Nobody said it was easy.
Diesmal mit Absätzen .. mehr oder weniger.:3 Ich hoffe das Lesen ist so leichter.
Viel Vergnügen bei meinem kognotiven Wirrwarr.
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„Ich liebe dich. Ich liebe dich. Ich liebe dich. VERDAMMT! Ich liebe dich.“ Diesen Satz wiederholte ich immer und immer wieder. In Gedanken versteht sich. Wäre sehr komisch, wenn ich meinem Ex-Liebhaber und jetzigem besten Freund eine Liebeserklärung machte. Immerhin hatte er mir so was von klar gemacht, dass unsere … „Begegnung“ nur ein einmaliger Ausrutscher für ihn war. Und ich … ich hatte ihm zugestimmt. Mein Stolz war zu groß, als dass ich ihm hätte sagen können, dass ich schon seit zirka vierzehn Monaten was von ihm wollte. Oh ja, ich war ja schon immer von mir und meinen Kompetenzen überzeugt, aber das hätte alles übertroffen.
Also stand ich hier mit ihm und seiner Begleitung und wir grübelten darüber, wie wir Kristina - seine Begleitung und neueste Errungenschaft; wobei er sie lieber „kleiner Goldstern“ nannte - unauffällig in den Club bekamen. Nun, die beiden dachten darüber nach, ich war ja in andere komplexe Gedankengänge verstrickt. Sie war nämlich noch keine 18, die Ärmste. Oh Gott, Mitleid bitte! „Mensch, Nik, jetzt denk’ doch bitte mal mit!“, herrschte mich Julian - besagter bester Freund - an. Ich fuhr erschreckt aus meinen Gedanken auf. „Ja, sorry, wie wär’s, wenn wir einfach in eine Disko gehen, in die sie auch definitiv reinkommt? Ich habe nämlich keine Lust hier extrem erfinderisch zu sein“, gab ich zur Antwort. Yeah, ich konnte ja so charmant sein. Aber hey, immerhin nahm ich es in Kauf, die Band meiner besten Freundin zu verpassen, nur um Mister „Ich unternehme nichts mehr ohne meinen kleinen Goldstern“ zufrieden zu stellen.
Wo wir beim Thema waren - die Kleine sah mich schon ganz beleidigt an. Armes Tuff-Tuff. Sollte die sich solange an ihrem Liebling - an den sie sich schon den ganzen Abend ekelhaft lästig geklammert hatte - erfreuen, wie sie konnte. Denn entweder würde ich ihn zurückgewinnen oder sie einfach kurzer Hand umbringen. Wobei das mit dem zurückgewinnen problematisch war, da wir ja nie zusammen waren. Er war ja so was von hetero und männlich. YO!
„Jetzt zick’ nicht so rum, du Mädchen. Was ist’n wieder los mit dir? Schlecht gefrühstückt?“ OH WEH! Dieser Einfallsreichtum machte mich ganz nervös; er sollte ein Buch darüber schreiben. Nun, gut, ich sollte meine schlechte Laune nicht an ihm auslassen, auch nicht in Gedanken. Immerhin war Krissi ja der Dorn, der mein Auge zum eitern brachte. 5 Euro ins Phrasenschwein, bitte. Meine Metaphern waren auch schon mal besser gewesen. Aber was sollte es, merkte ja niemand.
„EHM! Mein Lieber, wir stehen hier schon seit einer viertel Stunde und überlegen, wie wir deinen minderjährigen … Goldstern“ - ob ich auf die Schnelle noch einen Flyer entwerfen konnte? ‚Kleiner, brünetter Goldstern sucht ein neues Zuhause.‘ Haha, I‘m so mean. „- in diese Disko bekommen. Also entweder kommt ihr mal zu Potte, oder ich geh’ da alleine rein, immerhin spielt Jessys Band heute. Also?!“ Ich war ja so schlagfertig. Kristina riss entsetzt die Augen auf, Julian starrte mich sowohl entgeistert, als auch wütend an und ich … ich war so was von zufrieden. Ich konnte mir ein kurzes, spöttisches Lächeln nicht verkneifen und Julian merkte es zu allem Überfluss auch noch. „Was zum Teufel ist eigentlich los mit dir?! So kenn’ ich dich gar nicht. Ich glaub’ ich spinne, jetzt reiß’ dich endlich mal zusammen, immerhin reden wir hier von meiner Freundin, nicht von irgendeiner 0-8-15-Bekannten!“
Der wurde ja mit jedem Wort immer lauter. Oha, entweder war ich da gerade in ein großes Fettnäpfchen getreten - denn mit ihm wollte ich mich ja überhaupt nicht streiten - oder ich war im falschen Film. Naja, wohl eher ersteres. „Weißt du was, Jul, leck’ mich. Du sprichst doch sowieso seit drei Monaten nur noch in der Schule mit mir, ich frag’ mich eh schon die ganze Zeit, warum du mich gefragt hast, ob ich heute was mit dir mache. Und da hast du Kristina auch nicht erwähnt. Es ist nicht so, als hätte ich jetzt vorzugsweise was gegen sie, aber diese Situation hier kotzt mich einfach an. Und du sowieso, das hab’ ich dir in den vergangenen vier Wochen schon zig Mal gesagt. Und jetzt: auf wiedersehen“, maulte ich ihn an, machte kehrt und ging schnurstracks in meine Stammdisko. Soviel dazu, dass ich mich mit Jul überhaupt nicht streiten wollte.
Im Club angekommen bestellte ich mir erstmal was Hochprozentiges zum Knallen. Ich war SO sauer. Was bildete sich dieser arrogante Fatzke eigentlich ein? Ich hatte mich noch nie mit Julian gestritten, selbst Meinungsverschiedenheiten waren äußerst selten. Aber das hier war ja mal so was von ultimativ richtig von mir gewesen. Immerhin sprach er wirklich nur auf dem Pausenhof mit mir, da sein kleiner brünetter Goldstern - welcher normale Mensch dachte sich einen solchen Kosenamen aus? - auf eine andere Schule ging als wir. Echt. Früher waren wir jeden Tag zusammen gewesen. Sei es, um feiern zu gehen, oder um schlicht und einfach zu chillen, zu zocken und zu lachen. Meine Wut schwenkte in leichte Trauer um. Andere Leute bekamen ihre Beziehungen und ihre Freundschaften doch auch unter einen Hut. Und immerhin war ich sein bester Freund. Hier lief eindeutig was falsch.
Ich wollte mich gerade mit meinem obergeilen Tequila Sunrise auf die Suche nach Jessy machen, da packte mich jemand an der Schulter. Ich drehte mich um und wem sah ich in die Augen? BINGO! Julian. Wirklich, wenn das kein schlechtes Karma war, war ich Harry Potter. Fehlte nur die Brille, der Umhang und mein Besen. Einen Zauberstab hatte ich ja, höhö.
Öhm, ja, zurück zum Thema:
Julian. Hier. Ohne Krissi. Hätte der nicht einfach draußen bei seiner Flamme bleiben können? „Ehm, wo hast du denn deinen Goldstern gelassen?“, fragte ich mit Unschuldsmiene. „Halt’s Maul und erklär’ mir lieber, was das eben war!“ Oho, der war ja bester Laune. „Was nun? Maul halten oder erklären? Beides gleichzeitig geht nicht, Intelligenzbestie“, maulte ich ihn an und riss mich von ihm los.
„Lass mich einfach in Ruhe, das schaffst du außerhalb der Schule doch auch ganz hervorragend.“ Jul verdrehte die Augen. „Du weißt, dass du mir mehr als alles auf dieser Welt bedeutest, Nik, aber Krissi ist mir nun mal ebenso wichtig. Versteh’ doch, dass ich sie erstmal richtig kennenlernen muss.“ Aha. Der Herr machte auf Mitleid. Ja dem ging’s doch zu gut. Ich sah ihn finster, ach was; mehr als finster, an und schrie ihn an: „Ich glaube du HAST sie nicht mehr alle. Ich bedeute dir mehr als alles andere auf diesem blauen Scheißplaneten? WIRKLICH? Ich sag’ dir jetzt mal was: Du kannst mich mal! Andere Menschen können Freundschaft und Beziehung auch unter einen Hut bringen und sie müssen nicht in den ersten drei Monaten der Beziehung ihren besten Freund vernachlässigen. Du machst mich einfach krank, Julian, ernsthaft. Werd’ dir verdammt noch Mal klar, ob ich es wert bin, dass du dein Verhalten änderst. Danke, auf wiedersehen.“
Und mit diesen Worten drückte ich ihm meinen Drink in die Hand und rauschte an ihm vorbei - einfach nur nach Hause.
„NIK! Steh’ auf, verdammt noch mal. Es ist schon spät, immer musst du so lange schlafen“, weckte es mich an einem Sonntagmorgen, um exakt 11:00 Uhr. UM ELF UHR FRÜH! Diese Frau hatte sie definitiv nicht mehr alle. „Mutter, es ist SONNTAG. Sonntags habe ich keine Schule, sonntags darf man lange schlafen. Also bitte! Verschwinde und lass mich Hasen jagen“, maulte ich schlaftrunken. Hasen jagen war meine Traumspezialität. Ich liebte diese Träume, sie waren so schön unschuldig, kindlich und … OH GOTT, was ich immer für eine Scheiße dachte, wenn ich verschlafen war. Nicht auszuhalten.
„Niklas Christopher Jung, du stehst jetzt augenblicklich auf, oder ich gebe dich zur Adoption frei!“ Oh weh - ja, ich liebte Wortzusammenhänge mit einem ‘OH‘ - meine Mutter fuhr die harten Geschosse auf. „Sibille Marion Jung, diese Drohung zieht schon seit meinem achten Geburtstag nicht mehr, also bitte. Was willst du eigentlich, dass du zu so unchristlichen Zeiten hier reinplatzt?“ Ich gähnte, ob der frühen Störung meines wundersamen Traumes. Normalerweise war es mir wenigstens vergönnt bis eins zu schlafen, aber gerade nach so einem verkorksten Abend musste meine Mutter mich wieder in die Realität zurückreißen. Tyrannische Frau.
Meine kleine, stattliche Mutter stützte ihre Hände in die Hüften und sah mich herrisch an. OH WEH - haha! - diesen Blick kannte ich, irgendwas würde gleich auf mich zukommen. Irgendwas Unangenehmes, ich sah’s schon kommen. Außerirdische vom Planeten Tentakulon kamen, um mich zu holen. Immerhin schuldete ich denen noch 5 Kaninchen, die ich bei der letzten Pokerrunde an sie verloren hatte. … Okay, ich sollte mein Gehirn verkaufen. Definitiv. „…und außerdem ist Julian hier.“
Anscheinend hatte meine Mutter einfach meine Unaufmerksamkeit ignoriert und gelabert, was mich sonst auch wirklich so was von peripher tangierte, doch der letzte Teil des Satzes ließ mich aufhorchen. Wohl eher brannten bei mir alle Synapsen durch. Dass ich keinen Herzinfarkt bekam war auch alles. Was wollte DER denn hier? Jetzt, um diese Zeit und überhaupt. Hatte der mich mal angeguckt?! Ich sah furchtbar aus! Aber nein, er wollte sich selbst davon überzeugen, mich auslachen und dann wieder gehen, weil ich aber sowas von wirklich furchtbar aussah.
Und die Logik verabschiedete sich zum wiederholten Male aus meinem Kopf. Hallo, Welt, meine Name ist Gänseblume. Ich versuchte durchzuatmen und meiner Mutter zu sagen, dass das kein Grund für einen derartig frühen Weckruf war und dass sie Julian wieder nach Hause schicken sollte. Doch da kam auch schon ein „Hey, Nikki“ aus Richtung Zimmertür. Oh Gott, warum hatte ich gerade keinen Dolch zur Hand?
„Verschwinde, Mama“, raunte ich meine Mutter an. Dieses Gespräch musste sie nicht wirklich mitbekommen. „Also das geht aber auch freundlicher, Niklas“, kam es von ihr. Konnte diese Frau nicht einmal tun, was ich sage? „Nenn’ mich nicht Niklas, verdammt noch mal. Und jetzt geh’ bitte!“ Das war eindeutiger, denn sie warf genervt die Hände in die Luft und verschwand in Richtung Küche. „Das war nicht gerade die feine englische Art, Nikki, deine Mutter …“ - „Was willst du?“, unterbrach’ ich ihn unwirsch, den Rest seines jämmerlichen Versuches, Konversation zu betreiben, ignorierend. Konnte mich dieser gutaussehende Mensch nicht einmal in Ruhe lassen? Ich hatte doch gestern meinen Standpunkt klar gemacht, oder nicht? Verdammt nochmal. Innerlich raufte ich mir die Haare. Dieser Tag begann so beschissen wie der letzte endete. Nur mit beschissenem Aussehen. Und nein, mir wird's nicht überdrüssig, das zu erwähnen.
„Mit dir reden. Was sonst? Immerhin bist du gestern einfach abgehauen. Und du hast mich gestern echt zum Nachdenken gebracht.“ Aha. War ja mal ein Anfang. Sagte ich ihm auch, aber direkt ins Gesicht. Yeah, eiskalt. Wie lauwarme Suppe. Manchmal wäre es schon besser, wenn ich in siedendes Öl fallen würde. Himmel, Herrgott. „Ja, es ist ein Anfang. Du bist mein bester Freund, daran wird sich nichts ändern. Selbst wenn ich Kristina vom Fleck weg heiraten würde. Kapier‘ du das mal und ich werde dich ab sofort wieder mehr in mein Leben integrieren. Ich seh‘ ja ein, dass du in letzter Zeit etwas zu kurz gekommen bist. Und das tut mir leid.“ Wuh. Das war mal ‘ne Ansage. Aber irgendwie … glaubte ich ihm. Da war so ein gewisser Ausdruck in seinen Augen, der jede Lüge ausschloss. Aber anstatt ihm zu antworten, strecke ich meine Hand aus. Er nahm sie und ich zog ihn zu mir auf‘s Bett.
NEIN, ich hatte jetzt nicht vor, ihn zu verführen. Lebensmüde war ich dann doch nicht. Auch wenn ich mich winkend vor bewaffnete Hasen stellte und sie lautstark als „Freiwild“ bezeichnete. Yeah, ich war so cool. „Danke“ war das Einzige, was ich ihm doch noch zu sagen hatte, bevor ich ihn umarmte.
Er drückte mich kurz, löste sich dann von mir - 5 Sekunden, so ein Arschloch! - wuselte mir durch die Haare und grinste. „Danke, Nikki. Ich hab dich lieb. Aber … Du siehst echt scheiße aus“, sagte er, immer noch grinsend. Gosh. DANKESCHÖN, DAS WUSSTE ICH SELBST! Wäh, immer dieses Mobbing am frühen Morgen. „Lass mich, ich bin gerade erst aufgestanden. Und das wegen dir, also bist du für dieses Haarchaos hier verantwortlich“, warf ich ihm vor. „Das tut mir leid. Ich schlage vor, du schläfst einfach noch ’ne Runde. Und ehrlich gesagt: Ich bin auch noch ziemlich müde. Hast du was dagegen, wenn ich mich neben dich lege?“
Mein Herz begann augenblicklich mit einer Achterbahn der Extraklasse. Was wollte der? Sich neben mich legen? Er hatte zwar schon öfter hier gepennt, allerdings lag dann eine Matratze auf meinem Fußboden, weil mein Bett wirklich winzig war, und ich war seelisch darauf VORBEREITET! Schnappatmung. Meine Schweißdrüsen gaben den Befehl zum „Wasser Marsch!“ und ich wusste nicht, was ich tun sollte.
„Ähm … theoretisch nein, aber … aber du hast keine Schlafklamotten dabei“, stammelte ich. Oh Gott, lief ich gerade rot an? Meine Ohren wurden heiß und meine Wangen kribbelten - natürlich wurde ich rot! Zu allem Überfluss. Scheiße wie peinlich. „Ja und? Ich schlafe auch zuhause nicht mit großartig besonderen Schlafklamotten“, murmelte er und zog sich kurzerhand seine Schuhe aus … gefolgt von Socken, Shirt und … Hose. So stand er also halbnackt vor mir und ich konnte nicht anders als ihn anzustarren.
War ich gerade im falschen Film? Hätte er nicht wenigstens sein Shirt anlassen können, oder wollte er mich schlicht und ergreifend quälen? Innerlich verfiel ich in einen Heulkrampf, doch ein kleiner Teil von mir zündete gerade die Lunten eines bombastischen Feuerwerks an. Oh ja, ich besaß keine Organe, sondern Tränendrüsen und Feuerwerkskörper. Faszinierend, jaja. Das heißeste Problem, das ich je gesehen hatte, riss mich aus meinen Gedanken über Feuerwerkskörper, in dem es sich wieder neben mich setzte und fragte: „Ähm schläfst du im sitzen?“ Haha, witzig, wirklich. „Nein, ich schlafe nicht im sitzen. Aber du blockierst mein winziges Bett“, konterte ich. Yay, schlagfertig ftw. Julian zuckte mit den Schultern und legte sich hin, ich tat es ihm nach, obwohl ich mich fühlte, als würde ich meine Henkersmahlzeit zu mir nehmen. Hilfe! Entweder würde ich im Schlaf sterben oder ich würde es wachend nicht überleben. Geil, was war ich wieder unlogisch. Julian grinste mich an, gähnte herzhaft und war innerhalb von fünf Minuten eingeschlafen. Doch vorher hatte er noch einen Arm um mich gelegt. Komischer Mensch. Jetzt musste ich aber so was von Ruhe bewaren.
Noone ever said it would be this hard.
[KAPITEL 2 - Niemand hat gesagt, es würde so schwer werden]
Irgendwie bin ich nicht gut in längeren Geschichten, wie ich hiermit feststelle.
Ich hoffe ihr seid nicht allzu enttäuscht mit dem sehr gewollten, aber leider weniger gekonnten Kapitel.:) ^-^
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„Denk an Politik. Oder an Wasabi-Chips. Oder nein, noch besser: Denk an Spinnen!“ Hm. Yes, baby. Das waren dann wohl ziemlich lahme Versuche, mich innerlich von der wohl schärfsten Katastrophe der Welt abzulenken. Zwar versetzte mich der bloße Gedanke an Politik normalerweise in tiefkomatöse Zustände, jedoch klappte das dieses Mal wohl nicht ganz. Witzig, wirklich. Schicksal, du bist ein Hurensohn! Zu allem Unglück hatte ich jetzt den widerwärtigen Wasabigeschmack im Mund und drehte mich paranoid nach Spinnen um. Scheiße. Nuklearverseuchte Oberscheiße!!! Meine Augen richteten sich auf Jul, zum .. 152. Mal diese Minute. Jep, hab‘ gezählt. Gedanklich. Nein, das war keine Mathematik, das war die hohe Kunst der Duplomatie! Nur ohne Duplo, sondern mit Jul. Nennt man das dann Julmatie? HAHAHAHAHA. Lame!
Ehm. Wo war ich? Ach ja. Bei meiner persönlichen Apokalypse. Jul lag neben mir, halb nackt und schlafend. War ja so als wollte der mich unbedingt foltern; als wüsste er von meiner Leidenschaft und inniger, ihm gebührender Liebe und wollte mich auf die Probe stellen. Denn diese Liebe war verboten, weil er nicht wollte. Dödödödödöm! Und hiermit begrüße ich Sie bei dem RTL-Abendprogramm, viel Spaß!
Scheiß Soapexistenz. Ja, mein Leben war eine Soap. Warum ausgerechnet eine Soap? Ganz einfach: Die Dinger enden nie, genauso wenig wie mein Leiden. Ich war nämlich ein Vampir. Wie Damon aus Vampire Diaries. Nur dass ich ein bisschen weniger sexy war. So und nicht anders! Außerdem gab es immer einen Soap-Charakter, der ohne Liebe und Zärtlichkeiten leben musste. Immer. Irgendeinen.
Nun ja. Sinnloser Zwischenwurf ftw! Ich starrte gerade Jul an, sein wunderbares Gesicht, seine starken Arme, seinen muskulösen Bauch, … und weiter ging ich mal nicht. War ja ein artiger Junge. Außerdem lag ‘ne Decke drüber. Und ich wusste nicht, ob das gut oder schlecht war. Hm. Als ich gerade vorhatte, darüber weiter mit mir selbst und meinen flauschigen Phantasiehäschen zu fachsimpeln, vernahm ich einen leisen Laut aus Julians Richtung. Nicht, dass er es zwingend sein müsste. Immerhin könnten sich endlich mal die winzig kleinen Staubpartikelchen im Raum zu Wort melden, auf deren Kommentar warte ich schon seit Jahren. HAHA! Scheiße, ich war kognitiv so was von am Arsch. Na ja, whatever. Ich drehte meinen Kopf zu Jul und tatsächlich bewegten sich seine Lippen. Ich rutschte etwas weiter runter, um zu verstehen, was er denn da sagte. „Hunger. Nikki .. Anbeißen!“
War nur ich der Meinung oder war das wirklich sinnfreies Geschwafel? DAS wäre doch mal ‘ne Frage für‘n Jauch. „Die 1 000 000 Euro-Frage! ‚Ist das sinnloses Geschwafel? a) Ja, b) Nein, c) Vielleicht, d) Currywurst!‘“ Ach ja. Der gute Günni.
Aber irgendwie war ich wohl doch nicht der Meinung, dass es sinnloses Geschwafel war. Hm, lag wohl an meinen Menstruationsbeschwerden. Ich hatte nämlich 10 Minuten bevor ich an Wasabi-Chips, Politik und Spinnen - wäh! - dachte, Nasenbluten. Hm. Ich armes Ding. Woran das wohl lag?
Aber da ich ja nicht der Ansicht war, dass das sinnloses Geschwafel seinerseits war, hob ich meine Hand und strich Julians Wange entlang. Die fühlte sich an wie‘n Babyarsch, unfassbar. Wie kann man als 18jähriger Kerl bitte so ‘ne Haut haben? Er benutzte Feuchtigkeits- und Antifaltencreme, ich musste es nur noch beweisen. Irgendwann würde es soweit sein! Muhaha.
Vertieft in meine Verschwörungstheorien merkte ich zu spät, dass Julian die Augen weit aufgeschlagen hatte und mich ansah, als würden gleich urplötzlich fünfundzwanzigtausend Panzerfäuste auf mich zufliegen. Wuhu, wie war das mit der Apokalypse?
„Äh. Hihi, warum bist du wach?“ Man merkte mir meine Nervosität so was von an. Mega. Ich war tot. TOTOTOTOTOTOTOTOTOTOTOT!! „Warum streichelst du meine Wange?“, kam es von Jul. Yay: TOOOOOOT! Hatte ich das schon erwähnt?
„Ehm. Da war‘n Fussel,.“ Ich war ja so schlagfertig und so. Manchmal überraschte ich mich selbst mit meinen Kompetenzen. Jul für seinen Teil war jedoch nicht so begeistert, zog er doch seine Stirn in Falten. „‘n Fussel. Ja, klar. Nik, ich hab‘ dir gesagt, dass ich hetero bin, verdammt. Such‘ dir jemand anderen zum Spielen“, sagte er und stand auf. Wie schnell der doch war. Pisser. „Erstens: Fick dich! Zweitens: Normale Heteros ficken nicht einfach mal so mit ihrem besten Freund!“ Woher wusste der überhaupt, dass ich schwul war? Hm, naja, sollte mich wohl nicht wundern, immerhin kannte er mich wie kein Zweiter. Scheiße. Er schlug sich genervt die Hände auf seine Beine. Machte er immer, wenn ihn was nervte. Ob sein kleiner süßer Goldstern das wohl auch wusste? Haha, böse! „Nik, wie blöd bist du eigentlich? Ich wollte einfach mal wissen, wie‘s ist, ‘nen Kerl zu vögeln. Es war gut, aber nichts für mich. Leb‘ damit, okay?“
Öhm. Okay. Da hätte er mir auch irgendwie mal 1545862045 Dolche ins Herz rammen können, hätte die selbe Wirkung gehabt. So konnte ich auch nicht verhindern, dass mir Tränen in die Augen traten, jedoch ignorierte ich sie. „Hau ab. Hau ab, geh zu deinem kleinen brünetten Teenie und leb dein Leben. Aber tu mir einen Gefallen und sprich mich nicht mehr an. Du bist gerade so was von gestorben, Julian.“ Ficken, jetzt brachen die Dämme doch noch. SCHEISSE, SCHEISSE, SCHEISSE, SCHEISSE! Ich saß gerade verheult vor meiner ersten großen Liebe und sagte ihm, dass er mich nie wieder ansprechen sollte. Die Heulerei machte meine Worte irgendwie kaputt. Hatte ich so den Eindruck. Sah Jul irgendwie anders. „Wenn du meinst. Das hätte ich niemals von dir erwartet, Nik.“ WTF?! Jetzt war ich noch Schuld dran, oder was?
Die nächsten zwei Wochen verliefen trostlos, deprimierend, aber ohne größere Zwischenfälle. Die Schule war das Einzige, was mich am Leben hielt. Schule war zwar primär nur scheiße, aber da ich täglich aufstand, um mich zu besagter Einrichtung zu bewegen, hielt es mich am leben. Julian begegnete ich jeden Tag - was nicht weiter verwunderlich war. Immerhin hatten wir 6 von 9 Kursen zusammen. Die ersten vier Tage saß er einfach neben mir und sagte kein einziges Wort. Er grüßte mich nicht mal mehr. Was jetzt wohl daran lag, dass ich ihm verboten hatte, je wieder mit mir zu reden. Aber hatte ich in einem Anfall von Trauer, Wut und Herzschmerz damit gerechnet, dass er sich wirklich daran hielt? NEIN! Tag fünf begann damit, dass ich den Biologiesaal betrat, mich setzte & Claudio sich plötzlich neben mich setzte. Verwundert blickte ich auf.
„Was machst du denn da?“ Haha. Merkte man, dass ich sozial vereinsamt war? Ich glaube ja .. „Ich sitze ab heute hier. Jul meinte, dass er nicht mehr neben dir sitzen kann, aber den Grund darf ich nicht verraten.“ Aha. Den Grund darf er nicht verraten. Von der Tatsache abgesehen, dass Claudio Julians Zwillingsbruder war, hätte ich ihm am Liebsten meine Vittel-Flasche gegen die Umme gezimmert. Als würde ich nicht wissen, was der Grund war. Scheiße. Tränen. Normalerweise war ich nicht sonderlich nahe am Wasser gebaut, aber seit besagtem Tag der persönlichen Apokalypse war sowieso nichts mehr, wie es war. Nur bemerkte niemand meine Tränen - worüber ich ziemlich erfreut war - und der Tag zog vorbei. Wie auch die restlichen 9 Tage. Julian saß nun in keinem unserer gemeinsamen Kurse mehr neben mir und mied mich gekonnt.
Ich saß alleine auf dem Schulhof und hatte aus Verzweiflung wieder mit dem Rauchen angefangen. Ich lehnte zuhause fast täglich jegliche Mahlzeiten ab - um zu allem Überfluss auch noch besorgte Blicke meiner Mutter zu ernten - und vergrub meinen Kopf unter meinem Kopfkissen und heulte mir die Seele aus dem Leib. Alles Gewohnheiten, die ich an den Tag gelegt hatte, bevor ich Julian kennengelernt hatte. Und das war über drei Jahre her. Verdammt. Warum machte mich seine Abwesenheit bloß so fertig? Immerhin hatte ich es nicht anders gewollt, da ich mein Sprachzentrum einfach nicht kontrollieren konnte. Fuck, fuck, fuck! Und so endete Tag 14 wie die anderen 13 Tage zuvor auch .. Ohne Jul, mit leerem Magen, verheulten Augen, gegen 00:45 Uhr und mit einem depressivem Nik.
Tag 15 begann um punkt 06:00 Uhr. Meine Mutter stürmte in mein Zimmer und polterte „Aufstehen! Schule! Flott!“ Wie war das? Tyrannische Frau? Ja, genau das .. So schleppte ich mich ins Bad, stellte mich für fünf Minuten unter die Dusche - ziemlich produktiv war ich dabei nicht - machte mich mehr oder minder zurecht und ging ohne Frühstück aus dem Haus. Noch eine Marotte, die Juls Abwesenheit heraufbeschworen hatte … ich kümmerte mich nicht mehr um mein Äußeres - so surrten meine Haare in wirrem Steckdosenflair um die Umlaufbahn die ein normaler Mensch „Kopf“ nannte - und ich aß nur noch abends. Was auch nicht sonderlich viel brachte. Ich stöpselte mein Headset in mein Handy, steckte mir die Kopfhörer in die Ohren und ging los. Depression, Teil 15! Wenn das kein Titel für einen Psycho-Thriller war.
Doch etwas war anders als die Tage zuvor. Jemand stand auf dem Bürgersteig vor unserem Haus. Jemand sehr attraktives. Julian. Doch das registrierte ich erst, als ich aufblickte und ihm in die Augen sah.
„Verdammt, Nik. Was ist mit dir passiert?“, kam es von ihm. Ich zuckte nur mit den Schultern, zu mehr war ich gerade nicht fähig. Ohnehin war ich in den letzten sieben bis zehn Tagen nicht sonderlich gesprächig gewesen. Warum jetzt etwas daran ändern? Julian streckte seine Hand aus, umfasste mein Kinn und hob meinen Kopf an, um mir unverschämt durchdringend in die Augen zu sehen. Bei dem Anblick seines makellos schönen Gesichts füllten sich meine Augen erneut mit Tränen. Verdammte Scheiße, warum musste ich in letzter Zeit einfach immer heulen? Das war doch sonst nicht meine Art. Befand wohl auch Jul, denn er seufzte auf und beseitigte mit dem Zeigefinger der rechten hand - die linke umfasste immer noch mein Kinn - die Tränen aus meinem Gesicht. Und so standen wir einige Augenblicke da, bis … er sich vorbeugte und mich küsste. Völlig verwirrt und total am Ende war ich nicht mal fähig, anständig darauf einzugehen und deshalb bewegte ich nur teilnahmslos meine Lippen, obwohl ich den Kuss unheimlich genoss. Weitere kurze Augenblicke später löste Julian den Kuss, sah mich erneut durchdringend an und holte Luft, um etwas zu sagen.
„Ich glaube, wir müssen reden.“
Take me back to the start.
[KAPITEL 3 - Take me back to the start]
Hallo Welt & Freunde der Literatur!
Es mag einige überraschen, aber .. JA! Ich lebe noch. c:
Vorweg soll gesagt sein, dass noch ein Epilog aus Julians Sicht folgt. Falls ihr mich überhaupt noch mögt, weil ich wirklich so unregelmäßig update. Aber das Kapitel ist im Kopf schon fertig, von daher denke ich nicht, dass es allzu lange dauern wird.
Aber nun. Ich hoffe ihr habt erstmal Spaß hiermit! :)
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Hätte man mir vor zwei Wochen, als meine Existenz quasi nur aus Atmen und zur Schule hin und zurück vegetieren bestand, gesagt, dass Julian und ich wieder normal miteinander umgehen würden, hätte ich wohl in einem Wahn morbider Hysterie meine Haare abrasiert. Oder ganz einfach denjenigen, der mir diese rosige Zukunft versprach, verspottet. Nie hätte ich gedacht, dass Jul am 15. Tag unserer „Trennung“ vor meiner Haustür stehen und mich aus heiterem Himmel küssen würde. Nie. Doch so war es.
Wir hatten die Schule geschwänzt und uns 10 Stunden im Park am Ende der Stadt unterhalten. Ausgesprochen. Und neu angefangen.
Er hat mir gestanden, dass er schon länger diese Gefühle für mich hegte, sie aber partout nicht zulassen wollte, da er die Homophobie quasi mit der Muttermilch aufgesogen hatte. Seine Eltern waren religiöser als der Papst himself und wollten jeden Homosexuellen, den sie kannten oder auch nur auf der Straße sahen - natürlich weiß man bei jedem wildfremden Homosexuellen auf den ersten Blick, dass er ebendiese Neigung hat; jeder Schwule oder jede Lesbe rennt ja mit einer übergroßen Neon-Leuchtanzeige auf dem Kopf rum, welche frisch und fröhlich vor sich hin blinkt und verkündet „Hallo, Menschheit. Ich heiße Horst und lutsche Schwänze!“ jaja, genau - von dieser „Krankheit“, wie sie es nannten, befreien. Ob das durch den Tod geschah oder durch gezielte Gehirnwäsche gepaart mit Bildern von Angela Merkel war fraglich.
Jedenfalls hatte Jul keine andere Einstellung als diese gegen Homosexuelle gekannt und daher einen noch größeren Gewissenskonflikt gehabt. Als ob die Erkenntnis, dass man schwul ist, nicht schon an für sich schwierig genug wäre, auch ohne solche Horror-Eltern.
Nichts desto trotz hatte Julian den brünetten Goldstern zurück in die fremden Weiten der Umlaufbahn geschossen - hier bitte ein kollektives "Ooooooh!" - und war dann zu mir gekommen. Um zu reden. Als er mir seine Gefühle gestand, fing ich - kaputt wie ich nun mal zu diesem Zeitpunkt war - an zu heulen und schlug wahllos mit meinen kleinen Fäusten auf ihn ein. Da es ihm nicht sonderlich weh tun konnte, bedingt durch mangelnde Muckis meinerseits, tangierte mich dieser doch offenkundige Gewaltakt meinerseits eher peripher.
Als ich mich jedoch beruhigt hatte und er mir sagte, dass er mit mir zusammen sein und fortan als - Achtung, Zitat - „ geoutete, arschfickende Schwuchtel“ durch die Weltgeschichte tingeln wolle - ohne seine Wortwahl auch nur im Entferntesten ernst zu nehmen - breitete sich ein Grinsen atomaren Ausmaßes auf meinem Gesicht aus.
Und auch wenn ich seither glücklicher und befriedigter war denn je - bei soviel geballter Erotik, welche sich glücklicherweise ziemlich oft in meinem Bett abspielte würde sich selbst Pornoqueen Gina Wild vor Neid und grenzenloser Trauer ob der grausamen Einsicht, dass sie nicht mehr die „Queen of Porn“ sei, sondern ich - höhöhö! -, ihr Silikon aus sämtlichen Körperteilen abpumpen lassen und ein Leben als Saftschubse bei der Lufthansa fristen - war es für Julian immer noch ziemlich schwer, sich bei seinen Freunden so zu verhalten wie immer, da ich ziemlich oft dabei war und nicht alle gleich in Jubel und Luftsprünge ausgebrochen waren, als er ihnen erzählt hatte, dass er nun mein Freund war.
Könnte daran liegen, dass Julian überwiegend männliche Freunde hatte, die bei allem, was ihnen auch nur einen Steinwurf entfernt unbekannt vorkam, kuschten. Die wenigen Weiber, mit denen er verkehrt quietschen und kicherten bei jeder Berührung unsererseits übertrieben kindisch und zeigten mit unverhohlener Verzückung auf meinen Freund und mich. Egal, ob ich ihn über den Arm strich oder er mich auffing, als ich hinzufallen drohte. Jegliche Berührungen, die man allgemeinhin als „Zärtlichkeiten“ bezeichnete, waren ihm in der Öffentlichkeit unangenehm. Und da ihn die positive Resonanz seiner weiblichen Vertrauten nicht so glücklich machte, wie ihn die krummen Blicke seiner übrigen super männlichen und unglaublich heterosexuellen Konsorten beschäftigten … konnte ich die traute Zweisamkeit in illustrer Runde nicht allzu sehr genießen.
Und wie gesagt .. Ich war bei vielen illustren Runden anwesend. So auch bei einer Bar-Tour an einem Samstagabend. An diesem Abend bestand die illustre Runde aus Jul, seinem Bruder Claudio, Franck einem gemeinsamem Freund aus der Schule, seiner Freundin Nadine, Julians bester Freundin Ines, ihrem Freund Elijah und mir. Oh. Genau. Und Julians exzentrischer Nachbar war dabei. Sein Name war Maik und ich mochte ihn nicht. Jul und er kamen bestens miteinander aus, vorausgesetzt ich war nicht dabei und es wurde nicht über mich gesprochen. Wir zwei hatten schon vor zwei Jahren Bekanntschaft miteinander gemacht und gleich unsere Antipathie füreinander entdeckt. Eine tiefgehende Antipathie. Man könnte es schon fast als abgrundtiefen, nie endenden und blutrünstige-Mordgelüste-hervorrufenden Hass nennen.
Aber naja. Back to topic:
Geplant war ein Abend voller Ausschweifungen und gepflegt manierlichem Übermutes. Jedoch war eine unangenehme Stille am Tisch in meiner Lieblingscocktailbar eingetreten. Schlagartig. Der Grund dafür war eine spitzfindige Bemerkung seitens Maik. Eigentlich hatten wir alle unseren Spaß, aber Herr „Ich-bin-ja-so-knallhart-männlich-und-hasse-Schwuchteln“ konnte es natürlich nicht lassen uns zu schikanieren. Oder wohl eher Julian - immerhin war ich es gewohnt, hier und da mal unangenehme Sprüche gedrückt zu bekommen. Aber für ihn war das neu und umso schmerzvoller, wenn jemand, der eigentlich ein Freund sein sollte, so über ihn dachte.
„Was denn? Ist doch nur ‘ne Frage, Jul. Oder findest du es etwa nicht erniedrigend, keine Eier mehr zu haben?“ Wow. Da war aber jemand gut gelaunt. Man könnte es auch auf den Alkohol schieben und ein wenig Milde an den Tag legen, aber da das noch nie in meinem Naturell lag, immer noch nicht liegt und auch nie liegen wird, setzte ich an, etwas zu sagen. Etwas fieses, gemeines. Etwas von so boshaftem Hass, garniert mit einer spitzfindigen Bemerkung über seine Frisur, sein Leben, den Pickel auf seiner Nase, der aussah wie der royale Ohrschmuck Queen Elisabeths und über seinen kleinen Penis. Nicht, dass ich besagten Luller je gesehen hätte. Aber immerhin war mein Zweitname Sherlock und nicht Christopher. Thahaha. Wie hatte ich meine diabolische Seite vermisst. Aber nun. Jedenfalls hatte ich mir meine Worte schon im Kopf zurecht gelegt, da stand Julian auf, nahm mich an der Hand und zog mich mit sich.
„Du hast ein Problem mit mir, meinem Freund und meiner Sexualität? Dann pass auf, dass du jetzt nicht anfängst zu kotzen, du König unter den Arschlöchern!“, herrschte Julian seinen homophoben Nachbarn an, sah zu mir herunter und küsste mich stürmisch.
Im ersten Moment riss ich erschrocken meine Augen auf. Das hier war quasi ein Eingeständnis, eine Bestätigung unserer Beziehung. Er küsste mich vor seinen Freunden. An einem sehr öffentlichen Ort. Die Bar war zum bersten voll und jeder im Umkreis von 10 Metern hatte seine ziemlich laute Ansprache mithören können. So waren nahezu alle Unterhaltungen in besagtem Etablissement verstummt. Alle Augen waren auf Jul und mich gerichtet. Und so verstrichen mehrere Minuten, in denen mich mein Freund so stürmisch und emotionsgeladen wie noch nie küsste. Erst als ich ein ersticktes Seufzen von mir gab, lies er von mir ab und wurde sich erst da bewusst, dass er für mehr Aufsehen gesorgt hatte, als er eigentlich wollte. Er sah erneut zu mir herunter und lächelte kurz, aber ich sah ihm an, dass diese geballte Aufmerksamkeit, welche nun auf uns ruhte, zu viel für ihn war.
Doch Ines stand auf, grinste schelmisch und klatschte geräuschvoll in ihre Hände. Mehrmals. Erinnerte an Applaus, dachte ich so für mich. Nur erschloss sich der Sinn für mich erst dann, als nach und nach immer mehr Gäste des Lokals in diesen Applaus einstimmten. Ich sah mich kurz um, warf Ines einen dankbaren Blick zu - diese Person hatte ohne Zweifel das Herz am rechten Fleck und wahrscheinlich ein sehr dickes Gehirn. Diese Situation und ihren besten Freund zu retten sprach ohnehin schon für sie, aber das Ganze mit einem Applaus zu lösen? Das war so unverschämt geil, dass ich es auf möglichst viele positiven Eigenschaften an ihr schieben musste. Das gute Herz und der grandiose Charakter reichten da nicht aus. Und da kam für mich nur noch ihr dickes Gehirn in Frage. Hahaha, es war schon typisch für mich, dass ich in einem so abnormal romantischen Moment in meine verworrenen Gedankengänge driftete. Und dieser Moment war wirklich … wow. So‘n geiler, absolut geiler Filmmoment. Und ausgerechnet jetzt lief „Not like the movies“ von Katy Perry im Laden. WTF? Alteeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeer, krass.
Ehm. Ja. Der Applaus glich nun langsam aber sicher schon fast frenetischem Beifall, vor allem seitens Ines und Franck. Und sogar Claudio grinste ergeben, was man bei den Eltern ja wohl kaum erwarten konnte. Ich sah Jul in die Augen und grinste ihn an. Denn so sollte es sein. Das war die Art, mit der plötzlichen "Verschwulung" eines Freundes umzugehen, wie es sich für wahre Freunde gehörte. Maik war mittlerweile schon längst vergessen und nun waren da nur noch wir zwei. Er und ich. Niemand sonst. Kein Applaus, nichts drang mehr zu uns durch; obwohl besagter Beifall freilich noch andauerte.
Und das war dann so ein Moment, in dem alles wie im Zeitraffer geschah. Julian beugte sich zu mir herunter, küsste mich erneut, diesmal aber flüchtig; er löste den Kuss sofort wieder und sagte zum ersten Mal die Worte, die alles leichter machen würden. Für ihn und für uns. Diese Worte, mit denen er kund tat, dass ich sein war.
„Ich liebe dich, Nik. Ich liebe dich so sehr“, waren seine Worte. Und er küsste mich erneut.