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Tschaikowsky mit Krawatte und Stil

Fortsetzung von "Vom Schnee berührt"
von

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Prolog

TITEL: Tschaikowsky mit Krawatte und Stil

AUTORIN: Apollon-klio

GENRE: Drama / Romanze / bissel Krimi

ALTERSBEGRENZUNG: P16

DISCLAIMER: Die Figuren gehören Stephenie Meyer. Ich habe sie mir nur ausgeliehen

ANMERKUNG ZUR STORY: Diese Fanfiktion ist der zweite Teil von „Vom Schnee berührt“. Man sollte vielleicht den ersten Teil zuerst lesen, aber ich denke auch, dass man diese FF lesen kann, ohne den zweiten Teil gelesen zu haben.

ANMERKUNG ZU DEN CHARAKTEREN: Edward (25 Jahre, Hilfsrichter am staatlichen Gericht von New York), Bella (24 Jahre, Tänzerin an der Juilliard Academy), Alice (24 Jahre, Jungdesignerin), Jasper (27 Jahre, Politologe), Emmett und Rosalie (26 und 25 Jahre, momentan auf Reise durch Europa)

ZUSAMMENFASSUNG Edward und Bella haben es beide geschafft. Sie sind gemeinsam nach New York gezogen, um ihren Traum zu verwirklichen. Bella Tänzerin an der Juilliard und Edward arbeitet am Gericht. Es scheint alles perfekt zu sein, bis Edward auf einen Fall stößt, der alles ins Wanken bringt und sie wieder um ihre Liebe kämpfen müssen.
 

„Die Ehe ist und bleibt die wichtigste Entdeckungsreise, die der Mensch unternehmen kann.“

- Sören Kierkegaard -

dänischer Schriftsteller, Theologe und Philosoph (1813 - 1855)
 


 

Edwards POV
 

Es war der 03.Juli 2010 und wir befanden uns in Forks. Wir waren vorgestern angekommen und ich genoss einfach jede Sekunde mit Bella. Es war wundervoll, dass sie hier bei mir war und ich die Zeit mit ihr und meiner Familie verbringen konnte. Bella gehörte laut meiner Mutter eh schon zur Familie und mein Vater hatte mir in einer ruhigen Minute eingetrichtert, dass wenn ich das mit Bella versauen sollte, meine Mutter wohl nie wieder mit mir reden würde.

Doch ich würde das mit Bella nicht versauen. Sie war einfach alles was ich wollte. Alles was ich brauchte. Sie war einfach alles für mich.
 

Heute war einer dieser Tage, die für die Ewigkeit festgehalten wurden. Es gab hunderte von Kameras, die Aufblitzen würden, Videokameras die aufgestellt waren, um dieses Event aufzunehmen. Keine einzige Sekunde sollte vergessen werden. Es würde ein wundervoller Tag sein und dieser Tag sollte einfach nicht nur in den Erinnerungen der Anwesenden existieren. Er sollte festgehalten werden, für die Nachwelt und auch dafür, um die Erinnerung immer wieder aufzufrischen. Man sollte ihn einfach nicht vergessen.

Es war einer dieser Tage, an denen man schon morgens wusste, dass er etwas Besonderes sein würde.
 

Ich drehte mich zur Seite, zog das Gewicht, das neben mir lag an mich und seufzte zufrieden auf, als ich mein Gesicht in die braunen Haare verbergen konnte. Ein Lächeln huschte über meine Lippen, als einzelne Strähnen mich an der Nase kitzelten, doch das war egal. Ich sog den süßen Geruch von Erdbeeren ein, welches der Eigenduft ihres Shampoos war.

Die Person neben mir, bewegte sich etwas und ich war sicher, dass sie nun auch langsam den Fängen Morpheus entkam. Ich gab ihr noch einen Moment, hielt sie aber weiterhin glücklich in meinen Armen. Es gab für mich nichts Besseres, als morgens neben ihr aufzuwachen, denn ich liebte sie. Früher hätte ich nie geglaubt, dass es nichts Schöneres geben konnte, als immer wieder neben einer Frau aufzuwachen. Wenn Emmett mir wegen meiner damaligen Sprunghaftigkeit deswegen einen Vortrag hielt, konnte ich nur lachen und den Kopf schütteln. Damals war ich einfach noch zu dumm gewesen, wollte nicht verstehen, wie kostbar und wunderschön die Liebe sein konnte.

Ich liebte sie einfach abgrundtief. Ich hätte nie geglaubt, dass man einen Menschen so innig lieben konnte, wie ich es tat. Ich hatte diese selbstlose Liebe meiner Eltern nie verstanden, wie sich selber für den anderen aufopferten und es sogar noch heute ohne mit der Wimper zu zucken tun würden. Doch nun mit Bella an meiner Seite verstand ich es. Dank ihr, verstand ich so manches, wofür ich früher einfach blind gewesen war.

Bella erweckte bei mir Dinge, von denen ich selber nicht mal wusste, dass sie in mir steckten. Sie glaubte an mich und liebte mich und das war das großartigste von allem. Liebe alleine war schön, doch wenn diese Liebe erwidert wurde, gab es nichts, was stärker sein konnte.
 

Kleine Hände legten sich auf meine Hand, welche sie an mich drückte. Sie führte meine Hand zu ihrem Mund und küsste die einzelnen Knöchel.

Ich seufzte auf und schob mit meiner Nase ihre Haare etwas zur Seite und küsste ihren nackten Hals. Ich liebte ihren Hals, nein eigentlich liebe ich jedes Stückchen Haut von ihrem Körper. Ja, es war ja wohl auch keine Sünde den nackten Körper von ihr zu lieben. Gott, sie war ja nun einfach unglaublich.

Früher hatte ich schnell die Lust an einer Frau verloren, ihr Körper wurde mir langweilig, sie mir überdrüssig. Doch mit Bella war es anders. Ich liebte ihren Körper, kannte jedes Stückchen Haut, dennoch rief ich immer noch die gleiche Reaktion bei ihr hervor, wenn ich sie berührte, wie beim ersten Mal.

„Guten Morgen“, hauchte ich ihr ans Ohr und legte mein Kinn auf ihrer Schulter ab, blickte in ihr noch müdes Gesicht.

„Morgen“, murmelte sie und ich musste lächeln, küsste ihre nackte Schulter und sah in ihre noch müden Augen.

„Und bereit für den großen Tag?“

Sie lächelte. „Es ist ja nicht mein großer Tag, sondern Rose’ und Emmetts.“

Ja, heute war der große Tag meines besten Freundes und Rosalies. Sie würden heiraten, den heiligen Bund der Ehe eingehen. Endlich ein Versprechen einlösen, dass sie sich schon vor sehr langer Zeit gegeben hatten.

Es gab eine Zeit, da hatte ich ihn wegen so etwas einfach nur ausgelacht. Wenn sie schon damals geheiratet hätten – damals, bevor ich Bella kennen gelernt hatte – hätte ich mich vermutlich betrunken, um diesen Tag zu überstehen und hätte damit allen die Stimmung versaut. Ich hätte Emmett und Rosalie ihren schönen Tag versaut und sie wären zu Recht sauer auf mich geworden. Aber damals hätte mich das nicht interessiert.

Ich konnte damals nicht verstehen, wie man nur noch mit einer Frau zusammen sein wollte, wie man sich nur an nur eine Frau binden wollte. Auch wenn meine Eltern mir zeigten, was es hieß eine glückliche und vollkommene Ehe zu führen, war dieser Gedanke für mich völlig irrsinnig gewesen. Es schien absolut absurd zu sein, dass ich mich mal nur an eine Frau binden würde.

Doch nun lag diese Frau in meinen Armen. Die Frau, für die ich alles aufgeben würde, nur damit sie glücklich war. Diese Frau, die für mich alles war. Es hatte lange gedauert, aber nun verstand ich Emmett und Rosalie, Alice und Jasper und sogar meine Eltern. Ich verstand das alles. Verstand die Blicke, die sie einander zuwarfen, verstand die Gefühle, die sie fühlten und die Ängste, mit denen sie lebten.

Mein Leben würde mir nichts mehr bedeuten, wenn Bella nicht mehr an meiner Seite sein würde. Das hatte ich vor allem gemerkt, als sie sich von mir getrennt hatte, weil Aro ihr keine andere Wahl ließ. Die Zeit war dunkel und kalt gewesen, fast wäre auch wieder der alte Edward zum Vorschein gekommen. Der, dem alles egal war und der mit Frauen spielte. Der, der von Gefühlen nichts wissen und einfach nur seinen Spaß wollte.
 

„Aber ich denke, es wird sehr schön“, sagte sie und ich lächelte.

„Ja, das denke ich auch“, stimmte ich ihr zu.
 


 

~~~
 


 

Unser Garten war nicht mehr wieder zu erkennen. Wenn meine Mutter mal etwas in Angriff nahm und wollte, dass es ein Traum werden würde, dann würde das auch so sein. In unserem Garten wo Emmett und ich früher Fußball, Baseball oder Football gespielt hatten, stand ein riesiges weißes Zelt. Auf den runden Tischen stand auf jedem Platz ein Namensschildchen, für die Person, die dort sitzen sollte. Rosalie, Alice und Bella hatten einen Ordner für diese Hochzeit entworfen, und dieser platzte aus allen Nähten. Die Belegung der Sitzplätze war in diesem Ordner nur die kleine aller Spalten.

Ein Catering Service und tat gerade ihre letzten Arbeiten bevor es los ging. Das Zelt leuchtete in schönen pastellfarbenen Farben. An der Decke des Zeltes hatte man Stoffbahnen aus verschiedenen Lilatönen gehängt, welche in sanften Wellen zum Rand fielen. Auf den Tischen standen Vasen mit lilafarbenen Rosen und anderen Blumen. Kleine LED-Lichterketten leuchteten von überall wie Glühwürmchen.

Neben dran, hatte man einen Pavillon aufgestellt, wo die Zeremonie statt finden würde. Weiße Stühle standen in Reih und Glied und alles war wundervoll dekoriert. Ein weißer Teppich lag auf dem Rasen im Mittelgang. Einzelne Blätter lilafarbener Blüten lagen auf diesem.

Nichts erinnerte mehr an den Garten in dem wir unsere Kindheit mit Spielen und Schabernack verbracht hatten. Ich wandte meinen Blick ab und sah das alte Baumhaus was mein Dad mit Emmett und mir gebaut hatte. Nicht alles würde sich ändern. Aber sogar dort hatte meine Mutter lilafarbene Dekoration angebracht. Ich musste schmunzeln und schüttelte, erstaunt über das Talent meiner Mutter, nur den Kopf.
 

Ich fand Bella im Zelt, sie trug einen weiten Rock und ein normales Shirt. Sie hatte sich noch nicht umgezogen, half aber noch, der Feier den letzten Schliff zu verpassen. Gerade stellte sie die letzten Namensschilder auf die Teller. Rosalie hatte Bella und Alice zu ihren Brautjungfern gemacht und beide organisierten mit den Müttern, der Braut und des Bräutigams, so wie meiner, die Feier. Es war von Anfang an klar gewesen, dass sich die Frauen um die Hochzeit kümmern würden und es keinen Hochzeitsplaner geben würde. Nicht weil wir den nicht bezahlen konnten – das wäre das kleinste Problem – doch die Frauen in unserer Familie, waren einfach eigen, was so was anging.

Als wir in Forks angekommen waren, waren schon alle aus dem Häuschen und unser Garten war einfach nicht mehr wieder zu erkennen gewesen, dabei standen die Zelte und der Pavillon noch gar nicht. Die Rosenbüsche waren erblüht und alle Bäume, waren zu Recht gestutzt worden. Jane und Rosalies Mutter Lucy hatten sich schnell entschieden gehabt, dass die Hochzeit im Garten der Familie Cullen statt finden sollte.

„Hey meine Hübsche“, meinte ich zu ihr und lächelte sie an.

Sie sah kurz auf, wirkte etwas gestresst, lächelte aber. „Hey“, erwiderte sie. „Du bist ja schon fast angezogen“, sagte sie erstaunt. Ich war wirklich schon weitestgehend angezogen, es fehlte nur noch das Jackett und die Fliege. „Brauchst du Hilfe?“

„Nein“, sagte sie knapp. Sie sah nicht mal auf, sondern hantierte weiterhin an dem Tisch herum.

„Was ist los?“, fragte ich sofort.

Bella seufzte. „Das ist alles ein wenig stressig. Ich bin nervös, wegen meiner Rede und weil die Zeit rennt. Alice ist sich unsicher, wegen den Kleidern. Sie will wohl alles noch mal umschmeißen und Rosalie köpft sie deswegen. Deine Mutter und Lucy versuchen sie gerade zu beruhigen und deswegen bin ich die Einzige, die hier noch was tut.“ Sie seufzte, stoppte ihre Worte, die ziemlich schnell ihren Mund verließen und ich wirklich Mühe hatte ihr zu folgen. Sie fuhr sich übers Haar, welches sie zu einem unordentlichen Zopf gebunden hatte. „Außerdem bin ich noch nicht ganz fertig und… und es tut mir Leid.“

Ich lächelte sie an und trat auf sie zu. „Los, komm her.“ Ich breitete die Arme aus und Bella schmiegte sich sofort an meine Brust. Sie vergrub ihr Gesicht in meine Halsbeuge und ich hielt sie einfach fest. Manchmal fragte ich mich, wie es sein konnte, dass sich ein Mensch für die Liebe so sehr ändern konnte. Bevor ich Bella kennen lernte, war ich ein Junggeselle, der es liebte, jeden Tag eine andere Frau unter sich zu haben. Doch heute war ich ein komplett anderer Mensch geworden. Ich brauchte Bella nur zu umarmen und ich fühlte mich glücklich, ich musste sie nur lächeln sehen und mir fiel alle Last von den Schultern.

Ich küsste sie aufs Haar und löste die Umarmung wieder, nahm ihre Hände aber in die meine. „Du kriegst das hin, das weiß ich“, sagte ich ihr. „Und wenn du Hilfe brauchst, ich bin da. Das weißt du doch.“

Bella nickte. „Danke“, sagte sie und ging zum nächsten Tisch. Es war mir klar gewesen, dass sie mir nichts von ihrer Arbeit abgab. So war Bella nun mal, aber da sie so gestresst war, wollte ich mich an dem heutigen Tag auch garantiert nicht noch mit ihr streiten.

„Hochzeiten“, sagte ich nur und seufzte ein wenig. Am Anfang von Hochzeiten war immer alles stressig, hektisch und viele waren nervös. Es gab feuchte Hände und unruhige Blicke. Doch sobald die Braut den Weg zum Altar bestritt, war alles vergessen. Jedes unruhige Gefühl verschwand und alle blickten die Braut an. Alle vergaßen was sie in dem Moment noch gedacht hatten, verdrängten die Sorgen und staunten einfach nur die wunderschöne Braut an.
 


 

~~~
 

Ich fand Emmett an dem Brunnen, den meine Mutter liebte. Carlisle hatte ihn ihr aus Frankreich mitgebracht und sie hatte ihn an ihrem Lieblingsplatz aufstellen lassen, in der Allee der Birken. Sie liebte Birken und hatte diese eingepflanzt, als sie und Dad das Haus bezogen hatten. Die Birken waren inzwischen 25 Jahre alt, waren schon groß, würden aber noch viel größer werden. Sie standen in einem Kreis und in der Mitte stand nun der Brunnen, aus massivem Stein. Oft saß sie auf der Bank, welche zwischen zwei Birken stand und las oder bewunderte nach getaner Arbeit ihren Garten.

„Emmett?“, sprach ich ihn an. Er blickte mich überrascht an, schien etwas verwirrt zu sein. Inzwischen rückte die Zeremonie immer näher, ich trug meinen Anzug, die cremefarbene Fliege und meine Mutter hatte mir eine weiße Rose, aus ihrem Garten ins Knopfloch gesteckt. Ich war fertig angezogen und bereit meinem besten Freund beizustehen. „Ist alles in Ordnung?“

Er wirkte absolut nervös und ich konnte nur ahnen, dass es an dem heutigen Tag lag. „Ja, warst du bei Rose?“ Er steckte seine Hände in die Hosentasche.

„Ja, es geht ihr gut“, sagte ich ihm, doch irgendwie schien ihm das nicht zu beruhigen.

„Sie müsste inzwischen längst hier sein“, sagte er. „Rufst du sie an?“ Rose hatte die Nacht in ihrem Elternhaus verbracht und Emmett und sie hatte sich das letzte Mal gestern Abend gesehen. Er war dann mit mir zu uns gefahren und Rosalie war mit Alice zu ihrem Elternhaus gefahren.

„Emmett, komm schon.“

„Bitte“, sagte er mit Nachdruck. „Tu es einfach.“ Offensichtlich hatte er Angst oder Bammel, dass Rosalie ihn heute nicht heiraten wollte. Und ich wusste nicht mal warum er das dachte. Das die beiden zusammen gehörten war schon seit Jahren klar, vermutlich schon in der High School als sie sich das Erste Mal getroffen hatten.

„Okay, in Ordnung“, meinte ich mit einem Grinsen auf dem Gesicht und zog mein Handy aus der Hosentasche. Ich wählte ihre Nummer, welche sich in meiner Kurzwahlliste befand. „Hey Rosalie, alles klar?“

„Irgendwas stimmt da nicht“, murmelte Emmett und ich schüttelte den Kopf.

„Hey, was gibt’s?“, meldete sich Rosalie am anderen Ende der Leitung. Ich hatte auf Freisprecher geschaltet, damit Emmett hören konnte, das mit seiner Verlobten alles in Ordnung war. Ich wusste, das Emmett nicht zu den Männern gehörte, die kalte Füße am Tag ihrer Hochzeit bekommen würden, doch er war einfach verdammt nervös.

Ich hielt Emmett das Handy hin und er nahm es erleichtert entgegen.

„Hallo Baby, ich bins“, sagte Emmett ins Handy. „Alles in Ordnung?“

„Ja, du in kürze Frischverheirateter Bräutigam. Wieso?“

Ich blickte meinen besten Freund und sah das Lächeln, das sich auf Gesicht breit machte. Er schien absolut glücklich zu sein. Einfach nur, weil er ihre Stimme hören konnte. Und ich verstand ihn. Wenn Bella und ich uns den ganzen Tag über nicht sahen, rief ich sie einfach mal an, nur um ihre Stimme zu hören und schon ging es mir einfach besser.

„Na ja ich… ich wollte nur deine Stimme hören. Das war’s schon“, sagte er ihr. „Wo bist du?“

„Direkt hier“, hörten wir sie beide sagen und Emmett blickte fragend ins Telefon. Dann sah ich die Kutsche kommen, wie sie zwischen den Bäumen entlang fuhr. Ich wies Emmett darauf hin, welcher sich sofort umdrehte. Hinter dem Kutscher saß Rosalie in einer weißen Kutsche, welche mit lilafarbenen Blumen geschmückt war. Zwei Schimmel zogen die Kutsche, genauso wie sie es sich gewünscht hatte. Ich hatte mit den Augen gerollt, als die Mädels mir davon erzählt hatten, doch Emmett hatte Rosalie sofort zugestimmt. Er würde ihr immer noch jeden Wunsch erfüllen wollen und warum sollte es dann eben nicht eine weiße Kutsche sein. Es sollte doch ihr schönster Tag in ihrem Leben sein, hatte mein bester Freund mir erklärt.

Emmett lächelte seine Geliebte an und sie tat es ihm gleich. Sie schenkte ihrem Verlobten einen Luftkuss, während die Kutsche weiter fuhr.
 


 

~~~~
 


 

Dann, wenig später war es soweit. Die Gäste hatten auf ihren Stühlen vorm Pavillon Platz genommen. Emmett stand vor dem Pfarrer am Altar und trat von einem Fuß auf dem anderen. An einem schwarzen Flügel saß Michelle Featherston, welche ihr Lied „We are Man and Wife“, spielte und mit ihrer unglaublich sanften Stimme sang.
 

„ All the things you are to me, darling you have set me free.

Always give you what you need and what you desire.”
 

Ich stand neben Jasper an den Stufen des Pavillons und wir konnten nur schmunzeln, über Emmetts Nervosität. Wenn wir ihn nicht dazu genötigt hätten, endlich stehen zu bleiben, wäre er auch weiterhin durch die Gegend getigert, weil es ihm einfach zu lange ging. Er wollte seine Rosalie sehen. Er wollte sie endlich heiraten.

Wie auch im Zelt war der Pavillon mit lila Stoffbahnen geschmückt, während Blumenbouquets aus lilafarbenen und weißen Rosen das ganze vollkommen aussehen ließen. Der Weg zu Emmett war mit einzelnen Rosenblüten geschmückt.
 

„ All the joy and all this love, and all that it is from above

Now together there's enough to fill this world.”
 

Zuerst kamen Emmetts Eltern den Gang entlang und setzten sich in die erste Reihe. Sie lächelten glücklich und freuten sich genauso wie ihr Sohn und alle anderen Anwesenden auf dieses Fest.
 

Den beiden folgten Bella und Alice. Ich konnte Bella nur anstarren, als sie den Gang entlang schritt und mich dabei einfach nur ansah. Mir stockte fast der Atem und für einen Moment stellte ich mir vor, wie es sein würde, wenn ich an Emmetts Stelle war. Als sie lächelte, konnte ich gar nicht anders, als es zu erwidern.

Sie stellten sich auf den Treppen uns gegenüber hin. Bella lächelte mich schüchtern an und sie sah einfach umwerfend aus. Sie und Alice trugen ein cremefarbenes, trägerloses Kleid. Eine eingenähte Korsage taillierte das Kleid schön, welches dann in leichten Stoff nach unten fiel. Es reichte ihnen bis zu knapp über die Knie, wo es in Spitze endete. Das war eindeutig Alice‘ Werk und sie konnte stolz auf sich sein. Die beiden trugen Bouquets aus weißen Rosen und blickten erwartungsvoll den Gang entlang, warteten wie auch der Rest der Anwesenden auf die Braut.
 

“'Cause you are the love of my life, you are the love

of my life… and now we're man and wife.”
 

Alle standen auf, als Rosalie an der Seite ihrer Vaters den Gang entlang schritt. Sie trug ein langes weißes Kleid, schmale Träger, die mit Spitze besetzt waren, waren ebenso ein Hingucker wie die Swarovski-Kristalle die in die Korsage eingearbeitet wurden.

Das war mein schönster Moment an Hochzeiten. Wenn alles von den Schultern abfiel, wenn die Braut über den Gang ging und alle sie bestaunten. Man vergaß seine eigenen Sorgen und dachte nur noch an das Glück und die Zukunft des jungen Paares. Man bewunderte die Schönheit der Braut und wünschte ihr viel Liebe an der Seite des Mannes, den sie sich ausgesucht hatte.
 

„ All the things that you would do...you know I'm standing

next to you, darling I will see you through the rest... of our

lives.. With you beside me I have won, I'm glad I waited for

so long, but there's no doubt that you are the one...for me.”
 

Rosalies Schritte waren langsam und man konnte sehen, dass sie sich selber dazu anhalten musste, langsam zu gehen. Denn eigentlich wollte sie so schnell wie möglich bei ihrem Zukünftigen ankommen. Ihn umarmen und küssen, Ringe tauschen und endlich den Bund der Ehe eingehen. Sie wollte allen zeigen, dass sie zusammen gehörten.
 

Emmett trat die Stufen des Pavillons hinab, um seine Braut in Empfang zu nehmen.
 

Ihr Vater blieb mit Rosalie stehen, sah Emmett kurz an und umarmte dann seine Tochter. Er küsste sie auf die Stirn, da der Schleier eh nach hinten gelegt war. „Ich liebe dich mein Engel“, hörte man ihn sagen, dann legte er die Hand seiner Tochter in Emmetts und nickte diesem zu.
 

„ You are the love of my life, you are the love of my life..

and everytime, they'll be things, everything is gonna be fine..

Now you're in my life.“
 

Emmett führte Rosalie an der Hand die Treppen hinauf zum Pfarrer. Die blonde Braut reichte Bella ihren Blumenstrauß, damit sie ihre Hände für die Zeremonie frei hatte.

Dann standen die beiden sich gegenüber, lächelten sich an und hielten sich an den Händen.

„Liebe Freunde und Familie“, sprach der Pfarrer. „Wir sind heute hier um die Erneuerung eines Versprechens mit zu erleben und den heiligen Bund der Ehe zu schließen. Das Versprechen zwischen Emmett und Rosalie, dass sie einander bedingungslos lieben. In Guten wie in Schlechten Zeiten.“

Alle lauschten gespannt den Worten des Pfarrers, wollten keinen einzigen Moment verpassen.

„Emmett und Rosalie, es gibt so vieles was ich Euch sagen könnte. Aber stattdessen höre ich lieber Euch zu, was ihr einander zu sagen habt. Rosalie.“

Rosalie nickte dem Pfarrer zu und blickte Emmett an. „Emmett“, sie lächelte glücklich. „Es gibt ein Wort, das uns immer von der Last und dem Schmerz des Lebens befreit. Und dieses Wort heißt Liebe.“ Sie lächelte ihn an. „Und daran glaube ich auch. Das heißt nicht, dass wir keine schweren Zeiten hatten und nicht wieder haben werden. Aber das heißt, dass ich durch die Ruhe und den Glauben an mich selbst gefunden habe.“ Sie biss sich auf ihre Unterlippe und ich konnte sehen, dass ihre Augen glänzten. „Du gibst mir Mut und dafür werde ich dich für ewig lieben. Für mich wird es immer nur dich geben.“ Sie holte tief Luft, kämpfte mit ihren Tränen, die sich ankündigten. „Das verspreche ich dir heute.“

„Emmett“, sagte der Pfarrer.

„Schon paar Wochen, nachdem wir damals zusammen kamen, habe ich dir damals am Strand von La Push gesagt, wie sehr ich dich liebe und dass ich dich immer beschützen werde. Du meintest zwar, du brauchst keinen Beschützer, dennoch werde ich mein Bestes tun. Es gab welche, die an uns gezweifelt haben. Meinten, wir wären zu jung um uns schon festzulegen. Aber hätten sie gesehen, wie tief meine Liebe für dich ist, hätten sie nie gezweifelt und deshalb will ich dich heute heiraten... Vor den Augen all unserer Freunde… Denn wenn ich heute, tief in deine Augen sehe, wird meine Liebe zu dir nur noch stärker.“ Ich konnte sehen, wie Rosalie ihn anstrahlte, glücklich über seine Worte, denn vor allem sie wusste, wie wahr sie doch waren. „Sie wächst ins unermessliche. Diese Liebe wird nie ins Wanken kommen. Das verspreche ich dir heute. Nicht nur heute, sondern für immer und ewig.“

„Für immer und ewig“, wiederholte Rosalie die Worte ihres Mannes und lächelte ihn glücklich an.

„Rosalie, willst du am heutigen Tag Emmett heiraten und für immer an seiner Seite sein?“, fragte der Pfarrer. Sie lächelte Emmett an und nickte, ließ sich dann von Bella den Ring reichen. „Ja, ich will.“ Sie steckte Emmett den Ring an seinen linken Ringfinger an, schob ihn langsam über den Finger und strahlte dabei, wie es nur eine Braut tun konnte.

„Emmett, willst du, am heutigen Tag, Rosalie zu deine Ehefrau nehmen und ihr immer beistehen?“

„Ja, ich will“, antwortete Emmett mit ruhiger Stimme und ernstem Blick. Er holte den Ring aus der Innentasche seines Jacketts und steckte ihn über Rosalies zierlichen Ringfinger.

„Und nun erkläre ich Euch, vor den Augen Gottes und all euren Freunden zu Mann und Frau. Solange ihr lebt.“ Beide blickten den Pfarrer glücklich an. „Sie dürfen die Braut nun küssen.“

„Ich liebe dich, Rose“, sagte Emmett und lächelte sie an, beugte sich langsam zu ihr nieder und bedeckte ihre Lippen, mit den seinen.

Alle Anwesenden klatschten erfreut und die Stimmung war eine vollkommen andere, als noch vor einer Stunde. Sie war gelöst, erfüllt mit Liebe und Hoffnung.

Rosalie und Emmett lösten sich voneinander, zumindest ihre Lippen, denn ihre Hände blieben umschlossen, als sie sich zu den Gästen umdrehten und lächelten. Glücklich. Strahlend. Voller Liebe.

Sie gingen die Treppe herunter. Ich blickte Bella an, welche mich glücklich ansah und mein Herz schwoll an. Ich war glücklich, dass sie bei mir war.

Wir gingen zur Mitte, und gingen dann auch die Treppen nach unten.

„Für immer und ewig?”, fragte ich sie.

Sie blickte mich kurz an, ich sah das Funkeln in ihrer Augen und wusste, dass es die richtige Entscheidung war.

„Ja“, erwiderte sie nur und griff nach meiner Hand.


 

„ You are the love of my life, you are the love of my life..

You are the love of my life, you are the love of my life..

Now we're man and wife..we're man and wife.

Now we're man and wife..we're man and wife..

We're man and wife..“
 


 

~~~
 


 

„Edward, was tust du da?“

Ich blickte von dem Fotoalbum in meinen Händen auf und sah in das Gesicht meiner Freundin. Bella hatte sich ein Tuch um den Kopf gebunden, das ihre Haare nach hinten band, trug ein weites Shirt und kurze Shorts. Es war Ende August und sogar in Seattle warm. Doch unsere Tage in Seattle neigten sich dem Ende zu, genauso wie die Kisten in dieser Wohnung.

Bella griff nach einer Kiste und hob sie an, jedoch ließ sie diese sofort wieder sinken. „Okay, die ist mir zu schwer.“

Ich legte das Fotoalbum in eine noch offene Kiste und trat zu Bella. „Gut, dann nehme ich die.“ Ich zog sie an mich und küsste sie liebevoll. „Habe ich dir heute schon gesagt, dass ich dich liebe?“

Sie schüttelte den Kopf und wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn. „Nein. Aber ich finde einen Raum voller Kisten ist auch nicht der romantischste Ort dafür“, erwiderte sie nur, dennoch erwiderte sie meinen Kuss nur all zu gerne.

„Ich liebe dich dennoch, Bella.“

„Ich dich auch“, seufzte sie in den Kuss hinein.

Nichts würde mir jemals mehr bedeuten, als diese Frau in meinen Armen. Es gab für mich nur noch sie. Sie war das Beste was ich wollte. Das Einzige was ich brauchte. Ich liebte sie. Unendlich.

„Hey, ihr Beiden. Hier wird nicht geknutscht“, sagte Alice genervt. „Es ist schließlich euer Umzug. Also schnappt euch die nächste Kiste, damit wir endlich fertig werden.“

Ich nickte meiner Schwester zu, die sich die nächste Kiste aus Bellas Wohnung griff. Ich küsste Bella noch mal liebevoll auf die Lippen und griff nach der nächsten Kiste.
 


 

In diesem Augenblick gibt es 6 835 864 125 Menschen auf der Welt. Vielleicht auch ein, zwei mehr oder weniger. Aber manchmal braucht man lediglich einen. In guten wie in schlechten Zeiten.
 


 


 


 


 


 

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http://www.youtube.com/watch?v=jvyCATSqcvI (We Are Man And Wife - Michelle Featherstone)
 

Rosalies Hochzeitskleid: https://www.shop.queen-dreams.de/shop/images/1652_Brautkleid-Schulterfrei-6032_OE-K6032ev.jpg
 

Emmetts Anzug: http://www.teller.at/pics/cut.jpg
 

Jaspers/Edwards Anzug: http://www.modehaus-havekost.de/typo3temp/pics/4afce4926c.jpg
 

Brautjungfernkleider: Bella das kurze, Alice das lange: http://janisshop.de/UploadImages/Images/83_Janis_bridalmaid00009.jpg

Geben und Nehmen

D.H.T. - Listen to your heart

http://www.youtube.com/results?search_query=bella+edward+listen+to+your+heart&aq=f"]http://www.youtube.com/results?search_query=bella+edward+listen+to+your+heart&aq=f

I know there’s something in the wake of your smile

I get emotion from the look in your eyes, yeah

You’ve built our love

But that love falls apart

A little piece of heaven turns to dark
 

Listen to your heart

When he’s calling for you

Listen to your heart

There’s nothing else you can do

I don’t know where you’re going, and I don’t know why

But listen to your heart

Before you tell him goodbye.
 


 

Heute war der vierte Dezember, das hieß, dass Edward und ich ungefähr seit drei Monaten in New York wohnten. Dass wir seit drei Monat zusammen lebten und ich musste zugeben, dass es besser klappte als anfangs erwartet. Man konnte sogar sagen, dass der Alltag uns eingeholt hatte. Wir lebten in unserer 160 m² großen Wohnung und irgendwie passte einfach alles. Auch wenn ich immer noch der Meinung war, dass die Wohnung eindeutig zu groß für uns zwei war. Gerade in New York, aber Edward und auch Alice bestanden darauf, dass das schon okay wäre. Alice hatte eine Weile mit Jasper bei uns gewohnt. Edwards Schwester hatte ein Angebot von Vivienne Westwood bekommen, bei dieser direkt zu lernen und das war für Alice ein Grund ihr Studium in Seattle abzubrechen und mit uns nach New York zu ziehen. Sie wollte bei Vivienne Westwood arbeiten und lernen, denn somit war sie ihrem Traum von einer selbstständigen Modedesignerin zu werden, näher gekommen. Vivienne Westwood hatte ein paar Kleider von Alice gesehen und war von ihr begeistert gewesen und Alice war von diesem Angebot mehr als nur entflammt gewesen. Es hatte ihr allerdings eine Menge Überredungskunst gekostet, ihre Eltern zu überzeugen, dass es für sie am besten wäre ihr Studium abzubrechen und bei Vivienne Westwood in die Lehre zu gehen. Aber schließlich hatten sie ihr dann doch zugestimmt, Alice nach New York gehen lassen.

Eine Zeitlang hatte sie dann bei uns gewohnt, um sich selber eine Wohnung zu suchen und nachdem fest stand, das Jasper sie ebenso begleiten würde, hatte ihr die Suche noch viel mehr Spaß gemacht. Es war mein 24ter Geburtstag gewesen, als er es ihr gesagt hatte.
 


 


 


 

13. September, New York

13. September, New York

„Happy Birthday to you“, weckte mich eine liebevolle Stimme und ich musste lächeln, noch während ich die Augen geschlossen hatte. Eigentlich mochte ich meinen Geburtstag nicht. Ich gehörte nun mal zu den Menschen, die ihren Geburtstag nicht gerne feierten, einfach weil ich es nicht leiden konnte, im Mittelpunkt des Geschehens zu stehen. Das war nun mal einfach nicht meine Welt.

Ich spürte wie sich das Bett etwas senkte und sich Edward neben mir setze. Er roch frischgeduscht, denn sein After Shave drang in meine Nase, als er sich zu mir herunter beugte und mich auf die Stirn küsste. „Mach die Augen auf, Geburtstagskind.“

Ich tat wie er mich gebeten hatte und blickte in sein strahlendes Gesicht. Er grinste mich an, beugte sich noch mal zu mir herunter und küsste mich liebevoll auf die Lippen.

„Du hast mir versprochen mir nichts zu schenken“, sagte ich und sah das Geschenk an, welches neben ihm auf dem Bett lag.

Er grinste schuldbewusst und stellte mir das Tablett, das er auf den Nachtisch abgestellt hatte auf die Beine. Dort stand ein Glas Orangensaft für mich, Schüsseln mit geschälten Apfelstückchen, Kirschen und Pfirsichen. Doch Lächeln musste ich, als ich das Yes-Törtchen sah, in dem eine Kerze steckte. „Nein, ich habe dir das nur gesagt, damit du Ruhe gibst.“

Ich seufzte, konnte ihm aber nicht wirklich böse sein. Eigentlich hätte ich es ja wissen müssen. So war Edward nun mal. Edward gehörte zu den Menschen, die andere gerne beschenkten. Besonders die Menschen, die ihm am Herzen lagen. Außerdem war er immer der Meinung, dass ich eigentlich jeden Tag ein Geschenk verdient hätte, einfach weil er mich so sehr liebte.

„Also als Erstes musst du die Kerze auspusten und dir natürlich was wünschen“, erklärte er mir, als wäre das mein erster Geburtstag, den ich feierte. Erwartungsvoll sah er mich an, ich rollte mit den Augen, tat ihm aber den Gefallen, pustete die einsame Kerze auf dem Törtchen aus.

„Du frühstückst nun erst mal im Bett und dann kannst du dich Alice gegenüber stellen. Sie ist gerade in der Küche versucht einen Kuchen für dich zu backen. Jasper versucht ihr zu helfen, aber eigentlich kann ich nicht von dir verlangen, dass du ihn essen wirst, denn ich kenne nun mal die Kochkünste meiner Schwester.“

Ich schlug ihn leicht gegen den Oberarm, denn er kannte meine Meinung, wenn er über seine Schwester lästerte. Das waren Dinge, die ich absolut nicht hören wollte und er sollte sich gefälligst benehmen. Sie war nun mal meine beste Freundin und er sollte nicht so über sie reden. „Rede nicht so über sie.“

„Bella, glaub mir, ich kenne sie schon ein paar Jahre länger als du. Um genauer zu sein, ich kenne sie 24 Jahre lang schon und dabei frage ich mich wirklich jeden Tag, wie ich es so lange mit ihr ausgehalten habe.“ Er grinste mich immer noch an und griff nach einem geschälten und geviertelten Apfelstückchen. Er hielt es mir an die Lippen. „Du sollst doch dein Frühstück essen.“

Ich öffnete brav meine Lippen und Edward steckte mir das Apfelstück hinein. Ich lächelte ihn an und gab mich auch geschlagen. Wenn Edward mich füttern wollte, dann würde ich eh nicht gegen ihn protestieren können, einfach weil heute mein Geburtstag war.

Edward und Alice hatten eine andere Meinung über Geburtstage als ich. Für mich war das ein ganz normaler Tag. Doch im Hause Cullen war der Geburtstag ein Tag, an dem das Geburtstagskind kein Finger rühren sollte. „Du willst doch nur, dass ich satt bin und deswegen nicht Alice Kuchen mehr esse.“

Er griff nach dem nächsten Apfelstück. „Nein, ich will dich nachher nicht ins Krankenhaus fahren, damit man dir den Magen wegen einer Lebensmittelvergiftung auspumpt.“

„Du übertreibst“, sagte ich und öffnete brav meinen Mund, damit er mich weiterhin füttern konnte, was ihm offensichtlich sehr gefiel.

„Ich habe eine Idee“, meinte er mit einem Lächeln auf dem Gesicht, das mich wissen ließ, dass es nicht ganz jugendfrei sein würde. Er hatte immer dieses Grinsen auf dem Gesicht, wenn er mich packte und in unser Bett trug. Er meinte, man müsse es ja ausnützen, wenn man in wilder Ehe zusammen lebte. Müsste dem Ruf ja auch gerecht werden.

Er nahm ein Apfelstückchen und steckte es sich zur Hälfte in den Mund, dann beugte er sich zu mir herüber und ich wusste sofort, was er von mir wollte. Meine Lippen umfassten das Apfelstückchen und berührten seine Lippen. Ich biss ab und meine Lippen berührten seine inniger und intensiver. Wir küssten uns, mussten ihn aber unterbrechen, da wir den Apfel noch kauen und herunterschlucken mussten.

Wir grinsten beide und ich fand, dass es gar nicht so schrecklich war, auf diese Art und Weise in den Geburtstag geholt zu werden.

„Und was kriege ich jetzt? Kirsche oder Pfirsich?“, fragte ich ihn und sah mir die kleinen Schüsseln an, die mit den Früchten gefüllt waren.

„Gut, wir können dieses Gespräch über die Kochkünste meiner Schwester gerne noch länger führen, aber Sie werden nicht drum herum kommen an ihrem Geburtstag Geschenke zu öffnen, Miss Swan“, erklärte er mir und ich seufzte auf. „Also, welches willst du zu erst? Ich bin ja für meins. Ich kann allerdings auch meine Schwester reinholen, die einen ganzen Korb von Geschenken für dich hat.“

„Gut, ich nehme deins“, sagte ich sofort.

„Braves Mädchen“, sagte er mit einem frechen Lächeln um die Mundwinkel herum und reichte mir schließlich sein Geschenk.

„Was ist das?“, fragte ich ihn und betrachtete das Geschenk, welches in einem schlichten, blauen Geschenkpapier eingepackt war. Eine weiße Schleife zierte es noch.

„Bella, offensichtlich hast du noch nie Geburtstag gefeiert, wenn du nicht mal weißt, wie man Geschenke öffnet.“

Ich rollte mit den Augen und löste das weiße Band von vom Geschenk, öffnete danach den Klebestreifen und löste das Geschenkpapier und bekam eine schmale Schachtel zu Gesicht. „Was ist das?“, wiederholte ich unbewusst meine Frage von eben und zögerte, sie zu öffnen.

„Schon wieder so eine dumme Frage, Bella“, sagte er nur und wartete darauf, dass ich die Schachtel öffnete.

„Das ist… das ist von Tiffany…“, erkannte ich schließlich das gleiche Emblem am Rand der Schachtel.

„Na ja, wir sind ja in New York“, antwortete er nur und ich seufzte. Ihn schien es egal zu sein, dass dieses Geschenk meiner Meinung nach viel zu teuer war. Aber wir wussten beide, dass wir diese Diskussion nicht schon wieder führen wollten, denn sie führte einfach zu nichts.

Ich strich noch einmal über die Schachtel und öffnete sie schließlich. Ich wusste nicht, was ich erwartet hatte, doch das war es nicht. In der Schachtel lag ein Armband, mit vielen Ösen. Zwei Anhänger hingen an der silbernen Kette, ein rosafarbener Ballettschuh und ein kleine Kassette.

„Das ist ein Bettelarmband“, erklärte er mir. Er nahm das Armband aus der Schachtel und legte es mir um mein rechtes Handgelenk. Seine langen Finger steckten den Karabinerverschluss in die Öse und dann hing es um mein Handgelenk.

„Falls es dich interessiert, der Designer ist Thomas Sabo, der wegen dieser Bettelarmbänder berühmt geworden ist. Ich hatte mir mehrere angesehen doch dieses hier, hatte mir am besten gefallen. Eigentlich wollte ich ja ein Klavier oder ein Flügel, aber es gab keines. Also habe ich mich für die Kassette entschieden, weißt du warum?“

Ich nickte und fuhr über die einzelnen Ösen des Armbandes. Es war wunderschön, genauso wie die Anhänger. „Die Ballettschuhe stehen für mich und die Kassette symbolisiert Musik, was auf dich trifft.“

„Ich wusste doch, dass ich eine schlaue Freundin habe.“

Ich lächelte nur und streichelte über die kleine Kassette die nun an meinem Handgelenk baumelte. „Danke.“

„Es gefällt dir?“

Ich nickte, hob den Kopf und umarmte ihn. „Ja, es ist großartig.“ Auch wenn ich nicht unbedingt eine Schmuckträgerin war, mochte ich doch dieses Armband. Es stand für uns beide. Für ihn und für mich und es war einfach wunderschön.
 

~~~
 


 

Unsere Kisten waren noch nicht mal alle ausgepackt. Zum Glück waren die Zimmer aber sonst alle schon eingerichtet. Ich war gerade mit in dem Büro, welches vor allem Edward bewohnen würde und räumte eine seiner Kisten aus. Die Bücher seines Studiums, welche verdammt schwer waren, in dem Regal aber sehr gut aussahen.

„Du sollst doch heute nichts aufräumen.“ Ich drehte mich um und blickte Alice an, sie grinste strahlend und kam dann schnell zu mir um mich in ihre Arme zu schließen. „Ich wünsche dir alles Gute zum Geburtstag, Bella.“ Umarmungen waren mir wesentlich lieber als dieses Händedrücken. Es war immer so erzwungen und irgendwie auch zu formell. „Zeig mir mal das Armband“, forderte sie und ich hielt es ihr hin, damit sie es sich anschauen konnte. Sie hielt mein Arm fest und sah sich sehr genau die Anhänger an. Dann ließ sie meinen Arm wieder los und nun baumelte noch ein weiterer Anhänger an dem Armband. Es war eine Blume, aus einem pinkfarbenen Kristall. Überrascht sah ich sie an. „Ich dachte dein Kuchen, wäre mein Geschenk.“

„Du nun wieder“, meinte sie und rollte mit den Augen. „Glaubst du, ich schenke dir einen Kuchen zum Geburtstag, von dem mein lieber Bruder der festen Überzeugung ist, dass er dich vergiften wird.“ Alice sagte das lauter und ich wusste, das sie damit ihren Bruder provozieren wollte.

„So habe ich das nicht gesagt“, hörten wir beide Edward rufen und rollten beide mit den Augen, denn wir wussten alle, dass er es genauso gesagt hatte. Alice grinste mich an und ich wusste, dass ich die Kiste mit Büchern nun stehen lassen musste, denn ich hatte es geschafft, Edward zu überreden mich etwas einräumen zu lassen, doch Alice würde ich nicht so leicht überreden können. Wir sagte Emmett immer, Alice war der schlimme, der böse Cullen-Zwilling.
 


 

~~~
 

Wenig später saßen wir am Esstisch und aßen Alice gekauften Kuchen, denn ihr selbstgebackener war wie Edward erwartet hatte nicht essbar gewesen. Vermutlich hatte sie Salz und Zucker vertauscht, ebenso hatte sie das Backpulver vergessen und offensichtlich hatte sie es nicht wirklich homogen gerührt, so dass noch Klumpen Mehl im Kuchen waren.

Edward hatte sich jedenfalls kaputt gelacht, doch dann hatte Alice den gekauften Kuchen aus dem Schrank geholt und er hatte Ruhe gegeben. Einfach auch deswegen, weil ich ihn darum gebeten hatte.

Jasper saß mit am Tisch, denn er war seit drei Tagen auch hier. Allerdings nur zu Besuch, was Alice nur leider fand. Sie liebte ihn und das einzige, was sie an ihrer Entscheidung störte, nach New York gezogen zu sein, war die Tatsche, dass Jasper in Seattle lebte und wir uns somit an der anderen Küstenseite von Amerika befanden.

„Und was machen wir heute noch?“, fragte Alice und sah mich erwartungsvoll an.

„Was müssen wir denn machen?“

Sie rollte nur mit den Augen und seufzte. „Bella, du hast heute Geburtstag. Das sollte verdammt noch mal gefeiert werden.“

„Aber wir feiern es doch“, widersprach ich und erstach mein Kuchenstück mit meiner Gabel.

„Vergiss es Alice, ich habe es auch schon versucht“, sagte Edward und gespielt sauer, sah ich ihn an. Die beiden würden sich noch gegen mich verschwören, wie sie es immer taten, wenn ich nicht ihrer Meinung war. Manchmal war es wirklich schon schwer mit einem Cullen klar zu kommen, doch mit zwei auf einmal war es dann doch hoffnungslos.

„Es wird Zeit, dass ich nur noch mit einem Cullen zusammen wohne“, sagte ich ernst und löste mit der Gabel ein Stück von Kuchen ab, um es mir in den Mund zu stecken.

„Wo wir gerade davon reden“, sagte Jasper, der sich inzwischen aus allem heraus gehalten hatte. Er hatte neben Alice gesessen und nur gelächelt. Die beiden waren einfach das komplette Gegenteil von einander und doch passten sie einfach zu einander. Eben wie ein Haken in einer Öse, an meinem Bettelarmband.

„Ich werde auch nach New York ziehen.“

Alice ließ die Gabel fallen und blickte ihren Freund überrascht an. „Du wirst was?“ Offensichtlich traute sie den Worten, die sie eben aus seinem Mund gehörte hatte, nicht wirklich. Ungläubig sah sie ihn an.

„Ja, ich habe mein Studium in Seattle abgeschlossen und mich eigentlich nach einer Stelle dort umgesehen gehabt. Doch nun habe ich eine Zusage für eine PR-Agentur hier“, erzählte er ihr. „Ich hatte mich hier beworben gehabt, kurz nachdem du den Entschluss gefasst hattest, dein Studium in New York abzubrechen.“

Alice‘ Augen weiteten sich immer mehr und ihr Lächeln wurde breiter und breiter.

„Also wirst du nicht alleine nach New York ziehen, sondern mit mir.“

Kaum hatte er die letzten Worte ausgesprochen, war Alice aufgesprungen und hatte sich ihm um den Hals geworfen, dabei kippte ihr eigener Stuhl um und Jasper konnte sich nur gerade so, mit ihr als zusätzliches Gewicht auf seinem Stuhl halten, ohne umzufallen.

„Das ist echt großartig, Mann“, meinte Edward und grinste Jasper an, der Alice im Arm hielt, die gerade damit beschäftigt war, jeden Zentimeter seines Gesichts zu küssen.

„Das ist so wundervoll, Jasper. Aber es ist schon gemein, dass du das solange vor mir geheim gehalten hast“, sagte Alice zu ihm und küsste immer wieder seine Lippen.

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„Bin wieder zu Hause“, sagte ich, als die Fahrstuhltüren hinter mir wieder zu gingen und ich meine Tasche auf dem Siedeboard im Flur legte.
 

Leise Musik drang zu mir durch und ich wusste sofort, wo ich Edward finden würde. Schnell zog ich meinen Mantel aus, schlüpfte aus meinen Schuhen und ging direkt die Treppe nach oben, wo ich meinen Freund an seinem schwarzen Flügel sitzen sah. Er schien mich gar nicht gehört zu haben, denn er war immer noch in sein Spiel vertieft. Auf Katzenpfoten tapste ich zu ihm und legte meine Arme um ihn, drückte mich an ihn und küsste ihn auf die Wange. „Das klingt wundervoll.“

Er nahm seine Hände von der Tastatur und seine Arme legten sich auf meine. „Du bist ja wieder da.“

Ich nickte und setzte mich neben ihn auf den Hocker des Flügels. „Ja“, antwortete ich und legte meine linke Hand auf den Flügel und drückte ein paar Tasten herunter. „Das war was Neues. War der Tag so anstrengend?“ Edwards Arbeit als Hilfsrichter am New Yorker Gericht für Jugendstrafrecht war nicht immer leicht. Er liebte seine Arbeit, dennoch gab es Tage, an denen ihm die Fälle zu nahe gingen. Und oft fand ich ihn dann an seinem Flügel, wo er sich versuchte abzulenken. Das war sein Ausgleich zur Arbeit.

„Ja, ich kann manche Menschen einfach nicht verstehen.“

Besorgt sah ich ihn an, lehnte meinen Kopf dann gegen seine Schulter. „Du musst nicht jeden Menschen verstehen, Edward.“ Und helfen schon gar nicht, dachte ich mir, sprach es aber nicht aus. Denn es war nicht das, was er hören wollte.

„Manche Eltern verdienen es nicht, dass sie Kinder haben. Sie verstehen einfach nicht, dass es einem Kind mehr als nur schadet, wenn sie ihre Kinder nicht lieben. Irgendwann kommen sie einfach vom rechten Weg ab und weißt du, was die Eltern dann sagen, dass Kind hatte doch selber Schuld. Es war doch die Entscheidung des Kindes. Nur ein fünfzehnjähriger Junge, der sich nach der Liebe seiner Eltern sehnt, Aufmerksamkeit bekommen will, kann keine richtigen Entscheidungen treffen. Woher soll ein Kind wissen, was richtig und falsch es, wenn die Eltern es einem nicht zeigen.“
 

Ich nahm Edwards Gesicht in meine Hände und küsste ihn liebevoll auf die Stirn. Danach betete er seinen Kopf auf meine Brust und ich hielt ihn einfach nur fest, streichelte über seine Haare. Auch wenn ihm sein Job nahe ging, wussten wir beide, dass das für ihn kein Grund wäre, sich einen anderen zu suchen. Das war es, was er tun wollte, egal wie nahe es ihm ging. Egal wie sehr es ihm belastete. So saßen wir einen Moment einfach nur so da, sein Kopf auf meiner Brust gebettet, während ich durch sein Haar streichelte. Wir lauschten dem Atem des anderen, spürten das Heben und Senken des Brustkorbes und hielten uns an dem anderen fest.

Es gab auch oft Momente, wo Edward für mich da war.
 


 


 

[style type="italic"]Mir tat alles weh. Jeder einzelne Muskel schmerzte. Ich fühlte meine Füße nicht mehr und das war noch das Gute an der Sache, denn wenn ich sie wieder spüren würde, dann würde der Schmerz mich überkommen. Es gab schon Tage da wurde ich von dem Schmerz fast ohnmächtig.

Die Türen des Aufzugs schlossen sich hinter mir und ich ließ mich erschöpft auf den Boden gleiten. Ich würde keinen einzigen Schritt mehr gehen und versuchte aus meinen Schuhen zu schlüpfen. Ich trug extra Vans, da diese kaum an der Haut rieben, dennoch war es eine Tortur die Schuhe auszuziehen und sie abzustreifen.

Ich lehnte den Kopf gegen das kalte Metall der Aufzugtüren und schloss für einen Moment die Augen. Ich liebte das Tanzen und ich liebte das Ballett. Doch ich hasste die Momente wie heute, wo mich der Schmerz daran erinnerte, dass Ballett eine körperliche Anstrengung von einem forderte. Es war hart und es gab genug Tänzerinnen, die irgendwann aufhörten, weil sie mit den Schmerzen nicht mehr klarkamen. Oder sie nahmen Schmerzpillen und wurden abhängig von diesen, weil die Schmerzen immer wieder auftraten.

„Bella?“, hörte ich Edward rufen, doch ich öffnete die Augen nicht und blieb einfach nur im Flur sitzen, ohne ihm zu antworten. Ich vernahm seine Schritte, die näher kamen und hörte dann wie er schwer ausatmete. „Bells“, sagte er vorsichtig und setzte sich neben mich. „So schlimm heute?“

Ich nickte nur, da ich nicht mehr wirklich sprechen konnte. Die Taubheit in meinen Füßen verschwand und ich kämpfte mit dem Schmerz, der stoßweise über meinen Körper hereinbrach.

„Gut, dann komm“, sagte er ruhig, legte seine Arme unter meine Knie und unter meinem Rücken und hob mich an.

Ich legte meinen Kopf an seine Brust und ließ mich von ihm in das obere Stockwerk unserer Wohnung tragen, wo er mit mir direkt ins Badezimmer ging. Er kniete sich mit mir in seinen Armen vor die Badewanne und stellte das Wasser an, ohne mich los zu lassen.

„Du hättest mich auch anrufen können. Ich hätte dich abgeholt Bells.“

„Ich weiß, Ed“, sagte ich und wusste, dass er sauer war. Seine Stimme sagte mir das. Er hatte schon oft gesagt, dass ich ihn gefälligst anrufen solle, wenn meine Füße so weh taten, dass ich eigentlich nicht mehr laufen konnte. Doch bisher hatte ich das noch nie getan, ich wusste selber nicht warum ich ihn nicht anrief.

Vielleicht weil ich immer noch dachte, das Ballett wäre meine Sache. Ich wollte ihm einfach nicht zur Last fallen. Sein Beruf forderte schon genug von ihm, da sollte er sich nicht auch noch um mich sorgen und kümmern müssen.

„Wann siehst du endlich ein, dass ich für dich da bin. Du musst es aber auch zu lassen, dass ich dein Freund sein kann.“ Seine Stimme klang ernst und wütend. Dieses Gespräch hatten wir schon oft geführt und es endete immer gleich. Wir kamen immer zum gleichen Punkt an, an dem ich an der Reihe war, mich zu ändern.

„Es tut mir Leid“, brachte ich nur hervor und seufzte auf.

„Ich weiß und mir auch.“ Er setzte mich auf den Rand der Wanne ab und hob mein rechtes Bein an. Er fasste es an der Wade an, damit er mir nicht noch mehr weh tat. Seine Finger waren vorsichtig, als sie mir die Socken abstreiften. Er weitete den Bund der Socke so weit es ging und versuchte ihn mir auszuziehen, ohne meine Haut zu berühren.

Ich seufzte auf, als ich die blutigen Blasen sah. Ich blickte Edward ins Gesicht, sah sofort, wie er seine Lippen zu einer schmalen Linie wurden.

„Wenn ich nicht wüsste, dass du das Ballett lieben würdest, würde ich denke, du bist bescheuert und stehst darauf Schmerzen zu spüren.“

Ich sagte nichts, denn es gab nichts, was ich darauf sagen konnte. Ich saß einfach nur am Rand der Wanne und hielt mich am Keramikrand fest. Hinter mir füllte sich die Badewanne und der Geruch des Kräuterschaumbads erfüllte das Badezimmer mit einem Geruch von Minze, Lavendel und vielen weiteren Gerüchen. Carlisle hatte mir dieses Schaumbad mal geschenkt, weil es so gut gegen die Blasen half und ich war ihm dafür wirklich sehr dankbar. Die Minze kühlte die Wunden direkt und linderte den Schmerz.

„Gut, zieh du dich mal aus und leg dich in die Wanne. Ich hole dir was zu trinken“, sagte Edward und stand auf. Er versuchte sanfter zu klingen, hoffte, dass ich ihm glaubte, dass er nicht mehr wütend auf mich war. Aber ich wusste es besser. Ich kannte ihn einfach besser. Edward liebte mich und er sorgte sich um mich und dafür liebte ihn. Doch eben weil er sich um mich sorgte und das nicht einfach abstellen konnte, wusste ich auch, dass er nun sauer auf mich war. Er hasste es, mich so zu sehen. So verletzt. Er hasste meine Schmerzen und meine blutigen Blasen und vermutlich hasste er sogar deswegen auch mein Ballett. Auch wenn es nun mal zu mir gehörte. Aber ich verstand ihn und war ihm deswegen nicht böse.

Ich griff nach seiner Hand, verhinderte, dass er weg ging.

„Bells“, sagte er tonlos, doch die Wut war aus seiner Stimme noch nicht ganz verschwunden. Er sah mich nicht an und ich wusste, dass er mit sich selber kämpfte.

„Es tut mir Leid, Edward. Ich weiß, wie du mich wegen diesen Momenten hier hasst.“

Ich hörte ihn seufzen, dann kniete sich wieder zu mir nieder und streichelte mir übers Gesicht. „Nein, ich hasse dich nicht. Du weißt, wie sehr ich dich liebe.“ Ich nickte und er nickte ebenso. „Eigentlich sollten wir wohl eine Krankenschwester für dich arrangieren, oder was denkst du?“

„Ich denke, du bist ein guter Pfleger“, sagte ich mit einem Lächeln und war froh, dass er sich zu mir beugte und mich liebevoll küsste. „Jemand anderes will ich gar nicht.“

„Gut“, meinte er und legte seine Lippen noch mal auf meine, bevor er aufstand. „Wenn ich gleich wieder komme, liegst du in der Wanne.“

Ich nickte brav und zog mir meine Kleidung aus. Leise Musik ertönte aus der Musikanlage im Flur und ich lächelte, als ich sofort an den ersten Tönen erkannte, dass es sich um Tschaikowsky handelte. Die Musik war für uns beide irgendwie etwas sehr Besonderes geworden. Natürlich hörten wir auch moderne Musik, wie Coldplay, U2, Ne-Yo, Rihanna, Britney Spears, 30 seconds to Mars, Snow Patrol, Muse, the Fray, the Black Eyed Peas oder was sonst noch vorhin im Radio gekommen war. Doch bei Tschaikowsky konnte ich einfach am besten entspannen.

Ich setzte mich wieder auf den Rand der Badewanne, hob meine Füße an und ließ sie langsam ins Wasser gleiten. Sofort zog ich sie wieder heraus, verzerrte mein Gesicht schmerzverzerrt. Das heiße Wasser schmerzte an den offenen Wunden. Doch ich presste die Augen zusammen, biss mir auf die Unterlippe und ließ meine Füße ins Wasser gleiten. Es dauerte lange bis sich meine Füße ans Wasser gewöhnten und es angenehmer wurde.

Als der Schmerz nachgelassen hatte, rutschte ich am Rand der großen Wanne langsam ins Wasser, der Schaum umhüllte meinen Körper und knisterte leise.

„Bitte sehr“, sagte Edward und stellte mir eine Tasse meines Lieblingsfrüchtetees an den Rand der Wanne.

Ich blickte auf und lächelte ihn dankend an und registrierte mit einem Lächeln, dass er nur noch seine Boxer Shorts trug. „Was hast du denn vor?“, fragte ich interessiert.

Edward lächelte, ging ans andere Ende der Wanne und zog sich seine Shorts aus. „Denkst du, ich lasse dich alleine baden?“

Ich bewunderte seinen Körper, wie er nackt vor mir stand. Er sah wundervoll aus und immer noch schaffte er es, dass ich errötete, bei seinem Anblick. Edward war viel offener wenn es um Nacktheit ging, für ihn wäre es auch nicht schrecklich nackt durch die Wohnung zu laufen, doch ich hatte nur den Kopf geschüttelt. So weit war ich noch nicht und er verstand es, auch wenn er noch zugefügt hatte, dass ich damit etwas verpassen würde. Vielleicht würde ich wirklich irgendwann so weit sein und mit ihm nackt durch die Wohnung zu laufen.

Wellen schwappten zu mir, als er sich in die Badewanne gleiten ließ. Er lächelte mich an und weg war die Wut, die ihn vorhin noch gepackt hatte. Er griff nach meinem rechten Bein, packte meine Wade und massierte die Muskeln. Seine Berührungen ließen mich aufseufzen, als ich merkte, wie gut sie meinen Muskeln taten.

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Es klingelte und wir lösten uns aus unserer Umarmung.

„Ich geh mal nachschauen, wer da klingelt“, sagte ich ihm, küsste ihn liebevoll und stand dann schließlich auf. Ich hatte keine Ahnung, wer um diese Uhrzeit klingelte, denn wir hatten keinen Besuch erwartet.

Schnell lief ich die Treppe nach unten und drückte ans Mainboard des Fahrstuhls, um zu sehen, wer darauf wartete, dass wir ihn hoch ließen. Es waren Alice und Jasper und so viel ich auf dem Video erkennen konnte, schienen sie sauer auf einander zu sein.

„Es ist sind Alice und Jasper“, sagte ich zu Edward und drückte auf den Knopf, damit Edwards Schwester und ihr Freund nach oben fahren konnten.

„Alles klar. Ich komme gleich“, hörte ich Edward sagen.

Wenige Sekunden später, öffnete sich auch schon die Tür des Fahrstuhls und ich blickte die beiden darin fragend an. Sie standen beide an den Wänden der Kabine, mit dem meistmöglichen Abstand zu einander.

„Was ist denn bei euch los?“

„Das kann ich dir sagen“, sagte Alice wütend und trat in unsere Wohnung. „Mein Freund, versteht rein gar nichts.“

„Das stimmt nicht. Ich verstehe nur dich nicht“, meinte Jasper und folgte ihr in die Wohnung. Sie schlüpften aus Schuhe und hängten ihre Jacken an den Hacken und Alice stampfte dann direkt ins Wohnzimmer. Jasper folgte ihr.

Fragend blickte ich ihnen hinterher, folgte ihnen dann auch ins Wohnzimmer. Ein seltsames Bild bot sich mir dort. Während sie sich sonst immer zusammen auf die Couch setzten, der eine den Arm um den anderen geschlungen hatte, saß nun jeder von ihnen auf einen der Sessel und zwischen ihnen war der Tisch.

Alice hatte die Arme vor der Brust verschränkt, blickte stur auf ihre Fingernägel und Jasper sah einfach desinteressiert aus dem Fenster. Allerdings sah man, dass seine Lippen zu einer schmalen Linie gezogen waren, er schien offensichtlich wütend zu sein. Ich hatte die beiden noch nie so erlebt. Eigentlich hatte ich die beiden noch nie streitend oder wütend aufeinander erlebt. Bisher waren sie immer ein Herz und eine Seele gewesen, der eine hatte die Sätze des anderen beendet, dann hatte sie sich immer verliebt angesehen und waren küssend übereinander hergefallen. Doch das hier war eine komplett neue Situation und ich hatte keine Ahnung, ob ich dem gewappnet war.

Edward legte den Arm um mich und blickte die beiden musternd an. „Was ist denn hier für eine Totenstille?“, fragte er mich leise.

Ich zuckte nur mit den Schultern, denn ich hatte keine Ahnung, was zwischen Alice und Jasper vorgefallen war. So kannte ich sie gar nicht. Vermutlich kannten sie sich so selber nicht. „Vielleicht der erste Streit“, schlug ich vor, zuckte aber mit den Schultern.

„Streit, dass ich nicht lache“, meinte Alice bissig und ich zuckte sogar ein wenig zusammen, als ich ihre bissige Stimme hörte.

„Okay, dass muss geklärt werden.“ Edward griff nach meiner Hand und zog mich mit zur Couch.

Ich ließ mich neben ihn nieder und wir beide sahen Alice und Jasper fragend an. Keiner von beiden schien daran interessiert zu sein, reden zu wollen. Sie wollten uns nicht mal aufklären. Sie sahen weder sich noch uns an, jeder hockte in seiner eigenen kleinen Welt und war sauer auf den anderen.

„Also wer will den Anfang machen?“, fragte Edward neben mir und sah seine Schwester fragend an.

„Ich habe schon alles gesagt“, erwiderte diese nur.

„Das ist mal wieder so typisch. Es geht wie immer nur um dich, Alice“, fuhr Jasper sie sauer an und ich war überrascht, als mir bewusst wurde, dass ich Jasper noch nie sauer oder laut erlebt hatte. „Aber weißt du eigentlich was du da willst? Kannst du diese Verantwortung überhaupt übernehmen? Das ist kein Spiel?“

„Ach, du glaubst also, dass ich keine Verantwortung übernehmen könnte. So denkst du von mir? Ich bin verantwortungslos! Das ist es doch, was du mir sagen willst?“

„So habe ich das nicht gesagt. Aber was du da willst…“

„Ja, genau was ich da will. Ich will es wirklich“, unterbrach sie ihn und funkelte ihn wütend an.

Edward und ich starrten die beiden überrascht an, lehnten uns dann zurück, denn wir waren doch etwas überrascht, dass die beiden sich so anfuhren. So etwas taten sie normalerweise ganz und gar nicht. Jasper und Alice klebten sonst immer an den Lippen des anderen und sie himmelten einander an. Ich dachte immer, dass Alice und Jasper zu diesen Paaren gehörten, die einfach nie stritten, weil sie sich immer einig waren. So wie es bei Edwards Eltern auch der Fall war. Offensichtlich lag ich mit dieser Meinung falsch.

„Wollt ihr uns nun auch mal einweihen?“, fragte Edward und blickte seine Schwester an. „Alice?“

„Ja, genau sag deinem Bruder und deiner besten Freundin doch, was für eine Idee du hattest und wir werden mal sehen, wie die beiden darüber denken“, meinte Jasper genervt.

Alice funkelte ihren Freund wütend an. Die beiden hielten dem wütenden Blick des anderen stand und man konnte nicht sagen, in wem die Wut intensiver kochte.

„Ich möchte ein Baby aus China adoptieren“, sagte sie und ihre Worte hingen für einen Moment in der Luft. Ich spürte wie Edward tief Luft holte, bevor er sich durch die Haare fuhr. „Alice, wirklich?“

„Edward, es ist mein Ernst. Ich habe lange darüber nachgedacht.“

„Tja, Alice dein Bruder sieht das wohl so wie ich“, meinte Jasper.

„Das habe ich nicht gesagt“, meinte Edward und sah Jasper ernst an. „Dazu musst du wissen, dass Alice diesen Wunsch schon sehr, sehr lange hatte.“ Ich sah Edward fragend an und versuchte das ganze hier zu verstehen. Alice wollte ein Baby adoptieren? Das hörte ich nun zum ersten Mal und war deswegen auch mehr als nur verblüfft.

„Sie hatte irgendwann mal eine Reportage gesehen über Babys in China und über die dortige Ein-Kind-Politik. Auch wenn das inzwischen wohl etwas gelockert wurde… Ich glaube, du warst damals 14 oder so“, meinte Edward und sah seine Schwester an. „Und seit dem war sie fest entschlossen ein Baby aus China zu adoptieren, damit dieses Kind es bei ihr besser hatte als in einem der Heime.“

Überrascht sah ich von Edward zu Alice. Sie wollte ein Kind aus China adoptieren? Einfach so? Jetzt? Wie kam sie denn bitte schön darauf?

Ich blickte zu Jasper, der Alice immer noch wütend ansah. Doch irgendwie schien die Wut auch etwas aus ihm gewichen zu sein. Sein Blick war sanfter geworden. Offensichtlich schien er nun etwas zu verstehen.

„Aber warum du jetzt ein Kind haben willst, weiß ich nicht“, sagte Edward weiter.

„Deswegen habt ihr euch gestritten?“, fragte ich die beiden und beide nickten.

„Jasper, will keine Kinder“, meinte Alice traurig und strich über ihren Rock, entfernte unsichtbare Fussel vom Stoff.

„Das habe ich nie gesagt, Al“, sagte Jasper sofort.

Als sie ihn wieder ansah, war keine Wut mehr in ihren Augen zu erkennen, sondern Traurigkeit. „Warum bist du dann so sauer?“

Er seufzte. „Ich bin sauer, weil du eine Entscheidung triffst, die uns beide betrifft. Du hast sie alleine getroffen, ohne mich mit einzubeziehen. Wir leben zusammen, wir führen doch eine Beziehung. Warum entscheidest du so etwas alleine?“

„Ich…“ Alice seufzte und schluckte schwer. „Die Entscheidung habe ich getroffen, als ich 14 Jahre alt war und nun passt einfach alles. Ich habe ein geregeltes Einkommen und ich kann meine Arbeitszeiten freigestalten, wie es mir passt und… und ich habe doch dich…“

Jasper nickte. „Das verstehe ich ja, Alice. Aber meinst du nicht, du hättest das mit mir besprechen sollen.“

„Habe ich doch. Doch du bist ja direkt ausgerastet“, meinte sie und biss sich auf die Unterlippe.

„Nein, du hast mich vor vollendete Tatsachen gestellt“, sagte er ernst. „In einer Beziehung bespricht man Probleme und klärt sie gemeinsam.“ Er seufzte und sah sie ernst an. „Von wir aus macht man auch eine Pro-und-Contra-Liste, aber man klärt das gemeinsam.“

„Es…. Es tut mir Leid.“

„Ich weiß“, sagte Jasper, stand von seinem Sessel auf, ging um den Tisch herum, setzte sich auf die Lehne ihres Sessel und nahm sie in seine Arme.

„Ich… es tut mir wirklich Leid.“

„Mir auch“, sagte er und küsste sie auf den Haaransatz.

Edward lächelte zufrieden neben mir und griff nach meiner Hand. Er hielt diese fest und streichelte sie mit seinem Daumen.

„Und du willst wirklich ein Baby?“

„Wenn du ein Baby adoptieren willst, bin ich der Letzte der dir im Weg steht, Alice.“

Sie sah ihn an, das Glück strahlte in ihren Augen und sie überbrückte die letzten Zentimeter und küsste ihren Freund, mit dem sie eine Zukunft wollte.
 


 


 

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Die Wohnung der Zwei noch mal:

Wohnzimmer: http://www.socketsite.com/St.%20Regis%20Penthouse%20-%20Living2.jpg

Eszzimer: http://livinginlofts.net/wp-content/uploads/2008/05/liv_loft.jpg

Küche: http://www.rundt-haustechnik.de/kueche/kueche.jpg

Gäste-Badezimmer: http://www.tischlerei-schenke.de/img/wohnen-Bad/badezimmer-6.jpg
 

Badezimmer: http://www.hans-rosellen.de/pics/Bild2.jpg

Schlafzimmer: http://www.moebelverkauf.ch/media/images/perform_schlafzimmer_palazzo_g_big.jpg

Deko Schlafzimmer: http://ralf69er.files.wordpress.com/2008/12/schlafzimmer-rg069-15-bettgefluester1.jpg

Gästezimmer: http://www.ferien-suedfrankreich.info/Schlafzimmer.jpg
 

Unterstützung

Hallo meine lieben,

endlich ist das neue Kapitel endlich fertig. Ich habe ewig gebraucht. Den ersten Teil hatte ich schon ewig geschrieben, doch ich war mir nie sicher, wie es weiter gehen sollte.
 

Ich hoffe aber, dass das Kapitel gut ankommt, und dass auch die wenigen Momente zwischen Edward und Bella gut rüberkommen.
 

Ab diesen Kapitel wird man wohl merken, dass Edward und Bells gewachsen sind, mit jedem Kapitel und vor allem mit dem zweiten Teil meiner Story. Sie haben Verantwortung und ein Leben außerhalb ihrer Wohnung...
 


 

Zur Info: dieses Kapitel wurde noch nicht korrektur gelesen, überseht deswegen die einzelnen Fehler. ich wollte euch aber einfach nicht noch länger warten lassen.
 

Eure Apollon-klio
 


 


 

"Kiss Me" - SIXPENCE NONE THE RICHER

http://www.youtube.com/watch?v=xYsH6zrw7Bw

Oh, kiss me beneath the milky twilight

Lead me out on the moonlit floor

Lift your open hand

Strike up the band and make the fireflies dance

Silver moon's sparkling

So kiss me
 

Ich beobachtete fasziniert, wie sie ihre Füße bewegte.

Ich liebte ihre Füße. Ich liebte sie in Sneekers, in Chucks, in Sandalen, in High Heels, barfuss wie sie durch unsere Wohnung tapste und ja sogar in diesen verdammten Ballettschuhen.

Sie dehnte gerade die Muskeln, stand mit dem linken Fuß flach auf dem Boden, während sie mit dem rechten Fuß auf der geraden Spitze des Schuhs stand, den Knöchel nach vorne streckte. Sie streckte ihn richtig nach vorne aus, so dass ihre Fußsohle fast einen Kreis ergab. Sie ließ denn Fuß nach einer Weile nach hinten abrollen. Langsam und mit Ruhe, als hätte sie beim Tanzen alle Zeit der Welt. Sie tat es ein paar Mal, drückte ihr Gewicht immer auf den rechten Fuß, stützte ihre Hände auf ihrem Knie ab, um ihr Bein nach vorne zu drücken. Dann wechselte sie das Bein und wiederholte das ganze Spiel.

Ihre eleganten Beine steckten in schwarzen Leggins, darüber trug sie einen graufarbenen Sport-Body und ein kurzes schwarzes T-Shirt. Wenn sie keinen Body tragen würde, würde man ab ihrer Brust alles von ihrem Bauch sehen. Gott, ich liebte ihren Bauch. Ich liebte es, wenn wir zusammen im Bett lagen und ich meine Arme um sie schlingen konnten. Ich liebte die Wärme, die von ihrem Bauch aus ging. Und ja, ich mochte es sogar, wenn wir zusammen fern sahen, ich meinen Kopf auf ihrem Schoss gebettet hatte und ihr Magen mit mir sprach. Meistens schämte sie sich für die Geräusche, die aus ihrer Bauchdecke kamen, doch ich konnte nur lächeln, drehte mich dann auf ihrem Schoss um, schob ihr Shirt hoch und küsste ihren nackten Bauch.

Ich liebte die Reaktion ihrer Haut, wenn ich sie küsste, meine Lippen mit meiner Zunge auf eine Wanderung gingen. Eine Wanderung die jedes Mal wie ein Abenteuer ins Ungewisse war.

Himmel, ich musste jedes Mal selber grinsen, wenn ich ihren Bauchnabel küsste und sie ihren Bauch einzog, weil sie dort verdammt kitzelig war. Wer war denn bitte schön am Bauchnabel kitzelig? Sie war es. Ich glaube, meine Vater hatte irgendwann mal erzählt gehabt, dass man am Bauchnabel verdammt viele Nerven hatte. Vielleicht war sie ja deshalb so kitzelig an dieser Stelle.

Ich lehnte mich auf meinen Stuhl zurück und beobachtete sie weiter. Ballett war ihr Leben. Wir beide wussten das. Mal kamen wir damit klar und manchmal nicht. Hin und Wieder war es einfach schwierig. Vor allem an den Tagen, wenn sie nach Hause kam und eigentlich keinen Schritt mehr gehen konnte, da ihre Füße zu sehr schmerzten. Dann hielt ich sie für verrückt. Ich war sauer auf sie und wollte sie am liebsten zwingen, mit dem Ballett aufzuhören. Doch das konnte ich nicht. Auch wenn ich es das eine oder andere Mal sagte, wussten wir beide, dass ich es nicht so meinte. Sie sah so verletzlich aus, litt unter Schmerzen, wenn sie heim kam. Ich sah ihr schon am Gesicht an, dass sie wieder einen anstrengenden Tag hinter sich hatte.

Und dann fühlte ich mich so unsagbar hilflos. Dabei hasste ich es, hilflos zu sein. Wenn man jemand helfen wollte, es aber nicht konnte, dann war das schrecklich. Ich war ihr Freund, ich liebte sie und ich wollte sie auch beschützen. Auch vor Schmerzen. Doch für sie war das Tanzen nicht mit Schmerzen verbunden und wenn ich sie so tanzen sah, dann wusste ich auch, warum. Sie hatte dieses Strahlen auf dem Gesicht, ihre Augen glitzerten und man konnte ihr sofort ansehen, dass sie liebte, was sie machte. Sie liebte das Tanzen, wie nichts anderes. In Bellas Herz gab es nicht nur mich. Ich musste ihr Herz mit ihrer Leidenschaft zum Tanzen teilen. Es war schwierig und ja, manchmal war ich sogar eifersüchtig. Doch sie zu sehen, wie sie sich zur Musik bewegte, in dem Moment war alle Eifersucht wie weggeblasen. Dann bewunderte ich sie nur. Ich war stolz auf sie, weil sie meine Freundin war. Stolz darauf, dass sie einfach diese Gabe besaß, Menschen zu bezaubern. Wenn sie sich bewegte, hatte sie eine unglaubliche Ausstrahlung an sich, als würde sie ein leuchtender Stern in völliger Dunkelheit sein.

„Isabella, wollen wir anfangen?“, wurde sie gefragt von einer weiteren Tänzerin und meine Bella lächelte ihr zu, während sie nickte.

Als die Musik einspielte, widmete ich mich wieder der Mappe, die ich auf meinem Schoss hielt. Ich versuchte es zumindest. Eigentlich hatte ich gerade frei, doch da ich Morgen wieder einer Verhandlung beiwohnen würde, wollte ich mir die Akte des Angeklagten durchgehen. Ich kam oft zur Juilliard und sah mir Bellas Training an, der Pförtner kannte mich inzwischen schon so gut, dass wir uns immer eine Weile unterhielten, bevor ich von ihm erfuhr ob Bella auf der Bühne trainierte oder im Ballettsaal übte. Sie hatte nur vormittags theoretischen Unterricht und es erstaunte mich doch immer wieder, was sie alles können musste. In Seattle hatte sie nie wirklich lernen müssen, weil sie es einfach im Blut hatte und wohl auch deswegen, dass es sie einfach nicht sehr gefordert hatte.

Doch auf der Juilliard, war es was anderes. Hier bekam jede Tänzerin und jeder Tänzer sein eigenes Trainingsprogramm zugeschnitten und Bella war eigentlich nur noch am trainieren. Sogar samstags. Wir hatten meistens nur den Sonntag ganz für uns. Unter der Woche sahen wir uns meistens nur zum Frühstück und zum Abendessen. Es war komisch, dass unsere Beziehung so schnell vom Alltag eingeholt wurde, doch es klappte ziemlich gut. Ich hatte uns beiden für New York noch das IPhone4 besorgt, weil ich einfach ein Apple-Fan war und diese Teile liebte. Bella war von diesem Geschenk am Anfang nicht sehr angetan gewesen, doch inzwischen schätzen wir beide die kleinen Botschaften, die wir uns den Tag über schickten. Ob nun normale SMS oder kleine Videobotschaften.

Bella liebte es auf der Juilliard zu sein und ich wusste, dass aus ihr noch eine verdammt große Tänzerin werden würde. Manchmal hasste ich sie dafür, dass sie nicht einfach etwas Normales machen konnte. So etwas wie Lehrerin oder Erzieherin, von mir aus auch Anwältin oder Sekretärin. Warum musste sie ihren Körper so kaputt machen, nur weil sie das Tanzen so sehr liebte?

Doch wenn ich sie dann in solchen Momenten wie jetzt erlebte oder bei einer Aufführung, dann wusste ich warum. Sie liebte das Tanzen und das sah man ihr auch an. Für sie gab es auf der Welt nichts Wichtigeres und ich konnte mich vermutlich glücklich schätzen, dass sie überhaupt mit mir zusammen war.

Es war wundervoll sie zu beobachten. So oft ich die Zeit fand, setzte ich mich zu ihr und beobachtete sie einfach. Es ließ mich irgendwie entspannen, es beruhigte mich, sie tanzen zu sehen und ich vergaß für einen Moment einfach, was ich mal wieder im Gerichtsgebäude erlebt hatte. Das Jugendstrafrecht war keine einfache Sache. Vermutlich alles, nur das nicht. Doch ich wollte Kindern und Jugendlichen helfen, ich wollte ihnen einen Plan B zeigen, zeigen, dass es nicht immer aussichtslos war. Doch am schwersten war es einfach, ihnen zu erklären, dass sie Hilfe annehmen durften. Manche von ihnen kamen aus ziemlich ärmlichen Verhältnissen, lernten auf der Straße zu überleben, hielten nicht viel von der Schule und in manchen Fällen, konnte ich es ihnen nicht mal verübeln. Wenn man seine Geschwister ernähren muss, weil die Mutter sich in ihrem Frust betrank oder sich irgendetwas spritzte, oder sie vielleicht sogar mit ansehen mussten, wie ihre eigene Mutter sich prostituierte, dann konnte einem die Schule nichts beibringen. Diesen Kindern die keine Kinder mehr waren, musste gezeigt werden, dass sie sich an jemand wenden könnten. Dass es auch Erwachsene gab, die für sie da sein wollten, an die sie sich wenden konnten. Doch diese Kinder vertrauten niemand, außer sich selber. Sie waren Überlebenskünstler, die wussten, dass man auf der Straße weder Mathe noch Geographie brauchte. Es interessierte auch keinen beim Feilschen, was John F. Kennedy oder George Washington erreicht hatte. Oft dachte ich, wenn ich eine Geschichte vor mir hatte, schlimmer geht’s nicht, doch dann wurde ich ein paar Tage später, eines Besseren belehrt. Allerdings war Vertrauen etwas, mit dem man auf der Straße nicht überleben konnte. Vertrauen füllte keine Teller oder brachte Geld nach Hause. Wenn Kinder mit ansehen mussten, wie Männer ihre Mütter schlugen, dann verloren sie das Vertrauen in die Erwachsenen. Erwachsene sollten Kindern immer das Gefühl geben, dass sie das Richtige tun, dass sie richtige Entscheidungen treffen können. Zumindest haben mir das meine Eltern immer eingeprägt.

„Hallo, kann ich mich zu Ihnen setzen?“

Ich sah von meiner Akte auf und blickte in das Gesicht eines jungen Mannes. Er hatte braune, lockige Haare und strahlendblaue Augen, vermutlich war er auch nicht viel älter als ich. „Klar warum nicht“, meinte ich nur, allerdings war ich etwas überrascht, denn bisher hatte ich bei meinen Beobachtungen hier noch nie einen direkten Sitznachbar gehabt. Es kam nicht selten vor, dass sich mehrere das Training ansahen. Ob nun Schüler der Juilliard, Freunde der Tänzer oder Lehrer, aber es gab hier so viele freie Reihen und freie Stühle, dass man sich nicht zu einem Fremden setzten musste.

„Ich bin Patrick und du bist wohl der Freund einer der Mädels dort oben“, meinte er und hielt mir seine Hand hin.

„Ja, hey, ich bin Edward. Mist ich hatte gedacht, ich gehe als Schüler der Juilliard durch.“

„Tut mir Leid, dich enttäuschen zu müssen, aber die meisten Typen die auf der Juilliard sind, können sich keinen Armani-Anzug leisten oder beschäftigten sich mit etwas anderen außer dem Tanzen.“

„Ja, ich sollte mir das nächste Mal ein besseres Kostüm suchen. Und du? Tänzer oder Freund?“

„Ähm… ich bin an der Juilliard.“, meinte er und sah zur Bühne. „Und wer von denen ist deine?“

„Isabella, die mit den braunen Haaren.“

„Ah Isabella Swan. Habe schon viel von ihr gehört.“

„Ja?“, fragte ich interessiert. Offensichtlich war sie nicht nur in Seattle eine kleine Berühmtheit, sondern auch schon hier an der Juilliard, dabei meinte sie ja immer, dass sie hier nichts Besonderes war.

„Ja, sie hat einen Lehrer, der ganz begeistert von ihr ist. Sie soll ein richtiges Naturtalent sein“, meinte Patrick neben mir.

„Ich habe ehrlich gesagt, keine Ahnung vom Tanzen oder von Ballett. Das ist absolut Bellas Welt“, erklärte ich ihm und sah ihn Lächeln.

„Aber wenn man einmal mit Ballett in Berührung gekommen ist und die Schönheit darin erkannt hat, lässt es einen nicht mehr los, richtig?“

Ich sah ihn einen Moment von der Seite an. Er blickte starr nach vorne, beobachtete die Tänzerinnen auf der Bühne und ich fragte mich wieder ein Mal, ob er selber ein Tänzer war. Ich wusste auch nicht, was er hier arbeitete. Bella hatte mir vor kurzem erst erklärt, dass es an der Juilliard nicht nur Tänzer gab. Viele Musiker schrieben sich an der Schule ein und hofften dort ihren Sprung in das Musikbuisness zu schaffen oder einfach nur um dort zu studieren. Die Juilliard war offensichtlich eine der besten Einrichtungen wenn es ums Tanzen, die Schauspielerei oder um die Musik ging. „Wenn ich ehrlich bin, hasse ich es manchmal.“ Ich hatte keine Ahnung warum ich das einem Wildfremden erzählte. Ich kannte ihn doch gar nicht, wusste nur seinen Vornamen.

„Das Ballett?“, fragte Patrick und sah mich fragend an.

„Ja. Manchmal zumindest. Es gibt einfach diese Tage, wo sie mit blutigen Blasen nach Hause kommt und ihr jeder Muskel so sehr weh tut, dass sie sich nicht mehr bewegen kann.“

Patrick lächelte. „Na ja, aber ich glaube, Isabella Swan macht das sehr wenig aus. Ich denke, das macht einen guten Tänzer wirklich aus.“

Wieder sah ich ihn interessiert an und fragte mich noch mal, wer dieser Mann überhaupt war. Was tat er hier an der Juilliard und was hatte er mit meiner Bella zu tun. Doch bevor ich ihm diese Frage stellen konnte, vibrierte das Handy in meiner Hosentasche. Ich zog es aus meiner Tasche heraus und blickte auf das Display. Es war Mira Kinsella, sie war so etwas wie meine Mentorin. Sie hatte mich eingearbeitet und war für mich verantwortlich.

„Entschuldigung, da muss ich ran gehen“, sagte ich zu Patrick und stand auf, ging durch die Sitzreihe, bis ich am Mittelgang angekommen war und nahm erst dann den Anruf entgegen. „Hallo Mira.“

„Edward, warum brauchst du so lange um den Anruf entgegen zu nehmen? Ich hoffe ich habe dich nicht bei irgendetwas gestört.“

Ich drehte mich um und sah zur Bühne. „Nein, ich bin ganz Ohr. Was gibt’s denn?“

„Ich glaube, ich hätte da eine Arbeit für dich, die dir sehr gefallen würde.“ Mira vermittelte mir Fälle, um die ich mich zu kümmern hatte. Am Anfang hatte sie mir nur leichte Fälle gegeben, doch sie merkte schnell, dass ich mich um jeden Fall kümmerte, egal ob nun schwierig oder einfach. Ich versuchte immer eine Lösung für das Kind zu finden. Das war es, was ich tun wollte.

„Was hältst du von der Jugendrechtshilfe?“
 


 

Ich packte schnell meine Sachen und war auf den Weg zum Treffpunkt mit Mira Kinsella. Ich hatte von der Jugendgerichtshilfe schon gehört und ein paar von diesen Anwälten kennen gelernt, die dort mit Herz und Seele arbeiteten. Sie kümmerten sich um Kinder, holten diese aus kaputten Familien heraus, suchten Unterkunft und Betreuung für diese. Sie waren der Beistand der Kinder vor Gericht und klagten auch im Namen von diesen.

Alice hatte mir mal von einer Frau erzählt, die sie kannte, welche dort arbeitete und sie meinte, sie würde ihren Bruder auf jeden Fall weiter empfehlen. Doch bisher wollte ich noch nicht über einen Wechsel nachdenken. Die Arbeit am Jugendgericht beschäftigte mich schon genug, da wäre ein ehrenamtlicher Zweitjob wirklich nicht mehr drin, vor allem, wenn ich irgendwann auch noch mal etwas mit meiner Freundin unternehmen wollte – was jetzt eh schon zu kurz kam. Aber für die Jugendrechtshilfe zu arbeiten, wirklich Kinder betreuen, klang schon reizvoll für mich und ich fragte mich, welchen Job Mira nun für mich hatte.

Vor dem Gebäude wartete Mira schon auf mich. Mal wieder trug sie einen hübschen dunkelblauen Zweiteiler aus Rock und Jackett. Ihr hellbrauner Wintelmantel war offen und um ihren Hals schlackerte ein Schal im Wind. Ihre schwarzen Haare wehten um ihr Gesicht herum, es wurde von Tag zu Tag kälter. Dieses Jahr würde ich das erste Mal Winter nicht in Forks verbringen. Dieses Jahr würden wir hier in New York sein, während mein bester Freund und seine Ehefrau immer noch quer durch die Welt reisten. Seit der letzten Postkarte waren schon 2 Wochen vergangen – sie waren gerade in Australien und reisten durchs Outback.

Sie lächelte mich erfreut an, als ich zu ihr kam. „Obwohl du heute deinen freien Tag hast, läufst du mit deiner Aktentasche rum. Edward du wirst noch ein Workaholic.“

„Auch schön dich zu sehen, Mira.“

„Komm mit“, sagte sie und zog mich in das Innere des Hauses. „Draußen ist es einfach zu kalt.“ Wir gingen zum Fahrstuhl, welcher genauso wie der Hausflur schon ziemlich mitgenommen aussieht. „Der Eindruck täuscht“, sagte sie und drückte den Knopf, damit der Fahrstuhl in unserem Stockwerk hielt.

„Also was machen wir hier?“

„Na ja, du stehst ja so darauf, Kindern wirklich zu helfen, sie auch weiterhin zu betreuen. Also dachte ich mir ich ruf mal meinen alten Freund in der Jugendrechtshilfe an. Sie brauchen hier immer Anwälte, Edward und er meinte, dass er sich sehr freuen würde, wenn sie Unterstützung bekommen.“

„Hast du nicht eben etwas noch von einem freien Tag erzählt?“ Ich grinste sie an. Der Aufzug hielt mit einem Pling auf unserem Stockwerk und wir stiegen ein. Mira drückte auf die Taste mit der „2“ und schon schlossen sich die Türen. „Ich sage dir gleich, die Arbeit hier ist anders als du es dir vorstellst. Aber es ist auch sehr interessant.“

„Du warnst mich also vor?“, fragte ich und zuckte nur mit den Schultern. Ich hatte keine Ahnung wie ich mir die Arbeit bei der Jugendrechtshilfe vorstellte. Vermutlich würde es anders sein, als meine Praktikas in den renommiertesten und besten Anwaltskanzleien von Seattle.

Die Aufzugstüren gingen wieder auf und heiße, trockene Luft begrüßte uns um zweiten Stockwerk. Wir traten heraus und so konnte ich alles genauer sehen. Die Jugendrechtshilfe bestand offensichtlich aus vielen, aber auf dem ersten Blick, sah es wie ein Chaos aus. Überall liefen Leute herum, in einem Warteraum für Kinder saßen ein paar und spielten mit einander. Ein Baby schrie, weil die Mutter, die vermutlich gerade mal 16 Jahre alt war, es nicht beruhigen konnte. Sie wippte es auf ihrem Arm, doch das schien dem Kind nicht zu gefallen. Eine andere Mutter versuchte gerade ihrem störrischen Kind die Jacke auszuziehen, doch dieser weigerte sich. Akten von Papieren stapelten sich auf allen Tischen und Schränken. Es war ein riesiges Gewusel von Menschen.

„Mira, schön dass ihr da seid“, sagte ein Mann zu uns, der ungefähr Anfang 50 zu sein schien. In seinem dunklen Haar hatten sich schon graue Strähnen gezogen, doch seine warmen Augen und der warme Händedruck zeigte mir, dass er ein ehrlicher und offener Mensch zu sein schien. „Ich bin Nicolas Baker. Nennen Sie mich ruhig Nick und Sie müssen Edward Cullen sein? Mira hat mir nur gutes über Sie erzählt. Es wäre uns wirklich eine große Hilfe, wenn sie hier arbeiten wollen. Wir brauchen immer jemand. Sie sehen ja, was für ein Chaos das hier ist.“

Ich wusste nicht, ob ich nicken oder mich erst mal vorstellen sollte, denn Nick redete offensichtlich ohne Punkt und Komma. „Also ihre Kollegen können Sie später immer noch kennen lernen. Ich hätte da direkt einen Fall“, meinte Nick und reichte mir eine Akte, die er gezielt aus der Mitte eines Stapels zog. „Der Junge hat bei seinem Bruder gelebt. Doch diesen hat man nun verhaftet, weil er gedealt hat. Vielleicht können Sie sich um ihn kümmern? Sie können sich mit ihm dort drüben ins Büro setzen.“ Dann wandte sich Nick Mira zu. „Mira, ich habe da noch etwas für sie“, sagte er und Mira folgte ihm in ein Büro. Sie drehte sich noch mal zu mir um und zeigte mir mit einer Geste, dass sie mir die Daumen drückte.

Ich nickte nur und sah wieder auf die Akte in meinen Händen. Mein erster Fall in der Jugendrechtshilfe also. Die Akte war dünn und vermutlich war der Junge selber noch nie straffällig gewesen. Nun arbeitete ich also in der Jugendrechtshilfe, auch wenn ich sicher war, dass das hier erst mal so etwas wie mein Probefall war. Nick schien sehr nett zu sein, doch irgendwie warf man mich wohl direkt ins kalte Wasser. Aber ich konnte schwimmen, das konnte ich schon immer. Einen Moment, dachte ich an Bella und mir fiel ein, dass sie noch gar nicht wusste, wo ich mich gerade befand. Sonst teilte ich ihr immer mit, wenn es etwas Neues gab. Doch dazu hatte ich keine Zeit, ich musste nun erst mal André Greenwood kennenlernen.“

Ich öffnete und sah auf die erste Seite. Dort standen nur die allgemeinen Angaben. Vorname. Zuname. Geburtsdatum. Geburtsort. Namen der Eltern. Wohnort. Es haftete kein Foto an der Akte, als ging ich in das Wartezimmer und sah mir die möglichen Kandidaten an. Ein paar sahen mich nicht mal an, lasen, waren in ihr Spiel konzentriert und sahen nach draußen. Nur zwei Mädchen sahen mich an. Ich blätterte weiter und sah, dass es auch ein paar kleine Anzeigen gegen den Jungen gab.

„André Greenwood?“, fragte ich also einfach.

Ein schwarzer Junge, mit kurzgeschorenem Haar, drehte sich auf seinem Stuhl um. Seine Jacke war eindeutig zu dünn, für diese Jahreszeit und Mütze und Handschuhe schien er auch nicht zu haben. „Bist du ein Bulle?“, fragte er mich sofort.

„Ehm, nein. Ich bin Anwalt“, sagte ich ihm. „Komm mit.“

Der Junge stand von seinem Stuhl auf, genervt, wie es bei Jungs in seinem Alter eben der Fall war und trottete mir in das Büro hinterher, das Nick mir zu gewiesen hatte.

„Ich habe nichts getan.“

„Ich weiß“, sagte ich ihm und sah ihn an. Er hatte große, ehrliche Augen. Große Kinderaugen, die in eine Welt sahen, die sie nicht kannten, mit der sie nicht umgehen konnten, die ihnen gefährlich sein konnte. Deswegen brauchten Kinder Eltern, Verwandte, einfach jemand, der für sie da war. Der sie leitete, sie auffing und sich einfach um sie kümmerte. „Du hast auch nichts zu befürchten. Ich werde dir nur helfen.“ Ich öffnete meinen Mantel und hängte diesen über den Stuhl. Als ich sah, dass André noch in der Tür stand, wies ich auf den Stuhl. „Setz dich.“ Lässig ließ der Kleine, der vermutlich nicht mal 12 Jahre alt war auf den Stuhl fallen und sah mich gelangweilt an.

Ich setzte mich ebenfalls hin und öffnete seine Akte. Da sein Bruder nun in Untersuchungshaft war, brauchte André also eine neue Unterkunft. Wenn er keine anderen Verwandten hatte, würde er in einem Heim unterkommen müssen.

„Wie lange wohnst du schon bei deinem Bruder?“

André senkte den Kopf und starrte seine Schuhe an. Er zuckte mit den Schultern, versuchte desinteressiert zu klingen, doch ich sah ihm an, dass er genau das nicht war. „Seit meine Mutter im Knast ist.“

„Und seit wann ist das?“

„Steht doch da drin“, meinte André und sah die Akte an, die auf dem Tisch lag. Seine Akte. Seine Lebensgeschichte. Ich nickte und biss mir auf die Unterlippe. Ich wollte einen Draht zu dem Jungen bekommen, ihm zeigen, dass er sich auf mich verlassen konnte. „Also, ihr beide habt alleine gelebt und er hat für dich gesorgt?“

„Aha“, sagte der Junge vor mir, sah mich dabei aber nicht an.

„Du gehst zur Schule?“

„Wofür? Was soll ich da?“ Es war diese eine Antwort, die ich schon so oft gehört hatte. Eine Antwort, die vermutlich so viele Menschen nicht versehen würden. Eine Antwort, die ich inzwischen aber verstand.

„Was tust du so, den ganzen Tag?“

„Helfe meinem Bruder. Sitze vor der Glotze. Und Marcus schafft die Kohle ran.“

„Als Crack-Dealer“, stellte ich klar.

André sah mich zum ersten Mal wirklich an, als er sagte: „Ist ja nicht so wie bei ‚Party of Five‘, verstehen Sie?“ Dann senkte er wieder den Blick und sah den Boden an. Wieder starrte er seine Schuhe an und alles was ich ihm sagte, schien ihn nicht zu interessieren. Offensichtlich meinte der Junge, dass ihn das alles gar nichts anging und das machte mich ein wenig sauer. Nicht auf den Jungen, der konnte nichts dafür.

Ich stand auf, ging um den Schreibtisch herum und schloss die Türe, die bis eben offen gestanden hatte. Den Griff hielt ich fest und blickte André an. „Die nächsten paar Tage werden entscheidend sein für dein… ganzes weiteres Leben.“ Ich seufzte, denn es schien ihm immer noch egal zu sein, was ich sagte. „Also hör endlich auf deine Schuhe anzustarren und mach hier nicht auf cool.“ Er richtete sich auf und sah mich an, als ich mich etwas zu ihm herunter beugte. „Hör mir zu: Keine Familie wird dich adoptieren, keine Pflegefamilie nimmt einen Elfjährigen auf, der im Sozialbau gehaust hat“, erklärte ich ihm und kniete mich inzwischen vor ihm um auf Augenhöhe mit ihm zu sein. „Einen Jungen, der bereits eine Strafakte hat.“ André sah mich an, hielt meinen Augenkontakt stand, zuckte dann aber mit der Schulter.

„Wenn du deine Karten jetzt nicht richtig ausspielst, wanderst du von einem miesen Heim in das nächste.“ Und ich konnte mir nicht vorstellen, dass er das wollte. Er wollte es nicht und ich wollte es nicht. „Und am Ende in den Knast.“

„Da wo mein Bruder ist?“, fragte er sofort.

Ich zögerte mit meiner Antwort, denn ich konnte in den Augen des Jungen sehen, dass er genau das wollte. Er wollte kein besseres Leben. Keine richtige Familie. „Ja.“

„Dann sollen die mich da hinbringen.“
 


 

Es war schon spät, die Sonne war schon lange untergangen, als ich zu Hause in meinem Büro saß und Andrés Akte vor mir liegen hatte. Ich musste eine Lösung für den Jungen finden. Mir war klar, dass wenn ich ihn in ein Heim unterbrachte, er dort ausbrechen würde. Er gehörte nun mal zu diesen Jungen, die man nicht festhalten konnte. André wollte zu seinem großen Bruder Marcus und offensichtlich war es ihm egal, dass genau dieser im Gefängnis saß und gerade nicht mal sein eigenes Leben auf die Reihe kriegte.

„Hey“, sagte Bella sanft und legte ihre Arme um mich. Sie küsste mich auf den Kopf und hielt mich fest.

„Hey du. Wie war dein Tag?“, fragte ich sie und zog sie mir. Ich zog sie auf meinen Schoss und umarmte sie, küsste sie auf die Wange.

„Gut.“ Sie sah auf den Schreibtisch, sah die Akte und blickte mich fragend an. „Ein neuer Fall?“

„Ja. Mira hat mir einen Job in der Jugendrechtshilfe beschaffen.“

„Wirklich?“, fragte Bella mit einem Lächeln. Sie wusste ganz genau, dass ich das wollte. Ich hatte ihr davon erzählt, dass ich mich mehr um die Kinder kümmern würde. Im Gericht kam ich an die Kinder nicht wirklich ran, ich konnte keine Bindung zu ihnen aufbauen, da ich sie nur vertrat. Doch ich wollte sie näher kennen lernen, ihre Geschichten hören.

„Ja. Weißt du, da ist dieser Junge. Er heißt André und bis her bei seinem Bruder gelebt. Offensichtlich war sein Bruder sein einziger Beschützer. André geht nicht zu Schule und sie lebten im Sozialbau. Marcus dealte und wurde heute Morgen festgenommen. Nun geht es darum eine Unterkunft für ihn zu finden.“

„Was ist mit seiner Mutter?“

„Die ist selber im Knast. Prostitution und Diebstahl. Aber vermutlich wegen noch mehr Sachen. Sie wird wohl erst in 2 Jahren raus kommen“, erzählte ich ihr und streichelte ihr über den Rücken. Es war schön mit ihr zu reden und mir wurde gerade bewusst, dass ich sie den ganzen Tag vermisst hatte.

„Was ist mit dem Vater?“

„Keine Ahnung. Die Mutter hat auf der Geburtsurkunde des Jungen keinen angegeben und André kennt die Person auch nicht. Ich nehme mal an, dass es wirklich keinen Vater gibt. Und wen dann war es wohl nur eine einfach Bekanntschaft und der Typ – falls man ihn ausfindig machen sollte – wäre garantiert nicht bereit, sich um den Jungen zu kümmern.“

Bella nickte und sah mich fragend an. „Und was willst du nun tun?“

Ich zuckte mit den Schultern. „Wenn ich ehrlich bin, habe ich keine Ahnung, wie ich André helfen soll. Er will nur zu seinem Bruder. Keine Pflegefamilie will ihn haben, wenn er weiterhin mit einem Drogendealer zusammen wohnen will und ich hoffe, dass er nicht schon heute aus dem Heim ausreist. Denn auf Dauer wird er dort nicht bleiben wollen.“

Sie sah mich immer noch an und strich mir dann über die Haare. „Auch wenn es aussichtslos zu sein scheint, gibt es immer eine Möglichkeit. Und ich glaube an dich.“

„Danke, Liebes.“

Sie rutschte von meinem Schoss und küsste mich noch mal. „Ich mache uns mal Abendessen.“

„Ja, mach das.“ Sie lächelte und verschwand aus dem Zimmer, ließ mich mit der Akte alleine sitzen.
 


 


 

André hatte die Nacht wirklich im Heim verbracht und war nicht abgehauen. Er saß nun neben mir im Gericht. Andrés Fall wurde nun vor Gericht geklärt. Ich hatte mir Notizen gemacht und hoffte, dass mir diese vor dem Richter weiter helfen würden.

„In Hinsicht auf seine Vergangenheit und seine Kontakte zur Drogenszene halten wir es für angemessen André in einem geschlossenen staatlichen Heim unterzubringen“, erklärte die Seite vom Staat.

Der Richter sah von seinem Blatt Papier mit einem Nicken auf und sah dann schließlich mich an. „Mr. Cullen, was sind die Wünsche ihres Mandanten?“

„Ich ersuche um eine Verlängerung, vielleicht finde ich lebende Verwandte“, erklärte ich dem Gericht.

„Ich will zu meinem Bruder“, sagte André neben mir. Ich drehte mich um und sah André an, dieser war von seinem Platz aufgestanden. Ich seufzte, hatte ich dem Jungen denn nicht deutlich gemacht, dass es für ihn das Beste war, wenn er nicht mehr zu seinem Bruder kam? Offensichtlich interessiert das André nicht wirklich. Für ihn gab es nur seinen Bruder.

„Wo ist der?“, fragte der Richter

„Im Knast“, antwortete André.

„Du musst verstehen, dass wir dich nicht bestrafen wollen“, sagte der Richter. „Wir suchen nur, nach einem Platz für dich.“

„Ich will zu meinem Bruder“, beharrte André weiterhin auf seiner Forderung.

„Euer Ehren, darf ich vortreten?“, fragte ich.

Der Richter nickte und winkte mich zu sich. „Der Grund unseres Hierseins ist, dass der Bruder meines Mandanten gestern wegen Dealens mit Crack verhaftet wurde. Er ist der einzige Beschützer den er je hatte.“ Der Richter sah André über seine Brille hinweg an. „Und ich hätte gerne noch einige Tage Zeit um nach anderen Familienmitgliedern zu suchen.“

„Ich gebe Ihnen 72 Stunden.“

Ich nickte dankend und war erleichtert. Fürs Erste war es gut, dass ich noch mehr Zeit bekam. Ich sah André an, welcher mich wieder gelangweilt und vollkommen cool ansah. Ihm war es egal, dass ich diese Zeit bekommen hatte. Für ihn hieß es nur, dass er noch länger im Heim blieb. Vielleicht hoffte er auch, dass ich es schaffte, ihn zu seinem Bruder zu bringen.
 

Ich saß im Starbucks und trank meine tägliche Dosis Kaffee. Alice würde gleich vorbei kommen, wollte sich mal wieder mit ihrem Bruder treffen und ein bisschen quatschen. Eigentlich wollte Bella auch kommen, doch ihr Training fing heute früher an, so dass sie absagen musste.

Ich starrte auf mein Handy, das auf dem runden Tisch vor mir lag und fragte mich was ich nun tun konnte. André war vom Heim abgehauen. Die Heimleiterin hatte mich eben angerufen und mir gesagt, dass er die Nacht dort nicht geschlafen hatte. Auf meine Vorwürfe wollte sie nicht eingehen, als ich fragte, warum dass nicht schon gestern Abend aufgefallen war. Sie entschuldigte sich nicht, sondern sagte mir nur, dass sie überfordert waren und nicht auf jedes einzelne Kind achten konnten, wenn 60 Kinder in einem Heim unterkommen mussten, wo es eigentlich nur Betten für 45 Kinder gab.

Ich hatte ihn gestern nach der Verhandlung dort direkt abgegeben, weil ich direkt wieder ins Gericht musste. Obwohl ich nun auch ehrenamtlich bei der Jugendrechtshilfe arbeiten wollte, hatte ich noch einen anderen Job und der wartete nicht auf mich.

Außerdem stand ich immer noch am Anfang der Suche nach einem Verwandten von André. Das Bürgeramt wollte sich noch bei mir melden und mir hoffentlich eine gute Nachricht mitteilen.

Dieser Fall war echt anstrengend und André machte es mir wirklich nicht leicht. Doch aufgeben würde ich garantiert nicht. Es würde schon einen Weg für André geben. Ich hatte den Glauben, an unseren Rechtsstaat noch nicht verloren.

„Wenn du weiterhin so grimmig kriegst, wirst du irgendwann wirklich ein Griesgram“, hörte ich die glockenhelle Stimme meiner Schwester, welche mich kurz darauf auch schon umarmte. Sie grinste, nein, strahlte regelrecht und irgendwie tat es mir gut, sie so zu sehen. Alice hatte mich mit ihren Launen schon immer anstecken können. Das war schon als so, als wir noch kleine Kinder gewesen waren.

„Also was ist los?“

„Nein, dass musst du nicht wissen. Was möchtest du trinken?“

„Kommt schon“, sagte sie und dankte dem Starbucks-Angestellten, als er ihr eine Tasse hinstellte. „Danke sehr.“ Er lächelte ihr flirtend zu und verschwand dann wieder hinter der Theke.

„Was wird denn Jasper dazu sagen, dass du hier Starbucks-Angestellte verführst?“

„Wer redet denn hier von verführen? Meine Hände behalte ich ja bei mir“, erklärte sie mir und nippte an ihrem Cappuccino. „Wo ist denn unsere Ballerina?“

„Ach, ihr Training fing heute früher an, deswegen kann sie nicht kommen.“

Alice schüttelte nur mit einem Grinsen den Kopf. „Du kannst ihr übrigens sagen, dass ich sauer auf meine beste Freundin bin, dass sie keine Zeit mehr für mich hat.“

„Ich glaube, das weiß sie. Sie hat auch gesagt, dass ich mich hundertmal bei dir dafür entschuldigen soll“, erklärte ich meiner Schwester, was sie nur noch mehr grinsen ließ. „Also was gibt’s so wichtiges?“

„Das du auch immer gleich auf den Punkt kommen musst. Wo ist denn bitte schön der altbekannte Small Talk geblieben. Wie geht’s dir Schwester? – Danke es geht mir gut. Was macht die Arbeit? – Oh, danke der Nachfrage, es läuft alles sehr gut. Und wie geht es Jasper? – Er ist sehr beschäftigt, aber er wird sich bestimmt freuen, wenn ich ihn von dir grüße.“ Sie lächelte mich an, als ich mit den Augen rollte. Dann zog sie ihre Handtasche auf den Schoss und holte eine Mappe hervor. „Könntest du dir das mal ansehen?“, fragte sie und schob die Mappe über den Tisch zu mir.

„Was ist das?“

„Das sind die Unterlagen von ein paar Adoptionsbehörden. Ich will, dass das alles rechtlich und legal ist, weißt du. Ich will nicht, dass ich da in irgendetwas Falsches gerate, also könntest du dir das mal durchlesen?“

„Mache ich. Also Jasper und du wollt also wirklich ein Baby adoptieren?“

„Ja, der Wunsch steht nun wirklich fest. Ich habe es auch schon unseren Eltern und Rosalie gesagt. Sie war ganz aus dem Häuschen. Das glaube ich zumindest. Weißt du, so langsam geht es mir auf den Keks mit den Beiden nur Mails schreiben zu können oder mal eine Nachricht per Postkarte zu bekommen. Wie lange sind die denn noch weg? Ich will wieder Emmett und Rosalie in meiner Umgebung.“

Ich wusste was sie meinte. Ich vermisste meinen besten Freund und Cousin Emmett auch sehr. Wir spielten nicht mehr Baseball oder Fußball. Wir saßen nicht mehr zusammen in einer Bar und tranken einen. Wir unterhielten uns auch nicht mehr, weil er einfach nicht da war. Ich vermisste ihn und unsere Gespräche. „Ja, ich vermisse sie auch.“ In dem Moment klingelte auch schon mein Handy. Schnell griff ich danach und sah, dass Nicolas Baker mich anrief. Entschuldigend sah ich Alice an, welche nur mit den Schultern zuckte, nahm den Anruf dann entgegen.

„Hallo Edward. Wir haben André gefunden.“
 


 

„Wir wissen auch nicht, wie er hier reingekommen ist“, sagte eine der Wärterinnen der Simmons Jugendstrafanstalt, als sie mich durch die Gänge führte. „Gestern Abend beim Abschließen haben wir ihn entdeckt. Er lag schlafend unter der Pritsche seines Bruders.“ Sie öffnete die Tür zu einem Besprechungszimmer und ließ mich eintreten. André saß am Tisch und starrte mich mit großen Augen an.

Ich seufzte, war aber durchaus erleichtert, dass man ihn gefunden hatte und es ihm gut ging. „Hier will man doch nicht sein“, sagte er zu ihm.

„Woher weißt du, wo ich sein will?“

Wieder seufzte ich und wollte eigentlich nur noch den Kopf schütteln. „Ich werde die Türe abschließen, wenn ich gehe, weil ich dir nicht über den Weg traue.“ Ich wollte nicht bestimmend mit ihm reden. Aber wenn ich ehrlich war, hatte ich die Geduld mit ihm verloren. Ich wollte dem Jungen helfen, doch dieser machte es nur noch schlimmer. „Aber ich komme wieder.“ Ich zog die Türe zu und ließ André darin sitzen.

„Bringen Sie mich zu seinem Bruder.“
 

Ein paar Minuten später saß ich Marcus Greenwood gegenüber. Man hatte ihn ebenfalls in einen kleinen Besprechungsraum geführt. Marcus war ein großer junger Mann, normal gebaut und hatte seine schwarzen Haare nach hinten geflochten.

„Dein Bruder liebt dich“, fing ich an.

„Und ich liebe meinen Bruder“, sagte Marcus und sah mich an.

Ich stand im Raum, wirkte mit meinem Anzug vollkommen fehl am Platz und blickte durch die Scheibe in den Flur nach draußen. „Eins kapiert er nicht.“

„Was?“, fragte Marcus.

„Du wirst 18 in vier Monaten“, sagte ich ihm.

„Und?“, fragte Marcus cool. Er saß breitbeinig am Tisch, lässig und cool. Es war klar, dass André zu seinem großen Bruder aufsah.

„Dann kommst du hier raus und bist frei.“ Ich fuhr mir durchs Haar. „Er kommt rein. Mit 12 und wird 6 lange Jahre vor sich haben.“

„Unser Rechtssystem wirklich cool“, meinte Marcus und ich musste ihm zustimmen. Manchmal wünsche ich mir, dass unser Rechtssystem anders aufgebaut war. Aber so war es nun mal. Wenn man einmal hier drin war, kam man hier erst raus wenn man 18 Jahre alt war.

„Aber er hat eine Chance.“

Marcus schüttelte den Kopf. „Nein. Er… er hatte doch nie eine Chance.“ Er schüttelte weiterhin den Kopf, weil er es einfach besser wusste als ich.

Und vermutlich stimmte das sogar. Vermutlich hatte André nie eine Chance. Aber nun konnte ich ihm vielleicht eine geben. Man musste mich aber machen lassen. „Mag sein.“

„Warum kann ich nicht für ihn sorgen?“, fragte Marcus und sah mich fragend an. „Wenn ich hier heraus komme, kann ich ihn adoptieren.“ Nun sah er mich erwartungsvoll an, wollte mir sagen, dass das seine Idee war, wie er seinen Bruder retten konnte.

Ich sagte nichts, sondern setzte mich Marcus gegenüber, nahm Platz an dem Tisch und sah ihn an. „Wenn ich dich so ansehe, dann denke ich, du kannst nicht mal für dich alleine sorgen.“ Marcus biss sich auf die Unterlippe und lehnte sich wieder zurück in seinen Stuhl. „Wenn ich dich so ansehe, dann denke ich, du sitzt schon in 6 Monaten im Hochsicherheitstrakt in irgendeinem Gefängnis“, sagte ich ernst zu ihm, ob er das nun höre wollte oder nicht. „Und ich denke, dass dein Bruder dich entweder begleitet oder tot ist.“

„Was willst du eigentlich von mir“, schrie er mich mit einem Mal an. „Was?“

„Hilf mir jemanden zu finden, der ihn aufnimmt. Egal wen.“

Er winkte ab, als wüsste er, dass sich niemand André annehmen würde.

„Einen Verwandten, einen Freund“, sagte ich weiter. „Jemanden, den das Gericht möglicherweise akzeptiert.“

„Ist doch Bullshit, Mann“, meinte er und schüttelte nur den Kopf. „Alles Bullshit.“

„Aha“, meinte ich nur und seufzte innerlich auf. Ich hatte gehofft, dass Marcus mir helfen konnte. Ich hatte gehofft, dass er wenigstens erkennen würde, dass André ein zu Hause brauchte. Ein richtiges zu Hause. Ich hatte gehofft, dass er erkennen würde, dass er nicht der Richtige für diesen Job war.

Doch offensichtlich lag ich mit meiner Hoffnung falsch.

Ich stand auf, weil Marcus nicht so wirkte, als wolle er noch weiterhin mit mir reden oder mir irgendwie helfen und drehte mich um, um zur Tür zu gehen.

„Ich habe einen Onkel“, sagte er schließlich und ich blieb stehen. „Oben in Albany.“ Ich drehte mich wieder um und sah Marcus an. Er starrte auf den Tisch, doch offensichtlich erkannte er doch, dass er derjenige war, der André die Chance geben konnte. „Er hat versucht unserer Familie zu helfen. Meine Mutter hat die Knete genommen und… und verbraucht und Drogen. Einer ihrer Macker hat ihn mal verprügelt, danach hat er sich nicht mehr blicken lassen.“

Ich nickte und war dankbar, vielleicht endlich jemand gefunden zu haben, zu dem André konnte. „Wie heißt er?“

Marcus zögerte und sah mich genervt an. Auch wenn er wusste, dass er somit seinem kleinen Bruder helfen konnte, fiel es ihm dennoch nicht leicht. Denn so gab er schließlich auch zu, dass ich mit meinen Worten von eben Recht hatte. „Johnson Greenwood.“
 


 


 

Ich fuhr sofort nach Albany hoch, nachdem ich rausgefunden hatte wo Johnson Greenwood wohnte und arbeitete. Bella schrieb ich eine SMS, weil ich noch nicht wusste, wann ich wieder zu Hause sein würde. Sie sollte sich keine Sorgen machen, nur weil ich mal nicht vor ihr zu Hause war. Ich hatte Mr. Greenwood angerufen und dessen Frau hatte mir seine Handynummer gegeben. Also hatte ich Mr. Greenwood auf die Mailbox gesprochen, dass ich auf dem Weg zu ihm war.

Da es noch mitten Am Tag war fuhr ich zu seiner Arbeitsstelle, es war eine Holzfabrik. Sie stellten Möbel und Häuserfassaden her.

Der Pförtner brachte mich zu einer der Arbeitshallen, in den gesägt und gehämmert wurde und deutete auf einen Mann, welcher gerade ein paar Dokumente durchging und diese dann einer Frau reichte. „Das ist er.“

Ich nickte ihm dankend zu und ging an den Werkbänken vorbei, direkt auf Mr. Greenwood zu.

„Kann ich Ihnen helfen?“, fragte der Mann, von dem ich glaubte, dass er Johnson Greenwood war.

„Sind Sie Johnson Greenwood?“

„Ja“, er nickte.

„Ich bin Edward Cullen, von der Jugendrechtshilfe New York City. Ich hatte angerufen, wegen ihres Neffen André.“

Johnson Greenwood seufzte, nickte aber. „Gut, gehen wir in mein Büro.“

Ich folgte ihm in das Büro, von dem man aus in die Halle sehen konnte. Johnson Greenwood war der Vorarbeiter dieser Fabrik. Er setzte sich an den Rand des Schreibtisches und seufzte noch mal. Es fiel ihm offensichtlich nicht leicht über seinen Neffen zu reden. Ich ließ ihm Zeit, wollte ihn nicht drängen.

„Meine Schwester hatte fünf Kinder, Mr. Cullen. Drei von ihnen mussten sterben, bevor sie 18 waren.“

„Ebenso wird es André ergehen.“

Er atmete aus. „Ja, vermutlich.“ Er ging an mir vorbei zu einem anderen Schreibtisch wo Zeichnungen und Skizzen von Häusern und Möbeln zu sehen waren. Er wirkte wie jemand, der aufgegeben hatte. Er hatte seine Schwester und ihre Kinder aufgegeben. Vermutlich hatte er damals gekämpft, immer und immer wieder und musste mit ansehen, wie seine Schwester ihr Leben und das ihrer Kinder zerstörte.

„Hören Sie, André braucht ein zu Hause und das gleich.“

„Wissen Sie, dass er vor 12 Jahren schon nötig“, meinte Mr. Greenwood zu mir.

„Ich kann verstehen, warum Sie ihn nicht aufnehmen wollen.“ Er senkte den Kopf und sah wieder auf die Skizzen. Ich wollte ihn nicht verurteilen, doch er war meine letzte Chance. Er war die letzte Chance für André. „Sie haben ein schönes Heim. Ihre Kinder sind gut erzogen…“

„Ich mache mir weniger Sorgen darum, dass er einen schlechten Einfluss auf meine Kinder haben könnte“, sagte er ernst und bestimmt. „Sondern mehr darum, was mit dem Jungen passiert, wenn meine Schwester wieder frei ist.“

„Und da wäre er besser in der Jugendstrafanstalt aufgehoben?“

„Nein“, sagte er und stimmte mir zu. „Das wollte ich nicht sagen.“

Ich biss mir auf die Unterlippe, um mir jegliche weiteren Kommentare zu sparen, als Mr. Greenwood sich wieder seinen Bestellungen widmete und zog stattdessen meine Visitenkarte aus der Innentasche meines Jacketts hervor. „Schlafen Sie drüber. Mir bleibt nur noch einen Tat um etwas für ihn zu finden.“ Er nahm sie entgegen und sah sie an.

Ich konnte ihn nicht zwingen, seinen Neffen aufzunehmen. Eigentlich konnte ich nur darauf hoffen, dass er sich für André entscheiden würde.

„Wie geht die Sache vor sich?“, fragte er schließlich und hielt mich auf, zur Tür zu gehen.

„Ich erledige alle Formalitäten und rufe Sie morgen früh an“, sagte ich ihm. Er sah mich ernst an, kam dann um den Tisch herum und reichte mir die Hand. So als würden wir uns für einen gelungenen Deal die Hände reichen. Oder weil er mir dankbar war, dass ich mich um seinen Neffen kümmerte.

„Warum tun Sie das?“

Ich hätte ihm sagen können, dass es mein Job ist, aber das war nicht die Antwort die man in so einem Fall sagen sollte. Es ging hier um mehr. Es ging um das Leben eines Jungen. Um dessen Zukunft. Um eine Chance.

„Für ihn heißt es, jetzt oder nie und noch kann man ihm helfen.“
 


 

„Hey. Alles klar bei dir?“, fragte Bella als ich sie anrief. Ich war gerade auf den Weg zurück nach New York City und wollte sie einfach mal anrufen, um ihre Stimme zu hören. „Hast du den Onkel gefunden?“

„Ja, ich habe den Onkel gefunden und er ist bereit André bei sich aufzunehmen.“

„Wow, das ist doch klasse. Ich wusste, dass du für den Jungen ein zu Hause finden würdest.“

„Danke. Und bei dir? Wie läuft es so?“

„Super, Edward, einfach nur super. Ich habe dir doch mal von Mr. Darcy erzählt… Du weißt schon, einen der besten Choreographen an der Juilliard und er will mich für sein Stück.“

Ich dachte darüber nach, was Bella mir über ihn erzählt hatte. Doch ich erinnerte mich nicht mehr daran. Klar, erinnerte ich mich an das Gespräch, als sie mir begeistert von den einzelnen Lehrern und Trainern erzählt hatte, doch an die einzelnen Personen erinnerte ich mich nicht mehr. Ein paar Namen kannte ich noch, von den Trainern und auch von ein paar Studenten, aber an einen Mr. Darcy erinnerte ich mich jetzt nicht. „Ja? Das ist doch super.“

„Ja, das ist es wirklich. Ich soll nun für die Frühjahrsvorführung die Hauptrolle bekommen. Das wird ein hartes Training, vor allem, da die Winteraufführung noch nicht vorbei ist. Aber ich kriege das hin. Ich glaube, du kannst wirklich stolz auf mich sein.“

„Baby, du weißt, dass ich stolz auf dich bin. Das bin ich doch immer. Ich liebe dich.“

„Ich liebe dich auch“, sagte sie und ich lächelte als ich ihre Stimme hörte, wie sie diese Worte sagte. Es waren die schönsten Worte, die man an einen anderen Menschen richten konnte. „Oh, ich muss auflegen. Wir sehen uns dann heute Abend.“

„Ja, bis heute Abend.“ Sie legte auf und ich blickte weiterhin auf die Straße vor mich. Es war Nachmittag und ich musste noch einiges klären, bevor ich wirklich sagen konnte, dass André bei seinem Onkel wohnen konnte. Und der Papierkram würde das kleinste Problem sein. Aber ich hatte Unterstützung. Bella war immer an meiner Seite und stand mir bei. Sie half mir da, wo sie nur konnte, stärkte mich mit ihrem Glauben an mich. Genauso, wie ich an sie glaubte.
 


 

Did you ever loved somebody - Jessica Simpson

http://www.youtube.com/watch?v=Hryg0oJ5zp0

Did you ever love somebody?

So much that the earth moved

Did you ever love somebody?

Even though it hurt to

Did you ever love somebody?

Nothing else your heart could do

Did you ever love somebody?

Who never knew

„Ich habe dich nicht um Hilfe gebeten.“

“Mach dir nicht die Mühe besser zu sein als deine Zeitgenossen oder deine Vorfahren.

Versuch nur besser zu sein als du selbst.”

- William Faulkner -

amerikanischer Schriftsteller / 1897-1962
 

„Wenn das Kind in New Jersey als unterhaltsberechtigt anerkannt ist, gemäß der zwischenstaatlichen Vereinbarung für die Unterbringung von Kindern von Verwandten im gleichen Bundesstaat empfehle ich das…“

„Sie wissen, dass dauert vier Monate“, meinte ich zu Nick. Ich saß bei ihm in dessen Büro und erzählte ihm davon, was ich bisher im Fall André erreicht hatte, doch es schien mir einfach nicht genug zu sein. Ebenso erzählte ich Nick, was ich noch vor hatte, wie meine nächsten Schritte an diesem Punkt aussahen. Jedoch hatte er mehr Erfahrung in diesem System und nun brauchte ich einfach einen Rat von ihm. Ich brauchte eine schnelle Entscheidung, doch das Gesetz machte es mir da nicht wirklich einfach.

„Der Junge wird zerrieben in diesem System.“ Ich musste das Nicolas Baker eigentlich nicht erklären. Er kannte das System. Vermutlich sogar noch besser als irgendjemand anderes. Nein, nicht vermutlich, er kannte es besser. Das hier war sein Werk. Er war das Gesicht der Jugendgerichtshilfe von New York und ich würde meine Hand für diesen Mann ins Feuer legen, wenn es darum ging, dass er alles für die Kids hier tat. Er half ihnen und war für sie da.

Nick seufzte. „Aber so lautet nun mal die Vorschrift.“

Ich nickte, denn das wusste ich natürlich und eigentlich würde ich nie versuchen, irgendwelche Regeln, Vorschriften und Gesetze zu umgehen. Doch in Andrés Fall war das etwas anderes. Der Junge braucht jetzt Hilfe und nicht erst in ein paar Tagen, Wochen oder Monaten. Er hatte diese Zeit nicht, bevor er ganz auf die schlechte Seite des Lebens abdriftete. „Lassen Sie mich versuchen, sie zu umgehen“, bat ich ihn und hoffte, dass er mich jetzt nicht gleich feuern würde.

Er sah mich ernst an und ich wusste nicht, ob er mich nicht gleich vor die Türe setzte, weil ich ihm um so etwas bat.

Aber statt genau das zu tun, holte er noch mal tief Luft und seufzte schließlich. Das war ein indirektes Ja für mich, aber mehr brauchte ich auch nicht. Ich brauchte nur seine Zustimmung so weiter machen zu dürfen, wie ich es für richtig hielt.

„Danke sehr.“ Ich nickte, stand auf und wollte sein Büro verlassen, draußen warteten noch genug kleine Klienten, die die Hilfe brauchten.

„Und Edward“, fing er an, als ich die Hand schon auf der Klinke hatte. „Ich glaube, Sie passen hier sehr gut rein.“

Ich sah ihn an und nickte nur, denn ich wusste nicht, was ich darauf erwidern sollte. Meine Kollegen kannte ich kaum, ein paar hatten sich schon vorgestellt, aber es kamen immer wieder neue Gesichter und ich wusste nicht, wer hier vom Jugendamt war und wer hier wirklich in dieser Einrichtung arbeitete.
 

Ich hatte mir einen Plan zu Recht gelegt für André. Ich hatte nun jemand, der den Jungen zu sich nehmen würde. Doch damit war es noch nicht getan. Da mir das Gesetz es nicht gerade leichter ab dieser Stelle machte, brauchte ich die Zustimmung von Andrés Mutter. Sie sollte mir ihr Einverständnis geben, das André zu ihrem Bruder konnte.

Also besuchte ich sie im Frauengefängnis von New York auf. Es war gar nicht so leicht, so schnell ein Gespräch mit ihr zu bekommen, denn normalerweise musste so etwas Wochen vorher angekündigt werden. Wieder war mir das Gesetz im Weg. Doch ich kannte da jemanden und wieder ein Mal war klar, dass man ohne Vitamin B nicht weit ihm Leben kam.

Ich saß der Mutter von André und Marcus gegenüber und hatte ihr eben gesagt, dass ich versuchte André bei seinem Onkel, ihrem Bruder unter zu bringen, doch davon schien sie nicht begeistert zu sein. Es machte sie eher wütend, als glücklich, dass jemand sich ihrem Sohn annehmen würde. Oder ging es ihr um ihren Bruder? Wegen dem, was in der Vergangenheit passiert war?

„Ich will nicht, dass er zu meinem Bruder kommt“, sagte sie mir und stand energisch von ihrem Stuhl auf.

„Sie haben nicht darüber zu bestimmen. Nicht so lange Sie hier drin sind“, stellte ich mit ruhiger Stimme klar. Ich wollte sie nicht verärgern, sondern sie auf meine Seite bekommen, denn ich brauchte ihre Unterschrift. Ohne diese würde, André Monate im Jugendheim warten müssen, bis alles nach dem Gesetzen des Staates lief. Und das dauerte mir eindeutig zu lange. Das war zu lange für André. Solange würde er nicht stillhalten.

Sie lächelte und stützte sich auf dem Tisch ab, beugte sich zu mir herüber. „Ich kenne meine Rechte. Sie können den Jungen nicht in einen anderen Staat schicken ohne meine Einwilligung.“

Ich nickte, da hatte sie schon Recht, aber das wollte ich ihr nicht sagen. „Bei den Familienverhältnissen? Ein Blick ins Vorstrafenregister genügt und jeder Richter würde mir Recht geben.“

Sie verschränkte die Arme vor der Brust und sah mich abschätzend und fordernd zu gleich an. Natürlich war das hier kein Small Talk und vermutlich würde ich ihr mit dem was ich von ihr verlangte, weh tun. Aber jetzt konnte sie wirklich etwas für ihren Sohn tun.

„Was glauben Sie, wie lange es dauert einer Mutter die ihre Kinder drei Jahre lang unbeaufsichtigt lässt, das Sorgerecht zu entziehen?“

Sie biss sich auf die Unterlippe und sah zur Wand hinter mir. Anscheinend versuchte sich auf einen Punkt an der Wand zu konzentrieren, damit sie ihre Fassung nicht verlor. Es war ihr anzusehen, dass Sie sich schuldig fühlte und auch wenn ich ihr nicht zu Nahe treten wollte, war sie eine schlechte Mutter. Und das wusste sie auch. „Wieso sind Sie hier? Wenn Sie mich nicht brauchen?“

Ich stand nun auch von meinem Stuhl auf, stützte mich am Tisch ab und war nun auf gleicher Augenhöhe mit ihr. „Es würde mich vier Monate kosten die Bewilligung zu erwirken, dass ihr Sohn den Staat New York verlassen kann.“

Sie sagte nichts mehr und blickte auf die Unterlagen vor mir, welche auf dem Tisch lagen. Es brauchte nur eine Unterschrift von ihr. Mehr musste sie für ihren Sohn nicht tun, damit er eine bessere Chance hatte.

„Von dem Moment an, dürften Sie nicht mehr mit ihm in Kontakt treten.“ Sie wirkte nun vollkommen ruhig und es schien ihr nahe zu gehen, was ich ihr da sagte. Für eine Mutter, die ihre Kinder liebte – auch wenn sie sich nicht um sie kümmern konnte – war es nun mal das Schlimmste, sein Kind nicht mehr sehen zu dürfen. Ich nahm es ihr weg, dass wusste ich. Ich konnte ihren Schmerz verstehen. Aber ich konnte ihr Leid nicht mildern. Ich konnte ihr diese schwere Last nicht abnehmen.

Langsam ließ sie sich wieder auf den Stuhl nieder.

„Wenn Sie freiwillig zustimmen, ihr Sorgerecht abzutreten und hier unterschreiben, kann ich ihn schon Morgen auf den Weg schicken.“

Sie sah mich traurig an, ihre Unterlippe bebte etwas. „Sie wollen… Sie wollen, dass ich auf mein Baby verzichte?“

Ich konnte nur ahnen, wie schwer es für sie sein musste, so eine Entscheidung zu treffen. Es war nun mal keine einfache Entscheidung. Aber es würde das Beste für André sein. Er würde noch mal von vorne anfangen können, zur Schule gehen, Freunde finden, vielleicht ins Footballteam kommen. Er würde vielleicht mit einem Cheerleader zusammen sein können, wie ein ganz normaler Teenager eben. Vielleicht würde er sogar ein College besuchen. Das alles würde er nicht können, wenn er hier blieb. „Wenigstens wissen Sie dann, wo ihr Sohn ist.“

Ich sah wie sie nachdachte, verzweifelt nach einer Lösung suchte, mich sich rang, das Richtige zu entscheiden. Das Richtige für André. Mir war bewusst, dass sie nur noch Marcus und André hatte. Ihre beiden anderen Kinder waren gestorben, bevor sie 18 Jahre alt wurden. Der hatte war in einen Bandenkrieg geraten, den anderen hatte man nach einer Überdosis nicht mehr retten können. Marcus war wie sie im Gefängnis, auch wen er bald wieder aus der Jugendhaft entlassen wurde und nun saß ich hier und nahm ihr ihren jüngsten Sohn weg.

Ich schob ihr das Formular hin, ebenso den Kugelschreiber. Sie zögerte, griff dann aber dann doch nach den Kugelschreiber. Ich sah, wie ihre Finger zitterten, auf ein Mal wirkte die Frau so zerbrechlich, dass ich sie nur noch trösten wollte. Egal was diese Frau alles angestellt hatte, diese Entscheidung war auch für sie bestimmt die Schwierigste überhaupt. Sie würde in diesem Moment nicht nur ihren Sohn weggeben, sie würde auch zugeben, dass er es wo anders besser hatte. Sie würde zugeben, dass sie eine schlechte Mutter war.

Der Griff um den Kugelschreiber wurde etwas fester, so wie wohl auch ihre Entscheidung, das Richtige für André zu tun.

Sie unterschrieb.

In diesem Moment hielt ich sie für eine gute Mutter. Eine Mutter, die nur das Beste für ihr Kind wollte. Eine Mutter, die nicht noch ein Kind beerdigen oder im Knast besuchen wollte.
 

Es war schon Abend als ich vor der Juilliard stand und auf Bella wartete. Wir wollte heute mal wieder etwas unternehmen, mal wieder Zeit mit einander verbringen, denn das kam in letzer Zeit wirklich zu kurz. Sie war mit ihrem Training und Unterricht beschäftigt, ich mit meiner Arbeit im Gericht und nun hatte ich mir auch noch einen Nebenjob bei der Jugendgerichtshilfe einheimst.

Doch ich vermisste Bella, ihr Lachen und ihre wundervolle Augen. Ich vermisste unsere Gespräche und unsere Berührungen. Ich vermisste es neben ihr aufzuwachen und sie an mich zu ziehen. Ich vermisste es, mein Gesicht in ihren Haaren zu vergraben und diesen unglaublich süßen Duft von Erdbeeren einzuatmen.

Mein Handy vibrierte und ich zog es schnell aus meiner Hosentasche. Ich lächelte, als ich sah, dass meine Mutter mich anrief. Ich hatte direkt ein schlechtes Gewissen, das ich mich in den letzten Tagen nicht öfters bei ihr und Dad gemeldet hatte. Sie arbeitete wieder Vollzeit, weil sie zu Hause nicht mehr aushielt. Sie vermisste das Lachen und die Stimmen ihrer Kinder, sie vermisste es sogar, dass Alice und ich uns oft gestritten hatten. Wir vermissten offensichtlich alle etwas im Leben und versuchten damit umzugehen.

„Hey Mom“, nahm ich den Anruf entgegen und starrte wieder zur Tür der Juilliard, hoffte das Bella gleich rauskommen würde und ich sie einfach nur wieder in meine Arme schließen konnte und mein Gesicht in ihren Haaren vergraben konnte.

„Hallo mein Sohn. Wie geht’s dir? Warum hast du dich schon lange nicht mehr bei deiner einzigen Mutter gemeldet?“

Ich lächelte, entschuldigend, obwohl ich wusste, dass sie das nicht sehen konnte. „Es tut mir Leid. Momentan hat sich eine Menge verändert und ich versuche das alles unter einem Hut zu kriegen. Ich sehe Bella kaum noch, geschweige denn Alice und Jasper und wenn ich daran denke, dass ich dich anrufen könnte, ist es schon zu spät.“

„Alice hat mir erzählt, dass du nun bei der Jugendrechtshilfe arbeitest.“

„Ja, ich versuche es zumindest. Doch es nicht einfach. Es strengt mich ehrlich gesagt sehr an und ich weiß nicht, ob ich noch mehr Zeit in Arbeit stecken will und dadurch noch weniger Zeit für Bella habe.“

„Aber es macht dir doch Spaß? Ich kenne dich besser, Edward. Du sagst zwar, dass du darüber nachdenkst, diesen Job nicht anzunehmen, aber wir beide wissen es doch besser, nicht? Das ist das was du immer tun wolltest. Du wolltest Kindern helfen und vielleicht kannst du es momentan so eher, als bei deiner Arbeit am Gericht.“ Ich hörte, wie sie im Hintergrund den Backofen öffnete. „Erzähl mir davon, Schatz.“

„Noch gibt es nicht viel darüber zu erzählen. Ich habe erst meinen ersten Fall. Er heißt André und ist elf Jahre alt. Er hat bei seinem Bruder gelebt und ihn angehimmelt, doch dieser ist nun ins Jugendgefängnis gewandert. Nun hat André keinen mehr, zu dem er aufsehen kann und eigentlich will er nur zu seinem Bruder.“

„Das erinnert mich daran, wie Alice dir und Emmett immer hinterher gelaufen ist. Du warst 3 Jahre alt und Alice gerade 2 geworden. Doch du hast dich eher an Emmett orientiert, als Zeit mit deiner kleinen Schwester zu verbringen. Du hast sie oft genug zurück gewiesen und sie angeschrien, dass sie dich in Ruhe lassen soll, doch Alice hat dich angehimmelt, weil du ihr Bruder warst. Das hat sich all die Jahre nicht geändert.“

„Ich weiß nicht, ob mir das weiterhilft, Mom“, meinte ich und fuhr mir durchs Haar.

„Ja, vielleicht hast du Recht. Vergib deiner Mutter, die in Erinnerungen an ihre einzigen Kinder schwelgt.“

„Mom, wir sind nicht tot. Wir sind nur auf der anderen Seite des Landes.“

„Ich weiß, Edward und du solltest das auch nicht vergessen. Wir sind immer für dich, Alice und Bella da. Vergiss das nicht und ruf deine Mutter gefälligst regelmäßig an.“

„Mach ich. Ich gelobe Besserung. Umarme Dad von mir.“

„Ja, mein Schatz. Ich wünsch dir noch einen schönen Abend.“

„Dir auch. Bis dann.“ Ich legte auf und steckte das Handy wieder in die Hosentasche. Ich dachte über Andrés Mutter nach. Vielleicht wollte sie zu erst nicht, dass ihr Sohn zu ihrem Bruder kommt, weil sie sich von ihm verraten fühlte. Vielleicht war sie sauer auf ihn, weil er einfach aufgegeben hatte, sie zu retten?

Die Türen gingen auf und Bella trat heraus, gefolgt von ein paar anderen Tänzerinnen. Sie lachten und neckten sich anscheinend ein wenig. Es war schön, Bella so glücklich und unbeschwert zu sehen.

„Hey“, meinte ich, als sie auf mich zu kamen. Die jungen Frauen blieben stehen und musterten mich. Ein paar der Gesichter kannte ich schon. Eine von ihnen, die Blonde, hieß Isobel und kam aus Connecticut. Ling, kam aus Chicago und hatte chinesische Wurzeln. Bella sagte, sie hätte besonderes Talent und bewunderte sie wohl etwas. Rena war eine Rothaarige aus New York selber und hatte eine große Klappe, wie man es eben von Großstadtkindern nicht anders kannte. Die zwei anderen kannte ich noch nicht.

„Hey“, sagte Bella und tippelte leicht auf mich zu und ich schloss sie in meine Arme, vergrub mein Gesicht in ihrem Haar und sog den vertrauten Geruch ein. Ich hatte ihn wirklich vermisst. Was würde sein, wenn ich mich nicht mehr an jede einzelne Nuance dieses Geruchs erinnern könnte?

„Hallo meine Damen“, sagte ich schließlich zu den anderen. „Alles klar bei dir?“

Bella nickte und lächelte mich glücklich an.

„Bella, du bist echt zu beneiden. Du hast eine Hammerwohnung in Manhatten, bist talentiert, die Lehrer haben ein Auge auf dich geworfen und du hast auch noch einen heißen Freund, der so toll ist, dass er dich abholt.“, sagte Isobel.

Bella neben mir errötete und ich musste lächeln. „Man tut was man kann“, meinte ich und hielt Bella weiterhin in meinen Armen fest, denn so schnell würde ich sie heute nicht mehr weggeben. Ab jetzt würde sie ganz mir gehören und niemand würde uns stören können.

„Ah, da seid ihr ja noch“, sagte jemand, der zu uns eilte.

Ich erkannte den Mann, als Patrick, der sich zu mir gesetzt hatte, als ich Bella zugesehen hatte. Er sah mich kurz an und nickte mir nur zu.

„Ich wollte euch sagen, dass das Training morgenfrüh eine Stunde später anfängt. Ich möchte gerne mal etwas länger schlafen. Hoffe, das geht in Ordnung?“

„Natürlich. Da ist eine tolle Idee, Mr. Darcy“, sagte Ling glücklich.

„Gut, wir sehen uns ja dann morgenfrüh“, meinte er und nickte den Mädchen zu, die nun weiter in Richtung U-Bahn-Station gingen. Nun sah er mich an. „Es ist schön Sie wieder zu sehen, Edward.“

Ich war etwas verwirrt, dass er den Mädchen sagen konnte, wann das Training morgen anfing. War er nicht selber Schüler hier? „Ja, ganz meinerseits.“

„Ihr kennt euch?“, fragte Bella und sah mich fragend an.

„Nicht direkt“, meinte ich und zuckte mit den Schultern. „Ich habe dir letztens zu gesehen und er hatte sich zu mir gesetzt, so kamen wir ins Gespräch.“

„Ja, genau, so war das. Das war übrigens eine Klasse Leistung heute, Bella“, sagte Patrick und lächelte Bella stolz an. „Wir sehen uns ja dann morgen.“ Er ging wieder zurück ins Gebäude und ich sah ihm fragend hinterher. Es dauerte einen Moment, bis ich mich daran erinnerte, wie Ling ihn genannt hatte. Mr. Darcy. Patrick, war Mr. Darcy? Bellas Lehrer?

Überrascht sah ich sie an und sie mich ebenso. „Das war dein Lehrer?“

Sie lächelte. „Ja, wusstest du dass denn nicht?“

Ich schüttelte den Kopf. „Nein, nicht wirklich. Er hat sich mir nur mit Vornamen vorgestellt. Ich hoffe er ist nett.“ Ich dachte gerade darüber nach, was ich dem Mann an diesem Tag alles gesagt hatte, über Bella und über mich. Aber mir fiel nichts Schlimmes ein, was ich hätte ausgeplaudert haben können.

„Ja, das ist er.“ Sie lächelte und griff nach meiner Hand. „Also, mein heißer Freund, was machen wir nun?“

Ich grinste und zog sie erst mal zu einem Kuss zu mir. „Ich liebe es, wenn du mich dein heißer Freund nennst.“
 

Der nächste Tag war angebrochen und meine Frist, die ich vom Richter bekommen hatte, war nun abgelaufen.

Ich hatte alle Unterlagen und Formulare, von denen ich hoffte, sie würden langen. André Greenwood saß neben mir, eine Reihe hinter mir saß Mr. Greenwood, Andrés Onkel und dessen Ehefrau.

„Mr. Cullen mir liegt nicht die offizielle zwischenstaatliche Vereinbarung über die Unterbringung von Kindern vor“, meinte der Richter und sah mich über seiner Brille hinweg an.

„Wir haben die Unterlagen für die Vormundschaft“, sagte ich und brachte das Formular zum Richter. Ich reichte es ihm und ging dann wieder zu meinen Platz, während er es las.

„Mr. Greenwood“, sprach der Richter Johnson Greenwood an. Dieser stand auf. „Sind Sie bereit diesen Jungen bei sich aufzunehmen?“

„Ja, das bin ich. Wir sind verwandt, euer Ehren, er ist mein Neffe.“

Der Richter nickte. „So fern von Seiten des Jugendamtes kein Einspruch erfolgt…“ Er sah zum Tisch des Jugendamtes herüber.

„Kein Einspruch, euer Ehren.“

Ich hörte André neben mir seufzen und wusste, dass ihm das Ergebnis nicht gefiel. Aber irgendwann würde er schon erkennen, dass es die beste Entscheidung für ihn war. Die beste Entscheidung die ich für ihn hätte treffen können.

„Nun dann“, meinte der Richter. „Dann kommt der Junge zu seinem Onkel.“ Er schlug den Hammer und mir fiel eine unglaubliche Last von den Schultern. Mein erster Fall und ich hatte eine gute Entscheidung für den Jungen getroffen.

„Vielen Dank“, meinte Johnson zu mir und reichte mir die Hand.

„Kein Problem“, sagte ich zu ihm.
 

Ich war erleichtert, dass das mit André heute so gut gelaufen war. Auch wenn ich das Gesetz umgangen hatte, so hatte ich es doch geschafft, da André zu seinem Onkel konnte. Natürlich war André nicht begeistert deswegen gewesen und hat auch keine Luftsprünge gemacht, als man ihm gesagt hatte, wo sein Onkel und dessen Familie denn lebten, aber es war für mich okay. Ich hatte die richtige Entscheidung für ihn getroffen, auch wenn er es noch nicht wusste.

Ich war mal wieder in der Jugendrechtshilfe und wollte mir eine neue Akte nehmen, als Mr. Greenwood herein kam und aufgebracht meinen Namen rief: „Mr. Cullen. Er ist weg.“

„Was?“, fragte ich entsetzt und wusste sofort, dass er von seinem Neffen sprach. Da hatte ich mich eindeutig zu früh gefreut.

„Er fragte, ob er noch seinen Bruder besuchen kann, als wir losfuhren. Als ich anhielt, stieg er aus und rannte einfach weg er rannte einfach weg. Ich rannte ihm hinterher, doch er war weg.“

Ich konnte fluchen.

Der kleine Junge machte einem aber auch wirklich das Leben schwer. Warum konnte André nicht einsehen, dass es am besten für ihn war, zu seinen Onkel zu gehen? Warum musste er sein eigenes Ding durchziehen?

Ich nickte, legte die Akte wieder auf den Stapel zurück und holte meinen Mantel. Der Fall André war für mich noch nicht abgeschlossen, wie es schien.
 

Es war ein langer Tag, auch wenn es nicht lange gedauert hatte, bis ich wusste wo André war. Die Nachbarn hatten mich angerufen und mir gesagt, dass aus der Wohnung von Marcus Greenwood laute Musik drang. Doch ich hatte vorher noch ein paar Anrufe getätigt, unter anderem hatte ich seinen Onkel noch mal angerufen. Er und seine Frau würden heute noch in der Stadt bleiben, aber morgen früh würden sie fahren. Mit André auf der Rückbank oder nicht.

Ich klopfte sturm an der Tür, hinter die Wohnung von Marcus und André Greenwood lag. Ich war durch die Straßen gefahren und hatte nach dem Jungen gesucht. Hatte sogar beim Jugendamt und auch im Gefängnis seines Bruders angerufen. Doch André war nicht zu finden. Dann dachte ich an die Worte des Jungen, dass was er mir die ganze Zeit gesagt hatte. Er wollte bei seinem Bruder bleiben. Er wollte nicht weg. Er wollte nicht weg aus New York. Es interessierte den Jungen einfach nicht, dass woanders ein besseres Leben auf ihn wartete.

„André“, rief ich den Namen des Jungen und klopfte weiter. „Mach die Tür auf. Ich will nur mit dir reden.“

Gerade als ich noch mal klopfen wollte, hörte ich wie das Vorhängeschloss an die Tür gehängt wurde, dann ging die Türe auf und André sah mich erwartungsvoll an. Er hatte die Kette nicht vorgezogen, offensichtlich vertraute er mir soweit, dass er glaubte, dass ich ihn nicht einfach packen würde und ins Auto seines Onkels stecken würde.

„Dein Onkel bleibt noch über Nacht.“ Ich wollte ihm so vieles sagen, aber inzwischen wusste ich, dass er all das einfach nicht hören wollte. Er war eben ein Kind, ein trotziges Kind. Und doch mehr als das. „Aber wenn du dich Morgen früh nicht zeigst, fährt er einfach wieder heim. So sieht’s aus.“

André seufzte und ich hoffte, dass er es dieses Mal nicht tat, weil ich ihn so sehr langweilte. Doch ich war mir da nicht so sicher.

„Hör mal, so eine Chance kommt nie wieder.“

„Ich will aber nicht zu ihm“, sagte der Junge und sah mich mit seinen großen, dunklen Augen an. Ich fragte mich, wie viel Leid diese Augen schon gesehen hatte. Wie viel der erschreckenden Wahrheit, die das Leben nun mal hatte, hatte er schon sehen müssen?

Ich nickte und seufzte. „Ich kann dich nicht zwingen.“

„Verrätst du denen vom Jugendamt wo ich bin?“

„Ich habe keine andere Wahl“, antwortete ich ehrlich.

Er seufzte wieder. „Dann sag Ihnen, Sie können mich holen.“ Er knallte die Tür zu und beendete damit unser Gespräch. Offensichtlich hatte er keine Lust auf meine Hilfe und auf die zweite Chance, die man ihm gab.
 

Eigentlich war ich gerade echt nicht in der Verfassung mich um den Salat zu kümmern, doch Bella hatte mich damit beauftragt und so drehte ich ihn mit dem Salatbesteck in der Schüssel um und dachte nur an André.

Ich hatte dem Jugendamt Bescheid gegeben, doch sie konnten mir nicht sagen, ob sie sich gleich um ihn kümmern würden. Es war ja nicht so, dass er kein Dach über den Kopf hatte, hatte man mir am Telefon erklärt. Also konnte ich nur warten.

Warten und Salat machen.

„Schau nicht so mürrisch“, sagte Bella zu mir und küsste mich auf die Wange.

„Entschuldige. Ich bin…“

„Ich weiß, mit den Gedanken ganz woanders“, beendete sie meinen Satz und nahm mir den Salat ab. Offensichtlich war sie mir deswegen aber nicht böse und dafür war ich ihr sehr dankbar. Ich hätte es nicht brauchen können, wenn sie mir jetzt deswegen auch noch ein schlechtes Gewissen eingeredet hätte. Doch so war Bella nun mal einfach nicht. „Hast du noch was wegen dem Jungen gehört?“

„Nein, leider nicht“, sagte ich und folgte ihr ins Esszimmer. Als es auch schon an der Tür klingelte. „Ich geh schon.“ Ich drückte auf den Knopf und ließ Alice und Jasper mit dem Aufzug hoch fahren.

Kaum ging die Türen des Aufzugs aus, warf sich meine Schwester mir auch schon an den Hals. „Hallo, Bruderherz.“

Ich konnte mich gerade noch auf den Beinen halten und konnte nur noch lachen. „Hey.“ Über ihren Kopf hinweg nickte ich auch Jasper zu, der das Dessert mit sich trug. Es war eine gute Idee von den beiden, dass Jasper es trug und nicht meine stürmische Schwester.

„Hey“, sagte Bella und wir drehten uns zu ihr um.

Alice ließ mich los und hüpfte sofort zu Bella, um diese an sich zu drücken. „Endlich kriege ich dich auch mal wieder zu Gesicht. Weißt du, ich hätte der ganzen Sache mit der Juilliard nicht zugestimmt, wenn ich gewusst hätte, dass du dann so wenig Zeit für deine beste Freundin hast.“

„Ich habe gar nicht gewusst, dass du da Mitspracherecht hattest“, meinte ich zu Alice und nahm Jasper den Nachttisch ab.

„Klar hatte ich das“, meinte Alice, streckte mir die Zunge raus und ging dann mit Bella ins Esszimmer.

„Ehrlich Jasper, du verdienst meine Anerkennung, dass du es mit meiner Schwester aushältst.“

„Das habe ich gehört“, schrie Alice aus dem Esszimmer.

„Dann ist ja gut“, meinte ich und Jasper grinste mich an. Wir gingen beide in die Küche. Ich stellte die Schüssel in den Kühlschrank und nahm mir dann ein Bier raus. „Willst du auch eins?“

„Klar“, meinte er und ich reichte ihm das, welches ich in den Händen hielt und nahm noch ein Neues heraus. „Wie läuft es bei dir?“

„Nicht so gut. Der Junge, dem ich helfen will, will sich nicht von mir helfen lassen.“ Ich holte aus einer Schublade den Flaschenöffner, öffnete meine Flasche und reichte den Öffner dann Jasper. „Und bei dir?“

„Es läuft. Aber natürlich ist nichts so interessant, wie das Leben mit deiner Schwester. Sie hat sich gestern entschieden, dass unsere Wohnung nicht kindersicher ist. Also will sie nun neue Möbel kaufen und irgendwie alle Schränke und Türen mit Kindersicherung zusperren.“

„Aber ihr ist schon klar, dass ihr noch kein Kind habt?“, fragte ich und lächelte.

„Wir haben uns ja nicht mal für eine Agentur entschieden. Hast du dir die Sachen mal angesehen?“

Ich nickte und nippte an meinem Bier. „Habe ich. Ich bin für zwei der Agenturen, die ihr mir da gegeben habt. Nicht, dass die anderen einen schlechten Ruf haben oder so. Aber ich habe bei den zwei einfach ein besseres Gefühl.“ Jasper nickte „Ich zeige es euch einfach nachher“, schlug ich vor.

„Edward, Jasper? Kommt ihr Essen?“, rief Alice und ich klopfte Jasper auf den Rücken, als wir die Küche verließen und zu unseren Frauen ins Esszimmer ginge.
 

Es war der nächste Tag und ich hatte die Nacht nicht gut geschlafen. Ich hatte das Handy direkt neben mein Kopfkissen gelegt gehabt und auf den Anruf vom Jugendamt gewartet. Doch er war nicht gekommen. Um vier Uhr früh, war ich dann aufgestanden und hatte mir die Akten vom Gericht noch mal vorgenommen, da ich ja doch nicht mehr schlafen konnte. Vermutlich hatte ich die Nacht gerade mal insgesamt 2 Stunden geschlafen und auch die fünf Tassen Kaffee sorgten nicht wirklich dafür, dass ich mich besser fühlte.

„Guten Morgen, Edward“, sagte Nick zu mir, als ich gerade die Jugendrechtshilfe betrat. Er hatte sich gerade Kaffee eingeschenkt und kam mit seiner Tasse zu mir. Er sah ernst aus. „Das Jugendamt hat so eben angerufen. Als man André Greenwood abholen wollte, trug er eine Waffe und 6 Ampullen Crack bei sich.“

Ich atmete frustriert Luft aus und konnte es einfach nicht glauben. Hatte ich denn nicht alles versucht? Hatte ich denn nicht versucht, dem Jungen eine zweite Chance zu beschaffen? Warum machte er es mir so schwer? Sogar seine Mutter hatte mir geholfen. Sein Bruder ebenso. Warum wollte der Junge unbedingt in den Knast?

Aber eigentlich hätte ich es erwarten müssen. André wollte nicht zu seinem Onkel.

„Er sitzt in ihrem Büro.“

„Danke.“

Ich brauchte noch einen Moment bevor ich in mein Büro gehen und mich André stellen konnte. Ich war wütend und sauer. Auf den Jungen und darauf, dass er sich nicht helfen lassen wollte. Ebenso war ich auch wütend auf mich, weil ich offensichtlich nicht fähig war, das richtige für ihn zu tun.

Ich setzte mich auf den Stuhl neben ihn, sagte nichts, sondern starrte wie er die Wand uns gegenüber an. Ich sah, dass seine Hände in Handschellen waren und er wirkte zerbrechlich und gleichzeitig verdammt stark. Wer konnte einem Elfjähringen Handschellen anlegen?

„Bist du noch mein Anwalt?“, fragte er.

Ich seufzte und beugte mich etwas nach vorne, sah ihn dann an. „Nein. Für Strafrecht bin ich bei der Jugendrechtshilfe nicht zuständig.“

Er nickte und stand von seinem Stuhl auf. „Komm ich jetzt in den Knast?“

„Du kommst in die Jugendstrafanstalt.“ Doch das war es ja wo er hin wollte, doch ich sagte es ihm nicht. „Das Gesetz wird dich nicht schonen, André. Jetzt nicht mehr, wo du es verletzt hast.“

„Damit komme ich schon klar“, sagte er, war aufgestanden und sah mich von der anderen Seite des Raumes an. Er lehnte an der Wand, lässig und cool wie immer. „Mach dir keine Sorgen um mich. Wenn ich nur bei meinem Bruder bin, komme ich mit allem klar.“

Ich nickte nur und wusste nicht mehr, was ich ihm sagen sollte. Wie konnte ein Elfjähriger so etwas tun? Freiwillig ins Gefängnis gehen, nur um bei seinen Bruder zu sein?

Ein Polizist kam herein und winke den Jungen zu sich. „Komm wir gehen.“

André stieß sich von der Wand ab, drehte sich dann aber noch mal zu mir um. „Tut mir Leid, Mann. Ich habe dich nicht um Hilfe gebeten.“ Ich sah, wie André mit dem Polizisten aus meinem Büro verschwand und fragte mich, wenn ich diesem Jungen nicht helfen konnte, konnte ich dann überhaupt irgendeinem Kind helfen? Es gab jemanden, der sich um ihn kümmern wollte. Sogar seine Mutter hatte auf ihr Recht als Mutter verzichtet, damit er eine Chance hatte. Auch sein Bruder war dafür, dass André was Besseres verdient hatte.

Es gab so viele Kinder da draußen, bei dem das nicht der Fall war. Da gab es keinen Onkel, der ihn lieben und retten würde. Wie sollte ich also anderen Kindern helfen können, wenn ich es nicht mal bei André Greenwood geschafft hatte?



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Kommentare zu dieser Fanfic (29)
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Von:  kimm1007
2013-03-05T09:59:13+00:00 05.03.2013 10:59
Hallo,
erst einmal möchte ich dir ein großes Lob geben, ich habe die erste Geschichte gelesen vom Schnee berührt und ich muss sagen sie hat mich fasziniert bin echt begeistert ich fange jetzt die Fortsetzung an zu lesen es ist leider nicht abgeschlossen würde mich freuen wenn du sie bald weiterschreibst.
Hast mich echt verzaubert
Kimm

Von: abgemeldet
2010-12-14T12:21:13+00:00 14.12.2010 13:21
Ich finde die Geschichte jetzt schon richtig gut.. man merkt wirklich das die kleine Bella und der kleine Edward endlich in der realen Welt ankommen :-)
bin gespannt wie es weiter geht..
Von: abgemeldet
2010-11-27T20:23:22+00:00 27.11.2010 21:23
soooooo traurig das der arme junge sowass macht !!
armer edd !#LG Bella_Edward_
Von:  bella-swan1
2010-11-23T07:39:07+00:00 23.11.2010 08:39
Hi super Kapi.
Freu mich schon drauf wie es weiter geht.
lg.^^
Danke für die ENS.^^
Von: abgemeldet
2010-11-21T15:22:41+00:00 21.11.2010 16:22
Das war wirklich wieder ein schönes Kapitel.
Aber Edward und Bella verbringen wirklich nicht viel Zeit miteinander.Hoffentlich leben sie sich nicht auseinander oder so.
Edward hat es wirklich schwer mit dem Jungen gehabt, aber machen kann man halt nicht helfen oder wollen keine Hilfe.

Ich bin gespannt, wie es weiter geht.

LG
Von:  vamgirly89
2010-11-21T14:20:23+00:00 21.11.2010 15:20
Tolles Kapitel. Freue mich schon auf das nächste Kapitel. Schreib ganz schnell weiter. Armer Edward. Er soll nicht den Kopf hängen lassen. Es geht weiter. Der Junge tut mir auch leid. Edward wollte ihm helfen, jetzt sitzt er auch im Knast bei seinem Bruder, wo er hin wollte.
Von: abgemeldet
2010-10-30T10:35:18+00:00 30.10.2010 12:35
ohh wiee süßßßß dasap war !!
freue mich schon aufs neste !!
LG Bella_Edrwar_
Von:  vamgirly89
2010-10-26T21:02:52+00:00 26.10.2010 23:02
Tolles Kapitel. Freue mich schon auf das nächste. Schreib ganz schnell weiter.
Von:  bella-swan1
2010-10-26T05:28:57+00:00 26.10.2010 07:28
Hi super Kapi.
Hoffentlich bleibt der Junge auch bei seinem Onkel.
Freu mich schon drauf wie es weiter geht.
lg.^^
Danke für die ENS.^^
Von: abgemeldet
2010-10-24T11:49:46+00:00 24.10.2010 13:49
Juhu, endlich mal wieder ein Kapitel von dieser Geschichte.
Die beiden haben ja wirklich nicht viel Zeit füreinanderund jetzt wo Edward noch ehrenamtlich tätig geworden ist, haben sie noch wenier Zeit.
Hmmm, ich freue mich schon darauf wie es weiter geht.:)))


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