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Bereue nichts

Merry x Pippin für Zocker_Syrus
von

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Ein schlechter Tag

Es war eine wunderschöne Nacht in Krickloch: der dunkelblaue Himmel war wolkenlos und die Sterne strahlten hell. Der Halbmond warf sein Licht durch das Fenster in einen Raum, in welchem zwei Hobbits am Schlafen waren. Einer von ihnen, Pippin, befand sich in einem friedlichen Schlummer – Merry jedoch war in einem Albtraum gefangen. Er schwitzte und warf seinen Kopf von rechts nach links, von links nach rechts und wieder zurück. Ein plötzlicher Schmerz weckte ihn jäh auf und sein Schrei ließ sogar Pippin hochschrecken.

„Was ist los?“, fragte dieser aufgeregt.

„Nichts“, flüsterte Merry mit heiserer Stimme. „Alles in Ordnung.“

Pippin bemerkte, dass er sich seinen rechten Arm hielt. „Schmerzt er wieder?“

Es ist nun ein Jahr her seit Merry und Éowyn gegen den Nazgûl gekämpft hatten. Und es war Merrys Schwert, das den Schwarzen Reiter sterblich machte, sodass Éowyn ihn niederstrecken konnte. Doch obwohl Aragorn Merrys Verletzung, die vom Kontakt zwischen dem Hobbit und dem Ringgeist herrührte, heilen konnte, kehrten sowohl der Schmerz als auch die dunklen Träume noch heute hin und wieder zurück.

Merry versuchte, zu lächeln. „Mach dir keine Sorgen um mich.“ Doch dann verblasste sein Lächeln und er war kurz davor, aus dem Bett zu kippen.

„Merry!“ Pippin rannte zu seinem älteren Vetter hinüber und fing ihn auf. Merrys Atem war schwer und seine Haare nass. Pippin setzte sich auf dessen Bett, seinen Freund in seinen Armen haltend und legte eine Hand auf die Stirn des Hobbits. „Du glühst ja!“

Vorsichtig bettete er Merrys Kopf auf das Kissen. Dann hastete er in die Küche. Merry hörte ein Rauschen und seinen jüngeren Vetter herumkramen und als dieser zurückkehrte, brachte er eine mit Wasser gefüllte Schale und ein Tuch mit sich.

„Nein, Pip…“, murmelte Merry.

„Doch“, sagte Pippin während er das Tuch ins Wasser tauchte und auswrang. Er legte es seinem Vetter auf die Stirn und schenkte ihm ein zufriedenes Lächeln. Merry erwiderte es. „Danke. Jetzt geh zu Bett.“

Pippin warf ihm einen besorgten Blick zu. „Bist du sicher ich - “

„Bitte“, unterbrach Merry ihn. „Ich will nicht, dass du dir Sorgen um mich machst.“ In Wahrheit hasste Merry es, seinen jüngeren Vetter besorgt zu sehen. Er liebte es, ihn lachen und singen zu hören; Sorgen und dunkle Gedanken passten einfach nicht zu ihm. Nichtsdestotrotz zogen die Ereignisse des Ringkrieges nicht einfach so an Pippin vorbei ohne ein Zeichen zu hinterlassen und obwohl er noch immer ein heiterer, tukisch-naiver Hobbit war, hatten seine Augen nun einen Hauch von Melancholie.

„Ich fühle mich schon besser.“ Merrys Arm schmerzte noch immer aber er versuchte es zu verheimlichen. „Ich bin bloß müde und brauche etwas Schlaf. Und du solltest auch wieder schlafen gehen.“

Zwar war Pippin skeptisch, gab aber dennoch nach. Er stand auf und ging zu seinem eigenen Bett zurück. „Nun, also Gute Nacht.“

„Gute Nacht, Pippin.“
 

* * *
 

Der Gesang von Vögeln weckte Merry auf. Er blinzelte und öffnete dann seine Augen. Als er sich aufrichtete, spürte er, wie das Tuch von seiner Stirn über sein Gesicht rutschte. Es war noch immer kalt. Dann bemerkte er die Wärme eines Körpers, der neben seinem eigenen lag, mit dem Kopf nahe seiner Füße und mit den Beinen über der Bettkante.

Merry seufzte, konnte aber ein Lächeln nicht unterdrücken. Also hat Pippin nicht geschlafen, sondern die ganze Nacht hindurch nach ihm gesehen. Merry betrachtete ihn eine Weile. Die Morgensonne schien auf sein friedliches Gesicht und seine goldbraunen Haare und ließ sie noch goldener erscheinen, als sie ohnehin schon waren. Sein Mund war, wie gewöhnlich, wenn er schlief, leicht geöffnet sodass Merry seine weißen Zähne hervorblitzen sehen konnte.

„Putzig“, dachte er und lächelte.

Er hätte Pippin am liebsten für immer neben ihm schlafend beobachtet; wie sich sein Brustkorb hob und wieder senkte, wenn er leise atmete.

Allerdings hatte er Hunger und wollte gemeinsam mit seinem Vetter frühstücken. Und dazu musste er ihn wecken.

„Pippin?“

Keine Reaktion.

„Pip.“

Der Hobbit sah ein kleines Zucken in Pippins Mundwinkeln.

„Ich weiß, dass du wach bist“, sagte Merry und begann, ihn zu kitzeln. Abrupt setzte sich Pippin aufrecht hin und brach in Lachen aus. Er zuckte und versuchte, seinen Freund ebenfalls zu kitzeln. Nach einiger Zeit voll Gelächter und einigen Freudenschreien saßen die beiden am Tisch und aßen Rühreier mit Speck.

„Was ist mit deinem Arm?“, fragte Pippin mit vollem Mund.

„Tut nicht mehr weh“, antwortete Merry. „Aber was könnten wir heute unternehmen? Die Sonne scheint und ich will meine Zeit nicht drinnen verschwenden.“

„Wir könnten Pilze suchen gehen“, schlug Pippin vor. „Die letzten Tage waren regnerisch und jetzt, bei Sonnenschein, müssten sie in großer Zahl gewachsen sein.“

„Gute Idee. Lass uns erst einmal das Frühstück beenden, und dann gehen wir auf Pilzsuche.“
 

* * *
 

Später fanden sich die beiden Hobbits nahe der Großen Hecke wieder. Sie waren ganze drei Stunden auf der Suche – aber mit einem mickrigen Ergebnis.

„Bloß fünf winzige Steinpilze“, klagte Pippin, als er einen Blick in seine kleine Tasche warf. „Das wird nicht zum Mittag reichen.“

„Ganz und gar nicht“, grummelte Merry. „Großartige Idee, Pip, wirklich.“

„Du hättest ja nicht zustimmen müssen.“, sagte Pippin entrüstet. Merry seufzte bloß und nahe einem Baum setzten sie sich nieder.

„Und nun?“, fragte Pippin.

„Weiß nich.“

Als Merry seinen Kopf auf die Schulter seines jüngeren Vetters legte, konnte dieser den Duft seines Haares riechen. Er mochte ihn, also lehnte er seine Wange an Merrys Kopf und drückte seine Nase leicht in dessen Locken. Er hoffte, sein älterer Vetter würde nicht bemerken, dass er an ihm schnupperte, aber er tat es. Trotzdem sagte er nichts dazu.

„Wie wäre es mit Pfannenkuchen?“, fragte Merry nach einiger Weile. „Wir sollten zuhause noch genug Mehl und Milch haben.“

„Aber wir haben unsere letzten Eier heute Morgen zum Frühstück gegessen“, gab Pippin zu bedenken.

„Vielleicht“, meinte Merry mit einem Grinsen, “hat ja unser Lieblingsbauer noch welche.“

Pippin begann, zu lachen. „Warum finden wir es nicht heraus?“
 

* * *
 

Auf dem Weg zu Maggots Haus zogen sie am großen Brandyschloss vorbei und überquerten den Brandywein. Merry und Pippin sangen ein paar gemeinsame Lieder, aber hin und wieder ließ Merry seinen Freund solo singen um seiner wundervollen Stimme zu lauschen. Als sie im Bruch ankamen, verstummte Pippin.

„Unser Freund könnte überall sein“, flüsterte er, was Merry zum kichern brachte.

Als sie den Hof erkennen konnten, huschten sie von Busch zu Busch und von Baum zu Baum. Letztlich schlichen sie in den kleinen Hühnerstall, wo eine Henne die beiden Fremden mit einem misstrauischen Blick empfing, aber still blieb.

„Der Hahn muss irgendwo draußen sein“, sagte Merry. „Gib dich in Acht vor ihm. Wenn er uns hier erwischt, sind wir erledigt.“

Pippin nickte und ging auf Eiersuche.

„Die Nester sind leer. Jemand hat die Eier schon eingesammelt.“

„Schau woanders. Manchmal legen Hühner ihre Eier unter Stroh oder in Ecken, um sie zu verstecken.“ Vorsichtig ging Merry zu einigen Regalen hinüber und schob etwas darauf befindliches Stroh beiseite.

„Hier, Pip!“, rief er vor Freude.

Mit einem „Sch!“ kam Pippin zu ihm. „Sechs Eier sollten für uns beide reichen“, sagte er. „Aber ich weiß nicht, wie alt diese hier sind.“

„Wir könnten eines öffnen.“

„Warte!“, sagte Pippin. „Sieh mal!“

Er und Merry bekamen große Augen. Eines der Eier knackte leise.

„Es schlüpft!“, sagte Pippin ganz außer sich vor Aufregung. Er und Merry waren so fasziniert, dass sie gar nicht bemerkten, wie lange sie eigentlich dastanden und eines von Mutter Naturs Wundern bestaunten.

Als sich das Küken vollkommen von der Eierschale befreit hatte, blinzelte es Pippin an und versuchte einige Schritte in seine Richtung.

„Es hält mich für seine Mama!“, quietschte Pippin.

„Was?“ Merry runzelte die Stirn, aber Pippin schenkte ihm keinerlei Beachtung. Er tätschelte das Küken und suchte nach einem Namen für es. „Ich glaube, du bist männlich, auch wenn ich mir nicht sicher bin. Nun, ich werde dich einfach Mocki nennen!“

„Mocki?“ Merry war sich nicht ganz sicher, ob er darüber lachen sollte oder nicht.

Dann hörte er einen wütenden Schrei von draußen hereindringen.

Der Hahn stand im Eingang und war alles andere als erfreut darüber, zwei Eindringlinge in seinem Territorium zu sehen, was er lauthals kundgab.

„Pippin!“, kreischte Merry. „Er hat uns entdeckt, weg hier!“

„Aber Mocki-„

„Nimm Mocki und LAUF!“

Gerade als sie zurück auf der Straße waren, konnten sie Bauer Maggots Wutschreie und das Gebell seiner Hunde aus der Ferne hören. Merry und Pippin liefen so schnell sie konnten zur Bockenburger Fähre und erst auf der anderen Uferseite angekommen, ließen sie sich zu Boden sinken und schnappten nach Luft.

„Das war knapp!“, keuchte Pippin.

„Ja“, seufzte Merry. „Und wir haben noch immer keine Eier.“

Pippin stand auf und half Merry auf die Beine.

„Was ist mit unserem neuen Freund?“, fragte Pippin während er eine Hand hochhielt, in welcher er Mocki beherbergte. „Es ist schon schade, dass wir keine Eier mitgehen lassen konnten, aber ich bin froh, Mocki bei mir zu haben.“

„Was ist mit unseren Pfannenkuchen?“, jammerte Merry.

„Sieht so aus, als müssten wir sie ohne Eier machen. Mit etwas Marmelade werden sie schon nicht so schlecht schmecken.“, sagte Pippin. Er streichelte Mocki und setzte sich in Bewegung. „Lass uns nach Hause gehen“, sagte er liebevoll – aber eher zu dem kleinen Küken denn zu Merry, was diesen nun wirklich mies stimmte. Missmutig folgte er seinem kleinen Vetter.

„Großartig“, stöhnte er frustriert. „Pfannenkuchen ohne Eier.“
 

* * *
 

Als sie zuhause ankamen, war es bereits Nacht.

Widerwillig begann Merry, die Pfannenkuchen (ohne Eier) zuzubereiten, während Pippin am Tisch saß und sich mit Mocki unterhielt.

„Was würdest du gerne essen?“, fragte er das Kleine.

Würmer? Fliegen? Dachte Merry.

„Vielleicht haben wir noch etwas Getreide irgendwo in der Speisekammer“, sagte Pippin. „Ich könnte dir Brei daraus machen.“

Warum kaust du es nicht einfach vor und spuckst es dem Vogel in den Schnabel?

Es missfiel Merry ungemein, wie viel Beachtung sein Vetter dem kleinen Tierchen schenkte. Bisher war er es gewohnt, immer seine vollste Aufmerksamkeit für sich allein zu haben. Er seufzte. Vielleicht sollte er nicht so griesgrämig deswegen sein. Immerhin war der Tuk ja glücklich.

Besagter lief, Mocki noch immer in den Händen haltend, in die Speisekammer um nach dem Sack mit dem Getreide zu suchen. Er fand ihn, kam wieder zurück und legte ihn auf den Tisch. Merry wollte gerade die Marmelade aus dem Schrank holen, aber mit einem „’Tschuldige“ schob Pippin ihn sanft beiseite. Er nahm den Mörser an sich und setzte sich wieder an den Tisch, um das Getreide zu zerstampfen. Sein älterer Vetter nahm die Pfannenkuchen und die Marmelade auf den Tisch und setzte sich. Schweigend aß er ein paar der zähen Pfannenkuchen und beobachtete, wie Pippin sein neues Haustier voller Begeisterung fütterte. Merry rollte mit den Augen und lächelte etwas verbittert. Als er sein Mahl beendete, wünschte er seinem Vetter eine gute Nacht, jedoch ohne eine Antwort zu erhalten. Seinen Kopf schüttelnd ging er zu Bett.

Was für ein schlechter Tag. Wieder diese furchtbaren Albträume und der Schmerz in seinem Arm, eine erfolglose Pilzsuche, Pfannenkuchen ohne Eier und nun musste Merry seinen besten Freund auch noch mit einem Vogel teilen.

Als der Schlaf ihn endlich überkam, unterhielt sich Pippin noch immer mit Mocki.

Mocki

Am nächsten Tag fand sich Merry am Tisch wieder, zusammen mit Pippin und Mocki. Letzteren fütterte Pippin mit einer merkwürdig aussehenden Paste aus Würmern, deren Herkunft Merry nicht wissen wollte. Angewidert betrachtete er die Szene.

„Magst du es?“, fragte Pippin Mocki und reichte ihm gerade ein bisschen von der Wurmpaste.

„Nicht so schnell, nicht so schnell!“

Merry schaute aus dem Fenster, in dem Versuch, die beiden zu ignorieren.

„Bist du traurig?“

Die Sonne schien; vielleicht sollte er einen kleinen Spaziergang unternehmen.

„Merry?“

Der Angesprochene blickte zu seinem Vetter hinüber.

„Hast du gerade etwas zu mir gesagt?“ fragte er sarkastisch, als er bemerkte, dass Mocki in Pippins Schal, welchen er zu einer Art Nest verknotet hatte, schlief.

„Ich habe dich gefragt, ob du traurig bist“, antwortete Pippin.

„Nein.“ Merry runzelte die Stirn. „Sehe ich etwa traurig aus?“

„Ja.“

„Nun, eigentlich hatte ich versucht, verärgert auszusehen“, gab Merry zu.

„Du bist aber nicht verärgert.“

„Woher willst du das wissen?“

Pippin lächelte seinen Freund wissend an. „Ich kenne dich nun schon so lange wie ich lebe. Und glaube mir, ich weiß, wie ein trauriger Merry aussieht, und ich weiß, wie ein verärgerter Merry aussieht. Und du schaust nicht verärgert aus!“

Nun musste auch der Brandybock lächeln.

„Also, warum bist du traurig?“, fragte Pippin, zum Punkt zurückkehrend.

„Ich bin nicht traurig, ich lächle doch gerade, siehst du nicht?“

Pippin entfuhr ein Seufzer. Dann küsste er Merry auf die rechte Wange.

„Warum hast du mich denn jetzt geküsst?“, fragte Merry, wieder aufgesetzt genervt.

„Weil ich dich mag. Magst du mich etwa nicht?“, antwortete Pippin mit einem verschmitzten Grinsen. Der Tuk mochte zwar naiv sein, aber nicht dumm – mit ein paar einfachen Worten hatte er genau das ausgesprochen, was Merry im Moment am meisten zu hören brauchte, und dieses Selbsteingeständnis ließ Merry noch breiter lächeln als zuvor.

„Aber selbstverständlich mag ich dich!“, sagte er und küsste seinen Vetter auf die linke Wange. Pippin wollte ein kleines Spiel daraus machen, also küsste er Merry zurück auf seine Stirn, was diesen dazu veranlasste, Pippins Kinn zu küssen. Nachdem Merrys Nase, die rechte Halsseite Pippins und die linke Halsseite Merrys jeder einen Kuss erhalten hatten, dachte Merry darüber nach, wo er seinen Vetter als nächstes küssen könnte.

„Dreh dich um“, forderte er Pippin plötzlich auf. Dieser drehte sich kichernd auch prompt herum. Er hörte hinter sich den Stuhl quietschen, als sein Freund sich aufrichtete, und dann spürte er Merrys Finger durch sein Haar am Hinterkopf fahren. Er hielt es hoch, sodass Pippins Nacken entblößt war. Plötzlich überzog seinen gesamten Körper eine Gänsehaut von dieser Stelle aus, als Pippin Merrys Lippen seine Nackenhaut berühren spürte. Das Gefühl ihrer Wärme war herrlich. Er konnte Merrys Atem seine Haut kitzeln spüren, und gerade, als er die Augen schließen wollte, löste sich Merrys Mund wieder von seinem Nacken.

„Könntest du das… noch mal machen?“, fragte Pippin scheu.

Merry atmete tief ein und wollte gerade mit einem weiteren Kuss antworten, doch ein lautes Piepsen ließ die beiden auf einmal zusammenzucken und hochfahren.

Mocki war aufgewacht.

Abrupt wandte sich Pippin dem fiependen Küken zu. „Hast du wieder Hunger?“, fragte er es, versuchend, Merry nicht anzusehen, welcher sich den Kopf vor Verwirrtheit und auch vor Verlegenheit kratzte. Er schaute Pippin auf den Nacken, welcher wieder mit seinen Locken bedeckt war und presste die Lippen zusammen, noch immer seines Vetters Haut darauf spürend. Die Tatsache, wie sehr er den Kuss genossen hatte, verwirrte ihn nun auf unangenehme Weise. Und plötzlich erschien es ihm ungemein wichtig, eine Pfeife zu rauchen. Er musste rauchen. Und eine Weile für sich allein sein.

Merry taumelte an Pippin vorbei nach draußen, nicht bemerkend, dass dieser ihm mit den Augen folgte. Er hätte gerne etwas gesagt, blieb jedoch still.
 

* * *
 

Den ganzen Tag sprachen die Hobbits nicht ein Wort miteinander. Später gingen sie sogar zu Bett, ohne sich eine gute Nacht zu wünschen.

Aber Pippin konnte keinen Schlaf finden.

Das alberne Spiel, das er und Merry heute Mittag gespielt hatten, beschäftigte ihn noch zu sehr. Die Erinnerung an die Berührung von Merrys Lippen ließ ihm die Röte ins Gesicht fahren. In jenem Moment fühlte es sich wieder so gut an, es fühlte sich richtig an. Selbst wenn es nichts weiter als ein Spiel und nichts Ungewöhnliches für ihn war, seinen Vetter zu küssen und Küsse von ihm zu erhalten, wusste er doch ganz genau, dass er seit geraumer Zeit jeden einzelnen Moment genoss, in dem er und Merry sich näher kamen. Allerdings hatte er niemals erwartet, dass Merry genauso empfinden könnte. Oder war dies nur eine Einbildung, wieder eine seiner albernen Ideen, reines Wunschdenken?

Er fragte sich, wie Merry wohl dazu stand.

Ob er ihn einfach danach fragen könnte?

„Merry?“

Schweigen.

„Bist du wach?“ Er war nicht wach. Eigentlich mochte Pippin ihn nicht aufwecken, aber seine Gedanken belasteten ihn zu sehr. Er erhob sich und ging zum Bett seines Freundes hinüber. Der Hobbit wollte gerade etwas sagen, schloss dann aber doch seinen Mund wieder. Merry schlief friedlich, seinen Kopf auf die rechte Seite gelegt, sodass Pippin einen Blick auf sein Gesicht werfen konnte. Nicht zum ersten Mal bemerkte er, wie lang Merrys Wimpern eigentlich waren. Lang und tiefschwarz. Sein honigfarbenes Haar war zerzaust und fiel ihm über die linke Wange. Sachte strich Pippin es beiseite. Anstatt seine Hand zurückzuziehen, streichelte er Merrys Wange zärtlich, in der Hoffnung, ihn nicht zu wecken, obwohl er gerade dies zuvor beabsichtigt hatte. Dann bemerkte er die Narbe über Merrys rechter Augenbraue und sie erinnerte ihn an die harten Zeiten, welche er und Merry zu durchleben hatten, an das Leid, das sie ertragen mussten. Wie unbeschwert er und Merry doch einst waren, bevor sie Frodo und Sam in Maggots Feldern begegnet waren! Alles hat sich verändert; Kummer, Krieg und nicht zuletzt auch Zeit formten sie beide zu den Hobbits, die sie heute waren. Natürlich waren Merry und Pippin noch immer Merry und Pippin, die zwei größten Unheilstifter und Schelme im ganzen Auenland; doch sowohl sichtbare als auch unsichtbare Narben zeichneten sie nun. Jedoch waren sie nicht alle von Hässlichkeit. Sie zeugten von dem starken Band zwischen den beiden Vettern, welches nun so fest wie nie zuvor war. Und abgesehen davon, machte die Narbe auf Merrys Stirn diesen auf seltsame Art und Weise sogar schön. Sie war schließlich nun ein Teil von ihm.

Pippin seufzte.

Er entschied sich dazu, Merry schlafen zu lassen.
 

* * *
 

„Könntest du dich um Mocki kümmern, solange ich weg bin?“

„Ob ich was tun könnte?“

Die beiden Hobbits hatten gerade ihr zweites Frühstück zu sich genommen und an diesem Tag wollte Pippin seiner Familie einen Besuch abstatten. Doch hielt er Mocki für zu jung, als dass er ihn begleiten könnte – also sollte Merry ein Auge auf den kleinen Vogel werfen. Das am Tag zuvor Geschehene war vergessen. Oder zumindest verloren sie kein Wort darüber und konnten so wie immer miteinander plaudern. Fast so wie immer.

Mit Unglauben starrte Merry das kleine Monster an, das Pippin ihm entgegenhielt.

„Gut, und wann gedenkst du, zurück zu sein?“, fragte er und nahm Mocki an sich.

„Morgen Abend, denke ich.“

Der Tuk warf sich seinen Umhang über. Er trug die Kleidung, welche er in Gondor erhalten hatte und Merry fand ihn darin äußerst gut aussehend.

„Du bist sehr ansehnlich, Pip.“

„Danke!“ Zufrieden lächelnd über dieses Kompliment huschte Pippin zur Eingangstür. „Ich bin weg!“

Merry wollte noch „Tschüss“ sagen, aber da hörte er die Tür schon zuschlagen.

Er seufzte. Dann blickt er zu dem Vogel in seiner Hand hinunter.

„Bist du hungrig?“

Mocki kehrte ihm den Rücken zu.

„Ich mag dich auch nicht, aber ich werde mich nun wohl oder übel um dich kümmern müssen.“

Der Vogel biss ihm zur Antwort in den Finger.

„Au!“ Merry warf den Vogel auf den Tisch, was diesen dazu brachte, vor Wut laut aufzuzwitschern.

„Verdammtes Monster!“ Der Hobbit leckte sich den Finger und bedachte Mocki mit einem hasserfüllten Blick. Das Küken schrie umso lauter.

„Fiep! Fiep!“, äffte Merry ihn nach. „Sei still, wenn du nicht neben Zwiebeln und Pilzen in einer Bratpfanne enden willst!“

Mocki verstummte.

„Ja“, sagte Merry teuflisch. „Gerösteter Mocki.“

Der Gedanke ließ ihn grinsen. „Gerösteter Mocki mit Kartoffelbrei und Mais.“

Nun außer sich vor Panik, begann das kleine Tierchen, erst recht loszupiepsen - noch lauter als zuvor. Merry hielt sich die Ohren zu und verdrehte die Augen. „Ach, mach doch, was du willst“, zischte er und ging ins Schlafzimmer. Dort angekommen, verschloss er die Tür und legte sich auf sein Bett. Noch immer konnte er Mockis Schreie aus der Küche dringen hören, wenn auch gedämpft, dank der zwischen ihm und dem Vogel befindlichen Tür. Er versuchte, sie zu ignorieren und schaute sich im Raum um. Nach einer Weile blieben seine Augen bei Pippins Bett hängen. Diese Nacht würde es leer sein, dachte er. Merry stand auf und ging zu es hinüber. Die Decke lag unordentlich über der Bettkante und die Kissen waren allesamt am Fußende verteilt. Merry kicherte über diesen für das Bett des Tuks üblichen Zustand, schüttelte den Kopf und saß sich im Schneidersitz darauf nieder. Er nahm die Decke und hielt sie sich an die Nase, den Geruch Pippins inhalierend. Es benebelte ihn. Als er realisierte, was er da eigentlich tat, legte er die Decke rasch zurück; und als ob ihn jemand hätte beobachten können, blickte er beschämt zur geschlossenen Tür. Aber er konnte nur hin und wieder Mockis Zwitschern hören. Merry entfuhr ein Seufzer, dann legte er sich auf die Decke nieder. Er dachte über das Spiel nach und erinnerte sich an den schönen Duft, den er wahrnehmen konnte, als er Pippins Nacken küsste. Er presste die Lippen zusammen und drückte seine Nase wieder in die Decke. Sie roch süß und erdig, wie Laub, wie Kräuter, wie Regen in einem Wald. Wie Pippin. Er wickelte sich in der Decke ein und schloss die Augen. Noch immer den Geruch seines Freundes einatmend, fiel er in einen tiefen Schlaf.
 

* * *
 

Als Merry erwachte, war es bereits dunkel und er fragte sich, wie spät es wohl sein mochte. Ob es schon Zeit für das Abendessen war? Als wolle er antworten, begann sein Magen laut zu knurren.

„Absolut“, murmelte er.

Er streckte sich, stand auf und gähnte lange und genussvoll. Sich am Kopf kratzend begab er sich in die Küche.

„Röstie“, sagte er. „Zeit fürs Abendessen. Wo hat Pippin gleich noch mal deinen Wurmfraß hingestellt? Ich hoffe, ich muss nicht -“

Der Tisch, auf welchen sich Mocki befunden hatte, war nun leer.

„Röstie?“

Der Brandybock blickte darunter. Kein Mocki zu sehen. Er fiel auf die Knie und begann, unter jedem Stuhl und jedem Schrank zu suchen. Doch nirgends eine Spur von dem Küken. Merry wurde panisch.

„Mocki!“

Von Raum zu Raum rennend rief er immer und immer wieder „Mocki!“, doch konnte er ihn nirgends finden. Was, wenn Pippin zurückkehrte und Merry müsste ihm sagen, dass er Mocki verloren hatte? Es würde ihn so sehr verletzen, dass er vermutlich nie wieder auch nur ein Wort mit ihm wechseln würde.

Merry bekam ein schlechtes Gewissen. Ein richtig, richtig schlechtes. Hätte er doch nur besser Acht gegeben!

Er schlüpfte in seine Jacke und rannte nach draußen. Nachdem er ganz Krickloch umgegraben hatte, stolperte er an der Großen Hecke entlang. Er rannte in jemanden hinein, hielt aber nicht an um sich zu entschuldigen. Nahe dem Tunnel zur anderen Seite der Hecke fand er schließlich zwei kleine Federn.

„Nein“, flüsterte er Schlimmes ahnend und blickte durch den Tunnel hindurch in die Dunkelheit.
 

* * *
 

Pippin hatte beschlossen, doch schon einen Tag früher nach Hause zurückzukehren. Er machte sich Sorgen um Mocki. Was, wenn Merry sich nicht ausreichend um ihn kümmerte? Oder Mocki ihn sogar überfordern sollte?

Seine Familie war alles andere als erfreut über seinen frühzeitigen Abschied, konnte ihn aber auch nicht zum Bleiben zwingen. Allerdings hatte Pippin versprechen müssen, so bald wie möglich wieder vorbeizuschauen.

Als er in Krickloch ankam, fand er sein und Merrys Haus ohne jegliche Beleuchtung im Finsteren stehen. Er runzelte verwundert die Stirn und kam näher heran geritten. Die Eingangstür war sperrangelweit offen. Pippin stieg von seinem Pony ab und betrat das Haus mit einem unbeschreiblich mulmigen Gefühl.

„Merry?“

Keine Antwort.

„Herr Peregrin?“

Pippin drehte sich um und blickte in zwei braune Augen.

„Wenn du nach Herrn Meriadoc suchen solltest, solltest du vielleicht zur Hecke gehen. Ich sah ihn dort hinrennen, wie von der Wespe gestochen. Is in mich hineingestolpert. Keine Ahnung, was er da trieb!“

„Die Hecke, sagst du?“, fragte Pippin verwirrt.

„Jepp. Vielleicht is er da noch irgendwo. Sieh nach ihm, aber sei bloß vorsichtig!“

So schnell er konnte, rannte Pippin zum besagten Ort.

„Merry!“

Sein Gefühl für Zeit ging verloren, und er rannte, schwer atmend, bis er beim Tunnel ankam, der durch die Hecke hindurch zum Alten Wald führte. Er hielt an, da er keine Luft mehr bekam, und blickt durch den Tunnel in die Finsternis. Bis jetzt hatte er nicht bemerkt, dass es regnete. Und bis jetzt hatte er auch nicht bemerkt, dass sein Vetter sich in seiner Nähe aufhielt. Langsam dreht er sich zu Merry um.

„Merry!“, rief er vor Erleichterung. „Da bist du ja!“

Merry antwortete jedoch nicht und ließ den Kopf hängen. Er war tropfnass und mit Schlamm besudelt.

„Merry?“, fragte Pippin angstvoll.

Der ältere Hobbit hob den Kopf und Pippin konnte Tränen seine Wangen hinab laufen sehen; wie sie sich mit dem Regen vermengten. Und er konnte sehen, wie Mocki in seinen Armen lag.

Merry wollte etwas sagen, konnte es aber nicht.

Mocki war tot.

Äpfel

Es war ein trauriger Anblick. Der Morgenhimmel war grau und kleine Regentropfen fielen auf ein winziges Grab und benetzten eine kleine Blume, die darauf lag. Pippins Kopf war gesenkt; seine Augen mit Tränen gefüllt. Merry stand neben ihm. Er sah zu seinem Vetter hinüber und als sich ihre Blicke trafen, ließ er den Kopf hängen. Er hätte Pippin am liebsten in seine Arme genommen, ihn getröstet oder wenigstens „verzeih mir“ gesagt. Aber er hatte einen Klumpen im Hals, der ihm das Sprechen nicht erlauben wollte. Es war sein Fehler. Nur wegen ihm musste Mocki sterben. Nur wegen ihm musste Pippin weinen. Sein bester Freund hatte ihm vertraut. Hätte er doch nur besser Acht gegeben!

Wütend auf sich selbst biss der Brandybock sich auf die Lippe.

Plötzlich ergriff Pippin seine Hand. Er weinte noch immer, bedachte seinen älteren Vetter aber mit einem mitfühlenden Blick. Er verzieh ihm. Er hatte ihm schon längst verziehen, in der verregneten Nacht, als der Tuk Merry nahe der Großen Hecke vorgefunden hatte, Mockis toten Körper in seinen Händen haltend.

„Es tut mir leid. Es tut mir so leid, Pippin“, hatte Merry immer wieder unter Tränen gestammelt. Pippin weinte so herzzerreißend. Aber er ist nicht wütend auf Merry gewesen, und er war es auch jetzt nicht. Er hatte seinen besten Freund einfach nur umarmt, um ihn seinerseits zu trösten.

„Lass uns hinein gehen“, flüsterte Peregrin. Merry nickte und folgte ihm, noch immer seine Hand haltend.
 

* * *
 

In ihrem Haus setzten sich die beiden an den Küchentisch. Langsam gewann Merry wieder die Kontrolle über seine Stimme und so fragte er, wenn auch leise: „Bist du hungrig? Ich könnte dir vielleicht, nun…“

„Danke, aber ich habe keinen Hunger, Merry“, sagte Pippin, seinen Kopf leicht schüttelnd.

Merry blickte auf den Boden und nickte.

Schweigen.

Für einige Minuten saßen sie einfach nur da und sagten nichts. Es betrübte den Brandybock, dass er nicht wusste, wie er seinen kleinen Vetter wieder aufmuntern könnte.

Als er nach draußen blickte, fiel ihm auf, dass das Wetter sich verändert hatte. Die grauen Wolken haben der Sonne platz gemacht, welche die Regentropfen auf den Grashalmen silbern funkeln ließ.

„Pippin?“, fragte Merry erneut. „Ich würde gerne einen kleinen Spaziergang unternehmen. Magst du mich nicht begleiten?“

Ein Spaziergang würde Mocki niemals zurückbringen, aber zumindest würde die Unternehmung eines solchen immer noch besser sein, als drinnen zu bleiben und in Trauer zu versinken.

„Ja“, sagte Pippin einen Moment später.

Dann standen sie auf und verließen das Haus.
 

* * *
 

Merry und Pippin gingen in Richtung des Brandyweins. Ihre Schritte waren schleichend und sie wechselten nur sehr selten ein Wort; und wenn, waren sie über das Wetter, kleine Tiere und Bäume, an denen sie vorbei gingen. Aber immerhin schwiegen sie nicht immerzu.

Nahe einem Apfelbaum setzten sie sich dann nieder.

„Magst du einen Apfel?“ fragte Merry, sich ein Lächeln aufzwingend.

„Nein, danke“, sagte Pippin, aber Merry gab nicht so einfach auf.

„Ach, komm schon, Pip. Sieh doch nur, diese leckeren Früchte!“ Er zeigte mit dem Finger auf einen halbgrünen, halbroten runden Apfel.

„Wie wär’s mit dem?“

„Nein, Merry, ich- “

„Oder dieser da?“

Erneut wollte Pippin nein sagen, doch die Mühe seines Freundes zauberte ihm ein Lächeln auf die Lippen. Es war ein zaghaftes Lächeln, doch es bestätigte Merry in seinen Bemühungen.

„Oder den Großen dort?“

„Nein, nein. Ich möchte…“, Pippin zeigte auf einen kleinen, roten Apfel. „Den da.“

„Dein Wunsch sei mir Befehl!“, sagte der Brandybock und machte sich zu dem Baum auf. Vor diesem stellte er sich hin und blickte in den Wipfel, darüber nachdenkend, wie er am besten an den Ast mit dem Apfel käme. Er spielte mit seiner Zunge, wie üblich, wenn er Pläne schmiedete. Dann begann er zu klettern. Pippin beobachtete seine ungeübten Bewegungen und kicherte.

„Du kletterst ja so gut wie ein Affe!“, sagte dieser ironisch.

Merry grinste und begann, sich überall zu kratzen. Mit einigem „Uh! Uh! Ah! Ah!“ sprang er zu dem Ast mit dem begehrten Apfel herüber. Pippin brach in schallendes Gelächter aus, verstummte aber blitzartig, als Merry fiel. Rasch lief er zu ihm.

„Merry! Bist du in Ordnung?“

„Ja“, ächzte der ältere Hobbit. „Alles- autsch!- in Ordnung.“

Pippin kicherte leise in sich hinein, wie er Merry so besah, auf seinem Hinterteil sitzend und unschuldig zwischen Zweigen, Laub und Haarsträhnen zu ihm herauf lächelnd.

„Überlass das mir“, sagte Pippin letztlich von sich selbst überzeugt und erklomm den Baum. Seine Bewegungen waren schnell und geschmeidig und binnen kürzester Zeit war der Apfel in erreichbarer Nähe. Merry bewunderte dieses Talent des Tuks; wenn Pippin wirklich gut in eines war, dann war es das Klettern. Einer Katze gleich landete er weich neben Merry und reichte diesem einen zweiten Apfel. Der ältere Hobbit hatte noch nicht einmal bemerkt, wie sein Vetter zwei Äpfel pflückte.

„Klettern ist nicht gerade eine deiner Stärken, was?“ sagte Pippin mit einem frechen Grinsen.

„Nein“, gab Merry zu. „Aber ich habe dich wieder zum Lächeln bringen können.“

Für Sekunden verdrängte ein Ausdruck der Verwunderung Pippins Lächeln, aber es kam bald wieder zurück und war voller Dankbarkeit.

„Ja“, sagte er. „Das ist deine Stärke.“
 

* * *
 

Ihre Äpfel verputzend (Pippin kletterte noch unzählige weitere Male auf den Baum, um mehr zu pflücken), saßen Merry und Pippin am Ufer des Brandywein. Er floss ruhig und stetig; sein Rauschen war das einzige vernehmbare Geräusch. Pippin war wieder in Schweigen verfallen und beobachtete das Schimmern der Wasseroberfläche. Sein älterer Vetter seufzte. Was könnte er als nächstes Tun? Ihn einfach kitzeln? Einen flachen Witz erzählen…?

Dann lächelte er, erhob sich und blickte sich um, um sicher zu gehen, dass keiner da war, der ihn sehen könnte.

Keiner da, also begann er, sich seiner Kleidung zu entledigen, was Pippin die Stirn runzeln ließ.

„Was machst du da?“

„Ich gehe schwimmen“, sagte Merry, während er dabei war, sich die Hose zu öffnen. Pippin schüttelte den Kopf und lächelte.

„Du bist durch und durch Brandybock!“, sagte er.

„Das will ich doch meinen!“

Merry, nun vollkommen nackt, ging zu der feinen Linie, an der sich das Wasser und das Land berührten. Es war nichts Ungewöhnliches für Hobbits, sich gegenseitig entblößt zu sehen, doch in diesem Moment, und das nicht zum ersten Mal, spürte Pippin ein wohliges Ziehen in seinem Unterbauch, als er die weichen Rundungen Merrys Hinterteils erblickte. Ohne es zu bemerken, öffnete er seinen Mund und starrte seinen Vetter nahezu an. Der Atem stockte ihm, als Merry sich ganz unerwartet zu ihm drehte.

„Pippin!“, rief er, sich rückwärts tiefer ins Wasser begebend. „Komm! Allein zu schwimmen macht keinen Spaß!“

„Schon gut, schon gut.“ Der jüngere Hobbit seufzte und begann seinerseits, sich zu entkleiden. Er ließ seine Hosen herab rutschen und spürte Merrys Blick auf sich ruhen.

„Was ist…?“, fragte er verwirrt.

Merry fuhr blitzartig zusammen und zuckte dann mit den Schultern.

„Nichts.“

Pippin grinste verlegen und ging hinüber zu seinem Vetter, welcher untertauchte, sodass Pippin ihn nicht mehr sehen konnte.

„Merry?“

Plötzlich griff etwas nach seinem Bein und zog ihn hinunter. Er kreischte, hörte ein Platschen und fand sich dann umgeben von Wasser und Luftblasen. Direkt vor ihm konnte er verschwommen wahrnehmen, wie Merry ihn frech angrinste. Nach wenigen Sekunden tauchten sie beide wieder auf und schnappten nach Luft.

„Merry!“, rief Pippin lachend und bespritzte ihn mit Wasserfontänen. Sein Vetter lachte in sich hinein und tauchte erneut unter, um Pippin zu kitzeln. Der jüngere Hobbit brach in lautes Lachen aus und versuchte, seinen Freund von sich weg zu schieben, konnte ihn aber nicht zu fassen kriegen. Dann spürte er, wie Merrys Arme sich um seine Hüfte legten und ihn hoch hievten. Wieder schrie Pippin laut „Merry!“ und wurde von diesem ins Wasser geworfen. Der Brandybock lachte vergnügt und strich sich ein paar nasse Locken aus dem Gesicht. Als Pippin wieder zum Vorschein kam, begann dieser, seinem Vetter hinter her zu rennen und schüttelte die Faust in seine Richtung.

„Warte nur…“

Merry grinste und watete so schnell wie es ihm im Wasser möglich war, zum Ufer.

„Hilfe!“, schrie er. „So hilf mir doch wer!“

Als er das Ufer erreichte, schnappte Pippin ihn.

„Hab dich!“

Sie kippten um und Pippin fiel auf Merrys Brust, sein Gesicht nahe an das Merrys. Atemlos und triefend lachten sie über einander.

„Du bist dran“, keuchte Merry dann.

„Was?“

„Erinnerst du dich etwa nicht mehr an unser Spiel?“

Pippin runzelte die Stirn. Er erinnerte sich sehr wohl an das Spiel, das sie einige Tage zuvor gespielt hatten.

„Nun, ich weiß nicht, wo ich dich als nächstes küssen könnte, also denke ich, du hast gewonnen.“, sagte er, noch immer außer Atem.

„Nein, nein. Da ist eine Stelle, die du ausgelassen hast.“

Auf einmal begann Pippins Herzschlag, sich zu beschleunigen und das einzige, was er sagen konnte, war „Oh“.

Merry lächelte. „Also dann?“

Der jüngere Hobbit lächelte ebenfalls und senkte seinen Kopf um näher zu Merry zu kommen. Langsam bedeckte er Merrys Lippen mit seinen eigenen und merkte, dass Merry die Arme um seinen Nacken legte. Zuerst war es wie ein kleiner Schock, aber das Gefühl von Haut auf Haut gefiel ihm. So weich und warm… Er wollte diese Berührung nicht beenden und als er sah, wie Merry seine Augen schloss, tat er es ihm gleich. Unbeholfen versuchte der Tuk, seinen Vetter zu umarmen, aber es funktionierte nicht, da dieser auf seinem Rücken lag. Also legte er seine Hände einfach neben seine Schultern und hielt diese sanft fest. Beide konnten sie spüren, wie sich ihre nassen Brustkörbe rhythmisch berührten, wenn sie einatmeten, und als Pippin bemerkte, dass sich weiter unten noch etwas anderes gegenseitig berührte, begann er zu zittern. Abrupt löste er sich von Merrys Mund. Wassertropfen fielen von Pippins Locken auf die Augen des Brandybocks und brachten diesen zum Blinzeln. Doch nicht nur wegen der Wassertropfen – auch Verwirrung lag in seinen Augen.

Pippin wusste nicht so recht mit dieser Situation umzugehen, also kicherte er bloß und sagte: „Das war gut. Jetzt bist du an der Reihe.“

Merry schluckte.

„Nun, jetzt weiß ich nicht, wo ich dich als nächstes küssen könnte. Sieht so aus, als würdest du gewinnen.“

Eigentlich ärgerte es Peregrin ein wenig, dass er den nächsten Schritt tun musste und nun Merry seinerseits nicht weitermachte. Jedoch fiel ihm selbst keine weitere ungeküsste Stelle ein, also nahm er Merrys Entscheidung hin.

„Gut“, murmelte er. „Was nun?“

„Ähm“, stammelte Merry, „Wie wäre es… mit dem Grünen Drachen?“

Pippin stimmte mit einem Nicken zu.

„Gut, dann… könntest du von mir runter gehen, Pip?“

„Oh, natürlich!“

Ungeschickt rutschte Pippin von Merrys Körper herunter und stand auf. Sie zogen sich beide an und machten sich dann auf den Weg nach Wasserau.

Ich liebe dich

„Selbstverständlich liebe ich meinen kleinen Vetter!“, schrie Merry vom Tisch aus, auf welchem er und Pippin sich befanden. Wie immer waren die beiden Hobbits dabei, die Gäste des Grünen Drachen ordentlich anzuheizen.

„Und ich liebe ihn!“, rief Pippin. „Ich könnte mir niemals jemand anderes als meinen besten Freund vorstellen!“

„Das will ich doch meinen!“, bestätigte der Brandybock ihn.

Lautes Gelächter.

„Noch ein Lied!“ brüllte jemand. „Noch ein Lied!“

Merry und Pippin lächelten sich an, packten sich an den Armen und begannen zu tanzen und ein Lied zu rezitieren, das sie einst auf ihrer Reise vom guten alten Tom Bombadil und seiner liebreizenden Frau Goldbeere gelernt hatten:
 

Jetzt beginnt unser Lied! Lasst uns alle singen

Von Regen, Sonne, Mond und Stern, Tau auf Vogelschwingen,

Wind über freiem Land, trübem Nebelwetter,

Glockenheide, lichtem Grün zarter junger Blätter,

Schilfrohr am dunklen Teich, Rosen auf dem Weiher,

Singt vom Kind der Wasserfrau und Tom, dem treuen Freier!
 

Gleich wenn auch niemandem Tom Bombadil und das Kind der Wasserfrau bekannte Begriffe waren, jubelte das gesamte Gasthaus und applaudierte den beiden Vettern. Besagte verbeugten sich und kraxelten vom Tisch herunter.

„Nun, meine teuren Hobbits“, gab Merry kund, „Machen wir uns auf den Weg.“

Ein enttäuschtes Raunen ging durch die Menge.

„Mein Vetter ist müde und ich muss ihn zu Bett bringen.“

„Singst du mir auch ein Schlaflied, Mami?“, lallte Pippin.

„Ja, mein Liebchen.“

Wieder brach die Menge in Gelächter aus. „Pass gut auf deinen Jungen auf, Mama Merry!“

Merry erhielt einen Klaps auf seine Schulter und winkte den anderen zum Abschied zu. Zusammen mit Pippin verließ er das Gasthaus und ging zu den Ponys, welche sie nahe der Eingangstür angebunden hatten.

„Denkst du, du kannst nach drei Bieren noch reiten?“, fragte Pippin Merry.

„Eigentlich nicht“, gab dieser zu. „Aber ich denke, Stybba wird mich trotzdem heim tragen können! Denkst du, du kannst noch reiten, nach…“

„Vier Bieren?“, vervollständigte Pippin Merrys Satz. „Selbstverständlich.“

Und dann schwang er sich mit so viel Schwung auf sein Pony, dass er beinahe auf der anderen Seite wieder hinunter fiel. „Huch!“

Merry lachte über ihn und stieg wesentlich eleganter in den Sattel.

„Komm“, flüsterte er seiner Stybba zu, „Lass uns nach Hause gehen.“
 

* * *
 

Einzig das leise Atemgeräusch erfüllte den Raum. Es war dunkel und Pippin lag in seinem Bett unter dem Fenster; doch er schlief nicht. Er lag auf seinem Rücken und ließ seine Augen über den Sternenhimmel wandern.

„Selbstverständlich liebe ich meinen kleinen Vetter!“

Dies war Merrys Antwort als einer der Hüttinger-Brüder auf die enge Bindung zwischen ihm und Pippin aufmerksam machte und aus Spaß fragte, ob die beiden denn verliebt oder sogar verheiratet wären. Fürwahr, Merry und Pippin konnte man nie getrennt antreffen. Zumindest nicht bis sie in Rohan verschiedene Wege zu nehmen hatten. Aber nach alledem entschieden sie sich dazu, gemeinsam in eines der Häuser, welche die Brandybocks in Krickloch besaßen, einzuziehen um so noch mehr Zeit als bisher zusammen verbringen zu können. Als Pippin in den Diensten Denethors gestanden hatte, in Gondor, weit weg von seinem besten Freund, dachte er zum ersten Mal darüber nach, was es bedeutete, Merry verlieren und nie wieder sehen zu können; die andere Hälfte von ihm.

Die andere Hälfte von ihm.

Genau das war Merry für den Tuk. In der Zeit, die er in Gondor verbrachte, hatte er sich nicht bloß einsam gefühlt. Er hatte sich leer gefühlt.

Als er sich an dieses schreckliche Gefühl erinnerte, schloss er die Augen um es auszublenden. Niemals wieder wollte er von Merry getrennt sein. Aber das musste er auch nicht. Nun, auch wenn sich alles geändert hatte, waren das Auenland und ganz Mittelerde wieder ein friedlicher Ort.

Pippin öffnete die Augen und blickte zu seinem Vetter hinüber. Ob er wohl schlief? Wovon träumte er?

Der Tuk stand auf und ging zu ihm herüber. Merry lag auf der rechten Seite und sein Kopf war leicht angehoben, sodass Pippin einen vollen Blick auf seine Schönheit werfen konnte. Er kicherte. Eigentlich war Merry alles andere als schön. Sein Gesicht war unsymmetrisch, seine Nase selbst für einen Hobbit recht groß und ganz gleich wie entspannt sein Gesichtsausdruck auch war – er blickte immer finster drein (was durchaus typisch für einen Brandybock war).

Dennoch, Pippin fand ihn schön. Auf seine eigene Art und Weise. Er liebte seine sandfarbenen Locken, seine aufgeweckten, kristallblauen Augen zwischen diesen langen, schwarzen Wimpern. Und er liebte seine weiche Haut.

Er hob eine Hand, ließ sie über Merrys rechter Augenbraue entlang streichen und tätschelte sanft seine Wange.

Er liebte seine weiche Haut. Der Gedanke ließ Pippin lächeln. Doch was er am meisten an Merry liebte, war einfach Merry selbst. Wenige Tage zuvor machte er sich selbst ein Eingeständnis über das, was hätte schon längst klar sein müssen, als er seinen Vetter nach der Schlacht auf den Pelennor-Feldern wieder gefunden hatte.

„Merry?“

Keine Antwort.

Ob es in Ordnung war, es zu sagen, nur ein einziges Mal?

Er atmete langsam und tief ein und dann sagte er:

„Ich liebe dich.“

War dort etwa ein Zucken um Merrys Augen? Nein, Pippin musste sich irren. Merry schlief.

„Nun“, fuhr Pippin leise fort, “Ich weiß, du hörst mich nicht, aber… ich wollte es dir bloß sagen. Ich meine“, er seufzte. „Ich meine es wirklich so. Ich liebe dich mehr als normal.“ Und dann, nach einigen Sekunden der stillen Hingabe sagte er: „Danke für alles, was du jemals für mich getan hast, aber vor allem danke dafür, dass du so bist, wie du bist.“

Die Augen des Hobbits wanderten von Merrys geschlossenen Augen zu seinen Lippen. Dann senkte er den Kopf um seinem Vetter näher zu kommen. Er war kurz davor, ihn auf den Mund zu küssen, doch er hielt für eine Sekunde inne und küsste schließlich seine Nase. Seine Lippen kribbelten als sie Merrys Haut berührten und wieder fühlte Pippin dieses wohlige Ziehen in seinem Bauch, als ob Tausende von Schmetterlingen in ihm tanzten. Mit einem leisen Rascheln zog er die Bettdecke über Merrys Schulter und ließ seine Hand kurz auf dieser ruhen.

„Schlaf schön“, flüsterte er und ging zurück in sein eigenes Bett.
 

* * *
 

Wie kann der eigene Kopf bloß voll und leer zugleich sein? Voll von Fragen – leer, weil die Antworten fehlen. Es war ihm, als saß er in einem Raum, der grau und neblig zu sein schien. Das einzige, was er tat, war in die Leere zu starren.

„Merry?“

„Hm?“

„Ich hab dich gerade gefragt, ob du mir bitte etwas von den Rühreiern geben könntest.“

„Oh, natürlich! Hier, bitteschön.“, sagte Merry und reichte Pippin die Schüssel, die zu seiner Rechten auf dem Tisch stand.

„Danke.“

Zu Merrys Überraschung hatte Pippin diesen Morgen das Frühstück zubereitet. Er ist ungewöhnlich früh aufgestanden und wollte Merry eine Freude damit bereiten. Und es freute Merry auch, nur war er zu sehr in seinen Gedanken vertieft, als dass er seine Dankbarkeit zeigen konnte.

„Magst du noch Bratkartoffeln?“

„Ja“, sagte Merry und prompt hatte er einen Haufen Kartoffeln unter seiner Nase. Er begann, an ihnen herumzustochern und blickte hinüber zu Pippin, der seine Rühreier fröhlich verschlang. Wie immer wirkte er absolut sorglos, als ob nichts passiert wäre. Doch das war es.

Als Pippin seinen Namen letzte Nacht genannt hatte, antwortete Merry nicht, weil er zu müde war und gehoffte hatte, wenn er nicht reagieren würde, würde Pippin ihn schlafen lassen. Noch davor hatte Merry Pippins Hand auf seiner Wange gespürt. Sein Vetter hatte immer kalte Hände und so fiel es Merry nicht leicht, still zu halten und nicht zu reagieren. Allerdings war das nicht der Grund für Merrys Beunruhigung.

Was Merry diesen Morgen beschäftigte, war die Tatsache, dass Pippin ihm seine Liebe gestanden hatte.

Pippin liebte ihn.

Eigentlich hätte Merry es einfach vermeiden können, dieses Thema zu erwähnen, in der Hoffnung, dass Pippin das gleiche tat. Doch dann erinnerte er sich an den zaghaften Kuss, den er auf seine Nase erhalten hatte. Und jenen, den er auf seine Lippen erhalten hatte, als er und Pippin wieder dieses alberne Spiel am Fluss gespielt hatten. Es hatte ihm gefallen, Pippins Lippen auf seinen eigenen zu spüren; er erinnerte sich daran, dass er sogar die Augen geschlossen hatte, um es in vollen Zügen zu genießen. Pippins Haar hatte auf seiner Stirn geklebt als er sich zu Merry hinunter gebeugt hatte, Wassertropfen fielen ihm aufs Gesicht, er konnte Pippins nasse Brust spüren, seinen Atem riechen… Pippins Mund hatte nach süßen Äpfeln geschmeckt…

Merry presste die Lippen aufeinander.

Ob er Pippin die Wahrheit erzählen sollte? Es würde Probleme bereiten. Vielleicht war es besser, das Geheimnis zu bewahren.

Aber sie sind bisher immer ehrlich zueinander gewesen. Wäre es eine Lüge, wenn er Pippin nicht sagte, dass er ihm zugehört hatte? Etwas geheim zu halten bedeutete nicht, zu lügen, dachte er. Aber es fühlte sich genauso an. Er seufzte.

„Pippin?“

Besagter hob den Kopf und lächelte mit vollem Mund.

„Hm?“

Merry wollte etwas sagen, doch er stoppte und senkte den Blick für einen Moment. Dann sagte er schließlich: „Ich muss dir etwas sagen.“

Der Klang seiner Stimme war ein Hauch zu ernst und verscheuchte das Lächeln aus Pippins Gesicht. „Worum geht es denn?“, fragte dieser unbehaglich.

„Ich“, platzte es plötzlich aus Merry heraus, “Ich habe dich letzte Nacht gehört. Ich habe nicht geschlafen. Es tut mir leid.“

Pippin schluckte und öffnete den Mund.

„Pippin, ich- “

„Hasst du mich jetzt?“

Diese Frage stieß Merry völlig vor den Kopf und da war etwas wie Angst in Pippins Augen.

„Nein!“, schrie er geradezu und leiser sagte er dann: „Nein, ich könnte dich niemals hassen. Es ist nur…“

Er raufte sich die Haare und kniff die Augen zusammen.

„Warum nur muss das alles so kompliziert sein?“, zischte er zu sich selbst. Als er die Augen wieder öffnete, drehte er seinen Kopf zu Pippin herum und sah ihm in die Augen. Er atmete tief ein und letztendlich sagte er: „Ich liebe dich auch, Pippin.“

Peregrin starrte ihn an, seinen Mund noch immer geöffnet und als er endlich realisierte, was Merry ihm da gerade gesagt hatte, lächelte er glücklich.

„Bedeutet das, dass wir…“, sagte er langsam, doch Merry ließ ihn die Frage nicht beenden.

„Es ist unnatürlich, Pippin.“

Das Lächeln auf Pippins Lippen verblasste.

„Nun, es ist nicht unnatürlich, dass wir uns lieben, aber, ich meine, dieses andere, zusätzliche Empfinden, das, was man Liebe nennt, wenn man den anderen die ganze Zeit küssen will, und berühren und…“ Merry lief rot an.

„Was daran ist unnatürlich?“

„Wir sind beide männlich, du Pappnase!“

Pippin senkte den Blick.

„Niemand würde es jemals akzeptieren, wenn wir bei zusammen wären“, fuhr der Brandybock fort. „Außerdem wirst du eines Tages der Thain sein und ich der Herr von Bockland. Spätestens dann werden wir beide heiraten müssen, und zwar ein Mädel, weil es absolut gegen das natürliche Gesetz wäre, wenn zwei Männer sich vereinen würden. Es wäre ein Skandal; und dann auch noch zwei in so wichtigen Positionen! Das ganze Auenland würde uns fortjagen von hier.“

Es war mehr Intuition denn logisches Denken, das Pippin zu dem Schluss brachte: „Hast du Angst davor, mit mir zusammen zu sein?“

Merry runzelte die Stirn.

„Beängstigen dich deine Gefühle? Mich nicht.“

Nach einem langen Seufzer antwortete Merry: „Es ist die Zukunft, die mir Sorgen bereitet, Pip.“

Er legte seinen Kopf in die Hände und schloss die Augen. „Ich glaube nicht, dass ich es ertragen könnte, von dir abzulassen, wenn für dich die Zeit gekommen ist, den Platz deines Vaters einzunehmen, an der Seite deiner zukünftigen Gattin. Und ich könnte es niemals ertragen, dich zu verletzen, wenn die Zeit auch über meinen Platz entscheiden wird.“

Merry biss sich auf die Unterlippe, und dann zischte er unerwartet: „Ich will nicht Herr von Bockland werden.“

Dieses Geständnis überraschte Pippin. Bis jetzt hatte Merry sich nie zu diesem Thema geäußert.

Der jüngere Hobbit lehnte sich über den Tisch hinweg nach vorne und legte sachte seinen linken Arm um Merrys Schulter. Als er sich sicher war, dass Merry es nicht ablehnen würde, stand er auf, ging drei Schritte auf ihn zu und umarmte ihn. Der Brandybock lehnte seine Wange an die Pippins und seufzte. Nach einigen Sekunden nahm Pippin Merrys Kopf in seine Hände und sah seinem Vetter in die Augen. Kummer und Hoffnungslosigkeit blickten ihm entgegen und er wollte sie verjagen. Als sein Blick auf Merrys Lippen fiel, formten diese die Worte: „Nein, Pippin“; aber Pippin stoppte nicht. Er küsste seinen Vetter mit verzweifelter Leidenschaft. Zuerst zuckte Merry zusammen, doch dann schloss er die Augen und lehnte sich nach vorne, um den Kuss zu erwidern. Er fasste nach Pippins Händen, welche noch immer auf seinen Wangen ruhten. Dann merkte Pippin, wie Merry seinen Kopf leicht nach rechts drehte und fühlte, wie er seinen Mund öffnete. Er folgte den Bewegungen Merrys, öffnete seinerseits den Mund und kurz darauf spürte er, wie seine Zunge von der weichen und warmen seines Vetters berührt wurde. Es war herrlich. Sie beide spielten zaghaft mit ihren Zungen, erkundeten den Mund des anderen. Pippin zog seine Zunge zurück, erlaubte Merry jedoch nicht, seinen Mund zu verlassen; er saugte sanft an seiner Zungenspitze und konnte ein leises Stöhnen vernehmen, das vom Brandybock ausging. Schließlich ließ er von ihm ab und schaute ihm in die Augen.

„Pippin“, Merry drehte seinen Kopf weg. „Wir können das nicht tun.“

„Was, wenn wir es bloß so lange tun, wie wir es wollen?“

„Und was, wenn wir nie wieder damit aufhören wollen und einer von uns den anderen eines Tages wegen einer Frau verlassen muss? Es könnte sogar unsere Freundschaft zerstören.“, entgegnete Merry.

Es war unüblich für den Tuk, aber er überlegte eine ganze Weile, ehe er antwortete. Dann sagte er endlich: „Was ist Freundschaft? Was ist Liebe? Definiere es für mich.“

Diese Fragen verdutzten Merry, denn er hatte niemals gedacht, dass Pippin so feinfühlig sein könnte.

Er konnte die Fragen nicht beantworten.

„Für mich“, der Tuk erhob wieder das Wort, “Besteht der einzige Unterschied zwischen Freundschaft und Liebe in Verlangen. Empfindest du Verlangen nach mir?“

„Ja, aber das war nicht der Punkt.“

Pippin strengte sich an, nicht den Faden seines so hart erarbeiteten Gedankens zu verlieren.

„Könntest du dein Verlangen unterdrücken? Ich könnte es nicht. Nicht jetzt, wo ich weiß, dass wir beide dasselbe füreinander empfinden. Und es ist auch nur ein kleiner Schritt, von Freundschaft zu Liebe, also, warum versuchen wir es nicht einfach?“

„Wenn es für dich nur ein kleiner Schritt ist, können wir auch genau so gut dort bleiben, wo wir uns derzeit befinden.“

„Du verstehst mich nicht- “

„Nein, du verstehst nicht! Wir können diesen Gefühlen nicht nachgeben, das wäre falsch.“ Merry pausierte, in der Suche nach einem besseren Argument, aber schließlich war das einzige, was er sagen konnte: „Es ist zu kompliziert.“

Pippin schluckte und konnte spüren, wie sich seine Augen mit Tränen füllten.

„Das ist es“, sagte er mit heiserer Stimme, „weil du es kompliziert machst.“

Der Brandybock erhob sich. „Ich wollte ehrlich zu dir sein“, sagte er. „Nun bereue ich es, dass ich dir meine Gefühle offenbart habe.“

Mit diesen Worten verließ er den Raum. Pippin stand dort, wo er war; Tränen rannten über seine Wangen hinab als er die Tür ins Schloss knallen hörte.

Die Linien verwischen

Es wurde kühl. Die Sonne war schon lange hinterm Horizont verschwunden und Merry konnte die Sterne über sich sehen. Er saß auf der Gartenbank und wischte einige Tränen weg, die seine Wange hinab liefen. All die Dinge, die er zu Pippin gesagt hat, erschienen ihm nun so dumm. Sie verletzten Pippin unnötigerweise. Und sie dienten einzig dem Zweck, den tiefen Herzenswunsch des Brandybock zu unterdrücken, seinem Vetter so nah zu sein wie kein anderer. In Wirklichkeit verhielt es sich sogar so, dass Merry nur deshalb versuchte Pippin davon zu überzeugen, dass ihre Gefühle falsch waren, weil er sich selbst einzureden versuchte, es wäre besser, diese Empfindungen zu unterdrücken. Zu sehr fürchtete er sich vor dem Augenblick, in dem er und Pippin sich wieder trennen müssten. Würde ihre Freundschaft das aushalten können? Was, wenn nicht?

Wieder rannen Tränen über sein Gesicht.

Er liebte Pippin, er brauchte ihn. Niemand sonst bedeutete ihm so viel wie sein Vetter; sie waren nicht bloß Freunde oder Verwandte. Sie waren Seelenverwandte; ohne Pippin würde Merry nicht der sein, der er war, es würde etwas fehlen; die andere Hälfte seiner Persönlichkeit. Und da war etwas mehr. Er brauchte Pippin nicht nur, er wollte ihn. Natürlich würde selbst die größte Freundschaft dieses andere Empfinden niemals brauchen, denn auch Frodo und Sam bedurften dieser nicht. Doch Merry war sich sicher, wäre Rosie nicht gewesen, hätte Sam Frodo geheiratet – auch ohne dieses Verlangen, dass Merry für Pippin empfand.

Pippin.

Merry betrachtete die Sichel, die den Sternenhimmel zierte.

Pippin.

Peregrin.

Peregrin Tuk, der zukünftige Thain.

Merry schluckte.

Pippin.

Warum nur musste er immerzu in die Zukunft blicken? Jetzt war Pippin weder der Thain noch irgendwer sonst. Er war, wer er war und Merry liebte ihn dafür. Abgesehen davon, wenn beide wirklich so wichtig füreinander waren, ganz gleich, was eines Tages passieren würde, ihre Freundschaft würde niemals zu Brüche gehen, oder? Aber wenn sie schon jetzt daran verzweifelten, ihre Gefühle zurückzuhalten, wie furchtbar müsste es denn dann sein, wenn… Merry schüttelte den Kopf. Er versuchte zwar seine Gefühle zu unterdrücken, doch Pippin tat es nicht, da jetzt noch gar kein Grund dafür bestand. Noch nicht.

Merry erhob sich, ein weiteres Mal wischte er sich die Tränen mit seinem Ärmel weg und dann ging er zurück ins Haus.
 

* * *
 

Um es im Stockdunkeln vorzufinden. Er versuchte, sich zum Schlafzimmer vorzutasten und nach einer langen Zeit fand er auch endlich die Kante seines Bettes. Merry zog lediglich seine Weste und seine Hosen aus, da er keine Kerze entzünden wollte, um sich umzuziehen. Pippin war sicherlich am Schlafen und er hatte nicht die Absicht, ihn zu wecken. Hoffentlich würde er morgen noch einmal mit Pippin reden können um eine Lösung für ihr Problem zu finden. Problem. Wie falsch dieses Wort doch klang; es gab keine Probleme, bloß… Komplikationen. Leise legte Merry sich ins Bett und zog sich die Decke über die Schultern. Er drehte den Kopf nach links, weg von Pippins Bett und zur kalten Wand hin. Es war ungewöhnlich leise, zu leise. Er konnte noch nicht einmal Atemgeräusche von Pippin vernehmen. Ob er überhaupt im Bett lag? Dann hörte Merry plötzlich einen unterdrückten Laut. Also hatte Pippin den Atem angehalten, als er Merry ins Zimmer kommen hörte, und konnte ihn nun nicht länger kontrollieren.

Er weinte.

Merry konnte hören, dass sein Vetter versuchte, es zu unterdrücken, da er nur sehr leise, abgehackte Geräusche von sich gab und seine Stimme zittrig war. Wie lange weinte er wohl nun schon? Merry presste die Lippen zusammen und spürte, wie Tränen seine Augen füllten. Nicht weinen; nicht weinen, sagte er zu sich selbst. Doch als Pippin nach Luft schnappte und sich schrecklich zu quälen schien, um still zu bleiben, konnte Merry nicht mehr an sich halten. Er konnte sich die Tränen nicht länger verkneifen und mit jedem Schluchzen Pippins begann er immer heftiger zu weinen, bis er schließlich hemmungslos heulte. Dann plötzlich warf Pippin seine Bettdecke von sich weg und eilte hinüber zu Merry, fiel geradezu in dessen Bett und griff nach seinem älteren Vetter. Der Brandybock griff seinerseits nach Pippin, vergrub seinen Kopf in dessen Hemd und für eine lange Zeit lagen die beiden Hobbits einfach nur da, sich gegenseitig fest im Arm haltend, und weinten bitter. Es dauerte einen weiteren langen Moment, ehe die beiden sich wieder beruhigten. Dann, zögerlich, sagte Merry: „Ich habe nachgedacht.“

Nach einem letzten Schluchzer fragte Pippin: „Hast du… deine Meinung geändert?“ Doch sein Vetter antwortete nicht sofort. Als ob er seine Entscheidung noch einmal überdenken müsste, schloss Merry die Augen für einige Sekunden und als er sie wieder öffnete, blickte er Pippin direkt in die Augen. Langsam senkte er den Kopf zu ihm herunter und spitzte die Lippen kaum erkennbar. Pippin tat es ihm gleich und wartete darauf, dass sein Vetter ihn küssen würde. Als sich ihre Lippen dann schließlich berührten, schlossen sie die Augen. Merrys Lippen bedeckten die Pippins perfekt, und wie sie sich küssten und festhielten, war ihnen, als würden sich nicht bloß ihre Körper berühren, sondern vielmehr auch ihre Herzen. Wie ein Kuss auf die Seele des anderen. Sie wollten dieses Gefühl nur zu ungern beenden, aber schließlich ließ Merry von Pippins Mund ab.

„Ich will keine Frau heiraten“, flüsterte er.

„Vielleicht muss du das auch gar nicht“, sagte Pippin. „Wenn wir unsere Plätze eines Tages eingenommen haben werden, können wir die Gesetze ändern und… nein, das ist bloß wieder einer meiner albernen Ideen, oder?“ Er versuchte ein Kichern. Merry lächelte und liebevoll sagte er dann: „Ja, das ist es.“

Pippin seufzte. „Wir könnten es heimlich tun.“

Merry runzelte die Stirn, da er ihn nicht sofort verstand.

„Heirate mich.“

Über diese Worte musste der ältere Hobbit lachen.

„Ich meine es ernst. Heirate mich.“

„Nein, Pip. Eine Heirat steht für Ewigkeit, aber unsere… Beziehung würde niemals so lange halten. Das kann sie nicht, du weißt das.“

„Aber ich würde gern daran glauben.“, sagte Pippin und schloss die Augen, seinen Kopf an Merrys Brust anschmiegend.

Merry seufzte und legte eine Hand auf seines Vetters Kopf, streichelte zärtlich seine goldbraunen Locken. Warum bloß musste alles so kompliziert sein? Weil du es kompliziert machst, hörte er Pippins Stimme erneut in seinem Kopf sagen.

Herr von Bockland. Was war das schon wert, wenn es bedeutete, dass er nicht mit seinem Pippin zusammen sein konnte?

Er schluckte.

„Pippin“, sagte er dann. Besagter hob den Kopf an und versuchte, zu seinem Vetter hoch zu blicken. Ein langer Augenblick verging ehe Merry endlich sagte: „Ich liebe dich.“ Er legte so viel Hingabe in diese Worte, dass Pippin leicht zusammenzuckte.

„Ich kann dir keine Ewigkeit geben“, fuhr der Brandybock fort. “Aber ich möchte, nein, ich will dir all meine Liebe schenken, zumindest so lange, wie es mir möglich ist. Ich fürchte mich vor der Zukunft mit all ihren Konsequenzen, aber ich liebe dich jetzt, in diesem Augenblick.“

Pippin begann zu zittern.

„Du hast recht, wie nur könnten wir unsere Gefühle unterdrücken? Darüber hinaus ist es wirklich nur ein kleiner Schritt, der unser Band vervollkommnen würde. Und ich will so weit gehen.“

Der Griff des Tuk wurde fester und er drückte sein Gesicht auf Merrys Brust. Merry legte seine Arme um seinen kleinen Vetter, drückte ihm einen verzweifelten Kuss auf den Kopf und sagte: „Vergib mir, dass ich dich zunächst zurückgewiesen habe.“ Er konnte seinen Freund zittern spüren und hörte, wie dieser wieder leise weinte. Der Brandybock lehnte seinen Kopf an den Pippins und versuchte, seine eigenen Tränen zurückzuhalten.

Wie konnte er Pippin jemals zurückweisen? Wenn die Zeit gekommen wäre, sich wieder zu trennen, würde es für beide auf jeden Fall grausam werden, aber wäre es nicht noch grausamer, die eigenen Gefühle zu verbergen und zu warten, bis die politische Heirat von einem der beiden einen endgültigen Schlussstrich unter alledem ziehen würde, ohne dass sie sich jemals geliebt hätten?

Merry bereute seine Entscheidung nicht. Er wollte diese Liebe leben, selbst wenn es nur für eine kurze Zeit und mit einem bitteren Ende wäre. Das hatte er nun endlich eingesehen.

„Wir müssen es geheim halten.“

Pippin nickte.

„Und du musst mir etwas versprechen.“

„Alles, Merry.“

„Ganz gleich, wie wir eines Tages auseinander gehen sollten, du darfst unsere gemeinsame Zeit niemals bereuen.“

„Das werde ich nicht, nie.“

Dann, mit einem langen Seufzer, entspannte sich sein kleiner Körper endlich wieder.

„Danke, Merry. Ich liebe dich.“

Merry lächelte, ohne zu bemerken, dass ihm wieder eine Träne über die Wange hinab lief.

„Und ich liebe dich.“

Diese Worte fühlten sich so wundervoll auf der Zunge an.

Dann nahm er die Bettdecke und zog sie sich und Pippin so weit rüber, dass nur noch ihre Köpfe zu sehen waren. Unter dieser Decke liebkoste Merry Pippins Rücken und nach einer Weile schliefen sie, Arm in Arm, ein.
 

* * *
 

„Seht zu, dass ihr aus meinen Feldern verschwindet, ihr Grünschnäbel!“

Wie immer hatten Merry und Pippin wieder einmal etwas aus Bauer Maggots Ernten stibitzt und rannten, voll bepackt mit Kohlköpfen und Rüben, hurtig durch seine Maisfelder. Als sie die Grenze von Maggots Land erreichten, verlangsamten sie ihren Schritt bis sie schließlich zwischen dem Maisfeld und einem Haferfeld entlang schlenderten. Plötzlich lachte Merry laut auf.

„Was ist?“, fragte Pippin.

Zunächst schüttelte Merry den Kopf, doch dann sagte er: „Nun, ich habe mich bloß an etwas erinnert.“

„Das da wäre?“

„Nicht wichtig.“

„Erzähl’s mir!“

„Ich“, begann Merry dann doch zu erzählen, „Letzte Nacht habe ich geträumt. Ich habe geträumt, wir wären wieder in Maggots Feldern, ganz genauso wie jetzt, und wir haben uns niedergelegt, versteckt zwischen Weizenähren, die warme Erde unter uns und es roch nach Kräutern und Blumen. Und…“

„Und?“

„Und wir haben… etwas bestimmtes getan.“

Als Pippin begriff, was Merry ihm zu sagen versuchte, errötete er aber lächelte auch zugleich mit leuchtenden Augen. „Das muss wundervoll gewesen sein.“

„Das war es!“, platzte es aus Merry heraus, und dann errötete auch er, als ihm klar wurde, was er da gerade gesagt hatte. Es gefiel Pippin, seinen älteren Vetter so verlegen zu sehen, denn das kam nun wirklich nicht oft vor.

Nach einigen Sekunden der Überlegung packte Pippin ihn am Arm und schob ihn ins Haferfeld hinein.

„Pip?“

„Pst!“

Als der Tuk sich sicher war, tief genug ins Feld vorgedrungen zu sein, drückte er Merry sanft auf die Knie und setzte sich vor ihm hin.

„Was tust du da eigentlich?“, fragte Merry mit einem Anflug von Vorahnung.

„Ich werde deinen Traum wahr werden lassen.“, sagte Pippin und legte die Kohlköpfe beiseite. Merry legte seinerseits seine Beute weg und setzte sich, eine Augenbraue in die Höhe ziehend. „Denkst du nicht, dass uns jemand, Bauer Maggot zum Beispiel, hier entdecken könnte?“, fragte er ironisch.

„Nicht, wenn wir leise bleiben.“

Der Brandybock wollte anmerken, dass es keineswegs einfach sein würde, leise zu bleiben, wenn sie das täten, was sie gerade vorhatten zu tun, die Vorstellung davon erlaubte ihm jedoch nicht, dies laut auszusprechen.

Dann fiel ihm auf, dass er eine bisher ungekannte Leidenschaft in Pippins Augen sehen konnte und er fragte sich, ob sein Vetter dasselbe Verlangen sehen konnte, dass nun auch in ihm entflammte. Erst jetzt wurde Merry richtig bewusst, wie sehr er sich dies hier gewünscht hatte, wie sehr er sich nach Pippins Nähe sehnte. Zärtlich nahm er Pippins Kopf in die Hände und beugte sich zu ihm vor, sodass ihre Stirnen sich berührten. Pippin schlang die Arme um Merrys Taille und drückte seine Lippen auf den Mund des Brandybock. Besagter machte die Augen zu und beide konnten sie spüren, wie ihr Herzschlag sich beschleunigte. Als Pippin dann auch noch Merrys Hintern packte, um seine Hüfte gegen die eigene zu pressen, konnte Merry ein überraschtes Aufstöhnen hören. Es war sein eigenes, und er wusste, was nun folgen würde.

Wäre jemand an dem Feld vorbeigekommen, hätte derjenige zwei zarte Hobbitstimmchen wohlig stöhnen und seufzen gehört. Aber der Pfad, welcher durch den Flickenteppich aus Mais und Hafer führte, blieb leer, und so blieben die Liebenden ungestört.
 

* * *
 

„Merry?“

„Hm?“

„Ich liebe dich.“

„Ich liebe dich auch.“

Merry und Pippin saßen am Rande des Weges und ließen ihre Füße den kleinen Abhang herunter baumeln. Es war bereits Nachmittag und die Schatten der Bäume wurden langsam länger. Der Duft von Blumen hing in der Luft, aber Pippin schenkte seiner Umgebung keine sonderliche Beachtung. Er hatte den Kopf auf Merrys linke Schulter gelegt und konnte seine Locken auf der Stirn spüren. Merrys Körper war noch immer erhitzt und Pippin konnte dessen Geruch in kleinen Intervallen wahrnehmen. Es roch schwer und obwohl der jüngere Hobbit niemals gedacht hätte, dass Schweiß gut oder zumindest nicht unangenehm riechen könnte, gefiel ihm Merrys Geruch sehr. Darüber hinaus erinnerte er den Tuk an das Vergnügen, das er und sein Vetter erst vor einigen Minuten mit einander geteilt hatten. Pippin legte seinen linken Arm um Merrys Bauch. Er wusste, dass er ihn nicht für immer so halten konnte; oft genug hatten er und Merry über die Zukunft gesprochen. Aber für diesen Moment gehörte Merry ihm, er war Sein. Ich bin der glücklichste Hobbit im ganzen Auenland, dachte Pippin. Dann konnte er spüren, wie sich Merrys Schultermuskulatur anspannte und der Brandybock sich zu ihm umdrehte um ihn lange und leidenschaftlich zu küssen.

Kurz darauf hörte Merry das Getrappel von Hufen und das Knarren einer kleinen Karre.

„Pippin“, nuschelte er in dessen Mund hinein. „Da kommt jemand.“

Aber anstatt sein und Pippins Unterfangen zu beenden, küsste er seinen Vetter immer und immer wieder, obwohl er zugleich versuchte, den Kopf zurückzuziehen. Schließlich ließ Pippin von Merry ab und holte seine Pfeife hervor, die er stets in seiner grünen Jacke mit sich trug, und zündete diese an. Merry drehte sich in die Richtung, aus welcher der kleine Einspänner langsam näher gerollt kam.

„Hallöchen!“, sagte er zu dem darauf sitzenden Hobbit.

Besagter nickte Merry und Pippin zum Gruße und fuhr gelassen weiter. Peregrin rauchte ein paar Züge, und fragte: „Meinst du, er hat etwas gesehen?“

„Bobby? Nein, seine Augen werden alt. Ich bin mir sicher, der kann zwei Meter in die Ferne blicken, aber nicht weiter.“ Als die Karre wieder weiter entfernt war, nahm Merry Pippins Pfeife an sich und drückte ihm mit einem lauten „Mmh“ die Lippen auf den Mund. Dann grinste er ihn schelmisch an und paffte seinerseits an der Pfeife. Peregrin hüpfte den kleinen Abhang hinunter auf die Straße und hob einen kleinen Stock auf. Merry sprang ebenfalls hinunter zu ihm und betrachtete seine Liebe dabei, wie diese zwei Buchstaben in den Sand malte. Nach wenigen Sekunden konnte er direkt vor seinen Füßen folgendes lesen: „M & P“.

„Du hast etwas vergessen.“, sagte er, nahm den Stock von Pippin und zog, zu Pippins Freude, ein Herz um die Buchstaben. Nachdenklich besah Merry sich ihres kleinen Kunstwerks während er an der Pfeife herumknabberte und schließlich fragte er seinen Vetter: „Willst du mich noch immer heiraten?“

Kapitel 6: Unter den Bäumen

Es war ein herrlich sonniger Nachmittag, als Merry und Pippin sich von ihren Ponys an dem großen Weg entlang Richtung Waldhof tragen ließen. Hinter dieser Ortschaft, oder vielmehr darum herum, stand ein kleines Wäldchen, welches die beiden Hobbits sich zum Reiseziel gemacht hatten.

Die beiden waren sehr gut gekleidet und trugen, nicht, weil ihnen Gefahr drohte, sondern vielmehr aus Freude an der Situation, sogar schmuckvolle Kurzschwerter bei sich.

Als die beiden angekommen waren, stiegen sie aus ihren Sätteln und ließen die Ponys frei laufen. Sie würden schon nicht davonrennen – und selbst wenn, sie kannten ihr Zuhause.

Merry nahm Pippin an die Hand und gemeinsam gingen sie den seichten Hang hinab in den Wald.

Der Geruch von Moos und Pilzen hing in der Luft und Pippin atmete tief ein, um ihn zu genießen.

„Bist du aufgeregt?“, fragte Merry.

„Nein“, antwortete Pippin. „Obwohl… doch, etwas.“

„Aber du freust dich?“

„Natürlich!“

Zufrieden lächelnd führte Merry seinen Liebsten weiter. Vor einer riesigen Eiche blieben sie stehen und setzten sich auf die Knie. Von außen betrachtet hatte es etwas den Anschein, als hätte sie Ehrfurcht vor dem uralten Baume auf die Knie fallen lassen.

Merry ließ von Pippins Hand ab und räusperte sich etwas verlegen.

„Nun“, meinte Pippin.

„Nun“, wiederholte Merry. „Nun geht’s los.“

Aufgeregt rieb er sich die Hände und lächelte breit. Dann räusperte er sich erneut.

„Also“, verkündete er feierlich. „Wir haben uns heute hier versammelt- “

Pippin stieß ihn in die Seite. „Wie abgedroschen!“

„Ich mag’s!“ Unbeirrt fuhr Merry fort: „Wir haben uns heute hier versammelt, weil zwei junge Hobbits sich heute den ewigen Bund schwören wollen.“

Erwartungsvoll sah Pippin seinen älteren Vetter an. Dieser schwieg einen Augenblick.

„Ich hab den Mittelteil vergessen.“

Pippin kicherte und machte einfach mit dem Wesentlichen weiter.

„Möchtet Ihr, Herr Meriadoc Brandybock, den Herrn Peregrin Tuk zu eurer… ähm, zu eurem Manne nehmen, ihn lieben und zur Seite stehen in allen Momenten des Glücks und der Trauer?“

„Ja!“, presste Merry lachend hervor, warf den Kopf kurz in den Nacken und holte Luft. „Ja“, sagte er mit etwas mehr Ernsthaftigkeit. „Ja, ich will. Und wollt Ihr, Peregrin Tuk, den Herrn Meriadoc Brandybock zu eurem Gemahl nehmen, ihn lieben und zur Seite stehen in Momenten des Glücks wie auch in Momenten der Trauer?“

„Ja“, antwortete der kleine Tuk, etwas gebannt von der Situation. „Ich will.“

Merry lächelte glücklich und seine Augen funkelten. „Dann“, sagte dieser mittlerweile sehr viel ruhiger und ohne den theatralisch-feierlichen Ton, „ dürft Ihr Euch nun küssen.“

Pippin legte seine Hände auf Merrys Wangen, hielt also seinen Kopf während der Brandybock seine Arme um die Hüften des Kleineren legte. Der Kuss war länger anhaltend, aber ein simpler, etwas schüchterner Lippenkuss. Sie legten all ihre Zuneigung zueinander hinein und als sie sich wieder voneinander lösten, sagte Merry: „Wir werden aber nichts bereuen, oder?“

„Das kommt ein bisschen spät, mein Guter!“ platzte es aus Pippin heraus. Dann fügte er hinzu: „Nein, werden wir nicht.“

Und wie zur Bestätigung schmiegte er sich an Merry, umarmte ihn fest und schloss die Augen.
 

Ganz gleich, wie diese Geschichte ausgehen würde oder wie lange dieses Glück anhalten würde, niemals würden die beiden bereuen, in vollen Zügen ihre Gefühle für einander zu leben und zu genießen.

Keinen einzigen Augenblick.



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Kommentare zu dieser Fanfic (5)

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Von:  Zocker_Syrus
2011-08-14T02:58:20+00:00 14.08.2011 04:58
Auman..wie beiden geweint haben...und Merry doch entschieden hat, seine Gefühle nicht zu unterdrücken! ;_; Voll schön! T-T

Ahh, wie geil, Träume können doch war werden! *-*
Einfach nur geil, das die Beiden es in feld treiben! XD

Auman...ich hoffe für Merry und Pippin wird nachher doch alles gut...es muss einfach gut gehen!! Die können doch nicht ohne einander! ;.;

Ich bin echt gespannt, wie es weiter geht!*.*



Von:  Zocker_Syrus
2011-08-14T02:36:23+00:00 14.08.2011 04:36
Mhh, achja die Liebe....sie ist so schön und doch kann sie vieles kaputt machen.
Die beiden tuen mir so leid....ich hoffe die können es irgendwie noch regeln.

Hast alles sehr schön beschrieben! <3
Von:  Zocker_Syrus
2011-08-14T02:16:31+00:00 14.08.2011 04:16
Süß wie Merry versucht Pippin auf zumuntern! <3
Das mit den Äpfel find ich total süß gemacht! <3
Aber das beste war das mit dem schwimmen! XD
Wenn ich so dran denke...beide sind nackt, legen auf einander und küssen sich....GEIL! XD
Von:  Zocker_Syrus
2011-08-14T02:01:18+00:00 14.08.2011 04:01
Hihi, das kleine Spiel gefällt mir! <3
Ich find das schön, das du Merrys Narbe und so, mit eingefüht hast!^^
Uhhh...das Mocki tot ist, ist echt traurig, wäre noch bestimmt lustig mit ihm geweorden! XD

Ruhe in Frieden, Mocki.
Von:  Zocker_Syrus
2011-08-14T01:38:06+00:00 14.08.2011 03:38
Hahah, das war wirklich ein schlechter Tag für Merry, aber ich find das total geil, wie du ihn eifersüchtig darstellst! XD

Ist auch süß, wie Pippin total auf Mocki abfährt! X3

*schnell weiter lesen*




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