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I want to sing

von

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I met him

Wenn es um Musik geht sagt man, dass ich ein Genie bin.

Meine Stimme wäre so klar. Meine Liedtexte wären so emotionsgeladen.

Doch wenn es um das Menschliche geht, falle ich glatt durch.

Ich bin launisch, rechthaberisch, egoistisch und, bis vor kurzem, auch noch eingebildet.

Ich bin von meinem hohen Ross runtergekommen, als mein Vater mich aus der Wohnung schmiss, mein Manager meine Karriere erstmal auf Eis legte und mir verbot alleine zu singen.

Aus dem ‚Ich’ sollte ein ‚Wir’ werden.

Ich sollte mindestens einen Sängerkollegen bekommen.

Das war wie ein Schlag ins Gesicht.

Aber mittlerweile habe ich mich daran gewöhnt und verstehe warum.

Der plötzliche Ruhm ist mir einfach zu Kopf gestiegen.

Wenn alle Scheinwerfer nur auf eine Person gerichtet sind, fällt es schwer auf dem Boden zu bleiben.

Bei zwei Sängern ist man selber nicht 24 Stunden im Scheinwerferlicht, da ist mal der eine, mal der andere dran oder beide zusammen.

Dennoch ist es nicht so einfach einen Kollegen zu finden.

Zum einem mein Alter.

Ich bin gerade mal 16 Jahre alt.

Dann meine Klangfarbe, meine Stimme, dass was mich ausmacht, sie ist schwer zu synchronisieren mit einer anderen.

Sprich, ich konnte bisher nicht im Duo singen, weil es sich scheiße anhörte.

Zum anderen ist mein Charakter so schwierig, dass die meisten nicht mit mir zusammen arbeiten wollen oder ich sie so vor den Kopf stoße, dass sie weglaufen.

Wenn das so weiter geht, kann ich nie wieder singen.

Dabei fallen mir gerade jetzt die besten Songs ein.

Es ist zum Mäuse melken.

Ich will doch nur singen.

Was bleibt mir auch schon übrig?

Meine Familie ist immer noch sauer auf mich, Freunde habe ich keine und alles wofür ich lebe, ist Musik.

Ich hätte nie gedacht, dass mir das Stargetue mal so zu Kopf steigt.

Nun habe ich nichts mehr.

Niemand unterstützt mich wirklich.

Weil ich selbst Schuld bin an meiner Misere.

Ich musste mich ja auch wie der allerletzte Idiot aufführen.

Mein Kopf landet auf dem Schreibtisch.

Ich brauche frische Luft!

Ich verlasse mein Musikstudio, schlendere erst vor mich her, ich habe schließlich kein Ziel, bis mich etwas inne halten lässt.

„I need dollar, dollar, dollar is what I need! Hey, hey!”

Ich lausche.

Bin überrascht, wie weich diese Männerstimme doch klingt, obwohl sie doch so tief ist.

Ich folge der Stimme.

Erwarte eigentlich einen Mann im mittleren Alter, da die Stimme so klingt, als hätte die Person so einiges hinter sich.

Doch vor mir steht ein Junge in meinem Alter, mit einem Baseballcap und einem Fußball, den er immer wieder hoch titschen lässt.

Seine Haut ist braungebrannt und groß gewachsen ist er auch noch.

Während er mit dem Fußball spielt, singt er also.

Und es klingt auch noch gut.

Ich schleiche näher.

Es klingt immer noch gut.

„I need dollar, dollar, dollar is what I need! So help me!”, singt er plötzlich hell und klar, als wäre es so einfach als Mann diesen hohen Ton zu treffen.

Okay, den will ich!

Mit einem Lächeln auf den Lippen gehe ich zu ihm.

Sofort hört er auf zu singen.

„Hallo!“, beginne ich und bin gespannt, was da kommt.

„Hn. Hallo!“, grummelt er leise vor sich hin, spielt weiter mit seinem Ball.

„Ich kam gerade hier vorbei und habe dich singen gehört! Bist du in einer Band oder so etwas?“

Vielleicht ist er ja schon bei der Konkurrenz.

Genervt schnaubt er, titscht den Ball noch einmal fester in die Luft, um ihn dann mit dem Kopf wieder hoch hüpfen zu lassen.

„Ich habe keine Band! Und wie du siehst, bin ich beschäftigt!“

Ich bemühe mich nicht los zu schreien.

Ich halte mich wirklich zurück.

„Ich arbeite bei dem Plattenlabel hier um die Ecke und bin selbst Sänger. Hast du vielleicht mal Lust bei uns vorzusingen?“

Er hört auf Fußball zu spielen.

„Wer will schon einen Namenlosen singen hören?“ und geht.

Er lässt mich stehen.

Und anstatt wütend zu sein, bin ich verwirrt.

Am nächsten Morgen gehe ich wieder zur gleichen Zeit in den Park.

Tatsächlich sitzt am gleichen Ort ein Junge und macht vermutlich gerade seine Hausaufgaben.

Heute fällt mir auf, dass er Sachen trägt, die ihm zu groß, die ausgewaschen sind und an manchen Stellen mehr als einmal geflickt wurden.

Ich setze mich neben ihn und esse mein Pausenbrot.

Er sieht nicht mal auf.

Wie fange ich jetzt am Besten ein Gespräch an?

Ich bin nicht geübt darin.

Ich starre ihn ein wenig gedankenverloren an.

Bin überrascht, als er sich zu mir umdreht und mich direkt ansieht.

Nicht nur seine Haut ist braun, seine Augen sehen auch aus wie herrliche Schokolade.

„Starrst du immer die Leute an?“, fragt er scheinbar genervt.

„Ich habe mich nur gefragt, wieso du so ein hässliches Teil auf dem Kopf trägst!“, gebe ich spitz zurück.

Für eine winzige Sekunde lächelt er, ehe er die Mundwinkel missmutig nach unten verzieht.

„Ich hatte halt nichts Schickeres für eure Durchlaucht!“

„Dann zieh die doch gleich aus, wenn sie dir nicht gefällt!“, ich reiße ihm seinen Hut vom Kopf und bin selber ganz erstaunt.

Einem Busch gleich stehen ihm die braunen Haare zu Berge, aber so schlecht sieht es gar nicht aus, eher im Gegenteil.

Zornige, braune Augen blitzen mich an.

Irgendwie mag ich ihn ja.

„Ist mir egal, ob du ein Popsternchen bist oder nicht, aber niemand klaut mir meine Kappe!“

Schneller als ich will, hat er seine Mütze wieder auf dem Kopf und versteckt seine ganzen Haare darunter.

„Du weißt also wer ich bin?“, murmele ich immer noch verwirrt.

„Die aus meiner Klasse kennen dich. Das reicht mir schon!“

„Dann haben die ja gar nichts mehr zu mir zu sagen im Moment…“

Es tut weh nicht mehr singen zu können.

„Kein Problem. Mir persönlich ging dein ‚Ich-bin-der-Größte’- Getue eh auf den Zeiger, aber die aus meiner Klasse finden genau das toll an dir!“

Ich muss lachen.

„Was ist denn so toll daran, wenn man sich wie ein Arschloch benimmt?“

Er klappt seine Unterlagen zu.

Richtet sich zum Gehen.

„Gleich und gleich gesellt sich nun mal gern. Die aus meiner Klasse sind auch Arschlöcher!“

Wieder geht er und lässt mich im Regen stehen.

Vielleicht sollte ich aufgeben.

Er singt gut, aber er mag mich wohl nicht so sehr.

Am nächsten Tag regnet es.

Kein Mensch ist im Park.

Nur er sitzt wieder und hat nicht mal einen Schirm dabei.

„I’m singing in the rain… Just singing in the rain…“, singt er leise.

Heute trägt er keine Kappe.

Der Regen tut sein übriges, seine Haare hängen wie ein nasser Mopp herunter.

Aber er sieht nicht traurig aus.

Nicht mal das blaue Veilchen unter seinem Auge scheint seine Laune zu trüben.

„I’m singing in the rain, just singing in the rain…“, fängt er wieder an.

„… What a glourious feeling, I’m happy again…“, singe ich weiter und setzte mich so neben ihn, dass er sich halb unter meinem Schirm befindet.

„Kein Sauwetter dieser Welt hält dich wohl davon ab hier herzukommen, oder?“, fragt er amüsiert.

„Dich hält es ja auch nicht ab her zu kommen!“

Eine Weile sitzen wir stumm nebeneinander.

„Was ist mit deinem Auge passiert?“

„Bin in die Faust eines Mitschülers gelaufen…“

„Klingt ja als hättest du Spaß in deiner Klasse…“, meine ich sarkastisch und schließe meine Augen.

Ich höre ihn leise lachen.

„Mit den eingebildeten Typen? Hätten deren Daddys nicht so viel Geld, würden die schön alt aussehen!“

„Also gehst du auf eine Reichenschule…“

Ich bin neugierig.

Er ist schon seltsam.

Einerseits genauso abweisend wie ich, andererseits sitzt er hier so allein im Regen.

Ich glaube, ich mag ihn einfach.

„Was genau willst du eigentlich von mir?“

„Deine Stimme…“, flüstere ich leise und starre dumpf auf die Pfütze links von mir.

„Ich will aber keinen Prinzen am Strand heiraten!“, antwortet er und steht auf.

„Bevor du gehst, sag mir wenigstens deinen Namen!“

„Namaeshi*“ und fort ist er.

Auch die nächsten Tage erscheine ich an unserem Treffpunkt.

Nur Namaeshi ist nicht da.

Es ist doch seltsam.

Ich kenn den Typen nicht mal.

Trotzdem weiß ich, dass diese Bandgeschichte nur mit ihm funktionieren würde.

Seine Stimme passt und ich mag ihn.

Am vierten Tag sitzt er wieder auf seiner Bank.

„Heute keine Mütze?“

„Sie gehörte mir nicht…“, antwortet er und beißt in einen Apfel.

„Wer nennt sein Kind eigentlich Namaeshi?“, frage ich während ich mich neben ihn setze.

„Na ja, so nennt man ein Kind, dass mit einer Woche im Heim in einem Gebüsch gefunden wurde. Und das keinen Namen hatte.“

„Du wurdest im Heim abgegeben?“

Das erklärt seine Klamotten.

„Konnte man dir keinen besseren Namen geben?“

Irgendwie tut er mir leid.

„Sie wollten nicht. Also nennt man mich Namaeshi!“

Schulterzuckend steht er auf.

„Haust du schon wieder einfach ab?“

Er dreht sich verwundert um.

„Ich habe noch Unterricht! Wenigstens einmal die Woche gehe ich zum Fußball, wenn ich den Rest vom Sport schon schwänze.“

Ich folge ihm einfach. Bin sein Schatten.

Die Saint Claire Schule ist wirklich eine Reichenschule.

Wenn er im Heim lebt, wieso geht er dann hier auf diese Schule?

Ich setze mich auf die Tribüne, während er zu seiner Klasse geht.

Tatsächlich sitzen hier eine handvoll Leute mit abgetragenen Klamotten.

Sie fallen sofort auf unter den Edelklamottenmarken.

Das Spiel ist langweilig.

Namaeshi wird auch gar nicht erst eingewechselt, obwohl er echt gut spielt.

Er spielt alleine am Rand des Feldes mit seinem Ball.

Und seine Mannschaft spielt echt beschissen.

Ich verstehe nicht, warum sie ihn nicht einsetzen.

Am nächsten Morgen hat er eine aufgeplatzte Lippe.

„Wieder in eine Faust gelaufen?“, frage ich ihn und setze mich wieder einmal neben ihn.

„Wohl eher in Fäuste…“, seufzt er und hält sich ächzend den Bauch.

„Soll ich dich zum Arzt bringen?“

Er lacht leise.

„Was willst du? Wieso willst du mit einem Namenlosen reden?“

Ich schüttele den Kopf.

„Du bist vielleicht Namenlos, aber doch nicht Gesichtslos! Ich finde es nun mal nett mich mit dir zu unterhalten, das ist alles!“

Er sieht mich verwundert an.

„Du bist seltsam!“, ist seine schlichte Antwort.

„Um ganz ehrlich zu sein, will ich dich immer noch überreden mit mir eine Band zu gründen.“

Er kratzt sich am Kopf.

„Du willst ein Waisenkind ohne Namen in eine Band kriegen? Hast du Fieber oder was?“

„Ist doch egal, ob du Eltern hast oder nicht! Und wegen deinem Namen: Wenn du noch keinen hast, dann mach dir doch einen mit unserer Band!“

Er sieht mich ein paar Sekunden lang stumm an.

„Und wie soll ich das machen? Ich habe Schule und tanzen kann ich auch nicht!“

Ich überlege einen Moment.

„Komm morgen mit deinem Fußball hierher, dann bringe ich dir das Tanzen schon bei!“

Dieses Mal gehe ich vor ihm fort.

Lächel still in mich hinein.

Am nächsten Tag kommt er zu spät.

Aber er hat seinen alten Fußball dabei.

Grinsend sehe ich ihn an.

„Ich dachte, wir machen einen Deal: Du und ich werden eine Band gründen und öffentlich singen und ich komme auf deine Schule und zeige deinen Neureichen Arschlöchern, wie wichtig unser Namaeshi ist und das es ganz gemein ist, wenn man ihn verprügelt!“

„Du bist nicht nur seltsam, sondern auch verrückt!“

Und ich muss lachen.

„Glaub mir, ein bisschen Eigennutz ist schon dabei!“

Fragend sieht er mich an.

Dann zuckt er mit den Schultern.

„Warum sollte ich jetzt mit einem Ball auftauchen?“

„Ganz einfach, du sollst singen und dabei mit deinem Ball spielen!“

Er zieht eine Augenbraue hoch.

„Das ist alles?“

Ich lache erneut.

„Ab und an gebe ich dir eine Anweisung und du kannst dann daraus machen, was du willst!“

Am Anfang sieht es noch etwas steif und nach Nichts aus.

Erst bei der zweiten Strophe von ‚Hot and Cold’ blüht er auf, bewegt sich mehr.

Selbst der dämliche Fußball sieht gut aus.

Jemanden das Tanzen mit einem Fußball beizubringen, dass mach mir mal einer nach!

Stolz wie Oskar sehe ich ihn an.

Es ist dunkel geworden.

Zum Schluss habe ich ihm einfache Tanzschritte ganz ohne Ball beigebracht.

„Und wofür war jetzt das ganze Herumgehüpfe?“, fragt er und wischt sich den Schweiß von der Stirn.

„Damit ich meinen Manager was von dir zu erzählen habe!“

Er sammelt seinen Ball auf, wischt ihn sauber.

Beinahe liebevoll streichelt er den Ball.

„Steht unser Deal?“

Fragend sieht er mich an.

Kopfschüttelnd setze ich mich, fächere mir Luft zu.

„Du und ich bilden eine Band, ich bin dein Freund und komme auf deine Schule. Klingt das fair?“

Mein Gott, dann werden wir eben Freunde!

Ich kann ihn ja gut leiden und so.

„Das klingt, als wolltest du mich einkaufen, wie ein Päckchen Kaugummi im Supermarkt!“

Wie vor den Kopf gestoßen sehe ich ihn an.

Und er lacht.

„Da du eh nicht der erste wärst, der das macht… Okay, ich stimme vorerst deinem Deal zu!“

Und er geht.

Immer noch lachend.

Während er leise vor sich hinsummt.

„Bye, bye Hollywood Hills! I’m gonna miss you…“, singe ich passend zu seinem Gesummten.
 

*Namaeshi=Namenlos

I taught him

I taught him
 

Die nächsten Tage kommt er nicht.

Erst nach vier Tagen taucht er humpelnd und ziemlich verbeult aussehend auf.

Auf meinen fragenden Blick bekomme ich nur ein leichtes Kopfschütteln.

Wir setzen uns.

„Ich habe versucht mit der Heimleitung zu reden, aber die haben mir gar nicht richtig zugehört!“, brummt er unzufrieden und massiert sich den Knöchel.

„Und wer war das schon wieder?“, ich deute auf seine Verletzungen.

Blaue Flecken, Schrammen, Kratzer.

„Ach das, dass ist schon fast vier Tage alt… Mein Fuß tut weh, weil ich vorhin die Treppe runtergefallen bin, sonst ist nichts.“

Er reibt sich den Arm.

„Und vor vier Tagen bist du da auch irgendwo runtergefallen?“

Ich sehe mir die Schramme an seinem Arm genauer an.

„Nö, da haben mich ein paar aus meiner Klasse verprügelt, weil ich die beste Note in Mathe hatte.“

Ich balle die Hände zu Fäusten.

„Warum unternehmen die in deiner Schule denn nichts?“, frage ich aufgebracht.

Stehe auf, tiger vor ihm aufgeregt auf und ab.

„Was ist denn das für eine bescheuerte Schule, wo man andere einfach verprügeln kann?“

Er lehnt sich zurück.

„So ist es nun mal. Selbst wenn einer aus meiner Klasse erwischt werden würde, sein Papi kann der Schule einen vierstelligen Betrag auszahlen und schon ist derjenige frei. Ich kann das leider nicht und in meiner Klasse ist auch sonst keiner aus dem Heim.“, erzählt er ruhig und schaut sich die Wolken an.

„Warum denn nicht? Ich meine, was soll das, warum machen die das?“

„Weil sie eifersüchtig sind. Ich habe eine Schulklasse übersprungen, weil ich einfach unterfordert war und nun ist auch noch der arme Schlucker der Beste! Das vertragen die einfach nicht!“

Ich sehe ihn einige Minuten lang einfach nur an.

Es ist doch zum Mäuse melken mit ihm.

Deprimiert gucke ich mir auch die Wolken an.

„Noch zwei Jahre, dann bin ich da eh weg!“, murmelt er und es klingt trotzig, wie bei einem kleinen Kind.

„Ich will aber keine zwei Jahre warten, ehe ich wieder singen kann!“

Wir seufzen beide.

Schweigen uns eine Weile aus.

„Du hast gesagt, du hättest mit der Heimleitung geredet?“, erinnere ich mich plötzlich wieder.

Er brummt zustimmend.

„Was genau hat sie denn gesagt?“

Er legt den Kopf schief.

„Sie dachte, ich will auf irgend so ein Konzert und hat es mir natürlich verboten.“

Dieses Mal brumme ich zustimmend.

„Dann lass mich mit ihr reden. Dann weiß ich wenigstens auch, wo du wohnst, wenn du wieder vier Tage verschwunden bist.“

Ein paar Sekunden sieht er mich schweigend an, ehe er sich ächzend aufrafft und loshumpelt.

Seine Haare wippen schön mit.

Ich folge ihm ohne ein weiteres Wort zu sagen.

Durch die Stadt, zu Fuß, ohne Bahn.

Er geht vor, ich ihm hinterher.

An einem älteren Haus macht er Halt.

In großen, rostigen Buchstaben steht über der Tür ‚Saint Claire Waisenhaus’.

Deswegen geht er auf diese Schule.

Die Schule hat für wohltätige Zwecke ein Heim eröffnet und bietet den Waisenkindern an, auf die teure Privatschule zu gehen.

Wir gehen durch die Tür, folgen einem langen Flur bis wir zu unserer Linken eine Tür mit der Aufschrift ‚Büro’ finden.

Namaeshi klopft an.

Wartet.

Erst nach einem ‚Herein!’ schiebt er seinen Kopf durch den Türspalt und fragt, ob man hereinkommen dürfte.

Zuerst höre ich ein harsches ‚Nein!’, aber als der Brünette erklärt, dass da Besuch wäre, der gerne mit ihr reden möchte, schwingt schon die Tür auf.

Allerdings nur für mich.

Namaeshi muss noch im Türrahmen stehen bleiben, während ich einen Sitzplatz angeboten bekomme.

Ich erkläre der Heimleiterin die Situation, dass ich mit Namaeshi eine Band gründen will.

Und dass ich an unseren Erfolg glaube.

Dass ich schon mit meinem Manager geredet habe und dieser bereit ist, Namaeshi einmal anzuhören.

Und dass es natürlich nicht geht, dass der Brünette immer wieder Verletzungen vorweist.

Am Anfang habe ich noch das Gefühl, sie ist hellauf begeistert von mir und meiner Idee.

Gegen Ende weiß ich, dass mein Freund sie nicht ein kleines bisschen interessiert.

Sie würdigt ihn mit keinem Blick.

Er darf nur stumm hinter mir stehen, in der Türschwelle.

Letztendlich bekomme ich nur ihre Zustimmung, dass ihr Heimkind bei meinem Manager vorsingen darf.

Ich bin froh wieder aus dem Büro heraus gekommen zu sein.

„Von der können wir ja nicht viel erwarten…“, seufze ich als wir durch den Park gehen.

„Was erwartest du? Im Heim leben etwa 200 Personen und sie alle haben Namen. Alle Kinder wollen vermittelt werden an Pflegeeltern, nur ich eben nicht.

Schon allein deswegen mag sie mich nicht.“

„Dich mögen wirklich nicht viele Leute…“, seufze ich erneut und massiere mir leicht den steif gewordenen Hals.

Er bleibt stehen.

„Ich geh jetzt da lang!“, sagt er plötzlich und ist schon um die nächste Ecke verschwunden.

Im selben Moment könnte ich mich ohrfeigen.

Statt ihn am nächsten Morgen im Park zu treffen, dachte ich mir, überrasche ich ihn.

Pünktlich um halb 8 Uhr sitze ich im Vorzimmer des Direktors der Saint Claire Schule und melde mich an.

Auf meinen ausdrücklichen Wunsch hin in die Klasse von Namaeshi zu kommen, werde ich zwar ziemlich blöd angeguckt, aber mir einer kleinen Spende für das Schuldach wird mir auch dieser Wunsch erfüllt.

Als es klingelt, werde ich noch zu meinem künftigen Klassenraum geführt.

Jetzt heißt es Showtime!

Die Tür geht auf und vor mir sehe ich edle Markennamen, viel Schminke, viel Schmuck und teure Haarschnitte und einen Jungen, der in älteren Sachen auf seinem Tisch fast liegt und zu schlafen scheint.

Ich stelle mich der Klasse kurz vor, wie es üblich ist, merke aber bald, dass mich bereits alle kennen.

Namaeshi sieht nicht einmal auf.

Ich bekomme sogar den Platz neben ihm.

Kaum sitze ich, will ich ihn ansprechen, doch meine neuen Mitschüler halten mich leider auf.

Sie bombardieren mich geradezu mit Fragen.

Die ganzen drei ersten Stunden werde ich mit Zetteln bombardiert, während der Braunhaarige auf seinem Tisch ein Nickerchen hält.

Als es Mittagspause ist, rennt er los, ich will ihm nachlaufen, doch die lieben Mitschüler halten mich erneut auf und schleppen mich in die fünf Sterne Kantine der Schule.

Leider hat mir niemand gesagt, wie teuer hier doch alles ist.

Somit muss ich den lieben Mitschülern vorlügen, dass ich keinen Hunger habe oder aber auf Diät bin und verdünnisiere mich so schnell es noch geht.

Auf dem Pausenhof finde ich den Namenlosen.

Gerade stehe ich vor ihm und sehe ihm begierig sabbernd beim Essen eines Baguettes zu, da wirft er mir eine Tüte zu, die ich mehr schlecht als Recht fange.

Er hat mir ein Baguette mitgebracht!

„Für den ersten Schultag!“, antwortet er mir zwischen zwei Bissen.

Bald sitzen wir nebeneinander und essen unser Pausenbrot.

„Morgen komme ich mit zum Bäcker, also renn’ nicht wieder davon!“, ich sehe ihm in die Augen und er nickt nur.

Ob er mir noch böse ist wegen gestern?

In der Klasse habe ich wieder keine Minute lang meine Ruhe.

Dieses Mal schläft Namaeshi nicht, sondern er schreibt brav die Notizen von der Tafel ab, so wie es sich für einen braven Schüler gehört.

Ich hoffe nur, ich kann seine Notizen nachher abschreiben, denn vor lauter Zettelchen von Mitschülern komme ich zu nichts mehr.

Ich kriege mittlerweile sogar Warnungen vor dem armen Wesen, welches neben mir sitzt.

Man merkt schon, dass es in dieser Klasse eine Menge Arschlöcher gibt.

Und sie zählen mich dazu.

So wie sie mich sehen wollen als einer von ihnen.

Reich.

Hochnäsig.

Eingebildet.

Arrogant.

Dabei will ich das gar nicht mehr sein.

Ich kann noch nicht mal mit Namaeshi reden.

Irgendwer stört immer.

Er reißt sich auch nicht besonders darum.

Ich dachte, ich mache ihm eine Freude nach meinem Satz von gestern.

Am Nachmittag steht ein Raumwechsel bevor.

Keiner hat mir etwas gesagt und so stehe ich etwas bedröppelt da, als ich von der Toilette wieder komme und eine wie leer gefegte Klasse vorfinde.

Ich packe meine Sachen zusammen, bin wütend.

„Mit dem Lehrer ist jetzt alles geklärt, kommst du?“, ich erschrecke mich so sehr als ich die Stimme des Brünetten direkt hinter mir höre, dass ich gegen meinen Stuhl stolpere und umfalle.

„Wo kommst du denn so plötzlich her?“, frage ich hochrot und lasse mir aufhelfen.

„Na vom Physikraum! Ich soll dich holen!“

Ich folge ihm einfach.

„Bist du deshalb gleich losgespurtet um dem Lehrer zu sagen, dass ihr nen Neuen habt?“

Wir laufen einmal quer durch die gesamte Schule.

„Na ja, wie du vielleicht mitgekriegt hast, ist der Weg zu Physik echt lang und ich habe mich deshalb so beeilt, damit du in Physik und Bio neben mir sitzt. Selber Lehrer! Nur in Sozialwissenschaften müssen wir das noch regeln!“

Ich bleibe kurz stehen.

Muss dann lächeln.

„Und ich dachte schon du magst mich nicht mehr!“ und schon gehe ich wieder neben ihm her und spiele nervös mit meinen Haaren.

„Sorry, aber hier in der Schule bin ich so. Und die anderen sollen dich ja auch nicht gleich am ersten Tag hassen!“

Ich beschließe an seinem ersten Satz etwas zu ändern.

Aber erst später.

Wir kommen vor dem Physikraum an.

Nach kurzem Anklopfen und Vorstellen, sitze ich auch schon wieder.

Die lieben Mitschüler beäugen mich misstrauisch.

Da ich kein Buch habe, schaue ich in das von Namaeshi.

Es ist alt und schon zigmal benutzt worden aber es geht.

In der zweiten Stunde knallt mir plötzlich einer der Neureichen Schnösel sein Buch auf den Tisch.

„Hier, Yamato-san, du kannst mein Buch geschenkt haben. Dann musst du nicht mehr in dieses flohverseuchtes Buch gucken!“, sagt Mister Diplomatensohn Nummer 1.

„Nein danke, es geht schon so!“, antworte ich und lecke mir über die Oberlippe, um sie zu befeuchten.

„Lieber habe ich Flöhe, als in deinem Schneckenschleim qualvoll zu sterben…“, gebe ich schließlich noch schnippisch von mir und rücke noch dichter an den Brünetten.

Der Brünette zieht die Mundwinkel nur minimal hoch, während der Diplomatensohn guckt wie ein Auto.

Den Rest der Stunde kann ich sogar mal aufpassen.

Ich verstehe sogar einiges.

Der Namenlose erklärt mir auch bereitwillig die eine oder andere Sache.

Physik ist für heute unsere letzte Doppelstunde.

Wir packen zusammen.

„Wer holt dich denn ab, Yamato-sama?“, Mister Diplomatensohn Nummer 2.

„Keiner, ich gehe kurz ins Studio und fahre dann nach Hause.“

Hätte ich das doch bloß nicht gesagt!

„Oh, na wie wäre es denn, wenn ich dich hinfahren ließe und du mir das Studio zeigen würdest! Das wollte ich doch schon immer mal sehen!“

„Wenn du es sehen willst: Die Adresse von dem Studio steht in den Gelben Seiten und nun: Tschüß!“, Gott, wie mich diese Reichen nerven.

Namaeshi steht auf dem Gang und wartet auf mich.

„Du hattest Recht! Es sind Arschlöcher!“, schnaube ich genervt und trotte weiter.

Ich höre ihn leise lachen.

„Muss ich mir eigentlich auch erst die Gelben Seiten besorgen um dein Studio zu sehen oder reicht auch Google Earth?“, grinst er neben mir und schultert seine Tasche.

„Du kommst morgen einfach mit. Heute muss ich mit Akihito alle Details noch mal absprechen und morgen singst du einfach vor!“

Er nickt.

„Ich muss jetzt hier rechts!“, sagt er und ich rufe nur verdutzt zurück „Zum Heim geht’s aber hier links!“, doch er dreht sich nicht noch mal um für mich.

Er deutet auf seine Schuhe, deren Sohle sich jedes Mal deutlich ablöst, sobald er den Fuß hebt.

Er geht sich neue Schuhe besorgen.

In der Schule, der nächste Tag.

Er hat versucht sich besser anzuziehen, dass muss ich ihm lassen.

Neuere Schuhe hat er auch gefunden, allerdings ist die Farbe schon ziemlich rausgewaschen.

Auf meine Frage hin, woher er die Sachen hat, antwortet er nur leise, dass er sie aus dem Fundbüro hat.

Eine neue Kappe hat er auch gefunden, sie sieht sogar noch neu aus.

Die Mitschüler nerven mich immer noch ziemlich.

Doch in der Pause kann ich ihnen entkommen.

Namaeshi und ich holen uns vom Bäcker Brötchen und Käsekuchen.

Wie ich mitbekommen habe, hilft er samstags in der Bäckerei aus und darf sich dafür in der Woche dann immer etwas holen ohne zu zahlen.

Als wir am Nachmittag zu Sozialwissenschaften gehen, war ein Mitschüler schneller.

Prompt sitze ich neben Miss Immobilentochter und Miss Auktionärtochter.

Die schlimmsten zwei Stunden meines Lebens.

Nach dem Unterricht gehe ich mit meinem Freund gemeinsam zu meinem Studio.

Akihito empfängt uns unten, beäugt den Brünetten erstmal kritisch.

„Gehen wir doch in mein Büro, ja?“

Wir bekommen etwas zu trinken und Kekse.

Ich notiere mir in Gedanken, dass er gerne Kekse isst, da er sie so langsam und genüsslich verzehrt, als wäre es die letzten auf Erden.

„Du willst also Musik machen, Namaeshi, richtig?“, fragt mein Manager freundlich.

„Ich singe ganz gerne, ja…“, beantwortet der Brünette die Frage und futtert noch einen Keks.

„Okay, dann würde ich mal sagen, wir gehen kurz ins Tonstudio und hören mal was du zu bieten hast!“

Natürlich habe ich meinen Manager von den Umständen erzählt.

Im Studio angekommen sitzen Akihito und ich hinter der Glasscheibe, während Namaeshi in den Aufnahmeraum gebracht wird.

„Setz die Kopfhörer auf und stell dich frontal zu dem Mikrofon, dann spielen wir dir Musik ein und du singst einfach los!“

Noch etwas irritiert stellt sich der Angesprochene an das Ding, das weitentfernt an ein Mikrofon erinnert.

Die Musik spielt ein.

‚Crazy’ von Gnarf Barkley.

Ein schwieriges Lied, das er aber bestimmt locker schaffen wird.

„I remember when, I remember when I lost my mind!“, fängt er an und schließt die Augen.

Ich muss grinsen.

Eigentlich könnten wir jetzt schon aufhören, da er längst überzeugt hat, doch Akihito hat noch seine Tricks auf Lager.

Kaum ist das 1. Lied vorbei, gibt es eine Überleitung zu ‚Billionair’.

„I wanna be a billionair so f***ing bad! Buy all of the things I never had! Uh, I wanna be on the cover of Forbes magazine, smiling next to Oprah and the Queen!”, singt er fehlerfrei und so herrlich unbeschwert, dass man ganz automatisch anfängt mit dem Fuß im Takt zu wippen.

Ich bin zufrieden.

Mein Manager drückt schon panisch auf den Aufnahmeknopf, da das Gerät eine leichte Macke hat und die Aufnahme immer wieder unterbricht.

Als das Lied vorbei ist, öffnet der Brünette die Augen, zieht sich die Kopfhörer vom Kopf und sieht uns mit schief gelegtem Kopf an.

Ich zeige ihm den Daumen hoch und Akihito kämpft mit der Technik, die nicht so will wie er.

Wir fahren Mittagessen.

Kein superschickes Restaurant, ein einfacher Italiener um die Ecke tut es auch.

Namaeshi wird eingeladen.

Er hat ja auch kein Geld.

Es gibt Pizza und anschließend Tiramisu.

Der Brünette soll über sich erzählen.

Er erzählt, wie er ins Waisenhaus kam, wie sie ihn nannten, wie er auf die Schule kam und was er dort so macht, wie ich mich in sein Leben gedrängelt habe. Nur eines wundert Akihito: Wieso Namaeshis Haare ohne Gel so sehr abstehen!

Doch die Frage wird nur mit einem „Die waren schon immer so!“, beantwortet.

„Also gesanglich Tip-Top, natürlich müsste ich von euch beiden noch mal ein Duett hören und ich müsste mir mal anschauen, ob du tanzen kannst.“, lächelt mein Manager und bezahlt.

Also zurück zum Studio.

Dort sehen wir beide am Mikrofon und hören die Anfangsmelodie von dem Lieblingslied meines Managers: ‚Crazy little thing called love’ von Queens.

„This thing, called love, I just can’ t handle it!“, fange ich an und genieße es mal wieder singen zu können.

„This thing, called love, I must get round to it! I ain’ t ready! Crazy little thing called love!”, ende ich mit meiner ersten Strophe.

Jetzt ist er dran.

„This thing, called love, it cries in a cradle all night! It swings, it jives, it shakes all over like a jelly fish! I kinda like it! Crazy little thing called love!”, singt er noch leidenschaftlicher und tiefer als ich, doch es passt perfekt.

Die Dritte Strophe singen wir beide gemeinsam.

Er passt sich mir an und wir klingen einfach nur tierisch genial.

Akihito ist auch ziemlich zufrieden.

Gleich am nächsten Tag soll der Namenlose vortanzen, da es heute ziemlich spät geworden ist.

„Hat es dir heute Spaß gemacht?“, frage ich ihn auf unseren gemeinsamen Heimweg.

Er futtert schon wieder einen Keks.

„Doch, das war schon lustig. Besonders als Akihito getanzt und vergessen hat, dass wir ihn durch die Glasscheibe sehen können!!“, wir müssen beide lachen.

„In der Schule war es auch mal wieder seit langem lustig!“, fügt er leise hinzu.

Er zieht sich sein Kappy auf, nickt kurz mit dem Kopf in meine Richtung.

„Wir sehen und dann morgen und danke!“

Er geht.

Ich habe mich an seine Abgänge gewöhnt und gehe ebenfalls nach Hause.

Am nächsten Morgen haben wir gleich Mathe.

Ich hasse es.

Mies gelaunt betrete ich den Klassenraum, wo Mister Firmenkonzernsohn Nummer 1 gerade an Namaeshis Haaren zieht, als wolle er dessen Kopf gegen den Tisch schlagen wollen.

Kaum sieht mich das reiche Muttersöhnchen, lässt er den Brünetten los.

„Was ist denn hier los?“, frage ich meinen Freund und kriege gleich den nächsten Schrecken.

Er hat eine Platzwunde über dem linken Auge und es klebt ein zu kleines Pflaster über der Wunde.

Seine Lippe ist auch schon wieder aufgeplatzt.

„Wer war das?“, frage ich bedrohlich leise.

Wie sieht das denn aus, wenn er so zum Studio geht?

„Reg dich ab, das war keiner aus unserer Klasse und es verheilt doch auch schon!“, winkt er ab und holt sich seinen Block aus der Tasche.

„Wer war es dann?“, energisch reiße ich die Klebestreifen eines neuen, größeren Pflasters ab und klebe es an die Stelle von dem viel zu kleinen.

„Au! Das war nur einer aus meinem Heim, wir haben uns gestritten und dann geprügelt, keine große Sache!“

Grummelnd gebe ich mich mit dieser Antwort zufrieden, da auch der Unterricht gerade anfängt.

Als wir in der Pause zum Bäcker gehen, bin ich immer noch sauer!

„Warum prügelst du dich auch? Du weißt wie wichtig der Tag heute ist!“, schnauze ich ihn an.

„Weil mir der Kerl auf den Geist ging.“, ist die schlichte Antwort.

„Weshalb habt ihr euch wirklich geprügelt?“

„Er wollte wissen, wo ich so lange war und als er es wusste, wollte er meine Kette haben!“

Irritiert versuche ich etwas Derartiges an Namaeshis Hals zu finden, kann aber keine Kette erkennen.

Augen verdrehend holt er sich die kleine silberne Kette unter dem Shirt hervor.

„Das sieht eher aus wie ein Armband mit noch einer Kette!“, murmele ich und drehe sie herum.

„Das sind die Armbändchen, die Babys im Krankenhaus bekommen, wo dann ihr Name eingraviert wird. Meines war ja noch leer, aber ich habe es trotzdem behalten!“, erklärt er leise und steckt die Kette schnell wieder weg.

„Wahnsinn, was du für ein dürres Handgelenk hattest!“, necke ich ihn.

„Tja, damals war ich eben noch ein Keks mit abstehenden Haaren!“

Der restliche Tag verläuft ereignislos.

Am Nachmittag laufen wir durch den Regen zum Studio.

Er hat mir seine Kappe geliehen, damit meine Haare nicht so nass werden.

Akihito erwartet uns.

Kaum sieht er Namaeshi, muss sich der Arme eine Standpauke anhören, dass man sich als zukünftiger Star doch nicht einfach prügeln darf.

Der Namenlose nickt einfach nur.

„Gut, dann wollen wir mal ins Tanzstudio gehen, Ihr braucht aber vorher noch was Trockenes zum Anziehen!“

Das Tanzstudio ist dieser viel gesehene Raum mit den Spiegeln an der Wand.

„Welche Größe hast du?“, fragt ein Mitarbeiter und erntet von Namaeshi nur ein Schulterzucken.

„Vielleicht so was wie Größe M?“, antwortet er unsicher und sieht an seinen nassen Sachen herunter.

„Okay, dann zieh das schon mal aus, vielleicht finden wir ja was Schickeres für dich zum Anziehen!“

Namaeshi nickt und stülpt sich das Shirt über den Kopf, allerdings ist der Kragen etwas zu eng, wodurch er sich das Shirt eher vom Kopf reißt.

Dadurch, dass der Mitarbeiter anerkennend pfeift, werden auch Akihito und ich auf unseren Neuling aufmerksam.

Braun gebrannte Haut.

Die silberne Kette, die ihm fast bis zum Bauchnabel herunter hängt.

Und dann ist da dieser Ansatz eines Waschbrettbauches.

Warum hat mir keiner gesagt, dass er so gut durchtrainiert ist?

„Namaeshi, mein Guter, eben war ich ja noch ein wenig verärgert, aber das lässt mich doch schon wieder hoffen!“, lacht mein Manager und klopft dem Brünetten auf die Schulter.

„Was soll das denn heißen?“, fragt er irritiert und wringt sein altes Shirt aus.

„Du bist ziemlich gut durchtrainiert, das ist immer ein gutes Zeichen! Was machst du für Sport?“

Der Namenlose legt den Kopf schief.

„Fußball…“

Es erfolgt ein leichtes umstylen.

Der Brünette bekommt ein Shirt und Hemd, dass ihm endlich einmal passt und die Jeanshose zeigt nun auch deutlich, dass er einen ansehnlichen Po und wahre Fußballerwaden hat.

Er sieht jetzt schon ein bisschen mehr nach einem Star aus.

Der Choreograf zeigt ihm ein paar Tanzschritte, die er nachmachen soll.

Sie sehen okay aus, aber von Hocker reißen sie keinen.

„Ich habe eine andere Idee, Akihito!“, unterbreche ich irgendwann.

Ich werfe dem Brünetten einen Ball zu und stelle mich neben ihm.

„Wir machen es so, wie im Park!“, erkläre ich ihm.

„Selbes Lied?“, fragt er nur und bindet sich den Turnschuh neu zu.

„Dieses Mal zu ‚Dj got us falling in Love’, alles klar?“

Er nickt und schaut mir ein, zwei Takte zu, ehe er meine Tanzschritte nachmacht und beim 3. Mal versucht seinen Ball ins Ganze mit einzubringen.

Es sieht lustig aus, wie er den Ball auf und ab hüpfen lässt, sodass dieser ab und an ein paar Tanzschritte ohne Ball zulässt.

Mit ein bisschen mehr Übung wäre es der Perfekte Tanz, nur eben mit einem Fußball.

Da er von dem Lied nur den Refrain kennt, singe ich eben die Strophen und wir beide zusammen den Refrain.

Nach drei Stunden haben wir endlich alle überzeugt.

Wir werden gelobt und bekommen zu trinken.

„Wenn ihr was zu Essen wollt, wir haben auch einen Sandwichautomaten!“

„Habt ihr Kekse?“, kommt es prompt von unserem neuen Talent und alle müssen lachen.

Sehr zu unser allen Unmut zieht sich der Brünette auch wieder um.

Die Sachen wären ja eh nur ausgeliehen gewesen, sagt er.

Im Büro besprechen wir noch einmal alles.

„Also Gesang: mehr als Überzeugend! Tanz: etwas Verbesserungswürdig, aber hinzukriegen und an deinem Outfit müssen wir noch arbeiten. Genauso wie an deinem Namen!“

„Meinem Namen?“, fragt er mit vollem Mund und kratzt sich am Kopf.

„Ja, vor der Presse ist Namaeshi nicht so geeignet. Und ich weiß nicht, ob da nicht einige gemeine Kritiker wären, die dich an deiner Frisur versuchen würden zu zerreißen.“, überlegt unser Manager laut.

„Wie wäre es denn damit?“, frage ich siegessicher und setze meinem Brünetten sein Baseballcap auf.

„Perfekt!“, brüllt Akihito und schreibt sich gleich was auf.

„Und ein Name…. Namaeshi geht als Nachname, das klingt wie ein Künstlername, aber ein guter Vorname?“, überlegt unser Chef laut.

„Hans, Peter, Shinji, Klaus, Kai, Steffan, Yuki, Ken, Ludwig, Konstantin, Keisuke, August, Martin, Steffan, Toru, Momiji, Leonard, Michael, Ichigo, Daichi, ehm…“, listet Namaeshi einfach auf.

„Daichi? Ichigo? Da gefällt mir spontan nur das Ichi… Wie wäre es…“, schlägt Akihito vor und grinst.

Ich lasse mir den Namen durch den Kopf gehen.

Ichi klingt zwar wie eine Zeichentrickfigur, aber besser ist es allemal als Namaeshi.

„Ich bin dafür!“, werfe ich also ein.

„Ihr wollt aus einer Null eine Eins machen, wie bei den Computern? Damit wäret ihr die Ersten, die das machen wollen! Einverstanden!“

Irgendwie erinnert mich seine Aussage an die, als er meinte, ich wolle ihn wie einen Kaugummi im Supermarkt einkaufen.

Aber ich sage nichts weiter dazu.

„Also dann bist du ab jetzt: Ichi Namaeshi! Auf gute Zusammenarbeit!“, lacht Akihito und stößt mit seinen an Ichis Keks.

„Dann nenne ich dich ab jetzt also Ichi…“, sinniere ich auf dem Heimweg laut.

Er muss lachen.

„Du hast mich doch noch nie beim Namen genannt!“, lacht er und biegt ab.

Verwundert bleibe ich stehen und denke nach.

Er hat Recht!

Ich habe ihn noch nie mit Namaeshi direkt angesprochen.

War vielleicht auch ganz gut so.

Am nächsten Morgen stelle ich missmutig fest, dass ich meine Hefte vergessen habe.

„Morgen Ichi!“, murmele ich gähnend und setze mich.

„Morgen! Wir haben eine Freistunde!“, informiert er mich und grinst.

„Super, dann darf ich jetzt nach Hause rennen, um meine Schulhefte zu holen. Dann eile ich zurück und schaffe es gerade noch so zur 2. Stunde…“, genervt will ich mich auf dem Weg machen.

„Deine Hefte hast du doch gestern wegen des Regens in dein Pult gepackt. Schon vergessen?“

Ich sehe nach.

Tatsächlich liegen hier meine Hefte.

Erstaunlich.

„Setz dich hin und penn erstmal ne Runde bevor der Rest dich zulabert!“, rät mir der Brünette und streckt sich.

„Und was machst du?“, frage ich, während ich ein Gähnen unterdrücke.

„Mich auch erholen!“, seufzt er und scheint schon eingeschlafen zu sein.

„Wovon musst du dich denn erholen?“, murmele ich leise in meinen nicht vorhandenen Bart.

„Ich hatte gestern noch Putz- und Küchendienst…“, murmelt er genauso zurück.

„Für 200 Kinder? Respekt!“

„Bloß kein Mitleid, ehrlich!“

Wir lachen beide leise.

Irgendwie stehen nach dem Aufwachen vier dieser Reichen vor mir und beschließen mich voll zu quatschen.

Ich bin müde und genervt, weise sie ziemlich ruppig ab.

Ichi neben mir gähnt verstohlen.

„Warum können die mich nicht in Ruhe lassen?“, stöhne ich und lasse meinen Kopf erneut auf den Tisch fallen.

„Weil du ein Star warst, viel Geld hattest und weil du gut aussiehst, würde ich mal tippen!“, ist der Kommentar von links neben mir.

„Du sähest auch gut aus, wen du mal diese Schlabberklamotten loswerden würdest!“, ist mein Kommentar dazu.

„Die sind aus dem Heim oder aus der Fundgrube, besser als nichts!“, brummt er zurück.

„Wir müssen dir noch neue Sachen kaufen, erinnere mich dran!“, gähne ich.

„Akihito will heute ins Heim kommen und fragen, ob ich darf. Dann wird alles ausgehandelt. Ich glaube aber noch nicht, dass die mich wirklich singen lassen!“

„Du musst, sonst bin ich traurig!“, protestiere ich und ernte ein schiefes Lächeln.

„Wir werden ja sehen…“
 

Den restlichen Tag verbringe ich mehr vor mich hindösend als wach.

Wäre Namaeshi nicht da gewesen, wäre ich völlig eingeschlafen und hätte nicht mal Notizen gehabt.

Er hat mich sogar die Matheaufgaben abschreiben lassen.

In der Pause gehen wir zum Bäcker, wie immer.

Als wir zurückkommen, erwartet mich schon Mister Firmenbosssohn Nummer 2.

„Hey, ich habe gehört, du planst ein neues Album? Wann kommt es denn heraus?“

Schnell bildet sich um mich eine kleine Traube, aus welcher Namaeshi mal wieder ausgestoßen wird.

Anstatt auf mich zu warten, geht er weiter, hinein in die Schule.

Ich werde in der Zwischenzeit mit Fragen gelöchert.

Ich versuche bloß alles schnell hinter mich zu bringen, werde erst durch das Klingeln erlöst.

Schnell sprinte ich in unser Klassenzimmer.

Er sitzt noch nicht an seinem Platz.

Die Stunde fängt an und er ist immer noch nicht da.

Ich mache mir Sorgen.

Erst die nächste Stunde ist er wieder da.

Auf meinem fragenden Blick bekomme ich keine Antwort.

In der nächsten Pause frage ich ihn.

„Wo warst du?“, ich zerre ihn am Arm hinter mir her bis zum Dach unserer Schule.

„Ich war im Lehrerzimmer!!“, gesteht er schließlich und tut so, als wäre alles glasklar.

„Und was hast du da gemacht? Hättest du nicht wenigstens mal Bescheid sagen können?“, ich stemme meine Arme in die Hüften und sehe ihn wütend an.

Er lehnt sich an die Wand.

„Der Lehrer hat mich auf dem Flur getroffen und wollte mit mir reden!“, beginnt er.

„Ging es etwa darum, dass du immer verprügelt wirst?“

Verwundert sieht er mich an, ehe sein Blick spottend wird.

„An dieser exklusiven Schule wird doch niemand verprügelt! Nein, es ging eher darum, dass ich keine Unruhe stiften soll, schließlich sollte ich der Schule dankbar sein, dass ein Heimkind hier unterrichtet werden darf.“

Ich fasse mir an den Kopf.

Das kann doch wohl nicht wahr sein!

Ich setze mich neben ihn.

„Das ist doch alles total bescheuert!“, fluche ich und wünsche mir eine Zigarette.

„Da sprichst du ein wahres Wort!“, stimmt er mir zu und schaut hoch in den Himmel.

„Ich will gar nicht wissen, was passieren wird, wenn du ein Star geworden bist!“

Ich höre ihn nur neben mir brummen.

„Ich habe Akihito gesagt, dass er niemanden informieren soll, wer ich bin. Nicht die Schule oder sonst wem. Dass ich aus dem Heim bin soll auch weiterhin geheim bleiben!“

Ich springe auf.

„Aber wieso denn das?“

Er könnte es so viel einfacher haben.

Er könnte geachtet und bewundert werden.

„Weil ich nicht will, dass sich nachher einer mit fremden Federn schmückt, deshalb. Weder die Schule, die ‚mein Talent ja von Anfang an gefördert hat’, noch das Heim, ‚dass schon immer wusste, dass ich für Größeres geboren wurde’!“

Es riecht nach teurem, ekelhaftem Parfüm.

Der Wind kommt auf.

Fegt den üblen Geruch einfach weg.

„Ich verstehe das ja, aber wie soll das laufen? Wenn wir zur Schule gehen wird doch jeder wissen, dass ich in einer Band singe! Du kannst dich doch nicht verstecken!“

Er sieht mich an.

„Ich trage einfach immer mein Kappy bei Auftritten, selbst wenn einer mein Gesicht erkennt, wird doch niemand glauben, dass der Namenlose mit dir in einer Band singt!“

Ich stehe auf.

Bin zum ersten Mal enttäuscht von ihm.

Dass er der Welt nicht sein ganzes Ich zeigen will.

Dass er alles wie immer alleine bewältigen will.

Was wird sich schon ändern, wenn er ewig vorgibt der alte Namaeshi zu sein?

Man wird ihn weiterhin verprügeln und ins Lehrerzimmer rufen.

Im Heim bekommt er die Drecksarbeit zugewiesen.

„Mach doch, was du willst…“, gebe ich frustriert von mir und gehe wieder in unseren Klassenraum.

Ich kann ihn ja verstehen, dass er nicht will, dass jemand anderes die Lorbeeren kassiert.

Ich kann ihm da keine Vorwürfe machen.

Schließlich ist es sein Leben.

Die folgenden Stunden reden wir nicht mehr miteinander.

Wir folgen dem Unterricht.

Ich versuche den Gesprächen der Mitschüler aus dem Weg zu gehen oder sie zumindest so kurz wie möglich zu gestalten.

Als wir aus haben, folge ich ihm einfach.

Kurz vor dem Heim steigt auch schon Akihito aus seinem Wagen und winkt uns zu sich.

„Alles klar ihr Zwei?!“, fragt er vergnügt.

Wir nicken.

Schnell ist die Stimmung kühl.

Wir gehen ins Heim, laufen den Korridor hinab, und stehen vor der Tür mit der Aufschrift ‚Büro’.

Namaeshi klopft an, lässt erst mich und dann unseren Manager eintreten.

Die Heimleiterin begrüßt uns herzlich, sagt aber im selben Satz streng zu Namaeshi „Du gehst auf dein Zimmer und bleibst dort!“.

Er gehorcht und ist bald darauf verschwunden.

Mein Manager erklärt der Heimleiterin unser Vorhaben.

Es dauert etwa 15 min, da seufzt sie und setzt ihre Brille ab.

„Ich verstehe ihre Argumente, aber meine Erlaubnis bekommen Sie nicht. Der Junge stellt soviel Blödsinn an und benimmt sich so oft rücksichtslos, dass ich ihn jetzt nicht dafür belohnen werde!“

Allen Überredungskünsten trotzt sie.

„Solange Namaeshi in meinem Haus wohnt, wird kein Sänger aus ihm werden!“, sagt sie noch mal in aller Deutlichkeit.

Plötzlich hören wir ein Poltern und Krachen, einen lauten Fluch und einen Streit.

Wir drei folgen dem Lärm, stoßen fast mit meinem Braunhaarigen zusammen, der rot vor Zorn mit einem Koffer die Treppe hinunter eilen will.

Sein Schulhemd ist am Kragen zerknittert und ein paar Knöpfe wurden ihm ausgerissen.

Zudem hat er ein paar blutige Kratzer unterhalb vom Hals.

„Wo wollen wir denn hin, junger Mann?“, fragt die Heimleiterin streng.

„Ich gehe weg von hier! Mir reicht es endgültig!“, fluchend verlässt er das Heim, knallt die Türe zu, sodass ein Kreuz von der Wand fällt.

Einen Moment noch fassungslos sehen Akihito und ich uns an.

Die Heimleiterin betritt währenddessen Ichis ehemaliges Zimmer: Ein karg eingerichtetes, nun chaotisches, kleines Zimmer

„Wollen sie ihm gar nicht hinterher?“, fragt mein Manager.

Ein Junge mit geschwollenem Handgelenk jammert neben der Frau, dass der brutale Namaeshi ihn grundlos verprügelt habe.

„Der kommt schon wieder, wenn er merkt, dass er nirgendwohin kann!“

Die Kälte in ihrer Stimme versetzt mir einen Stich im Herzen.

Ich weiß ganz genau, dass der Brünette niemals wieder zurück kommen wird.

Niemals.

Und es ist dieser Frau egal.

Ich drehe mich um und verlasse schleunigst das Heim.

Habe plötzlich das Gefühl keine Luft mehr zu kriegen.

Auf der Straße sehe ich mich nach meinem Freund um, aber von ihm ist nichts zu sehen.

Akihito und ich suchen ihn stundenlang, auch als es dunkel wird.

„Wir müssen ihn finden, Akihito!“, keuche ich und bin außer Atem.

„Wo könnte er denn noch sein, verdammt!“

Ich denke nach.

„Vielleicht ist er im Park neben dem Studio?“

Wir fahren los.

Die Fahrt kommt mir länger vor, als sie ist.

Ich versuche mir zusammenzureimen, was in seinem Zimmer passiert ist.

Warum hatte er diese Kratzer und war so wütend?

Wann war er überhaupt schon einmal so wütend?

Was ist passiert?

Im Park angekommen laufe ich vor.

Wie in einem furchtbar kitschigen Film sitzt er da auf der Bank und schaut sich bekümmert auf die Hand.

Wir rennen zu ihm.

„Mensch Ichi! Wir suchen dich schon überall!“, rufe ich und muss erstmal wieder zu Atem kommen.

„Hi…“, grüßt er tonlos zurück und setzt sich gerade hin.

„Was ist denn passiert?“, fragt unser Manager nach und setzt sich links neben ihn.

„Was ist denn das?“, fragt er weiter und fischt aus Ichis Hand die kleine Kette ohne Namen-

Sie ist zerrissen.

Und die längere Kette drum herum ist auch zerstört.

„Toru und ich haben wieder gestritten und er hat sie kaputt gemacht!“, flüstert der Brünette leise und nimmt seinen wertvollsten Besitz wieder an sich.

„Kennst du einen, der das repariert?“, fragt er mich und hält mir die Kette hilflos hin.

Ich lächle.

Setze mich rechts neben ihn.

„Das kriegen wir schon wieder hin…“

Akihito räuspert sich.

„Es ist spät. Wir sollten jetzt zurück und-“ „Ich gehe nicht zurück!“, poltert der Namenlose und ist von einer Sekunde auf die nächste wieder rot vor Zorn im Gesicht.

„Ich hab gesagt, die sehen mich nie wieder und dabei bleibt es auch! Und wenn ich unter der Brücke schlafe, es ist mir egal!“

Ich lege meine Hand auf seine Schulter und versuche ihn zu beruhigen.

Unser Manager seufzt einfach nur kellertief.

„Du kommst einfach erstmal zu mir und dann sehen wir weiter…“, ich nehme seinen Koffer.

Er sieht mich mit schief gelegtem Kopf an-

„Geht das denn so einfach?“

Auch unser Manager steht nun auf und wischt sich den Dreck von seiner Hose.

„Hier bleiben kannst du nicht und bei Yamato sollte genügend Platz sein!“

Also gehen wir zum Wagen.

Steigen ein und fahren los.

Namaeshi starrt nachdenklich auf seine Kette, die ganze Zeit, die ganze Autofahrt lang.

„Wir bringen das schon wieder in Ordnung! Morgen bringen wir sie zu jemand, der sie dir reparieren kann. Da können wir auch gleich eine neue Kette für dich kaufen, die alte war viel zu lang, die ging dir ja bis zum Bauchnabel!“

„Mhm, okay… Ich hoffe, die Kette kann repariert werden!“

Bei mir angekommen, lässt Akihito uns raus.

In meiner Wohnung duscht Ichi erstmal, während ich das Essen fertig mache.

Es gibt Pizza.

Seinen Koffer habe ich neben die Couch gestellt.

Ich habe nur eine zwei Zimmer Wohnung, also muss er auf der Couch schlafen.

Als er vom Duschen wiederkommt, sieht er mal wieder geknickt aus.

Diese Kette bedeutete ihm wirklich viel.

„Ich hoffe du magst Pizza Hawaii!“

Er nickt nur, fängt an zu essen.

Seufzend lasse ich ihn in Ruhe.

Wir essen gemeinsam, wünschen uns eine Gute Nacht und legen uns dann Schlafen.

Der Tag lief heute nicht so gut.
 

Am nächsten Morgen weckt er mich.

Fragt, ob ich Nadel und Faden habe.

Er müsse seine Hemdknöpfe wieder annähen.

Tatsächlich sitzt er nachher da und fängt an die Knöpfe ans Hemd zu nähen.

In seinem Koffer sind keine Kleider.

Bücher, Hefte, alte Poster und Krimskrams, den er gefunden hat.

Kleider besitzt er keine.

Die, die er hatte, gehörten dem Heim.

Sie lagen in einem großen Raum, wo sich jeder seine Wäsche hole konnte und wieder abgeben musste.

Am liebsten hätte ich ihm Sachen von mir gegeben, aber da er gute 10 cm größer ist als ich, war es mein Wunschdenken.

So ging er mit dem gleichen Hemd wie am Vortag zur Schule.
 

In der Schule läuft es auch nicht besonders.

Die anderen haben natürlich bemerkt, dass er die gleichen Sachen wie am Vortag an hat und ziehen ihn damit auf.

Nicht mal seine Eins in Physik konnte ihn aufmuntern.

Wir haben kaum ein Wort miteinander gewechselt.

Nach der Schule gehen wir zu einem Juwelier.

Der Mann sah sich die zerrissene Kette genau an.

Er könne das Armband reparieren und eine neue Kette an das Armband hängen, so sagte er.

Als es um die Frage des Bezahlens geht, verspannt sich Namaeshi.

Erst bietet er an, die Kette abzuarbeiten.

Der Juwelier will aber nicht.

„Ich bezahle!“, werfe ich irgendwann leise ein und halte den Mann meine Kreditkarte hin.

Er verschwindet mit Kette und Karte ins Hinterzimmer.

„Bevor du meckerst, Ichi: Das Geld kannst du mir wiedergeben, wenn wir unseren ersten Lohnscheck erhalten haben, also hör auf dir Sorgen zu machen!“

Sprachlos sieht er mich an.

Er wird sogar ein bisschen rot.

„Danke…“, nuschelt er mir zu und sieht sich besonders interessiert den Schmuck im Laden an.

„Wir müssen dir ja eh noch ein paar Dinge besorgen! Klamotten zum Beispiel!“, erwähne ich am Rande.

„Ich kann auch zur Fundgrube gehen und mir da was holen!“, ist seine Antwort, die mir definitiv nicht gefällt.

„Nix da! Vorbei die Zeit der Schlabberklamotten! Akihito hat mir den Auftrag gegeben, dass ich dir was Cooles besorge!“, lüge ich ohne rot zu werden.

„Ich kann das doch gar nicht bezahlen und ob das auch jetzt noch was mit der Band wird, weiß ich doch auch nicht!“

„Wieso sollte es nicht gehen? Du bist aus dem Heim raus und nun dein eigener Herr!“

„Ich hab ja nicht mal einen Schlafplatz!“, murmelt er ärgerlich, da wir hier im Laden doch keinen Streit beginnen wollen.

„Dann ziehen wir eben gemeinsam in eine WG! Ist sowieso besser für die Band, da kann man sich besser absprechen und die Termine festlegen!“

Mit großen Augen sieht er mich an.

„Und wie denkst du, soll ich die Miete bezahlen? Ich verdiene doch noch nichts!“

Grinsend klopfe ich ihm auf den Rücken.

„Gib mir für den Anfang Nachhilfe in Mathe! Da komme ich nämlich nicht mehr mit!“, ehe er etwas erwidern kann, ist der Juwelier wieder da und will die Kette, die wesentlich kürzer und schöner geworden ist, mal anprobieren.

Endlich sitzt die Kette am Hals und nicht am Bauchnabel.

Und die kleine, silberne Kette mit dem ungravierten Plättchen wird auch schön betont, als wäre sie besonders wertvoll.

„Ist es so in Ordnung?“, frage ich den Brünetten, der sich gerade im Spiegel betrachtet.

„Die sieht toll aus!“, informiert er uns und zaubert den Anwesenden ein Lächeln auf die Lippen.

Ich bezahle, während er noch immer seine Kette bestaunt.

Draußen vorm Laden strahlt er richtig.

„Danke, Yama!“, quietscht er vergnügt und läuft etwas voran.

„Ach, jetzt habe ich richtig Lust zu singen!“, redet er mit sich selbst und wirft dabei die Schultasche über den Rücken.

Wir gehen in den Park und genießen das Wetter.

„Wenn du unbedingt singen willst, wie wäre es, wenn wir ins Studio gehen würden?!“

Euphorisch hüpft er hoch, nimmt meine Hand und läuft zum Studio!

„So gefällt mir das!“, lache ich nur.

Zehn Minuten später sitzen wir im Tonstudio mit Kopfhörern auf den Ohren.

„One, two, three, four, five,

Everybody in this car, so come on let’s ride

to the liquer- store around the corner.

The boys say they want some gin and juice,

But I really don’t wanna!”, singt er los und wippt munter mit dem Fuß im Takt.

„Beerbust like I had last week,

I must stay deep,

Because talk is cheap!

I like Angela, Pamela, Sandra and Rita and as I continue

You know, they are getting sweeter!”, singe ich weiter und lasse mich ein bisschen anstecken von seinem Wippen.

„So what can I do I really beg and you my Lord,

To me flirting it’s just like a sport!

Anything fly, It’s all good let me dump it!

Please set in the trumpet!”, er kann kaum ruhig auf seinem Stuhl sitzen.

Und das wegen einer Kette!

„A little bit of Monica in my life!

A little bit of Erika by my side!

A little bit of Rita is all I need!

A little bit of Tina is what I see!

A little bit of Sandra in the sun!

A little bit of Mary all night long!

A little bit of Jessica, here I am!

A little bit of you makes me your man!”, singen wir gemeinsam.

Als wir fertig mit dem Üben sind, winkt uns Akihito gerade zu sich.

„Na ihr zwei? Hattet ihr Sehnsucht nach mir?“, fragt er grinsend und bringt uns etwas zu trinken.

„Ja, furchtbare!“, erwidere ich sarkastisch.

Ichi lacht.

„Ihr zwei scheint gute Laune zu haben!“

„Meine Kette wurde repariert, schau mal!“, manchmal klingt der Namenlose wie ein kleines Kind.

Wir plaudern eine Weile.

Ich erkläre Akihito, dass Ichi erstmal bei mir bleiben wird und dass wir uns um seine Klamotten auch noch kümmern werden.

„Wie wäre es, wenn wir jetzt zu dritt losgehen würden? Dann können wir in der Stadt noch einen Happen essen und auf uns anstoßen!“, schlägt unser Manager vor.

„Bin dafür!“, brüllt der Namenlose gleich los.

Er ist wirklich überglücklich.

Und irgendwie macht es mich auch glücklich.

Gemeinsam fahren wir in die Stadt.

Kaufen ein.

Essen gemeinsam.

Und schmieden Zukunftspläne.

Die Idee von einer WG gefällt unserem Manager sehr.

Er will sich sofort um eine geeignete Wohnung kümmern.

Genauso wie er mit der Schule abklären will, dass Ichi nun Schulgeld wie jeder andere zahlt.

Den ganzen Abend lacht und grinst der Brünette.

Es ist ein ziemlicher Wechsel von dem ernsten Jungen, ohne Namen und viel unterdrückter Wut im Bauch zu diesem ausgelassenen Strahlemann.

Aber das Lächeln steht ihm.

Damit haut er bestimmt eine Menge Fans um.

Als es so langsam dunkel wird, fahren wir zu mir Heim.

Wir erledigen unsere Hausaufgaben, putzen uns die Zähne und fallen hundemüde ins Bett.

Am nächsten Tag werde ich schon wieder von Ichi geweckt.

Weil er sich nicht entscheiden kann, was er anziehen soll.

Frisch rausgeputzt betreten wir die Schule und genießen dieses Mal das Gefühl, wie sie uns alle hinterher gucken.

Es herrscht ein stetiges Raunen und Flüstern.

Die aus unserer Klasse lassen sich aber nichts anmerken.

Sie tun immer noch so, als hätte Ichi irgendwelche abgetragenen Fummel an.

Mich nerven sie mit Diskussionen-, in die ich mich auch noch einbringen soll-, über Namaeshis neusten Beruf: Bettler in normalen Klamotten. So bekäme er vielleicht mehr Geld.

Bei manchen heißt es sogar, er sei ein Stricher geworden.

Es ist eigentlich eine Frechheit, dass so was sich fortpflanzen darf und dabei meine ich die reichen Schnösel aus meiner Klasse.

Nach zwei Sätzen der Diskussion, wende ich mich schon mit den netten Worten ‚Ihr könnt mich mal!’ ab.

Die Bäckerin ist freundlicher.

Sie lobt Ichi und freut sich aufrichtig für ihn.

Ich gebe der Frau Trinkgeld.

Nach der Schule geht Ichi wieder zu seinem Fußballverein, bei welchem sie ihn eh nie mitspielen lassen.

Tatsächlich kickt er den Ball nur gegen einen Baumstamm anstatt zu spielen.

Ich sitze auf der Tribüne und brüte über meinen Mathehausaufgaben.

Mir scheint, dass ich die Nachhilfe dringender brauche, als ich zuvor gedacht habe.

Mein Privatlehrer hat wohl ein paar Kapitel Algebra ausgelassen.

„Yama, wir können jetzt gehen!“, ruft mir vom Spielfeld der Braunhaarige zu und erlöst mich von Mathe.

I sang with him

I sang with him
 

Am nächsten Tag schauen wir uns Wohnungen an.

Da wir nicht übertreiben wollen, wie ein gewisser blonder Sänger zuvor, suchen wir eine Drei-Zimmer-Wohnung.

Es dauert nicht lange, da haben wir uns schon entschieden.

Ichi ist nun mal ein Freund schneller Entscheidungen.

Akihito informiert uns noch, dass Ende der Woche unser erstes Lied einstudiert werden soll.

Also üben wir beides das Singen, jeden Tag nach der Schule, weil wir es nicht abwarten können.

Ich zeige dem Brünetten ein paar Tanzschritte und er nimmt sie auch bereitwillig an und lernt sie.

Unsere Vorbereitungen laufen gut.

Es erstaunt mich, wie viel Energie der Brünette an den Tag legt.

Wäre er noch im Heim, wäre das wohl nicht auszudenken gewesen.

Wir sind Freunde geworden.

Ich habe ihm sogar von früher erzählt, wo ich noch bei meinen beiden Eltern lebte.

Wie ich so war und so.

Er hat mir zugehört, auch als ich ihm warnend erzählt habe, wie ich mir meine Karriere kaputt gemacht habe.

Es kostete mich zwar einiges an Überwindung, aber im Nachhinein fühle ich mich jetzt besser.

Es ist seltsam sich dem anderen anzuvertrauen.

Habe ich bisher ja auch nie gemacht.

Mit dem Namenlosen habe ich wohl nie gerechnet, ein Freund, der dir einfach nur zuhört.

Wir unterstützen uns gegenseitig.

In der Schule ignorieren wir alles und die Welt.

Gut, mich nerven sie trotzdem weiter, aber weniger als zuvor.

Bald wollen Ichi und ich umziehen, aber wir beeilen uns nicht.

Erstens habe ich drei Monate Zeit zum Ausziehen und zweitens haben wir keinen Bock auf Stress, wenn wir gleichzeitig ein Musikvideo produzieren.

Am Freitag geht es dann auch erst richtig los.

Erst müssen wir unsere Interpretation des Songs darstellen, dann vorsingen und geben uns allergrößte Mühe dabei.

Zusammen mit dem ganzen Team feilen wir an den Feinheiten.

Dann überlegen wir, wie das Video sein soll.

Viel Tanzchoreographie traue ich Ichi noch nicht zu.

Und alleine kann ich auch nicht das ganze Video über tanzen.

So überlegen wir.

Da unser Lied ein richtiges Tanzlied ist, ohne wirkliche Geschichte, müssen wir den Leuten schon etwas bieten.

Irgendwann raucht uns allen der Kopf.

Wir brauchen eine Pause.

Ich gehe mit Ichi in den Hinterhof, würde am Liebsten eine Zigarette rauchen.

Schade, dass ich aufgehört habe.

Frustriert sehe ich auf meine Füße, ehe mich ein vertrautes Geräusch aufblicken lässt.

Eben noch hat er aus der Dose getrunken, jetzt muss sie als Ballersatz herhalten.

Wieder einmal spielt er Fußball.

Fußball?

„Ichi, du bist ein Genie!“, rufe ich ihm zu und eile wieder hinein ins Gebäude.

Sein „Hä?“ habe ich einfach überhört.

Im Studio suche ich unter den Requisiten nur eines: einen verdammten Fußball.

Klar, er kann nicht so gut tanzen wie ich, aber er kann um Längen besser mit dem Fußball tanzen als irgendwer!

Meine Lösung stößt auf Beifall und wieder ein „Hä?“, welches wieder einmal von dem Brünetten kommt.

So erarbeiten wir seine eigene Choreographie.

Es dauert insgesamt vier Tage, dann steht das Konzept.

Und ich bin stolz drauf!

„Ich brauche eine Pause!“, jammert Namaeshi und lässt sich nach hinten fallen.

Seine Schuhe sind schnell ausgezogen.

„So ist es besser!“, lacht er.

Vielleicht bilde ich mir das nur ein, aber ich glaube, dass seine Socken dampfen.

„Nach dem Video hast du garantiert keine Lust mehr auf Fußball!“, grinse ich und lehne mich an die Wand.

„Auf Fußball schon, aber aufs Tanzen nicht mehr!“, seufzt der Brünette und trinkt seinen Apfelsaft leer.

„Du wirst aber noch länger Tanzen müssen!“

„Soweit ich das verstanden habe, müssen wir, nachdem die Single erschienen ist, viele Show-Auftritte machen und fleißig die Werbetrommel wirbeln. Das heißt, ich muss nicht nur tanzen!“, erklärt Ichi und atmet tief ein.

„I’m gonna be a bilionair, yes indeed I will…“, singt er fröhlich und dichtet sich seinen eigenen Text zusammen.
 

Endlich.

Der langersehnte Tag ist gekommen.

In fünf Minuten läuft zum ersten Mal unser neues Video im Fernsehen.

Erst gestern noch haben wir eine Probe unseres Gesanges in den Örtlichen Radiosender abgegeben und nun soll man uns tanzen sehen!

Ich habe zwar höchstwahrscheinlich diese Woche meine Mathe- und Bioarbeit verhauen, aber es könnte mir nicht egaler sein.

Ichi neben mir fragt schon ständig wie viel Uhr es ist und futtert Kekse.

Dann endlich ist es 12 Uhr.

Zuerst sieht man mich und ein paar Backgroundtänzer, wir tanzen normal und ich singe dabei.

Meine Sachen sind-, bis auf das Hemd-, weiß, nur mein blaues Hemd hat die passende Farbe zu meinen Augen.

Im Hintergrund sieht man eine Großstadt und einen Park.

Wir tanzen.

Die erste Strophe vergeht.

Bis hierhin ist das Video ein bisschen langweilig.

Nach der ersten Strophe kommt kein Refrain.

Mit einem Ball grätscht der liebe Ichi vor mir vorbei und bremst erst auf einem kleinen Hinterhof.

Seine Klamotten sind blau, nur sein Shirt ist weiß.

Sein Kappy verdeckt perfekt seine Haare und lässt eigentlich nur seine Nase und seinen Mund sehen.

Er steht mit dem Ball auf und grinst breit.

Er drippelt erst mit dem Ball, lässt ihn über seinen Rücken und seine Arme wandern, währenddessen singt er auch.

Er gibt ein bisschen an.

So war unser Plan.

Plötzlich springt er hoch, macht einen Rückwärtssalto-, passend schreit jemand in dem Moment ‚Jump!’-, landet und fängt an mit seinem Ball zu spielen, so wie er es schon bei unserem ersten Treffen im Park gemacht hat.

Er fängt an zu tanzen, ich laufe ins Bild.

Sehe ihn erst verärgert an, ehe ich-, der Refrain setzt ein-, mittanze und singe.

Dabei habe ich natürlich keinen Ball.

Die nächste Strophe fängt an.

Ichi stellt sich wieder grinsend vor mich mit dem Ball unter dem Arm.

Ich versuche ihm den Ball abzunehmen, er wirft ihn hoch und lässt ihn auf den Schirm seiner Mütze landen, wo der Ball erstmal auch bleibt.

Als ich beleidigt aufgebe, stößt der Brünette den Ball hoch und schießt ihn in einen Basketballring am anderen Ende des Hofes.

Der Refrain setzt wieder ein.

Dieses Mal tanzen wir beide ohne Ball und scheinen uns vertragen zu haben.

Am Ende des Liedes legen wir noch mal richtig los.

Wir hören auf zu singen, ich wende mich schon lachend ab, da stolpert Ichi fast über seine eigenen Füße, bleibt aber stehen.

Ein Close-up zu seinem Gesicht.

Er legt den Zeigefinger auf die Lippen und grinst breit.

‚Das bleibt unser Geheimnis, nicht wahr?’ ist die Botschaft an unsere Fans.

Das Video ist vorbei.

Irgendein anderes Lied fängt an.

Ichi und ich springen auf, jubeln, hüpfen auf dem Sofa auf und ab, benehmen uns wie Zweijährige.

Unser Lied ist der Hammer!

Die harte Arbeit hat sich wirklich gelohnt.

Wir lesen die ersten Sms von unserem Team, die alle positiv sind und uns gratulieren.

Unser Lied sehen wir uns an dem Tag noch 36 Mal an.

Jedes mal grinsen wir breit, wollen mit Einsetzen der Melodie gleich mit unserer Choreographie anfangen.

Zum Glück sind Ferien!

Am Abend haben wir nämlich noch einen Show Auftritt.

So etwas wie ‚Wetten, dass…?’.

Es ist nichts außergewöhnlich Tolles.

Aber wir müssen uns eben zeigen.

Wir tanzen zu unserem Lied, besonders kniffelig wird es für Ichi natürlich bei den Stellen, die nicht so wie im Video laufen.

Er kann nicht reingegrätscht kommen, kann den Ball nicht irgendwohin in einen Basketballkorb schießen und ihn auch nicht plötzlich verschwinden lassen.

Genauso seine Botschaft am Ende des Liedes, die muss leider ausfallen.

Nach dem anstrengenden Tanzen und singen folgt die Befragung.

Nichts Großartiges.

Ich übernehme meistens die Führung, da ich einfach mehr Erfahrung habe bei so was.

Ichi ist und bleibt bei einigen Fragen geheimnisvoll, zeigt sich nie ohne seine Mütze und nimmt sie auch nicht ab, egal wie sehr man bittet.

Dafür ist er für jeden Spaß zu haben.

Mit dem Typen aus ‚Wetten, dass…?’ tanzt er nachher den Twist, während ich mich auf dem Sofa nur kaputt lache.

Er ist eben der nette Junge von nebenan.
 

Die erste Woche sind wir jeden Abend in einer Show.

Die Verkaufszahlen unserer Single steigen.

Die Zeitschriften reißen sich um uns.

Besonders über Ichi will man mehr erfahren, aber meistens erfährt man nur Belangloses von ihm.

Akihito hat da ein gutes Auge drauf.

Genauso achtet er darauf, dass wir nicht von Paparazzi verfolgt werden.

Wir müssen auch weiterhin zur Schule gehen, gute Noten schreiben und erst dann kommt das Studio, die Band, die Musik, die Promotion.

Wann immer ich meine ein bisschen abzuheben, oder aber in mein altes Muster zu verfallen, gibt mir Ichi eine Ansage, die mich wieder ausbremst.

So bleibe ich auf den Teppich.

Als ich einmal nur grüne Gummibärchen verlangte als Snack in der Umkleide hat er mir die Tüte Gummibärchen auf den Tisch geknallt und gemeint, ich solle mich selbst an die scheiß Arbeit machen die Grünen rauszusuchen.

Dank ihm habe ich auch nicht wieder mit dem Rauchen angefangen, obwohl es mich oft in den Fingern gejuckt hat.

Die reichen Schnösel unserer Schule prügeln sich um meine Aufmerksamkeit.

Sie wollen wissen, wer mein Partner ist-

Namaeshi sitzt meistens nur da und grinst.

Übrigens: Das Geld für die Kette und die Klamotten hat uns der Brünette schon wieder zurückgezahlt.

Da wir viele Singles verkauft haben, haben wir auch dementsprechend gut verdient.

Nächsten Monat kann er schon zum ersten Mal die Miete allein bezahlen.

Dann will er sein Geld aber sparen, hat er gesagt.

Wofür genau, das weiß er noch nicht.

Aber es wäre immer gut etwas auf der hohen Kante zu haben.

Ich spare auch.

Auf einen Urlaub.

Habe Ichi heute gefragt, ob er mitgehen würde und wir sind uns einig geworden, dass wir nach Kanada fahren wollen.

Er hat mir versprochen, dass wir danach vielleicht mal ans Meer fahren und einen Strandurlaub machen, aber dieses Mal wollte er nicht.

Ungewöhnliche Orte zu besuchen ist seine Leidenschaft.

Es macht einfach Spaß mit ihm.

Wir verstehen uns auch blendend.

Manchmal geht er mir schon auf die Nerven, wenn er so kleinkariert und stur ist.

Aber das ist eben seine Art.

In der Schule ist er immer derselbe.

Er wird auch immer noch schikaniert.

Letzte Woche haben sie ihm erst Reißzwecke in die Schultasche geworfen.

Schade nur, dass ich genau an diesem Tag einen Keks aus seiner Tasche haben wollte.

Die Lehrer machen nichts.

Das wird sich wohl auch nie ändern.

Was die wohl täten, wenn sie wüssten, wer in meiner Band noch so ist?

Wahrscheinlich hat Ichi recht: Sie würden es ihm gar nicht glauben.

Auch nach vier Wochen ist unsere Band die beliebteste.

Wir verkaufen Platten.

Sehen jeden Morgen einen neuen Artikel in einer Zeitung von uns.

Geben Interviews.

Besuchen Shows und Radiosender.

Üben im Studio.

Geben Pressekonferenzen.

Halten unser Privatleben streng geheim.

Ach ja und Ichis Haare und sein ganzes Gesicht, das bleibt auch geheim.

Das kennt ja auch niemand.

Es gibt aber schon wilde Spekulationen darüber.

Es erscheinen Phantombilder, welche seltsame Frisuren haben.

Der Namenlose musste ja in einer Show verraten, dass seine Kappe die wild abstehenden Haare verdeckt.

Beim nächsten Showauftritt ist Ichi leider auf sich allein gestellt.

Ausgerechnet jetzt habe ich eine Erkältung.

Ich sehe mir die Show im Fernsehen an, sie wird life übertragen.

Zuerst laufen alte Videos von Musikklassikern.

Stars zu jener Zeit erzählen, wie sie so drauf waren in ihrer Jugend.

Furchtbar öde.

Gegen Ende der Show wird Ichi angekündigt.

Unser Lied spielt ein und statt wie sonst meine Stimme, höre ich nun die Stimme meines Freundes die erste Strophe singen.

Im Vordergrund stehen ein paar Kinder, die gerade anfangen ein bisschen mit einem Fußball zu spielen, während Ichi munter zwischen ihnen tanzt.

In der zweiten Strophe kann er wie gewohnt sein Tänzchen aufführen.

Er macht das gut.

Beim Refrain wäre fast etwas schief gelaufen: Eines der Kinder hat nicht aufgepasst und den Ball zu fest nach hinten geschossen.

Genau dahin, wo Ichi gerade tanzte.

Der Ball streifte haarscharf seinen Kopf und fast hätte es ihm die Mütze vom Kopf gerissen, hätte der Brünette nicht schnell nach dem Kappy gegriffen.

Trotzdem konnte man braune Wuschelhaare erkennen.

Ichi macht mit dem Tanzen weiter, ganz Profi, so wie ich es ihm gezeigt habe.

Das Kind von vorhin schämt sich so sehr für sein Missgeschick, dass es alsbald zu heulen anfängt.

Bei einer tanzfreien Strophe, die ich eigentlich singen müsste, läuft Ichi zu dem Kind hin und versucht es aufzumuntern.

Das gelingt erst, als der Braunhaarige den Kleinen auf den Arm nimmt und ihm das Mikro hinhält.

Tatsächlich singt der Knirps den letzen Refrain schrecklich schief und sieht dabei so schrecklich glücklich aus, dass es ein herzerweichender Auftritt wird.

Gott, du hast den Auftritt gerettet, Ichi!

Was denken sich die einschaltenden Zuschauer, wenn da im Vordergrund ein Kind Rotz und Wasser heult, wenn wir gerade auftreten?

Die Befragung geht los.

Ichi lässt das Kind herunter und muss zur Coach.

Ich möchte wetten, dass das Kind morgen der Star der Schule sein wird!

„Ichi, kinderlieb sind Sie also auch!“, lacht die schwarzhaarige Moderatorin und füllt das Glas des Brünetten auf.

„Ich versuche es zumindest zu sein!“, erwidert Ichi und trinkt sein Glas fast leer.

„Fast hätten wir Sie ohne Ihre Mütze gesehen!“, wirft die Moderatorin ein und schaut bedauernd auf die Mütze ihres Ansprechpartners.

„So einfach mache ich das Ihnen doch nicht!“, tadelt der Brünette gespielt und grinst.

„Ich habe gehört, dass Yamato zu Hause krank im Bett liegt, deswegen mussten Sie heute ganz alleine auftreten! Meine Gute Besserungswünsche an Yamato!“

Das Publikum macht gleich mit.

„Also, Ichi. Sie müssen mir verraten, wie sie das alles nur geschafft haben!“, fordert die Schwarzhaarige und klimpert mir ihren langen Wimpern.

„Wie ich was genau gemacht habe?“

„Das Tanzen, das Singen, einfach alles!“, lacht sie und deutet auf den großen Monitor hinter sich, wo gerade unser Video gezeigt wird.

Sie stoppt bei der Stelle, wo Ichi gerade seinen Rückwärtssalto macht.

„Waren das wirklich Sie oder hatten Sie ein Double?“

„Das habe ich gemacht, ja!“, verlegen kratzt sich Ichi an der Wange.

Aus dem Publikum hört man ein ‚Ah!’ und ‚Oh!’.

„Zeigen Sie uns den vielleicht noch mal?“, fordert die Schwarzhaarige weiter.

Seufzend steht Ichi auf, geht ein paar Meter auf Abstand zu Tisch und Sofa.

Er muss sich den Hut festhalten und macht seinen berühmten Salto.

Großer Applaus.

Dann ist die Sendung auch schon so gut wie vorbei.

Man verabschiedet sich, schüttelt Händchen und die Werbung wird eingeblendet.

Eine Stunde später ist der Namenlose wieder da.

Erledigt lässt er sich auf unser Sofa fallen und nimmt seine Mütze ab.

So sieht man auch, dass er einen kleinen, blutigen Kratzer auf der Stirn hat.

„Du blutest!“, informiere ich ihn und deute auf seine Stirn.

„Ah Mist! War also doch nicht bloß Einbildung! Der Verschluss der Mütze hat mich gekratzt!“

Er steht auf und klebt sich ein Pflaster auf die Stirn.

„Guter Auftritt! Vor allem das mit dem Kind war klasse!“, lobe ich ihn und schnäuze einmal herzhaft meine Nase.

„Werde bloß wieder gesund!“, brummt er müde und schläft sicher gleich ein.

„Geh ins Bett!“, ich schubse ihn von dem Sofa.

Er gehorcht sogar.

Wegen meiner Erkältung bleibe ich auch den nächsten Tag zu Hause.

Angeekelt räume ich auf, werfe vor allem meine benutzen Taschentücher alle in den Müll und wasche meine Wäsche.

Die letzten Tage habe ich mich zwar überall ausgebreitet in der Wohnung, aber nie aufgeräumt.

Da Ichi mehr als genug zu tun hatte, fiel es ihm wohl auch nicht auf.



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Kommentare zu dieser Fanfic (3)

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Von:  Haine_Togu
2011-07-31T17:45:54+00:00 31.07.2011 19:45
Huhu^^
dieses Mal ja wirklich ein total langes Kapi! Wahnsinn, hab einfach die
Klappe aufgemacht, weiß garnicht wieviele Seiten es ingesamt warten XD
Und viel passiert ist auch!!!!
Ich muss sagen diesen schnöden Klassenkameraden von den Beiden kann ich absolut nicht ab, genauso wenig wie diese olle Frau aus dem Heim.
So´ne alte Schachtel... von wegen:"Der kommt schon wieder blablabla!"
*frustriert schnauf*
Ich hoffe die kriegt auch noch mal so eine auf den Deckel, son schöner Denkzettel, würde ihr Recht geschehen! ;)
Es ist auch schön, dass zum Kapitelende alle so glücklich waren, war aber auch höchste Zeit, dass Ichi lacht :)
Freu mich aufs nächste!!
Wer weiß was aus unseren Zwei wird! *G*
Grüßele
deine Haine-chan <3
Von:  Haine_Togu
2011-06-17T18:04:17+00:00 17.06.2011 20:04
Hey Mi-chan,
so, endlich hab auch ich mal wieder Zeit und kann die neue FF von dir anfangen. Ich finde den Anfang schon mal sehr schön.
Mir hat schon immer gefallen wie du das Sticheln und Zanken zwischen Taichi und Yamato darstellst, ich muss da immer wieder mitschmunzeln oder lachen. Da mach das Lesen gleich viel mehr Spaß! :)
Freu mich schon auf das nächste Kapi. Wer weiß wie da Leben von unserem Brunetten da schon auf dem Kopf gestellt wird?! *G*
bis bald
<3 Haine-chan
Von:  Tales_
2011-05-29T08:30:28+00:00 29.05.2011 10:30
Huhu,
huch hab ich mich gefreut als ich deinen Namen unter der Story gelesen habe :)
Ganz zurecht auch diese Story hat schon jetzt einen gewissen Suchtfaktor ^^

Ich find sie wirklich sehr gut geschrieben und freue mich darauf zu erfahren wie es weiter geht.
Tachi oder eher Namenlos (beim japanischen würd mich sicher blamieren) tut wirklich Leid. Mal sehen was Yamato alles für ihn tun kann...

Lg Shanti


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