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Kaizoku no Baroque

II. Der salzige Wind der See
von

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Die Ruhe nach dem Sturm

Das Schiff wog sich sanft in den Wellen des ruhigen Tages. In der Ferne standen weiße, große Wolken am Himmel und in der salzigen Luft lag ein Hauch von Harmonie. Es war so ein wunderschöner Tag.

Seine rauen Hände spürten das glatt geschliffene und lackierte Holz des Steuerrades unter sich, streichelten es zärtlich, als trüge es eine längst verblasste Erinnerung in sich. Die blauen Augen fuhren behutsam das vollkommen leere Deck entlang, nahmen jede Kurve, jeden Kratzer, jede Unebenheit in sich auf. Er konnte den Wind in seinen Haaren spüren und genoss das Flüstern in seinen Ohren, das Rauschen der See. Es war so beruhigend, so friedlich, so perfekt. Und er stand inmitten dieser Vollkommenheit, suhlte sich in der Schönheit dieser Freiheit. Kostete sie mit jedem Atemzug aus. Denn er wusste, dass das eine Illusion war. Dass es unterhalb des Decks ganz anders aussah. Dass dort nichts mehr von der Leidenschaft war, die ihn hier her gebracht hatte. Dass die Schönheit dieses Momentes niemanden außer ihn noch erreichen konnte.

Es war fast eine Woche, nicht wahr? Nein, es waren zwei. Zwei Wochen, seit sie Suimin verlassen hatte. Miki war sich nie ganz sicher, wie viel Zeit eigentlich verging. Zeit war viel zu komplex. Darüber wollte er nie sonderlich lange nachdenken. Zumindest kam es ihm wie ein Katzensprung vor, seit sie die letzte Station ihrer Reise verlassen hatten. Dieser furchtbarste aller Inseln auf denen sie gewesen waren. Erst seit einer Weile, vielleicht ein paar Stunden hatte Miki wirklich die gesamte Tragweite des Geschehenen verarbeitet und verstanden. Robin hatte sie betrogen, belogen und verraten.

Das saß tief. Das saß wirklich sehr tief. Miki Lewis war in seinem Leben nicht oft betrogen worden. Zumindest konnte er sich nicht daran erinnern. Belogen ja, das schon eher. Er kannte dieses Konzept sogar ziemlich gut, aber zu verstehen, was Robin dazu getrieben hatte, war schwerer. Ihm war klar, dass es um Pluton ging. Was er nicht so richtig begriff, war die Tatsache, dass sie ihn damals eingestellt hatte. Als Miss Allsunday hatte sie ihn angeworben, für Baroque Works. Sie hatte so viele Fäden in der Hand gehalten und dann wollte sie das alles eigentlich gar nicht? Auch hatte er Pluton nie so ganz verstanden. Warum es so gefährlich war. Was genau es alles damit auf sich hatte. Was überhaupt damals geschehen war. Niemand erklärte es. Niemand schien sich dafür zu interessieren. Nie hatte Robin erwähnt wie tödlich das sein konnte, sein würde. Und jetzt, jetzt wusste er nicht, ob dem wirklich so war oder ob sie wieder gelogen hatte. Genauso wie sie sie die ganze Reise über belogen hatte.

Nun, es war wohl auch unerheblich, denn Pluton gab es nicht mehr. Nicht, dass Miki das sonderlich störte. Er hatte nur nach einem Ort gesucht, an dem er bleiben konnte. Ein Ort, wo er nützlich war und seine Fähigkeiten etwas schaffen, etwas voranbringen, wichtig sein konnten. Das hatte er hier gefunden. Aber was war mit den anderen? Über Robin wollte, konnte er nicht mehr nachdenken. Er hatte sie immer sehr gemocht. Er kannte sie von allen am längsten und sie war wie eine kleine Schwester für ihn. Gewesen. Denn jetzt war er sich nicht mehr so sicher, wie er über sie dachte. Leere war mit ihrem Namen verbunden, und auch Trauer und Enttäuschung. Dennoch, er respektierte seinen Boss und akzeptierte seine Entscheidung sie als Teil der Crew zu behalten.

Aber es änderte nichts an der Situation, in der sie nun alle steckten. Die Stimmung an Bord war kalt und unfreundlich, distanziert und beengend. Nichts war mehr so, wie zuvor. Die Bindung, die sie zusammengehalten hatte, war zerbrochen. Die Gesichter reichten aus. Die Bewegungen seiner Freunde, die Stille und das Misstrauen an jedem einzelnen bisher vergangenen Tag waren Zeugnis genug. Etwas war zerbrochen, etwas wichtiges. Und er wusste nicht, ob es jemals wieder herstellbar war.

Wie sollte er sich verhalten? Das fragte er sich seitdem jede Minute. Wie sollte er mit dieser Situation umgehen? Ihm blieb nichts anderes übrig, als einfach so zu agieren, wie er es immer getan hatte. Schweigend. Schweigen und Abwarten, ja das konnte er gut. Lachen dagegen konnte er nicht mehr. Nichts von dem, was Bon versuchte, um sie fröhlicher zu stimmen, wirkte mehr auf ihn. Dabei wollte er lachen, dabei wollte er fröhlich sein. Aber es ging nicht. Es klappte einfach nicht. Die Mauer zwischen ihnen war einfach zu mächtig geworden.
 

Nur wenige Meter unter ihm lärmte es in der Kombüse. Bon Clay höchstpersönlich hatte die Bühne betreten und überhäufte sein Publikum nun mit dem Besten, was seine Kunst zu bieten hatte. Er hatte bereits alles versucht, war beinahe an das Ende seiner Kreativität gekommen, aber er gab nicht auf. Niemals! Er würde noch versuchen, den Menschen um sich herum ein Lächeln auf die Lippen zu zaubern, wenn er starb. Es kam gar nicht in die Tüte, dass er sich von so einer schrecklichen Stimmung, wie sie auf dem Schiff herrschte, unterkriegen ließ.

Doch obwohl er sich äußerlich ganz cool und locker gab, brodelte es in seinem Inneren. Seine Rezeptoren wollten streiken, sich übergeben bei dieser Atmosphäre. Diese fette Schicht aus Unwollen und Missmut erstickte ihn fast. Egal was er tat oder sagte, niemand schien ihn zu beachten. Er verstand das Ganze überhaupt nicht. Warum regten sich alle nicht einfach wieder ab? Was geschehen war, war eben geschehen. Man konnte es nicht mehr rückgängig machen. Wieso sahen sie denn nicht, dass Robin es ernst meinte? Dass es ihr wirklich leid tat. Dass sie nichts Böses wollte. Weil sie Crocodile liebte. Nur deswegen war sie doch überhaupt noch hier. Das alles war nur aus Liebe geschehen.

Er hatte wirklich das Gefühl, die Crew brach auseinander. Gal hatte er seit Tagen nicht gesehen, Iroko hatte ganz klar gesagt, dass sie die Crew verlassen würde und zwischen Crocodile und Robin schien es ebenfalls nicht sonderlich gut zu laufen. Und dann Paula... nein an Paula wollte er erst gar nicht denken. Was hatten sie alle nur? Dann wurde aus Pluton eben nichts. Ihr Utopia lag doch trotzdem direkt vor ihnen! Sie waren frei, sie brauchten doch nur die Augen aufzumachen! Das Ganze hieß doch noch lange nicht, dass sie nicht zusammen glücklich sein konnten. Wenn diese Sturköpfe es nur zulassen würden. Nein, Bon Clay gab nicht auf. Er wollte nicht aufgeben daran zu glauben. Er würde noch Reden halten, wenn man ihm die Zunge herausschnitt. Er konnte gar nicht anders.

Robin allerdings machte ihm noch am meisten Sorgen. Sie sah gar nicht gut aus. Ihr Körper hatte noch immer mit den Folgen der Herzattacke zu kämpfen, aber er glaubte nicht, dass es daran lag, dass sie so zerbrechlich und schwach wirkte. Es ärgerte ihn, dass sie nicht einfach Mal Klartext redete. Einfach allen die ganze Wahrheit sagte. Und nicht immer nur alles in sich hinein fraß. Die ganze Geschichte erklärte. Ihre Beweggründe, all das was sie über Pluton wusste und wie sie wirklich empfand. Dieser Teil fehlte und dadurch wurde das Gesamtbild nebelig.

Bon wollte die Hoffnung nicht aufgeben. Er klammerte sich an den Lichtschimmer, den er in der Ferne sah. Er glaubte an dieser Crew, an dieses Team. Denn Baroque Works war ein gutes Team. Doch er wusste eins mit vollkommenster Sicherheit: sie alle mussten zusammen bleiben. Oder alles würde in die Brüche gehen.
 


 

Paula saß starr am Tisch in der Kombüse, hatte das Gesicht in ihre Hand gelegt und stierte zur anderen Wand, wo der Kalender hing, in dem sie die organisatorischen Sachen auf dem Schiff eintrug. Zwei Wochen waren es nun fast schon. Neben ihr saß Bon, der schon seit Minuten irgendwelche Lieder zwitscherte und sie immer wieder zu animieren versuchte. Es ging ihr gelinde gesagt am Arsch vorbei. Doch selbst ihre eisige Schulter und ihr Schweigen hielten ihn einfach nicht davon ab zu reden. Sie hatte nicht übel Lust ihm wirklich eine reinzuschlagen. Was sie davon abhielt, wusste sie nicht. Vielleicht war sie doch ein bisschen froh darüber, dass er der einzige Lichtblick in diesem Klima hier war. Oder nein, vielleicht eher doch nicht. Es kotzte sie eher an, dass dieser Affe Robin wirklich so einfach verzeihen konnte. Dass er die ganze Sache so locker nahm. Als wäre das nichts Besonderes. Als wäre das so einfach zu verzeihen. Schwachsinn. Er hatte sicher einfach nur Angst zu viel nachdenken zu müssen, wenn er endlich Mal die Klappe hielt. Dämliche Transe...

Ja, Paula war wirklich an einem Tiefpunkt angekommen. Sie hielt das einfach nicht aus. Und sie wollte es auch gar nicht. Inzwischen fragte sie sich mehr und mehr warum sie sich so entschieden hatte. Warum sie gesagt hatte sie bleibe hier, sie würde die Entscheidung ihres Bosses akzeptieren. Denn sie tat es nicht. Sie wollte Robin nicht bei sich haben. Wollte nicht wegen ihr verfolgt werden. Wollte nicht ihr Leben für sie riskieren. Das hatte sie nicht verdient.

Die Köchin hatte die letzten Tage damit verbracht darüber nachzudenken was sie tun würde. Ob sie wirklich hier auf diesem Schiff bleiben wollen würde. Alles war anders, nichts mehr wie zuvor. Alles zerbrochen. Das, was sie die letzten Wochen so glücklich gemacht hatte, war verschwunden. Unwiderruflich. Wie sollte es auch wieder zurückkommen? Robin hatte eine tiefe, blutige Schneise in dieses Glück gerissen, die immer noch brodelte, glühte, glimmte. Anderthalb Wochen waren es schon? Paula kam es vor als wäre es gestern gewesen. Da waren noch all ihre Gefühle. All der Hass und die Enttäuschung, die Wut und die Reue. Reue ihr vertraut zu haben.

Was hielt sie hier noch? Was brachte es noch hier zu bleiben, wenn alle schwiegen? Wenn Bon niemanden mehr zum Lachen brachte. Wenn Iroko diesen schrecklichen mordlüsternen Blick in ihren Augen hatte. Wenn Gal niemanden mehr ins Gesicht sah und wie ein Häufchen Elend in der Ecke kauerte, sein Essen nicht einmal mehr zusammen mit den anderen in der Kombüse einnahm. Wo blieb die Würze, wenn ihr Boss nicht mehr scherzte, nicht mehr lächelte, nicht mehr redete. Sie hatte ihn die letzten Wochen kaum zwei Sätze sagen hören. Natürlich, ihn traf es wohl am härtesten. Aber was war mit ihr? Sie war auch verletzt, sie war auch böse und verzweifelt. Und es ging ihr alle so auf die Nerven.

Wollte sie das wirklich? Wollte sie auf diesem Schiff bleiben, wenn alles was sie hier gehalten hatte, plötzlich in sich zusammengefallen war? Wütend verengte sich ihr Blick, als Bon noch lauter kreischte und sie mit der Schulter berührte, etwas anstieß. Sie knurrte ganz leise und starrte noch mehr auf die Zahlen des Kalenders. Noch hatte sie sich nicht entschieden was sie tun würde. Sie hatte beschlossen zu warten. Noch ein bisschen. Um zu sehen, was geschah. Wie sich das Ganze noch weiter entwickelte. Davon würde sie es abhängig machen.
 

Jazz konnte das Glucksen des Schiffsclowns selbst noch bis hinauf in das Krähennest hören. Er hatte es sich hier bequem gemacht, schob Wache. Das war eine angenehme Aufgabe. Man hatte, abgesehen von dieser Situation, seine Ruhe, konnte einfach nur dem Wind lauschen und den Wellen, auf das Meer hinaus schauen und an nichts denken. Jazz Boner war ganz sicher kein Typ, der viel nachdachte. Das bereitete ihm nur Kopfschmerzen. Er war ein Mann, der Taten statt Worte sprechen ließ, der zuschlug statt zu verhandeln, der keine großen Pläne schmiedete, sondern nur Befehle befolgte. Deswegen war er derjenige, den die gesamte Sache vollkommen kalt ließ. Nun ja, weitestgehend zumindest. Zu anfangs hatte noch ein wenig Zorn in ihm gebrodelt, wenn er an Robin oder Pluton dachte. Aber nun war es wieder vollkommen still in ihm. Wie immer. Keine Emotion, nur Ruhe, Stille, keine Stimmen, keine Gedanken. Nur das Warten auf neue Impulse, die ihn zum Handeln treiben würde.

Sein Boss hatte beschlossen, dass es so weitergehen würde. Und Crocodile war wirklich ein guter Boss. Jazz respektierte ihn mit allem, was er hatte. Er war es wert, dass Jazz Boner ihm diente. Deswegen akzeptierte er diese Entscheidung. Er wusste, dass Paula anders dachte. Dass sie mit sich haderte, dass sie überlegte doch noch auszusteigen. Es war ihm Recht. Auch wenn es schade war, er würde Crocodile hinter sich lassen, wenn Paula es wünschte. Sie war die einzige, nach der er sich wirklich richtete. Sie war sein Weg. Sein Ziel und sein Startpunkt. Alles andere war unwichtig. Er blickte nie nach rechts oder links, wägte ab welcher der Wege für ihn am schönsten, am bequemsten, am angenehmsten war. Er nahm immer den direkten. Immer gerade aus. Ohne Rücksicht auf Verluste.

Für einen Moment schloss er die Augen und atmete tief ein. Er war nicht "gespannt" was die Zukunft brachte. War auch nicht daran interessiert, was kommen würde. Er nahm einfach, was kam. Und wenn Paula sagen würde, dass sie gehen möchte, dann wäre es so und er würde von einer Sekunde auf die andere handeln können.
 

Unter ihm, auf Deck, schellte auf einmal die Tür ins Schloss und jemand stapfte die Stufen nach oben, nur um eine Reihe gemurmelter Schimpftiraden loszulassen. Uma war noch immer wütend. So richtig wütend. Man brauchte sie nur schief anzusehen und schon bekam man einen ganzen Schwall zu hören, von Dingen, die man sich in bestimmte Körperregionen schieben konnte. Und es war ihr dabei egal, wer sie nervte. Da konnte sogar ihr Boss ankommen, selbst vor ihm machte sie nicht Halt. Aber der bekam die Klappe ja sowieso nicht mehr auf. Nur schweigsame Leute. Ja, bis auf Bon. Oh und der ging ihr ganz besonders auf den Geist. Sie hasste diese Situation. Klar, man konnte das nicht so einfach verarbeiten, aber waren sie nicht alle erwachsen? Konnten sie das nicht besprechen? Oh nein. Ganz offensichtlich nicht. Während Bon so tat, als wäre alles okay, schaute Paula, als würde sie demnächst das Tor zu Hölle öffnen und Iroko, als wäre sie schon drin.

Sie wollte es endlich alles raus lassen, endlich klar Schiff machen. Utopia war Vergangenheit. Na schön. Dann brauchte sie eben ein neues Ziel. Miki hatte auf Suimin Recht gehabt, sie waren Piraten und was war mehr Freiheit als der sein zu können, der man war? Aber so wie es jetzt lief, bewegte sich gar nichts. Die Crew fiel in sich zusammen, brach entzwei. Und Uma sah sich nicht imstande irgendetwas dagegen zu tun. Sie wollte ja handeln, aber was zu tun war, überstieg ihren Horizont. Ihr war bewusst, dass das auf Dauer niemals klappen konnte. Etwas wuchs heran, in jedem einzelnen in ihnen und es wartete nur darauf auszubrechen. Und dann war die Kacke wieder am dampfen. Gott, wie sie das hasste!

Für sie stand eines fest: sie würde nicht mehr allzu lange warten. Sie konnte sich dieses langsame Dahinsiechen nicht länger ansehen. Dann brach sie aus, dann explodierte sie wie ein Vulkan und schoss ihre glühendheiße Asche unbarmherzig auf jeden, der sich in ihrer Nähe befand. Vielleicht ging sie lieber, ehe das geschah. Sie konnte sich nicht noch einmal ansehen, wie alles vor ihren Augen zerbrach. Das ertrug sie niemals mehr.

Ihr war bewusst, dass Miki bleiben wollte, aber vielleicht konnte sie ihn ja überreden. Nur das zählte für sie noch. Die anderen wurden ihr egal. Sie hatte die Hoffnung fast aufgegeben.
 

Iroko, die in ihrer Kajüte saß und schweigend ins Nichts sah, hörte Umas Wutausbrüche nur dumpf. Sowieso nahm sie alles auf dem Schiff nur wie durch einen Schleier wahr. Es war ihr eigener Wille, sie wollte das nicht direkt miterleben, nicht darüber nachdenken, nicht wissen wie es den anderen ging. Das war nichts mehr, was sie interessieren sollte. Die Crew war nur noch das Mittel zu ihrer Rache. Nur deswegen war sie noch hier. Damit sie sie nach Toshi-o-Toru bringen konnten. Das waren nicht mehr ihre Freunde. Das waren nur noch irgendwelche Fremden, die sich anschwiegen und ignorierten. Also spielte sie das Spiel mit.

Sie war kein Teil mehr dieser Crew und es scherte sie nicht, was geschah. Wer mit wem nicht mehr sprach und was die anderen vorhatten und was in ihren Köpfen vor sich ging. Jeder kümmerte sich ab jetzt um sich selbst und damit kam sie klar, das hatte sie über Jahre hinweg tun müssen. Nur Bon und Miki kamen manchmal zu ihr, um mit ihr zu reden, doch sie machte beiden immer wieder mehr als nur deutlich, dass sie nichts mehr mit ihnen zu tun haben wollte.

Nur ungern gab sie es zu, aber die Stimmung auf dem Schiff machte sie krank. Es zog an ihr und stach in ihrer Brust, egal wie sehr sie es zu verdrängen suchte. Sie wollte nur noch von hier weg, sie zählte die Stunden, die Minuten, die es noch bis zu dieser Insel dauerte. Nicht mehr allzu lange. Dann war all das vorbei. Sie musste es endlich zu Ende bringen. Hätte es schon vor Jahren tun sollen. In die eine oder die andere Richtung. Der Ausgang war ihr nicht einmal besonders wichtig. Nicht mehr. Nicht wirklich. Hauptsache, es war bald vorbei.

Das einzige, was sie wirklich ablenken konnte, waren Gedanken an Robin. Dann brodelte etwas in ihr hervor, dass sie nur schwer unterdrücken konnte. Wut, Trauer, Verzweiflung, Enttäuschung und Scham, dass sie so weich geworden war. Die Sache mit Robin konnte sie nicht einfach so herunter schlucken. Eigentlich hatte sie fast Mitleid mit ihr, denn sie machte sich nichts vor. Auch Iroko war egoistisch, sie alle waren es. Sie alle hatten Fehler gemacht. Und Iroko hatte den Fehler begangen sich hier wohl zu fühlen. Sich einzubilden, dass sie hier hätte glücklich werden können. Bullshit. Sie hatten sie nur ausgenutzt, genauso wie sie sie ausgenutzt hatte. Sie war nur ein kleines Mädchen, ein unbedeutendes Glied in der Kette einer Mafia gewesen. Sie als Person hatte nicht gezählt. Das hatte sie sich alles nur eingebildet.

Sie würde nicht noch einmal den gleichen Fehler begehen. Sie würde ihr Herz nicht öffnen, niemals mehr. Für sie war Baroque Works gestorben.
 

Auch an diesen Tag war Gal im Bauch des Schiffes. Es zog ihn oft hier her, seit sie Suimin verlassen hatten. Da er sich sein Zimmer mit Bon teilen musste, und er die Person war, der er am wenigsten begegnen wollte, hatte er beschlossen hier unten, bei den Kanonen und bei dem Proviant, dem Gold und den Kisten zu bleiben. Hier verbrachte er die Stunden damit aufzuräumen. Das Metall der Kanonen, der Kugeln und der Halterungen glänzte, als wären sie vollkommen neu. Der Boden war staubfrei, alle Kisten gesäubert, selbst die Geländer und die Decke, die Kerzen- und Lampenhalterungen und die Luken. Im Gegensatz zu den anderen, verging für Gal Dino die Zeit nämlich nicht wie im Flug. Sie zog sich eher dahin, zog sich immer weiter, klebte widerlich an seinen Gedanken, als wäre sie Kaugummi. Es hörte einfach nicht auf.

Gal hatte in den letzten Tagen so viel nachgedacht wie schon lange nicht mehr. Und doch kam er nicht voran, als würde er in Treibsand feststecken. Nicht mutig genug sich zu bewegen, um sich entweder zu retten oder endgültig unterzugehen. Dabei hatte er seine Entscheidung schon längst gefällt. Doch es war schwer sich dazu durchzuringen. Schwer den letzten Schritt zu tun. Den Schritt auf seinen Boss zu. Den Mut aufzubringen ihm in die Augen zu sehen und ihm zu sagen, was er wollte. Allein bei dem Gedanken zitterten ihm die Knie. Was würde geschehen?

Zwar hatte er gesagt, dass er es niemanden übel nehmen würde, wenn jemand ging, aber so sicher war sich Gal da nicht. Was würde seinen Boss davon abhalten ihn nicht auf der Stelle umzubringen? Gar nichts, das war die Antwort. Doch Gal hatte sich entschieden. Er wollte das alles nicht, er konnte hier nicht bleiben. Es war ihm zu gefährlich. Robin war ihm zu gefährlich. Er wollte sein Leben nicht für sie hinschmeißen. Weder für sie, noch für irgendwen aus der Crew.

Ja, er hatte einige von ihnen ins Herz geschlossen. Ein wenig. Ihm hatte die Zeit Spaß gemacht. Es waren zwei wunderschöne Monate gewesen. Aber das war jetzt vorbei und nichts hielt ihn mehr hier. Diese Leute waren nichts mehr als Bekannte für ihn. Menschen, mit denen er einen Lebensabschnitt geteilt hatte. Er brauchte sie nicht. Sie waren nicht seine Freunde oder etwas ähnliches. Nur ein wenig zwickte es ihm in der Brust, wenn er so dachte. Zu wenig, um seine Meinung zu ändern. Er hatte sich entschieden. Er würde gehen. Sobald sich die Gelegenheit ergab. Das alles hier war nichts mehr, was ihn weiterbringen würde. Er musste das beenden, ehe es gefährlich wurde

Apathisch starrte Gal durch eine der Kanonenluken auf das Meer und ließ sich in den Armen der Wellen wiegen. Und wenn er weg laufen musste. Er würde rennen. Um sein Leben, wenn es nötig war. Nichts hielt ihn mehr hier. Nichts sollte ihn auch noch halten.
 

Und Robin...

Robin saß schweigend auf ihrem Bett, gedankenverloren. Sie war allein und schaute aus dem Bullauge, direkt auf das Wasser, das sanft gegen das Holz schlug. Sie versuchte an nichts zu denken, versuchte das Rauschen der Wellen sie einlullen zu lassen. Schlaf, sie wollte schlafen. An nichts denken und schon gar nicht träumen. Davon hatte sie genug.

Sie fühlte sich schwach. Vor allem körperlich. Bon kümmerte sich um sie, wie eine Mutterhenne und das war unangenehm. Es ging ihr nicht gut, aber was sollte Bon schon daran ändern? Schlapp, appetitlos und krank. Sie war so jämmerlich, so erbärmlich. Sie traute sich kaum aus der Kabine, aus Angst in ihre Gesichter zu sehen. Paula, die sie keines Blickes würdigte und wenn dann lag darin nur Verachtung und Schmerz. Iroko, die so tat als gäbe es sie nicht. Gal, den sie kaum sah, weil er sich versteckte. Uma, die nur darauf wartete dem nächsten Flüche an den Kopf zu knallen, Miki, der scheinbar völlig ratlos war und Jazz, der so tat als wäre nie etwas geschehen. Auch wenn sie fast nur in der Kabine saß, sie wusste doch wie es um die Crew bestellt war. Sie hatte ihr Vertrauen verloren, sie hatte die Crew zerstört. Für niemanden mehr war es auf dem Schiff angenehm, für niemanden mehr war dies ihr Zuhause. Und auch Bon, egal wie sehr er lachte, fühlte sich miserabel. Sie waren verletzt, sie waren ängstlich. Was sollte aus ihnen werden? Wann würden sie auffliegen? Wann bekam die Marine Wind?

Robin kannte das zur Genüge, hatte sie es doch hunderte Male erlebt. Sie wollten nicht hier sein. Nicht wirklich. Nicht mehr. Es war zu gefährlich. Robin wäre früher oder später der Grund, warum sie verfolgt würden, vielleicht sogar hingerichtet. Natürlich, als Pirat lebte man gefährlich auch mit einem Samurai als Captain. Aber wie lange konnte er das bleiben? Wann würde die Marine die Wahrheit erfahren? Doch sie konnte nicht weg. Sie konnte und wollte Crocodile nicht verlassen. Es ging einfach nicht. Sie liebte ihn. Und trotzdem war sie der einzige Grund, warum alles zerbrach. Wenn sie nicht hier wäre, dann hätte keiner einen Grund zu gehen. Sie stand im Weg. Wieder. Immer wieder. Wieder und wieder und wieder. Nein, sie wollte so nicht mehr denken. Sie wollte stark sein. Sie wollte vor allem für Crocodile stark sein. Aber sie wollte auch, dass sie glücklich waren. War das so viel verlangt? War das wirklich zu viel? Dass Crocodile und die Crew glücklich waren. Offenbar konnte sie mit ihrer Existenz dem nicht beihelfen. Eher das Gegenteil.

Crocodile hatte sich zurück gezogen und sie kam gar nicht mehr an ihn heran. Noch weniger, als zuvor. Er redete kaum mit ihr. Sein Markenzeichen, der Glanz, war verschloschen. Sie brachte ihnen nur Unglück und keiner von ihnen hatte das verdient. Das waren die Menschen, die ihr so viel bedeuteten und es würde so enden wie Ohara, ganz genau wie Ohara. Verdammt noch mal. Sie wollte nicht weinen. Sie hatte doch genug geweint. Was brachte das Ganze, wenn sie jetzt aufgab? Wofür hatte sie dann so lange gekämpft? Wofür hatte sie ihr Leben geben wollen? Ihre Zukunft? Ihren Traum?

Für ihn. Nur für ihn. Weil sie ihn liebte. Sie wollte nur, dass er glücklich war. Und langsam begann sie daran zu zweifeln, ob sie es wirklich war, die ihm genau das geben konnte. Ob es nicht besser war aufzugeben. Ob es nicht Zeit war den Schlussstrich zu ziehen. Nein. Noch nicht. Solange er sie nicht wegschickte, konnte sie nicht gehen. Wollte sie nicht gehen. Es gab sowieso keinen Ort mehr, wohin sie hätte gehen können. Kein Ort, an dem sie nicht ihrem Ende entgegen liefe.

Apathisch zog sie die Beine an und legte den Kopf auf die Knie. Ihr Herz schmerzte noch immer, zog sich unsanft zusammen und sie kam noch immer nicht darüber hinweg zu denken, dass sie das verdient hatte. Scheinbar musste sie das verdient haben. Vielleicht war Liebe auch so gemacht, dass es wehtun musste. Crocodile wusste das besser als sie. Er hatte es schon erlebt. Erst jetzt konnte sie das nachvollziehen. Dabei war er noch bei ihr. Er ließ sie zu. Er legte sich neben sie, schlief neben ihr ein. Aber vertraute er ihr? Konnte er das? Könnte er das jemals? Sie konnte nicht mehr daran glauben. Sie hatte alles kaputt gemacht.
 

Nur ganz leise, ohne Schwung und Kraft ging die Tür zur Kabine auf und Sohlen berührten den Boden, brachten ihn zu ihrem Bett. Er schloss die Tür, setzte sich zu ihr auf das Bett. Sie wusste, dass er sie nicht ansah. Nur aus dem Augenwinkel, nicht direkt, den Körper von ihr abgewand. Sie spürte seinen Blick auf sich, wie er sie abtastete, vorsichtig, zurückhaltend, unleserlich. Als hätte sich seine Handschrift geändert, ohne jedoch ihre markanten Elemente zu verlieren. Sein Blick war nicht so erdrückend wie zuvor, nicht so schwer und quälend. Nur noch subtiler.

Einen Moment ließ sie diesen Blick auf sich wirken, ohne aufzusehen, ehe sie den Kopf hob und ihre Augen nach den seinen suchten. Sie wollte das nicht und gleichzeitig wollte sie nur das. Sie fürchtete sich noch immer vor der Leere. Wenn es noch etwas gab, was ihr Angst machen konnte, dann war das sein leerer Blick. Und trotzdem konnte sie einfach nicht anders, als sie ihm auszusetzen.

Sie war noch immer da, die Leere in seinen Augen. Nicht mehr als gähnender Abgrund. Nein, sie war geschrumpft, aber sie war noch immer da. Leise, unauffällig, als lauere sie. Seine Augen waren unstetig, die Iris, die Pupillen adaptierte die ständigen Fokiwechsel, wenn er den Blick über die Teile ihres Gesichtes streifen ließ. Er wirkte ausgezehrt, müde und vor allem unsicher. Zurückhaltend nur nahm er von ihr Notiz und es quälte sie, dass sie nicht wusste, worüber er nachdachte. Und er dachte nach. Er schien gar nicht mehr damit aufzuhören. Immer wieder driftete er ab, war kaum noch anzusprechen, vergrub sich in einer Kluft aus Gedanken. Ihr war ja klar, worüber er nachdachte. Aber das machte das ganze noch unerträglicher.

Sein Mund öffnete sich, aber seine Stimme erklang erst einen Moment später, als würde sich das Raum-Zeit-Kontinuum verzerren. Seine Unsicherheit spiegelte sich in seinen Worten, in seiner Tonlage wider. Aber sie klang nicht düster, nicht vollkommen tonlos. Nein, es klang ein ganz leichter, hauchzarter Schimmer Zuneigung mit. »Wie geht es dir?«
 

Oder bildete sie sich das ein? »Von Tag zu Tag besser.« kam es leise. Zumindest stimmte das für ihre körperliche Situation.

»Das ist schön...« erwiderte er fast ohne eine Betonung. Eine kurze Stille, ehe er nochmals ansetzte. »...Wir... erreichen bald die nächste bewohnte Insel.«

Sie wusste gar nicht, was sie sagen sollte. Insgeheim wartete sie immer noch darauf, dass er seine Meinung wieder änderte. Sie ertrug es kaum, ihn so zu sehen. Unsicher. Was hatte sie getan? Was hatte sie mit ihm gemacht? Und wie konnte sie es heilen? Wie konnte sie es wieder ganz machen? Konnte sie das überhaupt? »...Welche denn?« fragte sie ohne jegliches Feuer in der Stimme.

Sein Kopf drehte sich wieder in die Richtung, in die sein Körper zeigte. Er verlor sich in seinen Gedanken. »...Ihr Name ist Koko. Sie... ist eine ziemlich sichere Insel. Für uns zumindest... Viel versoffenes Piratenzeug. ...Ich... kenne da jemanden, der mir helfen kann das Ganze in Ordnung zu bringen.«

Das Ganze in Ordnung bringen? Oh ja, das klang nach Crocodile. Auch wenn sie nicht wusste, was das bedeuten sollte. Sie wandte den Blick wieder ab, lenkte ihn zurück zu ihren Knien.

»Ich...« immer wieder stockte er zwischen den Wörtern. »...Die Marine wird bald Wind bekommen, wenn ich nicht einlenke. ...Ich nehm das in die Hand. ...Ich krieg das schon hin.« Es war seltsam wie er sprach. So mutlos, so distanziert. Als glaube er selbst nicht, was er da sagte.

»...Versuchst du mich zu schonen oder glaubst du das wirklich?«

Er schüttelte langsam den Kopf. »...Ruh dich aus.«

Ihre Finger verkrampften sich in dem Stoff ihrer Hose. »Das mach ich doch. Ich kann gar nichts anderes.« Gott, sie wollte noch so viel mehr sagen, aber sie gestand sich das Recht dazu nicht zu.

»Ich kümmere mich um die Marine.« kam es beinahe zusammenhangslos. »Spätestens wenn wir in Arabasta sind, wird die Sache geklärt sein.«

»Für's Erste.« Robin glaubte nicht daran, dass es jemals vorbei sein würde. Es sei denn... nein, sie sollte endlich damit aufhören. Damit aufhören, sich Dinge einzureden. Es einfach so hinnehmen, wie es kam. Was anderes blieb ihr schon übrig?

Crocodile drehte den Kopf noch weiter von ihr weg, seine Stimme sank um eine Oktave. »Du wusstest, dass es schwer werden würde.«

»Ich hoffe, dass es nur schwer sein wird ...und nicht unmöglich.« Am liebsten hätte sie ihn einfach gefragt. "Bist du dir noch sicher? Bist du dir sicher, dass ich mich lohne?" Aber sie konnte es nicht. Sie war zu feige dazu. »Was willst du ihnen sagen?« Trotzdem hielt sie das Gespräch am Leben, denn egal wie sehr sein Auftreten sie schmerzte, sie wollte seine Stimme hören. Denn sie ließ ihr Herz noch immer höher schlagen.

Einen Augenblick lang zögerte er, dann hob sich sein Kopf wieder ein Stück. »...Dass ich Geschäfte zu erledigen hatte. Und Arabasta verlassen werde, um wieder über das Meer zu segeln. Ich habe eigentlich keine Rechenschaft abzulegen, aber ein Alibi ist besser als keins. ...Ich habe vor das Casino zu verkaufen und der Regierung einen Teil abzugeben. Das müsste reichen um die zwei Monate zu erklären. Wenn sie den Verdacht gehabt hätten, dass du bei mir bist, hätten sie früher zugeschlagen. Deswegen denke ich, dass sie keinen Verdacht schöpfen werden.«

»Bisher gibt es auch keinen Grund dazu, so etwas zu vermuten.« Nein, aber früher oder später. Sie konnte sich einfach nicht davon abhalten ihre Zukunft schwarz zu malen. Oder war sie einfach nur realistisch?

Darauf sagte er nichts. Seine Augen schlossen sich und er atmete tief durch. Ja, sie hatte Recht. Er war kein Optimist. Früher oder später würden sie auffliegen. Ganz langsam nur hoben sich seine Lider wieder und er blickte zu Boden. abermals kam seine Stimme nur zögerlich. »...Ich versuch auf der Insel ein paar Medikamente für dich zu besorgen. Sag einfach... wenn wir das fehlt.«
 

Ihr Atem beschleunigte geräuschlos und ihre Zunge verhedderte sich beinahe. Was ihr fehlte war er. »..Bon hat das schon im Griff, denke ich.«

Er drehte den Kopf wieder zu ihr und schielte sie aus dem Augenwinkel an. »...Okay.«

»...Crocodile?«

»Ja?«

Stumm richteten ihre Augen sich wieder auf ihn, die Frage erstarb ihr auf der Zunge. Nein, das konnte sie nicht fragen. Dabei war es doch nicht schwer. Dennoch sah sie ihm einen Moment stumm entgegen, ehe sie sich wieder abwandte. Sie wollte nicht, dass er die Sehnsucht zu deutlich in ihren Augen erkannte. »...Schon gut...«

»Was ist?«

»...Ich... hab mich nur etwas gefragt. Aber schon in Ordnung.«

»...Sag schon.«

Sie biss sich in ihre Unterlippe und wollte sich zwingen ihn wieder anzusehen, konnte es aber nicht. »...Ich dachte nur, wenn du gerade nichts besonders Wichtiges zu tun hast, vielleicht...vielleicht kannst du...«

»...«

Sag es! Sag es Robin! Aber sie hatte doch solche Angst, das er ablehnte. Und warum sollte? Er wollte doch, dass sie hier war, nicht wahr? Warum sollte er das dann nicht tun? »...mich in den Arm nehmen?«

Man hörte ihn hart Schlucken. Sonst war da nichts. Nur Stille. Und Warten. Weiterhin nur Unsicherheit.

»...Andererseits...« Ihr wurde schlecht, sie war kurz davor sich zu übergeben. Sie spürte, wie er sie damit auseinander zerrte. »...ist schon okay. Ich... nehme an, du hast zu tun. Captain und so weiter...«

»...Robin...«

»...«

Sein Mund öffnete sich, doch nur ein Stöhnen kam heraus. Der Kopf schwankte hin und her, seine Augen konnten sich nicht entscheiden wohin sie blicken sollten. »Ich... es ist nur so...«

Hastig hob sie eine Hand, riss sich zusammen. »Ich sagte doch, es ist okay. War nur ein Gedanke.«

»...Es ist... nicht so einfach.«

»Ich weiß... tut mir Leid.«

Robin hörte, dass sein Atem etwas schneller ging. Er begann sich zu bewegen. Nur ein wenig, bis seine Hand ihren Unterarm streifte. Der Oberkörper ein wenig zu ihr geneigt, die Augen in ihre Richtung gedrückt. Die Miene eine zerfetzte Maske aus dutzenden Gefühlen. Endlich brachte sie es fertig ihn anzusehen. Zumindest das schuldete sie ihm doch, oder? »...Es tut mir wirklich leid.« wiederholte sie leiser.

Das brachte seinen Blick erneut dazu in sich zusammen zu fallen, zu Boden zu stürzen. »Ich weiß...«
 

Ja, sie wusste es. Dass er es akzeptierte, dass er versuchte es zu verzeihen, dass er es niemals vergessen konnte und ihr nie vertrauen. Und trotzdem versuchte er es, trotzdem war sie hier. Besser sie wartete einfach, dass er auf sie zu kam. Auch wenn sie sich nach ihm sehnte, es stand ihr nicht zu. Es stand ihr einfach nicht zu.

Vorsichtig streiften seine Finger weiter nach unten, ehe er ihre Hand in der seinen liegen hatte. Der Blick ruhte auf dieser Berührung, schien sich nicht weiter hinauf zu trauen. »...Ruh dich aus. Und wenn du wieder fit bist... bringen wir die Sache wieder in Ordnung.<<

Koko

Es war der Abend des gleichen Tages als Jazz vom Krähennest heraus ein Rufen von sich gab, das allen Mitgliedern der Crew ein leichtes Zwicken in der Magengrube gab. "Land in Sicht".

"Land in Sicht", nach zwei Monaten in fast kompletter Isolation von der Zivilisation, von der Welt, die Acht darauf gab, was sie taten. Jeden Schritt beobachten konnte, wenn sie wollte. Die Grand Line, eine Insel. Eine Stadt, die sich im Dunkeln der Nacht in der Ferne abzeichnete. Für sie alle war es eine Möglichkeit auszusteigen. Die erste richtige Gelegenheit die Crew zu verlassen, endlich wieder festen Boden unter den Füßen haben. Genug, um darauf davon rennen zu können. Die Insel war der erste wirkliche Lichtschimmer in dieser verzwickten Situation. Im sterbenden Zwielicht der anbrechenden Nacht leuchteten die kleinen Lichter der Häuser und Lampen bis hin auf die tiefschwarze See. Wie ein vieläugiges Monster sah sie aus, das Maul weit geöffnet, um sie zu verschlingen.

Keiner wusste so recht was auf dieser Insel lag, denn ihr Captain hatte diese Etappe bisher in vollkommenem Schweigen gelassen. Nicht einmal Robin wusste wirklich, was sie erwartete. Es dauerte nur wenige Minuten, ehe Crocodile die gesamte Mannschaft an Deck rief. Nur langsam richtete Robin sich vom Bett auf und schleppte sich an Deck. Sie hielt sich weit im Hintergrund und vermied es überhaupt irgendwelche Geräusche zu machen. Bon's Augen glitzerten sobald er sie sah, aber er hielt sich zurück. Er wusste, dass sie keine Aufmerksamkeit auf sich lenken wollte. Am liebsten wäre sie im Schatten verschwunden. Aber so lehnte sie sich nur in einer dunklen Ecke an das Holz des Schiffes und wartete.

Auch die anderen trafen mehr oder weniger begeistert zusammen. Ihr Boss schien geduldig, wartete sogar auf Gal, der an die fünf Minuten brauchte, ehe er sich endlich aus seinem Versteck schälte. Dann standen sie endlich wieder alle zusammen auf dem Deck. Das erste Mal seit fast zwei Wochen, dazu gezwungen sich wahrzunehmen, sich zu sehen - wenn auch nur aus dem Augenwinkel. Die Stimmung war frostig wie zuvor, und von Paula und Iroko ging die eisigste Kälte aus. Doch es fiel kaum auf in dem kalten Wind, der ihr Schiff auf die Insel zutrieb.

Crocodile atmete einmal tief durch. Er wirkte erschöpft, müde und ausgelaugt, doch er gab alles, um es zu überspielen. Etwas unsicher verschränkte er die Arme, löste sie wieder, nur um sie danach abermals zu verschränken. »Hört zu...« begann er in ruhiger, etwas fasriger Stimme.

Sein Blick ging langsam durch die Reihe. »Das hier ist die erste richtige, bewohnte Insel. Ihr könnt hier aussteigen, wenn ihr wollt. Es ist nicht wirklich der Ort, den man sich als gemütliches Heim aussuchen möchte, aber ich weiß, dass ihr für ein wenig Geld auf jeden Fall weiterreisen könnt. Ihr braucht euch keine Sorge um eure Tarnung zu machen. Koko ist eine Pirateninsel und die meisten Bewohner sind um die Zeit sowieso schon blau.«

Kurz legte er eine Pause ein und schloss die Augen. »Wir... ankern hier, weil ich ein paar Informationen brauche. ...Darüber, was in den letzten zwei Monaten passiert ist. Wir reisen dann auf direktem Weg weiter nach Arabasta.« Wieder eine kurze Zäsur. »...Wenn es euch dort besser gefällt, habt ihr dort auch die Möglichkeit das Schiff zu verlassen.«
 

Uma tippelte unruhig mit dem rechten Fuß auf und ab. Vorsichtshalber hatte sie ihre Arme verschränkt, damit sie nicht wild damit herumsegelte. Wurde wirklich Zeit, das was passierte. »Ja, ja, ja. Wir können aussteigen, wann immer wir wollen. Ist ja schon gut. Wir haben es schon auf Suimin verstanden, Bossu. Jetzt reden Sie doch nicht so um den heißen Brei herum.«

Langsam nickte er, konnte seinen Blick aber nicht bei ihr behalten. »Geht, wohin ihr wollt. Morgen Mittag reisen wir wieder ab. ...Jeder, der dann nicht auf dem Schiff ist, wird zurückgelassen.« Er wollte keine weiteren Details über sein Vorhaben geben. Zu groß war die Möglichkeit, dass einer von ihnen ging. Und er wollte nicht das Risiko eingehen, dass Informationen unnötig leckten. »Wir... brauchen ein bisschen Proviant.« Warf er zurückhaltend hinterher. »Es wäre schön, wenn sich jemand darum kümmern könnte.«

»Ahhh, natürlich, natürlich Zero-chan! Bon Clay ist schon zur Stelle! Ich übernehme das. Jaha~ Ich bin euer Mann!« Bon tanzte erneut um das Deck und versuchte die Nacht zum Strahlen zu bringen.

Ein letztes Mal schwang Crocodiles Kopf vor und zurück, ehe er seine Arme wieder entfaltete. »Okay, das war es vorerst. ...«

Außer Bons fröhlichem Gekreische und Umas unverständlichem Murmeln, sagte niemand etwas dazu. Sie zerstreuten sich wieder in die Richtungen, aus denen sie kamen. Nur Paula half Jazz und Miki beim Navigieren des Schiffes und den Segeln. Crocodile schenkte Robin lediglich einen kurzen Blick, ehe auch er sich von ihr abwand und zurück nach unten in seine Kabine stapfte.

Robin blieb einfach dort stehen, wies Bon an seine Arbeit zu erledigen, als er wieder anfing über ihr zu schweben. Sie bekam es nicht so häufig mit in ihrer Kabine, aber sie alle wirkten unglücklich auf die eine oder die andere Art und sie konnte gar nicht beschreiben, wie schlecht es ihr damit ging. Was sollte sie denn nur tun? Was konnte sie machen, damit es besser wurde? Außer zu gehen. Crocodile hatte gesagt, sie könnten hier die Crew verlassen. Was war mit ihr? Wäre es nicht viel besser für sie alle gewesen? Aber das konnte sie nicht. Sie konnte einfach nicht, noch nicht. Sie blieb noch ein paar Minuten länger im Schatten stehen und bewegte sich dann langsam zur Reling, stützte sich dort ab und starrte ins Wasser. Seltsam. Es wirkte gar nicht mehr so gefährlich auf sie. Eher ruhig und... sie schloss die Augen. Ruhig und gelassen. Wie gerne wäre sie ein Teil davon gewesen.

So verharrte sie, spürte wie der Wind auffrischte und hörte das Spritzen des Wassers am Bug. Nur allmählich kamen sie näher und es wirkte für sie wie ein verlangsamter Film, als Jazz den Anker warf, und zusammen mit Paula die Segel einholte. Wie Crocodile hastig das Schiff verließ und allzu bald in der Menge der Lichter unterging.
 

~ ~ ~
 

Ziellsicher kämpfte sich der große Mann mit dem goldenen Haken durch die Masse der Menschen, die die engen Gassen der Stadt bevölkerten. In all den Jahren, die er nicht hier gewesen war, hatte sich nichts verändert. Koko war noch immer derselbe Ort, wie vor sieben Jahren. Betrunkene Piraten, Kämpfe auf der Straße, Jubelschreie, Kampfrufen, Klatsch und Tratsch, Bier und Rum im Massen. Die dunklen Backsteinhäuser wirkten bedrohlich im hellen Licht der vergilbten Lampen und ließen die Hintergassen meist in völliger Finsternis. Die Straßen waren kaum gepflastert, die Häuser in schlechtem Zustand. Sie sahen genauso aus wie ihre Bewohner. Alt und schäbig, ausgelaugt und eingefallen. Berauscht von durchzechten Nächten und verkümmert von ereignislosen Tagen.

Er schenkte alledem keinerlei Beachtung mehr, genauso wenig wie die Umgebung ihn beachtete. Sein Füße steuerten ihn direkt auf den Rand der Stadt zu, nahe dem kleinen Kastanienwald, der die Berge der Insel bedeckte. Hier stand ein kleines Haus, am Ende der Straße, wo der Dreck langsam in weichen Waldboden überging. Sein weißer Putz bröckelte schon von den Wänden, und je näher er kam, desto lauter wurde das gespenstische Summen, das das Haus stets umgab. Windspiele aus Metalllöffeln, aus Muscheln und Knochen erfüllten die Luft mit einem knöchrigen Klappern und Klirren. Unkraut wuchs auf dem Dach und der nur provisorisch angebrachten Regenrinne, vertrocknete Pflanzen standen hinter dem Fenster, das der Straße zugewandt war.

Crocodile klopfte drei Mal kurz an und trat ein, ohne eine Antwort abzuwarten. Seine Schuhe streiften die knarrenden Holzdielen auf dem Boden und blieben dann stehen. Nur einen Moment lang sah er sich um, obwohl auch hier noch alles so war, wie er es kannte. Der Raum vollgestellt und beengend. Tücher und Decken als Gardinen, bedrohlich nahe bei den Kerzen stehend, die im gesamten Raum verteilt waren. Holzregale und -schränke, die die Luft staubig und alt riechen ließen. Pflanzen in jeder Ecke und alte Bücher. Eine Katze auf dem Kachelofen am hinteren Ende des Raumes. Auf dem Boden sowie auf Hocken und Stühlen lagen Karten und Bücher, als wären sie nur kurz dort abgelegt worden. Einige Kräuterzweige baumelten vor seiner Nase und er musste sie zur Seite schieben, um weiter durch den kleinen Raum mit der etwas zu niedrigen Decke zu kommen.

Er ging an dem Chaos der deplatziert wirkenden Stühle und Hocker vorbei zu dem langem, massiven Tisch, der in der Mitte des Raumes stand und an dem eine Frau saß. Ihr Alter war schwer zu bestimmen und das Kerzenlicht um sie herum machte es nur noch schwerer. Die tiefschwarzen Augen ruhten bedächtig und weise auf einer Karte auf dem Tisch, während ihre mit Hennahmalen verzierten Hände ruhig auf ihrem Schoß lagen. Das schwarze, lange, leicht gewellte Haar hing ihr offen über die Schultern und rahmten das längliche Gesicht perfekt ein. Sie wirkte unreal, wie aus einem Bild geschnitzt. Ein paar Falten hatte sie um die Augen und an den Mundwinkeln, doch nichtsdestotrotz wirkte sie nicht älter als Vierzig.

Sie regte sich nicht, machte auch keine Anstalten es zu tun, sondern saß nur gerade und starr auf ihrem Hocker und betrachtete die Karte vor sich. Es entging ihm nicht, dass es keine Karte im eigentlichen Sinne war. Eigentlich war es ein Teppich, zusammengestückelt aus einzelnen Zeitungsartikeln, Bildern und Buchseiten. Obwohl es seine Neugier erweckte, schenkte Crocodile dem Fetzen kaum Aufmerksamkeit, sondern fixierte den Blick auf ihr Gesicht. Stumm verlagerte er sein Gewicht auf den linken Fuß und hob seine Arme wieder an, um sie zu verschränken. Es vergingen einige, ereignislose Momente, ehe sich die Frau vor ihm regte. In einer samtigen, flüssigen Bewegung hob sie ihre Hände und verschränkte die Arme auf dem Tisch, richtete die dunklen Augen auf ihren Gegenüber und lächelte.
 

»Oh? Mit dir hätte ich ja nun wirklich nicht gerechnet.« Sie lachte und es klang wie das Krächzen einer Krähe. In ihren tiefschwarzen Augen funkelte etwas auf, als sie ihn von oben bis unten betrachtete. »Nun ja, das war gelogen. Ich hatte so ein Gefühl, dass du hier auftauchen würdest. ...Wo du plötzlich so spurlos verschwunden bist.«

Er spürte ihren forschenden, bohrigen und kalten Blick auf sich, wie er versuchte seine Schale zu knacken. Doch er widerstand ihm ohne große Schwierigkeiten. »Wie ich sehe bist du wie immer gut informiert.«

Sie schmunzelte geheimnisvoll und verengte etwas die Augen. »Nun, deswegen bist du sicherlich auch hier, nicht wahr?«

»Ich brauche ein paar Zeitungen und Karten von dir, wenn es dir nichts ausmacht.«

Eine ihrer Hände drehte sich um den Knöchel um hielt sich ihm entgegen. »Natürlich nicht.«

Sofort wandte er den Blick ab und setzte sich in Bewegung, warf ihr nur im Vorbeigehen einen Sack Gold hin. »Wunderbar.«

Erneut kicherte sie und öffnete in beunruhigend ruhigen Bewegungen den Sack, zähle die Goldstücke nach und lehnte sich dann zufrieden zurück. Sie konnte Crocodile im Nebenzimmer hören, wie er durch die Archive ging und den Staub von den Dokumenten blies. Beiläufig und noch immer in den langsamen Bewegungen ihrer Hände griff sie unter den Tisch, räumte die Collage der Zeitungsfetzen beiseite und fing an einen Stapel Karten zu mischen. Sie summte leise und begann dann mit geschlossenen Augen die Karten in der Form eines Oktagons mit vier Streben auf den Tisch zu legen.

»Ich gehe davon aus, dass ich nicht heraus finden kann, wo du die letzten zwei Monate warst? Du musst wissen... so einige Leute interessiert das wirklich brennend.«

Ein leises Schnalzen ertönte von drüben, gefolgt von unterdrücktem Unbehagen. »Ich weiß.«

Sie grinste seeliger dieses Mal, aber der teuflische, kalte Schatten verschwand einfach nicht. Ihre Finger legten die letzte Karte und ihre Augen klebten sich fasziniert auf das Bild, das sich nun vor ihr ausbreitete. Ein Bild voller unbekannter Geheimnisse. »Darf ich raten?«

Erneut das Schnalzen
 

Ihr Lächeln zog sich länger. Oh ja, sie hatte eine wirklich gute Vorahnung. Aber sie würde ihn zappeln lassen. »Es ist ganz sicher kein Zufall, dass du Arabasta, das Land, das du vier Jahre lang "beschützt" hast, gerade in dem Moment verlässt, in dem es brenzlig wird. ...Bürgerkrieg, Mord am König, eine große Explosion, Millionen Tote...«

Ihr Fuß wippte ganz leicht auf und ab, während ihre Augen das Okatgon im Uhrzeigersinn abgraste. »Du weißt, ich interessiere mich für alle meine Kunden. ...Und dir zu folgen ist bei weitem nicht schwer. Aber es irritiert mich.« Ihr Blick blieb an einer Karte kleben, ehe sie weiter ging. »Ehrlich gesagt hat mich die ganze Geschichte irritiert. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass du dem Land an den Thron wolltest, beziehungsweise dem König an den Kragen. Was war für dich drin? Gold? Na, darum ging es nicht, nicht wahr? Du hast Gold wie Heu. Also musst du etwas anderes davon bekommen haben, dass das Land im Chaos versinkt.«

Sie hörte aus dem Nebenzimmer nur die Geräusche der sich umblätternden Seiten. Keine Antwort oder Reaktion seinerseits. Aber sie wusste, dass er zuhört. Oh ja, das wusste sie. Als würde er sich solche Informationen durch die Finger gehen lassen. »Und dann verlässt du das Land auch noch überstürzt. Verschwindest, als wärst du vom Erdboden verschluckt. Niemand weiß wo du bist.« Sie grinste breiter und man konnte sehen, dass ihr ein paar Zähne fehlten. »Oh oh, war die Marine da irritiert.«

Sie hörte, dass er einfach weiter in ihrem Material an alten Zeitungen stöberte. Als interessiere es ihn nicht im Geringsten.

»Ich würde wirklich zu gern wissen, was du getrieben hast.«

Immer noch keine Antwort.

»Hehehe... oh aber ich habe eine Idee.« Ihre Augen funkelten ein weiteres Mal, als sie bei einer der noch verdeckten Karten stehen blieben. »Wie auch immer... Du solltest dich bald bei der Regierung melden. Die letzten Wochen war immer Mal in der Klatschpresse über den bösen Shichibukai zu lesen, dem Arabasta am Arsch vorbei geht. Sie werden langsam spitzfindig.«

»Danke.« war das einzige, was er sagte. Und sie grinste noch mehr und ließ ihren schwarz lackierten Fingernagel die Ränder der Karte entlang fahren, die sie sich für ihn ausgesucht hatte.

»Nichts zu danken, Sir Crocodile.« Die Anrede betonte sie besonders, mit einem unterdrückten Kichern. »Aber pass auf dich auf, okay? Ich habe da so ein Gefühl, dass deine Zukunft dir noch ein Bein stellt.«

»Tss... ich habe keine Verwendung für deinen Hokus Pokus.«

»Ohhh, zu schade.« Sie kicherte, als sie die Karte umdrehte und das Bild erkannte, das seine nahe Zukunft voraussagte. »Dabei könnte es dir so hilfreich sein.«

»Nein, danke.« kam es härter von der anderen Seite
 

Sie seufzte leise und ließ ihren Blick wieder kreisen, Sie wusste, dass sie nichts weiter aus ihn heraus bekommen würde. Selbst wenn er nur ein paar Mal bei ihr gewesen war, sie hatte eine wirklich gute Gabe die Menschen vor sich einschätzen zu können. Und die Veränderung, die sie bei Crocodile über all die Jahre bemerkt hatte, ließ ziemlich gute Schlüsse zu.

Grinsend hielt ihre Hand wieder über einer Karte an, die sie wie ihre Tochter streichelte. Sie hatte ihre Theorie und sie würde sich hüten sie ihm auf die Nase zu binden. Einen Piraten wie ihn würde es nicht kratzen, wenn er sie hier auf der Stelle umbrachte. Und wenn sie Recht hatte und sie ihm diese delikaten Informationen auch noch vorwarf, war sie ganz sicher einen Kopf kürzer.

Sie wartete eine ganze Weile, ließ sich von ihrer Intuition, ihren Menschenkenntnis und ihre Belesenheit leiten. Schließlich jedoch drehte sie die Karte um, die zwischen ihren Fingern kitzelte. Es war die Karte, die sie für den Menschen ausgesucht hatte, der Crocodile hier her getrieben hatte. Die Frau, die ihn zu solch irrationalen und zugleich doch so bis ins Feinste geplantem Handeln trieb. Denn eine Frau war es ganz sicher. Keine gewöhnliche Frau, oh nein. Das konnte sie sich bei dem Mann nicht vorstellen. Eine Frau, die es wert war, dass Sir Crocodile, ein Shichibukai sich mit ihr beschäftigte. Die irgendetwas hatte, besaß, das ihn interessierte. Gold sicher nicht und Schönheit war sicher nur ein zweitrangiger Faktor. Was also übrig blieb war Fähigkeit.

Ein Lächeln rüttelte ihr Gesicht und sie schloss die Augen. Über Jahre hinweg hatte sie jede auch nur noch so kleine Begebenheit in jeden erdenklichen Winkel der Welt interessiert. Sie hatte Keller voll Zeitung, hatte Berge voll Abonnements und Spaß daran sich die Leben einzelner, wichtiger Menschen nachzuzeichnen, in dem sie die Artikel aneinander reihte und Querverbindungen zog, wo Lücken klafften. Bisher hatte sie fast immer richtig gelegen. Sie kannte Crocodile seit einer halben Ewigkeit. Lange bevor er zum Shichibukai wurde. Hatte seine alte Crew kennengelernt, hatte seine Geschichte verfolgt und sich ihre Theorien gesponnen. Ihr Gedächtnis und ihre Intuition waren fehlerfrei und deswegen hatte sie der Bruch in Crocodiles Geschichte mehr als nur irritiert. Es hatte sie fasziniert. Es passte einfach nicht in das Bild, das sie von ihm hatte.

Und nun lag sie vor ihm, die Karte der Person, die für all das verantwortlich war. Es entlockte ihr ein zufriedenes Grinsen.
 

»Ich nehme mir ein paar der Artikel mit.« Sie hörte, dass er neben ihr stand, spürte seinen bohrenden Blick, dem sie keine Beachtung schenkte.

»Hmhm.« winkte sie desinteressiert ab. »Ist ja im Preis inbegriffen.« Er war im Inbegriff zu gehen, als sie doch noch einmal zu ihm hinauf schielte. »Oh und Crocodile...?«

Abrupt blieb er stehen und wandte den Kopf zu ihr um. Sie konnte ein müdes, aber feindseliges Funkeln in seinen Augen sehen, dass ihre These bestätigte und ihr Grinsen breiter werden ließ. »...«

»Was immer du vorhast... du solltest es bald tun. Soweit ich weiß hat die Marine bereits ein paar Spione nach dir ausgesandt. Stell sie ruhig, damit du in Ruhe deiner Wege gehen kannst.« Ihre schwarzen Augen schimmerten im weichen Licht der Kerze vor ihr. »Nur als gut gemeinter Rat.«

»Danke.« gab er trocken zurück und trat ungehindert aus dem Haus, ehe er die Tür mit etwas zu viel Schwung wieder in das Schloss fallen ließ.

Zufrieden lehnte sie sich zurück und betrachtete das Oktagon vor sich. Seine Karte, rechts am Rand und die ihre, auf der Spiegelseite, weiter unten. Ja, sie hatte lange überlegt welche Querverbindung sie zu Crocodile hatte ziehen müssen. Aber nun war sie sich ziemlich sicher. Es war eine Frau und es war nicht irgendeine Frau. Vielleicht eine, die genauso durchtrieben war wie er. Vielleicht eine, die genauso plötzlich spurlos verschwand, wie er vor zwei Monaten. Vielleicht eine Frau, die ihn motivieren konnte hier her zu kommen, um sein Alibi auszuarbeiten. Sie kicherte und strich wieder über die Karte, die wirklich perfekt zu Crocodiles Pendant passte. Eine Frau wie Nico Robin vielleicht. Eine Frau, mit der er unmöglich zusammen sein konnte, durfte. Eine Frau, die ihn in sein Unglück stürzte. Deren Zukunft nie bei ihm liegen durfte. Nie bestimmt war an seiner Seite zu sein.

Eine Verbindung, die zum Scheitern verurteilt war. Die an der Realität zerplatzen würde wie eine Seifenblase an einem Sandkorn. Die zerschmettert werden würde von der Marine. Eine Beziehung, die an einer einzigen "Lüge" scheitern konnte.
 

~ ~ ~
 

Iroko streifte durch die kargen Straßen und ignorierte, genauso wie sie ignoriert wurde. Die Tatsache, dass ein aufgetakelter Kerl in Pink hinter ihr hersprang und lauthals sang, schien sie gar nicht zu stören. Sie wusste selbst nicht so genau, was sie hier eigentlich wollte. Sie würde auf jeden Fall noch weiter mit ihnen reisen, immerhin kämen sie früher oder später bei Toshi-o-toru vorbei und das war der schnellste Weg dorthin zu gelangen. Aber auf dem Schiff war es nicht sonderlich angenehm, auch wenn sie diese Tatsache nicht an sich heran lassen wollte. Eine Weile lief sie ziellos umher, bis Bon sie plötzlich am Arm packte und zur Seite schob. Er beugte sich zu ihr herunter und flüsterte, zeigte auf ein Plakat nicht unweit von ihnen entfernt. "Ich zeige euch die Zukunft". »Ohhh Iroko-chan. Lass uns da hingehen! Ja? Oh komm, bitte, bitte, bitte!!!«

Sie runzelte leicht mit der Stirn. Zukunft? Na klar, als bräuchte sie eine Wahrsagerin, um sich das sagen zu lassen. Ungestüm wurde sie hin und her gestoßen. »Hör endlich damit auf, Ossan.«

»Ahhh! Iroko-chan! Wann nennst du mich endlich Bon-chan? Na los!«

Das Mädchen rollte nur mit den Augen, wandte sich wieder ab, doch Bon war schneller, packte sie, legte einen Arm um ihre Schultern und presste sie wieder an sich. »Nein, nein, du gehst in die falsche Riiichtung~«

»Und du willst mir erzählen, dass du die Richtige kennst? Du gehst doch noch verloren, wenn man dich an die Hand nimmt.«

»Awwwww~ Iroko-chan. Du musst doch keine Angst haben. Diese...« Er machte einen Satz nach Vorn um den Namen auf dem Plakat lesen zu können. »...uhm, da, diese Bilar wird dich schon nicht beißen und ich pass doch auf dich auf, ne.«

Noch mehr Stirnrunzeln. »Aha...«

»Los, los!« Er schob sie einfach weiter. Sie überlegte angestrengt, ob sie ihn sich einfach vom Hals malen sollte oder ob sie es zu ließ und damit sicher stellte, dass er sie nicht weiter nervte. Gott, dieser Ossan konnte einem auf die Ketten gehen. Wie Mister Three das rund um die Uhr aushielt, war ihr schleierhaft.
 

Letztendlich entschied sie sich dann aber doch dazu schweigend mitzugehen, beziehungsweise geschoben zu werden. Das Geschrei, das Ossan von sich geben würde, wenn sie sich davon stahl, wäre einfach zu ohrenbetäubend gewesen und das konnte wirklich keiner gebrauchen. Das Gebrüll war so schon kaum erträglich. Nur langsam kamen sie voran, weil Bon immer wieder stehen blieb, um über irgendwelche Dinge zu philosophieren und zu schwärmen. Scheinbar mochte er dir Insel auch wenn Iroko verborgen blieb, was bitte so romantisch sein sollte.

Erst nach einer schier endlos langen Parade an Liebeshymnen an dieses und jenes, gelangten sie zu diesem "Haus" in dem sich besagte "Wahrsagerin" befinden sollte. Iroko hatte schon jetzt endgültig genug. »Ich warte draußen.«

»Na, na, na, Iroko-chan. Deine Zukunft will doch auf offenbart werden!«

»Ich weiß schon, wie die aussieht. Wenn du da rein willst, lass dich von mir nicht abhalten.« Plötzlich kam er näher, das Grinsen wurde breiter - wenn das überhaupt möglich war und ehe sie es sich versah, fand sie sich unter seinem rechten Arm wieder, dieser fest gegen ihren Bauch gepresst, die Beine zappelten über dem Erdboden. »OSSAN! Lass mich sofort wieder runter!«

In einem jämmerlichen Versuch seinen Boss zu imitieren, lachte der Tänzer, als er mit dem Mädchen unterm Arm durch die Tür trat. »Kukukuku... einen wundervollen, schönen Tag wünsche ich meine Holde.«

»Grrr, Ossan. Ich warne dich!«

»Kahahaha, ganz ruhig, Iroko-chan. Ist doch nur die Zukunft.«

Sie sahen eine etwas verdutzte, vollkommen in schwarz gekleidete Frau, die gerade einige Zeitungsbündel in der Hand hatte und scheinbar durch den Raum tragen wollte. Nur kurz jedoch hielt die Überraschung an, dann erschien ein ehrliches, aber mystisches Lächeln auf ihren Lippen. »Ahhh, Kunden.«

»Jahahahahahaha, sehr richtig. Wir sind hier, um uns...« eine bedeutungsschwere Pause für mehr Effekt »...die Zukunft vorher sagen zu laaaasseeen.«

»Nein, er ist hier um sich verarschen zu lassen, ich hab damit nichts zu tun.«

»Awww~ Sag doch sowas nicht Iroko-chan. Unterschätze niemals die mystischen Fähigkeiten. Das dritte Auge, den sechsten Sinn, den...«

»Uh, schon gut. Jetzt lass mich endlich runter.«

»Ohh, aber nur wenn du nicht gleich wieder wegrennst.«

»Ja ja...«

Er ließ sie herunter und sie zog sich die Kleidung etwas zurecht, starrte dann emotionslos zu dieser Frau. Bon machte gleich einen großen Schritt auf eben diese zu. »Ohh, meine Schöne. Bitte sage uns, was in den Sternen steht.«

Sie schmunzelte und schlenderte sogleich auf den Tisch zu, um ihre Karten zu mischen. »Das ist aber nicht gratis, mein Hübscher.«

»Ohh, natürlich. Was soll's denn kosten?«

»Hmm sagen wir pro Person 3000 Belly. Weil ich heut in guter Stimmung bin.«

Sofort begann er an seinem Mantel herum zu fummeln. Iroko starrte sie noch ungläubig an. »3000 für einen Haufen Müll?«

»Neee, Iroko-chan. Sei doch nicht so unfreundlich.« Er grinste der Frau zu und warf ihr ein Bündel hin. »Das sollte stimmen.«

Entzückt zählte sie die Scheine nach und begann dann in eleganten Bewegungen die Karten zu mischen und in einem Pentagon auf dem Tisch zu legen. »Vielen Dank.«

Neugierig beugte er sich über den Tisch und sah ihr dabei zu, kraulte sich dabei das Kinn. »Ah, mit Karten also. Beherrscht du noch andere Arten der Weissagung? Ne Glaskugel?«

Bilar lachte dumpf und musterte die beiden intensiv. »Karten sind die besten Möglichkeiten die nahe Zukunft vorauszusagen. Sie sind immer die gleichen, und doch richten sie sich immer nach demjenigen, der sie zieht. Und machen wir uns doch nichts vor. ...Glaskugeln sind Hokus Pokus.«

»Natürlich. Glaskugeln sind Hokus Pokus.« Iroko rollte die Augen, aber ehe sie noch etwas sagen konnte, zerrte Bon sie zu sich.

»Hab dich nicht so. Mach einfach mit. Ich hab schon für dich bezahlt.«

»Das war wirklich unnötig, Ossan.«

»Ja, ja, ja, also.« Er blickte über den Tisch zu der Wahrsagerin. »Müssen wir eine ziehen?«

Noch immer lächelnd nickte sie, die Hände wieder starr und geduldig in ihren Schoß gelegt. »Dreht einfach die Karte um, die euch am besten gefällt. Ich lege dann nach.«
 

Da Iroko sich nicht regte, packte Bon sich einfach eine Karte und drehte sie um. »Da!«

»Ohhh....« Bilars Augen begannen leicht zu funkeln. »Das ist eine schöne Karte.«

Die Karte zeigte einen goldenen Stern, inmitten eines Universums, das mit violetten, schwarzen und gelben Nebeln durchzogen war. Auf den beiden Enden der Karte stand in goldener, zierlicher Schrift "Vertrauen".

»Hahaha, das überrascht mich gar nicht. Jeder weiß ja, dass ich ein Star bin!« er gackerte einen Moment lang vor sich hin, ehe er schelmisch zu der dunklen Frau schielte. »Und was genau, sagt mir die Karte, meine Liebe?«

»Stell dich doch nicht dümmer als du bist Ossan...«

»Ohh, aber ich überlass das doch lieber dem Profi.«

»Hahaha.« Die Frau betrachtete die beiden amüsiert, ehe sie fast zärtlich über die abgenutzte Karte strich. »Jede der Karten kann auf zwei Weisen ausgelegt werden. Eine gute und eine schlechte. Die Karten zeigen nur die nahe Zukunft und nur Ereignisse, die das Leben radikal durchziehen, verändern. Vertrauen, das heißt, dass dir Vertrauen entgegengebracht wird. Großes Vertrauen, in einer Sache, die wichtige ist als dein Leben vielleicht. Es liegt an dir, ob du die Aufgabe erfüllen kannst oder nicht.«

Ihre Augen schlossen sich, und ihre Stimme sank um eine Oktave. »Allerdings kann es auch etwas anderes bedeuten. Dass du Vertrauen in eine Person setzt. Ihr glaubst, Hoffnungen hast, ihr... vertraust. Und dass diese Person dich im Stich lässt, dass sie dich betrügt und verrät. Und dich skrupellos ins Unglück stürzt.«

Iroko seufzte. »Wozu du dein Geld für so was rauswirfst, werd ich nie verstehen...«

»Naaa, ich wette ich muss was ganz Tolles abliefern.« Er knackte die Finger. »Kehehehehe, wird auch Zeit, dass ich mal wieder beweisen kann, was ich für ein ausgezeichneter Schausteller bin!« Schließlich klatschte er in die Hände. »Awww~ Das klingt wirklich gut. Darauf freu ich mich schon!« Dann schubste er Iroko voran. »Und jetzt du, Iroko-chan!«

»Nein danke.«

»Ohh, komm schon. Ich hab doch schon bezahlt.«

»Das ist dein Problem.«

»Hahaha, ein stures Kind, hm?«

Nur ein kalter Blick, war die Antwort.

»Na los, los, los!«

»Pff, ich habe kein Interesse an diesem Schwachsinn. Die Karten richten sich nach mir? Unsinn.«

Bon schüttelte den Kopf. »Es tut mir leid. Sonst hat sie mehr Manieren.«

Das Lächeln der Frau wurde gespenstischer und ihr Blick bohrte sich unter ihre Haut. »Wir können einen Deal machen. Du siehst auf das Pentagon und suchst dir ganz spontan eine Karte aus. Ohne es mir zu verraten. Und ich rate welche es sein könnte.«

Ihre kalten Augen wandten sich an die Frau. »Und dann zeigst du genau auf die Karte, die ich genommen hätte, was?«

Ein leichtes Nicken. »Du kannst es doch versuchen, nicht wahr? Und wenn du zu stolz bist zuzugeben, dass es klappt, kannst du immer noch so tun als hättest du eine andere Karte genommen.«

»Ich bezweifle gar nicht, dass es klappt. Ihr habt immer irgendeinen Trick auf Lager und Menschenkenntnis ist auch nichts Ungewöhnliches. Ich habe einfach kein Interesse an deinem Gerede über meine Zukunft.« Sie wandte sich ab.

Doch Bon hielt sie fest. »Du bist manchmal so eine Spaßbremse, Iroko-chan!«

»Ich kann dir schon jetzt sagen, welche Karte das sein müsste. Der Sensenmann.«

Das brachte Bon zum Stutzen. »...Aber, wieso sollte es?«

»Deswegen! Jetzt lass mich los. Ich gehe!« Endlich riss sie sich los und stampfte aus dem Raum, ließ Bon etwas verdattern zurück und sah zu der Frau.
 

Der Mann seufzte schwer und wandte sich reumütig zu der Frau ihm gegenüber. »Tut mir leid. ...Ist grad keine leichte Zeit.«

Bilar nickte und blickte ihr nach. »Schon okay.«

Er schaute zurück auf die Karten. »Kannst du wirklich erraten, welche Karte sie genommen hätte?«

»Nun... Die Karte an sich natürlich nicht, nur die Position.« Ihr Lächeln war gespenstisch als sie ihren Finger über die Karten kreisen ließ. »Ich zeig dir das Geheimnis, ja? Ich bin gespannt ob die Kleine Recht hat.«

Etwas unsicher nun nickte er, schaute ihr zu.

»Die Kleine ist sehr erwachsen für ihr Alter.« Ihr Finger wanderte zu Bon hinab. »Kinder nehmen normalerweise sehr hohe Positionen im Pentagon ein, weil sie phantasievoll und optimistisch sind. Deine Begleiterin jedoch war in sich gekehrt, pessimistisch und verbittert. Das untere Drittel der Karten wie du sie vor dir siehst also.« Ihre Fingerspitze kreiste um die unterste Karte umher. »Sie ist offen und sagt, was ihr nicht passt. Ehrlich und engstirnig. Stur und voller Kraft und Energie.« Dann deutete sie auf die Karte am untersten Rand, direkt rechts neben der untersten in der Mitte. »Ich denke, sie würde diese Karte nehmen.«

Jetzt brach ihm schon etwas der Schweiß aus. »Uhu...«
 

Langsam zog sie die Hand wieder zurück und musterte Bon interessiert. »Wenn sie Recht hat und es der Sensenmann ist, hat sie wirklich große Probleme. Du musst wissen, es geht nicht direkt um den Tod von jemanden, obwohl das unter Umständen auch zutreffen kann. Ihr Tod, der Tod eines Menschen, der ihr sehr nahe steht... Aber es kann auch für eine Wiedergeburt stehen, für eine neue Art und Weise die Dinge anzugehen. Ein Stein, der vom Herzen fällt. Eine Schuld, die beglichen wird. Oder... völlige Zerstörung. Das Ende ihrer Seele. Der endgültige Rutsch ins Nichts. Das Sterben ihres Innersten.«

Er hielt es nicht mehr aus, krallte sich die Karte und starrte sie an. »...«

Die Karte zeigte ein Skelett, das eine Sense in der Hand hatte und den Betrachter teuflisch angrinste. Im Hintergrund schlugen ihm eisigblaue Flammen entgegen und über dem Skelett stand in weißen Buchstaben "Tod".

Seine Hand begann zu zittern, seine Stimme klang weniger weinerlich als ängstlich. »Iroko...«

Er fühlte nun ihr wärmeres Lächeln. »Jedes Leben ist mit einem Leben, das demjenigen nahe steht, verbunden. Das heißt vielleicht hängen eure Karten ebenfalls zusammen. Vielleicht ist es ja dein Vertrauen, das sie retten kann.«

Auch er lächelte schwach. »Schön wär das, aber ich bezweifle es. Sie lässt mich nicht an sich ran. Niemanden... und sie will uns verlassen. Ich befürchte... oh Gott...«

Nun spürte er ihre warme Hand auf der seinen und ihre Stimme, die knackte wie Holz im Ofen. »Hey. Die Karten zeigen einem die Zukunft, aber das heißt noch lange nicht, dass man nichts an ihnen ändern kann. Das ist doch der Sinn der Wahrsagung, nicht wahr? Dass man der Zukunft gewappnet entgegen treten kann.«

Bon streckte die Schultern durch und legte die Karte langsam zurück. »Du hast völlig Recht. Ich werde nicht zulassen, dass Iroko-chan oder meiner Crew irgendwas passiert!« Dann grinste er schelmisch. »Ohh, keine Infos zu meinem Liebesleben... zu schade.«

Jetzt grinste sie verführerischer. »Nun ja, wenn du willst, kann ich dir ein paar geben...«

»Kehehehe, das klingt interessant.«
 

~ ~ ~
 

Ein schreckliches Krachen ertönte, das Gal aufschrecken ließ. Panisch wich er zurück und hob kampfbereit die Hände, fixierte zittrig seinen Gegner. Doch die Trunkenbolde, die gerade aus dem Fenster der Kneipe, in dessen Schatten Gal gesessen hatte, heraus flogen, beachteten ihn gar nicht sondern prügelten sich weiter und lallten irgendetwas von einer Wettschuld. Die Menschenmenge um sie herum verzog nur etwas angewidert das Gesicht und bemühte sich schnell von der Stelle wegzukommen, um nicht auch noch eine Flasche über den Kopf gezogen zu bekommen. Gals Herz raste und er brauchte einen perplexen Moment, ehe er realisierte, das ihm keine Gefahr drohte. Dennoch schlich er sich ganz unauffällig im Rückwärtsgang davon, zurück in die dunkle Gasse, in der er bis eben seine Zeit verbracht hatte. Hier reichte das gelbe Licht der Lampen nur spärlich hin und tauchte ihn in völlige Dunkelheit. Ausnahmsweise begrüßte er sie, obwohl er sich sonst vor der Finsternis fürchtete. Hier glaubte er sich sicher, hier fühlte er sich geborgen, hier konnte man ihn nicht sehen.

Erschöpft lehnte er sich zurück an die feuchte Wand und atmete tief durch. Schweiß stand ihm noch auf der Stirn und zwickte ihn unter den Achseln. Diese beiden Kerle hatten ihn gerade wirklich schrecklich erschreckt. Er hatte schon gedacht es wäre sein Boss...

Bei diesem Gedanken zitterten seine Knie gleich noch mehr. Sein Boss. Oh lieber Gott... Er hatte es ihm nicht sagen können. Er hatte den Mut nicht aufbringen können. Er hatte es einfach nicht geschafft. Stattdessen war er klamm heimlich mit seiner wichtigsten Habe vom Schiff geflohen, um sich hier eine Bleibe zu suchen. Nein, noch besser: ein Schiff, das ihn sogleich mitnehmen würde. Aber er hatte die ganze Stadt abgesucht und nichts gefunden. Die Kapitäne und Matrosen waren allesamt betrunken und wenn sie es nicht waren, dann gehörten sie einer anderen Piratencrew an. Er wollte keines von beiden, er wollte einfach nur ein weiches Bett an einem Ort, wo er beruhigt einschlafen konnte.

Seine schwielige Hand rieb sich an seinem kleinen Rucksack, den er nur halb über die Schulter geworfen hatte. Seit Stunden war er in diesem Zustand. Gehetzt, verfolgt, ängstlich, unsicher. Was sollte er nur tun? Er konnte nicht auf dem Schiff bleiben, konnte nicht bei der Crew bleiben. Bei Nico Robin. Sie würde ihn umbringen. Und er war noch viel zu jung dafür.

Auf der anderen Seite konnte er aber auch nicht hier bleiben. Diese Stadt stieß ihn ab. Es roch fürchterlich und die Menschen waren unfreundlich und ignorant. Überall standen leicht bekleidete Frauen, die ihn in ihr Zimmer ziehen wollten. Und die Häuser sahen aus, als würden jeden Moment zusammenfallen. Jeder Herzschlag der Stadt beschleunigte seine Angst, jede dunkle Gasse vergrößerte sein Unbehagen. Zunächst war er hier sicher, für jetzt war es gut im Dunkeln unterzutauchen. Aber Crocodile würde ihn finden. Wenn er ihn umbringen wollte, würde er ihn hier finden. Die Insel war winzig. Hier konnte er nicht aussteigen. Hier würde ihn sein Boss umbringen. Er war ganz sicher, dass er nur auf die Gelegenheit wartete.
 

Ein leises Wimmern entfloh Gals Kehle und er sank die Wand hinab. Scheiße. Scheiße, Scheiße. Er war so ein Schwächling. Er hatte solche Angst. Solche schreckliche Angst. Vor allem, vor wirklich allem. Was dort auf ihn warten würde, wenn er wieder ganz alleine war. Zum ersten Mal seit so langer Zeit. Wieder vollkommen allein. Ohne Iroko und ohne Bon. Ohne Uma und Paula. Vollkommen auf sich selbst gestellt. Niemand, der ihm helfen, der ihn retten würde. Niemand, der sich einen Dreck um ihn scherte.

Er hatte Angst. Davor, was geschah, wenn er hier blieb. Was geschah, wenn er wieder zurück ging. Was die Zukunft für ihn bringen würde. Er hasste das. Er war so ein schrecklicher Feigling. Zu nichts nutze. Zitternd vor Angst. Um Gnade bettelnd. Weinend vor Scham. Er hasste sich. Er hasste das alles.

Die Trunkenbolde, die sich nur weniger Meter von ihm noch immer prügelten, wurden lauter und noch mehr Glas ging zu Bruch. Doch niemand unternahm einen Versuch sie aufzuhalten. Niemand interessierte sich für sie. Sie waren den Menschen egal. Genau wie Gal. Er war der Welt egal. Und seinen Freunden auch. Sie interessierten sich alle nur für sich selbst. Sie wollten alle nur noch gehen, all das hinter sich lassen. Genau wie er. Es war ganz natürlich, nicht wahr? Vollkommen normal, dass auch er es wollte. Und dennoch, warum konnte er es nicht? Warum saß er hier und bebte vor Furcht? Warum sehnte er sich danach einen Schritt zurückzugehen, wo er ihn doch eben erst nach vorn gegangen war? Er wollte nicht sterben. Er wollte nicht von seinem Boss umgebracht werden. Scheiße nochmal...

»Scheiße!« sein verzweifelter Schrei hallte gespenstisch durch die dunkle Gasse, lediglich gefolgt von ein paar Tränen, die er nun nicht mehr zurückhalten konnte. Er schluchzte und vergrub sein Gesicht in seinen Händen. Schwach, erbärmlich, feige. Er war so ein schrecklicher Mensch. Und niemanden in dieser gesamten Stadt interessierte das.
 

»Mister?«

Erneut schrak Gal hoch und riss die Augen auf, starrte nach vorn zu dem kleinen Mädchen, das in Lumpen gekleidet war. Auch sie wich unsicher zurück, behielt den Blick jedoch noch immer auf ihm. Er konnte sehen, dass ihre Finger etwas zitterten, als sie ihm etwas hin hielt. Sie schielte auf beiden Augen und deswegen konnte er nicht erkennen, ob sie ihn wirklich ansah.

»Gehört die Ihnen, Mister?« kam es etwas verhalten von ihr.

Irritiert nahm er die Karte entgegen, die sie ihm hinstreckte und betrachtete sie. Es war eine Tarotkarte, die ein brennendes Herz abbildete. Über den Flammen stand in goldener Schrift das Wort "Mut".

»Wissen Sie... Seniora Bilar... Sie hat auch solche Karten und deswegen dachte ich...«

Doch Gal hörte sie nicht mehr. Er starrte lediglich auf die Karte, wurde von ihr aufgesogen, vollkommen verschlungen.

»...Mister?«

»...Mut?« flüsterte er völlig irritiert und dennoch vollkommen ruhig. Mut? Was sollte das heißen? Was sollte das bedeuten? Mut?

»Wenn sie Ihnen gehört, dann... dann...«

Er schüttelte den Kopf, aber das Mädchen wusste diese Antwort nicht zu deuten. Sie wich noch einen Schritt zurück, weil der Mann ihr langsam Angst einjagte.

»In Ordnung... also... ich...« doch als sich Gal noch immer nicht regte und wie wahnsinnig geworden auf die Karte stierte, drehte sich das Mädchen doch um und rannte verängstigt davon. Mister 3 bekam das gar nicht mit. Er war gefangen von der Tarotkarte in seinen Händen. Ein flammendes Herz. Mut. War das ein Zufall? War das Schicksal? War das seine Zukunft? Er schluckte hart, konnte seine Augen aber noch immer nicht schließen. Das Bild illuminierte ihn vollkommen und nahm Besitz von seiner Seele. Und ehe er es sich versah, brach der nächste Tag an.
 

~ ~ ~
 

Die Sonne stand bereits seit einigen Stunden am Horizont und hatte Koko all seine Bedrohlichkeit geraubt. Das vieläugige Monster war eingeschlafen, hatte seine Zähne verloren, war gezähmt. Zurück blieben nur die Trümmer eines bösen Traumes. Das Licht enthüllte den wahren Charakter der Stadt. Zerfallen, grau und öde, unzüchtig, verschlafen und voller Schmerz. Als Paula auf der Reling saß und auf die Stadt blickte, kam es ihr so vor als hätte sie einen mächtigen Kater. Aber nicht sie hatte etwas getrunken. Nein, Koko selbst sah aus als hätte die Insel einen Kater. Ausgelaugt und in sich eingefallen, ausgekotzt und zermürbt. Ertrunken in Alkohol, Unzucht und Blut. Die wenigen Menschen, die sie vom Hafen aus in den Straßen sah, sahen aus als wären sie tot. Bleiche Gesichter, eingedrückt und faltig von durchzechten Nächten. Es war vollkommen ruhig. Nichts mehr vorhanden von dem Geschrei und dem Lärm der Nacht. Es war die Ruhe nach dem Sturm. Der lange, tiefe Schlaf nach dem Albtraum. Koko war zerstört und lag in Trümmern, obwohl die grauen Häuser noch genauso standen, wie am Abend zuvor.

Angewidert wandte Paula den Blick an und betrachtete die See, die völlig ruhig vor ihr lag. Ja, sie war noch immer hier. War sie töricht? War sie feige? Noch zu hoffnungsvoll? Oder doch nur realistisch? Koko war in der Tat die erste Station gewesen, an der sie sich hätte verabschieden können. Es wäre ganz einfach gegangen. Sie hätte Jazz ihre Entscheidung kund getan, sie hätten gepackt und wären ohne Verabschiedung gegangen. Aber sie hatten es nicht getan. Paula wusste warum. Das hier war nicht der richtige Ort. Es war zu früh um auszusteigen. Nicht, weil sie noch Hoffnung hatte. Die Crew war am Ende, dieser Kahn würde nicht mehr aus dem Sand gezogen werden. Nein, sie würde nicht auf dieser Insel aussteigen. Sie hatte sich entschieden. Arabasta sollte es sein. Dort, wo es angefangen hatte sollte es auch enden. Eine süße Ironie, nicht wahr? Sie gab nichts darauf. Sie hatte sich bereits entschieden.

Ungeduldig wartete sie darauf, dass ihr Boss den Befehl zum Lossegeln gab. Endlich weg von hier, endlich auf dem Weg nach Arabasta. Solange sie hier war, würde sie ihren Part spielen. Ihre Aufgabe erfüllen. In ihren Fingern kitzelte es, hungrig nach Aktion, nach Handlung. Es war ihr egal, wer auf der Insel zurück blieb, sie würde auch nicht nachsehen. Ihr Boss hatte es gesagt. Wer nicht auf dem Schiff war, würde zurück bleiben. Es war nur eine Frage der Zeit.
 

Eine ganze Weile saß sie dort so und blickte stur in die Wellen in der Ferne, als sie plötzlich das Knarren der Dielen hörte. Es kam vom Bug. Jemand kam auf das Schiff. Eher desinteressiert wandte sie den Blick ab und starrte zu dem Neuankömmling. Es war ein kleiner Mann, mit leicht zerzausten Haaren und einem eigenartigen Blick. Paula hätte ihn zuerst gar nicht erkannt, doch dann verdunkelte sich ihre Miene wieder etwas. Sie hätte nicht damit gerechnet, dass gerade er wieder kam. Aber eigentlich ging sie das auch gar nichts an. Und es war ihr egal. Schwungvoll setzte sie ihre Füße wieder auf dem Boden ab und stand auf, stemmte ihre linke Hand in ihre Hüfte und musterte Gal mit einem abschätzenden Blick.

Doch eigenartigerweise hielt er ihm stand. Nur kurz zwar, aber mit genau der gleichen kalten Hartnäckigkeit, wie sie auch Paula besaß. Dann aber wandte er sich ab und ging langsam ins Schiffsinnere. Etwas irritiert blickte sie ihm nach, entschloss dann etwas widerwillig ihm zu folgen. Nur ein Stück, um zu sehen wo er hin ging. Sie sah ihm dabei zu, wie er sich in der Kombüse einen Tee aufgoss und dann schnurstracks und mit einer eigenartigen Ruhe, ohne sie auch nur einmal anzusehen, in seine Kajüte ging. Eine kleine Stressfalte bildete sich auf ihrer Stirn und sie entließ ihre Wut, in dem sie sich in der Kombüse einschloss, um allein zu sein.

Was war denn nun los? Was tat der Kerl auf einmal so überheblich? Wollte er etwa zeigen, das er alles unter Kontrolle hatte? Dass er darüber hinweg war? Huh? Coolness passte nicht zu Gal. Blöder Mistkerl. Sie verzieh ihm nicht, wenn er Robin all das verzeihen würde. Es brachte sie auf die Palme, dass dieser Hasenfuß sich auf einmal so erhaben gab. Alles Fassade, alles Maskerade, alles Lug und Trug. Genau wie alles auf diesem Schiff. Von Anfang an nur Lügen. Nichts würde sich ändern. Nichts würde sich jemals ändern. Sie war dem allem so überdrüssig. Sie musste hier weg, so schnell wie möglich.

Zornig riss sie die Kombüsentür wieder auf und stampfte erneut an Deck. In ihrer Wut hatte sie etwas übersehen. Eine Karte, die neben den Ofen, zwischen das Brennholz gefallen war. Eine tiefschwarze Tarotkarte, die einen vermummten Mann zeigte. Und ein Messer, das er seinem Gegenüber in den Rücken stach. Darüber ein gold-blaue Schriftzug, der das Wort "Verrat" bildete.

Nur ein kleiner Fehler

Wie viele Tage waren es nun schon? Sie hatte absolut kein Gefühl für Zeit mehr. Die Sonne zog einfach an ihr vorbei, ohne dass sie nachfragte. Es war untypisch für sie, aber nicht einmal das fiel ihr auf. Was für eine übergeordnete Rolle hatte Zeit noch? Nichts änderte sich. Alles blieb beim Alten. Was hatte sie denn erwartet? War das nicht schon mehr, als sie zu hoffen gewagt hatte? Ja, natürlich und dennoch. Sie hatte sich überschätzt. Zum ersten Mal in ihrem Leben kam sie mit ihrer Situation nicht mehr zurecht.

Sie liebte Crocodile und es gab nichts, was sie davon abhalten konnte, bei ihm zu sein bis auf eines. Gott, warum musste Liebe nur so kompliziert sein? Sie wollte doch nur, dass diese Menschen glücklich waren. Crocodile allen voran. Sie wollte sie lachen sehen. Aber sie machte sich nur etwas vor. Nicht zum ersten Mal seit sie Suimin verlassen hatten, reflektierte Robin das Ganze. Jeden Abend stand sie an Deck, immer wenn sie wusste, dass die anderen beim Essen saßen und starrte auf das Wasser. Wie lange? Wie lange konnte sie das ertragen? Sie wusste, sie würde es aushalten, wusste, dass sie schon viel Schlimmeres in ihrem Leben durchgemacht hatte. Ein Blick, der alles sagte. Blicke, die ihr zeigten, dass sie nicht willkommen war. Das war alles nichts Neues.

Aber es störte sie dennoch, dass sie das für nichts und wieder nichts zu machen schien. Sie konnte durchhalten, aber lohnte es sich? Würden die anderen, würde Crocodile irgendwann sein Glück finden? Mit ihr an seiner Seite? Sie zweifelte. Sie zweifelte mehr als nur ein wenig. Er war weit gegangen, für sie, sie wusste das. Sie wusste, dass sie ihm etwas bedeutete, aber früher oder später würde die Wahrheit ans Licht kommen. Früher oder später würde man sie jagen und es wäre alles ihre Schuld. Sie konnte mit der Idee ihres eigenen Todes leben aber nicht mit seinem. Niemals könnte sie es ertragen, wenn sie alle wegen ihr leiden oder sterben mussten. Sie würde das nicht zulassen. Sie hatte ihr Leben schon einmal für ihre Crew aufgegeben und sie würde es wieder tun. Diesmal rechtzeitig. Die Frage war nur: konnte sie gehen? Brachte sie das über sich, wenn nur die kleinste Chance auf Glück bestand? Und bestand dieses Glück noch? Schwer atmend griff sie sich in Haar und versuchte ihr rasendes Herz zu beruhigen. Sie würde etwas unternehmen müssen, bald.
 

Es ging wie ein Traum an ihr vorbei, als ihr Schiff erneut ankerte. Sie wusste gar nicht so recht wo, nur dass die Insel unbewohnt war. Zumindest das hatte sie aus Crocodiles Gesprächen mit der Crew herausfiltern können. Ein kurzer Zwischenstopp, weil ihr Log Post auf diese Insel zeigte. Ihren Eternal Post nach Arabasta hatte Akama ihnen damals gestohlen. Crocodile hatte es ihnen freigestellt, was sie tun würden, solange der Log Post sich neu einstellte. Robin hatte bemerkt, dass niemand an Land gegangen war. Soweit sie wusste, würde der Log auch nicht allzu lange brauchen, um sich einzustellen.

Durch das Fenster der geöffneten Luke roch sie Kastanien und feuchtes Laub, konnte die strahlende Pracht einer Herbstinsel aus dem Augenwinkel erahnen. Sie zog den Duft tief in die Nase und ohne viel zu sagen, setzte sie sich in Bewegung. Noch immer etwas vorsichtig. Es ging ihr um einiges besser, aber Anstrengungen verkraftete sie nicht sonderlich gut. Trotzdem wollte sie sich die Beine vertreten, musste sie von diesem Schiff herunter, musste ganz allein sein. Sie brauchte eine neutrale Umgebung, um endlich einen Entschluss zu fassen.

Sie spürte Jazzs prüfenden Blick auf sich, als sie das Schiff verließ und ihre Füße in den weichen Sand sinken ließ. Der Strand ging nur kurz, einige wenige Meter ins Festland hinein. Danach erstreckte sich eine vollkommen ebene Fläche, hie und da immer wieder gesäumt von bunten Birken, Kastanien und Eichen. Der Wald bedeckte die gesamte Insel, und war so licht, dass man mühelos einige dutzend Meter weit blicken konnte. Kein Platz um sich zu verstecken, um wegzulaufen. Die Insel war zu klein dafür, man hätte sie vielleicht in ein paar Stunden gänzlich umrunden können. Hier war der Geruch von Laub stärker. Der Boden war hart und ein wenig sandig, und die Büsche und Sträucher bedeckten nur einen geringen Teil der Fläche. Ein frischer Wind wehte ihr um die Haare, doch als sie in den Wald trat, besänftigte er sich und streichelte sie so zärtlich wie die Hand eines Geliebten.

Sie wischte sich über die Augen, als ihr plötzlich bewusst wurde, was sie zu tun hatte. Nicht hier, aber vielleicht auf Arabasta. Es tat weh auch nur daran zu denken, es tat weh, schrecklich weh. Aber sie hatte es satt selbstsüchtig zu sein. Das, was ihr ihr ganzes Leben lang vorgehalten wurde - vielleicht stimmte es ja auch. Aber nicht mehr. Nicht so. Nicht auf diese Art. Sie hatte schon einmal verloren, was sie geliebt hatte und es würde wieder passieren. Aber diesmal konnte sie sich aussuchen, wie es passieren sollte. Diesmal... diesmal wäre es anders.

Unsicher blickte sie sich um, versuchte sich zu orientieren. Normalerweise fiel ihr das nicht so schwer, aber jetzt, jetzt lag alles so niederdrückend auf ihr, dass selbst ein klarer Blick geradeaus verschwommen wirkte. Schon jetzt erschöpft lehnte sie sich an einen Baum und versuchte ruhig ein und aus zu atmen. Sie würde sie verlassen. Ohne Nico Robin bestand doch kein Grund, warum die Crew sich auflösen sollte. An Crocodiles Seite hatten sie nichts zu befürchten. Sie konnten frei sein. Freier als jemals zuvor. Auch Crocodile. Elisa war tot. Niemand mehr da, der ihn so unbarmherzig jagte. Er war frei. Und das sollte er auch bleiben. Sie würde ihm das nicht nehmen! Blieb nur noch zu entscheiden, wie sie ihm das erklärte. Vielleicht wartete er ja auch nur auf die Chance. Je früher, sie das endlich beendete, desto besser. Besser für ihn.
 

In diesem Moment hörte sie Stimmen aus der Ferne, die sie erstarren ließen. Es waren drei Männerstimmen, doch sie waren noch zu weit weg, um sie zu verstehen. Instinktiv hielt Robin den Atem an, drückte sich an einen der dünnen Baumstämme und ließ sich an ihm herab rutschen, während ihre Fähigkeit ihr zur gleichen Zeit einen Überblick über die Umgebung gab. In ihr rauschte ihr ängstlicher Puls, doch äußerlich gab sie keinen Mucks von sich. Nicht einmal ihre Augenlider wagten zu blinzeln.

Die Schritte kamen nur langsam näher, die Worte wurden nur allmählich verständlich. Sie hörte ihre Schuhe im Laub knarren.

Einer der Männer hatte eine sehr tiefe Stimme und brummte leise. »Ich versteh allerdings wirklich nicht, warum wir immer solche dämlichen Aufgaben bekommen. Kommandant Sonnenbrücken hat wirklich Nerven. Aber mit uns kann mans ja machen...«

»Heey.« ertönte eine helle, jüngere Stimme. »Ist doch cool, oder? Also ich finde es cool. Endlich mal was los, sag ich. Absolut. Endlich Mal raus aus dem langweiligen Alltag.«

»Pff.« kam es wieder vom ersten. »Ja, als wäre es so etwas tolles nem Piraten hinterherzuspionieren.«

Okay, nicht gut. Gar nicht gut.

Nun schaltete sich ein Dritter ein, der noch jünger wirkte. »Ich weiß nicht... ich glaube, das ist zu heiß für uns. Was wenn er durch dreht? Er könnte uns zerhacken...«

»Wird er schon nicht. Er ist noch einer der kooperativsten von den Kerlen. Und was haben wir denn zu verlieren? Wir wollen ja nicht sein Schiff durchsuchen.« Endlich konnte sie Weiß zwischen dem Bunt der Bäume sehen. Drei Männer in blütenweißer Uniform, mit blauer Inschrift. "Marine".

»Ja schon klar aber... Ich weiß nicht. Mir ist das nicht ganz geheuer...«

Ihr Pulsschlag jagte sie bereits voran, schmerzte in ihrer Brust, wollte sie veranlassen zu rennen. So wie sie es immer getan hatte. Doch ein Gedanke hielt sie auf. War das nicht genau der richtige Moment? Wäre das nicht der Augenblick sich zu ergeben? Crocodile und die Crew zu entlasten, unentdeckt aus ihrem Leben zu verschwinden? Ihre Finger begannen zu zittern und sie bekam schwerer Luft. Sollte sie sich zu erkennen geben?

Nein. Nein, nein, nein, schrie etwas anderes in ihr. Sie konnte doch hier nicht so einfach aufgeben. Sie durfte jetzt nicht in Panik ausbrechen. Die Chance war zu groß, dass die Marine Verdacht schöpfte, dass sie Crocodile trotz alledem festnahm. Und was, wenn er sie suchte? Sie konnte hier nicht fliehen. Mist. Verdammter Mist! Ihr Körper kauerte sich zwischen die kleinen Büsche, die vereinzelt neben der Birke wuchsen, doch sie boten keinen Schutz. Wenn die Männer näher kamen, würden sie sie erkennen. Und sie steuerten geradewegs auf sie zu.
 

»Okay okay, dann lasst uns ganz ruhig vorgehen ja? Wir sollen doch nur sicher gehen, dass seine Crew nicht aus irgendwelchen gesuchten Kriminellen besteht, die ihn noch gefährlicher machen würden, als er sowieso schon ist. Und hey, selbst wenn wir einen sehen, dann halten wir die Klappe und tun so, als würden wir ihn nicht erkennen, okay?«

»O-okay... dann machen wir das eben so...«

Und in genau diesem Moment blieben sie stehen. Ein stummer, angespannter Augenblick folgte, in der sie ihre Blicke spürte, als würden sie sich unter ihre Haut schneiden. Ein eisiger Schauer lief ihr den Rücken hinab und ließ die Welt für einen Moment neblig wirken. Doch dann riss sie eine tiefe, aber freundliche Stimme aus der rettenden Dunkelheit.

»Hey!« sie hörte, wie sich einer von ihnen wieder in Bewegung setzte.

Es war zu spät. Sie hatten sie entdeckt. Robin atmete tief ein, konnte die Luft aber nicht wieder heraus lassen. Egal was kam, sie war dafür bereit.

»Tschuldigung, Ma´am, ich hoffe wir haben Sie nicht irgendwie bei etwas gestört.« kam es leicht peinlich berührt.

»Nein...« erwiderte sie vollkommen tonlos, noch immer zwischen den Büschen kauernd, den Rücken zu ihnen gewandt.

»Tschuldigung.« kam es erneut von der tiefen Stimme. Wir sind nur auf der Durchreise. Wohnen Sie hier? Wir suchen nach einigen Leuten, die zu dem Schiff gehören, das vorhin hier geankert hat.«

Nur langsam stand sie auf, richtete sich um und blickte ihnen mit ihren blauen Augen entgegen. »Sieht es vielleicht so aus, als würde irgendjemand hier wohnen?«

Sofort bemerkte sie ein Zucken in den Augen ihres Gegenüber, doch er lächelte weiter. »Nun, hier her verirren sich manchmal Leute, die einfach die Nase voll haben von der Welt.«

Ein verzerrtes Lächeln huschte über ihr Gesicht. »Ihr habt ja keine Ahnung.« Dann jedoch färbten sich ihre Augen dunkler. »So, ihr sucht also nach Crocodile und seiner Crew?«

Er nickte förmlich und salutierte vor ihr, seine Kameraden machten es sogleich nach. Es waren lediglich Gefreite, das sah sie an ihrer Kleidung. »Ja, wir haben Auftrag erhalten seine Position zu bestimmen. Reisen Sie mit ihm?«

»Nicht unbedingt.«

»Was bedeutet das?«

»Das bedeutet, dass ihr euch besser eine gute Ausrede einfallen lasst, ihm nachzurennen. Crocodile mag das nicht sonderlich. Verfolgt zu werden, meine ich.«

Er nickte erneut, ließ sie aber nicht aus den Augen. »Das ist uns bewusst. Aber, das müssen Sie verstehen, er hat auch eine gewissen Verpflichtung der Marine gegenüber.«

»Natürlich. Deal ist Deal...«

»...Sind noch andere mit ihnen auf der Insel?« seine Stimme wurde sichtlich unsicherer.

»Nicht auf der Insel. Wenn ihr Crocodile sucht, sucht auf seinem Schiff.«

Abermals salutierte er, voller freundlicher Ehrfurcht. »Wir hatten vor zu seinem Schiff zu gehen. Wollen Sie uns begleiten?«

»Nicht wirklich.«

Und wieder das förmliche Nicken. »Also dann, trennen sich unsere Wege wohl.«

»Die Sache ist die...« unterbrach sie ihn mit ihrer gewohnten, ruhigen und kalten Stimme, die blauen Augen noch immer auf dem Anführer klebend. »...ich kann leider nicht zulassen, dass ihr geht.«

Abrupt versteifte sich seine Haltung, doch er regte sich nicht.

Ihr Herzschlag beschleunigte noch mehr. Sie hatte keine Wahl. Sie hatte keine Wahl. Also, warum also hasste sie es? »Es tut mir leid...«
 

Und dann ertönte ein widerwärtiges Knacken.
 

~ ~ ~
 

Crocodile stand noch immer in seiner Kabine und wippte mit seinem Fuß etwas nervös auf und ab. Er hatte schon seit einer ganzen Weile so ein eigenartig ungutes Gefühl. Nur so eine Vorahnung, eine Idee, dass etwas geschehen würde. Er wusste bei Gott nicht was. Unruhig ging er zum wohl hundertsten Mal die Zeitungen durch, die er Bilar abgekauft hatte. Er machte sich Sorgen. Kam er vielleicht zu spät? Hatte die Marine schon eine Fährte? Hatte sie eine Ahnung? Einen Verdacht? Nein, das konnte nicht sein. Es waren nur 3 Monate, das war kein Grund zur Panik für sie, nicht wahr? Er schüttelte hartnäckig den Kopf. Er musste ruhig bleiben. Panik brachte ihm gar nichts. Und trotzdem, er machte sich Sorgen. Er hatte Robin nicht aufgehalten sich die Beine zu vertreten, aber nun war er sich nicht mehr so sicher, ob das eine gute Idee gewesen war. Andererseits, was sollte hier schon passieren? Diese Insel war unbewohnt, verlassen, öde. Hier gab es rein gar nichts. Außerdem befanden sie sich noch immer am Anfang der Grand Line. Hier war kein Schwein.

Schließlich packte ihn die Ungeduld doch mit ihren scharfen Krallen und schliff ihn nach oben an Deck. Er brauchte frische Luft. Und eine Zigarre. Unbemerkt blickte er sich an Deck um, doch niemand befand sich hier. Sie alle waren noch unter Deck, versteckten sich vor der Außenwelt. Er atmete tief durch und genoss den bitteren Geschmack seiner Zigarre. Vielleicht bildete er sich das alles auch nur ein. Vielleicht gab es ja gar keinen Grund zur Sorge.

Ruhig ließ er den Blick kreisen, ehe er an etwas kleben blieb. Es dauerte einen langen Augenblick, ehe Crocodile erkannte, was es war. Und noch einen ebenso langen, ehe ihm die Zigarre fast aus dem Mund fiel. Ein weißes Schiff, das auf sie zu kam. Ein Marineschiff.
 

Er schluckte hart und zwang sich keinen Schritt zurück zu machen. Nur ein wenig drehte er den Kopf zur Seite, erhob seine Stimme, um sich genügend Aufmerksamkeit zu verschaffen. »...Paula, Jazz, Micki! Sofort an Deck mit euch!«

Sein Herz raste, ohne dass er es wirklich mitbekam. Es schleuderte in seiner Brust, als wolle es sich aus ihm heraus fressen. Er versuchte äußerlich ganz ruhig zu bleiben. Doch es fiel ihm schwer. Robin war auf der Insel und er hoffte inständig, dass sie fit genug war, mitzubekommen was gerade geschah. Sie konnten sich nicht leisten hier aufzufallen.

Als nach einer für ihn gefühlten Ewigkeit keiner der Drei an Deck war, erhob er seine Stimme noch ein wenig mehr, brüllte nun fast. »An Deck hab ich gesagt!«

Das Marineschiff war kaum noch von ihnen entfernt, er konnte die Menschen darauf ja schon fast erkennen. Seine Hand wurde schwielig und er biss die Zähne zusammen. Verdammt nochmal, was wollten die denn nur hier? Langsam nur kamen Jazz und Paula an Deck, ehe sie auf der Stelle stehen blieben und sich ihr Blick noch mehr verfinsterte. Und es dauerte noch mal zwei Minuten ehe Miki, in einer seltsamen Joggbewegung auftauchte. Man sah ihm nichts an, ehe der Mund aufklappte. »Ohhhhhhhh.«

Weder Paula noch Jazz sagten irgendetwas dazu, der Blick der Köchin wurde nur noch härter.

Gedrungen ruhig drehte sich Crocodile zu ihnen um und verengte die Augen etwas. »Ich habe absolut keine Ahnung, was sie hier wollen. Aber wir haben nichts zu verbergen. Ist das klar?!«

Miki starrte dem stumm entgegen. Was hätte er auch sonst tun können? Nichts zu verbergen. Nein, nichts, bis auf 79 Millionen Belly. Jazz und Paula nickten hart, ohne ihm auch nur einen Blick zu schenken.

Das Marineschiff war nun beinahe bei ihnen. Nur noch Meter trennten die beiden Schiffe voneinander. Als das kleine, weiße Schiff mit dem blauen Zeichen der Marine direkt neben ihnen ankerte, so nah, dass eine Planke dazwischen gepasst hätte, verschränkte Crocodile die Arme und machte aus seiner Wut kein Geheimnis. Sein Gesicht war durchfurcht mit Falten des Zornes. Seine dunklen Augen blitzen die Männer auf der anderen Seite angriffslustig an. Er gab alles dafür die Rolle zu spielen, die sie von ihm erwarteten. Es fiel ihm eigenartig schwer. Auf der anderen Seite salutierte eine Reihe Soldaten. Vor ihnen stand ihr Kommandant, der die Hände locker hinter dem Rücken verschränkt hatte. Er besaß einen ziemlich geringen Rang. Alles in Allem schien das gesamte Schiff nicht sonderlich hochrangig zu sein. Allerdings irritierte das Crocodile nur noch mehr. Was wollten solche Versager von ihm? Nun ja, wahrscheinlich sollte er froh sein, dass sie ihm nicht gleich einen der Admiräle auf den Hals geschickt hatten.
 

Der Kapitän des anderen Schiffes verbeugte sich kurz und hatte ein leichtes, aber ehrfürchtiges Lächeln auf den Lippen. »Ahoi, Sir Crocodile.«

Sein Blick verengte sich nur noch mehr, flammte ihm unbarmherzig entgegen. »...«

Er brachte den jungen Captain sichtlich ins Schwitzen. »Keine Angst, Sir Crocodile. Es ist alles in Ordnung. Sie brauchen nichts zu befürchten-«

»Was sollte ich auch vor euch zu befürchten haben?« knurrte er überspitzt genervt.

»Ahahaha...« Er kratzte sich unsicher am Kopf. »Entschuldigen Sie mich. Es tut mir leid, wenn ich Sie beleidigt habe, Sir.«

»Was wollt ihr?« unterband ihn Crocodile hastig und hartherzig.

»Nun... Sie...« Es fiel dem jungen Marinekommandanten schwer sich im Angesicht einer solchen Autorität auszudrücken. »...Senghok-Sama ist lediglich ein wenig besorgt, Sir. Ich meine... weil Ihr Aufenthaltsort für 3 Monate nicht bestimmt werden konnte.«

»Ich hatte zu tun.« kam es kalt, endgültig.

»Oh nun... das dachte ich mir schon.« Es fiel ihm schwer den Blick oben zu behalten. Man sah, dass er unsicher mit seinen Fingern herum nistelte. »Wir... wir sind lediglich beauftragt worden Ihre neue Position zu bestimmen. Und herauszufinden, was sie zu Ihrer Abwesenheit getrieben hat...«

Seine Stimme wurde absichtlich noch Furcht einflößender. »Das geht einen Wurm wie dich nichts an. Ich werde Senghok schon früh genug Bescheid geben, wo ich war. Er hat keinen Grund solche Schmeißfliegen wie euch auf mich zu hetzen. Ich glaube, ihr Typen vergesst meine Position!«

Es fiel ihm schwer nicht zurückzuweichen. Hastig nickte er und versuchte seine Haltung aufrecht zu behalten. »Es... es tut mir leid, Sir Crocodile. Sie haben Recht. Aber Sie wissen ja... Befehl ist Befehl...«

Nun machte er einen offensiven Schritt nach vorn. »Dann habt ihr ja, was ihr wollt, huh? Lasst mich in Frieden. Ich melde mich schon früh genug bei euch. Ist das klar?«

»Na-natürlich, Sir. Klar.«

»Dann zischt gefälligst ab!« Er bleckte verachtend seine Zähne. »Ihr steht mir in der Sonne.«
 

Hastig verbeugte er sich wieder und drehte sich seiner Crew zu. »Natürlich. Ihr habt ihn gehört, setzt die Segel!«
 

Unbemerkt atmete Crocodile tief durch und wandte sich ab, schielte nur aus dem Augenwinkel zu seinen drei Agenten, die mit ihm auf dem Deck standen.Weder Paula noch Jazz sahen ihn an, sondern musterten weiterhin die Marinesoldaten auf der anderen Seite. Miki jedoch sah zu seinem Boss und zu seiner Überraschung konnte man tatsächlich Misstrauen auf seinem Gesicht erkennen, ganz so als glaubte er dem Braten nicht. Crocodiles Blick ruhte einen langen Moment bei dem rundlichen Baseballspieler. Er spürte ein Kitzeln im Rücken, das ihn davon abhielt von Deck zu gehen. Da war etwas, nicht wahr? Seine Sinne schärften sich.

Während der Großteil der Matrosen in die Rahen und Netze kletterten, um das Schiff wieder segelbereit zu machen, war der Kommandant auf dem Weg unter Deck gewesen. Bevor er jedoch im Rumpf seines Schiffes hatte verschwinden können, wurde er aufgehalten. Ein Gefreiter salutierte mit todernstem Gesicht vor ihm und sprach dann in einer leisen Stimme. Die Miene seines Gegenübers änderte sich. Die Luft wurde dicker. Crocodile spürte, wie auch seine beiden besten Agenten sich anspannten. Er selbst drehte den Kopf wieder zurück.

Der Kommandant des Marineschiffes wirkte bleich, irritiert und nickte schwerfällig. Dann drehte er sich zu ihnen um, nur ein winziges Stück, die Augen unsicher, prüfend in ihre Richtung gedrückt.

Es war genau der Moment, in dem Crocodile wusste, dass sie aufgeflogen waren. Die misstrauische Geste, die es bezeugte. Das war genug für ihn. Er konnte dieses Risiko nicht eingehen. Nicht einmal, wenn es nur eine winzige Chance war aufgeflogen zu sein. Hastig drehte er sich wieder ganz zu dem Schiff um. Seine Mimik wurde steinhart. Der knurrende Befehl stach sich durch die Trommelfelle der Anwesenden, als wäre es eine Vielzahl Nadeln. »...Lasst keinen einzigen von ihnen überleben...«

Seine drei Agenten reagierten sofort und auch Crocodile selbst ließ es sich nicht nehmen, noch im gleichen Moment zu dem gegnerischen Schiff herüber zu springen und seine Sandschwerter auf die Crew niederzulassen. Das erste schmerzhafte Schreien ertönte schon, bevor die Soldaten überhaupt reagieren konnten.
 

~ ~ ~
 

»Ahhhhhhhh~« Seine lange, hagere Gestalt streckte sich in seinem gelb-weiß gestreiften Sonnenstuhl, der auf dem Deck seiner "Mecixo" stand. Mit den feingliedrigen, rauhen Fingern griff er nach dem Limonadenglas, das ein Gefreiter ihm gerade reichte und schlürfte es mit dem Strohhalm aus. »Ist das nicht ein schöner Tag? Ich sag es euch. Ich hab im Blut, dass heute etwas passiert. Irgendwas, woran ich mich noch mein ganzes Leben erinnern werde. Zehehehehe.«

Kommandant Sonnenbrücken verschränkte die Hände hinter seinem blonden, zurück gekämmten Haar und ließ seine eisblauen Augen über sein Schiff streifen. Er grinste. »Meint ihr nicht?«

Der Gefreite, der ihm sein Glas gereicht hatte, nickte ehrfürchtig. »Wenn Ihr das meint, Kommandant.«

Darauf verzog er das Gesicht und zog einen Schmollmund. »Pfff... Etwas mehr Motivation, wenn du das sagst, bitte.«

»Kommandant Sonnenbrücken!« Ein zweiter Mann in Weiß eilte heran und man hörte, dass seine Stimme zitterte. »Kom-Kommandant! Die Divison von Hadrian hat Probleme!«

»Eh?« Der blonde Mann verengte etwas die Augen. »Was?«

»J-ja! Sie... es... bitte kommen Sie schnell und hören es sich an!«

»Okay... okay.« Langsam stand er auf und joggte in den Kommunikationsraum, wo er die geschockten Soldaten mit einem Grinsen begrüßte. »Was ist los, huh?«

Niemand sagte etwas. Aus der Den-Den-Mushi, deren Hörer abgenommen worden war, ertönte der einzige Lärm des Schiffes. Man hörte Schreie, Explosionen und Knacken. Es klang wie ein Kampf.

Der Soldat, der für diese Den-Den-mushi verantwortlich war, nahm all seinen Mut zusammen und erhob seine Stimme, die merklich zitterte. »Tobi, was ist da los? Hey! Antworte mir! Hey! Berichtet! Los! Berichtet! Das ist ein Befehl!!!«

Doch der Lärm wurde nur wieder leise. Es ertönte ein leises, rhythmisches Klopfen. Als würde der Hörer immer wieder gegen den Schreibtisch pendeln, auf dem es stand.

»HEY!« Der Mann an der Den-Den-Mushi zitterte nun am ganzen Körper. Seine Stimme hatte ihn verlassen. Die Geräusche von der anderen Seite wurden leiser.

Keiner im Raum wagte zu atmen. Niemand regte sich. Und dann ertönte ein Klacken. Laut und deutlich, von der anderen Seite des Höres. Schritte. Langsam und gezielt.

»Wer ist da?!« Ein zweiter Soldat nahm den Hörer in die Hand, weil er merkte, dass sein Kamerad nicht mehr konnte. Er war kurz davor sich zu übergeben.

Noch drei Mal ertönte das Klacken, ehe es wieder verstummte. Dann ein Knarzen, das Pendeln hörte auf. Sie hörten den Atem von jemanden.

»...Wer... ist da...?« flüsterte der Soldat mit letzter Kraft.

Doch bereits im nächsten Moment ertönte ein Klacken und die Den-Den-Mushi schlief wieder ein. Die Verbindung war unterbrochen.
 

Die Luft im Kommunikationsraum war so dick, dass man sie hätte schneiden können. Der Gefreite, der zuvor für die Den-Den-Mushi zuständig gewesen war, rannte nach draußen und sie hörten, wie er sich über die Reling übergab. Sonst war nur eisigkalte Stille. Niemand traute sich etwas zu sagen.

Als die ruhige, aber raue Stimme ihres Kommandaten ertönte, schraken alle zusammen. »Hmmmm... Interessant.« Er rieb sich das Kinn, als überlege er.

»I... Interessant?!« Einer seiner Untergebenen keuchte empört auf.

Doch Sonnenbrücken winkte ab. »Versteht das nicht falsch. Ich finde es nur interessant, wie dieser Tag verläuft. Wir müssen einen ruhigen Kopf bewahren. Immerhin sind wir doch keine Idioten, die planlos ins Geschehen stürzen, oder doch?.« Dann grinste er sie zuversichtlich an. »Und als Marinesoldaten haben wir die Pflicht dem nachzugehen. Nicht wahr?«

Ein hartes Schlucken ging durch die Reihen.

»Nun habt euch nicht so, Männer.« Sein Grinsen wurde böser. »Ihr habt nicht umsonst mich als Kommandant. Wir werden unsere Freunde rächen. Einverstanden?«

Ein zaghaftes Nicken ging durch die Köpfe der Männer.

»In Ordnung. Macht die Mecixo startklar!« Damit drehte er sich schwungvoll um und stapfte erneut an Deck, den Kopf in den Wolken verhangen. Sein Grinsen war finster und selbstgefällig. Er nahm einen tiefen Atemzug von der kalten Luft. Er hatte doch gewusst, dass das heute sein Tag werden würde.
 

~ ~ ~
 

Paulas Hand lag noch immer auf dem Hörer der Den-Den-Mushi. Sie stand nun bereits seit einigen Sekunden hier, stumm und gedankenleer. Im Hintergrund hörte sie noch Jazz durch den Schiffsbauch rennen und ihren Boss den Rest der Crew zusammentrommeln. Bon war bereits auf den Weg in den Wald um Robin zu suchen. Nur sie selbst stand in diesem Moment still, als wäre die Zeit um sie herum stehen geblieben. Nur ganz langsam schloss sie die Augen und drehte sich wieder um, schlurfte anmutig aus dem Kommunikationsraum, den sie vollständig verwüstet hatte, hinweg über die Leichen der Männer, die sie erledigt hatte. Ihre Crew wuselte um sie herum. Sie hörte all ihre aufgeregten Stimmen, ihre Schritte, spürte die Wut ihres Bosses noch über Meter hinweg.

Sie sah nicht auf, auch nicht als sie wieder zurück auf ihr eigenes Schiff sprang. In ihrem Kopf arbeite es, ohne je richtig in Gang zu geraten. Sie trabte auf einer Stelle herum, noch nicht ganz realisierend, dass sie nicht voran kam. Als ihr Kopf sich aufrichtete, und sie ihren Boss ansah, hörte sie nur seine Stimme. Alle anderen um sie herum versanken in Unverständlichkeit. Crocodiles Gesicht war vollkommen verzerrt von allen möglichen Emotionen. Wut, Hass, Sorge, Angst, Unsicherheit. Und das war nur der Anfang. Seine Stimme war so hart, wie sie sie lange nicht mehr gehört hatte. Aber sie machte ihr keine Angst mehr.

»Uma, Miki! Los, macht die Segel fertig! Wir verschwinden von hier!«

In diesem Moment verschränkten sich Paulas Arme, ganz von selbst, und ihr Blick bohrte sich direkt in die Augen ihres geliebten Chefs. »Ich bezweifle, dass das uns irgendetwas bringen würde.«

Sein Kopf wirbelte zu ihr um, warf ihr seinen erbarmungslosesten Blick zu. »Wie bitte?«

Doch es berührte sie gar nicht, nicht im Geringsten. »Es klappt nicht. Es bringt uns gar nichts, so zu tun als wären wir das hier gar nicht gewesen. Die Marine weiß bereits, dass wir es waren.«

»Was?!« entfuhr es ihm und seine Mimik spannte sich noch mehr an.
 

Ihre Stimme blieb kalt, sachlich. »Sie haben bereits einen Kommandanten erreicht. Die Den-Den-Mushi war angeschaltet, als ich in den Kommandoraum kam. Der Typ hat gesagt, sie seien im Auftrag der Regierung zu uns gekommen. Wie wahrscheinlich ist es dann, dass die Marine nicht ihre Schlüsse ziehen kann?« Sie schüttelte ihr Haar und blickte desinteressiert zur Seite. »Es bringt uns also gar nichts wegzusegeln. Das macht uns nur noch verdächtiger.«

»Grrrr....« Crocodile zitterte. Er zitterte so stark, dass Uma und Miki es neben ihm in der Luft beben spüren konnten. Sie hatten das Gefühl er würde gleich überschäumen, zerplatzen und sie alle mit sich in die Tiefe nehmen.

Ganz langsam drehte Paula den Blick abermals zu ihrem Boss, musterte ihn. Jetzt kam der Moment der Wahrheit. Was würde er tun? Was für einen Plan hatte er jetzt, wo alles auf der Schwebe stand? Wo war sein Optimismus jetzt, hm?
 

~ ~ ~
 

Bon fand Robin relativ schnell. Sie war nicht besonders weit weg vom Strand. Das überraschte ihn auch gar nicht. Sie war in keiner guten körperlichen Lage und es hatte ihm nicht einmal gefallen, dass sie allein herumgelaufen war. In dieser Situation konnte so viel passieren. Und war es offenbar auch. Sie wirkte nicht sonderlich glücklich ihn zu sehen und er starrte nicht schlecht, als er über mehrere Tote steigen musste, um näher zu kommen.

»Uh Robin-chan... scheinbar hast du ja schon bemerkt, dass die Marine uns an den Fersen klebt...«

Ihr Blick war noch kälter als zuvor, er glitt ihm heißkalt den Rücken herunter. Als stände wirklich eine kaltblütige Killerin vor ihm und nicht seine süße Robin-chan. »Was ist passiert?« waren die einzigen Worte, die sie darauf erwiderte. Bei ihrer Tonlage hätte er sich auch in eine Wanne voller Eiswürfel setzten können und ein ähnliches Ergebnis gehabt. Ihm fröstelte es.

»Scheinbar haben sie nach Bossu gesucht und wir mussten sie... na ja, du weißt wie das läuft. Schließlich scheinst auch die Besucht gehabt zu haben.« Er deutete auf die toten Männer hinter ihr.

Sie nickte apathisch, rührte sich aber kein Stück.

»Uhm... ich soll dich suchen und zurück zum Schiff bringen. Wir wollen sofort abreisen.«

»Ich denke nicht.«

»Huh?« Irritation schlich sich über Bons Gesichtszüge.

»Du kannst zurück gehen. Ich bleibe hier.«

Er kam freundlich lächelnd näher, streckte den Arm nach ihr aus. »Was redest du denn da? Komm schon Robin. Du musst dich ausruhen. Ich kann dir ansehen, dass es dir nicht gut geht. Außerdem bleibt uns nicht so viel Zeit.«

Sie wich ihm aus, stolpert etwas zurück. Ihre Beine waren wie Gummi, ihr Herz raste. Wann hörte das endlich auf?

»Robin...« nun verdüsterte sich seine Miene, die Worte waren eine ernst gemeinte Drohung.

Plötzlich wurden ihre Augen lebendiger, wütend, zerstörerisch wie ein Sturm. »Das hat doch alles keinen Sinn mehr! Seht euch an! Sieh dir die anderen an, schau in den Spiegel Bon und dann schau dir diese Männer an, die nichts Böses im Sinn hatten!«

»Darüber können wir uns auf dem Schiff unterhalten.« erwiderte er härter.

»Nein! Ich ertrage das nicht länger. Alles zerbricht, alles geht den Bach runter. Ich bringe euch in schreckliche Gefahr.« Sie schrie nun wirklich, verlor beinahe vollkommen ihre Beherrschung. »Du hast doch keine Ahnung, was sie mit denen machen werden, die mir geholfen, die mich versteckt haben. Ich sag es dir! Hinrichtung! Sie werden euch alle hinrichten!«

»Jetzt mal mal nicht den Teufel an die Wand, Robin. So schnell kriegen die uns schon nicht. Außerdem wissen die nicht, dass du bei uns bist.« Er packte sie nun am Arm und zog sie hinter sich her, obwohl sie sich sträubte. Viel Energie hatte sie jedoch nicht mehr. Diese ganze Herzgeschichte hatte sie ausgehöhlt. Sie war zu schwach und Bon zu stark.

Und doch brachte es sie nicht davon ab, weiter zu schreien. »Lass mich los! Ich kann das nicht mehr sehen! Die Crew zerbricht, alles geht kaputt und das nur wegen mir. Ich weiß, was ich zu tun habe, also lass mich los!«

»Tsss, das kannst du ja wohl vergessen.«

»BON!«
 

Abrupt hielt er inne und starrte ihr so ernst entgegen, wie man ihn nicht kannte. »Verdammt noch mal, Robin! Komm bitte einfach mit, ja?«

Etwas überrascht starrte sie zurück in seine Augen, die plötzlich so dunkel wirkten, wie sie sie noch niemals gesehen hatte. Vor ihr stand nicht mehr Bon, sondern ein ernst zunehmender Gegner, dem man alles zutrauen musste. Sie spürte die Gänsehaut, die sich wie eine böse Warnung auf ihrer Haut ausbreitete. Bon hatte sie noch niemals nervös gemacht. Erschöpft beließ sie es sich zu wehren und ließ sich zum Strand ziehen, wo ihnen sofort eine kleine, rothaarige Frau entgegen rannte, die wild mit den Armen herumsegelte.

»Ihr könnt gleich wieder umdrehen. Ja umdrehen. Es gibt neue Befehle vom Boss. Los, los.«

Als das Paar vor ihr anhielt, stampfte sie schimpfend an ihnen vorbei und würdigte sie keines Blickes.

»Und was ist der Plan, eh?«

»Ich grabe einen Tunnel und wir verstecken uns. Ja, so ungefähr. Den Rest kann euch dann Gal erklären. Ja, ja!«

»Einen Tunnel? Wie verstecken? Ich denke wir reisen ab?« Bon kratzte sich irritiert am Kinn.

Sie beachtete die beiden wirklich kaum, als sie begann sich zu verwandeln. »Sieht es so aus, als würden wir abreisen? Eh? Eh? Nein, aber irgendwie müssen wir zusehen, dass Robin nicht mit uns gesehen wird. Und unter der Erde sucht keiner nach ihr. Ja, genau!« Im Rücken spürte sie noch die bohrenden Blicke der beiden, doch es störte sie nicht mehr. Ihre großen Pranken fraßen sich bereits in die Erde und schaufelten sie hinab in die Tiefe. Sie folgte einem Befehl, alles andere war ihr gerade egal. Auch wenn es ihr nicht sonderlich zusagte unter der Erde abzuwarten, bis etwas passierte. Nein, daran wollte sie noch gar nicht denken.

Endlich schaffte es Robin sich zu befreien. »Das ist doch ein Scherz, oder?«

»Seh ich so aus, als würd ich Witze machen? Ja? Ja? Ganz bestimmt nicht. Das ist ernst. Toternst!« raunte es ihr nur noch aus dem Tunnel entgegen, der die Maulwurfsfrau verschlungen hatte.

»Die Marine weiß also, dass Crocodile hier ist?!«

Noch einmal tauchte ihr Kopf über der Erde auf. Ihr Blick funkelte böse, ehe sie wieder nach unten kroch. »Nicht direkt. Aber sie wissen, dass jemand ihre Flotte abgemurkst hat und wer soll das sonst gewesen sein? Eh? Und jetzt sei mal still Mädchen, ich muss mich hier konzentrieren, ja, das muss ich!«
 

Stocksteif und voller wachsender Wut schaute Robin ihr dabei zu. Was sollte sie jetzt unternehmen? Was war das Beste? Sie durfte nicht mit der Crew und am aller wenigsten mit Crocodile gesehen werden. Das war das Einzige, was sie noch wollte. Aber was würde die Marine denken, wenn sie statt Crocodile nur sie auf der Insel vorfanden? Sie hätte die Flotte auch allein geschafft, aber wenn sie wussten, dass Crocodile hier in der Nähe war, dann war das zu offensichtlich, oder? Dann konnten sie sich fast denken, dass er sie hier ausgesetzt hatte, um Verwirrung zu stiften. Es sei denn sie machte ihnen klar, dass sie von ihm abgehauen war, als er versuchte sie festzunehmen. Das war glaubhaft. Das könnte funktionieren. Aber das würde Crocodile nicht zulassen, nicht wahr? Und Bon schon gar nicht. Erschöpft sackte sie auf einen neben ihr liegenden umgestürzten Baumstamm zusammen und sah apathisch dabei zu, wie Erde durch die Luft flog. Was also sollte sie unternehmen? Wenn sie Crocodile und seine Crew auf der Insel vorfanden, sie aber nicht, konnten sie ihm eigentlich nichts anhaben. Selbst wenn ein paar ihrer Männer gestorben waren. Crocodile hatte nicht umsonst einen so furchterregenden Ruf. Dennoch sollte diese Marinetypen nie unvorsichtig einschätzen.

Voller neuer falscher Hoffnung sprang sie plötzlich auf und ehe Bon es wirklich begriffen hatte, rannte sie los, rannte sie Richtung Strand. Doch es dauerte keine fünf Sekunden, da musste sie in der Bewegung inne halten. Mister 2 funkelte sie mit einer Mischung aus Unsicherheit und Misstrauen an. Was ging nur vor sich in dieser Frau? Er packte sie heftig an, dass sie sich nicht mehr aus seinem Griff befreien konnte. Dabei sah sie schon das Schiff!

»GAH! LASS MICH LOS!«

Feuer brannte in ihrer Brust. Sie versuchte sich selbst unter Kontrolle zu bekommen, aber sie war vollkommen zerstört, ausgelaugt. Schon so lange war sie nicht mehr in der Lage ihre Emotionen einheitlich zu unterdrücken. Aber das traf nicht mehr nur auf sie zu. Bon schrie ihr entgegen, als er sich bemühte sie festzuhalten ohne ihr wehzutun. »REG DICH AB, ROBIN!«

Miki, der über der Reling lehnte und das Geschrei mitbekam, klappte der Mund auf. Was ging denn jetzt ab? »Uhhhhh.... Boooooossu...«

Auch er drehte sich dem Szenario nun zu und sein Blick wurde so düster, dass es wirkte, als würde er die Welt um sich herum in das schwarze Chaos in seiner Brust einsaugen.

»ICH REG MICH AB, WENN DU DICH VERZIEHST!«

»SPIEL JETZT NICHT DIE DIVA, MAN DAS IST ERNST OKAY?!«

Die Ohrfeige, die Robin Mister 2 darauf verpasste, ließ nicht nur Miki zusammenzucken. Als wäre er als kleiner Vogel aus dem Nest seiner Mutter gefallen. So kam Bon sich gerade vor. Etwas verdattert stierte er in ihre wütenden Augen. Sie fraßen ihn von innen her auf. Es brach sein Herz in tausend Stücke. Seine Stimme wurde für einen Moment ruhiger, ein letztes Mal beschwörend. »Robin... ich sag es dir noch mal im Guten. Beruhige dich und komm mit.«

Doch sie rüttelte an seinem festen Griff, bemühte sich nicht wieder zu weinen, bloß das nicht. »LASS MICH LOS! LASS MICH EINFACH LOS! LASST MICH ALLE IN RUHE! GEHT EINFACH! HAUT AB! ICH WILL EUCH NICHT MEHR SEHEN!!!«

Wild schüttelte sie an ihm, versuchte ihn von sich herunter zustoßen, aber ihre Kraft ließ nach. Sie erwägte kurz ihre Fähigkeit einzusetzten, aber auch das strengte sie unheimlich an und am Ende brachte ihr das nicht viel. Bon ließ nicht locker, aber statt sie hochzuhieven oder der Gleichen zu tun, starrte er weiter, wie ein Reh vor einem auf es zu fahrenden Wagen. Erschrocken, beinahe verletzt. »Robin... bitte. Wir können in Ruhe darüber reden.«

Ihre Stimme bebte und wirklich jeder konnte sie hören, der auch nur mittelbar in Reichweite war. »Ich will nicht mehr mit dir reden!« Verzweifelt klammerte sich nun an ihm fest, versuchte sich an ihm hochzuziehen. »Ich will, dass ihr diese Insel verlasst!«

»Was soll der Quatsch? Du willst, dass wir dich hier zurück lassen? Spinnst du? Die Marine taucht doch wieder auf!«

Ihre Augen verengten sich. »Ganz recht!«
 

Nun stand ihm ehrlicher Schock im Gesicht und er ließ sie los. »Was?«

Endlich, schnaufend kam sie wieder auf die Beine, der Blick noch immer auf seine erstarrte Miene gerichtet. »Du hast mich gehört. Es würde euch besser bekommen, wenn ihr mich hier lasst und einfach verschwindet. Ich erzähle ihnen dann, dass ich abgehauen bin, als ihr mich ausliefern wolltet. Wäre nicht das erste Mal, also gibt es keinen Grund mir nicht zu glauben!«

Jetzt packte er ihre Handgelenke, härter, als er eigentlich wollte. »Ich glaub du spinnst jetzt völlig! Die Sache ist hart, okay, aber du musst jetzt nicht den Verstand verlieren!«

Im gleichen Moment spürten sie jemanden neben sich stehen, der allein durch seine Präsenz die Luft zwischen ihnen durchschnitt. » ...«

Innerlich zuckte sie zusammen, aber sie ließ es sich nicht anmerken, auch nicht den Schmerz, der durch ihre Brust fuhr und ihre Hände eiskalt werden ließ. Bon ließ nicht von ihr ab, als befürchtete er, sie würde irgendeine Dummheit begehen, wenn er es tat. Währenddessen kam sein Bosss noch näher, quälte sie aber mit seinem Schweigen, bedrängte sie mit seiner Aura.

»Lass mich endlich los, Bon.« keuchte sie leise aber bestimmt, als sie dem Drang nicht mehr widerstehen konnte die Augen zusammenzukneifen.

»Ich... ich kann nicht. Robin... das meinst du doch nicht ernst...«

Die beiden Männer hörten sie schwer ein- und ausatmen. Dann riss sie die Augen wieder auf und starrte Bon entgegen, die Stimme wackelig, aber trotzdem fordernd laut. »Das ist mein voller Ernst! Ich habe mir das lange genug angesehen! Wie alles auseinander bricht.«

»Ach so. Und du meinst jetzt, es wird besser, wenn du dich opferst? Wobei wir nicht mal wissen, ob sie dir das abkaufen!«

»Das werden sie!«

»Robin.« Nur ihr Name. Beruhigend und drohend zugleich. Eine Mahnung.

Sie biss sich auf die Lippe, suchte all ihren Mut zusammen, ihre Kraft, die noch geblieben war und sah zu ihm. Zu Crocodile. Seine Miene war vollkommen starr und doch sah sie das Chaos in seinen Augen. Er war fast blind vor all den Emotionen, die aus ihm herausquellen wollten.

»Hör auf so einen Scheiß zu reden und mach, was ich dir gesagt habe.« Er sprach ruhig und deutlich, aber mit einem schier erdrückenden Nachdruck dahinter.

Ihre Augen wurden feucht, aber sie ließ die Tränen einfach nicht zu. »Warum hörst du nicht auf mit dem Scheiß?! Sieh es dir doch mal an. Sieh dir deine Crew an, Crocodile! Deine Freunde... deine Freiheit... dein verdammtes Leben... davon ist bald nichts mehr übrig!«

»Ich sagte: mach das, was ich dir gesagt habe...«

»Nein!«
 

Seine Augen verengten sich noch ein Stück und er kam näher, dass sie gegen ihn stieß. Die Stimme noch immer gezügelt, tief und drohend. »Jetzt ist nicht die Zeit im Selbstmitleid zu versinken. Die Marine kann jeden Moment hier sein. Und wenn sie dich erst einmal bei mir sehen, ist wirklich alles vorbei. Also hör auf mit dem Scheiß, Robin.«

»Ich hab es satt mir das anzuhören!« keifte sie. »Selbstmitleid? Selbstmitleid? Es geht nicht um mich! Es ging nie um mich! Und genau deswegen will ich, dass ihr hier verschwindet und mir die Marine überlasst.«

Nun stieß er etwas mehr gegen sie, erhob unwillentlich seine Stimme und brüllte ihr entgegen. »Was soll das bringen, huh? Hast du sie noch alle? Auf einmal gibst du auf, huh? Nur weil es brenzlig wird? Wirfst du so schnell das Handtuch? Willst du mir sagen, all das auf Suimin war auch eine Lüge? Dass du kämpfen willst? Das wir zusammen der Marine trotzen? Willst du mir etwa sagen, du willst das alles auf einmal nicht mehr? Weil du keine Lust mehr hast zu kämpfen?!«

Es wurde schrecklich schwer nicht zusammen zu fallen, aber sie hatte gewusst wie schwer das werden würde. Sie hatte es doch geahnt. »Alles was ich will, ist dass ihr glücklich seid! Aber davon ist nichts mehr übrig. Siehst du das denn nicht? Die Crew steht hinter dir, aber nicht hinter mir. Wie lange wird es dauern, bis sie sich verliert? Früher oder später werden sie mitbekommen, dass ich bei dir bin, dann verlierst du das letzte bisschen Freiheit, was du dir erkämpfen konntest und...« Jetzt baute sie sich zum letzten Mal auf. »Und ich sehe schon vor mir, wie ihr alle hingerichtet werdet. Noch vor mir. Ich werde euch überleben. Vermutlich darf ich sogar dabei zusehen, wenn Kuzan was zu sagen hat!« Sie kamen doch, diese verhassten Tränen. »Und was soll das Gerede vom Kämpfen, huh? Für was soll ich kämpfen?! Das ist mein Schicksal und es ist meine Entscheidung, ob ich euch das gleiche antun will!«

»Du bist wirklich unglaublich!« Er bedrängte sie nun wirklich, dass sie unter ihm zurück weichen musste. »Ist alles, was du sagst nur leeres Gewäsch?! Du wusstest, dass er schwer werden wird und wir wissen es auch! Ich weiß es! Und trotzdem bin ich hier, oder? Du hast gesagt, du willst dafür kämpfen. Und nun suchst du Ausreden, weil es dir plötzlich zu schwer fällt. Was willst du denn? Meinst du es fällt uns so einfach dir zu verzeihen? Das zu verkraften? Meinst du es wäre sofort alles wieder so wie früher gewesen? Und was soll der Scheiß mit Freiheit, huh? Ich habe dir bereits gesagt, was Freiheit für mich ist! Und wenn ich dabei sterbe, dann war ich wenigstens frei und das ist was ich will!«

»...Vielleicht habe ich mich selbst überschätzt.« Sie spürte, wie Bon sie nun doch los ließ. Robin zitterte, bebte vor Angst. »Ich kann damit umgehen, wenn ich gemieden werde, mit Stille, mit heimlichen Hass. Ich habe das mehr als einmal erlebt und das wird mich niemals in die Knie zwingen, aber... ich habe mich vielleicht überschätzt, wenn ich mir eingebildet habe, dass ich es ertragen könnte, der Grund für euren Untergang zu sein.«

»Wie oft soll ich es dir noch sagen, Robin? Wenn, dann haben wir es selbst gewählt! Und wenn du jetzt nicht sofort in diesen beschissenen Tunnel gehst, dann kannst du uns wahrscheinlich wirklich bei unserer Hinrichtung zuschauen!«

Ihre Augen wurden größer, flehten ihn beinahe an. »Bitte... tu das nicht.«
 

»Wenn dir wirklich daran liegt, dass niemand für dich stirbt, der sich nicht dafür entschieden hat...« Seine Stimme wurde wieder leise und er knurrte. »...dann versteckst du dich hier und jetzt. Und lässt ihnen die Möglichkeit in Arabasta auszusteigen. Sonst hast du sie wirklich auf dem Gewissen.«

»...Und wenn es schon zu spät für Arabasta ist?«

»Willst du ihnen die Möglichkeit von vornherein nehmen?«

Wollte er sie nicht verstehen? Welche Wahl hatte sie jetzt noch? Er würde nicht gehen, nicht wahr? Sie schloss die Augen und wich vor ihm zurück, wandte sich ab und schritt wortlos und gehorsam zurück zu Uma.

Heftig hievend wandte Crocodile den Blick nur beiläufig zu Bon. Dieser wusste gar nicht wohin er zuerst blicken sollte. Sein Boss konnte die angespannten Gesichtszüge genau erkennen. So ernst hatte er den Kerl wirklich noch niemals erlebt. Seine Muskeln zitterten vor Tatendrang, wie sie das immer taten, aber er war still, salzsäulenartig verstummt.

»Bon.« Crocodile holte tief Luft und drehte sich dann um, um zurück zum Schiff zu gehen. »...Pass auf sie auf. Sie soll bloß nicht auf die Idee kommen irgendwas komisches zu machen. ...Wenn das vorbei ist... kommen wir euch holen.«

»Aye, Captain...« kam es vollkommen emotionslos.

Warten

Als Bon und Robin von Uma in das gigantische, unterirdische Tunnelsystem geführt wurden, das sie gegraben hatten, sahen sie Gal bereits in einer Ecke sitzen. Er wirkte leicht apathisch, schien sie kaum zu bemerken. Uma erzählte ihnen im Schnelldurchlauf, dass er für die zusätzliche Stabilität der Eingänge zuständig gewesen war. Sie hatte ein wirklich weitreichendes Tunnelsystem gebaut, um es später als einen Maulwurfbau verkaufen zu können. Nichts sollte darauf hinweisen, dass es ein Versteck gewesen war. Ein paar Fackeln gab es auch, die die vollkommene Schwärze des Tunnels für einige Meter erleuchteten. Sie befanden sich etwa 3 Meter unter der Erde. Es war kalt und nass und jeder ihrer Schritte hallte endlos und gespenstisch immer und immer wider. Es klang wie das leise Zischen eines fernen Monsters. Von der Oberwelt bekamen sie nichts mehr mit.

Robin setzte sich schweigsam in eine Ecke und Bon tat es ihr gleich, setzte sich ihr genau gegenüber, so dass Uma allein in der Mitte stand und mit den Händen auf den Hüften jeden von ihnen einmal für einen kurzen Moment betrachtete und leise dann fluchte. In ihrem Kopf rechnete Robin sich schon aus, wie lange sie warten würde. Wie lange bräuchte die nächste Flotte, bis sie das kleine Eiland erreichte? Wie lange würde es dauern mit ihnen zu reden? Wie lange ein Kampf? Gott, sie hielt es schon jetzt kaum aus. Sie hatte die Augen schlossen, um Bon's nun mehr wütenden Blick nicht sehen zu müssen. Und der war wirklich wütend.

Dafür gab es gar kein besseres Wort. Fuchsteufelswild. Sein Zorn sprühte ihr nur so entgegen, alles andere bekam er nur verwässert mit. Was dachte diese Frau sich eigentlich dabei? Hier waren sie, als Team. Wer aussteigen wollte, sollte das verdammt noch mal machen, aber nicht auf diese Weise. Nicht, weil Madam Robin es so entschieden hatte. Die Tatsache, dass er sie wirklich liebte, drängte er zurück. Ja, sie bedeutete ihm viel, aber nicht nur sie. Jeder einzelne von ihnen und ja, es würde ihn umbringen, wenn einem von ihnen etwas passierte, aber sie waren Piraten und lebten nun einmal gefährlich. Gah! Das hatten sie doch vorher gewusst. Wollte sie vielleicht für immer allein sein, weil sie Angst hatte, dass sie andere in Gefahr brachte? Nein, das konnte er nicht zulassen. Sie war lang genug allein gewesen. Er würde nicht zusehen, wie sie zerfiel. Verdammt und wie sein Boss zerfiel. Sie war so beschäftigt damit sich um ihrer aller Leben zu sorgen, was war mit Crocodile's Verstand? Seiner Menschlichkeit, die so stark auf sie referierte. Auch ihn kotzte diese Situation in der Crew an, aber was sollte er tun, außer er selbst zu bleiben? Was konnte er noch tun? Warum war es so schwer für diese Menschen über einen Schatten zu ihrem Glück zu springen? Oder war er der Einzige, der das Licht sehen konnte? Waren sie denn alle blind? Zu verblendet von ihrem eigenen Schmerz? Wütend ballte er die Fäuste und wandte endlich den Blick von Robin. Sonst rastete er nur wieder aus
 

Uma wackelte erst eine Weile von A nach B und als sie auch das satt hatte, setzte sie sich nicht unweit von Gal und stützte ihr Gesicht auf ihre Hände. Zum Kotzen. Sie hatte nur halb mitbekommen, was draußen passiert war, aber obwohl es sie aufregte, war sie ganz froh darüber, dass endlich mal Klartext geredet wurde. Uma mochte Konfrontationen eigentlich nicht besonders, vor allem wenn sie sinnlos waren. Aber seit Suimin war eine Aussprache mehr als notwendig. Wenn man über die Dinge sprach, fand man oft, dass Trauer und dergleichen unbegründet waren oder man konnte plötzlich verzeihen, weil man sein Gegenüber besser verstand. Aber das ging nicht ohne Kommunikation. Ohne Taten schlief alles ein und ehe man es sich versah, stand man alleine da. Einmal in ihrem Leben hatte sie zulange gewartet und dann dabei zugesehen, wie alles zerfiel. Sie würde sicher nicht bis zu diesem Moment warten. Nichts, wirklich gar nichts konnte sie dazu zwingen. Auch Miki nicht, stellte sie fest. Wenn nicht zumindest ihr Captain und Robin sich sicher waren, würde sie nicht bleiben. Das Leben war zu kurz, um sich dermaßen zu quälen.

Ein bisschen erschöpft pustete sie die inhalierte Luft aus und schloss seufzend die Augen. Sie stellte aber noch etwas Anderes fest. Diese Menschen waren ihr nicht gleichgültig. Sie hätte niemals so lange mit ihnen ausgehalten. Eigentlich hätte sie direkt auf Suimin einen Strich gezogen. Leidvoll gestand sie sich ein, dass es nicht nur Miki war, nicht der einzige Grund warum sie noch hier war. Sie liebte ihn. Ja, mehr alles sonst etwas, aber sie sorgte sich jetzt in diesem Moment um das Leben derer, die an der Oberfläche geblieben waren, sie sorgte sich um die, die hier mit ihr saßen. Blöder Mist.
 

Niemand von ihnen hatte wirklich ein Gefühl dafür wie viel Zeit vergangen war. Gal schaute nicht sonderlich oft auf seine blaue Armbanduhr. Aber als er das letzte Mal darauf geschaut hatte, war es eine halbe Stunde gewesen. Inzwischen war allerdings wieder einige Zeit vergangen. Niemand sagte etwas, bis auf Uma die manchmal unbewusst ganz leise vor sich her brabbelte. Gal saß noch immer in seiner Ecke und blickte ins Nichts. Zumindest sah es für die anderen Anwesenden so aus. In Wirklichkeit blickte er jedoch auf etwas in seinen Händen. Etwas, dass er seit geraumer Zeit immer mit sich herum trug. Eine Karte, die Tarotkarte, die er auf Koko gefunden hatte. Mut.

Er hatte seitdem unheimlich viel nachgedacht. Und auch jetzt konnte er nicht damit aufhören. Die Karte hatte ihm wirklich Mut gegeben. Mut dazu, dass er es schaffen konnte. Was immer er vor hatte. Egal, ob er sich entschied zu gehen, oder sich dazu durchrang zu bleiben. Es war eigenartig, aber diese Karte hatte ihn wirklich mit Zuversicht erfüllt. Es konnte nur Schicksal gewesen sein, oder? Ganz sicher war es so. Er blickte nach oben und sah nur Dunkelheit. Hatte er es sich nur eingebildet, oder war da ein Beben gewesen? War es nur sein Herzschlag, das Echo ihrer Atem? Wahrscheinlich war es das. Sein Kopf senkte sich wieder ab und er blickte auf die Karte. Die Stille machte ihm nichts aus. Irgendwie war alles an ihm vorbei gezogen. Nichts erreichte ihn mehr so richtig. Als würde ihn die Karte abschirmen, als hätte sie eine unsichtbare Mauer zwischen ihm und seiner Außenwelt aufgebaut. Das war seine Aufgabe. Die anderen waren da nicht mit einbezogen.

Apathisch blickte er erneut auf seine Uhr. Eine Stunde war vergangen. Keine Regung, keine Veränderung. Wie lange sollten sie warten? Keiner der anderen hatten auch nur ein Wort miteinander gewechselt. Sie alle fraßen die Sorge, ihre Gedanken, ihre Wut in sich hinein. Nur Uma hörte man ab und zu etwas murmeln, aber es war so leise, dass man es nicht verstand. Robin merkte man die Anspannung am schlimmsten an. Sie rutschte unbewusst immer wieder auf ihrem Sitz herum, fuhr sich immer wieder durch die staubig gewordenen Haare und knabberte an ihren Lippen. Sie hatte keine Ahnung wie viel Zeit verging, aber es dauerte eindeutig zu lang. Ihr kamen es bereits wie drei Stunden vor, dabei waren gerade einmal anderthalb vergangen. Sie konnte nicht mehr warten, die Angst würgte sie schon die ganze Zeit über fast zu Tode. Hastig erhob sie sich und steuerte auf den Gang zu, der sie an die Oberfläche führen würde.
 

»Und was meinst du, wohin du gehst, huh?« Bons Blick ruhte angriffslustig auf ihrer Gestalt. Er hatte sich nicht beruhigt, er war noch immer geladen.

Sie hörte ihm gar nicht zu, lief schließlich in ihn hinein, als er rasend schnell zu ihr hastete und sich vor ihr aufbaute, der Blick noch viel zorniger als zuvor. »Solltest du denken, du kannst gehen, hast du dich geirrt.«

Auch ihre Miene verhärtete sich. »Willst du es mir verbieten, Mister Two?«

»Oh, bist du jetzt wieder mein Boss, ja?«

»Richtig. Also geh mir aus dem Weg.«

Bon grinste böse, rührte sich aber kein Stück. »Und mal angenommen ich bleibe hier stehen, willst du mich dann mit deinen dünnen Ärmchen festhalten, bis die Reichweite der Teufelsfrucht versagt und ich dir wieder im Weg stehe? Oder...« Und nun wurde sein Blick wirklich eisig. »...möchtest du mich ausschalten?«

»Ist das eine Herausforderung?«

»Allerdings.« er verschränkte abweisend die Arme. »Versuchs nur, Robin. Du bist viel zu schwach. Unter normalen Umständen könntest du mich platt machen, aber ich weiß genau, wie zerbrechlich du gerade bist. Du machst es keine 10 Meter hier raus.«

Ihr Auge begann zu zucken, so wie es sonst nur bei Crocodile zuckte. »Geh mir aus dem Weg. Was fällt dir überhaupt ein, dich wie mein Vormund aufzuführen?«

»Ich bin dein Arzt, oder? So wie ich das sehe, bin ich auch zur Zeit der Einzige, der dich gern ansieht.«

»Halt die Klappe! Du weißt gar nichts!« fauchte sie wie eine streunende Katze.

Dieses Mal wirkte seine Miene überheblich. »Bla bla Robin. Du denkst wohl, weil ich Pink trage und Ballett tanze - ziemlich gut möchte ich betonen - bin ich ein bisschen blöd? Ich denke, ich durchschaue dich. Ich durchschaue euch alle.«

»Wie schön für dich. Mir ist es gerade scheiß egal was du denkst, Dr. Clay. Ich habe lange genug gewartet. Bald zwei Stunden. Wie lange meinst du, dauert es für die Flotte hierher zu kommen und wieder zu verschwinden? Nicht solange!«

»Der Befehl war zu warten, bis sie uns holen kommen.«

»Da scheiß ich drauf!« Er erkannte sie kaum wieder. Sie ähnelte in ihrem überschäumenden Zorn eher Crocodile als sich selbst.

»Grr! Robin. Du kannst es vergessen, wenn du meinst, ich lass dich jetzt vorbei!«

Verzweifelt versuchte sie sich gegen ihn zu stoßen. Es brachte ihn dazu zu stolpern, sodass sie vorbei kam, aber nur zwei Sekunden, dann hielt er sie wieder fest, presste sie hart gegen sich.

»Du bleibst hier!«

»Finger weg!« schrie sie, ehe sie vollkommen ausbrach. »WEIßT DU WAS SIE MIT IHNEN MACHEN WERDEN? HAST DU EINE AHNUNG, ZU WAS DIE MARINE FÄHIG IST?! NEIN! ABER ICH! ICH WEIß ES GENAU! ICH HABE ES GESEHEN! ICH HABE ES GESPÜRT!«

»UND WAS MEINST DU KANNST DU JETZT TUN? DAZWISCHEN SPRINGEN?!«

»JA!« Ihr Körper begann zu zittern, ihre Stimme senkte sich nur graduell. »Und wenn ich mit ihnen einen Deal aushandle. Sie wollen etwas von mir. Dafür lassen sie euch in Ruhe. Ich weiß auch genau, wenn ich darum bitten muss. Ich weiß es ganz genau!«

»Ich hab die Schnauze voll davon Robin! Du meckerst, dass ich dich nicht tun lasse, was du willst? Was ist mit dem was ich will, huh?«

»...«

»Ich will verdammt noch mal nicht, dass du dich auslieferst! Ich will nicht, dass du denkst, das Schicksal der Menschen um dich herum laste auf deinen Schultern. ICH WILL DEIN FREUND SEIN, KAPIERT! Du machst es verdammt schwer! Verdammt schwer!«
 

Sie hasste sich dafür, dass sie schon wieder weinte. »Ich hab dich nicht darum gebeten.«

»Tja, schlucks runter, Robin! Ich mag dich sehr. Nicht so, wie ich alles mag und liebe. Du bedeutest mir wirklich etwas. Weil ich weiß, wer du wirklich bist. Dass du eine junge Frau bist, die sich nichts sehnlicher wünscht, als ein Zuhause, als wenigstens eine Person, der du wirklich vertrauen kannst. Ich sehe den Wunsch in deinen Augen, jeden beschissenen Tag! «Er hielt sie noch fester, als er ihre Tränen sah, fast zärtlich. »Es ist nicht deine Schuld! Es ist nicht deine Schuld, dass du so ein mieses Leben hast, so viele Feinde. Du hast es nicht verdient! Du hast es nicht verdient! Und du bist es wert, dass ich an deiner Seite stehe und wenn nötig auch mit dir oder für dich sterbe. Das tun Freunde Robin. Du kannst es dir nicht aussuchen! Du kannst dir verdammt noch mal keine echten Freunde wünschen, die dich dann im Stich lassen. Das gibts nicht! Und wer ernsthaft glaubt, so etwas zu finden, der kann mich mal! Wer glaubt, es sei deine Schuld, wenn uns ein grausamer Tod ereilt, der kann sich verpissen!« Forsch griff nach ihrem Kinn, zog ihr Gesicht zu sich herauf. »Dir steht ein kleines bisschen Egoismus zu, verstehst du?«

Seine Stimme hallte wütend durch die Gänge, dass die Luft vibrierte. »Merkt euch das alle! Auf dieser Welt gibt es nichts wertvolleres als Freundschaft. Bildet euch nicht ein, ich wäre sorglos. Ich weiß wie das ist, zu leiden. Aber bei Gott, ich will nicht so leben! Ich will wirklich leben! Und wenn das kurz ist, dann scheiß drauf. Es muss sich gelohnt haben!« Ganz kurz blickte er zu Gal, wandte sich dann wieder zu Robin, die Stimme leiser, gefährlich. »Ich kanns nicht mehr hören, wer sich hier opfern oder wer wegrennen will. Das ist alles blöder Mist. Wer ne Liste führt, muss sich nicht wundern, wenn er allein stirbt.« Er begann sie zu schütteln. »Willst du das? Willst du allein sterben? Wenn du willst, dass sich dein Leben ändert, dann tu was dagegen! Wenn du willst, dass die anderen nicht gehen, dann sag es ihnen! Dann sag uns, was du fühlst! Dann erklär allen, was wirklich in dir ist. Und wenn sie dann immer noch gehen wollen, dann sind sie es einfach nicht wert!«

Schluchzend, um Atem ringend versuchte sie sich zu befreien. »Das geht nicht. Das geht nicht. Es ist zu spät. Es ist viel zu spät. Ich hab zu viel falsch gemacht.«

»Nun spinn nicht rum! Die ganze Pluton-Aktion war selbstsüchtig. Von Crocodile, von dir, von jedem von uns. Du musst nicht denken, dass du hier die Böse bist. Ich habe im Verlauf dieser Firma etliche Menschen für meinen eigenen Sinn getötet. So wie die anderen auch. Ehrlich gesagt, kann ichs nicht mehr hören. Du hast uns verraten? Oh bitte. Warum fühle ich mich nicht verraten? Ach ja, weil du niemals hinter Utopia gestanden hast. Weil du einen anderen Zweck verfolgt hast. Warum sollte ich dir das vorwerfen? Dann müsste ich mir jeden Tod vorwerfen, müsste ich mich persönlich bei Königin Vivi entschuldigen, denn der ihr Leid hat auch mit mir zu tun.«

Jetzt weinte sie wirklich bitterlich. »Und warum tust... du es nicht?!«

»Weil es mir nicht leid tut.«

»Aber...«

»Oh bitte, ja. Solche Leute wie dich, gibts auch nicht oft. Mitleid. Ja, bis zu einem Grad. Es sterben Menschen. Uh, es ist nicht so, als wäre mir das völlig egal, aber das ist nun mal das Leben. Wie ich schon sagte, ein bisschen Egoismus muss sein. Sonst wäre ich schon selbst tot. Außerdem suche ich mir selbst aus, für wenn ich sterben will. Und du gehörst zu diesen Menschen. Das kannst du mir nicht verbieten, kapiert?!«

»Aber du kannst mir verbieten zu gehen?!«

»Normalerweise würd ich dir zustimmen. Diesmal nicht.«

»AHHHHH! LASS MICH LOS!!!«

»VERGISS ES!«
 

In diesem Moment erhob sich Gal und drehte den Kopf zu ihnen, ließ den Körper nur langsam folgen. Sein Blick war eigenartig. Klar und doch voller Geheimnisse. Ruhig und doch unergründlich. Er sprach fast ein wenig tonlos. »Robin?«

Noch immer wehrte sie sich gegen den großen Balletttänzer, doch ihr Kopf zuckte ganz automatisch zu Mister 3.

Etwas unsicher machte er einen Schritt nach vorn, setzte einen zweiten an, ließ ihn dann aber sein. Sie sah in seinem Gesicht, dass er noch grübelte. Er wirkte wirklich ganz anders als zuvor. Keine Spur von Angst oder Scheu. Sein Blick bohrte sich ohne Barrieren in ihre Richtung. Dennoch, es schien ihm schwer zu fallen die richtigen Worte zu finden. »Ich hätte eine Frage an dich.«

»Es ist nicht so, als könnte ich dem gerade ausweichen, oder?!«

»...«

» Spucks schon aus, Gal. Ja, bitte. Spucks einfach aus.« Kam es müde von Uma.

Darauf nickte er leicht und legte den Kopf dann ein wenig schief. »...Willst du dich wirklich für uns opfern?«

»Das wollte ich. ABER ER LÄSST MICH JA NICHT!« schrie sie wieder, kaum noch die Kraft dazu. Sie spürte wie ihr dummes Herz ihr halb aus der Brust sprang und ihr Arm ihr bald abfiel. Scheiße. Warum hasste sie diese Welt nur so sehr?

»...Und du tust es, weil du Bossu... weil du Crocodile liebst?«

Voller Ärger versuchte sie zu atmen, doch es fiel ihr so schrecklich schwer. Ihre Kraft ließ schneller nach, als sie erwartet hatte und sie musste sich nun eher an Bon abstützen, als sich von ihm zu stoßen. Ihr Kopf fiel herab und Wasser benetzte weiter den dunklen Grund unter ihr. »Ja. Weil... ich ihn liebe und weil...weil ich nicht will, dass ihr euch trennt. Ihr... du... ihr befürchtet doch alle das Gleiche. Du hast doch Angst, dass die Marine dich erwischt, oder nicht? Du willst doch nicht wegen mir sterben, oder Gal?« Ihre Finger krallten sich in Bons Fleisch, den das nicht im mindesten zu stören schien. Sie war vollkommen am Ende. »Würdest du die Crew verlassen, wenn ich nicht da wäre? Würdest du das aufgeben, wenn du wüsstest, dass die Marine euch in Ruhe lässt? Und Paula... Paula würde nicht mehr verbittert in der Küche sitzen und gehen wollen... Uma und Miki auch nicht. Ihr alle... ihr habt nichts zu befürchten, wenn ich nicht mehr da bin. Ihr seid dann sicher.« Gott, warum konnte sie sich nicht wenigstens diese Schmach ersparen? »BITTE! SAG MIR DASS DU NICHT GEHEN WILLST? NICHT; WENN ICH NICHT MEHR IM WEG BIN! BITTE SAG MIR, DASS DU DAS NICHT AUFGIBST! DASS MEIN OPFER NICHT UMSONST WAR!«
 

Er blieb noch immer ruhig, schloss aber nun die Augen und schüttelte langsam den Kopf. Die ganze Zeit über hatte er sich gefragt, warum sein Boss ihn hier her geschickt hatte. Gerade ihn. So einen Versager wie ihn. Und dann seine Worte. Er hatte sie nur zufällig mitbekommen. "Wenn dir wirklich daran liegt, dass niemand für dich stirbt, der sich nicht dafür entschieden hat, dann lässt du ihnen die Möglichkeit in Arabasta auszusteigen." Das waren seine Worte gewesen. Er hatte sie ernst gemeint, nicht wahr? Ihm lag wirklich etwas an ihnen, an der Crew. Oder hatte er das nur so dahin gesagt, um Robin zu überzeugen? Es war so eigenartig. Eigenartig Robins Worte zu hören, zu verstehen. Sie würde sich umbringen? Dafür, dass sie alle wieder glücklich wurden? So weit würde sie gehen? So unwichtig war ihr ihr eigenes Leben? So hätte er sie überhaupt nicht eingeschätzt. Er hätte nicht gedacht, dass er überhaupt jemanden etwas bedeutete. Mehr war als nur Ballast. War es das? War die Illusion vielleicht doch die Wahrheit gewesen? War diese Crew der Ort, wo er bleiben wollte? Selbst wenn es gerade nicht so gut lief? Konnte er sich auf sie verlassen? Wollte er wirklich sein Leben für sie geben? Waren sie es wert? Seine Stimme blieb gedämpft.

»Meinst du, es geht so einfach? Du bist tot und plötzlich werden alle wieder glücklich? Meinst du nicht, du bindest das Pferd falsch herum auf? Auf Suimin haben wir nicht nur von deinem Verrat erfahren. Nein, es war viel mehr ein Traum, der zerbrach. Eine Vorstellung, die uns alle gemeinsam kämpfen lassen hat. Mit diesem Ziel verschwunden, ist es etwas ganz anderes. Wir haben kein Ziel. Und deswegen fallen wir auseinander. Natürlich, deine Identität spielt eine wichtige Rolle.« Nun senkte sich seine Stimme etwas und er schielte zu Boden. »...Aber jedem steht frei zu gehen. Und Teile der Crew werden gehen. Vielleicht auch ich. Du kannst nicht erwarten, dass alles so bleibt, wie es vorher war. Das ist einfach nicht realistisch.«

»Wohin willst du denn gehen Gal?« Ihre Finger zitterten. Sie hielt es nicht mehr aus. »DANN SUCHT EUCH EIN NEUES ZIEL! IHR SEID ALLE PIRATEN. Ob ihr es nun vorher schon ward, ist gleich. Ihr seid zusammen so stark, so frei. Willst du mir ernsthaft erzählen, dass hast du die ganze Zeit über nicht gespürte? Die Dynamik in der Gruppe? Das Potenzial? Ja, der Traum ist zerstört. Und was für einer?! Totale Kapitulation der Menschheit, unglaubliche Macht. Wenn es das war, was du wolltest, dann tut es mir nicht leid, dass du es nicht bekommen hast! Aber wenn du Freiheit wolltest, der zu sein, der du wirklich bist, dann wärst du ein verdammter Vollidiot, wenn du gehst! Du wirst hier für das akzeptiert, was du bist! SIEHST DU DAS NICHT? SEID IHR ALLE BLIND?! ALLE?« Schwächlich, jämmerlich rüttelte sie an Bon. »Warum solltet ihr das aufgeben wollen?!«

»Und du?« Seine Augen richteten sich wieder auf sie und sein Blick war so fest, wie sie ihn nicht von ihm kannte. »Bist du dann nicht auch blind? Weil hier der Platz war, wo du für das akzeptiert wurdest, was du warst?«
 

»Das ist es nicht wert. Du siehst doch was passiert! Du siehst es doch jetzt. Wäre ich nicht die, die ich bin, wärt ihr gar nicht, in dieser beschissenen Situation!«

»Das stimmt. Denn dann hätten wir uns nie getroffen.«

Sie verschluckte sich beinahe dabei. »...Und jetzt wisst ihr es alle. Jetzt wisst ihr, wer ich bin. Und was passiert? Das, was immer passiert... Aber diesmal lasse ich nicht zu, dass alle sterben und ich die bin, die zurück bleibt. Mit der Schuld, mit der Schande und dem Schmerz. Diesmal nicht. Diesmal ist es wert es zu retten. Diesmal... NUR DIESES EINE MAL! BITTE! NUR DIESES EINE MAL!«

Nun mischte sich auch Uma ein, kam einen Schritt näher. »Es reicht langsam, oder?«

Erneut schüttelte Gal den Kopf. »Weißt du Robin... Wir waren uns nie so nahe, dass ich deinen Tod beweinen würde. Mir würde es wahrscheinlich nicht einmal so sehr ans Herz gehen. Aber ich weiß, dass die anderen es nicht verkraften könnten. Vor allem Bossu. Und dann verliert er alles, was ihn dahin gebracht hat, wo er heute steht. Dann wird er unberechenbar. Und dann zerbricht die Crew von ganz allein. Wir sind jetzt als Freunde zusammen. Nicht... nicht wahr? Aber... wenn Bossu wieder in das Schema fällt, dann... sind wir wieder nichts mehr als seine Agenten. Dazu da für ihn zu töten. Dann ist das nichts mehr, das es wert wäre gerettet zu werden.« Er senkte den Blick wieder. Sein Herz schlug heftig, aber dennoch langsam, drückte ihm die Kehle zu. Warum war er so ruhig? Warum sagte er so etwas? Er wusste es nicht. Wahrscheinlich, weil er das hier sowieso als das Ende betrachtete. Dann konnte er auch ruhig alles sagen. Sich zumindest einmal in seinem ganzen Leben etwas von der Seele reden. Vollkommen ehrlich sein.

»...Das glaube ich nicht.« Sie schniefte lauter, verlor fast den Halt. »Das glaube ich einfach nicht.«

Abermals Kopfschütteln. »Ich weiß... es ist ganz einfach. Man denkt sich, dass nach seinem Selbstmord alles besser wird. Dass es allen besser geht. Aber das ist einfach falsch. Nichts ändert sich zum Guten. Es ist einfach daran zu glauben, weil es eine schöne Illusion ist. Aber sie ist einfach nicht wahr. ...Es sind die Gedanken eines törichten, traurigen Kindes. Ich dachte du wärst intelligent genug dafür zu wissen, dass das Leben nicht so einfach abläuft.«

Nun ließ die Schwarzhaarige ihren Gegenüber völlig los und spürte, wie ihre Beine immer schwächer wurden. »...«

Gal Dino blickte nach unten, in ein Nichts. Die Stimme noch immer ruhig. »Bei euch... habe ich kämpfen gelernt. Nicht für mich. Nein. Für andere Menschen. Und es... hat Spaß gemacht. Es war schön. Selbst wenn du etwas dafür kannst, Robin. Im Ende sind wir alle daran Schuld, dass es zerbrochen ist. Nein... vielleicht ist es ja noch gar nicht zerbrochen. Ich weiß es nicht. ...Ich weiß nur... Ich weiß nur...« Nun sog sich der Kloß in seinem Hals immer voller, bis seine Stimme immer dünner wurde. »...dass ich hin und her gerissen bin. Ich habe Angst zu bleiben. Ich habe Angst zu gehen. Ich habe Angst... davor zu sterben. Ich habe wirklich schreckliche Angst davor zu sterben. Hast du etwa... keine Angst zu sterben?«

»Nein.« Sie sah ihn nicht mehr an, konnte es nicht.

»...Dann bist du wohl eine der Glücklichen, hm?« kam es etwas gegluckst, ehe er sich wieder sinken ließ, um sich zu setzen. »...Und trotzdem, Robin. ...Ich glaube, dass dein Tod niemanden von uns helfen wird. Nein... ich weiß es. ...Niemand von uns... niemand der Crew wünscht sich deinen Tod. Ich habe euch erlebt. ...So herzlos ist kein einziger von uns. Also... bitte hör auf so zu denken. Wir... sollten noch eine... vielleicht eine halbe Stunde warten. Dann... wie wärs, wenn wir dann einmal nachschauen. Uma könnte... einen Tunnel graben, der bis knapp über die Oberfläche reicht. Und dann kannst du deine Fähigkeit einsetzen, um dich umzusehen...«

Sie reagierte nicht mehr. Sie hatte aufgegeben. Sie konnte nichts tun. Nicht im Leben und jetzt erzählte ihr Gal, dass auch ihr Tod nichts bringen würde. Also war sie wirklich dazu auserwählt, einfach zuzusehen? Immer wieder zuzusehen?

»Yosh! So machen wir es! Ja, ja, ja! Hört sich gut an.«

Bon nickte ebenfalls, als Gal die Beine wieder an sich heran zog und ins Leere starrte.
 

~ ~ ~
 

Maßlose Einsamkeit hatte sich über ihre Seele gelegt. Eine ganz neue Form ihrer altern Bekannten, die sie ein Leben lang schon begleitete hatte und nun offenbar zu ihrem Höhepunkt gelangte. Hier, in diesem schwarzen Tunnel, der nur grob mit rot-gelben Licht daran erinnerte, dass es nicht ihr zeitiges Grab war, sondern lediglich ein Versteck. Eines, das sie sich mit drei weiteren Personen teilte. Freunde...was bedeutete das schon? Stimmte das überhaupt? Uma redete kaum mit ihr und Bon... noch nie hatte sie Bon so ausrasten gesehen, noch nie hatte er sie angeschrieen, festgehalten, ihre Freiheit beeinträchtigt. Noch niemals... hatte er ihr gesagt, dass was sie tat und dachte falsch war. Aber wirklich schlimm zugestoßen hatte Gal. Bon's Verhalten irritierte sie, tat sogar irgendwie weh, weil sie wusste, dass er das nur tat, weil er sich um sie sorgte. Gal hingegen hatte ihr zum ersten Mal gezeigt, dass alles noch viel hoffnungsloser war, als sie vermutet hatte. Warum nur, bemühte ihr müdes Gehirn nachzuvollziehen, konnte sie absolut gar nichts tun? Nicht einmal ihr Tod würde ausreichen? Aber mehr konnte sie doch nicht geben. Mehr hatte sie einfach nicht, dass irgendetwas ändern könnte. Die Crew würde zerbrechen. Höchstwahrscheinlich. So hatten Gal's Worte geklungen. Mutig, aber fast gedrungen dennoch. Mutig, das war ungewöhnlich für Gal. Wieder ein Zeichen für das Ausmaß dieser ganzen Situation. Sie konnte bleiben oder gehen, scheinbar würde das nichts verändern. Und offenbar hatte sie sich auch noch zum Trottel gemacht, hatte ihre Fassung völlig aufgegeben, sich wie ein kleines Kind benommen. Und wahrlich, in ihr herrschte ein Chaos wie man es nur bei einem Kind vermuten wollte, dass seine Lage nicht verstand und voller Verzweiflung in die eigene Zukunft schaute. Vor ihr lag Leere. So viel davon, dass sie Bon's liebevolle Worte schon nicht mehr hören konnte. Sie hatte sich sogar gegen den gewandt, der noch zu ihr gehalten hatte. Und hatte er Recht mit dem was er gesagt hatte? Gal? Bon? Wer von beiden? Sie wusste nicht einmal das. Ihre Gedanken schwammen ineinander über, das ihr fast schlecht von dieser Karussellfahrt wurde.

Ihre Brust schmerzte, ihr Arm brannte höllisch. Am liebsten hätte sie ihn sich abgerissen. Weinerlich, jämmerlich, unfähig. Nicht in der Lage auch nur das kleinste bisschen richtig zu machen. Das war also von ihr übrig geblieben. Sie hasste sich selbst, sie hasste diese ganze Sache. Und vor allem hasste sie, dass sie schon ewig hier saßen und sich nichts rührte. Niemand war in fast zwei Stunden hier aufgetaucht und selbst jetzt noch, in ihrer Verzweiflung spürte sie, das etwas ganz und gar nicht gut war. Aber ganz egal was Gal sagte. Sollte die Marine der Grund dafür sein, sollte irgendeinem von ihnen etwas passieren, sie würde dazwischen spielen. Besser oder schlechter, aber Hauptsache sie lebten. Das war das Einzige, auf das sie sich konzentrieren wollte. Das einzig Wichtige. Egal, was sie dafür tun musste und wenn es Kuzan auf den Plan zu bringen hieß. Sie hatte nicht gelogen. Sie wusste genau, dass er kommen würde. Und er würde ihr geben was sie wollte, wenn sie sich freiwillig ergab. Sie wollte nur eines: das Leben der Menschen, die ihr in kürzester Zeit ans Herz gewachsen waren. Sie wusste nicht einmal genau wieso, aber, sie wollte nur einmal in ihrem Leben sehen, wie die, die zu ihr gehalten hatten, lebend davon gingen. Einmal, nur ein verzweifeltes Mal sollten die leben, die die wahre Nico Robin kennengelernt hatten. Es sollte wenigstens ein paar Menschen geben, deren Tod sie nicht mit ihrer schieren Existenz ausgelöscht hatte.

Ihr war kalt. So unendlich kalt. Kam die Kälte von außen? Aus dieser Dunkelheit, die sich immer tiefer in sie fraß oder kam sie von innen? War sie schon so kaputt, dass in ihr nichts Anderes mehr war, als Kälte? Sie zitterte, spürte wie sich sogar ihre eigene Haut gegen sie wehrte. Gänsehaut. Sie verursachte sich selbst Gänsehaut. Als ekelte sie sich selbst an, als wäre sie allergisch auf ihre eigenen Gedanken, Gefühle. Wie widerwärtig musste es jedem außerhalb erst ergehen. Jedem, der in ihre Nähe kam. Spürten sie den lauernden Tod? Konnte man es riechen, auf der Zunge schmecken? Leise, so leise, dass es niemand mitbekam begann sie auf und ab zu wippen, als befände sie sich in Trance, auch wenn sie hellwach war, die Nerven zum zerreißen gespannt. Wann? Wann konnten sie endlich etwas tun?
 

Es dauerte weitere, endlose Minuten, bis Uma's merkwürdig angespannte Stimme die Stille endlich durchbrach. »Also es ist jetzt über zwei Stunden her, seit wir uns hier her verkrochen haben. Wird Zeit, dass wir uns bewegen, ja, das wird es wirklich. Aber jetzt gleich.«

Bon richtete sich auf und streckte seine Glieder, drehte seine Schultern durch. »Uma hat Recht. Die anderen würden uns nie solange ohne Worte hier sitzen lassen.«

Wortlos stand auch Gal auf, blickte aber niemanden der Drei an. Schließlich war es Uma, die Robin auf die Füße zerrte. »Nun komm schon Mädchen.« Robin schenkte ihr einen kurzen, leeren Blick und wirklich, Uma spürte wie ihre Haut sich zusammen zog. Dennoch schubste sie sie ein wenig voran. »Na los, los. Wird Zeit, ja jajajajajaja!«

Nur ein paar Meter lief Robin voran, ehe Uma sich an ihr vorbei schob und sie warnte. »Ich grab uns einen Gang bis zum Strand vor. Danach kann Robin nachsehen, ob irgendwas erkennbar ist. Wie weit reicht deine Fähigkeit eigentlich genau? Eh? Eh?«

»Etwa funfhundert Meter.«

Uma nickte und nur Sekunden später begann Dreck um ihre Ohren zu fliegen. Ihre gewaltigen, mächtigen Maulwurfspranken zogen durch die Erde, als würde sie durch Wasser schwimmen. Sie hinterließ einen breiten Tunnel, in den man nach etwa fünf weiteren Minuten betreten konnte. Er führte sie etwas nach oben, aber vor allem geradeaus. Schweigsam folgten sie dem so freigelegten Weg, bis Uma inne hielt und zu ihnen zurück kam. »So.« Sie klopfte sich die Hände ab. »Kannst loslegen, Mädchen.«

Robin schloss die Augen, versuchte alle weiteren Gedanken auszusperren und begann sich zu konzentrieren, versuchte die Welt über sich zu sehen, versuchte zu sehen, was hier los war und vor allem, wo die anderen waren.
 

Wie sie schnell erkannte, hatte Uma sie wirklich sehr nahe an den Strand heranbringen können. Sie konnte ihr Schiff sofort erkennen, selbst in der ankommenden Dämmerung, die die Insel vom Osten her umschirmen wollte. Das andere Schiff, das der Kommandant, der Crocodile und den anderen zum Opfer gefallen war, gelenkt hatte, war ebenfalls noch dort. Im ersten Moment fiel ihr nichts Ungewöhnliches auf, doch dann überschlugen sich die Ereignisse. Zuerst erkannte sie die riesigen Löcher in ihrem eigenen Schiff. Drei im Schiffsbauch, aber noch über der Wasseroberfläche, in der Linie der Kanonen. Zwei weitere bei ihren Kabinen. Auch einer der Masten und ein Stück des Hecks hatte gelitten. Als sie es jedoch näher betrachtete, fand sie niemanden vor. Kein Einziger war auf dem Schiff, weder unter, noch ober Deck. Auf den Dielen waren einige Kratzer, aber kaum Blut. Es brannte auch kein Licht, alles wirkte so, als wäre es seit Stunden vollkommen unangetastet. Sie inspizierte umgehend das gegnerische Schiff und erkannte auch dort eine Veränderung. Überall über das Schiff verteilt waren noch die Spuren des Kampfes. Blut und Dellen und herausgebrochene Holzstücke. Aber die Leichen der Männer, die sie zuvor erledigt hatten, waren unter Deck behutsam nebeneinander gelegt und mit einer weißen Plane abgedeckt worden. Auch hier war niemand sonst.

Sofort begann Robin zu keuchen, sie riss ihre Augen auf, aber statt dem Tunnel sah sie nur die obere Außenwelt. Ihre Gedanken spielten nun vollkommen verrückt und versuchten krankhaft den Sinn zu erkennen, der ihr unvermittelt ins Gesicht sprang. Zitternd hob sich ihre Hand und legte sich auf eine ihrer Gesichtshälften. Ihre Stimme war leise und gespenstisch. »Oh nein... oh Gott...« Gehetzt wandte sie sich an Uma und klammerte sich an die Frau. »Öffne den Tunnel! Sofort! Lass mich raus! Lass mich raus!«

»Was....was ist denn los? Ja, was siehst du denn? Was denn? Was denn?«

Doch Robin reagierte längst nicht mehr, schüttelte sie nur heftiger. »Mach schon! Grab uns frei!!«

Die rothaarige Frau, die eh nicht für ihre Geduld bekannt war, wartete nicht länger. Etwas grober schob sie Robin von sich und und fuhr die Hände aus. »Wie du willst. Aufgepasst!«

Noch ehe Bon dazwischen funken konnte, drückte die brüske Frau sich nach oben und hustend mussten die übrigen drei ausweichen, wollten sie unter dem Schutt nicht begraben werden. Kaum an der Oberfläche, schob sich auch Robin durch das Loch, noch bevor Bon ihr zuvorkommen konnte. Sie war kaum aufzuhalten, als sie zum Schiff rannte und es mit eigenen Augen zu sehen. Man hatte sie angegriffen und da es die Leichen der Soldaten waren, die aufgebahrt worden waren, wusste sie auch wie der Kampf ausgegangen war. Sie konnte es nicht, wollte es gar nicht glauben, aber die Realität holte sie schneller ein, als sie verkraften konnte. Im Sand, direkt vor dem Schiff ging sie zu Boden und versuchte nicht völlig die Kontrolle zu verlieren. »Verdammt, verdammt, verdammt!«

»Mensch Robin, was ist de....« Abrupt hielt Bon inne, als er den Schaden bemerkte. Oh, das war nicht gut.

Uma rannte bereits wie eine Gejagte von einem Ende zum Nächsten und ratterte laut vor sich her. »Na toll, na toll, Scheiße mit dieser Scheiße. Was machen wir denn jetzt? Was machen wir? Ja, was? Was?!«

»...Wir...wir müssen sie finden. Herausfinden, wohin sie sie gebracht haben...« flüsterte Robin, die fast ohnmächtig wurde.

»Heißt das, sie sind nicht mehr auf dieser Insel?« kam es geschockt von Bon.

»Sie sind nicht hier, oder? Kannst du sie irgendwo sehen?! Sie sind nicht auf dem Schiff! Wo sollten sie sonst sein?!«

Nun klappte Bons Mund ganz auf. »Okay, okay, okay. Wir sollten uns beruhigen und rausfinden was genau passiert ist, ne?« Er fuhr sich aufgeregt durch das kurze Haar.

Robin hob den rechten Arm und deutete auf das Schiff. »Wonach sieht es denn aus?! Bist du blind?!« Sie konnte sich nicht mehr zurück halten. »Sie wurden angegriffen! Sie haben sie mitgenommen, denn hier sind sie nicht! Sie haben gekämpft, aber offensichtlich nicht gewonnen und jetzt... jetzt...« ihre Stimme zerbrach »...jetzt hat die Marine sie! Und wer weiß, was die mit ihnen machen!!«

Mister 2´s Brauen zogen sich zusammen. »So sieht es aus, ja. Aber um zu wissen, wo wir sie suchen sollen, müssen wir genau wissen, was passiert ist.« Er deutete auf das Marineschiff. »Die haben uns hier aufgespürt, vielleicht finden wir auf der ihrem Schiff raus, wer ihr oberster Kommandant ist, wo der Stützpunkt ist oder irgendetwas, was uns helfen kann.«

Heftig zog Robin Sauerstoff in ihre Lunge und versuchte sich mühselig abzuregen. Gott, was war nur mit ihr los? Bon hatte vollkommen Recht. Warum nur konnte sie einfach nicht zur Ruhe kommen?

Der große Mann in Pink blickte hilfesuchend zu Gal, der scheinbar keine Panikattacke erlitt. »Sollten wir doch, oder?«

In diesem Moment sprang aber bereits Uma dazwischen. »Bla, bla, bla! Ich will erst wissen, was hier los ist! Wenn diese Saftsäcke alle entführt haben...GAH! Ich mach die alle platt! Die können was erleben! Erleben, sag ich euch!«

»Ja aber-« Und schon wieder wurde Bon unterbrochen. Bon-wurde-unterbrochen.

»PLATT!! ICH MACH DIE PLATT!!!«

»...Uma, ich...«

»SOOO PLATT!!«

»UMA!«

»WAS?!«

»Reg dich ab. Wir können uns ja auch aufteilen oder so.«

»Aufteilen... aufteilen? AUFTEILEN?! ICH TEIL DICH GLEICH!«
 

Das schien Bon doch tatsächlich Angst einzujagen. Die Frau war einfach zu erschreckend, als das man sich mit ihr anlegen sollte, wenn sie wie eine Furie den Strand entlang lief. »Nicht mehr da! WAS BILDEN DIE SICH DENN EIN?! WAS WAGEN DIE SICH!« Hastig kam sie auf Robin zu, die Hände an ihren Kragen »Du kennst dich mit der Marine aus! Was soll das?! Warum nehmen die Sir Crocodile mit, huh? Hab ich alles über Shichibukais falsch verstanden? Ja? JA? Wozu ist den der Titel gut, wenn sie ihn trotzdem einfach mitnehmen?! Und seine ganze CREW!!!«

Es fiel ihr so schwer, die Frau vor sich nicht durchzuschütteln. Sie wirkte schon so, als würde sie gleich endgültig zusammen brechen, aber Uma konnte sich kaum halten. Wie eine Panikwelle strömte über sie hinweg. Sie hatte gewartet, geduldig gewartet und vertraut und jetzt waren sie weg und sie verlor endgültig ihre Beherrschung. »JETZT REDE ENDLICH!«

Doch Robin redete nicht, sah sie mit großen, schockgefrorenen Augen an und brachte kein Wort über die Lippen. Nicht, dass sie es nicht versucht hätte. Sie presste, würgte beinahe, aber ihre Luftröhre schien wie zugewachsen, eingefallen. Als zum wiederholten Male Tränen über Robins Wangen flossen und Bon gerade einschreiten wollte, ließ Uma sie los. »Vergiss es. Wäre auch mal was Neues, was von dir zu bekommen.«

Bebend fiel Robins Blick zu Boden und sie unterdrückte ein elendiges Schluchzen. Da hatte sie es. Und nicht anders verdient. Nutzlos, so nutzlos

»Oi! Jetzt reichts aber, Uma! Wir wissen alle nicht genau, was hier los ist und es ist garantiert nichts Gutes. Ich versteh auch nicht, wieso sie Bossu einfach mitgenommen haben. Aber Aufregung bringt gar nichts.«

Nun ging sie auch ihn an. »Bringt also nichts ja?! Ich sag dir was nichts bringt! Diese ganze verdammte Scheiße bringt nichts! Das hätte man von Anfang an sehen können! Aber nein, wie ein Geschwür wächst es weiter und glaub mir, ich weiß wie schnell das geht!« Sie packte ihn bei der Brust und drückte ihn so heftig zurück, dass er fast zu Boden ging. »MIR REICHTS!« Aufgebracht wandte sie sich ab und stampfte zum Schiff, hörte nicht auf Bons Gejammer. Es war ihr scheiß egal, was er zu sagen hatte. Dieser ganze Dreck, alles vorhersehbar und jetzt hatten sie den Salat!

» Uma...« kam es gequält von Robin.

Voller Hass in den Augen, das Gesicht zu einer Fratze verzerrt, drehte Uma sich wieder um, der Körper eine einzige Abwehrhaltung. »WAS? WAS WILLST AUßGERECHNET DU VON MIR, HUH?!«

»Ich...«

Noch düsterer wurde der Blick. »REDE GEFÄLLIGST ODER HALT ENDGÜLTIG DEIN MAUL!«

Bons Mund klappte soweit auf, es hätte niemanden überrascht, hätte er den Sand unter sich geschluckt.

Und endlich sprach Robin, schrie vielmehr. »ES TUT MIR LEID! Es tut mir alles so schrecklich, schrecklich leid! Ich wollte keinem von euch wehtun!«

»Hast du aber!« Sich bewusst werdend wie viel sie nun von sich Preis gab, wurde ihre Stimme etwas ruhiger. »Ich war mal Mutter, Robin. Ich hatte zwei bildschöne Töchter.«

Und noch mehr Sand in Bons Mund
 

»Sie sind vor ein paar Jahren an Krebs gestorben und ich habe untätig rumgesessen, dabei zugesehen, wie sie dahin gesiecht sind. Ich habe damals vertraut, auf die Ärzte. Die Typen, die angeblich was von ihrem Fach verstehen. Die so schlau sind und sich auch noch so vorkommen. Und die haben nichts getan als geredet. Deine Sorte, Robin. Reden, oh, soviel reden, aber am Ende kommt nichts dabei heraus! Gar nicht, nein, gar nichts!!!«

»Was soll ich also tun? Sag es mir, Uma! Sag mir was ich tun soll! Ich schwöre, ich werde es tun. Egal was es ist.«

Unter dem ganzen Hass konnte man das Leuchten in den großen Augen hinter den dicken Gläsern erkennen. »Vielleicht fängst du damit an, endlich Verantwortung zu übernehmen!«

» Aber...was soll ich denn...?« doch Uma unterbrach sie.

»Du hast Scheiße gebaut, Robin! Richtig blöde Scheiße! Aber das machen wir alle, verstehst du?! Das Problem ist nicht was du getan hast, sondern wie du dich jetzt verhältst. Als wäre die Welt zu ihrem Ende gekommen. Und wenn die Crew sich auflöst, du hast immer noch Crocodile, oder? Und der Saftsack dadrüben...« Sie deutete zu Bon. »...ist ja auch so eine beschissene Klette. Du tust so als wenn du allein auf der Welt wärst! Du bist verdammt noch mal der Vizecaptain auf dem Schiff, du bist der Partner vom Boss und damit auch mein Boss. Wenn ich dir also vertrauen soll, solltest du dich wie ein jemand verhalten, dem man folgen kann. Im Notfall. Aber stattdessen siechst du im Selbstmitleid dahin! Ja man, ich versteh wie sich das anfühlt, aber Herr Gott, wir leiden alle! JA! Sogar ich!«

»Du... ich soll..« Robins Augen waren voller Wasser, spiegelten den Schock in ihrem Innersten wider.

»Ja! Du sollst! Meine Güte! Tu endlich irgendwas! Es ist mir egal was! Aber hör auf dich zu verstecken! Du bist erwachsen, Mädchen! ERWACHSEN!«

»Du meinst das ist so einfach? So einfach plötzlich zu handeln? Du weißt doch nichts über mich, Uma. Rein gar nichts. Es tut mir leid, okay, aber ich weiß nicht was ich tun soll. Ich bin absolut ratlos, denn egal was ich tue, es ist immer das Falsche.«

Mit einem Mal veränderte sich Umas Blick völlig. Sie kam erneut auf Robin zu und packte sie am Arm, diesmal behutsamer. Die Stimme plötzlich sanft. »Dann sag das doch wenigstens. Sei doch bitte einfach ehrlich mit uns. Sag, was in dir vorgeht, was du fühlst, was du dir wünschst. Wenn wir Freunde sein sollen, wenn wir dir glauben sollen, dann musst du ehrlich sein, offen. Wie soll man dir sonst vertrauen, hm? Ich kann nur dieses Schweigen nicht mehr ertragen. Es schmerzt mehr als alles andere. Das Nichtstun, das stille Leiden. Begreifst du das? Ja? Tust du das?«

Völlig überrumpelt stierte sie der kleineren Frau weiterhin entgegen und glaubte nicht was sie hörte. »Das... das ist nicht so leicht...«

Nun seufzte sie. »Wär ja noch schöner, wenns leicht wäre. Es soll ja wehtun, es soll dir das Herz auf der Brust reißen und dich vollkommen unsicher machen. Aber so läuft das. Mach entweder mit oder lass es bleiben. Aber entscheide dich mal! Und dann agiere. Sonst kannst du mir echt bald mal am Buckel runter rutschen.« Sie ließ sie wieder los. »Und noch was. Sollte Miki irgendwas passieren, werd ich euch allen den Arsch aufreißen.« Sie stocherte kurz in Robins Schulter. »Der ist neben Bon jemand, der dir verziehen hat. Ich hoffe, du weißt das bald mal zu schätzen. Gibt noch andere, außer Crocodile auf dem Schiff, denen du nicht egal bist. Ja? Kapiert? Können wir dann endlich?!«
 

Robin brauchte noch einen Moment, in dem sie der Frau perplex entgegen starrte, versuchte zu verdauen, was sie ihr entgegen geschleudert hatte. Dann nickte sie, drückte die Schultern zurück. »...Gut.«

Bon war vollkommen vor den Kopf gestoßen. »...Wa... Was?«

»Ich hab echt keine Zeit, dir das auch noch zu erklären, Mister Ballerina. Setzt endlich eure Ärsche in Bewegung.«

»Ja, aber....was sollen wir denn...?«

»MAN! Wir sehen uns auf den Schiffen um. Das hast du doch selbst gesagt! Ja, hast du. Man, man, man. Du kommst mit mir mit und Gal und Robin können zu dem Marineschiff gehen. Na los, genug Zeit vertrödelt!«
 

Gals Herz schlug viel zu schnell, viel zu hart gegen seinen Brustkorb. Er spürte, wie sich der Knoten, der ihm zuvor die Luft abgeschnürt hatte, allmählich wieder verschwand. Er konnte ihre Worte noch in sich nachhallen hören und jede Welle schwang ein unendliches Echo, das seine Muskeln zum Vibrieren brachte. Er spürte etwas in seiner Magengegend zwicken, fühlte warmes Wasser auf seinen Wangen und ein warmes Kribbeln in seiner Brust. Hastig wischte er sich die Tränen aus dem Gesicht und blickte jedem der Anwesenden noch einmal ins Gesicht. Gal hatte sich gefragt, warum er an diesem Tag auf Koko zurück zum Schiff gegangen war. Woran es lag. Warum er wieder und wieder den gleichen Fehler machte. Er hatte viele Antworten gefunden. Weil ihm Koko zu unsicher war. Weil er Angst hatte nicht weit genug wegrennen zu können. Weil er doch noch den Mut aufbringen wollte Crocodile zu sagen, dass er ging. Weil die Zeit noch nicht gekommen war. Weil er einen schlechten Tag hatte. Weil er etwas auf dem Schiff vergessen hatte. Aber nun wusste er, dass keine dieser Antworten stimmte.

Die Karte hatte ihn davon abgehalten zu gehen. Sie hatte ihm Mut geschenkt, Mut dazu an die Hoffnung zu glauben. Daran, dass sich vielleicht etwas änderte. Irgendetwas. Es stimmte, Gal Dino war ein Feigling, ein Denker, der nicht gern kämpfte und es nur mit jemandem aufnahm, von dem er wusste, dass er ihm überlegen war. Er wollte nicht für Robin sterben. Er wollte nicht wegen ihr verfolgt werden. Aber er wollte auch nicht mehr alleine sein. Er wollte das nicht aufgeben, was er hier gefunden hatte. Er wollte dafür kämpfen.

Uma hatte nicht nur Robin ins Gewissen geredet. Ihre Worte hatten sich direkt durch seine Brust in sein Herz gebohrt und es durchdrungen. Sie hatte Recht. Oh ja, sie hatte so was von Recht. Es war wirklich Zeit erwachsen zu werden. Es war Zeit die Initiative zu ergreifen. Denn das war seine Chance. Gal Dinos Chance, den Menschen etwas wiederzugeben, die auch ihm geholfen hatten. Vielleicht war es die einzige Gelegenheit. Und er war es ihnen schuldig. Wenn er etwas tun konnte, dann musste er es tun. Er nahm all seinen Mut zusammen und atmete tief durch, machte seinen Kopf klar und versuchte die Sache vollkommen sachlich anzugehen. Seine Stimme war eben und kraftvoller als sonst.

»Uma hat Recht.« er kam etwas näher und sah sie alle an. »Es ist schwer zu glauben... aber alles deutet darauf hin, dass die Crew diese Insel nur widerwillig verlassen hat.« Sein Blick ging zum gegnerischen Schiff. »Soweit ich mich erinnere, müsste es noch genau dasselbe Schiff sein, wie jenes, das uns vor ein paar Stunden überrascht hat. Das heißt ein anderes Schiff muss gekommen sein. Vielleicht war es ebenfalls ein Marineschiff, aber vielleicht irren wir uns auch. Ich denke aber, dass wir davon ausgehen können, dass niemand uns vier unter der Erde erwartet hätte. ...Wir sollten die beiden Schiffe genauestens untersuchen. Ich bin mir sicher, dass wir Hinweise darauf finden können, was geschehen ist und vielleicht auch, wo Bossu und die anderen sind.«

Uma's Gesicht hellte sich endlich wieder auf, sie grinste ihm entgegen. »Gal, dafür bekommst du den feinsten hausgemachten Kuchen, den du je gesehen hast! Oh ja, du kannst dir sogar aussuchen was für einen.«

Er ging gar nicht darauf ein, das Gesicht noch immer ernst. Nun wandte er sich an Bon und Robin. »Wir haben nur zwei Stunden verloren. Und unser Schiff kann ich ohne Probleme reparieren. Sie können nicht allzu weit sein.«

Bons Mund klappte noch immer auf und zu, als könnte er sich nicht entscheiden, während Uma nur weiter grinste und die Faust in die Hand schlug. »Yosh, yosh, yosh, Action! Action!«

»Ich werde das Marineschiff untersuchen. Bon, könntest du noch einmal die Insel abgrasen?«

Als er weiterhin nicht richtig reagierte, stieß ihn Uma erneut an. Wild schüttelte er den Kopf, richtete sich endlich vollständig auf und nickte dann. »Schon erledigt!«

Gals letzter Blick galt Robin und sie konnte wirklich die Entschlossenheit in seinen Augen sehen. Einen langen Moment stand er einfach nur so da und musterte sie wieder, dann wandte er den Kopf ab, ehe er sich in Richtung Schiff bewegte. »Uma hat Recht. Wenn du willst, dass wir die vertrauen, dann tu auch etwas dafür. Wir sind vielleicht die einzige Chance für die anderen, falls sie in Gefahr stecken.«

Sie stierte ihm entgegen, war noch immer wie in Trance. Erst als Uma sie mit ihrem Geschrei wieder in die Gegenwart holte, versuchte sie sich zu konzentrieren. Sie musste etwas tun. Sie musste ihnen helfen, beweisen, dass sie ihre Worte ernst meinte. Zwar hatte sie sich das Meiste schon angesehen, aber es war besser, wenn sie Uma half ihr Schiff zu inspizieren. Mit aller Kraft stemmte sie sich nach oben, versuchte ihren kühlen, eisernen Verstand in den Vordergrund zu zerren. Wenn es nur irgendeine Hoffnung gab, dann musste sie jetzt klaren Kopf beweisen. Und bei Gott, das würde sie. Sie durfte einfach noch nicht aufgeben.
 

~ ~ ~
 

Nur wenige Zeit später trafen sich die vier wieder auf ihrem eigenen Schiff, das von den Schüssen und der darauf folgenden Gleichgewichtsveränderung etwas im Wasser umher eierte. Bon hatte keinen Stein auf der Insel unumgedreht gelassen, jedoch nichts gefunden. Die drei Gefreiten, die Robin erledigt hatte, lagen jedoch mitsamt der anderen auf dem Schiff der Marine. Auf ihrem eigenen Schiff war ebenfalls nichts weiteres zu finden. Nur Spuren von dem Kampf. Der Kanonenraum war ziemlich unbrauchbar geworden. Die Geschosse fast vollkommen zerschmettert, genauso wie Irokos Kabine und ein Teil des Zimmers, das Bon und Gal sich geteilt hatten. Sonst fiel nichts weiter auf. Auf dem anderem Schiff allerdings hatte Gal eine Menge finden können. Unter anderem das Logbuch des Captains, sowie einige interessante Dokumente über die Aufstellung der Division, sowie einige Informationen über die Tätigkeiten der Marine in diesem Teil der Grand Line.

Die Division, die nun tot unter Deck lag, gehörte zum Unteroffizier Hadrian, der wiederrum dem Offizier Sonnenbrücken unterstellt war. Eine höhere Instanz hatte er nicht ausmachen können. Weiterhin hatte er heraus bekommen, dass Hadrian von Koko aus einen Hinweis darauf bekommen hatte, dass Crocodile sich in diesen Gewässern aufhielt. Sie wurden damit beauftragt nachzusehen, was geschehen war und den Piraten unbemerkt zu bewachen. Hinweise auf einen Verdacht, dass Robin eine Rolle spielte, gab es keine. Außerdem hatte Gal einen Eternal Post gefunden, der zu einer Insel namens "Schneeglöcken" führte. Es schien, als wäre das der Name einer Marinebasis ganz in der Nähe. Die Station, der Hadrian unterstellt war. Der befehlshabende Offizier hieß Sonnenbrücken. Aus dem Logbuch hatte er herausgefiltert, dass sich dort ein Gefängnis befand, denn er hatte dort oft gelesen, dass die Division Klein- und Großkriminelle dorthin gebracht hatte.

Gal breitete die Dokumente, die er gefunden hatte, auf dem Tisch aus und zeigte ab und zu auf eines von ihnen. Sein Auftreten war noch immer gefasst und ruhig. Er strengte sich wirklich an seinen Verstand zu benutzen. Er wollte so gut helfen wie es nur ging. »Ich gehe sehr stark davon aus, dass die Gefreiten, die Robin ausgeschaltet hat, noch in der Lage waren ein Signal an den Unteroffizier zu senden. Als Bossu davon Wind bekam, hat er sie angegriffen. Aber es war bereits zu spät, denn der Funkkontakt zu einer anderen Division wurde bereits hergestellt. Diese Divison war danach auf dem Weg hierher. Die Behandlung der Leichen lässt sehr stark darauf schließen. ...Dann... dann muss es irgendwie zu einem Kampf gekommen sein. Und es scheint, dass... dass Bossu und die anderen gefangen genommen wurden. Oder sie sind freiwillig mitgegangen, doch mir ist schleierhaft warum sie das getan haben sollten.«

Er blickte nur kurz auf, heftete den Blick aber die meiste Zeit auf die Dokumente und den Eternal Post. »Ich glaube, die Chance ist groß, dass sie zu diesem Gefängnis auf "Schneeglöcken" gebracht wurden. Aber... ich wüsste nicht warum. Andererseits... scheint es so als wären die Tätigkeiten, die diesem Offizier unterstellt sind, nicht direkt vom Hauptquartier überwacht. Er scheint ziemlich viele Freiräume zu haben. Es könnte also sein, dass er nicht direkt an ihre Entscheidungen gebunden ist, oder er in vielen Dingen freie Hand hat.«

»Und die meisten Kommandanten, die ich kenne, mögen keine Piraten.« Bon nickte anerkennend den Kopf. »Ich finde es gar nicht so überraschend. Wir haben die ganze Division platt gemacht. Dieser Sonnen.-... Sonnenschein hat Bossu bestimmt auf Grund des kleinen Massakers mitgenommen.«

Sein Zimmerpartner nickte. »Es könnte auch sein, dass er sie nur zu einem kurzen Routineverhör mitgenommen hat. Aber... ich denke, dass ist recht unwahrscheinlich, wenn man die Umstände bedenkt.«

»Ein Verhör? Jetzt spinn nicht wieder rum, Gal. Warum sollten die schießen? Mit Kanonen?! Huh, huh?« Uma fuchtelte mit den Armen herum. »Ich sag dir, was passiert ist. Der Saftsack ist aufgetaucht und hat sie bestimmt damit überrascht, dass er handgreiflich wurde. Und dann, jaha, dann hats losgeschlagen. Sieht man doch. Und weil diese Typen sich für was ganz Großes halten, will er jetzt mit dem Samurai rumspielen. Da fühlt er sich bestimmt gleich ganz geil! Ich sags euch! Diese dreckigen Hunde!«

Erneutes Nicken. »Was auch immer es ist... ich denke keiner kann hier ruhig rumsitzen und darauf warten, dass sie wiederkommen.«

»Tss, als ob! Schöner wärs noch! Pah! Also ob! Ja genau!«

»Nach den Kampfspuren zu urteilen, wurden sie überrascht.« kam es zaghaft von Robin, deren Stimme noch immer etwas kraftlos war. »Ich nehme an, Iroko hat unsere Kanonen gefeuert, das heißt, eine. Die anderen waren unberührt. Ich glaube sie wurde durch den Raum geschleudert, zumindest lassen die Einschläge das zu. Mikis Schläger lag übrigens in einer Ecke und auf den Dielen kann man genau sehen, wo er ihn hat fallen lassen. In dem Winkel schätze ich, dass er aufgegeben hat, und nicht, dass man ihn ihm gewaltsam entrissen hat. Von Paula sind ein paar Löcher zurück geblieben, schwer zu sagen, was mit ihr passiert ist. Schäden durch..« sie schluckte, würgte die Angst zurück. »Sand gibt es gar keine. Sie müssen Crocodile als erstes ausgeschaltet haben. Vielleicht mit Seestein. Er hat sicher nicht damit gerechnet, dass er festgenommen wird.« Sich zusammen nehmend fiel ihr Blick auf die Karten und Papiere, die Gal ausgebreitet hatte. »Ich kann natürlich nur raten. Aber Spuren dieser Art lassen eine recht genaue Rekonstruktion zu.«

Und ein weiteres Mal das Nicken. »Sie hatten ganz sicherlich Seestein bei sich. Wahrscheinlich war der Angriff von Anfang an geplant. Netze und Handschellen. Und wenn Iroko wirklich im Kanonenraum war, dann wurde sie sicherlich schnell ausgeschaltet... bedenkt man den Schaden unseres Schiffes. Und Miki wurde sicherlich gedroht.«
 

Uma knirschte mit den Zähnen. »Natürlich wurde ihm das. Wie sollen sie ihn sonst geschafft haben? Ja, wie auch? Seestein ist ihm scheißegal und ich will mal sehen, wie die schnell genug sein wollen oder wie ein paar Mann bei ihm ausreichen sollen!«

Bon hatte maßlos mit den Tränen zu kämpfen, während Robin ihr Bestes versuchte konstruktiv zu sein. »Iroko hat es wohl nur geschafft eine Kanone zu schießen, das spricht für die Schäden an unserem Schiff. Das Feuer war von Anfang an geplant. Ich glaube, dass Miki ursprünglich bei ihr unter Deck war und ihr beim nachladen geholfen hat. Miki oder Jazz. Crocodile war mit Sicherheit an Deck. Ich gehe von Miki aus, da Jazz selten Crocodiles Seite verlässt schon gar nicht, wenn es zum Kampf kommen könnte.«

»Wir wissen nicht genau, ob und wie schwer sie verletzt wurden, aber wir sollten mit allem rechnen.«

»Ich habe ein bisschen Blut im Kanonenraum gefunden. Ich gehe davon aus, dass es Irokos ist. Sie muss ohnmächtig geworden sein. Wenn Miki bei ihr war, ist er danach an Deck gegangen, um den anderen zu helfen.« Robin zeigte etwas nach links. »Dort hinten sind Zeichen von Explosionen zu sehen. Und einiges an Blut. Dort....« Diesmal ging ihr Blick nach rechts. »...muss Jazz gewesen sein und nicht unweit Paula. Die Schäden sind geringer, sie haben nicht so lange durchgehalten wie Miki. Aber auch da liegt einiges an Blut. Und...« Sie deutete gerade aus. »Hier ist alles unverändert. Ich würde sagen, hier hat Crocodile gestanden. Außerdem ist das nicht weit von der Stelle, wo man leicht eine Planke anlegen kann. Es könnte so abgelaufen sein: sie kommen auf das Schiff, reden kurz und Sonnenbrücken schlägt zu. Iroko und Miki feuern, aber unser Schiff wird schwer getroffen und Iroko ist raus. Miki kommt an Deck, wo Jazz und Paula gegen die Meute versucht anzukommen. Miki hilft ihnen dabei. Er hat wohl die größten Schäden verursacht. Dann kommen sie Netze ins Spiel. Jazz oder Paula, vielleicht beide, obwohl es auch sehr wahrscheinlich ist, dass die beiden schon früher gefangen worden sind. Und Miki kann unmöglich alle drei befreien, sieht sich gezwungen das Handtuch zu werfen oder sie drohen ihm mit dem Tod der anderen.«

»Das Ganze kann nicht viel länger als ein paar Minuten gedauert haben, sonst wär hier mehr kaputt gegangen.« fügte sie hinzu, mied aber ihre Blicke. »Ich bin sicher, sie sind in der Basis. Ich kenne diesen Typ. Einen Samurai auf Grund von so einem Übergriff festzunehmen, kann schwer wiegende Folgen haben, wenn man dem Samurai nicht deutlich mehr nachweisen kann als ein paar Lapalien. Die Marine weiß, mit ihnen nicht zu spielen. Aber einen Samurai festzunehmen und das aus gutem Grund, würde den Kerl befördern. Und zwar nicht unerheblich. Und das kann er wiederum nur, wenn...« Sie atmete schwer aus. »...er viel Zeit hat, Crocodile auszufragen.« Das, was sie noch befürchtete, sagte sie nicht. Aber es war eigentlich deutlich. Wenn Sonnenbrücken etwas wissen wollte, etwas schwerwiegendes, dann würde er ihn foltern. »Der Offizier hatte es eilig. Er hat zwar alle Toten zusammengesammelt und aufgebart, aber hatte keine Zeit das Schiff gleich mit einzusacken. Er ist wohl ganz scharf auf Crocodile...«
 

Gal durchfuhr eine eisige Gänsehaut, schluckte hart, doch der Kloß, der sich bildete, wollte nicht verschwinden. »O-okay... was machen wir also nun?«

»Wir holen sie uns zurück!« Nur ein kurzes Statement Seiten Bons.

»Ja ja ja ja ja ja ja, natürlich!« Uma klopfte ihm so hart auf den Rücken, dass er wieder nach vorn flog. »Das ist klar. Die Frage war wohl eher als: was machen wir nun, um sie zu befreien, Schlaumeier!«

Mister 3 grübelte noch etwas. »Wir haben den Eternal Post, es ist also kein Problem dorthin zu kommen. Unser Schiff kann ich ganz einfach reparieren. Zu viert müssten wir es schaffen es zu navigieren. Das Marineschiff würde ich ungern antasten. Wir könnten uns aber ein paar Uniformen mitnehmen, um die Basis unbemerkt erkunden zu können. Und mit Bons Fähigkeiten dürften wir ziemlich vielen Problemen aus dem Weg gehen können.«

»Die Basis kann nicht sonderlich weit weg sein. Ein paar Meilen vielleicht. Das Problem ist nur, sie werden uns sehen, von weitem.« Verzweifelt versuchte Robin ihre Nutzlosigkeit zu kompensieren, aber sie wusste nicht, ob das überhaupt klappte.

»Alles weitere können wir wohl erst planen, wenn es so weit ist. Ich könnte uns Boote aus Wachs schaffen. Ich habe das bereits einige Mal getan. Bis wir dort sind, ist es dunkel und wir können Irokos Farben benutzen, um es zu tarnen.«

»Und sofern die keine Basis auf Beton gebaut haben, kann ich uns überall hinbringen. Ne, zumindest, wenn ich weiß wo lang. Da bräucht ich wohl ne Karte oder sowas. Ja, irgendwie. Ja, genau!«

»Wenn ich auch nur einen von denen in die Finger bekomme, bin ich drin«. meinte Bon hochtrabend.

Ein letztes Mal nickte Gal und sah sich in der Runde um. »In Ordung... Versuchen wir... versuchen wir unser Bestes.«

Erneut zeigte Uma die Fäuste. »Yosh! Wird auch Zeit, ja wird auch endlich Zeit! Let gow!«

»Brrr... Uma!«

»Was denn? Was denn?«

»Das heißt "Lets go". Lass das einfach, ja? Da bekomm ich ja Epilepsie wenn ich das höre.« Der Schwanentänzer verzog das Gesicht wie zehn Tage Regenwetter.

»Hahaha, du hast doch eh Zuckungen!« lachte sie schrill.

»Oi!«

»Hahahahaha.«

Ein leichtes, zuversichtliches Grinsen umspielte Gals Mund, doch er blickte wieder hinab auf ihre Dokumente. Hoffentlich fanden sie sie. Hoffentlich war es noch nicht zu spät.

Sonnenbrücken

»Uhhh...«

Crocodile hörte eine tiefe, erschöpfte Stimme in seinem Kopf dröhnen und bemerkte erst nach einigen Sekunden, dass es die seine war. Vorsichtig versuchte er die Augen aufzumachen, blinzelte und sah dennoch alles nur verschwommen. Die Erde unter ihm war hart und roch sehr alt, es war dunkel um ihn herum, nur von weit entfernt kam ein roter Lichtschein. Vielleicht so etwas wie Feuer, eine Fackel. Er lag auf dem Boden und als er versuchte sich zu bewegen, bemerkte er, dass er nicht dazu imstande war. Seine Arme waren nach hinten gebunden und die Handgelenke aneinander geschient. Nur seine Füße konnte er frei bewegen, wenn er es wirklich gewollt hätte.

Er fühlte sich miserabel, als hätte man ihn auf das übelste zusammengeschlagen. Ausgelaugt und müde, wie ausgekotzt. Erneut versuchte er zu blinzeln, doch nur langsam fügte sich vor ihm alles zusammen. Stimmen waren in der Ferne zu hören und auch Schritte, aber sie wurden leiser, als sie sich von ihm weg bewegten. Er konnte immer noch einen Blick sich in seinen Rücken bohren spüren, aber dafür hatte er vorerst kein Interesse. Umständlich versuchte er sich aufzurichten, aber seine Glieder gehorchten nicht. Als wären sie taub geworden. Widerwillig ließ er es sein und wartete darauf, dass sein Verstand wieder erwachte. Er hatte geschlafen, nicht wahr? Und ganz sicher nicht freiwillig.

Allmählich kamen Bruchstücke wieder zurück und ließen sich ordnen. Sie hatten auf dieser Herbstinsel geankert, dann war die Marine aufgetaucht und ein Kampf. Er hatte Robin unter der Obhut der anderen gelassen. Und dann...

Nochmals stöhnte er, als er spürte wie es in seiner Schläfe stach. Der Geruch von getrocknetem Blut drang in seine Nase und erinnerte ihn daran, dass er verletzt worden war. Eine kleine Platzwunde an der Schläfe. Nun ja, wenn sie aufgehört hatte zu bluten, dann war es halb so schlimm.

Noch mehr Erinnerungen kamen zurück. Eine zweite Division der Marine war gekommen. Ein Offizier namens Sonnenbrücken. Hatte sich klein gemacht und gezittert vor Angst in seiner Gegenwart, hatte ganz demütig darum gebettelt zu erklären was los gewesen war und warum seine Männer sterben mussten. Er hatte ihn unterschätzt. In einem Augenblick, in dem er nicht aufgepasst hatte, hatte er ihm Seesteinhandschellen umgelegt. Crocodile erinnerte sich, dass zur exakt gleichen Zeit Kanonenlärm ertönte, sein Schiff erbebte und Netze flogen. Jazz war sofort außer Gefecht gesetzt worden und Paula folgte nur Augenblicke später. Miki hatte zusammen mit Lasso dem gegnerischen Schiff zugesetzt, doch er hatte aufgeben müssen, als sie ihm gedroht hatten die Gefangenen auf der Stelle umzubringen. Von Iroko wusste er nichts, sie war unten bei den Kanonen gewesen.

Wütend knurrte er und versuchte sich erneut zu bewegen, doch sein Körper gehorchte ihm noch nicht so richtig. Dieser Sonnenbrücken hatte ihn mit nur einem Schlag zu Boden gehauen. Es hatte sich angefühlt als hätte er seinen Kopf auf den Bordstein gelegt und mit einem Hammer darauf geschlagen. Daher die Platzwunde, nicht wahr? Er hatte ihn wirklich unterschätzt. Wie hatte er so leichtsinnig sein können? Er hatte sich von seinem arschkriecherischen Verhalten verleiten lassen ihn nicht ernst zu nehmen. Warum auch? Es gab keinen Grund, dass die Marine ihn angriff. Er war einer der Sieben Samurai und er erinnerte sich nicht daran, dass der Offizier etwas wegen Robin geäußert hatte. Also, warum war das passiert? Scheiße nochmal, was machte er hier?
 

In der Ferne hörte er ein Rauschen, wahrscheinlich Schritte. Es brachte ihm noch mehr Kopfschmerzen. Die Soldaten hatten nicht lange gefackelt und jedem von ihnen eine Spritze verpasst. Schlafmittel, ganz sicher. Er konnte sich nicht an die Zeit, die dazwischen vergangen war, erinnern. Und wo war er jetzt? Wo waren die anderen? Hatten sie Robin gefunden? Hatten sie vielleicht von Anfang an Bescheid gewusst? Woher wussten sie überhaupt, dass er hier in diesen Gewässern war? Wieso kamen sie auf die Idee, ihn abchecken zu wollen? Hatten sie also doch einen Verdacht? Scheiße. Verdammte Scheiße nochmal.

Die Schritte wurden jetzt wieder lauter und er erkannte Stimmen darunter. Auch die Sicht wurde vor ihm klarer. Er erkannte eine Steinwand, an der der Widerschein einer Fackel tanzte. Unter ihm war Erde und ein wenig Stroh. Etwas klirrte metallisch, schob sich zur Seite, dann noch lautere Schritte. Jemand stand hinter ihm, er spürte seinen bohrenden Blick in seinem Rücken. Ihm lief eine kalte Gänsehaut den Rücken herunter. Der Seestein um seine Handgelenke war sehr sehr stark und das Betäubungsmittel wirkte noch immer. Er konnte sich wirklich kaum bewegen.

»Naaa, mein Lieber? Ausgeschlafen?« eine harte, süffisante Stimme, die vor Selbstgefälligkeit nur so triefte.

Crocodile antwortete nicht, er schloss die Augen und versuchte sich auf seine übrigen Sinne zu konzentrieren.

»Oh, ich weiß, dass das Betäubungsmittel inzwischen nachlassen sollte, Sir Crocodile.« Er gluckste hart und es klang, als würden Steine aneinander reiben. »Was ist? Hast du keine Lust, dass das Spiel endlich beginnt? Dabei haben wir doch noch so viel vor.«

Nun öffnete er die Augen doch wieder einen Spalt und schielte zu ihm hinauf. Vor sich sah er einen hageren Mann mit eisigblauen Augen und kurzen, zurück gekämmten, blonden Haaren. Er grinste noch immer.

»Kannst du noch nicht sprechen, hm? Zu schade, dabei hätte ich gern gehört, was du so denkst. Aber in Ordnung, ich gebe dir noch etwas Zeit.« Er drückte die Beine durch, um wieder in den Stand zu kommen. Dann schlenderte er nach draußen und das metallische Knarzen ertönte erneut. »Bringt ihn ins Gladiatorium. Ich erwarte ihn dort.«

Die Soldaten, die vor der Zelle standen, salutierten hörbar und kamen dann auf Crocodile zu. Ruppig griffen sie nach ihm und hievten ihn nach oben. Er konnte sich gerade so auf den Beinen halten, doch seine Sinne brauchten noch einen wenig, bis sie wieder arbeiten konnten. Hinter sich spürte er Schrotflinten, die sich vorsorglich auf seinen Kopf richteten. Langsam setzten sie sich in Bewegung. Crocodile wehrte sich nicht, er wartete. Versuchte die Umgebung in sein Gedächtnis zu brennen, jede Kleinigkeit in sich aufzunehmen. Wenn er hier raus kommen wollte, brauchte er jede noch so kleine Information.

Gefügig ließ er sich durch die dunklen Gänge mit den vielen Gefangenenzellen führen, eine Treppe hinab in noch mehr Dunkelheit. Das Bild veränderte sich nicht, wo er auch hin blickte viel zu enge Flure und Unmengen an winzigen Zellen. Die meisten Gefangenen, die er sah, schätzte er als kleine Fische ein. Die meisten hatten nicht einmal Seesteinketten um. Sie warfen ihm nur einen leeren Blick zu, als er an ihnen vorbei geführt wurde. Vorsichtig ließ er den Blick weiter kreisen. Stein, überall nur Stein und in den Zellen Erde. Er konnte nicht einschätzen, wie weit unter der Erde er sich befand. Ob er sich überhaupt unter der Erde befand. Die fensterlosen Räume ließen nichts derartiges erahnen.

Nur ganz langsam kamen seine Sinne wieder zu Verstand. Er konnte laufen und ohne Probleme denken, aber sein Körper war noch immer ausgelaugt. Der Seestein um seine Handgelenke entzog ihm konstant Energie. Solange er sie trug hatte er kaum eine Chance. Besonders deswegen, weil jeder Schuss und jedes Schwert ihn nun wieder umbringen konnte. Er musste zuerst nachdenken, ehe er handelte. Alles hing davon ab.
 

Nach einer ganzen Weile, die sie voran schlichen, kamen sie endlich an ein größeres Tor, das in Rot- und Silbertönen verziert und mit Ornamenten verputzt worden war. Zwei weitere Wachen öffneten das Portal für sie und was Crocodile dahinter saß, verdutzte ihn für einen Moment. Vor ihm lag ein großer, runder Raum, an dessen Enden Käfige angliederten. Wie Tiergehege, die zum Kampfplatz zeigten, sah es aus. Das Gladiatorium. Hieß das etwa, er musste jetzt kämpfen? Hieß das, dieser Offizier wollte sich nicht die Hände schmutzig machen, um ihn umzubringen? Ein leises Knurren kam aus seiner Kehle, doch die Männer an seiner Seite stießen ihn an, weiterzugehen und die Flinten an seinem Kopf taten ihr übriges ihn zu drängen. In der Mitte des Raumes stand der blonde Offizier, der ihn grinsend zu sich winkte.

»Schön, dass du es pünktlich geschafft hast, Crocodile. Wir haben dich schon sehnsüchtig erwartet!«

Sein Gegenüber sagte nichts, blieb nur vor ihm stehen, als die Wachen aufhörten ihn zu drängen. Aus dem Augenwinkel konnte er erkennen, dass einige der Käfige ein Tor vor sich hatten, sodass man nicht sehen konnte was sich dahinter befand. Die restlichen waren vollkommen leer. Im gesamten Raum gab es nur wenige Fackeln, die Schatten an allen Wänden tanzen ließen. Widerwillig richtete der Pirat den Blick zu Sonnenbrücken und versuchte ruhig zu bleiben. Das war alles, was nun zählte. Nur nicht den Kopf verlieren.

Der Mann vor ihm gluckste erneut so eigenartig und verschränkte die Hände hinter seinem Rücken, schlenderte fröhlich durch den Raum. »Findest du nicht auch, dass es in der Welt viel zu viel Schlechtes gibt? So viel Mord und Raub und Lügen, Verrat und Hass? So viele Dramen, so viele Zurückgelassene, Geschundene, so viel Leid in dieser Welt. Wenn man es sich vor Augen führt, kann man irgendwann nicht mehr schlafen. Man hat das Gefühl, dass man sowieso nichts ändern kann. Dass man es aber versuchen müsste...«

Crocodiles Augen verengten sich. Worauf wollte dieser Kerl eigentlich hinaus? Was zur Hölle wollte er nur von ihm?

Sonnenbrücken blieb stehen, drehte sich kokett zu ihm um und schlenderte wieder auf ihn zu. »Die Welt ist ziemlich leicht einzuteilen, findest du nicht? Auf der einen Seite die Bösen: Piraten, Diebe, Sklaventreiber. Und auf der anderen die Guten: Die Marine und die Weltregierung. Zwei wirklich schöne Pole, die es ganz einfach machen Gut und Böse zu trennen.« Seine Miene verfinsterte sich etwas und die eisigen Augen blickten herab schätzend zu Crocodile hinüber. »Aber die Welt hat sich verändert. Die Linien vermischen sich. Die Marine... die Regierung arbeitet mit den Piraten zusammen. Sie schmiedet Bündnisse mit ihnen. Lässt sich mit denjenigen ein, die das Wurzel allen Übels sind, erheben sie in oberste Ränge, wo sie tun und lassen können was sie wollen. Unter der Schirmherrschaft der Marine... dürfen sie Unschuldige töten. Solange sie der Regierung nur genug Geld abliefern. Wir sind in einer Zeit angelangt, in der Gold wieder wichtiger ist als Leben, Liebe und Gerechtigkeit.«

Sein Gegenüber schwieg noch immer, die Miene angespannt, angestrengt, der Atem flach und gehetzt.

Also kam Sonnenbrücken noch näher, seine Iris verhärtete sich immer mehr. »Ich bin sicher, du weißt worauf ich hinaus will. ...Ich habe die Sorte Pirat, zu der du gehörst, schon immer viel mehr gehasst als das andere Gesindel, das sich hier in meinem Gefängnis ansammelt. ...Das sind manchmal einfach nur traurige Fälle. Trunkenbolde, oder Tagelöhner, die irgendwelche Rechnungen nicht bezahlen konnten. Dieses Übel kann man rein waschen... aber euch wird man niemals wieder auf den rechten Weg führen können. Ihr seid das Letzte. Und ich habe aufgegeben zu glauben, dass die Admiräle und die Regierung mit dieser Plage fertig werden könnten. Ihr seid wie eine Seuche und die Existenz von sieben Piraten, die unter dem Banner der Marine segeln dürfen, nährt die Geschwüre nur noch mehr. Es ist unverzeihlich, dass es dich geben darf... Crocodile.«
 

Er spürte noch immer die Männer hinter und neben sich, die jede Bewegung seinerseits mit Kugeln strafen würden. Es fiel ihm schwer den Blick bei Sonnenbrücken zu lassen. Äußerlich war er vollkommen ruhig, aber innerlich wuchs die Unruhe. Was wollte er von ihm? Was sollte das Ganze? Worauf wollte er hinaus?

Der blonde Offizier musterte ihn noch einen Moment abschätzend, ehe er sich wieder abwandte und zu den Käfigen schaute. »Ich handle dieses Mal in vollkommener Eigenverantwortung.« Seine Miene verdüsterte sich. »Die Regierung würde wahrscheinlich austicken, wenn sie wüsste, dass ich dich hier habe. Tsss... sie würden dir wahrscheinlich noch in den Arsch kriechen und mir befehlen dich gehen zu lassen. Es ist erbärmlich, was aus dem Ideal der Gerechtigkeit geworden ist. Diese Basis untersteht allein mir.« Nun grinste er ihn wieder an. »Erwarte also nicht, das irgendwer hier sich von dir einschüchtern lässt. Dir wird niemand helfen. Du befindest dich vollkommen in meiner Hand.«

Als sein Gegenüber noch immer nicht den Mund aufbekam, lachte Sonnenbrücken und kam abermals auf ihn zu. »Kannst du nicht reden oder analysierst du mich? Suchst du meine Schwachstelle? Stellst du dir schon vor, wie du mich abschlachtest? Zehehehe, ja das tust du, nicht wahr?« Er stemmte seine Hand in die Hüfte und grinste noch breiter. »Ich habe mich entschieden, welchen Teil ich für die Aufrechterhaltung der Gerechtigkeit, des Gemeinwohls tun kann. Ich nehme keine Befehle von einer korrupten Regierung an. Lange habe ich auf diesen Tag gewartet. Habe das treue Lamm gespielt, mich in der Marine hochgearbeitet um in der Position zu sein jemanden wie dich in meiner Gewalt zu haben.« Er bleckte die etwas vergilbten Zähne. »Ich werde dich auseinander nehmen, Sir Crocodile. Und dann werde ich der Marine zeigen, welche Macht ein Shichibukai wirklich besitzt... Gar keine im Angesicht der Gerechtigkeit.«

Er lachte etwas über seine eigenen Worte und stellte sich direkt vor ihn. »Ich habe beschlossen Feuer mit Feuer zu bekämpfen. Gewalt ist die einzige Sprache, die ihr versteht, nicht wahr? Kein Dokument, keine Vereinbarung, kein Schwur kann euch binden, kann euch abhalten das Leid in der Welt zu vermehren, Menschen zu morden, Familien zu zerstören... Kriege anzuzetteln. Ich habe genug davon. Reden hat noch nie irgendwas gebracht. Es ist Zeit mit diesem Unsinn aufzuhören und mit euch auf einer Stufe zu stehen.« Sein Grinsen wurde breiter, böser und er schnipste, worauf die Tore der übrigen Käfige nach oben gezogen wurden.

Crocodile schenkte dem nur mehr oder minder Beachtung, erkannte aber sofort, dass sich in den Käfigen keine wilden Tiere befanden, sondern Menschen. Seine Crew. Eingepfercht und festgekettet hinter den Barren, die direkt auf die Mitte des Platzes zeigten. Er hatte bereits damit gerechnet, doch er konnte dem nicht so viel Beachtung schenken. Er musste einen kühlen Kopf behalten und nachdenken. Es war wirklich nicht die Zeit dafür sich jetzt Emotionen hinzugeben.
 

Ihre Käfige lagen nicht alle direkt nebeneinander, manchmal waren zwei bis drei leere Käfige zwischen den Gefangenen. Niemand von ihnen hatte sichtbare Verletzungen. Nur Kratzer oder Schürfwunden. Iroko allerdings hatte einen Verband um den linken Arm, der in irgendeiner Weise beinträchtigt zu sein schien. Ihr Boss verschwendete nicht viel Zeit zu ihnen zu blicken, sondern ließ die Augen bei dem Offizier vor sich, dem diese ganze Situation Spaß zu machen schien. »Seid ihr auch endlich aufgewacht, meine Lieben? Es wird Zeit, dass der Spaß beginnt...«

Sie wirkten alle noch ziemlich ausgelaugt und müde von dem Betäubungsmittel. Bei Jazz und Paula kamen dazu noch die Seesteinketten, die ihnen ihre Kraft entzogen. Die Köchin sah schrecklich aus. Ihre Haut wirkte fahl und eingefallen und ihr Blick ging vollkommen leer in die Richtung ihres Bosses. Ihr Partner hingegen war aufgestanden und stand nahe der Gitterstäbe. Man sah ihm seine Erschöpfung kaum an. Nur die Wut in seinen Augen überdeckte alles, was man erahnen konnte. Iroko und Miki waren zwar nicht von Seesteinfesseln gegeißelt, doch das Schlafmittel lag ihnen noch im Blut und so konnten sie sich nicht wirklich bewegen. Was vor ihrer Nase geschah, bekamen sie jedoch ganz klar mit.

Der blonde Mann schlenderte zwei Schritte auf sie zu und musterte jeden der Piraten eingängig. »Ich habe eine Frage an euch. Nein, eher einen Vorschlag. Es liegt an euch, ob ihr einwilligt, oder nicht.« Das geisterhafte Grinsen erschien erneut. »Ich lasse euch frei... wenn ihr mit mir kooperiert.«

Angewidert rümpfte Iroko die Nase, blieb aber stumm

»Ihr seid nur kleine Fische, ihr habt nichts zu befürchten. Wenn ihr hier bleibt, sterbt ihr. Aber ihr könntet hier rauskommen.« Er streckte einladend die Hände aus. »Alles was ich brauche sind pikante Details. Irgendetwas über euren Boss? Was hat er alles für Dreck am stecken? Was hat er sich zu Schulden kommen lassen?«

» Wie pikant?« Iroko's blecherne Stimme hallte gegen die Gitterstäbe.

»Oh... « Sonnebrücken rieb sich das Kinn und musterte sie. »Ich weiß nicht. Vielleicht irgendetwas in die Richtung, dass er die Marine verraten haben könnte?«

Wieder das Naserümpfen. »Ich nehme an, deines Gleichen zu töten reicht nicht, was?« Und damit deutete sie nur an, dass man sogar Marine töten konnte und deren ehemalige Freunde das nicht als Verrat betrachteten. Etwas Schlimmeres gab es eigentlich in Irokos Vorstellung nicht, aber bei Sonnenbrücken wohl schon.

Er verzog säuerlich das Gesicht. »Nein, da hast du leider Recht, Kleine. ...So etwas ist leider nicht genug. Das juckt die Regierung nicht.«

Darauf bleckte sie die Zähne, ganz in Crocodile-Manier. »Du willst, dass wir unseren Captain verraten, sehe ich das richtig?«

Nun grinste er doch wieder. »Das sollte doch kein Problem sein, oder? Ich meine, so etwas macht ihr doch ständig.«

Sowohl Jazz als auch Paula schwiegen drauf, Miki war sowieso wie ein Stein. Nur das kleine Mädchen schloss die Augen. »Da hast du wohl Recht.« Und als sie sie wieder öffnete, war ihre Stimme hasserfüllt. »Genau wie ihr.«

Sein Blick war hart wie Stein. »Es mag Menschen in der Marine geben die so sind, da hast du Recht. Aber das hier ist nicht der Punkt, Kleine. Ihr werdet hier sterben. Ich biete euch nur die Möglichkeit, dem aus dem Weg zu gehen. Alles, was ich will, sind ein paar von Sir Crocodiles Geheimnissen. Oh und ich bin mir sicher er hat ne Menge Dreck am Stecken, von dem die Marine nichts weiß. Unter Umständen könnte sogar ein wenig Gold für euch rausspringen. Also, was meint ihr?

»Was ich meinte war, warum sollten wir dir glauben? Selbst gemessen, das wir das wollten, wenn wir unseren Captain verraten, wer garantiert mir denn, dass du mich danach nicht doch elendig krepieren lässt?«

Er zuckte die Schultern. »Ich bin ein Mann, der zu seinem Wort steht. Was sollte ich mit euch wollen? Mit euch würde ich nur die Symptome bekämpfen... aber wenn ich Sir Crocodile rankriege, dann schneide ich das Geschwür heraus. Ihr interessiert mich nicht die Bohne.«
 

»Das Wort eines Kommandanten reicht mir aber nicht, außerdem...« Sie schob sich etwas gegen ihr Gefängnis. »...habe ich keinen Grund meinen Captain zu verraten. Nicht, solange ich Teil seiner Crew bin. « Ihr Gesicht verzog sich etwas. »Aber natürlich könntest du bei den anderen Glück haben. Wer weiß.«

Leise begann Sonnenbrücken zu kichern und wieder durch den Raum zu schlendern. »Ihr habt genug Zeit es euch anders zu überlegen. Ihr werdet nicht gleich sterben.« Kurz streunten seine Augen hinüber zu Jazz und Paula, gelangten dann aber wieder zu Crocodile, der noch immer unberührt in der Mitte des Raumes stand. »Was ist mit dir? Glaubst du an deine Crew? Vertraust du ihnen? Was kannst du von ihnen erwarten? Würden sie für dich sterben?«

Crocodiles Augen verengten sich, doch sein Mund schien noch immer versiegelt.

»Zehehehe.« Der Offizier war nun neben ihm angekommen und stemmte beide Hände in die Hüfte. Er bleckte siegessicher die geraden Zähne. »Los. Auf die Knie.«

Keine Regung, nur weiteres kaltes Starren.

. »Hast du nicht gehört, du Köter?« Er grinste verführerisch und böse. »Knie dich hin.«

»Wieso sollte ich?« erwiderte der Pirat gespenstisch ruhig.

»Weil ich dir sonst ein Loch wo hinschießen lasse, dass dir die nächsten Stunden unerträglich macht. Also los.« Der Blick seines Gegenübers versteifte sich weiter. »Auf die Knie.«

Nur widerwillig tat er es, die Schrotflinten noch immer in seinem Rücken

»Zehehe, braver Köter.« Und mit diesen Worten holte Sonnenbrücken aus und stampfte ihn mit seinem Fuß in den Stein unter sich, dass es ein widerwärtiges Knacken gab.
 

Crocodile biss mit aller Macht die Zähne zusammen, um nichts aus sich herauszulassen. Diese Genugtuung wollte er ihm nicht geben. Und dennoch, es fühlte sich an, als würde sein Kopf zerplatzen. Als wäre er von einem Zehnmeterturm mit dem Kopf zuerst in ein leeres Schwimmbecken gesprungen. Sein Tritt tat wirklich unmenschlich weh. Er war so hart wie Stein.

»Ganz Recht, da gehörst du hin.« Der Offizier hob den Kopf an, um auf ihn hinabzusehen und in seinem Blick lag purer Hass. »Hat es weh getan? Ja? Dabei habe ich noch nicht einmal ernst gemacht...« Er blickte noch einmal zu seinen vier anderen Gefangenen, wollte sehen, was sie zu verbergen hatte. Sehen, welche von ihnen geeignet waren.

Jazz sah man die Wut an, die Raserei, die ihn zu befallen drohte. Und Paula, zwei Käfige weiter, zitterte. Es war schwer in ihr Innerstes zu sehen, denn ihre Fassade war noch immer gezwungen kalt. Miki hingegen sah man überhaupt keine Reaktion an, als hätte er gar bemerkt, was überhaupt passiert war. Sonnenbrücken fragte sich, ob bei dem Mann irgendwas nicht in Ordnung war. Auf dem Schiff hatte er sich schnell bewegt, wie eine Maschine und jetzt wirkte er, als wäre er ein bisschen langsam, dumm. Iroko hatte die Augen zusammen gepresst und ihre Atmung beschleunigte sich.

Es brachte Sonnenbrückens Grinsen wieder zurück und er bohrte Crocodile die Hacke seines Schuhes in die frische Wunde. »Sieh an, Crocodile. Die Hälfte deiner Crew interessiert sich einen Scheißdreck für dich.« Er gluckste zufrieden. »Das Angebot steht immer noch, meine Lieben. Ich meinte meine Worte sehr ernst. Ihr werdet hier sterben.« Seine Hand erhob sich und er grinste, als sie immer grauer und grauer wurde. »Ich werde euch höchstpersönlich foltern, wenn ihr nicht redet. Jeden einzelnen. Ich brauche dazu nicht viel schnickschnack. Meine Fäuste reichen dafür schon aus.«

Durch die Stille hörte man Irokos Schniefen. Sie weinte nicht, aber scheinbar war sie kurz davor.

»Teufelsfrucht...?« Paulas Blick war wieder kälter geworden, aber ihre Stimme zitterte.

»Zehehe, ganz richtig meine Hübsche. Ich kann meine Haut mit einem Armor aus Stein überziehen. Und den Härtegrad beliebig verändern. Aber keine Angst. Erst ist euer Boss dran. Damit ihr seht, was euch erwartet.« Er beugte sich etwas nach unten, den Fuß noch immer auf seiner Wunde, als wäre er seine Trophäe. »Hahaha, ich bin mir sicher, wir werden viel Spaß haben, Crocodile. Ich gebe dir alles zurück. Für die Millionen Tote, die du in Arabasta zurück gelassen hast.«

Dieser knurrte unter ihm und hustete, als er den Staub des zerschlagenen Steins unter sich einsog. Das Blut pochte an seiner Schläfe und er spürte wie ihm schwindlig wurde. Verdammte Scheiße. »Du willst deine Rache, huh?«

Nun wurde seine Mimik wieder härter. »Mehr als das. Ich will dich tot sehen. Aber erst, wenn ich der Regierung zeigen konnte, dass euch Shichibukais nicht zu vertrauen ist.« Noch näher kam er nach unten, verengte die Augen. »Ich weiß, dass du ein Geheimnis hast. Dass du etwas verbirgst. Du hast meine Divison nicht umsonst umgebracht, nicht wahr? Du versteckst etwas.«

»Tsss...« war das Einzige, dass Crocodile zu entgegnen hatte. Doch innerlich wuchs die Angst. Er würde ihm niemals von den anderen erzählen. Aber was war mit Paula? Was war mit Jazz und Miki und Iroko? Er konnte nicht erwarten, dass sie für ihre Sicherheit starben. Und er glaubte nicht, dass sie es tun würden. Sie würden ihn verraten. Und dann waren sie alle am Arsch.
 

»Hmpf.« Sonnenbrücken bohrte seinen Fuß noch einmal fester in Crocodiles Wunde, worauf dieser aufstöhnte. Dann entfernte er sich wieder von ihm und musterte die anderen Gefangenen erwartungsvoll. Doch als sich nichts änderte, winkte er ab und wandte dem Ganzen den Rücken zu. »Nehmt die Frau und das Kind mit. Wir beginnen.«

»Du mieser...« Crocodiles Augen funkelten, als er sich versuchte aufzurichten. »Du schreckst vor nichts zurück...«

Er drehte ihm nur kurz den Kopf zu, schnalzte verachtend. »Was ist schon das Leid weniger wert für den Frieden Vieler? Pirat ist Pirat.«

Währenddessen wehrte sich Iroko deutlich gegen die Männer, die nun auf sie zukamen. Das Adrenalin pumpte die letzten Reste des Betäubungsmittels aus ihrem Blut. »Nein! Lasst mich!«

Paula hingegen zeigte keine Gegenwehr. Sie stand von ganz alleine auf und ließ sich abführen. Ihr Blick war noch immer kalt, aber das Zittern war verschwunden. Nur Jazz protestierte, in dem er sich gegen die Gitterstäbe warf. »Lasst sie in Ruhe! Ich bring dich um, verdammt, du elender Hurensohn!«

Das entlockte dem Offizier jedoch nur ein trockenes Lachen. »Natürlich. Ich bin gespannt wie du das schaffst.«

Miki brummte, laut, gefährlich, aber keine Worte kamen über seine Lippen. Seine Augen lagen allein auf der kleinen Iroko und wanderten kurz zu Paula. Indessen wurde Crocodile unsanft auf die Beine gerissen und mit Schrotflinten dazu gezwungen sich nach vorn zu bewegen. Er keuchte noch etwas von den beiden Platzwunden, die nun an seinen Schläfen klafften, versuchte den Schmerz aber auszugrenzen. Er kannte das Spiel ja, er hatte gelernt den körperlichen Schmerz zu unterdrücken, um den Gegner keinerlei Befriedigung zu geben. Hilflos klammerte sich daran, um nicht den Verstand zu verlieren. Scheiße, Scheiße, was sollte er bloß tun?
 

~ ~ ~
 

Die Nacht war über dem Meer angebrochen, als das Schiff dem Ziel des Eternal Post näher kam. Sie ankerten auf offener See und ließen die Beiboote, die Gal gemacht hatte, ins Wasser. Die zwei Bootsschalen waren hintereinander gebunden und konnten problemlos zwei Leute mit einmal Mal tragen. Dazu gab es Paddel aus Wachs, die durch Irokos Farben gut getarnt waren. Die vier verschwendeten keine Zeit und erreichten die Insel mühelos. Als sie an dem kurzen Kiesstrand ankerten, drang ihnen sogleich ein sanfter Geruch in die Nasen. Nur ein kurzer Blick reichte zu wissen warum. "Schneeglöcken" war eine Frühlingsinsel und im sanften Licht des zunehmenden Mondes konnten sie die Kirschbäume sich im Wind biegen sehen. Vor ihnen erstreckte sich ein großer Bau, der an einen vielfach geschichteten Kuchen erinnere. Auf seiner flachen Spitze erstreckte sich das Symbol der Marine und lachte ihnen höhnisch entgegen. Soweit sie es überblickt hatten, gab es auf dieser Insel kaum mehr als diesen Bau und den dichten Wald.. Weiter im Inneren fand sich lediglich noch ein weiteres Gebäude, das wohl für Unterkünfte da war. Als die vier sich langsam näher schlichen und sich in den Büschen am Wegesrand versteckten, bemerkten sie, was der Insel ihren Namen gab. Auf der Erde, die nicht von Kies oder Stein bedeckt war, wuchsen überall Schneeglöckchen.

Gal und Bon trugen bereits die Kleidung der Marinesoldaten. Sie beide würden am wenigsten als Gefreite auffallen. Robin und Uma hatten es schwerer, deswegen sollten sie zuerst warten und schon einmal Tunnel graben. Mister 3 nickte den dreien neben sich noch einmal zu. Er fiel gar nicht auf mit der Mütze. »Wir kommen so schnell es geht wieder. Ich versuche eine Karte aufzutreiben und Bon hört sich um, was los ist und ob sie hier sind und wer hier was zu sagen hat. Haltet euch bitte solange versteckt. Aber wenn wir in einer halben Stunde nicht wieder da sind... dann...«

Uma grinste. »Dann schlag ich uns einen Weg durch. Wir machen das nach dir Gal, aber wenn ihr nicht wieder kommt, dann mach ich das auf meine Art. Ohhh ja!«

»Malt mal nicht den Teufel an die Wand. Das klappt schon.« Bon schüttelte das Haar, wie ein schwuler Bishonen in einem Shonen-ai Manga. »Mit meiner Fähigkeit, wie sollten sie uns da erwischen?!«

Robin hüllte sich in Schweigen. Sie hatte bereits Albträume davon, was dort geschehen könnte. Ihr wurde so übel und heiß, dass sie immer wieder damit zu kämpfen hatte nicht ohnmächtig zu werden.

»Also gut... wir sehen uns dann.«
 

~ ~ ~
 

Crocodile, Iroko und Paula wurden nur wenige Meter weiter in einen angrenzenden Raum geführt. Das Gladiatorium war nicht sonderlich weit weg und sie hörten Jazz noch immer schreien und wie er von den Wachen in Schach gehalten wurde. Selbst als die große, schwere Tür, die sie hierher gebracht hatte, geschlossen wurde, war es noch dumpf zu hören. Sonnenbrücken drehte sich wieder zu ihnen um und musterte sie eingängig. Er veranlasste, dass einige der Gefreiten abtraten, das restliche halbe Dutzend stellte sich an den Rand, die Gewehre an die Seiten gelegt, aber immer bereit zu Schießen.

Paula und Iroko fanden sich ihrem Boss direkt gegenüber, nur etwa zwei Meter trennten sie voneinander. Sie befanden sich wieder in der Mitte eines Raumes, wie auf einem Präsentierteller. Das Zimmer war dunkel und es roch nach Blut. Sie sahen verschiedene Foltergeräte um sie herum stehen. Streckbänke und Daumenscheren, verschiedene Messer und Zangen und andere scharfe Gegenstände. Seile und Peitschen an den Wänden und noch mehr, was man lieber nicht identifizieren sollte.

Ihr Boss hatte sich endlich auf die Knie bringen können und er atmete flach, obwohl man ihm ansah, dass er das meiste zurück hielt. An beiden Schläfen thronten noch die Platzwunden. Sie waren nicht allzu tief. Entweder hatte sich der Offizier also zurückgehalten, oder er war zu mehr nicht fähig. Im Anbetracht dieser Situation war das allerdings eine unwichtige Frage. Sonnenbrücken schlenderte noch einen Moment stumm im Raum herum, ehe er sich zu ihnen umdrehte und sie nochmals aufs genaueste musterte. Paula sah ihn nicht an, schenkte auch niemanden sonst Beachtung, bis auf ihren Boss. Ihr leerer, unsicherer Blick galt nur ihm. Unterdessen starrte Iroko zu Boden. Ihre Wangen waren gerötet, aber trocken. Ihr Mund hatte sich zu einer strammen Linie verzogen, als wollte sie etwas nicht sagen.

Die unangenehme Stille hielt noch weiter an, wurde noch endlos in die Länge gezogen, ehe Sonnenbrücken wieder auf Crocodile zu ging und sich neben ihn stellte, die beiden Frauen betrachtete. »Was ist? Habt ihr drüber nachgedacht?«
 

Iroko biss sich auf die Lippen, presste die Augen zusammen und schwieg. Auch von Paula kam nichts, doch ihre Augen richteten sich unberührt auf den blonden Mann. Dieser lachte nun nicht mehr, seine Miene war steinhart. »Scheinbar nicht, was?«

Das einzige Geräusch, das die Stille unterbrach war Crocodiles leises Atmen, das er leider nicht mehr kontrollieren konnte. Erst im nächsten Moment, urplötzlich, bohrte sich sein Kopf wieder in den Stein unter sich, zerschmetterte ihn und entlockte ihm ein heiseres Ächzen, als er den Staub unter sich einatmete und das schmerzhafte Pumpen seines Herzens in seinen Wunden wieder losging. Seine Augen pressten sich unwillkürlich aufeinander. Das war nur ein Warntritt gewesen.

Die Hände des kleinen Mädchens ballten sich zu Fäusten und sie zitterte wie Espenlaub. »...«

»Hmmm...« Der Offizier schien wirklich zu grübeln. Schließlich aber setzte er den Fuß grob wieder von Crocodiles Kopf ab und schlenderte zu Paula hinüber. Behutsam hockte er sich vor sie, als sich Crocodile hustend wieder aufzusetzen versuchte und es Dank gewaltiger Gleichgewichtsstörungen nicht ganz schaffte. Sonnenbrückens hagere Finger strichen der Köchin durch das Haar und die kalten Augen tasteten ihr Gesicht ab. »Zu schade, welche Schönheiten sich manchmal entscheiden Pirat zu werden.«

Ihr Mund presste sich zu einer dünnen Linie zusammen und der Blick in ihren Augen wurde so frostig, dass er die Hölle hätte gefrieren können.

Nun lächelte Sonnenbrücken doch wieder, ein fast schon wehmütiges Lächeln. »Zu schade, dass ich dir weh tun muss. Aber du hast noch eine Chance, Süße. Sag mir, was du weißt und ich lass dich frei.«

Paula begann zu zittern, doch sonst zeigte sie keine Regung. Ihre Lippen bissen sich nur noch fester aufeinander.

Sie hörten Crocodile erneut husten. Er hatte es inzwischen geschafft wieder auf die Knie zu kommen und blinzelte ihnen entgegen, auch wenn man ihm ansah, dass er bereits am Ende seiner Kräfte war. »Gottverdammt... Was für ein krankes Schwein bist du eigentlich?«

Aber der blonde Mann ignorierte ihn und streichelte Paulas Wange voller Zärtlichkeit. »Du hast sicher viele Menschen umgebracht, nicht wahr? Du hättest es verdient für diese Sünden zu sterben. Und doch würde ich dich gehen lassen, wenn du nur deinen wunderschönen Mund aufmachst....«

Angeekelt wich sie zurück und wandte den Blick ab. Man sah ihr an, dass sie etwas sagen wollte, aber mit sich rang.

»Hmpf. Na gut, wenn du es so willst, dann machen wir es eben auf die harte Art und Weise.« Hastig packte er sie am Schopf und riss sie zu Boden, griff nach ihren Armen und bog sie zur Seite, dass einer auf dem Steinboden lag.

» Lass sie in Ruhe... « funkelte Crocodile ihn an, die Stimme noch relativ ruhig.

»Zehehehe.« Er grinste zu ihm herüber. »Wenn du ihr Leid ersparen willst, dann nur raus damit. Ist mir egal, von wem es kommt. Sag mir, was du die letzten Monate getan hast. Sag mir, was du vor hast. Sag mir, was du planst.«

Die Augen verengten sich. »Ich habe keinen Dreck am Stecken...«

»Oh natürlich.« Sonnenbrücken hob die Hand und ließ ihn dabei zusehen, wie sich ein Steinmantel darum bildete. »Wieso bin ich da noch nicht selbst drauf gekommen?«

»Lass sie in Frieden, verdammt!« Crocodile wusste, dass es eigentlich besser wäre, wenn er sich als der kalte, unnahbare Pirat gab, den er immer spielte. Aber er konnte nicht. Er konnte nicht so tun, als würde ihn das kalt lassen.

»Was ist Süße, jetzt vielleicht die Meinung geändert?«

Die Blauhaarige biss sich auf die Lippe und presste die Zähne zusammen, doch aus ihrem Mund kam rein gar nichts.

»Na gut.« Mit einem wehmütigen Seufzen ließ er seine Hand mit voller Wucht auf ihren Arm niedersausen. Ein widerwärtiges Geräusch ertönte und kurz darauf schrie Paula. Sie schrie so laut und markerschütternd, dass es ihnen das Blut in den Adern gefrieren ließ.
 

Tränen bildeten sich in ihren Augen und sie wand sich unter ihren Schmerzen, bis er sich auf ihren Rücken setzte, um sie so zu Boden zu halten. Sie wand sich wie ein Wurm am Haken, bekam kaum noch Luft und zitterte nun am ganzen Leib. Der Arm war gebrochen, ganz sicher. Sie konnten es noch knacken hören, als er die Faust wieder von ihr nahm.

»HÖR AUF! HÖR ENDLICH AUF!« Iroko kauerte sich auf dem Boden, versuchte sich die Ohren zuzuhalten, aber ihre Hände waren noch immer hinter dem Rücken gefesselt. Sie hatte die Augen zusammen gekniffen, aber das machte keinen Unterschied. Sie konnte es noch immer sehen. Wie Paula da lag, konnte das Knacken noch immer hören. Knack, Knack, Knack. Doch es blieb nicht lang bei Paula. Das Bild verschwamm, Sonnenbrückens Stimme klang plötzlich tiefer, noch wahnsinniger. Der Schrei wehmütiger. "Nein, bitte! Hör doch auf! Warum tust du das? Bitte! Nein, das stimmt nicht! Ich liebe dich doch! Nein, das sind deine Kinder! Kannst du das denn nicht sehen! Bitte, bitte hör auf!" Blut, so viel Blut, noch mehr Schreie. Iroko wurde schwindelig, schlecht, gleich musste sie sich übergeben. »Bitte... lass sie los...«

»Tut mir leid Kleine, aber das kann ich erst, wenn ihr redet.« Der Offizier stocherte noch ein wenig in der Wunde herum, die er Paula soeben zugefügt hatte, dass sie noch lauter schrie und anfing zu husten, weil sie keine Luft mehr bekam.

»Was willst du hören, huh?« Auch Crocodile verlor nun seine Fassade. Man konnte die Angst in seinen Augen sehen, die Verzweiflung und auch Reue. Er keuchte heftig und hatte Probleme sich auf den Beinen zu halten. »Was soll ich denn bitte getan haben? Was würde dir etwas bringen? Was zur Hölle willst du denn nur?«

»Ihren Kopf, Bossu...« Iroko keuchte. Noch immer sah sie ihre Mutter, ihren Vater, kämpfte darum im Jetzt und Hier zu bleiben, nicht abzudriften. Das war eine ganz andere Situation, aber dennoch. »Stimmt doch... oder?«

Sonnenbrücken wirkte genervt. »Da waren wir schon einmal, Kleine.« Dann richtete er sich an Crocodile. »Du stellst dich also noch immer dumm? Bedeutet dir die Frau so wenig? Ist es dir egal, was mit ihr passiert? Tsss...« er fasste sich an den Kopf und verdrehte die Augen. »Oh ja, stimmt ja. Ich rede ja mit Sir Crocodile.«

Scheiße, wären diese beschissenen Seesteinhandschellen nicht, würde er sich das keine Sekunde länger ansehen. Aber er war zu schwach. Er hatte ja schon damit zu kämpfen nicht das Gleichgewicht zu verlieren.

»Also, meine Hübsche?« Der blonde, hagere Mann wandte sich wieder an Paula, die noch immer wimmerte und sich unter dem Schmerz krümmte. »Siehst du jetzt, dass ich ernst mache? Aber hey... ein gebrochener Arm verheilt wieder. Du kannst immer noch hier raus.«

Doch es schien, dass sie ihn gar nicht hörte. Sie keuchte und weinte und hustete immer und immer wieder und schien in Schweiß auszubrechen. Ähnlich ging es Iroko. Nur war es bei ihr kalter Schweiß. Was? Was sollte sie nur tun? Sie konnte sie nicht verraten. Konnte Crocodile nicht verraten. Sie konnte überhaupt niemanden verraten, das brachte sie einfach nicht über sich. Sie hasste das mehr als sonst irgendetwas auf dieser Welt. "Ich werde mich für euch rächen Mama. Ich werde ihn... ich bringe es zu Ende, das schwöre ich." Wie? Wie sollte sie das Versprechen halten, wenn sie jetzt starb? Es war ihr egal, Leben oder Tod, das war doch einerlei. Aber nicht jetzt! Nicht hier! Sie hatte noch etwas zu erledigen. Etwas wichtigeres, als Paulas Leben? Wichtiger, als niemals jemanden zu verraten. »Warum... glaubst du.... hat Sir Crocodile mehr Dreck am Stecken, als andere? Was sollte er schon getan haben, dass...« Sie schluckte hart »...ihm die Gunst der Marine nehmen kann?« Fast scheu blickte sie wieder auf. »Was muss denn sein, damit man ihn als Verräter betrachtet?«

»Hmmm...« Er grübelte, als er fast zärtlich Paulas Haar streichelte, als wolle er sie beruhigen. »Oh die Möglichkeiten sind unendlich.«

»Ach ja? Wenn nicht mal euer eigenes Leben als Verrat gilt, was soll ich dir sagen, huh? Er tötet Marine? Das überrascht doch niemanden....«

»Tut nur nicht so, als wäre da nichts.« Sein Blick wurde wieder kälter. »Ich weiß, dass ihr etwas versteckt. Und seid euch sicher, ich bekomme es aus euch heraus.«
 

»Er...« Iroko zögerte, zögerte noch immer. »Er hat...«

»Hat was?« hakte Sonnenbrücken nach.

Das Mädchen blickte zu ihrem Boss, das Herz brannte in ihrer Brust. Verrat.Verrat.Verrat... »...damals auf.. auf...«

Ihr Boss starrte ihr ruhig entgegen, aber sie sah die Flut an Gefühlen in ihm. Das Blut an seinen Schläfen, für das er sein Schweigen behielt. Sein Blick, der ihr nichts vorwarf und trotzdem voller Angst ihre Worte erwartete.

Ein Kloß bildete sich bei diesem Anblick in ihrem Hals, der ihr für einen Moment den Atem nahm. Sag es! Sag es! Sag es endlich! Sie hörte, wie ihre Mutter nach ihr rief. "Du hast es versprochen." Aber das war nicht echt. Ihre Mutter hatte so etwas niemals gesagt und würde sie auch nie, konnte sie ja nicht mehr. Nur mit Mühe bekam sie die Worte hervor gepresst und jedes einzelne stach in ihrer Kehle wie Nadeln. »...auf Arabasta... da... er hat...« Wieder und wieder schluckte sie mühevoll den Kloß in ihrem Hals herunter, aber er wollte einfach nicht verschwinden.

Sonnenbrücken blickte ihr gebannt entgegen, wartete darauf, dass sie endlich ausspuckte, was sie sagen wollte. Mehr nicht.

»Hah...« Irokos Stimme bebte. »...Bossu... ich.. ich hab... ich hab es Mama versprochen.... ich...« Ihre Hände zitterten so sehr, als hätte sie einen Anfall. Tränen bildeten sich in ihren Augenwinkeln. Und dann sah sie, dass Crocodiles Blick abfiel, zu Boden krachte und in den Steinscherben herum wühlte. Enttäuschung. Kapitulation. Unendliche Leere.

»Keine Sorge, Kleines.« Liebevoll tätschelte der Kommandant ihren Kopf. »Ich halte mein Versprechen. Du kommst hier raus. Ganz frisch und munter.«

»...Ich habe es doch versprochen...« kam es noch einmal kleinlaut, apathisch. Schließlich richtete ihr nunmehr verweinter Blick sich auf Sonnenbrücken. »...Was weißt du überhaupt über Arabasta?«

»Unwichtig.«

Daraufhin fiel ihr Blick ab. Es brachte nichts. Brachte nichts Zeit schinden zu wollen. Das war nutzlos. Sie musste sich endlich entscheiden. Entscheiden. Sie hatte es versprochen. Ihre wabernden Augen starrten ihrem Gegenüber nun ernst entgegen, zwei Sekunden vergingen, ohne das auch nur ein Wort über ihre Lippen kam, aber in ihrem Kopf dröhnte weiter die Stimme ihrer Mutter. "Meine kleine Iroko. Versprich mir immer das zu tun, was dein Herz dir sagt. Dann kannst du nichts Falsches machen. Versprochen." Und damit spuckte sie ihm mitten ins Gesicht. »Verpiss dich!«
 

»...« Für einen sehr langen Moment regte er sich nicht einen Zentimeter. Dann wischte er sich das Wasser ganz ruhig aus dem Gesicht und starrte sie an, ehe er ihr mit vollster Wucht eine runter schlug, dass sie durch den Raum schlitterte.

Als sie auf dem Boden aufschlug, drehte sich ihre Welt. Nicht so schlimm wie nach dieser einen letzten Kanonenkugel, aber doch erheblich. Ihr Kopf dröhnte, aber auf ihrem Gesicht malte sich ein kleines Lächeln. "Genauso Iroko. Meine süße, kleine Iroko." Oh, sie konnte ihre Hand fast auf ihrer Wange spüren, durch ihr Haar streicheln. "Du hast ein gutes Herz, meine Süße. Bewahre es dir. Die Welt da draußen ist oft schlecht, aber solange du an einer Wahrheit nur festzuhalten vermagst, wird es besser. Wird es immer besser."

»Tsss...« Der Offizier wischte sich angewidert mit dem Ärmel über das Gesicht und schenkte ihr noch einen abwertenden Blick. »Miststück«

Crocodile war nur zusammengezuckt und starrte atemlos zu Boden. Was tat er ihnen an? Was machte er hier? Was zur Hölle sollte er tun? Er konnte sie nicht verraten. Er konnte seine Crew nicht so leiden lassen. Das war so absurd. Aber was sollte er dann tun?!

Das Mädchen konnte sich nicht aufrichten, aber sie kicherte dennoch. Beinahe als wäre sie verrückt geworden. »Kukukuku... er war ein Held, weißt du? Auf Arabasta. Er hatte... ein Casino. Und er hat reichen Geldsäcken das Geld aus der Tasche gezogen.« Das Lachen wurde gespenstischer, als sich ein Husten dazwischen mischte. »Kehehe... so ein böser Mann.«

Nur einen Moment blickte er noch zu ihr, doch dann richtete er sich an Crocodile, riss seinen Kopf an seinem Haar nach hinten, dass er gezwungen war ihn anzusehen. »Du bist wirklich genauso wie ich mir dich vorgestellt hab. Du machst mich krank. Dir bedeuten die Menschen gar nichts, nicht wahr? Du bist so eine stinkende Ratte...«

Der schwarzhaarige Mann blinzelte unter dem Schmerz und musste wieder nach Atem ringen. Was sollte er tun? Was sollte er nur tun? Verdammte Scheiße.

Wütend ließ er ihn wieder los und machte einen Schritt zurück, ehe er sich zu Paula kniete, und sie wieder auf die Knie riss und an den Haaren oben hielt. »Na gut. Dann eben anders.«

Sie wimmerte noch immer und ihr Gesicht war von Tränen überströmt, aber sie schien wieder halbwegs bei Verstand zu sein. Ihre Augen konnte sie allerdings nicht öffnen.

Sonnenbrückens Miene war toternst, als er Paula mit der anderen Hand die Bluse aufriss und ihr entgegen hauchte. »Ich weiß, dass du etwas sagen willst. Mach den Mund auf, sonst vergewaltige ich dich hier und jetzt.«
 

Crocodiles Kopf fiel wieder ab und er zitterte stärker. Er durfte nicht und trotzdem konnte er sich nicht abhalten. Seine Stimme war leise. »Lass das... Lass sie...«

Doch er riss nur weiter an Paulas Haaren, dass sie ihn ansehen musste. »Willst du das? Sag nicht, du stehst darauf. Nur ein paar Worte und ich erlöse dich davon.«

Noch mehr Tränen quollen in ihren Augen und sie schniefte auf, bekam einen Schluckauf, als ihr Kopf wieder abfiel. »...«

»Hör auf... hör endlich auf, du Schwein...«

Nun gluckste der Offizier amüsiert auf. »Bettel doch um ihr Leben, wenn dir soviel daran liegt.«

»...«

»Dacht ich mir.« Und in diesem Moment drückte er Paula wieder zu Boden, direkt auf ihren gebrochenen Arm, dass sie erneut aufschrie.

Crocodiles Atem rasselte und klang wie ein unheimliches Echo im Raum. Alles, was dann geschah, geschah für ihn wie in Zeitlupe. Sein Kopf senkte sich weiter ab, bis er fast den Boden berührte. Ein Kloß steckte in seiner Kehle, doch er konnte ihn nicht abhalten. Das Zittern verging für einen Moment und Schwindel kam. Es interessierte ihn nicht mehr. »Bitte... ich flehe dich an. ...Bitte lass sie in Ruhe.«
 

Abrupt hielt Sonnenbrücken inne und sein Kopf zuckte irritiert zu dem Mann hinüber. »Wie bitte?«

»...Bitte....« kam es kaum noch hörbar, flehend, zerstört. »...tu ihr das nicht an.«

Für einen langen Augenblick war nur das ratternde Atmen und Paulas Wimmern zu hören. Erst dann, als Sonnenbrücken sein Irritation überwinden konnte, stand er auf und ließ von Paula ab, kam ganz langsam auf Crocodile zu. Dieser blickte nicht mehr auf, sondern ließ seinen Kopf am Boden, hatte es schwer gegen das Schwarz vor seinen Augen anzukommen.

Und dann, in der nächsten Sekunde, spürte er einen Tritt so hart, wie kein anderer zuvor. Ein Schlag, der ihn auf den Rücken warf und gleichsam zu Boden rammte. Mit solch einer Wucht, dass er für einen Moment keine Luft mehr bekam und ein gedrungenes Ächzen aus seiner Kehle kam. Er spuckte etwas Blut und begann wieder heftiger zu zittern. Alles um ihn herum drehte sich, doch langsam war es ihm egal. Was spielte das alles noch für eine Rolle?

»Verarsch mich nicht, du dreckiger Köter!«

Sie hörten den Offizier zum ersten Mal wütend, brüllend, als er kurz darauf dem Mann vor sich noch einmal in den Bauch trat und seine Hacke noch mehr in seine Eingeweide drückte. Sein Blick war kälter als Eis und härter als der Stein, der ihn umgab. Er knurrte und knackte mit seinen Fingerknochen. »Es reicht. Wir haben genug gespielt. Ich bring dich um.« Er hob den Fuß erneut und ließ eine Spitze aus Stein an seiner Sohle entstehen, die direkt auf Crocodiles Unterbauch zeigte. »Ich brauche keinen Grund dafür dich umzubringen. Die Regierung wird dir keine einzige Träne nachweinen. Selbst wenn ich dir nichts nachweisen kann, werde ich doch für deinen Tod belohnt, du widerwärtiger Dreckshund! Ich werde dich ganz langsam ausbluten lassen...«

Crocodile blinzelte nur und versuchte etwas zu erkennen, doch seine Sicht war viel zu verschwommen.

»Fahr endlich zur Hölle, du Mistkerl!« Und damit ließ er seinen Fuß nach unten sausen.
 

»NEIN!«

Er spürte Paulas Kopf an seinem Bein und hörte ihre verzweifelte Stimme, die ihn tatsächlich dazu brachte inne zu halten. Verärgert blickte er zu ihr hinab. »Was ist?«

Sie schluchzte bitterlich, vergrub ihren Kopf am Boden und sprach dann gebrochen, immer wieder gefolgt von leichtem Schluckauf. »...Ich rede... Ich sage dir alles. ...Aber bitte... lass ihn. ...Bitte... hör auf damit.«

»Paula...« Sie hörte Crocodile ächzen, doch zu mehr war er nicht fähig.

»Ich sage dir, warum wir die Männer umgebracht haben. Ich sage dir, was wir die letzten Wochen getan haben. Ich sage dir alles... aber bitte... beende diesen Wahnsinn...«

Noch einen Moment zögerte er, ehe er den Fuß von Crocodile nahm und Paula wieder nach oben hievte, damit er sie ansehen konnte. »Also doch noch zu Vernunft gekommen, ja?«

Sie schniefte und blickte ihn nicht an, musste die Augen schließen, weil sie niemanden mehr ansehen wollte, mehr konnte. »...«

Crocodile hustete schlimmer und versuchte wieder auf den Bauch zu kommen. Als er es schaffte, spuckte er noch mehr Blut.

»...Paula...« Irokos Stimme schien aus dem Nichts zu kommen. Sie hatte sich kaum bewegt, aber als sie Paulas Worte vernommen hatte, lief die Zeit plötzlich wieder langsamer.

Ihr Kopf schüttelte sich und sie schob die Unterlippe nach oben, vergoss noch mehr Tränen als ihre Stimme abbrach. »...Nico Robin. ...Wir haben sie versteckt. Sie war die ganze Zeit bei uns. Sie hat bei uns Schutz gesucht...«

»...Nico Robin?« Nun wirkte Sonnenbrücken wirklich verdutzt.

»Es... es tut mir leid, Bossu... Aber... aber... sie ist das einfach nicht wert. Sie schmeißen ihr Leben für sie hin... es tut mir leid... aber... ich kann mir das nicht ansehen.« Ihr Kopf schüttelte sich heftiger. »Ich will nicht frei gelassen werden. Ich bleibe hier. Ich brauche deine beschissene Großzügigkeit nicht...«

Ganz langsam nur stand er wieder auf, beinahe wie vor den Kopf gestoßen von dem Fakt, den er nun entdeckt hatte.

»Jetzt weißt du, was du wissen willst. ...Also hör auf uns zu foltern. Es ist vorbei. ...Zeig, dass du zu deinem Wort stehst. Zeig mir, dass du wirklich dafür stehst, dass Gerechtigkeit waltet...« Sie fiel zu Boden und schluchzte noch lauter. »Zeig mir bitte... dass das wirklich die Welt verbessert...«

»Wo ist sie nun?« kam es hart, aber noch immer irritiert.

»...«

Sie hörte, wie seine Schritte näher kamen, sie bedrohten.

»Wir haben sie...« Hartes Schlucken, doch es konnte die Tränen nicht stocken. »...Wir haben sie...«

»Ich höre.«

»...Sie ist auf Nankin-mushi... das ist eine Insel, die man nur erreichen kann, wenn man das Magnetfeld hinter Koko durchbrechen kann..«

»Und das soll ich dir glauben?«

Ihr Körper zuckte zusammen, zitterte noch mehr, aber ihre Stimme wurde leiser. »...Ja.«

Noch einen langen Moment musterte er sie, glitt dann hinüber zu Crocodile, ehe er sich in Bewegung setzte und auf die Tür zuging. »Das reicht für heute... bringt sie zurück in ihre Zellen.«
 

Er hatte sich gerade umgewandt, als er eine Stimme hörte. Er konnte weder ausmachen von wo sie kam, noch was sie genau sagte. Aber drei der anwesenden Personen konnten es gut hören. »Dos Manos... Clutch...«

Im nächsten Moment fielen alle Soldaten im Raum zu Boden, und ausgenommen Sonnenbrücken selbst stand im gesamten Raum niemand mehr. Er hörte es rasseln, ein leises Scheppern, wie Schlüssel. Und dann sah er es. Hände, überall Hände und Augen. Der Raum war voll mit ihnen. Die Tür schwang auf und Sonnenbrückens Blick haftete allein auf der Frau, die nun den Raum betrat. Die Miene steinhart.

Als sie das Ausmaß der Situation erkannte, verlor sie fast die Beherrschung. Ihr Blick war bereit zu töten, ihre Finger warteten nur auf den Befehl dazu.

Paula starrte ungläubig zu ihr und noch mehr Tränen rollten ihr über die Wangen, während Crocodile nun voller Macht versuchte sie anzusehen, wieder auf die Beine zu kommen. »Robin...«

Bröckelnder Stein

Abwehrend verschränkte Sonnenbrücken die Arme. »Ich glaube es nicht...«

Robin tat es ihm gleich. »Ja, ich weiß. Egal wo ich auftauche, es ist immer eine Überraschung.« Ja, so war es gut. So musste sie bleiben. Selbst wenn ihre Hände ganz schrecklich zitterten, als sie die Handschellen ihrer Freunde aufschloss. »Ich bin gewissermaßen der Partygast Nummer eins.«

Der Offizier betrachtete ihr Treiben nur im Augenwinkel. »Es bringt dir nichts ihre Fesseln aufzuschließen. Sie sind zu schwach, um sich sofort wieder zu erholen. Es ist also nur du und ich.«

Sie verzog keine Miene. »Das war mir von Beginn an klar.« Nur leicht veränderte sich ihre Position, sie ging in eine Abwehrhaltung. »Tot oder Lebendig, nicht wahr?«

»Ich bevorzuge es dich tot zu sehen.« Er knackte mit den Fingerknochen. »Du bist auch so eine Plage.«

»Vielen Dank.« erwiderte sie mit einem trockenen Lächeln. »Schön, dass meine Arbeit Früchte trägt.« Ihr war es egal, ob sie dabei drauf ging, sie würde dafür sorgen, dass Sonnenbrücken nie mehr glücklich werden würde.

Dieser zögerte nicht mehr, sondern stürmte direkt auf sie zu, schlug nach ihr, dass das Portal neben ihr in seine Bestandteile zerfiel. Hastig war sie ihm ausgewichen, zur Seite gesprungen und ihre Hände glitten in ihre vertraute Kampfposition. Sie musste gut überlegen, wie sie ihn bekämpfen würde. Der blonde Mann war zwar nicht besonders schnell, aber seine Angriffe wären für sie tödlich, falls er sie traf.

»Cien Fleur.... Spider Net.« An der Decke bildete sich ein Netz aus Armen in einer ganz eigenen Formation, die an ein Spinnennetz erinnerte. An jedem Knotenpunkt fuhren weitere Arme hervor, an denen Robin sich zwanglos hochziehen konnte, sollte sie dies benötigen. Zumindest konnte sie seinen Angriffen einstweilen ausweichen, ehe sie herausgefunden hatte, wie sie ihn bekämpfen konnte.

»Tsss...« Seine Augen verengten sich noch mehr. »Wegrennen. Das kannst du gut, was?« Doch sein nächster Angriff richtete sich auf die Wand und die Decke, an der das Spinnennetz hing, welche nach einem vernichtenden Schlag in sich einbrach und ihr den Halt entzog.

Nicht unweit von Iroko kam Robin wieder auf dem Boden auf, bereits sichtlich erschöpft. Sie war noch nicht ganz ausgeheilt, lange würde sie das nicht aushalten. »Ich hab ein paar Jahre Erfahrung darin, ja.« Antwortete sie hart, ihre Stimme leise rasselnd. Ihr Herz raste. Es fühlte sich beinahe so an, als kratze es gegen ihre Rippen und sie spürte die Übelkeit von dem widerwärtigen Schmerz in ihrem Arm, aber das drängte die weit in ihr Unterbewusstsein zurück. »Du musst dir was besseres überlegen.«

Der blonde Offizier musterte sie einen langen Moment von oben bis unten, ehe er sich wieder in Bewegung setzte. Crocodile, der inzwischen von seinen Fesseln befreit worden war, raffte sich angestrengt auf die Knie, hatte aber scheinbar noch Probleme mit den Nachwirkungen des Seesteins. Sonnenbrücken steuerte genau auf ihn zu. Robin zischte wie eine wilde Furie. Gute Taktik die Menschen anzugreifen, die ihr wichtig waren. Mistkerl. Sie ließ sich nicht sonderlich lange bitten und sprang zwischen beide, breitete ihre Arme aus. »Veinte Fleur.... Calendula.« Ein Rad aus Händen setzte sich in Bewegung. Sonnenbrückens Angriff presste sich darauf und drückte Robin heftig zurück, zwang sie brutal in die Knie. Doch sie unterdrückte den Schmerz, der ihre Knochen zum klingen brachte, nur ein Keuchen kam aus ihrem Mund.

Darauf musste Sonnenbrücken süffisant grinsen. »Du hast wirklich nette Fähigkeiten. Nur leider nutzen sie dir gegen mich nichts.« Seine Augen wurden noch härter und er stürmte auf sie zu, holte mit seiner steinbesetzten Hand aus. »Ich zertrümmere dich!«
 

Zähneknirschend packte sie ihn mit ihren Händen, die aus dem Boden sprossen, und hielt ihn fest, dass er sich nicht mehr bewegen konnte und im Angriff inne halten musste. Nur ein Grinsen aus seinem kaltem Gesicht. Und dann spürte sie, wie sich die Steinschicht um seine Füße verstärke, nach ihr packte und auf sie übergehen wollte, immer weiter wuchs, als würde sie sie festhalten. Sie ließ nicht locker. Unter schwerem Keuchen und dem Stein, der ihre Finger zu zerquetschen drohte, beschwor sie immer mehr Hände heraus, die sich wie ein Kokon um seinen Körper banden. Auch aus der Decke griff sie nun nach ihm, hielt ihn gefangen und begann ihn dann um seine eigene Achse zu drehen. Immer und immer schneller, als befände er sich in einer grotesken Pirouette. Sie zog ihn nach oben, schleuderte ihn immer wuchtiger in der Luft umher. Dann, als sein Steinkörper ihr fast die Arme abriss, entwand sie das Gebilde ihrer ineinander verhakten Arme und ließ ihn los, dass er mit voller Wucht gegen die Wand donnerte und dabei ganze Brocken aus der Wand schoss. Für einen Moment bebte der Raum, und der Staub des bröckelnden Steines vernebelte ihr die Sicht.

Robin keuchte erschöpft auf. Das hatte ihr fast ihre gesamte Kraft geraubt. An ihren Fingern konnte man leichte Kratzer und Schürfwunden erkennen, die von dem Stein an seiner Haut kamen. Es pochte in ihren Armen, ganz besonders an ihrem linken, wo ihr Herz lag. Ihr Körper zitterte, sie war bereits am Ende.

Für einen Moment hörten sie nur die herab brechenden, bröckelnden Steine, doch dann raffte sich der hagere Mann wieder auf. Sein Blick war nun das reinste Chaos, er sprühte ihr seinen Hass mit vollster Wucht entgegen. Er hatte ein paar Kratzer abbekommen, aber keine der Wunden war wirklich bedrohlich. Seine Stimme knurrte, ehe er erneut auf sie zulief. Dieses Mal jedoch war seine gesamte Haut mit grauem Stein bedeckt, die sich zu bewegen schien. Mit jedem Schritt krachte es und gab der Boden unter ihnen nach. Sie schaffte es nicht ihn festzuhalten, denn dieses Mal war der Stein noch aggressiver, fraß sich kalt über ihre Haut, dass sie an seinem Körper stecken blieb und mitgezerrt wurde, sodass sie loslassen musste, um sich nicht den Arm auszukugeln. Erneut steuerte er direkt auf sie und Crocodile zu, doch dieses Mal konnte sie nicht ausmachen, wen er angreifen würde.

Im ersten Moment konnte sie nur versuchen ihren Atem ruhig zu halten. Ihre rechte Hand hatte sich über ihrem Herzen in ihre Kleidung verkeilt. Sie hörte nichts mehr, nur noch ihren eigenen, gezwungenen Herzschlag, der ihr davonraste. Ihre Sicht war leicht vernebelt und Schweiß perlte ihr von der Stirn. Doch all das war nebensächlich. Wieder, diesmal noch größer baute sich das Rad aus Händen vor ihr auf, diesmal so groß, dass egal wenn er angreifen würde, der Angriff blockiert würde. Auch wenn sie dadurch seinem Angriff völlig ausgeliefert war und er sie mit der vollen Breitseite treffen würde. Sie hatte keine Wahl. Sie musste Crocodile beschützen, und wenn es mit ihrem eigenen Körper war. Sonnenbrücken begann irr zu grinsen, siegessicher. Insgeheim wusste sie, dass er seine Worte ernst gemeint hatte. Er würde sie zerschmettern, dass sie nicht mehr imstande war auch nur aufzustehen. Es wäre als würde sie im freien Fall auf Felsen aufkommen. Sie würde nicht stand halten.
 

Es waren nur noch wenige Meter, Schritte, Zentimeter, ehe er sie traf, doch ehe sie es sich versah, verlor sie plötzlich den Halt unter den Füßen und fiel unsanft zu Boden.

Crocodiles Hand lag noch an ihrem Knöchel und sie konnte nur aus dem Augenwinkel sehen, wie er sich langsam auf die Knie aufgerichtet hatte und sich das Blut aus den Augen wischte, das ihn die Sicht versperrte. Sein Blick war mordlüstern, so schlimm wie sie es selbst nur einige Male gesehen hatte.

Sonnenbrücken erwiderte ihn mit dem gleichen Hass, zögerte aber nicht mehr ihn anzugreifen. Er wusste, dass Crocodile der einzige ernst zu nehmende Gegner für ihn war. Die Hand in seinem Steinpanzer raste auf sein Gesicht zu. Doch dieses Mal traf er nicht und ehe er sich umsehen konnte, spürte er selbst eine Faust in seinem Gesicht, die einen Teil seines Armors zum Knacken brachte und ihn durch den Raum katapultierte, direkt durch die Wand hindurch, dass sie fast vollkommen nachgab.

Etwas unsicher auf den Beinen rappelte sich Crocodile gänzlich auf und atmete tief durch. Der Seestein schwäche ihn noch immer, aber das hielt ihn nicht ab. Für den Kerl brauchte er nicht seine gesamte Kraft. Er blickte niemanden der Anwesenden an, sondern starrte nur gerade aus durch das Loch, das er hinterlassen hatte. »...Steh auf... du armseliger Wichser...«

Im Hintergrund hörten sie Explosionen und noch mehr Stein zerbröckeln. Das mussten die anderen sein. Dieses Mal dauerte es länger, ehe Sonnenbrücken sich aufrichten konnte und den Schutt von sich warf, der ihn begraben hatte. Seine Nase blutete, aber das schien die einzige Wunde zu sein, die Crocodile ihm hatte zufügen können. Er spuckte Blut zur Seite und ballte die Faust, als er ihm wieder gegenüber stand.

»Was ist?« kam es höhnisch und dennoch völlig erschöpft von Crocodile. »Sag nicht du bekommst Schiss.«

Die Augen des Offiziers verengten sich noch ein wenig, ehe er einen winzigen Schritt zurück wich. »Ich bin nur realistisch. Je länger der Kampf dauert, umso stärker wirst du. Und ich kenne deine Fähigkeiten.« Noch ein Schritt, dann ein verrücktes Grinsen. »Aber ich werde nicht aufgeben. Wenn die Regierung hiervon erfährt bist du so gut wie tot.«

Crocodiles Miene verfinsterte sich weiter. »...«

»Zehehe...« Er baute den Panzer um sich herum noch weiter auf, irrational wuchs er weiter und weiter, ehe er eher an einen Steingolem erinnerte als einen Menschen. Erst dann schlug er nochmals zu, dass der Raum, in dem er sich nun befand, in sich zusammenstürzte.
 

»Robin!« Crocodile funkelte sie nur kurz von der Seite an, ehe er los lief. Seine Glieder gehorchten ihm noch nicht vollkommen, er kam nur schleppend voran. »Halt ihn auf, ehe ich ihn zwischen die Finger bekomme!«

Sie hörten Sonnenbrücken bereits auf der anderen Seite laufen. Sein schwerer Panzer war bei jedem einzelnen Tritt einfach unüberhörbar. Es klang, als würde das gesamte Gebäude bald einstürzen. Nur langsam kam die Schwarzhaarige wieder auf die Beine, verschränkte gehorsam ihre Arme. Hoffentlich war das, das letzte Mal. Lange würde sie nicht mehr durchhalten. Es dauerte nur einen Moment, ehe sie den Kommandanten fand. Er rannte durch das Gebäude und hatte den Kommunikationsraum im Visier. Zittrig versuchte sich Robin auf den Weg zu konzentrieren, den er nahm. Sie steckte ihre letzte Kraft hinein, dass sie ihre Hände aus den Wänden des Gangs wachsen ließ, um ihn festzuhalten und zum Stehen zu bringen.

Ihre Hände umschlangen den großen Körper, wie Blütenblätter das innerste ihres Kelches. Es waren so viele und von so vielen Seiten, dass es wirkte, als wäre er in einen Kokon eingewachst worden. Wütend brüllte er dagegen an und setze seine Fähigkeit noch weiter frei. Die Steinschicht brodelte, wuchs und wuchs und gipste sie ein, zog an ihr und zerquetschte ihre Hände, als befände sie sich in einer Daumenschraube. Sie hörte Crocodile, der noch etwas weiter entfernt war und versuche sich seinen Weg durch das Labyrinth an Gängen zu finden. Mühevoll, lauthals keuchend versuchte sie ihm die richtige Richtung zu zeigen, ihn zu leiten. Sie spürte wie ihr der Griff langsam entglitt, aber sie würde nicht locker lassen, niemals.

Sonnenbrücken brüllte noch lauter und sein Stein wurde aggressiver, rieb sich an ihr auf, wollte sie zerquetschen und ihre Knochen zertrümmern. Sie musste immer wieder die bereits eingewachsten Hände zurückrufen, aber die äußeren wurden immer mehr, damit er nicht entkommen konnte. Sie fühlte ihn sich unter ihr winden, kämpfen, knurren.

»Ich wusste es! Ich habe es gewusst! Ihr seid nichts weiter als dreckige Piraten! Ihr verratet die Regierung! Ihr werdet die Welt in ihren Abgrund stürzen! Monster! Wie könnt ihr es nur wagen!« klang es irr und hohl aus seinem Innersten, das von der Steinschicht geschützt wurde. »Millionen von Menschen sterben wegen euch! Und nur für eure selbstsüchtigen Gelüste! Ihr seid verachtenswert!« Er ging dazu über den Armor noch weiter aufzublasen. Inzwischen sprengte er fast die Decke, allein aufgrund seines unheimlichen Volumens, das immer mehr anwuchs.

Robin legte das letzte Quentchen Kraft in ihre angeschlagene Stimme, dass er sie direkt an seinem Ohr hören konnte. »Ich habe noch nie eine wehrlose Frau gefoltert oder ein Kind geschlagen. Noch nie mich an dem Leid eines anderen Menschen erfreut. Du allerdings. Macht dich das besser?«

»Das Leid weniger ist nichts gegen das Glück Vieler! Aber ihr seid verrückt!«
 

In diesem Moment brach die Wand neben ihnen ein und Crocodile stürmte durch den Gang. Er wirkte noch immer mehr als nur angeschlagen, hievte und hatte es schwer sich auf den Beinen zu halten. »Genug. Ich habe deine leeren Worte so etwas von satt. Robin... du kannst ihn los lassen.«

Sie wartete nicht darauf, es noch mal gesagt zu bekommen. Sofort löste sich ihr Halt an Sonnenbrücken. An ihren echten Händen waren nun überall Quetschungen und rote Flecken erkennbar. »Und selbst jetzt bist du dir wichtiger, als deine Soldaten, die in diesen Trümmern, die du hinter dir lässt, verletzt werden.«

Crocodile wollte gerade auf ihn zustürmen, als Sonnenbrücken zu brüllen begann. Es war noch lauter als zuvor, ohrenbetäubend und markerschütternd. Er schlug um sich, dass die Wände neben ihm und die Decke über ihm in sich zusammen brachen und Crocodile unter sich begruben. Nur Sekunden später raste ein Sandsturm nach oben, der die herabfallenden Trümmerteile in alle Richtungen wirbelte und Crocodile die Möglichkeit gab Sonnenbrücken ein Sandschwert entgegen zu schleudern.

Der Offizier schrie vor Schmerz auf, doch es half nichts. Der Stein schloss die Narbe sofort wieder, die er hinterlassen hatte. Sein Panzer wuchs noch weiter an, wurde immer mächtiger, dass er auch die zweite Etage über sich zertrümmerte. Von allen Seiten ertönten nun Schreie, überall bröckelte Stein und Zement, fiel das Haus in sich zusammen.

Vor Crocodile stand nun ein gigantischer Steingolem, der noch weiter wuchs und schließlich die dritte Decke durchbrach. Der blonde Mann brüllte noch einmal und schlug um sich und zerfetzte die Mauern als wären sie aus Papier. »Ich werde euch niemals erlauben hier leben herauszukommen!«

Eines seiner Beine stampfte auf den Boden auf und hätte Crocodile beinahe unter sich zertrümmert, doch er hatte noch genug Kraft um auszuweichen. Den herabfallenden Trümmern hatte er nur noch mehr Sandstürme entgegenzubringen. Der Gang war inzwischen so weit zerstört worden, dass mitten in der Basis ein riesiges Loch klaffte, das mehrere Etagen durchfräst hatte. Doch Sonnenbrücken hörte nicht auf. Er schlug die Decke ein.

»Ich werde jeden einzelnen von euch unter mir begraben!«

»Tss....« Es fiel Crocodile immer schwerer den unendlich scheinenden Massen an Stein, die von oben auf ihn herab regneten auszuweichen. Er selbst schwebte nicht in Lebensgefahr, aber die anderen waren nicht in der Lage auszuweichen. Er musste es schnell beenden.

Tief holte er noch einmal Luft, ehe er sich selbst in einen Sandsturm verwandelte und die herabstürzenden Steinteile gegen Sonnenbrückens Armor schleuderte. Es brachte rein gar nichts, aber darauf zielte er auch nicht ab. Allmählich schraubte er sich immer höher, wich den wilden, richtungslosen Schlagen des Golems aus und sprang dem Steinkoloss dann genau auf die Brust, hakte sich dort fest, um nicht den Halt zu verlieren.

»Hahahaha!« Sonnenbrückens Stimme war so tief geworden, dass sie wahrhaft genauso klang wie das Zerschellen der Steine am Boden. »Du schaffst es niemals hindurch! Ich zerquetsche dich!«

Sofort begann der Armor wieder zu wachsen, wuchs ihm über die Hand, über die Knie und fraß ihn auf, zerquetschte seine Finger, dass er schmerzhaft die Augen zusammenkniff. Er ließ es über sich übergehen, ehe es so schlimm wurde, dass er glaubte er breche gleich seine Knochen. Erst dann packte er richtig zu und begann ihm das Wasser zu entziehen. Ein müdes und dennoch teuflisches Grinsen legte sich auf seine geschundenen Lippen und stieß ihn ein letztes Mal all seinen Hohn entgegen. »Zu schade, Sonnenbrücken. Du hast wohl vergessen, dass ich sogar Stein Wasser entziehen kann.«

Als er spürte, dass er Recht hatte, als er fühlte wie sein Panzer zerbröckelte, riss er die Augen auf und brüllte noch ein letztes Mal, riss noch mehr seiner Umgebung in den Abgrund, verwüstete die Basis. »Zur Hölle mit dir!«

Crocodile steckte noch mehr Kraft in seine Hand und entzog ihm so schnell er konnte noch mehr Wasser. Es dauerte nur Sekunden, bis er endlich an seinen richtigen Körper kam. Und dann war es endlich vorbei.
 

Keuchend kam Crocodile wieder auf den Boden auf, und sank sofort in die Knie. Das hatte tatsächlich ganz schön an seiner Kraft gezogen. Er spürte noch das Pochen in seinen Wunden und die widerwärtige Niedergeschlagenheit durch den Seestein. Um ihn herum wurde es langsam stiller. In der Ferne hörte man noch einige Schreie und ab und zu etwas von der Decke fallen. Er hoffte, die anderen waren nicht unter diesen Schreien. Reflexartig fingerte er nach seiner Stirn und fluchte, als er noch mehr Dreck in die Wunden brachte. Ihm tat alles weh und vor seinen Augen begann sich die Welt wieder zu drehen. Aber das war egal. Jetzt war es zu Ende.

Zwischen dem Stöhnen der Verletzten hörte Crocodile plötzlich Schritte hinter sich näher kommen. Er blickte ihnen nicht entgegen, musste sich viel eher den Kopf halten, weil sein Gleichgewichtssinn immer wieder ausfiel. Nur ganz langsam wurde es besser. Jemand hockte sich vor ihn und strich seine Haare zurück, fuhr fast zärtlich über seine Stirn, wischte das Blut weg. Er hörte Robins leise Stimme. »Es geht ihnen gut.«

»...« Er zeigte seine Erleichterung darüber nicht, sondern ließ den Kopf erschöpft hängen und wand ihn etwas von ihr ab.

Ihre Sorge herunter schluckend, jeden weiteren Gedanken verbannend, betrachtete sie seine Verletzungen. Schürfwunden und Quetschungen größtenteils, aber zwei ziemlich gemeine Wunden an den Schläfen. Zu tief um ignoriert zu werden. Es raschelte kurz, dann spürte Crocodile ein leichtes Brennen. Robin betupfte die Risse, desinfizierte sie. Er zuckte widerwillig zusammen, biss dann aber die Zähne aufeinander und wich ihrem Blick aus. Sie bemühte sich jedes Wort, das in ihrem Kopf heranwuchs einfach zu ignorieren. Ihre Bewegungen waren ruhig, so ruhig, wie lange nicht mehr. Zumindest kam es ihr so vor.

»Soll ich es gleich hier nähen? Die Wunden sind ziemlich tief...«

Er schob sie von sich weg und versuchte aufzustehen, was ihm nur schwerlich gelang. »Das hat Zeit. ...Wir müssen von hier weg.«

So gern wollte sie ihm helfen, aber sie brachte es nicht über sich es ihm anzubieten. Niemals würde er das zulassen. Dafür war er viel zu stolz. Noch immer spürte sie das widerliche Quetschen in ihrer Brust. Sie richtete sich auf. »Uma hat die anderen in einen Tunnel gerettet. Sie müssten schon draußen sein.«

Er sah sie nicht an, die Erwiderung war hart. »Die meisten der Leute hier müssten bereits tot sein, aber... wir können nicht riskieren, dass jemand die Marine kontaktiert..«

Leblos nickte sie. »Ich kümmere mich darum.«

»...Sag bitte Miki und Jazz Bescheid, dass sie es übernehmen sollen. Du bist nicht in der Verfassung dazu...«

Doch sie wandte sich stur von ihm ab. »Das dauert zu lange.« Ihre Arme verschränkten sich bereits wieder. Das würde sie noch schaffen, das war ein Klacks. Was ihr linker Arm dazu meinte oder ihr Herz war ihr ganz egal. Sie schloss die Augen und murmelte etwas, von dem Crocodile aber nur ein Wort erkennen konnte. »...Clutch...«

Wie ein Echo beinahe ertönte es. Ein Knacken, unheimlich leise, aber umso furchteinflößender. Im nächsten Moment waren alle Schreie verstummt.

Schweigend drehte er sich zu ihr um und zum ersten Mal blickte er ihr direkt in die Augen. Dort sah sie sie wieder, die abweisende Mauer, die ihr inzwischen so bekannt war. Sie ertrug das nicht, sie ertrug das einfach nicht mehr. Kraftlos fiel ihr Blick zu Boden, ihre Stimme nun mehr selbst ein Schatten ihrer Selbst. »...Es tut mir leid.«

»...Und was... tut dir leid?«

»...Dass ihr so zugerichtet wurdet... dass er dich gedemütigt hat... dass... dass...«

»...« Nun wandte er den Blick wieder ab.

»...dass ich so selbstsüchtig war zu glauben, dass das gut gehen könnte. ...Dass es besser werden würde. ...Dass...« ich dir Richtige für dich bin. Aber das brachte sie nicht über die Lippen. Sie riss sich zusammen. Es dauerte nur wenige Sekunden ehe sie sich in Bewegung setzte. »Besser wir gehen, das stürzt sonst wirklich noch ein und ich wäre dann ungern hier.«

Schweigend ging er hinter ihr her, vermied aber jeden Augenkontakt zu ihrer Gestalt.

Vielleicht hatte Gal Recht, dachte Robin. Vielleicht würde die Crew sich auch auflösen, wenn sie ging, aber vielleicht, vielleicht auch nicht. Schuldete sie es ihnen nicht, es zumindest zu versuchen? Sie musste ihnen einfach die Chance geben, ein Leben ohne sie zu führen. Sie wollte doch nur, dass alle glücklich sind.
 

~ ~ ~
 

Das Schiff war bereits in voller Fahrt, dank Jazz', Bons und Mikis schnellem Agieren. Alle wollten so zügig wie nur möglich von dieser Insel verschwinden, damit nicht mehr in Kontakt gebracht werden. Niemand würde je wissen, wer die Basis platt gewalzt hatte, wobei den meisten Schaden ja Sonnenbrücken selbst verursacht hatte. Es war eigenartig ruhig auf dem Schiff. Paula lag in ihrer Kabine, während Jazz sich um sie kümmerte und Crocodile hatte sich ebenfalls in sein Zimmer begeben, Robin auf seinen Fersen.
 

Sie kam direkt auf ihn zu, sah ihm dabei zu, wie er sich auf das Bett setzen wollte. Sie konnte sich schon denken, was er vorhatte. Dennoch kam sie einen Schritt näher. »Wäre es nicht besser, wenn ich das mache?«

Er schenkte ihr einen eigenartig kühlen Blick, doch dann wand er sich wieder ab. Entgegen ihren Erwartungen blieb er aber stehen.

»Ich... ich kann auch Bon fragen, wenn dir das lieber wäre. Es wäre nur besser...« Sie atmete tief ein. »...besser, wenn es jemand von uns macht.«

Nun blickte er sie doch wieder an, musterte sie von oben bis unten. »...«

Es störte sie nicht, zumindest wirkte das äußerlich so. Ganz ruhig blickte sie ihm entgegen. Zumindest solange es um seine Gesundheit ging, konnte sie das. Als er immer noch nicht reagierte und sie nur weiter anstarrte, bebten ihre Hände etwas, aber sie zwang sich sie still zu halten. »Würdest du bitte!« Das kam gedrungener, als gehofft, aber noch immer relativ beherrscht.

Ganz langsam nur wandte er sich von ihr ab und setzte sich auf das Bett, blickte sie nicht an und regte sich nicht mehr.

Gott, wie sie das hasste. Sie wusste so schon nicht, was eigentlich in ihm vor ging. Ohne Worte konnte sie nicht einmal hoffen, irgendwas zu interpretieren. Starr blickte sie ihm entgegen und ermahnte sich wieder und wieder, dass es nicht der richtige Moment war, auszurasten. Dass er Ruhe brauchte, dass er sicherlich schreckliche Kopfschmerzen hatte. Aber war ein Wort zu viel verlangt? Ein einziges Wort?

»...Worauf wartest du?« kam es hart, die Augen noch immer nur Seite gedrückt.

Noch einen Moment zögerte sie, dann kam sie langsam näher, fummelte bereits an ihrem Medipack, dass sie noch vor der Infiltration der Basis an sich genommen hatte. Sie kniete sich direkt vor ihn und strich ihm erneut die Haare aus dem Gesicht. Sie wagte es nicht, auch nur ein einziges Wort zu sprechen. Nicht jetzt, nicht hier, nicht so. Das Wichtigste zuerst und das Wichtigste für sie war noch immer Crocodile. Vorsichtig, aber schnell ging sie ans Werk, desinfizierte noch einmal, tupfte ein bisschen Betäubungsmittel auf den ersten Riss und begann zu nähen. Die ganze Zeit über sah er sie nicht an, schien nachzudenken. Als würde er sie und die Nadel in seinem Fleisch gar nicht wahrnehmen. Umso überraschender kam deshalb seine leise Stimme, die sie kaum verstand.

»Danke...«

Ihre Hände hielten inne und ihr Herz machte einen schmerzhaften Sprung. Sie schluckte hart, mahnte sich aber weiterzumachen. Sie würde nicht ruhen, ehe seine Wunden genäht waren. Sie wollte ihm so viel sagen. Sie wollte ihn weiter berühren, auch als sie die Nadel zur Seite legte. Zärtlicher berühren, ihn an sich drücken, weil sie fürchtete, dass sie es sehr bald nicht mehr konnte. Nie mehr konnte. Niemals mehr. Unbewusst stiegen ihr wieder Tränen auf und als sie spürte, wie sich etwas wässriges über ihre Wange schob, begann sie heftig zu blinzeln und sich zu erheben, umzudrehen. »...Fertig.«

»Wo willst du hin?«

Sie erstarrte, drehte sich aber nicht zurück. »...Ich hab kein spezielles Ziel.«

»...Dann bleib gefälligst hier.«

Warum nur fiel sie nicht einfach bewusstlos um und ersparte sich den Rest? Das Auf und Ab ihrer Gefühle, die Hoffnung, die Verzweiflung, als wäre sie ein Riesenrad. Hoch, runter, hoch, runter. Ihr war so schlecht von dem konstanten Pochen, dass sich durch ihre Glieder fräste. Sie blieb wo sie war. Jeder Schritt, jede Bewegung machte ihr Angst, verunsicherte sie. Sie war der Elefant im Porzellanladen, jede Regung konnte einfach alles kaputt machen.
 

Auch Crocodile blieb wo er war, aber sie spürte seinen bohrenden Blick in ihrem Rücken, wie er sie erneut musterte. Einen langen Moment herrschte Schweigen, dann sah er sie nicht mehr an. Seine Stimme war noch immer angeschlagen, abwehrend. »Ich bin dir noch immer sauer.«

Das überraschte sie nicht im Mindesten. »Weil ich den Tunnel verlassen habe?«

» ...Nein...« Sie fühlte, wie ihn das aufbrach, doch der Blick blieb abgewandt. Nur seine Stimme wurde etwas weicher. »Dafür bin ich dir dankbar... Wenn ihr nicht gekommen wärt, dann... wären wir sicher drauf gegangen.«

Das würde niemals aufhören, oder? »...Ich kann nichts mehr sagen. Ich habe... keine Worte dafür mehr.«

Er musterte sie wieder, wusste nicht, wo er diese Worte hin stecken sollte. »Ich bin dir sauer, weil du aufgeben wolltest.«

Voller Irritation wandte sie sich ihm nun zu. »Was?«

Seine Augen waren verengt, aber nicht mehr so distanziert. »Weißt du überhaupt, wie sich das angefühlt hat?«

»Ich...« sie kniff die Augen zusammen, die Hände geballt, zitternd. Ja, jetzt konnte sie es sich erlauben zu zittern.

Zischend drehte er den Kopf zur Seite. »...Ich kann es immer noch nicht fassen, dass du dich stellen wolltest. Das ist so krank. Wieso geht so was in deinen Kopf rein? Ich versteh das einfach nicht. Das ist nicht die Frau, in die...« Doch er brach ab und schloss wütend die Augen. »Das war so, als ob du keine Lust mehr auf mich hast. Nur weil es schwierig wird. Als ob ich es nicht wert wäre zu kämpfen...«

Er hörte sie heftig schlucken, ihre Stimme eine ganze Oktave höher. »Du sagst das, als wäre es so einfach für mich, mich der Marine auszuliefern! Als könnte ich das einfach so! Als wollte ich nicht leben, als wollte ich zu Tode gefoltert werden!«

Sein Kopf zuckte zurück zu ihr und sie konnte sehen, wie verletzt er war. »So hat es sich aber angehört!«

»...Kann ich dich was fragen, Crocodile?« Sie starrte auf ihre Füße, nur einen Moment, ehe es wie Pfeile geschossen kam. »Was ist der Unterschied zwischen mir und Elisabelle?«
 

Sie hörte es krachen, so laut, dass sie zusammen zucken musste. Kurz darauf fiel eines der Bücherregale neben ihr zerschnitten zu Boden. Und er vor ihr, vor Wut schäumend. »Sag das nochmal!«

Doch es war zu spät jetzt noch einen Schritt zurück zu machen. »Es fällt mir schwer ihn zu sehen Crocodile.« Sie war ruhig und doch zitterte sie. »Den Unterschied. Ich bringe dir Tod genauso wie sie. Ob ich das nun will oder nicht, spielt gar keine Rolle. Sie werden es herausfinden, alles. Früher oder später. Es gibt jemanden, der mich bei dir finden wird und dem hast du nichts entgegenzusetzen. Und denk nicht, dass die Regierung das mit Arabasta so übel nimmt. Aber dich mit mir zusammenzuschließen... das können sie dir nicht verzeihen. Sie werden dich hinrichten. Das ist nur eine Frage der Zeit und... die anderen werden genauso sterben. Ich... ich war so blind. Blind vor Liebe.« Ihr Kopf fiel wieder nach vorn. »Ich war zuvor noch nie verliebt. Ich... es tut mir Leid, dass ich das nicht gleich erkannt habe. Alles wofür du dein Leben lang gekämpft hast, all das verschwimmt. Deine Freiheit... du wirst für immer ein Verfolgter bleiben. Weil ich bei dir bin.«

Er zitterte vor Wut, ballte die Hand zur Faust. »...«

»...Weißt du was mir aufgefallen ist? Wenn ich wirklich selbstsüchtig gehandelt hätte, dann hätte ich dir wirklich eine der antiken Waffen beschafft.« Ein schmerzliches Lächeln. »Ich hätte uns den Weg freiräumen können, ich... hätte für immer bei dir sein können, denn wer hätte uns schon aufhalten können? Rache... alle hätten büßen müssen und... wenn ich dann irgendwann in einem hohen Alter gestorben wäre, hätte niemand die Waffe mehr benutzten können. Sie wäre mit mir gestorben. Das... das war letztendlich der einzige Weg für uns... nicht wahr?«

»...Ich kann nicht glauben, dass du so denkst.«

»Ist dem denn nicht so?« Endlich blickte sie wieder auf, ihm in die Augen. »Stimmt das nicht?«

Sein Gesicht war zerfressen von Wut, von Enttäuschung und noch etwas, das sie nicht ganz deuten konnte. »Nein, es stimmt nicht, Robin.«

»...Ich will... ich will doch nur... doch nur...« Sie schaffte es nicht mehr, sie konnte es einfach nicht mehr halten. Tränen explodierten beinahe aus ihr heraus. Verdammt, nicht einmal das konnte sie.

»Dass ich glücklich bin?!«

Ihre Zähne bissen ihr auf die Lippe, ihr Kopf nickte heftig. »...und lebendig.«

»Gott... du bist so schrecklich naiv, Robin... Hörst du nur noch das, was du hören willst?«

»...«

»Wie oft soll ich es dir noch sagen, huh? Muss ich es wie ein Papagei immer und immer wiederholen, dass es in deinen Kopf reingeht? Willst du mich beleidigen?!«

»Ich habe dich verstanden! Es ist dir egal! Du hast dich darauf eingelassen und jetzt ist es eben so. Das heißt aber nicht, dass ich das einfach so hinnehmen kann!«

»Warum? Warum ist das so schwer? Wieso denkst du nur so? Ich will dich, Robin! Ich will, dass du bei mir bleibst und die wenige Zeit, die wir miteinander haben nicht auch noch zum Fenster hinaus wirfst, in dem du dich in einem Anfall von Selbstmitleid der Marine stellst!« Er atmete heftiger. »Ich will, das wir gemeinsam kämpfen. Aber du... machst es mir so schrecklich schwer.«

»Du... du von allen, weißt am Besten wie sich das anfühlt, wenn die Menschen um dich sterben, weil du lebst. Du weißt wie das ist! Willst du mir erzählen, dass man das ignorieren kann?! Ich habe mein ganzes Leben zugesehen! All die Jahre sind sie wie die Fliegen um mich herum gefallen und niemals gab es etwas, was ich dagegen hätte tun können. Aber diesmal, diesmal kann ich das. Diesmal könnte ich verhindern, dass es euch trifft, wie alle anderen. Das hat mit Selbstmitleid nichts zu tun, verdammt! Das ist nun mal die Realität!«

»Du hast einfach nur keine Lust für mich zu kämpfen...« Seine Stimme sank ab und sie sah nun ganz deutlich, dass seine äußeren Wunden gar nichts dagegen waren, was sie ihm in seinem Inneren angetan hatte.
 

»...Das tue ich doch. Siehst du das nicht?« Ihre Wut war mit einem Mal verpufft. »Meinst du denn, ich will gehen? Meinst du denn, es gibt einen Ort wo ich sein möchte, der nicht bei dir ist? Was ich gesagt habe, war keine Lüge, kein leeres Gerede. Du... du bist mein Zuhause... aber... mein Leben ist meine Verantwortung. Wäre es nicht selbstsüchtig bei dir bleiben zu wollen? Jetzt, wo es wirklich gefährlich wird? Ist dir dein Leben so wenig wert?«

Er sprühte ihr seine gesamte Wut in einem Blick herüber. »Du hast kein Wort von dem verstanden, was ich gesagt habe.« Sein Körper kam noch etwas näher, bedrängte sie. »Oder willst du es nicht verstehen? ...Ich war glücklich mit dir Robin. So glücklich, dass ich mit Freuden sterbe. Was bringt es mir schon noch zehn, zwanzig Jahre zu leben, wenn ich nur genauso verbittert und verzweifelt bin wie die letzten fünfzehn Jahre. Meinst du ich war glücklich? Nein, das war ich nicht. Erst du hast mich glücklich gemacht. Meinst du wirklich ich würde es vorziehen noch länger zu leben? Während ich weiß, dass du da draußen allein gegen die Marine kämpfst? Oder sogar schon von ihr gefoltert wirst, damit sie selbst an die Waffen kommen können? Meinst du das würde mich glücklich machen?!«

Das war wie ein mächtiger Tritt in ihren Allerwertesten. Sie hat ihn glücklich gemacht? Oh Gott, oh Gott. Angeschlagen versteckte die ihr Gesicht in ihrer Hand. »...«

»Ich lebe lieber kürzer und glücklich als noch länger und ohne Ziel. Und wenn die Marine uns findet! Und wenn sie uns umbringt! Ich halte das aus. Und ich dachte, das könntest du auch... Aber du badest in Selbstzweifeln, bist dabei alles aufzugeben, für was ich kämpfen will... Du machst es mir wirklich schwierig an uns zu glauben.«

»...Ich weiß einfach nicht... ob ich die Richtige für dich bin. Ich... weiß nicht, ob sich das wirklich für dich lohnt, ob... du nicht, nicht vielleicht...« heftig schüttelte sie den Kopf.

»Warum solltest du es nicht sein? Sag mir nicht du hast nicht mitbekommen, was du mit mir gemacht hast.«

Zum ersten Mal wirkte sie wirklich verwundert. »...Mit dir gemacht?«

Darauf knurrte er leise. »Nun stell dich nicht dumm an.«

»...«

»Natürlich bist du die Richtige, verdammt... Würde ich mich sonst mit dir abgeben?«

Wunderbar, jetzt wusste ihr Gesicht nicht mehr, welche Emotion es zeigen sollte. Er verwirrte sie völlig, brachte sie aus dem Konzept. Was für ein Konzept war das überhaupt? Wieder hielt sie sich den Kopf. Was wollte sie eigentlich? Warum musste er sie so verunsichern? Aber er kämpfte um sie, nicht wahr? Er wollte.... er wollte wirklich, dass sie bei ihm blieb? Trotz allem?

»Oder...« Und nun schnürte sich ihm hörbar die Kehle zu. »...willst du mir etwa sagen, dass du... dir nicht mehr sicher bist...?«

Sie zischte. »Das ist wohl das einzige, worüber ich mir sicher bin.«

Darauf knurrte er erbost. »Also? Ich seh dein Problem wirklich nicht...«

»Nein, offensichtlich nicht.« Sie trat an ihm vorbei und setzte sich auf das Bett, ließ ihre schmerzenden Arme neben sich sinken und blickte auf ihren Schoß. Sie war mit einem Mal so müde, besiegt. Der ganze Tag zeigte mit einem Mal seine Auswüchse, legte sich auf ihr Bewusstsein und zerrte an ihr. Was sollte sie denn jetzt tun? Was? Sie war zu müde sich dieser Frage zu stellen.
 

Einen langen Moment geschah gar nichts. Erst danach drehte er sich wieder zu ihr um, trat einige Schritte auf sie zu und blieb dann wieder stehen. Seine Stimme hatte sich beruhigt, war wieder ganz ruhig geworden. »...Es tut mir leid, dass ich die letzten Wochen so... unsicher war. Ich habe mich nicht mit dir geirrt. Aber... es ist trotzdem schwer.«

Müde schloss sie die Augen. »Das muss dir nicht leid tun. Es ist dein gutes Recht. Egal welche Gründe ich hatte, ich habe dich verraten.«

»...Robin.«

Sie schüttelte den Kopf. »Schon gut. Ich... werde versuchen mich nicht der Marine in die Arme zu werfen.«

»"Es versuchen"?«

»Das soll heißen: nicht freiwillig.«

Er nickte zu sich selbst und setzte sich dann erschöpft neben sie, konnte aber nicht die Kraft aufwenden sie anzusehen. »...Gut. Denn wenn du aufgibst zu kämpfen... dann werde ich es auch tun. Nur damit du es weißt.« fügte er unsicher an und drückte den Kopf noch weiter von ihr weg.

Nicken stummen Einverständnisses »Bis in den Tod...« Dann verzog sich ihr Mund. »Im Notfall können wir immer noch eine Waffe suchen, sollte es uns zu viel werden oder...« Das war ihr bisher noch gar nicht einfallen. Das Ryo-Poneglyph. Die Regierung hatte Angst davor, Angst dass sie es fand. Sie wusste bisher nicht wieso, aber... konnte ihnen das irgendwie helfen? Überrascht riss sie die Augen auf und starrte auf einen leeren Punkt im Raum. Ihr Verstand überschlug sich bald. War das eine Möglichkeit? Konnte sie mit dem, wonach sie ihr Leben lang gesucht hatte, ihre und vor allem seine Freiheit kaufen?

»Nun schnapp nicht gleich wieder über. So wie es ist, ist es gut.« Er schielte sie aus dem Augenwinkel an.

Sie schien ihn gar nicht zu hören, so sehr ratterte es in ihrem Schädel.

»Robin?«

Hastig zuckte sie zusammen, wandte sich dann zu ihm, wirkte als hätte er sie aus einem langen Traum geweckt. »Hm?«

Einen langen Augenblick musterte er sie. »Was ist nun los?«

Wieder fiel ihr Blick ab. »Nur... so eine Idee, aber vielleicht gar nichts.«

»Was meinst du?«

»Der Grund für alles, der Grund warum sie mich jagen, warum sie alle Archäologen jagen, warum Ohara unterging. Ich... überlege, ob das nicht...« Den Kopf sinkend, ging ihre Stimme unter. »...ich weiß nicht, es fühlt sich so an, als könnte das helfen.« Sie presste ihre Hände in einander und legte sie sich auf den Schoß. »Selbst wenn ich bleibe, ich kann nicht akzeptieren, dass du wegen mir gejagt wirst, aber vielleicht gibt es etwas, das alles ändern kann. Nicht nur unsere Situation, sondern einfach alles.«

Stumm musterte er sie.

Ihr Blick ging an die Decke, verschloss sich dann der Welt gegenüber wieder. »Es sind nicht nur die antiken Waffen, es ist das eine Poneglyph, was ihnen solche Angst einjagt. Der wahre Grund, warum sie alles dafür tun, mich zu finden.«

»Und du meinst wir sollten ihnen eins reinwürgen?«

»Ich will die Wahrheit, die sie so heftig versuchen für sich zu behalten. « Scheu sah sie ihm entgegen. »Bei dir zu sein, ist schon ziemlich dreist aus ihrer Sicht gesehen. Dann auch noch das auszusprechen, was sie fürchten ist wie...« Ein winziges Schmunzeln kam über ihre Lippen. »...wie ein Tritt zwischen die Beine.«

Nun lächelte er, zum ersten Mal seit Wochen. »So will ich, dass du redest.«

Plötzliches Glück überflutete alle ihre Sinne. Sie starrte in dieses Lächeln und spürte wie sich ihre Hand hob. Oh, sie wusste was die Hand wollte. Anfassen, berühren. Erschrocken ließ sie sie wieder sinken und nickte lediglich. »Ist nur so eine Idee. Ich kann nicht sagen, ob es wirklich hilft, aber... zumindest würde sie das mal in ihre Schranken weisen.«

»Wir sollten es versuchen. Aber zunächst einmal muss ich der Marine berichten. Arabasta ist nicht mehr weit entfernt.«

Wieder nickte sie. Wie konnte ein Lächeln sie nur so aus den Schuhen hauen? Verdammt, sie spürte sogar, wie sie etwas rot wurde. Nur, weil sie es so lange nicht gesehen hatte, nicht in ihrer Gegenwart. Ein einziges Lächeln und sie fühlte sich, als hätte er sie an eine Steckdose zum aufladen gesteckt.

Das Lächeln hielt an und musterte sie, fast schon schelmisch. »Also, was meinst du? Wir hatten schon ewig keinen Sex mehr.«
 

Jetzt schoss er wirklich den Vogel ab. Sie stotterte wie ein kleines Mädchen, nun eindeutig errötet. In Sekunden drehte sich die Welt, stand auf dem Kopf. Sex? Das fühlte sich wirklich ewig an, aber das meinte er nicht ernst, oder? Aber verarschte er sie? Und selbst das, wäre ein Umschwung gewesen. Selbst das... »...Wie... bitte?«

»Aber wenn du dich nicht fit genug fühlst, reicht mir natürlich auch ein Blow job.«

Sie lächelte sich bald dumm und dämlich, starrte auf ihre Hände und spürte wie seltsam sich das anfühlte.

»Was ist?«

»Vielleicht solltest du dich hinlegen. Du siehst selbst nicht besonders gesund aus.«

»Willst du etwa kneifen?«

Ihr Finger deutete auf ihn. »Mal in den Spiegel geschaut?«

»Soll das etwa heißen ich seh so scheiße aus, dass du nicht mehr feucht wirst?«

Nicht zufassen, einfach nicht zu fassen. Wie schnell sich das bei ihm drehen konnte, überraschte sie noch immer. Jedes Mal wieder neu. Sie stieg einfach nicht dahinter. »Ich müsste wohl eher Angst haben, dass du ohnmächtig wirst.«

»So viel Blut hab ich gar nicht verloren.«

»Was ist mit deinem Kopf? Nach allem muss doch ein ganzes Bataillon da durch marschieren.« meinte sie ganz pragmatisch.

»Du willst wirklich nicht, hm?«

Ihr Mund verzog sich. »Die Frage ist eher, ob du das wirklich willst.«

»Soll das heißen du bist schon ganz heiß auf mich?«

»Es wäre ja nichts Neues. Du redest davon und wenn es passiert, schaust du dumm aus der Wäsche.«

Darauf seufzte er nur und schloss die Augen.

Zaghaft, wirklich beinahe ängstlich hob sie wieder ihre Hand, doch diesmal hielt sie sie nicht davon ab. Zögernd legte sie sie auf seine Wange, strich über die raue Haut und musste ein erleichtertes Seufzen unterdrücken. Noch mehr so, als sie mit dem Daumen über seine Lippen fuhr, sein Kinn entlang über seinen Hals. Sie wollte ihn nur anfassen, nur kurz berühren, zärtlich. Sich vergewissern, dass es in Ordnung war, das sie das durfte. Sie bemerkte, wie er sie aus dem Augenwinkel anschielte.

»...Das habe ich wirklich vermisst.«

»...Treibs lieber nicht zu weit.«

Hastig zog sie die Hand wieder zurück. »...«

»Ich hab zwar eben nur Spaß gemacht, aber ein Teil davon war wirklich ernst gemeint. Wir habens seit einem Monat nicht mehr getrieben. Treibst dus zu weit, bist du dran.«

Irritiert starrte sie ihm entgegen. »...« Ihre Hände zitterten schon wieder so, aber diesmal aus einem anderen Grund. Die Spannung war plötzlich ganz anders und trotzdem raste ihr Herz. Es kitzelte unter ihren Fingern, als ginge von ihm ein elektrischer Strom aus. Ihre Finger berührten nur den Stoff deines Hemdes, er konnte den Druck kaum wahrnehmen.

Lediglich einen Moment lang sah er sie an, ehe er den Kopf wieder weg drehte. Seine Stimme senkte sich noch einmal ab, war aber ganz ruhig. »So will ich dich, Robin. ...Also bitte hör auf zu denken, du müsstest gehen oder für mich oder die anderen sterben. Alles andere könnte ich nicht mehr ertragen.«

»Wie du willst.« Resignierend kam es, als hätte sie diesen Kampf aufgegeben. Aber nicht traurig, sondern erleichtert. Auch wenn sie das nicht zeigen wollte. Sie war so unheimlich erleichtert.

» Gut.« Er seufzte tief.

Noch immer glitten ihre Finger über sein Hemd, als wäre sie wieder in Gedanken versunken. Ihm so nah zu sein, ihn, wenn auch nur indirekt zu berühren. Es fühlte sich so gut an. Sie konnte gar nicht gehen.
 

»Was ist?« fragte er interessiert. »Hast du plötzlich doch Lust mir nen blowjob zu geben? Würd ich dir allerdings nicht empfehlen. Ich bin noch ganz verstaubt von diesem Irren.«

Sie biss sich auf die Lippen. »Nein ich... will dich einfach nur... nur... ich habe dich so lange nicht mehr berührt... es ist wie...«

»...Lass mich duschen. Und dann gehen wir ins Bett. In Ordnung?«

Ein Nicken, kapitulierend. »... Ist wohl besser so.«

»Am Besten ziehst du dir irgendeins deiner kurzen Dessous an.«

»...Du willst... wirklich?«

»Na na, wenn dann musst du oben sein. Für mehr bin ich zu kaputt.«

War sie verrückt? Was redete sie denn da? Wieso dachte sie gerade jetzt an Sex? War sie schon so verdorben?

Grinsend stand er auf und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. »Bitte in dem lilanen Ding mit den Spitzen.«

»...Red keinen Quatsch.«

Stumm hielt er ihr seine Hand hin. Sie sah ihn einen Moment an und es dauerte wirklich ewig, bis sie begriff, was er wollte. Sie griff danach und wieder steckte ihr der Seufzer im Halse. Einweisen, sie sollte sich einweisen lassen. Doch dann erblickte sie sein teuflisches Grinsen auf seinen Lippen. Er riss sie hinauf, in seine Arme und begann ihr einen leidenschaftlichen Kuss zu geben, während seine Finger ihren Weg zu ihrer Unterwäsche suchten.

Heiß, kalt, wieder heiß und ein erschrockenes Quiecken. All das ehe sie nichts anderes mehr wahrnahm als seinen Mund, seine Hand. Ehe ihre Hände sich entschieden hatten, was sie wollten, brach es aus ihr heraus. Nur sein Mund hätte ja schon gereicht. Jede kleine Berührung löste ein Feuerwerk aus. Wirklich, sie sah alle Regenbogenfarben, die man sich vorstellen konnte. Und unter all dem Licht zog sie sein Geruch, sein Geschmack tiefer, oh so tief. So herrlich tief in den Abgrund, dass sie die schockierte Luft in einem langen stöhnen entweichen ließ. »....Uhhhh....«

Doch der Kuss endete bereits und er grinste. »Wusste ichs doch.«

Völlig vernebelt stierte sie ihm entgegen, konnte ihn kaum erkennen, musste sich nun zwangsweise an ihm festhalten, um nicht noch umzukippen. Nur ein Kuss, versuchte sie sich zu erinnern. Das war "nur" ein Kuss und trotzdem.. das Verlangen legte sich so besitzergreifend über sie, dass es wirklich schwer war, noch zu atmen. Heftig schob sich ihre Brust nach oben, senkte sich wieder, dass der Atem über ihre Lippen zitterte. »...Das... war... unfair...«

Er ließ sie wieder los und musterte sie amüsiert. Dabei hatte sie ganz deutlich gespürt, dass es ihm nicht anders ging. »Du bist ja rollig wie eine Katze. Kukukuku, du musst ja wirklich ganz schön in mich verknallt sein. Also, Süße, zieh dich schnell um und wenn ich wieder komme, will ich gefälligst, dass Nico-chan schon für mich bereit ist. Außerdem bin ich müde, also stell dich drauf ein, dass du die ganze Arbeit machen musst. Klar? Also dann, ich bin duschen.«

Und damit schlenderte er mit seinem fetten Grinsen davon. Robins Kopf ähnelte einer Tomate. Was? Wie? Was bildete sich dieser Kerl eigentlich ein? Wenn sie nur nicht so geil wär... Nein, sie hatte auch noch ihren Stolz. Mit größter Überwindung wandte sie sich ab und schlich zum Bett, um sich dort hineinzulegen und die Decke über ihren Kopf zu ziehen. Und trotzdem schlug ihr ihr Herz noch bis zum Hals. Er hatte gelächelt. Da spürte sie gleich wieder, dass es wieder los ging. Wütend auf sich selbst und ihre niederen Triebe rollte sie sich weiter zur Kugel zusammen und biss sich auf die Lippe. Er zog sie auf, er wollte wahrscheinlich gar nicht, er war müde, er hatte überall Verletzungen, er hatte sicherlich besseres zu tun als jetzt mit ihr zu...

Ahhhhh!

Falscher Stolz

Der Mond stand am Himmel und tauchte die See in ein fahles Zwielicht, das nur durch die Schatten, die die Wolken auf die tiefschwarze Meeresoberfläche warfen, durchbrochen wurde. Es war schon sehr spät, weit nach Mitternacht, doch Paula konnte nicht einschlafen. Sie blickte seit Stunden aus dem Bullauge ihrer Kabine hinaus auf das gespenstische Dunkel der Nacht. Jazz schlief schon lange. Wenn es eines gab, auf das er nur ungern verzichtete, dann war das sein Schlaf. Und er konnte ihr sowieso nicht helfen. Ihre Augen brannten ein wenig, weil sie viel zu selten blinzelte. Sie bekam es gar nicht so richtig mit. Es interessierte sie auch nicht sonderlich, ihr Arm machte ihr da mehr Sorgen.

Ja, Sonnenbrücken hatte ganze Arbeit geleistet. Ein sauberer Bruch. Es tat nicht mehr direkt weh, doch im Weg war er ihr alle Mal. Aber eigentlich war ihr Arm auch nicht das, was sie wirklich beschäftigte. Der Abend ging ihr nicht mehr aus dem Gedächtnis. Immer und immer wieder lief er vor ihrem geistigen Auge ab, wiederholte sich für sie wie ein böser Albtraum. Sie hatte alles noch ganz klar vor sich, als hätte es sich in ihr Gehirn eingebrannt. Sie hatte Robin an die Marine verraten. Na und?

So wollte sie gerne denken, aber sie hatte sich bald eingestehen müssen, dass es nicht klappte. Egal wie sehr sie Robin dafür sauer war, egal wie verletzt sie wegen Suimin gewesen war. Robin blieb für Paula Robin. Sie hatte sich nicht plötzlich von Miss Allsunday in eine Freundin und dann in eine brutale Mörderin, die die Welt zerstören wollte, verwandelt. Sie hielt gar nichts von der Gerüchten und dem Fakt, dass die Marine ihr an das Fell wollte. Sie nahm es ihr nicht übel, dass sie Nico Robin war, sondern lediglich den Fakt, dass sie sie betrogen hatte. Gelogen, von Anfang an. Paula hätte sie nicht an die Marine ausgeliefert, sie wäre eher gegangen als das zu tun.

Aber diese Situation war anders gewesen, hatte nichts anderes verlangt. Paula hatte es nicht mehr ausgehalten. Den Schmerz ihres gebrochenen Armes, die Demütigung, die Last für Robin schweigen zu müssen, die Angst was geschah, wenn es passierte, die Angst um ihren Boss. Sie hatte die Folter nicht mehr ausgehalten, hatte es noch ein wenig herauszögern wollen. Und was wäre näher an der Wahrheit gewesen als das? Was hätte sie sonst erzählen sollen? Hätte er ihre Lüge gewittert, hätte er ihren Boss vermutlich nur noch mehr gefoltert. Und das konnte sie einfach nicht mit ansehen, das konnte sie nicht verantworten. Außerdem waren sie nun quitt, nicht wahr? Sie hatten jede die andere verraten. Die Rechnungen waren auf den Zehnt genau abgezahlt.

Die Köchin schwankte leicht von der einen Seite auf die andere, ohne es zu merken, als wiege sie sich wie ein Kind in den Schlaf. Sie war schon viel länger in diesem Stadium gefangen, als sie sich eingestehen wollte. Immer hin und her gerissen zwischen ihren Gedanken, den Kräften in ihr, die ihr stets etwas anderes zuflüsterten. Sie fragte sich, wo eigentlich ihr Problem lag. Warum konnte sie nicht mehr schlafen? An ihrem Arm lag es nicht, das wusste sie, auch wenn sie gerne auf dem Bauch schlief. Sie ahnte es, wenn auch nur dunkel. Sie hatte Schuldgefühle.

Sie hatte Schuldgefühle, weil sie Robin verraten hatte. Für Paula war Robin wirklich eine Freundin gewesen, eine der ersten richtigen, vielleicht sogar die beste. Auch Paula war lange auf der Flucht, seit sieben Jahren immer auf der Suche nach einem Ort für sie und Jazz. Natürlich, ihre Geschichte war nicht vergleichbar mit Robins Erlebnissen, aber auch sie kannte keine Freunde, keinen Schutz und keine wirkliche Geborgenheit. Sie hatte sich Robin wirklich anvertraut, ihr vertraut, in ihr jemanden gesehen, der sie vielleicht nicht war. Es hatte sie so verletzt, dass sie sie angelogen hatte. Ja, Paula hätte anders gehandelt, wie sie ihr damals auf Suimin versucht hatte zu erklären. Sie wollte niemanden belügen, hintergehen. Ihre Freunde, diese Menschen, waren ihr wichtig. Sie waren ihr Zuhause. Aber Robin hatte all das kaputt gemacht. Und es war zu spät es wieder zu kitten. Ihre Möglichkeiten waren am Ende.

Und auch wenn sie so verletzt war, war sie doch nicht so kaltherzig, wie sie es gerne gehabt hätte. Sie wusste nicht so recht, ob es ihr leid tat, ob sie sich bei ihr entschuldigen konnte. Aber sie wusste, dass sie es am liebsten rückgängig machen würde. Doch was geschehen war, war geschehen. Sie hatte Robin an die Marine verraten und dass vielleicht keine der Informationen an die Öffentlichkeit gelangt war, war pures Glück.

Ihre Augen schlossen sich und sie atmete tief durch, behielt die Luft einige Moment lang inne, ehe es so sehr kratzte und brannte, dass sie wieder ausatmen musste. Wie von selbst stand sie auf und trugen sie ihre Füße aus dem Zimmer. Sie brauchte jemanden, der ihr sagen konnte, was sie zu tun hatte. Und es gab nur eine Person, die sie jetzt verstehen würde.
 

~ ~ ~
 

Genauso wie die letzten Tage saß sie auf ihrem Bett, die Beine in einem Schneidersitz verklemmt und starrte gezwungen ernst auf ihren leeren Skizzenblock. Iroko hatte es sich schon als ganz kleines Mädchen angewöhnt bei Problemen und Gedanken, die sie nicht aus dem Kopf bekam, alles auf Papier zu bringen. Auf diese Weise schaffte sie sich die Gedanken frei und konnte logischer über gewisse Dinge nachdenken. Aber dieses Mal... Der Bleistift lag unberührt neben ihr, schon seit Stunden. Iroko gab nicht schnell auf. Sie wusste, dass es manchmal länger dauern konnte, bis die Ideen kamen, aber die saß heute nicht zum ersten Mal hier und stierte auf stumpfes Weiß. Seit dieser Insel, seit diesem Mann hatte sie nichts mehr hinbekommen. Zumindest zitterten ihre Finger nicht mehr heimlich unter ihrer Bettdecke oder beim Essen, dass sie immer zu sich nahm, wenn sie sicher war, dass keiner in der Kombüse stand. Vor allem wollte sie Paula nicht begegnen, ihrem Boss und Robin. Das mit Robin war ja nichts Neues, aber sie konnte ihrem Boss nicht mehr in die Augen sehen und noch viel weniger Paula. Paula. Sie wollte nicht daran denken. Jedes mal wollten ihr die Tränen aufsteigen.

Warum? Warum mussten immer alle den anderen verraten? Es war doch ganz egal, dass sie nicht das Opfer gewesen war. Paula, auf die sie solch hohe Stücke gehalten hatte. Paula, die sie für einen wirklichen ehrlichen Menschen gehalten hatte. Sie hatte gelogen, und Iroko war nicht so naiv nicht zu begreifen, warum sie es getan hatte. Aber sie hatte auch Robin's Beweggründe verstanden und konnte ihr nicht verzeihen. Verrat, Lügen, Betrug. Stichwörter für einen Piraten, aber nicht dieses kleine Mädchen. Sie hatte so sehr mit sich gekämpft, sie war selbst kurz davor gewesen, sie hätte ihr Versprechen gebrochen, sie hatte sich dazu entschieden ihren Boss und Robin nicht zu verraten und dann hatte Paula... Wütend, außer sich warf sie den Block in eine Ecke und ließ sich auf ihr Bett zurück sinken. Es war "gut" ausgegangen, aber noch blieben unheimlich viele Dinge ungesagt und Iroko war nicht der Mensch, sie auszusprechen. Nein, genau genommen ging es sie nicht einmal mehr etwas an. So bald wie möglich musste sie die Crew verlassen und ihrem wirklichen Schicksal entgegen treten. Es brachte ihr nichts weiter über Dingen zu hocken, die sie nicht ändern konnte und die...

Leise fluchend legte sie einen Arm über ihre Augen. Verflucht noch mal! Sie spürte schon wieder die Nässe hinter ihren trockenen Augen. Immer und immer wieder stieg es ihr in die Nase und wütend drückte sie es zurück. Weinen war reine Zeitverschwendung, vor allem wenn man davon ausging, dass sie nichts ändern konnte. Sie konnte sich ja nicht einmal selbst helfen, wie sollte sie irgendetwas für diese Menschen hier verbessern, die sie... Nein, sie ließ keine Gefühle mehr zu. Sie waren ihr nicht egal, aber eigentlich war es ihr gleichgültig, was mit ihnen passieren würde. Jedes Gefühl, das aus ihrer Brust zu kommen wagte, wurde mit Füßen getreten und blieb letztendlich nichts als verschwendete Zeit. Heftig blinzelnd rappelte sie sich wieder hoch und stand auf. Langsam nahm sie ihren Block wieder an sich und begann damit weiter darauf zu starren. Nur ein kleiner Teil in ihr, rief wieder ihren Namen. Die Stimme klang traurig und gespenstisch nach ihrer Mutter, aber Iroko hörte nicht mehr hin.
 

Es klopfte sanft, so leise, dass man es fast nicht hörte. Iroko war versucht es einfach zu ignorieren, aber schließlich legte sie den Block dennoch auf ihrer Kommode ab. »Was?«

»Darf ich rein kommen?«

Paula. Wunderbar. Ganz wunderbar. »Wenn du unbedingt musst.«

Nur eine kurze Stille, ehe sie herein kam. Um ihren Arm war noch der wuchtige Gips und die Stütze, während sie ungewöhnlich stark bekleidet war. Eine kurze Hose und ein weites T-shirt, das nichts von ihrer Figur verriet. Ihr Blick traf nur kurz den ihren, ehe sie es sich heraus nahm, durch den Raum zu schreiten und sich auf das Bett zu setzen. Iroko warf ihr nicht einmal einen kurzen Blick zu, nachdem Paula durch die Tür getreten war. Sie stand noch immer vor der Kommode und starrte auf den Block, der nun wieder in ihrer Hand lag.

»Können wir reden?« kam es ganz leise, kraftlos, den Kopf noch immer abgewandt.

»Ich habe dir nichts zu sagen.« Das Mädchen hatte sich ihr nicht einmal zugewandt.

»Du bist mir böse, hm?« Es war wirklich nur noch ein Flüstern.

Ohne ihr Wissen verkrampften sich ihre kleinen Finger, aber sie zwang sich den Mund zu halten, verzog ihn zu einer schmalen Linie, verbissen.

»Oder ist "böse" nicht das richtige Wort? Hm?«

»...Wenn du etwas sagen willst, dann tu es einfach.«

Das ließ sie verstummen. Ihre gesunde Hand fingerte sich angestrengt durch das krause Haar, ihre Bewegungen wirkten fahrig, angestrengt und fast unkoordiniert. Die Stimme noch immer vollkommen ausgelaugt, als habe sie kaum noch Kraft. »Ich... dieser Abend... geht mir einfach nur schwer aus dem Kopf.«

»...«

»Ich... hätte nicht gedacht... dass der Boss um unser Leben betteln würde. ...Ich dachte, Robin wäre ihm das einzig wichtige.« kam es etwas zusammenhangslos.

»...Bossu ist...« Aber sie bremste sich ab, bevor sie noch mehr sagen konnte. Nein, sie wagte es nicht mehr Aussagen über jemanden zu treffen. Früher hatte sie oft Recht gehabt, hatte die Menschen richtig eingeschätzt, aber jetzt wagte sie es nicht mehr.

Paulas Kopf hob sich, musterte sie.

Doch Iroko stand weiterhin mit dem Rücken zu ihr gewandt, der Kopf etwas gesenkt, und der ganze Körper angespannt. Etwas steckte in ihr. Etwas in ihr sagte ihr, dass sie das Wesen ihres Bossus erkannt hatte. Sie hatte ihn gespürt, sie war ein Teil von ihm gewesen und sie wusste, ja sie "wusste" was in ihm steckte, aber sie wollte nicht mehr daran denken, es nicht wahr haben, nicht darüber reden oder es sich eingestehen.
 

Als die Stille anhielt, sank Paulas Kopf wieder ab und ihre Augen suchten im schwummrigen Licht der Laterne im Zimmer nach etwas, was sie nicht fanden. »Es ist so absurd... diese ganze Situation war so absurd... Ich habe die ganze Zeit darauf gewartet, dass er den Mund auf macht. Irgendetwas sagt. Eine Lüge, oder irgendwas anderes. Aber er hat die ganze Zeit geschwiegen. ...Das ist nicht der...« Sie scheute sich etwas den Namen zu sagen. »...nicht der Crocodile, den ich kennen gelernt habe. Es ist... so eigenartig...«

Plötzlich wand Iroko sich zu ihr um, das Gesicht zu einer strengen Miene verzogen. »Was weißt du eigentlich, huh?«

Sie blickte nur weiter zu Boden. »Nichts, wie es scheint.«

»Was spielt Crocodile's Verhalten für eine Rolle? Was macht das für einen Unterschied?!« Einen kleinen Schritt ging sie auf Paula zu, hielt dann wieder inne und verfluchte sich. Still, sie sollte einfach still sein.

»Für mich hat es einen Unterschied gemacht. ...Ich konnte das nicht mit ansehen, Iroko. Vielleicht war das für dich erträglich... und selbst das halte ich für eine Lüge, die du dir selbst aufbrummst... aber ich habe das einfach nicht ausgehalten. Es... ging dabei nicht direkt um mich. Ich... ich kann es einfach nicht ertragen, wenn Menschen die mir wichtig sind, vor meinen Augen gedemütigt und gefoltert werden.«

Das war der Moment, in dem sie doch platzte. »Du bist so dumm! Du meinst, Folter war das Schlimmste da unten?! Für Bossu? Du meinst, das war das, was ihn hätte brechen können? Jemals hätte brechen können? Sieh ihn dir doch mal an! Sieht er so aus, als würde irgendeine Folter den Mann klein kriegen?! Du warst es, die schwach war. Du hast... das getan, was ihm weh tut. Und mir...« gab sie flüsternd zu.

Sie biss sich auf die Lippe und starrte in ein Loch aus nichts vor ihr. »...Es ging mir nicht nur um ihn. Es ging mir auch um dich.«

»Dann herzlichen Glückwunsch. Du hast versagt.« erwiderte das Mädchen kalt. »Ich wäre lieber tot, als mir das noch länger mit anzusehen! Zu sehen, wie alle schweigsam vor sich hin leiden, weil keiner den Mumm hat etwas zu ändern, irgendwas zu sagen, aus lauter Angst, dass dann alles kaputt geht. Aber hier ein kleiner Hinweis: dazu ist es LÄNGST zu spät.«

»...Ich habe nicht damit gerechnet, dass wir da raus kommen. Wie auch? Ich wollte... ich wollte Zeit schinden... damit... damit es vielleicht... Was hätte ich denn sonst anderes sagen sollen? ...Ich kann nicht so gut lügen...«

»Vielleicht hättest du einfach den Mund halten sollen.«

»...Und was hätte das gebracht?«

Ihre Augen funkelten gefährlich. »Keiner hier weiß, was wirkliche Einsamkeit ist. Niemand außer Bossu und Robin. Wir waren alle allein, aber niemand weiß, wie sich das wirklich anfühlt. Robin ist nicht die einzige, die verraten wurde, die man allein ließ. Bossu... ich weiß einfach, dass Bossu lieber weiter in den Boden gestampft worden wäre, als dein dummes Gerede zu hören.«

Nun ertönte ein Schniefen. » ...Ich wollte... nicht, dass er ihn umbringt.«

»Tod kann nicht einmal ansatzweise so schlimm sein, wie das was ich in... in ihm...« knurrend drehte sie sich wieder weg. Das sollte endlich aufhören! »Ich sag dir, was du wolltest. Du wolltest es nicht sehen. DU konntest es nicht ertragen. DU wolltest ihn nicht sterben sehen. DU!«
 

»Ich weiß...« kam es gedrungen, sie drückte die Tränen zurück.

»Und? Kommst du dir jetzt wie ein Heuchler vor?«

Darauf sagte sie nichts.

»Ich habe das Gerede satt Paula. Was willst du von mir?«

»Ich... Ich... will nur wissen, was du... denkst... ob ich... die Crew verlassen sollte.«

»Und wem soll das helfen? Dir selbst?« Miss Goldenweek kam nun endgültig auf sie zu, stellte sich direkt vor sie und reichte ihr damit auf Augenhöhe. »Willst du wissen, was ich weiß?«

Keine Regung.

»Willst du es wissen?!«

Nur ein kraftloses Kopfnicken. Sie hielt noch immer mit aller Macht die Tränen zurück.

»Robin war nur der Anfang.« Es kam kurz und unangebunden, gefolgt von einer kurzen Stille, in der Iroko ihre Gedanken ordnete. »Robin war nur das Sprungbrett für Crocodile. Der Sprung aus der Einsamkeit. Und sie war es für ihn, genauso wie er für sie. Ich weiß, dass sie einander brauchen, damit die Verbindung aus dieser Einsamkeit ins Licht nicht kaputt geht, aber...« Ihre Augen wirkten seltsam erwachsen. »...das allein reicht nicht. Es reicht nicht, um Frieden zu finden, glücklich zu werden. Wenn du gehst Paula, bricht alles zusammen, was jetzt noch Hoffnung hat. Wenn du gehst, dann ist Baroque Works nicht mehr. Dann ist die Crew, der Crocodile nach vielen Jahren Gefühle geschenkt hat, nur noch ein Haufen Asche und ich sag dir was dann ist. Dann zerbricht ein Stückchen von dem, was in ihm neu gewachsen ist.« Sie deutete mit dem Finger auf die blauhaarige Frau ihr gegenüber. »Von dir dachte ich einmal, dass du stark bist. Aber wenn du gehst, bist du genauso schwach, nein schwächer noch als Robin. Die ist zumindest noch hier, obwohl wir sie meiden wie die Pest. Aber von dir hatte ich mehr erwartet.«

Ihr Kopf neigte sich so sehr dem Boden zu, dass sie ihre Mimik kaum noch erkannte, sie schüttelte den Kopf. »...Du... redest dir das alles doch nur schön. ...Ich sehe nichts von dem, was du da sagst. ...Und Baroque works ist schon lange tot.«

»Du bist blind! Weil du die Augen nicht aufmachst, habe ich Unrecht? Weil du mit deinem Schmerz zu tun hast?«

Nun blickte sie doch auf und sie konnte Wut und Verzweiflung in ihren nassen Augen sehen. »Was macht dich gerade so optimistisch? Du kannst es mir doch nicht verzeihen! Und Bossu kann es mir sicher auch nicht verzeihen. Von Robin ganz zu schweigen. Wieso sollte ich noch hier bleiben? Die Crew fällt auseinander!«

»Mit mir hat das nichts zu tun. Ich gehöre nicht zu euch. Mein Weg führte schon von Anfang an von euch weg. Und ich bin noch nie optimistisch gewesen, immer nur realistisch. Außerdem werde ich meine Zeit nicht damit verschwenden dir Mut zuzureden, wenn du nicht mal gewillt bist, es zu versuchen. Warum kommst du überhaupt zu mir, wenn das was ich sage, dir nicht in den Kram passt? Und was Robin angeht, ich glaube, sie ist die Einzige, die dich wirklich gerade verstehen kann.«

»Tsss...« Sie starrte sie weiter an. »Und wieso bist gerade du kein Teil dieser Crew mehr? Was soll der Mist? Willst du etwa sagen, dass du uns auch die ganze Zeit was vorgespielt hast? Dass wir von Anfang an nur Mittel zum Zweck waren?«

Jetzt warf sie ihr einen Blick zu, den sie als Kleinkind oft von ihrer Mutter bekommen hatte. Stille Bestrafung. »Du willst mir jetzt nicht erzählen, dass zu Mitglied in der Firma aus anderen Gründen geworden bist, oder? Dieses "Alles für meine Freunde" - Gehabe ist echt alt geworden...«

»Am Anfang vielleicht schon, aber ich war gerne bei euch! Ich war gerne Mitglied dieser Crew!«

»Ja, ich weiß. Es wäre schön, wenn du einsiehst, dass das auch allen anderen so geht. Und genau das ist ja der Grund, warum noch Hoffnung besteht. Aber ihr zuckt euch ja alle nicht.« Iroko verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich gebe es gern zu, denn ich habe keinen Grund das zu verbergen oder zu leugnen. Es tut weh zu wissen, dass das was hier entstanden ist, einfach kaputt geht, weil ihr nicht miteinander reden könnt und in eurem eigenen Schmerz und eurem geheuchelten Selbstmitleid gefangen seid.«

Ihr Blick wurde enger, die Stimme schärfer. »Und was ist mit dir, hm?«

»Ich habe keine Kraft.« Ihr Blick sank leicht ab. »Das was noch übrig ist, brauche ich für etwas Anderes.«

»Du gibst also zu, dass alles, was du machst nur gespielt ist? Die kalte, harte Fassade, die du da aufrichtest?«

»Mittlerweile ist diese "Fassade" ein Teil von mir, aber früher mal...« Sie schloss ihre Augen. »...«

»Belügst du dich gern selbst?«

Zum ersten Mal sah Paula etwas, was sie bisher nie an Iroko und vermutlich an noch keinem anderen Kind gesehen hatte. Schmerz, der so alt und so konsumierend schien, dass er aus einem Kind, eine alte Frau gemacht hatte. »Ich belüge mich nicht.«

»Doch, das tust du.« Ihr blick blieb streng, wurde aber etwas weicher. »Du tust immer so erwachsen, als wüsstest du alles besser. Schaust auf uns herab, als wären wir nur die "dummen Erwachsenen", deren Probleme doch ach so einfach zu bewältigen wären. Du tust so, als wärst du stark und unnahbar, als gäbe es nicht mehr das Kind in dir. Das wärst du gerne, ja. Das hättest du gerne. Aber du belügst dich, indem du dich weigerst dir einzugestehen, dass es dich sicher viel Kraft kostet diese Fassade aufrecht zu erhalten. Dass das nur ein Maske ist, die du dir aufgesetzt hast. Und du belügst dich... weil du dir einreden willst, dass du kein Teil mehr dieser Crew bist oder sein möchtest.«

»Hm. Ich möchte, aber das steht nicht zur Debatte. Ihr habt die Wahl. Ihr habt gesehen, wie zufrieden wir sein können. Ja, in der Tat. Dumme Erwachsene trifft es ganz gut, was nicht heißen sollte, dass ich nicht Probleme habe, die schwer für mich zu bewältigen wären und für euch vermutlich ein Klacks.« Ihre Augen öffneten sich wieder und es war genau diese Emotionslosigkeit, die Paula angesprochen hatte zu sehen. »Vieles, was ihr nicht seht, kann ich sehen. Vermutlich gerade weil ich noch ein Kind bin. Es ist eigentlich ganz simpel, wenn da nicht immer diese Gefühle wären, die es einem schwer machen. Genauso wie jetzt. Du bist hier, weil du nicht weißt, ob du nicht besser gehen solltest, ob du den Schmerz nicht aushalten könntest. Und trotzdem reden wir jetzt über mich. Ich sehe viel und verstehe oft nicht was ich sehe. Wie jetzt. Ich sehe, dass du nicht gehen darfst, ich sehe, dass du nicht einmal daran gedacht hast, einfach mit allen darüber zu reden, vor allem mit Robin. Hat es dich eigentlich jemals interessiert? Mich schon, aber ich frage nicht mehr nach, weil ich nicht hier bleiben kann. Du dagegen willst bleiben, aber nicht nachfragen. Ich...will nicht gehen. Nicht wirklich. Ich will bei Bossu bleiben, weil... ich glaube, dass er Freunde braucht. Und weil ich selbst welche haben will.«

Und warum erzählte sie das ausgerechnet Paula? »Ich weiß nicht, ob ich dir verzeihen kann oder Robin, aber ich werde es nicht versuchen, weil ich keine Zeit mehr dazu habe.« Iroko schüttelte den Kopf. »Aber um deine Frage zu beantworten: Nein, ich denke nicht, dass du gehen solltest. Ich denke, du solltest für das hier kämpfen, weil du genau weißt, dass du hier glücklich sein kannst, weil selbst Jazz unter diesen Menschen auftauen kann. Auch wenn er das vermutlich niemals zu gibt.«
 

Paulas Blick ging wieder zur Seite. »...Du siehst das alles viel zu einfach. Du hast keine Ahnung, ob Bossu das überhaupt zulässt.«

»Was zulässt?«

Ihr Blick stach ihr wieder entgegen. »Ich habe Robin verraten. Wieso sollte er das Risiko zwei Mal eingehen?«

»Welches Risiko? Du fühlst dich wie Dreck, nicht wahr? Weil du es getan hast. Würdest du es jetzt wieder tun?«

»Woher willst du wissen, was er denkt?«

»Du hast es gesehen. Wir sind nicht einfach nur noch seine Agenten. Wir sind... seine Crew. Er wird dich nicht abhalten zu gehen, aber er wird nicht wollen das du gehst. Nicht wirklich.«

»Und woher willst du das wissen?!« kam es nun doch lauter, erregter.

»Weil ich... ich habe sein Herz gesehen.«

»So ein Quatsch.« Miss Doublefinger blickte zur Seite. »Du redest es dir wirklich alles schön.«

»Damals auf Kokoroshima...« plötzlich kamen ihr die Tränen. »...es hat so wehgetan. So schrecklich weh. Er ist so verwirrt, dass sein Kopf ständig wehtut. Tief in ihm lauert das Böse und es springt immer wieder unerwartet hoch. Und dabei fühlt er sich so leer und ausgefressen und gleichzeitig sehnsüchtig. Er ist süchtig nach Liebe, nach Freundschaft und gleichzeitig so stur, dass er sich das niemals eingestehen würde.« Immer fettere Tränen rollten ihr über die Wangen. »Da ist Hass und soviel Zorn. Auf sich selbst, auf die ganze beschissene Welt... Dabei ist er gar nicht so ein Monster. Er ist doch auch nur ein Mensch, der allein ist. Und er... hat uns gern. Auf eine Weise hat er uns sehr gern und er will nicht mehr allein sein....«

Ihr Gegenüber kniff die Augen zusammen. »Ja und? Und du meinst das ist genug, dass er mir so etwas verzeiht? Ich kanns mir ja selbst kaum verzeihen!«

Endlich wischte sich das Mädchen das Wasser aus dem Gesicht, aber es kam immer weiter, als wollte es sie auslachen. »...Deswegen ist er so zerrissen. Er will die Dinge, die er nicht haben kann. Meint er. Er hasst sich selbst fast mehr, als alles andere. Warum? Ich... ich weiß nicht. Weil er... weil er...« Sie schluchzte, als die Erinnerungen immer heftiger nach oben drangen. »...weil sein Kopf so stur ist und sein Herz so vernarbt, aber da ist noch Hoffnung. Da ist noch ein wenig Licht. Da ist das, was ihn stark macht. Dass es irgendwann eben doch jemanden gibt, der um ihn kämpft, der ihn lieb hat, der ihn nicht verlässt. Ihn nicht alleine lässt, wie all die anderen.« Sie sah auf, direkt in Paulas Augen. »Wenn du ihm nicht wirklich noch mehr wehtun willst, dann kannst du gar nicht gehen. Das ist das Schlimmste, was du ihm antun kannst.«
 

Nun schluchzte sie wirklich, vergrub ihr Gesicht hinter ihren Händen.

»...Jemand, der ihn lieb hat, auch wenn er böse ist, der bei ihm bleibt, auch wenn er ein Monster in sich trägt. So... so wie Robin. Aber... Robin reicht nicht mehr... Robin ist nicht mehr genug. Nicht wirklich. Nicht für... nicht für ehrliches Glück.«

Paula schüttelte den Kopf, sprach unter Tränen. »Ich kann nicht... ich kann das nicht...«

»...Ich wollte auch, weißt du...« Schluchzend ließ sie sich auf ihrem Bett neben Paula nieder. Der Kopf hing weit nach unten. »...Ich wollte die Wahrheit sagen, weil ich tot mein Versprechen nicht halten kann. Aber... ich habe mich daran erinnert, was meine Mama mir damals gesagt hat. "Höre auf dein Herz". Und als ich Bossu gesehen habe, wie er seinen Kopf fallen ließ, als er merkte, dass ich sprechen würde... als wäre wieder seine Hoffnung gestorben. Als wäre wieder alles umsonst gewesen. Das konnte ich nicht. Ich konnte nicht. Mein Herz hätte mich zerrissen. Bossu... hat viel Böses gemacht und vieles davon ist unverzeihlich, aber... ich will ihm nicht so wehtun. Selbst wenn es nur unbewusst passiert. Ich will nichts mehr kaputt machen.«

Sie spürte wie Paula neben ihr zu zittern begann und heftiger den Kopf schüttelte. »...Ich kann nicht... Wie kann ich ihm je wieder unter die Augen treten?«

»Bossu...wird dir verzeihen. Er mag starke Frauen, weißt du...«

Sie zuckte heftig zusammen, schüttelte sich richtig, ehe sie sich zu einer Kugel zusammen rollte und hemmungslos weinte. Auch Iroko sagte nichts mehr, starrte nur noch in die Leere vor ihr, die auf einmal viel klarer war, als all die Tage zuvor.
 

~ ~ ~
 

Die Nacht verlief sich ins Endlose und man bemerkte den Übergang zum Tag kaum, der sich anbahnte. Wie Sand in einer Uhr zog er sich dahin, um ein weiteres Mal in einer unruhigen Nacht voller ungesagter Worte zu verschwinden. Sie erreichten Arabasta. Und dieser Fakt kam gleichsam so überraschend wie auch ersehnt. Wie in einem Traum kam der Hafen Nanohanas näher, die brühende Hitze der Wüste und der Geruch von Algen und Salz. Sie ankerten und jeder Mensch, der sie sah, wusste, dass die Menschen dieses Schiffes genauso zerschossen und kaputt wie ihr Kahn waren. Niemand redete auch nur ein Wort, Crocodile gab keine abschließenden Befehle oder Ansprachen. Er hielt es nicht für nötig ihnen allen noch ein Mal zu sagen, dass sie frei waren zu gehen. Die Ereignisse, die noch so frisch waren, als wäre es gestern gewesen, taten wohl ihr übriges diese Entscheidung leichter zu machen. Er erwartete keinen einzigen von ihnen wiederzusehen.

Crocodile war der erste, der von Bord ging. Er redete nur kurz mit einem Mann im Hafen, der ihr Schiff irritiert betrachtete, ehe er in den Straßen verschwand. Robin wusste wohin. Er war unterwegs nach Rainbase, um "die Sache endgültig zu klären". Seine Anweisungen waren sehr strikt gewesen. Sie sollte in Nanohana warten, bis er ihr eine Nachricht zukommen ließ. Er wollte keine unnötige Aufmerksamkeit erregen und er war sich sicher, dass einige Marinesoldaten in Rainbase stationiert waren. Ihr blieb nichts anderes übrig als zu warten. Sie sah keine Marineschiffe im Hafen, scheinbar nahm die Marine an auf dieser Seite des Flusses gäbe es nichts interessantes mehr. Als sie aus dem Fenster ihres Bullauges sah, erkannte sie bereits, dass die blühende Hafenstadt sich verändert hatte. Man sah kaum noch junge Männer und die Frauen, die man erspähte, wirkten müde und krank. Wohl verständlich, wenn man bedachte, dass der Bürgerkrieg, den sie aufgestachelt hatte, seinen Höhepunkt in einem gigantischen Massaker erreicht hatte.

Vivi war Königin geworden, hatte sie gehört. Aber auch sie konnte nichts an dieser Situation ändern und musste sich den ständigen Anschuldigungen ihr Vater sei ein Betrüger gewesen stellen. Wahrscheinlich würde sich die Prinzessin nicht lange auf dem Thron halten können. Zu groß war das Misstrauen, das Baroque Works in die Bevölkerung gestreut hatte. Zu stark das Gerücht, dass der König an allem Schuld war. Robin hörte, wie einige der anderen von Bord gingen, ihre Sachen packten. Dieses Schiff hatte seine Tage gezählt, das wusste sie. Hier war nichts mehr zu retten. Eine passende Metapher, nicht wahr? Man konnte sie so gut auf diese ganze Situation münzen.

Crocodile war schon auf dem Weg nach Rainsbase. Es war sicherer, wenn sie vorerst aus dieser Stadt fern blieb, vor allem wenn man bedachte, dass es vermutlich von Marinesoldaten nur so wimmelte. Etwas wehmütig schaute sie sich ein letztes Mal auf dem Schiff um, bevor sie Lebwohl sagte. Zumindest würde nichts mehr so sein, wie beim Anfang ihrer Reise. Nicht, dass es das jetzt noch wäre. Dennoch, sie hatte nicht aufgegeben und sie würde einen weiteren Schritt machen. Das erste Mal in ihrem Leben. Etwas zögerlich ging sie auf die letzten beiden Menschen zu, die "noch" zur Crew gehörten. Paula und Jazz. Robin zögerte keinen Moment länger.
 

»Paula? Kann ich mit dir reden?«

Das Paar stand bereits an den Kais am Hafen und hatte sich darüber unterhalten, was sie nun tun würden, als sich Paula etwas unsicher zu ihr umdrehte. Sie trug wieder ihre gewohnt betonte Kleidung mit einem tiefen Ausschnitt, der nur von ihrem Gipsarm verunstaltet wurde. Ihr Gesicht wirkte ausgelaugt und müde, aber ihr Blick war kälter, distanzierter. Wenn auch nicht so abweisend wie zuvor. »...«

Robin versuchte all ihre verbliebene Kraft aufzubringen, tief durchzuatmen. Es fiel ihr schwer, aber sie schaffte es schließlich. Selbst wenn ihre Beine etwas zitterten. »Ich weiß nicht, ob ich dich noch einmal wiedersehe, deswegen... wollte ich zumindest noch einmal mit dir reden. Wenn du mich lässt. Und... wenn das in Ordnung ist.« Etwas unsicher blickte sie zu Jazz.

Dieser war, wie gewohnt, unbeeindruckt, wie ein Stein stand er da und musterte sie.

Paula hingegen zögerte, zögerte sehr lange. »...Von mir aus.«

»Unter uns?«

Erneutes Zögern, ehe sie den Blick scheinbar desinteressiert abwandte. »Und wo?«

»Wir können einfach etwas am Strand langgehen...«

Erleichtert stellte sie fest, dass Paula ihrem Angebot nachkam. Es kostete sie immens viel Kraft mit ihr zu sprechen und ihr das zu sagen, was sie sich vorgenommen hatte. Sie würde Paula nicht aufhalten, aber sie wollte ihr zumindest die Wahrheit sagen, nichts ausschmücken. Nur dann konnte sie es akzeptieren. Das war ihr inzwischen klar geworden. Nur wenn sie wusste, dass Paula sich darüber hinaus entschieden hatte zu gehen, konnte sie das wirklich hinnehmen.
 

Nur langsam entfernten sie sich von Jazz, der wie eine Steinstatue am Kai blieb und das Schiff bewachte. An ihnen liefen ab und zu Menschen vorbei, aber niemand beachtete sie. Sie fielen gar nicht auf in der Masse zermürbter, müder Gesichter. Als Robin endlich den Sand unter ihren Füßen spürte, hatte sie genug Kraft gesammelt um zu sprechen. Es war kein System in ihren Worten. Sie wollte einfach nur sagen, was ihr noch auf dem Herzen lag. Nur für dieses Mal wollte sie ihre Rationalität ausschalten. Tief holte sie Luft und schloss die Augen, ehe ihr Blick im feinen Sand herum wühlte.

»Ich nehme an, es gibt nichts, was du zu mir sagen willst, deswegen würde ich einfach anfangen.« Ihre Stimme klang kühl, wie sie es immer tat. Aber Robin hielt sie nur aus Selbstschutz so tief. Sie konnte es sich kaum in der Öffentlichkeit leisten in Tränen auszubrechen oder etwas anderes Emotionsvolles darzubieten. »Mir ist bewusst, dass vielleicht nicht alle wieder zurück kommen werden. Ich glaube Crocodile rechnet sogar damit keinen von euch jemals wieder zusehen, aber ich hoffe, dass dem nicht so ist. Ich weiß, wie schwer das für dich sein muss, aber... ich wollte dir zumindest alles sagen. Falls ich dich niemals wieder sehe,... ich wollte, dass du es weißt.« Nur für einen Moment stockte sie. Ihre Augen streiften stets kurz Paulas Gesicht, während sie ziellos voran schritt, sich selbst Mut zusprechend. »Ich will, dass du weißt, dass ich niemals wollte, das es soweit kommt. Ich habe nie darum gebeten.«

Paulas Haltung war abweisend, der Blick die ganze Zeit über stur geradeaus gedrückt, als würde sie gar nicht zuhören.

Ihr Gegenüber versuchte sich davon nicht zu verunsichern lassen, aber es war schwer. Obgleich sie ja schon mit so etwas gerechnet hatte. »Ich bin mit dem Wissen aufgewachsen, dass es nichts Schlimmeres als die Macht der antiken Waffen gibt. Ich habe gelesen und gesehen, was es aus den Menschen macht und für mich stand als Archäologin schon immer fest, dass ich die Dinge immer nur entdecken und verstehen will und niemals für meine Zwecke benutzen. Es ist in meinen Kopf eingebrannt und das wird sich niemals ändern. Würde ich das tun, würde ich nicht nur mich selbst verraten, sondern auch meine Mutter, die für ihren Traum starb und meine Lehrer, meine Freunde, meine ganze Insel, deren Reste am Grunde des Meeres zu finden sind. Ich wollte nie die Kraft einer Teufelsfrucht haben, denn das hat mich zum Außenseiter gemacht. Zu einem wirklich einsamen Kind, aber ich nehme an, du weißt, wie das ist. Ich wollte auch nie Pirat werden. Ich wollte nie als Kind schon über alle Meere gejagt und verfolgt werden. Ich habe nicht darum gebeten, niemals einem Menschen vertrauen zu können. Immer wenn ich es wagte, wurde ich betrogen. Fast zwanzig Jahre.«

Sie schluckte hart. »Ich erwarte kein Mitleid von dir. Ich will bloß, dass du verstehst, dass es nicht so einfach ist, nach 20 Jahren des Verrates und der Angst jemandem zu vertrauen. Egal wie innig es gewesen sein mag. Ich war schon länger Mitglied einer anderen Crew und das Ende war dennoch dasselbe. Egal was ich sagte, was ich versuchte, es blieb beim Alten. Und als Crocodile ins Spiel kam, war das nicht anders. Ich wollte dieses Utopia nicht. Ich wollte Pluton nicht, ich wollte Ruhe. Und das hat mir Crocodile angeboten. Ein bisschen Ruhe und die Möglichkeit meinem Traum nachzugehen. Das war das Einzige was ich noch hatte, verstehst du?«

Als sie keine Antwort bekam, redete sie einfach weiter. »Ich konnte ja nicht ahnen, worauf ich mich einließ. Ich wollte Crocodile genauso verraten wie die anderen und ehrlich gesagt, er hätte es auch nicht anders verdient. Er unterschied sich ja nicht von den anderen Piraten, die mich nur ausgenutzt haben. Wir haben uns gegenseitig benutzt und auch euch. Er hat euch genauso benutzt wie ich, wie wir alle Arabasta benutzten. Es war niemals etwas Selbstloses in dieser ganzen Aktion. Wir waren Baroque Works, weil wir egoistisch waren. Und als jemand, der nur so überleben konnte, will ich, dass du siehst, dass es nicht so einfach war, die Richtung zu ändern. Vor allem, als ich dann gemerkt habe, dass ich mich in Crocodile verliebt hatte. Ich wollte damals sofort gehen. Als ich spürte, dass da doch mehr war, als ich angenommen hatte. Als ich merkte, dass es mir wehtun würde. Ich war so einsam.«

Zum ersten Mal stockte sie wirklich. »Und ich weiß, dass er es auch war. Ich habe schrecklich an dem Gedanken gelitten, zu wissen, dass... dass über kurz oder lang, das alles ein schreckliches Ende nehmen würde. Crocodile wollte Pluton unter allen Umständen, selbst seine Zuneigung zu mir konnte diesen Wunsch nicht auslöschen. Ich weiß heute auch warum, aber das ändert ja doch nichts.« Ihr Atem stockte für ein paar Sekunden. »Ich nahm mir einfach vor zu warten. Das kann ich ganz gut. Abwarten. Ich konnte nicht einmal dann wirklich entscheiden, was ich tun sollte. Ich war so verwirrt. Mein Standpunkt stand fest und ich wusste, dass Reden nichts bringen würde. Ich frage mich heute manchmal, ob ich ihm nicht doch Pluton gegeben hätte, wenn es dort gewesen wäre. Ich kann ehrlich nicht darauf antworten. Jetzt nicht mehr. Ich weiß nur, egal was ich tat, es machte mich unglücklich.«

»Die Tatsache, dass Pluton zerstört war... ja, ich habe es euch verschwiegen. Ehrlich gesagt, ward ihr mir damals egal. Natürlich. Ich bezweifle, dass einer von euch irgendwelche Gefühle für mich hegte oder gar für Crocodile. Ihr ward die Bauern in unserem Spiel. So war es ja immer und warum sollte sich das ändern. Ich wusste doch genau, dass Crocodile und ihr euch von mir abwenden würdet. Ich wusste es doch, warum hätte ich mich belügen sollen? Ich habe so viele lachende Gesichter gesehen. Menschen, die mich mochten, solange sie nicht wussten, wer ich wirklich war. Die scheinbar meine Meinung vertraten, aber dann... mit der Wahrheit kam doch immer der Verrat. Ich musste einfach schneller sein. Nur dieses Mal konnte ich das nicht. Ich wollte Crocodile einfach ziehen lassen. Ich wollte zusehen, wie er verschwand, aber ich konnte das nicht. Er wollte nicht, dass ich ging und ich war zu schwach, um mich zu wehren. Ich war so blind zu denken, dass ich einen Ausweg finden könnte. Aber mit der Zeit kam ich Crocodile näher, er ließ mich näher zu sich, noch näher als jemals zu vor und auch ihr...«

Sie hielt inne, wischte sich den Schweiß aus der Stirn. »Ich war wirklich glücklich. Zumindest solange ich das Loch in meiner Brust ignorierte. Noch etwas, was ich gut kann. Dinge, die mir Schmerz bereiten verdrängen, meine ich. Nichts, was ich jemals im Vertrauen zu dir sagte, war gelogen Paula. Ich war wirklich ich selbst. Eine Tatsache, die mich ziemlich zerbrochen hat. Ich habe euch mehr gezeigt, als jemals zuvor. Erst habe ich das nicht einmal wirklich gemerkt und dann war es einfach schon zu spät. Ich wusste, wie es ausgehen würde. Du hast Recht, vermutlich hätte ich euch Pluton nie gegeben. Ich wollte euren Traum nicht zerstören, aber... jetzt, nach der ganzen Zeit... wäre mir das wohl lieber gewesen, als tatsächlich das Monster zu sein, was man mir nachsagt. Ich wollte euch nicht mehr verraten, aber ich hatte keine Wahl. Ich konnte euch nicht ehrlich sagen, was ich dachte, was ich fühlte, denn es hätte einfach gar nichts geändert.«

»Nicht die Tatsache, dass ihr alle eure Träume schon unlängst an Pluton gehangen hattet oder an Crocodile, aber das macht keinen Unterschied, denn es war ja Pluton, was Crocodile wollte. Er hat es mir immer wieder unmissverständlich gesagt und ich habe einfach zu viel erlebt, um irgendetwas anderes zu verstehen oder zu interpretieren. Menschen sind gute Lügner und Crocodile... ist schwer zu lesen. Ich weiß nicht, was in seinem Kopf vor sich geht, auch jetzt nicht. Ich bin noch hier, weil er das so will. Verstehst du, was ich damit sagen will? Ich bin hier, weil das seine Entscheidung ist, weil das schon immer seine Entscheidung war. Ich würde gehen. Ganz ehrlich. Ich wollte es. Ich wollte ihn verlassen, damit ihr eine Chance habt, damit ihr als Crew eine Chance habt, denn ich weiß doch, dass ihr das eigentlich wirklich wollt und ich weiß, dass ich dem im Weg stehe, aber ... ich werde das nicht mehr tun. Ich will nicht mehr weglaufen, mich verstecken. Ich möchte ich selbst sein, ich möchte Robin sein und ich will, dass die um sich herum, wissen was das bedeutet. Ich werde... in Zukunft versuchen ich zu sein. Ohne Lügen und ohne Verrat. Ich habe Fehler gemacht, aber ich habe keine Kraft mehr alles auf meine eigenen Schultern zu nehmen. Ich kann nicht ewig für etwas büßen, was ich heute noch genauso machen würde. Gerade weil ich bin, wer ich nun einmal bin.«

»Ich habe das nie getan, vorher meine ich. Mir gewünscht, dass mir jemand verzeiht. Aber ich wünsche mir wirklich, dass du mir irgendwann verzeihen kannst. Dass ihr alle das könnt. Selbst wenn ihr die Crew verlassen solltet. Ich... möchte, dass du weißt, dass ich dich wirklich gern habe. Dass ich die Zeit mit dir wirklich genossen habe. Dass ich zum ersten Mal wirklich eine Freundin hatte, die...« Diesmal stockte ihre Stimme wirklich. »...die mich scheinbar wirklich mochte. Ich..wollte dir nicht wehtun.« Sie war stehen geblieben, sah sie aber direkt an. »Ich wollte dir wirklich nicht wehtun. Ich habe einfach nicht geahnt, niemals gehofft, dass das je passieren würde. Liebe, Freundschaft. Das war alles unmöglich. Ich kann auch jetzt nicht... nicht richtig damit umgehen.«
 

Auch Paula blieb stehen, sah sie unvermindert mit dem gleichen Blick an.

»Es tut mir leid. Es tut mir einfach nur leid, Paula.«

Sie musterte sie weiterhin, graste ihre Erscheinung von oben bis unten ab. Und Robin hielt ihr stand, erlaubte sich nicht eine Sekunde mehr wegzusehen. Schließlich verschränkte die Köchin die Arme und blickte weg. »Tja, dann sind wir wohl quitt, was?«

»Quitt?«

Ihr Blick ging zurück zu ihr, die Augen verengt. »Hast du es nicht mitbekommen? Ich meine, dass ich Sonnenbrücken verraten habe, dass du Teil unserer Crew bist.«

Der Glanz in ihren Augen flimmerte kurz. »...«

Erneut drehte sie den Kopf weg. »Scheinbar nicht, hm?«

»Nein... aber es überrascht mich nicht.«

»Vielen Dank...« kam es hart, gekränkt. Sie hatte also schon damit gerechnet, was?

Robins Blick ruhte auf ihrem gebrochenen Arm. »Er hat euch gefoltert. Dich, Iroko und Crocodile. Ich weiß nicht, was noch alles passiert ist, ich weiß nur, dass ich Iroko nie so gesehen habe und Crocodile... und dich. Ich weiß, dass er Crocodile wollte und vermutlich wollte er irgendetwas wissen, was schlimm genug ist, um ihm seinen Titel abzuerkennen. Für Crocodile ist Folter kein Grund aufzugeben, aber... du und Iroko, ihr hattet keinen Grund irgendetwas zu verschweigen. Ich wäre nicht einmal wirklich überrascht gewesen, wenn Crocodile mich verraten hätte...«

Der flammende Blick der blauhaarien Frau lastete erneut auf ihr, fraß sich fast wütend in ihr Antlitz.

»Geschockt, ja. Es hätte weh getan, aber...« Robins Stimme zitterte kurz. »So ist es immer gewesen. Warum sollte es jetzt anders sein? Nein, wir sind nicht quitt. Nicht wirklich.«

»...«

»Du hast das getan, was alle getan haben. Es ist.... nichts Neues.«

Endlich kam ihr Gegenüber ein paar Schritte näher, der Blick noch immer kalt. »Was heißt: wir sind nicht quitt?«

»Dass du mir nichts schuldest, das soll es heißen. Ich denke nicht, dass du einen Fehler gemacht hast.«

»...«

»Ich erwarte sicherlich nicht, dass ihr für mich sterbt oder leidet. Ich erwarte nicht, dass du bleibst. Ich erwarte gar nichts. Ich wünsche mir nur, vielleicht so etwas wie eine zweite Chance. Ich wollte nur, dass du weißt warum ich die Dinge so angehe. Dass du weißt, dass es mir leid tut. Mehr nicht.«

»...« Ihr Blick verengte sich noch mehr, wirkte irritiert. Sie kam noch näher, schien aber nicht genau zu wissen, was sie tun oder sagen sollte. Unruhe plagte sie.

Noch immer ganz beherrscht, wandte Robin sich schließlich um, schien einen Schritt nach vorn machen zu wollen, hielt dann doch wieder inne. Ihr Blick, den sie Paula nun zuwarf wirkte unsicher. »Ist das der Grund, warum du Crocodile nicht mehr ansiehst?«

Das veranlasste sie erneut die Arme zu verschränken. Ihr Blick ging distanziert zu ihr, als wolle er sagen: was geht dich das an?
 

Etwas zittrig fuhr sie sich durch das schwielige Haar und der Blick ging gegen die Sonne. Es war noch immer schrecklich warm auf dieser Insel. Es hatte sie so viele Wochen, Monate gekostet sich daran zu gewöhnen und bei Crocodiles Anblick in dem schweren Mantel keine Zustände zu bekommen. Jetzt war sie wieder hier und ihr rann der Schweiß den Rücken herunter. »Und das ist der Grund, warum er sich in deiner Nähe so aufführt, hm?« Die schwarzhaarige Frau winkte ab. »Er kann sehr nachtragend sein. Und damit meine ich bei Dingen, die wirklich harmlos sind. Natürlich sind die Dinge, die wir getan haben, nicht harmlos, aber... es wird dauern, bis er darüber hinweggekommen ist. Ich hoffe allerdings, dass du weißt, dass er nicht will, dass du gehst.«

Nun wurde ihr Blick wirklich bitterböse. » ...«

Robin schaute sie nicht mehr an. »Er will genauso wenig wie wir, dass die Crew auseinander bricht.«

»So oder so - es ist unverzeihlich, was wir getan haben.« Ihre Stimme war sehr eigenartig, dünn und zerbrechlich, anscheinend presste sie sie aber mit all ihrer Macht heraus, verstärkte den Druck hinter ihren Worten.«
 

»Unverzeihlich?« Endlich legte sich ihr Blick wieder auf Paula. »Das kommt wohl darauf an. Weißt du, ich bin wirklich nicht die Richtige so etwas zu sagen, aber irgendwie will ich all das nicht mehr. Es tut mir leid, aber ich kann nichts mehr tun und ich kann es erst Recht nicht rückgängig machen. Wenn ich daran denke, weiß ich, dass ich immer genauso handeln würde. Ich muss das einfach akzeptieren. Und... ich will, dass man mich so nimmt, so liebt wie ich bin. Wenn man mir meine Fehler nicht verzeihen kann, dann... ist das eben so. Aber irgendwie... habe ich Hoffnung. Ist das falsch Paula? Wenn wir Dinge falsch machen, aus Liebe, ist das dann wirklich unverzeihlich? Meinst du wirklich, der Geliebte kann einem dann niemals verzeihen? Ich glaube... ich glaube wirklich mittlerweile, dass wenn die Gefühle echt sind, man auch so etwas verzeihen kann. Und wenn ich dir verzeihen kann, dann wird das Crocodile auch können. Zumindest wenn man ihm zeigt, dass man es ernst meint...«

Ihr Kopf zuckte zur Seite, behielt die abwehrende Haltung aber bei.

»Er ist wirklich... sehr stark, weißt du? Stärker, als jeder andere, dem ich bisher begegnet bin.« Ihr Kopf schüttelte sich, ein leichtes Lächeln zeichnete sich auf ihren Lippen ab. »Solange wir nicht aufgeben, wird er es niemals tun.«

Nun starrte sie sie doch wieder an, ihr Blick fing Feuer. »Soll das heißen du hättest kein Problem, wenn ich bleiben würde?«

»Soll das ein Witz sein?« kam es leise, ihr Blick wich etwas zurück. »Ich wünsche mir, das du bleibst.«

»Tsss... « Und erneut ertrug die Köchin es nicht sie anzusehen.

»Auch wenn du das nicht hören willst oder mir nicht glauben kannst, aber ich habe dich wirklich sehr gern.« Ihre Stimme war trocken, beherrscht, aber dennoch etwas zittrig. »Ich werde dich nie mehr verraten. Das ist ein Versprechen.«

»Tss!« Abrupt drehte sich die Blauhaarige auf dem Fuße her um und stapfte ohne ein weiteres Wort davon. Sie murmelte etwas, aber Robin verstand es nicht.
 

Stumm schaute sie ihr nach, Worte flogen in ihren Kopf, aber schienen sich zu keinem Gedanken ausbauen zu wollen. Sie musste endlich einsehen, dass sie nicht mehr tun konnte, als ehrlich zu sein. Als etwas von sich Preis zu geben. Alles andere musste jeder für sich selbst entscheiden und sie würde es akzeptieren müssen. Selbst wenn es weh tat, selbst wenn sie es kaum aushalten könnte. Sie würde zu dem Stehen.

Als Paula völlig außer Sichtweite war, wandte Robin sich endlich um und ging den entgegengesetzten Weg. Sie wollte es vermeiden einen von ihnen noch einmal zu sehen. Sie wollte niemanden von ihnen bei der Entscheidung beeinflussen. Was auch immer diese Menschen taten, es sollte von nun an aus völlig freien Stücken geschehen und mit vollem Wissen, was ihnen vermutlich bevor stand. Oh, sie hatte den Gedanken, dass man sie erwischen würde, das sie würde zusehen dürfen, wie man sie alle hinrichtete, nicht aufgeben können, aber Crocodile hatte ihr neuen Mut gegeben. Etwas an ihm trieb sie immer wieder voran. Das hatte es auch schon früher, schon damals, bevor alles aus dem Ruder gelaufen war. Er war stark, das war nicht gelogen, aber auch er brauchte einen Anker und wer sollte das sein, wenn nicht sie? Und wie sollte er ihr jemals richtig vertrauen, wenn sie sich nicht anstrengte? Wenn sie ihm vorenthielt, wer sie wirklich war? Sie war eine starke Frau und war es immer gewesen und sie wollte es wieder sein. Machte Liebe einen Menschen nicht automatisch stärker?

Ihr Herz pochte ein wenig zu schnell, schmerzte aber kaum noch. Sie fühlte sich schwach und niedergeschlagen, aber in ihrem Kopf begann sie langsam ein kleines Licht zu sehen. Endlich wusste sie wieder wofür sie kämpfte. So lange hatte sie in der Dunkelheit gestanden und wirr nach dem Ausgang gesucht, bis sie endlich erkannt hatte, dass es keinen gab. Aber das machte gar nichts. Sie musste nur die Fenster öffnen um zu sehen, wie angenehm es eigentlich hier drin sein konnte. Erst recht, wenn sie andere dazu ließ, wenn sie die Gefühle zuließ.

Ohne wirkliches Ziel schlenderte sie auf den Straßen entlang und sah sich an, was sie diesem Land angetan hatte. Innerlich wusste sie, dass es hier noch weiter gehen würde. Es würden weitere Kämpfe ausbrechen, aber dennoch glaubte sie, dass Vivi es vielleicht doch noch schaffen konnte ihr Land wieder zu einen. Es würde Regen fallen, denn kein Regenpulver verhinderte das mehr. Außerdem wusste Robin, dass Vivi von der Allgemeinheit geliebt wurde und Vivi hatte Kontakt zu den Rebellen. Zu denen, die noch übrig geblieben waren. Der Kreislauf würde aber von neuem beginnen. Nein, sie war kein guter Mensch. Sie hatte immer nur getan, was nötig war und sie würde es nicht bereuen. Etwas in Trance schaute sie sich um und bemerkte, dass sie die ganze Zeit einfach nur herumgelaufen war. Die Sonne ging bereits unter und ohne, dass sie es gemerkt hätte, waren Stunden an ihr vorbei gezogen. Zeit spielte allerdings keine wirkliche Rolle mehr. Sie war geduldig. Müde checkte sie in eines der besseren Hotels ein und legte sich auf ihr Bett. Sie träumte schon seit Wochen gar nicht mehr. Nicht einmal mehr Albträume. War das gut? Oder schlecht? Hatte es überhaupt irgendetwas zu bedeuten? Doch bevor sie es sich versah, sank sie auch schon in das neblige Dunkel ihres Innersten.

Ein Kleid voller Sterne

Die Tage glitten an ihr vorbei und jeder war, wie der vorherige. Die Tage in Nanohana heiß, die Nächte eisig. Der Hafen blieb beschäftigt, sie hörte jeden Tag die Schiffe und die Händler, hörte von Familien die fliehen wollten und mit den Matrosen feilschten, ob sie sie nicht doch an Bord nehmen könnten. Sie fühlte die Gebrochenheit des Landes, las in der Zeitung, dass der Machtkampf andauerte. Nur hier, in Nanohana schien nichts zu geschehen, es war die Endstation. Robin sah niemanden aus der Crew mehr, obwohl sie wusste, dass die meisten wohl hier ein Hotel genommen hatten. Mühsam versuchte sie ihre Langeweile zu besiegen. Sie mischte sich unter die Menschenmengen, um in ihr unterzugehen, besuchte wohl jeden einzelnen Buchladen und jedes Antiquariat, das Nanohana zu bieten hatte und las. Sie las und las und las und las. Wie lange hatte sie das schon nicht mehr getan? Es fühlte sich wie eine Ewigkeit an. Dabei konnte sie vergessen, ihre Gedanken vergraben und die Zeit ein wenig schneller vorbei ziehen lassen. Und doch kam sie letztendlich immer wieder an dem gleichen Punkt an, an der gleichen Frage. Was war mit Crocodile? Warum brauchte er so lange? Warum gab er ihr keine Nachricht? War etwas passiert? War ihr Plan nicht aufgegangen? Gab es Probleme mit der Marine? Immer wieder mahnte sie sich, sie brauche sich keine Sorgen zu machen, doch das war schwerer als gedacht.

Sie zwang sich ruhig zu bleiben. Und dann, endlich, am fünften Tag erreichte sie ein Brief von ihm. Adressiert war er an Miss AllSunday und kam mit einer Taube an ihr Fenster geflogen. Er wollte, dass sie kam. Rainbase war offensichtlich wieder sicher, die Marinesoldaten abgezogen. Die wenigen kurzen und sachlich gehaltenen Zeilen ließen ihr Herz einige Takte höher schlagen. Hastig packte sie die wenigen Sachen zusammen, die sie noch besaß und machte sich auf den Weg. Nur einen halben Tag dauerte es bis nach Rainbase, dank ihres alten Freundes aus der Zeit von Baroque Works – der alten Renn-Schildkröte Ramirez. Als sie endlich die Stadt am Horizont sehen konnte, war es bereits Nacht.

Rainbase war so schön wie eh und je. Im Dunkel glitzerte die Stadt, leuchtete wie eine Blume. Und ganz oben auf: das goldene Krokodil des Casinos, dass die Stadt noch reicher gemacht hatte als je zuvor. Etwas wehmütig zog sie den Duft ein, der sich vermutlich überhaupt nicht von dem überall anders unterschied. Dennoch es überkam sie eine seltsame Welle von Heimweh, etwas das sie eigentlich gar nicht kannte. Und es lag nicht an Crocodile. Vier Jahre, länger war sie nie an einem Ort gewesen. Es war noch immer ein Hauch von Vertrautheit in der Luft. Niemand achtete auf sie. Hier sahen die Häuser selbst wie die Millionäre und Adligen aus, die in ihnen wohnten, hier waren die Menschen entweder arrogant, geldgierig oder betrunken. Hatte sich in Rainbase nichts verändert? Robin ließ all diese Eindrücke an sich vorbei gleiten, suhlte sich vorsichtig in diesem Gefühl der warmen Vertrautheit. Wie sehr sie all dies in die Vergangenheit zog. So viele Erinnerungen an süßen Wein, an heiße Tage und kalte Nächte, an gute Bücher und an ihn. An die Anfangszeit der Firma, die sie mühsam aus dem Boden gestampft hatten, an all die Details die dafür hatten beachtet werden müssen. An das Casino, dass sie einem Makler halb zerfallen abgekauft und dann zum beliebtesten Gebäude der Stadt hatten sanieren lassen. An Crocodiles Desinteresse für sie als Mensch und schließlich die nicht aufhören wollenden Nächte, die sie mit ihm verbrachte. Sie konnte nicht leugnen, dass Wehmut in ihr aufstieg.
 

Langsam nur gabelte sich der Weg vor ihr und führte sie zu ihrem alten Apartment. Sie sollte dort warten, hatte er ihr geschrieben. Es fühlte sich seltsam an die Treppen hinauf und durch die Tür hinein in ihre alte Wohnung zu steigen. Alles war noch genauso wie sie es verlassen hatte – wenn auch mit einer Menge Staub. Die Einrichtung war kalt und in lila und Blautönen gehalten, die Möbel und die Dekoration aussagelos. Sie hatte nie vor gehabt es sich hier gemütlich einzurichten. Alles war so gestellt und gerückt, dass sie jeden Moment fliehen konnte. Unwillkürlich lächelte sie. Sie hatte nicht gewollt, dass ihr Wohnung etwas von ihrem Innersten Preis gab, aber auf dieser Linie hatte sie wohl vollkommen versagt.

Sie öffnete ihre Fenster und atmete erneut tief ein, ließ sich den noch lauen Wind durch das Haar wehen. Sie hatte Crocodile bereits Nachricht zukommen lassen, dass sie angekommen war und vermutlich würde es noch mindestens eine Stunde dauern, bevor er hier sein konnte - falls er sofort aufbrach. Ihr Blick ruhte auf dem Panorama, das Rainbase in der Dunkelheit bot. Es war eine schöne Stadt, so voller Erinnerungen und Gefühle. Sie badete förmlich darin, spürte diese alte Vertrautheit, die nie wirklich echt gewesen war. Hier hatte sie sich zum ersten Mal seit Jahren ein bisschen sicherer gefühlt, ein bisschen ruhiger. Es war merkwürdig angenehm und doch irgendwie fremd. Als sie schließlich, nachdem sie eine ganze Weile einfach so dagestanden und die Nacht bewundert hatte, in ihr Schlafzimmer lief, bemerkte sie gleich, dass etwas anders war. Dort lag etwas auf ihrem Bett. Schwarzer, samtener Stoff, der an seinen Enden in ein kaltes, eisiges Blau überging. Ein Kleid, das über und über mit wie Diamanten funkelnden Steinen besetzt war.

Ihr Herz blieb stehen und ihr Atem stockte, doch sie musste auch lachen. Ihr wurde eigenartig warm ums Herz. Vorsichtig ließ sie ihre Finger über den Stoff gleiten und genoss den samtigen Stoff mit den glatt geschliffenen Steinen. Das Kleid war sicher so viel Wert wie die Sanierung des Casinos gekostet hatte, doch sie hatte nie gefragt wie teuer es eigentlich gewesen war. Sein Geschenk für sie zu ihrem 26. Geburtstag. Sie erinnerte sich noch ganz genau daran. Wie sie sich aufgeregt hatte, wie abweisend sie war, weil sie kein Geschenk von ihm annehmen wollte – schon gar nicht so ein teures. Wie er sie trotzdem rum bekommen hatte es anzuziehen und wie ernst sein Kompliment darauf geklungen hatte. Wie sie dann auf seinem Balkon gestanden hatten und er ihr die Sterne gezeigt hatte. Es war fast ein bisschen kitschig, aber wenn sich daran erinnerte war da kein Kitsch. Nur eine angenehme Erinnerung daran, wie er ihr die Sternzeichen im Himmel erklärt hatte und dann auf eben diesem Kleid, dessen Steine genauso funkelten wie die Sterne, sein liebstes Sternzeichen gezeigt hatte: Sie.

Nun wurde sie doch etwas rot um die Nase. Nun ja, zumindest hatte er es damals anders genannt. Er meinte sein liebstes Sternzeichen wäre die „sexy Frau, die neben ihm steht“ und sicherlich hatte er auch noch etwas Versautes daran angehangen. Es war nur einer seiner Sprüche gewesen, um sie rumzubekommen. Dachte sie und dachte sie auch jetzt. Aber vielleicht hieß es ja doch mehr. Jetzt, wo dieses Kleid, das so viele Erinnerungen in sich trug, vor ihr lag – von ihm dorthin gelegt. Noch eine Weile starrte sie den Stoff an und schwelgte in Erinnerungen, ehe sie es endlich anzog und sich im Spiegel betrachtete. So ein wunderschönes Kleid. Er hatte damals gesagt, es erinnere ihn an sie. Schwarz, eisig blau und so glitzernd wie Sterne. Unscheinbar, geheimnisvoll, sanft und doch tödlich. Hatte er das gesehen? Verband er das mit ihr?

Unwillkürlich klopfte ihr Herz noch lauter. Sie konnte nicht leugnen, dass sie sich gut darin fühlte, dass sie sich hübsch daran fühlte. Das war so typisch Crocodile. Der Mann hatte wirklich einen Kleidertick, schlimmer als jede Frau. Dennoch, er hatte Geschmack. Es stand ihr wirklich perfekt, als wäre es nur für sie gemacht worden – was sie ehrlich gesagt nicht ausschloss. Leicht fuhren ihre Finger über die Gestirne, die auf ihrem Kleid abgebildet waren. Sie musste lachen, als sie zwischen ihre Beine fuhr, bis zu ihrem Busen. Das war das Sternzeichen gewesen, das er ihr auf ihrem Kleid gezeigt hatte. Erneut füllten die Erinnerungen ihren Kopf. Ihr war nach Lachen zumute, aber auch danach zu weinen, sich zu verstecken und zu fliehen. Sie hatte Angst vor dem, was kam. Nicht unbedingt heute, vielleicht auch nicht morgen. Aber da war etwas, das auf sie zukam und das nicht aufhalten konnte. Heftig schüttelte sich ihr Kopf und schloss die Augen. Nicht jetzt. Sie wollte jetzt nicht daran denken. Crocodile hätte das Kleid nicht hierhin gelegt, wenn etwas schief gelaufen war. Sie wollte hoffen – denn das war das einzige, was ihr noch blieb.
 

In diesem Moment schrillte die Klingel durch den Raum, auf dass sie zusammenschreckte. Der Schreck stach hinab bis in ihre Knochen, auf dass sie rangen, als wären sie mit einer Eisenstange geschlagen worden. Nachdem der erste Moment vorbei gezogen war, beruhigte sich ihr Herz wieder. War schon so viel Zeit vergangen? So schnell war es ihr gar nicht vorgekommen. Eigentlich wollte sie ihn in aller Ruhe entgegentreten. Stattdessen erwischte sie sich jedoch dabei, wie sie voran hastete und dabei fast über den Saum des Kleides stolperte. Wie ein junges Mädchen, bemerkte sie etwas verschämt. Aber sie konnte sich nicht halten, sie sehnte sich so sehr danach ihn zu sehen. Etwas zu heftig riss sie die Tür auf.

Und dort stand er - scheinbar irritiert von ihrer stürmischen Art. Seine braunen Augen klebten etwas unruhig an ihr, strichen dann fast schon gehetzt über ihr Kleid zu ihren Augen hinauf. Etwas nagte an ihm. Doch er zwängte es mit einem Lächeln zur Seite. Nur aus dem Augenwinkel hatte sie sein Outfit gesehen, er war an diesem Abend ungewöhnlich schlicht gekleidet. Eine schwarze Hose, darüber ein sandfarbenes Hemd und ein braunes ärmelloses Jackett, keinen Mantel und selbst der Haken war kleiner und in Silber gefasst. Er roch gut. Nur die Wunden an beiden Schläfen, die noch immer durch Fäden zusammengehalten wurden, störten das Bild etwas.

»Hey.« erwiderte sie atemlos. Ihre Stimme wirkte so aufgeregt, dass sie sich wirklich zu schämen begann.

»Hey.« kam es ungewöhnlich tonlos zurück. Er beugte sich zu ihr herunter und gab ihr einen harten Kuss, ehe er sich bereits zum Gehen umwandte. »Lass uns gehen.«

Sie wollte noch etwas sagen, doch sie vergaß es sobald sie sich in Bewegung gesetzt hatten. Irritiert stolperte sie hinter ihm her. War etwas passiert? Oh nein. Hoffentlich hatte die Regierung keinen Wind bekommen. Sie war nicht in der Stimmung zu rennen, nicht gewillt zu fliehen. Dafür war dieser Moment zu perfekt gewesen. Hatte das Schicksal denn kein Erbarmen mit ihr? Ihre Kehle schnürte sich zu, doch sie presste die Frage, die ihr in der Brust klemmte, mit aller Macht heraus.

»Wie ist es gelaufen?«

»Gut... gut...« kam es erst nach einigem Zögern. Er hielt die Stimme unten, sie bemerkte jedoch wie sein Blick unsicher durch die Menge glitt. Er sah sie nicht an. »Sie haben ein bisschen Zeit und Geld gebraucht es zu schlucken. Ich glaube wir sind vorerst in Sicherheit, aber misstrauisch bleiben sie. Die meisten Marinesoldaten sind abgezogen wurden. Nur hie und da hab ich noch einen gesehen.«

Nur ein wenig bröckelte der Stein auf ihrem Herz. Sie glaubte ihm, doch er verschwieg noch etwas. Sie wusste nicht, ob sie es überhaupt wissen wollte. Fast automatisch fielen ihre Haare tief in ihr Gesicht. Rainbase war ihr vertraut und sie fühlte sich nicht unsicher, aber jetzt hier entdeckt zu werden in diesem Kleid – ach verdammt. Sie trug ja noch immer das Kleid. Etwas rot um die Nase sah sie an sich herab. Kein Wunder, dass er so geschaut hatte.

Plötzlich, ganz unvermindert, schob sich etwas in ihr Blickfeld. Es war sein rechter Arm, wie sie irritiert bemerkte. Er hielt in ihr hin, dass sie sich einhaken konnte. Sein Blick lag auf ihr und ein leichtes Schmunzeln umspielte seine Mundwinkel. »Ach und übrigens... du siehst wirklich gut aus.«

Das nahm ihrer Angst den Wind aus den Segeln. Noch immer etwas unsicher legten sich ihre Hände auf seinen Arm. Ihr Herz schwemmte heißes, angenehmes Blut durch ihre Adern und umarmte sie zärtlich. Sie musste den Blick noch weiter senken, um die Röte zu verbergen. Nur ihre Stimme ließ sie nicht im Stich, sie klang so ruhig und unnahbar wie eh und je. »Komisch, diesmal empfinde ich das als Kompliment.«

Er zog sie automatisch etwas zu sich, behielt den Schritt aber bei. Nur den Kopf wandte er wieder nach vorne. »Dabei habe ich das immer ernst gemeint.«

»Bei dir weiß man das nie so genau. Außerdem sagst du vieles ganz bewusst, um mich aufzuregen.« Und das hatte sie gut in Erinnerung.

»Aber bei so etwas hab ich noch nie gelogen.« beharrte er. Man merkte, dass er noch immer abgelenkt war.

»Ja und du hast eine ganz bestimmte Art Frauen Komplimente zu machen.« Allerdings war sie meistens die, die die komischsten Sprüche abbekam.

»Nun sag nicht, es gefällt dir nicht.«

»Kommt es dir auch so komisch vor wieder hier zu sein?« lenkte sie schnell ab.

»Hmmm…« Er war bereits viel zu abgelenkt von anderen Dingen, um die Frage wirklich zu verstehen, so schien es. Erst nach einer Ewigkeit fügte er seiner Antwort noch etwas an. »Ein wenig.«

Sie schwieg daraufhin. War er einfach besorgt oder lag es an etwas anderem? Sie sah sich um. Liefen sie zu seiner Wohnung? Oder in eine andere Richtung? Doch sie bemerkte schnell, dass sie in keine bestimmte Richtung liefen, zumindest zu keinem Ziel, das ihr eingefallen wäre. Etwas unsicher knabberte sie an ihrer Lippe. »Wohin soll es eigentlich gehen?«

»Wirst du gleich sehen. Wir sind bald da.«

»Hmm…« nun war es an ihr zu schweigen. Sie verfluchte diese Situation. Sie war damit überfordert, dass Crocodile nicht die Gesprächsführung übernahm, wie er es sonst so gerne tat. Warum fiel es ihr so schwer das Gespräch beim Laufen zu halten? Sie fühlte sich durchaus wohl und trotzdem konnte sie nicht, wie sie wollte.
 

»Wie waren deine letzten Tage?« fragte er plötzlich, noch immer abgelenkt.

Langweilig, hätte sie fast gesagt. Doch stattdessen kamen nur fast einstudiert wirkende Worte. »Ich habe mich mit Büchern beschäftigt.« Wie konnte man es nur vermissen, dass jemand nur dummes Zeug redete? Nicht, dass er das in letzter Zeit getan hatte. Und genau das war es, das sie vermisste.

»Was Spannendes gefunden?«

Nicht im Mindesten. »Ein paar Sachen, ja.«

»Hmhm…« Und wieder diese Stille.

Es störte sie eigentlich niemals, wenn die Menschen schwiegen. Sie war perfekt dafür gemacht, aber das war so ungewohnt. Noch immer, trotz der letzten Wochen war das seltsam. Crocodile hingegen schien es nicht zu stören, er schien es ja kaum zu bemerken. Zu vertieft war er in seiner Umgebung, in seinen Gedanken. Und dann blieb er abrupt stehen, sah sich noch einmal um und ließ von ihr. Von ganz alleine setzte er sich wieder in Bewegung, deutete ihr nicht an ihr zu folgen, ging allen Anschein nach aber davon aus. Sein Schritt richtete sich auf ein großes, in die Höhe gebautes Gebäude. Ein Turm. Vor seinem Eingang stand jemand, den sie seit vier Monaten nicht mehr gesehen hatte. Ihr Manager, Zuju, jemand den sie fast als Freund bezeichnen würde. Fast. Er war freundlich zu ihr gewesen, hatte sie umgarnt wie eine Henne und ihr stets jeden Wunsch von den Lippen abgelesen – doch er wusste gar nichts. Wüsste er wer sie war, würde er wohl in genauso viel Angst ausbrechen wie alle anderen. Zum Glück war dem nicht so und er kam mit offenen Armen auf sie zu und küsste ihre Hand.

»Ahhh, Robin-san!« Seine Augen strahlten ihr entgegen, während er sie ins Innerste des Turmes führte. »Endlich sehe ich Sie wieder! Ich hab Sie schon richtig vermisst. Dem Casino geht es super. Der Krieg hat etwas weniger Besuch gebracht, aber langsam erholt die Sache sich wieder. Und wie geht´s Ihnen? Hatten Sie Spaß? Crocodile-sama hat von Ihrem Urlaub erzählt. Oh ich beneide Sie so sehr! Aber hier war alles super. Ja, keine Sorge. Ich hab den Laden super geschmissen.«

»Ich…« Sie bemühte sich cool zu klingen, aber es fiel ihr eigenartig scher. Es fühlte sich so gut an, obgleich sie wusste, dass es falsch war. Trotzdem, er freute sich wirklich sie zu sehen. »Ja es war wirklich schön. Und… wie geht es dir?«

»Mir geht es wirklich bestens!« Er strahlte sie regelrecht an, während er sie die Treppen hinauf führte. Alles, was sie aus dem Augenwinkel mitbekam, war, dass sie eine Wendeltreppe hinauf gingen. Ein altes Gebäude, aus grobem Stein. »Irma und ich haben letztens geheiratet, aber wir wollten die Hochzeitsreise erst machen, wenn sie beide zurück sind. Immerhin muss ja jemand auf die Geschäfte achten, nicht wahr? Ich meine… das ist doch okay, oder?«

Sie schluckte hart und spürte wie ihre Augen fast ein wenig nass wurden. Völlig entgeistert blinzelte sie zurück, nicht verstehend warum ihr das alles so ans Herz ging. »Oh, das klingt ja wirklich... schön. Dann geht es ihr auch... gut?«

»Natürlich, wir sind gerade umgezogen! Ihr müsst uns wirklich Mal besuchen. Sie hat wirklich einen tollen Stil für Inneneinrichtung!«

»Hmhm.« nur widerwillig nickte sie. Sie musste sofort wieder an den Abend denken, an dem sie Irma kennen gelernt hatte. Crocodiles Putzfrau, ein hübsches blutjunges Mädchen. Wie eifersüchtig sie gewesen, vollkommen daneben… »Das… ich freue mich wirklich für dich und sie. Also… ich meine… wirklich.«

»Danke.« Er grinste sie mit ehrlicher Freude an. »Ich bin auch wirklich glücklich. Sie ist eine tolle Frau.« Kichernd beugte er sich zu ihr herüber und flüsterte ihr ins Ohr, dass Crocodiles es hinter ihm nicht hören konnte - dachte er. »Genau wie Sie.«

Nun rutschte doch ein leises Lachen aus ihrer Kehle. Es fühlte sich sehr befreiend an. »Du bist noch immer so charmant, Zuju. Ich freue mich für euch beide.«

Er wollte gerade noch etwas sagen, als sie an die Oberfläche stießen.

Über ihnen war nur die tiefschwarze Nacht, die durch die Sterne erleuchtet wurde. Sie hatten die Spitze des Turmes erreicht. Die Turmspitze war flach und hatte kein Dach, nur eine durch ebenmäßige Furchen getrennte Außenmauer. Links und rechts von sich konnte sie nur noch die Wüste sehen, zumindest von ihrem Standpunkt aus. Langsam fügte sich ihr Bild zusammen. Das war der größte Turm der Stadt, Teil einer alten Festungsanlage, die hier einst gestanden hatte. Aber soweit sie wusste, war dieser Turm gar nicht in Benutzung. Zuju führte sie grinsend auf die Menschen zu, die vor ihr standen. Drei Männer mit weißem Kittel und Mütze, hinter ihnen ein Speisewagen. Und in der Mitte ein hübsch gedeckter Tisch mit einer Laterne in der Mitte. Vollkommen verdutzt betrachtete die das Szenario, das sich vor ihr ausbreitete. Ihr Verstand wollte die Puzzelteile noch nicht zusammen fügen, obwohl es doch so offensichtlich war.

Zuju führte sie mit viel Hautkontakt zu dem Tisch in der Mitte und bot ihr den Platz an, während Crocodile sich zur gleichen Zeit setzte. Die Köche kamen sofort auf sie zu und servierten die mit Eisenhauben bedeckten Teller. Er nickte kurz und zufrieden Crocodile zu, der ihm jedoch nicht viel Aufmerksamkeit schenkte. »In Ordnung, Boss. Alles zu Ihrer Zufriedenheit?«

»Ja ja.« Er winkte nur desinteressiert ab.

»Okay, dann lassen wir sie allein. Wenn etwas ist, bin ich via Den-Den-Mushi zu erreichen.« flötete er weiter und verbeugte sich dann vor ihnen, ehe er und die restlichen Drei sich vom Acker machten und eine Holztür hinter sich schlossen.

Crocodile sagte nichts, atmete jedoch einmal tief durch.
 

Robin hingegen fühlte sich wie nackt vor eine riesige Menge Menschen gezerrt, die sie alle mit gierigen Blicken anstarrten. Sie schwamm in einem Meer aus Überraschung, die Wellen stachen heißkalt auf sie ein. Was war das denn? Was sollte das? Warum? Wie? Was? Und wieso? Sie fühlte sie wie vor den Kopf gestoßen, starrte heiße Löcher in die Tür, die sich soeben geschlossen hatte. Aufregung pochte in ihren Ohren, als der Blick sich mit einem Mal heftig davon riss und noch einmal genauer die Umgebung beobachtete. Sie war hier oben mutterseelenallein mit ihm. Weit und breit nur der tiefschwarze Himmel zu sehen, in dem die Sterne eingewebt schienen wie die Steine an ihrem Kleid. Sie wusste nicht was sie dazu sagen sollte.

»Ich denke hier wird uns niemand stören.« hörte sie es schließlich gegenüber seufzen.

Sie starrte auf den gedeckten Tisch, das perfekt servierte Essen, den Wein in ihrem Glas, das Silbergeschirr und Porzellan und wieder hinauf in den Himmel. Nur selten hatte sie sich so verloren gefühlt.

»Was ist?«

Endlich legte sie den Kopf in ihre Hand und schloss die Augen, versuchte ihre Atmung zu beruhigen.

Auch sein Blick brach ab, versteifte sich auf das Essen auf seinem Teller, auf das er gar keinen Appetit hatte. »Es war zu riskant einfach in ein ganz normales Restaurant zu gehen.«

»Das kann ich verstehen, aber…« doch ihre Stimme brach einfach aber.

»…Aber?« fragte er unsicher nach.

Sie sah ihn an, Unsicherheit ganz deutlich in ihrem Gesicht erkennbar. Sie wusste einfach nicht, wie sie mit dieser Situation zurecht kommen sollte. »War dir deine Wohnung zu gewöhnlich?«

Er stierte nur auf sein Essen, in dem er herumstochert. »...Was wäre dann meine Ausrede gewesen, dass du dich hübsch anziehen musst?«

»Dazu brauchst du eine Ausrede? Seit wann?«

»Du warst schon immer so zickig eine zu brauchen.«

Das brachte sie schließlich dazu zu grinsen, ganz leicht und zurückhaltend nur. Fast schon mitleidig. »Armer Kerl.«

Darauf entgegnete er nichts, schob sich nur sein Stück Fleisch in den Mund und kaute es mit gesenktem Blick.

Sie atmete wiederholt tief durch und blickte ihr eigenes Essen an. Sie verstand ihn nicht, noch immer nicht. Hatte sie eigentlich jemals verstanden, was in ihm vor ging? »Ist das Absicht? Das es schon fast romantisch wirkt?«

Nun funkelte er sie säuerlich an »Wirkt

»Also ist es Absicht.« Etwas erschrocken starrte sie auf ihr Essen.

»Willst du mir jetzt sagen, es gefällt dir nicht?«

»So würde ich das nicht ausdrücken.«

Ein schweres Seufzen kam von ihm, während seine Finger die Stirn rieben.

»Es ist nur... normalerweise, wenn es romantisch ist, dann ist das eher ein... naja... Nebeneffekt oder sogar ungewollt.« Was redete sie eigentlich da? Wollte sie sich unbedingt lächerlich machen? Aber Tatsache war doch, Crocodile war kein Romantiker und jetzt, wo es irgendwie in diese Richtung ging, irritierte es sie zu Tode.

Er schwieg einen langen Moment, ehe er angestrengt in die Ferne blickte. »Ich wollte einfach nur irgendwo hin, wo ich nicht das Gefühl hab beobachtet zu werden. ...Und...« Doch er brachte den Satz nicht zu Ende.

»Und was?« fragte sie etwas zu fordernd. Die Stille alarmierte sie jedes Mal, sie machte ihr Angst.

»...Und... ich weiß nicht genau, wo wir wieder anfangen sollen...« gestand er leise.

Noch immer nicht ganz bei sich, blickte sie erneut auf ihren Teller. »Solange du mich demnächst nicht wieder mit einem Nachbar verkuppeln willst oder mich "hässliches Entlein" nennst.«

»...In Ordnung...«

»Meinst du wir kommen wieder dahin? …Wo wir früher waren, meine ich.«

»…«

Sie nickte, blickte weit weg. »Ja, ist vermutlich nicht so leicht zu sagen.« Es machte ihr unheimliche Angst. So oft hatte sie sich aufgeregt, ihn manchmal wirklich die Luft abwürgen können, aber eigentlich... hatte sie diese Zeit unheimlich genossen. Seine dummen Kommentare und den ganzen Müll, den er so von sich gelassen hatte. Sie vermisste das alles.
 

Crocodile war einen langen Moment stumm, rührte sein Essen nicht an und schien in Gedanken versunken. Dann jedoch schielte er zu ihr, nur kurz, ehe er wieder in den Himmel blickte. Wieder und wieder spürte sie, wie ihr der Mund aufklappte und Worte nach außen dringen wollten und jedes Mal stopfte sie sich etwas von der Gabel in den Mund, um dem zu entgehen. Nicht direkt unangenehm und doch... ein bisschen wie ein erstes Date. Aber sie war kein junges Mädchen mehr und Crocodile nicht ihr Schwarm, der endlich ja gesagt hatte. Nun ja… zumindest nicht so.

Schließlich und doch genauso plötzlich seufzte er. »Du hast Recht... das ist dämlich.«

»Was?« erwiderte sie irritiert.

Er blickte sie noch immer nicht an. »Mir ist nichts Besseres eingefallen auf die Schnelle. Die letzten Tage hatte ich viel mit der Marine zu tun.«

Langsam nickte sie und wurde vorsichtiger. Er wirkte wirklich sehr gestresst. »Mit wem hast du denn gesprochen?«

»...Mit Senghok und einigen Offizieren, die bei mir angetanzt sind. Sie haben mich sogar auf Sonnenbrücken angesprochen.«

»Aber mit einem der Admiräle hattest du nichts zu tun, oder?« Sie hatte Crocodile noch nichts von Ao Kiji erzählt. Sie wollte es auch nicht, obwohl sie wusste, dass sie es musste. Er war gefährlicher als jeder andere Mann auf See für sie.

Nun musterte er sie doch. »Nein, wieso?«

Hastig wich sie seinem Blick aus, wollte ihm das kurze Aufflackern der Angst nicht zeigen, es selbst einfach wegdrücken. Das war nicht der richtige Moment. »...Neugier.«

Sie spürte seinen forschenden Blick, wie er versuchte sie aufzubrechen. Eigentlich hätte er an dieser Stelle nachgebohrt, das wusste sie, aber dieses Mal beließ er es eigenartigerweise. »Ich denke aber, dass ich alles so weit geklärt habe. Niemand schöpft weiteren Verdacht.«

»Hör mal, ich weiß, dass es Vieles gibt, was ich dir sagen müsste.« Begann sie ziemlich leise und stolprig. »Vor allem, weil du für mich solche Risiken eingehst. Natürlich musst du alles wissen, das ist nur fair, aber... ich brauche ein bisschen Zeit ehe ich... darüber reden kann.« Sie wollte, dass er es wusste. Einfach alles. Über jeden. Und das war eine ganze Menge, aber das konnte sie einfach noch nicht.

Nur ein Nicken hatte er dem zu entgegnen. »Nimm dir so viel Zeit, wie du brauchst.«

»O… okay.« wisperte sie und starrte ein Loch in ihren Teller. Schnell verfielen sie wieder in diese unangenehme Stille, die die Wunden so offen zu Tage treten ließ. Über was sollte sie reden? Wie konnte sie den ersten Schritt machen? Alles, was ihr in den Sinn kam, waren ernste Dinge. Doch sie wollte das nicht, nicht jetzt und nicht hier. Das sollte doch nicht alles sein, was sie verband.

»Reden wir nicht mehr darüber, okay? Ich möchte, dass dieser Abend... nur uns gehört.«

»Es ist immer noch komisch, sowas von dir zu hören.« Gab sie zu und fügte dann hastig an. »Aber das soll jetzt nicht heißen, dass es mir nicht gefällt.«

»...Was soll ich denn sonst sagen?« kam es ruppiger von ihm. Er starrte zur Seite und schien eigenartig unsicher. So hatte sie ihn wirklich noch nie gesehen.

Vorsichtig glitten ihre Finger über seinen Arm und sie lächelte etwas, hoffte so die Stimmung etwas zu erhellen. »Ich hab nicht gesagt, dass du irgendwas anderes sagen sollst. Nur... das es ungewohnt ist.«

»...Alles ist ungewohnt geworden...« sagte er ruhiger, aber fast tonlos, den Kopf noch abgewandt.

»Fühlt es sich unangenehm an?«

Darauf schwieg er.

Und sie zog ihre Hand wieder zurück. »Es ist irritierend und es verunsichert, aber mir ist es zumindest nicht unangenehm.« Sie sprach ganz frei und ehrlich, wollte ihm nichts mehr verheimlichen. Nicht nur die Situation hatte sich geändert auch sie, Robin hatte es.
 

Als sie sich wieder zurück lehnte, fingerte er nach ihrer Hand, betrachtete sie und legte seine schließlich auf die ihre, ohne etwas dazu zu sagen. Und kaum eine Sekunde später verschwand ihre Unterlippe wieder zwischen ihren Zähnen. So eine schlechte Angewohnheit. Als sie es bemerkte, zog sie sie gleich wieder heraus und stopfte sich stattdessen lieber wieder Nudeln in ihren Hals. Ihr wurde ganz warm, aber nicht störend. Eher wirklich, wirklich wärmend.

»Robin...« Seine Stimme war dunkel und leise, kam näher. Er lehnte sich etwas zu ihr herüber, dass sich ihre Schultern berührten. »Ich... es...« Crocodile starrte auf seinen Schoß. »...tut mir leid,... ich hab nur viel zum nachdenken. Und... es ist schwer da weiterzumachen, wo wir aufgehört haben.«

»Ich wollte dich nicht hetzten.« Das sagte sie auch ihrem Körper. Sonst war es nie so schwer, es ruhig angehen zu lassen, die Finger von ihm zu lassen. Sie wollte seine Nähe, mehr als alles andere.

Wieder Stille, ehe er sich zu ihr herüber beugte und ihr einen Kuss auf die Schläfe gab. Darauf schloss sie für einen Moment die Augen. Worte lagen ihr auf der Zunge, aber sie ließ es nicht zu. Sie meinte das ernst, sie wollte ihn nicht drängen. In dieser Position verharrte er einen Moment, ihrem Gesicht ganz nahe, musterte sie auf diese kurze Entfernung, als würde er sich an sie kuscheln. Nur ganz leicht wandte sie den Kopf zu seinem, wollte ihm in die Augen sehen. Sie waren sich so nahe, nur Zentimeter trennten sie noch voneinander. Sie konnte seinen Atem auf ihren Lippen spüren, sein Parfum riechen, seine Aura gegen die ihre drücken spüren. Er blickte ihr etwas unsicher in die Augen, musterte sie, kam dann noch etwas näher. Automatisch blickte sie ihm so entgegen, wie sie es auch früher getan hatte. Damals, bei ihrem ersten Kuss. Die Iris erfüllt von stummer Sehnsucht, wartend auf die Erlösung. Schließlich, endlich, schloss er die Augen und stieß ihr gegen die Nase, zog ihre Hand dann zu sich, sodass ihr Körper folgen musste, ehe ihre Lippen vollkommen aufeinander trafen. Sein Mund war warm, ungewöhnlich erhitzt und sein Geschmack überwältigend stark. Sie hatte das Gefühl gänzlich in ihm aufzugehen
 

Das Letzte, was ihre Sinne von Außerhalb noch wahrnahmen, war die Gabel, die unbeachtet auf ihren Teller fiel und am Rand dessen abprallte und ein leises Klingen verursachte. In ihrem Kopf klang es noch weiter, auch nachdem die Gabel liegen geblieben war. Wie ein Summen, ein Vibrieren, das sich auf den Rest ihres Körpers verteilte und sie erzittern ließ. Hatte sie nicht damit gerechnet? War es, wie Crocodile gesagt hatte, ungewohnt? Oder einfach noch intensiver als bisher? Vielleicht lag es auch an ihrer eigenen Unsicherheit. Wie musste sie sich verhalten? Was sollte sie tun, damit es wieder vertraut zwischen ihnen wurde? Dass er... er selbst sein konnte? Damit er sich wohl fühlte. Sie wusste, das Beste wäre es einfach, sie selbst zu sein, aber dafür war sie einfach noch zu unsicher. Wer war sie auch und wie sollte sie das herausfinden? Erst hatte sie sich nur über das Poneglyphe und ihren Traum definiert, aber schon seit einer Weile spielte "er" eine so viel größere Rolle in ihrem Leben. Was er fühlte, was er dachte, er teilte es nicht mit ihr. Nur manchmal, wie in diesem Moment konnte sie fast auf der Zunge schmecken, konnte sie es riechen, es fühlen. Er sagte etwas, etwas Wichtiges. Aber sie konnte es nicht verstehen, könnte es wenn überhaupt nur missverstehen. Crocodiles Gefühle standen ihm zu Gesicht, aber sie war nicht fähig es zu interpretieren. Stattdessen ließ sie sich einfach hinein gleiten, vergaß für den Moment ihre Gedanken und ließ ihren Körper instinktiv die freie Hand, hoffte dabei, dass das das Richtige war.

Sie hob ihre zweite Hand, legte sie auf seine Wange und drückte sich kaum merklich etwas fester gegen ihn. Fast so, als wollte sie vorsichtig ertasten, probieren, was gut war. Er schmeckte gut. Viel zu gut. So gut, dass sie sich schon nach Sekunden wieder abbremsen musste, sich einreden musste, nicht zu schnell, zu viel zu wollen. Es war ein Teufelskreis, den sie nicht abzustellen vermochte. Dennoch streiften ihre Finger langsam, zaghaft über die raue Haut, bis über sein Kinn und den Hals entlang. So fühlte es sich auch an, wenn man leicht angetrunken war. Alles wirkte so intensiv und gleichzeitig irgendwie verschwommen.

Dann, ganz unverhofft und abrupt, entfernte er sich wieder von ihr, nur ein Stück, aber genug um den Kuss zu beenden. Sie hörte seinen Atem, laut, rasselnd, stockend. Hatte kurz gespürt, wie er erzittert war. Nun blieben ihr seine Augen, die wirkten als würde ein Gewitter über ihn hereinbrechen. Sein Blick klammerte sich an sie, hielt unruhig immer wieder an ihr fest, suchte einen Weg zu ihr, doch sein Körper bewegte sich nicht mehr, war wie erstarrt. Er wirke vollkommen zerrissen. Hilflos. Warum nur war es so schwer einen Schritt zu machen? Weil sie schreckliche Angst davor hatte, dass er sie von sich stoßen würde. Dabei hatte sie nicht einmal einen Grund das überhaupt zu denken. Er hatte sie nie wirklich von sich abgehalten, nicht wenn sie es wirklich versucht hatte, wenn sie es wirklich ernst gemeint hatte. Aber... es ging nicht darum, was sie wollte. Er brauchte Zeit. Sie würde ihn nicht drängen. Also blieb ihr Ausdruck gleich, etwas unsicher, aber vor allem ruhig. Er sollte nicht wissen wie aufgewühlt sie durch einen Kuss schon war. Sie wollte stark sein.
 

Sein Blick krachte zu Boden, der Körper wand sich etwas von ihr ab, ließ sie los. Die Stimme war tief, angespannt. »...Tut... mir leid.«

Für eine Sekunde hielt sie ihn fest, krallte sich fast in sein Hemd, als wollte sie den Kontakt nicht lösen, als machte es ihr Angst. Kaum bemerkte sie das, ließ sie ihn wieder frei.

»Bitte... versteh mich nicht falsch.« Kopf schüttelte sich kraftlos, ehe er wieder nach ihrer Hand griff.

Sie schloss ihre Augen und atmete leise aus, als hätte sie den Atem viel zu lang gehalten. Und wirklich, ihr war schon fast schwindelig. »…Was meinst du denn?«

»Ich...« doch er brach ab, blickte sie noch immer nicht an.

»Crocodile...« Ihre Hand fuhr wieder weiter herauf, strich durch die Spitzen seiner Haare, wirkte kurz weggetreten. »Es ist... schon gut.«

Kurz schielte er zu ihr, ehe seine Augen wieder zurück zuckten. Dann atmete er tief durch. Seine Stimme ebnete sich wieder ein, bekam etwas von ihrer alten Stärke zurück. »Gott Robin... ich will ja, aber... es hat sich einfach zu viel angestaut.«

Nun zog sie ihre Hand endgültig zurück.

»Und ich... hatte eigentlich vor den Abend mit Sex ausklingen zu lassen... und nicht zu beginnen.« kam es etwas trocken.
 

»Ich…« sie wurde etwas rot um die Nase. Wirklich, sie hatte keine Ahnung wie sie damit umgehen sollte, was sie sagen oder tun oder lassen sollte. Dabei wollte sie nichts anders als ihn und dass er sich wohl fühlte, dass er lachte. Sie kaute auf ihrer Lippe herum, ein deutliches Zeichen für Nervosität. Warum verstand sie ihn nicht? Warum machte sie nur immer alles falsch?

»Was ist?« fragte er zaghaft.

»…Ich weiß nicht, was ich sagen soll. …was ich besser nicht sagen soll, was gut oder was schlecht ist.« Nach Atem ringend kniff sie die Augen aufeinander. Es war ungewohnt so ehrlich zu sein, aber sie war dennoch eisern davon überzeugt, dass nur das das Richtige sein konnte.

Er seufzte stark und rieb sich den Kopf. »Okay okay... vergiss das mit dem Sex. Das war nur so daher gesagt...«

»Das ist nicht das, was mich stört…« Etwas zu stürmisch griff sie nach dem Weinglas und nahm einen tiefen Schluck.

Das ließ ihn wieder verstummen, der Kopf drehte sich noch weiter von ihr weg.

»…Ich… will dich nicht hetzen. Aber… wenn du mich küsst dann... tut mir leid...«

Nochmals das Seufzen, ehe er aufstand, Schritt für Schritt auf den Rand der Mauer zu, die nur drei Meter von ihnen entfernt war. Sie ging ihm nicht Mal bis zur Hüfte. Vor einer der Schießscharten blieb er stehen und blickte hinab, in die Tiefe, auf Rainbase. Eine lange Zeit war es still zwischen ihnen. Robin war in ihrer Nervosität verschlungen worden. Sie fühlte sich so unsicher. So lange war es zwischen ihnen nur um Sex gegangen. Es hatte alles so viel einfacher gemacht. Doch jetzt, nach all dem was passiert war, wusste sie nicht, wie sie sich verhalten sollte. Sie zerbrach sich den Kopf darüber und schrak erst wieder aus ihren Gedanken auf, als sie seine Stimme hörte.

»...Man sieht hier so viele Sterne... Wirklich unglaublich. ...Es ist ewig her, seit wir sie so beobachtet haben.«

Unwillkürlich richtete sich ihr Blick wieder gen Himmel und ohne, dass sie es bemerkte, musst sie lächeln. Oh ja, es war wirklich wunderschön. Das Firmament breitete sich vor ihr aus wie ein seidener Teppich, wie ein glitzernder Schatz voller Wissen, voller Vergangenheit und Zukunft, voller Wärme und Ruhe. Sie atmete tief ein und spürte, wie der Anblick sie beruhigte. Sterne, sie würde sie immer mit ihm in Verbindung bringen. Sie waren eine der wenigen Sachen, die Crocodile wirklich faszinierten. Sie erinnerten sie an die sanfte Seite in ihm, die in welche sie sich verliebt hatte. Aus dem Augenwinkel bemerkte sie, wie er sich zu ihr umdrehte und musterte, fühlte seinen schweren Blick sich unter ihre Haut schälen.

Sie erwiderte es mit einem zaghaften Lächeln. »Egal wie oft ich in den Himmel sehe, ich hab es nie gefunden. Dein Lieblingssternzeichen.«

»Ist auch schwer aus deinem Blickwinkel.« Hörte sie dort ein Lächeln? »Wenn du willst, zeige ich es dir.«

Langsam richtete sie sich auf und schlich zu ihm herüber, die Gesten und Bewegungen noch immer etwas unsicher. »Aber nicht auf meinem Kleid. Das hatten wir schon mal.«

»Dann wird es aber schwer.« Da war wirklich ein Schmunzeln auf seinen Lippen, wenn auch zurückhaltend.

Sie stellte sich neben ihn und fuhr an ihrem Körper hinab, zeichnete die Linie von ihren Brüsten bis zu ihrem Schoß, wie er es damals getan hatte. »Ich frage mich warum ich mir überhaupt so etwas Blödes gemerkt habe…« meinte sie mit einem Hauch von einem Lächeln.

Er schloss die letzte Distanz zwischen ihnen, dass sich ihre Körper dezent berührten. Mehr wagte er noch nicht. Sie spürte seinen Blick ganz unverschämt ihren Körper entlang fahrend, ehe er wieder in ihren Augen endete. Wie zuvor wirkte er noch etwas unsicher, aber sie konnte es in seiner Iris dezent schimmern sehen. Mit dem Lächeln noch im Gesicht, schaute sie erneut in den Himmel, suchte nach ihrem eigenen Lieblingszeichen. Es war immer etwas schwierig es in Rainbase zu finden. Hier leuchtete das gesamte Firmament mit weit entfernten Galaxien auf, dass sie leicht den Überblick verlor. Ihr fehlte der geübte Blick dafür. Sie gab es nicht zu, dass sie sich nur versuchte abzulenken, dem Blick etwas zu entgehen, das Rasen ihres Herzes zu ignorieren. Wie schwer das auf einmal war. Früher hatte sie es besser gekonnt. Seine Nähe ausblenden, einfach in ein inneres Abseits drücken. Jetzt war es so unheimlich viel schwerer.
 

Plötzlich spürte sie seine Finger wieder, wie sie durch ihre Haare strichen, sie hinter die Ohren legten und dann weiter hinab fuhren. Da. Sie konnte es sehen! Der Wolf. Ihre Augen weiteten sich. Es war noch immer wie ein Zeichen. Diesmal ein Gutes. Ja, es musste einfach ein Gutes sein. Ihr Blick glitt zurück zu ihm, sah ihm entgegen, ohne Erwartungen hoffte sie, doch ihre Augen verrieten mehr von ihrer Sehnsucht, als sie wollte. Er entgegnete ihr ein Lächeln, das ihm in Hals zu stecken schien. Er bemühte sich es nicht zu zeigen, aber er glaubte dennoch sie würde seinen rasenden Herzschlag hören können. Dann grinste er doch, atemlos und seine Stimme klang gequetscht von Erregung.

»Also ich sehe es.«

»Du meinst dein Lieblingszeichen?«

Noch mehr angestrengtes Grinsen, sie spürte seinen Puls durch seine Finger hindurch, welche sie am Hals berührten. »Na ja... damals hab ich das eigentlich nur gesagt, um dich rumzukriegen...«

»Ist dir gut gelungen…« Leichte Röte legte sich auf ihre Wangen. »Ziemlich gut, wenn ich mich richtig erinnere.«

»...Du sahst ja auch wirklich gut aus...«

Mit einem ungläubigen Lächeln schüttelte sie ihr Haar. »Das konnte ich dir nie wirklich glauben.«

Darauf erwiderte er nichts. Seine Hand rutschte wieder hinauf, legte sie auf ihre Wange und blickte ihr weiter tief in die Augen. Da war sie wieder, die Spannung, die er vorhin unterbrochen hatte. Sie drückte Robin die Luft ab. Es quälte sie so, aber sie zwang sich still zu halten, ihre Hände nicht zu bewegen, nicht zu handeln, ihm seinen nötigen Freiraum zu lassen. Ihr Atem begann zu rasseln. »Wenn du es heute sagst, wie meinst du es jetzt?«

Es dauerte einen Moment, ehe er antwortete. Er kam näher, noch ein Stück, dann noch eins. »Nun ja... du machst mich schon ziemlich heiß... Aber... das ist nicht der Hauptgrund, wenn ich dir ein Kompliment mache. Nicht mehr zumindest.«

»Dabei… stehe ich hier doch einfach nur herum.«

»Reicht schon…«

Sie schluckte den Drang etwas zu tun und die Erregung mitsamt ihrer Unterlippe herunter. Das war wirklich zu viel des Guten. Ihr Herz raste und peitschte sie für ihre Untätigkeit aus, schrie sie an sich zu nehmen, was sie wollte. Doch sie hielt sich zurück für ihn. Dennoch, sie konnte nicht verhindern, dass ihre Augen auf die seinen zusteuerten und in seiner Seele versanken. Diese stillen, unergründlichem braunen Augen. Es konnte so leicht sein, alles auszublenden, wenn er sie ließ. Sie krampfte ihre Hände weiter zusammen, um nicht wieder zu weit zu gehen, aber das hielt ihre Haut nicht davon ab, ihr eine Gänsehaut zu verpassen, hielt die kleinen Härchen in ihrem Nacken nicht davon ab sich aufzustellen und auch nicht ihr einen heißen Schauer über den Rücken zu schicken. Sie bemerkte beiläufig wie ihre Knie weich wurden, ihre Atmung für eine Sekunde aussetzte. Aber sie konnte einfach nicht wegsehen. Konnte nicht, wollte nicht.

Sein Blick lastete noch immer auf ihr, die Finger strichen erneut ihre Schultern hinab zu ihren Armen, erfassten sie nur ganz leicht, behutsam, als wäre sie aus kostbarem Porzellan. So viel von ihm lag in seinen Augen offen vor ihr, ein Cocktail voller Gefühle. Zerrissenheit ja, aber auch Sehnsucht, Zuneigung und Erregung. Er hielt sich zurück, hielt alles zurück, was dort in ihm lag. Das sah sie an seinem zaghaften Lächeln, an seiner ungewöhnlichen Körperanspannung. Nur ein leichtes Schmunzeln tropfte schließlich aus seinem Innersten hervor und umnebelte ihre Sinne.

»Was hast du eigentlich drunter?«
 

Heftig musste sie schlucken, dann noch einmal, und ein drittes Mal, bis sie zu husten begann, erst ein wenig, dann mehr und schließlich wandte sie den Kopf etwas ab und klopfte sich auf die Brust. Noch immer saß es ihr im Hals und sie trat einen kleinen Schritt zurück, löste sich aus dem Gefühlschaos für genau zwei Sekunden, um einen Schluck zu trinken und sich nicht der Scham hingeben zu müssen weiterzuhusten. Was? Unterwäsche? Gott!

Darauf hörte sie ihn seit langer Zeit wieder herzhaft lachen, obwohl auch das dumpfer geschah als gewohnt.

Ihr hochroter Blick ging zurück sie ihm und musterte ihn für einen Moment. Sie hatte wirklich gehofft, dass sie dem entwachsen war, aber das hatte sich wohl nur als Illusion entpuppt. Noch immer brachten seine dummen Fragen, seine blöden Bemerkungen sie dazu zu stocken und sich zu schämen. Himmel nochmal…

»…Du und dein Unterwäschetick…« brachte sie schließlich heraus und drehte sich von ihm weg.

Nun kam er wieder auf sie zu, in langen, bedächtigen Schritten und vergrub seine Hand in seiner Hosentasche. Das Grinsen wurde schelmischer. »Du und deine Scham davor.«

Fast klappte ihr der Mund auf und sie konnte es einfach nicht vermeiden, ihre Arme hoben sich und drängten sich über der Brust zusammen. Genau wie damals, als sie sich kennen gelernt hatten. Die abweisende Fassade, die Rolle die sie ihm gegenüber gespielt hatte. »Ich schäme mich überhaupt nicht. Warum sollte ich auch? Geht dich schließlich gar nichts an, was ich trage...« flüsterte sie schließlich nur noch.

Das Grinsen blieb, als er dicht vor ihr stehen blieb und ihr einen Kuss auf die Stirn gab. »Hast du allerdings Recht.«

Jetzt klappte ihr doch der Mund auf. Hatte er... das gerade eingesehen? Ihr Herz klopfte schon wieder so schrecklich penetrant in ihrer Brust. Das war ganz anders als früher. So viel intensiver und es lag nicht an seiner körperlichen Präsenz allein. Es war einfach die Tatsache, wie weit sie gekommen waren. Sie beide... gemeinsam. Es war noch immer unglaublich, dass sie hier mit ihm stand und ihr Herz sich am liebsten in seine Hand gelegt hätte. Liebe, es war Liebe, die sie plötzlich wieder unheimlich überraschte. Dieses Etwas an ihm, was auch immer es sein mochte. Einen Moment starrte sie ihm fast ungläubig entgegen, ehe sie auf sein Kinn glotzte, seinen Mund. Sein Lächeln.

Näher kam er ihr nicht, nur seine Augen fuhren wieder ihre Konturen nach. »...Ich hab das vermisst. Auch wenn ich weiß, dass wir nicht einfach zurück können. Dahin, wie es anfangs war. Aber... es ist schön, dich endlich wieder kämpfend zu sehen. Und wenn es nur dein zickiges Gehabe ist.«

Mit aller Macht klappte sie ihren Mund zu und vermied es die Zähne aufeinander zu reiben. »Ja, schon klar. Du magst es, wenn ich wütend bin und wenn ich dir in den Hintern trete.«

»Solange es nicht zu doll ist, ja.«

Fast zuckte sie zusammen, dann nahm sie noch einen sehr tiefen Schluck aus ihrem Weinglas, nur zur Beruhigung. »…«

»...Tut mir wirklich leid... dass ich so distanziert war die letzten Wochen. Ich hatte einfach nur viel nachzudenken.«

»…Ich… habe mit viel Schlimmerem gerechnet.«

Nun kam er doch wieder etwas näher, griff nach ihrem Haar und ließ es zwischen die Fingerspitzen laufen, ehe er sie zaghaft an sich drückte, die Hand an ihrer Taille, fast wie bei einem Tanz. Ihr wurde schwindelig, als würde er sie tatsächlich umher schwingen. Ihr Atem setzte kurz aus, aber sie zwang sich langsam ein und auszuatmen. Sie hörte das stetige Pochen in ihrem Inneren und sah nur noch seine Augen. Ihre Hände kitzelten ganz furchtbar, aber sie ballten sich zusammen, krampften sich dann in ihr Kleid, unsicher, was sie tun sollten. Aber anstatt sie zu küssen, schmiegte er den Kopf an den ihren, drückte sie noch fester an sich, dass ihr Kopf auf seiner Brust lag. Sie konnte hören, wie hart sein Herz schlug, wie nervös er war, wie es in seinem Innersten kribbelte.

»Was meinst du mit „schlimmer“?« fragte er leise.
 

»Ich…« Sein Herzschlag, so schön und beruhigend, so warm und herzlich, so einsam und sehnsuchtsvoll. Sie konnte sich kaum konzentrieren. »...Ich habe befürchtet, dass du... dass du...« Langsam zog sich eine ihrer Hände von sich los und legte sich kaum merklich gegen seine Brust, nur einen Hauch. »...dass du mich verlässt... dass du es dir anders überlegst... dass... dass ich jemanden gefunden habe, der mir Leben gibt und es mir dann wieder nimmt...«

Darauf erwiderte er nichts, aber sie spürte seinen Herzschlag ganz fürchterlich beschleunigen, als hetzte er aus Angst voran.

Ihr Blick vernebelte sich. »Niemals hätte ich gedacht, dass ich etwas finden könnte, dass sogar das Rio Poneglyphe, dass meine ganze Vergangenheit einfach... einfach nicht mehr so wichtig scheinen lässt. Das wollte ich nicht wieder verlieren.«

Seine Körperhaltung spannte sich noch mehr an, sie fühlte ihn erzittern, bemerkte wie seine Zähne sich aufeinander pressten.

„Ich liebe dich“, aber das traute sie sich einfach nicht zu sagen. Diese Situation war so schon zu viel für sie, wie konnte sie die Stimmung da noch weiter anbremsen, mit solch bedeutungsschweren Worten? Sie nahm nur nebensächlich wahr, wie sie sich an ihm festklammerte, den weichen, teuren Stoff zerknitterte.

Es wirkte, als wolle er etwas sagen. Seine Haltung war so eigenartig angespannt, lockerte sich nur ein wenig, als er plötzlich und dennoch voller Zögern, die Arme hob und sie um sie schlang, dass sie vollkommen von ihm umgeben war.

Ein Schluchzen drang aus ihrer Kehle, aber keine Tränen folgten. Sie schmiegte ihren Körper fest gegen ihn und schlang ihren zweiten, freien Arm um seinen Rücken, um die Hand auch dort in den Stoff zu pressen.

»Robin...« Seine Stimme war eigenartig gebrochen. Sie hörte, spürte sein Herz ganz panisch in seiner Brust schlagen, als wolle es ihr etwas sagen. Kaum merklich drückte er sie noch mehr an sich, und sie merkte, dass er sich zurückhielt nicht noch weiter zu gehen. »...Ich...« doch er brach ab, weil sich seine Kehle zuschnürte. Erst nach weiteren, unendlich scheinenden Sekunden sprach er weiter. »Bitte... glaub an mich.«
 

Sie stockte, stockte einen ganzen Moment und er konnte spüren wie sie unter ihm zusammen zuckte, schon wieder. »Ich...« Warum bekam sie nur keinen zusammenhängenden Satz zu Stande? Es musste an seinem Herz unter ihren Fingern, in ihrem Ohr zu tun haben, die leichte Vibration seiner Brust, als seine Stimme erklang, wie sie in ihren Ohren und schließlich weiter in ihrem Verstand nachhallte. »Ich würde nicht mehr hier stehen, wenn ich das nicht täte.«

Er sagte darauf nichts, sondern hielt sie nur weiter fest. Sein Puls schlug immer noch hart und unbarmherzig, nur allmählich wurde er langsamer. Irgendwas war mit ihm, in ihm. Irgendetwas stimmte nicht. Doch sie konnte einfach nicht sagen, ob es etwas Gutes oder Schlechtes war. Und sie konnte nicht mehr darüber nachdenken. Sie war nicht in der Position ihn zu fragen oder darauf herumzuhacken und ehrlich gesagt, hatte sie auch ein bisschen Angst davor. Gewisse Dinge an ihm, in ihm jagten ihr wirklich eine Menge Angst ein und manchmal wusste sie nicht wie und ob sie damit umgehen konnte. Aber wenn sie dann seinen Herzschlag hörte, spürte... ja dann tat sie genau das, worum er sie gebeten hatte. Sie glaubte einfach an ihn.
 

Vorsichtig entklammerten sich ihre Hände von ihm, wichen aber nicht von der Stelle. Was konnte sie nur sagen, um das Thema zu ändern? Nach einem ewig währenden Moment, fiel ihr nichts Besseres ein, als... »Sag mal, wenn wir Arabasta wieder verlassen, was genau machst du mit all deinen Büchern?«

»Hm?« Einen langen Moment herrschte Stille, dann kam seine Antwort nur allmählich. »Darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht...«

»Du hast so viele seltene Exemplare, die ein Vermögen Wert sind. Wobei ihr eigentlicher Wert natürlich unbezahlbar ist. Aber mitnehmen kannst du die wohl nicht alle...« Es brach ihr schon jetzt das Herz bei dem Gedanken, dass er sie verkaufen könnte.

»...Wir haben noch genug Zeit. Du kannst morgen gerne nochmal die aussuchen, die du mitnehmen möchtest. Aber... denk dran: hier sind sie zumindest sicher. Auf See kann so gut wie alles passieren.«

»Ich soll…?« Sie sollte was? Sich Bücher aussuchen? Das würde ewig dauern! »… meinst du Zuju würde darauf aufpassen?« fragte sie vorsichtig. Er wusste gar nicht wie sehr sie sich darüber freute über das Schicksal seiner Bücher entscheiden zu können.

»...Glaub kaum, dass er dafür Zeit hat. Und was meinst du überhaupt mit "auf sie aufpassen"?«

»Ich will gar nicht daran denken, was irgend so ein Antiquar mit den Büchern machen könnte...«

Ein leises Lachen kam aus seiner Kehle. »...Du bist wirklich verliebt, was?«

»Neben dem, was man im Boden findet, sind Bücher das Allerwichtigste.« kam es fast schon empört.

»Und am Ende verlässt du mich für eine Bibliothek voll alter Schinken?«

»…Ich weiß nicht, ob es so eine Bibliothek überhaupt geben kann.«

»Vielleicht finden wir sie ja.«

Sie lächelte ihm zaghaft und doch überglücklich zu. »Du kannst ja mit hineinkommen.«

»Um was? Ewig zu warten, bis du fertig bist?«

Zum ersten Mal grinste sie und strich ihm etwas durchs Haar. »Ich würde auch immer mal eine Pause machen, wenn du willst.« Sie verriet ihm nicht, dass sie schon einmal so etwas in der Art geträumt hatte. Eine leere Bibliothek, hunderte, nein tausende Bücher und ein Schreibtisch.

Nun musterte er sie wieder und lächelte zaghaft. »Am Ende bist du dann sowieso gar nicht mehr ansprechbar.«

»Hmmm…« Ein Schreibtisch, auf dem sie saß und er vor ihr stand und... Herrje, ihr letztes Mal war wirklich zu lange her. Er hörte sie flüstern. »Ich mochte deinen Schreibtisch im Büro....«

»Hm?« Er schien noch gar nicht zu verstehen, kuschelte seinen Kopf nur näher an den ihren.

Sie war mit einem Mal völlig abgedriftet. »Der war so… bequem…«

»…«

Ihre Augen wirkten seltsam glasig, ehe sie sich plötzlich schüttelte und lächelte, ein deutlicher Rotschimmer auf den Wangen. »Also ich denke schon, dass du mich ablenken kannst... von den Büchern.«

»...Sag sowas nicht... sonst wirds nur noch schlimmer.«

»Was?«

Er unterließ es etwas drauf zu antworten, stattdessen drückte er sein Gesäß näher an sie, um Klarheit zu schaffen.

Und schon wieder klappte ihr der Mund auf, ehe sie ihre Unterlippe wieder zwischen die Zähne zog. Uh, schlagkräftiges Argument. »...aber...es ist doch...wahr.«

»…«

Sie spürte ihn so nah, hart, dass sie prompt wieder an den Traum denken musste. »Ich... ich… Es tut mir leid, aber... es ist eben schon so lange her....«

»...Das... stimmt allerdings.« Er schluckte sehr hart. »...Ich hab Nico-chan wirklich schon echt lange nicht mehr gesehen.«

Sie konnte schon fast selbst kleine, weiße Dampfwölkchen über ihrem Kopf aufsteigen sehen, als wäre sie gerade mal dreizehn Jahre alt. »Oh die...«

»...Wie sieht sie denn aus?« kam es fast zärtlich, wenn da nicht die Erregung hinter den Worten gewesen wäre.
 

Zum ersten Mal seit einer Ewigkeit zuckte ihr Auge. Die Scham prügelte ihre Beherrschung windelweich. »Was ist das bitte für eine Frage? Willst du ein Passfoto haben?«

Er grinste angestrengt und ließ seine Hand langsam zu ihrem Hintern hinab fahren. »Hast du eins?«

Ihre Augen verengten sich und sie musterte ihn abschätzend. »Mach dich nicht lächerlich.« Sie wusste, dass es eine rhetorische Frage gewesen war, aber sie konnte sich nicht abhalten auf sie zu antworten. Sie hoffte, dass er so das Gespräch aufrecht erhielt, sie seine Stimme noch länger hören konnte. »Außerdem musst du ja nur nachsehen, um es herauszufinden, ich werde dir bestimmt nicht erklären, wie ich mich rasiere!« Prompt wurde das Rot in ihrem Gesicht noch voller. »Ich meine... so war das nicht gemeint.«

»...Wie war es denn dann gemeint?« Seine Hand erreichte ihren Hintern und packte zu, zupfte langsam den Saum ihres Kleides nach oben.

Er brachte sie damit erfolgreich aus dem Konzept. »Uhm... ich wollte damit nur... ich...« Der heimliche Seufzer glitt hart ihre Kehle zurück und ihre Augen pressten sich hart aufeinander. »Ich wollte nur sagen, dass ich nicht über sowas mit dir rede!«

»Ganz ehrlich Robin...« Und damit trafen seine Finger auf Haut, strichen zu ihrer Unterwäsche hinauf und zupften etwas an ihrem Bund herum. »Ich glaub ich werd nie vergessen, wie Nico-chan aussieht. Da brauch ich kein Passbild für.«

»Pa…« die Worte blieben ihr im Halse stecken. Aber… was hatte sie denn überhaupt sagen wollen? Die harte Mischung aus Scham, Sehnsucht und Glück trommelte weiter auf sie ein, dass ihr Herzschlag in ihren Knochen vibrierte. »…Crocodile…« Ihre Blicke trafen sich und sie erkannte die Erregung in seinem Gesicht, die er mühsam zurück drängte. Sie schluckte und wollte wieder weg sehen, doch es ging nicht. »…bist du es jetzt nicht, der... es schlimmer macht?« Wie zur Bestätigung krachte eine Welle der Gänsehaut über die Stelle, die er berührte.

Etwas erschrocken ließ er von ihr ab, blickte in eine andere Richtung. »Tut mir leid...«

»Nicht, dass ich etwas dagegen hätte.« kam es viel zu hastig.

»…«

Vorsichtig, ganz zaghaft strich sie ihm über die frisch rasierte Wange. »...aber das ist deine Entscheidung. Nur das du es weißt. Ich... will dich.« Nur leise kam das Letzte über ihre Lippen, wurde fast von ihr verschluckt. Beinahe nur ein Hauchen, als traute sie sich nicht.

»Ich will dich auch...« kam es noch leiser, als er den Kopf wieder gegen den ihren lehnte.

»Aber...?«

»...Kein aber...«

Nun runzelte sie die Stirn. »...Also ich will dich und du willst mich und es gibt kein Problem dabei? Hab ich das... richtig verstanden?«

Nur ein Nicken und noch mehr Körperkontakt von seiner Seite.

»...also bin ich die ganze Zeit feucht und versuche es nicht zu zeigen, obwohl das völlig in Ordnung ist?«

»Uhm…«

»Also, unterdrücke ich den Drang dich zu berühren auch völlig grundlos, ja?« Sie bemerkte, wie sehr sie ihn damit irritierte. Er wusste gar nicht, was er darauf sagen sollte. Und dies irritierte wiederrum sie. Ihr Blick fiel ab, während ihre Finger dasselbe taten, um seinen Mund herum spielten.
 

»...Bist du... wirklich schon feucht?« fragte er ungläubig.

»Schon?!« Nun riss sie doch wieder die Augen auf. »Oh Gott, Crocodile. Den ganzen Abend siehst du mich so an, als würdest du mich gleich auffressen wollen, dann diese Berührungen, dann gehst du wieder weg, dann küsst du mich, dann gehst du wieder weg... und... dann sagst du schon

»Uhm... ich... uhm...« Nun war er vollkommen vor den Kopf gestoßen.

»Du musst ja wirklich denken, ich bin aus Eis.« Sie holte tief Luft und stellte sich auf Zehenspitzen, damit sie ihre Stirn gegen die seine legen konnte. »Ja, Gott. Ich bin…« Ihre Lippen berührten sich beinahe und der Geruch seines Parfums benebelte ihren Kopf. »…feucht.«

»Hmhm...« quetschte er scheinbar unter großer Anstrengung hervor. Seine Haltung war ganz steif geworden von dieser eigenartigen Kehrtwende der Situation.

Sie ließ den Kopf wieder sinken. »Gefällt dir das nun oder mache ich mich ganz umsonst zum Idioten?«

»Gefällt? Uhm... also...«

»Muss ich jetzt irgendwas Anzügliches sagen? Dir einen Klaps auf den Hintern geben? Ich komme mir sehr fehlbesetzt in deiner Rolle vor.«

»Tss...« Er knurrte leise, aber es erinnerte eher an das Schnurren eines gezähmten Kätzchens als an einen gefährlichen Tiger. »Du... irritierst mich einfach. ...Mehr nicht.«

»Ich irritiere dich? Mit was denn bitte?«

Nun wich er wieder etwas zurück. »Na... mit dem allem.«

»Was wäre dir denn lieber?«

»Ach Gott...« Er rieb sich die Stirn. »Jetzt hast du die Stimmung versaut.«

»Ja, ich hab sie versaut. Wer stottert denn hier?« Ausnahmsweise mal nicht sie.

Er funkelte sie böse an. »Na ich ganz bestimmt nicht!«

»Und was hab ich bitte Falsches gesagt? Es gab mal Zeiten, da hättest du es sexy gefunden.«

»Ich würde es unter anderem Umständen wahrscheinlich auch sexy finden! Aber... Herr Gott, wir haben seit Monaten nicht mit einander gevögelt und ich weiß gar nicht ob es dir schon wieder gut genug dafür geht und ob du überhaupt Lust hast und so weiter. Bin ich Hellseher?«

»…« Mit ernstem Blick zog sie seine Hand zu sich, schob sie zu ihrer Unterwäsche, so dass er ganz genau spüren konnte, was sie meinte. Schließlich küsste sie ihn hitzig auf den Mund, leckte ihm kurz über die Lippen und bemühte sich das Keuchen zurück zu drängen. »Deswegen habe ich gefragt.«

Er zuckte heftig zusammen und stierte ihr entgegen, doch auch er konnte seine Erregung nicht länger verstecken. »...«

»Ich träume sogar davon, weil ich so vermisse... wie damals, als wir hier gelebt haben und du mich nicht mehr sehen wolltest. Nächte lang, manchmal schlimmer als meine Albträume, weil du mir nicht aus dem Kopf gehst. Und wie sollte ich zeigen, dass ich dich will, wenn ich dich doch nicht drängen will?«

Noch immer keine Regung, nur der Blick der sich weiter in ihr Innerstes bohrte, scheinbar auf den richtigen Moment wartete.

Ihre Hand schob sich in sein Haar, ihr Körper kam seinem automatisch näher. »Viel gesünder werde ich wohl nicht mehr und warum sollte ich dich nicht wollen? Bei mir hat sich nie etwas geändert.«

»Also?« kam es etwas ruppiger als gewollt. »Worauf warten wir dann noch?«
 

Ihr Herz klopfte in ihrer Kehle, als sie ihre Lippen wieder an seine presste, ihren Körper folgen ließ, bis er hart an seinen krachte. Sie bemerkte sofort, wie sie ihm abermals den Atem nahm. Er brauchte einen ganzen Moment, ehe er ihn wieder erlangte und den Kuss erwidern konnte. Immer noch zurückhaltend, aber doch schon sehr viel intensiver. Seine Hand verfing sich in ihrem Haar, während er sie noch näher an sich zog. Sie wollte ihn, sie wollte ihn so sehr, dass sie fast nichts Anderes mehr mitbekam. Die Angst, die sie seit ihres Infarktes mit sich herum trug, wurde zum ersten Mal so leise, dass sie sie nicht mehr hören konnte, die Unruhe, das ständige Infragestellen von allem, was Crocodile sagte oder machte, verstummte. Auch ihre zweite Hand glitt in sein Haar, zog seinen Kopf näher zu ihrem Gesicht, bis sie so nah bei ihm war, wie es physikalisch möglich war. Sie presste ihren Körper nach oben, stellte sich beinahe auf die Zehenspitzen, nur um ihn noch intensiver zu schmecken, um noch mehr von ihm in sich aufzunehmen. Sie hatte sich so leer gefühlt, ohne ihn, ohne seine Berührung. Und umso mehr brauchte sie ihn jetzt.
 

Ihm erging es ähnlich, das spürte sie. Es musste so sein. Es konnte einfach nicht anders sein. Seine Bewegungen, seine Gesten, seine Mimik waren vollkommen verändert. Sie spürte es auf ihrer Haut kribbeln, knistern als hätte er eine Wunderkerze entzündet, die nun ihre Flammen auf sie niederließ, ohne sie jedoch dabei zu verbrennen. Plötzlich war er überall, die Welt rückte sie fast aus ihren Fugen, so unsicher war sie sich für einen Moment wo oben und unten lag. Sein Kuss erweichte ihre Knie. Umso fester klammerte sie sich an ihn, aus Angst alle Kraft zu verlieren und in sich zusammenzusacken. Er war da, überall, fuhr ihr vollkommen unter die Haut. Ihre Sinne hatten sich geschärft, nahmen ihre Umwelt viel klarer wahr als zuvor. Da war zuallererst sein Geruch. Herb und ein wenig erdig, im Zusammenspiel mit dem Parfum, das er benutzte, einfach überwältigend. Sie konnte regelrecht spürten wie sich die einzelnen Partikel in ihre Lunge kämpfen und jedes einzelne Lungenbläschen fast zum Bersten brachte. Dann seine Haut, die raue Textur seiner Finger an ihrer Kopfhaut, die leichten kaum vorhandenen Bartstoppel an seinem Kinn und über seinen Lippen, seine Zunge an der ihren, seine weichen Haare zwischen ihren Fingern. Seine Wärme, die Arme, die er um sie schlang und die sie sich wie ein Kind in den Armen seiner Mutter fühlen ließen. Das sanfte, stockende und kaum hörbare Geräusch seines Atems, den er immer wieder anhielt und viel zu panisch wieder einsetzte. Der Herzschlag in seiner Brust, der gegen sie hämmerte, als wolle er ihr etwas sagen.

Alles auf einmal, wie eine Flutwelle brach er über ihr herein, so zerstörerisch wie ein Gewitter. Und doch erfüllte sie nichts weiter als Liebe. So viel auf einmal, dass sie glaubte zu explodieren. Und jedes behutsame Streicheln, jeder sanfte Hauch seines Atems, seines Geschmacks, jeder Ton und jeder Kuss schürte das Feuer in ihr noch mehr. Und selbst seine Erregung, die sich fordernd an ihren Schoß drückte, versetzte ihr noch mehr Schübe dieser Geborgenheit. Hier war sie zuhause. Hier war ihr Ziel.
 

Der Himmel war längst zusammengebrochen, das Universum auf ihn und sie zusammengeschrumpft, nur noch bestehend aus heißem Atem und Sehnsucht. Sie hatte das Gefühl für Raum und Zeit verloren, bemerkte nur noch wie sich die Welt um sie herum schemenhaft bewegte, die Farben in sich zusammenliefen. Ein leichter, kalter Wind an ihrer Schulter, an ihrem Rücken, doch auch er vermochte sie nicht aus ihrer Traumwelt zurückzuholen. Sie spürte ihn an ihren Beinen, seine Lippen, seinen Atem, seine Zunge. Und ehe sie sich dagegen wehren konnte, fühlte sie die Flammen in ihrem Schoß noch heftiger lodern. Sie konnte nicht mehr unterscheiden, was er wo mit ihr tat, aber es war wohl auch egal. Ihre Finger griffen nach ihm und fanden nur seinen Haarschopf unter ihrem Bauch. Es wurde nur noch schlimmer, intensiver, er hörte nicht auf sie mit jedem Kuss, mit jeder neuen Berührung noch tiefer ins Nirvana zu schicken. Sie wollte ihn hochzerren, ihn küssen, aber hatte schon längst vergessen, was ihre Hände, ihre Arme, ihr Körper dazu tun musste. Überrascht, ihre innere Zeit jedoch völlig auf stumm geschalten, konnte sie ihn nicht einmal an seinen Haaren zerren, konnte sich nur unbeholfen auf der kleinen Mauer abstützen, auf der sie saß und versuchen nicht den Verstand zu verlieren. Nur leise Töne glitten ihr über die Lippen und versuchten sie daran zu erinnern, was ich eigentlich hatte sagen wollen.

»...Crocodile... ich... ahh... nicht... doch nicht... hier...«

Als er nicht reagierte, einfach weiter über sie herfiel, versuchte sie sich etwas zurück zudrücken. »...Ich...« Kaum hatte sie den Satz begonnen, vergaß sie den Rest, der dazu gehörte. Sie wollte ihn, sogar sehr, aber doch nicht hier. Nicht auf diesem Turm, nicht in der Kälte der Wüste. Alles an ihr klammerte sich an diesen Gedanken. Es war schwer, Crocodile gab sich ja alle Mühe sie nicht denken zu lassen. Noch ein winziges Stück rutschte sie zurück, tasteten ihre blinden Augen nach der Kante, den ihre Finger scheinbar nicht zu erreichen in der Lage waren. Viel Platz konnte sie doch gar nicht mehr haben, oder? Verbissen biss sie sich auf die Lippen und stöhnte leise.

»...Können wir... können wir nicht, zu dir gehen?« Gott, sie konnte ihre Stimme kaum hören, weil es so in ihr rauschte. Hatte er es gehört? Endlich streckte sich eine Hand aus und fuhr grob zu seinem Schopf und versuchte ihn halbherzig nach oben zu ziehen.

Sie spürte seinen Widerwillen, seinen Widerstand sich von ihr zu entfernen. Nur kurz ließ er von ihr, ehe er noch zielgerichteter vorging und sein eigener Atem dabei ins Stocken geriet. »Ich kann nicht so lang warten...«
 

Was hätte sie bitte dagegen sagen sollen? Sie hatte ihre Kraft schon in ihre letzten Worte gesteckt und jetzt...? Im nächsten Moment fuhr auch ihre zweite Hand zu seinem Haar und ihr gesamter Oberkörper beugte sich leicht nach vorn. Fast stützte sie sich auf ihn, als ihre Welt wieder und wieder über ihr zusammenzubrechen schien. Früher einmal hatte sie sich dagegen wehren können, gegen diese Macht, die von ihr Besitz ergriff, doch sie war zu schwach geworden. »...Oh Gott...« Sie hatte nicht bemerkt, wie sich unter das Keuchen ein Flehen mischte, eine Bitte. Keine Bitte, die nach Einhalt suchte, sondern nach Erlösung. Wie konnte er sie so schnell und so brutal an den Rand stoßen?

Alles was er darauf erwiderte, war nur ihr Name. Er sprach ihn auf so eine eigenartige Art und Weise aus, beinahe wie ein Hilferuf, getränkt voller Sehnsucht. Sie spürte wie er zitterte, wie sein Atem immer heftiger wurde und er doch nicht davon ablassen konnte, was er tat. Hörte er sie überhaupt? Wollte er es? Konnte sie ihn noch erreichen?

Nicht lange ging das so weiter. Nicht länger hielt sie es aus, konnte ihr geschundener Körper so viel auf einmal verarbeiten. Beinahe schmerzhaft verkrampften sich ihre Finger und ein heftiges Rucken ging durch ihre Glieder. Kurz wurden ihre Laute spitzer, lauter, dann hielt sie die Luft an und sie presste die Augen zusammen. Erneut glitt sein Name über ihre Lippen, silbenartig, wie Tropfen auf eine stürmische Wasseroberfläche. Hilflos und leise.

Als ihr Atem wieder einsetzte, schien direkt ein neuer Sturm zu beginnen. Ihr war schwindelig und sie war so verwirrt. Nahm sie sich eigentlich selbst nicht mehr ernst? Wie lange hatte das gedauert? Fünf Minuten? Sie spürte nur beiläufig, wie er sich bewegte, seine Nähe an ihr heraufkletterte wie eine Schlange, von ihr Besitz ergriff. Die Hand lag noch immer besitzergreifend und schützend in ihrem Schoß, streichelte sie so zärtlich wie sie es lange nicht erlebt hatte. Er war vollkommen außer Atem, hievte nur unter Druck die Luft aus seinen Lungen. Ein Blinzeln, die Stimme tiefer als zuvor und doch triefend von Sarkasmus. Er lachte leise, ganz leise und es klang wie rollende Steine, die doch ganz sanft nur über ihre Haut fuhren.

»Hehe... das ging schnell.«

Ihr Gesicht musste leuchten, so heiß vor Scham war es geworden. »…Sei bloß still...«

Sie sah ein zehrendes aber glückliches Lächeln auf seinen Lippen, als er seine Stirn gegen ihre legte und ihr einen Eskimokuss gab. Er rang nach Atem und zitterte noch immer etwas. »Bin ich... so gut oder wars zu lange her?«

»Ist es vielleicht das erste Mal so gekommen?« fragte sie unsicher und versuchte dabei schnippisch zu klingen. Herrgott, wusste er denn nicht, was er in ihr auslöste? Wusste er nicht, dass oft ein Blick reichte, um sie jeden Kontakt mit der Außenwelt fallen zu lassen? Wusste er nicht wie schwer es manchmal war, ihn nicht einfach zu überfallen, ihre ganzen Gelüste auf ihn zu werfen? Wie machte er das? Wie konnte er ihr Innerstes so erschüttern?

Er leckte ihr über den Hals und sie spürte wie erregt er war, so fest war sein Griff. »Sag mir bitte... wenn du wieder bereit bist, ja? ...Ich bin noch nicht fertig mit ihr...«

Wie bei einem Automatismus schob sie ihre linke Hand über seine Brust und hielt ihn fest, lehnte ihre Stirn gegen seine Schulter. »...Gott.«

Demonstrativ biss er ihr in die Schulter und ließ seine Finger wieder weiter hinab fahren. »...der kann dir jetzt auch nicht mehr helfen.«

»…Willst du… denn nicht mehr?«

»Was?« Doch sein Kopf sank bereits wieder nach unten.

Verzweifelt griff sie nach seinem Hosenbund und zog an seinem Gürtel. »Mehr als das.«

»...Gleich... ich muss sie einfach nochmal sehen. Du schmeckst einfach so gut…«

Als hätte man ihr ihre nächsten Worte einfach aus dem Mund genommen und kräftig in den Rachen zurück geschoben. Einmal japste sie förmlich nach Sauerstoff, dann kniff sie die Lippen wieder fest zusammen. Nur ein Murmeln war noch zu hören. Etwas das verdächtig nach "Hentai" klang.

Alles, wonach sie sich danach erinnern konnte, war äußerst schwammig. Es war der Punkt, an dem sie vollends in eine Zwischenstufe ihres Unterbewusstseins abgerutscht war. Sie nahm nichts und doch alles wahr, denn er war allgegenwärtig. Nicht nur er. Es war vor allem seine Stimme, das erregte, atemlose Keuchen und Stöhnen. Es waren seine Berührungen, voller Zuneigung und Lust und Sehnsucht. Es war das Zittern, das sie in ihm auslöste, die Gänsehaut und die Worte, die so oft in ihrem Namen endeten. Seine Wärme, die sie ergriff wie ein Funken das Holz und sie sich bald in einem Flammenmehr wieder fand. Es fühlte sich an, als würde es sie läutern, reinwaschen. Und dazwischen waren abermals seine nicht enden wollenden Küsse, die sie immer tiefer in den Abgrund zogen.
 

Es spielte keine Rolle, ob sie auf dieser Mauer saß, auf seinem Sofa oder seinem Bett. Ihre Umgebung schien sich gar nicht wirklich zu verändern. Auch in der kurzen Zeit von dem Turm bis zu seinem Appartement wirkte alles zweitranig, gar unwirklich, als konzentrierten ihre Sinne sich allein auf ihn. Wie damals. Damals, als sie ihm nicht vertraut hatte, als sie jeden Tag mit dem Ende gerechnet hatte und sich immer vorsichtig bei ihm hatte verhalten müssen, weil sie nie wusste, wann er vielleicht ausrastete. Auch wenn sie nie Angst gehabt hatte, so hatte sie sich immer unsicher gefühlt. Unsicher in sich selbst. Doch vieles hatte sich geändert. Auch heute noch, jetzt, in diesen Momenten trieb er sie in sich selbst zurück, bis sie fast ganz allein war. Nur er bildete sich noch auf ihrer Leinwand ab, nur sein Ton spielte ihr noch um die Ohren, zerrüttete sie. Wieder und wieder. Früher war es nur Sex gewesen. Wild, leidenschaftlich und oft kompromisslos. Sie hatte immer bekommen, was sie wollte und er auch. Sie konnte kaum leugnen, dass sie es nicht mehr bekam. Ob auf eben dieser blöden Mauer, auf diesem verheißungsvollen Turm unter den klaren Sternen der Nacht, die Crocodile so liebte oder in seiner Wohnung, in seinem Bett, unter ihm oder auf ihm. Doch sie gab sich ihm willenlos hin, sie zügelte ihre Emotionen nicht länger, konnte es gar nicht. Ihr Herz schrie voller Sehnsucht nach ihm, als müsste sie einen leeren Fleck darin endlich auffüllen, sich an seinen Zärtlichkeiten laben. Es war nicht so viel wie erdrückt zu werden, sondern endlich aufgenommen zu sein, zu jemandem zu gehören. Trotz ihres Verrates berührte er sie auf diese Weise, trotz der Lügen und des Leides konnte sie bei ihm sein und ohne Furcht. Sie konnte endlich anfangen zu heilen.

Keuchend glitt sie von ihm, als sie das nunmehr vierte Mal zu ihrem Höhepunkt gekommen war und presste ihr vor Anstrengung gerötetes Gesicht gegen seine Brust, um seinem rasenden Herzen zu lauschen. Sie spürte, wie er seine Arme um sie legte und etwas von sich herunter schob, nur um sie dann wieder gegen sich zu drücken, seine Nase in ihren Haaren vergrub. Beinahe fühlte sie, wie er lächelte. Allein mit diesem Gedanken schlief sie ein, mit dem Wissen, dass er sie wirklich festhalten würde. Weil er das wollte, weil er das wirklich wollte. Weil er Nico Robin wollte. Nicht wahr?

Minerva

Es duftete nach frischem Fisch und salziger Seeluft. Die paar Leute, die hier noch Beschäftigung hatten liefen den Kopf voller Dinge an ihr vorbei, ignorierten das kleine Mädchen, dass sich ihren Weg am Steg entlang bahnte. Sie blinzelte, als sie etwas mürrisch nach einem ganz bestimmten Schiff suchte. Sie wusste nicht, wie es aussah, wusste nicht, wonach genau sie suchen musste. Immer wieder versuchte der Wind ihren Hut von ihrem Kopf zu blasen und die Sonne machte es auch nicht leichter. Wieder und wieder kniff Iroko die Augen zusammen. Irgendwo hier musste es doch sein. Bossus Geschmack sollte wirklich nicht allzu kompliziert sein zu entdecken. Manchmal war er wirklich vorhersehbar, vor allem was seinen Stil anging. Insbesondere für ihr Kunstverständnis. Sie musste einfach nur nach etwas suchen, was ihrem Geschmack so gar nicht entsprach. Auch wenn sie gern zugab, dass es zumindest nicht hässlich sein würde. Nur eben... typisch Crocodile.

Endlich lichtete sich die Menschenmenge etwas und sie konnte das passende Schiff erkennen. Oh ja, das sah genauso aus, wie Iroko es sich vorgestellt hatte. Sie blieb direkt davor stehen und hielt sich die Haare etwas aus dem Gesicht. Das Schiff, das nun vor ihr einsam im trüben Wasser des Hafens schaukelte war groß, genau wie ihr erstes. Dreimaster, große Segel, zwölf Kanoniersluken an beiden Seiten, rotbraunes Holz, getäfelt. Ein sehr großes Deck, zwei Ebenen, wobei die hintere zwei Meter höher lag als das untere Deck, auf ihr lag hinter dem Steuerrad noch ein kleiner Navigationsraum. Eingesäumt waren die Flächen von üppig verzierten und neu lackierten Geländern, sogar die Netze, die in die Rahen hinauf führten, waren völlig neu. Die Reling war aus demselben Holz wie auch der Rumpf und ebenso schön und prunkvoll verziert - man kam gar nicht auf die Idee, dass dies ein Piratenschiff sein könnte. Das markanteste an diesem Schiff war wohl die Gallionsfigur. Es war wieder eine Frau, nackt, mit wallenden schönen Haar, tiefen Augen und einem spitzen, brennenden Blick. Sie trug eine Rüstung, einen reichlich verzierten Helm und Gauntlets sowie einen Speer in der Hand. Es sah aus wie ein Kriegsschiff und doch war es von einer geheimnisvollen Schönheit. Das war es, das musste es sein. Es war das einzige Schiff, das noch im Hafen lag, von den kleinen Handelsschaluppen und Fischerbooten abgesehen, die hier jeden Tag zu sehen waren. Das war sie also, die Minerva.

Leise seufzte sie und wandte sich wieder ab, um nach den Anderen Ausschau zu halten. Sie ließ keine Gedanken in ihren Kopf, nahm einfach was kam. Aber insgeheim war sie schon neugierig, wer auftauchen würde und wen sie vielleicht nie wieder sah. Iroko wusste nicht, wann hier jemand ankommen würde. Konnte noch Stunden dauern, aber sie hatte einfach keine Lust mehr irgendwo in der Stadt abzuwarten. Sie hatte es eilig und zumindest konnte sie hier sehen, wenn etwas passierte. Nach einer ganzen Weile setzte sie sich auf eines der aufgestapelten Fässer, die jemand am Steg hatte stehen lassen. Noch etwas länger konnte sie warten. Etwas.

Es dauerte eine ganze Weile, ehe sie zwei vertraute Stimmen hörte, nur leise und gedämpft in der Ferne. Als sie den Kopf in die Richtung drehte, bemerkte sie wie die beiden sich näherten. Ihr Boss und Robin, scheinbar ganz normal in ein Gespräch vertieft. Sie bemerkten sie erst auf die letzten Meter. Crocodile schenkte ihr nur einen kurzen Blick, der zeigte, dass er nicht überrascht war sie hier zu finden. Robins Blick wirkte irgendwie sicherer, als sie dem Mädchen in die Augen schaute. Noch immer vorsichtig und scheinbar unterschwellig besorgt, aber Iroko gab nichts darauf. Stattdessen blickte sie hinter die zwei, um auf den Nächsten zu warten.

Robin gab es schnell auf, etwas zu dem Mädchen sagen zu wollen. Es fiel schwer, die richtigen Worte zu finden. Also sah sie sich das Schiff an. Minerva hatte Crocodile es getauft. Ihr gefiel der Name. War es ihre neu aufkeimende Hoffnung, die ihr suggerierte, dass sie sich dort wohl fühlen würde?
 

»Bist du schon lange hier?« Crocodiles Stimme hatte mehr Kraft als beim letzten Mal, dass sie ihn hatte etwas sagen hören, aber dennoch schwang etwas eigenartig Fremdes dabei mit.

»Eine Weile.« entgegnete sie gewohnt monoton und schenkte ihm nicht einen einzigen Blick.

Es schien ihn nicht weiter zu stören. Er nickte nur stumm, ehe er wortlos die Planke hinauf an Deck ging, um das Schiff zu inspizieren.

Die schwarzhaarige Frau sah ihm nur kurz nach, ehe sie sich ein weiteres Mal an Iroko wandte. »Bist du sicher, dass du unsere Hilfe nicht willst?«

»Ja bin ich.«

Seufzend drehte Robin sich ab. Sie wusste bereits, dass weiteres Reden bei dem Kind nichts bringen würde. Sie wusste aber auch, dass sie es nicht zulassen würde, dass Iroko in ihr Unglück lief. Ein bisschen Zeit hatten sie noch. Ein wenig. Letztendlich folgte sie Crocodile auf die Minerva. Erste, fast zaghafte Schritte auf ihr neues "Zuhause". Crocodile war inzwischen in dem kleinen Anbau auf dem oberen Deck verschwunden, der mit hoher Wahrscheinlichkeit der Navigationsraum war. Robin dagegen blieb direkt auf dem Deck stehen und hielt die Nase in die Luft, schloss ihre Augen und atmete tief durch. Es fühlte sich richtig an, angenehm. Hatte sie das jemals auf einem Schiff gespürt? Seit wann war sie eigentlich so empfindlich für die Auren um sie herum? Sie war weiß Gott kein besonders spiritueller Mensch und dennoch... Ein leichtes Lächeln glitzerte auf ihren sonst so apathischen Zügen. Vorsichtig öffnete sie ihre Augen wieder und nahm jeden Zentimeter ganz genau in sich auf. Iroko hatte Recht. Es war ganz Crocodiles Stil, aber das war nicht alles. Was das Mädchen nicht bemerkt hatte, war für sie ganz offensichtlich. Crocodile war nicht mehr der gleiche Mann, wie damals. Nicht mehr der Gleiche, der vor nunmehr vier Monaten Arabasta verlassen hatte. Sie wusste nur noch nicht, ob das wirklich gut war oder nicht.

Wie sie da so stand, bemerkte sie plötzlich aus dem Augenwinkel, dass sich noch jemand dem Schiff näherte. Ihre Augen weiteten sich leicht, als sie erkannte wer es war. Er war wie ausgewechselt, lief ganz langsam und bedacht, nicht schüchtern, sondern voller Entschlossenheit. Er blickte das kleine Mädchen auf dem Fass nur kurz an, ehe er die Planke hinauf lief. Auch Robin schenkte er nur einen kurzen, nichtssagenden Blick, ehe er ihr zunickte und dann schnurstracks in die Kajüten unter Deck steuerte. Er hatte seine Haare in einem Pferdeschwanz nach hinten gebunden und trug ein blau-weiß kariertes Hemd zu etwas, das wie eine Badehose aussah. Es irritierte Robin nicht wenig, dass Gal so souverän an ihr vorbei gegangen war. Er wirkte so anders, voller Tatendrang, voller Mut und doch noch immer mit einer gehörigen Prise Obacht, Vorsicht und Distanziertheit. Als wüsste er wirklich, worauf er sich ein ließ.

Sie hatte tatsächlich zu kämpfen ihre Überraschung nicht zu zeigen. Anders als Iroko, die ihm nur eine erhobene Braue offenbart hatte, wollte Robin die ganze Zeit der Mund aufklappen. Gal war wirklich zurück gekommen? Das war überraschend. Milde ausgedrückt. Es machte sie glücklich, aber auch seltsam schwermütig. Sie hoffte so sehr, dass das nicht die falsche Entscheidung gewesen war. Allerdings hatte Crocodile Recht gehabt. Es war ihre Entscheidung. Jeder musste sich hier bewusst dazu entscheiden, die Gefahr einzugehen und in der Tat, Gal hatte scheinbar eine Entscheidung getroffen und würde dabei bleiben.

Und in der Tat. Gal wusste worauf er sich einließ. Hoffte er zumindest. Das war alles gewesen, worüber er die letzten Tage hatte nachdenken können. Ein ständiges Abwägen für und gegen die Crew. Wenn sie überhaupt noch eine Crew waren. Sonnenbrücken hatte ihm etwas gezeigt, hatte ihm etwas offenbart, was er zuvor nicht hatte sehen können. Sie hatten die Wahrheit gesagt, allesamt. Crocodile, Bon, Uma und Robin. Sie gaben etwas auf ihn, er war ihnen nicht egal, sie waren nicht nur egoistisch. Sie alle gaben etwas auf den Rest, sie alle wollten nicht wirklich gehen. Das hatte er eingesehen. Er wollte nicht gehen, nicht wirklich zumindest. Er wollte hier bleiben, bei den Menschen, die ihm ein Zuhause gegeben hatten. Selbst wenn es nicht mehr so viele sein würde, wie zu Anfang. Selbst wenn am Ende vielleicht nur er, sein Boss, Robin und Bon lossegeln würden. Er wollte es versuchen. Die letzte Chance. Eine endgültige. So viel war er ihnen doch schuldig, oder? So viel war er sich selbst schuldig.

Er hatte die Tarotkarte, die ihm auf Koko zugeflogen war, noch immer in der Hosentasche. Sie sollte ihm Mut geben, ihn daran erinnern, was er konnte, was in ihm steckte, was er für seine Crew getan hatte. Wie er den Mut aufgebrachte hatte, für sie einzustehen, ohne wegzulaufen wie er es immer getan hatte. Und sie erinnerte ihn an jene schrecklichen Stunden, die er in dem Tunnel verbracht hatte, an die Dinge, die ihnen widerfahren waren, an Robins Worte, an Umas Worte, an all die Wahrheiten, die ausgesprochen wurden. Er wollte nicht mehr weglaufen, nicht schon wieder. Und wenn er dabei starb, dann war dem eben so. Zumindest einmal, zumindest dieses Mal würde er kämpfen, selbst wenn er dabei drauf ging. Dann hatte er es zumindest versucht. Dann konnte er auf sich stolz sein. Dann war er zumindest einmal in seinem Leben ein richtiger Mann gewesen. Es ging ihm dabei nicht direkt um Robin. Ihm war durchaus bewusst, dass er mit ihr an seiner Seite noch gefährlicher lebte als je zuvor, aber darum ging es wirklich nicht. Es war ihm fast egal. Die Gefahr wirkte nicht mehr so groß, so allumfassend. Sie hatte sich verkleinert, durch die Anwesenheit seines Bosses, durch die der anderen, die ihm gezeigt hatten, dass man kämpfen musste, egal wie schwer der Weg aussah. Er würde nicht wegen Robin sterben, er würde sich nicht für Robin opfern. Er würde einfach nur ein Leben nach seinen Vorstellungen leben. Und wenn er dabei mit einer gesuchten Frau reiste, dann machte es das Ganze nicht schlimmer oder besser. Es war ganz egal. Und wenn er dabei starb, weil er versuchte für seine Freunde in die Bresche zu springen, egal um welchen es sich dabei handeln würde, dann war dem eben so. Aber zu sagen, dass er sich deswegen für Robin opfern würde, schien ihm absurd. Er wusste worauf er sich einließ. Ja, das wusste er wirklich. Nico Robin war ihm egal. Die Regierung war ihm egal. Das waren nur Namen, nur Dinge, die ihn nicht tangierten. Alles, was noch für ihn zählte, war dieses Schiff und die Crew. Sein Boss, Robin und alle, die noch kommen würden.
 

Mit auf Gals Liste der Freunde standen Uma und Miki und wieder war es Iroko, die nur einen kurzen Blick für die zwei Ankömmlinge hatte und Robin, die leicht überrascht zu ihnen schaute. Anders als Gal gingen die Zwei aber nicht einfach an ihr vorbei, sondern blieben vor ihr auf dem Deck stehen. Miki wirkte wie immer völlig gelassen und ohne Worte für sie. Nur seine Augen leuchteten merkwürdig intensiv. Erst auf den zweiten Blick hörte sie das aufgebrachte Bellen und das Schnüffeln Lassos, der um ihre Beine strolchte. Umas Ausdruck war dagegen ein richtiges Feuerwerk an Emotionen. Eigentlich war alles mit dabei. Wut, Schmerz, Irritation und Sorge, aber auch Mut und so etwas Ähnliches wie Zuversicht. Sie konnte nicht sagen, was in Uma wirklich vor sich ging, aber Robin vermutete der Grund dafür, dass sie überhaupt hier stand, lag bei Miki.

»Na gut, Kindchen. Hier sind wir. Ja, sind wir. Wir werden bleiben. Ja, alle beide.« Miki räusperte sich langatmig, woraufhin Uma nachsetzte. »Jajajajaja, alle drei. Alle drei.«

Mehr Worte folgten nicht. Sofort setzte Uma sich wieder in Bewegung, um ihre neuen Unterkünfte und die Küche in Augenschein zu nehmen. Miki trottete ihr langsam hinterher und nur Lasso blieb neben Robin, schnüffelte an ihren Füßen herum. Erst beim Abgang winkte Miki ihr nach. Er schien ganz zuversichtlich zu sein, nur bei Uma war Robin sich nicht sicher.

Und Recht hatte sie. Während Mikis Entscheidung praktisch schon auf Suimin gefallen war, haderte Uma noch jetzt mit der Situation. Für sie stand noch längst nicht endgültig fest, dass sie bleiben würde. Gut, sie war hier, und das wirklich nur für Miki. Sie hatte zwar versucht Robin ins Gewissen zu reden und nach deren Auftreten hatte es sich etwas verbessert, aber sie glaubte nicht an Wunder über Nacht. Das wirkliche Problem lag bei Uma an der Tatenlosigkeit. Das siechende Vergehen von den Dingen, die einem so unheimlich wichtig sind. Sie sah das Potenzial, aber sie würde erst daran glauben, wenn sie es spürte. Wenn sie spürte, dass Robin kämpfte, wenn sie spürte, dass das alles kein rein sinnloses Unterfangen war, das regelrecht nach Niederlage schrie. Sie hatte Gal in der Menge erkannt und fast erleichtert ausgeatmet. Er war weit vor ihnen gewesen, aber doch ganz deutlich erkennbar. Der Junge hatte offenbar etwas dazugelernt. Ja, da war die Chance, das hier raus etwas Gutes werden konnte. Aber das hing nun einmal nicht nur von ihr und auch nicht nur von Gal ab. Egal wohin sie blickte. Überall waren Probleme und das würde sich nicht von allein beheben, aber zumindest hatte Miki ihr etwas Geduld eingeredet. Warten. Sie sollte nur noch etwas warten. Miki, der Mann war so vertrauensselig. Er glaubte fest daran, dass sein Boss die Sache unter Kontrolle hatte, war sicher, dass Robin diesmal ehrlich war. War so davon überzeugt, dass beide eine Lösung für die Schwierigkeiten finden konnten. Irgendwie schien er wirklich zu glauben, dass die Lösung vom Himmel fiel, aber egal. Sie vertraute weder Crocodile noch Robin hundert prozentig, aber sie glaubte an Miki. Er war niemand, der leichtfertig seine Loyalität an jemanden verschenkte. Und alles, was er von ihr wollte, war ein kleines bisschen Geduld. Also gut, das konnte sie ihm geben. Für eine Weile. Ein bisschen.
 

Ein paar Stunden später stand Iroko endlich auf dem Deck des neuen Schiffes und sah es sich zum ersten Mal genauer an. Es wurde langsam spät und sie hatte es aufgegeben noch länger zu warten. Sie wunderte sich etwas, dass Bon noch immer nicht hier war, aber der Mann liebte seinen großen Auftritt. Dass Paula noch nicht hier war, wunderte sie dagegen gar nicht. Auch wenn sie gehofft hatte, dass ihre Worte zumindest etwas bezweckt hatten. Es war schließlich nicht gelogen gewesen. Sie wusste, dass es ihrem Boss weh tun würde. Sie spürte es einfach. Auch wenn er es niemals zugegeben hätte. Letztendlich zuckte sie doch nur die Schultern und trat unter der Deck. Uma kam ihr im selben Moment entgegen, aber bekam nur das wortlose Kopfnicken, nach der Frage, ob niemand mehr gekommen sei. Seufzend blieb Uma im Gang stehen. So so, Bon ließ sich also Zeit und Paula kam nicht? Sie schüttelte den Kopf. Na schön, schade wars, aber sie würde nicht wieder daran zerbrechen. Miki hingegen war ein anderes Kaliber. Uma hatte das unbestimmte Gefühl, dass der Riese einen Narren an ihnen allen gefressen hatte. Es würde ihm das Herz brechen. Ganz sicher. Und kaum an ihn gedacht, kam er auch schon auf sie zu, aus der Küche. Sie schüttelte den Kopf, als sie seinen fragenden Blick erkannte. Es dauerte zwar einen ganzen Moment, aber schließlich schlich ein verziehen seiner Lippen auf sein Gesicht. Trauer. Uh, na toll, ganz toll!

In eben diesen Moment hörten sie über Deck ein eigenartig dumpfes Klacken. Schritte, die über Deck fegten und die Treppen nach oben nahmen. Ein Teil der Schritte endete bereite, doch der zweite nahm den Weg in den Navigationsraum. Es klang ganz eindeutig nach High Heels.
 

Die Tür zum Navigationsraum schwang nach einem kurzen, gedämpften Klopfen auf. Crocodile hatte gar nicht die Möglichkeit gehabt herein zu bitten, da stand die Frau auch schon hinter ihm. Ungewöhnlich brav in einem bis zu den Knien reichenden rüschigen weißen Kleid, mit blauen Rosen und Ranken verziert. Die Haare in einer Hochsteckfrisur verstaut, wenig Schminke im Gesicht, weiße, hochhackige Sandalen. Nur der Gipsarm verunstaltete ihre hübsche Gestalt und die grünen Augen, die nun auf ihm ruhten. Paula schwang ein Mal ihren Kopf, um eine Strähne, die ihr ins Gesicht hing, nach hinten zu verbannen. Ihr Blick war nichtssagend, distanziert und doch lauerte ein Geheimnis in ihnen, wartete etwas auszubrechen. Nur kurz weilten ihre Augen auf ihm, dann erkundeten sie für einen kurzen Moment den Raum. Ein kleines, dunkles Zimmer, das gen Heck ausgerichtet war. Voller Karten und einigen Lampen, voller Bücher und ein breiter massiver Schreibtisch in der Mitte, zum Fenster ausgerichtet. Ihr Boss hatte wohl gerade etwas geplant, als sie unangekündigt hinein geplatzt war. Die Köchin ignorierte den Stich in ihrem Herzen, der dadurch ausgelöst wurde und blickte wieder zurück zu ihm, hinauf in seine nichtssagenden, kalten Augen. Seine Aura bedrohte sie bereits mit ihrer Allgegenwärtigkeit, drückte sie an die Wand und nahm ihr die Luft zum Atmen. Ja, das war ihr Boss. Allein sein Blick konnte einen Menschen sich unwohl fühlen lassen, schwach und klein, unbedeutend. Sie schluckte hart und hob den Kopf, straffte die Schultern, um ihn entgegentreten zu können.

Er machte nicht die Anstalten etwas sagen zu wollen. Scheinbar desinteressiert wandte er sich ihr gänzlich zu, lehnte sich an den Schreibtisch hinter ihm und zwang sich nicht die Arme zu verschränken. Seine Haltung sprach eine klare Sprache: Was willst du hier? Die Luft wurde immer dicker, sodass es der kleinen Frau ihr schwer fiel ihren Mund aufzumachen. Es war sowieso schon schwer genug ihm hier unter die Augen zu treten. Aber sie hatte es sich geschworen, sie hatte es verdient. Ihr ungebrochener Arm stemmte sich in ihre Hüfte, um ihr noch mehr Halt zu geben. Der Blick wurde kälter, um seine eigene Kälte aushalten zu können.

»Was ist? Warum sagen Sie nichts?«

Keine Regung, er war vollkommen starr, seine Stimme tonlos. »Was sollte ich sagen?«

Ihre Augenlider senkten sich etwas, gaben ihrem Gesicht eisigere Züge. »Ich weiß, dass Sie es mir nicht verzeihen können, was ich getan hab.«

Noch immer nichts.

Nun musste sie den Blick doch abwenden. Da hatte sie es, schwarz auf weiß. »Ich möchte mich hier sicherlich nicht rausreden oder irgendwelche Gründe finden, die es gar nicht gibt.« Eine Pause folgte, in der sie krampfhaft versuchte ihn wieder anzusehen, doch sie schaffte es nicht. Sie konnte ihm nicht in die Augen blicken. »Alles... was ich sagen wollte... ist...« Ein Kloß machte es ihr schwerer zu reden. Sie fühlte sich beengt, als würde er ihr die Kehle zudrücken. »…ist... nur...« Sie schloss die Augen unter der Last und verfluchte sich, dass sie ausgerechnet jetzt ins Stottern kam. Scheiße nochmal! »...Kch.«

Doch Crocodile schien keine Anstalten zu machen einzugreifen. Er stand nur weiter da, lehnte an seinem massiven Schreibtisch und musterte sie – das spürte sie bis unter ihre Haut. Es machte die Sache nur noch schwieriger. Schweiß brach in ihr aus, sie spürte ihn an ihrem Kleid reiben, fühlte wie sie anfing zu zittern. Wie sollte sie das nur machen? Wie brachte sie diese Worte nur heraus? Was würde nun überhaupt noch etwas bringen? Es war doch sowieso alles egal. Es war alles vorbei. Sie hatte hier nichts zu suchen. Sie gehörte nicht mehr hierhin, sie gehörte nicht mehr zu ihm. Es war Zeit sich zu verabschieden.
 

Endlich brachte sie den Mut auf aufzublicken und was er nun sah, waren die zitternden Augenaufschläge einer viel jüngeren Paula. »Was bringt das schon? Selbst wenn ich sage, es tut mir leid, würden Sie doch nichts darauf geben. Nicht wahr? Das macht nichts wieder gut. Selbst wenn ich es erkläre, hassen Sie mich noch immer dafür. Ich nehm es Ihnen nicht übel, wirklich nicht. Ich kann mir ja selbst kaum noch in die Augen sehen.«

Nun krachte ihr Blick zu Boden und das Zittern wurde schlimmer. »Es tut mir leid, Bossu... Wirklich, es tut mir leid... Ich... es war... ich konnte einfach nicht ansehen, was dieser Kerl mit ihnen machen wollte. ...Ich wollte Zeit schinden, wollte lügen, damit ich nicht zusehen muss, wie sie gefoltert werden. Iroko hatte Recht... es ging mir um mich. Ich wollte das nicht sehen. Ich wollte das nicht hören. Ich wollte nicht, dass sie für Robin sterben... Ich dachte...«

Nun kamen die ersten Tränen. »Ich dachte Sie interessieren sich nur für Robin... ich dachte wir sind Ihnen egal. Aber... aber... ich wollte mich noch bedanken, dass Sie mich vor diesem Typ gerettet haben. Ich... ich hätte nicht gedacht, dass ich Ihnen überhaupt etwas wert wäre... Und... und... ich... ich wollte... Sie nicht verraten... nicht wirklich... aber ich wusste... ich wusste einfach nicht was ich noch tun soll. Ich war verzweifelt.«

Schluchzen, sie ließ den Kopf weiter hängen, dass er sie nicht sehen konnte. »Es tut mir leid... ich weiß, Sie wollen das gar nicht hören... es ist sowieso vorbei. ...Ich weiß, was ich zu tun habe. Tut mir leid... Ich werde Sie nicht weiter belästigen. Ich wollte... Ihnen das nur sagen...«

Mit diesen Worten drehte sie sich wieder um und wollte die Tür aufreißen, als sie seine tiefe und eigenartig gedrungene Stimme davon abhielt. »Paula, jetzt warte doch Mal.«
 

Ihre Hand zitterte inzwischen so sehr, dass sie es schwer hatte die Tür wieder zu schließen und den Knauf loszulassen. Seine Aura bedrängte sie noch immer, nahm ihr die Luft zum Atmen und geißelte ihre Tränen. Sie hörte Schmerz aus seinen Worten, aber da war noch etwas anderes, was sie nicht zu deuten wusste. »Ich möchte nur etwas klar stellen.« Sie hörte wie er versuche die richtigen Worte zu finden, es schien ihm genauso schwer zu fallen wie ihr. »...Ich sehe das, was du getan hast, nicht als Verrat an.«

Ihre Augen weiteten sich und für einen Moment setzte ihr aus. Was? Wie bitte? Zittrig drehte sie sich um, starrte ihn an.

Sein Blick war fest und doch war da noch immer dieses eigenartige Ding, das aus ihm schrie. »...Du hast gelogen. Sie hätten Robin nicht gefunden, nicht auf Nankin-Mushi. Du hast sie nicht in Gefahr gebracht.«

Ihr Mund klappte auf, doch weil sie nicht imstande war auch nur einen Gedanken zu bilden, klappte er gleich wieder zu, vollkommen ungläubig.

Seine braunen Augen bohrten sich ihr entgegen, als wollten sie in ihrem Innersten wühlen. Sie spürte ihn, als wäre er bereits in sie eingedrungen, so nah war er. »Du hast mich verraten, das stimmt. Aber das Schlimmste, was mir dadurch hätte drohen können, wäre die Aufgabe meines Titels gewesen. Zumindest wenn es nach der Regierung gegangen wäre. Dass dieser Sonnenbrücken nach seiner eigenen Moral gehandelt hat, hat die Sache aber erschwert. ...Versteh mich nicht falsch. ...Es hätte mir nicht sonderlich viel ausgemacht dort zu sterben. Nicht mit deiner Lüge. Weil du sie auf eine falsche Fährte geführt hast. Sie hätten Robin nicht so schnell gefunden. ...Ich verstehe deine Gründe. Ich verstehe sie ziemlich gut. ...Nur... dass du es weißt.«
 

Vollkommen perplex stierte sie ihm weiter entgegen, noch immer unfähig irgendwas zu denken oder zu sagen. Nur einige Worte purzelten ihr ungewollt aus dem Mund. »A... aber...« Sie blinzelte heftig, ihre Augenlider flatterten richtig vor lauter Irritation. Dann schüttelte sie den Kopf und blickte zu Boden.

»...Ich will dich nicht abhalten zu gehen. Ich habe es jedem von euch frei gelassen, ob er gehen will oder nicht. Ihr wisst alle, wie gefährlich es bei uns ist. Die letzten Wochen haben es zur Genüge gezeigt. ...Ich wünsche dir und Jazz... alles Gute.«

Nun kamen ihr wieder die Tränen, doch sie raffte sich auf ihn ein letztes Mal anzusehen, die Augen und Wangen völlig gerötet und eingeweicht von ihren salzigen Tränen. »Bossu...«

»...« Nun war es an ihm den Blick abzuwenden.

Bebend stolperte sie näher, scheute sich aber den letzten Schritt auf ihn zu zumachen. »...Soll das... soll das etwa heißen, dass... dass Sie... uns wirklich gern hatten? Soll das etwa heißen Iroko hat Recht? Sind wir Ihre Freunde? Bitte sagen Sie etwas! Bitte, Bossu!«

Irritiert starrte er sie wieder an und man sah, dass ihm für einen Moment der Atem stockte. Er wusste gar nicht, was er sagen sollte.

Erneut schüttelte Paula den Kopf und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. »Es tut mir so leid... ich hab alles kaputt gemacht. Ich wäre so gerne Ihre Freundin geblieben. Ich würde so gern alles rückgängig machen. Ich würde so gerne bleiben. Aber ich weiß, dass das nicht geht. ...Es tut mir so leid...«

Als das Schluchzen noch schlimmer wurde, hob Crocodile die Hand, ohne zu wissen, was er mit ihr tun sollte. Sie sank wieder zurück, doch seine Augen hefteten weiter an der blauhaarigen Frau vor ihm. Er wirkte unsicher, als würde er etwas zurück halten. Doch dann, plötzlich sank seine Stimme, ehe sie nur noch ein tiefes, dumpfes und unsicheres Hauchen war. »Paula... du... möchtest also bleiben?«
 

Wie ein kleines Kind nickte sie heftig, während sie sich das salzige Wasser aus den Augen wischte. »Ich weiß, dass es nicht geht... Ich verstehe das – wirklich. Ich habe Sie enttäuscht.«

»...Du kannst bleiben, wenn du möchtest. Aber...« Er wandte den Blick ab, in ein Nichts. »...ich... es wird... ich kann nicht...« Seine Hand legte sich an seine Stirn und sein Ausdruck wirkte gequält. »...hör zu... ich... wenn du wirklich hier bleiben willst, dann du musst du darauf gefasst sein, dass ich... ich werde...« Er atmete tief ein und blickte sie an, sammelte all seine verbliebene Kraft und kehrte wieder zu seiner alten Maske zurück. »...Wenn du bleibst, musst du etwas für mich tun.«

Verwirrt starrte Paula ihn unter ihren aufgequollenen Augen an. »...Was?«

»...Ich kann es dir noch nicht sagen. Aber... ich werde es, wenn du bleiben möchtest.« Sein Blick schrie um Hilfe, zumindest hatte Paula das Gefühl sie würden es tun, so hilflos wirkte er in diesem Moment. »Ich schaffe es nicht alleine.«

Einen sehr sehr langen Moment starrte sie ihn einfach nur an, als wäre sie in Stein gemeißelt. Ihr Boss wollte, dass sie blieb? Er wollte, dass sie ihm half? Was zum Teufel war los? Was war passiert? Was hatte er vor? Die Irritation hatte sich so sehr verstärkt, dass ihre Tränen aufgehört hatten sie zu belästigen. Nur noch ihr nasser, geweiteter Blick harrte auf ihm, klammerte sich an seine dunklen Augen, als wären sie Götzen. Und dann machte ihr Herz einen wohligen Sprung, als sie sich selbst die Worte sagen hörte, die sie lieber verheimlicht hätte. »Ich bleibe. Ich lasse Sie nicht im Stich, Bossu. Was auch immer es ist, ich werde Ihnen helfen.«
 

~ ~ ~
 

Es fehlte nur noch Bon.
 

Der Abend dämmerte, die Sonne begann gerade unterzugehen, war bald nur noch eine rot-leuchtende Kugel am Himmel und die Temperaturen senkten sich ebenfalls träge. Es war längst nicht mehr so heiß wie vor ein paar Stunden und Robin saß inzwischen auf der Reling und starrte auf die Stadt vor sich. Bis auf Bon waren sie alle wieder zurück gekommen. Sie konnte es wirklich kaum fassen, nicht begreifen und gleichzeitig konnte sie das gierige Schlagen ihres Herzens nicht ignorieren, das ihr sagte "es ist noch nicht vorbei, es gibt noch Hoffnung für euch". Nicht nur für sie und Crocodile, sondern für Baroque Works. Was als Untergrundorganisation angefangen hatte, um ein schreckliches Geheimnis aus der Vergangenheit aufzudecken, hatte in einem Desaster geendet und scheinbar... scheinbar ging es jetzt doch noch weiter. Sie sollte sich nicht zu viel dabei denken, nichts interpretieren, aber... sie waren alle hier und Bon? Nein, Robin war sich sicher, dass er noch kommen würde, kommen musste. Sie war sich über niemanden so sicher, wie über Bon.

Es dauerte nicht mehr sehr viel lange, da erkannte sie seine Silhouette. Groß, wie immer mit dem exzentrischen Mantel, der ihm um die behaarten Beine wehte. Die letzten Sonnenstrahlen fielen ihm auf den Rücken, so dass sein Gesicht kaum auszumachen war. Seine Schultern waren leicht nach vorn gebeugt und er wirkte seltsam niedergeschlagen. Kurz vor der Rampe blieb er auf dem Steg stehen und sein Kopf hob sich langsam. Fast vermisste Robin noch dramatische Musik, eine Geige oder Trommelschlag. Als er aufblickte, erkannte sie Tränen, die ihm sein Make-up verschmierten. Ein paar weitere Sekunden passierte gar nichts, ehe er in lautes Kreischen ausbrach. »Ahhhhhhhhh, Robin-chaaaaaan!!!!!«

Sein Kreischen wurde immer lauter und nach nur kurzer Zeit rann ihm der Rotz aus allen möglichen Körperöffnungen. »BHUHUHUHUHUUHUHUHUUHU!!!«

Irritiert stand sie auf und kam den Steg herunter. »Bon? Was ist de-« Doch sofort unterbrach er sie, riss den Arm nach oben, reckte den Kopf zur Seite und schrie weiter. »Ahhh, komm nicht näher Robin-chaaaan, sonst bringe ich nicht fertig, was ich geplant hab!«

Vorsichtig zog sie die Augenbrauen nach oben. »Ich versteh nicht ganz.«

»Buhuhuhuhuhu! Rooooobiiiin-chaaaaan!«

Mitten auf dem Steg hielt sie nun inne und betrachtete den Mann unsicher, als auch Uma sich über die Reling beugte- »Neee, was krakeelst du denn schon wieder so hier rum, eh? Eh? Was soll das? Was soll das denn? Jetzt mach nicht so ein Drama, sondern komm endlich hoch. Wir warten hier nur noch auf dich. Ja, auf dich, du Schnecke!«

»Buhuhuhuuhu!« Das Gejammer wurde noch schlimmer. »Umaaaaaa! Mähhhhhhhhhhhhhhhh! Ich werde euch alle soooo vermissen!«

»Vermissen? Was soll das denn heißen? Ne, ne? Nenenenenenenene?«

Robins Blick wurde langsam düster. »Du willst nicht mitkommen?« Das konnte doch gar nicht sein.

»Buhuhuhu, es tut mir so leid Robin-chaaan!« Endlich warf er sich, in einer halben Drehung auf sie und drückte sie besitzergreifend an sie. »Ahhhh! Sei mir nicht böse! Ich liebe dich doch Robin-chan!!! Aber ich muss was gaaanz Dringendes erledigen. Ja, gaaanz extrem dringend. Ich komme wieder. Ich schwöre es. Ja, bei meinem Leben!« Nur Bruchteile nachdem er mit seiner Ansprache begonnen hatte, segelte ein neues Schiff in den Hafen, besonders markant an seinem pinken Rumpf auszumachen. Es war Bon's Schiff, seine alte Crew, die ihnen damals zum Abschied gewunken hatte. Auch dieses Mal winkte man ihnen entgegen, aber es wirkte anders. Bon heulte sich noch immer bei Robin aus. »Ahhhhhhhhhhh! Sei mir nicht böse, Robin-chan!«

»Ich…«

»Biiiiiitteeeeeeeee!«

»Was...Bon..« Sie schob ihn etwas von sich. »Was hast du denn vor?«

Er schniefte herzzerreißend und drückte den Kopf gegen Robins. »Erinnerst du dich noch an Kawari-ori? Die Winterinsel mit den ganzen alten Leuten und dem kleinen Mädchen?«

»…Ja.«

Nun kam auch Gal an Deck und blickte perplex auf das Schauspiel, das da geboten wurde. Nur ein paar Meter daneben stand Crocodile, dessen Miene nichts verriet.

»Buhuhuhu, bevor wir auf unbestimmte Zeit davon segeln und nie vielleicht nie wieder zurück kommen, muss ich mein Versprechen einlösen, was ich der kleinen Tima gegeben habe.« Kaum hatte er das gesagt, drehte sich sein Schiff etwas und man konnte massenweise Kontainer erkennen. »Buhuhuhu, Kleider, Essen und noch mehr, was das Herz begehrt!«

Robin's Augen wurden immer größer. Ja, sie konnte sich an diese Insel erinnern. Die erste Station auf ihrer Suche nach Pluton. Eine einsame Insel, auf der es praktisch nichts gegeben hatte außer Schnee und diese verwahrlosten, kranken, dem Tode nahen Menschen. Und sie erinnerte sich auch an Bon's Versprechen dem Mädchen gegenüber. Das Mädchen, dass nicht einmal gewusst hatte, was ein Bonbon war und jetzt wollte der Inbegriff der Süßlichkeit ihnen zur Rettung eilen.

Noch immer presste er sich an sie und schien sie gar nicht mehr loslassen zu wollen. In keiner Sekunde ging sein Blick zu seinem Boss oder zu Gal, nur Robin schien ihm wichtig zu sein, in diesem Moment. Irgendwann ließ er dann doch locker und starrte der Frau tief in die Augen. »Hab Geduld, Robin-chan, ich bin bald wieder bei euch. So schnell könnt ihr gar nicht segeln, da bin ich schon wieder da!« Er weinte noch immer und als Robin zum Sprechen ansetzte, küsste er sie unvermittelt auf die Stirn und flüsterte. »Pass auf Iroko-chan auf und... auf dich, Robin.«

»Ich...« Sie wusste gar nicht, was sie sagen sollte. Viel Zeit ließ er ihr nicht, sprang einfach plötzlich im Lauf auf die Reling seines eigenes Schiffs und heulte sich die Seele aus dem Leib, winkte ihnen theatralisch und wirbelte immer wieder umher, dass sogar die Sonne blass wurde. Alles glitzerte um ihn herum, schon beinahe so sehr, dass einem die Augen weh taten. Das Schiff setzte sich in Bewegung. »Bald sehen wir uns wieder! Wartet auch mich! Ich kehre zurück! Ich schwöre es!!!«
 

Robin stand einfach nur da und zum wiederholten Male an diesem Tag wollte ihr der Mund aufspringen. Was zum? Nur Uma konnte es nicht aufhalten und ratterte vor sich hin. »Hääää? Was? Was? Was? Was? Was? Was? Das ist sein Ernst? Er geht? Er geht? Was? Was? Was?«

Auch Gal wirkte mächtig irritiert. Sein Mund stand ein Stück auf, und als er dies bemerkte, klappte er ihn gleich wieder zu. Damit hatte er nicht gerechnet.

Es dauerte ewig, ehe Robin sich darauf besann und mit leicht hängendem Kopf die Planke wieder herauf kam, sich an Deck stellte und jetzt nur noch darauf wartete, dass das Schiff ablegte. Bon war... nicht hier? Das war tatsächlich schmerzhaft. Es machte sie richtig unglücklich. Sie konnte ihn verstehen. Bon würde sein Versprechen einhalten und dann zu ihnen stoßen, aber... es war merkwürdig. Besser sie dachte nicht zu lange darüber nach. Ausgerechnet Bon?

Uma stand noch immer über der Reling gelehnt da und starrte dem sich entfernenden Schwanenschiff nach. »....Eh?«

Crocodile hatte sich schon längst wieder umgedreht und war unter Deck verschwunden, als Gal endlich den Mund wieder aufbekam. Auch er starrte noch ungläubig seinem alten Zimmerpartner nach. »Er... ist weg.«

Etwas aufgebracht klatschte Umas Faust auf die neue Reling der Minerva. »Da brat mir einer nen Storch. Ich hätt ja mit allem gerechnet, nur nicht damit!«

Ihr Gegenüber wirkte etwas geknickt, wandte sich nun aber von ihr ab. »Er kommt ja wieder.«

Darauf erwiderte die Maulwurfsfrau nichts. Er würde wieder kommen. Nur wann?

»Alle an Deck, wir legen ab!« hörten sie Crocodile dumpf rufen. Kurz darauf war Jazz bereits in den Netzen.

Robin drehte sich noch ein letztes Mal um und blickte über ihre Schulter zurück, an den Horizont an dem Bons Schiff verschwand. Er hielt sein Versprechen. Das war Bon Clay, so wie sie ihn kannte. Aber musste das jetzt sein? Sie hätte ihn so gerne um sich herum.

Quom - Schuldenlast

Zehn Tage waren vergangen, seit die Minerva den Hafen Nanohanas verlassen hatte. So lange kam es ihr gar nicht vor. Die Zeit ging wieder schneller vorbei, war nicht so unerträglich wie zuvor. Das lag nicht nur daran, dass Crocodile sich ihr langsam wieder öffnete. Nein, auch auf dem Schiff hatte sie die Atmosphäre verändert, zu großen Teilen zumindest. Es war noch immer eine Distanz zwischen ihr und den anderen, aber sie war längst nicht mehr so undurchdringlich wie zuvor.

Paula war etwas aufgetaut und auch ihr Essen schmeckte wesentlich besser als die Monate zuvor. Sie mied Robin ganz offensichtlich, verhielt sich den anderen gegenüber jedoch ganz normal. Nur ihr Lachen und ihre Unbeschwertheit fehlte noch immer. Auch konnte man nicht behaupten, dass Uma sorglos Robin's Nähe suchte. Eigentlich, fast erstaunlicherweise hielt sie sich auch von den anderen, Miki ausgeschlossen, fern. Robin ahnte zumindest warum dem so war. Uma band sich nicht einfach an Menschen. Natürlich, keiner von ihnen tat das, aber Uma weigerte sich noch immer zu akzeptieren, dass hier etwas zwischen ihnen war. Etwas das tiefer ging, als nur einfache Mitglieder einer Piraten-Crew und viel komplizierter war als Boss und Agenten. Miki hatte es zumindest erkannt, auch wenn er nie darüber reden würde. Uma hatte diese Menschen wirklich lieb gewonnen und gerade weil es wehgetan hatte, verhielt sie sich nun so, als würde sie nichts stören. Miki hingegen war guter Dinge. Er spürte die Angeschlagenheit noch immer in der Luft, roch sie förmlich und manchmal wünschte er sich, er könnte sie greifen und würgen. Ab und zu schielte er heimlich zu Robin und zu Iroko, aber niemals fiel ein Wort über seine Lippen. Er war geduldig, viel geduldiger, als sonst jemand in diesem Team. Er hatte Zeit und Hoffnung. Genug Hoffnung, um positiv zu denken.

Gal war da schon schwieriger zu lesen. Er zeigte sich ungewöhnlich souverän, obgleich er immer noch oft zusammenzuckte oder zurückwich, wenn man ihn aus den Gedanken riss. Und er schien ständig nachzudenken. Uma sah ihn sehr oft einfach nur am Bug sitzen und auf das Meer starren. Sie hatte den Verdacht, dass er an Bon dachte, aber sie konnte es nicht aus ihm rausbekommen. Mister 3 war ziemlich ruhig geworden. Er redete nicht viel, aber wenn, dann war sein Ton respektvoll und offen. Er zeigte Robin nicht die kalte Schulter, suchte aber auch nicht nach ihrer Gesellschaft. Robin wusste nicht, was in ihm vorging. Aber in seinem Inneren schlug etwas gewaltig Wellen, das sah man ihm an.

Jazz hingegen war nicht der Erwähnung wert. Es verhielt sich, als wäre nie etwas geschehen. Er war wie am ersten Tag ihrer Reise. Schweigsam, starr und voller Distanz zu allen anderen.

Die Einzige, die niemandem in die Augen sah, war Iroko. Sie zog sich zwar nicht vollständig zurück, nahm am gemeinsamen Essen teil und beantwortete auch an sie gerichtete Fragen, aber niemals mit Blickkontakt. Sie brachte es einfach nicht mehr über sich, konnte es sich selbst nicht länger zumuten. Nie zuvor hatte sie das gescheut, aber sie hatte Angst. Sie hatte Angst vor der Zukunft, sie hatte Angst vor dem Tod und sie hatte Angst zu verlieren, was sie gewonnen hatte. So viel Angst, dass sie nicht einmal wahr nahm, dass da etwas in der Luft lag. Wie eine Mahnung, eine Erinnerung, an etwas. Etwas Wichtiges. Nein, es war ihr egal. Sie wollte sich dem nicht mehr aussetzten, wollte die Gefühle der anderen nicht mehr sehen. Es würde bald ein Ende haben. Fast schon sehnte sie sich... nach Hause.

Sie bemerkte auch nicht, dass Robin sie oft anstarrte. Manchmal sogar ganz offensichtlich. Sie dachte nicht einmal mehr darüber nach. Robin hingegen hatte ihre Gedanken wirklich überall, nur nicht bei sich. Sie machte sich Sorgen auf der einen Seite, grübelte auf der anderen und irgendwie vermisste sie auch etwas. Oh, was das war, wusste sie genau. Bon. Mit niemandem sonst konnte man so sorglos sprechen, über Gott und die Welt. Bei ihm war man immer willkommen, egal wer seine Nähe suchte, er wurde nicht enttäuscht. Robin konnte sich gar nicht vorstellen, dass es irgendjemanden auf der Welt gab, dem Bon keine Chance gegeben hätte. Seufzend saß sie am Bug des Schiffes und angelte. Es half ihr dabei sich zu konzentrieren. Bon hatte ihr etwas zugeflüstert. "Pass auf Iroko auf". Toshi-o-Toru war nicht mehr allzu weit weg und sie wusste nicht, wie sie damit umgehen sollte. Eigentlich sollte sie Iroko's Wunsch respektieren, aber... immer wieder schlichen sich die grausamen Bilder von Kokoroshima in ihren Kopf und ließen sie erschaudern. Nein, irgendetwas würde sie tun.
 

Robin angelte auch an jenem Tag, an dem Gal aus dem Krähennest die nächste Insel ausrief. Es war ein wirklich wunderschöner Tag, die Sonne brannte am blauen Himmel und die Wellen auf dem Meer waren sanft und voller weißer Gischt. Das Rufen aus den Rahen lockte die gesamte Crew auf Deck, obwohl ein Befehl des Captains ebenfalls seinen Beitrag dazu leistete. Paula streckte sich müde von ihrem Mittagsschönheitsschlaf und fuhr sich durch das Haar, während sie die Insel in der Ferne näher kommen sah. Daneben stand Jazz, unbeeindruckt. Langsam trudelten auch Miki und Iroko von Unterdeck an und Gal kletterte aus den Netzen hinab. Ihr Boss lehnte neben Robin an der Reling und zündete sich eine Zigarre an. Er wirkte eigenartig angespannt für seine Verhältnisse, obgleich er versuchte es mit Gelassenheit zu überspielen. Scheinbar desinteressiert blies er eine Rauchschwade in den tanzenden Wind und blickte dann in die Runde.

»Also. Die Insel, an der wir andocken, heißt Quom. An sich keine spektakuläre Insel, aber bitte haltet euch trotzdem ein bisschen zurück. Die Südseite der Insel ist ganz normal besiedelt, aber auf der Nordseite, hinter der Bergkette, liegt eine Marinebasis. In der Stadt selbst gibt es kaum Marine, aber haltet euch trotzdem bedeckt.«

»Gibt es einen Grund, warum wir an solch einer Insel ankern?« kam es scheinbar gelassen von Gal, aber er wirkte eher apathisch.

Langsam nickte sein Boss. »Ich habe noch etwas zu erledigen, bevor wir ohne Probleme weitersegeln können. Auf der Insel gibt es jemanden, den ich treffen möchte. Es ist sicher, aber wir bleiben trotzdem nicht allzu lange. Bleibt auf dem Schiff oder nehmt euch irgendwo ein Zimmer, aber macht keinen Ärger, okay?«

»Pff, ohne Bon, wer soll da Ärger machen? Eh? Wer denn?«

Das ließ Gals Miene nur noch härter werden. Er wandte den Blick ab und schloss die Augen. »In Ordnung.«

Paula hingegen wirkte nicht sonderlich erfreut, man sah ihr ihre Unsicherheit an. »Wenn es sein muss.«

Crocodile nickte, nahm noch einen Zug und blickte dann zu Iroko. Es dauerte einen langen Moment, in dem er sie nur scheinbar distanziert anblickte. »Danach segeln wir auf direktem Weg nach Toshi-o-Toru. Ich werde nicht lange brauchen, wir brechen wahrscheinlich übermorgen wieder auf.«

Iroko starrte unterdes auf den Boden ein paar Meter weiter vor sich und sagte kein Wort.

Kommentarlos musterte er sie weiter, während sich die Crew wieder zerstreute um die Minerva in die Richtige Richtung zu lenken. Als die Ansprache scheinbar vorbei, wandte das Mädchen sich ab und schien sich wieder unter Deck schleppen zu wollen. Robin lagen Worte auf der Zunge, aber sie brachte sie nicht über die Lippen.

Ein Seufzen brachte sie aus dem Konzept und kurz darauf drang ihr erneut der bittere Geruch von Crocodiles Zigarre in die Nase. »...Willst du auf dem Schiff bleiben oder brauchst du etwas Geld?«

»Hm...« Robin schaute auf die Insel vor sich. »Weder noch.«

»Was dann?«

»Ich bin nicht so pleite, wie du vielleicht denkst.« kam es flüchtig lächelnd.

Er schmunzelte zurück und gab ihr einen Kuss, dass ihr noch mehr Tabakgeruch entgegen schlug. »Halt dich trotzdem zurück, ja? Ich denke nicht, dass die Bewohner oder die Marine sich für uns interessieren werden. Die wiegen sich in ihrer Sicherheit, dass niemand sich in ne Stadt mit Marinestützpunkt traut. Die kennen wahrscheinlich nicht Mal deinen Steckbrief. Aber besser ist, wir fallen nicht auf.«

»Was hast du denn erwartet wie ich mich sonst verhalten hätte?« Als würde sie das Spiel erst seit gestern treiben.

»Ich meine ja nur.« grinste er noch immer. »Vielleicht kommst du ja auf die Idee zu einem Tätowierer zu gehen und dir ein "Ich liebe Crocodile"-Tattoo machen zu lassen.«

»Irgendwo hört jede Liebe auf.« lächelte sie unschuldig und gehässig zugleich. »Aber selbst wenn…« setzte sie lachend hinzu. »…ich wär sicherlich nicht mal die Erste.«

»Huh?« Seine Stirn zog tiefe Falten.

»Erinnerst du dich gar nicht mehr, an die Liebesbriefe in Rainbase? Und manche der Fotos? Du warst immerhin einmal der Held eines ganzen Landes.«

»Pfff...« Nun rollte er demonstrativ die Augen. »Ich will aber nicht auf nem Arsch ner fetten Achtzigjährigen sein...«

Ihr Handrücken streifte ihre Lippen, als sie kicherte. »Interessante Vorstellung…«

Grinsend kam er auf sie zu, griff nach ihr und schloss sie in seine Arme, dass er perfekt nach ihrem Hintern grabschen konnte. »Oh, aber auf deinem Hintern wär ich gern. Immerhin ist der so groß, da könnte man mich ja Lebensecht drauf machen.«
 

Ihr Blick verdunkelte sich.

»Hahahaha.« er gab ihr einen lauten Klaps und grabschte dann heftiger zu. »Was ist? Beleidigt? Oh komm schon.«

Ihr Auge zuckte fast, dann grinste sie gehässig. »Nimmst du mich dann nie mehr von hinten? Oder magst du die Vorstellung, es dir selbst zu besorgen?«

»Hmpf.« Angewidert rümpfte er die Nase. »Du glaubst wohl, du bist lustig, hm?«

Das brachte sie wieder zum Lachen. »Jetzt sag bloß, die Idee gefällt dir nicht mehr?«

Er verzog den Mund und ließ sie wieder los, stampfte davon. »Hmpf.«

»Hahaha. Den Tag muss ich mir im Kalender anstreichen.« kicherte sie leise.

Aber Crocodile schien das gar nicht lustig zu finden. Er stampfte noch immer davon und erwiderte nichts mehr darauf. Stattdessen gab er Jazz ein paar Befehle. Doch das tat ihrer Laune keinen Abbruch. Hatte sie es eigentlich schon einmal erlebt, dass Crocodile nicht mit einem fetten Grinsen aus so einer Unterhaltung herausging, während sie vor Wut kochte? Sie genoss diesen kleinen Sieg.
 

Die Minerva rauschte durch die Wellen voran und kam der Insel immer näher. Aus dem Krähennest konnte Gal sie immer besser ausmachen. Das Eiland war wie eine Schlange in die Länge gezogen, als wäre sie selbst der Kamm eines unterirdischen Gebirges. Eine zerklüftete Felsenlandschaft durchzog die gesamte Insel wie die Schuppen eines Reptils. Zu den Ufern hin wurde es flacher, ehe es schließlich in langen Stränden schloss. Die Militärbasis der Marine war hinter den Felsen nur zu erahnen. Sie war so groß, dass einige ihrer Türme hinter dem grauen Steinrelief hervor lugten. Besser zu erkennen war dagegen die ihnen zugewandte Küste, auf die sie zusteuerten. Nur wenige Bäume gab es auf dieser Seite zu sehen, das meiste bestand aus grüner Steppe und viel grau. An den Berghängen erspähte er immer wieder Dörfer, gebaut aus Lehm- und einfachen Ziegelhütten, die wie Perlen weiß aus der Einöde strahlten.

Die Häuser hatten keine Dächer, aber auf ihren Häuptern fanden sich oft Wäscheleinen und kleine Gärten, sowie Cafés und Menschen. Es schien ein einfaches Leben zwischen Tieren und im Wind wehenden getrockneten Fischen zu sein. Dagegen stach die Stadt, auf die die Minerva zusteuerte, aus dem Bild heraus. Hier waren die Häuser imposanter, aus Fachwerk und roten Ziegeln, mit Schindeldächern und gepflasterten Straßen, mit Märkten und vielen Bäumen. Ein richtiger Hafen, in dem sogar einige kleine und große Schiffe ankerten, einige Türme und viele Fischerboote, denen sie ausweichen mussten, um die Kais zu erreichen.

Sofort drang ihnen der Lärm der Großstadt entgegen, als sie im den Hafen ankerten. Händler beluden ihre Schiffe und gaben ihre Waren an gackernde Markfrauen weiter, ein Ausrufer verkaufte die neusten Zeitungen, Kinder spielten fröhlich an den Stegen und in der Ferne hallten die Glocken des Rathauses wider. Die Stadt gefiel Gal. Sie hatte etwas aristokratisches, etwas luxuriöses. Er erahnte an allen Häusern prunkvolle Reliefs und handgearbeitete Verzierungen, konnte in der Ferne, auf dem großen Markt, sogar einen Obelisk erspähen. Ihm kitzelte es ganz schrecklich in den Fingerspitzen. Er würde Iroko so gern fragen, ob sie es ihm malen könnte, ob sie die Schönheit der Stadt für ihn festhalten könne, aber er traute sich nicht. Stattdessen nahm er das Angebot seines Bosses ernst und erkundete die Stadt, allein.

Paula und Jazz boten sich währenddessen an, auf das Schiff aufzupassen. Crocodile war das scheinbar egal, er machte sich sofort auf den Weg, ohne sich noch einmal von Robin zu verabschieden. Und schneller, als ihr lieb war, verschwand er in der Menge der Menschen, die sich in der Stadt tummelten. Während Iroko sich in ihrem Zimmer verschanzte, steuerten auch Uma, Miki und Robin gemeinsam das Innere dieser hübschen, kleinen Stadt an, aber schon früh trennten sich ihre Wege. Nicht, dass Uma oder Miki etwas geäußert hätten, aber Robin wollte die Gelegenheit nutzen etwas zu erledigen. Allein.
 

Es war schon ziemlich spät, als Robin zurückkehrte zur Minerva. Paula und Jazz waren bereits seit mindestens einer Stunde in der Koje verschwunden und so schipperte das neue Schiff völlig lautlos auf dem seichten Wasser dahin. Die Geräusche in der Stadt hatten sich auf ein Minimum reduziert und man konnte die großgewachsene Frau kaum hören, als sie vorsichtig über den Sand, dann den Steg und schließlich die Planke hinauf schlich. Fast ein bisschen wie ein Dieb, kam es ihr in den Kopf. Umso erschrockener wich sie zurück, als sie den kleinen Schatten nahe des Steuerrades entdeckte und für den Bruchteil einer Sekunde in eine Kampfhaltung überging. Allzu schnell bemerkte sie jedoch, wer ihr da offenbar entgegen sah. Sie trug ihren Hut nicht, aber in dem fahlen Mondlicht konnte man die Zöpfe ganz gut erkennen.

Wortlos senkte sich der Kopf des Mädchens, als sie Robin erkannte und hörte zu, wie deren Schritte sich ihr vorsichtig, fast sanft näherten. Robin ging fast immer so. Wie ein Reh durchs Dickicht. Sie erkannte sie alle an ihrer Gangart, an ihren Schritten. Auch wenn man Robin häufig fast gar nicht hören konnte. Als wäre es sie gewöhnt, sich verdeckt halten zu müssen. Iroko hatte kaum über Robin und Suimin nachgedacht. Ihr Zorn war schon längst abgeklungen, sodass jetzt eigentlich nur noch ein leerer Fleck übrig geblieben war. Nicht unfüllbar, aber die Künstlerin wusste einfach nicht, wie sie mit Robin umgehen sollte. Sie wusste genau wie ihr Boss war, sie kannte die anderen ziemlich gut und wusste zumindest wie sie sich in Mister One's Gegengewalt verhalten sollte, aber Robin? Ein schwarzes Tuch.

Es dauerte keine zwei Minuten ehe diese neben Iroko auf dem Deck zu Boden ging und zwei handbreit Platz zwischen ihnen ließ. Sie spürte ihren prüfenden Blick, wusste genau, was sie von ihr wollte, war aber nicht gewillt ihr noch einmal irgendetwas von sich zu geben. Das größte Problem mit Robin war allerdings ihre Geduld. Sie war nicht so penetrant wie Mikis, aber dennoch zermürbend. Iroko wusste genau, sie konnte Stunden hier sitzen und Robin würde kein Wort sagen, wenn sie nicht wollte. Und je länger sie dort schweigend zusammen saßen, desto schlimmer wurde es. Ihr Geruch stieg dem Mädchen in die Nase. So angenehm, beinahe wohltuend. Da konnte es einem wie ihr schon schwer fallen sich nicht gegen sie zu lehnen und an sie zu kuscheln. Allein für diesen Gedanken hätte sie sich treten können. Lächerlich. Absolut lächerlich. Sie machte sie nervös. Was wollte sie eigentlich noch von ihr? Sie hatte gehofft, sie hatte alles gesagt, was zu sagen gewesen wäre. Mehr war da nicht. Gar nichts.
 

»Iroko.«

Gegen ihren Willen zuckte sie heftig zusammen und ihr Kopf sank herunter, als hätte sie eine Straftat begangen.

Im nächsten Moment drehte sich ihre Welt und als sie die verwirrten Augen wieder aufsperrte, war der Geruch noch viel penetranter, viel näher, nein, er war an ihr. Verdutzt blickte sie auf, als die Wärme sich um sie schloss, als sie über ihre Brust, zu ihrem Rücken, bis hin zu ihrem Kopf reichte. Der Druck und dann das Schlagen eines Herzens. Robin hatte sie an sich gepresst, die Arme um sie gelegt und den eigenen Kopf auf dem des Kindes abgelegt. Sie sagte nichts, hielt sie einfach nur fest.

Es dauerte noch eine weitere Minute, ehe Iroko in der Lage war zu reagieren. »Was...?« kam es gebrochen und entsetzt stellte sie fest, dass sie den Tränen nahe war. Sie konnte sich kein Stück bewegen, konnte Robin nicht von sich stoßen, sie nicht einmal dazu anhalten sie loszulassen. Sie konnte nur hinnehmen was passierte und atmete dabei stockend ein und wieder aus. Dieser Geruch... er vernebelte ihr förmlich die Sinne. Es roch wie... zu Hause. Und als wäre das noch nicht genug spürte sie Tropfen auf ihre Wangen fallen. Es waren nicht ihre eigenen Tränen, die in ihrem Hals um Freiheit kämpften, sondern Robins.

»Iroko…«

Endlich schaffte sie es die Augen zusammen zupressen und die Frau ein wenig von sich abzuschütteln, aber sprechen konnte sie nicht. »....«

Leise rollten weitere Tropfen über Robins Wangen und traurig blickte sie zu dem Mädchen herunter. Sie wusste selbst nicht, wieso sie das getan hatte, aber sie konnte es einfach plötzlich nicht mehr in sich behalten. Die Sorge. »Iroko... bitte... tu das nicht.«

Endlich schaffte sie es, sich etwas abzuwenden und ihre Stimme zu erheben. »...Das geht dich nichts an.«

Robin hielt sie fest, zwang sie förmlich sie anzusehen, in diese Augen, in die sich nicht nur ihr Boss verlieren konnte. »Das ist nicht wahr. Du weißt, dass ich es gesehen habe und ich weiß, was du vorhast.«

»Tze, und das berechtigt dich, dich einzumischen?«

Ihre Hand fuhr durch Iroko's Haare, streichelte zärtlich die Haare ihres Ponies zurück. »Ich habe dich lieb Iroko.«
 

Beinahe wäre ihr der Mund aufgefallen und sie schnappte hörbar nach Luft. »...«

Der Blick wurde noch sanfter, dass sich Iroko zu fragen begann, ob Robin und ihre Mutter sich abgesprochen hatten. Oder sah Liebe generell so aus?

»Ich weiß, dass du das nicht hören willst, aber ich muss es dir sagen. Ich weiß, dass du es nicht magst, ein Kind zu sein, ich weiß, dass du nur dieses eine Ziel hast, aber... ich habe dich wirklich lieb und ich habe schreckliche Angst um dich. Bei uns ist es weiß Gott nicht sicher und es wäre einfach nicht fair von dir zu verlangen hier zu bleiben und vielleicht dein Leben zu riskieren. Du könntest so viel erreichen, wirklich glücklich werden, aber stattdessen willst du Rache.«

»Richtig!« brach es mit einem Mal aus Iroko heraus. »Ich habe es versprochen! Für dich habe ich das Versprechen beinahe gebrochen! Für dich und Bossu!«

Etwas überrascht blickte Robin ihr entgegen, aber erwiderte darauf nichts.

»Misch dich nicht ein! Lass mich in Ruhe!«

Doch Robin ließ sie noch immer nicht los. »Ich kann das nicht.«

Aufgebracht ruckelte sie an den Armen, die sie nun wieder umklammerten. »Lass das! Lass mich los!«

»Iroko...wenn du so sehr danach strebst ihn zu töten, dann lass mich dir helfen.«

»Soll das ein Witz sein? Du? Ausgerechnet du?«

»Ich.. ich weiß, dass du mir böse bist. Ich weiß, dass ich dich sehr verletzt habe und dass ich es nicht wieder gut machen kann, aber du kannst mich nicht dazu zwingen, einfach zu ignorieren, dass du in deinen Tod rennst.«

»...Das... das stimmt... nicht...«

Diese sanften Hände fuhren ihr über den Rücken, streichelten ihre Wangen, ihre Schultern und fuhren wieder und wieder durch ihr Haar. Wie ihre Mutter es getan hatte. So anders und doch genauso. War das, was Bossu in ihr fand? Ruhe und Geborgenheit? Beruhigte sie sein Chaos genauso, wie sie es gerade bei ihr tat? War das Robins Geheimnis? »Ich... werde dich nicht im Stich lassen, Iroko. Egal was du sagst. Ich habe mich für euch entschieden und wenn einer von euch Hilfe braucht, werde ich in Zukunft alles tun, um zu helfen.«

» Aber.. ich... ich gehöre nicht mehr zu euch.«

Ihre Lippen streiften ihre Stirn. »Ich war ein Teil von dir, du wirst immer zu mir gehören.«

Sie konnte nicht mehr, konnte absolut nicht mehr. Heiß und unwillkommen rannen ihre Tränen aus ihren Augen, tropften feurig auf ihren Hals und rannen ihr bis zu den Schultern. Hastig klammerte sie sich an diese Frau, die sich wieder in ihr Herz geschlichen hatte und weinte.
 

Sie redete sich ein, dass sie sich das erlauben konnte. Dass sie nur einmal weinen durfte. Nur ein einziges Mal, egal was danach passieren würde. Sie ließ sich festhalten, sich streicheln. Es würde nichts ändern. Sie würde trotzdem gehen und keine Hilfe annehmen, aber... nur einmal durfte sie das. Nur einmal, richtig? Ohne Worte verbrachten sie die nächsten Minuten in dieser Stellung, ehe Iroko sich erhob und sich die Tränen aus dem Gesicht wischte. Ihre Stimme war starr, fast trotzig. »Das... ändert gar nichts. Toshi-o-Toru ist nicht mehr weit weg und ich muss gehen. Egal was du sagst oder tust, es ändert nichts. Gar nichts!«

Schließlich wandte sie sich abrupt um und rannte förmlich über Deck und knallte die Tür heftig hinter sich zu, presste sofort alles wieder aus sich heraus. Das änderte nichts. Das änderte gar nichts.

Noch ein bisschen durcheinander und noch immer weinend saß Robin auf Deck, ihr Blick gegen den Himmel gerichtet, ihre Augen fuhren die Konturen eines ganz bestimmten Sternzeichens nach. Nein, diesmal durfte sie nicht locker lassen.
 

~ ~ ~
 

Summend schlenderte Hana in die Küche des Lehmhauses, in dem sie mit ihren beiden Freundinnen wohnte, und servierte ihrem Gast einen großen Teller Schrimps mit Karamellsoße. »Et voilá! Das Essen ist serviert!«

Der große Mann betrachtete den Teller nur kurz mit wenig Interesse und wandte sich sofort wieder an die Frau, die ihm gegenübersaß und an ihrer Zigarette herum kaute. Sie überschlug die in edle Stiefel gequetschten Beine und schielte ihn mit ihrem einzigen noch verbliebenen Auge an, das andere war hinter eine Augenklappe gedrückt. Ihre langen, glatten, grauen Haare waren zurückgebunden und obgleich sie ein paar Fältchen am Mund hatte, wirkte sie nicht älter als Vierzig. Gebannt musterte sie ihn und schien in Gedanken versunken, nickte nur noch zustimmend einige Male.

»Und Mund aaaaaaauf!« Hana stach eines der Meerestierchen an und hielt ihn ihrem Gast mit einem strahlenden Lächeln hin.

Der Mann ignorierte sie so gut er konnte, doch sie ließ sich nicht abwinken. »Also, wie siehts aus?«

Die Frau mit den grauen Haaren seufzte schwer und rieb sich die Stirn. »Ich weiß nicht, Crocodile. Das ist... schon ein ganz schöner Brocken.«

Seine Miene wurde ernster.

»Ahhh, Tinni, nun sei doch nicht so!« Hana grinste ihn mit ihren perfekten Zähnen an. »Ich helfe Ihnen immer, Sir Crocodile. Auf mich können Sie zählen. Und als Dank gehen Sie mit mir aus! Ja? Ja? JA?«

»Nenn mich nicht Tinni, du Holzklops!« funkelte Tin Yan ihre rothaarige Gehilfin an.

»Klops? Wie bitte? Ich bin ja voll vollschlank!«

»Deswegen zerbricht auch jeder Spiegel sobald du hineinschaust.« eine weitere, weibliche Stimme gesellte sich zu dem Hühnerhaufen in den Crocodile da geraten war. »Außerdem würde es dir echt nicht schaden, ab und zu mal einen Blick in den Duden zu werfen, der im Schrank steht. Bei den Wortfehlern bluten mir gleich die Ohren.«

»Waaaas?« Die junge Frau funkelte das Mädchen bitterböse an, das ihnen entgegen kam. »Pff, ja spiel dich bloß wieder auf mit dem Intelliekt!«

Beinahe mitleidig blickte die Brünette ihr entgegen. »Eigentlich kannst du einem fast schon Leid tun.« Dann sah sie kurz zu Crocodile, wandte den Kopf aber etwas angewidert wieder ab »Fast.«

»Grrrrr!«

»Mona, Hana! Jetzt haltet die Klappe!« brummte Tin Yan wütend und stopfte sich dann einen Schrimp in den Mund.

»Aber!« Eingeschnappt biss sich die Rothaarige auf die Lippe und warf sich dann mit den Brüsten in Crocodiles Gesicht, um ihn zu umarmen. »Das ist nicht FAIR!«

Wenig begeistert versuchte dieser sie wieder wegzuschieben, doch sie klammerte an ihm wie eine Klette und setzte sich auch noch auf seinen Schoß. Als sie dann auch noch begann ihn küssen zu wollen, verlor Crocodile beinahe die Fassung. »Runter.«

Ihre Augen füllten sich auf theatralische Weise mit Wasser, sie begann leise zu schniefen. »Aber..«

»Runter hab ich gesagt!«

Die grauhaarige Frau seufzte genervt und rieb sich die Stirn, als Hana schließlich auf dem Boden landete und das verletzte Reh gab. »Also Crocodile...«

»Bevor er ihr das abkauft Hana, solltest du auf eine Schauspielschule gehen... oder vielleicht überhaupt erst mal in die Schule?« Die brünette Mona wirkte fast, als wäre ihr schlecht. Sie winkte ab und setzte sich mit an den Tisch, um Hanas schlecht gekochtes Abendessen zu probieren.

»Schnauze da drüben!«

»Schnauze ihr beiden hab ich gesagt!«

Crocodiles Stressfalte wuchs weiter an. Tin Yan zu besuchen war wirklich immer eine wahre Geduldsprobe.

Diese spukte inzwischen den Schrimp wieder aus und ließ noch eine Schimpftirade auf Hanas Kopfkünste los, ehe sie sich wieder an Crocodile wandte und ihre Zigarette im ausgespuckten Schrimp ausdrückte. »Hätt wirklich nicht gedacht, dass du so weit gehen würdest, Crocodile. Dir ist wohl nichts mehr heilig, was?«
 

Sein Blick verhärtete sich noch mehr. »Was ist nun?«

Sie zuckte die Schultern und bohrte ihren Blick in sein Innerstes. »Ja was nun? Wärst du nicht so verdammt schnucklig, hätte ich dich schon längst hier raus gejagt.« Dann grinste sie böse. »Ohhh... das erinnert mich so an früher. Ich bin dabei, du Grünschnabel. Es wird Zeit Mal wieder jemandem so richtig wehzutun.«

»Ahhhh!« Und wieder lagen Hanas Brüste in Crocodiles Gesicht. »Ich bin dabei, ich bin dabei. Für Sie würd ich ALLES machen, Sir Crocodile!«

»Wie wär's mit Hirntransplantation?« Mona warf dem Kerl einen weiteren stumpfen Blick zu. Sie hasste Männer und diesen ganz Besonders. »Urgh, immer wenn der hier ist, gibt es Probleme.«

»Lass ihn in Ruhe!« Demonstrativ, als würde eine Mutter ihren Sohn beschützen, drückte sie sein Gesicht noch mehr in ihre Brüste. »Außerdem kann man Gehirne gar nicht transpirieren!«

Fast erschöpft vergrub das Mädchen ihren Kopf in der Hand. »Ich glaube fast dein Gehirn kann alles. Vor allem mit heißer Luft.« Schließlich sah sie wieder auf, direkt zu ihrer Anführerin Tin Yan. »Ihr meint das wirklich ernst, ja?«

Die grauhaarige Frau grinste nur böse, während Hana ein weiteres Mal zu Boden fiel. »Oh, darauf kannst du dich verlassen.«
 

~ ~ ~
 

Sie zwang sich dazu, nicht ständig auf die Uhr zu blicken, nicht ununterbrochen auf den leuchtenden Sandstrand zu blicken. Irgendwann würde sie sich noch einbilden, dass eine große, breitschultrige Person auf das Schiff zukam, obwohl dem nicht so war. Wie viele Stunden war es jetzt schon her, seit Crocodile verschwunden war? Mehr als vierundzwanzig, oder? Robin saß die meiste Zeit in ihrer Kabine am Schreibtisch und las. Was auch sollte sie sonst tun? Bon war nicht mehr bei ihnen, das nahm ihr gewissermaßen die einzige Person neben Crocodile, mit der sie halbwegs normal hatte sprechen können. Iroko und auch Paula mieden sie, Miki und Jazz antworteten nicht und Uma und Gal... sie war sich nicht sicher, wie es um sie stand. Wie es um sie alle stand. Sie hatte eine Menge Geduld. Normalerweise konnte sie jede Situation, die irgendwie unangenehm schien aussitzen, aber...

Was machte er denn nur solange? Was hatte er hier zu erledigen? Warum machte er solch ein Geheimnis daraus?

Seichter Wind kam auf und schlug die Gischt gegen des Schiffes Rumpf, ließ die Minerva im Wasser schaukeln. Sie beobachtete das Meer, die Wellen, wie sie sich an den Kliffen auflösten, nur um sich erneut zu bilden. Unverbesserlich. Nicht selten verglich sie Crocodile mit dem Meer. Nur manchmal fragte sie sich, ob sie es jemals fertig bringen würde, wirklich in seinen Kopf, nein, in seine Seele zu blicken. Sie sehnte sich regelrecht danach zu sehen, was er verbarg. Manchmal hatte sie das Gefühl er wollte sich ihr offenbaren, aber zog sich doch immer wieder zurück, schwand aus ihren Händen. Ganz selten bildete sie sich ein einen Blick auf etwas zu werfen, was sie nun schon seit ein paar Jahren spüren konnte. Blind war sie diesem Gefühl gefolgt und es hatte sie bis hierher gebracht. Beinahe wie eine Fata Morgana in der Wüste. Ja, die Wüste war vermutlich eine noch bessere Analogie zu Crocodile. Was für ein Zufall war das gewesen, dass Arabasta eine Wüsteninsel war? Oder vielmehr Schicksal? Und jetzt? Das was jetzt geschah lief doch gegen alle Regeln, nicht wahr? Blieb der Knall noch aus? Warum bildete sie sich eigentlich ein, dass etwas bevor stand? Nur weil er ohne Erklärungen auf dieser Insel verschwunden war? Crocodile im Alleingang? Das sollte sie doch nicht überraschen. Aber dennoch. Wütend über sich selbst, schüttelte sie den Kopf und wandte sich wieder ihrem Buch zu. Crocodile war allgegenwärtig, sogar in seiner Abwesenheit. Sie spürte wie ihr Herz schneller schlug. Es wurde doch besser nicht wahr? Oder wünschte sie sich das nur?

Nur langsam trudelten die anderen wieder ein. Robin hatte keine Ahnung, was sie getrieben hatten. Lediglich einer Sache war sie sicher. Gal wirkte ganz bleich als er zurück kam, als wäre er seekrank geworden. Und auch Paula und Jazz, die für den Proviant einkaufen gegangen waren, wirkten eisiger als zuvor. War etwas passiert, während sie auf dem Schiff geblieben war? Niemand sagte auch nur ein Wort, sogar Paula und Jazz schwiegen sich an. Es war frostiger als zuvor. Und selbst Miki, der ja in jedem Fall zu der schweigsamen Sorte gehörte, wirkte mit einem Mal wie der Tod. Seine sonst in leichter Verwunderung gekräuselten Lippen waren streng geschlossen, beinahe verbissen, aber wirklich irritiert war Robin von Uma. Es verging praktisch keine Minute, in der Inugashi Uma nicht irgendwas erzählte, aber als die kleine, korpulente Frau das Schiff betrat, lag düsteres Schweigen über ihr. Sie sah Robin nicht an, sah niemanden an, nicht einmal Miki. Als würde sie mit niemandem etwas zu tun haben wollen. Allein mit diesem Anblick, der Veränderung dieser Menschen, die sie zu kennen glaubte, verunsicherte Robin. Was zum Teufel hatte es nur mit dieser Insel auf sich? Sie hatte keine Gefahr oder sondergleichen geführt. Aber... was war es dann?
 

Noch mehr Zeit verrann und ein eisiges Schweigen belegte das gesamte Schiff. Die Nacht brach heran. Dann kam er endlich, als die Sonne gerade im Meer versunken war. Er schien angespannt. Hastig betrat er das Schiff und verschwand in der Kombüse, um sich einen Tee aufzubrühen. Sie rang mit sich. All das Schweigen, diese Gesichter, es war nicht so, als verschlug es ihr die Sprache. Es war nicht so, als hätte sie plötzlich alle Hoffnung verloren oder als wäre Panik über sie hinein gebrochen, aber... irgendetwas lief ganz falsch. Robin hatte noch genug Vertrauen in ihre analytischen Fähigkeiten und man musste verdammt blind sein, um nicht zu bemerken, dass ein Sturm bevor stand. Aber, was war es denn nur? Was konnte es sein? Und warum war sie die einzige, die davon nichts mitbekommen hatte?

Sie hörte seine Schritte näher kommen. Langsam und bedacht, begleitet vom Klirren des Löffels in der Tasse. Dann kam er herein und blickte ihr kurz müde entgegen. »Hey. Na?«

Die Fragen brannten in ihren Augen, brannten sich beinahe über ihre Zunge durch ihre Zähne hindurch an die Freiheit, aber dennoch war ein Blick alles, was sie ihm entgegen zusetzten hatte. Schließlich wandte sie sich wieder ab und würgte ihre Unsicherheit zu Tode. »Na.«

Geschickt balancierte er die Tasse in seiner Hand zum Schreibtisch, legte sie dort ab und trank einen kleinen Schluck, ehe er sich durch das Haar fuhr. »Irgendwas passiert? Gab es Probleme mit der Marine?«

»Nein. Hier war alles normal.« Sie konnte sich die Betonung auf dem kleinen Wörtchen "hier" nicht verkneifen.

Doch er schien es gar nicht zu bemerken. Stattdessen lehnte er sich gegen den Schreibtisch und schmunzelte ihr entgegen. »Hast du dich gelangweilt?«

Sie blickte direkt in seine Augen und aus irgendeinem Grund ertrug sie es plötzlich nicht mehr. Was...? Irgendetwas war anders, oder? Das Grinsen erreichte nicht seine Augen, lief genau genommen nicht über seine Mundwinkel hinaus. »Ich kann mich eigentlich ganz gut allein unterhalten.«

»Gut.« Er fuhr sich erneut durch die Haare und grinste in sich hinein. »Und ich dachte du schon, du hättest mich vermisst.«

»Ich habe nicht gesagt, dass ich das nicht habe.« Sie wandte sich etwas ab und versuchte sich dieses Gefühl auszureden. Dieses nagende Etwas in ihrem Inneren.

»Kukuku...« Nun kam er auf sie zu und gab ihr einen Kuss auf das Haar. »Sind bestimmt einige Liebeskummerbriefe bei raus gekommen, was?«

»So ungefähr.« Wirklich, sie bemühte sich die Irritation nicht zu zeigen. Warum nur kam ihr das plötzlich so aufgesetzt vor? Als würde er ihr nur etwas vorspielen. Das war doch lächerlich, schalt sie sich. Aber warum wirkten dann plötzlich alle so unheimlich angespannt? Oder war das auch nur Einbildung?

Zärtlich strich er ihr durch das Haar, ging dann jedoch wieder auf seine Tasse zu, um an ihr zu nippen und sie zu beobachten. »Was heißt denn "so ungefähr"?«

»Das heißt, dass ich dich vermisst habe, aber nichts dergleichen geschrieben habe.« Worauf wartete sie eigentlich? Warum fragte sie ihn nicht einfach, was er gemacht hatte? Weil sie befürchtete, dass er ihr keine Antwort geben würde. Weil sie es nicht hören wollte, weil sie... Gott, sie hatte ja beinahe Angst davor. Aber sie würde niemals etwas erfahren, wenn sie es nicht zumindest versuchte, oder? Oder? Wie feige sie geworden war. »…Hast du... die anderen schon gesehen?« brachte sie endlich stockend hervor.

»Hm? Nur kurz. Wieso, ist was passiert?«

»Dir ist nichts aufgefallen?«

Er wirkte irritiert. »Ich bin doch grad erst angekommen.«

»Und du findest diese Stille nicht eigenartig?«

»...Ist es nicht immer so still?«

»Normalerweise, wenn man dein Schiff betritt, sei es nun dieses hier oder das vorherige, hört man zumindest zwei Stimmen immer sehr deutlich, sofern sie anwesend sind. Bon mag nicht hier sein, aber Uma ist es. Und doch...« Sie wandte sich ihrem Buch zu. »..ist sie es irgendwie nicht. Außerdem habe ich Gal noch nie so blass gesehen und ich habe ihn schon ziemlich blass gesehen.«
 

»Meinst du es ist etwas passiert?« Seine Stimme klang besorgt, fast etwas unsicher.

Sie schlug ihr Buch behutsam zu und schloss die Augen. »Ich bin mir ziemlich sicher. Diesen Ausdruck habe ich das letzte Mal auf ihren Gesichter gesehen, als...« Sie stockte. Ihr Herz raste schmerzhaft und nicht das erste Mal fragte sie sich, ob ihr Körper sie mittlerweile nicht hasste. »...als wir auf Suimin waren. Ich…« nur einen Augenblick erlaubte sie sich zu stocken. »Ich bin selbst auf der Insel gewesen, ein paar Stunden und ich habe nicht Sonderbares gesehen oder gehört. Nichts Merkwürdiges gespürt, alles wirkte idyllisch und ungefährlich. Selbst die Präsenz der Marine liegt stillschweigend zwischen den Gebäuden, die Aura kaum wahrnehmbar. Und trotzdem kamen sie alle zurück, als hätten sie etwas erlebt...«

Er schwieg. Einen sehr langen Moment, ehe er sich vom Schreibtisch löste und auf sie zuging, sich neben sie aufs Bett setzte und seinen gesunden Arm um sie schlang, ihren Körper etwas näher zu sich zog. »Sicher, dass du es dir nicht nur einbildest? Ich weiß, zur Zeit ist es noch schwierig. Aber es wird besser, versprochen. Gib ihnen einfach noch etwas Zeit. Sie sind alle noch hier, sie haben sich... für dich entschieden. Also mach dir keine allzu großen Sorgen.«

Ein falsches Lächeln legte sich auf ihre Lippen. »Vielmehr für dich entschieden, meinst du wohl.«

»...Geht das jetzt etwa schon wieder los?« kam es mahnend.

Sie sah ihn nicht an, faltete ihre Hände über ihrem Buch zusammen. »War nur eine Feststellung, nichts weiter. Ich sagte, ich kämpfe, nicht, dass ich erblinde. Und das müsste ich wohl, um das nicht zu erkennen.«

Lächelnd küsste er sie auf die Stirn. »Hey, noch hast du mich.«

»Noch?«

»Hm?«

Kurz richtete sie ihren Blick wieder auf ihn. »Was hast du eigentlich auf der Insel gemacht?«

Seine Miene verriet nichts, nur im Vordergrund wirkte er etwas irritiert. »Ich sagte doch: ich musste noch etwas erledigen. Damit wir in Ruhe reisen können und uns die Marine nicht so auf den Fersen hängt.«

»Lass es mich anders fragen: Wenn ich gute zwei Tage auf einer dir fremden Insel verschwinde ohne wirkliche Informationen dazu, was mein Ziel ist, würdest du es nicht genauer wissen wollen?«

Seine Augenbraue hob sich an. »Vertraust du mir nicht?«

»Du hast mir nie einen wirklichen Grund gegeben, es nicht zu tun. Aber das steht auch gar nicht im Raum.«

»Robin. Tut mir leid. Aber ich will das alleine machen, es gibt keinen Grund dich da mit reinzuziehen.«

»Du meinst, außer der Tatsache, dass deine Verschleierungstaktik nur wegen mir überhaupt so weit geht?«

Er schüttelte kurz den Kopf. »Es reicht, wenn ich mir den Kopf darüber zerbreche. Du bist immer noch geschwächt. Außerdem hab ich es so besser unter Kontrolle.«

Wieder stahl sich das falsche Lächeln auf ihr Gesicht. Ihre Hand hob sich und für einen Moment krallte sie sich in sein Hemd, ehe sie willenlos von ihm abfiel. »Ich weiß, dass ich dich sehr verletzt habe...« Scheinbar sollten da noch mehr Worte kommen, aber sie stockte, stockte hart und schwer. Man sah ihr an, dass sie sich dazu durchringen musste, weiter zu sprechen. »...aber heißt das, dass du mir nie vertrauen können wirst?«
 

»Robin...« Er seufzte. »Darum geht es nicht. Aber das ist eine Sache, die ich gern alleine machen will. Außerdem ist es ja gar keine große Sache. Versprochen. Du würdest dich wahrscheinlich nur langweilen, wenn ich dich mit einbeziehen würde. Es dauert eh nicht mehr lange, dann hat sich das auch gegessen...«

»Wenn es keine große Sache ist, warum zerbrichst du dir dann denn Kopf?« fragte sie leise.

»Weil man dabei trotzdem viele Kleinigkeiten beachten muss.« Er musterte sie genauer, ehe er wieder lächelte und ihr erneut einen Kuss auf die Schläfen gab. »Hey, zieht dich das jetzt wirklich so runter?«

Sie konnte ihn nicht ansehen. Sie kam sich beinahe veralbert vor. Er verschwieg ihr etwas. Etwas Wichtiges. Er wollte sie nicht mit einbeziehen? Nicht langweilen? Hatte er das wirklich gesagt? Es ging doch um ihrer aller Sicherheit. Er musste doch was auch immer tun, weil sie hier war und da hatte es nichts mit ihr zu tun? War er verrückt geworden? Ob es sie herunter zog? Sie war ihr ganzes Leben für sich allein gewesen, hatte für ihre Sicherheit selbst sorgen müssen und erwartete er, dass sie das leichtfertig an ihn abgeben konnte? Das hatte doch mit Vertrauen nichts zu tun. Er behandelte sie wie ein ganz gewöhnliches Crewmitglied, nein, sogar noch weniger als das. Wie eine Agentin...

Ein kleiner Teil in ihr schrie darum gehört zu werden. Es versetzte ihr einen heftigen Stoß. „Ich muss das allein machen“. Allein, so als wäre er es. Als wäre er noch immer allein... auf sich gestellt... als gäbe es sie gar nicht. Als müsse er alles auf seine eigenen Schultern laden... allein... ganz allein. Plötzlich drückten Tränen gegen ihre Augen und sie konnte nur unter großer Mühe verhindern, dass sie ihr über die Wangen liefen.

»Robin...« nun klang es zärtlicher. Er hielt sie fester im Arm und sie hörte sein Herz rasen, stolpern, als würde er innerlich kochen.

»Ich... ich glaube an dich...« Mehr brachte sie einfach nicht fertig, mehr konnte sie nicht sagen. Sie würde an ihn glauben, aber sie hoffte, betete, dass es das letzte Mal sein würde, dass sie auf diese Art und Weise leiden musste. Sie wollte nicht ausgeschlossen werden, sie wollte nicht, dass er diese Bürde allein trug. Verdammt, sie war etliche Male darunter zusammengebrochen und jetzt wollte er ihr das auch noch abnehmen? Zusätzlich zu seiner eigenen? In der Tat, er war verrückt.

Seine Lippen zitterten durch seinen heftigen Puls, als er ihr nochmals einen Kuss auf die Wange gab. »Danke... das bedeutet mir viel.«

»...Das sollte es auch. Du...« doch sie brachte es nicht zu Ende.

»"...bist nämlich mein Traummann"?«

»Nun ja…«

»"Hast nämlich den allergrößten"?«

Langsam zog sich eine Augenbraue nach oben. »Wie könnte ich das beurteilen?«

»Hast doch deinen Knilch noch gehabt, oder? Der nicht wusste wo er rein muss? Oder wars anders? Kam er zu früh? Hat seine Mutter euch gestört?«

Sie stockte erneut und sah so weit weg wie es nur ging. Herr Gott noch mal! Ihre Hände zitterten plötzlich und sie wirkte nicht verschämt, sondern vielmehr verletzt. Wieso sagte er so etwas? Das war wirklich nicht lustig und es ging ihn auch überhaupt nichts an. »Könnten wir bitte nicht von Lycra sprechen?«

»Wollte ich doch gar nicht. Ich war noch bei meinem.«

»Ich fürchte, ich kann dir nicht mehr folgen...«

Er seufzte stark. »Ich wollte dich aufmuntern...«

»Indem du mit mir über deinen Schwanz und meinen Exfreund sprichst? Wundersame Wirkung.«

»…«
 

»Ich glaube an dich, das heißt nicht, dass es leicht ist. Aber... ich... schaff das schon... Um mich musst du dich wirklich nicht auch noch sorgen.« Nicht zu allem anderen noch mehr aufbürden, nicht wahr, Robin?

»Ich verspreche... bald werd ich dir es dir sagen. In Ordnung?«

»Scheint ja viel größer zu sein, als zu mir weiß machen willst. Oh aber...« Sie hob die Hände, wie zur Abwehr. »Schon gut. Vergiss es. Du bist nun mal... ein Einzelgänger. Ich weiß.«

Resignierend seufzte er, antwortete aber nicht mehr. Er wirkte fast etwas genervt.

»Aber mal davon abgesehen, dir ist auf der Insel nichts Merkwürdiges passiert, oder?«

»Hmmm...« Er grübelte. »Nein, nicht wirklich. Hab nur gehört, dass das Gerücht der "Todesinsel" wieder populär geworden ist.«

»Todesinsel?«

Er winkte ab, lächelte es nichtig. »Ach, ne alte Geschichte. Die gibts hier in der Gegend immer mal wieder. Ne Insel, von der man nicht mehr lebend zurück kommt. Wo einem die Seele aus dem Leib gesaugt wird. So was halt.«

»Die liegt nicht zufällig auf unserem Weg, oder?«

Nun grinste er wirklich. »Wieso? Hast du Angst?«

Beinahe zog sich ihre Unterlippe verräterisch nach vorn. »Ich mag keine Geister.«

»Ohh, keine Angst. Ich beschütz dich schon.«

»Und wer beschützt mich vor dir?«

Seine Hand griff scheinbar unbewusst nach ihren Brüsten. »Musst du noch davor beschützt werden?«

Darauf seufzte sie nur.

»Kukuku... ja ja ich bin schon ein Hengst, was?«

»Kennen deine ganzen Verflossenen eigentlich auch alle den Hentai?«

»Nein, nur den Hengst.«

»Na wunderbar. Womit hab ich das verdient?«

»Na du hast sicher als Kind immer brav dein Gemüse aufgegessen.«

»Ich dachte eher an schlechtes Karma.« Seufzend rieb sie sich über die Augen. »Oder liegt es daran, dass ich zu lange auf meiner Mauer gesessen habe?« Oh man, wieso war sie eigentlich so vom Thema abgekommen. »Also, wo soll diese ominöse Todesinsel liegen?«

»Ich hab keine Lust darüber zu reden, Robin... deine Brüste sind ganz hart...« demonstrativ packte er fester zu und kam mit seinen Lippen näher an ihren Hals.
 

Erst fielen ihr gleich die Augen aus dem Kopf, dann zog sie erschrocken Atem in sich auf und schloss noch immer überrascht die Augen. »...Ah... Aha...«

»Fühlt sich gut an...«

»…Kann man so sagen.«

Ein schelmisches Grinsen erschien auf seinen Lippen. »Ah? Tut es?«

Beinahe vorwurfsvoll blickte sie ihm entgegen. »Du denkst wirklich, du bist urkomisch... oder?«

»Nein...« Er küsste ihren Hals und sie spürte seinen heißen Atem an sich. »...ehrlich gesagt freue ich mich nur, dass es sich für dich auch so gut anfühlt wie für mich.«

Vorsichtig hob sie ihre Hände und fuhr über seine Wangen, hob seinen Kopf etwas an und küsste ihn noch immer behutsam auf die Lippen. Ein schmales, echtes Lächeln mischte sich unter die anderen, ganzen negativen Gefühle. Erstaunlich, wie solche Worte, sie alles andere vergessen ließen. »Immer, Crocodile.«

Er schnurrte beinahe und packte nun ihren Hintern an. »Hrhrhr, okay. Dann kann es ja losgehen, was? Am besten du packst die beiden Süßen aus und gibst mir dann ne Rückenmassage.«

Sie leckte sich unbewusst über die Lippen. »Hm, ich weiß nicht.«

»Hast du Lust auf was anderes?«

Jetzt schmunzelte sie sogar. Wirklich, eine Achterbahnfahrt der Gefühle, wie es nur bei ihm möglich war. »Vielleicht.« Sie drückte ihn etwas zurück, bis er auf der Matratze lag und sie sich über ihn schieben konnte.

Er grinste und dieses Mal war da keine Mauer mehr. Vor ihr lag seine Erregung und das versaute Grinsen in seinem Gesicht. »Kukuku...«

Sie beugte sich zu ihm herunter. »Also Mister Sandmann, du könntest mir einen Haufen Arbeit ersparen, wenn du einfach gleich freiwillig alles ablegst, was mich von deinem Kumpel da unten trennt.«

»Ohhh...« Er grinste böse. »Nein, das hättest du wohl gerne. Ein bisschen Arbeit muss ja auch für dich da sein.«

»Ein bisschen?« Langsam begann sie ihm das Hemd zu öffnen, fuhr gleichzeitig bereits seine Hose herab und spielte mit der Gürtelschnalle.

Sie bemerkte, wie er den Atem anhielt und seine Stimme dadurch heiser klang. Er wirkte, als hätte er die Situation kaum noch unter Kontrolle. »Ja... ein bisschen.«

Daraufhin lächelte sie ihm entgegen, als sie den Reißverschluss nach unter zog, beugte sie noch einmal herab zu seinem Ohr und hauchte, kaum vernehmlich. »Diesmal hältst du dich zurück, bis ich fertig bin.«

Er biss sich schmerzhaft in die Lippe, wollte etwas entgegnen, doch der Kloß in seinem Hals brachte ihn davon ab. Sein Hemd fiel zur Seite, gleichzeitig entfernte sich der Stoff seiner Hose von seinen Beinen und er wusste, allein Robin war dazu in der Lage es auf diese Weise zu tun, schnell, effizient und so sanft, dass es eine Gänsehaut auf ihm hinterließ.

»Sei schön brav, Crocodile. Zur Abwechslung.« Dann fuhr sie über sein Kinn, seinen Hals hinab, über seine Brust und den Bauch. Schließlich packte sie nach seiner Shorts und entfernte auch diese mit einem heftigen Ruck. »Und jetzt keine Mätzchen Captain.«

»Kehehehehe....« Sein Blick wirkte vernebelt, als er sie musterte und sie bemerkte, wie heftig sein Atem bereits rasselte. »Mal sehen. Liegt ganz dran, ob du gut genug bist.«

Ihre Hand glitt zwischen seine Beine und fuhr langsam, vorsichtig über besagten "Kumpel" und küsste ihn auf die Spitze. »Ich glaube, ich habe sogar Talent.« Mehr Zeit ließ sie ihm nicht für seine dummen Kommentare, sondern begann mit diebischer Freude ihr Werk. Sie wollte, dass er sich gut fühlte. Sie wollte ihm zeigen, was er ihr bedeutete und wie weit sie für ihn ging. Sie wollte ihm zeigen, was sie für ihn empfand und hoffte unterschwellig darauf, dass er ihr so mehr Vertrauen entgegen bringen würde.

Omoide – Melodie der Erinnerung

Lied: http://www.youtube.com/watch?v=wohA-EDyeiw&feature=related
 

- - -
 

Wie Crocodile angekündigt hatte, blieben sie nicht lang auf Quom. Je schneller sie die Insel verließen, umso besser. Das Risiko doch noch die Aufmerksamkeit der Marine zu erregen war zu groß. Bereits am nächsten Morgen luden sie den neuen Proviant ein und setzten Segel. Die Stimmung auf der Minerva blieb auch weiterhin kühl und Robin kam nicht umhin mit Zweifeln zu kämpfen. Doch jedes Mal, wenn sie wieder aufkamen, schluckte sie sie mit aller Macht herunter. Es wurde besser. Nach nur einem Tag auf See hatte das Schweigen aufgehört, selbst wenn auch danach kaum geredet wurde. Crocodile gab sich wie immer und schien wieder in sein altes Schema zu rutschen, indem er Robin hie und da anzügliche Kommentare und Anmerkungen entgegen schleuderte. Auch Paula gab sich unbeschwerter, wurde jedoch ganz stumm, sobald Robin den Raum betrat. Die meisten Gespräche endeten, wenn sie in die Nähe kam. Der einzige, der dann versuchte die Stimmung aufzubessern war Crocodile. Er zwang seine Mannschaft einfach dazu zu antworten. Sie brauchten noch etwas Zeit, das bestätigte ihr auch Crocodile. Dennoch war es seltsam und in Robin wuchs eine böse Vorahnung heran, die ihr Angst machte. Sie bemühte sich sich ihr nicht hinzugeben, sie einfach als nichtig abzutun. Manchmal gelang es ihr, wenn sie in Crocodiles Armen lag oder er ihr ein Kompliment machte. Doch die meist Zeit über fiel es schwer. Sie blieb stark, sie würde weiter dafür kämpfen, was sie wollte. Das hatte sie Crocodile versprochen.

Acht Tage waren sie so unterwegs. Die Zeit wog nichts mehr, sie verstrich einfach und hinterließ ein beinahe tägliches Einerlei. Nichts schien sich zu verändern, alles blieb beim Alten. Nur nebensächlich bemerkt sie Crocodiles Verwunderung. Erstaunlich oft prüfte er den Kurs und wirkte mit jedem Tag verwunderter. Sie wusste, dass er auf der nächsten Station, auf Toshi-o-Toru, bereits gewesen war. Er erwartete wohl schneller voran zu kommen, als sie es taten, doch dies war nur ihre Interpretation. Natürlich sprach er so etwas nicht aus. Dabei stand der Wind gut und sie kamen schnell voran. Viel zu schnell für Robin. Wenn es nach ihr ginge, wäre Toshi-o-Toru nicht das nächste Ziel gewesen. Noch nicht. Sie wünschte sich mehr Zeit, um mit Iroko zu reden, doch diese verbarrikadierte sich in ihrer Kajüte und ließ niemand mehr an sich heran.
 

Auch in dieser Nacht, in der sie im Krähennest Wache schob, dachte sie darüber nach, wie sie Iroko helfen konnte, als etwas ihr ihre Aufmerksamkeit entzog als wäre sie ein Stück Papier, das man aus einem Stapel herauszog. Robin hörte etwas, ein Geräusch, dass sie inne halten ließ. Musik. Eine Melodie aus weiter Ferne. Etwas irritiert richtete sie sich im Krähennest auf und schaute aufs Meer. Die Musik kam eindeutig nicht von ihrem Schiff. Aber wie war das überhaupt möglich hier im Nichts Musik zu hören, die nicht von der Minerva kam? Robin schloss kurz ihre Augen, um sich ganz auf den Klang zu konzentrieren.

Es war eine schwere Melodie und doch sanft wie Wellen. Niederdrückend und gleichsam schäumend wie die leichte Gischt die gegen den Bug prallte. Ein zärtliches, helles Klopfen und langes Ziehen von Tönen. Wie ein schwerer Gang voller Erinnerungen. Es war beruhigend, kühlte sie herunter, ließ sie unwillkürlich ihre Augen schließen. Und doch war es in seiner beruhigenden Wirkung aufrührend, verhängnisvoll, ruhelos. Griff nach ihr wie ein ertrinkender Seemann, der sie mit in die Tiefe des Meeres ziehen wollte.

Sie konnte es hören, als spiele es jemand direkt neben ihr, in ihr. Wie ein unebener Wind wurde die Melodie lauter, wieder leiser, schien sich um sie zu drehen, sie zu umkreisen, zu durchdringen und wieder zu verschwinden. Es war als würde die Musik eine Saite in ihr zum Schwingen bringen, einen versteckten Ort in ihrem Herzen finden, ihn berühren, offenbaren und sie mit der Erkenntnis allein lassen. Sehnsucht, Trauer, Einsamkeit und Hass, aber auch Liebe, Zuneigung. Ein Wunsch, ein Traum. Eine sanfte Berührung. All dies vereint in einer einzigen gesanglosen Melodie. Eine Melodie, die ihr den Atem raubte.

Wortlos, machtlos beinahe stand sie dort und rührte sich nicht. Es raubte ihr nicht nur den Atem, es fesselte sie außerdem. Sie konnte sich nicht mehr bewegen. Nur nebenbei hörte sie unten sich Schritte. Auch die Anderen waren an Deck gekommen, und standen nun genauso starr wie sie auf dem Holz und lauschten der fremden Melodie. Jeder einzelne von ihnen war gekommen, selbst Iroko. Robin schluckte, als ihr das bewusst wurde. Es war kurz nach Mitternacht, eigentlich schliefen die meisten um die Zeit bereits. Warum waren sie der Melodie gefolgt? Oder hatte sie die Melodie gerufen?

Sie hatte längst das Gefühl für Zeit verloren, konnte nicht sagen wie lange sie dort stand und lauschte, die Klänge in sich aufnahm, aufsog, ehe sie wie eine Puppe an ihren Fäden tanzte. Dann wurde die Melodie leiser und sie konnte wieder atmen. Als hätte die Musik sie davon abgehalten. Und als die Musik schließlich ganz verstummte, war es als würde ein riesiger Stein von ihrem Herzen fallen, als wäre ein Würgegriff gelöst worden, wie Heilung nach dem Schmerz. Und gleichsam fühlte es sich kalt an in ihrer Brust. Als fehle etwas, als wäre etwas herausgerissen worden. Als hätte ihr jemand einen sehr wichtigen Teil gestohlen. Ein Teil ihres Ganzen.
 

Sie fühlte sie benutzt, zurückgelassen, schäbig, unbefriedigt. Als hätte man sie im Regen stehen lassen. Sie fror, fröstelte und hatte Schuldgefühle. Für einen Moment wurde ihr übel, erst dann wurde es besser. Doch der fade Beigeschmack blieb. Als hätte man sie beraubt, ohne dass sie wusste wessen. Vorsichtig rieb sie sich über die Schläfen, blinzelte immer wieder, als könnte sie es nicht glauben. Sie spürte den Verlust, aber irgendwie beschlich sie eine tiefe Furcht. Etwas, an das sie sich im Moment nicht erinnern konnte, etwas das ihr Angst machte. Irritiert blickte sie nach unten auf das Deck, zu den anderen.

Uma hatte die Hände in den Haaren vergraben, keuchte. Einzelne Silben glitten über ihre Lippen, wiederholten, was sie sich schon stumm zugeflüstert hatte. »Was zum Teufel? ..Ja... was...?« Ihr Starrer Blick haftete auf sich selbst, als könnte sie es nicht glauben, beinahe als suchte sie etwas. Miki, neben ihr, blickte unterdes noch unbeweglicher auf das Meer vor ihm als sonst. Beinahe wie ein Stein, wie ein Berg, der nicht zum Leben erweckt werden konnte. Und etwas am Rand klammerte Iroko ihre kleinen Hände in die Reling. Ihr Mund stand offen, die Augen tauchten fast schläfrig in den Nachthimmel. Ihre Wangen glitzerten feucht.

Auch den anderen ging es ähnlich. Gal hatte kalten Angstschweiß auf seiner Haut ohne zu wissen, wovor er sich fürchtete. Jetzt, da die Melodie fort war, fühlte er sich noch miserabler, noch ängstlicher. Als stünde das Schlimmste noch bevor. Paula, die direkt neben ihm stand, klammerte sich hilflos an Jazz, welcher zwar keine Regung nach außen trug, innerlich aber genauso aufgewühlt war, wie die anderen. Niemand hatte sich der Musik erwehren können, nicht einmal Crocodile, der kraftlos an der Reling lehnte und nach Atem rang.
 

Momente vergingen, die wie Stunden erschienen, ehe endlich jemand das Eis brach und seine Stimme wie sich ein Bohren in die Ohren der anderen fräste. »Wa... was war das?« flüsterte Gal und doch zuckten sie alle zusammen, als hätte er ihnen in die Ohren geschrien.

Ebenfalls leise, kaum vernehmbar antwortete ihm das Nesthäkchen. »Es klang wie... ein Hilferuf.«

»H-Hilfe?...« Gal erschauerte erneut. »G-ganz sicher nicht... das klang als wolle uns jemand umbringen...«

Etwas lauter, aber trotzdem gedämpft, hörten sie von weiter oben Robins Stimme. Ihre Augen hatten sich ähnlich Mikis wieder auf das Meer geheftet und dort glaubte sie nun etwas zu erkennen. »...Nebel. Wir... fahren auf Nebel zu.«

»Was?« Das riss Crocodile aus seiner Trance und er stolperte nach vorn, blinzelte um zu sehen, was sie meinte.

Dort ja, inmitten der Schwärze des Ozeans und der Nacht, weitab des Mondlichtes und weitab der Sterne, hing ein Farbenschleier in der Luft. Violett, lila, rosa, rosé, rot. Ein dünner Streifen, oval, wie eine Nebelwolke zwischen den Welten. Leuchtend erstreckte es sich über dem Wasser, funkelte, schimmerte leicht und dumpf. War magisch anziehend, unnatürlich und strahlte die gleiche Atmosphäre aus wie das Lied, das sie zuvor gehört hatten. Sie fühlten eine unerklärliche Sehnsucht dorthin zu segeln. Alles andere wurde ausgeblendet als gäbe es nichts mehr auf dieser Welt, was noch lohnte zu entdecken, zu wollen außer diesem Nebel. Und gleichsam erfasste sie die Furcht seine Gänze zu erkennen, in das Licht zu segeln. Wie ein heißkalter Hauch zog es sie an, rief nach ihnen, flüsterte mit dem Wind. War geschmacklos und fad und hielt zugleich alle Geschmäcke der Welt in sich. "Omoide" rief es. "Omoide". Jeder von ihnen spürte dieses Wort ganz tief in sich, hörte es in seinen Ohren rauschen, als würde es jemand ihnen entgegen hauchen. Als wäre es in ihre Herzen gestanzt.
 

»Bossu...« kam es leise, kränklich und voller Angst von Paula. »...Bitte… lasst uns weitersegeln. Das... kann nichts Gutes bedeuten...«

»...Können wir das denn wirklich?« Umas Stimme klang immer abgehackter, fast unsicher.

Hastig starrte Crocodile auf den Log Post um sein Handgelenk und erstarrte noch in derselben Bewegung. Die Nadel wirbelte sich herum, drehte sich und drehte sich, schwenkte nach links, blieb stehen, machte eine 360 Graddrehung, dann 180 in die andere Richtung, wirbelte wieder herum und blieb kurz stehen. Dann wiederholte sich das Prozedere, immer und immer wieder. Ein heftiger Windstoß kam auf und blähte die Segel, steuerte die Minerva direkt auf den Nebel zu.

Iroko murmelte etwas in die Nachtluft. Keiner schenkte dem wirklich Beachtung, nicht einmal sie selbst. Bedeutungslose Silben, oder nicht? Robin machte einen kleinen Schritt zurück und drückte ihren Rücken gegen den Mast, biss sich auf die Lippen und spürte wie ihre Angst stärker wurde, fast in Panik umschlug. Nur diese merkwürdige Ruhe in ihr hielt sie aufrecht.

»Grrr...« Wütend wirbelte Crocodile herum und fuhr seine Agenten an, dass sie heftig zusammenzuckten. Seine Stimme barst beinahe vor Wut, riss sie in den Abgrund seiner Furcht. Für den Moment hatte er die Leere hinter sich lassen können, die die Musik in ihm ausgelöst hatte. Aber gegen die Angst kam er nicht an. Gegen diese unmenschliche Furcht vor dem, was hinter dem Nebel lauerte. War es seine eigene Angst? Sie fühlte sich fremd an, als gehöre sie gar nicht zu ihm. Und dennoch verschlang sie ihn mit Haut und Haaren und ließ nichts weiter zurück als einen kleinen, verängstigten Jungen. »Los! Beidrehen! Miki, ans Steuerrad, Gal, Jazz, in die Segel, sofort!«

Resignierend starrte sein Steuermann ihm entgegen. In seinem Blick lag etwas tief Vergrabenes. Miki wusste bereits, dass es zu spät war. Was auch immer hier wartete, es war unabwendbar. Miki spürte das, erkannte es. In ihm herrschte weniger Angst, als Verwunderung. Selbst als Uma etwas gereizt, aber noch immer ruhiger, als sie normalerweise gewesen wäre, an ihm zerrte, bewegte sich der Koloss keinen müden Meter. Fast wie im Traum schüttelte er nun langsam seinen Kopf.

»Was?« fauchte Crocodile ihm entgegen.

Ein Handzeichen und Umas Stimme bröckelte, als sie es übersetzte. »...Zu spät...«

»Grrr, Jazz, dann mach du es halt!«

Obgleich dieser im ersten Moment ebenfalls zögerte, führte er den Befehl aus. Nur um jedoch zu merken, dass das Steuerrad wie festgeschraubt wirkte und sich keinen einzigen Zentimeter drehen ließ. Die Minerva steuerte währenddessen immer schneller auf den Nebel zu, als wäre sie in einen Stromkreislauf geraten. Wie besessen blies der Wind in ihre Segel, trugen die Wellen sie voran, dass die violette Wand immer näher kam.

In Crocodile brach nun wirklich Panik aus, obgleich der Nebel ihn weiter zu sich zog, langsam in sein Netz holte und den Wunsch in ihm schürte durch ihn hindurchzutreten. Der leuchtende Nebel war inzwischen beinahe zum Greifen nahe. Sie hatten ihn fast erreicht. Nun, als er direkt vor ihnen schwebte, reichte er weit über ihren Mast. Die Luft war so dicht, so allumfassend, dass sie das Schiff in seiner Gänze verschlingen würde. Der Nebel war wie Sternenstaub, wie eine Sonne, schien zu pulsieren, veränderte kontinuierlich die Schattierungen, die Helligkeit, die Intensität der Farben, als wäre er lebendig. Die Minerva hatte längst an Fahrt abgenommen und schipperte nun nur noch ganz langsam auf dem Nebel zu, als wolle es vor ihm stehen bleiben. Dann hörten sie drei lange Worte, aus einer unbekannten Sprache. Schwer, tief, eine männliche Stimme.
 

Askus vaya hilma
 

Robin schrak zusammen und konnte sich nicht erklären warum. Sie kannte diese Sprache, so schien es, aber sie konnte sich nicht erinnern sie jemals gelernt zu haben. Die Worte waren klar, sprudelten aus ihrem Mund heraus, als würde ihr Körper sie ablehnen.
 

Bitte rettet mich.
 

In diesem Moment war es, als würde ein Wind aufwehen, sanft, wie eine Brise, öffnete den Weg als hätte sich ein Vorhang aufgetan und ließ ihr Schiff durch den Nebel gleiten. Nur Sekunden dauerte es, ehe das Leuchten sie verschluckt hatte, sie in ihm verloren waren. Der rote, violette und rosane Schein umgab sie völlig, pulsierte um

sie, umgarnte sie, küsste sie, dass es auf ihrer Haut zu kitzeln begann. Der Staub leuchtete, glitzerte wie Sterne und hielt sie in seinen Armen wie die Mutter ihr Kind. Wohlig, wärmend und behutsam hielt er sie fest und drückte sich in ihre Lungen. Und aus der Ferne erschallte ganz leise wieder die Melodie. Über die sanfte Berührung des Nebels schlich sich erneut die Schwere, bedrängte sie als würde sich ein Schatten nähern. Doch noch war er zu weit entfernt, um wirklich bedrohlich zu sein. Noch.

Ängstlich streckte Paula die Finger aus, berührte den Nebel, griff hindurch und zuckte gleich wieder zurück. Sie versuchte eine Struktur zu erfassen, fand jedoch keine. Alles, was sie spürte, war das elektrische Kribbeln und den faden Geschmack aller vorstellbaren Gerüche, die es gab, auf ihrer Zunge. Sie plagte noch immer die Melodie, die ganz leise um sie herum schwirrte. Sie machte ihr Angst, brachte ihr Blut in Wallung, pumpte Adrenalin durch ihre Adern, ließ sie um ihr Leben fürchten. Und doch war niemand hier außer ihnen. Nichts weiter als der Nebel und die Melodie. Und das keuchende Atmen der anderen, das sie fast um den Verstand brachte. Sie alle hatten mit dieser Angst zu kämpfen, doch Crocodile versuchte bei aller Macht bei klarem Verstand zu bleiben. Angestrengt blickte er nach vorn, wartete starr auf das Aufbrechen des Nebels, die Schwärze der Nacht, das Ende, das Schrecken. Und dann, nach einer Unendlichkeit, die gleichsam wie nur wenige Sekunden erschien, teilte sich der Nebel vor ihnen. Und es wurde hell.
 

Das Licht, das durch den Vorhang strahlte, war so hell, dass es blendete und erst nach einigen Momenten konnte die Mannschaft wieder klar sehen. Verwirrt blickten sie sich um und fanden sich in einer vollkommen unwirklichen Welt wieder. Die vermeintliche Helligkeit war kein Tag, nicht einmal Sonnenlicht. Es war das gleiche Leuchten wie zuvor, nur etwas heller, trüber. Nicht so erdrückend, nicht so luftabringend wie zuvor. Wie Kerzenlicht. Als würde man durch den Regen schauen. Die Luft um sie herum war rosé, der Himmel ein flaches Gewölbe aus grau-violettem Schein, und nur das Wasser schwarz wie Tinte, vermochte das Schauspiel nicht zu spiegeln. Vor ihnen lag eine Insel, gefärbt von grau und violett, grau und rosa, grau und rot. Steppe, überall nur Steppe und Gras, unendliches Gras. Hügel, Felsen, keine Klippen, kein Strand, einfach nur Weide, unendliche Ödnis. Und in der Mitte eine riesige schwarze Burg. Die Minerva steuerte direkt darauf zu, obwohl es absolut windstill war und sie nicht einmal mehr die Brandung der Wellen am Schiffsbauch hörten.

Jeden einzelnen von ihnen hatte ein Schweigen ergriffen. Eisig vermischte es sich mit der bedrohlichen, immer näher rückenden Melodie, die ihre Krallen nach ihnen zu wetzen zu schien. Erst als ihr Schiff sanft gegen die Küste der Insel prallte, schienen sie aus ihrer Trance zu erwachen. Robin befiel eine eiskalte Gänsehaut, spürte den Angstschweiß auf ihrer Haut. Kälte legte sich auf ihre Schultern, fraß sich durch ihre Haare, entlang zu ihren Füßen. Es dauerte eine ganze Weile, ehe jemand das Wort ergriff.
 

Robins Beine zitterten so sehr, sie glaubte nicht, dass sie auch nur einen Schritt machen könnte. In ihrer Zeit fest gefroren, so kam sie sich vor. Wütend über sich selbst, versuchte sie sich zumindest aus dem Krähennest auf das Deck zu bewegen, aber die Angst lähmte sie zu sehr.

Paula schluckte und sank in die Knie. »Das... das ist doch absurd... was soll das... wieso passiert das?«

»Es ist fast so... als hätte uns jemand gerufen...« Gal wusste nicht, wie ihm geschah. Vor lauter Angst zwang er sich rational an die Sache heranzugehen und nicht den Verstand zu verlieren. Es fiel ziemlich schwer.

In diesem Moment kam es Crocodile wieder in den Sinn. Die Todesinsel. Aber das konnte doch nicht stimmen. Und wieso sollten gerade sie hier her kommen? Er hatte doch extra einen Eternal Post besorgt, der, wenn auch nicht hundertprozentig, auf Toshi-o-toru eingestellt war. Dennoch, er behielt seine Gedanken für sich. Er musste nicht noch mehr Panik auslösen. Das konnte man alles rational klären.

Uma schüttelte sich einmal etwas heftiger. »...Ist das widerlich.« Ihr war gar nicht bewusst, dass ihre Stimme leicht zitterte. Sie wollte es sich nicht eingestehen, aber sie war mehr als nur nervös. Sie spürte Furcht sich ihren Glieder entlang schlängeln, an ihrem resoluten Verstand kratzen, bis hinauf zu ihrem Gehirn und daran knabbern. Ihre Brust vibrierte beinahe, als das ängstliche Knurren aus ihrer Kehle drang. »...Grrrrr...«

»Was machen wir jetzt?« kam es scheinbar unberührt Jazz.

»Wir gehen an Land.« antwortet sein Captain brüsk. »Ich will demjenigen ordentlich in den Arsch treten, der uns hier her bestellt hat.« Er wünschte sich so sehr, dass seine Stimme überzeugend klang. Denn er war sich selbst nicht so sicher, ob er sein Ziel überhaupt erreichen konnte. Nicht mit dieser Unruhe, die immer weiter in ihm wuchs und drohte ihn verrückt werden zu lassen.

»Was? Ich-ich will nicht! Nein, ohne mich!« Paula wich noch etwas zurück, kroch auf dem Boden von ihm weg.

»Fein, dann bleib hier.« Und damit setzte sich Crocodile in Bewegung und sprang direkt ans Ufer. Seine Stimme war ungewöhnlich hart gewesen, als hätte ein Dämon von ihm Besitz ergriffen.
 

Es dauerte nicht sonderlich lang, ehe Iroko folgte. Ihr Blick war starr wie immer, ihre Bewegungen leicht unvorsichtig, als wäre sie angetrunken. Kein Schimmer von Angst oder Furcht bewegte ihre Sinne. Crocodiles Wut, seine Richtung stachelte auch Uma an. Unwirsch riss sie sich aus ihrer Starre und sprang aufs Land, krempelte sich dabei die Ärmel nach oben. Sie wünschte sich, sie könnte jemanden in den Arsch treten. Allein der Gedanke, dass dieser jemand keinen Arsch hatte, ließ sie schnaufen.

Ihr Boss schenkte den Anderen wenig Beachtung. Er kniete sich hin, ließ die Hand über die Erde fahren. Der Boden unter ihm war fest, machte keine Anstalten jeden Moment nachzugeben und sie zu verschlucken. Kein Traum, alles echt. Crocodile nahm etwas Erde in die Hand, zerbröselte sie unter seinen Fingern. Ein bisschen sandig, aber nicht viel, eher Humus mit viel Muschelkalk. Definitiv echt. Langsam raffte er sich wieder auf und ließ den Blick über das unebene Land kreisen. Hier gab es nichts, weit und breit nichts weiter als Ödnis und die Burg, die sich mehrere Kilometer vor ihnen erstreckte. Schwarz, verrußt, mit spitzen Türmen, aus grobem Stein, mit Löchern und eingerissenen Mauern. Eine Ruine. Crocodile zögerte sehr lange, doch schließlich setzte er sich in Bewegung, dass man den Staub und die Erde unter seinen Füßen knarren hören konnte.

Auch Jazz folgte ihnen endlich und ließ die anderen auf dem Schiff zurück. Es dauerte noch weitere Minuten ehe auch Miki die Insel betrat. Er wurde nicht von Angst oder Neugier getrieben. Vielmehr vom Wunsch Uma von Dummheiten abzuhalten und zu sehen, ob er nicht helfen konnte. Auch wenn er noch immer spürte, dass alles Kommende wie von unsichtbarer Hand geführt wurde. Was kam, musste so kommen. Zurück blieben Gal, Paula und Robin. Die anderen entfernten sich bereits, schienen wirklich keine Rücksicht auf sie zu nehmen. Und dann war da noch immer die leise Melodie, die stetig nach ihren rief, sie zu sich locken versuchte. Gal wurde fast ohnmächtig unter dieser Last, unter dem Zerren und der Angst. Er biss sich die Lippen auf und starrte auf die anderen, wie sie immer kleiner wurden. Für Robin und Paula hatte er keine Augen mehr, sie waren längst nicht mehr vorhanden. Da war nur noch er und seine Angst, die ihn immer weiter hochschraubte, anstachelte und voran treiben wollte.

Als die Anderen schließlich kaum noch zu sehen waren, überwältigte ihn diese Angst und er riss sich los. Die Welt war plötzlich viel kleiner, er blendete alles andere aus. Da war keine Minerva mehr, keine Reling, keine Paula, keine Robin, kein Wind, keine Luft, kein Keuchen seines Atems. Da war nur noch er und die Crew, die ihn erneut allein gelassen hatte. Zurückgelassen, die kalte Schulter gezeigt, erbarmungslos. Hastig wirbelte er auf und rannte los, sprang die Reling hinab auf das Festland und sprintete den anderen entgegen. Die Furcht trieb ihn an, die Einsamkeit, die riesige Angst zurückgelassen zu werden. Erneut.

»Wa-Gal!« Ängstlich riss auch Paula die Augen auf und rappelte sich auf. Nur ein kurzer Blick hinauf ins Krähennest, wo noch immer Robin saß, dann zurück zu dem kleinen Mann, der sie alleine ließ. Allein mit Robin. Voller Wut und Furcht raffte auch die Blauhaarige sich auf und sprang vom Schiff. Lieber rannte sie zusammen mit den anderen ins Verderben, als hier allein auf dem Schiff zu bleiben, unfähig sich zu wehren.
 

Ehe Paula ihn erreichen konnte, stürmte etwas auf ihn zu. Eine Welle aus Musik, die ihn wie ein Speerstoß durchbohrte, niederriss und ihm die Kraft nahm, dass er hilflos in die Knie gezwungen wurde. Die Melodie umgab ihn, wurde immer lauter, kreiste um seinen Kopf herum, machte ihn verrückt. Es war als würde die Melodie leben, ihn wie ein Raubtier umschleichen, umkreisen, einkreisen, immer enger, bis es zuschnappen konnte. Ihn beobachtend, musternd, analysierend, ruhelos, schlaflos, lechzend. Erneut belegten ihn die gleichen Gefühle wie zuvor, dieses Mal ruckartig, stoßartig, wie ein starker elektrischer Schlag. Unter Schmerzen hielt sich der schwarzhaarige Mann den Kopf, blinzelte nach vorn, doch seine Crewmitglieder waren noch immer zu weit weg und sie hatten nicht mitbekommen, dass er zu ihnen wollte. Sie interessierten sich gar nicht dafür, ob er zu ihnen wollte oder nicht. Sie hatten sich noch nicht einmal umgedreht, um nachzuschauen, ob er kam. Hatten wohl damit gerechnet, dass er eh zu feige dazu war mitzukommen. Wie immer. Er war nur eine Last für sie, ein Klotz am Bein, ein Vollversager, eine Niete

Eine Stimme ertönte, sehr tief, laut und gleichsam leise, sehnsüchtig, traurig, einsam, flehend. Er sang. Er sang sehr langsam, betonte jede Silbe, ließ sich Zeit, unendlich viel Zeit, wie ein viel zu langsamer Fluss, wie ein Stocken des Blutes in den Adern, wie eine auslaufende Sanduhr. Er kannte die Stimme nur zu gut, obgleich sie ihm so fremd schien wie nichts, was er bisher kannte. Sie sprach leise, gefährlich, wie eine Schlange.

Du wirst niemals mit ihnen mithalten können. Du wirst immer zurück bleiben. Sie brauchen dich nicht, sie haben dich niemals gebraucht. Du warst immer eine Last für sie. Du bist schwach.
 

Die Stimme wurde immer gehässiger, lachte ihn aus.

Du kannst nicht navigieren, du bist kein Anführer, du kannst keine alte Schrift lesen, du kannst nicht mit einem Schwert kämpfen, nicht kochen, bist nicht selbstbewusst, nicht kräftig, nicht stark. Kannst nicht singen oder tanzen oder schauspielern. Du kannst gar nichts, Gal Dino.
 

Heftig schüttelte er den Kopf, versuchte wieder auf die Beine zu kommen, sich aufzurichten, mit ihnen mithalten zu können, ihnen nachzurennen. Doch es ging nicht. Er kam kein einziges Stück voran.
 

Egal wie sehr du dich anstrengst, du kommst niemals an sie heran. Sie haben keine Verwendung für dich.
 

Die Silhouetten seiner Crew waren inzwischen so weit entfernt, dass er sie nicht mehr erkannte, nur noch verschwommen erahnen konnte. Sie waren weg. Sie hatten ihn zurück gelassen. Diese Erkenntnis brachte ihn erneut in die Knie, ließ ihn all seine Kraft verlieren.
 

Sie sind weg, hauchte es neben ihm. Eine Gestalt schraubte sich aus der Luft und schwebte im Kreis um seinen Kopf, sah ihn an, nur ihn an, lächelte. Gal Dino. Du bist allein, du bist ganz allein. Niemand braucht dich, du bist ganz allein .
 

Nur langsam schaffte es Gal den Blick zu heben. Er blickte in den Schemen vor sich. Die weiße, durchsichtige Gestalt seiner Selbst. Etwas jünger, mit kürzeren Haaren und ohne Brille. Und dennoch ganz klar er selbst. Gal Dino. Die Gestalt schwebte nun zu Boden, kniete sich vor ihn, wirkte traurig und ernst, fast mitleidig.
 

Du und ich, wir sind ganz allein. Hörst du? Aber mach dir nichts draus. Wir haben uns damit abgefunden. Wir werden... immer allein sein.
 

Tränen kamen in seinen Augen auf und rannen ungehemmt die Wangen hinab. Er bekam keine Luft mehr, spürte wie ein eisiger Hauch ihm die Kehle zudrückte. Und die leeren Augen seines Gegenübers ihm direkt in die Seele blickten.
 

Aber... wir haben immer noch uns. Ein müdes und doch hoffnungsvolles Lächeln malte sich auf die Lippen des Geistes, als er näher kam und seine Arme ausbreitete. Nicht wahr, Gal? Wir können uns auf uns verlassen. Wir brauchen die anderen gar nicht. Nur du und ich. Wie wärs? Klingt das nicht gut?
 

Er schüttelte den Kopf, doch in der Bewegung wurde er immer kraftloser, ehe er ganz zum Stillstand kam. Keine Kraft mehr, vollkommen hoffnungslos, am Ende, ausgelaugt. Da war noch immer die Melodie, die ihm solche Angst machte. Und sein Ebenbild, das diese Angst verschwinden ließ. Wie ein Anker, ein Rettungsboot, wie ein Zuhause. Ja, so fühlte sich dieser Schemen an. Als würde er ihn beschützen. Er hatte Recht, nicht wahr? Er hatte vollkommen Recht.
 

Gal. Zärtlich umarmte der Geist ihn und hielt ihn fest, wie einst seine Mutter. So viel Trost und Sicherheit spendend. Keine Angst. Ich bin für dich da. Für immer. Also bleib bei mir, ja? Bleib für immer bei mir... bitte.
 

»GAL!« Atemlos rannte Paula noch immer auf ihn zu und kam endlich bei ihm an. Kraftlos sank auch sie neben ihn zu Boden und zog panisch Luft in ihre Lunge. Bei ihm zu sein, auch wenn es nur der Hasenfuß des Schiffes war, minderte ihre Angst zumindest ein bisschen. Sie hielt sich die Brust und wischt sich den Schweiß von der Stirn, ehe sie ihn anblinzelte. »Man... kannst du nicht vorher Bescheid sagen?«

Doch sie bekam keine Antwort. Gal kauerte nur noch immer im Dreck und starrte ins Nichts, die Wangen benetzt und errötet von seinen Tränen. Er schien sie gar nicht zu bemerken.

»Hey Gal, ich rede mit dir!« brummte sie lauter, doch als er immer noch nicht reagierte, stieß sie ihn an, dass er gänzlich in den Dreck fiel und zu wimmern begann. Ihre Pupillen weiteten sich. »G-Gal?« flüsterte sie verängstigt und konnte die Panik, die sie befallen wollte, nur grob im Zaum halten. Hastig rüttelte sie an ihm, schüttelte ihn durch. »M-Mach keinen Scheiß! Los, reiß dich zusammen! Du kannst mich doch nicht alleine lassen! Los, aufstehen Angsthase!«

Seine Augen flirrten, er blinzelte, doch er schien sie nicht zu sehen. Auch als sie ihm voller Wut eine Ohrfeige gab, reagierte er kaum. Erst als Paula fast vollkommen verzweifelt war, rührte er sich ganz plötzlich. Seine Lider hoben sich wieder und er stand auf, warf sie von sich und taumelte die ersten Schritte auf die Burgruine zu. Ihr Rufen hörte er nicht, so wenig wie er sie oder die anderen sah. Sie existieren nicht mehr für ihn. Alles was für ihn noch real war, war die Stimme in seinem Kopf, seine eigene Stimme, die ihn befahl zur Burg zu gehen und der er willenlos folgen musste. Die Melodie, die noch immer um ihn herum schwirrte, begann sich zu entfernen, voraus zu laufen, ihn zu leiten, zu locken, zu führen. Nahm ihn an der Hand und zeigte ihm den Weg. Sie war für die anderen kaum wahrnehmbar.

»Was... Gal!« Paula wurde von der Verzweiflung fast zu Boden gen rissen. Sie wurde bald verrückt von der Musik, die überall auf sie lauerte, sie zu beobachten schien, nur darauf wartete sie sich zu holen. Panisch rannte sie Gal nach und schüttelte ihn immer wieder, doch er reagierte einfach nicht. Sie verlor fast den Verstand.
 

Es kam ihr ewig vor, fast wie ein gelebtes Leben, ehe Robin endlich zu sich kam. Auch wenn sie nicht so weit gegangen wäre zu behaupten, dass sie wirklich bei Bewusstsein war. Sie wurde beherrscht, beherrscht von ihrer Angst. Eine sehr alte Angst, die sich endlich zu erkennen gab. Mühselig entklammerte sie sich vom Mast und kletterte vorsichtig, langsam, herunter auf das leere Deck. Sie hatte Paulas Schopf schon längst aus den Augen verloren, hatte starr dabei zugesehen wie Gal und dann auch die Köchin davon gerannt waren. In ihr rührte sich fast nichts. Wenig Sorge zumindest, immerhin konnte sie sich alle gut verteidigen und wenn nicht... nun, es war nicht, als hätte Robin ihnen dann helfen können. Sie konnte sich gerade kaum selbst helfen. Und trotzdem, trotz ihrer schlotternden Knie, trotz der Panik, die nun beinahe frei aus ihr heraus kroch, schleppte sie sich an Land. Mit aller Kraft zwang sie sich einen Schritt nach dem anderen zu machen, wo doch jeder Instinkt in ihr, ihr davon abriet. Alles sagte ihr "Lauf weg, dreh dich nicht noch einmal um". Je weiter sie voran kam, desto ängstlicher wurde sie.

Es war keine Angst, die sie schon einmal erlebt hatte, vielmehr eine Erinnerung an einen Albtraum. Es gab eigentlich nicht viel, vor dem sich Nico Robin fürchtete. Aber Geister... das war was anderes. Nicht Übersinnliches per se, aber unruhige Seelen. Eine ewige Einsamkeit auf der Erde, niemals Ruhe zu finden, endlose Qual. Oh ja, das machte ihr wirklich Angst. Tod war nicht das Schlimmste auf dieser Welt.

Die Musik war nur leise, aber dennoch schallte sie in ihr wieder. Sie griff nach ihr, krallte sich in ihr Herz und drückte fest zu. Sie sprach sie so sehr an, sprach mit ihr, in einer fremden Sprache und doch konnte sie es verstehen. Nein, sie hatte keine Angst vor dem Tod. Sie fürchtete, was danach geschehen würde.
 

Paula stand noch immer starr auf dem Fleck, an dem sie Gal eingeholt hatte. Wortlos panisch blickte sie ihm nach und versuchte ihr wallendes Blut zu beruhigen, eine Erklärung für all das zu finden. Doch es gab keine Erklärung. Sie hatte nichts gesehen. Er war einfach so zusammengebrochen. Was zum Teufel ging ihr vor sich?

»...Paula...« kam es gespenstig hinter ihr.

Sofort wirbelte sie herum und starrte ihr voller Angst entgegen, ehe sie zitternd die Hände wieder senkte, als sie erkannte, dass es Robin war. »Gott... erschreck mich... doch nicht so...«

Robins Haltung entsprach sehr ihrer eigenen, nur ihre Augen zeigten keine Emotion, beinahe als zwang sie sich nicht zu verraten, wie verängstigt sie selbst war. »...«

Hastig schluckte Paula und wandte den Blick ab, sah zu Gal, der noch immer den anderen hinterher taumelte. »...Er... ist einfach zusammengebrochen und seit dem nicht mehr ansprechbar... Als gäbe es mich gar nicht.«

Mit aller Macht zwang sie sich, sich zu konzentrieren. »Sollten wir ihm... folgen?«

»Ich... aber...« Die Köchin biss sich auf die Lippe. »Was ist mit den anderen?«

»Sie scheinen alle in die gleiche Richtung zu gehen.« merkte ihr Gegenüber an.

»...Irgendwas ist hier...«

Robin schloss ihre Augen, zum ersten Mal wankte ihre Stimme. »Ja.«

»...Ich habe Angst...« gestand Paula leise zu und schielte zu der schwarzhaarigen Frau neben sich.

Nur langsam hob ihr Gegenüber ihren Kopf und nur für Sekunden ließ sie ihre eigene Angst an die Oberfläche, um sie zu zeigen, zu zeigen, dass auch sie sich fürchtete. Sekunden, ehe sie ihr die gleiche kalte Miene entgegen reckte, wie eh und je. »Ich auch.«

»Gut dann...« Ihre Stimme zitterte, ehe sie sich in Bewegung setzte. »...besser bleiben wir hier nicht stehen...«
 

Wieder kostete es Robin wertvolle Momente, ehe sie sich erneut in Bewegung setzte und Paula folgte. Noch immer wäre sie am liebsten umgekehrt, aber sie konnte Paula hier nicht allein stehen lassen. Offensichtlich passierte hier etwas und sie konnte diesmal nicht untätig bleiben.

Jazz, Crocodile, Iroko, Miki und Uma waren inzwischen ziemlich weiter vorangekommen. Keiner hatte sich ein einziges Mal umgedreht, ihre Richtung stand fest. Die schwarze Burg. Ihnen allen war bewusst, dass es nicht direkt ihr eigener Wille war, der sie zur Ruine führte. Jemand lockte sie, zog sie langsam zu sich. Die Melodie, die sie gleich einer Welle in die Mitte der Insel schwemmte. Und doch konnten sie sich dessen nicht mehr erwehren. Sie waren bereit herauszufinden, was los war. Was hinter ihren Rücken geschah, bemerkten sie gar nicht.

Zwischen den öden Steinen und Gräsern wuchsen hier auch Blumen. Recht schmucklos, nicht sehr groß, aber gut riechend. Violette, weiße und auch rosane Blüten. Sie alle wogen sich sanft in einer nicht zu spürenden Brise. Und dann, sahen sie plötzlich in der Ferne einen Baum. Recht groß stand er da, vollkommen einsam in der Landschaft. Die dicke Rinde seines gewaltigen Stammes war hart und kerbenübersäht, seine Wurzeln gingen tief in die Erde, rissen sie auf und grauen Blätter umschmiegten ihn wie Haar, wie eine Krone aus Algen. Auch durch ihn ging ein Wind, der nicht real wirkte. Niemand aus der Crew schenkte ihm besondere Beachtung, bis auf einen. Crocodile. Abrupt war er stehen geblieben, sein Blick starr auf den Baum gerichtet. Das Lied war inzwischen wieder tonlos geworden, fast wieder verhallt und mischte sich nun erneut dicht in die Luft und vernebelte ihre Köpfe. Und dann hörten sie eine zweite Stimme rufen.

Crocodile…
 

Es war eine sanfte Stimme, ruhig, freundlich, voller Liebe, aber auch Trauer. Definitiv eine weibliche Stimme. Auch sie war so lebendig und gleichsam körperlos wie die Stimme des Mannes, umkreiste die Gruppe, kam auf Crocodile zu, wirbelte gemächlich um seinen Kopf und umarmte ihn.

Crocodile... mein liebster Crocodile...
 

Aus dem Augenwinkel erkannte Iroko, dass der Körper ihres Bosses sich anspannte und in ein leises Zittern verfiel. Doch ehe sie etwas sagen konnte, ließ sie etwas aufschrecken. Etwas löste sich aus der trüben Luft vor ihnen, ein weißer Schatten, ein Schemen, ein Licht. Es war die Stimme, die Form annahm. Ein weißes Pulsieren, das immer und immer weiter wuchs, zu einer Gestalt anwuchs, einem Menschen. Eine Frau, eine sehr hübsche Frau, mit weißem langem Haar und jungen Zügen, langen schönen Fingern und einem Kleid aus purer Seide. Ihre Füße ließ der Saum nicht erahnen. Sie schwebte in der Luft, glitt auf ihn zu, umkreiste ihn und lächelte. Ihre Stimme war noch immer mit der schweren Melodie unterlegt, aber sie selbst sprach leicht wie eine Feder, erfrischend, sanft und doch beunruhigend. Wie eine böse Vorahnung.

Oh Crocodile… ich habe so lange auf dich gewartet…
 

Hastig stolperte Crocodile zurück und fiel dabei beinahe um. Keuchend starrte er dem Geist entgegen und hatte große Mühe sich auf den Beinen zu halten.

Mit offenem Mund und dem Zeigefinger auf diese seltsame Gestalt gerichtet, überschlug sich Umas Stimme fast. »Ein Geist?! Ein...ja ne! Was...?«

Weder Iroko noch Miki reagierten überhaupt. In Miki war noch längst nicht angekommen, dass ein Geist vor seinem Gesicht herumschwirrte und Iroko schien es wirklich egal zu sein. Beide sahen stumm dabei zu. Auch Jazz schien ganz ruhig, machte sich aber eindeutig kampfbereit.

Inzwischen sah man sah die Frau zu ihm hinauf schweben, sie kam kaum an seine Brust heran, blickte ihm hinauf in seine Augen. Ihr durchsichtiger Körper schmiegte sich an ihn, ihre Hände nahmen sein Gesicht in seine Hände und sie gab ihm einen leichten Kuss.

...Ich war so einsam ohne dich...
 

Abrupt zuckte Crocodile zusammen, als hätte er einen tödlichen Stromstoß bekommen. Dann war alles um ihn herum leer, er sah nur noch ihr Gesicht vor sich. Wo waren die anderen? Er wollte den Kopf drehen, aber sie ließ ihn nicht, hielt ihn fest und lächelte ihn an, flüsterte, dass nur er es hören konnte.

Welche Anderen?
 

Er blinzelte heftig und fühlte sich plötzlich so leer, war nicht mehr imstande die Frage zu beantworten. Anderen, ja, welche anderen? Hier war niemand. Niemand mehr außer ihm und ihr. Es gab keine Anderen. Die Frau lächelte wieder und schwebte rückwärts davon, lockte ihn mit ihrem Finger.

Komm... zu mir. Ich habe so lang auf dich gewartet.
 

Seine Crew sah, wie er sich in Bewegung setzte und dem Geist folgte, auf den Baum hinzu steuerte. Er lief einfach weiter, immer weiter zu dem Baum.

»Neee?« kreischte Uma unwirsch. »Oi! Oi!«

»BOSSU! JAZZ!!!« tönte es plötzlich hinter ihnen und sie sahen, wie Paula auf sie zu hastete und nur wenige Meter hinter ihr Gal.

Hastig drehte sich Jazz zu ihr um, als sie erschöpft bei ihnen ankam und die Hände in die Knie stemmte. »Wir müssen etwas unternehmen! Gal ist vollkommen abgehoben! Er reagiert nicht mehr auf mich! Irgendwas ist hier definitiv faul!«

Auch Robin kam nun näher, aber ihr Blick galt nur Crocodile und diesem… Etwas.

Uma bemerkte die Neuankömmlinge gar nicht, machte ein paar Schritte nach vorn. »Bossu! Hey! Hallo?«

»Wa-was zur Hölle ist das?« kreischte Paula leise, als auch sie den Geist erkannte.

»...Crocodile...« flüsterte Robin. Die Panik ließ sich längst nicht mehr verbergen. Heftig klopfte ihr Herz in ihrer Brust, aber sie ignorierte jede Warnung, ging langsam auf Crocodile zu. Als er einfach weiter ging, dem Geist hinter her, beschleunigte Robins Schritt sich, bis sie gegen seinen Rücken prallte und sich an ihm festhielt, ihn an sich presste und scheinbar nicht mehr loslassen wollte. »Bitte! Geh nicht näher!«

Nur langsam drehte er den Kopf zu ihr herum, schien sie allerdings gar nicht wahrzunehmen .Als würde sie gar nicht existieren. Er war nun nur noch wenige Meter von dem Baum entfernt. Sein Blick durchstreifte das Nichts der Steppe. »...Was war das?«
 

Die Frau lächelte und wisperte, obwohl es alle beteiligten laut und deutlich hören konnten, als wäre es ihnen selbst ins Ohr geflüstert worden. Nur der Wind, Crocodile... nur der Wind. Hier sind nur du und ich. Nur wir beide...
 

»NEIN! Hör auf! Hör auf damit! Lass ihn in Ruhe!«

Sie hörten die Geisterfrau lachen, ehe sie Crocodile die letzten Schritte auf die Weide zulockte.

Endlich sind wir wieder vereint.
 

»Er kann uns nicht hören...« Paula sank in die Knie und starrte willenlos zu ihrem Boss. »Genau wie Gal...«

Aber Robin ließ gar nicht locker, trat vor Crocodile und hielt ihn erneut fest. »Bitte, bitte bleib stehen. Ich bin doch hier. Ich bin hier, bitte...«

Doch er schleifte sie die letzten Meter mit sich, ehe er vor dem Baum Halt machte und ihn mit leeren Augen betrachtete. Die weiße Frau vor ihnen kam noch einmal auf ihn zu und küsste seine Stirn.
 

Ich liebe dich, Crocodile. Vergiss das nie. Ich liebe dich.
 

»Aber du bist tot!« schrie Robin sie nun an.

Die Frau ignorierte alle anderen, als gäbe es wirklich nur Crocodile und sie. Ihre langen, schönen Finger strichen ihm eine Strähne aus dem Gesicht.
 

...Du darfst nicht hassen, hörst du? Du darfst niemanden hassen. Egal was er getan hat, egal wie sehr er dir weh tut. Hass birgt nur neuen Hass, nur Verzweiflung und Leid. Und Tod. Aber du musst Leben, Crocodile. Du musst Leben um den neuen Tag zu sehen. Etwas Schönes wartet dort auf dich. Ich weiß es. Jemand wartet auf dich. …Hass ihn nicht, hörst du? Hass ihn nicht...
 

Sie spürte, wie Crocodiles Herzschlag beschleunigte und seine Zähne sich schmerzhaft aufeinander pressten. Sein Blick galt nur ihr, dem Geist. Sie lächelte wieder leicht, aber es war ein trauriges Lächeln.

Hass deinen Vater nicht. Hörst du? Hass ihn nicht...
 

Nun öffnete Crocodile den Mund, um etwas zu sagen. Geistesabwesend flohen die Worte seinem Mund in dem gleichen Ton und den gleichen Syntax wie die des weißen Jungen, der sich neben ihm aus der Luft schraubte.

Aber er ist ein böser Mensch, meinten sie im Chor.
 

Der Junge, der genauso schemenhaft war wie sie selbst, glich ihm bis aufs Haar. Er war jung, sehr jung, vielleicht zehn Jahre alt. Seine Statur war klein und hatte schwarze, halblange, zerwuschelte Haare. Er kam zu der Frau und sah zu ihr hinauf. Er hat uns verlassen und kommt nicht wieder. Wir bedeuten ihm gar nichts.
 

Robins Finger krallten sich in Crocodiles Hemd und mit jedem dieser Worte setzten sich kleine Teile in ihrem Kopf zusammen. Aber sie wollte das nicht. Sie wollte das nicht hören. Wollte all das nicht von einem Geist, einem Toten hören. Es rieb Robin Tränen der Verzweiflung in die Augen.
 

Der Geist beugte sich hinab und gab ihren jungen einen Kuss auf die Stirn. Du musst warten, Junge. Glaub an ihn, glaube an das Gute im Menschen. Gib die Hoffnung nicht auf. Dort draußen wartet etwas Schönes auf dich. ...Hörst du, Crocodile?
 

Ein Lächeln im Gesicht des kleinen Jungen, doch keines in Crocodiles.
 

Robin begann leise zu schluchzen, zu flehen. »…Hör doch auf… hör bitte auf ihn so zu quälen…«
 

Doch der Geist reagierte nicht auf Robin. Stattdessen löste sich die Frau von ihm und schwebte auf den Baum zu. ...Ich liebe dich, Crocodile. Vergiss das nie.
 

Der Junge rannte ihr nach, kam aber nicht voran. Ich liebe dich auch! Bitte bleib bei mir! Geh nicht! Bleib bei mir! Ich werde warten! Ich werde hoffen, ich werde auf Papa warten! Nur bitte, werd wieder gesund! Ich verspreche es dir, ich werde ein guter Sohn sein!
 

Sie lächelte nur und schwebte unerlässlich auf den Baum zu, streckte eine Hand nach ihm aus, griff nach ihm, versank in ihm, verschmolz mit dem Holz. Ich weiß...
 

Am Ende stand dort nur noch der Baum und sein Geist. Der Schemen hatte sich nun verändert, hatte die Form eines jungen Mannes angenommen, vielleicht vierzehn, oder fünfzehn Jahre alt. Er hockte vor dem Baum und wippte leicht hin und her. Robin sah in das Antlitz des Kindes, das einmal zu dem Mann werden würde, den sie liebte. Warum passierte das hier? Warum?
 

...Ich will von hier weg... ich will weg von hier... Ich will sie umbringen... nichts lieber als sie umbringen... ...Ich möchte ihnen alles zurück zahlen. Der Junge lallte, starrte wütend ins Nichts und hatte mit Tränen zu kämpfen. Seine Stimme pendelte stets zwischen Verzweiflung und trotziger Mordlust. ...Bin ich... ein schlechter Sohn? Sag... hasst du mich jetzt? ….Bitte... sag, dass du mich nicht hasst… Ich... will sie umbringen... Ich... werde sie umbringen.
 

Jedes Wort riss ihr eine neue Wunde ins Fleisch und sie betete nur noch, dass es endlich aufhören möge. Sie sahen wie der junge Crocodile aufstand und sich schließlich zu ihnen umdrehte. Er war genauso weiß und schemenhaft wie zuvor, aber sie sahen überall dunkle Flecken auf ihn. Wunden. Kopf, Wange, Hals, Schulter, Arme, überall an den Armen. Und viel Blut. Ich werde euch umbringen...
 

Plötzlich hörten sie von Weiten andere Stimmen.

Da ist er!

Schnappt ihn!

Lasst ihn nicht entkommen!

Heute rächen wir uns!

Heute verkloppen wir dich, bis du kein Tageslicht mehr siehst!

Hahaha, lauf nicht weg, Alligator!
 

Sie sahen wie fünf Gestalten sich aus der Luft lösten und auf ihn zu rannten, durch den echten Crocodile hindurch rannten und auf sein junges Spiegelbild vor sich, der sie mit feurigen Blick erwartete. Sie rannten genau in ihn hinein und stießen ihn zu Boden, rammten ihn um und prügelten auf ihn ein, schrien und jubelten.

Nimm das, du Hurensohn! Geh zurück zu deinem Vater! Krepier endlich!
 

Paula japste vor Schreck auf und hielt sich die Hand vor den Mund. Tränen kamen in ihren Augen auf. Was war das? Seine Vergangenheit? Konnte sie nichts tun außer zuzusehen? Robin sah dabei zu wie sich Vergangenheit und Gegenwart zusammen fügten. Sie murmelte immer lauter, immer wieder die gleichen Worte. »Hör auf... bitte... hör auf...«
 

Crocodile schaute dem Szenario einfach nur zu, wartete scheinbar. Dann jedoch, als es immer schlimmer wurde und er sich selbst grässlich Schreien und Brüllen hörte, wandte er sich ab und lief langsam davon. Und dann erklang ein wirklich markerschütternder Schrei. Das schmerzerfüllte Schreien seines Geistes.
 

UHHAAAAAAA!
 

Dann war die Melodie vollkommen erstorben. Es herrschte Stille. Nur für den Moment, ehe die Stimme seiner Mutter erneut ertönte und ihr Geist ihn von hinten umarmte.

Keine Angst, Crocodile. Ich bin bei dir. Hier kann dir nichts mehr passieren. Ich bin so stolz auf dich. Bleibst du hier? Bleibst du bei mir? Jetzt, wo wir endlich wieder vereint sind?
 

Er keuchte heftig und sank in die Knie, während seine Mutter ihn heftiger umarmte und ihm durch das Haar strich.

Ich hab dich so lieb. Endlich sind wir wieder zusammen. Ihr Geist gab ihm noch einen Kuss auf die Wange, ehe sie sich langsam in Luft auflöste. Geh nicht weg. Ich bin für dich da. Keine Sorge. Alles wird gut. Das verspreche ich dir...
 

Kraftlos stützte er sich auf dem Boden ab und rang nach Atem, keuchte als wäre er fast erwürgt worden.

Sie wusste nicht woher sie die Kraft nahm, spürte nur, wie ihre Beine sich allein in Bewegung setzten, bis sie bei ihm angekommen war. »Crocodile...«

Er zitterte, reagierte aber nicht auf sie, sprach scheinbar zu sich selbst, doch sie verstand kein Wort.

»Verdammt noch mal!« Ihre Stimme rang hysterisch in ihren Ohren. Sie griff seine Schultern, schüttelte ihn so sehr sie konnte zumindest. »Jetzt wach endlich auf!«

Sein Blick flirrte, er starrte sie an, und doch durch sie hindurch. Als wäre sie gar nicht da. »...Ma?«

Und noch einen Schuss und noch einen. Zittrig glitt ihre Hand zu seiner Wange, streichelte ihn und brachte einfach kein Wort mehr über die Lippen.

Er hörte nur noch ihre Stimme in sich, konnte nur das hören, nur das sehen. Nur seine Mutter.

Komm Liebling, gehen wir an einen Ort, der gemütlicher ist. Hm?
 

Verwirrt schüttelte er den Kopf, suchte in der Ödnis nach Anhaltspunkten. Da war etwas, das fehlte, nicht wahr? Irgendwas war nicht richtig, nicht wahr? Nur was? Was fehlte? Was stimmte nicht?

Keine Sorge, Crocodile. Du hast dir nur den Kopf gestoßen. Los, steh auf. Wir gehen gemeinsam nach Hause.

Zögerlich, noch immer mit den Augen durch die Ödnis streifend richtete er sich langsam auf und taumelte in Richtung Burg.
 

Paula war inzwischen in Tränen ausgebrochen und schluchzte leise im Hintergrund. Ohne Worte folgte Iroko ihrem Boss mit leichtem Abstand und nur kurz danach folgte Miki. Uma stand weiterhin mit offenem Mund da und glotzte ihnen nach, ihr Finger zeigte in Crocodiles Richtung.

»Was… was... was?! Was… geht denn… hier ab?! Schlag mich einer!«

Robin zitterte wie Espenlaub und wirkte, als könnte ein leichter Windhauch sie zu Boden reißen. Alles tat plötzlich weh und so viele Gedanken zerrten an ihrem Verstand, vor allem an ihrem Herzen, das sie sich wünschte, es einfach herausreißen zu können, wie einen Parasiten. Schließlich biss sie die Zähne zusammen und knurrte gefährlich. »...Grrr... wer auch immer du bist, du hast dich mit der falschen Frau angelegt...« Sie gab ihrer Furcht einen mächtig Tritt, dass Uma vor Stolz jubiliert hätte und stampfte der Gruppe hinterher. Kein Geist konnte ihr so viel Angst machen, dass sie zuließ, dass er Crocodile so quälte. Irgendeinen Weg musste es geben ihn aufzuwecken. Und nicht nur ihn. Sie hatte Paulas Erklärung über Gals Verhalten nicht vergessen. Sollte es sie etwa alle so treffen? Grrrr… »Komm nur her...«
 

Uma riss es aus ihrer Starre und sie legte Paula die Hand auf die Schulter. »Komm Mädchen, lass uns ihnen folgen.« Dann winkte sie Jazz zu. »Du auch Großer. Kommt, kommt.«

Zuerst schüttelte sie vehement den Kopf, doch als auch Jazz ihr die Hand hinhielt, raffte sie sich auf. Nicht jedoch ohne sich zuvor an seine Brust zu werfen und noch einmal ihren Tränen freien Lauf zu lassen. Das war definitiv zu viel für sie. Sie hatte so eine schreckliche Angst. Nicht nur vor dem, was auf sie wartete, oder was mit ihnen geschah. Nein, sie hatte auch Angst ihrer Vergangenheit zu begegnen. Nur langsam konnte Jazz sie dazu bewegen, den anderen zur Burg zu folgen. Gal taumelte zur etwa gleichen Zeit an ihnen vorbei, doch als er noch immer nicht reagierte, ließen sie ihn vorerst allein und hetzten den Anderen nach.

Omoide - Einsamkeit violetter Blumen

Lied: http://www.youtube.com/watch?v=_F_PY3qe1k0
 

~ ~ ~
 

Während sie sich langsam in Bewegung setzten, blieb Miki vorn in der Gruppe stehen. Sie waren schon ein Stück voran gekommen und bisher hatte der große Kerl nicht ganz verarbeitet, was hier eigentlich passierte. Er hatte es sehr wohl gehört und gesehen und etwas in seinem Inneren begann lauter um seine Vorsicht zu betteln, versuchte ihn zu ermutigen zu handeln, aber er reagierte gar nicht. Scheinbar ging es den anderen ganz ähnlich. Zumindest Iroko, die sich ähnlich apathisch verhielt wie sein Boss. Sie, als auch Crocodile gingen einfach weiter, ließen sich von seiner Starre gar nicht ablenken. Er wusste ja selbst nicht einmal warum er eigentlich plötzlich stehen geblieben war. Er sah nichts Ungewöhnliches, hörte nur diese leise, wirklich schöne Musik. Er fühlte sich nicht verängstigt, nicht einmal mehr wirklich verwirrt. Er war kein neugieriger Typ und er hatte sich schon mit dieser Sache abgefunden, wartete eigentlich nur noch auf seinen Einsatz. Er würde es spüren, ganz sicher. Er hatte ein Talent dafür. Doch warum beschlich ihn nur langsam das Gefühl, dass er seinen Part verpassen könnte? Dass er schon längst dabei war, das er etwas Offensichtliches übersehen hatte. Laut ein und ausatmend schloss er die plötzlich müden Augen. Erst als er sie öffnete fiel ihm zum ersten Mal auf, was hier wirklich komisch war. Nicht der Nebel, nicht die Musik, nicht das Verhalten der anderen. Er selbst war es, der falsch spielte.

Er sah an sich herab und streckte dann die rechte Hand in sein Haar. »Hmmmmmm?«

Was machte er falsch? Und warum beschlich ihn das Gefühl diesen Fehler schon einmal gemacht zu haben? Als er das Bellen hörte fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Er hatte einfach das Schiff verlassen und Lasso völlig vergessen. Oh, das war nicht das Problem, nicht wahr? Lasso war ein schlauer Hund und nicht leicht unter zu kriegen. Er würde brav auf sein Herrchen warten, er würde alles für sein Herrchen tun, sogar sterben. Da lag der Fehler. Das war das Problem, das Miki übersehen hatte. Wieder erklang das Bellen, lauter diesmal, als würde es näher kommen. Das war aber nicht Lassos Bellen. Miki hätte es unter hunderten wiedererkannt. Und die Einsicht brachte ihm Tränen in die Augen. Den gleichen Fehler wieder begangen? Wie damals? Als sein geliebter Hund Nishka sich für sein Herrschen geopfert hatte. Damals, als ein paar Jungs Miki den Schädel zertrümmert hatten. Damals...? Und warum hörte er dann jetzt das Bellen?
 

Während Miki das Bellen hörte, hörte Uma das Lachen. Und kaum in ihren Ohren angekommen, wurde ihr Schritt schneller, als wollte sie davor weglaufen. Uma war nicht dumm, nur etwas übermütig. Wie Paula und vermutlich auch die anderen, hatte sie erkannt, was hier passierte. Zumindest hatte sie eine Vorstellung davon, dass auch sie etwas erleben sollte, was aus ihre eine wandelnde Mumie machen würde. Etwas aus ihrer Vergangenheit, das ihr ins Gesicht lachen wollte, an ihrer Kraft reißen und sie untergehen lassen wollte. Aber nicht mit Inugashi Uma! Sie hatte diese Scheiße satt! Sie wusste ganz genau, was ihr den Tag versauen wollte. Wusste genau welche schmerzhafte, tote Erinnerung ihr da ein Bein zu stellen gedachte. Aber verfickte Scheiße noch mal! Sie hatte damit abgeschlossen! Sie war längst über den Verlust hinweg und sollte der Teufel sie holen, sie würde hier nicht stehen bleiben und diesen bekloppten Geistern diese Genugtuung verpassen. Eher riss sie sich ein oder zwei Beine aus!

Das Lachen wurde lauter, prägnanter. Oh ja, sie wusste, wer da lachte. Und je tiefer sich diese Einsicht in ihr Fleisch fraß, desto schneller wurde ihr Schritt. So schnell, dass sie ziemlich bald an Miki vorbei lief. Beide erkannten sich gar nicht, konnten sich gar nicht sehen, blickten direkt aneinander vorbei. Und kaum hatte Uma ihn eingeholt, kaum war sie an ihm vorbei wurden die Geräusche so laut, dass beide zusammen zuckten. Uma blieb stehen und legte die Hände auf die Ohren. »Schnauze! Seid still, gottverdammt!«
 

Beinahe hätte man den Eindruck gewinnen können, Miki hatte ihren Schrei gehört, aber es war nicht mehr das Bellen, dass ihn aufhorchen ließ. Es war der Schemen, der ihm entgegen lief. Genauso weiß wie die Frau der Weide, aber auf vier Beinen und mit hängender Zunge. Wieder kläffte es und Miki konnte sich gar nicht davon abhalten einen Schritt zurück zu machen.
 

Umas Keuchen wurde schlimmer, aber das Lachen hatte sich eingestellt. Mit einem Mal war es sogar mucksmäuschenstill. Sie hörte nicht einmal ihr eigenes rapides Atmen. Hastig schaute sie sich um. Nicht gut. Das war nicht gut. Sie hätte schon längst den Boss oder zumindest Miki sehen müssen. Hatte doch Robin sicherlich schon längst eingeholt, so wie sie gerast war. Aber niemand war da. Sie runzelte die Stirn heftig und fuhr fast aus ihrer Haut, als sie die kühle Hand auf ihrem Arm spürte und bald hätte sie die Ohnmacht erreicht, als eine ähnliche Empfindung auf ihren anderen Arm traf. Hände, Kinderhände.
 

»Nishka?« flüsterte Miki. Es bemerkte gar nicht, dass es ohne Zeitverzögerung geschah, ohne seine Schwäche, die Worte nur langsam aussprechen zu können. Doch es war gar nicht seine eigene Stimme. Nicht seine reale zumindest. Er sah den geisterhaften Schatten nicht, der sich neben ihm gebildet hatte und kaum an seine Schultern reichte. Die Stimme war viel weicher, höher, als seine eigene, fast kindlich. Nishka! Komm her Mädchen.

Die Gestalt wurde deutlicher und wieder und wieder rief er nach ihr, bildete sein Mund die Worte, die der durchsichtige Geist neben ihm aussprach. So als könnte er ihm in die Seele blicken. Der Hund kam näher und bellte fröhlich, sprang Miki in die Arme und schlabberte ihm die Wange ab. Es fiel Miki gar nicht auf, dass Nishka seine Wangen gar nicht hätte erreichen können. Nicht heute, aber damals. Sie leckte ihm glücklich die Tränen aus dem Gesicht. ...Ni..shka...
 

Heftig zuckte Uma zurück und wirbelte herum, ehe das Lachen wieder einsetzte. Diesmal jedoch sah sie dabei in die lachenden Augen ihrer Kinder. Maaami! kam es im Chor. Das gleiche Gesicht, die gleichen langen, rötlichen Haare, zu Zöpfen gebunden, ganz ähnlich wie Iroko. Eine hatte blaue Augen, die andere grüne. Der einzige Unterschied zwischen den Inugashi-Zwillingen. Umas, tote Kinder. Beide, Uma und Miki, kaum zehn Meter voneinander entfernt, traten zwei Schritte zurück. Beinahe wären sie aneinander gestoßen.

»AHHH! Aufhören!« kreischte es mit einmal, dass Miki stutzig, den Hund aber noch immer streichelnd, aufsah. War da was gewesen?

Uma wischte sich vehement die Tränen aus den Augen und setzte sich die Brille resolut wieder auf die Nase. »Geht weg! Ihr seid tot!«

Das Lachen schlug plötzlich in ein Weinen um. Fast blau glitzerten die Tränen auf den weißen Mädchenwangen. Eine von ihnen kam näher. Aber Mami. Willst du uns schon wieder verlassen?
 

Den Kopf wieder sinkend, starrte Miki ungläubig auf seine Hündin und konnte das Rätsel nicht lösen. Sie sollte doch nicht hier sein. Nicht hier, auf diesen Insel. Er war kein sehr gläubiger Mensch, aber er hatte nicht gewollt, dass Nishka als Geist weiter existierte. Das war doch wirklich merkwürdig und es tat weh.

NISHKA! Hierher, Mädchen! Schlimmer ging es immer. Als Miki dieses Mal aufsah, trafen seine Tränen den Kragen deines Hemdes. NISHKA! Jetzt komm endlich! Miki wartet schon auf dich!

Er konnte es nicht sagen, aber er spürte wie sich plötzlich der Schatten neben ihm sich vor seine Augen schälte und zu rufen begann. Ich bin schon hier, Papa!
 

Uma ging in die Knie und riss an ihren Haaren herum, versuchte krampfhaft die Stimmen, das Weinen, das Lachen und die kalten Finger auf ihren Schultern auszublenden. Beinahe wippte sie vor und zurück und kreischte. »GEHT WEG! Ihr seid doch tot! Ich habe euch sterben sehen! Ja, das habe ich! Langsam und qualvoll!«

Willst du es nicht wieder gut machen, Mami?

Ja, komm zu uns. Wir können hier wieder zusammen sein, so wie früher.

Liest du uns was vor, Mami?

Au ja, ließ uns was vor.

Hänsel und Gretel.

Nein, lieber Rapunzel!
 

Ein großer Mann, mit unheimlich breiten Schultern näherte sich nun Miki und seiner dreißig Jahre jüngeren Form. Langes, blondes Haar, das im Nacken zusammen gebunden war, stahlblaue Augen. Wie sein Sohn trug Lewis einen Bauch mit sich, aber eigentlich wirkte er eher muskulös, als schwerfällig. Eher geschmeidig als fett. Das Grinsen war breit, die Augen leuchteten fast. Dann komm mein Junge. Das Training fängt gleich an. Du willst mich doch stolz machen, oder? Du musst den Jungs unbedingt deinen Schwung zeigen.

Er kam auf den Jungen zu und drehte ihm das Baseballcappy wieder richtig herum, klopfte ihm dann auf die Schulter. Na komm Miki. Er streichelte den Hund. Und du Nishka, ich hab dir doch gesagt, du musst auf Miki aufpassen.

Noch kläffte es glücklich, aber schnell schlug es in ein Jaulen über. Panisch ballten sich Mikis Fäuste und seine Stirn legte sich in böse Falten. Neben dem Jaulen erklang ein Schreien, Schläge, dann ein Krachen. Miki musste nicht sehen, um zu wissen was passierte. Er erinnerte sich noch sehr gut daran. Das vermutlich einschneidenste Erlebnis seines Lebens. Die Jungs aus seinem Baseballclub, eifersüchtig auf ihn und vor allem auf seinen Vater verprügelten ihn, traten ihm den Kopf ein, bis er irgendwann nachgegeben hatte. Aber der Schmerz war damals nur kurz gewesen. Er erinnerte sich gar nicht mehr daran, nur an das Bild, das letzte was er als normaler Mensch zu Gesicht bekam. Nishka jaulte erneut und schnappte in einem letzten Aufbegehren nach ihrem Peiniger. Einem der Jungen, der immer wieder mit einem Baseballschläger auf den nun wehrlosen Hund einschlug. Unter das Jaulen mischte sich nur noch das Lachen.
 

Beiden, Uma und Miki wurde mit einem Mal speiübel. Doch während Miki sich dem verwehren konnte, übergab Uma sich auf den Boden. Sie konnte das Zittern nicht mehr abstellen. Beinahe zog sich ihr Blickfeld völlig zusammen, drehte sich alles um sie herum, bis sie fast schwarz sah. Dieser Schmerz, dieser uralte Schmerz, der sie zerfressen hatte, war urplötzlich wieder in ihr. Sie hatte es doch verarbeitet, nie vergessen, aber sie weinte sich nicht mehr in den Schlaf, sie hasste sich nicht mehr, hatte das Leben wieder zu schätzen gelernt. Aber all das war plötzlich nicht mehr sichtbar.

Paula schmiss sich mit einem mal auf Uma und umarmte sie heftig, schniefte und streichelte sie. »Nicht du auch noch... bitte.... Uma...«
 

Heftig zog es an ihrem Bewusstsein. Doch als sie aufsah, sah sie nur ihre Kinder, vor sich gekniet mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Mami, wein doch nicht. Wir sind doch bei dir. Wir werden immer bei dir sein. Geh nicht mehr weg, ja?
 

Miki ging nun ebenfalls in die Knie, als sein Bild sich zu drehen begann. Das Jaulen erstarb, das Lachen brach in sich zusammen. Aufgebracht richtete er seine Augen auf ein völlig neues Bild. Er sah sich selbst vor einem Grabstein stehen. Es war nicht Nishkas Grab, nein, es war das seines Vaters. Eine ganze Menge Leute standen um ihn herum, manche mit traurigen Gesichtern, aber um einige mehr, die ihn belächelten und tuschelten.

Jetzt, ohne seinen Vater geht´s bergab. Der Junge kann doch alleine gar nichts. Er ist völlig zurück geblieben, kann kaum sprechen. Hast du ihn mal laufen sehen? Da bin ich zehnmal um den Platz gegangen und er hat sich nicht mal in Bewegung gesetzt.

Und was machen wir jetzt mit ihm? Ohne seinen Vater muss sich doch jemand um ihn kümmern.

Was weiß ich? Der Junge ist war sogar zu blöd seinem Vater Lebewohl zu sagen. Ich war mit ihm im Krankenhaus als Lewis so krank geworden ist. Hat nichts gesagt, nicht mal gezuckt, als Lewis ihm seine Hand hingestreckt hat. Sehr traurig alles, aber echt mal. Ich will nichts mit dem zu tun haben.

Wütend ging Miki auf die Menge zu und wollte nach diesen Gestalten greifen, aber er glitt einfach nur durch sie hindurch, konnte sie nicht packen. Außer sich vor Wut drehte er sich fast im Kreis, ehe erneut das Kläffen einsetzte und das Lachen seines Vaters ertönte.

Wir sind hier Miki! Jetzt komm schon!
 

Und tatsächlich, da waren sie, rannten auf die Burg zu. Und Miki folgte ihnen, ließ den einsamen, langsamen Jungen allein am Grab zurück.

Auch Umas Kinder richteten sich schließlich wieder auf und traten ein paar Meter zurück, winkten ihr zu. Komm schon Mami. Komm mit.

»Aber... ihr seid doch tot...«

Vorsichtig richtete sie sich auf, ignorierte Paula dabei vollkommen und langsam ging sie ihnen nach.

Einen ganzen, langen Moment geschah gar nichts. Nur die Musik ertönte noch leise in der Luft und umgarnte sie, wickelte sie in ihr Netz, dass sie nicht mehr entkommen konnten. Paula saß noch immer auf dem Boden und starrte Miki und Uma nach, sah aus dem Augenwinkel wie auch ihr Boss und Gal auf die schwarze Burg vor ihnen zu taumelten. Ein Augenblick, der ihr ewig vorkam, nicht enden zu wollen schien. Sie war stocksteif und spürte einen kalten Hauch in ihrem Nacken, der sie frösteln ließ. Eine Gänsehaut plagte sie und schüttelte ihren Körper durch. Sie hielt den Atem an. Und dann kam er – der Schrei, der ihre gesamte Angst mit einem Schwall nach draußen entließ und den Verbliebenen einen kalten Schauer den Rücken herunter rieseln ließ. Sie schrie so laut und so voller Furcht, dass es ihr eigenes Blut fast zu Eis gefrieren ließ. Ihr Kopf schlug herum, die Hände auf die Ohren gepresst, die Stimme so laut, dass die Melodie für einen Moment verstummte.

» Neeeeein! Ich will nicht! Ich will das nicht! Macht, dass es aufhört! Was soll das? Warum geschieht das? Wer tut so etwas?«
 

»Paula...« Jazz beugte sich zu ihr und legte eine Hand an ihre Schulter, doch sie wand sich weiter und krümmte sich wie unter Schmerzen zusammen.

»Nein, lass mich! Ich will das nicht! Geh weg! Hör auf! Aufhören!«

»Paula, beruhige dich.« Sein Miene wurde nun härter, ernster als er versuchte zu ihr vorzudringen, doch er erreichte sie nicht mehr. Sie hörte bereits die Melodie in ihrem Kopf. Lauter als je zuvor. Als würde ihr Körper unter der dem Lärm eines Vulkanausbruchs erbeben, so laut, dass es sie fast taub machte. So allgegenwärtig, dass sie glaubte gleich durchzudrehen.

Auch Iroko, die noch immer gedankenversunken neben Jazz stand, hörte die Musik erneut und sah die Gestalten, die nun in der Luft erblühten. Auf der linken Seite ein großer, muskulöser Mann, Glatze und eisigkalter Blick. Jazz, nur etwas jünger. Er blickte dem echten jazz direkt entgegen, als würde er ihn mit einem Schwert durchbohren wollen. Nichts regte sich an ihm, als wäre er erstarrt. Auf der anderen Seite war eine alte Frau zu sehen. Sie schwebte auf Paula zu, blickte zu ihr hinab, strafte sie mit erhobenem Zeigefinger und schrie ihr laut entgegen, dass Paula heftig zusammenzuckte.

PAULA! Du kleines Miststück! Du miese kleine Göre! Was erlaubst du dir! Hast du keinen Respekt? Ich bin deine Großmutter! Habe ich das etwa verdient!
 

Sie hörten sie weiter brüllen, mit der Hand ausholen und nach ihr schlagen. Wag es dir nicht noch einmal, sonst prügel ich dich windel weich! Hörst du?! Du Mistgöre! Deine Mutter hat dich nicht richtig erzogen! Diese Schlampe ist auf den falschen Weg gekommen! Säuferin! Junkie! Hure! Und du kleines Miststück bist genau wie sie! Geh mir aus den Augen! Geh mir aus den Augen, du Schlampe!
 

Ein Geist löste sich aus Paulas Körper, ihr eigener, vielleicht siebzehn Jahre alt. Begann zu rennen, die Wangen voller Tränen, schluchzend, gebrochen. Sie rannte und rannte, verschwand und brach aus einer anderen Stelle wieder frei, rannte wieder und verschwand. Dann erschien eine neue Stelle. Sie stand im Regen vor einem großen, älteren Mann. Hager, Schnauzbart, karge Gesichtszüge. Er musterte sie.

Na... du willst bei uns arbeiten?

Sie nickte verhalten. ...Ich brauche das Geld... ich lebe allein mit meiner Großmutter. Und das Café das wir haben bringt nicht genug Einnahmen. Ich arbeite den ganzen Tag allein. Aber... ich habe seit Tagen nichts richtiges mehr zu essen gehabt...

Der Mann verschränkte die Arme und murmelte. Mich interessiert deine Lebensgeschichte nicht. Hm ...dürres Mädel. Viel zu dürr. Kannst du tanzen?

Wieder nickte sie unsicher. Ja, kann ich. Und etwas singen.

Der Mann nickte und griff ihr an die Hüften, an den Hintern , an die Brüste. Körbchengröße?

...B..., stotterte sie.

Nah... wir sehen was sich machen lässt.

Die junge Paula verbeugte sich tief. Vielen, vielen Dank.

Dann hörten sie wieder das Schimpfen ihrer Großmutter, aber dieses Mal von weiter weg, formlos. PAULA! Wo bleibt mein Tee! Und ich hab Hunger! Hast du wieder nicht genug Geld eingebracht?! Du bist unfähig, komplett unfähig! Wärst du hübscher, würdest du den Lader besser füllen können! Unfähig, hässliches Ding du! Wo bleibt mein Tee! PAULA!

Das letzte schrie sie immer lauter und lauter, bis die echte Paula sich die Ohren zuhalten musste. PAULA! DU DRECKSSTÜCK! PAULA!
 

Paulas weißer Schemen sah sich nun panisch um und rannte wieder. Weitere Stimmen waren zu hören.

Da ist sie! fangt sie!

Lacroix Paula ist angeklagt! Fangt sie!

Gehen wir zu ihr nach Hause!

FANGT SIE, fangt sie!

Die junge Paula rannte nun in ein schemenhaftes Haus hinein, und wieder erschien ihre Großmutter vor ihr. In einem Sessel, mit einer Decke auf dem Schoß. Paula war vollkommen außer Atem, schrie sie panisch an. Großmutter!

Diese jedoch blieb nur einen kurzen Moment ruhig, ehe sie abwertend zischte. Dass du dich noch her traust, du kleines Gör...

Großmutter! Die Polizei kommt hier her! Du musst dich in Sicherheit bringen!

Nun keifte sie sie wieder an. Na was meinst du denn, wer sie geholt hat! Du bist eine Schande! Eine Schande für unsere Familie! Hure! Prostituierte! Miststück! Verkaufst deinen Körper! Mieses Drecksstück! Hoffentlich sperren sie dich ein!

Die junge Paula wich einen Schritt zurück und Tränen kamen in ihre Augen. A-aber... Großmutter...

Sie brüllte lauter. Fahr zur Hölle, PAULA! Miststück! Hure! Schlampe!
 

Sowohl die junge als auch die echte Paula schluchzten nun immer lauter. Dann drehte sich ihr Schemen um und rannte los, rannte davon und wischte sich immer wieder die Tränen aus dem Gesicht. Auf ihrem Weg durch das Haus stolperte sie über einen Hocker, einen Tisch und einen Sessel, knallte dadurch gegen eine Kommode und warf so einen Kerzenständer mit brennenden Kerzen um. Sofort fing der alte Sessel neben ihr Feuer und kokelte ihre Haare an. Sie schrie auf und versuchte sie zu löschen, schaffte es und kroch davon, drehte sich wieder um und starrte auf das Feuer das nun ausbrach und immer höher schlug. Einen ganzen ewigen Moment saß sie einfach nur da und sah ins Feuer. Dann ertönte die Stimme ihrer Großmutter wieder

PAULA! Was machst du da! Verwüstest du unser Haus?

Hastig zuckte sie zusammen und rappelte sich auf, war hin und hergerissen. Aus dem Hintergrund hörte man ganz leise noch Männerstimmen. Auf zu ihrem Haus! Wir fangen sie dort ein!

Das Feuer schlug nun wilder um sich, hatte sie fast eingekreist und die ersten Balken flogen von der Decke. PAULA! Du miese Schlampe!

Atemlos raffte sich wieder auf, schien ihre letzten Kraftreserven in ihre Beine zu stecken, um davon zu rennen. Ihre Stimme klang gefährlich, tief und voller Verachtung. Ich hasse dich... ich hasse dich!

PAULA! Aber ihr Geist rannte einfach weiter, immer weiter. Ließ alles hinter sich, dass das Szenario langsam verblasste. Nur ihre Großmutter schrie noch immer, dass ihr die Ohren dröhnten. FANGT sie! Sie hat versucht mich umzubringen! Sie flieht! Fangt sie! Fangt die Schlampe.

Ich hasse dich Großmutter! schrie sie noch lauter, verzweifelter.
 

Dann verschwand das Bild und man sah Paula nur noch rennen. Sie rannte auf den Schemen des jungen Jazz zu, der sich noch immer nicht regte. Dann, als sie allmählich näher kam, stolperte sie, tippelte sie nur noch, kam langsam näher, sah ihn an, erregte auch seinen Blick. Er zögerte, ehe auch er seinen Augen zu ihr wandte. Ihr junges Selbst schniefte und schluchzte, die Augen von all den Tränen geschwollen und schwammig geworden. Doch er nahm ihre Hand, half ihr auf und wandte der Crew den Rücken zu, lief mit ihr davon, dass sie nur wenige Momente später im Dunkel verschwanden. Das war das Einzige, das er tat.

Für einen kurzen Moment war es still, selbst die Melodie war nur noch leise zu vernehmen. Keine Geister mehr, nur die grau-violette Ödnis der Insel. Dann jedoch, als nur noch Paulas Wimmern die Luft erfüllte, regte sich die Luft wieder.
 

Paula... Liebling...

Eine Frau erschien vor ihr, die gleichen welligen Haare wie sie, nur länger und zu einem Zopf gebunden, der ihr über die Brust reichte. Sie war kleiner als sie und etwas fülliger. Die Haut ungepflegt, unter den Augen Ringe, die Lippen aufgerissen, der Blick müde, zerstört.

Tut mir leid, dass Mami... nicht für dich da war gestern Nacht. Ich hatte zu tun, weißt du...

Hattest du nicht! kam es trotzig wie von einem Kind, eine körperlose Stimme, die die Frau erstrecken ließ. Du warst den ganzen Abend zu hause und hast getrunken! Du lügst doch nur wieder! Warum tust du das? Warum kannst du nicht bei mir sein! Wieso kannst du nicht so sein wie all die anderen Mütter! Maria ist gestern mit ihrer Mutter und Picknicken gegangen! Sie sind Fahrrad gefahren und haben viel Spaß gehabt! Das hat sie mir erzählt... Ein Schluchzen ertönte. Sie hatten ganz viel Spaß...

Das Gesicht der Frau wurde ernster, ehe ihr Tränen kamen. Marias Mutter wurde aber nicht von ihrem Mann wegen einer anderen verlassen und hat seine Tochter allein zurückgelassen, als wolle er sie nicht mehr.

Nein! Das Mädchen presste sich die Hände auf die Ohren und schüttelte den Kopf. Das stimmt nicht! Papa hat mich noch lieb! Er will mich noch! Das weiß ich!

Werd erwachsen Paula! schrie ihre Mutter, ehe sie aufstand und ihr einen wütenden Blick entgegen schleuderte. Dein Vater ist ein Arschloch, der sich nicht mehr für uns interessiert!

DU interessiert dich doch auch nicht mehr für mich! Sie weinte heftiger, sank in die Knie und ließ den Tränen freien Lauf. Du interessierst dich doch nur noch für deinen Suff und das Zeug, was du dir da reinziehst jeden Abend... Du willst mich doch gar nicht mehr! Genauso wie Oma! Warum sagst du es nicht einfach! Sag, dass ich gehen soll! Sag, dass du mich nicht willst!

Erschrocken wich ihre Mutter ein Stück zurück, ehe sie vor ihr in die Knie sank und Paula, die wieder mit dem kleinen Kind verschmolzen war, in die Arme nahm. Tut mir leid, Paula... Tut mir so leid... Natürlich will ich dich... Natürlich hab ich dich lieb... Es tut mir leid, ja? Morgen höre ich auf. Ich schwöre es dir...

Das sagst du jedes Mal...

Dieses Mal meine ich es ernst...

Nein... nein.... neinneineineineineinein... Die Stimme des kleinen Mädchens vermischte sich mit Paulas echter Stimme. Sie weinte bitterlich, wand sich wie unter Schmerzen und japse nach Luft.

Keine Sorge, Paula... Der Geist streichelte ihren Kopf. Ihre Mutter sah nun anders aus. Viel frischer, lebendiger, jünger fast. Ein strahlendes Lächeln, so schön wie die Morgensonne, war auf ihrem Gesicht und ihre Augen funkelten richtig. Alles ist gut, hörst du? Ich habs dir doch versprochen. Hörst du? Ich hab dich lieb. Ich hab dich wirklich sehr lieb. Es tut mir so leid, was alles passiert ist. Was du wegen mir durchmachen musstest. Aber jetzt ist alles wieder in Ordnung. Ich bin für dich da. Wir holen alles nach, was wir verloren haben. Okay? Lass uns picknicken gehen. Ich hab Sandwiches gemacht und Melone geschnitten. Komm, mein Engelchen. Lass uns gehen…

Sie schluchzte immer heftiger, aber es war als könnte sie die Geisterhand tatsächlich bewegen aufzustehen und voran zu stolpern. Dennoch fiel sie erneut und landete im Dreck, dass sich ihre Mutter zu ihr herunterbeugen musste und ihr die Hände auf den Rücken legte. Keine Sorge, mein Engel. Ich bin jetzt für dich da. Und dort hinten wartet jemand ganz besonderes auf dich. Du wirst dich freuen. Er hat versprochen, dass dieser Nachmittag nur uns gehört. Also komm, steh auf mein Schatz, sonst wird das Essen schlecht...

Die Wangen voller Tränen taumelte sie voran, ließ sich von der Geisterhand führen, schien keinen Willen mehr zu besitzen sich zu wehren.
 

Iroko sah sich die Szene bis zum Ende an, sagte schließlich kein einziges Wort, stand einfach noch weiter an diesem Platz und schien gar nicht wirklich anwesend zu sein. Sie reagierte in keinster Weise auf das Gesehene, blinzelte nicht einmal. Dasselbe galt für Jazz. Dann jedoch setzte er sich in Bewegung und lief ihr hinterher. Es war Iroko nicht möglich zu bestimmen, ob auch er in eine solche Trance verfallen war, wie die anderen, oder ob er noch immer der alte, stumme Jazz war, den sie kannte. Sein Schritt war langsam, hetzte nicht und wirkte ganz ruhig. Er steuerte, wie auch die anderen, genau auf die Burg zu.

Scheinbar riss sie das aus ihrer Apathie und sie sah sich etwas irritiert um. Alle waren sie fort, auf dem Weg zu dieser Burg. Nur sie stand noch hier und war wie in Gedanken gefangen. Missmutig seufzte sie und begann sich endlich zu bewegen. Sie hatte keine Zeit mehr.
 

Robin folgte Crocodile noch immer voller Wut und Entschlossenheit diesen Zauber zu beenden, hielt dicht Schritt an Schritt mit ihm mit und ließ nicht zu, dass ihr auch nur die kleinste Kleinigkeit der Umgebung entging. Endlich hatten sie die Burg erreicht. Sie war eine einzige Ruine. Kein Stuhl mehr, kein Tisch, keine Möbel, keine Krüge oder Truhen. Nichts außer eingefallenem Stein. Keine Pflanzen. Nur Stein und das dämmrige violett-graue Licht, das durch die Fenster hindurch fiel. Sie lief durch eine eingestürzte Eingangshalle danach durch einen großen Hof, in dessen Mitte ein riesiger Baum stand, dessen faltenübersähter Stamm durch die Decke gebrochen war. Doch Crocodile blieb nicht stehen, er steuerte noch immer apathisch voran, die eingestürzten Gänge entlang, das Treppenhaus hinauf, dem hie und da Steine fehlten. Sie hörte seine Schritte wie ein gespenstisches Echo durch die Burg schallen. Doch nicht nur er war zu hören, die anderen schienen ebenfalls aufgeholt zu haben. Sie hörte ihr Atem durch die kaum noch zu erfassenden Schwingungen der Melodie.

Endlich erreichte Crocodile einen Punkt, an dem er stehen blieb. Der letzte Raum, ein monumentaler Saal, angelegt wie ein Pentagon, dessen schwarz verkohlte Säulen sich in die meterhohe Decke streckten, als hätten sie im Todeskampf gehofft gerettet zu werden. In der gigantischen Halle des Turms fanden sich kaum Fenster, nur weiter oben drang etwas trübes Licht hinein. Das Treppenhaus, das einst in die obersten Kammern des Turms führte, war komplett zusammengestürzt. Und überall wuchsen Blumen. Sie waren noch viel zahlreicher, allgegenwärtiger als draußen. Man konnte sie an jedem Ort hier sehen, auf den Fensterbänken, zwischen den Säulen, zu ihren Füßen, selbst an der Decke, die einige Löcher hatte.

Die Melodie war hier ganz leise, nur ein Rauschen, kaum noch wahrnehmbar. Robin fröstelte es. Dieser Raum machte deutlich, was sie bereits zuvor spüren konnte, formulierte den Gedanken aus, den sie stets geahnt hatte. Das hier war das Ende. Der letzte Gang. Vor dem Tod, vor dem Vergessen, vor der Ruhe. Langsam, nur ganz langsam schwoll das Lied wieder an und rauschte um ihre Köpfe wie ein Bach. Dann ertönte wieder die tiefe Stimme, ganz nah, als wäre er mit ihnen in einem Raum. Die anderen waren inzwischen ebenfalls angekommen, versammelten sich neben ihr und Crocodile. Jeder von ihnen außer Robin und Iroko hatten die Augen geschlossen und wiegten sich willenlos in der Musik, als würden sie mit ihr tanzen. Sie hörten die tiefe, angenehme Stimme und verstanden die Bedeutung, als würde ihnen jemand die Worte direkt ins Herz flüstern.
 

Aus der Brust und aus dem Herzen... da quillt und schwillt... bricht heran... bricht heraus... beginnt zu fließen, strömen, reißen... ein Fluss so sanft wie Wellen... fließt hinab, versiegt und trocknet... wird zu Staub, wird zu Asche... wird zu Luft, wird zur Seele... wird zum Traum. Ein schöner Traum, ein böser Traum. Ein Traum... ein Traum…
 

Die beiden Frauen sahen, wie neben ihnen erneut Geister entstanden und auf die Crew zu schwebten. Crocodiles Mutter liebkoste ihn, küsste sein Gesicht, streichelte ihn zärtlich und flüsterte immer wieder etwas in seine Ohren hinein. Ähnlich ging es auch Paula, deren Mutter und Vater sie eng umarmten und ihren Kopf tätschelten. In Jazz Armen lag Paula Schatten, die sich an ihn schmiegte und an Umas Händen klammerten ihre Zwillinge, während Miki seinem Vater und seinem verstorbenen Hund gegenüberstand und ihre glücklichen Gesichter bewunderte. Nur Gal hockte auf dem Boden und umklammerte sich selbst, während sein eigener Geist ihm Mut zuflüsterte. Doch sie alle sagten stets das gleiche, das wie ein Murmeln allgegenwärtig in der Luft hing.
 

Bitte bleib bei mir. Geh nicht fort… Bitte bleib hier…
 

Flüchtig warf Robin Iroko einen winzigen Blick zu, um sich zu vergewissern, dass sie und das Mädchen wirklich die einzigen Übriggebliebenen waren, die Einzigen, die nicht gefangen in diesem Albtraum waren. Mehr als alles andere spürte Robin die Angst in sich aufschäumen. Angst vor diesen Geistern, der Stimme, vor dem Verhalten der anderen und davor selbst als nichts anderes als ein Geist übrig zu bleiben, ewig dazu verdammt auf Erden zu wandeln ohne zu spüren, ohne wirklich jemals zu sterben, ohne ein Ende der Qual. Es war Robins größter und schlimmster Albtraum und der Gedanke, dass es ihnen allen bevor stehen könnte, brachte sie fast in die Knie. Doch sie würde nicht aufgeben, sie würde kämpfen, bis sie umfiel. Mutig setzte sie einen Fuß nach vorn. »Was willst du von uns?!« Ihre Stimme zitterte.
 

Nichts geschah, nichts regte sich. Sekundenlang, Momente lang. Und als sie die Angst, die Furcht die in diesem Raum allgegenwärtig war, fast erdrückte, veränderte sich etwas. Zunächst war es nur ein Gefühl, das immer stärker wurde. Sie fühlte sich schrecklich schwer. Als würde sie unter Wasser gedrückt. Als würde jemand auf ihren Kopf einschlagen. Angst und Verzweiflung, Panik. Doch dann schwächte es wieder ab und sie blickte instinktiv nach oben, über ihren Kopf.

Die Musik war endgültig verstummt, doch die Ruhe hielt nicht lange an. Plötzlich sprang eine Stimme an ihre Ohren, dunkel und tief, unendlich traurig. Es war die Stimme, die gesungen hatte. Sie erkannte sie sofort. Dort hing ein formloses, weißes Bündel in der Luft, das roséfarben pulsierte. Langsam glitt es hinab in ihre Mitte und

formte sich um, bekam die Umrisse eines Mannes. Mittelgroß, schulterlange blond-weiße Haare, eine große Nase und dunkle Augen. Sein Alter war nicht zu definieren. Er wirkte jung und gleichsam alt, die Haut gegerbt, die Haare fahl, das Gesicht ausgelaugt und zerstört. An seinem Körper, der nur knapp bis zu seinen Hüften zu sehen war, trug er eine Uniform, die nicht aus diesem Jahrhundert zu stammen schien. Sie wirkte wie eine Mischung aus Soldat und Offizier, zwischen Pirat und Edelmann. Doch das auffälligste an ihm waren seine unendlich traurigen Augen.

Er musterte sie und Iroko, sehr intensiv, ohne jedoch auch nur ein Wort zu sagen.

Robin zog scharf den Atem nach, hatte beinahe vergessen wie das war zu atmen, aber vermutlich war sie damit nicht die Einzige im Raum. Der Anblick machte ihr wirklich Angst, aber gleichsam auch betrübt, als könnte sie nachempfinden, warum er so traurig daher blickte. Dabei hatte sie keine Ahnung. Zumindest wenn es mehr war, als das Dasein eines Geistes. Noch immer wütend machte sie einen weiteren Schritt in seine Richtung. »Hör damit auf! Hör endlich auf sie zu quälen!«

Es schien als reagiere er gar nicht, ehe er endlich unendlich langsam den Kopf schüttelte. »Noch ist nicht die Zeit dafür.« Kam es so langsam wie die Sterne in der Nacht über den Himmel zogen.

»Was?« Wütend wollte sie aufschreien, ehe Iroko sie plötzlich am Arm packte und nur den Kopf schüttelte. Robin starrte sie an, als verstände sie nicht, schaute erneut auf und versuchte ihre Stimme kühl zu halten. »Was soll das? Was willst du von uns?«

Wieder dauerte es einen ganzen Moment, ehe er weitersprach. Und selbst als er es tat, kam er nur langsam voran, als würde er sich absichtlich Zeit nehmen. Als hätte er alle Zeit der Welt. »Ich möchte mit euch sprechen.«

»Dann solltest du dich beeilen, wir haben nicht ewig Zeit.« Kam es wirklich kaltschnäuzig von der Kleinsten.

Darauf antwortete er nicht, sondern muster sie nur wieder.
 

Ihre Miene verdüsterte sich weiter. »Hörst du schlecht? Oder willst du nicht hören?«

»Ihr seid verärgert wegen eurer Freunde. Ich verstehe. Das tut mir leid.«

»Was passiert hier?« wollte Robin etwas kleinlauter wissen.

Sein Blick kroch langsam zu ihr, durchbohrte sie, fraß sich in ihr Innerstes, als er auf sie traf. »Wie ich bereits sagte, es tut mir leid. Was hier auf Omoide passiert ist längst kaum mehr unter meiner Kontrolle. Ich habe aufgegeben mich mit den Blumen zu streiten. Sie strafen euch und mich. Es ist wohl verdient.«

»Verdient?« hakte Robin nach, ihre Brauen zogen sich zusammen. »Was soll denn das bedeuten?«

Er seufzte schwer und es klang wie eine Welle, die am Strand zerbrach. »Du brauchst dich nicht vor mir zu fürchten, Nico Robin. Nichts von dem, was ihr saht, ist echt. Ich bin der einzige Geist, den es hier gibt. Alles andere ist nur... Pollenstaub und euer Atem, durch den meinen gespeist, der euer Innerstes nach außen kehrt. Eine magische Reaktion... das Spiel, das die Blumen mit euch treiben, mittels meiner Energie. Durch den Wunsch, den ich einst hatte... wohl noch immer habe. Aber ich weiß es längst nicht mehr so genau. Alles... ist so verschwommen geworden.«

»Du willst ernsthaft sagen, dass "Blumen" das hier verursachen? Dass "Blumen" einfach aus eigenem Antrieb so handeln?« Iroko schien ihm nicht zu glauben, Robin hingegen starrte noch immer etwas ängstlich zu ihm.

Er lächelte gequält. »Du hast wohl Recht. Es ist meine Schuld, dass sie es tun. Und doch ist es nicht das, was ich euch sehen lassen wollte. Gleichsam ist es mein Wunsch. Sie sagen, was ich müde geworden bin zu wünschen.«

»Das klingt alles wie Bullshit für mich. Was willst du von uns?« Robin wusste nicht, wann sie Iroko das letzte Mal so hatte sprechen hören.

Langsam senkten sich seine Lider, ehe er die beiden Frauen wieder ansah. »Ich wünsche mir nur eure Hilfe.«

»Dann sag was du willst, aber heute noch.«

Es war es Robin, die das Mädchen zurück hielt. »Was sie meint ist: was müssen wir tun, damit das aufhört?«

»Ihr seid also gewillt mir zu helfen?«

»Bleibt uns eine andere Wahl?« Noch immer leicht panisch, verfing sich Robins Blick mit Crocodiles Anblick. »Egal was es ist...«

»...« Er starrte sie nur an, schien skeptisch zu wirken, als würde er nachdenken.

Und mit jeder Sekunde, die verging, verfing sich mehr Wasser in Robins Augen. »Egal was es ist... sie leiden... das muss aufhören... bitte...«
 

Schließlich schlossen sich seine Augen wieder. »...Nun... das Risiko, dass ihr geht, ohne mir zu helfen, ist zu groß. Zudem weiß ich nicht einmal, ob ich euren Freunden überhaupt helfen kann. Aber wenn ich es nicht kann, dann bleibt ihr für immer auf dieser Insel.«

»Was soll das denn heißen, huh?« Wirklich, Iroko ging die Geduld mit diesem Geist aus.

Ganz langsam begann sein Kopf sich zu schütteln. »...Nichts, es soll nichts heißen. ...Ich wurde zu oft hintergangen, und doch bleibt mir wohl keine Wahl, um endlich von hier verschwinden zu können. Die Lasten hinter mir zu lassen, die Schuld und all den Tod.« Die beiden Frauen spürten wie ihnen noch kälter wurde und ehe sie es sich versahen, blickten sie sich um. Und erkannten überall zwischen den herabgefallenen Steinen und den Blumen Knochen. »Ich bin genauso ein Gefangener dieser Insel und der Blumen wie ihr und eure Freunde.«

»Es war also doch ein Hilferuf...« kam es nun viel sanfter als zuvor von dem Kind.

Robin hielt lediglich den Atem an.

Seine tiefen Augen blickten erneut zu ihnen und sie spürten, wie sein kalter, toter Blick in ihre Adern hinab sickerte als wäre er Gift. »Dies ist das letzte Mal. Das habe ich mir geschworen. Deswegen möchte ich ganz ehrlich sein. Alle Karten auf den Tisch legen.«

»Warst du es, der gesungen hat?« wollte Iroko wissen.

Nur ein Nicken.

Ihr Blick veränderte sich plötzlich, war nicht mehr so kalt. Ein Hauch Zärtlichkeit legte sich in ihre Pupillen, nur für ein paar Momente.
 

Geruhsam streifte sein Blick umher, er bewegte sich, als würde er durch den Raum schlendern. »Nicht alle Knochen, die ihr hier seht, sind von den Menschen, die damals mit mir auf diese Insel kamen...« Plötzlich ertönten leise Stimmen, die in einer anderen Sprache sprachen. Es formten sich Geister, mindestens ein Duzend, die durch den Raum liefen und die Worte des Geistes real werden ließen. »Damals erlitten wir Schiffbruch. Wir waren gerade auf die Grand Line gekommen, abenteuerwütig und voller Lebenslust. Wer hätte gedacht, dass nur ein Sturm uns alles nehmen konnte, was uns lieb war. Lediglich die Hälfte der Männer wurde hier nach Omoide geschwemmt. Die anderen hatte sich wohl die See geholt. …Ihr habt die Insel gesehen. Hier gibt es nichts. Kaum einen Baum, kein Leben, keine Tiere. Die Burg stand bereits damals in Ruinen. Hier wartete nichts weiter auf uns als das grausame, leere Warten auf den Tod.«

»Wir konnten nichts tun. Danach ging alles ziemlich schnell. Die ersten rannten auf die See zu, um zu entkommen. Einige erhängten sich, ein weiterer gab sich die letzte Kugel...« Sie sahen, wie die Männer um sie herum seinen Worten folgten. Ein Schuss erklang und einige weiße Schemen schwangen leblos an den Tauen in der Luft herum. Noch mehr Lärm ertönte, Geschrei und Rufe voller Hass. »Sie kämpften miteinander, waren kurz davor zum Kannibalismus überzugehen. Schließlich... blieb nur ich übrig.«

Sein Geist blieb stehen und blickte vor sich, wo sein exaktes Ebenbild vor ihm kniete und weinte. Ein Schemen erschien vor ihm, doch das Gesicht blieb unerkenntlich. Alles, was noch von der Person wahrzunehmen war, war ihre weibliche Stimme, die seinen Namen sagt. Sierra...

»Ich griff zum Schwert... und beendete es.« Sein Ebenbild folgte dem Befehl und rammte sich den Stahl in die Brust, ehe er voller Blut zu Boden fiel und das Szenario verblasste. »…Es brachte nichts.« schloss er endlich. Er drehte sich wieder zu ihnen um. »Ich starb nicht. Ich sah nur mich selbst, meinen Körper, am Boden liegen, als ich wieder erwachte. Bis heute weiß ich nicht, warum mir dieses Schicksal zuteil wurde. Ich habe mich damit abgefunden.«

Erneut schraubten sich Schemen aus der Luft. Menschen, deren Gesichter kaum zu erkennen waren. Frauen und Männer, zuerst ruhig, dann wütend, um sich schlagend, schreiend. »Ich habe versucht mich umzubringen, all dies zu beenden. Floh über das Wasser, versuchte in meinen toten Körper zurückzukehren. Doch nichts funktionierte. Und die Zeit verging. Ich sah meinen Körper und auch die meiner Freunde immer weiter verfaulen. Ich war einsam. Irgendwann... hatte ich all das satt. ...Ich bündelte all meine Kraft, die mir verblieben war, und schuf das, was ihr nun seht. Das Omoide, das euch hergelockt hat.«

»Ich erweckte die Blumen zum Leben, die einzigen, die mir immer zugehört hatten, die mich nicht alleine ließen. Ihre Pollen lenkte ich zum Himmel und schloss die Insel in einen Nebel ein. Schuf mir eine eigene kleine Welt, die jedermanns Aufmerksamkeit erregen würde. Inzwischen haben sich die Pollen selbstständig gemacht. Haben die gesamte Luft erfüllt. Sie tragen meine Energie in sich. Wenn ein Mensch in den Nebel tritt verwandeln sich seine Worte, sein Atem in Erinnernungen. Der Schall verzerrt die Pollen, bricht das Licht und schafft einen Wirbel. Ich kann es nicht mehr kontrollieren. ...Es hat mich bereits große Kraft gekostet sie davon abzuhalten euch beide zu belästigen.« Sein Blick senkte sich kurz, ehe er durch den Raum geisterte. »Anfangs war es noch nicht so schlimm... Anfangs waren sie noch nicht so mächtig. Mein Plan ging auf. Ich lockte Menschen an. Doch nichts kam so, wie ich es wollte. Manche wollten mir helfen, aber nichts klappte. Und als die Zeit verging, begannen sie mich zu hassen, in die gleiche Hölle zu verfallen wie einst meine Kameraden. Sie konnten nicht mehr fliehen. Niemand konnte es mehr. Der Nebel lässt es nicht zu. Er stört das Magnetfeld. Er lässt niemanden mehr frei.«
 

Robins Magen zog sich zusammen und sie umfasste ihre Arme, zitterte, schwieg jedoch.
 

Die Schemen verzerrten sich, das Lärmen und Schreien wurde für einen Moment lauter, ehe es wieder ganz verstummte. »Die Blumen tragen meine Energie und meinen Wunsch in sich nicht alleine zu sein. Aber inzwischen glaube ich erkannt zu haben, dass das nicht der richtige Weg ist. Ich versuche dagegen anzukämpfen. Ich versuche mich dagegen zu wehren, doch es fällt mir schwer. Wenn ich den Nebel beseitigen kann, ist alles verschwunden. Doch ich werde bleiben.«

»Und wie sollen wir dir helfen? Wir sind nicht unbedingt Experten auf diesem Gebiet.« Irokos Stimme wirkte ruhig, nicht mehr gar so kalt, aber auch nicht sanft.

Einen langen Moment herrschte Stille. Dann schwebte er wieder auf sie zu. »Helft mir von dieser Insel zu fliehen. Hier kann ich meinen Frieden nicht finden. Ich glaube, dass ich noch etwas tun muss. Doch es liegt nicht mehr auf dieser Insel. Wenn ihr... mir erlaubt von Omoide zu segeln, dann kann ich es tun.«

Allein bei dem Gedanken einen Geist bei sich zu haben, wurde Robin gleich noch viel übler. Sie konnte ihn nicht mehr ansehen. Iroko hingegen wirkte noch skeptischer, als zuvor. »Und wie soll das funktionieren?«

»Siehst du das Skelett vor dir? Zwischen seinen halb zerschmetterten Rippen hängt ein Amulett. Es ist meines. Ein Geschenk für die Frau, die ich heiraten wollte, wenn ich wieder in meiner Heimat ankam. Wenn du es an dich nimmst und gewillt bist mir zu helfen, könnte ich es schaffen. Ich habe längst nicht mehr die Kraft dazu all diesen Nebel zu bekämpfen. Aber... wenn mein Geist nicht länger an den Boden und an die Blumen und an den Stein dieser Insel gebunden ist... sondern frei von ihr agieren kann... dann... ja dann könnte meine Energie verschwinden. Die Insel und ich sind miteinander verschmolzen. Sie lebt von meiner Energie und entzieht sie mir. Aber... wenn du mir wirklich helfen möchtest, könnte ich es schaffen.«

»Wie genau sieht die Hilfe denn aus?« Ihre Stimme klang unsicher.

»Ich verlang nicht viel. Ich habe keine großen Erwartungen, Hitsuyo Iroko.« Als sie in seine Augen sah, konnte sie die Kapitulation in ihnen erkennen. Er hatte bereits aufgegeben, glaubte kaum noch an die Worte, die er sagte. Als würde er wissen, dass sie ihr Versprechen doch nicht halten würde. »Ich möchte nur von hier weg. Und vielleicht... auf dem Weg finden, was ich noch erledigen muss, um für meine Sünden zu büßen.«

»Und um dich hier wegzubekommen, muss ich nur das Amulett an mich nehmen? Wohnst du da drin oder wie?«

»Ich könnte versuchen... "dort drin zu wohnen"« kam es etwas unsicher über den Gebrauch der Wörter.

»Und danach?« Iroko überkam plötzlich ein wirklich ungutes Gefühl dabei.

»Was danach kommt, liegt in deiner Hand. Es ist nicht so, als könnte ich mich irgendwie wehren.«

Ihre Augen wurden größer. »Verstehe ich das richtig, dass ich dich dann...« irgendwie fielen ihr die Worte unheimlich schwer. Sie wusste nicht, wie sie es ausdrücken sollte. »…nun ja... gewissermaßen "am Hals" hätte?«

»Ich kann deine Entscheidung, was danach mit mir und dem Amulett passiert, wohl nicht beeinflussen.«

»Na wunderbar...« Sie trat etwas zur Seite, ignorierte dabei auch Robins prüfenden Blick. »Hast du uns aus einem bestimmten Grund ausgesucht? Robin und mich meine ich? Oder war das Zufall?«

Wieder verging ein langer Moment, ehe er weitersprach. »Sie verstand meine Sprache in ihrer ursprünglichen Form. Zu ihr brauchte ich nicht durch ihr Herz zu sprechen. Außerdem...« Einen langen Moment musterte er sie, doch dann brach er abrupt ab und sah wieder zu dem kleinen Mädchen. »Du und ich... wir ähneln uns. Und... du bist die einzige, die vertrauenswürdig erschien. Weil du das reinste Herz von allen hier Anwesenden hast.«

Sie grunzte beinahe. »Die Zeit auf der Insel hat dir ja ganz schön die paar letzten Sinne "vernebelt".«
 

Vorsichtig schwebte er auf sie zu und sie spürte seine Kälte auf sich einwirken. »Ich weiß mehr über euch, als du denkst. Der Nebel und die Blumen zeigen nicht nur euch, was tief in euch steckt. Ich weiß, was auf dich zukommt. Ich weiß, welche Bürde du trägst. Und obgleich du dich am Ende dafür entscheidest das Amulett bei dir zu tragen oder in der Tiefe des Meeres zu versenken... ich werde für dich da sein, wenn du das willst.«

Ein kurzer Moment der Angst schlich sich in ihren Blick, war dann wieder steinhart. »Wenn du das weißt, solltest du auch wissen, dass es witzlos ist mit mir kommen zu wollen. Toshi-o-Toru unterscheidet sich nicht sonderlich von Omoide.«

Darauf lächelte nur, als wisse er etwas, das sie noch nicht erahnen konnte.

»Wenn du mich so gut kennst, wie du behauptest, dann weißt du, dass ich niemals ein Versprechen abgeben würde, um es dann leichtfertig zu brechen. Wenn ich dir meine Hilfe zusage, dann bekommst du sie auch. Aber da eben liegt das Problem. Ganz ehrlich... was bringt es dir die Inseln zu wechseln?«

Robins Blick schien sich nicht entscheiden zu können, wen sie anstarren sollte. Hatte Iroko jetzt wirklich vor den Geist mitzunehmen? Auf ihr Schiff? Mit in ihre Crew? Auf längere Zeit? Robin konnte die Einsamkeit förmlich spüren, wie sie von ihm auf sie überging. Es war so schwer das hinzunehmen, nichts zu sagen. Aber irgendwie wollte sie ihm auch helfen. Sein Blick... er tat weh.

Doch auch auf diese Frage hatte der Geist nur ein Lächeln parat. Dieses Mal selbstbewusster, doch noch immer gequält.

Das Mädchen verschränkte die Arme und beinahe schmollte sie. »Aber ich komm hier wohl auch nicht weg, wenn ich nein sage, was?« Eigentlich hatte sie sich nicht auch noch so etwas aufhalsen wollen. Es stimmte schließlich, wenn sie erst einmal auf Toshi-o-Toru war, konnte ihr der Geist egal sein, aber so einfach war das eben nicht bei Iroko. Ein Versprechen war nun einmal ein Versprechen.

»Ich sagte bereits. Ich werde es so oder so versuchen.«

Sie starrte ihm weiter entgegen. »Dann mach mal.«

»In Ordnung.«
 

Seine Augen schlossen sich, er schien Luft zu holen. »Ich werde versuchen euch zu helfen. Also… vergesst nicht mir den gleichen Gefallen zu tun.« Dann verstummte er und so tat es auch die Insel. Sekunden vergingen, wurden zu Augenblicken, zu Momenten, zu Minuten. Nichts geschah, nichts veränderte sich. Und dann, ganz unerwartet öffnete sich sein Mund erneut und ein Lied erklang, das alles Vorherige in den Schatten stellte. Violinengesang, ein Hauch von Schlagen und Trommeln, eine Melodie, so schön wie die warme Sonne nach einer eisigen Nacht. Wie Wellen sprudelte sie heran, umhüllte die beiden Frauen, erfüllte den Raum, als würde das Wasser immer weiter steigen und sie ertränken. Ihr Atem blieb stehen, ihr Puls begann zu rasen, ihr Kopf fühlte sich leicht und unbeschwert. Immer wieder und wieder wurden sie davon umspült, umarmt, in Glückseligkeit gewiegt. Die Haut begann zu kribbeln, die Endorphine unter ihr zu brodeln, die Sorgen verflogen, der Schmerz vergessen. Es war Hoffnung. Und die tiefe Stimme des Geistes umgarnte sie darin, als wolle er ihnen Mut geben. Die Gewissheit, dass alles gut werden würde. Dass jeder von ihnen ein Anrecht darauf hatte glücklich zu sein.
 

Avaa suoneni

Suoneni suruillesi

Myrkytän omani

Suru laineiksi

Laineet järviksi
 

Die beiden Frauen schlossen unwillkürlich ihre Augen, ließen sich wiegen, ließen sich umarmen, ihren Schmerz heilen. Die konnten die wahre Bedeutung der Worte dahinter verstehen. Die Musik küsste, streichelte ihr Ohr und drang bis zu ihren Herzen vor, waren erfüllt von nichts anderem als der Melodie, die nach Leben schmeckte.
 

Öffne meine Adern für dein Leid

Gift

Sickert hinein

Schlägt Wogen wie in einem See

Bis hin zu den fremdesten Häfen.
 

Der Geist vor ihnen begann sich aufzulösen, wurde immer durchsichtiger, als verschmelze er mit der Melodie, die wie Wasser aus einer Quelle um ihn herum sprudelte, tanzte, sich mit dem Nebel vermischte und Schlieren in die Luft zeichnete. Es schien unendlich wieder zu schallen in den verzweigten Hallen der Ruine. Ruhig und zärtlich und doch stark, voller Ehrgeiz, voller Hoffnung, voller Mut. Leicht wie eine Feder, so sanft wie eine Meeresbrise. Ein Sonnenstrahl, der durch den Regen brach. Es tönte von allen Seiten. Und dann war Sierra kaum noch zu erkennen.
 

Läpi elon elämä harhaili

Eli itsesu

Sivuillasi vesi

Vesi vapaa

Sivuillasi se kesii
 

Der Himmel begann zu brechen, zerbröckelte einfach, fiel in sich zusammen, auf sie hinab. Die Pollen zerfaserten, wurden vom Winde verweht und gaben den tiefschwarzen, sternenbedeckten Nachthimmel frei. Violette Farben tanzten im Grau des Schleiers, pulsierten und zuckten, stürzten hinab zu ihren Füßen. Der Nebel verschwand, gab der Insel ihre Farben zurück. Auch die Geister verschwanden langsam, gaben ihre Freunde frei. Ihre Stimmen wurden beständig leiser, bis sie schließlich in der Gischt des Liedes völlig untertauchten. Die Welt, die hier erblüht war, begann zu sterben. Das Glühen der Blumen erstarb. Die Realität des kalten, tiefschwarzen Nachthimmels streckte ihre Krallen nach Omoide aus, fraß sie auf. Das Schauspiel dauerte lediglich Minuten. Dann war die gesamte Insel in schwielige, tote Dunkelheit getaucht, die sich kalt über sie legte, sie frösteln ließ. Noch war das Lied zu hören. Leise, sanft, wie ein verliebtes Flüstern. Doch als die Finsternis kam, wurde es immer leiser, erstarb schließlich und hinterließ nur noch eine fade Erinnerung an das, was hier zuvor gewesen war.
 

Bis hin zu den fremdesten Häfen

Dem Leben ausweichend

Hin zu freien Wassern

Quellenden Wassern

Die so frei erscheinen.
 

Endlich war alles still, nur noch der Wind, der durch ihre Haare geisterte, und das Rauschen der Wellen war in der Ferne zu hören. Nichts deutete darauf hin, dass dies mehr gewesen war als ein Traum. Der Zauber war vergangen. Der Fluch hatte sich gelegt. Und zurück blieb das Gefühl einer Hoffnung, die in ihren Herzen pulsierte.
 

Robin atmete tief durch und ließ die Arme baumeln. Sie zwang sich ihren Blick nicht sofort zu Crocodile und den anderen zu richten, sondern weiter zu Iroko zu starren, um zu sehen was sie tun würde.

Das Mädchen bewegte sich lange Zeit gar nicht, ehe sie die Augen schloss und nach vorn trat, der Kopf gesenkt. Schließlich öffnete sie ihre kalten Augen erneut und starrte auf den toten Körper, erkannte das Amulett schemenhaft unter den Knochen. Robin konnte keine Veränderung in ihrem Gesicht erkennen, keine Regung, die darauf hindeuten würde, was das Mädchen tun wollte.

»Iroko?« Doch es kam keine Reaktion.

Robin konnte den inneren Zweikampf nicht sehen, der in Irokos Kopf stattfand, wie sie das für und wider abwägte. Nein, eigentlich gab es ja gar kein "Für". Sie hatte nichts versprochen, sie hatte ihm nicht ihr Wort gegeben und welchen Grund hatte sie, ihm zu helfen? Das Schicksal anderer war ihr ziemlich egal und da sie nun frei waren, war es eh einerlei, aber... der Ruf nach Hilfe steckte ihr noch immer in den Knochen. Die Einsamkeit, der Schmerz, der sie nicht mehr losließ... als hätte sie nicht genug, womit sie sich beschäftigen konnte.

Sie ging in die Knie, beugte den Kopf näher über das Skelett und griff schließlich abrupt nach dem Schmuck, riss es aus dem Toten und warf einen intensiveren Blick auf das Juwel, als erhoffte sie sich dadurch eine Antwort auf ihre Fragen. In ihrer Hand hielt sie eine Kette, silbern, mit einem wunderschönen Anhänger. Eine goldene Sonne, mit zackigen Enden, mit Runen und Zeichen darauf. Und in der Mitte funkelte ein einziger kleiner Rubin.

»Sierra... huh? Schöner Name...« Sie flüsterte, so dass Robin sie nicht hören konnte, als hoffte sie von ihm eine Antwort zu bekommen. Vorsichtig streifte sie mit dem Daumen ihrer rechten Hand über den Rubin und seufzte, schüttelte den Kopf. »Ich kann dir nicht versprechen, dass das kein Fehler gewesen ist.«

Letztendlich richtete sie sich wieder auf, das Amulett weiterhin in der Hand, blickte zu Robin und dann zu ihrem Team.
 

Außer Jazz waren alle, die den Geistern ihrer Vergangenheit begegnet waren, in die Knie gesunken. Sie hielten sich den Kopf, immer wieder erklang müdes Stöhnen. Noch immer waren sie kaum ansprechbar, aber es schien besser zu werden.

Robin riss sich von ihren Gedanken über den Geist los und war in Sekunden bei Crocodile, legte ihm ihre Hände auf die Schultern, versuchte in seine Augen zu blicken. »Hey, wie geht es dir?«

Heftig schüttelte er den Kopf, sank dadurch aber noch weiter zurück und musste sich die Stirn halten. Seine Stimme war müde, ausgelaugt und verwirrt. »Ich... was... was ist... passiert?«

Sie senkte ihre Stimme etwas. »Erinnerst du dich an nichts?«

»Uhhh...« Sein Gesicht verzog sich, er blinzelte, schien es jedoch schwer zu haben zu sprechen. »Meine... meine Mutter war da...« kam es ganz leise. Er fühlte sich wirklich, als wäre er durch einen Fleischwolf gezogen worden. Sein Kopf schmerzte als hätte er zu viel Alkohol gehabt. Und dann war da diese Leere in ihm, die ihn noch mehr irritierte. Als fehle ihm etwas, als wäre er nicht komplett. Und gleichsam fühlte er sich leichter, freier, als wäre ein Stein von seinem Herzen gefallen.

Robin konnte sich kaum bremsen, streichelte ihm durchs Haar. »Ich fürchte die Geschichte über die Geisterinsel war nicht gelogen.«

Er atmete tief durch, keuchte ungehalten und wirkte als könne er sich nicht so ganz konzentrieren. »Was ist geschehen? Ist es jetzt... etwa vorbei?«

Sie nickte und wünschte sich nicht zum ersten Mal, seine Wunden zu heilen, obwohl sie ganz genau wusste, dass es unmöglich war. Wie könnte sie jemals diesen leeren Fleck in seiner Brust, der zu seiner Mutter gehörte, ausfüllen? Wie könnte sie ihm je diesen Schmerz nehmen? Wie könnte irgendwer das, außer seiner Mutter? »Ja, es ist vorbei.« Nur kurz ging ihr Blick zurück zu Iroko, die noch immer wie in Stein gemeißelt dort stand und zu ihnen sah. »Wir haben wirklich einen Hilferuf gehört und ich glaube, wir haben ihn auch erhört. …Ein Geist...« Sie schluckte ihre Angst völlig herunter. »Ich weiß nicht, wie genau er es gemacht hat. Offenbar hatte es etwas mit den Blumen hier zu tun, aber... wir sollten die Insel nicht mehr verlassen.« Ihr Blick kehrte zu ihm zurück. »Wir waren nicht die Ersten, die dem verfallen sind. Diesem Zauber... aber jetzt ist es vorbei.«

»Was habt ihr... gemacht?«

»Er ist uns erschienen und...« Sie bekam die Worte kaum heraus. War das wirklich echt gewesen? Wenn sie es nun erzählte, fühlte es sich wie ein Traum an, aus dem sie aufgewacht war. »Er… meinte, er wollte das nicht mehr, wollte dem ein Ende machen und hat seinen Worten Taten folgen lassen. Iroko...« Und noch einmal sah sie zu dem Mädchen, sprach lauter. »Iroko... hast du dich entschieden?«

Vorsichtig sah sie das Mädchen nicken und beobachtete sie dabei, wie das Amulett in ihrer Rocktasche verschwand, ohne Worte kam sie näher. »Er wollte diese Insel verlassen. Und wir sollen ihm dabei helfen.«

»Uhhhh...« Schmerzhaft verzog Crocodile das Gesicht und krallte die Finger in seinem Haar fest. Er schien kaum noch zuzuhören.

»Wir sollten gehen.« setzte Robin hinzu.
 

Kurz sah sich Robin wieder zu den anderen um, wollte sehen, wie es ihnen ging, ob sie auf die Beine kamen. Den anderen ging es ähnlich wie Crocodile. Sie schienen gerade erst aus ihrer Trance aufzuwachen, noch immer in einer schmerzlichen Welt gefangen zu sein. Jazz hatte sich Paula zugewandt und tröstete sie, während Gal bereits wieder auf taumelte und sich unsicher umsah. Keiner wirkte sonderlich ansprechbar.

Ohne Veränderung in ihrem Blick glitt Iroko auf Gal zu und griff ihm unter die Arme, versuchte ihm zu helfen aufzustehen, jedoch ohne einen Kommentar zum Geschehenen abzugeben. Robin hingegen sah leicht ratlos von einem zum nächsten und wusste nicht so recht, wie sie sich verhalten sollte. Sie konnte Crocodile kaum auf die Beine helfen und bei keinem der anderen traute sie sich das überhaupt. Sie sah zu wie Miki die Schultern durchdrückte und den Kopf zu Uma umwandte, die noch immer verwirrt auf ihre Hände blickte. Sie sah auch dabei zu, wie sich Miki aufrichtete und Uma auf die Beine half.

Schließlich konnten auch die anderen so viel Kraft aufbringen aufzustehen und zu laufen. Die Trance schien anzuhalten und mit ihr die Stille. Zusammen verließen sie die Burg, kämpften sich voran, bis sie ihr Schiff, die Minerva am Strand sehen konnten. Noch immer wirkte alles wie in einem Traum. Als Crocodile auf den Log Post blickte, verhielt er sich so, als hätte es diese Insel nie gegeben. Stur zeigte die Nadel auf Toshi-o-toru. Für einen Moment zog er ernsthaft in Betracht auf der Insel zu bleiben und den Morgen abzuwarten, um Segel zu setzen. Doch dieser Augenblick verstrich so schnell, wie die unergründliche Angst vor der Insel wieder auftauchte. Sie stieß ihn ab, widerte ihn an. Er konnte nicht hier bleiben. So erging es auch den anderen, niemand weigerte sich dagegen und sie alle halfen dabei die Minerva wieder auf offene See zu bringen. Erst als das öde Eiland mit der schwarzen Burg nicht mehr zu sehen war, konnten sich durchatmen. Und dann erfasste sie ein niederschmetternder Schlaf, der auch die letzten Reste des Nebels aus ihren Köpfen vertrieb.

Toshi-o-Toru – Der Atem des Waldes

Sie hatte sich im Wald verirrt, in den schönen, tiefen Wäldern mit dem dunklen, grünlich leuchtenden Licht. Es war still, so still, dass sie die Luft hören konnte. Sie konnte den Weg über den dichten Moosteppich, durch die Efeuranken, zwischen den großen Baumsäulen, die sich wie eine uralte Mauer erhoben, nicht mehr finden. Sie suchte etwas, jemanden. Sie musste sich beeilen, aber welche Richtung sie auch einschlug, sie blieb in der grünen Dunkelheit gefangen. Sie hörte das schwache Murmeln eines Flusses, das Seufzen eines Lufthauchs und das Trommeln in ihrem Kopf war das panische Pulsieren ihres eigenen Blutes. Dann nahm sie ein Flüstern wahr.
 

Iroko. Iroko…
 

Sie setzte sich senkrecht im Bett auf, die Augen schlaftrunken und noch vom Traum geblendet. Ihr Herz hämmerte in ihrer Brust.
 

Früher bist du immer mit einem Lächeln und einer neuen Frage aufgewacht.
 

Iroko seufzte und fuhr sich durch ihr verschwitztes Haar. "Ja, Mama, das ist lange her." Sie waren bald da.

Ein kurzer Blick aus dem Fenster sagte ihr, dass es früher Morgen war. Die Sonne war noch nicht zu sehen, aber der Himmel ging von seinem nächtlichen Blau in ein weiches Rot über. Zu wenig Zeit, um sich noch einmal umzudrehen und erneut zu versuchen einzuschlafen. Sie wollte diese Bilder gar nicht mehr sehen, wollte den Wald nicht hören, wie er nach ihr rief. Sie waren wirklich ganz nah, das konnte sie schon längst spüren. Heute oder morgen. Und dann war es vorbei. Sie stand auf und zog sich an, berührte dabei zum ersten Mal, seit sie Omoide verlassen hatten, das Amulett, das noch immer in ihrer Rocktasche steckte. Es kribbelte leicht auf ihrer Haut, fasste sich warm an. Ohne weiter darüber nachzudenken, steckte sie es zurück in den Rock und schlich sich an Deck. Miki, der für die Wache eingeteilt worden war, hatte sich bereits in die Kombüse zurückgezogen, so dass sie, wenn auch nur für wenige Minuten, das Deck für sich allein hatte. Sie sah das Meer und vermisste es schon jetzt, dabei war sie nie so ein großer Fan vom Segeln gewesen. Eigentlich stand sie lieber auf festem Boden, aber... nein, sie würde nicht mehr daran denken. Nie wieder. Sie wand sich um und folgte dem Riesen in die Bordküche, brühte sich einen Tee auf und setzte sich schweigend an den Tisch, sah dabei zu wie er sich langsam füllte, achtete dabei nicht auf die Zeit, die verging. Ganz abstellen konnte sie es nicht, das Beobachten, das Analysieren. Omoide hatten offenbar wirklich einen bleibenden Eindruck hinterlassen.

Paula folgte kurz nach ihr und warf den beiden nur ein kurzes "Guten Morgen" entgegen, ehe auch sie sich einen Kaffee aufbrühte und aus dem Fenster starrte. Die ersten Tage, nachdem sie Omoide verlassen hatten, war sie noch immer eingeschüchtert und verstört gewesen, doch inzwischen hatte es sich verbessert. Sie war wieder fast sie selbst, abgesehen davon, dass sie kaum redete. Nachzudenken schien sie dafür jedoch den ganzen Tag. Auch Gal und Uma folgten schließlich und setzten sich zu den anderen an den Tisch. Gal war sehr schweigsam geworden, doch Iroko entging nicht, dass sein Blick immer wieder auf ihr ruhte, seit Tagen immer wieder um sie zu kreisen schien. Er schien zu ahnen, was kam, scheute sich allerdings es auszusprechen.

Uma war die wohl Einzige, die nicht zeigen zu wollen schien, dass diese letzte Insel irgendetwas in ihr bewegt hatte. Aufgebracht schon am frühem Morgen, klopfte sie auf den Gott sei Dank sehr soliden Tisch. »So, jetzt aber mal zu dieser Insel Iroko. Was soll das Gerede eigentlich, dass du gehen willst, huh? Na? Was?«

Da sie nur einen stummen Blick von dem Kind kassierte, regte sie sich gleich noch mehr auf und stopfte Paulas Essen nur so ungehemmt in sich hinein, als wollte sie ihre Wut, ihre Sorge damit ersticken. Auch als ihr Magen bereits protestierte - ein Blick auf Iroko reichte schon, um sie weiter stopfen zu lassen.

Miki versuchte nicht hinzusehen. Das würde kein gutes Ende nehmen. Gerade wollte er darauf hinweisen, dass solch ein Essverhalten nicht gut war (wusste er aus eigener Erfahrung), als die Tür erneut aufschwang und Robin sich an den Tisch zu ihnen setzte. Auch ihr Blick lag fast gänzlich bei Iroko. Sie wusste, Toshi-o-toru lag lediglich nur noch eine Tagesreise entfernt und sie hatte noch immer keinen Erfolg gehabt Iroko umzustimmen. Nicht nur Iroko lief die Zeit davon. Sie behielt es sich jedoch vor etwas zu sagen, aß stumm ihre Mahlzeit. Omoide hatte offenbar keine sichtbaren Spuren hinterlassen. Nur wenn sie allein war, überkam sie das Zittern erneut. Sie wusste, dass der Geist, dass Sierra hier war und es war wirklich kein angenehmes Gefühl. Dennoch, sie hatte sich mit wichtigeren Dingen zu beschäftigen. Zum Glück zeigte er sich ja nicht.

Der letzte, der an den Tisch kam, war Crocodile - Jazz hatte die letzten Male stets verschlafen und Paula glaubte, dass sie ihn auch heute nicht mehr pünktlich aus dem Bett bekam. Er wirkte unverändert, obwohl er nach Omoide noch lange mit Robin geredet hatte, um zu verstehen was wirklich passiert war. Sie hatte ihn damit abgespeist, was sie selbst zu glauben bereit war, und nach einiger Zeit und viel Mühe von ihrer Seite, schien er es endlich zu schlucken. Er hatte seitdem nicht mehr nachgefragt. Es war unwichtig geworden. Viel wichtiger war das, was noch vor ihnen lag. Toshi-o-toru. Und ihr Captain war nicht der einzige, der ein schlechtes Gefühl dabei hatte.
 

Als diese Insel am nächsten Tag, gegen Mittag in Sicht kam, begannen Iroko zum ersten Mal die Knie zu zittern. So nah, so nah, dass man die prägnante Form der Gebirgskette schon erkennen konnte. Im Osten fand man keinen Strand, sondern nur hohe Klippen, die direkt in harten Fels übergingen. Der Rest war Sandstrand, ging schnell in Kies über und neben dem Gebirge, dass sich wie ein Kreis über der Insel zusammen zog und in der Mitte ein großes Tal erzeugte, gab es auf Tosi-o-Toru nur vereinzelt ein paar Dörfer und natürlich die große Hafenstadt, deren Bewohner schon vor ein paar Jahren in die näher gelegenen Dörfer geflohen waren. Vor sechs Jahren war Toshi-o-Toru von einer schönen, kleinen Frühlingsinsel in ein Piratennest umgeschlagen. Selbst die Marinebasis, die hinter den Klippen lag, konnte daran nichts mehr ändern. Sie war leer, der Offizier unehrenhaft entlassen. Iroko wusste das genau, denn dieser Offizier war ihr Vater. Er lebte noch immer hier, das wusste sie. In der Stadt, die nur so vom elendsten Pack wimmelte, dass man sich vorstellen konnte. Aber all das war noch längst nicht zu sehen. Nur die Bergspitzen und der leichte Nebelflaum, der sich um die Wipfel schmiegte.

Das Mädchen achtete nicht auf Worte oder die Gespräche, die kleinlaut neben ihr geführt wurden, als sich die Minerva ihrer ehemaligen Heimat näherte. Je näher sie kamen, desto höher und dichter erstreckten sich die Wälder, desto weniger konnte man von der Insel erkennen, denn jedes ihrer Geheimnisse wurde förmlich von dem Grün verschluckt. Irokos Herz raste. Sie war wieder da, wieder Zuhause.

Erst als das Schiff anlegte, zeigte sich zum ersten Mal eine Emotion in ihrem jungen Gesicht. Sie wandte sich an ihren Boss, an sie alle, die an Deck standen und mehr oder weniger unglücklich auf das Eiland stierten. Sie achtete nur auf ihn, auf ihren Captain. Nein, nicht mehr. Jetzt war er nur noch Crocodile. »Ich wollte euch nur warnen. Früher war Toshi-o-toru eine gut befahrene Insel, vor allem für Händler und Marinesoldaten, aber keine Sorge. Davon ist nichts mehr übrig. Wenn ihr an Land geht, meidet besser die Stadt. Ihr kommt sonst nur in Schwierigkeiten. Es leben nicht mehr allzu viele Leute dort, aber die, die sich noch rumtreiben, haben nichts Gutes im Sinn. Die Dörfler mögen keine Fremden und der Wald ist ziemlich groß, man verirrt sich leicht darin. Nur ein gut gemeinter Rat.«

Niemand antwortete etwas, ihr Boss blickte ihr nur unergründlich entgegen, musterte sie.

Ihr Blick war merkwürdig weich, als sie seine große Form herab und wieder hinauf blickt. »Ich...« Dann schloss sie die Augen, die Stimme nur noch ein Flüsterton. »...danke... Bossu.« Dann wandte sie sich plötzlich ab und kletterte vom Schiff auf den Steg des Hafens. Sie sah sich nicht noch einmal um, wartete auf keine Worte oder Versuche sie aufzuhalten. Sie wollte nur schnell weg von ihnen ehe… ehe sie sich selbst nicht mehr dazu bringen konnte zu gehen. Ohne sie zu bitten, ihr zu helfen, ohne... nein. Stur ging ihr Blick gerade aus und kaum Fuß auf ihre Insel gesetzt, verschwand ihre Form im festen Dickicht der Bäume.
 

Robin sah ihr nicht sehr lange nach. Nur kurz blickte sie zu Crocodile. Sie hatte ihm schon längst gesagt, dass sie Iroko folgen würde. Also schwang auch sie sich wortlos vom Schiff und mit großem Abstand folgte sie dem Mädchen, achtete nur nebensächlich darauf, dass ihr niemand entgegen kam. Keine Seele war weit und breit zu erkennen. Der Steg mündete nach nur wenigen Metern in eine Strandpromenade, führte weiter ins Innere dieser Hafenstadt. Robin blickte aber nicht zu den Häusern, hielt allein Ausschau nach Iroko.

Ihr Captain hingegen blickte ihnen sehr lange nach. So lange, bis Robin in der Ferne nicht mehr zu sehen war und Jazz zusammen mit Miki die Minerva an die halb zerfallenen Stege des Hafens anband. Nur kurz drehte er sich seiner Crew zu und zog sogleich ihre Blicke auf sich. Sie alle hatten den gleichen Ausdruck in den Augen. Unruhe, Ungeduld, Unsicherheit. Eine verschwörerische Vertrautheit. Die Zukunft, die auf ihren Schultern lastete, die Zuversicht in ihren Captain, dass sie das bekam, was sie verdiente. Die Luft zwischen ihnen war dick, voller ungesagter Worte, die dennoch genau verstanden wurden. Die unausgesprochene Entscheidung, die jeder von ihnen getroffen hatte. Die Last, die sie von sich werfen würden. Das Ende der Maskerade.

»Ich werde ebenfalls gehen.« kam es plötzlich von ihrem Boss. Seine Stimme war ruhig und eigenartig angespannt. »Macht was ihr wollt, aber bitte passt auf das Schiff auf. Hier treibt sich so einiges versoffenes Piratenpack herum…«

Paula, Miki und Jazz nickten stumm und ließen ihn ziehen.
 

»AHHHHH SCHEIßE!« Drang es plötzlich aus dem unten Teil des Schiffes, quasi direkt von unter ihren Füßen. »VERDAMMTE KACKE!« Uma schrie sich bald die Seele aus dem Leib und es klang wirklich mehr als aufgebracht. Sie hörten es scheppern und krachen, als würde sie etwas Schweres durch den Raum werfen. »MAN!«

Es dauerte seine Zeit ehe Miki in Gang kam und die Tür zum Unterdeck aufsperrte, da kam ihnen eine wetternde Uma auch schon entgegen und trat direkt auf die Restgruppe zu, der Blick beängstigend. »Gah! Ihr werdet ohne mich gehen müssen! Ja, das müsst ihr. So ein Dreck! Man!«

Gal wirkte mehr als irritiert. »Was ist denn jetzt los?«

»Ich weiß nicht, wie man das in der Medizin nennt, aber da wo ich herkomme, heißt "Scheißeritis"!«

Ihm fielen fast die Augen aus bei der Bemerkung. »Eh...«

Miki gab ein paar Zeichen von sich, woraufhin Uma ihn böse ansah. »Grrr, JA, ich weiß, ich hätte gestern nicht so viel essen dürfen! Jetzt ist es zu spät. Ich hatte eben schon ein riesiges Abschiedsfeuer, das war sicher nicht das letzte!«

Gal wirkte immer noch irritiert, während Paula kicherte.

Die rothaarige Frau warf auch ihr einen bösen Blick zu. »Du brauchst gar nicht zu lachen!« Sie hob ihren Arm und zeigte auf sie alle. »Das kann euch allen passieren, wartet es nur ab. Ja, abwarten könnt ihr es.« Dann verzog sie wieder das Gesicht, hielt sich den Bauch und sie hörten ein lautes Grummeln. »Urgh...« Weitere Worte drangen nicht aus ihr. Sie wandte sich abrupt ab und rannte wieder Unterdeck. Sie hörten erneut die Türen schlagen und dann ein tiefes, schmerzliches Grunzen. Nur Sekunden später ein wütendes Schimpfen. »GAAAAH!«
 

~ ~ ~
 

Paula stand noch immer an der Reling und starrte auf das Land vor sich. Sie war inzwischen wieder allein, die anderen unter Deck verschwunden. Die meiste Zeit über war es ruhig, nur manchmal hörte man Uma grunzen und brüllen. Eigentlich wollten sie auf sie warten, um an Land zu gehen, doch ihr schien es nicht besser zu gehen. Geduldig streifte ihr Blick umher.

Was sie aus dieser Entfernung ausmachen konnte, war nicht viel. Sie konnte den Waldrand sehen, dessen Bäume so dicht wuchsen, dass man nicht einmal ahnen konnte, was dahinter sein mochte. Sowohl rechts, als auch links führte der Steg weiter, bis hin zu einer Handelsstraße oder was vermutlich einmal eine Handelsstraße gewesen sein mochte. Es standen ein paar Fässer und alte Kisten herum, Papier flog vereinzelt über den Boden und die Häuser, die sich hier klein und verfallen aneinanderreihten, ließ den Schluss zu, dass lange niemand hier gewesen war. Sie sah und hörte niemanden.

Die blauhaarige Köchin seufzte und drehte sich endlich um, schlenderte hinunter in die Kombüse. Eine halbe Stunde waren sie nun hier und nichts hatte sich verändert. Sie hatte keine Ahnung, was hier war, was geschehen würde oder wie es Iroko ging. Langsam wurde sie nervös. In der Küche traf sie auf Miki und Gal, die gegeneinander MauMau spielten, Jazz war oben im Krähennest und machte ein Nickerchen. Schweigend schlenderte sie zur Kaffeemaschine und brühte sich einige Bohnen, hörte zu wie die beiden Männer hinter ihr einander abzockten. Einige Minuten vergingen so, ohne dass sich etwas veränderte. Schließlich jedoch, als sie es nicht mehr aushielt, öffnete sie den Mund.

»Ich mache mir Sorgen um Iroko.«

Abrupt hielten die beiden Männer inne und sahen sie an, Gals Blick wich jedoch gleich wieder auf die Karten in seiner Hand.

Sie konnten die Entschlossenheit in ihren Augen sehen. »Wisst ihr nun, was sie hier will? Warum sie hier aussteigen will?«

Sowohl Miki als auch Gal schüttelten langsam den Kopf.

»Ich glaube Bossu hat eine Ahnung, und vielleicht auch Robin.« Sie knabberte sich an den Lippen. »Trotzdem mache ich mir Sorgen.«

Schweigend legte Gal die Karten nieder und schloss die Augen.

Es dauerte einen Moment, ehe sie ihre Stimme wieder erhob. »Kommt schon. Wir haben lange genug gewartet. ...Ich denke, wir sollten uns etwas umsehen. Irgendwie habe ich ein ganz schlechtes Gefühl bei der ganzen Sache.«

»Verdammter DRECK! AHH!« lärmte es von nebenan.

Mit aller Macht ignorierten die drei das.

Dann stand Mister 3 schließlich auf und blickte zu seinem Gegenüber. »Ich komme mit.«

Miki sah zu den beiden und scheinbar grübelte er wirklich angestrengt. Seine Augenbrauen zogen sich leicht zusammen und er stierte Paula direkt in die Augen, bewegte plötzlich ein paar Finger. Zeichensprache, in der Hoffnung Kokoroshima hatte ein paar Erinnerungen darüber in Paulas Kopf hinterlassen. "Ich mache mir auch Sorgen." Dann stand er auf und nickte ihnen zu.

Miss Doublefinger und Mister 3 nickten darauf entschlossen. »Lasst uns gehen.«
 

~ ~ ~
 

Unter seinen Schuhen knirschte der Kies, als er den brüchigen Steg verließ und Richtung Stadt marschierte. Stabil genug war das Holz, aber lange nicht gewartet worden. Vereinzelt setzten sich Wolken vor den noch klaren Himmel und die trockene Luft roch nach einer Mischung aus Blütenstaub und verrottetem Holz. Die wenigen Häuser, denen sie am Anlegeplatz begegnet waren, säumten sich immer enger in den Gassen, die sich nun vor Crocodiles Augen auftaten. Irgendwann umschlangen sie einander so eng, dass es keinen Platz mehr zwischen ihnen gab. Ein Haus ging direkt in das nächste über. Sie waren einst weiß gewesen, aber wirkten nun braun, verfallen, die Fenster eingeschlagen, die Türen zum Teil herausgerissen oder schwer beschädigt. Aus ihnen drang eine seltsame Wärme und ein fauliger Geruch, aber sie schienen leer zu sein. Crocodile konnte keine Geräusche hören, kein Atmen, Flüstern, nicht einmal ein Knarren oder Schaben. Nur einen kurzen Blick riskierte er, aber in den dunklen Schatten im zwielichtigen Licht, das durch die letzten Fensterscheiben fiel, konnte er niemanden erkennen. Alles wirkte verlassen, beinahe im Stich gelassen, als hätten die Menschen hastig ihr Hab und Gut gepackt und wären getürmt. Offenbar stimmten Irokos Informationen, auch wenn Crocodile noch keinen Menschen gesehen hatte. Das änderte sich nach wenigen Minuten, in denen er weiter voran schritt. Er sah jemanden aus einer Tür torkeln. Offensichtlich betrunken hielt der Mann noch eine Flasche in der Hand und schwenkte sie vor sich her, als er näher kam. Er stolperte immer wieder über seine Füße, konnte das Gleichgewicht aber halten. Er warf Crocodile einen Blick zu, ehe er weiter voran schwankte. Kein Interesse. Bei einem zweiten Blick auf das Gebäude, aus dem er gekommen war, konnte Crocodile eine Frau sehen, die im Türrahmen stand. Sie trug ein abgenutztes, ergrautes und sehr freizügiges Kleid, dessen Saum sich um ihre Oberschenkel schmiegte. Ihr Blick war leer, ihre Haut fahl und das Gesicht eingefallen. Als sie ihn wahrnahm, spuckte sie vor sich auf den Boden und grinste, zeigte ihm ihre Zahnlücken.

»Na, Süßer? Bist du einsam?«

Doch ehe er wirklich reagieren konnte , rief jemand von innen nach ihr. »Felicitas, komm rein, du hast hier noch nen Kunden! Los, schwing den Arsch, du Schlampe!«

Ein Augenrollen war ihre Antwort. Sie drehte sich auf dem Absatz um und glitt nach innen.
 

Das Bild änderte sich kaum, nur die Häuser wurden noch schäbiger, als hätte jemand seine Wut an dem unschuldigen Mauerwerk ausgelassen. Crocodile vermutete, dass es hier Kämpfe in der Vergangenheit gegeben hatte, was ebenfalls zu dem passte, was er selbst über diese Insel wusste. Eine blühende Insel, durch die Marine geschützt, vor bald sieben Jahren in Ungnade gefallen und seitdem verfaulte sie sinnbildlich. Einst hatte sie als wertvolle Insel gegolten, denn in dem weitläufigen Gebirge konnte man Gold abbauen, was vermutlich auch den Zuwachs an Piraten erklärte, der mit der Entlassung des hiesigen Offiziers einherging. Goldgräber, aber noch hatte Crocodile nicht sonderlich viele gefunden. Es war mitten am Tag. Scheinbar ließen sie sich tagsüber voll laufen, um nachts Streit ausbrechen zu sehen. Nur langsam füllte sich die Straße etwas, aber nichts Nennenswertes, was Crocodile nicht schon einmal auf die ein oder andere Weise gesehen hätte, kam ihm entgegen. Hauptsächlich Männer, aber auch ein paar Frauen, die entweder genauso versoffen wirkten, wie ihre männlichen Pendants oder sehr knapp bekleidet und mit breitem Grinsen und lockenden Fingern. Er entschloss sich von hier weiter ins Innere der Stadt zu gehen, weg vom Meer und in den scheinbar wirklich belebten Teil dieser Stadt.

Die Kastenreihe Häuser wurde hier immer wieder unterbrochen und es gab auch so etwas wie einen Marktplatz – beziehungsweise etwas, das einmal einer gewesen war. Die Karren mit zerbrochenen Töpfen und anderen unerkennbaren Gegenständen reihten sich in seinem Weg. Die Geräuschkulisse wurde immer lauter und hier und da hörte er Männer streiten, einer runter gekommener als der nächste. Ein paar Augen sahen sich nach ihm um und er erkannte sehr wohl das ein oder andere Blitzen in diesen gierigen Augen. Crocodile war ja nicht schlecht angezogen, sauber und er trug einen Goldhaken, außerdem wurde er als der erkannt, der er war. Sir Crocodile. Aber offensichtlich war sein Ruf nicht sehr gut bekannt, denn keiner schien wirklich Angst zu haben. Als scheuten sie die Marine nicht.

Niemand sonst sprach ihn weiter an. Er wurde sogar direkt gemieden, auch wenn es der Stimmung in dieser Stadt keinen Abbruch tat. Der Gestank von Alkohol wurde zunehmend penetranter, trat vor die Geruchskulisse der Fäulnis und man konnte schon fast betrunken werden, wenn man nur tief Luft holte. Ab und zu ließ sich ein weiterer Rest des einstigen Reichtums der Insel ausmachen. Es gab Kunstgalerien, Antiquariate, Juweliere, Kleidungsgeschäfte, in denen die Kleider genauso verrotteten wie die Bilder und Bücher in den anderen Bereichen. Der Schmuck war natürlich längst verschwunden. Cafés und Restaurants standen leer oder jemand hatte sie in billige Spielunken und Hurenhäuser umgewandelt.

Der Zustand der Gebäude änderte sich nicht, die Atmosphäre wirkte bedrohlich, aber für jemanden wie Crocodile, der darüber nur ein schwaches Lächeln übrig hatte, bot diese Stadt nichts, was er nicht schon gesehen hatte. Leere Seelen, geleitet von Gier, der Duft von Tod und Niederlage. Die ganze Stadt schien darin unter zugehen. Ohne die Menschen hätte es auch eine Geisterstadt sein können. Er schenkte dem ganzen wenig Beachtung, nahm jedoch jedes Detail auf, dass ihn näher an die Antwort brachte, was Iroko hier suchen könnte. Solche Städte kannte er zu Genüge, es fühlte sich fast vertraut an. Zu einer Zeit seines Lebens war er einer dieser schäbigen Piraten gewesen. Nur stärker, durchsetzungsfähiger, mit mehr Blut an seinen Händen. Er kannte ein solches Leben, es störte ihn nicht. Es drang gar nicht an ihn heran.
 

Crocodile bemerkte gar nicht, wie sich die Wolken immer dichter zusammen zogen und die Luft feuchter wurde. Erst als es leise donnerte, war klar, was dieser Insel nun bevorstand. Ein Regenschauer. Von Weiten konnte er den Pub bereits erkennen. Als sich dessen zermürbte Tür öffnete und der Lärm und Qualm seines Inneren sich dem aufkommenden Regen entgegen presste, wurde er für einen Moment langsamer. Eine Frau trat heraus und schüttelte mit einem leichten, erleichterten Seufzen die Haare, als die ersten Tropfen auf sie herab stürzten. Sie erregte sofort seine Aufmerksamkeit, denn sie war definitiv nicht von dieser Insel.

Ihre Haut war so dunkel, dass es an Vollmilchschokolade erinnerte. Die schwarzen Haare hatten hell gefärbte Streifen und umschlossen ihren Kopf kurz und wuschelig, dass man auf den ersten Blick denken könnte, es sei ein Junge. Das Haar auf ihrer linken Schädelseite war kürzer gehalten, auf der anderen wellte es sich leicht. Über ihrer Stirn ein gelbes, dickes Haarband, darunter ihr rundes Gesicht mit den vollen Lippen, den dunklen, geheimnisvollen Augen und goldenen Kreolen. Ihre Beine wirkten abstrus lang, die Hüften breit, die Brüste klein. Das wohl auffälligste war jedoch ihre Kleidung. Sie hatte kaum Stoff am Körper. An beiden Unteratmen trug sie Schutzleder, die Brust und ihr Unterleib waren durch einen robust wirkenden, gelben Bikini, der an allen Seiten Franzen hatte, bedeckt, auf dessen Fläche rote Schlieren und Spiralen abgebildet waren. Ihr gesamtes linkes Bein bedeckte ein Rock, ebenfalls aus dem gleichen Stoff und Muster, die andere Seite war frei zu sehen. Ihre Füße steckten in schlichten, offenen Ledersandalen. An ihrem rechten Bein thronte ein weißes Tattoo, dass an Kratzwunden eines gewaltigen Biestes erinnerte, an ihren beiden anderen Armen waren Tribals zu sehen. Und auf ihrem Rücken trug sie einen großen, langen Speer.

Als sie sich genüsslich im Regen streckte, überschlug Crocodile bereits die Wahrscheinlichkeit, ob diese Frau mit Iroko zu tun haben könnte. Bevor er jedoch zu einem Konsens kommen konnte, stand sie bereits vor ihn und musterte ihn eingänglich. Distanziert und dennoch neugierig, als wüsste sie etwas, von dem er noch nichts ahnte. Als hätte sie etwas entdeckt, das er nicht erkennen konnte. Ein überhebliches Lächeln setzte sich auf ihre Lippen, ehe sie an ihm vorbei schlenderte und langsam durch den Regen lief.

»Die Bar würd ich nicht empfehlen. Der Fusel ist so billig, da kriegt man echt Brechreiz.«

Schweigend blickte er ihr nach, doch als der Regen immer unerträglicher wurde und er spürte, wie er durch seinen Mantel sickerte, entschied er sich doch dafür die Kneipe zu betreten und die Frau gehen zu lassen.
 

In dem Moment als die Tür hinter ihm zuschlug, wurde er halb zur Seite gedrängt und zwei Männer, offenbar im Streit, schoben sich aus der Tür. Er hörte ihre lauten Worte noch durch das massive Holz.

»Kotz dich hier aus, du Dreckskerl. Und komm erst wieder, wenn du für den Fusel bezahlen kannst, Abschaum.«

Wieder ging die Tür auf und der Rausschmeißer kam hinein. Sofort fiel er auf, denn er trug einen langen, nicht mehr ganz so weißen Mantel und Crocodile musste nicht raten, um zu erfahren, was sich auf dem Rücken befand. Nur ein Wort. Marine. Doch das war so ziemlich alles, was an Marine erinnerte. Der Mann selbst wirkte nicht sonderlich gepflegter als der Rest der Kundschaft. Er war groß, reichte fast an Crocodile heran. Er stierte ihm mit einem tiefen Blau entgegen, in Augen, die nicht mehr ganz klar waren, die nah an der Grenze zum Wahnsinn schwebten. Crocodile hatte diesen Typ oft genug gesehen, um ihn sofort zu erkennen. Da war aber noch etwas Anderes. Etwas, dass ihn stocken ließ. Der Fremde warf ihm einen kurzen Blick zu, ehe er sich wieder abwandte und zurück zu seinem Tisch trottete, den Stolz jedoch deutlich erkennbar in seinem Gang. Als der Mantel hinter ihm her schwang, erkannte Crocodile plötzlich, wo er den Typ schon einmal gesehen hatte. Oder vielmehr, wo er das Gesicht schon einmal gesehen hatte. Die Nase, den strenge Mund und das runde Kinn. Die gleichen rötlich braunen Haare, der gleiche analysierende Schimmer und die kurze, nichts-aussagende Erkenntnis. Iroko. Der Mann sah Iroko so unheimlich ähnlich, dass es nur einen Schluss zuließ.
 

~ ~ ~
 

Nebel bedeckte den Boden, streifte die Bäume, verfing sich in den Farnwedeln. Regen tropfte in einem monotonen Trommeln vom Himmel. Die Dunkelheit verdichtete sich, als sie den Wald betrat, schien sie nach unten zu drücken und verwandelte den Nebel in einen Geisterfluss. Sie fühlte sich klein und erschreckend schutzlos. Man konnte sich beinahe vorstellen, wie eine Hand aus dem Nebel kam, nach dem Fußgelenk griff und das Opfer nach unten zog. Es wäre einem gerade noch Zeit für einen kurzen Schrei geblieben und das einzige, letzte Geräusch... ein Schlurfen. Aber vor Geistern musste Iroko wohl nun keine Angst mehr haben. Ihr eigener schwebte lautlos und unsichtbar in ihrer Nähe - vermutete sie zumindest. Sie hatte ihn weder gesehen noch gehört, seit sie Omoide verlassen hatten. Sie sprach kein Wort, nur ihr seichter Atem drängte sich an die sonst so störrische Oberfläche, als sie sich ihren Weg durch ihre Vergangenheit bahnte. Sie hatten den Weg direkt vor sich, kannte jeden Schritt, ganz gleich wie bewachsen und dschungelartig er bereits geworden war. Sah wie sich die Vögel unter dem Schleier beschwerten, wie Kleintier im Geäst Unterschlupf vor dem Regen suchte, aber all das interessierte das Mädchen nicht. Sie schleppte sich weiter durch die Nässe, durch die irrige Dunkelheit des Waldes, der einmal ein Rückzugsort gewesen war. Jetzt schimmerte nur noch die traurige Erinnerung in ihrem Herzen.

Der Nebel schien sich zu lichten, wurde dünner, verwandelte sich in Strudel und löste sich schließlich auf. Der Pfad, den sie ausgesucht hatte, führte stetig bergauf. Das Licht veränderte sich, bis auch das leuchtende Grün von schwachem Sonnenlicht durchsetzt war. Es fiel durch die kleinen Lücken zwischen den Blättern und auf den Lichtungen entdeckte sie bunte Wildblumen. Sie achtete jedoch nicht lange auf sie. Sie hatte ein ganz konkretes Ziel. Das Kronendach öffnete sich weiter, mit wolkenverhangenen Gipfeln und einem Himmel, der wie polierter Stahl wirkte. Der Boden unter ihren Füßen war bereits durchweicht und die Luft schmeckte so feucht wie Wasser.

In der Ferne sah sie den Fluss, der sich durch die Bäume, Hügel und zackige Steininseln wand, die wie geballte Fäuste durch das graue Wasser drangen. Der Wind schlug ihr ins Gesicht, rauschte in den Baumkronen hinter ihr und wurde vom Wald verschluckt. Nach weniger als einem Kilometer brachten ihre Füße sie um und der Schmerz in ihren Wadenmuskeln wurde schier unerträglich. Der letzte Teil der Strecke führte sie fast steil nach oben. Es war viele Jahre her seit Iroko das letzte Mal diese Strecke zurückgelegt hatte, dennoch kannte sie den Weg noch ganz genau. Als sie noch jünger gewesen war, hatte es sie nicht gestört.

Während sie weiter kletterte, vergaß sie beinahe ihre Schmerzen. Die Gedanken daran schwammen aus ihrem Kopf als sie die Spitze erreichte und den dichten Wald hinter sich ließ. Vor ihr erstreckte sich ein riesiges, weites Tal, das man vom Meer nicht hatte erahnen können. Iroko sah auf den See hinunter, der matt silbern wie alle Spiegel der Welt in der Ferne glänzte. Die wellige Oberfläche reflektierte die Berge wie Schatten. Die Luft roch scharf nach Kiefern, Kälte und dem feuchten Duft des regennassen Bodens. Das Mädchen machte sich nichts vor. Sie starrte auf das Wasser, um den Blick nicht auf das Gebäude werfen zu müssen, das im Westen des Sees lag. Es stand umringt von Bäumen und schien leicht verwittert. Früher hatte der Waldpfad direkt zu diesem Haus geführt. Iroko spürte ein plötzliches Gefühl von Wärme, das schnell in Trauer umschlug.
 

Trotz Regen und Nebel leuchtete der Wald grün, ein Pulsschlag aus einer anderen Welt betonte die dichten Farnbüschel und knotigen, moosbewachsenen Hügel. Überall tropfte und schimmerte es. Über sich hörte sie plötzlich ein Knacken und sah, wie ein dicker Ast herunter fiel und auf den Waldboden krachte. Sie konnte gerade noch ausweichen. Die Bäume umzingelten sie wie die riesigen Gitterstäbe eines uralten Gefängnisses. Robin hatte Weite erwartet, stattdessen marschierte sie unbehaglich weiter durch eine fremde Welt, in der das Licht geheimnisvoll leuchtete und die Natur sich in unheimlichen, primitiven Formen offenbarte.

Selbst die Geräusche und Gerüche erschienen ihr fremd und überwältigend. Die Luft war feucht. Sie ertappte sich dabei, wie sie immer wieder über die Schulter zurückblickte. Sie konnte spüren, wie der Wald nach etwas rief, als hätte er lange auf diesen Moment gewartet, als wäre die Zeit für das Ende endlich gekommen. Zeit für Robin sich zu beeilen, denn viel blieb ihr nicht übrig. Sie wusste wozu Iroko hierher gekommen war und sie wusste überdies, dass es Irokos letzter Schritt in den Untergang sein würde. Das Mädchen hatte aufgegeben und das konnte Robin nicht zulassen. Also zwang sie ihren nassen Körper den Anstieg zurück zu legen, den Iroko vor ihr geleistet hatte. Irgendwie würde sie ihr helfen, sie aufhalten, in jedem Fall beistehen. Sie hatte gesehen, was passiert war und gespürt, was Iroko spürte, wusste was der kleine Körper in sich vergrub und niemals ans Tageslicht ließ. Robin würde sie nicht im Stich lassen.
 

~ ~ ~
 

Die gleiche, nasse, kalte Hand des Regens und des Nebels hatte auch Paula, Miki und Gal erfasst, die unter einem großen Ahornbaum mitten im Wald Schutz gesucht haben. Unter seinen gewaltigen, zackigen Blättern blieb es zumindest halbwegs trocken. Dennoch wrang sich die Blauhaarige das Wasser aus den Haaren. Sie war froh darüber, dass sie keinen Gips mehr trug, sonst wäre das unangenehm worden. Seufzend schüttelte sie ihren nassen Schopf und verschränkte die Arme. Miki schüttelte sich wie ein nasser Hund, erstaunlich schnell für seine Verhältnisse. Und auch Gal murrte leise. Der Regen war kalt und beißend und hatte sich bis zu seiner Unterhose hinab gefressen. dennoch versuchte er sich nichts anmerken zu lassen.

Paulas Blick verfinsterte sich weiter und streifte durch das kalte, nasse Grün. »Uh wunderbar...«

Miki starrte unterdessen um sich, sagte aber nichts - natürlich.

Einige schweigende Minuten vergingen, doch als das Prasseln des Regens noch penetranter wurde, drehte sich Paula endlich wieder zu ihnen um und gesellte sich nahe zu Gal, der sich an den Baum gesetzt hatte, lehnte sich fast an ihn, so nahe war sie ihm. Miki rührte sich gar nicht, als schien ihm der Regen nicht sonderlich viel auszumachen. Während Gal zwischen Irritation und Scham hin und her pendelte, seufzte Paula schwer und spielte mit ihren Fingern.

»Wir sitzen fest... aber das ist ja nichts Neues.« Allmählich hob sich ihr Kopf und betrachtete, wie die schweren, riesigen Blätter sich dem Regen beugten. »...Ich kann... es irgendwie immer noch nicht fassen...«

Nun kauerte sich Gal etwas weiter zusammen, starrte in ein Nichts vor sich.

Nur einen Moment lang ließ sie es sacken, ehe ihre Lider sich abwesend ein Stück senkten. »Ich mein... ich hätte nicht, gedacht, dass Bossu so weit gehen würde... Das ist... das ist...« Ihr Kopf schüttelte sich und Wassertropfen fielen aus ihrem blauen Haar. »Sagt Mal... wie geht es euch damit?«

»Scheeeeeeeißeeeeee…«

Mister 3 zögerte, kratzte sich unsicher am Kopf, ehe er unsicher das Gesicht verzog. »Nun, es ist nicht so, dass wir ihn davon abbringen könnten. ...Es ist seine Entscheidung. ...Selbst wenn...«

Sie knabberte sich an den Lippen. »Ich fühle mich jetzt schon wie Scheiße... Das geht... einfach zu weit.«

Miki sagte nichts, hob nur eine Hand, fuhr sich durchs Haar und seufzte dann laut aus, ehe er ein paar Zeichen von sich gab. »Es kotzt mich an.«

Darauf schwiegen seine beiden Partner. Paula zog ihren Körper näher zu sich und kuschelte sich an Gal, dass dieser noch irritierter wurde. »Du hast Recht, Gal... wir können es nicht mehr ändern... Alles, was uns bleibt ist unseren Part weiter zu spielen.«

Eisiges, verständnisvolles Schweigen umhüllte sie und drückte sie gleichsam nieder. Als es begann sie völlig in den Abgrund zu ziehen, seufzte Paula erneut und lächelte die beiden Männer an.

»Aber das ist jetzt erst einmal unwichtig, richtig? Lasst uns weiter gehen und nach Iroko suchen. Die freche Göre hat sich nicht einmal richtig von uns verabschiedet.«

Beide Männer nickten etwas zuversichtlicher und Paula half Gal wieder auf die Beine. Er klopfte sich den Dreck von der Hose und drehte sich dann zu den beiden anderen um, die bereits losliefen. In diesem Moment jedoch blieb er abrupt stehen und starrte zu der Silhouette, die sich nun aus dem gefährlichen Grün des Waldes schnitt. Eine Frau, die ihre Hüften dezent auf sie zu schwang und dabei breit grinste.

»Hab ich dich...«
 

~ ~ ~
 

Die Panik war wie ein Flüstern in ihrem Kopf, eine eisige Liebkosung auf ihrer Haut. Aber sie zwang sich am rostenden Tor stehen zu bleiben. Die Mauern, die das Grundstück umgaben, waren hoch, solide und damals zumindest leuchtend weiß gestrichen. Mittlerweile blätterte sogar stellenweise schon der Putz ab und hinterließ einen schwachen Blick auf das Leben darunter. Die Bäume und die zurückgezogene Lage schützen das Haus, aber auch aus der Entfernung konnte Iroko es erkennen. Weiß mit roten Schindeln auf dem Dach. Iroko kreuzte die Arme vor der Brust, umfasste ihre Oberarme und krümmte den Rücken, als kämpfe sie gegen eine plötzlich einbrechende Kälte. Von hier konnte man sie nicht erkennen, aber Iroko erinnerte sich an den Rosengarten. Dutzende von Rosenbüschen. Bei Fujikos Geburt hatte ihr Vater einen weißen Rosenbusch gepflanzt, bei Irokos einen roten. Er hatte sie selbst eingepflanzt, weil sie etwas Besonderes waren. Immer wenn er die Insel hatte verlassen müssen oder zurück kam, legte er eine Rose auf die Kissen seiner Töchter. Sie fragte sich, ob es diesen Garten noch immer gab. Das Haus war groß, war ihr immer wie ein Palast vorgekommen. Hohe Decken und riesige Fenster. So viele Räume und jeder auf seine Art etwas Besonderes. Dafür hatte ihre Mutter gesorgt.

»Jeden Abend hat mir jemand eine Geschichte erzählt. Meine Mutter, er – oder Fujiko, wenn sie Babysitten musste. Aber Fujiko kannte keine richtig guten Geschichten. Manchmal feierten sie eine Party, dann lag ich im Bett und hörte die Musik und das Lachen. Mama hatte gern Menschen um sich. Oberst Brise war oft da. Er hat mir immer Bonbons mitgebracht, dabei habe ich das nie gemocht. Ich erinnere mich, dass er da war als...« Vehement schüttelte sie ihren Kopf. »Ich habe mir immer gewünscht, dass er aufhören würde uns zu besuchen. Mama mochte ihn nicht und Papa wirkte immer so wütend, wenn sie zu dritt waren. Ich dachte... vielleicht würde es besser werden.«

Iroko lehnte ihren Kopf gegen das Tor. »Irgendwann ist er gar nicht mehr gegangen.« Sie wusste nicht, warum sie ihm das erzählte. Sie traute diesem Geist noch nicht einmal, aber vermutlich musste sie es aussprechen, jetzt wo sie zum ersten Mal seit diesem Tag wieder hier stand. Gerade, als sie sich dazu überreden wollte, endlich das Tor aufzumachen, stockte ihr plötzlich der Atem, verfing sich direkt in ihrer Lunge und wollte nicht mehr heraus kommen. Sie begann zu röcheln. Sekunden vergingen, aber kein Sauerstoff wollte ihr über die Lippen kommen. Irgendwann wurde ihr schwindelig und sie ging in die Knie, klammerte sich halb an das Gitter und sah die Welt um sich schon verschwimmen.

Zur gleichen Zeit spürte sie das Amulett glühen und hörte eine tiefe Stimme in ihrem Innersten brummen. besorgt, aber noch immer distanziert, als wäre er nicht so recht sicher, was zu tun war. »Iroko-san?«

Sie konnte gar nicht auf ihn reagieren. Neben dem Mangel an Sauerstoff gesellte sich nun zudem ein unsagbarer Schmerz, zog in ihre Füße, in die Beine, bis hin zur Hüfte und verteilte sich von dort in jede Faser ihres Oberkörpers. Sie hätte geschrien, wenn sie den Atem dazu gehabt hätte. Für ein paar Sekunden wurde es so schlimm, dass sie fürchtete in Ohnmacht zu fallen.

Doch mit einem Schlag war der ganze Schmerz verschwunden und sie konnte sich überrascht und keuchend wieder auf die Beine bringen. Verwirrt fuhr sie sich durch die Haare, die plötzlich viel länger waren. Die Zöpfe hatten sich gelöst und baff glitten ihre langen Finger durch die Strähnen. Aufgebracht schnappte sie nach Luft, als ihr noch etwas Anderes auffiel, als sie an sich hinab blickte. Sierras Stimme hatte sie schon wieder vergessen. Ihre Kleidung, sonst schlabbrig, nur lose ihren Körper umhüllend, quetschte an allen Seiten und ihr Rock war unheimlich kurz. Ihre Strumpfhose war auf einer Seite aufgerissen, weil sie sich zu sehr ausgedehnt hatte. Wieder stockte ihr Atem, als sie sich bewusst wurde, was passiert sein musste. Auch wenn sie nicht verstand, wie das sein konnte. Sie war gewachsen. Mindestens fünfzehn Zentimeter gewachsen, die Haare reichten ihr bis zum Hintern und sie hatte Brüste! Sie konnte kaum gerade laufen, weil ihr Körper sich anders zu bewegen versuchte, als sie gewohnt war. Mit einem Mal lag da ein leichter Schwung in ihrer Hüfte, der sie prompt an Paula erinnerte. Ihre Stimme zitterte. »Was.. zum...«

Toshi-o-toru - Frühlingsregen

Hitsuyo Amery setzte sich wieder an seinen Stammtisch, den er seit ein paar Jahren inne behielt. Manchmal hatte er es satt den Rausschmeißer zu spielen, aber das dumme Gerede von dem Säufer hatte ihn so aufgerieben, dass er keine andere Lösung gesehen hatte. Dummes Gerede über Goldadern, dabei wusste man, dass das Meiste schon abgebaut war und nur äußerst selten noch mal eine Stelle entdeckt wurde, die noch zu etwas Reichtum führen konnte. Er war jahrelang damit beauftragt gewesen den Abbau zu überwachen, bis man ihn unehrenhaft entlassen hatte. Nur weil er ab und zu mal einen über den Durst trank. Das konnte man ihm doch wirklich nicht vorhalten. Immerhin hatte seine gesamte Familie in einer Nacht verloren. Das war doch Grund genug, mal was zu trinken, nicht?

Seufzend griff er nach seinem halbgeleerten Glas Gin und kippte sich den Rest herunter, spürte den scharfen Geschmack kaum, aber darum ging es ja schon längst nicht mehr.

»Hey, Amery, was hat dir der alte Hatori denn getan?« Einer der anderen Säufer an seinem Tisch grinste zu ihm und stieß gegen sein Glas. Schmunzelnd fuhr Gefragter sich durch seinen kurzen, ungepflegten Bart und grunzte dann.

»Was wohl? Meint ihr wirklich, ich seh mir das ewig an? Ihr lausiges Pack.«

Sein Gegenüber lachte laut, die Stimme verraucht. »Hört, hört. Mister Marine entdeckt sein Gewissen. Und? Hast du dein Bewerbungsschreiben schon ans Hauptquartier geschickt?« Als seine Antwort nur als kurzes Knurren zu vernehmen war, fuhr er fort. »Hehehe, das dachte ich mir schon. Du bist ja selbst verlaust, Alter. Schau dich mal an. Das Einzige, was man an dir noch gebrauchen kann, ist der schicke Mantel, auch wenn der schon ganz schön in die Jahre gekommen ist.«

In diesem Moment flog ihm etwas um den Hals und drohte ihn zu erwürgen. Er sank etwas in sich zusammen und röchelte. »Urgh.... schon... gut... ich… nehms ja.... zurück.«

Amery ließ ihn frei und lachte diesmal selbst.
 

Unterdessen hatte Crocodile sich kommentarlos in eine Nische gesetzt, aus der man sowohl den Eingang der Kneipe, als auch den Tisch mit dem Offizier sehen konnte und ebenso gut vernahm, was gesprochen wurde. Er sah wie sich Hitsuyo zurück lehnte und einen Arm und seine Stuhllehne legte. Er hatte kaum erkennen können, mit was er seinem Gegenüber beinahe die Luft abgedreht hatte. Es sah beinahe nach einem Seil aus, auch wenn er keine Ahnung hatte, woher das plötzlich gekommen war. Etwa eine Teufelsfrucht? Er behielt es sich vor, erst einmal weiter zu beobachten, aber mit jeder Minute wurde er sicherer. Das war Irokos Vater. Sie war ihm wie aus dem Gesicht geschnitten. Lediglich die Wangenknochen waren höher und die Züge dieses Mannes waren etwas eingefallen. Vermutlich durch die schlechte Ernährung. Sein Haar ging ihm leicht über die Schultern, hatte lange kein Wasser gesehen, aber das unterschied ihn nicht vom Rest der Anwesenden, Crocodile ausgeschlossen. Die gleichen braunen Strähnen wie das Mädchen aus seiner Crew. Er trug einen Schnurrbart, der in einen Vollbart überging, allerdings noch nicht sonderlich weit gewachsen. Er sah so aus, als hätte er sich tagelang nicht rasiert, aber nicht monatelang. Unter dem Mantel trug er eine dreckige Baumwollhose und eine Lederweste über einem verblichenen Hemd. Hier konnte man nur noch raten, dass es einmal zu seiner Uniform gehört hatte. Außerdem hielt er ein Schwert bei sich und vermutlich auch einen Colt. Andere Waffen trug er offenbar nicht, nicht sichtbar zumindest. Seine Statur war eher schlank, als breit, aber er wirkte durchaus in der Lage in einem Faustkampf als Sieger hervor zugehen. Nun ja, gegen den Großteil in dieser Stadt, zu der Crocodile nicht gehörte. Das sichtbare Auge des Mannes schimmerte im faden Licht des Pubs fast schwarz, aber Crocodile hatte bereits gesehen, dass sie Blau waren. Düster, Robins Augen nicht unähnlich. Wie das Meer, wie die Tiefsee, genauso unergründlich, zumindest wenn man es schaffte den Wahnsinn darin zu ignorieren.

»Oi, Amery! Was hat eigentlich gestern der Sheriff zu dir gesagt? Sah nicht so glücklich aus über deinen letzten Ausraster.« Ein anderer Kerl vom anderen Ende der Bar. Sofort stellten sich die übrigen Gespräche ein und alle Köpfe wandten sich zu dem Offizier. Er grinste weiter, hielt sich lediglich den Zeigefinger gegen die Stirn und ließ ein kurzes „Peng“ hören. Das brachte ihm einiges Gelächter ein und die anderen Zuhörer richteten ihr Augenmerk erneut ihrem persönlichen Geschäft zu. Nur die Personen an seinem eigenen Tisch saßen, starrte ihm noch neugierig entgegen. Einer von ihnen schien besonders neugierig. »Ist es jetzt nicht bald sieben Jahre her? Hast du eigentlich jemals deine Kleine gefunden?«

Amery knurrte erneut, sagte und agierte aber nicht. Sein Nachbar antwortete für ihn. »Komm schon, du weißt doch, dass er fast drei Jahre gesucht hat. Der Alte hat auch nie verraten, wo sie hin ist.«

»Der Alte?« kam die Gegenfrage und wurde diesmal direkt von Amery beantwortet. »Ja, der Alte. Ihr Großvater, Mius Vater, der Mistkerl. Hab versucht ihn auszuquetschen, aber das hat natürlich nicht funktioniert. Dabei steht es mir doch zu, zu wissen, wo meine Tochter ist.« Wieder verfiel er in Schweigen und schien sich an etwas zu erinnern.

Aber seine Sitznachbarn ließen ihn nicht in Ruhe. Einer von einem Nachbartisch drehte sich zu ihnen um und stocherte weiter. »Was ist eigentlich damals passiert? Hab ja nur Horrorgeschichten gehört?«

Seufzend schloss Amery das Auge. »Sonderlich angenehm war es nicht. Miu hat mich mit Brise betrogen. Die Schlampe hat mich betrogen! Außerdem hat er mir gestanden, dass die Große und das Baby nicht von mir waren. Wer weiß von dem die waren! Dreckshure!« Er spuckte in die Ecke. »Als Offizier kann ich das nicht auf mir sitzen lassen.«

»Öh? Du meinst, du hast sie echt abgemurkst? Deine Alte und die zwei Kinder?« Neugier füllte die Augen der Zuhörenden.

»Sie haben bekommen, was sie verdient haben, ja.«

»Uh und was ist mit dem Mädchen?«

»Iroko? Meine kleine Iroko...« Erneutes Seufzen. »Sie ist meine Tochter. Hat man ja gesehen. Aber...« Er öffnete das Auge und es glühte förmlich. »Das Biest hat mir das Auge ausgestochen, als sie mich dabei gesehen hat, wie ich ihrer Mutter die Strafe gegeben habe, die ihr zustand.«

Ein Raunen ging durch die Reihen und es dauerte einen Moment, ehe sich wieder jemand traute weiter zu fragen. »Und was hast du vor, wenn du sie wieder finden solltest?«

»Tze, ist das nicht offensichtlich? Sie ist meine Tochter und natürlich muss ich sie bestrafen. Seht mich doch an!« Er deutete auf die Augenklappe, die über dem vernarbten Loch klemmte, dass Iroko hinterlassen hatte. »Nichtsdestotrotz bleibt sie mein Kind und auch wenn ich sie bestrafen muss, sie gehört zu ihrem Vater.« Er fuhr sich durch das Haar und grinste dann. »Iroko hat mich immer geliebt, war immer ein Papakind und ich weiß genau, dass sie früher oder später zu ihrem Vater zurück kommen wird. Ganz sicher.«

Wieder herrschte kurz Schweigen. »Und deswegen haben sich dich aus der Marine geworfen?«

»Pff, also bitte ja. Warum sollte die das kümmern, wenn ich meiner sogenannten Familie Manieren beibringe? Nein, die haben ein kleines Problem mit Alkoholkonsum. Angeblich kann ich meine Fähigkeiten dann nicht mehr zu ihrem vollen Potenzial ausüben. Schwachsinn! Ich könnte alle in der Stadt mit einem Handschlag erwürgen, zerfetzten.« Auf die unsicheren Blicke lachte er wieder. »Hahaha, schaut nur mal in den Spiegel. Wie das Schwein auf dem Weg zur Schlachtbank. Na, na, keine Angst. Mir ist grad nicht danach Blut zu vergießen. Vielleicht später.«

Der große Mann mit der breiten Narbe im Gesicht, der nicht unweit von ihm in der Nische saß, lehnte sich in seinen Stuhl und zündete sich seine Zigarre an. Das Klacken seines Feuerzeuges, das Knistern des Tabaks, der unter den Flammen versengte und der bittere, harte Geschmack, der sich bis hinab in sein Innerstes fräste, hinterließ das leichte Kribbeln in seinen Adern, auf das er gewartet hatte. Langsam blies er den Rauch wieder aus seinen Lungen und schloss die Augen, verschmolz schließlich vollkommen mit der Dunkelheit und dem Rauch um ihn herum.
 

~ ~ ~
 

Sofort machten sich die Drei kampfbereit, doch die Frau machte keine Anstalten sie anzugreifen. Noch nicht, das verriet ihr breites, gefährliches Grinsen. Langsam, verführerisch schwang sie ihre Hüfte und tapste auf sie zu, der Blick über ihre Gesichter grasend und schließlich bei Paula endend. Nur zwei Meter blieb sie vor ihr stehen und musterte sie, von Kopf bis Fuß, bis zur letzten Haarspitze.

»Wer bist du?« Paulas Blick war kalt, bereit für einen Kampf, wenn es notwendig sein würde.

»Uhh…« Aufreizend begann sie sich vor ihr zu räkeln und fuhr sich durch die kurzen Haare, ließ ihre Hände ihre Beine hinab streifen, ehe sie sie locker in die Hüfte stemmte. »Wie nett, dass du den ersten Schritt machst. Mein Name ist Boney, Miss Lacroix Paula.« Ein dumpfes Kichern, ehe sie sie erneut fixierte und in ihren Augen versank.

Ihre Nase rümpfte sich etwas in die Luft. »Ich kenne dich nicht. Was willst du von uns?«

»Kihihihi…« Das verspielte Kichern eines kleinen Mädchens, dass durch ihr wildes, derbes Äußere wie eine Farce wirkte. »Natürlich kennst du mich nicht. Aber ich kenne dich. In und auswendig.«

Am liebsten wäre sie etwas zurückgewichen, doch sie blieb, wo sie war und starrte ihr trotzig entgegen. »Ahja?«

»Oh ja…« Die Frau drehte sich ab, schlenderte an ihr vorbei. »Lacroix Paula, aufgewachsen im North Blue, Jahaarta-Insel. Keine Familienangehörigen mehr, wobei der Vater nicht lokalisierbar ist. Stachelfrucht, 1.77 Meter groß, angeklagt der Sittenwidrigkeit und schließlich des Totschlages.« Ihr Kopf zuckte zu ihr zurück und in ihren dunklen Augen lag ein Funkeln. »20.000.000 Belly.«
 

Hastig sog die Köchin den Atem ein, doch ehe sie etwas erwidern konnte, fuhr die Frau bereits fort.

»Böses, böses Mädchen. Verkaufte ihren Körper für ein bisschen Geld. Brachte ihre alte, gebrechliche Großmutter um und rannte davon.« Wieder kam sie auf sie zu, ließ aber genug Abstand ehe sie den linken Arm in ihre Hüfte stemmte und sie angrinste. »Ich steh auf sowas.«

Gal klappte der Mund auf, während Paulas Gesicht immer röter wurde. Nicht vor Scham, nein das sicher nicht. Vor Wut. »…«

Ihr Gegenüber grinste süffisant, als hätte sie von Anfang an darauf abgezielt. Sie bleckte die weißen Zähne wie eine Raubkatze. »Deswegen mach ich dir ein Angebot, Süße. Wenn du brav bist und gehorsam mit mir kommst, lass ich dich vielleicht laufen. Aber ich kann dir nicht versprechen, dass ich mich nicht an dir vergehe…«

Während Gal und Miki noch immer ungläubig herumstanden, schäumte Paula. Sie sah aus, wie ein Vulkan, der gleich ausbrach und sie unter sich begrub. »Wie…bitte…«

Entzückt tippte sich Boney gegen die Lippen und biss sich darauf, den Blick noch immer auf ihr. »Wir könnens auch härter treiben. Hab ich nie was dagegen. So macht es sowieso mehr Spaß. Aber beschuldige dann nicht mich, wenn du dir weh tust.«

Zähne knirschend, die Hand zur Faust geballt, trat sie einen drohenden Schritt auf sie zu. »Kopfgeldjägerin, huh? Mir scheißegal! Komm und hol dir meinen Kopf! Du hast keine Chance gegen mich, Miststück!«

Das Blitzen in ihren Augen wurde schlimmer und sie griff nach hinten, zog ihren Speer von ihrem Rücken und grinste ihr selbstgefällig entgegen. »Dann lass uns Mal loslegen. Ich hoffe, du stehst auf Schmerzen.«

»Schnauze!« Und damit raste sie bereits auf sie zu und schlug aus, zielte mit ihrer zackenbesetzten Faust direkt auf ihr Gesicht.
 

Die Kopfgeldjägerin jedoch machte einen federleichten Satz und landete akkurat auf einem der Äste des Baumes. Ihre Zunge leckte sich hungrig über die Lippen. »Oh ja… so mag ich meine Beute. Kreischend und sich wehrend, ehe sie mich um Vergebung anbettelt.«

Bereits im nächsten Moment krachte es wieder und der Ast, auf dem sie noch zuvor gesessen hatte, segelte zu Boden. Boney jedoch landete mit einem Klatschen in einer der Pfützen auf dem Boden, ließ sich genüsslich das Regenwasser über die nackte Haut rieseln. Den Speer noch immer gezogen, wartete sie auf den nächsten Angriff, nahm eine defensive Haltung ein. Und Paula schluckte den Köder, sie raste sogleich wieder auf sie zu, prügelte auf sie ein wie eine Besessene, nahm keine Rücksicht auf ihre Umwelt. Sie erreichte nichts, ihr Gegenüber war wesentlich flinker, geschickter als sie und konnte jeden ihrer Angriffe mit einem Schlag parieren oder ihm ausweichen. Wie ein Tanz wirkte es, wie der Tanz einer agilen Katze mit einem brüllenden Bär. Das gehässige Funkeln in Boneys Augen wurde heftiger, je mehr Paula versuchte gegen sie anzukommen und brachte sie noch weiter auf die Palme. Wütend stampfte Paula die Bäume in Grund und Boden, zerstach sie, zertrümmerte Boden und Äste und verfehlte ihre Gegnerin doch stets um Zentimeter. Erst als sie Gal und Miki wieder in ihrem Augenwinkel sah, erkannte sie, dass die Kopfgeldjägerin mit ihr spielte. Sie war im Kreis gelaufen, war ganz nach ihrer Nase getanzt. Überschäumend blieb sie stehen, zwang sich dazu, starrte zu der Frau vor ihr, die es genoss von Dreck bespritzt im Regen zu stehen und sie verführerisch und voller Gehässigkeit anzugrinsen.

»Schon außer Puste? Oh, dabei hätte ich mehr von dir erwartet, Süße.«

Paulas Nasenflügel bebten, zitterten vor Wut, ihr Kopf gerötet wie eine Tomate. Sie war vollkommen außer sich, konnte ihre Wut kaum zügeln. Darüber, dass sie sie so verarschte, dass sie ihre Wut ausnutzte, solche intimen Details vor ihrer Crew ausplauderte. Darüber, dass sie sie an all das erinnerte. Dennoch, mit aller Macht, die ihr verblieb, zwang sie sich tief durchzuatmen. Es brachte gar nichts mit purer Gewalt an die Sache heranzugehen. Sie brauchte einen besseren Plan.

»Hehehehehe…« Elegant schwang Boney ihren langen Speer einmal umher, dass das Wasser von ihm abperlte und zu Boden prasselte. Dann ging sie leicht in die Knie, das linke Beine abgespreizt, in Angriffsstellung. »Hast du dich wieder abgekühlt, hm? Zeit einen anderen Plan einzuschlagen außer wild um dich zu schlagen? Oh, wie gern ich dir dabei weiter zuschauen würde… ich hab dich lange genug analysiert. Deine Chance ist vorbei. Du wirst keine Zeit mehr haben anzugreifen…«

Wie um dies zu bestätigen, schwang sie den Speer noch einmal und raste dann auf sie zu, so schnell, dass Paula die Zeit nicht mehr einschätzen konnte. Und ehe sie es sich versah, landete sie unsanft in einer besonders dreckigen Pfütze und wurde gegen einen Baumstamm geschleudert. Boney grinste darauf nur.

»Oh-oh, warst du darauf nicht vorbereitet?«
 

Knurrend richtete sich die Blauhaarige wieder auf. Ihre Augen richteten sich auf sie und zum ersten Mal erkannten die beiden anwesenden Männer Mordlust darin aufblitzen. Sie war nicht verletzt, denn die Kopfgeldjägerin hatte lediglich die stumpfe Seite benutzt, um sie zu schubsen. »Du Miststück…«

»Kehehehe.« Amüsiert fuhr sich Boney durch das Haar und warf ihr dann einen Kuss zu. »Noch hast du Zeit um Gnade zu winseln. Ich verspreche dir… dann bin ich auch ganz sanft zu dir.«

Mit einem Ruck stieß sich Paula von dem Baumstamm an, an dem sie gelehnt hatte, und schlitterte zu ihrer Gegnerin herüber, der sie als Igel entgegen rollte, um sie platt zu machen. Doch auch dem wich die Kopfgeldjägerin mit einem schwungvollen Rückwärtssalto aus, sprang wie ein Affe von Ast zu Ast um der brüllenden, quietschenden blauen Kugel auszuweichen. Es entlockte ihr lediglich ein böses Grinsen.

»So willst du mich besiegen? Gott, das ist ja lächerlich.«

»Schnauze hab ich gesagt!« quietschte und knarrte es vom Boden. Doch eigentlich hatte sie längst erkannt, dass auch dies ihr nichts gegen die Kopfgeldjägerin bringen würde. Sie schindete lediglich Zeit, um herauszubekommen, wie sie an sie herankam. Der Speer, vielleicht wenn sie den Speer beseitigen konnte…

In diesem Moment löste sie sich auf und hielt in ihrer eigentlich Form direkt vor einem Ast an. Ihre Gegnerin direkt hinter ihr, in einer der Äste. Tatsächlich wie ein Affe am Holz hängen. Auf Distanz war sie erst recht keine Gegnerin für sie, aber das war Boney zum Glück auch nicht. Ein Glück für Paula, das beide für den Nahkampf ausgebildet waren. Langsam drehte sich die Blauhaarige um, starrte die dunkelhäutige Frau herausfordernd an und grinste dann ebenfalls.

Das heizte Boney scheinbar richtig an. Ihr Grinsen wurde so breit, wie sie es sonst nur von Bon kannte. »Oh ja... Gott... ich kann kaum erwarten zu sehen, was du drauf hast baby. Oder sollte ich lieber sagen... "Aquamarina"?«
 

Darauf erstarb ihr Lächeln abrupt und die Wut kehrte zurück. Sie hetzte auf sie zu und dieses Mal tat Boney das gleiche. Sie zückte ihren Speer und zielte direkt auf ihre Brust. Im nächsten Moment klirrte es. Die Jägerin hatte getroffen, doch nicht so, wie sie es erwartet hatte. Das Metall steckte zwischen den Stacheln fest, die Paula zwischen ihren Brüsten hatte wachsen lassen. Hastig griff sie mit beiden Händen nach der Waffe und hielt sie fest, während sie Boney eine stachelübersähte Kopfnuss entgegenschleuderte.

Gezwungen dem auszuweichen, wich sie nach unten, die Hände noch immer an ihrem Speer festgeklebt. Dies entlockte dieses Mal Paula ein Grinsen. Abrupt riss sie das Bein herauf, um sie zwischen den Stacheln ihres Haares und ihres Knie aufzupfählen.

Doch wo ihre Fähigkeit auf Fleisch und Knochen treffen sollte, zielten sie in Luft. Boney war akkurat nach hinten gesprungen und stand nun ohne ihren Speer da. Paula grinste süffisant. »Oh, damit hast du jetzt nicht gerechnet, was?«
 

Grinsend stemmte die Dunkelhäutige eine Hand in ihre Hüfte. »Nicht schlecht.«

Hastig warf sie die Waffe Gal zu, ohne den Blick von ihr zu nehmen. »Pass drauf auf für mich, ja?«

»Uh. Du bist wirklich genau, wie ich mich dir vorgestellt hab. Zickig... voller versteckter Stacheln... und vor allem scharf...« Ihr Blick verengte sich verführerisch. »Es hat sich also doch gelohnt dich auszusuchen. Ich fand deinen Steckbrief schon so sexy...«

»Schluss mit dem bescheuerten Gelaber!« Paulas Beine setzten sich abermals in Bewegung und rasten ihr entgegen. Die Kampflust trieb sie voran und ihrer Gegnerin eine Hand voller Speerspitzen entgegen.

Doch ihre Zuversicht verschwand so schnell wie sie gekommen war, als Boney einen Dolch unter ihrem Rock hervorzog und es fertig brachte all ihre Attacken damit abzuwehren. Sie kam einfach nicht an sie heran. Inzwischen war die Blauhaarige auf Hundertachtzig, knapp davor wieder in Raserei zu verfallen. Doch selbst als sie mehr Kraft in ihre Arme pumpte und sie wie Keulen um sich umher schwang, konnte sie einfach nicht mit Boney Schritt halten. Am Ende war sie vollkommen außer Puste.

Ihre Gegnerin hingegen schien fit wie zu Beginn und grinste immer breiter, die Stimme vor Zuversicht triefend. »Oh, du bist wirklich süß. Dachtest du, ich kann nur mit meinem Speer kämpfen? Hast du dich ausgetobt? Bist du endlich fertig? Du siehst ganz schön ausgepowert aus.«

Sie knurrte. Es irritierte sie fast zu Tode, dass die Frau sie so herum schikanierte. Bald kam es ihr so vor, als wolle sie sie gar nicht umbringen oder verletzen. War das ihr Plan gewesen? Zu warten, bis sie keine Kraft mehr hatte? Bis sie müde geworden war? Ihre Wut wuchs noch weiter an, dass sie leichtgläubig darauf hereingefallen war. Ihre Augen verengten sich. Wie eine Schlange zischte sie ihr entgegen. »Was willst du von mir? Kämpfst du überhaupt ernsthaft?«

»Ach Süße.« Die Kopfgeldjägerin verschränkte schmunzelnd die Arme. »Ich habs dir doch gesagt. Ich hab dein Plakat gesehen und da wars um mich geschehen. Du bist absolut mein Typ. Und was ich will ist nicht primär dein Kopfgeld. Das will ich nur, wenn du nicht nach meiner Pfeife tanzt. Aber... wenn du jetzt aufgibst und mit mir kommst, lass ich dich frei. Oh... nach einigen laaaaaangen Nächten natürlich. Dazu brauch ich dich frisch und unverletzt... Allerdings kann ich ziemlich gut Wunden nähen. Wenn du dich also weiter wehrst, könnte ich unangenehm werden, hörst du? Gib jetzt auf. Du hast doch kaum noch Puste...«

»Du kannst mich mal!«

Ein Seufzen. »Dann gehts wohl nicht anders.« Elegant raffte sie ihren Dolch wieder in die Hand und zog einen weiteren für die zweite, dann rannte sie auf Paula los. Diese hievte bereits, zwang sich jedoch die Beine durchzudrücken und ihren kommenden Angriff mit ihrer Teufelskraft abzuwenden. Sie musste einfach weitermachen, irgendwann wurde auch sie müde. Und es war nicht so, dass sie sie verletzen könnte.

Als in diesem Moment ihre Klingen auf Paulas Stacheln trafen, merkte sie wie falsch sie dabei lag. Überrascht kreischte sie auf, als sie plötzlich eine Schnittwunde an ihrem rechten Oberarm spürte und wich etwas zurück, starrte ihr ungläubig entgegen. Diesen Moment nutzte Boney aus, um noch einmal nach ihr zu schlagen und ihr eine weitere an ihrem Bein zu verpassen, ehe sie wieder zurück sprang und das Blut von ihrem schwarzen Dolch leckte.

»Duu....« Leicht zitternd hielt sich Paula den Oberarm. Auch dies waren nur leichte Wunden, aber sie taten trotzdem unheimlich weh. Noch mehr, da ihr Bruch nicht sonderlich lange zurück lag und sie der Geruch ihres eigenen Blutes noch wahnsinniger machte. Warum kam sie bloß nicht gegen diese Frau an?!

»Letzte Chance, Missy. Oder du siehst gleich aus eine Pekingente.«

»...Fick dich...« Und damit schnellte ihre Faust ein letztes Mal auf ihr Gesicht zu. Ein letztes Mal, um erneut abgewehrt zu werden. Ein letztes Mal, um einen spitzen Ellenbogen in unreagierbarer Geschwindigkeit in ihren Magen gerammt zu bekommen und mit voller Macht zu Boden geschleudert zu werden, dass ihr die Galle hochstieg und sie zu röcheln begann.

Als sie erneut ausholte, stand ihr plötzlich der große Begleiter Paulas gegenüber, der Baseballschläger locker über die Schulter gelegt und ihr den Weg versperrend. Er sagte nichts, gab keinen Ton von sich, nur sein Ausdruck wirkte düster.
 

»Ohhh... jetzt ist also die Zeit, wo die "Freunde" eingreifen.« Ihr höhnisches Grinsen blitzte ihm entgegen. »Sorry, aber ich hab kein Interesse an Männern. Also verzieh dich.«

Er rührte sich keinen Millimeter.

Sie zögerte nicht einen Moment länger und griff ihn an. Miki regte sich nicht, ehe sie bis auf Millimeter an ihn herangekommen war und die einzige Bewegung war ein blitzschnelles Heben des Schlägers, den er wie einen Schild vor sich schwang, um ihren Angriff abzuwehren. Ein hartes Klirren erklang, der ihr prompt den schwarzen Dolch aus der Hand schlug. Den zweiten behielt sie nur knapp. Hastig wich sie zurück, beförderte sich selbst auf einen der dicken Äste und wischte sich über den Mund. Sie grinste dennoch, schwang den Dolch umher und ging erneut in eine Abwehrstellung. »Interessant...«

Langsam griff der große Mann in seine Tasche und zog eine Handvoll Baseballbälle hervor, wog sie in seinen Fingern und sah scheinbar wütend zu der Frau, die Paula wehgetan hatte. Er warf sie in die Luft und es ertönten fünf Schläge, die sich mit dem Donnern über ihren Köpfen vermischte. Sie flogen in alle möglichen Richtungen, rechts, links, alles in ihrem näheren Umkreis.

Sofort wich sie aus, machte noch einen eleganten Sprung nach hinten und rettete sich in die Luft. Keiner der Bälle hatte sie getroffen, doch als sie auf dem Ast landete, auf dem sie ausgewichen war, kamen die Explosionen und begruben sie, dass sie durch die heiße Druckwelle mit einem Schlag zu Boden befördert wurde. Einer hatte sie mindestens getroffen, wenn nicht sogar schwer.
 

Locker legte Miki den Schläger wieder über die Schulter und wartete ab, was seine Gegnerin nun tun würde.

Alles was noch zurück blieb, waren die qualmenden Rauchschwaden und die versengten Bäume, denen Miki ganze Stücke rausgerissen hatte. Momente lang lag noch das leise Zischen und Knistern der Explosion in der Luft. Erst dann tauchte ihre Silhouette aus dem Nebel auf, vollkommen unbeschadet und mit dem gleichen fetten Grinsen im Gesicht, die Hand lässig in die Hüfte gelenkt.

»Wirklich sehr beeindruckend, aber leider nicht genug.«

Und wieder holte er ein paar Bälle aus der Tasche, diesmal lediglich drei. Er musste etwas auf seinen Vorrat achten, so ganz ohne Umas Anwesenheit. Diesmal schlug der die Bälle in eine Sequenz, nicht direkt auf einmal, sondern nacheinander, versuchte ihre Ausweichpunkte zu antizipieren.

Paula zwang sich inzwischen wieder auf die Beine, stand kampfbereit an Mikis Seite und knurrte ihr wild entgegen. Sie war noch immer außer Puste, aber langsam bekam sie ihre Kraft zurück.

Dieses Mal allerdings machte Boney keine Anstalten auszuweichen. Ganz im Gegenteil, sie kam noch auf ihn zu, mit dem gleichen verführerischen Hüftschwung und dem fetten Grinsen in den vollen Lippen. Und der Ball traf sein Ziel genau, schlug direkt auf sie auf und durch sie durch, hinterließ ein riesiges Loch in ihr und explodierte wenige Meter hinter ihr. Sie lief weiter und fuhr sich durch das Haar, keine Waffe mehr in der Hand, nur noch das Blecken ihrer Zähne im Gesicht und den gefährlichen Blick in ihren Augen. Aus der Wunde tropfte eine klebrige Flüssigkeit, gemächlich und zäh, golden wie die Sonne. Es dauerte nur wenige Sekunden, ehe sie sich wieder schloss. Boney grinste und blickte wieder zu Paula, blendete alle anderen aus.

»Es macht wohl keinen Sinn die Karten noch länger unter vorgehaltener Hand zu halten.« Dann grinste sie breiter. »Du entkommst mir nicht.«
 

~ ~ ~
 

Sie hatte dabei zugesehen, hatte aus der Entfernung beobachtet, wie Iroko zusammen gebrochen war und sich ihr Körper verändert hatte. Robin war im Schritt erstarrt, halb auf ihrem Weg den Berg hinab zu dem großen, imposanten Haus, das sie aus ihrer Erinnerung, aus ihrem Traum wieder erkannte. Doch das Haus geriet schnell in Vergessenheit, als ihr mit einem Mal eine erwachsene Iroko entgegen gelaufen kam. Ihr Schritt war schnell, auch wenn es ein paar Sekunden gedauerte hatte bis das Mädchen auf die Beine gekommen war, so rannte sie doch jetzt mit weiten Schritten, und das direkt auf Robin zu. Es war ziemlich sinnlos sich verstecken zu wollen, das Feld war frei und Iroko hatte sie schon längst gesehen, richtete sich ihr Blick doch bereits auf Robin. Und sie wirkte nicht sonderlich glücklich darüber ihr zu begegnen. Als sie in Hörweite kamen, konnte Robin ihren Schock und ihre Irritation kaum verbergen. Sie stotterte ja beinahe.

»Iroko? Was… ist passiert?«

Schnaubend kam sie vor ihr zum Stehen und blickte zu ihr hinauf, der Unterschied nun nicht mehr so extrem. »Ich habe keine Ahnung. Geh mir aus dem Weg.« Ihre Stimme klang tiefer, so weiblich, aber neben der Verwirrung, die mitschwang, war es weiterhin eine kalte Aussage. Robin betrachtete sie eingehend. Wirklich, so hatte sie sich Iroko als Erwachsene vorgestellt. Nicht allzu groß, langes Haar, schlank aber nicht dürr, weiblich, aber nicht so ausgeprägt wie sie selbst es war oder Paula. Sie war richtig hübsch, wenn man die Kleidung ignorierte. Ihre Augen wirkten etwas dunkler, die Haare dagegen ein wenig heller und leicht gewellt, die Lippen etwas voller. Wirklich, Robin brachte kaum ein Wort heraus. Einerseits aufgrund der plötzlichen Wandlung, aber vor allem wegen des Unterschieds. Klein Iroko als erwachsene Frau. Plötzlich erinnerte sie sich an den Tag, als sie sie für Baroque Works eingestellt hatte. Eine zehn Jahre alte Iroko mit einem Blick, dass es Robin das Blut in den Adern gefrieren ließ, voller unterdrückter Wut und einem Wunsch nach Tod. Nur verborgen, vergraben das Kind, das Freiheit suchte. Sie konnte sie kaum noch sehen. Es war, als wäre Irokos Hass ebenso erwachsen geworden, wie ihr Körper. Sie strahlte Macht aus, aber auf einer unkontrollierbaren Ebene. Ganz so, als schlummerte es in ihr, konnte aber unmöglich durch Hass allein kontrolliert werden. Robin wusste nicht, was passiert war oder warum, aber sie wusste, dass es nicht gut war.

Robin hatte geahnt, dass Irokos erstes Ziel ihr altes Zuhause sein würde, aber sie war nicht hinein gegangen, hatte ihren Besuch abgekürzt, den Moment des Lebewohls mit ihrer Familie einfach ausgelassen und würde jetzt vermutlich nach ihrem Vater suchen. Als Iroko sich an ihr vorbei schieben wollte, hielt Robin sie am Arm fest.

»Warte, bitte.«

Sofort riss sich Iroko los. »Lass mich in Ruhe. Ich habe dir nichts mehr zu sagen. Niemandem von euch.«

Doch Robin ließ nicht locker. »Gut, dann hör eben nur zu.« Sie wartete auf Widerworte, aber es kamen keine. Iroko schien zu warten, was Robin zu sagen hatte. »Ich bin dir ursprünglich gefolgt, um dich abzuhalten, aber so wie es jetzt aussieht, wird das kaum möglich sein.« Sie gab ihr keine Zeit etwas zu entgegnen. »Ich weiß genau, was du willst. Und wenn ich dich nicht abhalten kann, dann werde ich dich eben begleiten. Ich verstehe, dass du das allein machen willst, aber du kannst es vergessen, dass ich tatenlos zusehe.«

Irokos Blick verdüsterte sich. »Was fällt dir eigentlich ein, huh?« Ihre Stimme wurde lauter, mit jedem Wort, spie ihr förmlich entgegen. »WAS GLAUBST DU WER DU BIST?«

Robin wurde immer ruhiger, gelassener, mit jeder Sekunde, in der Iroko wütender wurde. »Ich betrachte dich als Freund. Ich weiß, das gilt von deiner Seite aus nicht mehr, aber ich kann meine Gefühle nicht abstellen. Ich will nicht, dass du so sinnlos in den Tod rennst, wenn ich dir helfen könnte.«
 

»Und dich dabei selbst in Gefahr bringst? Bist du blöd, oder was? Du weißt, wer mein Vater ist, du weißt, dass er dich erkennen würde! Willst du dein Leben und das von allen anderen riskieren?«

Robin zuckte nicht einmal mehr zusammen. »Das würden sie sicherlich von sich aus tun, wenn sie wüssten, was du hier treibst.«

»Sie wissen es aber nicht. Warum hast du es ihnen nicht gesagt? Nicht mal Crocodile weiß davon, oder?« Sie klang noch immer wütend, aber leicht überrascht.

»Weil es nicht an mir ist dein innersten Geheimnisse Crocodile weiter zu tratschen. Aber es liegt an mir, wenn es darum geht, dein Leben zu retten. Du hast mir beigestanden, obwohl du wusstest wer ich wirklich bin. Dir ist es sogar völlig egal, wer hinter mir her ist. Es ging immer nur um den Verrat, niemals um mich, als Nico Robin.«

Darauf entgegnete Iroko nichts. Es stimmte schließlich. Das war ihr von dem Moment an, als sie erfahren hatte, wer Robin war, ganz gleichgültig gewesen. Robins Blick war so unergründlich und ruhig, dass es Irokos eigene Wut etwas linderte und das war es eigentlich, was sie gar nicht wollte. Also schob sie sich schließlich einfach an ihr vorbei und schnaubte noch im Vorbeigehen. »Dann komm halt mit, wenn du unbedingt willst.«

Das ließ sich Robin nicht zweimal sagen. Ohne weitere Worte rannte sie ihr nach, zurück den Berg hinauf, wieder herunter, genau in Richtung Stadt.

Toshi-o-toru - Begleichen einer Schuld

Boneys Grinsen wurde immer breiter, als sie die Hand hob und langsam immer näher kam. Von ihren langen Fingern tropfte die goldene, klebrige Flüssigkeit, dass sie auf dem Boden Schlieren hinter sich hinterließ. Schließlich steckte sie sie sich in den Mund und lutschte daran, ehe sie Paula einen verheißungsvollen Blick zuwarf. »Ich freu mich schon darauf dich... zu vernaschen.«

Miki hatte keine Ahnung wovon diese Frau zur Hölle eigentlich redete, aber es war ihm auch wirklich schnurz. Die Tussi bedrohte Paula… glaubte er zumindest. Er wartete noch immer, würde aber intervenieren.

Paula hingegen kochte neben ihm schon wieder und war kurz davor sie erneut anzuspringen, konnte sich aber nur in letzter Minute davon abbringen. »Teufelsfrucht, huh? Wow, du hast ja ein Repertoire...«

Darauf lachte ihr Gegenüber tief und ausgedehnt, ehe sie in die Knie ging und auf sie zustürmte, dass der Regen an ihr abprallte, das fette Grinsen noch im Gesicht.

Miki nahm einen weiten Stand ein, drückte Paula dabei etwas hinter sich, dass sie aus der Schusslinie kam und holte aus. Immer schneller kam die Kopfgeldjägerin näher, hielt direkt auf ihn zu. Dann holte Miki aus und zielte auf sie, präzise und genau wie immer. Und er traf. Direkt ins Schwarze. Doch ihr Körper löste sich völlig auf und spritze um ihn herum, flog über seinen Kopf und klatschte hinter ihm auf den Boden. Oder besser gesagt gegen Haut. Und dann hörte er Paula kreischen.

Als er sich umdrehte, erkannte er, was geschehen war. Paula war in ihrem Stand eingefroren, festgeklebt worden. Von ihrem Körper gingen Fäden und Streben voller goldener Flüssigkeit aus, die sie im Bode einhakten. Und um ihren Körper schlängelte sich die Frau, halb Flüssigkeit, halb sie selbst. Lediglich ihr Oberkörper hatte sich ausgebildet, als sie ihre Wange küsste und ihr mit ihren klebrigen Fingern durch das Haar streifte.

»Uhhh... dein Körper fühlt sich sooo gut an!«

Angewidert japste Paula auf, schaffte es aber nicht sich zu wehren.

Der Anblick zog Miki ein ganzes Stück aus seiner Trance, die er im Kampf einnahm und die ihn unheimlich schnell machte. Der wütende Blick schlug schnell in Irritation um. In seinem Kopf gab es nur noch ein Wort. »Häääääääääääh?«
 

Plötzlich stöhnte Paula auf und wand sich etwas, als der Griff der Frau enger wurde. Boney grinste darauf nur und wachste auch den Rest ihres Körpers zu, bis nur noch ihr Gesicht frei war. Ihr eigener Kopf war das einzige, was man aus ihr erkennen konnte, der Blick tief und verführerisch in ihren Augen versenkt, als sie an ihrer Lippe knabberte. »Oh Gott ja, du machst mich wirklich an.«

Angewidert versuchte Paula zurückzuweichen, schloss ihren Mund, aber etwas der Flüssigkeit war trotzdem herein gesickert. Es schmeckte sanft, süß. Genau wie Honig.

Trotzdem nippte Boney weiter an ihren Lippen. »Letzte Chance, Süße. Gib auf, oder ich bring dich um.« Ihre Zunge leckte ihr über die Wange und kitzelte ihre Nase. »Wette du kannst nicht mehr so gut atmen, wenn deine Luftröhre voller Honig ist...«

Darauf hievte Paula schwerer und zog Boneys Grinsen noch weiter auseinander. »Oh, dein Herz raste ja schon. Hast du Angst? Gibst du auf?«

Paulas Zähne bissen sich aufeinander, sie begann zu zittern und presste die Augenlider zusammen. Sie spürte noch den Geschmack von Honig in ihrem Mund und roch ihren süßen Atem in ihrer Nase. Was sollte sie tun? Ihr blieb doch nichts anderes übrig. Widerwillig biss sie sich auf die Lippe und keuchte dann leise hervor. »O-okay... ich ergebe mich... ich komm mit dir…«

»Awww... endlich.« Ihre Finger streichelten ihr durch das Haar, während die Streben und Fäden sich aus dem Boden zogen und sie wieder an ihren Lippen knabberte. »Wurde auch Zeit.« Dann ging ihr Blick fordernd zu Gal, lockte ihn mit den Fingern. »Mein Speer...«

Der schwarzhaarige Mann stand noch immer an derselben Stelle, voller Angst und auch Verwunderung. Als er ihren Blick auf sich spürte, zuckte er zusammen, brauchte aber einen Moment ehe er sich bewegen konnte. Hastig rannte er an, blieb aber vor ihr stehen und blickte verzweifelt zu Miki. Dieser schien erst jetzt zu verstehen, worum es ging und verzog das Gesicht.

»Ihhhhhhhhhhhh….«

Als der Blick der Dunkelhäutigen böser, fordernder wurde, reichte er ihr endlich den Speer. Zur gleichen Zeit ging sein Blick zu Paula, die ihn voller Verzweiflung anblickte. »Gal…«

»Awww, nicht mit Männer flirten.« Sie kniff ihre Beute in die Hüften und löste sich fast vollständig von ihr, dass nur noch ihre Hand mit ihrem Hals verwoben war. Gleichzeitig zwinkerte sie ihr gefällig zu. Schließlich hatte sie für die beiden Männer nur noch einen trockenen Abschiedskuss. »Na keine Angst, wenn sie gehorsam ist, habt ihr sie bald wieder. Ich werd ihr schon nicht weh tun... zumindest nicht allzu doll... Hehehehe.« Sie kam ihr nochmals näher und grinste ihr direkt ins Gesicht, dass Paula zurück wich und die Zähne zusammen biss, um nicht angewidert zu schauen. »Hehehe, okay, ihr Flachzangen. Bis denn!« Boney winkte ihnen abwertend zu und setzte sich dann in Bewegung, die eine Hand noch immer drohend an Paulas Hals.
 

In diesem Moment jedoch hörte der Regen, den sie so sehr liebte, auf über ihre Haut zu prasseln. Nur für einen Augenblick, ehe es vor ihren Augen gänzlich verdunkelte und sie ihre eigene Stimme widerhallen hörte. Eingequetscht wurde sie, eingeschlossen in Dunkelheit. Das einzige, was sie noch spürte war der Kontakt zu Paulas Haut, der Halt unter ihren Füßen war ihr längst entzogen worden. Fluchend drückte sie sich sogleich in die einzige Richtung, die ihr einen Ausweg versprach, der Weg zu Paulas Haut. Doch als sie sich versuchte dort wieder in die Freiheit zu quetschen, stoß sie auch dort auf einen Widerstand, der sie zurückschleuderte und ihr in der gleichen Bewegung den Speer aus den Händen riss. Wütend fluchte sie und schleuderte sich gegen die Wände ihres dunklen Gefängnisses, nur um zu merken, dass sie eingewachst worden war. Zusammengequetscht in einen stahlharten Ball, der kein Entrinnen zuließ.

Gal hievte schwer und machte große Augen, als er sah, dass sein Plan wirklich geklappt hatte. Vor ihm lag Paula, noch immer klebrig von dem Rest des Honigs, daneben ein großer, runder Ball aus weißem Wachs, der kreischend hin und her schwang.

»Goooott...« Wütend trat Paula Gal gegen das Schienbein und sank dann ins Gras. »...wurde auch endlich Mal Zeit, Mister Lahmarsch!«

Dann spürte er wie er weiter nach vorne gestoßen wurde. Miki hatte ihm grinsend die Schulter geklopft, die Implikationen nicht bedenkend. Und als er daraufhin direkt auf Paula landete, bekam er einen Kinnhaken, der sich gewaschen hat. »Ahhhh, GAL!«
 

~ ~ ~
 

Zur gleichen Zeit leicht versetzt, schenkte Amery sich sein sechstes Glas Gin an diesem Abend ein und schien dennoch noch nicht sonderlich betrunken zu sein. Das war auch nicht wirklich viel für einen Mann wie ihn. Noch immer war er das Thema Nummer eins, aber er hatte nicht mehr viel zu sagen, steuerte lediglich dann und wann ein Nicken hinzu. Es belustigte ihn schon fast, wie nervös die Gruppe geworden war, sobald er die Brauen nur zusammen zog. Ja, überaus amüsant. Ihm war gar nicht richtig gewusst gewesen, wie bekannt und scheinbar beliebt seine Ex-Frau auf dieser Insel und auch unter dem Gesindel gewesen war. Die meiste Zeit redeten sie davon, wie schön Hitsuyo Miu gewesen war und wie viel schöner ihre Bilder. Als hätte sie den Himmel gemalt. Nun, er hatte den Gemälden nie sonderlich viel abbringen können, aber das lag vermutlich mehr daran, dass er von Kunst wirklich keinen Schimmer hatte. Was war an so ein paar Farbkleksen auch so besonders? Iroko hatte ähnliches Talent wie ihre Mutter. Oh, er wusste, dass seine Kleine etwas Besonderes war. Das beteuerte er auch gegenüber diesem Pack immer wieder. Und ihre ganz besonderen Fähigkeiten hatte er nicht vergessen. Die konnten ihm durchaus einen neuen Platz bei der Marine einbringen, aber dafür musste er das Mädchen erst einmal finden.

Das Schicksal schien ihm in diesem Moment wohlgesonnen, als die Tür zum Pub aufkrachte und zwei junge Frauen herein kamen. Die eine wutschnaubend, die andere mit starrer, besonnenerer Miene. Und als er diese zweite Frau betrachtete, fielen ihm beinahe die Augen aus dem Kopf. Er richtete sich abrupt in seinem Stuhl auf und kam ihr hastig entgegen.

»Na, wenn das nicht zwei überaus hübsche Ladies sind. Habt ihr euch verlaufen, meine Lieben?« Er achtete kaum auf Iroko, hatte sie nur nebensächlich wahrgenommen. Er grinste Robin entgegen. »Nicht zu fassen. Scheinbar ist mein Sprung zurück in die Marine gerade durch die Tür getreten. Wie erfreulich.« Das Grinsen wurde breiter, gefährlich. Oh ja, Iroko sollte Recht behalten. Amery kannte alle Steckbriefe und auch Nico Robin war keine Fremde für ihn. Nein, sie war sogar ganz perfekt. Er hatte keine Ahnung, was sie hier machte oder was sie wollte, aber das spielte auch keine Rolle.

Doch bevor er auf Robin noch näher zutreten konnte, stellte sich Iroko in seinen Weg, packte ihn am Kragen und sah ihm tief in die Augen. »Erkennst du mich etwa nicht? Deine eigene Tochter? Du Mistkerl!«
 

Er schaute sie sich einen längeren Moment an, als er diese Worte vernahm und dieses Mal wäre ihm fast das verbliebene Auge aus dem Kopf gerollt. Das Gesicht, so sehr wie sein eigenes. »Iroko-chan?«

Der Wahnsinn seines eigenen Blickes spiegelte sich in ihren eigenen Augen. »Richtig. Ich bin wieder zu Hause, Papa. Wie ich sehe, hast du dich gemacht. Als Offizier der Mörder und Verbrecher.«

Amery wirkte noch immer verwirrt, grinste dann und legte seine Hand auf ihre, die ihn umklammert hielt. »Iroko-chan, hast du mit deinen Farben gespielt?« Dann blickte er wieder auf und starrte zu Robin. »Du hast wirklich interessante Begleitung. Hast du mir ein Geschenk mitgebracht?«

Er hörte sie knurren. »Wag es nicht sie anzufassen!«

Und lachte sie darauf nur an. »Oho, bist du ihr Bodyguard? So groß und erwachsen? Niedlich.«

Sie schubste ihn von sich. »Kümmer dich nicht um Leute außerhalb der Familie, wenn ich hier bin, um allem endlich ein Ende zu setzten. Endgültig. Verstehst du das, Papa? Du hast mich damals vergessen und jetzt gebe ich dir noch mal die Gelegenheit.«

Etwas reagierte er darauf. »Was meinst du denn Iroko-chan?«

»Hat es dir damals Spaß gemacht? So viel, dass du nicht mehr weißt, was passiert ist? Haben die Endorphine dir den letzten Rest Verstand genommen oder war es doch der Alkohol?«

»Oh, Schatz. Du musst nicht befürchten, dass ich da weitermachen will, wo ich aufgehört habe. Ich war etwas in Rage, aber das ist über sechs Jahre her. Ich habe mich längst beruhigt und jetzt wo du wieder zu Hause bist, ist die Familie wieder komplett.«

Das brachte die nun junge Frau zu ausrasten und sie griff nach ihrer Tasche, nach Pinsel und Farbe. »Komplett? Du hast es wirklich vergessen, ja? Wie du Kaji, ein gerade mal zwei Monate altes Baby erwürgt hast? Wie du Fujiko getötet hast, nachdem Brise ihr so weh getan hat? Wie du Mama aufgeschlitzt hast?«

Der Wahnsinn wurde schlimmer. »Nicht vergessen, Schatz. Wie könnte ich den Verrat deiner Mutter vergessen. Aber ehrlich gesagt, juckt es mich nicht mehr. Ich habe auch das überwunden.«

Jetzt grinste Iroko böse und es war als würde man in einen Gletscher stürzen. »Das hier wirst du nicht überwinden. Ich habe es Mama versprochen. Bevor ich wieder bei ihr bin, nehme ich dich mit!«

In dem Moment stellte Robin sich dazwischen und legte die Hand auf seine Brust, der Blick tödlich. Oh, sie erinnerte sich an dieses Gesicht und die Angst, die sie dabei empfunden hatte. »Menschen wie dich bringen mich dazu meine Prinzipien zu vergessen.«

Er griff nach ihrer Hand und sie spürte das seltsame Gefühl von Fasern und etwas drahtiges, das sich ihren Arm hinauf schlang. Doch ehe sie darauf blicken konnte, zerrte Iroko sie zurück und entzog sie damit seinem Griff. Iroko kannte seine Fähigkeit immerhin genau. »Fass ihn nicht an, komm ihm gar nicht erst zu nah!«

Kaum hatte sie sie von ihm getrennt, griff er nach Iroko, zog sie zu sich und lächelte sie an, strich ihr durch das lange Haar. »So erinnerst du mich wirklich sehr an deine Mutter.«

Im nächsten Moment spürte er einen grausamen Schmerz zwischen seinen Beinen. Schreiend stieß Iroko ihm das Knie zwischen die Beine, dahin wo es wirklich wehtat und brüllte dabei noch lauter, bis er sie von sich stieß.

»Dreckiges Teufelskind«.

Es dauerte kaum Sekunden, da hatte er sich wieder aufgerichtet und diesmal konnten sie genau sehen, was er tat, was seine Fähigkeit war. Unter den Ärmeln drangen Seile hervor, schlängelten sich auf Iroko und Robin zu. Doch ehe die Drähte auch nur in die Nähe der Frauen kommen konnten, krachte es ganz gewaltig. Alles geschah auf einmal. Knochen knackten, Holz knarrte, Betrunkene jaulten und schließlich ein gigantischer Knall, der von einem Aufschlag herunterfallender Bretter gefolgt wurde. Durch den Pub klaffte eine breite Schneise, die in einem brutalen Loch in der Wand endete. Und neben den beiden Frauen stand Crocodile, der sich ganz in Ruhe eine weitere Zigarette anzündete und keiner der beiden auch nur einen Blick schenkte.
 

Robin wirkte mehr als nur überrascht, als sie Crocodile erkannte. Sie sparte es sich aber ihn weiter anzusehen oder etwas zu sagen. Dazu war keine Zeit. Iroko blieb nicht sonderlich lang neben ihnen stehen, sondern rannte direkt hinaus, um nach ihrem Vater zu sehen. »Papa!«

Zu Crocodiles Glück hatte der Regen inzwischen nachgelassen, tropfte lediglich noch von Schindeln und Blättern, aber nicht mehr vom Himmel. Iroko rannte zu ihrem Vater, der unter Schutt begraben war und leise stöhnte. Im nächsten Moment schlug er die Bretter von seinem Körper und richtete sich unter Irokos geweiteten Augen wieder auf, knurrte. »Grrr, Crocodile! Was mischst du dich hier ein, huh?«

Mit mehr als nur angesäuerter Miene trat dieser durch das Loch in der Wand, zog noch einmal an seiner Zigarette, kaute auf ihr herum und verschränkte die Arme. »Für dich immer noch SIR Crocodile...«

Im selben Moment ging die Tür auf und Robin trat aus ihr heraus, ließ sie hinter sich wieder zufallen. All das unter den Augen der Kneipenbesucher. Iroko schaute etwas irritiert zu ihrem Ex-Boss und ihrem Vater. Dieser knurrte lauter. »Was interessiert mich dein selbst erfundener Titel? Und wenn du dich Emporer nennst, bist und bleibst du ein Pirat!«

Darauf knurrte ihr Boss tiefer, verengte die Augen.

Amery spuckte etwas Blut vor seine Füße. »Widerliches Pack. Samurai, wie? Scheinst ja auch die junge Dame hier zu kennen. Ich glaub, die wird wirklich dringend gesucht, kann das sein?« Sein Grinsen wurde fetter. Oh, wenn er das an das Hauptquartier durchgeben konnte, dann hatte er seinen alten Posten wieder... und noch mehr.

Crocodile erwiderte sein Lächeln so böse, dass er kaum mithalten konnte. »Klar, wer sucht auch nicht sein ganzes Leben nach so ner Sahneschnitte? Neidisch? Zu schade, da bist du wohl zu spät.«

Das brachte ihm zum Lachen. »Kehehe, das ist sie wohl, aber ich will sie ja auch nicht lange behalten.« Er machte ein paar Schritte nach vorn, schob Iroko dabei zur Seite ignorierte sie dabei fast vollständig. Diese war einerseits mehr als nur irritiert, dass Crocodile überhaupt hier war und dazu noch eingegriffen hatte, andererseits wütend, weil ihr Vater sie noch immer nicht ernst nahm. Sie hielt ihn am Ärmel fest, ehe er näher treten konnte.

»Bevor du dich mit ihm zuwendest, solltest du dich um mich kümmern!«

Er sah kaum zu ihr, streichelte ihr halb über den Kopf. »Ja ja, Iroko-chan, ich freu mich ja, aber ich hab zu tun.«

»Genau, Iroko.« Auch ihr Boss blickte sie nicht an, sondern knackte seine Fingerknochen. »Kinder haben die Klappe zu halten, wenn Erwachsene miteinander reden.«

Das brachte sie zum kochen. »Und Sie sollten lernen sich aus Dingen raus zu halten, die Sie nichts angehen!« Ihr Griff um Amerys Ärmel wurde härter.

Endlich blieb er stehen und blickte zu ihr herunter, streichelte schon wieder durch ihr Haar. »Wir haben noch genug Zeit unsere Unterhaltung fortzusetzten. Aber Crocodile ist gerade etwas interessanter.«

Sie ließ ihn nicht los, presste ihn fast an sich. »Ich habe es geschworen. Du wirst durch meine Hand sterben, egal was danach oder dabei passiert!«

Das schien ihn zum ersten Mal etwas in die Wirklichkeit zu holen. »Das meinst du doch nicht ernst.«

Doch ihr Blick klärte ihn gleich über seinen Irrtum auf. »Mehr als das. Du hast mein Leben zerstört. Was haben wir dir jemals getan, dass wir das verdient haben? Ich habe dich wirklich geliebt, ich glaube das tue ich immer noch und trotzdem kann ich an nichts anderes denken, als an deinen Tod.«
 

Robin schluckte hart. Das hielt sie einfach nicht aus. Sie setzte sich in Bewegung und ging auf die zwei zu. »Iroko, bitte überleg dir das noch mal. Es scheint ganz leicht zu sein, aber jemanden zu töten, vor allem wenn es jemand ist, den du liebst, ist schrecklich. Tu das nicht. Meinst du deine Mutter hätte das gewollt?«

Sie keifte sie an, ohne den Blick von ihrem Vater zu nehmen. »Was weißt du, was meine Mutter gewollt hätte! Ich glaube kaum, dass sie die Klinge in ihrem Körper wollte, die sie von oben bis unten geöffnet hat!«

Wieder stockte Robin, hielt kurz vor ihnen inne. »Weil Mütter ihre Kinder lieben. Deine Mutter hat dich sehr geliebt, das habe ich gespürt. Das ist doch das Letzte was man will, nicht? Dass der Mensch, den man liebt, leidet.«

Irokos Miene verzog sich unmerklich. »Du solltest dich wirklich heraus halten.« Sie griff wieder nach ihrem Vater, doch dieser war diesmal schneller. Er sprang aus dem Weg, schlug ein Rad und drehte sich auf eigener Achse. Noch in der Drehung flatterte sein Mantel nach oben, offenbarte seine Arme, an denen sich nun neue Seile bildeten. Es begann schon unter der Haut. Etwas beulte sich aus, bis seine Haut sich zu dehnen begann und schließlich trennte sich ein Teil von ihm und schoss auf Iroko zu. Das Mädchen war nicht die Schnellste, wich nicht rechtzeitig aus und fand sich in Sekundenschnelle in dem Griff ihres Vaters wieder. Dieser wand nun Robin, als auch seiner Tochter den Rücken zu und grinste Crocodile ins Gesicht. Ohne weitere Worte kam er auf ihn zu.

Sein Gegenüber schien sich gar nicht für Iroko zu interessieren, sein Blick ging starr zu dem Mann in der wei-ßen Uniform. Genüsslich zog er nochmals an seiner Zigarre, schob sie mit seiner Zunge auf die andere Seite, wirkte aber so als würde er sich kampfbereit machen. Seine Arme waren immer noch verschränkt.

Amery kam weiter auf ihn zu und probeweise schoss er ein paar Seile los, um sehen ob die Gerüchte über Crocodiles Fähigkeiten der Wahrheit entsprachen. Er war zwar wahnsinnig, aber nicht ganz so leichtsinnig. Es schien den Samurai gar nicht zu interessieren. Einige der Seile durchbohrten ihn, eines packte er mit der Hand und Emery spürte, wie es unter seiner Hand zerbröckelte. Ein Grinsen erschien auf seinem Gesicht. »Was für eine langweilige Fähigkeiten, Elmyra.«

Doch weder die Herabwürdigung seiner Fähigkeit, noch die Beleidung durch die falsche Verwendung seines Namens schien ihn zu stören. Er hielt ein paar Meter vor ihm an und lächelte breiter. »Was macht meine Tochter bei so einem Kerl wie dir, hm?«

Er rümpfte die Nase. »Die Frage ist wohl eher, was macht sie bei einem Kerl wie dir als Vater...«

»Schicksal würde ich sagen.«

Darauf grinste er. »Dann gilt wohl dasselbe für mich.«

»Ich kann mir kaum vorstellen, dass sie dich bezahlen kann das hier zu tun. Oder ist es eher, dass du mit Nico im Bunde bist und sie mit meiner Tochter?«

Er zuckte die Schultern und nahm noch einen langen Zug aus seiner Zigarre. »Pff, als hätte sie die Kohle dafür. Die Kleine kann doch gar nichts.«

Das brachte seinen Gegner zum Lachen. »Wieso? So wie ich sie kenne, ist sie sehr talentiert. Ich bin sicher, sie könnte einiges an Bargeld zusammen tragen. Aber vielleicht verlangst du ja andere Dinge, als Belly.«

Das verfinsterte Crocodiles Miene erheblich, Robin erkannte sofort, dass er kurz davor war ihm wirklich einfach eines seiner Schwerter in den Bauch zu rammen. Damit hatte er eindeutig eine Linie überschritten. »Wie bitte?«

»Was hast du geplant, huh? Was machst du mit Nico Robin und meiner Tochter? Du führst doch was im Schilde.«
 

Langsam hob er seine Hand an und Amery sah wie sie sich in Sand auflöste. Als er sich jedoch gerade in Kampfstellung gehen wollte, bemerkte er, dass er nicht auf ihn zielte. Ohne sich auch nur ansatzweise umzudre-hen, raste ein gigantisches Sandschwert auf den Pub hinter sich zu, der auf der Höhe seines Kopfes das gesamte Haus in zwei schnitt, dass das Holz in die Luft flog und schließlich über den Insassen einbrach. Crocodile brodelte innerlich, doch nur wenig kam an die Oberfläche. Sein Blick war eisig, nur langsam setzte er sich in Bewegung. »Ich wüsste nicht, warum ich dir das erzählen sollte. Immerhin lebst du nicht lange genug, um es irgendjemanden weiterzuerzählen.«

Während Amery die Zähne bleckte, wand sich Iroko noch immer unter seinen Seilen. Jedoch nicht allzu lang. Robin war schon dabei sie zu befreien. Sie hatte praktisch auf das Ganze gar nicht reagiert, war bemüht es einfach auszublenden, das Stöhnen im Hintergrund, die leise verklingenden Hilferufe. Als Iroko endlich frei war, rannte sie schon auf ihren Vater zu. Sie hatte sich vorgenommen Crocodile so weit es ging auszublenden. Sie ahnte, dass ihr nicht viel Zeit blieb. Crocodile würde ihn umbringen, wenn sie nicht schneller war.

Ihr Boss kam noch immer auf ihren Vater zu, langsam noch, aber bestimmt, die Hand kampfbereit zur Seite gedreht, mit den Augen sein Ziel anvisierend.

Sie rannte so schnell wie sie noch nie gerannt war, war viel schneller als sie in Erinnerung hatte. Sie drückte sich vor ihren Vater und schubste ihn zurück, dass er etwas überrascht und verdattert dreinblickte und zurück stolperte. Sie blendete die matschigen Schritte hinter sich aus. Sie hielt Messer in der einen und einen Pinsel in der anderen Hand. Als ihr Vater dies erkannte, kicherte er schon fast. »Hihi, niedlich. Du willst mich bemalen und dann ritzen? Oh, Iroko-chan. Lass mich doch erst mal mit Crocodile zu Ende spielen.«

Sie ging knurrend auf ihn los, doch erneut sprang er aus dem Weg. Sie erwischte ihn mit dem Pinsel am linken Arm, aber ohne ein Symbol zu hinterlassen. Grinsend blickte er in ihr wütendes Antlitz, spürte dann Schmerz auf seinem Arm. Die Farbe fraß sich durch den Stoff seines Mantels und brannte nun auf seiner Haut. Hastig rieb er sie weg, spürte einen ähnlichen Schmerz auf der Hand, auf der nun ebenfalls etwas Farbe glühte. »Was ist das denn für Zeug?«
 

»Ich weiß nicht, was passiert ist, aber ich bin stärker, als du mich in Erinnerung hattest, Papa.« Wieder ging sie auf ihn los.

Und wieder wich er ihr aus, wieder und wieder, als würde er mit ihr spielen. So lange, bis sie schon leicht außer Atem war, aber sie würde nicht aufhören, bis sie umfiel. Was sie jedoch nicht erwartete, war dass sie dieses Schicksal früher erfasste als ihren Vater. Sie spürte Crocodiles große, warme Hand auf ihrem Gesicht, ehe sie unsanft im Matsch neben sich landete und etwas davon schlitterte. Er sah sie gar nicht an, den Blick nur auf ihren Vater gerichtet. »Wenn du zu schwach dafür bist, Mädchen, lass lieber jemanden ran, ders kann.«

Beinahe hätte sie ihn angeschrien, kam wacklig wieder auf die Beine, was in dem Matsch gar nicht so einfach war. »Sie könnten wenigstens warten, bis er mit mir fertig ist!«

»Das ist er schon längst.« beinahe schützend stellte er sich zwischen Iroko und ihren Vater. Er konnte etwas in seinen Augen aufblitzen sehen, dass ihn irritierte. Neben der Mordlust war Wut, aber auch etwas Uneigennütziges zu sehen, dass Amery nicht ganz deuten konnte. »Du hast deine Chance gehabt, Kleine. Jetzt bin ich dran.« Und damit schnellte er auf ihn los und warf ihm ein Sandschwert entgegen.

Ihr Vater sprang ihm nur halb aus dem Weg, für mehr war keine Zeit. Doch das Schwert kam ihm so mächtig entgegen, dass er sich ziemlich sicher war, dass er so seinen Arm verlieren konnte. Instinktiv schossen eine Reihe neuer Seile aus seinen Armen und Beinen, reihten sich wie Palisaden an seiner Seite an, Reihe um Reihe, wirkten sie wie ein Airbag gegen den Angriff. Die Wucht trieb ihn zurück und beinahe wäre er auf seinem Hintern gelandet, schlitterte meterweit, ehe er endlich zum Stehen kam. Der Schmerz war widerwärtig. Er spürte wie ihm das Blut den Arm herunter tropfte und die Wunde auf seinem Oberarm weit aufklaffte. Es hatte ihn fast bis auf den

Knochen geschnitten. Er konnte Crocodiles Angriffe abwehren, nur nicht sonderlich lange, das war klar. Er musste sich etwas einfallen lassen und das schnell.

»Oh.« Crocodiles Grinsen wurde böse. »Ich dachte ne Muschi wie du hätte mehr drauf, Elmyra. So macht es überhaupt keinen Spaß dich fertig zu machen.« Er sah, wie seine Hand erneut zu Sand zerbröckelte und er mit seinen Augen die neue Attacke ausbalancierte.

Dann, ganz plötzlich, spürte der Samurai wie sich Seile über seine Beine schlangen, die ihm unbemerkt entge-gen gekrochen gekommen waren. Instinktiv versuchte er seine Beine in Sand aufzulösen, musste dann aber be-merken, dass es unmöglich war. Die Seile, die sich durch den Matsch gewunden hatten, ehe sie ihn attackiert hatten, waren nass, durchgeweicht vom Regen. Unwissend hatte Amery Crococdiles Schwachstelle entdeckt und staunte nun nicht wenig überrascht, grinste dann noch breiter und sah genüsslich dabei zu, wie sich seine Seile vermehrt über die Beine seines Gegners, dann über Hüfte und Bauch schlangen, bis über die Brust und schließlich Crocodiles Arme erreichte. Siegessicher strahlte e. »So so, der große böse Crocodile, eingepackt wie ein Weihnachtsgeschenk.«
 

Doch es entlockte seinem Gegner nur ein weiteres Grinsen. »Oh, du glaubst wohl du bist sehr schlau, hm?«

»Ich hätte gesagt, der Zufall ist auf meiner Seite, aber wie du meinst.« Er hob seine Arme und entlockte ihnen wieder und wieder Arsenale aus Seilen, diesmal jedoch sehr dick und mehrfach ineinander gewunden, bis er an die sechs oder sieben breite Seile erschaffen hatte, die wie Speere auf Crocodile zuflogen, ihn durchbohren sollten.

Im etwa gleichen Moment wirbelte ein Sandsturm auf, der auf die Seile zustürmte und Amery die Sicht nahm. Erneut ging der Mann zur Seite, aber er musste nicht sehen, um Crocodile mit den Speeren anzugreifen. Sie waren bereits auf ihrem Kurs und er wartete nur noch auf das befriedigende Gefühl von zerfetztem Fleisch. Allerdings blieb der Moment aus. Gerade als der Sand sich etwas lichtete, konnte er Säulen erkennen, die aus dem Boden geschossen waren und jeden der Speere in der Luft festhielten. Er konnte sie nicht bewegen, denn es waren Hände, die nach ihnen gegriffen hatten.

Zur gleichen Zeit bemühte sich Robin die Seile von Crocodile loszumachen, zumindest die an seinen Beinen, die ihn im Boden hielten. Aber es war schwieriger als bei Iroko. Sie waren breiter, fester und scheinbar konzen-trierte sich Irokos Vater noch sehr darauf ihn festzuhalten. Amery sah sich nach Robin um, die noch immer etwas entfernt mit verschränkten Armen stand und sich wirklich bemühte Crocodile zu befreien, aber jedes Mal, wenn sie ein Seil heraus zog, kam ein neues nach. Sie war kurz davor dem ehemaligen Marineoffizier selbst einfach den Nacken zu brechen, konnte sich aber nicht dazu bringen. Das wäre die letzte Möglichkeit. Eher tötete sie ihn, als das sie zuließ, dass er Crocodile oder Iroko schadete.
 

Er war abgelenkt. Das wurde Iroko sofort klar. Sie hatte sich hinter ihn geschlichen und es ausgenutzt, dass er mit Crocodile und nun offenbar mit Robin beschäftigt war. Sie hatte den Pinsel noch immer in der Hand. Es ging dabei nicht darum ihn einfach nur die Haut zu versengen. Sie wollte ihm wirklich ein Zeichen aufbrennen, im wahrsten Sinne des Wortes. Es sollte sich nicht plötzlich abwaschen oder abgerieben werden. Es würde für immer bleiben, eine Narbe hinterlassen und sie damit zum Herrscher über seinen Körper machen. Alles was sie wollte, war sein Tod und wenn sie dazu Crocodiles oder Robins Fähigkeiten brauchte, dann war ihr das Recht. Scheinbar hatten die Zwei eh Schwierigkeiten mit ihm. Es lag an der Nässe, dass wusste sie, aber ändern tat es nichts.

Wütend wollte Amery auf Robin und dann erneut auf Crocodile losgehen, aber als er die Seile, sie sich an ihm gebildet hatten, gerade abschießen wollte, hielt er abrupt inne. Schmerz und dann ein Blick über seine Schulter. Dort stand seine Iroko, erwachsen, völlig durchgeweicht und dreckig, die Augen böse und der Pinsel in der Hand, vollendete sie gerade eine Bewegung. Es brannte wirklich furchtbar und er krümmte sich, knurrte ihr entgegen. »Was soll das überhaupt bringen?! Du brauchst Farbe! Was bringt dir eine blutige Wunde?!«

Sie trat etwas vor ihm zurück, schwang den Pinsel um Zeige- und Mittelfinger. »Mit dieser Kraft brauche ich keine Farbe, sondern lediglich eine Flüssigkeit. Es reicht, um sich zu benutzten.«

Seine Stirn zog ihre Falten. »Wie?«

»Du wirst jetzt Crocodiles Fesseln lösen.«

»Pff, mach dich nicht lächerlich, ich...« doch noch während die Worte weiter in seinem Kopf abliefen, spürte er bereits wie er den Halt und die Kontrolle über die Seile verlor, musste dabei zusehen, wie sie zu Boden glitten und Crocodile frei gaben. Er stolperte einen Schritt von ihr zurück und starrte wie ein Besessener auf sein Handwerk. »Was soll das? Kehrt zurück!« Doch als die Fasern ihm nicht gehorchten, versuchte er erneut Seile zu erschaffen, sie angriffsbereit zu machen. Es gelang ihm nicht, er konnte sich überhaupt nicht bewegen. »Du... bist stark geworden...« Die Wunde auf seinem Rücken erreichte mittlerweile eine ähnliche Tiefe, wie die auf seinem Arm und er stöhnte auf, ging fast in die Knie... wenn diese ihn gelassen hätten. »Aber... was ist das?«

Sie kam nun doch auf ihn zu, stellte sich direkt vor ihn und sah ihm ernst in die Augen. »Farbe, Wasser, Säure, was spielt es für eine Rolle? Tut es weh? Keine Sorge, es ist bald vorbei.« Sie trat wieder zur Seite und ihre Stimme war düster. »Na los, greif Crocodile an und lass es dir nicht einfallen ihm auszuweichen oder dich sonst irgendwie zu verteidigen.«
 

Und genau das tat er. Er rannte unkontrolliert auf den Mann zu und es gab nichts, was ihn davon hätte abhalten können. Wenn ihr Ex-Boss so scharf darauf war, ihn zu verletzten, würde Iroko diese Chance nutzten. Letztend-lich starb er doch durch ihre Hand.

Crocodile klopfte sich noch den Matsch vom Körper und warf Iroko einen düsteren Blick zu, ehe er sich seinem Gegner zuwand und schnalzte. »Was soll das, hm?«

»Was ist denn? Sie sind wieder dran, Bossu.«

Seine Stirnfalte zog sich tiefer, er brummte leise. Dann holte er aus und schlug ihrem Vater mit vollster Wucht ins Gesicht, dass er sich in den Matsch unter ihm bohrte. Dennoch galt sein Blick nur Iroko. »Willst du mich verarschen?«

Ihre Miene blieb kühl. »Sehe ich so aus, als wollte ich das? Was ist, ist Ihnen jetzt die Lust vergangen?«

Amery stöhnte erneut auf, aber ganz egal wie sehr er sich bemühte, er war ihrem Willen ausgeliefert und sie wollte nicht, dass er sich regte. Sie gestattete es ihm aufzustehen, aber dazu war er in diesem Moment gar nicht in der Lage. Nur langsam kam er in die Knie und rieb sich den Dreck aus dem Gesicht. »...Iroko...«

»Unten bleiben Emely, sonst kriegst du gleich noch eine rein...« schnalzte der große Mann neben ihm.

Das brachte Iroko ein Grinsen aufs Gesicht und Amery richtete sich langsam auf.

Doch er hatte nur Augen für seine Agentin, spuckte ihr seinen Zorn fast entgegen. »Was soll das, huh? Willst du ihn nur quälen, oder willst dus mit mir aufnehmen, Kleine? Ich warne dich, leg dich nicht mit mir an...«

Sie verschränkte die Arme vor der Brust. »Mit Ihnen? Alles was ich will ist sein Tod. Es dreht sich nicht alles um Sie. Nicht bei mir.«

Darauf grinste er böse. »Kleine Prinzessin... willst dir nicht die Finger schmutzig machen, hm? Willst du, dass ich ihn folter? Dass er richtig leidet? Kannst du dir das überhaupt ansehen ohne weiche Knie zu bekommen?«

»Ja. Aber darum geht es nicht.«

»Und ich soll deine Drecksarbeit machen?«

»Bis eben wollten Sie nichts anderes. Schon vergessen?«

Amery versuchte noch immer auf die Beine zu kommen, während Robin zögerlich an die Szene heran trat.

Darauf schnaubte er zornig auf und trat ihren Vater auf sie zu, dass er zu ihr schlitterte. »Ja, aber ganz sicher nicht, wenn du dich einmischst.«

»Ich mich einmische? Wer hat denn damit angefangen den Helden zu spielen? Wer hat sich zuerst in eine Sache eingemischt, die ihn nichts anging?!« Das galt nicht nur Crocodile, das wusste Robin.

Iroko zwang ihren Vater, dessen Beine nun wirklich wie Pudding wackelten, wieder aufzustehen.

»Ich tue nur meine Pflicht als Captain, mehr nicht.«

»Ich bin aber nicht mehr in Ihrer Crew.«

Nun grinste er. »Oh doch, das bist du. Das war unsere Vereinbarung auf Suimin. So lange Teil der Crew, bis wir wieder abreisen.«

Das verdüsterte ihren Ausdruck. »Suimin spielt keine Rolle mehr. Ich habe schon dort aufgehört dazu zugehören. Und selbst wenn. Es gibt Ihnen nicht das Recht überall mitzumischen. Und wenn Sie es doch tun, dann beschweren Sie sich gefälligst nicht, wenn nicht alle nach Ihrer Pfeife tanzen.«

Er verschränkte die Arme und sah sie von oben herab an. »Wie wärs wenn du dich entscheidest, Iroko? Willst du den Kerl in die Hölle schicken oder hast du nicht den Mumm dazu? Kannst du es nicht selbst? Traust du dich nicht? Vertraust du mir seine Folter an, dass du besser schlafen kannst? Nicht, dass ich das Kompliment nicht annehmen würde. Und ganz ehrlich, ich tu dir den Gefallen. Als Abschiedsgeschenk. Aber ich will, dass du erst einmal drüber nachdenkst, was du hier überhaupt erreichen willst.«

»Ich will...« Der Wahnsinn wurde schlimmer, als hätte ihr der Alterungsprozess das letzte bissen Moral und Wärme aus der Brust genommen und mit Macht ersetzt. Ihr Vater wand sich plötzlich, strauchelte nach vorn, wieder zurück, hielt sich den Magen. »...dass er so stirbt, wie ich es versprochen habe. Ich wollte nicht, dass er leidet.« Nicht, solange sie nur elf Jahre alt gewesen war, aber sie war jetzt erwachsen. Jetzt stand das Blatt anders. »Ich kann ihn durchaus selbst foltern.« Ein irriger Glanz schlich sich in ihr Gesicht und er erinnerte vor allem Robin an Crocodiles Blick, wenn er mehr als nur ein bisschen Wut empfand. Es machte ihr Angst und sie fürchtete Iroko würde den Weg nicht mehr zurück finden. Vielleicht ahnte sie das selbst. Vielleicht ahnte das Mädchen in ihr, dass ihre Mutter das nicht gewollt hätte. »Ich hab es gesehen, wissen Sie.« sprach sie plötzlich ganz ruhig und sah ihrem Boss in die Augen. Es war wie ein Spiegel in seine eigene Seele. »Ich habe viel in Ihnen gesehen. Ich weiß, wie man jemandem wirklich weh tut. Und ich will, dass mein Vater genau das gleiche spürt wie meine Mutter, wie meine Schwester und mein Bruder. Dass er das spürt, was ich schon so lange spüre.«

Einen langen Moment geschah nichts, dann nickte ihr Boss nur. Und in seinen Augen konnten die drei eine Mordlust sehen, die Irokos Blick glich. »Okay, dann sperr Mal deine Äuglein auf Iroko... ich zerhack deinen Vater in kleine Stücke…«
 

Für Robin war das genug. Sie ertrug es einfach nicht mehr länger und die einzige Möglichkeit, die sie sah, war es selbst einzuschreiten. Amery keuchte noch immer vor Schmerz und sah es nicht kommen. Sie alle hörten es, hörten das laute Knacken, sahen wie Amery den Kopf hochriss und die Augen fast hervortraten, schauten dabei zu, wie er in die Knie ging und der Rest seines Körpers mit einem leisen "Rums" zu Boden ging. In der Luft hing jetzt nur noch Robins aufgebrachtes Keuchen. »Es reicht!«
 

Iroko brachte kein Wort heraus, starrte auf die leblose Form ihres Vaters, während Robin langsam auf sie zu ging. »Hier wird heute niemand gefoltert. Ich habe es satt, mir das anzusehen. Mir anzusehen, wie ihr euch jetzt schon gegenseitig die Monster aus der Brust und an die Oberfläche zerrt. Ihr meint beide töten, foltern wäre so einfach, nicht wahr? Und heimlich fragt ihr euch beide, ob das noch normal ist, ob das gesund ist, ob ihr zu Monstern werden wollt, bis ihr so darin gefangen seid, dass es kein Entkommen mehr gibt! Das werde ich nicht zulassen. Wenn wir töten müssen, dann sei es so, aber hier wird niemand gefoltert! Vielleicht spürt ihr es schon gar nicht mehr, die Reue, die mit jedem Tod einhergeht, aber lasst euch etwas von mir gesagt sein: Eure Körper vergessen nie. Etwas in euch, wird sich immer erinnern und dieses etwas wird von Tag zu Tag kleiner. Es ist das, was euch zum Menschen macht!« Sie biss sich auf die Zunge, als sie spürte, wie wütend sie selbst wurde und wie ihre Sprache darunter litt. Sie schenkte Crocodile keinen Blick, stierte nur unentwegt in Irokos Augen. »Und wenn ich dafür selbst einen Menschen töten muss, dann werde ich das. Aber hier ist ein für alle Mal Schluss mit diesem ganzen Scheißdreck!«
 

Crocodile ließ seinen Blick nur zwischen den verbliebenen Anwesenden kreisen und starrte dann auf den Toten. Doch ehe Robin Iroko überhaupt erreicht hatte, wandte diese sich mit einem Mal ab und rannte davon, als hätte ein Blitz sie getroffen. Sie war so schnell in einer Straße verschwunden, dass Robin die ersten Sekunden nur hinterher starrte. Sie wollte ihr nach rufen, aber ihre Stimme spielte nicht mit.

Im gleichen Moment hörte sie seine Stimme direkt hinter sich, die das Blut in ihren Adern gefrieren ließ. »Das hättest du nicht tun sollen.«

Sie beschwor sich nicht die Nerven zu verlieren, sich mutig umzudrehen und ihm entgegen zu sehen. »Das hättest DU nicht tun sollen.«

Seine Miene wirkte scheinbar unbeteiligt, aber sie sah die unterschwellige, drohende Wut. »Wenn ich ihn vor ihren Augen zerfetzt hätte, wäre es viel besser gewesen.«

»Für wen?«

»Für wen wohl? Für Iroko.«

»Red keinen solchen Schwachsinn, Crocodile. Ihren Vater auf diese Weise töten? Reicht das, was sie gesehen hat, nicht aus? Musst du es noch schlimmer mit so einem Blödsinn machen? Dir selbst noch einen Foltertot auf-halsen?«

Distziert verschränkte er die Arme. »Meinst du deine Idee war besser? Ich kann es mit ihr leicht aufnehmen, aber du würdest gegen sie verlieren. Wenn sie irgendwann doch noch Reue fühlt, dann hat sie zumindest einen Schuldigen. Hätte ich sie bitten sollen ihm selbst die Kehle durchzuschneiden?«

»Dann nehme ich die Schuld eben auf mich. Aber ich werde das nicht mehr zulassen! Es steht mir bis hier!« Ihre Hand streifte ihre Stirn. »Als wenn alles mit solchen Brachialmethoden geregelt werden könnte. Sie hätte sich irgendwann selbst gehasst, sie hätte sich in ihrem Zorn und ihrem Wahn verloren. Sollte ich das zulassen?« Sie stieß ihm gegen die Brust. »Und du? Was denkst du eigentlich, wie schrecklich es ist, dich so zu sehen, euch so zu sehen, wie ihr euch gegenseitig anstachelt ein bisschen mehr Blut zu vergießen!«

Nun grinste er wirklich irr, bedrängte sie richtig. »Oh, was? Erträgst du das nicht? Verletzt dich das? Sag nicht, dass dir das etwas ausmacht. Immerhin hast du dir diesen Platz hier neben mir ausgesucht! Kneifst du schon wieder? Machst du dir etwa jetzt in die Hosen?« Sein Blick war voller Abscheu. >>>Große Überraschung, Robin. So bin ich eben, schon immer gewesen! Meinst du, das kannst du jetzt noch ändern? Tja, Fehlanzeige.« Sein Körper stieß heftig gegen sie, drängte sie zurück. »Wenn du diese Seite an mir nicht ertragen kannst, dann schau das nächste Mal halt woanders hin!«
 

In ihren Blick legte sich Wut und sie überspielte ihren Schmerz, den er ihr wie Pfeile in die Brust schoss. Ihre Hand zitterte, aber ihre Stimme war ruhig, viel zu ruhig. »Du machst mir keine Angst, Crocodile.« Sie verengte ihre Augen. »Ich bin kein dummes Kind und ich habe mich nicht blind in den erst besten Mann verliebt. Ich werde immer hinsehen und daran gewöhnst du dich besser.« Sie trat etwas von ihm zurück und begann sich langsam umzudrehen. »Ich habe es außerdem satt wegen dir in Tränen auszubrechen. Du willst also lieber die Robin, die ich all die Jahre gewesen bin, ja? Das kalte Miststück, das nicht mit der Wimper zuckt? Fein, wie du willst.«

»Tss, willst du der kleinen Heulsuse etwa nach?«

»Das siehst du doch.« kam es schnippisch.

»Lass sie in Ruhe, wir segeln ab. Wir haben erledigt, was wir hier wollten.«

»Dann wartest du eben auf der Minerva bis ich wieder komme oder...« Sie sah noch einmal zurück. »...du verschwindest. Ich sehe nach Iroko, ob dir das zusagt oder nicht.«

Er knurrte, die Augen scharf auf sie gelegt. »Treibs nicht zu weit…«

Ihr eigener Blick war ähnlich düster. Sie zeigte ihm ihre weiche Seite nicht mehr, hatte nicht gelogen. Sie würde ihm die Robin geben, die die Marine verfolgte, wenn er das so haben wollte. »Spar dir die Drohungen.« Endlich machte sie kehrt und schritt Iroko nach.

»...Grrr... wir reisen morgen früh ab. Sei gefälligst pünktlich...«

Sie reagierte gar nicht darauf, verschwand in der gleichen Straße wie Iroko nur Momente zuvor.
 

~ ~ ~
 

Endlich waren Paula, Miki, Gal und die noch immer schreiende Boney, die in ihrer Wachskugel gefangen war, wieder an der Minerva angekommen. Paula wirkte äußerst erschöpft, der Marsch durch den matschigen Waldbo-den war alles andere als leicht gewesen. Und ihre Wunden waren noch immer nicht behandelt worden, nur mit Honig verkleistert. Sie stöhnte leise und gab der Wachskugel dann einen heftigen Tritt.

»Scheiß Tussi…«

Die Atmosphäre war noch immer frostig. Keiner der Drei hatte viel gesagt, seitdem sie die Kopfgeldjägerin losgeworden waren. Sie spürte ihre beiden Blicke, sie bohrten sich in ihren Rücken, fragend, zweifelnd, unsicher. Vorwürfe, Zuschreibungen. Die Fragen über ihre Vergangenheit, die Boney aufgerissen hatte. Erneut kochte die Wut hervor und ließ Paula wütend umherfahren, den Zeigefinger heftig vor ihren Nasen umher schwingend.

»Okay, ihr beiden! Jetzt hört ganz genau zu, ja! Bevor es in euren kleinen Stübchen da oben weiter rattert, will ich eins klar stellen. Ich-war-keine-Prostituierte. Ist das klar?! Ich habe lediglich in einem Stripschuppen gearbeitet, um genug Geld zu verdienen, damit ich nicht verhungere! Sonst hätte ich nie über die Runden kommen können! Ich hab nie irgendwas gemacht, was ich nicht wollte! Mir egal, was ihr darüber denkt!«

Ihre Stimme wurde immer schneller, höher, überschlug sich fast. »Und ich hab meine Großmutter nicht umgebracht! Nicht gewollt zumindest! Sie hat mich verraten! Stripclubs sind in dem Breitengrad des North Blues, in dem ich gelebt habe, strengstens untersagt. Deswegen bekommt man so viel Kohle, wenn man es trotzdem tut! Und natürlich werden nur die bösen Mädels hoch genommen, die den Service anbieten. Die Kunden sind die armen Lämmchen, die verführt wurden! Meine Oma hat das rausbekommen und mich angezeigt, weil sie mich nicht leiden konnte und ein Intensivpflegefall war! Sie hat mich gehasst, mich dafür verantwortlich gemacht, dass meine Mutter zur Säuferin wurde. Ich war das Kuckuckskind in ihrer stolzen Familie, weil sie meinen Vater nicht leiden konnte. Deswegen hat sie mich gehasst, weil ich so aussah wie er. Und als ich vor der Polizei floh, habe ich das Haus abgebrannt. Ausversehen, okay? Okay? Deswegen werde ich gesucht, daher kommt mein Kopfgeld. Also kommt bloß nicht auf falsche Ideen, ihr Holzköpfe! Und vor allem quatscht ihr das nicht weiter, hört ihr?! Sonst mach ich euch platt!«

Gal fielen bald die Augen aus, sein Mund klappte immer wieder auf und zu, während er unsicher zu ihr blinzelte und versuchte nachzuvollziehen, was sie eben überhaupt gesagt hatte. Miki unterdes legte den Kopf zur Seite und sein Blick war noch genauso dümmlich, wie er es immer war. Doch ein leichtes Lächeln legte sich auf seine Mundwinkel und er setzte ein paar Zeichen in die Luft in der Hoffnung, dass Paula ihn verstehen würde.

»Deine Vergangenheit ist mir völlig egal. Ich habe nichts an dir auszusetzten. Ich mag dich.« Er ging an ihr vorbei, weitere Zeichen in die Luft malend. »Bin froh, dass Gal endlich aus dem Arsch gekommen ist. Ich wusste echt nicht, wie ich dir helfen sollte. Oh, und du solltest das nähen lassen.«

Das schien sie ganz zu ignorieren, als hätte sie es gar nicht richtig verstanden. »Ich hab nichts vor euch zu verstecken, okay? Okay? Wär ja noch schöner. Nein. Ihr interessiert mich nicht die Bohne. Mir doch egal, was ihr über mich denkt!« Ihr Blick war böse und ihr Körper wackelte den Steg zum Deck hinauf, als hätte sie einen Flammenschwanz, der Funken sprühte. »Also glotzt mich gefälligst nicht so an! Ich hab mich vor euch nicht zu rechtfertigen! Sowas gehässiges, nein also echt. Lasst mich bloß in Ruhe! Mischt euch nicht in mein Leben ein! Denkt doch was ihr wollt. Grah, ihr macht mich fertig!«

Darauf zuckte Miki nur die Schultern. Die war aber sauer. Naja, keine Wunder. Schien nicht sehr angenehm gewesen zu sein, aber sie regte sich schon wieder ab. Er hatte Geduld. Gal starrte ihr indessen noch immer nach, vollkommen verdattert, brauchte noch ein wenig, ehe er verstand was denn gerade abging und was ihr Problem war. Hilfesuchend starrte er zu Miki. Der zuckte nur die Schultern und klopfte Gal noch einmal auf den Rücken, diesmal nicht so stark.

»Daaaaaas wiiiiiird schoooooon wiiiiiiiiedeeeeeer.«

Irritiert und in Gedanken versunken nickte er nur.
 

In diesem Moment spürte er, wie die Luft sich veränderte. Es wurde eisig. In seinen Knochen spürte er einen unangenehmen Druck, als würge ihm jemand die Luft ab. Ganz so, als ziehe ein Gewitter an, als bräche ein Vul-kan aus und würde ihn unter seiner glühenden Lava begraben. Gal erschauderte und als er sich umdrehte, wusste er woher das kam. Sein Boss lief auf ihn zu, als wolle er ihn gleich vom Steg schubsen und ihn noch im Fall in zwei Teile zerhacken. Instinktiv nahm er eine Abwehrstellung ein, doch nichts geschah. Er spürte nur den Luft-zug, als sein Boss stampfend an ihm vorbei zog und an Deck ging, mit jedem Schritt ein Teil seiner Selbst er-schütternd. Unsicher blinzelte Mister 3 und sah, wie sich sein Boss auch an Paula vorbei schlengelte und dann mit einem gigantischen Krachen die Tür zum Navigationsraum hinter sich zuschmiss. Die blauhaarige Frau zuckte erschrocken zusammen und schielte dann zu ihren beiden Gefährten. Nur eine Sekunde verging, ehe es wieder krachte, dieses Mal aus dem Innersten des Raumes.

Eine eisige Stille belegte die Drei und Paula kniff sich unwohl in die Arme, biss sich auf die Lippen, tauschte einen weiteren wissenden Blick mit Gal aus, ehe sie langsam auf den Navigationsraum auf dem Oberdeck zusteu-erte und an der Tür klopfte. Ihre Stimme war ganz leise und klein.

»Bossu…«

»Wir reisen morgen früh ab, macht euch bereit.« Kam es schnell, hart und nah. Er lehnte scheinbar an der anderen Seite der Tür.

»Bossu…« Man hörte die Sorge aus ihrer Stimme heraus. »…alles in Ordnung?«

»Ja!« knurrte er entnervt, hievte nach Luft. »Wir haben hier nichts mehr zu erledigen. Und jetzt lass mich in Ruhe!«

Sie zuckte nicht zurück, war nicht länger eingeschüchtert von der Wut, die er in die Umwelt spie. Verständnis-voll nickte sie und wich langsam zurück, ging mit gesenktem Kopf unter Deck, um der Zukunft aus dem Weg zu gehen. Es war nicht mehr lange. Nur noch ein paar Tage, dann war es endlich so weit. Dann würde diese Last endlich von ihnen gehen. Dann waren sie endlich frei. Und niemand würde ihnen mehr im Weg stehen. Dann war Nico Robin Geschichte.

Das Ende einer Reise

Robin schluckte den Schmerz, die Wut und auch alles andere, was in ihrem Kopf und in ihrem Herzen in diesen Augenblicken von statten ging. Jeder Blick, jedes Wort, diese Aura erinnerte sie an etwas, ließ Alarmglocken in ihr klingeln, aber auch das presste sie unter ihre harte Schale, bis sie es kaum noch erreichen konnte. Crocodile spielte gerade keine Rolle. Es ging in diesem Moment um das kleine Mädchen, dem sie sich angenommen hatte, als sie vor fast zwei Jahren in ihr Büro geplatzt war. Sie würde diese Insel nicht verlassen, ehe sie diese Baustelle beendet hatte, nicht ehe sie wusste, dass Iroko es überstehen konnte. Sie wollte nicht, dass das Kind so endete, wie sie selbst, wie Crocodile. Sie war ihm ja jetzt schon viel zu ähnlich. Es dauerte eine ganze Weile, ehe sie sie am Ende der Stadt zwischen ein paar Betrunkenen erkannte. Die armen Seelen versuchten ihr Glück bei dieser Frau, die noch immer so wirkte, als würde sie nichts und niemanden wahrnehmen. Robin holte schnell auf und zog Iroko von den Fremden weiter nach vorn. Erst als sie fast den Wald erreicht hatten, schlug Iroko Robin mit einem Mal die Hand vom Arm und diesmal sah man, wie das Chaos über ihre Augen raste. Ihre Brust hob und senkte sich rapide und ihr Körper zitterte. Als Robin zum Sprechen ansetzte, flog ihr Kopf heftig nach hinten und sie torkelte einige Schritte zurück. Ihre Wange schmerzte, brannte wie Feuer und sie hielt sich den Kiefer. Iroko hatte ihr eine heftige Backpfeife verpasst und brüllte sie nun an.

»WAS GLAUBST DU EIGENTLICH WER DU BIST?! WAS FÄLLT DIR EIN?«

Es trieb Robin fast Tränen in die Augen, aber sie hielt Stand, musste einfach Stand halten. Sie konnte es sich nicht leisten noch einmal weich zu werden, es konnte ihr Tod sein. Das bestätigte ihr auch ihr rasendes Herz und die Schmerzen in ihren Armen, die wohl niemals völlig verschwinden würden, für immer eine Mahnung an ihren Verrat.

»Ich denke, ich habe dir viel Schmerz erspart.« entgegnete sie ruhig.

»SCHMERZ? Was weißt DU denn wirklich von MEINEM Schmerz? Du bildest dir ein, weil du gesehen hast, was mir passiert ist, weil du gespürt hast, was ich gespürt habe, dass du deswegen meinen Vater umbringen kannst? Dass du das Recht hast mir zu sagen was Richtig und Falsch für mich ist?«

»Ja, das denke ich.« kam es gewollt gelassen.

Es trieb Iroko beinahe in eine Raserei und das Knurren war nur eine Warnung. »Ach ja? Und wie kommst du dazu?«

Robins Augen streiften über den fremden Körper mit dem so bekannten Geist. »Weil es genau das ist, was deine Mutter gewollt hätte. Und das weißt du auch.«

Gerade wollte sie ihr etwas entgegnen, als ihr Tränen kamen.

Robin sprach einfach weiter. »Deinen Vater zu töten war vielleicht dein Ziel Iroko, aber es war nie das Wich-tigste in deinem Leben. Du hast vielleicht oft daran gedacht, aber andere Dinge haben manchmal davor gestanden,

den Platz eingenommen und ab und zu hast du es sogar vergessen. Vergessen, weil du glücklich warst. Hattest du ein schlechtes Gewissen deswegen? Weil du glücklich warst und meinst, es nicht zu verdienen? Weil deine Mutter und deine Geschwister tot sind? Und du leben musstest? Iroko...« Ihr Blick wurde nun doch etwas sanfter, aber nicht sehr. »Ich weiß wie du dich fühlst. Es ist schrecklich schwer diese Last zu tragen. Zu wissen, dass du die Letzte bist, aber glaub mir, Mord war noch nie die richtige Lösung. Ich weiß, was deine Mutter gewollt hätte, weil sie dich geliebt hat und ich dich auch lieb habe. Und ich will nicht, dass du leidest, ich will nicht, dass du so viel Tod sehen musst, dass du selbst tötest. Dass du hasst und dem Wahnsinn verfällst. Es zerstört dich und es macht dich unglücklich. Deswegen habe ich ihn getötet. Weil ich weiß, dass weder du noch Crocodile diese Last ewig tragen könnt.«
 

Erschrocken starrte die nunmehr junge Frau zu ihr auf und schluckte hart. »Du hättest mich nicht aufhalten dürfen. Ich wollte es sehen, ich wollte es wirklich sehen.«

Robin nickte. »Ich weiß, aber willst du auch die Albträume? Du träumst auch jetzt noch von deiner Mutter, nicht? Von Fujiko, von Kaji? Von dem Tag, an dem dein Vater dich durch das Haus jagte und du zum ersten Mal in deinem Leben vor dem Tod weglaufen musstest? Willst du noch mehr dazu haben? Immer wieder sehen, wie er leidet? Er war nicht immer ein schlechter Vater, oder? Er hat dich geliebt und du ihn. Vielleicht war der Tod eine gerechte Strafe für ihn, aber nicht durch Folter oder Leid. Mit einer ebenso grausamen Tat verschwindet die Sünde nicht, Iroko. Im Gegenteil. Mach dich nicht der gleichen Taten schuldig, wie dein Vater. Du bist stärker, als das.«

Schniefend ging das Mädchen in die Knie und versuchte sich die kommenden Tränen aus dem Gesicht zu wi-schen, aber eigentlich war es sinnlos. Weiter und weiter kullerte das salzige Wasser ihre Wangen hinab und be-netzte ihren Hals, ihre Hände. Alles rollte plötzlich über ihr zusammen und sie wollte sterben. In diesem Moment wollte sie wirklich sterben, von ihrer Mutter in den Arm genommen werden, Fujikos Hände, die ihr durchs Haar streichelten und Kajis fröhliches Lachen. Und mit einem Mal geschah es. Sie hatte die Augen fest zusammen gepresst, als sie es spürte. Spürte, wie ihre Arme sie umschlungen, wie ihre Hände durch ihr nasses Haar glitten und sie sie an ihre weiche, warme Brust drückte, eng an sich presste und immer weiter streichelte. Und je länger das anhielt, desto lauter weinte sie, desto heftiger kamen die Tränen und desto fester krallte sie sich nun an diese Person, die ihr so viel Wärme spendete, wie sie seit Jahren nicht mehr gespürt hatte. Robin hielt sie fest an sich und ließ Iroko sich ausweinen. Diesmal ließ sie sie nicht eher los, ehe sie damit fertig geworden war. Sie wusste was Iroko jetzt brauchte und sie wollte es ihr geben. Ein bisschen Liebe in einer düsteren Welt. Sie küsste sie auf die Stirn und wiegte sie leicht vor und zurück und selbst als das Weinen schon nachgelassen hatte, schaukelte sie sie weiter. Iroko wurde fast müde dabei. Sie war so ausgelaugt, aber sie fühlte sich etwas besser. Auch wenn sie noch immer wütend und traurig war. Irgendwann drückte sie sich etwas von Robin weg und versuchte einen Anker in diesen Augen zu suchen. Es fiel ihr schwer Robin anzusehen, denn diese Augen erinnerten sie sehr an ihren Vater. Aber an eine andere, weichere Version von ihm. Die Version, die sie geliebt hatte.

»Robin... warum bist du... noch hier?«
 

Das brachte ihr älteres Gegenüber zum lächeln. »Das habe ich doch schon gesagt. Ich habe dich lieb. Du hast die Crew verlassen und letztendlich bekommen, was du wolltest. Aber das heißt ja nicht, dass ich dich nicht trotzdem mag.« Sie glitt ihr weiter durch das lange Haar und spielte mit einer Strähne. »Du bist so hübsch Iroko. Wie kommt es, dass du so gewachsen bist? Hast du irgendeine Idee?«

Nachdenklich, nicht ganz bei der Sache, suchte sie noch mehr sich von Robin zu entfernen und das wilde Schlagen ihres Herzens zu ignorieren. Sie wollte weiter böse auf sie sein, sie wollte sie hassen, sie schlagen, aber stattdessen schlug ihr Puls so hart gegen ihre Schläfen, dass ihr schwindelig wurde. »Ich weiß es nicht. Ich vermute aber, dass mein Großvater damit zu tun hat. Auch wenn ich nicht weiß, wie er das gemacht hat.«

»Dein Opa? Lebt er noch hier auf Toshi-o-Toru?« Ein Nicken kam zur Antwort, brachte Robin dazu sich aufzurichten und Iroko mit hinauf zu ziehen. Sie waren nun beide matschig und nass, aber das störte keine der Frauen in diesem Augenblick. »Dann sollten wir ihn aufsuchen. Du weißt wo er ist, nicht wahr?«

Erneutes Nicken, dann regte sich das Mädchen endlich. »Willst du mich etwa begleiten?«

»Warum nicht? Die Minerva legt nicht ab bis morgen früh. Solange wollte ich bei dir bleiben.«

Das konnte Iroko nicht verstehen, sie wollte nachfragen, wissen, was Robin damit meinte, doch etwas hielt sie davon ab. Schmerz. Der gleiche Schmerz, der sie in eine Erwachsene verwandelt hatte übernahm all ihre Sinne und zwang sie erneut in die Knie. Robin war sofort bei ihr und hielt sie fest und so schnell der Schmerz gekom-men war, war er auch wieder verschwunden; zumindest ein Teil davon entließ Iroko aus seinen Fängen. Doch ihre Beine und Arme brannten und ihr Kopf dröhnte. Ihr Körper fühlte sich schwach, noch ausgelaugter als zuvor. Sie konnte kaum stehen und nun drehte sich ihr Kopf wirklich, fuhr eine wilde Achterbahn und fast hätte sie sich in den nächsten Busch übergeben, wenn da nicht Robin gewesen wäre, sie festzuhalten.

Als der Schreckmoment vorbei war, drückte Iroko sich nach vorn, Robin noch immer ihre Stütze. Besser sie fanden ihn schnell, den Alten, wie Amery ihn genannt hatte. Hitsuyo Sakataki. Eine ganze Weile wanderten sie so durch den Wald. Iroko war noch immer eher wackelig auf den Beinen, ließ sich den Großteil des Weges von Robin stützen. Trotz der Schmerzen sagte sie kein Wort, sah Robin nicht einmal an, so dass sie keine Ahnung hatte, was in dem Mädchen vor sich ging.
 

Iroko führte sie beide erneut durch das Grün, dass wie in ihrem Traum schimmerte und den erneut einsetzenden Regen auf den Blättern glitzern ließ. Der Weg war nicht so steil wie zuvor, aber durch den Matsch und das nasse Falllaub schwierig zu passieren. Dazu kam, dass beide selbst auch ziemlich durchnässt waren. Sie spendeten sich gegenseitig etwas Wärme, dennoch zitterten sie wie die dünnen Äste über ihren Köpfen. Es wurde immer dunkler um sie herum und das Donnern erinnerte Robin immer wieder an einen alten Albtraum, der sie Nacht für Nacht aus der Ruhe riss und an ihre Schwächen erinnerte. Nur wenig Licht fiel jetzt noch durch das Blätterdach. Über allem blieb nur das ewige Grün, wie der Wächter über dem Tor zur Unterwelt. Tatsächlich konnte man sich den antiken Fluss Stynx vorstellen, wie er in der Nähe plätscherte, die toten Seelen von Charon geleitet in den Hades trug. Der Wald sprach zu der Archäologin in ihr, noch immer, als wäre Irokos Schicksal nicht das Einzige gegen das er sie hatte warnen wollen. Etwas Mystisches war Teil dieser Insel. Hatte sie sich über die Jahre mit Gier, Unglück und Schmerz aufgeladen und war, was Robin spürte, wirklich gespeicherte Erinnerungen? Fast wäre sie versucht gewesen ihre Gedanken dazu auszusprechen, Iroko zu fragen, ob es hier schon immer so gewesen war oder sogar den Geist zu fragen, aber sie ließ es schließlich doch sein. Für eine ganze Weile führte Iroko sie tiefer und tiefer in diese grüne Hölle, weit weg vom Tal in dem das Haus stand, bis es mit einem Mal lichter wurde. Sie hatte schon ewig keine Vögel mehr gehört, aber jetzt vernahm Robin ein seltsames Grölen in der Ferne. Es klang fast wie ein „Wääääöööb“.

Neugierig spitzte sie die Ohren um mehr zu hören, aber schnell wurde das Geräusch wieder leiser und ließ sie etwas ratlos zurück. Scheinbar war das auch Iroko aufgefallen.

»Das sind Flugdaikos. Mein Großvater züchtet und trainiert sie.«

Robin wollte nachfragen, was denn Daikos sein mochten, hatte sie den Begriff doch noch nie gehört, doch Iroko ließ ihr keine Zeit diese Frage zu stellen, hielt plötzlich an.

»Wir sind da.«
 

Vor sich sah Robin... nichts. Genau die gleiche gefüllte Leere. Der einzige Unterschied waren die Bäume. Sie standen hier um einiges enger; die Stämme fast dreimal so dick wie all die anderen, die sie bisher auf Toshi-o-Toru gesehen hatten. Iroko machte sich von ihr frei und stolperte nach vorn, klammerte sich an seinen dieser breiten Stämme und klopfte gegen die raue Borke. Es dauerte eine Minute, in der sowohl Robin, als auch Iroko auf die von kleinen Pilzen befallene Baumkruste starrten. Robin hatte nicht einmal eine Idee auf was Iroko eigentlich wartete, als plötzlich eine Tür aufschwang. Mitten im Stamm presste sich ein Teil der Borke nach vorn, bis sie zurück in den Stamm gezogen wurde. Der Mechanismus einer Geheimtür. Dahinter brannte Licht und Robin erkannte eine Wendeltreppe, die sich ihren Weg innerhalb des Baumes nach oben bahnte. Angetan und wissensdurstig trat Robin näher und fuhr vorsichtig über die Stelle, gegen die Iroko geklopft hatte. Sie spürte, dass das Holz ganz sachte unter ihren Fingern nachgab. Ein Knopf. Iroko sagte nichts, wackelte in den Stamm und begann ihren Anstieg, dicht gefolgt von einer weiterhin überraschten Robin, die kaum erwarten konnte mehr zu sehen, kaum erwarten konnte, ihren Kopf mit anderen, schöneren Dingen zu füllen.

Fast eine kleine Ewigkeit führte sie die Treppe weiter hinauf zum Dach des Baumes. Robin war wirklich beeindruckt von der Konstruktion. Sie hatte noch nicht herausfinden können woher das weiche, orange Licht stammte, das ihnen den Weg wies, aber sie vermutete, dass es mit Colour Trap zusammen hing. Irokos Großvater war ein Großmeister auf diesem Gebiet. Die Fähigkeiten, die Iroko besaß waren lediglich rudimentär; selbst jetzt noch in diesem unnatürlichen Alter. Robin war wirklich gespannt auf diesen Mann.

Am Ende der Treppe hing eine Falltür über ihren Köpfen, die Iroko mühelos aufdrückte und sie beide ins Freie entließ. Sie standen auf einer riesigen Plattform aus breiten Holzdielen, die sich in einem weiten Halbkreis über die Kronen von drei Bäumen erstreckte, diese zusammen schloss, aber ohne die Stämme weiter zu beschädigen. Auch hier war Robin nicht ganz klar, wie diese Konstruktion sich der Gravitation widersetzte. Scheinbar gab es irgendwelche Befestigungen außerhalb ihres Sichtfeldes. Aufmerksam sah sie sich weiter um. Die Plattform war hier und da unterbrochen, durch Hängebrücken verbunden und führte auf der einen Seite zu einem großen Strandhaus und auf der anderen Seite zu einem ebenfalls recht großen Wintergarten. Aus der Entfernung erkannte Robin Gemälde, große Leinwände. Ein Atelier, schoss es ihr durch den Kopf. Iroko marschierte geradewegs auf das Haus zu, das ebenfalls mit Holz ausgekleidet war. Der Stil erinnerte wirklich an ein Strandhaus; eine breite Veranda auf die eine kleine Treppe führte. Vor der Tür hang ein Fliegengitter. Offen schwang es in der leichten Brise und der Regen tropfte klirrend von der Kante. Vier Windspiele sangen ihr Lied, eines größer als das andere und alle aus Holz. Die Fenster waren gewaltig, man konnte fast den ganzen Innenraum sehen, ohne das Haus überhaupt zu betreten. Iroko hielt nicht an, um zu klopfen, zog einfach die Tür auf und trat brüsk in das Gebäude ein. Nur einen kleinen Moment betrachtete Robin das braune, mahagonifarbene Holz, strich über die raue Oberfläche und folgte dem Mädchen schließlich in ihr Zuhause. Kaum nahm sie die ersten Konturen wahr, hörte sie eine tiefe, männliche Stimme in der kein bisschen Überraschung steckte, die Robin eigentlich erwartet hatte. Der Flur führte direkt in ein Wohnzimmer, in dessen Mitte Iroko stand und mit drohendem Finger auf einen großen Mann zeigte. Ihr Blick sprühte aggressiv.

»Was hast du mit mir gemacht?!«
 

Die Augen des Mannes waren weich, schienen glücklich das Mädchen zu sehen. Seine Stimme war gelassen und freundlich. »Ich kann's kaum glauben. Es hat also wirklich funktioniert! Awww, du siehst deiner Mutter so ähnlich.«

Darauf knurrte Iroko nur, wandte sich noch einmal an Robin. »Du kannst gehen.« Sie zögerte, ehe sie hinter einer Tür weiter ins Inne verschwand, die Stimme kaum noch zu vernehmen. »...Danke.«

Der Mann vor Robin seufzte leicht, als die Tür zuknallte. »Entschuldige. Eigentlich hat sie bessere Manie-ren.« Er grinste und kam auf sie zu, die Hand ausgestreckt um Robins zu schütteln. »Du musst Robin sein. Ich bin Sakataki.«

Die schwarzhaarige Frau griff nach der riesigen Hand und versuchte hinter das Lächeln zu blicken, doch es war genuin. Sakataki machte ihr nichts vor, er freute sich wirklich sie kennen zu lernen. Er war ziemlich groß, größer als Crocodile, vielleicht in etwa Mikis Statur was die Höhe betraf. Aber anders als der Baseballspieler war er schlank, dünn, mit straffen Gliedern. Man sah es ihm vielleicht nicht sofort an, aber sie ahnte, dass er einiges an Körperkraft verbarg. Er trug sein Haupthaar kurz, weiß und ein langer Bart zierte seinen gesamten Kiefer. Tatsächlich war das Haar so lang, dass es ihm bis zum Bauch reichte. Offenbar war dieser Mann leicht exzentrisch, denn er trug den Bart in zwei geflochtenen Zöpfen. Die Kleidung war dagegen unscheinbar und man achtete gar nicht darauf, vor allem nicht, wenn man ihm in die Augen sah. Bodenlose Löcher, fast schwarze Pupillen, in denen dennoch eine Wärme lag, dass Robin am liebsten geseufzt hätte. Er erinnerte sie sehr an Professor Kleeblatt. Außerdem hatte er ein kleines Grübchen auf der linken Wange, wenn er so lächelte und ein Muttermal über dem rechten Auge; genau wie Iroko. Sakataki trat etwas zur Seite, um Robin in den Raum hinein zu bitten. Ohne Worte kam sie näher und betrachtete das Zimmer. Es war das reinste Chaos. An den Wänden hangen Bilder, massenweise Regale und Pflanzentöpfe. Es roch angenehm frisch, aber sie konnte nicht ausmachen, was es genau war. In der Mitte des Raumes befand sich ein großer bunter Teppich und direkt dazu eine Couch, ebenfalls ziemlich bunt. Neben einem Fenster und einem Kamin sah Robin nur noch Bücher. Oh, so viele Bücher! Da konnte Crocodile wirklich nicht mithalten. Der Gedanke an ihn brachte sie schnell zurück in die Realität und sie musste sich schütteln um bei der Sache zu bleiben. Vorsichtig trat sie über ein paar Stapel und sah, dass er offenbar noch mehr sammelte. Zeitschriften, Zeitungen; überall flogen Zeichnungen durch die Gegend.

Als Sakataki ihren prüfenden Blick bemerkte, gurgelte er fröhlich und kratzte sich am Kopf. »He, entschuldige die Unordnung. Ich nehme es mir jeden Tag vor, aber irgendwie bekomme ich es nie hin mal aufzuräumen.«

Als sie nichts darauf erwiderte, trat er wieder an ihr vorbei und setzte sich in einen Sessel, ebenso bunt wie das Sofa und bedeutete ihr sich zu setzten. Sie kam dem nach und begann sich zu fragen, wie alt Sakataki wohl sein mochte. Amery war nicht älter als vierzig gewesen und aus ihrer Erinnerung wusste sie, dass Miu im selben Alter wie ihr Mann gewesen war. Also wie alt war Mius Vater? Es war schwer zu raten. Einerseits konnte man die unzähligen Falten durchaus als Symbol für einen über 80-Jährigen nehmen, andererseits wirkte Sakataki unheimlich vital. Schmunzelnd lehnte er sich zurück und sah die Frau vor sich ganz genau an.

»Ich hätte nie gedacht, dass ich dir einmal begegne. Iroko hat mir ja viel über euch erzählt, auch wenn sie nicht so oft geschrieben hat, wie es abgemacht war.« Bei der Überraschung in Robins Augen lachte er nur und winkte ab. »Oh, keine Sorge. Euer Geheimnis ist völlig sicher in meinen Händen. Ich würde doch nie Irokos Freunde verraten.« Robins Miene blieb skeptisch. »Ich habe zudem keinen Grund mich in euer Leben einzumischen.«

Sie wurde das Gefühl nicht los, dass er ihr direkt in die Seele blicken konnte, also wand sie den Blick etwas ab und schaute aus dem überdimensionalen Fenster. »Es ist also Ihnen zu verdanken, dass Iroko so gewachsen ist?«

»Ja. Ich nehme an du bist mit Colour Trap vertraut?«

Robin nickte, was Sakataki wieder zum schmunzeln brachte. Die Art und Weise, wie diese Frau sich hielt, wie sie sprach... es wunderte ihn nicht, dass Iroko sie so gern hatte.

»Ja, genau kann ich es gar nicht erklären. Ich experimentiere öfter und... «

Robin unterbrach ihn plötzlich. »...und Sie haben Ihre Enkelin als Versuchskaninchen missbraucht?«

»Nein, nicht direkt zumindest. Als Iroko damals mit knapp sieben Jahren die Insel verließ und sich von mir nicht abhalten lassen wollte, wusste ich, dass sie eines Tages zurück kehren würde, zurück kommen würde zu ihrem Vater. Das allerdings viel zu früh,. Ich musste etwas tun, um sie irgendwie stärker zu machen.« Er geriet etwas ins Schwärmen. »Sie ist so viel talentierter, als ihre Mutter. Ich wusste, in ein paar Jahren wäre sie ein Meister und in der Lage ihrem Vater entgegen zu treten. Aber sie hat keine Geduld, wenn es um ihre Fähigkeiten geht.«

»Also haben Sie sie älter gemacht?«

Er nickte ihr zu. »Ich nehme an, er ist tot?«

»Ja.« Kam es knapp und fast vorwurfsvoll von der Piratin.

Sein Blick wurde ernster, fast schmerzvoll. »Hat sie...?«

»Nein. Ich habe ihn getötet. Ich konnte es nicht mit ansehen.«
 

Beide schwiegen dazu. Eine ganze Weile verging und Robin konnte hören, wie im Nebenraum das Brausen einer Dusche erklang. Durch diese Stille drang irgendwann erneut Sakatakis Stimme. »Ich bin dir und Sir Crocodile sehr dankbar. Iroko hat mir erzählt, dass es nicht leicht war bei euch Mitglied zu werden. Und nein, bevor du fragst, sie hat mir nicht gesagt, wer ihr seid. Es hieß immer nur „Miss Allsunday“ und „Mister Zero“, aber irgendwann konnte ich die nötigen Schlüsse aus ihren Briefen ziehen, wie gesagt, ich schulde euch etwas. Es mag nicht das Beste für sie gewesen sein, aber dort, also bei euch, bei dir wusste ich sie sicher.«

Robin starrte ihn entsetzt an. »Sind Sie verrückt? Bei mir? Wie können Sie das behaupten, wenn Sie wissen wer ich bin?«

»Hahaha, ich habe eine ausgeprägte Menschenkenntnis. Außerdem komme ich ursprünglich von einer Insel, die mit Ohara befreundet war. Ich bin ganz gut vertraut mit deiner Geschichte. Vielleicht bist du gefährlich was die Regierung anbelangt, aber das war nie das Problem. Menschlich gesehen habe ich mir mehr Sorgen um meine Kleine gemacht. Aber bei einer Frau, die all das überlebt hat und so geblieben ist, wie sie immer war, dass ist der richtige Umgang für Iroko.«

»Wir sind Piraten!«

Erneut lachte er. »Oh, ich weiß. Iroko war schon immer ein Freigeist. Unmöglich sie einzusperren oder ihr Regeln aufzuerlegen. Irgendwie konnte ich mir schon immer denken, dass sie mal Pirat wird.«

Verdutzt starrte sie ihn erneut an, bis sie endlich ihre Beherrschung zurück gewann. Irokos Großvater war wirklich verrückt.

»Ich danke dir, dass du sie vor diesem Fehler bewahrt hast. Es hätte sie über kurz oder lang zerstört. Sie hat ihren Vater immer sehr geliebt. Als das Monster in ihm ausbrach und meine Tochter und Enkel tötete, war es nur eine Frage der Zeit, bis Iroko sich rächen würde. Liebe schlägt so schnell in Hass um.« Sein Blick war wieder schmerzverzerrt und für einen Moment stockte sein Atem.

»Warum haben Sie ihn nicht...?«

»Getötet? Ich bin Pazifist. Ich bin schon ein paar Jahre unterwegs und ich habe einiges gelernt. Eines davon war, dass Hass nur noch mehr Hass produziert.« Er schien wieder abzudriften. »Oh, ich habe diesem Mann vertraut, ihm meine Tochter gegeben und er hat mir drei wundervolle Enkel geschenkt. Als er durchdrehte, habe ich mir mehr als einmal vorgestellt, ihm eigenhändig den Gar auszumachen, aber...« Wieder seufzte er. »…das ist einfach nicht richtig. Das macht mich letztendlich nicht besser, als ihn. Ich richte nicht über euch, die, die ihr einen anderen Weg eingeschlagen habt, aber ich wollte immer diesen Schmerz für Iroko vermeiden. Und jetzt, wo es vorbei ist, kann ich nur hoffen, dass sie es irgendwann einmal verarbeiten kann.«

Als Robin nicht darauf reagiert, setzte er weiter hinzu. »Sie war glücklich bei euch. Sie hat mir nicht genau erklärt, was vor ein paar Monaten passiert ist, aber ich konnte aus ihren Briefen durchaus herauslesen, dass sie sich von euch, vor allem von dir entfernt hat. Was auch immer sie gehofft hatte bei euch zu finden, sie hat es nicht bekommen.« Er legte die Arme auf sie Sessellehne, überschlug die Beine, lehnte den Kopf zurück und schloss die Augen. »Ich weiß nicht, was euer Ziel war, aber es hat sie schwer getroffen. Viel Hoffnung lag darin.«

Robin konnte ihn nicht ansehen, zu sehr plagte sie ihr schlechtes Gewissen. Dann lachte er plötzlich. »Ach ja, sie wird mich sicherlich nachher noch anschreien. Sie hasst es, wenn ich mich in ihr Leben einmische.«

» Das erinnert mich an etwas.« warf Robin wieder ein. »Sie litt unter starken Schmerzen.«

»Hm ja. So etwas konnte ich mir schon denken. Überraschen tut es mich zumindest nicht. Es kann auch kaum schmerzfrei von statten gehen, wenn der Körper von einem Moment zum nächsten wächst und das auf so unnatürliche Weise.«

»Sie meinen, sie ist wirklich gewachsen?«

Er warf ihr ein schelmisches Grinsen zu. »Na eigentlich nicht. Es gehört eher in die Illusions-Kategorie. Aber das heißt nicht, dass es nicht echt ist.« Irritiert schaute sie ihn an, was sein Kichern verschlimmerte. »Hehehe, es wundert mich nicht, dass du es nicht verstehst. Colour Trap wirkt auf den ersten Blick so simpel, dabei ist es hochkompliziert. Iroko ist für ihr Alter schon unheimlich weit, sonst wäre sie wohl auch nie in eurer Firma gelandet, nicht?« Seine Augen leuchteten fast stolz. »Wenn sie das Alter ihrer Mutter erreicht, wird sie mich lange an Können eingeholt haben. Dann kann ich mich zur Ruhe setzten.«
 

Er lachte wieder. Es war leicht ihm zuzuhören, so einfach sich zu entspannen und seiner Stimme zu lauschen und es entging Robin nicht, dass er mit Absicht so sprach, damit sie sich wohler fühlte. Es war kein Zwang und keine List, aber sie wusste durchaus, dass er sie ein bisschen hypnotisierte. Sie ließ es sich gefallen. Sie wusste, dass ihr keine Gefahr drohte. Er erzählte ihr mehr; über sich selbst, über Miu und auch über Amery. Am Ende konnte Robin kaum noch nachvollziehen, wie Amery so hatte ausrasten können. Scheinbar hatte er seine Familie wirklich geliebt. Es machte ihr Angst nur daran zu denken, wie Recht Sakataki hatte. Liebe schlug schnell in Hass um, in den schrecklichsten Hass, den es gab.

»Eigentlich schade, dass sie eure Crew verlassen hat. Nicht, dass ich mich nicht freue, dass sie wieder da ist. Hm, aber Toshi-o-Toru hat für sie wohl nicht so viel zu bieten. Ich wette, sie wird nicht lang bleiben.«

Robin erwiderte nichts. Sie hätte am liebsten an Irokos Tür geklopft und sie gebeten sie zu begleiten, zurück zu kommen, aber... das war unmöglich. Es war besser so. Iroko mochte intelligenter sein als alle anderen Kinder in ihrem Alter... vielleicht sogar intelligenter als die meisten Erwachsenen, talentiert und stur, aber sie war trotzdem noch ein Kind. Ganz gleich, wie sehr sie diesen Fakt verabscheute.
 

Der Mond schob sich vor das Fenster und Sakataki verließ seinen Sessel, um ein Feuer im Kamin zu machen. Plötzlich schlug er sich gegen die Stirn. »Ah, ich bin schrecklich! Jetzt bist du die ganze Zeit im Regen herum gelaufen und ich hab dir nicht mal ein Handtuch angeboten. Uh, das muss am Alter liegen. Dabei bin ich doch noch gar nicht so alt.«

Grinsend sah er zu ihr, doch sie richtete sich auf und kam auf ihn zu. »Das wird auch nicht nötig sein. Es regnet immer noch und ich muss wieder raus, zurück zum Schiff. Wir reisen morgen ab und es ist ein ganz schöner Marsch bis zum Strand. Außerdem...« Sie blickte auf die Tür, hinter der sie Iroko wusste »...braucht sie mich jetzt nicht mehr. Sie ist hier sicher.« Sie sah zurück zu ihm. »Nicht wahr?«

»Natürlich.« Er sah auf ihre Hand, als er sie erneut, diesmal zum Abschied schüttelte. »Ich wünsche dir viel Glück Robin. Und tu mir einen Gefallen, ja? Ich weiß, eigentlich müsste ich etwas für euch tun… oh, wenn ihr jemals irgendwas braucht, meldet euch...uh, wo war ich? Ach ja, also tu mir den Gefallen und vergiss Iroko nicht. Irgendwie habe ich das Gefühl, es ist noch nicht vorbei.«

»Ich werde sie nie vergessen.« Dazu war sie ihr zu sehr ans Herz gewachsen. Viel zu sehr. Aber sie dachte nicht, dass sie das Mädchen noch einmal wieder sehen würde. Heftig bekämpfte sie das Gefühl einfach durch die Tür zu marschieren und sie ein letztes Mal in den Arm zu nehmen, aber sie hatte ihre weiche Hälfte bereits zu weit vergraben und widerstand diesem Wunsch. Stattdessen verließ sie das Haus und machte sich an den Abstieg die Wendeltreppe hinab. Sakataki winkte ihr zu, als die Falltür sich über ihrem Kopf schloss.
 

Iroko hörte wie das Fliegengitter zuschlug und sie wusste, Robin war endlich weg. Seit ein paar Minuten stand sie nun schon vor dem Spiegel im Schlafzimmer ihres Opas. Er hatte einen gewaltigen Spiegel, kein Wunder bei der Körpergröße. Sie sah sich an, in einem dicken Wollhandtuch gewickelt und starrte in ihre Augen. Aber eigentlich sah sie nicht sich selbst. Sie dachte nach. Sie dachte über alles nach. Nur leise bemerkte sie den Schmerz. Sie war froh, dass Robin weg war. Sie wollte sie nicht mehr sehen, nie wieder. Sie... sie wollte sie hassen. Doch das konnte sie nicht. Sie war einfach zu sehr wie sie, zu sehr wie ihre Mutter. Dabei war sie ihr eigentlich gar nicht ähnlich. Hitsuyo Miu war klein gewesen, etwas mollig, hatte lange, wellige blonde Haare gehabt, braune Augen und eine hohe Stimme. Sie war genauso ruhig... Nein, das bildete sie sich nur ein. Miu war nie wirklich ruhig gewesen. Sie war lebendig gewesen, oh ja, wirklich lebendig. Sie hatte so gern geredet, sich mit Menschen unterhalten, hatte Einsamkeit gehasst. Ganz anders als Robin. Und dennoch war sie genauso wie sie. Sie roch wie ein Zuhause. Nicht zum ersten Mal fragte Iroko sich, ob es das war was Crocodile so an ihr mochte. Ihren Geruch, das Gefühl willkommen zu sein. Das Wissen, dass man auch schweigen konnte, und es dennoch nie unangenehm war. Sie hatte ihr ihren Verrat schon längst verziehen, darum war es schon so lange nicht mehr gegangen. Das Problem war ein anderes. Sie liebte sie. Seit dem Tod ihrer Mutter hatte sie das nicht mehr gespürt. Diese Form der Liebe, die man seiner Mutter, seinem Vater entgegen brachte. Heimlich war Robin für Iroko zur Familie geworden. Und nicht nur Robin. Sie fühlte sich seltsam verbunden mit Crocodile, aber darüber wollte sie nicht nachdenken. Auch wenn sie es kaum aufhalten konnte.

Jetzt, wo es vorbei war, waren ihr gewisse Dinge aufgefallen. Zum Beispiel, dass er ihren Vater nicht umge-bracht hatte. Er hätte ihn sofort töten können, in dem Moment, als er Robins Namen ausgesprochen hatte. Aber er hatte es nicht getan. Er hatte sich schützend vor sie gestellt, er... er hatte sie beschützt. Tränen kamen erneut und benetzten ihre Sicht. Wild schüttelte sie ihren Kopf, ließ ihn hängen, bis ihr langes Haar ihr Gesicht verdeckte, die Tränen versteckte, die sie zu bekämpfen versuchte. Sie fühlte sich noch immer elend und ihr ganzer Körper schmerzte. Sie würde sich bald zurück verwandeln, nicht wahr? Sie hatte keine Farbe gesehen, aber irgendwo hatte welche im Spiel sein müssen. Sie hatte sie sicherlich ab gewachsen, aber der Effekt war nachhaltig. Ihr Großvater war mächtig genug dafür. All ihre Gefühle zurück drängend, sah sie erneut in den Spiegel und fuhr sich durch dieses fremde Haar. Wellig, wie das ihrer Mutter, aber viel, viel länger. Sie hatte auch unter Dusche sich selbst eingehender betrachtet. Sie kam nach ihrem Vater. Schlank, wenn auch nicht so groß. Ein eher schmales Becken, aber weibliche Beine und üppige Brüste, auch wenn sie mit den Frauen, die sie kannte, wohl kaum mithalten konnte. Eine Hand voll war wohl auch genug. Sie glitt mit ihren Fingern über ihre Wangen, die etwas höher standen als gewohnt, über die plötzlich so vollen Lippen und den schmalen Hals. So würde sie also irgendwann einmal aussehen? Sie hatte nicht damit gerechnet, dass sie jemals so alt werden würde. Aber stand das denn jetzt fest? Sie blinzelte. Hitsuyo Iroko, wieder im Spiel.
 

»Geht es dir wieder besser?« kam es plötzlich, schallte in ihrem Inneren, als hätte niemand es je ausgespro-chen.

Erschrocken fuhr sie zurück, stolperte und fiel auf ihren Hintern. Sie hatte ihn fast vergessen. Den Geist von Omoide. Sierra. »Ich...nein...«

Vor ihr schälte er sich aus dem Nichts, seine weiße Gestalt, die sie scheinbar ausdruckslos ansah. Nur seine Stimme war auf eine eigenartige Weise Trost spendend. »Tut mir leid, habe ich dir erschreckt Iroko-san? Soll ich wieder verschwinden? Möchtest du allein sein?«

»Ich...« auf ihrem Gesicht stand noch immer der Schock, aber auch eine bittere Vorahnung. »Du wusstest, dass es so kommen würde, nicht wahr?«

Nun erschien ein kleines, trockenes Lächeln. »...Was genau meinst du?«

»Auf Omoide.« Langsam richtete sie sich wieder auf. »Du hast irgendwas gewusst. Gewusst, dass ich nicht sterben würde.«

»...Es war nicht schwer zu dieser Schlussfolgerung zu kommen. Ich habe in jeden einzelnen der Crew hinein-sehen können.«

»Und was hast du da gesehen, huh?«

»Vergangenheit. Gedanken... Pläne... Gefühle.«

Wütend starrte sie ihn an. »Und? Das hat dir den Tipp gegeben? Was denn? Dass sie sich Sorgen machen? Dass sie mich nicht im Stich lassen würden? Dass ich zu ihnen gehöre?«

Einen langen Moment blickte er sie schweigend an, musterte sie. »Von allem etwas, ja.«

»Das ist wohl ein schlechter Witz!«

Sie griff nach dem Spiegel, versuchte sich festzuhalten, weil ihr plötzlich wieder so schwindelig war. »Ich war dazu bestimmt zu sterben.«

»Oh nein, das ganz sicher nicht.«

»Was für einen Sinn hat das jetzt noch? Was soll ich jetzt tun?«

»...Ist das eine rethorische Frage oder ist sie an mich gerichtet?«

Sie begann zu zittern und wieder in die Knie zu gehen, hielt die Hand fest über das Herz gepresst und keuchte. Der Schmerz wurde wieder schlimmer. »Was... soll ich denn jetzt ...tun? Ich... habe doch gar kein Ziel mehr...«

»Das musst du selbst wissen, Iroko-san. Lass dir Zeit. So viel, wie du willst. Irgendwann findest du die Ant-wort. Und ich werde da sein, wenn du es möchtest. Ich bleibe hier und warte.«

Stöhnend ging sie zu Boden und wartete auf das Ende des Schmerzes. Ehe sie es sich versah, war der Schmerz endgültig verklungen und erneut blickte ihr das kleine Mädchen im Spiegel entgegen, die Iroko, die sie kannte. »…Du… willst wirklich bei mir bleiben?«

»Ich habe es versprochen, nicht wahr?« Seine Stimme schien näher zu kommen, obwohl sie die ganze Zeit in ihr selbst wiederzuklingen schien. Sanft und behutsam, tröstend und voller Vertrauen. »Außerdem habe ich Zeit. Mir macht das Warten nichts aus. Lass dir so viel Zeit wie du willst. Du wirst ein neues Ziel finden, da bin ich mir sicher. Und wenn du willst, bin ich bei dir und begleite dich, Iroko-san.«

Sie schwieg einen Moment, sah dann vom Spiegel in sein Gesicht, der Blick hart, wieder ganz wie zuvor. »Dann hör endlich auf mich so komisch zu nennen. Mein Name ist Iroko.«
 

~ ~ ~
 

Sie ließ sich Zeit auf ihrem Weg zurück zum Hafen. In der Dunkelheit konnte sie kaum etwas erkennen, aber sie hatte sich den Pfad ganz gut eingeprägt. Ihr war kalt und sie zitterte leicht. Nachts wurde es richtig kühl auf Toshi-o-Toru und der Regen hatte noch immer nicht ausgesetzt. Langsam wurde sie müde, aber sie ging nicht schneller. Sie wollte ihr Ziel gar nicht so schnell erreichen, denn dann müsste sie mit einem neuen Problem auskommen. Das gleiche Problem, dass sie nun schon seit fast fünf Jahren plagte. Crocodile. Immer nur Crocodile. Manchmal hatte sie das Gefühl ihn endlich verstanden zu haben, manchmal benahm er sich wie eine fremde Person. Dabei konnte sie zumindest zugeben, dass sie so ziemlich alle seine verschiedenen Facetten schon einmal gesehen hatte. Den sanften Kern, aber viel öfter die harte Schale. Wenn man davon noch sprechen konnte. Der Streit hatte ihr mehr zugesetzt, als sie sich eingestehen wollte.

Sie war es müde geworden sich immer wieder darüber den Kopf zu zerbrechen, so leid, auf jeden Schritt zu achten, um nichts Falsches zu sagen oder zu tun. Das war nicht die Art Freiheit, die sie bei ihm gefunden hatte. Etwas lief ganz verkehrt, aber sie wusste einfach nicht woran es lag, was es war. Sie hatte aber auch kein Bedürf-nis mehr danach zu fragen, endlos lang zu warten und zu hoffen, dass es von allein passierte. Aber welche Wahl hatte sie schon, außer der zu warten? Das Gestrüpp wurde langsam leichter und sie erreichte bereits die Stadt. Hier war ganz schön was los auf den Straßen. Der eingestürzte Pub, die Toten und natürlich Amery, den scheinbar jeder hier gekannt hatte. Das Getuschel war enorm, als sie sich durch die Mengen schlängelte und dabei versuchte keine Aufmerksamkeit zu erwecken. Crocodile und Iroko hatten ein ganz schönes Chaos verursacht.

Gedankenfrei schleppte sie sich auch die letzten Meter bis zum Steg und blieb für kaum zwei Minuten vor der Minerva stehen. Die Minerva, die doch als Neuanfang gegolten hatte. Warum wurde sie dann das Gefühl nicht los, dass sie noch immer in der Vergangenheit steckte, dass die neue Zeit noch nicht begonnen hatte, dass Altlasten weiterhin schwer auf ihr Herz drückten? Wütend über ihre Schwäche, drückte sie die Schultern durch und nahm sich vor ihr Versprechen wahr zu machen. Keine nette, schwächliche Robin mehr. Er wollte das knallharte Miststück? Gut, konnte er haben. Es war nicht so, als hätte sie irgendetwas anderes vertragen.

Als sie das Deck betrat, schenkte ihr weder Jazz am Steuer noch Paula in den Rahen Beachtung, doch damit hatte sie sowie nicht gerechnet. Auch unter Deck änderte sich nichts. Als sie in die Kombüse kam, bekam sie nur einen kurzen, stechenden und warnenden Blick von Crocodile, ehe dieser abrupt aufstand und an ihr vorbei auf das Deck stampfte. Nur Sekunden später hörte sie, wie die Tür hinter ihr mit einen Krachen zufiel. Sie war allein. Für den Bruchteil einer Sekunde spürte sie ihr Herz heftig schlagen, ehe sie einfach alle Gedanken und Gefühle zurück presste und es ignorierte. Sie würde hart bleiben.
 

~ ~ ~
 

Als die Minerva schließlich im eisigen Tau des Morgens den Anker lichtete und die großen Segel aufspannte, spürte Robin bereits einen Schatten näher rücken. Noch war er unbekannt, klein, unauffällig. Aber sie hatte das ungute Gefühl, dass er größer wurde, so groß, dass er sie schließlich ganz verschlingen würde. Sie spürte es, als Toshi-o-Toru ganz langsam kleiner wurde und schließlich im Meer versank, spürte es in den heftigen Böen des Windes, im Kreischen der Möwen, die das Schiff verabschiedeten. Es war in Crocodiles Augen, seinem ablehnenden Verhalten, den Blicken der anderen, die schwer auf ihr wogen und doch in eine andere Richtung blickten, sobald sie sich umwand. Es war die Stille, die an ihr nagte, sie aufzufressen drohte, allgegenwärtig auf sie lauernd. Die Zeit verging nicht mehr, sie stand so fest wie die Wolken am Horizont, jedes Mal wenn sie einen Blick nach draußen wagte. Die Minerva schipperte ins Nichts. Was war ihr Ziel, was war ihre nächste Station? Was kam nun? Was erwartete sie?

Sie wagte nicht nachzufragen. Crocodiles Stimmung wurde von Tag zu Tag düsterer. Er sah sie nicht mehr an, sprach kaum noch mit ihr und wenn er es tat, fuhr ihr seine tiefe, grollende Stimme wie Nadeln unter die Haut. Er nahm es ihr immer noch sauer, die Sache auf Toshi-o-Toru. Sie verstand es gar nicht. Doch jedes Mal, wenn sie versuchte einen Schritt auf ihn zuzumachen, stieß er sie heftiger zurück. Schließlich ignorierte er sie vollkommen. Robin wusste sich nicht mehr zu helfen. Egal was sie tat, sie schien es falsch zu machen. Die Atmosphäre auf dem Schiff wurde immer schlimmer. Bald war es wieder so frostig wie zu Anfang, nach Suimin, nach ihrem Verrat.

Aber sie ließ nicht nach. Nicht dieses Mal. Sie hatte alles aufgegeben, ihre Zukunft, ihr Schicksal, ihr Leben, nur um hier sein zu können und dieses Mal würde sie kämpfen, bis zum bitteren Ende. Sie wusste nicht, warum der Wind plötzlich gedreht war. Es konnte doch unmöglich allein an Toshi-o-Toru liegen. Crocodile war stur, aber nicht so nachtragend. Etwas war im Busch und sie versuchte sich auf alles Mögliche vorzubereiten, aber sie hatte keine Ahnung was kommen sollte, was unwiderruflich kommen musste.
 

Tage vergingen, sie war nicht mehr in der Lage sie zu zählen. Es fühlte sich wie eine halbe Ewigkeit an. Doch nichts schien sich zu ändern. Überdrüssig der Ungewissheit hatte sie sich auf die Suche nach dem Kurs gemacht, hatte unbemerkt in den Karten gestöbert und endlich herausfinden können wohin sie steuerten. Es irritierte sie etwas, doch die Minerva schien wieder zurück zu fahren. Crocodile hatte keinen Eternal Post, der ihr die Suche einfacher gemacht hätte. Das Ziel blieb weiter im Ungewissen. Wollte er wieder zurück nach Arabasta? Oder Quom? Oder gab es einen anderen Ort, zu dem er wollte? Er verschwieg es ihr noch immer. Seine große Nummer, die er plante und von der sie nichts wissen sollte. War es das, was sie erwarten würde?

Die Erinnerung an Quom bereitete ihr wirklich Kopfschmerzen. Sie hatten sich so merkwürdig verhalten. Alle von ihnen, Crocodile eingeschlossen. Aber der benahm sich schon eine ganze Weile eigenartig. In jeder freien Minute kontemplierte sie, was es sein konnte. Was übersah sie denn die gesamte Zeit? Und jedes Mal, wenn sie die Last nicht mehr ertragen konnte, erinnerte sie sich an seine Worte. Glaub an mich.

Jede Stunde, jeden Tag sagte sie sich diese Worte. Wieder und wieder und wieder, versuchte aus ihnen Mut zu fassen. Mut, den sie niemals zuvor besessen hatte. Früher hatte sie nie abgewartet, bis es so schlimm wurde. Es war ein deutliches Warnsignal, aber die Dinge waren jetzt anders. Die Warnung musste für irgendetwas anderes stehen. Ein paar weitere Tage hielt sie es so aus, bis ihre Albträume wieder anfingen. Nacht für Nacht. Es zermürbte sie und sie sah keinen anderen Ausweg mehr, als Klartext zu reden. Das war nie ihre Art gewesen und sie wusste auch nicht wirklich, wie sie es anstellen sollte, aber sie musste. So ging es nicht weiter. Nach einer weiteren, ruhelosen Nacht und einem Tag voller Schweigen und schmerzhafter Isolation suchte sie nach Crocodile. Sie würde ihn zur Rede stellen. Er sollte ihr endlich sagen, was verdammt noch mal los war.
 

Sie fand ihn an diesem Abend im Navigationsraum. Er schien nichts Besonderes zu tun, schien die Karten vor sich nicht einmal angefasst zu haben. Dennoch richtete er den leeren Blick auf sie. Sie konnte die Abweisung in ihnen sehen.

Robin zeigte ihre Unsicherheit, ihren Schmerz nicht, trat ihm entgegen, die Arme locker an den Seiten, der Blick kühl und gelassen. »Was verschweigst du mir?«

Einen langen Moment hielt er diesen Blick aufrecht, ehe er den Kopf doch wieder abwand und sich eine Zigarre anzündete. »Ich sagte dir doch bereits, ist keine große Sache.«

»Wenn es keine große Sache ist, warum benehmt ihr euch dann alle so merkwürdig?«

»Es erfordert eben viel Planung und Vorsicht.«

»Du willst mir verarschen.« platzte es plötzlich aus ihr heraus. Ihre Stimme blieb gelassen, als hätte sie ihm erzählt, dass die Sonne scheint.

Sein Blick ging erneut zu ihr und sie sah die Kälte in ihm brodeln. »Muss ich deutlicher werden, damit du verstehst, dass es dich nichts angeht?«

Sie kam einen Schritt näher. »Es betrifft euch also alle, außer mich? Willst du mir das ernsthaft weißmachen?«

»Ich muss dir gar nichts weiß machen, weil es dich nicht zu interessieren hat!«

Sie verschränkte die Arme vor der Brust, die Stimme wurde kälter, die Augen leer. »Das kann nicht wirklich dein Ernst sein. Du willst mich ausschließen? Aus Dingen, die mich genauso, wenn nicht sogar noch mehr betreffen, als euch alle? Was bildest du dir eigentlich ein?«

Abrupt stand er auf und blickte auf sie herab, noch immer das böse Funkeln in seinen Augen. »Ich diskutiere ganz sicher nicht mit dir, Robin. Was ich mache, ist meine Sache. Und ich bin dir ganz sicher keine Rechenschaft schuldig.«

Sie funkelte zurück und knurrte beinahe. »Rechenschaft?! Oh doch Crocodile. Du bist mir Rechenschaft schuldig. Du hast es offenbar nur noch nicht begriffen! Aber gut. Mach nur so weiter. Lange sehe ich mir das nicht mehr mit an!«

»Was willst du machen, hm?« Er verschränkte die Arme und sein Lächeln war so abgrundtief gehässig, wie sie es von früher kannte. »Weglaufen?«

»Sollte ich?«

»Wenn du es nicht aushältst meine Nähe zu ertragen, wohl schon...« setzte er trotzig hinzu und schritt auf die Tür zu. »Kannst du doch gut... weglaufen...«

Am liebsten hätte sie ihn angesprungen. In diesem Moment machte er sie so unsagbar wütend, dass sie ihm wirklich wehtun wollte. Sie spie die Worte förmlich aus. »Verdammter Mistkerl!«

»Hmpf.« War alles, was er darauf entgegnete, ehe er nach draußen ging und die Tür zuschlug.

Sie schnappte hörbar nach Luft und presste sie Augen fest zusammen, ballte ihre Fäuste und am liebsten hätte sie geschrien. Sie ließ es nicht zu. Glaub an mich. Wieder und wieder.
 

In dieser Nacht konnte Robin nicht schlafen. Sie bekam kein Auge zu, wanderte ruhelos über das Schiff, im Navigationsraum umher. Ihre Augen scannten den leeren Raum, ihre Finger glitten wieder und wieder über die Karten, die Crocodile zuletzt in den Fingern gehabt hatte. Etwas war hier. Als könnte sie seine Gedanken spüren, nachempfinden, was in seinem Kopf vor sich ging. Dieser Dreckskerl... wie konnte er es überhaupt wagen so mit ihr zu sprechen, nach allem was passiert war? Nach allem, was er zu ihr gesagt hatte? Was plante seine analytische Hälfte denn nur, dass es solche Auswirkungen hatte? Die Wahrheit war simpel. So leicht greifbar und doch durchsichtig, geisterhaft. Wie ein Schleier hing die Bedeutung, der Sinn für das alles über ihrem Kopf und lachte sie aus. Oder wollte sie es nur nicht wahrhaben?

Tiefer und tiefer versuchte sie vorzudringen, aber je tiefer sie kam, desto mehr Angst entstand dabei in ihrem Kopf. Sie war schon einmal hier gewesen nicht wahr? Das alles kam ihr so unheimlich bekannt vor, aber warum? Wütend auf ihn, auf die anderen und vor allem auf sich selbst, schleppte sie sich in die Kombüse und trank Kaffee. Sie wollte nicht schlafen, sie wollte nicht mehr denken. Warten, sie musste warten. Und es war ihr noch nie so schwer gefallen. Wie lange hielt sie das noch aus? Wann würde ihr Faden reißen?

Das Koffein hielt sie wach und machte sie gleichsam immer müder. Sie schleppte sich durch die Nacht, durch den Tag und nichts hatte sich verändert. Crocodile tat nicht einmal so, als hätten sie sich gestern gestritten. Er sah sie nicht einmal mehr an. Das einzige, was er ihr an diesem Tag auftrug, war die Nachtschicht zu übernehmen. Und die brach bereits viel zu früh heran. Die Minerva ankerte kurz vor Sonnenuntergang in der unendlichen Weite des Meeres. Sie konnte den Grund nicht sehen, es war hier wohl sehr tief. Sie nahm die Zeit gar nicht mehr wahr, die verstrich. Es war eine recht laue Nacht, auch wenn der Wind auffrischte. Die See war ruhig, und der Himmel wolkenlos. Nur der Mond streifte alsbald einsam über den Himmel, doch auch er konnte sie nicht erhellen.

Regungslos saß sie auf der Reling, als die anderen sich schon längst in ihre Kabinen zurück gezogen hatten und starrte auf die See. Genauso ruhig, wie ihr Blick, doch ebenso aufgewühlt unter der Oberfläche. Sie konnte gar keinen Gedanken mehr fassen. Sie kamen und gingen ohne etwas in ihr auszulösen. Sie begann langsam wieder abzustumpfen, so wie früher. Stunden vergingen auf diese Weise und im ersten Moment bemerkte sie es gar nicht, sah sie einfach durch die Schemen hindurch, die sich langsam am Horizont unter den Sternen abzeichneten. Weiße Segel. Ein Schiff, das näher kam. Aber Robin bewegte sich gar nicht, starrte hindurch, als wäre es nicht da. Erst als es ein ganzes Stück näher gekommen war, blinzelte sie heftig und fuhr von ihrem Sitz auf.

Das Schiff war nicht zu übersehen. Zwar war es nicht übermäßig groß, ein normaler Dreimaster, doch die weiß-blaue Farbe und die schneefarbenen Segel ließen es aus der Nacht stechen. Und in blauer Schrift war in akkurater Schrift "Marine" auf den Bug gezeichnet. Sofort klingelte es wieder in ihr. Ein Teil von ihr begann sie bereits zu beschimpfen. "Dummkopf, verdammter Dummkopf." Doch sie rührte sich nicht, starrte weiter auf dieses Schiff. Kein Fluchtweg. Sie konnte nicht weglaufen. Sie waren mitten auf See und sie konnte natürlich nicht schwimmen. Angst machte sich in ihr breit, Angst und Panik. Schon zu lange ein Teil von ihr, als dass es jemals nachlassen würde. Aber sie zwang sich die Ruhe zu bewahren und nicht durchzudrehen. Sie alarmierte die anderen, riss sie aus ihren Betten, weckte sie wenn nötig, ihre Stimme allgegenwärtig in jedem Raum. »Marine!«
 

Es dauerte dennoch ein wenig, ehe sie sich allesamt an Deck versammelten. Paula und Jazz waren die ersten beiden, dicht gefolgt von Crocodile. Dann kam sie nicht mehr mit. Sein Blick beraubte sie allem Willen sich nach den anderen umzusehen.

Er kam nicht auf sie zu, sondern blieb gleich an der Tür stehen. Unbeeindruckt, kalt, unnahbar musterte er sie für einen Moment. Sie starrte ihn an und es klickte langsam in ihrem Kopf, wie Zahnräder, die in ihre bestimmte Position verfielen, damit die Uhr arbeiten, ticken konnte. Sie kannte diesen Blick, sie hatte ihn schon viele hunderte Male gesehen. Nicht auf seinem Gesicht, auf den Gesichtern ihrer Vergangenheit. Sie war wie zu Eis erstarrt und beinahe wäre ihr der Mund aufgeklappt. Nur ein Wort kam über ihre Lippen. Ein Wort, das sie gar nicht hören konnte, weil es in ihr zu rauschen begann. Sie konnte sich selbst nicht mehr wahrnehmen, als hätte sich ihr System ausgeschalten, um sie vor einem Schlag zu bewahren. »Nein...«

Die Wahrheit

»Los... macht ihr die Fesseln um.«

Nur ein einziges Nicken seiner beiden ersten Agenten, ehe sie zusammen auf Robin zustürmten. Mehr als einen Schritt zurück konnte sie nicht machen, ehe sie auf sie stießen. Ihr Kopf war eine einzige Wand, als hätte sie jemand aus sich selbst ausgesperrt. »...Nein.«

Doch es war bereits zu spät. Sie knallte auf die Dielen und spürte den harten Griff Mister Ones und Miss Doublefingers warme Hände, wie sie ihre Arme zurechtbogen und ihre Handgelenke dann in die kalten, schwarzen Ketten schienten, die ihr sofort den Atem nahmen. Ihr Körper ließ noch im gleichen Moment locker und jeder Gedanke von Gegenwehr war unmöglich. Die plötzliche Schwäche stoppte aber nicht den inneren Kampf, der langsam blutig wurde. Ihr Herz klopfte in ihren Ohren.

Hastig entfernte sich das Paar wieder von ihr, ließ sie auf dem Boden liegen, während Crocodile mit langsamen, fast schlurfenden Schritten auf sie zu kam. Im ersten Moment schaute er noch zu dem Schiff, das geruhsam näher kam, dann starrte er zu ihr hinab und sie sah nichts mehr von der Zuneigung in ihm, die er einst für sie gehabt hatte. Mühevoll kam sie auf die Knie, versuchte sich weiter aufzurichten, um ihm entgegen zu blicken. Es war noch immer nicht wirklich bei ihr angekommen, was hier geschah.

»Was... soll das?«

»Ist das nicht offensichtlich?« erwiderte er trocken.
 

Nur langsam kam sie auf die Beine, leicht nach vorn über gebeugt. Ihr war schrecklich schwindelig, aber nicht zum ersten Mal ignorierte sie ihren Körper. »Nein. Ich... ich verstehe nicht.«

»Dann mach ich es einfach für dich. Ich habe mich gegen dich entschieden.«

Sie riss ihre Augen auf und plötzlich explodierte ihre Wand. Ihr Atem stockte so hart, sie befürchtete zu ersticken. Sie spürte ihr Herz und spürte es doch nicht. Als wäre es bereits tot. »...Was?!«

»Es tut mir leid Robin.« fügte er kalt hinzu. »Ich dachte du wärst es wert zu kämpfen... aber es hat sich herausgestellt, dass du es nicht bist. Du bist wie eine Klette, ständig kurz vorm Aufgeben. Ich hab die letzten Wochen immer wieder Nachrichten bekommen, dass die Marine hinter mir her ist, mir das Ganze nicht abkauft. Und solange du hier bist, werde ich immer so tun müssen, als wäre ich der treue Gefährte der Regierung. Ich dachte, ich könnte für dich kämpfen, aber ich habe gemerkt, dass du mir nicht so viel bedeutest. Die letzten Wochen und Monate habe ich viel nachgedacht und am Ende kam nicht viel dabei raus.«

»Das...« flüsterte sie leise, kaum vernehmlich. »...ist doch... nicht wahr...« Sie wollte einen Schritt auf ihn zu machen, aber sie war zu schwach.

»Glaub das ruhig, solange du willst.« Er sah sie nicht mehr an, wartete nur noch auf das Marineschiff. »Aber wenn ich dich der Marine ausliefere, ist meine Weste wieder rein. Auf das Geld kommt es mir gar nicht wirklich an; das ist nur ein schöner Nebeneffekt.«

»Du… hast gesagt… ich soll an dich glauben…«

Nur ein Schulterzucken. »Und du hast die Lüge dankbar geschluckt.«

Sie schrie plötzlich, dass es über das ganze Schiff brach. »Ich habe mein Leben für dich weggeworfen!!!«
 

»Da kann ich nur sagen: Pech gehabt.«

Jetzt kamen ihr doch wieder die Tränen. Alles in ihr brach mit einem Mal zusammen. Jahre des Kampfes, des Verlustes, der ewige Schmerz, die Einsamkeit, als wäre es niemals anders gewesen. War es ja auch nicht. Sie war ein Narr gewesen, dass sie geglaubt hatte, es würde auch nur ein einziges Mal anders sein. Dass nur ein einziges Mal jemand auf ihrer Seite wäre. Nein... nein, das war nicht wirklich. Das war nicht echt. Sie träumte das nur. Sie kannte diesen Mann, sie wusste doch… sie hatte doch... sie hatte sich doch nicht in so jemanden verliebt. Unmöglich. »Warum? Warum die Marine?!«

»Ich kann mir nicht leisten, dass du hinter meinen Rücken irgendwelche Intrigen gegen mich spinnst.«

»Intrigen?« die Tränen kullerten nun über ihre Wangen. »...INTRIGEN?! Bist du wahnsinnig geworden?! Du weißt, was sie mit mir machen werden!«

Er zuckte nur erneut die Schultern. »Du wirst es schon überleben.«

Sie rüttelte an den Seesteinketten, doch es brachte sie nur wieder in die Knie. »...Weißt du nicht mehr, was du sagst?« Sie kreischte nun beinahe ihren Schmerz, ihren Schock heraus und hoffte dann endlich aufzuwachen. Wieder waren Worte in ihrem Kopf. "Glaub an mich". Er machte es ihr wirklich schwer. »ES GING DOCH NIE UM MICH!« Sie ließ den Kopf hängen. »Wenn sie bekommen was sie wollen, ist alles vorbei. Hast du denn das... schon vergessen?«

»Vielleicht nicht für denjenigen, der ihnen zum Ruhm verholfen hat.« grinste er.

Sie hielt inne. Diesmal stockte ihr Atem so drastisch, dass sie hustete und die Stirn auf den Dielen ablegen musste. Dieser Schmerz, so vertraut. Aber diesmal hielt ihr Herz nicht an. Nein, diesen Gefallen tat es ihr nicht. »....Das... das kann unmöglich real sein...«

»Hmpf. Bild dir das ruhig weiter an.« Er zuckte nur die Schultern, wandte sich dann an die anderen. »Denkt dran: verhaltet euch ruhig. Ihr habt nichts zu befürchten. Die interessieren sich gar nicht für eure Kopfgelder.«

»...Ich kann mich... doch nicht... so geirrt haben... du... du kannst doch nicht...« Sie schluchzte erbärmlich, aber das störte sie nicht mehr. Es war nicht mehr wichtig, wie schwach sie sich selbst zeigte. Nichts spielte noch eine Rolle. »Du kannst unmöglich so sein... ich... ich habe dich doch... gesehen... dich... erkannt...«

Sie spürte seinen Blick heißkalt auf sich, sich in sie bohrend, doch er erwiderte nichts mehr. Aus der Ferne konnte sie das Schiff näher kommen hören. Die Rufe der Seemänner und die brechenden Wellen, der Wind in den Segeln.
 

Sie sah ihm weinend, flehend entgegen. Sie flehte nicht um ihr Leben, sie flehte um ihren Verstand. »...Ich weiß doch, wer du wirklich bist...«

Doch er glitt abrupt an ihr vorbei, stahl sich aus ihrem Sichtfeld und ging näher an die Reling, das gegnerische Schiff genau vor sich.

Die schwarzhaarige Frau sah von ihm zu dem Schiff und dann war es plötzlich alles blank. Mit einem Mal hörte sie Schreie, Hilferufe und Beschimpfungen. Beinahe wären ihre Augen nach innen gerollt, aber sie ließ es nicht zu, ließ nicht zu, dass sie sich aus der Affäre stahl. Ihr Überlebensinstinkt setzte ein, aber er war schwach, schwächer als jemals zuvor.

Schließlich war das Marineschiff so nahe, dass es andockte. Es stand schräg zu seinem Schiff, damit die Kanoniersluken nicht allzu bedrohlich aufeinander zeigten. Die Männer in Weiß waren zu vorsichtig, um einen Konflikt zu provozieren. Auf dem Schiff salutierten alle Seemänner, an der Spitze drei Offiziere. In der Mitte ein älterer Herr, gedient und mit grauem Haar und Bart. Eine einfache, weiße Mütze auf seinem Kopf, der Bauch üppig, die Arme kräftig. Sein Auftreten war ruhig und gleichsam analytisch. Er konnte ihm gefährlich werden, das wusste Crocodile. Daneben ein jüngerer Mann, Ende zwanzig mit blonden, struppigen, wuscheligen Haaren und ebenso gelben Augen. In seinem Gesicht sah man die Abscheu, den Zweifel. Er roch eine Finte, dessen war er sich sicher. Der Dritte war ein kurzer, schlanker Mann Mitte dreißig, die Uniform ordentlich zugeknöpft, ohne überflüssige Falten, die Miene ernst, aber seltsam gelangweilt. Es war offensichtlich, dass er diese Prozedur schon etliche Male hinter sich gebracht hatte und es ihn mittlerweile langweilte.

Nochmals salutierten die drei Offiziere höflich, dann ging der Dienstälteste einen Schritt nach vorn und nickte seinem Gegenüber auf dem Piratenschiff ehrfürchtig entgegen.

»Sir Crocodile. Oberst Masala führt die Flotte an.« Er verbeugte sich kurz, der Blick sachlich, ehe er auf den blonden Mann links von sich zeigte. »Offizier Hayuken…« Schließlich deutete er zuletzt auf den brünetten Offizier rechts von ihm. »…und Offizier Esche begleiten mich.«

»Und was interessiert mich das?« kam es prompt von Crocodile, der mehr als nur genervt wirkte.

Nach einem Räuspern fuhr Masala fort. »Im Namen des Hauptquartiers, der Marine als Ganzem und der Menschheit möchte ich meinen Dank für Ihre Kooperation aussprechen. Es ist außerdem…«

»Komm zum Punkt.« knurrte er bedrohlicher, verengte die Augen. »Ich hab nicht ewig Zeit!«

Hayuken, der blonde Offizier knurrte leise, murmelte so leise, dass er es kaum verstand. »So etwas…« Dann hob er den Blick und musterte Crocodile skeptisch, fast schon überheblich. »Wie ich sehe, habt Ihr ja bereits gute Arbeit geleistet…«

»Habt ihr etwas anderes von mir erwartet?«

»Hmpf.« Er verschränkte die Arme, während sein Vorgesetzter seinen Männern ein Zeichen gab. »Bringt die Planke!«

Sofort waren die Matrosen bereit und hievten eine breite, stabil wirkende Planke an, die sie zwischen die beiden Schiffe platzierten und festbanden. Zur gleichen Zeit musterten die Offiziere die Mitglieder des Piratenschiffes. Hayukens Blick war besonders penetrant und pendelte immer wieder zwischen Robin und Crocodile umher. Ihm ging das alles zu glatt. Sein Kamerad schlurfte währenddessen an ihm vorbei, auf die Planke zu. Esche war dafür eingeteilt worden Nico Robin persönlich abzuholen.
 

Gerade als der brünette Offizier die Planke betrat und herüber lief, wandten sich Hayukens Augen wieder auf den groß gewachsenen Pirat mit der fetten Narbe im Gesicht. »Eine Frage habe ich dennoch...«

Genervt winkte Crocodile ab. »Was denn jetzt noch?!«

Er ließ sich nicht beirren, analysierte ihn weiter. »Was macht ein Verbündeter der Regierung mit einer Frau wie Nico Robin?«

Alles, was er erntete, war ein breites, böses Grinsen. »Was würdest du mit einer hübschen Frau machen, die sich dir an den Hals wirft?«

Hayuken rümpfte die Nase. »Soll das ein Scherz sein?«

»Sehe ich so aus als scherze ich gerne?« kam es wieder böser, drohender. »Ich liefere sie euch aus, also macht euch keine Sorgen über meine Loyalität. Sie war ne Zeit lang nett, hat Spaß mit ihr gemacht. Aber inzwischen ist sie langweilig geworden. Außerdem...« Und nun schmunzelte er gehässig. »Ist das Geld, das ich für sie bekomme mehr wert als ihre Fähigkeiten im Bett.« Gelangweilt verschränkte Crocodile die Arme und beachtete Robin gar nicht, die in diesem Moment von dem Offizier hochgerafft wurde. »Bringt das Gold nach Arabasta in mein Casino. Ich werde es dort zu gegebener Zeit abholen.«

»Wie Sie wünschen, Sir Crocodile.« klang es erneut ehrfürchtig und sachlich vom Oberst Masala.

»Gut, dann haben wir einen Deal.«

»Hmpf.« Hayuken verschränkte unzufrieden die Arme, noch immer sein Gegenüber musternd.

Esche stieß Robin indessen etwas nach vorn, so dass sie ins Schwanken kam und er sie festhalten musste, dass sie nicht wieder zu Boden ging. Er schnaufte etwas. Sie war zwei Köpfe größer als er und fast bewegungsunfähig. Es machte die Sache nicht leichter, dass sie plötzlich begann sich zu wehren, an ihren Fesseln zu rütteln und sich gegen den Offizier zu werfen. Ihre Stimme war leise, gebrochen, fast besiegt. Aber ein letzten Quäntchen Stärke ruhte noch in ihr.

»Nein...« flüsterte sie. »Nein, nein, nein...« dann streckte sie Esche zu Boden und rannte. Sie rannte einfach drauf los, ohne wirklich hinzusehen, wohin sie rannte. Direkt auf Crocodile zu. Da war Wut und am liebsten hätte sie ihm zugebrüllt, dass sie ihn hasste. Sie wollte ihm Hass zeigen, mit den Augen in ihn hinein feuern, aber sie konnte nicht. Vor ihm blieb sie stehen, sah zu ihm auf und da war nichts weiter, als Leere. Kein Hass. Nicht einmal annähernd. Esche kam hinter ihr hergelaufen und keuchte etwas. Er war nicht unbedingt der Fitteste. Er packte ihre Fesseln und zerrte sie zurück, dass ihre Beine für einen Moment den Halt verloren und in der Luft schwebten. Sie drückte sie weiter durch, doch Esche hielt sie diesmal, bis sie brüllte.

»NEIN! BEIM TOD MEINER MUTTER! NEIN!«
 

Fast hätte sie sich wieder befreit, doch Esche drückte sie fester, bis die Fesseln sich in ihr Fleisch schnitten und sie fast ohnmächtig wurde. Ihr Kopf fiel leicht zurück und wieder stolperte sie. »...Nein... das... kann ich nicht zulassen... ich habe... ich habe es doch... versprochen...«

Knurrend, völlig außer Atem zog Esche sie Richtung Planke und zerrte sie schließlich von seinem Schiff. Seine Stimme klang mehr als nur wütend. »Ihr Piratenpack macht mich so krank. Wenn es nach mir gänge, könntet ihr alle im Wasser ersaufen, dass ihr so liebt.«

Crocodile, der die Arme verschränkt hatte, blickte ihr nur ausdruckslos nach. Er hatte keine einzige Rührung auf ihren verzweifelten Befreiungsversuch gezeigt. Abwehrend, kalt und unbarmherzig stand er noch immer da und schaute ihr dabei zu, wie sie abgeführt wurde.

»Beeil dich, Esche. Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit!« tönte es jetzt auch noch von seinem blonden Kollegen.

»Sei doch still. Wer muss denn hier die Drecksarbeit machen, huh? Jede Woche derselbe Mist. Es geht mir so auf die Nerven.« Er griff nach ihrem Nacken und drückte ihren Kopf zurück, den Hals zwischen seinen Fingern, als wollte er sie erwürgen. »So ein hübsches Mädchen, aber weißt du was, du widerst mich an.«

Robin konnte gar nicht mehr antworten. Sie sah kaum noch die Planke vor sich, konnte kaum einen Schritt machen ohne fast auszurutschen.

»Ich habs echt so was von satt!« Diesmal gab er ihr einen heftigeren Stoß, dass sie nach vorn stolperte und an der Kante hastig um Gleichgewicht kämpfte. Ihr Kopf fiel nach vorn und für Sekunden blieb sie einfach nach vorn gebeugt an der Kante hängen. Ihr müder Blick richtete sich auf die Wasseroberfläche. So ruhig, voller Geheimnisse und Gefahren. Und mit einem Mal war ihr Innerstes verstummt. Sie schloss die Augen, spürte noch, wie Esche sie versuchte festzuhalten, aber es war bereits zu spät. Sie fiel. Und als das kalte Wasser sie umschloss, fühlte sie sich fast, als wäre sie endlich Zuhause angekommen. Sie hörte die Rufe oberhalb gar nicht mehr. Sie war frei.
 

»VERDAMMTE SCHEIßE!« brüllte Esche ihr nach.

Hayuken rannte sofort zur Reling und stierte nach unten. »Was zum?!«

Auch die restlichen Soldaten taten es ihm gleich und sie alle starrten hinab in das tiefschwarze Wasser. Dann begann der blonde Offizier sie anzubrüllen. »Los! Ihr nach, sofort!«

Esche stand noch immer auf der Reling und brüllte den Soldaten ebenfalls zu. »Auf keinen Fall! Hier gibts Haie. Bist du wahnsinnig?!«

»Schnauze Esche!« keifte er ihn an. »Bist DU wahnsinnig?! Diese Frau haben wir 20 Jahre lang gesucht! Ich denke gar nicht daran, sie an die See abzugeben!« dann brüllte er seine Mannschaft an. »Los! Sofort ihr nach!«

»Ich werde doch nicht jemanden aus der Mannschaft opfern, um die Schlampe aus dem Wasser zu ziehen!« Sein Kamerad zeigte ihm den Vogel. »Gehts noch?«

»GUT!« Wütend riss er sich den Mantel aus und warf seine Schuhe zur Seite. »Wenn keiner von euch den Mut dazu hat, dann werde ICH das eben erledigen!«

»Hayuken.« kam es in der ruhigen, aber kräftigen Stimme seines Vorgesetzten.

»WAS IST?!«

Sein Blick war ruhig und doch voller Geheimnisse. »Esche hat Recht. Du weißt, dass es hier Hai gibt. Außerdem wirst du niemals schnell genug sein, ihr nachzukommen. Teufelsfruchtbesitzer sinken wie Stein im Wasser.«

»Also WAS?! Lassen wir sie ersaufen und das wars?!«

Esche kam zurück auf das Marineschiff und stellte sich wieder auf seinen Posten. »So bekommt sie genau das, was ihr zusteht.«

»Was ihr zusteht ist eine gerechte Strafe und nicht ein schneller Tod!«

»Sie wird langsam ersticken.« Der Hauch eines gehässigen Grinsens legte sich auf die Miene des brünetten Offiziers. »Wenn ich daran denke, wie viele gute Männer ihr zum Opfer gefallen sind, wie viele in den Fluten durch sie bereits ertrunken sind, dann halte ich das für genau die richtige Strafe.«

»Grrrrrr!« Der blonde Offizier wandte den Blick nun schnaubend zu Crocodile. »...DU!«

Dieser blickte ihm nur gelangweilt entgegen. »Was ist? Werde ich nun dafür verantwortlich gemacht? Dafür, dass die Marine nicht aufpassen kann und ihre Gefangenen ertrinken lässt? Also bitte…«
 

»Tu nicht so scheinheilig! Diese ganze Situation war von Anfang an komisch! Du willst uns verarschen!«

»Wie bitte?!« Drohend kam er einen Schritt auf ihn zu, obwohl sie noch immer die Planke trennte. »Hab ich sie etwa geschubst oder was?!«

»Warum war jemand wie Nico Robin überhaupt in Ihrer Crew, Sir Crocodile!« Er ging darauf ein, kam ebenfalls einen Schritt auf ihn zu und bleckte die Zähne. »Ihr müsst gewusst haben, wer sie ist! Gewusst haben, dass wir sie suchen!«

»Ich hab sie euch ausgeliefert, oder? Was wollt ihr noch?«

»Grrrr!« Hayuken musste sich zusammenreißen ihn nicht zu beleidigen. Er war vollkommen außer sich. »Ja und jetzt sinkt sie auf den Grund des Meeres!«

Nun tat Crocodile noch einen Schritt nach vorne und wurde ungehaltener. »Was willst du von mir? Ich kann nichts dafür, dass ihr zu blöd seid eure Gefangenen richtig zu behandeln! Ich hab sie euch ausgeliefert und damit hat sichs. Ich will mein Geld!«

»Wie sollen wir das beweisen ohne ihren Körper zu haben, huh?!«

Esche knurrte nun ebenfalls, er war mehr als nur ein bisschen genervt von dieser Situation. »Kriegt euch doch endlich mal ein.«

Darauf knurrte der Pirat lauter. »Ihr wollt ihren Körper? Tss, dann taucht doch nach ihm. Ich mach das jedenfalls nicht! Und ich habe sie euch verdammt noch mal LEBEND ausgeliefert, das heißt ich bekomme auch mein Geld! Wagt es nicht mit mir zu feilschen! Ist es meine Schuld, dass die Marine aus ein paar Idioten besteht, die nicht mal auf ihre Gefangenen aufpassen können?!«

»Hüte deine Zunge, du dreckiger Pirat!«

»Hayuken...« mahnte sein Vorgesetzter, doch er schien ihn nicht zu erreichen.

Esche ließ seine Haltung etwas locker. »Dem würde ich ausnahmsweise mal zustimmen.«

»Dreckiger Pirat?! Willst du mich verarschen du Wurm? Ich arbeite mit euch zusammen! DU solltest MIR Respekt entgegenbringen!«

Darauf begann Esche zu lachen. »Du meinst so wie du uns respektierst? Das ist ja lächerlich.«

»Grrr...« Der blonde Offizier wollte gerade noch etwas erwidern, als sein Kommandant ihn zur Seite schob. »...Ganz ruhig, Sir Crocodile. Wir wollen keinen Streit über so etwas vom Zaun brechen...«

»Fein.« Abweisend verschränkte er die Arme. »Dann versichert mir, dass ich mein Geld bekomme.«

»Kommandant, wollen Sie dem Kerl wirklich das Gold geben?« Esche klang nicht sehr begeistert.

Doch der ältere Mann blickte nur weiter zu Crocodile, die Stimme tief und bestimmt. »Ihr müsst zugeben, dass es ungewöhnliche Umstände sind. Ich muss das erst mit meinen Kollegen bereden. Deswegen kann ich Ihnen zum jetzigen Zeitpunkt lediglich 70% zusprechen.«

»70%? Wegen eurer Inkompetenz?!«

»Hey, pass auf was du sagst!« Der Kerl machte Esche sowas von wütend.

»Das ist alles, was ich Ihnen zu diesem Zeitpunkt versprechen kann. Wir werden Sie kontaktieren, wenn wir Genaueres wissen.«

»Fein!« Schaubend löste er seine Arme und stampfte davon. »Aber ich versichere euch, das wird ein Nachspiel haben, wenn ihr mir nicht die gesamte Summe überweist!«

»Grrr... mieser... geldgieriger…« Hayuken spuckte noch immer Gift und Galle, doch Oberst Masala gab ihm und Esche einen warnenden Blick.

»Wir haben hier nichts mehr zu verlieren. Holt die Planke ein, wir reisen ab. Und Hayuken... zieh dich wieder an, wir sind nicht am Strand.«

»Aber Oberst Masala!«

»Los!«

Zähne knirschend sammelte der blonde Mann seine Sachen zusammen und stampfte davon, während die Matrosen eifrig die Segel setzten und den Kurs neu bestimmten. Esche atmete erleichtert aus. Endlich weg hier, von diesem Zirkus.
 

Als Crocodile aus dem Augenwinkel bemerkte, dass das Marineschiff ablegte, wandte er sich an Paula und Jazz, die vollkommen ausdruckslos neben ihm standen. »Los, holt den Anker ein und setzt die Segel!«

Gehorsam taten sie es sogleich und Gal hastete in die Rahen, um Paula bei ihrer Arbeit zu helfen. Nur einmal blickte Crocodile zurück auf das große Schiff, betrachtete die Soldaten, die wie Lemminge durch die Taue wuselten. Dann wandte er sich um und verschwand unter Deck.

Die Minerva gewann langsam an Fahrt, es dauerte erheblich länger, da sie im Gegensatz zum gegnerischen Schiff den Anker einholen mussten. Erst als er in seiner Kajüte das Schäumen und Brechen der Wellen am Rumpf des Schiffes hörte, atmete er erleichtert aus.

Sein großer Körper krachte gegen die Tür, lehnte sich an ihr und sank langsam an ihr herab. Erst jetzt ließ er all das heraus, was er zuvor versteckt hatte. Sein rasender Puls, der rasselnde Atem, die Kopfschmerzen, die Schuldgefühle, das Zittern seiner Hand. Fast panisch krallten sich seine Finger in sein Haar, rissen an ihm, damit der Schmerz ihn bei Verstand hielt. Doch alles, was er sehen konnte, war ihr Gesicht vor sich. Der verzweifelte Blick, die Angst und der Glaube an ihn. Es schnürte ihm die Kehle ab. Doch er nahm es dankbar in Kauf. Der Schmerz tröstete ihn, machte ihm klar, dass er das Richtige getan hatte. Es war seine Schuld, seine Last und sein Lohn.

Lügen

Von dem was oberhalb des Wasserspiegels vor sich ging, bekam Robin nichts mehr mit. In weniger als 30 Sekunden war sie am Meeresgrund angekommen. Schneller, als sie erwartet hätte, hätte sie darüber nachgedacht. Das Meer war hier nicht sonderlich tief, vermutlich die ansetzende Landzuge vor der nächsten Insel. Um sie herum war es still, nichts drang von außen in ihr Innerstes. Nichts außer die Kälte. Es war wirklich bitterlich kalt. Nicht, dass sie das noch gestört hätte. Sie wollte ihre Augen wieder öffnen, um in das schwarze Nichts zu blicken, aber sie konnte nicht, konnte sich keinen Millimeter rühren. Vielleicht war es besser so.

Wie lange würde es wohl dauern? Dauern, bis sie die Luft nicht mehr anhalten konnte, bis das Wasser, das Leben spendete und nahm, in ihre Lungen Einzug erhielt und sie erdrücken würde, zerquetschen? Beinahe musste sie darüber lachen. Zerquetschen? Was denn? Sie war schon längst zerquetscht worden, lange bevor sie auf das Wasser getroffen war. Beinahe wollte sie weinen. Hier endete es alles? Dafür hatte sie so lange, so hart gekämpft? Dafür hatte sie alles aufgegeben, alles, an das sie jemals geglaubt hatte? Sie hatte nicht oft in ihrem Leben vertraut, so gut wie nie die Hoffnung in ihr Herz gelassen und es wäre besser für immer so geblieben. Menschen wie sie, Menschen wie Nico Robin waren nicht dazu gedacht zu lieben, zu vertrauen. Wie hatte sie sich nur so täuschen können? Wie hatte er sie so hinters Licht führen können? Auch jetzt noch, in ihren letzten Minuten konnte sie nur an ihn denken, daran dass sie noch immer nicht einsehen wollte, dass sie sich in ihm getäuscht hatte. Crocodile... da war doch so viel. Die vier Jahre auf Arabasta, jeder Moment, der sie ihm näher gebracht hatte. Die Reise und Suimin, die letzten Wochen... Elisa und dann Omoide... War es denn tatsächlich möglich, dass sie alles falsch verstanden hatte? War sie so leichtgläubig in dieses Gefühl gerannt? War es das, was Liebe war? Eine Verräterin, genauso wie Robin? Sie hatte sie in den Untergang geführt. In die lachenden Arme des Todes. Fast schmunzelte sie. Jetzt hast du mich also doch bekommen. Und was machst du jetzt mit dem Teufel von Ohara?

Es war ihr ganz egal. Was auch immer jetzt kommen mochte, es konnte unmöglich schlimmer sein als das Leben. Dann stockte ihr Atem und sie begann zu husten. Sie musste plötzlich an Sierra denken, an den Geist von Omoide. Sie war so dumm. Das Schlimmste vorbei? Das stand ihr doch erst noch bevor. Ewig dazu verdammt auf Erden zu wandeln, nur weil sie hier noch nicht fertig war. Sie war die Letzte aus ihrem Kreis, die Letzte, die das Geheimnis noch lüften konnte, die Allerletzte. Ohne sie wären alle umsonst gestorben, all das Leid, der Schmerz wären umsonst gewesen, aber... auch das schien gar nicht mehr so bedeutungsvoll zu sein, denn sobald sie sich darauf einließ, sprang wieder sein Gesicht in ihren Kopf. Liebe... wer hatte sich das nur ausgedacht? Wie hatte Crocodile Elisa überleben können, wenn es so sehr wehtat? Überraschte es sie jetzt wirklich noch, dass sie ihm nie wirklich etwas bedeutet hatte? Wie könnte er auch noch einmal lieben? Wer ließ sich schon freiwillig erneut darauf ein? Man musste lebensmüde sein. Das Husten wurde schlimmer und sie wusste: es war bald vorbei. Wasser lief bereits in ihren Mund und drang in ihre Kehle. Sie wollte einen letzten Versuch machen, noch einmal nach Luft schnappen, wo sie doch wusste, dass es vollkommen sinnlos war.
 

Ihr Körper ließ sie jedoch nicht. Ihre Brust begann zu brennen, ihr Kopf schmerzte und der Druck in ihren Ohren wurde so stark, dass sie fast das Bewusstsein verlor, als sie plötzlich angehoben wurde. Das Ganze ging so schnell, dass sie gar nicht richtig mitbekam, was passierte. Erst als ihr Kopf die Wasseroberfläche durchschlug und sie eilig Sauerstoff in ihre Lungen zog, versuchte ihr Gehirn die Sinneseindrücke wieder zu prozessieren. Jeder Atemzug glitt wie Feuer über ihre Haut, jedes Einatmen brachte einen Schwall Wasser zu Tage, der sich schon begonnen hatte in ihr einzunisten. Sie hustete sich die Seele aus dem Leib, aber ganz egal wie sehr sie sich schüttelte, sie ging nicht wieder unter. Erst nach einer ganzen Weile wurde ihr bewusst, dass sie tatsächlich jemand in seinen Armen hielt.
 

In der Dunkelheit konnte sie lediglich Schemen ausmachen, aber sie musste die Person gar nicht ganz genau erkennen, um zu wissen, wer sie da in seinen Armen hielt und wer es war, der sie durch das Wasser zurück zum Schiff zog. Sie konnte ihre Umgebung nicht wirklich gut ausmachen und so richtig wollte sie das auch gar nicht. Sie war frei gewesen, so nah dran und jetzt lief das Leben einfach weiter. Der dumpfe Schmerz in ihrer Brust wurde erneut zurück gedrängt, bis sie für den Ton ihres Herzschlages taub wurde.

Der Riese drückte sich wie ein Fisch durch das Wasser, schnell, als hätte er es eilig. Im Mondlicht glitzerte sein nasses Haar fast silbern. Kein Wort drang über seine Lippen, aber unterbewusst war Robin klar, dass es Miki niemals so gehen würde, dass Worte leichtfertig aus ihm heraus schlüpften. Gern hätte sie sich gewehrt, ihn angeschrien, aber sie fühlte sich so schwach, kaum mehr menschlich. Ausgepresst wie eine Zitrone, voller Bitterkeit und unheimlicher Angst. Was kam jetzt? Was hatten sie sich nun für sie überlegt? Reichte es denn noch nicht? Hatten sie Miki befohlen nach ihr zu tauchen, damit die Marine sie mitnehmen konnte? Hatte Crocodile ihm gesagt, er solle seinen Preis aus dem Ozean retten? Vermutlich hätten sie ihn sonst nicht bezahlt. Wut, nein, Zorn war es, der ihre Gedanken überflutete und wieder wünschte sie sich ihn zu hassen, konnte es noch immer nicht.

Sie erreichten das Schiff in Schweigen und es war Uma, der sie aus einer der untersten Luken begegnete. Sie streckte beide Arme aus, um Robin hinein zu hieven, Miki dicht hinter ihr. Uma zog sie in den Raum, in dem die Kanonen standen. Kein Licht brannte, um keine Aufmerksamkeit auf sie zu lenken, aber darüber dachte Robin nicht nach. Sie sagte kein Wort, war noch viel zu schwach durch die Ketten, um sich zu bewegen. Erst als Uma ihr diese abnahm und ein Handtuch über die Schultern legte, reagierte sie, wich endlich zurück, krabbelte fast über den Boden und wusste selbst nicht, was sie antrieb. Was für einen Sinn hatte das bitte? Sie konnte sowieso nicht fliehen.

Miki hielt sie plötzlich wieder fest, drückte sie nach oben und brachte sie in eine sitzende Position. Völlig verängstigt und voller Fragen starrte sie erst ihm und dann Uma entgegen. Das war im wahrsten Sinne des Wortes Umas Stichwort gewesen. Endlich, endlich konnte sie es dem Mädchen erklären. Endlich war diese Scheiße vorbei.

»Robin, es tut mir ja so, so leid. Hör mal, echt jetzt. Das war alles fake, okay. Die ganze Übergabe war falsch, von uns in Szene gesetzt um die Marine zu veräppeln. Bossu hat-«

In diesem Moment spürte sie fremde Hände auf ihrem Mund, die sich fest gegen sie pressten. Im nächsten lag sie auf dem Boden, Robin über ihr gelehnt. Ihre Augen glühten gefährlich, bedrohlich, tödlich. Scheinbar steckte auch in Robin ein Monster, das den Namen Teufel durchaus verdiente. »Sei still! Ich will von euch nichts hören! Ich will gar nicht wissen, was ihr diesmal plant. Meint ihr wirklich, ich falle auf den Trick zweimal hinein?!«
 

Miki zog sie abrupt von Uma herunter, dass Robin für einige Sekunden in der Luft baumelte, ehe er sie sanft wieder herunter ließ. Er sagte kein Wort, gab Uma lediglich ein paar Zeichen, dass sie aufgebracht aufstöhnte.

»Aber wir müssen es ihr doch erklären! Ja, das müssen wir! Sofort!«

Wieder flogen Mikis Finger durch die Luft, worauf Uma sich knurrend abwandte und aus dem Raum trat, die Tür mit Schwung hinter sich zu krachen ließ. Miki ließ Robin los und stellte sich neben sie, sah sie an. Sie traute es sich kaum in seine Augen zu blicken. Sie hatte geglaubt, sie alle zu kennen und sich so schrecklich darin getäuscht. Sogar in Miki, dabei war er doch... nein, es war nur alles wieder eine Lüge. Eine Weitere, um sie mürbe zu machen. Wohl solange bis sie freiwillig ins Messer sprang. Sie grinste böse, ihre Stimme zittrig.

»Herzlichen Glückwunsch. Ihr habt es fast geschafft. Und was kommt jetzt? Noch mehr Zirkus?«

Doch natürlich antwortete Miki ihr nicht. Sein Blick war klar und aufgeschlossen. Zur Hölle damit! Sie konnte ihren Sinnen, ihren Eingebungen keinen Millimeter trauen. Ihre kausalen Ketten waren zum kotzen, ihre Intuition gehörte auf den Müll. Eigentlich hätte sie sich wirklich einfach erschießen können. So war sie doch gar nicht lebensfähig. Und warum lebte sie überhaupt noch? Das war alles ein großer, dummer Witz!

Mit den Nerven völlig am Ende zuckte sie schließlich vor Miki zurück und krabbelte in eine Ecke, kauerte sich dort zusammen, zog die Beine an den Körper und versteckte ihren Kopf zwischen diesen, legte die Arme darum und begann zu warten. Nicht lange und sie wippte vor und zurück, wie ein kleines Kind, dass aus einem besonders brutalen Albtraum erwacht war und nicht mehr schlafen konnte. Nie wieder. Miki blieb reglos und stumm in ihrer Nähe und wachte über sie. So kam er ihr vor. Wie ein gutmütiger Wächter. Fast musste sie lachen und weinte doch. Alles Lüge. Alles eine große, fette Lüge.
 

So verging die Zeit. Wie eine Ewigkeit lag sie über ihr, auf ihr, drückte sie herab, hielt sie am Boden. Sie war wie das Klopfen der Wellen am Holz, das Biegen des Schiffes, das laute Knarren der Seile und Kanonen neben ihr - sie trieb voran, ohne sich je zu verändern. Draußen war es noch immer tiefste Nacht, nur ein wenig Mondlicht erreichte das Innerste des Kanonenraums. Die Luft war kalt, nass und unangenehm. Zeit verstrich und hinterließ einen bitteren Beigeschmack. Sie bekam es kaum mit, als sich oben die Tür wieder öffnete und lange, tiefe Schritte näher kamen.

Geduldig, fast vorsichtig drückte sich die Gestalt durch die Dunkelheit und gab Miki dann das Zeichen zu gehen. Ohne zu zögern folgte dieser dem Befehl, sah sich noch einmal nach Robin um, Sorge auf seinen Zügen erkennbar. Robin bekam es kaum mit.

Als sie seine Gegenwart spürte, zog sie sich nur noch mehr zusammen, als könnte sie das Gefühl so aussperren. Scheinbar war sie noch immer nicht gestorben, innerlich noch genauso am bluten wie zuvor. Noch immer war es dunkel, die Welt bestand nur aus den Geräuschen des Schiffes und der See. Die Tür ging erneut ins Schloss, sie waren allein. Sein Atem kaum hörbar, nur wenige Schritte von ihr entfernt und doch mit sicherem Abstand. So stand er da und sie spürte seinen Blick auf sich. Momente lang, Minuten lang.

Sie wusste gar nicht woher sie die Kraft kam, wie ihre Augen es schafften, an ihm hinauf zu klettern. Und während sie dies tat, fragte sie sich, warum sie sich diesmal selbst verletzte. Warum wollte sie wieder in diese Augen blicken, erneut zerstört werden? Das war doch krank.

Erst als sie sein Gesicht erreicht hatte, wusste sie es wieder. Sie liebte ihn. Wütend drängte sie dieses Gefühl und jede weitere Sanftheit in sich zurück. Wie konnte sie so jemanden lieben? Wie abartig masochistisch war sie nur geworden?
 

Stumm erwiderte er ihren Blick, und sie fand in seinen Augen so unendlich viele Gefühle - zusammengequetscht in einer dunklen, braunen Iris. Seine Augen schienen zu vibrieren, fast zu ertrinken in der Flut, die er nun nach außen los ließ. Dort war kein Funkeln mehr, aber auch keine Leere. Viel eher ein Sturm, der über ihn hinweg fegte. Er ertrug es nicht, nicht lange hielt er es aus, ehe er den Blick nach unten lenkte. Seine Stimme ertönte, aber selbst diese wirkte wie ein Relikt seiner einstig tiefen, gefährlichen Tonlage. Sie hätte ihn fast nicht verstanden, so leise und kraftlos sprach er.

»Schön... dich noch in einem Stück zu sehen.«
 

»Warum?« kam es kalt. Sie wusste nicht, wie sie es sonst aushalten sollte. »Hast du damit gerechnet, dass mich die See in Stücke zerfetzt?«

»Ich habe mit vielem gerechnet...« erwiderte er leise, tonlos.

Fast hätte sie gelacht. Gott, sie spürte, wie es ihr wirklich aus den Fingern glitt, wie ihre Rationalität sich verabschiedete. Würde sie jetzt selbst dem Wahnsinn verfallen? Und warum hatte sie das nicht schon viel früher? Das machte es ja so viel leichter. Unendlich leichter. »Ich hätte jetzt gesagt: typisch, aber das scheint mir mittlerweile unpassend.«

Darauf erwiderte er nichts, blickte sie nur aus dem Augenwinkel an.

Endlich raffte sie sich auf und kam auf die Beine, stützte sich etwas an der Wand an. »Du musst mir schon sagen, was du jetzt willst. Ist ja nicht so, als wüsste ich, was in deinem Kopf vor sich geht. Nicht so, als hätte ich es jemals gewusst.« Oh, damit konnte man selbst das Wasser zu Eis gefrieren. Dabei war sie so wütend. »Warum ersparst du mir das nicht, huh? Habe ich es nicht mal verdient, dass du es schnell beendest? Muss das so ewig weiter gehen? Hast du noch nicht genug?!«

»Es tut mir leid.« war alles, was er darauf erwiderte, erwidern konnte.

Sie wandte den Kopf ab und hielt ihre Hand vor ihr Gesicht. Sie zitterte wie Espenlaub. »Was willst du noch von mir?«

»...« Sein Kopf sank ab, er musste den Blick abwenden.

Dann schrie sie ihn plötzlich an, kam auf ihn zu, griff nach seinem Hemd und krampfte sich darin fest. »HÖR ENDLICH AUF DAMIT!!«
 

Sie sah, dass sein ganzes Gesicht verkrampft war, er konnte sie nicht einmal mehr ansehen. Seine Augen wichen vor ihr zurück wie der Schnee vor der Sonne. »...Womit?«

Ihr Kopf fiel zurück, die Augen zusammen gepresst. »...Jetzt sehe ich schon wieder jemanden, den es gar nicht gibt. Warum tust du das? Was habe ich dir denn getan?«

»...Du hast nichts getan...«

Glut, wie Lava brannte aus ihren Pupillen, sprühte förmlich gegen ihn, versuchte ihn zu verbrennen, auszulöschen. »Am liebsten würde ich dich erwürgen!«

»Ich bin auf alles vorbereitet...« Nun zwang er sich doch sie anzusehen. Doch seine Mimik verriet, dass er nicht länger cool, nicht länger unnahbar war. Ihre Flammen waren längst auf ihn übergegangen, verkohlten ihn bereits. »...Ich werde mich dem fügen, was du willst.«

Sie stieß sich plötzlich von ihm, trat zurück, als wäre nun sie es, die verbrannte, bis ihr Rücken gegen die Wand stieß, an der sie sich nun wieder festhielt. Ihr Brustkorb senkte sich rapide und ihr Kopf schwirrte. Auf ihrer Stirn brach bereits der Schweiß aus und ihr Zittern wurde schlimmer »Was... soll das?«

Noch immer blickte er sie an, drückte den Rücken durch und hielt die Luft an. »Ich habe von Anfang an gewusst, dass das meine letzte Chance ist. Ich wusste, wie sehr es dich verletzt. Und doch sah ich keinen anderen Ausweg. Ich habe mir geschworen, dass ich alles ertrage, was du mir entgegenzusetzen hast. Komme, was wolle... Es ist dein Recht.«

Ihr Atem kam immer schneller, so dass sie kaum noch Luft bekam. »...Wovon... redest du da?«

»Uma hat es dir doch sicher bereits erzählt... sie kann ihre Klappe nicht halten...«

Sie giftete ihn an. »Du meinst die neuen Lügen?! Du musst sie nicht mehr alle beieinander haben, wenn du wirklich glaubst, dass ich irgendeinem von euch noch einmal ein Wort glaube!«

»Das ist dein gutes Recht. Ich habe nicht erwartet, dass du es tun würdest.«

Sie schwankte so sehr hin und her. Kaum ein Gedanke blieb in ihrem Kopf. »So ein Scheißdreck. Wo ist die Marine?!«

»Längst verschwunden... ich denke, sie haben es geschluckt.«

Sie verengte ihre Augen. »Was geschluckt?«

»Die Geschichte deines Todes.«
 

Jetzt wurden ihre Augen riesig »Komisch, ich fühle mich noch halbwegs lebendig.«

Es fiel ihm sichtlich schwer ihr weiterhin in die Augen zu sehen. »...Es war alles geplant. Seit Sonnenbrücken, seit Arabasta. Bons Verschwinden, seine Einschleusung in die Marinebasis von Quom, Toshi-o-Toru, um Iroko abzusetzen... die Fahrt hierher, in die Gewässer der zuständigen Marinebasis Quom. Ich denke, Bon hat seinen Job sehr gut gemacht... er ist sicherlich noch dabei die letzten Details zu erledigen... damit die ganze Welt glaubt, du seist tot und keine Gefahr mehr...«

Ihre Lippen bebten, ihre Augen wurden immer größer. Eigentlich überraschte sie es fast, dass sie ihr nicht aus dem Kopf fielen. »Bon?!«

»...Du hast ihn also nicht erkannt. Gut. ... Er war Offizier Esche... der dich gestoßen hat.«

Sie keuchte schwerer. »...Wa...s?«

Nun fiel sein Blick doch wieder ab. »Miki hatte bereits die ganze Zeit im Wasser gewartet, Uma genau hier. Sie alle wussten Bescheid und sie alle haben es aus freien Stücken mitgemacht. Außer Iroko natürlich. Sie sollte da nicht mit hineingezogen werden.«

Wütend ballte sie ihre Fäuste. »...Du...« Dann flogen wieder die Pfeile aus ihren Augen. »Lass das endlich. Hör auch mich zu belügen!«

»Was für einen Grund hätte ich noch, das zu tun? Du bist frei... du kannst tun und lassen, was du willst. Ob du der Welt zeigen willst, dass es Nico Robin noch gibt... oder ob du es ausnutzt, um ohne Verfolgung zu leben...« Wütend biss er sich auf die Lippe und drehte sich etwas weg. »Es tut mir leid... so wollte ich das nicht ausdrücken... Es... ist nur so, dass... Egal wie sehr ich darüber nachgedacht habe, wie oft... es lief immer nur auf das Gleiche hinaus. …Ich wollte versuchen, zumindest versuchen diesen Kreis zu brechen. Und dir zumindest die Möglichkeit zu geben nicht mehr verfolgt zu werden.«

Plötzlich knallte es schallend in der nächtlichen Stille. Der rote Abdruck war noch auf Crocodiles Wange zu sehen, den Robin hinterlassen hatte. Ihre Hand pochte leicht, aber das war es wert gewesen. »Was fällt dir ein?!«
 

Sie stieß gegen seine Brust, wieder und wieder und bemerkte dabei gar nicht, wie ihr die Tränen kamen. Noch einmal hatte sie die Kraft ihn zu schlagen, dann erfasste sie ein lähmendes Zittern. »Frei?! Du redest ernsthaft noch von Freiheit? In meiner Gegenward? Davon nicht verfolgt zu werden? Ja, ich sehe schon. Du denkst ich bin wirklich richtig bescheuert, dumm wie Stroh. Ich habe mich ja schließlich auf dich eingelassen, nicht wahr?!«

»...Ich weiß, wie sehr dich das verletzt... und selbst wenn du mich dafür hasst, ich... wollte es zumindest versuchen. Robin... es tut mir leid, aber ich sah wirklich keinen anderen Weg.«

Ihre Stimme brach völlig, Schmerz, Wut und das Gefühl der Niederlage schwang darin mit. »Verletzt? Ich weiß nicht was du meinst? Hätte mich eigentlich nicht überraschen sollen. Warum sollte der Mann, in den ich mich verliebt habe, auch anders sein als all die Anderen?! Du hast Recht, ich war blauäugig.«

Er blickte hinab in ihre Augen, verlor sich darin, bohrte sich in ihr Innerstes, dass sie seine Sprachlosigkeit fast fühlen konnte.

Sie schüttelte ihn ab, schüttelte tatsächlich ihren Kopf und schubste ihn zurück, legte die Hände auf die Augen. »HÖR AUF! Hör auf mir weiß zu machen, du wärst anders, als du es mir heute gezeigt hast! Ich ertrage das nicht! Das ist doch lächerlich! Freiheit? Kein anderer Weg?! Ich bin über 20 Jahre Nico Robin gewesen, freiwillig. Ich habe mich niemals verstellt! Meine Identität war das Einzige, dass ich ihnen entgegen zu setzten hatte und du willst mir erzählen, das ist deine Lösung?!« Sie presste sich erneut gegen die Wand, als könnte sie so all dem entkommen. »NEIN! Ich glaube das nicht! Hör auf! Hör auf damit. Warum quälst du mich noch immer?! Ich bin doch...« schluchzte sie nun und die Tränen rannen über ihre Wangen. »...schon längst besiegt!«

»Robin...« Für einen Moment stockte er, als wüsste er nicht weiter. Dann zwang er sich weiterzusprechen, die Stimme schwer und dick von Gefühlen. »Ich weiß wie stolz du auf deine Identität bist, ich weiß dass du sie nicht verleugnen willst. Aber... die Person, die heute gestorben ist, das bist nicht du... Das ist der Mythos, vor dem sich die Welt fürchtet. Du bleibst Nico Robin... Und du bleibst die Frau, in die... ich mich verliebt habe. ...Für die ich selbst bis nach Impel Down gereist wäre, hätte unser Plan heute nicht geklappt. Es... steht mir nicht zu dir zu sagen, was du tun sollst. Es ist deine Entscheidung. Selbst… wenn du mich tot sehen willst.«
 

Sie griff sich hart in ihre Brust und am liebsten hätte sie sich das verfluchte Ding endlich heraus gerissen »...Du... du... hast... was?« Ein letztes Mal schaffte sie es ihn anzusehen. »Geht... deine Grausamkeit soweit mir das vorzuspielen?«

»Ich spiele nichts mehr vor... Ich habe nichts mehr zu verlieren... Der Plan ist durch, ich habe, was ich wollte. Der letzte Schritt liegt bei dir.«

»So... du hast also was du willst. Herzlichen Glückwunsch, Sir Crocodile. Du hast geschafft, was vor dir niemand anderes fertig bringen konnte. Du hast mich zerstört.« Sie ging in die Knie, ihre Beine waren weich wie Pudding. Die Tränen kamen schlimmer und obwohl sie schon längst nicht mehr wusste was Wahrheit war und was Lüge, sprach sie es einfach aus. Er konnte ihr nicht noch mehr wehtun. »Welchen Schritt stellst du dir denn vor, hm? Soll ich freiwillig von der Reling springen?«

»...Wenn du willst, dass ich dir folge.«

Ihre Krallen gruben sich in das harte Holz unter ihr, aber sie spürte diesen schwachen Schmerz gar nicht. »Du... willst mir allen Ernstes weiß machen, das war alles gelogen? Ein Schauspiel... für mich?«

Sie hörte ihn tief Luft holen, sein Atem rasselte dabei immer heftiger. »Es tut mir so leid. Ich konnte es dir nicht sagen. das Risiko war zu groß... ich durfte mir keine Fehler erlauben. Es musste echt wirken...«

Sie grinste ihn an, doch in ihren Augen waren nur Tränen, die Augen dunkel, voller Verwirrung. »Ich habe mein ganzes Leben eine Rolle gespielt. Und dann kommst du daher und erzählst mir, ich hätte diese Szene nicht spielen können? Authentisch? Wo ich es doch schon so oft erlebt habe?! Und das soll ich dir glauben? Du musst mich wirklich für dumm halten.«

»Nein... nicht dumm, Robin.« Er schluckte, kam nur einen winzigen Schritt näher, blickte fast flehend zu ihr hinab. »Aber ich konnte das Risiko nicht einkalkulieren. Du kennst es... egal wie gut man lügen, wie gut man schauspielern kann... wenn nur Kleinigkeiten, Details auffallen, merkt man es sofort. Vor allem, wenn man so viele skeptische Blicke auf sich hat. Stets den Gedanken daran, dass man etwas falsch machen könnte, nicht authentisch erscheint, irgendetwas zu vergessen... Man merkt es immer, wenn zwei Menschen schauspielern... Ich konnte das nicht zulassen. …Es tut mir leid.«
 

»Du... hast mir nie vertraut...« Sie starrte mittlerweile nur noch auf den Boden. »...War ich jemals mehr für dich als eine Spielpuppe, als ein Bauer in deinem Schachspiel?«

»...Das hat nichts mit Vertrauen zu tun. Nicht das Geringste. Es war meine Aufgabe. Meine Idee.«

»...Wer bist du wirklich, Crocodile? ...Wer?« Sie schluchzte immer lauter »...Und warum interessiert mich das überhaupt noch?«

»...Ich war dir etwas schuldig. ...Dafür, dass du mich von Elisa befreit hast. Und...« nun lachte er leise, höhnisch. »...und alles, worüber ich danach nachdenken konnte, war wie ich es dir zurückzahlen konnte. Du hast Recht... mir ist keine bessere Idee gekommen, als dein ganzes Vertrauen in mich aufs Spiel zu setzen. ...Es tut mir leid. Alles was ich wollte, war... dass du ruhiger schlafen kannst.«

»Ich habe das getan, weil ich dich liebe, gott verdammt! Und du zahlst es zurück indem du über mein Leben entscheidest, als wenn ich ein kleines Kind wäre? Als wenn ich nicht allein auf mich aufpassen könnte? Ich habe doch... ich habe ruhig geschlafen. Hast du das nicht gemerkt?! War das... nichts wert?«

Er schüttelte den Kopf. »Es musste etwas passieren. Die Marine klebte mir auf den Fersen, sie waren misstrauisch. Und ich musste ihnen etwas vor die Füße werfen. Das hat nichts mit mir zu tun. Mein Leben ist mir nichts mehr wert. Was ich bei Sonnenbrücken gesagt habe, war die Wahrheit. ...Ich pfeife auf meine Freiheit, wenn du nicht an meiner Seite bist. Aber ich kann es ertragen, wenn du gehst. Wenn du es aus diesem Grund tust, kann ich damit leben.«

»Wie schön für dich... ich kann das nicht. Ich kann das schon lange nicht mehr.« Wütend wischte sie sich über die Augen, aber die Tränen kamen unkontrolliert. »Weißt du, was mich wirklich wütend macht? …Noch immer bilde ich mir ein, dich zu kennen. Bilde ich mir ein, dass das alles ja wirklich so gut zu dir passt. Dabei sollte ich keine Urteile mehr über dich fällen. Nie weiß ich, was die Wahrheit ist und was Lüge. Dabei habe ich mir immer so viel auf meine Menschenkenntnis eingebildet. Ich habe immer jemanden in dir gesehen und jetzt... weiß ich nicht, ob dieser jemand jemals existiert hat.«
 

Als er darauf nichts erwiderte, kauerte sie sich zusammen. »Warum tust du das?« Sie bemerkte nicht einmal, dass sie sich wiederholte, war sich nicht einmal sicher, ob sie seine Worte überhaupt verstand. »...Ich will das nicht mehr hören. Wie du mir weiß machst, dass ich dir irgendwas bedeute. Ich will mir nicht sagen müssen, dass du das für mich getan hast. Ich will das nicht!« Wieder brüllte sie ihn an. »Warum tust du dir das dann selbst an?! Wenn du mich wirklich gern hast, warum quälst du dich selbst? Warum lastest du dir das alles auf die Schultern? Meinst du das macht mich glücklicher?!«

»...Ich habe dich schon lange mehr... als nur gern.«

»Oh, natürlich. Ich habe dich gesehen. In deinem Kopf, ich habe gesehen, was du für sie empfunden hast. Und nicht zum ersten Mal frage ich mich, ob du danach überhaupt noch dazu fähig sein konntest so etwas noch einmal zu empfinden. Wenn es sich so anfühlt... wie könntest du?«

»...Meinst du wirklich... ich hätte mir so viel Arbeit gemacht, so viel Kraft hineingesteckt... so etwas durchgehalten, wenn ich dich nicht lieben würde?«

Sie schüttelte den Kopf. >So viel Schmerz... das bin ich nicht wert.«

»...Nein, das stimmt.« Er atmete tief durch und sie sah, wie er leicht zu zittern begann. »Du bist noch viel mehr wert als das.«

Sie fragte sich nicht, woher sie dieses Mal die Kraft nahm, als sie ihn ansah. Vielmehr, sie wollte sich nicht eingestehen, dass der Grund für ihren Schmerz der gleiche für ihren Mut und ihre Kraft war.
 

Crocodile wirkte vollkommen zerstört, als müsse er sich gleich übergeben. Sie spürte die Luft zittern, als würde sie widergeben wie schwer es ihm fiel sie anzusehen. Seine Stimme brach immer wieder, zerbröckelte wie Staub und raffte sich stets erneut auf. »Ich hätte niemals zugelassen, dass die Marine dich bekommt. Ich hätte dich zurückgeholt, wenn etwas schief gegangen wär. ...Um jeden Preis.«

»Impel Down?«

»...Hätte mich nicht aufhalten können.«

»Tze, das ist das Problem Crocodile. Das mit uns... das wird niemals funktionieren.«

Sein Blick krachte zu Boden und verlor seine Farbe. »...Du hast Recht.«

»Du weißt... nichts über mich. Du weißt nichts über die Dinge, die ich getan und erlebt habe. Du kannst nicht einfach über mich entscheiden ohne mir etwas zu sagen und dann erwarten, dass es tatsächlich funktioniert.« Ihr Blick war kalt, dabei sehnte sie sich bereits nach ihm. Warum? Sie war so töricht. Masochistisch und verrückt und töricht. »Sie hätten mich nicht nach Impel Down gebracht.«

»...Ich habe nie daran geglaubt, dass du mir verzeihst.«

»Verzeihen? Was denn? Das ist dich unterschätzt habe? Dass ich deine verfluchte Kontrollsucht unterschätzt habe?«

»...«

Ihr Blick verzerrte sich. »Du kannst das nicht mehr machen, Crocodile. Ich bin nicht mehr deine Agentin! Ich bin nicht einfach nur ein Mitglied deiner Crew! Ich bin anders, verstehst du?! Du kannst mich aus deinem Kopf nicht aussperren, wenn du mich willst!«

Unsicher öffnete er den Mund, schloss ihn wieder und klappte ihn wieder auf. Doch er wusste nicht, was er darauf sagen sollte. Sein Blick wagte sich noch immer nicht zu ihr.

»Ich habe eine Geschichte! Ich habe Feinde, die du nicht mal kennst. Behandle mich gefälligst nicht wie einen Anfänger. Ich habe nicht weniger Erfahrung gesammelt als du, kapiert?! Du kontrollierst jeden Schritt. Ich kenne das Prozedere, das sich in deinem Kopf abspielt. Zumindest habe ich das immer geglaubt. Wenn Plan A nicht klappt, dann eben Plan B oder C oder D oder E oder, oder, oder...« Sie wurde wieder lauter auch wenn sie kaum noch Puste hatte. »Gott verdammt noch mal! DU weißt doch gar nichts! So viele Faktoren, die das Ganze hätten in die Brüche gehen lassen können! Du hast einfach nur Glück gehabt, wenn es wirklich das ist was du wolltest!«

»...«
 

Sie rollte sich wieder zu einer Kugel zusammen, presste die Augen zusammen und schluchzte leise. »Und… all das sollst du getan haben, weil du mich liebst?«

Darauf schwieg er, den Blick ganz weit abgewandt.

Ihr Kopf schüttelte sich heftig. »Oder war auch das nur eine Lüge? Eine Farce? Wie kannst du mich lieben, wenn du mir so etwas antust? Wie kannst du mich lieben, wenn du damit rechnest, dass ich dich dafür umbringe, was du mir angetan hast? Das ergibt… einfach keinen Sinn.«

»…Ich weiß…« er lächelte irr und voller Schmerz. »…Aber das ändert nichts an meinen Gefühlen für dich. Ich habe keinen Grund mehr dich länger anzulügen. Es tut mir leid. Es war der einzige Ausweg, den ich-«

»Hör endlich auf damit!« Ihr Kopf wirbelte nach oben und sie sprühte ihm Gift entgegen. »Es gab einen anderen Weg! Du wolltest ihn nur nicht sehen…« Wütend richtete sie die Augen von ihm ab. »…Du wolltest ihn nicht sehen. …Hast dir alles allein aufgebürdet… mich belogen und hintergangen… verraten. Aus Liebe.« Ihre Sicht wurde nebelig unter dem salzigen Wasser, das aus ihren Augen rann. Aus Liebe, ja. Genau wie sie es auf Suimin getan hatte. Wieso tat er ihr das an? Wieso tat er sich das selbst an? »…Aus… Liebe?«

»…Du bedeutest mir viel mehr als ich mit diesem Wort ausdrücken könnte.«

Das ließ eine neue Welle aus Schmerz über ihren Körper ziehen, dass sie sich die Fingernägel in ihr Fleisch rammte, bis es blutete.

Nur einen kleinen Schritt kam er näher, wagte nicht mehr. Seine Stimme war noch immer gebeutelt von Schmerz und Ehrlichkeit, zerstört und besiegt. »…Du bedeutest mir mehr als alles andere, Robin. Ich…« Doch er schüttelte nur den Kopf, ließ ihn sinken und senkte die Augenlider. »…Ich kann es ertragen, wenn du mich hasst. Ich habe es ja darauf angelegt. Ich erwarte nicht, dass du mir jemals verzeihen kannst, was ich heute getan habe. Ich wollte nur, dass ich einmal im Leben etwas richtig gemacht habe. Ich wollte, dass du nicht mehr verfolgt wirst. …Dass du in Ruhe gelassen wirst. Es bist nicht du, die heute gestorben ist… sondern Nico Robin. Du bist immer noch die Gleiche. Du kannst nach den Poneglyphen suchen, tun was du willst. …Ich wollte dir… diese Möglichkeit geben.«

»Du bist so dumm… Du bist viel dümmer, als ich es von dir erwartet hätte.« Sie starrte ihn an und in ihrem Blick war Unglauben. »…Glaubst du wirklich die Marine schluckt meinen Tod so schnell? …Es gibt… Menschen, die nach mir suchen werden, bis sie mich finden. …Die sich von so einer Lüge nicht täuschen lassen. …Hast du wirklich geglaubt, das gänge so einfach?!«

»…Ich…«

»Warum schließt du mich aus? Warum willst du immer alles allein machen? Warum vertraust du mir nicht? Wieso?!«

»Ich... wollte dich nicht damit belasten.«
 

Das ließ sie auftaumeln. Sie rannte auf ihn zu und warf sich gegen ihn, schlug ihm noch einmal direkt ins Gesicht. »Du blöder Mistkerl!«

Er ertrug es, presste die Augen aufeinander und biss dann die Zähne zusammen.

Sie wollte ihn durchschütteln, aber er war viel zu schwer dazu. Nicht, dass sie es nicht trotzdem versuchte. »Hör damit auf! Hör auf mich wie ein Kind zu behandeln! So zu tun, als wäre ich klein und schwach und sollte am besten nur im Bett liegen und mich besser nicht bewegen. Nicht belasten! Womit denn? Mit meinem eigenen beschissenen Leben?! Wie kannst du mich damit nicht belasten?! Vor allem wenn nicht nur ich darunter leide, sondern wir beide?«

»...Ich habe einfach keinen anderen Weg gesehen.«

»Und das war dir dennoch wichtiger, als eine Zukunft mit mir...« Nur langsam sackte die Bedeutung dieser Worte wirklich in ihr Bewusstsein. »Ich habe alles in mir überwunden, jede Erinnerung, jedes Versprechen, all den Schmerz, um bei dir zu sein... aber ich lasse mich nicht von dir in einen goldenen Käfig sperren.« Sie ließ ihn los.

»...Das habe ich nie gewollt.«

»Aber das hast du getan. Noch schlimmer… du hast mich getötet. Du hast einen Teil von mir getötet

»...Es tut mir leid, Robin... Ich wusste nicht, wie ich dich sonst beschützen konnte...«

»Ist dir klar, dass unser Deal schon lange vorbei ist? Du musst nicht mehr meinen Bodyguard spielen.«

»...Ich habe es nicht des Deals wegen gemacht.«

»Sondern weil du mich liebst, ja?«

»...Ja…«
 

Kraftlos ließ sie ihn los. Die Tränen belastete sie noch immer, drückten sich schwer auf ihren Kopf, in dem das Chaos wütete. So viele Eindrücke auf einmal und sie wusste nicht, was sie noch glauben sollte. Ihr Blick bohrte sich in seine Brust, wollte ihn verletzen und wusste doch, dass sie es nicht konnte. Sein Geruch stieg ihr in die Nase und machte alles noch schlimmer. Sie wollte sich in seinen Armen ausweinen und hasste sich dafür. Sie wollte ihn schlagen, bis er ohnmächtig wurde und hasste sich dafür. Sie hasste einfach alles.

»…Was war sonst noch gelogen?« Fragte sie endlich und wusste nicht, ob sie das überhaupt hören wollte.

»...Eigentlich alles, was nach Arabasta kam...« erwiderte er leise, fast zärtlich. Oder bildete sie sich auch das ein? Konnte dieser Mann wirklich zärtlich sein? Nachdem er ihr das Herz heraus gerissen hatte?

»…Das heißt… Bon ist nie zu dieser Insel gereist? Und… Quom?«

»...Dort habe ich eine alte Freundin getroffen... sie hat eingewilligt Bon zu helfen sich in die Basis zu schleichen und den Platz von Esche einzunehmen...«

»...Du hast wirklich alles durchgeplant, oder? Bis ins letzte Detail.« der Hohn war nicht zu überhören.

»...Zumindest wollte ich das.«

»…Ich wollte niemals sterben. Ich war stolz auf meinen Namen… meine Geschichte. Und du hast mich getötet… einfach so…«

»Solange es Menschen gibt, die wissen, dass Nico Robin lebt... ist sie nicht tot.«
 

»...Ich...« Wieder war ihr danach zu weinen. Jedes Mal, wenn sie sich in ihre Wut fliehen wollte, sagte er sowas. Etwas, dass sie erneut weich machte. Lügen. Alles Lügen »...Was ist mit den anderen? Musstest du sie zwingen mitzumachen, oder haben sie sich gefreut mich umbringen zu können?«

»Jeder einzelne hat sich für dich entschieden. Sie alle hatten die Wahl zu gehen.«

»Und jedem einzelnen von ihnen war mehr zuzutrauen, als mir. Ich sehe schon.«

Sein Kopf sank wieder ab. »So... war das nicht gemeint.«

»Wie denn dann? Sie wussten alle Bescheid. Das ist eine verdammt große Anzahl dafür, dass du das Risikio auf ein Minimum beschränken wolltest.«

Seine Augen waren noch immer geschlossen. Er atmete schwer. Er hatte es längst aufgegeben sich für jeden einzelnen Punkt zu rechtfertigen. Er wusste sehr genau, was er falsch gemacht hatte und was keinen Sinn ergab. Ihm blieb nichts anderes übrig, als es über sich ergehen zu lassen. Es war ihr Recht, es ihm vorzuhalten.

»…Was ist? Kannst du mir nicht einmal in die Augen sehen?« Sie starrte ihm entgegen und spürte seine Nähe, die sie fast krank machte.

Nur langsam, widerwillig öffnete er sie und sah zu ihr hinab. Und sie stürzte in das Meer hinab und wurde von dem Sturm erfasst, der in ihm wütete. Augen konnten niemals lügen und was sie in den seinen sah, verschlimmerte ihren Schmerz noch mehr. Er hatte wirklich aufgegeben. Er schien nur noch auf den Tod zu warten, den sie ihm geben sollte. Sie konnte alles sehen, direkt in sein Innerstes schauen. Zuneigung, Verzweiflung, Reue, Liebe, Angst, Kapitulation. Hatte er das wirklich alles auf sich genommen, wissend dass es ihre Gefühle für ihn zerstören würde, nur um ihr zu helfen? Für sie? War sie ihm wichtiger als seine eigene Zuneigung zu ihr? Konnte dieser Mann sie wirklich lieben?
 

Ihr Herz begann zu rasen, sie zu martern und zu quälen, doch sie blickte weiter in diese Augen, versank in ihnen und suchte nach der Wahrheit hinter seinen Worten. Selbst noch in diesem Moment fühlte sie den Drang ihn zu umarmen, seine Wunden zu heilen.

»Du sagtest ich solle für uns kämpfen… Aber du hast uns aufgegeben.« Es war lediglich eine Feststellung.

In seinem Blick veränderte sich nichts, er klammerte sich nur weiter an ihre Augen als würden sie ihn davon abhalten zu ertrinken. »...Um und für eine Liebe zu kämpfen ist etwas Anderes...«

»Was erwartest du wie es jetzt weiter geht? Was hast du dir vorgestellt, dass ich tue? Soll ich dich umbringen? Oder dir um den Hals fallen und dir danken, dass du mich gerettet hast?«

Nun krachte der Blick wieder zu Boden, die Stimme nur noch ein Relikt seiner alten Stärke. »Ich sagte bereits… mein Leben gehört dir.«

Darauf schallte es erneut, lauter als zuvor. Sie hatte ihn so hart geschlagen, dass sein Kopf zur Seite geflogen war und etwas Blut aus seiner aufgebrochenen Lippe quoll. »Hör endlich auf damit!«

Doch er tat es nicht. Er drehte den Kopf zurück und blickte sie direkt an, bettelte regelrecht darum, dass sie ihn weiter schlug. »Es ist dein Recht mir den Schmerz wiederzugeben, den ich dir zugefügt habe.«

Sie holte aus, schaffte es aber nicht ihn nochmals zu schlagen. Stattdessen kamen wieder die Tränen und sie stieß ihn von sich. »…Armer Irrer...«
 

Sie biss sich auf die Lippen und versuchte ihre Gefühle zu verstehen. Es brachte sie dazu zu zittern. Sie hatte solche Angst. Sie war so mächtig, dass sie den Schmerz fast überschattete. Wovor hatte sie Angst? Nicht einmal das wusste sie. Beschämt versteckte sie ihr Gesicht hinter ihren Händen.

»Warum hast du aufgegeben für mich zu kämpfen?«

Sein Mund klappte auf und schloss sich nur mit einigem Nachdruck. »…Das… habe ich nicht.«

»Dann sag so etwas gefälligst nicht! Woher soll ich noch wissen, was echt und was gespielt ist?! Woher soll ich wissen, ob du das überhaupt alles ernst meinst? Wie kann ich mir sicher sein…«

Er starrte ihr entgegen, senkte die Augen dann aber wieder, als ihm bewusst wurde, wie penetrant er war. »…Ich weiß es nicht.«

Das brachte sie dazu zu nicken. Sie schloss die Augen und floh vor ihm. Sie floh so schnell sie konnte, hastete die Treppen hinauf und erlaubte sich erst an der Tür wieder zu atmen. Keinen einzigen Blick schenkte sie ihm noch, konnte es nicht ertragen ihn zu sehen. Sie musste hier weg. »…Natürlich weißt du das nicht …hätte mich auch gewundert.«
 

Und damit schloss sich die Tür hinter ihr und Crocodile blieb allein in dem dunklen Raum zurück. Zum ersten Mal erlaubte er sich tief durchzuatmen. Doch es brachte keine Erleichterung, sondern nur Schmerz. Ihre Worte hatten ihn zerfleischt, bis auf die Knochen abgenagt. Er hieß es willkommen. Es war das Einzige, was er verdiente. Nur langsam kam die gesamte Wucht der letzten Stunden und Momente auf ihn zu. Sie würde ihn zu Boden reißen, das wusste er, wenn auch nur ganz langsam. Wie ein Gift, das ihn erst nach Stunden der Qual tötete. Verdient. Er hatte das verdient. Noch jedoch war er in einer Art Trance verfallen, die ihn davor bewahrte zu viel nachzudenken, irgendwelche Schlüsse zu ziehen, ihn vor der letzten Entscheidung beschützte. Noch war es nicht vorbei. Robin hatte Recht. Er und sie, das war unmöglich. Er hatte weder das Recht noch die Möglichkeit bei ihr zu sein. Vor allem jetzt nicht, nachdem er sie so in den Abgrund gezogen hatte. Er würde warten. Keines seiner Worte war gelogen. Was sie auch wollte, er würde es tun. Diesen letzten Wunsch war er ihr schuldig zu erfüllen.

Verzweiflung

Ohne auf ihr Umfeld zu achten, bahnte Robin sich einen glühenden Pfad zu ihrer Kabine, die sie sich bis zu diesem Tag noch mit Crocodile geteilt hatte. Doch das würde sich nun ändern. Der Gedanke mit ihm in einem Bett zu schlafen, widerstrebte nicht nur ihrem bewussten Selbst. Auch ihr Unterbewusstsein schrie schon die ganze Zeit aus Protest auf. Vor allem weigerte es sich zu akzeptieren, was sie bereits ahnte. Sie wollte bleiben. Sie wollte es, aber das hieß noch lange nicht, dass sie es tun würde. Das bemerkte sie vor allem an den Schmerzen in ihrer Brust, die sie nur wieder daran erinnerten, was kurz vor Suimin passiert war. Sie war ja so viel schwächer, als sie immer gedacht hatte. Psychisch so labil, dass es sie wunderte, dass sie noch aufrecht ging. Ihre Wut und ihre Verzweiflung trieben sie an, trieben sie dazu die Tür aufzustoßen und wieder hinter sich ins Schloss fallen zu lassen. Allein das Stehen in diesem Raum setzte ihr zu, erdrückte sie. Sein Geruch, der sich mit ihrem mischte, seine Präsenz, nicht nur in ihrem Kopf, sondern auch in ihrer Umgebung machte sie schier wahnsinnig. Hastig griff sie sich ein paar Sachen, einige Bücher und flüchtete sich dann in eine der freien Kabinen. Sie suchte sich ausgerechnet Irokos altes Zimmer. Hier hatte sie das Gefühl von jemandem umrundet zu sein, der diesen ganzen perversen Plan niemals mitgemacht hätte. Oh ja, es tat gut zu wissen, in einem Bett schlafen zu können, das einem Menschen gehört hatte, der Verrat niemals in Betracht gezogen hätte.

Das war aber nur ein winziger Tropfen auf ihrem heißen Stein. Kaum war diese Tür zugefallen, brach sie auf Irokos Bett zusammen und begann bitterlich zu schluchzen. Alles in ihr brannte. Die Wut, der Schmerz, die unendliche Enttäuschung. Wieder und wieder stellte sie sich die Frage, warum er ihr das angetan hatte und jedes Mal bekam sie seine Antwort. "Ich habe keinen anderen Weg gesehen, um dich zu schützen". Bullshit. Schreiend schlug sie auf die Matratze unter sich und vergrub ihr Gesicht in der Decke, wäre am liebsten daran erstickt. Sie wollte ihm wirklich weh tun. Das war keine Floskel gewesen. Sie wollte ihn würgen, bis er tot umfiel. Wollte ihn schlagen, bis ihre Hand nicht mehr dazu fähig war. Wollte ihn umbringen. Doch der Gedanke allein brachte sie nur wieder zum Lachen. Natürlich. Crocodile umbringen. Sie machte sich doch lächerlich. Sie könnte ihm niemals körperlichen Schaden zufügen, das hätte sie nicht über das Herz gebracht. Davon abgesehen, dass sie viel zu schwach war.
 

Sie hasste diese Welt, mehr als jemals zuvor. Sie hatte ihm vertraut. Sie hatte ihm Vertrauen entgegengebracht und er hatte es zerschmettert. Sie hatte sich ihm anvertraut, hatte sich wohl gefühlt und geglaubt er würde sie so nehmen, wie sie war. Und Crocodile hatte sie belogen, sie hintergangen und verraten. Aus Liebe. Aber glaubte sie das? Konnte sie das überhaupt noch glauben? Sie wusste längst nicht mehr, was echt war und was nicht. Welche seiner Worte in die Realität gehörten und welche in die Hölle.

Seit ihrer ersten Begegnung hatte sie ihn unter ihrer Haut gespürt und sie hatte wirklich dagegen gekämpft, sich schwerlich bemüht ihn aus ihrem Kopf und vor allem aus ihrem Herzen zu bekommen. Hatte ihr Körper schon damals gewusst, dass er sie einmal vernichten würde? Hätte sie es nicht gleich sehen müssen? Dann waren die Gerüchte über ihn doch wahr? Die Gerüchte über das Monster? Und der Mann, den sie gefunden hatte, war nichts weiter als eine Illusion, hervorgerufen von einem verliebten kleinen Mädchen? Erneut schrie sie sich das Leid aus der Brust, aber der Schmerz rann immer wieder nach und vernebelte ihren Blick. Gott, sie liebte ihn so sehr, sie wollte sterben. Der Gedanke allein, dass das heute, die letzten Wochen sein Ernst waren, brachte sie dazu aufgeben zu wollen.

Wie konnte er ihr das antun? Wie konnte er ihr das Einzige nehmen, auf das sie stolz war? Ihren Namen, ihre Vergangenheit, den Namen ihrer Mutter. Wer glaubte er, wer er war, dass er einfach über ihren Tod entschied? Einziger Ausweg? Es hätte hunderte gegeben. Und wenn sie kämpfend Seite an Seite gestorben wären. Dieser Gedanke ließ sie inne halten. Nein. Sie wären nie Seite an Seite gestorben. Sie selbst wäre am Leben geblieben, so lange gefoltert, bis sie ihre Geheimnisse ausgeplaudert hätte. Und wenn die Marine schlau wäre, würde sie die Crew gleich mitfoltern, um ihr Geständnis zu erzwingen. Über kurz oder lang hätten es so enden müssen. Aber wenn Nico Robin tot geglaubt wurde und sie als eine andere Frau an Crocodiles Seite auftauchte, dann vielleicht…

Nein! Wütend schlug sie sich selbst gegen den Kopf. Sie hasste ihn dafür, dass er so arrogant war über ihr Leben entscheiden zu wollen. Sie war nun einmal Nico Robin und das ganze Versteckspiel würde irgendwann auffliegen. Spätestens wenn der blaue Fasan nach ihr zu suchen begann. Dieser ganze Zirkus hätte dann nichts gebracht. Rein gar nichts!

Und doch stockte sie wieder. Sie könnte die Chance nutzen. Sie könnte unentdeckt bleiben, das Rio Poneglyph finden und dann mit der Wahrheit heraus platzen, wenn die Marine nicht damit rechnete. Sie könnte an seiner Seite sein, mit all den anderen die Ozeane befahren. Auch wenn sie es in ihrer Vergangenheit niemals versucht hätte, so war sie jetzt in diese Situation gestoßen. Tränen füllten ihre schweren Augen und sie biss sich auf die Unterlippe. Konnte sie das? Konnte sie ihren Stolz, ihre Identität so einfach hinter sich lassen? Konnte sie vergessen, was heute passiert war? Konnte sie es ihm verzeihen? Dass er ihr das Herz ausgerissen und dann versucht zu nähen hatte? Dass er über ihren Kopf hinweg entschied, über Sachen, die eigentlich nur sie etwas angingen? Konnte sie ihn jemals wieder berühren, in die Augen sehen, lieben mit diesen Hintergedanken?
 

Schluchzend vergrub sie ihr Gesicht gänzlich in ihrem Kissen, ehe sie der Sauerstoffmangel schwindlig machte und schmerzhaft in ihrem Hals stach. Er liebte sie? Konnte sie ihm das glauben? War er dazu überhaupt noch im Stande? Sollte sie irgendetwas glauben, von dem was er sagte? Liebe. Sie hatte das Gefühl sie wisse nicht, was das war und doch wusste sie es ganz genau. Wie krank sie einen machen konnte, wie ungerecht und pervers sie sein konnte. Wie sehr sie weh tat, wie viel man für sie aufgab, wie man für sie Menschen hinters Licht führte. So wie sie zwei Monate lang auf der Suche nach Pluton. War es wirklich so schwer zu verstehen, was ihn dazu getrieben hatte? Konnte sie es sich wirklich nicht vorstellen, dass er – gerade er – auf solche abstrusen Gedanken kam? War es so schwer nachzuvollziehen, dass er sie wollte, ohne verfolgt zu werden?

Eine kalte Hand griff nach ihrem Herz und quetschte sie schmerzhaft zusammen, dass sie zu wimmern begann. Konnte Crocodile wirklich so weit gehen, für sie? Nachdem er Elisa überstanden hatte? Nachdem sie ihn verraten hatte? Nachdem er wusste, worauf er sich einließ? Waren seine Gefühle ihm wirklich so unwichtig, dass er sie lieber ziehen ließ, lieber starb, als sie ihrem Schicksal zu übergeben? Konnte sie das wirklich glauben? Konnten seine Worte wirklich echt sein? Sie fuhr im Bett auf und raufte sich das Haar, die Augen weit aufgerissen. Was sollte sie glauben? Was wollte sie glauben? Wer war Crocodile wirklich? War er der Mann, den sie liebte? Oder war von diesem nur noch ein Monster übrig, dass sich heimlich immer wieder einer Illusion bediente, um sie hinters Licht zu führen? Am liebsten wäre sie gleich wieder zu ihm gegangen, um ihn weiter auszuquetschen. Aber sie konnte nicht. Sie traute sich ja selbst kaum noch etwas zu. Wie sollte sie etwas in ihm erkennen, etwas glauben, wenn sie nicht in der Lage war Echt und Falsch auseinander zu halten?

Weinend warf die irgendwelche Gegenstände durch den Raum und wünschte sich plötzlich wieder in ihrer Kabine zu stehen und das Gleiche mit seinen Sachen zu machen. Einfach alles zu verwüsten, ihrem Zorn ein Sprachrohr zu geben. Selbst wenn sie die Prämisse akzeptierte, dass er jetzt in diesem Moment ehrlich zu ihr war, konnte sie das nicht einfach hinnehmen. Er hatte sie willentlich verletzt, er hatte sie mit voller Absicht in das Messer laufen lassen. Hatte es hingenommen, dass sie ihn hasste, dass sie verschleppt wurde. Für seine unsagbare Selbstgefälligkeit konnte sie ihm den Kopf abreißen. Alles hätte so verdammt schief gehen können. Was wenn Kuzan persönlich erschienen wäre? Er war doch immer hinter ihr her. Irgendwann würde er hier auftauchen um herauszufinden, warum sie bei Crocodile gewesen war. Und er würde sie genau hier finden.

Kontrollfreak. Aber das hatte er nicht beachtet. Wie auch, wenn sie es ihm nie verraten hatte? Sie ließ die Schuldgefühle nicht zu, die sich kurz andeuteten und stampfte sie in den Boden. Ja, Crocodile hatte alles geplant. Wahrscheinlich hatte er sich sogar genau diese Koordinaten heraus gesucht, wo die Marineflotte sie treffen sollte. Nicht sehr tief, ein gefährliches Gewässer mit Haien und höchstwahrscheinlich hatte er sich sogar den Tag ausgesucht und auf die Intensität des Mondlichts geachtet! Wahrscheinlich hatte er Bon sogar jedes Wort zum Auswendiglernen gegeben!

Schluchzend sank sie in sich zusammen, klammerte sich um ihren Körper und schrie in ihr Kissen hinein. Bon. Er hatte das alles nur für sie gemacht? Sie hatte überhaupt nichts gemerkt. Wie schlimm musste das wohl für ihn sein? Sie vermisste ihn und gleichsam hasste sie ihn dafür, dass er ihr das antat. Er hatte sie eigenhändig geschubst! Das war auch geplant gewesen, nicht wahr? Jedes einzelne Detail geplant und doch noch immer nicht genug!
 

Es tat gut sich in dem Zorn zu verlieren. Den Zorn darüber, wie er sie die letzten Wochen gequält hatte. Wie er die weiche Robin in ihr zerstückelt hatte, bis sie sich in einer dunklen Ecke in ihrem Kopf verkrochen hatte und nicht wusste, ob sie jemals wieder hervorkommen konnte. Sie hatte gerade erst angefangen sich selbst zu entdecken und er verbarrikadierte alle ihren Türen in einem Schwung. In all der Wut und dem Chaos hörte sie ihre Stimme. Die Stimme einer Robin, die sie kaum wiedererkannte. Sie zitierte ihn, zitierte seine Worte über und über. "Glaub an mich".

"Glaub an mich." Es machte sie wieder wütend. Hatten diese Worte sie besänftigen sollen? Was wäre gewesen, wenn sie wirklich an ihn geglaubt hätte? Hätte die Szene dann nicht genauso geschauspielert gewirkt? „Glaub an mich“. Ja, das hatte sie und es hatte sie noch mehr zerstört. Wie konnte sie ihm je wieder irgendetwas glauben? Woher sollte sie wissen, dass das gesamte Gespräch eben nicht auch nur ein Schauspiel zu ihren Gunsten gewesen war? Jedes einzelne Wort genau einstudiert.

Dennoch kam sie nicht umhin es aus seiner Sicht zu betrachten. Wenn er sie wirklich liebte und ihr all das nur vorgespielt hatte… wie musste er sich gefühlt haben? Er hatte gelitten, nicht wahr? Es hatte ihm weh getan. Sie hatte es in seinen Augen gesehen. Er hatte all das nur für sie getan. Oder bildete sie sich das nur ein? Wollte sie das nur glauben? Dennoch, der Gedanke setzte ihr zu. Es kratzte an ihrer Liebe für ihn, die sie noch immer quälte. Er hatte all ihr Vertrauen aufs Spiel gesetzt, hatte ihr alles genommen, was sie besaß. Und dennoch musste sie immer wieder daran denken, was er gesagt hatte. Er würde für sie sterben, sogar durch ihre eigene Hand. Er hatte ihre Schläge über sich ergehen lassen, hatte sie beinahe genossen. Unter anderen Umständen hätte ein Schlag ihrer Hand in sein Gesicht seinen unbarmherzigen Zorn auf sie gezogen. Dieses Mal nicht. Warum? Konnte sie ihm wirklich glauben? Dass all das nur aus Liebe geschehen war? Für sie? Ein so großes Opfer? Ein so langer, mühseliger Plan? So viel Schmerz und Leid und Verzweiflung?
 

Noch lange quälten sie solche Gedanken, riss sie das Für und Wider hin und her, als würde das Schiff in einen heftigen Sturm kommen und jedes Mal nur knapp dem Kentern entgehen. Wie ein Wurm am Haken wand sie sich und selbst noch im Schlaf peinigten sie die Ereignisse. Immer wieder schreckte sie auf und zitterte. Immer wieder schlief sie unter der Schwere ihrer Tränen ein und wachte schluchzend wieder auf. Nicht nur einmal wünschte sie sich, sie wäre wirklich ertrunken. Es wäre so viel einfacherer gewesen als das Jetzt. Sie hätte Ruhe gefunden und Schlaf. Nun jedoch konnte sie der Realität nicht mehr entfliehen. Es brannte überall in ihr als hätte sie Feuer gefangen. Es brachte nichts es löschen zu wollen, denn es entfachte immer wieder, loderte leise und höhlte sie innerlich aus. Sie war erschöpft, viel erschöpfter als jemals sonst in ihrem Leben. Selbst Suimin war keinen Vergleich mehr wert. Crocodile hatte ganze Arbeit geleistet. Sie fühlte sich, als würde sie wirklich sterben. Und sie wollte es auch. Doch jedes Mal, wenn sie es in Betracht zog, schmetterte sie neuer Schmerz zu Boden und nahm ihr die Kraft solche Gedanken zu Ende zu bringen. Dann übermannte sie erneut die Angst vor dem Tod. Angst vor einem ähnlichen Schicksal wie der Geist von Omoide es ereilt hatte. Es war die reinste Hölle.
 

Sie bekam nur beiläufig mit, wie der Morgen anbrach. Die Geräusche von außerhalb der Tür zogen wie Schemen an ihr vorbei, peinigten sie in ihrem Halbschlaf. Sie hörte das Klacken hoher Absätze auf dem Flur. Leise Musik dröhnte aus dem Radio in der Kombüse, sie hörte das Zischen der Bratpfanne und das Fiepsen des Wasserkochers, roch Eierkuchen und Omelette, hörte die Köchin im Raum neben ihr zur Musik im Radio summen. Da war auch Gals Stimme, die sich mit ihr unterhielt, aber Robin konnte keine genauen Worte ausmachen. Was sie jedoch ausmachen konnte, war die Freiheit des Gesagten, die Mauer, die nicht mehr vorhanden war. Der Stein, der von ihren Herzen gefallen und im Meer versunken war.

Dieser Fakt ließ sie noch mehr in ihre Laken sinken. Sie versteckte sich unter der schweren Bettdecke und Kissen, um nichts mehr davon zu hören. Lügen. Alles bloß Lügen. Sie konnte sich nicht mehr auf sich selbst verlassen. Ihre Wahrnehmung hatte sie so oft getrügt, wie konnte sie ihr jetzt glauben?

Weitere Zeit verging. Jemand klopfte an ihre Tür und sagte etwas, doch Robin ignorierte es, hörte gar nicht zu. Die Person ging und irgendwann, viel später kam eine andere. Auch dieses Mal webte sich Robin in Schweigen, versuchte ihre Außenwelt zu verbannen. Doch die Geräusche und Gerüche folgten ihr den gesamten Tag über. Paulas Stimme, Umas Stimme, Mikis Schritte und Gals leises Murmeln. Der Geruch von Pilzen und Fleisch, von Fisch und Apfelkuchen. Ihr wurde schlecht und sie war froh, dass sie sich nicht auch noch übergeben musste. Sie verfiel erneut in einen Halbschlaf, der ihr keine Ruhe brachte. Als sie die Augen wieder öffnete, war es dunkle Nacht und ein Teller mit Essen stand direkt an der Tür nach draußen. Daneben stand ein Zettel auf dem „Es tut uns leid“ stand. Angeekelt drehte sie diesem Anblick den Rücken zu und begann wieder zu weinen. Wie schön, dass es ihnen Leid tat. Sie hatten es doch getan und hatten gewusst, was sie ihr damit antun würden. Noch nie hatte sich jemand für einen Verrat entschuldigt, aber das machte es nicht sehr viel besser. Es ging doch nur wieder von Vorne los. Es würde wieder gleich enden. Sie wollte das nicht noch einmal. Sie konnte ihnen nicht vertrauen. Nicht noch einmal.

Robin versuchte zu schlafen, doch es gelang ihr nicht. Jedes Mal wenn sie ihre Augen schloss, sah sie sein lachendes, hämisches Gesicht. Als wollte er ihr nur wieder einreden, dass sie alles missverstanden hatte. Dass er sich einen Dreck um sie scherte und das hier nur ihre Strafe für ihren Betrug war. Und wenn sie dann die Augen öffnete, roch sie Iroko, dachte kurzzeitig an Toshi-o-Toru und daran, wie Crocodile sie beschützt hatte. Konnte sie wirklich leugnen, dass seine Crew ihm wichtig war? Und wenn das stimmte, wie konnte dann alles andere falsch sein? Das ergab doch kein Bild mehr. Kaum hatte sie diese Stelle erreicht, kam die Wut zurück und dann die Müdigkeit. Es war ein unendlicher Regress. Dabei wollte sie doch nur Ruhe. Endlich Ruhe…
 

~ ~ ~
 

Fast zwei ganze Tage hatte sich Robin nun schon in Irokos Kabine verschanzt. Niemand durfte eintreten oder sie stören, nur wenn es um das Essen ging. Crocodiles Anweisungen. Aber den hatte sie auch schon ewig nicht mehr gesehen. Uma wurde immer unruhiger. Sie konnte ihre Beine kaum still halten. Den ganzen Tag über lauerte sie vor Robins Tür und wartete nur auf einen Moment einzutreten, zumindest zu klopfen und bekam es dann mit der Angst zu tun. Sie wollte dem Mädchen doch nur helfen, wollte mit ihr reden, ihr ein Ohr zum Zuhören leihen. Sie wollte keinen Streit, sondern ihr nur erklären, was in ihr vorging. Ihr sagen, dass es nicht leicht gewesen war, dass sie Schuldgefühle hatte und dass sie sich um sie sorgte. Doch Anweisung war Anweisung und sie hatte Angst Robin damit nur noch mehr zu verängstigen. Wütend verschwand sie wieder in ihrer Kabine und fluchte leise. Sie hatte diesen Plan von Anfang an nicht gemocht, wusste dass er nach hinten los ging. Sie hatte es ihrem Boss mehr als einmal gesagt, doch seine Antwort war immer die Gleiche gewesen. Es war ihm egal gewesen, wenn er dadurch ihren Hass auf sich zog. Er wolllte ihr eine Chance geben, selbst wenn er dabei drauf ging.

Das versuchte sich auch Uma klar zu machen. Der Plan hatte nie das Ziel gehabt, dass Robin bei ihnen blieb. Crocodile wusste, dass sie gehen würde und es war ihm egal gewesen. Sie musste das akzeptieren, es war sein Wunsch gewesen. Doch das hieß nicht, dass sie es so leichtfertig aufnehmen konnte. Uma wollte sich entschuldigen, wollte Robin einfach alles erzählen. Die Reue fraß sie von innen auf und trieb sie an zu handeln. Doch die rothaarige Frau hielt sich zurück. Sie musste es einfach, wenn sie Robin nicht noch mehr weh tun wollte.

Miki versuchte sie so gut es ging abzulenken, aber er musste es schnell aufgeben. Uma wackelte unkontrolliert mit den Beinen, sobald sie sich hinsetzte und sobald sie aufstand, marschierte sie im Kreis. Das Ungesagte raubte ihr das letzte bisschen Verstand. Ihr Partner konnte es verstehen. Auch ihn plagte es und er konnte es nicht einmal zeigen. Es tat ihm weh, Robin so zu sehen. Aber ihr Boss hatte sich so entschieden. Und diesmal war es an Robin sich zu entscheiden. Er konnte es ihr nicht abnehmen und so entschied sich der Riese das zu tun, wofür er eingeteilt worden war: Warten.

Weniger Drang sich zu bewegen oder über die Sache zu reden hatten Paula und Gal. Sie saßen die meiste Zeit in der Küche und spielten Karten, vertrieben sich die Zeit, bis ihr Boss weitere Befehle gab. Sie waren sich in diesem Punkt sehr ähnlich. Gal Dino schlotterten jedoch noch immer etwas die Knie, wenn er daran dachte, dass sie noch nicht aus dem Schneider waren. Noch hatte keine Zeitung von Robins Tod berichtet, noch hatte die Marine es nicht geschluckt. Er rechnete jeden Moment damit gleich eine Kanonenkugel um die Ohren geschlagen zu bekommen. Und dann fragte er sich immer, wie es Bon ging. Er hatte wohl die schlimmste Rolle in dieser Intrige gespielt. Und auch jetzt musste er seinen Mann stehen und den Offizier spielen, der Nico Robin gestoßen und ins Meer geworfen hatte. Er wusste, dass es geplant war ihn bald wiederzusehen, doch er fragte sich wann das sein würde. Nicht, dass er ihn vermisste oder etwas dergleichen. Er fragte sich nur, ob es ihm gut ging. In Punkto Robin war Gal noch immer zweigeteilt. Seine Worte galten auf der Herbstinsel noch immer so sehr wie jetzt. Sie bedeutete ihm nicht sonderlich viel, doch er wusste, dass Crocodile sie brauchte. Und er hatte sich längst für die Crew entschieden. Und das beinhaltete Robin, egal was er davon hielt. Er dachte nicht viel über sie nach, würde einfach abwarten, was geschah.
 

Paula hingegen war nicht ganz so ruhig, wie sie sich nach außen hin gab. Innerlich ratterte es gewaltig in ihr. Sie wusste, wie verletzt Robin war. Konnte jeden einzelnen Punkt verstehen. Die Demütigung allen voran, die Wut und der Hass, das zerbrochene Vertrauen, die Schuld und die Verzweiflung. Alles, was sie davon abgehalten hatte dem Plan zu widersprechen, war ihr Boss gewesen. Sein Blick an jenem Tag, seine Gestik, alles an ihm hatte eine klare Sprache gesprochen. Er liebte sie. Er liebte sie mehr als sein eigenes Leben. Dass hatte sie ganz deutlich gespürt. Nur deshalb war sie geblieben. Um ihm zu helfen das durchzustehen. Und sie hatte gesehen, wie es ihn auffraß. Von Tag zu Tag mehr, von innen aushöhlte, an ihm nagte. Wie ihn seine Liebe für sie strafte. Was hatte sie anderes tun können als bei ihm zu bleiben? Sie war ihm so viel schuldig für Sonnenbrücken. Sie wollte ihm helfen, wie er ihr geholfen hatte. Selbst wenn es sie krank machte.

Wie sie es gehasst hatte. Jeden Tag aufs Neue zu schweigen, so leise zu reden, dass Robin keinen Verdacht witterte. Es hatte sie so angewidert, dass sie Ausschlag bekommen hatte. Sie war Robin noch lange sauer gewesen, es war nicht schwer gewesen ihr die kalte Schulter zu zeigen. Jetzt allerdings war es eine andere Sache. Sie hatte ihren Boss nur ein einziges Mal kurz gesehen. Er wirkte wie ein Zombi, als hätte ihn Robin klein gehackt und ausgespuckt. Er war am Boden, am Ende. Sie wunderte nichts mehr. Desto mehr wusste sie, dass sie stark bleiben musste. Ihr Groll gegenüber Robin war verflogen. Sie hasste sie nicht mehr, doch die Distanz blieb. Zumindest ein wenig, noch etwas. Erst, wenn es ihrem Boss wieder besser ging, würde sie sie akzeptieren können. Erst, wenn sie bewies, dass sie ihn glücklich machen konnte. So glücklich, wie er es zu Anfang ihrer Reise gewesen war. Erst dann, konnte sie sie wieder in ihr Herz schließen.

Crocodile hingegen ließ sich den gesamten Tag über nicht sehen, hatte sich in seiner Kajüte verbarrikadiert, lehnte Paulas Essen immer wieder ab. Aus seinem Zimmer war es die gesamte Zeit über still. Sie wusste nicht, was er tat oder dachte. Vielleicht schlief er, vielleicht las er, vielleicht lag er auch endlos wach auf ihrem Bett und dachte über das nach, was er ihr angetan hatte. Paula hatte eine Idee, dass das Letztere nah an die Wahrheit heran kam. Robin hatte ihn zerstört, ebenso wie er sie. Fast ein Ende wie Romeo und Julia. Nur dass niemand wirklich starb, sie nur weiter litten und die Erlösung einfach nicht kommen wollte. Sie wusste, dass er durch die Hölle ging, dass er sich nichts anderes wünschte, als seine Frau in den Arm zu nehmen, nachdem er sie fast verloren hätte. Inzwischen kannte sie ihn ziemlich gut. Selbst wenn sie manchmal daran zweifelte. Und doch machte ihr sein sehnsüchtiger, schmerzverzerrter Blick jedes Mal aufs Neue klar, dass es stimmte, dass seine Liebe real für sie war. Krank und doch durchaus real.

Paula zwang sich nicht immer wieder an sein Gesicht zu denken. Sie hatte es viel zu oft gesehen in den letzten Tagen, Wochen. Sie wollte ihn nicht mehr sehen, nicht ehe er wieder grinste. Süffisant und übermütig, voller Selbstbewusstsein und Überheblichkeit. Voller Leben. Voller Hoffnung. Hastig schüttelte sie den Kopf und klatsche Gal eine Sieben vor die Nase. »Zwei Ziehen!«

Als sie sein säuerliches Gesicht sah, musste sie fast lächeln. Ein wenig Hoffnung hatte sie noch. Dass vielleicht doch noch alles glatt lief. Dass sie vielleicht doch eine Zukunft hatten. Sie als Crew, sie als Barqoue Works. Die Minerva und sie. Ein wenig Hoffnung gab es. Doch es lag nicht mehr in ihrer Hand sie wahr zu machen. Sie konnte nichts weiter tun als zu warten. Und das würde sie.
 

~ ~ ~
 

Es war mitten in der Nacht, als Robin sich das erste Mal aus Irokos Zimmer bewegte. Das Schiff war vollkommen still, die Segel eingezogen, wogte es in der leichten Mitternachtsbrise. Leichtfüßig, unsichtbar für neugierige Ohren schlich sie sich an das Bug des Schiffes und starrte völlig apathisch auf das Wasser. Es löste nichts in ihr aus. Auch nicht der Wind, der durch ihr Haar fuhr und sie frösteln ließ. Sie spürte es nicht einmal. Das was sie sah, unterschied sich radikal von der Realität.

In ihrem Kopf lief sie hastig über das Deck auf der anderen Seite des Schiffes. Dort, wo die Planke hing und in ein Nichts führte. Die dunklen Dielen vor ihren Augen und die Reling kamen näher. Es war so schrecklich dunkel, als hätte jemand das Licht ausgestellt. Keine Sterne, kein Mondlicht und dennoch konnte sie alles ganz genau erkennen. Das Wasser, auf das sie zurannte. Es wartete auf sie, winkte sie zu sich. Komm näher, schien es zu rufen. Ich bin dein einziger Freund. An der Reling blieb sie stehen und sah hinab in den nassen Tod, der sie einladend anlächelte. Sie wusste gar nicht, warum sie hier stand. Warum sie hierher gelaufen war. Sie wusste aber eines: sie war allein. Niemand war hier. Nur sie und das Wasser. Das Meer, das ihren Namen rief. Die See, die sich immer an sie erinnern würde. Schließlich kletterte sie über die Reling auf die Planke, blieb am Rande stehen und starrte in den Abyss. Ein letzter Blick glitt zurück, um sich zu überzeugen, dass wirklich niemand gekommen war, um sie abzuhalten. Schatten standen plötzlich um sie herum. Große Gestalten, die näher kamen. Sie konnte ihre Gesichter nicht erkennen, riefen ihr nur etwas zu. "Spring."

Hart schluckte sie, bis ihr Hals schmerzte. Stimmen aus ihrer Vergangenheit. Da war noch mehr. Ein Wispern, ein Flüstern, ein Murren. Sie spürte Hass und Einsamkeit über sie hinweggleiten. Beinahe flehend drang ihr Blick durch die Schattenmenge und suchte nach einem Halt.

Crocodile? Auch in der Realität hallte ihre Stimme leise über das Schiff, ungehört. Doch in ihrem Traum malte sich eine Gestalt aus der Menge ab und kam ihr ganz nah. Erst als er sie erreicht hatte, konnte sie ihn erkennen. Tränen rollten über ihr Gesicht und sie begann zu schluchzen, streckte die Hand nach ihm aus, als wollte sie seine Hilfe. Doch sein Blick war hart, gehässig, fast tödlich. Er hob den Arm, strich mit seiner Hand über ihre Wange und schubste sie dann ein Stück nach vorn, so wie Esche es getan hatte. Wie es Bon getan hatte. Seine Stimme klang genauso kalt, wie sie es in Erinnerung hatte.

"Hast du wirklich geglaubt, ich würde irgendetwas für dich empfinden? Spring endlich, Nico Robin ist doch schon lange tot. Du bist es nicht wert."

Dann gab er ihr einen weiteren Stoß und sie fiel.
 

In der Realität stand sie nun auf der Reling und ihre Füße trugen sie weiter nach vorn. Nur ein kleiner Sprung und sie würde auch hier das kalte Wasser spüren, wie es in ihren Mund eindrang, ihre stummen Schreie aushölte. Jedoch, bevor sie den letzten Schritt gehen konnte, um erneut mit dem dunklen Meer vereint zu sein, zerrte etwas an ihr, riss sie zu Boden, dass sie hart auf den Dielen aufprallte. Ein Rumpeln ertönte und sie spürte warme Arme und Hände an ihrem Bauch, an ihrer Brust, hörte ein leises Schnaufen und fühlte dann das Brennen eines Schlages in ihrem Gesicht.
 

»Was zum Teufel tust du da, huh?« Und noch ein Schlag ins Gesicht mit der flachen Hand, dass sie etwas zurück weichen musste.

Irritiert öffnete sie die Augen und tastete nach ihrer Wange, versuchte sich zu orientieren. Sie spürte wie sie beinahe in Tränen ausbrach, bei dem Brennen, das sich über ihre Wange in ihrem gesamten Gesicht ausbreitete. Sie schüttelte sich und verband endlich den Schmerz mit der Realität. Vor ihr stand Paula, sie waren beide auf dem Deck, nahe bei der Reling. Die letzte Erinnerung die sie hatte, war das Zubettgehen. »Was?...«

»Gehts dir noch gut, huh?« Sie packte sie nun und schüttelte die Schwarzhaarige kräftig durch. »Dafür haben wir das sicherlich nicht durchgezogen! Dafür hab ich nicht für dich gelogen, geschauspielert! Wenn du gehen willst, dann bitte! Aber was zur Hölle soll DAS?!«

Vorsichtig drückte sie sie zurück, machte sich frei, der Ausdruck auf ihrem Gesicht noch immer verwirrt. »Ich... ich weiß nicht, was passiert ist.« Da war dieser Traum gewesen. Aber... das war doch nur ein Traum gewesen. Oder?

»Du weißt es nicht?!« krächzte sie in höchster Tonlage und sie sah ein gefährliches Funkeln in ihren grünen Augen. »Verarsch mich nicht, Robin!«

Sie achtete gar nicht auf sie, sah sich um, fuhr sich durch die Haare und legte die Hände dann auf die Reling, sah erneut in das Wasser. »Ein Traum... das war doch nur ein Traum.« Es ratterte ganz gewaltig. »Ich wollte doch gar nicht springen...« flüsterte sie schließlich.

»Wolltest du nicht? Na, das sah aber ganz anders aus!«

Robin fuhr herum, bemühte sich keine Gefühle Preis zugeben. »Ich bin... geschlafwandelt.«

Sofort verschränkte Paula die Arme, das Funkeln noch immer in ihren Augen.

»Gott, bitte erspar mir das.« krächzte sie wütend und versuchte sich aufzurappeln. Ihr Körper war am Ende, sie fühlte sich ausgepresst wie eine Zitrone. Nicht einmal ihre Beine schienen genug Kraft zu haben, sie zu halten.

»Was ersparen, huh?«

Wut brodelte plötzlich wieder in ihr und erneut fuhr sie herum, um es Paula direkt ins Gesicht zu sagen. »Diesen Blick, der sagt: hör endlich auf unser Leben so schwer zu machen Robin! Ich wollte nicht springen!«

»Das will ich auch gehofft haben! Sonst würde ich dich hassen!«

»Warum tust du es nicht Paula? Gerade ist es mir scheiß egal, was du denkst! Ich habe ganz andere Probleme und die lassen sich nicht durch den Tod lösen.« Sie begann zu zittern, hörte die Stimme ihrer Mutter in ihrem Kopf nicht aufzugeben, weiterzuleben. Dann kamen ihr doch die Tränen. »Du... sagst Crocodile nichts davon, oder?«
 

»Pff... als würde ich ihm das antun.« Ihr Kopf drehte sich schwungvoll zur Seite. »Wahrscheinlich würde ihn allein der Gedanke zum Heulen bringen wie ein kleines Baby.«

Sie presste ihre Finger in ihre Handballen. »Ich kann nichts für meine Träume.« Sie hielt das nicht aus, den Gedanken, dass sie schon wieder die war, die alles falsch machte. Sie hatte verdammt noch mal nichts Falsches getan. Sie hatte sich einfach nicht mehr unter Kontrolle.

»Das vielleicht nicht. Ich mein... verständlich, dass dein Körper damit nicht klar kommt. Aber ich sage dir eins Robin... Crocodile ist für dich durch die Hölle gegangen. Tag für Tag, wochenlang, damit du auch ja keinen Wind von der Geschichte bekommst. Der ist nur noch ein Wrack. Er rechnet fest damit, dass du gehst. Es war ihm egal, weil er die ganze Zeit nur daran denken konnte, dass du dadurch die Gelegenheit bekommst wirklich unterzutauchen. Er hat es in Kauf genommen, weil du ihm wichtiger bist als seine Gefühle für dich! Keine Ahnung, ob er es wirklich verkraftet, wenn du gehst, aber wenn du dich umbringst, bringt das ihn um. Und das werde ich nicht zulassen!« Ihre Augen funkelten sie von der Seite an. »Er ist der einzige Grund, warum ich bereit bin dir noch eine Chance zu geben. Weil nur du ihn glücklich machen kannst.«

Robin starrte ihr ungläubig entgegen. »Er hat dabei offenbar nicht bedacht, dass er mir das Leben nimmt! Ihr müsst mich wirklich alle für so dumm halten.« Zorn loderte wieder auf und entlud sich mit einem Zischen auf die blauhaarige Frau. »Eine Chance? Was bildet ihr euch eigentlich ein? Wer hat gesagt, dass ich das will?! Mein ihr nicht, ich hätte diesen Weg selbst eingeschlagen, wenn er jemals für mich in Frage gekommen wäre? Wisst ihr eigentlich was ihr euch damit eingebrockt habt? Nicht nur, dass ihr euch auf mich eingelassen habt und euch damit die Welt zum Feind macht, ihr glaubt scheinbar alle, dass es damit gegessen ist! Ihr habt doch keine Ahnung!«

»Wer hat denn ständig davon geredet, dass sie uns foltern, uns hinrichten würden, sobald sie Wind bekommen! DU warst das! Und das hätten sie! Schneller, als wir schauen könnten. Crocodile wird beobachtet, auf Schritt und Tritt. Es wäre aufgeflogen! Er hat nur diese eine Wahl gesehen. Und meinst du er hätte auf mich gehört, wenn ich es ihm ausreden hätte wollen? Warst du es nicht, die uns davor schützen wollte? Hätte Bossu nichts getan, wären wir jetzt alle auf der Flucht, oder schon längst im Gefängnis!«

»Also hieß es Folter oder dieser Plan? Willst du mir das sagen? Und warum passiert das hinter meinem Rücken?! Und komm mir nicht mit dem Risiko! Ihr wusstet es alle! Jeder von euch! Ist es das? Entweder gebe ich auf, was ich so viele Jahre geschützt habe oder ich riskiere euer Leben? Der Witz dabei ist, damit habt ihr euch einen wirklich mächtigen Gegner auf unsere Fährte gesetzt. Ihr wisst eben nichts über mich. Hast du eine Ahnung was für Leute in Kürze hier auftauchen werden?!«

Wieder verschränkte die Köchin die Arme. »Es steht dir alles frei. Du kannst gehen, wenn du willst, der Welt zeigen, dass du noch lebst. Crocodile würde dir sofort folgen, wenn du auch nur pfeifst. Er hätte kein Problem gegen die ganze Welt zu kämpfen, solange du nur an seiner Seite bist. Aber ich wäre nicht dabei. Ich bin zu jung, um mich direkt und willentlich in die Hölle zu katapultieren. Ich habe zugestimmt, Teil dieser Crew zu bleiben, weil Crocodile mir die Möglichkeit gab, nicht sofort mein Todesurteil zu besiegeln. Ich habe mitgemacht, weil ich ihn sehr mag, weil er ein Freund ist und weil ich ihm viel dafür schulde, was er bei Sonnenbrücken für mich getan hat. Ich bin heute hier, weil er mir die Möglichkeit eröffnet hat zusammen mit euch allen, ja auch mit dir Robin, weiter zu segeln. Ohne die Angst jeder Zeit erwischt zu werden. Also, Robin. Du kannst entweder gehen - ohne oder mit Bossu - oder du kannst dir ne Perücke aufsetzen und so tun, als wärst du tot.«
 

Das brachte Robin aus dem Gleichgewicht. Sekundenlang starrte sie Paula lediglich in diese hellen, grünen Augen, ehe sie hart schluckte. Plötzlich raffte sie sich auf und wirbelte herum. Sie wusste nicht woher sie die Kraft nahm über das Deck zu rennen und sich den Weg zu seiner Kabine freizukämpfen. Die Gier endlich die Wahrheit zu erkennen, endlich einen Entschluss zu fassen, trieb sie an und in einem Sturm aus Zorn, Verzweiflung und Unsicherheit riss sie die Tür zu ihrer alten Kabine auf. Was sie sah, brachte ihre Gefühle gleich wieder aus dem Gleichgewicht.

Er stand vor ihr und sie sah ihm den Schock beinahe an. Vollkommen gekleidet, als hätte er gar nicht in Betracht gezogen zu schlafen, und mit fetten Augenringen starrte er sie an, als wäre er ein Reh, das panisch auf die Scheinwerfer blickte, die es gleich überrollen würden. Er zuckte vor ihr zusammen, wich zurück und klammerte sich dann an die Lehne des Stuhles fest, auf dem er zuvor gesessen hatte.

Ihr Mund fiel auf bei dem Versuch zu sprechen, klappte aber genauso schnell wieder zu. Sprachlos stierte sie dem Mann entgegen, der ihr Leben zur Hölle gemacht hatte. Was war aus ihm geworden?

Crocodile wich noch etwas zurück, nur einen Zentimeter, wand den Körper schützend von ihr ab, zwang sich aber mit aller Macht die Augen bei ihr zu behalten. Seine Stimme war kaum wahrnehmbar, zitterte fast. »...Ja?«

Sie spürte einen harten, klobigen Stein ihre Kehle versperren, dass sie keine Luft mehr bekam. Paula hatte nicht übertrieben. Nicht einmal annähernd. Er war besiegt, er wirkte wie durch den Fleischwolf gedrückt. Sein Äußeres war ungewohnt ungepflegt, der Bart seit drei Tagen in kleinen Stoppeln hervor stehend, die Haut fahl geworden von zu wenig Essen. Aber das Schlimmste war der Ausdruck in seinen Augen. Sie konnte nichts erkennen und doch sah sie alles. Heiße unendliche Leere, zerstört und flehend, unstetig und ängstlich. Sehnsucht, Reue, Hass auf sich selbst, Verzweiflung und Unruhe. Er wirkte krank und zerfallen wie ein Wrack. Das hatte sie aus ihm gemacht? So sah er aus… wegen ihr? Nein, sie schüttelte den Gedanken ab. Das hatte er selbst aus sich gemacht, hatte er in Kauf genommen. Und dennoch spürte sie erneut den Wunsch ihm zu helfen, seine Wunden zu heilen und ihn wieder lächeln zu sehen.
 

Einen langen Moment herrschte Totenstille. Robin wusste nicht mehr, was sie sagen sollte, starrte ihm nur entgegen und nahm diesen Eindruck tief in sich auf. Er sagte nichts, blickte ihr nur entgegen und sie bemerkte, dass es ihm schwer fiel nicht die Augen abzuwenden. Jede Sekunde, die sie schwieg, machte ihn unruhiger, verstärkte den Druck auf ihn und ließ ihn seine Hand noch mehr verkrampfen. Er atmete nicht, er blinzelte nicht. Er wirkte wie schockgefroren, in der Zeit stehen geblieben. Auf ihr letztes Urteil wartend, das wusste sie. Sie hatte ihn in der Hand, vollkommen. Würde er sie wirklich ziehen lassen? Würde er sie wirklich aufgeben, einfach so? Gerade weil er sie liebte? So ein Dummkopf.

Es dauerte noch einen langen Augenblick, ehe sie endlich die Lippen bewegen konnte und etwas von ihrem Schmerz nach außen ließ. »…Ich will nach Hayu.«

Nur ein leichtes Nicken war die Antwort, der Blick noch immer auf sie gerichtet. Er versuchte keine Emotionen nach draußen zu lassen, doch er versagte kläglich.

»Ihr werdet mich dort absetzten und weiter segeln...«

Abermals Nicken, sein Blick krachte zu Boden. Die Stimme hatte alle Kraft verloren, hatte kapituliert. »...In Ordnung.«

»Es wird jemand auftauchen, um nachzusehen, ob ich wirklich nicht mehr bei dir bin. Du musst deine Rolle weiter spielen, wenn du es wirklich ernst gemeint hast mich beschützen zu wollen.« Instinktiv kam sie etwas näher. Vom Instinkt geleitet, der ihr vorgab diesen Mann zu beschützen. Aber vor was denn? Warum denn? Hatte er das wirklich verdient? War sie wirklich so krank, dass sie sich nochmals auf ihn einließ? Nach allem, was passiert war? Sie spürte es in ihrer Brust hart schlagen und spürte den Schmerz, wie er sich wie Gift durch ihren gesamten Körper schlängelte. Und doch war da noch mehr, noch immer. Sie wollte ihn umarmen, wollte dass er sie küsste und lächelte. Sie wollte bei ihm sein. Zorn mischte sich unter diese Gefühle, aber sie hatte sich längst entschieden. Sie wollte ihm noch einmal vertrauen. Nur noch ein einziges Mal. »Danach solltet ihr noch ein paar Wochen weiter segeln, ehe ihr mich wieder abholen könnt.«
 

Sie sah ihn blinzeln. Sein irritierter Blick stieß ihr entgegen und direkt durch das Herz, als sie noch ein paar Schritte näher kam.

»Du kennst doch die Admiräle, oder?«

Darauf antwortete er nicht, konnte sie nicht ansehen.

»Crocodile…« Ihre Stimme wackelte ganz gewaltig. Ihr Körper rebellierte gegen ihre Worte, martete sie mit Schmerz, aber sie blieb standhaft. Nur eine Chance. Nur noch eine gab sie ihm. Er hatte sie zerstört und er war der Einzige, der sie wieder aufbauen konnte. Was lohnte es schon zu leben, was brachte es seine Ziele zu erreichen, sich seine Träume zu erfüllen, wenn man niemanden hatte, mit dem man sie teilen konnte? »…Ich möchte dich nicht verlassen. Aber wenn das so bleiben soll, musst du mir gut zuhören.«

»...Überleg es dir gut…« Kam es so leise, dass sie es kaum verstand. »...Ich erwarte nicht, dass du mir verzeihst.«

»Ich habe nicht behauptet, dass ich das bereits habe.« kam es ruppiger, ehe sie sich wieder zusammen nahm. »Aber vielleicht werde ich das noch. Mit etwas Zeit.«

Er schüttelte vehement den Kopf, noch immer von ihr abgewand. »Zwing dich nicht dazu.«

»Keine Sorge.« Nun kam sie noch näher und griff ruppig nach seinem Hemd. »Ich zwinge mich höchstens dazu, dir nicht den Kopf abzureißen, sicher nicht dazu, dich zu lieben. Du bist an all dem Schuld. Nur du! Und alles was ich verlange ist, dass du es durchziehst, dass du es zu Ende bringst. Denn es ist noch lange nicht vorbei. Ich will, dass du für mich kämpfst… wenn du mich wirklich liebst. Vielleicht… kann auch ich dann wieder kämpfen…«

Nur aus dem Augenwinkel schielte er sie an, kraftlos und besiegt. »...«
 

»Ich werde nicht gehen!« Hastig zog sie Sauerstoff nach, so sehr, dass sie sich selbst überrumpelte und zu keuchen begann. » Hast du wirklich geglaubt, dass ich dich töten würde? Kennst du mich so schlecht? Oder hast du gedacht, ich könnte einfach alle Zelte abbrechen? Was soll ich mit dieser Freiheit, wie du sie nennst, wenn ich allein und gebrochen umherirren muss, wie die ganzen Jahre zuvor? Wenn ich diese Freiheit mit niemandem teilen kann. Was für eine Offenbarung soll das bitte schön sein, hm?«

Doch er blickte sie nur weiter an, noch immer unsicher. Offensichtlich glaubte er nicht, dass sie es ernst meinte.

Es interessierte sie nicht mehr. Ihr Blick wurde scharf und sie stierte ihm direkt in diese zerstörten Augen. »....Bist du schon einmal Ao Kiji begegnet? Dem blauen Fasan?«

»...Nicht persönlich.« Und wieder wich sein Blick, als könne er die Last ihres Anblicks nicht ertragen.

»Dann stell dich darauf ein deine Rolle noch einmal zu spielen. Er wird hier auftauchen, bald. Sicherlich ist er schon auf dem Weg. Er hat damals auf Ohara versprochen mich bis zu meinem Lebensende zu beobachten. Wenn ihr mich auf Hayu abgesetzt habt, solltet ihr die Nächte hindurch segeln, damit ihr so weit wie möglich entfernt seid und er keine Schlüsse ziehen kann. Ich habe noch einen Eternalpost für Hayu, damit gehts schneller.« Sie holte tief Luft. Das hatte sie ihm schon lange erzählen wollen, erzählen sollen. Vielleicht hätte er dann mehr Vertrauen in sie gehabt. »Er war einer der Vize-Admiräle, die den Buster-Call begleiteten, der zu Oharas Zerstörung geführt hat. Er... er hat mich damals gehen lassen.« Ihr Zittern wurde schlimmer, als die Erinnerung sie überfiel und sie musste ihre Arme festhalten, um es nicht zusehr zu zeigen. »Er... wird zu dir kommen, um sicher zu gehen, dass ich wirklich tot bin. Niemals würde er das einfach als Bericht akzeptieren. Und wenn er kommt, kann ich auf keinen Fall bei dir sein.«

»...In Ordnung.«

Sie musterte ihn eingänglich und es irrtierte sie so sehr, wie er auftrat. Sonst sagte er doch auch nicht „Ja“ und „Amen“. Doch sie war nicht hier um ihm um den Hals zu fallen. So weit war sie noch lange nicht. Sie hatte ihm längst nicht verziehen, sie gab ihm lediglich eine Chance, dass sie es tun könnte.

»Wahrscheinlich brauche ich dir nicht zu sagen, was du ihm erzählen sollst. Du hast ja alles so wunderbar geplant. Lass ruhig deine dunkle Seite heraus hängen. Es ist nicht so als würde er mich gut kennen.« Sie redete einfach weiter, als er schwieg. »Ich kenne Hayu ziemlich gut. Es wird kein Problem sein eine Weile dort unterzutauchen.«
 

Auch darauf nur Schweigen, das sie anwiderte. Vorsichtig machte sie noch ein paar Schritte auf ihn zu, zwang ihn sie wieder anzusehen. Nur noch Zentimeter trennte ihre Körper voneinander und sie konnte ihn riechen, ihn fast schon fühlen, schmecken. Es trieb ihr beinahe die Tränen in die Augen.

»Ich vertraue darauf, dass du mich wieder abholst.«

Sie hörte ihn hastig einatmen, er schien mit seiner Beherrschung zu kämpfen. Dann brachte er leise Worte heraus, die sie kaum verstanden hätte. »…Wenn du… das willst, dann…«

»Ja, das will ich.« es schmeckte bitter diese Worte auszusprechen. Sie war so dumm. Dabei konnte sie nicht daran glauben, dass er sie nicht wieder enttäuschen würde. Und wenn nicht er, dann würde Kuzan ihn umbringen. Sie war nie dafür gemacht gewesen, glücklich zu werden.

»…Ich verspreche es.«

Ein schmerzhaftes Lächeln ritzte sich in ihre Lippen und die ersten Tränen rannen über ihre Wangen. Versprechen. Wie viel konnte sie darauf noch geben? Hastig wandte sie ihm wieder den Rücken zu, versuchte durchzuziehen, was sie angefangen hatte. Wenig Hoffnung trieb sie noch an. Lediglich der Wunsch das alles zu beenden. In die eine oder die andere Richtung. »Es sind vielleicht sieben Tage bis nach Hayu. Vielleicht auch weniger. Wenn wir die Nächte mitnehmen, könnten wir dort sein, ehe Ao Kiji uns eingeholt hat.«

»…Ich…« Seine Stimme klang noch immer zerstört und unsicher. Er presste sie nur mit größter Mühe hervor. »…werde den anderen sofort Bescheid geben…«

Nickend trat sie zu ihrer Kommode, wo ihre Sachen noch ordentlich zurecht gelegt waren. Sie fand den Eternal Post für Hayu und stellte ihn auf den Kopf der Kommode, Crocodile noch immer den Rücken zugewandt. »…Ich hoffe, du kannst ihn hinters Licht führen. …Denn wenn nicht…« Sie sprach nicht zu Ende, holte tief Luft und schloss die Augen. Ihre Finger glitten beim Schließen der Schublade über die alte Spieluhr, die sie damals auf der Affeninsel gefunden hatte. Noch immer zitternd zog sie sie hervor und streichelte den Deckel, erinnerte sich daran, was darin enthalten war. Sie presste sie an sich. »…Leg dich nicht mit ihm an. Er scheint nett zu sein, aber das täuscht. …Du hast keine Chance gegen ihn.«

Als er auch darauf nicht antwortete, ging sie zur Tür, wartete noch einen langen Moment und öffnete sie dann, die Spieluhr fest an ihre Brust gepresst. Nur noch ein Satz kam ihr über die Lippen, bevor sie wieder in ihrer Kabine verschwand.

»…Ich glaube an dich, Crocodile…«
 

~ ~ ~
 

In dieser Nacht hatte Robin aus Sicherheitsgründen nicht mehr geschlafen. Sie hielt sich mit Kaffee und ihren Ängsten wach, starrte Stunden über Stunden nur in das Nichts vor sich. Sie versuchte nicht mehr zu denken, aber das war schwerer als gedacht. Noch immer bekam sie nichts von dem Essen herunter, das Paula für sie gekocht hatte – jedes Mal, wenn es ihr vor die Tür gestellt wurde, musste es nach Stunden wieder abgeholt werden. Robin hatte die Tür abgeschlossen und ließ niemanden mehr hinein. Es war sicherer so, falls sie erneut schlafwandelte. Irgendwann – sie wusste nicht wie viel Zeit vergangen war, ob es sich um Minuten oder Stunden oder Tage handelte – schlief sie schließlich ein und dieses Mal war es ein erholsamerer Schlaf als der Letzte. Ein tiefer, traumloser Schlaf, in dem sich ihr Körper nahm, was er brauchte. Und dann, irgendwann wachte sie wieder auf. Sie hörte Möwen schreien und das Rauschen der Wellen nahe ihres Bullauges. Möwen… Land?

Robin wollte hastig aufschrecken, doch ihr Körper entzog ihr die Kontrolle und sie sank kraftlos zurück in die Laken. Es ging ihr etwas besser, körperlich zumindest, auch wenn ihr ihr Bewusstsein, sobald es wieder arbeiten konnte, zu schaffen machte. Von oberhalb und vom Gang hörte sie die Stimmen der Crew. Es war Betrieb dort oben, scheinbar waren sie der Insel ganz nahe. Ob es Hayu war? Sie schielte aus dem Bullauge von Irokos Zimmer und erkannte nichts. Resigniert versuchte sie aufzustehen und Kraft zu sammeln – es kostete sie eine halbe Ewigkeit. Und dann, als sie endlich stehen konnte, ohne das Gefühl zu haben, das Gleichgewicht zu verlieren, hörte sie es kurz an der Tür klopfen und eine angenehm tiefe Stimme sprach zu ihr durch das Holz. Eine Stimme, die sie inne halten ließ. Jazz‘ Stimme.

»Wir erreichen gleich Hayu. Mach dich bereit.«
 

Heftig atmete sie durch und schlich sich zur Tür, um sie aufzuschließen. Doch ehe sie den Mut aufbrachte sie zu öffnen, schrak sie wieder zurück und wandte sich um. Ganz langsam, sich so viel Zeit nehmend, wie sie brauchte, stopfte sie einige ihrer wertvollsten Dinge in einen Rucksack und schwang ihn sich über die Schultern. Sie war froh, dass Kuzan sie scheinbar noch nicht eingeholt hatte. Nicht, dass es sie furchtbar überraschte. Immerhin war er eine solch faule Person, dass man sich durchaus fragen konnte, warum er Admiral geworden war. Endlich brachte sie den Mut auf, die Tür aufzuschwingen und nach oben zu gehen. Was wenn dies nicht Hayu war? Nun, wenn sie schon ein zweites Mal denselben Fehler beging, so war sie doch dieses Mal darauf vorbereitet.

Als sie endlich auf dem Deck stand und ihr die salzige, frische Brise um die Nase schlug und sich in ihre Lunge prügelte, fühlte sie zum ersten Mal etwas, was sich wie Freiheit anfühlte. Mit nicht weniger Erleichterung stellte sie fest, dass dort wirklich Hayu vor ihr lag. Die Insel war nicht besonders groß, aber gut besucht. Schon von Weitem sah man die Menschen geschäftig über die Stege des Hafens wuseln. Überall ankerten Schiffe, Piratenschiffe, Handelsschiffe, zumindest keine Marine weit und breit. Hayu war eine Schaustellerinsel und recht beliebt auf der Grandline. Hier gab es alles, was das Künstlerherz höher schlagen ließ. Der breite Strand erstreckte sich um die gesamte Insel und neben ein paar Waldflächen bestand der Rest des Eilands nur aus Stadt. Voll gepackt mit Theatern, Museen, ganzen Künstleralleen. Das Geschrei war bis zu ihnen auf die hohe See zu hören. Hayu war zudem eine Herbstinsel, so dass auch das bisschen Flora und Fauna, das zu sehen war, die Insel in den wildesten Farben erstrahlen ließ.

Die Minerva fuhr jedoch nicht auf den Hafen zu, sondern steuerte eine abgelegenere Stelle am Rand des Waldes an. Weit weg von neugierigen Blicken. Robins Herz klopfte hart und schmerzhaft, als das Schiff am Sandstrand ankerte und sie über die Planke an Land ging. Erst als sie festen Boden unter sich spüren konnte, erlaubte sie sich auszuatmen. Kein Traum? Keine Farce? War das echt? Nur langsam drehte sich die schwarhaarige Frau zu ihnen um und blickte ihnen in die Augen. Hadern war in ihrem Blick zu sehen, Unruhe und Unsicherheit. Sie sah Uma, wie sie ihr regelrecht Löcher in den Kopf brannte, aber alles zurück hielt, was sie ihr sagen wollte. Sie sah Gal, der noch immer seltsam ruhig und gleichsam ratlos wirkte. Sie sah Miki, der sie herzlich anlächelte oder es zumindest versuchte, und Jazz, der gar keine Emotion zeigte. Sie sah Paulas spektischen Blick, der auf ihr ruhte. Und sie sah Crocodile, dessen Augen Angst zeigten und unfähig waren sie zurück zu drücken. Auch Robin versuchte nichts nach draußen zu lassen. Sie ballte die Hände zu Fäusten und schluckte den Kloß in ihrem Hals hinunter. Sie wollte etwas zum Abschied sagen, wollte ihnen sagen, dass sie darauf vertraute, dass sie sie zurück holen würden, doch das hätte sich falsch angefühlt. Sie verbat sich auch nur die kleinste Hoffnung zu äußern, sie würde einfach hinnehmen, was kommen würde. Und sie konnte kaum daran glauben, dass das Schicksal zur Abwechslung einmal auf ihrer Seite stand. So drehte sich Nico Robin auf der Sohle um und ging davon, ehe sie im Wald verschwand. Kein einziges Wort des Abschiedes zurück lassend.

Hayu – Geronnenes Leid

Einen Monat lang fuhr die Minerva über die See, brachte so viele Seemeilen zwischen sich und Hayu, wie es nur ging. Sie nutzen jede Windböe, jede Welle und jeden Sturm, um Nico Robin hinter sich zu lassen. Die Zeit verging nur langsam, zog sich unerträglich dahin und machte die Crew nervös. Vor allem ihr Captain zählte immer und immer wieder die Stunden, ehe er seine Uhr wütend in das Meer warf. Es brachte nichts, er musste sich immer wieder vergewissern wie viel Zeit vergangen war, seit er Robin aus den Augen verloren hatte. Es zehrte ihn aus zu warten, jeden Moment damit zu rechnen, dass der Admiral an seine Tür klopfte. Wie lange würde es noch dauern? Wochen? Monate? Würde er überhaupt kommen? Was, wenn Robin Unrecht hatte? Was, wenn er genau auf dieser Insel auf sie gewartet hatte und sie längst unter den Fittichen der Marine stand? Es brachte ihn fast um nicht zu wissen, wie es ihr ging, was sie tat, wo sie war. Doch er schuckte es herunter, so wie immer. Das konnte er gut.

Die Crew spürte die Ruhelosigkeit ihres Bosses und versuchte ihr Möglichstes seine Stimmung zu bessern und das Beste aus dem ewigen Warten heraus zu schlagen. Paula bemühte sich wann es auch ging ihrem Boss die Zeit erträglich zu machen, doch er lehnte die meisten ihrer Versuche ab. Nichtsdestotrotz verbesserte sich das Klima auf dem Schiff graduell. Es war tatsächlich beinahe so, als wäre der Druck, der auf ihnen gelegen hatte, von ihnen genommen. Als wären sie wirklich und endgültig frei. Oberflächlich. Denn innerlich wussten sie, dass die heftigste Prüfung noch bevor stand. Der Beweis für Nico Robins Verschwinden und das ewige So-tun als wären sie eine ganz normale Crew, die ihrer Wege ging. Jeder Tag verging mit neuen Befürchtungen, jeder Morgen mit der gleichen Frage. Wann diese Katastrophe endlich ihr Ende nahm. Wann es vorbei war. Wann sie endlich wieder ohne den Tod im Nacken weitersegeln konnten. Alles fühlte sich leer an. Die Crew war nicht mehr dieselbe. Bon fehlte. Und Iroko fehlte. Und Robin. Ohne sie war es fader, viel langweiliger und lebloser. Als hätte das Spiel nicht angefangen, als würde man im Halbschlaf dahin dösen.
 

So war die Zeit vergangen und hatte ihre tiefen Spuren hinterlassen. Der Tag war heiß, brütend und windstill. Vermutlich waren sie in die Nähe einer Sommerinsel gekommen. Paula sonnte sich genüsslich auf dem Oberdeck, während Miki, Uma und Gal im Schatten der Kombüse Karten spielten – einer der wenigen Wege sich die Zeit zu vertreiben. Es war gegen Mittag, als die Hitze am schlimmsten war, als Jazz plötzlich aus dem Krähennest kletterte und Bescheid gab, dass sich etwas Seltsames dem Schiff näherte. In der Ferne kam etwas näher, etwas Kleines und Blaues. Über Mikis Kopf schwebten bereits die Fragezeichen, denn was er zu sehen bekam, würde er wohl nie so ganz begreifen. Ein Mann auf... einem Fahrrad?

Sofort hetzte auch Crocodile an Deck und trug allen auf, sich so normal wie möglich zu verhalten. Äußerlich sah man dem großen Mann mit der fetten Narbe auf der Nase nicht an, wie aufgewühlt er war. Wie hoch sein Puls schlug, wie die Haut unter seinen Fingerkuppen kitzelte, wie sein Atem immer wieder stockte und er nach Worten rang, nach Fassung. Er drückte den Rücken durch und versuchte cool zu wirken. So wie damals in den Gewässern vor Quom. Und doch hatte er Angst. Nicht um sich, nicht um seine Crew. Er hatte Angst es zu versauen, etwas falsch zu machen und Robin damit in Gefahr zu bringen. Den ganzen Plan zu vermasseln, all die Monate voller Planung, all den Schmerz, den er ihr zugefügt hatte - umsonst. Hastig schloss er die Augen und atmete tief durch. Das war vorerst das letzte Mal, sagte er sich. Er tat es nicht für sich, sondern einzig und allein für sie. Das wollte er beweisen. Und das konnte er nur, wenn alles nach Plan lief. Entschlossen öffneten sich seine Lider erneut und er blickte dem Admiral entgegen, der langsam näher rollte. Er war für alles bereit.

Das Wasser unter den Reifen verwandelte sich zu Eis sobald er es berührte. Es war sein Markenzeichen: Das blaue Fahrrad. Er hielt nicht viel von Schiffen, ganz zu schweigen davon, dass das Radeln ihn fit hielt. Nah genug bei der Minerva angekommen, stieg er von seinem Rad und landete schließlich auf ihrer Reling, dann auf dem Deck, eiste dabei ein wenig den Rumpf des Schiffes ein und blockierte damit ihre Weiterfahrt. Er streckte sich ausgiebig, sah sich einmal kurz um und kam dann direkt auf Crocodile zu. Ao Kiji war groß, mitte vierzig und hatte lockiges dunkles Haar. Für einen Marineadmiral war er gut gekleidet, was zumindest Bon aufgefallen wäre, wenn er bei ihnen gewesen wäre.

»Ah, endlich hab ich dich gefunden, Sir Crocodile.«
 

Offensichtlich genervt verschränkte dieser die Arme und funkelte ihn an. »Und was willst du von mir, huh?«

»Oh, warum so feindseelig?«

»Weil ich langsam keine Lust mehr darauf habe, ständig von der Marine verdächtigt zu werden.« Er klang ganz offensichtlich wütend. »Ständig schaut mich irgendwer in Weiß prüfend an. Das nervt.«

»Das hättest du dir vielleicht überlegen sollen, ehe du Pirat geworden bist.« kam es ruhig, nicht einmal unfreundlich. »Oh, und ehe du eine gesuchte Person auf deinem Schiff versteckt hast.«

Crocodile rollte die Augen. »Gott... die war ein paar Wochen auf meinem Schiff, ich hab sie euch ausgeliefert und basta. Ich wüsste nicht, wo ich mir die Weste schmutzig gemacht hätte.«

Kuzans Blick glitt noch einmal über sein Schiff. »Dann befinden sich eine Lacroix Paula und ein Gal Dino nicht bei dir? Nicht, dass mich so kleine Fische interessieren, aber scheinbar hast du ja einen Faible für Schwerverbrecher. Aber schön, dass du gleich auf Nico Robin zu sprechen kommst.« Er trat ein paar Schritte über das Deck, als wollte er sich das Schiff etwas eingehender betrachten.

»Du hast es gesagt, Ao Kiji, kleine Fische. Und fähige Leute. Die Zeit, wo man ein Schiff alleine und ohne Crew steuern kann, sind leider noch nicht angebrochen.« Er musterte ihn ganz genau. »Und was? Wegen Nico Robin bist du hier? Ihr lasst echt nickt locker, was? Frag mich, was ich tun muss, dass ihr mir nicht länger am Arsch rum hängt...«

Ao Kiji grinste unschuldig. »Ich bin nicht wegen dir hier, sondern wegen ihr, richtig erkannt. Ich wollte mich nur vergewissern, dass sie wirklich nicht mehr bei dir ist und ich habe ein paar Fragen, die vergessen wurden eingehender zu fragen. Wäre es nur wegen dir, wäre es mir ehrlich gesagt ganz egal, was du treibst. Aber Nico Robin ist etwas Anderes.«

Ein Stirnrunzeln. »Warum sollte sie bitte hier sein? Sucht lieber den Meeresboden an der Stelle ab, wo ihr sie reingeschubst habt. Obwohl ihr Körper wahrscheinlich schon irgendwo in nem Magen von nem Hai ist.«

»Ah, wer sagt mir, dass das nicht ihr Ziel war? Warum war sie bei dir Sir Crocodile? Einem Mann, der in so hervorragendem Kontakt mit der Marine steht. Ziemlich riskant, nicht wahr? Ich frage mich wirklich, warum sie das gewollt hätte.«

Crocodile zuckte die Schultern. »Ist doch das beste Versteck, oder? Darauf wärt ihr nie gekommen.«

»Und sie hat dir geglaubt, dass du sie nicht verkaufst? Wie hast du das denn fertig gebracht?«

»Nun ja.« Darauf bleckte er hämisch die Zähne. »Ich hab ihr gesagt, sie soll mit auf mein Schiff kommen, oder ich liefere sie auf der Stelle aus.«

Kuzan zog eine Braue nach oben.

»Hab ihr ein wenig Schutz geboten. Ein bisschen Liebe.« Ein desinteressiertes Schulterzucken. »Oder hab sie das zumindest glauben lassen.«

Der große Mann rieb sich das Kinn. »Nach all den Jahren... hm. Ich nehme an, du hast nichts dagegen, wenn ich mich etwas umschaue? Sicherlich wundert es dich nicht, dass ich dir nicht glaube.«

Er knurrte leise. »Ich glaub es ja nicht... ihr erlaubt euch auch alles, was?«

»Es ist immer wieder interessant solche Worte von jemandem wie dir zu hören. Warum sollten wir dir vertrauen Sir Crocodile? Du bist ein Pirat.«
 

»Einer der mit euch zusammenarbeitet! In dem Moment, in dem ich sie gesehen hab, stand bereits fest, dass ich sie euch ausliefere.« Mit einem säuerlichen Ausdruck fuhr er sich durch das Haar. »Nur... vorher wollte ich eben noch ein wenig Spaß mit ihr haben. Die Frau sah eben verdammt gut aus.«

»Hm, es ist lange her, seit ich sie das letzte Mal gesehen habe. Damals war sie nur ein kleines Mädchen. Aber ihre Mutter war durchaus attraktiv, da liegt das wohl nahe.« Wieder rieb sich Ao Kiji das Kinn. »Aber dass sie überhaupt in deine Nähe gekommen ist... dabei war sie immer so viel vorsichtiger. Sehr seltsam.« Ohne Erlaubnis schritt er weiter, näherte sich der Tür, die unter Deck führte. »Wo hast du sie mit auf dein Schiff genommen?«

»Auf Arabasta. Wahrscheinlich hat sie sich im Bürgerkriegsgetummel versteckt.« Er zuckte nur abermals die Schultern, zündete sich eine Zigarre an, machte aber keine Anstalten ihm zu folgen. »Was weiß ich, man. Kann ich in der ihren Kopf reinschauen? Sie hat mich nie wirklich interessiert. Ich mein, abgesehen von ihrem Körper.«

Kuzan reagierte nicht darauf, sondern öffnete die Tür und begann sich die Kabinen genauer zu betrachten. »Arabasta also. Wann genau?«

»Ungefähr in der Zeit, in der ihr mir im Arsch rumgebohrt habt, wo ich so lange gewesen bin, als Arabasta untergegangen ist.« knurrte er leise.

Kurz sah der Admiral über seine Schulter. »Das klingt alles ziemlich unglaubwürdig.« Dann öffnete er die Tür zur Kombüse. »Ayayayayaya, und wen haben wir denn hier?«
 

Sowohl Paula, als auch Gal, die sich hierher zurück gezogen hatten um so zu tun als würden sie das Essen kochen, schreckten auf und sahen den Riesen verwirrt an.

Er lächelte ihnen freundlich zu. »Die Fische. Hm, riecht ja wirklich lecker. Was gibts denn?«

»...« Paula schluckte, duckte sich etwas. »...Gulasch...«

Langsam kam er näher, beugte sich über sie, um in den Topf zu schauen. »Oh, ich sehe. Also das war zumindest keine Lüge. Wenn es so schmeckt, wie es riecht, dann scheinen gewisse Verbrecher sehr geschickt zu sein.« Noch eingehender ging sein Blick dann zu Gal und zu Paula. »Was könnt ihr mir über Nico Robin sagen?«

Gal schluckte härter und man sah Schweißperlen auf seiner Stirn, während auch Paula Probleme hatte cool zu bleiben. »Die alte Geschichte noch? Oh je...«

»Alt hm? Wie alt denn?«

Die blauhaarige Frau seufzte und sah ihn dann eindringlich an. »Was weiß ich. War nicht so ein einprägendes Erlebnis, dass ich es mir gemerkt hätte.«

»Hat sie jemals irgendetwas gesagt, was erklärt hätte, warum sie bei euch war?«

Paula verschränkte die Arme. »Bossu hat sie gezwungen, so weit ich weiß. Allerdings schiens ihr irgendwann gefallen zu haben, nach ihrem Stöhnen zu urteilen.«

Einen langen Moment ruhte der Blick des Riesen auf ihr, als wolle er sie schälen wie eine Mandarine. Dann, ganz abrupt, wandte er sich ab. »So so.« Ein durchdringender Blick später und er war wieder auf dem Gang, diesmal hielt er direkt auf Crocodiles Kabine zu. Zufall oder Intuition. Als ihm niemand viel Beachtung schenkte, glitt er einfach hinein und blickte sich auf das Genaueste um. Nichts Atemberaubendes, auch wenn das Bett wirklich ganz schön groß für eine Person war. Er kommentierte es nicht, sah sich auch die anderen Zimmer an. In Irokos hielt er inne. Es sah bewohnt aus, aber keiner aus der Crew passt in das Schema. Ziemlich verdächtig.
 

Nach seiner Inspektion ging er geradewegs wieder auf Crocodile zu. »Scheinbar fehlt jemand aus deiner Crew. Wem gehört denn das Zimmer mit den Leinwänden?«

Der Pirat sah ihn nur aus dem Augenwinkel an, blies gerade seinen Zigarrrenrauch aus. »Bist ein richtiger Spürhund, was? Muss ne lange Ausbildung gewesen sein.«

Darauf antwortete er nicht, wartete stattdessen darauf, dass seine Frage beantwortet wurde.

Stöhnend rollte Crocodile die Augen. »Ehemaliges Zimmer eines Crewmitgliedes. Leerstehend und auf den Nächsten wartend.«

»Hm, sehr artistisch. Sie hat euch gemalt. Oder er, aber ich nehme mal an, dass es sich um ein Mädchen gehandelt hat.«

Als er daraufhin nur einen müden, desinteressierten Blick von seinem Gegenüber bekam, seufzte Ao Kiji.

»Hm, zu schade. Ich hatte schon fast damit gerechnet sie zu finden.«

»Und? Endlich zufrieden?« kam es äußerst unzufrieden.

Geruhsam legte er den Kopf zur Seite. »Nein, gar nicht. Aber sie ist ganz offensichtlich nicht bei dir. Kaum zu glauben, dass sie wirklich ertrunken sein soll. Aber na gut…«

»Kümmert euch das wirklich noch?« Fragte er mit erhobener Augenbraue. »Stand auf dem Steckbrief nicht Dead or Alive?« Dann grinste der Mann mit der Narbe. »Oh... oder wolltet ihr sie etwa für euch selbst ausnutzen? Ihre Kraft für eure Zwecke einsetzen?«

Seine Finger rieben sich müde an seinem lockigen Hinterkopf. »Ihre Kräfte ausnutzten? Nein, ich habe ihr gesagt, dass ich nach ihr sehen würde, sehen würde, was aus ihr geworden ist. Aus dem Mädchen von Ohara, der einzigen Überlebenden.« Er wirkte nun etwas abwesend, gelangweilt. »Traurig, dass sie an dich geraten ist.«

Grinsend zuckte er die Schultern. »Du kennst die Frauen. Sie stehen auf den Macho, der so tut als hätte er ne weiche Seite und hätte sich halsüberkopf in sie verliebt.«

»Ist das so? So hatte ich sie nicht eingeschätzt.«

»Nun ja, es hat ne ganze Weile gedauert, bis ich sie so weit hatte.« Das Grinsen wurde noch fetter. »Sie war ganz schön zickig. Aber irgendwann konnte sie doch nicht mehr widerstehen.«

»Ein unschönes Ende.« Etwas glitzerte in seinen Augen, etwas, dass man nicht erklären konnte. Irritation, vielleicht sogar Wut? Aber man sah Kuzan nichts an.

»Na ja.« Das Grinsen wurde noch einen Grad böser. »Ihr hats gefallen. Oh, bis zu dem Zeitpunkt natürlich, als sie langsam Vertrauen schöpfte und ich sie euch ausgeliefert hab.«

»Schwer vorstellbar, dass sie wirklich so lange gebraucht hat zu merken, dass sie betrogen wurde.«

Erneut das Schulterzucken. »Scheinbar hat ein bisschen Süßholzraspeln bei ihr was gebracht. Außerdem, warum interessiert dich das so sehr? Wofür werde ich überhaupt angeklangt? Meint ihr etwa, ich hätte ihren Tod vorgetäuscht, um ihr zu helfen?«

»Hm, auch unwahrscheinlich. Sie ist nicht der Typ, der sich hinter einem anderen Namen versteckt. Soweit ich weiß, würde das gegen ihren Stolz gehen, aber... der Rest ist ebenfalls merkwürdig.« Schließlich seufzte er ein letztes Mal. »Nun gut. Ich nehme an, das reicht, um das "Bohren" zu beenden. « Er rieb sich über die Augen. »Hätte nie gedacht, dass sie mal so endet. Im Kampf vielleicht, aber so? Wirklich, schade.«

»Ahhh…« Crocodile lachte gehässig. »Jetzte sehe ich das Problem.«

Er langes Gähnen war eine Antwort. »Wie bitte?«

Grinsend nickte er. »Du hast mich auf den Kiker, weil ich sie flach gelegt hab und du nicht an sie ran konntest. So wie du auf sie abgehst, grenzt das ja fast an Obzession.«
 

Heftig runzelte Ao Kiji darauf die Stirn, wirkte beinahe beleidigt. »Hatte ich erwähnt, dass ich sie nur als Kind in Erinnerung habe?«

Doch Crocodiles Grinsen wurde immer gehässiger. »Wirklich? Dabei war sie echt ne Hammerbraut. Kann mir kaum vorstellen, dass du nicht ein paar Bilder von ihr hast, wo sie älter ist. Uh, ich kann dir sagen: Du hast was verpasst.«

»Du kannst dir den Rest an Obszönitäten sparen. Ich habe nur ein altes Versprechen erfüllt.« Endlich wandte er sich gänzlich von ihm ab, schlenderte zurück zu seinem Fahrrad. »Aber je mehr man von dir hört, desto schwerer ist es zu glauben, dass sie freiwillig hier war.«

»Ich sagte doch, sie war nicht ganz freiwillig hier.«

»Liebe hm? Klingt nach freiem Willen. Du musst ein wirklich guter Schauspieler sein, wenn sie dir deine Worte abgenommen hat.«

»Kukukuku...« In seinen Augen funkelte es. »Oh, ich hab über die Jahre ein paar Tricks gelernt, die Frauen rumkriegen. Egal, wie abgeneigt sie sind.«

»Ist das so?« Ein Schauspieler in der Tat. Aber Kuzan hatte genug gesehen.

»Willst du bei mir in die Lehre gehen?«

Nun lachte der Admiral zum ersten Mal. »Ich denke, das wird nicht nötig sein.«

»Wie auch immer. Solange ihr mich endlich in Ruhe lasst ist mir das egal.«

»Vorerst hast du keine Probleme, Samurai.« Er kletterte auf die Reling und sprang zurück auf sein Eis. »Ich hoffe, es hat sich für euch alle gelohnt.«

»Ohh, wenn du wüsstest, wie süß das kleine Mädchen gestöhnt hat, wüsstest du die Antwort. Kukuku...«

Er sah noch einmal zu ihm auf und sein Blick war plötzlich unheimlich ernst, dann lächelte er. »Verstehe.«
 

~ ~ ~
 

Sie war wieder hier, an dem Ort, an dem die Minerva sie vor einer Ewigkeit abgesetzt hatte. Weit oben auf einem der raren Kliffe Hayus, ein Ort, den neben ihr wahrscheinlich nur sehr wenige Menschen kannten. Er lag versteckt zwischen ein paar Eichen und ließ kaum einen Blick von außen auf die junge Frau zu. An dem Tag, an dem das große Schiff sich wieder von ihr entfernt hatte, hatte sie gar nicht damit gerechnet, dass es so hart sein würde dabei zuzusehen. Zuzusehen, wie ihr Zuhause sich entfernte. Dabei hatte sie doch nie wirklich ein Zuhause gehabt. Aber scheinbar hatte sie sich auch damit geirrt. Wie mit so Vielem. Sie vermisste sie. Crocodile und Bon und Gal und Miki und Uma und Paula und Jazz und Iroko. Sie hatte sie seit Suimin vermisst. Doch was fehlte ihr wirklich? Die Menschen, die sie für ihre Freunde hielt oder nur die Erinnerung daran, dass sie vielleicht einmal welche gewesen waren? Freunde… so ein eigenartiger Begriff.

Und dennoch stand sie wieder hier und blickte auf das Meer, wie so oft in diesen langen Wochen. Wartete darauf, dass die Minerva am Horizont erschien. Nur um jedes Mal aufs Neue enttäuscht zu werden. Fragte sich, wie es ihnen ging, was bei ihnen geschah, ob alles gut gelaufen war. Ob Kuzan sie am Leben gelassen hatte. Der Gedanke an ihren Tod schmerzte sie auf eine ungewohnte Art und Weise. Sie hatte genug Zeit gehabt über alles nachzudenken, ganz allein, ohne ihre Gesichter oder ihre penetranten Stimmen zu hören. Fünf Wochen waren genug Zeit den Kopf klar zu bekommen und sich über einige Dinge im Klaren zu werden. Eines dieser Dinge war der Fakt, dass sie glaubte ihnen verzeihen zu können. Vielleicht, doch das würde sich erst zeigen können, wenn sie wieder kamen. Falls sie wieder kamen. Sie konnte es sich nicht so richtig vorstellen. Selbst wenn Crocodile zu ihr zurück kommen sollte, ganz so wie er es versprochen hatte, würden dann wirklich noch alle da sein? Scheinbar waren sie ihm loyal ergeben, aber es bestand für das gesamte Team noch immer die Gefahr, dass sie sich gegen den Tod von Nico Robin entschied, sich dazu entschloß diese Lüge auffliegen zu lassen. Warum sollten Gal, Uma oder Paula überhaupt das Risiko eingehen wollen? Warum sollten sie bleiben, bei ihr bleiben? Sie, die nur Tod um sich herum scharrte.

Es erinnerte sie an Paulas Worte und ihr Herz krampfte sich zusammen. Sie hatte gesagt, dass sie sie nur akzeptieren könne, weil sie Crocodile glücklich machen könnte. Aber konnte sie das? Da war noch etwas. Sie hatte gesagt, dass sie nur zugestimmt hatte bei dem Plan mitzuhelfen, weil er ihr die Möglichkeit gab nicht sofort ihr Todesurteil zu besiegeln. In diesem Sinne verstand sie den Plan vollkommen. Es hatte etwas getan werden müssen, sonst wären sie in kürzester Zeit aufgeflogen. Sonnenbrücken hatte den unfreiwilligen Beweis dazu geliefert. Es hatte etwas getan werden müssen, um die Marine auf die falsche Spur zu führen. Oder sie hätte ihre Kraft darauf eingesetzt sie und Crocodile zu vernichten. Dann wären sie zusammen weggelaufen und sie wusste sehr genau, dass das viel schwieriger war, als es allein zu tun. Vielleicht hatte sie es etliche Male geschafft sich zu verstecken, aber an Crocodiles Seite war das schlichtweg unmöglich. Selbst wenn niemand die Frau mit dem Kind auf den Steckbriefen verband, Crocodiles Gesicht kannte die halbe Menschheit. Nicht, dass er nicht auch ohne seinen Bekanntheitsgrad aufgefallen wäre. Letzten Endes wären sie gescheitert. Sie wären der Marine früher oder später in die Falle gelaufen. Aber nun? Konnte sie wirklich glauben, dass Crocodiles perverser Plan eine sinnvolle Alternative darstellte? Dass sie… Ruhe finden könnte?

Robin wusste nicht, was sie davon halten sollte. Inzwischen jedoch hatte sie genug Zeit gehabt rationaler an die Dinge heran zu gehen. Noch immer quälte sie die Erinnerung daran, an jene Stunden, Tage, Wochen. Doch sie konnte sehen, warum Crocodile es versucht hatte – selbst wenn es ihr das Herz heraus riss. Ihr Tod war die eleganteste, wenn auch riskanteste Methode, ihr ihre Verfolger vom Leib zu halten. Das hieß, falls sie mitspielte. Und das würde bedeuten, dass sie jemand anders sein musste. Jemand anderes als sie war, als sie immer sein wollte, jemand für sie völlig Fremdes. Das hieß, dass sie ihren Stolz und ihre Geschichte hinter sich lassen musste. Für was? Für ein wenig Ruhe und ein wenig Freiheit und vielleicht auch… für Liebe. War es das wert? War es das wirklich wert?
 

Sie zog ihren Körper enger zu sich und umschlang ihn ganz, kuschelte sich an die Hoffnung. Kurz musste sie blinzeln, denn ihre Augen begannen zu brennen. Zu langes Starren. Für einen Moment schloss sie die Augen und atmete tief durch. Noch hatte sie sich nicht entschieden, ob sie wirklich das Leben einer anderen leben wollte, ob sie das wirklich konnte. Oder ob sie ihrer Mutter und ihrer Heimatinsel nicht etwas anderes schuldete. Sie wollte es davon abhängig machen, ob er wieder kam. Falls er das tat. Sie glaubte noch immer nicht daran, so sehr sie es sich auch zu wünschen schien. Längst hatte Robin entschieden es in des Schicksals Hand zu legen. Wenn sie es zwei Monate schaffte auf Hayu unentdeckt zu bleiben, dann musste es wohl so sein. Zwei Monate waren riskant genug, wenn man bedachte, dass es ein paar Menschen hier gab, die sie unter dem Namen Robin kannten. Falls sie entdeckt und verkauft wurde, wäre es nur eine dunkle, bittere Bestätigung ihrer Befürchtungen gewesen. Dann wäre Crocodiles Plan geplatzt. Manchmal war sie versucht gewesen, es genauso geschehen zu lassen – nur um ihm zu zeigen, wie falsch er gelegen hatte, wie lückenhaft sein Plan war. Sie wollte ihm die Bestätigung nicht geben über ihr Leben entschieden zu haben und damit alles besser gemacht zu haben. Als hätte sie diese Entscheidung nicht für sich selbst treffen können unter viel besseren Bedingungen. Als hätte sie den Weg der Verschleierung nicht selbstständig gewählt, hätte sie es jemals in Erwägung gezogen. Sie war erwachsen genug, um zu wissen, was sie erwartete, wenn sie sich zu erkennen gab. Sie hatte es schon immer gewusste und dennoch immer in Kauf genommen. Sie wollte nicht sterben. Aber sie war bald hoffnungslos genug, um ihr Leben dem Zufall zu überlassen. Bisher war alles ruhig verlaufen. Niemand schien Verdacht zu schöpfen.

Ihr Kopf drückte sich zurück und erneut starrte sie auf das weite Meer. Fünf Jahre, es war fast fünf Jahre her, seit sie das letzte Mal allein auf sich hatte aufpassen müssen. Crocodile hatte immer wie eine Henne über ihr gehangen. Merkwürdigerweise fiel ihr das zum ersten Mal richtig auf. Er hatte seinen Teil der Abmachung sehr ernst genommen. Vielleicht etwas zu ernst. Jeder Gedanke an ihn brachte ihre Gefühle an die Oberfläche, auf ihr Gesicht. Doch inzwischen war es leicht die Gefühle wieder zurück zu drängen. Es hatte nicht sehr lange gedauert, bis Robin wieder die Frau geworden war, die sie vor Crocodile gewesen war, die Frau, die das Leben aus ihr gemacht hatte. Ewig achtsam, misstrauisch, vorsichtig, skrupellos, steinhart. Sie fühlte sich seltsam wohl in dieser Maske, denn sie versprach ihr Sicherheit auf dieser Insel. Die nötige Prise Vorsicht, die sie hier brauchte. Dabei war Hayu wohl von allen Inseln, auf denen sie je gewesen war, die sicherste. Deswegen hatte sie auch immer den Log Post dabei gehabt und deswegen hatte sie auch erneut hier hin gewollt. Obwohl die Erinnerung an das letzte Mal nicht sonderlich glückliche Empfindungen in ihr auslöste.
 

Hier war alles genauso, wie damals. Nichts schien sich verändert zu haben. Es fiel ihr manchmal schwer die Realität von ihren Erinnerungen zu unterscheiden. Wie ein leichter Schleier hingen die Bilder über ihrem inneren Auge. Nico Robin, gerade mal 17 Jahre alt, auf der Suche nach einem Versteck, die Marine dicht hinter ihr. Sie konnte den süßlichen Weichspüler, den die Marine für ihre Uniformen verwendete noch auf ihrer Haut kribbeln spüren, roch ihn über Meter hinweg. Damals war sie einem der Kriegsschiffe entkommen. Schon gefesselt und richtig verschnürt, wie ein Weihnachtspäckchen für die Weltregierung. Ein Geschenk an den ehrenwerten Großadmiral Senghok, einer der wenigen Männer vor dem Robin die Knie schlotterten. Damals hätte er sie wahrscheinlich exekutieren lassen, wenn das Schiff angekommen wäre. Nicht weil sie Archäologin war, sondern die Tochter einer schwerkriminellen Frau. Er war vielleicht einer der wenigen Männer, die sie lieber tot sahen, als ihr Wissen zu nutzen. Doch nicht zum ersten Mal hatte Robin der Marine ein Schnippchen geschlagen und war entkommen. Knapp. Hayu war genau der richtige Ort gewesen, um eine Weile unterzutauchen. Piraten, Händler, ein paar vereinzelte Kopfgeldjäger, aber niemand, der ihr wirklich gefährlich werden konnte. Hayu war eine Ruhestation, es war so etwas wie ein ungeschriebenes Gesetzt, dass hier keine Kämpfe auszubrechen hatten. Niemand regierte über diese Insel, aber die Einwohner waren exentrisch und freiheitsliebend genug, um jegliche Entwicklungen dieser Art im Keim zu ersticken. Ein richtiger Zufluchtsort. Man wurde nicht zweimal angeschaut, keiner würde sie hier verdächtigen.

Ihr Weg hatte sie, nachdem die Minerva immer kleiner geworden war, weiter durch die bunten Straßen geführt und sie hatte das Geschrei des Tages auf sich wirken lassen. Immer wieder hatte sie daran gedacht, wie sehr es Bon hier gefallen würde. Das war das Richtige für den ausgeflippten Vogel. Bunt und laut und durchgeknallt. Sie konnte es noch immer nicht richtig fassen, dass er Offizier Esche gewesen war; der Mann, der sie ins Wasser gestoßen hatte. Dabei hatte sie seine Fähigkeiten nie unterschätzt und hatte es doch nicht einmal einen Moment in Betracht gezogen. Es war schwer zu glauben, dass er es fertig gebracht hatte über Wochen hinweg jemand Fremden, ihm so unähnlichen Menschen zu spielen. Nur für sie, nicht wahr? Sie schüttelte den Kopf. Sie wollte nicht darüber nachdenken. Es erinnerte sie zu sehr, an das, was nun von ihr erwartet wurde.

Menschen waren um sie herum gehampelt, überall brüllte jemand Touristen näher an seinen Stand, erinnerte an diverse Veranstaltungen, die am Abend stattfinden sollten. An jeder dritten Ecke hatten die Leute um Bilder oder Skulpturen gefeilscht. Eigentlich auch die richtige Insel für Gal und Iroko, so kunstvernarrt wie die beiden waren. Obwohl sie Iroko wohl nie wieder sehen würde. Sie fragte sich, wie es ihr ging.

Müde schloss Robin die Augen und versuchte nicht ständig an die Crew zu denken. Stattdessen ging sie noch einmal die letzten Tage und Wochen in ihrem Kopf durch, wollte alles noch einmal auf sich wirken lassen. Sicher gehen, dass sie nichts falsch gemacht hatte.
 

An dem Tag, an dem sie sie hier zurück gelassen hatten, war sie schnurstracks durch die Stadt gewandert. Sie hatte ein bestimmtes Ziel gehabt. Ein kleiner Pub mit einer ewig knarrenden und quietschenden Tür. Als sie eintrat, hatte sie eine Frau begrüßt, die noch genauso aussah wie vor über zehn Jahren. Wie immer hatte diese Frau die letzten Bierflecken von dem dunklen Holz des Tresens gewaschen und ihr mit ihrem zahnlosen Gesicht entgegen gegrinst. Walrada hatte sie sofort erkannt. Sie war die Besitzerin der kleinen Kneipe. Sie hatte kaum noch Zähne, schütteres, graues Haar und auffällig hängende Brüste. Und zu guter letzt, das was Robin so an ihr schätze: ein Herz für junge Frauen in Not und scheinbar wenig Neugier. Sie hatte Robin auch damals Schutz geboten, ohne je zu fragen wovor und wieso. Auch dieses Mal hatte sie ihr ohne nachzufragen ihre Gastfreundlichkeit angeboten und ihr eine kleine Zimmernische im Hinterhaus gegeben. Ein perfekter Ort um allein zu sein. Nachzudenken.

Robin erinnerte sich, dass Walrada sie den ganzen Abend belagert hatte und in ebenjener Nische mit ihr guten Whiskey getrunken hatte. Scheinbar war sie sehr einsam geworden, denn sie erzählte viel von sich und was ihr in den letzten zehn Jahren passiert war. Robin lauschte geduldig und höflich und musste oft an ihre eigene verzweifelte Situation denken. Der Abend war lang gewesen und gerade als sie Walrada in ihr Bett hatte bringen wollen, ehe sie die zweite Flasche hatte aufmachen können, fing sie mit Lycra an. Zwar hatte Robin gewusst, dass sie diesem Kapitel ihres Lebens gerade hier auf seiner Heimatinsel nicht entgehen konnte, aber es hatte sie dennoch erschrocken. Die alte Frau erzählte ihr, dass er oft zu ihr gekommen war und sich viel zu viel Alkohol eingeschenkt hatte. Und stets war nur eines sein Thema gewesen: sie. Er hatte immer nur über sie geredet, wie sehr Robin ihm fehlte. Das hatte ihr einen schmerzhaften Stich in die Brust gerammt. Lycra war der erste und für lange Zeit der einzige Mann gewesen, dem sie sich anvertraut hatte. Es musste wohl Schicksal gewesen sein, dass sowohl er als auch Crocodile eben dieses Vertrauen in kleine Stücke gerissen hatten, wenn auch auf gänzlich unterschiedliche Weisen.
 

Langsam richtete sich Robin wieder auf und blickte ein letztes Mal auf das Meer, ehe sie sich umdrehte und zurück in die Stadt schlurfte. Auch heute kein Zeichen von ihnen. Sie war es leid jeden Tag enttäuscht zu werden, aber sie konnte sich nicht davon abbringen nachzusehen. Der Weg in die Stadt war lang und ruhig, führte sie durch einen bunten Eichenwald. Rot, Gelb und Grün schimmerte hier aus jedem Kronendach entgegen und ein kühler, nussiger Wind zerzauste ihr Haar, sobald er von ihm Besitz ergriff. Nicht lange jedoch schützte sie das Bunt des Waldes, ehe sie in enge Pflastersteingassen gelang, die sich wie Schlangen bis zum Marktplatz wanden. Es war so voll und gedrungen auf den Straßen, dass sie kaum beachtet wurde.

Hayu war eine Insel der Freigeister, eine Stadt der Künste und des Geistes. Sein Juwel war der Theaterkahn, ein komplettes Schiff mitten auf dem größten Markplatz, das seine Luken für Zuschauer und Kunstlieberhaber öffnete. Es war eines der beliebtesten Ausflugsziele für Touristen und brachte der Stadt eine Menge Geld ein. Es war sein Zuhause. Lycra war sein berühmtester Schauspieler, dabei war er nicht einmal ein guter. Aber er gab dem Publikum, was es wollte: eine richtige Show.

Es war nicht so, dass sie Hayu wegen ihm gewählt hatte. Sie hatte nicht das geringste Verlangen ihn wiederzusehen. Sie hatte die Insel gewählt, weil sie sich hier halbwegs unbeobachtet fühlte. Weil sie schon einmal unerkannt hier gelebt hatte, wenn auch nur für recht kurze Zeit. Und doch länger als auf irgendeiner anderen Insel – Arabasta ausgenommen. Außerdem kannte sie diese Insel wie ihre Westentasche. Die Gefahr ihm über den Weg zu laufen, war groß, aber obwohl unangenehm, nicht wirklich gefährlich. Lycra war der einzige Mensch, der genau wusste, wer sie war und sie doch niemals verraten hatte. Zumindest das musste sie ihm zugestehen.

Plötzlich wurde sie von der Seite angehalten. Ein kleiner, etwas untersetzter Mann mit einem eigenwilligen gelben Bart starrte ihr entgegen, das Grinsen so fett, dass es irre wirkte. »Hey Miss, wie wäre es mit einem Portrait? Wollen Sie Ihre Schönheit nicht auf ein Stück Leinwand bannen lassen? So werden Sie niemals alt!«

»Nein danke.« erwiderte sie mit einem kalten, aber freundlichen Lächeln, das ihn auf der nötigen Distanz hielt.

Ohne auf eine Reaktion zu warten, lief sie weiter. Der Mann war schon bei seinem nächsten potenziellen Kunden. Sie musste sich keine Sorgen machen. Der Kerl hatte sie schon wieder vergessen. So lief das auf Hayu. Niemand schenkte ihr sonderlich Beachtung. Sie war genauso unscheinbar, wie jede andere Person auch. Obwohl sie wusste, dass sie das niemals wirklich sein würde. Nicht einmal mit Perücke. Etwas, das sie Crocodile wirklich zu Gute halten musste, war die Tatsache, dass sie sich in seiner Nähe selten beobachtet oder allein gelassen gefühlt hatte. An seiner Seite war sie sich wie unsichtbar vorgekommen. Als hätte er sie einfach unten seinen langen, dicken und weichen Mantel gesteckt und sie nur durch eine Umarmung von der Außenwelt abgeschirmt. Bei ihm hatte sie sich wirklich sicher gefühlt. Immer.

Robin wusste nicht ganz, wo ihre Füße sie hinbrachten, doch als sie den großen Kahn inmitten des Marktplatzes sah, stockte sie. Irritiert blieb sie stehen und musterte das Schiff, dessen Fassade schon so lange kein Wasser mehr gesehen hatte, dass der Muschelkalk säuberlich abgeschabt und das darunter liegende Holz leuchtend neu angestrichen worden war. Warum war sie hier? Sie wollte Lycra nicht sehen. Sie befürchtete, dass sie ihm dann ernsthaft weh tun würde. Und doch war sie neugierig, was er aus diesem alten Schiff gemacht hatte. Neugierig, was die Leute über ihn sagten und worüber seine Stücke handelten. Vielleicht hatte ihn ein Jahrzehnt ja doch geändert. Vielleicht – aber wahrscheinlich nicht einen müden Deut.
 

Sie kämpfte sich ihren Weg durch die Massen und fand sich schließlich vor dem Schiff wieder, das fest in der Stadtmitte auf dicken Barren stand, kein Wasser weit und breit. Dafür war das Schiff aber noch immer eindrucksvoll. Es besaß sechs Masten, gewaltige Segel, die immer dann aufgespannt waren, wenn gerade eine Aufführung stattfand, einer massigen Takelage und ein weites Deck. Unter Deck war es sicherlich noch geräumiger. Das Schiff wurde von über fünfzig Menschen beheimatet, einer Bühne und einem Publikumssaal, in den fast dreihhundert Gäste passten. Der war schon damals immer annähernd voll gewesen und wenn man Walrada glauben konnte, dann wollte Lycra sogar noch ausbauen. Auch um diese Uhrzeit befand sich eine Schlange vor dem Theater, das Geschnatter fast ohrenbetäubend. Robin hatte die Plakate gesehen und Lycra war kaum zu übersehen gewesen. Er sah immer noch gut aus, wenn nicht sogar besser als damals. Auf dem Bild konnte man seine Größe nicht erkennen, aber er hatte sie schon damals überragt, auch wenn er wohl nicht so groß war wie...

Jedes Mal, wenn ihre Gedanken zu Crocodile schwanken wollten, stoppte sie sich, ehe sie den Namen auch nur gedacht hatte. Lycra war groß, schlank, aber nicht schmächtig. Die Bühne hielt ihn fit, hatte ihn mit Läufermuskeln ausgestattet. Neben seinem hellbraunen Haar und den giftgrünen Augen, war sein Markenzeichen der alte Piratenhut, den er auch heute fast nie abgesetzte. Nur eine seiner Marotten. Auf den Postern trug er einen kurzen Dreitagebart, früher hatte er sich immer glatt rasiert. Ein bisschen penibel war er gewesen. Er wirkte so viel erwachsener, aber Robin wusste, dass das täuschte.

Nur für einen kurzen Moment überlegte sie sich wirklich sich eines seiner Stücke anzusehen. Aber sie kannte Lycra. Er würde sie sofort erkennen, aus der Masse heraus riechen, wittern. Er war wie ein Hund, der niemals losließ, wenn er sein Opfer gepackt hatte. In diesem Sinne war ihre Auswahl an Männern sich scheinbar sehr ähnlich. Doch der Vergleich zwischen ihm und Crocodile kam ihr lächerlich vor. Sie waren wie Tag und Nacht, unterschiedlicher ging es kaum noch. Das Einzige, was sie wirklich gemeinsam hatten, war sie selbst, Robin.

Gerade wollte sie sich abwenden, als jemand ihren Namen rief. Stocksteif blieb sie stehen und eine zermürbende Unruhe begann sich in ihrem Körper auszubreiten. Jemand versuchte sich durch die Menge zu ihr durchzudrücken und als sie den blonden Schopf erkannte, seufzte Robin wie schon so oft an diesem Tag, in diesen letzten Tagen. Die große Frau, die sich ihr nun in den Weg stellte, war lediglich Jelena, Lycras ältere Schwester. Diese stützte ihre Hände auf ihre Hüften und warf der Archäologin einen wütenden Blick zu.

»Das du dich noch mal hier her traust. Nach so vielen Jahren! Was willst du hier, huh? Noch mal in Lycras Herz stechen?«
 

Hundertzwanzig Kilo schwesterlichen Beschützerinstinkts schwabbten Robin nun entgegen und sie ermahnte sich zur Vorsicht. Jelena hatte ihren Bruder und sich allein durchbringen müssen, hatte ihn quasi aufgezogen, nachdem ihre Mutter gestorben war. Jelena und sie waren fast so etwas wie Freunde gewesen, damals, bevor Robin Halsüberkopf verschwunden war. Robin setzte gar nicht erst zu Erklärungen an, hatte nicht das Bedürfnis Jelena die Umstände zu erklären. Stattdessen nur dieses kalte, scheinbar freundliche Lächeln, das sie für jeden parat hatte. »Hallo, wie geht’s dir Jelena?«

»Wie es mir geht?! Ich kann mir noch heute das Gejammer anhören! Was willst du hier, verdammt?!«

»Gar nichts, glaub mir. Ich war nur neugierig, was ihr aus dem Kahn gemacht habt. Ein neuer Anstrich, neue Segel und um einiges mehr Kundschaft, nicht?«

Jelena schnaubte. »Allerdings. Wir haben ordentlich zugelegt, sind richtig reich geworden.« Ihr Blick verfinsterte sich. »Bist du deswegen hier, du Goldgräberin?«

»Nein, keine Sorge. Ich komme alleine über die Runden.« Genau genommen hatte sie die letzten paar Jahre im Luxus gelebt, aber das band sie der Blondine nicht auf die Nase. Diese schien ihr nicht zu glauben, schnaufte nur wieder verächtlich. »Lycra ist hinter der Bühne, wenn du ihn suchen solltest. Aber ich warne dich, tust du ihm noch mal so weh, werde ich diesmal dir wehtun.«

»Dazu bin ich nicht hergekommen und ich würde es schätzen, wenn du ihm nicht erzählst, dass ich hier war. Denk von mir einfach, als wenn ich tot wäre.«

»Ha! Kein Problem.« Wütend wandte Jelena sich wieder ab und ließ Robin allein zurück, die mittlerweile schon von den Besuchern beobachtet wurde. Robin drehte sich lächelnd zu ihnen, verbeugte sich kokett. »Nur ein Vorgeschmack.« Und bekam prompt Applaus. Besser sie fiel nicht weiter auf.
 

Es war nun schon zwei Monate her, seit sie die Minerva verlassen hatte. Sie half Walrada in ihrem Pub aus, so gut sie konnte. Beschützte sie vor allzu aufdringlichen Gästen, wusch in der Küche die Gläser und half ihr am Ende des Abends aufzuräumen. Es machte ihr nichts aus. Sie hatte Walrada einiges zu verdanken und obwohl sie ihr nie gesagt hatte wer sie war, sah sie eine Freundin in der alten Frau. Sie hoffte, sie erfuhr es niemals. Die Kneipenbesitzerin war nett zu ihr und hilfsbereit, aber genauso geldgierig wie jeder andere, der in diesen Teil der Stadt kam. Zu ihrem Glück schien niemand sie zu erkennen. Zu ihrem Vorteil standen die Leute hier unter einem konstanten Drogenkonsum und konnten sich kaum an ihre eigenen Namen erinnern.

Zwei Monate war sie nun schon hier. Und von Tag zu Tag verlor sie ein kleines Stück ihrer so kostbaren Hoffnung. Nichts hatte sie von ihnen gehört. Kein Wort in der Zeitung, kein Tratschen zwischen den Menschen. Nichts. Sie wusste nicht, ob sie lebten oder ob sie längst tot waren und ob sie überhaupt vorhatten sie abzuholen. Es lag doch nahe, nicht wahr? Sie hatten Robin einfach nur los haben wollen und sie hier abgesetzt. So hatten sie ihre Ruhe. So hatten sie ihr ein schönes Abschiedsgeschenk gegeben. Ein Leben in trauriger, unwirklicher Freiheit.

Sie versuchte sich abzulenken, doch es gelang ihr nur schwerlich. Selbst die Bücher, die sie verschlang, waren nicht genug um ihre Ängste im Zaum zu halten. Immer wieder musste sie an sie denken und es stumpfte sie ab. Nicht zum ersten Mal in diesen Wochen zog sie das kleine Stück Papier aus der Tasche, das sie dort so sorgfältig aufbewahrte. Vorsichtig entfaltete sie es, bis es fast so groß war wie eine Landkarte von Hayu. Es war das Einzige, was sie aus Irokos Zimmer mitgenommen hatte, bevor sie die Minerva verlassen hatte. Iroko hatte ihn gemalt. Es war vermutlich nicht lang nach Kokoroshima entstanden, denn es zeigte Crocodile genauso, wie Robin sich einbildete, dass es in ihm aussah. Nach dieser nebligen Insel war es Iroko gewesen, die ihren Captain durchschaut hatte. Nein, durchschaut hatte das Kind sie alle wohl schon von Anfang an. Robin kannte sonst niemanden, der solch einen Blick für Menschen hatte, wie dieses kleine Mädchen.

Auf dem Bild stand Crocodile in der Wüste, umgeben von nichts weiter Lebendigem als sich selbst. Ein Teil seines Körpers löste sich in dem Sandsturm auf, der um ihn herum wütete. Seine ganze Haltung ließ Gefahr erkennen, die Aura, die Iroko auf irgendeine Weise eingefangen hatte, drückte sich einem regelrecht auf das Gemüt. Darin lag kein Mitleid, keine Vorsicht. Es war Crocodile. Aber das war nicht das, was Robin sich ständig ansah. Es waren seine Augen, nur seine Augen. Wie hatte Iroko das nur gemacht? Der Blick war hart, ließ keine Ausreden zu, wirkte abgrundtief böse, aber da war noch mehr. Einsamkeit. Sehnsucht. Verlangen. Etwas in seinen Augen sprach zu ihr, rief förmlich nach ihr. Wie jedes Mal wenn sie das Bild betrachtete, vergass sie ihre Umgebung, fiel ab, verlor sich in seinen Augen. So lebensecht und doch irgendwie fiktiv. So hatte sie ihn fast noch nie gesehen. Aber es erinnerte sie an seinen letzten Blick. Galt diese Sehnsucht ihr? Spürte er eine Einsamkeit, die nur sie füllen konnte?
 

Noch mehr Zeit verging. Es war eine weitere Woche später, als Robin in einem der Cafés saß und neben dem obligatorischen Kaffee eine Zeitung laß. Das hatte sie bisher jeden Tag getan, vor allem die Sektion über marineinterne Informationen. Dieses Mal jedoch stockte sie ganz heftig.
 

„Offizier Esche, süd-westliche Division Quom, unehrenhaft aus dem mariternen Dienst entlassen.“
 

Für einen langen Moment konnte sie nicht atmen, japste nach Luft wie ein Fisch unter Wasser. Bon. Das war Bon! Hastig laß sie weiter.
 

„Nach der misslungenen Festnahme der seit mehr als 20 Jahren gesuchten Piratin Nico Robin wurde nun mittgeteilt, dass Hansolo Esche vorzeitig aus dem Dienst entlassen wurde. Bei der Übergabe der bekannten Verbrecherin“ daneben war ein Bild von ihr abgedruckt. Acht Jahre alt, ein Neueres hatten sie von ihr nie bekommen, „bei der diese ums Leben kam, musste sich Esche einer langüberflüssigen Untersuchung durch den höchsten Rat seiner Division unterziehen. Dabei zu Tage traten seine angehäuften Vergehen und Missachtungen gegenüber oberesten Befehlshabern und ein Verhalten wie Admiral Aka Inu es zutreffend als 'nicht länger tolerabel' bezeichnete. Schon in den nächsten Tagen soll sein Nachfolger ernannt werden. Esche hat sich zurückgezogen und verweigert jedes Interview.“
 

Die Augen schließend lehnte Robin sich in ihrem Stuhl zurück. Ein erleichterter Seufzer rutschte aus ihrer Kehle. Bon war also auf dem Weg aus dieser Sache hinaus. Sie wollte gar nicht wissen, was mit dem echten Esche passiert war, aber die Vergehen, von denen der Artikel sprach, konnten kaum allein auf Bon zurück zuführen sein. Scheinbar hatte Crocodiles alte Bekannte gute Arbeit geleistet und genau den Richtigen für Bons Pseudonym ausgewählt. Überraschen tat sie das nicht. Crocodile hätte sie kaum um Hilfe gebeten, wenn er ihr nicht vertraut hätte. Ein bisschen neugierig machte sie das schon. Doch sie weigerte sich länger darüber nachzudenken. Sie wusste ja noch nicht einmal ob er überhaupt zurück kam.

Sie legte die Zeitung zur Seite und öffnete nicht zum ersten Mal an diesem Tag die kleine Spieluhr, die sie mitgenommen hatte und in welcher ihr kleines Geheimnis steckte. Ein Ohrring, den sie aus dem grünen Edelstein, den sie damals in dieser Schatulle auf der Affeninsel gefunden hatte, hatte schmieden lassen. Der Ohrring, den sie Crocodile hatte geben wollen, schon seit sie auf Wataru Elisa hinter sich gelassen hatten. Er trug ihn noch immer. Den goldenen Ring, den er sich mit dieser Frau gekauft hatte, der sie jedes Mal wieder an die Zigeunerin erinnerte. Nach Arbasta hatte Robin den Entschluss gefasst ihn zu ersetzten, sofern er das zuließ. Und auf Quom hatte sie einen Schmied aufgesucht. Das, was von dem Stein übrig geblieben war, war gleichsam die Bezahlung gewesen. Den Rest hielt sie nun in der Hand und betrachte den kleinen grünen Reif, der munter in der Sonne glitzerte. Er war noch mehr wert, als das Kleid, dass Crocodile ihr auf Arabasta geschenkt hatte, mehr als sein ganzes Casino. Der letzte Stein dieser Art. Sie hatte ihm niemals die Geschichte zu der Burg auf der Affensinsel erzählt und sie hatte es auch nicht vor. Den Mund zu einer harten Linie verzogen, legte sie den Ring zurück in das Kästchen und schloss es wieder. Vielleicht würde sie ihn ihm geben, falls er wieder kam hieß das. Viel wahrscheinlicher jedoch war, dass sie ihn in den Tiefen des Meeres versenkte. So wie er Nico Robin. So wie er ihre Liebe für ihn versenkt hatte.
 

Gerade wollte sie den letzten Schluck Kaffee austrinken, als sie eine Stimme hörte, die ihr Blut zum gefrieren brachte. Es war weder Walrada noch Jelena, nicht irgendein anderer alter Bekannter, sondern Lycra. Widerwillig und mit einem bitteren Geschmack im Mund blickte sie auf und sah wie er näher kam. Sein Schritt war selbstsicher und direkt, die Augen auf sie gerichtet und das Lächeln so breit, dass man Angst bekommen musste, gefressen zu werden.

»ROBIN!« schrie er glücklich und hielt vor ihr, packte sie bei den Armen, zog sie nach oben und an seine Brust und nahm ihr dabei den Atem. »Gott! Du bist wieder da!« Und dann im nächsten Moment presste er seine Lippen auf ihre, dass sie überrascht aufkeuchte und steif gefror. Er küsste sie wieder und wieder, bis sie ihm, außer sich, beide Hände auf die Lippen legte und ihn von sich stieß. Er schien es kaum zu bemerken, schmiegte deinen Kopf gegen ihren. »Du siehst noch besser aus, als damals. So wunderschön. Man, ich hab dich so vermisst. Ich konnts kaum glauben, als ich dich eben erkannt habe!«

In seiner Stimme lag ein seltsamer Ton. Es schwang förmlich in ihr weiter und mit jeder Silbe riss sie ihre Augen weiter auf. Etwas stimmte nicht mit seiner Stimme. Etwas stimmte ganz und gar nicht. Wütend schubste sie ihn von sich. »Fass mich nicht an!«
 

Seine grünen Augen scannten jedes noch so kleine Stück an ihr, hielten schließlich bei ihren Augen inne. »Hey, du siehst ganz schön müde aus. Ist wieder jemand hinter dir her?«

Fuchsteufelswild zog sie ihn hinter sich her, bis sie etwas abseits standen. »Red nicht so laut! Spinnst du? Und nein, niemand. Außer dir vielleicht. Was soll das überhaupt? Was glaubst du was du hier machst?«

»Was schon? Ich wohne hier, falls du das vergessen hast. Seit wann bist du denn wieder da?«

»Das geht dich gar nichts an. Bilde dir nicht ein, dass ich wegen dir hier bin. Ich brauchte nur ein gutes Versteck, mehr nicht. Und ich bleibe auch nicht mehr sehr lange.« Hoffentlich.

Lycra konnte seine Finger kaum von ihr lassen. Sie war noch größer geworden und man, nicht nur ihre Beine waren gewachsen. Bei dem Ausschnitt fielen ihm bald die Augen aus dem Kopf und er konnte das angenehme Kribbeln kaum ignorieren, das seine Lenden entlang glitt. Es war wirklich schwer nicht gleich über sie herzufallen. Er hatte sie so sehr vermisst. »Von allen Insel suchst du dir also genau die aus, auf der ich lebe? Natürlich, Baby. Komm schon, du kannst ruhig zugeben, dass du mich vermisst hast.«

»Habe ich nicht.« Sie wandte sich ab, griff nach ihrer Schatulle und begann sich von ihm zu entfernen. Er folgte ihr, wie sie befürchtet hatte. Immer wieder presste er sich an sie, wohlweißlich, dass sie sich in der Öffentlichkeit gegen ihn kaum wehren konnte. Er wusste schließlich wer sie war und wie früher nutzte er ihre Vorsicht maßlos aus. Vielleicht hatte er sich äußerlich verändert, aber er war noch immer der gleiche Lycra, der Robin die Unschuld genommen hatte. Mit und ohne ihrem Einverständnis. Dass die Marine an ihr klebte, interessierte ihn nicht die Bohne und das war auch der einzige Grund, warum er noch lebte. Nicht, dass ihm das klar war. Wieder und wieder fuhren seine Hände über ihren Hintern, drückten sich leicht gegen ihre Brüste oder griffen nach ihrem Haar.

»Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr ich mich nach dir gesehnt habe. Nach deinem Gesicht, nach deiner Stimme, oh und nach diesem heißen Teil, was du Körper nennst.«

Angewidert versuchte sie immer wieder ihn von sich zu schubsen, was sich in dem Gerangel auf den Straßen leichter anhörte, als es war. Sie hätte auch ihre Kräfte einsetzten können, aber nur eine Frau hatte solche Fähigkeiten und diese war offiziell tot. Nicht, dass Lycra Zeitung lesen würde. Sie wusste ja nicht mal, ob er überhaupt lesen konnte. Er hatte sie immer damit aufgezogen, mit ihren Büchern, mit ihren Ambitionen. Vielleicht hatte sie deswegen niemals mehr für ihn empfunden. Crocodile hatte sich auch oft über sie lustig gemacht, aber er hatte ihre Träume niemals verlacht, hatte sie nie für ihre Wünsche verspottet. Ganz im Gegenteil.

»Hör auf mich zu betatschen.« kam es kühl von ihr, doch er ließ und ließ nicht locker.

Sie war zickig, aber das kannte er schon. Man musste bei ihr am Ball bleiben, bis sie eine Lücke ließ, die man ausnutzten konnte. Er war wirklich scharf auf sie. Schließlich hielt er sie wieder an und versuchte sie erneut zu küssen, was ihm eine heftige Ohrfeige einbrachte.

»Das ist die letzte Warnung, Lycra!«

Nun knurrte er erregt und drückte ihr Becken gegen seines. »Sonst was? Willst du mich auf offener Straße angreifen? Wir wissen doch beide, dass das nicht dein Stil ist.«

Es knackte heftig, als sie ihm die Kante des Kästchens gegen die Schläfe knallte und davon rannte. Im ersten Moment war er orientierungslos und rieb sich die pochende Stelle an seiner Stirn, ehe er ihr nachhetzte.

»Oi! Du kleines Miststück!«
 

Sie rannte nicht gerade um ihr Leben, aber das hieß nicht, dass es nicht Panik war, die in ihrem Blut wallte. Panik vor dem, was er ihr schon einmal angetan hatte. Sie suchte eine Stelle, wo sie mit allein sein würde. Und wenn er sie dann wieder berührte, würde sie ihm wehtun. Sie hatte zuviel erlebt, zu viel durchgemacht, als dass sie zulassen würde, dass sie jemand jemals wieder auf diese Art berührte. Er würde sie niemals mehr so anfassen, niemals mehr nah kommen. Niemand durfte das. Niemand außer Crocodile. Aber der war nicht hier. Der konnte ihr nicht helfen. Sie musste allein gegen die Dämonen ihrer Vergangenheit kämpfen, sich endlich entscheiden. Nur das bisschen erhalten gebliebener Dankbarkeit dafür, dass er sie nie verraten hatte, sie akzeptiert hatte, hielt sie noch zurück.

Eine ganze Weile floh sie so vor ihm durch die Massen von Menschen, bis sie der Atem verließ und sie zu einem schmerzhaften Halt kam. Seitenstechen blockierte ihre Flucht. Hastig blickte sie sich nach Lycra um, konnte ihn aber nirgends entdecken. Hatte sie ihn tatsächlich abgehängt? Keuchend beugte sie sich nach vorn und versuchte ihr Gehirn mit etwas mehr Sauerstoff zu versorgen, als ihr Blick auf ein paar Schuhe fiel. Schuhe, die sie viel besser kannte als sie je für möglich gehalten hätte. Schwarze, fein polierte Schuhe, die ihr gleich wieder den Atem nahmen. Sie riss ihren Blick nach oben. Sie halluzinierte. Sie sah Crocodile.

Hayu - Lycra

Er war es tatsächlich.

Imposant wie eh und je stand er vor ihr. Die wuchtige Gestalt des durchtrainierten Körpers und die Verdopplung seiner Präsenz durch den riesigen Mantel, den er trug. Die Schuhe blank geputzt, die Haare geschmeidig nach hinten gekämmt. Der Geruch seines dezenten, aber männlichen Parfums. Sein Atem, den sie fast schmecken konnte. Seine tiefen, geheimnisvollen, braunen Augen, die nichts verrieten und ihr doch alles offenbahrten. Er war stocksteif gefroren, starrte sie an, als glaube er kaum, dass sie vor ihm stand. Unsicherheit lag in seinen Augen, aber nicht nur das. Dort war auch Erleichterung, beinahe Freude. Und auch Erregung. Heimtückisch blitzte sie ihr entgegen und fraß sie fast auf. Es war, als spürte sie sein sehnsüchtiges Zittern durch die Luft hindurch, das sich nur noch wünschte sie in die Arme zu nehmen. Doch aus seinem Mund kam nichts. Er unterdrückte jedes einzelne Wort.

»Wo bist du verdammt?« Das näherkommende Gebrüll riss sie aus dem Bann, in den Crocodiles Präsenz sie gezogen hatte, erettete sie, ehe sie sich auf der Achterbahn ihrer Gefühle verlieren konnte. Hastig blickte sie auf und konnte den brünetten Schopf schon in der Menge erkennen; er hielt auf sie zu. Er durfte sie nicht mit Crocodile sehen. Er durfte sie überhaupt gar nicht sehen! Ohne weitere Worte packte sie nach Crocodiles Hand und rannte erneut los, bahnte sich einen Weg durch die Menschen und zog ihn hinter sich her. Sie brauchte kaum Kraft dafür aufzuwenden. Willenlos ließ er sich ziehen, rannte mit ihr zusammen. Doch nur wenige duzende Meter kamen sie voran, ehe sie den Mann an ihrer Hand in eine schmale, leere Seitenstraße zerrte. Ohne weiter darüber nachzudenken stieß sie ihn dort an die Wand der eng stehenden Häuser. Sie drückte ihm zwei Finger gegen die Lippen und ignorierte dabei völlig das warme Kribbeln, das ihre Haut benetzte. Dazu war sie noch zu aufgeregt. Mit klopfendem Herzen starrte sie zur Hauptstraße, wartete darauf, dass Lycra vorbei lief, dass seine Stimme verklang.

Ihre Körper berührten sich ganz leicht, denn auch sie musste sich etwas ducken, als Lycra näher kam. Lauf vorbei, lauf einfach vorbei, war das Einzig an das sie denken konnte.

Nur beiläufig bemerkte sie, wie sein Atem erst stockte, rasselte und schließlich ganz ausblieb. Sie fühlte ein leises Zittern und ein noch größeres Blockieren dessen. Erneut wurde er stocksteif. Noch immer kam kein Wort über seine Lippen, obgleich sie seinen Blick auf sich brennen fühlte. Sein warmer Atem stieß gegen ihre Haut und schickte einen heißkalten Schauer über ihren Rücken. Dann, endlich, hörte sie Lycra, wie er laut rufend an der Gasse vorbei rannte. Er schien sie nicht zu sehen. Doch erst als sie seine Rufe nicht mehr hören konnte, erlaubte sie sich auszuatmen und die Schultern sacken zu lassen. Nur langsam nahm sie die Finger von Crocodiles Lippen. Aber dieser zeigte noch immer keine Regung. Nur das leise Zittern seiner Muskeln, sein gelegentliches schweres Atmen und sein von Sehnsucht geplagter Blick waren die einzigen Lebenszeichen, die er von sich gab.
 

Robin versuchte das nicht an sich heran zu lassen, spähte kurz um die Ecke und zog Crocodile dann noch ein Stück weiter hinter sich her, tiefer in die immer dunkler werdende Gasse. Die Geräusche von der Straße nahmen weiter ab, ehe sie nur noch dumpf zu hören waren. Sie wusste, dass sie hier nicht bleiben konnten. Irgendwann würde Lycra den Weg zurück kommen und sie auch hier suchen. Und sie wusste auch, dass das mittlerweile nur noch eine Ausrede war, Crocodile nicht direkt ansehen zu müssen. Schon längst spürte sie, wie ihre Körpertemperatur ins Unermessliche stieg, wie ihr Atem immer wieder aussetzte und ihr Herz mächtig anschlug. Eigentlich war ihr nach Weinen, vor lauter Glück, vor Erleichterung und noch so einem etwas, an das sie nicht denken wollte. Liebe. Es war wirklich Liebe.

Fast waren sie nun an der anderen Seite der Straße angekommen. Sackgasse. Erst jetzt hielt Robin inne, drückte die Schultern wieder durch und warf einen Blick in Crocodiles Augen. Endlich brachte sie den Mut auf. Sie ahnte nur, was für Einsicht sie ihm zugestand, wie tief er in sie hineinsehen konnte durch diesen ersten Augenaufschlag. Es explodierte förmlich hinter ihren Pupillen. Wellen, Fluten an Endorphinen, die sie nicht mehr aufhalten konnte. Erleichterung, Glück, Unglaube, Freude und vor allem neue Hoffnung. Hörbar schnappte sie nach Luft und bemühte sich, es nicht zu zeigen. »Ich glaube... er ist weg.«

Das Nicken, das daraufhin folgte, wirkte mechanisch, als hätte er seine Bewegunen kaum unter Kontrolle. Seine Haltung verriet fast nichts, doch sein Blick verriet alles. Unermüdlich sah er sie an, nur sie, konnte die Augen nicht abwenden. Fraß sie auf, verschlang sie mit einem Biss. Er wollte sie umarmen, sie küssen, doch er durfte nicht. Mit aller Macht zwang er sich nichts zu tun, nichts zu zeigen, ruhig zu bleiben. Noch nie war ihm das so schwer gefallen. Er war so froh, dass es ihr gut ging.

Es dauerte nur Sekunden, Bruchteile und Lycra war wieder dahin zurück gerutscht, wo er die letzte Jahre verbracht hatte. Auf ihrer emotionalen Mülldeponie. Stattdessen wurde sie überflutet von ihm und den Gefühlen, die sie für ihn hatte. Nieder gerissen von der Hoffnung, die ihr sagte, dass alles gut werden könnte. Solange er an ihrer Seite war. Dann konnte es die ganze Welt nicht mit ihr aufnehmen. Sie konnte es einfach nicht mehr aushalten. Viel zu lange hatte sie es in sich selbst vergraben, hatte es ignoriert, verdrängt und verleugnet. Doch jetzt war er hier und sie hatte ihm nichts mehr entgegen zu setzen. Heftig presste sie sich an ihn, vergrub ihren Kopf an seiner Brust, schlang die Arme um ihn und ließ die Tränen fallen. Ihr war alles egal geworden. Nur noch das Hier zählte. »Du bist wirklich zurück gekommen…«
 

Schlagartig japste Crocodile nach Luft, blieb einen langen Moment vollkommen steif. Er rang nach Atem, nach Worten, doch seine Kehle schnürte sich nur allzu oft wieder zu. Er bekam nichts heraus. Die Wucht der Gefühle erdrückte ihn, brachte ihn fast in die Knie. Er konnte sich kaum dagegen wehren. Noch immer hielt er sich zurück, konnte seinen Körper jedoch nicht davon abhalten seine Arme ganz zaghaft, zögerlich und ohne Druck um sie zu schlingen und sie behutsam in seinen Armen zu halten.

Robin dagegen nutzte ihre ganze Körperkraft sich immer tiefer in ihn zu schälen. Sie wollte ihm noch näher sein, als sie physikalisch dazu in der Lage war, so viel näher. Längst bekam sie keine Luft mehr, aber das war ihr egal. Ihre Finger krallten sich in den vornehmen Stoff, rissen förmlich an ihm. Immer wieder zog sie seinen Duft ein, wäre dabei fast ohnmächtig geworden. Die Worte sprudelten aus ihr heraus wie das erste Wasser eines Springbrunnens im Frühling.

»Du lebst! Du bist wieder da!« Noch mehr Worte, die man unter den Tränen kaum verstehen konnte. »Du hast mich nicht im Stich gelassen. Du…« Dann brach ihre Stimme völlig, obwohl da noch mehr Worte waren, noch mehr, das an die Oberfläche wollte, schon so lange. Sie konnte es noch immer nicht fassen, dass er wirklich vor ihr stand. Dass er sie wirklich nicht alleine gelassen hatte, dass seine Worte nicht gelogen gewesen waren.

Sie hörte sein Herz klopfen, unnatürlich laut und schnell, aufgeregt. Es wollte ihr etwas sagen, doch sie konnte es nicht hören. Robin nahm es kaum war, zu sehr flossen plötzlich Dinge aus ihrem Kopf, aus ihrer Seele, die sie lange unter Verschluss gehalten hatte. Nur ein kleiner, rudimentärer Teil in ihr sorgte dafür, dass ihre Körpertemperatur weiter anstieg, so sehr, dass ihr regelrecht heiß wurde. Sie redete und redete einfach weiter.

»...Noch nie ist jemand zurück gekommen. Nicht für mich. Noch nie. Ich bin so froh, dass es dir gut geht. Habt ihr Kuzan getroffen? Was hat er gesagt? Lässt er euch in Ruhe?« Ihre Worte wurden immer undeutlicher, erinnerten bald an Uma, so aufgeregt und durcheinander war sie. »Bin ich jetzt keine Last mehr für dich?«

Doch auf keine ihrer Fragen konnte er antworten. Zu sehr hatte er mit seiner Atmung zu kämpfen und mit dem Drang sie nicht zu zerquetschen, würde er den Druck in der Umarmung verstärken. Er konnte kaum noch denken. Aber das brauchte er auch nicht. Vollkommen hatte das Glück ihn endlich überwältigt. Betäubt, gelähmt. Es war ihm egal. Nur sie zählte nun. Nur sie und diese Umarmung, die ihm Hoffnung gab. Hoffnung, dass sie ihm verziehen hatte. Hoffnung, dass es eine Zukunft für sie gab.

Robin erwartete nicht einmal Antworten. Ihre Gedanken waren schon wieder ganz woanders. Ihr Geist handelte instinktiv. Sie hob ihren Kopf und presste sich ihm erneut entgegen, diesmal ihre warmen Lippen auf seine. Nichts war wichtig in diesem Moment, nichts anderes als dieses Gefühl, als der Augenblick in dem sie ihn schmecken konnte, in dem sie ein Teil von ihm wurde.
 

Und das war der Moment, in dem in Crocodile alle Barrieren brachen, nieder gerissen wurden. Kein Funken Selbstbeherrschung mehr, keine Rücksicht auf sie. All das angestaute Wasser strömte in einer Sintflut aus ihm heraus, auf sie herab und riss sie mit sich, tauchte seinen Kopf unter Wasser. Ruppig griff er nach ihr, presste sie an sich, ließ etwas der Angst nach außen, die er um sie gehabt hatte. Die Sehnsucht und den Schmerz, die Gedanken sie zu verlieren. Er schleuderte es ihr alles entgegen, rupfte an ihrem Hemd, riss ihren Körper nach oben, dass sie auf Zehenspitzen stehen musste und verbiss sich in ihren Mund. Sein Kuss war viel zu stürmisch, so unbarmherzig wie sein Tötungstrieb, doch er hatte es längst nicht mehr unter seiner Gewalt. Er wollte nur noch fühlen, sie nur noch spüren. Wissen, dass das echt war und nicht wieder einer seiner Träume, die er seit Wochen hatte. Wissen, dass Robin in seinen Armen lag und ihn küsste.

Sie wusste gar nicht wie ihr geschah, alles ging so schnell. Sie sprang ihn an, damit sie wirklich auf Augenhöhe mit ihm kam, klammerte ihre Beine um seine Hüften und fuhr mit den Händen in seine Haare, die sie zärtlich durch ihre Finger gleiten ließ. Nur ihr Kuss war hitzig, aber wohl längst nicht so stürmisch wie der seine. Sie ließ es einfach geschehen, vergaß alles um sich herum, die Zeit, die Vergangenheit und die Zukunft. Das leise Keuchen wurde nicht mehr umgewandelt in ihren Ohren, auch nicht die Silben, die ihr noch von den Lippen glitten.

Und selbst diese Worte verschlang er noch unter seinem Kuss. Es war kein Kuss der Erregung - hier ging es nicht um Sex. Alles, was in diesem Moment aus ihm heraus in sie hinein floß, war seine Sehnsucht nach ihr, seine Suche nach ihr, die Suche nach Vergebung und die Hoffnung auf einen Neuanfang. Es war seine aufrichtige und genauso dreckige, vergiftete Liebe. Gnadenlos, kompromisslos, verstandslos. So oft hatte er sich in den letzten Wochen vorgestellt sie nie wieder zu sehen. Er hatte damit gerechnet sie nicht mehr auf Hayu zu finden. Weil sie geflohen war - vor ihm. Weil die Marine sie erwischt hatte. Hatte sich vorgestellt, wie sie vor ihm stand und ihm ihren Hass entgegenschlug, ihm sagte, dass sie ihn nie wieder sehen wollte. Er hatte mit allem gerecht, aber nicht hiermit. Manchmal hatte er davon geträumt, es sich vorgestellt. Doch jedes Mal hatte er die Vorstellung zerschlagen. Sie in seinen Armen, ihre Küsse, ihr Lächeln - das war längst außer Reichweite geraten. Er hatte abgeschlossen mit ihr, mit seiner Liebe für sie. Er hatte sich keine Hoffnungen machen wollen, denn er hatte Angst gehabt, dass sie zerschmettert werden würde. Es hätte ihn nicht umgebracht, oh nein. Aber es hätte ihn zerstört.
 

Die Zeit zog einfach an ihnen vorbei. Es hätten Minuten sein können, vielleicht auch nur Sekunden, aber in dem Moment, als das Wasser sie traf, schreckte Robin zusammen und löste sich von ihm, fiel beinahe von ihm ab. Sie hörte kaum die Stimme über sich, die sie schallend auslachte.

»Hahaha, selber Schuld! Was stellt ihr euch auch direkt unter mein Fenster?!« Eine alte Frau schaute von oben, aus einem der höheren Stockwerke aus ihrem Fenster, den Eimer noch in der Hand. »Junges Volk, nur das eine im Kopf.«

Mit weit aufgerissenen Augen starrte Robin erst zu der Frau, dann an sich herab und schließlich zu Crocodile. Wie ein begossener Pudel. Crocodiles Gesicht wirkte düster, sie sah sogar einige Stressfalten sich auf seiner Stirn bilden. Und dennoch wirkte er sanfter als sonst. Dort war nicht die Mordlust, die sie kannte, nicht der unsägliche Hass, die zerstörrerische Wut. Nichts davon, nur ein leises Knurren, ehe er die Augen schloss und davon watschelte, den Körper demonstrativ von ihr abgewand.

Sie konnte sich gar nicht helfen. Sie musste leise lachen und es war ein so befreiendes Gefühl wie sie es noch nie erlebt hatte. Nach zwei Monaten Einsamkeit, Wut und Schmerz küsste er sie und es brachte ihre Welt aus den Fugen. Sie war noch nie so glücklich gewesen.

Erst nach einigen Sekunden mahnte sie sich analytisch zu bleiben. Sie waren noch nicht aus dem Schneider, Lycra könnte jeden Moment auftauchen. Sie hielt ihn an seinem Ärmel fest. »Warte. Wir können den Weg nicht zurück nehmen. Er kommt sicher noch einmal hier vorbei.«

»...Er?« Kam es ruhig, leise gebrummt. Er hatte den Kopf halb zu ihr gewand, der Blick ein wenig stechend, aber noch immer erregt.

»Ein... ein Bekannter, dem du nicht begegnen willst, glaub mir.« beendete sie schnell und wand den Blick ab. »Wir sollten eine Abkürzung durch eines der Häuser nehmen.« Wieder zog sie an ihm, bis er ihr folgte. Sie führte ihn auf der gegenüberliegenden Seite der unhöflichen Nachbarin durch eine Tür. Sie achtete gar nicht darauf, ob jemand zu Hause war. In dieser Gegend und um diese Uhrzeit unwahrscheinlich, außerdem schloss hier niemand je seine Türen ab. Auch eher typisch für Hayu.
 

Das Gebäude, in das sie nun traten, war völlig abgedunkelt und etwas überrascht stellte Robin fest, dass das Haus scheinbar verlassen war. Die Tür hatte sie direkt in das einstige Wohnzimmer geführt, das in einem kurzen Flur endete und dort mit der Haustür abschloss. Ein paar alte Möbel standen noch hier, vergessen, eingefallen und von Motten zerfressen. In allen Ecken klebten Spinnennetzte und das Licht fiel nur schwerlich durch das dreckige Fenster neben dem Haupteingang. Die Luft war stickig, aber zumindest stank es nicht abgestanden oder so, als würde etwas verwesen.

Robin rieb etwas von dem Schmutz des Fensters herunter und spähte hindurch. Kein Lycra weit und breit, aber sie kannte ihn zu gut. Er würde noch einmal hier entlang kommen. »Vielleicht ist es besser, wenn wir uns aufteilen.«

»...Aufteilen?« Er verzog den Mund und merkte gar nicht, dass er wie ein Papagei klang. Es war ihm auch vollkommen egal. Seine Sinne hörten nach diesem Kuss sowieso kaum noch auf ihn.

Sie nickte, als bemerke sie seinen Zustand gar nicht. »Du gehst zuerst. Geh einfach weiter nach rechts, durch die Stadtmitte, bis du ans Ende der Stadt kommst. Ich warte hier ein paar Minuten und folge dir dann. Es wäre nicht gut, wenn er uns zusammen sieht.«

Nun knurrte er leise. Das machte ihn gehörig wütend. »...ER

Darauf zuckte sie deutlich zusammen. So ziemlich alles in ihr sträubte sich dagegen, ihm diese Sache näher zu erklären. »Nichts... Gravierendes. Geh einfach, okay?«

Sein Bick wurde finsterer, fast schon beängstigend. »Was ist los? Haben sie dich gefunden? Wirst du gesucht?«

»Nein. Nein, werde ich nicht. Nicht so... wie du denkst.«

»Bist du aufgeflogen?«

»Das ist es nicht.«

»Was ist dann los?« kam es etwas zu ruppig von ihm. Sein Puls war auf Hundertachzig. Hatte er sich all das Glück eingebildet? Waren sie am Ende wirklich in eine Sackgasse gekommen?

Sie musste es ihm sagen! Sie musste es erklären, irgendwie. Wieder beschleunigte ihr Herzschlag. »Ich war schon einmal hier. Nun, nicht nur auf der Durchreise, sondern für fast ein halbes Jahr. …Es gibt hier ein paar Leute, die mich kennen. Als Robin, aber sie wissen nicht, dass ich Nico Robin bin. Und der Kerl, der uns verfolgt hat... naja... das war…« Sie konnte ihn nicht ansehen.

»...Ja?« Noch mehr Nachdruck.

Sie presste die Augen zusammen und holte tief Luft. »Lycra, mein Exfreund.«

Das zog eine heftigere Falte in seine Stirn. »...Huh?«

»Du weißt schon. Der einzige Typ, den ich vor dir hatte, als ich 18 war. Das ist seine Heimatinsel.« Heftig schluckte sie nach Luft.

Nun verzog sich sein Gesicht noch mehr, er wirkte mehr als irritiert, obwohl auch etwas Angst dazwischen steckte. »Und... du wolltest ihn sehen?...«

»NEIN!« Sie schreckte zurück, als sie ihren Schrei hörte, ehe sie sich abwandte. »Nein, wollte ich nicht! Ich habe es die ganze Zeit geschafft, ohne ihm über den Weg zu laufen. Aber heute hat er mich erkannt.« Sie ballte ihre Fäuste. »Ich wäre durchaus zufrieden gewesen, wenn ich ihn nie wieder hätte sehen müssen, nachdem er... nachdem... Aber das ist jetzt auch egal!«
 

Schweigend musterte er sie. Man konnte nicht erkennen, was er dachte. Er schien zwischen den Stadien umherzupendeln. Nicht sicher ob er irritiert, aufgeregt oder verunsichert sein sollte.

»Ich habe Hayu ausgewählt, weil ich sie neben Arabasta wie meine Westentasche kenne, weil ich die Menschen hier kenne, weil ich weiß, dass sich niemand für mich interessieren würde, selbst nicht nachdem mein Tod in allen Zeitungen abgedruckt war. Und weil Hayu unheimlich nah lag und wir schnell handeln mussten!«

»...«

»Ich hasse ihn. Ich bin nicht zum Spaß weggelaufen.« Wütend und erregt stierte sie aus dem Fenster. Sie wollte nicht darüber reden. Es riss nur alte Wunden auf.

»...Also weiß niemand, dass Nico Robin noch am Leben ist?«

»...« So ein Mist.

Doch er blieb hart, bedrängte sie mit seinem bohrenden Blick und ließ nicht zu, dass sie um das Thema herum schweifte.

Ihr Kopf fiel zurück. »... Lycra weiß wer ich bin. Er hat mich damals vor der Marine versteckt.«

»...«

»Er hat mich aber nie verraten. Auch nachdem was zwischen uns passiert ist, hat er das nie in Betracht gezogen.« Abrupt wandte sie sich wieder zu ihm um. »Darüber können wir später reden. Ich will nicht mehr hier sein, wenn er zurück kommt.«

Wortlos verschränkte er die Arme, musterte sie eindringlich. Sein Blick war noch immer verschwommen, doch sie wusste nicht im Geringsten, was er dachte.

»Bitte zwing mich nicht dazu gerade jetzt mit dir darüber zu diskutieren. Lycra wird mich nicht verraten. Der weiß noch nicht einmal, dass ich offiziell für tot gehalten werde.«

»Tss...« Zischend warf er den Kopf zur Seite und bleckte die Zähne.
 

Alles in ihr sträubte sich dagegen, ihm diese Geschichte zu erzählen. Es hätte die Dinge nur noch verkompliziert, ihr eine entgültige Entscheidung abgezwungen. »Schön, dann gehe ich eben zuerst.« Ein weiteres Mal blickte sie durch das Fenster, öffnete dann vorsichtig, so unauffällig wie möglich die Tür.

»Warte!« Laut stampfend kam er näher und blickte mit blitzenden Augen zu ihr hinab. »Hier ist gar nichts geklärt. Was ist mit dem Typ? Was will der von dir? Und wie kann ich mir sicher sein, dass er dich nicht an die Marine vertickt?! Wo willst du überhaupt hin?«

»Zu einer kleinen Bar auf der anderen Seite der Stadt. Ich hab da ein kleines Zimmer« Auf den Rest ging sie gar nicht ein, vornehmlich, weil sie nicht so recht wusste, wie sie das erklären sollte, ohne es schlimmer zu machen. Sie wünschte sich so sehr wieder in seinen Armen zu liegen und Ruhe zu finden. Doch das war nicht der richtige Augenblick.

»Und?«

»Und was? Ich wollte die paar Sachen holen, die ich noch habe und jemandem Aufwiedersehen sagen.«

»...Etwa diesem Typen?«

Diesmal war ihr Blick giftig. »Hast du nicht zugehört? Ich will ihn nicht wiedersehen!«

Sie sah es in seinen Augen brodeln. Eifersucht ganz klar. Aber nicht vordergründig. Allen voran sah sie Furcht. Davor, dass am Ende alles umsonst gewesen war. »Wem dann?«

»Sie heißt Walrada und ihr gehört die Kneipe und das Zimmer, in dem ich übernachtet habe. Und nein, sie weiß nicht, wer ich bin. Und das bleibt besser auch so.«

Er schnaufte etwas, versuchte sich wieder zu beruhigen, aber es fiel ihm schwer. »Und dann? Was willst du dann tun?«

»Nun ich...« Ihr Blick wurde unsicher. »Ich dachte, du würdest mindestens ein paar Tage bleiben, damit es nicht merkwürdig erscheint. Aber... ich ging davon aus nicht hier zu bleiben, diesmal.«

Schwerfällig nickte er, hievte noch immer nach Luft. »Ja... wir müssen die Tarnung aufrecht erhalten. Wir können nicht sofort wieder abreisen.«

»Ich… ich…« Sie hätte nie geahnt, dass ihr diese Worte so schwer fallen würden. Nie gedacht, dass sie sich wirklich auf so etwas einlassen würde. Und doch tat sie es, sie hatte den Entschluss längst gefällt. Sie wollte bei ihm bleiben. Koste es, was es wolle. »…Ich habe nicht vor, als Nico Robin auf die Minerva zurückzukehren…« Ihre Stimme erstarb fast, unter der Last, die diese Worte ausdrückten.
 

Sie hörte ihn keuchen. »...Was heißt das genau?«

»Ein neuer Name, eine Perücke... was ich sonst noch tun kann, um nicht mehr das Dämonenkind von Ohara erkannt zu werden.« Es schmerzte das auszusprechen, doch sie rang sich durch. So wie die Dinge standen, gab es keine andere Möglichkeit. Nico Robin und Sir Crocodile war auf Dauer unmöglich. Sir Crocodile und irgendeine unbekannte, fremde Frau war es nicht. Das hatte sie endlich eingesehen. Und es stimmte, sie konnte unerkannt nach dem Rio Poneglyph suchen. Und wenn sie es fand, dann könnte sie der ganzen Welt die Wahrheit sagen, die so akribisch versucht hatte sie zu vernichten.

»...« Nun blickte er weit weg, die Stimme ungewöhnlich stabil. »...Ich habe Ao Kiji die Geschichte erzählt, dass ich dich gezwungen habe bei mir zu sein... und dass ich dich irgendwann rumgekriegt hab, indem ich dir Liebe vorgekaukelte... Ich hab mich als Playboy gegeben und nun ja... ich denke es würde in das Schema passen, wenn ich auf jeder Insel eine Neue hätte... solange sie uns beobachten... und ich bin sicher, das werden sie weiter tun.«

»Das hat er dir abgekauft?«

Er zuckte die Schultern. »Keine Ahnung.«

»Eine Neue auf jeder Insel? Klingt nach einer Menge Perücken. Ich hatte daran gedacht mir gleich die Haare zu färben.« Sie kam nicht umhin sich selbst lustig zu finden. Irgendetwas stimmte mit ihrem Kopf nicht. Crocodile hatte ihr inneres Magnetfeld durcheinander gebracht. Sie lächelte glücklich und dennoch war ihr zum Weinen zumute.

Nun blickte er sie doch wieder an und sie hörte, dass er die Worte hervor würgte. »...Meinst du... du musst so weit gehen?«

»Ungern. Aber ich nehme an ein größeres Problem ist mein Name. Ehrlich gesagt fällt mir der Gedanke allein schon ziemlich schwer, aber... darüber können wir später reden. Ich will wirklich nicht länger hier abwarten.«

»...« Schließlich drehte er den Kopf wieder zur Seite und löste seine Arme. »Fein... Also... was ist der Plan?«

»Ich gehe vor, zurück zu meiner alten Bleibe, du gehst wie gehabt zur anderen Stadtseite und wartest auf mich. Ich werde dann schon eine Perücke tragen. Wir sollten uns von der Stadtmitte zusammen zumindest fernhalten. Lycra arbeitet in dem Theaterkahn und der ist quasi um die Ecke. Danach können wir weiter reden.«

Widerwillig nickte er und knurrte leise. Er hasste es, wenn es nicht nach seiner Nase lief. Aber das kannte sie ja inzwischen. »In Ordnung.«

Robin wartet gar nicht länger, öffnete die Tür und schlüpfte hinaus. Sie befürchtete, wenn sie ihm wieder in die Arme fiel, würde es nur erneut ausarten. Denn trotz der neuen Gefahr durch Lycra spürte sie die Sehnsucht weiterhin heftig in ihren Gliedern. Ihr Herz klopfte ihr noch immer bis zum Hals und das Lächeln war wie festgeeist. Es wollte einfach nicht mehr weg gehen. Kurz erlaubte sie sich stehen zu bleiben und tief durchzuatmen. Er war zurück gekommen. Er hatte sein Verprechen gehalten. Er hielt zu ihr. Sie hatte nicht mehr daran geglaubt, es aufgegeben – doch jetzt war es wahr geworden. Sie spürte das Leben wieder in sich aufquellen, von ihr Besitz ergreifen, den Tod in ihr vertreiben. Ja, sie spürte das Leben und sie wollte dankbar danach greifen. Eine letzte Chance. Ihr letzter Versuch glücklich zu werden, die Qualen, die dieses neu Leben von ihr abverlangte in Kauf nehmend.
 


 

Crocodiles Zähne knirschten laut, als er sich von ihr abwand und den Blick wutverdunkelt im abgewrackten Haus umherschweifen ließ. Er sah kaum etwas von dem Staub oder den Spinnenweben oder der alten Möbeln. Nur das nasse Wasser biss ihn noch, hatte seinen Mantel vollkommen aufgesaugt. Zischend riss er ihn sich von den Schultern und warf ihn in eine Ecke, drehte sich dann um und ging einmal im Kreis - unbewusst. Er wusste nicht genau, warum er das tat. Ob er Zeit für Robin schinden wollte, ob er einfach nur seine Wut heraus lassen musste oder ob er versuchte sein panisches Herzklopfen in Vergessenheit geraten zu lassen. Sein Innerstes war zerissen. Er war wütend, war angepisst, war ängstlich und verwirrt und er war schrecklich einsam. Sehnte sich nach ihr, nach Robin. Und doch konnte er sich noch immer nicht zurück lehnen. Sie waren noch nicht in Sicherheit. Sie konnten immer noch gesehen werden. Und dann dieser Kerl, der Robin hinterherschnüffelte.

Er wusste, wer sie war? Er wusste, dass Nico Robin noch lebte? Was dachte sie sich dabei? Wollte sie es alles leichtfertig aufs Spiel setzen? Wollte sie ihn selbst umbringen? Denn sterben musste er - so oder so. Es ging nicht anders. Sie konnten Nico Robins Tod nicht anders kaschieren als dadurch, dass alle, die sie erkannten, eleminiert werden mussten. Wollte Robin das? Sollte er es tun? Musste er es tun? Wollte sie überhaupt wirklich auf seinen Plan eingehen? Ihre Identität aufgeben? Für ihn? Er konnte dem allem noch nicht so recht Glauben schenken. Alles, was ihm übrig blieb, war auf Robin zu hören und ihren Anweisungen zu folgen. Auch wenn es ihn krank machte nicht alles unter Kontrolle zu haben. Hastig stemmte er seinen Vorderfuß immer wieder auf und ab und klopfte auf dem Boden herum, zwang sich so viel Zeit zu schinden, wie es ging. Doch es war nutzlos, er hatte so oder so keine Relation zur Zeit mehr. Wie viel davon war vergangen, seit sie gegangen war? Eine Viertelstunde? Zehn Sekunden? Es kostete unheimlich viel Kraft dort in dem Haus stehen zu bleiben, sich zusammenzunehmen und zu warten. Es brachte ihn fast um den Verstand. Doch er wusste, wofür er es tat. Und das war das einzig Wichtige. Er tat es für die Frau, die er liebte. Das Einzige, was ihm noch etwas bedeutete.

Dann, nach einer Weile, hielt er es nicht mehr aus und stahl sich - ohne seinen Mantel - aus dem Haus und versuchte die Stadtmitte zu meiden. Er tat genau, was sie gesagt hatte, erreichte nach einem langen Spaziergang das andere Ende der Stadt und hielt inne. Die Umgebung war schäbiger geworden, die Menschen dreckiger, aber längst nicht so schlimm, wie es auf Toshi-o-Toru gewesen war. Eher typisch für eine Großstadt. Die Außenbezirke waren ärmer und es war auch nicht weit von seinem Standpunkt aus, an dem sich die Kneipe befand, in der Robin ihre sieben Sachen zusammen suchte. Natürlich wusste Crocodile das nicht. Alles was er sehen konnte waren schäbige Häuser, schäbige Menschen und ein paar Touristen. Keine Robin weit und breit. Er würde warten müssen, bis sie hoffentlich wieder auftauchte.

Auch hier hatte er kaum ein Zeitempfinden, das einzige Maß, was ihm blieb war die Anzahl an Leuten, die an ihm vorbei glitten, ihre Geschäfte machten und dann und wann einen neugierigen, aber verhaltenen Blick in seine Richtung riskierten. Er war einfach zu bekannt, selbst wenn es hier niemanden so wirklich interessierte. Es war auch genau an diesem Ort, als er wieder diese Stimme hörte. Mittlerweile waren fast vierzig Minuten vergangen seit er das alte, verlassene Haus hinter sich gelassen hatte.

»Heeey, wo bist du? Komm schon. Ich weiß, dass du irgendwo hier in der Stadt bist.«

Aus der Menge brach nun die Gestalt, welche zu der Stimme gehörte, die Robin verfolgte. Groß, brünett, relativ gut gekleidet, attraktiv. Eigentlich genau Robins Typ. Und er suchte noch immer nach ihr. »Süße, komm schon raus! Ich tu dir noch nichts.«

Etwas angewidert musterte Crocodile ihn für einen Moment, zwang sich dann aber wegzusehen.

Lycra lief nicht unweit an ihm vorbei, schien ihn gar nicht bemerkt zu haben. Ohne einen Zwischenfall verschwand der Mann weiterhin rufend in der Menge. Keine fünf Minuten später hörte er eine zweite vertraute Stimme.

»Tut mir leid, dass es so lange gedauert hat. Walrada hat mich nicht so schnell gehen lassen wollen.«
 

Eine Frau schälte sich hinter ihm aus der Menschenmenge, aber er hätte sie fast nicht erkannt. Zumindest nicht, ehe sie den Kopf etwas anhob und er die Augen unter dem breiten Sonnenhut erkennen konnte. Sie trug ein weißes Sommerkleid und eine brünette Perücke. Das Kleid fiel ihr bis zu den Knien, das Oberteil war leicht gerafft und formte sich eng um ihren Busen und die Tallie und die Haare fielen ihr bis zum Bauch in leichten Locken. Es war Robin, aber irgendwie auch nicht.

Dieser Anblick brachte Crocodile schwer zum Schlucken und er erstarrte in der Bewegung. Ihr Erscheinungsbild warf ihn in die harte Realität zurück und in das Loch, das vor ihm klaffte. Die Leere, die fragte: Und was machst du jetzt? Unsicher öffnete er den Mund, nur um ihn wieder zu schließen und starrte sie an. Das war eine gute Frage. Was sollte er nun schauspielern?

Die Frau versuchte sich an einem leichten Lächeln, brach es aber gleich wieder auseinander, kam etwas näher. »Und? Leicht durchschaubar oder wirkte ich wie jemand, denn du noch nie gesehen hast?«

Er schluckte abermals und hielt seine Stimme unten. » ...Der Hut... verdeckt viel.«

Hastig nahm sie ihn ab. »Und so?«

»Lass ihn lieber auf.«

»Ich mag Hüte…« fing sie etwas schüchtern an, mied den direkten Kontakt zu seinen Augen. »Aber ich kann kaum auf jeder Insel so ein Teil tragen. Ich hatte gehofft die Haare bringen es.« Dennoch setzte sie ihn wieder auf. »Laufen die anderen auch durch die Stadt?«

»Nein nein... du siehst... gut aus. Aber dein Typ läuft hier rum und deswegen der Hut... « Er schielte zur Seite, höchst verunsichert. So kannte sie ihn gar nicht. »Und ja... einige sind auf der Insel. Um den Schein zu wahren et cetera.«

»Hast du ihn gesehen?« kam es ruppiger als sie wollte, hatte alles Andere schon wieder vergessen. »Und was meinst du bitte mit "dein Typ"? Er ist nicht "mein Typ".«

»Er war eben hier... also lass uns von hier verschwinden.« Auf mehr ging er nicht ein, blickte ihr nur wieder in die Augen und sie sah das unsichere Funkeln in ihnen. »Wie ist der Plan? Wie sollen wir uns verhalten?«

Sie lief in irgendeine Richtung, nahm an, dass er ihr folgen würde. »Ich weiß es nicht. Ganz ehrlich, ich habe gerade damit angefangen, den Gedanken zu ertragen, nicht mehr ich selbst zu sein. Ich weiß nicht, was ich jetzt tun soll…« gestand sie leise.

Hart schluckte er den Kloß in seinem Hals und die Zweifel in seinen Beinen herunter und erwürgte seine Zurückhaltung, indem er ihr einen Arm um die Hüfte legte und sie an sich zog, den Blick nach vorne gerichtet. Jetzt war nicht die Zeit unsicher zu sein. Er musste stark sein für sie. Das war das Einzige, das zählte. »Wie wärs... wenn wir einfach so tun als wäre es ein One-Night-Stand?«

Das wierrum irritierte sie beinahe zu Tod. »Ein... was? Ich ... ich dachte du meinst wegen Lycra...«

Er zog eine Augenbraue hoch und blickte sie an. »...Wer redet von denn von dem?«

»Du willst mir sagen, du hast nicht das Bedürfnis ihn über den Jordan zu schicken?« Es klang beinahe anklagend.
 

Heftig biss er die Lippen auf einander und blickte zur Seite, dämpfte die Stimme. »Was hab ich bitte für ein Recht das zu entscheiden? Es liegt allein bei dir...«

»Natürlich.« spuckte sie ihm etwas zu bitter entgegen. Sie konnte nicht anders, die Erinnerung war noch zu frisch. »Ich kann es mir schließlich aussuchen, ob ich alles zunichte machen möchte, was ihr, was du durchmachen musstest oder ob ich Lycra aufgeben will.« Ihr Kopf wandte sich von ihm ab, ihr Körper wurde steif und erneut hasste sie sich. Sie wollte so nicht mit ihm sprechen, sie hatte es doch eigentlich überwunden. Nun... alles vielleicht nicht und Lycra machte es nicht besser. Wieso musste es immer so schwierig sein? Hatte sie denn kein bisschen Ruhe verdient?

»Du… würdest also die Insel verlassen, ohne Lycra irgendetwas anzutun?« Resümierte sie hastig, ehe er auf ihre Anklage reagieren konnte. »Obwohl er weiß wer ich bin und vermutlich irgendwann erfährt, dass ich tot sein sollte?« Sie sprach leise, flüsterte fast.

Abrupt blieb er stehen, sah sie nicht an, bewegte sich nicht, schwieg für einen langen Moment. Er blickte sie nicht an, sprach ebenfalls sehr leise und behielt seine steife Haltung. »...Das würde ich, wenn du es wollen würdest.«

»Wann du dich einmischst und wann nicht, ist das willkürlich oder plannst du das?« Dieser Mann war wirklich ein absolutes Rätsel für sie.

»...Ich plane alles… aber es liegt in deiner Hand.«

»Muss wirklich schrecklich sein, es nicht unter Kontrolle zu haben, hm?« Da war es wieder, der versteckte Groll und die angestaute Enttäuschung und die Wut, die sie auf ihn hatte. Sie versuchte sich wieder herunterzukurbeln. Aber zurück nahm sie ihre Worte nicht. Als er darauf jedoch nicht antwortete, wanderten ihre Augen wieder zu den seinen. »Lycra hat mich sehr verletzt... du kannst dir gar nicht vorstellen wie sehr... Aber er hat mich niemals verraten. In all der Zeit nicht, hat es nie in Betracht gezogen. Er hat es mir selbst gesagt, weil ich es nach drei Monaten meines Aufenthaltes auf dieser Insel nicht fassen konnte, dass noch keine Marine angerückt war. Er hat einfach akzeptiert, wer ich war und damit auch die Gefahr, die von mir ausging. Ich bin ihm nie eine Last gewesen, mein Name bedeuetet ihm nichts. Aber allein für das, was er getan hat, würde ich ihn umbringen... mittlerweile zumindest. Ich…« Ihr Kopf fiel ab. »..ich weiß nicht mehr, was mir Wichtiger ist. Das Vertrauen, was ich ihm ohne Bedenken gegeben habe oder das, was ich damit aufs Spiel setzte.«

»...Es ist deine Entscheidung... denk darüber nach... Ich werde dir folgen, egal was du entscheidest.«
 

»Wenn ich es sehe, wenn ich es bei dir sehe, wirkt es immer so einfach... Eine Bewegung und er wäre Geschichte.« Jetzt kamen ihr fast die Tränen, aber sie wischte sich hartnäckig über die Augen und ging einfach weiter. Sie wusste nicht, warum sie weinte, aber sie wusste, dass ihr dieser Gedanke weh tat.

Crocodile entgegnete darauf nichts. Schweigend folgte er ihr, ging jedoch dieses Mal auf Distanz und umarmte sie nicht. Er wagte es nicht, wenn all diese Augen auf ihm lagen. Ohne weitere Worte zu verlieren, liefen sie die Straße entlang. Robin führte ihn aus der Stadt heraus, zu dem einzigen Ort, der ihr hier sicher erschien. Die Klippe, auf der sie zugesehen hatte, wie die Minerva verschwunden war. Crocodile war der erste Mensch, dem sie diesen versteckten Ort zeigte. Sie sagte noch immer kein Wort, hatte die linke Hand in ihrer Rocktasche und hielt sich mit der anderen die falschen Haare aus dem Gesicht. Als sie endlich die Klippen erreichte, atmete sie tief durch. Alles ging so schnell, sie hatte kaum Zeit gehabt richtig durchzuatmen. Aus dem Augenwinkel betrachtete sie ihn, drehte sich schließlich ganz zu ihm um. Nicht zum ersten Mal an diesem Tag traf sie eine Entscheidung aus dem Bauch heraus, die sie selbst überraschte.

»Es gibt da etwas, was ich schon sehr lange tun wollte.«

Er antwortete nicht, doch sie sah die Unruhe in seinen Augen. Sie waren bis oben angefüllt mit schlechter Vorahnung.

Das verunsicherte sie wieder und nur zaghaft machte sie ein paar Schritte auf ihn zu. »Erst habe ich mich nicht geraut, weil Suimin eine tiefe Wunde bei uns allen hinterlassen hat und danach schien nie der richtige Moment gekommen zu sein. Bis vor Kurzem dachte ich, du würdest es niemals wollen...« Die Haare fielen in ihr Gesicht, sodass er ihre Augen nicht sehen konnte. Ihre gesamte Haltung wirkte unentschlossen, schüchtern, fast ängstlich. Sie war sich unsicher, ob sie das wirklich tun sollte. Es war noch zu früh, der Moment nicht richtig. Aber wann, wenn nicht jetzt? Und wenn es schief lief, hatte sie ihre Antwort. Sie hatte Angst. Angst wieder verstoßen zu werden. »Du musst es natürlich nicht annehmen. Das ist vielleicht auch nicht, der richtige Moment, aber ich weiß nie, ob es nicht vielleicht die letzte Gelegenheit ist…«

Schließlich zog die Hand aus der Tasche, hatte sie zur Faust geballt und hielt sie ihm hin, drehte sie und drückte ihre Finger auseinander, offenbarte den Schatz, der dahinter verborgen war. Ein kleiner, grüner Ring, mit eingravierten Zeichen, eine fremde Sprache, zumindest für Crocodile. Ihre Stimme brach.

»Vielleicht gefällt er dir auch gar nicht...«
 

Etwas perplex starrte er auf das Schmuckstück vor sich. Man sah seinem Gesicht die Überraschung und Irritation an. Er hatte wohl mit etwas ganz anderem gerechnet. Hastig und hart schluckte er Worte herunter, ehe sie ihm doch scheinbar wahllos aus dem Mund purzelten. »...W-was.... wieso... wo... wann... ich...«

»…Sicher erinnerst du dich an diese Affeninsel und die Schatulle, die ich dort gefunde habe. Vielleicht auch an den Stein darin. Er war unheimlich alt und der letzte seiner Sorte. Sehr wertvoll. Du magst doch teures Zeug, nicht? Außerdem dachte ich, du magst Grün.«

»Ich... äh... ist der... für mich? ...Was... aber warum... ich verstehe nicht.« Hilflosigkeit schimmerte ihr entgegen.

Robin bemühte sich ernst zu bleiben. »Ja ist er. Seit Wataru warte ich nur darauf deinen Ohrring zu ersetzten. Ich mag das an dir, aber... der Gedanke an sie, macht mich krank...«

Sie hörte ihn hart schlucken, doch nichts weiter als Schweigen folgte. »...«

Ihre Hand begann langsam zu zittern. »Nimm ihn oder lass es bleiben.«

»Ich... bist du dir... wirklich sicher?«

Röte schoss ihr in die Wangen und sie wurde wütend, dass er sie so warten ließ. »Ja doch! Würde ich hier stehen und mir bald in die Hosen machen, wenn ich es nicht wäre?«

Widerwillig scheinbar streckte er die Hand aus und griff nach dem Stück Schmuck, betrachtete es noch einen Moment ehe er es mit den Fingern umschloss und nicht den Mut aufbrachte ihr ins Gesicht zu sehen. Das schwere Herzklopfen in seinem Innersten, das ihm die Luft abschnürte, bekam sie kaum mit. » ...Danke...«

Auch ihr Kopf sank ab. »Ich... konnte nicht widerstehen. Ich habe etwas eingravieren lassen. Die Sprache ist ausgestorben, also unwahrscheinlich, dass es je jemand lesen können wird. Außer mir.« Ihr Herz schlug ähnlich schwer, wie in seiner Brust. Fast hatte sie gedacht, er würde ihn nicht annehmen, sie gar auslachen. Aber gefiel er ihm überhaupt?

Crocodile traute sich nicht nachzufragen. Stattdessen steckte er den Ohrring schnell in seine Hosentasche und umarmte sie dann, ehe sie sich wehren konnte. Seine Arme schlangen sich fest und warm um sie, ließen sie nicht mehr los. Worte kamen nicht über seine Lippen. Dazu war er viel zu uneins mit sich selbst, viel zu überrascht und erleichtert. Hieß das, sie wollte wirklich bei ihm bleiben? Sie konnte ihm verzeihen, was er getan hatte? War eine Zukunft für sie doch möglich? Er umarmte sie noch fester, als wolle er sie erdrücken, legte den Kopf neben den ihren und kuschelte sich in ihr Haar, hielt den Atem an, um den Moment nicht entfliehen zu lassen.

Sie ließ noch nicht locker, krallte sich etwas in sein Hemd und schloss die Augen, atmete sehr flach. »Wirst du ihn tragen?«

»..Natürlich...« flüsterte er sanft und aufrichtig.

Das sprengte ihr wirklich einen riesigen Stein vom Herzen. Sie lächelte. »Ich will nicht zu aufdringlich wirken, aber...« Hastig tauchte sie mit den Fingern in seine Hosentasche, während sie gleichzeitig an seinem Ohr herumfuchtelte. »Ich bin ziemlich scharf darauf, das Ding nie mehr wieder zusehen...« Geschickt entfernte sie den Goldring und ersetzte ihn mit ihrem eigenen. Als der Verschluss zuschnappte, streichelte sie ihm vom Ohr über die Wange, stieß ihre Stirn gegen seine. Das dämliche Grinsen wollte einfach nicht aus ihrem Gesicht weichen. »Ich wusste doch, dass er dir steht...«

Als auch er lächelte, spürte sie eine unbekannte Art von Genuugtuung. Es fühlte sich wie ein Sieg an. Er lächelte – nur für sie. Sie spürte, wie die Schmetterlinge in ihrem Bauch so sehr flatterten, dass ihr schlecht wurde. Und doch konnte sie nur lächeln, so voll wie sie es noch nie getan hatte. All der Schmerz und die Wut der letzten Monate waren wie weggeweht, nur noch klein in der Ferne zu sehen. Sie hatte sich entschieden. Sie hatte sich für ihn entschieden.

»Ich denke… dass ich dir verzeihen kann, Crocodile.« Nur ein Flüstern entdrang ihren Lippen, ehe sie sich wieder nach oben kräuselten. »…Ich denke, dass ich das kann.«
 

Erneut schluckte er hart und packte sie wieder, kuschelte sich an sie. Die Stimme war nur noch ein dünner Streifen, voller Sehnsucht. »...Danke...«

»Ich weiß… die Worte bedeuten dir nichts und ehrlich gesagt finde ich es unheimlich schwer es auszusprechen… vor allem, wenn es der Wahrheit entspricht.« Wieder peitschte sie ihre Schamesröte aus und ein Kloß machte ihr das Reden schwer. »…Aber ich hoffe, du weißt was sie bedeuten, wenn ich es sage…« Sie redete um den heißen Brei herum, versuchte Zeit zu schinden, ehe sie endlich tief durchatmete und ihren Kopf gegen seinen Hals legte, die Augen fest zusammen gepresst. »Ich liebe dich. Vielleicht habe ich diese Form der Freiheit niemals gewollt, aber solange ich sie mit dir leben kann…solange ich keine Last für dich bin, werde ich bei dir bleiben.«

Robin spürte, wie er heftig nach Luft rang und sie dann schmerzhaft in seiner Kehle zusammenpresste. Ein leichtes Zittern ging durch seinen Körper, sie spürte, dass er etwas sagen wollte, doch es blieb ihm im Halse stecken. Sie erwartete gar nicht von ihm, dass er darauf etwas erwiderte. Das hatte sie nie und würde sie nie. Es reichte, wenn sie wusste, dass er es wusste. Das war alles, was sie wollte. Sehnsüchtig kuschelte sie sich an ihn und genoss seine Wärme, seinen Geruch und seine Umarmung.

»Es… gibt nur eines, was ich von dir verlange…« fügte sie schließlich hinzu. Sie streichelte über seine Brust, über die Schwertnarben, die unter dem Stoff lagen »...Ich wünsche mir, dass du mir vertraust.«

»...Das werde ich...« brachte er wie unter Schmerzen heraus, legte die Hand in ihr Haar und streichelte es, strich es ihr aus dem Gesicht. »…Ich werde nie mehr… über dich entscheiden. Es tut mir leid, Robin… Ich verspreche es…«

Ihr Blick war noch unsicher, aber ihre Iris glitzerte regelrecht, leuchteten ihm entgegen und in diesem Moment wirkten ihre Augen wirklich wie die Sterne auf ihrem teuersten Kleid. Sie lächelte. Ein Lächeln, das selbst den schönsten aller Sterne klein und unbedeutend erschienen ließ.
 

Und in genau diesem Moment hörten sie das süffisante Klatschen von Händen, gefolgt von einer tiefen Stimme. »Wirklich… was für eine Show.«

Robin wurde stocksteif. Nur langsam kam er auf sie zu, ein Lächeln war in sein Gesicht geritzt. Nicht gehässig, auch nicht wütend – nein, er schien sich wirklich zu amüsieren. Seine grünen Augen funkelten die beiden mit einem zwielichtigem Genuss an, dass es ihr einen kalten Schauer den Rücken hinab jagte. Endlich blieb er vor ihnen stehen und breitete einladend die Arme für sie aus, das Grinsen noch immer vorhanden.

»Robin. Dachte ich mir doch, dass ich dich hier finde. So ein Kostüm, dachtest du wirklich, das hält mich ab? Ich würde dich immer erkennen.«
 

Sie spürte die Umarmung fester werden, steifer, ehe Crocodile sie los ließ und sich dem Mann nur halb zu drehte, den Kopf mit furchterregenden Augen zu ihm, den Körper zu ihr gewand. »...«

Lycras Augen wurden größer, als er die gefährliche Aura wahrnahm, die von diesem Mann ausging, der seine Robin da festgehalten hatte. »Das glaub ich jetzt nicht... Sir Crocodile?« Er verschrenkte die Arme. »Marine? Bist du lebensmüde oder ausgefuchster als ich dachte?«

Robin kämpfte mit den Worten, focht einen inneren Kampf mit sich selbst. »Woher... weißt du von diesem Ort?«

Er lachte. »Ganz ehrlich? Meinst du, ich bin dir nicht gefolgt, nach unserer zweiten Nacht? Als du heulend weggelaufen bist?«

Sie spannte sich noch mehr an. »Du...«

»Hast mich nicht bemerkt. Aber verständlich. Du warst anderweitig beschäftigt.«

»Du mieser...!« wütend trat sie zwei Schritte auf ihn zu.

»Alte Kamellen, Robin. Komm schon. Erklär mir lieber, was du mit dem da machst. Sag nicht, er bietet dir Schutz. Das glaubst du doch nicht, oder? Du weißt genau, dass sie dich alle verraten. Außer mir natürlich.«

»Was willst du von mir?!« keifte sie ihm entgegen.

Er lachte wieder, fuhr sich durch das Haar. »Das weißt du doch, Herzchen. Das, was ich immer von dir wollte.«

»Du weißt ganz genau, dass ich dich nie wieder sehen wollte!«

»Du hast schon mal Nein gebrüllt und mich doch wieder ran gelassen, warum sollte es jetzt anders sein?«

Sie riss die Augen auf, keuchte und ballte die Fäuste. Sie konnte sich keinen Milimeter bewegen. Ihre Atmung kam so schnell, dass sie befürchtete ohnmächtig zu werden. Nicht das erste Mal, an diesem Tag. »Sei still...«

»Huh? Wieso? Willst du nicht, dass dein neuer Macker das hört?« Er sah Crocodile abschätzend an. »Nachdem was ich über ihn gehört hab, würds ihm wahrscheinlich sogar gefallen.«

»SEI STILL!«

»Oh komm schon. Wann gibst du das endlich auf? Ich habe dir doch gesagt, dass es beim ersten Mal wehtut.«

Voller Scham, voller Abscheu gegenüber sich selbst, Angst, dass Crocodile dies alles zu hören bekam, machte sie ein paar Schritte weiter auf ihn zu. »Ich sagte, du sollst deinen Mund halten!«

»Warum? Willst du nicht, dass er es hört? Warum nicht? Weil er dir dann sagen würde, das du völlig überreagiert hast?«

»ÜBERREAGIERT?!«

Seine Miene wandelte sich endlich, wirkte nun nicht mehr so belustigt. »Ja, allerdings. Es tut eben weh. Das Pech, das ihr Frauen habt.«

Sie knallte ihm mit der flachen Hand ins Gesicht. »Es geht nicht um den Schmerz du dreckiger Mistkerl! Es ging nie um den physischen Schmerz! Ich habe schon Schlimmeres erlebt!«

Irritiert torckelte er zurück und hielt sich die Wange. »Was... was ist dann das Problem?«

Hass strahlte ihm entgegen. »Das Problem ist deine Interepretation von: "Nein, hör auf, lass mich los!"«

Nun wurde er wütend. »Frauen sagen doch immer Nein, wenn sie eigentlich Ja meinen.«

»WENN SIE SCHREIEN UND WEINEN?!«

»Oh man! Jetzt hör schon auf! Dir hats doch gefallen!«

»Ge...fallen? Ge... wie bitte? Hast du mich je Stöhnen gehört? Habe ich dir je gesagt, dass es gut war?« Ihre Stimme bebte vor Wut und noch mehr Scham. »Du hast alles kaputt gemacht!«

»Ich? Du bist es doch, sie so unnahbar ist. Ist es meine Schuld, dass du nicht richtig feucht werden kannst?«

»Halt dein MAUL!!!« Sie zitterte, Krämpfe stießen regelrecht durch ihren Körper. Sie ertrug das nicht, sie konnte das nicht mehr mitansehen. Seine ganze Existenz machte sie krank. »Verschwinde…«

»Was?«

»VERSCHWINDE! Geh jetzt oder ich vergess mich!«

»Aber...« Robin warf ihm einen Blick zu, der ihm klar machte, wie ernst sie es meinte. »Hau ab! Hau ab oder ich bring dich um...«

»Robin...«

»LOS!«

»Kch, wie du willst, ich muss eh zurück zum Schiff. Die Vorbereitungen für die nächste Veranstaltung laufen schon, aber eins sag ich dir…« Endlich wandte Lycra sich um, verschwand wieder zwischen den Bäumen. »…ich bin noch nicht fertig mit dir!«
 

Keuchend ging sie zu Boden und versteckte ihr Gesicht hinter ihren Händen. Das war schrecklicher, als sie gedacht hatte. Warum hatte er das sagen müssen? Vor Crocodile. Außgerechnet vor ihm. Sie zitterte so sehr, sie konnte es nicht mehr kontrollieren. Vor lauter Scham kamen ihr nun schon die Tränen und sie konnte den Mann hinter sich nicht ansehen. Oh Gott, wie dreckig sie sich vorkam, wie widerwärtig sie sich in ihrem eigenen Körper fühlte. Er hatte es alles gehört. Was musste er jetzt denken? Sie hätte niemals Hayu auswählen dürfen. Es war so töricht gewesen. Und jetzt hatte sie ihn an der Backe. Lycra. Sie konnte beinahe ihre eigenen Schreie hören, spürte fast, wie die Erinnerungen sich erneut in ihrem Kopf abspielten. Der Schmerz, ihr gebrochener Stolz, ihre Angst. So frisch, als hätte sie es niemals ganz verdaut. Sein irritierender Blick, diese grünen Augen, die sie noch oft in ihren Albträumen gesehen hatte. Das Wissen, dass sie doch eigentlich stärker war als das. Aber... sie war so schwach geworden in den letzten Monaten, das war einfach zu viel. Viel zu viel.

Schritte kamen auf sie zu, doch mehr folgte nicht. Sie konnte nicht deuten, was sie aussagten, was sie verbargen, was sie wollten. Er blieb nur hinter ihr stehen, starr und schweigend. Endlich zwang sie sich wieder auf die Beine, konnte sich ihm aber nicht zuwenden, konnte ihn nicht ansehen. Sie wollte den Ekel nicht sehen, den sie erwartete. »...Tut mir leid...«

Immer noch nichts, doch die Luft zwischen ihnen bebte.

»...Ich konnte... dir... ich konnte nicht... ich...« Sie begann zu schluchzen, verschluckte sich beinahe dabei, unterdrückte ihre Tränen weiter, so gut sie konnte.

»...Du bist viel zu weich für diese Welt...« kam es hart, aber nicht distanziert. Sie spürte den Kloß in seinem Hals, der seine Stimme drückte und sie gequetscht wirken ließ.

Ihr Körper begann sich schmerzhaft zu verkrampfen, rang mit ihrem Bewusstsein sie nicht zu verlassen.

Er zischte und wandte sich ab, seine Faust zitterte. »...Ich will gar nicht wissen, was da wirklich abging zwischen euch... Auch wenn es mir schwer fällt ihm nicht sofort den Kopf abzureißen... ich... akzeptiere, was du willst...«

Jetzt fielen sie doch wieder, die Tränen. Sie hatte es so dermaßen satt ständig vor ihm in Tränen auszubrechen. »...Ich wollte nicht, dass du das hörst... Ich weiß, wie es dir dabei geht...«

»...Bitte hör auf zu reden.«

Hart biss sie sich in die Lippen und das Glück, was sie eben noch gefühlt hatte, war verpufft. Gott, was musste er jetzt von ihr denken. Schwächling, Dummkopf.

Crocodile drehte sich von ihr ab und schritt wieder auf die Klippe zu, blickte auf das Meer und versuchte hartnäckig seinen Hass und die überschäumende Wut in ihm zu unterdrücken, zu begraben. Es war unmöglich. Er wollte diesen Kerl lychen. Er wollte ihn foltern dafür, was er der Frau angetan hatte, die er liebte. Aber er hatte ihr sein Wort gegeben nichts zu tun. Und wenn er das brach, wie viel Vertrauen konnte sie dann in Zukunft auf ihn setzen? Wie sollte er ihr dann je wieder klar machen, dass er es ernst meinte? Er hatte nicht gelogen - ihm war es egal, wenn er starb bei dem Versuch glücklich mit ihr zu sein. Ihm war sein Titel nichts mehr wert, er brauchte ihn nicht. Er hatte kein Problem vor der Marine zu fliehen. Er konnte ihr Vertrauen einfach nicht noch einmal aufs Spiel setzen.
 

»Ich würde ihn umbringen… wenn ich es könnte. Aber es fällt mir nicht so einfach wie dir…« Sie wandte sich ebenfalls von ihm ab, von der Klippe weg und rieb sich über die Augen. »...Wie machst du das? Wieso ist das so leicht für dich?«

»…«

Eigentlich wusste sie es. Es war leicht, weil er nicht einmal darüber nachdachte. Alles was er spürte war Hass, der aus seiner Brust schwellte. Hass, den sie bisher nur ein einziges Mal so gespürt hatte, dass es sie zum Mord getrieben hatte. Elisa war die Einzige, die sie je so gehasst hatte. Aber mit Lycra war die Sache nicht so einfach zu lösen, war es nicht so leicht, sich schlicht in der Wut zu verlieren.

»Du... denkst, dass ich ihn töten sollte, nicht?«

Auch darauf schwieg er.

»Er ist ein zu großes Risiko...« Robin torkelte auf die Beine, drückte die Schultern durch. »Ich hätte ihn gar nicht gehen lassen dürfen...« Ihr Kopf war noch immer gegen den Boden gerichtet, die Tränen noch nicht versiegt, aber sie hatte keine Wahl. Nein, sie glaubte nicht, dass Lycra sie verraten würde, aber darauf konnte sie kaum vertrauen. Sie hatte sich selbst in diese Situation gebracht, sie musste sich wieder heraus holen. Und wenn das Lycras Tod bedeutete, dann musste es wohl so sein.

»Und was jetzt... willst du ihm das Rückrad brechen?« kam es eigenartig tonlos von ihm.

Er hörte sie schlucken. »Das Genick wäre schneller, schmerzloser. Außerdem sollte es unvorbereitet kommen. Lycra ist nicht völlig wehrlos.«

Langsam drehte er sich wieder zu ihr um, das Gesicht kalt und erbarmungslos. »Und wo willst du es tun? Auf der Straße oder wie?

»Ich... ich weiß nicht...« Am liebsten hätte sie sich zusammen gekauert und gewartet, bis alles vorbei war. Hastig schüttelte sie den Kopf. »In seinem Theater. Wenn er denkt, dass ich nur mit ihm reden will, kann ich... dann könnte ich...« Erneut glitt ihre Hand über ihr Gesicht, in ihr Haar.

»...Was ist? ...Kannst du dich nicht entscheiden?« Es klang fast etwas trotzig, noch immer kühl.

»Nein, das kann ich nicht!« schrie sie plötzlich. Sie trat von ihm zurück. Sie ertrug das nicht. Sie ertrug das einfach nicht.

»...Willst du ihn überhaupt umbringen? Oder zwingst du dich dazu?«

»Ich habe es mir so oft vorgestellt. Nach jedem Albtraum, jedes Mal, wenn ich ihn gespürt habe, wenn... immer wenn mich nach ihm ein Mann so angesehen hat, wie er...« Sie redete kaum mit ihm, sagte es sich vielmehr selbst. »Für jede Sekunde, in der ich mir wie Dreck vorkomme, in der ich mich für mich selbst schäme, möchte ich, dass er leidet, stirbt...«

»...Aber letztendlich willst du es doch nicht.« stellte er mit einem Unterton fest.

»Er hat... mich nie verraten...«

Endlich sah sie ihn an, der Schmerz deutlich erkennbar in ihrem Blick. »Das war der einzige Grund. Er hat mich nie verraten. Niemals! Ich habe ihn nie geliebt, aber das ist etwas Anderes. Mein Traum war es immer jemanden zu finden, dem ich nicht zur Last falle. Ich wollte nur einen Menschen haben, dem es egal ist, wer ich bin. Den es einen Dreck interessiert...«

Erneut drehte Crocodile sich von ihr ab, doch sie konnte nicht erkennen, was sich dahinter verbarg.

»Ich...ich habe Angst davor Crocodile... Ich bin dann nicht mehr die Gleiche. Ich bin schon jetzt nicht mehr, die Robin, die ich kenne.«

»...Dann sei es nicht... Ich habe dir bereits gesagt, dass ich kein Problem damit habe mit Nico Robin zu segeln. Wenn du es nicht aufgeben kannst, dann geht es nicht anders. Ich folge dir, egal ob du Nico Robin sein willst oder jemand anderes. Für mich macht das keinen Unterschied…«
 

In diesem Moment spürte er sie hinter sich, wie sie sich an ihm festhielt, in seinen Rücken drückte. »Ich will... einfach nur Robin sein...«

»...Das bist du.«

»...Ich kann das nicht alleine...«

»...Du musst es nicht tun.«

»Ich verlange nicht, dass du es für mich tust... Ich will nur nicht... allein sein. Wenn ich alles zurück lasse, wenn ich mein altes Leben endgültig aufgebe... Ich will nicht mehr allein sein.«

»...Was willst du, dass ich tue?«

»Bleib einfach bei mir.«

»Okay.«

Sie legte den Kopf zwischen seine Schulterblätter und er konnte die Tränen durch den Stoff sickern spüren. Sie ließ ihn nicht los.

»Robin?«

»Ja?« flüsterte sie nur.

»...Ich hoffe du tust ihm ordentlich weh für das, was er getan hat.«

»...Du meinst... ich soll ihn foltern?«

»Habe ich das so ausgedrückt?«

»Ich weiß nicht, was du sonst unter wehtun verstehst.«

»Nun, gib ihm einfach was er verdient. Denn wenn ich es tue, wird er nie wieder im Leben froh.«

»Das wird er wohl kaum können, wenn er tot ist.« Sie ließ ihn los, wischte sich schon wieder über die Augen, dieses Mal mit Erfolg. »Außerdem wird er sich sicherlich wehren. Und das kann er. Er... ich hab den Namen vergessen, aber es ist eine Teufelsfrucht. Schall glaube ich. Er hat es nie direkt vor mir angewandt, aber es steckt in seiner Stimme.«

»Gut zu wissen...« Kam es wieder kälter und er drehte sich zu ihr um, musterte sie noch einen Moment. Ein Häufchen Elend, das beschrieb sie ziemlich akkurat. Er ging unberührt davon an ihr vorbei, nur beim Vorbeigehen, berührte er sie scheinbar zufällig mit der Hand an ihrer. »Wenn es hart auf hart kommt, bin ich immer noch da. Ich mach den Job, wenn dus mir sagst.«

»Du hast genug Blut an dir.«

»Irgendwann ist das nicht mehr wichtig«

»Du irrst dich. Es ist wichtig… Aber das ist jetzt egal.«

Darauf antwortete er nicht. Sein Blick ging starr gerade aus, unbarmherzig nach vorn, auf sein Ziel gerichtet. Er wusste nicht, ob er sich zurückhalten konnte, wenn er den Kerl wieder sah, doch er würde es versuchen. Um Robins Willen. Doch würde sie zögern, konnte er nicht garantieren, dass kein Blut floss. Der Hass brodelte so stark in ihm, dass es ihn krank machte. Mordlust peinigte ihn, geißelte ihn. Und insgeheim hoffte er, dass er sie befriedigen konnte.

Hayu – Die letzte Vorstellung

Nur langsam führte Robin sich und Crocodile wieder in die Stadt zurück. Mittlerweile war es später Nachmittag geworden und die Sonne suhlte sich auf genau dem Platz, den sie überqueren mussten, um zum Theaterkahn zu kommen. Lycras Residenz. Eine gewaltige Schlange wartete bereits an seinen Pforten und lärmte ihnen entgegen. Aufregung, Angst, ein bisschen Übelkeit versperrten Robin für einen Moment die Atmung, ehe sie sich gehetzt, viel zu auffällig zu Crocodile umwandte und so leise wie möglich sprach. »Das wird die Veranstaltung sein von der er gesprochen hat.«

Ihr Blick glitt direkt weiter, zurück zu den aufgedrehten Gästen, die sie nicht weiter beachteten. Ihre Zähne knabberten schon längst wieder an ihren Lippen. Unsicherheit. Sie war längst nicht mehr in der Lage, dies zu verbergen. Hier ging es um so viel. Immehin nahm sie sich nicht jeden Tag vor jemanden zu töten. Noch dazu jemanden, der so wichtig für ihr seelisches Wohl gewesen war. Selbst noch, als sie sich schon in Crocodile verliebt hatte, selbst noch, nachdem sie erkannte hatte, dass sie ihm auch etwas bedeutete und sogar jetzt noch. Den einzigen Menschen zu töten, der mit einem Lächeln in ihre Vergangenheit blickte, war wie ein Albtraum. Nico, dieses Wort sagte alles und nichts. Lycra hatte immer gewusst, was es bedeutete, was es für jeden implizierte, der mit jemandem zusammen war, der diesen Namen trug. Nico bedeutete Folter, bedeutete Tod, Verzweiflung und Hass. Sie war eine Nico, der Teufel, der Dämon, der die Welt zerstören wollte. Die Ausgeburt von Ohara. Aber keines der Gerüchte, keines der Worte der Marine hatte bei Lycra je Zweifel geweckt. Sie wusste bis heute nicht, ob er einfach zu dumm war, um die Gefahr zu erkennen, die in ihr lauerte oder ob es ihm wirklich einfach nur egal gewesen war. Er hatte sie aufgenommen, in seine Familie eingeglidert, sie in sein Leben integriert und sie vor den neugierigen Augen der Außenwelt abgeschirmt. Er hatte ihr Schutz, eine Schulter zum Anlehnen und ein bisschen Ruhe geboten und sie hatte all das mit offenen Armen aufgenommen. Unsicher, aber dennoch dankbar. Er hatte sie daran erinnert, dass es völlig in Ordnung war ihren Namen mit Stolz auszusprechen, dass es nicht ihre Schuld war, dass die Welt sie verachtete. Sie hatte ihm seine Worte abgenommen. Aber zu welchem Preis? Zwar hatte ihre Seele bei ihm Schutz gefunden, die Essenz ihrer Selbst eine Pause bekommen, aber dafür hatte er ihren neugewonnen Stolz auf eine ganz neue Art und Weise gebrochen. Der Name war ihm vielleicht egal gewesen, aber benutzt hatte er sie dennoch. Sie hatte ihm ihr ganzes Vertrauen entgegengebracht, hatte ihm von ihrer Mutter erzählt, von ihren Freunden, von dem Buster Call, aber er hatte ihr nie wirklich zugehört. Ihre Furcht, ihr Schmerz war ihm nie wichtig gewesen, hatten für ihn nur als Sprungbrett gedient. Als Sprungbrett in ihr Bett. Sie hatte sein Desinteresse an ihrem Namen falsch interpretiert. Es war nicht nur der Name Nico, der so unbedeutend für ihn war. Der Name Robin hatte ihm genauso wenig gegeben. Es war nie ihre Persönlichkeit gewesen, nie ihr wahres Wesen, das niemand in dieser Welt hatte sehen wollen, sondern ihr Körper. Er hatte immer nur den Sex gewollt. Vor fast zwölf Jahren hatte sie ihn verlassen und nun stand sie wieder hier und dieses Mal, würde sie ihm beweisen, dass sie auch ihm den Tod bringen würde, dass es hieß: entweder sie oder er. Sie konnten Hayu nicht verlassen, solange Lycra noch lebte. Selbst, wenn es ihr Angst machte, selbst wenn sie befürchtete, etwas Wichtiges zu zerstören. Dabei wusste sie es mittlerweile besser. In der Vergangenheit war er ihr Standbein gewesen, die Sicherheit den Glauben an etwas Besseres nicht zu verlieren, aber eigentlich brauchte sie sie ihn nicht länger, brauchte diese falsche Sicherheit nicht mehr. Sie musste diesen Hass gegen ihn nicht länger unterdrücken, musste es nicht mehr ignorieren. Es gab jetzt jemanden in ihrem Leben, der ihr Halt geben konnte. Jemand, der die Person mochte, die tief in ihr verborgen ruhte. Ein Mensch, dem ihr Name und was damit verbunden war vielleicht zu schaffen machte, aber der wie Tier weiterkämpfen würde. Ein Mann, dem sie vertrauen konnte. Crocodile, der selbst den Tod in Kauf nahm, ihren Hass akzeptieren konnte, wenn sie dadurch bekam, was sie sich wünschte. Mit seiner Hilfe, durch seine Nähe konnte sie den Schatten, den ihre Vergangenheit hinterlassen hatte, abschütteln. Sie musste es tun, sonst konnte sie keinen weiteren Schritt in die Zukunft wagen. Sie schuldete es sich selbst. Sie würde sich nicht mehr selbst verlieren, konnte sich an ihm festhalten, wenn sie einmal schwankte. Sie hatte es erkannt, aber das hieß noch immer nicht, dass der kommende Schritt leicht sein würde, dass er sie keine Überwindung kostete.

Schließlich drückte sie die Schultern durch, packte Crocodiles Arm und zog ihn etwas zurück. So weit, bis sie an einer unscheinbaren Straßenecke angekommen war, von der aus man einen guten Blick auf den Eingang hatte.

»Also gut. Wir warten bis sie alle drin sind und die Veranstaltung begonnen hat. Ich will sicher gehen, dass alle Leute auf dem Schiff im Hauptsaal sind.« Robin sah ihn nicht an, als sie weiter sprach. »Dann gehe ich rein und du wartest hier draußen, bis ich dir ein Zeichen gebe. Ich sorge dafür, dass Alarm ausgelöst wird, damit die Meute verschwindet und ich das Schiff für mich alleine habe. Wenn ich dir das Zeichen gebe, kannst du rein kommen, aber versuch möglichst unentdeckt zu bleiben. Allerdings glaube ich nicht, dass dann noch jemand in Sichtweite sein wird.«

Sie hatte das Ganze nicht im Mindesten durchdacht. Zumindest nicht gut genug, aber sie musste sicher stellen, dass niemand im Weg war, niemand sie sah oder mitbekam, was sie vorhatte. Niemand durfte ihre Fähigkeit bemerken. Sonst war das Spiel aus.

»...Und dann? Was soll dann passieren? Glaubst du wirklich das ist eine gute Idee? Es ist quasi unmöglich, dass man uns nicht erkennt.«

»Uns? Und selbst wenn ich gesehen werde. Es ist ja nicht so, als würde mich jemand erkennen und du sollst genau deswegen hier warten. Ich sorge schon dafür, dass keiner mehr da sein wird. Lycra bleibt sicherlich. Ich werde zusehen, dass er mich erkennen kann.«

»Und wie willst du da ungesehen wieder raus kommen? Ein Mord vor so viel Publikum... auf einem der Hauptplätze der Stadt... Robin, bist du sicher, dass du das durchdacht hast?«

»Nein. Das habe ich nicht.« Sie sah ihm entgegen, der Blick eigenartig panisch, aber auch irgendwie leer. »Aber ich kenne Lycra. Ich weiß genau was er tun wird und ich kenne diese Stadt. Außerdem... soll es ja eben nicht vor dem Publikum passieren. Aber wenn ich nicht erst warte bis alle drin sind, um sie dann zu verjagen, kann ich nicht sicher gehen, dass nicht zufällig jemand etwas mitbekommt.« Sie winkte ab. »Ist auch völlig egal. Lycra ist so gut wie nie allein. So oder so hätte ich das gleiche Problem.«

Sie spürte seine Hand in ihrer, die sie zu ihm zog, dass sie in seine Augen sehen konnte. Sein Gesicht war ernst, und angespannt. »...Das ist zu gefährlich.«

»Ich habe keine Wahl. Es wird immer gefährlich sein. Außerdem... wenn ich es nicht jetzt tue... ich weiß nicht, ob ich es dann noch kann.« Hastig wich sie seinen Augen aus, dem Blick, der sie von innen her auszuhöhlen drohte.

Der Druck auf ihre Finger wurde stärker. »...Bitte denk nochmal darüber nach. Jeder wird von diesem Mord Wind kriegen. Es ist Mitten in der Stadt. Der Mord wird untersucht werden. Jemand wird dich verdächtigen. Immerhin bist du eine der Letzten, die das Schiff verlassen wird.«

»Na und? Niemand wird wissen, dass es Nico Robin war. Jeder wird sich nur an eine Brünette mit Sonnenhut erinnern.« Sie kniff die Augen zusammen und löste sich aus seinem Griff. »Ich muss das jetzt tun, sonst hört es nie auf. Warte hier, bis ich dir das Zeichen gebe. Wichtig ist nur, dass du nicht gesehen wirst. Alles andere ist egal.«

»Robin.« kam es nachdrücklicher, fast bittend. »...Ich kann es für dich tun. Ich fordere ihn heut Abend zum Duell auf... oder bringe ihn ganz einfach um. Niemand wird dich in Betracht ziehen.«

»Nein! Ich werde dich da nicht noch weiter mit hinein ziehen. Nicht, solange ich es allein fertig bringe. Ich bin stark genug. Ich... ich...« Sie fuhr sich durch das falsche Haar, das ihr bereits am Nacken klebte. Ihr war so schrecklich heiß, die Sonne brannte unbarmherzig auf sie herab, zerbröselte beinahe ihre Seele dabei.

»Robin...« kam es erneut und ehe sie es sich versah, zerrte er sie in seine Arme, hielt sie fest als würde er sie das letzte Mal sehen.

Sie versuchte das nicht zusehr auf sich wirken zu lassen, es machte sie so schwach - er machte sie schwach. »Ehe ich nicht damit abgeschlossen habe, kann ich nicht neu anfangen. Nicht, nachdem er es dir gesagt hat. Ich... kann das einfach nicht mehr auf mir sitzen lassen.«

Bis unter ihre Haut spürte sie sein Grinsen, stolz und doch voller Zorn. »...Das ist meine Robin.«

Endlich drückte sie ihn von sich, küsste ihn auf die Stirn und rannte los, ehe er noch etwas sagen konnte. Und er blieb zurück, gehorsam und voller Widerwillen. Es war schwer ihr nicht nachzurennen. Ihr so viel Vertrauen entgegen zu bringen, dass sie es allein schaffen würde. Es brachte ihn wirklich an den Rand seiner Beherrschung. Doch er würde es ertragen - für sie. Denn er hatte schon viel Schlimmeres durchstanden.
 

Eine gefühlte Ewigkeit stand er dort in der Sonne, die ihm nichts ausmachte, beobachtete die Leute, wie sie von Kopf zu Kopf weniger wurden, im Inneren des Schiffrumpfes verschwanden. Genau dort, wo auch Robin verschwunden war. Etliche Minuten vergingen, ehe er Klatschen hören konnte, Musik und laute Stimmen, die die Gäste begrüßten. Wieder und wieder hörte er diese Stimmen, deren Worte er nicht ausmachen konnte, deren Laute gleich bedeutungslosem Lärm an seine Ohren drang. Mehr und mehr Zeit verging, ehe Schreie ertönten, Scheppern, dann lautes Getrampel. Im nächsten Moment wurden die Türen aufgerissen und die Leute, die er vor Kurzem noch hatte hineingehen sehen, rannten nun heraus. Wie vom Blitz getroffen, als wäre Satan höchstselbst hinter ihnen her.

Gehetzt und außer Atem rannten diese Leute in alle möglichen Richtungen, brüllten, dass ihnen doch jemand helfen sollte. Doch statt diese Hilfe zu bekommen, wandten die Passanten sich eilig um und schienen selbst nach einem Fluchtweg zu suchen. Niemand schien mit den Hergängen auf diesem Schiff in Verbindung gebracht werden zu wollen. Robin hatte zumindest das richtig eingeschätzt. Niemand auf Hayu kümmerte sich um etwas Anderes, als um sich selbst. Wenn Panik ausbrach, rannten die Menschen davon. Es gab keine Polizei, die die nötige Sicherheit hergestellt hätte. Hier war jeder Bürger auf sich selbst gestellt. Einer der Gründe, warum Robin Hayu als Versteck mochte.

Staub flog auf, Papier wehte durch die Luft, irgendwo ließ jemand Töpfe fallen und kleine Kinder schrieen nach ihren Eltern, die sie ihm Gerangel aus den Augen verloren hatten. Es dauerte fast fünfzehn Minuten ehe der Platz vollständig leer war. Crocodile konnte noch hören wie Fenster zugeworfen wurden, wie jemand seine Gardinen davor zog. Die Panik hatte sich schneller ausgebreitet, als ein Feuer in das man Sauerstoff gespritzt hatte. Was auch immer Robin getan hatte, sie wusste offenbar wie man Menschen Angst bereitete. Nicht einmal Schaulustige gab es, niemand der so lebensmüde war. Crocodile stand ganz allein auf dem Platz des Theaterkahns.

Es kostete ihn erneut ein paar Minuten, ehe er ein Tippen auf seiner Schulter spürte. Und er zögerte nicht eine Sekunde, sprintete sofort los.
 

Das Innere des Schiffes war dunkel, die Leuchten lagen in Scherben zu seinen Füßen. Jemand hatte ganze Arbeit geleistet. Nur ein leichtes Flakern aus einiger Entfernung deutete an, dass noch irgendjemand hier sein musste. Er folgte dem Schimmer, der sich mehr und mehr zu einem Schein entpuppte und ihn zu den Türen eines großen Saals brachte. Sie waren verschlossen, zugeriegelt, aber er konnte zwei Stimmen dahinter erkennen. Eine der beiden Stimmen war unverkennbar Robins und sie klang nicht sonderlich erfreut.

Hastig konzentrierte er seine Fähigkeit darauf sich in Sand zu verwandeln und durch die Ritzen unter der Tür in den Raum zu kommen. Er bekam gerade noch mit, wie der Boden bebte und das Schiff schaukelte, als hätte ein heftiger Wind seine Segel gepackt und es aus der Starre gerissen. Im nächsten Augenblick fiel es ihm schwer sich erneut zusammenzusetzten, als eine Art Sturm durch den Saal schmetterte und die Inneneinrichtung zerstörte. Stühle flogen durch die Luft, Vorhänge wurden zerissen, ein Teil des Balkons, der fast bis zur Bühne reichte, knarrte beängstigend. Holzsplitter breiteten sich unter der Staubmenge aus, so dass man kaum erkennen konnte, was eigentlich genau passiert war.

Als er sich endlich materialisiert hatte, kam ein klares Bild zu ihm durch. Der Raum vor ihm war riesig, füllte den gesamten Schiffsrumpf aus. Unter seinen Füßen befand sich roter Teppich, an den Wänden hingen die obligatorischen roten Vorhänge, die vermutlich das Holz des Schiffes verdecken sollten, um dem Theater einen angenehmeren Flair zu verleihen. Doch davon war nun nicht mehr allzu viel übrig. Die Stuhlreihen waren zerfetzt, nur vereinzelt standen noch ein paar ehemalige Sitzplätze, lachten den Betrachter förmlich aus in ihrer Isolation. Der Rest lag in Schutt und Asche. Die Beleuchtung flackerte gewaltig, als könne sie sich nicht entscheiden, was sie wollte. Doch all das war nebensächlich, uninteressant. Denn es war Robin, die keuchend auf der Bühne stand, eine Mauer aus Armen und Händen vor sich errichtet. Ihre Haare wirbelten noch immer aufgeregt um ihren Kopf, die Perücke längst von ihr gerissen. Ihr Blick lag auf Lycra, der mit wutverzerrtem Antlitz zu ihr zurückstarrte und schwer zu atmen hatte. Sein letzter Angriff war wirklich unheimlich anstrengend gewesen und scheinbar hatte er nicht das bewerkstelligt, was er sich erhofft hatte. Robin stand noch immer.

Doch nicht mehr allzu lang. Sie hatte den Angriff abwehren können, aber das gelang niemals ohne verletzt zu werden. Immerhin war ihre Schutzmauer ein Teil von ihr. Doch der Schmerz in ihren Gliedern war nichts gegen den Schmerz in ihrer Brust. Lycra schrie sie wieder an.

»Du willst mich töten?! Soll das ein Witz sein?! Du hast keine Chance gegen mich! Du weißt genau, dass ich stärker bin, als du!«

Sein Gegenüber knurrte lediglich. »Der einzige Grund, warum du jetzt noch immer lebst, ist, dass ich dir eine faire Chance geben wollte.«

»Hahaha! Natürlich. Seit wann leidest du denn unter Größenwahn?«

Als sie nicht antwortete, wurde seine Miene wieder finsterer.

»Ganz ehrlich. Was soll das eigentlich wirklich? Mich umbringen? Hat dein neuer Freund dir das eingeredet?« Und als sie daraufhin nur wieder knurrte, brüllte er sie an. »Gott, Robin! Du willst mich umbringen? Mich? Der Einzige, dem du überhaupt vertrauen kannst? Ich hab dich nie verraten, schon vergessen? Du warst immer sicher bei mir!«

Er machte einen großen Schritt auf sie zu, hielt aber Meter vor ihr wieder inne, als sie ihre Stimme erhob. Sarkastisch, bitterböse. »Sicher ja? Ich nehme an Vergewaltigung gehört nicht in diese Kategorie, hm?«

»Jetzt fang nicht schon wieder damit an!«

»Weißt du Lycra, dass ich dich nie geliebt habe?«

Er stockte. »...Aber...«

Ihre Miene verzerrte sich weiter. »Ich mochte dich, ich habe dir ehrlich vertraut, obwohl ich mir vorgenommen hatte, es nie wieder zu tun.«

Lycra verschrenkte die Arme über der Brust. »Und das zurecht. Ich habe dich immer geliebt, schon als ich dich zum ersten Mal sah. Und das ist jetzt der Dank dafür?«

Abfällig rollte sie die Augen nach oben- »Liebe? Ehrlich gesagt bezweifle ich, dass du weißt was das eigentlich ist.«

Plötzlich jaulte er auf, dass es in Crocodiles Ohren noch nachklang. Der Ton ging ihm mehr als nur unter die Haut, bereitete ihm gleich Kopfschmerzen, zerrte regelrecht an seinem Verstand, als wollte er ihn in die Knie zwingen. Aber er war nicht gegen Crocodile gerichtet, sondern gegen Robin, die prompt die Hände auf die Ohren legte und heftig zusammenzuckte.

»Ich könnte dir dein Trommelfell in kleine Scheibchen schneiden! Und mache ich das? Huh?«

Es dauerte einige Sekunden, ehe Robin antworten konnte. Der Schmerz war widerwärtig- »...Ich könnte dir das Genick brechen. Und tue ich das?«

Darauf grinste ihr süffisant entgegen. »Und warum tust du es nicht?«

»Weil ich dir noch etwas zu sagen habe.«

»Ich bin gespannt.«

Ihre Augen verengten sich weiter, sie richtete sich zu voller Größe auf. Sie hatte Crocodile überhaupt nicht bemerkt. »Ich hasse dich. Du hast Recht, du hast mich nie verraten, aber ich habe etwas Wichtiges gelernt. Nicht betrogen zu werden ist nicht mehr das Wichtigste für mich. Ewig wollte ich nur einen Ort finden, an dem ich sicher war. Es war mir egal, wer ich dafür sein musste. Ob Pirat oder Agentin oder auch die Geliebte eines Schauspielers. Ich habe deine Nähe zugelassen, weil ich Ruhe wollte, weil ich jemanden gesucht habe, der mir das Gefühl von Sicherheit vermittelt. Nur ein einziges Mal wollte ich wissen wie das wirklich ist.«

Fassungslos starrte Lycra ihr entgegen.

»Ich habe dir geglaubt, aber du hast mich genauso ausgenutzt, wie all die anderen. Was du wolltest war keine Liebe, du wolltest Sex. Du hast mir genauso Gefühle vorgespielt, wie ich dir Worte.«

Seine Miene verdüsterte sich weiter, keifte sie nun wieder an, dass erneut das Holz unter ihren Füßen wackelte. »Was soll das heißen?!«

»Das soll heißen, dass ich mich geändert habe!« Sie nahm eine Kampfhaltung ein. »Das soll heißen, dass ich jemanden gefunden habe, der mir begrifflich gemacht hat, was Sicherheit bedeutet. Es heißt nicht, dass ich keine Furcht vor der Marine haben muss oder vor dem Tod oder vor Folter. Es heißt auch nicht, dass ich mich zurücklehnen kann, um die Ruhe zu genießen. Es heißt, dass… dass ich, egal wie ich mich entscheide, dass egal, wer ich in meinem Inneren wirklich bin, ich nicht allein sein muss. Es heißt, dass ich jemanden an meiner Seite habe, der all das mit mir durchsteht. Dass es zum ersten Mal meine Entscheidung ist, wie ich leben will, dass ich Robin sein kann, einfach nur Robin und das völlig in Ordnung ist!« In ihren Augen brannte ein Feuer, das Lycra in Brand steckte. »Das ich es sogar sein soll! Es heißt, ich habe zumindest einen echten Freund, der mich so nimmt wie ich bin. Und selbst wenn es ihn wahnsinnig macht.« Nur langsam ging sie auf Lycra zu. »Ich konnte dich nie verletzten, weil ich Angst hatte die einzige Sicherheit in meinem Leben zu verlieren. Dich zu töten fühlte sich an, als würde ich meine letzte Hoffnung vernichten. Und auch jetzt fühlt es sich an, als würde ich meine Vergangenheit zumindest zum Teil abwerfen.«

Sie kam immer näher. Lycra stand der Mund offen, als könne er nicht begreifen, was aus ihr herausdrang. Direkt vor ihm hielt sie inne, sah tief in seine Augen. »Ich hasse dich wirklich aus ganzem Herzen. Du hast mir Schmerz zugefügt, wie nie jemand zuvor. Weißt du wie es ist, sich seiner selbst zu schämen? Wenn man sich selbst im Spiegel nicht mehr ansehen kann, weil man sich so widerlich vorkommt? Wie es ist innerlich zusammenzuzucken, sobald man nur angesehen wird? Du stehst Tag für Tag auf der Bühne und gaukelst den Menschen etwas vor. Genauso wie ich es tun muss. Aber wie ist es, wenn du allein bist? Wenn du allein mit dir selbst bist? Hasst du dich dann? Ekelst du dich davor dich auszuziehen, weil du dann deinen eignen nackten Körper sehen musst? Ja? Kennst du das?!« Die letzten Worte spukte sie ihm direkt ins Gesicht, voller Abscheu.

Er hatte offenbar nicht damit gerechnet, aber sie holte aus, holte aus mit einem ganzen Arsenal an Händen, die aus ihr und auch aus ihm herauswuchsen. Ihr Blick war mit Wut getränkt. Es war nicht die gleiche Mordlust, die man von Crocodile kannte. Es war vielmehr der Schmerz, den sie nie herausgelassen hatte. Sie schlug zu, mit den Fäusten, so hart sie konnte. Mit einer unermesslichen Wucht knallte Lycra gegen die Wand in seinem Rücken. Unter dem Hämmern der Schläge war nur sein Stöhnen zu hören. Jede Faust kratzte ihn tiefer in das Holz unter sich, bis eine richtige Delle entstanden war, mehr und mehr Holz absplitterte, sich in seinen Rücken grub, sich mit dem Blut in seinem Gesicht vermischte. Erst als Robin die Puste ausging, ging Lycra zu Boden, fiel auf die Knie und konnte sich gerade noch mit den Armen abstützen.
 

»Ich breche dir nicht das Genick... ich werde solange auf dich einschlagen, bis dein Körper von ganz allein aufgibt. Bis nur noch ein blutiger Haufen Fleisch übrig geblieben ist.« Sie hatte ihn gar nicht foltern wollen, aber als sie sein selbstgefälliges Gesicht gesehen hatte, sobald er sie im Publikum erspäht hatte, waren bei ihr sämtliche Birnen durchgeglüht. Inzwischen hatte sie Crocodile bemerkt, konnte seine Anwesenheit schon so lange erspüren, aber etwas in ihr ließ nicht zu, dass das an ihr Bewusstsein weiter geleitet wurde. Es hätte sie nur abgelenkt, sie daran erinnert, dass sie ihm diese Seite nicht zeigen wollte. Den wahren Dämon in ihr.

Stöhnend spuckte Lycra einen Schwall Blut auf sein feines, nun zerstörtes Pakett und begann plötzlich zu kichern. »...Kehehe... du willst mich also wirklich töten...« Schwerfällig, sich die Seite haltend, kam er auf die Beine. Das Miststück hatte ihm mehrere Rippen gebrochen. »...Du denkst doch nicht... dass ich das zulasse? So gut ist kein Sex, als das ich dafür sterben würde.«

Er gab ihr keine Zeit zu antworten, öffnete seinen Mund und für ein paar Sekunden schien sich gar nichts zu tun. Dann begann das Erdbeben erneut. Sowohl Robin als auch Crocodile konnten spüren wie die Stämme, die zur Halterung des Schiffes auf dem Festland dienten, sich bewegten. Im nächsten Moment drang eine gewaltige Schockwelle aus Lycras Körper und riss alles in seiner Nähe aus dem Umfeld, katapultierte es in alle vier Himmelsrichtungen. Robin wurde sofort zurückgedrückt, wäre beinahe auf ihrer eigenen Seite in die Wand geschoben worden, hätte sie sich nicht mittels ihrer Fähigkeit im Boden verankert. Der Druck pfiff ihr um die Ohren, schüttelte sie durch, drang in sie ein und erschütterte ihren Körper nachhaltig. Als es vorbei war, kreiste ihr Kopf über ihrem Körper, klingelte es schmerzhaft in ihren Ohren.

Hinter ihr klaffte ein riesiges Loch. Diese Druckwelle hatte sich durch das Holz gefressen, es in tausende Splitter zerfasert und noch immer brachen die Stücke zu Boden. Das Schiff bewegte sich noch immer, kam gar nicht mehr zur Ruhe. Lycra keuchte ähnlich schwer wie Robin. Er würde nicht mehr lange durchhalten. Aber er hatte noch Puste für einen letzten Angriff. Er hatte Robin unterschätzt. Sie war um einiges stärker geworden. Oder lediglich skrupelloser, selbstsicherer? Er würde seine stärkste Attacke gegen sie einsetzten müssen. Er wollte sie eigentlich gar nicht verletzten, aber er würde sie eher töten, als sich von ihr töten zu lassen.

Robins Wahrnehmung hingegen hatte sich noch immer nicht wieder beruhigt. Ihre Augen konnten keinen Fokus setzten, alles war so verschwommen. Hören konnte sie nur dieses widerliche Summen, dass scheinbar aus ihrem Körper, als aus dessen Umgebung drang. Bevor Lyrca jedoch erneut ansetzen konnte, spürte er einen Faustschlag in seinem Gesicht, der ihm fast den Kiefer zertrümmerte.

Zum zweiten Mal an diesem Tag landete Lycra am Boden, diesmal alle Vier von sich gestreckt. Er hievte schwer, aber sonst kam kein Ton über seine Lippen. Verdammt, den Kerl hatte er nicht bemerkt, gar nicht mehr an ihn gedacht. Der Schmerz blendete bald alle anderen Sinne aus. Er musste endlich handeln, sonst wars mit ihm endgültig vorbei.

Sich den Kopf haltend, kam Robin wieder zu sich, starrte zu Boden, an dem sich ein zugerichteter Lycra noch immer wand, damit kämpfte erneut aufzustehen. Sie sah gerade noch, wie er spuckte, erneut Blut und auch ein paar Zähne. Das Knurren war unverkennbar. »...Krch... dein Ritter in pechschwarzer Rüstung...wie?«

»Halt dein Maul.« kam es hart, der Blick mordlüstern auf seiner Gestalt. »Du machst mich krank...«

Ihr Arm fuhr nach oben. Gleichzeitig wurde Lycra nach oben gerissen, eine Hand krallte sich in dessen zerschlissenes Hemd und presste ihn in seine eigens durch ihn geformte Kuhle im Schiff. Kurz war Lycra damit die Luft genommen, dann lachte er wieder.

»Zwei gegen einen?« Wieder das Husten. »...Wie war das mit... der fairen Chance Robin?« Er grinste Robin entgegen, ignorierte Crocodile schon beinahe. »Und so endet es… Robin-chan... Jeder, der dich kennt, stirbt über kurz oder lang. Dein Fluch lebt wirklich weiter. Selbst wenn du schon tot bist.«

Ehe sie antworten konnte, ehe sie fragen konnte was er meinte, öffnete Lycra ein weiteres Mal seinen Mund. Sofort fiel Robins Griff von ihm ab, als der Schmerz durch ihre Haut drang. Eine neue Schockwelle, aber diesmal anders. Die Berührung tat bereits weh, ehe man den Nachdruck spüren konnte. Und sie breitete sich nur langsam aus, wurde sichtbar um Lycra herum, umspielte seinen gesamten Körper, wuchs immer weiter, wie ein Geschwür, wie eine Seifenblase, die ihn umhüllte. Als sie Crocodile und Robin erreichte, mussten beide ausweichen, doch es war eigentlich schon zu spät.

Das Letzte was sie im Stand bemerkten, war Schmerz. Crocodile wurde direkt zur Seite gefegt, flog durch die Luft und landete unten bei den zerstörten Stuhlreihen, schlitterte noch weiter durch den Raum, bis sein Rücken gegen die Wand gedrückt wurde und er auf der Ebene liegen blieb, auf der sich die Tür befand, durch die er vor wenigen Minuten noch hereingekommen war. Diese Türen flogen im selben Moment aus den Angeln, krachten unter der Welle in einem hinteren Teil des Schiffes gegen Wände. Crocodile konnte selbst jetzt den wahnsinnigen Druck noch auf dem Gesicht spüren. Als kratzte ihm jemand mit dem Löffel die Haut vom Knochen. Als zerre jemand an seinen Muskeln, als zerrte jemand sie direkt aus ihm heraus. Er musste die Augen schließen, sonst wären sie ihm unter diesem Druck wohl aus dem Schädel geplatzt. Um ihn herum krachte es heftiger und heftiger, aber er konnte sich nicht einmal bewegen, konnte nur fühlen, wie scheinbar alles in die Brüche ging.

Ähnlich erging es Robin, auch wenn sie eher im Schußfeld gestanden hatte. Mittlerweile wurde das Schiff so stark geschüttelt, dass die Balken es nicht mehr halten konnten und der Rumpf davon glitt. Robin, auf ihrer Seite der Bühne nun in dem Holz der Wand begraben, konnte sich nur mit einer neuen Mauer aus Armen davor schützen zerquetscht zu werden. Diese Druckwelle war heftiger, schwerer, als alles zuvor Dagewesene. Sie wollte schreien, aber dazu war sie gar nicht mehr in der Lage. Hinter ihr barst das Holz weiter und weiter.

»AHHHHHHHHHHH!« Mit Lycras Schrei brach die ganze Wand hinter ihr weg, brach das gesamte Schiff hinter ihr davon, flog durch einen Strudel Schall in die Luft, wand sich in den Himmel bis hoch über die Dächer, ehe es zerbrach und wie Regen herunter fiel. Doch damit war es noch nicht vorbei. Immerhin stand Robin noch immer, kläglich, aber fest. Auch wenn das Schiff hinter ihr nicht mehr war. Erneut schrie Lycra, dass den beiden Piraten wirklich fast das Trommelfell platzte. Robin lief das Blut bereits aus den Ohren. Sie schwankte, dann ging sie zu Boden, hielt sich aber noch immer fest. Sie versuchte sich auf Lycra zu konzentrieren. Sie konnte von Außen diese immense Kraftbarriere nicht durchbrechen, aber wenn es ihr gelang direkt an seinem Körper ein Körperteil wachsen zu lassen, dann musste sie ihr Versprechen brechen und damit sein Genick. Allerdings konnte sie sich kaum konzentrieren, bei den Schmerzen, die durch ihren Körper zogen.

Es gab ein erneutes Schaukeln und das Schiff setzte sich mit einem Mal in Bewegung. Nicht nur ein wenig, wie die Male zuvor. Es bog sich, krächzte, ehe Lycra ein letztes Mal schrie und damit den nötigen Wind für unsichtbare Segel lieferte. Wie bei einem Turboantrieb krachte der Theaterkahn nach vorn, rieb sich in den gepflasterten Boden der Stadtmitte und riss eine tiefe Furche durch den Stein. Die wenigen Menschen, die sich nach einer Weile wieder aus ihren Häusern getraut hatten, rannten diesmal wirklich um ihr Leben, als das Schiff seinen Weg fortsetzte.

Es hämmerte seinen Weg immer weiter, bis Lycra der Atem ausging. Aber selbst dann drang es weitere Meter voran, der Druck einfach zu kräftig. Es rammte eine Häuserwand, bis der Bug zusammenbrach, unter dem Stein der Gebäude seinen Willen aufgab. In dem Moment als Lycra Luft holte, knackte es und er glitt stumm zu Boden. Gleichsam wie Robin, allerdings atmete diese weiter. Unter dem Ringen in ihren Ohren konnte sie nur das Beben spüren, das sie noch immer fest gegen die Häuser drückte. Mehr und mehr Holz zersplitterte, das ganze Schiff begann sich in einen großen Haufen davon zu verabschieden.

Sie konnte nur noch einmal kurz die Augen öffnen, als die Schallwelle verklungen war. Der hintere Bereich der Bühne brach bereits auf, verschlang die Kabinen, die Vorbereitungsräume, alles was dazu gehörte. Sie spürte den Willen in sich aufzustehen, zu rennen, davon zu laufen, als das Unausweichliche immer näher kam. Doch ihre Glieder waren zu schwach. Sie war am Ende. In diesem Moment hielt es plötzlich inne, war das Schiff endlich zu einem endgültigen Halt gekommen. Nur einzelne Meter weit von ihr entfernt. Sie verlor das Bewusstsein, als der Vorhang, der direkt über der Bühne hing, zu Boden glitt. Die Aufführung war ganz offensichtlich vorbei.

Ungesagte Worte

»Uhhh...« Ein Stöhnen ertönte, rollte sich durch seinen Körper und hallte an seinen Knochen wider, verursachte ihm Kopfschmerzen.

Er spürte Schmerzen in seinen Ohren, in seinen Schläfen und hinter seiner Stirn - ein paar blaue Flecke an seinen Beinen und Armen. Er war getroffen worden, ziemlich heftig, ehe er sich in Sand auflösen hatte können. Eine Druckwelle, herumfliegendes Holz, Trümmerteile, Glas. Und dennoch war er ohnmächtig geworden. Wie erbärmlich. Wütend knurrte er und raffte sich langsam auf, blinzelte, um seine Umgebung zu erkennen. In der Bewegung musste er einigen Schutt, der ihn begraben hatte, zur Seite hieven, ehe er sehen konnte, was passiert war. Der Raum um ihn herum lag in Trümmern, bei den meisten Stücken erkannte man nicht einmal mehr, was sie darstellen sollten. Das hieß Lycra hatte ordentlich was angrichtet. Noch lauter knurrend richtete er sich auf und klopfte sich den Staub von der Kleidung. Er erspähte aus dem Augenwinkel Risse in seiner Hose. Das schürte seine Wut noch mehr, immerhin war die Hose teuer gewesen - nicht zu vergessen, eine seiner Lieblingshosen. Doch schnell drängte er das wieder in den Hintergund. Er lauschte, doch außer einigem Biegen des Holzes war da nichts, der Kampf schien vorbei zu sein. Hastig stolperte er über die Schuttberge, ehe er seinen Unterkörper in Sand verwandelte und zurück in den Raum schwebte, in dem alles geschehen war.

Das Bild, welches sich ihm hier bot, war nicht viel besser. Die einstigen Stuhlreihen hatten sich in Staub aufgelöst. Kein einziger Stuhl, kein Stück des Rumpfes oder der Bühne war wirklich noch intakt. Noch immer splitterte Holz von der Decke, regnete auf ihn herunter. Es war staubig und nur langsam lichtete sich seine Sicht. Er konnte Robin und Lycra mühelos unter den Überresten der Bühne ausmachen. Lycra, dessen Kopf in einem seltsamen Winkel zum Rest seines Körpers, zur Hälfte unter Schutt begraben lag und Robin nicht unweit zur Häuserwand, die das Schiff "aufgefangen" hatte, entfernt. Hier drang Tageslicht durch die zerfetzten Seiten. Licht, das knapp über ihrem Kopf auf den Boden leuchtete. Ihre Form lag im Schatten und sie rührte sich nicht.

Kurz hielt er den Atem an, doch er ließ keine Zweifel zu, er ließ die Sorge, die Angst um sie nur zu einem gewissen Grade zu. Gerade so sehr, dass er auf sie zu stürmte, sich neben ihr auf die Knie fallen ließ und den Schutt und den Vorhang, der auf ihr lag, wegpustete, dass es erneut krachte. Behutsam zog er sie in seine Arme und umfasste ihre Arme, ihr Gesicht, fühlte nach ihrem Puls und nach ihrer Körpertemperatur, wollte jede Schürfwunde, jede Verletzung sehen.

Ein bisschen erinnerte ihre Form an Dogu, damals als diese insektenähnlichen Kreaturen an ihr herum gesaugt hatten. Sie hatte etliche Schnittverletzungen, zum größten Teil durch herumfliegende Splitter, aus Holz, Glas und Metall. Sie hatte direkt in diesem Sturm gestanden. Vor allem ihre Arme und Hände waren lediert, bluteten. Allerdings schien sie keine sichtbaren, wirklich lebensbedrohlichen Wunden zu haben. Außerdem blutete sie aus den Ohren. Es war überhaupt schwer zu sagen, wie es in ihrem Inneren aussah, aber zumindest hatte sie einen regelmäßigen Puls und eine gesunde Atmung.

Das reichte ihm bereits. Er wollte sie nicht versuchen aufzuwecken, am Ende würde er damit nur noch mehr Schaden anrichten. Er würde warten, ehe sie von alleine aufwachte. Aber davor musste er sie hier raus bringen. Hastig blickte er sich um, suchte nach ihrer Perücke. Es dauerte nur einige Momente, ehe er sie im Schutt fand und sie ihr behutsam wieder aufsetzte, mitsamt des großen Hutes, den sie getragen hatte. Nur kurz hatte er sich Lycra angesehen und konnte seine Genugtuung nicht verbergen. Nur für den Moment jedoch hatte es ihm ein böses Grinsen auf die Lippen gemalt, ehe ihn die Zerstörung wieder an Robins Zustand gemahnt hatte. Was sollte er tun? Er konnte jetzt nicht einfach auf den Platz zurückkehren, nicht mit Robin im Schlepptau. Er würde nur neue Zweifel auf sie lenken. Notgedrungenerweise wandte er sich an die Häuserwand, die die letzten Teile des Schiffes stützte und legte die flache Hand an den Stein. Innerhalb von Augenblicken war sie zu Staub zerfallen. Er würde diesen Weg nehmen, um nicht aufzufallen.

Die Wohnung dahinter war leer. Der gedeckte Tisch deutete darauf hin, dass die Familie wohl getürmt war, als das Schiff ihr Haus fast zertrümmert hatte. Wahrscheinlich rechneten sie jeden Moment damit, dass das Haus gänzlich zusammen brach - unrealistisch, aber Crocodile kam es zu gute. Er lief zurück zu Robin und hievte sie hinauf in seine Arme, hielt sie so fest wie nötig, drückte sie an seine Brust und bemühte sich dann so schnell wie möglich den Tatort zu verlassen. Durch das Haus gelangte er durch eine Hintertür in eine Gasse, von der aus er sich den Weg zum Hafen suchte. Natürlich erweckte er noch immer Aufmerksamkeit und wahrscheinlich brachte man ihn sogar mit dem "Unfall" im Theater in Verbindung, aber niemand hatte ihn direkt bei dem Kampf gesehen. Sie hatten einfach keine Beweise in der Hand.
 

~ ~ ~
 

Als Robin das Bewusstsein wieder erlangte, erinnerte sie sich eigenartigerweise Weise zuerst an einen Abend, den sie vor ein paar Jahren mit Crocodile verbracht hatte. Es war viel Alkohol geflossen. Und nun fühlte sie sich genauso, wie damals. Ihr war schlecht, ihr Kopf platzte aus allen Nähten und sie fühlte sich wahrhaftig wie ausgekotzt. Oder wie Crocodile es damals treffend formuliert hatte: als hätte eine Kuh sie durch alle ihre Mägen gepresst. Der einzige Unterschied lag wohl an dem unnatürlichen Dröhnen in ihren Ohren. Alle Geräusche, die von Außen an sie drangen, wirkten seltsam verzerrt, stumpf und ohne richtige Tiefe. Als hätte sie eine alte Kassette misshandelt und dann versucht sie abzuspielen. Als sie langsam versuchte die Augen zu öffnen, schwamm ihre Umwelt in seltsamen Farben und verdrehten Formen vor ihr davon. Hastig schloss die die Lider wieder, bevor sie sich wirklich noch übergab. Ein leises Stöhnen drang aus ihrer Kehle und nur unter Schmerzen konnte sie einen Arm heben und über ihre Stirn gleiten lassen. Das Dröhnen hörte nicht auf und mit jedem Schlag des Hammers wurde ihr Kopfschmerz schlimmer. Vermutlich konnte sie dankbar sein, dass ihr Gehirn ihr nicht aus der Nase geflossen war.

Richtig, Lycra. Nur mühselig kamen die Erinnerungen zurück. Er war viel stärker gewesen, als sie ihn in Erinnerung gehabt hatte. Auch wenn es ihm letztlich nichts genützt hatte. Sonst wäre er wohl noch am Leben und sie wäre tot. Mit einem Satz richtete sie sich auf und hasste sich gleichermaßen dafür. Scheiße! Beinahe fiel sie wieder zurück, stützte sich aber keuchend mit den Armen ab, um das zu verhindern. War er denn wirklich tot? Hatte sie es geschafft? Sie wusste es nicht mehr. Und was war mit Crocodile? Trotz des Schmerzes riss sie die Augen auf, versuchte herauszubekommen, wo sie war.
 

»Ganz ruhig.« kam es bestimmt und beruhigend, in einer so tiefen Stimme, dass es ihr beinahe Halt gab.

Ihr Kopf schwankte um, um zu sehen woher sie kam. Normalerweise hätte sie sie sofort erkannt, aber das Dröhnen in ihrem Kopf überlagerte noch immer ihre Wahrnehmungsfähigkeit. »Was?«

Die Schemen setzten sich langsam zu einem Bild zusammen. Zumindest das schien sich zu stabilisieren. Sie erkannte seine Gesichtszüge vor sich, mit ein paar Pflastern im Gesicht, am Hals und an den Unterarmen. Er trug am Oberkörper nur noch sein Hemd, dessen Ärmel bis zu seinen Ellenbogen hochgekrämpelt waren. Hie und da war es ein wenig mit Blut bespränkelt und beschmiert, aber das fiel kaum auf. Eher fiel hingegen auf, dass er einen Lappen in der Hand hielt und ihn in eine blecherne Wasserschale tunkte, die inzwischen rötlich gefärbt war.

Sie war in ihrer Kajüte, das bemerkte und roch sie sofort. Sie trug nur noch ihre Unterwäsche und als sie sich weiter bewegte, spürte sie, dass es an einigen Stellen unangenehm zog. Als sie nach unten blickte, sah sie, dass an einigen Stellen Pflaster klebten, unter manchen von ihnen spannte es, als hätte er die Wunden genäht. Erneut erklang seine Stimme, dieses Mal jedoch leiser. Man hörte fast das unterdrückte Lächeln.

»Na, endlich aufgewacht? Wie geht es dir?«

»Ich...« Ihre Stimme war rau, als hätte sie seit Stunden nichts getrunken. Beim Klang ihrer eigenen Stimme pochte es heftiger hinter ihren Schläfen. »Was... uh… Lycra?«

»...Dem hast du ordentlich in den Arsch getreten.« Er hielt ihr ein Glas Wasser hin. »Willst du etwas trinken?«

Vorsichtig griff sie nach dem Glas, doch als sie es an den Mund setzte und zu trinken begann, zitterte ihre Hand so stark, dass sie sie wieder senken musste, um das Glas nicht zu verlieren.

Gleich darauf spürte sie seine Hand um ihre, die dem Glas die nötige Standkraft gab. Allein bei dieser Berührung wurde ihr warm, nicht heiß, sondern einfach nur warm. Obwohl er ihr nur half das Glas zu halten, fühlte es sich nach so viel mehr an. Plötzlich brach sie wieder in Tränen aus. Sie konnte es gar nicht verhindern. »...Ist er... habe ich... hat es geklappt?«

»Der wird zumindest nicht mehr aufstehen.«

Unkontrolliert krallte sie sich in sein Hemd. »Ist er tot?!«

»Ja.« Versuchte er so ruhig wie möglich heraus zu bringen.

Als sie endlich die Bestätigung bekam, sank sie wieder zurück auf das Bett und schloss ihre Augen, den Arm über ihre Augen gelegt. Es dauerte ein paar Sekunden, ehe sie erneut zum Sprechen ansetzte. »...Ich... ich nehme an, wenn ich frage, wird nur kommen: mir gehts blendend, nicht wahr?«

»So ziemlich.« Wieder das leichte Lächeln in seiner Stimme. »Nur ein paar Kratzer.«

Von ihr folgte darauf nur ein erleichtertes Seufzen.

Crocodile stellte das Glas wieder weg und betaste ihre Hand. »Möchtest du deine Stirn etwas kühlen?«

Nur zu einem Nicken war sie noch fähig.

»Warte kurz, bin gleich wieder da.« Damit stand er auf und trug die Wasserschüssel in das Bad. Sie hörte, wie er es erneut mit frischem Wasser füllte und dann zu ihr zurück kehrte, ihr ein kaltes Handtuch auf die Stirn legte.
 

Sie versuchte sich halbherzig die Schläfen zu massieren, aber sie vermutete nicht, dass es wirklich etwas ändern würde. Sie fühlte sich, als hätte jemand mit einem Hammer auf ihrem Schädel herumgeprügelt. »Hat... hat uns jemand gesehen?«

»Ich denke nicht.« Abermals strich er sanft über ihre Schläfen, die Wangen ihren Hals, ehe er begann die restlichen Wunden zu desinfizieren und mit einem Plaster abzudecken. »Wenn du etwas möchtest, sag es mir. Du siehst wirklich ziemlich lediert aus.«

Sie schloss ihre Augen. »Ich spüre nur... das Dröhnen. Als hätte mir jemand stundenlang ins Ohr geschrieen.«

»Dann ruh dich lieber aus. Du kannst schlafen solange du willst, ich regel den Rest.«

»Den Rest?«

Er seufzte. »Keine Sorge. Das war metaphorisch gemeint.«

»Ich glaube nicht, dass Schlaf so eine gute Idee ist. Bon hat mich immer davor gewarnt nach Kopfverletzungen zu schlafen...« Der Gedanke an Bon machte sie schon wieder traurig. Herrje, sie war viel zu emotional in diesem Moment, aber vermutlich... vermutlich war das sogar in Ordnung.

»Dann bleib zumindest liegen, okay?«

Sie hatte nicht vor ihm zu widersprechen. Irgendwie bezweifelte sie in jedem Fall, dass sie würde herumlaufen können. »Hatte nicht vor herumzuspringen...«

»Gut.« Erneut das Grinsen, ehe er schweigend seiner Arbeit nach ging.

Robin zuckte nicht einmal zusammen, wenn es wehtat. Sie spürte es fast nicht, aber nach einer Weile öffnete sie doch wieder die Augen und sah ihm entgegen.

»Danke...« kam es geflüstert.

»Keine Ursache.« Erwiderte er sanft, schenkte ihr aber keinen direkten Blick. Nur wieder das leichte Lächeln in seinen Mundwinkeln, das ihn ziemlich bekloppt aussehen ließ.

Sie hob ihre linke Hand, streichelte leicht über seine Wange. »...Muss ganz schön hart gewesen sein, sich fast nicht einzumischen.«

Für einen Moment schloss er die Augenlider und atmete tief durch, ehe er ihr in die Augen sah, und sie das Glitzern in ihnen erkennen konnte. »Weißt du... am Ende wars gar nicht mehr so schlimm. Du hast ihn mehr zur Schnecke gemacht, als ich jemals gekonnt hätte. Außerdem zählt nur, dass der Arsch tot ist und du hier.«

»So weh hab ich ihm doch gar nicht getan...« Ihre Zähne knabberten an ihrer Lippe. »Ich wollte ihm so viel mehr antun in diesem Moment.«

»Oh sei dir sicher, du hast deine Sache gut gemacht.«

»Normalerweise gefällt es mir ja gelobt zu werden, aber... ich bin nicht sicher, ob das hier angebracht ist.« Er spürte kaum, wie ihre Finger über sein Ohr glitten, den kleinen Anhänger, der es schmückte.

Behutsam nahm er ihre Hand in die seine und gab ihr einen Kuss. »Mir egal, ob es angebracht ist. Ich bin einfach nur froh, dass du ihn platt gemacht hast.«
 

Im nächsten Moment zog sie sich wieder zurück, senkte sich ihr Blick und ihr Mund verformte sich zu einem geraden Strich. Er hatte es alles gehört. Crocodile wusste was passiert war und es gefiel ihr nicht besonders. Diese ganze Geschichte hatte alles wieder hoch gebracht. Ihr Herz begann unangenehm zu schlagen.

Etwas resigniert ließ er es zu, klebte das letzte Pflaster auf seinen Platz. »Möchtest du alleine sein?«

»Ich... ich weiß nicht…« Seufzent wandte sie sich ab. »Ist vielleicht besser so.«

»In Ordnung.« Er zwang sich, sie nicht noch einmal zu berühren. Er war enttäuscht und dennoch verriet seine Stimme nichts davon. Im Gegenteil zeigte er Verständnis. »Möchtest du etwas zu Essen oder etwas Ähnliches?«

»Nein ich... Crocodile?« Sie schluckte hart. »Nein, nein ist schon gut.«

»Was ist?«

Unter schwerem Atmen kniff sie die Augen zusammen. »Es ist nur...« Erneut das Kauen an der eigenen Lippe und das Abwenden des Körpers, als wollte sie sich schützen. »Die Frage kommt dir jetzt komisch vor, aber... war der Sex mit mir... war er... wirklich gut?«

Es dauerte einen Moment, ehe er vollkommen irritiert und verunsichert antwortete. »Hä?«

Sie kauerte sich noch mehr zusammen. »Uh, vergiss es. Ich... bin nur angeschlagen.«

»Ich uhm... versteh die Frage nicht ganz.« Kam es vollkommen vor den Kopf gestoßen.

Ihre Stimme klang so unheimlich schüchtern, auch wenn sie selbst das nicht hören konnte. »Nach Lycra habe ich immer gedacht, dass ich für sowas nicht gemacht bin. Bei dir hatte ich das Gefühl, ich hätte mich geirrt, aber nach... ich... es ist nur so sehr wie damals, als ich Hayu verlassen habe... bevor wir uns getroffen haben...«

Etwas erschüttert sank er wieder zurück auf das Bett, starrte sie an, als könnte er ihr nicht glauben. Seine Stimme wankte, wirkte fast verletzt. »Was erzählst du denn nur für einen Scheiß, Robin..«

»Ich komme mir nur so... so schmutzig vor... Und ich frage mich jedes Mal, wenn du mich berührst, ob du das merkst... ob du... ob das irgendetwas zwischen uns ändert...«

Nun stöhnte er genervt auf. »Dachtest du jedes Mal, wenn wir Sex hatten an Elisa? Oder an die anderen Frauen, mit denen ichs getrieben hab?«

»Nein, ich...« Sie fuhr sich zitternd durch das Haar. »Ich meine... ist es dir egal, dass er... dass er...«

»Egal? Na du bist ja wirklich lustig heute, Robin.« Er knurrte leise. »Ich würd ihn am liebsten nochmal massakrieren dafür. Aber...« Nun wurde seine Stimme wieder sanfter und er fuhr ihr noch einmal durch das Haar. »...das ändert nichts daran, wie ich dich sehe. Außer...« Nun atmete er tief durch, um den Mut zu finden, es auszusprechen. »...dass es mir leid tut, dass ich dich so oft damit aufgezogen hab. Ich dachte damals, dass du ein geregeltes Sexleben hast. Immerhin bist du ne Hammerbraut. Es hätte mich gewundert, wenn dir auch nur ein Mann widerstanden hätte.«

»…Ich wollte, dass du das glaubst.«

»Und das habe ich.«

»Es muss dir nicht leid tun. Nachdem ich dich besser kannte, hatte ich immer die Befürchtung du würdest mich nie mehr anfassen, wenn du es jemals erfährst...«

»...Wäre es jemand anders gewesen, der dich angefasst hätte, wäre dem vielleicht so. Aber... das ist egal. Zwischen uns ändert das nichts. Zumindest auf meiner Seite.«

»Du.... du willst mich immer noch?«

»Natürlich...«

Sie lächelte zaghaft. »Warum sagst du das so, als wenn es vorhersehbar wäre?«

»Weil es vorhersehbar ist.« Er seufzte erneut leise.

»Vielleicht fällt es mir deswegen so schwer dir zu glauben.« Vorsichtig schloss sie die Augen, versuchte sich wieder etwas zu entspannen. »Du bist nicht durchschaubar. Vor allem nicht für mich. Vielleicht... muss das auch so sein. Vielleicht muss ich endlich lernen, dass es so sein muss.«

Darauf sagte er nichts, glitt nur mit den Augen über ihre Gestalt und prägte sich dieses Bild genau ein.

»Ich muss dir für noch etwas Anderes danken...« Schüchtern blickte sie ihm entgegen. »Nachdem ich Lycra verlassen hatte, war es fast immer eine Qual unter Männern zu sein, die mich anstarrten, mich als Objekt für ihre Fantasie missbrauchten... du warst anders. Vielleicht, weil ich erst nicht attraktiv für dich war. Das war sehr angenehm. Und danach... danach habe ich nie wieder an Lycra gedacht.«

Er lächelte gedankenverloren. »Danke... das tut wirklich gut zu wissen. Aber...« Nun grinste er reumütig. »...nur zu deiner Information: ich hab dich angestarrt. Aber nur, wenn dus nicht mitbekommen hast.«

»Wie?«

»Naja, dein Hintern ist eben wirklich ein Hingucker.«

Erst wurden ihre Augen größer, dann lächelte sie ein bisschen. »Du bist so blöd.«

»Nein, ich meins ernst. Also ich hab zwar nie an dich gedacht, wenn ich mir einen runtergeholt hab, aber auch bevor wir was miteinander angefangen haben, war dein Arsch schon ein ziemlicher Ablenkungsfaktor.«

Ihr Grinsen wurde breiter. »Tja, wer hat, der hat.«

»Ohhh und du hast wirklich ne Menge.« Auch er schmunzelte, wirkte aber etwas unsicher.

»Du brauchst gar nicht erst zu versuchen, mich wütend zu machen. Ich weiß ganz genau, dass ich keinen riesigen Hintern habe.«

Crocodile seufzte darauf theatralisch, ehe sein Blick wieder ernst wurde. »...Robin... bitte sei ehrlich... als wir zum ersten Mal... war das angenehm für dich?«

Das trieb die Röte in ihr Gesicht. »Gott...« Sie vergrub ihr Gesicht im Kissen.

»Ich mein... hat dich das... an diesen Kerl erinnert?«

»Du hast nie wirklich begriffen, was damals passiert ist, oder?« Das war so schrecklich peinlich, allein die Erinnerung daran. Noch heute, nach all den Jahren und dem ganzen Sex dazwischen.

»...Was?«

»Das war mein erster Orgasmus. Das erste Mal richtiger Sex, das erste Mal, dass es mir so sehr gefallen hat, dass ich...« Sie würgte es gerade so heraus. »...dass ich ohnmächtig geworden bin. Gott!« Sie wandte sich von ihm weg, vergrub ihren Körper unter der Decke, wollte sich am liebsten verstecken. »Ich wollte nicht mal atmen, aus lauter Panik ich würde stöhnen. Ich... ich konnte mich kaum an meinen Namen erinnern. Wie sollte ich da an irgendwen anders denken?!«

»...«

»Vielleicht habe ich dich deswegen gefragt... ich wollte wissen, ob es für dich auch so gut war, wie für mich...«
 

Noch einen Moment herrschte Stille, ehe sein lautes, herzhaftes Lachen ertönte. Er lachte sie aus, musste sich den Bauch halten, weil es so weh tat. »Hahaha, oh Gott. Ich erinnere mich. Du bist also ohnmächtig geworden? Hah, ich dachte du wärst nur eingeschlafen. Oh, das erklärt so einiges.«

»Du hast ja keine Ahnung, wie schrecklich das war! Ich konnte dich nicht mal leiden. Und dann warst grade du der... der... oh man...« Sie schob ihren Körper so weit von ihm weg, wie möglich, den Schmerz ignorierend.

»Oh ich weiß.« Er kicherte noch immer. Sie konnte sein fettes Grinsen gerade zu aus seiner Stimme herauskriechen hören. »Und ich hab alles dafür gegeben, dass du mich hasst. Du warst mir egal und sowieso nicht mein Typ.«

»Ja, und trotzdem bist du immer wieder zu mir gekommen!« keifte sie zurück und bereute es, als der Schmerz in ihrem Kopf zu dröhnen begann.«

Er seufzte lächelnd. »Weißt du auch warum?

Sie verstummte für einen Moment. »....Nein.«

»Willst du es wissen?«

Er konnte sehen, wie ihre Finger unter der Decke hervorlugten, langsam den Stoff von ihr schoben, nur soweit, bis ihre Augen sichtbar wurden. Sie nickte.

Abermals seufzte er und das Lächeln entschwand seinen Mundwinkeln. Der Kopf drehte sich von ihr weg und er starrte in ein Nichts, versuchte sich nicht zu sehr in der Vergangenheit zu verlieren. »Ich konnte immer nur an Elisa denken. Selbst Jahre nachdem sie mich verraten hatte, ging es immer nur um sie. Ich wollte es nicht einmal. Es hat mich krank gemacht. Ich habe sie in jeder Frau gesehen. Die meisten Frauen, auf die ich angesprungen bin, sahen aus wie sie. Blond, leicht gebräunt, braune Augen, klein. Und wenn ich dann dabei war, dann... war ich jedes Mal kurz davor mich zu übergeben. Ich weiß nicht warum ich so krank war dieses Spiel immer wieder auf mich zu nehmen. Mich selbst zu bestrafen. Aber es passierte immer wieder. Die Frauen waren immer gleich - hübsch und vollkommen verdorben. Sie haben alles gemacht, was ich wollte. Nicht, dass Elisa so gewesen wäre. Wir hatten nicht oft Sex. Im Nachhinein natürlich verständlich.« Er drückte sich noch weiter von ihr weg. Es war schwer ihr das anzuvertrauen und doch drängte er sich weiter dazu. Das war er ihr schuldig. »Du allerdings... warst anders.«

»Ich habe nicht einmal einen Moment in Betracht gezogen mit dir ins Bett zu gehen. Du warst nicht mein Typ, weil du...« Er schluckte sehr hart und spürte einen harten Kloß in seinem Hals. »... nicht wie sie aussahst. ...Deswegen konnte ich ganz locker mit dir umgehen. Deswegen konnte ich dich beleidigen und dir klar machen, dass du mich nicht die Bohne interessierst. Du warst mir egal. Und...« Seine Stimme spannte sich immer weiter an, er rang etwas nach Luft. »...als wir uns dann immer näher kamen, merkte ich, dass du viel mehr hattest als die Frauen, die ich sonst kannte. Du wolltest nichts von mir und das machte das Ganze noch einfacher. Aber du warst locker, nicht so sexfixiert wie die anderen, hattest etwas im Kopf. Du hattest... genauso eine Mauer um dich herum, wie ich. Ich wusste nicht, wer du warst, was du wolltest, was du dachtest. Du warst unberechenbar. Ich habe jeden Moment damit gerechnet, dass du mich im Schlaf ermordest oder fliehst. Du warst ein Rätsel und je näher ich dir kam, umso mehr hast du mich herausgefordert.«

»Und... an jenem Abend, als wir in der Bar waren und ich dich nach Hause gebracht habe... und du mich in deine Wohnung gelassen hast, da... Ich habe zum ersten Mal deine Wohnung gesehen, all die Bücher, der weite Raum. Ich konnte sehen, wer du bist. Dass du dich nicht eingerichtet hattest, als würdest du bleiben wollen. Und doch so viel von dir Preis gegeben hast. Die kalten Farben und die großen Räume. Und dann sah ich das gleiche in deinen Augen. …Ich wusste, dass es falsch war so weit zu gehen und ich wusste, dass du gefährlich bist. Aber an diesem Abend wollte ich dein Rätsel durcheinander bringen. Ich wollte sehen, wer du wirklich bist. Und dann... als wir uns so tief in die Augen gesehen haben, konnte ich nur an dich denken. …Da war keine Elisa. Da war keine Angst ermordert oder verfolgt zu werden. Natürlich, ich war mir im Klaren, dass das nur Sex war. Dass du mich verraten würdest und hintergehen. Aber das war etwas Anderes. Damit konnte ich umgehen, das konnte ich verstehen.«

»Aber ich musste kein einziges Mal an sie denken. Habe mich nicht vor dir geekelt, oder dich mit ihr verglichen... Habe nicht daran gedacht wie sie gestöhnt hätte, wie sie sich in diesem Moment bewegt hätte. Du…« Sein Atem ratterte kurz etwas. »...hast mich zur Ruhe kommen lassen. Deswegen konnte ich dich nicht mehr gehen lassen. Ich brauchte dich, selbst wenn es nur Sex war. Durch dich konnte ich sie vergessen, wenn auch nur für den Moment. Allerdings hätte ich damals nie geahnt, wie sehr ich mich in die Sache verstricken würde.«
 

Die Decke war längst herunter gelitten, hatte ihren Oberkörper aufgedeckt. Sie starrte ihm entgegen, unbewegt, unfähig zu sprechen. Sie starrte ihn an und schluckte. Wieder und wieder. Endlich brachte sie etwas Mut auf und kämpfte gegen den Schmerz in ihrem Kopf, um das Schlagen in ihrer Brust zu vermeiden. »Als du dich damals ursplötzlich von mir zurück gezogen hast... war das, weil du gemerkt hast, wie gefährlich das war? Weil du... weil du dachtest... sie hätte mich geschickt?«

Er sah sie längst nicht mehr an, hatte ihr nur den Rücken zugedreht. »Ja... Aber nicht nur das. Ich habe nie wieder nach Elisa mit einer Frau mehr als vielleicht zwei Mal geschlafen. Und mit dir tat ich es wieder und wieder. Das war gefährlich. Ich durfte dir nicht allzu nahe kommen. Ich wollte nie wieder den gleichen Fehler machen.«

»Und hast du es seitdem bereut?«

»Die meiste Zeit ja. Inzwischen nicht mehr.«

»Die Leute haben schon Recht. Wir sind ein... unmögliches Paar.« Sie lächelte leicht, unsicher. »Ist das Ironie? Du hast meine Ruhe immer in ein Chaos verwandelt. Dabei bin ich so stolz auf meine kühle Fassade, aber bei dir reicht es schon, wenn du mich schief angrinst und es gibt kein Halten mehr.« Wie um es sich selbst zu bestätigen nickte sie. Zum ersten Mal fühlte es sich an, als würde sie ihn wirklich verstehen. Noch nie hatte er ihr so viel von sich anvertraut. Sie wusste nicht, ob sie das zum Weinen oder Lachen bringen sollte. Schließlich lächelte sie wieder. »Hast du jetzt das Gefühl, das Rätsel gelöst zu haben?«

»Oh sicher nicht.« lachte er leise.

»…Dabei weißt du genau, was du sagen musst, um mich wahnsinnig zu machen. Und ich kann es nicht einmal verbergen.«

Darauf lächelte er nur stumm weiter, war noch immer in der Vergangenheit gefangen.

»Manchmal hasse ich es regelrecht, wie du mich aus der Ruhe bringst. Aber dann... fühle ich mich immer so lebendig. Überhaupt fühlt sich alles so viel intensiver an, so wirklich. Das Leben zieht nicht mehr nur einfach an mir vorbei.«

»Und das ist meine Schuld?«

»Mein Leben war so leer. Nichts konnte mein Herz noch wirklich bewegen. Das macht die Einsamkeit umso schmerzlicher. Aber du hast in mir Gefühle geweckt, die ich schon vergessen hatte, noch gar nicht kannte oder nie wieder erleben wollte. Ich habe dich gehasst, plötzlich gemocht und dann geliebt und in jedem Stadium... ich weiß nicht, wie ich das erklären soll. Je näher ich dir kam, je mehr ich von deinem Inneren sehen konnte, desto lebendiger fühlte ich mich. Als hätte mich etwas an dir einfach fortgerissen aus der Leere.« Sie begann leise zu lachen. »Oh mein Gott, ich klinge ja wirklich furchtbar kitschig.«

Auch er lachte nun ruckelnd und schielte sie an. Sein Gesicht zeigte das Glück, das aus ihm heraus quoll. »Oh ja... das stimmt allerdings. Meins wohl aber auch.«

»Habe ich dir jemals von meinem schlimmsten Albtraum erzählt?« Robin kicherte und sie fühlte sich wirklich lebendig. Selbst unter all diesen Verletzungen und dem Kopfschmerz. »Du hast mir Rosen geschenkt und mir Liebesschwüre um die Ohren geseuselt. Ich bin damals schweißgebadet aufgewacht.«

»Hahaha, oh Gott. Keine Sorge, das wird nie passieren.«

Sie lächelte noch immer, etwas verhaltener diesmal. Nein, das würde nie passieren, nicht wahr? »Kommst du zu mir?«

Das Grinsen wurde immer schiefer und seine Hand strich ihr die Haare aus dem Gesicht. »Willst du kuscheln?«

»Was dagegen?« Sie musste sich wirklich zusammen reißen, ihm keine Schmolllippe entgegenzu werfen.

»Hm… nein...« Erleichtert schloss er die Augen und schlich sich mit einem breiten Lächeln zu ihr ins Bett, nahm sie in seine Arme und legte ihren Kopf auf seine Brust.

Ihr Arm glitt über seinen Bauch und ebenso wie er, fielen ihre Augen zu. Es war nicht das erste Mal, dass sein Herzschlag ihren Schmerz etwas linderte. »Ich habe dich vermisst...«

»Gott Robin... ich dich auch. …Viel zu sehr.«

Das bereitete ihr eine Gänsehaut und sie presste sich etwas enger gegen ihn. »Ich habe mir sogar manchmal vorgestellt, was du Dummes sagen könntest. Einmal hat mich Walrada dabei erwischt, wie ich mich selbst beleidigt habe...«

»Hahaha... sicherlich war dein Hintern der Hauptprotagonist.«

»Oh ja...kaum zu fassen, wie sehr man sich an soetwas gewöhnen kann.«

»...Robin?«

»Hm?«

Sie spürte wie sein Herzschlag beschleunigte und sein Atem stockte, fühlte den Kloß in seinem Hals beinahe, das Zittern, das ihn für einen Moment durchstieg. Und wie er dann die Worte gleich eines Hauchens nach draußen ließ, als würde ihm ein Stein vom Herzen fallen. »...Ich... liebe dich.«
 

Er spürte wie sie den Atem anhielt, wie sie völlig steif wurde. Das Dröhnen wurde nur noch schlimmer, als ihr Herz ihr bald über die Klippe sprang. Das... er....oh Gott. Rasselnd atmete sie aus, keuchte beinahe, krallte sich an ihm fest, schluckte erneut hart. Niemals - sie hätte niemals damit gerechnet. Sie hatte kaum daran geglaubt. Dabei waren Worte doch nicht wichtig für ihn, nicht wahr? Sie bedeuteten ihm nichts. »...Meintest du... meintest du nicht... solche Worte bedeuten dir nichts?«

»...Sie können nicht ausdrücken, was ich für dich empfinde, ja...« kam es tonlos. Er atmte nicht mehr, presste alles nur noch unter Druck hinaus. »Aber... du wolltest es hören, nicht wahr? Damals... nach dem ...Plan. Das heißt... jetzt nicht, dass ich es nicht ernst meine, aber...« Er stöhne leise, drückte sie härter an sich. »...Für dich würde ich wirklich... bis nach Impel Down gehen. ...Du bist mir so viel mehr wert, als ich mit diesen Worten ausdrücken könnte. Also... ich... ich...« Er schlug sich gegen die Stirn und biss die Zähne aufeinander. »Klinge ich bescheuert?«

Robin richtete sich auf, legte die Hand auf seine Wange und küsste ihn, nur kurz ganz leicht, legte dann ihre Stirn gegen seine, sah ihn an. Seit Langem fühlte sie sich wirklich ausgeglichen, fühlte sich ruhig, auch wenn ihr Atem Überschläge machte, auch wenn ihr Herz heftiger schlug als ein Presslufthammer. »Nein. Das bedeutet mir sehr viel. Und ja... ich wollte es hören... weil, ich fast nicht mehr daran geglaubt hätte.«

Sein Blick sank besiegt hab. »Es tut mir so leid. Ich habe dich durch so viel Dreck geschleift. Es tut mir leid. Aber ich habe einfach keinen anderen Weg gesehen…«

Diesmal küsste sie seine Stirn. »Es ist vorbei. Wir fangen neu an. Diesmal richtig.« Wieder das ehrliche, volle Lächeln. »Vergessen wir Pluton, vergessen wir den Plan. Ich will nur, dass du glücklich bist.«

Er lächelte unsicher, sah sie noch immer nicht an. »Wow. Noch nie haben sich so kitschige Worte so schön angehört.«

»Ist gar nicht mehr so kitschig, wenn die Person, die man liebt es zu einem sagt, nicht wahr?« Sie grinste ihm entgegen. »Vielleicht sollte ich doch mal so ein Buch schreiben.«

»Oh bitte nicht.« Er grinste ihr entgegen, noch immer etwas unsicher.

»Übrigens soll das alles nicht heißen, dass ich dir ab jetzt nicht mehr Vasen an den Kopf donnere, wenn du mich mit deinem Müll zuschüttest.«

»Na hoffentlich. Das habe ich doch immer an dir gemocht. Dass du mir etwas entgegen setzen konntest.«

Sie spielte mit seinem Haar. »Das ist wohl der Nachteil, wenn man sich in einen intelligenten bösen Mann verliebt. Man muss sich ständig sowas anhören, ständig um sich schlagen.«

Erleichtert atmete er aus und schloss die Augen, drückte sie fester an sich, dass ihre Stirnen aneinander lagen. »Bitte... hör endlich auf zu quatschen. Ich will diesen Moment einfach nur genießen.«

»Aye...Captain.«

Seine Lippen gaben ihr einen sanften Kuss auf die Stirn, ehe er sich an sie kuschelte und die Leere in seinem Herzen vollkommen mit ihr füllte, dass er fast platze. Dieser Moment gehörte nur ihnen. Ihm und ihr. Der Frau, für die er alles geben würde - sogar sein Leben.

»Braves Mädchen...«

Tara Lim - Das Mädchen und der Offizier

...Wie es zu diesem Vorfall kam ist noch ungeklärt. Laut der Bürgerinitiative Hayus stehen weitere Untersuchungen noch aus, da bisher keine der Zeugenaussagen zu einem Ergebnis führten. Der Schaden, so seine Schwester Jelena G., sei durch das Opfer selbst verursacht worden. Man wollte uns den Namen der Teufelsfrucht involviert jedoch nicht nennen. Ein Sprecher des Theaterkahns übermittelte uns außerdem, dass Shishibukai Sir Crocodile, der zur Zeit in unseren Gewässern segelt, gesehen worden sei. Allerdings liegen keine Beweise oder sonstige Hinweise auf dessen Beteiligung an dieser Tragödie vor. Die Bitte um ein Interview wurde vehement abgelehnt. Ob es zu einem Kampf kam oder was die Gründe dafür gewesen sein könnten, soll ermittelt werden. Noch bis nächste Woche laufen die Aufräumarbeiten und die Beerdigung Lycra G.s soll laut seiner Hinterbliebenen am kommenden Sonntag im hiesigen Bestattungszentrum stattfinden. Mit großer Trauer blicken wir auf den Verlust eines großartigen Schauspielers und sein episches und rätselhaftes Ableben....
 

»Hier ist Ihr Tee kleine Miss.«

Sie sah kaum auf, als die Kellnerin ihr die Tasse auf den Tisch stellte und unter einem Grinsen wieder davon raschelte, um weitere Bestellungen in ihrem Café aufzunehmen. Eigentlich war es viel zu warm für Tee, aber das Mädchen kümmerte es nicht. Erst recht, als ihr der angenehme Geruch der Teeblätter in die Nase stieg und den Krampf in ihren angespannten Muskeln zu lösen begann. Seufzend legte sie die Zeitung zur Seite und goss sich etwas von dem heißen Wasser aus der Kanne über die Blätter und verfolgte andächtig, wie die kleinen Dampfwölkchen in den klaren, blauen Himmel aufstiegen.

Das Rauschen der Unterhaltungen, das Geschnatter und Getratsche bekam sie ebenso wenig mit wie das Marktgeschrei und die Händler, die umherzogen und ihre Ware an den nächstbesten Tölpel verschachern wollten. Irokos Blick richtete sich nur auf das Wesentliche. In diesem Fall war das nun die zweite Zeitung, die sie schon seit ein paar Wochen mit sich herum trug. Sie war bereits etwas zerfleddert, abgenutzt, als hätten hundert Leute sie hunderte Male gelesen. Und eigentlich stimmte das auch. Etliche Male hatte das Mädchen das Papier in der Hand gehabt, es mit ihrem Schweiß aufgerieben und die Fasern immer weiter zerstört. Aber sie konnte sich nicht davon abbringen wieder und wieder diese eine Nachricht zu lesen. Die Nachricht über ihren Tod. Etwas zittrig nahm sie nun die Zeitung in die Hände und klappte die Seite auf, die ihr beim ersten Anblick bereits das Blut zu Eis gefroren hatte. Es war die Schlagzeile von vor über zwei Monaten gewesen. Auf der Seite war ein großes Bild von einem kleinen Mädchen abgebildet; große, traurige Augen, kurzes, schwarzes Haar.

Darunter ein Bildtitel: Nico Robin, letzter Teufel von Ohara gefasst.

Nicht zum ersten Mal beim Lesen stockte Iroko der Atem. Sie hatte ihre Tee bereits wieder vergessen.

In der Nacht vom 31. März auf den 1. April verzeichnete Oberst Masala von der quomischen Flotte, dass Sir Crocodile, Shishibukai der Regierung, Nico Robin gefasst habe. Nach mehr als zwanzig Jahren der Suche war es der Marine endlich gelungen die Straftäterin festzunehmen. Doch bei der Übergabe ereignete sich ein Unfall. Offizier Esche, seitdem aus dem Dienst suspendiert, sorgte für das Überbordgehen der Gefangenen, was in deren Tod resultierte. Es wurde übermittelt, dass keine Rettungsmaßnahmen eingeleitet werden konnten durch den hohen Gefahrenfaktor durch Haisichtungen...

Iroko stockte erneut, übersprang ein paar Zeilen und las dann weiter.

...Sir Crocodile bestand überdies auf seinen Lohn. Bisher wurde nicht bekannt gegeben, ob ihm die gesamten 79 Millionen Belly zugestanden werden oder nicht. Auf die Frage hin, ob es ein Trick gewesen sei, antwortete Admiral Ao Kiji in einem Interview mit der Presse: „Ich habe nachgeschaut. Sie liegt am Grund des Meeres.“ Die Marine bestätigte dies. „Nico Robin ist passé.“
 

Als sie bemerkte, dass ihre Hände zitterten, legte sie diese Zeitung auf den Stapel. An diesem Vormittag hatte sie sich bereits einige neue und alte Ausgaben zu Gemüte geführt und neben dem Schmerz, den sie heimlich verspürte und der Irritation ratterte ihr analytischer Verstand auf Hochtouren. Eigentlich waren ihr die Schlagzeilen egal und sie las sonst auch nur Berichte, in denen ihre Namen vorkamen. Sir Crocodile und Nico Robin. Nur deswegen hatte sie diesen Artikel über Hayu überhaupt gelesen. Doch bei diesem Namen... Lycra ...hatte sich etwas in ihr geregt. Wie eine uralte Erinnerung, die nicht zu ihr gehörte. Es hatte sie sofort an Kokoroshima erinnert und an die Tatsache, das ein Stück von Robin noch immer in ihr steckte, immer stecken würde. Es war Robins Anteil in ihrer Erinnerung, der diesen Namen wiedererkannte, da war sich das Mädchen sicher. Woher auch sonst hätte diese spontane Abneigung herrühren sollen? Der Tod dieses Mannes besänftigte das Biest in ihrer Brust. Und es überraschte sie gar nicht, dass man Crocodile am Ort des Geschehens gesehen hatte. Die Tatsache, dass Robin angeblich tot war, war wie ein Witz. Noch mehr so, als sie gelesen hatte, dass Crocodile sie augenscheinlich ausgeliefert hatte. Ein Witz. Dennoch... etwas stimmte an dieser Geschichte nicht. Irgendetwas brachte sie immer wieder dazu zu zittern sobald sie die Zeitung nur ansah. „Nico Robin ist passé.“ Die Marine hatte einen derartig schlechten Humor, das ihr bald schlecht wurde.

Mit starrer Miene lehnte sie sich in ihrem Stuhl zurück und schlürfte an ihrem Tee, schloss dabei die Augen und versuchte ihre Umgebung auszublenden. Sie mochte Tara-Lim nicht besonders. Es war ihr zu voll, zu laut, zu überheblich, aber Iroko mochte selten eine Insel und deren Bewohner. Ganz besonders nachdem sie ihre Crew verlassen hatte, war ihr nichts mehr wirklich gut vorgekommen. Sie hatte erst nicht vorgehabt Toshi-o-Toru jemals wieder zu verlassen und nun saß sie hier und überlegte sich wo sie als nächstes hinreisen sollte. Vielleicht sollte sie Sierra fragen, aber der gab ihr nie eine wirklich zufrieden stellende Antwort. Unwillkürlich strich sie über das Amulett, das sie auf Omoide an sich genommen hatte und seit ein paar Wochen um den Hals trug. Es war immer angenehm warm und ließ ihre Fingerspitzen leicht kribbeln, wenn sie es berührte. Sierra war auch der Grund, warum sie auf Tara-Lim war.

Nun nicht konkret diese Insel. Nach dem Tod ihres Vaters, nachdem Baroque Works aus ihrem Leben verschwunden war, hatte dem Mädchen ein Ziel gefehlt und noch immer dümpelte sie halb blind in den Scherben ihres Lebens herum. Aber ihr war aufgefallen, das Sierra hunderte Jahre auf einer Insel hatte zubringen müssen und irgendwie erging es ihm doch wieder genauso, wenn sie als Trägerin seines Amuletts auf ihrer Heimatinsel vergammelte. Außerdem war ihr Großvater ihr bereits nach wenigen Tagen wieder auf die Nerven gegangen. In vielen Punkten waren er und Ossan sich unheimlich ähnlich. Vielleicht hatte sie Ossan auch deswegen immer genauso behandelt. Sie runzelte die Stirn. Was der Affe wohl gerade trieb? Vermutlich sprang er über irgendwelche alten Leute auf Kawari-ori und erzählte von seinen Heldentaten. Ohne, dass sie es bemerkte, stahl sich ein kleines Lächeln auf ihre Mundwinkel. Der Spinner.

An diesem Tag zeigte sich Tara-Lim von seiner besten Seite. Die Insel war belebt, fröhlich, touristenfreundlich. Dabei war sie nicht die erste Insel gewesen, die sie nach Toshi-o-Toru angesteuert hatte. Zuvor war sie ein letztes Mal nach Arabasta zurückgekehrt. Heimlich, um Sierra zu zeigen, wie falsch er mit seiner Einschätzung über sie lag. Sie war kein liebes Mädchen, hatte kein reines Herz oder sonst ein Unfug. Sie hatte kaltblütig dazu beigetragen, dass Arabasta zerfiel. Zwar leistete dessen Königin hervorragende Arbeit und nach vielen Monaten war in weiten Teilen des Landes wieder Regen gefallen, aber das änderte schließlich nichts am Tod des Königs, am verlorenen Vertrauen des Volkes gegenüber seinen Herrschern oder an all den verlorenen Seelen. Und es ließ das kleine Mädchen kalt. Genauso, wie sie es damals kalt gelassen hatte, als Robin sie eingestellt hatte. Doch Sierra hatte sich nicht weiter dazu geäußert, hatte lediglich das Land, seine Menschen in sich aufgesaugt, jede noch so kleine Information aufgenommen wie ein Schwamm.

Gott, er war richtig scharf auf Neues. Vor allem schien es ihm zu gefallen, wenn sie redete und ihm erzählte, was passiert war, wenn sie ihm Dinge über Arabasta erklärte oder über die anderen Inseln, die sie seit dem besucht hatten. Sie blieben nie sonderlich lange. Aus irgendeinem Grund zog es das Mädchen immer wieder sehr schnell auf das Meer zurück. Sie konnte es gar nicht lange auf einer Insel ertragen, doch sobald sie auf dem Meer war, wollte sie zurück auf eine Insel. Schon öfter hatte sie versucht zu verstehen, was eigentlich mit ihr nicht in Ordnung war. Etwas fehlte, etwas ließ sie immer sehnsüchtig auf die Zukunft hoffen, obwohl sie doch wusste, dass dort nichts war. Ihr Ziel? Vielleicht wollte sie Sierra helfen das zu finden, was ihn vom Tod abgehalten hatte. Oft spielte er seine Musik für sie, sang ihr etwas vor und noch öfter schlief sie dabei ein, schlief, träumte traumlos. Sie hörte es in seiner Stimme, wie ein Wunsch nach Erlösung und gleichzeitige Dankbarkeit. Das waren die wenigen Momente, in denen sie seine Stimme hörte.

Er redete nicht viel, schien lieber zuhören zu wollen, dabei war sie selbst kein großer Redner. Er regte das Bedürfnis in ihr sich mitzuteilen, etwas von sich selbst mit ihm zu teilen und da sie nicht wusste wieso das so war, irritierte es sie noch mehr. Seit er bei ihr war, fühlte sie sich nicht mehr so allein, nicht mehr so hilflos und zerbrechlich. Jemand sah immer zu ihr, jemand wachte über sie. Sie war bei Gott keines von den Kindern, die das nötig hatten, aber es war dennoch seltsam beruhigend. Für ihre Seele. Deswegen tat sie das für ihn. Deswegen reiste sie umher, von Schiff zu Schiff, von Insel zu Insel, um ihm etwas von dieser Welt zu zeigen. Vielleicht konnte das den Schmerz seines Daseins etwas Linderung verschaffen. Und vielleicht... vielleicht linderte es ihren eigenen auch ein bisschen.
 

Eine leichte, lauwarme Brise wehte ihr um die Nase und trieb salzige Meeresluft in ihre Lunge. Die Temperaturen waren so angenehm, wie ein Tag im Monat Mai. Tara Lim war ebenso wie Toshi-o-toru eine Frühlingsinsel, doch der Regen wich hier viel öfter mildem Sonnenschein. Und genauso waren seine Bewohner. Nichts deutete auf Piraten oder Tagelöhner hin, es gab keine leerstehenden oder abgewrackten Häuser. Tara Lim, "die Blüte der Sonne", war eine reiche Handelsstadt, von einem Königspaar regiert. Marine gab es hier weit und breit nicht und dafür gab es auch keinen Grund. Das stehende Heer mitsamt seiner großen Flotte hatte über die Jahre hinweg die Gewässer sicher gemacht, der König hatte die Hoheitsgewässer annektiert und den Schutz unter seine eigene Kontrolle gestellt. Es war friedlich und ruhig, die Menschen glücklich und ausgeglichen. Prunkvolle Monumente und Gebäude zierten die Innenstadt, die Randgebiete waren einfacher, aber dennoch gemütlich. Beinahe jedes der Backsteinhäuser um den Stadtkern war gesäumt mit gelben und roten Blumen - das Wahrzeichen Tara Lims. Gal hätte es sicher hier gefallen, schließlich war er ein echter Architekturfanatiker. Und Uma hätte die vielen Cafés geliebt, die es hier gab. Und bei den ganzen Boutiquen und Souvenierläden hätte Paula wohl einen Herzinfarkt bekommen

Die Stadt war bunt und voller Leben. Es faszinierte den Geist, der stumm an Irokos Seite verweilte und dem Treiben zusah. Er hatte so lange auf so etwas verzichten müssen. Jahrhunderte lang abgeschieden von jeglicher Zivilisation. Wie viel sich geändert hatte und doch blieb immer alles gleich. Längst spielte Zeit keine Rolle mehr für ihn. Sierra sog alles in sich auf, behielt es in seinem "Herzen" wie einen Schatz. Das war die Welt, die er verpasst hatte. Nein, vielleicht auch nicht. Vielleicht war das die Chance, die er bekommen hatte. Die einmalige Gelegenheit noch einmal zu fühlen, zu sehen, zu erfahren wie wichtig es war zu leben. Selbst wenn er nur zusehen konnte, beobachten. Ein Lächeln schmiegte sich auf seine kalten, durchsichtigen Lippen. Sierra hatte nicht bemerkt, wie schnell der Abschied von der Crew gewesen war. Die Zeit glitt viel zu schnell an ihm vorbei. Doch er hatte etwas erkannt, hatte es gespürt, bestätigt, was er auf Omoide nur kurz hatte erahnen können.

Vielleicht war er es seine Bestimmung jemanden zu helfen, wieder auf den rechten Weg zu kommen. Helfen zu erkennen, wie schön das Leben war und wie verderblich der Gedanke es einfach hinzuwerfen. Bei jemanden zu stehen, der die Hoffnung aufgegeben hatte. Es war Schicksal, dass er Iroko getroffen hatte, nicht wahr? Es musste etwa derartiges sein. Und er wusste bereits schon lange, dass er sich ein weiteres Mal dem Schicksal fügen würde - dieses Mal freiwillig. Wenn seine Existenz an dieses Mädchen gekettet war und an die Bestimmung sie zu begleiten, zu trösten, ihr Hoffnung zu geben, dann würde er es mit Freuden tun.

Er atmete tief ein, und doch wirbelte keine Luft durch sein Innerstes. Es störte ihn nicht, die Einbildung allein reichte ihm. Er wusste, dass er nicht schmecken, nicht riechen konnte, aber er glaubte den Geruch von Blumen wahrnehmen zu können, spürte das Kitzeln der weichen Blütenblätter unter seinen Fingerkuppen. Es erfüllte ihn mit Stolz und Glück so etwas erleben zu können. Er hatte nicht bemerkt, wie sich diese Entschlossenheit, diese Lebensfreude auf sein Äußeres niedergeschlagen hatte. War sein Gesicht auf Omoide alt und runzelig erschienen, hatte er nun die ebene Haut seiner Jugend zurück. Er ähnelte dem jungen Mann, der er einst gewesen war, als er starb. Blondes, struppiges Haar, das ihm fasrig in das Gesicht hang, die etwas knollige Nase, der breite, schmale Mund. Und doch noch immer durchsichtig, für niemanden zu sehen, den er sich nicht sehen lassen wollte. Für niemanden zu hören, dessen Herz er nicht direkt ansprach. Es war ihm Recht, er genoss es. Und seufzte laut und genüsslich auf.

»Diese Stadt ist unglaublich...«

Iroko hatte einen Arm auf dem Tisch des Cafès abgestützt, der Unterkiefer lag in ihrer Hand uns sie sah ihm dabei zu, wie er sich umsah. »Hm. Du hast wohl sehr, sehr lange nichts Anderes mehr gesehen, wenn du das besonders findest.«

Er drehte den Kopf zu ihr und sie erkannte ein ehrliches Lächeln. »Vielen Dank, dass du mir das ermöglichst.«

Irokos Augen fuhren wieder zurück zu der Kellnerin, deren Grinsen ihr irgendwie auf die Nerven ging. »Es ist nicht so, als hätte ich sonst irgendetwas zu tun.« Sie seufzte, wie schon zig Mal an diesem Tag und allen anderen, der vergangenen Monate. »Auf Toshi-o-Toru hätte ich es vermutlich eh nicht mehr lange ausgehalten. Oji-chan...sagen wir, er ist schlimmer als jede Henne.«

»Ich denke, er hat dich sehr lieb, Iroko.«

Und wieder das Seufzen.

»Du liest ständig die Zeitung der letzten Wochen. Sorgst du dich um deine Freunde?«

»Die kommen schon klar.« Das Mädchen schloss die Augen. Sie wusste genau, dass er in ihrem Blick lesen konnte, was wirklich die Wahrheit war. Dass sie sich in der Tat sorgte. Vor allem um Robin und und ihren Ex-Boss, den sie immer noch nicht Crocodile nennen konnte. Zumindest nicht immer, nicht mal nur in ihren Gedanken. Vielleicht sollte sie ihn jetzt lieber Sir Crocodile nennen...

»Oh, da hast du wohl Recht.« Er grinste fast schelmisch, als wüsste er etwas, was sie nicht ahnen konnte.

Sie grunzte missmutig, etwas, dass sie bisher nur bei ihm gemacht hatte. »...Du nervst mich mit deinem geheimnisvollen Grinsen.« Sie hasste es einfach, dass sie ihn nicht so analysieren konnte, wie die anderen um sie herum. Nur weil er tot war, der Blödmann.

»Weißt du schon, was du machen möchtest? Ich habe gehört hier gibt es einen Zirkus, wollen wir dorthin?«

Nur Schulterzucken. »Wir machen, was du willst. Das habe ich dir schon auf Arabasta gesagt. Ich habe kein Ziel, also kannst du gerne aussuchen, wohin wir gehen.«

»Oh, vielen, vielen Dank Iroko.« Er schwebte ihr vor der Nase herum. Es war eigenartig, zuvor war er nie so voller Glück und Freude gewesen, sondern viel zurückhaltender. Irgendwie hatte Iroko das Gefühl, es war etwas im Busch.

Sie hob eine Augenbraue, grunzte erneut und musste dabei unwiderruflich an Crocodile denken. Ein Seufzen folgte. Sie war ihm viel zu ähnlich für ihren Geschmack. Und was? War Sierra jetzt seine Robin oder was? Gott! Aprubt richtete sie sich auf und legte ein paar Münzen auf den Tisch, starkste dann etwas steif davon. »Ja ja, schon gut.«
 

Sofort schwebte er neben ihr und summte ein fröhliches Lied, das sie noch im selben Moment herunter kühlte. Er schien wirklich eine eigenartige Kraft in seiner Stimme zu haben, dem sie schwerlich widerstehen konnte. Doch er sah sie nicht mehr an, tanzte fast durch die Menschenmenge, um den Leuten auszuweichen.

Zu ihrem Glück oder auch ihrem Unmut war der Eintritt zu diesem Zirkus frei für Kinder unter 14 Jahren. Der lächelnde, fratzenschneidende Clown am Eingang hatte Glück, dass es heute einer ihrer besseren Tage war. In letzter Zeit war sie viel zu aggressiv für ihren eignen Geschmack, selbst mit Sierras Wundermusik. Sie mochte keine Zirkusse. Es war laut, Kinder kreischten ständig und die Vorführungen waren langweilig. Vielleicht war sie einfach schon zu viel Besseres gewohnt. Kein Wunder bei den Menschen, mit denen sie die letzten Monate verbracht hatte. Sich ihrem Schicksal beugend setzte sie sich so weit nach hinten wie möglich. Diese Zirkusleute hatten die Angewohnheit sich Leute aus den Zuschauerreihen zu picken und dann auf die Bühne zu zerren. Sie wollte den Tag aber nicht damit beenden irgendwelchen Schaustellern wehzutun. Ja, eindeutig zu viel Crocodileeinfluss. Zu ihrer Beruhigung waren weniger Kinder, als Erwachsene anwesend. Nun ja, zumindest weniger Kleindkinder als Teenager. Schon jetzt johlten manche sich die Stimme wund und hinterließen bei dem Mädchen tiefe Furchen in der Stirn. Warum hatte sie sich bloß darauf eingelassen?

Der Zirkus war relativ groß, mit dem typischen Stoff von der Außenwelt abgehängt, lachende Clowns, die sie schon jetzt hasste und den Kerl, der immer die Ansagen machte. Schon als ganz kleines Mädchen hatte sie Zirkusse nicht gemocht. Das war so viel... so viel? Ihr fehlte das richtige Wort. Drama. Ja das war's. Einfach zu viel Drama.

In einem Halbkreis reihten sich die Zuschauertribünen. Es war voll, überfüllt, so dass jemand sie immer weiter in die Ecke quetschte. Aber ja, mit ihr konnte man es ja machen. Sie war ja nur ein Kind im Weg. Grrr... Nur etwa zwanzig Minuten konnte sie sich das Gehampel auf der Kreisfläche vor sich anschauen, konnte sie gerade so ertragen, wie irgendwelche Statisten sich über das Hochseil trauten – die Feiglinge hatten ein Netz darunter gespannt - Clowns sich aus Kanonen feuern ließen - nur ein Einfallspinsel hätte das nicht durchschaut - und Tiere durch brennende Reifen geführt wurden. Na wunderbar. Es kotzte sie an. Gerade wollte sie Sierra mitteilen, dass er sich das auch allein ansehen konnte, während sie draußen wartete, als die Lichter heftiger flackerten. Toll, jetzt kam dann wohl die Hauptattraktion. Noch mehr Drama.
 

Dann fiel das Licht plötzlich komplett aus, aber statt Schweigen folgte nur lauteres Tuscheln, Neugier, außer bei Iroko. Diese starrte etwas irritiert und dann schockiert nach oben. Auf dem bis eben noch mittleidig beachteten Hochseil tanzte nun eine Figur in immer wieder neuen grässlichen Balettovertüren, so grausam, dass ihr übel wurde. Diese schlanke, große, nein, riesige Gestalt sprang behände über das Seil, als gäbe es gar keine Tiefe darunter. Iroko wurde so übel, als stände sie selbst auf dem Seil. Blöde Höhenangst. Sie würgte, als der Kerl endlich heruntersprang. Moment mal! Herunter sprang? Sie richtete sich in ihrem Sitz auf, um einen besseren Blick auf den Mann zu haben, der in seinem schillernden pinken Anzug mit den tausend Pallietten in dem leichten Licht, das von ihm auszugehen schien erstrahlte. Es war so bittersüß, dass man Zahnschmerzen bekam. Bis er plötzlich kreischte und direkt auf die Zuschauer zustürmte. Er setzte zum Sprung an, landete auf den Köpfen und Schultern der geschockten Menge und... er... er kam direkt auf sie zu!

Sie machte keinen Schritt zurück, dazu war sie einfach zu gefasst, zu apathisch, aber das änderte nichts an ihrem Gesichtsausdruck, als Bon Clay höchstpersönlich sein fettes, heulendes Grinsen in ihres schmetterte.

»IROKO-CHAAAAAN!!!!!«

Er packte sie aus dem Stand, wirbelte sie im Kreis und tanzte zwischen der maulenden Zuhörerschaft umher, als gäb es kein Morgen. Erschrocken klammerte sie sich an seinen Armen fest und versuchte sich dazu zu überreden bloß nicht auf den so weit enfernten Boden zu blicken.

»Heeey! Clay, zurück auf die Bühne!«

Gerade presste die Dramaqueen das Mädchen gegen seine Wange, war völlig in seiner Kuschelattacke gefangen, als jemand ihn anschubste. Das brachte ihn nur dazu lauter zu kreischen, Iroko noch fester an sich zu pressen, als wäre sie sein Stofftier, das ihm gerade jemand wegnehmen wollte.

»Ahhhh! Nein, lasst mich! Ahhh, Iroko-chaaaan!«

»CLAY!!!«

»Nein, nein, nein!«

Er sprang aus der Menge, verbeugte sich. Iroko klemmte er sich unter den Arm, ihr wildes Gezappel völlig ignorierend.

»Mein Damen und Herren. Es tut mir sooo leid, aber der großartige Claydini muss euch schon verlassen. Ich habe gerade die Sonne aufgehen sehen.«

Als er darauf nur unverständliches Buhen vernahm, lachte er lauter und verbeugte sich noch einmal, wandte sich dann wieder um und sprang, Iroko im Gepäck, aus dem Zirkuszelt. Kaum draußen angekommen, hob er sie wieder nach oben, als wöge sie nicht mehr als ein Strauß Blumen und warf sie durch die Luft, bis ihr wirklich schlecht wurde.

»LASS MICH ENDLICH RUNTER OSSAN!«

Wieder knuddelte er sie durch, bis ihr die Luft wegblieb und sie zu keuchen begann. Endlich, nach einer Ewigkeit ließ er sie herunter, nicht ohne sich selbst auf den Boden zu knien, um zumindest so etwas Ähnliches wie eine von Angesicht zu Angesicht Situation zu erzeugen. Er streichelte ihr zärtlich durch das Haar und sein Make-up schwamm schon längst mit seinen Freudentränen dahin.

»Awwww, du bist so groß geworden. Ich hab sooo viel verpasst! Awwww, AWWWW!« Er hielt es nicht aus und musste sie erneut an sich pressen. »Awwww! Iroko-chahahahahahaahahahan!«

Genervt seufzte sie auf, während ihr Herz einen winzigen Satz machte. Sie war sich gar nicht bewusst gewesen, dass sie ihn vermisst hatte. Diesen riesigen, lächerlichen Clown, der einfach zu viel Liebe zu vergeben hatte.

»Hast es wohl nicht lange auf Kawari-ori ausgehalten was?« kam es schließlich unbegeistert.

Darauf versteifte sich Bon, drückte sie etwas von sich und starrte ihr unsicher ins Gesicht. »Du... weißt es nicht?«

Diese ernste Miene brachte sie zum frösteln. »...Was?«

Seine Lippe bebte im nächsten Moment und er quetschte sie wieder an sich. »Wäääääääh!«

Das Mädchen bemühte sich den Rotz zu ignorieren, den er ihr entgegen sprühte und drückte ihn mühevoll etwas von sich. »Jetzt spar dir den Quatsch und sag mir was du meinst.«

»Buhuhuhuhu, ahhh es ist alles so schrecklich! Es war sooo furchtbar... ich meine, ich war super, natürlich, ein Star, ein wahrer Held, aber buhuhuhu... so furchtbar... die Farben. Ahh, all das Weiß und Blau...brrrrr«
 

Mit jedem Wort wurde ihre Miene düsterer und als sie es nicht mehr ertrug, begann sie ihn plötzlich zu schütteln. »Reiß dich zusammen! Wovon zum Teufel redest du? Marine? Was ist passiert? Was weißt du?« Plötzlich wurden ihre Augen riesig. »Sind die anderen auch hier?«

Er riss den Kopf um. »Uhh, keine Ahnung ob sie schon da sind, aber hoffentlich bald. Buhuhuhu, ich halts nicht mehr aus! Die Ungewissheit.« Er knabberte jetzt an seinen Fingernägeln. »Wäääh, hoffentlich gehts ihr guhuhuhuhuhuhut!«

»Grrr...Ossan, du spuckst jetzt aus, was los ist oder ich werde ungemütlich!«

Mit großen, verweinten Augen, echtem Schmerz in seinem Blick sah er zu ihr herunter, ehe sie wieder in seinen Armen lag, fast auf seinem Schoß lag und leicht hin und her gewiegt wurde. »Er musste doch irgendwas unternehmen. Die blöde Marine hat uns am Arsch geklebt wie eingetrockneter Rotwein auf meiner Lieblingsweste! Wir mussten denen doch weiß machen, dass sie tot ist, sonst hätten die nie aufgehört zu suchen, zu nerven.«

»Verdammt Ossan! Was habt ihr gemacht?!«

Er heulte auf. »Wääh! Wir haben sie umgebracht! Ich hab sie geschubst, ich hab sie geschubst!« Plötzlich ließ er sie los und die Angst, der Hass auf sich selbst und der Schmerz lösten sich aus seiner Brust und schwamm Iroko direkt vor die Füße. Sie hatte ihn schon oft außer sich gesehen, heulend, theatralisch, aber von einem Moment auf den nächsten war das nicht mehr die Dramaqueen Bon Clay, sondern ein Mann mit gebrochenem Herzen. Er wirkte wirklich ehrlich getroffen. Erst jetzt bemerkte sie die Ringe unter seinen Augen, die fahle Haut unter der Schminke. Er wirkte irgendwie dünner als sonst und so fertig mit der Welt, dass ihr Blick sich besänftigte. Ihr Herz pochte unangenehm.

»Ossan...« endlich streckte sie die Hand nach ihm aus, fuhr über seinen Kopf, während er sich noch am Boden abstützen musste, um nicht umzukippen.

Es dauerte eine ganze Weile ehe er ihr wieder antworten konnte, plötzlich viel ruhiger, als jemals zuvor. Seine Stimme zitterte seltsam, gewächt. »Gott, ich bin so froh, dass es endlich vorbei ist.«

Sie ließ ihn noch eine Weile länger weinen, ehe sie wieder Fragen stellte. Man, sie war doch nicht gut dabei jemanden zu trösten! »Schon gut Ossan, sag mir was passiert ist.«

»Hast du nichts mitbekommen, Iroko-chan?«

»Nein, ich habe auf Toshi-o-Toru die Crew verlassen. Wie es geplant war. Ich habe nur... davon in der Zeitung gelesen.«

Der Schwanentänzer nickte heftig, schluchzte lauter. »Ich auch... es hat funktioniert. Die haben nicht gemerkt, dass sie verarscht wurden. Ich war auch wirklich, wirklich gut. Aber... buhuhu, das war das Schrecklichste, was ich jemals tun musste!«

» ...Du hast gesagt, du hast sie geschubst? Was meinst du denn damit? Ich verstehe gar nichts.«

»Na... Bossu hat mich bei denen eingeschleußt. Na eigentlich wars Tin Yan. Aww, das ist eine tolle Frau sage ich dir. Ahh, aber so nen blöden Offizier zu spielen war gar nicht so leicht.«

Iroko zuckte zusammen, ihre Stimme so leise, dass wirklich nur Bon sie hören konnte. »Esche?!«

Er nickte so heftig, dass fast von ihm herunter rutschte. Wieder klammerte er sich an sie, versteckte seinen Kopf auf ihrer Brust und schniefte. »Ich weiß nicht mal, wie es ihr geht! Ob sie es überstanden hat, ob...Gott...«

Aus einem Impuls heraus schlang sie ihre Ärmchen um seinen Hals und legte ihren Kopf auf seinen. »Schon gut Ossan. Versuch es mir zu erklären.«
 

Wieder nickte er schniefend, als endlich alles herausbrach. »Bossu hat mir erklärt, dass sie hinter ihm her sind, dass sie Vermutungen haben, dass sie bald herausfinden würde, wer da bei ihm ist. Meeee, mir wars doch egal. Ich wäre auch für sie gestorben, aber... aber Bossu wollte doch nur eine Chance. Für sie, für uns alle... wenn die Welt denkt, dass sie tot ist, dann lassen sie ihn damit doch in Ruhe und sie hat endlich freie Bahn, muss keien Angst mehr vor ihrem eignen Schatten haben, muss nicht mehr die Crew verlassen!«

Irokos Atem stockte wieder und wieder, als mit einem Mal etliche Puzzelteile ihren Platz fanden. Dewegen also hatte sich ihr Boss so seltsam verhalten.

»Wähähähähäh... ich war doch der Einzige, der ihm da helfen konnte. Ich konnte ihn doch nicht im Stich lassen. Er ist doch mein Zero-chan!«

Sie schloss ihre Augen und streichelte weiter den Mann, der ihr sein Herz ausschüttete.

»Wochenlang bin ich Esche gewesen, ohne Scheiß man, ich war der Saftsack. Ich sag dir, der ist so ein Idiot gewesen! So ein Penner, so ein...« Weitere Schimpfwörter flogen ihr entgegen, dass sie unweigerlich an Uma erinnert wurde, aber es war ihr egal. »Meee, und diese schreckliche Nacht der Übergabe! Ich musste sie gemein zu ihr sein, so fieses Zeug sagen. Weil das genau das war, was Esche getan hätte. Und dann... dann... habe ich sie gestoßen... Iroko-chan... sie hat so geweint, so um ihr Leben gekämpft...« Plötzlich krallte er sich wieder in ihr fest. »Ich... das bringt mich in die Hölle!«

»Sie… wusste nichts davon?«

Er schüttelte den Kopf, schniefte lauter und mit einem Mal wurde Iroko bewusst, was eigentlich passiert war, was wirklich in den letzten Monaten geschehen war und was Bon, was ihr Bossu und Robin, die Crew hatte durchmachen müssen. Und sie... war nicht dabei gewesen, sie hatte nichts davon gewusst, sie... hatte es nicht einmal gemerkt. Natürlich, sie war zu sehr mit sich selbst beschäftigt gewesen, aber...

»Er... er hat dir nichts gesagt ja?« Kam es nach einer ganzen Weile von Bon und als sie es war, die diesmal den Kopf schüttelte, kreischte er plötzlich wieder auf. »AHHH!!! Ich heul dir hier was vor und dabei...« Er packte sie bei den Oberarmen und drückte sie etwas von sich, um sie genau anzusehen. »Was ist mit Toshi-o-Toru? Was ist passiert?! Gehts dir gut?! Ich konnte dich nicht beschützen! Es tut mir so leid!«

Sie schloss resignierend die Augen. »Schon gut. Es hat sich alles erledigt. Bo... ich meine Crocodile und Robin haben mich nicht in Ruhe gelassen.«

»Awww... buhhuhuhu.... Iroko-chan...« Und wieder lag sie in seinen Armen.
 

Es brachte gar nichts weitere Details aus ihm herauszubekommen. Stattdessen brachte sie ihn zumindest dazu sie endlich loszulassen und sich einen etwas abgeschiedeneren Platz zu suchen, um zu reden. Ohne ihre Zustimmung griff er nach ihrer Hand und hielt sie fest, als er sie durch die Menge zog, als suchte er nach einem Halt, den er meinte bei ihr finden zu können. Sie konnte spüren, dass er immer noch zitterte. Herrje, das war mehr, als sie befürchtet hatte. So viel mehr. Außgerechnet Bon? Sie konnte die Worte dieser Artikel nicht vergessen, die immer und immer wieder in ihrem Kopf herumschwirrten. "Offizier Esche unehrenhaft aus dem Dienst entlassen." "Esche seit Wochen nicht mehr gesehen. Marine hat bereits Untersuchungen eingeleitet." "Ich wollte sie doch gar nicht schubsen; Esche, ehemaliger Offizier der Marine." So viele Schlagzeilen. Und das alles war also Bon gewesen.

Als sie an den Strand kamen, ließ dieser sich wortlos in den Sand gleiten und blickte in den Himmel. Sein Herz schmerzte noch immer, aber es tat unendlich gut Iroko bei sich zu haben. Er hatte sich solche Sorgen um sie gemacht und er erinnerte sich noch an den Tag, an dem sein Bossu ihm erklärt hatte, was er tun musste. Bon hatte ihn gebeten Iroko nicht aus den Augen zu lassen, weil er das nun nicht mehr tun können würde. Aber da er mit Zero-chan keinen Kontakt hatte haben können, hatte er nicht gewusst was passiert war. Er hatte lediglich in einer Zeitung was für den Tod eines Offiziers mit Irokos Namen gelesen und sich sonst was ausgemalt. Er wusste nicht warum und er traute sich auch nicht zu fragen. Aber es ging ihr gut, sie lebte, es ging ihr gut.

Etwas vorsichtiger setzte sich das Mädchen neben ihn und sah aufs Meer, spürte schon wieder diese Sehnsucht, blendete sie jedoch aus. In einem Versuch ihn etwas zu trösten, streichelte sie über seine große Hand. Noch immer bohrte sie nach, sie wollte alles wissen. Alles, was es zu wissen gab. »Ossan... wie lange geht das schon so?«

Resignierend schloss er die Augen. »Ich weiß es seit Arabasta. Ich bin nie auf Kawari-ori gewesen. Na, meine alte Crew hab ich trotzdem hingeschickt, versprochen ist versprochen. Uh ich hoffe die kleine Tima freut sich über die Klamotten. Ich hab meinen halben Kleiderschrank auf den Kopf gestellt...«

Iroko konnte sich kaum an die Namen der Menschen von dieser einsamen Winterinsel erinnern, aber Bon hatte sie ja persönlich getroffen.

»Danach ging es ganz schnell.« Sein Blick fiel wieder zu Boden. »Du hättest ihn mal sehen sollen Iroko-chan. Er kann das gut verstecken, aber ich glaube er hatte schreckliche Angst. Angst, dass ich ihm nicht helfen würde, Sorge, dass es nicht klappen würde, noch mehr Angst, dass Robin ihn danach hassen würde...«

»Kann ich verstehen. Sie wusste ja immerhin nichts davon...«

Und wieder kullerten ihm Tränen über die Augen. »Es ist genau wie auf Suimin...«

Dabei zuckte sie zurück. »Was?«

Bon versteckte sein Gesicht hinter seinen Händen. »Alles aus Liebe. Ich konnte doch nicht Nein sagen! Ich musste ihm doch helfen. Er hat mir doch vertraut. Er kann sich auf mich verlassen, das habe ich immer gesagt, ich nehme mein Wort ernst! Es war nicht leicht, aber das mit der Marine war ein Klaks, aber... aber als ich ihr Gesicht gesehen habe... Bestimmt hasst sie mich jetzt auch...«

»Ihr seid doch alle bescheuert.«

»Aber... aber Iroko-chaaaan!«

Iroko lehnte sich zurück, bis ihr Rücken sich in den Sand grub und die Sonne ihr direkt ins Gesicht schien. »Klingt ganz nach ihm. So ein dämlicher Plan.«

»...Buhuhuhu....«

»Da kann ich ja froh sein, dass ich raus bin aus der Crew. Das hätte ich sicherlich nicht mitgespielt.«

»Aber Iroko-chan! Wir mussten doch... doch irgendwas tun...«

»Indem ihr ihr so was antut? Crocodile hat das sicherlich perfekt durchgeplant und ja... aus seiner Sicht kann ich verstehen, dass er keinen anderen Weg gesehen hat. Das ist so typisch für ihn einfach alles auf seine Schultern zu laden, alles in die eigene Hand zu nehmen. Dabei hat er über ihr Leben entschieden. Ich wette das hat nicht nur wehgetan, sondern sie auch wütend gemacht.«

»Iroko...chan? Warum redest du so, als wärst du dabei gewesen?«

»Ach...« Sie rieb sich über die Augen. »Ich weiß eben, was bei den beiden los ist. Auch wenn ich... ich zugeben muss, dass ich nicht gedacht hätte, dass er soweit geht. Wie hoch ist die Chance, dass sie ihn wirklich hasst?«

Das verschlimmerte nur wieder Bons Schluchzen. »Du... denkst du… denkst du.. sie hat die Crew verlassen?«

»Nein.« Kam es ernst, schnell und völlig selbstsicher.

»Ah! Warum nicht? Du hast doch grade gesagt...«

Sie unterbrach ihn forsch. »Machst du Witze? Sie könnte ihn niemals verlassen.«

»Nie...mals?«

Das Mädchen schüttelte den Kopf. »Ich hoffe, sie hat ihm in den Hintern getreten, aber... nein, niemals.«

Der Sand bewegte sich leicht unter ihrem Rücken, als er sich neben ihr niederlegte und in den Himmel starrte. »Ich.. ich hoffe du hast Recht. Ne, woher willst du das eigentlich wissen? Du warst doch nicht dabei.«

Sie wurde ein bisschen rot um die Ohren. »Naja... sie lieben sich doch, nicht? Ich meine, ich weiß wie schnell Liebe in Hass umschlägt, aber... die beiden sind eben... anders.«

Das brachte ihn zum ersten Mal seit Monaten dazu ehrlich zu lächeln. »Aww, Iroko-chan, du bist ja ne richtige Hobbypsychologin.«

»Pff, sei doch still.«
 

»Ach ja...« Er verschrenkte die Arme unter dem Kopf. »Ich hoffe es dauert nicht mehr so lange und sie holen uns endlich ab. Ich muss mich doch bei ihr entschuldigen.«

»Uns?«

Er grinste ihr zu. »Na klar. Uns beide. Oder siehst du noch jemanden?«

Sie runzelte die Stirn und musste unwillkürlich an Sierra denken. »Dich vielleicht, ich komme bestimmt nicht mit.«

»Ehhh?«

»Den Teil mit: ich bin auf Toshi-o-Toru ausgestiegen, hast du wohl nicht gehört, wie?«

»Ja ja, aber ich denke du hast alles geregelt? Ne?«

Vorsichtig nickte sie »Ja, schon, aber...«

Lachend legte er einen Arm um sie. »Na also. Dann kannst du ja wieder mit uns reisen. Du gehörst doch eh dazu.«

Mit einem Ruck zog sie sich von ihm zurück. »Das ist so nicht richtig.«

»Nani?!«

Sie konnte ihn gar nicht ansehen, als sie es aussprach. »Betrachten wir es doch logisch. Ich habe nie wirklich dazu gehört. Ich bin anders als ihr.«

»Nani, nani, nani?!« Seine Augen wurde immer größer, dann legte er den Kopf zur Seite und schien zu grübeln, gab es aber schnell wieder auf. »Ha! Du machst Witze! Wirklich Iroko-chan, das ist nicht sehr komisch.«

»Tze, das sollte kein Scherz sein.«

»Dann ist es wohl ne thermische Idiotie, was?!«

»Eine was?«

»Na, eine thermische Idiotie!«

»Das gibts doch gar nicht.«

»Na klar gibts das!« Er zeigte mit dem Zeigefinger auf sie. »Du spinnst rum, aber nur für eine bestimmte Zeit. Nämlich bis ich dir gezeigt hab, dass das totaler Quatsch ist.«

»Du... bist doch blöd.«

»Hahahaha, aww, Iroko-chan.« Und wieder lag sie in seinen Armen. »Was laberst du denn huh? Warum bist du denn anders? Na? Jetzt bin ich gespannt.«

»Grrr... ich bin ein Kind, oder?«

»Ha, seit wann stört und das denn?«

»Also bitte ja.« Etwas genervt, schubste sie ihn von sich, dass er im Sand herum rollte und sie sich aufrichten konnte. »Ich war doch nie wirklich ein vollwertiges Mitglied. Ihr habt mich doch nie als mehr als das Kind gesehen, das eigentlich nichts bei euch zu suchen hatte. Außerdem bin ich sicher, dass die anderen froh sind, nicht mehr nach mir schauen zu müssen.«

»Wenn du damit meinst, dass wir uns um sich gesorgt haben, ja dann stimmt das wohl. Wenn du damit meinst, du warst nur das Maskottchen, dann irrst du dich.«

»Pff... ich bin ausgestiegen. Fertig.«

»Und das kann man jetzt nicht rückgängig machen? Na hör mal!«

»Hör auf mich zu nerven Ossan.«

»Neihehehehehein!«

»Nein! Da! Du weißt genau, dass ich niemals aufhöre!«

Das brachte ihm nur wieder ein Grunzen Irokos ein.

»Nee, du willst jetzt aber nicht überstürzt die Insel verlassen oder?«

Etwas überrascht schaute sie zu ihm auf, senkte dann den Blick und wandte sich etwas ab. »Nein. Ich warte mit dir, bis sie hier auftauchen. Ich will mich nur... vergewissern, dass...naja...«

Und wieder grinste er. »...Dass es ihnen gut geht?«

»Grr... ja, ja.«
 

~ ~ ~
 

Fast zwei Stunden saßen sie gemeinsam am Strand und Iroko brachte ihren Ossan dazu im Detail diese ganze Plangeschichte genauer zu erklären. Sie wollte es so genau wie möglich wissen, um endlich diese Lücken, die sich bei ihrem inneren Bild von ihrer Crew aufgetan hatte. Deswegen waren sie so angespannt gewesen, so anders, vor allem Robin gegenüber. Anders noch, als nach Suimin. Deswegen hatte sich ihr ehemaliger Boss so verhalten, alles ergab plötzlich so viel Sinn. Nur, dass auch Bon nicht wusste, wie das Ganze ausgegangen war und es setzte ihm zu. Sogar sehr. Die Art und Weise wie er darüber sprach, beinahe ruhig, fast beherrscht, wie ein... nun, wie ein normaler Kerl eben. Es irritierte sie, dass sein Verhalten sie mitnahm, sie traurig machte, auch wenn sie ihm das nicht zeigte. Sie verzog keine Sekunde lang das Gesicht, während er sprach und eine Weile saßen sie danach schweigend im warmen Sand und ließ sich die Sonne ins Gesicht fallen. Stumm stellte Iroko fest, dass sie wirklich warten würde. Sie musste einfach sicher gehen, dass es ihnen gut ging, wollte wissen, ob dieser irrwitzige Plan, wie in sich nur Crocodile hatte ausdenken können, wirklich funktioniert hatte. Das hieß, ob er für ihn und Robin, für die Crew funktioniert hatte. Die Welt hatte den Köder ja offenscheinig gefressen. Aber hatte Robin das auch?

Mehr als sie wollte, dachte sie an diese Frau, die ihren Vater getötet und damit einen Teil von Irokos Seele gerettet hatte. Sie machte sich wirklich Sorgen um sie, aber auch um die anderen. Fast beiläufig blickte sie zu Bon und bemerkte, dass er sie anstarrte. Er hatte einen eigenartigen Glanz in den Augen, als könnte er etwas sehen, dass sie ihn nicht sehen lassen wollte, als sehe er etwas, dass sie nicht einmal selbst sehen wollte. Barsch wand sie sich ab und richtete sich auf und von diesem Moment an begann eigentlich der Albtraum. Der süßliche, pinke, Zuckerwattenalbtraum. Kaum hatte Bon nämlich bemerkt, was Iroko vor hatte, sprang er ihr hinterher und klammerte sich an sie. Er war vielleicht ein durchgeknallter Irrer, aber ziemlich stark und wendig. Mistkerl. Er ließ sie nicht mehr los, zwang sie dazu ihm den Rest der Insel zu zeigen, schleppte sie durch die Gegend wie einen liebgewonnen Sack Kartoffeln.

Für eine Weile bemühte sie sich, sich zu wehren, aber letztendlich gab sie sich geschlagen. Es war einfach vollkommen zwecklos ihm widersprechen zu wollen, wenn er sich ein Ziel gesetzt hatte. Und diesem Fall hieß das: Iroko benutzten, um seine Laune aufzubessern. Und in den folgenden Stunden bemerkte Iroko, dass sie ihn wirklich vermisst hatte. Sie mochte es nicht sonderlich getragen zu werden, schon gar nicht bei der Entfernung zum Boden, die das mit sich brachte, aber das gewaltige Grinsen, die schrille Stimme, das glitzernde Auftreten. Sie waren wie zwei Seiten einer Medaillie. Eigentlich konnte man sich gar nicht noch mehr unterscheiden, wie Iroko und Bon und trotzdem mochte er sie wirklich, nicht wahr? Er hatte sich wirklich Sorgen um sie gemacht und sich selbst ein schlechtes Gewissen. Zumindest krakeelte er das immer wieder in ihre armen Ohren. Aber Iroko kannte den Unterschied. Wenn er etwas sagte, weil das eben sein Stil war oder weil er es wirklich ernst meinte. Es ließ ihr einsames Herz ein bisschen höher schlagen, aber nicht genug, um ihre Meinung zu ändern. Allerdings gab Bon niemals auf. Etliche Male bat er sie wieder der Crew beizutreten. Bis in die Abendstunden, als er sie zu ihrem Hotel zurück brachte und gleich selbst eincheckte, direkt in ihr Zimmer...

Letztendlich bekam sie so auch nicht besonders viel Schlaf, denn obwohl er zwei Stunden nach Mitternacht endlich den Rand hielt, redete er im Schlaf, presste sie entweder an sich oder lag halb auf ihr. Die Stirn runzelnd musste sie immer wieder an Gal denken und fragte sich, wie er das bloß ausgehalten hatte. Sich einen Raum mit dem Kerl zu teilen, musste die Hölle sein. Und obwohl sie sich aufregte, grunzte, wütend die Stirn runzelte, als wieder sein schwerer Arm auf ihrem Brustkorb landete und ihr die Luft auf den Lungen stieß, verließ sie nicht den Raum, nicht das Bett, nicht das Hotel. Besser, sie dachte gar nicht mehr über die Gründe nach, sondern ignorierte es einfach, bis es vorbei war.

Allerdings fiel ihr das schwer, als Bon auch am nächsten Morgen seiner Routine nachging. Das Schreien, dass er als Singen betitelte mit eingeschlossen. Wie ein dämmlicher Hahn, der die Sonne begrüßt oder eher wie ein kopfloses Huhn. Gegen Mittag hielt das Mädchen es dann wirklich nicht mehr aus und zwang den Mann dazu den Mund zu halten und sich von ihr fern. Ein Blauton war wie gemacht dafür, auch wenn er heulend hinter ihr herblickte, die Unterlippe weit nach vorn gezogen, die Worte "Awww, Iroko-chaaaaan!" in seinen Augen erkennbar, brachte sie es nicht davon ab endlich in der Menge zu verschwinden. Ihr Ziel war der Hafen. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie schon heute kommen würden, war wohl gering, aber sie spürte die Unruhe in ihrer Brust und das war der einzige Weg ihr entgegen zu treten. Ob es Umas Einfluss war, dass sie mittlerweile öfter handelte, statt nur zu beobachten?
 

Auch an diesem Tag war es warm auf Tara-Lim. Nichts schien verändert, alles war noch so lebendig und warmherzig wie die Tage zuvor. Obwohl es noch früher Morgen war und die Sonne erst wenige Stunden am Himmel stand, war es bereits geschäftig auf den Straßen. Die Leute tummelten sich, flanierten die Straßen entlang und ließen sich von den Händlern in ihre Geschäfte ziehen. Je näher sie dem Hafen kam, desto intensiver wurde der Geruch von frischem Fisch und Meerwasser. Die Menschenmasse hingegen nahm nicht ab, nur ein wenig lichtete sich die Schlange, die durch die Straßen züngelte. Und dann stand sie mitten im Hafen, der halbmondförmig auf die See blickte und an dessen Rändern zahlreiche Cafés und Stände säumten. Vor ihr große Handels- und Passagierschiffe, ab und zu ein paar Schaluppen und Fischerkähne, die ihre Beute an Land brachten. Die Kais waren so beschäftigt, dass Iroko den Überblick verlor. Immer wieder wurde ihre Sicht von Menschen versperrt, die um einiges größer waren als das Kind. Als sie sich endlich einen erhöhten Punkt auf einer Mauer suchte, konnte sie das ganze Szenario überblicken. Schlagartig weiteten sich ihre Pupillen, als sie das anmutige dreimastige Schiff erkannte, dass sie sich viel besser eingeprägt hatte, als sie gedacht hatte. Die Minerva.

Tara Lim - Ein neuer Horizont

Das Mädchen schluckte hart und allein der Anblick löste Sehnsucht, Schmerz und Nervosität in ihr aus. Plötzlich waren da so viele Gefühle, die sie nicht mehr ignorieren konnte, nicht in diesem Moment. Sie waren hier. Sie... waren wirklich... hier. Starr geforen starrte sie weiter auf das Schiff und spürte wie ihre Entschlusskraft davon schmolz. Sie wollte wegrennen und nicht mehr zurück blicken.

»Ich glaub es ja nicht!« klang es plötzlich neben ihr und ehe sie es sich versah, sah sie ein erbostes hübsches Gesicht vor sich. Die grünen Augen erstachen sie fast und doch konnte sie in ihnen Wärme und Liebe erkennen, wie sie nur vor langer Zeit kannte. Die Blauhaarige schüttelte sie kurz durch. »Du kannst was erleben, Kleine!«

Mit starren, weit aufgrissenen Augen blickte sie Paula entgegen, alle Worte steckten in ihrem Rachen fest. Sie schluckte heftig, aber nicht einmal ein Röcheln kam hervor.

Ehe sie es sich versah drückte sich ein Finger an ihre Nasenspitze und schnipste sie zurück. »Was sollte das auf Toshi-o-Toru eigentlich? Nicht Mal den Mumm gehabt uns Tschüss zu sagen, huh?! Aussteigen hin oder her, so nett hättest du wirklich noch sein kann, du Göre!«

Iroko begann zu schniefen und spürte wie ihr Tränen über die Wangen rollten. Oh Gott, was war den jetzt mit ihr los? Sie konnte das Zittern ja kaum abstellen. »Ich... ich...«

Und prompt hatte sie ihre Brüste im Gesicht, als sie sie heftig umarmte und durchknuddelt. »Kleine Göre du! Ich hab mir solche Sorgen gemacht. Wie geht es dir? Was hast du so gemacht? Gehts dir gut? Hast du neue, nette Leute gefunden? Was machst du überhaupt hier?«

Doch noch immer hatte Iroko alle Mühe überhaupt Sauerstoff einzuatmen. Paula erleichterte es ihr nicht gerade. Mit bebenden Fingern versuchte sie sie von sich wegzudrücken. »...«

Die Köchin ließ es geschehen, ging in die Knie, legte die Hände an die kleinen Schultern und sah ihr lächelnd ins Gesicht. »Man, es ist so schön dich zu sehen. Ich hab mir solche Sorgen gemacht. Niemand hat ja erzählt was nun eigentlich los war. Es ist so schön, zu gesehen, dass du noch gesund und munter bist.«

Sie zog die Unterlippe zwischen die Zähne und ein leises Knurren war zu hören. Das galt ihr selbst. Sie wollte sich zwingen, endlich wieder die Kontrolle über ihren verdammten Körper zu übernehmen. Und während sie sich die Tränen aus den Augen wusch, zerrte sie ihre Stimme wieder an die Oberfläche. »Mir geht's gut. Aber... wie... wie geht es euch?«

Nun strahlte sie. »Uns gehts gut. Ist alles noch ziemlich eigenartig, aber langsam wird das wieder.«

»Besser? Was ist… ist mit...?« Herr im Himmel, sie wollte doch nur wissen, ob alles in Ordnung war. Mehr wollte sie doch gar nicht sagen, mehr wollte sie von Paula nicht.

»Mit Bossu und Robin? Oh, die sind wieder fit.« Ihr Lächeln nahm etwas ab. »Ziemlich verliebte Vögel, die sieht man kaum mehr, so selten gehen die aus ihrer Kabine. Aber hey, jetzt Mal genug von uns, erzähl endlich von dir!«

»Wa...?« Ungläubigkeit starrte ihr entgegen. Dann schüttelte sie plötzlich den Kopf. »Gibt nichts zu erzählen. Im Verhältnis zu euch, habe ich nichts erlebt.«

Das brachte Paula dazu die Unterlippe nach vorn zu schieben. »Bla bla, nun erzähl schon!«

»Iroko?« Ertönte es von der Seite, ehe ein zweites bekanntes Gesicht neben sie trat. Er wirkte ganz anders, als sie ihn kannte. Gals Gesicht war fast sorgenlos, nicht so angespannt wie sonst, die Kleidung locker und die Haare im Pferdeschwanz nach hinten gekämmt. Er wirkte wie einer der Touristen in seiner Bermudahose und einem weiten Tshirt.
 

»Ja, hey Gal! Sieh wer aus seinem Loch gekrochen kam!« Sie knuddelte Iroko kurz nochmal.

Als sie ihn so sah, kamen ihr gleich wieder die Tränen, doch zumindest schaffte sie es diesmal sie gleich abzuwehren. Das ging doch auf keine Kuhhaut! »...Mister Three...«

Er wirkte etwas traurig bei diesem Namen, doch schnell hellte sich sein Gesicht wieder auf. »...Nicht mehr, Iroko.« Er war so ruhig, wie sie ihn kannte, nur die Arroganz war verschwunden. Langsam kam er näher und zwang sich sie nicht zu täscheln, denn er wusste, dass sie das nicht mochte. »Was machst du denn hier?«

Sie murmelte nur unverständlich. »...Sightseeing...«

»Oh, ist es hier schön?« Seine Augen leuchteten bereits.

Als sie die beiden so sah, kam ihr der Gedanke, dass was auch immer passiert sein mochte, scheinbar hatte es sie rein geschwaschen. Diese beiden zumindest. Sie wirkten so viel... lebendiger. »...Wenn man volle Inseln, die für Touristen ausgelegt sind mag...«

Gal lächelte weiter, sagte aber nichts mehr sondern musterte sie nur.

»Also Iroko!« Paulas Blick war wieder ernst. »Nun aber zurück zur Sache. Wie geht es dir!«

Sie machte plötzlich einen Schritt zurück. Oh, sie fühlte sich so fehl am Platz. »...Gut, sagte ich doch.«

Ihr Blick verfinsterte sich weiter, doch sie wirkte eher wie eine Mutter, die sich sorgte. »Wirklich? Ist was passiert?«

»Nein, nichts. Ich tue nur jemandem einen Gefallen. Deswegen bin ich hier und als ich Ossan getroffen habe und er mir gesagt hat, dass ihr herkommt, dachte ich... ich dachte... ich wollte nur…« Ihr Kopf richtete sich gegen den Boden, bis ihre Augen hinter der Kreppe ihres Hutes verschwand. Warum nur tat es plötzlich so weh, die zwei zu sehen?

In diesem Moment spürte sie die weichen Hände der Frau ihre Arme streicheln. »Tut mir leid... sollen wir wieder gehen? Hast du Angst? Keine Sorge, ich glaube niemand hat bisher Verdacht geschöpft.« Dann etwas leiser. »Bossu meinte Robin hätte zugestimmt sich zu verkleiden.«

Das brachte Iroko dazu die Stirn zu runzeln. »Was?«

»Ich meine, du bist ausgestiegen. Du hast sicher keine Lust mit uns gesehen zu werden.« Sie zuckte die Schultern. »Es ist immer noch gefährlich, auch wenn alles gut gelaufen ist. Aber die Chancen stehen gut.«

»Ich bin doch nicht ausgestiegen, weil ich Angst hatte!« erklang es empört. »Was interessiert mich das denn? Seit wann denn?«

Nun wirkte Paula irritiert. »Warum denn dann?«

»...Robin hat euch… euch nichts gesagt?«

Die Blauhaarige blähte die Wangen wieder etwas auf. »Pff, als ob. Keiner hat ne Ahnung was los war. Deswegen war ich dir ja auch so böse, dass du nicht Mal den Anstand hattest dich zu verabschieden!« Sie kniff ihr in die Wange, worauf Gal sie zu besänftigen versuchte.

»Hey, lass sie, das tut doch weh!«

»Pfff, soll es doch! Hat auch weh getan sie los zu lassen. Selbst wenn es Bossus Entscheidung war.«

»Tu doch nicht so...« flüsterte das Mädchen leise und entfernte sich weiter von ihr.

Sie stemmte die Hände in die Hüfte. »Du hast es echt gut, dass du nicht in diesen blöden Plan eingebunden warst! Und klar hab ich mir Sorgen gemacht. Selbst wenn Bossu meinte es sei alles erledigt und dir ginge es gut!«

»Ich hätte auch gar nicht mitgemacht!« Ihre Stimme klang höher als zuvor, aufgeregt beinahe, ein selten gesehenes Phänomen bei Iroko.

»Verständlich.« Die Frau seufzte und blickte zu Boden. »...Ich habe es auch nur getan, weil ich Bossu noch etwas schuldig war. ...Du weißt warum.« Sie schielte kurz zu Gal, der zum Glück nicht wusste warum. »Aber inzwischen hab ich wieder Hoffnung. Er liebt sie wirklich. Und auch wenn ich nicht bereit bin mein Leben für sie hinzuwerfen, bin ich doch dafür bereit dafür zu kämpfen, dass wir zusammen als Crew noch ein wenig herum reisen können.« Dann glitt ihr Blick zurück auf die Minerva. »Er hat mich gebeten zu bleiben und er wusste von Anfang an, dass Robin ihn vielleicht nie wieder sehen wollte. Und trotzdem hat er es getan. Es war für uns alle schwer, aber ich habe versprochen bei ihm zu sein.« Nun grinste sie die kleine an und streckte die Zunge raus. »Auch wenns echt schwer war.«

»Gut, wenn es euch gut geht, dann...« Hastig wandte sie sich ab. »Mehr wollte ich nicht wissen.«

»Hey, willst du etwa schon gehen?« Gal wirkte etwas traurig. »Wir haben uns so lange nicht gesehen.«
 

Iroko sah ihm entgegen und plötzlich fiel ihr etwas ein. Einen Moment sagte sie gar nichts, kramte in ihrer Tasche nach etwas und hielt es ihm dann entgegen. »Ich habe vergessen dir das zu geben.« Es war ein blauer Skizzenblock. »Darin sind alle Inseln, die ich für dich zeichnen sollte.«

Sein Gesicht erhellte sich sofort und nun umarmte auch er sie, wenn auch nur kurz. »Dankeschön, Iroko, das bedeutet mir viel.«

Das war eindeutig nicht ihr Tag. Erneut presste sie ihre Tränen zurück. »...Er ist nicht mal zur Hälfte voll, aber...« Wieder schluckte sie hart. »...Du wirst wohl jetzt immer aus Erinnerung bauen müssen oder... zeichnest du selbst?« Auch wenn sie sich das kaum vorstellen konnte. Gal bekam nicht mal ein Strichmännchen zu stande. Zumindest nicht auf Papier.

Sein Kopf drehte sich etwas zur Seite und er wirkte nachdenklich. »Hmm, ich weiß nicht. Ohne dich wird es wohl schwer werden.«

»Tut mir leid…«

»Awww, Iroko.« Paula knuddelte sie wieder durch. »Du bist ja so eine Heulsuse geowrden. Hahaha.«

Sie drückte sie heftig zurück und stolperte von ihr weg. »Lass mich doch in Ruhe.«

»Kihiihihi…« Paula hatte selbst Tränen in den Augen und gerötete Wangen. »Ich bin so froh, dass es dir gut geht«

»Hör auf damit!«

»Oi oi, nun zick Mal nicht so rum.« Sie winkte sie zu sich. »Komm wir gehen aufs Schiff und sagen den anderen Hallo.«

»Nein!« kam es außer sich von ihr, sie trat den Rückwärtsgang ein. »Ich habe mit euch doch nichts mehr zu tun.«

»Nun hab dich Mal nicht so!« Wieder der Zeigefinger, der an die strenge Mutter erinnerte. »Hallo sagen kannst du ja wohl noch, oder?«

»Warum sollte ich? Ich habe was ich wollte.« Ausreden! Sie brauchte Ausreden! Sie konnte sie nicht alle ertragen, das würde sie zerbrechen. Erst Ossan, dann Paula und Mister Three und... jetzt noch die anderen? Nein, das ging auf gar keinen Fall. Es war so schon nicht einfach sich überhaupt erst einzugestehen, wie sehr sie diese Menschen vermisste, wie sehr sie dieses Zuhause vermisste und dass sie... dass sie zurück wollte.

»Und was wolltest du?«

»Sehen, dass es euch gut geht! Muss man sich ja Sorgen machen, wenn man die Zeitungen heutzutage liest!«

»Kihihi, also magst du uns doch!« Sie stach ihr in die Seite und nahm sie dann in die Hand. »Los, komm schon!«
 

Das Mädchen wehrte sich aber noch immer, die Stimme nun schon panisch. »Nein! Lass mich los! Ich will nicht!«

»Iroko...« Nun kam Gal etwas näher und sah sie ängstlich an. »Was ist los?«

Bittere Tränen rollten jetzt wieder über ihr Gesicht. »Lasst mich in Ruhe! Ich will das nicht. Ich will euch nicht alle wieder sehen. Ich will nicht... will nicht, dass es so weh tut.«

Nun lies Paula sie los, dergleiche besorgte und dennoch traurige Blick in ihren Augen.

Sie nahm sie kaum noch war, rieb sich heftig über die Lider. »Ich hatte schon mit allem abgeschlossen, ich hatte mich schon längst entschieden und dann mischen sich Bossu und Robin ein und dann muss ich euch wieder sehen... das ist nicht fair! Ich... ich ertrage das nicht! Ich will das nicht schon wieder!« Warum nur? Warum konnte ihr Herz sich nicht mehr beruhigen? Warum fühlte sie sich so leer? Warum hatte sie es nicht vorher bemerkt? Ja, sie hatte mir der Welt abgeschlossen, aber das Ende war nicht gekommen, dank Crocodile und Robin und jetzt, wo die Welt weiter an ihr vorbei zog, erst jetzt bemerkte sie wirklich, wie sehr sie ihre Crew ins Herz geschlossen hatte. Dass sie sie wirklich in ihr Herz gelassen hatte. Jeden einzelen von ihnen aufgenommen. Den gleichen Fehler begangen wie damals. Deswegen tat es so weh, nicht wahr? Deswegen hatte sie Ossan kaum ansehen können, deswegen rollten die Tränen ohne, dass sie etwas dagegen tun konnte. Es war ihre neue Familie geworden. Aber sie wollte keine Familie! Sie brauchte das nicht!

»Iroko… es tut mir so leid, was alles passiert ist.« Paula berührte sie nicht mehr, sah sie nur noch durchdringend an. »Die letzten Wochen und Monaten waren wirklich schrecklich. Aber es ist nicht mehr zu ändern. Wir haben alle Fehler gemacht und wir alle haben schreckliche Dinge gesagt und getan. Wir haben alle gelitten. Es tut mir leid.«

Sie schüttelte hastig den Kopf. »Hör doch endlich auf damit...« kam es schon flehend. »...Ich habe das kaum... kaum noch mitbekommen. Ich... ich hatte doch schon alles aufgegeben, schon vor... so langer Zeit.«

»Iroko.« Ihre Stimme war leiser geworden. »Ich bitte dich nicht zu bleiben, obwohl ich es mir wünschen würde, ich will doch nur noch ein bisschen Zeit mit dir verbingen.«

Ungläubig und aus verweinten Augen starrte sie der Frau vor sich entgegen.

»Möchtest du nicht?« fragte diese noch leiser.

Ihre Augen wurden immer größer und größer. »...Ich... ich...« Dann kniff sie sie fest zusammen und brüllte beinahe über den ganzen Platz. »DOCH DAS WILL ICH!«
 

Überrascht riss sie die Augen auf und begann erneut zu starren. »...Nein, ich meine... ich...«

»Awwww!« freudig klatschte Paula darauf in die Hände und riss sie dann in ihre Arme, knuddelte sie nochmal durch und zerrte sie dann hinter sich an der Hand mit Richtung Minerva. »Dann auf zu den anderen!«

»Nein! Lass mich!« Sie wehrte sie heftig. »Das war nicht so gemeint!«

Doch die Köchin ließ sie nicht los und schleifte sie die Planke hinauf. Gal war allerdings nicht dabei, er suchte - nicht ganz unbewusst - nach Bon. Als Iroko seinen Namen erwähnt hatte, hatte er schon die ganze Zeit gehen wollen. Aber erst jetzt konnte er sich unbemerkt davon schleichen. Das kleine Mädchen verstand nur die Hälfte von dem Gebrabbel, das nun aus Paulas Mund floss. Die große Frau zog sie über die Planke hin auf das Deck und herunter in die Kombüse. Noch immer war ihr Gesicht sich nicht sicher ob es weinen oder lachen sollte. Als sie endlich die Tür zur Küche aufriss und mit Iroko fest an der Hand hineinging, erntete sie überraschte Blicke von den beiden Männern, die dort standen. Miki und Crocodile hielten beide eine Tasse in der Hand und schienen durch die Blauhaarige in ihrem Gespräch unterbrochen worden zu sein. Iroko roch den angenehmen Duft von Zimt und Apfel - sicherlich Mikis Getränk - sowie den herberen Geschmack von schwarzem Tee. Doch da waren noch andere Gerüche, die mit einem Mal auf sie eindroschen.

Paulas Geruch, vorwiegend von Parfum und Körpercremes getüncht; der schwefelige Geruch des Herdes, der ein wenig defekt war und ihn immer ausströmte, wenn er angeschaltet worden war; der Geruch des Holzes und der Dielen, der Duft von frischer Farbe; Mikis Geruch und Crocodiles Geruch. All diese Dinge ertränkten sie in ihren Erinnerungen an den Ort, die nun so nah waren, wie nie zuvor. Die Gedanken, Gefühle, die sie stets zurück gedrückt hatte, sprudelten dadurch hervor und drohten sich ihrer zu bemächtigen. Hier, in dieser Kombüse zu stehen, erinnerte sie an ihre Crew und an die Zeit mit ihnen. Es erinnerte sie an etwas, das sie nur mit dem Wort "Zuhause" richtig greifen vermochte.

Paula ging gleich in die Knie und kuschelte Iroko noch einmal von hinten, ehe sie sie nach vorne stieß, die Hände in die Hüften drückte und den beiden Männern siegessicher die Zähne entgegen bleckte. »Seht Mal wen ich aufgegabelt hab!«

Mit weit aufgerissenen Augen, die Tränen noch immer aus ihren Augen kullernd, konnte das Mädchen nichts anderes tun, als schwer zu schlucken und sich bemühen, nicht den Mund aufklappen zu lassen. Ihr Herz raste so schnell, dass sie befürchtete, es würde ihr gleich davon laufen. Das war es. Das war es, was sie wollte. Aber... sie konnte unmöglich... sie konnte doch nicht mit offenen Augen den gleichen Fehler machen. Nicht das zulassen, was sie überhaupt erst zu dem gemacht hatte, was sie heute war. Ein Kind, das furchtbare Angst vor einer dunklen, undurchsichtigen Zukunft hatte. Nicht länger mochte sie das Unerklärliche, suchte nicht mehr nach Antworten. Das war doch vorbei…

Im nächsten Moment nahm sie nur einen verschwommenen Schatten war, ehe sie in Mikis Armen lag. Der Riese hatte sie hochgenommen und presste sie nun an sich, sein Geruch jetzt direkt in ihrer Nase. Er roch irgendwie nach Schießpulver und frischen Kräutern. Seine Monsterhände hielten sie aufrecht, sanft, vorsichtig. Und dann hörte sie sein Schluchzen, eine hastige Atmung und spürte seine Tränen auf ihre eigenen fallen. »Iiiiirooookooooooo....«

Starrgefangen in diesem Schwall von Gefühlen hielt sie den Atem an, sagte nichts, starrte nur weiter. Sie befürchtete, dass sie selbst, wenn sie wollte, kein Wort sagen konnte. Das war einfach zu viel für das Kind, zu viel, viel zu viel.

Als sie nicht reagierte, ließ er sie wieder herunter, wischte sich langsam mit dem Arm über das Gesicht. »...«

Ihr irritierter, fast verängstigter Blick glitt von Miki zu Crocodile und wieder stockte ihr Atem.

Auch er wirkte gelinde gesagt irritiert, versuchte aber sich das nicht anmerken zu lassen. Er lehnte etwas verkrampft an der Theke und blickte sie stumm an*

Währenddessen klebte Paula wieder an ihr und drückte ihre Wange an die Ihre, dass sie blinzeln musste. »Ich wusste doch, dass du noch etwas Anstand hast, Kleine! Bleibst du noch auf was zu Essen? Hast du Hunger? Was willst du essen? Ich hab alles da, was du willst. Eis, Süßigkeiten, Fleisch, vegetarische Gerichte, Pfannkuchen, Omletts vom Frühstück...« Die Liste fuhr fort.

Iroko schloss die Augen. »...Sei bitte ruhig, Paula.«

»Und Hühnchen und Klöpschen und Forelle und eh?«

Das Mädchen ignorierte sie und blickte nur zu ihrem ehemaligen Boss, die Stimme seltsam wacklig, beinahe nur ein Flüstern. »Sie.. .Sie sind glücklich... Sie... Sie sind endlich glücklich... nicht wahr?«

Crocodile wirkte mehr als nur distanziert, nickte lediglich stumm und musterte sie weiter.

»Sei nicht so frech, junge Dame!« schnatterte Paula über sie her.

Irokos Blick änderte sich plötzlich. Ein Lächeln legte sich auf ihr Gesicht, ihre Augen strahlten richtig, der Mund verzog sich zu einem raren Grinsen. »Hat ja lang genug gedauert.« Diesmal fielen ihre Augen zu Boden, lächelten ins Nichts. »Ich hatte immer Angst, dass der Schmerz zu groß sein könnte, dass Sie niemals... dass Sie niemals wirklich das finden können, was Sie immer gesucht haben. Aber... es ist schön zu wissen, dass... dass Sie es bekommen haben. Sie... Sie haben es verdient...«

Ihm klappte der Mund auf, doch er schien nicht zu wissen, was er darauf antworten sollte. Stattdessen starrte er sie weiter an.

»Ich hoffe Sie passen gut auf Robin auf... ich meine, ich weiß, dass Sie das werden...« Das Mädchen schüttelte den Kopf. Was erzählte da nur für einen Mist?

»Awww, Iroko! Du magst uns also doch noch!« Und wieder wurde sie in die Mangel genommen.

»Lass mich bitte los Paula...« Ihre Stimme drohte immer wieder zu brechen. Das Lächeln war verschwunden, der Blick leer, fast traurig, verängstigt.
 

»Warum bist du hier?« erwiderte Crocodile nun endlich, etwas unsicher. »Hast du Bon getroffen?«

Sie nickte. »Ich bin zufällig hier, weil... ist auch egal, warum. Und ja, ich habe Ossan im... uh, im Zirkus getroffen und als er mich gesehen hat, da... ich habe ihn kaum abschütteln können. Er sitzt jetzt noch in dem Hotel und kann sich nicht fortbewegen.«

»Also hat er dir alles erzählt?«

»Sagen wir, das Meiste. Den Rest konnte ich mir schon denken. Ist ja nicht gerade ein Geheimnis, dass Nico Robin tot ist und dennoch seltsame Sachen passieren.Vor allem Ihr Name ist... immer wieder in aller Munde.« Langsam, sehr langsam bekam sie sich wieder unter Kontrolle. Solange Paula die Finger von ihr ließ.

Er schluckte hart. »Was soll das heißen?«

»Hayu. Ich will gar nicht wissen, was da passiert ist. Aber das trägt eindeutig Robins Handschrift. Und Ihre, nicht wahr? Ich bin nur noch hier, weil ich sehen wollte, ob alle wohl auf sind. Scheinbar ist dem so.«

»Meinst du jemand schöpft Verdacht?« entgegnete ihr Boss etwas leiser, unsicher.

»Nein.« kam es völlig ruhig. Sie war wieder in ihrem Element, als würde sie einen Bericht an ihren Boss abliefern. »Man verdächtigt Sie nicht mal Bo...« Sie räusperte sich. »...Sir Crocodile.« Wow, das fühlte sich extrem unangenehm an. »Ich muss zwar sagen, dass es mich wundert, aber selbst der Blaue Fasan scheint auf ihrer "Seite" zu stehen. Zumindest ist die Marine genauso blauäugig wie eh und je. Das war wirklich mutig und... ziemlich bescheuert. Aber es hat offenbar funktioniert.«

Er atmete kaum hörbar und doch spürbar erleichtert aus. Nun verschränkte er die Arme und man merkte, dass seine Anspannung weniger wurde. Er musterte sie interessiert. »Und wie geht es dir?«

Ihr Atem stolperte schon wieder, aber sie ließ es sich diesmal nicht anmerken. Interessierte ihn das etwa wirklich?. »Gut...«

»Gut?« Seine Augenbraue hob sich. »Kann ich mir kaum vorstellen.«

Sie starrte wortlos zurück. Doch er schien ihrem Blick nicht stand zu halten. Irgendetwas war da. Einen langen Moment herrschte Ruhe, ehe er Miki und Paula einen bedeutungsvollen Blick zuwarf.

»Könntet ihr uns kurz alleine lassen?«

Miki nickte nur, gab Iroko ein kurzes Zeichen. "Renn nicht gleich wieder weg, bitte", sagte er und setzte sich dann in Bewegung. Auch Paula folgte ihm sichtlich irritiert, fast schon beleidigt und schloss die Tür dann mit einem Hüftschwung hinter sich.
 

Erst als sie das Klacken ihrer Schuhe leiser werden hörten, sah Crocodile das Mädchen wieder an. Diese ließ kein bisschen ihrer eigenen Irritation ans Tageslicht sickern. Und verwirrt war sie. Was wollte er denn jetzt von ihr?

Einen sehr langen Moment blickte er sie so an und sie konnte seinen Blick bis tief unter ihre Haut gehen spüren. Erst dann, nach einigen Sekunden seufzte er schwer und atmete tief durch. »Ich weiß, dass es dir ganz sicher nicht "gut" geht. Nicht nachdem, was auf Toshi-o-toru passiert ist.«

»Fragen Sie dann nur, um zu sehen, ob ich die Wahrheit sage?«

Er blickte sie aus dem Augenwinkel an. »Ich bin ehrlich: es gefällt mir nicht, dass Bon dir das alles erzählt hat.«

»Wenn Sie mir jetzt sagen wollen, dass Sie befürchten, dass ich Sie oder Robin verraten könnte, dann schämen Sie sich hoffentlich allein für den Gedanken.« Kam es vorwurfsvoll.

Er verschränkte die Arme. »Ich wollte dich nicht in die Sache mit rein ziehen. Aber nun ist es wohl eh zu spät.«

Sie imitierte ihn, legte ihre Arme übereinander und drückte sie sich vor die Brust. »Was soll das denn heißen?«

Noch einen Moment zögerte er. »Ich wollte dir nur sagen, dass…« Er blickte wieder weg. »Es geht mich zwar nichts an, aber... wie fühlst du dich? Nachdem, was passiert ist, meine ich.«

Es dauerte einen Moment, ehe sie den Schock über diese Frage geschluckt hatte. Warum zur Hölle nur fragte er sie das eigentlich? »...Leer, ausgesaugt und ziellos. Aber... ich denke, Sie kennen das Gefühl...« Sie konnte ihn kaum noch ansehen. Sie konnte sich gar nicht erinnern, jemals so frei über sich gesprochen zu haben, außer gegenüber Robin. Aber sie spürte noch immer so eine eigenartige Bindung zu diesem Mann.

»Und... erleichtert? Oder hast du Schuldgefühle?«

»Weder noch... ich...« Er hörte sie tief einatmen, die Stimme zitterte, aber er konnte auch sehen, wie sie ihre Fäuste zusammenquetschte, ihr Körper sich versteifte und sie alles in ihrer Macht tat, um nicht die Kontrolle über sich zu verlieren, nicht schon wieder. »...Ich dachte Toshi-o-Toru wäre das Ende für mich. Darauf habe ich mich... sechs Jahre lang vorbereitet. Doch das Ende kam nicht. Ich... es ist einfach nichts mehr übrig. Also doch ein Ende... nur anders, als ich gehofft hatte.«

»Ich weiß genau, was du meinst.« Seine Stimme kam unvorbereitet, mit so viel Verständis und Einfühlvermögen, wie sie es nie vermutet hatte. Und gleichsam waren seine Worte wie eine starke Schulter, die sie vom abrutschen abhielt.

Hastig stieß sie ihren Atem aus und spürte wie ihr Körper bebte, doch sie würde sich dem nicht ergeben. Sie konnte jetzt nicht aufgeben, nicht wo sie doch schon so weit gekommen war. »...Ich habe nicht darum gebten, aber... ich nehme an, so viel gute Erziehung wurde mir beigebracht. ...Danke. Danke, dass Sie... dass Sie mich beschützt haben. Ich hatte keine Gelegenheit es Ihnen vorher zu sagen.«

»...So war die Abmachung auf Suimin, nicht wahr?«

Sie schüttelte den Kopf. »Nein... Sie waren nicht nur mein Captain, Sie... Sie waren mein Freund... Sie hätten ihn für das gefoltert, was er mir und meiner Familie angetan hat... mehr als ich je hätte verlangen dürfen.« Ihr Kopf fiel nach vorn, versteckte ihr Gesicht hinter ihren Haaren. »...Es tut mir leid.«

Nun verschränkte er die Arme wieder. »Dir muss nichts leid tun. Nur damit du es weißt: ich wollte dich testen.«

Das Überraschte sie nun doch etwas. »...Was testen?«

»Deine Entschlossenheit.« Sein Blick war klar und durchdringend. »Es hätte keinen Sinn gemacht dir deinen Vater zu überlassen, wenn du noch Zweifel gehabt hättest. Wolltest du, dass er gefoltert wird?«

Sie biss sich hart auf die Lippen, aber drückte sie doch wieder auseinander, als die Worte unfreiwillig ihren Mund verließen. »Erst nicht, aber... durch diesen Alterungsprozess war ich nicht mehr... nicht mehr so, wie ich es jetzt bin... das war wohl mein zukünftiges Ich und das wollte ihn foltern... oh ja... sogar sehr.«

»...Du kannst froh sein, dass Robin es beendet hat, ehe es soweit kam. Ich hätte ihn bis aufs Blut gefoltert.«

Ihre Hände zitterten wieder, stärker, dass sie sie in ihren Rocktaschen vergrub. »Ich weiß... das wollte ich. Ich wollte... dabei zusehen.«

»Willst du es auch jetzt noch?«

»Nein... Dafür... wäre ich wohl nicht stark genug. Noch nicht.«

»Dafür musst du nicht stark genug sein. Erspar dir das lieber.«

Sie knirschte mit den Zähnen. »Wissen Sie... ich weiß wie das ist, wenn man mit solchem Hass lebt. Hass, der einem plötzlich aus der Brust springt und aus einem einen Mörder macht. Robin nennt es immer das Monster in Ihrer Brust, ihr Ihrem Herzen. Ich habe es damals wieder erkannt, weil ich es selbst in mir spüre. Natürlich sind Sie mir weit voraus, aber... es ist immer noch da...wartet, lauert. Ich nehme an, je öfter man damit konfrontiert wird, desto eher gewöhnt man sich daran. Bis es einem eines Tages nichts mehr ausmacht. Töten... das macht mir heute schon nichts mehr aus. Zum Foltern... wer weiß wie viele Jahre da noch fehlen.«

»Iroko.« Erwiderte er nun etwas strenger, aber dennoch distanziert genug um sie nicht zu belästigen. »Glaub mir, du solltest versuchen dagegen anzukämpfen.« Sein Blick ging direkt in sie hinein, fast durch sie hindurch und klammerte sich dennoch an ihr fest. Seine Worte kamen bruchstückhaft. »Ich habe das nie wirklich versucht. Ab einem bestimmten Punkt war niemand mehr da, nichts mehr da, was mich abgehalten hätte. Ich hatte nie moralische Zweifel zu töten, zu stehlen oder zu foltern. Meist war es sogar das, was ich mir gewünscht habe. Ich brauchte das, Iroko. Es gab eine Zeit da... musste ich Menschen töten. Es hat mir so eine perfide Genugtuung verschafft, dass den meisten Menschen die haare zu Berge stehen. Und ich habe nie darüber nachgedacht. Mir war einfach alles egal. Aber jetzt, wenn ich jetzt darüber nachdenke, kommen mir Zweifel. Ich kann es nicht mehr ändern, aber... du kannst dir nicht vorstellen wie eigenartig das ist, wenn du dich dabei ertappst alle deine Probleme mit dem Tod anderer zu besiegeln. Es ist mir so sehr ins Blut übergegangen, dass ich die Grenzen kaum noch sehen kann. Aber, es ist wichtig sie zu sehen. Verstehst du? Wenn du einmal an diesem Punkt angekommen bist, ist es schwer es wieder rückgängig zu machen. Und ich kann dir sagen... ich erinnere mich an die meisten Gesichter, denen ich beim Sterben zugesehen habe.«

Sie zuckte nicht davor zurück. Es überraschte sie nicht einmal. »Ich nehme an Robin hilft Ihnen dabei Grenzen zu erkennen oder zumindest ihr zu vertrauen, weil sie sie sehen kann.«

»Sie ist die einzige, die mich davon abhält. Und mir zeigt, wie krank ich geworden bin.« Sein Blick wurde stechender. An seinem Mundwinkel entfachte sich ein irres Grinsen, dass sein Gesicht entstellte. »Ich hätte die Folter an deinem Vater wirklich durchgezogen, weißt du? An einem mir Wildfremden. Ich kenne nur Bruchstücke von dem, was er getan hat, aber das hat mir gereicht. In diesem Moment ging es mir auch darum, die Fassade aufrecht zu halten, die ich Robin vorspielte, damit der Plan richtig lief. Aber mich überkam auch die Lust deinen Vater auseinander zu nehmen. Und weißt du warum? ...Weil ich es mit meinem Vater nicht tun kann. Er ist lange vor der Zeit gestorben, ehe ich mich an ihm rächen konnte. Aber selbst wenn ich ihn zerstückelt hätte, hätte es mir keine Genugtuung verschafft. Ich hätte nur mehr Blut an meinen Händen gehabt. Es hätte nichts geändert.«

»Wissen Sie, dass ist der Grund, warum Robin es getan hat.« Ihre Stimme klang eisig kalt. »Hat Sie Ihnen das gesagt?«

Darauf antwortete er nicht, starrte sie nur weiter an. »Verstehst du, was ich dir sagen will, Iroko? Ich weiß genau, wie du dich fühlst. Aber du solltest auf dich aufpassen.«

»Ich bewundere Sie wirklich... Sie und Robin. Sie... weil Sie es irgendwie geschafft haben sich wieder zu öffnen und Robin weil... sie es wirklich geschafft hat den zu sehen, der Sie wirklich sind.«

Das lockte ihn wieder etwas. »Weißt du schon, was du jetzt tun wirst?«

»Das kommt auf ihn an.« Sie hielt das Amulett in Händen. »Was er als nächstes sehen will.«

Seine Augenbraue hob sich an. »Huh?«

»Sein Name ist Sierra. Er ist der Geist, der uns damals auf Omoide festgehalten hat und dem ich das Versprechen gab ihn nicht so wie die anderen im Stich zu lassen.«

Noch mehr Irritation schlich sich auf sein Gesicht. War sie jetzt verrückt geworden?

Iroko räusperte sich. »Sierra...?«

Und gleichsam hörte sie Sierras warme Stimme in ihrem Ohr und wusste, dass nur sie ihn hören konnte. Er flüsterte leise. »Ich folge dir, wohin auch immer du willst.«

Sie seufzte. »Ich glaube, er ist noch ein bisschen schüchtern und nein, ich bin nicht verrückt geworden, aber ich nehme an Sie erinnern sich noch etwas an diese Insel. Ist auch völlig belanglos.«

Crocodile musterte sie zurückhaltend und fragte sich innerlich wirklich, ob sie jetzt durchdrehte. Nun, konnte man ihr nach all dem, was geschehen war wohl nicht verübeln. Er nahm es hin und ignorierte ihren "imaginierten" Freund. Seufzend kratzte er sich am Hinterkopf. »Iroko... was ich sagen will ist...«

Ihr Auge zuckte. »Hey, wenn Sie mir nicht glauben, dann fragen Sie doch Robin!«

Nochmals das schwere Seufzen. »...Ja ja...«

»Ich bin vielleicht ein bisschen wahnsinnig, aber ich bilde mir bestimmt keine Geister ein! Robin war dabei, okay? Wenn Sie mir schon nicht glauben.«

Er blickte sie fast ein wenig angewidert an. »Okay, okay...«

»Ich mein es ernst Bossu! Grr… ich meine... "Sir Crocodile"...«

Er rieb sich murrend die Stirn.

Ihr rasselnder Atem kam zum Stilstand. Herrlich, jetzt dachte er wirklich, sie war verrückt. Na ganz toll.

»Wie auch immer...« Er blinzelte sie aus dem Augenwinkel an. »Was mache ich nur mit dir...«

»Was soll das heißen?«

»...Du weißt von dem Plan.«

Das brachte sie dazu die augen zu verengen. »Oh, jetzt bin ich aber gespannt.«

Nur ein Achselzucken. »Ist nicht mein Stil kleine Kinder umzubringen, aber ich könnte sicher jemand anderen finden, der das erledigt.«

Abweisend verschränkte sie die Arme. »Dann tun Sie, was Sie nicht lassen können. Sie machen mir keine Angst.«

Erneut musterte er sie aus dem Augenwinkel. »....Andererseits wäre es eine Schande so eine talentierte Kämpferin zu verlieren. Als Schützin ist sie zwar ziemlich schlecht, aber das ist unwichtig.«

»Pfff, ich habe das Schiff doch wohl getroffen. Ist es meine Schuld, dass ich so eine blöde Kugel nicht alleine in die Kanone hiefen kann?«

»Wir sind fast gesunken wegen dir.«

»Na, ich glaube nicht, dass das meine Schuld war. Immerhin waren Sie als Captain dafür verantwortlich.« Iroko ließ sich nicht die Butter vom Brot nehmen. Er war nicht mehr ihr Captain, es konnte ihr egal sein, was er sagte, was er dachte. Auch wenn ihr Herz noch immer schmerzte. »...Eine Kanone gegen sechs? Außerdem bin ich in jedem Fall besser auf nähere Distanz.«

Er seufzte nochmals und lehnte sich wieder an die Theke. »...Worauf ich hinaus will... Möchtest du zurück an Bord?« Er schüttelte schnell den Kopf. »Ich will dich sicherlich zu nichts drängen. Du weißt ganz genau, wie gefährlich es werden kann. Selbst wenn die Marine den Plan weiter schluckt. Ich muss dir nichts erzählen... du weißt es ganz genau. Und du weißt, was du sehen wirst, wenn du bleibst... auch wenn ich... mir vorgenommen habe nicht mehr... ganz so brutal zu sein.«

Sie konnte es gar nicht aushalten, das war einfach zu viel für sie. Ihre Augen schlossen sich erneut, der Kampfeswillen zertreten. »...Als würde mir das Angst machen. Als hätte es das jemals.«

»...Ich will es dir nur anbieten, Iroko.«

Er hörte sie schniefen. »...Ich... das...« Hastig rieb sie sich über die Augen bevor es wieder so schlimm wurde. »...Wieder Teil einer... einer Familie sein... die nur darauf wartet zerbrochen zu werden...«

Sein Blick sank zu Boden. »Ich hoffe, dass das nicht mehr geschieht. Aber du hast Recht, ich kann es nicht versprechen. Wenn wir entdeckt werden, stehen am Ende vielleicht nur noch ich und Robin da. Ich kann für nichts garantieren. Aber ich weiß, dass Robin dich lieber in ihrer Nähe haben würde, um auf dich aufzupassen. Und mir wäre es auch lieber. Du und ich... wir... haben viel gemeinsam.«

Gott, musste er das sagen? Er brachte sie wieder zum weinen. »...Bo...Bossu...«

»...Was ist?«

»...Wenn ich... wenn ich diesmal... dazu gehöre, dann... dann... Sie werden mich dann nicht wieder los. Ich meine... ich kann das... das nicht... noch mal...d urchmachen. Wenn ich bleibe und es geht alles kaputt dann... dann ist das wirklich das Ende.«

»...Es ist deine Entscheidung, Iroko. Du weißt, dass die Möglichkeit besteht, dass der Plan fehl schlägt. Und ich möchte dich sicherlich zu nichts zwingen.Ich wollte nur, das du weißt... dass du hier willkommen bist.«

»Sie... sie sind das Herz der... der Crew... können Sie mir sagen, ob... ob es sich lohnt?«

»Ich weiß du willst ein ja hören, aber das kann ich dir einfach nicht geben.«

Darauf schüttelte sie den Kopf. »Ich rede nicht davon, was sein könnte. Nicht, was sich Ihr Verstand in den nächsten Sekunden alles einfallen lassen könnte. Ich will von Ihnen wissen, ob Sie jetzt, in diesem Moment glauben... dass es sich lohnt. Lohnt es sich hier zu sein? Lohnt es sich hierfür zu kämpfen? Dafür zu sterben? Lohnt es sich sich die Welt zum Feind zu machen und nur für diesen Moment zu leben?«

»Ich kann nur für mich sprechen, Iroko.«

»Genau das... will ich wissen.«

»Sonst hätte ich das alles wohl nicht aufs Spiel gesetzt, oder?«

»Hätte genauso gut sein können, dass sie nun vollständig wahnsinnig geworden sind.«

Er grinste leicht. »Kann möglich sein.«

Ihre Mundwinkel zuckten leicht, dann wischte sie sich erneut Tränen von den Wangen: »Haben Sie mein Zimmer denn noch nicht "weitervermietet"?«

»An wen denn?« Crocodile wirkte ehrlich irritiert.

»Ich weiß nicht. Wenn sie wirklich wahnsinnig sind, kann man nichts ausschließen.«

»Also? Brauchst du Bedenkzeit?«

»Nein.« Schließlich sah sie endlich wieder zu ihm auf und ihr Herz raste erneut. Ihre Augen waren ganz klar, auch wenn sie noch immer Angst vor dem Schmerz hatte. Auch wenn sie nicht mehr die Gleiche war, auch wenn es nicht mehr so sein konnte, wie früher, es war eine Chance oder? Welches andere Ziel hatte sie denn sonst noch? Was konnte sie sonst tun, wo sie doch genau wusste, dass ihr Herz sich schon längst entschieden hatte. Sie verbeugte sich höflich vor diesem Mann, der nun wieder ihr Captain sein würde. »Ich... nehme an.«
 

Das entlockte ihn ein zwickendes Grinsen. »Willkommen zurück.«

Seufzend rieb sie sich die Schläfen. »Paula und Ossan werden mich... doch nie wieder auf den Boden herunter lassen...«

»Nun, das hättest du dir wohl vorher überlegen müssen.«

Mit einem riesigen Knall krachte die Tür zurück und für den Bruchteil einer Sekunde überkam Iroko das Bedürfnis sofort zu fliehen. Egal was Crocodile gesagt hatte, niemand konnte die Gänsehaut wieder gut machen, die ihr nun den Rücken herunter lief, als Bon Clay höchstpersönlich hereingesprungen kam und wie eine Hyäne, die ein totes Tier gewittert hatte, auf das fast unschuldige Mädchen herniederging. Oder doch eher wie ein Geier?

»AHHHHHHHHHHHH! IROKO-CHAN! WILLKOMMEN ZURÜCK!!!«

Und ehe sie auch nur einen Schritt hatte zurück machen können, die Furcht fast sichtbar in ihrem Gesicht drückte er sie an sich, knuddelte sie so heftig, dass ihr der Atem aus der Lunge entwich und sie leise röchelte. »Awwwwwwwwwwww! Leute! Wir sind wieder komplett!!!!«
 

Erst als Robin die Kombüse betrat, ließ Bon das Mädchen wieder herunter und damit zu Luft kommen. Aber nicht für sonderlich lange. Nun standen sie beide der Frau gegenüber, die sie beide besonders ängstlich waren zu sehen. Aber die Robin, die ihnen entgegenkam war nicht die schwachgekämpfte Frau von Arabasta und nicht die verzweifelte Kämpferin von Toshi-o-Toru. Es war einfach nur Robin, so wie sie kannten. Voller Ruhe, die sie ihnen entgegen strahlte und beide Herzen friedlicher schlagen ließ. Es war die Robin, der man vertrauen konnte, die, die ihnen nun ein ehrliches Lächeln entgegen warf. Ein Lächeln voller Erleichterung, voller Hoffnung und Glück. Ihr Blick wandtere zu Bon, dann zu Iroko und in ihren bildeten sich Tränen. Aber in diesem Moment waren alle im Raum, Crocodile ausgenommen, regelrechte Heulbojen, Bon ganz vorne. Er warf sich überschwenglich in ihre Arme, als er ihr Lächeln erkannte. Er hatte sich so fest vorgenommen, nichts der Gleichen zu tun, nicht ehe er wusste, wie es ihr ging, aber das übertraf einfach alle seine Wünsche.

Sie lächelte und Gott, sie lächelte so schön. Er hielt es kaum aus, presste sie an sich, vorsichtiger als er es bei Iroko getan hatte. Und alles was sie tat, war eine Hand auf sein Haupt zu legen und ihm leise ins Ohr zu flüstern, dass alles in Ordnung war. Es brach ihn in tausend Scherben und setzte ihn ganz neu zusammen. Die Angst, die Verzweiflung der letzten Wochen, Monate fiel von seinen Schultern. Er sah ihre lachenden Gesichter, das unheimliche Glück, hatte es schon gespürt, als er das Schiff betreten hatte. Es hatte sich gelohnt, ja, hatte sich das gelohnt. Vergessen war der Ärger, war der Hass, die Furcht, die er als Fremder in seinem eigenen Körper hatte erleiden müssen. Dieses Lächeln war es wirklich wert.

Geduldig wartete Iroko darauf, dass Ossan sich von Robin löste, aber darauf hätte sie vermutlich Jahre warten können und nachdem, was er ihr erzählt hatte, hatte er auch alles Recht der Welt dazu. Ein Blick auf Crocodile und Robin reichte schon aus, um zu wissen, dass es es wirklich Wert war hier zu sein, zu bleiben. Und als Robin sich dann endlich von Bon löste, ihm zuversichtlich auf die Schulter klopfte und sich bei ihm für seine Freundschaft bedankte, kamen auch dem Kind fast wieder die Tränen geschossen. Es wurde wirklich nicht viel besser, als Robin sich schließlich zu ihr kniete und ihr mit zittriger Hand durch das Haar strich, als sie ihr sagte, wie glücklich sie war, dass sie hierhergefunden hatte, dass es ihr gut ging und dass gehofft hatte, sie wieder zusehen. Dieser Glanz in Robins Augen brach alle Dämme. Iroko, wie Bon zuvor, warf sich in ihre Arme und wurde gleichermaßen umschlossen von Armen, die versprachen sie zu beschützen, die fest zuhalten, wenn sie nicht mehr konnte, die ihr ein Zuhause gaben.

Es dauerte nicht lange, da stürmte auch Paula wieder herein. Anstatt sich jedoch auf das heulende Pack zu stürtzen, begann sie nur wieder zu schnattern, dass es doch alles schön und fein sei, aber noch lange kein Grund jetzt so rumzuflennen. Außerdem kündigte sie eine große Party an, gegen die sich keiner der Anwesenden wehren konnte. Sie wollte das Wiedersehen gehörig feiern - auf dem Schiff natürlich, um keine Aufmerksamkeit zu erregen.

Es muss wohl kaum erwähnt werden, wie Uma auf die Neuigkeiten reagierte. Als sie Bon wieder sah, ging das Geschnatter schon los, als Iroko dazu kam, brach Hölle über ihnen zusammen. Es dauerte fast zehn Minuten, ehe Uma zum ersten mal anständig Luft holte und nur kurz danach ging das Geschimpfe erneut vonstatten. Natürlich richtete sich das in erster Linie an Iroko. Uma, die genauso fuchsteufelswild gewesen war wie Paula über Irokos rapides Verschwinden, ließ die Sorgen nun ganz nach außen und verschaffte sich zu etwas Freiraum das Mädchen und danach auch Bon in die Arme zu schließen. Sie musste es Miki zu Gute halten. Ohne ihn, ohne seine Hoffnung, ohne seine Presistenz hätte sie die Crew verlassen, aber jetzt, in diesem Moment hätte sie glücklicher nicht sein können. Endlich ging es wieder voran, endlich waren sie wieder vereint. So wie es sein sollte. Ein vollständiges Baroque Works, zumindest soweit sie es betraf.
 

So zog der Tag sich dahin. Iroko und Bon standen im Vordergrund und natürlich nutzte der Schauspieler es zur heroischen Inszenierung seiner Heldentaten. Erst am Abend stieß Gal mit gesenktem Kopf dazu. Er hatte den ganzen Tag damit verbracht Bon in der Stadt zu suchen. Mehr als nur geknickt kam er zurück zur Minerva, nur um dort die Party bereits im Gange zu finden. Es gab Unmengen an Essen und Alkohol, laute Musik und das vollständige Baroque works. Das erste, was er von Bon hörte, war ein abgrundtief bösartiges Kichern, ehe er ihn in seine Stahlarme quetschte und ihm direkt ins Ohr kicherte, ihm versicherte, wie sehr er ihn vermisst hatte und dass definitiv kein Marinesoldat so niedlich war, wie Gal.

Unerwarteterweise bekam Gal daraufhin einen so roten Kopf, dass er ihn panisch weg stieß und erneut vom Schiff rannte. Das Lachen verfolgte ihn noch minutenlang. Bon hatte eindeutig seinen großen Auftritt. Er war so glücklich und so was voll geil, aber das durfte man Gal nicht sagen. So ein Auftritt reichte dabei wohl schon. Während Mister 3 sich beschämt und mit sich ringend am Hafen verkroch, ging die Party weiter. Eine Party, bei der vor allem Uma und Bon sich voll laufen ließen. Schon nach drei Stunden konnte man Uma gar nicht verstehen und Bon, nun Bon war eben Bon, wenn auch besonders schlimm. Miki war der Einzige, neben Iroko, der gar keinen Alkohol trank. Er war so schon eingeschränkt und diesen Moment wollte er so klar wie es nur möglich war genießen. Jede Sekunde davon. Von diesem Leben, das jeden Tag zu Ende sein konnte. Miki hatte viel gelernt über die letzten Monate, seit sie Arabasta das erste Mal verlassen hatten. Wie wichtig ihm dieses Zuhause geworden war, dass er für diese Menschen sterben würde, dass er sich respektiert fühlte und jedem von ihnen, vor allem seinem Boss, Respekt entgegen brachte. Er liebte die kleine Iroko und natürlich Uma. Er fühlte sich für Robin, Paula und Gal verantwortlich. Er liebte Bons Witze und es war so angenehm in Jazz' Nähe. Er hatte lange gesucht und endlich gefunden was es wert war beschützt zu werden. Er spürte es in seiner Seele, dass das nicht das Ende war, dass schlimme Zeiten bevor standen, dass sie würden viel durchmachen müssen, aber all das war gerade nicht so wichtig. Er genoss es. Er genoss es unwahrscheinlich.

Ähnlich ging es auch Paula. Sie war wieder fast die Alte. Robin hatte sich an ihr Versprechen gehalten. Ihr Boss war wieder der Alte und deswegen war Paula wieder bereit sich auf sie und die ganze Sache einzulassen. Endlich gab es eine reale Chance, dass alles gut werden würde. Es war zum Greifen nah. Selbst wenn sie Robin noch nicht ganz vertrauen konnte und noch immer auf Distanz ging, versuchte sie ihre gesamte Kraft diesen Menschen zu schenken. Ihnen Mut zu geben, ihnen ein Lächeln zu schenken - und gutes Essen natürlich. Auch sie ließ diesen Abend auf sich wirken, als ob es der letzte wäre. Vielleicht war er das auch. Wer wusste schon, was in Zukunft geschehen würde, wie lange sie so friedlich umherschiffen konnten. Sie hatte fest entschieden, dass sie dem noch eine letzte Chance gab. Eine allerletzte. Denn das war es wert. Das war Baroque Works allemal.

Jazz, der kaum von der Stelle wich, sagte den ganzen Abend über nichts, beobachtete nur. Es war schwer in seinen Kopf zu sehen, zu erahnen was er dachte. Doch auch er war noch hier, auch er saß bei ihnen und ließ Bon über sich ergehen.Während Robin sich, wie es ihre Art war im Hintergrund hielt und beobachtete, sich immer wieder gefallen ließ, dass Bon sie an sich presste und ihr theatralisch seine Liebe bekundete, hätte Iroko wirklich gern mit ihr getauscht. Sie war es gar nicht gewöhnt so im Zetrum der Aufmerksamkeit zu stehen. Auch wenn Bons Aufmerksamkeit immer wieder in verschiedene, verschwommene Richtungen ging. Herrje, der Mann war betrunken. Vielleicht brachte ihn der zu erwartende Kater am nächsten Morgen etwas zur Ruhe. Aber Uma hockte wie eine Henne auf ihr und auch Miki wich nicht von ihrer Seite. Sie konnte es ihnen wohl kaum verübeln und für den Moment saugte ihr einsames Herz all das auf und weigerte sich, es wieder loszulassen. Sie alle lächelten, sie waren so glücklich. Es tat noch immer weh, der Gedanke, dass der Moment so schnell vorbeiziehen konnte. Das würde er. Sie wusste es. Es ging niemals gut aus, aber sie konnte nicht anders, als all dem eine Chance zu geben. Denn letztendlich sehnte sie sich nach diesem Zuhause.
 

Als Bon seinen hundertsten Drink intus hatte, wurde ihm zum ersten Mal schlecht und das bekam das Wasser zu spüren, als er sich übergab. Doch auch das konnte seiner Laune keinen Abbruch tun. Sein Kopf platze schon jetzt, sein Magen rebellierte und er sah nicht mehr deutlich. Sein Gleichgewichtssinn war im Eimer und er verstand selbst kaum noch, was er zusammenlallte, aber er war einfach so unbeschreiblich glücklich. Immer wieder sagte er es ihnen. Dass er sie alle sooo liebte, dass er so lange auf solch einen Ort gewartet hatte. Dass er doch gewusst hatte, dass das in ihnen steckte. Tja, das bewies es doch nur wieder. Bon Clay wusste eben Bescheid. Sollte noch einmal jemand behaupten Clay keinen sechsten Sinn für sowas!

Bons unsäglicher Glanz, der sich in das Wasser ergoss, hörte Gal auch von Weitem. Er traute sch nicht zurück zu gehen. Nicht, weil er nicht gern mitgefeiert hätte. Er wollte Iroko wiedersehen, aber Bon konnte er nicht unter die Augen treten. Schmerzhaft war ihm bewusst geworden, dass er ihn vermisst hatte. Nicht unbedingt als Freund, sondern als Mann. Und mit dieser Erkenntnis musste er erstmal klar kommen. So verbrachte er den Abend sich ärgernd und fluchend unter freien Himmel, bis die Sterne ihren Glanz verloren und in den nächsten, warmen Tag überglitten. Als Gal endlich zurück auf die Minerva kam waren die anderen mehrheitlich dabei ihren Rausch auszuschlafen. Nur Iroko und Jazz fand er an, die auf die Minerva aufpassten. Er nutzte die Zeit um mit Iroko zu reden. Diese nahm ihm gleich das Skizzenbuch wieder ab, fast wortlos, verlängerte ihr Versprechen. Und er ließ es sich nicht nehmen sie dafür zu umarmen. Der Tag verstrich schnell, als die beiden, wie in alten Zeiten, sich Tee aufbrühten und über die vergangene Zeit redeten. Nur allmählich rafften sich die anderen wieder auf und setzten gegen Abend die Segel. Auf Tara-Lim hielt sie nichts mehr und es war besser nicht allzu lange an einem Ort zu bleiben.
 

Bon johlte schon wieder, als die ersten Sonnenstrahlen den Horizont erreichten, die Meeresoberfläche in ein warmes Orange und blutiges Rot tauchten. Ein frischer Wind kam auf und weckte in den Piraten die Sehnsucht nach der offenen See. Der Lärm der Stadt lag hinter ihnen, die wilden Lichter, das Leben, das sich unruhig durch die Straße schlängelte und an diesem Abend so ruhige Töne auf der Minerva anschlug. Der Abend zuvor war bestimmt von wildem Feiern, aber in dieser Nacht lag beinahe eine heilende Stille über ihnen, löschte das brennende Feuer, wenn auch nur für begrenzte Zeit und hinterließ noch immer ein Flimmern. Während Suimin wie das Ende einer Reise ausgeklungen war, wie eine schwere Last auf ihren Schultern gelegen hatte, wurde Tara Lim zum Neubeginn. Auch hier setzten sie ihre Reise am nächsten Morgen fort, darin unterschied sie sich nicht von all den anderen Inseln auf ihrem Weg. Aber hier setzte ein neues Gefühl ein. Sie waren eine Crew, sie waren eine echte Piratencrew, mit ihren Schwächen und ihren Stärken, mit dem gleichen Ziel wie die anderen Segler, die sich aufs Meer trauten. Das Meer. Das Meer, das nach ihnen rief, die Stimme rau und unbändig, sanft und zärtlich. Und es versprach Freiheit.

Sie alle standen an Deck und betrachteten diesen Sonnenuntergang, der so viel mehr versprach. Mit schrecklichen Ringen unter den Augen, aber einem Strahlen, dass man befürchten musste blind zu werden, warf Bon plötzlich seine Hände in die Luft und kreischte über das gesamte Schiff. »Alle zusammen kommen! Wenn wir das diesmal richtig machen wollen, müssen wir auch richtig anfangen! Los, los! Alle herkommen, ich jammer euch sonst die nächsten Tage die Ohren voll! Jaha!«

Wieder ganz sie selbst, kam Iroko bereits näher. »Das wirst du so oder so Ossan.«

»Kehehehe, aber nicht so schlimm, wenn ihr jetzt brav mitmacht!« Er legte ihr einen Arm um die Schultern und wartete, bis selbst Jazz zumindest in Reichweite getreten war. Besser man hielt das Geschrei auf ein Minimum. Bon hob einen Arm in die Luft und legte die Hand in ihre Mitte, grinste dabei wie verrückt. »Ein Schwur, ein Versprechen, einen Wunsch. Alles was ihr wollt, es ist ganz egal. Was euch auf dem Herzen liegt und was ihr in dieses Zuhause stecken wollt. Ganz gleich, was es ist, es soll von Herzen kommen!« Kurz überlegte er. »Ahh! Eigentlich wünsche ich mir am meisten, dass sich alle unsere Wünsche erfüllen! Ohh und ich würde zu gern irgendwann auf einer großen Bühne stehen, die Performance meines Lebens geben!«

Uma, eh die Schnellste auf dem Schiff, legte ihre Hand so gleich über die seine. Das Prinzip war für sie mehr als eindeutig. »Ich möchte die Spezialitäten dieser Welt kosten! Außerdem meine Kräutersammlung komplementieren.«

Sie schubste Miki etwas an, dass auch seine Pranke auf Umas landete und es dauerte einen Moment, in dem er zu überlegen schien. »Iiiiich möööööchte Aaaaaabeeeeenteeeeeueeeer eeeerleeeebeeeeen.«

Paula war ganz gerührt und dennoch voller Energie. Sie nickte heftig und legte lächelnd ihre Hand in die Mitte des Kreises. »Ich möchte frei sein und so leben können, wie ich will. Ich möchte reich werden und mir endlich alles kaufen können, was ich mir niemals leisten konnte.«

Zögerlich folgte darauf auch Gal. Er blickte niemanden an, nur Iroko schielte er von der Seite an. »Ich möchte viele Städte bereisen und irgendwann... vielleicht so etwas wie ein Wachsfigurenkabinett eröffnen. Wo man Miniaturausgaben eben dieser Städte sehen kann.« Er grinste seine Partnerin verstohlen an. »Mit ein bisschen Hilfe natürlich.«

»Würde auch nichts draus werden, wenn du das selbst zeichnen müsstest.« kam es großschnäuzig von Iroko. Schließlich seufzte sie und legte ihre Hand auf die anderen, aber schien noch mit sich zu ringen. »Ich habe keine Ahnung, was ich will, was ich mir persönlich für die Zukunft wünsche, aber... ich hoffe ich kann es mit eurer Hilfe heraus finden.«

Kurz darauf folgte auch Jazz Hand, doch sein Blick war versteinert, unwillig etwas zu sagen.

Etwas unsicher legte Robin ihre Hand auf Jazz' und ihr Blick ließ kaum Einsicht in ihr Innerstes zu. Ihre Stimme klang noch immer etwas kühl, aber nicht distanziert. »Ich wollte immer nur eines: die Wahrheit. Ich möchte... ich möchte sie mit euch zusammen finden. Die Geister zur Ruhe legen und frei sein.«

Und schließlich legte sich die letzte Hand auf die ihre, rau und gleichsam wärmend. Crocodiles warmes Lächeln galt zunächst nur ihr, erst allmählich schweifte es in die Runde. »Ich möchte das, was ich gefunden habe, nicht verlieren. Nicht mehr so leichtsinnig aufs Spiel setzen und alles dafür geben, dass... wir zusammen erreichen, was wir erreichen wollen. Egal, was kommt. Egal, was sich uns in den Weg stellt... Ich möchte dafür kämpfen. Lasst uns das nicht vergessen.Wir könnenr einen neuen Weg beschreiten. Und ich bin sicher, dass wir gute Chancen haben unsere Wünsche zu erfüllen.«

»Und dabei unheimlich sexy aussehen! Hahahaha!«

»Das sowieso!« lachte Paula. »Auf ein neues Baroque Works!«

»Team Baroque, Team Baroque.« Stimmte Uma mit ein.

»Aye!«

»Aaaaayeee!«

Epilog

»Sir! Herr Admiral! Insel in Sicht! …Ehm... Herr Admiral?«

Irritiert lehnte sich der junge Soldat zu seinem Vorgesetzten herunter und bemerkte etwas überrascht, dass der Mann mit der Schlafbrille friedlich Bäume zersägte. Ein dünner Speichelfaden lief ihm aus dem Mundwinkel und kurz zuckte er zusammen, stieß ein leises Grunzen aus, ehe er begann sich zu strecken.

»Ayayayaya, was soll denn der Lärm? Sind wir schon da?«

Der Soldat begann leicht zu stottern und rieb sich die schwitzige Stirn. Die Gerüchte über den Admiral waren also offensichtlich nicht nur frei erfunden. Das Schiff hatte gerade die Segel wieder ausgestreckt, nachdem ein heftiger Sturm die Mannschaft durchgerüttelt hatte. Die meisten Männer hatten sich über die Reling übergeben und es gab ein paar Verletzte. Die Grandline versprach nicht zuviel, aber ihr oberster Befehlshaber hatte seelenruhig in seinem Liegestuhl geschlafen, als hätte die Sonne geschienen. Mit verschlafenem Blick, sich die Augen reibend und ein lautes, breites Gähnen ausstoßend, richtete Ao Kiji sich endlich auf und sah sich um.

»Hmmm, welche Insel ist das jetzt?«

Dem jungen Mann fiel der Mund auf und er bemühte sich redlichst seine Stimme in Gang zu bekommen. Er salutierte. »Uh, Sir... Arabasta, wie Sie es befohlen haben, Sir!«

Kuzan kratzte sich am Hinterkopf. »Oh, ja, sicher, natürlich.« Ein weiteres Gähnen folgte, ehe er sich wieder in seinen Sitz fallen ließ. »Dann ankert mal.«

Den Befehl entgegennehmend, verbeugte sich der Soldat und trat ab, die Irritation noch immer in sein Gesicht geklebt. Schon seit ein paar Wochen verhielt sich ihr Kommandant mehr als merkwürdig, das hieß, merkwürdiger als sonst. Es war so untypisch für ihn mit seiner Flotte zu reisen, statt wie sonst mit dem Fahrrad. Außerdem schlief er neuerdings noch länger und ausgiebiger als jemals zuvor. Sollte er sich um seinen Boss etwa Sorgen machen? Vorsichtig wandte er sich noch einmal zu ihm um, aber Ao Kijis Miene war unlesbar. Soweit sein Soldat es ausmachen konnte, lag fast ein winziges, sehr subtiles Lächeln unter dem strammen Pokerface.

»Zzzzzz....«

Der junge Mann riss die Augen weit auf. War er schon wieder eingeschlafen? »Herr Admiral!«

»Hmm? Was? Oh, ach ja, die Insel. Natürlich, natürlich.« Er richtete sich erneut auf und stellte sich an die Reling, rieb sich scheinbar müde über die Augen. »Eine Sekunde nicht aufgepasst und schon überkommt einen der Schlaf.«

»Sir?...«

»Hm?« Kuzan wandte sich an seinen ersten Offizier und es blieb ihm nicht unbemerkt, wie verstört der Mann wirkte. »Gibt es ein Problem?«

»Nun ja Sir...« Unsicherheit, ein bisschen Angst. Ao Kiji war immerhin ein sehr einflussreicher und überaus starker Mann. Besser man achtete auf seine Worte. »Ich habe mich nur gefragt, was wir hier machen, Sir? Nachdem der Krieg vorbei ist und Königin Vivi die Hilfe der Marine, ja der gesamten Regierung ausgeschlagen hat... Ich... es ist nur...« Er nahm eine steifere Haltung an. »Sir, erst interessieren Sie sich für die Belange der Grandline kaum und jetzt...“«

Beinahe lächelnd klopfte Kuzan ihm auf die Schultern. »Ayayaya, keine Sorge. Ich habe nur gehört, dass man auf Arabasta gut Urlaub machen kann. Habe von einem tollen Casino gehört mitten in der schönen Stadt Rainbase.«

»Urlaub? Aber kommen wir nicht gerade aus dem Urlaub, Sir?« Verdattert starrte sein Offizier ihm entgegen.

»Oh, ja. Man kann nie genug Erholung bekommen. Oder hast du etwa etwas gegen Urlaub?«

»Eh... nein Sir, selbstverständlich nicht!« Sich verbeugend trat er ab und schüttelte beinahe seinen Kopf. Er hätte gar nicht erst versuchen sollen, seinen Captain zu verstehen. Die Gerüchte waren wirklich wahr. Ao Kiji war unheimlich faul.
 

Schmunzelnd sah Kuzan ihm nach und lehnte sich mit dem Rücken zur näherkommenden Insel an die Reling, seufzte kurz und schloss die Augen. Urlaub? Das war das erste Mal seit gut zwanzig Jahren, dass er an so etwas wie Urlaub überhaupt denken konnte. Er hatte tagsüber immer fiel geschlafen, weil ihn nachts seine Träume wach hielten. Aber er war nicht hier, um Urlaub zu machen. Seiner Crew gönnte er gern eine Auszeit, immer wieder. Aber er wollte sich wirklich das Goldregencasino mal näher ansehen. Sir Crocodiles Casino.

Von seinem Treffen mit dem Shichibukai wusste niemand. Er hatte auch nicht vor dem Hauptquartier davon Bericht zu erstatten. Stattdessen hatte er sich in den Gewässern vor Quom sehen lassen und letztendlich Nico Robins Tod bestätigt. Erneut seufzte er. Hast du dir das so vorgestellt, Sauro? Nicht zum ersten Mal fragte der Admiral sich selbst, was sein alter Freund von damals sich für das kleine Mädchen mit den traurigen Augen gewünscht hätte. Sein Leben hatte ihn abgehärtete und er zeigte selten Mitleid. Es war nicht seine Aufgabe zu entscheiden, was für jemanden das Beste war. Er handelte allein nach dem Prinzip der ultimativen Gerechtigkeit. Nur manchmal fiel es ihm schwer. Wie damals. Er hatte es ihm versprochen. Aber mittlerweile war es nicht mehr nur ein Versprechen. Ja, er war nie ihr Freund gewesen, doch diese Augen waren ihm nie mehr aus dem Kopf gegangen. Die Tränen von einem Kind, das das letzte seiner Art sein sollte. Die letzte Überlebende von Ohara. Der einzige Mensch mit einem unvorstellbaren Wissen und einem Potential für den Untergang der Welt. Welchem normalen Menschen hätte der Gedanke keine Gänsehaut über den Rücken gejagt?

Es war ihm nicht entgangen, was aus dem Kind geworden war, hatte alle Gerüchte gehört, jedes zurück verfolgt. Sie war seine Bürde, sein Versprechen, sein Fluch. Oft hatte er sich gefragt, ob er damals die richtige Entscheidung getroffen hatte. Hätte er sie besser töten sollen? In den letzten zehn Jahren hatte er oft befürchtete, dass er falsch gehandelt hatte. Nie hatte er sie gesehen, immer war sie schneller gewesen, vor ihm geflohen. Doch nach den Beschreibungen hatte sie noch immer diesen toten, traurigen Blick gehabt. Er hatte sie ein bisschen bewundert. Nie hatte sie aufgegeben. Umso mehr hatten ihn Sir Crocodiles Worte irritiert. Sie hatte sich verliebt? In einen Lügner? Jemanden, der sie dann ausgeliefert hatte? Tod? Das klang so gar nicht nach ihr. So unvorsichtig wäre sie niemals gewesen, nie so blind für den wahren Charakter eines Menschen. Vielleicht hatte Kuzan dem Piraten deswegen nicht geglaubt. Warum auch? Jeder Pirat log, es war ihnen nicht zu trauen. Und Sir Crocodile mochte ein guter Lügner sein, aber Kuzan war sein Blick nicht entgangen.

Im ersten Moment hatte er ihn als Angst interpretiert, aber der Gedanke Sir Crocodile fürchtete ihn war irgendwie lächerlich. Er hatte genug Informationen über den Mann mit dem großen, goldenen Haken eingeholt. Nein, es war keine Angst gewesen. Aber neben der Überheblichkeit, der Arroganz und der unterbewussten Gefahr, die er ausgestrahlt hatte, war noch etwas verborgen gewesen. Etwas Wichtiges. Er hatte es nicht deuten können, aber es hatte ihm ein Geheimnis verraten. Nico Robin war nicht tot. Und das hieß, dass sie noch immer irgendwie bei Sir Crocodile war. Er hatte für sie gelogen. Das Ganze ergab so wenig Sinn, dass Kuzan immer wieder daran zweifelte. Dennoch, alles andere war noch viel verrückter in seinen Augen. Sie konnte einfach nicht tot sein, etwas hätte sich verändert, etwas wäre anderes gewesen. Sir Crocodile beschützte sie.

Wieder seufzte er und sah dabei zu, wie seine Crew ankerte und das Schiff am Anleger von Nanohana vertäute. Er war nicht hier, um den Geheimnissen von Arabasta nachzugehen oder Sir Crocodiles eiligem Verschwinden nach dem Tod des Königs. Es war ihm sogar egal, dass es hier ein Poneglyph gab und dass der Pirat ihm gesagt hatte, dass er Nico Robin hier aufgenommen hatte. Solche Zufälle gab es nicht. Er hatte sich zwar vorgenommen die Angestellten des Casinos nach einer Frau mit schwarzen Haaren und blauen Augen zu fragen, aber selbst wenn er erfuhr, dass Robin hier gewesen war, letztendlich änderte das nichts. Er würde nichts mehr für oder gegen dieses Kind tun. Nein, sie war jetzt eine Frau, nicht wahr? Offenbar ein hübscher Anblick, wenn sogar Sir Crocodile Gefallen an ihr gefunden hatte. Das zumindest hatte er ihm abgekauft. Was war es? Wirklich Liebe?

Er neigte den Kopf zur Seite, als seine Leute das Schiff verließen und seinem früheren Befehl entsprechend die Reise nach Rainbase antreten wollten. Was auch immer es war, Shichibukai hin oder her, Crocodile hatte es scheinbar auf sich genommen das Dämonenkind unter seine Fittiche zu nehmen. Es fühlte sich beinahe so an, als würde er ihm eine Last von den Schultern nehmen. Er würde ihnen nicht mehr hinterher fahren, weiter darin herum stochern. Seine Neugier konnte er zwar nicht besiegen, aber die Aufgabe nach ihr zu sehen, überließ er nun lieber dem Mann mit den Narben. Sollte sie nun wirklich Freunde gefunden haben, die es wert waren? Er hoffte es. Er wollte nicht mehr darüber nachdenken, ob er sie festnehmen sollte, an die Fische verfüttern musste oder doch ihr Leben retten. Das war endlich vorbei. Sollte die Welt ruhig glauben, dass sie tot war, sollte sie ruhig endlich ihren Frieden finden. Er war es müde ihr hinterher zu laufen. Solange sie Freunde hatte, konnte auch Sauros Geist endlich in seinem Grab ruhen.
 

»Herr Admiral? Wir wären dann soweit.« Sein Offizier salutierte vor ihm, die Mine hart, aber noch immer unsicher.

Kuzan nickte lächelnd und stieß sich von seiner Reling ab.

»Eine Frage noch, Sir?« Der Soldat interpretierte das Schweigen als leise Zustimmung. »Wir sind die letzten Wochen zwischen unserem Urlaub immer wieder Sir Crocodiles Spur gefolgt. Es wurde Bericht erstattet, dass er erst auf Hayu, dann auf Tara-Lim gesehen wurde. Sollten wir nicht Kurs auf eine dieser Inseln nehmen, Sir?«

»Sir Crocodile ist für uns nicht mehr interessant.« Die kurzen, emotionslosen Worte waren genug, um dem jungen Mann seine Frage zu beantworten. Außerdem konnte man sich nur so viel Fragerei bei einem der Admirale leisten. Ao Kiji schien es ihm jedoch nicht übel zu nehmen, so dass er gleich noch eine hinter her schob.

»Und was werden wir nach dem Urlaub machen, Sir?“«

»Hahaha, was soll diese dumme Frage, Leutnant? Es gibt genug Piraten, denen wir die Gerechtigkeit ein bisschen näher bringen können.« Er warf ihm einen Steckbrief zu. »Es laufen genug von den Typen hier rum. Uns sollte nicht langweilig werden.«

Der Offizier entfaltete den Bogen und las: „Monkey D. Luffy. Strohutbande.“ Dann sah er zu seinem Captain auf und nickte. »Aye, Sir.«

Der blaue Fasan ging bereits die Planke herunter und atmete tief ein, die trockene Luft der Sommerinsel kitzelte in seiner Nase. Aye, Sir Crocodile war nicht mehr interessant. Aber er würde die Augen und Ohren offen halten. Denn neugierig war er alle mal.



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Kommentare zu dieser Fanfic (43)
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Von:  HopeZiva
2014-01-26T17:32:07+00:00 26.01.2014 18:32
auch diese Geschichte ist wieder sehr gut geschrieben. Du hast echt Talent zum Schreiben. Ich verbeuge mich vor dir.


Einen winzig kleine Kritik muss aber sein: ich fand es an einigen Stellen etwas zu sehr in die Länge gezogen.
Von:  Hubba_Bubba
2012-06-04T16:46:08+00:00 04.06.2012 18:46
Aaawwww Almilein, ich habe keine andere Wahl, als Dich bis zum Himmel zu loben! Mädel...Du bist einfach unglaublich talentiert!! Ich liebe Deinen Schreibstil und Deine One Piece Stories abgöttisch!! X3 Ich habe die letzten drei Tage nur noch gelesen und war irgendwie abgeschieden von der Außenwelt XD (Ich verstehe auch gar nicht, warum ich davon ein Jahr Pause gemacht habe...ich Trottel...)Immer nur am Lapi sitzend und gespannt, wie sich die Geschichte entwickelt-was als nächstes passiert. Auch der zweite Teil hat mich total gefesselt! Ich finde, es ist eine würdige Fortsetzung-keine Frage. Ein Tränchen muss ich schon nachweinen, da es jetzt endgültig zu Ende ist :-( *snief*

Der Anfang war echt bedrückend...ich konnte die Anspannung der Crew mitfühlen und konnte es kaum erwarten bis sich das wieder lockern würde. Meine Güte, ich habe mir nichts sehnlicher gewünscht als das sich alle wieder vertragen und gegenseitig vertrauen würden! Die Annäherungsversuche zwischen der Crocobacke und Robin...hach...süß...diese Leidenschaft und das Verlangen den anderen wieder näher zu kommmen...boah, das hat mein Herz erbarmungslos gequält. Da kam das Kapitel "Ein Kleid voller Sterne" genau richtig. Diese romantische Atmosphäre war echt schön und hat die kalte Stimmung zum bröckeln gebracht. Schade nur, dass Robin dann an einer Stelle etwas taktlos war und diese Magie wieder kaputt gemacht hat (Croco hat es ja selbst erwähnt). Ich habe mich irgendwie gegen die Wand geschleudert gefühlt. Das war nicht überzeugend...ruppig...echt unpassend. Ich fands zwar super, dass sich die Beiden wieder näher kamen, aber ich hätte mir das gefühlvoller gewünscht. Ich wollte diese Anspannung, diese Unsicherheit und gleichzeitig das sehnsüchtige Verlangen mitfühlen wollen. Das ging dann doch etwas zu schnell. Das ist auch das Einzige, was mich in der Geschichte gestört hat.

Meine Güte...und die Szene, wo Robin an die Marine ausgeliefert wurde...boah!!! Ich dachte, ich dreh durch!! Das war so schrecklich!! In diesem Moment hätte ich die Crocobacke in seine einzelnen Atome zerlegen können!! Ich war...schockiert! "NEEEIIIINNN!!! Was geht denn jetzt ab?! Dreht der vollkommen durch?! Dieser miese...". Pure Wut!! Drama vom Feinsten! Da war ich wieder kurz davor Abneigungen für ihn zu entwickeln. Man, hat mich das alles aufgewühlt! Aber alles hat ja einen Sinn gehabt ;-) Almilein, was machst Du nur mit mir?? XD Richtig genial! Das war wirklich alles genial durchdacht. Deine Ideen sind echt klasse! Die ganze Sache mit Bon, Iroko usw. SPANNEND!! Ich habe es geliebt!! X3 Unterhaltung pur!!

Was mir auch sehr gefallen hat, war das Einbauen von anderen One Piece Charakteren, so wie Admiral Aokiji. Der war so toll! Hast ihn super rübergebracht! Genauso, wie man ihn kennt. Ich hätte nichts dagegen, wenn Du noch weitere bekannte Figuren (oder sogar Inseln) einführen würdest. Zumindest wurde Prof. Kleeblatt, Sauro, Vivi (hach, die arme Vivi!! Sie tut mir soooo Leid!!), Robins Mutter und sogar die süße Rennschildkröte Ramirez erwähnt ;-) Als riesiger One Piece Fan kommt mir das nur recht. Natürlich fand ich auch Deine eigenen kreierten Figuren toll, wie z.B. Sierra, den Geist. Wirklich interessant! Der hat mich neugierig gemacht. Ich war dennoch erleichtert, dass Du die bösen Charaktere ins Jenseits geschickt hast! Solche Psychos! Aber nette Teufelskräfte, hatten die schon. Vor allem der Typ mit den Schallwellen. Fand ich genial!

Und das Ende...hach...traumhaft! Mir ist ein fetter Stein vom Herzen gefallen, dass die Crew wieder zusammengefunden hat! Mir sind alle so schrecklich ans Herz gewachsen! Ich hätte es nicht überlebt, wenn auch nur ein Mitglied fehlen würde! Die emotionale Entwicklung Crocodiles ist auch erstaunlich. Was er alles für seine Freunde(!)und Robin getan hat...unglaublich! Crocodile, der selbstsüchtige Tyrann aus Sand entwickelt sich zu einem hingebungsvollen Menschen. Der Träumer in ihm ist endlich wieder erwacht! *freu* Der stolze Pirat mit der traurigen Vergangenheit segelt nun glücklich mit seiner treuen Crew neuen Abenteuern entgegen. Er hat die krasseste Entwicklung von allen gemacht. Unfassbar, was Du alles aus ihm rausgeholt hast! Man hat gemerkt, Du hast Dich sehr viel mit diesem Charakter beschäftigt und es auch glaubwürdig rüber gebracht.

Die Geschichte hat wirklich alles geboten. Action, Rätsel, Trauer, Leid bis hin zu Harmonie und Liebe. Ein Karussell der Gefühle-wie immer. Sehr detailliert, authentisch und liebevoll beschrieben! Ich könnte noch 1000 weitere Sachen aufzählen, die mir gefallen haben, aber das sprengt dann doch den Rahmen. Ich bleibe auf alle Fälle ein Fan von Dir und Deinem Kunstwerk "Kaizoku no Baroque"!! Würde mich freuen, wenn Du in Zukunft mehr Geschichten zu Robin x Croco schreiben würdest, sei es Fortsetzungen, Kurzgeschichten, Drabbles oder was auch immer. Lass es mich bitte wissen, wenn Dich wieder eine kreative Phase erwischt hat und Du mich aufs Neue mit dem Crobin-Fieber anstecken möchtest. Vielen Dank für diese tolle Geschichte! ;-)


Von:  Aja1992
2011-11-20T13:42:44+00:00 20.11.2011 14:42
ich weine das die geschichte zu ende ist :((((

Ich hoffe ihr macht einen 3 Teil*hoffnungsvoll anscheun*

Das ende wahr der hammer
Von:  fahnm
2011-11-19T21:03:43+00:00 19.11.2011 22:03
Super Epilog^^
Von:  Ysaye
2011-11-19T12:21:33+00:00 19.11.2011 13:21
Hmm.. dachte ich mir doch fast. Zum Glück für Robin ist Aokiji der einzige anständige Mensch unter den Admirälen.

Schade, dass es nun endgültig vorbei ist - ich werde die Geschichte irgendwie vermissen.

Lg, Ysaye
Von:  Aja1992
2011-11-19T10:22:07+00:00 19.11.2011 11:22
so ein schönes Kapi^^
alle segeln wider zusammen Team Baroque^^
Von:  Ysaye
2011-11-19T09:22:38+00:00 19.11.2011 10:22
Schönes Kapitel ^,^ Baroque Works segelt endlich der Zukunft entgegen und Admiral Blaufasan hat (hoffentlich) die Augen zugedrückt, um ihr ein neues Leben zu geben. So hat also deine Geschichte einen stimmungsvollen Abschluss gefunden.

Und was wird dein nächstes Projekt sein? ;-)

Lg, Ysaye
Von:  fahnm
2011-11-18T21:41:33+00:00 18.11.2011 22:41
Hammer Kapi^^
Von:  Ysaye
2011-11-17T19:32:22+00:00 17.11.2011 20:32
Endlich wieder zurück bei Iroko-chan und Bon-chan :-)

Schön, dass es Iroko und ihrem Geisterfreund gut geht. Aber Bon-chan ist wirklich stark auf der Tränendüse, meine Güte... :-D

Danke für deine Geschichte - hat mich etwas aufgemuntert nach einer traurigen Nachricht heute Abend.
Von:  Aja1992
2011-11-17T19:31:38+00:00 17.11.2011 20:31
hammer kapi^^



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