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Er will, was er will

von

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(K) Eine große Überraschung

Der Zweifachgesegnete lehnte an einem Tisch und sah seinen Befreier an. Vicus gab seinen Dämonen Anweisungen wie sie sich im Falle eines Angriffs der Mächtigen Drei zu verhalten hatten. Fast hätte Wyatt gelacht. Es war aber auch wirklich erheiternd, dass dieses Pakt glaubte gegen seine Tanten sowie Mutter etwas ausrichten zu können. Es lag doch klar auf der Hand, dass sie mächtig sein mussten, immerhin war er aus dieser Familie entsprungen. Auch, wenn er es hasste, dass sie ihn jahrelang gezwungen hatten sich den Regeln der Guten zu beugen. »Wyatt, das kannst du nicht tun« »So etwas macht eine gute Hexe nicht« Himmel, er durfte noch nicht einmal beamen, wann er es wollte.

Doch das war Geschichte. Jetzt hieß es nach vorne zu schauen und die Zukunft des Bösen vorzubereiten. Vicus hatte in einem Punkt Recht: Für Eroberungen war später Zeit. Denn erst musste er alles beisammen haben. Solange konnte Vicus ihm auch noch helfen. Was danach mit dem Dämon geschah lag nicht mehr in Wyatts Hand. Er konnte eh nicht viel mit Dämonen anfangen, die klammerten und mit ihm eine neue Ära begründen wollten. Wyatt Halliwell teilte nicht gerne.
 

Jetzt trat der Dämon zu ihm. „Sie wissen, was zu tun ist. Deine Familie kann kommen.“ „Ach komm schon, nicht so ungeduldig.“

Das brachte Vicus nun aber auf die Palme. „Wir sollen also einfach warten?“ Wyatt verdrehte die Augen. „Ich habe es dir einmal gesagt und ich widerhole es ungern noch einmal. Sie müssen zu uns kommen. Nur dann ist das Überraschungsmoment auf unserer Seite. Sie jetzt anzugreifen oder uns aus diesem Versteck zu wagen wäre der sichere Tod.“ Er zog eine Augenbraue hoch. „Solltest du mich allerdings weiterhin mit deiner Ungeduld belästigen kann ich meinen Tanten gerne etwas Arbeit abnehmen.“ Der Kleinere wurde blass und schluckte, bevor er mit zusammengepressten Lippen nickte.

Zufrieden, dass die Kräfteverhältnisse nun geklärt waren, legte der Fünfundzwanzigjährige seinen Kopf in den Nacken und schloss die Augen. „Im Übrigen habe ich eine Verbindung zu ihnen. Ich weiß, wann sie kommen und werde dir früh genug Bescheid sagen, damit du dir ins Hemd machen kannst.“, erklärte er in einem herablassenden Tonfall. Langsam fragte er sich, warum er überhaupt zugestimmt hatte sich von Vicus helfen zu lassen. Aber gut, es würde eh nicht lange dauern bis diese „Partnerschaft“ ein Ende hatte. Die restlichen Dämonen, die sich hier rumtrieben, waren für den Anfang ganz passabel, wenngleich auch sie keine beständigen Faktoren in seinem Plan die Welt zu übernehmen waren. Nein, dazu brauchte er höher gestellte Dämonen, Warlocks und Wächter der Finsternis. Und noch so einiges andere, aber das war etwas, das er niemandem anvertrauen wollte. Weder die Bekenntnis, dass er Dinge wie das Buch brauchte, noch den Auftrag, diese Dinge zu beschaffen.
 

„Darf ich mal fragen, wie lange wir noch warten sollen?“ Heilige Scheiße, hatten alle Dämonen ein Nerv-Gen? Heiß loderte Zorn in ihm auf. Definitiv ein Zeichen für das Halliwell-Temperament (Übrigens etwas, was bei der Welteroberung sehr nützlich war) Mit zusammengepresstem Kiefer ließ er sich zu einer Antwort herab: „Beruhige dich! Sie werden schon noch kommen. Wahrscheinlich brauen sie erst noch ein Vernichtungselixier zusammen.“ Ohne die Augen zu öffnen merkte er, wie Vicus erstarrte. „Vernichtungselixier? Aber davon war nie die Rede mein Freund.“

Okay, genug war genug. Erst die Ungeduld, jetzt diese absolut dämliche Naivität. Was glaubte der denn? Dass Piper, Phoebe und Paige auf einer Wolke herabgeschwebt kämen, mit Blumen im Haar zu den Klängen einer Harfe um die Dämonen tanzen und sie dann in einen sanften Schlaf wiegen würden? Das hier waren die HALLIWELLS. Die mächtigste Macht des Guten.

Er öffnete die Augen und sah die Kreatur vor sich an. „Du glaubst doch nicht sie kommen mit leeren Händen. Na hör mal, sei bitte nicht naiv.“ Innerlich schüttelte er den Kopf. Wo bitte bekam man gescheites Personal her? Gut, das wusste er selbst ganz genau, aber jetzt war keine Zeit für eine Umstrukturierung der Personalabteilung. Wenn das hier ausgestanden war, würde er sofort mit seinem eigenen Plan beginnen. Bis dahin musste er eben Vicus aushalten. Dem gingen gerade übrigens die Nerven durch.

„Das kann ins Auge gehen.“

„Jetzt mach dir keine Sorgen. Unsere Leute werden sie schon in Schach halten.“ Der sollte sich mal nicht so anpissen. Er war ein Dämon. Also war es an der Zeit sich auch so zu verhalten. Nun, vielleicht mit ein wenig Erinnerung seinerseits:

„Und vergiss bitte nicht: Meine Tanten können dich nicht sehen.“

Bewusst hatte er nur von seinen Tanten gesprochen. Wyatt machte sich überhaupt keine Illusionen darüber, dass seine Mutter mit von der Partie sein würde. Nein, die saß mit seinem Dad in der Zauberschule und versuchte ihn umzupolen. Viel Glück dabei, Mum! Ging es ihm durch den Kopf und er musste grinsen. Das wurde nur noch breiter, als er die Präsenz seiner Tanten spürte. Zeit für die versprochene Warnung. „Warte! Sie kommen schon.“

Innerlich damit rechnend, dass sein Hilfsdämon stante pede einen Herzinfarkt erleiden würde, hörte er dem Geräusch der herein beamenden Schwestern zu und drehte sich zu ihnen.
 

Und kaum da, begannen Phoebe und Paige die Mission „Auch Wyatt hat ein Herz! Helft es zu erwärmen!“ So, so, seine Tante wollte ihm also wirklich erzählen, dass er im Grunde seines Herzen gut war? Pah, früher traf das vielleicht zu, aber jetzt? Jetzt war er frei und würde sich von niemandem einsperren lassen. Doch ihnen das zu erklären, wäre vergebliche Liebesmüh. Er wusste mit seiner Zeit besseres anzufangen.

War allerdings doch recht unterhaltsam wie seine Tanten das Verlies mit Elixieren pflasterten. Allesamt meilenwert von Vicus‘ Standort entfernt. Hatte was von Ostereiersuche. Man wusste nicht, wo es versteckt war, aber man rannte aufs Geratewohl los.

Wyatt war – ganz Pipers Sohn – jedoch nicht für seine Engelsgeduld bekannt und schon bald ermüdete ihn das Spektakel. Wenn seine Tanten der Meinung waren alles würde besser werden, wenn Vicus tot war, ja dann gab ihnen doch, was sie verlangten.

„Ihr zielt meilenweit daneben.“

„Wir haben noch mehr als genug davon.“, antwortete Phoebe. Dafür hatte Wyatt sie immer bewundert. Ihre Art mit schier auswecklosen Situationen fertig zu werden, ihr Kampfgeist imponierte ihm.

„Ich glaub, ihr braucht ein wenig Hilfe.“

Das nannte man zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Er wurde sein lästiges Anhängsel los und seine Tanten hatten was zu tun. Drum hob er die Hand und mittels seiner Projektion erschien Vicus nun für alle sichtbar. Sichtlich geschockt. „Was soll denn das?“ War das nicht offensichtlich? „Ich will was beweisen.“ Wyatt sah zu seinen Tanten. „Na los, vernichtet ihn.“

Wie „befohlen“ warf Paige das Elixier und löschte Vicus aus. Zufrieden grinste ihr Neffe. Die Gesichter seiner Tanten waren aber auch zu genial. Und er wusste genau, was ihr Problem war:

„Und jetzt sollte ich mich eigentlich zurückverwandeln.“ Phoebe sah zu Paige und stellte die vermeintliche Frage: „Wieso hat es nicht funktioniert?“

Na, da klärte der Zweifachgesegnete sie doch zugern auf.

„Weil ich nicht unter einem Fluch stehe. Und ihr mich nicht zurückverwandeln könnt, indem ihr Vicus vernichtet. Er zeigte mir nur den Weg des Bösen und diesen Weg gehe ich nun schon seit vielen Jahren.“ In Gedanken schloss er ein »Und noch jemand anderes« an, bevor er fortfuhr. „Und ich lasse mich auch von euch nicht wieder davon abbringen! Das werde ich schon zu verhindern wissen.“ Trotz seines ruhigen Tonfalls hörte man die Drohung deutlich heraus. Niemand stellte sich dem Zweifachgesegneten in den Weg. Seine Tanten sollten auch gar keine Chance dazu haben, da er nun die restlichen Dämonen zu sich holte. Langeweile sollte nun keine der Parteien haben.

Einen kurzen Moment bedauerte er, dass er sich den Kampf nicht ansehen konnte, doch er hatte Wichtigeres zu erledigen. Nachdem er seiner Tante eine kostenlose Flugstunde geschenkt hatte, beamte er sich dann auch aus dem Versteck. Zeit für den zweiten Teil seines Plans.
 

ΩΩΩΩΩΩΩΩΩΩΩ
 

Er materialisierte sich in der Zauberschule, wo seine Eltern wie erwartet auf de Sofa saßen und darüber spekulierten wie sie ihn am besten zum Guten bekehren konnten. Also bitte, wer wollte das denn? Zeit dieses sinnlose Gelaber zu unterbrechen und für ein bisschen Stimmung zu sorgen.

„Mum? Dad?“

Sofort sprangen beide auf. Fassungslos, wer da vor ihnen stand. Was hatten die denn erwartet? Dass die Barriere rund um die Schule ihn abstieß? Zur Hölle damit, die war ihm doch nicht gewachsen. Nichts, was das Gute zu bieten hatte, war ihm gewachsen. Die Einzigen, die das nicht verstehen wollten, waren die Mitglieder seiner Familie. Anstatt ihn zu fragen, was er wollte, steckten sie ihn immer wieder in dieses Gefängnis und drängten ihn dazu sich anzupassen. Er wollte doch nur frei sein. Endlich so sein können wie er es in seinem tiefsten Inneren schon immer war. Auch, wenn er sich dafür selbst entführen musste.

Dass seine Mum ihn aufhalten wollte, fand er geradezu niedlich. Als ob sie einen ihrer Söhne töten könnte. Und schon gar nicht Wyatt. Umso mehr überraschte es ihn, als er von der Kraft seiner Mutter gepackt durch die Luft geschleudert wurde und unsanft auf dem Boden landete. Das hatte wirklich weh getan, wenngleich es seine Wut nur noch mehr anfachte.

Wenn sie so nicht wollten, dann eben anders. Er löste sich in den schwarzen Orbs auf und kam neben dem Tisch, auf dem das Buch der Schatten lag, wieder zum Vorschein. Bis jetzt war er es relativ langsam angegangen, doch nun war sein Geduldsfaden gerissen. Viel zu lange hatte er sich beugen müssen und jetzt wollte er sich ausleben. Mit allem, was dazu gehörte.

Und ob er jetzt erst das Buch oder sein jüngeres Ich holte, war ihm gerade schlichtweg egal. Jetzt ging es darum seinen Eltern, die so davon überzeugt waren, dass er sich selbst etwas tun wollte (Wie blöd war das denn?) oder das Buch nicht anfassen konnte, eins reinzuwürgen.

Aus diesem Beweggrund heraus traf es ihn auch äußerst hart, dass das Buch ihn abwerte. Es war SEIN Vermächtnis, es gehörte IHM. Wie konnte es ihn da abwehren? Doch ein Blick zu Piper und Leo und er verstand. Solange sie da waren, würde er nicht an das Buch herankommen. Jedenfalls nicht sein fünfundzwanzigjähriges Ich.

Aus dieser Gewissheit heraus, hob er die Hand und konzentrierte sich. Die Verbindung zwischen Klein-Wyatt und ihm gab ihm Kraft und er spürte, wie sie stärker wurde. Fassungslos mussten Piper und Leo zusehen, wie sich ihr kleiner Sohn neben seinem bösen Ich materialisierte und dessen Hand hielt. Zusammengefasst heiß das: 0 für die Halliwells, 1 für den Zweifachgesegneten. Und das Buch war eh nur Mittel zum Zweck.

„Wartet nicht auf mich!“, riet er seinen Eltern, als er sich aus der Zauberschule beamte.
 

Wyatt beamte sich mit seiner jüngeren Version zurück in Vicus‘ Versteck. Kaum hatte er sich vollständig materialisiert, ließ er die Hand des Kleinkindes los, blieb jedoch neben ihm knien.

„Okay, Wyatt, du bist in Sicherheit. Du darfst alles machen, nur musst du immer den Bären im Arm haben, okay!?“ Der kleine blonde Junge nickte und drückte das Kuscheltier enger an sich. Zufrieden lächelte sein erwachsenes Gegenstück. „Brav!“

Sprachs, stand auf und ging zu dem Stuhl, von dem Vicus geplant hatte die Veränderung der Welt zu beobachten. Er ließ sich darauf fallen und stützte einen Ellbogen auf der Lehne ab. Das Kinn auf seiner Handfläche gebettet, dachte er über die neusten Entwicklungen nach:

Er war böse.

Und mächtig.

Er war böse und mächtig, was da hieß: Er war frei. Frei von jedem Zwang, den die gute Seite ihm auferlegt hatte.

Und er hatte sein zweieinhalbjähriges Ich.

Die Gefahr einer Rückverwandlung war somit quasi ausgeschlossen.

Es sei denn natürlich seine Familie fand einen Weg ihn zu übertölpeln. Was sie – ganz ohne Zweifel – just in dem Moment planen würden. Nun ja, jedenfalls würden sie das tun, sobald seine Eltern sich aus ihrer Erstarrung gelöst hatten, die der Schock, dass ihre geheiligte Zauberschule doch nicht so sicher war, wie sie dachten, verursacht hatte.

Er musste lachen, als er an die dummen Gesichter von Piper und Leo dachte, als er vor ihnen gestanden hatte. Was dachten die denn? Er war – das hatte er ja schon klargestellt – ein Halliwell. Nein, falsch, er war DER Halliwell. Der Erstgeborene. Der erste männliche Nachwuchs einer Familie, die jahrhundertelang nur Frauen hervorgebracht hatte. Man konnte also sagen, dass es Zeit wurde, dass seine Eltern das begriffen und ihm den Respekt zollten, den er verdient hatte. Vielleicht kamen sie dann auch auf den Trichter, dass es ihm überhaupt nichts nützte in die Zauberschule gebracht zu werden, wo es weit und breit niemanden gab, der sich mit ihm messen konnte. Verdammt, es gab nirgendwo in der magischen Gemeinschaft jemanden, der sich mit ihm messen konnte. Jedenfalls noch nicht.

Wyatt erhob sich und lief hin und her. An das Buch kam er so nicht und das ärgerte ihn doch ganz schön. Er mochte es gar nicht, wenn etwas nicht nach seinem Willen lief. Aber gut, das war nur ein weiterer Stein auf dem Weg zur Herrschaft des Bösen. Das Buch hätte seine Stellung in der Unterwelt nur gefestigt und unterstrichen, jedoch niemals begründet. Dazu sprachen seine Taten zu laut. Und die waren bekanntlich eh stärker als Worte.

Der blonde Wächter sah zum kleinen Wyatt. Mal überlegen, was würde seine Familie von ihm erwarten? Richtig, dass er besagtes Kleinkind benutzte um an das Buch zu kommen. Und urplötzlich schien ihm der Verlauf der Dinge gar nicht mal so schlecht. Sollten sie sich darauf vorbereiten, er hatte anderes im Sinn.

Er ließ sich wieder auf den Stuhl fallen. Jetzt fehlte nur noch ein passender Spruch, dann konnte Phase drei beginnen. Ein zufriedenes Lächeln huschte über sein Gesicht. Er stand kurz davor zu bekommen, was er um jeden Preis haben wollte.

Ihr denkt, ihr kennt mich?

Sie landeten auf dem Dachboden, nur wenige Meter vom Buch entfernt. „Siehst du das Buch da drüben? Ich will, dass du es mir bringst.“, flüsterte Wyatt seinem Mini Me ins Ohr. Er war sich wohl bewusst, dass Leo im Schatten auf ihn lauerte. Zwar war ihm nicht ganz klar wieso gerade sein Vater, aber hey, das versprach lustig zu werden.

„Komm schon, Dad, du hast ja nicht mal mehr Zauberkräfte.“

Leo grinste. (Wieso grinste der? Das war Wyatts Job! Und dann auch noch so ein dämliches <Ich-bin-dir-nicht-böse-Grinsen>) Aber das würde ihm bald vergehen, da war sich sein Sohn sicher.

„Du wirst dich selbst stoppen.“

Diese Aussage war alles, was Wyatt brauchte, um zu wissen, dass die Falle, die Leo ihm stellen wollte, sowas von nach hinten losgegangen war und sie in seine eigene Falle getappt war. Besser hätte sein Plan nicht aufgehen können. Gehässig lachte er seinem Vater ins Gesicht.

„Das glaube ich eher nicht, Dad. Nicht heute.“ Er schnippte mit den Fingern und Klein-Wyatt verpuffte einfach. Jetzt entgleisten Leo die Gesichtszüge. „Was hast du gemacht?“ „Hättest du nicht erwartet, was?“ Über die Dummheit seiner Familie konnte er nur den Kopf schütteln. „ Ihr denkt, ihr kennt mich? Ihr denkt, wenn ihr die Köpfe zusammensteckt, kommt ihr mit einem großartigen Plan daher, der mich stoppen wird? Sorry, aber dafür hab ich zu lange die Fesseln der ständigen Regeln und Verbote ertragen müssen um sie mir die Freiheit so leicht nehmen zu lassen.“ „Wyatt, du…“ „Was? Habt ihr wirklich geglaubt, ich bin so blöd und beam mich mitsamt meinem kleinen Ich hierher um das Buch zu holen? Haltet ihr mich wirklich für so dämlich? Das enttäuscht mich sehr. Ich mein, dass ihr mich nicht angreifen würdet, wusste ich ja. Und auch, dass ihr mich hier erwarten würdet.“ Er lachte leise. „Scheinbar kenn ich euch besser, als ihr mich. Schade für euch.“ Ohne eine Antwort abzuwarten, beamte er sich vom Dachboden.
 

Nur um in der Zauberschule wieder aufzutauchen. War ja klar, dass den Schwestern kein stärkerer Schutzzauber eingefallen war. Oder sie waren von ihrem Plan so überzeugt, dass sie gar keinen Plan B hatten.

„Wäre ja nicht das erste Mal.“, murmelte Wyatt in seinen Bart, als er hinter einer der Säulen, die im Gang der Zauberschule standen, hervortrat. Er konnte die Schwestern in der Bibliothek ausmachen und schlug die andere Richtung ein. Hätte er Lust auf Konfrontation, wäre er bei Leo geblieben, aber er verfolgte ein anderes Ziel.

Zielstrebig lenkte er seine Schritte in Richtung der Arbeitszimmer. Das, was Paige und nun Leo benutzten, wurde manchmal auch noch als etwas anderes genutzt und auch heute war es nicht anders. Das sagte ihm das unsichtbare Band, das ihn förmlich zu diesem Zimmer zog.

Lautlos öffnete Wyatt die Tür. Das Zimmer war dunkel, sodass das Baby, welches in seinem Bettchen lag, ungestört schlafen konnte. Mit einem triumphierenden Lächeln trat der Zweifachgesegnete an eben jenes Bett heran und sah auf das schlafende Würmchen hinunter. Wobei, halt, das Würmchen schlief gar nicht, sondern sah ihn aus wachen dunkelgrünen Augen an.

„Hallo, kleiner Bruder, na, haben sie dich schon wieder allein gelassen? Keine Sorge, da wo du hinkommst, ist immer jemand da.“ Er beugte sich hinunter und hob Chris aus dem Bett. Der Säugling brabbelte etwas Unverständliches, hielt aber ansonsten still. War ganz praktisch, dass er keinen Schutzschild hatte wie sein großer Bruder. Allerdings bezweifelte Wyatt, dass er es gegen ihn eingesetzt hätte. Doch nun musste er hier weg, bevor seine Mum hereinplatzte. Mit einem letzten Grinsen verschwand er mit Chris auf dem Arm aus der Zauberschule.
 

ΩΩΩΩΩΩΩΩΩΩΩ
 

Während Wyatt Teil drei seines Plans vollendete, saß Leo auf dem alten Sofa und ließ die Blicke der Schwestern über sich ergehen. Kurz nach Wyatts Verschwinden hatte er sie zu sich gerufen und ihnen alles berichtet. Das Unverständnis war groß.

„Aber, was wollte er denn dann, wenn nicht das Buch?“, fragte Phoebe zum fünften Mal. Piper warf ungeduldig die Hände in die Luft. „Was weiß ich? Ich weiß gar nichts. Außer, dass er vielleicht recht hat und wir ihn wirklich nicht kennen.“ „Piper!“, wies Leo sie an. Sie zog die Schultern hoch. „Was soll ich sonst sagen? Wir sind davon ausgegangen, dass er das Buch will. Jetzt ist er verschwunden ohne einen Versuch das Buch in seinen Besitz zu bringen. Wozu das alles?“

Paige, die zwischendurch in der Zauberschule gewesen war, beamte sich zurück und hörte Pipers letzte Frage. „Das kann ich dir sagen.“ Alle sahen sie an. Sie schluckte. „Los, Paige, raus damit!“, verlangte die Älteste der Mächtigen Drei. Ihre Schwester wusste gar nicht, wie sie sagen sollte, was sie wusste. „Er wollte nicht das Buch. Das war ein Ablenkungsmanöver.“ „Für was? Verdammt, Paige, lass dir nicht alles aus der Nase ziehen.“ „Für Chris. Wyatt hat Chris mitgenommen. Ich wollte nach ihm sehen und sein Bett war leer.“

Die alte Stehlampe ging in die Luft.
 

ΩΩΩΩΩΩΩΩΩΩΩ
 

Mit einem Stirnrunzeln las Wyatt, was er da zu Papier gebracht hatte. Abschätzend wanderte sein Blick zu seinem kleinen Bruder, der mit seinem Mini-Ich auf einer Decke saß und eine Rassel schüttelte. Nachdem er ein neues Versteck gefunden hatte, hatte er dafür gesorgt, dass die Kinder ein wenig Spielzeug bekamen. Sonst machten die aus Langeweile womöglich noch so fixe Sachen wie sich zurück ins Manor zu beamen. Darauf konnte er verzichten, immerhin lief alles gerade so wie er es wollte.

Auch, wenn ihm klar war, dass er die Zukunft des Bösen nicht alleine sichern konnte.

Sicher, er war mächtig, doch er brauchte auch Gefolgsleute. Warlocks, Dämonen und Wächter hatte er ja bereits erwähnt, doch er brauchte in den höheren Positionen seiner Armee Leute, auf die er sich blind verlassen konnte. Die traurige Wahrheit jedoch sah wie folgt aus:

Dämonen = gute Kämpfer, wollten jedoch selbst die große Nummer (aka die Quelle) sein

Warlocks = mächtig, allerdings extrem hinterhältig

Wächter der Finsternis = hatten ein paar seiner Kräfte und manchmal zu sehr auf ihren eigenen Vorteil aus

Kurz und gut: es gab nur eine Anlaufstelle, wo Wyatt bedingungslose Loyalität erwarten konnte. Jemanden, der verstand was das Gute für Zwänge ausüben konnte.

Und aus genau dem Grund war es wichtig, dass er seinen Plan endlich vollständig in die Tat umsetzte.

Er straffte die Schultern und richtete den auf seinen Zettel. Ohne den Blick abzuwenden begann er zu rezitieren:

„Finsternis schenkt Freiheit dir,

drum komm an diese Stelle hier.

Steh mir bei, in ewiger Nacht.

Gemeinsam sorgen wir für grenzenlose Macht.“

Schwarze Lichtpunkte, ähnlich den Orbs eines Wächter der Finsternis, begannen neben Chris zu kreiseln und immer wilder zu toben. Man hatte fast das Gefühl in einen schwarzen Wirbelsturm geraten zu sein. Doch urplötzlich verschwanden die Punkte ins Nirgendwo. An ihrer Stelle stand nun ein schlanker junger Mann in schwarzen Jeans und einem schwarzen Shirt, dessen Ärmel ihm knapp über die Ellbogen gingen. In der Hand wurfbereit ein Elixier.

„Was hast du damit vor? Mich kannst du mit sowas nicht vernichten.“, stellte Wyatt nüchtern fest.

Verwirrt sah sein Gegenüber ihn an, dann betrachtete er seine Umgebung. „Das ist nicht für dich.“, stellte er klar und sah auf das Fläschchen. „Ich hab gerade ein paar Dämonen in den Arsch getreten, als mich so komische schwarze Kugeln eingehüllt und hierher gebracht haben. Und jetzt bin ich hier und ich muss sagen, ich fühl mich…“ „Frei?“ „Ja.“

Er kam zum Tisch. „Was ist passiert?“ „Was glaubst du? Ein armseliger Dämon hat etwas richtig gemacht und mich von den Fesseln der guten Magie befreit. Und das wollte ich dir nicht vorenthalten, Chris.“

Der Brünette lächelte. „Zu gütig von dir. Aber du holst mich doch nicht einfach so nach hier. Wo ist hier überhaupt?“ „Vergangenheit. Mum wollte etwas ganz anderes bezwecken, als sie mich beschworen hat, aber wer bin ich, dass ich mich beschwere? Und um deine Frage zu beantworten: Du bist hier, weil du mit mir zusammen die Zukunft des Bösen auf der Erde begründen sollst. Eine Welt, in der wir herrschen. Hemmungslos und ohne Regeln. Ohne diese dämliche Zauberschule.“ „Ohne Älteste? Ohne altkluge Plagegeister? Nur Macht?“, vollendete Chris die Aufzählung seines Bruders. Der grinste, kam um den Tisch herum und beugte sich zu ihm.

„Eine Welt ohne Eltern und Tanten, die meinen zu wissen, was für uns das Beste ist. Das ist alles möglich, wir müssen sie nur vernichten.“, flüsterte er dem Jüngeren ins Ohr. Dessen Augen begannen zu leuchten.

„Ich bin dabei.“

„Das war mir klar.“

Chris sah mit einem Glitzern in den Augen zu seinem Bruder. „Und wie stellen wir das am besten an?“ „Wir warten. Ich war gerade erst im Manor und glaub mir, sie sind nicht erfreut. Zumal sie inzwischen bemerkt haben dürften, dass ich dich entführt habe.“

Wyatt nickte mit dem Kopf zu den zwei Kindern. Chris drehte sich in angegebene Richtung und musste lächeln, als er die Zwei so nebeneinander sah. „Du hast mich also entführt? Dafür seh ich aber ziemlich unbelastet aus.“ Verächtlich schnaubte der Ältere. „Was hast du erwartet? Dass ich dich aus deinem Bettchen reiße und verängstigt in einer Ecke hocken lasse? So nützt du mir gar nichts.“ „So würde ich dir gar nichts nützen.“, berichtigte Chris. Dann überlegte er. „Also, wie ich unsere Familie kenne – und das tue ich ohne Zweifel –beziehen sie im Manor Stellung und überlegen, wie sie mich aus deinen Klauen befreien plus dich wieder auf die Seite des Guten ziehen können.“ Jetzt war er es, der schnaubte. „Man sollte meinen, dass man mit fünfundzwanzig alt genug ist seinen Weg zu wählen ohne dass die Eltern dazwischenfunken.“ „Ist man auch. Nur erklär das unseren geschätzten Eltern inklusive unserer Tanten. Die sind nämlich auch der Meinung, dass ich eigentlich gut bin und nur etwas Hilfe in die »richtige« Richtung brauche. Du hättest das in Vicus‘ Versteck sehen sollen.“

„Wer ist Vicus?“

„Der Dämon, der dem zweieinhalbjährigen Wyatt den Teddy abgenommen und verflucht hat.“

„Also der Typ, der dafür gesorgt hat, dass das -…“ Seine Handbewegung umfasste Wyatts Gesamterscheinung. „…- aus dir wird?“

„Genau.“

„Wo ist er jetzt?“

„Vernichtet von Phoebe.“

Wissend hob Chris eine Augenbraue. „Mit etwas Hilfe von dir?“ „Wer weiß.“

Beide mussten lachen. Und Wyatt wurde wieder daran erinnert, warum er Chris in die Vergangenheit geholt hatte. Nur sein zwei Jahre jüngerer Bruder verstand, wie er sich fühlte, und hielt wirklich zu ihm. Machte ihm nie Vorwürfe und stand bedingungslos hinter ihm.

Jetzt begann Chris vor dem Tisch auf und ab zu laufen. „Die Frage ist, wie wir es am besten anstellen. Wie vernichten wir die Mächtigen Drei?“

„Im Buch stehen bestimmt ein paar nette Vernichtungszauber drin, die Mum all die Jahre vor uns versteckt hat.“

Ungeduldig wedelte Chris mit der Hand. „Vergiss das Buch. Alles, was da drin steht, weiß ich auswendig. Das brauchen wir also nun wirklich nicht. Außerdem sind sie keine Dämonen, was uns die Sache erleichtern würde. Ein Vernichtungselixier wird nicht viel helfen. Das heißt, die einzige Möglichkeit mit ihnen fertig zu werden ist ein direkter Kampf.“

„Ok, ich habe für heute genug von dämlicher Naivität. Glaubst du ernsthaft, wir beamen uns ins Manor, greifen unsere Eltern und Tanten an und sie bleiben solange friedlich sitzen bis wir sie vernichtet haben? Die werden sich wehren, wo es nur geht. Mum hat mich schon einmal angegriffen.“

Wyatt war gereizt, was sich in seiner Stimmlage niederschlug. Jeder andere hätte nun schleunigst die Beine in die Hand genommen und wäre gerannt wie noch nie. Wie gesagt: Jeder andere, nur nicht Chris.

Der stand vollkommen unbeeindruckt vor seinem Bruder und hatte auch noch den Schneid die Arme zu verschränken und tadelnd mit der Zunge zu schnalzen.

„Hältst du mich für ganz behämmert? Ich würde sie nie im Haus angreifen. Nicht mit dem Nexus und der ganzen guten Magie um sie herum. Müssen wir auch gar nicht. Hättest du mich ausreden lassen, wäre ich auch noch weiter fortgefahren.“ „Dann tu es doch auch!“ „Dann unterbrich mich nicht ständig!“, fauchte Chris und seine grünen Augen funkelten bedrohlich.

„Was ich sagen wollte ist, dass wir nur kurz im Manor auftauchen um sie in erhöhte Alarmbereitschaft zu versetzen. Du hast selbst gesagt, sie werden bemerkt haben, dass ich nicht mehr da bin. Aber bist du wirklich der Meinung, dass sie soweit denken, dass ich auf deiner Seite stehe? Noch dazu mit dreiundzwanzig und nicht mit …wie alt bin ich eigentlich?“

„Gerade mal ein halbes Jahr.“, brummte Wyatt.

„…Nicht mit einem halben Jahr. Mein Vorschlag also wäre es uns ins Manor zu beamen, dort ein bisschen Staub aufwirbeln und sie so weglocken.“

Der Ältere breitete die Arme aus. „Und wohin willst du sie locken?“

„Irgendwohin wo die Kräfteverhältnisse gleich verteilt sind. Wobei ich zu behaupten wage, dass wir zwei deutlich stärker sind als die Mächtigen Drei. Ich mein, du bist der Zweifachgesegnete und ein paar meiner Kräfte dürften gänzlich neu für sie sein.“

Nachdenklich nickte Wyatt. „Klingt ganz gut. Allerdings sollten wir noch ein wenig warten. Je länger es dauert bis sie was von mir und dir hören, desto panischer werden sie.“

„Solange sie nicht plötzlich hier auftauchen.“

„Können sie nicht. Ich habe die Höhle abgeriegelt. Wir können nach Herzenslust Magie gebrauchen und sie können uns weder auspendeln noch orten.“

Geduld ist eine Tugend...und er hat sie nicht

„Boahhh!!!! Wie lange willst du denn noch warten???“

Chris saß auf einem hohen schwarzen Stuhl mit blutrotem Sitzkissen, hatte die Beine über die andere Seite der Armlehne hängen und lehnte sich jetzt soweit nach hinten, dass er seinen Bruder sehen konnte. Seit Stunden starrte er schon Löcher in die Luft und – ganz im Vertrauen – so toll anzusehen war die Höhle auch nicht. Er wollte endlich ein bisschen Action.

Die sollte er auch bekommen. Jedoch anders, als erwartet…
 

Wyatt hatte sich einige Bücher durchgesehen, die ihnen der letzte Bewohner der Höhle….nun ja, sagen wir, freundlicherweise überlassen hatte, als die genervte Stimme seines Bruders ihn aufschrecken ließ. Geräuschvoll knallte er das dicke Lederbuch, welches er bis gerade in der Hand gehalten hatte, zusammen. Staub wirbelte von den vergilbten Seiten hoch und stieg ihm in die Nase. Ein Niesen unterdrückend fuhr er zu seinem Bruder herum.

„Hör auf mich zu nerven, sonst gehst DU nirgendwohin!“, knurrte er. „Hör auf mich zu nerven, sonst gehst du nirgendwohin.“, äffte Chris ihn nach. Das war zu viel. Die Augen des Zweifachgesegneten verengten sich und er war mit drei Schritten bei dem thronähnlichen Stuhl, wo er Chris am Kragen packte und hochriss.

„Pass auf, wie du mit mir redest!!! Ich hab dich aus der Zukunft geholt und ich habe auch kein Problem damit deinen Arsch in die Hölle zu befördern!“ Wyatts Stimmlautstärke war um einiges angestiegen. Normalerweise hätte das auch einen sofortigen Rückzug seines Gegenübers bewirkt. Chris hatte nun ja schon häufiger bewiesen, dass er nicht normal war. Auch jetzt zeigte er nicht die erwartete Reaktion.

Ein Aufblitzen der jadegrünen Seelenfenster. „Du schickst mich in die Hölle?“, fragte er nach, ehe er sich losriss und deutlich lauter hinzufügte: „Jetzt hab ich Angst!“

Das Knurren seines Bruders ignorierte er. „Du kannst mich nicht einfach irgendwohin schicken. Und meinen Arsch ebenfalls nicht. Du brauchst mich. Das weißt du genau so gut wie ich.“, höhnte der Jüngere. „Wenn du also fertig damit bist den großen Macker raushängen zu lassen, sollten wir uns langsam einen Plan für die Schwestern überlegen.“

„Wer sagt dir, dass ich nicht schon längst einen Plan habe?“, fragte Wyatt. Er war immer noch angepisst. Da half es auch nicht, dass Chris nun in schallendes Gelächter ausbrach. „Hör auf zu lachen, Christopher!“, donnerte er.

Nur langsam kam der brünette Wächter wieder auf den Teppich. Er wischte sich eine imaginäre Lachträne aus dem Augenwinkel. „Gott, Wyatt, du hast was von einem Komiker. Wenn du wirklich einen Plan hättest, wären wir doch schon längst nicht mehr hier. Dann hätten wir schon längst angegriffen.“

Wyatt biss die Zähne zusammen um Chris nicht einfach zu erwürgen. Ja, er hatte keinen wirklichen Plan, außer dem, wirklich ein bisschen – wie hatte Chris es genannt? – „Staub aufzuwirbeln“. Allerdings wollte er auch nicht zugeben, dass er ernsthaft darüber nachdachte den Plan seines Brüderchens in die Tat umzusetzen.

„Brüderchen“ schien ihn jedoch besser zu kennen als gedacht, denn er grinste spöttisch. „Ach so ist das.“ Er drehte sich um und ging ein paar Schritte vom Zweifachgesegneten weg. „Fassen wir zusammen: Du holst mich hierher, willst mit mir unsere Familie vernichten, bist jedoch zu stolz um meine Vorschläge anzunehmen.“ Der brünette Halbwächter drehte sich wieder zu seinem Bruder. „Warum also bin ich hier?“

Wyatt presste den Kiefer zusammen. Langsam nickte Chris. „Okay, wenn du das so siehst, kann ich ja auch gehen.“ „Du bleibst!“ Es war ein Befehl, nicht mehr, nicht weniger.

„Und warum?“

„Weil du die Überraschung für Mum und Konsorten bist.“ Chris verschränkte die Arme. „Soll heißen?“

„Wir beamen uns ins Manor. Beziehungsweise ich beam mich hin. Das ewige Gezeter von wegen Gut und Böse geht los und plötzlich kommst du rein. Stell dir die Gesichter vor.“

„Warte mal! Sagst du mir gerade um drei Ecken, dass du gewillt bist meinen Plan durchzuführen?“

„So in etwa, ja.“

„Wieso auf einmal?“

„Wieso nicht? Das wolltest du doch oder?“

„Trotzdem machst du nie, was ich will.“

„Vielleicht will ich einfach verhindern, dass du dich in der Unterwelt herumtreibst und Unruhe stiftest. Und das ist alles, was du von mir kriegst. Entweder das oder ich kette dich an. Such dir aus, was dir besser gefällt.“

Der Dreiundzwanzigjährige krauste die Nase. „Nah, ich steh nicht auf Fesselspiele.“

Dann klatschte er in die Hände. „Also, wie gehen wir es an?“

„Wir gehen gar nicht. Wir beamen. Ins Manor. Jetzt.“

Wyatt machte es vor und verschwand im dunklen Nebel.

„Hey, wartest du gefälligst mal auf mich?“

Chris folgte ihm eilig.
 

Er materialisierte sich auf der Treppe. Anders als sein Bruder, der sich mitten ins Wohnzimmer gebeamt hatte. Mit dem besten Blick auf die Schwestern und Leo, die im Wintergarten diskutierten.

„Ich kann nicht verstehen, was er mit Chris will.“, rief Paige ungläubig. Piper hingegen war sauer über die Begriffsstutzigkeit ihrer Schwester. „Na, was schon? Er wird einen Deal wollen. Das Buch gegen Chris. Aber nicht mit mir. Niemand entführt so einfach mein Baby. Nicht einmal mein anderes Baby.“

Im Flur gab es synchrones Augenrollen. Keiner der Brüder konnte es wirklich ausstehen, wenn Piper sich wie eine Glucke benahm und so tat, als könnten weder Wyatt noch Chris auf eigenen Beinen stehen. Mann, sie waren immerhin die baldigen Herrscher der Welt.

„Weißt du, Mum, wenn Chris dir so wichtig ist, hättest du ihn nicht allein lassen sollen.“ Piper schreckte aus dem Sessel hoch und starrte voller Horror ihren Ältesten an. Die Hände kampfbereit erhoben. Auch Phoebe und Paige waren aufgesprungen. Beide hielten ihre Hände um etwas geschlossen. Müde lachte Wyatt auf.

„Was denn? Ein Vernichtungselixier für einen Halliwell? Seid ihr noch zu retten? Keine Hexe der Welt kann dadurch gestoppt werden.“ „Wer sagt etwas von Vernichtungselixier? Das hier soll dich nur an Ort und Stelle halten.“, antwortete Phoebe und warf ihr Fläschchen. Aus dem Augenwinken nahm Wyatt wahr, wie Chris, der immer noch im Gang stand und sich die ganze Szene versteckt ansah, das Handgelenk seiner rechten Hand bewegte und die Phiole in der Luft erstarrte. Etwas, womit Phoebe wirklich nicht gerechnet hatte, denn sie trat erstaunt zurück.

„Erstaunt, Tante Phoebe? Nun, die Magie geht manchmal seltsame Wege, nicht wahr?“ Der Zweifachgesegnete ließ das Elixier explodieren. Und nicht nur das festgefrorene. Auch die, die Paige noch in der Hand gehalten hatte, explodierten, was sie einen Schmerzenslaut ausstoßen ließ. Sie öffnete die Hand, die sich rötlich färbte. „Keine Sorge, Tantchen, ich habe dafür gesorgt, dass es nur ein bisschen weh tut. Wenn du stirbst wird es um einiges schmerzhafter, das verspreche ich dir.“

„WYATT!!!“, schrie Piper auf. „ES REICHT!!!“

Mit einem recht….unbeeindruckten Gesichtsausdruck blickte ihr Sohn zu ihr. „Ja, meinst du?“ „Ja, verdammt!!! Ich habe es mir lange genug angesehen. Der Weg, den Vicus dir gezeigt hat, ist falsch. Er ist gepflastert mit Leid und Tod und das werde ich nicht dulden! Ich bin deine Mutter und du wirst dir von mir helfen lassen! Also hör auf dich wie ein Riesenegoist zu benehmen und setz nie wieder deine Kräfte gegen uns ein!!! Sonst werde ich wirklich böse.“

Wyatt sah seine Mutter an. Seine Mundwinkel zuckten und irgendwann konnte er das Lachen nicht mehr zurückhalten. „DU willst mich aufhalten? Das ist wirklich niedlich. Wie willst du das machen? Mir Hausarrest geben? Komm schon, Mum, erst Dad, der ohne Zauberkräfte nun wirklich rein gar nichts gegen mich ausrichten kann und jetzt du, die verlangt, dass ich mir von ihr helfen lasse? Was also hast du dir gedacht? Sollen wir uns hinsetzen und Tee trinken?“ Die Älteste der Mächtigen Drei schüttelte den Kopf. „Nein, für den Anfang würde es schon reichen, wen du ein Zauberelixier trinkst. Tee vielleicht später. Wenn du wieder gut bist und deinen Bruder zurück geholt hast.“ Ihr Blick wurde noch eine Spur ernster als ohnehin schon. „Ich will doch sehr hoffen, dass du ihm nichts angetan hast.“

„Habe ich nicht, keine Sorge.“

Jetzt sprach Leo: „Wo ist er dann?“

„In Sicherheit!“

„Bei dir bezweifel ich das momentan!“

Wie konnten die es wagen? ER würde Chris niemals etwas antun. Das war sein kleiner Bruder. Die DÄMONEN waren gefährlich für Chris, aber er doch niemals. Und wenn sie erst einmal ihre Führungsposition gefestigt hatten, brauchte Chris sich gar keine Sorgen mehr zu machen. Dann konnte er tun und lassen, was er wollte.

„Wenn ich sage, Chris ist in Sicherheit, dann stimmt es auch. Kapiert??? Aber, Mum, wir sollten uns hinsetzen und darüber reden. Oder noch besser: Du setzt dich!“ Er riss den Arm hoch und schleuderte Piper in den Sessel, der umkippte. Sofort stürzte Leo zu ihr und half seiner entsetzten Ehefrau auf.

„Jetzt tu bitte nicht so überrascht, Mum. Du hast mich auch angegriffen, schon vergessen? Gleiches Recht für alle.“

„Apropos alle. Ich find es unfair, dass du mit unserer Verwandtschaft den ganzen Spaß alleine hast.“

Pipers Augen wurden groß. Nein, das konnte nicht sein. Diese Stimme kannte sie nur zu gut, aber sie betete, dass sie sich irrte.

Langsam drehte sie sich um. Mit verschränkten Armen gegen den Türrahmen lehnend stand Chris vor ihnen. Mit einem lässigen Grinsen im Gesicht. „Mum, du siehst geschockt aus. Und, Dad, wirst du krank? So siehst du jedenfalls aus.“

Vehement schüttelte Piper den Kopf, ehe sie sich Wyatt zuwandte. „Wie kannst du es wagen deinen kleinen, unschuldigen Bruder zu entführen und ihn in das da zu verwandeln?“, schrie sie. Mit einem gespielt verletzten Gesichtsausdruck griff Chris sich ans Herz. „Autsch, Mum, das klingt als wäre ich ein Monster.“ Einer Raubkatze gleich stieß er sich vom Türrahmen ab und kam auf seine Verwandtschaft zu. „Und so würdest nie über einen deiner Söhne denken, oder?“ Sie blieb stumm und sein Blick verfinsterte sich. „Ich hab dich was gefragt!“, herrschte er sie an und brachte er mittels seiner Telekinese fertig den Kaffeetisch gegen die Wand krachen zu lassen. Phoebe und Paige zuckten zusammen. Dann versuchte die Empathin ihr Glück bei ihrem jüngsten Neffen.

„Chris, Süßer, was auch immer dir gesagt wurde, es stimmt nicht. Du hast doch schon einmal dagegen gekämpft, also schaffst du es auch ein zweites Mal. Du musst uns nur vertrauen.“

„Wieso sollte ich dagegen kämpfen? Oder gegen wen? Wyatt hat mir die Freiheit geschenkt und ich bin ihm dafür mehr als nur dankbar.“

„Hört, hört.“, murmelte der Ältere, konnte sich jedoch ein Grinsen nicht wirklich verkneifen.

„Nein, Chris, sieh mich an.“ Phoebe kam zu ihm und wollte seine Hände in ihre nehmen. Eine Energiewelle riss sie jedoch zu Boden.

„Bleib weg von ihm!“, knurrte Wyatt. „Das geht an jeden von euch.“

„Du kannst nicht verhindern, dass ich deinen Bruder vor dir rette. Und wenn du mich stoppst, werden es dein Vater und deine Tanten tun.“

„Mum, das Thema hatten wir schon. Nichts, was du machst, wird mich aufhalten.“

„Sei dir da nicht so sicher, Wyatt Matthew. Ich bind eine Mutter. Wenn nicht ich, wer dann?“

„Wie rührend. Aber Worte helfen dir auch nicht.“

„Oh, mir fällt da schon was ein.“

Er trat einen Schritt auf sie zu. „Und was?“, fragte er drohend.
 

Piper hob die Hände. Es tat ihr in der Seele weh, aber momentan gab es keinen anderen Ausweg. Nichtsdestotrotz schrie ihr Mutterherz als sie Wyatt mit Kraft ihrer molekularen Beschleunigung von sich wegstieß. Und diesmal zeigte der Angriff mehr Wirkung als damals in der Zauberschule:

Der Fernseher ging zu Bruch, weil Wyatt genau dagegen flog und als der Zweifachgesegnete sich fluchend aufrichtete, klaffte eine große Wunde an seinem Arm.

Chris‘ Augen verengten sich. Niemand griff seinen Bruder an. Jedenfalls niemand, der danach noch lange lebte. Mehr denn je davon überzeugt, dass es besser war seiner Familie den Garaus zu machen, hob er die Hand. Die Lampe schwankte gefährlich, als er seine Magie auf das nächste Ziel lenkte. Phoebe, die mit Hilfe seiner Cryokinese in eine Eisstatue ihrer selbst verwandelt wurde. Paige machte danach erst Bekanntschaft mit seiner Telekinese, dann mit der Tür zum Wintergarten. Zum Schluss drehte er sich zu seinen Eltern. Hass blitzte in seinen grünen Augen auf.

„Du greifst uns an? Deine eigenen Söhne? Tolle Mutter bist du.“ Piper trat auf ihn zu. „Chris, bitte! Wir können euch helfen, ihr müsst uns nur lassen. Für keinen von euch ist es zu spät.“

Bellend lachte er auf. „Natürlich. Alles, was wir tun müssen, ist uns wieder zu beugen und euren Regeln zu folgen. Vergiss es!“ Eine Bewegung der Hand und Piper sowie Leo wurden von einem Elektrostrahl getroffen und gingen zu Boden. Er sah zu Wyatt, der mittlerweile hinter ihm stand und sich den Arm hielt. „Wir gehen!“, grollte der Ältere. Seine Bruder nickte und beide schwarz-beamten zurück in die Unterwelt.
 

Kaum dort vollständig materialisiert, ließ Wyatt sich auf einen Stuhl sinken und hob die Hand, mit der er die Wunde abgedeckt hatte. „Verdammt!“, zischte er. Chris setzte sich zu ihm und hielt die Hände über die Verletzung seines Bruders. Sofort erschien das goldene Licht. Das brachte sogar Wyatt zum Lächeln.

„Dass du das noch kannst.“ „Wieso denn nicht? Ich kann doch auch noch beamen. Zwar dunkel, aber es geht. Du müsstest es doch auch noch können.“ „Weiß nicht, musste es noch nicht probieren.“

Das Heilen war beendet. Wyatt sah seinen Bruder an. „Danke.“ „Kein Ding.“ Chris seufzte. „ich würde sagen, wir haben sie aufgeschreckt. Und- auch wenn ich wusste, dass sie stark sind – hätte ich nie erwartet, dass Mum uns angreift und verletzt.

„ja, immer für eine Überraschung gut unsere wehrte Mutter. Ich denke aber auch, dass wir uns etwas überlegen müssen. Wir sind zwar ebenfalls stark, aber so kann es nicht weitergehen. Womöglich wird sonst noch einer von uns getötet.“

„Dann verbinden wir unsere Kräfte. Die Macht der Drei gegen die Zweifachgesegnete Macht der Zwei. Müsste doch funktionieren, oder?“

Er nahm Wyatts Hand in seine. Irgendwie schien es, als könnte er die Magie spüren, die durch sie zwei floss. Nachdenklich sah Wyatt auf ihre verschränkten Hände. Auch er fühlte die Magie von Chris ausgehen, die seiner gar nicht so unähnlich war.

„Ja, vielleicht hast du Recht. Aber Zweifachgesegnete Mach der Zwei klingt scheiße.“

„Und wie soll man das sonst ausdrücken?“

„Einfach Wyatt und Chris. Reicht doch.“

„Wieso wirst du als Erster genannt? Ach ja, du bist älter.“

Der blonde Wächter grinste und stand auf. In seinem Kopf stellte er bereits einen neuen Schlachtplan auf. Was er sich auch ausdachte, Chris würde ohne zu fragen mitziehen.

„Ich hab Hunger.“, beschwerte sich der Jüngere. Fast sofort verwandelte sich der leere Tisch vor ihm in eine reichlich gedeckte Festtafel. Wyatts Art Danke zu sagen.

„Du hast dich doch schon bedankt.“

„Und?“

„Nichts. Danke.“

Die Brüder grinsten sich an.

Auch, wenn Piper etwas ganz anderes hatte bezwecken wollen, hatte ihr Angriff es geschafft, dass die Streitigkeiten zwischen den Jungs vergessen waren.



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Kommentare zu dieser Fanfic (2)

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Von:  claw3
2011-09-11T06:37:50+00:00 11.09.2011 08:37
hy,
bin gerade erst über deine story gestolpert.
Find sie echt klasse, auch der Inhalt und die Idee.
Hoffe du schreibst bald weiter.
lg claw
Von:  YuMorino
2011-06-04T22:05:25+00:00 05.06.2011 00:05
hallo
deine ff ist wirklich sehr interessant und sehr abwechslungsreich
besonders da chris auch böse ist und zu seinem bruder hält <3
bin wirklich sehr gespannt wie es weiter geht
lg
yu



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