaß. Er war essentiell für diese Mission. Es war zu erwarten, dass das Kanshi der Moerus, die wir zu finden hofften, nicht so stark war wie das meiner beiden Brüder. Was es uns vielleicht erleichtern würde, die anderen zu finden. Falls es sie wirklich gab. Es eröffnete uns auch die Möglichkeit für uns, die anderen Moerus dank Kishios und Shinpachis überlegener Moeru-Kräfte zu unterwerfen, wenn ich dies befahl. Aber wollte ich das? Nein, sicher nicht. Wollte Konoha das? Konoha wollte Sicherheit darüber, ob und wem diese Moeru dienten. Das schloss ihre Unterwerfung nicht einmal ansatzweise ein. Aber ihre Anwerbung. So sie denn wollten.

Blieb noch eine wichtige Frage zu klären, die sich zwangsläufig ergab: Warum hatten sie damals Kishio quasi im Regen stehen gelassen? Das war gegenüber einem kleinen Jungen, der nicht mal in Konoha schon ein vollwertiger Ninja gewesen war, nicht sehr nett gewesen. Und das war noch die freundliche Formulierung vom Albtraum, den Kishio durchgemacht hatte, bevor ich ihn hatte retten können. Ja, retten können. Dieser einen Sache war ich mir sehr sicher. Ein Gefühl, das mir wohlige Wärme im Magen bescherte. Dann kamen wir aus dem Step und waren vor dem Tor.

Als wir den Familiensitz der Nekozumi erreichten, wurde mir klar, dass ich einiges Gewohntes getrost vergessen konnte. Der Hausherr wurde zu seiner Rückkehr begrüßt, und für einen Moment glaubte ich, aus Versehen an den Hof eines Daimyos geraten zu sein. Ehrenwachen traten auf, Beamte reihten sich zum Empfang auf, Gesinde und Bürger verneigten sich. Es war ein Wunder, dass er bei all dem Trara alleine nach Konoha hatte gehen dürfen.

Ryuji tat die Szene nicht ab, handhabte sie aber professionell und sorgte damit dafür, dass sie erheblich verkürzt werden konnte. Dann führte er uns, seine Ehrengäste, in sein Haus. Ich hätte eher die Bezeichnung Residenz oder Palast verwendet.

„Der Platz im Bad ist begrenzt“, sagte er. „Ich, zwei Ermittler und maximal zwei weitere Personen, Mamo-chan.“

Ich nickte. „Ryoga. Du kommst mit mir. Sobald die Besprechung vorbei ist, kommt Ihr nach, und ich informiere euch über das Gesagte. Aber erinnert euch dran: Was Kishio und Shinpa-chan erfahren, kommt ausschließlich von mir, verstanden?“

„Verstanden, Sensei!“
 

Wir trennten uns von meinen Genin und gingen mit Ryoga ins Bad. Für den Moment war es einfach wichtig, dass so wenige Ohren wie möglich zu hören bekamen, was Ryujis Agenten herausgefunden hatten, dementsprechend führte er mich in den lautesten Raum im Haus – eben jenes Bad. Wir entkleideten uns, reinigten uns vorab, wie es sowohl hier als auch im Land des Feuers üblich war und betraten, mit dem üblichen Badehandtuch um die Hüften geschwungen, den großzügigen Baderaum, der manchem öffentlichen Bad in Konoha Ehre gemacht hätte. Ein kleiner Wasserfall fiel in das Becken und erzeugte dabei ein recht lautes Rauschen. Wir stiegen in das Wasser und traten direkt unter den Wasserfall. Das Wasser selbst war angenehm warm. Hier konnten wir sicher sein, dass die zweifellos vorhandenen heimlichen Lauscher oder elektronischen Überwachungsspielereien so wenig wie möglich von unserer Konversation mitbekommen, der Wasserfall unsere leise gesprochenen Worte übertönen würde. Ein vierter Mann und eine Frau in Badetücher gehüllt, gesellten sich zu uns unter den Wasserfall. Aus Sicherheitsgründen hatten wir vereinbart, das Wort Moeru nicht in den Mund zu nehmen und stattdessen nur von der „Sache“ zu sprechen.

Ryuji stellte uns vor. „Dies sind Mamoru Morikubo und Ryoga vom Clan der Affen. Mamo-chan, dies sind zwei meiner Agenten. Tarnname: San und Unagi. Ich habe sie mit der „Sache“ beauftragt.“

Ich nickte beiden zu und versuchte dabei höflicherweise die Frau nicht zu lange anzuschauen. Sie war darüber hinaus nicht gerade das, was man hässlich nannte, und ihr durchgeweichtes Badetuch enthüllte mehr, als es verdeckte. „Danke für die Ermittlungen in der „Sache“, San, Unagi“, sagte ich und verbeugte mich leicht.

„Es ist unsere Arbeit“, sagte die Frau. „Unagi und ich sind spezialisierte Ermittler. Wir versuchen, ein drittes Fiasko wie die Auslöschung der Moeru oder die Okkupation unserer Nation durch Orochimaru künftig zu verhindern.“

Das war ein verständliches Ziel, wie ich fand, und mir war klar, dass Ryuji der Geschichte, seit er der Boss war – übrigens eines von sieben Familienoberhäuptern im Land der Reisfelder, das die Fäden der Innen-, und Außenpolitik zog – eine hohe Priorität eingeräumt hatte. „Weiter.“

„Bei der Suche nach der „Sache“, sagte die Frau, San, „mussten wir Schnitzeljagd spielen. Uns war klar, dass, wenn es Überlebende gegeben hatte, sie einen Rückzugspunkt gehabt haben mussten. Dieser aber war verbrannt in dem Moment, als Shinpachi-san in Orochimarus Hände gefallen ist. Eventuell ist er auch schon früher wertlos gewesen, wir können das nicht mehr sagen. Auf jeden Fall haben wir ein mehrere Jahre altes Grab in einem nahen Wald entdeckt, in denen sich vier Leichen befanden, die mit Pfeilen getötet worden sind – also aus der Distanz, was uns zu der Vermutung führte, die Toten könnten Moerus gewesen sein, die man aus Angst vor ihrem Jutsu aus der sicheren Distanz getötet hat. Eventuell war dieser Ort der Rückzugsort, eventuell war es auch nur ein Zufall, das lässt sich nicht mehr sagen. Aber wenn es der Rückzugsort war, dann wurden alle, die dorthin geflohen sind, von Bogenschützen erwartet und ermordet.“

Ich nickte verstehend. Es gefiel mir allerdings überhaupt nicht, was ich zu hören bekam.

„Falls es weiter Alternativen gegeben hat, vielleicht einen ultimativen Sammelpunkt, der nur gewissen Clansmitgliedern bekannt war, so haben wir davon keine Spuren entdecken können“, sagte Unagi bedauernd. „Als wir mit den Ermittlungen begonnen haben, war einfach zu viel Zeit vergangen, um so weit in die Vergangenheit sehen zu können.“ Mehr und mehr wurde mir klar, dass ich es weniger mit Spionen, und mehr mit Ermittlern zu tun hatte.

„Was darauf folgte“, nahm San den Faden wieder auf, „war detektivische Kleinstarbeit. Wir ermittelten erst einmal die geschätzte Anzahl der Mitglieder des Clans, um überhaupt einen Anfang zu haben. Dann verbrachten wir eine große Zeit in den Archiven des Clans, in denen Missionslogs geführt wurden, also eine Statistik über alle Aufträge, die den Clansmitgliedern erteilt wurden. Das Gleiche taten wir bei allen anderen großen Familien, nachdem Nekozumi-sama mit der richtigen Mischung aus Druck, Entgegenkommen und politischem Einfluss auch ihre Archive für uns geöffnet hat.“

„Und ganz zum Schluss haben wir auch noch die Kopfgeldbüros abgeklappert und für den fraglichen Tag, der Zerstörung der „Sache“, alle Kopfgelder eingesehen und an wen sie ausgezahlt worden waren“, fügte Unagi an. „Unsere Ausbeute war nicht besonders groß, zugegeben, aber uns ist zumindest ein Fall bekannt, an dem ein Kopfgeld an ein Clansmitglied ausgezahlt wurde, und zwar Stunden nach der Vernichtung der „Sache“.“

„Darüber hinaus wissen wir, dass damals mindestens fünf von ihnen auswärts waren, um Aufträge zu erledigen. Bei dreien von ihnen wissen wir allerdings genau, dass sie in Fallen liefen und getötet wurden. Ob sich noch weitere Clansmitglieder nicht im Dorf befanden, lässt sich nicht mehr rekonstruieren, auch nicht, ob der Empfänger des Kopfgeldes Begleiter hatte. Aber wir gehen jetzt zumindest von drei potentiellen Überlebenden aus, potentiell sogar bis zu zwanzig, aber das ist reine Spekulation. Es spricht nichts dafür, dass sie zusammengefunden haben, und es ist unwahrscheinlich, dass sie zusammengefunden haben, auch wenn man die besonderen Talente dieser Familie berücksichtigt, aber es ist nicht unmöglich.“ San legte den Kopf schräg und dachte nach. „Aber zugegeben, ihre besondere Kommunikation hätte es erleichtert.“

„Drei also mindestens“, sagte ich.

San nickte. „Von denen wir nicht sicher wissen, dass tatsächlich alle überlebt haben. Aber auch nicht, ob sie Begleiter hatten. Wir rechnen aber maximal mit einer oder mehreren Gruppen, deren Mitglieder nicht über die erwarteten zwanzig Personen hinausgeht, von denen nicht alle zwangsläufig erwachsen gewesen sein müssen. Die Clansmitglieder müssen sich nach der Vernichtung der „Sache“ möglichst unauffällig bewegt haben, um nicht die Aufmerksamkeit von Orochimarus Agenten und ihren Verbündeten aus den sieben großen Familien auf sich zu ziehen. Wir wissen allerdings, dass Grenzübergänge und Häfen besonders überwacht wurden, was bedeuten kann, dass sich die Clansmitglieder über die grüne Grenze aufgemacht haben, oder außerhalb der Häfen eingeschifft haben.“

„Was uns zum wichtigsten Hinweis bringt, den wir aufgespürt haben“, sagte Unagi. „Am Tag nach der Vernichtung der „Sache“ hat jemand bei einer Bank ein Konto aufgelöst. Es war ein sogenanntes Nummernkonto, mit Passwort geschützt, auszahlbar an jedermann, der die Kontonummer und das Passwort kennt. Interessant an der Geschichte sind drei Dinge, abgesehen vom zeitlichen Zusammenhang. Erstens, es war eine Bank im größten Seehafen des Landes. Zweitens, das Konto wurde bis zum letzten Ryou belastet. Drittens: Es handelte sich um eine Summe von zwei Millionen Ryou, also nicht gerade um Kleingeld.“

„Der Verdacht liegt nahe, dass ein Konto des Clans für den Notfall geplündert wurde“, sagte ich nachdenklich. „Können wir das belegen?“

„Das ist der interessante Aspekt“, sagte San. „Normalerweise würde ein Bankdirektor des Landes der Reisfelder ums Verrecken nichts über seine Kunden preisgeben, aber in diesem Fall waren uns die Agenten Orochimarus leicht voraus. Wir trafen ein, als sie den Direktor folterten, um an zusätzliche Informationen zu gelangen. Es gelang uns, sie zu liquidieren, den Bankdirektor zu retten und die bereits fertige Nachricht an Orochimaru zu dechiffrieren. Somit lagen uns alle Informationen vor, aber Orochimaru keine.“

„Bis auf den Anfangsverdacht, der seine Agenten zur Bank gebracht hat“, schränkte ich ein.

„Zugegeben.“ Die Frau lächelte erfreut. Mein Verstand schien ihr zu gefallen. „Aber wir haben die Gelegenheit genutzt und eine Falle rund um die Bank aufgestellt. Bisher haben sich zwei Agenten darin verfangen. Wir hoffen auf mehr.“

„Gut. Die Informationen?“

„Sie betrafen denjenigen, der das Konto eröffnet hat. Eine Sicherheitskamera hat ein Foto von ihm geschossen, natürlich ohne sein Wissen. Den Namen konnten wir nicht ermitteln, aber wir wissen nun, wie er ausschaut. Er war rothaarig, schlank und blasshäutig, etwas über sechzig, schien allerdings gut trainiert. Das Konto wurde zwei Jahre vor der „Sache“ eröffnet und der Betrag auf einen Schlag eingezahlt.“

Ich nickte erneut. „Ein Clansmitglied, eventuell ein hochrangiges.“ Das war eine handfeste Spur, vor allem aber eine, die Orochimaru nicht mehr verfolgen konnte. Zumindest nicht ohne einen Krieg.

„Wir wissen, dass in den umgebenden Städten und Dörfern an den folgenden Tagen einiges gekauft wurde, was für den täglichen Bedarf notwendig ist. Das Auffallende: Eine einzelne Person kaufte stets Versorgungsgüter für ein halbes Dutzend ein, und es war immer ein anderer. Manche sprachen von einem alten Greis, andere von einem riesigen, stiernackigen Kumo-Shinobi, andere von einer unbekannten, biederen Hausfrau. Und genau diese biedere Hausfrau hat Tage später im Hafen versucht, eine Überfahrt ins Yuki no Kuni zu arrangieren. Soweit wir wissen, ohne Erfolg.“

„Allerdings“, sagte Unagi, „wurde ein paar Tage später ein Geisterschiff aufgebracht, eine kleine, schnelle Ruderbarke, wie sie von den hiesigen Piraten gerne verwendet wird. Neunzehn Tote waren an Bord, und alle waren sie steckbrieflich gesuchte Piraten. Das Besondere: Alle schienen an einem Hirnschlag oder plötzlichem Herztod gestorben zu sein. Diese Information, im richtigen Zusammenhang gesehen, ergibt ein klares Bild, das nach Yuki no Kuni deutet. Wir haben diese Fakten erst vor einigen Wochen aufgedeckt und langsam zusammengefügt. Daraufhin haben wir überhaupt erst Ermittlungen im Yuki no Kuni begonnen. Aber wir haben selbstverständlich Nekozumi-sama darüber informiert, und von ihm ging die Information an Tsunade-sama weiter. Selbstverständlich ermitteln wir mit aller gebotenen Vorsicht vor Ort weiter, aber wir gehen davon aus, dass Orochimaru Bescheid weiß oder zumindest etwas vermutet, seit Sie den Auftrag haben, nach Yuki no Kuni zu gehen, Morikubo-sama.“

„Davon ist leider auszugehen. Orochimaru ist kein Idiot und definitiv vorsichtig genug, um zumindest zu überprüfen, ob er Spuren des Clans finden kann“, sagte ich nickend. „Was haben Ihre Ermittler herausgefunden?“

„Das Yuki no Kuni ist relativ klein und damit überschaubarer als das Land des Feuers. Es entspricht etwa dem Land der Reisfelder, sodass außergewöhnliche Ereignisse mehr auffallen und länger im Gedächtnis der Menschen haften bleiben. Wir wissen daher definitiv, dass zur Zeit des Diktators Kazahana Doto etwa vier Jahre vor der Machtübernahme durch seine Nichte Kazahana Koyuki eine Anzahl an Elitesoldaten Dotos während eines Auftrags spurlos verschwunden ist. Eine Leiche konnte man finden. Sie wies keinerlei äußere Verletzungen auf, aber dafür starke Blutungen im Gehirn.“

„Ich erkenne ein Muster. Wo hat man die Leiche gefunden?“

„Das ist das Problem“, sagte San. „An einer Hauptstraße. Wer immer den Soldaten getötet hat, er wollte, dass Kazahana Doto erfuhr, was mit seinen Männern passiert ist. Wo er getötet wurde lässt sich daher nicht nachvollziehen. Wir wissen allerdings, dass der Auftrag der Soldaten sie in den Nordwesten geführt hat. Ein relativ raues Gebiet, weit entfernt von der Hauptstadt. Sehr weitläufig, stark bewaldet und auch bergig. Jemanden zu finden, der sich dort versteckt und nicht gefunden werden will, dürfte schwierig werden. Gerüchten zufolge hat sich dort eine ganze Armee an Rebellen versteckt gehalten, und das über Jahre, seitdem Doto seinen Bruder ermordet und die Macht ergriffen hatte.“

Ich nickte. „Das wird kein großes Problem für uns werden. Aber eine ungefähre Richtung zu haben, ist die wertvollste Information, die ich hier und heute bekommen konnte. Vielen Dank Ihnen beiden. Ich werde Sie in meinem Bericht lobend erwähnen.“

„Danke, Morikubo-sama.“ Die beiden verbeugten sich leicht vor mir und verließen das Wasser wieder.
 

Ryuji begann übergangslos zu lachen und klopfte mir heftig auf die Schulter.

„Hm?“, machte ich verständnislos.

„Bist du enttäuscht, Morikubo-sama?“

„Enttäuscht weswegen?“

„Dass dir San nicht sofort mit Haut und Haaren verfallen ist, kaum dass sie dich gesehen hat.“

„Was, bitte?“, fragte ich irritiert.

„Oh, ich habe von der Szene gehört, die du dir geleistet hast. Vor einem halben Jahr. Die mit Suirin-chan.“

Ich fühlte, wie ich errötete. „Damit habe ich ihr das Leben gerettet.“

„Ja, das hast du. Zweifellos. Und das auf so angenehme Weise. Sie muss sich ziemlich gut angefühlt haben, oder? Und wie war der Kuss so?“

„Ryuji, das ist nicht fair.“

„Natürlich ist das nicht fair. Genauso wie es nicht fair ist, dass San sich nicht augenblicklich in dich und deinen Heldenblick verliebt hat.“

„Gibt es einen besonderen Grund, warum du so auf San-san herumreitest?“, fragte ich. „Bist du etwa in sie verliebt?“

Er lachte und schlug mir erneut kräftig auf die Schulter. „Da hast du vollkommen Recht. San ist meine Verlobte. Dies ist die letzte Ermittlung, die sie leitet, bevor sie als meine Frau den Familienvorsitz übernimmt.“

„Du willst eine so fähige Frau den Ermittlern entziehen?“

„Im Gegenteil. Ich gebe ihr noch mehr Macht, indem ich sie zur höchsten Instanz in diesem Teil des Landes mache. Polizei, Shinobi, Agenten, alle sind ihr fortan Rechenschaft schuldig. Und sie hat die undankbare Aufgabe, alle Informationen zu einem großen Gesamtbild zusammenzusetzen. Ich verstehe es zwar nicht, aber sie scheint sich darauf zu freuen.“

„Na, da gratuliere ich dir aber. Sie scheint in mehr als einer Hinsicht ein guter Fang zu sein. Wie habt Ihr euch kennengelernt?“

Sein Lächeln bekam etwas wehmütiges. „Als ich Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt habe, um einen gewissen Shinobi zu finden, von dem alle Welt glaubte, er wäre bei der Zerstörung Otogakures umgekommen. Sie war die erste, die sich ohne Rücksprache mit meinem Vater in die Ermittlungen gestürzt hat. Sie hat einfach ein Team um sich geschart und angefangen. Ich glaube, da habe ich mich ernsthaft in sie verliebt. Sie ist ein Macher, so wie ich.“

Ryuji verließ den Wasserfall und setzte sich auf eine Liege innerhalb des Beckens. Das war ein etwas merkwürdiger Anblick. Mir hätte die Liege bequem Platz geboten, aber der Herr der Nekozumi war selbst für einen Hünen zu groß und ließ die gemauerte Liege wirken, als wäre sie für ein Kind gemacht. „Und, Zuhause alles in Ordnung? Deine Frauen vertragen sich miteinander?“

„Ja, alles in Ordnung.“ Leise seufzend setzte ich mich auf die Nachbarliege und machte es mir bequem. „Du hast es doch selbst mitbekommen, oder?“

„Es ist eine Sache, was man als Besucher sieht, und eine andere, was hinter geschlossenen Türen passiert, Mamo-chan. Aber wenn du sagst, dass sich Maria gut integriert hat und deine Verlobte, deine Mama und deine große Schwester mit ihr gut auskommen, dann will ich zufrieden sein.“ Er runzelte die Stirn, während er versuchte, auf der Liege eine einigermaßen bequeme Haltung einzunehmen. „Dein Sohn ist sicher? Ich weiß, deine Eltern geben sich viel Mühe, aber zumindest dein Vater ist kein Shinobi, oder?“

„Oh, mach dir um Akira keine Sorgen. Er hat, nun, seit einigen Tagen einen ganz besonderen Begleitschutz.“

„Wie darf ich das verstehen?“

Ich lächelte. „So, wie ich es gesagt habe. Nur ein Wort: Fuse.“

„Die Katzendämonin? Begleitet sie nicht Kishio-kun?“

„Das weiß ich im Moment nicht. Und, haben diese Dinger auch Massagedüsen?“

„Selbstverständlich.“

Kurz darauf begannen diverse Düsen mit sehr warmem Wasser und einem erträglichen Druck, meinen Körper zu massieren. „Ah, das ist Luxus.“ Ein Teil meiner Probleme war gelöst, ein anderer Teil wartete darauf, noch erledigt zu werden, und einige neue waren hinzu gekommen. Nicht, dass ich etwas anderes erwartet hatte. Während ich in Gedanken die neu gewonnenen Daten zu sortieren versuchte, versuchte ich den Körper zu entspannen, zumindest bis...

„ARSCHBOMBE!“

Zumindest, bis meine Genin auch ins Bad durften.

„Ryoga, würdest du...?“

Der Affenkrieger grinste. „Natürlich, großer Anführer. Ruhe dich ruhig weiter bei der Massage aus. Ich übernehme es, deine Genin unter dem Wasserfall auf dem neuesten Stand zu bringen.“

„Danke. Ich schulde dir was, Ryoga.“ Oh, ich genoss das Wasser wirklich.

„Mamo-chan“, sagte Kira, als er den anderen zu Ryoga unter dem Wasserfall folgte, „warten wir hier auf Kicchan und die anderen, oder ziehen wir weiter?“

Ich öffnete ein Auge, um ihn anzusehen. „Sagen wir es so: Morgen baden wir hier auch.“

„Yossha!“ Er ergriff Kuzomis Hand. „Leute, nicht ohne uns anfangen! Und wir bleiben mindestens bis morgen!“

„Dieser Enthusiasmus erinnert mich an dein jüngeres Ich“, kommentierte Ryuji grinsend.

Ich musste leise lachen. „Mich auch, Ryuji. Mich auch.“

***

In der Nacht sind alle Katzen grau, lautet ein typisches Sprichwort in Konoha. Eingeführt wurde es von niemand geringerem als Jiraiya-sama. Das Sprichwort besagte nicht mehr und nicht weniger, dass, wenn das Licht knapp wurde, eine Identifikation von Individuen optisch stark erschwert wurde. Shinobi wussten das. Schon seit Jahrzehnten. Deshalb hatten sie, und das auch seit Jahrzehnten, ihre anderen Sinne trainiert, um im Dunkeln nicht allein auf ihre Augen angewiesen zu sein. Manche entwickelten dabei besondere Fähigkeiten, um die Umgebung rund um sich zu erspüren; das waren die sensorischen Ninjas. Manche gingen den anderen Weg und versuchten, ihre Augen besser an die schlechteren Sichtbedingungen anzupassen, oder sie verfügten über ein Kekkai Genkai wie die Sharingan oder die Byakugan. Aber es war wie mit allen Dingen im Leben: War eine Fähigkeit erst einmal bekannt, dann konnte sie mit genügend Aufwand, Training und Wissen um die Details der Fähigkeiten gekontert werden. Die ANBU waren darin wahre Meister, denn die Infiltration gehörte zu ihren primären Aufgaben. Ob dies nun heimlich schleichend in der Nacht erfolgte, unsichtbar für Augen-Jutsu oder unspürbar für sensorische Ninja, mit Hilfe einer undurchschaubaren Verwandlung, oder, wie die Hana-Shinobi unter vollem Körpereinsatz, war nur ein Detail. Und die ANBU-Ne hatten diese Künste noch einmal vorangetrieben, versucht, unter den ANBU eine eigene Elite zu werden. Die Elite zu werden. Nicht ohne Grund waren sie darum auch sehr stolz auf ihre Schleichfähigkeiten. Ja, stolz. Stolz allerdings war eine zweischneidige Klinge. Er konnte schnell verletzt werden, und verletzter Stolz bedeutete oft genug unüberlegte, vorschnelle oder gar hastige Handlungen. Nach der Niederlage im Wald gegen die ANBU und Kishio no Moerus Team war der Stolz der ANBU-Ne definitiv verletzt. Verletzt genug, um ein Risiko einzugehen. Aber interessanterweise war der Preis, der zu gewinnen möglich schien, durchaus das eine oder andere Risiko wert. Genauer gesagt war es ein Doppel-Jackpot. Gelang die Mission, dann würde Danzou-sama dem Fähigkeitenpool der ANBU-Ne nicht nur die Möglichkeiten der Moeru hinzufügen können, sondern auch die Künste der Nara, die sich bisher standhaft geweigert hatten, ihre Kinder Danzou zur Verfügung zu stellen. Alles, was sie für diesen Erfolg tun mussten, war, die ANBU-Wache zu überlisten, die das Morikubo-Haus überwachte, und Mamoru Morikubos Sohn sowie das Moeru-Kind zu entführen, das erst am Mittag an die Hausherrin übergeben worden war. Das Moeru-Kind war in einem sehr guten Alter für die Aufnahme und Ausbildung als ANBU-Ne, der Nara-Junge eigentlich noch zu jung, aber er würde wachsen. In mehrerlei Hinsicht. Die ANBU-Ne waren sauer und in ihrem Stolz verletzt genug, um es zu riskieren, um den beiden Kindern diese Ungeheuerlichkeit anzutun.

Ein großer Auflauf wäre kontraproduktiv gewesen. Zwar stand eine größere Gruppe ANBU-Ne bereit, um den Rückzug des Einsatzteams zu decken, sobald sie erfolgreich gewesen waren, aber die eigentliche Mission würde von nur drei Mitgliedern durchgeführt werden. Mehr durch die Überwachung der ANBU zu bringen wäre illusorisch gewesen. Der größere Aufwand hätte sie zwangsläufig verraten. Immerhin kannten die ANBU-Ne ihre Kollegen recht gut, wussten auch das aktuelle Team gut einzuschätzen, das mit der Überwachung betraut worden war. Und so nahm die Operation ihren Lauf.
 

Es hätte niemanden verwundert, zu so später Stunde den Hausherrn Kenshiro Morikubo nach Hause zurückkehren zu sehen, der nach getaner Arbeit in seinem Büro und einem kurzen Besuch im Restaurant seiner Frau endlich den heimischen Futon aufsuchte. Und es wäre auch niemand verwundert gewesen, als Yuriko Morikubo, die Tochter des Hauses, Seite an Seite mit ihrem Verlobten Kou nach Hause kam, nachdem sie einen längeren Abendspaziergang gemacht hatten, einmal zur Hyuuga-Residenz und zurück. Verwundert hätte die ANBU höchstens, wären die drei ihn ihren richtigen Gestalten durch die Fronttür des Hauses geschlüpft.

Einen Sharingan-Benutzer, einen Hyuuga und seine Byakugan oder einen sensorischen Shinobi vom Range eines Moerus hätten sie damit nicht täuschen können, aber im aktuellen ANBU-Team war kein sensorischer Ninja vertreten, geschweige denn ein Träger des Byakugans. Da das Restaurant von Yuria-sama, das Sindo, nicht überwacht wurde, war das ANBU-Team auch nicht darüber informiert, dass Opa Morikubo noch immer dort saß und sein Abendessen genoss. Und die Kommunikation innerhalb des Ortes war nicht auf Alarmstufe, sodass niemand das Team darüber informieren konnte, dass Yuriko und Kou noch nicht einmal an der Hyuuga-Residenz angekommen waren. Ihr einziger Gegner im Haus war also die Tsukigakure-Jounin, die ein uneheliches Kind mit Mamoru Morikubo hatte. Und die war ein kalkulierbares Risiko. Im Zweifelsfall würden sie das Nara-Kind eher zurücklassen, als sich aufhalten zu lassen, in der berechtigten Hoffnung, dass sie sich mehr für das eigene Kind interessierte als für das aus dem Nichts aufgetauchte Moeru-Balg. Der Plan war gut. Ziemlich gut sogar.

Im Haus angekommen, hielten sie ihre Tarnungen dennoch aufrecht. Der Anführer, als Kenshiro Morikubo getarnt, nickte seinen beiden Begleitern zu. Er würde als Hausherr Maria ablenken, und die beiden, die Yuriko und Kou mimten, würden die Kinder entführen. All das würde so schnell gehen, dass selbst eine Jounin wie Maria kaum wissen würde, was gerade geschah. Oder warum.

Die beiden nickten zurück, und der falsche Kenshiro atmete ein, um nach Maria zu rufen, als...

„Ich habe dir gleich gesagt, sie riechen falsch“, klang eine nörgelnde Männerstimme über ihnen auf. „Und Yuriko-chan riecht außerdem auch noch nach Männerschweiß.“ Etwas prallte irgendwo neben ihnen auf und trat in den kleinen Lichtkegel des Vorraums. Es war eine grau getigerte, recht große Katze. Genauer gesagt ein Kater. Von der anderen Seite klang ein amüsiertes Schnauben auf. „Und ich habe dir gleich gesagt, dass diese Typen so etwas gleich am ersten Abend versuchen würden. Wie nennen sie sich? ANBU-Nein?“ Nun trat auch von dort eine Katze ins Licht. Dieser Kater war schmaler, etwas länger, und schwarz wie die Nacht. „Und, was machen wir jetzt mit ihnen, Aniki?“

„Ich denke, das sollte Maria entscheiden.“

Eine dritte Person trat ins Licht. Eine große, junge Frau mit schwarzen Haaren und einer Zornesader, die auf ihrer Stirn pulsierte. „ Yūrei...“, sie sah den grau getigerten Kater an, „Yami...“, ihr Blick ging zum schwarzen Kater, „sie heißen ANBU-Ne, und sie werden jetzt wieder gehen, ohne eine Dummheit zu versuchen. Zum Beispiel zu versuchen, es mit uns dreien aufzunehmen. Oder zu hoffen, dass ihre Verstärkungen schnell genug hier sein könnten, bevor wir sie getötet haben.“

Der Anführer, noch immer in der Verkleidung als Kenshiro Morikubo, wollte das Zeichen zum Angriff geben. Dies war der gleiche Moment, in dem die beiden Kater aufhörten, ihr Chakra zu maskieren. Genauer gesagt fuhren sie es hoch, wie vor einem wirklich miesen Jutsu, und wurden damit zu Leuchtfeuern in Konoha für jeden, der über sensorische Fähigkeiten verfügte. Und damit war selbst dem dümmsten ANBU-Ne – in diesem Fall dem, der Kou Hyuuga darstellte – klar, dass sie es nicht nur mit sprechenden Katzen zu tun hatten, sondern mit Shinobi-Katzen. Brandgefährlichen Shinobi-Katzen.

„Was spricht dagegen, wenn wir sie sofort fertig machen, Anego?“, fragte Yūrei mit grollender, in den Bass abgleitender Stimme, während Chakra-Entladungen über sein Fell tanzten. „Töte einen ANBU-Ne, und warne damit einhundert ANBU-Ne.“

Maria lachte. „Ich bin kein Konoha-Shinobi. Ich habe eigentlich nichts dagegen. Aber Tsunade-sama wird es lieber haben, wenn sie eine Chance hatten, sich zurückzuziehen.“ Ihre Miene wurde hart und eiskalt. „Verschwindet. Jetzt.“

Was war es genau gewesen? Die Chakra-Präsenz der beiden Kater? Die stille Wut in den Augen der Tsukigakure-Jounin? Das drastisch schrumpfende Zeitfenster für die Operation? Oder die Todesdrohung, zu deren Ausführung eine Jounin mehr als in der Lage war, geschweige denn die beiden Shinobi-Katzen? Vielleicht alles zusammen. Der Anführer gab das Zeichen zum Rückzug. Fast zugleich verschwanden die drei Shinobi per Shunshin.
 

Maria atmete auf und wischte sich kurz über die Stirn. Ihr Adrenalin war bis zum Anschlag aufgedreht und ließ sie zittern. Es würde einige Zeit dauern, bis sie wieder „runter“ gekommen war. Auch die beiden Kater waren auf Kampfbereitschaft und mussten nun wieder herunter dimmen. Daher maskierten sie als erstes wieder ihr Chakra.

Yūrei knurrte wütend: „Ich hätte sie fressen sollen. Die kommen nämlich wieder, und dann hätten wir es mit drei weniger zu tun gehabt.“

„Ruhig, mein großer, böser und zu Recht wütender Katzenkrieger“, klang eine vierte Stimme auf, eine ruhige, weiche Frauenstimme im Sopran. Eine dritte Katze kam herbei. Sie war weiß und hatte rote Flecken über das Fell verteilt, der Schwanz war ebenfalls rot. Sie strich um die beiden Kater herum und rieb ihren Kopf an ihre, bis sie sich wieder besser im Griff hatten. „ Yūrei, Yami, eure Anego ist stolz auf euch.“

„Ach, darauf, Rin-sama? Die drei hätten wir mit Maria-chans Hilfe durchaus geschafft“, sagte Yami, noch immer mürrisch.

„Nein, darauf, dass ihr euch beherrscht habt“, sagte die Katze schnurrend. „Das macht Anego sehr zufrieden.“ Sie kicherte spöttisch. „Also arbeitet an euch, damit es so bleibt.“

„Jawohl, Anego.“

Die Katze zwinkerte zufrieden. „Zurück auf eure Posten.“

Die beiden Kater verschwanden, als hätte es sie nie gegeben. Die Katze aber sprang Maria auf den Arm. „Männer. Wenn du sie bestimmt behandelst, kannst du sogar mit ihnen auskommen. Sagt Fuse-sama immer, und ich denke mittlerweile, sie hat recht.“

Maria lachte und kraulte die Katze hinter den Ohren. Wirklich, sie fühlte sich sehr viel sicherer, seit Fuse, Kishios Katzendämon, angeboten hatte, einige ihrer Shinobi-Katzen zum Schutz des Morikubo/Moeru-Haushalts abzustellen. „Ich denke, ich behalte den Tipp mal im Hinterkopf.“

Langsam ließ das Zittern ihrer Hände nach. Sie wurde wieder ruhiger. Danzou würde der Hokage einiges zu erklären haben.



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Kommentare zu dieser Fanfic (98)
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Von:  Ace_Kaiser
2015-07-06T21:35:11+00:00 06.07.2015 23:35
Nein, die Tiere im Medizinwald haben nur beschlossen, Kishio nett zu finden und besonders gut zu behandeln. ^^
Lass ihm die Freude. Er kann es gebrauchen...
Von:  Miyu-Moon
2015-07-02T17:09:52+00:00 02.07.2015 19:09
Ich weiß das die Moerus via Mamoru zum Nara-Clan gehören, aber das Ihnen jetzt schon der Medizinwald gehört, ist mir doch neu.
Von:  BLACKKING
2015-02-13T14:38:20+00:00 13.02.2015 15:38
3 mal durchgelesen mei mei mei , ich sterbe noch vor aufregung , weil ich es einfachnicht mehr erwarten kann... * tröte und rassel raushol und stimmung mach * gib gummi , ace vor!!!! xD
Antwort von:  Ace_Kaiser
14.02.2015 22:18
Es könte eventuell diese Woche auf der To do-Agenda stehen. ^^
Von:  BLACKKING
2014-12-17T12:34:25+00:00 17.12.2014 13:34
So ... ick bin endlich im aktuellen kapitel.... puhuuuuuh , ick hab von Samstag an fast jeden tag jede freie stunde mit dem lesen verbracht xD , und ich muss sagen wow , dein schreibstil ist super , und auch das du aus der sicht eines personalen Erzählers schreibst finde ich super.Du rutscht aber ab und zu noch in den auktorialen ^-^ aber ich finde es vollkommen inordnung , es Stört mich in keinster weise .
Ich freue mich schon darauf wenn karin , und mamo heiraten , aber was mich sehr interessiert ... wird maria nun seine zweit frau ? Und kommt das noch was mit hana-chan? Oder ist von dieser seite alles schluss.....
Und vorallem wieso kann Perine keine kinder von mamo Bekommen? Eig sind affen uns menschen doch ähnlicher ,als spinnen uns menschen .....
Naja bis jetzt eine gelungene FF

Ein großes danke von meiner seite Ace-sama

Lg black
Antwort von:  Ace_Kaiser
18.12.2014 21:30
Moment, Du hast von Samstag bis heute siebenundsiebzig Kapitel gelesen? Wow, Respekt. ^^ Und ein Hinweis an mich, dass die Geschichte immer noch nicht lang genug ist. XDDD
Danke für Dein Kompliment, das hat mich sehr gefreut. ^^ Wenn ich mal den neutralen Beobachter als Erzähler verwende, ist das beabsichtigt, um den jeweiligen Abschnitt hervor zu heben. Zum Beispiel, um Mamos Wissen nicht einspielen zu lassen. Vielleicht nicht superlogisch bei einer Geschichte, die er ja zwanzig, dreißig Jahre in der Zukunft aus seiner Erinnerung schreibt, aber ein wenig erzählerischen Spielraum finde ich natürlich gut. ^^

Nun, was wird...? Maria ist ja als Mutter seines Sohnes anerkannt und wurde von Yuria in die Familie aufgenommen. Und sie hat nichts dagegen, dass sie "nur" als Akiras Mutter dabei ist. Ich weiß nicht, ob sie mal eine Nebenfrau werden wird und wie das dann ausschaut. Es wäre allerdings sehr feudal-japanisch. ^^ Und ob es Mamoru so eilig hat, seinen eigenen Clan zu gründen... Tja, wenn er und Karin heiraten, wird einiges anders. Normalerweise stirbt kurz danach einer der Partner; das ist bei Naruto so üblich... Nein, war ein Scherz. ^^ Hanako hat sich umorientiert. Ob es wirklich an Ryuji liegt, wer weiß? Auf jeden Fall ist sie offiziell nicht mehr im Rennen.

Tja, was unterscheidet die Spinnen von den Affen? Die Spinnen waren früher Menschen, die nach und nach zu Dämonen wurden, weshalb sie mit Menschen Kinder zeugen können. Die Affen sind Affen, die fast zu Menschen wurden. Sie können nicht nur keine Kinder mit Menschen bekommen, sie leben auch viel länger als diese. Böse Gerüchte besagen, sie betrachten die Menschen so, wie unsereiner treue Hunde betrachtet, mit Bedauern über den viel zu nahen Tod... Eines weiß ich aber sicher. Da Perine nicht vorhat, sich unteraffisch in nächster Zeit zu binden, wird sie ihre Affäre mit Mamoru aufrecht erhalten. Vorerst.

Ace-sama... Da sprichst Du ein großes Wort sehr gelassen aus. Ich bin nicht sicher, ob ich das verdiene.
Aber wenn Du mehr lesen willst: Meine Genin haben ja alle eigene Betreuer, und vor allem der von Kishio hat auf Fanfiktion.de ganze Kapitel mit seiner Sicht der Dinge geschrieben. Die lege ich Dir wärmstens ans Herz. ^^
Antwort von:  BLACKKING
18.12.2014 21:38
Und ob du das sama verdient hast ^-^ , Dann werde ich auch da mal vorbei schauen und evtl ein paar kommis da lassen ....ma gucken wa xD
Von:  Ace_Kaiser
2013-09-24T18:55:59+00:00 24.09.2013 20:55
Hi, fayt.
Danke für Deinen Kommentar. Davon kann man tatsächlich nie genug haben. ^^ Tatsächlich braucht es grundsätzlich erst mal Kommentare, damit ich als Autor auch die Lust habe, weiterzuschreiben. ^^ Deshalb war es eine sehr gute Idee, dass Du Dich gemeldet hast. Und die anderen Leser können sich da ruhig ein Beispiel nehmen. ^^
Es freut mich sehr, dass Du so viel Spaß an meiner Fanfiction hast. Deshalb, besuch mich doch auch auf Fanfiktion.de, denn dort schreiben die "Eltern" meiner Genin Spinoff-Geschichten aus der Sicht ihrer Charaktere, was für Dich vielleicht auch interessant sein könnte. ^^

Danke und liebe Grüße,
Ace.

P.S.: Auf Fanfiktion.de habe ich einiges an Reviews und sehe auch die Klickzahlen (über zwölftausend mittlerweile). Also keine Sorge, dass ich die Serie in absehbarer Zeit einstelle. Aber es kann natürlich passieren, dass ich hier nicht mehr poste, wenn "es nichts bringt".
Antwort von:  fayt_leingod-
27.09.2013 00:47
Ach, ich wette mit dir, dass genügend Leute deine Kapitel noch lesen. Sie schreiben nur nichts mehr. ;) Ich meine, was soll man auch groß sagen? Deine Geschichte ist stimmig, es gibt weder Logikfehler noch irgendetwas anderes zu bemängeln. Zumindest will mir beim besten Willen nichts einfallen. ;) Aber genug des Lobliedes, die Klicks sprechen ja eine deutliche Sprache.^^ Und danke für den Tipp. :D

Gruß, Fayt.^^
Von:  fayt_leingod-
2013-09-22T18:55:13+00:00 22.09.2013 20:55
Mahlzeit.^^
Ich wollte eigentlich nur einmal sagen, wie froh ich jeden Monat bin, ein weiteres Kapitel deiner Geschichte lesen zu können. Da hier seit mehreren Kapiteln keine Kommentare mehr geschrieben wurden, dachte ich mir, dass es auch mal wichtig wäre zu erwähnen, ob überhaupt jemand noch deine Fanfiction liest. ;) Nicht, dass du plötzlich die Lust verlierst... Das wäre gar fürchterlich! :D

Gruß, Fayt.^^
Von:  Ace_Kaiser
2013-02-11T11:31:37+00:00 11.02.2013 12:31
Soviel Vertrauen in einen Feind zu setzen, finde ich doch etwas riskant (und damit meine ich nicht, das Kabuto Anne an lebenlassen soll). Ich würde es ja schon als regelrecht feige werten, das er sich nicht selbst drum kümmert, aber einer der "Bösen" für ihn die "Drecksarbeit" erledigen soll. Und ich kapier nicht wieso Kabuto sich so freut. Das ergibt echt ne unglückliche Implikation. (Außerdem wurde keine Szene vorgeführt, wo Anne Kabuto pentrant genervt hätte, außer der Wortwechsel eben...)

Ace: Nerven ist vielleicht der falsche Ausdruck. Sie wollte sicherlich mit ihrem Opfergang etwas Heroisches tun, sah dabei aber nicht ein, dass Mamoru durchaus dazu bereit war, Kabuto für ihre Sicherheit gehen zu lassen. Ihr Versuch negierte seinen Willen, ihr zu helfen, und da würde jeder sauer werden.
Was Kabuto angeht, Mamoru hat keine andere Wahl, als ihm zu vertrauen. Der gebrochene Arm ist zumindest ein Zeichen dafür, dass Kabuto es ernst meint. Er meint es immer ernst.


Aber der Einblick in Kabutos Handlungen ist schon interessant. Ist es wirklich 100% erwiesen das der "Will des Feuers", diese Ehre ist oder doch Kameradschaft,w ei du es in vorigen Kapiteln dargestellt hast? Ich meine, ist es deine eigene Interpretation oder ist es canon?

Ace: Ein bisschen von beidem, denke ich.
Natürlich ist es meine Interpretation, aber sie geht nahtlos aus der Serie hervor.


Ah, endlich eine Ohrfeige. Nicht das ich eine Fan von Bestrafungen bin, aber Anne ist schon das 2.te Gör, das mich als Leserin nach einer Ohrfeige für sie schreien lässt. Wird das jetzt ein Trend für jede Staffel? Ein weibliches, nervendes Etwas, das dem Leser auf die Nerven geht? Warum nicht mal zur Abwechslung ein Junge?

Ace: Na ja, das liegt immer daran, in welcher Beziehung Mamoru zu der Person steht. Suzume hat verzweifelt einen Freund gesucht und gedacht, sie könnte Akira manipulieren. Ihre Ängste, Sorgen und Wünsche wurden teilweise von der gewaltigen Persönlichkeit ihrer Schwester überdeckt, zumindest glaubte sie das. Einfach zu fragen hat sie sich nicht getraut, weil sie Ablehnung gefürchtet hat.
Anne hingegen ist von Verehrung und Gehorsam getrieben. Ihr vorauseilender Gehorsam, mit dem sie sich als Geisel wertlos machen wollte, war der Gipfel. Die Ohrfeige hat sie bekommen, weil sie nicht verstanden hat oder nicht hat verstehen wollen, was ihre Handlung bedeutet hätte. Für Mamoru.
Von:  Miyu-Moon
2013-02-10T16:36:31+00:00 10.02.2013 17:36
Soviel Vertrauen in einen Feind zu setzen, finde ich doch etwas riskant (und damit meine ich nicht, das Kabuto Anne an lebenlassen soll). Ich würde es ja schon als regelrecht feige werten, das er sich nicht selbst drum kümmert, aber einer der "Bösen" für ihn die "Drecksarbeit" erledigen soll. Und ich kapier nicht wieso Kabuto sich so freut. Das ergibt echt ne unglückliche Implikation. (Außerdem wurde keine Szene vorgeführt, wo Anne Kabuto pentrant genervt hätte, außer der Wortwechsel eben...)

Aber der Einblick in Kabutos Handlungen ist schon interessant. Ist es wirklich 100% erwiesen das der "Will des Feuers", diese Ehre ist oder doch Kameradschaft,w ei du es in vorigen Kapiteln dargestellt hast? Ich meine, ist es deine eigene Interpretation oder ist es canon?

Ah, endlich eine Ohrfeige. Nicht das ich eine Fan von Bestrafungen bin, aber Anne ist schon das 2.te Gör, das mich als Leserin nach einer Ohrfeige für sie schreien lässt. Wird das jetzt ein Trend für jede Staffel? Ein weibliches, nervendes Etwas, das dem Leser auf die Nerven geht? Warum nicht mal zur Abwechslung ein Junge?

Von:  Ace_Kaiser
2013-01-27T12:24:00+00:00 27.01.2013 13:24
Das wird eher ein Schreibfehler sein. Sorry. Kommt vor.
Von:  Ace_Kaiser
2013-01-27T12:23:33+00:00 27.01.2013 13:23
Klar gibt es Einblicke auf das Leben auf dem Affenberg. ^^

Und klar ist der Plan riskant. Ist immerhin von Mamo-chan.


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