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Ein philosophisch-moralisches Paradoxon

oder wieviele Züge braucht man, um Seto Kaibas Herz zu gewinnen?
von

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trial and error

Ich weiß nicht, wann mir der Gedanke zum ersten Mal gekommen ist. Ich kann mich nicht daran erinnern, wann sich unsere Spiel für mich verändert hat. Es ist einfach passiert, ich weiß nicht einmal warum und es ist mir inzwischen auch egal.
 

Ich habe lange darüber nachgedacht, ja, ich habe nachgedacht. Du würdest es mir sicher nicht glauben. Nein, wahrscheinlich denkst du sogar, dass ich nicht dazu in der Lage bin. Nun, das kümmert mich nicht. Warum auch? Ich weiß wie es ist und es ist ebenso. Also...
 

Was soll ich sagen? Die Wahrheit. Was bringt es schon die Wahrheit zu verleugnen. Aber glaub ja nicht, dass mir das Spaß macht oder auch nur leicht fällt.
 

Komisch, jetzt wo ich mir sicher bin, könnte ich es tatsächlich in die Welt hinaus schreien. Verrückt was? Das tue ich natürlich nicht. Wozu auch? Wen würde es schon kümmern? Ich wüsste keinen. Ich kenne auch niemanden, der es verstehen würde. Ich verstehe es ja selbst nicht einmal.
 

Ausgerechnet du... Von allen Menschen und es gibt ja genug, muss ich mich in dich verlieben. Ist das nicht verrückt? Nein, es ist absurd. Vollkommen und unwiderruflich, aber hey, es ist eben so. Was soll ich machen? Ich habe es mir nicht ausgesucht. Ich will es auch nicht, aber gegen so ein Gefühl kommt man nicht an. Ich hab es versucht, glaub mir. Ich habe alles mögliche angestellt, um mich abzulenken. Ich hatte unzählige Dates, eines verrückter als das andere. Ich hab es mit Sport versucht. Sogar mit Lernen!! Aber nein. Kein Entrinnen, kein Entkommen. Du bist es und das Warum spielt wohl auch keine wirkliche Rolle. Die Dinge sind eben wie sie sind. Und ich weiß, dass ich es dir sagen muss.
 

Vielleicht ist das noch verrückter als es zu fühlen.
 

Ich meine, es dir zu sagen, dass ist viel schlimmer als mir einzugestehen, dass es so ist. Ich fürchte mich davor. Aber ich muss es tun. Glaube ich zumindest. Dieses Gefühl ist einfach zu groß, um es alleine zu ertragen zu können. Es ist zu süß, um es zu verdrängen und zu grausam, um ihm Stand zu halten. Ist das immer so? Ich weiß es nicht. Es ist ja das erste Mal, dass mir so was passiert. Ich meine, dass ich mich verliebe. Oder liebe ich schon? Hm...

Dabei dachte ich immer, dass ich dich eigentlich verachte, ja, sogar hasse, wobei das schon ein starkes Wort ist.
 

Soll ich es auf sich beruhen lassen und vergessen? Wäre das besser?
 

Es bringt ja schließlich nichts. Wohin soll es auch führen? Was erwarte ich? Dass du mir sagst, dass du das Gleiche fühlst? Oh, welch herrliche Illusion. Aber Illusionen sind eben von Natur aus süß, nicht wahr? Sie müssen es sein.
 

Genau wie Träume.
 

Träume müssen auf jeden Fall unrealistisch sein, denn in dem Augenblick, in der Sekunde, in der man bekommt, was man sucht, will und kann man es eigentlich nicht mehr wollen! Damit man weiterhin existieren kann, müssen die Objekte der Begierde immerwährend unereichbar sein. Das ist nicht das „Es“, was man will, sondern der Traum vom „Es“! Also unterstützt die Begierde Träume, die verrückt, ja, abwegig, sind! Vielleicht sind wir nur wirklich glücklich, wenn wir das zukünftige Glück in Tagträumen erleben! Oder wenn wir sagen: „Die Jagd ist schöner als das Töten“ oder „Gib acht darauf was du dir wünscht“! Nicht weil man es bekommt, sondern weil man dazu verdammt ist, es nicht mehr haben zu wollen, wenn man es hat!
 

Ach, was weiß ich.
 

Ich glaube, in meinem Kopf herrscht gerade absolutes Chaos. Oder mehr Chaos als je zuvor. Ist ja auch logisch, ich meine, in meinem Zustand. Und überhaupt! Wie soll ich da klar denken? Immerhin muss ich dich auch noch fast täglich sehen. Hast du eine Ahnung wie qualvoll das ist? Und sich dabei nichts anmerken zu lassen, ist echt ne Leistung! Die würdest du mir sicher nicht zutrauen, was? Aber ich täusche dich nun schon eine ganze Zeit. Und nicht nur dich, auch meine Freunde.
 

Und dabei jage ich einem Traum hinterher oder einem Alptraum. Naja, wenn´s um dich geht, dann trifft irgendwie beides zu.
 

Aber selbst meine philosophischen Gedanken über Träume und Wünsche und Begehren und so, helfen nicht wirklich. Es ist ja schön und gut, mir einzureden zu versuchen, dass ich dich nicht wirklich will, sondern einer fixen, abstrakten Idee nachjage, eben weil sie so fix und abstrakt und unerreichbar ist und auch besser so bleiben sollte, weil ich dich in der Realität sowieso nicht würde haben wollen. Aber falsch! Ich hätte nichts dagegen einzuwenden, wenn es wahr werden würde. Doch vielleicht mache ich mir da nur auch wieder was vor. Ich weiß es nicht.
 

Ich weiß gerade gar nichts. Nur, dass es wahrscheinlich zu nichts führt. Dich zu lieben, meine ich. Denn du wirst ganz sicher nicht das Gleiche fühlen. Wie könntest du auch? Du fühlst nichts. Nicht einmal die Illusion dessen, was man fühlen könnte. Vielleicht bist du der Glücklichere von uns beiden. Vielleicht hast du sogar Recht damit, wenn du behauptest, Gefühle stünden einem nur im Weg.
 

Also...
 

Soll ich aufgeben ohne es zu versuchen? Soll ich zufrieden sein mit den Dingen, so wie sie sind? Ich weiß es eben nicht. Aber ich weiß, dass ich es dir sagen muss. Ja, da komme ich nicht herum. Ich muss es sagen und ich muss ertragen was dann folgt. Warum? Ach, das würdest du ohnehin nie verstehen. Ich verstehe es ja selbst nicht. Es ist eben so. Unzählige Menschen vor mir haben so gehandelt und ich werde sicher nicht der Letzte sein.
 

Ich frage mich nur, wie viele Menschen vor mir ihrem Erzfeind erzählen mussten, dass sie ihn lieben. Ob Shakespeare an so eine Situation gedacht hat als er "Romeo und Julia" schrieb? Vielleicht... Aber in Büchern und Filmen gehen solche Geschichten immer gut aus.
 

Bei uns wird es nicht gut ausgehen. (Ok, ist es bei "Romeo und Julia" ja auch nicht unbedingt, aber zumindest haben die sich nicht verachtet und hatten eine schöne Zeit, wenn auch für meine Begriffe zu kurz. Egal.) Bei uns wird es jedenfalls nicht so ausgehen, kein Happy End und kein gemeinsames Dahinscheiden. Letzteres würde ich auch nicht unbedingt wollen. Etwas zu dramatisch für meinen Geschmack und ich bin ja auch noch so jung.
 

Aber was das Happy End anbelangt... Ich weiß es. Ich kenne dich zu gut. Ich weiß wie du reagieren wirst. Ich sehe dich bereits vor mir. Deinen missbilligenden Blick, eine Braue hoch gezogen, die Lippen zu einer schmalen Linie zusammen gepresst. Kalt und unbarmherzig. Der Anblick wird mich schmerzen. Wie könnte er auch nicht? Aber hey, ich werde es überleben. Ja, es wird weh tun, aber ich werde das durchstehen.
 

Soll ich jetzt schon aufgeben? Es gar nicht erst versuchen?
 

Komisch, dass ausgerechnet ich zweifle, was? Ich sage doch immer wieder, dass ich nie aufgebe. Ja, ich betone es stets lautstark. Und jetzt denke ich ernsthaft darüber nach zu kneifen, nur weil ich weiß, dass ich verlieren werde. Im Grunde ist es wie bei einem Duell gegen dich. Ich weiß immer, dass du mit mir den Boden wischen wirst, mal mehr - mal weniger. Aber es endet doch stets auf die gleiche Weise. Du bist der Gewinner und ich - ich schwöre, dass ich mich rächen werde.
 

Was würdest du mir wohl raten, wenn ich dich fragen könnte, was ich natürlich nicht kann, da es um dich geht und du mir ohnehin nie einen Rat geben würdest. Ich schätze, du würdest mir sagen, dass ich der geborene Loser bin und es gleich lassen soll.
 

Aber irgendwas in mir, keine Ahnung was es ist, vielleicht die Zuversicht, die Yugi in das Herz der Karten setzt, irgendwas gibt mir einen kleinen Anflug von Hoffnung. Ja, ja, ich weiß, ziemlich dämlich. Du glaubst ja ohnehin nicht an so was.
 

Was mache ich also?
 

Aufgeben oder einen Versuch wagen?
 

Ich denke, ich werde es versuchen. Ja, schon klar, dass es dämlich ist, aber hey, ich bin eben dämlich. Das weißt du doch. Und vielleicht überlebe ich es ja?
 

Ich schätze, ich brauche eine Strategie. Mit der richtigen Strategie, das sagst du doch immer, erreicht man alles, oder? Also, dann spielen wir mal nach deinen Regeln.
 

Nun denn.... mögen die Spiele beginnen

Einsperrung einer Figur

... oder man verbraucht doppelt soviel Energie, wenn man vorbei schlägt, als wenn man trifft!
 

Er sitzt wie immer kerzengerade auf seinem Stuhl, den Blick auf seinen Laptop gerichtet und die schlanken Finger rasen über die Tastatur als wäre der Teufel hinter ihnen her. Er strahlt absolute Ruhe aus, ist hochkonzentriert und einmal mehr gleicht er einem präzise funktionierenden Computersystem, dass keine Fehler zulässt. Seine Züge zeigen nicht die geringste Regung. An seiner Miene ist weder abzulesen ob die Arbeit ihn langweilt, anstrengt oder ihm auch nur gleichgültig ist. Nichts in seinem Gesicht lässt auf irgendein Gefühl schließen und man könnte tatsächlich glauben, dass er ein perfekt gebauter Roboter ist. Schließlich ist alles an seiner Erscheinung perfekt. Ein Haar liegt wie das andere, keine einzige Falte zeichnet sich auf seiner Schuluniform ab. Makellos ist er, ja... und leblos wirkt er.
 

Unwillkürlich verspüre ich einen Stich und blicke unruhig auf die Uhr auf dem Flur. Noch fünfzehn Minuten Pause. Dann wird es läuten und die Schüler werden wieder ins Klassenzimmer stürzen. Das Geräusch, dass seine Finger mit der Tastatur machen, wird übertönt werden von unruhigem Gerede, Gelächter und Gekicher und schließlich wird unser Lehrer erscheinen und den Unterricht beginnen.
 

Fünfzehn Minuten Zeit habe ich also.
 

Unruhig trete ich von einem Bein auf das andere und kaue auf meiner Unterlippe.
 

Soll ich es wirklich wagen?
 

Gestern Abend war ich noch fest entschlossen. Ja, ich habe die Szene in Gedanken mindestens zwanzig Mal durchgespielt und versucht jedes Details zu bedenken. Ich habe den Zeitpunkt gewählt und mir meine Worte zurecht gelegt, aber augenblicklich habe ich das Gefühl, dass mein Kopf leer ist und meine gut aufgebaute Strategie für die erste Phase meines Plans gerade den Bach runter geht.
 

Vierzehn Minuten.
 

Ich schlucke.
 

Jetzt oder nie, Joseph Jay Wheeler!
 

Meine Beine sind weich wie Pudding, aber irgendwie schaffe ich es tatsächlich das Klassenzimmer zu betreten. Meine Hand zittert als ich die Tür hinter mir schließe und erst das leise Knacken lässt ihn aufblicken. Für einen Moment sieht er mich erstaunt an, zumindest habe ich das Gefühl, dass sich seine Augen etwas weiten. Dann senkt er wieder den Blick und wendet sich seinem Laptop zu. Mit unsicherer Schritten trete ich langsam auf sein Pult zu und bleibe kurz davor stehen. Wieder hämmert er auf die Tastatur ein und ich frage mich ernsthaft einen Augenblick lang, wieviele Anschläge pro Minute er wohl schaffen mag.
 

Ich atem tief durch und er blickt langsam zu mir auf. Seine Miene ist nach wie vor regungslos und einen kurzen Moment sehen wir uns nur an. Es ist ein seltsames Gefühl in diese Augen zu sehen. Sie sind ausdruckslos und gleichgültig und der Blick, der nun auf mir ruht, ist kalt, eiskalt. Ich spüre wie mir ein Schauder über den Rücken läuft. Ich sehe ihm deutlich an, dass er überlegt. Er analysiert die Situation. Blitzartig natürlich. Ich schätze, mein Erscheinen irritiert ihn ein klein wenig, vielleicht bilde ich mir das aber auch nur ein. Im Grunde müsste es ihn irritieren, dass diese Handlung entspricht nicht unbedingt dem normalen Ablauf. Für gewöhnlich bin ich der Letzte, der in den Raum zurückkommt, weil ich stets die Pause so lange wie möglich auskoste.
 

Doch heute nicht. Heute habe ich andere Pläne.
 

Falls es ihn irritiert, nun dann vermag er es geschickt zu verbergen, aber ich habe auch nichts anderes von ihm erwartet. Er ist ein Meister der Verstellung. Ich kenne niemanden sonst, der seine Emotionen so geschickt zu verbergen vermag wie er. Er zuckt nicht einmal mit der Wimper, aber ich weiß, nein, ich stelle es mir vor, dass es in seinem Kopf zu rattern begonnen hat. Wahrscheinlich durchzucken zwei Fragen sein Gehirn.
 

Was will Wheeler hier? Warum wirkt der Köter so anders als sonst?
 

Ich weiß, dass ihm keineswegs entgeht, dass ich mich augenblicklich anders benehme als sonst. Mein Erscheinen, mein Auftreten, das Schweigen - all das weicht von der üblichen Joey-Wheeler-Norm ab. Und die hat er ganz sicher irgendwo in seinem Kopf gespeichert. Er speichert jede Kleinigkeit. Weil sie irgendwann von Nutzen sein könnte. So tickt er. Das habe ich wiederum analysiert. Ich muss mich bemühen ein Grinsen zu unterdrücken, denn das würde meinen Plan zunichte machen. Die Worte, die ich ihm sagen will, die ich mir genau zurecht gelegt habe, liegen mir bereits auf der Zunge, aber ich presse die Lippen aufeinander, denn er muss den Anfang machen. Er muss das Schweigen brechen. Das ist ein Teil meiner Strategie. Und ich weiß, dass es ihm keineswegs behagt, den Anfang zu machen. Doch dieses Schweigen, die Stille, die nun nicht mehr vom Hämmern seiner Finger auf der Tastatur beherrscht wird, ist für ihn genauso unerträglich wie für mich. Weil für gewöhnlich Stille das Letzte ist, was zwischen uns herrscht.
 

Eine Ewigkeit scheint zu vergehen, in der wir uns nur ansehen und in gewisser Weise bereits ein stummes Duell führen. Ich hoffe insgeheim, dass die Zeit nicht gegen mich arbeiten wird, denn je länger dieses Schweigen andauert, umso größer ist die Gefahr, dass die Pause endet und wir gestört werden. Ich schicke ein Stoßgebet gen Himmel, dass er sich endlich überwindet und das Wort an mich richtet. Mein Herz schlägt mir bis zum Hals und ich hoffe, dass man es mir nicht ansieht.
 

Und der Herr scheint mich tatsächlich zu erhören. Oder irgendjemand anderes im Himmel.
 

Für einen Moment senkt er die Lider und unterbricht damit den Blickkontakt. Die Züge sind immer noch ausdruckslos, kalt und abweisend, aber das kümmert mich nicht. Ich habe nichts anderes erwartet. So ist er immer und so kenne ich ihn. Das ist vertrautes Gelände. Es macht mir keine Angst mehr. Es beunruhigt mich nicht einmal. Denn inzwischen weiß ich, dass es nur eine Maske ist. Selbstschutz. Selbstverleugnung. Furcht. Von allem ein wenig und noch etwas anderes. Ja, das weiß ich inzwischen. Und diese Erkenntnis macht alles was ich bislang über ihn dachte hinfällig. Nicht, dass er mir je einen Blick hinter die Masken gestattet hätte, oh nein, er würde sie nie sinken lassen. Er tut es nicht einmal wirklich bei seinem Bruder. Bei Mokuba nimmt er ein Paar davon ab, doch er trägt so viele... Ich frage mich, ob er sie abnimmt, wenn er abends in sein Bett steigt, ob sein wahres Ich ihm morgens im Spiegel entgegen blickt. Vielleicht nimmt er sie auch nie ab, weil es zu einer Gewohnheit geworden ist, sie zu tragen. Reine Routine.
 

"Was willst du, Wheeler?" unterbricht er schließlich das Schweigen und ich atme innerlich auf. Na, endlich. Die erste Hürde wäre somit genommen.
 

Ich sehe ihm weiterhin stur in die Augen und bemühe mich, meine Züge genauso steinern und ausdruckslos bleiben zu lassen, wie seine stets sind. Ein Kraftakt, wenn man es nicht gewohnt ist, aber ich schaffe es tatsächlich.
 

Ich lasse einige Sekunden, nein, ein, zwei Minuten verstreichen. Eine dramatische Pause, in der ich die Sekunden mitzähle und hoffe, dass er sie nicht durch eine harsche Bemerkung unterbricht. Noch neun Sekunden, dann kann ich etwas erwidern. Er blickt mich ungerührt an und wartet. Aber ich weiß, es ist nur eine Frage der Zeit bis sein Geduldsfaden reißt und er die Augen verdreht und entweder genervt seufzt oder stöhnt. Mein Herz schlägt noch immer viel zu schnell. Herr, lass ihn so lange die Klappe halte bis der richtige Moment gekommen ist! Ich flehe innerlich, äußerlich stehe ich ruhig und kontrolliert vor ihm und ich kann spüren, dass es ihn irritiert. Es muss seltsam für ihn sein, wenn er sich mit seinen eigenen Waffen konfrontiert sieht.
 

"Das Glück liegt demjenigen zu Füßen, der nicht auf ihm herumtrampelt." sage ich schließlich klar und deutlich und mit einer unerschütterlichen Ruhe, die ich keineswegs in dem Moment verspüre.
 

Ich sehe, dass Erstaunen in seinen Augen aufblitzt. Ungläubigkeit und Verwunderung. Es lässt sich nicht verbergen, denn meine Äußerung trifft ihn vollkommen unvorbereitet. Gleichgültig zu welchem Schluss er bei seiner Analyse dieser Situation gekommen ist, ich bin sicher, dass er keineswegs mit solch einer Äußerung meinerseits gerechnet hat. Und ich... ich verspüre Erleichterung. Keine Genugtum, weil ich mir klar darüber bin, dass ich ihn ein klein wenig aus der Fassung gebracht habe und die Berechnungen seines Verstandes gerade irritiert. Ich bin schlicht und ergreifend erleichtert, weil ich die erste Phase erfolgreich hinter mich gebracht habe. Und mein Timing war perfekt. Denn kaum habe ich die Worte gesagt, die ich mir reiflich überlegt habe und heute Morgen noch ein paar Mal laut vor mich hin gemurmelt habe, ertönt die Schulglocke. Ich lasse noch fünf Sekunden verstreichen, dann wende ich mich von ihm ab und begebe mich zu meinem Platz. Ich achte nicht auf seine Reaktion. Ich konzentriere mich nur auf mich und darauf mich an mein Pult zu setzen, meine Bücher vor mir abzulegen und nach vorne zu blicken. Ich bin sicher, dass sein Blick mir verwundert gefolgt ist, doch ich vergewissere mich nicht. Wenn ich jetzt zu ihm rüber blicke, dann geht ein Teil der Wirkung flöten, das weiß ich. Deshalb starre ich ruhig auf die Tafel und hoffe, dass sich unser Klassenraum schnell füllen wird.

Bauernumwandlung

Drei Tage sind nun vergangen seit ich dir gegenüber diese Äußerung gemacht habe, die dich - so hoffe ich - zum nachdenken gebracht hat. Nun, es reicht eigentlich schon aus, dass sie dich verwirrt.
 

Ich konnte dir ansehen, dass du während des Unterrichts darüber nachgedacht hast. Vielleicht nicht die ganze Zeit, aber zehn Minuten reichen durchaus aus und ich glaube, dieser Satz und mein Verhalten geraten auch keineswegs so schnell in Vergessenheit. Immerhin bin ich eindeutig von der Norm abgewichen, nicht wahr? Und so etwas kannst du nicht ignorieren.
 

Tja, genau darauf basiert nun auch meine Taktik und ich muss sagen, es ist wirklich schwer sie umzusetzen, aber der Versuch ist es wert und die Tatsache, dass die erste Phase Erfolg hatte, beweist meine Theorie.
 

Ich hatte den Eindruck, dass du versucht hast, mich nach dem Unterricht anzusprechen. Vielleicht täusche ich mich, aber normalersweise verschwindest du immer als Erster aus der Klasse. Nun, an dem Tag nicht. Vielleicht hattest du aber auch kein dringendes Meeting, wer weiß. Zum Glück ist auf Yugi Verlass, denn wie immer wich er mir nicht von der Seite und wie ich richtig vermutet hatte, würdest du mich keineswegs vor ihm ansprechen. So wichtig war es dir dann auch wieder nicht, nicht wahr? Darauf habe ich allerdings gebaut.
 

Die nächsten Tage waren wirklich eine Zerreißprobe, das muss ich schon sagen. Zum einen, weil ich mir größte Mühe gegeben habe, Dir aus dem Weg zu gehen, natürlich ohne dass einem meiner Freunde dieser Umstand auffällt. Das hätte nur Fragen nach sich gezogen. Fragen wird es noch früh genug geben.
 

Nun, es ist mir relativ gut gelungen und ohne falsche Bescheidenheit muss ich sagen, dass ich mich auch bei unseren Aufeinandertreffen unter Kontrolle hatte, was gar nicht mal so leicht ist, das kannst du mir glauben! Immerhin provozierst du mich genauso gerne wie ich dich. Und nach meiner kleinen Aktion neulich schien es dir wohl ein Bedürfnis, dies zu tun. Tja, Pech. Ich war die Ruhe selbst. Zumindest äußerlich. Dein "Köter" habe ich nur mit einem Schulterzucken quittiert und auf deine anderen verbalen Attaken bin ich überhaupt nicht eingegangen. Brachte mir übrigens ein Lob von Tea ein. Sie meint, ich hätte mich im Gegensatz zu dir sehr erwachsen verhalten.
 

Dich hat das natürlich irritiert, nicht wahr? Ich habe es dir angesehen. Es ist schließlich eine Veränderung von dem normalen, montonen Ablauf der Dinge, so wie du ihn schätzt. Du magst keine Veränderungen. Das weiß ich. Weil man sie eben nicht vorhersehen kann, sie sind nicht berechenbar. Aber notwendig. Manchmal tun sie weh, manchmal machen sie uns Angst, aber nun, ich denke, es kommt darauf an wie man mit ihnen umgeht.
 

Meine Gefühle für dich haben mein Leben auch ganz schön verändert, das kannst du mir glauben. Ich habe das nicht so einfach weggesteckt, wie es vielleicht erscheinen mag. Die ersten Tage habe ich mit Verleugnung verbracht. Ja, das schien mir das effektivste Mittel. Nur, dass es nicht funktioniert hat. Leugnen führt zu nichts. Es ändert auch nichts. Die Dinge verschwinden nicht, nur weil man sie versucht auszublenden.
 

Im Prinzip ist es ähnlich wie bei diesen Trauerphasen, du weißt schon. Tea hat mir das mal erzählt. Was im Grunde schon eine gewisse Ironie ist, oder? Ich meine, Trauer mit sich verlieben zu vergleichen. Aber es ist tatsächlich so, zumindest in meinem Fall, ich kann ja nicht für jeden reden. Aber meine Lage ist ja auch nicht unbedingt vergleichbar mit der Allgemeinheit. Sich in den Erzfeind zu verlieben, ist eher der Eintritt in eine Extremsituation.
 

Also, am Anfang stand die Verleugnung. Ich wollte es nicht wahr haben. Frei nach dem Motto: "Es darf nicht wahr sein, ich werde erwachen, das ist nur ein böser Traum!" Ist ja auch verständlich, oder? Dann brachen die Emotionen nur so aus mir heraus. Das volle Programm. Von Wut bis Ruhelosigkeit. Ich konnte sogar nicht schlafen. Gut, das lag auch daran, weil ich abends, allein im Bett, dauernd an dich denken musste und naja, diese Gedanken waren nicht unbedingt mit Entsetzen verbunden.
 

Anschließend habe ich Orte unserer gemeinsamen Begegnungen aufgesucht. Ja, ich geb´s zu, ich hing sogar ab und an vor deiner Firma rum.
 

Tja und schließlich habe ich es mir dann eingestanden und mich damit abgefunden und - was noch wichtiger ist - versucht nach vorne zu blicken. Dabei bin ich auf diese Idee gekommen. Also, diesen Versuch.
 

Aber zurück zum Wesentlichen.
 

Die zweite Phase meines Plans läuft also schon. Morgen werde ich sie offiziell einläuten. Ich denke, drei Tage Wartezeit sind genug. Ein Tag wäre zu wenig gewesen und eine Woche zuviel, also sind drei Tage die goldene Mitte.
 

Ich frage mich, was du gerade denkst. Sind meine Berechnungen richtig und du machst dir wirklich Gedanken über mein absonderliches Verhalten, wenn du gerade mal nicht dabei bist Firmen zu übernehmen oder neue DuelMonster-Strategien gegen Yugi zu entwickeln. Ich hoffe, dass ich Recht habe. Davon hängt schließlich alles ab, aber hey, ich bin zuversichtlich. Ja, das bin ich wirklich. Keine Ahnung, worauf dieser Optimismus basiert, vielleicht entspricht er einfach meiner Natur. Ist ja auch egal, oder?
 

Nein, ich bin eigentlich sicher, dass du dir Gedanken machst. Heute Morgen hast du es jedenfalls. Ich war aber auch gut. Dein "Na, Köter, mal wieder eine Nacht im Hundeheim verbracht?" hat mich zwar nicht kalt gelassen, aber ich habe mir äußerlich nichts anmerken lassen. Ich weiß, dass du mit irgendeiner plumpen Erwiderung gerechnet hast, du hast mir auch genug Zeit gegeben, eine zu finden, aber ich stand nur da und habe nichts gesagt. Meine Miene war so ausdruckslos wie deine es sonst ist und ich konnte sehen, dass dir dein spöttisches Grinsen vergangen ist. Dass Joey Wheeler einmal nicht auf deine Angriffe anspringen würde, damit hast du wohl nicht gerechnet, was? Ich glaube, du warst sogar enttäuscht. Ja, einen Moment lang hatte ich echt den Eindruck.
 

Glaub mir, ich habe gut darüber nachgedacht ob ich diese Grenze überschreiten will. Ich hab mich gefragt, ob es nicht vielleicht nur die Neugier ist, die mich antreibt. Der Wunsch das Altbekannte gegen das Neue einzutauschen, so ne Art kranke Mutprobe, aber nein, so ist es nicht. Und ich bin mir auch im Klaren darüber, dass ich, wenn ich die Grenze erst einmal tatsächlich überschritten habe, ich nicht so einfach wieder zurück kann. Doch das will ich auch gar nicht. Nicht jetzt, wo ich eine Vorstellung von dem habe, was mich erwartet.
 

Vielleicht wäre es nie soweit gekommen, wenn ich an diesem Tag nicht mit Mokuba geredet hätte. Im Grunde war es echt ein merkwürdiger Zufall, ich meine, dass ich auf ihn treffe und auch, dass wir reden. Uns über dich unterhalten. Yugi würde es ganz sicher als Schicksal bezeichnen. Vielleicht hat er sogar Recht. Ich weiß es nicht, aber das ist ja auch nicht so wichtig. Das Einzige was zählt ist, dass es passiert ist und ich glaube einfach mal daran, dass es etwas gutes hat, zu etwas gutem führen wird. Aber wir werden sehen, nicht wahr? Zumindest verstehe ich dich nun besser. Das ist doch schon einmal ein Anfang.
 

Und wie gesagt, Joey Wheeler gibt nicht auf. Joey Wheeler hat den Kampf gerade erst aufgenommen und ich befürchte, dieses Mal wirst du der Unterlegene sein, doch ich schätze, das wirst du verkraften können, denn im Grunde hast du ja auch was zu gewinnen.
 

Nun, ich hoffe du bist bereit für den nächsten Zug.

Fesslung

Ein Gedanke ist wie ein Virus, resistent, hochansteckend und die kleinste Saat eines Gedanken kann wachsen. Er kann dich aufbauen oder zerstören.
 

Heute ist es also soweit. Der nächste Zug. Ich habe ihn mir genau überlegt und bin die Möglichkeiten unzählige Male im Kopf durchgegangen. Im Grunde gibt es nicht viel zu beachten. Eigentlich muss ich nur meine neu Haltung ihm gegenüber an den Tag legen und das schaffe ich nun schon seit über 75 Stunden. Allerdings habe ich heute vor noch einen Schritt weiterzugehen.
 

Ich bin unruhig als ich zur Schule fahre. Jede Faser meines Körpers ist nervös und zum ersten Mal werde ich pünktlich sein. In Gedanken gehe ich noch einmal mein Vorhaben durch. Ich sehe es wie einen Film vor mir ablaufen. Ich hoffe, dass es sich gleich auch in der Realität genauso verhalten wird, wie ich es mir gerade vorstelle.
 

Vor dem Schulgebäude angekommen, stelle ich mein Fahrrad ab und beziehe auf der Mauer Position. Von hier habe ich den Schulparkplatz gut im Blick und muss nicht Gefahr laufen, dass Yugi oder die andern mich sehen. Wahrscheinlich rechnen sie ohnehin damit, dass ich erst in einer halben Stunde auftauche. Ich bin gespannt, wann er erscheinen wird. Normalerweise kommt er zehn Minuten vor Schulbeginn. Ob Roland ihn absetzen wird oder er heute selbst fährt? Hm... Für mein Vorhaben spielt es keine Rolle. Einzig die Möglichkeit, dass er die Schule heute aufgrund eines Meetings sausen lassen könnte, würde meinen Plan zunichte machen, aber dann würde ich es eben morgen noch einmal versuchen. Zeit spielt im Grunde keine Rolle.
 

Während ich da sitze und den Parkplatz im Auge behalte, schüttele ich mir eine Zigarette aus meinem zerknautschten Päckchen und zünde sie mir an. Ich inhaliere tief und irgendwie entspannt es mich. Innerlich zittere ich nämlich. Wie vor jedem Aufeinandertreffen mit dir in der letzten Zeit. Einige Autos kommen und halten kurz, Schüler steigen aus und ziehen wie eine Herde Ameisen an mir vorbei - stur zielgerichtet, wie eine kleine Armee von Robotern. Ich lächele unwillkürlich und ziehe wieder an meiner Zigarette. Normalerweise müsste er gleich kommen.
 

Ich spüre wie meine Nervösität zunimmt, was nur natürlich ist in dieser Situation. Soll ich das wirklich tun? Plötzlich bin ich mir nicht mehr so sicher, doch das liegt wohl einfach daran, dass ich jetzt so kurz davor stehe. Lampenfieber. Ich lache bei dem Gedanken. Nun, er passt aber. Immerhin führe ich in gewisser Weise ein Schauspiel auf. Ich spiele eine Rolle, einzig zu dem Zweck, meinen Feind zu verwirren und ihn seiner Sicherheit zu berauben, denn wenn ich möchte, dass Kaiba sich öffnet, dann muss er seine Deckung fallen lassen. Allerdings ist es bei diesem Meister des Selbstschutzes alles andere als leicht.
 

Wer hätte gedacht, dass Joey Wheeler sich einmal mit Machiavelli beschäftigen würde, um die Mechanismen eines Seto Kaibas zu verstehen? Aber extreme Situationen erfordern extreme Maßnahmen. Ein Grundprinzip. Genau wie das Newton´sche Axiom "Actio - Reaktio". Und eben darauf läuft meine Strategie hinaus.
 

Mein Herz schlägt ein, zwei Takte schneller als ich die Limousine endlich vorfahren sehe. Also fährt ihn heute doch Roland. Gut, mir soll es Recht sein. Ich beobachte, wie der Wagen zum stehen kommt und es dauert ein paar Minuten bis Roland aussteigt und sich anschickt Kaiba die Tür zu öffnen. Wahrscheinlich musste Mr. Ohne-mich-läuft-gar-nichts erst noch ein paar Instruktionen erteilen. Ich werfe meine Zigarette auf den Boden und springe von der Mauer. Der Parkplatz ist zum Glück fast leer. Die meisten Schüler sind schon auf dem Schulhof oder gar im Gebäude. Perfekt.
 

Grazil steigt der Firmenchef aus seinem Wagen, richtet noch ein paar Worte an seinen Assistenen, der nickt, und macht sich dann auf den Weg zur Schule. Schon verrückt, dass jemand wie er überhaupt noch zur Schule gehen muss. Er leitet eine milliardenschwere Firma, mit Bilanzen und Buchhaltung kennt er sich sicher besser aus als unser Mathematiklehrer und auch der Rest des Unterrichtsstoffes dürfte ihm wohl vertraut sein. Dennoch muss er täglich herkommen und wie wir anderen seine Zeit absitzen. Natürlich hat er diverse Privilegien. Bei wichtigen Meetings oder Konferenzen ist es ihm gestattet, dem Unterricht fern zu bleiben. Trotzdem hat es etwas surreales und wieder einmal wird mir klar, dass er in keine der zwei Welten wirklich passt, in denen er lebt.
 

Seine Geschäftspartner sind doppelt so alt wie er, einige könnten sicher auch seine Großväter sein. Auf sie wirkt er wie ein Kind, dass zu viel Macht in Händen hält. Und hier... in der Schule, nun, da erscheint er wie ein Erwachsener, der im Körper eines Jugendlichen gefangen ist. Früher habe ich mir nie Gedanken darüber gemacht. Ich habe einfach nur sein Geld, seine Möglichkeiten und seine Arroganz gesehen. Den äußeren Schein. Das Innerste geht viel tiefer, viel, viel tiefer.
 

Sein Blick streift mich für einen Moment, doch seine Miene bleibt ausdruckslos. Ich schätze, dass er überrascht ist mich hier zu sehen. Ich wäre es an seiner Stelle, aber es kümmert ihn nicht weiter. Wieso sollte es auch? Ich mache ein paar Schritte auf das Tor zu, dass den einzigen Einlass zum Schulhof darstellt und warte. Er ist noch gute fünfzehn Meter entfernt. Meine Hände sind plötzlich schweißnass, mein Mund erschreckend trocken. Ich räuspere mich leise und hoffe, dass meine Stimme gleich nicht so heiser und brüchig klingen wird, wie ich gerade vermute. Innerlich bereite ich mich auf meinen nächsten Zug vor.
 

Fesslung.
 

So heißt diese Strategie.
 

Eine Figur wird so festgesetzt, dass sie nicht mehr regelkonform ziehen kann.
 

Ich habe lange darüber nachgedacht, was das genau bedeutet und wie es sich in der Realität bewerkstelligen ließe. Schließlich ist mir eine Möglichkeit einfallen. Allerdings eine sehr riskante, aber was bringt es einen Versuch zu wagen, wenn man nicht bereit ist alles auf eine Karte zu setzen? Wenn ich seine Biographie richtig studiert habe, dann hat er sein Leben lang so gehandelt. Er hat seine Zukunft in eine Schachpartie gesetzt und gewonnen und ich weiß, dass er kein Riskio scheuen würde. Er setzt immer alles auf eine Karte. Strategie hin oder her. So hat er auch gehandelt als er sich mit Yugi auf Pegasus Burg duelliert hat. Er war bereit bis zum äußersten zu gehen. Ich bin es auch.
 

Neun Meter.
 

Ich schlucke und bemühe mich tief durch zu atmen. Wieder begegnet sein Blick dem meinen und ich sehe, dass seine Mundwinkel zu zucken beginnen. Wahrscheinlich wird er gleich den Mund öffnen und eine seiner üblichen sarkastischen Kommentare abgeben. Ich frage mich, was es dieses Mal sein wird.
 

Und genau wie ich es vorhergesehen habe, passiert es dann auch. Ohne in seiner Bewegung wirklich inne zu halten, öffnet sich sein Mund und seine kühle, schneidende Stimme sagt: "Hast du neuerdings einen Wecker, Köter, oder hast du die Nacht hier verbracht?"
 

Ich lächele nachsichtig. Nicht gerade einer seiner besten Sprüche. Er hat besseres auf Lager, aber es ist ja auch noch früh am Morgen. Mein Lächeln und die Tatsache, dass ich nicht impulsiv reagiere irritiert ihn sichtlich, aber er lässt es sich keineswegs anmerken. In den letzten Tagen hat er dieses Verhalten schon an mir beobachten können und auch wenn er nach wie vor nicht weiß wie er es einordnen soll, es trifft ihn nicht mehr gänzlich unvorbereitet. Kaiba vermag es sehr schnell sich anzupassen.
 

Als er auf gleicher Höhe mit mir ist, reagiere ich wie geplant. Es ist genau wie in meinem Kopfkino. Ich drehe mich leicht zur Seite, strecke die Arme aus und packe ihn an den Schultern. Der Angriff überrumpelt ihn total. Er ist nicht fähig darauf zu reagieren. Und es geht alles auch sehr schnell. Ich halte ihn fest und drücke ihn im nächsten Moment gegen die Mauer neben dem Tor. Die Position ist perfekt. Vom Schulhof aus kann uns keiner sehen und nur jemand, der sich auf dem Parkplatz befinden würde, könnte Augenzeuge werden. Ich verspüre Erleichterung, denn die einzig unsichere Variabele in meinem Plan war seine Reaktionszeit. Zudem ist seine Kraft schwer einzuschätzen. Er ist groß und hager, aber das heißt nicht, dass nicht auch Power dahinter stecken kann. Ein Mal habe ich ihn körperlich kämpfen gesehen und da hatte er den Bogen mehr als raus. Aber augenblicklich ist er wie elektrisiert. Der Überraschungseffekt ist eindeutig auf meiner Seite. Ich schätze, dass ich ihn recht unsanft gegen die Mauer gedrückt habe, aber er wird es überleben. Seine Pupillen haben sich geweitet und er starrt mich fassungslos an. Ein leises Keuchen dringt aus seinem Mund. Mein Herz hämmert hart gegen meinen Brustkorb und meine Beine sind weich wie Butter. Ich zittere als ich meine Lippen auf seine lege. Ich bemühe mich es sanft zu tun, nicht zu viel Druck auszuüben. Es soll nur ein Hauch von einem Kuss sein. Nichts mehr. Ich spüre wie er unter meinen Händen erstarrt und ich glaube sogar, dass ich seinen Herzschlag wahrnehme.
 

Damit wäre der Punkt zumindest geklärt. Er hat ein Herz und es schlägt sogar.
 

Vier, fünf Sekunden liegt mein Mund auf seinem, dann löse ich mich von ihm und lasse ihn los. Ich gestatte mir noch einen kurzen Blick auf ihn, gerade lange genug um zu bemerken, dass er immer noch mit seiner Fassung ringt, dann wende ich mich ab und gehe schnellen Schrittes auf den Schulhof.
 

Ich brauche nicht weit zu gehen, dann sehe ich Yugi winken. Ich hebe meine Hand und trete mit einem fröhlichen Grinsen zu meinen Freunden.
 

"Hallo Joey." werde ich von dem Kleinen begrüßt. "Hey, kleiner Kumpel." erwidere ich den Gruß freudig und mein Herz schlägt so schnell, dass ich Angst habe, jeden Moment umzukippen.
 

Tea sagt etwas, aber ich höre ihr nicht wirklich zu. In meinem Rücken spüre ich Kaibas Präsenz. Er hat sich sicher wieder gefasst und schreitet nun auch Richtung Schule. Ich schätze, die Maske sitzt wieder perfekt und nichts erinnert an das was gerade passiert ist. Ich weiß, dass es in seinem Köpfchen rattert. Ich bin sicher, dass er außer sich ist, ja, vielleicht sogar wütend, aber er wird sich nichts davon anmerken lassen und er wird mich auch nicht vor den anderen darauf ansprechen. Dessen bin ich mir sicher. Ich spüre seinen Blick förmlich in meinem Rücken, die eisblauen Augen bohren sich sicher geradezu in mich. Unwillkürlich muss ich grinsen.
 

Meine Knie sind noch immer weich und ich glaube, meine Hände zittern auch noch, aber ich verspüre ein süßes Gefühl der Zufriedenheit und... ein leichtes Prickeln auf meinen Lippen.

Überlastung

Ich wette, dass du augenblicklich ziemlich durch den Wind bist. Ich hoffe es, denn ich bin es auch. Und wie. Ich habe mir unzählige Mal vorgestellt, wie es sein würde, dich zu küssen. Mir ausgemalt wie es sich anfühlen würde. Deine Lippen auf meinen. Ich mag mich gefragt ob sie kalt oder warm sind, überlegt wie sich dein Atem auf meiner Haut anfühlen würde.
 

Glaub mir, ich bin diesen Kuss auf tausend verschiedenen Variationen durchgegangen, seit ich dieses Gefühl für dich entdeckt habe. Wieder und wieder und jedes Mal habe ich ihn mir etwas intensiver und länger ausgemalt.
 

Letztendlich waren es jetzt nur Sekunden. Leider. Aber mehr Zeit durfte ich auch nicht riskieren, denn ich weiß, dass du dich schnell wieder gefasst hättest und das war nicht Sinn der Übung. Aber immerhin hat es genauso funktioniert wie ich es mir vorgestellt habe. Ich habe dich vollkommen überrumpelt. Ich wüsste zu gern, was du in dem Moment gedacht hast, sofern du noch hast denken können. Und danach?
 

Oh, ich habe deine Blick gespürt, den ganzen Tag lang. Du hast immer wieder zu mir rüber geblickt und ich konnte die Fassungslosigkeit in deinen schönen Augen sehen. In deinem Kopf war ein Fragzeichen und ich weiß auch, dass du mich zu gerne zur Rede gestellt hättest, aber nun, noch ist der Zeitpunkt dafür nicht gekommen. Du wirst dich noch ein wenig gedulden müssen, aber das muss ich auch.
 

Soll ich dir etwas verraten?
 

Ich hatte unzählige Ideen im Kopf, wie ich dir näher kommen könnte. Eine verrückter als die andere. Teilweise wirklich haarsträubende Einfälle. Ich habe ernsthaft überlegt ob ich mich vor deine Limousine werfen soll. Warum? Nun, weil ich mir vorgestellt habe, dass du mich dann mit zu dir nimmst und mich verarztet und wir uns tief in die Augen blicken würden... Dann kam mir der Gedanke unseren Lehrer dazu zu überreden, uns ein gemeinsames Projekt zu geben. Oder dich zur Nachhilfe für mich abzustellen. Gut, wahrscheinlich wäre die Umsetzung sogar noch möglich gewesen, aber was hätte es gebracht? Ich glaube kaum, dass ein tiefer inniger Blick in meine Augen genügen würde, um dein Herz zum schmelzen zu bringen. Nein, so leicht ist das nicht. Da bedarf es mehr als dieser Klischees. Die mögen bei Yugi und Tea greifen, aber bei uns? Ich denke, in dem Punkt würdest du mir sofort Recht geben. Hach! Das wäre dann unser erster gemeinsamer Konsens.
 

Aber ernsthaft... all diese Methoden, ja, auch die Idee, dich zum Duell zu fordern oder um einen Job zu bitten oder wer weiß was ich noch alles in meinem kranken Kopf vor hatte, die würden nichts ändern. Es wäre einfach nicht so wie in einem Liebesfilm. Man sieht sich nicht in die Augen und die Feindschaft ist vergessen. So funktioniert das leider nicht in der Realität.
 

Doch zu guter Letzt habe ich jetzt ja einen Weg gefunden. Und ich weiß, der Weg ist das Ziel. Klingt verrückt, was? Aber genauso stellt es sich da. Wenn ich tatsächlich dein Herz gewinnen will, dann muss ich den unbequemen Weg wählen. Und bislang läuft ja auch alles nach Plan. Ich weiß, dass du jetzt noch mehr über mich nachdenkst. Gut, du wirst, dich fragen was in mich gefahren ist, du wirst dir vielleicht auch ein paar Todesarten für mich überlegen, weil ich es gewagt habe, den großen Seto Kaiba zu überrumpeln und auch noch zu küssen. Vermutlich hast du sogar ein paar Theorien darüber angestellt, was mit mir los sein könnte. Aber eins weiß ich. Nichts davon befriedigt dich. Du magst Theorien haben, aber die Antwort hast du nicht. Auf die Wahrheit würdest du vermutlich auch nie kommen. Wie solltest du auch? Ich an deiner Stelle könnte das Rätsel auch nicht lösen. Und ich weiß, dass das mit ein Knackpunkt bei dir ist. Du willst es lösen. Du musst es lösen, weil es dich nicht los lassen wird und dafür werde ich schon sorgen.
 

Die nächsten Züge habe ich mir auch schon überlegt. Ich werde dir keine Gelegenheit geben, mich zur Rede zu stellen. Gleichgültig was ich dafür tun muss, aber ehrlich gesagt, mache ich mir da wenig Sorgen, denn meine Freunde sind praktisch wie ein Schutzschild und ich bezweifle, dass du bei mir zuhause auftauchen wirst. Klar, du könntest sicher in Erfahrung bringen, wo ich wohne, aber das hieße dir eine Blöße zu geben, die du dir nicht geben kannst. Nein, nein... du wirst warten und dich wahrscheinlich sogar fragen was ich als nächstes verrücktes tun werde. Ich hoffe, das Grübeln hält dich nicht zu sehr vom arbeiten ab und du wirst deinen Angestellten dagegenüber dadurch nicht noch ungemütlicher.
 

Manchmal wünschte ich, die Dinge würden einfacher zwischen uns liegen. Wir wären uns einfach so begegnet, ohne DuelMonsters, ohne Yugi und all das andere und hätten uns kennen lernen können. Ja, das wäre definitiv leichter. Und dann wünschte ich mir, dass du deine Gefühle für mich entdecken würdest und in die Offensive gehst. Letzte Sportstunde habe ich mir vorgestellt, dass du mich in der Kabine an die Wand drückst und genau das tust, was ich heute mit dir gemacht habe. Ich glaube, dieser Part passt auch eigentlich besser zu dir. Du bist natürlich der Dominante von uns beiden, nur dass ich augenblicklich gezwungen bin "toping from the bottom" zu betreiben. Zugegeben, es gefällt mir momentan, aber langfristig möchte ich schon, dass du die Zügel übernimmst. Ich glaube, anders wird es ohnehin nicht gehen, oder?
 

Und weißt du was? Manchmal bin ich froh, dass es genauso ist, zwischen uns. Weil ich der festen Überzeugung bin, dass es ein Teil der Wirkung ausmacht. Ich meine, wärst du irgendein netter, gut aussehender Kerl, dann wäre etwas von dem Flair weg. Ich kann es nicht erklären, aber gerade die Tatsache, dass du du bist, macht einen Teil des Zaubers aus. Du bist eben mein Gegenstück, wenn man so will. Aber ich gebe natürlich zu, dass ich auch den wahren Seto Kaiba entdecken möchte. Ich weiß, dass Mokuba dein eigentliches Ich sehr liebt und er dich deshalb so verehrt. Wahrscheinlich hauptsächlich deshalb. Und ich weiß, dass etwas dieses Ich dazu gezwungen hat, sich zu verstecken, sich in den hintersten Winkel deiner Seele zurück zu ziehen.
 

Ja, ich wusste immer, dass es einen Grund gibt, warum du so bist und dass es nur ein Teil dessen ist was dich ausmacht. Aber ich habe mir bis dato nie die Mühe gemacht, den Grund in Erfahrung zu bringen. Er war mir auch egal. Doch wie gesagt, nach dem Gespräch mit Mokuba...
 

Der Kleine stand so verloren neben der großen Limousine und wartet und ich habe ihm gleich angesehen, dass er traurig ist. Traurig und auch enttäuscht und als ich näher zu ihm ging, wurde diese Vermutung durch den Ausdruck in seinen Augen nur bestätigt. Er hat mir dann erzählt, dass er auf dich warten würde, weil ihr ins Kino wolltet und ich meinte darauf, dass ich mich dann wohl besser schnell verabschieden sollte, weil ich dir nicht begegnen will. Tja, und er meinte ganz schlicht: "Er kommt sowieso nicht." Das klang so herzzerreißend, so enttäuscht, dass es mir weh tat. Und irgendwie wusste ich, dass er jemanden zum reden brauchte. Keine Ahnung warum. Wie gesagt, es war reiner Zufall, dass es mich traf. Also haben wir geredet.
 

Wenn ich dich jetzt ansehe, dann fallen mir unweigerlich seine Worte wieder ein. Ok, er hat nur Andeutungen gemacht, was eure Vergangenheit anbelangt, aber das hat eigentlich schon genügt, um Vermutungen anzustellen, was mit dir los ist. Aber denk jetzt nicht, dass meine Gefühle auf Mitleid basieren! No way! Ich hab´s selbst nicht gerade leicht. Meine familäre Situation ist auch nicht unbedingt rosig, auch wenn ich mich nicht wirklich beschweren kann. Klar, ich weiß, dass die wildesten Gerüchte über meinen alten Herrn in Umlauf sind, aber das ist Unsinn. Wir kommen zwar nicht wirklich gut miteinander aus, aber er hat mir nie was getan und er würde es auch nicht wagen. Oder denkst du ernsthaft, dass Joey Wheeler sich vermöbeln ließe? Aber sollen die Leute doch denken was sie wollen. Hey, darin sind wir uns eigentlich auch ähnlich. Mich kümmert es genauso wenig wie dich.
 

Schon seltsam, wir sind so verschieden und doch fühle ich mich dir verbunden. Du, der einsame Firmenchef und ich, der Junge, von dem alle vermuten, dass er in der Gosse enden wird als Raufbold oder gar Stricher. Ich frage mich wie die Leute auf letzteres immer wieder kommen? Immerhin wusste ich bis vor kurzem nicht einmal, dass mich mein eigenes Geschlecht anmacht. Ich bin mir auch jetzt noch nicht sicher ob ich tatsächlich homosexuell bin. Ich meine, ich blicke nicht irgendwelchen Typen hinterher, ich bekomme auch keine komischen Gefühle bei Yugi oder Tristan und Duke, den alle Mädchen anhimmeln, die dich nicht anhimmeln, lässt mich vollkommen kalt. Ich bin wohl auf dich fixiert. Was weiß ich.
 

Ich wüsste gerade zu gern, was in deinem klugen Köpfchen vorgeht. Immerhin werde ich gleich von Mokuba erfahren ob du dich in der letzten Zeit anders verhältst. Und bevor du mir etwas unterstellen willst, nein, ich treff den Kleinen echt nicht um ihn auszuhorchen. Ich werde mit ihm ins Kino gehen. Weil du sicher mal wieder in der Firma fest sitzt und dich nicht losreißen kannst.
 

By the way dich auch nur für ein paar Sekunden zu küssen, war schon ein wirklich tolles Gefühl. So toll, dass ich mir meiner Sache nun noch sicherer bin.

Tempogewinn

Wenn man das Unmögliche ausgeschlossen hat, muss das, was übrig bleibt, die Wahrheit sein, so unwahrscheinlich sie auch klingen mag.
 

"Hey, Mokuba." rufe ich und winke dem Kleinen zu. Er steht bereits vor dem Kino und wartet. Als er mich sieht, erscheint ein breites Grinsen auf seinem Gesicht und die ohnehin schon großen Augen werden noch größer. Ich beschleunige meinen Schritt und bin in wenigen Sekunden bei ihm.
 

"Hallo Joey." begrüßt er mich. "Wartest du schon lange?" will ich wissen und nicke zugleich Roland zu, der natürlich seine Aufgabe, Mokuba nicht aus den Augen zu lassen, nicht vernachlässigt hat. Er erwidert den stummen Gruß und Mokuba schüttelt den Kopf. "Nein, wir sind auch gerade erst gekommen." Ich lächele. Gut, dann war ich heute schon zum zweiten Mal pünktlich. Hey, das ist neuer Rekord, oder?
 

"Ich hab schon die Karten gekauft." unterrichtet mich Kaiba junior und streckt mir ein Ticket entgegen. Ich nehme es an und krame sofort in der Jacke nach meiner Geldbörse. "Wieviel bekommst du?" frage ich, aber er schüttelt den Kopf. "Ich lade dich ein." meint er vergnügt und ich schlucke etwas verlegen. Mokuba hat sicher genug Kohle zur Verfügung, auf jeden Fall mehr als ich, aber trotzdem ist es ein komisches Gefühl, von einem Jüngeren eingeladen zu werden. Aber das Lächeln auf dem Gesicht des Kleinen vertreibt diese Gedanken direkt und er hat mich auch schon am Arm gepackt und mit sich gezogen.
 

"Ich hole sie dann in zwei Stunden wieder ab, Master Mokuba." höre ich Roland gerade noch sagen, dann sind wir im Kino verschwunden.
 

Der Film ist noch besser als erwartet und wir haben eine Menge Spaß. Ich hätte es nicht für möglich gehalten, dass ich mich je in einer solchen Situation mit Mokuba wieder finden würde, aber es ist ähnlich wie mit Yugi. Wir lachen, essen abwechselnd Popcorn und Eiskonfekt und geben unsinnige Kommentare ab. Nur ab und an beschleicht mich das Gefühl, dass eigentlich Kaiba hier sitzen sollte. Aber wäre die Situation dann die Gleiche? Nein, der Kaiba, der jetzt gerade in seiner riesigen High-Tec-Firma sitzt, könnte nie hier Platz nehmen und mit beiden Händen Popcorn in sich stopfen. Allein der Gedanke ist absurd.
 

Wenn ich mir das vorstelle... Kaiba, wie er stocksteif auf seinem Platz sitzt, neben sich ein begeistert jauchzender Mokuba. Wahrscheinlich wäre er in Gedanken bei der aktuellen Börsenlage, gut möglich, dass er sogar seinen geliebten Laptop dabei hätte und Mokubas Äußerungen nur mit einem "Hm." quittieren würde. Wann er sich wohl das letzte Mal einen Film angesehen hat und einfach nur... ausgelassen war?
 

Alleine der Gedanke an einen ausgelassenen Kaiba ist irgendwie... surreal. Abstrakt. Ja, unmöglich im Grunde. Fast schon unerhört.
 

"Joey?" Mokubas Stimme reißt mich aus meinen Gedanken. Ich blicke zu dem Kleinen runter. "Ja?" Er grinst. "Ich hab Hunger. Magst du noch was mit mir essen gehen?" will er wissen. Ich nicke und er scheint sichtlich erfreut.
 

Zehn Minuten später sitzen wir in einem kleinen Imbiss und Kaiba junior ist dabei Unmengen an Nudeln in sich zu stopfen. Erstaunlich wieviel der Kleine futtern kann. Ich bin nach dem Popcorn und dem Konfekt erstmal mehr als satt. Unwillkürlich denke ich wieder an Kaiba. Wann hat er das letzte Mal mit seinem Bruder einen Imbiss aufgesucht? Hat er das überhaupt je getan? Ich bezweifle es.
 

"Worüber grübelst du nach?" fragt er mich plötzlich und ich habe das Gefühl, dass ich rot werde. Ich zögere mit der Antwort. Soll ich ihm tatsächlich die Wahrheit sagen? Nun, warum eigentlich nicht. "Über deinen Bruder." gebe ich also zu und er wirkt überrascht, sagt aber nichts. Doch sein fragender Blick ruht weiterhin auf mir. Ich zucke leicht mit den Schultern. "Ich hab mich gefragt, wann er das letzte Mal so etwas mit dir unternommen hat." höre ich mich sagen und die Miene des Kleinen wird ernster. Er legt seine Stäbchen auf die Schüssel und seufzt. "Seto und ich haben schon ewig nichts..." Er hält kurz inne und überlegt. "Normales mehr unternommen." beendet er schließlich den Satz. Ich nicke. "Naja, er hat ja auch die Firma zu leiten und bei seinem Ehrgeiz..." hebe ich an, aber Mokuba schüttelt den Kopf. "Das ist es nicht allein." widerspricht er. "Unser Stiefvater hat ihn verändert." Er sagt das so entschieden, dass mich ein leichter Schauer überläuft. Seine Augen haben sich etwas verdunkelt und sein Blick ruht auf dem Tisch. "Ich wünschte, wir wären nie zu Gozaburo gekommen." sagt er leise. Ich schlucke und denke an das was er mir bei unserem letzten Treffen gesagt hat. Die Worte, die ihm rausgerutscht sind.
 

Seto versucht alles, um vor sich selbst zu fliehen und die Vergangenheit hinter sich zu lassen. Das gilt auch für unsere gemeinsam Vergangenheit. Er will alle Erinnerungen streichen. Deshalb wird er immer mehr zu einem Roboter... Alles nur wegen Gozaburo.
 

Ich muss daran denken wie Kaiba war als wir ihn kennengelernt haben, ich meine, damals bei dem Duell gegen Yugi. Er war so voller Hass gewesen, aber Yugi hat ihn davon befreit. Doch die Wunden hatte er nicht heilen können. Die sitzen zu tief. Mag sein, dass der Hass ihm damals geholfen hat, den Schmerz zu vergessen. Und nun, wo der Hass verschwunden ist, hat er einen neuen Weg gefunden, um zu verdrängen.
 

"Hast du je versucht mit ihm darüber zu reden?" will ich wissen. Mokuba verzieht den Mund zu einem traurigen Lächeln. "Klar. Immer wieder. Aber er blendet es aus. Ich komme nicht mehr zu ihm durch." erwidert der Kleine. "Weißt du, ab und an habe ich das Gefühl, dass ein Funke des alten Seto aufflackert, doch dann..." Er schüttelt den Kopf und einen Moment lang herrscht betretenes Schweigen. "Was glaubst du, warum er sich so verschließt?" frage ich nach einer Weile. "Ich weiß, eure Zeit bei dem alten Kaiba war für ihn nicht leicht, aber..." Ich breche ab und sehe den Kleinen fragend an. Er sieht so ernst aus, dass es einen so krassen Kontrast zu seiner üblichen Erscheinung darstellt, dass ich unwillkürlich einen Stich verspüre.
 

"Ich glaube..." höre ich ihn nach einigen Minuten sagen. "Er hasst sich selbst."
 

Eine Weile sehe ich Mokuba einfach nur an. Seine Worte hängen bleiern zwischen uns. Ich weiß nicht mit welcher Antwort ich gerechnet hatte, aber ganz sicher nicht mit dieser.
 

Ich brauche nicht nachzuhaken, denn der Kleine spricht von selbst weiter. "Ja, ich denke, er hasst sich selbst. Deshalb bemüht er sich alles andere auszublenden, konzentriert sich nur auf seine Arbeit, das Duellieren." Mokuba schluckt hart und ich sehe ihn weiterhin schweigend an. "Manchmal glaube ich, je mehr ich versuche für ihn da zu sein, umso mehr stößt er mich von sich... Ich weiß, dass er mich liebt und ich weiß auch, dass er alles tun würde für mich, aber er erscheint mir so leer und ausgebrannt, ja, verbraucht."
 

Seltsam, solche Worte aus dem Mund eines Kindes zu hören. Sie klingen so traurig, so bitter und auch so schrecklich erwachsen. Wahrscheinlich ist Mokuba genau wie Kaiba schon sehr früh erwachsen geworden. Äußerlich ein Kind, innerlich...
 

"Gozabura hat etwas in ihm getötet." sagt der Kleine und presst für einen Moment die Lippen fest aufeinander. "Und ich glaube, dass das der Preis war, den Seto für unser Leben bei ihm zahlen musste."
 

Ich nicke, auch wenn ich nicht die geringste Ahnung habe, was genau er damit meint. Ich wage es nicht, ihn zu fragen. Ich bezweifle auch, dass er es mir sagen würde. Ich weiß, der Kleine mag mich. Ja, im Gegensatz zu Kaiba mag er mich und auch die anderen, aber ich bin dennoch Kaibas Erzfeind, wenn man so will, und das weiß er.
 

Und dann...
 

Dann überrascht der Kleine mich.
 

Er hebt den Blick und sieht mich fest an.
 

"Der einzige Mensch, bei dem Seto wirklich noch Gefühle zeigt, bist du." höre ich ihn sagen und es trifft mich wie ein Schlag. Ich starre ihn an und bin nicht einmal in der Lage über seine Worte nachzudenken.
 

"Ja, Joey." Er nickt. "Yugi fordert seinen Kampfgeist und seine Ehre und bei mir ist es Verantwortung und Fürsorge, aber bei keinem außer dir reagiert er mit wirklichen Emotionen. Ist dir das noch nie aufgefallen?"
 

Ich überlege.
 

Er lächelt. "Glaub mir, es ist so." sagt er leise. "Wenn ihr beide aufeinander trefft, dann ist er kein Roboter, dann funktioniert er nicht nur, er reagiert auch. Und er hat sich dabei keineswegs immer so unter Kontrolle wie es scheint. Weil du unberechenbar für ihn bist."
 

Ich starre ihn immer noch an und seine Worte hallen durch meinen Kopf. Ich bin unberechenbar für ihn. Hm... Ja, das bin ich eindeutig. In den letzten Tagen wohl sogar noch mehr. Plötzlich kommt mir ein Gedanke, es ist ein kleines Blitzlicht, mehr nicht.
 

"Hat er... ähm... hat er... irgendwas... über mich... gesagt?" frage ich unsicher.
 

Der Kleine schenkt mir ein unschuldiges Lächeln. Meine Frage beantwortet er allerdings nicht. Er sieht mich einfach nur an und ich habe den Eindruck, dass er überlegt.
 

Und schließlich überrascht er mich ein zweites Mal innerhalb von fünf Minuten.
 

"Was immer du vorhast, Joey. Mach es schnell." Er nickt mir zu und dann weicht er meinem Blick aus. Er greift zu den Stäbchen, nimmt ein paar Nudeln und stopft sie sich in den Mund. Kaum eine Sekunde später verzieht er das Gesicht und meint nur: "Kalt." Ich nicke nur.
 

Das Gespräch ist damit beendet. In Gedanken gehe ich es allerdings immer noch durch. Das tue ich auch als Mokuba und ich uns zehn Minuten später verabschieden und während ich mich auf den Heimweg mache, kommt mir der Gedanke, dass ich gerade einen Läufer bekommen habe.

Verfolgung

Mann, Mann, dein kleiner Bruder hat es echt in sich. Das kannst du mir glauben. Sein Spruch gestern hat mir echt die Sprache verschlagen. Tja, scheint als wäre er schon weiter als wir beide. Zumindest ist er eindeutig weiter als du, aber du bist ja auch zu verbohrt, um dir tiefergehende Gedanken um mich zu machen.
 

Aber hey, er hat mich in meinem Vorhaben nur bestärkt und wie es aussieht habe ich nun auch einen Verbündeten. Wenn das nichts ist!
 

Allerdings habe ich darüber nachgedacht meine Strategie etwas zu verändern oder genauer gesagt, meinen Plan zu beschleunigen. Nicht, weil Mokuba gesagt hat, dass ich mich beeilen soll, sondern weil ich glaube, das die Zeit tatsächlich drängt. Ich meine, wenn Mokuba sich schon solche Sorgen um dich macht...
 

Ich schätze er hat Recht, was diese Veränderung bei dir anbelangt. Gozaburo hat etwas in dir zerstört. Ich frage mich was dir passiert ist. Was auch immer es ist, es muss dazu geführt haben, dass du dich selbst verachtest. Ja, ich glaube auch, dass du das tust. Mokuba liegt richtig mit seiner Vermutung. Und das gibt mir sehr zu denken, weißt du? Ich meine, er kennt dich doch am Besten, oder?
 

Was ist nur passiert, dass dein Herz zu Eis erstarrt ist?
 

Die Frage stelle ich mir immer wieder.
 

Zumindest habe ich es geschafft, dass du über mich nachdenkst. Dein Blick heute morgen hat dich verraten. Noch immer hattest du keine Gelegenheit, mich zur Rede zu stellen, obwohl ich fast in Sorge war, dass es dir gelingen könnte. Aber dann ist Duke aufgetaucht und - Pech für dich. Du wirst weiter grübeln müssen.
 

Wie du wohl meinen Kuss empfunden hast?
 

Zugegeben, es war nicht gerade ein berauschender Kuss. Es ging auch alles zu schnell. Ich hätte mir ja auch zu gerne mehr Zeit gelassen. Ein paar Sekunden sind definitiv zu wenig. Aber immerhin weiß ich jetzt, dass du warme Lippen hast. Oh, und du fühlst dich auch keineswegs eisig an. Im Gegenteil. Ich wüsste wirklich zu gerne, was du in dem Moment gedacht hast. Und was du jetzt denkst, wenn du dich an den Moment erinnerst.
 

Ich habe dich in Verlegenheit gebracht, nicht wahr? Und so was tut man normalerweise nicht mit Seto Kaiba, oder? Ja, ich weiß. Ich bin unmöglich. Aber der Zweck heiligt die Mittel, nicht wahr?
 

Was uns unweigerlich zur nächsten Phase bringt, mein lieber Kaiba. Du bist sicher schon gespannt wie die aussieht, naja, du wärst es sicherlicht, wenn du Kenntnis davon hättest, dass es sie überhaupt gibt. Wie dem auch sei... Ich glaube, dass man bei dir wahrhaftig zu drastischen Mitteln greifen muss. An dein gutes Herz zu appelieren oder gar zu versuchen dein Mitgefühl zu wecken, nun, das scheint mir recht unrealitisch und auch riskant. Nee, in der Hinsicht gehe ich kein Riskio ein. Deshalb bin ich auch von der dramatischen Variante, mich auf´s Dach der Kaiba Corporation zu begeben und dann irgendwas waghalsiges zu tun, nur damit du zu dir kommst, abgekommen. Am Ende hättest du mich noch runtergeworfen. Zutrauen würde ich es dir. Bevor du dir eingestehen würdest, dass du doch ein Herz hast, wäre ich tot, mausetot, und naja, wenn ich tot bin und du checkst, dass du mich doch nicht gehasst hast, tja, dann bringt es mir auch nichts mehr. Aber die Idee hatte ich auch im Vollrausch und bevor ich irgendwas dummes machen konnte, bin ich auch auf dem Badezimmerboden eingeschlafen. Gesoffen hab ich übrigens wegen dir! Aber da war ich auch noch nicht so weit, mit meinen Gefühlen umgehen zu können.
 

Die nächste Phase, Kaiba, beruht auf dem alten sokratischen Konzept der Mäeutik. Ich schätze, das ist dir vertraut. Ich musste mich erstmal einlesen. Yami hat mich auf die Idee gebracht, auch wenn er natürlich nicht wusste, dass er mir damit hilft, dein Herz zu gewinnen. Der Pharao weiß echt ne Menge. Aber lassen wir das, ich weiß ja, was du von dem Ganzen hältst. Ist ja auch nicht weiter wichtig. Jedenfalls hat er mir einen guten Denkanstoß gegeben. Ich habe mich also mit dieser Sache beschäftigt und sie für meine Sache etwas verbessert, wenn man so will. Und naja, ohne falschen Stolz kann ich berichten, dass ich eine philosophische Kriegstaktik entwickelt habe. Gott, wie das klingt. Als müsse ich irgendein europäisches Dorf einnehmen oder so. Und naja, das klingt doch echt nicht nach mir. Ich meine, wer würde mir schon solchen Weitblick zutrauen? Naja, ob ich den wirklich habe?
 

Tja, wir werden sehen, nicht wahr?
 

Bin gespannt wie du gleich reagieren wirst, wenn ich in deiner Firma auftauche. Dank Mokuba weiß ich, dass du da gerade bist und ich weiß auch, dass keine wichtigen Meetings anstehen. Wir haben also Zeit. Ich hoffe nur, dass ich meine Nonchalance bewahren kann, wenn wir gleich miteinander reden. Ich schätze nämlich, dass du, wenn du dich erst einmal gefasst hast, deine übliche Art an den Tag legen wirst. Aber ich habe mir fest vorgenommen mich davon nicht einschüchtern zu lassen.
 

Ach Kaiba, es wird fast wie in alten Zeiten werden. Wir werden uns nichts schenken, nur, dass wir uns nun auf anderer Ebene duellieren. Du wolltest doch mehr Niveau, oder? Bin gespannt, wie du damit umgehen wirst. Und wie du mir meine Frage beantworten wirst.
 

Wer weiß, vielleicht küsse ich dich auch einfach nur. Hm. Verlockende Vorstellung. Aber nein. Wir müssen ja langsam etwas voran kommen, nicht wahr? Aber ein Kuss für den Anfang... so als Intro? Ja, ich finde das klingt gut.

Und dann... Quid pro quo. Oh, das wird dir gefallen, mein lieber Kaiba. Ich weiß es. Und mir erst.
 

Ich bin echt gespannt, wie du damit umgehen wirst...

Räumung

Man muss seine Niederlagen genauso würdevoll hinnehmen, wie man seine Siege feiert!
 

Nervös stehe ich in der Lobby der Kaiba Corporation und versuche mich an dem Gebäudeplan zu orientieren. Leider verstehe ich nur Bahnhof. Entweder ist diese Firma noch größer als es von außen den Anschein macht oder ich habe keinerlei Talent Pläne zu lesen. Zumindest fühle ich mich hilflos angesichts der Etagennummern, Farbsymbolik und was das Pfeilsystem anbelangt... Oh Mann.
 

"Kann ich ihnen helfen, junger Mann?" höre ich plötzlich eine Stimme hinter mir. Ich wende mich um und blicke in ein paar skeptisch drein schauende braune Augen, die mich abschätzend mustern. Die Frau, adrett gekleidet in einem Nadelstreifenkostüm, gibt mir schlagartig das Gefühl hier fehl am Platz zu sein. Sie muss nicht einmal die Nase rümpfen. Ich grinse sie verlegen an und kratze mir unsicher am Kopf.
 

"Ähm... ja." sage ich. Ihre Miene bleibt ausdruckslos, aber ich kann mir denken was in ihrem blonden Köpfchen abgeht, aber das kümmert mich nicht. Immerhin bin ich ein Mann mit Plan, naja, halbwegs.
 

"Ich muss zu Seto Kaiba." erkläre ich und ihre Augen weiten sich einen Moment. "Tatsächlich?" fragt sie in einem Ton, der so scharf ist, dass er mir wohl durch Mark und Bein gehen soll. Ich nicke nur unbeeindruckt. "D- Ihnen ist klar, dass es sich dabei um den Chef dieser Firma handelt?" fragt sie und ich nicke erneut. "Klar, der Name steht auch außen am Gebäude." erwidere ich und muss lächeln, denn sie macht den Eindruck als wolle sie gleich die Hände in die Hüften stemmen und mir einen Vortrag halten. "Haben sie einen Termin?" fragt sie und wir beide wissen wie dämlich diese Frage ist. Nun, wer so blöd fragt, der bekommt auch eine blöde Antwort. Ich seufze. "Natürlich nicht, sonst hätten sie mich wohl sicher erwartet." entgegne ich ruhig und ihre Miene wird noch eisiger. Hey, ich weiß, ich sollte höflicher sein. Erstens bin ich jünger und zweitens... naja, man soll doch immer höflich sein, aber die Kuh geht mir jetzt schon auf die Nerven und ich mag es auch nicht, wenn man mich so behandelt. Also...
 

"Ich bin Fahrradkurier und habe eine Eilsendung für Mr. Kaiba." erkläre ich und fast habe ich das Gefühl, dass sie erleichtert aufatmet. Natürlich schluckt sie meine Lüge. Wahrscheinlich weil Fahrradkuriere so aussehen wie ich es tue. "Wenn das so ist." meint sie und entspannt sich sichtlich. "Die Sendung können sie mir geben und ich..." Ich falle ihr umgehend ins Wort. Tja, Joey Wheeler ist vorbereitet. Mir war schließlich klar, dass ich nicht einfach zur Chefetage gelange und wie gesagt, ich habe einen Plan. "Nope." widerspreche ich kategorisch und verschränke meine Arme entschlossen vor der Brust. "Die Sendung ist eigenhändig zu übergeben. Ich brauche die Unterricht von Mr. Kaiba." erkläre ich und sie mustert mich erneut. "Und ich glaube, dieser Brief ist wichtig." füge ich noch hinzu und blicke auf das Kuvert, das ich vorsorglich mitgebracht habe. Natürlich enthält es keine wichtige Mitteilung und den Umschlag habe auch ich beschriftet. In Rücksprache mit Mokuba. Der hat mir nämlich erzählt, dass Kaiba auf eine dringende Nachricht einer Firma aus Übersee wartet und den Namen eben dieser Firma sage ich der ollen Tante nun auch.
 

Dennoch zögert sie, aber die Dringlichkeit scheint ihr bewusst zu sein und auch meine Entschlossenheit scheint ihr nicht zu entgehen. Eine volle Minute starrt sie mich unschlüssig an. Schließlich seufzt sie kaum merklich und deutet mit einer grazilen Bewegung nach links. "Der Fahrstuhl ist dort hinten. 15. Stock. Büro 212. Dort wird man... ihnen... weiterhelfen." erklärt sie und ich bedanke mich mit einem breiten Grinsen.
 

15 Stockwerke. Wow. War ja klar, dass Kaiba ganz oben zu finden ist. Ich steige in den Fahrstuhl und bin mit mir selbst sehr zufrieden. Teil 1 hat somit hervorragend geklappt. Teil 2 müsste ebenso funktionieren und Teil 3... Ich schlucke. Wir werden sehen.
 

Die größte Leistung besteht darin, den Widerstand des Feindes ohne einen Kampf zu brechen.
 

Ich rufe mir den Satz in Erinnerung und sage ihn im Fahrstuhle wie eine Art Mantra auf. Seltsamerweise beruhigt mich die Phrase, auch wenn mein Herz nach wie vor zu schnell schlägt.
 

Oben angekommen erwartet mich die nächste adrett gekleidete Dame. Fast glaube ich, der gleichen Frau gegenüber zu stehen, aber nein, die Zwei sehen sich ähnlich, aber sie sind keine Zwillinge. Erneut ziehe ich meine einstudierte Nummer ab und erkläre fest entschlossen, dass ich den Umschlag nur Seto Kaiba persönlich aushändigen werde. Die Sekretärin diskutiert allerdings etwas länger mit mir. Kaiba wolle nicht gestört werden, sie wäre bevollmächtigt... Ich nicke zu allem. "Und ich werde entlassen, wenn ich meine Arbeit nicht ordnungsgemäß erledige." sage ich als die Frau eine Atempause einlegt. Mokuba hat mir erklärt, dass man so mit den Damen umgehen muss, die Kaibas Büro wie eine Horde Walküren verteidigen. Er meinte, dass auch er immer Probleme habe, zu Seto zu gelangen, weil er nie gestört werden möchte. Ich halte mich an die Instruktionen des Kleinen und triumphiere letztendlich. Man zeigt mir den Weg zum Allerheiligsten.
 

Meine Nervosität nimmt drastisch zu als ich mir der Tür nähere. Im Film würde man jetzt wohl irgendeinen Choral einspielen und mit einer langen Einstellung auf der Tür verweilen. Ich muss unwillkürlich grinsen. Die Blondine klopft zaghaft an die Tür und öffnet sie ebenso vorsichtig als ein mürrisches "Herein" ertönt. Ich warte ein paar Meter abseits und werde offenbar angekündigt. Erst als die Frau zur Seite tritt, schicke ich mich an näher zu kommen. Mein Grinsen verschwindet unverzüglich und ich versuche so ernst wie möglich auszusehen. Leider hämmert mein Herz so hart gegen meinen Brustkorb, dass ich einen Anflug von Panik verspüre. Zu meinen Glück ist Kaibas Blick auf den Schreibtisch gerichtet als ich eintrete. Die Dame hat sich wieder entfernt und ich schließe die Tür fast lautlos.
 

Verflixt, ich habe das Gefühl, dass man mir langsam den Hals zuschnürt. Vielleicht war das Ganze doch nicht so einen gute Idee. Immerhin bin ich hier in der Höhle des Löwen, wer weiß was...
 

Ich verwerfe den Gedanken schleunigst und sammele mich. Kaiba ist immer noch mit seinen Unterlagen beschäftigt und zum ersten Mal bin ich ihm dankbar dafür, dass er so geringschätzig Menschen gegenüber ist. Meine Schritte sind unsicher als ich näher trete. Zum Glück schaffe ich es, das Zittern meiner Hände zu kontrollieren. Ich sage nichts und es dauert ca. fünf Sekunden bis er aufblickt und realisiert wer vor ihm steht.
 

"Wheeler!" presst er hervor und ja, ich habe ihn kalt erwischt.
 

Eiskalt.
 

Ich muss all meine Kraft aufbringen, um ein Grinsen, sogar ein Lächeln, zu unterdrücken. Ich sehe ihn einfach nur an und versuche meinen Blick so fest wie möglich sein zu lassen.
 

Drei, vier Sekunden sehen wir einander an. Sein Blick drückt Unglaube, Überraschung und Fassungslosigkeit aus. Wenn auch nur für die kurze Zeit. Dann wird sein Blick wieder kühl und ich schätze, dass er sich gefasst hat. Wahrscheinlich Dank der vertrauten Umgebung. Er öffnet schon den Mund, um etwas zu sagen, aber ich komme ihm zuvor.
 

"Es ist eine Kriegsdoktrin, nicht anzunehmen, dass der Feind nicht anrücken wird, sondern sich auf die eigene Bereitschaft zu verlassen, ihm entgegenzutreten - nicht anzunehmen, dass er nicht angreifen wird, sondern Vorkehrungen zur eigenen Unbesiegbarkeit zu treffen."
 

Ja, Joey Wheeler ist mit der Kunst der Kriegsführung vertraut.
 

"Kaiba." sage ich gedehnt und in einem Tonfall, der ihm sicherlich unbekannt ist. Ich schaffe es tatsächlich ernst und ruhig zu klingen, fast so nüchtern wie er. "Ich bin nicht hier um zu streiten. Also bitte ich dich für einen Moment unser altbewährtes Muster von Angriff und Verteidigung, Invasion und Gegenwehr beiseite zu lassen."
 

Fast habe ich das Gefühl, dass seine Kinnlade fällt, aber er presst die Lippen aufeinander, sie werden zu einer schmalen, kaum sichtbaren Linie. Er ist sichtlich irritiert. Er weiß es wohl zu verbergen in dem er sich einfach nicht rührt, aber ich sehe es ihm an. Seine schönen Züge sind mir inzwischen so vertraut, dass ich weiß wann er irritiert ist. Er schafft es nicht einmal, eine seiner perfekt geschwungenden Brauen hoch zu ziehen. Eine Geste, die er sonst mit erschreckender Perfektion beherrscht, so dass man einen könne, dass er diese schon als Kind drauf hatte.
 

Ich überbrücke schnell die Distanz von der Tür zu seinem Schreibtisch und stehe neben ihm bevor er realisieren kann was ich da tue. Ich weiß, dass ich nur noch Sekunden habe bis er sich fassen wird, aber zumindest bin ich jetzt neben ihm. Gleich wird er aufspringen. Ich weiß es. Er wird keineswegs zulassen, dass ich neben ihm stehe und auf ihn herabblicke. Oh nein. Er mag jetzt vielleicht nicht wissen, was hier vor geht oder was er sagen soll, aber er wird automatisch die Größenverhältnisse zwischen uns wieder in Ordnung bringen. Damit folgt er einem natürlichen Impuls.
 

Mein Herz setzt für den Bruchteil einer Sekunde aus als er es tut. Er schiebt den Stuhl nach hinten und ist so schnell auf den Beinen, dass es mir die Sprache verschlagen hätte, wäre ich nicht darauf vorbereitet. Seine Augen sind dunkler als sonst. Sie funkeln mich an und ich ahne, dass er wütend ist. Nicht, weil ich überraschender Weise hier aufgetaucht bin, nicht weil ich ihn aus der Fassung gebracht habe, sondern weil er keinerlei Ahnung hat, was ich vorhabe. Ich bin ein Faktor, den er nicht berechnen kann und das an dem Ort, an dem er die Zügel in der Hand hält, der gänzlich seiner Kontrolle unterliegt. Wieder unterdrücke ich den Impuls zu lächeln und schlagartig werde ich mir seiner Nähe bewusst. Nur wenige Zentimeter trennen uns und ich bilde mir ein sein Herz schlagen zu hören. Ich denke unverzüglich an das Gefühl, dass seine Lippen auf meinen hinterlassen habe. Dieses Prickeln, das mich den ganzen Tag nicht mehr los gelassen hat. Und schlagartig ist da wieder dieses Verlangen. So brennend und stark, dass ich mich beherrschen muss nicht die Hand auszustrecken und seinen Kragen zu packen.
 

"Was zum Teufel-" hebt er an und nun schenke ich ihm ein Lächeln. Ich hoffe, dass er keinen Sarkasmus hinein interpretiert. Er verstummt schlagartig und sieht mich an als wäre ich ein Alien, dass sich anschickt seine Firma zu unternehmen.
 

"Kaiba." höre ich mich selbst vollkommen ruhig sagen und beuge mich dabei etwas zu ihm. "Unsere Kraftproben werden allmählich doch langweilig. Keiner von uns wird dabei je gewinnen." erkläre ich ihm ohne den Blickkontakt auch nur eine Sekunde zu unterbrechen. Er schüttelt kaum merklich den Kopf. So als könne er nicht begreifen was gerade geschieht, als wäre er der Ansicht sich in einem Traum zu befinden, den er abschütteln könne. Er kann es natürlich nicht. Wie sollte er auch? Insgeheim frage ich mich ob er in dem Moment auch an meinen Kuss, unseren Kuss, denken muss. Ein Teil von mir hofft es. Wünscht es sich.
 

Er hat seine Sprache wieder gefunden. "Wheeler, was verdammt noch einmal ist in dich gefahren?"
 

Seine Stimme klingt fast wie immer - fast! Ich glaube, keinem außer mir würde die Nuance an Unsicherheit auffallen. Sein Tonfall ist gewohnt schneidend, scharf und kalt und doch klingt er auch ein klein wenig unsicher. Meinetwegen.
 

Schlagartig fällt mir mein neues Mantra ein. Meine kleine Zusammenfassung meiner eigenen Philosophie.
 

Wenn dir der Feind überlegen ist, geh ihm aus dem Weg! Ist er zornig, reize ihn! Und wenn er ebenbürtig ist, teile mit ihm.
 

Bislang läuft alles genau wie ich es vorher gesehen habe. Ja, jede meiner Berechnungen stimmt. Sogar die Einschätzung wie lange er brauchen würde, um seine Sprache wieder zu finden. Sogar den Wortlaut hätte ich fast 100%ig vorhersagen können. Allerdings hätte ich mit einem "Köter" gerechnet. Aber gut, das ist nur eine geringfügige Abweichung.
 

"Entspann dich, Kaiba." sage ich und schmunzele leicht. "Ich habe nicht vor dir etwas zu tun. Ich bin hier, um mit dir zu reden." Natürlich entspannt er sich keineswegs. Nicht mal ein ganz kleines bisschen. Im Gegenteil. Seine Züge verhärten sich zusehenst. Ich seufze und beuge mich etwas nach vorne. Er weicht nicht zurück. Nicht, weil er es nicht möchte, sondern weil es ihm widerstrebt zurück zu weichen. Mein Atem streift seine Haut und ich spüre auch seinen. Unwillkürlich muss ich schlucken. Ich kann fühlen wie meine Lippen wieder zu prickeln beginnen. Ich sehe wie seine Augen sich weiten und er sich anhebt, endlich zu reagieren. Ich kann es ihm ansehen. Entweder wird er mich gleich packen und schütteln oder aber er wird mich anschreien. Nur noch ein paar Sekunden...
 

"Kaiba." hebe ich von neuem an und das Herz schlägt mir bis zum Hals.
 

Doch bevor ich dazu komme weiter zu reden, passiert etwas Unerwartetes. Etwas, womit ich nicht gerechnet habe und er wohl ebenso wenig. Er macht eine kleine Bewegung auf mich zu und aus einem irgendeinem Grund, ich weiß selbst nicht warum, reagiere ich mit einer Handbewegung. Eigentlich weiß ich selbst nicht was passiert, ich spüre nur, dass ich ihn berühre und er schlagartig erstarrt. Aber nicht so, wie es auf dem Parkplatz war, nein, diesmal ist es anders. Es ist mehr als ein Erstarren und ich kann es auch nicht wirklich beschreiben, aber ich sehe wie sein Gesichtsausdruck sich verändert. Entsetzen tritt in seine Augen. Ja, Entsetzen. Es besteht nicht der geringste Zweifel. Überrascht sehe ich ihn an und er zuckt im nächsten Moment zurück als hätte ihn eine Tarantel gestochen.
 

Ich bin vollkommen irritiert und verstehe nicht was in ihn gefahren ist, aber ich begreife schlagartig, dass ich etwas in seinem Gesicht sehe, dass ich nie für möglich gehalten hätte.
 

Seto Kaiba hat Panik. Fassungsslos starre ich ihn an und es vergehen ein paar Sekunden bis ich begreife was passiert ist. Meine Augen weiten sich und ich glaube ich bringe sogar ein kaum hörbares "Oh" hervor. Meine Gedanken überschlagen sich. Ich möchte reagieren, irgendetwas tun. Ihm etwas sagen. Ich bringe kein Wort davor.
 

Ich habe einen Fehler gemacht. Nein! Ich habe eine Entdeckung gemacht!

Ablenkung

Puh, mir ist gerade ganz schön seltsam zumute. Irgendwie bin ich immer noch nicht ganz wieder bei mir. Naja, es ist ja auch alles irgendwie anders gelaufen als ich geplant hatte.
 

Diesen Ausdruck habe ich wirklich noch nie auf deinem Gesicht gesehen. Das hat mich echt hart getroffen. Echt jetzt. Das ist sogar noch verstörender als mir meine Gefühle für dich einzugestehen. Ich meine, du und Panik! Das passt einfach nicht. Das ist... nein, so etwas erschien mir immer undenkbar.
 

Gott, ich habe dich in so vielen Situationen erlebt: Beim Triumph, bei einer Niederlage... traurig, wütend, verzweifelt... Eigentlich die volle Palette, wenn man so will, aber dich je ängstlich zu erleben, nein. Ich dachte echt, dass du diese Regung gar nicht kennst. Wenn ich daran denke, wie du dich Pegasus gestellt hast oder bereit warst dein Leben in die Hände des Pharaos zu legen... selbst beim Zusammentreffen mit Marik hattest du keinerlei Angst. Und jetzt... jetzt verstört dich eine einzige Berührung von mir.
 

Weißt du, sie war wirklich nicht geplant. Es war ein Versehen. Zugegeben, ich hatte den Wunsch dich zu küssen, ja, ich hatte es mir auch vorgenommen, aber dieser Moment war nicht einkalkuliert und ich hätte auch nie gedacht, dass dich dergleichen so verstören könnte.
 

Ich sehe dich immer noch vollkommen erstarrt vor mir stehen. Deine Augen... Mann, dieser Blick jagte mir einen Schauder über den Rücken - allerdings keinen wohligen. Ich hatte in dem Moment auch Angst und ich war fassungslos. Fassungslos, weil es plötzlich Klick in meinem Kopf machte und eine Vermutung, die ich zuvor nicht gewagt hatte auch nur zu denken, plötzlich Gewissheit wurde.
 

Mit einem Mal ergab alles Sinn. Zumindest soweit so was Sinn ergeben kann.
 

Und glaub mir, ich hätte es gerne ungeschehen gemacht. Wenn ich vorher auch nur eine Ahnung gehabt hätte, ich wäre nie so vorgegangen. Selbst jetzt würde ich es gerne ungeschehen machen und könnte ich die Zeit zurückdrehen...
 

Das geht leider nicht.
 

Aber wer weiß. Vielleicht hat es auch sein Gutes. Ich meine, jetzt verstehe ich dich wenigstens wirklich. Ich muss nicht mehr spekulieren.
 

Ich weiß nicht ob du mein "Tut mir leid" in dem Moment realisiert hast. Wahrscheinlich konnten die drei Worte in diesem Augenblick ohnehin nichts wieder gut machen. Ich hatte echt Angst, dass du umkippst.
 

Du musst mir glauben, ich wollte keineswegs, dass das passiert. Wie hätte ich auch wissen sollen, dass...
 

Natürlich macht das jetzt alles etwas komplizierter. Ich mag einen Vorteil gewonnen haben, weil ich nun weiß oder zumindest eine genauere Vorstellung habe, was mit dir los ist, aber es hat mich auch ein wenig zurück geworfen. Immerhin wird es nach heute Nachmittag noch schwerer für mich sein an dich heran zukommen. Jetzt, wo du dir mir gegenüber diese Blöße gegeben hast, wirst du sicherlich dein Möglichstes tun, um mir aus dem Weg zu gehen. Ich wette, dass du morgen nicht zur Schule kommen wirst. Du wirst dich in die Arbeit stürzen, verdrängen und mich erst einmal ignorieren. In gewisser Weise kann ich das auch verstehen. Ich meine, ausgerechnet vor deinem so genannten Erzfeind mussten dir deine Masken fallen und das auch noch scheinbar aus heiterem Himmel. Und du weißt nicht einmal, warum ich heute bei dir war. Wie ich dich kenne, wirst du denken, dass ich dir auf die Nerven gehen wollte oder sonst einen perfiden Plan ausgeheckt habe, um dich fertig zu machen. Wie solltest du dir auch vorstellen könnten, dass mir etwas an dir liegt und ich deshalb bei dir war?
 

Verflucht!
 

Hätte ich nur geahnt, dass so etwas passieren könnte! Dass eine einzige Berührung solch eine Wirkung auf dich hat. Es hat doch wirklich eine traurige Ironie, dass eine kleine Sache, die mein Blut zum kochen zu bringen vermag, dich in einen Abgrund stürzt.
 

Mokuba hatte wirklich Recht. Dein Stiefvater hat etwas in dir getötet und nun weiß ich auch was. Allerdings habe ich noch keine Ahnung wie ich nun damit umgehen soll. Ich weiß nur, dass ich bald möglich etwas unternehmen muss. Bevor du noch irgendeinen Unsinn machst. Nicht, dass ich denken würde, du tust dir was an. Oh nein, der Typ bist du nicht. Du würdest nie dein Leben wegwerfen. Alleine schon wegen Mokuba und aus purem Trotz. Beides hält dich aufrecht und wird es auch weiterhin tun, weil du weißt, dass du funktionieren musst - für deinen Bruder und auch um dir etwas zu beweisen. Das ist es doch, oder?
 

Niederlagen liegen dir nicht.

Wie hast du damals gesagt?
 

"Schmerz ist der Stachel der Niederlage. ...Ich habe ihn schon zu lange gespürt."
 

Nein, ein Seto Kaiba gibt nicht auf. Nicht nach allem was du erreicht hast. Du wirst erst aufgeben, wenn du eines Tages umfällst und dein Herz aufhört zu schlagen. Wobei einige Leute jetzt schon vermuten, dass es nicht schlägt. Echt! Es gibt Personen, die denken du wärst ein Untoter oder so. Oder du hättest deine Seele verkauft, um an all den Reichtum zu gelangen.
 

Hm.
 

In gewisser Weise hast du das tatsächlich, fällt mir gerade auf. Ja, ich glaube, echt man kann es so ausdrücken. Du hast zwar sicher keinen faust´schen Pakt geschlossen, aber im Grunde ist doch so was ähnliches passiert, nicht wahr?
 

Weißt du, der Pharao hat mal gesagt, dass die Unschuld das Kostbarste ist, was ein Mensch hat. Und wenn man seine Unschuld verlieren würde, dann würde man auch seine Seele verlieren und somit auch sein Herz. Das ist es was dir passiert ist, nicht wahr, Kaiba? Und du hasst dich dafür.

Ich frage mich, ob ich mit Mokuba darüber reden sollte. Ich weiß ja, dass er diverse Vermutungen hat, aber naja... kann ich so was mit einem Kind besprechen, gleichgültig wie erwachsen der Kleine auch erscheinen mag?
 

Fuck, das ist jetzt echt schwer.
 

Ich muss echt gut darüber nachdenken. Vielleicht sollte ich auch mal mit einem der anderen reden. Also so wertneutral... ohne Namen und Hintergründe zu nennen. Einfach mal um... Das ist natürlich Quatsch. Erstens würden sie mich mit Fragen löchern und zweitens würdest du mich töten, wenn du das je erfahren würdest, was ganz sicher passieren würde. Einerseits würde es den andern sicher auch klar machen, dass du eigentlich...
 

Mann, Mann... Bislang war ich so rational unterwegs bei dieser Sache. Echt. Ich bin so vorgegangen wie du es getan hättest. Zumindest hab ich mir das so vorgestellt. Also sollte ich auch jetzt rational bleiben und nicht den Kopf verlieren nur, weil gerade etwas vom Plan abgewichen ist, oder? Das Ziel ist immer noch das Gleiche. Die Ausgangslage hat sich etwas verändert. Ich denke, augenblicklich ist es das Wichtigste, dir klar zu machen, dass ich dich weder verarschen will, noch stressen noch sonst was, dass du dir sicher gerade in deinem ansonsten so klugen Köpfchen ausmalst. Ich bin sicher, dass es bei dir gerade mörderisch rattert. Du wirst dich selbst verfluchen, dass dir das passiert ist.
 

Tja, normalerweise würde ich dir sagen, dass das alles gar nicht so wild ist. Im Gegenteil. Dass ich es trotz aller Überraschung schön fand, dich einmal so... menschlich zu erleben. Dass es meinem Herz einen Stich versetzt hat, Entsetzen und dann die Spur von Tränen in deinen schönen Augen zu sehen und dass ich fast gestorben wäre vor Glück als du mir fast hilflos in die Arme gesunken bist. So gesehen wäre das echt schon fast unser erster gemeinsamer romantischer Moment gewesen. Bedauerlicherweise musstest du ihn zerstören. Aber du wusstest ja auch nicht, wie die Sachlage ist. Daher habe ich dir deine harsche Handlungsweise auch verziehen, die du an den Tag gelegt hast, nachdem du dich wieder gefasst hattest.
 

Btw. Kompliment! Ja, Respekt! Ich glaube, es gibt keinen anderen Menschen auf dem Planeten, der sich so schnell wieder zu fassen vermag. Besonders in solch einer Situation. Ich meine, nicht nur, dass du scheinbar mit einem Trauma aus deiner Vergangenheit konfrontiert wurdest, nein, im nächsten Moment hast du dich auch in den Armen deines Erzfeindes wiedergefunden. Muss echt ein bescheidener Nachmittag für dich gewesen sein.
 

Also zurück zum Wesentlichen.
 

Was tue ich jetzt?
 

Nun, ich schätze, erst einmal muss ich dir erklären, dass ich keineswegs darauf aus bin, deinen schwachen Moment publik zu machen oder dich sonst wie damit zu foltern, auch wenn es zugegebenermaßen echt mal ne krasse Waffe gegen dich gewesen wäre - für den Joey, der keine Gefühle für dich hat jedenfalls. Ich bin zwar nicht sicher ob dich das beruhigt oder es überhaupt was bringt, leider bist du ja etwas paranoid, was solche Dinge anbelangt - gut möglich, dass du mir gerade schon deine Anwälte auf den Hals hetzt... Aber ich hoffe einfach mal, dass es mir gelingen wird, dir das begreiflich zu machen. Ich meine, wie krank müsste ich sein, um aus so was auch noch meinen Triumph zu ziehen? Ich denke, nicht einmal du würdest solch einen Umstand nutzen nur um zu siegen. Und überhaupt, wir befinden uns ja nicht mehr im Krieg, aber das habe ich dir ja schon erklärt. Leider konnte ich dich nicht mehr fragen ob du das verstanden hast.
 

Zum Glück weißt du augenblicklich nichts von meiner Vermutung oder meinem Gespräch mit Mokuba. Das wäre gerade auch sicher zu viel.
 

Ich schätze dann, werde ich dir die Wahrheit sagen müssen. Ich meine, was mich anbelangt bzw. meine Gefühle. Andernfalls wirst du mir ohnhin nicht glauben, dass ich keine gemeinen, fiesen Hintergedanken hege.
 

Eigentlich hätte ich das ja gerne noch ne Weile aufgeschoben, aber so wie die Dinge liegen, werde ich meine Pläne wohl beschleunigen müssen. Zudem glaube ich, du brauchst augenblicklich jemanden, der für dich da ist. Und damit meine ich nicht Mokuba. Du brauchst einen Freund.
 

Vielleicht kann ich dieser Freund sein.
 

Ja, vielleicht sollten wir das erst einmal so versuchen. Von Feinden zu Freunden, das wäre bei uns doch schon was. Und ich bin ja auch geduldig. Wie die Dinge jetzt liegen werde ich das wohl auch sein müssen.
 

Ich wünschte, du wüsstest, was gerade in mir vorgeht, Kaiba. Ich glaube, ich teile gerade ein bisschen von deinem Schmerz.

Zugzwang

Ich mache lieber Fehler als gar nichts zu tun!
 

"Wie kann ich dir helfen, Joey?" will Atemu wissen und sieht mich ruhig und erwartungsvoll an.
 

Ich seufze und frage mich zum zehnten Mal ob ich gerade das Richtige tue. Ich habe lange darüber nachgedacht ob ich mit jemandem reden soll. Erst dachte ich daran, mit Mokuba zu sprechen, aber dann entschied ich mich dagegen. Zum einen macht der Kleine sich schon Sorgen genug und zum anderen war ich auch nicht sicher ob er mir wirklich würde helfen können.
 

Also habe ich überlegt, mit wem ich reden könnte.
 

Tea, Tristan, Bakura, Yugi oder Atemu... An Freunden mangelt es mir ja keineswegs. Tristan schied schon in der ersten Runde meiner Überlegungen aus. Nicht, weil ich daran zweifeln würde, dass er mir ernsthaft Gehör schenken könne, auch zweifle ich keineswegs daran, dass er in der Lage sein würde, Feingefühl aufzubringen. Aber naja, Tristan und ich reden normalerweise nicht über ernsthafte Dinge und irgendwie glaube ich auch nicht recht, dass ich ihm begreiflich machen könnte, was mich überhaupt beschäftigt ohne zu viel Preis zu geben.
 

Mein nächster Gedanke galt Tea.
 

Als Mädchen ist sie sicher reifer als wir anderen, auch wenn sie oftmals erwachsener tut als sie ist und vermutlich hätte sie auch das notwendige Fein- und Taktgefühl, aber der Gedanke ihr gegenüber zu sitzen und mit ihr... Nein, das konnte ich mir dann doch nicht vorstellen. Und Bakura hat eindeutig genug eigene Probleme, zudem hatten wir beide noch nie so einen guten Draht zueinander. Blieben also noch Yugi und sein alter Ego. Duke war übrigens überhaupt nicht mal im Rennen.
 

Nach langem hin und her habe ich mich also entschlossen mit dem Pharao zu reden, auch wenn ich nach wie vor keineswegs sicher bin, ob es eine wirklich gute Idee ist. Doch irgendwie habe ich das Gefühl, dass ich mit jemandem reden muss und Atemu... naja, er ist ein 5000 Jahre alter Geist. Er weiß eine Menge und er ist weitaus reifer und erwachsener als Yugi und wir anderen. Zudem glaube ich, dass er am ehesten in der Lage ist, unser Gespräch für sich zu behalten.
 

Also habe ich mir Yugi geschnappt und ihm erklärt, dass ich gerne mal mit Atemu sprechen würde. Wie erwartet hat der Kleine keine Fragen gestellt. Eine Eigenschaft, die ich sehr an ihm schätze. Yugi kann auch die Verschwiegenheit in Person sein, wenn man ihn darum bittet und ich weiß, er wird auch nicht versuchen mich weiter auszuhorchen, ja, er wird mich sicher auch soweit es geht bei meinem Gespräch mit Atemu "allein" lassen.
 

Tja, und hier sitze ich also und wieder kommen mir Zweifel.
 

Gestern Abend hielt ich es noch für eine gute Idee, mit jemandem zu reden. Jetzt bin ich mir dessen nicht mehr so sicher.
 

Natürlich war Kaiba heute wie erwartet nicht in der Schule. Außer mir hat sich daran keiner groß gestört. Man ging wohl auch wie immer davon aus, dass er ein wichtiges Meeting hätte oder sonst etwas in der Art. Doch ich weiß es besser. Er ist meinetwegen nicht zum Unterricht erschienen und sein leerer Platz weckte mein Unbehagen. Wahrscheinlich habe ich deshalb auch Yugi zur Seite genommen und mit ihm geredet.
 

"Joey?" höre ich den Pharao leise fragen und ich lächele ihn entschuldigend an. "Sorry, ich war in Gedanken." erwidere ich und er nickt verständnisvoll. Er sieht mich weiterhin erwartungsvoll an, macht aber keinerlei Anstalten mich zu drängen.
 

Ich seufze erneut.
 

"Du hast ein Problem?" Ich bin nicht sicher ob es eine Frage oder eine Feststellung ist, bei Atemu kann man das manchmal schwer erkennen. Ich nicke, doch dann schüttele ich den Kopf. Problem wäre wirklich zu viel gesagt, das trifft es nicht. Aber was trifft es und wie soll ich es ihm nun eigentlich erklären? Ich komme mir schlagartig unglaublich dumm vor. Erstens, weil ich überhaupt auf die Idee gekommen bin, mit ihm zu reden und zweitens, weil ich nicht einmal genau weiß was ich sagen soll. Er wartet geduldig und ich versuche, meine Gedanken zu ordnen.
 

Wie kann ich ihm die Sachlage erklären ohne zu viel Preis zu geben?
 

Tja, das ist jetzt die Schwierigkeit.
 

"Also..." beginne ich nach einer Weile unsicher und straffe meine Schultern. "Es ist so... Ich mache mir Sorgen um jemanden. Ich weiß, dass derjenige ein Problem hat und ich würde ihm gerne dabei helfen, aber ich habe keinerlei Ahnung wie ich das tun soll, denn derjenige weiß auch nicht, dass ich von seinem Problem weiß."
 

Atemu lässt meine Worte einen Moment auf sich wirken und nickt nachdenklich. Ich weiß, dass ich mich alles andere als präzise ausgedrückt habe, aber im Grunde fassen meine Worte die Sachlage doch recht gut zusammen.
 

"Hm." macht er nach ein paar Sekunden und mustert mich eindringlich. Unruhig rutsche ich auf meinem Platz hin und her und dieses Gefühl, dass ich gerade was echt bescheuertes tue, vergeht keineswegs. Mann, wie konnte ich mich auch ausgerechnet an Kaibas Rivalen wenden? Herrje, ich habe mich die letzten Tage so bemüht, logisch und überlegt zu handeln und nun sitze ich hier und werfe all diese Vorsätze über Bord.
 

Atemu betrachtet mich immer noch eingehend. "Du bist dir sicher, was dieses Problem anbelangt?" fragt er schließlich. "Ich meine, woher weißt du, dass er eins hat, wenn er es dir nicht gesagt hat?"
 

Gute Frage. Zweifelsohne.
 

Ich schlucke verlegen. "Naja, es ist einerseits eine Vermutung, aber weiß auch von anderen, dass es ihm nicht so gut geht und sein Verhalten, nun, es bestätigt meine Vermutung." versuche ich etwas umständlich zu erklären. Wieder nickt der Pharao nachdenklich.
 

"Hast du versucht mit demjenigen darüber zu reden? Hast du ihn darauf angesprochen?" will er wissen. Ich schüttele den Kopf und ich glaube, ich sehe ihn gerade ziemlich entsetzt. "Nein, nichts davon. Ich weiß ja nicht einmal wie ich das anstellen sollte und naja... er ist auch jemand, der nicht gerne über sich selbst redet, also über seine Probleme und..." Ich breche ab.
 

Wem mache ich hier eigentlich etwas vor? Mir oder ihm?

Es ist doch klar, dass ich ihm die Wahrheit sagen muss, wenn ich wirklich einen Rat von ihm möchte. Wie konnte ich so naiv sein zu glauben, dass er mir nur angesichts einer simplen Umschreibung irgendeinen nützlichen Tipp geben könnte? Ich senke den Blick und seufzte abgrundtief.
 

Atemu scheint zu spüren, dass ich innerlich gerade mit mir hadere, zumindest habe ich den Eindruck. Eine Weile herrscht Schweigen und er scheint ebenso zu überlegen wie ich und gerade als ich zu dem Entschluss komme, das Ganze hier abzubrechen, richtet er das Wort an mich.
 

"Joey." sagt er ernst und ich sehe ihn automatisch wieder an. Sein Blick ist unergründlich und etwas an dem Ausdruck seiner Augen vermittelt mir den Eindruck, dass er weitaus mehr an meinem Gesicht abzulesen vermag als ich ihm Preis geben will. "Ja?" erwidere ich leise. Er legt den Kopf schief und ich glaube, dass er seine nächsten Worte mit Bedacht wählt.
 

"Dass dich diese Sache sehr geschäftigt, merke ich daran, dass du gerade ernster bist als ich dich je erlebt habe und die Tatsache, dass du mich um meinen Rat gebeten hast, spricht ebenfalls dafür." höre ich ihn ernst und ruhig sagen. Er seufzt. "Wenn du wirklich einen Rat möchtest, dann musst du mir allerdings sagen, wo genau das Problem liegt. Ich kann dir nicht helfen, wenn ich nur das Grundgerüst kenne."
 

Ich nicke. "Ich weiß..." gebe ich leise zu. Er lächelt. "Ich werde dich nicht drängen, mir zu sagen, was dich beschäftigt, aber wenn du dich mir anvertrauen willst, dann gebe ich dir mein Wort, dass alles was du sagst, unter uns bleiben wird." meint er weiter. "Das gilt auch für Yugi."
 

Nun mustere ich ihn eindringlich und ich habe nicht den geringsten Zweifel daran, dass er es ehrlich meint. Wenn ich mich ihm offenbare, dann wird er sein Wort halten. Das glaube ich ihm sofort. Das ist auch nicht der Grund, warum ich dennoch zögere. Ich weiß einfach nicht ob es eine gute Idee ist, die Karten auf den Tisch zu legen. Nicht, weil ich mich damit auch outen würde. Das ist momentan mein kleinstes Problem. Außerdem glaube ich, dass Atemu damit recht locker umgehen kann. Ok, vielleicht wäre er auch schockiert, aber wohl eher über meine Wahl. Ich meine, dass Joey Wheeler sich in Seto Kaiba verlieben würde, das ist doch... Ein Paradoxon, oder? Und auch ein wenig krank, dessen bin ich mir natürlich bewusst.
 

Ich seufze und beginne damit unschlüssig auf meiner Unterlippe zu kauen. In Gedanken wäge ich die Möglichkeiten noch einmal ab. Leider habe ich nicht gerade viele Alternativen. Im Grunde bliebe nur noch, mit Mokuba zu reden oder die Sache alleine zu regeln. Beides durchaus machbar, wenn ich nicht das Bedürfnis hätte, mich jemandem anzuvertrauen.
 

Noch während ich darüber nachdenke und verzweifelt versuche zu einem Entschluss zu gelangen, nimmt der Pharao mir die Entscheidung ab.
 

"Es geht um Kaiba, oder?" will er wissen.
 

Ich starre ihn entgeistert an. Er hat die Frage in solch einem ruhigen, gelassenen Tonfall gestellt, wenn es überhaupt wirklich eine Frage ist, dass man meinen könne, er habe sich nach der Wettervorhersage für die nächsten Tage erkundigt und eine Antwort erübrigt sich im Grunde, denn meine Reaktion spricht sicherlich Bände.
 

Ein sanftes Lächeln zuckt um Atemus Mundwinkel und er sieht mich weiterhin mit diesem merkwürdigen Ausdruck an. Wissend, verständnisvoll und ein wenig traurig. Aber vielleicht bilde ich mir das auch ein. Immerhin bin ich gerade etwas durch den Wind. Auch wenn ich ihm seine Vermutung eigentlich nicht bestätigen müsste, ich nicke dennoch und spüre wie meine Wangen sich röten.
 

Zu meiner Überraschung geht er keineswegs weiter auf dem Punkt ein, scheint auch meine Verlegenheit zu ignorieren und fragt weiter: "Was ist mit Kaiba? Welches Problem hat er?"
 

Es ist merkwürdig, aber ich habe das Gefühl, dass sein Tonfall keineswegs anders wäre, wenn es um Tea oder Tristan gehen würde. Dabei ist Kaiba sein Rivale, sein beständiger Konkurrent.
 

Ich zögere.
 

Wie soll ich meine Vermutung auch in Worte fassen ohne, dass ich Kaiba...? Fuck.
 

Allem Anschein nach ist mir anzusehen, dass ich nicht weiß, was ich sagen soll, denn Atemu meint freundlich: "Erzähl mir doch einfach von Anfang an, um was es geht, Joey."
 

Ich nicke, atme noch einmal tief durch und fange dann an zu erzählen.
 

"Ich weiß eigentlich gar nicht, wie und wann es genau angefangen hat, es kam einfach so und dann war es da und naja, ist ja auch egal. Es ist eben so." Ich zucke mit den Schultern und sehe mein Gegenüber leicht verlegen an. Atemu schenkt mir ein amüsiertes Lächeln. "Ach Joey, den Punkt brauchst du mir nicht näher zu erörtern." sagt er und ich stutze für einen Moment. Dann nicke ich. "Ähm... ok." Ich versuche mich zu entspannen und beginne erneut.
 

Ich erzähle ihm von meinem Plan, der Umsetzung der bisherigen Phasen, meinem Gespräch mit Mokuba und meinem Besuch in der Kaiba Corporation und er hört mir geduldig und aufmerksam zu. Gelegentlich nickt er und ab und an huscht ein amüsierter Ausdruck über sein Gesicht, dich ich allerdings keineswegs negativ auffasse. Ich meine, irgendwie ist das Ganze ja auch schon irgendwie amüsant, wenn man den tragischen Aspekt außer Acht lässt.
 

Und schließlich erzähle ich ihm von meiner Vermutung, naja, genau genommen, ich deute sie an, aber ich bin sicher, dass er versteht worauf ich hinaus will. Und seine folgenden Worte bestätigen meine Vermutung auch.
 

Es dauert eine Weile bis er etwas sagt. Er hat den Blick gesenkt und seine Miene ist ernst. Es ist ihm deutlich anzusehen, dass er überlegt. Dann nickt er wieder und ich glaube, dass ist eine Bestätigung für seine eigenen Gedanken, das Nicken gilt keineswegs mir.
 

"Ich glaube, du hast Recht." sagt er schließlich und seufzt. Seine Augen sehen mich noch immer ruhig an, aber mir entgeht keineswegs die Spur von Traurigkeit, oder ist es Wehmut?, die in ihnen liegt. "Kaiba ist ebenso stolz wie er ehrgeizig ist. Ich schätze, das war nie anders. Und was Mokuba anbelangt, nun, wir wissen beide, dass er bereit ist, jeden Einsatz zu setzen, um den Kleinen zu beschützen, aber auch um ihm ein besser es Leben zu ermöglichen. Deshalb hat er sich wohl auch überhaupt auf Gozaboru eingelassen."
 

Ich nicke. Ja, das denke ich auch. Mokuba ist das Wichtigste in seinem Leben, das war immer so.
 

"Was soll ich nun tun?" will ich wissen.
 

Ich weiß natürlich, dass er keine direkte Antwort hat. Aber ich wünsche mir auch nur irgendeinen Fingerzeig, eine Geste, ach, ich weiß selbst nicht was. Vielleicht bedarf ich auch einfach nur einer Bestätigung überhaupt zu handeln.
 

"Du hast dir wirklich in den Kopf gesetzt zu ihm durchzudringen, nicht wahr?" fragt er mich anstatt mir eine Antwort zu geben. Ich nicke. "Ja, das habe ich." erwidere ich ernst und er lächelt. "Nun, ich denke, wenn es einem gelingt, dann dir." entgegnet er. "Du bist Joey Wheeler, du gibst nie auf. Und ich denke, genau das braucht Kaiba auch. Jemand, der nicht aufgibt, der weiterkämpft. Verstehst du was ich meine?"
 

Ich schüttele den Kopf.
 

Atemu räuspert sich. "Wenn du richtig liegst mit deiner Vermutung, wovon ich ausgehe, und Gozaburo ihm DAS tatsächlich angetan hat, dann erklärt das nicht nur seine Art, sondern auch seine Furcht vor Nähe jeder Art. Mokuba ist sein Vertrauter, er war bereits da bevor... nun, vor dieser Sache. Ihm vertraut er. Doch bei anderen Menschen..." höre ich den Pharao sagen. "Du kannst seine Dämonen nicht vertreiben, Joey, darüber musst du dir im Klaren sein, aber du kannst ihm beistehen sich ihnen zu stellen. Und er muss sich ihnen stellen, sonst wird er so enden wie er jetzt lebt."
 

Ich seufze.
 

Bis gestern bestand mein Problem darin, Seto Kaibas Aufmerksamkeit zu gewinnen. Nun soll ich ihm helfen sich seinen Dämonen zu stellen. Man sagt, ein Mann wachse an seinen Herausforderungen, nun, das hier ist allerdings lächerlich.
 

"Aber wie?" frage ich ihn und auch mich selbst ratlos. Meine Ganze wunderbare Taktik ist doch keineswegs darauf ausgelegt und ob sie überhaupt je funktioniert hätte... Nicht, dass ich kneifen möchte. Gott bewahre. Ich bin nach wie vor fest entschlossen, aber die Ausgangslage hat sich keineswegs verbessert. Ich bin um einige Züge zurück geworfen worden.
 

Atemu lacht. Ja, er lacht und es ist ein herzliches, erfrischendes Lachen. Ich stutze und sehe ihn verständnislos an.
 

"Joey, du bist genau auf dem richtigen Wege und wenn ich deine Strategie richtig verstanden habe, dann liegst du damit goldrichtig." sagt mir der Pharao. Ich blinzele ihn fragend an. "Du hast den Schlüssel längst, vertrau mir." meint Atemu. "Geh zu ihm und tu was du ohnehin vorhattest."
 

Ich sehe ihn einen Moment skeptisch an. Seltsamerweise scheint er vollstes Vertrauen in mich zu haben. Zumindest verrät mir das sein Blick. Er ist sich scheinbar tatsächlich sicher. Warum also zweifle ich? Gestern habe ich das noch nicht getan?
 

"Ok." sage ich nach einer Weile. "Ich versuche es."

Prokeš-Manöver

Tja, mein lieber Kaiba, hier sitze ich jetzt nun wieder und bereite mich auf meinen nächsten Zug vor.
 

Meinem Besuch bei dir.
 

Ich habe gerade Mokuba angerufen und er meinte, du wärst die nächsten Stunden auf jeden Fall zu Hause. Also werde ich mein Vorhaben auch nicht länger aufschieben, sondern mich gleich auf den Weg machen und ich bin noch nervöser als gestern. Naja, ist ja auch kein Wunder nachdem was passiert ist.
 

Ich schätze, dieses Mal werde ich dich nicht aus der Fassung bringen, wenn wir uns sehen. Nein, ich glaube, heute wirst du aggressiv werden, wenn du mich siehst. Davon bin ich echt überzeugt. Die volle Bannbreite wird mich erwarten. Du wirst dein gesamtes Repertoire an Verbalattakten ausbreiten und alles tun, nur um dich nicht für einen Moment mit mir unterhalten zu müssen.
 

Ok, du zweifelst sicher nach wie vor auch daran, dass man mit mir eine Unterhaltung führen kann, aber dich vom Gegenteil zu überzeugen, ist ja Teil meiner Mission. Joey Wheeler kann nämlich mehr als du denkst. Seit gestern dürfte dir das auch irgendwie bewusst werden. Immerhin habe ich dich jetzt schon mehrmals aus der Fassung gebracht. Wobei ich das gestern echt nicht wollte, also nicht so. Ich möchte das noch mal ausdrücklich festhalten, Kaiba! Was den Punkt anbelangt will ich auf keinen Fall das Zweifel aufkommen.
 

Ehrlich gesagt habe ich immer noch keinen wirklichen Plan wie ich das jetzt angehen soll. Es wird wohl auf freie Improvisation hinauslaufen. Auf jeden Fall habe ich mir vorgenommen ganz ruhig zu bleiben - egal was passiert und wie gesagt, ich weiß, dass du erstmal austicken wirst. Der Gedanke, dass ausgerechnet ich dich so gesehen habe, wenn auch nur für den Bruchteil einer Minute, ist sicher schwer für dich zu ertragen. Dein Ego ist aber auch... Na, lassen wir das. Dieses Thema erörtern wir vielleicht irgendwann in der Zukunft, wenn unsere Beziehung auf weniger wackligen Beinen steht. Und ja, ich weiß, dass sie augenblicklich noch auf gar keinen steht. Was allerdings nicht nur meine Schuld ist, immer hin hättest du ja auch längst dein Herz für mich entdecken können und überhaupt...
 

Sorry, das war jetzt echt albern. Daran sieht man, dass ich echt nervös bin.
 

Und weißt du was? Ich habe mich gerade zweimal umgezogen. Kannst du dir das vorstellen? Gestern war´s genauso. Wie ein innerer Zwang. Voll komisch. Ich hab sogar wieder an meinen Haaren rumgewerkelt, allerdings ohne sehenswerten Erfolg. Ich hätte nie für möglich gehalten, dass ich mal so reagiere, wie ein Mädchen meine ich. Die müssen doch immer wieder ihr Outfit und die Frisur checken ehe sie auf ihren Liebsten treffen.
 

Tea macht das auch so, auch wenn sie sich bemüht dabei dezent zu sein. Sie mag es nämlich nicht, wenn man weiß, dass sie genauso handelt wie jedes andere Mädchen auch, sie ja schließlich schon sooo erwachsen. Aber glaub mir, vor jeder Begegnung mit dem Pharao, benimmt sie sich keineswegs anders als jedes andere aufgescheuchte Huhn. Das heißt jetzt aber nicht, dass ich deinetwegen zu einem Huhn werde. Ich stelle nur fest, dass ich das Bedürfnis verspüre gut, nein, eigentlich blendend auszusehen, wenn wir aufeinander treffen. Ich wette du würdest die Augen verdrehen, wenn du das wüsstest. Tja, du musst dir ja auch nicht solche Gedanken machen. Ich meine, du siehst sowieso immer gut aus.
 

Aber ich schweife schon wieder ab... Worauf wollte ich denn eigentlich hinaus?
 

Ach ja.
 

Was meine Vermutung anbelangt, damit liege ich wohl richtig. Und das ist echt mal starker Stoff. Es ist seltsam, aber einerseits erklärt es eine Menge, andererseits hätte ich nie für möglich gehalten, dass ausgerechent dir so etwas je passiert sein könnte. Ich meine, du wirkst immer so stark, so unerschütterlich, ja richtig hart und unnahbar.
 

Wenn ich mir vorstelle, was dieser Mistkerl mit dir gemacht hat... Ich darf gar nicht daran denken. Du tust es auch nicht, nicht wahr? Du verdrängst es. Und ich habe die Geister gestern durch meine unbedarfte Handlung geweckt. Diese Erinnerungen sind die Dämonen, die dich gefangen halten und denen du dich stellen musst. Ich hab ne Weile gebraucht bis ich das wirklich begriffen habe, aber Atemu hat Recht. Du musst dich ihnen stellen. Man kann nicht ewig fliehen. Nicht einmal Seto Kaiba kann das, außer du willst dich selbst zerstören, doch ich glaube nicht, dass das deine Intention ist. Wie gesagt, das passt auch nicht zu dir. Und ich werde es auch nicht zu lassen.
 

Immerhin habe ich jetzt ne ganze Weile gebraucht, um mir einzugestehen, dass ich Gefühle für dich habe und es hat auch einiges an Zeit gedauert bis ich meinen Plan entwickelt hatte und naja, ich werde doch nicht zulassen, dass das jetzt alles für die Katz war, nur weil du eingebildeter Egomane das dringende Bedürfnis hast weiterhin vor dir selbst wegzulaufen. Oh nein, das werde ich nicht zulassen! Damit wir uns da gleich richtig verstehen.
 

Und weißt du was, Kaiba? Ich denke, Atemu hat Recht. Ich hab den Schlüssel längst und wenn es jemand schafft zu dir durch zudringen, dann Joey Wheeler. Warum? Na, weil ich den Mut dazu habe, was ich dir in der Vergangenheit auch bewiesen hab und ich hab das Feuer! Und Feuer bringt Eis zum schmelzen, also...
 

Wow, meine Nervösität scheint gerade zu verfliegen. Liegt wohl an dem Adrenalinschub, den ich gerade habe. Ich weiß, der wird bestenfalls anhalten bis ich dir gegenüber stehe. Spätestens dann wird mir das Herz in die Hose rutschen. Aber das wird mich nicht aufhalten.
 

Soll ich dir etwas verraten, was ich festgestellt habe?
 

Es gibt Momente im Leben, in denen wir uns an einer Kreuzung wiederfinden und der Weg für den wir uns in diesen Momenten entscheiden, kann unser restliches Leben bestimmten. Und manchmal werden wir an dieser Kreuzung mit Dingen konfrontiert, die wir bislang nicht kannt und die uns Angst machen. Die Meisten ziehen es an dem Punkt vor den entweder den sicheren Weg zu wählen oder umzugkehren. Ja, die Meisten denken ernsthaft über diese Entscheidungen nach, wägen die Konsequenzen ab und handeln dann. Ich handele einfach. So habe ich das immer gemacht.
 

Das heißt jetzt nicht, dass es nichts gäbe vor dem ich mich fürchten würde. Hey, ich habe eine verfluchte Angst vor der Zukunft, dem was mich erwartet, was aus meinem Leben wird und wohin ich einmal gelangen werde. Aber im Grunde spielt das alles keine Rolle solange ich glücklich bin. Verstehst du was ich meine? Gleichgültig wie meine Zukunft aussehen mag, solange ich glücklich bin, ist alles genauso wie es sein soll.
 

Oh Mann, ich werde schon wieder philosophisch, echt jetzt. Liegt an dem Zeug, dass ich mir die letzten Tage reingezogen habe, den Büchern meine ich. Da ist teilweise echt krasser Stoff dabei und an vielem ist auch ne Menge dran. Aber das ist jetzt ja nicht weiter wichtig.
 

Worauf ich eigentlich hinaus will... Naja, also augenblicklich glaube ich, dass du jemand bist, der mein Leben glücklicher machen kann, nein, eigentlich bin ich davon sogar überzeugt und ich würde dein Leben gern glücklicher machen, also...
 

Also sollte ich langsam einmal los.
 

Und hey, jetzt weiß ich auch wie ich es anstellen werde.

Gabelangriff Teil 1

Das wahre Glück liegt im Handeln, nicht in dem, das man kriegt was man will
 

"Köter!" presst er hervor und ich seufze.
 

"Vielleicht könnten wir´s mal ohne diese Sticheleien versuchen!" erwidere ich ruhig und er starrt mich an als hätte ich ihm vorgeschlagen eine Runde aus dem Fenster zu springen.
 

Ich mache unsicher ein paar Schritte auf ihn zu, bin jedoch darauf bedacht, einen gewissen Abstand zwischen uns einzuhalten. Er sitzt an seinem Schreibtisch und mein Erscheinen hat ihn natürlich überrascht. Ich bin ja auch unangemeldet ins Heiligtum eingedrungen.
 

Mokuba hat mir wie verabredet die Tür geöffnet und mir mitgeteilt, dass sein Bruder, wie immer um diese Zeit, in seinem Arbeitszimmer sei. Dann hat er mir den Weg gezeigt und ich habe den Raum nach kurzem Anklopfen betreten. Ein "Herein" habe ich allerdings nicht abgewartet und er hat wohl entweder mit Roland oder Mokuba gerechnet, ganz sicher aber nicht mit mir. Wieder hat er nicht direkt aufgeblickt und erst als die Tür hinter mir ins Schloss fiel, trafen mich diese unbeschreiblich blauen Augen. Ich konnte sehen wie sie sich weiteten und im nächste Moment presste er das Wort hervor, mit dem er mich mitunter am Liebsten bedenkt.
 

"Wie kommst du hier rein? Und was willst du hier?" fragt er nun und hat seinen Laptop ziemlich unsanft zugeklappt. Ich zucke mit den Schultern. "Mokuba hat mich reingelassen." erkläre ich wahrheitsgemäß. "Und ich bin hier, um mit dir zu reden."
 

Einige Sekunden sieht er mich einfach nur an und ich bin sicher, dass eine Gedanken geradezu fieberhaft arbeiten. Wahrscheinlich verflucht er gerade seinen Bruder und versucht zugleich zu ergründen über was ich wohl mit ihm reden will, vielleicht erinnert er sich auch daran, dass ich gestern schon aus diesem Grund zu ihm gekommen bin. Ich hoffe zumindest, dass er weniger daran denkt, dass mein Erscheinen mit seinem Verhalten gestern zu tun haben könnte, aber wie ich ihn kenne, wird er unweigerlich die falschen Schlüsse ziehen.
 

Ich kann ihm ansehen, wie er sich innerlich zu wappnen versucht. Er weiß nicht, was ihn erwartet, es gelingt ihm nicht die Situation gänzlich zu analysieren und in Hinblick auf mein Verhalten ihm gegenüber die letzten Tage, fällt es ihm sicher noch schwerer diese Situation nach seinen logischen Überlegungen zu ergründen. Darum bereitet er sich auf alle Eventualitäten, die er für möglich hält, vor. Ich sehe wie er seine Schultern strafft, seine Haltung geradezu stocksteif wird und sich seine Züge vollkommen verhärten. Ich spüre wie meine Mundwinkel zucken und drohen sich zu einem Lächeln nach oben zu ziehen, aber zum Glück vermag ich es, dem entgegen zu wirken. Es ist wichtig, dass ich jetzt ernst bleibe. Ich möchte ihm keineswegs das Gefühl geben, dass ich ihn auslache oder mich auch nur über ihn amüsiere. Bei Kaiba ist dergleichen kontraproduktiv.
 

Nach einer Ewigkeit wie es mir vorkommt, kommt seine Erwiderung.
 

"Ich wüsste nicht worüber ich mit dir reden sollte, Köter, zumal ich bezweifle, dass du dich auch nur geringfügig artikulieren kannst." Seine Stimme klingt bei weitem nicht so sicher, wie er es sicher gerade wünscht, aber sein Tonfall ist gewohnt kühl und seine Worte sarkastisch wie immer.
 

Ich zucke nicht mit einer Wimper als ich umgehend entgegne: "Ich werde die, sich in dieser Bemerkung widerspiegelnde, Feindseligkeit nicht mit einem Kommentar würdigen, Kaiba. Es ist mir ernst. Ich möchte mich mit dir unterhalten."
 

Ok, ich gebe zu, den Satz habe ich einstudiert, er stammt leider nicht von mir, aber er hat die Wirkung auf ihn, die ich erzielen wollte. Er ist einen Moment lang sprachlos. Soviel zum Thema artikulieren. Natürlich hält der Zustand bei ihm nicht lange an. Er mustert mich feindselig und skeptisch zugleich und ich weiß, dass er seinen nächsten Zug überdenkt. Und ja, er ist neugierig. Auch das weiß ich und diese Neugier wird siegen.
 

Er seufzt, lehnt sich gespielt lässig in seinem Sessel zurück und meint betont gleichgültig: "Nun gut, sag was du zu sagen hast, Wheeler, du hast drei Minuten." Natürlich blickt er gleich rüber zu der Uhr auf seinem Schreibtisch. Eine Geste, die mir gilt und mir zeigen soll, dass die drei Minuten keineswegs ein Witz sind. Fast rechne ich auch noch damit, dass er hinzufügt, was für ein vielbeschäftigter Mann er ist, dass er eine Firma zu leiten haben und, und, und. Aber dieses Mal verkneift er es sich scheinbar.
 

Ich mache einen weiteren Schritt auf den Schreibtisch zu und lächele.
 

"Hast du über das nachgedacht, was ich dir neulich gesagt habe?" frage ich und für einen kurzen Moment habe ich Angst, dass er nicht wissen könnte, was ich meine. Für den Bruchteil einer Sekunde wirkt er zumindest so, doch dann sehe ich, dass die Erinnerung in seinen Augen aufflackert. Gleichzeitig zieht er missbilligend eine seiner schön geschwungenden Brauen hoch.
 

Das Glück liegt demjenigen zu Füßen, der nicht auf ihm herumtrampelt.
 

"Wheeler, ich habe weiß Gott besseres zu tun als mir über deine unsinnigen Äußerungen, Gedanken zu machen." höre ich ihn kalt sagen und wieder wandert sein Blick zur Uhr. Ich ignoriere diese Geste und fahre unbeirrt fort.
 

"Bist du glücklich, Kaiba?" frage ich ihn und auch wenn ich ihn nicht wirklich aus der Fassung bringe, ich weiß, dass ich ihn irritiert. Er stöhnt genervt auf. "Was zum Teufel ist mit dir los? Ist dir der Rest deines kümmerlichen Verstandes nun auch noch abhanden gekommen oder warum belästigst du mich mit diesen irrelevanten Fragen?" fährt er mich sichtlich wütend an. "Was geht es dich an..."
 

Ich falle ihm ins Wort. Ruhig und sachlich.
 

"Ich weiß, es ist unhöflich jemanden zu unterbrechen, aber können wir die Sticheleien nicht lassen? Ich habe dir eine vernünftige Frage gestellt, Kaiba. Ich glaube, du bist auch in der Lage sie vernünftig zu beantworten."
 

Strike!
 

Das hat gesessen. Ich glaube, damit habe ich ihn fast noch übeler erwischt als mit meinem Kuss. Er ist defintiv sprachlos und er starrt mich an als wäre ich gerade dabei vor seinen Augen zu mutieren. Seine Stirn liegt immer noch in Falten und ich kann fast sehen wie seine Gedanken routieren. Ich hoffe nur, dass sein Kopf gleich nicht anfangen wird zu rauchen, weil ich das System überladen habe. Ich bezweifel, dass er die Maske der Gleichgültigkeit wieder aufzusetzen vermag. Damit hätte ich die erste Mauer wohl niedergerissen, oder?
 

Eins zu Null für Joey Wheeler.
 

"Zwei Minuten noch, Wheeler." presst er hervor und ich sehe ihm an, dass es ihm nicht behakt, dass ich gerade die Oberhand habe. "Komm zum Punkt!"
 

Ich zucke gleichgültig mit den Schultern.
 

"Gut, kommen wir zum Punkt." gebe ich nach. "Willst du die Wahrheit wissen?" Ich sehe ihn herausfordernd an. Er schüttelt kaum merklich den Kopf. Scheinbar ist er zu dem Schluss gekommen, dass ich übergeschnappt bin. "Welche Wahrheit?" Er schreit mich förmlich an, seine Stimme ist keineswegs beherrscht und er ist es auch nicht. Ich grinse. "Zum Beispiel, warum ich dich geküsst habe." schlage ich vor und er zeigt tatsächlich eine Regung. Eine menschliche Regung. Für einen kurzen Augenblick scheint sich seine Gesichtsfarbe kaum merklich zu verändern. Er presst die Lippen fest aufeinander und ich weiß, dass er darauf brennt die Wahrheit zu erfahren. Ich lese es in seinen Augen. Kaiba mag es nicht, wenn offene Fragen zurück bleiben.
 

"Oder wie wäre es mit dem wahren Grund, warum ich hier bin, abgesehen davon, dass ich mit dir reden möchte." rede ich unbeirrt weiter. Mein Herz schlägt jetzt schneller. Mein Puls rast und ich spüre wie meine Knie weich werden. Fuck, ich würde mich zu gerne setzen, aber vielleicht ist es auch besser zu stehen, so kann ich wohl eher einen kühlen Kopf bewahren.
 

Er erwidert nichts, sieht mich einfach nur an. "Oder die Wahrheit über dich, Kaiba." sage ich schließlich und bemühe ich weiterhin ruhig und gelassen zu klingen, ihn weder meine Aufregung spüren zu lassen, noch ihm den Eindruck zu vermitteln, dass etwas triumphierendes in meinen Worten mitschwingt.
 

Ich schätze, die fünf Minuten sind um, aber er weist mich keineswegs darauf hin. Er sieht mich weiterhin unverwandt an und ich glaube, dass er innerlich mit sich ringt. Er ist unsicher wie er reagieren soll und er fürchtet sich davor, einen Fehler zu machen. Ist es falsch mich weiter reden zu lassen oder ist es falsch mich zum schweigen zu bringen.
 

"Also Kaiba, ich überlasse es dir. Willst du die Wahrheit? Das ist eine einfache Frage und die Antwort ist noch leichter. Ja oder nein. Es liegt bei dir." höre ich mich selbst sagen und auch wenn mir das Herz bis zum Hals schlägt, ich bin fest entschlossen.

Gabelangriff Teil 2

Ein Narr ist wer nach Logik in den Kammern des menschlichen Herzens sucht!
 

Ich sehe ihn ruhig an und warte ab. Wieder habe ich das Gefühl, dass eine Ewigkeit vergeht bis er etwas erwidert. Ich bin mir im Klaren darüber, dass ich ihm gerade in gewisser Weise die Pistole auf die Brust gesetzt habe, aber ich weiß auch, dass es keinen anderen Weg gibt und ebenso, dass er es vertragen kann.
 

Ich kann ihm ansehen, dass ihm die Antwort auf meine Frage keineswegs leicht fällt. Ja oder nein. Natürlich ist es simpel und natürlich will er die Wahrheit erfahren, aber die Wahrheit macht ihm auch Angst. Doch so ist das eben.
 

Im Grunde will niemand je die Wahrheit hören, besonders keine Wahrheit, die einen selbst betrifft.
 

Fasziniert beobachte ich seinen inneren Kampf von dem er wohl glaubt, dass ich ihn nicht bemerken würde. Er seufzt und erhebt sich langsam aus dem Ledersessel. Eine Sekunde später steht er an seinem Schreibtisch, die Hände auf den Tisch abgestützt und sein Blick ist auf irgendeinen Punkt auf der Schreibtischauflage gerichtet.
 

"Wheeler..." höre ich ihn schließlich sagen und wir beide wissen, dass seine Stimme resignierend klingt. Sie hört sich ganz und gar nicht nach Seto Kaiba an, zumindest nicht nach dem Seto Kaiba, den die Welt kennt. Ich spüre, wie es mir einen stumpfen Stich versetzt, ihn so zu hören. Mitleid, ja. Oder Mitgefühl. Eins von beidem oder gar beides? Nun, das tut auch nichts zur Sache. Für einen Moment verspüre ich jedenfalls den Wunsch, zu ihm zu gehen und ihn in die Arme zu nehmen. Aber ich tue es natürlich nicht, auch wenn er eine Umarmung gerade gut gebrauchen könnte. Das würde er nie zugeben und für die Gesamtsituation wäre es auch kontraproduktiv. Ich höre wie er noch einmal seufzt. Abgrundtief. Und schließlich richtet er seinen Blick auf mich.
 

"Wahrheit." sagt er scheinbar mehr zu sich selbst und er scheint bemüht all seinen Sarkasmus in dieses Wort zu legen. "Es gibt keine Wahrheit, Köter. Nur Perspektiven."
 

Ich weiß, dass diese das letzte Aufbäumen ist. Er ist es sich selbst schuldig, denn er kann meine Frage nicht einfach beantworten. Das wäre ein Eingeständnis, dass ich diese Konversation in der Hand habe und das kann er natürlich nicht zu lassen.
 

"Hm." Nun seufze auch ich. "Ein logischer Widerspruch." erwidere ich und wieder weiten sich seine Augen etwas vor Erstaunen. Ich zucke entschuldigend mit den Schultern und ich erkläre es ihm. "Wenn du sagst, es gibt keine Wahrheit, dann behauptest du, dass diese Aussage wahr ist, also..."
 

Ich lächele und er tut es auch. Aber es ist ein trauriges, spöttisches Lächeln.
 

"Ich habe keine Ahnung was du mit diesem infantilen Spiel bezweckst, Wheeler, aber da du scheinbar nicht gewillt bist, damit aufzuhören und mich in Ruhe zu lassen..." Er stöhnt gespielt genervt auf und verschränkt die Arme vor der Brust. Eine Geste, die ihm Sicherheit gibt, wie ich vermute. "Also schön, sag mir die Wahrheit, damit wir dieses alberne Gespräch endlich hinter uns haben."
 

Er sieht mich entschlossen an. Ja, er will dieses Gespräch hinter sich bringen. Er will, dass ich meinen Spruch aufsage und er bereitet sich darauf vor, mit einem seiner lakonischen Kommentare zu reagieren. Doch so leicht werde ich es ihm nicht machen. Natürlich nicht.
 

"Gut." erwidere ich fröhlich. "Es freut mich, dass du zu diesem Schluss gekommen bist, Kaiba."
 

Er schüttelt den Kopf und es ist offensichtlich, dass er nahe daran ist, sich zu vergessen. Ich muss zugeben, ein wenig genieße ich dieses Situation dann doch.
 

"Aber bevor ich dir die Wahrheit sage, möchte ich, dass du mir eine Frage beantwortest." sage ich und er seine Augen schleudern mir Blitze entgegen. Wenn Blicke töten könnten, nun, dann wäre ich jetzt mausetot. Aber ich lasse mich davon nicht beeindrucken, immerhin war mir längst klar, dass er so reagieren würde. Ich rechne es ihm schon hoch an, dass er mich nicht mit irgendwelchen Schimpfwörtern traktiert. Er erwidert nichts, hat die Lippen wieder zu einer feinen Linie zusammen gepresst und ich sehe ihm fest in die Augen.
 

"Was hat dich gestern so aus der Fassung gebracht, Kaiba?" frage ich und sehe wie er scharf die Luft einzieht. Natürlich kenne ich die Antwort längst, auch wenn sie lediglich auf einer Vermutung basiert, und ich weiß auch, dass ich gerade hoch pokere, wenn ich ihn an den gestrigen Zwischenfall erinnere. Aber wenn wir schon über die Wahrheit reden wollen, dann ist es notwendig, dass er ihr auch ins Gesicht sieht und das gehört eben dazu.
 

Ich warte einen Moment und mir ist klar, dass er mir meine Frage keineswegs beantworten wird. Deshalb fahre ich fort.
 

"Weißt du, Kaiba, die Wahrheit ist nicht immer erfreulich. Die Erfahrung habe ich in den letzten Tagen gemacht. Manchmal gefällt sie uns auch nicht. Ich glaube, man will die Wahrheit auch ganz selten wirklich hören, weil sie oftmals weh tut. Aber es gibt Augenblicke, wo man sie sagen muss oder es notwendig ist, dass man sie sich anhört. In den Momenten geht es einfach nicht anders, man ist es sich selbst schuldig und auch dem anderen, auch wenn es sicher leichter wäre zu lügen. Aber die Wahrheit ist immer das Beste. So heißt es doch auch, oder? Ehrlich währt am Längsten oder so. Und am Ende brechen die Lügengebäude ohnehin zusammen."
 

Ich habe mich von ihm abgewandt und gehe ein wenig im Zimmer auf und ab während ich rede. Ich weiß, dass er mich dabei keinen Augenblick aus den Augen lässt und ich weiß auch, dass er mich jeden Moment unterbrechen wird und sei es nur durch ein spöttisches Lachen. Doch er hört mir auch zu. Ein Seitenblick auf ihn verrät mir, dass er es tut.
 

"Ich weiß, du hältst mich für verrückt und möchtest mich jetzt auch zu gerne loswerden. Du brauchst keine Zeit darauf zu verschwenden, mir das klar zu machen. Ich verstehe das und ich hoffe, dass du verstehst, dass ich keineswegs verschwinden werde." fahre ich fort und wende ihm wieder den Blick zu. "Ich werde dir die Wahrheit sagen."
 

Er stöhnt auf und verdreht die Augen. "Dann tu es endlich, Wheeler." zischt er mich an. "Ich habe nicht die geringste Ahnung was in dich gefahren ist und es interessiert mich auch nicht, aber..."
 

Ich lächele und falle ihm zum zweiten Mal ins Wort. "Deine unfassbare Ignoranz reizt mich, dir eine reinzuhauen." sage ich und bin selbst überrascht wie fröhlich ich dabei klinge. Ich stehe ihm jetzt genau gegenüber. Nur der Schreibtisch trennt uns. Er hat immer noch die Arme vor seiner Brust verschränkt und sein Blick ist finster, aber auch wachsam.
 

"Also gut." Ich seufze. "Ich will das Kriegsbeil begraben. Ich will, dass wir damit aufhören, uns das Leben schwer zu machen. Ich habe keine Lust mehr, mit dir zu streiten. Ich sehe auch keine Notwendigkeit dazu."
 

Er zieht die Augenbrauen zusammen und mustert mich skeptisch. Ich weiß, dass ein großes "Warum?" gerade in seinem Kopf erscheint. Mit was auch immer er gerechnet haben mag, damit sicher nicht, doch es ist ja auch nur der Anfang und zugegeben auch der Teil, der mir leichter über die Lippen geht. Aber wenn ich möchte, dass er der Wahrheit ins Gesicht sieht, dann ist es nur fair, dass ich es auch tue und zu gehört, dass ich es aussprechen muss, auch wenn ich damit eine Schwäche Preis gebe und keineswegs weiß wie er darauf reagieren wird. Ich kann vor meinen Gefühlen nicht davon laufen. Ich bin hier um das auszufechten und auch bereit damit unterzugehen, wenn es denn sein soll.
 

Ich brauche nicht lange zu warten und er spricht die logische Frage aus. Ich weiß, dass er es eigentlich nicht möchte, denn damit gesteht er ja ein, dass ich eine nicht berechenbare Größe in seinem System bin, aber wir beide wissen ohnehin längst, dass es sich so verhält, dass es sich immer so verhalten hat. Joey Wheeler ist eben nicht zu berechnen.
 

"Warum?" Es klingt seltsam ruhig und keineswegs kühl. Seine Stimme bebt ein wenig und ich glaube, dass sein Herzschlag in dem Augenblick genauso rast wie meiner. Ich lächele ihn an. "Ich bin verliebt." erwidere ich schlicht.
 

Eigentlich hatte ich nicht vor es so plump zu sagen. Es erscheint mir jedenfalls plump. So unromantisch, aber augenblicklich ist es auch mehr eine nüchterne Tatsache als ein wirkliches Bekenntnis. Kaiba starrt mich fassungslos an. Ja, ich habe es wieder einmal geschafft. Er ist nicht nur sprachlos, er ist fassungslos und ich glaube, dieses Mal habe ich sogar seinen Verstand lahm gelegt. Wahrscheinlich sind gerade nur noch die Notfunktionen aktiv. Seine Miene ist immer noch regungslos, aber das Blau seiner Augen ist deutlich dunkler geworden.
 

Ich zucke mit den Schultern, lächele ihn noch immer an und meine: "Eigentlich recht einfach, oder? Ich meine, das erklärt doch alles. Deshalb habe ich dich geküsst und deshalb kann ich nicht länger mit dir streiten, zumindest nicht so wie wir es bislang getan haben." Ich zwinkere ihm kurz zu.
 

Einen Moment scheint er mit dem Gedanken zu spielen, sich rückwärts in seinen Sessel fallen zu lassen, aber er rührt sich nicht. Er sieht mich einfach nur an und versucht seine Fassung zurück zu gewinnen oder wenigstens eine Spur von Spott in meinem Gesicht zu entdecken. Ich frage mich, wie er reagieren wird. Verächtliches seufzen gepaart mit dem verdrehen der Augen und einem "Lächerlich." Oder wird er mich fragen ob ich übergeschnappt bin. Ich weiß es nicht. Die Chancen stehen 50:50 und ich bin auf beides vorbereitet. Er entscheidet sich eindeutig für Sarkasmus.
 

"Das ist herzerwärmend, Wheeler, ehrlich! Ich fange gleich an zu heulen." sagt er und lacht trocken auf. Allerdings klingt seine Stimme nicht ganz so sicher und auch seine Haltung drückt nicht seine übliche Überlegenheit aus.
 

Ich seufze. "Es ist die Wahrheit, Kaiba. Ob sie dir nun gefällt oder nicht. Ich bin verliebt und wenn du mir meine Worten nicht glauben kannst, dann sieh mir in die Augen." entgegne ich gelassen. "Zudem welchen Grund sollte ich haben, zu dir zu kommen und dir ausgerechnet das zu sagen?"
 

Er stutzt und sieht mir in die Augen.
 

Ich sehe es ihm deutlich an und er kann sich meiner Logik auch nicht entziehen. Er weiß ebenso gut wie ich, dass sich solche eine Sache nicht unbedingt für einen Scherz eignet. Und Augen lügen nie. Meine tun es jedenfalls nicht und das entgeht ihm keineswegs. Kurz nehme ich wahr, dass sich seine Haltung kaum merklich verändert. Er ist verunsichert und er weiß nicht wie er mit meiner Offenbarung umgehen soll. Gut, ich wüsste es an seiner Stelle wohl auch nicht.
 

Ich lächele ihn fröhlich an. "So liegen die Dinge jetzt also. Aber das ist nur ein Teil dessen, was ich dir sagen wollte." fahre ich fort. Er macht keinerlei Anstalten etwas zu erwidern und ich habe sogar den Eindruck, dass er froh ist, dass ich weiter rede. Also sehe ich ihn herausfordernd an.
 

"Ich bin mir im Klaren darüber, dass du mir jetzt nicht um den Hals fallen wirst, aber das erwarte ich auch keineswegs. Es würde auch nicht wirklich zu dir passen." fahre ich fort. "Und es würde mich auch sehr irritieren." Ich lache bei dem Gedanken an diese Vorstellung kurz auf. Nein, das wäre tatsächlich verstörend. So liegen die Dinge nicht zwischen uns und so werden sie auch nie liegen. Nicht einmal, wenn er...
 

Abwarten, Joey. Ein Schritt nach dem anderen!
 

"Was erwartest du dann, Wheeler?"
 

Ich bin erstaunt als ich seine Stimme höre und auch die Frage überrascht mich. Ich hätte nicht damit gerechnet, dass er mich das fragen würde und die Skepsis mit der er mich ansieht, finde ich amüsant. Es verleiht ihm... nun, er sieht süß aus, wenn er so unsicher ist. Und er ist eindeutig verunsichert. Er fixiert mich nach wie vor, fast so als rechner er mit einem erneuten Angriff und einen Moment spiele ich tatsächlich mit dem Gedanken, doch dann denke ich wieder an das, was gestern passiert ist und schlagartig werde ich wieder ernst.
 

"Hör mir einfach zu, Kaiba. Mehr erwarte ich nicht und ich glaube, dass ist nicht zu viel verlangt." erwidere ich und er überlegt.
 

Ich weiß, dass er nicken wird, denn er möchte wissen was ich ihm noch zu sagen habe und ich weiß auch, dass er mich nach meiner Offenbarung mit anderen Augen betrachtet. Keine Ahnung warum ich das weiß, ich spüre es einfach. Nicht länger steht er in dieser ablehnenden Pose vor mir, er hat seine Hände wieder auf den Tisch bestützt und es ist offensichtlich, dass er Halt sucht. Halt, weil seine Welt gerade ins Wanken kommt. Weil nicht länger der Joey "Köter" Wheeler vor ihm steht, sondern ein Joey, den er nicht einzuordnen vermag. Vielleicht bilde ich es mir auch ein, vielleicht hoffe ich es, aber ich glaube eine Spur von Faszination in seinen schönen Augen zu entdecken. Scheint als wäre mein spontaner Zug doch nicht so unsinnig gewesen, wie ich befürchtet hatte.
 

Es dauert eine Weile, aber schließlich nickt er und setzt sich wieder hin. Es folgt eine grazile Geste und er deutet auf den Sessel, der seinem gegenüber steht. "Setz dich." Mehr sagt er nicht und mehr muss er auch nicht sagen. Ich folge seiner Aufforderung und einen Augenblick später sitzen wir uns gegenüber.
 

"Einen Teil der Wahrheit kennst du nun." sage ich und sein Blick hängt geradezu an mir. "Aber ich habe dir gesagt, dass ich dir auch die Wahrheit über dich sagen werde." Er reagiert mit keiner einzigen Regung. Doch als ich frage "Bereit?", nickt er und ich atme tief durch.

Zwischenzug

Dieses Lächeln wird noch einmal mein Untergang sein!
 

Ich warte bis er reagiert. Er scheint ernsthaft darüber nachzudenken. Schließlich beugt er sich vor, öffnet eine Schublade seines Schreibtisches und bringt ein kleines silbernes Etui zum Vorschein. Ich beobachte ihn wie er mit einer grazilen Bewegung eine Zigarette heraus nimmt und es mir dann hinhält. Ich sehe ihn einen Moment erstaunt an, beuge mich dann jedoch ebenfalls vor und nehme mir eine seiner blütenweißen Zigaretten raus. "Danke." sage ich und er nickt.
 

Ich wusste gar nicht, dass er raucht.
 

Er zündet sich seine Zigarette an und wirft mir dann das ebenfalls silberne Feuerzeug zu. Ich fange es und tue es ihm gleich. Dann sehe ich ihn erwartungsvoll an. Er inhaliert tief und lässt mich dabei nicht aus den Augen.
 

Ich glaube, das Nikotin hilft ihm sich wieder zu fassen. Zumindest entspannen sich seine Züge langsam wieder. Naja, genau genommen frieren sie wieder ein.
 

"Bevor du damit fortfährst weiterhin deine Wahrheit kundzutun, habe ich eine Frage, Wheeler." sagt er und ich nicke.
 

Gut, damit habe ich nicht unbedingt gerechnet, aber warum nicht. Soll er ruhig fragen. Das beweist zumindest, dass er sich auf dieses Gespräch einlässt. Das ist doch schon etwas.
 

"Glaubst du tatsächlich an das was du mir gerade gesagt hast?" will er wissen und mustert mich aufmerksam. "Glaubst du wirklich an das älteste Märchen der Welt: die Liebe?"
 

Ich nicke. "Natürlich glaube ich daran. Wie könnte ich nicht? Ich meine, ich weiß doch was ich fühle." erwidere ich und er seufzt.
 

"Wheeler." Er zieht meinen Namen absichtlich in die Länge und bedenkt mich mit einem sarkastischen Blick. "Du glaubst allen ernstes an etwas, dass du nicht sehen kannst und das dich dazu noch zu scheinbar wahnsinnigen Handlungen leitet? Ich verrate dir etwas: Diesen Schwachsinn haben sich die Menschen ausgedacht, um ihrem Leben einen Sinn zu geben. Romantisch verklärter Unsinn. Nichts weiter."
 

Ich zucke gelassen mit den Schultern und ziehe an meiner Zigarette. Ich weiß, dass er diese Worte augenblicklich genauso meint wie er sie sagt. Sie gehören zu seinem Schutzschild und sie erinnern mich an das was er auch immer wieder zu Yugi zu sagen pflegt, wenn er seinen Widerwillen gegen Freundschaft und Teamwork ausdrücken will. Ich vermute, die Worte geben ihm Halt. Vielleicht sind sie ein Mantra, dass er sich über die Jahre hin zugelegt hat.
 

"Was ist mit Mokuba?" will ich wissen. "Du liebst ihn doch."
 

Die Antwort erfolgt sofort und sie fällt genauso aus wie ich es mir gedacht habe. "Mokuba ist meine Familie." Ich lächele. Ob ihm bewusst ist, dass es dennoch ein Widerspruch ist? Aber ich glaube kaum, dass es Sinn macht, ihn in der Hinsicht zu belehren. Zumal er augenscheinlich in der Stimmung ist, sich zu wehren. Aber ich werde ihn schon dazu kriegen, der Wahrheit ins Gesicht zu sehen. Ich weiß es. Er wird in den Abgrund blicken und...

Ich habe mal gelesen, dass der Mensch in dem Moment, in dem er in den Abgrund blickt, seinen wahren Charakter entdeckt und der ist auch die einzige Rettung vor dem Abgrund. Natürlich nur, wenn man sich retten will.
 

"Liebe, Freundschaft, alles Quatsch. Das sind Illusionen, die man versucht aufrecht zu erhalten, um nicht zugeben zu müssen, dass alle zwischenmenschlichen Beziehungen reines Geschäft sind. Wir sprechen von Freundschaft und Liebe, aber aus Berechnung. Es kommt uns gelegen. Die Realität ist käuflich." höre ich ihn weiter reden. "Die meisten Menschen benutzen einander, auf die eine oder andere Art, und nennen es Liebe oder bezeichnen es als Freundschaft. Doch letztlich ist das nur eine Ausrede, mehr nicht."
 

Ich seufze. "Oh Kaiba, warum bist du nur so ein verdammter Zyniker?" Er lächelt. "Darauf könnte ich dir gleich mehrere Antworten geben." erwidert er ruhig und das glaube ich ihm auf´s Wort. Wir bewegen uns ja auch fast schon wieder auf sicherem Gelände für ihn. Doch ich gönne es ihm, immerhin werde ich ihm gleich noch einen Hammer um die Ohren hauen und ich befürchte, er hat den ersten noch nicht einmal ganz verdaut.
 

"Gib mir eine." fordere ich ihn auf. Ich bin so gnädig das Spiel mit zu spielen. "Nun, ich betrachte die Dinge so wie sie sind. Ich trage keine rosarote Brille und ich bin auch nicht naiv. Aber ich heiße auch nicht Muto." Er verzieht die Mundwinkel zu einem sarkastischen Lächeln. Ich nicke nur. "Hast du mal von dem Sprichwort gehört: Ein Zyniker ist ein Mensch, der von allem den Preis kennt, aber von nichts den wahren Wert?" kontere ich ruhig.
 

Er drückt seine Zigarette aus ohne mich aus den Augen zu lassen. "Ich gebe zu, du erstaunst mich, Wheeler." Mehr sagt er nicht zu meinem kleinen Konter, aber wir beide wissen, dass dieser Punkt an mich geht, also dränge ich nicht darauf es ausdrücklich zu betonen. Ich bin gnädig. Zudem bin ich nicht hier um einen verbalen Schlagabtausch mit ihm zu führen.
 

"Damit wir uns richtig verstehen, Kaiba." Ich denke, diesen Punkt sollte ich angesichts seiner Einstellung zu dem Thema doch ausdrücklich betonen. "Ich habe gesagt, ich erwarte nichts von dir und ich meine das auch so." erkläre ich ihm ernst. "Die Gefühle, die ich für dich habe... Ich möchte nichts von dir, falls du das denken solltest. Kein Geld, keine Gefälligkeiten, nichts dergleichen." Natürlich schnellt augenblicklich eine seiner perfekt geformten Brauen in die Höhe. "Sondern?" fragt er und versucht amüsiert zu wirken, doch er macht eher einen lauernden Eindruck. Ich zucke mit den Schultern. "Ich möchte dein Freund sein." erwidere ich aufrichtig. "Ich glaube, du kannst einen gebrauchen."
 

Wieder mustert er mich mit ausdruckslosem Blick, das sarkastische Lächeln zuckt immer noch um seine Lippen.
 

"Flirtest du mit mir, Wheeler?"
 

Ich schüttele den Kopf. "Flirten impliziert einen Mangel an ernsten Absichten."
 

Er erwidert nichts, weicht aber meinem Blick aus.
 

Es zahlt sich eindeutig aus, dass ich mir die Mühe gemacht habe, in dem Fremdwörterlexikon zu lesen. Dabei habe ich anfangs nur seine Ausdrücke nachgeschlagen, um den wahren Sinn seiner Worte zu verstehen.
 

"Also gut, Wheeler, zurück zum Wesentlichen. Ich habe nicht ewig Zeit. Sag was du zu sagen hast. Welche Wahrheit über mich glaubst du zu kennen?" wechselt er schlagartig das Thema.
 

Er lächelt dieses kalte, überlegene Lächeln, dass sein Gesicht sogar trotz des Spottes schön aussehen lässt. Ich frage mich unwillkürlich, wie ein warmes Lächeln ihm stehen würde. Wie sieht Seto Kaiba wohl aus, wenn er vollkommen entspannt sind? Leuchten seine Augen dann noch mehr? Funkeln sie wie Saphire? Und wieder einmal fällt mir die Zeile aus diesem uralten Song ein, den ich vor einiger Zeit im Radio gehört habe und der so vortrefflich auf ihn, nein, auf uns passt.
 

Why can't I free your doubtful mind and melt your cold cold heart...
 

"Ich weiß, warum du bist wie du bist, Kaiba." setze ich an. "Ich weiß, warum du glaubst, dich selbst hinter einer Maske verstecken zu müssen und auch warum du niemanden an dich heran lassen willst."
 

Einen kurzen Moment verschlägt es ihm den Atem. Seine Augen weiten sich kaum merklich und ich sehe, wie er sich leicht verkrampft. Ich glaube, sein Herzschlag erhöht sich parallel zu meinem.
 

"Wie kommst du darauf, dass es sich so verhält? Und was denkst du dir..."
 

Ich begehe meine dritte Unhöflichkeit und lasse ihn erneut seinen Satz nicht beenden. "Und ich weiß auch, warum du gestern so zusammen gezuckt bist als ich dich... nun ja... als ich dich an dieser prekären Stelle berührt habe." rede ich einfach weiter und lege ganz eindeutig meinen Finger in die Wunde.
 

Er muss nichts sagen, ich weiß auch so, dass ich ins Schwarze getroffen habe.

Opfer

A memory from your lonesome past

keeps us so far apart. Why can't I free your doubtful mind

and melt your cold, cold heart?
 

Das ist eine Stelle aus dem Lied, dass mir in den letzten Tagen - oder sind es schon Wochen? - im Kopf herum spukt.

Dreimal darfst du raten auf wen ich es beziehe!

Darauf müsstest sogar du kommen, Kaiba.
 

Tja, und das ist sozusagen das Leitmotiv für meine Mission. Ja, Mission! Ich sehe es als solche an und auch wenn ich bis gestern nicht wirklich wusste, was diese Erinnerung ist, die dich so fertig macht, so war mir klar, dass es sie gibt. Die Erinnerung oder besser gesagt dieses Ereignis, dass dein Herz zu Eis hat erstarren lassen.
 

Weißt du, ich wäre eben lieber bei dir geblieben als dich nach unserem Gespräch und meinem abschließenden Monolog zu verlassen. Aber ich wusste, dass du es nicht dulden würdest und auch, dass es vielleicht besser ist, dich erst einmal alleine zu lassen.
 

Ich schätze, du sitzt gerade an deinem großen Schreibtisch und denkst über meine Worte nach. Wahrscheinlich durchlebst du auch besagte Erinnerung noch einmal.
 

Erinnerungen sollten eigentlich was schönes sein, sie sind es aber nicht immer, das weiß ich auch. Am Schlimmsten ist es wohl, wenn eine böse Erinnerung schlagartig die Vergangenheit wach ruft. Ich denke, so geht es dir gerade. Meine Worte haben deine Vergangenheit wieder auferstehen lassen und jetzt bist du mit deinen Dämonen alleine. Aber bei diesem Kampf kann ich dir auch nicht zur Seite stehen, selbst wenn du es zu lassen würdest.
 

Weißt du, ich wollte dir keineswegs vor den Kopf stoßen. Es ist mir echt schwer gefallen, dir meine Vermutung auf den Kopf zu zusagen. Aber ich glaube, du hast begriffen, dass dies kein grausamer Schachzug war, um dich fertig zumachen, auch wenn du vielleicht nicht ganz verstehst, dass ich dir gerne helfen möchte.
 

Du hast gesagt, dass keiner dir dabei helfen kann, dass es einzig deine Sache ist, aber das stimmt nicht. Was genau zwischen Gozaburo und dir vorgefallen ist, nun, diese Erinnerung gehört natürlich dir allein, aber das Geschehene hat seine Konsequenzen. Nicht nur für dich. Auch für Mokuba. Dein Umfeld. Jeden. Mich eingeschlossen.
 

Mokuba hat erzählt, dass es immer dein Wunsch war, Kaiba-Land zu bauen, um Kinder glücklich zu machen. Das ist der Wunsch eines Menschen, der mehr als nur ein gutes Herz hat. Aber dann wurde dein Herz zu einem Klumpen Eis. An deinem Ziel mag sich vielleicht nichts verändert haben, aber du hast dich verändert. Glaub mir, die Sache hat Konsquenzen und wenn du ehrlich bist, Kaiba, du bist doch auch keineswegs glücklich. Du funktionierst nur noch.
 

Das kann doch nicht der Sinn deines Lebens sein!
 

Ich weiß, dass du leidest. Ich habe es dir eben angesehen. Klar, meine Worte haben dich getroffen wie ein Schlag ins Gesicht. Dass ausgerechnet dein erklärter Feind dein dunkles Geheimnis kennt, muss mehr als hart sein. Und es war auch keineswegs zu erwarten, dass du es leugnen könntest. Deine Masken mögen gut sitzen, aber in dem Moment...
 

Ich habe den echten Seto gesehen. Und ich habe deinen Schmerz gespürt.
 

Du trägst ihn schon so lange mit dir herum, wahrscheinlich hast du irgendwann beschlossen ihn einfach auszuhalten, vielleicht hast du auch gehofft, dass er irgendwann von alleine gehen würde. Aber diese Wunde ist nie verheilt. Du hast sie nur ignoriert. Doch das ändert nichts, verstehst du? Er ist immer da und das weißt du so gut wie ich. Aber du bist ein Meister darin Dinge zu ignorieren. Dabei ist die Lösung eigentlich recht leicht - du musst dich ihm stellen, deinem Schmerz. Genau wie Yami gemeint hat.
 

Und vielleicht tust du das gerade auch. Ich hoffe es. Nicht, weil ich dir diesen Kampf wünsche. Gott bewahre, wenn ich könnte, dann würde ich das alles ungeschehen machen, ich meine, diese Sache, die dein Stiefvater dir angetan hat. Ja, ich würde es sofort tun. Ohne zu zögern.
 

Ob du´s mir glaubst oder nicht, augenblicklich leide ich genauso sehr wie du. Naja, das ist vielleicht etwas übertrieben, ok. Aber ich leide wirklich mit dir.
 

Und wie gesagt, mein Angebot war ernst gemeint! Ich werde es auch keineswegs zurück nehmen. Du brauchst einen Freund und ich will dir einer sein. Gut, ich wäre gerne noch mehr als das, aber ich kann warten.
 

Ach Kaiba, ich hoffe wirklich, dass du dich dieses Mal nicht verschließt. Was auch immer das in Bezug auf uns heißt, augenblicklich ist das Wichtigste, dass du dich dir selbst stellst.
 

Was mich nun anbelangt...

Ich habe dir mein Herz geschenkt, mehr kann ich dir nicht geben. Ich hoffe, dass es reicht.
 

Ja, ich weiß, ich bin albern und vermutlich auch romantisch verklärt wie du es so schön ausgedrückt hast, aber hey, ich glaube eben an diesen Schwachsinn und du wirst auch wieder daran glauben, Kaiba. Ich sorge schon dafür.
 

Aber erst wirst du in den Abgrund blicken müssen. Anders geht es nun einmal nicht. Es tut mir leid, dass ich dich dazu zwingen musste, aber ich glaube daran, dass du es kannst. In den Abgrund blicken. Und wenn dieses Sprichwort stimmt, wenn man in diesen Momenten tatsächlich seinen eigentlichen Charakter erkennt, dann wirst du auch nicht in den Abgrund stürzen.
 

Da siehst du mal wieviel ich von dir halte! Und ja, ich grinse gerade.
 

Wenn meine Überlegungen richtig sind, dann müsste ich morgen von dir hören. So gesehen bist du jetzt am Zug. Und weißt du was, ich bin zuversichtlich! Sehr sogar. Ich vertraue darauf, dass du gerade das Richtige tust und ich vertraue auf deine... hm, Neugier kann man es nicht nennen. Sagen wir also Skepsis. Ja, ich vertraue auf deine Skepsis und die wird dich morgen zu mir führen! Und dann mache ich dir den Rest auch noch begreiflich.
 

Ja, ich werde dich schon überzeugen. Joey Wheeler hat eben eine Mission und ich habe ein großes Herz. Fast so groß wie das von Yugi. Für uns beide reicht es allemal.
 

Zudem denke ich, dass es Zeit ist, dass du lernst was Spaß ist. Ich meine auf die Wheeler-Art. Ich kann schon sehen wie du eine deiner schönen Brauen hochziehst, wenn ich dir das sage. Die Geste ist eigentlich ganz süß.
 

Vielleicht ist es jetzt sehr optimistisch, aber ich glaube, wir beide können eine Menge Spaß zusammen habe, Kaiba. Und nein, ich meine das jetzt nicht ganz so zweideutig, wie es vielleicht wirkt, auch wenn ich darüber auch schon nachgedacht habe. Bleibt ja nicht aus bei diesen Gefühlen. Aber was das anbelangt will ich jetzt nicht all zu sehr ins Detail gehen. Das besprechen wir mal in aller Ruhe, wenn der Rest hinter uns liegt.
 

Also ich glaube, meine Strategie hat bislang Erfolg. Ich weiß es. Du würdest es sicher abstreiten, aber du kennst ja auch die nächsten Züge nicht.
 

Morgen werden wir uns sehen, Kaiba. Ich weiß es. Du wirst herkommen und nun, ich denke, dass ich dich dann wieder küssen muss. Ja, ich bin mir sogar sicher, dass ich gar nicht anders kann als das zu tun. Heute musste ich es mir ja schon verkneifen, aber es schien mir nicht angebracht nach... naja, du weißt schon.
 

Ich werde dir zeigen, dass der Schwachsinn wahr ist! Verlass dich drauf.

Festung

Das Fehlen eines Beweises kann auch ein Beweis sein!
 

Es klingelt und schon auf dem Weg zur Tür weiß ich, dass er es ist. Das ist weniger eine Vermutung als Gewissheit. Schließlich rechne ich schon den ganzen Tag mit seinem Erscheinen und tatsächlich - als ich die Tür öffne, steht kein Geringerer vor mir als Seto Kaiba. Unnötig zu fragen, woher er weiß, wo ich wohne.
 

Ich bemühe mich dennoch einen überraschten Eindruck zu machen.
 

"Kaiba!" Ja, das klingt tatsächlich überrascht.
 

"Darf ich reinkommen?" fragt er und jetzt bin ich wirklich überrascht. Ich meine, dass er diese Frage überhaupt stellt. Naja, natürlich ist es eine logische Frage, sogar noch recht höflich formuliert, aber immerhin ist er Seto Kaiba und ich bin der Köter...
 

Scheint als würde mein Vorhaben die ersten Auswirkungen mit sich bringen. Die Maske bekommt Risse. Aber das war ja auch mein Plan, oder?
 

Ich nicke und öffne ihm die Tür so, dass er eintreten kann. Er schreitet an mir vorbei und ich nehme wahr, dass sein Blick abschätzend durch den Raum schweift. Ich schließe die Tür und deute zur Küche. Er folgt meiner stummen Aufforderung und einen Moment später stehen wir uns schweigend gegenüber.
 

Wieder einmal eine neue Situation zwischen uns. Er hat die Lippen fest aufeinander gepresst und scheint zu überlegen.
 

"Kaffee?" frage ich. Er schüttelt den Kopf. Scheinbar hat ihn die Frage aus seinen Gedanken gerissen. Er strafft die Schultern und zieht ein kleines Heft aus seiner Manteltasche. Dann sieht er mich an. Sein Blick ist verschlossen wie eh und je, dennoch halte ich ihm ruhig stand.
 

"Wieviel?" will er wissen.
 

Einen Moment lang bin ich irritiert und verstehe nicht was er meint. Dann glaube ich zu verstehen. Er will mir Geld anbieten. Ich starre ihn ungläubig an. "Wieviel willst du?" fragt er erneut und ich blinzele, während sich meine Gedanken überschlagen.
 

Ist das die Art wie er mit meiner Offenbarung von gestern umzugehen gedenkt? Und ist er sich im Klaren darüber, dass er es damit eingesteht? Zugibt, dass ich Recht habe?
 

Wow.
 

Als könne er meine Gedanken lesen, erklärt er mit dem vertraut eisigen Tonfall: "Damit wir uns richtig verstehen, ich hätte dir genauso gut auch meine Anwälte vorbei schicken können, aber..."
 

Ich unterbreche ihn. Inzwischen habe ich ja Übung darin.
 

"Aber die Sache ist delikat und daher willst du sie auch mit Stillschweigen behandeln. Also willst du dir mein Schweigen erkaufen." Ich seufze. "Nun, das ist nicht nötig. Ich habe keineswegs vor dieses Thema mit irgendwem zu erörtern."
 

"Es gibt nichts zu erörtern." presst er hervor. Ich lächele. "Ach ja? Warum bist du dann hier?" will ich wissen. Er antwortet nicht und zum ersten Mal habe ich das Gefühl, dass er tatsächlich keine Antwort kennt.
 

Ich zucke mit den Schultern und schicke mich an mir einen Kaffee zu machen. "Ich habe also Recht." Ich frage nicht, ich stelle fest. Was natürlich nicht nötig ist, wir wissen es beide.
 

"Ich möchte kein Geld von dir." erkläre ich ruhig. "Ich möchte dir ein Freund sein."
 

Als ich mich ihm wieder zuwende, starrt er mich an. Genau wie gestern, versucht er meine Worte zu analysieren, meine Gedanken zu ergründen und genau wie gestern gelingt es ihm nicht. Doch ich habe auch nichts anderes erwartet. Ich sehe das "Warum?" in seinen Augen und erst jetzt fällt mir auf, dass er müde wirkt. Wahrscheinlich hat er letzte Nacht kein Auge zu getan. Ich kann es verstehen.
 

"Hör zu, Kaiba." sage ich ruhig und lächele ihn zaghaft an. "Wie wär´s, wenn du dich hinsetzt und einen Kaffee trinkst und wir uns in Ruhe unterhalten."
 

Er starrt mich noch immer an und ich weiß, dass er ziemlich durch den Wind ist. Andernfalls würde er mir auch längst irgendeine bissige Bemerkung an den Kopf werfen. Stattdessen steht er einfach nur da. Also schiebe ich ihm die Tasse, die ich für mich gekocht habe hin. "Milch, Zucker?" Er schüttelt automatisch den Kopf. Ich grinse. "Dacht ich mir schon." Ich stelle eine weitere Tasse unter die Maschine.
 

Komischerweise ist das Schweigen, dass gerade herrscht nicht wirklich befremdlich.
 

Es dauert ein paar Minuten bis er sich rührt. Das Scheckheft verschwindet in seinem Mantel und er betrachtet zögernd den Stuhl neben sich und auch die Tasse Kaffee. Ich weiß nicht, warum er sich entschließt meiner Aufforderung Folge zu leisten, vermutlich weil er tatsächlich gerade neben sich steht und auch nicht weiß wie er mit dieser Situation umzugehen hat. Immerhin befindet er sich in der Küche seines erklärten Erzfeindes, der ihm gestern seine Gefühle gestande hat und darüber hinaus... nun, wichtig ist eigentlich nur, dass er es tut. Er nimmt Platz und ich tue es ihm gleich und beide starren wir erst einmal in unsere Tassen. Unter andern Umständen hätte ich sicher gelacht oder gegrinst, schließlich ist es auch zu merkwürdig uns beide so zu sehen.
 

"Warum?" höre ich ihn schließlich fragen.
 

"Warum was?" Ich bin nicht sicher was er meint, auch wenn ich natürlich eine Vermutung habe. Er zuckt kaum merklich mit den Schultern. "Alles." sagt er mit tonloser Stimme und ich nicke verstehend.
 

Ich nippe an meinem Kaffee und lege mir die nächsten Worte genau zurecht.
 

"Warum ich Gefühle für dich habe?" Ich seufze. "Ich weiß es auch nicht. Es ist einfach passiert. Ich glaube, so etwas kann man auch nicht erklären."
 

Er nickt nachdenklich und nimmt ebenfalls einen Schluck. Ich schätze sogar er weiß, dass man so was nicht erklären kann. "Glaub mir, für mich war diese Erkenntnis auch ein Hammer!" Ich lache und hoffe damit ein wenig diese merkwürdige Situation zu entspannen, aber natürlich gelingt es mir nicht wirklich. Er ist noch blasser als sonst und irgendwie wirkt er auch... verletztlich.
 

Es ist seltsam ihn so zu sehen. Wieder muss ich daran denken, wie oft ich mir gewünscht habe, ihn zu verletzen, wenn auch auf andere Art, aber naja... jetzt wo er tatsächlich verletzt ist und das ist er zweifelsohne, genieße ich den Anblick keineswegs. Nicht einmal nach seiner ersten Niederlage gegen Yugi hat er so ausgesehen. Damals war er schockiert, ja, getroffen, vielleicht sogar bis in seine Grundfeste erschüttert, aber keinesfalls so paralysiert wie er es jetzt ist. Unwillkürlich verspüre ich den Wunsch nach seiner Hand zu greifen, aber ich bezweifele, dass dies eine gute Idee wäre.
 

"Und was meine Vermutung anbelangt..." hebe ich an und merke wie er sich verkrampft. "Ich hatte eine Ahnung, dass es irgendwas in deiner Vergangenheit gibt, dass dir so zugesetzt hat, dass du... naja, dass du so kalt geworden bist. Immerhin hat Mokuba gemeint, dass du früher anders warst und..."
 

Ich halte schlagartig inne, denn er blickt mich direkt an. Vermutlich weil ich Mokuba erwähnt habe. Ich zucke mit den Schultern. "Und als ich bei dir im Büro war und du..." Ich muss nicht zuende reden. Er nickt bereits und seine Augen schließen sich einen Augenblick. "Es tut mir leid." sage ich ehrlich und ein spöttisches Grinsen zuckt um seine Mundwinkel. Der Ausdruck seiner Augen verändert sich schlagartig und es ist als würden sie mir sagen wollen "Ach ja, das soll ich dir glauben?" Aber er erwidert nichts, sieht mich nur an.
 

"Ich will dein Freund sein, Seto. Und glaub mir, du brauchst einen."
 

Das habe ich ihm bereits gesagt, aber ich bezweifele, dass er es verstanden hat. Selbst ob er es jetzt versteht, weiß ich nicht. Ich hoffe es.
 

"Was soll das heißen?" will er wissen und so eine Frage kann auch nur er stellen.
 

Ich seufze. "Das heißt, dass du jemanden brauchst, mit dem du reden kannst. Jemanden, der für dich da ist. Du kannst diese Dinge nicht alleine mit dir ausmachen. Das kann niemand."
 

Für den Bruchteil einer Sekunde ist er wieder ganz der Alte. Ich sehe den Sarkasmus in seinen Augen und er versucht ernsthaft die Mauern wieder aufzurichten, die doch bereits am brökeln sind. "Und das willst ausgerechnet du sein, Wheeler?"
 

"Warum nicht?"
 

Er lacht trocken auf. "Dir ist schon klar, wie absurd diese Unterhaltung ist?"
 

Ich nicke. "Allerdings nicht absurder als unsere anderen Dialoge." kontere ich und er lässt es so stehen.
 

"Was dir passiert ist, kann keiner ungeschehen machen. Das weißt du sicherlich genauso gut wie ich, aber du weißt sicher auch, dass es nichts bringt, die Vergangenheit zu ignorieren. Du kannst sie nicht begraben. Die Narben lassen sich nicht leugnen." Er betrachtet mich skeptisch, lässt mich aber fortfahren. "Ich habe doch Recht, oder? Alles was du tust, dient doch nur dem Zweck zu vergessen, aber das kannst du nicht. Das wirst du nie können. Die Vergangenheit ist ein Teil von dir, du kannst nur versuchen mit ihr zu leben. Aber auf dem Weg, auf dem du es versuchst, wirst du unweigerlich ins Unglück stürzen."
 

Es scheint als würde er tatsächlich über meine Worte nachdenken.
 

"Warum interessiert dich das alles?" fragt er schließlich und ich verdrehe in obligatorischer Kaiba-Manier die Augen. "Das ist doch offensichtlich." erkläre ich. "Weil du mir nicht egal bist und weil ich will, dass du glücklich bist. Vorzugsweise mit mir." Ich lache.
 

"Du bist verrückt." stellt er fest. Ich nicke. "Klar." stimme ich gut gelaunt zu. "Jemand, der auf dich steht, muss auch ziemlich krank sein, mein Lieber."
 

Wieder sieht er mich unschlüssig an und ich weiß, dass er nicht die geringste Ahnung hat, was er erwidern soll.
 

"Also?" frage ich nach einer Weile und sehe ihn erwartungsvoll an. Er hat seinen Kaffee geleert und schon wieder etwas Farbe im Gesicht. "Also was, Wheeler?" fragt er misstrauisch. Ich grinse. "Was hältst du von meinem Angebot?" helfe ich ihm auf die Sprünge. "Welches Angebot?" Ich seufze und bedenke ihn mit einem nachsichtigen Blick. "Mann, Mann, du bist wirklich eine harte Nuss, Kaiba."
 

"Du brauchst einen Freund. Ich will dir einer sein." kläre ich ihn schließlich auf. Er zieht wieder eine seiner Brauen hoch und will scheinbar auch gerade ansetzen irgendetwas spöttisches zu erwidern, doch ich lasse ihn nicht zu Wort kommen. "Du bist hergekommen, weil meine Vermutung gestern richtig wahr. Ich habe dir auf den Zahn gefühlt, nicht wahr?" Er streitet es weder ab, noch bestätigt er meine Worte. Gut, das reicht für mich als Antwort. "Ich glaube, du brauchst jemanden, der dir zu ein paar schönen Erinnerung verhilft, die werden zwar die Bösen nicht auslöschen, aber sie machen dein Leben sicher schöner und ich denke, ich bin genau der richtige Mann für so eine Mission."
 

Ich grinse immer noch und er starrt mich fassungslos an.
 

"Und sag jetzt nicht, dass dein Leben, so wie es ist, perfekt wäre. Es ist nämlich kein Leben. Du funktionierst nur. Frage Mokuba falls du mir nicht glaubst."
 

Fast befürchte ich, dass die Erwähnung seines kleinen Bruders seinen Unwillen hervorruft, aber stattdessen mustert er mich nur. Nach wie vor ist sein Blick skeptisch.

"Und wie gedenkst du dein Vorhaben in die Tat umzusetzen, wenn wir einmal davon ausgehen, ich würde dein verrücktes Angebot annehmen?"
 

Strike²!
 

Er mag in Gedanken noch bei der Theorie sein, aber in der Realität sind wir bereits bei der Praxis.
 

"Zum Beispiel in dem ich dir zeige was es bedeutet, Spaß zu haben. Auf die Wheeler-Art!" entgegne ich und er schüttelt leicht den Kopf. "Du bist verrückt." sagt er erneut. "Offensichtlich." erwidere ich gelassen.
 

Scheinbar gelingt es mir wieder einmal ihn vollkommen und unwiderruflich zu verwirren. Ich grinse noch immer. Es ist aber auch ein wirklich niedlicher, ja, fast schon süßer Anblick ihn so durcheinander zu sehen. Ich muss mich tatsächlich zusammen reißen um wieder ernst zu werden.
 

Ich schlucke und sehe ihm direkt in die Augen. "Aber erst müssen wir über diese...Sache reden." sage ich entschieden und wieder sehe ich wie er kaum merklich zusammen zuckt.
 

"Es gibt nichts darüber zu reden." fährt er mich sofort harsch an und fast befürchte ich, dass er aufspringen würde. Jetzt wage ich es meine Hand auf seinen Arm zu legen. "Ich weiß es doch so oder so. Dein Erscheinen hier ist ein Eingeständnis, also nutz die Chance und mach dir Luft. Glaub mir, es wird helfen." Ich sehe ihn so eindringlich an, dass ich fast sicher bin, dass er meine Worte als eine verzweifelte Bitte auffassen kann. Er presst erneut die Lippen aufeinander, aber er entzieht sich keineswegs meiner Berührung. "Warum sollte ich ausgerechnet mit DIR darüber reden wollen? Denkst du ernsthaft, dass ich mir vor dir irgendeine Blöße geben würde." Ich weiß, dass diese Worte der letzte Versuch sind Widerstand zu leisten und noch bevor er sie ausgesprochen hat, weiß ich, was ich erwidern muss.
 

Ich lächele.
 

"Nun, mit wem sonst?" entgegne ich ruhig. "Zudem... Ich habe DIR mein Herz geschenkt. Mehr Blöße kann ich mir nicht geben. Also - quid pro quo, Kaiba!"

Vernichtung der Verteidigung

Vielleicht machen uns unsere Unvollkommenheiten perfekt füreinander?
 

Ich weiß nicht wie lange wir uns gegenüber sitzen und keiner von uns ein Wort sagt. Ich sehe ihn an, er weicht meinem Blick aus. Er hat seine Augen stur auf den Tisch gerichtet und ich weiß, dass er mit sich ringt. Ich fühle es und ich habe Recht.
 

"Was willst du hören?" fragt er mich schließlich und seine Stimme bebt. Ich erwidere nichts. Sehe ihn einfach nur an. Ein spöttisches Lächeln erscheint in seinem Gesicht.
 

"Soll ich dir sagen, dass du Recht hast? Das weißt du doch längst." Nun klingt er provozierend. Ich schweige noch immer.
 

Er funkelt mich an. "Muss ich es dir tatsächlich noch bestätigen? Gut, wenn es dir Freude bereitet, dann bekommst du nun deinen Triumph, Wheeler!"
 

Wut schwingt in seiner Stimme mit, aber mir entgeht auch nicht die Unsicherheit, die Verzweiflung. Unwillkürlich verspüre ich einen Stich. "Ja! Ja, du hast den Nagel auf den Kopf getroffen, Wheeler! Zufrieden? Oder willst du noch mehr? Details? Die ganzen schmutzigen Einzelheiten?"
 

Ich schlucke. Er bemüht sich, mich direkt anzusehen. Ganz der alte Kaiba, der keiner Konfrontation aus dem Weg geht. Nur, dass sein Blick nicht eisig ist und auch nicht gleichgültig. Ob sein Herz augenblicklich genauso schnell schlägt wie meines?
 

"Erzähl mir einfach, was dir auf der Seele brennt." sage ich leise und er lacht bitter auf.
 

Gleichgültig wie er sich gerade geben mag, ich weiß, dass er darüber reden will. Ich spüre es. Er gleicht einem Vulkan, der kurz vor dem Ausbruch steht.
 

Ich schenke ihm ein mildes Lächeln. "Es auszusprechen wird es nicht auslöschen, aber ich bin sicher, dass es erträglicher wird."
 

Er sieht mich mit diesen unbeschreiblich blauen Augen an, in denen ich so gerne versinken möchte und deren trauriger Glanz mir fast körperlichen Schmerz bereitet. Die nächste Mauer ist gefallen. Wieder hat er eine Maske abgelegt. Ich betrachte ihn fasziniert. Seine markanten Züge sind nicht unbedingt weicher, aber sie haben nicht länger diese unbarmherzige Härte.
 

"Du klingst schon fast wie Gardner." entgegnet er und das Lachen, das folgt ist kurz, aber echt.
 

Ich muss unwillkürlich grinsen. Ja, der Spruch hätte auch von Tea sein können. "Noch einen Kaffee?" frage ich und er nickt. Ich stehe auf und nehme die zwei Tassen. "Kann ich hier rauchen?" will er wissen. Ich nicke und einige Sekunden später höre ich ihn tief inhalieren. Als ich mich wieder zu ihm umdrehe, hat er sich in dem Stuhl zurück gelehnt und starrt auf die gegenüberliegende Wand. Ich schiebe ihm wieder die Tasse hin und lasse mich auf den Stuhl sinken. Er nickt mir kurz zu und rückt das Zigarettenetui in meine Richtung, aber ich schüttele den Kopf.
 

Er seufzt. "Als Mokuba und ich ins Waisenhaus kamen, da habe ich ihm und mir selbst zwei Dinge geschworen: dass wir immer zusammen bleiben und dass ich dafür sorgen werde, dass wir dort rauskommen."
 

Ich nicke unwillkürlich. Ja, ich kann mir gut vorstellen, wie der kleine Seto sich das geschworen hat. Jeder, der ihn je mit Mokuba gesehen hat, würde ihm das auf Anhieb glauben.
 

"Und Gozaburo verhieß beides, oder?"
 

Eigentlich unnötig diese Frage zu stellen. Ich erinnere mich an Mokubas Erzählung. Natürlich kennt man die Geschichte auch aus dem Medien. Sie ist längst eine Legende geworden. Genau wie er. Und keineswegs nur in der eigenen Vorstellung. In seinem Alter hat er mehr erreicht als manch anderer in einem ganzen Leben.
 

"Ja, so sah es damals aus." höre ich ihn sagen. Immer noch blickt er stur zur Wand und scheint irgendeinen unsichtbaren Punkt zu fokusieren. Ich warte einen Moment ehe ich etwas sage. "Aber der Preis dafür war hoch."
 

Er zuckt mit den Schultern. "Wie man es nimmt." entgegnet er sarkastisch. "Ich konnte meinen Schwur erfüllen. Mokuba und ich wurden nicht getrennt und inzwischen haben wir alles, was wir uns je gewünscht haben. Noch mehr als das."
 

Mokubas Worte fallen mir wieder ein.
 

"Ich wünschte, wir wären nie zu Gozaburo gekommen."
 

Ob er genauso denkt?
 

Ich mustere ihn und überlege schon ob ich ihn fragen soll als er weiter redet.
 

"Nach Noahs Unfall spitzte sich die Lage immer mehr zu. Zuvor war es nur so, dass Gozaburo mich permanet zum lernen antrieb. Doch dann..." Er bricht ab und zieht an seiner Zigarette. "Anfangs waren seine Strafen für meine Fehlleistungen einfach nur streng, manche würde vielleicht auch übertrieben sagen, aber sie waren nichts, was ich nicht ertragen konnte. Und gleichgültig wie hart er zu mir war, sobald ich Mokuba sah, wusste ich warum ich das alles auf mich nehme." Ein Lächeln huscht für den Bruchteil einer Sekunde über sein Gesicht, dann sitzt die kalte Maske wieder.
 

Dass Mokuba mir bereits einiges über diese Zeit erzählt hat, wage ich mich nicht ihm zu sagen. Im Grunde weiß ich auch nur oberflächliche Dinge und ich denke, auch der Kleine weiß nicht mehr.
 

"Je besser ich wurde, je weniger Fehler ich machte, desto schlimmer wurde es. Ich weiß nicht warum, denn eigentlich war es doch genau das was er wollte. Ich sollte perfekt funktionieren und das habe ich." Er schluckt und kaum hat er die Zigarette in dem Aschenbecher, den ich ihm hingestellt habe, ausgedrückt, zündet er sich die Nächste an. Seine Finger zittern kaum merklich.
 

Eine Weile herrscht wieder Schweigen und ich weiß, dass wir nun an dem Punkt angelangt sind, den er bislang noch nie in Worte gefasst hat. Die Wahrheit, die keiner kennt und die ich durch reinen Zufall erraten habe. Ich kann ihm deutlich ansehen wie schwer es ihm fällt darüber zu reden, ja, sogar daran zu denken. Augenblicklich denkt er daran. Hier und jetzt stellt er sich diesem Dämon, der nichts anderes ist als die wohl schrecklichste Erinnerung, die er hat. Einen Moment lang verspüre ich nicht nur Mitleid, sondern auch den Wunsch es ihm zu ersparen. Ja, einen Augenblick lang, denke ich daran, ihn zu erlösen. Ihm zu sagen, dass er es nicht aussprechen muss, weil ich es ja ohnehin weiß. Dann erinnere ich mich an die Worte des Pharaos.
 

"Du kannst seine Dämonen nicht vertreiben, Joey, darüber musst du dir im Klaren sein, aber du kannst ihm beistehen sich ihnen zu stellen. Und er muss sich ihnen stellen, sonst wird er so enden wie er jetzt lebt."
 

Atemu hat natürlich Recht. Er muss sich dieser Sache stellen. Ich kann es ihm nicht ersparen.
 

Kaiba hat die Lippen fest aufeinander gepresst und im insgesamten wirkt er plötzlich wieder erstarrt. Sogar seine Haltung hat sich verändert. Ob er die Szenen aus seiner Vergangenheit gerade wie einen Film vor seinem geistigen Auge ablaufen sieht? Wahrscheinlich.
 

Nach einer Ewigkeit öffnet er den Mund. Seine Augen sind jetzt geschlossen.
 

"Eines Abends kam er noch sehr spät in mein Zimmer. Das war neu. Ich wusste direkt, dass es nichts gutes zu bedeuten hat. Und ehe ich wusste was geschah..." Er schluckt hart und ich glaube, ich habe eine kleine Vorstellung dessen, was ihn das gerade kostet. "Ich habe nicht geschrien. Nicht ein einziges Mal. Auch nicht geweint. Ich hielt einfach still und ließ es über mich ergehen. Natürlich kam mir in den Sinn mich zu wehren, aber ich hätte ohnehin keine realistische Chance gehabt. Und die Konsequenzen..." Er schüttelt leicht den Kopf.
 

Seine Augen sind wieder offen, aber er sieht mich nicht an.
 

Ich schaudere. Seine Stimme klingt so... kalt. Nein, kalt ist sie immer. So kenne ich sie. Er klingt leer, ausgebrannt. Wie ein Roboter. Genau wie er es beschreibt. Und ich kann die Szene fast vor mir sehen. Den Seto, den ich von Mokubas Anhängerbild kenne. Ich wage es kaum zu atmen.
 

Obgleich ich es längst wusste, versetzt es mir einen Stich die Worte aus seinem Mund zu hören.
 

"Mokuba." flüstere ich kaum hörbar. Eigentlich weiß ich gar nicht was ich damit sagen will. Dass dem Kleinen nichts dergleichen passiert ist, weiß ich. Kaiba schüttelt den Kopf. "Er weiß es nicht." sagt er mit dieser unwirklichen Stimme. "Es ist das einzige Geheimnis, dass ich vor ihm habe." Ich nicke unwillkürlich, denn ich kann ihn verstehen.
 

Vielleicht hätte er sich damals gewehrt, wenn Mokuba nicht gewesen wäre. Vielleicht wäre er auch davon gelaufen. Er war ein kluges Kind. Er hätte sich zu helfen gewusst, aber zu zweit? Keine Chance. Also hatte er es ertragen, es über sich ergehen lasse. Einmal? Mehrmals? Ich werde ihn das nicht fragen. Das ist auch nicht notwendig. Ich kann die Antwort von seinem Gesicht ablesen.
 

"Deshalb all diese Mauern und Masken." stelle ich tonlos fest. Oder frage ich ihn? Ich bin mir nicht sicher. Seine Mundwinkel verziehen sich zu einem spöttischen Grinsen, doch es verschwindet gleich wieder. Er erwidert nichts. Er blickt wieder zur Wand und ich habe das Gefühl, dass er sich zu sammeln versucht.
 

"Zufrieden, Wheeler?" fragt er schließlich. "Fast." antworte ich ernst und sein fragender Blick trifft mich sofort. Die rechte Braue ist hoch gezogen und ich lächele unwillkürlich bei dem fast wieder gänzlich vertrauten Anblick. Ich weiß, dass er sich fragt, was ich damit meine und dass er sich nicht auch noch die Blöße geben will mich zu fragen. Immerhin hat er seine Grenzen gerade weit mehr als nur überschritten und wir wssen beide, was das bedeutet. Jetzt wird nichts mehr sein wie zuvor. Wir werden nie wieder nur Kaiba und Wheeler sein. Unabhängig von meinen Gefühlen für ihn, die Dinge zwischen uns haben sich bereits geändert. Dessen sind wir uns beide bewusst, nur dass ich im Gegensatz zu ihm eine Ahnung habe wie ich damit umgehen soll.
 

"Schöne Erinnerungen." liefere ich ihm ein Stichwort und er legt die Stirn in Falten. "Ich habe dir doch gesagt, dass ich dir zeigen will, was Leben bedeutet. Richtig leben. Dadurch bekommst du schöne Erinnerungen." Ich lächele ihn fröhlich an. Er wirkt irritiert und ungläubig.
 

"Weißt du, Kaiba, unser Leben ist eigentlich nichts anderes als eine Aneinanderreihung von Bilder, die an uns vorbei ziehen, und nur wenige von diesen Bildern bleiben wirklich bis zum Ende im Gedächnis. Leider haben die entsetzlichen Momente, die Gabe sich unwiderruflich einzubrennen und naja, um einen entsetzlichen Moment aufzuwiegen, bedarf es vieler schöner Momente, denn so wird der entsetzliche Moment zu einem flüchtigen Bild ohne Bestand." versuche ich ihm meine Überlegungen zu erläutern. "Also werde ich dafür sorgen, dass du viele schöne Momente erlebst. Ich werde jedenfalls mein Bestes geben."
 

Er starrt mich an als wäre ich eine kleine rosa Elfe. Nein, wahrscheinlich würde er diese weit weniger irritiert ansehen. "Wheeler, keine Ahnung warum du dich dazu berufen fühlst, aber..."
 

Ich lache und er bricht ab. "Berufen fühle." wiederhole ich frei seine Worte. "Ja, so könnte man es ausdrücken und ich habe dir jetzt schon zweimal gesagt, warum dem so ist. Ich hoffe dein Kurzzeitgedächnis hat keinen Schaden bekommen, Kaiba. Und wie gesagt, mein Beweggrund ist offensichtlich."
 

Ich weiß, dass er durch den Wind ist, daher bin ich auch besonders nachsichtig mit ihm. "Um mich noch einmal zu wiederholen: Ich denke ich liebe dich! Genau genommen weiß ich, dass ich es tue. Und deshalb will ich dich eben glücklich machen." Kaiba starrt mich nach wie vor an, aber ich habe den Eindruck, dass meine Worte und ihr Sinn endlich zu ihm durchdringen. Seine Augen weiten sich einen Moment und dann fragt er zu meiner Überraschung etwas, dass so wirklich nur Seto Kaiba fragen kann. Der Tonfall, der Blick, die Frage. Typisch Kaiba. Würde er dabei nicht so süß aussehen, könnte ich nicht an mir halten und würde laut los lachen, aber ich will ihn ja auch nicht verstören. Das ist er ja schon zur genüge.
 

"Und welchen Nutzen trägst du davon, Wheeler? Ich teile deine überschwänglichen und irritierenden Gefühle nämlich nicht."
 

Ich seufze und denke nur: ´Abwarten, Kaiba!´, aber ich erwidere mit ernster Miene: "Liebe ist bedingungslos, Kaiba. Aber die Lektion erörtern wir ein anderes Mal." Ich grinse und er verschränkt die Arme vor der Brust. "Du denkst doch nicht ernsthaft, dass du mir Lektionen erteilen könntest!" Tonfall und Blick entsprechen fast wieder der alten Kaiba-Manier, aber das schüchtert mich natürlich nicht ein. Joey Wheeler hat schließlich eine Mission.
 

"Nun...doch. Genau das denke ich." entgegne ich gelassen und mustere gespielt offensichtlich seine Haltung. "Und wenn wir schon mal dabei sind: Arroganz mag der sicherste Schutz vor Nähe sein, aber Einsamkeit macht keineswegs glücklich."
 

Wieder starrt er mich an. "Das ist übrigens Lektion Nr. 1."

Hinlenkung

Hab ich nicht gesagt, dass du kommen würdest?

Aber denk jetzt bloß nicht, dass es ein Triumph für mich ist, dass ich Recht hatte. Wie gesagt, darum geht es mir längst nicht mehr, aber ich glaube, dass hast auch du jetzt gecheckt.
 

Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet wir beide uns einmal so unterhalten würden? Das hat sich wohl keiner von uns je träumen lassen, was?
 

Aber weißt du was? Ich fand es schön. Ok, das Thema an sich war... naja, du weißt schon, aber mit dir in der Küche zu sitzen, Kaffee zu trinken und einfach zu reden... das hatte echt was. Daran könnte ich mich gewöhnen. Und irgendwie habe ich das Gefühl, vielleicht ist es auch nur eine Hoffnung, dass du es auch kannst.
 

Ich weiß, dass es dich einiges an Kraft gekostet hat, zu kommen. Und noch mehr mit mir über diese Sache zu reden. Ich glaube, ich muss nicht betonen, dass du mehr als nur meinen Respekt hast. Heute hast du echt wahre Größe gezeigt, denn ich weiß genau, dass du dir eigentlich lieber eine Kugel in den Kopf gejagt hättest als mit mir, dem dämlichen Köter, über diese Sache zu reden. Aber wahrscheinlich hast du selbst gespürt, dass du mit dem Rücken zur Wand stehst.
 

Leugnen hätte schließlich nichts mehr gebracht, dein Erscheinen war ja ein Eingeständnis und ich hatte Recht damit.
 

Irgendwie glaube ich sogar, dass du es wolltest... also freiwillig. Mit mir reden, meine ich. Ja, ich glaube, dass du dich danach gesehnt hast dich jemandem anzuvertrauen. Klar, Mokuba ist für gewöhnlich dein einziger Vertrauter, aber diese Sache kannst du ihm nicht erzählen. Das verstehe ich.
 

Wahrscheinlich würde es dem Kleinen auch das Herz brechen, wenn er es wüsste. Immerhin hast du dieses Los auch oder vor allem wegen ihm auf dich genommen, nicht wahr? Und wenn er das wüsste... Wenn er wüsste, dass sein großer Bruder... Naja, lassen wir das. Wir müssen es nicht mehr benennen. Du weißt ja was ich meine.
 

Auch wenn du nicht viel erzählt hast darüber, ich konnte es spüren. Deinen Schmerz.
 

Bis vor kurzem dachte ich, dass niemand in der Lage wäre dich zu verletzten. Ja, ich hielt dich auf eine sonderbare Art für unbesiegbar. Doch jetzt weiß ich es besser. Du wurdest so sehr verletzt wie man einen Menschen, ein Kind, nur verletzen kann. Aber weißt du was? Ich bewundere dich dennoch für deine Stärke. Ich weiß nicht, wie ich das ertragen hätte, ob ich es hätte ertragen können und wenn ich mir vorstelle, dass jemand wie du, jemand der so stolz ist, auf solche Art erniedrigt wird...
 

Aber lassen wir das.
 

Ich hab dir schließlich gesagt, dass ich dafür sorgen werde, dass du glücklich wirst. Ja, ich werde dir schöne Erinnerungen verschaffen. Mir ist klar, dass dir meine Mission widerstrebt, weil du sie nicht wirklich begreifst, aber das macht nichts, Kaiba. Echt. Das ist kein Problem. Es reicht wenn einer von uns den Fokus auf das Wesentliche gerichtet hat und solange bis du dazu nicht in der Lage bist, übernehme eben ich den Part.
 

Doch echt jetzt, Mann, du bist wirklich ne harte Nuss. Also mich zu fragen welchen Nutzen ich davon habe... Herrje, du bist echt ein Zyniker wie er im Buche steht. Das wird wohl einiges an Arbeit auf mich zukommen, aber wie gesagt, der Weg ist das Ziel und der Gewinn letztlich sehr hoch. Und ich vertraue jetzt auch einfach mal darauf, dass du schnell lernst. Eigentlich erwarte ich das von dir, Kaiba! Immerhin bist du sonst überall bestrebt der Beste zu sein, also müsste sich auch jetzt dein Ehrgeiz vorantreiben.
 

Deine Reaktion auf meine erste Lektion war übrigens süß. Ja, ich weiß, das sollte ich nicht sagen. Schon klar, dass dir das nicht gefällt, aber es ist so. Du warst sehr süß. Direkt niedlich. Und ich schätze, du hast keine Ahnung wie du dann auf jemanden wirken kannst. Ich meine, du bist so ja schon ein Schock für die Sinne, aber dann... Wow. Ich schätze, dir ist nicht entgangen, dass ich rot geworden bin.
 

Und ich bin echt stolz auf dich, dass du dich darauf einlässt. Ich meine auf mein Vorhaben. Ich weiß ja, dass es dir nicht gefällt und auch, dass du wahrscheinlich nur darauf eingegangen bist, weil du befürchtest ich könnte sonst irgendeinen Unsinn mit meinen neuen Infos anstellen. Es soll mir egal sein, warum du dich dazu durch gerungen hast. Wichtig ist nur, dass du bereit bist. Und Gott, ich freue mich darauf Zeit mit dir zu verbringen. Du wirst dich auch noch darüber freuen, vertrau mir. Ich weiß was ich tue.
 

Noch magst du der Ansicht sein, dass du meine Gefühle nicht teilst und nie teilen wirst. Schon ok, das war ja eigentlich klar. Wäre wie gesagt auch unlogisch, wenn du dich gleich in mich verlieben würdest. So läuft das auch nicht wirklich. Gut, im Film vielleicht, aber im normalen Leben sieht man sich nicht an und ist gleich Feuer und Flamme. Ok, das kann vorkommen, ganz, ganz selten, aber nicht bei Leuten wie uns, die vorher auf nem anderen Level waren. Aber du wirst lernen mich zu lieben. Oh ja, du wirst dich zwangsläufig in mich verlieben müssen. Und weißt du warum?
 

Also, ich sehe das so. Ich glaube, man muss sich für die Liebe entscheiden. Ja, man muss eine bewusste Entscheidung treffen, sich auf die Liebe einlassen zu wollen. Das ist die Grundvoraussetzung. Eine Entscheidung, dass man es mit jemandem versuchen will, dass man sich fallen lassen will, ohne dass man etwas dafür erwartet oder dass man Angst hat, verletzt zu werden oder dass es die falsche Person trifft. Im Grunde geht das Sich-Verlieben auch nach dem trial and error-Prinzip. Man muss es versuchen und das so lange bis man ein System gefunden hat, das ohne gravierende Schwierigkeiten läuft. Ganz ohne Schwierigkeiten geht es nämlich meiner Ansicht nach nicht. Nicht mal bei der großen, wahren, einzigen Liebe.
 

Worauf ich hinaus will ist, dass ich denke, dass Liebe einem vielleicht nicht einfach nur passiert. Man muss sich dafür entscheiden zu lieben und dann kann sie passieren.
 

Herrje, wenn ich das so lese, klingt es irgendwie merkwürdig, aber ich hoffe, dass du mir folgen kannst. Und ja, ich weiß, dass meine Gedanken verrückt sind. Wie wir heute ja schon fest gestellt haben, bin ich verrückt.
 

Aber wieder zum Wesentlichen.
 

Weißt du, Kaibe, ich bin davon überzeugt, dass jeder irgendwo hin gehört. Dass es einen Platz für jeden gibt und auch jeder das irgendwie weiß. Aber es gibt Leute, die suchen nicht nach diesem Platz, vielleicht weil es ihnen egal ist oder weil ihnen andere Dinge wichtiger sind oder weil sie Angst haben ihn nicht zu finden. Keinen Plan.

Doch es gibt diesen Platz für jeden, sozusagen ein Sinn für alle. Und augenblicklich denke ich, dass mein Platz bei dir ist. Selbst wenn der Sinn dahinter nur darin besteht, dass es meine Aufgabe ist, dich zurück ins Leben zu führen. Und naja, wenn mir das glingen würde, dann wäre ich echt glücklich und es würde mir auch schon reichen. Ok, ich wäre noch glücklicher, wenn wir beide... du weißt schon. Wir mögen zwar auf den ersten Blick unkompatibel erscheinen, aber vielleicht macht das auch den Zauber bei uns aus? Wer weiß.
 

Vielleicht machen uns gerade unsere Unvollkommenheiten perfekt füreinander?
 

Ach ja, und sorry, dass ich dich mit dem Kuss so überrumpelt habe. Ich konnte nicht anders. Es war zu verlockend und die Situation fast perfekt. Ich meine, als ich dich zur Tür gebracht habe und du dich noch einmal kurz umgewendet hast, dieser Blick, deine Augen... fuck, das war echt krass. Davon kriegt man weiche Knie, Mister! So gesehen bist du eigentlich selbst schuld.
 

Ich hoffe, du bist bereit für Lektion Nr. 2.
 

Ich zähle jetzt schon die Stunden bis ich dich sehe und ja, an dieser Stelle gestatte ich dir die Vorstellung von mir als einen kleinen Hund, der fröhlich mit dem Schwanz wedelt.

Dreierblockade

Die Wege, die zur Freundschaft führen, sind genauso unergründlich wie die, die zur Liebe führen.
 

Er starrt mich an und sein Blick ist undefinierbar. Ich spüre die Skepsis, aber auch die Ablehnung und ja, da ist auch ein wenig Überraschung.
 

"Verstehe ich dich richtig." setzt er an und seine Stimme klingt bei weitem nicht Kaiba-typisch. "Du möchtest ein Date mit mir?"
 

Ich grinse. "Nun ja, als Date würde ich es vielleicht nicht bezeichnen. Sagen wir, ich möchte ein freundschaftliches Treffen." erwidere ich ruhig. "Gegen ein Date hätte ich allerdings nichts einzuwenden."
 

Er starrt mich noch immer an. "Wieso?"
 

Ich seufze.
 

Er scheint nach wie vor sehr durcheinander zu sein, zumindest ist seine Kombinationsfähigkeit auf der Strecke geblieben, aber ich weiß ja warum. Daher beantworte ich diese unsinnige Frage natürlich trotzdem.
 

"Weil ich Zeit mit dir verbringen möchte." entgegne ich lässig und in seinen Augen zeichnet sich erneut diese Frage ab, er spricht sie jedoch nicht aus. Stattdessen höre ich ihn etwas anderes sagen und dieses Mal liegt keine Ablehnung in seinen Augen, nein, eher Unglaube.
 

"Dann ist es dir tatsächlich ernst mit diesem... Vorhaben?" will er wissen.
 

Ich nicke. "Was dachtest du denn? Dass ich nur große Reden schwinge? Nope, ich stehe zu meinem Wort. Das müsstest du eigentlich inzwischen wissen. Ein Wort, ein Wheeler." Ich grinse ihn immer noch fröhlich an und sehe wie seine Haltung sich kaum merklich verändert.
 

Seine Schultern entspannen sich ein wenig und er hält damit inne seine Schulsachen weiter in die teuere Aktentasche zu befördern.
 

"Zeit mit mir verbringen?" wiederholt er nach wie vor ungläubig und mustert mich als wäre ich eine neue Lebensform. Vielleicht bin ich das auch gerade für ihn.
 

"Ja." bestätige ich, auch wenn er keine wirkliche Frage gestellt hat. "Ich will dich besser kennenlernen und ich will, dass du mich kennenlernst, aber vor allem, will ich, dass wir Spaß haben. Das hab ich dir doch versprochen. Lektion Nr. 2 z. B."
 

Er schüttelt leicht den Kopf und presst die Lippen fest aufeinander. Ich kann ihm ansehen, dass er innerlich mit sich ringt. Ein Teil von ihm würde mich wahrscheinlich gerne auf eisige Art vernichtend abtun, aber ein anderer Teil scheint ernsthaft über meine Worte nachzudenken und ich glaube, dass ist der Teil, der sich genau nach dem sehnt, was ich ihm angeboten habe. Aber er wäre nicht Seto Kaiba, wenn er solch einem Impuls leicht nachgeben würde.
 

"Ich sehe keinerlei Notwendigkeit in einem solchen Vorhaben, Wheeler. Zudem habe ich keine Zeit für Aktivitäten, wie sie dir scheinbar vorschweben und wie ich bereits sagte, ich hege keinerlei Gefühle..."
 

"Ja, ja... schon klar. Deshalb ist es ja auch kein Date. Wir unternehmen einfach etwas als Freunde. Und ich weiß, dass deine Zeit knapp bemessen ist, aber ich weiß auch, dass du dein eigener Chef bist, folglich wird es dir sicher möglich sein, dir etwas Zeit zu verschaffen und nein, ich gedenke nicht aufzugeben. Wie du selbst so vortrefflich bemerkt hast, ich fühle mich berufen!"
 

Einen Augenblick habe ich das Gefühl, dass er gegen den Impuls ankämpft lachen zu müssen. Seine Mundwinkel zucken verdächtig, doch dann weicht er meinem Blick aus, packt weiter seine Tasche und ich beobachte ihn schweigend. Schließlich seufzt er resignierend.
 

"Wie ich dich kenne, Wheeler, wirst du tatsächlich nicht locker lassen." seufzt er. Ich nicke und er spannt seine Schultern wieder an. Sein Brustkorb hebt sich langsam und senkt sich ebenso langsam wieder. "Wie würde das aussehen... dieses Zeit mit mir verbringen?" fragt er mich ernsthaft und ich muss es mir verkneifen laut zu lachen.
 

Er hat wirklich keinerlei Ahnung von diesen Dingen. Nun, kein Wunder bei seiner Lebensführung.
 

Ich zucke mit den Schultern. "Wir könnten zum Beispiel ins Kino gehen. Oder wir spielen etwas. Da gibt es unzählige Möglichkeiten." erwidere ich grinsend.
 

Die rechte Augenbraue ist schon in der Höhe und ich weiß, was jetzt kommen wird. "Spielen?" Er spricht das Wort aus als wäre es etwas höchst unanständiges. Ich nicke. "Pass auf, wir treffen uns einfach und dann schauen wir was wir machen können." schlage ich vor, denn wenn ich weiter ins Detail gehe, wecke ich wohl nur noch mehr seinen Unwillen.
 

"Ich muss in die Firma." erklärt er. "Schon klar, aber irgendwann hast du auch Feierabend, oder?" entgegne ich rasch. Er zögert. "Kaiba!" Er nickt widerwillig. "Gut, wann?" Die schönen blauen Augen ruhen auf mir und noch immer fühle ich mich wie eine neue Spezies, die gerade unter die Lupe genommen wird. "Gegen sieben." antwortet er und ich lächele.
 

"Perfekt. Dann bin ich um sieben bei dir." entscheide ich und er schluckt und ich sehe, dass er innerlich abwägt was er nun am Besten erwidern sollte.
 

"Aber das ist kein Date!"
 

Ich lache. "Nein, kein Date." bestätige ich und er atmet erleichtert auf. Dann schließt er seine Tasche und zieht sich seine Jacke an. "Und du wirst auch davon absehen dich mir in irgendeiner Weise zu nähern. Körperlich." Sein Blick ist unsicher und ich weiß, dass sein Herz jetzt gerade wieder schneller schlägt. Ich verziehe amüsiert die Mundwinkel. "Ich verspreche, dass ich nicht über dich herfalle." versichere ich ihm. "Ich werde mich beherrschen, auch wenn es schwer fällt."
 

Wieder starrt er mich an und ich kann ihm förmlich ansehen wie er meine Worte in seinem Kopf analysiert und aus irgendeinem Grund habe ich das dringende Bedürfnis, ihm zu erläutern wie ich das meine. Ich bezweifle nämlich stark, dass er es so versteht wie ich es meine.
 

"Es ist nicht einfach, die Hände von dir zu lassen." erkläre ich ihm ernst. "Deine Anziehungskraft ist nämlich enorm, Seto."
 

Den kleinen Spaß kann ich mir nicht verkneifen. Es ist aber auch die Wahrheit.
 

Er schluckt und legt die Stirn in Falten.
 

Oh Mann, er hat echt keine Ahnung befürchte ich. Wie kann jemand wie er so... so schrecklich unerfahren, ja, fast unschuldig sein? Ich meine, er muss doch morgens in den Spiegel sehen, oder? Ihm muss doch klar sein, dass die Mehrheit der Mädels an unserer Schule verrückt nach ihm sind und das sicher nicht, weil er ein Champion bei DuelMonsters war. Oder reich ist. Aber Kaiba traue ich echt zu, dass er genau davon ausgeht, wenn er überhaupt wirklich bemerkt, dass man sich für ihn interessiert.
 

"Du bist echt unglaublich." stelle ich fest und seufze.
 

Der Mann hat tatsächlich keine Ahnung, dass er rattenscharf ist. Wahrscheinlich ist er bislang auch vollkommen asexuell durch die Welt gegangen. Ich glaube nämlich kaum, dass er sich je Gedanken über seine Neigungen und Vorlieben gemacht hat. Er hat sicher nichts dergleichen. Wozu auch? Gefühle sind für ihn ja nur Ballast.
 

Nun, das werden wir ja ändern.
 

"Also sieben Uhr?" hake ich noch einmal nach. Er nickt langsam. "Ich freue mich schon." Das tue ich wirklich. Ich strahle ja jetzt schon über das ganze Gesicht. Er dagegen ist die Skepsis in Person. Er mustert mich noch einmal und schreitet dann Richtung Tür, doch bevor er den Raum verlässt wirft er mir noch einen kurzen Blick zu.
 

"Wheeler..." höre ich ihn mit gepresster Stimme sagen. "Ja?" Er schluckt. "Diese Sache... die bleibt allerdings..." Ich nicke schon bevor er den Satz beendet hat. "Keine Sorge, zu keinem ein Wort!" verspreche ich und er verschwindet ohne noch etwas zu erwidern.
 

Als ob ich scharf darauf wäre, jemandem zu erzählen, dass ich mit ihm verabredet bin. Selbst wenn es ein echtes Date wäre, würde ich es keinem erzählen. Dann sogar noch weniger. Mein Ruf ist mir genauso wichtig wie seiner ihm. Wobei ich allerdings zugeben muss, dass ich zu gern die Gesichter einiger Damen der Schöpfung sehen würde, wenn sie wüssten, dass ich, Joey Wheeler, mit dem großen, wunderbaren Seto Kaiba verabredet bin. Ja, dass ich ihn sogar schon geküsst habe.
 

Ich grinse fröhlich vor mich hin als ich mich ebenfalls anschicke die Schule endlich zu verlassen.
 

Sieben Uhr.
 

Meine erste richtige Verabredung mit Kaiba. Gut, kein Date, aber wer weiß...
 

Ich glaube, ich grinse wie ein Honigkuchenpferd.
 

Nur noch ein paar Stunden.

Materialbegrenzung

Also, wenn du echt gedacht hast, dass du mich so schnell los wirst... tja, Kaiba, weit gefehlt. Pecht für dich. Ich hab nicht vor zu kneifen oder den Rückzug anzutreten. Im Gegenteil. Ich bin so was von überzeugt, genau das Richtige zu tun und hey, heute haben wir unsere erste Verabredung. Das sagt doch schon alles!
 

Aber Mann, du bist echt ne harte Nuss! Echt jetzt. Doch auch so was von süß. Ja, süß und nein, das nehm ich nicht zurück, egal was du sagst und ich weiß, es passt dir nicht. Aber es ist so. Du bist süß, zumindest wenn du so verwirrt bist.
 

Du kannst dir nicht vorstellen wie sehr ich mich auf heut Abend freue! Ich bin jetzt schon ganz hibbelig. Ich kann gar nicht ruhig sitzen, selbst jetzt während ich das schreibe, gelingt es mir nicht meine Beine ruhig zu halten.
 

Ich kann immer noch nicht so ganz glauben, dass du zugestimmt hast. Gut, ich hab´s gehofft, aber bei dir weiß man ja nie. Doch es scheint als hättest du die Notwendigkeit dieser Mission zumindest halbwegs begriffen und hey, die Mission ist notwendig, das hat dein Verhalten heute Morgen mir wieder bestätigt.
 

Ich meine, du hast alles was du dir wünschst oder könnstest es haben, aber du hast nicht mal die leiseste Ahnung davon was Spaß ist, vielleicht weißt du noch nicht mal was Normalität ist. Dein Leben ist ja auch nicht normal. In deinem Alter schon zu den reichsten Männern der Welt zu gehören, das ist nicht unbedingt üblich und was Freizeit anbelangt... Hast du so was überhaupt? Ich denk mal nein. Du erkennst sicher auch nicht die Notwendigkeit davon mal abzuschalten.
 

Tja, heute wirst du abschalten. Ich sorg dafür, auch wenn ich weiß, dass das nicht unbedingt leicht werden wird. Dein skeptischer Blick bei meinen Vorschlägen hat schon alles gesagt. Bin gespannt, was du zu den Filmen sagst, die ich mitbringen werde. Wann hast du zum letzten Mal einen Film gesehen? So richtig? Keine Doku oder so was in der Art. Hast du je einen Film gesehen?
 

Na, ich hab zwei zur Auswahl und wenn´s nach mir geht, dann gucken wir auch beide und essen Popcorn dazu. Ja, wir machen das wie im Kino.
 

Und es war mir ernst, dass ich dich näher kennen lernen will. Ich will alles über dich wissen. Ich will, dass wir richtig reden, uns unterhalten und ich schätze, dass wird noch schwieriger als einen Film zu sehen. Konversatiton ist nämlich nicht deine Stärke, Kaiba. Du magst ja rhetorisch ne Menge drauf haben, aber Smalltalk? Nein, da bist du ne Niete, aber keine Sorge, Joey Wheeler bringt es dir bei.
 

Ach ja und das mit der Anziehungskraft, das war mein Ernst. Das war nicht ironisch gemeint! Ist echt so und naja, es fällt mir tatsächlich schwer die Hände von dir zu lassen. Das mit dem Küssen gefällt mir nämlich schon ganz gut und ich hab auch schon weiter gedacht. Ich bin schließlich auch nur ein Mann. Ich hab zwar nicht so wirklich eine Ahnung wie das zwischen zwei Kerlen so abläuft, naja, die Grundtechnik ist mir schon klar, keine Sorge, aber ähm... ja. Ich hab mich aber auch noch nicht wirklich intensiv damit beschäftigt. In meiner Vorstellung läuft es auf jeden Fall schon mal reibungslos, wenn wir beide...
 

Zum Glück kannst du mich gerade nicht sehen. Ich glaube mein Kopf steht in Flammen.
 

Ja ja, ich weiß, es ist kein Date, ich muss mich gedulden, aber naja... wer weiß? Darüber nachdenken darf ich ja schon mal, oder? Und wenn man dich ansieht...
 

Hast du eigentlich ne Ahnung wie verdammt heiß du bist? Nein, ich bezweifle es. Du hast mich ja heute schon vollkommen verständnislos angesehen als ich so ne Andeutung gemacht habe. Unglaublich! Du musst doch schließlich mal in den Spiegel sehen, oder? Also echt jetzt, du bist heiß.
 

Widerspruch?
 

Immerhin giltst du allgemein als Eisklotz, ich selbst hab dich als solchen ja oft genug bezeichnet, aber wenn ich dich küsse, naja, dann bist du keineswegs kalt. Dann bist du warm, also deine Lippen sind es und fuck, das ist ja so was von krass.
 

Ja, krass!
 

Es gibt kein anderes Adjektiv dafür. Es ist einfach krass. Deine Lippen auf meinen. Wär hätte je gedacht, dass das mal passiert? Dass ich mir so was wünschen würde? Mann, wenn Tristan das wüsste, der würde mich für verrückt erklären. Ich glaube nicht einmal Yugi würde mich verstehen. Ich bezweifle, dass irgendjemand das verstehen kann, aber das ist mir auch egal. Mag ja sein, dass ich dich vorher gehasst habe, aber das war ja auch schon ein heftiges Gefühl, es hat sich also nur umgelagert oder so. Liebe, Hass... ist doch irgendwie ähnlich. Vielleicht warst du schon immer in meinem Herzen, nur der Platz hat sich verändert? Jedenfalls hab ich noch nie so was gefühlt und das Gefühl gefällt mir.
 

Ja und es gefällt mir auch in deiner Nähe zu sein und ich glaube, dir geht es auch ein ganz klein wenig so. Zumindest kannst du deine Mauern nicht mehr hochziehen. Das entgeht mir nicht, Mister! Ich weiß, du willst es nicht, aber du kannst dich nicht wehren und vielleicht ist da auch der Wunsch in dir, dich endlich einmal fallen lassen zu können. Ich meine, du kannst doch nicht aus Eis sein.
 

Es gibt keine Weg zurück, Kaiba. Akzeptier es einfach.
 

Ich frage mich ob du augenblicklich vielleicht auch aufgeregt bist? Gut, du sitzt noch in der Firma und hast zu tun, wichtige Entscheidungen zu treffen und all so ein Zeug, vielleicht hast du dadurch auch keine Gelegenheit über heut Abend nachzudenken, obwohl ich das bezweifle. Wie ich dich kenne, denkst du darüber nach was dich heute Abend erwartet. Wahrscheinlich versuchst du die verschiedenen Möglichkeiten schon mal durchzugehen, um dich korrekt vorzubereiten, dabei wissen wir doch beide, dass das unmöglich ist.
 

Sich auf Joey Wheeler vorzubereiten ist unmöglich. Sogar für Seto Kaiba. Oder gerade für dich? Hm...
 

Ich wage zu behaupten, dass du nicht minder nervös bist und wahrscheinlich hast du dabei auch wieder diesen süßen Gesichtsausdruck. Ach ja... ich mag es, wenn du so aussiehst. Das ist echt... Ich finde es schön, wenn man in deinem Gesicht eine Regung sieht. Ja, wenn deine Augen nicht so kalt blicken, sondern Leben in ihnen ist. Und ich will mehr davon! Mehr Leben!
 

Und davon handelt deine zweite Lektion, mein lieber, süßer, unwissender Seto.
 

So, jetzt sollte ich mich aber langsam mal fertig machen. Ich hab zwar noch Zeit, aber in der Phase, in der ich mich momentan befinde, habe ich fest gestellt, dass ich mich mindestens zweimal umziehe ehe ich auf dich treffe! Echt jetzt! Ich verhalte mich da wie ein Mädchen. Ich springe vorm Spiegel rum, betrachte kritisch meine Frisur und letztens hab ich sogar Serenity gefragt... Dabei dacht ich immer, dass machen nur Frauen so. Ich hab sogar über Tea gelacht, wenn sie mit davon erzählt hat. Ist ja auch irgendwie albern, oder?
 

Ob du das auch machst? Nein, aber du siehtst ja auch immer perfekt aus.
 

Weißt du was? Ich gedenke heute sehr, sehr viel Spaß mit dir zu haben und ich habe mir fest vorgenommen dich zum lachen zu kriegen! Ja, ich will dich lachen sehen. Ein richtiges, echtes Lachen. Das ist mein Ziel für heute Abend. Ich will ein Lachen in deinem Gesicht und ich werde es bekommen. Auch wenn ich dann nicht für das garantieren kann was ich danach tue... Aber ich verspreche dir, ich werde mir Mühe geben mich zurück zu halten. Es ist ja kein Date.
 

Noch nicht.
 

Aber nächstes Mal oder übernächstes Mal....
 

Ach, ist ja auch egal. Hauptsache, ich kann bei dir sein und ein Lachen von dir würde mich schon sehr, sehr glücklich machen!

Zwickmühle

Wenn wir nicht leiden würden, würden wir nie was lernen.
 

"Mein Privatlehrer sagte einmal, ich hätte bei der Geburt wahrscheinlich zwei Portionen Gehirn abbekommen, aber nur eine halbe Portion Herz."
 

Er lächelt, aber es ist ein kaltes, trauriges Lächeln und es versetzt mir einen Stich.
 

"Ich glaube nicht, dass dem so ist." entgegne ich nach kurzem Zögern. Er sieht mich fragend an und wieder einmal wird mir bewusst wie unwirklich diese Situation ist.
 

Ich meine, ich sitze gerade Seto Kaiba gegenüber, bei ihm zu hause, in seinem Wohnzimmer und wir unterhalten uns. Ja, wir führen einen fast normalen Dialog. Alle Komponenten dieser Gleichung sind im Grunde falsch, oder? Ja, so müsste man eigentlich denken. So würde ich wohl auch denken, wenn ich es nicht besser wüsste.
 

Vor etwa einer dreiviertel Stunde bin ich gekommen. Pünktlich. Ich war sogar etwas zu früh vor der Tür. Roland hat mir die Tür geöffnet und mir mitgeteilt, dass Kaiba im Wohnzimmer wäre. Das war er auch und er hat scheinbar schon gewartet. Natürlich ließ er sich das nicht anmerken, tat auch etwas erstaunt als ich eintrat, aber ihm war anzusehen, dass er die Wahrscheinlichkeit, dass ich tatsächlich kommen würde, doch als höher eingeschätzt hat als er mich glauben machen will.
 

Ich habe ihn mit einem fröhlichen Lächeln begrüßt und er hat sich geräuspert und mich dann gemustert.
 

Mokuba sei bei einem Freund und würde auch dort übernachten, hat er mir erklärt, warum auch immer. Ich habe nur genickt und ihm dann die Filme präsentiert. Naja, nicht direkt, erst habe ich ihm von der Idee erzählt und er quittierte sie mit einem skeptischen Blick. Also habe ich ihm die zwei der Dvds in die Hand gedrückt. Er starrte sie so ungläubig an, dass ich fast lachen musste.
 

"Eine Komödie und ein Horrorfilm. Ich wusste nicht, was dir so gefällt und ich denke, du weißt es auch nicht, also werden wir das wohl herausfinden müssen." habe ich ihm erklärt und er sah mich wieder mit diesem komische Blick an. So als wäre ich eine Mutation, aber das stört mich nicht weiter.
 

Tja und jetzt sitzen wir uns also gegenüber und reden. Roland hat uns Getränke gebracht und wir sitzen uns noch recht angespannt gegenüber. Er ist angespannt, ich bin nur noch nicht ganz aufgetaut.
 

Er zuckt plötzlich mit den Schultern und ich glaube zu verstehen, was er mir auf seine merkwürdige Art zu sagen versucht. Dass er keine Ahnung hat wie er mit seinen Gefühlen umgehen soll. Die Logik ist sein Ding, Emotionen sind für ihn unberechnbar. Daher meidet er sie.
 

"Nun, solange bis wir dein Herz aufgetaut haben, kannst du meins mit benutzen." erkläre ich mit einem vergnügten Grinsen und er wirkt wieder vollkommen irritiert. "Du verhältst dich wirklich sehr merkwürdig, selbst für deine Verhältnisse, Wheeler." befindet er.
 

Ich zucke mit den Schultern. "Joey." Er erwidert nichts, sieht mich weiterhin nur aufmerksam an.
 

"So ist es mit der Liebe, Seto." Ich grinse noch immer. "Die Liebe ist eine verzweifelte und verrückte Sache. Sie kann aus einem Wurm einen Mordskerl machen und sie kann den anständigsten Menschen zerstören. Wie die Dinge eben laufen."
 

Er seufzt. "Ich wünschte, du würdest damit aufhören, darüber zu reden."
 

Ich mustere ihn amüsiert. Er macht einen recht verlegenen Eindruck. Süß, ja, wirklich sehr, sehr süß und ich muss mir echt auf die Zunge beißen, um ihm das nicht zu sagen. Irgendwann werde ich es tun. Aus sicherer Entfernung!
 

"Was wünschst du dir?" frage ich ihn nach einer Weile und die Frage überrascht ihn natürlich. Er blickt mich verständnislos an. "Gar nichts. Ich brauche mir nichts zu wünschen. Ich kann alles haben was ich will." erwidert er schließlich mit scharfer Stimme und einen Moment später verschränkt er wieder die Arme vor der Brust, doch als ich ihn abschätzend angrinse verändert er die Position wieder und funkelt mich nur genervt an.
 

"Dann bist du glücklich?" hake ich weiter nach. Er stöhnt auf. "Wheeler, ich weiß nicht was das hier bringen soll, ich habe keinerlei Interesse daran hier eine philosophische Debatte mit dir zu führen." zischt er mich kurz darauf an. Ich seufze.
 

Dann lege ich den Kopf schief und grinse ihn an. "Schokolade, Popcorn oder lieber Gummibärchen?" will ich wissen und noch bevor ich es ausgesprochen habe, weiß ich, dass er mich anstarren wird als hätte ich ihn gefragt welche Todesart er bevorzugen würde. Ich schaffe es mein Gesicht wieder ernst werden zu lassen und für einen Moment herrscht Schweigen. Absolute Stille. Er sieht mich einfach nur ungläubig an. Also öffne ich meinen Rucksack und bringe besagte Sachen zum Vorschein. "Das Popcorn muss noch gemacht werden, aber das dürfte ja kein Problem sein. Eis wäre natürlich auch nicht schlecht, aber das wäre auf dem Weg zu dir geschmolzen und naja, ich wusste ja nicht wie du in der Hinsicht ausgerüstet bist."
 

Kaiba hat die Brauen zusammen gezogen und die Lippen aufeinander gepresst. Fragend blickt er auf die Süßigkeiten, die ich auf den Tisch lege und betrachtet sie eingehend. Ich kann an seinem Gesicht ablesen, was er denkt. Der plötzliche Themawechsel hat ihn irritiert, ebenso meine Gelassenheit und natürlich die Süßigkeiten. Ich wette, dass Kaiba nichts davon im Haus hat und wenn doch, dann haben seine Angestellten dergleichen für Mokuba besorgt.
 

"Zum Film." sage ich als würde das alles erklären. Er rührt sich nicht. "Ich wusste nicht was du so magst, also habe ich einfach mal alles mögliche eingepackt und ich schätze, du weißt gar nicht was du magst..." Mein Grinsen wird noch breiter und ich sehe ihm an, dass ich den Nagel auf den Kopf getroffen habe, doch das wird er natürlich nicht zugeben. Nein, Kaiba räumt keine Schwächen ein. Nicht freiwillig, aber das ist ok. Ich bin ja nicht hier, um ihm diese aufzuzeigen sondern um sie zu beheben. Gott, wenn die andern uns jetzt sehen könnten. Tea würde grinsen und Tristan... Ich glaube das wäre zu viel für seine Nerven. Duke könnte dem Ganzen sicher noch etwas abgewinnen, aber Duke ist auch ein Fall für sich.
 

"Also?" hake ich nach und weiß, dass ich ihn damit necke, vielleicht sogar wieder einmal zur Weißglut bringe. Er zuckt kaum merklich mit den Schultern. Ich greife zu der Packung Mais. "Dann schlage ich vor, wir machen erst einmal das Poporn." erkläre ich und versuche wie unser Mathematiklehrer zu klingen. "Popcorn ist ein Klassiker. Gleichgültig ob man im Kino ist oder zu hause einen Film sieht. Popcorn gehört dazu. Eigentlich auch Eiskonfekt, aber naja, dafür haben wir Gummibärchen."
 

Immer noch blickt er mich verständnislos an. "Wo ist die Küche?" frage ich und gebe ihm dadurch etwas Kontrolle zurück. Er strafft die Schultern und erhebt sich. Ich tue es ihm gleich und folge ihm schweigend durch den Raum, über den Flur bis zu einer riesigen, einer wirklich gigantischen Küche. Ich blicke mich erst einmal um. Ich schätze, er hat überhaupt keine Ahnung wo ich was finde. Ein Blick zu ihm genügt, um das bestätigt zu bekommen. Also mache ich mich einfach mal ans Werk. Ich öffne Schränke, finde schließlich auch eine Schüssel. Na, das ist ja schon mal ein Anfang. Fehlt noch ein Topf und Öl. Und Zucker. Und...
 

Er beobachtet mich schweigend während ich durch seine Küche routiere. Wahrscheinlich hat er seinen Angestellten, abgesehen von Roland frei gegeben, wohl wissend, dass meine Anwesenheit wohl nicht gerade unauffällig sein würde. Während ich meine Fundstücke auftürme und mich anschicke, Popcorn für uns zu machen, hat er damit begonnen seine Nasenwurzel zu massieren. Das tut er immer, wenn er entweder angestrengt nachdenkt oder sich zu beruhigen versucht. Ich glaube, augenblicklich treffen beide Gründe zu.
 

Ich werfe einen Blick auf die Uhr und meine dann: "Ich schlage vor, dass wir mit der Komödie anfangen. Einen Horrorfilm sieht man sich am Besten an, wenn es richtig dunkel ist. Dann wirkt er besser." Ich zwinkere ihm zu und er nickt einfach nur. Er hat keine Ahnung wovon ich rede und ich glaube, er wünscht sich gerade auch an einen anderen Ort. Oder mich.
 

Wieder herrscht schweigen und die Maiskörner beginnen im Topf hin und her zu springen. Ich mag das Geräusch. Schon als Kind fand ich das toll.
 

"Wheeler?" höre ich ihn schließlich sagen und blicke zu ihm rüber. Eine sichere Distanz ist zwischen uns. Vier, fünf Meter. "Hm?" Er atmet tief durch, sein Blick ruht auf mir und ja, augenblicklich bin ich eindeutig irgendeine fremde Rasse für ihn. Noch mehr als sonst. "Wie kannst du nur so unerschütterlich gut gelaunt sein?" will er wissen und die Frage überrascht mich doch etwas. Ich zucke mit den Schultern. "Ich weiß nicht, ich denke, das ist besser als wenn man Trübsal bläst. Negative Gedanken machen die Dinge auch nicht besser." erwidere ich ehrlich, aber die Antwort scheint ihn nicht wirklich zu befriedigen. Er überlegt und es dauert eine Weile bis er wieder das Wort ergreift.
 

"Wenn du tatsächlich Gefühle für mich hast, was ich nach wie vor bezweifle, weil ich eher glaube, dass bei dir eine Sicherung durchgebrannt ist, auch wenn ich nicht ganz verstehe, warum du dadurch gerade eine Obsession für mich entwickelt hast, wie dem auch sei... Müsstest du nicht eigentlich unglücklich sein? Immerhin habe ich dir bereits mehrmals erklärt, dass ich deine Gefühle nicht erwidere und ich weiß, dass sich daran auch nichts ändern wird, unabhängig von dieser kleinen Aktion hier."
 

Ich lächele ihn nachsichtig an.
 

"Nun, vielleicht hoffe ich ja einfach..." erwidere ich und er verzieht den Mund zu einem spöttischen Grinsen. "Auch wenn es pathetisch klingen mag, die Liebe hat ihre eigenen Regeln." Ich zucke mit den Schultern.
 

Er stöhnt auf. "Liebe." Er spricht das Wort voller Verachtung aus. "So etwas unsinniges. Wann hat solch ein abstraktes Gefühl je etwas Gutes bewirkt?" Er schüttelt leicht den Kopf und ich habe den Eindruck, dass er die Frage gar nicht an mich gerichtet hat. Nein, er redet augenblicklich wohl eher mit sich selbst. "Liebe, Freundschaft... alles vollkommen überbewertet. Gleichgültig wie euphorisch man sich diese Dinge ausmalen mag, letztlich führen sie nur dazu, dass man enttäuscht wird und leidet."
 

Das ist sein Ernst. So betrachtet er das tatsächlich und er beobachtet wie seine Worte auf mich wirken. Ich denke einen Moment darüber nach und lege mir auch meine Antwort zurecht.
 

Langsam nicke ich und er ist sichtlich erstaunt darüber, dass ich ihm scheinbar zustimme.
 

"Mag sein. Vielleicht heißt Lieben automatisch Leiden und um Leiden zu vermeiden, darf man nicht lieben, aber dann wird man leiden, weil man nicht liebt. Wenn also Lieben Leiden heißt und nicht-Lieben auch Leiden, heißt Leiden ebenfalls Leiden. Man ist demnach im Grunde nur glücklich, wenn man liebt. Also heißt glücklich sein auch leiden, aber wenn man leidet ist man nunmal unglücklich, darum muss man... man muss um glücklich zu werden lieben oder es lieben zu leiden oder leiden von zu viel glücklich sein. Ich hoffe du kannst mir folgen..."
 

Kaibas Augen weiten sich schlagartig. Ich lächele. Ich bin nicht sicher ob er mir folgen kann, vielleicht. Ich hoffe es und wenn nicht, nun, früher oder später wird er es tun.
 

"Das Popcorn ist fertig." verkünde ich und für einen Moment habe ich den Eindruck, dass ein Lächeln über sein Gesicht huscht.

Spieß

Weißt du was ich glaube? Das Schwierigste am Leben ist es, Herz und Kopf dazu zu bringen, zusammenzuarbeiten. Ich schätze, in deinem Fall, mein lieber Kaiba, verkehren sie noch nicht mal auf freundschaftlicher Basis.
 

Ich wette, du hast keine Ahnung wie sehr ich den Abend gestern genossen habe. In deiner Nähe zu sein macht mich schon glücklich, aber was noch schöner war, war die Tatsache, dass ich das Gefühl hatte, dass du die Zeit mit mir auch genossen hast.
 

Natürlich hast du mir das mit keiner Geste zu verstehen gegeben und vielleicht würdest du es jetzt auch abstreiten, aber ich hab es dir angesehen. Es hat zwar gedauert, aber irgendwann warst du wirklich entspannter. Ok, du bist nicht aufgetaut, aber das wäre auch zuviel erwartet. Immerhin ändert sich ein Mensch nicht von heute auf morgen.
 

Ich bezweifle auch, dass ein Mensch sich radikal ändern kann.
 

Jemand, der so ist wie du, der kann nicht einfach all seine Ideale, Vorstellungen und Ansichten über Bord werfen. Gleichgültig wie sich das mit uns weiter entwickeln wird, ich weiß, dass du dich nicht um 180 Grad drehen wirst. Ich mache aus dir keinen lebenshungrigen Optimisten und du könntest aus mir auch nie einen phlegmatischen Ordnungsfreak machen.
 

Der Fuchs wechselt vielleicht sein Fell, aber nicht sein Wesen. Verstehst du was ich meine?
 

Aber ganz ehrlich, ob du mir das nun glaubst oder nicht, das erwarte ich auch gar nicht. Wenn du dich ändern würdest, also richtig radikal, so dass man den Eindruck hätte, dass du ein neuer Mensch geworden wärst, nun, dann wärst du nicht mehr du und ich glaube, dann wären meine Gefühle auch nicht mehr so wie sie es jetzt sind. Wenn du nicht mehr du wärst, wäre ich auch irgendwie nicht mehr ich, kannst du mir folgen? Wenn du anders wärst, dann wären wir anders.
 

Und ich streite mit keinem lieber als mit dir. Darauf könnte ich auch nie verzichten. Ich weiß, dass ich das auch nie tun müsste. Selbst wenn ich mein Ziel erreiche und wir beide... nun, was auch immer wir dann sind, wir würden uns nichts schenken. Das wären sonst einfach nicht wir.
 

Mag komisch anmuten, dass ich so denke. Vielleicht dachtest du bislang, dass ich dich umkrempeln will, aber nein. Ich will nichts dergleichen. Ich will nur, dass du deine Perspektive etwas veränderst. Mehr nicht. Ich will, dass du erkennst, dass es noch mehr im Leben gibt. Aber das heißt eben nicht, dass du dein Selbst aufgeben sollst.
 

Wie dem auch sei...
 

Der erste Schritt ist getan.
 

Und ich muss es noch einmal sagen, ich habe den Abend echt genossen. Ich hatte Spaß und wenn du ehrlich wärst, du auch.
 

Oh Mann, dass ich jemals mit dir auf einer Couch sitzen würde und wir beide einen absolut dämliche Komödie sehen würden... sowas erschien mir selbst in einer Parallelwelt unmöglich. Und es ist erstaunlich wieviel ich gestern über dich in Erfahrung gebracht habe. Tja, dabei haben wir gar nicht so viel geredet. Aber immerhin weiß ich jetzt, dass du rote Gummibärchen bevorzugst, was eigentlich super ist, denn die mag ich nicht.
 

Und dein Gesicht als ich dir die Lektion über Popcorn essen erteilt habe. Das war zu komisch. Echt, du hättest dich selbst sehen müssen, dann wüsstest du warum ich so grinsen musste. Man kann aber auch nicht nur ein Popcorn nehmen und zum Mund führen. Man greift sich einfach eine ganze Hand und es ist egal ob was davon auf dem Boden landet, man macht das so und dann stopft man es sich in dem Mund. Ja ja, ich weiß natürlich, dass sich ein Seto Kaiba eigentlich nicht so verhält und ich muss auch zugeben, dass dein Versuch irgendwie merkwürdig aussah, aber hey, du hast es versucht. Ich meine, das ist schon krass. Du hast es versucht. Ich weiß natürlich, dass es dir nicht gefallen hat und ich werde dich auch nicht mehr zwingen es zu tun, aber naja, ich weiß jetzt, dass du Popcorn magst und du weißt es auch und naja, dann ißt du es eben auf deine Art.
 

Ich mag deine Art ja irgendwie, auch wenn sie verquer ist und das ist sie, echt jetzt, Kaiba.
 

Ach ja und wenn weißt du was? Ich habe noch nie, wirklich, das schwöre ich dir beim Leben meiner Schwester so viel Spaß an einem Horrorfilm gehabt. Echt, ich glaube, dass ich mit keinem je lieber so was gucken würde als mit dir und damit meine ich auch Yugi, Tris und Duke. Tea guckt eh nie mit, die findet diese Art von Filme bescheuert. Naja, sie bezeichnet es nicht so, aber ist ja auch egal. Jedenfalls macht es mit dir am meisten Spaß. Und soll ich dir verraten warum?
 

Weil deine Sprüche dabei einfach zu köstlich sind! Wirklich wahr.
 

Dass ich beim Filme gucken nicht ruhig sein kann, hast du sicher gemerkt. Duke mag das zum Beispiel nicht. Er kann es nicht ab, wenn ich dazwischen plappere oder Aktionen kommentiere, aber für mich gehört das echt dazu. Solche Art von Filmen sieht man sich nicht einfach still schweigend an. Sie sind dazu gemacht, dass man mitfiebert, mitredet und ja, auch kommentiert. Immerhin ist es ein recht banales Genre, wie du ja auch festgestellt hast. Das schreit nach Kommis und deine sind echt... genial! Wirklich, Kaiba. Die Sprüche, die du rausgehauen hast, Mann, Mann, allein die waren die ganze Aktion wert. Und mir ist dein Lächeln auch nicht entgangen. Nope, ich hab´s gesehen und auch, dass du lachen musstest als ich den Hauptdarsteller die ganze Zeit angeschrieen habe, er solle gefälligst in eine andere Richtung gehen.
 

Du hast gelacht. Über mich. Aber das war kein Auslachen und deshalb war es toll. Und weil es dein Gesicht irgendwie anders hat aussehen lassen. Ich glaube, in dem Moment warst du echt entspannt, ja, vielleicht sogar richtig frei.
 

Das heißt, wir sind auf nem guten Weg, Mister! Und wem verdankst du das? Hehe... Sorry, das musste jetzt sein. Wie gesagt, ich hab nicht vor dich jetzt vollkommen zu schonen, nur weil ich Gefühle für dich habe und du ne traumatische Jugend. Würde auch nicht zu uns passen, oder? Ich glaube, da gehen wir Konsens. Ich bin mir sicher. Dir würde auch beträchtlich was fehlen, wenn du nicht deine gewohnte Dosis Joey bekommen würdest. Und jepp, deine sarkastischen Bemerkungen würden mir auch fehlen, wenn du sie plötzlich abstellen würdest. Wer will auch schon nen zahmen Kaiba? Der Zauber würde flöten gehen. Wir werden nur nen Modus finden müssen, der erträglich für uns beide ist. So ein Mittelding, aber das kriegen wir hin. Sobald meine Mission abgeschlossen ist, bzw. ich mein Ziel erreicht habe, verhandeln wir darüber, ok?
 

Verdammt, Kaiba, ich bin gerade echt glücklich. Ich grinse wie ein Honigkuchenpferd. Sogar "dem Kindergarten" ist das nicht entgangen. Tristan hegt schon einen Verdacht. Er zwinkerte vorhin immer wieder und meinte so was wie "Na, ich wüsst ja zu gern wer dich so zum strahlen bringt, Alter."
 

Wenn der wüsste...
 

Aber das bleibt unser Geheimnis. Vorerst. Ich glaube, das ist besser für alle Beteiligten. Außer Mokuba. Der Kleine hat aber auch den Durchblick. Ich glaube, Roland auch. So wie der mich heute angesehen hat. Aber nicht, dass du das jetzt in den falschen Hals bekommst, Kaiba.
 

Mann, ich freu mich jetzt schon auf unser nächstes Date. Ja ja, ich bin mir im Klaren darüber, dass es in deinen Augen keins ist, aber hey, du hast nur gesagt, dass ich es nicht offiziell so nennen darf. Du hast nicht wirklich widersprochen und bei dir heißt das schon was, immerhin bist du doch der Mann, der solchen Wert darauf legt die Dinge immer präzise zu benennen. Also? Aber die Bezeichnung ist auch egal.
 

Ich habe gestern geschafft, was ich mir vorgenommen habe. Du hast gelacht. Hast du ne Ahnung wie motivierend dieser Erfolg ist? Nein? Tja, dann wart mal ab. Übermorgen!!
 

Mokuba freut sich genauso sehr. Hab vorhin kurz mit ihm geredet und er ist echt glücklich über die Entwicklung. Ich musste ihm noch nicht einmal meine Mission erläutern, ich glaube, er wusste davon bevor ich es wusste. Obwohl das echt ne gruslige Vorstellung ist, aber hey, er ist eben ein Kaiba. Da sollte mich nichts wundern, oder?

Röntgenangriff

Ich will mich an diesen Moment erinnern, ein Leben lang!
 

"Auch auf die Gefahr hin, dein absonderliches Treiben zu stören, Wheeler, so steht das nicht in dieser Anleitung!" höre ich ihn sagen und grinse.
 

"Ach, wenn man sich nur stur daran hält, dann ist es doch langweilig. Ich finde es viel spannender zu experimentieren." erwidere ich und das bringt mir einen skeptisch-missbilligenden Blick ein. Ach ja, eine Spur Sarkasmus ist auch dabei.
 

Die Erwiderung erfolgt in...1...2... Sekunden. "Und warum gibt es deiner Ansicht nach dann Anleitungen?" Oh, die Frage hatte ich jetzt eigentlich nicht erwartet, aber gut. Besser als eine Beleidigung ist sie allemal.
 

Ich grinse ihn noch breiter an. "Ich sehe die Dinger eher als ne Art Richtlinie. Ich meine, irgendjemand hat irgendwann mal experimentiert und das kam dann raus und naja, man kann ja immer weiter experimentieren. So verbessert man die Dinge für gewöhnlich und..."
 

Er verzieht spöttisch den Mund und fällt mir ins Wort. "Oder man verschlechtert sie."
 

Ich nicke. Damit hat er natürlich Recht. "Deshalb ist es ja auch ein Experiment." erkläre ich vergnügt und widme mich weiter der Schüssel, die vor mir steht. Mein Blick wandert kurz über die vielen Sachen, die ich darum ausgebreitet habe. "Ach ja, Zimt." rufe ich aus und greife nach besagtem Objekt. "Magst du Zimt, Kaiba?"
 

Sein Blick schwangt zwischen Fassungslosigkeit und Belustigung. Eine Antwort gibt er mir nicht. Ich vermute, er hat einfach keine.
 

"Also Zimt gehört eindeutig dazu." erkläre ich daher und füge besagte Zutat auch umgehend meinem Werk hinzu. Er sagt nichts, beobachtet lediglich meine Handbewegung und presst die Lippen aufeinander. "Zimt ist zu deiner Information das Weihnachtsgewürz schlechthin. Ich liebe alles was mit Zimt zu tun hat. Zimtsterne, Zimtwaffeln... Hach, Weihnachten ist toll."
 

Kaiba scheint diesem Fest allerdings ähnlich wohlgesonnen wie Mr. Scrooge in Dickens wunderbarer Weihnachtsgeschichte und irgendwie erwarte ich fast, dass er so was wie "Humbug" von sich gibt. Würde zu ihm passen. Er war schon von meiner Idee, Weihnachtsplätzchen zu backen nicht sonderlich angetan. Keine Ahnung ob auch die Sorge, um seine Küche eine Rolle dabei spielte. Mokuba dagegen war begeistert und erwies sich auch als getreuer Helfershelfer. Augenblicklich ist er dabei die Bleche einzufetten und ich schätze, im Gegensatz zu seinem Bruder kann er es kaum erwarten, ans Werk zu gehen. Ich meine, den Teig auszustechen.
 

Hach, eine grandiose Idee meinerseits.
 

Ok, ich muss gestehen, dass ich sie Tea verdanke. Indirekt. Sie hat mich daran erinnert, dass ja bald der erste Advent ist und es somit an der Zeit ist, Vorbereitungen zu treffen. Tja, und da dachte ich mir, das wäre doch eine gute Sache für mein zweites Date oder fast-Date mit Kaiba.
 

Et voilá da sind wir also. In der kaiba´schen Küche und der Herr bekommt seine nächste Lektion.
 

"Ich mag Zimtsterne auch und wie." verkündet Mokuba und strahlt.
 

"Wie macht ihr das eigentlich so an Weihnachten?" will ich wissen. Ich habe zwar so meine Vorstellungen, aber dazu möchte ich mich nicht näher äußeren.
 

Mokuba zuckt mit den Schultern. "Ach, an sich machen wir nichts besonderes. Es sei denn ich kann Seto dazu überreden, mit mir die Weihnachtsgeschichte zu sehen. Aber er ist so ein Weihnachtsmuffel..." Der Kleine zwinkert mir zu und Kaiba räuspert sich.
 

"Nur weil ich keine Motivation verspüre mich an diesem albernen Unsinn zu beteiligen, der nicht nur auf einer geschichtlichen Unsinnigkeit basiert, sondern auch mehr oder weniger nur dem Zweck dient, die Wirtschaft anzukurbeln, bin ich noch lange kein Weihnachtsmuffel." erklärt er entschieden und somit wäre seine Meinung über das Fest der Liebe auch schon klar definiert.
 

Hat jemand etwas anderes erwartet? Ich nicht.
 

"Mag ja sein, dass es auf Unsinn basiert und die Wirtschaft ankurbelt, aber es hat auch schöne Seiten. Denk doch mal an das Essen, den Baum, die Geschenke... die ganze Atmosphäre ist dann irgendwie besonders." halte ich dagegen.
 

Er schnaubt verächtlich. "Gutes Essen kann man an jedem Tag zu sich nehmen und Geschenke... Diesen Brauch habe ich noch nie verstanden. Diese Traditionen sind überholt und irrelevant. Es ist ein Tag wie jeder andere und nur weil man den 25. Dezember schreibt, heißt es nicht, dass man sich anders fühlt."
 

Ich werfe ihm einen spöttischen Blick zu. Fast eine perfekte Kopie seines Blickes. "Darum geht es doch gr nicht. Die Geschenke sind ja auch nicht das Wichtigste und das Datum, klar, das könnte auch ein anderes sein. Das Gefühl ist wichtig und dass man diesen Tag mit den Menschen verbringt, die einem wichtig sind. So haben wir es früher zumindest gehalten."
 

"Und wie ist das jetzt bei dir?" will Mokuba wissen.
 

Ich spüre unwillkürlich einen Stich. Seit meine Mom uns verlassen hat und Serenity auch nicht mehr da ist, ist Weihnachten auch irgendwie... weg. Aber daran will ich jetzt nicht denken. Deshalb zucke ich mit den Schultern und gebe mir Mühe mich weiter auf den Teig zu konzentrieren, den ich gerade fabriziere.
 

"Naja, wir machen nichts mehr groß. Mein Vater hat nicht groß was an dem Feiertag und nur für uns zwei einen Baum zu besorgen..." Ich spreche nicht weiter. Irgendwie käme ich mir dämlich vor den Zwei zu erklären, dass wir uns solche Dinge auch nicht so einfach leisten können. Sie würden es zwar verstehen, aber es würde die Stimmung drücken und darauf habe ich keine Lust. Kaiba ist zu friedlich gerade, trotz seiner Anti-Weihnacht-Kommentare.
 

Mokuba aber ist nicht gewillt es dabei zu belassen. "Und was machst du dann dieses Jahr, Joey?"
 

Warum habe ich nur so eine Ahnung, dass der Kleine mir schon wieder einen Zug voraus ist?
 

Ich zucke mit den Schultern. "Yugi hat mich eingeladen. Der feiert mit seinem Großvater. Tristan wird bei seiner Familie sein und Tea ebenso. Vielleicht kommt Duke auch vorbei."
 

Mokuba sieht enttäuscht aus. Oder er ist ein verdammt guter Schauspieler. "Schade, wenn du noch nicht verplant gewesen wärst, dann hättest du ja zu uns kommen können."
 

Ich muss mich zwingen Kaiba jetzt nicht anzusehen.
 

"Dann hätte ich auch jemand gehabt, der mit mir den Baum schmückt." fügt der Kleine hinzu. "Roland ist auf dem Gebiet nicht so kreativ."
 

Ich blinzele den Kleinen an. Er schmückt sonst mit Roland den Baum?
 

Jetzt wandert mein Blick doch zu Kaiba. Seine Miene ist vollkommen ausdruckslos. Ich glaube, er versucht gerade mich zu ignorieren, was ihm allerdings nicht gelingt.
 

"Naja, ich könnte ja vorbei kommen und dir helfen?" schlage ich vor.
 

Mokuba nickt eifrig und damit ist das Thema erst einmal vom Tisch.
 

Hm, vielleicht sollte ich überlegen, wie ich Yugi beibringen soll, dass ich seine Einladung ausschlagen muss. Ich meine, wenn ich tatsächlich die Möglichkeit hätte, mit Kaiba und Mokuba... das wäre... wow! Und wenn ich Mokuba richtig einschätze, dann läuft es darauf hinaus. Und Kaiba hat bislang nichts einzuwenden! Das sagt doch schon was, oder?
 

"Habt ihr Förmchen?" will ich wissen und schicke mich an den Teig auszurollen. Kaiba beobachtet mich dabei ungerührt. Mokuba nickt erneut und verschwindet ganz in einer der riesigen Schubladen.
 

"Wheeler." vernehme ich Kaibas kühle Stimme. Ich blicke auf und mache: "Hm?" Er hat die Brauen zusammen gezogen und blickt mich intensiv an. "Ich hätte nie für möglich gehalten, dass du in der Lage bist, so etwas zu fabrizieren." Sein Tonfall ist wie immer, monoton und kühl, die Stimmlage genauso wie bei seinem kleinen Weihnachtsvortrag, dennoch habe ich das Gefühl, dass er gerade versucht mir auf seine charmante Art ein Kompliment zu machen. Ich schenke ihm ein kleines Lächeln. "Seit meine Mutter weg ist, bin ich für die Küche verantwortlich." erkäre ich ernsthaft und er nickt.
 

Vor seinen Augen verwandele ich mich gerade wieder zu dieser neuen Wheeler-Spezies, die er gerade entdeckt hat und die er dabei ist zu erforschen. Ich sehe es ihm an. Seine Augen haben wieder diese besondere Farbe.
 

Kaiba und die Wheeler-Spezies.
 

Irgendwie finde ich das lustig.
 

"Hier!" Mokuba bringt eine Kiste mit verschiedenen Förmchen zum Vorschein. Den Teig habe ich inzwischen ausgerollt. "Tja, dann können wir anfangen." sage ich und bin mit meinem Werk und mir sehr zufrieden. Erwartungsvoll sehe ich die Kaiba-Brüder an. "Jetzt seid ihr dran." verkünde ich. Mokuba ist sichtlich begeistert und beginnt in der Kiste zu kramen. Kaiba rührt sich dagegen nicht. Mein Blick wandert zu ihm und er beantwortet meine unausgesprochene Frage.
 

"Ich steche keine Plätzchen aus."
 

Oh Mann. Ich muss mich zusammen reißen, um nicht los zu lachen. Die Stimme, der Satz, sein Gesichtsausdruck. Göttlich.
 

Ja, wirklich göttlich.
 

Er steht da mit vor der Brust verschränkten Armem und könnte nicht abgeneigter aussehen als wenn ich ihn darum gebeten hätte, Yugi zu helfen die Welt zu retten.
 

"Das macht Spaß, Seto." mischt Mokuba sich ein, der bereits am Werk ist. Scheinbar hat der Kleine eine Vorliebe für Glocken und Tannenbäume. Ich mag die Sternenförmchen ja mehr.
 

"Macht ihr nur, ich habe ohnehin noch zu arbeiten." erwidert sein Bruder, aber wenn er denkt, dass er jetzt entkommen könnte, dann hat er sich geschnitten. So einfach lasse ich ihn nicht davon kommen. Doch bevor ich etwas sagen kann, hebt er schon an: "Ich werde keine Sterne, Herzen oder sonst was ausstechen."
 

Jetzt muss ich grinsen und ich verspüre das unheilvolle Verlangen ihm zu sagen, dass er süß aussieht so trotzig wie er da steht. Ich schaffe es allerdings gerade noch mich am Riemen zu reißen.
 

Ich nicke langsam, was ihn sichtlich überrascht. "Dachte ich mir schon. Würde auch nicht zu dir passen, Kaiba." erwidere ich und ja, er ist überrascht. Und irritiert. Scheinbar hat er mit einer anderen Reaktion gerechnet. "Deshalb habe ich auch was vorbereitet." Ich grinse noch breiter. Na, wenn hier nicht Joey Wheeler, der neue Meisterbäcker, am Werk ist?
 

Ich wende mich kurz um, greife in meinen Rucksack, der neben mir steht und bringe eine kleine Schachtel zum Vorschein, die ich Kaiba rüberschiebe. Er betrachtet sie unschlüssig und blickt dann wieder zu mir. "Für dich." sage ich und nicke ihm zu.
 

Kaiba zögert. Dann aber nimmt er die Schachtel entgegeben und öffnet sie betont langsam. Dass sich dieser Kerl aber auch immer so beherrschen kann. Ich wette, er hat nicht einmal als Kind seine Geschenke aufgerissen. Herrje, wie kann ein einziger Mensch nur so diszipliniert sein? Notiz an mich: Nächste Lektion!
 

Jemand der ihn nicht kennt, würde nicht registieren, dass sich seine Züge verändern als er den Inhalt des Päckchens erkennt. Ich aber sehe es ihm deutlich an. Aber ich bin ja auch so was wie ein Kaibaloge. Der einzige anerkannte Kaibaloge. Die vom Fernsehen sollten mich eigentlich um Rat fragen, wenn es um Mr. Eisklotz geht. Ich könnte ihn besser analysieren als diese Promiexperten.
 

"Ich dachte mir, dass du nicht gewillt sein würdest, Herzchen und Sternchen herzustellen. Daher bin ich vorbereitet. Immerhin soll dir diese Aktion doch Spaß machen." erkläre ich ihm während er mit seinen schönen Fingern den Inhalt des Päckchens zum Vorschein bringt. Mokuba grinst.
 

"Oh, das ist toll. Joey, das ist genial." höre ich den Kleinen sagen. "Ich wusste gar nicht, dass es so was gibt."
 

Ich lächele. "Gibt es auch nicht. Selbst gemacht." erwidere ich und zum zweiten Mal innerhalb einer Woche habe ich das Gefühl, dass ich Kaiba zum lächeln bringe und nicht weil ich mich bescheuert verhalten hätte.
 

Kaiba betrachtet das Objekt in seinen Händen und ich glaube, ich sehe wirklich Anerkennung in seinem Blick. Ein merkwürdiges Gefühl durchströmt mich.
 

"Du bist erstaunlich, Wheeler." sagt er und ich glaube, das ist das zweite Kompliment, dass er mir je gemacht hat. Premiere. Zwei Komplimente von Seto Kaiba an einem Tag. Ich glaube, ich kann in Frieden sterben. Aber natürlich nicht jetzt.
 

"Ich denke eben mit, Kaiba." Ja, es ist eindeutig ein Lächeln auf seinen Lippen und ich weiß auch schon, wie ich ein Lachen darauf machen kann. In dem ich die Hand hebe und ihm den zweiten Teil meiner Überraschung präsentiere.
 

Er erkennt es sofort.
 

Während er eine kleine Drachen-Ausstechform in der Hand hält, zeige ich ihm das Gegenstück dazu. Einen Hund.
 

Und ja, Kaiba lacht.

Minoritätsangriff

Liebe, die nur ein Gefühl ist, würde ich nicht als Liebe anerkennen...
 

Er wirkt müde, ausgebrannt und ich glaube, dass er es vorziehen würde, alleine zu sein. Wahrscheinlich, weil dies die wenigen Momente sind, in denen er seine Mauern sinken lässt, einfach weil er nicht mehr die Kraft hat sie alle aufrecht zu erhalten.
 

Mokuba ist im Bett, Kaiba und ich haben ihn dahin befördert und der Kleine schien so glücklich, dass ich seine Freude fast körperlich spüren konnte. Er ließ mich noch versprechen, dass ich öfter her komme, was ich natürlich nur zu gerne gemacht habe. Immerhin will ich hier sein. Und nicht nur wegen Kaiba. Auch wegen ihm.
 

Und nun sitzen wir in dem überdimensionalen Wohnzimmer und schweigen seit mindestens fünfzehn Minuten.
 

Vielleicht sollte ich mich anschicken zu gehen, ja, wahrscheinlich würde das jeder höfliche Gast an diesem Punkt tun, aber ich mache keine Anstalten mich in Bewegung zu setzen. Nein, ich bleibe ruhig sitzen und sehe ihn an.
 

Es ist noch zu früh für ihn, um ins Bett zu gehen und sobald ich weg wäre, würde er sich nur seiner Arbeit widmen. Also sehe ich keinen Grund zu gehen. Zudem habe ich ja eine Mission und die ist keineswegs abgeschlossen.
 

Weitere fünf Minuten verstreichen in denen keiner etwas sagt. Die Stille macht mich keineswegs nervös, wie man vielleicht meinen könnte. Nein, ich empfinde sie sogar als recht angenehm. Wahrscheinlich, weil so selten Still herrscht, wenn er und ich in einem Raum sind.
 

Ob er über den Abend nachdenkt?
 

Ich weiß, dass er Spaß hatte. Auch wenn er es nie zugeben würde. Er hatte Spaß und er hat sich beteiligt. Er hat wunderbare Drachen ausgestochen und sie sogar später verziert. Ich hätte nie gedacht, dass er so eine kreative Ader hat und so ein Geschick. Aber wahrscheinlich ist der Junge einfach auf jedem Gebiet ein Genie, naja, fast jedem.
 

Plötzlich sehe ich, dass er kaum hörbar seufzt.
 

"Weißt du, was ich mir manchmal wünsche? Manchmal wünsche ich mir, dass es still ist. Einfach Stille in meinem Kopf. Niemand redet. Niemand ist da. Alle sind verschwunden. Und ich habe Ruhe." höre ich ihn sagen und seine Stimme ist mit einem Mal ganz anders. Sie klingt kein Stückchen nach dem Chef der Kaiba Corp., dem Jungen, der gestandene Männer in die Knie zwingen kann mit einem einzigen Blick. Er klingt auch nicht so gleichgültig und unbeteiligt wie in der Schule.
 

Er klingt... ja, wie? Wie er klingt, wenn er einfach nur Seto ist - vielleicht.
 

Ich überlege ob ich etwas erwidern soll, tue es aber nicht. Einen Augenblick später zündet er sich eine Zigarette an und inhaliert tief.
 

"Dieses Leben, um das alle mich beneiden, um das du mich vielleicht beneidest... es ist keineswegs so leicht wie du es dir vielleicht vorstellst." fährt er fort und nun sieht er mich an. Sein Blick ist ruhig, der Tonfall nüchtern und ich habe fast den Eindruck, dass er das Bedürfnis hat mir etwas bestimmtes zu sagen.
 

Komischerweise muss ich gerade daran denken wie oft ich ihn als reichen Pinkel, verwöhntes Bürchen und Geldsack bezeichnet habe. Ich glaube, auch er denkt gerade daran.
 

"Die Firma zu leiten ist ein Fulltime-Job, bei dem ich mir keine Schwächen erlauben darf." spricht er nach kurzem Zögern und erneutem ziehen an der Zigarette weiter. "Ich muss mich jeden Tag auf´s Neue beweisen, weil man jeden Tag darauf wartet, dass ich strauchele. Ja, ich weiß das. Es ist keine Einbildung. Die Big Five haben auf einen Moment der Schwäche gewartet und auch der jetztige Aufsichtsrat hofft darauf. Sie spekulieren, dass der Moment kommt, an dem ich nicht mehr funktioniere und dann... dann übernehmen sie das Ruder."
 

Ich nicke unwillkürlich und zum ersten Mal glaube ich ihn zu verstehen. Ihn, seinen Ehrgeiz, diese Verbissenheit. Ich habe zuvor nie wirklich darüber nachgedacht, was es bedeutet sich in seiner Position zu befinden. Ich habe die schönen Seiten seiner Welt gesehen und die sind weiß Gott nicht ohne, aber die Tatsache, dass er neben der Schule einen Ganztagsjob hat, das kam mir nicht wirklich in den Sinn. Gut, ich wusste wie alle anderen auch, dass er nach dem Unterricht sofort in diesen gläsernen Turm von Firma fährt und auch, dass er dort nicht Däumchen dreht, aber hey, was habe ich denn für Kenntnisse über Firmenpolitik, Wirtschaft und das ganze Zeug, mit dem er sich scheinbar permanent herumschlagen darf?
 

"Manchmal, Joey, komme ich mir vor wie ein Gefangener. Ich bin gefangen in einem ständigen Kampf zwischen dem was ich für mich als richtig empfinde und der verzerrten Wahrnehmung der Anderen. Ich weiß, dass ich ein abstraktes Bild von mir geschaffen habe, teilweise wurde es von meinem Stiefvater auch geformt, aber nun ja... ich bin in einer Position in der ich funktionieren muss. Tag ein, Tag aus. Und ich funktioniere gerne. Es macht mir nichts aus. Aber ab und an, nun... vergiss es."
 

Er richtet sich auf und drückt die Zigarette in dem sicherlich überteuerten Aschenbecher aus. Meinem Blick weicht er gekonnt aus, so dass ich kaum den Eindruck gewinne, dass er es mit Absicht tut.
 

Für einem Moment weiß ich nicht was ich denken soll.
 

Seine Worte... sie hängen noch im Raum. Worte, die nicht nach Kaiba klingen. Worte, die erschreckend ehrlich sind. Wie eine Art Offenbarung. Und er hat mich Joey genannt. Ja, er hat mich bei meinem Namen genannt.
 

Unwillkürlich mustere ich den hochgewachsenen jungen Mann, der mir gegenüber steht und so bemüht ist, wieder die Kontrolle über sich zu erlangen, weil er sich gerade einen Moment der Entspannung gegönnt hat. Ich sehe die hagere Gestalt, die markanten Züge und mit einem Mal ist er ein Fremder für mich.
 

Der junge Mann, der mir gegenüber steht, das ist nicht der Seto Kaiba, den ich kenne, den ich geglaubt habe zu kennen und wir beide wissen, dass dem so ist. Ich kann ihm ansehen, dass er sich verflucht für diese kleine Rede, die viel zu offen war, offener als alles was er vielleicht je einem Menschen gesagt hat und ich weiß, dass ich irgendetwas sagen muss, um ihm die Frucht zu nehmen, denn er hat Angst. Angst, dass er sich zu weit vorgelehnt hat. Ein Moment der Unachtsamkeit und...
 

Wenn er nur wüsste, dass ich genau darauf die ganze Zeit gewartet habe. Nicht um ihn niederzuringen, sondern weil ich genau diesen Kaiba kennenlernen will. Der Kaiba, der abends Mokuba ins Bett bringt, ihm eine Gute-Nacht-Geschichte vorliest und dabei die verschiedenen Stimmen nachahmt, nur weil der Kleine es sich wünscht. Der Kaiba, der vorhin mit erstauntem Lächeln zum ersten Mal Zimtplätzchen probiert hat und feststellen musste, dass er das Zeug mag, auch wenn es an seinem Image rütteln würde, wenn es bekannt würde.
 

Ja, ich will ein Teil dieser Welt sein, in der er einfach nur er ist.
 

"Weißt du, Kaiba, es ist wichtig, dass man sich in dieser Welt nicht selbst verliert, dass man sich selbst treu bleibt.

Niemand anderer zu werden, als man selbst in einer Welt, die ihr Bestes tut, um einen mit allen Mitteln zu einem anderen zu machen, das ist der härteste Kampf, den man führen muss, den jeder führen muss und er hört nie auf. Bei all den Dingen, die da draußen lauern und all den Masken, die man tragen muss und ja, man muss hin und wieder Masken tragen, sei es nur um sich zu schützen, darf man nicht vergessen, wer man wirklich ist. Verstehst du was ich meine? Jeder Mensch braucht einen Ort, irgendeinen Platz, wo er ganz er selbst sein kann, ohne Angst haben zu müssen."
 

Fuck, wär hätte gedacht, dass Joey Wheeler und Seto Kaiba je solche in tiefsinniges Gespräch führen würden?
 

Ihm traut man sicher Tiefgang zu, mir wohl weniger, aber beides in Komination? Tea wäre echt beeindruckt. Sie würde nie wieder sagen, dass wir uns wie Kinder verhalten. Momentan sind wir erwachsener als sie. So paradox das auch sein mag, immerhin sind wir immer noch Kaiba und Wheeler.
 

Ich spüre, dass er mich abschätzend mustert und dabei über meine Worte nachdenkt.
 

Und dann sagt er etwas, dass mich überrascht.
 

"Du trägst nie eine Maske." Es ist eine Feststellung und ich glaube, nein, ich weiß in dem Moment, dass so was wie Bewunderung in seiner Stimme mitschwingt. Vielleicht sogar Respekt.
 

"Glaubst du das wirklich?" entgegne ich und er zündet sich eine weitere Zigarette an. Er antwortet nicht, aber das ist auch nicht nötig. Ich lächele. "Es gibt Tage, da komme ich in die Schule und meine Laune ist mieser als das mieseste Wetter, aber dann treffe ich Yugi und die anderen und naja, ich lächele. Ich lasse mir nicht anmerken, dass es mir nicht gut geht. Nicht, weil ich ihnen etwas vormachen will, sondern weil ich nicht möchte, dass sie sich Sorgen machen." erzähle ich ehrlich und erhebe mich nun auch. Ohne, dass ich etwas fragen muss, reicht er mir das silberne Zigarettenetui.
 

Eigentlich wäre es ein perfekter Moment, um ihn zu küssen. Ja, tatsächlich. Er steht da und er erinnert mich irgendwie an... an diesen Jungen aus dem Film, den ich neulich mit Tristan und Tea gesehen habe, fuck, wie hieß der noch? James Dean hat ihn gespielt. Mist, ich komme nicht drauf. Ist ja auch egal.
 

Es wäre wirklich ein perfekter Moment, aber ich wage es nicht.
 

Zwischen uns war immer eine Art Barriere. Wie ein Meer, das mal mehr, mal weniger aufgewühlt war. An manchen Tagen waren die Wellen mindestens zehn Meter hoch, an anderen nahm man sie kaum wahr. Jetzt ist es so als wäre es zugefroren, so dass man darauf laufen kann. Aber das Eis ist brüchig und man muss vorsichtig sein und da ich es wohl bin, der diese Distanz überqueren muss, muss ich aufpassen, nicht einzubrechen.
 

Herrje, wenn das keine geniale Metapher ist! Ich bin ja so was von gut. Was meine Lehrerin gegen meine Aufsätze hat, ist mir echt ein Rätsel. Ich bin doch schon fast poetisch.
 

Wenn es um Kaiba geht.

Welch Ironie.
 

Aber was wirklich seltsam ist, einen Augenblick lang habe ich fast das Gefühl, dass er irgendeine Reaktion von mir erwartet.
 

Sein Blick ruht auf mir und keine Kälte liegt darin. Ich wünschte, ich könnte diesen Moment festhalten.

Freilegung im Raum

Der Kuß ist ein schlau erfundenes Verfahren, welches das Reden stoppt, wenn Worte überflüssig sind.
 

Es ist fast zwölf und ich sitze immer noch mit Kaiba im Wohnzimmer. Seltsam? Nun, ja. Trotzdem fühle ich mich nicht so. Wirklich nicht. Kein bisschen. Eigentlich fühle ich mich seltsam wohl. Dabei ist das Ganze ziemlich absurd.
 

Ich meine, angefangen von der Tatsache, dass ich, Joey Wheeler, nachts mit Seto Kaiba zusammen sitze, dass wir zusammen rauchen und uns mehr oder weniger gepflegt einen hinter die Binde gegossen haben. Ach ja, und dass wir uns unterhalten. Gepflegt. Ja, sogar tiefgründig.
 

Nachdem er mehr von sich Preis gegeben hat als er eigentlich wollte und ich mehr oder weniger gleichgezogen habe, brauchte er einen Drink. Ich weiß, dass er eigentlich versucht war, mich aus dem Haus zu werfen, aber aus irgendeinem Grund konnte er es wohl nicht. Deshalb musste Roland uns eine Flasche Whisky bringen und tja... seitdem sitzen wir hier, rauchen, trinken und reden und ich hab das Gefühl, dass keiner von uns mehr wirklich klar in der Rübe ist. Kurz gesagt, wir haben beide einem im Tee.
 

Ihm merkt man das keineswegs an, aber bei der Menge, die er intus hat, exakt das Gleiche wie ich, müsste er den Alkohol spüren und ich glaube auch, dass er für gewöhnlich nicht trinkt.
 

Ich sitze auf dem Boden, lehne mich an die hohe Couch und er sitzt mir gegenüber grazil in seinem Sessel. Auf dem Boden steht mein Glas, seins steht neben ihm auf einem Beistelltisch.
 

"Eigentlich sollten wir beide längst schlafen." stelle ich fest. Er zuckt ungerührt mit den Schultern, wirft aber einen Blick auf seine Uhr. "Ich habe um acht ein wichtiges Meeting." höre ich ihn sagen. Seine Stimme ist ausdruckslos, gleichgültig und vielleicht ist das nun für mich das Stichwort zu gehen. "Dann solltest du echt ins Bett." entgegne ich und richte mich etwas auf. Ich will noch immer nicht gehen. Mir gefällt diese Situation zu gut. Ich fühle mich ihm nah und ich habe Angst, dass sich so ein Moment nicht mehr ergeben wird.
 

Es ist nicht wie vorhin in der Küche als wir gebacken haben und Mokuba dabei war. Da war er zwar auch nicht 100%ig angespannt, aber auch keineswegs so wie jetzt. Hier und jetzt sitze ich dem echten Kaiba gegenüber. Vielleicht hat er noch eine letzte schützende Barriere oben, aber die Masken hat er abgelegt.
 

"Ich schlafe selten mehr als drei Stunden." erklärt er mir in dem gleichen gleichgültigen Tonfall und ich starre ihn an. "Was?" bringe ich fassungslos hervor und sein Blick trifft mich. Scheinbar kann er mein Erstaunen nicht verstehen. "Man braucht mindestens sieben Stunden Schaf! Der Körper muss sich regenerieren.... Ich könnte aber locker zehn Stunden schlafen... Drei Stunden? Oh Mann, wie überstehst du dann deinen Tag?"
 

Ein sarkastisches Lächeln huscht über seine Züge. "Schon mal etwas von Kaffee gehört?"
 

Als wäre das die Lösung! Aber er scheint es echt ernst zu meinen. Ich schüttele den Kopf und richte mich noch ein wenig mehr auf. "Aber das ist doch nicht normal. Dann erreichst du doch nie die Tiefschlafphase... und naja, dann kannst du auch nicht träumen." Ich verstehe das echt nicht. Mich muss man morgens teilweise mit dem Brecheisen aus dem Bett entfernen. Bei drei Stunden Schlaf würde ich durchdrehen! Ich meine, nicht nur dass man Schlaf braucht, Schafen ist doch was tolles! Wenn´s nach mir ginge, dann könnte man einen offiziellen zehn-Stunden-Schlaf einführen.
 

"Ich will auch nicht träumen." höre ich ihn sagen und vergesse blitzartig meine Gedanken. Mein Blick sucht seinen, aber er weicht mir auf. Er hat sein Glas in der Hand und betrachtet es eingehend. Einen Moment lang habe ich das Gefühl, dass er seufzt. Ich lege die Stirn in Falten und frage: "Warum nicht?"
 

Er zuckt mit den Schultern, nimmt einen Schluck und greift dann nach den Zigaretten. Ich beobachte ihn dabei genau. Nach wie vor wirkt er unerschütterlich sicher, wenn auch nicht selbstgefällig wie sonst.
 

"Träumen ist doch das Beste am Schlafen." erkläre ich mit tiefer Überzeugung. "Ich träume gerne, vor allem verrückte Sachen. Einmal habe ich geträumt..."
 

Ich halte schlagartig inne. Nicht, weil er mir einen seiner berühmt berüchtigten Blicke zu wirft, sondern weil bei mir der Groschen gefallen ist.
 

"Alpträume." sage ich nur und ich muss die Frage gar nicht erst stellen. Er zeigt keine Reaktion. Zieht gleichgültig an seiner Zigarette und fast könnte man meinen, dass er mich ignoriert. Aber ich verstehe auch so. Natürlich. Ist ja auch logisch, oder?
 

Er will gar nicht mehr schlafen. Weil er nicht träumen will. Und welchen anderen Grund sollte das haben als das er Alpträume hat. Ich habe so eine Ahnung wie diese aussehen. Wahrscheinlich verfolgt ihn Gozaburos Gesicht bis in den Schlaf.
 

Und dann, als ich schon gar nicht mehr erwarte, dass er etwas erwidert, vernehme ich seine spöttische Stimme.
 

"Meine Träume sind ein grausamer Witz. Ein Film, den ich nicht sehen will. Deshalb ziehe ich es vor, von einer Vorführung abzusehen."
 

Ich schlucke hart und er leert sein Glas.
 

Die Erinnerungen verfolgen ihn also wirklich in den Schlaf. Erinnerungen, die man nicht löschen kann. Selbst das Eliminieren der Person, die sie hervorgerufen hat, hat daran nichts geändert. Die Erinnerungen sind da und weil er sich ihnen nicht stellt, besuchen sie ihn in seinen Träumen.
 

Fuck, es ist wirklich Zeit, dass der Kerl ein paar schöne Erinnerungen bekommt.
 

"Kaiba... ich..." Ich weiß nicht was ich sagen soll. Ich habe mir so sehr gewünscht, zu ihm durchzudringen, ja, den echten Kaiba zu erreichen und ihn verstehen zu können, und nun wo ich dieses Ziel erreicht habe, habe ich plötzlich keinerlei Ahnung wie ich damit umgehen soll. Ihn so zu sehen, versetzt mir einen Stich. Es passt einfach nicht und es soll auch nicht sein.
 

"Vergiss es, Wheeler. Vergiss dieses ganze Gespräch einfach. Ich weiß selbst nicht warum ich dir das gesagt habe. Wahrscheinlich weil du und deine dämliche Mission mich aus der Fassunge bracht haben. Wie kommt man auch auf so eine Idee? Ich verstehe dich einfach nicht, Köter. Warum du dich berufen fühlst ausgerechnet, mich zu retten..." Er schüttelt den Kopf und jetzt weiß ich, dass der Alkohol auch seine Wirkung auf ihn hat. Nicht nur meine Gedankengänge liegen im Nebel.
 

Als könnte ich dieses Gespräch vergessen? Was denkt der Kerl?
 

Einen Moment lang sieht er mich abschätzend an und mir kommt der Verdacht, dass er das nur gesagt hat, um mich zu provozieren, ja, eine Reaktion hervorzurufen. Und ich glaube, ich weiß auch welche Reaktion er erwartet. Er denkt, dass ich langsam wütend werde. Deshalb wiederholt er seinen Unglauben und deshalb macht er sich nach wie vor lustig über mein Vorhaben. Gut, kann auch sein, dass er mich nicht ernst nimmt, aber nein, das glaube ich nicht. Er nimmt mich sehr wohl ernst, weil er sieht, dass ich nicht aufgeben und er das nicht ignorieren kann.
 

Ich gehe ihm bereits unter die Haut und es gefällt ihm nicht. Aber ich habe keinerlei Grund aufzuhören und ich werde auch nicht wütend werden. Soll er sich weiterhin lustig machen, das ändert nichts.
 

Vielleicht ist das eine der letzten Barrieren? Spott?
 

Einen Moment überlege ich wie ich reagieren soll und ich weiß, dass von meiner Reaktion jetzt eine Menge abhängt. Wenn ich jetzt einen Fehler mache, dann... Aber ich mache keinen Fehler. Ich lege den Kopf in den Nacken und grinse ihn an.
 

"Weißt du noch, was ich dir am Anfang gesagt habe?" will ich wissen.
 

Natürlich überrascht ihn die Frage und natürlich denkt er darüber nach, aber ich warte keine Antwort ab. Vielleicht weiß er was ich meine, vielleicht auch nicht. Das spielt auch keine Rolle.
 

"Das Glück liegt demjenigen zu Füßen, der nicht auf ihm herumtrampelt." wiederhole ich den Satz, mit dem ich das Spiel eröffnet habe, und sehe ihn nachsichtig an. "Weißt du was ich damit gemeint habe?"
 

Er richtet sich auf und ich spüre, dass ihm der Verlauf des Gespräches nicht behagt. Ich kann ihm ansehen wie er sich anschickt seine Mauern wieder hoch zu ziehen. Wahrscheinlich irritiert ihn mein ruhiger Tonfall oder auch mein Blick. Mit einer Bewegung bin ich auf den Beinen und mit zwei Schritten bei ihm. Er schafft es gerade noch rechtzeitig das Glas zur Seite zu stellen und aufzustehen. Ich lächele und blicke zu ihm hoch. Die Veränderung der Distanz gehabt ihm keineswegs, aber er will sich auch nicht die Blöße geben etwas zu sagen oder den Raum zwischen uns zu vergrößern. Ich lasse ihm allerdings auch nicht die Zeit, um zu reagieren.
 

"Das hier zum Beispiel." sage ich und stelle mich auf die Zehenspitzen. Dieses Mal packe ich ihn nicht und ziehe ihn zu mir runter. Nein, ich lasse meine Arme da wo sie sind, lege nur meine Lippen auf seine. Ich spüre wie ein Ruck durch seinen Körper geht und sein Mund zittert leicht. Doch er zieht sich nicht zurück, nein, er lässt es geschehen.
 

Ich gestatte es mir, die Augen zu schließen und das Gefühl zu genießen und es ist... wow. Unbeschreiblich. Genauso wie es sein muss. Mein Herz schlägt zwar viel zu schnell, aber naja... Ich schätze, auch das gehört wohl dazu, oder?
 

So langsam wie es angefangen hat, endet es auch. Zaghaft löse ich mich von ihm und zu meiner Überraschung stelle ich fest, dass er die Augen geschlossen hat. Es dauert ein paar Sekunden bis er sie wieder öffnet und sein Blick findet meinen sofort. Das Blau seiner Augen ist noch dunkler geworden. Er ist verwirrt, das sieht man ihm an. Verwirrt, aber auch entsetzt.
 

"Weißt du, das müsste eigentlich alle deine Fragen beantworten, Kaiba." erkläre ich mit einem schiefen Grinsen. "Und falls es dir dennoch nicht einleuchten sollte, wofür ich angesichts deiner mangelnden Kenntnisse auf diesem Gebiet sogar Verständnis habe, sag ich´s dir: Ich könnte dein Glück sein, Kaiba."
 

Er starrt mich einfach nur an. Rührt sich nicht einen Millimeter.
 

"Eigentlich bin ich sogar sicher, dass ich es bin. Ich glaube, sonst gibt es auch niemanden, der die Mühe auf sich nimmt, dir das alles zu erklären." fahre ich fort. "Also lass das Getrampel sein und nimm es hin. So schwer ist das nicht."

Mittelspiel

Weißt du was, Kaiba?
 

"Nicht in der Erkenntnis liegt das Glück, sondern im Erwerben der Erkenntnis."
 

Das hat ein Typ namens Poe mal gesagt und ich finde, er hat Recht. Und es passt zu dir.
 

Erkenntnisse hast du nämlich genug. Mehr als sonst jemand auf dem Planeten würde ich behaupten, aber das Glück kennst du nicht. Naja, noch nicht. Oder noch nicht ganz. Ich habe nämlich das Gefühl, dass du gerade zu lernen beginnst und tja, ich kenne dich. Wenn du etwas lernen willst, dann bist du mehr als nur ehrgeizig wie Normalsterbliche. Jepp, du willst der Beste sein und du willst die Lektionen auch schnellstmöglich hinter dich bringen.
 

Tja, was soll ich sagen, gestern oder wohl eher heute Nacht haben wir nen entscheidenden Fortschritt gemacht. Ja, das glaube ich wirklich, ach was, ich weiß es.
 

Beweise?
 

Nun, eigentlich ist es ja Beweis genug, dass du dich auf meine Mission eingelassen hast. Immerhin hast du eigentlich ja keinen Grund dazu. Außer vielleicht Neugier, aber so schätze ich dich ja nicht ein. Nein, neugierig bist du mir nie erschienen, aber für gewöhnlich weißt du ja auch alles.
 

Egal.
 

Die Nacht gestern war toll. Ja, echt. Und ich habe wieder einmal was gelernt. Ich entdecke echt immer mehr Facetten an dir. Das ist krass...
 

Irgendwie ist es so als würde man nach langer Zeit wieder ein bestimmtest Bild betrachten und auf einmal fallen einem ganz neue Seiten auf. Die Farbe wirkt anders, das Motiv erscheint in einem neuen Licht... solche Kleinigkeiten eben. So ist es mit dir. Egal wie oft ich dich gesehen habe oder wie gut ich glaubte dich zu kennen, inzwischen stimme ich diesem Griechen zu: "Ich weiß, dass ich nichts weiß" - über dich.
 

Zumindest weiß ich kaum etwas, das wirklich essentiell wäre.
 

Jetzt weiß ich, dass du Alpträume hast und dass du alles andere als glücklich bist. Und ich weiß auch warum dem so ist. Aber du hast beides mir gegenüber eingeräumt, ja ausgerechnet mir hast du es gestanden, wenn man so will. Das ist eindeutig ein Fortschritt.
 

Und ich durfte dich küssen. Ok, ich hab dich wieder überrumpelt, aber wenn ich vorher frage, dann sagst du ohnehin nein und die Versuchung war einfach zu groß. Außerdem sagt ein Kuss manchmal mehr als 1000 Worte. In diesem Fall war er angebracht, nicht nur aus purem Vergnügen.
 

Tja und scheinbar hat es ja gewirkt.
 

Deine Frage darauf war aber auch zu süß.
 

Mann, Kaiba, du bist echt eine Granate. Ich glaube, kein Mensch kann einen anderen auf diese Weise fragen, warum er glaubt verliebt zu sein.
 

Wahrscheinlich, weil kein Mensch auf so eine Frage überhaupt eine wirkliche Antwort geben kann und man daher weiß, dass es blöd ist die Frage zu stellen. Aber du bringst so was natürlich fertig.
 

Wenn ich an die Formulierung denke! Herrlich, echt. Ich hätte am Boden liegen können vor Lachen, wenn ich nicht gewusst hätte, dass dich das irritieren oder gar wütend machen würde.
 

"Wheeler, würdest du die Güte besitzen, mir zu erläutern warum du der fixen Idee verfallen bist, ausgerechnet für mich so etwas wie übersteigerte Sympathie zu empfinden, immerhin entbehrt es aufgrund unseres bisherigen Verhältnisses jeglicher Logik."
 

Also, wenn das nicht ne krasse Art ist diese Frage zu stellen, dann weiß ich es auch nicht. Wie gesagt, so was bringst echt nur du, Kaiba. Genial, echt genial. Und ja, auch süß. Dein überforderter Gesichtsausdruck war süß.

Und ich stelle fest, du bist immer süß, wenn du überfordert bist. Schlag mich meinetwegen dafür, ist mir egal. Es muss gesagt werden!
 

Ich schätze, ich habe dir deine Frage ausreichend beantwortet, auch wenn mir dein skeptischer Blick nicht entgangen ist. Auf diese Frage gibt es aber keine Antwort, Mister. Also eigentlich nicht. Bei normalen Leuten, die sich verlieben, gibt es schon keine logische Erklärung und in unserem Fall... No way! Da von Logik zu sprechen ist echt verrückt. Liebe und Logik, mein lieber Kaiba, das sind zwei Dinge, die man noch weniger in Einklang bringen kann als uns beide. Das ist sozusagen unmöglich, also versuch es erst gar nicht.
 

Natürlich hätte ich dir auch ein paar Gründe aufzählen können, warum ich denke, dass ich auf dich stehe. Es gibt nämlich echt ein paar Gründe, auch wenn sie mit dem Gefühl nichts zu tun haben an sich sondern lediglich darauf reslutieren. Es ist nämlich meiner Ansicht so, dass man, sobald man ein gewisses Gefühl mit einer Person verbindet, diese auch schlagartig in einem anderen Licht sieht.
 

Bevor ich diese Gefühle für dich hatte, ist mir z. B. nie aufgefallen, dass du verdammt gut aussiehst. Ja, ich hab das gar nicht bemerkt. Ich dachte sogar, dass deine Fangirlies ein Rad abhätten und auch Tea, weil die das ja auch gesagt hat. Aber jetzt... jetzt sehe ich dich eben anders und da muss ich sagen, du bist heiß. Definitiv. Verstehst du was ich meine? Wenn man Gefühle für jemanden hat, dann verändert sich eben der Blickwinkel. Die Macken und Schwächen des anderen werden zwar nicht irrelevant, wie du so gerne sagst, sondern relativieren sich. Gut, du hast kaum Schwächen, aber ein paar Macken hast du eindeutig, nur erachte ich sie inzwischen als charmant.
 

Und deshalb habe ich mir ja auch zum Ziel gemacht, dich dazu zu bringen, mich mit anderen Augen zu sehen. Ich weiß ja selbst, dass ich nicht gerade der Traum von einem Mann bin. Ok, ich sehe nicht schlecht aus, ich könnte aber sicher mehr aus mir machen. Ich bin chaotisch, verpeilt und ja, auch verfressen, nicht unbedingt charmante Eigenschaften, aber mit der richtigen Betrachtungsweise liebenswerte Züge.
 

Du merkst worauf ich hinaus will? Wenn ich es erst mal geschafft habe, dass du mich magst, dann werde ich ihn deinen Augen kein Köter mehr sein... dann werd ich eher zu einem niedlichen Hündchen werden oder so.
 

Das war jetzt nur eine Metapher!
 

Das heißt nicht, dass ich anerkennen würde ein Vierbeiner zu sein! Dieser Punkt ist nicht verhandelbar.
 

Ich weiß, dass ich dich mit dem Kuss peinlich berührt habe, weil du noch nicht weißt wie du mit so was umgehen musst. Wenn ich ehrlich sein darf, ich weiß es auch noch nicht so recht. Ist ja nicht so, als hätte ich große Erfahrung auf dem Gebiet. Ein Kuss ist... nun, man kann ja nie wissen, ob es ein kleiner oder ein großer Kuss wird. Und niemand weiß wie der Körper reagiert. Was ich weiß ist, dass ich es mag zu küssen. Also, dich zu küssen. Es fühlt sich gut an. Irgendwie richtig. Und du hast schöne Lippen. Ja, das kannst du mir glauben. Ich bin da schon kritisch.
 

Aber weißt du was das Beste an dem gestrigen Abend oder eher an heute morgen war?
 

Nein, du Idiot, nicht die Tatsache, dass du mich nach hause gefahren hast und ich nicht laufen musste, obwohl das echt nett von dir war. Auch nicht, dass du keine Einwände gegen eine weitere Verabredung hattest. Sondern, dass du mich nicht korrigiert hast als ich es Date nannte.
 

Das heißt also, wir haben jetzt ein offizielles Date. Ein Richtiges und nein, es gilt nicht, wenn man es im Nachhinein anders nennt.
 

Mist nur, dass ich gleich zur Schule muss und du im Büro hockst.
 

Aber morgen Abend!! Ein offizielles, erstes Date.
 

Ach ja, noch etwas, Kaiba.
 

Du wirst verlieren. Ja, das erste Mal in deinem Leben wirst du verlieren, weil ich gewinnen werde. Ich weiß es und ich glaube, du auch. Aber das macht nichts. Du wirst es überleben und wenn ich dir was verraten darf bezüglich Niederlagen, ich kenne mich damit schließlich aus! Immerhin bin ich ein Experte auf dem Gebiet.
 

Man gewinnt, man verliert und man kämpft weiter, aber nicht nur durch Siege lernt man. Es sind die Niederlagen, die einen weise machen, weil sie einem erst Zeiten wieviel Freude man am Gewinnen haben kann. Verstehst du?
 

Und was uns beide anbelangt, auch wenn du verlierst, wirst du was gewinnen. Auch wenn du das jetzt noch nicht verstehst.

Wartezug

Worüber man nicht reden kann, darüber muss man schweigen...
 

"Ich kann nicht, ich bin verabredet."
 

Fuck off, das hätte ich vielleicht nicht sagen sollen. Ich könnte mir selbst an den Kopf schlagen. Und nicht nur mit der Hand. Ein Brett, ja, ein Brett wäre viel besser.
 

Natürlich starren sie mich jetzt alle an. Tristan hat sich an seiner Coke verschluckt und pustet los.
 

"Echt, Alter, mit wem denn?"
 

Ich verdrehe die Augen. War ja klar, dass die Frage kommen würde! Was hab ich mir auch dabei gedacht, es auszusprechen? Mann, Mann, das ist echt mal dämlich. Ja, Joey, dämlich, dämlich, dämlich.
 

Zu meiner Rechtfertigung kann ich wohl auch nur anführen, dass die Freude über das bevorstehende Date mich dazu getrieben hat, diese Worte unbedacht auszusprechen.
 

"Ja, Joey, wer ist die Glückliche?" will nun auch Duke wissen.
 

Und ich spüre, wie ich rot werde. Ja, meine Wangen glühen und das entgeht den anderen natürlich nicht.
 

Peinlich, nicht dämlich. Egal.
 

Ich seufze. "Kennt ihr sowieso nicht." versuche ich mich aus der Affäre zu ziehen, auch wenn ich im gleichen Moment weiß, dass mir das nicht so einfach gelingen wird. Ich kenne doch meine Freund nur zugut. Der Einzige, der Erbarmen zeigen wird, ist Yugi, aber das auch nur, weil dieses Thema ihn in Verlegenheit bringt.
 

"Sag schon. Woher kennst du sie? Habt ihr euch schon getroffen oder ist es euer erstes Date?"
 

Ich seufze resignierend. "Wir haben uns schon mal getroffen, aber das ist unser erstes Date... und ich..."
 

"Und ist es was ernstes?" mischt sich jetzt auch Tea ein.
 

Ich nicke. "Ja...ähm... nein... ähm, ja."
 

Hey, ich bin auf so ein Verhör nicht vorbereitet, momentan gehen mir doch ganz andere Dinge durch den Kopf. Mann, warum hab ich bloß die Klappe aufgemacht?
 

"Du bist verliebt." Es ist keine Frage, es ist eine Feststellung und mein Kopf glüht. Ich wende mich schnell ein wenig ab.
 

"Hey, das muss dir doch nicht peinlich sein, Joey, wir freuen uns für dich." Tea lächelt mich an und ja, ich glaube ihr, dass sie sich freut. Wobei sie ja nicht weiß, wer die Glückliche ist. Ob sie sich dann auch noch so freuen würde? Egal, das geht die gar nichts an und es spielt auch keine Rolle.
 

"Wie sieht sie aus?" Tristan widmet sich natürlich weniger der emotionalen Seite. Ich zucke mit den Schultern und gebe nur ein "Gut" von mir. Er grinst. "Na, erzähl doch mal mehr. Brünett oder blond?" Duke sieht mich auch neugierig an.
 

"Brünett." press ich hervor und könnte mir schon zum zweiten Mal an den Kopf schlagen. Warum antworte ich überhaupt? Kann sich bitte ein Loch auftun und mich verschlucken? Nein, anscheinend nicht.
 

"Lass dir doch nicht alles aus der Nase ziehen." Tristan wirft mir einen missbilligenden Blick zu.
 

Ich seufze wieder. "Es ist... also... es ist noch nicht ganz spruchreif... wenn ich... also.. wenn klar ist was ist, dann sag ich es euch schon."
 

Natürlich bringt sie das nicht wirklich zum Schweigen, aber mein Glück ist, dass der Unterricht jetzt beginnt und ich daher erst einmal Ruhe haben werde und nachher... nun, ich werde schon einen Weg finden, um dem Thema zu entgehen. Auf jeden Fall werde ich nichts mehr dazu sagen.
 

Wie sagt Kaiba schließlich immer? Ich bin der mieseste Lügner überhaupt, was eigentlich ein Kompliment ist, denn man soll schließlich nicht lügen. Aber in der Angelegenheit habe ich nicht den Wunsch, meinen Freunden die Wahrheit zu sagen. Immerhin gibt es bislang auch noch nichts groß zu sagen. Sie erfahren noch früh genug was Sache ist, wenn es soweit ist und augenblicklich würden sie die Mission auch nur behindern. Ich kenne die Truppe doch.
 

Tristan würde ausrasten und mich zum Arzt schicken oder schlimmeres, Duke würde mich aufziehen und Tea... ich kann mir denken, was sie sagen würde. Sie hätte natürlich Verständnis und gute Ratschläge, aber sie würde damit sicher auch Kaiba auf die Nerven gehen und auch Tristan und Duke würden keineswegs ihm gegenüber die Klappe halten und dann wäre alles umsonst gewesen.
 

Und das lasse ich nicht zu. Ich habe viel zu viel Zeit und Nerven investiert. Gott, wenn ich allein an die Recherche denke. Himmel, was ich alles lesen musste. Ist ja nicht so, dass mir das so leicht fällt wie Mr. Ich-kann-alles-Kaiba. Das war echt harte Arbeit und schwerer Stoff. Dabei sagt man immer Philosophie wäre eigentlich eine leichte Sache, weil es ja um Gedanken und Vorstellungen und so geht. Ha! Mitnichten. Schwere Kost.
 

Aber was tut man nicht alles, wenn man verliebt ist und man bei dem Objekt der Begierde Eindruck schinden will? Ich musste mich ja auch in ein Genie verlieben...
 

Doch wenn ich an seinen Kuss denke, naja, eigentlich hab ich ja geküsst, dann war´s die Sache bislang wert und hey, unser erstes Date steht an.
 

Allerdings habe ich noch keinen Plan, was ich mit ihm unternehmen soll. Die Möglichkeiten sind auch begrenzt. Wir können schließlich nicht so einfach ins Kino oder so. Naja, können wir schon, aber ich bezweifle, dass das sein Ding ist. Nein, ich schätze es ist erstmal besser, wenn wir zu zweit bleiben. Dann können wir auch reden. Also normal reden. Wie gestern. Wie heute Nacht.
 

Und ich glaube, das braucht er irgendwie. Ja, ich bin mir dessen sogar sicher.
 

Das heißt, wir werden wieder in der Villa abhängen. Na, hat auch was für sich. Das Haus ist groß genug, man könnte Verstecken spielen... Was wir natürlich nicht tun würde, das wäre zuviel des guten.
 

Ob er Pizza mag?
 

Und ich habe ja auch noch diesen Film... Citizen Kane. Der hat sogar Anspruch und naja, er trifft sogar irgendwie auf Kaiba zu.
 

Ach, im Grunde ist ja auch egal, was wir machen. Hauptsache wir verbringen die Zeit gemeinsam und wer weiß, vielleicht kommen wir wieder einen Schritt weiter. Bestimmt sogar.
 

Manchmal ist das Leben echt schön, auch wenn ich die Hausaufgaben nicht habe und sicher gleich Ärger bekommen werde. Scheiß drauf. Kaiba ist nicht da um mich deshalb aufzuziehen. Ob er das in unserer momentanen Lage tun würde? Hm... wahrscheinlich. Es würde auch was fehlen, wenn dem nicht so wäre, oder? Das macht doch einen Teil der Magie bei uns aus.
 

Ich glaube, ich grinse gerade sau dämlich.
 

Tea stupst mich von der Seite an und ein merkwürdiger Ausdruck liegt in ihren Augen. Für einen Moment bin ich verwirrt. Hat sie etwas gesagt und ich habe es nicht gehört?
 

"Dich scheint es echt erwischt zu haben, Joey." bemerkt sie und wieder brennen meine Wangen. Sie lächelt mich an und in dem Moment wirkt sie keineswegs neugierig oder naja, so als würde sie mich gleich belehren wollen oder so. Es ist ein warmes Lächeln und ich stimme unwillkürlich ein. Ich glaube, ein Nicken erübrigt sich und vielleicht, nun, vielleicht versteht sie mich in diesem Moment. Schließlich ist sie ja auch verliebt. Ob sie daran gerade denkt?
 

"Ich freu mich für dich." höre ich sie sagen und das rührt mich echt. "Ich wünsche euch, dass es was wird."
 

Gerade als ich mich bedanken will, fällt mir auf, dass sie "euch" gesagt hat und starre sie an. Sie lächelt noch immer. War das ein Versprecher? Bezieht sie unbekannterweise die Person ein, mit der ich ein Date habe? Oder weiß sie etwas? Ich habe doch hoffentlich nicht gerade auf Kaibas leeren Stuhl gestarrt. Am Besten ist es wohl, wenn ich nichts erwidere. Ich nicke also nur und wende mich dann meinem Mathebuch zu.
 

Und zähle insgeheim die Stunden.

Halboffene Linie

Wenig und Viel sind wandelbar wie Geschenke, je nachdem sie der Gebende oder der Empfangende betrachtet.
 

"Pizza ist ein sehr, sehr wesentlicher Bestandteil des Lebens, ja, man könnte sogar sagen, dass es keinen Menschen auf diesem Planeten gibt, der ohne Pizza existieren könnte. Pizza ist sozusagen essentiell. Und wenn du tatsächlich noch nie eine gegessen hast, dann wird es eindeutig Zeit das zu tun. Ja, du bist sozusagen gezwungen es zu tun." erkläre ich ihm und bemühe mich dabei ein ernstes Gesicht zu machen.
 

Angesichts der Tatsache, dass der Kerl scheinbar echt noch nie, ich meine, wirklich noch NIE, eine Pizza gegessen hat, und ich bezweifle, dass er mich in dem Punkt verarscht, den sowas macht Kaiba nicht, bin ich fast schon so fassungslos, dass es tatsächlich ernst ist.
 

Echt jetzt, wie kann das sein? Von was ernährt der Typ sich? Nur von Kaffee? Wahrscheinlich hat er auch noch nie einen Burger gegessen. Kein Wunder, dass er so ein Griesgram ist. Die guten Dinge des Lebens ziehen ja echt voll an ihm vorbei. Mann, Mann, also er kann echt froh sein, dass ich die Dinge in die Hand nehme. Ist ja kein Zustand dieses Leben.
 

"Also los, such dir eine aus." Ich reiche ihm die Karte des Lieferservices. Er zögert, beäugt das bunte Prospekt skepisch, nimmt es dann aber entgegen. "Pizza gibt es in allen Variationen. Ich probiere immer eine Neue aus und meistens ist das auch gut. Auf die mit Pilzen kann ich allerdings verzichten. Pilze sind widerlich. Die müsste es gar nicht geben. Was ist mit dir? Magst du Pilze?"
 

Aber er scheint mir gar nicht zu zu hören, denn er studiert die Karte. Sein Mund ist spöttisch verzogen und ich wette gleich gibt er irgendeinen Kommentar ab, über die Hygienezustände in solchen Buden oder so. Momentan macht er allerdings nur "Hm."
 

Ich schätze, er hat keinen Plan was für eine er wählen soll, weiß aber, dass ich nicht von diesem Vorhaben abgehen werde.
 

"Nummer 121." sagt er schließlich und reicht mir die Karte zurück. Für einen Moment bin ich echt überrascht. Ich hätte nicht gedacht, dass er sich so schnell fügen würde. Natürlich sehe ich sofort nach was sich hinter der Nummer verbirg. Ich kenn ja nicht alle auswendig. "Oh scharf und exotisch, hallo." Ich pfeife und grinse ihn an. Schinken, Ananas und Peperoni. Hm... gute Wahl, echt. Er räuspert sich kaum hörbar und hey, ich glaube, ich habe ihn gerade in Verlegenheit gebracht, ja, echt. Auf seinen blassen Wangen ist tatsächlich ein Hauch rot zu sehen.
 

Wow.
 

Aber es steht ihm. Wirklich. Es macht sein Gesicht lebendiger.
 

Einen Moment bin ich versucht zu sagen, dass ich ihn auch für schwarf und exotisch halte, aber ich verkneife es mir. Nicht, dass der gute Kaiba mir hier noch nen Herzinfarkt bekommt. Wäre durchaus drin. Mit solchen Dingen kann er nämlich gar nicht umgehen. In der Hinsicht ist er Yugi recht ähnlich. Beide kann man durch die kleinsten Andeutungen in Verlegenheit bringen, nur dass er es sich nicht anmerken lässt. Kaiba ist selbst in peinlichen Situationen noch stilsicher und würdevoll. Stolz ist er ja ohnehin immer.
 

Geradezu erschreckend stolz. Daran darf man gar nicht kratzen. Das würde er auch nie verzeihen, also hüte ich mich davor in dieses Fettnäpfchen zu treten.
 

"Ich nehm mir ne klassische. Salami und Paprika." verkünde ich und schnappe mir das Telefon. "Vielleicht solltest du anrufen?" fällt mir ein als ich die Nummer schon fast eingetippt habe. Seine Augen weiten sich kaum merklich, aber diese kleine Geste drückt in der Kaiba-Sprache entsetzen aus. Also tippe ich weiter und gebe die Bestellung auf.
 

Wahrscheinlich war noch nie ein Pizzadienst zur Villa beordert worden. Ob sich die Fahrer darum schlagen würden? Vermutlich gehen sie davon aus, dass Kaiba viel Trinkgeld gibt. Was ich allerdings bezweifele.
 

"Dauert ungefähr 40 Minuten." unterrichte ich ihn. Er erwidert nichts. "Na, bis dahin ist mein Kohldampf auch groß genug." Noch immer sagt er nichts, rührt sich auch nicht, behält mich nur im Auge und ich plappere einfach weiter. "Heute hab ich sogar einen Film mit Anspruch mitgebracht. Gut, vielleicht nicht unbedingt das Passende für ein erstes Date, aber ich finde ihn gut und du... naja, ich denke, sogar du wirst ihn gut finden."
 

Ich höre wie er scharf die Luft einzieht. "Ich wünschte, du würdest dieses Treffen nicht so bezeichnen, Wheeler."
 

"Na, aber es ist doch eins. Du hast nicht widersprochen und jetzt ist es zu spät. Es ist ein Date. Aber keine Panik, ich erwarte nichts von dir. Außer, dass du dir diesen Film mit mir ansiehst. Ach ja, und die Pizza musst du essen. Aber ansonsten... Entspann dich. Mach dich locker, Kaiba."
 

Er seufzt resignierend, aber irgendwie habe ich das Gefühl, dass seine Mundwinkel verdächtig zucken. Ich würde darauf wetten, dass er die Situation hier gar nicht so mies findet wie er tut. Er kann es nur nicht zugeben. Sturer Esel.
 

"Wenn DU sagst, dass der Film Anspruch hat, dann ahne ich grauenvolles."
 

Ich schmolle betont theadralisch. "Hey, ich kenne mich aus. Besser als du." Er zuckt nur mit den Schultern, was mir sagen soll, dass es für ihn unwesentlich ist, sich auf diesem Gebiet auszukenne. "Außerdem ist es der beste Film aller Zeiten. Und das sage nicht nur ich, das sagen Experten." Triumphierend zeige ich ihm die Dvd. "Der ist schwarz-weiß und das zeigt ja schon, dass er anspruchsvoll ist und das britische Filminstitut wählt ihn schon seit Jahren immer wieder auf Platz eins der besten Filme aller Zeiten. Also -." Ich grinse ihn an.
 

"Nun, schlimmer als die Filme, die du letztes Mal angeschleppt hast, kann es nicht werden. Aber was du von dieser ganzen Aktion hast, ist mir ein Rätsel... und warum ich das nicht unterbinde... Ich habe genug Arbeit."
 

Er schüttelt leicht den Kopf.
 

"Ich schlage vor, wir warten mit dem Film bis die Pizza da ist. Was meinst du, Kaiba?"
 

Er sieht mich an und jepp, genau, da ist er wieder, der "Die-Wheeler-Spezies-hat-eine-neue-Fähigkeit-gezeigt"-Blick. Eigentlich ein schöner Moment um ihm die Zunge rauszustrecken, aber nein, sowas macht man nicht bei einem Date.
 

"Hast du eigentlich endlich mal Eis im Haus?" will ich wissen und bringe ihn damit wieder einmal aus dem Konzept. "Bedauere, nein." entgegnet er, aber es klingt nicht wirklich so als würde es ihm leid tun, eher als habe er keine Ahnung was ich damit will. "Schade, auf Schokoladeneis habe ich schon den ganzen Tag Lust. Und auf Kokos. Und Himbeer." Ich seufze genießerisch bei dem Gedanke daran.
 

Ach, Eis ist wirklich was herrlisches.
 

Wieder mustert er mich einen Moment auf die ihm eigene Art, dann nimmt er den Hörer und einen Moment später höre ich ihn sagen: "Roland, fahren sie in die Stadt und besorgen sie mir Eis. Schokolade, Kokos, Himbeer. Ach, bringen sie alle verfügbaren Sorten."
 

Keine Ahnung was sein Assistent gerade denkt, ich bin jedenfalls sprachlos. Also, das ist schon... das ist WOW. Ich meine, das ist doch was.
 

"Ich nehme an, Mokuba wird sich auch darüber freuen." sagt er ungerührt an mich gewandt und ich kann nur nicken. Ja, ich brauche gerade einen Moment, um mich zu sammeln und dann platzt es doch aus mir raus.
 

"Das war süß von dir." höre ich mich sagen und beiße mir im nächsten Augenblick auf die Zunge. Eigentlich sollte ich mit dem Kopf gegen die nächste Wand rennen.
 

Fehler. Böser Fehler.
 

Ich wage es gar nicht ihn anzusehen. Und zu allem Überfluss glühen meine Wangen auch schon. Ich schlucke unsicher und linse dann doch zu ihm rüber. Er hat die Augen geschlossen und ich glaube, er zählt in Gedanken gerade. Unwillkürlich mache ich einen Schritt zurück, doch dann richten sich diese blauben Augen auf mich.
 

Mann, sind die blau. Wie Saphire. Krass.
 

Er seufzt. "Womit habe ich dich verdient, Wheeler?" höre ich ihn fragen und seine Stimme klingt seltsam gepresst. Ich zucke mit den Schultern. "Naja... ich denke..." Ich komme nicht dazu den Satz zu beenden, eigentlich gut, denn ich wusste ohnehin nicht was ich sagen soll, denn er fängt plötzlich an zu lachen. Ja, ernsthaft. Er lacht. Laut. Und echt. Ein richtiges Lachen eben und fast habe ich Angst, dass er nicht mehr damit aufhört. Wenn er sich gleich noch den Bauch hält, dann bin ich echt irritiert.
 

"Du bist wahrhaftig unbezahlbar." sagt er immer noch lächelnd.
 

Ich kratze mich verlegen am Kopf.
 

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Merci an dieser Stelle für die lieben Kommis, besonderer Dank geht an: Atemus-woman-forever und Shimizu-chan ~ ihr seid ja so motivierend, da macht das Schreiben gleich noch mehr Spaß.

Unterwanderung

Ein bisschen Freundschaft ist mehr wert als die Bewunderung der ganzen Welt.
 

"Und? Wie ist die Pizza?" frage ich ihn und muss unwillkürlich lächeln. So skeptisch, wie er den Pappkarton vorhin noch gemustert hat, hätte man meinen können, ich würde ihn dazu bringen wollen Dreck zu essen.
 

"Obgleich das Aussehen etwas gewöhnungsbedürftig ist, muss ich gestehen, dass diese Pizza mir geschmacklich wirklich zusagt. Die verschiedenen Komponenten..."
 

Ich kann nicht anders. Ich puste los und er starrt mich an.
 

"Sorry, aber ich hab noch nie jemanden so über eine Pizza reden hören. Kannst du nicht einfach sagen, dass sie dir schmeckt? Dass dein Wortschatz gigantisch ist, weiß ich doch längst, Kaiba und naja... beeindrucken musst du mich auch nicht mehr." Ich zwinkere ihm zu und schnappe mir das nächste Stück von meiner Pizza.
 

Er gibt ein undefinierbares Geräusch von sich und einen Moment rechne ich damit, dass ein bissiger Kommentar kommt, aber nein. Er verbeißt ihn sich und widmet sich wieder der Pizza. Immerhin schmeckt sie ihm, was mich wirklich freut. Das er sie mit Messer und Gabel ist, nun, das war zu erwarten. Ich habe ihm zwar erklärt, dass man Pizza eigentlich nicht so isst, aber das wollte er nicht gelten lassen. Er war der Ansicht, dass ein kultivierter Mensch sich nicht so herablassen dürfe, wie ein Neandertaler alles mit der Hand in sich zu stopfen.
 

Gut, das war wahrscheinlich eine Beleidigung für mich, aber ich hab sie ignorieret. Immerhin weiß ich, dass man auch in kultivierten Kreisen Pizza mit der Hand ist. Das ist schließlich so ein Sonderfall. Genau wie Hummer, den isst man auch so. Hätte ich eigentlich anführen können, naja, egal.
 

Hauptsache es schmeckt ihm.
 

"Möchtest du meine mal probieren?" frage ich und schiebe ihm meine Schachte rüber und siehe da! Er tut es. Er nimmt sich einen kleinen Biss und nickt mir dann zu. Ich glaube, ich strahle ihn ziemlich debil an. Liegt wohl daran, dass ich stolz auf ihn bin.
 

Nicht nur, dass er meine Mission nicht behindert, er gibt sich echt Mühe. Dabei dürfte das Ganze hier echt schwer für ihn sein. Ich schätze, ich verdanke es auch Mokuba, dass er sich zusammen reißt. Zumindest hat der Kleine so was angedeutet als ich ihn vorhin gesehen habe.
 

Tja, gegen die geballte Macht von Mokuba und mir ist er eben machtlos.
 

"Es hat schon eine gewisse Ironie, dass dich eigentlich jeder um dein ach so tolles Leben beneidet, du aber eigentlich gar kein so berauschendes Dasein führst wie man bei deinen Möglichkeiten annehmen müsste."
 

"Ich habe nie behauptet, dass mein Leben berauschend wäre, Wheeler." erwidert er kühl.
 

Ich nicke. "Ich weiß, aber die Meisten gehen einfach davon aus, wenn jemand Geld hat."
 

Er verzieht verächtlich den schönen Mund. "Wenn ich mein Geld nur nutzen würde, um damit ´Spaß´ zu haben, nun, dann hätte ich sehr schnell keines mehr."
 

Wo er Recht hat, hat er Recht, dennoch kann man auch ein wenig Spaß haben, aber ich schätze, es ist keine gute Idee das Thema jetzt zu vertiefen. Würde nur zu schlechten Schwingungen führen und die kann ich nicht gebrauchen.
 

"Also, noch mal: Schmeckt dir die Pizza?" Ich grinse ihn an. Er verdreht leicht die Augen, nickt aber und die Tatsache, dass er sie auch ganz gegessen hat, spricht wohl auch dafür. "Ausgezeichnet." befinde ich und ich glaube, er seufzt. "Dann schauen wir jetzt den Film." Ich warte keine Erwiderung ab, sondern klappe die Pappschachteln zu und lege sie zur Seite. Ich schätze, ohne ein Mindestmaß an Ordnung wird sich jemand, der so penibel ist wie Kaiba nicht entspannen können. Ich hole den Film aus der Hülle und reiche ihm die Dvd. Er zögert, setzt sich dann aber in Bewegung und legt den Film ein. Ich beziehe derweil auf der Couch Position. Als er Anstalten macht, sich in seinen Sessel fallen zu lassen, protestiere ich.
 

"Nein, du musst her kommen." sage ich entschieden. Sekundenschnell wird die rechte Braue nach oben geschoben. "Wheeler, ich sehe keinerlei Notwenigkeit..." Ich lasse ihn nicht ausreden. "Die Notwendigkeit besteht darin, dass es gemütlicher ist und außerdem wirst du dir sonst nur den Laptop schnappen und arbeiten." erkläre ich in aller Ernsthaftigkeit. Er sieht mich an und ich glaube, er ringt mit sich. Ja, wenn ich seinen Blick richtig deute, dann tut er das. Wahrscheinlich fragt er sich ob er wirklich zu mir kommen soll oder es besser wäre mich von Roland entsorgen zu lassen.
 

Letztendlich nimmt er widerwillig neben mir Platz, allerdings genaustens darauf bedacht eine gewisse Distanz zwischen uns zu schaffen. Ich verziehe missbilligend den Mund, aber er wirft mir nur einen trotzigen Blick zu.
 

"Entpann dich wenigstens mal, Kaiba. Echt. Du brauchst hier nicht auf Musterschüler zu machen. Haltung ist hier nicht angebracht." meine ich, denn er sitzt tatsächlich kerzengerade da und naja, so sieht man sich doch nicht gemütlich einen Film an, oder? Dass er auf seine Haltung bedacht ist, weiß ich ja. Ist ja auch alles schön und gut, aber zuhause, auf der Couch? Da ist so was doch nicht nötig. Aber er verändert seine Position nicht. Sein ganzer Körper ist angespannt und man könnte meinen, dass er gleich stramm stehen müsse oder so.
 

Ich seufze. "Echt jetzt, kannst du nicht einmal wie ein normaler Mensch da sitzen, Kaiba?"
 

"Nicht jeder hat das Bedürfnis sich überall rumzulümmeln wie du, Wheeler." zischt er mich an.
 

"Ja, aber man kann auch nicht die ganze Zeit einen auf Roboter machen." kontere ich.
 

Er presst die Lippen aufeinander und ich erwarte den nächsten Eisblick oder irgendeinen sarkastischen Konter. Doch beides bleibt aus. Stattdessen macht er eine wegwerfende Geste mit der Hand und sieht mir direkt in die Augen.
 

"Mein Stiefvater war sehr darauf bedacht, dass ich die richtige Haltung einhalte." höre ich ihn sagen und seine Stimme klingt seltsam fremd und wieder habe ich das Gefühl, dass er eigentlich gar nicht mit mir redet. "Augen gerade aus, Kopf hoch, Rücken und Schultern gerade..." Ein merkwürdiges Lächeln huscht über sein Gesicht ehe sich seine Züge wieder verhärten.
 

Ich bin nicht sicher, was er mir damit zu sagen versucht, vielleicht, dass er gar nicht mehr anders kann als so zu sitzen, dass diese Lektion bei ihm so sehr in Fleisch und Blut übergegangen ist, dass er wirklich nicht mehr anders agieren kann.
 

Einen Moment sehe ich ihn unsicher an und weiß nicht so recht, was ich erwidern soll. Mitleidsbekundungen würden ihn nur wütend machen und ich weiß auch, dass er ohnehin kein Mitleid wünscht.
 

"Wenn dir diese Lektion mit einem Rohrstock beigebracht wird, Wheeler, dann lernt man schnell und... man vergisst nicht." Sein Blick ist seltsam trotzig, was ein absoluter Kontrast zu seiner Stimme darstellt und ich schlucke erneut. Meine Kehle ist trocken. Schlagartig sehe ich einen jungen Kaiba vor mir, der von Gozaburo so lange mit einem Rohrstock traktiert wird bis er die richtige Haltung eingenommen hat.
 

Wieder verspüre ich den Wunsch, ihn in meine Arme zu ziehen und einfach festzuhalten. Ja, ich glaube, dass er das auch gebrauchen könnte. Eine Umarmung. Wann wurde er wohl das letzte Mal umarmt? Es muss Ewigkeiten her sein. Seine Mutter starb ja als er noch klein war.
 

Soll ich? Ich bin mir nicht sicher.
 

Komischerweise habe ich den Eindruck, dass er eine Reaktion von mir erwartet, auch wenn ich augenblicklich schwer abschätzen kann, wie diese in seinen Augen aussehen soll. Ohne nachzudenken rutsche ich ein Stück zu ihm. Seine Augen weiten sich kaum merklich und ich spüre wie er sich verkrampft, aber er weicht nicht zurück.
 

Einen Moment zögere ich noch. Ich blicke ihm tief in die Augen, in der Hoffnung darin etwas zu finden, dass mich in meinem Vorhaben bestätigt.
 

"Wheeler, falls du jetzt wieder versuchen solltest..." Seine Stimme ist ein Flüstern und ungewohnt heiser. Er schluckt und beendet den Satz nicht. Ich schüttele den Kopf. "Keine Sorge. Das hebe ich mir für später auf, Kaiba." erwidere ich genauso leise. "Jetzt werd ich dich erst einmal umarmen. Also bereite dich darauf vor. Ich tue es nämlich. Egal was du sagst."
 

Entsetzen und Unsicherheit spiegeln sich in seinem Gesicht und fast befürchte ich, dass er jeden Moment aufspringen wird, aber eher er sich zu einer Reaktion entschließen kann, handele ich. Ich strecke meine Arme aus, schlinge sie um ihn und ziehe ihn mit sanftem Druck an mich. Im ersten Moment leistet er Widerstand, aber ich verstärke den Druck und schließlich lässt er es geschehen.
 

Es ist seltsam wie einfach es ist, ihn zu umarmen. Er fühlt sich schmächtiger an als ich dachte und naja, irgendwie auch zerbrechlich. Mein Herz schlägt wild, aber ich ignoriere das penetrante Pochen und halte ihn einfach nur fest. Für einen Moment hebt er die Arme, scheint zu überlegen was er tun soll und fast glaube ich, dass er versucht ist sie um mich zu schlingen, aber dann lässt er sie wieder sinken und ich spüre wie seine Schultern sich entspannen. Er zieht scharf die Luft ein, aber sein Kopf verweilt weiter auf meiner Schulter.
 

Ich glaube, sein Herz schlägt genauso schnell wie meins.
 

"Ich... kann das... nicht..., Wheeler." höre ich ihn sagen und zum ersten Mal klingt Kaiba wirklich und wahrhaftig unsicher. Nicht nur ein Spur unsicher, sondern richtig unsicher. Ich bin nicht sicher was er meint. Die Umarmung, diese Sache hier insgesamt... Vielleicht beides. "Natürlich kannst du das, Kaiba." erwidere ich ruhig. "Lass dich einfach fallen."

Ersticktes Matt

Allein ist besser als mit Schlechtem im Verein. Mit Guten im Verein ist besser als allein.
 

Inspiration an dieser Stelle: Three Days Grace - Time of dying
 

Keine Ahnung wie lange wir in dieser Position verharren. Ich vergesse Raum und Zeit vollkommen, fühle nur seine Nähe und das Schlagen seines Herzens. Erstaunlich wie warm er sich eigentlich anfühlt. Aber habe ich wirklich gedacht, dass er so kalt wäre, wie er immer scheint?
 

Je länger ich ihn festhalte, desto mehr habe ich das Gefühl, dass er sich entspannt. Ergab er sich anfangs noch widerwillig meiner Umarmung, so hat er jetzt wohl resigniert und sich ergeben. Seine Arme hängen immer noch schlaff und unsicher runter, aber ich wage zu behaupten, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis er sich einen Ruck gibt und sie um mich schlingt.
 

Und selbst wenn nicht. Das macht nichts. Er lässt meine Umarmung und somit auch meine Nähe zu, das ist schon ein Anfang.
 

"Lass dich fallen." sage ich noch einmal leise und glaube, er seufzt.
 

Eine Minute später vergräbt er sein Gesicht an meiner Schulter und ich fühle wie ein Ruck durch seinen Körper geht. Er zittert und ich ziehe ihn fester an mich.
 

Man könnte meinen, es wäre ein seltsames Gefühl ihn so zu halten, den großen Kaiba, einen Erzfeind. Aber nein. Es fühlt sich keineswegs seltsam oder verrückt an. Und in diesem Moment sind wir auch nicht Kaiba und Wheeler. Auch unser bisheriges Verhältnis hat keine Bedeutung. Wir sind einfach zwei junge Männer, nicht mehr und nicht weniger und auch wenn ich mir im ersten Moment komisch vorkomme, hebe ich eine Hand und streichele ihm sanft über den Kopf. Seine Schultern beben, aber er lässt es geschehen und ich sehe mich in meiner Vermutung bestätigt, dass er genau das jetzt auch braucht.
 

"Ich bin da, Seto. Ich lass dich nicht allein."
 

Keine Ahnung warum ich gerade diese Worte sage. Ich spreche ohne nachzudenken. Es ist ein Impuls und ich reagiere einfach. Augenblicklich vermag ich es ohnehin nicht anders zu handeln.
 

"Joey." höre ich ihn nach einigen Sekunden flüstern und im nächsten Moment tut er es tatsächlich. Er schlingt seine Arme um mich und klammert sich an mich wie ein Ertrinkender. Ich atme tief durch und kann nicht anders, ich schließe die Augen.
 

In meiner Vorstellung habe ich mir ein paar Mal ausgemalt wie es sein würde ihm nahe zu sein. Ja, ich habe mir auch eine Umarmung vorgestellt und naja, auch wesentlich mehr, aber die Realität ist anders als meine Phantasie. Er ist anders.
 

Seit ich mich eingehender mit ihm beschäftigt habe, wurde ich die Vermutung nicht los, dass sich hinter dieser harten Schale etwas weiches, verletztliches verbirgt und jeder, der auch nur die Gerüchte über seine Kindheit gehört hat, muss ihm Respekt zollen. Das habe ich auch getan nachdem Mokuba uns zum ersten Mal diese traurige Geschichte erzählt hat und ja, ich hatte auch Mitleid. Es konnte ja nicht ausbleiben. Und nun fühle ich diese weiche, verletztliche Seite und es ist...
 

Ich kann es nicht beschreiben.
 

Es passt einfach.
 

Und wieder wäre eigentlich so ein perfekter Moment um rumzumachen, aber auch wieder nicht.
 

Ich höre wie er ein undefinierbares Geräusch von sich gibt und sich langsam wieder von mir löst. Ich lasse es widerwillig geschehen, doch ich weiß, dass es nichts bringt ihn zurück zu halten, also gebe ich nach und ziehe meine Arme auch langsam zurück. Rücke aber keineswegs von ihm weg. Er hat den Kopf gesenkt, wohl um zu vermeiden mich anzusehen und sich zu sammeln und es ist wohl das erste Mal, dass ich Kaiba mit gesenktem Kopf sehe. Ein Anblick, der eigentlich nicht zu ihm passt.
 

Man kennt ihn schließlich mit hoch erhobenem Haupt, selbstsicher und unnahbar. Nichts davon ist er gerade und das wissen wir beide. Ich lasse ihm Zeit, um sich zu sammeln und als er mich endlich ansieht, hat er zu meinem Erstaunen nicht einmal versucht seine Masken wieder aufbauen. Seine Züge sind zwar regungslos und man könnte meinen, dass es wieder die vertraute kalte Miene ist, in die ich blicke, aber nein.
 

Das Blau seiner Augen ist noch dunkler als zuvor, aber er sieht mich fest an.
 

"Wollten wir nicht diesen Film sehen?" fragt er und ich nicke. Er wendet sich ab, greift nach der Fernbedienung auf dem Tisch und einen Augenblick später ist er scheinbar wieder vollkommen konzentriert. Ich lehne mich ein wenig zurück und mache es mir auf der Couch bequem, bleibe dabei aber in seiner Nähe. Als der Filmtitel auf dem großen Fernsehbild erscheint, legt er die Fernbedienung zurück und lehnt sich ebenfalls zurück. Unsere Schultern berühren sich, aber er macht keinerlei Anstalten das zu ändern und ich muss lächeln.
 

Citizen Kane.
 

Die Geschichte eines Millionärs. Den Film habe ich von Tea. Und wie gesagt, er ist der beste Film aller Zeiten. Filmisch gesehen. Das sagen zumindest alle. Erst wollte ich ihn nicht sehen, aber Tea meinte, ich solle ihn mir anschauen und naja, ich musste direkt an Kaiba denken. Vom ersten Moment an.
 

Der Film erzählt die Geschichte eines Millionärs rückblickend. Am Anfang steht der Tod dieses reichen Mannes und ein Journalist schickt sich an, seinen Nachruf zu schreiben und der Film zeigt dabei die verschiedenen Stationen des Lebens. Dabei versucht der Reporter in erster Linie die Bedeutung des letzten Wortes zu ergründen, dass der Millionär auf dem Totenbett flüsterte. Rosebud. Und naja, das und die Bedeutung macht auch den Clou des Filmes aus.
 

Tea meinte, die Grundaussage des Filmes wäre, dass der Millionär alles hatte und doch nichts und er eigentlich nur eines wollte. Liebe.
 

Naja, keine Ahnung ob das wirklich so ist. Aber wie auch immer. Der Film ließ mich an Kaiba denken und wenn ich so sein Gesicht mustere während sein Blick ruhig auf dem Bildschirm ruht, habe ich fast den Eindruck, dass er ebenfalls eine Assoziation zu seiner Person herstellt. Kaia ist schließlich alles andere als dumm.
 

Als der Abspann anfängt trifft sein Blick meinen.
 

"Eines muss man dir lassen, Wheeler, du gibst wirklich nicht auf und du hast dich scheinbar auf deine Mission vorbereitet." sagt er und hey, das ist echt ein Kompliment. Nicht nur ein angedeutetes, merkwürdiges.
 

Ich grinse ihn an. "Ich hab´s dir von Anfang an gesagt, Kaiba, mich wirst du nicht los."
 

Für einen Moment huscht wieder ein Lächeln über sein Gesicht. "Du bist verrückt, Hündchen."
 

Ich nicke zustimmend. "Ich bin mir im Klaren darüber."
 

"Gut." Er seufzt und sein Blick wandert erneut zum Bildschirm. "Ich schätze, du willst jetzt Eis."
 

Diese nüchterne und irgendwie süße Feststellung bringt mich zum lachen. Doch dann nicke ich. "Naja, wenn du schon alle möglichen Sorten hast holen lassen..." Ich grinse ihn an und er nickt. Wortlos erhebt er sich und ich tue es ihm gleich.
 

Fünf Minuten später sitzen wir in der Küche und ich bin wild am experimentieren. Roland hat tatsächlich alle verfügbaren Sorten angeschleppt. Das ist vielleicht krass. Ich habe noch nie so viel Eis außerhalb einer Eisdiele gesehen. Ein Glück nur, dass Kaiba einen Kühlraum hat.
 

"Na, da alles sich ja ein paar wilde Kreationen herstellen." sage ich und überlege was ich am Besten versuchen sollte. Er beobachet mich dabei fasziniert, ja, fasziniert und ich forme Kugeln, verteile sie in zwei viel zu große Schüsseln, obwohl... bei so viel Eis sind sie eigentlich nicht zu groß und schiebe ihm schließlich eine davon hin. Wieder ist sein Blick skeptisch als er meine Kreation mustert.
 

"Nicht anstarren. Proooobiiiiiiereeeeen." erkläre ich und schiebe mir selbst einen Löffel in den Mund. Er macht es mir natürlich auf wesentlich grazilere Art nach. Schweigend essen wir unser Eis, aber ich habe den Eindruck, dass es keineswegs eine Qual für ihn ist.
 

"Noch eine Portion?" will ich wissen als er seine Schüssel geleert hat. Er schüttelt den Kopf. "Danke, nein." Ich zucke mit den Schultern und widme mich meiner Schüssel. Ich kann nämlich gut noch eine Portion vertragen. "Eis ist einfach... Eis ist perfekt." erkläre ich während ich weitere Kugeln forme und sehe wie er nickt. "Und du scheinst eine Menge davon zu vertragen." bemerkt er amüsiert.
 

Ich schaufele eine Ladung Himbeereis in meinen Mund und nicke.
 

Plötzlich wird sein Blick wieder ernst. "Du bist so voller Leben." höre ich ihn sagen und sehe ihn erstaunt an. Er klingt als habe er gerade eine außergewöhnliche Feststellung gemacht oder als wäre ein bisher unmögliches Experiment geglückt. "Ich kenne keinen Menschen, der so voller Leben ist." stellt er fest und bei ihm klingt das als wäre es wirklich was erstaunliches. Ich weiß nicht, was ich erwidern soll, daher lasse ich ihn einfach weiter reden. Was er auch tut.
 

"Sag mir, Wheeler, was ist für dich das Geheimnis des Lebens?" fragt er mich und es ist wahrscheinlich die erste wirklich richtige Frage, die er mir je gestellt hat. Ich denke nicht nach, zucke leicht mit den Schultern und erwidere ernsthaft: "Es gibt kein Geheimnis. Es ist einfach da, um es zu leben, schätze ich. Und zwar so, dass am das Bestmögliche für sich daraus macht."
 

Ich bin nicht sicher was er eigentlich meint und ob er tatsächlich glaubt, dass ich eine Antwort hätte, die einen Sinn ergeben würde, einen Sinn für ihn. Für mich gibt meine Antwort nämlich sind. Aber Kaiba ist eben ein Logiker, ein Realist. Er muss wahrscheinlich alles an Formeln und Gesetzen messen. Zu meinem Erstaunen geht er überhaupt nicht auf meine Antwort ein. Er wendet den Blick von mir und fokusiert einen willkürlichen Punkt im Raum.
 

Und schließlich spüre ich wie die letzte Barriere fällt. Keine Ahnung warum gerade jetzt und hier und wahrscheinlich weiß er ebenso wenig, warum er sie sinken lässt, aber er tut es.
 

"Ich bin voller Schmerz. Ich fühle, dass mein Leben eigentlich perfekt funktioniert, aber ich bin in mir eingesperrt. Anstelle von Einklang spüre ich Isolation." sagt er mit tonloser Stimme und seufzt.
 

Das ist schonungslos ehrlich und als er mich nach einer Weile ansieht, nun, da bin ich sicher, dass eine stumme Bitte in seinem Blick liegt.

Motiv

Hüte Dich, Deine Feinde zu hassen, denn es trübt Dein Urteilsvermögen!
 

Wieder habe ich jedes Zeitgefühl verloren. Wir sitzen einfach da und reden. Nun, eigentlich redet er. Es sprudelt nur so aus ihm heraus und ich hüte mich davor, den Wortschwall zu unterbrechen, denn ich weiß, dass er jetzt reden muss, all das was in ihm ist, es muss raus und wenn er es jetzt nicht raus lassen kann, nun, vielleicht gibt es kein zweites Mal.
 

Also sitze ich einfach da und lausche seinen Worten. Er sieht mich nicht wirklich an. Sein Blick ist ins Leere gerichtet und ich bin auch nicht sicher ob er weiß, dass ich noch da bin.
 

Nachdem er die ersten Worte ausgesprochen hatte, gab es kein zurück mehr. Da war diese stumme Bitte in seinen Augen und ich wusste nicht wirklich was ich tun soll.
 

Einerseits dachte ich, dass er mir zu sagen versucht, dass ich gehen solle, dass ich ihn alleine lassen soll, jetzt wo er an diesem Punkt angelangt ist. Ja, fast hätte ich geglaubt, dass dies sein Wunsch sei und ich wäre der Bitte auch nachgekommen, aber andererseits spürte ich, dass ich ihn nicht alleine lassen sollte und dass auch er vielleicht gar nicht alleine sein will.
 

Also bin ich geblieben und er hat es hingenommen. Wortlos gingen wir zurück ins Wohnzimmer und bezogen wieder unsere Plätze wie in dieser Nacht als wir hier saßen und redeten. Er in seinem Sessel, ich auf dem Boden.
 

Und seither sprudelt es aus ihm heraus. Alle Dämme scheinen gebrochen und ich werde mit Worten überflutet, dass ich fast Angst habe, ich könne ihnen nicht Stand halten. Doch er hat mein Wort. Ich habe ihm gesagt, dass ich ihm sein Leben zurück geben will und Joey Wheeler steht zu seinem Wort. Also bemühe ich mich, ihm zu folgen und es sind wahrhaft dunkle Pfade, die ich betrete.
 

Er hat von seiner Zeit im Waisenhaus erzählt, aber anders als er es zuvor getan hat. Dieses Mal lässt er alles heraus. Schildert mir, wie es wirklich war, fertigt mich nicht nur mit den allgemeinen Phrasen ab, sondern berichtet von der Hackordnung, die dort herrschte. Von älteren Heimkindern, welche die Jüngeren drangsalierten und auch vor Mokuba nicht zurück schreckten. Er erzählt von dem monotonen Tagesablauf, den täglichen Kämpfen, die er auszufechten hatte - sei es nun um den Nachtisch, den er nicht einmal für sich selbst wollte, sondern für seinen Bruder oder den Spielsachen, welche die Älteren immer für sich beanspruchten. Er berichtet das alles nüchtern und sachlich. Fast als würde er über das Leben eines anderen erzählen und nur, wenn von Mokuba die Rede ist, spüre ich, dass es sein Leben ist, keine fiktive Erzählung.
 

Als er auf seinen Stiefvater zu sprechen kommt, wird seine Stimme kühler, schärfer und fast klingt er wie der Kaiba, den ich kenne, der mir bis vor kurzem noch so vertraut war.
 

"Ich wusste, dass das Leben bei Gozaburo keineswegs das Paradies werden würde, aber ich wollte nicht länger in diesem Heim bleiben. Mokuba hätte das nicht verkraftet. Gleichgültig wie sehr ich mich bemüht habe, ihn aus allem herauszuhalten, früher oder später wäre es mir nicht mehr gelungen und Gozaburo interessierte sich nicht für ihn. Mokuba war ihm egal. Ich wusste, dass er ihn in Ruhe lassen würde, solange ich funktioniere wie er es will."
 

Er lächelt kalt und zieht an seiner Zigarette.
 

"Kannst du dir vorstellen, was für ein Tag es war, als der Alte endlich vor mir auf die Knie gehen musste?"
 

Seine blauen Augen funkeln und sein Gesichtsausdruck erinnert mich an die unzähligen Duelle, die er gegen Yugi geführt hat. Ich weiß nicht was es ist, Ehrgeiz, Stolz... Wut? Vielleicht von allem etwas. Aber auch Triumph. Stummer, trauriger Triumph.
 

"Ich dachte, dass dieser Tag alles verändern würde. Ja, dass wir endlich frei wären und glücklich werden könnten, Mokuba und ich. Schließlich hatten wir alles, was wir uns wünschen konnten und noch viel mehr. Vor allem hatten wir uns. Aber ich habe mich geirrt. Mein Sieg über meinen Stiefvater.... Es war kein Sieg. Nicht wirklich. Gozaburo war weg und doch war er nach wie vor da. Gleichgültig wohin ich auch blickte. Selbst wenn ich die Augen schloss. Er war da. Es gab kein Entkommen."
 

Ich schlucke unwillkürlich und er zündet sich die nächste Zigarette an.
 

"Also habe ich alles versucht, um die Erinnerung an ihn auszulöschen, aber weißt du was? Gleichgültig was ich tue, ob ich nun seine alten Fabriken in die Luft jage oder sein Andenken ausradiere, er verschwindet nicht. Und soll ich dir sagen warum?"
 

Jetzt sieht er mich an. Er wirkt müde und unendlich... traurig und es versetzt mir einen Stich.
 

Ich kann nicht beschreiben was es in mir auslöst, ihn so zu sehen. Es tut weh einerseits, aber ich fühle mich ihm mit einem Mal auch so nah wie nie einem Menschen zuvor. Als gäbe es nur uns. Und jetzt und hier ist dem auch so.
 

Ich nicke nur und er lacht erneut auf. Ohne den Blick von mir zu nehmen, fährt er fort und ja, er klingt tatsächlich fast wieder so wie der alte Kaiba. Wie mein Erzfeind.
 

"Weil er ein Teil von mir geworden ist, Joey. Gozaburo ist ein Teil von mir. Ich trage nicht nur seinen verhassten Namen. Ich trage ein Stück von ihm in mir und das kann ich nicht loswerden. Es begleitet mich Tag für Tag und ich weiß es, in jeder verdammten Minute bin ich mir dessen bewusst. Und manchmal glaube ich, dass auch Mokuba das weiß oder es fühlt und..."
 

Er fährt sich fahrig mit der Hand durch die Haare und schließt im nächsten Moment die Augen. Wenn ich mich nicht irre, hat es gerade in seinen Augen noch gefährlich geglitzert und so wie er die Augen jetzt geschlossen hält, glaube ich, dass es tatsächlich Tränen waren. Eigentlich sollte es mir einen Schock versetzen. Ich meine, Seto Kaiba und Tränen? Die meisten Leute würden denken, er wäre nicht einmal in der Lage zu weinen. Oder zu lachen.
 

Lachen kann er, das weiß ich. Und weinen... ja, das kann er auch. Aber er wird es nicht tun. Nicht vor mir, vor niemandem, auch wenn es besser wäre.
 

Mokuba hat gesagt, dass er ihn noch nie hat weinen sehen. Noch nie in seinem Leben. Gleichgültig was je passiert ist, ob man ihn schlug, züchtigte oder was auch immer Gozaburo noch mit ihm gemacht hat, Mokuba sagte, er habe nie geweint. Kein einziges Mal. Und auch jetzt will er es nicht. Ich sehe ihm an, dass er jede Faser seines Körpers angespannt ist und die eiserne Selbstbeherrschung, die er an den Tag legt, gegen die Tränen kämpft. Ein Kampf, den man normalerweise nicht gewinnen könnte, oder?
 

Nun, jeder andere würde die Tränen einfach zulassen, gleichgültig ob Mann oder Frau. Bei solchen Erinnerungen müssten sie einem nicht peinlich sein. Mir wären sie nicht peinlich. Aber für ihn bedeuten sie Schwäche.
 

Aber ich verstehe, was er mir zu sagen versucht.
 

Er hat nicht nur Gozaburos Erbe angetreten, auch wenn er die Firma umstrukturiert hat, ein Teil von ihm ist auch so geworden, wie sein Stiefvater. Die Erziehung ist nicht spurlos an ihm vorüber gegangen. Sie hat ihn geprägt und verändert, zu einem Geschöpf Gozaburo Kaibas geformt, dass zwar dagegen ankämpft, aber dennoch machtlos dagegen ist.
 

Er ist zu dem geworden was er am meisten verabscheut und... ein Mensch kann nicht ändern was er ist. Er kann andere überzeugen, dass er jemand anderes ist, aber niemals sich selbst. Und er weiß oder denkt, dass er wirklich und wahrhaftig zu einem Kaiba geworden ist und ironischerweise muss er das auch sein, um in dieser, seiner Welt bestehen zu können, denn ein ganz normaler Seto wäre wohl kaum in der Lage, diese riesige Firma zu leiten und sich gegen Konkurrenten zu behaupten. Zumindest glaubt er das, wenn ich ihn richtig einschätze.
 

Vielleicht stimmt dieses Sprichwort tatsächlich: Es gibt zwei Tragödien im Leben. Die Eine ist, nicht zu bekommen was man sich von Herzen wünscht und die Zweite ist, dass man es bekommt.
 

Er hat sich ein besseres Leben für seinen Bruder und sich gewünscht und er hat es bekommen.
 

"Aber du bist nicht Gozaburo." sage ich plötzlich. Er reagiert nicht. Sein Blick ruht wieder irgendwo im Raum. Also wiederhole ich meine Worte, ohne dass ich eigentlich weiß, was ich sagen soll. "Aber du bist nicht Gozaburo Kaiba. Du bist Seto, Seto Kaiba."
 

Erneut zeigt er keine Reaktion, zumindest keine wirkliche, aber ich weiß, dass er mich gehört hat. Ich erhebe mich langsam und trete zu ihm, stelle mich genau in seine Blickrichtung. Die kühlen blauen Augen sehen direkt in meine. Mir ist seltsam zumute. Ich weiß, dass ich irgendwas sagen muss, aber mir fehlen die Worte und ich würde wohl besser daran tun, sie mir auch genau zu überlegen, aber wenn ich anfange darüber nachzudenken... Ich glaube, es gibt nicht die richtigen Worte, welche in dieser Situation wirklich passend wären.
 

Ich glaube sowieso nicht, dass es diese berühmten richtigen Worte oder passende Momente gibt, folglich ist es sinnlos danach zu suchen oder darauf zu warten. Zudem bin ich nicht unbedingt gut darin, lange nachzugrübeln. Bei den wichtigsten Dingen in meinem Leben habe ich immer auf mein Bauchgefühl gehört. Im Grunde nichts anderes als das was Yugi immer predigt. Auf das Herz der Karten zu vertrauen ist doch letztlich nichts anderes als auf das Gefühl zu hören. Und mein Gefühl sagt mir gerade, dass ich reden soll. Das aussprechen soll, was mein Bauch mir gerade sagt.
 

Wieder sieht er mich so an, als erwarte er etwas von mir. Oder bilde ich mir das einfach nur ein? Nein, es ist da. Diese stumme Bitte. Erwartung. Vielleicht sogar Hoffnung? Ja, vielleicht sogar das. Mein Herz pocht hart gegen meinen Brustkorb und ich schlucke. Jetzt muss ich wirklich etwas sagen.
 

Aber was?
 

Was kann ich ihm sagen?
 

"Du hast einen Grund." sprudelt es mit einem Mal aus mir raus. "Ja, du hast einen Grund. Du hattest immer einen Grund. Das unterscheidet dich von Gozaburo. Selbst jetzt nach all den Jahren, nachdem er weg ist, hast du noch immer einen Grund." höre ich mich sagen und ich glaube, ich rede so schnell, dass er mir kaum zu folgen vermag. Zumindest sieht er mich verständnislos an, aber ich kann jetzt auch nicht darauf achten, langsamer zur Reden.
 

"Mokuba." verkünde ich feierlich. "Mokuba ist dein Grund. Der Sinn hinter allem. Du hast selbst gesagt, dass er der Antrieb war. Für alles und es auch jetzt noch ist. Du hättest längst aufgegeben, wenn er nicht wäre. Seinetwegen nimmst du alles auf dich. So ist es doch, oder? Hättest du Gozaburos Erziehung über dich ergehen lassen, wenn er nicht gewesen wäre? Hättest du versucht, deinen Stiefvater loszuwerden, wenn es deinen Bruder nicht gäbe? Nein. Weil er dein Grund ist. Der Sinn, dein Antrieb. Und das unterscheidet dich von dem alten Kaiba."
 

Oh, jetzt bin ich richtig in Fahrt. Hallelujah!
 

"Kaiba, du liebst deinen Bruder. Mag sein, dass dir der Rest der Welt egal ist, aber es gibt einen Menschen, den du liebst und das beweist, dass du kein kaltes Arschloch bist. Hat Gozaburo einen Menschen geliebt? Nein, nicht einmal seinen eigenen Sohn! Noah hat es selbst gesagt und du weißt es."
 

Ja, jetzt schleudere ich ihm die Worte entgegen und er lässt sie über sich ergehen, sieht mich einfach nur an und hört zu.
 

Ich seufze. "Und denk doch mal an Yugi. Hast du ihm letztlich nicht immer geholfen? Gut, du hasst es das zu zu geben, aber du hast es immer gemacht. Und ja, du hast uns geholfen, die Welt zu retten, nicht nur einmal. Sinnlos es zu leugnen. Yugi hat Recht, du hast einen guten Kern und ich weiß es auch. Mokuba weiß es und ich schätze, auch Tea und Tristan wissen es irgendwie."
 

Ich schnappe nach Luft und ehe ich weiter reden kann, höre ich ihn etwas sagen.
 

"Wie kannst ausgerechnet du so was sagen, Wheeler?"
 

Ich blinzele ihn an. Im ersten Moment weiß ich nicht was er meint. Dann verstehe ich.
 

"Kaiba, wie oft hast du mir gedroht, mich zu verklagen, mich von der Schule werfen zu lassen und was weiß ich noch? Wie oft hast du es gesagt und ich habe trotzdem nicht nachgegeben?"
 

Es ist eine rhetorische Frage, das weiß er auch. Trotzdem zuckt er mit den Schultern und ich lache. "Denkst du ich habe es gezählt. Hundertmal mindestens. Und wie oft hast du deine Drohung wahr gemacht? Wir beide wissen, dass du es hättest tun können, oder?"
 

Er erwidert nichts, sieht mich nur weiterhin an. "Verstehst du was ich meine? Dein Stiefvater hätte sicher nicht gezögert. Er hätte mich vermutlich irgendwo entsorgen lassen. Aber du..." Ich schlucke. "Gleichgültig wie sehr du mich verachtest, wie oft ich dich nerve, ja, egal ob du mich hasst, du hast es nie getan."
 

Ich atme erneut tief durch und versuche mich zu beruhigen, denn ich rede nicht nur zu schnell und zu laut, ich befürchte, langsam rede ich auch wirr und naja, irgendwie beschämt mich gerade auch mein heftiger Ausbruch. Er muss ja denken, dass ich total übergeschnappt bin. Verlegen versuche ich zu lächeln. Seine Miene ist ausdruckslos, aber er scheint tatsächlich über meine Worte nachzudenken, ihnen zu folgen. Doch er hinkt wohl hinterher, kein Wunder bei meinem Tempo.
 

Ich unterdrücke daher den Wunsch noch was hinzu zu fügen und dann sehe ich wie seine Augen sich erstaunt weiten und er scharf die Luft einzieht.
 

"Ich hasse dich doch nicht, Joey." höre ich ihn sagen und irgendwie wirkt er... getroffen. Ja, sogar entsetzt.

Hebel

Seien wir realistisch - versuchen wir das Unmögliche!
 

"Du hasst mich nicht?" frage ich ungläubig.
 

Er schüttelt den Kopf. "Natürlich nicht." erwidert er entschieden. "Warum sollte ich? Wie kommst du überhaupt darauf?"
 

Ich schlucke schwer. "Ich dachte...also... ich ging einfach davon aus... Ich meine, so wie wir beide miteinander umgegangen sind... Du warst immer so..."
 

Meine Gedanken überschlagen sich. Ich weiß eigentlich gar nicht was ich denken soll. Er hasst mich nicht. Dieser eine Satz durchzuckt meinen Verstand immer wieder.
 

Er hasst mich nicht!
 

Er hat es selbst gesagt. Ich habe das Gefühl, dass ich jeden Moment ohnmächtig werde. Das ist echt... das ist... Oh Mann.
 

Aus dem Augenwinkel nehme ich wahr, dass er den Kopf schüttelt. Und er lächelt dabei. Keines dieser spöttischen Lächeln. Erneut starre ich ihn an. Unsicher. Zaghaft. Fragend. Gott, was weiß ich. Das hier... das übersteigt gerade meinen Verstand. Ich hatte gehofft, es mir gewünscht... und jetzt - Er hasst mich nicht.
 

"Wheeler, du bist ein Idiot." höre ich ihn sagen.
 

Ich nicke unwillkürlich. Scheinbar bin ich das tatsächlich. Die Worte verletzen mich keineswegs. Ich weiß, dass er sie nicht so meint. Ich höre es.
 

"Du gehst mir auf die Nerven, ja, du überstrapazierst für gewöhnlich auch meine Geduld. Man könnte wirklich sagen, dass du eine Plage auf zwei Beinen bist und es gibt unzählige Dinge an dir, die ich kritisieren könnte, einfach weil sie all meinen Grundsätzen, meinen Idealen widersprechen. Aber dich hassen? Nein." spricht er weiter und lächelt dabei noch immer.
 

Und ich glaube, ich stehe da wie ein begossener Pudel.
 

"Hass ist ein sehr, sehr heftiges Wort und es wird von den meisten Menschen ebenso wie Liebe inflationär gebraucht." fährt er fort. "Wie schnell sagen die Meisten, dass sie etwas lieben oder hassen... Sagst du nicht selbst, dass ich nie Gefühle zeige? Wie könnte ich dich da also hassen?"
 

Er erhebt sich langsam und ich lasse ihn nicht aus den Augen, beobachte jeden seiner Schritte. Er tritt zu der kleinen Bar und ich ahne was folgen wird. Er braucht einen Drink. Ich kann es sogar verstehen. Mist, ich muss aufpassen, dass er nicht über dieser ganzen Sache zum Trinker wird. Aber augenblicklich verstehe ich, dass er es braucht. Ich sehe ihm zu wie er zwei Gläser füllt. Eins mehr, das andere etwas weniger.
 

"Da wir beide gerade ein Maß an Ehrlichkeit erreicht haben, dass an Dummheit grenzt, sollten wir darauf anstoßen. Die Situation gerade ist ohnehin verrückt genug. Was meinst du?"
 

Er fragt mich nach meiner Meinung? Ich nicke unwillkürlich. Er tritt langsam zu mir und reicht mir eins der Gläser.
 

"Auf vertraute Feinde, Wheeler." sagt er und wir stoßen an. Ich wiederhole seine Worte und nippe an meinem Getränk. Er lächelt noch immer.
 

Gott, die Situation gerade ist mehr als verrückt. Das ist grotesk. Aber ich glaube, ich war noch nie zuvor in meinem Leben so glücklich wie ich es in eben diesem Moment bin.
 

"Ich verrate dir nun ein Geheimnis, du alberner Köter." sagt er und nimmt einen großen Schluck aus seinem Glas. Wahrscheinlich braucht er ihn für die nächsten Worte. Ich halte gebannt die Luft an. Naja, ich versuche es. "Du bist neben Mokuba wohl der einzige Mensch auf diesem Planeten, der mir nicht gleichgültig ist. Denn bei all deinen Fehlern, und davon hast du eine Menge, muss man dir eines lassen. Man kann dich unmöglich ignorieren. Egal wie sehr man es versucht, es ist ein Ding der Unmöglichkeit."
 

Wow.
 

Ich meine - Wow.
 

Das war doch gerade ein Kompliment, oder?
 

"Kaiba, ich..." hebe ich an und fuck, ich bin irgendwie gerührt. Ich hätte nie gedacht, dass er so etwas je zu mir sagen würde.
 

"Schweig." Ich gehorche sofort und halte inne. "Wheeler, ich weiß nach wie vor nicht was ich von deiner Mission halten soll oder warum du diese Mission auf dich genommen hast, aber..." Er hält kurz inne, blickt erst in sein Glas und dann zu mir und diese unglaublich blauen Augen gehen mir durch und durch. "Du hast Recht."
 

Ich schlucke erneut und jetzt bin ich derjenige, der einen großen Schluck aus seinem Glas nehmen muss.
 

Seto Kaiba gibt mir Recht! Den Tag muss ich mir im Kalender anstreichen, nein, den Tag muss man zum internationalen Feiertag erklären. Das ist wie... das ist als hätte man den heiligen Gral gefunden, ach was. Es ist eine Sensation. Wie die Entdeckung von den Gebeinen Christi oder so. Ich sollte mich setzen, ich glaube, ich werde sonst ohnmächtig.
 

Er mustert mich sichtlich amüsiert und nippt erneut an seinem Glas.
 

"Wer hätte gedacht, dass ich mich ausgerechnet mit dir je über... je unterhalten würde." Er lacht kurz auf und ich stimme unwillkürlich ein. Dann lässt er sich wieder in seinem Sessel nieder und ich nehme auf der Couch Platz.
 

"Dir ist klar, dass ich dich eigentlich umbringen müsste, nachdem du..." Er beendet den Satz nicht, aber ich nicke. "Ja, müsstest du eigentlich, Kaiba." stimme ich zu und wieder lachen wir beide kurz.
 

Und als wir beide zeitgleich wieder ernst werden, bin ich es der das Gespräch wieder aufnimmt. Ich weiß, dass ich es tun muss und ich weiß auch was ich sagen muss.
 

"Gleichgültigkeit." sage ich. "Das fürchte ich am meisten."
 

Er sieht mich abschätzend an und ich lächele unsicher. Es ist nun an mir, mich zu revanchieren, zumindest wenn ich möchte, dass dieser Burgfrieden weiterhin erhalten bleibt. Und Gott, das möchte ich.
 

"Ich weiß, dass in der Schule und auch unter meinen Freunden die wildesten Gerüchte über meine Familie und mich kusieren." fahre ich fort. "Du weißt was ich meine, oder?"
 

Er reagiert nicht, aber ich weiß, dass er versteht worauf ich anspiele und auch warum ich es tue.
 

"Selbst Yugi und Tea glauben was man sich so erzählt. Ich meine, dass mein Vater mich schlägt und naja..."
 

Ich spreche es nicht aus, aber er nickt. Also kennt er die Gerüchte. Gut. Dachte ich mir. Es hätte mich auch gewundert, wenn dem nicht der Fall gewesen wäre. Ich seufze, nehme einen weiteren Schluck und fahre fort ohne ihn anzusehen.
 

"Er schlägt mich nicht. Ich bin ihm egal. Er interessiert sich nicht für mich. Nur in seltenen Fällen nimmt er überhaupt Notiz von mir. Aber das ist schlimmer. Ja, wirklich. Es ist schlimmer. Wenn ich zuhause bin, dann werde ich zum Schatten." Ich seufze erneut. "Meine Mutter ist auch nicht besser. Für sie scheine ich nicht einmal mehr zu exsistieren. Nur für Serenity bin ich noch vorhanden, aber ich sehe sie so selten... Wir hören uns nur gelegentlich und naja, ansonsten bin ich eben ein Schatten."
 

"Aber du hast den Kindergarten." wirft er ein.
 

Ich lache. "Ja. Natürlich. Aber selbst da bin ich nur ein Schatten. Nicht immer, aber oft. Yugi hat den Pharao, Tea hat fast nur Augen für Yugi oder den Pharao, da bin ich mir nach wie vor nicht sicher... und Tristan... naja, er ist mein Kumpel, aber was verbindet uns schon? Deshalb spiele ich DuelMonsters."
 

Falls ihn diese Aussage überraschen sollte, lässt er es sich nicht anmerken.
 

"Ich weiß, dass ich nicht der beste Duellant auf diesem Planeten bin. Ja, das weiß ich. Auch wenn du es mir nicht sagst." Ich grinse ihn an. "Aber als Duellant bin ich jemand oder kann jemand sein. Kein Schatten. Verstehst du?"
 

Er nickt kaum merklich. "Ich denke, ja."
 

Ich nicke ebenfalls und wir beide nehmen einen weiteren Schluck. "Deshalb habe ich mich früher auch so oft geprügelt, ich meine bevor Yugi Tris und mir geholfen hat. Dann fühlte ich mich lebendig. Egal ob ich gewonnen habe oder verlor. Bei einer Prügelei fühlte ich, dass ich lebe, dass ich kein Schatten bin."
 

Ich halte inne und für einen Moment herrscht Schweigen.
 

"Dann traf ich auf dich." Mein Blick sucht seinen und findet ihn auch. "Und für dich war ich kein Schatten. Vom ersten Moment an. Egal was ich tat oder nicht tat, du hast es jedes Mal mit irgendeinem Kommentar gewürdigt. Sieg, Niederlage... egal was. Jedes Mal hast du mich zur Kenntnis genommen und es war wie bei den Schlägereien. Ich habe mich selbst gefühlt. Ich wusste, dass ich am leben bin."
 

Einen Augenblick lang sehen wir uns nur an und ich frage mich, was gerade in ihm vorgeht, ob er versteht, was ich ihm zu sagen versuche.
 

"Du hast mich nie ignoriert. Ich war bei dir nie die Nummer Zwei. Verrückt, oder?" Ich lache wieder. "Dabei bin ich nicht einmal ein würdiger Gegner für dich, aber all deine Wut, deine Kälte - sie galt immer mir. Yugi hast du nicht halb so viel Aufmerksamkeit geschenkt. Für ihn hast du keine Kosenamen, naja, nicht so viele. Und dabei ist er dein Rivale. Ich bin nur..." Ich zucke mit den Schultern.
 

Wie soll ich ihm begreiflich machen, was ich gerade fühle? Was ich denke? Ich fürchte, mir fehlen die Worte.
 

Aber so ist es doch.
 

Mein Vater nimmt mich nicht zur Kenntnis. Meine Noten oder was ich sonst so treibe, ist ihm egal. Meine Mutter - Ha! Yugi, Tea und Tristan, ok, die ignorieren mich nicht, aber was bin ich für sie? Was ich die ganze Zeit für ihn war, weiß ich. Er hat es mir Tag für Tag zu verstehen gegeben. Mich wahr genommen. Unabhängig von Yugi. Unabhängig von DuelMonsters. Mich. Alles was mich ausmacht. Gut, das Meiste davon findet er abscheulich, aber hat wenigstens eine Meinung dazu.
 

"Wie dich jemand ignorieren kann, ist mir ein Rätsel." stellt er fest.
 

Der Kaiba-typische Unterton fehlt allerdings.

Drohung

Du kannst nicht glauben was du siehst - du kannst nur glauben was du fühlst.
 

Ich sehe ihn an und... seine Worte verschlagen mir die Sprache.
 

Ja, ich weiß, dass man vieles in seine Worte hinein interpretieren kann, aber ich höre das da raus, was ich hören will und das ist eben einfach nur...
 

Er hasst mich nicht. Ich bin ihm nicht egal.
 

Ich glaube es noch immer nicht, aber er hat das echt gesagt. Echt. Er, Kaiba. Seto Kaiba. Über mich. Oh Mann. Die Welt muss gerade Kopf stehen. Ich meine, das ist noch besser als alles was ich mir ausgemalt habe. Ja, wirklich.
 

Ok, ich war die ganze Zeit zuversichtlich, hab immer daran geglaubt, dass ich am Ende gewinne, sein Herz berühre, aber augenblicklich ist das alles egal. Ich habe mehr erreicht als manch einer gedacht hätte.
 

Und solange er mich nicht hasst, solange ist alles in Ordnung. Ich bin glücklich.
 

"Nein, dich kann man eigentlich nicht ignorieren." sagt er und dreht das Glas in seiner Hand. Ich kann nichts anders tun als ihn anzusehen. Ungläubig, gerührt.
 

Verdammt.
 

"Du bist kein Mensch, den man übersehen kann." erklärt er auf seine ihm typische Art und erklärt es damit fast zu einer fest stehenden Tatsache. Als wäre es etwas woran man nicht rütteln könnte. Als wären nicht einmal seine Anwälte in der Lage diesen Punkt anzufechten. Ich glaube, mein Herzschlag setzt gerade aus. Das ist aber auch wirklich auch etwas... aus seinem Mund!
 

Ich kann mich noch immer nicht rühren. "Meinst du das wirklich?" fragte ich unsicher nach.
 

Er wirft mir einen spöttischen Blick zu. "Wheeler, habe ich je etwas gesagt, dass ich nicht so gemeint habe?"
 

Nein, das hat er nie. Kaiba sagt immer was er denkt. Die Wahrheit. Seine Wahrheit. Gnadenlos und direkt. Und ich glaube ihm. Ich habe keinen Grund daran zu zweifeln. Man kann ihm ja vieles nachsagen, aber nicht, dass er lügen würde und welchen Grund hätte er jetzt auch zu lügen?
 

"Ich..."
 

Ich schlucke wieder und er lächelt mich an.
 

"Du bist wahrhaftig unglaublich." meint er und seufzt. "Alleine das du mich dazu bringst, hier mit dir zu sitzen... Sagt das nicht alles?" Er richtet sich auf, schüttelt den Kopf und ich weiß, dass er sich jetzt nachschenken wird. Automatisch halte ich ihm mein Glas hin und er nimmt es mit hoch gezogender Braue entgegen.
 

Wieder beobachte ich ihn dabei wie er beide Gläser füllt und Gott, ich weiß gerade echt nicht wo mir der Kopf steht. Ja, einen Drink brauche ich echt. Seine Worte. Sie sind schon immer hängen geblieben, aber dieses Mal ist es anders. Ich glaube, ich werde sie nie vergessen. Nie mehr. Egal was morgen sein wird, dieser Moment... er ist perfekt. Naja, fast, aber perfekt genug um, ihn festzuhalten.
 

"Du und deine Mission..." Er lacht und schüttelt wieder den Kopf, aber irgendwie habe ich das Gefühl, dass er langsam Gefallen daran findet, auch wenn er sie nur amüsant finden sollte.
 

"Naja, jemand muss doch dafür sorgen, dass du auftaust." erwidere ich und kratze mir verlegen am Kopf. Er wirft mir einen seltsamen Blick zu und reicht mir dann mein Glas. "Was sagt der Kindergarten eigentlich zu diesem Vorhaben?" fragt er plötzlich. Ich zucke mit den Schultern. "Ähm... sie wissen nichts davon." gebe ich zu. Das überrascht ihn keineswegs. Vermutlich hat er die Frage auch nur pro forma gestellt. "Die hätten mich für verrückt erklärt, wenn ich ihnen davon erzählt hätte." Ich lache unwillkürlich.
 

"Vermutlich." erwidert er leise und mustert mich erneut. "Demnach hast du noch nicht darüber nachgedacht, was passieren soll, wenn du deine Mission erfolgreich abschließt."
 

Einen Moment irritiert mich die Frage und auch sein Blick. Aber ja, eigentlich hat er Recht. Naja, fast. Ich hab mir schon das eine oder andere überlegt, nur so richtig ausgereift sich meine Ideen da noch nicht.
 

"Naja... so weit war ich noch nicht." gebe ich zu. Er nickt und noch immer ist sein Blick irgendwie seltsam. Nicht feindselig und auch nicht unangenehm, aber komisch. Komisch im Sinne von merkwürdig eben. Ach, ich weiß ja auch nicht. "Hätte mich auch überrascht." meint er und nippt an seinem Glas. Warum habe ich den Eindruck, dass er enttäuscht ist? Das ergibt doch keinen Sinn, oder?
 

"Hey, sich nen Weg auszudenken, dich Eisklotz zum schmelzen zu bringen, ist schon ne Menge Arbeit! Da kann ich nicht auch noch unsere gemeinsame Zukunft planen." platzt es aus mir heraus. Die perfekt geschwungene rechte Braue schnellt augenblicklich in die Höhe und fast befürchte ich, dass er sich an seinem Drink verschluckt, aber ein lockerer Kaiba hat sich immer noch gut genug im Griff, um solch ein Malheur zu vermeiden.
 

Verlegen senke ich den Blick. "Ähm.. ja." Meine Wangen brennen schon wieder. Darf ich mich bitte in Luft auflösen, ja?
 

"Dir ist es also wirklich ernst." Diesesmal fragt er nicht, er stellt es fest. Und er klingt überrascht. Ja, erstaunt, aber auch... Was? Ich vermag es nicht zu deuten. Herrje, ich sag ich doch die ganze Zeit, dass es mir ernst ist. Warum sonst bin ich hier? In dem Punkt hat er scheinbar echt ne lange Leitung.
 

"Klar, Kaiba." erwidere ich schlicht. "Das ist nun mal meine Mission."
 

Er seufzt. "Und darf ich fragen, was du dir eigentlich für einen Erfolg versprichst, Wheeler?"
 

Oh. Ähm... klar. Logische Frage eigentlich. Und auch einfach, im Grunde. Zumindest wenn ich nicht gerade das Gefühl hätte, zu verbrennen. Mein Kopf ist sicher zu einer Tomate geworden. Natürlich weiß ich, welchen Erfolg ich mir verspreche, aber es zu sagen. Also laut. Und dann auch noch ihm.
 

Doch wem sonst?
 

Er sieht mich erwartungsvoll an. Ich schlucke verlegen, nehme noch einen Schluck und versuche mich zu sammeln.
 

"Also... naja, den Erfolg, den ich mir verspreche... dass wir beide eben... zusammen sind. Ja, dass ich ein Teil deiner Welt werde und du... eben von meiner." Ich glaube ich stottere gerade total dämlich und fast rechne ich damit, dass er mich scharf zurecht weist, aber er tut nichts dergleichen. Er sieht mich weiterhin nur an und ich glaube, er denkt nach. Er wirkt zumindest so. "Und du bist dir im Klaren darüber, dass du genau wie ich ein Mann bist?"
 

Mir entgeht das süffisante Lächeln nicht und fast bin ich versucht ihn darauf hinzuweisen, dass er scheinbar endlich erkannt hat, dass ich kein Hund bin, aber ich verkneife es mir. Stattdessen grinse ich ihn mit sicherlich hochrotem Kopf an. "Jepp, Kaiba, bin ich." verkünde ich und versuche dabei nicht ganz so verlegen zu klingen wie ich mich gerade fühle. "Und ja, war ein ganz schöner Schock, mir das einzugestehen, wenn auch kein so großer Schock wie zu akzeptieren, dass ich ausgerechnet auf dich abfahre, aber naja... wenn man´s genau betrachtet, dann ist es doch auch wieder logisch."
 

Seine Augen weiten sich und dieses Mal ist er wirklich erstaunt, ich meine, er versucht es nicht einmal zu verbergen. Innerlich muss ich grinsen. So schafft man es als Seto Kaiba zu überraschen. Tja, ich bin aber auch gut. "Logisch, Wheeler?" fragt er skeptisch.
 

Ich nicke eifrig. "Ja, logisch. Eigentlich sogar total logisch." bestätige ich erneut. Die Skepsis bleibt und bevor er eine Frage nachschicken kann, bin ich so gnädig und erkläre es ihm. "Also, wenn´s nach deinem Fanclub geht, dann bist du so was wie Gottes Geschenk an die Jungfräulichkeit, wobei man allerdings sagen muss, dass das schon ne Ironie ist, denn wenn man bedenkt, wieviele Mädchen dir ihre Jungfräulichkeit opfern würden oder sich für dich aufsparen... naja, dann ist das mit Bezug auf Gott eher ironisch. Der Teufel dürfte da treffender sein. Egal. Was ich eigentlich sagen will... Du bist heiß, jeder sagt das und dann ist es doch klar, dass man sich in einen Typen verguckt, der heiß ist, oder? Ich meine, wenn ich jetzt auf Tristan abfahren würde, das wäre echt strange. Gut, er ist mein Kumpel, aber er ist nicht unbedingt der Typ Mann, der einem feuchte Träume beschert, mir jedenfalls nicht und so gesehen ist es dann also wieder logisch."
 

Ich zucke mit den Schultern und stelle fest, dass Seto Kaiba gerade eindeutig, ja, sehr eindeutig die Farbe wechselt. Er hustet und starrt mich an und mir wird jetzt erst bewusst, was ich da gerade alles vom Stapel gelassen habe. Oh Mann.
 

Ich versuche zu lächeln.
 

Oh Mann, das war sicher die mit Abstand dämlichste Liebeserklärung, die man abgeben kann. Dabei habe ich mir die ganze Zeit solche Mühe geben, mich gewählt auszudrücken - mehr oder weniger.

Eröffnungsfalle

Glück ist das einzige, was wir anderen geben können, ohne es selbst zu haben.
 

Ich schlucke unsicher. Er hat noch immer nicht seine richtige Gesichtsfarbe und ich weiß nicht was ich sagen soll, nachdem mir meine Worte gerade so unbedacht aus dem Mund gesprudelt sind.
 

Kaiba ist eindeutig verlegen. Er hat sogar den Blick gesenkt und ich glaube, er ringt nach Fassung. Kein Wunder nachdem was ich ihm gerade an den Kopf geworfen habe.
 

Oh Mann, ich hab ja damit sogar irgendwie eingeräumt, dass ich feuchte Träume von ihm habe. Naja, es ist ja nicht gelogen, aber so was sollte man eigentlich nicht sagen, also nicht so... und auch nicht jetzt und überhaupt... Ich weiß doch, dass Kaiba bei dem Thema noch unsicher ist als ich.
 

"Ähm... ja." Verlegen kratze ich mich am Kopf. Ich glaube, meine Birne leuchtet auch gerade rot. "Du wolltest es ja wissen."
 

Zu meiner Überraschung nickt er leicht und ich atme tief durch. Er scheint sich langsam wieder zu fassen, vermeidet es allerdings noch immer mich direkt anzusehen. Unschlüssig stehen wir beide da und ich habe keine Ahnung, was ich tun soll, um diesen peinlichen Moment zu durchbrechen.
 

Naja, wirklich peinlich ist es mir ja nicht. Ich hab alles genauso gemeint, wie ich es gesagt habe, aber der Augenblick und die Art... nicht gerade ein genialer Schachzug meinerseits, aber das lässt sich nicht mehr ändern.
 

"Wheeler?" höre ich seine Stimme leise. "Ja?" Er räuspert sich leicht und noch immer sieht er mich nicht an. "Ist das... denkst du wirklich so?" Typisch Kaiba. So was kann auch echt nur er fragen! Ich lache kurz auf. "Ja." erwidere ich. "Gut, das war etwas... drastisch ausgedrückt, aber vom Sinn her meine ich es genau so."
 

Er schluckt und ich habe das Gefühl, dass das Rot seiner Wangen wieder ein wenig zunimmt.
 

"Ich... das ist... höchst... irritierend." sagt er langsam und ich kann nicht anders. Ich muss loslachen. Ja, ich weiß, dass es eigentlich keine gute Idee ist, mich so gehen zu lassen, aber die Situation und sein Gesichtsausdruck, das ist einfach too much. Er wirkt wirklich irritiert und das ist echt zu komisch. Ich meine, allein das Wort. Typisch Kaiba, echt. Wenn ich ihm jetzt noch sage, wie süß er gerade ist, dann dreht er sicher durch.
 

Aber er ist süß.
 

Der große Seto Kaiba, der alles kann, alles weiß, dem alles gelingt, der nie auch nur die geringste Regung zeigt, egal ob ihm gerade mit der Verbannung ins Schattenreich gedroht wird oder mit dem Verlust seiner Seele, steht da und scheint keine Ahnung zu haben, wie er mit der Tatsache umgehen soll, dass ich ihn heiß finde. Mehr noch... er scheint diese Tatsache für dermaßen merkwürdig zu halten als hätte ich gesagt, die Erde sei eine Scheibe.
 

Ich halte mir den Bauch und er mustert mich skeptisch. Wahrscheinlich denkt er, ich hätte den Verstand verloren.
 

"Kaiba, echt... du bist göttlich. Wirklich." Die rechte Braue zuckt gefährlich. "Siehst du denn nicht mal in den Spiegel? Liest du keine Zeitungen?" Meine Fragen scheinen ihn noch mehr zu verwirren. "Dir kann doch nicht entgangen sein, dass man dich für den begehrtesten Jungmillionär hält, der im Lande ist, oder?" Ich lache noch immer. "Und dir kann doch nicht entgangen sein, dass sich letzte Woche zwei Mädchen fast geprügelt hätten, nur um im Labor neben dir arbeiten zu dürfen."
 

Aber allem Anschein nach ist ihm das entgangen. Er starrt mich nämlich nur fragend an.
 

"Glaub es oder lass es, aber ich bin echt nicht der Einzige, der so denkt." meine ich und bemühe mich nicht weiter zu lachen. "Und nein, es hat keineswegs nur mit dem Umstand zu tun, dass du Geld hast."
 

"Hm." Er denkt scheinbar ernsthaft über meine Aussage nach, ich schätze, er analysiert sie sogar. "Lass es." sage ich ruhig und sehe ihn ernst an. "Nachdenken bringt dich nicht weiter. Glaub es einfach, ok?"
 

Wieder überlegt er, aber schließlich seufzt er resignierend und wir stehen beide da und sehen uns an, unschlüssig was jetzt folgen soll. Nun, ich wüsste was, aber ob das für ihn in Ordnung ist, keine Ahnung. Deshalb beschließe ich, ihn dieses Mal zu fragen. Ich mache zwei Schritte auf ihn zu, was ihn kurz überrascht.
 

"Kaiba." sage ich ruhig. Er erwidert nichts, sieht mich nur an. "Ich werde dich jetzt küssen." Gut, doch keine Frage, aber naja... immerhin kündige ich es an. Ich lasse ihm noch einen Moment ehe ich mein Vorhaben in die Tat umsetze. Seine Züge verraten nichts. Nicht einmal ob er was dagegen hat. Er sieht mich zwar intensiv an, aber nein, in dem Moment vermag ich es nicht seinen Blick zu deuten. Langsam und sehr behutsam nehme ich sein Gesicht in beide Hände und spüre sofort, wie er kaum merklich unter meiner Berührung zusammen zuckt, aber er weicht nicht zurück, er bleibt ungerührt stehen. Seine Pupillen weiten sich allerdings kaum merklich. Ich stelle mich auf die Zehenspitze und schicke mich an, meine Lippen auf seine zu legen.
 

"Du musst die Augen schließen." flüstere ich ihm kurz vorher noch zu und dann senken sich auch schon meine Lider. Ich finde seinen Mund auch so und obwohl ich gerade wieder dieses alles verzehrende Brennen in mir spüre, bemühe ich mich den Kuss sanft zu belassen.
 

Seine Lippen zittern leicht, aber das macht nichts. Im Gegenteil. Ich finde es irgendwie süß. Vorsichtig schlinge ich meine Arme um seinen Nacken und schmiege mich ein klein wenig an ihn, wohl bedenkend, eine bestimmte Region augenblicklich noch nicht zu berühren. Immerhin soll der Kuss keine bösen Erinnerungen wecken, er soll ihm eine schöne schenken. Langsam schiebe ich meine Zunge zwischen seine Lippen, naja, ich versuche es, denn im ersten Augenblick stoße ich auf Widerstand, aber ich lasse mich nicht beirren. Ich verstärke den Druck und schließlich gibt er dem Drängen nach. Meine Zunge gleitet in seinen Mund und sucht nach seiner. Ich finde sie natürlich und beginne damit sanft um sie zu kreisen. Instinktiv erwidert er die Bewegung und wow... das Gefühl ist einfach nur schön. Viel, viel besser als ich es je für möglich gehalten hätte.
 

Es kostet mich echt Kraft, mich wieder von ihm zu lösen. Wenn es nach mir ginge, könnten wir an der Stelle gut weiter machen, aber wie ich Kaiba kenne, braucht er wieder einen Moment, um sich zu sammeln und naja, ich darf ihn auch nicht überfordern.
 

Er atmet schwer und sein Blick ist zu meiner Überraschung und Freude etwas glasig. "Na, so schlimm ist das doch nicht, oder?" frage ich ihn sanft neckend. Natürlich muss er überlegen. Ich lächele ihn an und lasse langsam wieder seinen Nacken los. Schließlich schüttelt er leicht den Kopf. "Nein, als schlimm würde ich es nicht bezeichnen." sagt er schließlich leise und mein Herz macht einen Sprung. "Gut, dann solltest du dich daran gewöhnen, denn ich werde es wieder tun." erkläre ich entschlossen. "Mir gefällt das nämlich sehr."
 

"Ich..." Er hebt an um etwas zu sagen, bricht aber sofort wieder ab. "Ist das eine Option, mit der du leben kannst?" frage ich lächelnd. "Ich denke ja." entgegnet er leise.

Kombination

Jede Seele hat ihre Eisregionen und Wüstenlandschaften,und nur wo Tauwasser

die verdorrte Erde tränkt, gedeihen die Gärten des Lebens.
 

Einen Moment denke ich über seine Worte nach und mustere ihn dabei fragend und auch etwas ungläubig.
 

Hat er ja gesagt?
 

Ja, das hat er und das heißt doch, dass ich... Ich darf es wieder tun, oder? Er hat nichts dagegen, wenn ich es tue. Aber um ganz sicher zu gehen, dass wir uns richtig verstanden haben, frage ich doch noch einmal nach.
 

"Heißt das, dass ich es wieder tun darf?"
 

Er hat die Lippen auf einander gepresst und für einen Moment befürchte ich, dass er seine Worte bereut. Er scheint wieder nachzudenken.
 

"Unter 3 Bedingungen." erwidert er schließlich leise.
 

Wow. Er ist echt schnell. Sich in den wenigen Sekunden drei Bedinungen zu überleben, das ist... Aber er ist ja ein Genie. Etwas überrascht, aber dennoch glücklich strahle ich ihn an.
 

"Drei?" hake ich nach.
 

Er nickt. "Drei." bestätigt er. Ich wollte nur sicher gehen. Ich zucke mit den Schultern und lege den Kopf schief. "Und die wären?" will ich wissen.
 

Seine Züge sind wieder etwas verschlossener, aber keineswegs verhärtet.
 

"Erstens - du wirst mich vorwarnen bevor du solch einen... Übergriff startetst." höre ich ihn sachlich sagen und muss mir wieder das Lachen verkneifen. Übergriff. Oh Mann. Aber scheinbar ist es ihm nicht möglich, die Dinge beim Namen zu nennen. Naja, das stört mich nicht. Das hat schließlich noch Zeit. Ich nicke.
 

"Zweitens, du wirst es nicht permanent tun." Jetzt kann ich mir ein Kichern nicht verkneifen. Was denkt er denn? Dass ich ständig Lust darauf hätte? Naja, momentan schon, aber hey, es gibt ja noch andere Dinge. Er sieht mich ernst an und ich versuche auch wieder eine ernstere Miene aufzusetzen. "Ja." stimme ich brav zu. Er seufzt. "Und drittens..." beginnt er und seine Stimme klingt jetzt einen Tick schärfer. "Zu keinem ein Wort darüber, Wheeler."
 

Ich nicke. "Gebongt." Er mustert mich noch einem Moment und wirkt dabei etwas irritiert, wahrscheinlich, weil ich mich so schnell mit seinen Bedingungen abgefunden habe. "Ich werde dich vorwarnen und mir Mühe geben, nicht ständig über dich herzufallen." versichere ich ihm so ernst ich kann. "Und an die große Glocke wollte ich das ohnehin nicht hängen... Gut, es würde mich schon interessieren, was für Gesichter deine Fangirlies machen würden, wenn sie wüssten, dass ich... aber nein, ich werde auf den Spaß verzichten."
 

Wieder seufzt er. "Du bist verrückt, Wheeler. Wirklich und wahrhaftig." meint er und ein kleines Lächeln zuckt um seinen schönen Mund. "Jepp, da stimme ich dir zu." erwidere ich gelassen.
 

Einen Moment sehen wir uns schweigend an und ich frage mich, was das jetzt genau zu bedeuten hat. Er hat eingeräumt, dass ich ihn küssen darf - natürlich unter Einhaltung seiner Bedingungen, aber das heißt doch... Also, scheinbar will er es dann, warum sonst sollte er mir das gestatten? Es hat ihm demnach gefallen. Hey, das ist doch gut, oder? Für mich. Und auch für ihn. Für uns.
 

Uns.
 

Ich schätze, wir kommen der Sache näher. Sehr schön. Um nicht zu sagen, ausgezeichnet.
 

Er steht unschlüssig da und ich muss zugeben, dass ich gerade auch nicht wirklich weiß, was ich tun oder sagen soll. Gut, ich hätte Lust da weiter zu machen wo wir aufgehört haben, aber naja... Alles zu seiner Zeit.
 

"Es hat dir also gefallen?" hake ich grinsend nach. Er verdreht kurz die Augen. "Diese Frage erübrigt sich doch eigentlich." entgegnet er und ich nicke. Ja, da ist was dran. "Das heißt allerdings nicht, dass ich deine emotionale Verwirrung teile." fügt er hinzu und verschränkt demonstrativ die Arme vor der Brust. Mist, dass ich nicht eine Braue hochziehen kann, bei mir funktioniert das einfach nicht. Ich ziehe immer nur beide hoch, eine allein geht nicht. Aber im Moment würde das echt passen.
 

"Aber du bist auf dem besten Wege, Kaiba." erwidere ich und grinse. Ist doch wahr, oder?
 

Er schüttelt leicht den Kopf. "Ich fasse noch immer nicht, was ich hier tue." murmelt er und das glaub ich ihm gerne. "Nun, du bist dabei dich emotional zu öffnen und das ist gut. Nicht nur für mich." meine ich ernst. "Zudem war das eines meiner Ziele."
 

Er bedenkt mich mit einem seiner typisch sarkastischen Blicke. "Du klingst wie ein Laienpsychologe, Wheeler." bemerkt er bissig. Ich zucke nur mit den Schultern. "Und? Ich hab doch Recht." erwidere ich. Kaiba sieht mich noch einem Moment an, dann greift er wieder nach seinem Glas.
 

"Mit einer Sache hast du jedenfalls Recht, das muss ich leider zugeben." sagt er ohne mich anzusehen. "Diese Dinge auszusprechen, hat gut getan, auch wenn ich mir nicht unbedingt gewünscht hätte, sie dir anzuvertrauen. Dieser Teil der Sache gefällt mir nämlich ganz und gar nicht. Und ich warne dich, Wheeler, ein Wort darüber zu irgendwem..."
 

"Keine Sorge, ich werde mit niemandem darüber reden, was denkst du denn von mir?" Ich bemühe mich entrüstet auszusehen. Er entgegnet nichts. "Echt, Kaiba, du hast keinen Grund dir Sorgen zu machen. Ich laufe nicht zum nächstbesten Reporter und erzähl ihm die Story. Selbst wenn ich dich noch hassen würde oder dich nicht leiden könnte, so was würde ich nie tun. Das ginge zu weit. Alles was du mir gesagt hast, bleibt unter uns und wenn es dich beruhigt, nun, dann erzähl ich dir auch gern noch ein paar Peinlichkeiten aus meiner Jugend. Dann sind wir quitt."
 

Das ist mein Ernst. Wenn es ihn beruhigen würde, dann lege ich gerne auch einen Seelenstrip hin.
 

Er nippt an seinem Glas, dann winkt er ab. "Nicht nötig, Wheeler." meint er. Scheinbar hat er begriffen, dass ich es ehrlich meine. Fein, ein weiterer Fortschritt.
 

"Ähm, Kaiba?" Ich grinse ihn an. Er sieht mich fragend an, sagt aber nichts. Seine Brauen ziehen sich aber automatisch zusammen. Vermutlich erwartet er eine weitere unsinnige Äußerung. "Ich könnte noch eine Schüssel Eis vertragen." erkläre ich.
 

"Du hattest schon drei." merkt er an und ich zucke mit den Schultern. "Und?" Er erwidert nichts, lächelt nur leicht, zumindest sieht es so aus. Oh, ich mag es wenn er das tut. Lächelt, lacht... wenn seine Züge sich entspannen. Sofort verspüre ich dann dieses warme Gefühl. "Tu dir keinen Zwang an. Es ist ohnehin genug da." sagt er schließlich. Ich nicke und mache mich auf den Weg in die Küche. Er bleibt im Wohnzimmer.
 

Ich glaube, ich pfeife gerade fröhlich vor mich hin. Aber hey, ich kann bislang doch echt zufrieden mit mir sein, oder? Ich meine, ich habe es nicht nur geschafft Kaiba zum lachen zu bringen, ich genieße nun auch das Privileg den großen Seto Kaiba küssen zu dürfen oder zu überfallen, wie er es auszudrücken beliebt. Na, das ist mehr als ein kleiner Fortschritt. Das kommt schon fast der Mondlandung gleich und ich schätze, dass kein Mensch mir das hier glauben würde.
 

Aber wahrscheinlich würde mir auch niemand abkaufen, dass Kaiba in Wahrheit eigentlich mehr als nur nett ist. Doch das ist er, wenn auch auf eine steife und etwas gewöhnungsbedürftige Art. Und ihn zu küssen... das ist echt wow. Noch ein paar Mal und er wird sich dabei auch entspannen und dann wird es sicher noch besser und nicht mehr lange und wir werden...
 

Ich muss unwillkürlich lachen.
 

Obwohl ich dieses Ziel schon eine ganze Weile habe, klingt es immer noch unfassbar. Kaiba und ich. Das ist doch eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit, oder? Doch scheinbar soll es sich genauso fügen. Keine Ahnung warum. Es kümmert mich auch nicht wirklich.
 

Während ich mir verschiedene Sorten Eis in eine Schüssel schaufele, kommt mir ein Gedanke. Mein nächster Zug sozusagen. Warum bin ich eigentlich nicht früher darauf gekommen? Schließlich ist der Gedanke mehr als logisch. Ich brauche gar nicht lange darüber nachzudenken. Zufrieden mit mir selbst, nicke ich und gehe mit meiner Schüssel zurück ins Wohnzimmer.
 

Tja, Kaiba, morgen wirst du ein ganz besonderes Geschenk bekommen. Ein Geschenk, das dir zeigen wird, dass Joey Wheeler keine halben Sachen macht und ich schätze, dann wird auch deine emotionale Verwirrung einsetzen.
 

Als ich das Wohnzimmer betrete, sitze er wieder in seinem Sessel, die Beine graziel über einander geschlagen, das Glas in der rechten Hand und ja, er ist eindeutig am sinnieren und dabei wirkt er keineswegs angespannt oder kühl. Fast habe ich den Eindruck, dass er in sich hinein lächelt. Na, ich schätze, da ist schon jemand emotional verwirrt ohne sich dessen bewusst zu sein. Dessen bin ich mir eigentlich fast sicher.
 

Er blickt auf als ich die Tür hinter mir schließe und mustert mich für einen Moment, mich und die Schüssel. Und plötzlich grinst er mich an. "Du scheinst wirklich eine Menge davon zu vertragen." bemerkt er. Ich nicke und lasse mich auf die Couch fallen.
 

"Ich habe eben eine Schwäche für Eis." erwidere ich und sehe ihn bedeutungsvoll an. Er erwidert nichts, sieht mich nur zu wie ich mir genüßlich den Löffel in den Mund schiebe. "Soll ich dir verraten, was meiner Meinung nach das Beste an Eis ist?" frage ich ihn. Ich weiß, dass es ihm eigentlich egal ist, Informationen, die ihn nicht interessieren. Aber er winkt nicht ab, sieht mich einfach nur aufmerksam an. Ich hebe den Löffel und bemühe mich ihn so anzusehen wie unser Chemielehrer, wenn er wieder ein Experiment erläutert.
 

"Das Gefühl, wenn es langsam auf der Zunge schmilzt." sage ich aus voller Überzeugung. "Eis, das langsam weicher wird, ist das Beste überhaupt. Erst ist es hart und fest und dann... Hm."

Befragen

Tja, wie ist der aktuelle Stand der Dinge? Gute Frage.

Nun, ich würde sagen, wir sind auf dem besten Wege.
 

Mann, ich kann dir gar nicht sagen, was die letzten Tage mir bedeutet haben. Ich hatte gehofft, dass sie so verlaufen würden, naja, fast. Aber die Realität übertraf eindeutig meine Vorstellungen. Mehr noch.
 

Ich hatte mir so gewünscht, dich kennen zu lernen. Einen Blick hinter die Fasade werfen zu dürfen. Nun, den hast du mir gewährt. Wahrscheinlich vielmehr als du eigentlich wolltest, aber wie ich dir ja bereits gesagt habe, ich werde dieses Vertrauen, dass du, wenn auch nicht ganz freiwillig, in mich gesetzt hast, nicht enttäuschen. Gleichgültig ob ich meine Mission erfolgreich abschließen kann oder nicht. Alles was zwischen uns wird ein Geheimnis bleiben. Es sei denn, du sagst etwas anderes. Aber naja, das kann alles warten... Ich bin auch nicht unbedingt scharf darauf, dass jemand weiß, dass ich diese Gefühle für dich habe. Muss ja auch nicht sein, oder?
 

Tja und genau das hat mich auf meine neuste Idee gebracht. Nämlich, dass ich dir diese Aufzeichnungen hier geben werde, Kaiba.
 

Zum einen, verstehst du mich dann vielleicht besser, denn ich hab immer noch das verquere Gefühl, dass du mir nicht so ganz folgen kannst und zum andern hast du dann auch etwas in der Hand, d. h. wir haben uns dann beide gegenseitig in der Hand. Nicht, dass ich das als nötig erachten würde, aber ich kenne doch inzwischen deine Denkweise und ich schätze, du wirst wesentlich entspannter sein, auch wenn ich dir mein Wort gegeben habe.
 

Keine Sorge, Kaiba, ich weiß, dass du meinem Wort traust. Daran zweifle ich überhaupt nicht. Aber du zweifelst sicherlich an dir was diese Situation anbelangt. Oh ja, davon bin ich überzeugt. Ich kann manchmal förmlich sehen wie es in deinem Kopf zu rattern beginnt. Schätze, das wird sich auch nie groß ändern. Denken ist eben dein Ding. Da bist du wie dieser englische Detektiv, der auch immer alles analysieren muss. Gut, wahrscheinlich musst du das in deinem Alltag auch, aber vielleicht bekomme ich es ja hin, dass du wenigstens in deiner Freizeit einen Gang runter schaltest. Ja, eigentlich bin ich da recht optimistisch, was das anbelangt. Wir werden ja schließlich einen Großteil deiner Freizeit zusammen verbringen.
 

Runzelst du jetzt die Stirn oder ziehst du nur eine Braue hoch? Ich würde auf die Braue tippen. Und die Frage, die dir jetzt im Kopf rumspukt kann ich dir auch beantworten. Joey Wheeler will einfach Zeit mit dir verbringen. So einfach ist das. Und ich werde mich nicht davon abbringen lassen. Nebenbei bemerkt, denk nicht, du könntest mich mit einem angeblich vollen Terminkalender abwehren. No way. Mokuba wird mir in der Hinsicht nämlich beistehen.
 

Ja, Seto, so gesehen ist eine kleine Verschwörung im Gange, aber keine Sorge. Du hast nichts zu befürchten. Höchstens weitere... Überfälle. Du solltest dir allerdings angewöhnen, diese als Küsse zu bezeichnen. Rummachen könnte man es auch nennen, aber ich glaube, das Wort gefällt dir noch weniger. Na, wir werden uns schon einigen, nicht wahr?
 

Erinnerst du dich über meinen Vortrag über Lieben und Leiden?
 

Weißt du, ich habe noch mal drüber nachgedacht. Leiden ist idiotisch. Egal um was es geht. Es bringt einfach nichts. Würde man mich vor die Wahl stellen, Leiden oder Nichts, ich würde mich für das Nichts entscheiden. Das ist zwar nicht besser, aber Leiden ist ein Kompromiss, verstehst du? Und ich will alles oder nichts. So verhält sich das bei mir immer.
 

Wahrscheinlich habe ich deshalb auch dieses alberne Glücksspiel-Deck, wie du es immer nennst. Ganz oder gar nicht, das war immer meine Devise, auch wenn ich bislang nicht wusste, dass ich eine habe. Verdanke ich übrigens dir, dass ich weiß, dass dem so ist. Und weißt du was? Bei dir ist es nicht anders. Du willst auch alles oder nichts, Kompromisse liegen dir auch nicht. Vielleicht noch weniger als mir. Naja, eigentlich ganz sicher sogar.
 

Ach ja, das mit der emotionalen Verwirrung... Dafür brauchen wir auch ne andere Bezeichnung! Wenn du das so sagst, dann klingt es nach ner komischen Krankheit. Ok, die Sache ist nach wie vor verrückt, aber ich bin nicht krank und auch im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte - den Spruch hab ich übrigens von Tea.
 

Das heißt, ich bleibe dabei. Ich bin verliebt. Keine Sorge, ich werde das nicht permanent betonen, aber ich muss es klar stellen. Glaub mir, ich hab auch keinen Bock auf romantischen Kitsch oder ständige Liebesschwüre. Ich finde, man muss seine Gefühle nicht ständig betonen, in dem man sie in Worte kleidet. Das Gefühl an sich zählt schließlich und wie man damit umgeht oder besser gesagt, wie man sich der Person für die man diese Gefühle hat gegenüber verhält. Schweigen ist manchmal echt Gold. Ja, denke ich wirklich, auch wenn ich gerne rede.
 

Und du musst es mir auch nicht sagen, wenn es soweit ist. Wenn du es mir zeigst, dann reicht das voll und ganz. Was nützen schließlich die Worte allein? Zudem glaub ich, dass es nicht zu uns passt über solche Dinge zu reden. Also ausdrücklich. Das haben wir momentan eigentlich schon zur Genüge. So gesehen gibt es nichts mehr groß dazu zu sagen und spätestens, wenn du meine Aufzeichnungen gelesen hast, wirst du ohnehin verstehen was ich meine. Und hey, dreh mir bloß keinen Strick draus, wenn ich mich an der einen oder anderen Stelle wirr ausgedrückt habe.
 

Das hier ist auch Neuland für mich, Kaiba. Und auch wenn ich mich sicherer bewege als du, heißt das nicht, dass ich wirklich weiß, was das werden wird. Ich weiß was ich mir wünsche, das hab ich dir auch gesagt und was wir daraus machen, nun das liegt auch bei dir.
 

Soll ich dir verraten, was für ein Gefühl ich gestern hatte als wir uns geküsst haben? Hast du schon mal jemanden getroffen und hast das Gefühl gehabt, dass du diese Person schon ein Leben lang vermisst hast, so als hättest du bis dahin fast alles nur geträumt und dann wachst du endlich auf und stehst dieser Person gegenüber und es muss einfach so sein?
 

Ja ja, ich weiß wie bescheuert das klingt. Tea würde es gefallen.
 

Naja, aber so habe ich mich in dem Moment gefühlt. Echt jetzt. Schon verrückt, dass du mir dieses Gefühl gibst. Scheint als würde da oben jemand seinen Spaß an seltsamen Pairnigs haben, was? Aber ich glaube, eine Verbindung zwischen Yugi und dir wäre noch verrückter. Oder Tristan! Bei uns haben schließlich schon immer die Funken gesprüht oder sind die Fetzen geflogen. Das war mitunter oftmals ganz schön leidenschaftlich und nicht nur von meiner Seite aus. Du hast auch das eine oder andere Mal alles andere als kalt reagiert, wenn es um mich ging.
 

Darüber können wir ja irgendwann mal sinnieren, oder?

Ich muss gestehen, Tea hat auf dem Gebiet so ihre Theorien, aber das muss uns vorerst nicht interessieren.
 

So, jetzt werd ich aber so langsam mal zum Schluss kommen. Das Wichtigstes ist ja ohnehin gesagt und nun liegt es an dir wie du damit umgehst. Und falls du beim lesen so was wie aufkommende emotionale Verwirrung verspüren solltest, mein lieber Kaiba, dann heißt das, dass ich dir auch nicht gleichgültig bin, aber hey, das wissen wir doch längst oder?
 

Immerhin hast du mir die exklusive Erlaubnis erteilt dich küssen zu dürfen. Ach ja, stell dir vor wie ich gerade zwinkere.
 

Wie dem auch sei, ich hoffe du verstehst mich jetzt besser. Glaub mir, es kostet mich echt Überwindung, dir meine Aufzeichnungen zu überlassen. Ich hoffe, dass du das zu schätzen weißt!!
 

Und bitte, bitte... versag dir irgendwelche sarkastischen Kommentare nach dieser Lektüre, ja? Echt, das ist mein voller Ernst! Sonst muss ich dir vielleicht doch noch eine reinhauen.
 

Also bis morgen dann...

Boden-Matt

Zuerst ignorieren sie dich, dann lachen sie über dich, dann bekämpfen sie dich und dann gewinnst du.
 

Unruhig sitze ich da während er liest. Eigentlich wollte ich das Weite suchen, aber er meinte, ich solle bleiben, es würde auch nicht lange dauern. Ob das gut ist oder schlecht, keinen Plan. Ok, so viel hab ich nicht geschrieben und er liest ja auch schnell... Im Moment ist mir ganz schön seltsam zumute. Ja, ich bin nervös. Angst hab ich keine. Warum auch? Ich weiß, dass er mich damit jetzt nicht irgendwie fertig machen wird, nicht nachdem was zwischen uns bislang war.
 

Aber jetzt erst kommt mir in den Sinn wie albern das alles ist, was ich da fabriziert habe und irgendwie hab ich Angst, dass er mich auslachen könnte.
 

Ich halte gebannt die Luft an als er das Heft sinken lässt und mich ansieht. Hoffentlich werde ich jetzt nicht rot. Ich schlucke und fange an unruhig auf meiner Unterlippe zu kauen. Mist, meine Hände werden feucht, nein, sie sind es schon. Keine Ahnung wie ich es schaffe, seinem Blick stand zu halten.
 

Und er, er sieht mich nur an. Wieder ist seine Miene so ausdruckslos, dass ich schwer abschätzen kann, was gerade in ihm vorgeht.
 

Minuten vergehen in denen keiner etwas sagt. Wir sehen uns nur an und ich schätze, er überlegt, was er sagen soll. Das ist schonmal ein gutes Zeichen, denke ich. Wenigstens kommt er meiner Bitte nach und lässt nicht gleich eine sarkastische Bemerkung los.
 

Leider weiß ich auch nicht was ich sagen soll. Mein Herz schlägt viel zu schnell und ich muss mich echt am Riemen reißen, um nicht unruhig auf der Couch hin und her zu rutschen.
 

"Wir wär´s mit nem Drink?" frage ich nach deiner halben Ewigkeit und grinse ihn an.
 

Erstaunt weiten sich seine Augen und er sieht mich fragend an. Ich zucke mit den Schultern. "Naja, ich dachte, du brauchst vielleicht einen nach der Lektüre..."
 

Gut, ich könnte auch einen gebrauchen. Alkohol soll ja beruhigen, auch wenn ich momentan bezweifle, dass das funktionieren würde. Ich bin ja jetzt schon kurz vor dem Hyperventilieren. Aber wenigstens ist somit das Schweigen gebrochen.
 

Wieder verstreichen Minuten und er erwidert nichts. Ich frage mich gerade ob ich einfach aufstehen und zu der kleinen Bar gehen soll als ich ihn seufzen höre. Vorsichtig blick ich zu ihm rüber und stelle erstaunt fest, dass er die Augen geschlossen hat. Hoffentlich zählt er innerlich jetzt nicht wieder bis was-weiß-ich, um sich zu beruhigen, damit er nicht einfach aufspringt und mir den Hals umdreht. Aber hey, darüber sind wir doch hinaus, oder?
 

"Joey." höre ich ihn schließlich sagen und zucke zusammen ohne es zu wollen.
 

Er benutzt meinen Vornamen. Das ist doch jetzt ein gutes Zeichen, oder? Ich lächele ihn verlegen an, naja, eigentlich eher unsicher.
 

"Ähm... ja?"
 

Seine Lippen sind fest aufeinander gepresst und bilden eine schmale, feine Linie.
 

"Ich habe eine Frage und ich erwarte eine ernsthafte und auch ehrliche Antwort von dir."
 

Ich bin nicht fähig etwas zu erwidern, daher nicke ich nur und sehe wie er tief Luft holt.
 

"Ist das was du in diesem Heft schreibst wirklich und wahrhaftig dein Ernst?" Er sieht mich aufmerksam an während er spricht und ja, ich bin sicher, dass er augenblicklich jeder meiner noch so kleinen Regungen genau beobachtet und analysiert.
 

Ok, die Frage ist sicher berechtigt, ich würde sie an seiner Stelle auch stellen. Ganz sicher sogar. Trotzdem fasse ich nicht, dass er noch immer meint, es könne nicht mein Ernst sein. Gerade als ich anheben will ihm zu erklären, dass ich jetzt schon mehr als drei Mal gesagt habe, dass es definitiv und unwiderruflich mein Ernst ist, besinne ich mich auf seine Frage. Er will eine einfache, ehrliche Antwort. Gut, die kann er haben.
 

"Ja." sage ich daher und komischerweise entspanne ich mich in dem Moment sogar wieder. Es ist fast so als würde die Anspannung schlagartig von mir abfallen. "Ja, Seto, es ist mein absoluter Ernst. Jedes Wort, dass ich geschrieben habe, entspricht der Wahrheit."
 

Meine Stimme klingt im ersten Moment seltsam fremd, aber auch fest und ich hoffe, auch entschlossen und ich schaffe es tatsächlich ihn auch genauso anzusehen. Die schwitzenden Hände und der rasante Herzschlag sind in dem Augenblick vergessen.
 

"Du bist erstaunlich." erwidert er nach einigen Sekunden und schließlich tut er etwas womit ich in dem Moment am wenigsten gerechnet habe. Er lacht. Ja, er lacht mich wieder an. "Deine Gedankengänge... ich muss sagen, teilweise sind sie wirklich bemerkenswert. Soviel Verstand hätte ich dir gar nicht zugetraut, Wheeler." Erneut lacht er und seine Augen bekommen diesen schönen warmen Glanz.
 

Etwas verlegen und auch unsicher sehe ich ihn weiterhin an.
 

"Du bist ein Paradoxon, Joey Wheeler." sagt er plötzlich ernst. "Ein philosophisch-moralisches Paradoxon. Und - ich bin beeindruckt."
 

Ungläubig blinzele ich ihn an.
 

Ok, Stopp!
 

Hab ich richtig gehört?

Er ist beeindruckt? Er, der große Seto Kaiba, ist beeindruckt - von mir? Wow... ich hatte echt ne Menge erwartet, aber das... Es ist als würden Weihnachten, Ostern und mein Geburtstag auf einen Tag fallen. Ich habe ihn beeindruckt. Nachdem ich unzählige Male und auf duzende Arten versucht habe, ihn davon zu überzeugen, dass ich keineswegs so dumm und unfähig bin, wie er mich immer hingestellt hat, schaffe ich es tatsächlich seine Anerkennung zu erhalten in dem ich ihn lediglich an meinen Gedanken teil haben lasse? Wenn ich das gewusst hätte...
 

"Ähm... danke, Kaiba." Sorry, aber zu mehr bin ich gerade nicht in der Lage. Ich sehe ja schon Sternchen tanzen. Zum Glück sitze ich auf meinen vier Buchstaben.
 

Nur vage nehme ich wahr, dass er sich langsam erhebt. Vielleicht braucht er echt nen Drink. Gut, ich auch. Immernoch. Aber anstatt zu der Bar zu gehen, kommt er direkt auf mich zu. Zwei Schritte und er steht vor mir, blickt auf mich hinunter und ich schlucke schon wieder.
 

Soll ich aufstehen? Leider habe ich das Gefühl, dass das meine Beine gerade nicht mitmachen. Oh Mann, mein Herz rast schon wieder. Hatten wir das nicht schon hinter uns? Wortlos reicht er mir seine Hand und ehe ich weiß was ich überhaupt tue, ergreife ich sie. Ein Ruck und ich stehe auf wackligen Beinen und blicke direkt in diese unglaublich blauen Augen.
 

"Ich glaube, jetzt begreife ich deine Mission, Joey Wheeler." höre ich ihn leise sagen. Sein Gesicht ist meinem so nah, dass ich seinen warmen Atem auf meiner Wange spüre. Sofort ist da wieder dieses Prickeln und ich glaube, jede Stelle meines Körpers bekommt gerade Gänsehaut. Er klingt ruhig, fast sanft und auch ein wenig heiser. Irgendwo in meinem Hirn stelle ich fest, dass er sich sogar ein wenig sexy anhört, aber ich schätze, das ist nicht beabsichtigt. Ich bin nicht in der Lage etwas zu erwidern, kann ihn nur ansehen und hoffen, dass er nicht merkt, dass meine Hand in seiner zittert.
 

Er seufzt leise und ich habe den Eindruck, dass er einerseits weiß, was er sagen soll, andererseits unschlüssig ist ob er es tatsächlich aussprechen sollte. Vielleicht weiß er auch nicht wie.
 

Den nächsten Worten, die über seine Lippen kommen, lausche ich wie gebannt.
 

"Wenn es jemandem gelingen sollte, dieses wahnwitzige Vorhaben erfolgreich abzuschließen, Wheeler, dann dir." sagt er und klingt dabei so sicher, dass ich es nicht zu verhindern vermag, dass mir ein "Oh." entschlüpft, was ihn scheinbar amüsiert. Ein sanftes Lächeln erscheint auf seinem Gesicht und im nächsten Moment streifen kühle Fingerspitzen meine Stirn. "Und ich hoffe, dass du dieses Mal gewinnen wirst."

Acta est fabula, plaudite!

Da bin ich also wieder... Dabei gibt es eigentlich nichts mehr zu sagen. Ich meine, die Würfel sind gefallen, nicht wahr?
 

Trotzdem hab ich den Wunsch, dir meine Gedanken aufzuschreiben. Zumal ich ja inzwischen festgestellt habe, wie sehr du sie schätzt.
 

Wieviele Züge habe ich jetzt eigentlich gebraucht?
 

Ich weiß es nicht mehr, aber ich schätze, du weißt es ganz genau. Aber naja, es ist mir egal. Hey, ich wusste schließlich, dass ich am Ende siegen werde. Ich hab´s dir von Anfang an gesagt, Kaiba, nicht wahr?
 

Ja ja, ich weiß, ich soll nicht darauf herum reiten. Keine Sorge, werde ich auch nicht. Naja, nur manchmal. Letztlich wissen wir es ja beide.
 

Das genügt und du hast an diesem Tag selbst gesagt, dass du hoffst, dass ich gewinne. Aber komm mir jetzt bloß nicht so, dass du ab dann keinen Widerstand mehr geleistet hättest. Das hast du nämlich, wenn auch nicht in einem Maße, dass man es als ernsthafte Gegenoffensive hätte ansehen können.
 

Aber leicht hast du es mir dennoch nicht gemacht. Ich halte dir zu gute, dass du es vielleicht tun wolltest, aber sorry, Seto, das ist nun echt nicht deine Stärke.
 

Es hat alleine über eine Woche gedauert bis du bereit warst dir deine emotionale Verwirrung einzugestehen ohne dabei mit dem Kopf zu schütteln oder die ganze Zeit "Ich fasse es nicht." zu murmeln.
 

Und Mann, ich hätte einen Orden für meine Geduld verdient, findest du nicht auch?
 

Das mit den Übergriffen war auch ne schwere Geburt. Nicht die Sache an sich, die hattest du recht schnell drauf. Erstaunlich schnell, muss ich sagen und ich geb auch zu, dass es bei den ersten Malen echt süß war von dir zu fragen ob du einen Übergriff starten darfst. War zwar unnötig, aber wie ich inzwischen ja gemerkt habe, bist du ein echter Gentleman. Was übrigens auch süß ist.
 

Und ja, ich weiß, dass du es nicht magst, wenn ich dich als süß bezeichne. Ist mir aber egal. In dem Punkt bleibe ich standhaft und es steht auch nicht ausdrücklich in unserem Vertrag, dass es mir nicht gestattet ist, meinen Freund so zu bezeichnen.
 

Das mit dem niedlich habe ich allerdings eingesehen. Das geht echt gar nicht. Weiß auch nicht, warum mir das rausgerutscht ist. War wohl in einem der Momente wo du die Sauerstoffzufuhr zu meinem Hirn gekappt hattest. Also, selbst Schuld, Seto-Darling.
 

Hach, jetzt funkelst du das Papier sicher wütend an. Na, bis heut Abend hast du dich wieder abgeregt.
 

Naja, was ich eigentlich sagen wollte, ich bin glücklich. Ich weiß nicht ob du weißt wie glücklich ich bin und ich bin es, weil ich weiß, dass du es auch bist. Du magst es zwar zu verbergen versuchen, was albern ist, aber ich seh´s dir dennoch an. Mokuba auch. Sogar Roland entgeht es nicht. So gesehen sind alle glücklich. Ist das nicht genial?
 

Fast wie im Märchen, findest du nicht?
 

Der gutaussehende Held hat die verfluchte Prinzessin gerettet und... ähm, sorry, war nur ne Art Metapher. Du weißt was ich meine, oder?
 

Hach, manchmal ist die Welt echt bunt und granatenstark. Für mich ist sie es im Moment und ich hoffe das hält an. Ich will, dass es anhält.
 

Da fällt mir ein, mir ist eben noch ne Idee für das Gute-Erinnerungen-Konto gekommen. Du wirst begeistert sein. Echt! Nicht nötig das Papier skeptisch zu beäugen. Die Idee ist hervorragend, wie meine Idee zu der Mission, die das hier erst möglich gemacht hat. (Ich muss es nochmal betonen, gönn mir den Spaß, Seto!)
 

Und nein, ich werde an dieser Stelle noch nichts verraten. Das muss bis heute Abend warten.
 

So, jetzt muss ich aber schnell machen, denn Roland soll dir mein Geschreibsel gleich mit in die Firma nehmen. So als kleine Überraschung für zwischendurch. Ich hoffe, du freust dich.
 

Ich freu mich jedenfalls auf dich.

Falls du es nicht verstehen solltest, das ist ein Wink mit dem Zaunpfahl und soll heißen, lass mich nicht zu lange warten.
 

Veni, vidi, vici.

~ Dein Hündchen ~



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Von:  jyorie
2013-04-16T15:14:26+00:00 16.04.2013 17:14
Hi ^_^

Joey hat es also gepackt … ein schöner Epilog. *seuftz* jetzt ist die FF also fertig. Ich hab sie gern gelesen und es hat Spaß gemacht mit den beiden. :D … auf ff.de habe ich ja jetzt alle deine FFs durch … ich glaube auf animexx ist noch eine übrig, die ich noch nicht gelesen habe. … bis dahin :D

CuCu Jyorie

Von:  jyorie
2013-04-16T15:14:20+00:00 16.04.2013 17:14
Hi ^_^

ich hatte es mir so sehr gewünscht, das Kaiba ihn küsst, ich hatte so viel Hoffnung, nachdem er aufgestanden ist, als er das Heft gelesen hat und zu Joey ist, ihn zu sich hinaufgezogen, das jetzt eine Zärtlichkeit von ihm ausgeht, aber vielleicht kommt es ja noch. Nur Kaibas Satz, das er Wheeler wünscht er gewinnt, war das ein Eingeständnis, das er emotional verwirrt ist? … Trotzdem war das Kapitel schön, man spürt die Spannung :D

CuCu Jyorie

Von:  jyorie
2013-04-16T15:14:01+00:00 16.04.2013 17:14
Hi ^_^

persönliche Aufzeichnungen von Joey, damit Kaiba auch etwas gegen ihn in der Hand hat über das er keine sarkastischen Bemerkungen machen soll? … Was will ihm der Blonde den da übergeben?
Och mensch nur noch 2 Kapitel dann ist diese FF auch schon vorbei.

CuCu Jyorie

Von:  jyorie
2013-04-16T15:13:55+00:00 16.04.2013 17:13
Hi ^_^

XD "Ich habe eben eine Schwäche für Eis" & "mAg wenn es langsam auf der Zunge schmilzt" LOL schön zweideutig. Ob das setos emotionale verwirrtheit noch weiter anfacht ... Ich warte ja nur darauf, wann er den ersten Kuss beginnt :)

CuCu Jyorie

Von:  jyorie
2013-04-16T15:13:29+00:00 16.04.2013 17:13
Hi ^_^

Oh :))) wie schön, Freveltaten zungenkuss >.< und kaiba scheint es auch gefallen zu haben :) irgendwie freue ich mich gerade sehr für Joey .., und das er sich nicht lösen möchte ist ja nur zu verständlich ^^

CuCu Jyorie

Von:  jyorie
2013-04-15T15:35:25+00:00 15.04.2013 17:35
Hi ^_^

na ja, auch wenn Joey sich da etwas verplapptert hat, aber es war doch ehrlich was er gesagt hat, und wenn Kaiba so genau weiß, das Joey ihn heiß findet und er scheinbar noch nichts gegen die Küsse hatte, wird er ja auch so schlau sein und wissen wie sich Joey zurück hält wenn sie zusammen sind … hm jetzt kommt es wohl drauf an, wie sehr ihm Seto zugetan ist, ob es ihn abschreckt oder nicht?

CuCu Jyorie

Von:  jyorie
2013-04-15T15:35:04+00:00 15.04.2013 17:35
Hi ^_^

jetzt muss Joey also nachziehen und auch eine Erklärung ablegen. XD mit den Klisches über Joeys zuhause hast du ja schon öfters aufgeräumt. Aber nach und nach wird das einleuchtend, so wie Joey früher war hätte sein Vater wohl schlechte Karten, wenn er das wirklich tun würde … hm… „Gleichgültigkeit“ ist ein guter begriff.

CuCu Jyorie

Von:  jyorie
2013-04-15T15:34:49+00:00 15.04.2013 17:34
Hi ^_^

„ich hasse dich doch nicht“ … *grins* das kommt mir annähernd bekannt vor^^ wah … nach Joeys Redefluss ist der gute jetzt bestimmt perplex :D ob er „so schnell“ mit so einer Aussage gerechnet hätte?

CuCu Jyorie

Von:  jyorie
2013-04-15T15:34:43+00:00 15.04.2013 17:34
Hi ^_^

Nach dem Film und ddem eisessen ist die Aussage mit der Isolation schonungslos ehrlich. Was wohl passiert, wenn kaiba noch mehr über sich nachdenkt?

CuCu Jyorie

Von:  jyorie
2013-04-14T13:03:02+00:00 14.04.2013 15:03
Hi ^_^

Bei dem was kaiba schon alles mit sich machen lässt, müsste Joey ihn sich bald rum haben?? Ob er ihm jetzt einschläft, wenn er ihn beim Video gucken im Arm halten darf? :)

CuCu Jyorie



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