Zum Inhalt der Seite

Unsee

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Kurz für diejenigen, die meinen One Shot "Nightmare" schon gelesen haben und sich jetzt wundern: Ja, der Anfang ist derselbe, aber die Geschichte wird einen anderen Verlauf nehmen und ist deutlich ausführlicher und mit einem anderen Zielt geschrieben. ;) Komplett anzeigen

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Nightfall

Er wusste, dass er sich in der seltsamen Phase zwischen Schlaf und Wachsein befand, die man oft kurz vorm tatsächlichen Aufwachen durchlief. Er wusste, dass er auf einer sehr warmen, weichen Matratze lag und es gerade sehr bequem hatte.

Und damit hörte es dann auch auf.

Er wusste nicht, wo er war oder was geschehen war. Seine Erinnerung brach an einem Punkt einfach ab. Er wusste noch, dass sie gekämpft hatten und er sah noch deutlich das Grinsen seines Gegenübers vor sich, doch danach war einfach… nichts mehr. Hatte ihn eine Waffe getroffen? War er ohnmächtig geworden?

Das musste es wohl sein, eine andere Erklärung fiel ihm nicht ein, aber warum nur brach es einfach so ab? Sollte er nicht normalerweise Schmerzen haben? Sollte er sich nicht an einen Schlag auf den Kopf oder was auch immer erinnern können?

Und mit einem Ruck kam, was er vergessen zu haben glaubte zurück und Naruto wurde schlagartig wach. Ohne einen zweiten Gedanken zuckten seine Hände zu seinem Gesicht und fuhren schnell und suchend darüber, doch da war… nichts. Der stechende, brennende Schmerz, den er plötzlich zu fühlen glaubte, war schlichtweg nicht da und als seine Hand sacht über die Haut fuhr, konnte er nichts finden, das nicht so war, wie es sein sollte.

Keine Brand- oder Schnittwunden, kein Schorf oder halb verheilte Narben. Die Haut war nicht einmal empfindlicher als sonst. Instinktiv hob er die Lider um mit reiner, schwarzer Dunkelheit begrüßt zu werden.

Seine erste Reaktion war verständlicherweise Panik, er atmete scharf ein, sah schnell nach rechts und links und spürte, wie sein Herz einen Takt schneller wurde. Doch Naruto wachte nicht zum ersten Mal in Dunkelheit auf und nach ein oder zwei Minuten hatte er sich wieder halbwegs beruhigt. Er war im Krankenhaus, da war er sich ziemlich sicher, die Kleidung, die er gerade überdeutlich an Armen und Brust spürte, war unverkennbar. Um ihn herum war es still, er hörte weder Schritte auf dem Gang noch das sonst so typische Piepen eines Herzmonitors. Einzig leichte Atemzüge irgendwo rechts von ihm. Ein Schlafender.

Mit anderen Worten, es war vermutlich einfach Nacht. Er atmete ein paar Mal tief durch, dann hob er die linke Hand und fuhr langsam durch die Luft, darauf bedacht nichts umzuschmeißen und keinen Knopf zu drücken, denn er vermutete links neben sich eines dieser Maschinengebilde, deren vollständigen Sinn er nie verstanden hatte. Fast direkt fand er, was er suchte und seine Finger folgten der Konstruktion hinauf zu der kleinen Lampe, die wie erwartet über seinem Bett hing.

Es war fast schon erschreckend, wie schnell er den Schalter fand – er war eindeutig schon zu oft in diesem Krankenhaus gewesen. Ein wenig erleichtert drückte Naruto dennoch drauf. Er wurde allerdings enttäuscht, entweder Lampe oder Schalter waren offenbar defekt, denn absolut nichts passierte.

Wieder schlich sich ein mehr als ungutes Gefühl in seine Magengegend, doch er unterdrückte es. Kein Grund gleich auszuflippen, er musste ruhig bleiben, er war kein kleiner Junge mehr und er hatte keine Angst vor der Dunkelheit, verdammt noch mal!

Ein Rascheln und die schneller werdenden Atemzüge ließen seinen Kopf herumzucken. Wer auch immer noch hier im Zimmer lag, schien ebenfalls aufzuwachen. Neugierig geworden lauschte er und ließ die Hand wieder sinken – die daraufhin genau auf den Tisch mit den Gerätschaften neben ihm fiel.

„Argh!“, zischte Naruto sauer, als ein leichter Schmerz durch seinen Arm zuckte, und starrte in die Dunkelheit, in der er das blöde Mistding vermutete.

„Trottel?“, fragte eine nur zu bekannte Stimme verwundert und überraschend nah bei ihm. Scheinbar war das zweite Bett doch dichter an seinem, als er bisher gedacht hatte.

„Bastard?“, antwortete er fast automatisch, auch wenn es eigentlich keine wirkliche Frage war, „Was machst du denn hier?“

Wenn Sasuke auch hier war, hieß das, er war verletzt – und das war deutlich besorgniserregender als seine eigene Anwesenheit, denn er wusste bereits, dass er selbst keine Wunden hatte, zumindest keine, die er spüren konnte, also vermutlich alles, was da eventuell gewesen sein mochte, längst verheilt war.

„Liegen.“, kam fast automatisch die trockene Antwort. Und dann, etwas leiser hinterher: „Warum ist es hier so dunkel?“

Naruto zuckte sinnloserweise die Schultern. „Keine Ahnung, die Lampe funktioniert nicht, wahrscheinlich ist es einfach Nacht.“

„Hn.“, war die aussagekräftige Antwort, doch Naruto meinte fast ihn erleichtert ausatmen zu hören. Verständlicherweise. Wenn man alleine in Dunkelheit aufwachte, nahm man automatisch erstmal das Schlimmste an, aber da sie beide offensichtlich nichts sahen, war es doch deutlich wahrscheinlicher geworden, dass es einfach nur eine verdammt dunkle Nacht war.

Zumindest genau bis zu dem Moment, in dem sie leise Schritte auf dem Flur hörten und kurz darauf die Tür geöffnet wurde. Was dann folgte war ein erschrockenes Quietschen, das beide zusammenzucken ließ. Und doch, die Stimme kam Naruto trotz der unüblichen Höhe sehr bekannt vor.

„Sakura?“, fragte er unsicher und runzelte die Stirn. Die Antwort war ein erschrockenes Luft einziehen, dann schnelle - sehr schnelle - Schritte und ein Schluchzen und im nächsten Moment spürte Naruto, wie sich Arme um seinen Hals schlossen und sich jemand gegen ihn warf. Reflexartig fing er Sakura auf, als sie mehr auf ihn fiel als ihn umarmte und mit einem Mal tönten ihre Schluchzer in seinen Ohren, er spürte Tränen an seinem Hals und fühlte, wie ihr Körper immer wieder vom Weinkrampf geschüttelt wurde.

„Sa… Sakura..?“, fragte er unsicher und dieses Mal war es weit mehr als eine ungute Ahnung, als er blinzelnd versuchte sie anzusehen. Ihre Schritte waren zu sicher gewesen, da war kein Zögern, keine Vorsicht. Sie hatte ganz genau gewusst, wohin sie lief… und dass sie wach waren. Mit einem Mal spürte Naruto einen dicken Kloß im Hals.

„Es… es tut mir… so leid… es…“, sie brachte keinen einzigen vernünftigen Satz heraus, ihre Stimme schwankte stark und Naruto glaubte fast durch ihre Haut ihr Herz wild schlagen zu fühlen. Das war vermutlich nur Einbildung, aber es beunruhigte ihn, machte ihn nervös und das stoßartige Luftholen, das so typisch für Aufgewühltheit war, machte es nicht im Geringsten besser.

Er fühlte sich ein wenig rat- und hilflos, als er seine Teamkollegin im Arm hielt und ihr sacht über den Rücken strich, um sie zu beruhigen. Unsicher, ob es eine gute Idee war, flüsterte er leise: „Was tut dir leid, Sakura?“

„Ich… ich…“, erneut brach ihr mitten im Wort die Stimme weg und sie musste erstmal schnell und ein wenig gequält einatmen, ehe sie mühsam hervorbrachte: „… schlechte Ärztin!“

Er blinzelte verwirrt. Soweit er wusste war sie eine der besten Ärztinnen geworden und sowohl er selbst als auch Sasuke waren nur Dank ihr noch am Leben. Einige Missionen waren wirklich haarscharf gewesen, seit Tsunade ihnen endlich richtige Aufträge gab.

„Aber das stimmt doch nicht.“, wisperte er sacht und begann nun große Kreise auf ihren Rücken zu malen, doch offenbar beruhigte es sie keineswegs, denn sie jaulte im Gegenteil noch gequält auf.

„Naruto, verstehst du denn nicht?“ Es war der einzige Satz, den sie zusammenhängend rausbrachte, dann überschwemmten sie wieder die Gefühle und ihre Stimme wurde so leise, dass er sie kaum noch verstehen konnte. „Ich, ich konnte nicht… ihr… ihr seid…“

„Blind.“

Narutos Kopf zuckte automatisch zur Seite und er spürte, wie Sakura erschrocken zusammenzuckte und sich ebenfalls herumdrehte. Sasukes Stimme klang kalt, mechanisch, kaum noch menschlich, als hätte er mühsam und ganz bewusst jedes Gefühl und jede Regung daraus verbannt. Als er aber weiter sprach, wurde sein Tonfall beißend und bitter und Naruto glaubte fast zu sehen, wie er dabei die Hände in die Bettdecke krallte und versuchte sie mit seinem Blick zu hypnotisieren. „Das ist es doch, was du nicht über die Lippen bringst, oder?“

Sakura verkrampfte sich in seinen Armen und als sie nicht sofort antwortete, wiederholte Sasuke fauchend: „Es ist nicht dunkel hier drin, wahrscheinlich ist es sogar sehr hell, aber wir beide sind verdammt noch mal blind.“

Daraufhin folgte ein angespanntes Schweigen. Naruto wollte es nicht glauben, er wollte, hoffte, betete, dass Sakura widersprechen würde. Dass sie das Licht anschalten oder er aufwachen würde. Dass es alles nur ein blöder Scherz oder ein Albtraum war.

Doch Sakura fing keineswegs an zu lachen. Im Gegenteil, sie schluchzte gequält und Naruto spürte heiße Tränen auf seine Wange fallen. Tränen, die er nicht trocknen konnte und die ihn nur noch mehr verunsicherten, als es die anhaltende Finsternis tat.
 

Als Tsunade eine Viertelstunde nach ihrer Schülerin ins Krankenhauszimmer am Ende des dritten Stocks mit der so unscheinbaren Nummer 303 trat, wusste sie, was sie erwarten würde. Sie wusste, was sie sehen würde, was sie dabei fühlen würde und dennoch brach es ihr das Herz, als sie die Tür sacht öffnete und es wirklich erlebte.

Im von ihr aus gesehen linken Bett saß Sasuke halbwegs aufrecht und krallte die Finger hart genug in die Bettdecke, dass Tsunade die Adern hervortreten sehen konnte. Sein Gesicht war nach unten gerichtet, als würde er versuchen seine Hände anzustarren und sich dazu zu zwingen sie zu sehen. Einen Meter weiter, im zweiten Bett, saß Naruto im Schneidersitz und hielt Sakura im Arm, deren Körper leicht bebte und die ab und an leise, quietschende Laute ausstieß, während Naruto sacht auf sie einredete.

Das Gesicht des Jungen selbst schwankte zwischen Unglauben, Schrecken und Unruhe. Er war ganz klar noch zu geschockt, um zu verstehen, was vor sich ging. Tsunade seufzte leise, woraufhin sich drei Augenpaare in ihre Richtung drehten, doch nur eines traf sie tatsächlich. Sie gab ihr bestes nicht zu sehr zusammen zu zucken, als Narutos noch immer strahlend blaue Augen etwa auf Höhe ihres Halses durch sie hindurch zu sehen schienen. Es sollte nicht so sein.

„Ich denke, es wird Zeit, dass wir alle ein wenig zur Ruhe kommen.“, meinte sie leise und lief zu Narutos Bett herüber, um sacht Sakura an den Schultern zu nehmen. Ihre auf einmal viel jünger wirkende Schülerin, warf sich beinah sofort gegen ihre Brust und weinte stumm weiter.

„Ich bin gleich wieder da.“

Tsunade unterdrückte ein weiteres Seufzen und brachte das aufgewühlte Mädchen aus dem Zimmer in den Aufenthaltsraum des Personals, wo Sakura auf einem Stuhl zusammensackte und sich einkugelte.

Als Tsunade zurück ins Zimmer kam, war Naruto aufgestanden, eine Hand noch am Bettgestell und blickte unentschlossen in ihre Richtung, als überlegte er, ob er einfach loslaufen sollte.

„Naruto, wieder ins Bett, sofort.“, meinte sie kurz und auch wenn es erst so aussah, als würde er widersprechen wollen, nickte er schließlich langsam und kletterte wieder auf die Matratze und unter die Decke.

Tsunade beobachtete, wie seine Augen kurz unruhig hin und her huschten und schließlich irgendwo ein Stück rechts von ihr zur Ruhe kamen. Sie trat einen Schritt zur Seite und lehnte sich an die Wand. Auf einmal fühlte sie sich alt.

„Tsunade? Stimmt es… stimmt es wirklich?“, brach es auf einmal aus Naruto heraus und allein die Tatsache, dass er sie nicht als Oma bezeichnete, bereitete Tsunade nun doch ernsthafte Sorgen. Kein bisschen weniger stark, als das ungute Gefühl, das sie hatte, als ihr klar wurde, dass sie es ihnen jetzt sagen musste.

„Ja.“, kurz und schmerzlos, „Ihr seid blind. Komplett, eure Lichtempfindlichkeit ist null.“ Sie atmete einmal tief durch, ehe sie ein wenig weiter ins Detail ging, wenn die beiden jetzt nur nicht nachfragen würden…

„Was immer euch da im Gesicht getroffen hat, es war mit Bakterien versetzt, die gezielt eure Netzhaut attackiert und vollkommen zerstört haben. Und zwar restlos. Leider können wir nur heilen, was da ist, wir können kein so komplexes Gewebe neu wachsen lassen. Der Rest eurer Augen ist unbeschadet und intakt, aber ohne Netzhaut ist das nichts wert. Wir haben die Bakterien, die noch überlebt haben, extrahiert und untersuchen sie gerade, aber ich würde mir an eurer Stelle keine großen Hoffnungen machen. Es tut mir leid, aber es ist im Prinzip ausgeschlossen, dass ihr jemals wieder etwas sehen werdet…“

Und sie musste selbst schlucken, als ihr die Worte im Hals stecken blieben. Die entsetzten, niedergeschlagenen Gesichter ihrer beiden Patienten ließen ein noch schlimmeres Gefühl von Unfähigkeit und Schuld in ihr entstehen. Sie hatte als Ärztin versagt und nun hatte es auch noch nicht nur eines ihrer besten Teams schwer getroffen, sondern auch noch einen der wenigen Menschen, bei dem es ihr auch persönlich ans Herz ging. Sie fühlte sich, als hätte sie Naruto, ihrem quasi-Enkel gerade seine Todesbotschaft überbracht – und ziemlich genauso sah der Junge auch gerade aus. So niedergeschlagen und gefühllos hatte sie ihn noch nie gesehen und es versetzte ihr einen tiefen Stich.
 

Etwa drei Stunden später und es war wirklich Nacht – auch wenn sich nichts verändert hatte. Sakuras gequälte Schluchzer hallten noch immer in Narutos Ohren, er spürte noch immer ihre Tränen auf seinem Gesicht und fühlte die blauen Flecken, die ihre Finger auf seinen Schultern hinterlassen hatten, als sie versucht hatte sich unter Kontrolle zu bringen.

„Sasuke?“, fragte Naruto leise in die Stille ihres Raumes hinein, der in dem Augenblick wohl tatsächlich dunkel war. Sasuke hatte kein Wort mehr gesprochen, seitdem Tsunade da gewesen war und vor seinem geistigen Auge sah Naruto, wie er mit verbissenem Gesichtsausdruck vor sich hin schmollte und ins Leere starrte. „Was machen wir denn jetzt?“

Wieder Schweigen, nichts als Schweigen, es war zum verrückt werden. Doch dann, als Naruto schon gar nicht mehr mit einer Antwort rechnete, kam auf einmal eine sehr bitter klingende, leise Reaktion: „Sterben.“

„Was?!“, sofort zuckte Naruto schlagartig zu seiner Stimme herum und richtete sich auf, „Sag mal, spinnst du?!“

Sasuke stieß ein kaltes, trockenes Lachen aus. „Sei mal realistisch, was bleibt uns denn so noch? Was können wir denn noch tun?“ Er fauchte fast, doch der herbe Ton prallte an Naruto zum Glück ziemlich ab, er war selbst noch zu betäubt von dem Schock. „Wir sind keine Ninja mehr, du Volltrottel, und werden nie wieder welche sein. Dumm nur, dass das leider unser Lebensinhalt war.“, knurrte er wütend und Naruto hörte, wie er sich wegdrehte und die Decke vermutlich hochzog.

Naruto seufzte leise und drehte sich ebenfalls weg. Doch an Schlaf war nicht zu denken, denn ganz falsch waren Sasukes Worte nicht. Sie lebten und doch was es vorbei… das Leben, das er so sehr liebte, würde nie mehr dasselbe sein. Eine einzelne Träne rann stumm aus seinem linken Auge und fiel ungehört und ungesehen ins Kissen hinein.

The life we had

Er hasste den Krankenhausgeruch. Er hasste die unangenehme Krankenhauskleidung, die quietschenden Krankenhausbetten und nicht zu letzt auch den alles andere als angenehmen Krankenhausbettbezug, der auf seiner Haut leicht scheuerte.

Er hasste Krankenhäuser generell.

Sie verhießen nie etwas Gutes. Jedes Mal, wenn er bisher in einem Krankenhaus zu sich gekommen war, war etwas geschehen, das er am liebsten sofort rückgängig gemacht hätte, etwas, das für ihn eine Schwäche darstellte. Allein die Tatsache, dass es bedeutete, dass er sich hatte verletzten lassen, ließ ihn jedes Mal wieder auf die verdammten Krankenhäuser mit ihren Ärzten und Vorschriften fluchen.

Und auch dieses Mal war es kein bisschen anders und als Sasuke nach einer Nacht mit wenig Schlaf und starken Kopfschmerzen langsam aufwachte, hätte er am liebsten aufgestöhnt. Er hielt die Augen geschlossen und versuchte sich weder auf den Gestank der Desinfektionsmittel, noch das sachte Brummen der Gerätschaften neben seinem Bett, noch die Atemzüge zu seiner linken zu konzentrieren und stattdessen alles auszublenden und wieder einzuschlafen.

Leider war das alles andere als leicht. Er war nicht länger müde und er hatte keineswegs vergessen, was am Vortag (er ging zumindest davon aus, dass es der nächste Morgen war) geschehen war. Er wusste, was folgen würde, wenn er die Augen aufschlug und deshalb presste er die Lider fest zusammen und sagte sich immer und immer wieder, dass er nicht daran denken sollte, wohl wissend, dass es längst zu spät war.

Er hatte seine unüberlegten Worte in der Nacht zu Naruto trotz allem ernst gemeint. Sie waren als Ninja aufgewachsen, zu Ninja erzogen worden und hatten als Ninja gelebt. Da war nichts anderes in ihrem Leben gewesen und es gab auch jetzt nichts anderes, das er sich überhaupt vorstellen konnte. Ganz abgesehen von der Tatsache, dass für ihn ein „normaler“ Beruf nie in Frage gekommen wäre, jetzt, ohne seine Augen war allein die Auswahl dessen, was er überhaupt noch machen konnte, derart gering, dass ihm spontan überhaupt nichts einfiel. Er konnte nicht verhindern, wie sich bereits jetzt wieder Zornfalten auf seiner Stirn bildeten und er die Lippen zusammenpresste.

Wie hatte das passieren können? Wie hatte er das nur zulassen können?! Das Schlimmste daran, er erinnerte sich an keinen Fehler. Es war ein ganz normaler Kampf gewesen, nichts hatte auf etwas Ungewöhnliches hingedeutet. Auch wenn der Kerl stark gewesen war, Naruto und er hatten ihn perfekt unter Kontrolle gehabt – bis er plötzlich ein Jutsu zur Vervielfältigung seiner Arme einsetzte und es irgendwie fertig brachte, sie leicht an der Stirn zu berühren.

Das war Sasukes letzte klare Erinnerung, danach fielen ihm nur noch verwaschene Gedanken an grelle Lichtblitze und Schmerzen tief in seinem Augeninneren ein. Danach musste er wohl bewusstlos geworden sein, denn plötzlich brach einfach alles ab.

„Ahhh!“

Ein entsetzter Schrei neben ihm ließ Sasuke zusammenfahren und nun doch erschrocken die Augen aufreißen. Natürlich war das Ergebnis genau das, was er erwartet hatte und doch verkrampfte er sich in dem Moment zusätzlich und knurrte wütend.

„Hör auf hier am frühen Morgen schon rumzuschreien, du Vollidiot!“, fauchte er wütend und wand den Kopf wieder seinen eigenen Händen zu. Es war unnötig sich die Mühe zu machen jemanden anzusehen, wenn man ihn nicht sah.

„Sa… Sasuke?!“

Innerlich verdrehte Sasuke nur die Augen, während er schwieg und lauschte, wie Naruto neben ihm irgendetwas tat, dass den Stoff wild rascheln ließ und einige Male tief durchatmete. Sasukes beste Schätzung war, dass sein vertrottelter Teamkollege wild übers Bett getastet hatte, aber mehr als raten war es nicht und so dachte er auch gar nicht weiter drüber nach und blendete den Idioten aus.

Zumindest versuchte er es, doch Naruto hatte wieder mal andere Pläne und nach gefühlten fünf Minuten hielt Sasuke das unruhige Rascheln und die ruckartigen Atemzüge nicht mehr aus, wand sich entgegen allem, was er sich vorgenommen hatte, doch in Richtung des zweiten Bettes um und zischte: „Hast du’s bald mal?!“

Schlagartig verstummten die Geräusche und für einen Moment hörte Sasuke nichts als seinen eigenen Herzschlag, der in der plötzlichen Stille unüblich laut in seinen Ohren zu hallen schien, dann gab Naruto einen schwer zu definierenden Laut von sich. Irgendwo zwischen Winseln und Seufzen und das nächste, was Sasuke hörte, war das leise Knarzen des Bettgestells, als der Junge neben ihm sich vermutlich wieder zurück fallen ließ.

Innerlich fluchte Sasuke nur noch mehr. Alles nur Vermutungen, er konnte nicht sicher sagen, was der Trottel von einem Teamkollegen tat. Und er hasste es.

Sasuke ließ sich wieder zurücksinken und richtete seinen Blick dorthin, wo er die Zimmerdecke vermutete. Normalerweise würde er diese im Krankenhaus immer wieder anstarren und versuchen mit seinen Blicken zu durchbohren und er sah keinen Grund darin etwas zu ändern, nur weil er die verdammte Decke in der Dunkelheit nicht sehen konnte. Sie war da. Das sollte reichen.

Oder nicht?

„Sasuke?“

Sasuke verdrehte genervt die Augen. Einzig Narutos Tonfall verhinderte, dass er ihn gänzlich ignorierte. Das war nicht normal. Er war zu ruhig, zu zaghaft, zu leise. Er klang ganz und gar nicht nach Naruto und auch wenn Sasuke sich einreden wollte, dass er in dieser Situation egoistisch sein durfte, dass er alles Recht dazu hatte darüber hinwegzusehen, dass es seinem Teamkollegen gerade schlecht ging, weil er seine eigenen Probleme hatte, irgendwie schaffte er es nicht so ganz. Irgendwie war Narutos Tonfall und seine Stimme so falsch, dass selbst bei Sasuke, dem Eisklotz vom Dienst, die Alarmglocken losschrillten und er sich widerwillig zu einem „Hn?“ herabließ.

„Was…“ Naruto zögerte und Sasuke konnte regelrecht hören, wie er sich auf die Unterlippe biss. „Was meinst du, was…?“

Weiter kam er nicht, da in diesem Moment draußen auf dem Gang (?) Stimmen lauter wurden und eilige Schritte kamen näher. Sie sprachen gehetzt und wie in einem Streit, aber die Worte waren zu undeutlich, als dass Sasuke sie hätte verstehen können. Was er aber sehr wohl verstand war das Geräusch der eilig aufgeschlagenen Tür und augenblicklich wurden die Worte verständlicher.

„…können da nicht rein!“ Eine Frauenstimme, die ihm nichts sagte, vermutlich eine der Krankenschwestern, der Sasuke keine weitere Beachtung schenkte. Sie war es mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht, die gerade die Tür aufgerissen hatte, sondern eine andere Person. Sasuke hörte, wie diese scharf die Luft einzog. Er war sich nicht wirklich sicher – schon wieder! – aber er meinte, dass es ein Mann war. Auch die Schritte, die ganz langsam vorwärts kamen, waren eigentlich zu schwer für eine Frau. Spätestens aber, als wer-auch-immer-es-war ein ungläubiges, fast verzweifeltes „Nein!“ ausstieß, stand es außer Frage.

Sasuke konnte die Stimme nicht wirklich einordnen, auch wenn er sich absolut sicher war, dass er sie kannte und eigentlich erkennen sollte. Doch Naruto nahm ihm das Problem sogleich ab, als er leise fragte: „Iruka-sensei?“

In dem Moment, in dem er das sagte, war auch Sasuke klar, dass es stimmte. Und wieder wurde ihm nur zu bewusst, dass er es eigentlich auch selbst hätte merken sollen, aber er hatte der Stimme seines ehemaligen Lehrers nie wirklich Beachtung geschenkt – eigentlich keiner Stimme – und das würde sich nun wohl rächen. Er verzog leicht den Mund bei dem Gedanken.

„Naruto…“

Iruka klang, als stünde er total neben sich und Sasuke konnte es ihm nicht einmal verübeln. So, wie er Naruto kannte, hatte der vermutlich gerade versucht seinen Ersatzvater anzusehen und bei Irukas Einstellung dem Knallkopf gegenüber musste das ja niederschmetternd auf ihn wirken.

„Sasuke…“

Okay, das kam unerwartet und instinktiv hob Sasuke den Kopf, um fragend in die Richtung der Stimme, die ihr Gesicht verloren hatte, zu sehen. Zumindest bis ihm klar wurde, was er da tat, dann wand er schnell den Blick ab und schloss die Augen.

„Nein!“, flüsterte Iruka, „Nein, nein, nein!“ Und Sasuke bekam ein nur noch unwohleres Gefühl. Es war falsch, wenn Iruka - ausgerechnet Iruka! - das sagte und auf einmal war da dieses Bild in seinem Kopf von ihrem ehemaligen Lehrer, der zwischen den Krankenhausbetten stand und mit Tränen in den Augen um seine Fassung rang.

„Sie haben es mir gesagt, aber ich wollte es nicht glauben.“, hauchte der in diesem Moment und Sasuke hörte irgendeinen hölzernen Gegenstand knarren und vermutete, dass Iruka sich auf einen Stuhl gesetzt hatte. Nicht, dass er gewusst hätte, ob dieses Zimmer überhaupt einen Stuhl beinhaltete, aber er bezweifelte irgendwie, dass Iruka sich auf einem Tisch niederlassen würde.

„Iruka-sensei?“, hallte Narutos Stimme durch die Stille, „Wie… spät ist es?“

Das leise Klacken von Absätzen auf dem Boden verriet, dass die Krankenschwester es offenbar aufgegeben hatte und fort gegangen war, noch ehe die Antwort kam: „Kurz nach sechs.“

Früh. Viel zu früh. Viel zu früh für einen Besuch, viel zu früh, um nach einem Tag wie dem letzten aufzuwachen und viel zu früh, weil ein langer Tag vor ihnen lag, den sie damit verbringen konnten, sich Gedanken zu machen. Am liebsten wäre er auf der Stelle wieder eingeschlafen.

„Oh. Ist es… schon hell?“

Ja, super Idee, Naruto quäl uns noch ein bisschen mehr! Gar nicht masochistisch, was?

In Wahrheit musste sich Sasuke aber eingestehen, dass er sich diese Frage trotz allem auch schon gestellt hatte. Auch wenn er niemals neugierig genug gewesen wäre, um nachzufragen und so lauschte auch er auf Irukas Antwort.

„Ja, Naruto, es ist schon hell… die Sonne geht gerade auf, aber hier drinnen… hier drinnen brennen Lampen.“

„Mmh…“

Wieder herrschte einen Moment lang Schweigen und Sasuke fragte sich unwillkürlich, was Iruka und Naruto taten. Hatte Iruka sich neben ihn gesetzt und hielt seine Hand? Hatte er ihm den Kopf gestreichelt, wie früher? Hatte er ihn in den Arm genommen? Es war eine einzige große Frage, wenn man nicht hinsehen konnte…

„Iruka-sensei?“ Allein der Tonfall, der jetzt folgte, sagte Sasuke, dass gleich eine unangenehme Frage folgen würde und er sollte Recht behalten.

„Wie… sehen unsere Augen aus?“

Und eigentlich wollte er das auch wissen. Aber er hätte sich nie im Leben dazu herabgelassen zu fragen. Er wusste, dass blinde Augen abschreckend auf Menschen wirken konnten. Er wusste, dass es ihm egal war, wie er auf andere wirkte. Er wusste, dass es ihn nie wieder kümmern musste, wie er aussah. Und doch… er wollte es wissen. Wollte wenigstens eine grobe Vorstellung davon haben, was mit seinen Augen passiert war.

Iruka ließ sich Zeit mit der Antwort, ob er das absichtlich tat, war nicht klar, aber Sasuke wartete nur darauf, dass Naruto nachfragen würde, als…

„Sie sehen aus, wie immer, Naruto.“, meinte eine weibliche Stimme aus der Richtung, in der die Tür liegen sollte, auf einmal leise.

Sakura.

Diese Stimme war einfach zu erkennen, aber Sasuke runzelte dennoch die Stirn. Er hatte sie nicht wahrgenommen. Keine Schritte, kein Kleiderrascheln, kein Seufzen, nichts. Das war inakzeptabel, selbst in seinem Zustand.

„Eure Netzhäute sind zerstört, aber die liegen tief im Augeninneren, das man nicht sieht. Eure Augen sehen ganz genau aus, wie vorher, der einzige Unterschied ist, dass sie sich nicht mehr fokussieren…“

Und Sasuke wusste, was der betont neutrale Tonfall sollte. Da sprach nicht ihre Teamkameradin, sondern die erfahrene Ärztin, die nicht zum ersten Mal Patienten schlechte Nachrichten überbrachte. Offenbar hatte Sakura sich wieder halbwegs unter Kontrolle gebracht, wenn Tsunade sie wieder zu ihnen ließ.

Naruto schien aber nicht so weit denken zu können. „Sakura… bist du… in Ordnung?“

Ein leises Seufzen war die Antwort. „Ich… ja, bin ich.“ Eine Lüge. Und was für eine offensichtliche. Sie sprach schnell weiter, aber Sasuke fragte sich trotzdem, ob nicht selbst Naruto es merken sollte. „Ich hab euch Frühstück mitgebracht, da ihr ja ohnehin wach seid.“

„Äh….“

„Es sind nur belegte Brote mit Käse, Naruto.“

Ein paar unendlich leise Schritte, dann Geräusche, die Sasuke beim besten Willen nicht verstand, ein gemurmeltes „Danke“ und wieder Schritte. Und er hatte nicht die geringste Ahnung, was vor sich ging, bis Sakuras Stimme direkt neben ihm leise fragte: „Sasuke? Machst du bitte mal die Hand auf? Ich will dir dein Brot geben.“

„Ich hab keinen Hunger.“, antwortete er härter und bitterer als gewollt. Sakura blieb ruhig und zeigte wieder, dass sie Erfahrung hatte.

„Ich weiß. Aber du musst etwas essen, sonst schadest du dir nur noch mehr.“

„Ich habe keinen Hunger.“, wiederholte er monoton.

„Du wirst nie entlassen, wenn du nicht vernünftig isst.“, erwiderte sie sachlich. Sasuke knurrte, hob aber ohne sich zu ihr umzudrehen oder auch nur den Kopf zu heben, eine Hand grob in ihre Richtung. Beinah augenblicklich wurde für seinen Geschmack fast schon zu schnell ein Brot hineingedrückt.

Skeptisch fuhr er mit den Fingern der freien Hand die Kante des Brotes nach, ehe er lust- und appetitlos anfing daran herumzuknabbern.
 

Es war nicht das erste Mal, dass Kakashi den langen Weg zum Krankenhaus lief. Es war auch nicht das erste Mal, dass er Teammitglieder von dort abholte. Und es war sicher nicht das erste Mal, dass es sich um diese beiden handelte.

Aber es war das erste Mal, dass er sich dabei unendlich alt und ratlos fühlte und sich wünschte, er würde niemals ankommen. Er wollte nicht daran denken, was unweigerlich folgen würde, wenn er es tat. Ihre Blicke, er konnte sie jetzt schon vor sich sehen, leer, bitter, schmerzerfüllt. Mindestens in Sasukes Fall wütend, verletzt und kalt. In Narutos wohl eher deprimiert, niedergeschlagen und verunsichert.

Er wollte sie nicht so sehen. Er wollte niemanden so sehen, aber ganz bestimmt nicht seine beiden Teammitglieder. Sie hatten es nicht verdient. Er hatte sich ohnehin selbst immer wieder gefragt, wie die beiden es nach allem, was ihnen im Leben schon passiert war, bis jetzt geschafft hatten nicht daran zu zerbrechen und er fürchtete, dass es nun endgültig zu spät sein würde.

Er konnte nicht mal ansatzweise verstehen, wie sie sich fühlen mussten, aber er kannte den Schmerz, den Verluste auslösten und wusste, wie unendlich groß dieser sein konnte. Beide Jungen hatten Schmerzen gespürt, beide hatten Verluste erlebt und beide hatten nun mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Zukunft verloren.

Kakashi schüttelte innerlich über die Unfairness des Lebens den Kopf, aber selbst er, der sich einbildete eine halbwegs optimistische Einstellung zu haben, konnte sich nicht vorstellen, wie es jetzt mit ihnen weitergehen sollte. Ninja lebten davon, dass ihre Sinne trainiert waren und auf kleinste Dinge reagierten. Er konnte sich schlichtweg nicht vorstellen, wie sie ein so großes Hindernis überwinden sollten. Nicht einmal diese beiden, denen er so einiges zutraute.

Der Weg, der ihm sonst so endlos lang vorkam, war viel zu schnell genommen und als Kakashi durch die automatischen Schiebetüren die weiße, sterile Eingangshalle des Krankenhauses betrat, wartete Tsunade bereits auf ihn.

„Kakashi.“

Er nickte nur schwach und musste mir aller Gewalt ein Seufzen unterdrücken, als die Hokage mit einer Handbewegung andeutete, dass er ihr folgen sollte. Sie schwieg, als sie ihn ins Treppenhaus und hinauf in den dritten Stock führte, dort allerdings blieb sie stehen und sah ihn direkt an.

„Ich habe schon mit beiden gesprochen. Sasuke hat zugestimmt, dass Naruto vorerst zu ihm zieht.“ Vermutlich war der Ausdruck „zugestimmt“ übertrieben, dachte Kakashi, so, wie er Sasuke einschätzte, hatte der wenn es hoch kam genickt, eher noch nur kurz ein Nicken angedeutet.

„Sie sind beide erstmal für ein Jahr krankgeschrieben, länger lässt es der vermaledeite Papierkram leider nicht zu. Ich habe keine Probleme damit, es danach zu verlängern, aber das soll erstmal nicht unsere Sorge sein. Das wichtigste ist jetzt, dass sie lernen weiterzumachen.“ Tsunade seufzte leise und Kakashi staunte, als sie sich müde mit einer Hand durch die Haare fuhr und er für wenige Sekundenbruchteile meinte zu sehen, wie alt sie wirklich war.

„Kakashi, hör mir zu.“ Als sie aufsah und seinen Blick suchte, lag ein Ernst und eine Eindringlichkeit darin, die ihn schaudern ließ. „Bisher stehen sie unter Schock, ich kann nicht absehen, wie lange es so bleiben wird, aber wenn sie wirklich anfangen zu verstehen… kurzum, ich mache mir Sorgen. Besonders mit ihren… Vorgeschichten. Wir müssen alles daran setzen, dass sie nicht allein sind und möglichst schnell lernen klar zu kommen. Sonst fürchte ich, könnte es zu ernsthaften Depressionen, wenn nicht schlimmerem kommen, verstehst du?“

Kakashi nickte langsam, ehe er fast flüsternd fragte: „Was können wir tun?“

Tsunade zuckte hilflos die Schultern. „Wenn ich das wüsste. Am liebsten würde ich mir gar keine Gedanken darüber, sondern lieber um ihre Augen machen, aber leider weiß ich selbst wie sinnlos das ist.“ Sie biss sich auf die Lippe. Und Kakashi schluckte schwer. Tsunade wusste nicht mehr weiter?! „Ich war bisher auch noch nie in einer solchen Situation, aber bis mir etwas einfällt, halte ich es für wichtig, dass ihr, das heißt Sakura und du, für sie da seid. Bei euch wird es ihren Stolz noch am wenigsten stören, wenn ihr ihnen helft. Zumindest hoffe ich das.“

Es konnte also genauso gut ins Gegenteil umschlagen, übersetzte Kakashi, was Tsunade ihm nicht sagen wollte. Aber er blieb stumm und nickte nur zum wiederholten Mal. Er war kein Arzt und er hatte keine Erfahrung, somit blieb ihm keine große Wahl als ihrem Urteil zu vertrauen.

„Das heißt, wir bringen sie jetzt zum Uchiha-Anwesen?“, versicherte er sich, woraufhin Tsunade nickte.

„Ja. Iruka war vorhin schon da und hat sichergestellt, dass die beiden sich alleine angezogen haben. Ich glaube, das war schon ein wenig unangenehm, aber ich wollte keine der Schwestern damit beauftragen… und jetzt komm.“

Damit wand sie sich ab und lief den Gang hinunter. Kakashi folgte widerwillig und versuchte sich innerlich darauf vorzubereiten, was folgen würde. Doch egal, wie viele Atemtechniken und Entspannungsmethoden er auch auf die Schnelle versuchte, nichts konnte ihn vor dem Gefühl bewahren, das er verspürte, als Tsunade die Tür öffnete und die Blicke seiner Schüler nicht auf ihn, sondern durch ihn hindurch fielen.
 

Zu sagen, dass Sasuke sich verdammt unwohl fühlte, wäre eine riesige Untertreibung gewesen. Er lief stumm, mit verbissen zu Boden gerichtetem Blick und angespannten Muskeln eine der Hauptstraßen Konohas entlang und tat sein möglichstes Kakashis Hand auf seiner Schulter, die ihn steuerte, nicht zu misstrauen. Keine wirklich leichte Aufgabe, wenn man, wie er, gewohnt war, niemandem so ganz zu vertrauen. Irgendwie ließ ihn auch das Gefühl nicht los, dass sein Lehrer nicht unbedingt der beste Führer war… wahrscheinlich las er wieder in seinem Buch.

Sasukes Hände ballten sich immer wieder zu Fäusten. Wie er das hasste. Er konnte und wollte nicht davon abhängig sein, sich von jemandem durch die Gegend führen zu lassen. Aber er wusste selbst, dass er keine wirkliche Wahl hatte – oder jemals wieder haben würde, egal, wie oft Naruto ihm erzählen wollte, weiterzumachen und nicht aufzugeben.

Naruto selbst lief irgendwo rechts neben ihm. Soweit Sasuke das beurteilen konnte, hatte er sich bei Sakura eingehakt und ließ sich ohne Bedenken von ihr vorwärts ziehen. Nebenbei redete er noch auf sie ein, doch seine Worte verschwammen mehr und mehr mit den umliegenden Geräuschen, sodass Sasuke nicht weiter auf sie achtete. Er wusste, dass es anfangs irgendwie ein reichlich gescheiterter Versuch gewesen war, Sakura etwas anderes zu entlocken als ihre nutzlosen Entschuldigungen, die sie wieder und wieder von sich gab. Doch inzwischen wollte Sasuke ohnehin nicht mehr hören, was die beiden zu sagen hatten. Er machte Sakura keinen Vorwurf, sie war sicher die letzte, der er die Schuld gegeben hätte, entsprechend war er es leid ungerechtfertigte Entschuldigungen und ihre Mitleidsbekundungen zu hören. Er wollte nur noch allein sein. Allein in seinem Zimmer, wo ihn niemand sah, niemand störte und niemand ansprach. Allein, wo er endlich die Verzweiflung und die Wut herauslassen konnte, ohne, dass es jemand merkte.

Stumm hatte er zugestimmt, als Tsunade vorgeschlagen hatte, dass Naruto zu ihm ins Haus einzog, damit es für sie beide leichter werden sollte. Oder vielleicht eher damit man weniger Babysitter auf einmal brauchte? Sasuke knurrte leise vor sich hin und merkte kaum, wie sie anhielten, damit Sakura Naruto half seine Sachen zusammen zu packen, ehe sie zu Sasukes Haus weiter liefen.

Für ihn war es nur eine kurze Wartezeit, er nahm kaum wahr, dass sie tatsächlich über eine halbe Stunde vor Narutos Wohnungstür standen und warteten. Er merkte nicht wirklich, dass Kakashi mit ihm sprach oder dass Sakura fast verzweifelte, als Naruto trotz allem darauf bestand (und daran scheiterte) es zumindest erst selbst zu versuchen.

Er merkte nur, als die Hand auf seiner Schulter ihn wieder sacht nach vorne drückte und setzte sich automatisch mit in Bewegung.

Das Laufen selbst störte ihn wenig, aber die Tatsache, dass er, selbst wenn er aufsah, vor sich nicht mehr als schwarze, dunkle, scheinbar wabernde Schemen sah. Er war sich nicht einmal sicher, ob er sich nicht auch diese nur einbildete, weil er unbedingt irgendetwas anderes als Dunkelheit sehen wollte. Oder weil er sich einreden wollte, dass es tatsächlich nur Dunkelheit war, obwohl er nur zu deutlich die Sonne auf Gesicht und Händen spüren konnte, die ihm zweifelsfrei sagte, dass es Mittag und helllichter Tag sein musste…

Erst, als Kakashis Hand plötzlich verschwand, schreckte Sasuke aus seinen düsteren Gedanken auf und musste ein instinktives Zusammenzucken unterdrücken. Er hatte keine Ahnung, wo er war. Er hatte sich nicht die Mühe gemacht darauf zu achten, wohin sie liefen oder auch nur versucht sich auf irgendwelche Anhaltspunkte zu konzentrieren, die er vielleicht noch haben mochte.

Und jetzt war passiert, womit er eigentlich hätte rechnen müssen: Kakashi war weg und er allein. Sasuke biss sich auf die Lippe. Shit.

Er zwang sich zur Ruhe, schloss in einer reflexartigen Bewegung die Augen und lauschte auf seine Umgebung. Es war ein wenig erfolgversprechender Versuch und Sasukes Gesicht verzog sich immer mehr, je länger er an diesem unbekannten Ort stand und nichts hörte. Einfach gar nichts. Keinen Wind, kein Blätterrascheln, keine Vögel, keine Menschen, nichts. War er irgendwo im Inneren eines Gebäudes? Hätte er nicht auch dort irgendetwas hören sollen? Wo waren Kakashi und Sakura hin? Wo war Naruto? Und, die wohl wichtigste Frage überhaupt: Was sollte er jetzt tun? Sein Gehör sagte ihm rein gar nichts und er hatte nicht vor sich wie ein Idiot mit ausgestreckten Händen vorwärts zu tasten, bis er auf irgendetwas stieß und…

Er konnte nicht verhindern, dass er erschrocken einen halben Schritt zurück zuckte, als ihn plötzlich etwas an der Brust berührte. Er brauchte eine halbe Sekunde, um zu realisieren, dass es sich verdammt nach menschlichen Fingern anfühlte und dass nun, da er darauf achtete, auch ganz leise ein Atem irgendwo vor ihm stand. Ein Mensch. Er war nicht alleine.

„Teme?“, fragte kurz darauf eine ihm nur zu gut bekannte, nervige Stimme. Sasuke setzte dazu an ihn als Antwort einfach anzufunkeln, bis ihm einfiel, dass es vollkommen sinnlos war. Er selbst konnte einfach nicht treffen und selbst wenn er es durch Zufall hingekriegt hätte, im Augenblick waren Blicke an Naruto vollkommen verschwendet.

Also rang er sich mit einiger Mühe doch dazu durch zu sprechen: „Was?“

Ein kleines Stimmchen in ihm sagte, dass er erleichtert war, weil er nun doch wusste, dass er nicht allein war. Leider war da ein deutlich lauteres Stimmchen, dass ihm sagte, dass der Idiot ihm kein bisschen würde helfen können.

„Wo schlafe ich?“

Naruto klang seltsam normal, vielleicht einen Tick zu gut gelaunt, um es wirklich ernst zu meinen, aber andernfalls hätte Sasuke gesagt, dass alles vollkommen in Ordnung wäre, wenn er es nicht besser gewusst hätte – und das tat er spätestens seitdem Naruto gestern Abend versucht hatte sich zu ihm auf die Bettkaste zu setzen und dabei vermutlich gegen so ziemlich jeden einzelnen Gegenstand im gesamten Raum gerannt war. Sasuke wusste schon, warum er sich nicht vom Fleck bewegt hatte…

Sasuke schnaubte. „Gästezimmer.“ Unter normalen Umständen hätte er eine Bewegung in Richtung Treppe gemacht oder, an einem guten Tag, vielleicht sogar den Weg gezeigt, doch so blieb er stehen und rührte sich nicht. Immerhin konnte er jetzt vermuten, dass er irgendwo in seinem Haus stand. Wo war eigentlich Kakashi hin? Oder Sakura? Es klang nicht, als ob sie noch in der Nähe wäre, aber keiner von ihnen wäre dumm genug, Naruto und ihn jetzt alleine zu lassen… oder?

„Und wo ist das?“, fragte Naruto und Sasuke meinte in seiner Stimme zu hören, wie er die Augen verdrehte. Gleich darauf schalt er sich selbst einen verdammten Narren, man konnte doch keine Mimiken hören! Das war so was von schwachsinnig und klang eher nach etwas, dass sein vertrottelter Teamkollege loslassen würde.

„Oben.“, war seine kurze Antwort, „Zweite Tür links.“ Er war einfach nicht in der Stimmung jetzt genaueres zu sagen und er fand, dass man anhand dieser Beschreibung sehr wohl auch blind den Raum finden konnte.

„Teme.“, erklärte Naruto daraufhin und wieder landete eine Hand auf Sasukes Brust und er konnte ein leichtes Zucken nicht verhindern, „Ich war vielleicht dreimal in deinem Haus und kein einziges Mal im Obergeschoss, wie bitte soll ich das finden?“

Sasuke war sich nicht sicher, ob sein Tonfall nun ernst, spaßig oder trocken sein sollte, entschied sich aber für ein Schulterzucken, von dem er nicht einmal sicher wusste, ob Naruto es überhaupt wirklich wahrnehmen konnte.

„Lass dir von Sakura den Weg zeigen.“ Sie wird sich freuen, sich hier umsehen zu dürfen, fügte er in Gedanken hinzu. Dafür erntete er aber nur ein Schnauben von Naruto.

„Sie ist gegangen. Genauso, wie Kakashi-sensei. Wir beide sind allein.“, fügte er betont hinzu. Natürlich sah er nicht, wie Sasuke skeptisch die Stirn runzelte und eine Augenbraue hob. Er konnte sich einfach nicht vorstellen, dass die beiden sie in ihrem… Zustand wirklich allein lassen würden. Wieder lauschte er intensiv auf seine Umgebung, aber auch wenn er jetzt Naruto auf eine schwer zu beschreibende Art sehr deutlich (und seltsamerweise nicht nur akustisch, es war mehr als ob er fühlte, wo Naruto stand) wahrnehmen konnte, jemand anderes hörte er nicht.

„Also hör auf da in der Gegend rumzustehen und zeig mir den Weg.“ Die Hand wanderte seine Brust entlang zu seiner Seite und dann seinem Arm und von dort hinauf zu seiner Schulter, wo sie blieb und ihn kurz leicht drückte.

„Hn.“

Die Aussage war ja gut und schön, nur leider hatte der Blödmann offenbar zwei wichtige Dinge außer Acht gelassen. Zum einen wusste Sasuke nach wie vor nicht, wo genau sie eigentlich waren. Er ging zwar inzwischen davon aus, dass sie in seinem Eingangsbereich standen, aber wo genau war eine völlig andere Frage.

Zum anderen sollte Naruto wissen, dass Sasuke genauso viel oder wenig sehen konnte, wie er selbst und auch wenn er sich hier eigentlich auskannte, hieß das keineswegs, dass er es ohne irgendwo anzustoßen durch die Räume schaffte. Er hatte es nie versucht, aber er war realistisch genug, um zu wissen, dass es alles, aber nicht einfach sein würde. Plus, er konnte nicht sicherstellen, dass Naruto neben ihm nicht in irgendetwas rein rannte. Er selbst hätte sich niemals von Naruto durch dessen Wohnung führen lassen, soviel stand auf jeden Fall fest!

„Jetzt mach schon, du kennst dich hier doch aus und ich hab keine Ahnung, wo es lang geht, also hör auf so ein Bastard zu sein und geh endlich los.“

Es dauerte über eine halbe Stunde und kostete mehrere Diskussionen, Schnauben und viele mehr oder weniger sachte Stöße seitens Narutos, ehe es Sasuke schlichtweg zu nervig wurde und er sich dachte, dass es die eigene Schuld des Trottels war, wenn er irgendwo gegen stieß. Das sprach er auch laut aus, aber Narutos Antwort war ein trockenes „Das wird mir noch oft genug passieren, kann ich mich gleich schon mal dran gewöhnen.“

Sasuke grummelte und murrte daraufhin nur, gab es aber auf. Wenn Naruto sich was in den Kopf gesetzt hatte, war es echt mühselig ihn davon wieder abzubringen.

„Okay, Blödmann, wo genau sind wir?“

„Häh?“, kam postwendend die hochintelligente Antwort, „In deinem Haus?“

Sasuke grummelte leise, ersparte sich aber jede Reaktion darauf und tat stattdessen nun doch, was er hatte vermeiden wollen – er streckte den Arm aus, bis er eine Wand spürte. Okay, eigentlich war es kein schwerer Weg – nach rechts bis zur Wand, dann die Treppe hoch und wieder an der Wand entlang bis zur zweiten Tür, sollte eigentlich machbar sein.

Leider kamen sie kaum zwei Schritte weit, als Sasukes Finger, die immer noch die Wand entlang fuhren, auf etwas stießen und er leicht zurückzuckte. Dann strich er behutsam über das Hindernis und erkannte es als Rahmen. Augenblicke später wurde ihm klar, dass es das alte Bild war, das schon so lange dort hing, wie er denken konnte.

Er strich vorsichtig außen herum und ging weiter, bis er nach vermutlich nicht mal einem Meter auf das nächste „Etwas“ stieß und wieder stehen blieb.

„Sasuke?“, fragte Naruto besorgt neben ihm, „Was ist?“

Sasuke schüttelte sinnloser Weise den Kopf und seufzte innerlich. Das dürfte dann wohl das geschnitzte Ornament sein. „Nichts…“

Und so ging es die Treppe hoch weiter.

Vom Prinzip her war es nicht dramatisch, wären da nicht alle möglichen Ziergegenstände an den Wänden gewesen, denen er quasi nie Beachtung schenkte und die ihn jetzt jedes Mal irritierten, wenn seine Hand sie streifte. Mal ganz abgesehen von der Tatsache, dass Narutos Hand noch immer auf seiner Schulter lag und er sich ehrlich fragte, wie der andere nur so dumm sein konnte sich hier auf seine Führung zu verlassen. Unnötig zu sagen, dass sie sehr langsam waren und sehr lange für diesen Weg brauchten, den Sasuke sonst ohne nachzudenken in wenigen Sekunden genommen hätte…

Colourless

Naruto schob das undefinierbare Gefühl in seiner Magengegend auf das, was die alte Oma Iruka gegenüber als „Schockzustand“ bezeichnet hatte, als sie dachte, er würde sie nicht hören können.

Er wusste, dass er sich in Sasukes Haus befand und dass sie gerade vor dem Eingang zum Gästezimmer standen. Er wusste, dass es hell war, dass am Ende des Flures Fenster waren (die man sogar von unten aus sehen konnte) und dass mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auch das Zimmer selbst nicht fensterlos war.

Vor sich sehen konnte er aber nur eine einzige, einheitlich schwarze Fläche, die ihm langsam aber sicher auf die Nerven ging.

Naruto wusste, dass er blind war, schlimmer noch, blind und an einem Ort, an dem er nie zuvor gewesen war, den er nicht kannte und dass nicht mal jemand in der Nähe war, der sehen und ihn durch das schwarze Nichts führen konnte.

Und trotzdem fühlte er fast nichts.

Nicht die Hilflosigkeit, die da sein sollte, nicht die Angst vor dem Unbekannten, nicht die Wut auf denjenigen, der ihm das angetan hatte, nicht den Ärger darüber, dass sein Leben, wie er es kannte, vorbei war, einfach nichts. Er fühlte sich wenn überhaupt nur wie betäubt, wie ein Zuschauer in seinem eigenen Leben, der noch nicht begriffen hatte, dass er eben nicht nur zusah, sondern alles wirklich erlebte.

Er fürchtete sich vor dem Moment, in dem eben das geschehen würde, weil er sich nicht sicher war, ob er stark genug war, ihn zu überstehen, aber selbst das nahm er nur abgeschwächt und wie durch Nebel wahr.

Um nicht noch auf dumme Gedanken zu kommen, lenkte er seine Aufmerksamkeit lieber auf den warmen Stoff, auf dem seine Hand nach wie vor lag - und dessen Farbe er nicht kannte, wie ihm soeben bewusst wurde - und fragte leise: „Kannst du mir grob sagen, wie es da drin aussieht?“

Er hörte, wie Sasuke scharf die Luft einzog und meinte fast vor seinem geistigen Auge zu sehen, wie sein Teamkollege sich auf die Lippen biss. Die gepresste Stimmlage, in der er antwortete, passte auch nur zu gut ins Bild. „Naruto, ich war in diesem Zimmer nur zum Saubermachen alle paar Monate.“

Naruto war sich nicht sicher, ob das nun eine Entschuldigung, Rechtfertigung oder ein Vorwurf sein sollte. Eine sachliche Anmerkung war es auf jeden Fall nicht gewesen.

„Sasuke.“, antwortete er ruhig und betont, „Ich war in diesem Zimmer noch nie und ich soll mindestens eine Nacht darin verbringen, wärst du also vielleicht mal so nett und würdest es zumindest versuchen?“

Sasuke grummelte etwas Unverständliches, doch dann spürte Naruto zu seiner Überraschung, wie der andere seine Hand von der Schulter nahm und die Handfläche nach oben drehte, während er das Handgelenk festhielt. Ehe der Blondschopf noch eine Chance hatte nachzufragen, was das werden sollte, fühlte er Sasukes Finger in seiner Handfläche Linien malen.

„Das Zimmer ist rechteckig, wir stehen vor der Tür, die sich etwa in der Mitte der nördlichen, kürzeren Wand befindet.“

Und jetzt verstand Naruto die Linien. Sasuke versuchte ihm einen groben Grundriss des Zimmers zu geben…

„Irgendwo rechts von uns, an der langen Wand, steht eine Kommode, daneben steht ein kleiner Tisch. An der kürzeren, hinteren Wand, die uns gegenüber liegen sollte, befindet sich ein Fenster, direkt daneben das Bett, dass in den Raum hineinragt, also pass verdammt noch mal auf, wo du hinläufst, klar, Flachbirne?“

Irgendwie klang die Neckerei nicht halb, wie sie sollte, wenn er sie so mit kühler, unbewegter Stimme von sich gab und so schwieg auch Naruto untypischerweise und ließ Sasuke ungestört fortfahren, solange er es noch tat.

Sein Finger in Narutos Hand fühlte sich kühl an, als er weiter hochfuhr. „Von uns aus links neben dem Bett befindet sich ein Nachtisch mit einer kleinen Lampe, an der anderen langen Wand, steht ein Schrank.“

Sasuke klang, als überlegte er kurz – oder zögerte -, dann führte er Narutos Hand langsam zu etwas, dass sich wie eine lackierte, hölzerne Platte anfühlte. Der Türrahmen?

„Das ist alles, was ich weiß.“, endete Sasuke seine Ausführungen und ließ Naruto endgültig los. Ein kleiner Schauder rann diesem über den Rücken, als er wieder vollkommen alleine dazustehen schien. „Das Bett ist nicht bezogen, Kissen und Decken befinden sich im Bettkasten, Bezüge müssen wir… muss Sakura“, korrigierte er sich und nun rutschte ihm doch der saure, bittere Tonfall heraus, den Naruto bisher vergeblich versucht hatte herauszuhören, „aus meinem Zimmer holen, damit du hier schlafen kannst. Mehr kann ich dir nicht sagen, ich hab selbst keine Ahnung, wie weit irgendwas auseinander steht oder wie groß was ist. Das musst du wohl selbst herausfinden.“

Naruto nickte aus Gewohnheit, bis ihm einfiel, wie bedeutungslos diese Geste mit einem Mal in ihrem Leben geworden war. Er rang sich zu einem zustimmenden Schnauben durch, von der er hoffe, Sasuke würde es verstehen. Das schien der Fall zu sein, denn sein Gegenüber gab einen Laut von sich, den Naruto nicht einordnen konnte, der aber wie eine Mischung aus Husten, Schnauben und… Wimmern klang. Nun, vielleicht nicht direkt Wimmern, aber es kam näher ran, als es sollte. Hatte Sasuke sich denken können, dass er genickt hatte? Dass er selbst schon wieder für einen Moment vergessen hatte, wie wenig das brachte?

Naruto brachte es nicht über sich nachzufragen, schob den Gedanken beiseite und wand sich wieder dem Zimmer zu. Er hatte keine große Lust gegen alles mögliche zu rennen, während er den Raum erkundete, aber, wie er selbst schon gesagt hatte, es war letzten Endes unvermeidlich und es hatte keinen Sinn, dass er nicht mal wusste, in was für einem Raum er schlief. Trotzdem zögerte er noch. Wie alle Menschen wagte auch Naruto, so gerne er das auch überspielte, nur ungern einen Schritt ins Unbekannte, vor allem im wörtlichen Sinn.

„Mein Zimmer liegt direkt links nebenan.“, meinte Sasuke auf einmal und fügte, als hätte er Narutos Gedanken gelesen hinzu, „Wenn du mich suchst geh einfach an der Wand entlang, hier oben steht nichts.“ Beinahe unhörbar murmelte er noch „Und wenn eines der Bilder runterfällt ist das nicht weiter tragisch…“, aber Naruto war sich nicht sicher, ob er das wirklich ernst meinte und sagte nichts.

Sasuke schien auch keine Antwort zu erwarten, denn beinah sofort waren gleichmäßige, aber kurze, vorsichtige Schritte zu hören und dazu ein leicht schleifendes Geräusch, das Naruto verriet, dass mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auch Sasuke eine Hand an der Wand entlang fahren ließ…

Er unterdrückte ein Seufzen und ein kleiner, sarkastischer Teil von ihm merkte trocken an, dass er froh sein sollte, dass er seinen ach-so-stolzen Teamkollegen zumindest nicht zaghaft und unsicher durch sein eigenes Haus stolpern sehen musste. Zum Glück war Narutos Sarkasmus aber nicht allzu ausgeprägt und er verdrängte den Gedanken beinahe sofort wieder, um sich wichtigeren Dingen zuzuwenden.

Einen weiteren Seufzer unterdrückend tastete seine Hand das Holz entlang, bis sie tatsächlich auf etwas stieß, das sich verdammt nach Tapete anfühlte. Also doch der Türrahmen… Naruto schluckte, atmete tief durch und machte einen Schritt nach vorne, dann noch einen und noch einen. Unendlich langsam lief er los, die rechte Hand an der Wand, die linke leicht vor sich ausgestreckt, damit er hoffentlich die Möbel nicht mit dem Gesicht finden würde.
 

Naruto konnte an diesem Abend nicht einschlafen. Er lag im unbekannten Bett im unbekannten Zimmer und starrte dorthin, wo die Decke sein sollte, während sich seine Gedanken im Kreis drehten und nicht zur Ruhe kommen wollten.

Sakura hatte ihn heute Mittag im Gästezimmer herum tappend vorgefunden, als sie kurze Zeit später zurückgekommen war – im Nachhinein war es ein halbes Wunder, dass sie sich überhaupt erst hatte überreden lassen, sie auch nur einen Moment allein zu lassen, als Sasuke nicht reagieren wollte…

Auf jeden Fall war sie alles andere als begeistert davon gewesen Naruto alleine in dem Zimmer zu finden und hatte es sich sofort zur Aufgabe gemacht ihn insgesamt dreimal durchs gesamte Haus zu zerren und ihm wieder und wieder die Zimmer zu beschreiben. Naruto wusste und schätzte, wie gut sie es meinte, aber es nervte ihn doch mehr, als dass es ihm tatsächlich half. Er konnte sich nicht in wenigen Stunden den gesamten Grundriss eines Hauses merken, dass er nicht einmal ganz gesehen hatte.

Sein Entfernungssinn war vollkommen durcheinander, wie er schnell hatte merken müssen, ebenso wie sein Zeitgefühl. Und so machten ihm Sakuras erschrockene Rufe oder ihre Hände an seinem Arm, wenn sie ihn stoppte, ehe er irgendwo hineinzulaufen drohte, nur noch mehr bewusst, wie abhängig er eigentlich von solchen Dingen wirklich war.

Jetzt, wo sie fehlten, merkte er, wie wichtig sie wirklich waren und das Gefühl der Ohnmacht und Ratlosigkeit verstärkte sich nur noch mehr. Was sollte er jetzt tun?

Sasuke hatte sich seit heute Mittag quasi nicht aus seinem Zimmer hinausbewegt und, laut Sakura, auch sein Essen nur mürrisch und mit verbissenem Gesicht entgegen genommen, ehe er ihr fast die Tür vor der Nase zugeschlagen hatte.

Und Naruto konnte es nur zu gut verstehen. Er wollte all das nicht! Er wollte sich nicht über solche Dinge den Kopf zerbrechen müssen, er wollte nicht daran denken, dass ihre Teammitglieder sich nicht einmal mehr trauten, sie auch nur in der Nacht alleine zu lassen und dass draußen auf dem Flur ein kleiner Hund Wache hielt. Er wollte nicht einmal an Sakuras Worte zum Abschied denken…

„Und denk dran, wenn du auf die Toilette musst, einfach direkt grade aus und im Bad immer links an der Wand entlang, dann kannst du sie gar nicht verfehlen. Wenn du trotzdem die Orientierung verlierst, ruf einfach, versuch nicht alleine zurückzufinden, ja?“

Es schmerzte ihn irgendwie, dass sie ihm nicht einmal mehr zutraute sich fünf Schritte zu bewegen, aber deutlich schlimmer war die Tatsache, dass sie damit durchaus auch noch Recht haben könnte, er war sich tatsächlich nicht wirklich sicher, ob es gut gehen würde, wenn er es versuchen sollte…

Naruto seufzte leise, schloss müde die Augen und drehte sich auf die Seite. Er zog die Beine an und presste die Arme an den Körper, in der Hoffnung so schneller einschlafen zu können und zumindest für ein paar Stunden vergessen zu können, was vor sich ging.
 

Iruka saß an seinem Küchentisch und versuchte seit geschlagenen fünf Stunden sich zu beruhigen. Inzwischen war es zwei Uhr morgens und eigentlich sollte er längst schlafen, aber jedes Mal, wenn er dachte, es ginge, kamen ihm Sasukes und Narutos Blicke in den Sinn. Diese leeren, schmerzerfüllten Blicke, die sie ihm heute morgen zugeworfen hatten und er war wieder schlagartig wach. Die letzten beiden Stunden nunmehr hatte er in der Küche in beinah derselben Haltung wie jetzt auch – der Kopf mit beiden Händen abgestützt und die Ellbogen auf dem Tisch – verbracht.

Mittlerweile stapelte sich ein ansehnlicher Berg von etwa einem halben Dutzend Tassen vor ihm, aber auch wenn er genug Baldriantee intus haben sollte, um bis morgen Nachmittag zu schlafen, schien das Wundermittel heute so gar nicht wirken zu wollen.

Irukas Augen hatten sich leicht rötlich verfärbt und wirkten angeschwollen, sein Blick bohrte Löcher in die weiße Kunststoffplatte seines Küchentischs und die Finger krallten sich in die ausnahmsweise einmal offen herabfallenden Haare, während er vergeblich versuchte seine Gedanken in andere Bahnen zu lenken.

Doch irgendwie hatte er das dumpfe Gefühl, dass ihn, was er heute gesehen hatte, so schnell nicht wieder loslassen würde – wenn er es überhaupt jemals schaffen würde diese Bilder wieder loszuwerden.

Er hatte immer gewusst, dass früher oder später ein Tag würde kommen müssen, an dem es einen seiner Schüler erwischte. Er war lange genug Lehrer und hatte genug Schüler heranwachsen gesehen und es war auch schon mehr als einer lange vor seiner Zeit getötet worden, aber noch nie… noch nie hatte es ihn so mitgenommen. Aber, irgendwie war es etwas anderes. Die Toten waren schnell gestorben, sie hatten es hinter sich gehabt, aber Naruto und Sasuke würden noch leiden müssen. Für sie hatte der Albtraum, der sich Leben schimpfte, gerade erst begonnen und es war ganz und gar nicht klar, ob sie jemals wieder…

Irukas Finger krampften sich fester zusammen. Es war nicht klar, ob er sie jemals wieder würde lachen sehen. Es erschien ihm so unendlich falsch.

Ein Naruto, der nicht mehr lachend vor ihm davon oder auf ihn zu rannte. Dessen Augen ihm nicht mehr fröhlich und glücklich entgegenstrahlen würden… und ein Sasuke, der nicht mal mehr in der Lage war, sich frei zu bewegen, ganz zu schweigen von all den Dingen, die er lange vor dem üblichen Alter gemeistert hatte.

Es war ein Rückschritt um mehrere Jahre und Iruka fürchtete sich davor zugeben zu müssen, dass es vielleicht so bleiben konnte.

Ein leises Geräusch neben ihm ließ ihn verwundert aufblicken und sich einmal übers Gesicht reiben. Verblüfft starrte er auf den kleinen Mops, der neben seinem Stuhl erschienen war und ihn ernst ansah.

„Pakkun? Solltest du nicht bei Naruto und Sasuke sein?“ In dem Moment, als Iruka die Worte aussprach, wurde ihn selbst klar, was er da gerade sagte und beinah augenblicklich riss er die Augen auf und setzte an aufzuspringen. „Ist etwas passiert?!“

Pakkun schüttelte erschrocken den Kopf. „Nein, nicht direkt, aber…“ Der Hund wirkte leicht unsicher oder ratlos, als er leise seufzte und erklärte: „Naruto schreckt etwa alle halbe Stunde schreiend auf und braucht mindestens fünf Minuten ehe er sich wimmernd zusammenkauert und wieder einschläft. Ich hab einmal versucht ihn zu beruhigen, aber er erschreckt nur noch mehr dabei… eigentlich wollte ich Kakashi Bescheid geben, aber dann hab ich hier Licht brennen sehen…“

Iruka nickte müde, schloss noch für einen Moment die Augen und lief los. Den Weg bis zu Sasukes Haus legte er mehr oder weniger rennend zurück. Eigentlich wollte er nicht dort ankommen und es sehen müssen, aber allein die Vorstellung dessen, was ihn erwartete, war schlimmer, als alles, was kommen konnte und er wollte nicht, dass Naruto unnötig leiden musste. Er hatte, wie auch Kakashi und Sakura, einen Ersatzschlüssel für die Haustür bekommen und konnte so möglichst geräuscharm hinein und die Treppe hinauf schleichen. Sasukes Zimmertür war geschlossen und Iruka hörte dahinter keine Geräusche, auch wenn er sich keinesfalls sicher war, ob der Junge wirklich schlief.

Die Tür zum Gästezimmer allerdings stand einen Spalt breit offen und aus ihr klangen sehr leise, aber doch eindeutig hörbare, wimmernde Geräusche heraus. Als Iruka sie sacht ein Stück aufdrückte, wurde er mit schwachem Mondlicht begrüßt, da Naruto ganz offensichtlich keinen Sinn darin gesehen hatte, die Vorhänge vorzuziehen. Das war aber eindeutig nebensächlich, was Iruka viel mehr erschreckte war der Junge selbst.

Er lag seitlich in Fötushaltung auf dem Bett, möglichst zusammengekauert, die Decke fest um sich gewickelt und mit einem gequälten Ausdruck im Gesicht. Die Augen waren zusammengekniffen, der Mund nur noch eine dünne Linie und Iruka konnte selbst im schwachen Licht nur allzu deutlich den Schweiß auf seiner Haut erkennen. Als Naruto ein weiteres Wimmern ausstieß und sich seine Hände noch stärker um die Bettdecke verkrampften, konnte Iruka nicht mehr anders, er musste einfach eingreifen.
 

Naruto stand mitten auf einer Straße, das wusste er. Er hörte Leute um sich herum aufgebracht reden, teilweise schreien, er hörte Kisten, die über den Boden geschleift wurden, Tüten, in die etwas gepackt wurde, Hunde, die aufeinander losgehen wollten und wohl von ihren Besitzern trotz der lautstark bellenden Proteste weiter gezogen wurden. Er hörte Kinder, die lachten, weinten, schrieen, Menschen, die wild durcheinander liefen. Er roch Gemüse, vermutlich solches, das zu Boden gefallen war, den typischen Gestank faulen Obstes und schlechten Fisches, sowie Tierkot. Und er spürte, wie ihn immer wieder Menschen anrempelten, denen er offenbar im Weg stand.

Aber er sah nichts. Er wusste nicht, wo er war, wie er dorthin gekommen war oder was er jetzt tun sollte. Er fühlte sich vollkommen verloren im Wirrwarr der unterschiedlichen Eindrücke, die auf ihn einströmten. Ihm war mehr als klar, dass er mitten im Weg stehen musste, da immer mehr Menschen aus dem Nichts gegen ihn stießen und schimpften er solle da weggehen, aber er wusste nicht wohin.

So stand er wie gelähmt, bis plötzlich ein verdammt lauter Knall ertönte, noch mehr Menschen aufschrieen und Naruto auf einmal das Gefühl hatte, eine Wand wäre gegen ihn gekracht. Scheinbar wollten auf einmal alle weg und genau in die Richtung, in der er stand und sie hatten es eilig. Noch mehr Schreie und der überdeutliche Geruch von Blut… irgendetwas war da, aber Naruto wusste nicht was und ehe er irgendetwas tun oder sagen konnte, rannte jemand direkt in ihn hinein und er fiel rücklings auf den Boden. Fast sofort landeten Füße unsanft auf seinen Händen und Armen, als die Leute einfach über ihn hinweg rannten und Naruto schrie auf.
 

Als er ruckartig aus dem Schlaf auffuhr war es immer noch dunkel und da lag etwas auf seiner Schulter. Erschrocken zuckte er zurück, wollte so schnell wie möglich weg von was auch immer da war und verdammt noch mal endlich raus aus diesem Traum und…!!

„Naruto, ganz ruhig, ich bin’s nur, Iruka!“

Einen Augenblick brauchte Naruto noch, um diese Information zu verarbeiten und währenddessen saß er wie zum wegdrehen bereit da. Dann, unendlich langsam, dämmerte ihm, was gerade los war…

„Nein, nein, nein!“, flüsterte Naruto leise und kniff wütend auf sich selbst und auf die ganze Welt die Augen zusammen, während er mit beiden Händen in seine Haare fuhr und sich darin fest griff.

Jetzt verstand er auch, was das da auf seiner Schulter war, offenbar hatte Iruka einen Arm um ihn gelegt und obwohl sich Naruto eigentlich geschworen hatte genau das auf gar keinen Fall zu tun, ließ er sich nun sacht gegen Iruka fallen und genoss für einen Moment einfach das Gefühl von Wärme und Geborgenheit, das die Haltung mit sich brachte.

„Ist schon okay, du hattest einen Albtraum…“, meinte Iruka sacht und rieb ihm mit der anderen Hand über den Arm.

Naruto schüttelte den Kopf. „Nein, ich bin immer noch drin…“, flüsterte er so unendlich leise, dass Iruka vermutlich Schwierigkeiten haben würde, ihn zu verstehen. Aber das war Naruto nicht unrecht, er war sich nicht sicher, ob er wirklich wollte, dass sein ehemaliger Lehrer und Quasi-Ersatz-Vater die Worte wirklich hörte.

Offenbar hatte er das aber tatsächlich, denn Naruto vernahm ein Seufzen. „Ich weiß, Naruto, ich wünschte, ich könnte dir das abnehmen.“

„Was? Nein!“, fast schon entsetzt riss Naruto nun doch die Augen auf und versuchte dorthin zu funkeln, wo er Irukas Gesicht vermutete. Das war eindeutig zu viel des Guten, das ging ja mal so was von gar nicht, das jemand anderes an seiner Stelle leiden sollte, nie im Leben und schon gar nicht sein Lehrer! Fast meinte er Iruka in Gedanken traurig lächeln zu sehen, als der andere meinte: „Ich wünschte, ich könnte es dir leichter machen…“

Naruto schüttelte vehement den Kopf, lehnte sich aber beinah sofort wieder gegen Irukas Schulter und schloss müde die Augen.

„Es ist so dunkel…“, murmelte er und merkte selbst, dass seine Stimme brach, als wäre er kurz davor zu weinen. Und erst in dem Moment fiel ihm auf, dass tatsächlich Tränen über seine Wangen liefen. Er schluchzte nicht und winselte auch nicht mehr, aber er konnte sie nicht aufhalten, wollte es vielleicht auch nicht, da sie all die Frustration und Ratlosigkeit des Tages enthielten.

Naruto spürte, dass Iruka zögerte etwas zu erwidern und lächelte halbherzig. „Ich will nicht glauben, dass es so bleiben wird… es ist nicht die Dunkelheit selbst, die mich stört, aber… ich vermisse sie jetzt schon.“

Einen Moment lang herrschte Stille im Raum, nur Irukas Hand fuhr wieder und wieder seinen Oberarm auf und ab und Naruto musste sich eingestehen, dass es warum auch immer gut tat. Er fühlte sich nicht mehr ganz so allein im schwarzen Nichts um ihn herum.

„Was vermisst du, Naruto?“, fragte sein Lehrer schließlich doch leicht zaghaft nach und Naruto erklärte: „Farben.“

Er unterdrückte ein Seufzen und fuhr gedrückt fort: „Ich weiß, dass ich sie vermutlich niemals mehr wieder sehen werde – was, wenn ich sie irgendwann vergesse? Wenn ich nicht mehr weiß, wie rot und gelb und orange aussehen?“

Er wollte es nicht. Er wollte es auf gar keinen Fall zulassen und doch, er war in dem Augenblick offenbar zu aufgewühlt, um bewusst zu entscheiden, denn im nächsten Moment merkte Naruto, wie er den Kopf in Irukas Brust vergrub und wirklich weinte.

Iruka ließ ihn. Er streichelte ihm nur sanft über den Rücken und wartete geduldig, bis die Tränen weniger wurden, ehe er leise antwortete: „Du wirst sie nicht vergessen, wenn du es nicht willst, Naruto. Du wirst nichts vergessen.“

„Woher weißt du das? Ich…“

„Psst.“, unterbrach Iruka ihn sanft, „Fang gar nicht erst an so zu denken, hörst du? Sag mir lieber was du mit der Farbe Gelb verbindest.“

Naruto blinzelte verwirrt und versuchte instinktiv wieder in seiner Dunkelheit Irukas Gesicht zu finden. Er hätte ihn jetzt so gerne angesehen.

„Was ich damit verbinde?“, wiederholte er verwirrt. Er hatte so was von keine Ahnung, worauf der andere hinauswollte.

„Ja, was fällt dir als erstes dazu ein?“

Naruto legte den Kopf leicht schief, während er versuchte an nichts weiter als an die Farbe zu denken und einfach ein Bild dazu zu malen. Das erste, was ihm in den Sinn kam, war das typische Bild, das Kinder malen würden, wenn man ihnen Buntstifte gab: Eine grell-gelbe Sonne, aber er wusste, dass das wenig taugen würde und überlegte weiter. Während er gedanklich einen kleinen Streifzug erst durch seine Wohnung und dann durch den Rest Konohas machte, fiel es ihm wie von selbst ein.

„Sonnenblumen.“ Ein winziger Ansatz eines Lächelns stahl sich kurz auf Narutos Lippen, nur um gleich darauf wieder zu verschwinden. „Wenn man im Sommer auf einen der Hokageköpfe steigt und in Richtung Osten sieht, ist da ein riesiges Sonnenblumenfeld… ich habe den Anblick immer geliebt…“, fügte er leise flüsternd hinzu, überraschte sich aber selbst, als er nicht wieder in Tränen ausbrach, sondern wie von selbst weiter sprach. Er hatte nie vorgehabt fortzufahren, aber irgendwie war sein Mund schneller als sein Gehirn und sprach aus, was er dachte, lange, ehe er es selbst merkte. „Und das Gras im Westen steht für Grün, vor allem, wenn es so richtig hoch gewachsen ist und der Wind hindurchfegt und es Wellen schlagen lässt… und wenn das nicht reicht, kann ich auch noch an das… tolle Outfit denken, dass ich irgendwo noch rumfliegen habe… immerhin kann ich mich jetzt nicht mehr an der Farbe stören.“, die letzten Worte klangen deutlich verbitterter als sie sollten und so stieß Naruto erst einen Seufzer aus, ehe er weiter erzählte, „Rot sind Tomaten, Tomaten und Sakuras Kleid. Ihre Haare stehen für Rosa, Sasuke steht für Blau, Hinata für Weiß, Kakashi für Grau und Shizune für Schwarz.“

„Wieso steht Hinata für weiß?“, fragte Iruka und klang leicht verblüfft. Gleichzeitig hatte Naruto aber auch das sichere Gefühl, dass er lächelte, einfach der Klang seiner Stimme, seine Tonlage, all das ließ keinen anderen Schluss zu.

„Ihre Augen.“, erklärte Naruto schulterzuckend, „Mmh… mir fällt grad ein, Oma Tsunade könnte auch für grün stehen… aber für ein helleres Grün… muss ich mir die Farbabstufungen einzeln merken?“

Fragend wand er den Blick zum wiederholten Mal auf Irukas Gesicht auch wenn er irgendwie das Gefühl hatte, dass er sicher nicht traf und keinem von ihnen einen Gefallen tat, es fühlte sich einfach normaler… richtiger an.

„Das kommt darauf an. Wie viele Farbabstufungen kannst du zuordnen?“, war Irukas Antwort und wieder meinte Naruto ihn lächeln zu hören.

Es war eine reine Ablenkungstaktik, da war er sich sicher, aber solange sie funktionierte, warum sollte er nicht darauf eingehen? „Sakura steht für rosa, für knallig pink steht…“
 

Eine ganze Weile ließ ihn Iruka einfach reden. Naruto grübelte kaum noch, nur dann, wenn ihm kein passender Name für eine Farbabstufung einfiel und er versuchte Iruka irgendwie zu erklären, was er meinte, sei es nun durch Vergleiche oder Beschreibungen wie „heller“, „dunkler“ oder „mehr ins Blaue/Grüne/Gelbe/Rote“.

Er hatte keine Ahnung wie viel Zeit vergangen war, als er das erste Mal wieder zu dieser Frage kam. Er wusste, dass Iruka sich irgendwann zu ihm ins Bett gesetzt und sie das Kopfkissen an die Wand hinter sich gelehnt hatten. Iruka saß mit dem Rücken dagegen auf der Matratze, Naruto lag mehr als das er saß in seinem Arm und schien halb im Schlaf, wenn er in Gedanken versuchte zu beschreiben, was er in seinem Kopf sah.

Jetzt aber, als er so ziemlich alle Farben, die ihm einfallen wollten, abgearbeitet hatte, kam ihn eine deutlich wichtigere Frage wieder in den Sinn: „Iruka-sensei? Wie spät ist es eigentlich?“

Einen Moment lang war es still, Naruto vermutete, dass Iruka auf die Uhr sah, ehe er leise antwortete: „Es ist jetzt kurz nach vier Uhr morgens.“

„Warum bist du um diese Uhrzeit hier?“, platzt Naruto überrascht heraus, worauf er ein leichtes Schulterzucken unter seinem Kopf spürte.

„Ich war ohnehin noch wach, keine Sorge.“

Das nahm er ihm nicht so ganz ab und irgendwie bekam Naruto beinah sofort ein leicht schlechtes Gewissen bei dem Gedanken seinen Ersatzvater vom Schlafen abzuhalten. Überrascht blinzelte er, als eine warme Hand ihm durch die Haare wuschelte und, als hätte er jedes einzelne Wort seiner Gedanken gehört, erklärte Iruka sacht: „Ich konnte wirklich nicht schlafen, da kann ich doch auch bei dir sein, also mach nicht so ein Gesicht, Naruto.“

Naruto wusste nicht, was er meinte. Was machte er denn für ein Gesicht? Er hatte selbst nicht die geringste Ahnung, was allerdings keine wirklich neue Erkenntnis war, er hatte seine Mimik selten wirklich unter Kontrolle, hatte sich aber auch noch nie wirklich daran gestört und so schmunzelte er kurz ironisch, ehe er sich wieder zurücksinken ließ und müde die Augen schloss.

Es war warm und gemütlich und er musste zugeben, dass er sich im Augenblick sogar wieder wohl fühlte und beinah, wenn auch nicht ganz, für eine kurze Zeitspanne hatte vergessen können, was los war.

„Du solltest versuchen noch ein wenig zu schlafen.“, schlug Iruka vor. Stumm stimmte Naruto ihm zu, doch beinahe sofort folgten die Erinnerungen an die drei oder vier Albträume, aus denen er schon aufgeschreckt war, nur um in einem noch größeren zu landen. Er verkrampfte sich und schüttelte vehement den Kopf. Nein, er würde nicht schlafen, solange er es nicht musste, dann würden nur diese Träume wiederkommen und ihn daran erinnern, warum er sie überhaupt erst hatte.

„Ich kann nicht.“, presste er zwischen den Zähnen hervor und wand den Kopf in die entgegen gesetzte Richtung. Er würde jetzt nicht davon anfangen, nicht, wenn er sich gerade erfolgreich davon hatte ablenken lassen. Warum musste das blöde Thema auch nur so verdammt allgegenwärtig sein? Warum musste es ausgerechnet Blindheit sein? Taubheit, Stummheit, bei beiden hätte er sich zumindest vorübergehend einreden können, dass sie nicht real waren, dass es einfach nur still war oder er nichts sagen wollte, aber Blindheit? Es machte keinen Sinn sich zu sagen, dass es nur dunkel war oder man die Augen geschlossen hatte, sie blockierte ihn viel zu oft.

Er konnte verdammt noch mal nicht mal mehr irgendwas alleine machen. Ehrlich, er hatte sogar nachts einen Aufpasser gebraucht? Sollte das jetzt echt so weitergehen?!

„Albträume?“, riss ihn Irukas Stimme aus seinen Gedanken und diesmal merkte er sehr wohl, wie er unwillig das Gesicht verzog und kurz ein Nicken andeutete.

„Willst du drüber reden?“

Das war etwas, das Naruto nicht kannte und im ersten Augenblick stutzte er nicht schlecht. Da war nie jemand gewesen, der ihn jemals gefragt hatte, ob er über einen Albtraum reden wollte. Solange er denken konnte, war das einzige Mittel dagegen gewesen den Rest der Nacht durchzumachen, sich so sehr mit Training zu verausgaben, dass er am nächsten Abend traumlos einschlief und, wenn das nicht half, sich schlichtweg unter der Bettdecke zu verkriechen und zu hoffen, dass die Dämonen seiner Träume in der Nacht nicht wiederkamen. Iruka hatte ihm in vielerlei Hinsicht ab einem gewissen Alter den Vater ersetzt, aber es war zu spät gewesen, als dass er noch mitkriegen würde, wenn Naruto schlecht träumte. Insbesondere, da letzterer immer darauf bedacht war, niemanden merken zu lassen, wenn das der Fall war. Auch wenn er sich bis heute nicht ganz sicher war, ob man es ihm nicht das eine oder andere Mal doch angemerkt hatte, aber eigentlich hatten sich die wenigen Leute, die ihm überhaupt genug Aufmerksamkeit schenkten, damit sie es merken konnten, immer mit der Ausrede zufrieden gegeben, er habe einfach einen schlechten Tag…

„Nein, danke.“, antwortete er mit einiger Verspätung und atmete tief durch, „Iruka-sensei?“

„Ja, Naruto?“

„Wird es… immer so bleiben?“, es kostete ihn doch einiges an Überwindung das so offen auszusprechen, eigentlich hätte er es lieber für sich behalten und wie immer versucht zu verdrängen, bis es irgendwann unausweichlich wurde, aber diese Nacht stand er zu sehr neben sich, um auf seine Standardlösung zurückgreifen zu können.

„Was genau… meinst du?“, fragte Iruka nach und Naruto hörte den mehr als besorgten Unterton. Er fragte sich, ob sein ehemaliger Lehrer wirklich meinte, er wäre vergesslich oder naiv genug zu glauben, dass seine Blindheit trotz allem, was Tsunade gesagt hatte, irgendwann einfach wieder verschwinden würde, wenn er nur lange genug wartete. In Gedanken schmunzelte Naruto ironisch. Wenn sich alle Probleme so einfach lösen lassen würden, würde wohl selbst er es schaffen, einmal geduldig zu sein, aber selbst er war nicht blauäugig genug, um das wirklich zu glauben.

Leider brachte ihn das nun in die unangenehme Lage doch erklären zu müssen, was er eigentlich nicht hatte aussprechen wollen. Er seufzte leise. „Werde ich den Rest meines Lebens darauf angewiesen sein, dass mir jemand hilft?“, einmal angefangen sprudelten die Worte aus ihm heraus und er konnte sich nicht mehr stoppen, „Ich kann doch rein gar nichts mehr alleine machen und… was soll ich jetzt überhaupt machen? Ein Ninja kann ich ja wohl nicht mehr sein, aber… ich…“

Ein Finger legte sich sacht auf seine Lippen und Naruto verstummte augenblicklich. Gegen Ende hatte er immer schneller und schneller gesprochen, es war ein halbes Wunder, wenn Iruka ihn überhaupt noch verstanden haben sollte…

„Atmen nicht vergessen, Naruto.“, meinte der nun ruhig, „Und, nein, keine Sorge, das wirst du nicht. Ich will nicht lügen, es wird nicht leicht und du wirst vieles, das du eigentlich kannst, neu lernen müssen, aber es ist nur eine Frage der Zeit, dann wirst du wieder alleine klar kommen.“

Naruto hörte stumm zu und scheiterte daran Irukas Tonfall zu deuten. Er klang eigentlich schon zu ruhig, aber gleichzeitig auch ein wenig gepresst und… als wäre das nicht, was er eigentlich sagen wollte. Und Naruto stellte nur noch frustrierter fest, dass es jetzt sehr hilfreich gewesen wäre, das Gesicht seines Lehrers sehen zu können. Unwillkürlich verkrampfte er sich leicht, was Iruka offenbar falsch verstand, denn er beeilte sich zu erklären: „Morgen wird Kakashi mit euch anfangen und du wirst sehen…“ Iruka machte eine kurze Pause, die Naruto genauso wenig verstand, wie seinen Unterton und so wartete er einfach ab, bis er weiter sprach. „Mit ein bisschen Geduld und Übung machst du bald wieder alles alleine.“

„Außer ein Ninja sein…“, flüsterte Naruto leise, woraufhin Iruka ihn leicht drückte.

„Das wird sich zeigen, gib dir erstmal ein wenig Zeit, dann sehen wir, wie es weitergeht…“

Eigentlich hatte er Recht, eigentlich sollte er, der hoffnungslose Optimist es doch so sehen können, nicht? Warum aber, ging es dann nicht?

Naruto schloss zum wiederholten Mal die Augen und versuchte vergeblich runterzukommen.

Er konnte nicht wirklich mit Hoffnung in die Zukunft sehen, wenn er doch so klar wusste, dass sein Traum mit allem, was dazu gehörte, wortwörtlich vor seinen Augen zerplatzt war. Er wusste, dass es möglich war ohne Augenlicht zu leben, er war sich sicher, dass er irgendwann auch wieder würde offener und vielleicht sogar glücklicher sein können, aber ein blinder Ninja… das war einfach undenkbar.

Ein Ninja musste so nah es nur ging an Perfektion heranreichen, ihm durfte nichts entgehen und er musste auf alles reagieren können. Selbst wenn Naruto eines Tages damit klar kam, dass seine Welt ein einziges schwarzes Loch war, ihm war nur zu klar, dass ihm viel zu viele Informationen fehlen würden. Nicht nur Farben und Licht, Schrift, Gesichtsausdrücke, Wege, Angriffe, zu viel, als dass es sich wirklich ersetzen ließ…

Und er wusste, dass genau diese Tatsache auch Sasuke längst klar geworden war, denn auch wenn sein Teamkollege offenbar dachte, er dürfte es nicht zeigen, er hatte ganz offenbar nicht daran gedacht, dass Naruto seine kaum gedämpften Schluchzer im Nachbarzimmer sehr wohl hören würde. Egal, wie stark oder desinteressiert er sich geben mochte, Naruto wusste, dass es an ihm genauso nagte.

Und insgeheim fürchtete er sich davor, was dieser Unfall aus ihnen beiden machen könnte, wenn sie nicht aufpassten…

Painful Process

Er hatte diese Nacht nicht viel Schlaf bekommen. Unruhig war er immer wieder aufgeschreckt und hatte der Welt um sich herum gelauscht. Normalerweise wäre er in einer solchen Nacht aufgestanden, hinausgegangen und hätte sich ein wenig mit Training verausgabt. Oder er hätte sich einen Tee gemacht und in ein Buch vertieft.

Alles Dinge, die ihm nun nicht mehr möglich wären, wie Sasuke verbissen feststellen musste.

Theoretisch hätte er sie können sollen, aber auch wenn er sich sicher war, dass er den Weg nach draußen oder in die Küche gefunden hätte, schauderte es ihm beim Gedanken hinterher wieder den Weg nach drinnen suchen zu müssen oder sich mit der unvermeidlichen Erkenntnis konfrontiert zu sehen, dass Bücher für ihn nicht mehr als Blattsammlungen waren, die ihm keine ihrer Informationen geben konnten.

Er hatte versucht zu meditieren, um ein wenig zur Ruhe zu kommen, aber immer wieder tauchten in seine Gedanken Bilder dessen auf, was er immer natürlich und ohne nachzudenken machte und was nun nicht mehr ohne weiteres ging, und schließlich hatte er ärgerlich abgebrochen und versucht sich im wahrsten Sinne des Wortes zum Schlafen zu zwingen.

Unnötig zu sagen, dass es nicht eben gut funktioniert hatte. Außerdem hatte er Naruto gehört. Er hatte das Keuchen gehört, die Schreie, die Verzweiflung und den Schrecken beim Aufwachen. Er hatte nie bemerkt, wie hellhörig dieses Haus geworden war und es gefiel ihm gar nicht.

Nicht nur, dass er selbst darunter zu leiden hatte, weil er Narutos Wimmern hören und verdammt noch mal deswegen Wut und Mitleid spürte, nein, es hieß im Umkehrschluss, dass die Chancen nicht schlecht standen, dass auch der Schwachkopf ihn gehört hatte. Sasuke biss sich allein bei dem Gedanken ärgerlich auf die Lippe, aber es ließ sich nicht leugnen, dass ihn diese unnützen Gefühle doch irgendwann erwischt hatten. Etwas, das er unter normalen Umständen nie zulassen würde…

Irgendwann hielt Sasuke es nicht mehr aus länger im Bett herumzuliegen und stand auf. Eine langsame, vorsichtige, demütigende Prozedur, aber immer noch besser als weiter von solchen Gedanken geplagt zu werden. Er hatte keine Ahnung, wie spät es war - sein Fenster und sein Wecker, die es ihm normalerweise verraten hätten, waren nutzlos – aber eigentlich war es ihm auch herzlich egal. So, wie die Dinge standen, würde es ohnehin keinen Unterschied machen.

Er wusste, dass seine Zimmertür geschlossen war und ihn sicher niemand sehen konnte, daher erlaubte er sich die Schwäche eine Hand ein Stück vor sich zu halten und direkt vorwärts auf die Tür zuzulaufen. Etwas, das er ab und an in dunklen Nächten schon getan hatte, wenn er auf die Toilette musste, allerdings in dem Wissen, dass es niemand sah. Wäre irgendjemand in der Nähe gewesen, hätte er das sicher nicht getan. Fast schon erleichtert atmete er aus, als er mit den Fingern gegen das weiche Holz stieß und schüttelte beinahe sofort in Gedanken über sich selbst den Kopf. Erleichtert? Pah!

Er fuhr mit der Hand ein wenig schneller an der Tür entlang, bis er den Griff fand und riss ihn fast schon ruckartig auf. Der Tag hatte kaum begonnen (?) und er war schon wieder schlecht gelaunt, wunderbar…

Er ließ die rechte Hand an der Wand, während er mit ruhigen, aber viel zu langsamen Schritten den Flur hinunter zur Treppe lief. Halb unbewusst registrierte er, dass Sakura und Iruka gestern wohl tatsächlich so ziemlich alle Ziergegenstände von den Wänden entfernt haben mussten, denn seine Finger strichen nur über die leicht raue Tapete, keine Bilder, keine Masken, nichts.

Auf das Ende der Wand folgte das so vertraute Treppengeländer (denn Sasuke vermied diesmal bewusst die Wandseite) und es führte ihn zuverlässig hinunter, während er die 17 Stufen abzählte. Als er unten ankam, musste er für einen unendlich kurzen Moment an Naruto denken und er tat ihm fast leid. Sasuke kannte dieses Haus. Auch wenn er nie darauf angewiesen gewesen war, er wusste, wie viele Stufen die Treppe hatte, wie die Räume eingerichtet und angeordnet waren und auch grob, wie weit etwas auseinander lag. Naruto tat dies nicht, für ihn war es eine einzige, große Unbekannte…

Im nächsten Moment aber schüttelte Sasuke den Gedanken wieder ab. Er musste nicht verstehen, warum der Idiot dumm genug war, einzuwilligen. Er hätte lieber in seiner Wohnung bleiben sollen, dann hätte er sich selbst das Leben einfacher gemacht. Und allen anderen schwerer, fügte eine Stimme in Sasukes Hinterkopf leise hinzu, doch der Junge ignorierte sie lieber und streckte nun die linke Hand aus, um vom Treppengeländer rechts zur Wand links zu kommen und dieser zu folgen.

Das bedeutete zwar, dass er einmal durch den Flur und an der Haustür vorbei musste, aber es ersparte ihm den Weg quer durch die Diele und somit durch freien Raum zu laufen. Außerdem hatte er Zeit, er brauchte ohnehin lange, der kleine Umweg würde auch keinen Unterschied mehr machen.

Die Wand, der er nun folgte, wurde nur kurz von der Tür zur Gästetoilette unterbrochen, dann kam die Küchentür, die eigentlich immer offen stand… und Sasuke hielt erschrocken inne, als er noch schätzungsweise vier Schritte davor stand. Er hörte Stimmen. Er verstand sie nicht, da sie zu flüstern schienen, aber er war sich ziemlich sicher, dass sie aus seiner Küche kamen. Leicht unsicher weiteten sich seine Augen. Es konnte natürlich sein, dass es schlichtweg Naruto und wahlweise Sakura oder Kakashi waren, aber dann müsste es später sein, als er vermutet hatte… oder es war jemand, der hier nichts zu suchen hatte, was ihn vor ein ernsthaftes Problem stellen würde.

Sekunde, hätte da nicht irgendwo ein Hund von Kakashi sein sollen? Hatte der nicht gestern Abend so was gesagt?

„Naruto, nicht!“, hallte plötzlich ein Schrei durch den Flur, gefolgt von einem lauten Klirren und Sasukes Verstand setzte aus, als er hastig die verbliebenen Schritte nahm und in der Küchentür stehen blieb, als wollte er sehen, was da zu Bruch gegangen war. Natürlich merkte er seinen Fehler sofort und verzog verärgert das Gesicht, während er erstarrte und auf jedes noch so kleine Geräusch lauschte, das ihm sagen konnte, was gerade vor sich gegangen war.

„Naruto, ich hab doch gesagt, du sollst einen Moment warten…“, seufzte gerade eine Stimme, die Sasuke relativ sicher Iruka zuordnen konnte – und der musste von ihm abgewandt stehen, sonst hätte er sicher längst etwas zu seiner Anwesenheit gesagt. Ganz leises Klirren von Keramik ließ vermuten, dass, was auch immer Naruto hatte fallen lassen, vollständig zerbrochen war und Iruka die Scherben aufsammelte oder zusammenkehrte.

„Tut mir leid, Iruka-sensei, ich wollte nur…“

Plötzlich brach Narutos Entschuldigung ab und er stieß einen leisen, verwunderten Ton aus, der vor Sasukes innerem Auge ein Bild entstehen ließ. Naruto, wie er dort stand und verwundert aufsah, als hätte er etwas entdeckt, dass er nicht erwartet hatte.

„Ist da wer?“, fragte er und seine Stimme klang irgendwie sehr unsicher.

Sasuke ging davon aus, dass Iruka sich nun doch rumgedreht hatte, denn einem unterdrückten „Mmh?“ folgte die nur teils überraschte Frage „Sasuke? Du bist schon auf?“.

„Hn.“, war alles, was er antwortete, während er sich noch wunderte, woher Naruto gewusst hatte, dass er da war. Er hatte sich nicht bewegt, hätte also eigentlich kein Geräusch machen dürfen.

„Ähm, sorry, ich glaub’, ich hab’ eine deiner Tassen kaputt gemacht… hab’ ich dich damit aufgeweckt?“, fragte Naruto leise und schuldbewusst, doch Sasuke zuckte nur die Schultern. Ihm konnte das Geschirr nicht gleichgültiger sein, es war nichts Besonderes und jederzeit ersetzbar.

„Sasuke?“, fragte Naruto nach und seinem Tonfall nach huschten seine Augen gerade… Sasuke schüttelte den Kopf. Was sollte das? Warum schoben sich ständig Bilder in seine Vorstellung, die nichts mit der Wirklichkeit zu tun haben konnten?!

Er atmete tief durch, um sich zu fassen und machte einen zaghaften Schritt in den Raum.

„Warte, Sasuke, hier liegen Scherben.“, bremste ihn Iruka sofort, „Lass mich dir kurz helfen.“

Eine Hand erschien aus dem Nichts auf seinem Unterarm und zog ihn leicht nach rechts, wohl am Scherbenmeer vorbei und legte seine Hand dann auf eine Stuhllehne. Sasuke nickte kurz, biss sich aber erneut auf die Lippen, um nichts zu sagen. Jetzt brauchte er schon dazu Hilfe? War er echt so tief gesunken?

„Er hat mit den Schultern gezuckt, Naruto, ich glaube nicht, dass er dir böse ist.“, erklärte Iruka gerade, während parallel das Geräusch eines Handfegers, der über den Boden strick, vermischt mit wiederholtem Klirren erklang. Glaubte Naruto wirklich er wäre wegen einer zerbrochenen Tasse böse? Und das auch noch unter diesen Umständen? Manchmal war er echt noch mehr Volltrottel als sonst…

Sasuke ließ sich auf den, wie er vermutete, rechten der drei Stühle am kleinen Küchentisch sinken und starrte Löcher vor sich in die Luft. Hätte er etwas gesehen, wäre es wohl die Küchenzeile gewesen – zumindest, wenn er da war, wo er dachte. Ganz sicher war er sich nicht und das ärgerte ihn nur noch mehr.

„Puh, hör zu, Sasuke, ich wollte das echt nicht. Ich hab’ nicht gedacht, dass sie so leicht runterfallen würde, wenn ich dagegen komme… Sasuke? Hörst du mir eigentlich zu? Komm schon, das ist nicht lustig… Hallo? Es ist unheimlich, wenn du so schweigst. Auch, als du eben in der Tür gestanden hast, ich dachte, ich höre Geister atmen…“ Er konnte sich nur zu gut vorstellen, wie Naruto bei diesen Worten das Gesicht in ein kindliches Schaudern verzog. Er hatte es noch nie mit Geistern und Spuk gehabt, auch wenn Sasuke nicht wusste, wie Naruto darauf kam, dass es in diesem Haus spuken sollte. Die Vorstellung allein war schon albern.

Sasuke schnaubte ironisch, sagte aber nichts weiter. Er blendete Narutos Worte aus, kam aber anhand der Richtung, aus der seine Stimme kam, zu dem Schluss, dass er sich wohl geirrt haben musste und Naruto keineswegs neben Iruka stand, sondern viel wahrscheinlicher auf dem Stuhl ihm gegenüber saß. Was dann wohl auch erklären würde, warum die Tasse auf dem Boden gelandet war, wenn er tollpatschig, wie er nun mal war, versucht hatte, danach zu greifen…

Ein Geräusch von aufgeschlagenen Eiern lenkte ihn wieder ab und instinktiv wand er den Kopf in Richtung Herd. Entweder hatte er es gesehen oder geahnt, denn Iruka fragte genau in diesem Moment: „Naruto hat sich Toast mit Spiegelei gewünscht, du möchtest sicher auch welchen, oder, Sasuke?“

Er nickte nur zustimmend und hoffe, dass Iruka das gesehen hatte. Naruto hingegen wartete wohl auf eine verbale Antwort, denn es vergingen nur wenige Augenblicke, ehe er wieder nachfragte: „Hallo, Sasuke? Sag mal, bist du eigentlich wach?“

Sasuke ersparte sich eine Antwort und grummelte was Unverständliches. Tatsächlich lauschte er dem vertrauten Geräusch der bratenden Eier, sowie des leises Plingens des Toasters, als die ersten beiden fertigen Scheiben herausschossen. Er hörte, wie Iruka sie mit Butter bestrich, als das Messer leicht übers vermutlich gebräunte Brot kratzte und kurz darauf etwas wie… Wasser? Wasser, das herabtropfte? Ausgewrungen wurde?

Er runzelte irritiert die Stirn, doch Naruto schien endlich eingesehen zu haben, dass er nicht antworten würde, denn stattdessen fragte dieser munter: „Oh, ist der Tee fertig?“

„Ja, ist er.“ Und Irukas Lächelns schwang in seiner Stimme mit. Sasuke blinzelte. Erst jetzt erkannte er den Geruch von Grüntee, den er die ganze Zeit schon unbewusst wahrgenommen haben musste, denn irgendwie war er nicht plötzlich einfach da, sondern… ja, er war schon die ganze Zeit da…

„Sasuke, auch eine Tasse? Oder möchtest du lieber Orangensaft?“

„Saft.“, murmelte er leise, was seltsamerweise einen leisen Freudenquietscher bei Naruto auslöste. „Darf ich, Iruka-sensei? Ja?“

Sasuke meinte Iruka seufzen zu hören, aber es war zu leise, als dass er sich sicher war. „Okay, Naruto, aber, bitte pass auf, ja?“

„Klar doch!“

Sasuke wollte gerade einwenden, dass das sicher keine gute Idee war, als er verwundert hörte, wie Naruto aufstand. Dann folgten wenige, kurze Schritte und er… ließ sich neben Sasuke auf den bisher einzigen, freien Stuhl sinken. Zumindest klang es verdammt so.

Dann, auf einmal berührte ihn etwas am Arm und er wollte zurückzucken, doch eine Hand schloss sich um sein Handgelenk und hielt ihn fest. „Ganz ruhig, ich bin’s nur.“

„Was machst du da?“, zischte Sasuke sauer, um seinen Schrecken zu überspielen.

„Ich zeig’ dir was.“

Etwas Kühles, Glattes – ein Glas – wurde in seine Hand gedrückt, dann strichen Narutos Finger über seine und drückten seine Hand so in Position, dass das vorderste Glied seines Zeigefingers über den Rand ins Glas ragte.

„Wo ist deine andere Hand?“

„Hn?“

„Deine andere Hand. Ich will dir den Saft geben.“

Sasuke grummelte nur, was dachte Naruto eigentlich, was…? Finger stießen gegen seine rechte Hand, die locker auf dem Tisch gelegen hatte und er konnte sich das triumphierende Grinsen auf Narutos Gesicht denken, als er ihm offenbar eine Saftpackung in die Hand drückte.

„Los, schütt’ solange ein, bis du es spürst.“

Sasuke verstand erst, als er die Schachtel unnötig hart wieder absetzte, dass das eben wohl die erste Lektion gewesen war. Er wusste nicht, ob er sich darüber freuen sollte.
 

Sakura kam etwa eine Stunde später und kurz darauf verabschiedete sich Iruka, der mehr als müde wirkte. Er hatte bereits dunkle Ringe unter den Augen, wie sie besorgt feststellte und wirkte, als hätte er die letzte Nacht durchgemacht. Was wohl gar nicht mal so unwahrscheinlich war.

Kakashi kam kurz nach ihr an (was an ein halbes Wunder grenzte, wenn man bedachte, dass er eigentlich mit ihr hätte kommen sollen und diesmal keine Stunde zu spät war) und begrüßte sie mit einem wortlosen Nicken. Es wirkte traurig, beinahe verstört, etwas, das sie bei ihrem Sensei nicht kannte. Normalerweise war er doch derjenige, der immer die Ruhe behielt und sich quasi durch nichts und niemanden beeindrucken ließ.

Innerlich verkrampfte sich Sakura bei dem Gedanken, wie ein kleiner, kurzer Moment, der nicht hätte passieren sollen, alles verändert hatte. Während Kakashi ihr ein Zeichen gab und sie Naruto und Sasuke ins Dojo führten, das an das schöne, große Haus angeschlossen war, machte sie sich noch immer Vorwürfe. Das hätte nicht passieren sollen, es hätte nicht passieren dürfen!

Kakashi hatte ihr mehrfach gesagt, dass es nicht ihre Schuld gewesen war, Naruto hatte es ihr gesagt und eigentlich wusste sie es auch, aber dennoch konnte sie nicht anders, als sich schuldig fühlen. Insbesondere dann nicht, als sie ankamen und Kakashi den beiden lange, weiße Taststöcke in die Hand drückte.

Sasuke verstand offenbar sofort, was es war und verzog missmutig das Gesicht. Er fasste den Stock nur mit spitzen Fingern an, als wäre es ein unliebsames Objekt, das es nur schnell zu entsorgen und möglichst wenig zu berühren galt. Naruto hingegen blinzelte verwirrt, als seine Finger die ganze Länge abfuhren und Spitze und Griff genauer untersuchten.

Sakura glaubte nicht, dass die beiden es wussten, aber sie waren wieder einmal das genaue Gegenteil voneinander, nicht allein ihre Reaktion, sondern auch ihre Augen.

Es stimmte, sie hatten sich auf den ersten Blick nicht verändert, aber betrachtete man sie mehr als flüchtig war augenscheinlich klar, dass sie keinerlei Informationen mehr aufnahmen. Sasukes Blick ging stur geradeaus, seine Iriden bewegten sich fast nie, nur, wenn ihn irgendetwas erschreckte oder überraschte, huschten sie unendlich kurz in einer jahrelang antrainierten Bewegung hin und her, ehe er sich wieder fasste und erneut unbewegt nach vorn starrte. Manchmal schloss er die Augen auch ganz, als wäre es ihm unangenehm, dass alle Welt sie sehen konnte.

Naruto hingegen versuchte ganz klar nach wie vor Dinge und Menschen anzusehen und scheiterte daran. Seine Augen waren quasi in ständiger Bewegung, auf der Suche nach etwas, das sie nie finden würden. Wenn man ihn ansprach, sah er einen an – aber nur genau solange, wie man sprach, verstummte man, verlor er den Fokus und seine Augen begannen wieder zu wandern.

Sakura wusste nicht, was niederschmetternder wirkte, angenehm war ihr keine der beiden Varianten, denn sie führten ihr immer wieder und wieder vor Augen, dass ganz und gar nichts in Ordnung war. Sie wusste, sie würde sich daran gewöhnen. Sie musste es und sie wusste, dass es ging und es ihr eines Tages bestimmt nichts mehr ausmachen würde, aber im Moment war es nur ein Teil von vielen, der sie am liebsten schreien lassen würde.

Jedes Mal, wenn Naruto aufstand und langsam, unsicher irgendwo hin gehen wollte, musste sie das Verlangen unterdrücken ihn an der Hand zu nehmen und ihn dorthin zu zerren, damit er nicht mehr so wenig nach sich selbst aussah. Wenn Sasukes Hand suchend über den Tisch huschte, musste sie sich bremsen, ihm den Becher oder das Messer nicht in die Hand zu drücken, damit er damit aufhörte.

Nicht nur, dass die beiden ihr das schnell übel genommen hätten, nein, es gehörte zum Lernen dazu und Tsunade hatte ihr eindrücklich erklärt, dass sie ihnen nur dann helfen durfte, wenn sie sie darum baten oder es unvermeidlich war. Das war allerdings nicht wirklich leicht und sie konnte sich nicht einmal einreden, dass es jemals wieder so sein würde, wie zuvor. Sie konnte sich nicht vorstellen, wie die beiden sich fühlen mussten… und wünschte sich nur, sie könnte ihnen irgendwie helfen, obwohl sie selbst nicht wusste, was überhaupt hätte helfen können…
 

Sasuke wollte noch immer nicht glauben, dass er gerade ernsthaft einen Taststock in der Hand hielt. Er hatte nie etwas gegen Stöcke (oder deren Benutzer, wenn sie sie brauchten) gehabt, aber sie selbst benutzen zu müssen war etwas ganz anderes. Es war ein Zeichen von Schwäche.

Schlimm genug, dass seine Augen jedem, der hinsah, verrieten, was ihm fehlte, aber die konnte er wenigstens noch schließen. Das machte es zwar auch nicht viel besser, aber zumindest auf den ersten Blick konnte er es dadurch ziemlich sicher verstecken. Wenn er aber einen weißen, mehr als offensichtlichen Stock in der Hand hielt oder damit sogar den Weg entlang tastete (allein das Wort ließ ihn das Gesicht verziehen), wäre es wirklich für jeden sofort klar.

Ganz abgesehen von der Tatsache, dass er nicht darauf angewiesen sein wollte, wirklich tasten zu müssen, verdammt noch mal, das durfte doch nicht wahr sein!

„Ein Stock?“, stellte der Blitzmerker neben ihm gerade verwundert fest und Sasuke verdrehte gedanklich die Augen. Was hatte der Depp denn bitte anderes erwartet?

„Ein Taststock.“, präzisierte Kakashi seelenruhig, „Er wird euch helfen das Nahsehen zu ersetzen und nirgends dagegen zu rennen.“

„Ein Stock?“, wiederholte Naruto und klang so verwundert, dass Sasuke sich unweigerlich fragte, ob er noch nie einen Blinden gesehen hatte. Im nächsten Moment wurde er aber abgelenkt, da er irgendwie nur zu deutlich spürte, dass jemand direkt neben ihn getreten war. Ehe er aber auch nur etwas sagen konnte, schloss sich eine Hand um seine und änderte seinen Griff um den Stock.

„So kannst du ihn nicht benutzen, Sasuke, hier, so…“ Kakashi drückte weiter an seiner Hand, bis sie offenbar „richtig“ lag, doch Sasuke dachte gar nicht daran und griff absichtlich wieder um, sobald die Hand seines Lehrers weg war.

„Ich werde das Ding nicht benutzen.“, stellte er sauer klar.

„Aha.“, meinte Kakashi seelenruhig und Sasuke spürte, wie er eine Hand auf seine Schulter legte. „Und wie gedenkst du dann nirgends reinzulaufen?“

Kakashis Tonfall klang falsch, verdammt falsch, aber Sasuke konnte einfach nicht den Finger darauf legen, warum. Er hatte im Moment aber auch wirklich andere Probleme.

„Ich habe nicht vor, das Haus zu verlassen und ich weiß, wo alles ist.“, schnaubte er mürrisch, worauf Kakashi dann aber tat, was er ihm nicht zugetraut hatte, ihn an der Schulter packte und, ehe Sasuke auch nur die Chance hatte zu reagieren, ihn in einer einzigen, ruckartigen Bewegung aus dem Gleichgewicht brachte und leicht um seine eigene Achse drehte.

Sasuke riss kurz erschrocken die Augen auf und brauchte erstmal einen Moment, um zu verstehen, was gerade passiert war. Dann wollte er wütend in Kakashis Richtung funkeln und… musste feststellen, dass er nicht wusste, wo der war.

Die Hand auf seiner Schulter war beinahe augenblicklich wieder verschwunden und er konnte ihn nicht hören. Naruto und Sakura im Übrigen auch nicht, entweder hatten sie den Raum verlassen oder aber Kakashi hatte ihnen angeordnet still zu sein. Sasuke biss sich ärgerlich auf die Unterlippe, fest genug, dass er einen leicht metallenen Geschmack im Mund bemerkte. Die kleine Aktion hatte gereicht. Vermutlich war es genau das, was Kakashi bezwecken wollte – er wusste nicht mehr genau, wo er war. Klar, er wusste, dass er im Dojo stand und er konnte auch nicht weiter als zwei, höchstens drei Schritte von seiner ursprünglichen Position entfernt sein, aber er wusste nicht länger, in welche Richtung er blickte und hatte damit keine Chance, die Wand zu finden, ohne die Arme auszustrecken – oder den verdammten Stock zu benutzen…

Seine freie Hand ballte sich zur Faust und er wollte gerade etwas alles andere als Nette fauchen, als Kakashis Stimme hinter ihm meinte. „Du weißt, wo alles ist, das stimmt, aber was, wenn das mal nicht der Fall ist?“

Sasuke fuhr herum und wollte aufgebracht nach seinem Lehrer schlagen, auch wenn er wusste, dass es wahrscheinlich ins Leere gehen musste, doch Kakashi hatte sich bewegt und als er weiter sprach, kam die Stimme plötzlich von rechts. „Und überhaupt, ich traue dir zu, dass du dir viele Wege merkst, sie sogar perfekt nachlaufen kannst, aber all das hilft dir nicht, wenn dir jemand etwas in den Weg stellt.“

Eine Hand stupste ihn leicht am Rücken an, sodass er einen halben Schritt vorwärts machte und mit dem Fuß gegen ein relativ hartes Hindernis stieß.

„Ich will nicht, okay?“, platzte er nun wirklich wütend heraus, doch offenbar ließ sich Kakashi davon nicht beeindrucken, denn er redete ruhig weiter – auf einmal wieder vor ihm.

„Ich glaube nicht, dass du eine große Wahl hast. Ich werde dich nicht zwingen nach draußen zu gehen, wenn du es nicht willst, aber ich werde sehr wohl verlangen, dass du es zumindest in groben Zügen lernst. Oder stolperst du lieber hilflos durch die Gegend, Sasuke?“
 

Gefühlte dreizehn Stunden vergingen, in denen Sasuke mürrisch und schweigsam versuchte zu verstehen, was Kakashi ihm sagen wollte, während er immer wieder im Kreis gedreht wurde und sich mithilfe eines Stockes seinen Weg suchen sollte.

Er protestierte heftig, aber Kakashi ließ ihm nie eine Ruhe und reizte ihn scheinbar immer wieder aufs Neue. Dadurch bekam er wohl irgendwie, was er wollte, denn Sasuke hatte wirklich noch weniger Lust die Arme in seinem eigenen Haus vor sich auszustrecken, aber dem Jungen schmeckte das ganze gar nicht.

Vielleicht hatte Kakashi sogar Recht, vielleicht wäre es das einzig vernünftige und vielleicht sollte er das lieber schnell einsehen, aber Sasuke weigerte sich schlichtweg. Entgegen jeder Vernunft wollte er es nicht lernen und dazu gezwungen zu werden stieß bei ihm nur auf noch mehr Widerstand.

Nach dem anfänglichen Schweigen, hörte er, dass er nicht so alleine war, wie er dachte, Naruto tat sich offensichtlich auch ziemlich schwer. Immer wieder schrie Sakura auf, wenn der Doofkopf es trotz allem schaffte fast in eine Wand zu rennen, wenn er über seine eigenen Füße oder den Stock stolperte, wenn er so sehr damit herumwedelte, dass er Gefahr lief, jemanden zu verletzen…

Ein paar Mal hörte er auch, wie Naruto wirklich hinfiel oder Sakura ihn nicht schnell genug vor den Wänden bremsen konnte. Naruto würde es abtun, würde einen dummen Kommentar ablassen und weitermachen, doch Sasuke hörte das aufgesetzte, falsche Grinsen, das er dabei trug quasi in seiner Stimme. Er musste es tragen. Er konnte… durfte - zum Teufel noch mal! – das ganze nicht so leicht nehmen!!

Tatsächlich war wohl nur etwa eine Stunde vergangen, als die Folter endlich endete und Kakashi ihn nicht erneut versuchte aus dem Takt zu bringen, sondern ihn stattdessen fast schon sanft im Vergleich zu vorher zur Tür zurückführte und das Training für heute für beendet erklärte.

Er klang ein wenig zu ruhig dabei, aber Sasuke hatte keine Lust sich darüber den Kopf zu zerbrechen, kaum, dass er sich sicher war, wo genau er stand, lehnte er den Stock an die Wand und ließ ihn stehen, während er selbst ins Wohnzimmer lief. Seine Finger strichen dabei sacht über die Tapete, aber es war mehr eine Versicherung, als eine wirkliche Notwendigkeit – das zumindest redete er sich ein. Denn ganz so sicher, wie er sich gerne gewesen wäre, war er leider doch nicht.

„Hey, Sasuke, warte doch mal…!“, rief Naruto hinter ihm und er hörte an den unregelmäßigen Schritten, dass er alleine versuchte ihm zu folgen. Narutos Schritte waren leicht zu erkennen, wie Sasuke schnell festgestellt hatte, denn es waren die einzigen, die keinen Rhythmus hatten. Sie waren langsam und vorsichtig, wenn er sich normalerweise bewegte, aber sobald ihn etwas ablenkte, neugierig oder nervös machte, wurden sie hektischer und zur selben Zeit noch unsicherer, was meistens dazu führte, dass Naruto früher oder später stehen bleiben und sich wieder orientieren musste.

Eigentlich eine echt traurige Vorstellung, danke Sasuke trocken, denn sie zeigte nur, dass Naruto schneller laufen wollte, als er tatsächlich konnte. Sie zeigte wieder mal, was für ein verfluchter Einschnitt das war, was für eine… Einschränkung!

Trotzdem oder vielleicht gerade deshalb blieb er aber keinesfalls stehen, sondern lief unbeirrt weiter. „Was willst du?“, knurrte er. Ein böser, unwilliger Blick wäre ihm deutlich lieber gewesen, aber der brachte bei Naruto ja leider nichts mehr und so musste er schon ein akustisches Signal geben, wenn er Ruhe haben wollte.

Narutos Schritte wurden wieder für drei, vier Takte schneller, ehe er wieder innehielt. „Meinst du nicht, wir sollten mal…“ Ohne erkennbaren Grund brach er plötzlich ab, was Sasuke nun doch endlich stehen bleiben und eine Augenbraue heben ließ. War das grade Taktik? Wenn ja, war es eine echt miese.

„Wir sollten was?“, schnauzte er, doch Naruto schien ihm nicht wirklich zuzuhören.

„Hörst du das auch?“, fragte er verwundert, darauf folgten noch zwei weitere, langsame Schritte seinerseits, ehe auch Sasuke bei dem lauten Ruf „Boss!!“ zusammenzuckte und fast einen Schritt zurückgewichen wäre. Beinah sofort danach spürte er, wie etwas sehr dicht – zu dicht! – an ihm vorbei stürmte. Und wieder fühlte er sich vollkommen abgeschnitten und hatte keine Ahnung, was vor sich ging.

Er hasste es immer mehr.

Naruto setzte neben ihn gerade an: „Was ist… uff!“ Mitten im Satz stieß er ruckartig die Luft aus, sodass Sasuke sich nun doch reflexartig zu ihm herumdrehte und leicht besorgt die Stirn runzelte. In was er denn jetzt schon wieder…?

„Konohamaru?“, fragte Naruto und Sasuke hörte, dass seine Stimme leicht gequält klang, als hätte er Schwierigkeiten zu atmen… hatte der verrückte Junge ihn in den Bauch geschlagen??

„Boss, was ist los? Ich hab’ gehört du warst im Krankenhaus, aber sie wollten mich nicht zu dir lassen und dann hieß es, als ich eben da war, du wärst schon entlassen… aber sie wollten mir nicht sagen, wo du wärst und Zuhause warst du nicht und… warum hast du eigentlich nicht abgewehrt? Sag mal, warum starrst du zu Boden?“

Der Junge redete beinahe ohne Punkt und Komma und ohne Luft zu holen in einem Weg, was in Sasuke das dringende Bedürfnis weckte, ihm einmal ordentlich auf den Kopf zu hauen. Hätte er gewusst, wo sich dieser befand, hätte er es wohl auch getan, so beließ er es aber bei einem wütenden Funkeln in die grobe Richtung und verschränkte die Arme vor der Brust. Jetzt war er mal gespannt, wie Naruto darauf reagieren würde… er hätte nicht erwartet, dass irgendwer im Dorf nicht längst Bescheid wusste…

„Ja, äh… das ist…“ Das Zögern sagte ihm, dass es Naruto kein bisschen anders ging. Wie sagte man jemandem, der nicht damit rechnete, dass man auf einmal nichts mehr sah?

„Ja?“, fragte Konohamaru nach. Sasuke grübelte leicht über seinen Tonfall. Verwundert, gespannt, gemischt mit besorgt? Aber das war noch etwas anderes, etwas in seinem Unterton, das er nicht verstand… es klang fast, als würde er etwas Tolles, Schönes erwarten.

Sasuke konnte sich bildlich vorstellen, wie Naruto das Gesicht verziehen würde, da er die kleine Nervensäge vermutlich nicht unnötig erschrecken wollte. Nun, das ging mal ordentlich daneben, denn auf einmal schrie eben jene Nervensäge erschrocken auf, laut und schrill, dass es in den Ohren schmerzte.

„D…deine Augen!“

Ah, Naruto hatte ihn also endlich angesehen…

„Konohamaru!“ Sakura war, vermutlich durch den Schrei alarmiert, nun auch aufgetaucht und sie schien wütend. „Ich hab’ dir doch gesagt, du sollst noch nicht kommen! Erst, wenn Naruto sich erholt hat!“

Bestimmt stemmte sie wieder die Arme in die Hüften und benutzte diesen wütenden, einschüchternden Blick, den sie von Tsunade gelernt hatte…

„Aber… aber ich…!“, versuchte der Kleine sich zu verteidigen, aber Sasuke wusste, dass er auf verlorenem Boden stand… es gab Zeitpunkte, zu denen sollte man sich einfach nicht mit Sakura anlegen.

Sie schnaubte sauer und seinem Quietschen nach, hatte sie noch irgendwas gemacht, ihn am Ohr gepackt oder dergleichen.

„Naruto und Sasuke sind verletzt worden und nur, weil sie aus dem Krankenhaus entlassen wurden, heißt das nicht, dass sie gesund sind, verstanden? Du kommst erst wieder, wenn ich das okay dazu gebe…!“

Die Tür wurde mit Schwung ins Schloss geworfen und Sasuke hoffte im Stillen, dass sie die Nase des Jungen erwischt hatte…

Sakura seufzte leise. „Tut mir leid, Jungs, das sollte nicht passieren…“, murmelte sie leise.

„Du hast ihnen gesagt, sie sollen nicht kommen?“, fragte Naruto, der sich ganz klar wieder erholt hatte. Es war wohl mehr Schreck als sonst etwas gewesen… Sasuke verkrampfte sich innerlich beim Gedanken jetzt geschlagen zu werden.

„Ja, habe ich.“, gab Sakura immer noch sehr leise zu, „Weil ich weiß, dass es verwirrend sein kann, wenn zu viele Stimmen auf einmal auf einen einreden…“

Daraufhin war es erst einmal still. Sasuke war es egal aus welchem Grund, er war nur froh, dass er demnach in der nächsten Zeit nicht mit unerwartetem, störenden Besuch rechnen musste. Im Gegenteil, wenn es nach ihm gegangen wäre, hätten nicht mal Sakura und Kakashi kommen müssen…

Ihn wunderte es ein wenig, dass Naruto nicht lauthals protestierte, aber vielleicht siegte selbst bei ihm einmal der Verstand und er merkte, dass es sinnlos war, jetzt Besuch haben zu wollen. Als er sprach, überraschte er Sasuke, indem er überhaupt nicht mehr auf das Thema einging.

„Sakura, kannst du mir bitte einen Gefallen tun?“

Sie zögerte merklich. „Was denn, Naruto?“

„Kannst du mir eine Sonnenbrille besorgen? Ich will nicht noch einmal einen solchen Schrei hören müssen.“, erklärte er trocken.

Das war mal wieder typisch Naruto, er wollte nicht, dass irgendwer etwas sehen musste, dass ihm unangenehm war…

Er dachte wieder mehr an alle anderen, als an sich selbst. Okay, es musste seltsam aussehen, wenn es eine solche Reaktion erzeugen konnte, aber soweit Sasuke wusste, war nichts wirklich Schlimmes an ihren Augen… wobei… vielleicht hatte der Versager Recht und Sonnenbrillen waren gar keine so schlechte Idee.

Im Gegensatz zu Naruto waren Sasuke die anderen und deren Gefühle herzlich egal, aber wenn sie seine Augen nicht sahen, sahen sie auch nicht seine Schwäche und das war ihm dann doch nicht mehr gleichgültig…

Learning to walk again

„Ich werde morgen nicht kommen können, ich hab’ einen Termin im Labor, aber ich hab’ schon rumgefragt und, wenn das für euch okay ist, wird morgen jemand anderes kommen. Sie wollten euch ohnehin längst besuchen kommen, aber…“

„Schon okay, Sakura. Wer kommt denn?“
 

Sie hatte es nicht verraten wollen und irgendwann hatte Naruto aufgehört zu fragen. Es machte ihm nichts aus, er war im Gegenteil sogar neugierig, wer kommen würde, auch wenn die Auswahl der möglichen Leute wohl relativ begrenzt war.

Seit Konohamaru war niemand anderes mehr gekommen. Auch der Junge selbst nicht, was Naruto ein leichtes Unbehagen bereitete. Er hatte in dem Moment nicht daran gedacht, dass irgendjemand nicht Bescheid wissen könnte und entsprechend nicht diese Art von Reaktion erwartet.

Sakura hatte ihm die Sonnenbrille am nächsten Morgen mitgebracht und seit dem trug er sie auch. Sie hatte gesagt, es wäre nicht nötig, dass sich niemand daran stören sollte und er hatte den leicht gequälten Unterton in ihrer Stimme gehört. Mit dem Versuch eines Lächelns hatte er ihr erklärt, dass er sie nicht immer würde tragen wollen… aber zumindest, bis wirklich alle damit klar kamen.

Er hatte es ehrlich gemeint. Er wollte seinen Augen eigentlich nicht verstecken, aber er wollte sie auch nicht zeigen, wenn sie ein derartiges Unwohlsein bei anderen auslösten und so war das, wie er fand, vorerst die beste Lösung. Zu seiner Verwunderung hatte Sakura auch Sasuke eine Sonnenbrille mitgebracht, die dieser auch gleich aufgezogen hatte - ohne eine Erklärung und auf Nachfrage schnaubte er nur.

Naruto wusste, wie egal Sasuke war, was andere dachten oder fühlten, wenn sie ihn sahen, umso weniger verstand er die Entscheidung, aber Sasuke blockte wie üblich alle Versuche eines Gesprächs ab.

Seit dem waren eineinhalb Wochen vergangen und ganz allmählich hatte Naruto das Gefühl, dass ihr Leben wieder ansatzweise erahnen ließ, dass es irgendwann mal wieder so etwas wie eine Routine geben würde. Er wusste inzwischen mehr oder weniger, wo was im Haus stand, auch wenn er noch oft genug die Entfernungen falsch einschätzte und nach wie vor eine herrliche Sammlung blauer Flecken trug, er hatte immerhin seit zwei Tagen schon nicht mehr vollkommen die Orientierung verloren und immer gewusst, wo genau er war. Und darauf war er stolzer, als er sein sollte…
 

Naruto saß ungeduldig auf der Couch und versuchte vergebens seine Übungen in Blindenschrift zu machen, wie er eigentlich sollte. Er war zu neugierig, wollte wissen, wer es war, der nun heute vorbeikommen würde. Er hatte außer mit Tsunade, Iruka, Kakashi und Sakura (und dem kleinen Zusammenstoß mit Konohamaru, der ihm immer noch schwer im Magen lag) seit seiner Erblindung mit keinem anderen Kontakt gehabt und auch wenn er sich einerseits davor fast fürchtete, so wollte er doch endlich wieder mit jemand anderem sprechen, wie er es normalerweise schon längst getan hätte.

Es war schlimm genug hier drinnen rumsitzen zu müssen (weil er sich nicht wirklich nach draußen traute und Sakura ihm auch dringend davon abgeraten hatte, bis er sich nicht dafür bereit fühlte), aber das auch noch alleine tun zu müssen war einfach nur nervtötend.

„Argh!“, fluchte er ungehalten, als er zum fünften Mal in der Zeile verrutschte. Er hasste diese Schrift, die Iruka ihnen seit vier Tagen beizubringen versuchte, jetzt schon und dabei kannte er grademal genug Buchstaben, um seinen eigenen Namen zu lesen. „Ich hasse das.“, seufzte er wütend und legte das Übungsblatt entnervt auf den Tisch. Von Sasuke kam daraufhin gar keine Reaktion, aber das war nicht weiter verwunderlich, vermutlich war er wiedermal in Gedanken und hörte gar nicht hin oder aber er ignorierte es bewusst.

Was auch immer, Naruto hatte genug, stand auf und lief relativ ziellos Richtung Küche, um sich ein Glas Limo zu holen, als er mit einem Mal den Schlüssel im Türschloss hörte und mitten im Flur stehen blieb, um erwartungsvoll zu lauschen.

Die Tür kratzte ganz leicht über den Boden, als sie aufgeschoben wurde und daraufhin folgte das Klimpern eines Schlüssels, ruckartige Geräusche, als würde jemand versuchen etwas zu ziehen und ein leises, kaum unterdrücktes Murren. Naruto schmunzelte. „Der Schlüssel geht nur raus, wenn man ihn wieder in eine senkrechte Position zurückdreht.“, erklärte er amüsiert. Das Problem hatten schon mehrere gehabt. Er hatte zwar noch immer keine Ahnung, wer dort eigentlich stand (abgesehen davon, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit männlich war, das Grummeln war zu tief für ein Mädchen gewesen), aber er konnte sich den Gesichtsausdruck desjenigen nur zu lebhaft vorstellen.

Es folgte ein weiteres leises Geräusch von Metall auf Metall, dann zwei Schritte und die Tür wurde wieder geschlossen. „Wer baut nur solche Schlösser?“, beschwerte sich eine Jungenstimme, während ein leichtes Plumpsen verriet, dass er die Schuhe auszog. Naruto runzelte leicht die Stirn, er konnte die Stimme nicht sofort zuordnen. Das war ungewöhnlich und ihm bisher noch nicht passiert, er schloss konzentriert die Augen und lauschte auf weitere Worte.

Stattdessen tapsten aber plötzlich für einen Menschen viel zu kleine Schritte, die klangen, als hätte der Verursacher auf dem Holzboden kratzende Krallen, auf ihn zu und im nächsten Augenblick stupste ihn etwas kühles, feuchtes an der Hand an und ließ Naruto erschrocken zucken. Was war…?

„Mann, was machst du wieder für Sachen, du Blindfisch?“, meinte der menschliche Besucher mit einem nur halb unterdrückten Seufzen in der Stimme, „Nichts als Sorgen hat man Dank dir…“, fügte er ein wenig leiser hinzu und allein sein Tonfall verriet, dass es kein Vorwurf, sondern eher ein gescheiterter Versuch eines Scherzes war. Naruto lächelte ironisch.

„Tut mir leid, Kiba, es war sicher keine Absicht…“, murmelte er. Endlich machte es Sinn. Kein Wunder, dass er Kiba nicht gleich erkannt hatte, normalerweise kam der andere nie leise in einen Raum und normalerweise hätte er sicher sogleich losgeflucht angesichts des widerspenstigen Schlüssels. Außerdem machte das kalte etwas jetzt Sinn…

„’Tschuldige, Akamaru, ich hab’ mich nur erschreckt.“, erklärte er nach links gewandt, was ihm ein Bellen einbrachte und einen Kopf, der sich sacht unter seine Hand schob und offenbar gestreichelt werden wollte.

Kiba seufzte erneut, aber es klang überzogen und theatralisch, als wollte er nicht aussprechen, dass er die Aussage für sinnlos hielt. Dafür hörte Naruto, wie der Junge näher kam und spürte Augenblicke später, wie er ihm wohl aufmunternd auf die Schulter klopfte. Auch wenn er nichts gegen die Geste hatte, konnte er ein leichtes Zucken nicht verhindern, woraufhin Kibas Hand sofort wieder verschwand.

„Sorry.“, murmelte der unverständlich, „Nicht dran gedacht…“

Und eigentlich war das auch ganz gut so, dachte Naruto im Stillen, wenigstens tanzte Kiba nicht auf Eierschalen um ihn herum, denn das hätte ihn wohl wirklich verunsichert. Was sein Gegenüber allerdings als nächstes tat, hätte nicht mehr Kiba-typisch sein können…

„Okay, diesmal mit Vorwarnung… ich würde gerne deine Augen sehen…?“, es war eine halbe Frage, aber Naruto spürte, wie sich Hände seitlich an seine Brille legten und dazu ansetzten, sie hochzuheben, ehe er auch nur die Chance bekam zu antworten. Schnell presste er die Augen fest zusammen.

„Ich glaube nicht, dass das eine gute Idee ist.“, erwiderte er und merkte erst, dass er sich auf die Unterlippe biss, als diese beinah aufsprang. Kiba ließ sich nicht davon abhalten und hob die Sonnenbrille trotzdem von seiner Nase. Was er jetzt wohl für ein Gesicht machte? Verwundert? Verblüfft? Geärgert? Beleidigt, dass Naruto es nicht zeigen wollte?

„Höh?“ Wohl eher verwundert… „Ist es dir so unangenehm?“

Naruto verzog leicht das Gesicht und wusste nicht, was er darauf antworten sollte. Wenn er die Wahrheit sagte, würde Kiba ihn auslachen, soviel stand fest.

„Es sieht nicht schön aus.“, presste er mühsam hervor und streckte die Hand auffordernd aus, um seine Brille zurückzubekommen, doch Kiba gab sie ihm nicht. Wäre wohl auch zu leicht gewesen…

„Blödmann, wir sind befreundet, meinst du echt, das würde mich stören?“

Naruto seufzte. Es war egal, was er jetzt sagte, Kiba würde ohnehin keine Ruhe geben. Normalerweise liebte er das, sich sinnlos über die blödesten Sachen mit ihm zu streiten und komme was wolle auf seinem Standpunkt zu beharren, aber diesmal… diesmal war es anders. Er wusste, dass er, wären ihre Rollen vertauscht, auch keine Ruhe gegeben hätte und es machte auch nicht wirklich Spaß.

„Versprich mir, dass du nicht schreist.“, meinte er nur halb im Scherz und hob langsam die Augenlider. Er erwartete, dass Kiba einen Schritt zurückwich, dass er scharf die Luft einzog, aufschrie, wegrannte, irgendwas – nur nicht das, was kam.

„Es sieht nicht schlimm aus.“, war alles, was Kiba sagte, dann drückte er ihm die Brille in die immer noch offene Hand, „Nur falsch. Weil es nicht du bist… aber das sollte nicht deine Sorge sein.“ Dann, als wäre ein Schalter umgelegt, wechselte er abrupt das Thema. „Also, was machen wir denn jetzt? Sakura hat irgendwas von Leseübungen gelabert, aber davon hab’ ich eh keine Ahnung…“ Ganz bestimmt zuckte er dabei die Schultern, während er an Naruto vorbei lief und wenige Schritte später wieder stehen blieb. Naruto blinzelte erstmal leicht verwirrt, bis ihm einfiel, dass Kiba noch nie hier gewesen war und sich wohl schlicht und einfach nur umsah.

Er schob sich trotz allem die Brille wieder auf die Nase und zuckte die Schultern. „Ich würde dir ja einen Tee anbieten, aber den müsstest du dir schon selbst machen. Ich kipp mir das Wasser immer noch über die Hände und bin nicht so scharf das auszuprobieren, wenn es tatsächlich kocht.“ Es war mir kaltem eindeutig schon unangenehm genug gewesen.

„Nee, lass mal, ich bin kein Teefan.“, winkte Kiba ab und ging ein paar Schritte weiter, Naruto folgte mit Akamaru zusammen und war sich ziemlich sicher, dass sie jetzt kurz vor der Wohnzimmertür stehen müssten. Als seine Hand an der Wand entlang ein Stück vortastete, stieß sie auf lasiertes Holz und ein schwaches Lächeln stahl sich auf seine Lippen.

„Hey, Sasuke!“, rief er auf einmal, doch die einzige Antwort darauf war ein Schnauben, was Kiba aber vermutlich nicht sonderlich störte, denn als er weitersprach klang es verdammt, als hätte er sich wieder zu Naruto umgedreht.

„Also, worauf hast du denn Lust? Bestimmt nicht auf die komischen Musterpapiere, oder?“, meinte er fast schon abwertend, woraufhin Naruto nun doch schief schmunzeln musste.

„Och, lass uns eine Runde fangen spielen.“, erklärte er sarkastisch in der Hoffnung Kiba damit klar machen zu können, dass er nicht unbedingt das tun konnte, was er grade wollte. Leider schien der den Sarkasmus nicht gehört zu haben, denn er erwiderte mit einem breiten Grinsen in der Stimme: „Gute Idee, ist eh zu schön draußen, um lange drinnen zu hocken!“

Naruto starrte leicht fassungslos in seine Richtung. Sollte das jetzt ein (verdammt schlechter) Scherz sein oder war Kiba echt so dämlich?

„Äh… hallo? Erde an Kiba? Ich kann nichts sehen, glaubst du echt, da hab’ ich Lust über den Rasen zu stolpern?“

Ein leises Schnauben war die Antwort darauf. „Du wirst nicht stolpern, du wirst rennen, sonst kriegst du mich nämlich nicht.“

Naruto spürte, wie seine Gesichtsmuskulatur sich verkrampfte. „Kiba, noch mal für ganz dumme, ich kann nicht, okay??“, knurrte er sauer, „Es ist schlimm genug bei langsamen Geschwindigkeiten wo gegen zu rennen und so gerne ich das machen würde, ich hab’ wirklich keinen Bock wirklich rennend irgendwo dagegen zu knallen!“

Eine Hand legte sich auf seine Schulter und drückte sie kurz. „Hey, Kumpel, du wirst nirgends gegen rennen.“ Vermutlich hatte er dazu ein Zeichen gemacht, dass Naruto nicht sehen konnte, denn im nächsten Moment bellte Akamaru leise und schob seinen Kopf unter Narutos Hand.

„Ein ausgebildeter Ninja-Hund sollte wohl auch als Blindenführhund taugen, oder?“, meinte Kiba und diesmal einen Tick sachlicher, als zuvor, aber noch immer mit einem leichten Grinsen in der Stimme, „Er wird verhindern, dass du irgendwo dagegen läufst, aber die Richtung festlegen musst immer noch du.“

Bestimmt zwinkerte Kiba ihm jetzt zu und so lächelte Naruto zaghaft. Die Wahrheit war, auch wenn er Kiba und Akamaru durchaus glaubte und ihnen das zutraute, er fühlte sich nicht so ganz wohl bei dem Gedanken durch seine Dunkelheit zu rennen. Er wollte es. Wirklich. Er schlief nach wie vor schlecht, wachte mehrmals pro Nacht mit Albträumen wieder auf und wünschte sich oft, dass er einfach ein bisschen laufen und sich verausgaben konnte, um möglichst mal traumlos zu schlafen. Allerdings war er nicht wirklich sicher, ob es wirklich eine so gute Idee war, tatsächlich…

„Das ist cool, lass es uns machen!“, antwortete er schnell, ehe sein Gehirn noch mehr Gründe finden konnte, ihn davon abzuhalten. Kiba lachte leise. „Genau das ist die richtige Einstellung, Kumpel!“, dann fügte er ein klein wenig leiser und offensichtlich nicht an Naruto gewandt hinzu, „Los, Akamaru, bring ihn mal nach draußen… fass ihm ins Fell, Naruto, ja, genauso, aber du kannst noch ein bisschen fester… genau.“

Narutos Hand schloss sich um das überraschend weiche Fell des großen Hundes. „Tu ich ihm so nicht weh?“

Ein freudiges Bellen beantwortete seine Frage und rang ihm ein leichtes Schmunzeln ab, dann bewegte sich Akamaru langsam vorwärts und Naruto ließ sich mitziehen. Hinter ihm fragte Kiba gerade: „Hey, Sasuke, willst du auch mitmachen? Ich könnte einen der Hunde meiner Schwester…?“ Er brach auf einmal ab und versicherte sich: „Sicher?“

So, wie Naruto Sasuke kannte, hatte der wohl nur den Kopf geschüttelt. War ja klar, dass er sich nicht dazu herablassen würde, obwohl er sich vermutlich genauso nach Bewegung sehnte, wie er selbst.

Ein Seufzen hinter ihm ließ ihn aufhorchen. „Okay, okay… kommst du wenigstens mit raus? Sakura reißt mir sonst den Kopf ab…“ Naruto blieb stehen und drehte den Kopf nach hinten. „Sie hat dir gesagt, was du tun sollst?“

Parallel dazu kam jemand mit kleinen Schritten näher und trat an ihm vorbei auf die Veranda, lief dann aber seitlich und im nächsten Moment folgte ein leichtes Quietschen eines… Holzstuhls? Auf jedem Fall so etwas in der Art. Das dürfte wohl Sasuke gewesen sein.

Kiba folgte direkt darauf, blieb aber neben ihm stehen. „Sie hat es versucht, aber ich hab’ ihr die meiste Zeit nicht zugehört… bis sie mir bildlich erklärt hat, dass ich euch nicht alleine lassen soll.“, grummelte er mürrisch, dann tippte er Naruto am Oberarm an.

„Okay, lassen wir das jetzt. Los, versuch mich zu fangen!“ Und weg war er. Naruto blieb erstmal stehen und ließ die Geräuschkulisse auf sich wirken. Er wusste nicht, wie Sasukes Garten aussah, die zwei-, dreimal, die er hier zuvor gewesen war, hatte er nur mehr oder weniger in Flur oder Küche auf seinen Teamkollegen gewartet. Auch wenn er davon ausgegangen war, er hatte nicht mal wirklich gewusst, dass ein Garten zum Haus gehörte.

Er hörte ein kontinuierliches, ganz leises Quietschen von… ja, von was? Gab es hier eine Hängeschaukel, in der Sasuke saß? Bei Gelegenheit musste er ihn mal fragen. Irgendeine Art von Stuhl oder Tisch würde es wohl geben. Und dem sachten Rascheln nach mussten auch nicht allzu weit weg Bäume (oder mindestens ein Baum) stehen, dessen Blätter in der leichten Brise gegeneinander schlugen.

Naruto schloss entspannt die Augen, als er einen Schritt vorwärts machte und die Wärme der Sonne in seinem Gesicht und das Gras unter seinen nackten Füßen spürte. Wie er das nach den paar Tagen schon vermisst hatte…

„Kommst du auch mal?“, rief Kiba ein Stück rechts vor ihm, aber er klang ein klein wenig besorgt. Naruto lächelte schwach, fing aber an vorwärts zu laufen, anfangs noch langsam, doch als Akamaru sacht den Kopf gegen seine Seite rieb und bellte, ließ er es schließlich einfach zu.

Und als wäre eine Barriere gebrochen, fing Naruto an zu rennen. Er konnte Kiba deutlich hören – vermutlich verursachte dieser ganz bewusst Geräusche, um es ihm leichter zu machen, aber ob es nun das Knacken eines Astes, Schritte auf Steine oder das übertrieben laute Atmen war, es funktionierte. Naruto wusste, wo Kiba war und er rannte einfach drauf zu.

Dann und wann würde Akamaru ihn in die eine oder andere Richtung lenken, um ein Hindernis zu umgehen, aber er tat es allmählich und nicht ruckartig und so hatte Naruto das unglaublich erleichternde Gefühl endlich wieder frei laufen zu können.

Als er zu dessen Fassungslosigkeit Kiba irgendwann tatsächlich erwischte, konnte er nicht anders, als tatsächlich laut und glücklich loszulachen, auch wenn es nur für einen kurzen Moment war.
 

Als Hinata am nächsten Morgen ein wenig zögerlich die Tür aufschloss, hatte sie ein mehr als ungutes Gefühl im Magen. Sie hatte fast schon Angst davor Naruto zu sehen, nein, ihn so zu sehen. Sakura hatte sie gewarnt, dass sie besser nicht den üblichen fröhlichen, lauten Naruto erwarten sollte und sie wusste, dass alles andere einfach falsch sein würde.

Auf der anderen Seite wollte sie ihn aber unbedingt sehen und wenn nur, um sich zu versichern, dass er halbwegs okay war. Sie wollte ihm gerne helfen, aber sie wusste nicht, was sie tun sollte. Wenn selbst Tsunade nichts hatte ausrichten können… sie hätte ihn gerne früher besucht und hätte auch nichts dagegen ihm zur Hand zu gehen, aber sie verstand durchaus, dass es wohl anfangs besser war, wenn sich nur eng vertraute Leute um ihn und Sasuke herum aufhielten.

Entsprechend widersprüchlich waren ihre Gefühle, als sie die Tür langsam aufschob und in den sauberen, wenn auch nicht gerade riesigen Flur blickte. Entweder sie hatte unüblich lange gebraucht, um den Schlüssel herumzudrehen (war sie derart in Gedanken versunken gewesen?) oder aber er hatte sie gehört und sich relativ schnell bewegt. Auf jeden Fall stockte sie erst einmal, denn keine fünf Schritte vor ihr lehnte Naruto an der Wand und wartete offenbar. Sein Gesicht war in ihre Richtung gewand, seine Augen allerdings von einer schwarzen, modernen, aber leider vollkommen undurchsichtigen Sonnenbrille verborgen. Sie stieß unwillkürlich ein leises Quietschen aus.

Es war, als würde er sie direkt ansehen und das Wissen, dass er genau das nicht konnte, ließ alles in ihr verkrampfen. Sie versuchte hastig etwas über die Lippen zu bringen, Sakura hatte ihr erklärt, dass gleich beim Eintreffen sagen sollte, wer sie war, aber die Worte blieben ihr einfach im Hals stecken.

Naruto hob plötzlich fragend eine Augenbraue und stieß sich ein Stück von der Wand ab, eine Hand aber immer noch leicht dagegen gelehnt. „Hinata?“, fragte er plötzlich, was ihr einen rosa Schimmer auf die Wangen zauberte, von dem sie in dem Moment doch froh war, dass er ihn nicht sehen konnte. Sie schluckte einmal schwer, atmete tief durch und schloss endlich die Tür.

„Ja, ich bin’s.“, murmelte sie leise und hoffte, dass er sie verstand, „Woher wusstest du…?“ Sie brachte die Frage nicht über sich, aber er verstand sie auch so und ein Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus. Es war kein typisches Naruto-Grinsen – auch wenn es breit war, sie spürte, dass es nicht wirklich echt war. Vielleicht nicht vollkommen falsch, aber es war nicht glücklich und wirkte leicht erzwungen.

„Du hast gequietscht, damit war klar, dass du ein Mädchen bist. Sakura hätte längst was gesagt, Ino wäre an mir vorbei gerannt, um nach dem Eisklotz im Wohnzimmer zu sehen, Tsunade oder Kurenai quietschen nicht und viel mehr Mädchen kenn ich nicht, die vorbei kommen würden.“, erklärte er schlicht und zuckte die Schultern, „Ich wollte mir grad einen Kakao machen, möchtest du auch einen? Ist allerdings kalt…“, fügte er ein wenig verlegen hinzu.

Sie lächelte sacht, während sie schnell ihre Schuhe abstreifte. „Gerne.“ Sie beobachtete ihn einen Moment lang und als er sich umdrehte und mit der Hand an der Wand langsam loslief, nahm sie ihren Mut zusammen und… stotterte trotzdem. „S-soll ich… ähm, brauchst… brauchst du…?“

Naruto wand sich zu ihr um und schenkte ihr noch ein – wieder nicht ganz aufrichtiges, aber auch nicht ganz falsches – Lächeln. „Danke, Hinata, aber ist schon okay, ich komm allein in die Küche.“

Und das stimmte. Er benutzte die Wand als Hilfsmittel, aber es war offensichtlich, dass er das schon oft gemacht hatte und es mehr eine Versicherung war. Genauso, wie er in der Küche zielsicher an den Schränken zu einer bestimmten Tür entlanglief und zwei Tassen herausnahm, um danach ebenso sicher die Milch aus dem Kühlschrank zu fischen.

Hinata konnte nicht anders, sie musste ihm dabei stumm zusehen. Einerseits war es ungemein faszinierend, dass er so schnell wieder relativ sicher war, andererseits wollte sie nicht, dass er das überhaupt tun musste. Sich tastend etwas zu suchen war einfach nichts, dass sie irgendwem wünschte.

„Sieht es so seltsam aus?“, unterbrach Narutos leise Stimme ihre Gedanken. Blinzelnd merkte sie, dass er fast direkt vor ihr stand und ihr eine Tasse hinhielt, vermutlich schon länger.

„W-was?“, presste sie hervor. Sie war in Gedanken versunken gewesen, obwohl sie doch hier war, um ihm zu helfen, wenn er es brauchte, verdammt!

„Du hast nicht mehr reagiert und irgendwie hab’ ich das Gefühl, als würdest du mich anstarren?“, meinte Naruto leicht besorgt und legte fragend den Kopf schief, „Sieht es so seltsam aus, wenn ich was mache?“

„N-nein!“, beeilte sie sich zu versichern, „Das nicht, aber es… es tut…“

„Nicht, Hinata.“, meinte er sacht und nahm einen Schluck von seinem Kakao. Endlich erinnerte sie sich daran, dass sie auch einen wollte und nahm ihm ihren mit einem geflüsterten „Danke“ ab, „Sag nicht, dass es dir leid tut, bitte.“ Er seufzte leise, dann setzte er ein diesmal eindeutig falsches Grinsen auf.

„Ich hab’ eine viel bessere Idee, lass uns einen Kuchen backen, ich hab’ die ständigen Brote und Suppen satt!“, erklärte er bestimmt und diesmal zuckten seine Mundwinkel leicht.

„Einen Kuchen?“, wiederholte sie fassungslos.

„Ja, einen Kuchen. Ich hab’ gestern mit Kiba fangen gespielt, das hat sich herrlich… normal angefühlt. Und ich glaube, wenn man es richtig organisiert, sollte es sogar gehen… wobei ich fürchte, dass du mir wohl erstmal bei allem helfen musst…“, fügte er verlegen hinzu und rieb sich sacht den Hinterkopf.

Hinata lächelte traurig, aber auch ein klein wenig hoffnungsvoll. Manchmal war Kibas Art echt schlimm, aber manchmal konnte sie offenbar auch helfen.

„Natürlich, Naruto, welchen möchtest du?“
 

„Und du bist sicher, dass du keinen willst? Er schmeckt echt gut!“, fragte Naruto zum heute bestimmt fünften Mal, während er sich ein weiteres Stück Schokokuchen in den Mund schob. Dank Hinatas Hilfe konnte der sich durchaus sehen lassen und war sehr lecker – und vor allem in Scheiben geschnitten auch mit der Hand sehr leicht essbar.

Ein weiteres, winziges Stück Normalität, das er liebte. Es war keineswegs so, dass zwei Tage gereicht hatten, um ihn alle Sorgen und allen Ärger vergessen zu lassen, aber sie hatten ihm ein wenig die Hoffnung gegeben, dass er sich vielleicht irgendwann daran gewöhnen könnte und allein das war schon mehr, als er in der letzten Woche für möglich gehalten hatte.

Immerhin lief er ja auch wieder alleine rum – und holte sich alleine Kuchen, wenn er das wollte. Im Gegensatz zu Sasuke, der sich soweit Naruto das irgendwie beurteilen konnte, fast nicht von der Couch bewegte, es sei denn er war dazu gezwungen, weil es Essen gab, er auf die Toilette musste oder Kakashi ihn zum Stocktraining zwang.

Wenn er ihn aber versuchte darauf anzusprechen bekam er nie eine Antwort und wenn er nach Sasuke tastete und ihn wirklich fand, wurde er weggestoßen. Was ihn nicht wirklich davon abhielt es weiter zu versuchen – und wenn nur in der Form, dass er Sasuke ein Stück Kuchen aufschwätzen wollte.

Das Geräusch des Türschlosses unterbrach diesen Versuch (der wahrscheinlich ohnehin wie alle anderen zuvor auch geendet hätte – nämlich mit absolut keiner Reaktion von Sasuke) und Naruto horchte neugierig auf. Sakura hatte nur gesagt, dass ab jetzt ab und an jemand anders kommen würde, aber weder wer noch in welcher Reihenfolge und so war es immer eine kleine Überraschung.

Er lauschte angestrengt und hörte, wie der Neuankömmling seine Schuhe auszog und mit unendlich leisen, sachten, ruhigen Schritten in den Raum kam. Naruto blinzelte und sah in die entsprechende Richtung, als die Schritte verstummten.

Er hatte schon gemerkt, dass die Schritte oft etwas über ihren Verursacher verrieten, so hatte etwa Hinata sehr weiche, kleine, aber manchmal etwas hektische Schritte, während im Gegensatz dazu Kakashis Schritte deutlich größer, ruhiger und schwerer klangen. Diese sagten ihm aber nicht viel, die Ruhe stimmte mit dem Schweigen überein, aber sie verriet ihm immer noch nicht, wer vor ihm stand.

Aus Gewohnheit schloss er die Augen um sich noch mehr auf das Lauschen zu konzentrieren. Das war gar nicht so leicht, da das Haus nie ganz still wurde. Erstmal musste er Sasukes Atemzüge neben sich ausblenden, dann seine eigenen, das konstante, mittlerweile gewohnte, schwache Knarzen des Holzbodens und der Couch… und dann war da noch ein Geräusch, dass er nicht zuordnen konnte.

Ein kaum hörbares Brummen, wie… wie von einer Fliege oder…

Ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus, als er die Augen wieder öffnete und den Kopf ein Stück hob. „Hallo, Shino.“

„Mmh?“, war die leicht verdutzte Antwort, „Hallo, Naruto, Sasuke. Wie hast du mich erkannt?“

Doch Naruto schüttelte amüsiert den Kopf. „Das sag ich nicht, sonst machst du nächstes Mal was anders, damit es nicht geht. Deswegen hast du doch nichts gesagt, oder?“

Einen Moment lang herrschte Schweigen und Naruto konnte sich nur zu gut vorstellen, wie Sasuke neben ihm kurz die Augenbrauen gehoben hatte, sie nun aber wieder desinteressiert sinken ließ, während Shino ihn mit relativ hoher Wahrscheinlichkeit musterte.

Einen Moment lang schwieg er, dann antwortete er bestimmt mit einem leichten Zucken der Mundwinkel: „Vielleicht.“

Naruto grinste kurz, dann gestikulierte er (wie er hoffte) in Richtung Küche. „Möchtest du ein Stück Kuchen? Hinata und ich… okay, mehr Hinata als ich, hat gestern einen sehr leckeren gebacken.“

Wieder war es ein paar Sekunden still, dann fragte Shino: „Was für Kuchen?“

„Schoko.“

Naruto konnte das Zögern fast hören, als Shino offenbar überlegte, ob er sollte oder nicht. Schließlich antwortete er schlicht „Gerne“ und Naruto sprang fast sofort von der Couch auf.

„Warte hier, ich hol dir ein Stück.“

Wieder ein kurzes Zögern, dann: „Ähm, Naruto, ich kann auch selbst…“

Doch Naruto winkte ab. „Keine Panik, Shino, ich weiß, was ich mache… und wenn es dich beruhigt“, fügte er trocken hinzu, „Hinata hat ihn gestern schon aufgeschnitten, ich muss also kein Messer in die Hand nehmen, nur einen stumpfen Teller und ein hochgradig ungefährliches Stück Kuchen…“
 

Naruto stellte ziemlich schnell fest, dass es mit Shino mehr als langweilig war. Nachdem er mehr oder weniger geräuschlos sein Stück Kuchen gegessen und den Teller weggeräumt hatte, hatte er sich neben sie auf die Couch gesetzt, sich fast nicht bewegt und nichts gesagt. Nur das konstante Brummen seiner Käfer, das, wie Naruto interessiert feststellte, gar nicht so konstant war, sondern immer wieder auf- und abschwoll, war zu hören.

Es bildete ein fast gleichmäßiges Hintergrundgeräusch, das ihn träge und müde machte und noch mehr langweilte.

Stark genug immerhin, dass er nach einer Weile zu seinen Leseübungen griff und versuchte damit die Zeit totzuschlagen. Nachdem er aber viermal über denselben Buchstaben stolperte, legte er sie entnervt wieder weg und lehnte sich an der Couch zurück.

„Shino?“

„Mmh?“

„Sag mal was.“

„…“

„Komm schon, mir ist langweilig!“, quengelte Naruto weiter, was Shino ein Seufzen entlockte.

„Solltest du diese Blätter nicht üben?“ Sicher deutete er gewohnheitsgemäß auf den Stapel von Übungstexten der auf dem Wohnzimmertisch lag.

„Nein, ich bin fertig.“, grummelte Naruto und verschränkte die Arme vor der Brust.

„…“

Wieder war es eine ganze Weile über still und Naruto begann schon unruhig herumzuzappeln, als Shino plötzlich zu seiner Überraschung fragte: „Und was willst du jetzt machen?“

Naruto hielt augenblicklich inne und legte den Kopf leicht schief. Die Frage hatte eindeutig eine andere Bedeutung gehabt, die Shino aber offenbar nicht aussprechen wollte. Was kannst du machen?

Die Frage war sicher nicht unberechtigt, aber leider nicht grade leicht zu beantworten. Am liebsten wäre Naruto wieder nach draußen und eine Runde durch den Garten gerannt, aber er war nicht grade scharf drauf dabei die Hand von jemand anderem zu halten (das war ihm erst hinterher klar geworden, aber dass Akamaru ihn führte hatte ihn weniger gestört), ganz abgesehen davon, dass er sich nicht vorstellen konnte, dass Shino sonderlich begeistert davon wäre zu rennen.

Wobei… sie mussten ja nicht wirklich laufen, allein draußen sein wäre ja schon schön.

„Mmh…“

„Was mmh?“

Naruto zögerte noch kurz es wirklich auszusprechen, auch, weil er wusste, wie blöd die Bitte selbst in seinen eigenen Ohren klingen würde, aber wenn er es nicht tat, würde er wohl den Rest des Tages hier herumsitzen und versuchen Punkte auf Papieren als Buchstaben zu identifizieren. (Er hatte schon festgestellt, dass eine der leidigeren Begleiterscheinungen seiner Blindheit das ständige Nachfragen müssen war, was ihn zwar störte, aber er bislang schlicht hinnehmen musste, also kam es auf einmal mehr auch nicht an.)

„Wie wäre es mit einer Runde Spazierengehen?“, schlug er daher leicht widerwillig vor. Er konnte sich nur zu gut vorstellen, wie Shinos Augenbraue langsam über die Ränder seiner Sonnenbrille (die er hundertprozentig trug) wanderten und er ihn ungläubig ansah. Der Tonfall der darauf folgenden Worte bestätigte das nur: „Du willst spazieren?“

„Ja…“, Naruto rieb sich verlegen den Hinterkopf, „Weißt du, rennen wäre mir lieber, aber das…“, er brach kopfschüttelnd ab und versuchte es anders, „Ich muss schließlich auch mit dem Stock üben und hier drinnen lauf ich immer Gefahr was umzuwerfen.“

Abgesehen davon brauchte er ihn hier drinnen tatsächlich auch nicht mehr wirklich. Okay, manchmal wäre es praktisch, aber da Kakashi und Sakura penibel darauf bedacht waren, dass alles an seinem Ort stand und nichts auf dem Fußboden herumlag, war es ziemlich seine eigene Schuld, wenn er wogegen lief. Eigentlich sollte er es ohne können… oder so.

Shino schien das Argument zu reichen, es war erst still, dann – als hätte er genickt und sich dann daran erinnert, dass das Naruto nicht weiterhalf – merkte er ein „Okay“ an und stand auf. Naruto ebenfalls, nur Sasuke blieb wieder sitzen.

„Ich komm nicht mit.“, murrte er schlecht gelaunt.

Shino gefiel das nicht. „Ich musste Sakura versprechen, dass…“

„Jaja, verdammt, ich setz mich raus.“, unterbrach Sasuke ihn grob und Naruto hörte, wie er durchs Zimmer lief, die Verandatür öffnete und hinauslief.

„Äh…“

Naruto konnte ein Schmunzeln nicht verhindern. Shino sprachlos? „Schade, dass ich deinen Gesichtsausdruck jetzt nicht sehen kann.“, rutschte es ihm raus, während er in den Flur ging und seinen Stock holte.

„Und wie willst du das jetzt machen?“, fragte Shino, als Naruto auf das von der Sonne erwärmte Holz hinaustrat.

„Lauf einfach langsam etwa zwei Meter vor mir, ich versuche dir zu folgen?“, schlug er vor und seine Finger strichen leicht unruhig über die schon deutlich vertrautere Oberfläche seines Taststocks.

Shino gab ein schwer zu definierendes Geräusch von sich, dass wohl Zustimmung ausdrücken sollte und Naruto hörte, wie sich das leise Brummen Stück für Stück von ihm entfernte. Er zögerte noch leicht, da er den Stock bisher nie draußen wirklich benutzt hatte und sich nun, da es soweit war, doch ein wenig unwohl bei dem Gedanken fühlte. „Jeder Weg beginnt mit dem ersten Schritt.“, hatte Iruka mal irgendwann im Unterricht zitiert und Naruto tat sein bestes sich das jetzt zu Herzen zu nehmen, doch irgendwie merkte er wiedereinmal, wie schwer genau dieser erste Schritt tatsächlich war.

„Naruto?“, riss ihn Shinos Stimme aus seinen Gedanken. Mehr sagte er nicht, aber es reichte auch vollkommen.

„Ja, ich komme. Halt mich nur bitte auf, bevor ich in irgendwas rein laufe, ja?“

Er atmete noch einmal tief durch, dann schloss er seine Hand im richtigen Griff um den Stock und brachte ihn in Position, ehe er endlich loslief.

Er war sich nicht ganz sicher, aber fast meinte er, dass Shino noch leise etwas sagte, als er loslief, aber es hätte genauso gut Einbildung sein können. Als ob das nicht selbstverständlich wäre…

Unchanging

Heute war wieder ein Ino-Tag, stellte Sasuke genervt fest, als er ihre laute, unnötig schrille Stimme im Flur seinen Namen rufen hörte. Seine Hand fuhr ganz automatisch zum altmodischen Walkman, der neben ihm auf der Couch lag, und drehte die Lautstärke hoch. Er hatte noch sehr gut das erste Mal in Erinnerung, als sie das Babysitten - wie er es immer noch nannte, schließlich war es nichts anderes – übernommen hatte.

Ino war laut. Er kannte sie nicht anders und hatte nichts anderes erwartet, aber an diesem einen Tag vor mittlerweile fast eineinhalb Monaten, hatte er wirklich gedacht, ihm würden die Ohren abfallen.

Sie war nur kurz nach dem charakteristischen Geräusch der Schlüssel im Türschloss im wahrsten Sinne des Wortes hereingestürmt gekommen und hatte in ohrenbetäubend hoher Lage „Sasuke!“ geschrieen. Er (und wahrscheinlich auch Naruto, der zu dem Zeitpunkt neben ihm auf der Couch gesessen und mal wieder an seinen Leseübungen gehangen hatte) hatte sich ruckartig beide Hände auf die Ohren gepresst und sich wirklich gewünscht, er könnte Ino dafür sauer anfunkeln.

So aber musste er sich zu der einzigen Alternative, die ihm auf die Schnelle einfiel herablassen und sie anfauchen: „Ino, verdammte Scheiße, wir sind blind, nicht taub. Und, glaub mir, es reicht voll und ganz einen Sinn zu verlieren, also halt die Klappe!“

Daraufhin war es erstmal schrecklich still geworden und Sasuke hatte schon fast zu hoffen gewagt, dass sie tatsächlich den Mund halten würde, als es mit einem Mal grade von vorne losging…

„Oh, das tut mir so leid, ich wollte wirklich nicht… aber… ich dachte, das muss doch schrecklich sein, ich…!“

Sasuke verdrehte nur die Augen. Das durfte doch alles nicht wahr sein. Noch deutlicher konnte er ihr doch wirklich nicht mehr sagen, dass sie verdammt noch mal einfach still sein sollte, oder??

Gott sei Dank war am nächsten Tag Shikamaru gekommen und hatte Inos niemals enden wollende Wortschwalle damit ausgeglichen, dass er fast nichts sagte. Er kam mit schlurfenden Schritten, die es fast schon zu leicht machten ihn zu erkennen, herein und blieb dann erstmal stehen.

„Ja ähm… vermutlich habt ihr es schon gemerkt, aber ich bin Shikamaru. Und ich bin heute dran, also… wenn was ist, sagt Bescheid.“

Damit hatte er sich zu ihnen auf die Couch gesetzt und war einfach nur still sitzen geblieben. Sasuke wusste nicht, ob er las oder draußen irgendwelche Vögel beobachtete, aber er war dankbar für die Ruhe.

Seit Kiba das erste Mal gekommen war und irgendwas angestellt hatte, das Sasuke bis heute nicht verstand, war es fast nicht mehr still gewesen. Aus irgendeinem ihm vollkommen unbegreiflichen Grund hatte sich Narutos Laune seit dem scheinbar wieder gebessert. Er begrüßte Gäste fast schon freudig und redete so lange auf sie ein, bis sie was mit ihm unternahmen.

Und das, obwohl selbst Sasuke mitbekam, dass es in den allermeisten Fällen darauf hinauslief, dass sie etwas taten, während Naruto bei dem Versuch zu helfen oder mitzumachen in aller Regel früher oder später ein kleines bis mittleres Chaos fabrizieren würde.

Und trotzdem schien es fast, als würde ihn das nicht stören. Selbst wenn er gegen etwas lief und Sasuke seiner Stimme schon anhören konnte, dass es wehgetan hatte, würde Naruto trotzdem so tun, als wäre nichts, obwohl es für ziemlich jeden offensichtlich klar sein musste, dass es eine Lüge war.

Wenn er etwas vom Tisch warf, bestand er darauf es selbst zu suchen, obwohl es jeder andere schneller gefunden hätte. Je mehr Sasuke darüber nachdachte, desto sinnloser erschien es im. Und eigentlich wollte er auch nicht drüber nachdenken, aber was sollte er groß anderes tun? Sicher, Iruka brachte ihnen wieder das Lesen bei, aber zum einen sträubte sich Sasuke innerlich dagegen, weil er auch bedeuten würde anzunehmen, dass er damit leben musste, zum anderen fiel es ihm nicht wirklich leicht und für eine Tätigkeit, die ihn entspannen und ablenken sollte fand er es viel zu mühselig.

Er musste sich nach wie vor auf jeden einzelnen Buchstaben konzentrieren und war unglaublich langsam, mal ganz abgesehen davon, dass er (genau wie Naruto und das störte ihn nur noch mehr) nach wie vor ab und an Buchstaben falsch lesen oder Sätze gar nicht verstehen würde.

Kurzum Lesen war keine Alternative, Musik besaß er keine und das Radio, das Naruto von Zuhause mitgebracht hatte, ging ihm mehr auf die Nerven, als dass es ihn ablenkte. Und so war Sasuke letzten Endes doch mit seinen Gedanken allein.

Wenn Shikamaru da war, störte ihn in der Regel niemand dabei – zumindest bis früher oder später ein lautes Scheppern und Krachen zu hören sein würde und der Junge neben ihm mit einem Seufzen und einem gemurmelten „Wie anstrengend…“ aufstehen und nachsehen würde, was Naruto diesmal umgeschmissen hatte.

Danach würde es aber wieder still werden. Ein weiterer Punkt, den Sasuke genoss war, dass Shikamaru ihnen nie sagte, wie leid es ihm tat oder versuchte ihnen ständig helfen zu wollen, wenn sie es nicht brauchten. Gut, streng genommen tat er meistens gar nichts, aber gerade Ino und teilweise auch Sakura neigten doch dazu es zu übertreiben.

Und Chouji… Sasuke seufzte schon im Gedanken an ihn. Er meinte es sicher nett, aber er hatte sie gleich am ersten Tag beide mit ihn die Küche geschleift und als einziger der Babysitter gemeint auch er müsste ihnen etwas beibringen. Was dann meistens damit endete, dass er irgendein Gericht kochte, die Hälfte davon selbst aß, während er ihnen erklärte, was für Zutaten rein kamen, die sie sich eh nicht schnell genug merken konnten und vergessen hatten, ehe er auch nur fertig war.

Irgendwann hatte Sasuke den Protest aufgegeben, sich in die Küche schleifen lassen, sich hingesetzt und einfach abgewartet. Chouji würde weiterreden, Naruto würde ihn nicht unterbrechen aber genug Interesse und Neugier an den Tag legen, damit ihr „Kochlehrer“ abgelenkt war und ihn selbst in Ruhe ließ. Die Couch wäre ihm zwar deutlich lieber gewesen, aber wenn er sich dorthin zurückziehen wollte, bekam er früher oder später einen Kochlöffel in die Hand gedrückt und musste irgendwas umrühren von dem er der Konsistenz nach nicht mal wissen wollte, was es war…

Kurzum, Sasuke hasste Tage an denen Ino oder Chouji kamen, die anderen vier, die sich abwechselten ließen ihn zumindest größtenteils in Ruhe, was ihm nur recht war. So waren mehrere Wochen vergangen und es hatte sich wenig geändert, abgesehen vielleicht davon, dass die Intervalle, die sie zwischenzeitlich auch mal alleine gelassen wurden, größer wurden, weil man ihnen offenbar langsam zutraute, dass sie sich nicht mit dem Besteck aufspießten oder das Haus abfackelten, während niemand hinsah.

Einmal hatte Sakura sogar richtig mitgedacht und Sasuke etwas in die Hand gedrückt, dass er verwundert abgetastet und als Walkman erkannt hatte. Verwirrt hatte er sie gefragt, was das bitte sollte, woraufhin sie seine Finger über die erhabenen Tasten geführt und erklärt hatte, dass sie im Gegensatz zu moderneren Geräten noch besser zu fühlen waren. Dann hatte sie ihm zwei Kassetten mit Hörbüchern in die Hand gedrückt und nach anfänglicher Skepsis hatte Sasuke ihr im Stillen gedankt. Denn das zumindest war wirklich endlich mal wieder eine Ablenkung, gegen die er nichts einzuwenden hatte.

Plus, wenn ihn jemand zu sehr nervte, konnte er die Lautstärke hochdrehen und vorgeben, ihn einfach nicht zu hören. Wie etwa heute, anders konnte man Inos ständiges Geplapper wohl auch nicht ertragen.

Erst als sie am frühen Nachmittag endlich wieder ging, verringerte Sasuke die Lautstärke wieder auf ein normales Maß und ließ sich zurücksinken. Sakura würde jeden Moment kommen, aber das interessierte ihn wenig. Sie würde nicht bleiben.

Der Schwachkopf hatte sie gebeten mit ihm spazieren zu gehen und sie hatte zugestimmt, das war alles. Manchmal wünschte sich Sasuke auch, einfach mal wieder einen schönen, kleinen Spaziergang durch den angrenzenden Wald machen zu können. Das war eine angenehme, willkommene Ablenkung und sorgte oft dafür, dass er den Kopf freibekam. Das einzige Problem an der Sache war nur leider, dass es nicht ging. Zumindest nicht so, wie er wollte.

Alleine zu gehen wäre schlichtweg dämlich gewesen. Er beherrschte den Stock zwar gut genug, um nirgends reinzurennen, aber keineswegs so gut, dass er ihm auch nur irgendwie beim Orientieren geholfen hätte.

Naruto schien das irgendwie manchmal hinzukriegen, dass er teilweise schon kurz vorher was sagen konnte, was vor ihnen kam, aber Sasuke wusste nicht wie und es interessierte ihn nicht. Wahrscheinlich war die Flachbirne nur gut im Raten…

Auf jeden Fall würde er sich alleine im Wald nicht zurecht finden und Sakura würde ihn ohnehin nicht allein gehen lassen. Und wenn er auf den Stock verzichten wollte, würde er jemanden bitten müssen ihn zu führen und das schmeckte ihm noch weniger. Nein, dann verzichtete er lieber und blieb hier sitzen…
 

Naruto genoss die frische Luft und das unglaublich angenehme Gefühl des Windes in seinem Gesicht. Er hätte nicht gedacht, dass er es so schnell vergessen könnte.

Es war inzwischen kälter geworden und Naruto spürte deutlich, dass der Herbst mit riesigen Schritten näher kam, während er neben Sakura durch den Park lief. Er atmete die etwas kühle Luft tief ein und stellte sich vor, wie die Blätter um ihn herum sicher alle längst rot und gelb leuchteten.

So ganz konnte er das traurige Schmunzeln nicht verbergen. Er liebte den Herbst für seine Farbenpracht, für die wunderschönen Bilder, die ein einziger Blick aus dem Fenster oder einer der Spaziergänge im Park brachten. Er konnte stundenlang zusehen…

Offenbar spürte Sakura, dass es ihn eher wehmütig als glücklich machte, denn sie tippte ihn plötzlich sacht am Arm an.

„Naruto, da drüben ist ein Eisstand, möchtest du eins?“

Verdutzt drehte er den Kopf in ihre Richtung. „Ein Eisstand? Im Oktober?“

Das Lächeln klang deutlich in ihrer Stimme mit, als sie „Ja, anscheinend.“ antwortete.

Wie von selbst breitete sich ein Lächeln auf Narutos Gesicht aus, als er sofort nickte. „Klar! Schoko und Vanille, oh und Nuss und…“

Ein Lachen unterbrach ihn und Sakura fasste sacht an seinen Arm und zog ihn nach rechts. „Schon okay, ich hol dir von allem etwas. Aber es ist ein wenig voll, ist es okay, wenn du hier auf der Bank wartest?“ Sie legte seine Hand auf ein weiches, abgenutzt erscheinendes Holzbrett, das Naruto für die Rückenlehne der Bank hielt und kaum, dass er genickt hatte, war sie auf und davon.

Er lauschte ihren Schritten noch einen Moment und jetzt, wo er sich darauf konzentrierte, konnte er auch die Stimmen hören, die leise oder auch lauter redeten. Er verstand kein Wort, aber er konnte sich vorstellen, was sie sagten. Die typischen, sinn- und zusammenhanglos erscheinenden Gespräche wartender Bekannter oder Freunde, die ein Außenstehender niemals würde verstehen können.

Und es klang nach vielen. Scheinbar hatte Sakura nicht übertrieben und es würde einen Moment dauern, bis sie wiederkam. Einen kurzen Moment schloss Naruto ein wenig deprimiert die Augen. Er hätte mit ihr kommen und sich in die Schlange stellen können, aber sie hatte vermutlich geahnt, dass ihm das bestimmt sehr schnell unangenehm geworden wäre. Schon auf dem Weg hierher hatte er sich teilweise stark ablenken lassen, wenn zu viele Menschen auf einmal in seiner Nähe waren und er sich nicht länger auf einzelne Schritte oder Stimmen fokussieren konnte.

Zu schnell wurde er verwirrt und verlor das Gespür für seine Umgebung, das er gerade erst anfing überhaupt zu entwickeln. Mit einem leisen Seufzen strich seine Hand über die Lehne, auf der sie noch immer lag. Er hatte dem Holz nie Beachtung geschenkt und er konnte sich nicht daran erinnern, welche Farbe es hatte, ob hell oder dunkel, bunt oder natur… eigentlich war es vollkommen egal, es war eine Bank und sie erfüllte ihren Zweck, aber manchmal stellte Naruto fest, dass ihn gerade solche kleinen Unwichtigkeiten am meisten ärgerten, weil er es nicht für nötig hielt, danach zu fragen.

Er setzte dazu an, sich zu setzen, als er diesmal deutlich näher ein paar Kinderstimmen aufschnappte. Und sie waren laut genug, dass er einzelne Fetzen verstehen konnte.

„… hast immer noch nicht mit ihm geredet?“

„Nein… ich…“

„Hör mal, es ist immer noch…“

„… ich hab Angst, dass er sauer ist… nie mehr mit mir sprechen…“

Ruckartig schoss Narutos Kopf nach oben. Er kannte diese Stimmen. Er kannte sie nur zu gut und sie versetzten ihm einen kleinen Stich im Herzen.

Konohamaru.

Er war seit der einen Begegnung vor Wochen nicht wieder aufgetaucht und Naruto hatte es nicht über sich gebracht Sakura oder jemand anderen darum zu bitten ihn zu suchen.

Er wollte mit dem Junge reden, wollte ihm sagen, dass es ihm leid tat, dass er das hatte sehen müssen, dass er deswegen doch bitte nicht solch einen Schrecken haben sollte, dass… er noch immer derselbe war…

Und nun war Konohamaru in greifbarer Nähe und doch so unendlich weit weg. Offenbar hatte er ihn nach wie vor nicht bemerkt – was Naruto zu der Frage veranlasste, wie weit er wirklich weg war. Er hätte auf weniger als zehn Meter getippt, aber dann hätten sie ihn doch längst sehen müssen, oder?

Er setzte dazu an, einfach zu rufen, aber irgendwie kam ihm kein Ton über die Lippen. Nein, es war irgendwie falsch ihn zu rufen und zu sich zu bitten. Einerseits, weil er es war, der etwas von ihm wollte und andererseits… was, wenn der Junge wieder nur einen Schreck bekam und einfach davon lief?

Naruto ballte leicht die Faust. Verdammt.

Er war nicht allzu weit weg. Er befand sich auf einem oft benutzten Weg, um ihn herum war nur Wiese und ein paar Bäume, am See waren sie lange vorbei. Sakura wusste, wo er war, sie würde ihn auch finden, wenn er ein paar Meter weiter war. Er hielt einen Taststock in der Hand, mit dem er gut genug umgehen konnte, dass er ihr bis hierher hatte folgen können, ohne sie berühren zu müssen.

Er sollte es doch verdammt noch mal schaffen die paar Schritte weiterzugehen!

Naruto brauchte noch einen Moment, dann stieß er sich mit der Hand von der Bank ab, wand sich in Richtung der Stimmen und lief los. Er war sich nicht sicher, ob er dem Weg wirklich folgte oder querfeldein lief. Auf der Wiese war er wohl eher nicht, denn er spürte keine Ansätze von Grashalmen, aber der Boden wurde plötzlich sehr… weich. Zu weich für den Weg, aber es war nicht diese Wiese, was…?

Laub, schoss es ihm durch den Kopf, er lief auf heruntergefallenem Laub… Was bedeutete, er befand sich am linken Rand des Weges in der Nähe der großen Bäume. Hatten sie schon so viel von ihren Blättern abgeworfen? War es dafür nicht eigentlich noch zu früh?

Naruto schüttelte den unnützen Gedanken schnell wieder ab und konzentrierte sich lieber darauf möglichst in einer geraden Linie auf die Stimmen zuzulaufen. Er verstand immer mehr und es klang ganz so, als wollten Moegi und Udon Konohamaru zu irgendwas überreden, das er entschieden ablehnte.

Naruto schätzte, dass er bis auf wenige Schritte heran war, als sein Stock auf Widerstand traf, ein leichtes, dumpfes Geräusch vom Treffen auf Holz zu hören war und die Stimmen schlagartig verstummten.

Sie hatten ihn also entdeckt. Und er stand offensichtlich direkt vor einer weiteren Bank, wie ihm seine freie Hand schnell bestätigte. Super…

Er versuchte sich zu konzentrieren, lief zwei Schritte nach links, um die Bank herum und dann wieder zwei Schritte nach rechts, um halbwegs die Bahn zu halten, aber jetzt war es deutlich schwieriger.

Die drei waren verstummt. Immerhin hörte er keine eiligen Schritte, sie waren also nicht weggelaufen, aber er hörte auch sonst nichts. Keine Gespräche mehr, keine Atemgeräusche, einfach nichts. Hielten sie die Luft an?

Naruto machte noch fünf Schritte, dann blieb er unsicher stehen. Er war sich nicht sicher, ob er gerade genug gelaufen war oder nicht inzwischen doch von seinem Ziel abgekommen und vollkommen falsch war und ehe er sich wirklich verlief, war es wohl an der Zeit aufzugeben.

Mit einem Seufzen zog der den Stab zurück zu sich, damit niemand darüber stolperte und fragte leise und mehr zu sich selbst: „Konohamaru? Moegi? Udon?“

Es vergingen weitere vier Herzschläge, in denen Naruto nicht mehr damit rechnete, dass der Junge überhaupt reagieren würde, dann, ohne jede Vorwarnung warf sich etwas gegen seine Brust und er hörte ein lautes Schluchzen: „Boss, es tut mir so leid!“

Leicht überfordert blinzelte Naruto verwirrt und fasste dann vorsichtig mit der freien Hand in Richtung seiner eigenen Brust, wo er, wie erwartet, Konohamarus Schulter zu fassen bekam und ihm sacht und hoffentlich beruhigend über den Rücken strich.

„Was…?“, brachte er mühsam hervor und eine eindeutig nur schlecht beherrschte Jungenstimme antwortete fast schon weinerlich: „Es tut mir so leid, ich wollte nicht schreien, ich wollte nicht wegrennen, aber ich…“

„Nicht.“, unterbrach ihn Naruto mit dem Ansatz eines Lächelns, „Ist schon okay, ich mach dir keinen Vorwurf.“

„Ich weiß, deswegen… was? Nicht?“

Naruto schmunzelte sacht und wand den Kopf leicht nach unten. Der Junge war groß geworden, er musste nicht mehr weit hinuntersehen… „Nein, wirklich nicht.“ Ich hab mir nur Sorgen gemacht, dass ich dich erschreckt habe…

Er spürte, wie sich daraufhin an seiner Brust etwas bewegte und ging davon aus, dass Konohamaru zu ihm aufsah. Als Antwort lächelte er sacht.

„Boss, du…“

Er brach mitten im Satz ab und vor seinem geistigen Auge konnte Naruto geradezu sehen, wie der Junge sich unwillig auf die Lippe biss. Er seufzte leise. Das war zu erwarten.

„Offen heraus.“, erklärte er, „Frag es einfach.“

Ehe du noch dran erstickst oder ich hier wieder das Gefühl habe auf Eierschalen umtanzt zu werden…

„Kannst du gar nichts sehen?“, platzte statt Konohamaru Moegi heraus und da er nun ihre ungefähre Position kannte, wand Naruto sich in ihre Richtung, als er langsam den Kopf schüttelte. „Nein. Und die Chancen, dass das so bleibt stehen leider hoch…“

„Aber… bist du denn noch… ein Ninja?“, fragte Konohamaru und zum ersten Mal, seit er ihn kannte, nahm Naruto in seiner Stimme tatsächlich so etwas wie Angst und Sorge wahr. Zumindest glaubte er das. Er gab sich alle Mühe seinen Gesichtsausdruck möglichst neutral zu halten, als er ruhig erwiderte: „Ich weiß es nicht, ich weiß es wirklich nicht…“

Daraufhin wurde es wieder still. Ein unangenehmes, nervtötendes Schweigen, aber Naruto wusste, dass nicht er es war, der es brechen musste und wartete zunehmend angespannt auf eine Reaktion. Irgendeine…

„Naruto!“

Okay, das war nicht unbedingt, was er gemeint hatte, aber Sakuras Timing hätte wohl nicht besser sein können. Ein paar schnelle Schritte und er hörte ihren Atmen und das Rascheln ihrer Kleidung neben sich.

„Ich hab mich schon gewundert, wohin du… oh, hallo, Leute.“, meinte sie dann und bestimmt lächelte sie. Naruto stellte amüsiert fest, dass Konohamaru sich leicht um ihn herumschob, wohl um Sakura nicht mehr direkt gegenüber stehen zu müssen. Offenbar hatte er seine letzte Begegnung mit ihr (nach einem Sexy Jutsu) noch zu genau in Erinnerung.

„Ich wollte nur mal hi sagen, sorry, Sakura.“, erklärte Naruto derweil und zuckte entschuldigend die Schultern, woraufhin Sakura zwar nichts sagte, aber um ihn herumging (Konohamaru folgte der Bewegung) und ihm einen kalten, runden Papierbecher in die Hand drückte.

„Ich erwarte, dass du die Sorten selbst herausfindest.“, kommentierte sie gespielt ernst, dann, wieder deutlich fröhlicher: „Wollen wir hier stehen bleiben oder uns da drüben auf die Bank setzen?“

„Worauf warten wir noch?“, lächelte Naruto und ließ es zu, dass sie ihm den Stock aus der Hand nahm und ihn stattdessen vorwärts führte, während er spürte, wie die jüngeren Ninja ihnen folgten. Ja, vielleicht konnte man sich echt irgendwann einmal daran gewöhnen…
 

„Teme, hast du meine kurze Hose gesehen?“, hallte am nächsten Morgen ein Ruf vom Obergeschoss zu Sasuke hinab, der gerade in der Küche am Tisch saß und den letzten Bissen Frühstück hinunterschluckte. Er konnte nicht verhindern, dass er noch immer leicht zusammen zuckte. Klar wusste er, wie Naruto das meinte, doch irgendwie konnte er einfach nicht nachvollziehen, wie der andere so frei mit derartigen Wörtern um sich schmeißen konnte.

„Die hat Sakura in die Wäsche geschmissen.“, antwortete er mit einiger Verzögerung und in normaler Zimmerlautstärke, wohl wissend, dass Naruto das wohl nur grade so noch verstehen können würde.

„Oh!“, war die Antwort, dann hörte er eine Schranktür zuschlagen und Augenblicke später Schritte, die die Treppe hinunter kamen. Gerade, als sie unten angekommen sein dürften, klingelte es und Naruto zögerte keinen Moment, ehe er die Tür öffnete und „Ja, bitte?“, fragte. Sasuke hätte am liebsten den Kopf auf den Tisch geknallt. Öffne doch nicht einfach die Tür, wenn du nicht weißt, wer da ist, Trottel.

„Morgen, Naruto.“, grüßte Kakashi sogleich und kurz darauf folgte ein „Hey!“, das auch Sakura zweifelsfrei identifizierte.

„Guten Morgen.“, man konnte Narutos Stimme das Lächeln wirklich anhören, wie Sasuke immer wieder verwundert feststellte. Überhaupt schaffte er es komischerweise oft sich sehr genau vorzustellen, welche Art von Gesichtsausdruck Naruto gerade trug. Sasuke war sich selbst nicht sicher, wie das eigentlich gehen sollte und bei allen anderen war er oft genug absolut ratlos, wie sie wohl gerade dreinblickten. Nur bei Naruto war es irgendwie immer offensichtlich… „Kommt doch rein.“

Das taten sie offenbar auch, denn aus dem Flur waren verschiedene Schritte zu hören, die Sasuke noch nicht alle auseinander sortieren konnte. Narutos waren leicht, denn er lief auf Socken, aber da Kakashi und Sakura wohl nur in den Vorraum kamen und nicht ihre normalen Schrittlängen benutzten, war es mehr oder weniger unmöglich sie auseinander zu halten und Sasuke versuchte es auch gar nicht erst.

Wozu auch, wenn er längst wusste, wer sie waren. Und auch, warum sie gekommen waren. Sakura hatte es schon letzte Woche gesagt und er hatte ausnahmsweise doch einmal die Tage heruntergezählt. Eigentlich war es ihm ziemlich egal und er hatte längst jegliches Zeitgefühl verloren. Wenn Sakura es nicht letztens gesagt hätte, hätte er nicht einmal mehr gewusst, welches Datum sie hätten. Nur der kühle Wind draußen auf der Veranda hätte ihn vielleicht noch ahnen lassen, dass es auf Herbst zuging – oder die Tatsache, dass er morgens auf dem Kleiderstapel, den sie ihm rauslegte, immer öfter langärmelige Shirts und lange Hosen vorfand.

Alles in allem hätte es ihm aber wenig gleichgültiger sein können, wäre da nicht dieser Termin heute gewesen. Es war nun über zwei Monate her und während Sakura ihre Augen wöchentlich auf Reizungen und ähnliches kontrollierte, hatte Tsunade sie für heute zu einer ausführlicheren Untersuchung zu sich bestellt.

Niemand sprach es laut aus, aber eigentlich war allen klar, dass sich im Prinzip jetzt zeigen würde, ob es wirklich endgültig war. Ihre Augen hatten lange genug Zeit gehabt, sich zu erholen, wenn sich jetzt nichts machen ließ, würde sich auch nichts mehr daran ändern.

Sasuke gefiel der Gedanke nicht wirklich, weil er sich insgeheim doch vor dem Ergebnis fürchtete, zu dem sie gelangen konnten, aber er ließ sich möglichst nichts anmerken, als er murrend aufstand und wortlos in den Flur kam. Dort blieb er aber erstmal nur stehen, da er nicht genau wusste, wer wo stand. Während er inzwischen einzelne Personen relativ genau anhand ihrer Atemgeräusche und der Bewegungen ihrer Kleidung lokalisieren konnte, fiel es ihm noch immer schwer festzustellen, wo jemand war, wenn mehr als eine Person vor ihm stand.

„Wollen wir los?“, fragte dann Kakashi und ein einstimmiges „Ja.“ von Sakura und Naruto ließ ihn (oder jemand anderen?) die Tür öffnen und Sasuke hörte, wie sie alle losliefen, also stieß auch er sich von der Wand ab und wollte sich in Bewegung setzen, doch eine Stimme hielt ihn zurück. „Willst du deinen Stock nicht mitnehmen?“, fragte Kakashi neben ihm ruhig, woraufhin Sasuke sich verkrampfte.

Er hasste das Ding nach wie vor und hatte es noch kein einziges Mal außerhalb seines Gartens benutzt. Kakashi würde doch nicht ernsthaft erwarten, dass er damit jetzt alleine durch das morgendliche Treiben Konohas lief, oder?

„Also, Sasuke?“

Offenbar tat er genau das. Sasuke presste wütend die Lippen zusammen und musste den Drang unterdrücken wie ein kleines, trotziges Kind die Arme vor der Brust zu verschränken. Er verstand die darin verborgene Aussage nur zu gut: Entweder er sprang endlich über seinen Schatten und benutzte das blöde Mistding, was er partout nicht wollte, oder aber er tat es nicht und blieb hier, was andersherum bedeuten würde, die Untersuchung ausfallen zu lassen und damit die wenn auch unwahrscheinliche, doch letzte Möglichkeit einer Heilung nicht zu ergreifen.

Mehr als wütend ging Sasuke in die Hocke, griff zielsicher nach seinen Schuhen, streifte sie schnell über und… hielt noch kurz inne, ehe er sauer das Gesicht verzog, aber die Hand zur rechten Wandseite ausstreckte, wo der Stock normalerweise lehnte, wenn er ihn nicht benutzte. Wie erwartet fand er ihn dort auch vor und als Kakashi „Na, also.“ kommentierte, hatte Sasuke das dringende Bedürfnis ihm besagten Stock einfach mal blindlings ins Gesicht zu donnern.

Da das aber leider eher kontraproduktiv gewesen wäre, fügte er sich murrend, lief an seinem Lehrer vorbei nach draußen und blieb direkt vor der Tür sofort wieder stehen. Hatte Kakashi nicht gesagt, er würde ihn nie gegen seinen Willen dazu zwingen? Jaja, soviel dazu…

Sasuke schnaubte innerlich, sagte aber nichts und wartete stumm, bis er die Tür hinter sich ins Schloss fallen und Naruto und Sakura neben sich loslaufen hörte, dann tat er, was er im Augenblick wirklich am meisten verabscheute, streckte seinen eigenen Stock vor sich und begann langsam hoffentlich halbwegs geradeaus zu laufen, während er das sichere Gefühl hatte Kakashis Blicke im Nacken zu spüren.

Super, jetzt musste er nicht nur damit alleine laufen, er wurde auch noch beobachtet und angestarrt…

Er merkte sehr schnell selbst, wie unsicher er wirklich war.

Was hatte er auch anderes erwartet? Was hatte Kakashi anderes erwartet? Ein Stock konnte ihm niemals die Augen ersetzen und nicht nur, dass er immer wieder zur Seite zu schweifen schien und gegen Kakashi (und andere Leute) stieß, nein, er stolperte auch das eine oder andere Mal sehr unsanft. Er fiel nie hin, aber seine Zehen dankten es ihm nicht gerade und irgendwann vergas Sasuke seine Kinderstube und fluchte einfach ungehalten.

Er konnte die Leute um sich herum flüstern hören, als sie sich dem Zentrum Konohas näherten. Er hatte erwartet, dass sie reden würden, dass es Gerüchte gab, erst recht, nachdem Naruto im Park gewesen und damit allen gezeigt hatte, dass es Wirklichkeit war.

Und jetzt liefen sie hier entlang, diesen verhassten, weißen Stock in der Hand und jegliche Zweifel sollten vergessen sein.

Gut, dass ihn niemand seiner Familie so sehen konnte, dachte Sasuke trocken, sein Vater wäre alles andere als angetan gewesen… wobei, was hätte er tun sollen? Ihn auf ewig im Haus verstecken? Sasukes Laune sank nur noch weiter, als ihm klar wurde, dass ihm das irgendwie ganz recht gewesen wäre und so passierte das unvermeidliche, er verlor den Fokus. Als sein Stock auf Widerstand stieß, reagierte er nicht schnell genug oder genauer falsch und die ruckartige Bewegung sorgte für einen Hebeleffekt, der ihm den Griff aus der Hand schleuderte, schmerzhaft gegen sein Handgelenk schlagen ließ und im nächsten Moment hörte er den Stock irgendwo ein ganzes Stück rechts von sich zu Boden fallen.

Sasuke presste sauer die Augen zusammen und senkte den Kopf. Das war so was von… argh!

Eine warme Hand legte sich aus dem Nichts auf seine Schulter und drückte ihn leicht. „Ist okay, Sasuke, das war gut.“, flüsterte Kakashi und Sasuke war verwirrt. Seine Stimme klang ruhig, traurig und fast ein bisschen… ein bisschen väterlich besorgt. Untypisch für Kakashi, vor allem, nachdem er ihn dazu gezwungen hatte…

„Komm weiter.“, meinte Kakashi sacht ohne sich genauer zu erklären. Seine Hand verschwand, dafür hielt er ihm den Ellbogen so hin, dass er Sasukes Fingerspitzen berührte und Sasuke griff mit einem Seufzen zu. Kakashi setzte sich wortlos wieder in Bewegung und drückte ihm ohne viel Kraft den verlorenen Stock in die freie Hand.

Vermutlich sah er nicht, wie Sasukes Finger sich gefährlich fest um dessen Griff verkrampften, als sie weiterliefen.

Er hatte nicht sehr lange durchgehalten, wie er bald feststellen musste, denn da er nun geführt wurde und sich ansatzweise wieder auf etwas anderes als den Weg konzentrieren konnte, hörte er Naruto und Sakura reden und erfuhr ohne zu fragen, dass sie erst etwa den halben Weg zurückgelegt hatten. Und Sasuke hörte noch etwas, das ihn mehr als irritierte.

Das regelmäßige Klacken und die gleichmäßigen Schritte rechts vor ihm sagten ihm, dass Naruto es offenbar inzwischen tatsächlich fertig brachte, Sakura ohne weitere Hilfe zu folgen… Sasuke biss sich wütend auf die Unterlippe und war sich nicht sicher, ob er Kakashi gerade wirklich dankbar sein konnte.
 

Vermutlich brauchten sie nicht mehr allzu lange, aber Sasuke kam es wie eine Ewigkeit vor, bis auf einmal der leichte Wind draußen verschwand und die Stimmen um sie herum verstummten und er wusste, dass sie gerade den Hokageturm betreten hatten.

Hier drinnen war er oft genug gewesen, zu Beginn von Missionen, zu allen möglichen Formalien… er kannte sich hier aus und um ein Haar hätte er Kakashi losgelassen und gesagt, dass er alleine gehen wollte. Aber gerade nach der Aktion vom Hinweg wusste er es besser und hielt den Mund.

Immerhin war er mittlerweile so weit, dass er Kakashi trauen konnte und nicht länger krampfhaft seine freie Hand an der Seite halten musste, um sie nicht vor sich zu strecken. Das Klacken von Narutos Stock war auf den letzten (deutlich volleren Metern) verschwunden und er ging davon aus, dass auch er sich nun von Sakura helfen ließ, insbesondere auch, als sie zu den Treppen nach oben kamen.

Stufen waren nach wie vor etwas eher unangenehmes, aber nach oben war immer noch besser als nach unten und Sasuke wusste, dass es ihn auf dem Rückweg deutlich weniger interessieren würde. Entweder er könnte wieder sehen (eher unwahrscheinlich, aber möglich) oder er würde derart entmutigt sein, dass es ihm schlichtweg egal war.

Trotzdem atmete er jetzt erstmal auf, als sie am oberen Treppenabsatz ankamen und lauschte überrascht auf, als fast sofort wieder ein hier oben auf dem Holzboden deutlich leiseres Klicken ertönte. Naruto lief alleine?

Noch verwirrter war er, als er Sakura neben sich spürte. Das hieß der Idiot lief auch noch alleine voraus??

Offenbar tat er das und, was deutlich bemerkenswerter war, er wusste scheinbar auch noch, was er tat, denn wenige Momente später wurde eine Tür schwungvoll aufgerissen und Naruto, unhöflich wie eh und je, rief erstmal: „Aufwachen, Oma!“

Naruto?!“

Fast hätte Sasuke geschmunzelt. Zumindest war er nicht der einzige, der grade reichlich ungläubig dreinblicken durfte, denn Tsunade klang doch ziemlich fassungslos.

„Natürlich, wer denn sonst?“, erwiderte der vielleicht ein klein wenig zu gut gelaunt, woraufhin es einen Herzschlag lang vollkommen still wurde. Also war auch Naruto im Türrahmen stehen geblieben, überlegte Sasuke und als hätte sie seine Gedanken gelesen, schien Tsunade sich gerade wieder gefasst zu haben.

„Schon gut…“, murmelte sie, „Etwa drei Schritte vor dir steht ein Stuhl, setz dich…“

Und das tat Naruto auch mehr als geräuschvoll, während Kakashi Sasuke sacht auf einen, vermutlich direkt daneben stehenden, zweiten Stuhl drückte.

Sasuke hörte, wie Tsunade aufstand und hatte auf einmal ein mehr als flaues Gefühl im Magen.

„Okay, ehe wir zur eigentlichen Untersuchung kommen…“, sie zögerte auch leicht, kein gutes Zeichen… „Sasuke, versuch doch bitte dein Sharingan zu aktivieren, brech aber sofort ab, wenn es irgendwie wehtun sollte.“

Sasuke versteifte sich leicht. Er hatte es bisher nicht gewagt sein Bluterbe einzusetzen, da es die Augen stark beanspruchen und einen Heilungsprozess verhindern konnte. Wenn das jetzt nicht funktionierte…

Betont gelassen, zog er die Sonnenbrille ab, öffnete die Augen und versuchte es zu aktivieren.

I'll make you...

Naruto konnte regelrecht spüren, wie deprimiert und niedergeschlagen Sasuke war, als sie am frühen Abend zurück zu seinem Haus liefen. Er konnte es verstehen, es war nicht gerade sehr erbaulich gewesen und hätte er sich tatsächlich noch eingeredet, dass sie irgendeine Art von Hoffnung hätten, wäre er wohl nun auch am Boden zerstört.

Naruto hatte diesen Fehler nicht gemacht, aber einfach nur, weil er Sakura regelrecht gelöchert hatte und längst wusste, dass es eigentlich unmöglich war. Sasuke aber schien nicht zugehört zu haben – was kein Wunder war, so abgekapselt und in sich gekehrt, wie er seit Wochen einfach nur dasaß und nichts tat.

Die Untersuchung hatte schon mit einer herben Enttäuschung angefangen, denn Sasukes Sharingan war nach wie vor da und, wie Tsunade ihm ein wenig gequält erklärt hatte, es war noch vollkommen intakt. Allerdings brachte das absolut nichts, da auch das Bluterbe keine magischen Fähigkeiten besaß, die Sasuke hätten sehen lassen können und so war es zwar da, aber vollkommen nutzlos.

Naruto hatte bei der Vorstellung blutrot leuchtender Sharinganaugen, die ins Leere starrten, schwer schlucken müssen, es war so… falsch. Aber das musste generell so sein und es gab wenige, kurze Momente, wenn er versuchte sich vorzustellen, wie Sasukes Augen nun aussahen, in denen er fast froh war, dass er selbst das nicht sehen musste.

Zu diesem Zeitpunkt der Untersuchung aber war Sasukes Laune schon unterhalb des Gefrierpunkts gewesen und mit jeder weiteren, ergebnislosen Kontrolle konnte Naruto spüren, wie sie tiefer und tiefer sank.

Tsunade hatte absolut nichts tun können. Sie hatte ihnen erzählt, dass man die Bakterien vollständig untersucht und als unter anderen Umständen absolut harmlos und ungefährlich eingestuft hatte. Irgendjemand musste sie wohl mit Hilfe von Chakra oder einem anderen Hilfsmittel dazu gebracht haben ihre Netzhäute zu attackieren, obwohl das für sie absolut unnormal war. Leider war der einzige Hinweis – der Ninja, der sie attackiert hatte – nicht ansprechbar und es war fraglich, ob er das jemals wieder sein würde.

Und selbst wenn, ihre Augen waren längst verheilt, es waren keine Wunden oder Narben geblieben, keine sichtbaren Veränderungen, nur die Netzhäute fehlten nach wie vor vollständig, fast, als hätten sie nie existiert.

Tsunade unternahm einen letzten Versuch sie zu heilen, aber wo nichts war, konnte man auch nichts heilen und so war er von vornherein zum Fehlschlag verurteilt gewesen.

Naruto hörte den Schmerz in ihrer Stimme, als sie leise flüsternd und bemüht gefasst erklärte, dass ihre Mittel erschöpft waren und es einfach nichts mehr gab, was sie tun konnten.

Sie sprach es nicht laut aus, aber die Botschaft war mehr als klar – sie sollten lernen damit klar zu kommen und sich irgendetwas anderes suchen, das sie machen konnten.

Das Ninja-Dasein war damit vorbei…

Sie waren nach wie vor krankgeschrieben, aber ewig würde auch die Hokage den Schein nicht aufrechterhalten können und früher oder später mussten sie das einsehen.
 

Auf dem Heimweg schwiegen sie alle. Sakura und Kakashi, weil ihnen wohl nichts einfiel, um sie aufzumuntern, Sasuke, weil er tief betrübt war und Naruto, weil auch ihm die Worte fehlten, um darauf etwas sagen zu können.

Es war nichts, das man leicht abtat und auch wenn er es längst gewusst hatte und begann sich damit abzufinden, hieß das noch lange nicht, dass es einfach war, die brutale Wahrheit direkt gesagt zu bekommen.

Er machte sich Sorgen, weniger um die Zukunft, denn die schien noch unendlich fern, sondern viel mehr um die Frage, was nun aus ihrem Team werden würde. Dass Sasuke am Rand von Depressionen stand – wenn er ihn nicht längst überschritten hatte – war mehr als offensichtlich. Und selbst wenn er drüber hinwegkommen sollte, sie würden nie wieder Team Kakashi sein können.

Sobald jemand frei sein würde, würden Sakura und Kakashi wohl Ersatz für sie zugeteilt bekommen und dauerhaft in ein anderes Team wechseln. Bisher hatte Tsunade sie immer nur vorübergehend anderen Ninja zugeteilt, da sie auch nach wie vor noch viel Zeit bei ihnen verbrachten – Kakashi hatte sich offenbar selbst zugeteilt, dass er einen Teil ihres Trainings übernehmen würde und Sakura hatte sogar einmal erzählt, dass er tatsächlich sein geliebtes Buch für ein paar Tage gegen mehrere Ratgeber zum Umgang und Training von Blinden ausgetauscht hatte.

Naruto hatte ihr erst nicht glauben wollen, doch je mehr er darüber nachgedacht hatte, desto mehr Sinn hatte es gemacht, immerhin war es doch reichlich unwahrscheinlich, dass Kakashi all das Wissen einfach so parat hatte. Auch wenn er Kakashi war, alles konnte er nicht wissen und ein solches Thema war für einen Ninja generell auch eher unwichtig, denn wenn es soweit war… nun, ja, dann endete die Laufbahn.

Und doch war es Kakashi, der sie nach wie vor mit dem Stock üben ließ und zumindest Naruto, da Sasuke sich sträubte, ab und an ins Dorf mitnahm, um ihm wieder ein Gefühl für seine Umgebung zu verschaffen.

Sakura hingegen hatte mit ihnen alltägliche Dinge geübt. Brote schneiden und schmieren, Betten beziehen, organisieren der Küche und Alltagsgegenstände. Sie hatte sogar mit Naruto zusammen seinen Schrank umsortiert und mit Bezeichnungen in Blindenschrift versehen. Die konnte Naruto zwar nach wie vor nicht einwandfrei lesen, aber er hatte es innerhalb einer Woche geschafft die Positionen seiner Kleidungsstücke auch so auswendig zu lernen und (im Gegensatz zu Sasuke, der davon nicht mal etwas mitgekriegt zu haben schien) suchte sich seine Kleidung morgens selbst aus.

Das würde enden, sobald sie dauerhaft wieder auf Missionen gehen würden. Zwar bezweifelte Naruto, dass Tsunade die beiden abziehen würde, ehe Sasuke und er damit klar kamen, aber… es würde nicht mehr dasselbe sein. Und auch wenn es das ohnehin nicht länger war, er hatte sich an den neuen Tagesablauf langsam gewöhnt und wollte nicht auch den wieder verlieren…

Er seufzte leise, worauf aber auch niemand etwas sagte und Sakura ihn sacht weiter vorwärts zog. Er hätte alleine laufen können, aber sie hatte ausnahmsweise darauf bestanden. Ob sie fürchtete, dass er zu sehr neben sich war und es nicht schaffen würde?

Naruto wusste es nicht, aber für den Moment war es ihm egal und er ließ den Gedanken einfach mal im Raum stehen. Er achtete nicht darauf, wo sie waren oder wohin sie liefen, er achtete auf gar nichts und vertraute Sakura vollkommen den Weg an. Ganz im Gegensatz zu allem, was er in den letzten Wochen gelernt hatte, verließ er sich vollkommen auf sie und gab sich überhaupt keine Mühe. Nicht heute…
 

Sakura und Kakashi waren nach dem Abendessen schnell wieder gegangen und heute war Naruto nicht sonderlich böse deswegen. Er hatte sich kaum dass die Teller in der Spülmaschine waren und die beiden gegangen waren, wortlos neben Sasuke auf die Couch fallen lassen und seitdem geschwiegen.

Er wusste nicht, wie er anfangen sollte. Ob er überhaupt anfangen sollte. Wäre es nach ihm gegangen, hätten sie längst mal gesprochen, aber bisher schreckte er davor zurück, weil er wusste, wie Sasuke auf irgendeine Anspielung, ja, teilweise nur auf die Erwähnung der Worte „Augen“ oder „sehen“ reagierte. So kalt und abweisend und gereizt, wie schon lange nicht mehr…

„Was willst du?“, fragte Sasuke nach einer halben Ewigkeit. Es klang unendlich bitter und Naruto überlegte kurz, ob er darauf antworten sollte, entschied sich aber doch dagegen.

„Wieso sollte ich etwas wollen?“, fragte er verdutzt zurück. Er hatte auf keinen Fall damit gerechnet, dass der andere auch nur freiwillig den Mund aufmachen würde, geschweige denn von sich aus irgendetwas fragen.

„Hn.“, schnaubte Sasuke jetzt trocken, „Du willst was, sonst wärst du nicht gekommen, also spuck es aus und lass mich dann in Ruhe.“

Naruto runzelte die Stirn, verkniff sich aber auch jetzt einen Kommentar und zuckte sinnloserweise mit den Schultern. „Willst du jetzt so weitermachen?“, fragte er dann in die aufkommende Stille hinein. Einfach mal direkt drauf los, vielleicht antwortete er ja ehrlich, wenn er überrascht wurde.

„Was?“, zischte Sasuke und klang mehr als nur angesäuert, wovon sich Naruto aber noch nie hatte einschüchtern lassen und auch jetzt nicht daran dachte.

„Willst du so weitermachen?“, wiederholte er ruhig und mit Nachdruck, „Willst du den Rest deines Lebens hier sitzen und alles um dich herum einfach geschehen lassen? Bist du damit echt glücklich??“

Sasuke knurrte wütend, Naruto hörte irgendeine Bewegung, konnte sie aber nicht zuordnen und im nächsten Augenblick klatschte eine Hand mit Schwung gegen seine Wange. Sasuke hatte ihm eine gescheuert. Er hatte es zwar geahnt, aber keine Chance gehabt schnell genug zu reagieren, weil er nicht genau wusste, von wo die Hand kommen würde, war dementsprechend nicht ausgewichen und hatte in Sekunden einen roten Abdruck auf der Wange. Langsam hob er eine Hand und tastete die Stelle ab.

Die darauf folgende Stille war fast noch unheimlicher. Sasuke zog scharf die Luft ein. Naruto vermutete, dass er leicht entsetzt über sich selbst sein musste, denn normalerweise hätte er nicht so schnell zugeschlagen. Vielleicht wunderte er sich auch darüber, dass er überhaupt getroffen hatte, bis ihm klar werden würde, dass Naruto den Schlag natürlich nicht hatte kommen sehen.

Was auch immer Sasukes Gedanken waren, es dauerte offenbar einen Moment, bis er sie halbwegs ordnen konnte.

„Wie kannst du das so einfach hinnehmen?“, fauchte er schließlich und sprach wohl einfach aus, was er dachte, „Wie kannst du so tun, als würde alles eines Tages wieder in Ordnung kommen und als wäre es nichts Schlimmes?! Verdammt noch mal, du Vollidiot, es wird so bleiben!!“

Naruto schwieg erstmal, ehe er ungesehen traurig schmunzelte und unendlich leise seufzte. „Ich nehme es nicht einfach hin, Sasuke…“

Und mit einem Mal war sein Tonfall anders, er wusste es, konnte es aber dennoch nicht verhindern. Und Sasuke stockte. Naruto hörte es, spürte es, wusste es. Aber er konnte es trotzdem nicht verhindern, seine eigene Stimme war zu ruhig, zu traurig und viel, viel zu ernst. Das war nicht er, doch ehe Sasuke noch etwas sagen oder tun konnte, sprach er bereits weiter: „Ich nehme es ganz und gar nicht einfach hin. Ganz ehrlich, als ich verstanden habe, was los ist, war mein erster Gedanke auch, dass es diesmal echt vorbei ist.“

Wieder ein leises Seufzen, dann, kaum noch hörbar: „Ich hab es nur nicht ausgesprochen, weil Sakura dabei war und ich gemerkt habe, wie mitgenommen sie war. Ich wollte sie nie so sehen… oder hören, spüren, was auch immer. Und dann hast du vom Sterben geredet und… das hat mich sehr nachdenklich gemacht…“

Sasuke schnaubte nur, doch entgegen dem, was er zeigte, hörte er tatsächlich zu und lauschte insbesondere auf das, was Naruto nicht aussprach und nur durch seinen Tonfall verriet. Naruto deutete das Schweigen nicht als Widerspruch und fuhr ebenso leise wie bisher fort: „Ich hab die erste Nacht fast nur wach gelegen und darüber nachgedacht und ich bin zum Ergebnis gekommen, dass es nur zwei Möglichkeiten gibt, damit umzugehen.“ Er machte eine kurze Kunstpause, aber nicht lange genug, als dass er wirklich eine Reaktion erwartet hätte. „Die eine ist die, die du gewählt hast. Niemanden mehr ranlassen und einfach aufgeben in der Hoffnung, dass es ein bisschen leichter wird, wenn niemand da ist. Die zweite wäre es einzusehen, zu akzeptieren, drüber hinwegzukommen und versuchen das Beste draus zu machen, weil man es eh nicht ändern kann.“

„Hn.“, war die ganze Antwort, aber Naruto war nicht dumm, er wusste nur zu gut, was Sasuke damit sagen wollte.

„Ich weiß, wie schwer das ist. Was meinst du, wie oft ich es dir gleich tun wollte und mich einfach nur hinsetzen und niemanden mehr an mich ranlassen wollte? Wie oft ich alles verflucht habe und mich gefragt habe, ob ich nicht schon genug in meinem Leben leiden musste, womit ich das verdient habe? Jedes Mal, jedes verdammte einzelne Mal, wenn ich irgendwo dagegen gerannt bin, wollte ich am liebsten schreien…“

Fast meinte er zu spüren, wie Sasuke verwundert aufblickte, ehe er sich selbst fing und seiner Stimme nach wieder zu Boden starrte. „Warum…?“

„Warum ich es nicht getan habe? Weil ich wusste, dass es vorbei ist, wenn ich mich einmal, nur ein einziges Mal gehen lasse… ich kenne mich und ich kenne meine Grenzen. Ich war echt kurz davor, sehr oft, aber ich wusste, dass ich nur einen Versuch hatte…“ Damit stand er nun doch auf und ließ Sasuke allein zurück, als er, diesmal ohne irgendwo anzustoßen das Zimmer verließ.

Er wusste, dass es nichts brachte, weiterzureden, dass Sasuke Zeit brauchte um Nachzudenken. Ironischerweise hatte er zwar die letzten beiden Monate auch nichts anderes getan, aber wäre Naruto jetzt nicht gegangen, wäre es Sasuke. Und so war es diesmal wenigstens nicht er, der dem anderen nachlaufen musste, wenn er etwas wollte.

Kaum in „seinem“ Zimmer angekommen, zog Naruto die Tür hinter sich zu, ließ sich aufs Bett fallen und seufzte leise. Warum musste das nur alles passieren?
 

Etwa zwei Stunden später stand Sasuke vor der Tür zu eben diesem Raum und fragte sich selbst, was er eigentlich tat, als er dagegen klopfte. Er hatte eigentlich damit gerechnet, dass Naruto wiederkommen und weiter auf ihn einreden würde. Er hatte sich Antworten auf Fragen zurechtgelegt, von denen er nicht einmal wusste, ob sie kommen würden. Er wollte nicht mit Naruto reden und schon gar nicht über dieses Thema, aber irgendwie hatte er das Gefühl, dass er diese Aussage nicht einfach so im Raum stehen lassen konnte. Dass er sich rechtfertigen musste, warum er einen Grund hatte sich so verdammt mies zu fühlen. Auch wenn ihm eine kleine Stimme immer wieder zuflüsterte, dass Naruto den auch hatte und es trotzdem nicht tat.

Sasuke verstand selbst noch nicht, was überhaupt in ihn gefahren war, dass er nach Naruto geschlagen hatte, er verstand nicht, warum Naruto nichts dazu sagte und erst recht nicht, warum er plötzlich aufgab und er hatte so eine leise Ahnung, dass er es in Wahrheit gar nicht wollte. Wenn Naruto ihn aufgab, dann war es wirklich… vorbei. Zumindest sagte ihm das sein Unterbewusstsein und Sasuke gelang es nicht es zum Schweigen zu bringen und so hatte er sich schließlich aufgerafft und war die Treppe hoch zu diesem einen Raum gegangen, den er nicht mehr betreten hatte, seit er Naruto dorthin geführt hatte.

Keine Antwort kam von innen, aber er hörte Schritte und Augenblicke später wurde die Tür geöffnet. Er brauchte nicht zu sehen, um zu wissen, dass Naruto direkt vor ihm stand und ihn reichlich verwundert ansah.

Nein, die Augen reichlich verwundert in seine Richtung gedreht hatte… wenn überhaupt. In Gedanken sah er den leisen Vorwurf, der in dem „Blick“ liegen würde, die unausgesprochene Frage…

„Was ist?“, unterbrach Narutos Stimme das Schweigen, nachdem sie sich fast vier Minuten nur stumm gegenüber gestanden hatten. Er klang nicht wirklich so genervt, wie Sasuke erwartet hätte, eher verwirrt oder überrascht. Kein Wunder, wahrscheinlich hatte er erwartet, dass, wenn Sasuke sich schon herabließ zu klopfen, er auch was zu sagen hatte. Das stimmte ja auch irgendwie, aber Sasuke suchte noch nach Worten, um es zu formulieren, als auf einmal Narutos Hand gegen seine Brust stieß. Er konnte sich gerade noch beherrschen nicht zurück zu zucken. Wie er es hasste, wenn er Berührungen nicht kommen sehen konnte! Er fragte sich ohnehin oft, wie Naruto das eigentlich machte, irgendwie schien er immer viel zu genau zu wissen, wo er grade war. So genau sollte das eigentlich ohne Augen gar nicht gehen…

Doch er zwang sich selbst dann noch zur Ruhe, als die Hand seinen Oberkörper und Hals hinauf zu seinem Gesicht wanderte und sacht über die Mundwinkel und die Stirn fuhr. Er wusste, was das sollte, fragte sich aber unwillkürlich, was Naruto sich davon erhoffte. Er hatte nie seine Gefühle in seiner Mimik gezeigt, warum sollte er es jetzt tun?

Fast glaubte er nun das Stirnrunzeln in der Stimme zu hören, dass Naruto vermutlich gerade trug. „Keine Zornfalten? Du willst mir nicht noch mal eine reinhauen, oder?“

Sasuke biss sich auf die Lippe und atmete tief durch, um sicher zu gehen, dass er nicht gleich wieder losschnauzte. „Verlockende Vorstellung…“, grummelte er trotz allem und ehe er etwas anderes sagen konnte, war Narutos Hand auch schon zu seinem Handgelenk heruntergewandert und zog ihn in den Raum hinein, Sasuke stolperte verdutzt hinterher, bis er mit dem Fuß gegen etwas stieß und nach vorne kippte. Erschrocken wollte er sich abfangen, landete aber weich rücklings auf dem Bett mitten im Zimmer und ehe er sich versah waren da zwei Hände, die seine Handgelenke auf der Matratze festnagelten.

Er hatte damals nicht gelogen, er kannte sich in diesem Zimmer quasi nicht aus und war umso fassungsloser, dass Naruto es offenbar gut genug kannte, um ihn so zielsicher aufs Bett zu befördern… oder war das reines Glück gewesen?!

„Versuch es.“, war alles, was Naruto dazu einfiel. Sasukes Augenbrauen wanderten ärgerlich ein Stück hinunter. Eigentlich sollte selbst dem Volltrottel klar sein, dass sie so kaum ernsthaft würden raufen können, doch auch als er widerwillig gegen die Hände drückte, ließ sein Gegenüber nicht etwa los, sondern packte ihn im Gegenteil noch ein Stück fester, bis es Sasuke zu bunt wurde, er die Beine anzog und mit Schwung gegen Narutos Brust stieß sodass dieser eine halbe Rolle über ihn machte und hinter ihm auf dem Bett landete.

Sasuke stockte. Die Bewegung war reiner Reflex gewesen, er hatte nicht darüber nachgedacht – und war entsprechend überrascht, dass es ernsthaft funktioniert hatte.

„Aua.“, grummelte Naruto hinter ihm, aber es klang keineswegs vorwurfsvoll, sondern fast schon freudig und bevor Sasuke dazu kam ihn zu fragen, ob er doch gegen die Wand geflogen war, spürte er Hände auf seinen Schultern, die ihn erneut aufs Bett pressten und offenbar da halten wollten.
 

Naruto hatte fast schon zu viel Spaß dabei Sasuke wieder und wieder auf der Matratze festzunageln. Es war leicht, zumindest leichter, als er es sich vorgestellt hatte, aber durch das hin und her Gewälze hatten sie quasi ständig Körperkontakt und es fiel ihm kein bisschen schwer ziemlich genau zu sagen, wo und in welcher Position sich Sasuke gerade befand.

Es war fast, als würde er in seinen Gedanken genau sehen, was sie taten und konnte problemlos darauf reagieren.

Sie sprachen nicht, aber Sasuke musste es ähnlich ergehen, denn seine Bewegungen waren nicht zögerlich, sondern sicher und schnell, wie immer.

Okay, wenn Naruto so darüber nachdachte, sie brauchten bei den kleinen Rauferein auch so fast nie die Augen, da sie ohnehin nicht viel hätten sehen können, spätestens, wenn der andere einen auf dem Boden (oder in dem Fall dem Bett) festnagelte, war da eh nicht viel mehr als sein Gesicht im Blickfeld. Aber dennoch hatte er nicht erwartet, dass es doch derart gut funktionieren würde und konnte sich ein breites Grinsen nicht verkneifen.

Insgeheim bedauerte er, dass er Sasukes Gesichtsausdruck jetzt nicht sehen konnte, aber er hatte keine Zeit die Hände nach seinem Gesicht auszustrecken, ganz abgesehen davon, dass Sasuke das merken und vermutlich verhindern oder den Ausdruck ändern würde.

Und so blieb Naruto nur seine Fantasie, die ihm aber sagte, dass auch Sasuke mit hoher Wahrscheinlichkeit sehr verdutzt dreinblicken musste.

Wenn er ihn richtig einschätzte, war es nämlich genau das, was der andere sich die ganze Zeit eingeredet hatte – dass er gar nichts mehr konnte.

Leider gab es doch einen Aspekt, den Naruto nicht berücksichtigt hatte und der sich irgendwann mitten in der Rangelei plötzlich bemerkbar machte…

„Ahhh!“

Einmal ein bisschen zu viel Schwung genommen und Naruto klatschte nach Sasukes Befreiung aus seinem Haltegriff seitlich vom Bett herunter und schlug etwas unsanft auf den Boden auf.

Nicht allzu schlimm, aber es reichte, um ihren kleinen Kampf erstmal zu unterbrechen. Das war nun doch ein Punkt, den sie nicht berücksichtigen konnten, denn ohne zu sehen, hatte Sasuke den Schwung nur raten können und Naruto hatte zu spät das Ende der Matratze gespürt, um reagieren zu können.

„Naruto?“

Sasukes Stimme klang ein wenig unsicher, als wüsste er selbst nicht, ob er sich darüber lustig machen, erschrocken sein oder sich entschuldigen sollte.

„Schon okay…“, murmelte der und kletterte erstmal wieder aufs Bett, wo er sich rücklings ausstreckte und liegen blieb.

Sie hatten keine Chance festzustellen, wie lange sie tatsächlich mehr oder weniger schweigend gerauft hatten, da keiner wusste, wann genau sie damit begonnen hatten aber am Ende lagen sie beide grinsend nebeneinander auf der Matratze und atmeten ein wenig schneller als normal.

„Wie…?“, brachte Sasuke irgendwann stockend hervor, woraufhin Naruto neben ihm nur lachte. Es war so offensichtlich und Sasuke klang so herrlich ungläubig, dass er sich wieder wünschte, sein Gesicht zu sehen. Nur sein Gesicht, alles andere war im Moment uninteressant.

„Wir sind Ninja, Blödmann, glaubst du wir verlernen sofort wieder alles?“

Sasuke zog es scheinbar vor darauf nicht zu antworten, er war noch zu überrascht über das, was gerade passiert war.

Eine ganze Weile lagen sie einfach nur schweigend da, ihr Atem hatte sich längst wieder normalisiert, aber niemand sprach. Im Gegensatz zu vorher allerdings war es kein unangenehmes Schweigen, sondern eher ein stummes Übereinkommen, das keine Spannung und keinen Druck enthielt.

Irgendwann fragte Sasuke dann: „Hast du es gewusst?“

Naruto stutzte: „Gewusst? Was denn?“

Er hörte ein unendlich leises Schnauben, das fast schon amüsiert klang. „Dass es funktionieren würde…“, murmelte Sasuke leise, woraufhin Naruto ein Kichern nun nicht mehr unterdrücken konnte.

„Nein, hab’ ich nicht.“, antwortete er ehrlich und, ehe Sasuke noch was darauf sagen konnte, fügte er schnell hinzu, „Aber was sollte schon passieren, mehr als schief gehen konnte es ja nicht, oder? Im schlimmsten Fall wären wir beide auf den Boden gekracht.“, meinte er Schulter zuckend und fragte sich, ob Sasuke die Bewegung spüren konnte. Sie lagen nicht weit weg voneinander, das hätte das Bett auch gar nicht hergegeben. Naruto konnte Sasukes Atemzüge nahe bei seinem Kopf hören und er spürte, wenn Sasuke sich rührte und… seine Anwesenheit. Er konnte nicht wirklich erklären, wie, aber er wusste eigentlich immer, wenn jemand in seiner Nähe war.

Er fragte sich nur, ob Sasuke all das auch wahrnahm oder ob er es ausblendete… aber das zu fragen hätte nun wirklich alles wieder zerstört und so behielt Naruto die Gedanken lieber für sich.

„Du bist echt verrückt.“, kommentierte Sasuke irgendwann, dann, viel leiser und kaum noch hörbar wiederholte er fragend: „Was sollte schon passieren…“

Darauf folgte eine Bewegung und die plötzliche Gewichtsveränderung und das Verlagern der Geräusche verrieten Naruto, dass Sasuke sich aufgesetzt hatte.

„Ist das deine Methode damit umzugehen?“, fragte er plötzlich und seine Stimme war wieder ein ganzes Eck kühler und ausdrucksloser geworden. Innerlich seufzte Naruto, gab sich aber alle Mühe das nicht durchblicken zu lassen, als er erwiderte: „Was haben wir für eine Wahl?“

Einen Moment lang war es wieder still. Irgendetwas sagte ihm, dass das keine Antwort gewesen war, die Sasuke hören wollte oder die ihm weiterhalf und so versuchte er zu erklären: „Mir macht das auch keinen Spaß und ich würde lieber heute als morgen wieder sehen, glaub mir, aber… ich weiß nicht. Was sollen wir denn machen? Ich will nicht den Rest meines Lebens damit verbringen irgendwo herumzusitzen und mir von anderen bei Dingen helfen zu lassen, die ich selbst tun könnte…“

Und das war eigentlich etwas, das er sich bei Sasuke auch nicht vorstellen konnte, doch der schwieg noch immer eisern.

„Anfangs wollte ich es auch aufgeben, aber… ich kann es nicht genau sagen, ich glaube, als ich angefangen habe, zu lernen, dass es anders geht, da wollte ich… mehr? Ich konnte irgendwann in deinem Haus alleine laufen… mehr oder weniger, da wollte ich es auch woanders können. Ich konnte mir Saft holen, warum dann nicht Kakao? Verstehst du, was ich meine?“

Er hielt kurz inne und überlegte, ehe er weitererklärte: „Es ging nicht mehr darum, warum ich etwas nicht konnte, ich wollte mir einfach keine… Grenzen auferlegen lassen.“

Sasuke sagte noch immer nichts, aber zu Narutos ungemeiner Überraschung stießen auf einmal warme Finger an seinen Oberarm und folgten ihm hinauf zu seinem Gesicht. Und dann tat Sasuke etwas, dass Naruto wirklich nie im Leben erwartet hätte.

Sasuke, der Körperkontakt hasste, der sich niemals eine Schwäche eingestehen wollte, der es nicht ausstehen konnte, wenn er gezwungen war etwas zu erfühlen, dieser Sasuke tastete sacht sein Gesicht ab. Er war überraschend sanft, berührte ihn kaum, aber… er tat es. Seine Finger strichen in sicheren, gleichmäßigen Bewegungen, als hätte er das schon oft getan, vom Kinn hinauf zur Stirn, über die Nase wieder hinab und blieben schließlich an den Mundwinkeln hängen. Und Naruto verstand nichts mehr, bis ein leicht amüsiertes „Jetzt guck doch nicht so fassungslos.“ kam.

„Sasuke, was…?“

Ehe er die Frage noch fertig brachte, unterbrach Sasuke ihn ruhiger als zuvor. „Du lügst nicht.“ Und beinah augenblicklich verschwanden die Finger wieder von seinem Gesicht, Naruto fragte sich unwillkürlich, ob Sasuke das leichte Lächeln, das um seine Lippen spielte, noch gespürt hatte. „Du meinst das wirklich ernst, oder?“

„Wann habe ich etwas nicht ernst gemeint?“, fragte Naruto leise zurück, woraufhin Sasuke schwieg. Fast glaubte Naruto zu spüren, wie er mit den Schultern zuckte, bis er sich offenbar daran erinnerte, dass solche Gesten ebenso wie Mimik in die Welt der Sehenden und damit nicht länger in ihre gehörte. Und Sasukes leicht verbissener Tonfall, als er wieder sprach, gab ihm Recht und untermauerte die Vermutung.

„Du siehst es wirklich nur als Hindernis?“

Die Frage war seltsam formuliert, fand Naruto, aber was sollte er von Sasuke erwarten. Es war mehr als er vermutet hatte, dass der andere überhaupt dazu bereit war mit ihm über ihre Blindheit zu sprechen, die für ihn mehr oder weniger ein Tabu-Thema zu sein schien.

„Als was soll ich es denn sonst sehen?“, noch ehe er die Frage vollkommen ausgesprochen hatte, wusste er, dass es ein Fehler war, denn Sasuke stieß ein kurzes, leises, aber sehr gefährlich klingendes Zischen aus und Naruto war sich fast sicher, dass seine Miene sich gerade verkrampfte. Ups.

„Ja, als was sonst?“, knurrte Sasuke sarkastisch, „Vielleicht als etwas, das unser Leben ruiniert? Dass uns jede Selbstständigkeit nimmt?“

Naruto wollte antworten, doch ein lautes, schweres Seufzen unterbrach ihn. Er stellte sich verwirrt vor, wie Sasuke sich langsam mit der Hand übers Gesicht fuhr und fragte sich, woher dieses Bild gekommen war.

„Ich habe immer gewusst, dass du ein optimistischer, idealistischer Vollidiot bist… aber ich dachte, selbst deine Dummheit müsste einmal Grenzen haben…“, murmelte Sasuke undeutlich. Narutos Augen weiteten sich ein Stück, denn er verstand instinktiv, was Sasuke mit den Worten eigentlich sagen, aber auf keinen Fall aussprechen wollte.

Du schaffst es selbst nach so einem schweren Sturz noch aufzustehen?

„Sasuke…“, setzte Naruto leicht sprachlos an, doch der stieß ihn unsanft in die Seite und ließ sich wieder neben ihn senken. Vermutlich mit einem Arm über den Augen und einem weiteren, unterdrückten Seufzen auf den Lippen.

„Was? Ich bin nicht, wie du. Ich kann… das nicht…“

Und Naruto tat das einzige, was ihm daraufhin einfiel, rollte sich seitlich über Sasuke und hielt seine Arme ein weiteres Mal fest. „Dann zwing ich dich dazu…“
 

Es war nie eine ernst gemeinte Drohung gewesen und offenbar hatte Sasuke das verstanden, denn eine weitere, kleine Rangelei später lagen sie wieder in genau derselben Ausgangsposition und Naruto kicherte leise über ihrer beider Starsinn.

Er war sich nicht sicher, ob bei Sasuke endlich das Eis gebrochen war, aber eins wusste er – wenn es eine Chance dazu gab, dann jetzt. Und ganz entgegen seiner Art schien Sasuke heute Abend endlich einmal zuzuhören, wenn er ihm etwas sagte.

„Ich glaub, ich geh mal langsam ins Bett.“, murmelte Sasuke irgendwann und klang… ja, wie eigentlich? Losgelöst, gedankenversunken, aber auch irgendwie fast erleichtert? Naruto hatte Schwierigkeiten seine Stimmlage wirklich einzuordnen und auch als er versuchte sich einen passenden Gesichtsausdruck dazu vorzustellen, scheiterte er.

Er hatte Sasuke etwas zum Nachdenken gegeben, soviel stand fest, jetzt konnte er nur abwarten, zu welchem Ergebnis der andere kommen würde…

„Vom Fuß des Bettes aus vier Schritte direkt geradeaus.“, erklärte er ungefragt in dem Wissen, dass Sasuke nicht in diesem Zimmer gewesen war, sich ganz sicher weigern würde zu fragen, aber bestimmt genauso wenig zur Tür geführt werden wollte.

Sasuke stutzte kurz und Naruto schmunzelte. Es war offensichtlich, dass Sasuke nicht damit gerechnet hatte, dass er alleine würde gehen müssen, aber nach kurzem Zögern stand er trotzdem auf und seine Schritte klangen sogar relativ sicher in Narutos Ohren.

Als er außerdem hörte, wie Sasukes Hand leicht gegen den hölzernen Türrahmen stieß und sein Schrittmuster sich mit dem Bodenbelag änderte, beschloss er noch einen draufzusetzen und rief: „Sasuke? Du kommst morgen mit auf’s Fest.“ Es war keine Frage, sondern eine Feststellung, fast schon ein Befehl.

Naruto lauschte neugierig, wie die Schritte verstummten und sich erneut Stille breit machte. Er fragte sich insgeheim, ob Sasuke überhaupt wusste, was morgen für ein Tag und damit für ein Fest war, oder ob er das auch längst aus den Augen verloren hatte.

Ein ruckartig gezischtes „Vergiss es!“ und schnelle Schritte ließen Naruto innerlich lachen. Und wie er morgen mitkommen würde, er hatte lange genug hier drinnen herum gesessen und auf nichts gewartet…

In einer längst zur Gewohnheit gewordenen Bewegung huschten Narutos Finger zu seinem Handgelenk, öffneten den Mechanismus seiner Armbanduhr, die er seit Sakura sie mitgebracht hatte, beinahe ununterbrochen trug (weil sie seine einzige Möglichkeit darstellte ohne nachzufragen die Tageszeit zu erfahren), und tasteten schnell das Ziffernblatt ab. Es war weit nach ein Uhr morgens, das ganze hatte länger gedauert, als er für möglich gehalten hatte, aber seltsamerweise war ihm das vollkommen gleichgültig.

Es hatte sich gut und richtig angefühlt endlich mal wieder zu rangeln und sei es nur auf dem Bett. Und so konnte er ein zufriedenes Lächeln nicht verhindern, als er unter die Decke schlüpfte und es sich im Bett gemütlich machte.

Straight lines

Sasuke hatte diese Nacht nicht viel geschlafen. Narutos Worte gingen ihm wieder und wieder durch den Kopf, aber egal, wie oft er es auch versuchte, er schaffte es nie ihnen den Sinn abzuringen, den Naruto in ihnen sehen konnte.

Er war nicht die Art Mensch, die wie ein Stehaufmännchen nach jeder Katastrophe sofort wieder aufspringen und weitermachen konnten, es war einfach nicht seine Art und wenn er hart genug fiel, blieb er erstmal liegen.

Dennoch… ein Teil von ihm stimmte Naruto lauthals zu. Er wollte nicht für alles Hilfe brauchen und allein die Tatsache, dass Naruto es geschafft hatte so viel mehr zu lernen als er, sollte ihm eigentlich schon lange zu denken geben.

Immer wieder hatte er an ihre Rangelei auf dem Bett zurückgedacht, sie hatte sich so… natürlich und… ja, normal angefühlt, dass es ihm fast wehtat. Seit der Erblindung, seit mittlerweile über zwei Monaten hatte er sich nicht mehr so normal und zufrieden gefühlt, wie in diesem Moment. Es war fast, als wäre einfach nichts gewesen und er hatte tatsächlich über allem sogar vergessen können, dass diese Schwärze vor seinen Augen niemals verschwand, er hatte schlichtweg nicht dran gedacht, zu abgelenkt von dem kleinen Kämpfchen, zu sehr darauf konzentriert genau das zu tun, was er in einem solchen Fall immer getan hatte.

Und er wusste jetzt schon, dass er mehr davon wollte. In ihm sträubte sich alles bei dem Gedanken, aber fast wollte er Naruto aufwecken und provozieren, bis er noch mal mit ihm rangelte…

Das war so erbärmlich.

Irgendwann war er über diesen Gedanken eingeschlafen und als er am nächsten Morgen aufwachte, fühlte er sich seltsam losgelöst. Ganz automatisch stand er auf, huschte kurz auf Toilette, um dann ohne Nachzudenken runter in die Küche zu laufen und sich ein paar Zwiebacke zum Frühstück aus dem Schrank zu holen.

Erst, als er die fast verdrückt hatte, wurde ihm klar, was er gerade getan hatte. Blinzelnd versuchte er auf seine Hand zu starren, die gerade einen halb gegessenen Zwieback hielt. Ehe sein Gehirn aber den letzten Schluss daraus ziehen konnte, kamen polternde Schritte die Treppe herunter und kündigten Naruto an.

Es war seltsam, Sasuke konnte nicht wirklich sagen, seit wann Naruto das machte – seit wann er das überhaupt machen konnte – aber er wusste, dass es so war. Er versuchte sich zu erinnern, darauf zu konzentrieren, aber hätte ihn jemand danach gefragt, hätte er gesagt, dass Narutos Schritte vorsichtig und unsicher waren und auf keinen Fall laut und sicher. Irgendwie hatte er etwas verpasst. Ohne, dass er eine Trennlinie ziehen konnte, irgendwann hatte sich etwas verändert und es war eindeutig an ihm vorbeigegangen.

Mürrisch schob er sich den Rest seines Frühstücks in den Mund, während Naruto erstmal in der Tür stehen blieb.

„Sasuke?“, fragte er und Sasuke wusste, dass es eine Frage war, deren Antwort er eigentlich nicht brauchte. Irgendwie wusste Naruto immer, wer im Raum war. Er schnaubte als Antwort, woraufhin Naruto nur leise lachte.

„Was muss ich eigentlich machen, damit ich einmal ein ‚Guten Morgen’ von dir kriege?“

Sasuke antwortete erstmal nicht und lauschte lieber, wie Naruto durch die Küche wuselte und sich seiner Schätzung nach ein Müsli zusammenstellte. Zumindest war er erst am Schrank in dem die Schalen waren, dann an dem, in dem Rosinen und Haferflocken aufbewahrt wurden und hinterher am Kühlschrank. Die Chancen standen also gut…

„Morgen, Volltrottel.“, murmelte er und ließ sich gegen die Stuhllehne zurücksinken. Er war sich immer noch nicht sicher, was er von dem Gespräch halten oder wie er sich Naruto gegenüber verhalten sollte, aber er kämpfte das Verlangen ihn zu ärgern nieder. Schlicht, weil er ihm nicht wegen so was nachgeben wollte. Erst recht nicht, nachdem Naruto, ausgerechnet Naruto, ihn darauf gebracht hatte.

„Höh?“, machte der gerade hochintelligent und wie nicht anders zu erwarten schlich sich ein Bild von einem reichlich belämmert aussehenden Naruto, der wahrscheinlich auch noch einen Löffel auf halbem Weg zum Mund in der Hand hielt, in seine Gedanken.

Gegen seinen Willen zuckten Sasukes Mundwinkel. Dieser Idiot.

Der Idiot hatte sich offenbar schnell wieder gefangen, denn nach kurzer Stille folgte ein: „Morgen, du Bastard.“

Dann noch eine Pause und daraufhin: „Ich hab’ das gestern übrigens ernst gemeint. Du kommst heute mit.“

„Nein.“ Und damit stand Sasuke auf und verließ die Küche, um sich der Morgenroutine zu widmen. Allein die Vorstellung in diesem Zustand auf ein Fest zu gehen. Undenkbar.
 

„Sasuke, ich weiß, dass du hier bist, du kommst mit!“

Es war früher Nachmittag, Sasuke hatte es den Großteil des Tages irgendwie geschafft Naruto aus dem Weg zu gehen, doch in etwa einer Viertelstunde würde Iruka für den Unterricht im Lesen kommen und leider hatte bei Sasuke die Gewohnheit gesiegt und er hatte sich überpünktlich auf seinem angestammten Platz auf der Couch niedergelassen.

Irgendwie musste Naruto das gehört haben. Sasuke fluchte innerlich.

„Nein, ich geh da bestimmt nicht hin.“, knurrte er. Das Fest hätte ihn auch unter normalen Umständen nicht interessiert, aber vom letzten Jahr wusste er, dass Naruto anders eh keine Ruhe gegeben hätte und wäre wahrscheinlich genau so lange mitgekommen, bis er sich irgendwie hätte möglichst unauffällig abseilen können. So aber war es vollkommen undenkbar, er hatte nicht mal ernsthaft damit gerechnet, dass Naruto da hingehen wollte.

„Warum nicht?“, protestierte der gerade, woraufhin Sasuke wirklich an seinem Verstand zweifelte.

„Naruto, wir können nichts sehen. Da wird es laut sein, laut und voll.“, fauchte er schärfer als beabsichtigt, „Glaubst du echt, dass ich mir das freiwillig antun werde?“

Naruto schnaubte als Antwort und Sasuke sah nur zu genau vor sich, wie er trotzig die Arme vor der Brust verschränkte.

„Glaubst du echt, dass ich zulasse, dass du dich drückst? Ich hab’ dir schon letztes Jahr gesagt, dass ich dich mitnehmen werde!“

Es klang fast, als schmollte Naruto mehr, als dass er sich ärgerte. Sasuke runzelte dennoch die Stirn. „Letztes Jahr war auch einiges anders.“, knurrte er, woraufhin Naruto eindeutig näher kam und Augenblicke später neben ihm auf der Couch saß.

„Vielleicht, aber das ändert nichts daran, dass ich gesagt habe, du kommst mit.“

Und nur Sekunden später piekste ihn ein Finger in die Seite und verriet, dass Naruto schon wieder viel zu genau wusste, wo er war. Und ein kleiner, leider immer lauter werdender Teil in Sasukes Innerem wusste, dass er sein Ziel erreicht hatte. Gleich würde es wieder losgehen…
 

Sasuke fühlte sich nicht wirklich wohl in seiner Haut. Es war Abend geworden und irgendwie hatte Naruto es tatsächlich geschafft die Rangelei zu gewinnen (Sasuke hätte es niemals laut zugegeben, aber wahrscheinlich schlichtweg, weil er sich eher darauf einlassen konnte, dass keine visuellen Bestätigungen für Bewegungen kommen würden. Sasukes Techniken basierten fast alle auf schnellen Blickkontakten) und Sasuke wusste nur zu gut, wie er als Feigling da stehen würde, wenn er sich trotzdem weigern würde.

Ganz abgesehen davon, dass Naruto das nicht zulassen würde… und, das war wohl ein weiterer Punkt, dass Sasuke das insgeheim wollte.

Aber er zwang sich zu anderen Gedanken, als seine Hand den Gürtel band, der den Kimono befestigen sollte. Wie lange war es her, dass er einen Kimono getragen hatte? Zu lange offenbar, um noch groß eine Wahl zu haben, denn er hatte schnell feststellen müssen, dass ihm sein eigentlich lieberer, schwarzer zu klein geworden war und nach einigem Suchen hatte seine Hand einen zweiten gefunden.

Nach einigem Überlegen hatte er sich daran erinnert, dass er einen blauen gehabt hatte, der ihm immer zu groß gewesen war und ihn mürrisch angezogen. Zu seinem Bedauern hatte er gepasst und Sasuke damit keine Ausrede mehr ohne oder besser noch gar nicht zu gehen.

Es war ein seltsames Gefühl, als er die Hände sinken ließ, denn er wusste, dass er vor der Spiegeltür seines Schrankes stand und ziemlich direkt hineinsehen musste.

Aber selbst in Gedanken brachte er das Bild nicht hin. Dazu erinnerte er sich zu schlecht an die Farbe und den Schnitt des Kimono und nach einem Moment gab er es einfach auf und lief unwirsch aus dem Zimmer.

Er war sich fast sicher, dass Naruto unten im Eingangsbereich auf ihn wartete und so wusste er, dass er auf die Atemzüge und, bei Naruto besonders einfach, das Rascheln der Kleidung von unruhigen Bewegungen achten musste. Naruto konnte einfach nie stillstehen.

„Bist du fertig?“

Und hörte ihn irgendwie immer, selbst wenn er versuchte leise zu sein…

„Hn.“

„Jaja, danke auch, Blödmann.“

Sasuke zuckte nur die Schultern. Die Geste war eigentlich vollkommen sinnlos und verschwendet, aber er ging davon aus, dass Naruto sie sich denken konnte.

Oder auch nicht, da der unüblich still war. Eine ganze Weile sogar.

„Worauf warten wir?“, platzte Sasuke nach bestimmt zehn Minuten genervt heraus. Wenn schon, wollte er das ganze wenigstens schnell hinter sich bringen.

„Sakura.“, meinte Naruto in einem Ton, als wäre es das verständlichste auf der Welt. Und vielleicht war es das auch. Sasuke hatte nicht mal wirklich dran gedacht, aber natürlich war es Wahnsinn überhaupt davon auszugehen, dass sie alleine auf das Fest gehen würden. Schon bei dem Gedanken lief ihm ein kalter Schauder über den Rücken.

„Sasuke?“, fragte Naruto dann auf einmal und klang schon einen Tick zu neugierig, gleich würde eine doofe Frage kommen, da war sich Sasuke sicher, „Was hast du eigentlich an? Also, für eine Farbe und so?“

„Hn?“ Sasuke zuckte instinktiv ein Stück zurück. Damit hatte er jetzt gar nicht gerechnet, das war doch absurd… ein Blinder fragte einen Blinden nach Farbe? Welche Ironie…

„Blau.“, grummelte er kurz angebunden und hoffte, dass Naruto nicht weiter nachfragen würde, denn er hatte keine Ahnung, was für ein Blau… er hoffte schon, dass es überhaupt blau war und ihm seine Erinnerung keinen Streich spielte.

„Oh… Meiner ist orange.“ Was für eine Überraschung…

„Wie immer.“, schnaubte Sasuke nur und wusste selbst nicht, warum er sich dazu herabließ. Zu seiner Überraschung aber reagierte Naruto darauf: „Stimmt nicht, gestern hatte ich was Rotes an und vorgestern beige.“

„Hn?“, machte Sasuke verwundert, „Du fragst Sakura jeden Tage, welche Farbe…“

Doch er brachte den Satz nicht zu Ende, da Naruto ihn laut lachend unterbrach.

„Was ein Unsinn, ich such mir die Sachen selbst raus.“

Ehe Sasuke aber dazu kam zu fragen, wie bitte er wissen wollte, welches Shirt welche Farbe hatte, klingelte es an der Tür und Naruto riss sie beinah augenblicklich auf und rief: „Hallo, Sakura!“

Das war wohl diesmal tatsächlich auf gut Glück oder besser Ahnung, da er sie erwartet hatte, denn durch eine geschlossene Tür dürfte auch Naruto niemanden erkennen können.

Sasuke seufzte innerlich. Jetzt ging es also los…

„Guten Abend.“, meinte auch Sakura und Sasuke hörte ein Lächeln in ihrer Stimme, „Seid ihr so weit?“

Nein, dachte Sasuke trocken, er würde nie „so weit“ sein, aber das war und blieb dem Vollidiot neben ihm nun mal egal. Er zuckte leicht, als ihn etwas an der Hand streifte und erst, als er danach griff, merkte er, was es war. Naruto hatte offenbar nett sein und ihm seinen Taststock geben wollen.

Sasuke verkrampfte sich.

„Klar sind wir das!“

Entweder Naruto merkte es tatsächlich nicht oder er überging es erstklassig und nach kurzem Zögern, gab Sasuke schließlich auf und nahm den Stock entgegen. Wie auf Kommando kam aber in dem Moment Sakura näher und tippte ihn ganz leicht an der Hand an.

Sasuke grummelte im Stillen, war ihr aber doch dankbar und nickte leicht, ehe er die Hand ausstreckte und nach ihrem Ellbogen griff.

Sie sagte nichts dazu und Naruto auch nicht. Irgendwie bekam Sasuke das dumpfe Gefühl, dass das hier alles schon längst abgesprochen worden war, ohne ihn zu fragen.

Er hatte aber nicht groß Zeit darüber nachzudenken, denn Sakura lief bereits los und zog ihn vorwärts. Naruto lief alleine nebenher, eine Tatsache, die Sasuke immer noch nicht so ganz verdaut hatte.

Missmutig schlossen sich seine Finger wieder arg fest um den Stock, der das zum Glück auszuhalten schien. Irgendwo in ihm rief eine Stimme, dass er ganz froh war ihn dabei zu haben, selbst wenn Sakura ihn führte, denn wenn sie ihm Gedrängel getrennt werden würden… Nein, lieber nicht drüber nachdenken.

Das Fest begann nicht allzu weit von seinem Haus entfernt und so dauerte es gar nicht lange, bis Sasuke Stimmen durcheinander rufen und laute, nicht immer sehr melodische Musik hörte. Ein Geruch von gebratenem Fleisch vermischt mit irgendetwas Süßem, Gebäck und Kerzenwachs stieg ihm in die Nase.

Und er war sich immer sicherer, dass das eine sehr, sehr dämliche Idee war.

„Ich versteh immer noch nicht, was du da willst.“, zischte er Naruto ärgerlich zu, „Wir können da doch…“

Doch Naruto unterbrach ihn: „Spaß haben! Ich will aufs Riesenrad und ich will Zuckerwatte! Und Liebesäpfel! Und…“

Während Naruto noch eine ganze Weile fortfuhr all die Vorzüge eines Festes aufzuzählen, fragte sich Sasuke ernsthaft, ob der Trottel nicht verstanden hatte, dass einige davon ohne Augenlicht doch irgendwie reichlich… langweilig waren.

Aber Naruto hätte ihm eh nicht zugehört, soviel stand fest.

Wenige Augenblicke später spürte Sasuke es überdeutlich. Sie waren da. Mitten in der Menschenmenge. Auch wenn ihn niemand berührte, er wusste es einfach. Die Stimmen, nun viel dichter an seinem Ohr, die Schritte, die er nicht mehr auseinander sortieren konnte und einfach das untrügliche Gefühl, dass es voll war. Sehr voll.

Er schluckte.

Unruhig merkte er, wie seine Augen hin und her huschten, was hinter den dunkeln Gläsern zwar niemand sehen konnte, er aber nur zu deutlich spürte. Erst recht, als neben ihm plötzlich jemand überrascht quietschte und fast postwendend von Naruto ein „Oh, Entschuldigung!“ folgte.

Sasuke brauchte nicht viel Fantasie, um sich denken zu können, dass Naruto jemanden gestreift hätte, vermutlich mit seinem Stock, denn soweit er wusste, beherrschte Naruto den nun gut genug, um nicht mehr ohne Vorwarnung gegen Menschen (oder Gegenstände) zu laufen. Er merkte, wie sein Griff um Sakuras Arm sich verstärkte, aber sie war taktvoll genug nichts zu sagen und Sasuke gab sich alle Mühe seine Muskeln wieder zu entspannen, was ihm leider nicht so ganz gelingen wollte.

Fünf Meter und einige Entschuldigungen von Naruto später, legte Sakura ihm sacht eine Hand auf die Schulter, um ihm zu helfen. Und Sasuke wiederholte stumm, was er längst gesagt hatte: Feste waren nichts für Blinde.
 

Neji war leicht genervt. Der Tag hatte schon mies angefangen mit einem Schreikrampf-Training seitens Gai und Lee, das schließlich in einem zweihundert Runden um Konoha Rennen geendet hatte und damit, dass Tenten sie alle dazu überredet hatte heute mit aufs Fest zu kommen, wovor er sich eigentlich hatte drücken wollen.

Entsprechend hektisch war er nach Ende des Trainings unter die Dusche und hatte sich fertig gemacht. Dann war Hinata auf einmal aufgetaucht und hatte ihm erklärt, dass sie sich freuen würde, dass er mitkommt (was auch immer sie ihm damit sagen wollte) und jetzt?

Jetzt stand er hier alleine, weil seine Teamkollegen alle beschäftigt waren und wusste nicht wirklich, was er machen sollte. Er hatte noch nie eine wirkliche Vorliebe für Wurfbuden, Losstände oder Fahrgeschäfte gehabt und auch wenn er langsam Hunger hatte, er war sich nicht sicher, ob er die Dinge, die hier angeboten wurden, wirklich essen sollte.

Super Abend…

Zu allem Überfluss war es auch noch brechend voll und er hatte leicht den Überblick verloren, was überhaupt alles zu Auswahl stand. Wie konnte man so was nur mögen?

Eine plötzliche Berührung an seinem linken Fußgelenk ließ ihn verwundert hinuntersehen und zu seiner Verwunderung erkannte er die Spitze eines weißen, dünnen Stockes.

„Oh, tut mir wirklich leid!“, rief gleich darauf jemand und Neji wollte schon abwinken, während er sich noch fragte, was ein Blinder hier machte, als er aufsah und erkannte, wer da grade vor ihm stand.

Leicht erschrocken zog er die Luft ein. „Naruto?!“

Natürlich hatte er längst gewusst, was passiert war, Hinata hatte ihm mehrmals tot traurig davon erzählt. Es war auch keinesfalls so, dass er ihr nicht geglaubt hätte, aber… es so direkt zu sehen war noch mal etwas ganz anderes.

Naruto stand fast direkt neben ihm, in einem hellorangen Kimono, der mit dunkelroten Mustern bestickt war, den Kopf leicht schief gelegt und in seine Richtung gedreht. Die Sonnenbrille verbarg zwar seine Augen, aber Neji sah die Bewegung von Stirn und Augenbrauen und wusste, dass Naruto gerade nachdachte.

In seiner Hand ruhte das andere Ende des langen Stockes, das er aber gerade vollkommen vergessen zu haben schien.

Ehe Neji noch was sagen konnte, hellte sich Narutos Miene auf einmal sichtlich auf und ein breites Lächeln zog sich über seine Züge. „Neji!“, rief er fröhlich, „Sorry, ich hab’ nicht damit gerechnet dich hier zu treffen…“, gab er etwas kleinlaut zu, woraufhin Neji nur den Kopf schüttelte, bis ihm die Sinnlosigkeit dieser Aktion bewusst wurde.

„Nein, ich…“ Was sollte er jetzt dazu sagen? Tut mir leid, dass ich nicht gleich gesagt habe, wer ich bin? Das klang albern… Aber Naruto nahm ihm die Entscheidung schnell ab, indem er noch immer lächelnd einen Schritt näher kam, den Stock jetzt aber an den Körper zog, damit er nicht mehr im Weg war.

„Bist du allein hier? Ich höre Buschige Augenbraue gar nicht.“

Ein halbherziges Schmunzeln huschte kurz über Nejis Gesicht bei dem Kommentar. „Nein, er ist da. Schreit grade mit Gai-sensei beim Hau-den-Lukas um die Wette. Tenten hat uns alle mitgeschleift, aber sie zieht grade alle beim Pfeilwurfstand ab. Und Hinata ist auch hier irgendwo, aber ich glaube, ihre Teammitglieder haben sie grade zum Essen mitgeschleift.“, erklärte er ruhig, dann blinzelte er plötzlich. „Bist du etwa alleine hier?“, rutschte es ihm heraus, ehe er merkte, was er gerade gesagt hatte, „Ich meine…“, setzte er an, doch Naruto hob lachend eine Hand.

„Nicht, ist schon okay, frag es lieber offen heraus, das ist mir lieber…“, gab er etwas leiser zu, dann grinste er wieder breit, „Und ich bin nicht alleine da. Sakura und Sasuke mussten da hinten stehen.“ Er deutete ziemlich direkt über seine Schulter nach hinten. „Sakura wollte irgendwelche Kräuter kaufen und Sasuke… naja, der musste halt mit.“, erklärte er Schulter zuckend.

Neji hob fragend eine Augenbraue, sah dann aber in die Richtung und erkannte tatsächlich die beiden. Sakura hatte wohl gerade bezahlt, denn sie drehte sie gerade herum und steckte irgendetwas in eine kleine Tasche. Sasuke stand ziemlich reglos neben ihr und erst auf den zweiten Blick merkte Neji, dass seine linke Hand an ihrem Ellbogen lag.

Sasuke ging in seinem dunkelblauen Kimono in der Menge seltsamerweise fast unter, nur seine helle Haut im Gesicht und der weiße Stock in seiner rechten stachen heraus und ließen Neji leicht das Gesicht verziehen.

Die ganze Zeit war die Nachricht einfach so fern gewesen, nicht mehr als eine Erzählung eben, aber jetzt…

„Neji? Bist du noch da?“

Neji blinzelte und merkte erst jetzt, dass Naruto offenbar etwas gesagt haben musste, doch ehe er etwas erwidern konnte, waren Sakura und Sasuke bei ihnen.

„Hallo, Neji.“, grüßte Sakura fröhlich, dann wand sie um, „Naruto, was hältst du von Abendessen?“

Der grinste gleich noch breiter. „Au ja! Ichiraku müsste doch hier irgendwo um die Ecke sein, oder? Neji, kommst du mit?“
 

Es war klar gewesen, dass Neji nicht wusste, wie er mit ihnen umgehen sollte. Er war mitgekommen, hatte aber kaum gesprochen und war nach der Nudelsuppe auch sehr schnell wieder verschwunden. Sasuke lachte innerlich ironisch. Das würde ihnen wohl noch häufiger passieren, er konnte sich also schon mal dran gewöhnen.

Das Essen selbst hatte ganz gut funktioniert, aber auch nur, weil er rechtzeitig daran gedacht hatte sich ziemlich alles bis auf die Nudeln und die Suppe abzubestellen. Naruto hatte eine ganz normale Portion geordert, aber bei dem wunderte es Sasuke auch kein bisschen, wenn er seine geliebte Suppe ohne hinzusehen runter schlingen konnte.

Es war immer noch laut und voll, aber ganz langsam kam Sasuke damit besser klar. Sakura hatte behutsam darauf geachtet die dichtesten Stellen zu umgehen und sie vorher zu warnen, sodass sie nie Gefahr liefen getrennt zu werden.

Und auch wenn er es nicht aussprach, er war ihr sehr dankbar dafür. Es war immer noch unangenehm, aber wenigstens nicht so schlimm, wie er befürchtet hatte.

Irgendwann bestand Naruto auf eine Runde Riesenrad und als sie in der Schlange standen, huschten Sasukes Finger schnell über seine Uhr und stellten fest, dass es schon spät war. Später, als er erwartet hätte zumindest und mit ein bisschen Glück würde Naruto danach auch genug haben. Wenn nicht würde er vorgeben zu müde zu sein, um diese Uhrzeit war das durchaus realistisch.

„Wir sind dran!“, rief Naruto freudig und auch Sakura zog Sasuke mit nach vorne in Richtung der Kapsel des Riesenrads. Sasuke stockte. „Wie? Ich soll da auch rein?“, fragte er total verdattert.

„Klar, ich hab für drei Leute bezahlt.“, meinte Sakura und klang ein wenig besorgt. Sasuke war alles andere als begeistert. Im Riesenrad würde er den Boden und jegliche Ahnung, wie hoch sie waren, verlieren und…

„Komm endlich, Angsthase, es wird dich schon niemand anfallen.“ Narutos Hand traf ihn mitten an der Brust und krallte sich in seinen Kimono, um ihn vorwärts zu ziehen. Sasuke wollte zischen und sich wehren, aber… Angsthase?

Hatte er echt Angst vor einer Fahrt mit dem Riesenrad? Das durfte doch echt nicht wahr sein…!

Er verzog sauer das Gesicht und wollte es eigentlich ganz und gar nicht, aber irgendwie wirkte das eine Wort immer noch wie ein Schalter und so ließ er sich vorwärts ziehen hinein in die kleine, enge Kapsel, auf die Bank links, auf die Naruto ihn zog. Sie war überraschend gut gepolstert, fühlte sich allerdings ein wenig abgenutzt an.

Sasuke hörte, wie Sakura sich ihnen gegenüber hinsetzte, dann wurde die Tür quietschend geschlossen, ein seltsamer Ruck folgte und sie bewegten sich.

Es war nicht das erste Mal, dass Sasuke in einem Riesenrad saß und er konnte die Geräusche und Bewegungen durchaus zuordnen, aber er ballte dennoch leicht die Fäuste, als er versuchte sich zu beherrschen. Das war sehr unangenehm, es dauerte nicht lange und er hatte wirklich in dem Ruckeln jegliches Gefühl für irgendwelche Richtungen verloren.

Er fühlte sich verwirrt und orientierungslos, wie schon eine ganze Weile nicht mehr.

„Was sollen wir hier?“, murmelte er irgendwann (er nahm an, dass sie relativ oben waren, denn das Bewegungsmuster hatte sich, soweit er das irgendwie sagen konnte zu einem eher seitlichen verschoben) mürrisch, „Es ist nicht so, dass wir irgendwas davon…“

Doch Naruto ließ ihn auch diesmal nicht ausreden, er ignorierte ihn sogar vollkommen: „Sakura? Kannst du es uns beschreiben?“

Bestimmt lächelte sie gerade, schoss es Sasuke durch den Kopf, während er zum ersten Mal versuchte sich das Bild vorzustellen, dass sich einem beliebigen Betrachter gerade bieten musste. Er wusste nicht, woher der Gedanke kam, aber er war einfach da… und er merkte auch zum ersten Mal, dass er Sakura nicht mal gefragt hatte, was sie trug. Dass er das bisher niemanden gefragt hatte, weil er… ja, warum? Weil er es nicht hatte wissen wollen? Oder weil es ihm zu blöd war zu fragen? Sakura würde sicher rosa tragen… oder?

„Natürlich.“, erklärte sie sanft und diesmal lauschte auch Sasuke, als sie anfing zu erzählen, „Wir sind gerade am höchsten Punkt des Riesenrads vorbei, also noch sehr weit oben, von hier aus kann man noch das ganze Fest überschauen. Es wirkt winzig, lauter kleine helle Punkte von den Lichtern der Stände und den Kerzen, die einige Menschen mit sich tragen. Alles wirkt sehr bunt, unüberschaubar farbenfroh, weil die meisten Leute sehr farbenfrohe Kimono und Kostüme tragen. Von hier oben kann man nicht wirklich ausmachen, wer was trägt, es sind nur lauter bunte, sich bewegende Punkte. Im Hintergrund kann man die Häuserzeilen Dank der Straßenlaternen erahnen, ansonsten ist es dunkel geworden. Dadurch wirkt das Fest wie ein heller, freudiger Lichtfleck, alles andere ist nur wie eine sachte Kontur angedeutet. Es hat etwas sehr…“ Sakura suchte einen Moment lang nach dem passenden Wort, ehe Naruto ruhig einsprang: „malerisches?“

Sakura stutzte kurz, dann stimmte sie zu: „Ja, genau. Es wirkt wie ein absichtlich so gezeichnetes Bild. Wir kommen dem Boden langsam näher und dadurch werden Menschen und Stände größer und erkennbar und…“

Sie erzählte weiter, die ganze Zeit über, bis sie wieder am Boden angekommen waren und langsam ausstiegen. Sasuke hingegen hatte nur geschwiegen, aber Sakuras Worte hatten ohne sein Zutun in seinen Gedanken ein Bild gezeichnet. Ein helles, fröhliches Bild in leuchtenden Farben. Er wusste nicht, wieso sie das auf einmal geschafft hatte oder ob sie immer so beschrieb und er ihr nur nie zuhörte, aber es war… seltsam.

Er hatte gedacht, dass ihn eine solche Beschreibung nur noch verbitterter machen würde, weil es etwas war, dass er selbst nicht sehen konnte und weil er sich dabei auf ihr Wort vollkommen verlassen musste, aber irgendwie war das Gegenteil der Fall. Er freute sich fast dieses Bild zu haben. Diese Momentaufnahme, die ihm vollkommen fehlte und… er hatte es genossen ihr einfach zuzuhören.

Sehr seltsam…
 

Wie er gehofft hatte, machten sie sich anschließend auf den Heimweg. Scheinbar war auch Naruto nicht verrückt genug einen der Wurfstände auszuprobieren (denn bei so ziemlich allen anderen waren sie gewesen) und anstatt immer lauter und voller, wurde es jetzt mit jedem Schritt ruhiger und die Menschenmasse um sie herum immer lockerer, bis Sasuke schließlich das sichere Gefühl hatte, dass sie den Beginn des Festes hinter sich gelassen hatten.

Er hörte noch immer die Musik und die lachenden Menschen, aber sie waren weiter entfernt und nicht mehr ganz so klar.

In Gedanken war er fast schon Zuhause in seinem Bett und bei dem Versuch das gerade Erlebte irgendwie einzuordnen und sich zu entscheiden, ob es ihm trotz allem gefallen hatte oder nicht, als Narutos Taststock plötzlich verklang und auch Sakura und damit er stehen blieben.

Er blinzelte verwirrt. Sie konnten noch nicht da sein. Den Geräuschen nach waren sie nur ein paar Meter vom Festbeginn entfernt und sein Haus lag am Ende der Straße.

„Okay, ich denke, hier ist gut.“, meinte Naruto und fuhr gleich fort, „Vielen Dank fürs Mitkommen, Sakura, das war echt ein schöner Abend.“

Er musste dabei wohl sehr breit grinsen, aber was um alles in der Welt meinte er…? Zu Sasukes Entsetzen ließ Sakura ihren Arm ein Stück sinken und signalisierte ihm damit, dass er sich nun von ihr trennen sollte. Er folgte der Aufforderung zwar, kam sich aber gleich wieder ein wenig verlorener vor, als er scheinbar alleine im Nirgendwo stand.

„Jederzeit gerne wieder, es hat mir auch Spaß gemacht.“, erwiderte Sakura fröhlich, „Kommt gut nach Hause.“, meinte sie noch, dann hörte Sasuke, wie sie sich entfernte.

„Du auch.“, rief Naruto noch, dann waren sie allein. Irgendwie wirkte das grade doch… schon wieder abgesprochen, aber… dieser Hirni wollte doch nicht ernsthaft…?!

Doch, wollte er. „Was soll das werden, Trottel?“, zischte er scharf und leise, „Keiner von uns ist in der Lage allein nach Hau…“

„So ein Quatsch.“, unterbrach ihn Naruto – wiedermal, „Wir sind hier aufgewachsen, da werden wir es doch wohl schaffen alleine einer geraden Straße zu folgen.“

Sasuke lief schon bei dem Gedanken ein leichter Schauder über den Rücken, doch Narutos Hand fand mal wieder ihren Weg zu seiner Schulter (wie machte er das?!) und wanderte zu seinem Handgelenk, um ihn vorwärts zu ziehen. Sasuke hatte kaum Zeit seinen eigenen Stock vor sich zu bringen, um ihm zu folgen.

„Weißt du überhaupt, wo wir sind?“, fragte Sasuke argwöhnisch und es kam deutlich gehetzter und nervöser raus, als er das wollte.

„So in etwa.“

„Was?!“

Das konnte doch nicht sein ernst sein, sie liefen hier alleine durch die Gegend und alles, was er wusste, war „so in etwa“, wo sie waren??

„Sei doch nicht so geschockt, es ist doch nur eine gerade Straße.“

„Wir können beide nichts sehen, wenn es dir nicht aufgefallen sein sollte!“

„Es ist trotzdem nur eine gerade Straße.“

„Der wir nicht folgen können.“

„Natürlich können wir das.“

„Du spinnst.“

„Nein, du bist ein Feigling.“

„…!“
 

Es war ein mehr als seltsames Gefühl, aber Sasuke wusste, dass es keinen Sinn hatte sich zu wehren. Nach ein paar Metern war er trotzdem ruckartig stehen geblieben, weil es so einfach nicht ging. Sie waren beide Rechtshänder und hielten entsprechend ihre Stöcke rechts, was einfach nicht funktionierte, wenn Naruto ihn mit links am linken Handgelenk mitschleifte.

Das hatte dann auch der Vollidiot eingesehen und gewartet, bis Sasuke einmal um ihn herumgegangen war und die linke Hand auf seine rechte Schulter legte, damit sie nebeneinander gehen konnten.

Sasuke musste sich ganz schön konzentrieren, um Narutos gleichmäßigen Rhythmus im Hin- und Herschwingen des Stockes halten zu können, da sie sonst nur gegeneinander gestoßen wären.

„Was hast du dir nur dabei gedacht?“, grummelte er leise, während er angestrengt lauschte und versuchte irgendeine Ahnung zu kriegen, wo genau sie waren.

„Nichts.“, erwiderte Naruto und klang so locker, dass Sasuke ihm dafür am liebsten eine reingehauen hätte, wenn er eine Hand freigehabt hätte, „Das sollten wir doch inzwischen echt so hinkriegen, oder? Wir sind doch fast da.“, fügte er hinzu und Bruchteile von Sekunden später, spürte auch Sasuke einen leichten Widerstand, der sich als Bordsteinkante einer Querstraße herausstellte.

Zwei Schritte weiter und… sie standen vor einem weiteren Widerstand. „Oh, ein Zaun.“, meinte Naruto leicht irritiert und Sasuke ahnte schon das schlimmste. Sein Haus besaß keinen Gartenzaun, es besaß nicht mal einen Vorgarten.

„Toll, wir haben uns verlaufen?“, fauchte er ärgerlich. Was hatte Naruto denn erwartet??

„Ach Quatsch, wir müssen dicht dran sein. Du bist hier aufgewachsen, haben eure Nachbarn links oder rechts einen Gartenzaun?“

Sasuke hob fragend eine Augenbraue, ehe die Worte endlich bei ihm einsanken. Oh. Stimmt ja…

„Rechts.“, nuschelte er leise, woraufhin Naruto die Richtung wechselte und nach links lief. Als Sasukes Stock rechts den Zaun verlor bogen sie erneut ab, trafen wie erwartet auf die Hauswand und folgten dieser zur Haustür.

Unendlich erleichtert schloss Sasuke auf und trat ein. Endlich wieder auf vertrautem Gebiet… und jetzt ab ins Bett!

Auf dem Weg die Treppe hoch fiel Sasuke dann doch noch etwas ein, aber er drehte sich nicht um und murmelte nur leise vor sich hin ohne zu wissen, ob es überhaupt noch hörbar war: „Alles Gute zum Geburtstag, Naruto…“
 

Am nächsten Morgen sollte er erfahren, dass Sakura sie nie alleine gelassen hatte. Dass Naruto ihr beim Weggehen kurz zugezwinkert hatte (hatte er seine Brille abgenommen, ohne, dass Sasuke etwas mitbekam??) und dass sie die ganze Zeit über keine vier Meter entfernt bei ihnen gewesen war, falls sie sich wirklich verlaufen hätten.

Anfangs war er sauer auf sie, doch als ihm klar wurde, was Naruto dadurch wirklich hatte erreichen wollen, verrauchte sein Ärger recht schnell wieder.

Sasuke war nicht ganz sicher, ob Naruto sich selbst oder ihm etwas hatte beweisen wollen, aber vielleicht… vielleicht hatte er auch beides geschafft… Zumindest war es nicht ganz unmöglich und auch wenn Sakura da gewesen war, sie waren alleine nach Hause gelaufen…
 

*******************************************************
 

Kurzer Kommentar am Rande: Ehe das ganze zu Verwirrung führt, ich bin mir nicht mehr ganz sicher, ob es in der Serie wirklich vorkommt, aber das Fest ist die jährliche Feier zur Versieglung des Neunschwänzigen.

Pieces of a normal life

„Er warf ein Beil herunter und rief: ‚Alle Mann auf die Bäule!’.“, las Naruto gerade laut aus dem Buch auf seinem Schoß, das ihn selbst eher an einen dicken Ordner erinnerte, vor, dann war er einen Moment lang still und kommentierte leicht verwirrt: „Iruka-sensei, was hast du da für einen komischen Text rausgesucht? Und schreibt man ‚Beule“ nicht normalerweise mit ‚e’?“

Es war Winter geworden, draußen lag eine dicke Schicht Schnee (der dieses Jahr sehr spät gekommen war) und es wurde früh dunkel. Es war einen Tag vor Weihnachten und morgen würde ihr gesamter Jahrgang von der Akademie zu Besuch kommen. Sakura war leicht besorgt gewesen angesichts der Idee, dass so viele Menschen auf einmal um sie herum waren, aber Naruto hatte das abgetan und gemeint, dass hier der beste Ort wäre, um es auszuprobieren und nach einigem Hin und Her hatte sie schließlich zugestimmt.

Sie und Kakashi hatten sich auch bereit erklärt Tannenbaum und Schmuck zu besorgen und müssten eigentlich jeden Moment auftauchen. Und da Naruto zu unruhig gewesen war, hatte Iruka ihn und Sasuke geschnappt und zum Üben verdonnert.

Und so saßen sie gerade nebeneinander auf der Couch mit demselben Buch auf den Beinen, während Iruka im Sessel gegenüber wahrscheinlich ein gedrucktes Exemplar vor sich hatte.

Neben ihm erklang ein leicht amüsiertes Schnauben und postwendend folgte Sasukes Kommentar: „Richtig lesen müsste man können, Flachbirne.“

„Häh?“

„Er warf ein Seil herunter und rief: ‚Alle Mann auf die Säule!’“

Und Naruto schwieg, denn das machte eindeutig mehr Sinn…

Die letzten zwei Monate waren seltsam gewesen und obwohl niemand wirklich sagen konnte, was oder wie dieser eine Abend verändert hatte, dass es geschehen war, war unabstreitbar.

Naruto hatte erwartet, dass Sasuke ihm am nächsten Tag immer noch böse sein würde, doch stattdessen hatte er getan, womit Naruto gar nicht mehr gerechnet hatte – er hatte angefangen ihn herausfordern zu wollen. Auf einmal ging es nicht mehr darum wer was wieder konnte, sondern wer von ihnen es zuerst wieder konnte.

Und als wäre ein Schalter umgelegt worden, schien Sasuke sich nicht mehr so arg zu sträuben, was zur Folge hatte, dass er – zu Narutos Unmut – das Lesen deutlich schneller hinbekam. Überhaupt lernte er mehrere Dinge schneller, wenn er sich endlich mal Mühe gab es zu versuchen, es war wie eine Spirale, denn je mehr er lernte, desto mehr schien er lernen zu wollen und jetzt musste eher Naruto aufpassen, dass er ihn nicht überholte.

Wobei es nach wie vor Dinge gab, mit denen auch Sasuke sich schwer tat. Sein Stock gehörte dazu und Naruto erinnerte sich nur zu gut an einen Tag vor etwa einem Monat.

Sie hatten gerade draußen im Garten geübt und Sasuke hatte mal wieder zu spät auf ein Hindernis reagiert und war laut fluchend gestolpert.

Kakashi war daraufhin zu ihm hinübergegangen und hatte mit sehr ruhiger Stimme gefragt: „Sasuke? Willst du es lieber mal mit einem Blindenhund versuchen?“

Und Naruto, der keine zwei Meter weiter weg stand, hörte nur zu deutlich die doch noch ab und an aufflammende Bitterkeit in Sasukes Antwort: „Nein.“

„Sicher?“

„Ja. Da kann ich mich auch gleich von jemandem führen lassen, bei dem Stock liegt es wenigstens nur an mir, wenn es nicht klappt.“, hatte er trocken erklärt und war gleich darauf weiter gelaufen. Erst später wurde Naruto klar, was Sasuke eigentlich gemeint hatte. Für ihn war es wohl auch eine zu große Abhängigkeit wenn es nur um ein Tier ging…

Inzwischen kam er besser damit klar, aber wirklich glücklich schien er noch nicht wirklich mit der Lösung zu sein. Leider konnte man ihn aber gut ablenken, denn, wie Naruto gerade grummelnd merkte, das schiefe Grinsen war nur zu deutlich in seiner Stimme, als er weiter vorlas. Sehend hätte er einen normalen Text vermutlich schneller lesen können, aber vor allem im Vergleich zu den ersten Versuchen war Sasuke wirklich nicht mehr langsam: „Während also alle das Seil hinaufkletterten und…“

In dem Moment unterbrach ihn ein Klingeln und Naruto sprang sogleich auf. „Ich geh schon.“

Das dürften wohl Kakashi und Sakura sein, denn obwohl beide einen Haustürschlüssel besaßen, hatten sie sich in letzter Zeit angewohnt doch zu klingeln, wohl einfach aus dem Gefühl heraus den beiden dann immer noch die Möglichkeit zu geben sie nicht reinzulassen… was sie nie getan hätten…

Narutos Schritte in den Flur waren schon lange nicht mehr vorsichtig oder in Erwartung eines Hindernisses. Im Gegenteil die letzten Monate hatten ausgereicht, damit er seine Wege nur zu genau kannte und wer es nicht wusste, hätte wohl nie vermutet, dass er blind war, als er freudig mehr vorwärts sprang, als lief und in Windeseile die Haustür aufriss.

„Ah, Naruto, mach bitte mal Platz, das Ding ist groß…“, murmelte Kakashi vor ihm und Naruto trat nach links in Richtung Treppe zur Seite. Von draußen wehte ein leicht kühler Luftzug herein, den Naruto gleich tief einatmete. Er konnte nicht wirklich erklären, wie, aber fand, dass die Luft nach Schnee und Eis roch – und er mochte es.

Kakashi nun brachte aber einen anderen, deutlich stärkeren und unverkennbaren Geruch in die Wohnung, der Naruto schmunzeln ließ. Er liebte große, leuchtende Weihnachtsbäume.

„Naruto, kannst du mir was abnehmen?“, fragte Sakura, die offenbar hinter Kakashi gestanden hatte in dem Moment und sofort war er nickend bei ihr und streckte seine Arme aus, woraufhin sie ihm weiche, vom Weg hier her eisige Pappschachteln in die Hand drückte und dann die Tür schloss. Augenblicklich verschwand der kühle Luftzug.

„Schneit es?“, fragte er verwundert, als seine Hand gegen etwas kaltes, feuchtes auf einer der Schalen stieß, während er zuhörte, wie Sakura den dicken Mantel, die Handschuhe, Mütze und den Schal auszog und aus den Winterstiefeln schlüpfte.

„Jetzt nicht mehr, aber es hat auf halbem Weg ein wenig angefangen.“, erklärte sie ruhig, dann lachte sie leise, „Aber es war nur Pulverschnee.“

„Och…“, machte Naruto etwas theatralisch, dann lachte auch er. Er wartete schon ewig auf eine schöne Schneeballschlacht, aber leider war der Schnee dafür bisher zu bröselig und weich gewesen, es ließen sich einfach keine Schneebälle daraus formen. Tagsüber taute das kühle weiß manchmal leicht an, was es ekelhaft nass machte und dazu führte, dass es am nächsten Morgen eingefroren war. Kurzum, Naruto war bisher vom Winter enttäuscht.

„Naja, kann man wohl nichts machen…“, murmelte er und machte sich auf den Weg ins Wohnzimmer, als er plötzlich etwas Pickendes unter seinen Füßen - Naruto hatte die Hausschuhe nie gemocht und lief in aller Regel auf Socken oder barfuss - spürte und verwundert innehielt.

Quasi sofort war Sakura zur Stelle: „Oh, die Tanne nadelt schon…“, erklärte sie wenig begeistert, „Warte kurz.“ Ehe Naruto auch nur die Chance hatte etwas darauf zu erwidern war Sakura weg und wieder da, es folgte ein leichtes Schaben (der Besen?), dann meinte sie lächelnd: „Okay, du kannst.“

Naruto verkniff sich den Kommentar, dass er genauso hätte sauber machen können und brachte stattdessen den Christbaumschmuck ins Wohnzimmer, in dem Iruka und Kakashi gerade darüber diskutierten, ob die Tanne neben dem Fernseher oder dem Sofa besser aussah. Naruto lachte leise, was in dem Gespräch aber vollkommen unterging und ließ sich auf die Couch sinken, von der Sasuke sich offenbar noch nicht wegbewegt hatte.

„Ist das so wichtig?“, murmelte Naruto amüsiert, als auch noch Sakura in die Debatte mit einstieg und meinte, sie fände ihn neben dem Fenster besser.

„Keine Ahnung, ihnen offenbar schon.“, antwortete Sasuke und wahrscheinlich zuckte er die Schultern. Und doch war da ein leiser, auch etwas amüsierter Unterton, glaubte Naruto zumindest.
 

Lachen erfüllte den Raum, begleitet von einem leisen Weihnachtslied im Hintergrund, dem Klirren von Besteck und Schalen, sowie ab und an dem Geräusch von Gläsern, die auf dem Tisch abgestellt wurden.

Nachdem die drei sich über eine Stunde nicht auf eine Position einigen konnten, hatten Naruto und Sasuke das ganze schließlich in die Hand genommen und die Tanne vor eines der Regale gestellt. Auf den Einwand hin, dass man jetzt nicht mehr dran konnte, hatten sie erwidert, dass sie so wenigstens nicht dagegen laufen würden. Das stimmte nicht wirklich, sie wären auch an anderen Positionen nicht dagegen gelaufen, aber so widersprach niemand und sie konnten den Baum schmücken.

Naruto hatte darauf bestanden, dass sie es selbst machten und auch Irukas leicht besorgte Frage, ob er ihm die Farben der Kugeln sagen sollte, hatte Naruto lachend abgetan. „Es ist egal, wie knallig es aussieht, ein Weihnachtsbaum darf bunt sein!“

Beim Essen machen hatten sie sich dann aber doch aus zeitlichen Gründen helfen lassen müssen und waren im Endeffekt gerade erst fertig geworden, als es klingelte und Ino als erste (zu früh) kam. Eine gute halbe Stunde später war Shikamaru als letzter (zu spät) aufgekreuzt und sie hatten es sich im Wohnzimmer bequem gemacht. Zum Glück bot Sasukes Couch viel Platz und sie hatten zusätzlich zwei Decken ausgelegt, auf denen man es sich genauso gemütlich machen konnte.

„Schön orangig, dieser Punsch.“, kommentierte Kiba, der auf der Decke saß und mit dem Rücken an Akamaru lehnte, gerade.

Naruto direkt neben ihm hob fragend eine Augenbraue. „Kiba? Da sind keine Orangen drin.“, merkte er irritiert an und probierte selbst. Es war mehr oder weniger Apfelsaft mit Sprudelwasser und Gewürzen und er konnte sich wirklich nicht vorstellen, was Kiba da drin schmecken wollte.

„Er… hat nicht hingeguckt.“, erwiderte eine leise Stimme auf Narutos anderer Seite und er wand überrascht und fragend den Kopf zu Hinata um, die daraufhin… leise gluckste.

„Was meinst du?“, fragte Naruto verwirrt.

„Er hat meinen Becher genommen.“, erklärte zur allgemeinen Überraschung nun Shino trocken, „Da ist Orangensaft drin.“

Einen Augenblick lang war es totenstill, dann fingen acht Stimmen gleichzeitig an unterschiedlich laut zu lachen, während die neunte ein verdutztes „Häh?“ von sich gab und nur wenige Herzschläge später anfing sich bei ihrem Sitznachbarn zu beschweren, warum der bitte seinen Becher genau dorthin gestellt hatte.

Einige Zeit später war die CD nun dreimal durchgelaufen und niemand hatte sich die Mühe gemacht sie neu zu starten. Die meisten hatten es sich mit einem Getränk gemütlich gemacht und unterhielten sich mit ihrem Sitznachbarn oder hörten einfach den anderen zu.

Naruto hatte sich inzwischen auf der Decke einfach hingelegt, den Kopf zur Decke gerichtet und die Füße zum Baum gestreckt. Mit den Zehen konnte er ihn teilweise berühren, wenn er sich streckte. Er hatte die Augen geschlossen und schmunzelte sacht. Rechts von sich hörte er Kiba leise schnarchen und das immer noch deutliche Brummen von Shinos Käfern (das ihn immer wieder identifizierte, was Shino bis heute nicht verstand und Naruto sich manchmal fragen ließ, ob es außer ihm überhaupt jemand hörte). Links müsste Hinata sitzen, aber außer ihren ruhigen Atemzügen war nichts, dass sie verriet.

„Hinata?“, fragte er irgendwann, woraufhin sie sehr leise „Was?“ fragte. Naruto drehte seinen Kopf in ihre Richtung und öffnete aus Gewohnheit seine Augen, auch wenn sie die hinter der Sonnenbrille ohnehin nicht gesehen hätte.

„Kannst du mir einen Gefallen tun? Bitte?“

Er hörte, wie sie stockte, dann aber ohne nachzudenken erwiderte: „Natürlich, was denn?“

Er schenkte ihr zum Dank ein Lächeln und machte eine Kopfbewegung nach vorn. „Kannst du mir den Baum beschreiben? Ist er wirklich kunterbunt?“

Hinata kicherte leise und Naruto musste verwundert feststellen, dass sie das in letzter Zeit öfter tat. Er konnte sich nicht erinnern sie früher lachen gehört zu haben, naja, genau genommen hatte sie sogar beim Reden herumgedruckst, wenn er sie ansah… Sekunde, wenn er sie ansah? Konnte es am Ende sein, dass…?

„Nein, er ist golden.“, erklärte sie gerade, „Der Baum selbst ist eine Blautanne, dunkelgrüne Nadeln, die einen leichten Blaustich haben. Oben drauf steckt eine goldene Christbaumspitze, die aussieht, als bestünde sie aus drei nach oben hin kleiner werdenden Kugeln, auf die man eine kleine Pyramide gesteckt hat. Außerdem sind ein paar Ornamente darauf gemalt, aber wenn sie eine Bedeutung haben, kenne ich sie nicht…“

Ihre Stimme klang ruhig und fest, zumindest so fest, wie sie wohl jemals klingen würde und Naruto musste sich alle Mühe geben bei der Ironie nicht aufzulachen. Er war also schuld, dass sie stotterte? Na, dann hatte die Blindheit wenigstens etwas Gutes…

Aber er rief sich schnell selbst zur Ordnung und verscheuchte die Gedanken, ehe sie überhand nehmen konnten. Er sollte ihr lieber zuhören.

„Eine lange Lichterkette mit großen, weißen Plastikkerzen spannt sich um den Baum herum und…“

„… endet in einer Steckdose?“, beendete er ihren Satz. Sie lachte leise.

„Ja, das auch, aber ich meinte eigentlich, dass sie hell leuchten und ganz leicht flackern, als wären es echte Kerzen. Dazwischen hängen unterschiedlich große hellere und dunklere goldene Kugeln.“, beendete sie die Schilderung und fügte dann so leise, dass Naruto sie kaum verstand hinzu: „Es sieht sehr schön aus…“

Naruto lächelte warm. „Danke Hinata, ich… Sekunde!“ Ruckartig setzte er sich auf. „Der ganze Baum ist nur mit goldenen Kugeln geschmückt??“

„Äh… ja?“

Naruto konzentrierte sich auf das Stimmenchaos hinter ihm, dann fuhr sein Kopf in die geschätzte Richtung herum und er rief anklagend: „Sakura! Das ist unfair!“

Aber es war nicht wirklich vorwurfsvoll gemeint und offenbar fasste sie es auch nicht so auf, denn die Antwort, kurz nachdem alle anderen verstummten war ein nur halb unterdrücktes Kichern, dass ein wenig weiter rechts war, als Naruto vermutet hatte. Schnell korrigierte er seinen Blickwinkel.

„Tut mir leid, Naruto, aber ich hielt das für die beste Idee…“, gab sie zu und er war sich fast sicher, dass sie sich dabei mit einer Hand durch die Strähnen fuhr, die seitlich ihres Gesichts herunter fielen.

Er schnaubte nur. Das durfte doch echt nicht wahr sein…
 

„Hey, alles fit?“, fragte Kiba gelassen, während er an der Wand lehnte und dabei zusah, wie Naruto, Sasuke und Sakura gerade ihre Schuhe abstreiften.

Oder genauer, wie verkrampft Neji, der neben ihnen stand und das Glück oder Pech gehabt hatte, gerade in der Nähe der Tür zu sein, als sie angekommen waren, dreinblickte. Es war mehr als offensichtlich, dass Hinatas Cousin seine Bedenken dabei hatte, dass genau diese drei auch zur Geburtstagsfeier eingeladen waren, aber Hinata hatte darauf bestanden und sie hatten trotz aller Bedenken, die irgendwer anbringen mochte, zugesagt.

„Schon, aber der Schnee ist etwas doof.“, meinte Naruto leichthin, als er in die Hausschlappen schlüpfte und sich wieder aufrichtete, „Er ist zu fest gefroren und irritiert.“ Naruto zuckte die Schultern, als wäre das keine große Sache und auch Sasuke gab nur ein Schnauben von sich, aber Kiba beobachtete nur noch amüsierter, wie Neji sich noch weiter anspannte. Er konnte die ganze Sache offensichtlich nicht so locker nehmen und erst recht nicht, als Naruto den Stock wieder in Position brachte, damit leicht vor sich tastete und auf Kiba zulief.

„Neji, alles okay?“, fragte er dann aber plötzlich und drehte ein wenig suchend den Kopf rum, woraufhin der doch allen erstes leicht zusammenzuckte und Kiba sich fast weggeschmissen hätte.

„Ja.“, würgte Neji heraus, „Wie…?“

„Ist schon okay, wir finden alleine hin, wenn du uns sagst, wo das Zimmer ist.“, merkte Sasuke auf einmal etwas kühl an.

Neji seufzte leise. „Links den Flur herunter, die zweite Tür rechts.“

Sasuke nickte und lief gleich los, Sakura neben ihm, die ihm von der Inneneinrichtung erzählte, während Naruto noch zögerte. „Neji?“

„Ja?“ Wow, Kiba hätte nicht gedacht, dass man noch angespannter klingen konnte…

„Mach dir nicht so den Kopf…“, murmelte er nur, dann machte er sich auch auf den Weg und folgte mit Hilfe des Stocks der rechten Wandseite. Kiba blieb noch einen Moment stehen und grinste schief.

„Sei einfach wie immer, die beiden sagen dir schon, wenn sie Hilfe brauchen. Sie sind gut.“, meinte er augenzwinkernd und ließ einen immer noch etwas ungläubig und steif dreinblickenden Neji alleine zurück.

Kiba kam genau rechtzeitig ins als Partyzimmer umfunktionierte Dojo, um zu sehen, wie Naruto eine hochrote Hinata in den Arm nahm und ihr freudig gratulierte, ehe er zuließ, dass sie ihn zu einem der Sitzkissen führte. Als könnte er es tatsächlich sehen, ließ Naruto sich ohne auch nur einmal danach zu tasten darauf nieder und fing an seinem Stock herumzuwerkeln, der daraufhin plötzlich einknickte und sich zu Kibas Erstaunen zusammenfalten ließ. Neugierig lief er zu Naruto rüber und ließ sich neben ihm auf das Kissen sinken. „Cool, neues Spielzeug?“

Naruto sah augenblicklich breit grinsend zu ihm herüber. „Jepp. Viel praktischer, vor allem in Gebäuden drin, meinst du nicht, Sasuke?“

Zustimmendes Schnauben vom Platz ihnen gegenüber. Und Kiba musste schmunzeln. Je mehr Zeit verging, desto mehr war es wirklich, als wäre nichts geschehen. Anfangs hatte er sich wohl so ziemlich genauso gefühlt, wie Neji, auch wenn er das nicht offen gezeigt hatte. Unsicher, wie er darauf reagieren sollte, was die beiden erwarteten, wie man darauf reagierte, aber letzten Endes hatte er sich dazu entschieden es versucht locker zu nehmen und mindestens Naruto war ihm dafür ganz offensichtlich dankbar gewesen.

Im Laufe der ersten paar Wochen aber hatte Kiba gemerkt, dass er es bald nicht mehr musste. Es war wirklich selbstverständlicher geworden und inzwischen waren es nur noch längst zur Gewohnheit gewordene Kleinigkeiten. Ihnen Dinge nicht hinhalten, sondern sie damit berühren, nicht mehr „drüben“ zu sagen, sondern genauere Angaben so machen, solche Sachen eben, aber Kiba dachte schon gar nicht mehr drüber nach. Und die meisten anderen, mit denen sie regelmäßig Kontakt hatten, ganz offensichtlich auch nicht mehr, wie er feststellte, als Chouji Naruto ein Glas Saft in die Hand drückte.

Dass Kiba nicht ganz richtig lag mit seiner Vermutung zeigte sich etwa zehn Minuten später, als Ino ein wenig sehr laut ins Zimmer gestürmt kam und mit einer Pappschachtel herumwedelte. „Okay, Leute, wer hat Lust auf eine Runde Twister?“

Augenblicklich wurde es totenstill im Raum und so ziemlich alle Anwesenden funkelten Ino sauer an, bis auf einmal Naruto schnaubte. „Bin dabei.“, meinte er bestimmt und stand langsam auf, wobei seine Hand leicht Kibas Schulter streifte und antippte. „Hilfst du mir?“

„Sicher.“, erwiderte der leicht verdutzt und nickte automatisch dabei, während er innerlich den Kopf schüttelte. Egal, wie oft er sich vornahm von Naruto alles zu erwarten, am Ende überraschte der ihn doch immer wieder.

Ino indes wirkte schon mehr als verunsichert. „Äh… Naruto, ich…“

Doch Naruto hob abwehrend die Hand. „Na, na, Ino, jetzt steh auch dazu und bau das Ding auf.“, sein Ton klang einen kleinen Tick zu heiter und ein wenig zu freudig, um echt zu sein, aber Kiba war sich nicht sicher, wie vielen das tatsächlich auffiel und so sagte er nichts.

„Also, wer spielt gegen mich?“
 

Kurze Zeit später saßen sie alle im Kreis und sahen zu, wie Naruto und Sakura bewiesen, wie gelenkig sie tatsächlich waren.

Kiba war beeindruckt, nach den ersten paar Runden hatte Naruto seine Hilfe tatsächlich kaum mehr gebraucht. Sie waren einmal um die Plane herum, damit er die Größe abschätzen konnte, dann hatte er sich die Reihenfolge der Farben erklären lassen und seit dem musste er ihm nur noch sagen, ob er sie tatsächlich berührte oder nicht. Und Naruto war gut, Sakuras angestrengtem Gesicht nach zu urteilen würde sie bald aufgeben müssen.

Und so lehnte sich Kiba nur zurück und genoss die Show, als Sasuke, der in seiner Nähe saß, plötzlich murmelte: „Er hat gewonnen.“

Kiba blinzelte. „Was?“

Sasuke schüttelte nur den Kopf und der kleinste Ansatz eines Lächelns huschte über seine Lippen, als in dem Moment ein leiser Schrei und ein Plumpsen erklang und als Kiba sich umdrehte, sah er, dass Sakura das Gleichgewicht verloren und hingefallen war.

„Woher wusstest du…?“

Aber Sasuke grinste nur geheimnisvoll, stand auf und lief an der Wand entlang zum Tisch herüber, um sich etwas zu trinken zu holen.
 

„Es schneit.“

Diese zwei Worte hatte Sakura unbedachterweise losgelassen, als sie angekommen war und nur Sekunden später war Naruto an ihr vorbei nach draußen und hatte eine Hand prüfend in die Flocken gestreckt, die vom Himmel fielen.

Kaum, dass er ein paar in der Handfläche spürte, hatte er sie zusammengepresst und sacht das Ergebnis befühlt, ehe sich ein breites Grinsen auf seinen Zügen ausbreitete und schon wieder reinstürmte. „Sasuke! Pappschnee!“, rief er noch, dann war er schon die Treppe hinauf in sein Zimmer, nur um wenig später in voller Schneemontur (also einem dicken Skianzug, Mütze und extra warmen Handschuhen) wieder aufzutauchen.

„Was genau hast du vor, Naruto?“, fragte Sakura und er hörte, dass sie im Gegensatz zu ihm noch dabei war die dicke Schicht auszuziehen.

„Da fragst du noch? Schneeballschlacht!“

Von Sakura kam keine Reaktion, aber irgendwie konnte sich Naruto denken, wie sie ihn gerade mit einer Mischung aus Verwunderung, Fassungslosigkeit, Unglauben und Anklage ansah. Er spürte regelrecht, wie sich ihr Blick in ihn hineinbohrte und musste das Verlangen unterdrücken entschuldigend die Schultern zu zucken.

„Was? Es ist Winter, weißt du, wie lange ich schon darauf warte?“, platzte es dann doch irgendwann aus ihm heraus und er huschte an ihr vorbei ins Wohnzimmer, wo er das Rascheln dicker Winterkleidung hören konnte, das ihm verriet, dass auch Sasuke sich zwischenzeitlich umgezogen hatte (wo auch immer er seine Wintersachen gebunkert gehabt hatte…).
 

„So, Jungs, genug gealbert, kommt wieder rein!“, rief Sakura in mehr als mütterlich strengem Tonfall. Naruto hatte jegliches Zeitgefühl verloren, er wusste nicht mehr, wie lange sie da draußen herumgetapst waren und mehr oder weniger erfolgreich versucht hatten sich mit schönen, weichen, kalten Schneebällen abzuwerfen.

Anfangs hatte er noch sehr gut gewusst, dass sie dicht beim Haus waren, aber nach den ersten, eher zögerlichen Versuchen, die weit daneben gingen, hatten sie eine Art Rhythmus gefunden und tatsächlich angefangen auch zu treffen und ab dem Moment war irgendwie alles andere untergegangen.

Das einzige, was Naruto noch wusste, war, dass sie keine großen Schritte gemacht hatten und nicht allzu nah an den See gekommen waren, da auch er den Garten inzwischen gut genug kannte, um zu wissen, dass vorher ein deutliches Gefälle spürbar wurde.

Das war aber auch alles. Er hatte keine Ahnung wo genau er war und, realistisch betrachtet, hatte er ziemlich Glück gehabt, dass er nirgends gegen gelaufen war.

Schneller atmend hielt er mitten in einer weiteren Wurfbewegung inne und wand den Kopf in die Richtung, aus der Sakuras Stimme gekommen war. Sasuke bewegte sich auch nicht, was wohl sehr wahrscheinlich den gleichen Grund hatte und nachdem Sakura ein Geräusch von sich gab, bei dem Naruto sich bildlich vorstellen konnte, wie sie die Hände in die Luft warf, folgten schnelle Schritte und im nächsten Moment hakte sich seine Teamkollegen etwas sehr schwungvoll bei ihm ein und schleifte ihn mit.

„Woah, hey, Sakura, langsam!“

Aber sie ignorierte ihn vollkommen, zog ihn mit, schnappte sich dem Schnauben nach auch Sasuke und stieß beide nicht wirklich heftig, aber doch auch nicht mehr grade sanft ins Wohnzimmer zurück.

„Ab in die Badewanne.“, kommandierte sie daraufhin, aber es schwang schon wieder ein ganz leichtes Lächeln mit, „Und seht zu, dass ihr dabei nicht alles voll tropft.“

Naruto konnte sich denken, wie sie aussahen, denn durch das mangelnde Zielvermögen hatten sie buchstäblich überall hin geworfen und auch getroffen. Jetzt, im Warmen, spürte er den kalten Schnee nur zu deutlich, der ihm an Hals und Gesicht klebte und bestimmt sah der Schneeanzug und die Mütze kein bisschen besser aus.

Schnell hüpfte er aus seinen Stiefeln, ließ sie auf dem Fußabtreter stehen und sauste Richtung Bad. Er wusste wieder, wo er war und… Sasuke natürlich auch, der soeben an ihm vorbei huschte und sich vordrängeln wollte.
 

Eine ganze Weile später kamen sie zusammen wieder aus dem Badezimmer, die Haare noch feucht und in gemütliche, warme Yukata gewickelt. Es hatte ein bisschen gedauert, aber schließlich hatten sie sich irgendwie geeinigt schnell nacheinander in das warme Bad zu springen, das Sakura ihnen schon hatte laufen lassen (ernsthaft verärgert schienen sie sie also nicht zu haben).

„Ihr braucht länger im Bad als ich.“, begrüßte Sakura sie, als sie wieder ins Wohnzimmer kamen, dann stockte sie merklich. Naruto brauchte einen Moment, um zu verstehen warum.

„Oh.“, entwich es ihm, „Ich hab’ meine Brille vergessen, Moment, ich hol sie schnell…“, doch eine Hand schloss sich um seinen Unterarm und hielt ihn fest.

„Naruto.“, zu seiner milden Überraschung war es Sasuke, der ihn aufhielt, nicht Sakura und es war auch sein Teamkamerad, der in ruhigem, aber doch ernsten Tonfall weiter sprach, „Ich habe sie auch nicht auf.“

Naruto blinzelte verwirrt und blieb einfach stehen. Er gab den Widerstand auf, machte aber auch keine Anstalten sich wieder herumzudrehen und auch Sasuke ließ ihn nicht los.

„Ich weiß, dass du sie der anderen wegen trägst, ich bin weniger edel, ich trage sie für mich selbst, aber…“

Als Naruto dazu ansetzte ihn zu unterbrechen, drückte Sasuke leicht mit der Hand zu und er verstummte sofort wieder und ließ ihn aussprechen.

„Aber ich denke, dass das heute nicht nötig sein sollte.“, schloss er und zum ersten Mal seit langem verstand Naruto seinen Unterton überhaupt nicht. War das Bitterkeit? Oder Entspannung? Zufriedenheit? Oder Widerwillen?

Er wusste es nicht. Es war klar, dass Sasuke die Worte grade nicht leicht gefallen waren und Naruto verstand durchaus, was sie ihm abverlangt haben mussten, aber er wusste nicht, woher sie auf einmal gekommen waren. Warum Sasuke das gesagt hatte.

„Du meinst…“, setzte er langsam an, brachte den Satz aber nicht zu Ende, da Sasuke in dem Moment losließ.

„Ich meine, dass Sakura – und auch Kakashi, wenn der denn mal kommt – es sehen dürfen. Für mich macht es keinen Unterschied, weil sie es eh wissen und für dich…“

Bestimmt zuckte er gerade die Schultern, aber Naruto war sich gar nicht so sicher bei dem, was er andeutete aber nicht aussprach. War es Sakura wirklich egal? Konnte sie damit leben ihre Augen so zu sehen?

Unsicher huschte sein Blick dorthin, wo er Sakura vermutete, in dem schwachen Versuch die Frage nicht aussprechen zu müssen.

Ein tiefer Atemzug verriet ihm, dass er dicht dran sein musste, als…

„Es ist okay, Naruto, er hat Recht. Ihr müsst nichts verstecken…“

Die Worte klangen nicht vollkommen aufrichtig, als hätte sie mehr sagen oder eine Einschränkung hinzufügen wollen, aber das tat sie nicht und in eben diesem Moment meldete sich die Eieruhr aus der Küche und ließ beide Jungen erschrocken zusammenfahren, während Sakura schnell und fast schon zu freudig aufsprang. „Essen ist fertig!“
 

Als Kakashi etwa zehn Minuten vor Mitternacht doch mal auftauchte, waren sie mit allen Vorbereitungen fast fertig. Typisch, dachte Naruto halb sauer, halb amüsiert, als er ihm stillschweigend ein Glas mit Traubensaft entgegen hielt. Wahrscheinlich sah ihn Kakashi daraufhin fragend an, aber auch wenn Naruto das ahnte zog er es vor so zu tun, als wüsste er es nicht und wartete ruhig ab, bis ihm das Glas aus der Hand genommen wurde.

Das Runterzählen der letzten Sekunden machten sie zusammen und selbst Sasuke, der mehr grummelnd und brummelnd dabeistand, stieß immerhin mit ihnen auf das neue Jahr an. Als Sakura und Kakashi ins Wohnzimmer liefen, hörte Naruto noch, wie er ganz leise flüsterte: „Schlimmer als das alte kann es ja nicht mehr werden…“

Er setzte erst an, darauf etwas zu erwidern, war sich aber fast sicher, dass Sasuke nicht gewollt hatte, dass er das hörte, schüttelte kaum merklich den Kopf und folgte den anderen aus der Küche.

Eigentlich hatte er nach draußen gehen und dem Feuerwerk zuhören wollen, aber kaum, dass er auch nur die Haustür öffnete, schlug ihm ein ohrenbetäubender Lärm und ein für ihn viel zu starker Geruch nach verbranntem Schwarzpulver entgegen und er knallte die Tür schnell wieder zu.

„Naruto?!“, fragte Sakura erschrocken, als er sich zu ihr rumdrehte und sein Gesicht wohl immer noch ziemlich verzogen hatte.

„Was? Äh… achso. Das ist…“

Er wollte es nicht wirklich zugeben, aber das musste er auch nicht. Sein Gesicht schien Bände zu sprechen, denn Sakura griff wortlos nach seiner Hand und zog ihn zurück ins Wohnzimmer.

„Das war schnell.“, kommentierte Kakashi überrascht und Naruto rieb sich leicht den Hinterkopf. „Äh… ja…?“

Im nächsten Moment wurde er von Sakura sacht auf die Couch gedrückt, aber so herum, dass er über die Lehne aus dem Fenster nach draußen gesehen hätte, wenn er gekonnt hätte. Verwirrt blieb er sitzen und spürte, wie sie sich neben ihn lehnte.

„Das Feuerwerk ist dieses Jahr nicht so bunt, wie letztes, dafür aber umso größer. Gerade sind drei leuchtend rote Raketen explodiert. Die hellen Funken breiteten sich in drei einander überlappenden Kreisen aus, während sie ganz langsam zur Erde zu sinken scheinen…“

Als Naruto verstand, was sie gerade tat, lächelte er sacht, legte die Arme auf die Rückenlehne und ließ den Kopf darauf sinken, während seine Augen sich ganz von selbst leicht schlossen. Ihre Worte malten ihm wieder einmal das Bild und er genoss es. Irgendwie war es meistens Sakura, die es am besten hinbekam ihm genau die Informationen zu geben, die er für die Details brauchte. Sie beschrieb immer genau das richtige und er hörte ihr furchtbar gerne zu.

Er wusste, dass Kakashi und Sasuke hinter ihm auf der zweiten Couch saßen, das ab und an zu hörende, leise umschlagen einer Seite, verriet, dass Kakashi trotz allem schon wieder ein Buch in der Hand hatte. Naruto brauchte ihn nicht zu sehen, um die Auswahl stark eingrenzen zu können.

Sasuke hingegen war still, wahrscheinlich lauschte auch er Sakura, selbst wenn er nie zugeben wollte, dass er es gerne tat und immer wieder vorgab, ihm sei es egal, wie Dinge aussehen würden, wenn er sie nicht selbst sehen konnte. Nicht nur für Naruto war das eine offensichtliche Lüge, aber jeder nahm sie stillschweigend einfach hin.

Ein leichter Geruch nach Zimt, Anis, Trauben und einigen anderen Gewürzen kam aus Sasukes Richtung und sagte Naruto zusätzlich, dass er wohl eine Tasse des alkoholfreien Glühtraubensafts in Händen hielt, den sie vorhin versucht hatten zu machen. Das Ergebnis war nicht ganz wie erwartet gewesen, schmeckte aber durchaus nicht schlecht.

Überhaupt roch es im Wohnzimmer sehr angenehm. Auch wenn sie die Tanne vor zwei Tagen nach draußen gebracht hatten, schien noch ein ganz leichter Tannengeruch im Zimmer zu hängen, vermischt mit dem Gebäck, das von Weihnachten übrig geblieben war und nach wie vor auf dem Tisch lag. Außerdem war da noch der Duft brennender Bienenwachskerzen, die ebenfalls auf dem Tisch standen.

Kurzum, es roch gut, es war angenehm warm im Zimmer, Naruto lümmelte bequem auf der Couch und Sakura erzählte ihm gerade, was seine Augen ihm nicht länger sagen konnten… Naruto fühlte sich in diesem Augenblick mehr als wohl.

Perfekt wäre es gewesen, wenn da nicht diese leise, kleine Stimme gewesen wäre, die ihn fragte, ob er wirklich wollte, dass es auf Dauer so blieb. Ob er immer nur herumsitzen und nichts tun wollte, während sein Ninja-Leben, das er so geliebt hatte, vorbei war.

Im Moment hatte er noch die Ausrede, dass die meiste Zeit fürs Üben und Lernen drauf ging, aber das konnte nicht den Rest seines Lebens so weiter gehen, das wusste er. Auch wenn er zumindest heute Abend diese Gedanken ignorieren und zulassen konnte, dass die lauten, teils schrillen Geräusche des neuen Jahres sie übertönten.

Old habits die hard

„Für die Reaktion auf Stress und Gefahr ist das sympathische Nervensystem zuständig, es ist in der Lage Blutdruck, Herzschlag und Stoffwechsel in kürzester Zeit zu steigern.“

Sasuke hatte es sich gerade mit einer Tasse frisch gekochtem Grüntee auf der Couch bequem gemacht und las in dem einzigen Sachbuch, dass Sakura ihm auf die Schnelle hatte bringen können. Aber er war nicht böse drum, es war ein guter, interessanter Text und er erfüllte weit mehr als den eigentlichen Übungszweck, zu dem Sasuke ihn hatte haben wollen.

Die letzten Wochen waren wie im Flug vergangen und endlich hatte er wirklich wieder das Gefühl voran zu kommen.

Er spürte seine Fortschritte wieder selbst – das mittlerweile wieder deutlich annehmbarere Lesetempo gehörte dazu – und auch wenn er sich nach wie vor einfach nicht vorstellen konnte, wie ihr Leben denn nun weitergehen sollte, für den Moment konnte er es noch hinnehmen. Meistens zumindest.

Ab und an kam es noch vor, dass er dicht davor war einfach alles hinzuschmeißen, weil er sowieso keinen Sinn darin sah. Aber bisher hatte er (oder Naruto…) es immer geschafft das ganze grade noch zu umschiffen und die meiste Zeit war er soweit zu sagen, dass er damit leben konnte.

So auch jetzt. Sasuke hatte wiedermal das Datum vergessen (das passierte ihm immer noch viel zu oft, aber inzwischen hatten sie immerhin einen Kalender, den er auch benutzen konnte), aber er wusste, dass sie sich mit großen Schritten dem Frühling näherten. Der Schnee war lange geschmolzen und die Luft, die hereinströmte, wenn er ein Fenster öffnete, war bei weitem nicht mehr so kalt.

Und da war noch eine Tatsache, die Sasuke in wirklich gute Laune versetzte. Denn auch wenn ihre Babysitter am Ende kaum noch einmal am Tag vorbeischauten, irgendwer war immer gekommen. Doch heute nicht. Heute war der erste Tag überhaupt, an dem man sie vollkommen alleine lassen würde. Iruka konnte nicht, weil an der Akademie das jährliche Schulfest stattfand, also würde es heute keinen Leseunterricht geben, Kakashi und Sakura waren beide ersatzweise in anderen Teams eingesprungen und auf Mission.

Und Sasuke genoss es.

„Zudem wird vor allem die Skelettmuskulatur in einem solchen Fall stärker durchblu…“

„Sasuke!“

Sasuke seufzte innerlich. Zugegeben, eigentlich hätte er es wissen sollen. Naruto konnte sich vorher schon nicht fürs ruhige, stille Lesen begeistert und jetzt, wo es etwas mehr Konzentration erforderte hatte er natürlich erst recht das Interesse daran verloren. Und ihm wurde schnell langweilig. Leider.

„Was ist? Ich lese grade…“, murmelte er ohne aber seine doch gute Laune vollständig zu verlieren. Vielleicht hatte er immerhin Glück und es war einer der wenigen Fälle, in denen Naruto nur die Antwort auf irgendeine dumme Frage brauchte und dann wieder still war.

„Oh, was liest du denn?“

Ehe Sasuke auch nur dazu kam zu einer Antwort anzusetzen, spürte er Naruto neben sich und Bruchteile von Sekunden später stieß eine warme Hand gegen seine, folgte ihr ein Stück und verschwand dann auf den Seiten. Sasuke schmunzelte leicht, ließ Naruto aber machen, als der die andere Hand zwischen die Seiten legte und das Buch halb zuklappte, um an den Titel heranzukommen.

„Das vegetarische Nervensystem?“, las er laut vor und Sasuke merkte, wie er die Hände vom Buch ganz schnell wieder zurücknahm, „Was soll das denn bitte sein?“

Ein Kichern angesichts dieser typisch Naruto-mäßigen Reaktion unterdrückend korrigierte Sasuke: „Nicht vegetarisch. Vegetativ.“ Als darauf keine Antwort folgte und sich vor seinem inneren Auge das Bild von einer sehr ahnungslosen und ungläubigen Miene breit machte, konnte Sasuke es sich einfach nicht verkneifen: „Das vegetative Nervensystem.“, wiederholte er ruhig, „Du weißt schon, das besteht aus Sympathikus, Parasympathikus und ENS und ist zuständig für…“

„Schon gut, schon gut.“, unterbrach ihn Naruto berechenbar wie eh und je und auch wenn er wusste, dass der andere es nicht sehen konnte, nun musste Sasuke sich wirklich Mühe geben, das amüsierte Grinsen zu unterdrücken. Es ging schließlich ums Prinzip (ganz abgesehen von der Tatsache, dass Naruto weiß Gott warum nie davor zurückzuschrecken schien ihm seine Hand ins Gesicht zu patschen, wenn er unsicher war, wie er grade dreinblickte).

„Also, was ist jetzt?“, fragte Sasuke betont ruhig und war kein bisschen überrascht, als Naruto antwortete: „Ich hab’ Hunger!“

Sasuke hob symbolisch eine Augenbraue. „Dann mach dir was zu essen. Du weißt, wo die Küche ist, wo die Sachen sind und wie es geht? Wozu nervst du mich?“, fügte er schnaubend hinzu, woraufhin Naruto einen Laut von sich gab, den Sasuke nicht deuten konnte. War das ein Quietschen? Oder ein Wimmern? Was wollte er ihm damit sagen?

„Nein, ich will… zu Ichiraku…“, gab Naruto ein wenig kleinlaut zu und nun verschwand Sasukes Grinsen tatsächlich zusammen mit seiner Erheiterung schlagartig.

Kakashi und auch Sakura hatten sie in letzter Zeit immer wieder zu Spaziergängen durchs Dorf mit nach draußen genommen. Die ersten Male hatten sie ihnen beschrieben, wo sie langgingen, danach hatten sie sie immer wieder gefragt, ob sie wussten, wo sie waren, damit sie nach und nach auch das Dorf wieder gut genug kannten, um sich alleine darin zurecht zu finden.

Allerdings war das einer der Punkte, der Sasuke nach wie vor störte. Denn auch wenn sein Orientierungssinn noch überraschend gut funktionierte (wenigstens etwas) und er versucht hatte sich bestimmte Landmarken zu setzen (etwa Querstraßen), seine Erfolgsquote beim Feststellen, wo sie sich befanden lag nur bei knappen achtzig Prozent, was im Umkehrschluss bedeutete, dass er immer noch bei jedem fünften Versuch falsch lag.

Naruto war noch schlechter als er und Sasuke hatte das dumpfe Gefühl, dass der Blödmann oft genug nur ins Blaue riet, während er eigentlich gar keine Ahnung hatte.

Mit einem Ruck schlug Sasuke das Buch zu und wand sich und auch seine Aufmerksamkeit nun vollends Naruto zu.

„Das geht nicht, da musst du wohl bis morgen warten. Oder du schickst eine deiner Kröten hin, vielleicht kannst du dir was bestellen.“, grummelte er und fühlte sich bereits wieder genervt, obwohl Naruto nichts getan hatte. Nichts, als wiedermal eine seiner neuen Schwächen hervorzuheben, die er gerade hatte verdrängen können…

Sasuke stand auf und wollte auf sein Zimmer hoch gehen, ehe Naruto ihn noch so weit brachte, dass er wirklich schlecht gelaunt war, aber offenbar legte der Idiot es genau darauf an, denn plötzlich stießen Finger gegen seinen Arm und fuhren schnell zum Handgelenk hinunter, um sich darum zu schließen.

„Sasuke…“, setzte der Besitzer dieser Finger nun ein wenig zögerlich, aber sehr bestimmt an, „Meinst du nicht, dass wir es inzwischen können?“

Unwirsch riss Sasuke seine Hand los. „Nein, das meine ich nicht.“, knurrte er. Warum musste Naruto immer nachhaken? Warum verstand er nie, wann es gut war? „Hör zu, es ist eine Sache so was zu versuchen, wenn jemand dabei ist, aber du willst echt, dass wir hier alleine rausgehen? Und wenn wir uns verlaufen, was dann…?“

Mit einem Mal hielt Sasuke selbst inne. Was tat er da eigentlich? Er ging echt davon aus, dass sie sich in ihrem Geburtsort beide nicht gut genug auskannten, um es zum Imbiss zu schaffen? In Gedanken folgte Sasuke dem Weg auf der Karte. Er war einfach, immer geradeaus bis zur dritten Querstraße, dann nach rechts und direkt wieder nach links und man war da. Das einzige, was wirklich passieren konnte, war, dass sie eben diese Querstraße verpassten, aber das sollten sie eigentlich merken… oder?

Er schüttelte leicht fassungslos den Kopf, das durfte doch nicht wahr sein, jetzt war er echt hin und her gerissen zwischen Narutos bescheuerter Logik und dem, was sein Verstand ihm sagte? Konnte ja kaum noch besser werden…
 

Letzten Endes schaffte Naruto es doch irgendwie ihn dazu zu bringen und so fand sich Sasuke keine halbe Stunde später auf der Straße zum Ramenstand wieder. Sie war noch genauso voll und laut, wie er sie in Erinnerung hatte und er musste sich wirklich konzentrieren, um die Querstraßen auch zu bemerken…

„Hier rein!“, meinte Naruto und zupfte leicht an seinem Ärmel. Sasuke blieb augenblicklich stehen.

„Nein. Wir müssen noch eine weiter.“, meinte er dann bestimmt, woraufhin Naruto nur schnaubte und offenbar ohne auf ihn zu achten nach rechts lief. „So ein Unsinn, ich kann sie doch schon riechen.“, murmelte er noch, was Sasuke leicht die Augen aufreißen ließ. Dieser Idiot!

Wer wusste, was der da roch und wo er schon wieder hinlief und… verdammt! Sasuke unterdrückte ein mehr als genervtes Stöhnen, als er so schnell es halt irgendwie ging hinterher lief.

„Naruto, lass den Mist und bleib stehen, wir sind eine zu früh…“, Sasuke brachte den Satz nicht fertig, denn in eben diesem Moment stieg auch ihm der nur allzu vertraute Geruch von Misosuppe in die Nase und er wusste, dass Naruto Recht hatte. Aber wie konnte das sein? Hatte er wirklich bei all dem Treiben eine Nebenstraße übersehen? Einfach so? Das durfte doch einfach nicht sein!

„Ramen.“, war alles, was Naruto daraufhin fröhlich antwortete und keine zwei Schritte weiter spürte Sasuke den weichen Stoff im Gesicht, der ihm sagte, dass sie ihr Ziel erreicht hatten. Er hob noch immer leicht fassungslos eine Hand, um ihn zur Seite zu schieben, als sein Stock schon auf Widerstand traf.

„Naruto, Sasuke!“, grüßte Teuchi sogleich, „Schön, dass ihr kommt, ist noch alles frei.“

Natürlich hatte Naruto so ziemlich nach jedem Training darauf bestanden im Anschluss hierher zu kommen und so hatte Sasuke eigentlich mehr als genug Nudelsuppe in den letzten Wochen bekommen, aber er hatte es einfach nicht mit seinem Gewissen vereinbaren können Naruto, der quasi null Orientierungssinn hatte, alleine rausgehen zu lassen. Ganz abgesehen davon, dass Sakura ihm den Kopf abgerissen hätte…

So waren auf jeden Fall der Besitzer und auch seine Tochter längst an den Umgang mit ihnen gewöhnt und sie mussten nicht erst fragen, wo jemand saß oder wie etwas aussah. Es dauerte auch kaum zwei Minuten, bis zwei Schalen vor ihnen abgestellt wurden und Ayames freundliche Stimme ihnen erklärte, dass es „das Übliche“ wäre.

Sasuke nickte nur und ließ Naruto den Small Talk übernehmen, während er zielsicher nach den Stäbchen griff und sich ein Paar raus nahm. Das einzig gute an dieser Routine war, dass er nicht länger Nudeln mit Suppe bestellen musste, sondern auch das Gemüse wieder problemlos essen konnte ohne sich dabei lächerlich zu machen. Gefühlte fünfhundert Schüsseln und Beschreibungen hatten ihm nur zu genau eingebläut, wo genau was in seiner Schale sich befand und so konnte er längst wieder zielsicher danach greifen und es sich stumm in den Mund schieben.

Naruto war beim Essen ganz und gar nicht leise, aber das lag sicher nicht daran, dass er es nicht konnte, sondern schlichtweg nicht wollte. Sasuke lauschte aber nur mit halbem Ohr.

„Wo sind denn eigentlich eure Begleiter?“, fragte Teuchi gerade leicht verwundert, woraufhin Naruto ansetzte: „Auf Mission, sie…“

„Sind gerade zurückgekommen. Zumindest ich.“, unterbrach eine neue Stimme die beiden schmunzelnd. Darauf folgten eindeutig Männerschritte – und zwar zu viele, wie Sasuke sofort feststellte. Langsam hob er den Kopf und drehte ihn nach rechts, wo die Neuankömmlinge sich gerade setzten. „Wer ist bei Ihnen?“, fragte er unverblümt, woraufhin Kakashi doch ernsthaft loslachte.

„Sehr aufmerksam, Sasuke, wie immer.“, kicherte er ohne die Frage zu beantworten. Sasuke registrierte das ein wenig widerwillig und verzog ganz leicht das Gesicht.

„Sasuke, Naruto“, setzte Kakashi nun doch endlich immer noch viel zu gut gelaunt an, „darf ich euch.. Yamato vorstellen? Ich kenne ihn noch von früher und wir hatten gerade das Vergnügen mal wieder zusammen auf Mission zu gehen.“

Sasuke hörte das unendlich kurze Zögern, als hätte Kakashi eigentlich einen anderen Namen sagen wollen, es sich aber im letzten Moment noch einmal überlegt. Er verschob die Frage auf später und versuchte seine Aufmerksamkeit auf den Fremden zu richten. Alles, was seine Schritte verraten hatten, war, dass er etwa Kakashis Größe und wahrscheinlich auch Statur hatte und männlich war. Nicht grade viel, musste Sasuke feststellen.

„Hallo, freut mich, euch auch mal kennen zu lernen.“, meldete sich in dem Moment eine Männerstimme. Wie erwartet. Er klang vorsichtig, höflich, aber nicht wirklich nervös. Seltsame Mischung. Wobei, bei genauerem Überlegen kam das Sasuke sogar bekannt vor, er konnte nur nicht sagen, woher.

„Hallo!“, grüßte Naruto sofort fröhlich zurück und Sasuke hörte verwundert, wie er aufsprang, dann streifte ihn eine Hand an der Schulter, als Naruto offenbar an ihm vorbeilief – wozu?

Einen Moment lang war es still, dann folgte ein leises Klatschen von Haut auf Haut und Sasuke brauchte einen Augenblick, um sich zusammenzureimen, dass Naruto Yamato offenbar die Hand geschüttelt hatte. Warum? Wozu diese unübliche…?

„Sie sind bei den Anbu?“, fragte Naruto gerade, woraufhin ein verdutztes „Ähm? Woher weißt du das jetzt?“, folgte.

Sasuke kannte das Gesicht des Fremden nicht, aber er konnte sich nur zu gut vorstellen, welchen Gesichtsausdruck er jetzt tragen musste und wie er verwundert auf seine Hand starrte, dann zu Naruto und wieder auf seine Hand.

„Kakashi-sensei war früher bei den Anbu, das war nicht weiter schwer zu erraten.“, kommentierte Sasuke trocken, musste allerdings ein leichtes Schmunzeln unterdrücken, als Naruto wie erwartet sofort anfing sich bei ihm zu beschweren: „Mann, blöder Bastard, musst du das denn gleich verraten?!“

„Hn.“, war alles, was er als Antwort gab, dann hob er sacht den Kopf als er ein seltsames, nicht einzuordnendes Geräusch hörte, das schnell näher kam. Wie ein leises Klatschen, nein, schwächer eher…

„Oh, eine Nachricht.“, meinte Kakashi in dem Moment und bestätigte damit Sasukes langsam aufkeimende Vermutung, dass es Flügelschläge waren, wahrscheinlich hatte der Vogel ihm eine Schriftrolle gebracht, aber wenn sie Geräusche beim Aufrollen machte, dann waren sie zu leise, als dass Sasuke sie hören konnte.

„Ich soll sofort zur Hokage kommen.“, erklärte Kakashi ruhig und stand offenbar auch gleich auf, „Yamato, würde es dir etwas ausmachen die beiden nach Hause zu begleiten?“

„Warum denn??“, protestierte Naruto vorhersehbar, wie immer, „Wir sind alleine her gekommen, wir finden auch alleine zurück!“

Nein, tun wir nicht. Mein Haus riecht nämlich nicht nach Ramen. Aber Sasuke verkniff sich den scharfen Kommentar, der ihm auf der Zunge lag. Sollte doch Kakashi etwas Vernunft in diesen Volltrottel bringen…
 

Ausnahmsweise einmal war Tsunade tatsächlich über einen Brief vertieft, als Kakashi in ihrem Zimmer erschien. Sie wirkte besorgt, soviel sah er auf den ersten Blick und fragte sich unwillkürlich, ob es nicht vielleicht doch besser gewesen wäre tatsächlich einmal anklopfenderweise durch die Tür und nicht unangekündigt durch das Fenster zu kommen. Ehe er allerdings auch nur ein Wort sagen konnte, blickte sie bereits auf und nickte kurz, dann seufzte sie einmal und ließ sich in ihrem Sessel ein wenig zurücksinken, den Brief noch immer in der Hand.

„Es tut mir leid, dass ich dir deine Pause noch ein wenig verderben muss.“, setzte sie mit fester Stimme an, „Aber wir müssen reden.“

Kakashi ahnte Übles, war aber schlau genug das nicht laut zu sagen und nickte nur langsam. Tsunade seufzte noch einmal, dann wedelte sie mit dem Brief in seine Richtung. „Suna hat uns gebeten jemand in ihr Hauptdorf zu eskortieren.“

Kakashi wartete vergebens auf eine weitere Erklärung. Das ganze war absolut nichts Neues und seit dem letzten Chunin-Examen hatten die beiden Dörfer angefangen öfter zusammenzuarbeiten, daher überraschte ihn diese Bitte nicht im Geringsten und er verstand nicht, warum sie Tsunade offenbar solche Kopfschmerzen bereitete.

Das wurde ihr wohl auch gerade klar und sie kaute leicht auf ihrer Unterlippe herum. „Der neu gewählte Kazekage hat die Bitte geäußert, dass dein Team die Eskorte übernimmt und sich anschließend mit ihm trifft.“, fügte sie schließlich hinzu.

Und Kakashi verstand.

Eine ganze Weile hatten die Ältesten das Dorf geleitet, da nach dem Ableben des letzten Kazekage eine enorme Unruhe und Unstimmigkeit bezüglich seiner Nachfolge herrschte. Vor etwa drei Wochen dann hatte man sich endlich geeinigt und trotz aller Zweifler Gaara in das Amt berufen. Und der wollte offenbar Naruto sehen… und wusste ebenso offensichtlich nicht, was hier in der Zwischenzeit passiert war.

„Wollt ihr, dass wir…“, setzte er an, wurde aber beinah sofort herrisch unterbrochen: „Nein!“

Einen Moment lang funkelte Tsunade ihn wütend an, dann, als würde ihr eben erst bewusst, was sie gerade tat, seufzte sie zum wiederholten Mal und strich sich mit der Hand übers Gesicht. Sie schien regelrecht in ihrem Stuhl zusammenzusinken. „Nein.“, wiederholte sie nach einer kurzen Pause gefasst und wieder ruhiger, „Zum einen würde das nur noch mehr Ninja bedeuten, die wir für die Eskorte brauchen, zum anderen… ich glaube nicht, dass es eine gute Idee ist.“

Da musste Kakashi ihr zustimmen. Auch wenn die beiden sich vor allem für die doch relativ kurze Zeit, wirklich gut machten, sie waren noch nicht bereit für eine Reise quer durch die Wälder und die Wüste. Leider gab es da nur ein Problem.

„Naruto wird gehen wollen.“, sprach er das Offensichtliche aus, woraufhin Tsunade fast schon verzweifelt die Augen verdrehte.

„Ich weiß. Und deshalb wird er davon auch nichts erfahren.“, meinte sie bestimmt und legte den Brief ruckartig zur Seite, um nun endlich doch Kakashi anzusehen. „Aber deswegen habe ich dich nicht rufen lassen.“

Sie lehnte sich leicht nach vorne und stützte den Kopf auf den Händen und die Ellbogen auf dem Tisch ab. Kakashi musste sich zusammennehmen um angesichts ihres ernsten Blickes nicht schwer zu schlucken. Er konnte sich erst an eine Situation erinnern, in der sie ihn so angesehen hatte. Und das war vor… genau einem halben Jahr, wie er feststellen musste, als er schaudernd daran zurückdachte, wie sie ihn nach der Mission ins Narutos und Sasukes Krankenzimmer geführt hatte. Ein paar Mal war ihm genau das im Traum noch einmal passiert und er war sich nicht sicher, ob er das ganze nicht schon als Albtraum einordnen sollte. So oder so ließ es ihn jedes Mal verkrampft aus dem Schlaf auffahren und nur noch mehr an sich und der Welt zweifeln, wenn er merkte, dass es eine Erinnerung und damit Wirklichkeit war…

„Ich habe deine Berichte gelesen, ebenso wie die von Iruka.“, begann Tsunade betont ruhig und er merkte ihrer Stimme den versucht sachlichen Tonfall an, den sie sich als Ärztin hatte angewöhnen müssen, wenn es um unangenehme Dinge ging – wie jetzt auch, „Es ist heute auf den Tag genau ein halbes Jahr her und ich bin ehrlich gesagt positiv überrascht.“ Die kleinste Spur eines Lächelns huschte für Augenblicke über ihr Gesicht und Kakashi erlaubte es sich ein wenig seine angespannten Muskeln zu entkrampfen. Vielleicht würde das doch nicht so schlimm werden, wie erwartet.

„Es scheint, als hätte ich mir umsonst Sorgen wegen Depressionen oder dergleichen gemacht.“

In dem Punkt hätte Kakashi zwar gerne zugestimmt, aber er wusste selbst nur zu gut, dass es nicht der Wahrheit entsprach und schüttelte den Kopf. „Nein, ich glaube, sie waren kurz davor. Aber in Narutos Fall hat sein Optimismus die Kurve noch gekriegt und was Sasuke angeht… da bin ich ehrlich gesagt auch überfragt. Ich war mir sicher, er würde nach der Abschlussuntersuchung endgültig aufgeben, aber dann… Wie gesagt, ich weiß nicht wirklich, was dann passiert ist, aber auf einmal hat er angefangen es zu versuchen.“

Er zuckte kurz die Schultern. Er hatte durchaus eine Idee davon, was passiert sein könnte, aber er selbst hielt es mehr oder weniger für unwahrscheinlich.

Tsunade hob interessiert eine Augenbraue und machte sich eine kurze Notiz auf dem nächst besten Stück Papier. Und Kakashi hoffe, dass es kein Auftrag oder etwas anderweitig Wichtiges war, da es ziemlich aussah, als hätte sie es wahllos aus dem sich wieder einmal auftürmenden Stapel gefischt.

„Wie dem auch sei“, fuhr sie dann unbeirrt fort und sah ihn ganz direkt an, „die beiden machen Fortschritte und wenn sie das Tempo halten, können wir in einem halben Jahr davon ausgehen, dass sie erstmal nicht weiter lernen und üben müssen. Die Frage ist nur…“

Tsunade machte eine kleine Pause und biss sich leicht auf die Unterlippe. Und da war es wieder, dieses ungute, dumpfe Gefühl und eine Ahnung, was ihre Frage sein würde. Denn er hatte sie sich auch schon gestellt – und die beiden Jungen sicher auch.

„So sehr ich es mir wünschen würde, die beiden können so wohl keine Ninja bleiben, aber was werden sie dann tun? Wie soll es weitergehen?“

Sie hatte es wirklich ausgesprochen…
 

„Und Sie wollen wirklich nicht mit reinkommen?“, fragte Naruto zum gefühlten fünfzigsten Mal, als sie vor der Tür ankamen. Und genau, wie alle anderen Male vorher auch schon, lehnte Yamato ab und erklärte, dass er einen langen Tag gehabt hatte und ins Bett müsse. Sasuke schnaubte nur.

Okay, Naruto mochte Yamato offenbar und Sasuke konnte es verstehen, er machte einen ganz netten Eindruck, auch wenn er von der Art her wohl nicht unbedingt darauf getippt hatte, tatsächlich einen Anbu vor sich zu haben, aber Naruto übertrieb es mal wieder. Und so kümmerte sich Sasuke seinerseits nicht weiter darum und schloss stattdessen die Haustür auf, wieder etwas zufriedener mit sich und der Welt.

Sie hatten Yamato zwar beschrieben, wo genau das Haus sich befand, falls sie tatsächlich zu stark vom Weg abweichen sollten, aber er hatte im Endeffekt nicht wirklich eingreifen müssen. Vielleicht lag es daran, dass der Rückweg einfacher war, weil sie keine Straßen zählen mussten, vielleicht waren sie (oder eher er selbst) auch einfach ruhiger gewesen, weil im Notfall jemand da war, auf jeden Fall hatte es sehr viel besser geklappt und sie waren diesmal auch nicht beim Nachbarn gelandet, sondern hatten tatsächlich auf Anhieb die Haustür gefunden.

Während Naruto sich also noch wortreich verabschiedete, ging Sasuke lieber nach drinnen, lehnte seinen Stock an die Wand neben der Tür und streifte die Schuhe ab. Er wollte das Buch noch fertig lesen und…

Ruckartig blieb er stehen, als er mit dem Fuß etwas Weiches auf dem Boden streifte. Stirnrunzelnd und ein Seufzen unterdrückend (er hasste den Teil, der jetzt kam), ging er in die Hocke und streckte die Hand nach dem unerwarteten Ding aus, das hier sicher nicht hingehörte. Kaum hatte er es berührt, wusste er, was es war. Eine der Hausschlappen, die für Besucher neben dem Eingang standen. Aber der war einen Meter weiter hinten und ein ganzes Stück weiter links, ganz abgesehen davon, dass sie auf der Oberseite und quer lag, was eher einen hingeworfenen Eindruck machte – oder als wäre jemand dagegen getreten.

Augenblicklich schalteten sich Sasukes Ninjainstinkte ein, er spannte die Muskeln an und lauschte angestrengt, aber alles, was er hörte war die Tür, die soeben ins Schloss fiel und Narutos Schuhe auf dem Boden.

„Naruto!“, zischte er leise.

„Höh?“, machte der verwundert und kam ein paar Schritte in seine Richtung, „Was ist?“

Der Idiot sprach nur minimal leiser und so richtete sich Sasuke schnell auf, tastete nach Narutos Schulter und zog ihn dann ein Stück zu sich. „Jemand ist hier.“, flüsterte er schnell.

„Was?“, fragte Naruto sofort entsetzt, aber diesmal senkte er wenigstens etwas die Stimme.

„Jemand ist gegen die Schlappen getreten und…“

In eben dem Moment kam eine Art Pfeifton aus Richtung des Wohnzimmers und ließ beide erstarren. Sasukes freie Hand wanderte instinktiv zu dem Kunai, das er auch in zivil versteckt am Körper trug. Blindheit hin oder her, er war immer noch ein Ninja und als solcher trug er immer irgendwo mindestens ein Messer bei sich. Lautlos zog er es aus der Scheide und schloss die Faust darum. Das hatte er lange nicht mehr gemacht und fast wurde er einen Moment lang nostalgisch – es fühlte sich so vertraut und… richtig an.

Schnell jedoch schüttelte er den Kopf, um den Gedanken wieder zu vertreiben, als Naruto „Einbrecher?“ wisperte.

Sasuke nickte nachdenklich und antwortete so leise es ging: „Muss wohl. Hast du ein Kunai dabei?“

Er konnte fast sehen, wie sich Narutos Augen merklich weiteten, als dieser leise, aber eindeutig entsetzt fragte: „Was hast du vor? Wir sollten jemand verständigen!“

Aber Sasuke schüttelte nur den Kopf. „Wir sind Ninja.“, war alles, das er darauf antwortete, dann zog er Naruto ganz leicht Richtung Wohnzimmer und war selbst überrascht, als der andere der Aufforderung sogar folgte.

Natürlich wusste Sasuke, dass es absolut logischer und sicherer wäre so schnell es ging das Haus wieder zu verlassen und irgendwen zu benachrichtigen. Einer der Gründe, warum man sie bereits alleine ließ war, dass Naruto im Notfall immer noch Frösche beschwören konnte, die vielleicht nicht immer helfen, aber wenigstens Hilfe holen konnten. Und es wäre sinnvoller jetzt einen zu rufen und in Richtung Hokage zu schicken, während sie selbst entweder dorthin oder an einen anderen Ort, an dem sie sicher waren, gingen.

Aber Sasuke weigerte sich schlichtweg dieser Logik zu folgen. Seine Vernunft mochte ihm noch so oft sagen, dass kein normaler Einbrecher dumm genug war in ein Haus, in dem Ninja wohnten und an dessen Briefkasten der Name Uchiha stand einzusteigen, er wollte schlichtweg nicht einsehen, dass er mit einem blöden Dieb nicht selbst fertig wurde.

Und so huschte er nun an der rechten Wand entlang zur Wohnzimmertür, wo wer auch immer ihn eigentlich noch nicht sehen können sollte und blieb dort einen Augenblick stehen, um zu lauschen. Die leisen, absichtlich flach gehaltenen Atemzüge verrieten ihm, dass Naruto ihm trotz allem gefolgt war und an der anderen Seite der Wohnzimmertür stand.

Das Pfeifen war verschwunden, dafür hörte er etwas, dass sich mit viel Fantasie wie das Umschlagen von Seiten anhörte (las der Einbrecher etwa ein Buch?) und ab und an ein leises klackendes Geräusch von Holz auf Holz, das er beim besten Willen nicht einordnen konnte. Der Wohnzimmerboden war zwar komplett aus Holz und die Möbel auch, aber nichts davon sollte solche Geräusche verursachen, selbst wenn man sie hin und her schob oder trug (ganz abgesehen davon, dass dazu noch deutlich andere Geräusche hätten kommen müssen). Nein, es klang eher, als würde jemand mit einem Stock oder etwas ähnlichem auf dem Boden herum klopfen – eine Suche nach einem versteckten Keller vielleicht? Wer war denn bitte so blöd und…?

Sasuke brach den Gedankengang ab und konzentrierte sich lieber wieder auf das seltsame Geräusch, das ihm immerhin sagte, dass der Eindringling sich ziemlich genau in der rechten Ecke des Raumes gegenüber der Tür befinden musste.

Es war nicht wirklich leicht dem Geräusch eine eindeutige Richtung zu geben, aber das Klacken war laut und deutlich und machte ihn relativ zuversichtlich, dass er richtig lag.

„Naruto.“, zischte er so leise es ging und erhielt als Antwort ein leises Schnauben. Er lächelte ganz leicht, zählte dann in Gedanken von drei abwärts, drehte sich bei null um hundertachtzig Grad und machte einen halben Seitwärtsschritt, der ihn direkt in die Türöffnung brachte, wo er ohne zu zögern das Kunai auf die Geräuschquelle zuschleuderte.

Beinah gleichzeitig spürte er Naruto, der gegen ihn stieß, den Wink also verstanden hatte und offenbar seine Bewegung gespiegelt hatte. Sasuke blieb aber keine Zeit sich darüber zu wundern, dass das ohne Absprache funktioniert hatte, wenn es mit nie klappte, denn ihr Ziel gab einen quietschenden, hohen Aufschrei von sich, der irgendwie… seltsam klang.

Ohne sich aber weiter darum zu scheren, machte Sasuke einen sicheren Schritt ins Wohnzimmer und ging in eine halbe Angriffsposition – der Einbrecher musste ja nicht wissen, dass er nichts sah und hier drinnen bildete er sich ein, dass er eben diese Tatsache verbergen konnte. „Was machst du hier?“, knurrte Sasuke dunkel, woraufhin aber zu seiner Verwunderung ein empörtes Schnauben folgte.

„Meinen Schüler besuchen.“, war die trockene Antwort, „Ich kann ja nicht erwarten, dass der mich gleich aufspießen will.“

Sasuke blinzelte verwundert und versuchte noch die Stimme, die er eindeutig kannte, einzuordnen, als Naruto schon fragte: „Perverser Eremit?“

„Der und kein anderer.“, kommentierte Jiraiya und klang noch immer leicht entrüstet, ob nun, weil sie ihn nicht sofort erkannt hatten oder weil sie es tatsächlich gewagt hatten ihn anzugreifen. Sasuke gab seine Haltung nach ein, zwei Sekunden schließlich wieder auf und verschränkte stattdessen die Arme vor der Brust. „Was machen Sie in meinem Haus?“, fragte er, wechselte aber wenigstens wieder in eine höflichere Form.

„Das sagte ich doch bereits.“, erwiderte der mit einem gespieltem Stöhnen und kam näher – und endlich verstand Sasuke, das Klacken war schlichtweg das Geräusch seiner japanischen Holzsandalen auf dem ebenfalls hölzernen Fußboden, „Ich habe vor etwa zwei Wochen eine Nachricht von Tsunade erhalten – offenbar konnte sie mich nicht früher finden, denn das Datum war schon… länger her.“, fing er an zu erklären, „Auf jeden Fall bin ich so schnell wie möglich her gekommen, aber Narutos Wohnung war verlassen, also hab ich mich rumgefragt und bin hier gelandet. Nur war hier niemand. Netter Empfang übrigens.“, fügte er sarkastisch hinzu, woraufhin Sasuke die Schultern zuckte.

„Selbst dran Schuld, man bricht nicht einfach so in anderer Leute Häuser ein. Haben wir wenigstens getroffen?“, fügte er möglichst beiläufig hinzu.

„Ja, deine Couch.“, murmelte Jiraiya, dann wurde er plötzlich still, was Sasuke nur ein noch seltsameres Gefühl gab, „Wie habt ihr das eigentlich gemacht, ich dachte, ihr könnt nichts…?“, er merkte wohl selbst, wie taktlos dieser Satz war und brach ab. Sasuke sagte dazu nichts, machte auf dem Absatz kehrt und ging in die Küche, um sich erstmal einen Tee zu machen. Er hörte aber durchaus noch zu, als Naruto erwiderte: „Sehen? Nein, können wir nicht, aber dafür hören und du bist laut, perverser Eremit!“

Es klang vorwurfsvoll, aber selbst Sasuke merkte, dass Naruto es nicht ernst meinte und in Wahrheit nur herumalberte. Er schien sich ja fast zu freuen (?), dass der komische Kauz da war…

Naja, dann würde er wenigstens mal wieder eine Beschäftigung haben und Sasuke konnte endlich in Ruhe sein Buch weiter lesen. Nachdem er das kochende Wasser in die Tasse geschüttet und die Uhrzeit kontrolliert hatte, damit er den Teebeutel rechtzeitig rausnehmen konnte, lauschte Sasuke noch einmal doch ein wenig neugierig auf die Stimmen aus dem Wohnzimmer. Und was er hörte, verwirrte ihn. Dank Naruto war er oft genug mit Jiraiya in Kontakt gekommen, um zu wissen, dass dieser selten ernst und noch seltener leise wurde. Und so klang es mehr erschreckend und irritierend, als alles andere, als Sasuke offenbar das Ende eines Satzes in eben diesem Tonfall aufschnappte: „… tut mir wirklich leid, Naruto."

Sasuke merkte kaum, wie er eine Hand zur Faust ballte und leicht resigniert die Augen schloss. Und er dachte, der Teil wäre vorbei gewesen…
 

***********************************************************************

Kurzer Autorenkommentar:
 

Wir sind mit diesem Kapitel nun genau an der Hälfte der Geschichte angelangt und ich wollte diese Gelegenheit nutzen, um erstmal danke zu sagen. Danke an alle, die die FF lesen, favorisieren und natürlich kommentieren, ich freue mich wirklich ungemein darüber!

Ich hoffe, ihr bleibt mir auch bei der zweiten Hälfte noch treu und, soviel kann ich versprechen, diese wird etwas schneller vorangehen, als diese, anfangs doch relativ langsame Entwicklung, durch die Naruto und Sasuke durch müssen. Und, ja, ich habe noch einiges mit den beiden vor. ^.~

Da ich eigentlich ja versuche sehr regelmäßig hochzuladen, möchte ich mich an dieser Stelle im Voraus entschuldigen, denn die nächsten zwei Wochen werde ich vermutlich so gut wie nicht im Internet sein und daher ziemlich sicher auch nichts hochladen können. Mit anderen Worten, das nächste Kapitel kommt vermutlich erst um den 17. August herum.

Solltet ihr Fragen zur Geschichte haben, dürft ihr mich übrigens gerne anschreiben, ich weiß, dass ich mich nicht immer hundertpro verständlich ausdrücke und ich werde versuchen halbwegs schnell zu antworten (nur, wie gesagt, in den nächsten zwei Wochen kann es etwas dauern…).

Bis dahin, alles Gute!

Hope and Resignation

„Naruto, du hast Post.“, erklärte Kakashi fröhlich, als er am kommenden Morgen fast pünktlich (gerade mal eine Viertelstunde zu spät) bei ihnen aufschlug. Sie saßen gerade am Küchentisch und zu Narutos Unwillen hatte Sasuke seine Unruhe nicht mehr ausgehalten und ihm ein Buch in die Hand gedrückt, dass sie gerade zusammen lasen, was bedeutete, dass sie nebeneinander saßen und Sasukes Finger kurz vor Narutos über die Buchstaben huschte, während Naruto versuchte das ganze laut vorzulesen.

Wieso Sasuke auf einmal meinte, er dürfte Lehrer spielen, wusste er nicht, aber ihm war wirklich langweilig gewesen und so hatte er sich ausnahmsweise einmal nicht gewehrt…

„Mmh? Post?“, fragte er verwirrt und blickte leicht auf.

Noch vor ein paar Wochen hätte das wohl eine leicht verkrampfte Situation ergeben, da Naruto seine Brille im Haus nicht mehr trug. Sasuke genauso wenig, wie er inzwischen wusste, beide hatten sie zwar immer greifbar, für den Fall, das jemand anderes außer Kakashi, Sakura und Iruka kommen sollte, in der Zwischenzeit aber waren ihre Augen für die drei jederzeit sichtbar und sie hatten sich ihrerseits wohl daran gewöhnt, dass der Blick der beiden Jungen sie entweder nicht direkt traf, sondern nur streifte, oder, wie Sakura es auf Narutos Frage einmal beschrieben hatte, durch sie hindurch ging.

Und doch gab es Augenblicke, in denen Sakura ihm schon gesagt hatte, dass sie froh war, seine Augen zu sehen, weil sie trotz allem wieder lebhaft funkelten, wenn ihm etwas gefiel und sie den Anblick vermisst hatte. Er wusste nicht ganz genau, was sie damit meinte, aber solange es etwas war, das sie freute und nicht traurig stimmte, war ihm das ziemlich gleichgültig.

„Ja, Post. Einen Brief genau genommen.“, wiederholte Kakashi seelenruhig und offenbar gut gelaunt, „Aber ich werde sie dir nicht vorlesen, Iruka überträgt sie dir gerade, damit du sie nachher selbst lesen kannst.“

Fast augenblicklich verzog sich Narutos Miene leicht. „Das dauert doch…“

Aber Kakashi ließ ihn nicht ausreden: „Also, auf geht’s, Jungs, ab in den Garten.“

„Hey, ignorieren Sie mich nicht!“, beschwerte sich Naruto sofort, aber offenbar tat das nicht nur Kakashi, sondern auch Sasuke, der ohne ihn zu beachten gerade fragte: „Warum?“

Okay, ja, er hatte Recht diese Frage zu stellen, aber das änderte nichts daran, dass Naruto ignoriert wurde und so schmollte er leicht.

Auch wenn der Garten anfangs ihr bevorzugter Übungsplatz gewesen war (neben dem Dojo), gingen sie nun eigentlich nur noch dorthin, wenn sie wollten und nicht zum Üben. Zum einen, weil sie sich dort längst gut genug auskannten, zum anderen auch, weil er nicht mehr viel neues bot und ihnen erst recht nicht half sich im Dorf zurecht zu finden.

Wenn Kakashi sie jetzt also wieder dorthin schickte, konnte das nur heißen… ja, was eigentlich? War er so sauer, dass sie gestern alleine losgelaufen waren?

„Das werdet ihr dann schon sehen, los, auf jetzt.“

„Nein, werden wir sicher nicht.“, grummelte Naruto, stand aber, wie auch Sasuke neben ihm auf und lief gehorsam los. Wenigstens konnte er solche (doch etwas albernen) Wortspiele jetzt bringen, ohne, dass wahlweise Sasuke oder jemand anders daraufhin scharf die Luft einzogen oder zusammenzuckten.

Das erste Ziel war allerdings nicht der Garten, sondern der Flur vor der Haustür, da dort, wie immer, ihre Taststöcke bereitstanden und… „Nein, keine Stöcke, die braucht ihr nicht.“

„Häh?“, langsam richtig verwirrt änderten beide Jungen die Richtung und auch wenn es eine sinnlose Geste war, wand Naruto fragend den Kopf in Sasukes Richtung. Er war sich fast sicher, dass Sasuke auch zu ihm herüber „sah“, denn egal wie nutzlos es war, Angewohnheiten legte man nicht einfach so ab.

Vor der Verandatür streifte Naruto seine Socken ab und dachte gerade noch rechtzeitig daran sie nicht einfach in den Raum zu werfen, sondern ordentlich neben der Tür abzulegen. Das letzte Mal, als er ersteres gemacht hatte, hatte Iruka ihn die blöden Dinger hinterher nämlich suchen lassen („Wenn du sie wegwirfst, wirst du sie wohl auch selbst finden müssen.“) und das war wirklich nervig gewesen.

Nun also barfuss trat Naruto auf das kühle Gras hinaus. Es war noch nicht ganz Frühling und eigentlich wären Schuhe wohl besser gewesen, aber er war zu faul jetzt zurück zum Schuhschrank zu laufen und die Sandalen, die Sasuke natürlich irgendwo stehen hatte, mochte er nicht, weil sie zu dicke Sohlen hatten und er den Boden dadurch nicht mehr spüren konnte. Da war es ihm lieber, dass das kalte Gras und der nicht weniger kühle Boden ihn an den Zehen kitzelten, während die frische Morgenluft einen Hauch von… Pflanzen mit sich brachte. Wachsende, zaghaft blühende Pflanzen und Naruto musste den Drang unterdrücken Kakashi zu fragen, ob auf der Wiese vor ihm schon Blumen zu sehen waren.

Stattdessen machte ihm ein leichter Stups in den Rücken klar, dass er im Weg stand und er lief ein paar Schritte weiter, damit Sasuke, der ein leichtes Schnauben von sich gab, aber nichts weiter sagte, an ihm vorbei heraus konnte.

Da Naruto keine Geräusche von Schuhen hörte, ging er davon aus, dass auch Sasuke die Variante ohne bevorzugte, während Kakashis Schritte kurz darauf erst auf der Veranda und, wenn auch deutlich gedämpfter, auch auf dem Erdboden noch zu hören waren.

„Bisschen weiter raus.“, meinte der immer noch vollkommen gelassen und Naruto fragte sich unwillkürlich, ob er wieder sein Buch in der Hand hielt, „Und ein bisschen mehr auseinander.“

Kakashi war gut, dachte sich Naruto, er wusste nicht mal, wie weit genau er von Sasuke jetzt entfernt stand, wie sollte er dann bitte weiter auseinander gehen? Aber er machte sich nicht die Mühe nachzufragen, lief ein paar Schritte vorwärts und machte dann zwei seitwärts nach rechts. Das war mehr geraten als sonst etwas, aber Kakashis „Wunderbar.“ sagte ihm, dass es wohl richtig gewesen war.

„So“, setzte er an und es folgte ein Geräusch, für das Naruto einen Augenblick brauchte, um es als Zuschlagen eines Buches zu identifizieren. Also hatte er doch gelesen… „Und jetzt werden wir schön durch ein paar Kata gehen.“

Kakashi sagte das, als wäre es das natürlichste auf der Welt und keine große Sache. Nun, an sich war es das vielleicht auch nicht, sah man mal von der Tatsache ab, dass sie das seit mittlerweile einem halben Jahr nicht mehr gemacht hatten und dass es sinnlos war…

„Aber…“, setzte Naruto an.

„Nein, ihr sollt mir nichts nachmachen, wir nehmen nur die Standardbewegungen, Naruto.“

„Aber…“

„Nein, ich bin überzeugt, dass ihr das noch hinkriegt. Und wenn nicht wäre das sehr schlecht.“

„Aber…!“

„Kein aber. Macht es einfach.“

„Wozu?“, schaltete sich auf einmal auch Sasuke etwas scharf ein und Naruto hörte wieder diesen leicht bitteren Unterton, der immer verriet, wenn Sasuke etwas ganz und gar nicht schmeckte, in aller Regel, weil es etwas war, dass er nicht mehr ohne weiteres tun konnte oder dass er nicht tun konnte, ohne daran erinnert zu werden, dass er es einmal besser oder schneller gekonnt hätte (Bücher lesen zum Beispiel).

„Wozu?“, wiederholte Kakashi ruhig, „Ganz einfach, ihr rostet noch total ein, wenn ihr euch nicht bewegt. Und jetzt keine weitere Widerrede, es sind Bewegungen, die ihr auswendig können solltet und dazu braucht ihr eure Augen nicht. Außerdem ist es eine gute Übung für euren Gleichgewichtssinn, also, los!“
 

Gute zweieinhalb Stunden später saßen sie gemeinsam am Küchentisch und aßen hungrig die gebratenen Nudeln, die Naruto und Sasuke schnell gekocht hatten. Wie Kakashi schon richtig gesagt hatte, sie hatten sich lange nicht mehr auf diese Art und Weise bewegt und auch wenn sie die Bewegungen selbst nicht vergessen hatten, es war überraschend anstrengend sie wieder halbwegs sauber hinzukriegen.

Und so genossen sie das Essen und ignorierten auch Kakashis amüsierten Kommentar über ihren Appetit.

„Eins muss man Chouji ja lassen.“, meinte Kakashi irgendwann, als Naruto gerade seinen zweiten Nachschlag aufgefuttert hatte und sich entspannt und zufrieden in seinem Stuhl zurücklehnte, „Er hat euch wirklich Kochen beigebracht, so was hättet ihr vor einem Jahr nicht hingekriegt.“

Naruto blinzelte belustigt, bis ihm auf einmal klar wurde, dass in dieser einfachen Aussage noch zwei andere verborgen waren. Die erste, banalere, war schlichtweg, dass er sie ein wenig ärgern wollte, die zweite, deutlich interessantere…

„Sensei? Heißt das, Sie haben wirklich mitgegessen?“

„Mmh? Ja, warum?“, fragte der nun seinerseits leicht überrascht.

Naruto blinzelte noch mal nur noch ungläubiger. „Das heißt doch, Sie haben Ihre Maske abgenommen, oder?“, schrie er halb fassungslos, was ein sehr erheitert klingendes „Ja.“ zur Antwort hatte.

Und Naruto konnte diese Unfairness einfach nicht fassen und ließ den Kopf auf den Tisch fallen. „Das ist ja so gemein. Sie sind fies, da nehmen Sie sie einmal ab und wissen doch ganz genau, dass wir…!“

Aber Kakashi blieb eine Reaktion darauf erspart, da in eben diesem Moment der Schlüssel in der Haustür zu hören war, der Iruka ankündigte. Das alleine reichte zwar nicht, um Naruto davon abzulenken, dass er sich gerade megamäßig ärgerte, aber als Iruka ihm ohne ein Wort zu sagen sacht ein Stück Papier in die Hand drückte, sah die Sache doch anders aus. Erst recht, als seine Finger darüber strichen und er (seiner Meinung nach noch viel zu langsam), verstand, was dort geschrieben war…
 

Naruto,

wahrscheinlich wunderst du dich, warum ich überhaupt schreibe und ich kann dir versichern, dass ich mir lange nicht sicher war, ob ich es überhaupt tun soll.

Vielleicht hast du es bereits gehört, man hat mich vor kurzem zum Kazekage ernannt und als solcher hatte ich auf dem Briefweg Kontakt mit eurer Hokage. Als ich sie aber bat, Team Kakashi für einen Auftrag zu schicken, hat sie mir einen Brief geschickt, der mich bestürzt hat.

Ich muss zugeben, dass ihre Worte mit Bedacht gewählt und es sehr vorsichtig formuliert waren hat, aber als ich die Gründe der Absage las, wollte ich ihr nicht glauben.

Ich bin unschlüssig, ob es eine gute Idee ist, diesen Brief überhaupt abzuschicken und ich bin mir sicher, du bist Mitleidsbekundungen inzwischen leid, aber ich kann nicht behaupten, dass die Nachricht spurlos an mir vorüber gegangen ist.

Das Leben ist unfair.

Gaara
 

Dem letzten Satz musste Naruto gegen seinen Willen zustimmen. Aber normalerweise ließ er sich davon nicht herunterziehen und er gab sich auch alle Mühe das jetzt nicht zu tun, wobei ihm allein die Tatsache, dass Gaara ihm tatsächlich so einen Brief geschrieben hatte mehr zu denken machte, als das, was darin stand.

Er schwieg, als er fertig war und alle anderen im Raum auch. Kakashi und Iruka kannten den Inhalt und Naruto fragte sich, ob sie nun auf eine Reaktion seinerseits warteten. Was sollte er tun oder sagen? Was war die richtige Reaktion auf so einen Brief.

Er entschied sich schließlich für ein leicht trauriges Seufzen, ehe er den Kopf in Irukas vermutete Richtung wand. „Iruka-sensei? Können Sie für mich antworten?“

Ein paar unruhige Sekunden lang, wartete er vergebens auf Antwort, ehe Iruka schließlich meinte: „Ich denke, es wird Zeit, dass du das selbst lernst. Komm mit mir ins Wohnzimmer, ich hab euch was mitgebracht.“
 

Die Mittagssonne brannte unbarmherzig auf das Dorf hinab. Sie stand genau im Zenit und zu dieser Zeit war kaum jemand in Suna auf den Straßen. Alle kannten die Wüste und ihre Eigenheiten nur zu genau und suchten in den Schatten Zuflucht, die wenigstens ein wenig kühler waren. Diejenigen, die nach draußen mussten, waren entsprechend der heißen Sonne gekleidet und beeilten sich wieder ins deutlich besser temperierte Gebäudeinnere zu kommen. Sein Büro allerdings war fast genauso warm wie die Außenluft und stickig, weil es zu dieser Tageszeit keine Erleichterung brachte die Fenster zu öffnen.

Deswegen hatte er es vorgezogen sich nur morgens und abends dort aufzuhalten, manchmal auch nachts, wenn es sein musste und den Mittag irgendwo anders zu verbringen.

Warum er ausgerechnet heute und zu dieser Zeit das Dach gewählt hatte, das wohl der einzige, noch wärmere Punkt im Dorf war, konnte er selbst nicht erklären, aber Gaara störte die Hitze wenig. Sie hatte ihm noch nie allzu viel ausgemacht und tat es auch jetzt nicht, er schwitzte nicht einmal, obwohl er direkt in einem Lichtkegel stand.

Er hatte diesen Ort von Anfang an gemocht, schlicht, weil nicht oft jemand herkam, um ihn zu stören und er in aller Seelenruhe den Ausblick genießen und nachdenken konnte.

Zwei Wochen waren vergangen, seit er mit einem Vogel den Brief abgeschickt hatte und er hatte nach wie vor keine Antwort. Zweifel hatten sich längst breit gemacht, ob die Idee an sich gut gewesen war. Der Inhalt des Briefes erschien ihm im Nachhinein bedeutungslos und er an Narutos Stelle hätte ihn wohl nicht einmal zu Ende hören wollen, egal, wer ihn vorlas.

Und doch hatte er ihn einfach schreiben müssen. In dem Moment, in dem er die entsprechenden Zeilen in Tsunades Antwort gelesen hatte, hatte er das Gefühl gehabt, dass er das nicht einfach so stehen lassen konnte.

Natürlich war er zuerst seinen Pflichten nachgekommen und hatte ihr eine entsprechende, höfliche Antwort, dass er das verstünde und so weiter und so fort, geschrieben, aber auch danach hatte es ihn nicht losgelassen.

Er hatte immer damit gerechnet, dass Naruto eines Tages wirklich wahr machen würde, wovon er ständig sprach und Hokage werden würde. Auch wenn er sich nicht vorstellen konnte, wie dieser vorlaute Bengel das tun sollte, er hatte einen so tiefen Eindruck hinterlassen, dass Gaara überzeugt gewesen war, dass er alles schaffen konnte, was er sich vornahm.

Naruto war ein seltsamer Mensch, laut, nervig, tollpatschig und doch war gerade er es, der anderen zeigen konnte, was es hieß für etwas ein zu stehen, an Träume zu glauben und nicht aufzugeben. Und, was Gaara noch deutlich mehr beeindruckte, er hatte sich nie davon abhalten lassen, dass andere Menschen nicht an ihn glaubten, ihn sogar bremsen oder ganz aufhalten wollten, ihn verachteten. Ganz anders als er hatte Naruto nie aufgehört an das Gute in den Menschen zu glauben und es immer wieder zu versuchen. Er war sogar soweit gegangen ihm zu sagen, dass er nicht alleine war. Ihm sagen zu wollen, dass er nicht aufgeben sollte. Und Gaara hatte die Worte nie vergessen.

Es war, vorsichtig formuliert, erschütternd zu erfahren, dass gerade Naruto, der sich nie von etwas hatte aufhalten lassen, der immer weitergegangen war und von dem Gaara dachte, dass er nun doch irgendwann den Lohn für diese Mühe bekommen sollte, stattdessen nun endgültig ausgebremst worden war.

Auch wenn er es Naruto von ganzem Herzen wünschte, er wusste, dass es quasi unmöglich war, dass er sich von diesem Fall jemals wieder erholte und er konnte sich kaum vorstellen, wie Naruto wohl damit umgehen würde. Denn nun war sein Traum endgültig vorbei, selbst sein Ninjadasein war vorbei.

Gaara erlaubte es sich für einen Moment müde die Augen zu schließen. Hinter seinen Augenliedern schien die Welt zu brennen, rote, leuchtende Figuren tanzen vor seinen Augen, von der glühenden Sonne gemalt. Langsam hob Gaara eine Hand, um das Licht abzufangen und schlagartig wurde es dunkler. Das Rot verschwand und es blieben schwarze und graue Schatten, die teilweise vielleicht noch einen leichten Rotstich aufwiesen.

Und er wusste, dass selbst das noch mehr war, als Naruto…

Ein leiser Vogelschrei riss ihn aus den Gedanken und als Gaara die Augen wieder öffnete, saß ein Falke neben ihm auf dem Geländer und wartete darauf, dass er ihm den Brief, der am Bein steckte, abnahm. Wieder mehr Arbeit, dachte er trocken, als er das Papier entrollte und den armen Vogel, der durch die Hitze hatte fliegen müssen, auf den Arm nahm, um ihn nach drinnen zu bringen und ihm erstmal etwas Wasser zu geben.

Kaum hatte er aber die erste Zeile gelesen, blieb er schlagartig stehen.
 

Hallo Gaara,

es tut mir leid, dass du so lange auf eine Antwort warten musstest, aber da du meine Handschrift wohl nicht hättest lesen können, musste ich warten, bis Iruka-sensei Zeit hatte mir beim Schreibmaschine schreiben über die Finger zu sehen, damit er mich korrigieren kann, wenn ich was Falsches schreibe (abgesehen davon, dass ich vorher so ein Ding noch nie benutzt habe… wer hat sich diese sinnlose Tastenanordnung nur ausgedacht?).

Es freut mich wirklich unheimlich, dass du Kazekage bist und ich kann es kaum erwarten, dir das auch persönlich zu sagen!! Leider kann ich im Moment noch nicht wirklich zu dir kommen, aber vielleicht bist du ja irgendwann mal in Konoha und dann müssen wir eine Nudelsuppe essen gehen!

Ich wollte es anfangs auch nicht wirklich glauben, aber es ist leider die Wahrheit. Aber, bitte, fühl dich deswegen nicht schlecht, es hatte niemand schuld daran, es ist einfach… dumm gelaufen und ändern kann man nun ohnehin nichts mehr dran. Inzwischen komm ich auch schon deutlich besser damit klar und vielleicht findet sich irgendwann noch ein Weg…

Aber genug davon, wie geht es dir? Die alte Oma stöhnt ja immer über den Papierkrieg, ist er wirklich so schlimm? Und wie geht es deinen Geschwistern?

Naruto
 

Darunter fand sich noch etwas, das mit ein wenig Mühe als Narutos Name zu entziffern war, offenbar sein Versuch das ganze doch noch von Hand zu unterschreiben. Gaara las den Brief noch einmal, dann schüttelte er sacht den Kopf, strich sich einmal mit der Hand übers Gesicht und sah zum Horizont.

Naruto war und blieb einfach unmöglich.
 

„Also hat der dich echt zum Spannen mitgenommen? Wie blöd ist der eigentlich?“, fragte Sasuke und schnaubte. Naruto war sich nicht sicher, ob er das nun amüsiert oder abwertend meinte. Naja, wie er Sasuke kannte wahrscheinlich beides.

Es war ein schöner, sonniger Tag und man merkte nun wirklich deutlich, dass der Frühling näher kam. Es wurde wärmer, roch im ganzen Garten nach Blüten und Naruto brauchte sich kein bisschen zu konzentrieren, um das Gezwitscher der Vögel um sich herum zu hören.

Kakashi und Sakura waren wieder auf Mission (diesmal zusammen) und sie somit wieder alleine.

Zu Narutos Überraschung war Sasuke mit raus gekommen, als er gemeint hatte, er würde sich etwas an den See setzen. Sasuke allerdings stand ein paar Meter vor ihm auf der Wasserfläche und lief ein wenig hin und her. Nicht allzu weit, was kein Wunder war, bedachte man, dass er dort den Taststock nicht benutzen konnte (der steckte vermutlich zusammengeklappt in seiner Hosentasche) und sich genau merken musste, wie viele Schritte er in welche Richtung lief.

Naruto hingegen saß auf dem Steg und ließ die Füße ins doch noch etwas kühle Wasser baumeln. Zum Schwimmen war es eindeutig noch zu früh, aber er freute sich jetzt schon darauf, wenn es warm genug sein würde.

„Naja, er hat mich nicht mitgenommen damit ich spannen kann…“, murmelte Naruto grummelnd. Nach seiner eher ungeplanten Überraschung hatte Jiraiya beschlossen eine Weile in Konoha zu bleiben und währenddessen hatte er behauptet sehen zu wollen, wie sich sein Schüler machte. Naruto kannte ihn inzwischen gut genug, um zwischen den Zeilen lesen zu können, dass er sich in Wahrheit deutlich mehr Sorgen machte, als er zugab und wohl eher wissen wollte, ob er damit klar kam, aber er nahm es stillschweigend hin. War auch nicht weiter schwer, bei Jiraiyas anhaltenden blöden Ideen.

Gestern Mittag erst hatte er Naruto auf einen „Spaziergang“ mitgenommen, der – ganz zufällig natürlich – an den heißen Quellen vorbeiführte, wo er offenbar plante zu behaupten Naruto hätte sich verlaufen. Leider hatte Naruto dann doch genug Orientierungssinn besessen, um rechtzeitig zu merken, wohin sie liefen, was Jiraiya wiederum gar nicht gefallen hatte, der daraufhin pampig ein Rasengan hatte sehen wollen und Naruto erklärt hatte, dass er mehr üben musste.

Ob gewollt oder nicht, damit hatte er allerdings Recht, denn auch wenn Naruto es nach wie vor erzeugen konnte, er brauchte noch immer einen Doppelgänger dafür und auch wenn er es eigentlich für sinnlos hielt, viel anderes hatte er gerade nicht zu tun, also spielte er immer wieder mit Chakrakugeln in seiner Hand herum. Er brauchte nicht sparsam zu sein, auch wenn Kakashi sie wieder Bewegungen üben ließ, Techniken hatten sie bisher keine eingesetzt und erst recht keine, die viel Chakra verbrauchten.

„Das macht es kein bisschen besser. Alter Perversling…“, grummelte Sasuke und Naruto musste ihm schlichtweg zustimmen. Gut, er erwartete von Jiraiya nicht viel anderes, aber dass er tatsächlich noch versuchen würde einen „Nutzen“ aus der Blindheit seines Schülers zu ziehen war selbst für seine Verhältnisse frech.

„Wem sagst du das? Die alte Oma war aber auch nicht begeistert, als sie das gehört hat. Sie hat ihn daraufhin auf eine Mission geschickt, die ihm sicher sehr gefallen wird…“, lachte Naruto und plätscherte ein wenig mit den Füßen im Wasser herum.

„Welche denn?“

„Er soll im Altenheim aushelfen.“

Auch Sasuke kicherte leise, dann fragte er plötzlich: „Wann hast du ihr das denn gesagt?“

Und auf Narutos Züge stahl sich ein breites Grinsen. „Ich hab ihr eine Nachricht geschickt.“ Es war alles andere als einfach gewesen mit der Schreibmaschine zu schreiben. Irukas Idee dahinter war sicher gut gemeint gewesen und Naruto hatte sich auch gleich freudig erklären lassen, wie sie denn funktionierte, aber sie dann tatsächlich zu benutzen war eine kleine Herausforderung.

Naruto fand die Tastenanordnung hochgradig unlogisch und konnte sich einfach nie merken, welche Taste wo genau war. Ein ganzer Tag war dafür drauf gegangen, nur, damit er etwa sagen konnte auf welchem Bereich sich was befand. Danach hatte es einen weiteren Tag gedauert, bis er auch nur anfangen konnte irgendwas zu tippen.

Und das nächste, große Problem war gewesen, dass er sich nicht nur merken musste, wo im Text, den er schreiben wollte, er gerade war, sondern auch nicht auf das schon Geschriebene sehen konnte und entsprechend nicht merkte, wann er einen Fehler machte.

Und so trieb er Sasuke quasi mit dem ständigen Geklapper der Maschine in den Wahnsinn, wenn er versuchte etwas zu schreiben, damit Iruka, der natürlich nicht immer Zeit hatte, um dabei zu sein, es später korrigieren konnte.

Anfangs war dabei ziemlich viel Unsinn herausgekommen. Unleserliche, selbst mit viel Fantasie nicht zu entziffernde Texte, die einfach nur wie Kauderwelsch aussahen. Als Sasuke das gehört hatte, hatte er natürlich gleich einen Kommentar loslassen müssen, dass man auch einfach einen Affen an die Schreibmaschine setzen könnte und das denselben Effekt hätte. Aber trotzdem oder vielleicht gerade deswegen hatte Naruto weitergemacht.

Nach über eineinhalb Wochen konnte er zumindest so schreiben, dass man den Sinn erahnen konnte, auch wenn es nicht immer fehlerfrei war. Als er den Brief an Gaara geschrieben hatte, hatte er Iruka gebeten sich dabei neben ihn zu setzen und ihm über die Schulter zu schauen, damit er ihn korrigieren konnte, weil er wollte, dass der Brief einwandfrei lesbar war.

Den an Tsunade hatte er alleine geschrieben, aber allein angesichts Jiraiyas Reaktion konnte er wohl davon ausgehen, dass er zumindest größtenteils durchaus lesbar gewesen war.

Iruka hatte auch noch eine zweite Schreibmaschine mitgebracht, mit der man Blindenschrift schreiben konnte, aber mit der hatte sich Naruto bisher nicht befasst, ihm reichte schon eine, abgesehen davon, dass er sich nicht vorstellen konnte, wie er mit nur sechs Tasten alle Buchstaben schreiben sollte (denn neugierig genug, um sie etwas näher unter die Lupe zu nehmen war er dann doch gewesen).

„Das geschieht ihm mal recht.“, schnaubte Sasuke und klang nun eindeutig amüsiert. Auch Naruto lächelte leicht.

Ja, das war eigentlich so eine typische Genin-Mission, die super langweilig und super doof war. Aber als er daran dachte, dass er im Moment nicht mal eine solche Mission übernehme konnte, nein, dass er niemals wieder irgendeine Mission würde übernehmen können… Ihm fiel zumindest keine ein, bei der er nicht hätte sehen können müssen. Wenn er so an seine ersten zurückdachte…

Er konnte kein Unkraut jäten, weil er es fast nicht von den eigentlichen Pflanzen unterscheiden konnte, er konnte keinen Müll aus dem Fluss fischen, weil er nicht wusste, wo der Müll war, er konnte keine Katze einfangen, weil er sie niemals kriegen würde… was konnte er eigentlich noch?

„Meinst du, wir werden auch irgendwann mal wieder auf eine Mission gehen?“, rutschte es ihm ohne nachzudenken leise und ein wenig traurig heraus. Noch ehe Sasuke überhaupt reagierte, wünschte sich Naruto, er könnte diese Frage wieder zurücknehmen. Umso mehr als der Tonfall der Antwort wieder ziemlich bitter war: „Hn. Klar, wir können zwar nicht kämpfen und sind in unbekannten Gebieten quasi nutzlos, aber jeder braucht solche Ninja.“

Naruto grummelte eine Antwort vor sich hin und spritzte etwas stärker mit dem Wasser an seinen Füßen in der Hoffnung Sasuke zu treffen. Als Antwort folgte aber nur ein lautes Platschen und im nächsten Moment war er selbst es, der vollkommen durchnässt war. Prustend spuckte er das Wasser wieder aus und hustete: „Wie hast du das jetzt gemacht?!“

Es war zwar nicht unmöglich, aber auch alles andere als leicht eine exakte Position übers Gehör allein zu bestimmen und dann auch noch die Entfernung abzuschätzen, um so gezielt zu treffen, wie sie schon beim einfachen Ball spielen festgestellt hatten.

„Schon dumm, wenn du so offen mit deinem Chakra rumspielst…“, kam die lässige Antwort. Einen Moment lang schwiegen beide, dann, wie auf ein geheimes Kommando hin, murmelten sie im Chor: „Das ist es!“
 

Eine halbe Stunde später saßen sie am Küchentisch und hielten Kriegsrat.

„Okay“, meinte Sasuke und klang fast schon zu sachlich, „wir sind keine Chakrasensoren, das heißt, wir müssen zuerst rauskriegen, wie viel wir überhaupt so wahrnehmen können. Du hast offen damit herumgespielt, deswegen war es nicht weiter schwer. Mach das noch mal, aber versuch möglichst wenig Chakra zu verbrauchen…“

Der Versuch dauerte genau zehn Minuten, dann mussten sie einsehen, dass Naruto es nicht konnte. Egal, wie gering er den Verbrauch versuchte zu halten, das Rasengan hatte offenbar so etwas wie eine Mindestgröße, unter die Naruto nicht kam und die immer noch stark genug war, dass wohl jeder Ninja im näheren Umkreis vollkommen problemlos das Chakra spüren konnte.

Sasuke versuchte daraufhin kleinere Feuer- oder Blitzbälle in seiner Hand zu erzeugen, aber das Ergebnis blieb genau das gleiche: Entweder sie waren so groß, dass sie wirklich jeder wahrnehmen konnte oder sie waren nicht vorhanden und gar nicht wahrnehmbar.

Also überredeten sie Kakashi am nächsten morgen mit ihnen in die Bibliothek zu gehen und dort nach den paar Büchern zu suchen, die in Blindenschrift vorrätig waren. Sasuke hatte zwar gesagt, dass es absolut sicher mindestens ein Buch zum Thema Chakrahaushalt dort gab, aber leider war er von der normalen Abteilung ausgegangen und die war nun mal deutlich größer.

Kakashi oder jemand anderen zu bitten ihnen etwas dazu vorzulesen oder rauszusuchen hatten sie aber einstimmig ausgeschlossen. Die Chance, dass der Versuch gelang war minimal und sie wollten ihnen keine Hoffnungen machen, die sich dann am Ende als nichtig erweisen würden. Auch sich selbst eigentlich nicht, aber dafür war es wohl schon zu spät…

Zum Glück konnten sie Kakashi aber erzählen, dass sie nur etwas üben wollten, weil Naruto das Rasengan nicht so hinbekam, wie er wollte (oder sollte) und er nahm ihnen das ab. Oder er gab vor es abzunehmen, während er in Wahrheit daran zweifelte, da war Naruto sich manchmal nicht ganz sicher, aber wenn dem so war, versteckte Kakashi es immerhin gut genug.

Fast der ganze Rest des Tages ging dafür drauf, dass sie in dem einen Buch, das sie dann doch gefunden hatten, die entsprechenden Passagen lasen und versuchten ein paar (langweilige) Meditationstechniken anzuwenden, die Chakra in beliebiger Menge in der Hand konzentrieren sollten.

Unnötig zu sagen, dass sich Naruto damit schwer tat, egal, wie oft er es auch versuchte, Sasuke bekam es nach einem weiteren Tag halbwegs hin, aber das Ergebnis war und blieb ernüchternd.

Wie auch bei den Techniken zuvor, war das Problem, dass unter einer bestimmten Grenze keiner von beiden mehr irgendetwas wahrnehmen konnte, während darüber eigentlich schon mehr Chakra nötig war, wie für die allermeisten Techniken benötigt würde, was im Umkehrschluss bedeutete, wenn ihre Gegner nicht gerade furchtbar blöd waren und weit mehr Chakra verschwendeten, als sie eigentlich brauchen würden, hatten Naruto und Sasuke keine großen Chancen die anhand dessen aufzuspüren.

Und selbst wenn sie das taten, das Chakra sammelte sich nur in eben dieser Technik (oder beim Versuch in Sasukes Hand), machte es aber nicht möglich den Rest des Körpers auch wahrzunehmen, weil der einfach viel zu wenig Chakra beinhaltete.

Kurzum, die an sich gute Idee funktionierte in der Praxis kein bisschen und so kam es, dass sie am Abend des vierten Tages beide ziemlich ausgelaugt von ihren Experimenten und deutlich enttäuscht auf der Couch lagen.

„Du, Sasuke?“, murmelte Naruto und verdrückte sich ein Gähnen.

„Hn?“

„Irgendwie glaub ich nicht, dass das noch was wird…“, flüsterte er leise und gab sich alle Mühe sich die Enttäuschung nicht zu sehr anmerken zu lassen. Wie er es selbst befürchtet hatte, hatte er sich zu sehr von der schwachen Hoffnung, dass es doch irgendwie eine Möglichkeit gab, dass er weitermachen konnte, einnebeln lassen. Und jetzt wurde eben diese Hoffnung langsam, aber sicher zerstört. Da war nichts. Es würde immer dunkel bleiben und er würde nie wieder ein Ninja sein…

„Nein…“, murmelte Sasuke. Mehr sagte er nicht, aber es klang genau das in seiner Stimme mit, was Naruto auch fühlte: Totale Resignation, nach einem vorübergehenden Hochgefühl. Eine echt miese Sache.

„Hast du auch manchmal das Gefühl da wären noch Schemen?“, fragte Naruto einfach offen heraus. Er hatte die Frage bisher vermieden, aber irgendetwas sagte ihm, dass es eh nicht mehr schlimmer werden konnte.

„Was?“, Sasuke stutzte merklich, „Schemen? Kannst du doch noch…?!“

„Nein.“, bremste Naruto ihn schnell aus, „Ich kann nichts sehen und sie sind nicht echt. Ich hab die alte Oma gefragt und sie hat ein paar Tests gemacht. Es ist nicht echt, aber… ich glaube einfach manchmal, dass da in der Schwärze ein schwarzer Schatten ist… der sich dann als nichts herausstellt.“

Er seufzte einmal leise, dann stand er auf, streckte sich kurz und murmelte: „Ich geh duschen.“

Er war schon fast auf der Treppe, als er hörte, wie Sasuke leise murmelte: „Ich bilde es mir auch ein. Aber es ist nicht mehr als Einbildung…“

„Stimmt…“, murmelte Naruto und schlurfte lustlos nach oben. Mann, es war eine Weile her, dass er sich so mies gefühlt hatte…

Roles exchanged

Sasuke ärgerte sich über sich selbst. Es war klar gewesen, dass genau das passieren musste, was letzten Endes auch passiert war. Er hatte gedacht, er war blöd genug gewesen daran zu glauben, dass es trotz allem besser werden konnte. Er hatte Hoffnung in eine Sache gesteckt, nur, um dann erneut enttäuscht zu werden.

Natürlich hatten Kakashi und Sakura beinah sofort gemerkt, dass etwas vorgefallen war, als sie beide schlagartig schlechter gelaunt und kaum noch für irgendetwas zu begeistern waren. Sie hatten beide abgestritten, dass etwas war, in dem vollen Wissen, dass ihre Lüge nur zu offensichtlich war, aber was sollten sie auch sagen? Dass sie ernsthaft geglaubt hätten, dass sie auch blind noch als Ninja weitermachen konnten? Allein der Gedanke klang schon mehr als dämlich, stellte Sasuke trocken fest.

Naruto brauchte etwa drei Tage bis er über den Fehlschlag hinweggekommen war, bei Sasuke dauerte es deutlich länger. Nach etwas über drei Wochen war er endlich so weit sagen zu können, dass er es eigentlich hätte wissen sollen und dass er sich nicht wieder dermaßen auf etwas einlassen sollte, das letzten Endes ohnehin zum Scheitern verurteilt war.

Was genau er jetzt mit seinem Leben anfangen sollte, wusste er aber nach wie vor nicht und so lenkte er sich erst einmal damit ab, dass er aufnahm, was Iruka ihm über Schreibmaschinen erzählte und einige, wenn auch reichlich lustlose Versuche unternahm auf dem seltsamen Gerät tatsächlich etwas zu Papier zu bringen…
 

„Es war an einem Sonntagmorgen, als Ja… Ga… Ia…“

Es war tatsächlich Sonntag, allerdings früher Nachmittag, als Naruto ganz offensichtlich wieder einmal daran scheiterte einen Text zu lesen.

„Was soll das für ein Buchstabe sein?“, beschwerte er sich nach dem vierten Versuch grummelnd und diesmal konnte Sasuke ihm nicht mal einen Vorwurf daraus machen. Zumindest nicht direkt, da er erst selbst fühlen musste, wie gut oder schlecht lesbar das Zeichen tatsächlich war und das ging im Moment schlecht, da er gerade in der Küche stand und einen Teebeutel aus einer Tasse fischte. Naruto hingegen saß im Wohnzimmer, hatte sich bis eben ein paar selbst gebackene Kekse reingestopft und war nun von Sasuke als Versuchskaninchen für seine Schreibübung missbraucht worden. Hieß mit anderen Worten Sasuke hatte versucht etwas zu schreiben und es dann Naruto in die Hand gedrückt. So hatte er zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen, weil er den Idioten noch beschäftigte und damit verhindern konnte, dass der ihm allzu sehr auf die Nerven ging und gleichzeitig eine Kontrolle hatte, wie sicher er mit der Maschine bereits umgehen konnte.

Nicht allzu sicher, das wusste er selbst, schon allein weil er für einen halbseitigen Text über eine Stunde gebraucht hatte, aber wenn er nicht übte, würde er auch nie besser werden und so sah er es als leidige Pflicht an und versuchte es trotzdem. Abgesehen davon hatte es den angenehmen Nebeneffekt dass das Konzentrieren auf die Fingerbewegungen alle anderen, teils doch deutlich unangenehmeren Gedanken verdrängte.

„Hn, du kannst nur immer noch nicht richtig lesen.“, rief Sasuke im üblichen Tonfall zurück, während er mit dem Fuß die Abdeckung des Küchenmülleimers öffnete und den tropfenden Teebeutel hineinwarf. Er hörte deutlich, wie er im Inneren aufschlug, ließ den Deckel wieder hinabfallen, nahm sich seinen Roiboschtee und lief zurück Richtung Wohnzimmer.

Als er eintrat spürte er, dass Naruto irgendetwas mit seinem Chakra machte und fragte sich unwillkürlich, was der Quatsch sollte. Die Menge war zu hoch für eines ihrer fehlgeschlagenen Experimente (außerdem war auch Naruto nicht dumm genug, um es immer wieder zu probieren, wenn es nie funktionierte), er würde doch nicht etwa jetzt irgendeine sinnlose Übung…

„Ich kann so was von lesen, du kannst nur nicht schreiben. Und was bitte ist das? Das riecht ja grässlich.“

Sasuke schnaubte nur. Naruto beschwerte sich gerne und oft über seine unterschiedlichen Teesorten, die seiner Meinung nach alle „stanken“. Es war nicht weiter verwunderlich, dass diese Flachbirne keine Ahnung von einem gut riechenden Tee hatte und so machte sich Sasuke in aller Regel gar nicht erst die Mühe darauf überhaupt einzugehen und überging entsprechende Kommentare. Heute war ihm allerdings mal nach ein bisschen Ablenkung, sonst würde er nur wieder anfangen sich zu ärgern und Trübsal zu blasen und so setzte er übertrieben ernst zur Antwort an: „Du solltest auch ab und an mal einen Tee trinken, der könnte sogar gesund sei…“

In eben diesem Moment traf sein Fuß auf einen vollkommen unerwarteten Widerstand. Sasuke war völlig verwirrt, er wusste genau wo er war - drei Schritte von der Tür ins Wohnzimmer entfernt –, er wusste genau, was in diesem Raum wo war und dass der ihm nächstgelegene Gegenstand – der Sessel, in dem Naruto zumindest gesessen hatte, als er den Raum verließ und in dem er aller Wahrscheinlichkeit nach noch immer saß – noch mindestens zwei Schritte von ihm entfernt war. Und er wusste, dass zwischen ihm und besagtem Sessel nichts hätte sein sollen.

Seit er das ganze Haus im Kopf hatte und sich darin bewegen konnte, indem er seiner gedanklichen Karte folgte, rechnete Sasuke nicht mehr mit Hindernissen. Ab und an würde etwas auf dem Boden liegen, das heruntergefallen war oder das Naruto hatte fallen lassen (vorzugsweise Socken, die Sasuke schon im ganzen Haus gefunden hatte) und ein-, zweimal war es auch vorgekommen, dass jemand Türen nicht richtig geöffnet oder geschlossen hatte, aber das war auch schon alles und so hatte er mit allem gerechnet, aber nicht damit, dass er mitten im Schritt auf irgendetwas stoßen würde.

Und dieses „etwas“ war auch noch verdammt hart, bremste seinen Schritt schlagartig und ließ ihn, von dem unerwarteten Halt überrascht nach vorne stolpern. Sasuke ahnte Übles, wenn er sich nicht verdammt irrte, würde er vorwärts direkt in Naruto hineinfallen und ihm vermutlich seinen schönen, heißen Tee auch noch überkippen. Aber leider war nichts in der Nähe mit dem er sich hätte abfangen können, ganz zu schweigen davon, dass er immer noch zu perplex war, um überhaupt zu reagieren (auch wenn er das hinterher auf jeden Fall leugnen würde!).

Bruchteile von Sekunden lang wartete er auf den Aufschrei seitens Narutos und darauf unsanft auf diesem drauf zu landen, doch… der Fall blieb aus.

Hände schlossen sich um seine Handgelenke und Sasuke reagierte instinktiv, indem er die Arme streckte und möglichst steif hielt, wodurch seine Vorwärtsbewegung gebremst wurde, noch ehe er aufschlagen konnte.

Nun vollends verwirrt erstarrte er in dieser Situation und versuchte angestrengt zu verstehen, was gerade passiert war. Naruto musste im Sessel vor ihm gesessen haben, soviel stand fest, aber es war absolut ausgeschlossen, dass er so zielsicher seine Arme fassen und ihn aufhalten konnte, was bedeutete, es musste noch jemand anderes hier sein. Aber eigentlich waren sie allein.

Kakashi war vor zwei Tagen verletzt von einer Mission zurückgekommen, nicht wirklich schwer, aber doch heftig genug, dass er vorerst zur Beobachtung im Krankenhaus geblieben war. Sakura war ebenfalls dort, sie hatte ersatzweise einen Dienst übernommen, als eine der Schwestern ausgefallen war. Normalerweise wurde Sakura nie in den Krankenhausdienstplan mit aufgenommen, weil Tsunade tatsächlich dabei war durchzusetzen, dass Teams nicht ohne mindestens ein Mitglied mit medizinischen Grundkenntnissen loszogen und Sakura damit ein wichtiger Bestandteil vieler Missionen war, aber wenn es nötig wurde, half sie ab und zu aus und letzten Endes wurden auch Krankenschwestern und Ärzte einmal krank.

Iruka hatte heute ebenfalls keine Zeit. Sasuke wusste nicht, wo genau er steckte, aber er hatte eindeutig gesagt, dass er zum Üben erst wieder am Dienstag würde vorbeikommen können. Alle anderen hatten keinen Schlüssel, sie liehen sich normalerweise den von Sakura aus, wenn sie vorbeikamen. Ein paar von ihren Altersgenossen traute er zwar durchaus zu, dass sie sich auch so Zutritt zum Haus beschaffen konnten, aber wieso sollten sie das tun?

Langsam beruhigte sich Sasuke und ihm wurde schlagartig zumindest klar, worüber er gestolpert war. Fast hätte er sich selbst dafür eine runter gehauen. Wie hatte er das vergessen können?

Sie hatten heute Morgen bereits feststellen müssen, dass eine der teuren Bodendielen, mit denen der Wohnzimmerboden ausgelegt war, sich offenbar verabschiedet hatte und nun schräg nach oben in die Luft stand. Naruto war seit dem bestimmt schon fünfmal darüber gestolpert, während Sasuke eigentlich immer daran gedacht hatte sie in weitem Bogen zu umgehen. Bis eben. Vom Schreibtisch in der linken Ecke des Zimmers in die Küche war er nicht mal in die Nähe gekommen, aber die Couch befand sich nun mal rechts und damit war er quasi genau drauf zugelaufen.

Er verzog mürrisch das Gesicht.

Dann aber wurde ihm plötzlich noch etwas anderes bewusst und sofort vergas er seine vorherigen Gedanken wieder. Die Hände, die ihn noch immer hielten, hatten ihn von unten gegriffen. Wer immer es war, er befand sich vor ihm. Genau genommen, er saß vor ihm. Und das bedeutete, es war doch…

„Wie hast du das gemacht?!“, platzte er ohne weiter nachzudenken heraus und dachte endlich daran sein Gewicht seitlich und nach hinten zu verlagern, sodass er Narutos stützenden Griff nicht länger brauchte und den linken Fuß über die verdammte Diele heben konnte, um endlich wieder halbwegs normal dazustehen.

„Ich… weiß es nicht.“, brachte Naruto leise stotternd hervor und klang nicht weniger fassungslos als Sasuke sich gerade fühlte.
 

„Okay, lass es mich noch mal zusammenfassen.“, meinte Sasuke kurz darauf ruhig. Inzwischen saßen sie beide nebeneinander auf der Couch und hatten wenig erfolgreich versucht zu rekonstruieren, was eben geschehen war, „Du hast also mit deinem Rasengan herumgespielt…“

„Nein“, unterbrach Naruto ihn sofort, „hab’ ich nicht. Ich habe versucht eine Chakraschicht darum zu legen, ich glaube, das Rasengan selbst ist dabei eher uninteressant…“

Sasuke wusste, dass Naruto es inzwischen irgendwie fertig gebracht hatte die Technik doch ohne das Aufrufen von Doppelgängern fertig zu bringen, aber als Jiraiya letztens doch mal wieder vorbei gesehen hatte (entweder es gefiel ihm diesmal doch sehr gut in Konoha oder er machte sich mehr Sorgen, als Sasuke dem alten Kauz zugetraut hatte), hatte er sich über die Form lustig gemacht. Offenbar war es sehr eiförmig geworden, wenn man bedachte, dass der amüsierte Kommentar dazu gewesen war, ob Naruto neuerdings „passend zu Ostern lieber Raseneier als Rasengan“ lernen wollte. Das war auch der Grund warum Naruto Sasukes Text offenbar zu langweilig gewesen war und er statt einfach eine halbe Minute zu warten lieber versucht hatte seine Technik wieder zu stabilisieren.

„Du hattest also quasi eine Schicht Chakra auf der Handinnenfläche?“, versicherte sich Sasuke gedankenversunken. Sein erster Gedanke war gewesen, dass Naruto, warum auch immer, irgendwie wieder hatte sehen können. Ihm Nachhinein war das Unsinn, da Tsunade ihnen unmissverständlich erklärt hatte, dass das einmal zerstörte Gewebe niemals wieder nachwachsen würde, aber in dem Augenblick schien es einfach die einzige Erklärung. Sasuke war sich nicht sicher, wie er reagiert hätte, wenn Naruto – im Gegensatz zu ihm – auf einmal wirklich wieder etwas hätte sehen können. Noch vor wenigen Wochen wäre er ganz klar eifersüchtig gewesen, aber seit sie wieder angefangen hatten Dinge zusammen zu lernen und Sasuke das Leben wenigstens ansatzweise annehmen konnte, wie es war… es bestand eine winzige Möglichkeit, dass er sich sogar für Naruto hätte freuen können.

Aber allein Narutos Verblüffung, die eindeutige Fassungslosigkeit, die in seiner Stimme mitschwang und die Art, wie seine Hände auf einmal leicht gezittert hatten, als Sasuke nachfragte, machten es sicher: Naruto verstand selbst nicht, was er getan hatte. Oder besser wie. Und das galt es nun doch herauszufinden, auch wenn Sasuke innerlich schon wieder fluchte, weil er fürchtete wieder einer Scheinhoffnung auf den Leim zu gehen, er machte weiter.

„Genau.“

„Und dann? Du hast gehört, dass ich über die Diele gestolpert bin?“, seltsamerweise machte es ihm erstaunlich wenig aus, das jetzt einfach so zu sagen. Offenbar teilte sein leicht zu verletzender Stolz ausnahmsweise mal seine Meinung, dass die Ursache hinter Narutos Reaktion deutlich interessanter war als die Tatsache, dass er fast auf die Fresse geknallt wäre.

„Ja und ich dachte, dass du mir bestimmt gleich deinen stinkenden Tee überkippst und hab die Hände in deine Richtung ausgestreckt. Ja, ich weiß, sag nichts, die Aktion war sinnlos, es war mehr eine Angewohnheit… auf jeden Fall war dann meine Chakraschicht auf einmal weg. Ich dachte, ich hätte die Konzentration verloren, aber im nächsten Moment…“, Naruto stockte, was Sasuke nur noch unruhiger machte und fast sofort nachhaken ließ: „Was dann?“

Bestimmt zuckte Naruto mit den Schultern. „Keine Ahnung, das ist der Punkt, den ich nicht verstehe. Im nächsten Moment hab ich ganz kurz gedacht die Schicht wäre wieder da und dann wusste ich einfach, wohin ich greifen muss. Ich kann es wirklich nicht erklären, ich konnte nichts sehen oder so, es war wirklich einfach ein Wissen. Ich hab nicht weiter drüber nachgedacht, ich hab einfach zugepackt und… es hat gestimmt?“
 

Es war wieder einmal einer dieser Tage gewesen, an denen Yamato sich fragte, warum er überhaupt aus dem Bett aufstand. Spätestens, nachdem er quasi aus dem Bett gefallen war, weil sein Fuß sich in der Decke verhedderte oder nachdem der Toaster den Geist aufgegeben und aus seinem Toast ein unansehnliches Stück Kohle gemacht hatte, hätte er es eigentlich wissen und sich grade wieder hinlegen sollen.

Stattdessen war er aber aufgestanden und sogar Kakashis Bitte ihn im Krankenhaus zu besuchen nachgekommen, nur, um dann eine noch viel ungewöhnlichere Bitte zu bekommen…

Schon als er die Tür ins kleine, typisch krankenhausartig eingerichtete Einzelzimmer öffnete und ihn Kakashi mit einem unüblich ernsten Blick empfing hatte er nichts Gutes geahnt. Zu dem Zeitpunkt hatte er es aber noch versucht zu überspielen, ein Lächeln aufgesetzt und war trotzdem eingetreten.

„Guten Morgen, Senpai, wie…“, doch Kakashi hatte quasi sofort die Hand gehoben, um ihn zu unterbrechen. Sie war noch verbunden, aber es war das letzte, offensichtliche Zeichen einer Verletzung und nach allem, was die Krankenschwester am Empfang gesagt hatte, sollte Kakashi heute auch entlassen werden.

„Danke, dass du gekommen bist.“ Oh nein, wenn er schon so anfing, konnte das ja was werden… „Ich weiß, die Bitte ist etwas seltsam, aber…“ Kakashi fuhr sich einmal durch die Haare und diese an sich vollkommen normale Geste wirkte bei dem sonst so ruhigen und gelassenen Ninja doch leicht fehl am Platz. Das merkte er wohl auch selbst, denn Yamato erahnte unter der Maske ein entschuldigendes Lächeln, als Kakashi auf den Stuhl neben seinem Bett deutete und weiter ausholte, „Okay, von vorne. Du hast Naruto und Sasuke doch nun auch schon getroffen, was hattest du für einen Eindruck von ihnen?“

Die unerwartete Frage ließ Yamato kurz blinzeln, ehe er kurz darüber nachdachte. „Naruto ist eine von diesen Frohnaturen, die fast nie schlechte Laune bekommen, er ist laut, unruhig und hat fast schon zu viel Energie.“, antwortete er schließlich offen, „Bei Sasuke bin ich mir nicht sicher. Er wirkte verschlossen und distanziert, aber das kann auch durchaus daran gelegen haben, dass er mich nicht kannte und, naja, er wirkte nicht so wirklich…“

Ihm fehlten die Worte, um es zu beschreiben, aber bevor er auch nur dazu kam den Versuch einer Erklärung zu starten, nahm Kakashi ihm das ab: „Froh?“ Ein leises Seufzen folgte. „Das mag stimmen, aber dein erster Eindruck war wohl etwas dadurch getrübt, dass Sasuke gerade mal wieder eine der Grenzen erkannt hat, die ihm seine Blindheit setzt.“, erklärte er ernst. Zu ernst. Und Yamato verstummte, weil er schlicht nicht wusste, was er dazu sagen sollte. Aber Kakashi schien auch keine Antwort zu erwarten, stattdessen hielt er ihm ein Foto entgegen, das ganz offensichtlich ihn und seine Schüler zeigte.

„Ich weiß nicht genau, was vorgefallen ist, aber irgendetwas hat sie vor kurzer Zeit extrem heruntergezogen, ich wollte, dass sie mal wieder etwas haben, worüber sie sich freuen können, ich weiß, das ist eine seltsame Bitte, aber…“
 

Das war jetzt zwei Stunden her und Yamato fragte sich noch immer, warum er darauf eingegangen war, als er vor der Haustür des Uchiha-Anwesens stand und geistesabwesend auf die Türklingel drückte. In seiner Hand hielt er zwei Holzrahmen, die er selbst hergestellt hatte. Es war einfach gewesen, eine Sache weniger Minuten, viel länger hatte er dafür gebraucht sich wirklich durchzuringen, sie ihnen tatsächlich zu geben, denn im Gegensatz zu Kakashi war er keineswegs überzeugt davon, dass die beiden sich wirklich drüber freuen würden.

Von Innen erklangen eilige Schritte, dann wurde die Tür einen Spalt aufgemacht und ein blonder Haarschopf lugte heraus. Wieder waren seine Augen mit einer Sonnenbrille verborgen und Yamato fragte sich unwillkürlich wie sie wohl aussehen mussten, wenn die Jungen sie verborgen hielten, obwohl sie alleine Zuhause waren. „Ja?“

Naruto legte den Kopf leicht schief, aber sein Blick, soweit man das noch so nennen konnte, ruhte tatsächlich auf Yamatos Gesicht, was doch leicht… seltsam wirkte. Und wieder nur bestätigte, was er eigentlich längst wusste: Narutos Gehör war ausgezeichnet.

„Hallo, Naruto, ich bin’s, Yamato.“, erklärte er ein wenig verspätet, als sich bereits erste zweifelnde Falten auf Narutos Stirn zeigten. Doch kaum hatte er ausgesprochen, hellte sich das Gesicht des Jungen schlagartig auf, er trat lächelnd einen Schritt zurück und zog dabei die Tür gänzlich auf.

„Oh, hallo, kommen Sie doch rein.“, meinte er fast schon fröhlich. Da war keine Spur des Trübsals oder der Niedergeschlagenheit, von der Kakashi gesprochen hatte. Allerdings hatte letzterer ihm auch gesagt, dass vor allem Naruto sehr gut darin war, so etwas vor anderen, die ihn nicht gut genug kannten, um es trotzdem zu merken, verstecken konnte. „Haben Sie heute Zeit?“, fragte Naruto gerade neugierig.

Yamato lächelte sacht. „Nein, nicht lange, aber Kakashi hat mich gebeten euch etwas zu bringen. Wo ist Sasuke?“

„Oh… im Wohnzimmer.“, meinte Naruto und deutete über seine Schulter nach hinten, überraschend zielsicher auf eine Tür, hinter der Yamato aus seiner Perspektive nur einen Tisch erahnen konnte. Schnell streifte er seine Sandalen ab und schlüpfte in die bereitliegenden Hausschuhe. Naruto schien irgendwie zu wissen, was genau er tat, denn kaum war er fertig, machte der Junge eine einladende Bewegung ihm zu folgen und lief dann voraus.

Yamato konnte nicht anders, als staunen. Er hatte den Jungen bisher nur das eine Mal am Ramenstand gesehen und selbst da war er schon fasziniert davon, wie sicher seine Bewegungen waren, aber es war kein Vergleich dazu, wie er sich hier im Haus bewegte. Die Arme lässig hinter dem Kopf verschränkt und in gemütlichem Schlenderschritt lief er so ruhig und natürlich durch den Flur, dass es fast schwer war sich daran zu erinnern, dass er überhaupt nichts sehen konnte.

Das Wohnzimmer war ein helles, großes Zimmer, das Yamato auf Anhieb gefiel. Der Tisch, den er aus dem Flur heraus gesehen hatte, stellte sich als großer Schreibtisch heraus, auf dem eine Schreibmaschine stand und ein… anderes Gerät stand, das er nicht kannte. Daneben zwei große Stapel mit Papier und ein paar beschriebene Zettel, sowohl mit Blindenschrift, als auch mit der Schreibmaschine getippt. Rechts davon war eine sehr gemütlich aussehende Eckcouch mit einem Sessel, Fernseher und Fernsehtischchen aufgestellt. An den Wänden standen außerdem Bücherregale und eine kleine Kommode.

Sasuke stand vor dem Fernsehtisch, den Kopf leicht seitlich gedreht und es schien fast, als würde er aus dem Fenster sehen. Tatsächlich aber merkte Yamato nach wenigen Sekunden, dass er viel mehr sein Ohr in Richtung Tür gedreht hatte und wohl viel mehr lauschte – und ziemlich sicher jedes Wort gehört hatte.

„Hallo, Sasuke.“, grüßte er ein wenig nervös und erntete als Antwort nur ein steifes Nicken.

„Sie sollen uns etwas geben?“, fragte er nach kurzem Schweigen und in seiner Stimme schwang doch eine ganz leichte Neugier mit, die Yamato schmunzeln ließ, besonders, als Sasuke nun doch sein Gesicht zu ihm herüberdrehte und leicht fragend eine Augenbraue nach oben wanderte.
 

Yamato war tatsächlich nicht lange geblieben, nachdem er abgegeben hatte, weswegen er gekommen war, hatte er nur einen Kommentar über den angenehmen Teegeruch gemacht (was Sasuke ein Schmunzeln und Naruto ein Stöhnen entlockt hatte), dann war er wieder gegangen.

Nun saß Sasuke wieder im Sessel und die Finger seiner rechten Hand strichen immer wieder und wieder über das Bild im Holzrahmen, um das Kakashi Yamato gebeten hatte. Es war ein Abbild ihres ersten Teamfotos, wie er schnell festgestellt hatte, aber im Gegensatz zu diesem, mit dem sie schon lange nichts mehr anfangen konnten, war das Holzbild dreidimensional und erstaunlich detailliert nachempfunden. Wenn er sich darauf konzentrierte, meinte Sasuke sogar seinen und Narutos widerwilligen Gesichtsausdruck spüren zu können.

Yamato war außerdem so nett gewesen und hatte ihnen die kaputte Diele repariert, wie genau er das gemacht hatte, wusste Sasuke nicht, die einzige Erklärung, die er gegeben hatte war, dass er sehr gut im Umgang mit Holz war, aber Sasuke war in dem Moment nicht neugierig genug gewesen, um nachzufragen, da ihn das Bild in seiner Hand viel mehr interessierte.

Er hatte bisher versucht sich einzureden, dass er Fotos ohnehin nie gemocht hatte und dass es nicht weiter schlimm war, wenn er es nie wieder zu Gesicht bekommen würde, aber es jetzt in der Hand zu halten, in einer Form, mit der er tatsächlich etwas anfangen konnte, ließ ihn doch wieder ungewohnt melancholisch werden.

Naruto schien es nicht viel anders zu ergehen, denn seit er seine Kopie des Bildes in die Hand gedrückt bekommen hatte, war er seltsam stumm geworden.

„Ich glaube nicht, dass wir es versuchen sollten.“, meinte er irgendwann, als Sasuke schon lange nicht mehr damit rechnete, dass er irgendetwas sagen würde, vollkommen zusammenhanglos.

„Hn?“

Naruto seufzte leise und Sasuke hörte das Treffen von Glas und Holz und ging davon aus, dass Naruto das Foto auf den Couchtisch abgestellt hatte. Seine eigenen Finger strichen immer noch darüber, bei dem Versuch es wieder so genau wie irgendwie möglich ins Gedächtnis zu bekommen, aber zu seinem eigenen Ärger musste er feststellen, dass er bereits angefangen hatte zu vergessen, welche Farbe einige Dinge hatten. Auch wenn er sein Shirt und auch die Haarfarben von Naruto, Sakura und Kakashi noch problemlos zuordnen konnte, bei Sakuras Kleid bekam er schon Probleme. Es war rot, aber… was für ein rot?

„Das… was mir vorhin passiert ist. Ich glaube nicht, dass wir es versuchen sollten. Es wird nur wieder schief gehen und dann werden wir wieder…“

Naruto brachte den Satz nicht zu Ende, aber da war auch gar nicht nötig, Sasuke wusste ganz genau, was er hatte sagen wollen. Ihm selbst lag der letzte Fehlversuch noch genauso schwer im Magen und jeder weitere würde es sicher nicht im Geringsten besser machen. Es war offensichtlich, dass Naruto Angst hatte – Angst vor den Folgen, wenn es wieder nichts wurde und die Wahrheit, die er niemals ausgesprochen hätte, war, dass es Sasuke nicht anders ging. Er wollte sich gar nicht vorstellen, wie es wäre, wenn das ganze schief ging. Aber auf der anderen Seite wurde ihm auch immer mehr klar, dass er nicht zufrieden sein würde, nicht zufrieden sein konnte, wenn er für den Rest seines Lebens irgendwo sitzen und nichts tun würde. Und selbst wenn sie irgendwo irgendeine Arbeit für ihn finden würden, er konnte so kein Ninja mehr sein und das würde ihm viel mehr zu schaffen machen, als die Blindheit selbst es tat.

„Ich weiß, aber ich will mit nicht vorwerfen es nicht wenigstens versucht zu haben.“, sprach er nach einem Moment der Stille einfach seine Gedanken aus, „Für mich war immer klar, dass ich ein Ninja werden würde, von klein auf, das war… ist mein Leben. Und bei dir ist es doch auch nicht anders, oder?“

Naruto schwieg.

„Du übst mit mir und Kakashi die Kata, du lernst neue Bewegungen, du arbeitest sogar wenn wir allein sind an deinem Rasengan, du kannst mir nicht erzählen, dass du das wegen nichts tust. Du hängst doch genauso daran, wie ich, oder?“

Naruto schwieg noch immer.

„Mann, Naruto, sei mal ehrlich. Ich weiß, dass du mir sagen willst, ich soll es vergessen und hinter mir lassen, weil es nie zurückkommen wird und das nun mal jetzt unser Leben ist. Dass ich drüber wegkommen und weitermachen soll mit dem was ich habe. Aber eigentlich bist du doch genauso wenig glücklich damit, oder? Oder?

Naruto schwieg und Sasuke hatte das Gefühl, dass er ihn am liebsten anschreien würde. Er hatte kein Bild, dass zu Narutos Schweigen passte, er hatte ihn nie still genug erlebt, um eine vergleichbare Situation zu haben. Vielleicht biss er sich gerade auf die Lippe, vielleicht sah er betreten zu Boden, vielleicht blickte er auch abschätzend in Sasukes Richtung und versuchte herauszufinden, ob er das wirklich ernst meinte.

Auf jeden Fall dauerte es eine gefühlte Ewigkeit, bis Naruto antwortete und selbst als er es tat, klang es falsch. Er war zu leise, zu ernst, zu… traurig. „Ich habe nie behauptet, dass ich es nicht vermisse, aber stell dir vor, es geht wirklich schief. Willst du das echt riskieren?“

Die ganze Situation war total paradox und verkehrt. Eigentlich hätte Naruto derjenige sein sollen, der voller Hoffnung und Schwung jede noch so kleine Chance ergriff und Sasuke hätte der Vernunft halber dagegen argumentieren und versuchen sollen ihn aufzuhalten. Aber diesmal war es anders. Dieses eine Mal sprach aus Naruto die Stimme der Vernunft und Sasukes Rolle war die der letzten, verzweifelten Hoffnung.

Auch wenn es Narutos Stimme war, die bittend und fast schon verzweifelt klang. Er musste sich wirklich große Sorgen machen – wohl eher um ihn, dachte Sasuke, denn Naruto selbst schaffte es meistens schnell wieder zurück in die Bahn.

Er hatte vollkommen Recht und es war riskant. Aber, ja, Sasuke brauchte nicht lange darüber nachzudenken, die Antwort war offensichtlich. „Ja.“

„Was?“, fragte Naruto verwirrt und der Hauch eines Lächelns huschte über Sasukes Gesicht.

„Ja, ich will das riskieren und ehe du etwas sagst…“, er hob die Hand, als wollte er ihn stoppen, obwohl ihm vollkommen klar war, wie fruchtlos diese Geste wirklich war, sie gab ihm immer das Gefühl von Normalität und deswegen hielt er an so etwas fest, „Ich weiß, wie groß das Risiko ist. Ich will auch nicht wieder enttäuscht werden und… es tut mir leid, dass ich mich letztes Mal wieder so habe herunterziehen lassen. Ich…“

Ehe er weiter sprechen konnte, landeten warme Hände an seinem Hals und seiner Wange, fuhren vorsichtig über sein Gesicht, zu seinen Mundwinkeln, hoch zu den Augen und von dort zur Stirn.

„Sasuke…“, setzte er dann wieder so seltsam leise an, „Ich… will es auch versuchen, aber, ich will nicht, dass…“

Diesmal unterbrach Sasuke ihn: „Ich verspreche dir, dass ich mich nicht wieder so abschotten werde.“ Das Versprechen kostete ihn einiges an Überwindung, denn er wusste, dass er sein Wort halten musste. Naruto würde dafür sorgen, koste es, was es wolle. „Ich…“ Er seufzte leise. „Wenn es nicht funktioniert, werde ich versuchen es aufzugeben und mir eine andere Beschäftigung suchen, ich könnte… Schriftsteller werden?“, schlug er im halben Versuch eines Scherzes vor und zu seiner ungemeinen Überraschung hörte er in Narutos Stimme ein Lächeln, als der seine Hände wieder herunternahm und antwortete.

„Wer würde denn etwas lesen wollen, dass du geschrieben hast?“, fragte er ironisch, wurde dann aber schlagartig wieder ernst. „Gut, versuchen wir es, aber… mach dir nicht zu große Hoffnungen, okay?“
 

Ungefähr zehn Versuche waren nötig, bis Sasuke eine sehr grobe Ahnung hatte, was Naruto ohne es zu wissen oder zu wollen getan hatte.

Die dünne Schicht Chakra, die er auf seiner Handfläche gehabt hatte, hatte sich gelöst, war in gerade Linie von seiner Hand abgestoßen worden, als er in einer automatischen Abwehrbewegung die Handfläche nach vorne gestreckt hatte. Er war davon ausgegangen, dass das Chakra verschwunden war, aber in Wahrheit war es gegen Sasukes Hände gestoßen und daran zurückgeprallt. Dieses Chakraecho wiederum hatte dann Narutos Hände erneut getroffen und war von dort aus verpufft, allerdings nicht ohne Naruto eine vage Ahnung davon, wo Sasukes Hände waren, zu hinterlassen.

Naruto selbst hatte das ganze nicht bewusst wahrgenommen, aber offenbar hatte sein Körper schnell genug verstanden, damit er instinktiv reagieren und Sasuke abfangen konnte.

Allerdings schaffte Naruto es nicht das ganze zu wiederholen, jedes Mal, wenn Sasuke seine Hände nach ihm ausstreckte, verpuffte das Chakra entweder komplett ohne Effekt oder blieb sofort an der Haut kleben.

Sasuke wusste, dass sie sehr viel Geduld und Übung brauchen würden, wenn sie das ernsthaft würden benutzen wollen, er schaffte es auf die Schnelle nicht mal überhaupt das Chakra abzustoßen, bei ihm blieb es immer an der Hand hängen.

Außerdem gab es noch einen anderen, gewaltigen Nachteil, der Sasuke entgegen allem, was er sich vorgenommen hatte, bereits nach kürzester Zeit wieder an dem Vorhaben zweifeln ließ. Denn diese zehn Versuche, die sie bisher gemacht hatten, hatten gereicht, um Naruto vollkommen auszulaugen.

Er wusste, dass Naruto sich eben hatte erschöpft zurücksinken lassen und die schwere Atmung taten ein Übriges, um zu verraten, dass er wirklich vollkommen fertig war. Von zehn Versuchen. Wenn sie diese Technik ernsthaft würden benutzen wollen, müssten sie einen Weg finden den Chakraverbrauch drastisch zu reduzieren. Immerhin brachte es ihnen auch nichts, wenn sie zehnmal pro Tag eine grobe Vorstellung irgendeiner Position hatten. Da konnte er sich lieber gleich den Inhalt seines ersten Romans überlegen…

Die Energiekosten waren ein Problem, denn wenn schon Naruto so schnell am Ende war, war klar, dass Sasuke keine sechs Versuche pro Tag übrig hatte. Aber sie hatten Zeit und es gab nichts, wofür sie ihr Chakra sonst hätten sparen müssen.

Sasuke hatte auch schon eine Idee, denn wenn sie es irgendwie schaffen konnten, irgendwie musste es möglich sein, das einmal abgegebene Chakra auch wieder aufzunehmen, ohne, dass es nach dem Gebrauch sofort verpuffte. Das würde es nämlich unter Umständen auch möglich machen, die Technik, wenn sie denn funktionieren sollte, auch über einen längeren Zeitraum wiederholt einzusetzen, ohne, dass man gleich drohte vor Erschöpfung umzukippen.

Und er spürte selbst, dass er dabei war sich hineinzusteigern, aber es war einfach unaufhaltbar. Zu verlockend war die Aussicht vielleicht doch wieder…

„Sasuke?“, gähnte Naruto müde.

„Ja?“, fragte er aus seinen Gedanken gerissen und somit noch leicht abwesend.

„Wir sollten keinem davon erzählen…“, murmelte er und klang, als wäre er wirklich haarscharf davor einfach einzuschlafen, was Sasuke nicht mal wirklich wundern würde.

„Du meinst, damit sie sich keine Hoffnungen machen?“

„Mmh…“, nuschelte Naruto noch, dann wechselte schlagartig sein Atemmuster und Sasuke lächelte traurig. Er hatte ihn dazu getrieben es wieder und wieder zu versuchen und Naruto war echt bis zum äußersten gegangen.

Er tastete vorsichtig nach rechts und hob ihn dann so behutsam es irgendwie ging, damit er Naruto nicht weckte, hoch, um ihn ins Bett zu tragen. Schwachkopf, dachte immer nur an alle anderen…

Colourful

Es war laut. Es war heiß und laut. Heiß, laut und zu allem Überfluss auch noch verdammt voll, wie Naruto mehr als missmutig feststellte. Er konnte nur zu deutlich die Menschenmengen hören (und riechen, Sommer war manchmal echt nichts Schönes…), die sich um ihn herum bewegten. Mädchen, die mit ihren Freundinnen zusammen kicherten, Halbstarke, die sich laut über die neusten Trends unterhielten, Frauen, die mit ihren Ehemännern über Farben und Schnitte diskutierten und er und Sakura genau mittendrin.

Im Stillen fluchte er auf den verdammten Wachstumsschub, der es an so einem heißen Tag nötig machte, dass er in einem Kaufhaus stand und neue Klamotten brauchte.

Leider führte nicht wirklich ein Weg dran vorbei, seit Sakura festgestellt hatte, dass seine (eigentlich) Dreiviertelhose ihm kaum noch bis übers Knie reichte und das eine oder andere T-Shirt schlagartig kaum noch Ärmel hatte.

Sasuke, der Dreckskerl, hatte erst kurz vor ihrem „Unfall“ neue Klamotten gekauft und war deshalb verschont geblieben, aber Naruto hatte nicht wirklich eine Wahl, als Sakura zu bitten mit ihm einkaufen zu gehen und da sie morgen zu einer mindestens einwöchigen Mission aufbrechen würde und er alles andere als erpicht darauf war mit Kakashi oder Jiraiya (der immer noch in der Nähe blieb und mit schöner Regelmäßigkeit alle paar Wochen mal hereinschneite) nach neuen Klamotten zu suchen, waren sie also in aller Herrgottsfrühe (kurz nach zehn Uhr morgens) aufgebrochen, um sich ins Gewühl zu stürzen.

Mittlerweile war es kurz nach Mittag und Naruto hatte Hunger, aber Sakura hatte beschlossen, dass er erst noch mindestens eine Hose brauchte, die auch so passte, wie sie sollte, was zu einer eher langweiligen Diskussion geführt hatte.

Sein Leitsatz für den Tag war eigentlich einfach und klar gewesen: „Schwarz und Orange.“

Leider ließ Sakura es sich trotzdem nicht nehmen ihm noch bestimmt tausend andere Farben vorzuschlagen – und das war es, was eigentlich Zeit kostete…

„Naruto, ich hab hier eine knielange Hose mit schön genähten Taschen in Weinrot, möchtest du die nicht mal anprobieren? Ich bin sicher, die würde super zu dir passen!“, meinte sie gerade ganz begeistert.

Naruto zwang sich zu einem halben Lächeln und unterdrückte ein Seufzen. Dann versuchte er möglichst ruhig zu erklären: „Sakura, ich bin nicht grade ein großer Fan von Weinrot, hast du wenigstens was, das weniger… ins lilane geht? Zinnober oder so was?“

Er hörte, wie zwei Leute (vermutlich ein junger Mann und eine Frau, den Schritten nach) gerade an ihnen vorbeiliefen, als er das sagte und eine Frauenstimme leise wisperte: „Hast du das gehört?“

Amüsiert wand Naruto absichtlich sein Gesicht in ihre Richtung und lächelte breit, woraufhin sie einen leisen Quietschton ausstieß und die Schritte eindeutig schneller wurden. Er musste ein allzu lautes Kichern unterdrücken und sich wirklich zwingen, sich wieder auf Sakura und ihre Hosensuche zu konzentrieren.

Es war nicht die erste Begegnung dieser Art heute gewesen und offenbar schienen es viele Leute aus irgendeinem Grund seltsam zu finden, dass es einem Blinden nicht egal war, welche Farbe er trug. Allein die Annahme war in Narutos Augen Schwachsinn, aber er erheiterte sich sehr darüber, wie erschrocken alle machten, dass sie wegkamen, wenn er auch nur wie zufällig in ihre Richtung sah.

„Oh, hier!“, rief Sakura gerade in dem Moment erfreut aus. Blinzelnd folgte Naruto ihrer Stimme ein paar Schritt vorwärts, die sie auf ihrer Suche offenbar weitergegangen war, ohne, dass er es gemerkt hatte und ehe er noch irgendwas sagen konnte, drückte sie ihm ein Stück Stoff in die Hand.

„Derselbe Schnitt, deine Größe, Zinnoberrot.“, erklärte sie fröhlich, „Probierst du sie mal an?“

Ein paar Sekunden lang war Naruto zu verdutzt, um darauf zu reagieren, dann fing er laut an zu lachen. „Schon gut, schon gut, zeigst du mir den Weg zu den Umkleidekabinen?“

Kaum hatte sie das getan und er sich umgezogen, klatschte sie begeistert in die Hände. „Oh, Naruto, das sieht wirklich gut aus, so was solltest du echt öfter mal probieren, wenn du dazu jetzt dieses schwarze Shirt von vorhin anziehst…“, sie klang furchtbar verträumt und Naruto strich verwundert über den weichen Stoff der Hose. Sie war tatsächlich bequem, aber er war sich eigentlich ziemlich sicher, dass ihm Dunkelrot normalerweise nicht stand. Er war sich aber auch sehr sicher, dass Sakura ihn nicht wissentlich anlügen würde.

Wie gerne würde er jetzt einen Blick in den Spiegel werfen…
 

Kaum, dass er sich überschwänglich von Sakura verabschiedet und sich bei ihr bedankt hatte, ließ er ein leises Seufzen los, tapste ins Wohnzimmer und ließ den Berg von Tüten erstmal auf die Couch fallen.

Er konnte Atemgeräusche neben sich hören, mehr aber auch nicht und so fragte er anstelle einer Begrüßung: „Schläfst du?“

Es folgte ein kurzes Schnauben, dann ein leises Klicken und Sasuke fragte zurück: „Was ist?“

Naruto schüttelte amüsiert den Kopf. Trotz allem hatte seine gute Laune angehalten, vielleicht auch, weil Sakura anschließend noch Ichiraku zugestimmt hatte, wahrscheinlicher aber, weil er diese lästige Sache aus dem Kopf hatte.

„Schon gut, hör weiter deine Musik, Schlafmütze.“, meinte Naruto nur, denn er war sich nun doch sicher, dass Sasuke mit dem Walkman in der Hand auf der Couch lümmelte und vermutlich wirklich kurz vorm Schlafen gewesen war.

Nicht weiter verwunderlich, da ihr „Training“ doch schnell sehr erschöpfend wurde. Seine Entdeckung war etwa drei Wochen her und obwohl sie wirklich ausnahmslos jeden Tag geübt hatten, war der Verbrauch kein bisschen weniger geworden.

Anfangs war es wirklich extrem frustrierend gewesen, zumindest für Sasuke, denn obwohl Naruto es nach knapp einer Woche doch wenigstens auf Kommando fertig brachte die Chakraschichten von sich zu stoßen, gelang es Sasuke einfach gar nicht. Sein Chakra schien an seiner Hand zu kleben und wenn er es denn mal davon lösen konnte, verschwand es sofort ungenutzt.

Naruto hatte daraufhin abbrechen wollen, doch Sasuke hatte sich vehement geweigert und, wenn auch zunehmend verbissener, weitergemacht. Er hatte nicht verstanden, dass Naruto es keineswegs gut finden konnte, wenn er wirklich eine Verwendung für diesen Zufall gefunden hätte, der Sasuke aber verschlossen geblieben wäre. Die Frage, was er getan hätte, wenn sich genau das herausgestellt hätte, hatte ihm mehr als eine schlaflose Nacht beschert.

Zu seiner unglaublichen Erleichterung hatte ihnen der Zufall gestern erst noch einmal geholfen und gezeigt, dass Sasuke vielleicht die Echolot-artige Technik nicht anwenden konnte, dafür aber etwas gänzlich anderes.

Sie hatten gerade eine Pause eingelegt und Naruto war mit den Worten, er wollte sich einen Kakao machen in die Küche gegangen. Als er wiederkam, spürte er sofort, dass Sasuke doch wieder Chakra auf der Hand hatte, aber ehe er noch ein Wort sagen konnte, war sogleich der saure Kommentar gefolgt: „Bisschen eisig, dein Kakao.“

Sofort war Naruto die Kinnlade heruntergefallen, denn eigentlich hätte Sasuke nicht wissen dürfen, dass er sich kurz entschlossen umentschieden und doch lieber ein Eis geholt hatte. Sasuke selbst verstand den Aufruhr nicht, den Naruto daraufhin verbreitete – zumindest nicht, bis ihm langsam klar wurde, was genau das bedeutete. Er mochte kein Chakra ausstrahlen können, aber es konnte ihm offenbar helfen Wärme und Kälte wahrzunehmen und auch wenn es etwas völlig anderes war, als er eigentlich versucht hatte zu lernen – es konnte durchaus funktionieren.

Da Sasuke seitdem aber kaum eine Minute Ruhe gegeben hatte (das war gestern Abend so weit gegangen, dass er quasi beim Abendessen vor Erschöpfung eingeschlafen war), konnte sich Naruto bildlich vorstellen, dass er den ganzen Vormittag daran gesessen und es offenbar wiedermal übertrieben hatte. Irgendwie war das so typisch…

„Hn.“, schnaubte Sasuke nur und ein leises, klackerndes, aber gedämpftes Geräusch verriet, dass er mindestens einen Ohrstöpsel herausgezogen und auf das Gerät gelegt hatte, „Ich war eh fertig. Wie war das Einkaufen?“

Netter Versuch eines Themenwechsels, Blödmann, dachte Naruto amüsiert, ließ sich aber ausnahmsweise mal darauf ein.

„Lang. Sakura hat mich bestimmt durch ein halbes Dutzend Geschäfte gezerrt und ich glaube fast, es hat ihr Spaß gemacht. Irgendwie hab ich mich ein bisschen wie eine lebensgroße Anziehpuppe gefühlt.“, er lachte leise, „Aber immerhin waren wir erfolgreich. Auch wenn ich doch ein bisschen an ihrer Farbwahl zweifle…“, fügte er nach kurzem Zögern noch hinzu.

„Farbwahl?“, fragte Sasuke ungläubig und auf einmal wurde seine Stimme und sein Tonfall kühl, als hätte Naruto etwas ungemein Falsches gesagt.

Erschrocken über den plötzlichen Umschwung legte Naruto den Kopf leicht schief und fragte vorsichtig nach: „Ja? Sie wollte mir Weinrot anziehen, ich hab sie dann auf Zinnober runterhandeln können, aber ich bin immer noch nicht sicher, ob…“

„Naruto, du Idiot, du machst dir nicht ernsthaft deswegen Gedanken, oder??“ Naruto verstand immer weniger. Sasukes Ton war nicht länger kühl, er war vorwurfsvoll und eiskalt, als wäre allein die Vorstellung etwas ungemein Schreckliches. Zwischen den Zeilen klang eindeutig das „Wag dich jetzt ja nicht zu sagen, dass du es doch tust!“ mit.

Naruto schluckte leicht, antwortete aber ruhig: „Doch, tue ich. Wieso auch nicht, nur, weil ich sie nicht sehen kann, heißt das doch nicht…“

„Heißt das nicht was?“, fauchte Sasuke, „Dass es sonst niemand sieht? Komm, ernsthaft, es könnte doch echt nicht mehr unwichtiger sein.“, knurrte er, dann hörte Naruto, wie er ruckartig aufstand und das Zimmer verließ. Die polternden Schritte auf der Treppe und die mit zu viel Schwung zu geschlagene Tür verrieten, wohin er geflüchtet war.

Und Naruto saß noch immer vollkommen verwirrt auf der Couch und fragte sich, was er gerade verpasst hatte.
 

Er klopfte sacht an Sasukes Zimmertür, wartete aber nicht auf eine Reaktion, die wohl ohnehin nicht kommen würde, sondern sagte mit fester Stimme: „Sasuke, ich weiß, dass du mich hören kannst. Ich werde mich nicht für meine Worte entschuldigen, wenn es das ist, was du hören willst, denn ich meine sie genau so, wie ich sie gesagt habe. Ehrlich, du wolltest doch auch nicht in hellrosa…“ Er brach ab und schüttelte den Kopf. Das war nicht das, was er sich vorgenommen hatte zu sagen und da man mit Vorwürfen und Druck bei Sasuke eh nur erreichte, dass er noch mehr abblockte, verkniff er sie sich besser.

„Was ich sagen will ist, mir sind heute im Kaufhaus viele Menschen begegnet, die einer Meinung waren, wie du, Sasuke. Dass Farben nichts für Blinde sind. Aber, weißt du, ich denke, das liegt doch nur bei uns. Nur, weil wir sie jetzt nicht sehen, heißt das doch nicht, dass sie nicht mehr da sind. Dass sie uns egal sein müssen. Wir wissen doch, was Farben sind, wir wissen, welche wir mögen und welche nicht und wir…“

Unerwartet wurde die Tür aufgerissen, an der seine rechte Hand noch immer gelehnt hatte und Naruto hielt mitten im Satz inne. Er hatte nicht auf das geachtet, was dahinter passierte und hatte Sasuke nicht gehört. Außerdem hatte er nicht damit gerechnet, dass letzterer irgendwann in seinem Monolog überhaupt eine Reaktion zeigen würde und ihm frühestens beim Abendessen etwas dazu sagen würde.

„Wir werden sie vergessen.“, erklärte Sasuke leise und ernst, als wäre es eine fest stehende Tatsache, keine Möglichkeit, die irgendwann eintreten könnte, „Wir werden sie vergessen.“, wiederholte er wie einen Leitsatz noch einmal, „Und spätestens dann macht es keinen Unterschied, also solltest du dich auch jetzt nicht daran klammern.“

„Wieso bist du so überzeugt davon?“, platzte Naruto ohne erst darüber nachzudenken heraus.

Sasuke schwieg daraufhin, aber Naruto war sich fast sicher, dass er hören konnte, wie der andere mit den Zähnen knirschte und er hatte das sichere Gefühl, dass Sasuke unwillig zu Boden starrte. Verständnislos wartete er auf eine verbale Antwort, doch als keine kam, hatte er langsam eine dunkle Ahnung.

„Hast du sie etwa schon…?“, setzte er traurig und leise an, nur um erneut unterbrochen zu werden, diesmal durch ein unwilliges Zischen.

„Nein!“, fauchte Sasuke ihn ein wenig zu schnell an, dann strich er sich wohl durch die Haare, atmete ein-, zweimal tief durch und fuhr etwas ruhiger, aber immer noch harsch fort: „Nein, nicht alle. Aber… es fängt schon an.“

Finger streiften Narutos Hand und griffen danach, dann wurde ihm etwas hineingedrückt, das er, als er kurz darüber strich, fast sofort als das hölzerne Bild erkannte, das sie beide geschenkt bekommen hatten.

„Ich weiß noch, was du anhast – ist ja kaum zu vergessen – und auch meine Klamotten sind keine Frage, aber…“ Er biss sich aller Wahrscheinlichkeit nach gerade auf die Lippen und als er weiter sprach war auch klar, warum: „Sakuras Kleid…“

Und Naruto verstand, er griff nun seinerseits nach Sasukes Hand und gab ihm das Bild zurück, ließ aber seine Finger darauf liegen, um Sasukes zu dem Punkt zu ziehen, an dem er Sakuras Kleid spüren konnte.

„Schließ die Augen.“, flüsterte er leise, woraufhin Sasuke trocken schnaubte. „Das meinst du jetzt nicht wirklich ernst, oder?“

„Doch.“, erwiderte Naruto ruhig und gab Sasuke einen Moment Zeit, um der Aufforderung klar zu werden. Fast war er versucht seine Hand auszustrecken und nachzuprüfen, ob er es tatsächlich tat, aber er widerstand und nahm das Seufzen einfach mal als Anhaltspunkt, dass Sasuke wirklich die Augen geschlossen hatte.

„Und jetzt denk an eine Schale voller süßer, reifer Sauerkirschen, wie es sie Anfang des Sommers gibt. Glänzende rote Früchte in einem strahlenden, ganz leicht rosa gefärbtem Ton…“

Er gab Sasuke die Zeit sich das vorzustellen, in aller Ruhe, dann wollte er fortfahren, aber sein Gegenüber fing vor ihm wieder an zu sprechen: „Naruto, was…?“

Aber Naruto lächelte nur.

„Wir werden sie nicht vergessen.“ Dann drückte er noch kurz die Hand, die er auf dem Bild festgehalten hatte und zog sich dann langsam zurück. „Nicht, solange wir es nicht zulassen.“
 

Er hatte sich eindeutig die falsche Zeit für einen Besuch herausgepickt. Der Hochsommer hatte auch vor Konoha nicht Halt gemacht und Dank der ansonsten sicher herrlichen großen Glasfront, die natürlich südöstlich ausgerichtet war, hatte sich das Zimmer so stark aufgeheizt, dass er kaum einen Unterschied zu seinem eigenen Büro merkte.

Tsunade hatte zwar kalte Getränke griffbereit gehabt und die Verhandlungen waren angenehm – sie ließen sich tatsächlich kaum als solche bezeichnen, da sie sich sehr schnell einig gewesen waren und es mehr ein Aussprechen von Übereinkünften gewesen war. Trotzdem konnte Gaara den Gedanken einfach nicht abschütteln, dass er nächstes Mal doch lieber im Spätsommer oder vielleicht lieber Herbst kommen sollte. Was brachte ein Besuch in einem Dorf mitten im Wald, wenn es so heiß war, dass er kaum einen Unterschied zur Wüste spürte?

Er erinnerte sich noch zu gut daran, dass bei seinem letzten Besuch während der Chunin-Prüfung genau das, das erste gewesen war, was ihm auffiel: Die angenehme Luft. Und die fehlte nun leider vollkommen.

Er tröstete sich mit dem Gedanken, dass sie früher als geplant fertig waren, als Tsunade zufrieden ihren Stift weglegte und sich in ihrem Stuhl zurücksinken ließ.

„Ich bin wirklich froh, dass es so gut klappt.“, gab sie mit einem Lächeln zu, „Ich hatte mit weit mehr Problemen gerechnet.“

Gaara nickte zustimmend. Auch er hatte erwartet, dass sich, wenn schon nicht Tsunade dann doch die Bewohner Sunas und Konohas gegen die engere Zusammenarbeit aussprechen würden, doch tatsächlich war das Gegenteil der Fall gewesen und mit der dauerhaft eingeführten, gesicherten Handelsroute strömten auch immer mehr Ninja von einem Dorf ins andere.

Tsunade lächelte noch immer, als sie abschließend meinte: „So, dann wollen wir deine Eskorte mal nicht länger warten lassen.“

Gaara blinzelte verwirrt. „Meine Eskorte?“

Wie bitte kam sie auf die Idee, dass er eine Eskorte brauchte? Aber Tsunade schmunzelte nur wissend und erklärte: „Ja, er ist bestimmt wieder ewig zu früh gekommen.“ Dann stand sie lachend auf und deutete Richtung Tür. „Ich hoffe du genießt deinen Tag in Konoha und er geht dir nicht zu sehr auf die Nerven.“

Ehe Gaara noch dazu kam zu fragen, wer „er“ war oder wieso sie bitte auf die Idee kam, dass ihm der Sinn nach Sightseeing stehen konnte, hatte sich ihn bereits mit Druck an der Schulter gepackt und mit leichter Gewalt zur Tür gezogen, die sie nun öffnete. „Bis später, Kazekage.“

Sie zwinkerte ihm noch einmal zu, dann schloss sie die Tür zwischen ihnen und ließ Gaara reichlich verdutzt stehen. Was war das denn bitte gewesen?

„Gaara?“

Als er sich umdrehte, fiel endlich der Groschen und mit einem Mal machte alles Sinn. Gaara hätte fast aufgelacht.

An der Wand ihm gegenüber lehnte ein junger Mann, luftig gekleidet in dunkelroten Shorts und einem orangen Muskelshirt und mit einer dunklen Sonnenbrille auf der Nase. Er hatte die Arme lässig hinter dem Kopf verschränkt, der nun leicht schief gelegt in Gaaras Richtung gewand war. Das einzige, was das Bild ein wenig störte, war der kaum zu übersehende, weiße Stock, der neben ihm an der Wand lehnte.

„Hallo, Naruto.“

Gaara war sich fast sicher, dass ein kurzes, zaghaftes Lächeln über seine eigenen Züge huschte, während Naruto hingegen noch während er das sagte zu strahlen anfing, seinen Stock griff und sich von der Wand abstieß, um zielsicher zwei, drei Schritte näher zu kommen. Dann blieb er plötzlich verwundert stehen, seine rechte Hand griff ans linke Handgelenk und Augenblicke später verkündete er: „Ihr seid früh fertig!“

Gaara war sich nicht ganz sicher, wie er darauf reagieren sollte und nickte instinktiv, wofür er sich im nächsten Moment am liebsten selbst eine Ohrfeige verpasst hätte. Er hatte über die letzten Wochen ab und an Briefkontakt mit Naruto gehabt und war eigentlich der Ansicht gewesen, dass er mit dessen Blindheit würde umgehen können, wenn sie sich endlich treffen würden. Das war offenbar ein Fehlschluss gewesen.

„Ja, es gab wenig zu besprechen, wir waren uns sehr schnell einig.“, erklärte er dann betont ruhig und sachlich. Wenn sein Tonfall Naruto auffiel, ließ der es sich zumindest nicht anmerken, denn er lächelte noch immer breit.

„Das ist schön zu hören. Also, was willst du sehen? Sollen wir eine Runde durch den Park gehen? Ich wette so viel Grünzeugs gibt es bei euch nicht mal in den Gewächshäusern. Oh, oder willst du lieber erst was essen? Oder einen Kaffee trinken? Die Oma meinte, ich soll dir die Steinbilder zeigen, aber ich denke, die kennst du ja eh schon…“
 

Eine gute Stunde später fand sich Gaara tatsächlich im Park wieder. Es war ein wenig seltsam, wenn er daran dachte, dass ihm ein Blinder den Weg zeigte, aber Naruto schien sich nicht daran zu stören und so gab Gaara sich alle Mühe das auch nicht zu tun.

Es war offensichtlich, dass Naruto viel geübt hatte. Er zögerte keine Sekunde, wenn es darum ging in eine Seitenstraße abzubiegen oder an einer Kreuzung den richtigen Weg zu nehmen. Selbst als sie das Parkgelände (das tatsächlich herrlich grün war), betreten hatten, war er nicht langsamer geworden. Gaara hatte sich Naruto nie als großen Spaziergänger in einem Park vorstellen können…

„… und da vorne müsste ein Cafe aufgemacht haben, irgendwo rechts am Rand, hat Sakura erzählt. Siehst du es?“

Das war das erste Mal seit sie losgelaufen waren, dass Naruto ihn nach einer visuellen Information fragte und Gaara stimmte mit einem „Mmh.“ fast schon zu schnell zu.

„Cool, Lust auf einen Snack?“

„Gerne.“, er schwieg kurz und sprach dann aus, was ihm schon die ganze Zeit durch den Kopf ging, „Du bist heute aber gut drauf, ist was passiert?“

Naruto war immer ein Energiebündel und es wäre besorgniserregend (wenn auch in seiner Situation verständlich) gewesen, wenn er nicht gut drauf gewesen wäre, aber er strahlte ununterbrochen, erzählte fröhlich davon, was er seit dem letzten Brief alles gelernt hatte, kurzum, er war einfach nicht still zu kriegen.

„Nichts besonderes, aber ich hab vorhin ein kleines Erfolgserlebnis beim Lernen einer Technik gehabt.“

„Einer Technik?“, wiederholte Gaara ohne nachzudenken skeptisch, doch Naruto blieb in dem Moment stehen und schien angestrengt zu lauschen, sodass seine Antwort warten musste. Gaara wäre auch nicht böse drum gewesen, wenn er die Frage überhört hätte, denn auf einmal kam sie ihm doch sehr taktlos vor.

„Ist draußen alles voll?“, fragte Naruto nach einem Moment und wand den Kopf in Gaaras Richtung. Der nickte wieder automatisch, erinnerte sich diesmal aber daran gleichzeitig auch verbal zu antworten: „Ja. Wollen wir reingehen?“

Naruto nickte sofort und machte eine einladende Geste, dass er vorgehen sollte, die Gaara verwirrte. Naruto war den ganzen Tag über immer vorgelaufen und das war auch, wie er es kannte. Und erst als er den Kopf umwand und merkte, dass Narutos Stirn hochkonzentriert in Falten lag, wurde ihm klar, dass er seinen Schritten folgte – weil er sich hier nicht auskannte. Aber warum sagte er nichts? Klar, Gaara war nicht grade ein Freund von Körperkontakt und dergleichen, aber das war eine Situation, die das eindeutig gerechtfertigt hätte, das sollte Naruto doch wissen… oder?

„Naruto… soll ich dir helfen?“, fragte er mit leicht gesenkter Stimme. Aus den Augenwinkeln sah er, wie Naruto verdutzt dreinblickte, dann aber lächelnd den Kopf schüttelte.
 

Es war eine wirkliche Überraschung, dass Gaara das ernsthaft fragte. Abgesehen davon, dass Naruto tatsächlich gefragt hätte, wenn er wirklich Hilfe gebraucht hätte, amüsierte ihn der Gedanke, dass der Kazekage ihm gerade Hilfe angeboten hatte, doch irgendwie.

„Danke, aber es ist okay.“ Er blieb stehen, als sein Stock auf Widerstand stieß, streckte suchend die freie, linke Hand aus und fand wie erwartet die hölzerne Rückenlehne eines Stuhls, auf dem er es sich gleich gemütlich machte, seinen Stock zusammenklappte und auf seinen Beinen parkte.

Er hörte, wie Gaara sich ihm gegenüber setzte und hatte irgendwie das Gefühl, dass es einer weiteren Erklärung bedurfte. Er war sich sehr sicher, dass Gaara ihn gerade mehr als kritisch musterte.

„Weißt du, es ist morgen auf den Tag genau elf Monate her und… ich bin so weit es wenigstens immer erst alleine versuchen zu wollen.“, versuchte er zu erklären.

Gaara war daraufhin unangenehm still. Okay, er war nie der allergesprächigste und Naruto hatte auch nichts anderes erwartet, aber dass er auf so eine Aussage gar nichts erwiderte war doch etwas…

„Es ist aber nicht, weil ich jetzt… es hat nichts mit meinem Amt zu tun, oder?“

Naruto riss die Augen auf und hätte am liebsten laut losgelacht, verkniff es sich aber gerade noch und kicherte nur leise. „Um Himmels Willen, nein.“, dann hielt er kurz inne und fügte hinzu: „Oder erwartest du, dass ich jetzt…?“

„Nein.“

Die Antwort kam ohne zu Zögern, ohne auch nur einen Moment darüber nachzudenken und klang absolut sicher. Naruto schmunzelte. In das darauf folgende kurze Schweigen drang ein Geräusch von Papier, das erahnen ließ, dass Gaara sich die Karte vorgenommen hatte. Naruto sagte nichts und wartete, bis die Geräusche, der umblätternden Seiten verstummten.

„Was gefunden?“

„Mmh, ja. Soll ich dir die Karte vorlesen?“, bot er dann an und in Narutos Gedanken sah er schräg über die Karte zu ihm herüber.

„Nicht nötig, haben sie Eis?“

„Ähm, ja?“

„Wie viele Sorten?“

„Fünf?“

„Okay, danke, das reicht mir.“

Und das war vollkommen ernst gemeint, als die Bedienung kam, bestellte er sich freudig grinsend von jeder Sorte eine Kugel, während Gaara einen Eiskaffee wollte. Warum er den hier bestellen sollte, wo es ihn in seinem eigenen Dorf vermutlich auch gab und nicht lieber eine der hiesigen Spezialitäten probierte, wusste Naruto zwar nicht, aber da er sich sicher war, dass er in Suna trotzdem Ramen haben wollen würde, fragte er nicht nach.

Stattdessen versuchte er das Thema von vorhin, auf das er leichtsinnigerweise eingegangen war, abzulenken, ehe Gaara von sich aus darauf zurückkommen würde.

„Hier, schau mal.“, er hob die Hand und erzeugte ein Rasengan, „Ich kann es endlich mit einer Hand.“, erklärte er zufrieden. Offenbar funktionierte seine Taktik, denn Gaara fragte daraufhin höflich: „Ah, das war die Technik, die du meintest?“

Und Naruto nickte in einer Halblüge.

Es stimmte, dass er es erst vor ein paar Tagen geschafft hatte das Rasengan wieder so zu erzeugen, wie es sein sollte – rund und mit einer Hand. Was ihn aber tatsächlich in Hochstimmung versetzt hatte, war etwas ganz anderes. Denn während Gaara den Vormittag und Mittag bei Tsunade im Büro verbracht hatte, waren Naruto und Sasuke wieder fleißig am Üben gewesen.

Nachdem inzwischen das Prinzip der Technik und auch das Ausführen klar waren, hatte er es geschafft anstatt einer ganzen Fläche Chakra auf seiner Hand viele, kleinere, wie einzelne Fäden abzustoßen und ihnen die gleiche, wenn nicht genauere Information zu entnehmen. Er war nach wie vor weit davon entfernt wirklich etwas mit diesen Informationen anfangen zu können, aber sie gaben ihm wenigstens ein Gefühl für das, was um ihn herum war.

Während sie in dem kleinen Cafe saßen hatte er auch (hoffentlich) unbemerkt ein paar Stöße abgeschickt und wusste so zumindest fast sicher, dass Gaara ihn in eine Ecke gelotst hatte und nur direkt hinter ihm noch ein Stuhl (oder etwas anderes, nicht ganz so großes, es könnte auch eine von diesen Topfpflanzen sein) stand.

Heute Morgen aber war es ihm zum ersten Mal gelungen das einmal abgegebene Chakra auch wieder aufzunehmen, was bedeutete, dass der Verbrauch noch einmal weiter sank und die Chancen erhöhte, dass er es irgendwann einmal länger würde durchhalten können. Wenn er es jetzt noch schaffte, dass es genauer wurde, konnte er sich tatsächlich wieder Hoffnungen machen, dass er irgendwann in ferner Zukunft mal wieder auf eine Mission gehen konnte – und allein das reichte, um ihn in Hochstimmung zu versetzen.
 

Eine ganze Weile später liefen sie wieder durch den Park. Naruto hätte nicht erklären können, wie genau er das wusste, aber er spürte, dass die Sonne bereits tiefer stand und war sich fast sicher, dass um ihn herum alles in ein warmes, rotes Licht getaucht war.

Bestimmt sah das auf den blühenden Bäumen und Sträuchern, dem dichten Gras und den Blättern um sie herum herrlich aus und seit einer ganzen Weile mal wieder fühlte er ein leises Bedauern, eine leichte Melancholie, dass er es nicht sehen konnte. Anfangs hatte ihn allein die Vorstellung wehmütig gemacht, inzwischen war es zum Glück nichts allzu ernstes mehr und verflog in der Regel sobald ihn irgendwas auch nur ein wenig ablenkte, aber er fragte sich dennoch, ob das Gefühl jemals wieder gänzlich verschwinden würde.

„Naruto?“, riss ihn Gaaras Stimme aus den Gedanken und Naruto schüttelte leicht den Kopf, als er ins hier und jetzt zurückkam und erstmal froh war, dass er nicht alleine unterwegs war. Er hatte doch tatsächlich vergessen darauf zu achten, wo sie waren, aber das war Gaara vermutlich noch nicht aufgefallen, also hatte er noch Zeit es zu merken und lauschte angestrengt auf einen Hinweis, während er fragte: „Ja? Tut mir leid, hast du was gesagt?“

Sie waren eindeutig noch im Park, er konnte die Blätter der Bäume rascheln hören und roch das erst vor kurzem gemähte Gras. Außerdem bestand der Weg immer noch aus derselben, festgetreten Erde, wie zuvor.

Als Gaara nicht sofort antwortete, rechnete Naruto schon mehr oder weniger mit dem typischen „alles in Ordnung?“, aber es blieb tatsächlich aus. „Ich weiß, dass es dieses Jahr wohl nichts mehr wird, aber…“ Ein kaum merkliches Zögern. „Glaubst du… nächsten Februar gibt es bei uns in Suna ein kleines Fest, ich würde euch gerne einladen…“

Es war eindeutig eine Frage, keine Aussage und Naruto musste den ersten Impuls unterdrücken, Gaara zu fragen, wie er auf die Idee kommen könnte, dass sie das nicht wollten. Er konnte sich aber gerade noch stoppen, denn leider ging es nicht ums wollen, wie Naruto gerne mal wieder vergas, es ging vielmehr ums Können. Und sagen, dass er bis dahin eigentlich wieder ohne den Stock unterwegs sein wollte, konnte er nicht, das würde unnötige Fragen aufwerfen.

„Das ist toll! Ich freu mich jetzt schon darauf!“, antwortete er stattdessen mit einem breiten Grinsen. Er hörte ein ganz leises, überraschtes Luftausstoßen und musste lachen.

„Jetzt guck nicht so, es wird länger dauern, hinzukommen und wir werden uns jemanden mitnehmen müssen, aber das wäre doch gelacht, wenn das nicht kla…“, er brach ab, als sehr hastige Schritte sich ihm von hinten näherten. Augenblicklich lag seine ganze Konzentration auf dem ungleichmäßigen Aufkommen der Füße und mit der Übung, die er hatte, konnte er schnell sagen, dass es drei Personen waren, relativ leicht, wahrscheinlich noch Kinder, einer rannte voraus und…

Naruto machte einen schnellen Seitwärtsschritt, was zur Folge hatte, dass die erste, näher kommende Person nicht in seinen Rücken knallte, sondern wortwörtlich an ihm vorbei stolperte und, wie es klang, auf die Nase knallte.

„Boah, das war cool!“, folgte sogleich ein Ausruf, als auch die beiden anderen Schritte verstummten, „Wie hast du das gemacht?? Wir…!“

Ein ärgerliches Räuspern unterbrach den Jungen und das dreifache schwere Schlucken verriet, dass Gaara seinen „Ihr seid so was von in Schwierigkeiten“-Blick aufgesetzt hatte und die drei dunkel anfunkelte. „Was sollte das werden?“, knurrte er gerade und Naruto spürte, wie etwas hinter ihn huschte und sich dort offenbar versteckte.

Er konnte nicht anders, allein bei der Vorstellung der Szene fing er an zu lachen und hob daher schnell beschwichtigend die Hände. „Schon okay, Gaara, ich hab damit gerechnet.“, erklärte er und bedauerte fast, dass sein Augenzwinkern hinter den schwarzen Brillengläsern absolut unsichtbar war.

„Darf ich vorstellen? Das ist der Enkel unseres letzten Hokage.“ Und damit trat er zum zweiten Mal es Stück zur Seite und griff dorthin, wo er Konohamarus Schulter vermutete. Seine Mundwinkel zuckten leicht, als er sie wie erwartet traf. „Und das, Leute, ist der Kazekage.“

Ein dreifaches, schnelles Lufteinziehen – wie einfach es manchmal sein konnte, Geräusche zu deuten, dachte Naruto erheitert.
 

„Bin wieder da!“, rief er, als er relativ achtlos seine Sandalen zur Seite kickte, den Stock zusammengeklappt auf die Kommode legte und barfuss über den warmen Dielenboden Richtung Küche lief.

„Und, wie oft hast du dich verlaufen?“, kam fast sofort der neckende Kommentar nicht wie erwartet aus dem Wohnzimmer, sondern auch aus der Küche.

Naruto streckte Sasuke daraufhin nur die Zunge heraus und störte sich nicht an der Sinnlosigkeit dieser Aktion, da er überzeugt war, dass der andere ihn gut genug kannte um zu wissen, was er gerade gemacht hatte.

„Gar nicht, ich hab’ ihm absichtlich den Trainingsplatz gezeigt.“, schnaubte Naruto nur halb ironisch und Sasuke konnte sich vermutlich denken, dass er ungeplant da gelandet war. Ehe er aber die Möglichkeit hatte, dazu etwas zu sagen, fuhr Naruto schnell fort: „Und ich frage mich langsam ernsthaft, was mit dieser Hose ist…“

„Hose?“, Sasuke klang mehr als leicht ungläubig, „Welche hast du denn an?“

Naruto zuckte die Schultern, während er den Geschirrschrank öffnete und sich ein Glas raus nahm. „Die, die Sakura mir unbedingt kaufen wollte. Ich durfte mir heute gleich drei Kommentare dazu anhören.“

„Kommentare im Sinne von…?“

„Wie gut sie aussieht.“, meinte Naruto selbst ungläubig, was die Sache anging, „Ich meine, Lee allein hätte ich das ja nicht unbedingt geglaubt und auf Konohamarus Aussage würde ich mich auch nicht unbedingt verlassen, aber die alte Oma hat das auch gesagt und klang dabei fast… stolz?“
 

*********************************************************************************
 

Kurzer Kommentar am Ende:

Wer sich jetzt fragt, warum Sasuke das mit dem Chakra von sich stoßen nicht hinkriegt - es hat einen sehr banalen Grund, denkt nur mal an ihre Chakraelemente. ^.~

Walking blind

Ein leichter, immer noch viel zu warmer Wind wehte ihm durch die Haare und brachte den Geruch von feuchtem Wald mit sich, vermischt mit einigen, wenigen Blüten und Kräutern, die in der Nähe wachsen mussten.

Es war früher Mittag, die Sonne stand hoch am Himmel, sodass das Gras unter seinen Füßen warm war, genauso, wie seine Umgebung, was es ihm ein wenig leichter machte.

Sasuke stand absolut still im Garten, seine Arme hingen locker an seinen Seiten, sein Kopf war leicht nach unten geneigt und die Augen, die ausnahmsweise einmal nicht hinter der Brille verborgen waren, fest geschlossen. Sein Gesicht wirkte nicht wirklich entspannt, aber es spiegelte auch nicht wirklich die tiefe Konzentration wider, die er gerade versuchte aufzubringen.

Er konnte Narutos Körperwärme dicht neben sich nur allzu deutlich spüren, sie stach aus der Umgebung heraus, wie eine brennende Kerze in einem ansonsten abgedunkelten Raum, zum einen, weil sie deutlich über der Temperatur der Umgebung lag, zum anderen schlicht, weil Naruto so dicht bei ihm stand, dass er nur den Arm hätte heben müssen, um ihn berühren zu können.

„Und du bist sicher, dass das funktioniert?“, fragte besagter Blondschopf gerade und klang so nervös, dass Sasuke instinktiv eine Augenbraue hob.

„Hn. Natürlich.“

Die Wahrheit war, er war sich alles andere als sicher. Ja, eigentlich war er sogar fast überzeugt davon, dass es früher oder später schief gehen würde, aber es hatte einfach zu funktionieren! Sie hatten so viel Zeit und Energie hineingesteckt und langsam lief ihnen schlicht die Zeit davon. In nicht mal ganz zwei Wochen hatten sie einen Termin bei Tsunade und auch wenn es niemand aussprach, hing das Wissen doch schwer in der Luft, dass sich an diesem Termin ihre Zukunft mit entscheiden würde.

Zwar zweifelte Sasuke nicht daran, dass die Hokage ihr Wort halten und ihre Krankschreibung verlängern würde, aber das konnte sie nicht auf ewig so weiter machen. Spätestens, wenn sie nicht mehr im Amt wäre, ginge das nicht mehr und er wollte es auf gar keinen Fall so weit kommen lassen.

Wie um seine eigenen Gedanken zu vertreiben, atmete Sasuke noch ein letztes Mal tief durch und ging langsam ein paar Schritte vorwärts, nur, um direkt wieder stehen zu bleiben, als er etwas vor sich spürte. Er hatte keine Ahnung, was genau es war, konnte nur an der doch relativ niedrigen Temperatur erahnen, dass Naruto etwas Metallenes in den Weg gestellt hatte, aber selbst das war unsicher.

Er machte ein paar Schritte seitwärts und lief weiter, vorbei am nächsten, unbekannten Hindernis, machte aber schnell einen Schlenker in die andere Richtung, als der Boden neben ihm merklich kühler wurde und ihm signalisierte, dass er sich dem See näherte.

Es fühlte sich seltsam an so zu laufen. All die Wochen, die er damit verbracht hatte zu lernen sich auf einen Stock zu verlassen, der im nicht nur sagte, ob etwas vor ihm lag sondern auch noch Informationen über Bodenbeschaffenheit oder Widerstand eines Hindernisses gab, hatten dafür gesorgt, dass er es trotz seines anfänglichen, enormen Widerwillen als natürlich ansah und ständig das Bedürfnis unterdrücken musste, seinen Stock auch jetzt herauszuholen, weil es töricht war ohne ihn durch einen Hindernisparcours laufen zu wollen.

Er merkte selbst, wie seine rechte Hand immer wieder nach vorne zucken wollte und selbst, als er sie an seine Seite gepresst hielt, noch immer ganz automatisch die so normal gewordene Bewegung machen wollte. Er kam sich wie am Anfang vor, als er zu stolz gewesen war den Stock zu benutzen und sich auch nicht genug Schwäche eingestehen wollte, um die Hände vor sich zu strecken.

Auf der anderen Seite aber hatte es etwas seltsam angenehmes, freies so zu laufen. Er konnte sich nicht erinnern, wann er das letzte Mal so ruhig durch einen Weg mit unbekannten Hindernissen hatte gehen können ohne durch jemand der ihn führte oder den Stock in seiner Hand daran erinnert zu werden, dass es ohne Hilfe nicht mehr ging.

Seine neue Fähigkeit gab ihm gänzlich andere Informationen als der Taststock es konnte. Im Augenblick waren sie weder besser noch schlechter, sondern schlicht anders und das eine oder andere Mal tat er sich noch merklich schwer diese auch zu verstehen und entsprechend zu reagieren und er war sich bewusst, dass es ihm jetzt das Wissen, das er über den Garten ohnehin hatte, überhaupt nur möglich machte überhaupt zu verstehen, was er tun musste. Dennoch, all das verblasste vor der noch leicht überwältigenden Tatsache, dass es überhaupt wieder ging.

Er lief alleine, ohne jede Hilfe und stieß nirgends an, kam den Hindernissen nicht einmal gefährlich nahe und wenn er daran dachte, wie schnell sie in den letzten Wochen und Monaten doch Fortschritte gemacht hatten, war er fast überzeugt davon, dass es mit weit mehr Übung wirklich mal wieder ein Bild werden würde und nicht einfach nur ein Erahnen von Dingen, die in seinem Weg standen.

So oder so, für den Anfang war das schon ein vollkommen befriedigendes Ergebnis und als er kurz darauf direkt vor Narutos Wärme stehen blieb (der einmal drum herum gelaufen war und natürlich wusste, wo er selbst etwas hingestellt hatte, weswegen er deutlich schneller gehen konnte) und zielsicher eine Hand ausstreckte, um ihn leicht anzustupsen, stahl sich ein mehr als glückliches Schmunzeln auf seine Lippen.

Gut, dass Naruto das nicht sehen konnte…
 

Nachdem auch Naruto einmal durch den Parcours durch war, ohne auch nur auf die geringsten Schwierigkeiten zu stoßen, war Sasuke nur umso überzeugter, dass sein Plan (er weigerte sich es „Hoffnung“ oder „Wunsch“ zu nennen, denn es war längst mehr als das gewesen – selbst wenn es auf dem Level bleiben würde, auf dem es jetzt war, war er nicht länger vollkommen hilflos ohne seinen Stock!) früher oder später aufgehen würde.

Er hatte bisher nicht wieder mit Naruto darüber gesprochen, aber eigentlich war das auch gar nicht nötig, es war vollkommen klar, dass sie beide damit dasselbe Ziel verfolgten – es ging ihnen nicht um die Einfachheit der Dinge, die eine solche Technik mit sich brachte. Es ging schlicht darum zu bleiben (oder wieder zu werden?) was sie immer gewesen waren.

„Das… das war unglaublich!“, rief Naruto und klang furchtbar erregt, kaum, dass er Sasuke mit der Hand an der Schulter berührte, „Ich meine, das war einfach so… so… so…!“

Sasuke schmunzelte erneut, als Naruto so angestrengt nach dem einen Wort suchte, dass alles aussagte. „Normal?“, schlug er ruhig vor.

„Ja! Genau, normal, es hat sich total normal angefühlt und nicht länger…“

Naruto brach ab, aber Sasuke wusste nur zu gut, was er hatte sagen wollen, denn egal, wie gut sie damit klar kamen, Blindheit war und blieb eine Behinderung.

Sasukes Schmunzeln verschwand allein bei dem Gedanken sofort wieder, aber ehe er sich gestattete weiter darüber nachzudenken, wie ungerecht alles gelaufen war, lenkte er sich (und auch Naruto) lieber schnell ab: „Hey, Trottel?“

„Mmh?“

„Wollen wir nicht noch was anderes ausprobieren?“

Er hatte schon eine sehr genaue Vorstellung, was er „probieren“ wollte, aber bisher hatte er es kaum aussprechen wollen. Er wusste, dass es einen sehr entscheidenden Punkt markierte, sollte es klappen, würde sich seine Laune und Motivation schlagartig steigern, sollte es schief gehen, konnte es gut und gerne sein, dass das Gegenteil eintrat und er sie komplett verlor. Es war ein unsichtbar abgegrenzter Bereich, den bisher keiner von ihnen gewagt hatte zu betreten und das aus gutem Grund.

Dennoch, Sasuke wollte es endlich wissen, er hielt einfach das Warten und Nachdenken nicht länger aus.

„Was denn?“

Anstelle einer verbalen Antwort, konzentrierte sich Sasuke wieder darauf die Technik aufrecht zu erhalten – auf Dauer ging es leider noch nicht, aber das war längst nur noch eine Frage der Zeit – und insbesondere fokussierte er sich so gut es irgendwie ging auf Narutos Körper.

Zum Glück waren sie nah beieinander und Narutos Körpertemperatur hob sich deutlich von der Umgebungstemperatur ab und wenn er sich viel Mühe gab, konnte er ansatzweise so etwas wie einen Schemen erahnen, der ihm verriet, dass sein Gegenüber gerade beide Arme gesenkt hatte und mit hoher Wahrscheinlichkeit locker an den Seiten herunterbaumeln ließ.

Sasuke war sich sicher genug, um es zu riskieren und Naruto einen Stoß ohne allzu viel Schwung oder Druck gegen die Schulter zu verpassen.

Der zuckte erschrocken zusammen und protestierte augenblicklich: „Hey, was sollte das?“

Sasuke grinste schief, versuchte angestrengt den Fokus nicht zu verlieren und ging in eine leichte Auslage. „Das war die Antwort. Es ist fast ein Jahr her, dass wir gekämpft haben, ich warte schon ewig darauf.“

Naruto zögerte. Merklich. Und Sasuke konnte es verstehen. Kämpfen war schon von früh auf ein Bestandteil ihres Lebens, der wichtig war. Wenn man es konnte, lebte man mit weniger Gefahr, wenn man nicht kämpfen, sich nicht wehren konnte, war man nutzlos und leichte Beute. Ihr „Unfall“ hatte ihnen jeden Willen es auch nur zu versuchen genommen, da sie beide wussten, wie sinnlos es war und nicht noch deutlicher vor Augen geführt haben wollten, dass sie auch das verloren hatten.

Aber umso wichtiger war es auch, dass sie es jetzt erneut lernten – und deshalb wollte, nein, musste Sasuke dieses Risiko eingehen.

„Du willst wirklich…?“, erwiderte Naruto langsam und Sasuke hätte am liebsten wild genickt. Er wurde ungeduldig, er wollte das jetzt hinter sich bringen, verdammt noch mal!

„Ja, ich will einen Trainingskampf. Nur Tai-Jutsu, übliche Regeln, keine groben Verletzungen, jetzt komm schon.“

Naruto rührte sich nicht, bestimmt eine Minute stand er einfach nur da und machte nichts, dann, als Sasuke schon fast soweit war die Geduld zu verlieren, änderte sich seine Körperhaltung. „Ich halte das für keine so gute Idee, aber wenn du es so haben willst.“ Ein winziges Lächeln steckte in den letzten Worten und wenn Sasukes Technik ihm auch nur eine grobe Ahnung gab, es reichte vollkommen, um der nach ihm schlagenden Hand zur Seite auszuweichen und den schnell folgenden Tritt auf seine linke Taille zu blocken.

Er konzentrierte sich voll und ganz auf Narutos Form, vernachlässigte alles andere und schaffte es so ihn relativ konstant im „Blick“ zu behalten. Das machte es möglich, dass er den Bewegungen des Schemens, den sein Gegenüber in seinem gedanklichen Bild darstellte, halbwegs folgen konnte und auch wenn er keine Ahnung hatte, wie Naruto dreinblickte, wie er seine Hände hielt oder wie sauber die Bewegungen tatsächlich waren, er konnte sie abschätzen und das war alles, was er brauchte, um sie zu parieren. Außerdem zeigte es ihm teilweise sogar Schwachstellen in der Deckung.

Er schlug auf die Brust zielend zu, als Naruto scheinbar von seinem Ausweichmanöver aus dem Konzept gebracht war, doch offenbar war er nicht der einzige, der „sehen“ konnte, was er wissen musste, denn eine Hand fing sein Handgelenk mitten in der Bewegung ab, verdrehte es zur Seite und zog ihn ein Stück vorwärts.

„Es geht…“, flüsterte Naruto dich neben seinem Ohr und klang mehr geschockt als alles andere. Sasuke riss sich ruckartig los, ließ sich nach hinten fallen, zog dabei die Beine nach oben und trat nach Narutos Gesicht, das dieser allerdings schnell genug außer Reichweite brachte.

„Ja, das tut es.“, grinste Sasuke, huschte um Naruto herum und wollte ihm von hinten den Ellbogen in den unteren Rückenbereicht rammen, als aber sein Ziel plötzlich verschwand und neben ihm wieder auftauchte. Er riss die Arme hoch und blockte den Schlag auf sein Gesicht haarscharf. Vorhersehen konnte er Bewegungen so nicht, aber solange er sie rechtzeitig erkannte, dass er reagieren konnte, machte ihm das nicht so viel aus, wie er selbst erwartet hätte.

„Ich glaube…“, ein weiterer Schlag, diesmal seitlich, den er mit einer schnellen Armbewegung ebenfalls blockte, „langsam müssen wir es jemandem sagen.“, merkte Naruto an, ohne auch nur in seinen Bewegungen innezuhalten.

Sasuke versuchte eine seiner Hände zu schnappen und daran zu ziehen, aber Naruto duckte sich unter seinem Griff weg und tackelte ihn seitlich mit dem ganzen Körper, sodass sie beide aufs weiche Gras fielen.

„Stimmt.“, murmelte er, als sie auf dem Boden sofort weitermachten, „Lass uns Sakura und Kakashi-sensei morgen zum Picknick einladen.“

„Was?“, Sasuke hielt leicht verwirrt inne (übrigens ein schwerer Fehler beim Kämpfen mit Naruto, den dieser sofort ausnutzte und ihn in einen unangenehmen Haltegriff nahm), doch Naruto lachte nur glücklich und blieb ihm in dem Moment die Antwort erstmal schuldig.
 

Sakura war leicht verwundert gewesen, als sie Naruto ihr gestern eine seiner maschine-geschriebenen Nachrichten geschickt hatte. Ganz abgesehen von der Tatsache, dass er sehr wohl wusste, dass sie den Text auch hätte lesen können, wenn er in Blindenschrift wäre (was es für ihn deutlich leichter gemacht hätte, ihn zu schreiben), wäre sie heute ohnehin vorbei gekommen und er hätte sie auch direkt fragen können.

Aber aus irgendeinem Grund war es ihm wohl wichtig gewesen, dass sie genau heute zusammen picknicken gingen und dass Kakashi auch mitkam. Mehr noch, er hatte sie eindringlich gebeten, dass sie auf ihn wartete und dann mit ihm zusammen (die Worte waren sogar unterstrichen gewesen) zu ihnen kam.

Genau das tat Sakura jetzt auch, denn obwohl ihr Sensei keineswegs schlauer aus der Nachricht wurde, als sie, meinte er mit einem durch die Maske nur halb sichtbaren Lächeln, dass die beide schon ihre Gründe haben würden.

Sakura war trotzdem ein wenig unschlüssig, was sie erwarten sollte, als sie auf die Klingel drückte und beinahe sofort Narutos Stimme rief: „Kommen!“

Als hätte er im Flur gestanden und nur auf sie gewartet, öffnete sich sofort die Tür mit Schwung und Naruto grinste ihnen entgegen. Sakura war leicht überrascht, sie hatte ihn schon eine ganze Weile nicht mehr derart strahlen gesehen. Natürlich trug er wieder seine Sonnenbrille, weil er dabei war nach draußen zu gehen, und sie fand es fast schade, dass sie seine Augen nicht sehen konnte. Denn seltsamerweise, egal wie leblos sie sonst ab und zu erscheinen mochten, wenn Naruto lachte, ehrlich und wirklich lachte, dann taten es auch seine Augen nach wie vor. Die meiste Zeit über huschten sie noch immer unschlüssig hin und her, aber wenn er glücklich war, funkelten sie und wurden groß, wie Kinderaugen und Sakura war sich fast sicher, dass sie im Augenblick genau so aussehen mussten. Sie musste sich zusammennehmen, um ihm nicht die Brille von der Nase zu ziehen, damit sie es selbst sehen konnte.

In einer Hand trug Naruto einen Picknickkorb, die andere war frei, vermutlich würde er jetzt… Nein, er tat es nicht. Nun war es an Sakura leicht die Augen aufzureißen, denn Naruto kam nach draußen, ohne auch nur ansatzweise nach seinem Taststock zu greifen und auch Sasuke, der dicht hinter ihm folgte und ebenfalls einen Korb in der Hand (und ein leichtes Schmunzeln im Gesicht?!) trug, zog die Haustür hinter sich ins Schloss, ohne dem Stock irgendeine Beachtung zu schenken.

„Also?“, fragte Naruto, als sie nun beide nebeneinander standen und sich nicht rührten, „Wollen wir?“

Sakura fühlte schlagartig einen dicken Kloß im Hals, der es schwer machte zu atmen. Sie wusste, dass es absolut unmöglich war, dass die beiden wieder sehen konnten und selbst wenn sie einen Weg auswendig gelernt hatten, konnten sie ihn trotzdem nicht ohne die Gefahr laufen, dass etwas im Weg stand, das vorher nicht dort gewesen war, und in das sie hineinlaufen würden, wenn sie ihre Stöcke nicht dabei hatten. Kurzum, dass sie sie zurückließen konnte eigentlich nur eines bedeuten: Sie wollten geführt werden. Das war ein herber Rückschlag, wenn sie bedachte, dass die beiden, vor allem in den letzten zwei Monaten eigentlich immer darauf bestanden hatten, dass sie alleine liefen, selbst in noch so großen, gedrängten Menschenmengen.

Irgendwie passten ihre Gesichtsausdrücke so gar nicht dazu, aber Sakura konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, was sie sonst damit bezwecken wollten und warf einen leicht hilflosen, fragenden Blick in Kakashis Richtung. Der fing diesen auch tatsächlich auf, konnte aber auch nur leicht traurig die Schultern zucken.

„Was ist?“, hakte Naruto nach und legte den Kopf leicht schief. Sakura verkniff sich das Seufzen.

„Ja, schon okay, wie wollt ihr…“

Doch ehe sie den Satz auch nur zu Ende bringen konnte, grinste Naruto schief und lief einfach los. Sasuke folgte ihm ohne auch nur einen Moment zu zögern und Sakura wechselte einen erneuten Blick mit Kakashi, diesmal eine herrliche Mischung aus besorgt, ungläubig und fassungslos.

Sie brauchte einen Moment, um aus ihrer Starre zu erwachen, dann eilte sie ihren beiden Teammitgliedern hinterher, die ohne zu warten ein ganzes Stück weitergelaufen waren. Was bitte hatten die beiden eigentlich vor??

Sie sah, wie Naruto leicht nach links vom Weg abkam und genau auf einen der großen Felsen am Rand zusteuerte. Genau, was sie befürchtet hatte. Sie hatten doch die Wege auswendig gelernt, aber ohne Hilfsmittel würde der Junge erst viel zu spät (und vermutlich schmerzhaft) merken, dass er nicht mehr geradeaus lief. „Naruto, pass auf, da ist ein…“

Sie kam nicht weiter, denn in eben diesem Moment machte Naruto einen eleganten Seitwärtsschwenk und wich zielsicher aus, als wüsste er nur zu genau, wo der Felsen ist. Aber was…?!

Sakura blieb vollkommen fassungslos stehen. Sollte das jetzt irgendein blöder Trick sein? Hatte er sich gemerkt, wo der Fels ist, um absichtlich zur Seite zu schwenken und… aber das war Unsinn. Warum sollten sie das machen? Für den kurzen Lacher, den ihr Gesichtsausdruck bringen würde, war das ein viel zu schlechter Scherz, abgesehen davon, dass sie ihn nicht mal würden sehen können.

Für einen Moment überlegte sie ernsthaft, ob sie es entgegen aller Vermutungen und Wahrscheinlichkeiten doch geschafft hatten, ihr Augenlicht wiederzubekommen. Aber Sakura war vollkommen ratlos, wie sie das hätten anstellen sollen. Außerdem, wenn dem so wäre, warum sollten sie es nicht sofort sagen, wozu diese Scharade?

Sie starrte noch immer Löcher in die Luft, als eine Stimme besorgt „Sakura?“ fragte und blinzelnd musste sie feststellen, dass Naruto und Sasuke offenbar zurückgekommen waren und direkt vor ihr standen.

„Was?“, war alles, was sie irgendwie raus brachte, woraufhin Naruto besorgt die Stirn runzelte. „Vielleicht war die Idee doch nicht so toll…“, murmelte er, aber es galt ganz offensichtlich Sasuke und nicht ihr, denn letzterer schnaubte nur und meinte dann ernst: „Sakura, ganz ruhig, wir müssen euch was erzählen.“

„Könnt ihr sehen?“, fragte sie und gab sich alle Mühe sich ihre Verwirrung nicht anmerken zu lassen.

Sasukes Augenbraue zuckte überrascht, dann schüttelte er aber den Kopf und zog für einen Moment die Sonnenbrille ab, um seine noch immer ins Leere starrenden Augen zu zeigen. Dann schob er sie aber wieder auf die Nase und der kleinste Ansatz eines Lächelns huschte über sein Gesicht. „Nein, aber vielleicht, nur vielleicht, brauchen wir das auch nicht…“
 

Sakura war hypernervös. Sasuke spürte es nur zu deutlich, in jedem ihrer Worte, wenn sie erschrocken die Luft einzog, weil sie sich alle Mühe geben musste nicht einzugreifen und ihnen zu vertrauen, wenn sie mitten im Satz abbrach, um ihm nicht zu sagen, wo es lang ging, wenn ihre Hand seinen Arm oder seine Schulter streifte, weil sie ihn von irgendetwas abhalten oder ihn in irgendeine Richtung lenken wollte und insbesondere spürte er auch ihre besorgten, unsicheren Blicke, die sich immer wieder in seinen Rücken bohrten.

So seltsam es war, es amüsierte ihn.

Sie übertrieb. Irgendwo versuchte er es zu verstehen und konnte es auch bis zu einem gewissen Maß. Es war sicher nicht einfach jemanden alleine durch eine Hauptstraße laufen zu lassen, wenn man zu genau wusste, dass dieser jemand blind war und absolut keine Hilfsmittel bei sich trug, sich nicht helfen ließ und nicht einmal die Hände vor sich streckte.

Auch wenn sie ihnen vor zwei Wochen ihre Technik demonstriert und die nächsten Tage mit dem nur mäßig erfolgreichen Versuch verbracht hatten zu erklären, wie genau es funktionierte (denn so wirklich wussten sie das ja selbst auch nicht), es war von Anfang an offensichtlich, dass Sakura der Sache nicht traute. Wahrscheinlich machte sie sich genau dieselben Gedanken, die auch Sasuke anfangs so manche schlaflose Nacht beschert hatten – was wäre, wenn es nicht klappte und sie sich einredeten, dass es das tat?

Aber Sasuke war sich ihrer Sache längst sicher. Es würde funktionieren!

Er blieb stehen, als er eine Mauer (oder etwas ähnlich großes, aber seiner gedanklichen Karte nach müsste es eine Mauer sein) vor sich spürte und zögerte kurz, ob er links oder rechts nach der Tür suchen sollte. Da er aber spürte, wie Naruto weiterlief, ging er davon aus, dass dieser den Eingang bereits gefunden hatte, schwenkte leicht in seine Richtung und merkte selbst, wie die warme Mauer durch eine deutlich kühlere Glastür abgelöst wurde.

Er drückte sie auf und ging hinter Naruto her ins Innere. Es war voll und er verlor beinah sofort den Überblick wer sich wo befand, denn bisher war es ihm kaum bis gar nicht möglich Menschen auseinander zu halten. Aber das brauchte er auch nicht, er wusste, dass er sich links halten musste und dann drei Stockwerke nach oben, sobald er also die Treppe gefunden hatte, war es kein Problem mehr.

Behutsam wich er den Menschen aus, gab sich alle Mühe möglichst gerade nach links zu laufen und stieß bald auf etwas, dass er für das Treppengeländer hielt. Als er eine Hand danach ausstreckte, gab ihm sein Tastsinn Recht und mit einem kleinen Grinsen stieg er nach oben. Hier, wo quasi niemand mehr war, stand er im Leeren. Sein Radius war stark begrenzt, gab ihm vielleicht eineinhalb Meter und der Flur war deutlich breiter, sodass Sasuke mehr auf gut Glück, als auf Wissen die Stelle anpeilte, an der die Tür sein sollte, durch die er wollte. Nach einigen Schritten kam aber etwas anderes in „Sicht“ und er hielt kurz an. „Naruto?“, fragte er ein wenig zögerlich, woraufhin sich die Person kurz bewegte.

„Ja. Wo sind Sakura und Kakashi-sensei? Ihr seid langsam!“

Sasuke zuckte die Schultern. Er war nicht sicher, wie viel Naruto davon mitbekam, aber er hatte sich die Geste nie abgewöhnt und sah gerade jetzt auch keinen Grund dazu. „Sie sollten gleich kommen. Gehen wir schon rein?“

„Ja.“ Eine Bewegung, die ein Nicken sein könnte – oder auch etwas vollkommen anderes.

„Bist du sicher, dass es die richtige Tür ist?“, fragte Sasuke schnell, als er merkte, wie Narutos Arm sich horizontal bewegte. Ein Lächeln schwang in seiner Stimme mit, als dieser antwortete: „Ja, absolut. Ich war hier wirklich oft genug.“

Dann drückte er wohl die Klinke runter und Sasuke vernahm das leise Schaben der Tür über den Holzboden, dann ein Gähnen und Narutos fröhliche Stimme, die alles übertönte: „Hallo, Oma, aufwachen, wir haben einen Termin bei dir!“

Was folgte war ein weiteres, verschlafenes Gähnen, während dem nun auch Sasuke den Raum betrat und dicht neben Naruto, der kaum mehr als zwei Schritte hinter dem Eingang stehen geblieben war, trat.

„Ihr seid zu früh…“, murmelte Tsunade und klang wirklich, als hätte sie bis zu ihrem Eintreffen tief und fest geschlafen.

Aus Gewohnheit huschten Sasukes Finger zu seiner Uhr und kontrollierten ihre Aussage. „Um eine Minute…“, murmelte er mehr zu sich selbst, aber in dem Wissen, dass Naruto ihn sehr wohl hören würde. Er schien ohnehin immer alles zu hören – vor allem die Sachen, die er nicht hören sollte.

Noch ein Gähnen und ein erleichtertes „Ah“ (Sasuke ging davon aus, dass sie sich kurz streckte), doch als sie dann sprach, klang ihre Stimme wenigstens nicht mehr, als würde sie sie nur ansatzweise überhaupt wahrnehmen. „Schon gut, setzt euch einfach und dann…“

Sie stockte mitten im Satz und Sasuke konnte sich herrlich vorstellen, dass sie in dem Moment aufgesehen hatte. Leider saß sie eindeutig zu weit weg, wahrscheinlich würde er sie nicht mal wahrnehmen können, wenn er auf dem Stuhl vor ihrem Schreibtisch saß, aber er war sich sehr sicher, was für eine Art von Gesichtsausdruck sie gerade tragen musste.

„Seid ihr alleine gekommen?“, fragte sie langsam und ein wenig bedacht, was den Verdacht nahe legte, dass sie eigentlich etwas weit weniger taktvolles hatte sagen wollen.

„Nein.“, erklärte Naruto leichthin und machte ein paar Schritte vorwärts. Sasuke folgte, lief aber eher in Richtung ihrer Stimme in der Annahme, dass sie hinter ihrem Tisch sitzen würde und die Stühle davor standen. „Aber die beiden sind wohl im Trubel unten im Erdgeschoss hängen geblieben.“, meinte er leicht hin.

Noch zwei Schritte weiter und Sasuke spürte Widerstand, flachen, aufgerichteten Widerstand. Er streckte seine Hand aus und spürte eine hölzerne Fläche, die er als Rückenlehne erahnte und darum herum lief. Zufrieden, als sich sein Verdacht bestätigte, ließ er sich darauf nieder.

„Aha.“, meinte Tsunade und es war unmöglich zu sagen, was sie nun davon hielt, „Und ihr habt… eure Stöcke vergessen?“, fragte sie ein weniger schärfer, als sie vermutlich beabsichtige.

„Nein.“, erwiderte er nun ernst und lauschte, als sich Naruto links neben ihn setzte, „Wir haben sie ganz bewusst Zuhause gelassen…“ Er wartete einen Moment lang auf eine Antwort, aber es kam keine. Sasuke richtete seine gesamte Aufmerksamkeit direkt vor sich. Er konnte erahnen, wo sich der Tisch befand, allerdings nur sehr schlecht, da das Holz wohl nicht direkt in der Sonne stand und nicht wirklich warm war. Leider schien sich Tsunade zurückgebeugt zu haben und musste damit knapp außerhalb seiner Reichweite sein. Er fragte sich, ob Naruto sie wahrnehmen konnte. Es dauerte gefühlte zehn Stunden, bis Tsunades Stuhl leise knarrte und verriet, dass sie sich zurücksinken ließ.

„Ich weiß nicht, was ihr damit bezwecken wollt, dass ihr…“

Doch Naruto ließ sie nicht ausreden. „Ist das nicht offensichtlich?“, fragte er und Sasuke stutzte, wie ernst und ruhig der Junge klingen konnte, wenn er es wirklich wollte, „Heute ist es auf den Tag genau ein Jahr her. Wir wissen sehr genau, was das heißt und das ganze hatte genau einen Grund – wir wollen dir sagen, dass wir Ninja bleiben wollen.“

Wieder herrschte Schweigen. Diese unangenehme, nervenaufreibende Art des Schweigens, die unruhigere Menschen schnell dazu bringen konnte mit den Füßen zu scharren, sich an den Fingernägeln zu knabbern oder auf dem Stuhl hin und her zu rutschen. Überrascht stellte er fest, dass er kein entsprechendes Geräusch von Naruto hören konnte und auch der vage Schemen, den der andere neben ihm darstellte, bewegte sich nicht und auch wenn Sasuke alles andere als sicher war, er hätte vermutet, dass Naruto nicht nur ruhig dasaß, sondern sogar die Hände einmal still auf den Beinen hielt.

Langsam begannen auch in ihm Zweifel zu nagen, als Tsunade noch immer schwieg und auch sonst keinerlei Geräusche von sich gab, die irgendeinen Rückschluss auf das, was sie tat zugelassen hätten. Er war überzeugt gewesen, dass sie sofort verstehen würde, dass sie sie würde untersuchen wollen und wissen, wie es ging. Dass sie es verstehen würde. Aber offenbar war es doch nicht so einfach.

Nach einer schier ewig langen Pause schließlich atmete Tsunade sehr tief ein, es klang fast wie ein Seufzen, ehe sie ganz ruhig, langsam und für Sasukes Geschmack fast schon zu sachlich anfing zu sprechen: „Ich hätte euch den Status ohnehin nicht aberkannt. Aber ich glaube, das ist nicht, was ihr mir eigentlich sagen wollt, oder?“

Narutos Kopf machte eine Bewegung. Eigentlich hätte es eindeutig sein sollen, aber seine Technik war nicht ausgereift genug und daher konnte Sasuke nicht sagen, was für eine es war. Er konnte es sich aber sehr gut denken.

„Nein.“, bestätigte Naruto seinen Verdacht nun, „Es geht nicht um unseren Status, wir wollen…“ Er suchte offenbar nach Worten, um es auszudrücken, fand aber keine. Also sprang Sasuke ein: „Wir wollen wieder in den aktiven Dienst zurück.“

Er hörte Tsunade scharf die Luft einziehen und beeilte sich fortzufahren: „Wir wissen, dass es jetzt in der momentanen Situation nicht möglich ist, aber wir haben einen Weg gefunden unsere… Behinderung zu umgehen. Es wird noch dauern, bis das wirklich geht, aber… es wird.“

Die letzten beiden Worte hatte er eigentlich nicht aussprechen wollen, sie waren ihm schlicht herausgerutscht und enthielten eine Überzeugung, die keinen Zweifel zuließ und vielleicht ein wenig übertrieben war. Aber jetzt war es ohnehin zu spät sie zurückzunehmen.

Er konnte regelrecht spüren, wie Tsunades Blick von ihm kritisch zu Naruto und wieder zurück huschte.

„Und wie genau sieht dieser Weg aus?“

Ihr Tonfall war absolut neutral. Weder vorwurfsvoll, noch neugierig, noch überrascht. Sie war gut darin zu verbergen, was sie gerade dachte.

„Chakra.“, schaltete sich eine neue Stimme ins Gespräch ein und verkündete, dass Kakashi und Sakura es offensichtlich endlich durchs Gewühl geschafft hatten und in der Tür standen. Noch während Sasuke das dachte, würde besagte Tür aber gerade wieder leise geschlossen, um das ganze Gespräch etwas vertraulicher zu machen, „Es klingt schwer vorstellbar, aber irgendwie funktioniert es. Die beiden sind gerade ohne Hilfe und ohne Schwierigkeiten von ihrem Haus aus alleine hierher gelaufen. Und sie sind nirgends auch nur angestoßen oder Hindernissen nahe gekommen.“, erklärte Kakashi ruhig und Sasuke hörte seine ruhigen, aber etwas schwereren Schritte ein Stück näher kommen. Sakuras leichtere folgten ihm.

„Chakra?“, wiederholte Tsunade nachdenklich, „Das haben schon viele versucht, keinem ist es gelungen…“ Es klang mehr, als würde sie mit sich selbst als mit ihnen sprechen. „Wie viel könnt ihr damit wahrnehmen?“, fragte sie und nun klang sie schon deutlich interessierter, als zuvor.

Sasuke gestattete sich eine leichte Entspannung und ein Ausatmen, ehe er erklärte: „Bisher noch nicht allzu viel. Wir wissen, wenn etwas in unserem Weg ist und, wenn wir uns stark konzentrieren, können wir sehr vage Formen unterscheiden. Aber es wird besser, wir sind deutlich weiter, als am Anfang, als wir es entdeckt haben.“

„Mmh…“, murmelte Tsunade, aber es klang nicht abwertend und wurde von einem hellen Kratzen untermalt, dass den Verdacht nahe legte, dass sie sich irgendwo Notizen machte, „Wann habt ihr es denn entdeckt?“

„Vor etwa… fünf Monaten?“, schlug Naruto leicht unsicher vor und auch Sasuke war sich nicht mehr ganz sicher, er war zu abgelenkt gewesen, um groß auf die verstrichene Zeit zu achten, „Aber da war es noch beinah nutzlos.“, fügte Naruto schnell hinzu und auch Sasuke konnte sich Tsunades Stirnrunzeln und die erhobenen Augenbrauen bildlich vorstellen.

„Wie lange könnt ihr es halten?“, fragte sie aber statt einer Anklage und auf einmal schien sie mitten in ihrem Element. Das war nicht mehr die besorgte Hokage, das war die Ärztin, die aus ihr sprach und die alles möglichst genau wissen wollte. Fast hätte Sasuke geschmunzelt.

„Etwa zwei Stunden am Stück. Aber auch das wird langsam mehr, wir verbrauchen noch zu viel Chakra dabei…“, fügte er leise hinzu und, ehe sie nachfragen konnte, erklärte er weiter: „Unser Radius ist auch noch relativ niedrig, bei vielleicht eineinhalb Metern, aber anfangs war er bei etwa zehn Zentimetern, ich bin daher überzeugt, dass wir es mit mehr Übung noch deutlich ausdehnen können.“

In Gedanken fügte er noch hinzu Bis zu dem Punkt, an dem es uns das Sehen wirklich ersetzt. Aber das sprach er lieber nicht laut aus.

Wahrscheinlich konnte sich ohnehin jeder der Anwesenden diesen Satz auch so denken, Tsunades Stift kratzte in einer ungeheuren Geschwindigkeit übers Papier.

„Okay, dann erzählt doch mal von vorne, wie habt ihr das entdeckt, wie funktioniert es, was genau nehmt ihr wahr, wie lange hat es gedauert, es zu lernen…?“

Und Sasuke wusste, sie hatten sie schon so gut wie überzeugt. Ein kleines Lächeln stahl sich nun doch auf seine Lippen.

Teammates

Da ich nicht weiß, ob ich es morgen schaffe, lade ich das Kapitel diese Woche einen Tag früher hoch - viel Spaß beim Lesen. ^.~

_________________________________________________________________________________
 

„Sakura, das willst du doch nicht wirklich machen, oder?“

„Doch, Naruto, ich muss.“

„Du musst gar nicht!“

„Doch, um zu verstehen muss ich das.“

„Du quälst dich nur selbst.“

„Nein, bestimmt nicht.“

„Aber…!“

„Lass sie, Trottel. Sie kann jederzeit abbrechen, wenn es nicht mehr geht.“

„Aber, Sasuke…!“

„Hn. Wir holen dich morgen um neun ab, Sakura.“
 

„Ich halte das immer noch für eine blöde Idee.“, beschwerte sich Naruto, als sie durch das morgendliche Treiben Konohas zu Sakuras Wohnung liefen, um Sasukes Versprechen einzuhalten.

Es war kurz nach Neujahr und noch ziemlich kühl, allerdings meilenweit entfernt von den frostigen Temperaturen, die um die Jahreszeit eigentlich vorherrschend sein sollten. Sie trugen nicht einmal Handschuhe (was Naruto allerdings auch lieber war, sie hatten ihn im letzten Winter teilweise doch arg gestört).

Sasuke schnaubte nur leise, aus irgendeinem seltsamen Grund stimmte er Sakura offensichtlich zu, warum auf einmal und wie sie überhaupt auf diesen Unsinn kam, konnte sich Naruto absolut nicht vorstellen. Ausnahmsweise einmal war er es, der eine Idee für blöd hielt, nicht seine Teammitglieder, die seine Ideen für bescheuert erklärten. Aber trotz der angenehmen Abwechslung, er konnte es einfach nicht gutheißen. Sich dagegen zu wehren würde es aber kein bisschen besser machen, also spielte er eben notgedrungen mit.

Ihre Taststöcke klackten in regelmäßigem und einheitlichem Rhythmus auf den gepflasterten Weg und bildeten damit so ziemlich das einzige Geräusch, als sie auf das typische Reihenhaus zuliefen (dass es eines war, wusste Naruto aber nur aus der Erinnerung). Auch wenn sie Tsunade überzeugt hatten und fleißig weiterübten, es war keinesfalls so, dass sie die Technik schon perfekt beherrschen würden.

Er konnte sie inzwischen zwar gut einen halben Tag aufrechterhalten und die groben Schemen waren doch schon genauer geworden, sie waren aber noch weit genug entfernt vom echten Aussehen, dass er sich noch immer oft schwer tat Dinge zu erkennen. Meistens war es noch immer reines Raten. Sein Radius war ein wenig gewachsen, aber außerhalb des Hauses war es ihm nach wie vor lieber den Taststock zu benutzen. Sicher, er hätte es auch ohne hinbekommen, aber mit war es einfacher und sicherer, da führte leider noch kein Weg dran vorbei. Insbesondere heute hatte er seine Technik auch gar nicht aktiviert, als sie das Haus verließen, zum einen, weil es ein ihm nur zu gut bekannter Weg war, zum anderen, weil er sich nicht sicher war, dass er sie später nicht noch mehrmals brauchen würde und es war ihm lieber er hatte dann auch noch genug Energie, um sie auch tatsächlich einsetzen zu können.

Mit einem leichten Seufzen auf den Lippen, blieb er stehen, als er auf Widerstand traf und tastete vorsichtig an der rauen Wand entlang, bis er die Türklingel fand.

Kaum, dass er darauf gedrückt hatte, schwang dicht vor ihm die dicke Holztür auf und nun aktivierte er seine Technik doch, in der vagen und total unsinnigen Hoffnung doch zu erkennen, dass sie es nicht ernst gemeint hatte. Das war natürlich Quatsch und wie erwartet erkannte er ihre Silhouette nicht gut genug, um sagen zu können, ob… etwas anderes lenkte ihn ab. Da stimmte etwas nicht, als ob…

„Sakura, sag mal, hast du was mit deinen Haaren gemacht?“, platzte es ohne nachzudenken aus ihm heraus. Der schmale Freiraum, den er immer zwischen ihren Haaren und der Schulter wahrgenommen hatte (oder zumindest dafür gehalten hatte), war verschwunden, was hieß entweder trug sie eine Kapuze (womit er sie sich irgendwie kaum vorstellen konnte) oder aber…

„Äh, ja, ich hab’ sie wieder wachsen lassen?“, antwortete sie ihm total verwirrt und perplex nach einem Moment, „Stimmt, das habe ich ja gar nicht erzählt…“, merkte sie dann nach einem weiteren stillen Augenblick an, „Wie kommst du jetzt bitte darauf, kannst du sie schon…?“

Naruto lachte leise. „Nein, aber da fehlt ein Stück Nichts.“, erklärte er in seiner typischen Art und Weise und streckte vorsichtig die freie Hand danach aus, um wie erwartet in weiche, glatte Haare zu fassen, „Hast du sie sonst immer hochgebunden?“

„Mmh.“, stimmte Sakura zu und klang immer noch etwas verwirrt und offenbar leicht entschuldigend. Naruto schüttelte den Kopf und versuchte lieber sein mentales Bild von ihr zu korrigieren, in dem er die Haare auf die Schultern herabzog. Ganz so einfach war das nicht, sie wirkte dadurch seltsamerweise deutlich… älter. Andererseits, sie würde in drei Monaten 16 werden, sie war also deutlich älter als zu dem Zeitpunkt, von dem sein letztes Bild von ihr stammte…

Sasuke, der bisher stumm daneben gestanden hatte, räusperte sich nun und merkte sacht an: „Hast du sie wirklich auf?“

„Ja…“, antwortete Sakura sehr leise und mit einem etwas unsicheren Unterton.

„Dann wollen wir?“

„Ich halte das übrigens immer noch für eine blöde Idee.“, meinte Naruto und unterdrückte das Seufzen diesmal nicht, als er langsam, um sie nicht zu erschrecken nach Sakuras Arm griff, „Wollte ich nur mal erwähnt haben.“

Sie zuckte dennoch leicht, als er sie berührte, fasste aber seinen Ellbogen, als er ihn ihr anbot und ließ sich vorwärts ziehen, während Sasuke hinter ihr die Tür ins Schloss zog und ihnen dann folgte.

Irgendwie kam es Naruto furchtbar falsch vor, was sie hier taten, aber Sakura hatte nun einmal auf die Augenbinde bestanden und so war es diesmal – im Gegensatz zu den letzten eineinhalb Jahren – an ihm sie zu führen anstatt umgekehrt, wie es in seinen Augen irgendwie mehr Sinn gemacht hätte…
 

„Oh Mann.“, seufzte Sakura und Naruto hörte, wie der Holzstuhl leise knarzte, als sie sich darauf zurücksinken ließ. Eigentlich hatte sie vorgehabt alles – und sie hatte das „wirklich alles“ mehrfach betont – mitzumachen, was sie für den Tag vorhatten, aber wie so oft war es einfacher etwas zu sagen, als es auch tatsächlich zu tun.

Naruto konnte sich ein Schmunzeln über die ganze Situation nicht verkneifen. Es war Sakura gewesen, die ihnen vieles wieder neu beigebracht hatte, aber wieder einmal hatte sich gezeigt, dass es nicht dasselbe war zu wissen, wie etwas ging und es dann auch selbst zu tun. Schon beim morgendlichen Joggen durch den Garten hatten sie umgeplant und stattdessen Sakura mal einen der Taststöcke in die Hand gedrückt, mit dem sie wenig verwunderlich keinesfalls sofort klarkam.

Danach hatte sie mehrfach feststellen müssen, dass sie sich nicht so gut im Haus auskannte, wie sie eigentlich gedacht hatte und mehr als einmal mussten Naruto und Sasuke ihr helfen, wenn sie vollkommen die Orientierung verloren hatte oder entnervt war, weil sie Möbelstücke weiter links oder rechts erwartete.

Beim Zubereiten des Mittagessens schließlich hatten die beiden Jungen von sich aus entschieden, dass Sakura aussetzte – den das war ein leicht heikler Punkt, den auch sie lange vor sich her geschoben hatten. Scharfe Messer waren doch eine Sache, die über ein „probieren wir es mal“ deutlich hinausgingen.

„Es ist unglaublich, wie schnell ihr das gelernt habt…“, murmelte Sakura, was Naruto zu einem leisen, aber keinesfalls böse gemeinten Lachen brachte.

„Wir hatten einfach keine Wahl.“, erklärte er ohne irgendeine Wertung und warf die Zuckerschoten in die Suppe, die er trotz Sasukes Protest für heute durchgesetzt hatte. Dann wand er sich an Sakura und meinte leise und ernst: „Wenn es dir zu viel wird, nimm die Binde ab…“

Aber beinah sofort widersprach sie stur: „Nein. Ihr konntet das auch nicht und ich habe gesagt, dass ich es den ganzen Tag machen werde.“

„Wir haben aber auch nicht versucht alles auf einmal zu lernen.“, warf zu Narutos Überraschung Sasuke nun ein, während das Klirren von Porzellan verriet, dass er den Tisch deckte. Bisher schien Sasuke sich eher still im Hintergrund „zugesehen“ und sich wahrscheinlich insgeheim doch ein wenig amüsiert zu haben, aber Naruto wusste, dass er es eigentlich auch nicht wollte. Dass Sakura dasselbe durchmachen musste, wie sie. Wahrscheinlich hatte er sich auf ihre Seite geschlagen, weil er wollte, dass sie vielleicht verstand, weil es für ein Team wichtig war, auch die Grenzen der anderen zu kennen. Und deshalb war der Einwurf überraschend. Noch überraschender war aber seine sanfte, ruhige Stimme, als er neben Naruto trat und die Suppe vom Herd nahm: „Gönn dir ruhig auch mal eine Pause, Sakura.“

Sie schwieg einen Moment, auch dann noch, als Naruto ihr eine Portion Suppe auf den Teller schöpfte und ihn etwas übertrieben laut direkt vor ihr abstellte, dann aber klang ein Lächeln in ihrer Stimme mit, als sie antwortete: „Das tue ich doch gerade. Ich weiß, dass ihr es gut meint, aber so schnell gebe ich noch nicht auf.“

Gut, dass sie das Gespräch vor dem Essen hatten, Naruto war sich nicht sicher, ob Sakura das danach – und vor allem nach ihren Schwierigkeiten mit den Stäbchen – auch noch gesagt hätte.
 

„Okay, versuch erst meine Variante, Narutos ist… schwieriger, denke ich.“, meinte Sasuke ruhig, als sie am frühen Nachmittag zu dritt in einem lockeren Kreis inmitten des Dojos saßen und mit einiger Verzögerung (weil Sakura unbedingt die Schreibmaschine hatte ausprobieren wollen) ans tägliche Üben gingen.

Narutos Technik war bereits aktiv, sodass er Sakura im Schneidersitz neben sich spüren konnte. Er hätte sie allerdings nicht gebraucht, um die Unruhe und Nervosität seiner Teamkameradin zu fühlen. Sie versuchte sie zu überspielen, aber es war absolut zwecklos, sie brach immer wieder durch.

Als Sakura eine Bewegung machte, die Naruto mit ziemlicher Sicherheit als Nicken verstand, fuhr Sasuke fort – was wohl bedeutete, er hatte sie auch wahrgenommen.

„Gut, also, versuch eine Schicht Chakra über eine deiner Handflächen zu ziehen. Sie muss nicht dick sein, aber sie darf auch nicht gleich wieder verschwinden. Das ist am Anfang alles andere als leicht, aber du hast eine gute Kontrolle, daher sag ich es gleich, je dünner und gleichmäßiger du sie halten kannst, desto besser funktioniert es…“

Sasukes Stimme klang ruhig und entspannt, als er die Beschreibung gab, als wären sie mitten in einer geführten Meditation und Naruto merkte selbst, wie er beinahe auch versuchte seinen Worten zu folgen, obwohl er längst wusste, dass es nicht funktionieren würde. Schon in den ersten Tagen, nachdem Sasuke es entdeckt hatte, hatte er versucht das ganze nachzuahmen und war kläglich dran gescheitert.

Als sie es das Tsunade erzählt hatten, hatte diese etwas von Chakraelementen gemurmelt und war beinah sofort in der Bücherei verschwunden. Aber egal, was auch immer sie gesucht hatte, sie hatte es nicht gefunden und hatte ihnen irgendwann achselzuckend bemerkt, dass sie auch nicht wüsste, wie es ginge. Sie hatte sich die Techniken erklären und vorführen lassen und sie hatte sie selbst versucht und war gescheitert. Irgendwie verwunderte das Naruto mehr als alles andere, aber es ließ ihn auch daran zweifeln, ob es bei Sakura klappen würde oder ob sie etwas entdeckt hatten, dass tatsächlich einzigartig war.

Sasukes gleichmäßige, leicht monotone Erklärung machte ihn langsam aber sicher schläfrig und er merkte selbst, wie sich seine Technik ganz von selbst abschaltete, als er die Konzentration aufgab. Irgendwann würde er es vielleicht mal schaffen sich nicht mehr ununterbrochen darauf fokussieren zu müssen, doch bisher spürte und lenkte er jeden einzelnen, hauchdünnen Chrakastoß, den er aussendete.

Er verstand Sasukes Worte nicht mehr, aber die Stimme schien fast eine Melodie zu bilden und Naruto musste ein Gähnen unterdrücken. Selbst, als Sasuke offenbar etwas fragte und Sakuras hellere Stimme ihm antwortete, wurde Naruto nicht mehr wirklich wach und während er sich noch fragte, ob Kakashi wohl mit dem Sharingan erfolgreicher sein würde, schlief er tatsächlich ein.
 

Es war Abend gewesen, als Sasuke ihn schließlich äußerst unsanft durch einen leichten Tritt in die Seite weckte, weil Sakura sich endgültig ausgepowert hatte und nun ihrerseits kurz vorm Einschlafen stand.

Sasuke hatte daraufhin entschieden, dass es genug für einen Tag war und murmelte was davon, dass er etwas zum Abendessen holen würde und er solange bei Sakura bleiben sollte. Naruto gähnte einmal laut als Antwort, nickte dann aber und da Sasukes Schritte sich daraufhin entfernten, ging er davon aus, dass die Nachricht angekommen war.

Er streckte sich kurz und konzentrierte sich dann wieder auf seine Umgebung. Er brauchte allerdings einen Moment, um Sakura zu finden (und schaffte es auch nur anhand ihrer Atemgeräusche), da er nicht direkt damit gerechnet hatte, dass sie rücklings auf den Tatami-Matten lag und er seine Aufmerksamkeit weiter runter auf den Boden richten musste.

Mit einem Lächeln kniete er sich neben sie und legte ihr langsam eine Hand auf den Unterarm, woraufhin sie kurz zuckte.

„Naruto?“, flüsterte sie mehr, als das sie sagte. Sasuke hatte ein wenig übertrieben, sie war nicht kurz vorm Einschlafen, aber sie klang ohne jede Frage erschöpft.

„Ja.“, antwortete er und senkte ganz automatisch ebenfalls die Stimme, „Warum wirfst du uns immer vor, dass wir nie wissen, wann Schluss ist?“, fragte er neckend, aber ohne einen echten Vorwurf.

In Sakuras Stimme schwang ein Lächeln mit, als sie erwiderte: „Das frage ich mich auch gerade…“ Dann, mit einem Mal, wurde sie seltsam ernst und sie befreite vorsichtig ihren Arm aus seinem Griff, berührte ihn aber weiter und ihre Hand wanderte langsam seinen Arm und Hals zu seinem Gesicht hinauf. Naruto seufzte innerlich, sie hatte die Augenbinde also noch immer nicht abgenommen.

„Ich fasse es immer noch nicht, dass ihr das wirklich geschafft hat…“, hauchte sie leise und klang mehr fassungslos, als alles andere, während ihre Hand weiter über sein Gesicht strich und es offenbar erkundete.

Naruto zuckte die Schultern und fragte sich unwillkürlich, ob sie das überhaupt merkte. Sasuke hätte es gemerkt, denn genau wie er selbst, war er mittlerweile darauf sensibilisiert derartige Bewegungen zu deuten, aber Sakura, die gerade einen Tag Übung hatte?

„Es war ein Zufall.“, erklärte er zur Sicherheit laut, „Ich glaube nicht, dass wir dafür viel können…“

Aber Sakura schüttelte den Kopf (glaubte Naruto zumindest, ihre Haare verwirrten sein Bild und machten es ihm schwer).

„Es ist so oder so unglaublich.“

Und eigentlich hatte sie damit Recht. Aber das merkte Naruto auch erst nun, da er sie „sah“. War es so am Anfang bei ihnen auch gewesen? Es war unglaublich, was für einen Weg sie bereits zurückgelegt hatten, ohne, dass er es selbst gemerkt hätte.

Ihre Finger kitzelten ihn, als sie seine Wangen streiften und Naruto schmunzelte, während er nun auch seinerseits eine Hand in ihre Richtung ausstreckte und nur ein wenig widerwillig, aber dafür umso leiser fragte: „Darf ich dich auch mal wieder richtig ansehen, Sakura?“
 

Kakashi beobachtete fast ein wenig amüsiert, wie Naruto skeptisch das Gesicht verzog, als Tsunade ihm in aller Seelenruhe eine Blindenbinde am rechten Arm befestigte. Der Junge runzelte immer mehr die Stirn und kaum, dass sie von ihm abließ, huschte seine freie Hand nach oben und fuhr schnell zu dem Stück Stoff, um zu erkunden, was es war.

Kakashi hätte in dem Augenblick gerne Gedanken lesen können und gewusst, was genau Naruto wahrnahm. Konnte er die drei schwarzen Punkte fühlen? Oder erriet er nur, was es war, als sie auch Sasuke eine umband, der wohl offenbar schneller verstand und wieder einmal sehr griesgrämig dreinblickte.

„Oma, das kann doch nicht dein Ernst sein!“, beschwerte sich Naruto lautstark und wand den Kopf in ihre Richtung. Kakashi war überzeugt, dass seine Augen versucht hätten, sie anzufunkeln, wenn sie sichtbar gewesen wären, aber wie fast immer waren sie von der Sonnenbrille verborgen.

„Doch, der ist es, Naruto.“, erwiderte Tsunade ruhig, als sie auch Sasukes Arm losließ und sich langsam wieder umdrehte, „Und ihr werdet die Binden nicht abnehmen, hast du mich verstanden?“

Eine leichte Mord-Aura ging von ihr aus, die wohl auch Naruto spürte, denn mit einem Mal schmollte er nur noch und murmelte sauer etwas vor sich hin, aber er widersprach nicht sofort.

„Ihr werdet euch außerdem in der Nähe eurer Begleiter aufhalten und nicht versuchen irgendwo alleine herumzurennen, haben wir uns verstanden?“, fügte sie streng hinzu, woraufhin Naruto tatsächlich die Frechheit besaß ihr nach einem kurzen Kopfnicken tatsächlich die Zunge rauszustrecken, was ihm eine leichte, aber nicht böse gemeinte Kopfnuss einbrachte.

„Was, Oma??“, fragte Naruto gespielt entsetzt, „Du schlägst einen Blinden?“

Kakashi blieb ruhig am Rand stehen und beobachtete, wie Tsunade ihm daraufhin eine weitere, ebenfalls nicht böse gemeinte Standpauke hielt.

Er wusste, was sie bezweckte, aber er war sich nicht sicher, ob Naruto es verstand. Die eigentliche Reise nach Suna sollte kein Problem werden, vor allem nicht, da Team Kurenai sich einstimmig dazu bereit erklärt hatte, sie zu begleiten und ihnen ohnehin keine allzu große Gefahr drohte. Die offizielle Begründung für Tsunades Handeln – Narutos und Sasukes Sicherheit – war damit für jeden, der Bescheid wusste, eine allzu offensichtliche Lüge. In Wahrheit ging es schlicht und einfach um eine Art Tarnung. Auch wenn Kakashi sich nicht einmal wirklich vorstellen konnte, was es war, dass Naruto und Sasuke inzwischen „sahen“, es gab ihnen weit mehr Informationen, als Blinde normalerweise hätten haben sollen und machte eigentlich auch schon die Hilfe eines Stockes oder Führers überflüssig.

Das konnte allerdings unter Umständen den Eindruck erwecken, dass sie ihre Blindheit nur vorgeben würden – und so, wie er zumindest Sasuke einschätzte, würde dieser nicht mal unbedingt leugnen, wenn jemand ihm vorwerfen würde, er könnte ja eigentlich sehen. Wenn sie einmal so weit sein würden, würde es vermutlich auch von großem Vorteil sein, wenn sie wirklich jedem weiß machen könnten, dass sie tatsächlich ganz normal sehen konnten, aber sie waren noch nicht so weit und in ihrer jetzigen Situation konnte das durchaus gefährlich enden, wenn man sie fälschlich so einschätzte…

Ganz abgesehen von der Tatsache, dass bis auf Tsunade, Sakura und ihn selbst niemand überhaupt eingeweiht war und wusste, dass die beiden nicht so wenig sahen, wie es den Anschein hatte.

Etwa zehn Minuten später konnten sie dann auch tatsächlich aufbrechen und obwohl Sasuke mehr als grimmig dreinblickte und Naruto ab und an den Eindruck machte, als wollte er die Binde am liebsten von seinem Arm reißen, war es doch eine seltsam gute Stimmung. Natürlich hatte Naruto es sich nicht nehmen lassen voraus zulaufen, aber er übertrieb es zu Kakashis Erleichterung nicht und hielt sich in Kibas und Hinatas Nähe, die mit ihm vorgeeilt waren. Sasuke und Sakura liefen hinter ihnen, Shino wiederum nach ihnen und er selbst bildete mit Kurenai die Nachhut.

„Sie scheinen sich ja keine allzu großen Sorgen zu machen, dass sie ihr bekanntes Gelände verlassen.“, merkte die gerade im leisen Flüsterton an und meinte damit die allzu offensichtliche Tatsache, dass weder Naruto, noch Sasuke zu zögern schienen, wohin sie liefen und es auch nicht gerade den Eindruck machten, als bräuchten sie die Führung ihrer Begleiter, um nicht vom Weg abzukommen. Soviel zu ihrer Tarnung, dachte Kakashi trocken.

Sichtbar zuckte er aber nur die Schultern und ließ sich nichts weiter anmerken. „Sie sind nicht allein und sie sind sehr sicher geworden, auch in unbekannten Gebieten.“, erklärte er ruhig und wollte gerade mit einem Beispiel fortfahren, als auf einmal ein entsetzter Ruf „Naruto, Kiba!“, von Hinata ertönte und ihre Aufmerksamkeit nach vorne lenkte.

Eigentlich war es nur eine Frage der Zeit gewesen, aber dass Naruto wirklich schon loslief, wenn sie außer Sichtweite Konohas waren, hatte Kakashi nun doch nicht erwartet. Immerhin war er schlau genug gewesen, Kiba vorher zu fragen und eine Hand auf Akamarus Rücken zu legen, um sich leiten zu lassen, während er vorrannte.

Kakashi wollte gerade etwas sagen, als vor ihm Sasuke mit einem Mal stehen blieb, seinen Taststock zusammenklappte, in die Tasche steckte und langsam eine Hand nach links ausstreckte. „Sakura.“, war alles, was er sachlich anmerkte. Sie zögerte sichtlich, warf einen fragenden Blick nach hinten zu ihm und nach einer kurzen Überlegung zuckte Kakashi die Schultern, woraufhin Sakura die Hand ergriff und ihn vorwärts zog.

„Da waren wir wohl jemandem zu langsam.“, lächelte Kakashi entschuldigend, ehe er das Tempo ebenfalls erhöhte und seinen Schülern hinterher lief. Aus dem Augenwinkel sah er Kurenai noch ungläubig den Kopf schütteln.
 

Da sie die meiste Zeit über rannten, verkürzte sich die eigentlich eingeplante Zeitspanne bis nach Suna deutlich und schon am Abend des fünften Tages (statt den geplanten acht) erreichten sie die Grenze zur Wüste. Von hier an war es höchstens noch ein halber Tag, bis sie tatsächlich in der Wüstenstadt eintreffen würden.

Sie waren auf keinerlei Schwierigkeiten gestoßen. Ein, zweimal hatten sie Umwege nehmen müssen, weil der Weg eine an sich unnötige Biegung um ein Hindernis herum machte, dass sie normalerweise übersprungen hätten (aber Bäume springen stand außer Frage, wobei Kakashi inzwischen fast davon ausging, dass die beiden das sogar hätten hinkriegen können), das war aber auch alles gewesen.

Die Stimmung war durchgehend gut geblieben – vielleicht auch mitbedingt durch die Möglichkeit zu rennen, schließlich war es für einen Ninja doch nervenaufreibend ewig langsam laufen zu müssen.

Sie hatten ihr Nachlager an den letzten Ausläufern des Waldes aufgeschlagen und ein kleines Lagerfeuer gemacht, an dem Sakura und Hinata gerade Abendessen kochten, während Kiba und Shino noch ein wenig Holz für die Nacht sammelten.

Naruto und Sasuke waren ein paar Schritte weitergegangen, um zu sehen, wie gut oder schlecht sie mit dem Wüstensand unter den Füßen und Stöcken klarkamen und Kakashi folgte ihnen mit seinem Blick ständig. Große Schwierigkeiten schienen sie aber nicht zu haben, denn Naruto redete wie immer munter auf Sasuke ein, der, als sie sich schließlich umdrehten und langsam zurückkamen, sogar ein kleines Lächeln auf den Lippen trug.

„Das ist gar kein Problem.“, verkündete Naruto fröhlich, als er mit dem Stock gegen einen der umgefallenen Baumstämme stieß, die sie als Sitzbank nutzten. Er folgte dem Verlauf ohne zu zögern nach links und beugte sich fast über die gebratenen Fische, die Sakura gerade wendete. „Mmh, das riecht gut…“, meinte er und erhielt von Sakura als Antwort einen scherzhaften Rippenstoß ohne Druck.

„Die sind noch nicht fertig, du Vielfraß.“

Naruto schmollte gespielt. „Ich bin doch kein Vielfraß…!“

Kakashi schüttelte nur den Kopf und wand sich dann zu Sasuke um, der direkt neben ihm stehen geblieben war und sich nun zu seiner Überraschung direkt neben ihn setzte. Dort blieb er eine ganze Weile schweigend sitzen und Kakashi wollte fast schon fragen, ob etwas war (denn ohne Grund machte Sasuke so etwas nicht), als er auf einmal sehr, sehr leise, sodass wirklich nur Kakashi ihn verstehen konnte, erklärte: „Die Wärme hilft mir, es ist alles viel klarer.“

Daher also das Lächeln…
 

Der Frühling kam und ging genauso schnell, wie der Sommer. Gegen Ende des Sommers fand wieder das jährliche Chunin-Examen statt und Naruto drängte Sakura dazu mitzumachen. Sie wehrte sich mit Biegen und Brechen dagegen und meinte, sie würde es mit ihnen machen, aber Naruto erklärte ihr, dass sie nicht wüsste wie lange das dauern würde.

Letzten Endes gab Sakura nach, aber erst, als auch Sasuke schnaubend erklärte, dass sie es nächstes Jahr nachholen würden, komme, was wolle und er keine Lust auf weitere Aufräum-Missionen hatte und sie deshalb zusehen sollte, dass wenigstens sie vom Genin-Status wegkam.

Die darauf folgenden Wochen sahen sie sich quasi gar nicht, da Sakura nun für ihre praktische Prüfung übte (den schriftlichen Teil bestand sie wie erwartet ohne Probleme) und Naruto und Sasuke nach wie vor weiter an ihren Techniken feilten.

An dem Tag, an dem sie zum Ergebnis kamen, dass sie dem Maximum so nah wie möglich gekommen waren, bestand Sakura auch ihre zweite Prüfung und sie feierten am Abend zusammen wirklich ausgelassen.

Am nächsten Morgen dann (mittlerweile war es Anfang Herbst) hatten sie ihren jährlichen Termin bei Tsunade (die darauf bestand zu kontrollieren, dass sie keine weiteren Folgeschäden davontrugen).

Kaum, dass sie im Zimmer waren und die Tür geschlossen war, klappten Naruto und Sasuke die Stöcke zusammen, die sie nach wie vor noch trugen, da niemand wissen sollte, was sie wirklich konnten. Tsunade allerdings war ohnehin eingeweiht, hier drin brauchten sie also nicht länger etwas vorzuspielen.

Neugierig scannte Naruto den Raum, in dem er tatsächlich seit einem Jahr nicht mehr gewesen war. Das letzte Mal hatte seine Technik nicht ausgereicht, um ihm mehr als das „Hindernis Stuhl“ zu zeigen, ehe er dagegen lief. Jetzt allerdings war es, als könnte er ihn wirklich wieder sehen.

Sein Bild war nicht mit dem zu vergleichen, das ihm seine Augen normalerweise geliefert hätten, es war nicht ganz so scharf und absolut farblos. Eigentlich war es mehr als könnte er mit vielen tausend Fingern auf einmal den gesamten Raum abtasten und sein Gehirn bastelte ihm daraus in Gedanken ein Bild. Es war vollständig, es war keine Momentaufnahme und brach auch nicht mehr ab, wie es anfangs manchmal passiert war. Die Chakrastöße, die er abgab waren so winzig, dass sie kaum noch Energie kosteten und er sie auf fast gänzlich wieder aufnehmen konnte, wenn sie zurückkamen. Er konnte die Technik den ganzen Tag über ohne nachdenken zu müssen aufrecht erhalten ohne groß einen Energieverlust zu merken (das war es, woran er vorrangig gearbeitet hatte, die größere Genauigkeit war von ganz alleine gekommen).

Sakura hatte seine Beschreibungen einmal mit einem Echolot verglichen. Naruto hatte keine Ahnung, wie dieses ausgesehen hätte, daher konnte er es nicht sicher sagen, aber er ging im Zweifelsfall einfach davon aus, dass sie Recht hatte.

Theoretisch hätte er die Chakrastöße einmal rund herum um sich abgeben können und hätte damit eine Rundumsicht vergleichbar mit dem Byakugan erhalten können. Allerdings hatte er entsprechende Versuche sehr schnell wieder aufgegeben und sich auf den Bereich beschränkt, den er normalerweise auch vor sich hätte einsehen können, da sein Gehirn ganz offensichtlich nicht in der Lage war Informationen aus allen Richtungen gleichzeitig zu verarbeiten. Es verwirrte ihn, machte seine „Sicht“ unscharf und verdreht.

Das Ergebnis war, dass er wie normalerweise auch eine Art „Blickrichtung“ hatte, die zwar nicht länger von seinen Augen vorgegeben wurde, die er aber dennoch bewusst wählte. Sie war allerdings nicht auf das begrenzt, was vor ihm lag, er konnte tatsächlich auch seine Aufmerksamkeit auf die Geschehnisse hinter seinen Rücken richten, ohne sich umzudrehen – dadurch verlor er aber, was vor ihm geschah, deswegen tat er das eigentlich nie.

Er wusste, dass es Sasuke ähnlich ging, da sie einmal darüber gesprochen hatten und sein wärmegesteuertes Bild ihm etwa dieselben Grenzen und Möglichkeiten gab.

Das Hokagebüro sah aus seiner neuen Perspektive auf jeden Fall ziemlich langweilig aus. Es hatte sich scheinbar kaum etwas verändert, der Tisch, die Stühle, selbst die Wanddekoration befanden sich genau am selben Platz, wie er es in Erinnerung hatte. Allerdings konnte er die Plakate und Rollen an den Wänden nicht mehr lesen oder erkennen, nach allem, was er sagen konnte, hätten sie genauso gut unbedruckt sein können, denn Farben waren etwas, das er wirklich verloren hatte.

Farben waren Licht und Licht konnte er nicht mehr wahrnehmen. Aus demselben Grund waren die Fenster, deren Ausblick er einst wirklich gemocht hatte für ihn absolut bedeutungslos geworden. Sein Chakra kam nicht durch sie hindurch und so „sah“ er anstelle von Fenstern einfach nur große, einheitlich glatte Flächen, die in die Wände eingelassen waren.

Wie gesagt, langweilig…

Er setzte sich ohne großes Aufhebens ruhig auf den Stuhl und richtete seine Aufmerksamkeit voll auf Tsunade, die nach seiner Vermutung den Blick erwiderte. Mimiken waren teilweise schwer zu lesen, vor allem, wenn sie nicht allzu ausgeprägt waren, da er Gesichter selten scharf genug sah, um wirklich auch noch zu kleine Muskelzuckungen zu erkennen.

Er wusste, dass Tsunade ein leichtes Lächeln trug, aber leider gaben ihre Augen ihm nichts mehr preis. Wie Fenster oder die Plakate waren sie nur einheitliche Flächen. Pupillen, Iriden, all das war nur aufgrund von Farbe und Licht zu erkennen und außerhalb seiner Reichweite. Er hatte allerdings mit Sakura geübt und konnte so anhand der restlichen Gesichts- und Kopfbewegungen immerhin erahnen, dass sie ziemlich genau in seine Richtung sah.

Er schenkte ihr ein breites Lächeln, das sie offenbar verwirrte, denn ihre rechte Augenbraue wanderte ein Stück nach oben.

„Okay, reden wir nicht lange um den heißen Brei herum.“, meinte Tsunade schließlich und stand auf, um den Tisch zu umrunden und sich von vorne dagegen zu lehnen, sodass sie nun viel dichter vor ihnen stand, als zuvor, „Nehmt die Brillen ab.“

Naruto verzog nun seinerseits leicht das Gesicht und spürte, wie auch Sasuke sich leicht verkrampfte. Dennoch kamen sie der Aufforderung nach.

Naruto wusste nicht, was Tsunade sah, als er seine Augen in ihre Richtung richtete. Er war sich relativ sicher, dass seine Augenbewegungen die meiste Zeit über seiner „Blickrichtung“ folgen würden, wie gut oder genau allerdings, hatte er nie feststellen können.

Tsunade sagte nichts, aber nun wanderte auch die zweite Augenbraue nach oben, als sie langsam eine Hand hob und damit durch die Luft fuhr. Naruto versuchte ihr zu folgen.

Sie nickte, drehte sich um und machte zwei, drei Notizen.

„Gut…“, murmelte sie leise, dann wand sie sich wieder lauter zu ihnen herum, „Ich gehe davon aus, so, wie ihr hier hereingekommen seid, seid ihr der Meinung, ihr seid bereit?“

Einstimmiges, leicht angespanntes Nicken.

„In Ordnung, dann erklärt mir, was ihr nicht könnt.“

„Häh?“, machte Naruto hochintelligent, woraufhin Tsunade nur schnaubte, „Ich weiß bereits, dass ihr alleine durch die Gegend laufen könnt. Eure Augenbewegungen passen nicht hundertpro, aber sie sind zu dicht dran, um Zufall zu sein. Und ihr würdet nicht so sicher zu mir kommen, wenn ihr nicht in der Lage wärt zu kämpfen. Also erzählt mir lieber, was ihr nicht geschafft habt und wehe euch, wenn ihr nicht ehrlich seid.“, fügte sie grummelnd hinzu, während sie irgendetwas vom Schreibtisch nahm und… Naruto merkte, wie sie etwas in seine Richtung schnippte und fing das längliche Ding schnell ab, das er daraufhin sofort als Kugelschreiber erkannte. „Häh?“

„Sag ich doch.“, knurrte Tsunade ungeduldig, „Also?“

„Licht.“, meinte Sasuke neben ihm ruhig und warf etwas in ihre Richtung zurück – sie hatte ihm offenbar auch einen Kugelschreiber zugeworfen und fischte ihn nun in aller Ruhe auf, um ihn wieder hinzulegen. „Wir haben nach wie vor keine Möglichkeit Licht wahrzunehmen und alles, was damit in Verbindung steht.“

Tsunade nickte nachdenklich. „Das heißt, ihr könnt nicht lesen?“

Naruto sah zu Sasuke hinüber, der merklich zögerte und sich scheinbar leicht auf die Lippe biss, eher er langsam den Kopf schüttelte. „Normale Texte nicht, nein.“

Das war leider wahr. Auch wenn Naruto letztens festgestellt hatte, dass er paradoxerweise Blindenschrift lesen konnte, ohne mit dem Finger darüber zu fahren. Wenn er sich stark genug darauf konzentrierte und das Papier selbst in der Hand hielt, konnte er zwar nicht die Punkte selbst, dafür aber eindeutige Muster erkennen, die er nach einem halben Tag Übung tatsächlich lesen konnte. Aber, ob nun mit dem Finger oder der Technik, es war und blieb Blindenschrift.

„Aber dafür haben wir Sakura.“, meinte er in einem schwachen Versuch einer Erklärung. Tsunade beachtete ihn aber nicht.

„Was ist mit Schreiben?“

„Das können wir.“, erwiderten sie im Chor, woraufhin Tsunades Augenbrauen wieder rasant nach oben schossen. „So?“

„Wir haben es geübt.“, erklärte Naruto sachlich, stand auf und deutete auf ein beliebiges Papier auf ihrem Schreibtisch. „Ist das leer?“

„Nein.“, sie griff über ihn und zog ein anderes hervor, „Aber das.“

Er nickte, griff es, und schrieb mit dem Kugelschreiber, den er nach wie vor in der Hand hielt darauf „Uns muss jemand sagen, wo wir anfangen und schreiben können, aber mit etwas Übung sollte es wieder leserlich sein.“, dann reichte er den Zettel an Tsunade, die aber irgendwie erstmal nichts erwiderte, dann nickte und das Papier zur Seite legte.

Bestimmt zwei Minuten lang sah sie die beiden nur an und Naruto musste sich ernsthaft zusammennehmen, um nicht unruhig durch den Raum zu tigern oder irgendwas zu sagen. Ganz egal, was, nur, damit diese Spannung, diese nervöse Stille verschwand.

„Gut.“, merkte Tsunade endlich an und allein, dass sie sprach, ließ ihn ausatmen, „Ich gebe euch drei Wochen, nehmt euch Sakura und Kakashi und seht zu, dass ihr die Augenbewegungen hinkriegt. Danach besucht ihr die Akademie für einen Tag, wenn niemand etwas merkt, gebe ich euch im Anschluss eine Mission und wir sehen weiter, was sagt ihr?“

Blind Date

Sasukes „Blick“ wanderte automatisch nach oben, als sie direkt vor dem Gebäude ankamen, in dem sie jahrelang täglich Unterricht gehabt hatten. Er war schon eine ganze Weile nicht mehr hier gewesen und seltsamerweise fühlte er sich heute fast, wie damals an seinem ersten Schultag.

Auch wenn er sich alle Mühe gab es zu verdrängen, eine gewisse, leichte Nervosität konnte er einfach nicht leugnen. Er wusste, dass seine Augen perfekt der Bewegung dessen folgten, was er wirklich wahrnahm. Es hatte wirklich mehrere Tage gedauert, in denen sie Stunden über Stunden nichts anderes getan hatten, als zu versuchen Sakura oder Kakashi in die Augen zu sehen und den Blick zu halten. In denen sie mühsam antrainiert hatten Bewegungen zu folgen, als würden sie sie sehen.

Alles für diesen einen Augenblick – und er nahm es als Tsunades persönlichen Scherz auf, dass sie sie ausgerechnet für eine erste Kontrolle in eine Schule schickte. Offenbar traute sie ihnen nicht wirklich etwas zu, wenn sie davon ausging, dass ihre ersten Versuche an Kindern, die einmal Ninja werden wollten stattfinden mussten.

Andererseits, so ganz stimmte das nicht, denn es war heute tatsächlich das erste Mal, dass sie allen vorspielen würden, sie könnten sehen. Fast schon paradox in Sasukes Augen, wenn man bedachte, dass sie die letzten Wochen damit zugebracht hatten, allen weiß machen zu wollen, sie könnten nicht mehr wahrnehmen, als das, was sie hörten, fühlten, rochen und schmeckten. Ironie des Schicksals…

Und dennoch… sie hatten ihre Taststöcke noch dabei (sicher war sicher), aber sie waren zum ersten Mal seit über zwei Jahren ohne sie hierher gelaufen und keiner von ihnen trug eine Sonnenbrille, was bedeutete, ihre Augen waren für jeden deutlich sichtbar. Vielleicht war es das, was ihn wirklich nervös machte – wenn er einen Fehler machte, würde ein aufmerksamer Beobachter sofort merken, dass etwas mit seinen Augen nicht stimmte und würde vermutlich nicht lange brauchen um sich eins und eins zusammenzurechnen und Sasukes Tarnung in null Komma nichts zu durchschauen.

Er atmete mehrmals tief durch. Es war okay, er hatte geübt, er konnte das. Er konnte sogar Pseudo-Blickkontakt aufbauen, wenn es sein musste, es würde schon niemand auf seine Pupillengröße achten (denn sie war das einzige, woran sie nichts ändern konnten – egal, was sie versuchten, sie änderte sich nicht, aber das fiel nur beim schnellen Wechsel von Lichtverhältnissen auf und auch nur, wenn jemand speziell darauf achtete… hoffte er zumindest).

„Irgendwie sah das früher alles beeindruckender aus, oder?“, riss Naruto ihn aus seinen Gedanken.

„Hn…“, stimmte Sasuke zu. Ob es nun daran lag, dass er die Fenster nicht länger als die schimmernden, durchsichtigen Glasflächen von früher sah, sondern nur noch als große, kühle Flächen oder daran, dass seiner neuen Weltsicht jegliche Art von Farbe fehlte, wusste er nicht. Wenn er versuchte jemandem zu beschreiben, was genau er „sehen“ konnte, zog er meistens Wärmebilder als Vergleich heran, denn letzten Endes war es nichts anderes. Die Unterschiede in der Temperatur – und teilweise sogar richtig schwache – verrieten ihm wo etwas war und wie es aussah. Allerdings gab es einen wesentlichen Unterschied zwischen einem Wärmebild und seiner Technik, denn ersteres war eine farbige Abbildung. Seine Technik aber kannte keine Farbe und er fühlte es mehr als dass er es wirklich sehen genannt hätte (auch wenn er tatsächlich ein Bild im Kopf hatte, dass er auch beschreiben konnte).

Er verschob den Gedanken und kam wieder auf die Akademie zurück. Vielleicht war er auch einfach gewachsen, seit er das letzte Mal hier war, vieles wirkte als Kind einfach spektakulärer…

„Na, los, gehen wir, Raum 105…“, murmelte er und schob die großen Türen auf. Die Eingangshalle war im Gegensatz zu draußen angenehm kühl und Sasuke entspannte sich automatisch. Auch wenn Hitze es ihm manchmal wirklich einfacher machte, weil Temperaturunterschiede deutlicher wurden, er mochte sie nicht und es war keineswegs so, dass er ohne sie sofort irgendwo reingelaufen wäre. (Wobei teilweise die Frage blieb, was wäre, wenn es wirklich jemand schaffen würde einen Raum mit komplett einheitlicher Temperatur zu erschaffen… aber das war beinahe ausgeschlossen. Wenn schon sonst nichts, so schwankte immerhin die Außentemperatur eines menschlichen Körpers und allein dadurch würde Sasuke irgendetwas wahrnehmen können, auch wenn es vermutlich nicht eben allzu viel wäre.)

Er wusste, dass die pfeilförmigen Schilder an der Wand die Richtungen zu den einzelnen Klassen angaben, aber da sie nun mal leider nur bedruckt und nicht mit erhabenen Zeichen ausgestattet waren, sagten sie ihm rein gar nichts. Das war allerdings auch nicht nötig und so schlugen er und Naruto ohne zu zögern den Weg nach links zu den Treppen hinauf ein, vorbei an der offen stehenden Tür zum Sekretariat, hinter der eine Frau mit langen Haaren eifrig herumwirbelte. Sasuke hatte keine Ahnung, ob es dieselbe Sekretärin war, wie zu seiner Zeit, aber im Zweifelsfall winkte er einmal kurz, als ihre Kopfbewegung andeutete, dass sie so eben zu ihnen aufblickte. Er meinte sie lächeln zu sehen, dann waren sie auch schon an der Tür vorbei, durchs Treppenhaus und standen vor der dritten Tür im ersten Stock.

Hier gab es tatsächlich metallene Türnummern, aber sie waren zu klein und dünn, um sie so lesen zu können. Er hätte also tatsächlich die Finger benutzen müssen, um darüber zu tasten und das wollte er vermeiden, wenn es irgendwie ging, da es seiner Tarnung deutlich schaden würde. Er verließ sich daher lieber auf seine Erinnerung, warf Naruto einen fragenden Blick zu - den dieser zwar nicht wirklich sehen, aber eindeutig erahnen konnte, denn er nickte – und klopfte sacht an die Tür.

Das leise Gemurmel verstarb und eine männliche Stimme, die ihm nur zu bekannt war, erklärte: „Und jetzt seid schön artig!“, dann, deutlich lauter: „Herein!“

Sich ein Schmunzeln verdrückend, öffnete Sasuke die Tür und sofort huschte Naruto an ihm vorbei nach drinnen. Er selbst nahm sich die Zeit in aller Ruhe die Tür hinter sich auch wieder ins Schloss zu ziehen, dann folgte er seinem Teamkameraden in die Mitte des Raumes, während sein „Blick“ die Reihen hinauf huschte. Es hatte sich wirklich gar nichts verändert, stellte er gedanklich fest und fragte sich gleichzeitig, was er eigentlich erwartet hatte.

„Also, Kinder, darf ich euch zwei meiner ehemaligen Schüler vorstellen, die uns heute ein wenig beim Projekt unterstützen werden? Das sind Naruto und Sasuke.“

Projekt? Also hatte Tsunade längst geplant gehabt, sie hierher zu schicken und das alles von langer Hand geplant? Für eine spontane Entscheidung klang das fast zu unwahrscheinlich. Allerdings verwirrte Sasuke Irukas Tonfall. Er klang fast etwas… ungläubig? War er nicht eingeweiht gewesen, dass heute ihr erster „sehender“ Tag war?

Die Kinder riefen ein lautes, nicht ganz einstimmiges „Hallo!“, ehe Iruka ihnen etwas kleines, rechteckiges, kühleres hinhielt – ein Stück Kreide?

Er klang selbst zweifelnd, als er fragte: „Wollt ihr eure Namen einmal anschreiben?“

Jepp, eindeutig nicht eingeweiht… na, hoffentlich verplapperte er sich nicht, dachte Sasuke trocken, als Naruto ihm die Kreide abnahm. „Einfach mitten drauf? Oder lieber auf die Seite?“

„Wohin du möchtest.“

Naruto nickte und setzte die Kreide in der Mitte, dicht unter dem oberen Rand an – tatsächlich konnten sie Kreide mehr oder weniger gar nicht wahrnehmen. Wenn sie sehr dick war, eventuell ganz schwach, aber in der Regel nicht. Die Frage war also eigentlich eher gewesen, ob überall Platz war, aber sie konnten wohl davon ausgehen, wenn Iruka nichts sagte. Letzterer sah ihn gerade an, wie Sasuke in dem Moment feststellte und er zwang sich zur Ruhe und konzentrierte sich auf alles, was er in den letzten Tagen gelernt hatte, um Iruka direkt in die Augen zu sehen.

Dessen Augenbrauen wanderten nach oben und die Augen selbst weiteten sich leicht. Sasuke war überrascht – Iruka wusste ja eigentlich Bescheid, nahm selbst er ihm die nicht-Blindheit einfach so ab?

Naruto war fertig und nickte ihm zu herüberzukommen. Sasuke machte einen Schritt vorwärts, achtete darauf sich einzuprägen, wo Narutos Name endete, nahm die Kreide, schätzte die Höhe ab und schrieb seinen Namen darunter.

Es war sicher nicht die allerschönste Schrift, die er jemals benutzt hatte, aber sie war lesbar, wie ihm Sakura und Kakashi mehrfach bestätigt hatten.

Als er fertig war, versuchte er sich die Position ihrer Namen einzuprägen, legte dann die Kreide ab und klopfte sich leicht die Hände, um keinen Staub sonst wohin zu verteilen. Naruto mochte das egal sein, aber Sasuke würde nicht merken, wenn er einen Kreide-Handabdruck irgendwo auf seiner Kleidung hatte und da er nach wie vor schwarz und dunkelblau bevorzugte, würde das auch noch gleich wunderbar auffallen.

Naruto indessen hatte sich schon wieder zu ihm oder der Klasse umgedreht. „Es ist irgendwie schön, mal wieder hier zu sein, was für ein Projekt steht denn heute an, Iruka-sensei?“, fragte er gut gelaunt, woraufhin letzterer sich räusperte und leicht.

„Ihr habt das nicht gesagt bekommen?“

Einstimmiges Kopfschütteln.

„Oh.“, noch ein Räuspern, „Und ich dachte, deswegen wärt ihr extra hier… Wir haben heute in Projekt zum Thema Blindheit.“

Und Sasuke hätte fast angefangen laut loszulachen.
 

„Bis später, Naruto-sensei!“, rief das Mädchen, dessen Name Sasuke nicht mitbekommen hatte, fröhlich und lief den anderen hinterher hinaus auf den Schulhof. Er sah, wie Naruto übers ganze Gesicht grinste – dem Idioten gefiel das ganze offenbar.

Irukas Lächeln allerdings verschwand plötzlich, als das Mädchen fort war und er huschte zur Tür, um sie zu schließen, dann zu den Fenstern, um alle zu kontrollieren und baute sich fast schon drohend vor ihnen auf.

„Wie?“

Es war klar, dass er eigentlich eine andere Frage hatte stellen wollen, aber ihm die Worte dazu fehlten, was bei Iruka schon ein halbes Wunder war. Nichtsdestotrotz wussten sie natürlich, was er fragen wollte (und Sasuke war ihm dankbar, dass er Fenster und Türen geschlossen hatte, denn wenn sonst nichts, die Klassenräume waren schalldicht).

Sasuke wand den Kopf in Narutos Richtung, der im gleichen Moment zu ihm sah und er war sich sicher, hätte er seine Augen nicht als einheitliche Murmeln gesehen, hätten sie ihm einen fragenden Blick zugeworfen. So oder so, es blieb also wieder an ihm hängen.

Er zuckte die Schultern. „Gar nicht.“, erklärte er offen.

„Wie bitte?“, fragte Iruka ungläubig.

Sasuke zögerte kurz, gab es dann aber auf. Iruka wusste zu gut Bescheid, ihm würden sie ohnehin nichts vormachen können. „Wir sind immer noch genauso blind, wie die ganze Zeit auch, wir haben nur einen Weg gefunden, es soweit zu umgehen, dass es uns nicht mehr… behindert.“

Das letzte Wort war sicher nicht das aller treffendste (und stimmte auch nicht ganz, da sie einige Dinge ja nach wie vor tatsächlich deswegen nicht konnten), aber es war das beste, das ihm auf die Schnelle einfiel.

Iruka starrte sie immer noch fassungslos um. „Aber… wie? Ihr habt Tafelbilder mit uns gemalt und ihr habt mich und die Kinder angesehen.“, murmelte er ungläubig.

„Übung.“, erwiderte Naruto leise und klang fast schon entschuldigend, „Wir haben uns gemerkt, wo, was auf der Tafel stand und, auch wenn es niemandem aufgefallen ist, wir haben es vermieden irgendwelche Verbindungslinien selbst zu ziehen… da wäre es vermutlich aufgefallen.“

Sasuke nickte dazu, während Iruka genau das Gegenteil machte und kurz den Kopf schüttelte. „Unfassbar.“, flüsterte er, wohl mehr zu sich selbst, als zu ihnen, dann sah er langsam vom einen zum anderen.

Sasuke konzentrierte sich auf seine Bewegungen, damit er es hoffentlich wieder schaffte Iruka den Blickkontakt vorzuspielen, den dieser erwarten würde. Seine Augen blieben sehr lange auf ihm hängen, huschten dann wieder zu Naruto und kamen nochmals zu ihm zurück. Und wieder schüttelte er den Kopf.

Sasuke hob fragend eine Augenbraue und drehte sich zu Naruto um, der die ungläubige Reaktion scheinbar nicht wirklich erheiternd, sondern eher bedenklich fand, denn er versuchte sofort abzulenken: „Was steht denn nach der Mittagspause noch auf dem Plan?“

„Praxis…“, erwiderte Iruka geistesabwesend, was Naruto blinzeln ließ.

„Praxis?“, wiederholte er langsam, „Heißt das, die Kinder sollen mit Augenbinden…?“

Ehe er den Satz zu Ende brachte, atmete Iruka tief durch und schien sich endlich gefangen zu haben. Mit einem Lächeln fuhr er sich durch die Haare und nickte dann. „Ja, ich hätte gerne, dass ihr ihnen ein bisschen zeigt, wie es funktioniert.“

Dann stieß er sich vom Tisch ab, gegen den er sich halb hatte fallen lassen, und tat etwas, womit Sasuke nicht wirklich gerechnet hatte: Er umarmte Naruto. Letzterer wirkte auch leicht verdutzt, lachte dann aber.

„Iruka-sensei…“

„Ich freu mich, wirklich.“ Was er dann tat, hatte Sasuke allerdings noch viel weniger erwartet, denn ehe er protestieren konnte, fand auch er sich in einer kurzen, aber ehrlich gemeinten Umarmung wieder. Zum Glück ließ Iruka ihn deutlich schneller wieder los, um ihnen dann beiden durch die Haare zu wuscheln.

„Hey!“, protestieren sie wie aus einem Mund, woraufhin Iruka schelmisch lachte, „Heißt das, ihr geht wieder in den aktiven Dienst?“

Sasuke zögerte kurz und nickte dann. „Solange uns keines der Kinder auf die Schliche kommt, ja.“

Iruka schnaubte amüsiert. „Da würde ich mir keine Sorgen machen, ihr hättet mich getäuscht und ich wusste es sogar…“, meinte er ein wenig trocken, als er einen Blick hinaus auf die spielenden Kinder warf.
 

Mit einem sehr zufriedenen Lächeln beobachtete Tsunade vom Dach des Hokageturms aus, wie Naruto auf einer der Bänke im Schulhof saß, sich ein Kind mit verbundenen Augen auf den Schoß hob und seine Hände auf die Schreibmaschine legte, während etwa fünf Meter weiter links Sasuke einem anderen Schüler gerade erklärte, wie man einen Taststock benutzte. Iruka stand fast nur noch am Rand, an die Wand des Schulgebäudes gelehnt und wenn Tsunade den Zoom ihres Fernglases auf das Maximum drehte, konnte sie sehen, wie der Lehrer zufrieden und ohne jede Sorge zusah, was die beiden mit seinen Schützlingen anstellten.

Sie hatte nie daran gezweifelt, dass die beiden es bei den Kindern hinkriegen würden, aber sie war nicht ganz so optimistisch gewesen, was ältere, erfahrene Ninja anging.

Sie fragte sich im Stillen, was sie Iruka wohl erzählt hatten – denn er kannte die unabstreitbare Wahrheit, hatte vor inzwischen tatsächlich über zwei Jahren stundenlang mit ihr diskutiert, wieder und wieder gefragt, ob man nicht irgendetwas machen konnte. Und Tsunade hatte ihm jedes Mal genau das Gegenteil von dem, was er eigentlich hören wollte, erzählen müssen.

Sie hörte, wie die Tür hinter ihr sich öffnete, aber das leise Klacken, dass jeden der darauf folgenden Schritte begleitete, verriet ihr augenblicklich, wer zu ihr heraufgekommen war, daher drehte sie sich nicht um, gab vor, dass sie nichts merken würde und starrte weiter durch das Fernglas nach unten. Der Typ hatte ihr gerade noch gefehlt, allein seine bloße Anwesenheit reichte meistens aus, um sie sauer zu machen. Soviel zu ihrem schönen, zufrieden stellenden Tag heute…

„Hokage-sama.“

Mist, jetzt konnte sie nicht länger so tun, als hätte sie ihn nicht gehört. Ein Seufzen unterdrückend drehte Tsunade sich langsam um und zwang ein höfliches Lächeln auf ihre Lippen.

„Danzou. Was kann ich geg… für Euch tun?“ Sie hatte es ja gewusst, kaum, dass sie in sein bandagiertes, altes Gesicht sah und ihr sein eines, sichtbares Auge abschätzend entgegen funkelte, musste sie das Verlangen unterdrücken ihm eine reinzuhauen. Sie hatte schon fast alles versucht, um ihm irgendwie seinen Posten abzuerkennen, aber leider war das nicht gerade einfach und sie wusste, dass er es wusste. Irgendwie schien er immer über alles Bescheid zu wissen und seine eigene, unumstößliche Meinung zu haben – und genau das war meistens das Problem.

„Mir ist zu Ohren gekommen, dass Ihr plant Team Sieben unter der Leitung von Hatake-san wieder in den aktiven Status zu versetzen.“, fing er in einem ruhigen, neutralen, vollkommen wertungslosen Tonfall an und kam langsam ein Stück auf sie zu, „Mir ist aber ebenfalls aufgefallen, dass bei zweien der Mitglieder besagten Teams gestern Mittag die Krankschreibungen wegen Blindheit aufgehoben wurden. Ohne allerdings den Eintrag über die Behinderung zu korrigieren – es handelt sich sicher um ein Versäumnis, nehme ich an?“

Tsunade mahlte leicht mit den Unterkiefern, ehe sie in ebenso betont neutralem Ton antwortete: „Macht Euch keine Sorgen, ich versichere Euch, dass alles seine Richtigkeit hat. Überzeugt Euch selbst.“

Sie hielt ihm das Fernglas entgegen und nach kurzem Zögern schien Danzou zu dem Schluss zu kommen, dass es keine Falle war, denn er humpelte neben sie, nahm das Glas und sah in die Richtung, in die sie zeigte. Selbst ohne Glas konnte sie sehen, dass auf dem Schulhof nach wie vor geschäftiges Treiben herrschte.

Er sah kaum zwei Herzschlage hinunter, denn senkte Danzou das Fernglas wieder und wand sich stattdessen wieder zu ihr. „In den meisten Fällen wäre es mir gleichgültig, dass Ihr dienstunfähige Ninja wieder einsetzen wollt.“, bemerkte er kühl, „Aber in diesem besonderen Fall fühle ich mich gezwungen Euch dringend davon abzuraten.“

Tsunade spürte, wie sich eine kleine Zornader an ihrer Schläfe bildete. Sie hasste es, wenn er das tat, es war immer dasselbe. „Ich glaube, Ihr seid es, der Naruto ein wenig zu sehr…“

Doch er besaß tatsächlich die Dreistheit sie zu unterbrechen: „Man kann den Status eines Jinchuuriki nicht ernst genug nehmen, Hokage-sama.“

„Und ihn deshalb nicht mehr als Mensch abstempeln, meint Ihr?“, knurrte sie zurück und erwiderte seinen Blick ohne mit der Wimper zu zucken.

Nach zwei, drei Herzschlägen gab er schließlich auf und schnaubte leise. „Wie Ihr meint. Aber mir wäre wohler, wenn ein Mitglied meiner Einheit die Missionen vorerst begleiten und sichern könnte, Ihr werdet mir diese Bitte doch sicher nicht ausschlagen, oder, Hokage-sama?“

Wie oft wollte er ihren Titel eigentlich noch benutzen? Und dieses freche, siegessichere Grinsen hätte sie ihm auch gerne aus dem Gesicht radiert, aber sie wusste so gut, wie er, dass sie keine Wahl hatte.

Kaum, dass er wieder durch die Tür zum Treppenhaus verschwunden war, sprang Tsunade über das Geländer, landete sicher auf dem Dach vor ihrem Büro und kletterte durch das fast immer offen stehende Fenster ins Innere.

„Ahh!“

Und erschreckte dabei ihre Assistentin, die gerade darin vertief gewesen war irgendwelche neuen Papiere auf ihrem Schreibtisch zu sortieren und zu stapeln. Normalerweise hätte sie sich vielleicht dafür entschuldigt, doch nicht jetzt und heute.

„Shizune.“, bellte sie mehr, als dass sie es sagte, „Such Sakura und bring sie her so schnell, wie du kannst!“
 

„Ihr wolltet mich sprechen?“, presste Sakura hervor, während sie versuchte ihre schnellere Atmung zu bremsen. Offenbar hatten beide ihrer Schülerinnen ihre Worte ernst genommen – das war gut.

„Wir haben ein Problem.“, nickte sie ohne die geringste Begrüßung, bedeutete Sakura die Tür zu schließen und danach näher zu kommen, „Eine gewisse Person in leider hochrangiger Position ist nicht begeistert darüber, was ich mache. Um es kurz zu fassen, Sakura, ihr werdet einen Anbu zur Beschattung mitgeschickt bekommen, damit besagte Person jederzeit sofort einen Anklagepunkt gegen mich hat, sobald irgendetwas schief geht. Leider kann ich nicht wirklich etwas dagegen machen…“, fügte die grummelnd hinzu, während sie den mittlerweile dritten Pinsel in den Fingern etwas zu stark bearbeitete und er mit einem leisen Knall zerbrach.

„Du bist doch mit Sai vertraut, nicht?“

Sakura verzog leicht das Gesicht bei der Erwähnung des Namens, nickte aber. „Ja, er wurde schon ein paar Mal als Ersatz mit Kakashi-sensei und mir auf kleinere Missionen geschickt.“

Auch bereits eine der Aktionen Danzous, die Tsunade nicht hatte verhindern können – aber zum Glück hatte keiner ihrer Ninja Danzou irgendein Anzeichen geliefert, dass sie zu sehr mit der Trauer über ihre „verlorenen“ Kameraden beschäftigt waren und sich nicht mehr auf ihre Mission konzentrieren konnten. Denn das war ohne jeden Zweifel der Sinn der ganzen Sache gewesen.

„Sehr gut. Ich gehe davon aus, dass er es sein wird. Ich möchte, dass du deine Teammitglieder warnst und ihr entsprechende Vorkehrungen trefft. Ich überlasse euch die Entscheidung, wie genau ihr ihm mitteilt, dass Naruto und Sasuke noch immer nichts sehen können.“

Sakura blinzelte wie erwartet verwirrt und setzte an zu fragen: „Wir sollen ihm…?“

Tsunade unterbrach sie mit einem Seufzen. „Danzou weiß es ohnehin schon. Wenn ihr es also nicht einmal einem euch zugeteilten Teammitglied erzählt, wird er das erst recht als Aufhänger für einen Vorwurf nehmen. Allerdings… ich vertraue euch in der Hinsicht, seht zu, dass ihr ihm auch gleich klarmacht, was deine beiden Jungs trotz allem können, vielleicht sogar besser können, als er. Wäre doch gelacht, wenn wir uns wegen so etwas ausbremsen lassen würden.“

Und mit einem fiesen Grinsen im Gesicht zerbrach sie den vierten Pinsel.
 

Sasuke musste zugeben, ihm gefiel Sakuras Idee. Und zwar aus mehreren Gründen, zum einen, nach all den Horrorgeschichten die sie von diesem Sai erzählt hatte (und Sasuke war sich irgendwie nicht ganz sicher, inwieweit sie wirklich übertrieb), würde es ihm wohl ganz recht geschehen und es zeigte ihm, dass auch seine sonst so offene Teamkameradin eine gewisse schadenfrohe Seite hatte.

Dann war da noch der Punkt, dass er sich zumindest heute Abend wohl wenig bis keine blöden Kommentare bezüglich seiner Blindheit würde anhören müssen, mehr noch, sie würde, wenn alles funktionierte heute Abend nicht die geringste Schwäche, sondern im Gegenteil einen gewaltigen Vorteil darstellen (das war ja schließlich auch der Zweck der ganzen Sache).

Und, auch wenn er versuchte es zu ignorieren, da war auch in ihm eine kleine, leise Stimme, die sich insgeheim darüber freute, dass sich jemand mit genau denselben Schwierigkeiten, die er selbst auch schon hatte, würde herumschlagen müssen.

Alles zusammen genommen sorgte dafür, dass er unüblich gute Laune hatte (und dazu kam ja auch noch, dass sie in zwei Tagen zum ersten Mal seit über zwei Jahren wieder auf Mission gehen würden – auch wenn es nur eine C-Rang Begleitschutz-Mission war… die irgendwie Erinnerungen wach rief, die Sasuke aber bisher sehr erfolgreich verdrängte).

Sie standen gerade zu dritt in der Küche (Sakura war bewusst über eine Stunde früher als Sai gekommen) und bereiteten das Popcorn für den gemeinsamen Fernsehabend vor, als es an der Tür klingelte.

„Also dann, los geht’s…“, murmelte Naruto und huschte nach draußen in den Flur, um die Haustür zu öffnen, während Sasuke Sakura die Schale mit süßem Popcorn in die Hand drückte, sich schnell die andere mit salzigem griff und dann sacht ihren Arm anstupste, damit sie wiederum nach seinem griff. Ihr gefiel das merklich nicht, denn ihr Gesicht verzog sich leicht, aber es war angesichts dessen, was sie vorhatten nun mal deutlich sicherer.

„Hallo, Blindfisch, ich bin Sai.“, grüßte gerade eine künstlich fröhlich klingende Stimme aus Richtung der Haustür. Sasuke verdrehte die Augen, das ging ja super los, jetzt lass Naruto ja nichts Falsches sagen…

„Hallo, Glubschauge, ich heiße Naruto, nicht Blindfisch…“, grummelte der gerade, fing sich dann aber noch und Sasuke „sah“, wie er einen Schritt seitlich machte, Sai mit einer Handbewegung hereinbat und dann die Tür schloss. Sai erstarrte augenblicklich – und Sasuke grinste.

Für ihn hatte sich nicht das Geringste verändert, aber sie hatten zusammen mit Sakura die letzte Stunde damit zugebracht das gesamte Haus absolut lichtdicht abzudunkeln, was bedeutete mit dem Schließen der Tür dürfte es hier pechschwarz sein. Die Fenster waren mit dunkler, dicker Pappe und schwarzem Klebeband quasi versiegelt, ebenso alle noch so kleinen Lichter und Schalter an irgendwelchen elektronischen Geräten. Hier drin waren Sai und Sakura genauso blind wie sie. Nein, das stimmte nicht – und das war einer der Teile, die Sasuke so gefielen – sie selbst konnten weit mehr sehen, als ihre beiden sehenden Gäste.

Während allerdings Sakura darauf eingestellt war – die Idee kam ja schließlich von ihr – und sie alles so abgesprochen hatten, dass es klappen würde, reagierte Sai wie erwartet.

Sasuke brachte Sakura sicher zu ihrem Platz auf der Couch (sie hätte ihn auch alleine gefunden, daran zweifelte er nicht, aber es wäre wohl nicht ganz so leise und „normal“ gewesen, wie es für die kleine Illusion sein sollte), dann stellte er sein Popcorn auf dem Fernsehtischchen ab und lief zu Naruto in den Flur.

„Hallo.“, meinte er kurz angebunden und blieb im Türrahmen stehen. Sai war etwa so groß, wie er selbst, dank Sakuras Beschreibung wusste er, dass seine Haut sehr blass und die Haare schwarz waren, den Körperbau und grob die Gesichtszüge konnte er nun selbst „sehen“. Wie war sie noch mal auf die Idee gekommen, zu behaupten, er sähe ihm ähnlich? Also, wenn das der Fall wäre, dachte Sasuke düster, hatte er sich selbst aber verdammt verändert, seit er das letzte Mal in einen Spiegel gesehen hatte…

Sais Kopf zuckte automatisch in seine Richtung, was auch an Naruto nicht unbemerkt vorüber ging, denn er deutete auf Sai und legte überdeutlich den Kopf schief. Doch Sasuke schüttelte den Kopf. Nein, er konnte bestimmt nichts sehen, Sai war angeblich ein Anbu, es war kein Wunder, wenn er nicht ganz so geschockt reagierte, wie vielleicht mit viel Glück zu erwarten gewesen wäre.

„Du bist Sasuke?“, fragte der gerade und Sasuke konnte deutlich spüren, wie er versuchte die Augen zusammenzukneifen und ihn zu sehen. Bestimmt wanderte sein Blick gerade unruhig hin und her.

„Ja, aber das wusstest du doch ohnehin schon. Komm lieber ins Wohnzimmer, das Popcorn wird kalt.“, erklärte er, als wäre es das natürlichste auf der Welt, dann drehte er sich um und lief ein paar Schritte weiter, blieb dann allerdings so stehen, dass er Sai noch immer im „Blick“ hatte.

„Es ist ganz schön dunkel hier drin, was dagegen, wenn ich das Licht anmache?“, fragte Sai noch immer viel zu ruhig und emotionslos für Sasukes Geschmack.

Er verkniff sich aber jeden Kommentar und wartete stattdessen ab, wie Naruto überdeutlich mit den Schultern zuckte und dann lässig meinte: „Klar, aber mach es bitte wieder aus, wenn du gehst, ja? Wir tun uns ein wenig schwer damit…“

Da Sai ohnehin Bescheid wissen würde, machten sie sich gar nicht die Mühe so zu tun, als würde es nicht stimmen, aber als Naruto neben ihn kam, fühlte Sasuke, wie er sich das Lachen verkneifen musste, als Sai zwar zielsicher eine Hand zur Wand an der Seite ausstreckte, aber den Lichtschalter erst nach dem dritten Versuch fand.

Sasuke konnte sich vorstellen, woher das darauf folgende Stirnrunzeln kam, denn alle Birnen waren halb aus den Fassungen gedreht. Sie würden nicht angehen.

Naruto machte eine fragende Kopfbewegung nach hinten und Sasuke nickte langsam. Sie hatten ihn lange genug warten lassen.

Er selbst ließ sich rechts neben Sakura auf der Couch nieder und tippte sie ganz kurz mit zwei Fingern an, damit sie wusste, dass es nur er war, während Naruto in den Flur zurücklief, fröhlich „Jetzt komm schon!“ rief und einen leicht überrumpelten Sai einfach mit ins Wohnzimmer schleifte und aufs Sofa presste, ehe er sich mit Schwung auf Sakuras andere Seite fallen ließ.

„Popcorn?“, fragte er dann gut gelaunt und hielt Sai die große Schale hin, doch der schüttelte nur den Kopf und wirkte leicht desorientiert. Sasukes Grinsen wurde eine Spur breiter, als er in aller Seelenruhe die Fernbedienung griff.

„Hallo Sai“, grüßte währenddessen Sakura und ließ sich nichts anmerken, „das Popcorn ist wirklich lecker, du solltest mal welches probieren.“

Doch Sai schüttelte nur den Kopf und blieb wie erstarrt im Sofa sitzen – und zwar genauso, wie er hinein gestoßen worden war.

„Dann eben nicht.“, meinte Naruto achselzuckend, „Sag Bescheid, wenn du’s dir anders überlegst.“

Er selbst schob sich geräuschvoll eine Ladung Popcorn in den Mund und stupste dann Sakura mit der Schale an, die auch sofort zugriff, als Sasuke in aller Seelenruhe den Fernseher startete – der nebenbei bemerkt so eingestellt war, dass nur Ton, aber kein Bild erschien. Tatsächlich hatten sie sich aber einen Hörfilm besorgt und so war selbst die Menüführung akustisch untermalt, sodass Sasuke keine Schwierigkeiten hatte den Film einzuschalten.
 

Gute zwei Stunden später saß Sai noch immer unbewegt in genau derselben Haltung und Sasuke fragte sich, wie lange er das wohl noch durchhalten konnte, ohne dass ihm alle Muskeln wehtaten.

Naruto und Sakura saßen Rücken an Rücken und mit jeweils einer Seite an die Couchlehne gelehnt neben ihm und hatten – genau wie er auch, entspannt die Augen geschlossen. Für Sasuke war es ein ganz normaler Abend, selbst damals, als Sakura den ersten vergleichbaren Film mitgebracht hatte und ihn mit ihnen ansah (da allerdings tatsächlich mit Bild, das wenigstens sie verfolgen konnte), hatte er sich nicht die Mühe gemacht auch nur so zu tun, als würde er auf den Bildschirm sehen. Wozu auch?

Die Abspannmusik lief gerade, als Naruto das Schweigen brach und sich mit einem lauten „Ahh!“ genüsslich streckte. „Das war doch mal ein schöner Film, oder?“, fragte er und schüttete sich ein Glas Limo ein, „Den sollten wir auf jeden Fall noch mal zusammen sehen!“

„Find ich auch.“, stimmte Sakura zu und griff (wie Sasuke anerkennen musste sogar sehr zielsicher, dafür, dass sie es so wenig geübt hatte) ebenfalls nach ihrem Glas, ließ sich allerdings von Naruto einen Schluck einschütten, anstatt es selbst zu versuchen.

Sasuke nickte nur, behielt weiter Sai im Auge, der absolut nicht reagierte. Hatten sie es übertrieben?

Möglichst sacht tippte er Sakura an und deutete in Richtung Sai, damit auch Naruto verstand. Absolut synchron nickten beide, wobei Sakura leicht besorgt, Naruto eher erheitert zu sein schien.

„Sai?“, fragte Sasuke ernst.

„Ja?“

„Komm mit in die Küche, ich glaube, wir müssen reden.“, damit stand er selbst auf, lief zu dem Jungen herüber und berührte ihn sacht, um ihn nicht zu erschrecken, an der Hand. Sai rang sichtlich mit sich, aber Anbu hin oder her, Sasuke bezweifelte, dass er sich alleine in völliger Dunkelheit durch einen fremden Raum bewegen konnte. Und zu genau demselben Schluss kam Sai offensichtlich auch, denn sehr widerwillig und langsam stand er auf und ließ sich vorwärts ziehen.

In der Küche presste Sasuke ihn in einen Stuhl und setzte eine Ladung beruhigenden Kamillentee auf, von dem er ihm zwei Minuten später eine geräuschvoll direkt vor die Hände stellte.

Inzwischen waren auch Naruto und Sakura gekommen und hatten sich gegenüber an den Tisch gesetzt.

„Was du heute Abend erlebt hast“, fing Sasuke schließlich einfach an, „ist für uns absolut normaler Alltag. Du hast sicher längst gewusst, dass der Eintrag bezüglich unserer Blindheit nie korrigiert wurde und das hat seinen Grund.“

„Aber das heißt nicht, dass wir nichts tun können.“, übernahm Naruto und klang selbst in Sasukes Ohren unüblich ernst – selbst Sakura sah verwundert in seine Richtung und hätte wohl gerne sein Gesicht gesehen. Sasuke hätte es ihr gerne bestätigt, dass es zu seinem Tonfall passte, aber das ging gerade leider nicht, ohne alles kaputt zu machen.

„Du wirst mit uns in einem Team zusammen arbeiten und daher solltest du es wissen.“, fuhr Naruto derweil fort, „Wir können keinen normalen Film sehen, wir können nicht durch Fenster schauen und wir können Schrift nur dann lesen, wenn sie erhaben ist.“

Sai schwieg, roch kurz an seinem Tee und nahm dann einen Schluck. Sagen tat er aber immer noch nichts, daher ergriff Sasuke wieder das Wort. „So ziemlich alles andere allerdings können wir genauso gut oder teilweise vielleicht sogar noch besser als jeder Sehende. Du wirst uns nicht stolpern oder nach dem Weg tasten sehen. Wir können deine Gestik und Mimik genauso lesen, wie die eines jeden anderen und wir haben den Vorteil, dass wir von den Lichtverhältnissen unabhängig sind.“

Noch immer keine Reaktion.

„Die beiden sind damit auch immun gegen jede Art von Rauchbomben, Blendgranaten oder nicht funktionierenden Fackeln.“, warf Sakura ruhig ein, „Und unter normalen Umständen wirst du nicht merken, dass an ihren Augen irgendetwas anders ist.“

Schweigen.

„Um es auf den Punkt zu bringen.“, schloss Sasuke das ganze ab, „Hätten wir es dir nicht gesagt, würdest du es wahrscheinlich nicht merken und genau das ist der Sinn der Sache. Du weißt jetzt Bescheid, weil wir zusammenarbeiten werden und wir denken, dass du es wissen solltest. Geh aber im Zweifelsfall erst einmal davon aus, dass jeder andere es nicht weiß und pass auf, was du sagst, hörst du? Wenn wir uns übermorgen treffen, um aufzubrechen, tu so, als wüsstest du nichts von dem, was du heute Abend erfahren hast.“

„Und wenn nicht?“, war das erste, was Sai, wenn auch etwas leiser als zuvor, fragte.

„Wenn nicht, kannst du gerne noch mal zu einem Fernsehabend vorbeikommen und wir zeigen dir, wie überlegen wir dir tatsächlich in der Dunkelheit sind?“, schlug Naruto grinsend und absolut nicht ernst gemeint vor. So, wie Sasuke Sais Gesichtsausdruck einschätzte, verstand dieser den Scherz dahinter aber überhaupt nicht. Er wirkte nämlich doch sehr verbissen und widerwillig, zumindest für einen Moment, vermutlich, bis Sai klar wurde, was er eben gehört hatte und dass sie seine Mimik sahen – dann nämlich wurde der Ausdruck von einem absolut neutralen abgelöst.

Ob das ein gutes oder schlechtes Zeichen war, würde sich zeigen. Auf jeden Fall hatte Sakura nicht übertrieben, wie Sasuke leicht düster feststellte – Sai war eine harte Nuss.

First Mission

Naruto streckte sich gerade genüsslich und lehnte sich ein wenig über die niedrige Brückenmauer nach hinten, als plötzlich etwas direkt vor seinem Gesicht auftauchte und auf und ab wedelte.

Ärgerlich packte er die Hand und funkelte Sai wütend an. „Was soll der Mist?“, knurrte er, doch sein Gegenüber schien nicht im Mindesten beeindruckt und grinste weiter sein selbst für Naruto eindeutig falsches Grinsen.

„Tut mir leid.“, erklärte Sai in einem Tonfall, der nur zu genau sagte, dass es das nicht tat, „Aber es ist einfach…“

Naruto unterbrach ihn mit einem Schnauben und stieß die Hand von sich. „Es ist albern, hör auf mit dem Quatsch!“, er senkte bedrohlich die Stimme, ehe er trocken hinzufügte, „Und vor allem, wenn uns jemand sieht, das ist gar nicht lustig.“

Sai grinste weiter. Hörte der Kerl jemals damit auf?

„Tut mir leid, Blindfisch.“

Naruto verdrehte die Augen und musste sich stark zusammennehmen dem Jungen nicht sofort an die Gurgel zu springen. „Hab ich nicht gesagt, dass du den doofen Ausdruck lassen sollst, Honigkuchenpferd?“

Für einen Moment schien es fast, als wäre Sai ehrlich verwundert über den seltsamen Spitznamen, dann zuckte er aber nur die Schultern und grinste weiter.

„Sai? Du weißt schon, warum wir es dir erzählt haben, oder?“, murmelte Sakura wenig begeistert, als sie sich neben Naruto an die Mauer lehnte. Allein von ihrer Stimme konnte sich letzterer sehr gut vorstellen, wie genau ihr Blick in dem Moment aussehen musste, aber leider war Sai ganz offenbar immun gegen jegliche Art von bösen Blicken. Selbst Sasukes wütendes Funkeln, das sonst jeden verstummen ließ, blieb leider bei ihm absolut wirkungslos.

So auch jetzt, die einzige Reaktion bestand aus einem Schulterzucken.

Naruto seufzte im Stillen. Warum musste auch ausgerechnet dieser Kerl mit auf Mission kommen? Sakura hatte bereits Erfahrung mit ihm und sie vorgewarnt, dass sie aufpassen mussten, was sie in Sais Gegenwart taten und sagten, aber der Blödmann legte es ja regelrecht drauf an und wenn er so weitermachte, würde es hundertpro nicht lange dauern, bis ihr „Geheimnis“ gleich jeder kannte. Genauso gut hätten sie sich auch ein Schild um den Hals hängen können, nein, das wäre vermutlich sogar noch unauffälliger gewesen.

Eigentlich war Naruto davon ausgegangen, dass Sai ihre Botschaft verstanden hatte. Er hatte kaum noch gesprochen und nur genickt, aber inzwischen war Naruto sich nicht mehr sicher, ob das wirklich Verstehen und Zustimmung ausgedrückt hatte oder vielmehr eine angewöhnte Geste war, die nicht mehr Inhalt hatte, als ihre Pseudo-Blickkontakte…

So oder so war Sai nicht mehr im Geringsten eingeschüchtert gewesen, als sie sich heute Morgen trafen. Er hatte ihm und Sasuke ganz unverfroren in die Augen gestarrt und immer wieder versucht die Hand davor zu halten oder dämliche Fragen im Sinne von „Wie viele Finger zeige ich?“ gestellt, bis es Sasuke zu blöd gewesen war und dieser sein Sharingan drohend aktiviert hatte.

Es mochte für ihn keinerlei Unterschied machen, aber das wusste niemand (auch Sai nicht). Leider hatte Sai wenig überraschend nur mit einem Grinsen reagiert und dann gemurmelt. „Das ist ja mal interessant…“

Immerhin hatte er danach etwa eine halbe Stunde Ruhe gegeben, ehe das ganze Drama von vorne losging und Naruto wirklich an sich halten musste, um ihm keine zu verpassen. Sie hatten zu lange darauf hingearbeitet, dass es niemand merkte, als dass er zulassen würde, dass dieser schwachköpfige Idiot ihnen alles vermasselte!

„Yo, guten Morgen, Leute!“

Fast schon erleichtert wand Naruto den Kopf und lächelte Kakashi und seinen zwei Begleitern entgegen. Kurz huschte seine Konzentration und damit sein „Blick“ auf seine Armbanduhr deren Deckel er möglichst unauffällig aufschnappen ließ, damit er sie lesen konnte und er grinste.

„Sensei, Sie sind aber fr… au!“ Sasuke hatte ihm sehr „dezent“ auf dem Fuß getreten, wofür er ihn nun leicht schmollend anfunkelte.

Kakashi allerdings nahm es gelassen. „Nein, Naruto, ich in keine Frau.“ meinte er mit einem Augenzwinkern und deutete dann leicht hinter sich, „Darf ich vorstellen, dass ist unser Klient, Takashi Kumono, den wir die nächsten Tage über ins Reich der Blitze begleiten werden.“

Der offenbar junge Mann verneigte sich leicht. „Guten Tag.“

Kakashi indes wand sich nun um. „Kumono-san, das hier ist mein Team, wenn ich vorstellen darf, Naruto, Sasuke, Sakura und Sai.“ Alle nickten höflich und während Kakashi in aller Ruhe ein paar Instruktionen für den Weg gab (und erklärte, dass Yamato sie ebenfalls begleiten würde, was alle außer Sai allerdings bereits seit einer Woche wussten), nutzte Naruto einen der Vorteile seiner Technik und betrachtete den jungen Mann in aller Ruhe, während seine Augen aber auf Kakashi gerichtet waren.

Es war ein bisschen unangenehm, da es allem widersprach, was er sich in den letzten Wochen antrainiert hatte, aber es hatte durchaus Vorteile, wenn man Leute anstarren konnte, ohne, dass sie es merkten. Allerdings musste Naruto aufpassen, dass er Kakashis Gesten noch mitbekam, weshalb er nicht ganz so genau hinsehen konnte, wie er wollte.

Doch auch wenn er kein allzu genaues Bild bekam (irgendetwas war seltsam an dem Typ und verwirrte sein Chakrabild – vor allem im Bereich der Haare), eine etwas verwirrende Tatsache fiel sofort auf. Kumonos Haltung, seine ruhige, standhafte Art, selbst seine Bewegungen widersprachen der lockeren Alltagskleidung eines Zivilisten in jedem Punkt. Mit anderen Worten, selbst wenn dieser Mann kein Ninja sein sollte, er war ohne jeden Zweifel in der Kampfkunst unterrichtet worden – und das gut. Wozu brauchte er ein Ninjateam, das ihn beschützte? Und noch dazu eines auf einer als ungefährlich geltenden Route, die der ganzen Mission gerademal eine schwache Stufe C abverlangte?
 

Ein paar Stunden später folgten sie einem herrlichen Weg direkt durch weite, beinah unberührte Wiesen hindurch. Sakura und Sai liefen voraus, Naruto mit Kumono in der Mitte und Kakashi und Sasuke bildeten die Nachhut, was Naruto wenigstens ein paar ruhige, Sai-freie Minuten einbrachte, die er nutzte, um sich von ihrem Auftraggeber von seinem Land erzählen zu lassen.

Naruto war noch nie im Land der Blitze gewesen und entsprechend neugierig, wie es dort aussah - auch wenn er schnell bedauerte, dass er das Naturspektakel, das dort beinahe jeden Abend stattfand, wie Kumono erzählte, niemals wirklich würde sehen können, immerhin waren Blitze nicht mehr als reinstes Licht. Mit viel Glück würde Sasuke sie fühlen können, aber für ihn selbst waren sie schlichtweg unsichtbar.

„Zerstören die ständigen Gewitter und Blitzeinschläge denn nicht die ganze Landschaft?“, fragte er, halb aus Neugier, halb, um sich selbst abzulenken.

Kumono lachte leise. „Das würden sie wohl, wenn es etwas gäbe, das sie zerstören könnten. Aber der Teil, in dem sie einschlagen, besteht fast nur aus Felsen, entsprechend ist er nicht wirklich gefährdet. Wir haben auch Wälder, aber solche weiten, ausholenden, leuchtend grünen Landschaften, wie hier, gibt es bei uns quasi nicht…“, erzählte er und machte eine weit ausholende Armbewegung, „Es ist wirklich schön.“

„Ja, das ist es.“, stimmte Naruto lächelnd zu. Die Wahrheit war, sie hatten das Gebiet, das er kannte, bereits vor einer ganzen Weile verlassen und da er es zu auffällig fand, seine Uhr jetzt zu öffnen, wusste er nicht einmal genau, wie spät es war und wo die Sonne stand. Kurzum, er hatte keine Ahnung, wie es um ihn herum wirklich aussehen mochte, aber das störte ihn zu seiner eigenen Überraschung nicht im Geringsten, er konnte es sich sehr gut vorstellen. Weite, grüne Wiesen, helle Farbkleckse in Form von unterschiedlichen Blüten und so verträumt, wie die Bemerkung eben geklungen hatte, malte seine Fantasie gleich mal ein sanftes, warmes Nachmittagslicht dazu.

Genau, wie Iruka es gesagt hatte, hatte er bisher keine Farbe vergessen und in seiner Vorstellung und auch seinen Träumen war die Welt nach wie vor bunt. Naruto war sehr froh darum, er wusste, dass er sie vermissen würde, wenn sie auf einmal nicht mehr da wären und die wenigen Male, in denen er Sasuke dabei erwischt hatte, wie dieser vergeblich versuchte sich an eine Farbe zu erinnern, hatten ihn doch ein wenig traurig gestimmt.

Zum Glück und zu seiner Beruhigung ließ sich Sasuke aber in solchen Momenten (wenn auch äußerst widerwillig) in der Regel erzählen, was genau Naruto mit der Farbe verband und bisher hatte das immer ausgereicht, um sie auch ihm wieder ins Gedächtnis zu rufen. Wie Naruto es damals gesagt hatte, solange sie es nicht zuließen, würden sie die Farben behalten können.

Ohne groß darüber nachzudenken, warf Naruto einen „Blick“ zu Kumono hinüber, der scheinbar gedankenversunken in die Landschaft hinausblickte. Er hatte keine Möglichkeit zu wissen, wie er wirklich aussah, ehe er nicht in einer ruhigen Minute vorzugsweise Sakura fragen würde, aber er stellte sich aus einem unerklärlichen Grund heraus die Kleidung in dunklen Brauntönen kombiniert mit einem nicht allzu strahlenden Weiß vor. Naruto hatte außerdem gehört, dass viele Bewohner des Landes dunkle Haut hatten und so besaß auch seine Vorstellung einen gebräunten, sonnigen Teint und dunkle Haare. Wie nahe das dem echten Bild wohl kam?
 

Nachdem sie die Zelte aufgebaut und Sasuke ein Feuer entfacht hatte, kümmerte sich Sakura ums Abendessen, während Kakashi (wieder mal) las, Sai und Yamato die Gegend nach Auffälligkeiten absuchten und Naruto und Sasuke die Ausrüstung für den morgigen Tag vorbereiteten. Der kürzeste Weg zu dem Dorf, das Ziel ihrer Reise war, führte durch eine kleinere Höhle und für diese brauchten sie Fackeln und Seile, die die beiden noch einmal zur Sicherheit überprüften.

„Meinst du, das war Absicht?“, flüsterte Naruto leise, als er die letzte Fackel kontrollierte und einen Moment länger in der Hand behielt, als nötig gewesen wäre.

Sasuke blickte auf, dann schnaubte er leise und packte das Seil, das er gerade begutachtet hatte, wieder griffbereit in den Rucksack. „Natürlich war es das, Blödmann.“, erwiderte er dann aber ebenso leise, „Tsunade ist nicht dumm, auf einer normalen Mission wären wir nach wie vor im Nachteil, aber wenn sie uns auf solche schickt, bei denen abzusehen ist, dass die Lichtverhältnisse ein Problem geben könnten, macht sie sogar noch einen Vorteil draus…“

Ehe Naruto irgendetwas dazu sagen konnte, stand er allerdings auf, ließ die Taschen liegen und ging hinüber zum Feuer, um Sakura zu helfen.

Naruto blieb allein zurück und starrte noch einen Moment lang auf die Fackel in seiner Hand. So hatte er nie darüber nachgedacht, aber genau genommen hatte Sasuke Recht. Egal, was sie auch vorgaben mochten zu sein oder zu können, sie waren nicht wie alle anderen. Als Nachteil hätte er selbst das nicht mehr bezeichnet, aber wenn man wirklich einmal darüber nachdachte… es hätte schon Probleme gegeben, wenn sie eine Karte hätten lesen müssen.

Naruto schüttelte vehement den Kopf und packte die Fackel ein. Nein, er weigerte sich darüber weiter nachzudenken, es war, wie es war und er war der festen Überzeugung, dass es irgendwo sogar ganz gut gelaufen war.

Abgesehen davon, auch wenn sie vielleicht gedrucktes nicht lesen konnten, wenn ihnen morgen die Fackeln den Dienst versagen sollten, würde es für sie keinen Unterschied machen und sie würden vollkommen unbeeinträchtigt weitergehen können. Das war kein Vorteil, den Tsunade irgendwie daraus zu machen versuchte, es war eine Tatsache und selbst wenn das bedeuten sollte, dass sie von nun an nur noch Missionen dieser Art bekommen sollten, es wäre ihm auch Recht. Immerhin waren es wieder Missionen und kein Zuhause herumsitzen und darauf warten, dass etwas passierte.

Mit einem Ruck stand er auf und kam ebenfalls zum Feuer, bei dem gerade auch ihre beiden Kundschafter wieder eintrafen.

Als Sai zu ihm herüber sah, musste Naruto sogar ungewollt grinsen. Wollen doch mal sehen, wer von uns der Blindfisch ist…
 

Die so genannte „kleine“ Höhle erwies sich als deutlich größer, als Naruto der Beschreibung nach erwartet hatte. Die Gänge selbst waren zwar eng und relativ niedrig (Kakashi konnte gerade noch so aufrecht gehen), aber die Fläche war weitläufig und hätte sich nicht tatsächlich jemand die Mühe gemacht und Pfeile an den Abzweigungen in die Wand geritzt, hätten sie sich sicher schnell verlaufen.

Es war kühl hier drin und sehr feucht. Naruto allerdings störte das weniger, ihn faszinierten die Tropfsteine, die beinahe jeden Gang begleiteten, wie Bäume eine Allee. Sie gefielen ihm und die Vorstellung, dass sie über hunderte von Jahren nur dadurch entstanden waren, dass Wasser von der Decke herabtropfte, ließ ihn staunen.

Irgendwie schien aber niemand sein Interesse zu teilen. Kakashi hatte sein Buch ausnahmsweise einmal weggesteckt und lief mit Sakura, die sich immer wieder über die Arme rieb, voran. Sai und Yamato bildeten den Abschluss, während diesmal Sasuke und Naruto jeweils seitlich von Kumono liefen. Kakashi hatte ihnen klar gemacht, dass er wenn überhaupt in diesem Abschnitt mit einem Angriff rechnete, da die vielen Gänge und das schlechte Licht ideale Verhältnisse für eine Überraschungsattacke boten.

Naruto fragte sich, warum sie überhaupt jemand angreifen sollte. Kumono war nach einiger Aussage „nur ein Berater“ und auch wenn er abblockte, sobald man weiter nachfragte (während er sonst eigentlich ein sehr netter, gesprächiger Zeitgenosse war), wirkte er nicht wie jemand der wichtig genug war, dass man ihn entführen sollte. Allerdings war da immer noch diese seltsame Aura, die er ausstrahlte, die Naruto teilweise doch zweifeln ließ, ob er nicht doch selbst ein Ninja war. Er schüttelte den Gedanken aber immer wieder ab. Warum sollte ein Ninja Ninja anheuern, um sich beschützen zu lassen? Allein der Gedanke war albern…

Sie liefen gerade an einem besonders dicken, zusammengewachsenen Tropfstein vorbei und Naruto bekam große Augen. Am liebsten hätte er die anderen sofort darauf aufmerksam gemacht, aber Kakashi hatte Gespräche abgesehen von wichtigen in der Höhle verboten. Es war außerdem klar, warum er gerade sie beide neben ihren Auftraggeber postiert hatte, denn auch wenn sie Fackeln (zum Schein) in der Hand hielten, konnten sie im Gegensatz zu den anderen auch in die abzweigenden Tunnel sehen.

Bisher war es aber still gewesen und nichts regte sich, in geschätzten dreihundert Metern befand sich der Höhlenausgang und…

Ein Klirren erklang irgendwo in dem Gang vor ihnen und Kakashi blieb schlagartig stehen und hob eine Hand, woraufhin sie alle abbremsten und sofort in Abwehrhaltung gingen. Naruto lauschte angestrengt. Da war etwas metallisches, aber er konnte es nicht genau einordnen. Metall auf Stein? Nein, eher Metall auf Metall, aber was…?

Kakashi drehte sich nicht um, aber er hob die Hand erneut, diesmal mit zwei Fingern nach oben gestreckt, die er dann ruckartig nach vorne kippte. Das war ein vereinbartes Zeichen und ohne weitere Absprache rückten Yamato und Sai auf, sowie Sakura nach hinten, nahmen ihnen die Fackeln ab und Naruto und Sasuke liefen voraus in die (vermutliche) Dunkelheit des Ganges.

Mit einem kurzen „Blick“ zurück „sah“ Naruto noch, wie Kumono ungläubig die Augen aufriss, aber er konnte sich nicht groß darauf konzentrieren, weil der Gang keine fünf Meter weiter eine Abzweigung aufwies, aus der das seltsame Geräusch kam.

Sasuke machte eine Handbewegung, die soviel bedeutete, wie „langsam“ und sie schlichen sich näher heran. Direkt vor der Abzweigung blieben sie stehen und lauschten noch einmal. Jetzt waren auch Atemzüge hörbar, auf Sasukes fragende Geste hob Naruto eine Hand mit ausgestreckten Fingern und Sasuke nickte. Entweder er glaubte ihm das oder er meinte auch, dass es fünf Leute waren. So oder so, es war klar, was zu tun war und ohne weitere Absprachen.

Wie auf ein stummes Kommando hin, sprangen sie gleichzeitig vor und überraschten die (tatsächlich fünf) Ninja, die dort auf der Lauer gelegen hatten. Naruto sah nirgends etwas, das auch nur entfernt wie Fackeln aussah, aber an ihren Köpfen befanden sich seltsame Helme, in denen er eine hohe Chakrakonzentration spürte und die es waren, die das seltsame Geräusch erzeugten. Vielleicht gaben sie Licht ab, vielleicht gaben sie ihnen ein Bild der Umgebung oder es waren Wärmesensoren. Er wusste es nicht, aber fest stand, dass sie es ihnen irgendwie ermöglichten sie zu sehen, denn obwohl sie mit einem einzigen Schlag die ersten beiden auf die Bretter schickten, die drei anderen reagierten schnell genug und wichen nach hinten aus, mehr noch, sie griffen sogar an.

Naruto blockte einen (viel zu lockeren, offenbar hatte sich jemand mit der Entfernung verschätzt) Schlag auf sein Gesicht, packte in der gleichen Bewegung den Arm, machte einen Schritt nach vorn und verdrehte seinem Gegenüber das Handgelenk, während er ihm seitlich direkt in einen zweiten hineinzog. Beide stolperten und fielen zu Boden, kurz ehe der dritte noch stehende Mann von Sasuke durch die Luft gewirbelt und auf sie drauf geschmissen wurde.

Ein lautes Stöhnen erklang, dann presste der unterste Mann im Haufen hervor: „Wie zum Geier…“

„Unterschätz uns nur nicht.“, meinte Naruto vergnügt und verpasste ihm eine Kopfnuss, die ihn ausknockte, ehe er sich fragend zu Sasuke herumdrehte, „Das war irgendwie zu leicht, oder?“
 

„Hey, Bro, ich versteh immer noch nich’, wozu brauchste mich?“

Der Raikage verdrehte leicht genervt die Augen. Genau diese Frage hatte er heute schon fünfmal beantwortet und dass sie auch noch gereimt wurde, machte das Ganze irgendwie keinen Deut besser.

„Zum sechsten Mal.“, knurrte er langsam ungeduldig, „Wir erwarten jeden Moment Motoi, der mit dem Team aus Konohagakure kommen soll und ich möchte, dass du den Jinchuuriki…“

In eben diesem Moment klopfte es und A nickte ernst. „Na, also. Herein!“, rief er etwas lauter, während sein Bruder neben ihm nur irgendetwas unverständliches murmelte, dass sich wenigstens ausnahmsweise einmal nicht wie ein Reim anhörte.

Die Tür zu dem kleinen, etwas versteckt liegenden Gebäude öffnete sich und was dann folgte, hatte A ganz sicher nicht erwartet. Als allererstes in den Raum kamen nämlich nicht die Konoha-nin, sondern, eher unsanft vorwärts gestoßen, fünf seiner Männer mit deutlichen Beulen auf den Köpfen und eher verlegen und mürrisch dreinblickend.

A blinzelte.

Jemand hatte ihnen die Hände auf dem Rücken zusammengebunden und kaum, dass sie alle im Raum waren, folgte ein junger Blondschopf, der sich sogleich beschwerte: „Sagen Sie mal, warum zum Geier schicken Sie ihre Männer, um einen von Ihren Männern anzugreifen?“

„Naruto, bitte.“

Ein grauhaariger Mann trat hinter dem Jungen ein und legte ihm eine Hand auf die Schulter. A hatte ihn nie persönlich kennen gelernt, aber allein sein Aussehen und das halb über dem Auge getragene Stirnband verrieten ihn. Das also war Kakashi Hatake…

„Was denn, ist doch wahr? Die Typen tragen doch dasselbe Stirnband, wie…“ Ein Stoß in den Rücken ließ den vorlauten Burschen abbrechen und ein Junge etwa im selben Alter, aber mit schwarzen, wild abstehenden Haaren trat hinter ihm ein – und wurde sofort sauer angefunkelt. Da hatte jemand ganz eindeutig zu viel Energie…

Ein Räuspern lenkte As Aufmerksamkeit auf Motoi, der soeben auch ins Zimmer kam und sich leicht verlegen den Hinterkopf rieb. „Raikage-sama, ich fürchte, ich kann berichten, dass die Aussagen voll und ganz zutreffend waren.“, erklärte er betont sachlich, woraufhin A eine Augenbraue hob.

„Du meinst…?“

Motoi nickte, während hinter ihm noch mehr Personen eintraten, denen A aber keinerlei Beachtung mehr schenkte. „Ja, Hokage-sama hat keineswegs übertrieben, dieses Team besteht wirklich aus Spezialisten für den Kampf bei wenig Licht.“

As Blick huschte kurz über die Gestalten, die Motoi nun teils verwundert, teils leicht ärgerlich ansahen, während die beiden Jungen, die zuerst eingetreten waren, leise miteinander flüsterten, offenbar wollte der blonde sich noch immer aufregen. Aus den Augenwinkeln sah er außerdem, wie ausnahmsweise sogar Bee neugierig eine Augenbraue hob.

Er schnaubte amüsiert und verschränkte die Arme vor der Brust. „Nun, denn, Team Kakashi, ich entschuldige mich für die Unannehmlichkeiten, aber ich musste euch erst testen, ehe ich sicher sein konnte.“ Mit einer Handbewegung scheuchte er Motoi mit den gefangenen Ninja nach draußen, dann fuhr er ernst fort. „Wir haben da einen Auftrag, der in fast völliger Dunkelheit durchgeführt werden muss und Hokage-sama meinte, sie hätte genau die richtigen Leute…“
 

Tatsächlich war besagter „Auftrag“ denkbar einfach und langweilig und Sasuke und Naruto brauchten keine Stunde. Irgendein seltsamer Erfinder hatte vor Jahren einen Mechanismus in einer der unzähligen Felsenhöhlen gebaut, der auf zu helles Licht reagierte und in dem Fall eine ganze Reihe von Fallen auslöste.

Niemand wusste, was dahinter versteckt war und auch wenn es nicht gänzlich dunkel war, reichte das Licht nicht aus, um zu sehen, was sich im Inneren verbarg.

Naruto war fast schon enttäuscht, als sie ins Innerste eindrangen und lediglich eine kleine Truhe vorfanden, die sie ohne Schwierigkeiten (ohne Licht aktivierten sich die Fallen nicht mal) nach draußen brachten und aufbrachen. Darin wiederum befand sich nichts weiter, als ein handgeschriebener, kurzer Brief, den Sakura laut vorlas:

Lieber Finder,

wenn du das hier liest, hast du offenbar einen Weg gefunden mein ausgeklügeltes Fallensystem zu überwinden. Ich gratuliere dir, sollte ich noch leben, sei doch so gut und sag mir, wie, damit ich es verschärfen kann.

Die Unterschrift war absolut unleserlich, aber als sie es dem Raikage brachten, lachte dieser einfach nur laut los und murmelte etwas von wegen, das sähe ihm ähnlich, während sein Bruder, der bisher zu ihnen noch kein einziges Wort gesagt hatte und sie nur unentwegt beobachtete, eine Augenbraue hob und kurz den Kopf schüttelte.

Und dafür waren sie durchs halbe Land gelaufen…

Immerhin entschädigten die Rai-Nin sie am Abend mit einem leckeren Barbecue nach ihrer eigenen (sehr würzigen) Art und Naruto konnte ihnen fast vergeben.

„Hey, Kleiner, was geht’n? Lass uns mal ’ne Sekunde reden.“, meinte auf einmal jemand direkt hinter ihm und nur Augenblicke später schwang sich jemand von hinten über die Lehne der Bank und landete lässig neben ihm.

Naruto blinzelte verwundert und „starrte“ mit vollem Mund zu dem Mann. Er wusste, dass er den Bruder des Raikagen vor sich hatte, denn als solcher war er ihnen vorgestellt worden, aber bisher hatte er außer einem lustlos klingenden „Yo“ kein einziges Wort gesagt. Und jetzt musste der auch noch reimen?

Narutos „Blick“ huschte schnell einmal durch die Runde, aber er konnte unter den vielen Leuten, die auf einmal aufgetaucht waren und hin und her liefen (offenbar so ziemlich alle Bewohner des Dorfes) keinen seiner Teamkollegen ausmachen. Super…

Er schluckte unter.

„Öhm, klar, worüber?“, fragte er leicht argwöhnisch, woraufhin ihm der andere eine übergroße Faust auf die Schulter klopfte, dass er erschrocken zusammenzuckte.

„Wir haben was gemein und deshalb meint mein Bruder das muss sein.“

„Wer ist hier gemein?“, grummelte Naruto missmutig und funkelte sein Gegenüber kurz an, was diesen aber nur zum Lachen brachte.

„Jetzt schau doch nicht so mies drein, wird schon nicht allzu schlimm sein.“

Naruto spürte, wie sein Auge anfing zu zucken, während er sich alle Mühe gab sich nicht anmerken zu lassen, wie genervt er gerade tatsächlich war.

„Könntest du dann bitte aufhören zu reimen? Das würde es etwas einfacher machen…“

Aber der Kerl lachte wieder nur. „Dir fehlt also auch der Beat.“, meinte er kopfschüttelnd, dann lehnte er sich entspannt zurück. Und mit einem Mal spürte Naruto geradezu, wie die Stimmung ernster wurde. Es war seltsam, aber manchmal kam es vor, dass er genau merkte, wenn jemand ihm gleich etwas für ihn ungemein wichtiges erzählen würde und trotz des breiten Lächelns und der betont fröhlichen Stimme wirkte Bee nicht, als wollte er weiterhin seine Späße treiben.

Was auch immer es war, dass sie „gemein“ haben sollten, es war ein ernstes Thema. Wie, um das noch zu unterstreichen, senkte Bee die Stimme, ehe er sprach: „Kleiner, du hast neun, ich acht, aber letzten Endes ist es dasselbe… Problem.“

Im ersten Moment wollte Naruto instinktiv mit einem „häh?“ antworten, doch gerade noch rechtzeitig begriff er, was das ganze tatsächlich bedeuten sollte und brach ab. Vermutlich sah er ganz schön dämlich aus, wie er da mit offenem Mund dasaß und ihn nur ungläubig anstarrte.

„Das hast du nicht gewusst?“, murmelte Bee nach einer Weile und verzog leicht genervt das Gesicht, ehe er seufzte, „Bringt man euch heute überhaupt noch was bei…?“
 

Es war spät geworden, als Bee ihn wieder alleine ließ und Naruto war sich alles andere als sicher, was er von dem seltsamen Gespräch halten sollte.

Die gebratenen Hühnerstreifen, die er zuvor gegessen hatte, hielt er noch immer in der Hand, aber sie waren längst abgekühlt. Um ihn herum herrschte noch immer reges Treiben, die Leute lachten und scherzten und er konnte das Knacken und Zischen des Feuers noch allzu deutlich hören.

Nachdenklich drehte Naruto den Spieß in seinen Händen, dann hob er den Kopf und starrte dorthin, wo er wusste, dass das Feuer leuchtend rot und hell brannte. Die Flammen waren für ihn absolut unsichtbar, weswegen er sich hütete näher als unbedingt nötig an sie heran zu kommen, aber er konnte die Wärme selbst auf die Entfernung spüren – und in diesem Fall waren der darüber befestigte Grillrost und die Steinabgrenzung um die Feuerstelle ein sehr guter Anhaltspunkt. Für eine Sekunde fragte er sich, wie das ganze wohl für Sasuke aussehen musste, immerhin sollte Feuer für ihn noch deutlich heller aus allem herausstechen, als es für einen Sehenden getan hätte.

Es war ein alberner, unnützer Gedanke, aber er lenkte immerhin ab und mit einem halben Seufzen biss Naruto verspätet nun doch ins marinierte Hühnerfleisch, das ihm vorhin unglaublich lecker vorgekommen war, dass nun aber mit der Wärme irgendwie auch seinen Geschmack verloren zu haben schien…

„Es tut mir leid.“, meinte plötzlich eine Stimme und Naruto blickte blinzelnd auf. Er hatte nicht gemerkt, dass jemand hinter ihn getreten war – war er wirklich derart abgelenkt gewesen? Das war gar nicht gut…

Immerhin erkannte er beinah sofort, dass vor ihm der Mann stand, der ihm vor vier Tagen als Kumono vorgestellt worden war und von dem er inzwischen wusste, dass er eigentlich Motoi hieß. Diesmal konnte er die Zacken seiner Haare deutlich wahrnehmen und Naruto fragte sich unwillkürlich, ob er vorher ein Jutsu zur Veränderung seines Aussehens eingesetzt hatte, dass seine Wahrnehmung derart durcheinander hatte bringen können.

„Was?“, fragte er hochintelligent und gerade nicht in der Lage es sich selbst zu denken. Motoi seufzte leise, dann ließ er sich langsam neben ihn auf die Bank sinken.

„Dass ich euch angelogen haben… nein, eigentlich die ganze Aktion.“

Naruto hob leicht eine Augenbraue, woraufhin sein Gegenüber sich verlegen den Hinterkopf rieb und in ruhiger Stimme anfing zu erklären: „Weißt du, der ganze Unsinn geht auf dem Staatsbesuch eures Oberhaupts vor etwa zwei Monaten zurück.“

Naruto erinnerte sich dunkel, dass Tsunade mehrere Tage fort gewesen war, aber zu dem Zeitpunkt war er selbst zu beschäftigt damit gewesen zu üben wieder sauber zu schreiben und sich nicht mehr auffällig zu bewegen, dass er das ganze irgendwie ausgeblendet hatte.

„Sie schien sich sehr gut mit A-sama zu verstehen und abends, als sie nach dem geschäftlichen noch privat zusammen etwas trinken gingen, hat sie wohl eine Bemerkung fallen lassen, dass sie gerade ein Team zum Kampf im Dunkeln spezialisieren und ausbilden lässt.“

Nun runzelte Naruto wirklich die Stirn. Vor zwei Monaten hatte Tsunade noch gar nicht gewusst, wie weit sie waren und dennoch hatte sie längst geplant, dass sie wieder eingesetzt werden würden? Und auch noch in absehbarer Zeit?

Er sagte aber nichts, nickte nur nachdenklich und Motoi fuhr fort: „Raikage-sama wollte das offenbar nicht glauben, woraufhin sie meinte, sobald besagtes Team so weit wäre, könnte er es gerne prüfen.“, ein leicht genervtes Seufzen, „Und da ist ihm wohl wieder diese alte Geschichte mit dem Erfinder und der dunklen Höhle eingefallen und er meinte, das wäre die ideale Gelegenheit. Allerdings sollte ich vielleicht dazu sagen, dass er ihr nicht geglaubt hat.“, fügte er am Ende etwas leiser hinzu.

„Er hat ihr nicht geglaubt?“, wiederholte Naruto überrascht und sein Gegenüber schüttelte mit einem schwachen Schmunzeln den Kopf.

„Nein. Er war überzeugt, dass es unmöglich wäre und auch wenn er etwas roh rüberkommt, er ist kein schlechter Mensch, er wollte euch nicht ohne weiteres verletzt werden lassen, deswegen der ganze Quatsch mit meinem falschen Auftrag und dem simulierten Angriff…“ Das Thema schien ihm unangenehm, denn er wand den Blick ab und wurde zunehmend leiser. Im ersten Moment wusste Naruto nicht wirklich, was er davon halten sollte, dann schließlich schnaubte er halb ironisch, halb amüsiert und schüttelte den Kopf.

„Oh Mann, der ganze Aufwand nur…“, er hielt inne und eine andere Frage, die er längst hatte stellen wollen, fiel ihm wieder ein, „Was haben überhaupt diese komischen Helme gemacht, ich meine, keiner der and… von uns hat Licht gesehen, ihr hattet doch eine Möglichkeit im Dunklen zu arbeiten?“, gerade rechtzeitig fiel ihm noch ein es als eigene Erfahrung und nicht als das, was Sakura ihm gesagt hatte, auszugeben.

Ein Räuspern sagte ihm, dass die Frage nicht unbedingt die allerangenehmste gewesen war und er rechnete schon damit gar keine Antwort mehr zu kriegen, doch Motoi überraschte ihn erneut, als er sogar eines der Dinger aus der Tasche zog und ihm hinhielt. Naruto legte den ohnehin nicht mehr leckeren Spieß aus der Hand, nahm es entgegen und wurde enttäuscht. Es war ein unscheinbarer Helm, mit einer seltsam wirkenden, innen stark verkabelten Apparatur. Sie sagte ihm gar nichts.

„Wärmedetektoren. Verdammt schlecht, man sieht fast nichts und sie wären in der Höhle des Erfinders nutzlos gewesen. Unsere Leute waren einfach schon seit dem Morgen dort, wir wussten ja etwa, wann wir durchkommen sollten und haben schlicht und einfach darauf gewartet, dass sich etwas zeigt, dass Wärme abgibt…“, murmelte er, zuckte dann die Schultern und lächelte leicht. „Möchtest du es ausprobieren?“

Naruto hätte ihm gerne gesagt, dass er das liebend gerne machen würde, er war neugierig, was für ein Bild das sein sollte, aber er hatte die kleine, bildschirmartige Brille, die vorne befestigt war und ohne Zweifel ein optisches Signal gab, bemerkt und so schüttelte er ein wenig bedauernd den Kopf und meinte nur: „Ich glaube, was immer sie zeigt, unsere Techniken funktionieren besser.“ Dann zwinkerte er und gab einem verdutzt wirkenden Motoi den Helm zurück, ehe er sich entschuldigte, um sich einen neuen Hühnchenspieß zu holen.
 

Kaum, dass sie wieder zurück in Konoha waren, stürmte Naruto im wahrsten Sinne des Wortes, ins Hokagebüro und riss Tsunade zwar nicht aus dem Schlaf, dafür aber aus einer Maniküre.

Er konnte sich vorstellen, dass sie ihn gerade äußerst sauer anfunkelte, während sie ihm gleichzeitig die Pfeile entgegenstreckte. „Naruto, du verdammter Bengel, wenn du nicht mal eine Tür öffnen kannst, wie zum Teufel willst du jemals ein ordentlicher Ninja werden?!“, knurrte sie, doch Naruto wäre nicht Naruto, wenn er sich von etwas derartigem beeindrucken lassen würde.

Er schnaubte nur. „Wie lange hast du das schon geplant, Oma?“, fragte er mürrisch warf ihr dann eine Schriftrolle zu, die sie wenn auch widerwillig öffnete und rasch überflog. Es war ein Brief vom Raikage und Naruto konnte sich in etwa denken, was er besagte. Er ließ ihr gerade genug Zeit, um ihn schnell zu lesen, doch kaum, dass sie wieder aufsah, legte er los: „Das war ja mal eine so was von…!“

„Naruto.“, unterbrach sie ihn scharf und ihr Tonfall war so gefährlich, dass sogar er verstummte (und meinte, hinter sich ein erschrockenes Lufteinziehen seitens Sakura gehört zu haben). „Sasuke“, fuhr sie dann fort, „und Sakura, ihr bleibt hier, alle anderen raus.“

Offenbar musste sie um einiges böser dreinblicken, als Naruto dachte, denn Kakashi, Yamato und Sai folgten der Anweisung in rasantem Tempo.

Oh oh, vielleicht war er doch ein wenig zu vorlaut gewesen? Was bitte würde jetzt kommen? Innerlich atmete er tief durch und machte sich auf ein paar verbale Schläge bereit, doch was dann tatsächlich kam, hätte er im Traum nicht erwartet.

Urplötzlich war der saure Ausdruck verschwunden und Tsunade lächelte warm. Was zum…?!

„Das habt ihr wunderbar gemacht, ich wusste, dass das klappt und, um deine Frage zu beantworten, Naruto, schon sehr lange, aber das ist jetzt vollkommen egal.“ Sie legte die Rolle zur Seite, stand auf, lief einmal um den Tisch herum und lehnte sich dann leicht mit dem Rücken dagegen, „Ich habe etwas viel wichtigeres mit euch zu besprechen. In zehn Tagen findet das jährliche Jounin-Examen statt, ich will, dass ihr daran teilnehmt.“, meinte sie in aller Seelenruhe.

Darauf folgte Stille, weil keiner so recht wusste, was er sagen sollte – auch Naruto nicht. Er war vollkommen baff. Meinte sie das ernst? Er hatte sich längst abgeschrieben auch nur Chunin zu werden und jetzt wollte sie, dass sie beim Jounin-Examen mitmachten?

„Hokage-sama, ich fürchte, das ist unmöglich.“, brach Sasuke als Erster das überraschte Schweigen und er klang mehr als leicht unwillig, „Naruto und ich belegen nach wie vor nur Genin-Rang und sind demnach nicht zugelassen.“

„Da muss ich dich wohl korrigieren, Sasuke, mit dem heutigen Tag seid ihr beide mit einstimmigem Beschluss der drei Hauptveranstalter Suna, Kumo und Konoha für das Entwickeln und Erlernen einer einzigartigen Technik auf den Chunin-Status gesetzt worden. Ich gratuliere.“

Ein ersticktes „Was?!“ war alles, was die drei daraufhin im Chor zustande brachten und Tsunade kicherte leise.

„Nicht so ungläubig. Die Jounin-Examen richtet jedes Dorf einzeln aus – allerdings sage ich es gleich, diesmal werdet ihr den schriftlichen Teil wirklich bestehen müssen.“, Naruto wusste einfach, dass sie dabei ihm einen Seitenblick zuwarf, „Ich erwarte, dass ihr selbstständig eine Lösung für euer Problem findet.“

Naruto konnte es noch immer nicht glauben, er tauschte einen Blick mit Sasuke, dann mit Sakura, dann sah er wieder zu Tsunade, die aufmunternd nickte und schließlich hielt ihn nichts mehr – laut schreiend sprang er zur Erheiterung der Hokage auf seine Teamkameraden und riss sie in eine stürmische Umarmung.

Examiner's frustration

Da mir was dazwischen gekommen ist und ich nicht sicher sagen kann, ob ich morgen überhaupt ins Internet komme, lad ich auch diese Woche das Kapitel einen Tag früher als sonst hoch. Ansonsten gibt es nicht viel dazu zu sagen, außer, dass es mir irgendwie echt viel Spaß gemacht hat, das zu schreiben. X'D

_________________________________________________________________________________
 

Sasuke fand es fast schon ironisch, dass diese so wichtige Prüfung tatsächlich im Akademiegebäude abgehalten wurde, aber er konnte sich durchaus vorstellen, warum. Viele Ninja würden in Nostalgie verfallen, würden sich ablenken lassen, nicht zuletzt auch davon, dass sie aller Wahrscheinlichkeit nach in einem ihrer alten Klassenzimmer schreiben würden. Außerdem waren eben diese auch leicht zu überwachen. An den taktisch wichtigen Stellen postierte Aufpasser konnten Abschreiben sehr leicht verhindern.

Sie hatten noch etwa eine Viertelstunde, bis der schriftliche Teil losgehen würde und standen gerade direkt vorm Eingang, wo Kakashi sie verabschiedete. Sasuke hatte es selbst kaum glauben können, aber ihr Lehrmeister war tatsächlich pünktlich erschienen, damit er ihnen noch Glück wünschen konnte – wobei in Kakashis Fall ersteres eindeutig weit schwerer wog als letzteres.

„Ich bin wirklich stolz auf euch.“, sagte er gerade und Sasuke fürchtete halb, dass er ihnen jetzt eine schnulzige Rede halten würde, aber, nun, eigentlich hätte er es wissen müssen, das war nun mal nicht Kakashis Stil, „Und ich bezweifle nicht daran, dass ihr die Fähigkeiten habt, aber…“, er senkte die Stimme zu einem Flüstern, „Könnt ihr es?“, fragte er unverhohlen, „Habt ihr eine Möglichkeit gefunden?“

Sasuke schnaubte nur, was ihm kurzfristig Kakashis Aufmerksamkeit einbrachte, allerdings nur, bis Naruto laut lachend verkündete: „Keine Sorge, Sensei, das wird ein Klacks!“

Kakashi war alles, aber nicht überzeugt. Sasuke konnte es spüren. Die fragend hochgezogene, rechte Augenbraue, die unruhigen Kopfbewegungen, als würde er sich umsehen, nicht zuletzt das Kneten seiner rechten Hand. Kakashi war nervöser als sie es waren – oder zumindest er, aber Sakura und Naruto wirkten auch beide überraschend ruhig. Andererseits hatten sie aber auch genug Zeit mit den Vorbereitungen verbracht, die es überhaupt erst möglich machten, er wusste, dass sie es schaffen würden.

Kakashi aber glaubte es eindeutig nicht und Sasuke konnte es ihm nicht verdenken, als er sich mit einem Schmunzeln umdrehte, nachdem ihr Sensei ihnen allen noch einmal auf die Schulter geklopft und Glück gewünscht hatte – ob er wohl wusste, wie sehr seine Unsicherheit in seiner Stimme mitschwang?

Kaum jemand kannte ihre Grenzen besser als ihr Lehrer, denn er war es gewesen, der sie vor ihrer ersten (albernen) Mission auf Herz und Nieren geprüft hatte. Sasukes Gesicht verdüsterte sich leicht, als er daran dachte, wie Kakashi sie wieder und wieder an ihre Grenzen getrieben hatte, sei es nun, indem er ihnen immer kleinere Gegenstände hinhielt oder sie immer mehr Dinge fragte, die sie nicht wissen konnten. Oder, unvergessen, der eine Tag, an dem er sie auf dem Trainingsplatz so oft Chakra-fressende Techniken hatte benutzen lassen, bis sich schließlich ihre Techniken aufgrund von fehlender Energie von alleine deaktivierten und sie nacheinander in der wieder komplett schwarzen Welt erstarrten. Dieser Tag war eine absolute Blamage gewesen, da sie ihre Stöcke natürlich nicht dabei gehabt hatten und sich doch ernsthaft nach allem wieder hatten nach Hause führen lassen müssen. Immerhin, seit dem wussten sie es besser und verstauten die Taststöcke irgendwo versteckt im Gepäck für alle Fälle. Ihr Chakra-Level musste wirklich extrem sinken, damit es nötig wurde und Sasuke hoffte inständig, dass es niemals so weit kommen würde, aber für den Fall der Fälle war er gerüstet. (Wobei er sich immerhin einreden konnte, dass selbst sehende Ninja fast immer Probleme bekamen, wenn sie kein Chakra mehr hatten.)

Kurzum, Kakashi kannte ihre Möglichkeiten und Grenzen genauso gut, wie sie selbst und er hatte vollkommen recht, unter normalen Umständen wäre es Naruto und ihm absolut unmöglich gewesen einen einfachen, normalen, schriftlichen Test abzulegen. Aber es waren keine ganz normalen Umstände. Es gab mehrere Möglichkeiten, wie man zum Jounin werden konnte und die allermeisten wurden einzeln für besondere Leistungen ernannt. Sie aber würden den (etwas) ungewöhnlicheren Weg einer Team-Prüfung gehen und in einer solchen sah die Sache schon komplett anders aus – denn sie hatten Sakura dabei.

Anfangs hatte Sasuke deutlich gespürt, dass diese mit ihrer Rolle alles andere als glücklich war, da sie weit mehr Verantwortung trug, als früher, aber sie hatte sich schnell daran gewöhnt und sie wunderbar übernommen, sowie Naruto und er sich daran gewöhnt hatten sich vollkommen auf sie zu verlassen.

So gesehen war Sakura zu ihren Augen geworden und teilte ihnen möglichst unauffällig mit, was sie nicht wahrnehmen, nicht sehen konnten. Anders herum behielten sie dafür im Auge, was Sakura nicht wahrnahm und schafften es so meistens ausgesprochen effektiv im Team die gesamte Umgebung abzuscannen.

Heute allerdings würden sie etwas anderes brauchen und das hatte tatsächlich eine ganze Menge Absprache und Übung gekostet. Nicht, weil es so schwer gewesen wäre, nein, es war schlichtweg viel, immerhin musste Sakura ihnen gleich einen gesamten Test „vorlesen“.
 

Eigentlich war Sasuke davon ausgegangen, dass sie in einem der Klassenräume schreiben würden, aber als sie den Flur entlang liefen, hielt Sakura sie mit einer Handbewegung an und deutete auf etwas, das er für einen Flipchart hielt.

Vermutlich stand dort der Raum, aber sie konnte nichts dazu sagen, ohne, dass es auffiel (vor allem nach der Chunin-Prüfung war es durchaus wahrscheinlich, dass sie bereits jetzt schon beobachtet wurden), stattdessen machte Sakura mit dem Kopf eine Bewegung nach links und führte sie Richtung Aula.

Das wunderte Sasuke nun doch, die Aula war groß genug, dass die gesamte Akademie darin Platz hatte, so viele Leute konnten sich doch einfach nicht angemeldet haben, wenn man bedachte, dass nur Teams aus Konoha mit entsprechend bescheinigter Eignung erlaubt waren. Das roch geradezu nach einer Falle und so ließ er seinen „Blick“ einmal schnell um sich herum schweifen, aber wenn da etwas war, versteckte es sich zumindest gut. Und ein Genjutsu konnte er immerhin diesmal ausschließen – die wirkten in aller Regel bei Naruto und ihm nicht (oder genauer, wenn sie wirken sollten, musste man sie dazu berühren und wirklich sehr fortgeschrittenes Wissen haben, um anstelle über die Augen Kontakt über irgendwelche Nervenstränge aufzubauen).

Vor der Tür zur Aula warteten bereits sechs andere Ninja, deren Gesichter und Aussehen ihm absolut nichts sagten. Sie wirkten auch alle deutlich älter. Das eine Team, das sich gerade tuschelnd in einer Ecke besprach, dürfte Mitte zwanzig sein, soweit er das irgendwie beurteilen konnte. Einer der beiden jungen Männer hatte ein Tier auf der Schulter, aber es war eingekugelt und Sasuke konnte nur einen Haufen Fell wahrnehmen.

Das zweite Team dürfte noch mal gut fünf bis acht Jahre älter sein und stand ruhig links von ihnen, lässig an die Wand gelehnt. Hätte er es nicht besser gewusst, hätte er fast gesagt, sie wirkten, als hätten sie einiges von Kakashi übernommen – hoffentlich würden sie selbst eines Tages nicht so rumhängen, dachte Sasuke trocken.

„Wunderbar, dann sind ja alle schon da.“, erklang plötzlich eine männliche Stimme und als Sasuke sich wie alle anderen umdrehte, stutzte er doch kurz. Der Kerl war der Prüfer?

„Häh? Hey, was machen Sie denn hier?“, fragte Naruto hochintelligent, wofür Sasuke ihm am liebsten erstmal kräftig auf den Fuß getreten hätte, aber das ging leider gerade nicht wirklich unauffällig.

Ibiki hob kurz eine Augenbraue und musterte Naruto einen Moment lang, dann schnaubte er amüsiert. „Sieh mal einer an, der Kleine, der mir die Prüfung versaut hat.“, murmelte er und stemmte locker die Hände in die Hüften, „Hast du es also doch noch zum Chunin geschafft? Hab’ gehört, das war damals ja nichts…“, meinte er provozierend, aber zum Glück war Naruto erwachsen genug ihm wenigstens nicht die Zunge herauszustrecken, sondern sich mit einem Grummeln zu begnügen.

Ibiki lachte daraufhin - kurz und laut. „Jetzt guck doch nicht so, Junge, und zeig mir lieber, dass du diesmal wirklich was gelernt hast.“ Mit diesen Worten stieß er die Tür zur Aula auf. Sie wirkte leer und verlassen.

Sasuke brauchte einen Moment, um zu verstehen, dass das nur daran lag, dass er sie niemals ohne Stühle gesehen hatte. Jede einzelne Erinnerung an diesen Raum beinhaltete in irgendeiner Weise große Veranstaltungen, Massen von Schülern und Lehrer am Rednerpult. All das war aber verschwunden, vermutlich in irgendein Lager geschafft worden. Der gesamte, mehr als Turnhallen-große Raum war leer geräumt, nur neun einzelne Tische, so weit auseinander gestellt, wie nur irgendwie möglich, standen darin, zusammen mit einem gepolsterten Sessel oben auf der Tribüne.

„So, dann setzt euch mal dorthin, wo eure Namen stehen.“, meinte Ibiki seelenruhig, während er auf die Bühne hochstieg und es sich in dem Sessel gemütlich machte. Sasuke „sah“ kurz zum ihm nächstgelegenen Tisch. Er erkannte problemlos den Stift und etwas, das er für ein Stück Papier hielt. Stirnrunzelnd wollte er nachfragen, als Sakura vor ihm eine möglichst unauffällige Bewegung schräg nach unten machte, die ihm das kleine, vorne an die Tischseite geklebte Papier offenbarte, auf dem ihrer zweiten Bewegung nach sein Name stand. Er schnaubte nur und setzte sich auf den im Übrigen äußerst unbequemen Stuhl dort hinter.

So konnte er auch in aller Ruhe zusehen, wie Sakura auch Naruto ein verstecktes Zeichen gab, woraufhin dieser sich vorne an den mittleren Tisch setzte, während sie genau in der Mitte des Raumes Platz nahm. Wer immer die Sitzordnung gemacht hatte, Sasuke sah das System darin nicht. Es war keinesfalls so, dass sie möglichst weit von einander entfernt saßen… aber vielleicht sollte sie das auch nur verwirren, ihm war es gleich, angesichts von Sakuras Sitzplatz waren für Naruto und ihn alle Plätze gleich gut gewesen. Tatsächlich glaubte er nicht, dass ihnen in diesem Raum irgendeine Sitzordnung Probleme bereitet hätte.

„Also dann, wenn ihr es euch gemütlich gemacht habt, fangen wir an.“, augenblicklich hatte Ibiki wieder die volle Aufmerksamkeit, „Für diejenigen, die vor meiner Zeit das Chunin-Examen bestanden haben, ich bin Ibiki Morino, der derzeitige Leiter und Hauptprüfer für Chunin- und Jounin-Anwärter, der Rest meiner Aufgaben ist nicht von Belang.“ Sasuke hätte fast geschnaubt – somit wusste außer ihnen drei keiner der hier Anwesenden, dass sie den Chef der Verhörabteilung vor sich hatten? Dem Gesichtsausdruck der Frau neben ihm nach sie zumindest nicht…

„Da ihr es bereits einmal geschafft habt, aufzusteigen, sparen wir uns diesmal das ganze Punktesystem und blabla und halten es kurz. Ihr habt zwei Stunden Zeit die zehn Fragen auf dem Bogen vor euch zu beantworten – und diesmal gibt es keine Chance sich drum herum zu mogeln.“, fügte er hinzu und Sasuke könnte schwören, dass er Naruto an dieser Stelle einen amüsierten Seitenblick zuwarf, „Wenn ihr etwas nicht wisst, dürft ihr gerne abschreiben.“, leises Raunen an dieser Stelle, „Ich würde euch allerdings raten, euch dabei nicht erwischen zu lassen, denn wer das tut, ist von vornherein disqualifiziert.“, augenblicklich wurde es wieder still, „Gut, noch Fragen?“

Die jüngere der beiden ihm unbekannten Frauen, die vorne rechts neben Naruto saß, meldete sich. „Wie viele Fragen müssen wir zum Bestehen richtig beantworten?“

Ibiki grinste schief. „Das sehen wir, wenn es so weit ist. Sonst noch was?“

Als keine Reaktion kam, nickte er und machte es sich noch mal bequem. „Gut, dann fangt an, eure Zeit läuft… jetzt!“

Zusammen mit allen anderen drehte auch Sasuke das Papier vor sich um und gab vor die Aufgaben zu überfliegen. Tatsächlich hätte dort sonst etwas stehen können und er hätte damit genauso wenig anfangen können, wie wenn das Papier leer gewesen wäre.

Während links vor ihm Sakura ihren Zettel gerade wirklich überflog, konzentrierte Sasuke sich kurz auf den Raum um ihm herum – während seine Augen nie die Aufgaben verließen. Es fühlte sich etwas seltsam an, weil es längst Gewohnheit war, aber so würden die mindestens sechs Ninja, die über ihnen im Gebälk saßen und sie ohne Zweifel genau beobachteten, sicher nichts merken.

Sasuke musste an sich halten nicht zu grinsen, hätten sie das früher beherrscht, wäre es wirklich die perfekte Abschreibetechnik gewesen. Nun aber war er gezwungen seine Aufmerksamkeit voll und ganz Sakura zu schenken, die gerade oben rechts auf dem Blatt eine Linie zu ziehen schien und dann etwas schrieb – ihren Namen. Sasuke schätzte dieselbe Stelle auf seinem Blatt ab und schrieb ebenfalls seinen Namen dorthin.

Dann „malte“ Sakura einen Kasten weiter unten und mehr links und fing an nervös mit ihrem Stift hin und her zu wippen, während sie nachdachte. Oder so sah es für alle anderen aus, tatsächlich diktierte sie ihnen in einer Variante des Morse-Codes die Aufgabenstellung.

„B-E-S-C-H-R-E-I-B-E-N S-I-E D-E-N G-E-B-R-A-U-C-H…“

Die eigentliche Schwierigkeit bestand nicht in dem Verstehen, sondern darin es schnell genug zu schaffen. Sie hatten zwei Stunden für zehn Aufgaben, das machte pro Aufgabe zwölf Minuten, von denen mindestens fünf für die Aufgabenstellung drauf gingen. Sasuke war klar, dass Ibiki nicht dumm genug war, dass ihm Sakuras Gewackel mit dem Stift nicht auffallen würde, aber daher hatten sie auch vorgesorgt und den Code abgewandelt. Sie benutzten ihn rückwärts und um zwei Buchstaben verschoben, selbst wenn er auf Morse kommen würde, es würde für ihn keinen Sinn ergeben und wie zufällig aussehen – hofften sie zumindest.

Kaum, dass Sakura fertig war, umrandete sie noch einmal in der Luft dicht über ihrem Papier das Antwortfeld und fing dann an zu schreiben – beinahe zeitgleich mit Naruto und Sasuke, die die Antwort längst selbst wussten (um diese zu diktieren wäre keine Zeit mehr und nur sie weiterzugeben wäre auffällig, weil sie genau dasselbe dort stehen hätten).

Er brauchte ziemlich genau vier Minuten für die Antwort (um das zu wissen hatte er das Glas einer alten Armbanduhr abgenommen – unter normalen Umständen wäre das zu „gefährlich“ für die Uhr, aber sie würden in einem schriftlichen Test wohl kaum angegriffen werden), dann konnte er sich wieder auf Sakura konzentrieren, die exakt bis zwölf Minuten nach Anfang wartete, sich dann die nächste Aufgabe vornahm, aber anstatt das Kästchen zu malen, nur kurz vier Buchstaben machte: „C-O-D-E.“

Das hatte Sasuke befürchtet und das würde Zeit kosten. Es war nicht das Problem den Code zu knacken, aber sich die verschlüsselte Nachricht im Ganzen zu merken war nicht ganz leicht und sie hatten von vornherein abgesprochen, dass, sollte eine solche Aufgabe kommen, sie sie ans Ende schieben würden. Entsprechend ging Sakura nun auch einfach zur dritten Aufgabe über und fing wie zuvor mit wilden Stiftbewegungen an ihnen zu diktieren.
 

Ibiki saß in aller Ruhe in seinem Sessel und sah entspannt zu, wie sich die Chunin vor ihm mit den Aufgaben abmühten. Es war jedes Jahr wieder amüsant zu sehen, wie alle, die bei ihm die Chunin-Prüfung gemacht hatten, jeden Moment mit einer Falle oder einem Trick warteten, aber bisher hatte er das nicht mal vor. Sicher, er würde es ihnen nicht leicht machen, aber es wäre ja witzlos genau dasselbe noch mal beim schriftlichen Teil zu machen – nachher, bei der praktischen Prüfung, da würden sie ihr blaues Wunder erleben.

Natürlich hatte er seit zwei Wochen gewusst, wer heute teilnehmen würde und hatte im Vorfeld sämtliche Akten gründlich studiert. Er wusste jetzt schon, dass Team Furui – die ältesten drei – es nicht schaffen würde. So nervös, wie sie immer wieder nach links und rechts schielten, wussten sie die Antworten bestimmt nicht und würden sich nur noch mehr durcheinander bringen lassen, wenn er ihnen die nächste Aufgabe stellte.

Viel interessanter war für ihn auch Team Kakashi. Er erinnerte sich nur zu gut an die drei aus der Prüfung bei ihm damals. Vor allem Uzumaki hatte einen bleibenden Eindruck hinterlassen, nicht zu letzt wegen seiner vorlauten Klappe und seiner Weigerung aufzugeben. Er kannte ihre Akten oder zumindest den Teil, den man ihm gegeben hatte. Das Mädchen hatte im letzten Jahr ganz regulär die Prüfung bestanden, die Jungen aber waren zwei Jahre lang krank geschrieben und kaum, dass sie wieder in den aktiven Dienst eingetreten waren, hatte man ihnen aufgrund irgendeiner selbst entwickelten Technik einen höheren Rang zugesprochen.

Er wüsste zu gerne, was genau diese Technik war – oder was sie zwei Jahre abgehalten hatte an den Prüfungen oder Missionen teilzunehmen. Keiner der beiden zeigte Auffälligkeiten, abgesehen davon vielleicht, dass sie unüblich brav wirklich nur auf ihr Blatt sahen. Er konnte weder Narben noch auffällige Bewegungen oder Anzeichen einer Krankheit erkennen. Und er war wirklich lange genug ein Ninja, um zu wissen, dass zwei Jahre immer Zeichen hinterließen.

Das Mädchen fiel ihm immer wieder auf, sie wirbelte geradezu mit dem Stift herum, es musste irgendwas dahinter stecken, aber wenn es eine Botschaft sein sollte, lief sie ins Leere, ihre Teamkollegen beachteten sie nicht im geringsten…

Ibiki folgte den Bewegungen mit den Augen. War das eine Art Morse, das anstelle von „lang“ und „kurz“ „links“ und „rechts“ benutzte?

•− −••− −•− −••− −−•• −−− −••− −−− / •−−− − −••− / …

In Gedanken übersetzte er:

„A-X-K-X-Z-U-O-X-O J-T-X ...”

Nein, das machte keinen Sinn, aber was war es dann? So nervös konnte sie doch nicht sein, schon gar nicht, weil sie so ruhig dasaß und in aller Seelenruhe die Aufgaben löste… was nur verbarg sie damit?

Die kompletten zwei Stunden wanderte Ibikis Blick immer wieder zum Stift des Mädchens und folgte ihm hin und her, aber was er auch versuchte, er verstand das System nicht. Für zufällige Bewegungen waren sie allerdings zu gleichmäßig irgendetwas musste dahinter stecken, aber – und das musste er ihr echt lassen – er kam nicht dahinter. Selbst wenn er die Zeichenfolgen umdrehte oder verschob machte es keinen Sinn, es blieben sinnlos aneinander gereihte Buchstaben. Bezweckte sie am Ende damit nur ihn zu verwirren oder von den anderen abzulenken?

Dafür war es verdammt viel Aufwand und als Ibiki nach oben blickte, schüttelten alle Ninja in und an der Decke fast synchron den Kopf. Bisher hatte tatsächlich niemand versucht abzuschreiben, das allein war schon eine Seltenheit…
 

Nach exakt zwei Stunden hatte er allen das Papier abnehmen lassen und es einem seiner Assistenten zur Auswertung gegeben. Der schriftliche Teil interessierte ihn selbst ohnehin wenig, wenn jemand nicht gerade alles falsch hatte, würde der kaum ins Gewicht fallen. Viel interessanter war, was jetzt kam.

Er schickte alle Anwärter nach draußen und ließ jeweils nur ein Team wieder hereinkommen und zeigen, was sie zusammen konnten. Das Ergebnis der ersten beiden war ziemlich, wie er es erwartet hatte, neugierig war er nur beim letzten.

Team Kakashi wirkte kein bisschen nervös, als sie in aller Ruhe hereinkamen, die Tür hinter sich schlossen und direkt vor ihm stehen blieben. Uzumaki grinste breit, Haruno wirkte fast schon erleichtert, Uchiha mehr gelangweilt als sonst was. Ibiki machte sich dazu eine gedankliche Notiz – es war klar, dass sie irgendwie geschummelt hatten, er würde noch rauskriegen, wie!

„Also gut, dann wollen wir mal. Zieht jeder ein Band.“, meinte er ohne große Umschweife und machte eine Handbewegung mit der einer der Assistenten vortrat und einen großen, dunklen Beutel aufhielt.

Die drei wirkten leicht verwundert, kamen der Aufforderung allerdings ohne weiteres nach. Als sie alle drei ihre Bänder hatten, hätte Ibiki fast amüsiert aufgelacht. Schachmatt, das war’s dann wohl. Beide Jungen hatten schwarz gezogen, nur das Mädchen rot – bisher hatte niemand mit dieser Kombination es auch nur versucht.

„Und… was machen wir jetzt damit?“, fragte Uzumaki irritiert und drehte das Band wieder und wieder in den Händen, als würde er etwas darauf suchen.

„Gar nichts.“, erwiderte Ibiki belustigt, „Wir machen etwas damit.“ Er schnipste in die Finger und ein weiterer Assistent (dessen Name er schon wieder vergessen hatte, weil er so alltäglich war und es jedes Jahr andere waren…) nahm dem Mädchen das Band ab und reichte ihr stattdessen ein paar Ohrenschützer. Die Jungen behielten ihre Bänder, was sie nur noch mehr zu verwirren schien.

„Ein guter Ninja lässt sich nicht davon abschrecken, dass er durch Verletzungen oder Aktionen des Gegners eingeschränkt ist.“, erklärte Ibiki in aller Ruhe, während langsam zumindest das breite Grinsen aus dem Gesicht des blonden Jungens ihm gegenüber verschwand, „Die Farben, die ihr gezogen habt, stehen für die Art der Einschränkung, die wir nun prüfen werden. Bei Gelb hätten wir euch die Arme zusammengebunden, bei Blau die Beine. Grün wäre am einfachsten gewesen, dabei hättet ihr nicht sprechen dürfen, aber ihr habt sozusagen den Jackpot gezogen.“, nun grinste er selbst breit, als das Verstehen sich in ihrer Mimik zeigte und sie unruhig einen Blick austauschten, „Rot steht für Taubheit und Schwarz…“

„Für Blindheit?“, unterbrach ihn Uzumaki und Ibiki nickte schadenfroh und überging die Tatsache, dass er es nicht mochte, wenn man ihn ausreden ließ, ausnahmsweise einmal, dazu war er gerade zu gut gelaunt, „Allerdings. Ihr habt vier Kämpfe vor euch gegen zufällig ausgewählte Gegner, einen Teamkampf und jeder einen einzelnen. Um Jounin zu werden müsst ihr mindestens drei davon gewinnen, versagt ihr, seid ihr für eine Wiederholung dieser Prüfung gesperrt, also?“

Er hatte vieles erwartet – und auch schon vieles in einem solchen Fall gesehen, Wut, Rage, Verzweiflung, Hass… aber was nun kam, damit hatte er wirklich nicht gerechnet, entgegen allem fingen die drei einfach so an zu lachen.

Und Ibiki verstand die Welt nicht mehr.
 

Es war so herrlich ironisch und Sasuke fragte sich wirklich, ob er ausnahmsweise doch einmal Glück haben sollte. Ibiki dachte offenbar, dass sie die mit schwerste „Einschränkung“, wie er es nannte, gezogen hatten, aber tatsächlich war es überhaupt keine. Das leise Kichern, das ihm entwichen war, unterdrückend, trat er vor, als der erste Gegner hinter der Bühne hervorkam und band sich selbst das schwarze Tuch vor die Augen.

Diese Ironie…

Sein Gegenüber war schätzungsweise zwei Handbreit größer als er selbst, muskulös gebaut, mit extrem dicken Ober- und Unterarmen – vermutlich ein Taijutsu-Spezialist.

„Alles klar, keine Regeln, außer der einen, dass hier drinnen kein Ninjutsu angewendet werden darf, alles andere ist erlaubt, fangt an!“

Ein Pfiff begleitete das letzte Wort und auf Kommando sprang sein Gegner auch sofort auf ihn zu. Sasuke musste sich alle Mühe geben nicht überlegen zu schmunzeln – der andere hielt ihn für wehrlos. Nun, er würde ihn erstmal in dem Glauben belassen.

Gespielt erschrocken senkte der den Kopf, als würde er angestrengt versuchen zu lauschen und machte dann einen zaghaften Schritt zur Seite – genau in dem Moment, in dem sein Gegner nach ihm schlagen wollte, tat er, als würde er stolpern und wich dadurch wie zufällig der Faust aus, die andernfalls sein Gesicht getroffen hätte.

Wie erwartet war sein Gegenüber zu überrascht, um die Wucht abzufangen und taumelte einen halben Schritt vorwärts, was Sasuke ausnutzte, um ihm in einer schnellen Bewegung den Ellbogen in den unteren Rücken zu rammen und ihm fast gleichzeitig von hinten in die Knie zu treten, was ihn halb zu Boden sacken ließ.

Der Kerl keuchte ein „Wie…?“, wartete aber gar nicht erst auf eine Antwort, sondern nahm sich zusammen, sprang wieder auf und hieb erneut mit der Faust nach ihm. Sasuke blockte den Schlag mit links, ließ sich gleichzeitig nach hinten fallen, stützte sich mit rechts ab und zog die Beine nach oben – direkt über das Gesicht seines Gegenübers. Gleichzeitig griff er nach dessen Arm und zog ihn vorwärts, sodass er einen astreinen Bauchklatscher auf dem Linoleumboden hinlegte. Ohne groß zu Zögern sprang Sasuke auf ihn, verdrehte das Handgelenk, das er noch immer festhielt und zog blitzschnell ein Kunai, dass er dem anderen an die Kehle legte. Dann sah er zu Ibiki auf. „Reicht das?“

Der nickte nur stumm und schien reichlich fassungslos, als Sasuke seinen Gegner losließ (der eindeutig Schwierigkeiten hatte überhaupt hochzukommen), ihm zum Abschied noch mal auf die Schulter klopfte und sich dann wieder zu Sakura und Naruto gesellte.

Narutos Kampf dauerte kaum länger als sein eigener, lediglich Sakura brauchte einen Moment, aber auch nur, weil ihr Gegner ein halber Schlangenmensch zu sein schien und ihren richtig heftigen Schlägen eine ganze Weile ausweichen konnte. Als sie ihn dann aber mit einem Chakra verstärkten Hieb direkt in die Magengrube traf, gab auch er winselnd auf. Es war keine Überraschung, zum einen, da das fehlende Hörvermögen in einem Kampf nicht unbedingt allzu dramatisch war, wenn man den anderen im Auge behalten konnte, zum anderen, weil Sakura in den letzten Wochen gezwungen gewesen war, ihre Umgebung mehr noch als sonst zu beobachten.

Es hätte Sasuke eher überrascht, wenn sie jetzt Probleme gehabt hätte. Ibiki sah immer mehr aus, als würde er seinen eigenen Augen nicht trauen, insbesondere, als es in den Teamkampf ging (der eigentlich nur noch reine Formsache war) und sie agierten, als wären sie überhaupt nicht beeinträchtigt. Nun, für sie war es kein großes Kunststück, allein für diesen Test hatten sie schon eine Reihe von möglichst unauffälligen Handzeichen entwickelt (etwa auch die, mit denen Sakura ihnen gesagt hatte, welche Farbe ihre Bänder hatten), ganz zu schweigen die weiteren, die sie auf Missionen ohnehin einsetzten.

Das machte die Kommunikation zumindest im Kampf absolut problemlos möglich, auch, wenn Sakura ihre Stimmen nicht hören konnte. Es war fast schon zu leicht, auch wenn es diesmal doch einige Minuten dauerte – insbesondere auch, weil sie es nicht wirklich gewöhnt waren nur auf Taijutsu zu setzen, in einem normalen Kampf hätten sie sich die Mühe nicht gemacht und wären schneller auf Ninjutsu gewechselt. Das ärgerte Sasuke ein wenig, aber nach einer guten Viertelstunde hatten sie alle drei Gegner weit genug unter Kontrolle, dass der Aufseher einen Befehl aufzuhören brüllte.

„Das reicht.“, erklärte Ibiki und mit einem Mal war jede Erheiterung, ja, überhaupt jede Emotion aus seiner Stimme verschwunden, „Alle Mann, raus, lasst mich mit den dreien allein.“

Die fünf Ninja, die noch ins Sasukes Blickfeld waren, machten alle, dass sie weg kamen, als Ibiki sich betont langsam erhob und zu ihnen herunter kam. Er blieb direkt vor ihnen stehen und riss Sasuke dann geradezu die Augenbinde herunter, um sie hochzuhalten und vermutlich auf Durchlässigkeit zu prüfen. Als er offenbar nichts Ungewöhnliches feststellen konnte, wiederholte er dasselbe bei Naruto, schnaubte dann und machte Sakura ein Zeichen ihn die Ohrenschützer zu geben.

„Erklärung?“, fragte er schließlich kühl.

Sasuke tauschte einen Blick mit Sakura und Naruto. Er hatte befürchtet, dass die Frage kommen würde, aber er war sich tatsächlich unsicher, ob sie es ihm sagen sollten oder das nur wieder eine seiner Fallen war – die Geschichte der ersten Prüfung bei ihm lag noch zu schwer im Magen.

Naruto wiegte den Kopf leicht hin und her, dann nickte er aber kurz, Sakura zögerte deutlich länger. Zu lange offenbar, denn ein harscher Kommentar unterbrach sie: „Schon gut, hört auf damit, die Falle habt ihr schon hinter euch und ihr habt sie nicht mal bemerkt, also denkt nicht länger drüber nach.“ Ibiki klang nun fast drohend und düster – aber nicht, als ob er log. Kein Ninja würde sich eine Lüge so leicht anmerken lassen.

Sasuke zuckte die Schultern, deutete dann auch ein Nicken an und als keiner seiner Teamkollegen Einspruch erhob, erklärte er betont sachlich: „Es hat für uns keinen Unterschied gemacht, wir sind ohnehin blind.“

Er sprach es noch immer höchst ungern aus und kaum, dass er es getan hatte, spürte er zu deutlich, wie Ibikis Unglauben und Zweifel in Fassungslosigkeit wechselte.

„Wie bitte?“, knurrte er mehr, als das er sagte.

Naruto zuckte die Schultern. „Haben Sie nicht unsere Akten bekommen oder so?“

Ein kurzes Schweigen, dann ein Schnauben.

„Doch, habe ich, aber nur die normalen, die medizinischen stehen bei allen unter Verschluss bis sich ein triftiger Grund findet.“, erklärte er mit einer wegwerfenden Handbewegung und musterte sie dann genau, „Und ich tue mich gerade im Übrigen schwer euch zu glauben, ihr…“

Er brach mitten im Satz ab und hätte Sasuke seinen Gesichtsausdruck – insbesondere die Augen – genauer wahrnehmen können, er war sich fast sicher, dass sie sich weiteten und mit einem Mal ins Leere starrten, als würde ihm so eben etwas klar werden. „Es war doch ein Code, oder?“, wand er sich barsch an Sakura, die daraufhin nur stumm nickte.

„Unfassbar.“, Ibiki schüttelte den Kopf, schien sich aber wieder weit genug gefangen zu haben. Er lief zwei Schritte von ihnen weg, lehnte sich dann mit dem Rücken gegen den Bühnenrand und betrachtete mit einem ironischen Grinsen die Augenbinden in seiner Hand, ehe er sie locker auf den Boden hinter sich legte. „Wie?“, fragte er dann, „Wie konntet ihr wissen, was… ah, wartet, sagt nichts. ‚Ernennung aufgrund der Entwicklung einer besonderen Technik’?“, er klang inzwischen wieder mehr über sich selbst erheitert als wirklich wütend, sodass Sasuke ein kurzes Nicken wagte.

Er wollte es nicht genauer ausführen, je weniger Leute die Details kannten, desto besser, aber er wusste auch, dass sie Ibiki jetzt wohl auch noch würden überzeugen müssen, dass sie trotzdem noch zu allem in der Lage waren, was sie können mussten. Hätte er nur vorher gewusst, dass der Prüfer keinen Zugang zu seiner Krankenakte hatte, dann hätte er lieber das Theater weitergeführt und vorgegeben, dass ihn die Augenbinde störte. So aber war er davon ausgegangen, dass der Kerl es ohnehin schon wusste und ein Vormachen nur eine allzu offensichtliche Lüge gewesen wäre…

„Und ausgerechnet ihr zieht die Augenbinden…“, murmelte Ibiki gerade und spielte mit den Ohrenschützern in seiner Hand, „Anders herum hätte es euch das Genick gebrochen.“, meinte er ironisch und hielt sie hoch.

„Hätte es nicht.“, protestierte Naruto, ehe Sasuke ihn stoppen konnte, „Es basiert nicht auf Schall.“

Ibiki musterte ihn stirnrunzelnd, aber vermutlich hielt Naruto seinen Blick, denn nach fast einer Minute des stummen Duells stieß sich der Prüfer ab und kam genau auf ihn zu. „Uzumaki, wie kommt es, dass jede Prüfung, an der du teilnimmst vollkommen unberechenbar und unlogisch wird?“, schnaubte er, fügte dann aber ernst hinzu: „Greif mich an.“ Dann setzte er Naruto die Ohrenschützer auf und war in einer einzigen, schnellen Bewegung am anderen Ende der Halle.

Naruto murrte vor sich hin. „Das ist doof.“, beschwerte er sich, ehe er sich aber dem Unvermeidlichen stellte und dem Prüfer hinterher eilte.

Sasuke verdrehte derweil nur die Augen. „Dieser Blödmann muss endlich mal lernen seine Klappe zu halten…“, grummelte er in dem vollen Wissen, dass besagter Blödmann ihn nicht hören konnte.
 

Es dauerte insgesamt noch weit über eine Stunde Ibiki davon zu überzeugen, dass es keinesfalls reines Glück gewesen war, dass sie gewonnen hatten. Ja, es war Glück, dass es so leicht war, aber Sasuke war sich vollkommen sicher, dass sie mit jedem einzelnen Hindernis genauso gut hätten fertig werden können.

„Also gut.“, meinte ihr Prüfer nach einer gefühlten Ewigkeit (der Uhrzeit nach dürfte es draußen schon dunkel geworden sein), „Das war mit die seltsamste Prüfung, die ich jemals hatte und ich hätte nicht gedacht, dass ich das jemals zu irgendwem sagen würde, aber… ihr habt mich überzeugt.“

Er hatte sich in der Zwischenzeit auf den Bühnenrand gesetzt und schrieb irgendetwas auf eine Rolle, die er auf einmal in der Hand gehabt hatte.

„Dann… haben wir bestanden?“, fragte Naruto und wieder war Sasuke eine Sekunde zu langsam und erwischte seinen Fuß erst nachdem er ausgesprochen hatte. Trotzdem funkelte ihn Naruto daraufhin mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit an. Sasuke hingegen fluchte innerlich. Dieser Idiot!

„Bestanden?“, Ibiki unterbrach seine Aufzeichnungen und sah sie über den Rand der Rolle weg an, „Das ist wohl die größte Untertreibung, die ich je gehört habe.“, schnaubte er amüsiert, „Wisst ihr, egal, was wir immer erzählen, tatsächlich kann man nur Taubheit oder Blindheit ziehen und in meiner ganzen Zeit als Prüfer hat es vor euch nur ein einziger geschafft einen Kampf mit Augenbinde überhaupt zu gewinnen und, unter uns, das war reines Glück, weil er panisch geworden ist und wild um sich geschlagen hat.“ Ein Schulterzucken. „Es geht nicht darum zu gewinnen, es geht mehr darum es wenigstens noch zu versuchen, aber irgendwie scheinen meine Methoden bei gewissen Leuten nicht zu funktionieren.“

Bestimmt bekam Naruto gerade einen netten, kleinen Seitenblick. Sasuke schüttelte den Kopf, keine Überraschung bei diesem Chaoten. Sehr wohl aber eine Überraschung, dass Ibiki sich ihnen erklärte. Er lauschte weiter, um nichts zu verpassen.

„Um es kurz zu machen, ich kann es immer noch kaum glauben, dass jemand kämpfen kann, der nicht mal ohne Hilfe seinen Namen auf ein Stück Papier schreiben kann“, Aua, musste das jetzt sein? Sasuke verkrampfte sich leicht, „aber wie auch immer ihr das macht, es funktioniert scheinbar – ich hielt es bisher auch für unmöglich taub und blind noch reagieren zu können.“, noch ein Seitenblick auf Naruto, „Dementsprechend… nein, ihr habt nicht bestanden, ihr habt mir Pauken und Trompeten meine Prüfung zerstört – mal wieder – und ich denke, allein dafür sollte ich euch eher ein Empfehlungsschreiben für die Spezialeinheiten ausstellen…“

Final step

„Sasuke~e!“

Naruto sprang freudig die Treppe herunter, schlitterte mehr als das er lief über den Flur und bremste haarscharf vor der Wohnzimmertür ab. Erst hier nahm er sich die Zeit kurz einen Blick in den Raum zu werfen, um sicherzugehen, dass sein Zielobjekt sich auch darin befand. Kaum, dass er besagtes Objekt auf der Couch sitzend und mit einem dicken Buch auf dem Schoß ausgemacht hatte, preschte er los und ließ sich direkt neben ihm auf das weiche Sitzmöbel fallen.

Sasuke reagierte wie erwartet und zuckte erschrocken zusammen, ehe er den Kopf hob und sehr, sehr wahrscheinlich sehr, sehr sauer in Narutos Richtung funkelte. Der aber grinste nur breit.

Es war so berechenbar. Solange sie sich im Haus befanden, hatten sie beide ihre Techniken normalerweise nicht aktiviert, zum einen, weil sie es hier nicht brauchten, zum anderen auch, weil sie nicht Gefahr laufen wollten irgendetwas wieder zu verlernen und es als Übung ansahen. Nur wenn Besuch kam oder sie in eine Situation kamen, in denen ihnen die Informationen, die sie so hatten, einfach nicht ausreichten – was fast nie vorkam – würden sie ihre Techniken nutzen, ansonsten konnten sie eigentlich immer erstmal davon ausgehen, dass der andere gerade nichts sah. Außerdem kam noch dazu, dass Sasuke beim Lesen erstklassig abschalten konnte. Naruto hatte zwar keine Ahnung, seit wann das so war, früher hatte das definitiv nicht so gut funktioniert, aber wenn Sasuke wie eben vollkommen geistesabwesend auf der Couch saß, vermutlich noch ins Leere starrte und nur die Bewegung seines Zeigefingers über die Seiten anzeigte, dass er nicht total weggedriftet war, konnte man ihn einfach nur herrlich erschrecken.

Unnötig zu sagen, dass Sasuke alles andere als erfreut über diese Tatsache war.

„Was ist?“, knurrte er entsprechend mies gelaunt, doch Naruto lachte nur weiter und drückte ihm die Schriftrolle in die Hand, die der Falke gerade vorbei gebracht hatte. „Wir haben eine Mission.“, erklärte er fröhlich, während Sasukes Gesichtsausdruck sich immerhin etwas entspannte, als er die Rolle auseinander zog und mit den Fingern sacht darüber strich.

„Schon morgen, schaffen wir es dann überhaupt rechtzeitig zurück?“, fragte er, kaum, dass er fertig war zweifelnd, woraufhin Naruto sich aber nicht die Laune verderben ließ.

„Müssen wir uns halt ein bisschen ranhalten, wird schon gehen, das Ziel ist nicht allzu weit weg von hier, bei unserem Tempo schaffen wir das in weniger als einem Tag.“

Sasuke wirkte nicht überzeugt. Er rollte das Dokument langsam und nachdenklich wieder zusammen und legte es zur Seite. Es hatte eine Weile gedauert, bis Tsunade einen ihrer Schriftführer dazu hatte überreden können Blindenschrift zu lernen und eine Technik zu entwickeln diese auch auf zusammenrollbarem Papier noch leserlich zu machen. Naruto wusste, dass besagter Schreiberling sich mehr als skeptisch über die Idee von Missionen in Blindenschrift oder eher die Bedeutung dahinter ausgelassen hatte, aber er machte seinen Job und spätestens seitdem sie wussten, dass sie in gut einer Woche – an Narutos siebzehntem Geburtstag genau genommen - endlich ihren längst verdienten Jounin-Status erhalten würden, hatte niemand mehr etwas gesagt.

Es war ein alberner, langwieriger, Geduld strapazierender Prozess gewesen. Ibiki mochten sie überzeugt haben, aber leider war er es nicht alleine, der letzten Endes sein Okay geben musste. Dass Tsunade ihnen zutraute den Verpflichtungen dieses Status’ nachzukommen, stand außer Frage, nur leider hatten sich die Ältesten zum denkbar schlechtesten Zeitpunkt auch eingemischt und nunmehr wirklich über ein Jahr erfolgreich verhindert, dass ihnen die Beförderung zugesprochen wurde.

Insgesamt zehnmal waren sie ins Hokagebüro gerufen worden, hatten Fragen beantworten, Aufgaben lösen und Techniken vorführen müssen. Ja, trotz all der Missionen, die sie seit ihrer Rückkehr in den aktiven Dienst erfolgreich beendet hatten, hatten diese nervigen Witzfiguren doch tatsächlich infrage gestellt, ob sie auch nur einfachste Techniken noch beherrschten. Sicher, das Jutsu der Verwandlung bedurfte ein wenig mehr Zeit (und Sakuras Hilfe), aber nur weil sie das Foto der Person, in die sie sich verwandeln sollten, nicht selbst sahen, hieß das doch noch lange nicht, dass sie es nicht mehr konnten.

Bald war Naruto das ganze mehr wie eine niemals enden wollende Gerichtsverhandlung vorgekommen, in der es längst nicht mehr nur um ihren Jounin-, sondern eher schon um ihren Ninjastatus an sich ging.

Zum Glück zeichnete sich ihr gesamtes Team durch eine extreme Dickköpfigkeit aus und nach einem endlos langen, bürokratischen Kampf, hatten auch die Ältesten schließlich nachgeben müssen, auch wenn sie allein wegen ihrer „Unfähigkeit normale Texte zu lesen“ nach wie vor erhebliche Zweifel bei jeder sich bietenden Gelegenheit aufwarfen.

Mittlerweile hörte Naruto gar nicht mehr hin.

Es waren nur noch acht Tage, dann, endlich, würde es soweit sein. Ihm selbst kam die Mission gerade recht, er hasste warten und der Auftrag würde bestimmt vier bis fünf Tage in Anspruch nehmen und ihm keine Zeit lassen ungeduldig zu werden.
 

Schwer atmend stand Naruto vor dem großen, hohen, altmodisch gebauten Haus und versuchte sich auf den Eingang und die heraus rennenden Menschen zu konzentrieren. Der an sich so einfach klingende Auftrag hatte es ganz schön in sich gehabt.

Allein auf dem Hinweg waren sie von nicht weniger als drei Räubertrupps angegriffen worden. Allesamt kaum einen Kampf wert, aber allein Dank ihrer Menge hatten sie ihr Tempo erheblich verringern müssen und als Naruto schließlich einige hundert Schattendoppelgänger losschickte, um weitere, auf sie wartende Gruppen im Vorfeld zu beseitigen, hatte er nicht daran gedacht, dass selbst kleine Kämpfe sich zu einem einzigen, anstrengenden aufsummieren konnten.

Kaum, dass all seine Doppelgänger verpufften, als sie ihr Ziel erreichten, schlug die gesamte Anstrengung auf einmal auf ihn ein und er kippte fast um vor Schreck. Das hatte deutlich mehr Energie gekostet, als er für möglich gehalten hatte (und die vielen Erinnerungen an kleine Kämpfe machten das ganze fast lächerlich), aber er konnte es kaum abstreiten, denn seine „Sicht“ flackerte bereits und er war gezwungen sie auf ein deutlich unscharferes Maß herunterzufahren, wenn er nicht wollte, dass sie komplett erlosch.

Natürlich merkten Sasuke und Sakura sofort was los war und huschten unauffällig an seine Seite, während Kakashi mit ihrem Auftraggeber – einem der reichen Landherren, der eigentlich wohl in diesem riesigen Anwesen lebte, sprach.

Rauch hing in der Luft, der Geruch von verbranntem Holz, Stoff und Lacken. Naruto konnte den Rauch selbst nicht „sehen“, aber er konnte sehr gut riechen, dass er aus den unteren Fenstern links von ihm kam – und er erklärte auch die rennenden und schreienden Menschen um ihn herum.

Ein Feuer selbst konnte er nicht hören (und die Erfahrung hatte ihn gelehrt, dass man es fast immer hörte), aber sicherheitshalber warf er einen fragenden Blick in Sasukes Richtung, der daraufhin nur den Kopf schüttelte und es bestätigte: Er sah keine direkte Hitzequelle.

Das Feuer selbst war also offenbar schon gelöscht, doch was bitte hatte es ausgelöst?

Der Auftrag war eigentlich gewesen die Tochter des Landherren nach Konoha zu bringen, damit sie von Tsunade behandelt werden konnte – welche Krankheit genau, wussten sie nicht. Die einzigen Probleme, mit denen sie eventuell gerechnet hatten, waren eben Räuberbanden, die versuchen würden das Kind zu kidnappen, während es unterwegs und damit angreifbar war, was hier geschehen war, passte rein gar nicht ins Bild.

Kakashi kam zu ihnen zurück – und er wirkte ernst.

„Sensei, was ist passiert?“, fragte Sakura sofort, woraufhin Kakashi eine Handbewegung machte, die Naruto nicht verstand. Deutete er nach hinten? Auf das Gebäude? Auf ihren Auftraggeber? Oder auf etwas anderes, das zu klein war, als dass er es mit seiner abgeschwächten Technik noch wahrnehmen konnte?

„Unsere Klientin ist passiert.“, erwiderte er in sachlichem, nüchternen Missionstonfall, während doch gleichzeitig sofort klar war, dass ihm gar nicht gefiel, was er sagte, „Das Mädchen, das wir eigentlich eskortieren sollten, hat eine Augenkrankheit und sollte deswegen behandelt werden. Was unser Auftraggeber allerdings verschwiegen hat, ihre Mutter war eine Kunoichi – sie ist vor vier Jahren in einem Kampf gestorben – und das Mädchen hat offenbar irgendwie versucht sie zu kopieren und eine Möglichkeit gefunden Chakra nicht nur zu erzeugen, sondern auch aus ihrem Körper ausströmen zu lassen. Das ist offensichtlich nicht von ihr beabsichtigt, ihr Chakra ist heiß und verbrennt alles, was sich ihr nähert. Heute morgen, als ihr Vater ihr sagte, dass wir kommen und sie nach Konoha bringen, ist sie nervös geworden und auf einmal brannte das gesamte Zimmer.“

Naruto starrte mit offenem Mund fassungslos auf das Gebäude. Alles nur, weil ein Mädchen sein Chakra nicht unter Kontrolle hatte?! Wie konnte so was passieren?

Doch Kakashi hob die Hand, um Zwischenfragen vorzubeugen und fuhr weiterhin betont sachlich fort: „Nanami, so heißt das Kind, hat daraufhin erst recht Angst bekommen und sich laut schreiend im Keller verschanzt. Da ist sie immer noch. Die Diener haben das Feuer gelöscht, aber das Erdgeschoss hat ganz schön was abbekommen und sieht nicht mehr sehr sicher aus. Wir müssen das Mädchen da rausholen und zwar schnell, aber offenbar schreit sie, sobald sich ihr jemand nähert oder sie auch nur einen Lichtschein sieht und ihr Chakra fängt wieder an alles um sie herum in Brand zu stecken...“
 

Zehn Minuten Diskussionen, wütende Rufe und entsetze Gesten später, stand Naruto vor dem Eingang zum Gebäude, drückte Sasuke seinen Rucksack in die Hand und wühlte den Taststock heraus, den er schnell in die Shurikentasche steckte, ehe Nanamis Vater noch genauer sehen konnte, was er tat.

„Naruto, das ist wahnsinnig, was du machst.“, zischte ihm sein Teamkollege zum wiederholten Male zu, doch Naruto blieb stur.

„Nein, Wahnsinn wäre es, es nicht zu machen. Sakura und Kakashi-sensei können da unten nichts sehen und du kannst nicht mit Kindern.“, erwiderte er möglichst ruhig und versuchte sich den Weg einzuprägen, den ihm der Landherr eilig beschrieben hatte. Er musste so schnell wie möglich rein und wieder raus, seine Technik wurde immer schwächer, bald würde er wirklich wieder blind sein. Aber er war ein Ninja, es war seine Aufgabe die Leben anderer zu retten und er würde dieses Mädchen sicher nicht sterben lassen, nur, weil er ein bisschen wenig Energie hatte.

Es war ernsthaft eine blöde Idee, aber als Sasuke das letzte Mal versucht hatte, ein Kind zu beruhigen, war es am Ende weinend und schreiend davon gerannt und sie hatten es zwei Stunden lang im nächstgelegenen Wald suchen müssen. Sakura mit Sasuke hinunter zu schicken wäre vielleicht vernünftiger gewesen, aber es hätte wieder die Gefahr mit sich gebracht, dass Nanami ausrastete, weil zwei Personen sie viel eher mit Gewalt würden herausziehen wollen, als eine.

Und Kakashi war ohnehin außen vor, er sagte selbst von sich, dass er nicht gut darin wäre mit Kindern umzugehen. Also blieb nur eine Wahl.

Ohne ein weiteres Wort stürmte Naruto ins rauchige, warme Innere, hielt sich links, nahm die Treppe nach unten und lauschte. Er hörte nichts. Er lief ein paar Schritte weiter, dann entschloss er sich, dass es nicht schlimmer werden konnte und rief: „Nanami?“

Ein entsetztes Quietschen erklang links von ihm und er huschte in den nächst besten Gang – und schreckte kurz darauf zurück, als ihn ein Spinnennetz im Gesicht streifte. Immerhin, das hätte er selbst bei voller „Sicht“ wohl zu spät bemerkt, redete er sich ein, als sein Bild noch einmal ungenauer wurde. Inzwischen waren es mehr oder weniger nur noch grobe Schatten, die ihm kaum mehr verrieten, als wo der Weg und wo Hindernisse waren.

Unsicher betrat Naruto einen weiteren Raum zu seiner Linken, in dem ein Schemen ihn sehr an einen zusammengekauerten Menschen erinnerte.

„Nanami?“

Der Schemen bewegte sich und just in diesem Moment sank sein Chakralevel eine Stufe tiefer und selbst die Schatten, die er noch gehabt hatte, verschwanden wieder. Naruto seufzte im Stillen. Das musste ja passieren…

„Geh weg!“, murmelte eine Kinderstimme undeutlich, wiederholte dann aber lauter: „Wer immer du bist, geh weg! Ich bin gefährlich…“

Oh Mann, das war ja so was von klar – gut, dass sie nicht Sasuke hierher geschickt hatten, der hätte das jetzt auch noch gebracht und sich die Kleine einfach nur unter den Arm geklemmt und rausgeschleift, dachte Naruto trocken, während er sehr, sehr langsam und vorsichtig einen Schritt auf sie zu machte.

„Nein, das bist du nicht.“, erklärte er in einem, wie er hoffte beruhigenden Tonfall, „Du hast es nicht unter Kontrolle, aber das ist ganz normal, das kannst du lernen.“

Ein Schniefen, dann ein halb gefauchtes „Nein, geh weg!“, aber er hörte keinerlei Bewegung, sie machte also keine Anstalten ihn zu vertreiben und er meinte einen leicht hoffnungsvollen Unterton gehört zu haben, daher kam er noch ein Stück näher.

„Weißt du, ich konnte mein Chakra früher auch nicht kontrollieren, aber es gab Menschen, die sich die Zeit genommen und es mir beigebracht haben, das ist wirklich nichts Schlimmes oder ungewöhnliches, Nanami.“

Sein Fuß stieß gegen etwas Weiches, das daraufhin erschrocken zurückzuckte und leise fiepste. „Tschuldige.“, murmelte er etwas verlegen. Er hatte die Entfernung zu ihr unterschätzt und machte schnell einen Schritt rückwärts, er hatte sie nicht berühren wollen, denn er wusste nur zu genau, wie schreckhaft Menschen in der Dunkelheit (und hier konnte es nicht wirklich hell sein), wurden.

Er rechnete fast schon damit, dass sie eine ihrer Chakraentladungen loslassen oder ihn zumindest anschreien würde, aber stattdessen wurde sie mit einem Mal vollkommen leise. Shit, wenn er jetzt nur wüsste, was sie machte. Sah sie ihn an? Hatte sie sich noch mehr als vorher zusammengekugelt?

„Du kannst mich nicht sehen, oder?“, fragte ihre Stimme auf einmal leise, aber fast schon… neugierig? Fassungslos?

Naruto zögerte, dann erinnerte er sich daran, dass Nanami laut Kakashis Aussage eine Augenkrankheit hatte. Sollte er am Ende so zu ihr durchkommen…? Einen Versuch war es auf jeden Fall wert.

„Nein, kann ich nicht.“, erwiderte er leise und ging automatisch in die Hocke, um nicht länger von oben herab zu ihr zu reden, „Genau genommen, kann ich überhaupt nichts sehen.“

„Du…?“, erwiderte sie verblüfft und im nächsten Moment erklang das Geräusch raschelnder Klamotten und mit einem Mal war ihr Atem direkt vor ihm, als beugte sie sich vor. „Aber wie bist du dann hier…? Warum…?“

Naruto lächelte sanft, ohne zu wissen, ob sie das überhaupt sehen konnte. „Es weiß fast niemand.“, erklärte er geheimnisvoll, „Ich kann es verstecken, wenn ich nicht zu müde bin.“, er senkte verschwörerisch die Stimme, „Aber das darfst du niemandem verraten, hörst du, das ist unser kleines Geheimnis!“
 

Kakashi behielt mehr als besorgt den Eingang des Gebäudes im Auge. Er fand die Aktion nicht gut. Ganz und gar nicht gut, er wusste nur zu genau, dass ein direktes Verbot bei Naruto bestenfalls eine Trotzreaktion zur Folge haben würde. Der Junge wäre so oder so da rein gegangen, ihm zu folgen oder ihn aufhalten zu wollen, hätte alles nur unnötig kompliziert gemacht.

Er hatte Sasuke hinterher schicken wollen, aber zu Kakashis milder Überraschung, hatte der sich geweigert, mit der Begründung, dass Naruto Recht hatte und er das Kind wahrscheinlich vergraulen würde.

Was bleib war Unruhe, bangen und vertrauen in Naruto, dass er rechtzeitig da rauskommen würde – denn das Haus sah wirklich nicht mehr stabil aus. Das Erdgeschoss war in weiten Flächen ausgebrannt und auch wenn es nicht länger brannte oder qualmte, war die Außenwand fast vollkommen schwarz und es war nur noch eine Frage der Zeit, bis alles einstürzen würde.

Kakashi traf eiligst eine Entscheidung und beschloss Sasuke doch hinterherzuschicken, notfalls gegen seinen Willen, wenn Naruto in zwei Minuten nicht wieder…

Langsame Schritte erklangen und richteten seine Aufmerksamkeit sofort wieder auf die zerstörte Tür, aus der gerade Naruto mit einem kleinen Kind auf dem Arm heraustrat. Das Mädchen war vielleicht vier, hatte braune, lockige, schulterlange Haare, die nun eine ordentliche Portion Staub abbekommen hatten, genau, wie ihr einstmals hellrosa Kleid. Als sie ins Freie kamen, hob Nanami die Hand und blinzelte gequält in die Sonne, offenbar waren ihre Augen stark lichtempfindlich, denn nach zwei weiteren Schritten, schloss sie sie schließlich gänzlich.

Und Naruto blieb stehen. In Sekundenbruchteilen verstand aber der Rest seines Teams und Sasuke und Sakura waren sofort bei Naruto, während Kakashi langsam näher kam. Narutos Blick ging nachdenklich ins Leere – oder so sah es aus – und verriet, dass er offenbar keine Energie mehr hatte. Wie er es so unbeschadet aus dem Keller geschafft hatte, war Kakashi ein Rätsel, aber ehe er etwas sagen konnte, redete Sakura schon aufgeregt auf den Chaoten ein, nahm ihm nach kurzem Hin und Her das Mädchen ab und brachte es ins schnell errichtete Notfallzelt, während Sasuke sich Narutos linken Arm über die Schulter legte und ihn stützend in ihr eigenes Zelt zog. In Wahrheit hätte Naruto sicher noch selbst laufen können, denn auch ohne Chakra wirkten seine Schritte nicht wackelig, aber es war klar eine Geste, um seine Blindheit weiterhin zu vertuschen. Kakashi wusste nicht, was er von der ganzen Situation halten sollte.
 

Das Gebäude stürzte keine halbe Stunde später tatsächlich in sich zusammen, was darin endete, dass Kakashi sich über zwei Stunden das Gejammer des Landherren anhören durfte, ehe dieser ihm erklärte, dass die Reise seiner Tochter wie geplant weitergehen sollte. Eine weitere Stunde kostete es ihn davon zu überzeugen, einen Ninja seiner Tochter die Grundlagen der Chakrakontrolle beibringen zu lassen, damit sich das ganze nicht wiederholen konnte.

Kakashi hasste Diplomatie.

Erst jetzt fand er die Ruhe und Zeit nach seinem Schüler zu sehen, der nach wie vor im Zelt lag und vermutlich schlief – oder, wenn man bedachte, dass es sich um Naruto handelte, eventuell auch einfach nur wach dalag.

Sasuke hatte die Wache übernommen, Sakura war bei dem Mädchen, der Landherr mit seinen Dienern damit beschäftigt das weitere Vorgehen zu planen. Endlich ein Moment Ruhe.

Es war inzwischen dunkel geworden und als er sich dem einfachen, dunkelblauen Zelt näherte, dass Naruto und Sasuke sich auf Missionen immer teilten, zögerte er doch. Wenn Naruto wirklich schlief, sollte er ihn schlafen lassen und…

„Kakashi-sensei, was machen Sie da?“

Okay, soviel zur Frage, ob der Junge schlief. Sacht öffnete er den Verschluss und beugte sich hinunter, um sich neben Naruto auf Sasukes unangerührten, aber nichtsdestotrotz bereitliegenden Schlafsack zu setzen. Für viel mehr als die beiden Schlaflager reichte der Platz hier drinnen auch nicht.

„Ich wollte nur sehen, wie es dir geht.“, erklärte er lächelnd, in dem Wissen, dass Naruto das zwar im Moment nicht sehen, aber bestimmt hören konnte, „Woher wusstest du, dass ich es bin?“

Das verwirrte ihn oft. Irgendwie schienen die beiden auch ohne ihre Techniken manchmal mehr zu wissen, als sie können sollten.

Naruto kicherte leise. „Ich hab’ Ihnen doch schon einmal gesagt, dass ich Schritte unterscheiden kann.“

„Auf dem weichen Erdboden?“, fragte Kakashi verdutzt, woraufhin Naruto aber nur die Schultern zuckte.

„Macht keinen Unterschied…“, murmelte er dann, streckte sich und legte die Arme hinter den Kopf. Selbst im schwachen Licht hier drin konnte Kakashi sehen, dass der Junge erfolglos versuchte ihn anzusehen – sein Blick müsste irgendwo knapp über seinem Stirnband landen.

„Naruto?“, fuhr Kakashi nach einem Moment des Schweigens fort.

„Mmh?“

„Wie bist du da rausgekommen?“

Stille. Dann ein Seufzen und ein unwilliges Kopf zur Seite drehen. „Ich hab’ den Stock benutzt. Als wir die Treppe hoch sind, hab’ ich ihn weggepackt, damit Nanamis Vater ihn nicht sieht. Von da an bin ich mehr oder weniger auf gut Glück weitergelaufen. Wobei ihre Reaktion auch hilfreich war…“, Naruto dreht den Kopf nachdenklich zur Decke des Zelts, „Ihr tut das Licht weh, hat sie gesagt.“, meinte er dann fast traurig, „Kakashi-sensei, die Oma kann ihr doch helfen, oder?“, fragte er leise und mit einem unergründlich ernsten Gesichtsausdruck.

Kakashi nickte langsam. „Bestimmt, Naruto, bestimmt kann sie das.“

Und ein kleines Lächeln huschte über das eben noch so ernste Gesicht und Kakashi fragte sich – nicht zum ersten Mal -, was in den Gedanken des Jungen vor sich ging.
 

Sie erreichten Konoha am achten Oktober und noch am selben Tag kümmerte sich Tsunade um Nanami. Als Naruto sie am nächsten Morgen aus dem Krankenhaus abholte, hatte sie Angst vor dem, was passieren würde, wenn sie die Verbände abnahm, aber Naruto packte das Mädchen kurzerhand, trug es auf einen der in Fels gemeißelten Köpfe und löste die weichen Streifen um ihr Gesicht.

Und Nanami strahlte glücklich, als sie langsam die Augen aufschlug und ganz offensichtlich keine Schmerzen mehr vom Licht hatte. Selbst, als sie sich traurig rumdrehte und ihm direkt in die Augen sah (zumindest ging er davon aus), verschwand das Lächeln nicht von seinem Gesicht.

Am Abend drängte Nanamis Vater auf eine baldige Abreise zum Sommersitz (da ihm die Unterbringung in Konoha offensichtlich nicht gefiel) und so erlebte die Kleine nicht mit, wie Naruto zusammen mit seinem Team am kommenden Tag endlich zu Jounin ernannt wurden.

Das musste natürlich gefeiert werden und entgegen Sasukes wiederholtem (und teilweise andauernden) Protest, schleifte Naruto sein gesamtes Team fröhlich mit zu Ichiraku.

Das Fest dieses Tages trat fast schon in den Hintergrund, obwohl die laute Musik, das Gelächter der Leute, das Krachen der Feuerwerkskörper, der süße Geruch von Gebäck, gemischt mit dem deftigen des gebratenen Essens und nicht zuletzt auch die einfach ausgelassene Stimmung schwer zu ignorieren waren.

Als Geschenk zu seiner Ernennung und seinem Geburtstag machte Teuchi Naruto eine Riesenfreude, indem er ihm eine riesige Portion „Naruto Spezial“ servierte, über die sich besagtes Geburtstagskind mit Freuden hermachte und breit grinsend und mit sich und der Welt zufrieden schmecken ließ.

„Naruto!“

„Mmh?“, aus Gewohnheit drehte der Angesprochene den Kopf in die Richtung, doch in dem Treiben war es unmöglich für ihn zu sagen, wer ihn gerufen hatte. Zu viele Menschen auf einem Fleck machten es auch einem Sehenden schwer, aber ohne eine Farbreferenz jemanden nur anhand seiner Silhouette in dem Getümmel zu erkennen war beinahe unmöglich. Naruto sprach nie darüber, aber er ging davon aus, dass die meisten es längst ahnten, er erkannte die wenigsten anhand ihres Umrisses, sondern viel mehr an Dingen, die er sich durch die Blindheit hatte aneignen müssen und ein paar, die durch seine Technik kamen. Schritte, Stimmen, Geräusche, Gerüche, Bewegungen, Gesten. Aber fast nie durch ihr „Aussehen“.

Erst, als eine Gestalt ihm zuwinkte und auf ihn zu kam, konnte er sich genauer auf sie konzentrieren, doch es war schwer viel zu sagen. Er ging von einem Jungen mit kurzen Wuschelhaaren und einer Art Latzhose aus, der ein Stück kleiner war, als er selbst, aber weder das, noch die Stimme sagten ihm wirklich etwas. Er blinzelte leicht irritiert und sah den Jungen unverwandt an.

„Guck doch nicht so, erkennst du mich denn nicht?“

Nein, tue ich leider nicht…

Doch Naruto blieb eine Antwort erspart, da in diesem Moment eine zweite Gestalt neben den Jungen trat und ihm eine Hand auf die Schulter legte. „Er hat dich ewig nicht gesehen, Inari, du bist erwachsener geworden.“ Und, mit einem Lächeln, das selbst Naruto wahrnahm, fügte er hinzu: „Du auch, Naruto.“

Dessen Miene hellte sich schlagartig auf, als er einfach aufsprang und beide in den Arm nahm. „Tazuna, Inari, tut mir leid, dass ich euch nicht gleich erkannt habe… Wow, bist du groß geworden, Inari, hast du einen Wachstumsschub gehabt?“

Das war eine wirklich große Überraschung. Es stimmte, er hatte sie nicht erkannt, aber er hätte auch niemals damit gerechnet sie jemals wieder zu sehen und schon gar nicht hier in Konoha während dem alljährlichen Fest.

Inari lachte nun auch wieder und nickte wild, ehe er in seine Tasche griff, etwas hervorholte und Naruto hinhielt. Der griff zögernd danach und konnte ein leicht trauriges Seufzen nicht verkneifen, als er die Struktur des dünnen Papiers spürte. Ein Foto. Inari hatte ihm ein Foto gegeben…

Egal, was sie auch versucht hatten, weder Sasuke noch er hatten irgendeine Möglichkeit gefunden Licht und damit Farben wieder wahrzunehmen. Solange es ihm niemand sagte, hatte er keine Chance zu wissen, was auf diesem Foto abgebildet war.

„Was ist? Du siehst es dir ja nicht mal an?“

Naruto verzog leicht gequält das Gesicht und räusperte sich einmal vernehmlich, während seine Teammitglieder ein wenig betreten zu Boden sahen. „Ja, weißt du, Inari, die Sache ist die, ich… ich kann nicht…“

„Was?“, fragte Inari ungläubig und legte wie ein kleines Kind den Kopf schief, „Was soll das heißen, du kannst nicht?“

Naruto lächelte gequält, wie er das hasste, wenn er es jemandem erklären musste. „Weißt du, ich…“ Bestimmt sah der Junge ihn gerade erwartungsvoll an und so atmete Naruto tief durch und versuchte es möglichst sachlich raus zu bringen: „Ich kann es nicht sehen. Ich bin seit über drei Jahren blind.“

Jetzt war es raus und was folgte, war… Schweigen. Eine unangenehme Totenstille, während der sogar die lauten Geräusche des Festivals zu verstummen schienen.

„Das meinst du nicht ernst.“, brach schließlich Tazuna die Stimme, „Du siehst uns doch gerade an.“

Naruto seufzte nun doch noch einmal, ehe er den Kopf schüttelte. „Nein, ich tue so, als würde ich euch ansehen.“

Inari wollte es ihm nicht glauben, genauso wenig wie Tazuna. Seine Reaktionen, seine Bewegungen, selbst seine Blicke waren sicher und ohne zögern, aber das Bild bewies, dass die Technik keinesfalls die Augen wirklich ersetzte.

Erst, als Sakura sich zu ihm rüberbeugte und ihm leise ins Ohr flüsterte, dass das Foto die fertige Brücke mit einem Schild, auf dem ihr Name stand, zeigte, breitete sich wieder ein Lächeln auf Narutos Zügen aus und die triste Stimmung verschwand.
 

„Also dann, hereinspaziert!“

Naruto hatte darauf bestanden, dass die beiden noch auf eine Tasse Tee und ein paar Kekse mit zu ihnen kamen und machte gerade mitten in der Eingangstür eine einladende Bewegung, woraufhin aber erstmal Sasuke schnaubend an ihm vorbei nach drinnen marschierte.

Als Tazuna und Inari folgten, blieben sie fast augenblicklich im Flur wieder stehen und Naruto spürte regelrecht, wie sie neugierig alles genau musterten.

Und fast schon wie es zu erwarten gewesen war, blieben sie direkt vor der Reihe an Fotos stehen, die überall an den Wänden hingen.

Für ihn waren es „nur“ ein paar schöne, mehr oder weniger verzierte Bilderrahmen mit einer glatten Fläche dazwischen, aber er wusste ganz genau, was welches Bild zeigte und wo es hing. Die meisten davon hatte er sogar selbst aufgehängt.

„Woah, das ist aber ein schönes Bild!“, rief Inari gerade freudig und blieb vor dem letzten Foto vor der Küchentür stehen. Naruto lächelte. „Ja, das ist auch mein Lieblingsfoto.“

Inari blinzelte verwirrt und sah zu ihm herüber. „Aber, darauf bist du doch… hast du es überhaupt jemals…?“

Er brach ab, aber Naruto war klar, was er hatte sagen wollen. Noch immer lächelnd und ohne sich die Laune verderben zu lassen erklärte er: „Nein, ich habe es nie gesehen, es ist erst etwas über ein Jahr alt. Aber ich weiß, was darauf abgebildet ist.“

Sakura hatte es ihm netterweise ausführlich beschrieben. Das Bild war aufgenommen worden, kurz bevor sie zu ihrer ersten Mission seit dem Unfall aufgebrochen waren. Es war ein Teambild, in derselben Anordnung, wie ihr erstes, allerdings hatte es eine komplett andere Stimmung.

Während auf dem ersten nur Sakura halbwegs fröhlich wirkte, lächelten sie auf diesem alle. Sasuke, Sakura und Naruto saßen auf einer Bank im hinteren Teil des Parks, Kakashi lehnte hinten auf der Rückenlehne. Es war ein ruhiges, friedliches Bild, das, wie Sakura es ausgedrückt hatte, „auch dem Betrachter ein kleines Lächeln aufs Gesicht zauberte“. Es war eines der wenigen Fotos, die er auch selbst im Zimmer hatte – allerdings in einer anderen Variante, um die er Yamato gebeten hatte. Insgesamt gab es gerademal drei Bilder, die ihm wichtig genug dafür waren. Das dritte und neueste war erst heute aufgenommen worden, er war schon sehr gespannt darauf, es zu „sehen“.

Als sie ins Wohnzimmer weiterliefen wurde es für jeden Besucher klar, dass hier jemand lebte, der zumindest sehr schlecht sah. Die Regale enthielten fast nur Bücher in Blindenschrift (einige wenige waren noch in Schwarzschrift da, teils als Erinnerung, teils weil sie Unterlagen über Missionen enthielten und Sasuke und Naruto nicht alles übertragen lassen wollten), die DVDs und Kassetten waren mit Aufklebern in Blindenschrift an der Rückseite versehen und allesamt Hörfilm-Ausgaben oder zumindest solche, die eine Hörfilmversion beinhalteten.

Und natürlich stand auf dem Tisch wie immer neben ihrer normalen Schreibmaschine noch eine für Blindenschrift mitsamt einem Stapel entsprechenden Papiers.

Auch so ziemlich alles andere alltägliche wie Kalender, Dosen, Lebensmittelverpackungen war zusätzlich beschriftet (das meiste von Sakura). Obwohl sie ein festes System hatten und so normalerweise allein von Größe, Verpackung und Position wussten, was sich im Inneren befand, war ihre Teamkameradin auf Nummer sicher gegangen.

Spätestens, wenn sie hinausgingen, würden Inari und Tazuna vermutlich auch die weißen Stöcke sehen, die nach wie vor neben der Tür lehnten. Wer hier rein kam wusste meistens ohnehin Bescheid und wenn nicht, hatten Naruto und Sasuke immer noch Zeit alles zu verstecken, was sie verraten hätte. Aber warum sollte so etwas je passieren?
 

„Naruto?“

Es war Abend geworden, sie waren wieder alleine und lümmelten gerade auf der Couch. Sasuke hatte gerade den Fernseher ausgeschaltet, nachdem sie sich die Nachrichten angehört hatten.

„Mmh?“

„Hat dir dein Geburtstag gefallen?“

Naruto blinzelte verwirrt und aktivierte seine Technik, um Sasuke ansehen zu können. Da dieser den Kopf auch in seine Richtung gewand hatte, tat er vermutlich dasselbe. Das war eine mehr als untypische und daher absolut unerwartete Frage.

„Ja, schon, wieso?“, antwortete er entsprechend verwirrt, was Sasuke leicht schmunzeln ließ.

„Du hast mein Geschenk noch nicht.“

Ohne auf eine Antwort zu warten, setzte er sich mit einer einzigen, fließenden Bewegung auf, sodass er direkt in Narutos Richtung sah und fuhr fort: „Da ich dich ja wohl eh nicht so schnell wieder loswerde… ich denke, du hast lange genug in einem Gästezimmer gewohnt, lass es uns ein wenig… gemütlicher machen?“

Naruto war sprachlos. Er wusste schlichtweg nicht, was er darauf sagen sollte und würgte erst nach fast einer halben Minute ein „Was?“ heraus.

Das ließ Sasuke nur noch mehr schmunzeln. „Wir können Itachis Zimmer hinten rechts im Flur umbauen und ein neues Gästezimmer draus machen, dann kannst du das jetzige richtig als deins ha… ah, Naruto!“

Der hatte nicht länger gezögert und Sasuke einfach umgeschmissen und freudig umarmt.

„Spinnst du, geh runter von mir!“, beschwerte letzterer sich augenblicklich, aber Naruto lachte nur. „Nö.“

Und in null Komma nichts war alles wieder, wie es sein sollte und die beiden wetteiferten darum, wer den anderen zuerst von der Couch herunterschmeißen konnte…

Right where we belong

Drei Tage nach Sakuras zwanzigstem Geburtstag wurde Team Kakashi zu Tsunade bestellt und ihr Sensei endgültig von jeglicher Verantwortung ihnen gegenüber entbunden. Er lächelte, Sasuke konnte es unter seiner Maske spüren, aber trotz aller Freude, dass sie nun (als letzte aus ihrem Jahrgang, da die Ältesten noch immer alles blockierten, was mit ihnen in Zusammenhang stand) wirklich alleine ein Team bildeten, hatte das ganze einen seltsamen Beigeschmack.

Es war ein Ende und ein Anfang gleichermaßen. Das Ende von Team Kakashi und der Beginn von Team Sakura – tatsächlich hatte Tsunade darauf bestanden, dass offiziell Sakura die Leitung übernehmen würde. Allerdings aus rein praktischen Gründen, denn auch wenn Naruto und er Dokumente unterzeichnen oder Missionsberichte schreiben konnten, letzten Endes brauchten sie noch immer jemanden, der ihnen sagte, wohin genau sie schreiben sollten und das Problem hatte Sakura nun mal nicht.

Sasuke hatte nichts dagegen, er war nie der Meinung gewesen Teamleiter werden zu müssen, aber es überraschte ihn, dass auch Naruto das ganze schweigend hinnahm. Vielleicht unterschätzte er ihn aber auch nur wieder einmal, denn obwohl er noch immer die laute Nervensäge sein konnte, selbst Naruto wurde irgendwann einmal erwachsen und wusste meistens, wann er die Klappe zu halten hatte. Meistens…

Vielleicht war es aber auch einfach die Tatsache, dass ihnen allen klar war, dass Sakura keine klassische Leiterrolle übernehmen würde, denn auch wenn sie dann und wann die Führung übernahm oder ihnen Anweisungen gab (insbesondere bei Dingen, die sie nicht wissen konnten), letzten Endes hatten sie es nach Jahren geschafft umzusetzen, was Kakashi ihnen von Anfang an gepredigt hatte: Teamwork war alles. Sie waren allein durch die Umstände gezwungen gewesen sich perfekt aufeinander abzustimmen und in einer stillen Stunde, wenn er Zeit dazu hatte, würde Sasuke vielleicht auch eingestehen, dass er nicht glaube, dass sie das ohne den Vorfall vor nunmehr fünf Jahren so hinbekommen hätten.

Als sie aus dem Hokageturm heraus in die strahlende Mittagssonne traten, schlich sich ein Lächeln auf sein Gesicht und er hob den Kopf mit geschlossenen Augen in das warme Licht. Dann und wann ertappte er sich noch dabei, dass er es vermisste. Licht, Farben, die Dinge, die er wirklich verloren hatte, die allermeiste Zeit aber, musste er im Stillen zugeben, dass er glücklicher war, als zuvor.

Dank Narutos Sturkopf und Sakuras Beschreibungen hatte er sie nie vergessen und dafür war er dankbar, denn in seiner Vorstellung war die Welt nach wie vor bunt.

Und rein objektiv betrachtet, hatte die Blindheit auch Vorteile mit sich gebracht. Er war immun gegen die allermeisten Arten von Genjutsu und anderen, optischen Techniken, er konnte so ziemlich jeden überraschen, während niemand ihm unbemerkt in den Rücken fallen konnte. Er fand es durchaus berechtigt zu behaupten, dass er deutlich stärker als zuvor gewesen war und auch wenn Tsunade selbst verhinderte, dass sie in die Anbu-Einheiten aufgenommen wurden (sie hatte etwas davon gesagt, dass sie nicht wollte, dass sie einem gewissen Danzou unterstellt wurden, doch der Name sagte Sasuke nichts, er würde bei Gelegenheit Sakura bitten müssen ihm die Akten vorzulesen), so hatten sie als Sondereinsatzteam doch inzwischen einen ordentlichen Ruf und dann und wann würden Anfragen auch aus anderen Ländern kommen.

Naruto wohnte nach wie vor bei ihm und dann und wann übernachtete auch Sakura bei ihnen. Laut aussprechen würde er es nie, aber irgendwie fühlte es sich an, als hätte er wirklich wieder eine richtige Familie. Wahrscheinlich fühlte es sich deshalb so seltsam an, dass Kakashi von nun an nicht mehr direkt darin verwickelt sein würde.

Aber egal, ob er es offiziell noch war, oder nicht, für Sasuke (und vermutlich auch die beiden anderen) würde er immer sein Lehrmeister bleiben.

„Ich bin stolz auf euch.“, meinte der gerade schlicht und ausnahmsweise hielt er dabei nicht mal sein Buch in der Hand, sondern sah sie direkt an, „Ich hätte nie für möglich gehalten, dass ihr es trotz aller Hindernisse hierhin schafft.“, gab er ehrlich zu, „Aber das habt ihr – und aus gänzlich eigenem Verdienst, Glückwunsch.“

Einen Augenblick lang starrten sie ihn alle an, dann legte Naruto den Kopf schief: „Aber, Kakashi-sensei, Sie…“

Kakashi hob eine Hand, um ihn zu unterbrechen und Naruto brach ab. Kakashi räusperte sich ernst, dann aber plötzlich lächelte er wieder: „Ich glaube, das ‚Sie’ können wir langsam wirklich vergessen, meinst du nicht?“ Er zwinkerte vergnügt.
 

Es war dunkel geworden, als Sakura an diesem Abend den etwas einsam wirkenden Weg zum ehemaligen Uchiha-Bezirk entlang lief. Schon von weitem konnte sie die bunten Lichter sehen und die Musik hören, die die Feier heute Abend ihnen zu Ehren begleiteten.

Die Vorboten des Fests ließen die dunkle, verlassene Straße nur noch kälter und einsamer wirken und Sakura lief ein kalter Schauder über die Schultern.

Heute hätte ein besonderer Tag in mehr als einem Sinn sein sollen, aber als sie noch schnell im Krankenhaus vorbei gelaufen war, um sich die Ergebnisse der letzten Untersuchung anzusehen… zerfiel ihre Hoffnung schlagartig. Sie hatte über ein Jahr auf etwas zugearbeitet, das vollkommen umsonst gewesen war und es schmerzte und schockte sie mehr, als sie sich eingestehen wollte.

Es ist zu spät…!

Der ganze Tag war so schön und fröhlich gewesen, dass sie die Erkenntnis vollkommen aus der Bahn warf und irgendwie war sie sich nicht einmal sicher, ob sie überhaupt wirklich zur Feier erscheinen sollte, sie würde nur die Stimmung ruinieren. Andererseits würden sich Naruto und Sasuke Sorgen machen, wenn sie nicht kam und so marschierte sie schweren Herzens an dem wunderschönen, großen Haus vorbei direkt in den Garten und ließ sich von den anderen unbemerkt in die Hollywoodschaukel auf der Veranda fallen.

Für März war es überraschend warm, aber immer noch zu kühl, um einen Abend im Freien zu verbringen, sämtliche Gäste hatten sich im Inneren eingefunden. Die Rollläden waren nicht heruntergelassen und so konnte sie durch die dünnen Ziergardinen beobachten, wie Lee und Kiba etwas veranstalteten, das verdammt nach einem Fresswettbewerb aussah.

Hinter ihnen stand Naruto und lachte gerade laut, während seine Augen direkt in ihre Richtung sahen und eigentlich, eigentlich hätte er sie sehen müssen.

Aber sie wusste, dass er das nicht konnte und niemals mehr können würde. Er mochte sagen, dass er glücklich war, aber wie konnte er das sein? Es war doch bestimmt nur eine Lüge, um sie zu beruhigen…

Sakura zog die Beine an und umfasste sie mit den Armen, als sich plötzlich die Glastür öffnete und eine Gestalt ins Freie trat.

„Sakura, was machst du da?“

Sasuke kam langsam und ruhig zur ihr herüber. Das Licht vom Fenster fiel auf sein Gesicht und sie sah, dass er weder vorwurfsvoll, noch verwundert schien, sie hier vorzufinden, er wirkte eher… leicht besorgt? Der Sasuke Uchiha? Besorgt? Und er zeigte das auch noch?

„Nichts, mir ist nur nicht nach… feiern zumute.“, murmelte sie in einer Halbwahrheit, woraufhin seine Augenbrauen ein deutliches Stück nach unten wanderten und er sich ungefragt neben sie setzte.

„Was stand drin?“, fragte er, mit einem Mal für ihren Geschmack fast schon zu sehr darauf betont sachlich zu bleiben.

„Worin?“, fragte sie verwirrt von seinem schnellen Gemütswechsel – oder… war es denn einer?

„Im Bericht. Du wolltest doch ins Krankenhaus, um unsere Untersuchung einzusehen, oder?“

Sakura murmelte etwas Unverständliches. Woher hatte er das gewusst? Sie hatte nur von Ergebnissen gesprochen, aber ihre Namen nie erwähnt, war es so offensichtlich?

Ehe Sasuke weiter nachhaken konnte, öffnete sich die Tür erneut. „Hey, Sasuke, was ma… Sakura?“

Zu allem Überfluss war es auch noch Naruto, der nun die Tür hinter sich wieder schloss und sich in seiner sorglosen Art einfach mal auf ihre andere Seite fallen ließ. „Was macht ihr denn hier?“

Sakura ließ nur resignierend den Kopf auf die Knie fallen, während Sasuke ernst antwortete: „Irgendwas scheint mit unserer Untersuchung nicht in Ordnung zu sein…“

„Nein.“, unterbrach ihn Sakura, brachte es aber nicht fertig ihnen dabei ins Gesicht zu sehen und ließ den Kopf auf den Knien, „Eure Ergebnisse sind gut, keinerlei Probleme und ihr seid fit.“

Sie konnte fast hören, wie nun auch Naruto die Stirn runzelte. „Aber was ist dann…?“

Sie seufzte, die beiden würden eh keine Ruhe mehr geben. „Probleme gab es keine, aber eine Auffälligkeit.“ Sie atmete tief durch. „Der Teil eures Gehirns, der eigentlich fürs Sehen zuständig war, hat sich komplett umstrukturiert. Ich habe es erst nicht verstanden, aber… offenbar hat er die Aufgabe übernommen eure Techniken zu analysieren und interpretieren.“

„Und das ist… schlecht?“, fragte Naruto und klang nun eher unsicher, was er sagen sollte.

„Nein, nicht an sich, es ist gut, da es bedeutet, dass ihr sie wirklich optimal nutzen könnt, aber… es bedeutet auch, dass ihr selbst wenn eure Netzhäute zurückkommen würden, niemals wieder sehen könntet.“
 

Sasuke warf Naruto einen fragenden Blick zu, doch dieser hob auch nur ratlos die Schultern, unsicher, warum das Sakura so fertig machte.

„Sakura.“, setzte Sasuke daher langsam und versucht vorsichtig an, „Uns wurde doch gleich am Anfang schon gesagt, dass das ohnehin unmöglich ist, warum machst du dir deswegen überhaupt Gedanken?“

Sie stieß eine Mischung aus Wimmern und Schluchzen aus, die bei Sasuke nun wirklich die Alarmglücken schrillen ließ – und bei Naruto offenbar auch, denn er legte ihr sacht einen Arm um die Schulter. „Sakura?“, fragte er mit dieser weichen, beruhigenden Stimme, die er normalerweise bei kleinen Kindern benutzte und die nie ihre Wirkung zu verfehlen schien, auch wenn Sasuke nicht verstand, wieso.

„Ich wollte… euch überraschen.“, erklärte Sakura so leise, dass er sie kaum verstand, „Ich wusste, dass es eine Technik gibt, mit der man Informationen direkt ans Gehirn senden kann und ich wollte… sie euch zeigen. Die Dinge, die ihr sehen wolltet, den Sonnenuntergang, die Fotos… uns.“, sie hob den Kopf ein Stück und Sasuke sah die warme Spur einer Träne auf ihrer Wange, „Aber es war sinnlos. Ich kann euch die Information geben, aber… ihr könnt sie nicht mehr verstehen, euer Gehirn kann damit nichts anfangen.“, hauchte sie leise und erst jetzt, langsam, begann Sasuke zu verstehen.

Er merkte, wie sein skeptischer Ausdruck durch einen sanfteren, leicht traurigen ersetzt wurde. Sakura…

Er hätte nie in Worte fassen können, was er in dem Moment dachte, aber zum Glück war Naruto darin deutlich besser. Er drückte Sakura kurz und flüsterte dann fast so leise, wie sie: „Danke, Sakura.“

Sie schluchzte nur noch einmal. „Wofür? Ich kann nichts…“

Aber Naruto legte ihr einen Finger auf die Lippen.

„Du hast es versucht, das ist alles, was zählt. Ich kann nur für mich sprechen, aber ich denke, Sasuke geht es genauso, wenn ich sage, das allein ist, was zählt.“

„Hn.“, Sasuke nickte ruhig und hob eine Hand, nicht, um Sakura auch zu umarmen, aber immerhin, um sie ihr auf die Schulter zu legen.

„Es ist nicht so gelaufen, wie wir alle uns das vorgestellt haben“, fuhr Naruto leise und immer noch in diesem beruhigenden Tonfall fort, „aber wir haben einiges gewonnen, wir alle und solange du uns weiterhin von allem erzählst, brauchen wir es nicht zu sehen.“

Er hob den Kopf und Sasuke wusste, dass er ihm einen fragenden, halb bittenden Blick zuwarf, selbst wenn er nichts mehr in den Augen lesen konnte. Er nickte langsam.

„Er hat Recht und im Moment gibt es nichts in unserem Leben, das wir meiner Meinung nach ändern müssten.“

Naruto verdrehte angesichts seiner Formulierung die Augen, aber immerhin hörte Sakura auf zu weinen und er meinte, dass ihre Mundwinkel unendlich kurz zuckten.
 

„Also dann.“, meinte Tsunade, als Team Sakura zwei Tage später am frühen Mittag bei ihr im Büro erschien, „Wir haben in letzter Zeit zunehmend Berichte vom Auftauchen einiger Mitglieder der Akatsuki-Organisation bekommen. Ich weiß, dass auch ihr bereits Kontakt mit ihnen hattet und viele Leute waren dagegen, dass ich euch diese Mission gebe, aber…“, sie grinste schief, „Ich denke, wir sollten ihnen allen beweisen, dass ihr mehr als geeignet seid.“

Einstimmiges Nicken.

„Eure Aufgabe wird darin bestehen, äh…“ Sie kramte auf ihrem Schreibtisch herum und entrollte dann eine Schriftrolle, winkte Sakura zu sich und deutete auf einen Punkt, vermutlich handelte es sich also um eine Karte.

„Hokage-sama, können wir unsere Karte benutzen?“, fragte Sasuke, was Tsunade verwirrt aufblicken und blinzeln ließ. „Eure Karte?“

Naruto nickte neben ihm und zog eine etwas kleinere Rolle aus der Hosentasche, die er daraufhin auf dem Tisch entrollte. Es war ein Geschenk von Sai, mit dem sie, nach einigen mehr oder weniger turbulenten Missionen doch so etwas wie Freundschaft geschlossen hatten. Anfangs hatte Sasuke ihn für endgültig hirnverbrannt erklärt, als er ihnen die selbst gemalte Karte zeigte, aber als er erklärte, was das besondere an dem Geschenk war, hatte er seine Meinung ändern müssen.

Naruto legte gerade eine Hand an die Ecke und leitete etwas Chakra hinein, woraufhin die Zeichnungen dreidimensional wurden und eine echte, kleine Landschaft entstand, die sie beide problemlos erkennen konnten.

Tsunade blinzelte nochmals, starrte einen Augenblick lang auf das Gebilde, dann fing sie an zu lachen und nickte, ehe sie nochmals auf den Punkt deutete – etwa eine Tagesreise nordöstlich von Konoha. „Also, hier haben wir mehrere Berichte von Sichtungen, ich möchte, dass ihr dem ganzen ein wenig auf den Grund geht, genaueres dazu findet ihr in der Missionsbeschreibung.“

Sie deutete auf drei bereitliegende Schriftrollen neben sich, von der sich erstmal jeder eine nahm. „In einer Woche erwarte ich den ersten Zwischenbericht und bis dahin… enttäuscht mich nicht!“

Erneut einstimmiges Nicken, dann packte Naruto ihre Karte ein und in Windeile waren die drei aus dem Fenster und unterwegs zu ihrer ersten, eigenen Mission. Sasuke konnte ein zufriedenes Grinsen nicht unterdrücken.

Das fühlte sich mehr als richtig an, hier gehörten sie hin.
 

**************************************************************************

Autorenkommentar am Ende:
 

Ja, sagt nichts, ich weiß, schnulziges Ende. Ich krieg es irgendwie nie hin, ohne wenigstens ein bisschen schnulzig zu werden, tut mir leid. X’D

Dennoch, auch wenn es mir unglaublich Spaß gemacht hat, das zu schreiben (was unfassbar paradox klingt, wenn man das Thema bedenkt), irgendwann geht es nun mal zu Ende und auch wenn ich mir fast sicher bin, dass ich in diesem Universum sicher noch einmal etwas schreiben werde, vorerst ist die Geschichte beendet. Ich weiß, dass ich einiges ausgelassen habe, insbesondere die ganze Sache mit Akatsuki (insbesondere Itachi), Orochimaru, Tobi und und und. Warum ist einfach: Ich fand, es hätte nicht reingepasst. So seltsam es klingt, aber mir schien es einfach falsch und unpassend und so habe ich mich stattdessen entschieden es auszulassen.

Vielleicht (großes vielleicht!) schreibe ich irgendwann mal etwas dazu, aber ich werde es nicht versprechen, weil ich nicht weiß, ob ich das auch halten könnte.
 

Wie auch immer, auf jeden Fall wollte ich Danke sagen an alle, die das hier gelesen und favorisiert haben. Ein ganz großes Danke an diejenigen, die sich die Zeit genommen und mir auch noch einen oder mehrere Kommentare geschrieben haben – darüber habe ich mich wirklich jedes Mal sehr gefreut!
 

Zum Abschluss will ich noch auf meinen Fanart (http://animexx.onlinewelten.com/wettbewerbe/wettbewerb.php?id=41093 )- und Fanfic (http://animexx.onlinewelten.com/wettbewerbe/wettbewerb.php?id=41092 )-Wettbewerb hinweisen, ich fände es toll, wenn vielleicht jemand Lust hätte mitzumachen. ^^

Ansonsten viele Grüße an alle, die das hier lesen, vielleicht sieht man sich ja bei einer anderen Geschichte mal wieder. ^.~



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu dieser Fanfic (28)
[1] [2] [3]
/ 3

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  IsumiChi
2013-01-25T20:12:15+00:00 25.01.2013 21:12
Hallo erstmal,
ich möchte dir zu dieser wahrhaft fantastischen Fanfiction gratulieren. Ich weiß das die FF nun schon 2 Jahre online steht, doch ich bin erst vor kurzen auf Animexx und allgemein zu FFs zurückgekehrt und kann nur sagen: Ich habe "Unsee" innerhalb 3 Tagen zwischen "Kind in den Kiga bringen" und "Kind aus dem Kiga abholen" gelesen. Ich kam einfach nicht von ihr los.
Ein rießen Kompliment von mir, sehr sehr schöne FF!

Nur weiter so, ich werde mir deine anderen FFs auch noch ansehen :-)

Grüße,
IsumiChi
Von:  Imori
2011-10-20T08:33:58+00:00 20.10.2011 10:33
Och wie schaaaaade :(
Aber alles hat ja mal ein Ende und man soll ja bekanntlich dann aufhören, wenn es gerade am schönsten ist.
Es hat mir wirklich jedes mal spaß gemacht deine FF zu lesen und wie schon in einem anderen Kommi geschrieben "man kann sich alles schön bildlich vorstellen"!
Mach weiter so, falls du noch was schreiben willst, und bleib bei deinem style treu, denn der ist super wie er ist :)

Was Aka angeht (und auch die ganzen anderen Gestalten) hast du auf jeden Fall Recht! Sie hätten (in diese FF) nicht reingepasst und wären vollkommen fehl am Platz gewesen! Jetzt in den gerade einmal glücklichen Sasuke einen Itachi laufen zulassen, wäre einfach nur makaber gewesen! Nein, so wie es ist ist es gut :) super gemacht!
Von:  Aktrice
2011-10-15T17:23:03+00:00 15.10.2011 19:23
*review schreib*
habs zwar schon vorgestern abend gelesen, war dann aber zu müde für n kommi :D
und gestern bin ich auch erst spät heim gekommen :/^^
wunderbares kapitel, wie immer :)
auch wenn ich nach dem versteckten inhalt suche :D bzw die bedeutung :D
ist es, dass sie trotz ihres "sehvermögens" zwar ihren vorteil habend, aber dennoch noch nicht wieder perfekt sind (wegen chakraverbrauch)?
naja :D egal. und sie sind jetzt jonin geworden :) das fand ich evtl n bisschen schnell beschrieben aber auch so war es toll.
nächste woche dann epilog.. hmm^^ wird bestimmt n guter abschluss :)
Von:  Imori
2011-10-13T12:58:38+00:00 13.10.2011 14:58
Schönes Kapitel :D wie immer *sing*
Von:  Imori
2011-10-05T20:30:01+00:00 05.10.2011 22:30
T_T Wie schön :D Begeisterung! Tolles Kapitel (wie immer)! Freu mich schon wie blöd auf das nächste!
Von:  Aktrice
2011-10-05T15:06:57+00:00 05.10.2011 17:06
tolles kapitel :)
der arme ibiki. alles versaut :D
werden sie jetzt keine jonin? oder ist die spezialeinheit höher gestellt? oO
aber was micht wundert, haben die einfach nur abgeschätzt, wo sie ansetzten müssen zum schreiben?
Von:  Imori
2011-09-29T21:18:18+00:00 29.09.2011 23:18
Klasse gemacht! Und wieder einmal ein tolles kapitel mit absolut klraen Bildern der Situation vor meinem geistigen Auge.
Ich frage mich allerdings auch wie die beiden das mit der geschriebenen Schrift hinbekommen wollen?! Wollen sie ihre Techniken noch weiter ausbauen um allerkleinste Vertiefungen auf einem Blatt zu erkennen? Aber gedruckte Buchstaben hinterlassen keine Vertiefungen...puuuh, das kann ja was werden :)
Freu mich die fortsetzung
Von:  Aktrice
2011-09-29T20:00:51+00:00 29.09.2011 22:00
yay :) weiter gehts :D
wieder mal toll geschrieben (:
aber eins verwundert mich
über was haben bee & naruto genau gesprochen?
kommt da noch was genauer oder war das einfach nur so?
und wie wollen sie die schriftliche prüfung bestehen? oO
mit ner überlegzeit von 10 tagen wtf
da müssen sie sich aber ran halten :D
Von:  Imori
2011-09-27T01:21:54+00:00 27.09.2011 03:21
Ich muss Dir echt mal en Kompliment machen. Bn schon gespannt wie es weiergeht. "Naruto" spielt ja in einer Zeit zwschen jetzt und war einmal und wird noch sein. Und auch wie Du alles genau beschreibs, richtig gut. Man hat (weil man die Charaktäre kennt) immer die Gesichter vor einem und kann sich gut vorstellen wie sie gerade "aus der Wäsche" gucken. Und auch wo sie gerade sind in konoha. Man bekommt unweigerlich ein genaues Bild der kompletten Situation....also, weiter so. Bin schon ein wenig...süchig!(?) :D
Von:  Aktrice
2011-09-22T15:15:18+00:00 22.09.2011 17:15
als ich fernsehabend gelesen habe dachte ich erst.... WTF oO?
und dann wars nur nen film zum anhören xD
der arme sai. ich hatte ihn iwie anders in erinnerung *g*


Zurück