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Eine Herausforderung für Nioh

vom Golfen und Tennis
von

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Phase Eins – Zielsetzung

Nioh bereute nie etwas. Dafür war das Leben zu kurz, behauptete der Trickser des Rikkai-Tennisteams. Wer bereute versäumte viel zu viele Dinge. Er sah nicht die vielen Gelegenheiten auf einen Streich oder noch besser… auf mehrere Streiche, die sich verknüpfen liessen. Allerdings hatte er diesmal seinen Mund etwas voll genommen. Er war sich überhaupt nicht sicher, ob er nicht besser nichts gesagt hätte und sie hätte überraschen sollen. Das kam davon wenn man Sanada vor sich hatte. Manche Wetten ging man besser nicht ein.

Aber von Anfang an. Anders begriff nämlich niemand Niohs Gedankengänge, die ihn in diese Situation gebracht hatten, die sogar ihm unangenehm war.

Ort dieser Handlung war der Tennisplatz des Rikkai Mittelstufengeländes. Genau gesagt spielten sie gerade mit wechselnden Doppel. Eine andere Wahl hatten sie nicht. Zwar hatten sie ein gutes Doppel, das Zweite war allerdings immer so eine Frage. Sie waren gut darin bestand auch kein Zweifel, aber Nioh fand, dass es nicht genug effektiv war. Er wollte dagegen vorgehen.

Das Einzel hatte zweifellos seinen Reiz und Nioh fand hunderte von Möglichkeiten sich auszuleben, aber im Doppel gab es einige Möglichkeiten, die er noch ausreizen konnte. Seine Studien verlangten das. So konnte er am besten forschen. Momentan bezogen sich seine sogenannten Studien – niemand ausser Nioh würde das als Studien oder Forschung bezeichnen – auf seine Mitschüler. Sein besonderes Augenmerk lag dabei auf seiner Tennismannschaft. Doch keiner von ihnen ahnte, was Nioh jetzt wieder vorhatte. Etwas skeptisch beobachtete er wie sich ihr fähiges Doppel, bestehend aus Marui und Jackal, gegen Yanagi und Sanada schlug. Die beiden anderen spielten einfach mehr so als würden sie Einzel spielen, schoss es Nioh durch den Kopf und er schloss kurz die Augen um diese Erkenntnis entsprechend zu würdigen. Sanada war definitiv ein Einzelspieler. Was Yanagi betraf. Zumindest hatte er mal Doppel gespielt, also musste es theoretisch klappen. Theoretisch. Ein sehr gefährliches Wort. Nioh bevorzugte die Praxis, da sich hier alles entschied. Aber eines musste der Junge mit dem seltsamen weissen Haar zugeben. Für die Zeit, die sie zusammenspielten, waren sie echt gut. Aber seine Überlegungen würde er nicht laut aussprechen. Die Zeit war noch nicht reif. Erst mussten seine Forschungen Früchte tragen. Es war noch etwas hin bis zu diesem Zeitpunkt.

„Nioh!“ Eine gereizte und autoritäre Stimme liess den Trickser aus seinen Überlegungen schrecken. Dass Sanada auch genau stören musste, wenn er nachdachte. Ein wirkliches Nachdenken und nicht diese Art von Nachdenken, die er im Unterricht vortäuschen konnte, obwohl er schon längst auf dem Tennisplatz war. Zumindest gedanklich. „Hast du nichts zu tun oder wieso stehst du noch rum?“

Wie es Sanada immer wieder schaffte omnipräsent zu sein, war Nioh immer schon ein Rätsel gewesen. Er war etwas älter als er, aber anscheinend war er seinen Altersgenossen an Strenge weit voraus. Wo die Jungen in ihrem Alter einem Mädchen nachsahen und Vergleiche anstellten über die Grösse gewisser körperlicher Extremitäten, war er zielstrebig und ernst. Sanada machte keine Witze und wenn er welche machen würde, würde man sie nicht bemerken. Witze hatten bestimmt Angst vor dem Vizekapitän. Dieser Gedanke liess Nioh grinsen. Allerdings hatte auch Sanada seine Schwächen. Das hatte Nioh sehr rasch begriffen. Wenn man so beschaffen wie der Weisshaarige war, lernte man rasch wie man Schwächen am besten herausfand und noch dazu Kapital daraus schlug.

„Ach, weisst du, Sanada…“, fing Nioh an, wurde jedoch rüde unterbrochen. „Zwanzig Runden… los jetzt!“

Nioh, der zur Abwechslung nicht in der Laune war sich mit dem Vizecaptain anzulegen, setzte sich in Bewegung. Er würde auf seinem Weg an den Beeten der Garten AG vorbeikommen. Da kamen ihm immer die besten Ideen. Es hatte damit zu tun wie man Sanadas Schwäche ausnutzte und ihm gleichzeitig einen Dienst tat. Ob die Garten AG bemerkte, wenn einige Rosen fehlten, überlegte er, entschied sich aber dagegen als ihn unvermittelt ein Wasserstrahl mitten ins Gesicht traf. Verwirrt hielt er inne und blickte in Richtung des gemeinen Angriffs. Wie erwartet stand da ein Mitglied der Garten AG. Sie konnten Nioh aus verständlichen Gründen nicht wirklich leiden, dass gab er zu, aber er hatte sich noch gar nicht den Pflanzen genähert und er konnte nichts dafür, dass seine Route hier durchging.

Hisakawa Takeru war wohl der mit Abstand nervigste Vertreter dieser AG. Als einer der wenigen Jungen im Gartenclub nahm er ohnehin eine Sonderstellung ein. Irgendwie waren die Jungen von der Garten AG nicht normal. Männer und Blumen… Yukimura schloss er übrigens grosszügig aus. Yukimura bezog immer eine Sonderstellung, vor allem in seiner Freundlichkeit, die manchmal gruseliger als wirklicher Zorn war.

Er hatte wohl keine Zeit für zwei Clubs, vor allem wenn man in einem davon der Leader war. Aber das war ganz in Ordnung. Wie er wusste, hatten die Yukimura einen eigenen Garten daheim und der blühte prächtig.

„Bin den Pflänzchen nicht mal zu nahe gekommen, Hisakawa“, kam es von Nioh, der sich etwas Wasser aus dem Gesicht wischte. „Aber danke für die Abkühlung. Jetzt kann ich gleich besser meine Runden rennen.“

Er winkte fröhlich und rannte weiter. Nicht dass Nioh so friedfertig war und einfach vergass, was ihm widerfahren war, er hielt nur viel von den Worten: ‚Rache serviert man am besten kalt.‘ Ich erinnere mich an alles, wenn du längst vergessen hast, dass du eigentlich von mir eine Gemeinheit erwartest, fügte er im Kopf gerne an und brachte ihn zum Grinsen.

Hisakawa hatte doch eine Freundin im Tennisteam der Mädchen… Ein fieses Grinsen schlich sich in Niohs Gesicht. Der Tag begann ganz gut und der nächste Schritt war nicht mehr weit für seinen grossen Plan.

Phase zwei - Informationsbeschaffung

„Nioh-kun, an die Tafel“ Es lag keine Bitte in diesen Worten und Nioh hätte sich gewundert, wenn es eines gegeben hätte. Ihr Lehrer in Mathe war kein Mann von sonderlicher Geduld. Schon seit dem ersten Tag an der Mittelschule hatte dieser Mann kein Verständnis für Nioh Masaharu. Seine grosse Schwester hatte er nur flüchtig gekannt. Masaharus Schwester hatte hingegen zu ihm kaum für Aufsehen gesorgt. Sie hatte keine Frösche in die Schultaschen der Mädchen gesteckt oder hatte das Chemielabor überflutet. Seine Schwester war eben auch ein Mädchen. Kein Wunder also, dass er nun zum Störenfried Nummer Eins geworden war. Gut, Nioh war mit dieser Position auch mehr als zufrieden. Der Name Nioh Masaharu stand für Ärger, egal ob man Schüler oder Lehrer war. Dass dies zum Nachteil für seinen jüngeren Bruder reichen würde, war ihm entweder völlig egal oder aber er fragte sich neugierig, wie sein Bruder die drei Jahre Mittelschule überstehen würde. Besonders die Jahre, die er mit ihm verbringen würde. Allerdings gab es noch ein weiteres Problem mit Nioh, der nicht gerade ein Schüler war an dem man Freude hatte.

Er ging lässig mit dem Buch zur Tafel, überprüfte kurz nochmals seine Lösung, ehe er zu schreiben begann. Mathematik lag ihm recht gut. Allerdings war er in keinem der Fächer schlecht. Das war es, was viele nicht verstanden. Nichts als Flausen im Kopf, aber alle Noten waren im oberen Drittel. Ob jetzt in Mathematik, Englisch, Japanisch oder Sport. Nioh schien keines der Fächer sonderliche Mühe zu bereiten.

An Elterngesprächen waren seine Noten nie ein Thema und ebenso wenig Nachhilfe. Sein Betragen hingegen sorgte jedesmal für Diskussionsstoff. Nicht, dass seine Eltern erfreut wären über seine kindischen Ideen und Streiche, aber weder Schimpfen noch Strafe schien Nioh etwas zu machen. Masaharu schien immer derselbe zu bleiben. Er lächelte so unschuldig, dass er manchmal sogar seine Mutter herum bekam, was bei seinem Vater für Haare raufen sorgte.

„So in etwa“, meinte Nioh zufrieden, unterstrich das Resultat schwungvoll mit zwei etwas krummen Linien. Eigentlich wollte er zurück an seinen Fensterplatz, den das Schicksal ihm zugespielt hatte, aber die oberste Autorität des Klassenzimmers hielt ihn zurück.

„Nioh-kun, es hat einen Lineal für gerade Linien“, tadelte der Lehrer. Eigentlich wusste er, dass es nichts brachte Nioh das zu sagen. Schliesslich war Nioh schlau genug das zu wissen. Das Problem war, dass es nicht mal absichtliche Provokation war. Der Junge mit dem weissen Haaren war in seinen Aktionen scheinbar nicht zielgerichtet und wenn man Nioh fragte, was er später mal machen wollte, grinste er und gab lediglich ein „Pah“ von sich. Seine Träume verriet man doch nicht einfach jedem, dachte er dann bei sich und fühlte sich dann gleich noch ein Stück besser. Träume durfte man so lange für sich behalten, wie man wollte.

Kritisch beäugte der trickreiche Junge die Linie unter seinem Ergebnis, blickte dann seinen Lehrer an. „Aber die Rechnung ist korrekt, oder Sensei?“, fragte er höflich.

„Ja, das stimmt, aber…“

„Dann ist es doch in Ordnung oder?“

„Das Resultat schon, Nioh..“

„Dann ist gut… hab mir schon Sorgen gemacht.“

Dass Nioh sich nun in die Rolle des besorgten Schülers begab, der nur seine Arbeit richtig machen wollte, war eine fast schon natürliche Reaktion. Nioh hatte keine Lust auf eine längere Diskussion. Das endete nur damit, dass die höhere Autorität ihn nach draussen verbannte und so konnte er nicht weiter an seinen Plänen basteln. Das Buch konnte er sicher nicht mitnehmen. Nioh hatte das Mathematikbuch nämlich auf seine ganz eigene Art entweiht. Mit Kritzeleien wie bei anderen Schülern war es bei ihm nicht getan, so dass er sich Notizen machte. Wer wie Nioh ein Fan von unleserlichen Schriften war, wusste wie wichtig es war klein zu schreiben, damit man es noch selbst entziffern konnte. Unter der Matherechnung standen in kleiner Schrift die Punkte, die er heute zu erfüllen hatte. Pläne schrieb er nie auf, aber bisweilen notierte er sich durchaus etwas. Allerdings schrieb er nicht wie Yanagi alles auf. Das hielt Nioh für unnötig und gefährlich. Wenn seine Pläne in die falschen Hände gelangten… besser nicht ausmalen wieviele Strafaufgaben er dafür bekam. Ausserdem konnte er so keinen seiner wunderbaren Pläne ausführen. Es war immer noch das Klügste alles im Kopf zu haben.

„Nioh, vor die Tür“, erklang es fast etwas resigniert darüber fast keine Mathematikstunde ohne einen derartigen Befehl verbringen zu können. Wenn eine Prüfung anstand, konnte Nioh sich allerdings zurückhalten. Vielleicht weil nicht mal er eine Prüfung absichtlich vermasseln wollte.

„Wieso?“, fragte Nioh zurück, der dachte, sich aus der Affäre gezogen zu haben. Hatte ihr Mathematiklehrer den Köder nicht geschluckt und liess es dabei bleiben? Vielleicht hatte er ja nur einen schlechten Tag und seine Frau war sauer auf ihn.

„Wieso nicht?“, lautete die trockene Erwiderung, die doch einige Schüler zum Kichern brachte. Wie Masaharu heraushörte, grösstenteils die Mädchen.. Kein vernünftiger Junge kicherte. Abgesehen von Yukimura, aber wie bereits erwähnt, bezog der Buchou eine Sonderstellung, die ihm niemand aberkennen wollte und konnte.

Fröhlich winkend verliess Nioh nun doch das Klassenzimmer. Langsam aber sicher verstand der Herr Lehrer ihn zu gut oder er war schlichtweg übersensibel geworden. Irgendwie nahm Nioh schwer an, dass Zweiteres der Fall war. Verständlich bei ihm.
 

„Nioh-kun, du kannst wieder reinkommen.“

Der Weisshaarige hatte nicht einmal gehört, wie jemand neben ihn getreten war. Zu sehr waren seine Gedanken schon in anderen Sphären gewesen. Jenen die man gewiss nicht laut aussprach, sondern die im Stillen keimten, um dann laut aufzutauchen.

Nioh sah auf und damit in ein bebrilltes Gesicht. Er konnte sein Glück kaum fassen, weswegen er nun grinsen konnte.

„Der Herr Schulsprecher persönlich holt mich rein?“, fragte er mit einem Grinsen, das der Grinsekatze aus Alice im Wunderland Konkurrenz machte. Das weisse Kaninchen hatte sich gerade zu ihm verirrt. Er liebte es, wenn die Dinge sogar besser liefen als gedacht.

„Ich bin nicht Schulsprecher, Nioh-kun“, erwiderte Yagyuu, der sich ruhig gab.

„Ach echt? Na ja aber bestimmt im nächsten Jahr was?“, fragte der Weisshaarige weiter.

„Es gibt viele, die bestens dafür geeignet sind“, antwortete Yagyuu knapp und deutete Nioh den Weg zur Tür. Er schien nicht geneigt ebenfalls hindurch zu gehen.

„Was ist mit dir?“, fragte der Störenfried und fügte an, „Als Mitglied des Schülerrates hast du bestimmt Vortritt.“

Sein Gegenüber sah ihn ruhig an, antwortete korrekt: „Ich darf heute früher gehen, da man die Sitzung nicht anders legen konnte.“ Das weisse Kaninchen hatte wohl keine Zeit, dachte Nioh weiter grinsend.

Interessiert beobachtete Nioh den anderen, machte keine Anstalten hineinzugehen. Wieso auch? Gerade hatten sich seine Gedankenspiele verzogen, da er ein Versuchskaninchen vor sich hatte. Eines, das sich unbeeindruckt gab. Das war nicht gänzlich neu, aber ziemlich aufregend. Ausserdem war Yagyuu genau der Mann, den er brauchte. Er war nicht aus der Ruhe zu bringen, klug und brachte die sportlichen Voraussetzungen mit. Ausserdem war er freundlich und stets pflichtbewusst. Nicht dass ihn letzteres sehr interessierte, aber es war ansonsten von Vorteil. Es gab nur einen Schönheitsfehler. Yagyuu war im Golfclub und damit wirkte er sehr zufrieden. Wenige Jugendliche interessierten sich für einen solchen Club. Es war eben ein Sport für… wie Nioh sagen würde für Langweiler und Reiche. Nicht, dass er damit Yagyuu zu nahe treten wollte, aber das war seine Sicht der Dinge und damit hielt Nioh eher selten hinterm Berg. Dafür machte es zu viel Spass zu sehen, wie die Leute empört reagierten. Man konnte wirklich sagen, dass Nioh es liebte zu provozieren. Dann fühlte er sich einfach am wohlsten. Sehr zum Leidwesen von Familie und Freunden. Und so ziemlich jedem anderen, der Nioh kannte.

„Hab ich etwas im Gesicht?“, fragte Yagyuu, nicht wirklich verunsichert sondern schlicht mit dem Ton in dem man mit Nioh sprach. Mit jemandem, der stets Unsinn im Kopf hatte. Man war sich allerdings nie ganz sicher ob man gerade von ihm veralbert wurde oder ob er gerade aus einem ernsthaften Grund einen so ansah.

„Nein, ich hab mich nur gefragt wie du den Schülerrat und deinen Club unter einen Hut bringst“, antwortete Nioh unschuldig, der ohnehin nicht zurück in den Mathematikunterricht wollte. Dabei mochte er Mathematik recht gerne. Er war gut darin mit Zahlen zu jonglieren, auch wenn er Kreatives genauso gerne machte. So unwahrscheinlich das klang, seine Streiche verbanden beides. Wenn er nicht so geschickt mit Zeiten, Logistik und Kreativität wäre, wären die meisten seiner Streiche nicht durchführbar. Unbestreitbar wichtig war es übrigens auch eine Menge Mut zu besitzen. Man musste für seine Vergehen gerade stehen und sie nicht anderen zuschieben. Alles andere war erlaubt. Also Leugnen, Tricksen, die Wahrheit zu seinen Gunsten verdrehen, Flüchten… es gab für Nioh immer mehr als einen Weg aus einer Situation unbeschadet rauszukommen. Das war ja das Schöne.

„Ich gehe nach dem Schülerrat. Das ist schliesslich eine wichtige Verpflichtung“, erklärte Yagyuu ruhig. Das Schülerratsmitglied wusste zumindest im Ansatz wie gefährlich Nioh sein konnte. Es war besser sich nicht zu lange mit ihm abzugeben. Nichts desto trotz gab es Mädchen, die diesen Störenfried durchaus attraktiv fanden. Wieso konnte er nicht verstehen. Nioh war schlampig und das Dauergrinsen musste einen doch wahnsinnig machen. Vielleicht lag es daran, dass Mädchen ‚böse‘ Jungs mochten, weil sie glaubten ihn zu zähmen. Yagyuu hielt das bei jemandem wie Nioh für Utopisch, aber er durfte sich kein Urteil erlauben. Er kannte den Weisshaarigen dafür doch zu wenig. Aber das musste er auch gar nicht und darum wandte er sich zum gehen um seinen Pflichten nachzukommen.

„Du gehst schon, Yagyuu?“, hörte er die bedauernde Stimme, deren Besitzer ihm sogar folgte.

„Ja, ich muss in den Schülerrat wie schon erwähnt und du in die Klasse“, erwiderte Yagyuu und schob seine Brille hoch. Er war geduldig, aber er geriet so noch in Verzug und das obwohl man ihn hatte früher gehen lassen.

„Ach, so eilig hab ich es nicht. Ich begleite dich doch gerne“, tönte es recht frech von Nioh.

„Die Mathematikstunde geht weiter Nioh-kun“, wiederholte Yagyuu und war sich recht sicher, dass der andere nicht auf ihn hörte. Irgendwie hatte er das schon an ihrem ersten Schultag gespürt, als Nioh eine arme Drittklässlerin geärgert hatte. Arm nicht aus dem Grund weil Nioh sich ihr genähert hatte und sie angrinste, sondern weil sie mit ihm verwandt sein musste. Es gab doch eine gewisse Ähnlichkeit, die absolut nicht zu verschweigen war. Nioh Niina war im Gegensatz zu ihrem Bruder wesentlich ruhiger. Zumindest war sie nicht Schulgespräch Nummer Eins.

„Die Mathestunde geht auch ohne mich weiter“, meinte Nioh grosszügig und schritt neben seinem neuen Opfer her. Yagyuu hatte nicht die blasseste Ahnung, was er vorhatte. Genau darum musste er vorsichtig vorgehen, sonst würde das hier in einem Fiasko enden. Das war in seiner Lage nicht wünschenswert. Dabei hatte er das heutige Training noch gar nicht einberechnet.

Vorbereitung – Gerüchte und Wetten

Tatsächlich hatte der Weisshaarige den zukünftigen Schulsprecher bis zum Zimmer des Schülerrates begleitet und war dann in aller Seelenruhe zurück. Der Lehrer war natürlich nicht begeistert gewesen, aber damit kam Nioh klar. Damit mussten die Lehrer klar kommen. Als Nioh nach Grundschule auf die Rikkai kam, hatte es Gerüchte gegeben. Gerüchte, dass der seltsame Nioh Masaharu in der Grundschule Probleme gehabt hatte und seine Eltern deshalb hierher gezogen waren. Er hätte die halbe Schule in die Luft gesprengt und seine Mitschüler hätten ihn gemieden. Nachdem die Schulpsychologin ihm nicht mehr Herr wurde, hätte man ihn von der Schule geworfen. Er wäre ein ganz seltsamer Typ. Das Ganze hatte man natürlich aufgebauscht. So waren Schüler eben, wenn sie ein Thema brauchten und die Tage besonders langweilig waren. Als man den Jungen mit den weissen Haaren sah, gab es auch keinen Zweifel, dass er Ärger machen würde. Wer färbte auch seine Haare so? Das konnte doch nur ein Störenfried sein.

Trotzdem hatte sich Nioh rasch eingelebt und er war dem Tennisclub beigetreten. Die Mädchen erkannten, dass ein böser Junge durchaus seine Reize hatte und Niohs Scherze waren meist harmloser Natur. Mit Plastikspinnen auf dem Pult und ähnlichen konnte man das Leben vereinbaren. Die Jungs sahen, dass Nioh gewisse Prinzipien hatte und sich meist nicht genötigt fühlte sich zu irgendwas zu zwingen. Er folgte nicht der Menge, sondern sah sich nach der besten Möglichkeit für sich selbst um. Wenn die etwas schwieriger schien, war das völlig in Ordnung. Den Lehrern fiel auf, dass sie einen cleveren aber rebellischen Jungen vor sich hatten. Mit den richtigen Anreizen war Nioh sogar fast erträglich. Auch für ihn hatte sich die Rikkai als gute Wahl herausgestellt. Seine Schwester war hier, der Tennisclub genoss einen guten Ruf und er konnte neu anfangen. Das kam ihm sehr gelegen. Die Leute gewöhnten sich an Nioh und er sich an sie. Das war eine gute Sache. Zum ersten Mal in seinem Leben begann die Schule wirklich Spass zu machen. So konnte er es aushalten.

„Nioh! Hör auf Löcher in die Luft zu starren, sonst kannst du rennen“, bellte Sanada, was bei Nioh ein Grinsen auslöste. Ah, kaum war er auf dem Platz hörte er die Stimme, die ihn damals dazu gebracht hatte sich mal für etwas anzustrengen. Etwas was sehr selten passierte und es gab wenige Leute, die wussten wie man Nioh motivierte. Sanada hatte ihm im ersten Jahr – mit seinem nicht unerheblichen Talent war er schon als Erstklässler bei den Regulars – klar gemacht, dass er ihn nächstes Jahr im Team sehen wolle. Dafür solle er gefälligst seine Schulnoten so hoch wie möglich halten. Das hatte er auch fertig gebracht und war nicht gerade wenig stolz drauf.

„Jetzt schon? Es ist viel zu früh um schon zu rennen“, meinte Nioh und grinste.

„Nioh, ich wiederhole mich nicht, also auf dem Platz mit dir“, knurrte Sanada, was Nioh dazu brachte noch breiter zu grinsen. Ja, Sanada mochte dafür gesorgt haben, dass er sich mal anstrengte, aber gleichzeitig zeigte er immer noch zu wenig Respekt für ihn. Zumindest nicht offensichtlich.

„Haben wir eigentlich schon ein zweites Doppel?“, wich der Jüngere vom Thema ab.

„Nein, immer noch nicht.“

„Ich wette du bekommst auch kein Anständiges zusammen.“

Sanadas Augenbraue zuckte gefährlich bei dieser Frechheit des Jüngeren. Wollte er ihm gerade vorwerfen, er würde das nicht fertig bringen? Nein, noch schlimmer, er warf das Yukimura vor. Das kam Rufschändung gleich und würde mit vielen Runden bestraft werden. So vielen, dass der Weisshaarige es nicht so bald wieder wagte ihm so frech zu kommen.

„So, meinst du?“

„Zweihundert Runden, Sanada, wenn ich bis nächsten Freitag niemanden für unser zweites Doppel bringe.“

„Das ist grössenwahnsinnig und schlicht unmöglich.“ Die Stimme war ruhig. Sanadas Stimme war – wenn Nioh so nachdachte – eigentlich oft ruhig. Selbst wenn er wütend war, klang seine Stimme recht ruhig. Aber es war diese Art von ruhig, wie ein besonderes scharfes Katana aus der Scheide fährt um den Feind zu erschlagen. Sanadas Art von ruhig war gefährlich und sie konnte, wenn er wütend war ganz speziell sein. Sie war auf eine ruhige Art wütend und doch… Vielleicht redete es sich Nioh einfach schön.

„Gut dann bis in zwei Wochen. Wenn ich es nicht schaffe, Sanada, werde ich das restliche Semester mein Training mit Laufen verbringen.“

Diese Worte hatten Nioh ins Vergängnis geführt und dass Sanada natürlich eingewilligt hatte. Diese Worte waren es, die Nioh in seinem Anfall von Grössenwahn so von sich gegeben hatten und den Startschuss für diese interessante Episode im Leben von Nioh Masaharu gegeben hatte. Er konnte nun nicht mehr zurück. Fliehen war zwecklos und lag nicht im Naturell des schwierigen Jungen. Zumindest nicht gerade jetzt.

Sanada sah Nioh an, als hätte er gerade versucht ihm klar zu machen, dass er hoffnungslos verliebt in Yukimura war. Es war die reine Wahrheit so nebenbei gesagt und Nioh fand, dass nicht einmal ein Blinder die Liebe zwischen ihnen übersehen konnte. Nioh sah sie mehr als deutlich und langsam musste er sich über dieses Problem kümmern. Aber leider stand das auf seiner grossen Liste etwas weiter unten. Ganz oben stand jetzt ihr zweites Doppel. Amor spielen würde er später für diese beiden Überblinden. Jeder hatte es kapiert nur sie beide anscheinend nicht. Wie konnte man nur so blind sein?

„Dir ist klar, dass ich dich beim Wort nehme?“, fragte Sanada, der nicht wusste, dass ihn Nioh im Geiste blind nannte. War bestimmt besser so.

„Ist mir bewusst, Sanada, ist mir bewusst“, antwortete der Trickser ehrlich. Eine ziemlich seltene Regung beim Trickser. Es war nicht so, dass er chronisch log, überhaupt nicht, aber die Leute hatten sich daran gewöhnt alles was er sagte sich nochmals durch den Kopf gehen zu lassen. Ausser seiner eigenen Mutter. Sie wusste sofort wenn er sie anschwindelte. Mütter liessen sich nicht austricksen. „Ach ja ich muss heute früher weg“, fügte er an und machte sich schon bereit wieder Runden laufen zu müssen. Sanada schien das zu lieben. Wahrscheinlich glaubte er, es stähle nicht nur den Körper sondern auch den Geist. Das mochte ja auf Kendo zutreffen, aber Tennis war ja wohl eine ganz andere Welt. Das sollte der Herr Samurai noch lernen. War nicht eine der sieben Tugenden, die im Weg des Kriegers galten, die Wahrhaftigkeit? Sanada sollte lieber ehrlich zu sich selbst sein und erkennen was zwischen ihm und Yukimura lief. Unaushaltbar die Beiden. Verheerend wieviel Wissen Nioh im Stande war anzuhäufen und sich dabei äusserst wohl zu fühlen. Dass Nioh drauf und dran war einiges über den Weg des Krieges zu lernen ohne es bewusst zu wollen, ahnte er trotz seines Wissens nicht.



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