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That's life

Wann, wenn nicht jetzt?
von

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Ein Abschied

Ein Abschied
 

Die Hacken des Jungen schlugen rhythmisch gegen die Stuhlbeine. Er stocherte mit der Gabel in seinem Essen herum. Die Erwachsenen am Tisch unterhielten sich lautstark. Der Blick des Jungen glitt zu den weißen Nelken in der Vase hinter seinem Teller. Sam hatte Nelken nie gemocht.

Ein Lachen ließ den Jungen zusammenzucken. Er sah sich nach der Frau um, die gelacht hatte. Eine seiner Tanten, die in ihrem schwarzen Kleid entsetzlich bleich aussah. Der Neunjährige legte die Gabel zur Seite. Warum lachte sie? Es gab keinen Grund zum Lachen. Durfte man jetzt lachen? Vielleicht hätte Sam sich darüber gefreut.

Konnte man Kapuzinerkresse in Sträuße packen, oder verwelkte sie zu schnell? Der Junge schob seinen Stuhl zurück. Er wollte raus, obwohl ihm dann nur noch wärmer wäre, in seinen schwarzen Klamotten.

„Wo willst du hin?“

Der Junge sah seine Mutter an.

„Zu Sam!“

Er beobachtete wie sie zwinkerte. Ihre Augen waren rot, trotz der Schminke, welche sie aufgelegt hatte. „Aber...“, sie brach ab, knüllte das Taschentuch in der Hand nur noch fester zusammen und betupfte ihre Augen.

„Ich begleite ihn, Karen. Ein Spaziergang wird mir gut tun. Gib mir mal seinen Rucksack.“

Die Großmutter des Jungen stand auf. Sie ging mit ihm zum Auto.

Das Auto hielt an der Sackgasse, die zur Rolandklinik führte, da der Klinikparkplatz nur für Besucher gedacht war. Die beiden stiegen aus. Der Junge atmete den trocken Sommerduft ein. Zusammen gingen sie in Richtung Werdersee. Auf der Wiese direkt vor der Klinik war ein beiger Stand aufgebaut. Ein Liegerad stand daneben.

„Magst du ein paar Quarkbällchen?“

Der Junge nickte. Am Stand war viel Betrieb. Sie mussten eine Weile warten. „Herrliches Wetter nicht? Was darf’s sein?“, wollte der Verkäufer wissen.

„Eine Portion Quarkbällchen, bitte.“

„Und eine für Sam!“

„Aber...“ Die alte Frau schlucke. „In Ordnung, wir nehmen auch eine Portion für Sam mit.“ Ihre Stimme klang rau. Der Junge trug seine Tüte mit Quarkbällchen und aß sie langsam, während sie am See entlanggingen. Die Hand der alten Frau hatte sich fest um die andere Tüte gekrampft.

„Du weißt doch, was mit Sam ist?“, fragte sie vorsichtig nach.

Der Junge nickte bedächtig. „Ich bin doch nicht blöd!“

Auf den entrüsteten Blick seiner Großmuter hin seufzte der Junge. „Es tut mir Leid. Darf ich Kapuzinerkresse für ihn sähen?“

„Das ist aber keine passende Blume.“

„Aber, die mochte er doch so gerne.“

„Zum Sähen ist es jetzt etwas zu spät. Ich besorg dir ein paar junge Pflänzchen, die kannst du... dann einsetzen, wenn du magst.“

Wieder nickte er ernst.

Der Weg, den sie entlanggingen wurde von alten Linden beschattet, welche hinter einer kleinen Mauer wuchsen. Sie durchquerten ein verschlungenes gusseisernes Tor. Der Junge folgte seiner Großmutter durch die Reihen der Gräber. Schließlich erreichten sie den Platz, wo sie vor kurzem Sam das letzte Geleit gegeben hatten. Die Arbeiter waren gerade dabei das Grab zu zuschütten.

„O-Oma, wenn Sam die nicht mehr essen kann, gib sie doch den Leuten hier.“, brachte der Junge hervor, bevor er sich umdrehte und vom Friedhofsgelände rannte. Er stürzte über den Radweg und warf sich am Ufer des Sees ins Gras. Dort vergrub er das Gesicht in den Armen. Heftige Schluchzer schüttelten ihn. Kurz darauf kam seine Oma zu ihm.

„Hast du dich verletzt?“

„N-nein!“, schluchzte er.

Sie setzte sich neben ihn ins Gras und strich ihrem Enkel beruhigend über den Rücken.
 

~~~tbc~~~
 

Authors note. Bin mal gespannt, ob mir jetzt schon jemand sagen kann in welcher Stadt die Story spielt. Ja, sie spielt in einer real existierenden Stadt.

Blumenstrauß und Furchtbar

Kapitel 1 Blumenstrauß und Furchtbar
 

Peregrin gähnte, gerade hatte er die Blumen vom Großhändler einsortiert. Es war noch zu früh für die meisten Kunden, auch wenn der Laden schon geöffnet hatte.

Seine Großmutter rumorte irgendwo im Hinterzimmer herum. Er strich sich durch sein schwarzes Haar und stützte dann die Ellenbogen auf den Tresen. Es war zu verdammt früh! Vielleicht sollte er sich einen Kaffee kochen. Würde eh keine Sau bemerken, wenn er ihn hier trank. Um diese Zeit kamen fast nie Kunden.

Also ging er Kaffeekochen. Summend betrat Peregrin die kleine Küche im Mitarbeiterbereich. Er lächelte als er die volle Kaffeekanne auf der Warmhalteplatte der Kaffeemaschine sah. Seine Großmutter kannte ihn in und auswendig. Immer noch summend goss er sich eine Tasse ein und versenkte vier Stück Zucker darin. Mit der Tasse in der Hand schlenderte er in den Verkaufsraum zurück.

Die Hände um den warmen Becher geschlungen hing er mehr über dem Verkaufstresen, als das er daran lehnte. Er nahm einen Schluck süßen Kaffees. Müßig lag sein Blick auf den Blumen im Geschäft. Es roch nach frischem Grün und den Rosen hinter ihm. Peregrin döste vor sich hin und nippte immer wieder am Kaffee.

Als die Türglocke erklang, stellte er die halbleere Kaffeetasse auf die Ablage des Tresens, so dass sie nicht für den Kunden sichtbar war. Vergessen würde er sie dort nicht, höchstens umwerfen und das Einwickelpapier in Kaffee ertränken. Seufzend richtete Peregrin sich wieder auf und knipste sein Kundenlächeln an.

„Guten Tag, womit kann ich dienen?“, fragte er den jungen Mann, der gerade eingetreten war.

„Äh... tja...“

„Für welche Gelegenheit suchen Sie denn Blumen?“, gab Peregrin eine Hilfestellung. Dieser braunhaarige Typ, der keineswegs wie ein Blumenfreund aussah, kam nun schon seit drei Wochen, zweimal in der Woche früh Morgens und kaufte immer genau einen Blumenstrauß. Am meisten hatte Peregrin sich bis jetzt über die rosa Rosen gewundert, welche der Typ vor drei Tagen gekauft hatte.

„Na ja,...ah... was mögen denn alte Damen?“ Der junge Mann spielte mit dem Saum seines T-Shirts herum.

„Suchen Sie Blumen für ihre Großmutter?“

„Nee, dass wäre ja auch einfach. Ich soll für Frau Meyer Blumen kaufen.“

Peregrin grinste ihn unwillkürlich an. Frau Meyer war dafür bekannt die Zivildienstleistenden des Altenheims loszuschicken um ihr Blumen zu besorgen.

„Na dann. Die rosa Rosen hatten Sie ja schon. Hm, die Lilien hier mochte sie immer ganz gerne. Soll ich ihnen ein Büket binden?“ Peregrin deutete auf orange Lilien mit dunkelroter Zeichnung.

„Bitte, für zehn Euro circa.“ Der junge Mann sah so aus als würde er denken, egal was Hauptsache ich hab das hier hinter mir.

Peregrin griff nach den Lilien und schmunzelte sie an. Ja, Frau Meyer hatte mit ihrer Vorliebe für Schnittblumen schon einige Zivis halb wahnsinnig gemacht. Geübt suchte er passendes Grün zu den Lilien heraus und band den Strauß.

„Bitte sehr, macht sieben Euro fünfzig. Soll ich nächstes Mal einen Strauß für Frau Meyer vorbreiten? Sie ist schon seit Jahren eine Stammkundin.“

„Bitte.“ Der junge Mann lächelte Peregrin erleichtert an als er das Geld herauskramte.

Peregrin nahm das Geld entgegen. Als der Kunde gegangen war, widmete er sich wieder seinem Kaffee und seinen Tagträumen, bis weitere Kunden erschienen.
 

Nach einem ruhigen, größtenteils ereignislosen Arbeitstag fand Peregrin sich in seiner Lieblingsbar ein. Er war öfter dort, da die Musik, welche gespielt wurde, seinem Geschmack entsprach. Er war auch entsprechend gekleidet, schwarz und mit einem T-Shirt auf dem ein Rabenskelett, sowie das Wort „Nevermore“ aufgedruckt waren.

Gerade saß er in einer Ecke des Raumes. Vor sich auf dem Miniatursarg, in dem unter einer Glasplatte ein Plastikskelett lag, stand eine Bionade. Peregrin belegte den Platz alleine. Er hatte ein Buch mit rotem Cover in der Hand auf dem der Titel :“Ruhig Blut!“, prangte.

Er schmunzelte, während des Lesens.

„Ist hier noch frei?“

„Klar.“ Peregrin blickte auf.

Am Tisch standen drei Leute. Ein junger Mann mit langen blonden Haaren, der schwarz trug, wobei sein T-Shirt ein Totenkopf zierte. Neben ihm stand eine junge Frau mit dunkelbraunen Haaren, welche zum schwarzen Strickpulli einen kurzen Schottenkarorock trug. Und hinter den beiden erkannte Peregrin den Zivi vom Morgen.

„Oh, dich kenn ich doch.“, wurde er begrüßt.

„Wie man’s nimmt. Du hast mich nur mehrfach Morgens getroffen.“

Die drei ließen sich nieder.

„Hey, das Buch ist gut, scheinst Geschmack zuhaben.“, meinte der Blonde. „Aber sag mal Marco, woher kennst du ihn, du bist doch noch gar nicht lange hier?“

„Er arbeitet in der Blumenhandlung, wo ich die Blumen für Frau Meyer besorge.“, gab der Braunhaarige Auskunft.

„Ach, dich hat sie also beschwatzen können.“

„Mhm, ich hol die Getränke, was wollt ihr?“

Die beiden gaben ihre Bestellungen bei Marco auf, der zum Tresen verschwand um kurz darauf mit drei Flaschen Bier zurückzukehren. Zwei davon waren grün, die dritte braun.

„{b]Heute ein König, was? Marco, dafür bist du aber echt in der falschen Stadt.“

„Klappe Erzi. Ich trink, was ich mag, basta.“

Der Blonde schüttelte den Kopf. „Ich bin numal ein Lokalpatriot.“, meinte er nur.

Peregrin beobachtete die drei über den Rand seines Buches hinweg.

Marco plumpste neben ihn auf die Bank. „So und wie heißt du, Blumenjunge?“

„Hey, Pippin altes Haus, lang nich’ gesehn.“, grüßte ein schon recht angesäuselter Typ und schlug Peregrin auf die Schulter, so dass Peregrin nicht dazu kam Marco zu antworten. Peregrin starrte zu seinem ehemaligen Schulkameraden hinauf. „Nur eine Leiche darf mich Pippin nennen und die bist du nicht.“, erklärte er kühl.

„Nu sei nich so, wo wir uns so lange nich gesehn ham. Willste mir etwa drohen, obwohl du inner Schule nichma Sport gemacht hast.“

Peregrin seufzte, er wusste nicht was er jetzt tun sollte. Mike neigte dazu leicht aggressiv zu werden, wenn er zuviel getrunken hatte.

„Na, wie auch immer, war schön dich ma wieder gesehn zu ham.“ Mike boxte ihn kräftig in den Oberarm und torkelte in eine andere Ecke des Raumes. Peregrin verzog das Gesicht, dass würde einen dicken Bluterguss geben, aber insgesamt war es harmlos gewesen. Er hatte zwar keinerlei Ahnung, wieso Mike ihn überhaupt angesprochen hatten, schließlich waren sie nicht befreundet und hatten nicht einmal dieselben Kurse in der Schule gehabt. Er schüttelte den Kopf. Manche Menschen waren einfach nur komisch.

„Wieso Pippin?“, fragte Marco leicht verwirrt.

„Herr der Ringe, einer von Frodos Freunden hatte den Spitznamen Pippin aber, was war der richtige Name noch?“, überlegte der Blonde.

„Peregrin, und ich wäre euch dankbar, wenn ihr mich nicht Pippin nennt.“, sagte Peregrin.

„Warum nicht? Ist doch lustig. Mich nennen auch alle Erzi nur, weil ich Rafael heiße.“, meinte der Blonde.

Kurz krampften sich Peregrins Finger um das Buch. „Ich mag es einfach nicht.“

„Darauf kommt’s doch bei einem Spitznamen nicht an. Ich bin übrigens Marie.“

„Wenn er es nicht mag, können wir es doch lassen. Sag mal, arbeitest du da in dem Laden oder hilfst du nur aus?“, wollte Marco wissen.

„Ja, ich mach meine Ausbildung dort.“

„Was kein Zivildienst nötig?“, fragte Erzi.

Peregrin schüttelte den Kopf. „Ich bin nicht wehrtauglich, zum Glück. Ich will eh nicht lernen, wie ich Menschen zu Wurmfutter machen kann. Äh, entschuldigt mich kurz.“ Peregrin stand auf, nahm seinen Rucksack mit und verschwand auf der Toilette, wo er dafür sorgte, dass der Bluterguss nicht allzu groß werden würde. Als er zurückkehrte jammerte Rafael gerade darüber, dass er endlich wieder mal etwas anderes als Fertiggerichte essen wollte.

„Dann koch dir doch was.“, kam es von Marie.

„Ich kann nicht kochen.“

„Dann musst du es lernen.“

„Und wer soll mir das bitteschön beibringen?“

„Na wir.“ Sie zeigte auf Marco und sich.

„Du kannst kochen?“, Rafael musterte Marco skeptisch, der nur grinsend nickte.

„Meine Eltern haben ein italienisches Restaurante, es wäre eine Schande, wenn ich es nicht könnte.“

„Ich hab’s wir gründen eine Kochgruppe. Es macht schließlich eh keine Spaß für eine Person zu kochen,“ rief Marie begeistert.

„Und wer bitte soll da mitmachen?“, hörte Peregrin Marco fragen als er sich wieder setzte.

„Du, Erzi, ich und...“ Sie blickte Peregrin an. „Hast du nicht Lust mitzumachen?“

Peregrin hustete, weil er sich an seiner Bionade verschluckte, von der er gerade trinken wollte. „Wie kommst du darauf, ich könnte etwas kochen, dass einen nicht frühzeitig unter die Erde bringt?“

Grinsend deutete sie auf die Bionade.

„Was hat die damit zu tun?“, wollte Peregrin wissen.

„Sie deutet daraufhin, dass du dich gesund ernährst, also gehe ich davon aus, dass du kochen kannst.“

„Nur, weil du zufälligerweise Recht hast, bedeutet es nicht, dass deine Schlussfolgerung richtig war. Aber na gut, hört sich lustig an. Was hältst du von Amaryliszwiebelsuppe mit Eisenhut gewürzt als Menü fürs erste Treffen?“

„Äh, Marie, du bist dir sicher, dass das eine gute Idee ist?“, fragte Erzi noch einmal nach.

„Vollkommen. Und nein, das Menü kommt nicht in Frage, ich will noch eine Weile leben.“

„Schaaade.“ Peregrin unterdrückte ein Grinsen. „Dann bleibe ich eben bei harmlosen Gerichten.“ Er war zwar von der Idee überrascht worden, aber so schlecht fand er es gar nicht bei einer Kochgruppe mitzumachen. Die drei waren nett, also warum nicht.

„Dann her mit deiner Nummer!“, befahl Marie.

“Ay, Ay, Madam!”, sagte er, bevor er ihr seine Handynummer gab, wobei sie noch immer kicherte.

„Ich wollte schon immer jemanden kennenlernen, der Peregrin heißt.“, gestand sie dabei.

„Oh je, Herr der Ringe Fans, Hilfe.“, stöhnte Peregrin. „Nicht noch mehr!“

„Also ich hab weder das Buch gelesen noch die Filme gesehen.“, gab Marco zu.

„Na, was für ein Glück.“ Peregrin bemerkte, wie Marco ihn plötzlich genauer ansah. „Was ist?“

„Der hat dich aber ganz schön hart getroffen, der blaue Fleck ist ja riesig.“, stellte dieser fest.

Peregrin blickte auf seinen Arm, an dem, der sich bildende blaue Fleck unter dem Saum des T-Shirt-Ärmels hervorlugte. Er schüttelte den Kopf. „Nee, ich krieg nur leicht Blutergüsse, dass ist alles.“ Er verschwieg, dass sich auch auf seiner Schulter ein Bluterguss zu bilden begann. Er kannte die drei noch nicht gut genug um ihnen mehr darüber zu erzählen.

„Sagt mal, weiß einer von Euch, was so in den nächsten Tagen los ist?“, durchbrach Rafael ihr Gespräch.

„Noch nicht.“ Nur zu gerne sprang Peregrin auf den Themenwechsel an, besser die drei beschäftigten sich nicht zu genau mit dem Idioten Mike und Peregrins blauen Flecken. Er griff in seinen Rucksack und holte ein Mix heraus. „Sieh doch nach.“

„Was ist das?“, wollte Marco wissen.

„Da stehn, die meisten Veranstaltungen in der Stadt und umzu drin. Konzerte, Ausstellungen, Lesungen, das Programm aller Theater und so.“

„Echt?“

„Echt. Wenn du eins willst, kriegst du es bei der Shakespearkompanie oder in der Stadtbibliothek, da liegt es aus. Es ist kostenlos.“, erklärte Marie. „Und hast du etwas spannendes gefunden, Erzi?“

„Noch, nicht.“

Peregrin unterdrückte ein Gähnen. „Entschuldigt mich. Ich muss Morgen früh raus.“

„Ist gut.“

Rafael machte Anstalten ihm das Mix wiederzugeben. „Behalt’s, ich besorg mir einfach ein Neues.“ Peregrin stand auf. „Wir sehn uns. Bis übermorgen, Marco.“

Die drei winkten als er die Furchtbar, so hieß das Lokal, verließ.
 

~~~tbc~~~
 

Entschuldigt die vielen ortstypischen Sachen. Entschuldigt zudem die nicht so genau Beschreibung der Bar. Ich war nur einmal dort und bin jetzt nicht noch einmal extra hingegangen, weil mir besagter Tischsarg doch stark im Gedächtnis geblieben ist.

Und, weiß jetzt jemand in welcher Stadt es spielt?

Ach so, Amaryliszwiebeln sind übrigens giftig und Eisenhut wurde in der Antike benutzt um Verbrecher hinzurichten, nur politische Verbrecher wie Sokrates durften den Schierlingsbecher erwarten, weil das die mildere Art des Vergiftens war.

Melancholie und Kochgruppe

2. Kapitel Melancholie und Kochgruppe
 

Authors Note: Es gibt eine Fußnote in diesem Kapitel. Sie befindet sich am Ende des Textes und weist nach, von wem das Lied im Kapitel stammt.
 

Nachdenklich stieg Peregrin aus der Straßenbahn. Die Vereinbarung mit Marco, die Blumen für Frau Meyer vorzubreiten, klappten gut und der Zivi wirkte wirklich erleichtert darüber. Vor ein paar Tagen hatte Marie Peregrin per SMS mitgeteilt, wann und wo das erste Treffen der Kochgruppe stattfinden würde. Anscheinend hatte sie Marco überredet, den Anfang zu machen und Rafael ein einfaches Gericht beizubringen. Peregrin hatte sich bereit erklärt für den Nachtisch zu sorgen. Jetzt im Sommer war das einfach. Er hatte frische Erdbeeren aus dem Kleingarten seiner Eltern mitgebracht. Zudem trug er eine, fast komplett verblühte, Topfazalee. Kurz war er ins Schwanken gekommen, als Marco ihm seine Adresse gegeben hatte. Ausgerechnet in der Nähe der Sankt Jürgen Klinik musste Marco in einer WG wohnen. Schaudernd ging Peregrin die Straße entlang. Hier war er so oft mit seinen Eltern ausgestiegen, viel zu oft...

Seine Gedanken drifteten in die Vergangenheit ab, zu einem seiner letzten Besuche bei Sam.
 

Die Eltern hatten etwas mit dem Arzt zu besprechen gehabt, also war er alleine in Sams Zimmer gestiefelt, den Weg kannte er schon von früheren Besuchen.

Beim Eintreten schenkte er allen im Zimmer ein freundliches Lächeln, einer der anderen Jungen erwiderte es matt. Sam lag im Bett und blickte aus dem Fenster auf das Klinikgelände. Auf der Decke lag ein Walkman. Peregrin ging zum Bett und stupste Sam an, der die Kopfhörer abnahm und ihn einen Arm um die Schultern schlang.

„Hallo Pippin, ganz alleine?“

Peregrin schüttelte den Kopf. „Sie sprechen mit dem Arzt.“

„Ach so.“

„Geht es dir besser?“

Sam schüttelte den Kopf. „Du weißt doch, ich bin eine künftige Leiche.“

„SAM, das... das ist nicht lustig.“

„Hm, nur die Wahrheit.“ Sam strich Peregrin über den Rücken, weil dieser heftig blinzelte. „Sch, ist ja gut. Ich sag so etwas nicht mehr. Mir tut heute nur alles weh, ich wollte dich nicht zum Weinen bringen.“

Peregrin schniefte und wischte sich mit dem Handrücken über die feuchten Augen. „Ich weine nicht.“

„Pip, du darfst so viel um mich weinen, wie du willst, auch wenn du ein Junge bist, aber versprich mir, dass du dein Leben so lebst, wie es dir gefällt. Es ist viel zu kurz um das nicht zu tun.“

Peregrin legte den Kopf schräg. „Ich darf weinen?“

„Ja, dieses: Ein Indianer kennt keinen Schmerz und Jungen weinen nicht, ist doch einfach nur Blödsinn. Wenn du traurig bist und Schmerzen hast, dann wein eben, gehört dazu.“

Um das Thema zu wechseln griff Peregrin nach dem Walkman. „Was hörst du gerade?“

„Peregrin, versprich mir erst dein Leben zu genießen.“

Peregrin seufzte. „Ich versprech es, großes Indianerehrenwort.“

„Gut“ Sam setzte Peregrin die Kopfhörer auf. „Moment.“ Peregrin sah zu wie Sam die Kassette zurückspulte. „Müsste gleich kommen.“ Zunächst hörte er das Ende eines Liedes, welches ein Mann mit einer kratziger Stimme sang. Dann begann das nächste Lied.
 

„Du sagst, du willst die Welt nicht ändern,

und ich frag mich, wie machst Du das nur?

Du bist doch kein Geist in der Flasche

und du bist auch kein Loch in der Natur.

Denn nach jedem Schritt, den du gehst

und nach jedem Wort, das du sagt,

Und nach jedem Bissen, den du ißt,

ist die Welt anders als sie vorher war.

Wann, wenn nicht jetzt? Wo, wenn nicht hier?

Wie, wenn ohne Liebe? Wer, wenn nicht wir?
 

Du sagst, du willst die Welt nicht retten,

das ist dir alles ne Nummer zu groß.

Und die Weltenretter war'n schon so oft da,

nur die meisten verschlimmbessern bloß.

Und doch fragt mich jeder neue Tag,

auf welcher Seite ich steh.

Und ich schaff's einfach nicht,

einfach zuzusehen, wie alles den Berg runtergeht.

Wann, wenn nicht jetzt? Wo, wenn nicht hier?

Wie, wenn ohne Liebe? Wer, wenn nicht wir?
 

Du sagst, du willst die Welt nicht ändern,

dann tun's eben andere für dich.

Und der Wald, in dem du vor Jahren noch gespielt hast,

hat plötzlich ein steinernes Gesicht.

Und die Wiese, auf der du gerade noch liegst,

ist morgen ne Autobahn.

Und wenn du jemals wieder zurückkommst,

fängst alles wieder von vorne an.

Wann, wenn nicht jetzt? Wo, wenn nicht hier?

Wie, wenn ohne Liebe? Wer, wenn nicht wir?“*
 

Peregrin zog die Kopfhörer vom Kopf. „Der kann nicht singen!“, stellte er fest. Sam lachte und wuschelte ihm durchs Haar.

„Na, ihr versteht euch ja prächtig.“, unterbrach sie eine Frauenstimme. „Aber ich muss dich jetzt deinem Bruder entführen, du hast eine Untersuchung.“ Sam reichte Peregrin den Walkman. „Sag Mama und Papa, das ich untersucht werde, ja?“

Peregrin nickte, rutschte von der Bettkante, auf die er sich gesetzt hatte, und ging aus dem Weg. Sams Bett war eins zum Rollen. Sam konnte nicht mehr laufen. Peregrin presste die Lippen aufeinander und sah zu wie Sam weggefahren wurde. Seine Hände umklammerten den Walkman. Jedes Mal, wenn er herkam ging es Sam schlechter, aber er war froh, dass seine Eltern ihn trotzdem mitnahmen.
 

Er hatte Sam nach diesem Besuch nie wieder gesehen. Seine Eltern hatten ihn nicht mehr mitgenommen, weil sie nicht wollten, dass er seinen Bruder so sah, wie er am Ende gelitten hatte. Jetzt, viele Jahre später konnte er es nachvollziehen. Sie hatten gewollt, dass er Sam so in Erinnerung behielt, wie er seinen großen Bruder gekannt hatte, vor Ausbruch der Krankheit.

Peregrin schüttelte den Kopf. Er war nicht hier um an Sam zu denken, er war hier um sich mit Freunden zu treffen. Er konzentrierte sich wieder auf den Weg.

Es dauerte nicht lange und er hatte das Haus gefunden, allerdings war ihm auch aufgefallen, dass die Klinik in Sichtweite war. „Falls man die Klinik von der Wohnung aus sehen kann, setzte ich mich mit dem Rücken zum Fenster!“, beschloss er. An Vergangenes konnte man sich erinnern, aber leben musste man im Jetzt, anders ging es nicht!

Nachdem der Summer betätigt worden war, stieg er die Treppen in den zweiten Stock hinauf.

„Hey, du bist der Erste.“, grüßte Marco ihn im Flur der Wohnung.

„Na, dann. Hier kannst du der hier Unterschlupf gewähren?“ Er drückte Marco die Topfpflanze in die Hand.

„Äh, Pflanzen gehen bei mir grundsätzlich ein.“

Peregrin zuckte mit den Schultern. „Dann ist es eben eine Gnadenfrist. So lässt sie sich nicht mehr verkaufen. Sie wäre nur auf dem Kompost gelandet.“, meinte er.

„Verschenkst du immer Ware, die sich nicht mehr verkaufen lässt?“

„Manchmal.“

„Aha. Hier ist die Küche.“ Marco führte Peregrin in die kleine Küche der WG, dem sofort auffiel, dass das Küchenfenster zur Klinik hin lag.

„Was kochen wir heute?“, wollte Peregrin wissen.

„Gemüsecurry, da Marie Vegetarierin ist benutzen wir zwei Pfannen.“

„Ah gut. Ich hab Erdbeeren und Quark mitgebracht.“ Peregrin legte das Genannte auf dem Tisch ab.

„Super. Willst du was trinken?“

„Wasser, bitte.“

Marco rechte ihm ein Glas und stellte ihm einen Flasche Wasser auf den Tisch.

„Du hast den blauen Fleck ja immer noch,“ fiel ihm dabei auf.

„Ich krieg halt schnell welche und sie brauchen lange zum Weggehen.“, murmelte Peregrin. Er war froh, dass das Klingeln Marco von einer weiteren Frage abhielt.

„Augenblick.“ Marco verschwand im Flur. Peregrin suchte sich am Tisch einen Platz, wo er das Fenster nicht direkt im Blick hatte, da es nicht möglich war mit dem Rücken zu diesem zu sitzen. Er hörte Marco Rafael und Marie im Flur begrüßen.

Einige Begrüßungen später, saßen sie am Tisch und schnibbelten Gemüse.

„Marco, hast du eine kleine Plastikflasche?“

„Hm, wozu brauchst du die, Marie?“

„Zum Kennenlernen. Wir spielen Flaschendrehen.“

Rafael stöhnte. „Auf so komische Ideen kommst auch nur du im nüchternen Zustand!“

„Marco, Flasche!“, kommandierte Marie und bekam das Gewünschte sogar geliefert.

Peregrin schüttelte den Kopf. Marie hatte die beiden Jungs eindeutig unter ihrer Fuchtel, obwohl ihn ja irgendwie auch, schließlich protestierte er nicht.

Nachdem Marie sich auf dem Tisch Platz geschaffen hatte, was angesichts der Messer, Brettchen und Teller vol Gemüse nicht so einfach war, drehte sie die Flasche. Sie zeigte auf Peregrin. „Pflicht gibt’s diesmal nicht.“, erklärte Marie noch.

Peregrin fuhr sich mit der Hand durchs Haar. Na, das konnte ja heiter werden. Es gab so Einiges worüber mit Fremden und noch waren die drei ihm fremd, nicht reden wollte. Er entschloss sich trotzde, mitzumachen, schließlich wollte er keine Spaßbremse oder so sein. „Frag!“

„Welchen heimlichen Wunsch hast du?“

„Bitte, was ist dass denn für eine Frage?“

„Du bist dran, also antworte!“

Peregrin drehte das Küchenmesser in seinen Fingern, bemerkte, was er tat und hörte damit auf. „Ich will einen Paraglidingkurs mitmachen.“, gab er dann zu.

„Cool.“, stellte Rafael fest.

Peregrin war dran die Flasche zu drehen. Wieder zeigte sie auf ihn.

„Das Ding mag mich nicht.“, murrte er.

„Was ist das Merkwürdigste, dass du bis jetzt getan hast?“, erkundigte sich Marie.

„Argh, deine Fragen sind fies.“

„Rausreden gilt nicht, also...“

Peregrin seufzte. „Ich bin mit achtzehn zum Notar, hab mir erklären lassen, was in ein Testament rein muss und es ein paar Tage später beglaubigen lassen.“

Die drei hielten in ihren Bewegungen inne. „Echt jetzt?“, kam es von Rafael.

„Ja, wirklich.“

„Warum?“, das war Marie.

„Weil du nie weißt, wann es vorbei ist.“

Marco schüttelte nur den Kopf. In der nächsten Runde zeigte die Flasche auf ihn und er musste zugeben, dass er Medizin studieren wollte. Peregrin empfand die Frage, welche Marie Marco stellte als harmlos. Das Geplänkel ging solange weiter, bis das Gemüse angebraten werden musste. Marco hantierte mit Rafael am Herd herum um diesem zu zeigen, was genau er dort tat.

Marie erzählte derweil Peregrin von ihrem sehr aktiven Vereinsleben. Die Plastikflasche lag vergessen auf dem Tisch. Sie wurde erst weggeräumt, als der Tisch gedeckt werden musste.

Die drei Gäste lobten Marcos, wirklich leckeres, Essen. Peregrins Erdbeerquark fand auch Anklang. Während dem Essen beschlossen sie Marco, dem Zugezogenen, die Stadt und ihre Attraktionen zu zeigen.

Insgesamt empfanden alle den Abend als gelungen, selbst Peregrin, der es nicht gemocht hatte mit seltsamen Fragen über sich gelöchert zu werden, während des Flaschendrehens.
 

*(Rio Reiser, Wann?, 1988.)
 

~tbc~
 

So ein Kapitel, indem etwas mehr über Peregrin und Sam verraten wird. Vermutungen dürfen gerne geäußert werden.

Oho, ich merke die Kapitel werden ziemlich unterschiedlich lang... Seufz, liegt daran, dass es immer bestimmte Szenen sind, die eben unterschiedlich lang sind. Hoffe es gibt Leute die Spaß beim Lesen hatten, auch wenn in der Story nicht so viel passiert, bisher.

Segeln und Sightseeing

Segeln und Sightseeing
 

Es war ein strahlend heller Sommertag, doch durch den leichten Wind wurde die Hitze abgemildert. Peregrin stand an der Schlachte und wartete auf Marco, Marie und Erzi. Er hatte den Dreien in seiner SMS nur mitgeteilt, dass er für Marcos Sightseeing-Tour eine Überraschung für den Anfang organisiert hatte. Zudem hatte er ihnen Zeit und Ort sowie, die Warnung, dass Zuspätkommen nicht drin war übermittelt.

Die ersten Takte von „Leb!“ erklangen. Peregrin ging an sein Handy. „Hi, wo verflucht ist dieser Anleger?“, grüßte Marco ziemlich gereizt.

„Wo bist du denn?“

„An der Friedrich-Ebert-Brücke.“

„Oh, dann ist es nicht mehr weit. Lauf Richtung Stadion, nicht Richtung Brill. Ich steh vor der Kogge.“

„Was ist eine Kogge?“

„Ein mittelalterliches Handelsschiff. Das aus Holz mit dem einen Mast.“

„Das sollte ich finden, bis gleich.“

„Bis gleich.“

Marco traf, obwohl er hatte nachfragen müssen, als Erster ein. Peregrin verstand nicht, wie der es eigentlich immer schaffte zu früh aufzutauchen. Diese Eigenschaft Marcos hatte sich während den Treffen der Kochgruppe deutlich herausgestellt.

„Hi. Und, warum treffen wir uns hier?“, wurde Peregrin begrüßt, der nur lässig auf den Koggennachbau hinter sich deutete.

„Was hat das Schiff damit zu tun?“ Marco musterte das einmastige Holzschiff mit dem viereckien weißen Segel auf dem das Stadtwappen, ein Schlüssel, prangte.

„Der Nachbau einer Handelskogge aus dem dreizehnten Jahrhundert. Sie haben das Schiff anhand eines Funde hier im Fluss rekonstruiert.“, teilte Peregrin ihm mit, ohne Marcos Frage damit zu beantworten.

„Is’ ja spannend. Und das fährt auch?“

„Klar.“

Marco schlenderte näher an den Steg zum Schiff heran und las das Schild am Anleger. Peregrin folgte ihm.

„Willst du es mit uns besichtigen?“, wollte Marco wissen.

„Nein, ich hab was besseres vor.“

„Was denn?“, fragte Marie hinter ihnen. Erzi stand neben ihr.

„Das denn!“ Peregrin zog vier Karten aus der Innentasche seiner Windjacke, die er vorsorglich übergezogen hatte.

„Du hast doch wohl nicht wirklich... Weißt du wie teuer die sind?“, kam es von Erzi.

„Da ich sie bezahlt habe, sollte ich es wissen.“, gab Peregrin zurück. „Und, da ich sie schon mal habe, nutzen wir doch de Gelegenheit. An Bord Leute.“ Peregrin betrat den Metallsteg.

„Hey Per, das ist doch wirklich viel zu teuer!“ Marco hetzte ihm hinterher.

Peregrin zuckte mit den Schultern. „Zurückgeben geht nicht. Kommt ihr jetzt?“

„Dann lass uns dir wenigstens das Geld zurückgeben.“

Peregrin schüttelte den Kopf. „Ich hab sie euch geschenkt. Außerdem ist Geld zum Ausgeben da, im Grab nütz es einem ja nichts mehr.“ Mit diesen Worten reichte er dem Mann an der Planke die Karten. „Für mich und die drei hier.“

Die drei folgte ihm, doch ganz glücklich waren sie nicht.

„Schön Geld kann man nicht mit ins Grab nehmen, aber du bist noch jung, Per. Außerdem, was ist mit deinem Wunsch Paraglinding zu lernen? Dafür wirst du Geld brauchen!“, warf Marie ein, als sie an Deck standen.

Über Peregrins Gesicht huschte ein bitteres Lächeln. „Den kannst du ruhig vergessen. Er ist eh unerfüllbar.“, teilte er Marie mit. „Also kann ich soviel Geld für solche Sachen hier ausgeben, wie ich will.“

„Unerfüllbar?“

„Sei still, der da vorne will, was über die Kogge erzählen!“, zischte Peregrin. Schweigend lauschten sie den historischen und technischen Ausführungen des Mannes.

Kaum merklich löste sich das Schiff in der Zeit vom Steg. Langsam wurde es vom Wind stromaufwärts getrieben. Peregrin und seine Freunde erfuhren, dass sie nur bis zur nächsten großen Brücke segeln würde, da der Mast zu hoch war um darunter hindurch zu fahren. Der Mast könne zwar gekippt werden und dies war auch schon bei längeren Fahrten geschehen, doch dauere dieses Manöver zwei Stunden, weswegen es für die gebuchten Rundfahrten nicht genutzt würde. Aber wer Interesse hätte, könne als Helfer auf einer längeren Fahrt anheuern, schließlich würde die Kogge bald zur Kieler Woche in Kiel erwartet, da sie dort die Stadt zu repräsentieren hatte.

Peregrin stand an der Reling und beobachtete beim Zuhören wie das Ufer vorbeiglitt. Amüsiert stellte er fest, dass die Radfahrer auf dem Radweg am Flussufer das Schiff locker überholten.

„Und mit solchen Geschwindigkeiten auf den Flüssen sind die Menschen mit Koggen bis nach Russland gesegelt. Wow!“, dachte er.

Marco trat neben ihn. „Danke für die Einladung.“

„Keine Ursache. Ich wollte eh schon lange mal mitfahren.“

„Aber du hättest das nicht tun brauchen.“

„Ich wollte es, Ende.“

„Wir gebe dir das Geld zurück.“

„Nee, lasst mal. Die Überfahrt über den Styx kann ich mir auch jetzt noch geradeso leisten.“

Marco schnaubte. „Warum machst du das?“

„Was?“

„Immer an den Tod denken?“

Peregrin senkte den Blick auf das schmutzigbraune Wasser. „Das ist nur mit Vernunft nicht zu erklären. Vielleicht, weil man es zu oft vergisst. Das jede Sekunde des Lebens kostbar ist, weil es im nächsten Augenblick vorbei sein kann.“ Er zuckte mit den Schulter

„Hmh. Aber ständig daran denken, da wird man doch trübsinnig bei.“

„Deswegen tue ich, was mir Spaß macht. Dinge wie diese hier, um mein kurzes Leben zu genießen.“

„Hör mal, für einen Paraglidingkurs brauchst du wirklich nur zu sparen, also lass uns die Karten selbst zahlen.“

Peregrin lachte trocken. „Wenn’s nur das wäre...“ Er drehte sich Marco zu. „Es ist mir ärztlich verboten Sport zu machen bei dem die Gefahr von starken Stoßverletzungen besteht. Paragliding zählt zu solchen Sportarten. Selbst, wenn ich spare und den Kurs bezahlen könnte, würde ich nicht als Teilnehmer akzeptiert. Ich bin vielleicht morbide, aber ich bin nicht selbstmordgefährdet, also halte ich mich an solche ärztlichen Ratschläge. Hör auf über dein Geschenk zu maulen und genieß die Fahrt!“ Ruckartig drehte Peregrin sich wieder der Reling zu und starrte auf das Wasser. Seine Hände krallten sich um das Holz. Er löste eine Hand und deutete zum Ufer. „Da vorne ist das Stadion, man kann es schon sehen. Sind wir eigentlich schon an der umgedrehten Kommode vorbei?“

„An der was?“

„Dem alten Wasserwerk. Es sieht aus wie eine Kommode, die auf dem Kopf steht.“

„Äh...“

„Peregrin, da drüben!“ Marie kam angeflitzt und zerrte an seinem Handgelenk. „Komm mit.“ Sie zog ihn auf die andere Seite des Schiffes um ihm zu zeigen, dass sie gerade an einem Binnenschiff vorbeifuhren und auch an der umgedrehten Kommode.

Zwei Stunden später hatten sie wieder festen Boden unter den Füßen.

„Und jetzt?“, wollte Marco wissen.

„Geht die Sightseeing-Tour los. Also Jungs, wo machen wir weiter?“

„Schnoor, ist am nächsten.“, meinte Erzi.

„Da könnten wir doch gleich das Geschichtenhaus miteinplanen.“

„Klasse Idee, Per. Ach und eins noch. DU zahlst heute nichts mehr!“ Marie wedelte vor Peregrins Nase mit dem Finger herum. „Hast du mich verstanden?“

„Klar und deutlich.“

Marco wurde durch die engen Gassen zwischen kleinen Fischerhäuschen aus dem 17. Jahrhundert geführt. Hier im einzigen Teil der Altstadt, welcher nicht im Krieg zerbombt worden war, befand sich das Touristenviertel schlechthin. Im Papierlädchen, vor dessen Schaufenster Marco geschlagene fünf Minuten stehen geblieben war, kauften sich alle Papierbastelbogen für ein Rotkehlchen.

Vom Schnoor aus schlenderten sie ins Viertel, wo sie bei der besten Eisdiele der Stadt ein Eis aßen, ausruhten und dem Kellner zusahen, wie er immer mit den Bestellungen die große Straße überquerte um zu den Tischen auf dem Platz gegenüber der Eisdiele zu gelangen.

Nach einem Abstecher zu Maries Lieblingsteeladen, am Sielwall, der noch eine Registrierkasse sowie eine Messingwaage besaß, kehrten sie ins Zentrum zurück.

Dort lehnte Marie es rundweg ab mit in den Bleikeller zu kommen, so dass die drei Jungs sich die mumifizierten Geistlichen alleine ansehen mussten. Sie ließen das Dommuseum aus, schlenderten an Rathaus und Roland vorbei zur Böttcherstraße. Am Roland wurde Marco die Sage vom Lahmen erzählt, der den Bürgern das Land für Bürgerweide und Bürgerpark gesichert hatte. Tja, da die Bedingung für die Schenkung gelautet hatte soviel Land, wie ein Mann an einem Tag umrunden können, sollte verschenkt werden, war es egal gewesen, dass der geizige Erbe den Lahmen gewählt hatte. Land umrunden konnte man schließlich auch kriechend.

Zu guter Letzt besichtigten sie die Stadtmusikanten zwischen Rathaus und Liebfrauenkirche.

„Ehrlich, die hab ich mir immer größer vorgestellt.“, murmelte Marco.

„Tja, ursprünglich war das Märchen hier in der Stadt überhaupt nicht beliebt. Die Kaufleute empfanden es als Spott. Inzwischen ist es ein Tourismusmagnet und es heißt, dass es Glück bringt die Vorderbeine der Statue zu umfassen.“, erklärte Erzi.

„Ach, bringt es. Und was hilft gegen Freunde, die einen bis zum Umfallen an einem Tag durch die Gegend scheuchen?“

„Ich dachte, ich wäre hier der Unsportliche, aber wenn dich so ein bisschen Sightseeing schon umbringt, dürfen wir dich wohl nicht mit auf den Freimarkt nehmen.“, stellte Peregrin fest.

Erzi lachte. „Und das, wo er mal gesagt hat, er liebe Kirmes. Du bist gemein.“

„Hey, ihr seid albern.“, schimpfte Marco.

Wozu hat man Freunde?“, grinste Marie. „Also, nach der Stadtbesichtigung, geht es dann demnächst mit der Museumstour weiter. War nicht bald die lange Nacht der Museen, oder so?“

Peregrin nickte. „Aber sagt mal, wollten wir nicht ursprünglich Erzi, beibringen wie er etwas Essbares kocht?“

„Na, dass geht doch trotzdem.“, warf Marie ein.

„Wie auch immer. Mein Kopf schwirrt und meine Füße tun weh, ich brauch eine Pause.“, stöhnte Marco.

„Also auf ins nächstbeste Café.“, grinste Erzi.

„Oder wir müssen ausprobieren, ob sich der Friedhof auf dem wir stehen reaktivieren lässt um Marcos Leiche zu verbuddeln.“

„Nur so, hier ist Kopfsteinpflaster, Per.“, wies Erzi ihn auf ein klitzekleines Problemchen hin.

„Stimmt, aber hier war auch mal ein Friedhof.“

„Hier? Und woher weißt du das wieder?“

„Interesse. Und na nicht genau hier, eher auf der anderen Seite der Kirche, da wo jetzt immer Blumenmark ist.“

„Ernsthaft?“, erkundigte sich Erzi, vorsichtig.

Peregrin grinste. „Ja ernsthaft, laut den Stadtarchäologen.“

„Mal was anderes, von wegen Café. Omaambiente mit Blick auf die Straßenbahnen gefällig?“, wollte Marie wissen.

„Solange es nur nah ist.“, seufzte Marco.

„Ist es.“

„Dann ja.“

Zusammen gingen sie in ein winziges Café, bei der Haltestelle Obernstraße, dass im ersten Stock über einem Geschäft lag. Sie ergatterten sogar einen Tisch am Fenster, von dem aus sie zusehen konnten wie die Menschen durch die Straße zu den Schäften hasteten oder vorbeiflanierten. Peregrin trank eine warme Schokolade und überlegte sich, dass Unternehmungen mit Freunden doch schön waren.
 

~tbc~
 

So diesmal nur Alltag mit Freunden, ohne viel Tiefgründiges. Und jetzt sollte klar sein, in welcher Stadt die Geschichte spielt. Eine alte Hansestadt mit langer Geschichte.

Gräber und Geheimnisse

Kapitel 4 Gräber und Geheimnisse
 

Inzwischen versteckte Peregrin seinen Kaffee nicht mehr, wenn Marco den Laden früh Morgens betrat. So auch heute.

„Hi, das Übliche.“, wurde er gähnend begrüßt.

Peregrin nickte und band einen Strauß, der Frau Meyer gefallen würde.

„Oh, und sie bat mich Grabblumen für das Grab ihres Seligen zu kaufen. Für circa zwanzig Euro. Weißt du, was da geeignet ist?“, fuhr Marco fort.

Ehe er etwas erwiderte nahm Peregrin erst einmal einen Schluck Kaffee. „Sicherlich. Sollst du die auch einpflanzen?“

„Ja.“

„Das gehört aber nicht zu den Aufgaben eines Zivis, oder?“

„Nee, aber sie hat so nett drum gebeten.“

Peregrin grinste Marco direkt an. „Ich weiß nicht wie sie das macht, aber bis jetzt hat sie jeden Zivi dazu gekriegt. Du solltest mal anfangen ihr etwas abzuschlagen.“

Der junge Mann seufzte. „Ich hoffe nur ich krieg das hin. Ich mag es nicht kleine, alte Damen zu enttäuschen.“

„Tja, dann sind sie zu stark, bist du zu schwach, oder so. Hast du schon mal Blumen eingesetzt?“

„Hmh. Ach ja, krieg ich auch einen Kaffee?“

„Für was hältst du das hier, einen Coffeeshop?“

„Na, ich dachte ich frag halt mal.“

„Milch? Zucker?“

„Ein Löffel Zucker.“

„Warte eben.“ Peregrin holte Marco einen Kaffee, obwohl seine Großmutter andeutete ihm einen Klaps zu verpassen. Sie hatte Peregrin nie geschlagen, sie zeigte so nur an, dass ihr Enkel ihr zu frech wurde oder Regeln übertrat.

Peregrin reichte Marco den Kaffee. „Komm um kurz vor sechszehn Uhr her, wenn es geht. Dann kann ich mitkommen.“, teilte er ihm mit.

„Super, danke, Per.”

„Ach, ich muss sowieso zu dem Friedhof.“, winkte Peregrin ab. „Ist also kein großer Aufwand.“

„Ich komm dann um sechszehn Uhr.“ Eine Weile tranken sie schweigend Kaffee, ehe Marco sich zum Gehen wandte.

„Hey, nimm wenigstens die Leichen mit.“

Marco fuhr herum. „Leichen?“

„Na, die toten Blumen für Frau Meyer.“

Marco hob kopfschüttelnd den Strauß auf. „Bis nachher.“, murmelte er.

„Bis dann.“ Peregrin wartete bis Marco den Laden verlassen hatte, dann ging er noch mal Kaffeekochen und Marcos benutzen Becher zurückbringen. Hätte seine Großmutter das Verkaufsgespräch mitbekommen, sie wäre entsetzt gewesen. Er genehmigte sich noch eine Tasse Kaffee mit seinen üblichen vier Stück Zucker. Mit der Tasse in der Hand schlenderte er in den Verkaufsraum zurück. Der restliche frühe Vormittag verlief wie üblich, mit fast keinen Kunden. Peregrin dachte in der Zeit an die Museumstour bei der „langen Nacht der Museen“. Sie hatten es nur geschafft das Überseemuseum, das Focke Museum, das Pressehaus und das Universum zu besuchen, wobei sie schon beim Universum durchgehastet waren. Von den anderen städtischen Museen, wie der Kunsthalle, der Weserburg und der Schulgeschichtlichen Sammlung ganz zu schweigen. Peregrin hatte das Pressehaus mit der Ausstellung zu 400 Jahren Zeitung in Bremen am besten gefallen. Er lächelte versonnen als er an die Ausgaben der „Times“ von 1910 dachte, in der die Besucher hatten blättern dürfen.

Nach der Mittagspause war wie immer viel los. Nun musste nicht nur Peregrin bedienen. Er alleine wäre gar nicht mehr hinterher gekommen. Bei einigen besonderen Sträußen zeigte ihm seine Großmutter, wie sie diese zusammenstellte und band, schließlich war Peregrin noch Lehrling.

Kurz vor sechszehn Uhr entdeckte Peregrin einen wirren braunen Haarschopf hinter mehreren Kundinnen. Als er mit Bedienen fertig war, wand er sich an seine Großmutter, die ihm mit einem Nicken die Erlaubnis erteilte Schluss zu machen. Peregrin stellte die zwei Holzkistchen mit Grabblumen und eine dritte mit jungen Ringelblumen und Kapuzinerkresse hinter den Tresen. Als Marco an die Reihe kam, meinte er nur. „Macht genau zwanzig Euro. Wie willst du sie transportieren?“

Marco zahlte. „Ich bin mit dem Wagen da, aber ich hab keine Ahnung wo der Kattenturmer Friedhof genau liegt.“

„Kein Problem, ich lotse dich. Hier die sind für dich.“ Peregrin hob die zwei Holzkistchen hoch und überreichte sie Marco. In seiner eigenen lagen, neben den Pflanzen zwei Paar Handschuhe, zwei kleine Schaufeln, eine Tüte Hornspäne, eine Gartenschere und eine kleine Gießkanne.

„Na dann. Wir müssen aber ein Stück laufen.“

„Warte noch einen Moment.“ Peregrin verschwand kurz um die dunkelgrüne Gärtnerschürze loszuwerden, obwohl sie beim Pflanzen auch nützlich gewesen wäre. Er hatte jetzt frei und auf einem Friedhof wurde man mit so einer Schürze ganz leicht zum Friedhofsgärtner abgestempelt.

Er hob seine Pflanzenkiste auf, nachdem er seinen Rucksack geschultert hatte und folgte Marco aus dem Laden.

Marco schüttelte den Kopf. „Ich verstehe immer noch nicht, wie man darauf kommt Florist zu werden?“, hörte Peregrin ihn murmeln.

„Ach, ich mag Blumen ganz gerne und hatte sonst nichts vor.“, beantwortete Peregrin die, nicht wirklich an ihn gerichtete, Frage.

Er folgte Marco zum Besucherparkplatz des Altenheims, in dem auch Frau Meyer untergebracht war. Marco hielt vor einem leicht ramponierten, älterem, grünen Golf. Umständlich kramte er den Schlüssel hervor, ohne die Holzkisten abzusetzen.

„Warum einfach, wenn’s auch kompliziert geht?“, schmunzelte Peregrin.

„Ja, ja, weißt du wie oft ich mich heute bücken musste?“

„Nein, und es ist mir auch egal.“ Peregrin stellte seine Kiste in den Kofferraum und nahm dann Marco eine ab, die er ebenfalls dort deponierte. Als alle Kisten verstaut waren, stiegen sie ein.

„So und wo geht’s lang?“

Daraufhin betätigte Peregrin sich als Navi. Sie stellten das Auto an der Straße ab. Am Friedhof angelangt, führte er Marco zu dem Grab von Herrn Meyer.

„Woher weißt du, wo das ist?“, staunte Marco.

„Hab hin und wieder die Pflege übernommen, wenn sie keinen dafür gefunden hat.“

„Schön, und wie mach ich das jetzt?“

„Hast du wirklich noch nie Blumen eingesetzt?“

„Ja.“

Peregrin seufzte und zeigte Marco erst einmal, wie er die Pflanzen heil aus den Töpfchen bekam. Dann setzte er ein weißes Stiefmütterchen ein. „So, ist ganz einfach. Am Ende gießt du sie an.“

„Und wo krieg ich hier Wasser?“

Peregrin zeigte auf eine der Wasserstellen.

„Ich lass dir die Gießkanne da. Ach ja, du solltest die nächsten zwei Wochen jeden Tag kommen und sie gießen, sonst gehen sie ein.“

„Ernsthaft?“

„Klar, oder willst du Frau Meyer erzählen, dass ihr Grabschmuck leider vertrocknet ist?“

Marco stöhne. „Worauf hab ich mich da nur eingelassen?“

„Grabpflege. Bin dann mal weiter drüben.“ Peregrin hob seine Kiste auf und ging einige Reihen weiter. Er blickte auf den schlichten grauen Grabstein hinab.
 

„Sam Silberblatt

*12.8.1980 - †15.6.1996

Noch nicht flügge,

hast du die Welt zu früh verlassen.

Du lebst in unseren Gedanken fort.“
 

Peregrin kniete sich nieder. „Hey, ich hab dir Ringelblumen mitgebracht und feuerfarbene Kapuzinerkresse, wie du sie so gern gemocht hast. Oma schüttelt jetzt noch jedes Mal des Kopf, wenn ich die hier pflanze. Ich mach übrigens immer noch Tai Chi. Hab mir deinen Rat zu Herzen genommen. Wann, wenn nicht jetzt? Du weißt nie was Morgen ist, also nutzte die Zeit, die du hast, so wie du es richtig findest.

Weißt du, manchmal wünschte ich mir du könntest mir sagen, was nach dem Tod passiert. Tja, wie auch immer. Ich hoffe du freust dich über die Blumen, wo auch immer du jetzt bist. Falls es eine unsterbliche Seele gibt.“

Peregrin zog die Handschuhe über und entfernte die abgeblühten Vergissmeinnicht und Primeln. Bedächtig setzte er die Setzlinge ein. Danach begann er den Buchs zurückzuschneiden.

Kies knirschte auf dem Weg hinter ihm.

Peregrin blickte auf. „Ah, gut, dass du die Gießkanne mitgebracht hast.“

„Hm, ich bin...“ Marco brach ab, schwieg einen Moment. „Fünfzehn?“

„Hmh. Sam hatte Pech. Ich erinnere mich kaum noch an ihn.“, log er.

„D-darf ich fragen...“

„Ihn stört’s nicht mehr. Frag ruhig.“

„Äh... wie...?“

„Aids.“

„Mit fünfzehn?“ Peregrin hörte den schockierten Unterton, der störte ihn, der störte ihn jedes Mal, wenn er von seinem Bruder sprach. Wenn jemand das hörte, dachten er immer gleich das Schlimmeste von Sam. Dabei war Sam nicht daran Schuld! Abgelenkt schnitt er einen Zweig ab. Nur leider war seine Hand noch im Weg. „Verdammt!“ Peregrin ließ die Schere fallen und starrte seine linke Hand an. Der Schnitt war unter seinem Daumen und recht tief. Er musterte das hellrote Blut, welches daraus hervorquoll und auf Sams Grab tropfte.

„Damokles lässt grüßen. Ich muss das mal versorgen.“

„Klar, scheinst aber keine Sehnen erwischt zu haben. Also keine Panik. Ist nur ein Schnitt, der ist nicht tödlich.“, wandte Marco ein.

„Oh doch, das ist eine tödliche Wunde.“

„Du scherzt.“

Peregrin schüttelte den Kopf. „Nein, ich meine es todernst.“ Seine unverletzte Hand zitterte als er zu seinem Rucksack griff. „Wo hab ich...“

„Todernst? Der Schnitt ist zwar übel aber daran verblutet man doch nicht!“ In Marcos Stimme klang Belustigung mit.

„Von wegen!“ Peregrin zerrte ein kleines Lederetui aus dem Rucksack. Ungeschickt öffnete er es mit einer Hand. Darin waren Einwegspritzen und kleine Plastikampullen.

„Was zum Henker machst du da?“

„Verhindern das ich verblute. Noch nie was von Blutern gehört?“, schnauzte er, während er eine Ampulle aus dem Etui holte.

„D-du...“

Peregrin seufzte. „Sei so gut und halt die mal.“ Er hielt Marco die Ampulle hin, der perplex gehorchte.

Irgendwie gelang es Peregrin die Spritze mit dem lebenswichtigen Inhaltsstoff zu füllen und sie nun seelenruhig zu benutzen, so etwas tat er schließlich nicht zum ersten Mal. „Kannst du ein Pflaster aufkleben?“, wollte er dann von Marco wissen.

„Ja,...äh... sicher.“, antwortete der und verpflasterte sowohl Kratzer als auch den Einstich.

„Danke.“ Peregrin holte eine kleine Plastiktüte aus der Tasche, in die er die Spritze und die leere Ampulle tat. Als er die Gießkanne anhob verzog er das Gesicht.

„Gib her.“ Marco nahm ihm die Kanne aus der Hand und goss die Pflänzchen an. „Wo ist denn der nächste Unfallarzt?“

„Nimm doch gleich die Rolandklinik, die ist keine fünf Minuten entfernt.“

„Okay. Dann los.“ Marco sammelte die Sachen ein und trug die Kisten. Sie verließen das Friedhofsgelände in Richtung Werdersee, so war es näher zur Klinik.

Peregrin seufzte. „Um zu deiner Frage zurückzukommen. Sam war auch Bluter. Leider sind mit HIV verseuchte Blutkonserven benutzt worden um das Mittel herzustellen, was er brauchte um eine Blutgerinnung zu fördern. War Anfang der Achtziger ein richtig großer Skandal. Sam war drei als er mit HIV infiziert wurde. Und das konnte nur passieren, weil irgendwelche bescheuerten Bürokraten die Untersuchung von Blutkonserven als zu teuer darstellten! Deswegen gibt es fast keine Bluter mehr in Deutschland. Sechzig Prozent der Bluterkranken ist an Aids verregt, weil es keine ausreichenden Kontrollen gab, obwohl das Problem bekannt war!“ Peregrin redete sich in Rage. An die Zeit, in der sein Bruder langsam dahinsiechte und schließlich starb, daran erinnerte er sich noch gut. Sie waren fast jeden Tag im Krankenhaus gewesen und jedes Mal war es Sam ein bisschen schlechter gegangen

„Echt?“

„Kannst es sogar im Internet nachlesen. Schlagwort Bluterkrankheit reicht aus, oder Blutskandal.“ Peregrin strich sich mit der Hand durchs Haar. „Schön, ohne Medikamente wäre keiner von uns so alt geworden, aber diese verfluchte Krankheit hatte Sam nicht verdient! Na wie auch immer, vorbei ist vorbei. Danke fürs Angießen.“

Einen Moment blieb Marco stumm, der Themenwechsel war ziemlich abrupt gewesen. Er nahm das als Hinweis, dass Peregrin nicht weiter über seinen Bruder reden wollte.

„Da nich’ für. Ich hab zu danken, ohne dich wäre ich ganz schön dumm dagestanden. Aber ist die Arbeit im Blumenladen denn nicht problematisch?“

Peregrin zuckte die Schultern. „Leben ist eben immer lebensgefährlich* um Kästner zu zitieren. Für mich nur etwas schneller als für andere. Aber wegen Sam hab ich damals beschlossen mein Testament zu machen. Und ich weiß jetzt schon, dass ich einmal weiße Duftveilchen auf meinem Grab haben will.“

Darauf fiel Marco nichts ein. In der Klinik blieb er mit den dreckigen Gartengeräten im Foyer und wartete.

Peregrin wartete in der Notaufnahme bis jemand Zeit hatte sich seine Verletzung anzusehen und richtig zu verarzten. Da Peregrin sein Medikament schon benutzt hatte, war Schnelligkeit nicht mehr notwendig und es dauerte eine ganze Weile.

Kopfschüttelnd betrachtete Peregrin seinen Verband, den er doch etwas übertrieben fand und die Überweisung zum Hausarzt, welche notwendig war, als er zurück ins Foyer kam.

„Ich bring dich noch nach Hause.“, erklärte Marco.

„In Ordnung. Was steht eigentlich als nächstes auf dem Marco-muss-Bremen-kennenlernen-Plan?“

„Marie, sagte etwas von La Strada und Viertelfest.“

„Oh, La Strada ist ein Muss, wann hat man sonst die Gelegenheit so viele verschiedene Straßenzirkuskünstler zu sehen?“

„Keine Ahnung? Sowas gibt’s bei mir daheim nicht. Wird das teuer?“

„Kein bisschen, na ja, kommt drauf an, ob dir die Nummern viel oder wenig wert sind. Du darfst in den Hut schmeißen, was du angemessen findest.“

„Oh, gut. Strapaziert den Geldbeutel nicht so.

„Genau.“

Peregrin wurde von Marco bis vor seine Haustür gebracht und der ließ es sich auch nicht nehmen, ihm die Gartengeräte hinterher zu tragen.
 

~tbc~
 

@Miezel du hattest mit deiner Vermutung recht.

So, jetzt sind Peregrins Geheimnisse gelüftet.

Und ich hab es sogar geschafft die Duftveilchen unterzubringen.

Wer mehr über den Blutskandal erfahren will: Googeln oder das Buch „Böses Blut“ suchen.

Beim Buch bin ich aber nicht sicher, ob man das heute noch so einfach kriegt. Es ist glaub ich Ende der 80'er erschienen. Hab es bis jetzt auch nicht gelesen, obwohl es bei mir Zuhause rumliegt.

* Erich Kästner: "Zum neuen Jahr" in, Kurz und bündig.

Freier Wille und Freimarkt

Authors Note: Erst einmal vielen Dank an Ran24 und Miezel für die lieben Kommentare. Das hat mir wirklich Aufwind geben. Zylinder vom Kopf zieh und verbeug.

Danke auch an die Freischalter, weil das mit den Kapiteln so schnell ging.

Diesmal ein kurzes Kapitel mit noch einer Bremensie. Irgendwie ist die Story a) länger als geplant geworden und b) zu einer Bremen-vorstell-Story mutiert, so neben anderen Dingen. Na, was soll’s. Weiterhin viel Spaß beim Lesen!
 

Kapitel 5 Freier Wille und Freimarkt
 

Allmählich war es Herbst geworden. Neben den regelmäßigen Kochgruppentreffen, bei denen es ihnen gelungen war Erzi zumindest ein paar Kochgrundlagen zu vermitteln, waren die vier bei, Straßenzirkusfestival La Strada gewesen und hatten sich sogar aufgerafft nach Worpswede zu radeln.

Marco hatte das zweifelhafte Vergnügen genossen Labskaus probieren zu dürfen und Grünkohl für sich entdeckt.

Der Wind fegte bunte Blätter durch die Straßen und auf die Wege, wo sie, durch den häufigen Regen, gefährliche, glitschige Flächen bildeten. Morgens schwebten Nebelschlieren über Weser und Werdersee. Ohne Regenjacke oder Schirm aus dem Haus zu gehen, war in etwa so sinnvoll, wie ohne Zahnpasta Zähne zu putzen.

Am unangenehmsten war die in der Luft hängende Feuchtigkeit, welche es an den trockenen Tagen gab, da sie durch jede Kleidung zu dringen schien. Sonnige Tage besaßen Seltenheitswert.

Genauso wie das Schietwetter im Herbst zu Bremen gehörte, gehörte der Freimarkt dazu. Am Roland hing ein überdimensional großes Lebkuchenherz mit der Aufschrift: „Ischa Freimarkt!“ und an den Einfahrtstraßen wurde mit dem gleichen Spruch geworben.

Bremen ohne Freimarkt, wäre wie Bremen ohne Roland oder als würde das Rathaus plötzlich nicht mehr stehen.

Diese herbstliche Attraktion konnten die vier sich natürlich nicht entgehen lassen, weswegen Peregrin an einem grauen, kalten, typisch feuchten, Oktobertag aus der Linie 6 stieg und zum Elefanten stiefelte.

Sie waren vor dem Kolonialdenkmal, einem großen, aus roten Backstein gebauten, Elefanten verabredet. Diese Statue stand nicht zu nah an der Bürgerweide, wo die ganzen Fahrgeschäfte aufgebaut waren und nicht zu weit entfernt davon, außerdem lag es direkt neben der Haltestelle. Es war einer der vielen Treffpunkte, an denen man sich noch fand. Denn auf der Bürgerweide war die Menschenmasse so dicht, dass an ein sich treffen nicht zu denken war.

Marie, die eine rot-schwarze Alltwetterjacke trug, hatte sich einen schwarzen Schal bis zur Nasenspitze umgewickelt. Erzi, der nicht auf seinen schwarzen Ledermantel hatte verzichten mögen, wirkte leicht verfroren. Marco stach neben den beiden mit seiner leuchtend orangen Regenjacke hervor. Auf dem Kopf trug er eine bunte Strickmütze.

Auch Peregrin war wetterfest in Allwetterjacke und Schal gewandet. So würden sie jedem noch so heftigen Schauer trotzen können.

Nach der Begrüßung, schlossen sie sich dem dichten Freimarktsbesucherstrom an. Hier im Norden war man Schietwetter gewöhnt und dementsprechend hart im Nehmen.

Als erstes kaufte Peregrin eine Tüte gebrannte Mandeln, an der er sich die Finger wärmen konnte. Sie quetschten sich durch die Besuchermassen, welche sich nicht vom Wetter hatten abhalten lassen. Inzwischen wussten auch Marie und Erzi von Peregrins Krankheit, so dass es sie nicht wunderte, dass er die meisten Fahrgeschäfte ausließ. Peregrin hielt Marcos Mütze und Erzis Schirm, während die anderen drei ein Fahrgeschäft nach dem nächsten ausprobierten. Nach Fahrten in der „wilden Maus“, der „Wildwasserbahn“ (als wenn sie nicht vorher schon nass genug gewesen wären), dem „Autoscooter“ und „Free Fall“, bemerkten die drei, dass Peregrin irgendwie ständig außen vor war.

„Sag doch was, Mann! Wir sind hier um zusammen Spaß zu haben und jetzt stehst du ständig da und wartest auf uns.“, knurrte Erzi schließlich Peregrin an.

Spaß ist, was ihr daraus macht, oder in diesem Fall ich. Außerdem hab ich meine gebrannten Mandeln und die selten dämlichen Fotos von euch aus der Wildwasserbahn. Ist schon in Ordnung.“, antwortete Peregrin.

„Von wegen! Geht nicht, gibt’s nicht. Es wird doch wohl etwas geben, dass wir alle mitmachen können.“, überlegte Marie. „Sonst hättest du gar nicht mitkommen brauchen.“

„Es war mein freier Wille mitzukommen, obwohl ich in fast kein Fahrgeschäft rein darf.“, erwiderte Peregrin.

„Dein freier Wille auf uns zu warten in allen Ehren, aber dass ist doch sicher langweilig so.“, schnaubte Marie.

„Das Riesenrad. Könnte gehen.“, warf Marco ein.

„Peregrin nickte. „Oder ihr kommt mit mir ins Spiegellabyrinth.“

„Hey, dass machen wir. Im Spiegellabyrinth war ich zuletzt mit zehn!“, grinste Erzi. „Ist sicher witzig jetzt noch mal reinzugehen. Komm Marco, wir machen den Weg frei!

Die beiden stürzten sich todesmutig vor Marie und Peregrin ins Gewirr. Sie erstanden Karten für das Spiegellabyrinth und irrten darin herum, bis Marco auffiel, dass der Boden mal neu gestrichen werden musste und man daran erkennen konnte, wo es lang ging.

Danach fuhren sie gemütlich mit dem Riesenrad, wobei Erzi ziemlich bleich wurde und Marie auffällig fest an sich drückte. Marie griff nach seiner Hand und daraufhin schaffte Erzi es sogar den Blick vom Gondelboden zu lösen. Sie genossen, in einem Fall weniger, den Ausblick auf das bunte Lichtermeer auf dem Platz.

Wieder mit sicherem Boden unter den Füßen, stellte Marie fest, dass ihr kalt war. Sie schlug vor ins Bierzelt zu gehen. Erzi argumentierte dagegen. „Da drin ist es viel zu voll und genauso kalt. Und Per müsste irre aufpassen nicht von irgendwem angerempelt zu werden. Außerdem ist die Musik da echt mies. Willst du nicht lieber einen heißen Met?“

„Hm, ist eine Überlegung wert.“, gab Marie zu.

„Und wo willst du hier heißen Met herkriegen?“, fragte Marco.

„Auf dem Kleinen Freimarkt am Marktplatz. Zwischen Rathaus und Liebfrauenkirche ist immer Mittelaltermarkt zur Freimarktszeit.“, klärte Peregrin ihn auf.

„Na gut, gehen wir dahin.“, stimmte Marco zu.

Sie schoben sich durchs Gewühl und wählten den Weg durch den Bahnhof. Im Endeffekt wäre es wohl genauso schnell, beziehungsweise langsam, gewesen, wenn sie den längeren Weg außen um das Bahnhofsgebäude genommen hätten. Im Bahnhofstunnel unter den Gleisen stauten die Menschen sich fast.

Weswegen sie erst nach fünfzehn Minuten Fußmarsch den Kleinen Freimarkt erreichten. Hier war nicht soviel los. Sie fanden sogar Gelegenheit in aller Ruhe die Stände des Mittelaltermarktes zu besichtigen. An der Weinschänke besorgten sie sich jeder einen Tonbecher heißen Met. An den Tischen unter dem Segeltuch neben der Schänke fanden sie jedoch keine freien Plätze mehr. Ein bisschen innerlich gewärmt, konnten sie den nachgespielten Pestzug beobachten, da sie zufällig am richtigen Tag zur passenden Uhrzeit dort waren.

Große Tropfen trafen auf das Katzenkopfpflaster unter ihren Füßen. Regen begann wie eine Dusche hinab zu rauschen, als der Zug an ihnen vorbei war.

„Ist das Wetter hier eigentlich immer so?“, maulte Marco.

Nicht immer, aber immer öfter. Freu' dich auf den Winter, er ist höchstens eine Winzigkeit trockener als der Herbst.“, antwortete Pergrin freundlich lächelnd. „Wenn es warm dabei wäre, würden wir nur anfangen Schimmel anzusetzen. Das hier ist das perfekte Bremer Wetter.“

Marco schüttelte sich. „Also mir ist das jetzt zu nass Leute, außerdem muss ich Morgen früh raus...“

„Ja, schon klar. Lösen wir die Versammlung auf. Nächstes Treffen dann bei mir?“, ließ Erzi sich vernehmen. Alle nickten und zogen ihrer Wege.

Unterhaltungsprogramm und Unglück

Kapitel 6 Unterhaltungsprogramm und Unglück
 

Der ungewöhnlich warme Dezemberanfang führte dazu, dass bei Peregrin nicht wirklich Weihnachtsstimmung aufkam, obwohl der Laden natürlich weihnachtlich geschmückt war.

Selbst der Spaziergang über den Schlachtezauber an der Weser, den mittelalterlichen Weihnachtsmarkt, hatte bei ihm keine Weihnachtsstimmung geweckt. Obwohl er wie immer gerne im Dunkeln an den mit Fackeln beleuchteten Stände vorbeigeschlendert war um Weihnachtsgeschenke zu suchen. Die Schmuckstände, der Beerenweinstand, aber auch die Ledersachen und die Kleidung, welche feilgeboten wurden, hatten ihm gefallen. Besonders schön war es allerdings gewesen, dass er nicht alleine gewesen war, sondern mit Marco, Marie und Erzi die Zeit dort verbracht hatte.

Auch die große Keksbackaktion Ende November war richtig lustig gewesen, dennoch für Winter war es einfach zu warm, fand Peregrin.

Er sah sich in seinem Zimmer um und schmunzelte als sein Blick auf das Papierrotkelchen über seinem Schreibtisch fiel. Es hing dort an Perlonfäden, als wolle es sich im Sturzflug auf die Kekskrümel auf der Schreibtischplatte stürzen.

Peregrin reckte sich und legte das Matheheft weg. Die Aufgaben aus der Berufschule empfand er als ätzend langweilig, schließlich hatte er das Abitur bestanden. Obwohl er nicht lernte, schrieb er dort fast nur Einsen, was ihn bei den anderen Schülern nicht beliebt machte. Er seufzte, nun egal, er musste die Berufschule machen, es gehörte zur Ausbildung und Ende.

Zumindest hatte er sich schon den ganzen Tag über auf den Abend freuen können.

Jetzt blieb nur die Frage, was er anziehen wollte. Für sein Lieblingsshirt war es auf jeden Fall zu kalt. Peregrin stand auf und kramte in seinem Kleiderschrank herum. Er entschloss sich dann doch, das T-Shirt mit dem Skelettraben zu tragen, welches früher seinem Bruder gehört hatte. Da es zwar für Dezember zu warm war, aber dennoch kalt, zog er einen dünnen schwarzen Rollkragenpulli unter das Shirt. Mit der Winterjacke sollte das genügen. „Eigentlich müsste ich dringend mal aufräumen, doch das kann ich auch später noch.“, dachte er, als er den alten Walkman auf seinem Bett bemerkte, sowie die auf dem Boden verstreuten Bücher und Klamotten. Jetzt sollte er zusehen, dass er zur Straßenbahn kam, sonst käme er noch zu spät. Rasch zog er Winterjacke, Schal und Mütze an und nahm den schwarzen Rucksack mit, den er immer mit hatte. Seine Handschuhe fand er auf die Schnelle nicht. Es würde schon so gehen, es war ja nicht so frostig.

An der Domsheide überlegte er kurz, ob er vielleicht doch laufen sollte, aber da die nächste Bahn schon in einer Minuten angekündigt war, nahm er diese.

Am Cinema warteten Marie, Marco und Erzi schon. Zusammen betraten sie das Kino und bezahlten die Karten. Im Foyer meinte Marie: „Cool das ,Der Sternwanderer’ noch läuft. Bin gespannt, ob er mit dem Buch mithalten kann.“

„Buch? Der basiert auf einem Buch?“, fragte Marco.

„Ja, von Neil Gaiman und das war echt klasse. Ich hoffe sie haben es nicht verhunzt.“

„Wird sich zeigen. Aber ganz schöne Starbesetzung. Sienna Miller, Michele Pfeiffer, Robert de Niro, dabei soll es eine low-buget-Verfilmung sein.“, murmelte Peregrin.

„Hast du etwa auch das Buch gelesen?“, grummelte Marco.

„Nee, nur die Kinovorschau. Aber den Autor des Romans kenne ich.“

„Die Sandman-Comics, wetten?“, kam es von Marie.

„Gewonnen, was willst du als Preis?“

„Hm, eine Cola.“

„In Ordnung, ich besorg mir dann gleich noch Popkorn.“

„Super“, Marie grinste Peregrin an.

„Wieso, es ist mein Popkorn oder willst du etwa naschen?“, erkundigte sich Peregrin.

Natürlich nasche ich!“, gab Marie zu.

„Alles klar. Also eine extra große Tüte.“

„Hey, ich nasche nur, ich ess’ dir schon nicht die ganze Tüte leer. Ich mache schließlich Diät!“, fauchte sie ihm hinterher.

„Oh, dass erklärt einiges. Zwei Tüten, vorsichtshalber.“ Peregrin sah zu, dass er aus Maries Reichweite kam, indem er zum Verkaufstresen floh. Er hörte, wie Erzi beschwichtigend auf Marie einredete, welche nun mit verschränkten Armen und Schmollmund an ihren Freund gelehnt da stand. Marco hatte sich zur Seite gedreht, wahrscheinlich in der Hoffnung, dass Marie so sein Schmunzeln nicht mitbekäme.

Mit zwei Tüten Popkorn und zwei Bechern Cola beladen trat Peregrin an Marie heran. „Hier, deine Cola und eine eigene Tüte Popkorn.“

Marie schnaubte, nahm aber beides in Empfang.

„Und wir?“, fragte Erzi.

„Du kannst ja versuchen, ob deine Freundin dir etwas abgibt und Marco kriegt was von mir.“, schlug Peregrin vor.

Erzi musterte Marie skeptisch, dann ging er Popkorn kaufen, was Marie einen empörtes: „Rafael!“, entlockte.

In dem kleinen Kinosaal mit den roten Sesseln suchten die vier sich Plätze, von denen aus sie einen guten Blick auf die Leinwand hatten. Die typische, romantische Yes-Törtchenwerbung mit ihrem „Kleine Torte, statt vieler Worte“, flackerte über die Leinwand, während die vier schon Popkorn knabberten. Zwischendurch mokierte sich Erzi über die Kinowerbung, wenn sie ihm viel zu blöd erschien. Schließlich begann der Film. Schweigen senkte sich über das Publikum. Peregrin prustete verhalten, als Prinz Septimus Prinz Primus ermordete. Auch bei den weiteren Szenen mit den Geistern der Prinzen lachte er leise. Der Film gefiel ihm wirklich. Ein Lachen rauschte durch den Saal, als der Stern erklärte, dass er hier herunter gekommen sei und genau hier mit einem magischen, fliegenden, Vollidioten zusammengekracht sei!* Auch die Luftpiraten ernteten ein paar Lacher.

Noch während des Abspanns verließen sie den Saal um sich ins Café des Kinos zurückzuziehen, wo sie über den Film diskutierten. Marie gestand, dass ihr de Film erstaunlicherweise, sogar etwas besser als das Buch gefalle. Und Robert de Niro als Käpt’n Shakespear sei einfach nur genial. Etwas worin ihr alle zustimmten.

Peregin wurde von ihr ausgequetscht welches seine Lieblingsfiguren in den Sandman-Comics seien. Er antwortete mit: „Dream, Delirium und Death.“ Woraufhin ihm erklärt wurde, dass sie sich schon hätte denken können, dass Death zu seinen Lieblingen zählte.

Es wurde ziemlich spät bei Wein und Cola und ein paar Knabbereien. Draußen waren die Temperaturen heruntergegangen. Peregrin fröstelte und zog den Schal enger. Leichter Regen hatte eingesetzt, der auf dem kalten Boden gefror. Nach ihrer üblichen Abschiedsorgie, verabredeten sie sich für den dritten Advent zum letzten Kochtreffen des Jahres.

Von der Straßenbahn aus lief Peregrin langsam und behutsam durch die dunklen Einbahnstraßen der Neustadt. Die Luft war feucht und dennoch eisig. Sterne konnte er nicht ausmachen, nicht einmal der Mond drang durch die Wolken. Schaudernd stopfte Peregrin seine Hände tiefer in die Jackentaschen. T-Shirt und Unterziehrolli war nun doch zu kühl.

Das Metalltürchen vor seinem Wohnhaus stand halboffen. Peregrin schlüpfte hindurch und betrat die Treppe. Sein Fuß glitt weg. Weil er die Hände in den Taschen hatte gelang es ihm nicht nach dem Geländer zu greifen. Die Welt kippte. Das Letzte, was er spürte, war wie sein Kopf gegen etwas hartes, scharfkantiges prallte.
 

~~~tbc~~~
 

*in: Der Sternwanderer, Marv Films, Regie, Matthew Vaughn, 2007.

Das bittere Ende, kurz und schmerzlos. Und nun nur noch der Prolog. Seufz. Ich habe Peregrin richtig lieb gewonnen. Und ich wollte nicht, dass irgendwer in der Story Schuld an diesem Unglück trägt. Ach, zum Wetter, ich habe nur herausbekommen, dass der Dezember 2007 extrem warm war für Dezember. Das heißt natürlich nicht, dass es nicht doch irgendwann Eisregen gegeben hat.

Vielen Dank für die Kommentare an Ran24 und Miezel.

Danke, an die Freischalter für die rasche Bearbeitung.

Noch ein Abschied

Epilog Noch ein Abschied
 

Kies knirschte unter ihren Schritten. An den Bäumen zeigte sich zartes Frühlingsgrün. Eine leichte Brise wehte. Die Sonne hatte schon wieder etwas mehr Kraft. Der Winter war zu Ende.

Der Griff des Blumenkörbchens war kalt in Marcos Hand. Marie und Erzi gingen schweigend neben ihm her.

Er legte den Kopf in den Nacken, blickte in den strahlend blauen Himmel und seufzte.

Ihre Schritte führten sie unentrinnbar zu ihrem Ziel. Marco kniete nieder. Seine Hand zitterte als er die ersten kleinen Pflänzchen aus dem Plastik befreite, so wie Peregrin es ihm gezeigt hatte. War das wirklich schon ein Dreivierteljahr her?

Erzi grub mit dem kleinen Schäufelchen Löcher und Marie setzte die Pflänzchen ein, Duftveilchen. Auf dem Schild stand, dass sie weiß blühen sollten. Marco hoffte, es würde auch stimmen.

Er wischte sich die Erde von den Fingern, welche leicht klamm geworden waren. Ende März war es nun mal noch recht kühl. Er holte Wasser und goss die Pflanzen an, dabei erlaubte er sich den ersten richtigen Blick auf das Grab.
 

„Peregrin Silberblatt

5.4.1987 - 11.12.2007
 

Was wirklich zählt, ist klar:

Liebe das Leben,

jeder hat nur eines!“
 

In den schwarzen Grabstein war ein stilisierter Rabe eingraviert. Marco wischte sich verstohlen mit der Hand über die Augen. „Weißt du eigentlich wie verdammt schwer es war weiße Duftveilchen zu bekommen?!“, fragte er die leere Luft.

Erzi legte ihm eine Hand auf die Schulter und zog Marie an der Taille enger an sich.

Es war so plötzlich gewesen, dass sie es immer noch nicht richtig glauben konnten, obwohl die Beerdigung schon lange hinter ihnen lag. Am Abend hatten sie sich noch gut unter halten und am Montag hatte Marco sie entsetzt angerufen, weil er vor dem geschlossenen Blumengeschäft gestanden hatten, wo ein Schild verkündet hatte: „Wegen Todesfall geschlossen.“ Als er alles erfahren hatte, hatte er den anderen beiden Bescheid gesagt.

Erzi räusperte sich: „Weißt du, woran ich ständig denken muss, wenn er mir in den Sinn kommt?“

„Nein,“ krächzte Marco.

„Er wäre verdammt amüsiert über die ungeklärte Todesursache. Ich wette er würde breit grinsen, weil keiner weiß, ob...“ Erzi schluckte.

„... ob er verblutet oder erfroren ist. Erzi das war gerade verflucht taktlos.“, knurrte Marco.

„Aber er hätte es amüsant gefunden.“, warf Marie ein.

„Ja, stimmt, dass hätte er.“, gab Marco zu.

Schweigen senkte sich über sie und jeder hing seinen Gedanken nach. Über ihnen in den Ästen zwitscherten Vögel. Nach einer ganzen Weile begann Marco die Gartengerätschaften einzusammeln. Dann legte er Erzi, der Marie noch im Arm hielt, einen Arm über die Schulter.

„Ich bin froh, dass ich dich kennenlernen durfte, Peregrin. Du wirst mir fehlen.“, brachte Marie die Gefühle ihrer beiden Begleiter auf den Punkt.

„Wir sehen uns, wenn unsere Zeit gekommen ist, verlass dich drauf, Alter!“, fügte Erzi hinzu.

Marco schwieg. Er brachte erst kein Wort heraus, schließlich murmelte er: „Farewell.“
 

~~~tbc~~~
 

Ich kann, ich mochte es nicht, aber ich habe es getan.

Mit feuchten Augen vorm Compi sitz... aber es war schließlich von Anfang an genau so geplant und es sollte nun mal ein Drama werden...

Vielen Dank für die lieben Kommentar und die Favoeinträge.

Tja, da ich den Chara Peregrin so gerne mochte, könnte es sein, dass er eine posthume Karriere in einem anderen imaginären Universum macht, falls jemand Interesse daran hat.

Und jetzt bleibt nur noch eins zu sagen:
 

Ende



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Kommentare zu dieser Fanfic (29)
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Von:  Tanuma
2015-01-10T23:46:01+00:00 11.01.2015 00:46
Hallo Salix,
Vielen Dank für deine Teilnahme an meinem Schreibwettbewerb – hier mein Feedback :)
Nun sitze ich also hier und versuche die richtigen Tasten auf meinem Laptop zu erwischen, weil ich durch meine verheulten Augen nichts erkennen kann >_<
Ich hab Peregrin auch so gern gehabt! T_T Noch dazu liebe ich Blumen auch total! Abgesehen davon, dass du eine wirklich emotionale und wundervolle Geschichte geschrieben hast, haben mir auch die vielen Beschreibungen von Bremen sehr gefallen. War noch nie dort (wohne im Süden), aber bin mir sicher ich würde das eine oder andere aus deiner Story wiedererkennen XD Das Ende hat mich so sehr mitgenommen. Tolle Arbeit! Herzlichen Glückwunsch zu deinem Preis *3*

MfG
Tanuma
Von:  nufan2039
2011-11-10T08:54:28+00:00 10.11.2011 09:54
Böse Salix!

Jetzt weine ich und das früh am Morgen... Der Epilog hatte es echt in sich.

DIe Geschichte im Ganzen finde ich gut gelungen! Hat mich trotz der vielen Worte dazu gebracht, dass ich sie in einem durchlese und ich lese net gern online. ;)
Von:  nufan2039
2011-11-10T08:49:22+00:00 10.11.2011 09:49
wusste ich es doch. böses Ende, was man schon am Anfang des Kapitels gespürt hat...
Von:  nufan2039
2011-11-10T08:41:59+00:00 10.11.2011 09:41
Yea, Mittelaltermarkt. Bin ich auch Fan von, die großen von Fogelvrei. ^^

ich finde es schön, des Per so tolle Freunde gefunden hat, aber mir graut es immer mehr vor dem Ende der Story... ;)
Von:  nufan2039
2011-11-10T08:33:16+00:00 10.11.2011 09:33
auf jeden Fall ein wichtiges Kapitel. bin gespannt, wie es weiter geht und ein wenig hab ich angst vor dem Ende der Story...
Von:  nufan2039
2011-11-10T08:19:27+00:00 10.11.2011 09:19
Yea, ich hatte Recht! XD

Ich finde Pippin sehr interessant, seine Lebenseinstellung gefällt mir. Ich würde es vermutlich nicht anders händeln. Der Tod ist nun einmal ein täglicher Begleiter.
Von:  nufan2039
2011-11-10T08:08:03+00:00 10.11.2011 09:08
Hm. Ich hatte bei der stadt eher an den Norden gedacht. Gibt es so eine nicht eine Sankt Jürgen Klinik in Bremen?

Ich finde auch dieses Kapitel wieder echt gelungen. Es ist eine fesselnde Geschichte, die du hier fabriziert hast! Ich denke, du hast dir viele Gedanken gemacht. ^^
Von:  nufan2039
2011-11-10T07:53:18+00:00 10.11.2011 08:53
Noch immer eine sehr interessante Story und ich finde wirklich, dass du einen schönen Stil hast. Hatte anfangs gedacht: Puuuh, viel zu lesen, aber es liest sich flüssig und schnell! ^^
Von:  nufan2039
2011-11-10T07:43:28+00:00 10.11.2011 08:43
Ich finde den Anfang deiner Story sehr gut. Man entwickelt gleich ein Gefühl für die Situation und ich bin gespannt, wie es weiter geht.
Von: Futuhiro
2011-07-16T13:11:09+00:00 16.07.2011 15:11
*schluchz*
Herrje. Ich dachte ja immer, nicht übermäßig sentimental zu sein, aber der Abspann war schon mitnehmend. Aber irgendwie tun Erzi und Co mir mehr leid als Peregrin, muss ich sagen.
Also insgesamt eine schöne Geschichte, mir hat sie super gefallen, auch wenn die ganzen Kapitel zwischendrin teilweise etwas weitschweifig waren und man sich regelrecht gewünscht hat, daß endlich mal was passiert. (Und jetzt denk ich <Verdammt, du hättest dir das mal lieber doch nicht wünschen sollen ...>)


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