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Das Ende des Wartens

Kapitel 1: Das Ende des Wartens
 

Glauben ist, wenn man auf etwas vertraut, dass man weder sehen noch hören kann. Man weiß noch nicht einmal, ob es wirklich existiert. So betrachtet bin ich ein sehr gläubiger Mensch. Nicht im religiösen Sinn. Eher ganz im Allgemeinen. Ich glaube an die Liebe…und vor allem an meine große Liebe.
 

Meine Mutter sagt immer zu mir: „Yugi mein Schatz, du bist so ein hoffnungsloser Romantiker.“

Ich muss sagen, ich glaube sie hat Recht. Seit dem ich denken kann, glaube ich daran, dass ER irgendwo ist und auf mich wartet. Mit ER, meine ich denjenigen, den alle Mädchen und jungen Frauen als ihren ‚Traumprinzen’ bezeichnen würden. Nur das die Person, die ich meine, kein Prinz ist, sondern ein Pharao. Mein früherer Geliebter, um es genau zu sagen.
 

Ich erinnere mich noch genau daran, wie ich, kaum dass ich klar und verständlich sprechen konnte, zu meinen Eltern gerannt bin und ihnen gesagt habe, dass wir nach ihm suchen müssten. Nach diesem Mann, von dem ich geträumt hatte. Ich war mir damals so sicher, dass ich ihn in dem unheimlichen Haus, am Ende der Straße, in der ich wohnte, finden würde.
 

Damals war meine Welt noch so klein gewesen, doch der Wunsch den Mann aus meinen Träumen zu finden, war so groß. Ich lag meinen Eltern jeden Tag in den Ohren damit, dass wir ihn suchen mussten. Sie glaubten damals, dass ich von einem Märchen besessen war, das eine Babysitterin mir erzählt hatte. Sie nahmen mich und mein Drängen nicht wirklich ernst.
 

Einmal, als mein Vater von meiner ständigen Bettelei die Nase voll hatte, nahm er mich auf den Arm und klopfte an jeder Haustür in unserer Straße. Er ließ mich wirklich jeden Nachbarn nach dem Mann mit dem dreifarbigen Haar und den rubinroten Augen fragen, von dem ich jede Nacht träumte. Das Ausmaß meiner Enttäuschung, als mir jeder ganz nett und freundlich sagte, dass er keinen solchen Mann kannte, kann ich gar nicht beschreiben.
 

Für meinen Vater war die Sache damit erledigt und er glaubte, dass meine Besessenheit von diesem Märchen nun nachlassen würde. Was meine Eltern nicht verstanden, war das es für mich nie nur ein Märchen war. Es war nie etwas, dass ich irgendwo gehört hatte. Für mich war es ein tief verankerter Glaube, dass all die Bilder, die ich in meinen Träumen sah, Erinnerungen aus einem früheren Leben waren. Es konnte gar nicht anders sein. Das, was ich sah, war viel zu real für ein Hirngespinst.
 

Als ich älter wurde, begriff ich dass die Welt viel größer war, als ich es mir überhaupt vorstellen konnte. Mit dieser Erkenntnis wuchs auch meine Hoffnung wieder, denn es gab ja so viele Orte, an denen ich nach meinem Geliebten suchen konnte…und ja, ich begriff schon damals die Art von Beziehung, die wir beide in unserem früheren Leben gehabt hatten. Nun ja, meine Eltern belästigte ich nie wieder mit der Bitte mir bei der Suche zu helfen. Sie glaubten, die kleine Lektion, die mein Vater mir erteilt hatte, hätte gewirkt und ich hätte im Laufe der Jahre vergessen, dass ich überhaupt nach jemanden gesucht hatte.
 

Meine Eltern irrten sich in beiden Punkten. Mit der gleichen Geschwindigkeit, mit der die Welt um mich herum wuchs, wurde auch der Drang größer, diesen Mann zu finden. Meine Träume wurden immer exakter. Aus einzelnen Bildern wurden ganze Szenen und Bruchstücke von Erinnerungen. Nach und nach hörte ich auch immer wieder eine sanfte Frauenstimme. Immer wenn ich von dieser Stimme träumte, war alles um mich herum schwarz. Ich konnte nur noch hören und fühlen. Ich schwebte in einem unendlich erscheinenden Vakuum und diese nette Frau sprach zu mir. Sie flüsterte.
 

„Keine Angst kleiner Mensch“, meinte sie immer beruhigend. Ich spürte die Liebe, Wärme und Sanftmut, die durch den Klang dieser Stimme in die unendliche Dunkelheit zu mir durchdrang und ich fürchtete mich nicht.

Ich hörte in diesen Träumen auch immer ein heftiges Atmen und wusste gleichzeitig, dass ich es war, der diese Geräusche machte. Ich lag im Sterben und kämpfte um meine letzten Atemzüge…und doch fürchtete ich mich nicht.
 

Die zarte Hand, die mir die Haare aus dem Gesicht strich, nahm mir den Schmerz.

„Er wird bald hier sein kleiner Mensch. Dein Geliebter wird bald hier eintreffen, doch du wirst es nicht mehr miterleben. Dir und ihm wird aber eine zweite Chance gegeben. Eure Liebe kann in eurem nächsten Leben wieder aufblühen.“

Diese Worte ließen mein früheres Ich hoffen.
 

Diese wunderschöne, körperlose Stimme erklärte mir auch, dass für dieses Geschenk auch ein Preis verlangt würde. Mein damaliges Ich war bereit alles zu tun, um wieder mit meinem Liebsten zusammen zu sein.
 

Es war ganz einfach. Es war und ist bis heute nichts weiter, als eine Prüfung für unsere Liebe. Die Magie, die uns diese zweite Chance gewährte, wollte sicher gehen, dass mein Liebster und ich sie verdienen.
 

Ich weiß, dass mein Pharao keine Erinnerung an sein früheres Leben, an mich oder unsere Liebe hat, aber dies ist unsere Prüfung. Dies war der Preis, den er für diese Chance zahlen musste. Ihm wurde die Erinnerung genommen und es ist meine Aufgabe, sie in meinem Liebsten wiederaufleben zu lassen. Gleichzeitig ist es auch mein Preis, denn wenn ich es nicht schaffe, dann muss ich mit der Erinnerung an das leben, was wir hatten und vielleicht nie wieder haben werden.
 

Ich fühle mich dieser Aufgabe aber gewachsen und ich glaube daran, dass ich ihn finden und seine Erinnerung an mich wieder erwecken werde. Er selbst war es, der mir diese Sicherheit gab, denn obwohl mein Geist schon lange meinen Körper verlassen hatte und ich vor der Pforte zum Jenseits stand, hörte ich seine wundervolle, tiefe Stimme zu mir flüstern: „Glaub ihr kein Wort! Ganz egal wie stark diese Magie ist, ich könnte dich nie vergessen. Du bist mein Herz und meine Seele. Mein Licht. Ich kann ohne dich nicht existieren und das werde ich immer wissen.“

Es sind diese Worte, die mich an unser Glück glauben lassen.
 

Ich weiß, es ist kindisch an etwas zu glauben, was genau so gut ein Traum sein könnte, aber ich tue es. Ich kann selbst nicht genau sagen, warum, aber es ist so, als würde seine Stimme mich antreiben. Als würde sie mir zuflüstern: „Find mich! Finde mich Yugi!“
 

Es ist aber nicht nur das. Es sind auch all die Erinnerungen. Es sind diese Bilder und Szenen aus unserer Beziehung. Damals war sie verboten und wurde mit dem Tod bestraft. Nicht etwa, weil wir beide Männer waren, sondern weil er der Pharao war und ich nichts weiter als der Sohn eines seiner Berater. Noch dazu eines Mannes, der die Gesetze Ägyptens zum Wohl des Volkes ändern wollte. Ich war der Sohn eines Reformisten. Ich hätte also für diese Beziehung also mit dem Leben bezahlt und nicht mein Geliebter.

Ich habe dafür mit dem Leben bezahlt! Allerdings habe ich nicht viel daraus gelernt, denn ich würde mich trotz aller Widrigkeiten wieder auf meinen Liebsten einlassen.
 

Vielleicht ist das ja der Grund dafür, dass ich mich an dieses Leben erinnere. Vielleicht ist das der Grund dafür, dass ich es bin, der meinen Liebsten dazu bringen kann sein früheres Leben zu akzeptieren, weil ich dafür kämpfen werde, wieder mit ihm zusammen zu sein, ganz egal welche Steine das Schicksal mir in den Weg legt. Ich kann einfach nicht anders. Allein die Erinnerung an diese bedingungslose und innige Liebe, lässt mein Herz vor Sehnsucht brennen.
 

Meine Eltern denken immer noch ich bin ein Träumer, aber nur, weil sie sich nicht vorstellen können, dass das Band, das zwei Menschen miteinander verbindet selbst den Tod und die Zeit überdauern kann. Sie glauben manchmal ich wäre nicht ganz normal, weil ich mich mit meinen sechzehn Jahren noch für kein Mädchen interessiert habe. Selbst wenn ich mich eher von Jungs hätte angezogen gefühlt, hätten sie es eher akzeptiert, als die Tatsache, dass ich einfach auf der Suche nach meinem toten Geliebten bin. Wie soll ich mich denn auch für irgendjemand anderen interessieren, wenn ich doch genau weiß, dass der einzige Mensch, der wirklich perfekt für mich ist, irgendwo darauf wartet von mir gefunden zu werden?
 

So gesehen bin ich froh, dass ich jetzt bei meinem Großvater lebe. Meine Eltern sind beide passionierte Historiker und unterrichten an der Uni von Domino City griechische Geschichte. Sie sind vor etwa zwei Monaten zu einer Ausgrabungsstätte auf Santorin aufgebrochen und haben mich hier gelassen, damit ich nicht die Schule wechseln muss. Sie sind auf unbestimmte Zeit dort, wegen irgendwelcher neuen Funde über das Leben dort vor dem großen Vulkanausbruch. Mich interessiert es wenig. Ich schlage eher nach meinem Großvater und interessiere mich für die ägyptische Mythologie und Geschichte.
 

Mein Opa ist der Einzige, der mir glaubt, dass diese Träume wirklich Einblicke in mein früheres Leben sind.

„Die Ägypter glaubten an die Wiedergeburt. Sie glaubten zwar auch an ein Leben nach dem Tod, aber selbst der Tod, war für sie nicht von Dauer. Es war eine immer wiederkehrende Spirale, aus Leben, Tod und Wiedergeburt“, hat er mir einmal erzählt. Er hat mich immer wieder darin bestärkt nicht aufzugeben.
 

Doch ganz ehrlich, wie findet man jemanden, von dem Mann nicht weiß, wie er heißt, wie alt er ist und wie er aussieht? Ich wusste ja eigentlich nicht einmal, ob er wirklich ein ER war. Eigentlich wusste ich noch nicht einmal, ob er überhaupt schon geboren war. Wieder war es mein Großvater, der mich ermutigte. Er gab meinen Gedanken einen ganz neuen Anstoß.

„Junge“, hat er gesagt, „wer sagt denn, dass du ihn finden musst? Laut deinen Träumen musst du ihn doch nur seine Erinnerungen an dich wecken. Du musst ihn dazu bringen, sich wieder in dich zu verlieben. Wer sagt denn, dass es nicht seine Aufgabe ist, dich zu finden?“
 

Ich musste meinem Großvater Recht geben. Es war nie die Rede davon gewesen, dass ich meinen Liebsten suchen musste. Es kann also sein, dass die die ganze Zeit, während ich versucht habe ihn irgendwie zu finden, er auf der Suche nach mir war.
 

Jetzt bin ich hier in Domino City. Gehe hier auf die High School und warte darauf, dass mein Liebster endlich zu mir findet.
 

**********
 

Seit diesem neuen Gedankenanstoß von meinem Großvater sind nun mehr als elf Monate vergangen. Ich lebe jetzt ein Jahr bei meinem Opa. Sogar etwas mehr. Es ist toll bei ihm. Vor Kurzen habe mit ihm und einigen Freunden meine siebzehnten Geburtstag gefeiert. Es war spitze! Die erste Party, die ich je in meinem Leben gegeben habe. Das ist aber schon ein Paar Wochen her und jetzt ist etwas anderes wichtig.
 

Ein neuer Schultag hat angefangen. Ich kann irgendwie nichts dagegen tun, heute bin ich besonders hibbelig. Zum fünften Mal schaue ich schon in den Spiegel und überprüfe, ob meine Frisur richtig sitzt…na ja eigentlich kann man diesen wild abstehenden Stachelkopf nicht wirklich als Frisur bezeichnen, denn ich tue ja nichts dafür, dass mein Haar am Hinterkopf aussieht, als wäre ein Sofakissen explodiert. Es ist so als hätte es einen eigenen Willen und würde sich egal wie ich es kämme ganz von allein in diese Form legen. Gott, ich brauch für diesen sternenförmigen Look nicht einmal Haarspray!
 

Meine Freunde wollten mir das nie glauben. Erst als mein bester Kumpel Joey mir mal durchs Haar gewuschelt hat und gemerkt hat, dass da kein Haarspray oder Gel drin war, hat er mir geglaubt, dass das mein natürlicher Look ist. Auch meine Haarfarbe ist natürlich – bis auf die zwei blonden Strähnen an meinem Pony – obwohl dieses rötlich schimmernde Schwarz ziemlich ungewöhnlich ist. Ich falle in der Menge auf, selbst wenn ich es gar nicht will. Bei meiner Körpergröße ist dass aber auch von Vorteil, denn mit meinem einem Meter vierundfünfzig, könnte ich leicht in einer größeren Menschenmenge zerquetscht werden.
 

Na ja, ist eigentlich auch egal, denn nun muss ich los, sonst schaffe ich es nicht mich noch mit Joey zu treffen. Wüsste ich doch nur, warum ich heute so aufgedreht bin. Ich hatte noch nicht einmal einen Kaffee.
 

**********
 

Heute ist definitiv einer meiner Lieblingsschultage. Zu Beginn hatten wir eine Doppelstunde Kunst und dann hatten wir freies Arbeiten, weil unser Klassenlehrer zum Direktor gerufen wurde. Jetzt haben wir Geschichte. Ich liebe dieses Fach seitdem wir mit dem alten Ägypten begonnen haben. Meine Freunde verstehen das nicht, weil es trockene Fakten sind und unserer Klassenlehrer die monotonste Stimme auf der Welt hat. Liegt wohl in der Familie, dass ich eine Schwäche für dieses Fach habe. Es ist auch weniger das, was ich hier in der Schule lerne, als eher das, was mein Großvater mir darüber erzählt, was meine Begeisterung auslöst.
 

Natürlich trägt auch die Tatsache, dass ich mich an mein früheres Leben zu dieser Zeit erinnere, dazu bei, dass mir Geschichte liegt. Es ist um so Vieles einfacher, wenn du auf etwas zurückgreifen kannst, was du selbst miterlebt hast.
 

Vielleicht ist das ja der Grund, warum ich heute so hibbelig bin? Dies scheint der beste Tag seit Langem zu sein. Ich fühle mich richtig gut und bin glücklich. Trotzdem lässt diese Nervosität, diese Aufgedrehtheit, nicht nach. Ich habe das Gefühl zu viel Zucker gegessen zu haben.
 

Unser Lehrer tritt wieder ein und blickt zur Tür. Da steht jemand, den wir Schüler noch nicht sehen können. Wie sehr ich mich über den Grund meiner Nervosität geirrt habe, begreife ich erst, als Herr Taori den Mann, der vor der Tür steht hereinbittet und ihn uns vorstellt.

„Meine lieben Schüler, das hier ist Herr Yami Athem. Er ist Referendar für Geschichte und Englisch. Herr Athem wird unseren Unterricht begleiten und euch bald selber etwas beibringen. Ich lasse ihn sich jetzt selbst vorstellen.“
 

Mein Herz beginnt wie wild zu schlagen. Ich glaube es macht sogar ein Paar Loopings. Es ist nicht die Tatsache, dass wir einen Referendar bei uns haben oder dass er hier den Unterricht übernehmen soll, die diese Reaktion bei mir hervorrufen. Es…es ist, weil er es ist! ER! Mein Liebster. Der Mann, auf den ich gewartet habe, seitdem ich denken kann…und Gott, sieht er gut aus! Genau so, wie ich ihn Erinnerung habe. Yami sieht genauso aus, wie mein Pharao in den Träumen ausgesehen hat.
 

Ich muss mir echt ein Lachen verkneifen, als ich sehe, wie die Blicke einiger meiner Klassenkammeraden zwischen uns hin und her fliegen. Dieser Yami Athem sieht mir verdammt ähnlich. Er hat die gleiche Frisur und sogar die gleiche Haarfarbe wie ich. Auch einige seiner Gesichtszüge erinnern an meine. Er wirkt nur viel erwachsener und würdevoller. Irgendwie elegant und dadurch auch viel attraktiver als ich. Wer mich nicht kennt, könnte glauben, dieser Herr Athem ist mein älterer Bruder.
 

Leute die mich ansehen, sehen in mir nur einen niedlichen kleinen Jungen. Knuffig und süß. Etwa so wie ein Teddybär. Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendjemand bei seinem Anblick an Kuscheltiere denkt.

Habe ich schon die sagenhaft schönen, rubinroten Augen erwähnt? Diese Augen jagen mir Schauer über den Rücken, ohne dass er mich anschaut. Das ist unglaublich.
 

Joey beugt sich zu mir herüber und flüstert mir ins Ohr: „Ob sein Haar so auch ganz natürlich ist? Oder braucht er im Gegensatz zu dir etwa eine Tonne Gel und drei Haarsprayflaschen?“

Wir beiden kichern leise. Ich muss zugeben, die Frage habe ich mir auch gestellt. Ich denke aber es ist auch bei ihm so widerspenstig und legt sich ganz von allein in diese Form. In seinem früheren Leben hat er ganz genau so ausgesehen.
 

Als ich wieder aufblicke, sehe ich direkt in seine Augen. Ich kann nicht anders als zu schlucken. Sein Blick ruht auf mir. Seine Stirn ist leicht gerunzelt. Ich ertappe mich dabei, mich zu fragen, ob er wegen unserer unübersehbaren Ähnlichkeit verwirrt ist oder ob er sich vielleicht doch ein klein wenig an mich erinnert. Schließlich hat Yami es mir ja so zu sagen versprochen. Ich kann einfach nicht verhindern, dass mein Herz bei dem Gedanken schneller schlägt.
 

„Ah, wie ich sehe haben sie schon die richtige Person im Visier Herr Athem“, reißt mich Herr Taori aus meinen Gedanken. „Das ist Yugi Muto. Er ist der beste Schüler meiner Klasse. Er ist sehr ehrgeizig und wird bestimmt irgendwann in der Welt der Archäologie… Fuß…fassen.“

Jetzt runzelt auch er die Stirn. Nur sieht es bei ihm nicht halb so gut aus, wie bei unserem Referendar. Anscheinend ist ihm jetzt erst aufgefallen, dass wir uns ähnlich sehen. Die Frage die darauf stellt finde ich persönlich mehr als dumm.
 

„Ähm…Herr Athem…Herr Muto…sind sie irgendwie miteinander verwandt?“

Ehrlich, diese Frage ist so unnötig. Als hätte er sie sich nicht schon selbst beantwortet hat. Also bitte, bei der Ähnlichkeit müssten wir ja zumindest Cousins sein oder Brüder, was ja nicht geht, wir weder den gleichen Nachnamen haben noch steht in meiner Akte etwas von Verwandten.
 

„Nein, nein wir kennen uns nicht“, antwortet Yami. Ich schaffe es gerade mal den Kopf zu schütteln. Seine Stimme ist so…woahr. Ich es kaum beschreiben, was sie mit mir anstellt. Sie ist tief, aber gleichzeitig so sanft und klar. Das macht mich verrückt. Ich habe diese Stimme schon in so vielen anderen Situationen gehört. Wie er sachlich und geschäftsmäßig zu den Beratern sprach, oder wenn er lachte und nur ein einfacher Mensch war. Kein Herrscher, sondern nur er selbst. Am liebsten habe ich sie aber gehört, wenn er mir gesagt hat, wie sehr er mich liebt und mir Koseworte ins Ohr geflüstert hat. Doch das alles waren verflogene Erinnerungen. Dinge, von denen niemand außer mir wusste. Ihn jetzt in der Realität reden zu hören und endlich die Bestätigung zu haben, dass er wirklich existiert ist kaum in Worte zu fassen. Es treibt mir schon fast die Tränen in die Augen.
 

„Nun ja“, meint Herr Taori, „wie ich bereits gesagt habe: Herr Muto ist genau der Richtige, um ihnen die Schule zu zeigen. Wo das Lehrerzimmer und das Sekretariat sind wissen sie ja bereits. Yugi, sie sind dann so freundlich, Herrn Athem heute nach dem Unterricht die restlichen Klassenräume zu zeigen.“
 

Ich nicke heftig. Das ist meine Chance! Yippie ich hätte nie gedacht, sie so schnell zu kriegen. Nach dem Unterricht habe ich ihn ganz für mich allein und dann kann ich endlich damit anfangen, seine Erinnerung an mich und an sein früheres Leben zu wecken. Gott, ich hoffe dieses glückliche Grinsen, das mich aussehen lässt, als hätte ich zu viele Drogen genommen ist nicht gerade auf meinem Gesicht zu sehen, denn ich könnte platzen vor Glück.
 

Warum nur sieht Yami so aus, als wäre er nicht so begeistert? Ich verlange ja nicht, dass er im Dreieck hüpft und sich so sehr freut wie ich, aber warum sieht er so genervt und total abweisend aus? Es scheint fast so, als wäre er wütend auf mich, aber wieso sollte er? Was habe ich denn getan?
 

**********
 

Er ist definitiv nicht davon begeistert, dass ich ihn rumführe. Sein Gesichtsausdruck, als Herr Taori mich damit beauftragt hat ihm die Klassen – und Lehrräume zu zeigen, war wirklich Verärgerung gewesen. Ich versuche mir zwar nichts anmerken zu lassen, aber die dunkle Aura seiner schlechten Stimmung macht mir echt Angst.
 

Alles, was ich Yami erzähle, notiert er sich grummelnd auf seinem Block. Selbst als ich ihn vorhin noch mal gegrüßt habe und seine Hand schütteln wollte, hat er mich ignoriert. Er hat mich einfach mit ausgestreckter Hand stehen lassen und ist dann schon ein Paar Schritte vorgegangen.
 

Ich kann nichts dafür, aber es tut mir verdammt weh. Mehr als mir lieb ist. Was habe ich denn erwartet? Das mein Liebster mich sofort erkennt und mich in die Arme schließt? Herr Gott, ich weiß doch selber, dass er diese zweite Chance mit seiner Erinnerung bezahlt hat! Trotzdem…es tut wirklich weh. Yami – oder viel mehr mein Pharao – hat mir doch versprochen, dass er mich nicht vergessen wird. Er hat mir selbst gesagt, dass er das gar nicht könnte.
 

Das derjenige, mit dem ich in meinem frühren Leben so viele Intimitäten geteilt habe, mich jetzt so vollkommen ignoriert, ist für mich unbegreiflich. Ich komme mir so betrogen vor! Verdammt, er hat es doch versprochen!
 

„Nein Yugi, nein! Du wirst dir jetzt nicht die Blöße geben und schluchzen oder sogar weinen“, rede ich mir selbst gut zu. „Dann hat er dich eben vergessen! Was soll’s es ist ja auch nicht seine Aufgabe, sich an dich zu erinnern. Es ist deine, ihm euer früheres Leben ins Gedächtnis zu rufen. Sei keine Memme. Was ist denn eure Liebe wert, wenn du schon beim ersten Hindernis aufgibst?“
 

Ich hasse es manchmal wenn ich Recht habe! Von seinem eigenen Unterbewusstsein fertig gemacht zu werden ist ganz schön demütigend. Ich reiße mich jetzt am Riemen. Wir sind jetzt jedes Klassenzimmer, jeden Unterrichtsraum und sogar die Mensa und Räume, in denen die Hilfsmittel wie Karten, Videorekorder und Over – Head – Projektoren gelagert werden abgegangen. Ich habe Yami alles dazu erzählt, was für ihn wichtig ist. Wer der Fachbereichsleiter ist, welche Lehrer sich die Unterrichtsräume teilen, welcher Klasse, welches Klassenzimmer gehört und so weiter und so fort. Es verletzte mich in meinem Stolz, dass er ständig auf die Uhr und zur Tür sah. Ich bekam den Eindruck, er wollte vor mir davonlaufen.
 

Am Ende der Führung nahm ich all meinen Mut zusammen und versuchte ein richtiges Gespräch anzufangen. Nicht das ich mich vor Yami fürchtet, aber wer wäre nicht nervös, wenn er versuchen würde eine total unglaubwürdige Geschichte als wahr zu verkaufen? Ich weiß ja, dass alles der Wahrheit entspricht, was ich ihm erzählen will, aber er nicht. Ich habe Angst davor abgelehnt zu werden, noch bevor ich wirklich angefangen hatte Yami zu überzeugen.
 

Wie beginnt man, wenn man einem mies gelaunten Referendar erzählen will, dass er in seinem früheren Leben ein Pharao war und man selber, der Liebhaber aus eben dieser Zeit sei? Ich entschloss mich dazu es mit etwas Small Talk zu versuchen.
 

„Ähm…Herr Athem, Herr Taori sagte uns ja schon im Unterricht gesagt, sie sind Referendar für Geschichte und würden sich vor allem für das alte Ägypten interessieren. Mein Großvater hat mir immer die Mythen der Ägypter erzählt. Ich fand vor allen die über den Glauben an die Wiedergeburt sehr interessant. Wie…“
 

„Hör mal Kleiner, ich habe keine Zeit mich mit dir über belangloses Zeug zu unterhalten. Mythen sind Mythen und keine Fakten. Mit so was verschwende ich nicht meine Zeit und auch nicht mit sinnlosen Gesprächen darüber, mit irgendwelchen einfältigen High School Schülern. Nur weil du Lehrers Liebling bist heißt es nicht, dass ich dich bevorzugt behandeln werde. Lass das Schleimen Junge. Ich habe heute Besseres zu tun.“
 

Damit ließ Yami mich stehen. Ich starrte ihm hinterher, bis er aus meinem Blickfeld verschwand. Diesmal konnte ich nicht verhindern, dass mir die Tränen die Wangen runterrollten. So hatte ich mir das nicht vorgestellt!
 

**********
 

Die Tränen wollten nicht aufhören zu fließen. Den gesamten Heimweg nicht. Ich habe mich beeilt in mein Zimmer zu kommen, aber mein Großvater, der mich immer an der Tür begrüßt, hat mich gesehen. Ich habe es zwar geschafft meine Tränen schnell wegzuwischen, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass er sie trotzdem gesehen hat.
 

„Geht es dir gut mein Junge?“, hat er mich gefragt. Was antwortet man auf so eine Frage, wenn es einem ziemlich dreckig geht? Ich weiß nicht, was andere tun würden, aber ich habe gelogen.

„Mir geht es gut Großvater. Ähm…ich habe jetzt…hm…noch keinen Hunger. Macht es dir was aus, wenn ich mich an die Hausaufgaben mache?“, fragte ich ihn. Mein Großvater nickte zustimmend, aber an seinem Blick konnte ich erkennen, dass es ihn verletzte, dass ich nicht mit ihm über meine Probleme reden wollte. Es war so sinnlos ihn anzulügen, weil er mich schon beim ersten Blick durchschaut hatte.
 

Trotzdem bereue ich die Entscheidung nicht, denn zum einen war ich noch nicht bereit über schlimmste Enttäuschung meines Lebens zu reden und zum anderen wusste ich durch die Reaktion meines Großvaters, dass er zwar ahnte, dass etwas passiert war, mich aber genug kannte, um mich in Ruhe zu lassen.
 

Ich sitze seit einer Stunde auf meinem Bett und starre die Wand an. Ich denke nicht, mein Kopf ist wie leergefegt. Ich habe schon vor einer Weile aufgehört zu weinen. Ich kann einfach nicht mehr. Vor zehn Minuten hat mein Großvater angeklopft. Er hat gemeint, dass der Mandelkuchen, den es zum Nachtisch vorbereitet hat, in der Küche auf mich wartet. Das ist seine Art mir zu sagen, dass er mir zuhören wird, wenn ich bereit bin zu reden.
 

Was ist nur geschehen? Was habe ich falsch gemacht? Ich habe ihn doch nicht angesprungen und ihn niedergeknutscht. Ich habe doch gar nichts getan, was eine solch abweisende Reaktion hervorrufen könnte. Ich habe noch nicht einmal ein Wort darüber verloren, dass er ein wiedergeborener Pharao ist! Also, was verdammt noch mal habe ich falsch gemacht?
 

Ich wollte doch nur ein Gespräch beginnen…

Na gut, ich gebe es zu, ich hätte ihm wahrscheinlich gleich alles erzählt, wenn Yami nur etwas an Reinkarnation geglaubt hätte…wenn er mich nicht gleich so kalt abgefertigt hätte. Aber hey, wer hat denn gesagt, dass ich nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen darf? Ich habe siebzehn Jahre auf Yami gewartet. Alles was ich will, ist das es wieder so ist, wie vor unserer unfreiwilligen Trennung durch den Tod.
 

Ich weiß schon, dass es nicht einfach sein wird. Ich habe es immer gewusst! Trotzdem ist es hart für mich so abgewiesen zu werden. Ich habe das Gefühl, Yami hat eine natürliche Abneigung gegen mich. Es tut weh. So sehr. Nach all dem warten und nach all dem daran glauben. Ich fühle mich so leer.
 

Irgendwie ist es so, als hätten meine Eltern die ganze Zeit Recht gehabt. Als hätte ich die ganze Zeit für einen Traum gelebt. In einer Vorstellung davon, wie unsere Liebe und daher auch unser erstes Treffen sein sollte. Mal ehrlich, ich habe etwas anderes erwartet, als so abgefertigt zu werden. Vielleicht nicht unbedingt eine stürmische Umarmung oder kitschige Liebesbekundungen, aber wenigstens so etwas wie ein Deja vue Gefühl seinerseits. Oder auch einfach nur die Frage, ob wir uns nicht vielleicht von irgendwoher kennen. Nur einen leisen Schimmer, dass ich Yami bekannt vorkommen würde.
 

Was bekomme ich stattdessen? Eine Abfuhr, die mit einem Tritt in die Magengegend zu vergleichen ist! Ich bin ganz ehrlich beleidigt. Ja, ich weiß selbst, dass es nicht gerade von großer Liebe und Zuneigung spricht, aber mein Ego ist ziemlich angekratzt.
 

Oh Mann, ich bin so ein schrecklicher Mensch! Ich bin so was von selbstsüchtig. Wie gerne würde ich es auf die Tatsache schieben, dass ich ein Teenager bin und meine Altersklasse nun mal sehr ichbezogen ist, aber das wäre eine Lüge.
 

Die Wahrheit ist, dass ich ziemlich naiv bin und es mir tatsächlich so einfach vorgestellt habe. In meiner schönen Traumwelt war es wirklich so, dass ich geglaubt habe, ein Blick von mir würde genügen, um Yami all die Erinnerungen zu geben, die er hergegeben hat.
 

Doch genau das ist der Punkt. Er hat sie hergegeben! Er hat den Preis bezahlt, den er bezahlen musste, um wieder mit mir zusammen zu sein! Und was habe ich bisher getan? Gar nichts! Sicher ich habe all diese Eindrücke aus meinem frühren Leben, aber genau das ist es, was es mir schwer macht. Ich möchte einfach nur, dass unsere Beziehung so wird, wie sie damals war.
 

Ich vergesse dabei vollkommen, dass dies mein Preis ist. Jetzt muss ich anfangen zu zahlen. Dinge laufen also nicht so, wie ich sie mir vorgestellt habe. Na und? Wer hat denn jemals gesagt, dass es leicht werden würde?
 

Jetzt muss ich mich beweisen. Ich muss zeigen, dass ich diese zweite Chance verdient habe. Ich muss nur einen Weg finden, um mit Yami vernünftig sprechen zu können. Ist der erste Schritt gemacht, muss ich ihn nur davon überzeugen, dass Reinkarnationen möglich sind und ihm dann, wenn er mir endlich glaubt von seinem früheren Leben erzählen. Alles was ich dafür brauche ist Geduld und die Unterstützung meines Opas.
 

Das Gute daran, einen Großvater zu haben, der einmal Archäologe war, ist dass er mir bestimmt dabei helfen kann, Beweise für die Existenz meines Pharaos zu finden. Mit ganz viel Glück, finden sich in den verstaubten Seiten der Geschichtsbücher und vergessenen Steintafeln vielleicht sogar ein Hinweis auf mich oder unsere Beziehung.
 

Es wäre doch gelacht, wenn ich diese Aufgabe nicht bewältigen kann. Auch wenn unsere erste Begegnung ein Reinfall war…eigentlich sogar eine ziemlich herbe Enttäuschung, so gibt es doch etwas Gutes daran. Das Schlimmste habe ich eigentlich schon überstanden, denn nun endlich, hat das Warten ein Ende.
 

tbc...

removal into a new live

Ich hoffe mal, das ich bei -Run-´s tollem Kapitel ran komme ;)
 

Ich muss aber noch was hinzufügen:

"blabla" Sprache

#"blabla"# ägyptische Sprache
 

Viel Spaß >.<
 


 


 


 


 


 

Langsam versuchte ich die Kupplung kommen zu lassen, doch der Motor fing schon wieder an zu protestieren. Fast schon verzweifelt feuerte ich die Karre mental an noch ein bisschen durch zu halten und trat vorsichtig das Gaspedal.

Wie in Zeitlupe setzte sich der Transporter ruckelnd in Bewegung und ich atmete langsam aus.

Ich hatte eben doch echt die Befürchtung gehabt, das mir das fahrende Schrottteil auf vier Rädern an der Ampel den Geist aufgeben würde.

Aber selbst wenn, heute würde mich gar nichts mehr wundern. In diesem Jahr ging bereits schon schief, was nur schief gehen konnte. Von einem Fettnäpfchen ins nächste getrampelt und irgendwie hatte ich das Gefühl, dass das Nächste nicht weit entfernt stand und fast schon höhnisch grinsend auf mich wartete.
 

Als ich in einer engen Kurve vom Gas gehen musste und einen Gang tiefer schaltete, blubbelte der Motor und... ging aus.

Hallejulia.

Willkommen in meiner Welt!
 

Ich schaffte es gerade noch so den Blinker zu setzten, Warnblinkanlage einzuschalten und ihn am Straßenrand ausrollen zu lassen, wo Gott sei Dank keine Autos parkten. Völlig genervt ließ ich mein Hinterkopf auf die Kopfstützte vom Fahrersitz sinken und starrte auf das vergilbte Stoff, das mal die Fahrerkabine bekleidete, aber nun in einigen Fransen von der Decke hing.

Wie immer blieb ich aber auch wirklich von gar nichts verschont. Mein Blick glitt zur digitalen Uhr am Armaturenbrett und seufzte.

Den ganzen Tag schon sitze ich in diesen unbequemen Umzugstransporter, der älter als meine Oma ist und fahre genau seit 6h, mit all meinem Hab und Gut hinten verstaut.

Viel ist das nicht aber das schien zu reichen um den alten Ding den Rest zu geben.
 


 

Schwerfällig lies ich mich auf die mit Plane bedeckten Couch nieder und strecke die Füße, wackelte mit den Zehen, um sie anschließend einfach auf den Boden fallen zu lassen.

Ich werde definitiv nie wieder einen Umzug in meinem ganzen Leben machen. Die Firma wo ich ihn gemietet hatte, brauchte Stunden um den Abschleppdienst zu rufen und dann musste ich auch noch mit den Bahn in meine alte Stadt zurück um mein Auto abzuholen.
 

Müde betrachtete ich mein Werk in der Wohnung. Sie war schön groß, gut beleuchtet und geräumig. Ich hatte schon einiges geschafft und nun war es hier.... Chaos pur.

Überall lag Zeitungspapier rum, womit ich Gegenstände eingewickelt hatte, mehr volle als leere Kartons und einige noch nicht aufgebaute Regale.

Das wichtigste war mein Schreibtisch mit dem Laptop gewesen, den ich zum arbeiten brauchte und dieser stand in der einzigsten aufgeräumten Ecke in der ganzen Bude. Selbst mein Bett war noch mit Klamotten übersät, die noch in den Kleiderschrank mussten.
 

Am nächsten Tag ging noch mehr schief, obwohl ich dachte, das es schlimmer nicht mehr werden konnte. Aber laut Murphys Gesetz, welches mich komischer Weise jeden Tag begrüßte, ging es doch.

Ich bin extra früher aufgestanden, um mich auf den ersten Tag in der Highschool vorzubereiten und wollte noch mein Hemd bügeln.

Doch wie das Schicksaal es wollte, fand ich das dämliche Bügeleisen nicht, durchkramte sogar die Kartons mit den Küchenutensilien, wobei ich die Mikowelle übersah, die gefährlich nah am am Rand auf der Theke stand... die mir natürlich auf den Fuß fiel, als ich einen Karton daneben stellte.

Oh, welch ein schöner Tag...
 

Völlig genervt ging ich zu meiner Nachbarin, mit der ich mich gestern flüchtig unterhalten hatte und hatte die Hoffnung von ihr eins borgen zu können. Doch zu meinem Leidwesen hatte sie mit ihrem erst viele Spinnen an der Wand zerquetscht und geröstet und müsste es noch säubern.

Doch sie machte mir ein Angebot und hielt mir ihr Glätteisen unter der Nase.

Hallo?! Welche normale geistig gesunde Frau kommt auf solche Ideen?

Aber ich hatte keine andere Wahl, das Hemd hatte mehr Falten als die Nachbarin.

Es war zeitaufwändiger, aber es erfüllte erstaunlich gut seinen Zweck.
 

Ein Blick auf die Uhr lies mich aber schlampiger werden, sodass ich einige Stellen gelassen hatte und mit der Gewissheit ins Auto gestiegen bin, mein Jackett heute nicht auszuziehen.
 

Während der Fahrt band ich mir die Krawatte, ging im Gedanken die Aufgaben durch und bemerkte ein Brandfleck am Ärmel.

Ich fluchte auf meiner Muttersprache, wünschte diesem Eisen alle möglichen Rostsorten, wobei mir keine einfielen und ich es auf Einer sprachlich begrenzen musste.
 

An der Highschool angekommen, stellte ich den Motor ab, zog die Handbremse an, legte die Hand auf den Türöffner und hielt inne. Ohne es zu wollen, konnte ich den Blick von dem roten Backsteingebäude nicht mehr abwenden. Es war nicht besonders schön oder mit einer spektakulären Architektur gebaut worden, sondern eher ziemlich simpel aufgebaut. Aber ein Gefühl überkam mich, das ich nicht zuordnen konnte. Es war nicht unangenehm, fast wie mit einer kleinen Vorfreude zu vergleichen, doch es lag nicht an den ersten Tag. Etwas anderes löste es aus.
 

Ich war schon immer ein rational denkender Mensch gewesen, schüttelte den Kopf und beachtete es nicht weiter.

Mit zügigen Schritten ging ich durch die Flure, an vielen Teenagern vorbei, bis ich vor dem Sekretariat stand und leise klopfte.
 

Der Direktor führte mich in ein Lehrerzimmer und stellte mich mit Herrn Taori vor, der ab nun an für mich zuständig sei. Er schüttelte mit einem kräftigen Druck meine Hand.
 

„Schön, Sie kennen zu lernen, Herr Athem. Leider haben wir auf dieser Schule nur wenige Lehreranwärter, da diese Stadt nicht gerade der Mittelpunkt von Japan ist.“
 

Ich lächelte ihn an.

Tja, nur konnte er nicht wissen, das ich mir genau aus diesem Grund diese Schule ausgesucht hatte.
 

„Mir ist zu Ohren gekommen, dies ist Ihr zweites Jahr als Referendar?“
 

Ein Nicken war meine Antwort.

„Ich war vorher an der MA – Universität in Japan die sich auf Kultur und Geschichte beruht.“
 

Ein erstaunter Blick traf mich und ich konnte genau erkennen, wie Herr Taori grübelte.
 

„Aber das ist eine vorzügliche Ausbildungsstätte. Darf man fragen, warum sie dort nicht geblieben sind?“
 

„Nein, dürfen Sie nicht.“
 

Ich hatte nichts gegen diesen Mann. Er schien auf seinem Gebiet kompetent zu sein, doch ich konnte es nicht leiden, wenn man in Privatangelegenheiten schnüffelte, die einen nichts angingen. Doch ich kam nicht drum herum ihn zu beschwichtigen und setzte noch hinterher:
 

„Aus persönlichen Anlässen.“
 

Das schien ihn zu reichen, denn er grinste mich mit seinen künstlichen Zähnen an.
 

„Natürlich, verzeihen sie meine Neugier, aber ich bin nicht umsonst Lehrer für Geschichte.“
 

„Ohne die Neugier gäbe es keine Geschichte.“
 

Herr Taori schmunzelte und klopfte mir freundschaftlich auf die Schulter. Der Mann war mir sympathisch, auch wenn er eine grauenvoll monotone Stimmlage hatte. Wahrscheinlich plumpsten die Köpfe der Schüler schon in der ersten Minute auf den Tisch.
 

Er drückte mir noch einige Hefter in der Hand mit dem momentanen Unterrichtsstoffs und führte mich in der Richtung zu dem Raum. Doch die Neugier schien bei ihn besonders ausgeprägt zu sein und mir viel es echt schwer, nicht mit den Augen zu rollen.
 

„Was genau war denn da Ihr Gebiet, Herr Athem?“
 

„Ägyptische Geschichte.“
 

„Oh, na das passt doch wunderbar. Dieses Thema fangen wir gerade an und da Sie bereits Erfahrung in der Universität sammeln konnten, bin ich mir sicher, das ich Ihnen meine Klasse ohne bedenken übergeben kann. Sie sind auch bestimmt handzahmer als Ihre ehemaligen Studenten.“
 

Na da wäre ich mir nicht so sicher. Doch ich biss mir auf die Zunge um diesen Gedanken nicht auszusprechen. So langsam ging mir sein Smaltalk auf den Geist, aber es ist nicht gerade ratsam sich am ersten Tag Feinde zu machen.
 

Ich wusste selbst nicht, was mit mir los war, warum mir alles auf die Nerven ging. Doch ich musste mich zusammen reißen und schob alles auf den fehlenden Schlaf, den Stress in letzter Zeit.
 

In den vergangenen Monaten ging nur alles schief, was wackelte. Ich stand sogar kurz davor die Position als Lehreranwärter zu verlieren, wenn ich nicht freiwillig gegangen wäre. Aber das würde mir nicht noch einmal passieren. Ich würde nicht noch einmal zulassen, das mir eine unüberdachte Handlung solche Probleme bereitete.

Es war Zeit, die Naivität nieder zu legen. Ich bin 23 Jahre alt und sollte langsam mal im Stande sein, nein zu sagen. Nie mehr würde ich mich von meinen Gefühlen leiten lassen.
 

Je näher wir den Unterrichtsraum kamen, umso mulmiger wurde mir. Mit jedem Schritt wurde das Gelächter lauter, das seltsame Gefühl das ich schon bei der Ankunft im Wagen hatte, größer.

Es erinnerte mich an meine Kindheit, da hatte ich es schon einmal erlebt.

Meine Mutter versprach mir, wenn ich in der Schule der Klassenbeste werde und es ein Jahr durchhalte, würde sie mit mir zu diesem Vergnügungspark fahren, zu dem jedes Kind wollte. Der Wille und die Vorfreude war so stark, das ich tatsächlich diesen ganzen Zeitraum über nur Einsen geschrieben hatte. Sogar darüber hinaus. Im Prinzip verdanke ich dieser Erpressung meinen Lebenslauf.

Und wie ein Deja Vue legte sich das Gefühl um meinen Körper. Als wüsste er, das sich etwas in diesem Raum befindet, wonach er sich schon Ewigkeiten sehnte.
 

Ich verlangsamte die Schritte, Herr Taori hatte mich schon längst überholt und ist in den Raum gegangen, die Tür stand offen und meine innere Anspannung wurde größer.

Auch wenn ich wollte, ich konnte mir nicht erklären was los war.
 

Plötzlich wurde ich aus meinen Gedanken gerissen, als mein Name gefallen war und eine Hand im Türrahmen erschien, die mich hinein winkte.

Langsam atmete ich aus und verdrängte wieder alles in der tiefsten Ecke und betrat die Höhle des Löwen.
 

Jedes Augenpaar lag sofort auf mir, das Gelächter verschwand und gemurmel setzte ein.

Ich sollte noch heute diesen Unterricht passiv beiwohnen, aber nur weil ich darum gebeten hatte. Ich wollte damit sehen, wie sich einige Schüler im Unterricht verhalten, an Herrn Taori sehen, was ich besser machen kann, wo die Aufmerksamkeit nachlässt.

Aber ich bemerkte, das meine pure Anwesenheit schon ausreichte um für Ruhe zu sorgen.
 

Jeder Blick blieb an mir haften, um anschließend in eine hintere Reihe zu schauen, nur um sich wieder zu mir zu drehen.

Ich verfolgte den Blick und entdeckte zwei Jungen, die leise miteinander lachten, die Köpfe tief zueinander geschoben.
 

Und mit einem Mal war das Gefühl … das Gefühl der Sehnsucht einfach verschwunden. Machte Platz für eine tiefe Zufriedenheit, als hätte ich das Ziel erreicht und ich verstand einfach nicht warum. Ich war verwirrt.

Die Beiden hörten auf zu lachen, schauten wieder hoch und die Empfindung von Vollständigkeit wurde mit einem Mal stärker, als ich in ein Paar Augen blickte, die mich etwas verunsichert musterten.
 

„Ah, wie ich sehe haben sie schon die richtige Person im Visier Herr Athem.“
 

Ich zuckte kaum sichtbar zusammen. Wieso zum Geier bringt mich dieser Teenager so aus dem Konzept?!
 

„Das ist Yugi Muto. Er ist der beste Schüler meiner Klasse. Er ist sehr ehrgeizig und wird bestimmt irgendwann in der Welt der Archäologie… Fuß …fassen.“
 

Herr Taori blickte wie die Schüler diesen Jungen und mich abwechselnd an.
 

„Ähm…Herr Athem…Herr Muto…sind Sie irgendwie miteinander verwandt?“
 

Wie kam er denn auf diese Idee?

Doch dann begriff ich.
 

Die ganze Zeit hatte ich mich von diesem Gefühl leiten lassen und auf nichts anderes geachtet, die Augen des Jungen schienen auch noch ihren Solt geleistet zu haben, doch nun, nachdem ich mich losgerissen hatte, bemerkte ich die verblüffende Ähnlichkeit.

Er hatte die gleiche Frisur wie ich, aber von der ganzen Gesichtssystematik eher zarter. Man könnte glatt meinen, er sei mein jüngerer Bruder.
 

Mit einem Mal wurde ich schrecklich müde. Ich konnte mich kaum noch darauf konzentrieren einfach zu stehen ohne zu schwanken. Unerklärlicher Weise schwirrten mir die Sachen vom Examen durch den Kopf, die ich mir gestern Abend noch in den Kopf geprügelt hatte, sah aber gleichzeitig nur noch diese Augen vor mir, auch wenn ich schon lange den Blick abgewendet hatte.
 

„Nein,.. nein wir kennen uns nicht.“
 

Ich war froh, das Taori die Erschöpftheit nicht mitbekam. Es lebe mein Pokerface.

Meine Güte, ich brauche gleich einen Stuhl.
 

„Nun ja“, meint Herr Taori, „wie ich bereits gesagt habe: Herr Muto ist genau der Richtige, um ihnen die Schule zu zeigen. Wo das Lehrerzimmer und das Sekretariat sind wissen sie ja bereits. Yugi, sie sind dann so freundlich, Herrn Athem heute nach dem Unterricht die restlichen Klassenräume zu zeigen.“
 

Ich sah, wie er eifrig mit dem Kopf nickte. Und ich hätte laut aufstöhnen können.

Auch das noch. Warum ausgerechnet er? Ich würde es nicht zulassen, das dieser Junge sich an meinem Rockzipfel hängt.

Fröhliche Natur hin oder her, doch Yugi war mir ein Tick zu auf gedeht.
 

Den ganzen Tag über hatte ich Mühe dem Stoff zu folgen. Ich setzte mich mit Absicht in die hinterste Reihe, kritzelte alles mit, doch ich konnte mich beim besten Willen nicht daran erinnern was der Kugelschreiber auf das Blatt gebracht hatte.

Still sitzen war auch nicht drin, irgendetwas machte mich unruhig. Zusätzlich machte mein Hunger mich noch völlig verrückt.

Die ganze Nacht hindurch hatte ich mich durch Bücher gewälzt und nur knapp eine Stunde geschlafen. Durch dieses verflixte Bügeleisen hatte ich auch total mein Mittagessen vergessen und mein Magen war dabei sich selbst zu verdauen.
 

Herr Taori zeichnete ein Diagramm an die Tafel um die Zeitspanne des neuen Themas bildlich zu erläutern. Er drehte sich um und tippte mit dem Stock an die Tafel.
 

„Wer kann mir sagen, wer der erste Pharao war, der an die Macht kam?“
 

Sein Blick glitt durch die Reihen, aber keiner rührte sich. Zum Schluss kam er vor diesen Yugi stehen, den er so belobigt hatte, doch dieser schien ihn nicht einmal bemerkt zu haben, denn wie eine Statur saß er gerade auf seinem Stuhl und schien nur vor sich hin zu starren.

Doch eine Bewegung unter dem Tisch zeigte, das er seine Finger knetete. Warum war der Kleine so nervös?
 

„Yugi?“
 

Er zuckte heftig zusammen und hob den Kopf. Da ich schräg hinter ihn saß, konnte ich den geschockten Ausdruck im Gesicht nicht sehen, aber seine Stimme war sehr aussagekräftig.
 

„Ja, Herr Taori?“
 

Mein Hilfslehrer drehte sich mehr zu der Tafel und tippte mit den Stock auf das grüne Gestein.

Obwohl nicht viel an der Tafel stand, schien der Kleine zu verstehen. Yugi studierte kurz die Zeichnung und, ja ich musste zugeben, dass ich über diese Auffassungsgabe überrascht war, das er sofort die Antwort nennen konnte.
 

„Laut des ägyptischen Priesters Manetho war der erste Pharao Pen-abu, der um 3300 vor Christus regierte.“
 

„Perfekt, Herr Muto.“
 

Dieser kleine Streber.

Ich wusste nicht, woher dieses Gefühl kam, aber alles an ihm drehte mir gerade den Magen um. Herr Taori ging an ihn vorbei, wobei dabei eine Duftwolke zu mir rüber schwebte, wo mir fast die Galle hoch kam. Himbeere.

Ich musste mir meine Hand vor dem Mund halten, hielt den Atem am um nichts mehr zu riechen und zwang mich weg zu sehen.

Doch immer wieder glitt mein Blick wie von allein zu ihm rüber. Über die langen, schmalen Beine, die dünnen feingliedrigen Hände, die sanft geschwungenen Wangenknochen, die Stubsnase, die schmalen Lippen die sich gerade zu einem beschämten Lächeln formten...
 

Panisch riss ich den Kopf in eine andere Richtung, versuchte durch den Mund zu atmen.
 

Nein, nicht schon wieder. Nicht hier!
 

Doch das Verlangen war stark. Ich kämpfte dagegen an, schluckte hart und zwang mich zur Ruhe und wäre fast als erstes aufgesprungen, als die Glocke das Ende der Stunde ankündigte.
 

Mit gespielter Ruhe packte ich meine Sachen zusammen, klemmte sie unter den Arm und wollte gerade die Flucht ergreifen, als sich eine Hand um meinen Arm legte.
 

„Herr Athem? Ich sollte Ihnen doch noch die Räumlichkeiten der Schule zeigen.“
 

Ich konnte gerade noch so ein Stöhnen unterdrücken.

Nein, das hatte ich erfolgreich verdrängt gewesen. Das konnte doch nicht wahr sein. Doch die Götter schienen nicht gerade auf meiner Seite zu sein, denn Herr Taori stellte sich neben mich und klopfte Yugi anerkennend auf die Schulter.
 

„Ich bin richtig begeistert, das Sie die Aufgabe so ernst nehmen, Herr Muto.“
 

Und wieder war das etwas unsichere Lächeln da, was seine Lippen umspielte, doch ich hätte schwören können, das er im Augenwinkel zu mir schaute.
 

„Ja, wie vorbildlich“, knurrte ich und trat aus den Raum.
 

Yugi gab sich wirklich aller größte Mühe mir jeden Raum zu erklären, aber seine Worte blieben bei mir nicht im Gedächtnis haften. Ich wollte nur raus, hier weg und vor allem weg von dem Kleinen, doch er brabbelte wie ein Wasserfall und wenn ich dachte, wie sind am Ende angelangt, fiel ihm einen weiteren Raum ein, der für mich wichtig sein könnte.
 

Doch das schlimmste waren nicht die Gänge oder die Erklärungen, sondern diese verdammte Himbeere, die bei jedem Schritt die der Junge neben mir tat erneut in meine Nase kroch. Seine Stimme war klar, seine Augen blickten mich immer wieder unschuldig von der Seite an.

Es klang paranoid, aber ich fühlte mich ein wenig beobachtet. Auch wenn damit eine Beschwerde von diesem Yugi damit riskierte, ich wollte nur noch aus der Schule raus.

Zusätzlich saß mir die Zeit im Nacken. In zwei Stunden musste ich in die Universität und durfte die Vorlesungen als Referendar nicht verpassen.

Jeder Blick auf die Uhr machte mir das nur deutlicher.
 

„Ähm…Herr Athem, Herr Taori sagte uns ja schon im Unterricht gesagt, sie sind Referendar für Geschichte und würden sich vor allem für das alte Ägypten interessieren. Mein Großvater hat mir immer die Mythen der Ägypter erzählt.“
 

Etwas überrascht schaute ich auf den Jungen, der fast über einen Kopf kleiner war als ich. Er lief etwas rot an und schien diese Sätze runter zu leiern, als sei er fürchterlich nervös, den Augenkontakt vermied er.
 

„Ich fand vor allen die über den Glauben an die Wiedergeburt sehr interessant. Wie…“, doch ich unterbrach ihn und er hob nun doch den Kopf und schaute mich direkt an.
 

„Hör mal Kleiner, ich habe keine Zeit mich mit dir über belangloses Zeug zu unterhalten. Mythen sind Mythen und keine Fakten. Mit so was verschwende ich nicht meine Zeit und auch nicht mit sinnlosen Gesprächen darüber, mit irgendwelchen einfältigen High School Schülern. Nur weil du Lehrers Liebling bist heißt es nicht, dass ich dich bevorzugt behandeln werde. Lass das Schleimen Junge. Ich habe heute Besseres zu tun.“
 


 

Nach dieser Antwort lies ich ihn einfach stehen, drehte ihn den Rücken zu und verschwand so schnell ich konnte aus dieser Schule. Am Auto angekommen, schaffte ich es nicht einmal die Tür zu öffnen, sondern ein würgen zwang mich dazu, mich zum Boden zu beugen.

Dieser Himbeergeruch hatte mir völlig den Verstand geraubt.

Ich wusste, das ich etwas zu hart zu ihn war. Ich wusste, das ich ihn damit gekränkt hatte. Lehrers Liebling hin oder her. Er war verdammt clever und es war gut für ihn, das er sich so hinein beugte. Damit könnte er was erreichen.

Doch heute erreichte er bei mir damit nur, das mir der Geduldsfaden gerissen war und mir schlecht wurde.
 

Mit der Gewissheit, das ich mich morgen bei ihm entschuldigen würde, setzte ich mich in den Wagen und startete den Motor.
 

Den restlichen Tag plagte mich das Gewissen, ob ich nicht doch ein wenig zu hart zu ihm war. Immerhin ist er ein zukünftiger Schüler von mir. Ich, als sein Lehrer habe eine Vorbildfunktion, die ich auch gedenke einzuhalten.

Der Fehler von damals wird mir nicht noch einmal passieren.

Ich werde weiterhin distanziert verhalten, aber ein kleines Lächeln würde nicht schaden.
 

Am Tag darauf drückte mir Herr Taori alle nötigen Unterlagen für die Stunde in der Hand und vertraute darauf, das ich den Stoff gut in den Stunden verplane. Zuhause hatte ich mir die Liste der Schüler angesehen und mit deren bisherigen Noten. Somit war ich gut vorbereitet, auf wen ich besonders achten musste.
 

Ich betrat den Klassenraum und wieder war das Gefühl der Vollkommenheit gegenwärtig. Zuhause fühlte ich mich irgendwie... zwiegespalten, als ob etwas fehlen würde. Es überrascht mich immer wieder, das dieser Beruf wirklich wie für mich geschaffen war, wenn sogar mein Körper das meinte. Mit einem Grinsen begrüßte ich die Klasse und schrieb in großen Buchstaben meinen Namen an die Tafel.
 

„Herr Taori hatte Euch ja bereits meine Position hier erklärt. Da ich selber noch mitten in der Ausbildung bin, hoffe ich auf Rücksicht.“
 

Ich versuchte es ein wenig aufzulockern, da jeder völlig steif auf seinen Stuhl saß, zwinkerte in die Runde und setzte mich auf den Lehrerpult.
 

„Fragt ruhig.“
 

Und schon schnellten einige Hände in die Höhe. Schnell blickte ich auf den Sitzplan auf dem Tisch neben mir.
 

„Joey, ist es dir unangenehm, wenn ich dich Duze?“
 

Dieser lachte und schüttelte seine blonden Haare.
 

„Nö. Bekommen wir bei Ihnen Noten?“
 

Diese Frage hatte ich schon fast erwartet.
 

„Ich habe die Funktion des Lehrers hier vorübergehend übernommen, da ich ein Referendar bin. Das bedeutet ich lerne durch die Praxis und ja, dazu gehören auch die Noten dazu. Ich werde die mündliche Mitarbeit benoten und auch Arbeiten schreiben. Aber auch ich mache Fehler. Sollte Euch etwas an mir stören, habe ich immer ein offenes Ohr für Vorschläge.“
 

Ich schaute jeden in der Klasse an, erwarte eine Reaktion, doch irgendwie schien keiner mehr etwas fragen zu wollen. Nur einige Mädchen kicherten in den hintersten Reihen.

Diese dummen Hühner dachten wohl, das wenn sie ihren Ausschnitt tiefer zogen, ich sie mehr Beachtung schenkte. Wenn sie es so haben wollten, bitte.
 

„Meine Damen?“, und augenblicklich hörten sie auf.

„Auch wenn ich nicht vorher Eurer Lehrer war, so bin ich das ab heute. Ich möchte sie doch bitten, die Gespräche bis nach dem Unterricht zu verschieben.“
 


 

Ich gab wirklich mein bestes, versuchte aufmerksam für das Belangen der Schüler zu sein, änderte die Gespräche im Unterricht so, das keine Einschlafgefahr bestand und achtete auch auf die praktische Übung.

Aber eins konnte ich nicht, auch wenn ich es mir vorgenommen hatte. Ich versuchte Yugi völlig zu ignorieren, so gut es ging, aber als ich eine Frage stellte, war sein Arm der einzigste, der in der Luft hing.

Ich tat so, als hätte ich seinen Namen vergessen und schaute wieder auf den Sitzplan.
 

Diese Geste löste eine Veränderung in seinen Augen aus. Sie waren wissbegierig, doch jeglicher Glanz verschwand.
 

Als alle Schüler den Raum verlassen wollten, hob ich kurz die Stimme an.
 

„Yugi, würdest du bitte noch einmal zu mir kommen?“
 

Er nickte und sammelte seine Materialien zusammen. Ich tat es ihm gleich und als sich ein Schatten über den Pult legte, war ich überrascht, das es so fix ging. Doch als ich mit einem Lächeln mein Kopf hoch, blickte ich direkt in einen Auschnitt.

Tea, einer der Mädchen die vorhin ständig gekichert hatten, stand vor mir, nach vorn gebäugt und versuchte wohl verführerisch auszusehen. Doch wenn ich dachte, das mir gestern schlecht wurde, belehrte sie mich gerade eines besseren.
 

„Ich hätte noch eine Frage Herr Athem.“
 

Doch ich versuchte trotz des Ekels freundlich zu bleiben.
 

„Ja, Tea?“
 

„Haben Sie eine Freundin?“
 

„Ich glaube nicht, das diese Frage angemessen für eine Schülerin ist. Und ich glaube, du solltest dich morgen ein bisschen wärmer anziehen, sonst erkältest du dich noch.“
 

Doch sie gab nicht auf, bohrte immer weiter, bis ich sie schließlich doch abwimmeln konnte. Die Wut brodelte in mir, drohte auszubrechen und ich hätte dem Weib den Hals umdrehen können, als sie auffällig mit dem Hintern wackelte und mir zum Abschied zuzwinkerte. Die Tür viel ins Schloss und meine Nerven zu Boden.
 

#“Dämliche Zicke!“#
 

Unsanft schmiss ich ein Lehrbuch in meine Tasche und knallte den Deckel auf die Schnalle.
 

#“Widerlich, ekalfat.. IHGITT!“#
 

Ein Räuspern lies mich aufschrecken. Yugi stand vor mir und schaute mich überrascht an, die Augenbrauen nach ob gezogen.

Ich betete nur, das er mich eben nicht gehörte hatte. Das würde nur Probleme geben. Ich überspielte das einfach und tat so, als wäre nichts gewesen, lächelte ihn an.
 

„Nun, ich möchte mich bei Dir entschuldigen.“
 

Er sagte nichts, sondern starrte mich weiterhin an, als wären mir eben Hasenohren gewachsen.
 

„Ich war gestern ziemlich gestresst und es war nicht gerade nett von mir, es ausgerechnet an Dir auszulassen.“
 

Ich kratze mir am Kopf und konnte eine gewisse leichte Verlegenheit nicht ganz zurück halten. Es gehörte auch zu einem Charakterzug Fehler einzugestehen und daran würde ich mich halten. Doch er winkte ab.
 

„Nicht so schlimm, Herr Athem. Ich hatte mich zwar etwas gewundert, aber ich denke, wir können es einfach vom Tisch wischen.“
 

Das darauf Folgende raubte mir fast den Atem. Er lächelte, und wie er das tat. Die Augen strahlten mich förmlich an, als hätte ich ihn eine Last abgenommen, die ihn quälte.

Es war das schönste, was ich bisher je gesehen hatte und das machte mir Angst. Die Panik von gestern kroch wieder in mir hoch.
 

„Das freut mich. Dann wünsche ich Dir noch einen schönen Tag.“
 

Ich schmiss ihn schon förmlich aus den Raum, stürmte zum Fenster und riss es auf.

Himbeere. Überall war diese verdammte Himbeere!!

Rückblick eins – Der Tod als Neuanfang

Ich verwende hier im Rückblick einen anderen Namen für Yugi, weil es für mich irgendwie logisch ist, dass er in Ägypten keinen japanischen Namen haben kann.
 

Hany = Yugis Name in Ägypten = „Der Glückliche“

Nefertari = eine Novizin im Tempel der Hathor = „schöne Schöpfung“

Atemu = Yamis Name als Pharao (keine Bedeutung gefunden)
 

Kapitel 3: Rückblick eins – Der Tod als Neuanfang
 

Sie hatten ihn einfach so vor die Pforten des Tempels gelegt. Der fast leblose Körper des Jungen sollte eine Warnung an all die sein, die die Allmacht und die Göttlichkeit des Pharaos anzweifelten oder eigentlich die der Visiere und Minister. Diese angeblichen Berater, die zwar nicht an der Spitze der Machtpyramide standen, aber in ganz Ägypten aus dem Hintergrund die Fäden zogen. Natürlich war diese Warnung auch an alle gerichtet, die diesen angeblichen Aufständischen, Rebellen, Intriganten und Landesverrätern in jedweder Art Hilfe zukommen ließen. So wie es die Diener der Liebesgöttin Hathor in diesem Tempel taten.
 

Sie versorgten Verwundete und pflegten Kranke, die aus der Sklaverei geflohen waren. Sie versorgten die Hungernden und nahmen heimatlose Kinder auf, die ohne ihre Zuwendung wahrscheinlich als Sklaven nach Kreta verschifft worden wären oder beim Kalksteinabbau als Arbeiter eingesetzt worden wären. Diese Unterstützung der einfachen Bevölkerung wurde von denen, die von ihrem Unglück profitierten natürlich nicht gut befunden.
 

Eine Unruhe ging durch die Bevölkerung. Die Gemüter der einfachen Leute waren aufgeheizte und es fehlte nicht viel und sie würden eine Rebellion beginnen. Hoffnung war hierbei die größte Gefahr, für die, die an der Macht waren, denn sie gab den Menschen Kraft und einen unbändigen Willen. Daher musste nun jeder vernichtet werden, der dem einfachen Volk Hoffnung gab.
 

Dieser halbtote Junge, der auf den Namen Hany hörte war trotz seiner Jugend die größte Gefahr für die herrschaftlichen Berater. Sein Vater war ebenfalls einer der Berater des Pharao und er war einer derjenigen, der nach Veränderung strebte. Er war es, der bereits einige Gesetzesänderungen vorangetrieben hatte, die dem ägyptischen Volk zu Gute kamen.
 

Hany war eine Gefahr, da er, als der Geliebte des Pharao, einen großen Einfluss auf eben diesen hatte und ihn so für die Ideen seines Vaters empfänglich machte. Dabei manipulierte dieser Junge den Pharao nicht, wie es seine Berater taten. Er war deswegen eine große Gefahr für diese machtbesessenen, kriechenden Kreaturen, weil er an die Prinzipien und Ideale seines Vaters glaubte und nichts weiter tat, als dem Pharao eine Perspektive bot. Er ermöglichte dem Herrscher eine andere Sicht auf die Dinge und erweiterte dessen Horizont. Hany tat nichts weiter als er selbst zu sein und dem Pharao zu ermöglichen, sich weiterzuentwickeln.
 

Ein Herrscher, der nachdachte und seine eigenen Entscheidungen traf, ein Herrscher, der sich nicht mehr von seinen Ministern und Ratgebern beeinflussen ließ, dass war es, was diejenigen, die den Jungen töteten am meisten fürchteten.
 

Nefertari war eine Tempeldienerin im Hause der Hathor. Bei der Zeremonie, bei der ihr der neue Name als Novizin gegeben wurde*, erhielt sie ein großes Geschenk. Die Götter, nicht nur die, denen sie diente, sondern alle, offenbarten sich ihr. Sie verbanden ihre Emotionen und Gedanken mit denen der jungen Frau. Dadurch ermöglichten sie ihr auch einige der göttlichen Fähigkeiten zu verwenden. Wie zum Beispiel den Blick durch die Zeit, über den die Göttin Isis verfügte.
 

Nefertari hatte diese Szene schon so oft gesehen und so oft gehofft, dass diese Vision nicht eintreffen würde. Doch nun war es doch passiert. Sie spürte den Zorn der Götter in sich. Einfach so eine Leiche vor einen Ort abzulegen, der dazu gedacht war sie anzubeten war ein großer Frevel. Es war eine der größten Beleidigungen, die man den Göttern entgegenbringen konnte. Welcher Idiot würde es schon wagen eine Leiche vor den Tempel eines Gottes zu legen.
 

Die junge Frau konnte vor allem den Zorn von Osiris, dem Todesgott und seiner Frau Isis, der Göttin der Wiedergeburt, spüren. Die Botschaft dieser Tat war klar und deutlich und genau die war es, die die größte Beleidigung darstellte. Durch die Ermordung eines Menschen verwehrte man ihm das Recht auf eine Wiedergeburt und dadurch, dass man ihm die Ehren einer richtigen Bestattungszeremonie versagte, nahm man dem armen Jungen sogar die Möglichkeit auf das Nachleben im Kreise seiner Ahnen. Die Warnung lautete also: „Bekämpft uns und auch euch wird das Nachleben im Jenseits und die Wiedergeburt verwehrt!“

Mit diesem klaren Zeichen wollten diese feigen Maden, die um ihre Macht fürchteten, alle, die sich ihnen entgegenstellen das Fürchten lehren.
 

Dies erzürnte Osiris und Isis am meisten, denn diese arroganten Menschen verwehrten ihren Gegnern eine Gnade, die zu verwehren nur in dem Ermessensentscheid dieser beiden Götter fiel.
 

Doch Nefertari fühlte außer dem Zorn auch noch die bittere Enttäuschung, die Isis und Hathor empfanden und sie konnte auch gut verstehen warum. Auch die Götter hatten sehr gehofft, dass die Vision von dem sterbenden Hany nicht eintreffen würde und doch war es nun passiert.
 

Die Novizin ging zu dem am Boden liegenden Körper. Sie kniete sich hin und legte den Kopf des Jungen auf ihren Schoß. Hany atmete schwer. Seine großen, violetten Augen waren weit geöffnet, doch die Tempeldienerin wusste dass er sie nicht mehr sehen konnte. Sein Geist war bereits weit entfernt von seinem Körper und dennoch kämpfte er um jeden Atemzug und klammerte sich an sein verbliebenes Leben. Nicht weil er sich vor dem Tod fürchtete, sondern weil er sich weigerte diese Welt zu verlassen, ohne sich von seinem geliebten Pharao zu verabschieden.
 

Sanft strich Nefertari dem Jungen die Haare aus der Stirn. Viel konnte sie nicht mehr für ihn machen. Sie wusste, dass Isis gerne darüber hinwegsehen würde, dass er gewaltsam aus dem Leben gerissen wurde und Hany dennoch die Möglichkeit auf eine Wiedergeburt geben würde. Osiris würde ihm auch nicht verwehren eine Weile im Jenseits bei seinem Verwandten zu verweilen. Sie musste nur dafür sorgen, dass der Junge heute noch mit allen Ehren und der vollständigen Zeremonie bestattet wurde. Nefertari wusste, dass die anderen Diener der Hathor den Jungen wie einen Pharao beisetzen würden, denn er war etwas Besonderes und hatte das Wohlwollen der Götter auf seiner Seite. Alles was sie nun für ihn tun konnte, war ihm den Schmerz zu nehmen und ihm Hoffnung zu geben.
 

„Keine Angst kleiner Mensch“, flüsterte sie. Mit dieser anrede wollte Nefertari ihm zeigen, dass die Götter bei ihm waren. „Er wird bald hier sein kleiner Mensch. Dein Geliebter wird bald hier eintreffen, doch du wirst es nicht mehr miterleben.“
 

Nefertari hielt kurz inne. Ihre eigene Trauer um den Jungen und die der Götter überwältigten sie. Wieder fragte sich die Tempeldienerin, wie blind und vermessen manche Menschen sein konnten. Dieser Junge, der sterbend vor ihr lag, war ein Geschenk der Götter an den Pharao gewesen. Dieser Junge war das Licht des Pharaos. Sein zweites Ich. Er war der Seelenverwandte des jungen Herrschers.
 

Hany war es, der ihm dabei helfen sollte, seine Geschicke zum Wohl des Volkes zu lenken. Die Kinder Ägyptens hatten viel zu leiden unter der Herrschaft des vorherigen Pharaos, der sich viel zu oft hatte von den Machenschaften seiner korrupten Berater beeinflussen lassen. Hathor und Isis hatten sich zusammen getan, um diesen Jungen zu dem Sohn des damaligen Herrschers zu bringen. Beiden Göttinnen war viel daran gelegen, dass der jetzige Machthaber glücklich war. Isis sorgte sich um ihn, da der junge Pharao ein Nachfahre in der Blutlinie ihres Sohnes Horus* war. Hathor hingegen war viel daran gelegen, dass das was zusammengehörte auch zusammen kam.
 

Die Götter hatten so gehofft, dass der Sohn des früheren Herrschers zum Wohle des Landes und des Volkes regieren würde, wenn sie nur die Leere in seinem Herzen füllen könnten. Deswegen schickten sie ihm diesen Jungen, der ihn bedingungslos, innig und um seiner selbst willen lieben sollte. Hany erfüllte seine Aufgabe auch wirklich gut.
 

Der Vater des Jungen gehörte auch zu dem Geschenk, welches de Götter dem Pharao schickten. Er sollte dem ‚ach – so – mächtigen‘ Herrscher den ersten Schritt in die richtige Richtung zeigen und ihn weiter auf diesem Weg führen.
 

Doch was passierte? Der Pharao erkannte dieses Geschenk nicht als solches an. Er war zu einfältig und noch ein halbes Kind. Kaum erzählten ihm seine Berater, dass seine Allmacht angezweifelt oder bedroht wurde, schon unterschrieb er das Todesurteil für die Liebe seines Lebens.
 

Er hatte sich die Proklamation, die er unterschrieb nicht einmal durchgelesen. Alles worauf er geachtet hatte waren die Worte seiner Ratgeber, die ihn sagten, dass Aufständische und Rebellen seinen Tod wünschten und planten. Alles, was er tun musste um diese Ungläubigen aufzuhalten wäre diese Verfügung zu unterzeichnen, die es seinen Soldaten und Bevollmächtigten gestattete, diese Menschen mit aller Macht zu bestrafen. Dieser einfältige Junge hatte noch nicht einmal die Liste der angeblichen Aufständischen durchgesehen, sonst wäre ihm sicher früher aufgefallen, dass der Vater seines Geliebten darauf an oberster Stelle stand. Den Tod von Hany würde man dem großen Pharao natürlich als Kollateralschaden erklären.
 

Nefertari hatte nicht gelogen, als sie Hany sagte, sein Liebster sei unterwegs zu ihm. Nun da es zu spät war, hatte der Herrscher Ägyptens seinen Fehler endlich bemerkt. Gerade in der Sekunde, in der das Schwert eines Soldaten die Brust des Jungen durchbohrte, sah er den Namen des Vaters von Hany auf der Papyrusrolle, die er unterzeichnet hatte. Voller Furcht und Reue galoppierte er auf seinem schnellsten Pferd zum Haus seines Geliebten, doch egal wie sehr er das arme Tier antrieb, er schaffte es nicht rechtzeitig dort zu sein. Leider war es zu spät, um das Blutbad zu verhindern. Alles was er nun hatte, war die Hoffnung, dass Hany noch lebte und den unrealistischen Wunsch, dass er ihm diesen Verrat verzeihen würde.
 

Einer der Soldaten, die den fast toten Körper des Jungen vor den Pforten des Tempels abgelegt hatten, berichtete dem großen Herrscher gerade in dieser Sekunde, wohin sie den Körper gebracht hatten. Nefertari wusste genau, dass er nicht mehr rechtzeitig zum Tempel gelangen würde um sich von Hany zu verabschieden, ganz egal wie sehr er seinem Pferd die Sporen gab.
 

„Dir und ihm wird eine zweite Chance gegeben. Eure Liebe kann in eurem nächsten Leben wieder aufblühen“, tröstete sie den Sterbenden. Das glückliche Lächeln von Hany zerriss der Novizin fast das Herz. Wie sehr diese Worte den Jungen glücklich machen…

Die Vorstellung, dass sich der Kleine so sehr darüber freute, mit einem Mann wieder vereint zu werden, der ihre Liebe verraten hatte, tat Nefertari unendlich weh. Sie hoffte inständig, dass der Junge nie erfahren würde, warum, er hatte sterben müssen.
 

Doch für ihr Mitgefühl war keine Zeit. Sie musste Hany erklären, was passieren würde, nachdem er diese Welt verlassen hatte. Sie musste ihm erklären wie die Magie funktionieren würde.
 

„Hör zu kleiner Mensch, denn das, was ich dir jetzt sage ist wichtig für dich. Die Götter haben dich auserkoren. Du bist in ihren Augen etwas Besonderes. Du bist Liebe, Wärme und Licht für den, für den du bestimmt bist. Sie gewähren dir die Gnade der Wiedergeburt und eine Chance deine Liebe wieder zu finden.“
 

Sie strich ihm die Strähnen aus der Stirn.

„Die Magie, die sie anwenden werden, wird einen Preis verlangen. Von dir und von deinem Geliebten. Doch du wirst es sein, der das größte Pfand geben muss. Deinem geliebten Pharao wird der Zauber sein Gedächtnis nehmen. Er wird vergessen wer er war und wer du bist. Er wird eure Liebe vergessen. Du bist derjenige, der stark sein muss. Du bist der, der den größten Preis zahlen musst. Dir wird deine Erinnerung gelassen. Es wird deine Aufgabe sein, den Pharao an eure Liebe zu erinnern.
 

Glaub mir kleiner Mensch, es ist schwerer als du es dir vorstellst. Der Preis den du zu zahlen hast wiegt schwerer, denn du wirst mit dem Wissen weiterleben müssen, was du hattest und was du vielleicht nie mehr haben wirst, wenn du versagst.“
 

Nefertari erwähnte nicht, dass er es war, der für ihre Liebe kämpfen musste, weil er die reinere Seele hatte. Sie wollte Hany so kurz vor seinem Tod nicht das Bild zerstören, das er von seinem Geliebten hatte. Allerdingst wusste die Tempeldienerin, dass die Magie ihn diesen hohen Preis zahlen ließ, weil seine Liebe und sein Herz so selbstlos waren. Beides gehörte diesem einfältigen Herrscher, der in Nefertaris Augen nichts davon verdient hatte.
 

Hany nahm all seine Kraft zusammen und flüsterte mit seinem letzten Atemzug: „Ich bin bereit diesen Preis zu zahlen.“

Seine Augen schlossen sich nach diesen gehauchten Worten. Seine Brust sank hinab, als der letzte Funke Leben aus ihm wich. Mit einem erschütterten Aufschluchzen winkte Nefertari die beiden Diener herbei, die sich bereits genähert hatten um den Leichnam für die Bestattungszeremonie abzuholen. Alle die in diesem Tempel lebten und arbeiteten warteten schon seit Tagen auf diesen Moment. Sie kannten die Vision der jungen Novizin und sie wussten, was die Götter von ihnen verlangten.
 

Während sie den Leichnam in den Tempel brachten wischte sich die junge Frau die Tränen weg. Bald würde der Pharao eintreffen und sie wollte ihm nicht so gegenübertreten. Er sollte nicht glauben, sie oder die Götter würden ihm Mitgefühl entgegenbringen.
 

**********
 

Wie hatte er nur so dumm sein können? Warum hatte er sich diese Proklamation nicht genau durchgelesen. Wie sehr hatte er gehofft, sein Liebster würde ihm verzeihen können, dass er den Mord an dessen Vater befohlen hatte. Er hatte sich den ganzen Weg zum Haus seines Beraters gewünscht Hany würde ihm vergeben. Er hatte dafür gebetet, dass sein Liebster verstehen würde, dass es ein schreckliches, nicht wieder gut zu machendes Versehen war, das seinen Vater das Leben gekostet hatte.
 

Als der Pharao jedoch bei dem Haus ankam und das Chaos und das Blut davor sah, wurde ihm erst die Tragweite seines unüberlegten Handelns bewusst. Als er zwei seiner Soldaten davon sprechen hörte, dass man die Leiche des Sohnes als Warnung zu einem Tempel bringen wollte, blieb dem jungen Herrscher für einen winzigen Moment das Herz stehen.
 

Das konnte nicht sein! Hany konnte nicht tot sein. So grausam konnte das Schicksal gar nicht sein.

„Welcher Tempel?“, hörte er eine Stimme fragen und erkannte erst als sich die beiden Soldaten sich vor ihm verbeugten, dass es seine eigene war.

„Pharao!“, hörte er beide Männer gleichzeitig rufen. Sie waren überrascht ihn hier zu sehen. Genauso wie die anderen, die durch den Ausruf auf ihn aufmerksam wurden und auf die Knie fielen.

„Welcher Tempel!“, forderte er zornig seine Antwort. Ihm war die Ehrerbietung seiner Soldaten egal. Er wollte nur Sicherheit haben. Er wollte wissen, ob er wirklich einen so hohen Preis für seine Dummheit bezahlte.
 

„No…Nordöstlich von hier oh großer Pharao. Der Tempel der Hathor“, antwortete ihm einer der Männer. Noch bevor das letzte Wort verklungen war, gab er seinem Pferd die Sporen. Es kümmerte ihn wenig, was diese Männer nun machen würden. Bestrafen konnte er sie auch noch später.
 

Die Wut brodelte in dem Herrscher. Er würdediese Männer so hart bestrafen, wie es für ihn nur möglich war. Er würde dafür sorgen, dass sie ein so schmerzhaftes Leben führen würden, dass sie sich nach dem Tod sehnen würden. Es war ein fester Entschluss. Doch unter all der Wut hörte er eine kleine, leise Stimme, die ihm die Wahrheit sagte.
 

Dass er es war, der dafür verantwortlich war, dass die große Liebe seines Lebens starb. Das er, egal wie sehr auch verleugnen wollte, der Verursacher seines Unglücks war. Diese Stimme gab ihm auch die bittere Gewissheit, dass er nie vor seiner Schuld fliehen konnte. Egal wen auch immer er für Hanys Tod verantwortlich machen würde, er immer wissen würde, dass er der eigentliche Schuldige war.
 

Die Hoffnung auf Verständnis und Vergebung wich dem tiefen Wunsch, dass sein Liebster noch am Leben war. Sollte Hany ihn ruhig hassen und verachten. Es war ihm egal. Der Junge sollte nur am Leben sein.
 

**********
 

Zwei Soldaten hatten ihm den Weg zum Tempel genau beschrieben. Er wusste nicht genau wie lange er unterwegs war, doch es war für ihn zu lange. Kaum stieg er vor dem Tempel von seinem Pferd, empfingen ihn zwei Tempeldiener. Sie brachten den verzweifelten Mann nicht zu der Hohepriesterin des Tempels, sondern zu einer Novizin. Einer Frau, die sich noch in ihrer Ausbildung zur Hohepriesterin befand. Ob sie dieses Amtes wirklich würdig war, würden die Götter später entscheiden.
 

Diese Frau sah den Pharao voller Verachtung an. Einen Augenblick lang kam dem jungen Herrscher der Gedanke, dass er sie daran erinnern sollte, ihn mit dem nötigen Respekt zu behandeln, doch dieser Gedanke verschwand, noch ehe er wirklich erfasst wurde.
 

„Ich habe euch schon erwartet oh mächtiger Pharao Atemu. Ihr kommt, weil ihr in Sorge um euren Geliebten seid?“, fragte sie ihn. Ihr Ton war hart und zeugte nicht von der Ehrerbietung ihrer Worte. Es war nicht miss zu verstehen, dass sie ihn nicht wirklich mochte.
 

„Ich muss euch leider mitteilen mein Pharao, dass Hany bereits gestorben ist. Die Priester bereiten seine zeremonielle Bestattung vor.“

Der Pharao fiel kraftlos auf die Knie. Sein schlimmster Albtraum war eingetreten. Er hatte ihn selbst verschuldet. Ohne auf seinen Status und sein Auftreten vor anderen zu achten, ließ er seinen Tränen freien Lauf. Noch nie im Leben hatte er sich so schwach und so machtlos gefühlt. Der Rinnsal seiner Tränen wollte nicht Enden. So viel Trauer hatte er nicht einmal nach dem Tod seines Vaters gezeigt.
 

Die Stimme der Novizin ließ ihn wieder aufhorchen. Sie waren nun allein in dem riesigen Gebetsraum, in den ihn die beiden Diener geführt hatten.

„Bei der Zeremonie meiner Namensgebung, als ich zur Novizin erwählt wurde, da erfuhr ich meine Bestimmung“, erklärte sie ihm ruhig. Die Härte und Kälte war aus ihrer Stimme gewichen, doch sie klang immer noch sehr distanziert. „Die Götter sprachen zu mir. Sie ließen mich die Dinge sehen und fühlen, die sie sahen und fühlten. Das tun sie bis heute. Sie haben eine Botschaft an euch.“
 

Die Novizin hielt kurz inne. Sie wollte sicher sein, dass sie die komplette Aufmerksamkeit des Herrschers hatte.

„Die Götter hatten eine Aufgabe für euch oh Pharao. Sie hatten eine Bestimmung für euch. Dieser Junge, dessen Tod ihr heute verschuldet habt, war ihr Geschenk an euch. Er sollte die Leere in eurem Herzen füllen. Er sollte euch den richtigen Weg zeigen. Die Götter wollten, dass ihr mein Pharao der größte Herrscher Ägyptens werdet. Nicht groß durch euren Besitz oder eure Kriegsführung, sondern durch die Taten, die ihr zum Wohle eures Volkes vollbracht habt.
 

Ihr habt versagt. Ihr habt weder euer Geschenk noch eure Aufgabe und dadurch eure Bestimmung erkannt. Nun werdet ihr mit den Konsequenzen leben müssen. Ihr werdet schon bald nach eurem Ableben vergessen werden und euer Name wird im Sand der Zeit untergehen. Ihr dürft die Götter allerdings nicht missverstehen. Der Tod des Jungen sollte niemals eine Strafe für euch sein. Es ist mehr eine Lektion – eine harte Lektion – darüber, was eure Entscheidungen für Folgen haben.“
 

Sie trat zu ihm und legte ihm eine Hand auf die Schulter.

„Ich weiß Pharao, euer Wunsch ist es Hany noch einmal zu sehen und ich werde ihn euch erfüllen. Ihr könnt euch von ihm für dieses Leben verabschieden.“

Auch wenn er die vorherigen Worte nicht wirklich verstanden hatte, so ließ ihn der letzte Satz aufhorchen.

„Was heißt ‚für dieses Leben‘“, wollte er wissen.
 

„Nun die Götter erweisen sich als gnädig. Sie erweisen Hany einen Gefallen. Nicht euch. Eurem Geliebten. Daran müsst ihr euch zurückerinnern. Es ist ein sehr mächtiger Zauber, der in dieser Form noch nie angewendet wurde. Er verlangt von euch beiden einen gewissen Pfand. Einen Preis für den Aufwand. Einen Beweis dafür, dass eure Liebe wirklich so groß ist. Euer Geliebter war sofort bereit seinen Beitrag zum Gelingen des Zaubers zu leisten. Er war bereit seinen Preis zu zahlen, um euch in seinem nächsten Leben wiederzusehen. Wie steht es mit euch oh Pharao?“, fragte die junge Frau herausfordernd.

„Alles. Ich gebe alles was die Götter verlangen, wenn ich ihn nur noch einmal wiedersehen kann“, antwortete der junge Mann ohne zu zögern.
 

„Gut, mein Pharao, wirklich gut. Sobald ihr euer jetziges Leben hinter euch lasst – sobald ihr sterbt – wird die Magie ihre Kraft entfalten. Sie wird euch eure Erinnerung nehmen. Ihr werdet in ein neues Leben geboren werden, ohne das Wissen, das dieses jemals existiert hat. Ihr werdet euch an Hany nicht erinnern können. Ihr werdet nicht einmal wissen, dass ihr jemanden habt, der auf euch wartet. Doch auch wenn ihr euren Liebsten nicht mehr kennen werdet, so wird euer Herz euch immer drängen. Euer Leben und eure Seele werden unvollständig sein, bist ihr ihn gefunden habt...aber ihr müsst auch verstehen, was ihr gefunden habt, bevor ihr es vielleicht wieder verliert. Es wird eure Aufgabe sein ihn zu finden. Ihr werdet euer Leben lang auf der Suche sein, obwohl ihr nicht wissen werdet, wonach ihr sucht. Ihr müsst lernen auf euer Herz zu hören und euren Gefühlen zu vertrauen.“
 

Nefertari sah in die Augen des Pharao, um zu erkennen, ob er sie wirklich verstand. Er nickte und sie wusste, dass auch er bereit war seinen Soll zu erfüllen. Mit einer Bewegung ihrer Hand, gab sie dem Herrscher Ägyptens zu verstehen, dass er ihr folgen sollte.
 

**********
 

Es war bereits Nacht und ein wundervoller Sichelmond stand am Himmel. Nefertari blickte zu ihm hoch. Sie sah den grenzenlosen Himmel und dachte an die Lügen, die die Menschen sich selbst erzählten, um sich besser zu fühlen.
 

Sie hatte den Pharao beobachtet, wie er sich von seinem Liebsten verabschiedet hatte. Er hatte Stunden vor dem Sarkophag gekniet, in dem Hany aufgebahrt wurde. Atemu hatte um Verzeihung gebeten und geschworen, dass er es nicht zulassen würde, dass in ihrem nächsten Leben etwas zwischen ihnen stand. Der Pharao musste von zwei Dienern fast schon gezwungen werden, den Raum der Bestattung zu verlassen. Nefertari hatte ihn zum Abschied flüstern hören ‚Glaub ihr kein Wort! Ganz egal wie stark diese Magie ist, ich könnte dich nie vergessen.‘
 

Leider wusste die junge Frau, dass Atemu sich hier selbst belogen hatte. Er wollte sich selbst gerne einreden, dass er so stark war und wenigstens etwas von seiner Erinnerung retten könnte, doch dem war nicht so. Er war nicht selbstlos genug. Er würde vergessen und alles worauf er hoffen konnte war, dass sein Herz laut genug schreien würde, dass ihm etwas in seinem Leben fehlte. Sie betete für Hany, dass dieses einfältige Kind lernen würde auf sein Herz zu hören.
 

Es war ihre Fürsorge dem Jungen gegenüber, die sie eine letzte Botschaft an den Toten schicken ließ.

„Hany, du weißt die Götter haben dich allein für den Pharao erschaffen. Du erwärmst sein Herz und ergänzt ihn. Ihr seid perfekt zusammen. Doch merke dir mein Lieber, manchmal ist ‚perfekt‘ einfach nicht genug. Manchmal lohnt sich nicht jeder Schmerz für die Perfektion.“

Diese Worte hatte Nefertari dem Leichnam ins Ohr geflüstert, als der Pharao gegangen war. Sie hoffte sehr, der Geist des Jungen hatte sie gehört. Sie wollte nicht, dass Hany in seinem nächsten Leben genauso enttäuscht wurde, wie in diesem. Den Schmerz wollte sie ihm gern ersparen.
 

Was Atemu anging…nun, die Götter zeigten ihr, dass sein Ende bald kommen würde. Die Berater, die nun um ihr Leben fürchteten, da sie den Zorn ihres Herrschers auf sich gezogen hatten, hatten bereits einen Auftragsmörder angeheuert,um ihn aus dem Weg zu räumen. Sie dachten sein Cousin Seth, der als nächster in der Thronfolge stand, würde leichter zu beeinflussen sein. Nefertari musste lächeln, als ihr der Blick in die Zukunft zeigte, dass er es sein würde, der ihren Untergang besiegeln würde.
 

Der Pharao würde bald sterben, dass wusste die Novizin und er würde den Tod willkommen heißen, denn er würde ihn von dem Schmerz befreien, dass sein Leben nun für ihn brachte. Mit viel Glück würden beide Liebenden einen Neuanfang im Tod finden.
 

tbc…
 

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*Wenn jemand, männlich oder weiblich, im alten Ägypten in den Dienst eines Gottes oder einer Göttin kam, gab es eine Zeremonie, bei der dieser Person ein neuer Name gegeben wurde, denn ein neuer Name hieß ein neues Leben. Diese Zeremonie wurde nur bei denen durchgeführt, die für etwas Großes bestimmt waren.
 

*Laut Legende war Horus der erste Pharao Ägyptens. Alle seine Nachfolger stammen aus seiner Blutlinie und sind seine Vertretung auf der Erde. Horus ist Isis Sohn.
 

*Wer Interesse. Außerhalb meiner kurzen Erklärungen, an den erwähnten Göttern hat:
 

Osiris = „Der erste der Westlichen (der Toten), Herr von Abydos“. Gott des Jenseits. (http://de.wikipedia.org/wiki/Osiris)
 

Isis = Neben anderen Zuschreibungen ein Vorbild aller Mütter und Schutzherrin der Kinder, Mutter des Horus und Schwester wie auch Gemahlin des Osiris. Beschützerin der Kanope des Amset. (http://de.wikipedia.org/wiki/Isis_%28%C3%84gyptische_Mythologie%29)
 

Hathor = „Haus des Horus“. Göttin des Westens, der Liebe, des Friedens, der Schönheit, des Tanzes, der Kunst und der Musik. (http://de.wikipedia.org/wiki/Hathor_%28%C3%84gyptische_Mythologie%29)

Nicht mehr Lehrers Liebling

Also, erstmal DANKE für die vielen ermutigenden Kommis. Es könnte etwas dauern, bis die nächsten Kapitel on kommen. Wir bitten euch also um etwas Geduld und hoffen, dass euch dieses Kapitel gefallen wird.
 

@abgemeldet:'"hany" ist fast so wie "honey" hahaaa ich finde es passend

total süß wie honig ^^ '. Genau deswegen habe ich den Namen auch ausgesucht. Das hast du gut erkannt ^^.
 

Kurz noch:

#"bla bla bla"# = ägyptisch
 

Kapitel 4: Nicht mehr Lehrers Liebling
 

„Hör mal Kleiner, ich habe keine Zeit mich mit dir über belangloses Zeug zu unterhalten. Mythen sind Mythen und keine Fakten. Mit so was verschwende ich nicht meine Zeit und auch nicht mit sinnlosen Gesprächen darüber, mit irgendwelchen einfältigen High School Schülern. Nur weil du Lehrers Liebling bist heißt es nicht, dass ich dich bevorzugt behandeln werde. Lass das Schleimen Junge. Ich habe heute Besseres zu tun.“
 

Diese Worte hallen immer noch in meinem Kopf nach, als ich meinem Großvater gegenüber sitze. Ich habe ihn jetzt doch alles erzählt, was in der Schule passiert ist. Er war glücklich, als er hörte, dass der Mann, auf den ich all die Jahre gewartete habe, endlich aufgetaucht ist. Als unsere Unterhaltung begonnen hatte, war er zuerst glücklich gewesen und hat sich gefreut. Jetzt tigerte er durch die Küche und ballte die Fäuste. Er ist so aufgebracht, dass er am liebsten zur Schule fahren würde und Yami etwas verstand in den Schädel einprügeln würde. Dieser Stimmungswechsel hatte natürlich einen Grund. Einen sehr guten sogar.
 

Während ich stillschweigend meinen Mandelkuchen gegessen habe, schaute mein Großvater mich stirnrunzelnd an.

„Komm schon Yugi, du kannst mir nichts vormachen. Das, was ich vorhin bei dir gesehen habe, waren keine Freudentränen. Du warst niedergeschlagen! Also, was hat dich so hart getroffen? Warum warst du so am Boden zerstört?“, hatte er mich gefragt. Wie immer in solchen Momenten, war ich mir nicht sicher, ob ich so leicht zu durchschauen war oder ob mein Großvater mich tatsächlich so gut kannte.
 

Es fiel mir schwer, doch ich wiederholte, alles was Yami mir an den Kopf geschmissen hatte. Das war nun das Ergebnis davon…obwohl eigentlich bin ich mir nicht sicher ob es an den Worten des Referendars lag oder daran, dass ich meinen Opa gefragt hatte: „Bin ich denn so ein furchtbarer Streber? Bin ich irgendwie nervig? Er scheint mich gar nicht zu mögen. Was stimmt nicht mit mir Großvater?“
 

Ganz egal, was genau der Grund für seine jetzige Wut war, es ist witzig sich das anzusehen. Ich weiß dass sollte es nicht sein, aber ehrlich meinen Opa kann man nicht fürchten, wenn er wütend ist. Er plustert sich dann immer auf und schüttelt sich immer, ohne es selbst zu merken. Irgendwie erinnert er mich dann immer an einen Kugelfisch, der sich aufbläht, um größer und gefährlicher zu wirken. Dies gelingt meinem Opa genauso wenig wie mir.
 

Ich beobachte ihn nun seit etwa fünfzehn Minuten. Er läuft mit geballten Fäusten von einer Ecke der Küche und knurrt dabei immer und immer wieder: “Dieser eingebildete, arrogante Idiot! Wie kann er dir das Gefühl geben mit dir würde etwas nicht stimmen? Er hat kein Recht dir so etwas zu sagen! Es ist mir egal, dass ihr eine gemeinsame Vergangenheit habt, oder nicht. Es ist mir egal, ob er früher einmal dein Geliebter war. Als ein Referendar hat dieser Typ eine Vorbildfunktion und da kann er nicht einfach so seinen Frust an dir auslassen!“
 

Wie gesagt, so geht das jetzt seit einer viertel Stunde. Immer und immer wieder…gut, vielleicht in anderen Variationen. Manchmal nennt er Yami auch einen Volltrottel. Mein Versuch meinen Großvater etwas zu beruhigen, in dem ich anbrachte, dass unser Referendar ja einen schlechten Tag gehabt haben könnte, blieb ohne Erfolg. Egal wie sehr Yamis Worte mich verletzt hatten, ich wollte einfach nicht, dass mein Opa eine schlechte Meinung von ihm hatte oder wütend auf ihn war. Er hatte vorhin sowieso schon absolut ausgelaugt ausgesehen. So als hätte er die schwerste Zeit seines Lebens hinter sich. Ich möchte ihn einfach nicht noch unglücklicher sehen. Irgendwie glaube ich, dass mich das mehr schmerzen würde, als seine abwertenden Worte, bevor er mich stehen ließ.
 

Alles was ich jedoch auf meinen Versuch bekomme meinen Großvater zu beschwichtigen, ist ein geknurrtes: „Schlechter Tag hin oder her, so hat dieser Bengel nicht mit dir zu reden. Mit diesem Kerl werde ich ein Hühnchen rupfen.“

Ich kann nicht anders. Ich stehe auf und umarme meinen Opa. Das beruhigt ihn und er tätschelt mir sogar den Kopf, so als wäre ich wieder ein kleines Kind. Während ich ihn halte, spüre ich, wie seine Wut verfliegt. So ist mein Großvater halt. Er kann nie wirklich sauer sein. Auf niemanden.
 

So gesehen ist eigentlich nicht das Verhalten von Yami der Grund für seinen Ausbruch. Das war nur der Tropfen, der das Fass zum überlaufen gebracht hatte. Sauer ist er eigentlich wegen etwas ganz anderem. Er hatte bis jetzt nur versucht es mir nicht zu zeigen. Sauer ist mein Opa wegen dem Brief, der gestern aus Griechenland kam. Meine Eltern hatten mir darin zum Geburtstag gratuliert. Mal abgesehen davon, dass diese Gratulation einige Wochen zu spät kam – so langsam war die Post nun auch wieder nicht – teilten sie mir mit, dass sie für weitere sechs Monate in Griechenland bleiben würden. Ein unverhoffter Fund hatte sie von Santorin nach Athen geführt. Irgendetwas historisch sehr Wichtiges.
 

Mein Großvater machte sich nun Sorgen, ich könnte mich unwichtig fühlen oder von meinen Eltern verstoßen. Etwas in der Art. Was er nicht versteht ist, dass mich ihre Abwesenheit nicht besonders stört. Meine Eltern waren schon immer besessene Historiker und auf absurde Art auch Abenteurer gewesen. Schon als ich klein war, verbrachte ich mehr Zeit bei meinem Großvater als bei meinen Eltern. Es ist für mich eigentlich schon fast ein Wunder, dass mein Vater es damals war, der mich von Haustür zu Haustür getragen hatte, als er mir zeigen wollte, dass dieser Mann von dem ich die ganze sprach, nur ein Produkt meiner Fantasie war.
 

Meine Eltern waren schon immer unterwegs. Entweder zu irgendwelchen Ausgrabungsstätten oder um irgendwo an einer Eliteuniversität einen Vortrag als Gastdozenten zu halten, oder gleich mehrere Semester dort zu unterrichten. Ich fand das nicht so schlimm. Ich kannte es ja nicht anders. Mein Opa war schon immer das einzig Konstante in meinem Leben gewesen. Er war mein Fels in der Brandung.
 

Er war es, der mir eine Unterkunft und ein geregeltes Leben ohne ständige Umzüge ermöglichte. Irgendwie schaffte er es sein Leben auf mich abzustimmen. Auch mein Großvater war ein passionierter Historiker. Sein Spezialgebiet war die ägyptische Geschichte und auch er reiste gerne zu Ausgrabungsstätten. Nur schaffte er es, seine Reisen so zu legen, dass ich ihn begleiten konnte. Wir verreisten immer gemeinsam, wenn ich Ferien hatte. Mal besuchten wir meine Eltern in Griechenland oder an den jeweiligen Universitäten, an denen sie lehrten und mal waren wir gemeinsam in Ägypten und halfen seinem alten Kollegen und Freund Arthur Hawkins.
 

Mein Opa bestand darauf, dass ich meine Ferien auch nutzte, um meine Eltern zu besuchen. Wäre es nach mir gegangen, wären wir immer nur zum Tal der Könige oder nach Gizeh geflogen. Doch so lernte ich die Welt kennen und meine Eltern wurden für mich nicht zu völlig Fremden.
 

Ich muss ganz ehrlich sagen, es waren mein Vater und meine Mutter, die mir den Spaß an der griechischen Antike verdorben hatten. Bis vor etwa fünf Jahren habe ich mich auch dafür…nun, zumindest etwas interessiert. Dann wurde ich von beiden an einer dieser ‚ach – so – wichtigen’ Ausgrabungsstätten so zusammengestaucht, dass mir jegliche Lust auf diese Epoche abhanden ging.
 

Meiner Meinung nach haben sie überreagiert. Ich war zwölf und wollte einem der Studenten, die dort mitarbeiteten, etwas zur Hand gehen, weil mir so langweilig war. Er ließ mich gerne helfen. Es war ja auch nicht die anspruchsvollste Arbeit aller Zeiten. Nur den Sand und den Dreck von Tonscherben entfernen, die er gefunden hatte. Mein Werkzeug war ein kleiner Pinsel.
 

Als meine Eltern mich dabei erwischten, hagelte es Vorwürfe. Ich hätte ja etwas Wichtiges zerstören können. Ich wäre nur ein unvorsichtiges Kind und mir wäre gar nicht bewusst, was für eine Tragweite es hätte, wenn ich etwas beschädigen würde. Nach dieser Standpauke hatte ich keinen Bock mehr auf die griechische Antike. Ich weiß noch, wie mein Großvater mich am selben Tag auf ein Eis eingeladen hatte. Er wollte nicht, dass ich mich schlecht fühlte.
 

In den nächsten Ferien reiste er mit mir dann nach Ägypten. Ohne einen schlechten Wortwitz reißen zu wollen, es war das Land meiner Träume. Alles kam mir so vertraut vor und ich fühlte mich irgendwie, als wäre ich Zuhause angekommen.
 

Wir flogen danach jedes Jahr dort hin. Arthur Hawkins, der alte Freund meines Großvaters, leitete und koordinierte dort mehre Ausgrabungen im Tal der Könige. Arthur war richtig nett. Er ließ mich etwas mitarbeiten. Ich katalogisierte meist die Fundstücke, bevor sie zu weiteren Untersuchungen ins ägyptische Museum kamen. Mein Großvater und Arthur versuchten mir sogar die ägyptische Sprache beizubringen. Ein bisschen was kann ich sogar bis heute. Es ist eine schwer zu erlernende Sprache, aber Arthur meinte damals, ich würde mich gar nicht so dumm anstellen. Er verstand irgendwie meinen Drang mithelfen zu wollen und den Wunsch meine Neugier selbst zu stillen.
 

Das lag wahrscheinlich daran, dass er selbst eine naseweise Enkelin hatte. Ihr Name war Rebecca. Sie war damals als ich sie kennen lernte elf und nach dem ich ihren Teddy davor rettete von einem Kamel gefressen zu werden, war sie der felsenfesten Überzeugung, ich sei ihr Märchenprinz und wir würden irgendwann einmal heiraten. Rebecca schenkte mir ein Freundschaftsarmband und sagte, dass wäre das Zeichen dafür, dass wir verlobt seien.
 

Ich muss ganz ehrlich gestehen, dass ich mich ein bisschen fühlte, als würde ich meinen Liebsten betrügen, aber wie erklärt man schon einer Elfjährigen, dass man nicht mit ihr verlobt sein kann, weil man bereits vergeben ist…obwohl man selbst nicht weiß an wen.

Ich habe ihr Geschenk einfach angenommen und sie nicht vor den Kopf gestoßen. Immerhin sah ich Rebecca im Höchstfall ein Mal im Jahr für etwa vier Wochen. Ich war mir damals ziemlich sicher, sie würde diese Idee von der Verlobung schnell vergessen, wenn ich für eine Weile weg wäre. Ich habe mich geirrt. Rebecca ist bis heute davon überzeugt, dass wir heiraten, sobald sie volljährig ist.
 

Meine liebste Erinnerung an Ägypten ist jedoch die vom Sommer vor drei Jahren. Ich habe dort meinen vierzehnten Geburtstag gefeiert. Es war in einem billigen Appartement in Kairo, in dem ich meinem Großvater von meinen Träumen erzählte und davon, dass ich glaubte es sei meine Vergangenheit und meine Bestimmung, von denen ich träumte.
 

Am Anfang war er etwas skeptisch. Er tat das, was ich ihm erzählt hatte, aber nicht als kompletten Unsinn ab. Mein Großvater glaubte schließlich selbst an die Mythen der Ägypter. Auch an die über wiedergeboren Seeelen. Ich erzählte ihm jeden Abend von meinen Träumen und die Details und Begebenheiten waren so genau, dass mein Großvater begann einige Nachforschungen anzustellen. Er fand tatsächlich einige Aufzeichnungen, die Geschehnisse und Orte aus meinen Träumen belegten.
 

Es hatte tatsächlich einmal einen Tempel der Hathor gegeben, wie ich ihn beschrieben hatte. Keinen kleinen Tempel, innerhalb einer Stadt, sondern einen riesigen, der selbst fast eine Stadt war. Auch Namen der königlichen Berater aus der damaligen Zeit stimmten mit bestimmten Inschriften überein. Es gab eine Aufzeichnung darüber, dass ein Pharao namens Seth, der nicht lange an der Macht war, kurz nach seiner Machübernahme alle Mitglieder seines Beraterstabes hatte hinrichten lassen. Die Namen der hingerichteten, stimmten mit denen überein, die ich ihm genannt hatte. Leider fand er nicht viel zu dem Pharao, der vor Seth an der Macht war. Nur das er dessen Cousin war. Es schien so, als hätte die Zeit den Namen meines Liebsten und seine Existenz ausradiert.
 

Dieser Sommer war der tollste meines Lebens, denn nachdem mein Großvater eine Bestätigung hatte, dass das was ich ihm erzählt hatte, stimmte, stand er hundertprozentig hinter mir. Es war schön einen Verbündeten zu haben. Jemanden, mit dem ich mein Geheimnis teilen konnte. Ich fühlte mich nicht mehr so allein und das verband mich und meinen Großvater noch viel mehr.
 

Deswegen hatte er sich auch jetzt so sehr aufgeregt. Er ist sehr vorsichtig, wenn es um mich geht. Er möchte einfach nicht, dass Yami mich auf irgendeine Weise verletzt, denn er weiß, wie lange ich darauf gewartet habe, dass mein Geliebter mich findet.
 

Großvater braucht sich aber keine Sorgen zu machen, dass werde ich ihm jetzt noch erklären müssen. Ich habe schließlich für mich entschlossen, dass ich mich nicht gleich vom ersten Hindernis entmutigen lasse. Mein Entschluss steht fest. Ich muss mich nur ins Zeug legen, dann werde ich Yami schon dazu bringen, sich an mich zu erinnern!
 

**********
 

Ein neuer Schultag, ein neuer Tag um Yami für mich zu gewinnen. Ich sitze jetzt wieder in der Klasse und höre zu wie er sich vorstellt. Gestern Abend habe ich mir lange überlegt, was ich tun kann, um diese Abneigung, die der Referendar mir von Anfang an entgegengebracht hatte, zu überwinden. Da er mich ja anscheinend für einen Schleimer hält, habe ich mir gedacht, ich könnte mich etwas zurückhalten im Unterricht.
 

Ich weiß ja, dass niemand Besserwisser mag. Joey hat mir das oft gesagt, als wir uns angefreundet haben. Ich bin manchmal so begeistert von einem Thema, gehe so darin auf und vertiefe mich so sehr, dass es sein kann, dass ich wie ein Besserwisser rüberkomme. Ich habe mich deswegen dazu entschlossen, dass ich mich etwas weniger melde und auch mal eine falsche Antwort gebe…überhaupt, reicht es ja aus, wenn ich in den Arbeiten mit einer drei bestehe. Ich würde nicht total versagen, aber auch nicht wieder wie ein Besserwisser dastehen. Nur mein Großvater wäre vielleicht etwas enttäuscht, aber ich bin mir sicher, er wird das verstehen.
 

Yami schreibt seinen Namen an die Tafel.

„Herr Taori hatte Euch ja bereits meine Position hier erklärt. Da ich selber noch mitten in der Ausbildung bin, hoffe ich auf Rücksicht“, meint er während er sich auf den Lehrerpult setzt und in die Runde zwinkert. „Fragt ruhig“, fügt er hinzu, als er bemerkt, dass alle fast vor Neugier platzen. Wir hatten noch nie einen Referendar.
 

Joeys Hand ist die erste die oben ist und ich muss echt kurz grinsen. Ich weiß was er fragen will.

„Joey, ist es dir unangenehm, wenn ich dich duze?“, fragt er, nachdem er einen kurzen Blick auf einen Zettel geworfen hat. Ich bin mir ziemlich sicher, dass es ein Sitzplan ist.

„Nö. Bekommen wir bei Ihnen Noten?“

Ha! Hab ich doch gewusst, dass er das wissen will. Ist irgendwie typisch für Joey.
 

„Ich habe die Funktion des Lehrers hier vorübergehend übernommen, da ich ein Referendar bin. Das bedeutet ich lerne durch die Praxis und ja, dazu gehören auch die Noten dazu. Ich werde die mündliche Mitarbeit benoten und auch Arbeiten schreiben. Aber auch ich mache Fehler. Sollte Euch etwas an mir stören, habe ich immer ein offenes Ohr für Vorschläge.“

Yami ist so souverän, wenn er antwortet. Das gefällt mir. Noch ein Punkt mehr auf der Liste, warum ich sein jetziges Ich toll finde. Er wirkt anders, als die Erinnerung, die ich an ihn aus meinen Träumen habe, aber wie heißt es so schön: ‚Es ist die Zeit, die den Mensch prägt.’

Kar kann er im einundzwanzigsten Jahrhundert nicht so sein, wie im alten Ägypten. Obwohl er auch hier und jetzt etwas Hoheitliches und Autoritäres an sich hat.
 

Ich würde noch weiter in huldvoller Verehrung versinken, würde mich das Kichern aus der letzten Reihe nicht so stören. Tea und ein Paar ihrer Freundinnen sitzen da und malen sich Pläne aus, wie sie Yami wohl am besten näher kommen können. Es werden Dinge besprochen, wie ob er eine Freundin hat, ob er wohl bessere Noten gibt, wenn man mit ihm flirtet und so weiter.
 

Natürlich ist Tea diejenige, die ihre Noten durch besonders freizügige Outfits erschleichen will. Etwas anderes kann sie ja auch nicht. Sie ist in fast jedem Fach eine Niete und redet ständig davon einmal eine große Tänzerin zu werden. Bei ihrem Hang zu bauchfreien, tief ausgeschnittenen Tops und viel zu kurzen, viel zu engen Röcken – Gott, wenn ich den erwische, der dafür verantwortlich ist, dass die Schuluniformen abgeschafft wurden, dann kann der aber was erleben – kann ich sie mir sehr gut, als halbnackte Background – Tänzerin in irgend einem Hip Hop Video vorstellen. Für alles andere fehlt ihr leider die Koordination. Sie schafft es sogar im Sportunterricht über ihre eigenen Füße zu stolpern.
 

„Meine Damen?“, höre ich Yami sagen und augenblicklich sind sie still.

„Auch wenn ich nicht vorher eurer Lehrer war, so bin ich das ab heute. Ich möchte sie doch bitten, die Gespräche bis nach dem Unterricht zu verschieben.“

Ein Schauer läuft mir den Rücken runter und ich beschließe, dass ich es mag, wenn er autoritär ist.
 

Der Unterricht läuft ganz gut. Yami kann stolz auf sich sein. Ich habe zwar nur einen kurzen Blick in die Runde geworfen, kann aber jetzt schon sagen, dass ihm wesentlich mehr Leute zuhören, als Herrn Taori. Ich bin auch stolz auf mich.

Ich hänge auch wie gebannt an seinen Lippen. Er stellt eine Frage und schaut abwartend in die Runde. Ha, die Antwort ist Tut Ench Amun. Das weiß doch jeder. Huch, was macht denn meine Hand oben? Nein, ich melde mich nicht gerade? Verdammt, er schaut in meine Richtung! Er hat es gesehen. Jetzt muss ich im am besten eine falsche Antwort geben.
 

Sein Blick wandert zum Sitzplan und er fährt mit dem Finger über das Papier. Ein tiefer Schmerz zieht durch mein Herz. Ich habe gestern fast eine Stunde mit ihm verbracht und er kann sich nicht mal an meinen Namen erinnern? Irgendwie schafft Yami es, mir mit den kleinsten Gesten Stück für Stück meine Hoffnung zu nehmen. "Yugi", ruft der Referendar mich auf. Ich kann mir nicht helfen, aber irgendwie ist mein ganzer Enthusiasmus weg. Vielleicht liegt es ja daran, dass ich ihm jetzt doch die richtige Antwort gebe.
 

Erst nach dem Klingeln, als fast alle schon auf dem Weg zur Tür sind, spricht er mich noch einmal persönlich an.

„Yugi, würdest du bitte noch einmal zu mir kommen?“

Ich nicke kurz und sammle mein Zeug zusammen. Was will er nur von mir? Ich packe gerade meinen Hefter ein, als Tea an mir vorbeischwirrt. Sie wackelt beim gehen so sehr mit den Hüften, dass sie mich gegen das Pult drängt. Während zusammenzucke, merkt sie noch nicht einmal, dass ihr Heck mit mir kollidiert ist.
 

Sauer schmeiße ich meine Stifte in die Federmappe. Ein bisschen Rücksicht und Takt ist ja nicht zu viel verlangt! Tea steht am Lehrerpult und beugt sich so darüber, dass man wahrscheinlich einen Ausblick bis zu ihrem Bauchnabel hat. Ich beiße die Zähne zusammen und knirsche leise,
 

„Ich hätte noch eine Frage Herr Athem“, höre ich sie sagen. Ich zweifle nicht daran, dass es keine fachbezogene Frage ist.

„Ja, Tea?“

„Haben Sie eine Freundin?“

Meine Hand hält krampfhaft das Geschichtsbuch fest. Am liebsten würde ich es ihr an den Kopf werfen. Ich muss all meine Willenskraft aufbringen, um es nicht zu tun. Meine Fresse, ich habe ja schon was davon gehört, dass Teenager hormongesteuert sind – erlebe es ja gerade selbst irgendwie – aber ich glaube ihr Libido macht Überstunden. Was fällt ihr ein, einfach so meinen Liebsten anzubaggern? Gut, er hat keine Ahnung, dass er vergeben ist, aber dass tut hier erstmal nichts zur Sache.

„Ich glaube nicht, dass diese Frage angemessen für eine Schülerin ist. Und ich glaube, du solltest dich morgen ein bisschen wärmer anziehen, sonst erkältest du dich noch.“

Wirklich eine sehr, sehr gute Antwort von Yami. Meine Hand entspannt sich und das Geschichtsbuch wandert in meine Tasche.
 

Tea gibt natürlich nicht so schnell auf. Sie fragt weiter und weiter. Ich starre wütend auf den Boden und halte den Gurt meiner Tasche fest. Ich würde ihren Hals würgen, wenn ich nicht den Tragegurt malträtieren würde.

#“Dämliche Zicke! Widerlich, ekelhaft…IHGITT!“#

Huch, irgendetwas habe ich verpasst. Tea ist ja nicht mehr da…und Yami hat irgendetwas gesagt…IHGITT versteht man ja in jeder Sprache, aber er hat…hat er gerade tatsächlich auf Ägyptisch geflucht?
 

Ich glaube ja, das Wort ‚widerlich’ verstanden zu haben, aber ganz sicher bin ich mir nicht…und hat er Tea gerade tatsächlich als ‚dämliche Zicke’ bezeichnet? Ich trete an das Pult und räuspre mich. Im ersten Moment sieht Yami ziemlich geschockt aus, doch dieser Gesichtsausdruck verschwindet in weniger als einen Sekundenbruchteil und er lächelt mich an. Tut so, als wäre nichts gewesen. Vielleicht hofft er ja, ich hätte nichts gehört.
 

„Nun, ich möchte mich bei dir entschuldigen“, sagt Yami zu mir und ich kann nichts anderes tun als ihn anzustarren. Bitte, wer auch immer da oben das Sagen hat, lass es nicht nur einen schönen Wunschtraum sein.

„Ich war gestern ziemlich gestresst und es war nicht gerade nett von mir, es ausgerechnet an dir auszulassen“, redet er weiter und ich schaffe es mich ganz unauffällig zu kneifen. Jupp, definitiv kein Tagtraum, sonst hätte es nicht wehgetan.
 

Als ich ihm erstmal nicht antworte, kratzt er sich verlegen am Hinterkopf. Das ist so…ich weiß nicht…süß? Oder niedlich? Ich weiß nicht, dass klingt irgendwie mädchenhaft. Es ist aber auch egal. Jetzt im Moment zählt nur, dass er sich bei mir entschuldigt hat. Das ist so, als würde mir ein riesiger Stein vom Herzen fallen. Vielleicht wird mein Plan ja funktionieren und er mag mich sogar, wenn ich nur noch guter Durchschnitt bin. Ich fühle mich als wäre ich high! Hoffnung ist was echt Tolles!
 

„Nicht so schlimm, Herr Athem. Ich hatte mich zwar etwas gewundert, aber ich denke, wir können es einfach vom Tisch wischen“, antworte ich ihm endlich und lächle ihn an. Das ist das glücklichste Lächeln meines Lebens. Es kommt von ganzen Herzen. Warum sollte ich Yami auch nicht verzeihen? Er meint es ja ehrlich.
 

„Das freut mich. Dann wünsche ich Dir noch einen schönen Tag“, meint er plötzlich total hektisch. Seine ganze Haltung zeugt wieder von einer inneren Anspannung. Fast wie gestern. Er schiebt mich praktisch zur Tür raus und schließt sie schnell hinter mir. Seltsam. Ich werde aus ihm echt nicht schlau. Mal heißt es ‚Hü’ und dann wieder ‚Hott’. Ich hoffe Yami hat nicht ständig solche Stimmungsschwankungen…
 

Was wohl der Grund für seine Hektik ist?
 

**********
 

Es sind jetzt zwei Wochen vergangen, seit meinem Entschluss von einem der besten Schüler zum guten Durchschnitt abzurutschen. Bei der Mitarbeit im Unterricht klappt das schon ganz gut. Ich kneife mir einfach immer in das Handgelenk, wenn ich mich unbedingt melden will. Der Schmerz verhindert, dass meine Hand zu schnell nach oben wandert.
 

Die Tatsache, dass ich mich nicht melde, hindert Yami jedoch nicht daran mich auch mal aufzurufen. Es kommt vor, dass er mich bis zu zehn Mal drannimmt. Selbst dafür habe ich mir natürlich etwas überlegt. Jede fünfte Antwort, die ich ihm gebe, ist dann falsch und jeder dritte nur zur Hälfte richtig. Eigentlich ist alles ganz einfach und sehr gut durchdacht. Es würde bestimmt auch toll funktionieren, wären da nicht die Tests.
 

Das ist schon der dritte in zwei Wochen. Der erste war nur ein Probedurchlauf, bei dem unser Referendar feststellen wollte, wie weit der Wissensstand jedes Einzelnen wirklich war. Es waren mehrere Aufgaben, zu den verschiedensten Themen, die wir dieses Jahr bereits behandelt hatten. Von der französischen Revolution, von der Herr Taori begeistert war, bis hin zu unserem jetzigen Thema, der ägyptischen Antike, war alles dabei.
 

Ich habe ganz ehrlich nicht mehr an meinen Vorsatz gedacht und daher einfach drauf los geschrieben. Erst als ich bei der letzten Frage angelangt war, ist mir aufgefallen, dass ich alles beantwortet hatte und meinem Wissen nach auch alles richtig war.
 

„Verdammt!“, habe ich geflucht. Yami hat das natürlich mitbekommen und mich fragend angeschaut. Ich verstehe nicht so ganz warum. Andere haben auch zwischenzeitlich mal geflucht, weil sie eine Antwort nicht kannten. Tea am meisten.
 

Da ich noch genug Zeit hatte, wollte ich einige der Antworten abändern, stellte aber beim Durchwühlen meiner Federmappe fest, dass ich meine Tipex – Maus nicht dabei hatte. Ich hatte also nur zwei Möglichkeiten. Entweder ich ließ die Antworten wie sie waren, oder ich strich einiges durch und versuchte irgendetwas anderes einzusetzen. Ich entschied mich für zweite Variante. Ich strich vier Antworten durch und wollte etwas anderes hinschreiben, als mir klar wurde, dass nicht mehr viel Platz übrig war. Na ja, durchgestrichene Antwort heißt ja eigentlich keine Antwort, also war ich dann doch ziemlich zufrieden. Hab nur ein ‚Weiß ich nicht’ daneben geschrieben.
 

Ich erntete einen echt seltsamen Blick von Yami und auch Herr Taori sah mich ganz komisch an. Die Falten auf seiner Stirn waren richtig tief, als er mir stirnrunzelnd die Arbeit überreichte. Er war bei der Auswertung des Tests dabei, weil ihn das Ergebnis auch interessierte.
 

Drei Tage später hatten wir wieder einen kleinen Test. Multiple Choice. Mehrere Antworten standen zur Wahl und man musste nur die Richtige ankreuzen. Ich habe es probiert. Wirklich. Genau wie ich es jetzt tue, aber es ist wie verhext, ich kreuze immer das Richtige an oder schreibe es jetzt hin. Ich denke mir immer: „Kreuz B an, weil das hundertprozentig falsch ist!“ oder „Schreib einfach ‚Ich weiß es nicht’ hin!“, aber noch bevor ich meinen Stift absetze, ist der Gedanke weg und ich schreibe automatisch die richtige Antwort hin.
 

So wie jetzt. Die Antwort ist Ramses II. Ich wollte Kleopatra hinschreiben. Schon aus Prinzip, gleich mal das falsche Geschlecht wählen…und natürlich die falsche Epoche. Ramses gehörte noch zu den richtigen Pharaonen. Kleopatra war eine Königin aus der Zeit der Ptolemäer. Ganz, ganz andere Baustelle als Ramses II.
 

Was macht mein Gehirn natürlich? Es lässt mich Ramses II hinschreiben. Verdammt, warum hat mir denn niemand gesagt, dass es so schwer ist, einen Test zu verhauen? Bei Joey sieht das doch auch so einfach aus, wenn er sich eine vier in Geschichte fängt…Na ja, ich versuche mal das Beste daraus zu machen. Vielleicht, wenn ich noch ein I hinzufüge, dann heißt es ja Ramses III? Hm…nicht eindeutig genug. Ich streiche es durch und schreibe Kleopatra hin!
 

Ich bin einer der Letzten, der abgibt. Yami greift gleich nach meiner arbeit und schaut kurz drüber. Er runzelt die Stirn und winkt mich näher zu sich. Was ist denn jetzt los? Stimmt was nicht mit meiner Arbeit? Gut, sie ist etwas unübersichtlich, wegen der durchgestrichenen Antworten, aber die hat doch jeder Schüler mal.
 

„Yugi? Hör mal, Herr Taori und ich würden uns gerne mit dir unterhalten. Kannst du nach dem Unterricht bitte in den Raum des Vertrauenslehrers kommen?“

In den Raum vom Vertrauenslehrer? Oh Mann, oh Mann! Was habe ich denn angestellt? So drastisch sind meine Noten doch auch nicht gesunken! Es ist ja nicht so, dass ich Gefahr gehe sitzen zu bleiben oder so…

„Wa…warum denn Herr Athem?“, stottere ich verwirrt.

„Lass uns darüber nachher reden“, antwortet Yami mir ruhig, schenkt mir aber gleichzeitig einen Blick, als könnte er nicht fassen, dass ich tatsächlich noch frage. „Jetzt solltest du aber zu Chemie gehen. Ich will nicht, dass deine Lehrer sich bei mir beschweren, weil ich dich zu lange aufhalte.“
 

Nur widerwillig folge ich Joey, der vor der Tür auf mich gewartet hat, zum Chemieraum. Ich bin so nervös…wen ich wenigstens wüsste, worum es bei diesem Gespräch gehen wird.
 

**********
 

Pünktlich stehe ich vor dem Zimmer des Vertrauenslehrers. Ich war bisher nur einmal da drin gewesen, als ich dem Lehrer geholfen habe zwei Stühle da herein zu tragen. Ich mag dass Zimmer. Es ist sehr hell, mit vielen Aquarellen an den vanillefarbenen Wänden und großen Fenstern. Es steht zwar ein großes Sofa im Raum, aber ich setze mich lieber auf den Stuhl neben dem Schreibtisch, hinter dem Yami sitzt.
 

Herr Taori hat mich hereingelassen und sieht mich nun abwartend an, während er sich an dem Schreibtisch abstützt. Das mulmige Gefühl in meinem Magen wird stärker.

„Herr Muto“, spricht mich Herr Taori ernst an und grinst mich mit einem falschen Lächeln an, „können Sie sich vorstellen, warum wir Sie hierher gebeten haben?“
 

Wie ich solche scheinheiligen Fragen hasse. Ich schüttle den Kopf. Nein, habe ich nicht. Würde ich wissen, was für Probleme ich angeblich habe, würde ich wahrscheinlich gar nicht hier sitzen.
 

Mein Geschichtslehrer öffnet gerade den Mund, als es an der Tür klopft. Die Musiklehrerin steckt entschuldigend lächelnd ihren Kopf hinein.

„Herr Kollege, da sind Sie ja. Ich glaube, sie müssten mal kurz mitkommen. Mit ihrem Auto stimmt etwas nicht. Ihre Alarmanlage ist angegangen.“
 

Kaum hat sie ausgesprochen, schon ist Herr Taori aus dem Zimmer gerannt. Ich glaube ihn noch ‚Mein Auto! Mein schöner, neuer Mercedes!’ schreien zu hören. Während ich mir noch überlege, wie er sich mit seinem Lehrergehalt einen Mercedes leisten kann, fällt die Tür zu und ich bin mit Yami allein im Raum.
 

Ich schaue ihn an. Er schaut mich an. Ich sehe, wie er schluckt.

Oh Mann, das kann ja was werden!
 

tbc…

is not so stupid nevertheless

#"bla bla"# bleibt weiterhin Ägyptisch ;)
 


 


 


 


 

Da saß ich nun. Allein mit meinem Alptraum im Zimmer der Schülersprecher und Yugi sah mich fragend an. Es war nicht die Tatsache, das kein anderer mit bei war, sondern das alle Fenster geschlossen waren, und mir schon wieder die Himbeere in die Nase kroch.
 

„Also Yugi, du weißt sicherlich, warum wir diese Konferenz einberufen haben, oder?“
 

Äußerlich war ich ruhig, gelassen und sicher. Doch in meinem inneren tobte ein Krieg und ich hätte nur zu gern die Flinte ins Korn geworfen. Einfach alle Waffen nieder gestreckt und wäre davon gerannt. Egal wohin. Hauptsache von diesem Jungen weg.
 

In den letzten Wochen habe ich es wirklich geschafft, mir nicht weiter den Kopf über ihn zu zerbrechen. Ich hatte meine Wohnung eingerichtet und mir sogar einen Vogel angeschafft.

Ja, einen Vogel. Abgesehen das er mir immer von der Schrankwand scheißt, ist das ein echt liebes Tier.

In der Schule wurde ich langsam aber sicher auch von den anderen Lehrkräften akzeptiert und hatte zwei weitere Klassen zur Betreuung hinzu bekommen. Das steigerte meinen Stresspegel noch mehr, aber ich hatte es mir ja ausgesucht.
 

Ich wusste nicht genau, wie ich das erklären sollte, aber wenn ich bei der anderen Klasse war, fühlte ich mich wieder so unvollkommen, als würde wieder etwas fehlen. Immer wieder fragte ich mich, was es war, doch ich bekam immer nur eine indirekte Aktwort, wenn ich Yugi wieder gegenüber stand.

Dabei ist es doch der Beruf, der mich ausfüllte, warum sollte ich sonst so glücklich sein, wenn ich das Schulgebäude betrat. Doch das Gefühl ebbte ab, wenn ich eine Klasse betrat, die nicht seine war.

Es verwirrte mich.

Es setzte mich noch mehr unter Druck alle Schüler gleich zu behandeln und dabei ist mir wohl ein Fehler unterlaufen. Genau diese Person, die es auslöste, lies ich links liegen. Seine Noten waren vortrefflich. Seine Fehlerquote zu gering um mich auch nur an einen Patzer erinnern zu können und die Leistungen einer der Besten der ganzen Stufe.
 

Doch dann lies es nach. Von einem Tag auf den anderen, häuften sich die Fehler.

Ich wusste noch genau, wie überrascht ich war, als ich frage, in welcher Zeitraffer Thutmosis III er verstarb und wo er beigesetzt wurde.
 

“Also Yugi, da du wieder der einzige bist, der sich meldet, wird wieder dir die Ehre zuteil.“
 

Erst erhellte sich sein Gesicht, öffnete seinen Mund, doch dann stoppte er. Starrte mich mit offenen Mund an.
 

„Das war 1410, glaub ich.“
 

Meine Augenbrauen zogen sich nach oben. Da hatte er etwas verwechselt und ich wusste, das man schnell durcheinander kommen kann, also korrigierte ich meine Frage.
 

„Ich will wissen, wann er starb und wo noch immer sein Leichnam liegt.“
 

Und genau ab dem Zeitpunkt brach meine Welt zusammen, in der ich glaubte, das dieser junge Mann in der hintersten Reihe die Schule mit Bravur bestehen würde und nie meine Hilfe bräuchte. Doch er zögerte, spielte wieder nervös mit seinen Fingern und schielte immer wieder zu mir hoch, nur um wieder schnell seinen Kopf zur Tischplatte zu senken.

Der wich doch tatsächlich meinen Blick aus!
 

„Ähm... das war aber 1410.“
 

Mein Blick wurde immer unglaubwürdiger und ich musste mich unauffällig am Lehrerpult hinter mir festhalten, um nicht zu fallen.
 

„Hast du nicht etwas vergessen? Wie so ...“

Diesmal zögerte ich.

„~vor Christus~?!“
 

Das Fingerspiel wurde hektischer und der Kopf wurde gar nicht mehr gehoben.
 

„Um ehrlich zu sein, nicht so richtig.“
 

„Deine Noten sind stark in den Keller gefallen, Yugi.“
 

Sein Blick wurde schuldbewusst und ab da wurde mir klar, das es mit Absicht war.

Die ganzen Erinnerungen fügten sich zu einem Ganzen zusammen.
 

Ich ging durch die Reihen, beobachtete jeden Schüler, wie sie an den Bleistiftenden kauten, sich verzweifelt die Haare rauften, oder vor sich hinmurmelten.

Und wie immer war der einzige Ruhige Pol Yugi. Er saß aufrecht, sein Füller flog nur so über das Papier und als ich ihm über die Schulter schaute, war kein einziger Fehler zu erkennen.

Dieser kleine Streber machte seinen Namen alle Ehre.
 

Als ich später die Blätter einsammelte machte ich mir gar nicht erst die Mühe seinen Test mir anzusehen. Ich wusste so schon, das wieder alles richtig sein würde. Daher hebe ich mir seine Arbeit immer bis zum Schluss aus.

Es war deprimierend Arbeiten zu korrigieren, wo man das Gefühl bekam, das einen niemand zuhörte, wenn man vor der Tafel stand und alles erklärte. Wie als würde man gegen eine Wand reden.

Doch als ich Zuhause war, in der einen Hand einen Kaffee und in der anderen den roten Kugelschreiber, fiel mir die Tasse aus der Hand und verschüttelte ihren Inhalt auf meinem neuem Teppich.
 

Yugi Muto.

Alle Antworten waren schon gegeben, doch dann wieder durchgestrichen und daneben stand die falsche.

Von 100 möglichen Punkten hatte er nur 13... Damit hatte seine Streberquote einen gewaltigen Riss bekommen.
 

Mit Absicht hatte ich nur drei Tage später einen weiteren Test angesetzt. Ich hatte wirklich Stunden daran gesessen, diese Fragen auszusuchen. Es waren alles Fragen, die Yugi kennen musste. Sie kamen schon einmal ran und er hatte keinen Fehler. Zusätzlich noch Fragen, die er in der Stunde mündlich richtig hatte...

… und im Test versemmelte er sie wieder.

Das gleiche Schema. Richtige waren schon angekreuzt, doch dann wieder korrigiert.

Es machte auf mich den Eindruck, als würde er es mit Absicht tun.
 

„Aber ich bleibe doch nicht sitzen.“
 

Seine Wangen wurden rot, den Blick weiterhin gesenkt und die Finger gaben einfach keine Ruhe.
 

„Kann es sein, das du Probleme Zuhause hast?“
 

Yugi hob den Kopf ruckartig und schaute mich fast schon entsetzt an. Als ob er sagen würde ~ach kommen Sie~, als ob ich es selber nicht glauben würde und es sagte, nur um ihn zu ärgern.

Doch die Wahrheit war, das es mein voller Ernst war.

Ich hatte schon viel über Schüler gelesen, die diese Methode nutzten, um Aufmerksamkeit zu erlangen. Sie wurden bei den Eltern nicht beachtet.

Er lachte.
 

„Nein, habe ich nicht:“
 

Ich verstand nicht, was daran so lustig war. Als ob es so abwegig wäre. Jeder Mensch hat seine Probleme, auch wenn sich einige nicht auf die Noten auswirken.
 

Ruhig blätterte ich im Notenbuch, tat so, als würde ich die Noten vor meiner Zeit mit den jetzigen vergleichen. Dabei kenne ich sie schon in und Auswendig.

Wie oft ich bei mir Zuhause da schon hineingesehen hatte, konnte ich gar nicht mehr aufzählen.
 

„Was ist dann der Grund?“
 

Mit Absicht blickte ich nicht auf, starrte nur auf das Papier, fuhr mit den Fingern immer über das Blatt, folgte der Tabelle und hielt den Atem an.

Es wird echt mal Zeit, das Yugi das Shampoo ändern sollte. Das war ja nicht mehr auszuhalten.

Ich tat so, als wäre mir warm, lockerte die Krawatte und köpfte die ersten beiden Knöpfe auf, schob den Stuhl zurück und schritt zum Fenster, um es zu öffnen.

Unauffällig sog ich gierig die geruchlose Luft in meine Lungen.
 

„Es gibt keinen. Ich hatte mich geirrt und die falsche ägyptische Epoche gelernt.“
 

Skeptisch hob ich eine Augenbraue, lehnte mich an den Fenstersims und kreuzte die Arme vor der Brust.
 

„Was mich wundert, ist folgendes.“
 

Ich drehte den Kopf zur Seite, atmete tief durch, schabte mit dem Fuß, nur um ihn anschließend mit meinem Blick festzunageln.
 

„Du hattest bereits schon die Richtigen angekreuzt. Warum wurden sie wieder geändert?“
 

„Ich... war mir nicht sicher?“
 

„Das glaube ich dir nicht.“
 

Das klang eher wie eine Frage, statt Rechtfertigung.

Und mit einem Schlag kam ein neuer Verdacht, doch ich hoffte, das ich diesmal falsch lag.

Was ist, wenn er sich einfach nur Rächen will? Als eine Art Gegenzug für den ersten Tag, als ich ihn einfach stehen gelassen hatte?

Es würde ein fatales Licht auf mich werfen, wenn ein Schüler, der nur Einsen schrieb, plötzlich bei dem Referendar absackte. Oh Gott, der will mich fertig machen!
 

Nur am Rande bemerkte ich, wie die Sonne mir den Rücken wärmte und eine Priese mein Haar zum wippen brachte.

Und Yugi mich mit offenen Mund anstarrte.

Oh, da hatte ich wohl doch ins Schwarze getroffen.
 

Aber ich habe noch einen Trumpf im Ärmel.
 

Nachher würde ich mit seinem Lehrer eine Konferenz einberufen, doch bis dahin hatte ich noch Zeit mich zu erkundigen. Ich griff nach meinem Handy und wählte die Rufnummer, die als Kontakt hinterlegt wurde. Erst nach einigen Klingelzeichen wurde abgehoben.
 

Das Gespräch war sehr aufschlussreich und brachte mich dennoch kein Stück weiter.

Ich bekam seinen Großvater ans Telefon. Er klang müde und man hörte sein Alter heraus, doch er blieb freundlich, auch wenn ich mir fast sicher war, ihm bei etwas zu stören. Im Gespräch hörte ich ihn immer wieder fluchen und ein leichtes Scheppern im Hintergrund.

Yugis Eltern seien nicht im Land, immer viel unterwegs und er lebte bei seinem Großvater.

Das bestärkte mein Verdacht, das er so einfach nur nach Aufmerksam schreit. Ob nun bewusst oder unbewusst.

Doch sein Großvater schien überrascht, fragte mehrmals nach wie genau er in den Tests immer abgeschnitten hatte und wo die Fehler waren und als ich es ihm erklärte, lachte er.

Ich wusste nicht wieso, doch der alte Kauz lachte und wollte gar nicht mehr aufhören, nur um anschließend im völlig ernstem Ton zu sagen:

„Er ist in einer schwierigen Phase und sehnt sich nur nach einer gewissen Führung.“
 

„Ich hatte deine Eltern angerufen.“
 

Yugi saß die ganze Zeit auf dem Stuhl, bis er nach diesem Satz von mir wie von einer Tarantel gestochen aufgesprungen war.
 

„Sie haben was getan?!“
 

„Deine Eltern angerufen.“
 

Und ich staunte nicht schlecht, als seine Hände dieses Mal nur schlaff an seiner Seite hingen. Er stand gerade, feste Haltung und ja, es imponierte mich ein wenig, da er dieses Mal selbstsicher wirkte und nicht mehr ansatzweise so kindisch.
 

„Wieso haben Sie das getan?“
 

Seine Stimmlage war monoton und völlig ausdruckslos.
 

„Weil ich mir Sorgen mache, Yugi.“
 

Das restliche Gespräch lief dann etwas... seltsam ab. Er sagte dann kaum noch was, nickte nur immer wieder, als würde er zuhören, doch ich konnte erkennen, das er mit seinen Gedanken ganz woanders war. Ab und zu traf mich ein Blick, der für mich nicht zu deuten war. Eine Mischung aus Verzweiflung und Enttäiuschung.

Doch es war für mich nicht neu, einen Schützling zu enttäuschen. An der Uni hatte ich es schließlich auch getan. Dabei hatte ich mir doch vorgenommen es dieses Mal besser zu machen. Und was kam dabei raus? Diese Scheiße.
 

Ich verdonnerte ihn zur Nachhilfe. Dreimal die Woche, immer in der achten Stunde. Er sagte nichts dazu. Nickte nur wieder und saß völlig ruhig auf seinem Stuhl und ich wusste einfach nicht, was dieses Verhalten zu bedeuten hatte.
 

Meine Freizeit war nicht gerade groß. Sie war vollgepackt mit lernen, Schulstoff planen und arbeiten auswerten. Drei Klassen waren einfach viel zu viel.

Und dann noch die Nachhilfe des Jungen.

Keiner würde heraus bekommen, das ich dies in meiner Freizeit tun würde. Warum auch? Ich hatte nicht gerade vor, es an die große Glocke zu hängen. Der Direktor wollte mir erst keine Zusage geben, der Yugi sei doch ein so guter Schüler und es wäre nur eine Art Ausrutscher. Nur meiner Hartnäckigkeit hatte ich dann doch die Erlaubnis zu verdanken.

Bezahlt wurde ich dafür aber dennoch nicht. Man konnte diese Zeit nicht in den Überstunden ein berechnen und wieso ich es dann dennoch angemeldet hatte, wusste ich nicht. Konnte es mir nicht erklären. Schob es auf die Gewissensbisse, das ich besser auf ihn hätte aufpassen sollen.
 

Und gleich am ersten Tag bewies er mir, das er die Antworten doch kannte. Kein einziger Fehler mehr, kein Zögern, als wäre er wieder mitten in der Materie und dennoch zog ich die Nachhilfe durch.

Wir waren alleine im Raum, er saß wieder ganz hinten, in der letzten Reihe, wofür ich ihn ein wenig Dankbar war, denn es viel mir immer noch schwer, mich zu konzentrieren, wenn die Himbeere um meinen Kopf schwirrte.

Jeder Test war korrekt, jedes Feld richtig angekreuzt und wie in seinen besten Zeiten schon nach der Hälfte der Zeit fertig, legte das Blatt auf meinen Pult und setzte sich.

Langsam nahm ich es, beobachtete ihn, wie er am Tisch saß. Fast schon steif.

Und wieder alles richtig.
 

#“Ach Yugi, ich weiß langsam wirklich nicht mehr, wie ich dir helfen kann.“#
 

Wie von selbst kamen diese Worte über meine Lippen, mehr ein Murmeln als ausgesprochen und fuhr mir mit der rechten Hand durch die Haare.
 

Ich wollte ihm helfen. Doch ich schien wieder einmal genau das Gegenteil erreicht zu haben.

Langsam stand ich auf, griff meine Lunchbox aus meiner Tasche, ging die Treppen im Saal zu ihm hoch, nach den Stuhl vor ihm und setzte mich breitbeinig darauf, verschränkte die Arme auf der Rückenlehne und blickte ihn direkt in die Augen.
 

„Hier.“
 

Ich schob ihn die Box über den Tisch, er folgte jeder meiner Bewegungen. Mein Lunch schien er keine Beachtung zu schenken, blickte einfach nur auf meine Hand, die noch immer auf dem Holz lag.
 

„Iss etwas.“
 

Heute morgen stand ich eine Stunde in der Küche um mein Mittag zu machen und dennoch ist mir der Appetit vergangen. Doch so wie Yugi aussah, könnte er einen Bissen vertragen.
 

Zögerlich griff er dann doch nach der Box, öffnete sie und sein Blick wandte sich ungläubig zu mir, als hätte er darin Medusa persönlich gesehen.
 

„Was ist das?“

„Rosenkohl im Wirsingmantel.“
 

Sein folgendes Schlucken sah nicht gerade appetitlich aus, schloss den Deckel wieder und schob es mir zurück.
 

„Nein Danke.“
 

Na toll. Jetzt wollte ich mal nett sein und dann wieder sowas.
 

„War das ein ~Nein Danke, ich habe keinen Hunger~ oder ein ~Nein Danke, dieses Zeug ist widerlich~“
 

„Eher das Zweite.“
 

„Dir ist schon klar, das selbst ~dieses Zeug~ mir Arbeit bereitet hatte? Oder ist es doch vielleicht so was wie ~Nein Danke, von so einem wie dir nehme ich nichts an~?“
 

Dann war es wieder da. Sein Lächeln, das mich fast schon blendete. Eben wirkte er niedergeschlagen und nun freute er sich wie ein Honigkuchenpferd.

Hatte ich schon mal erwähnt, das ich aus diesen Jungen einfach nicht schlau wurde?
 

„Nun werden Sie nicht albern, Herr Athem.“
 

Und ich lächelte zurück. Fast schon automatisch.

Und dann griff er wieder zur Box, nahm sich die Stäbchen die am Rande eingerastet waren und öffnete sie.
 

Mir schlug sofort der Geruch von dem Kohl entgegen und mein Magen meldete sich. Doch ich ignorierte es, fand es viel interessanter, wie er erst mit den Stäbchen kurz im Essen rumpopelte, ein kleines Stück aufspießte und es sich nach einigen Zögern dann doch in den Mund schob.
 

Oh mein Gott, er wird ja ganz grün!
 

Panisch sprang ich auf und klopfte ihn auf den Rücken, als er anfing zu Husten und es dann in ein Würgen überging. Er brauchte einige Sekunden, um wieder Luft zu bekommen und presste ein „Lecker“ hervor, das nicht gerade überzeugend klang.
 

„Meine Güte, wenn es dir nicht schmeckt, musst du es doch nicht essen!“
 

Doch als er todesmutig mit den Stäbchen erneut in die Box greifen wollte, riss ich sie ihm aus der Hand und klappte den Deckel zu.
 

„Willst du dich umbringen?!“
 

Das ich dabei meine eigene Kochkünste runter zog, lies ich völlig außer Acht, viel zu sehr war ich von seiner Aktion schockiert. Offensichtlich mochte er es nicht, zwang es sich dennoch runter.

Wie ~der Hunger treibt es rein, der Ekel schluckt es runter und der Geiz behält es drin~
 

Doch Yugi lächelte gequält und ich wüsste zu gern, was er sich dabei gedacht hatte. Komischer Kerl. Trotz dieser ausgelassenen Situation hatte ich den Grund der Nachhilfe nicht vergessen und ich betete, das ich sie damit nicht zerstören würde.
 

„Du hast mir heute bewiesen, das du es doch kannst. Ich glaube, du brauchst mich gar nicht, sondern nur einen kräftigen Tritt im Allerwertesten.“
 

Ich zwinkerte ihn zu, doch er riss seine Augen auf. Schien zu überlegen und ich hätte schwören können wie er mit seinen Augen unsicher hin und her huschte, als ob er nach einen Ausweg suchte.
 

Plötzlich machte ich mir Sorgen. Was ist, wenn er genau diese Art der Nachhilfe bräuchte, um wieder auf Trapp zu kommen?

Ich zog seinen Hefter an den Rand, rückte seine Federmappe weiter weg, sodass ich Platz für meine Ellenbogen hatte und stützte meinen Kopf auf meine zusammen gefalteten Hände.
 

„Wie lange willst du noch den Dummen spielen?“
 

Doch darauf bekam ich wieder keine Antwort. Seine Finger schienen viel interessanter zu sein.

Es muss doch eine Möglichkeit geben ihn mehr zu animieren. Mein Blick glitt zur Lunchbox und ich grinste ihn fies an.
 

„Wir machen ein Deal.“

„Ein Deal?“
 

Etwas skeptisch wurde ich wieder angesehen, aber wenigstens hatten seine Finger ruhe.
 

„Es ist in Ordnung, wenn du mir deine Gründe nicht nennen möchtest, ich bin ja auch nur ein Lehrer.“
 

Yugi riss erschrocken die Augen auf und es sah fast so aus, als wollte er widersprechen, doch sein Mund blieb zu.
 

„Wie ich angekündigt hatte, werde ich jede Woche einen Test schreiben.“
 

Er nickte.
 

„Bei jedem Test wo du einen Fehler hast, werde ich dir Rosenkohl im Wirsingmantel mitbringen.“
 

Und mit einem Mal wurde Yugi fürchterlich blass, schielte zu meiner Box, schmatze mit den Mund und verzog angewidert das Gesicht. Seine Leibspeise schien das also nicht zu sein.
 

„Das Grenzt ja schon fast an Erpressung.“
 

„Das ist Erpressung.“, und mein Grinsen wurde breiter.

„Und für jeden Test, wo du keinen Fehler hast, darfst du mir einmal hier in der Nachhilfe zu dem regulärem Thema Fragen stellen, die nur kurz angeschnitten werden.“
 

Jeder andere Schüler wäre mir bei diesem Angebot über den Tisch gesprungen und mir an die Gurgel gegangen, doch Yugi fing an zu strahlen und ich hatte diesmal mitten ins Schwarze getroffen.

Auch wenn er es nie hinaus posaunte, oder mit Absicht schlechte Noten schrieb, so wollte er doch mehr Wissen für das alte Ägypten haben. Warum war mir weiterhin schleierhaft, doch ich sollte mir mal an die eigene Nase fassen.
 

„Gebongt?“

„Gebongt!“
 

Und erst später, als ich Zuhause mir die Schuhe auszog, mein Jackett auf den Sofa schmiss und meinen Vogel nachäffte wurde mir so richtig bewusst, das ich während des ganzen Gespräches den Himbeergeruch völlig vergessen hatte.

Er war weiterhin da, doch es störte mich nicht und das bereitete mir in den späten Abendstunden etwas Kopfzerbrechen.

Rückblick zwei - Misunderstandings into that dead

„Hany!“
 

Der angesprochene hob seinen Kopf und lugte über das Papyrus. Seine Hand war mit Tinte völlig beschmiert und versuchte unbeholfen, diese an seiner Lendenschurz wieder zu säubern. Natürlich verschmierte er damit nur alles und grinste den jungen Mann an, der mitten im Gemach stand und Hany mit einem Blick ansah, als wollte er ihn in den Teich vor dem Palast werfen.

Er stand einfach nur da, sein Kinn majestätisch erhoben. Einige seiner Untertanen würden ihn für arrogant und unbarmherzig bezeichnen, doch Hany hatte das einzigartige Glück besessen eine Seite kennen zu lernen, für die es sich zu leben lohnte.
 

Der Herrscher von Ägypten, Pharao Atemu der 18. Dynastie sah einfach nur in seiner gold-silbernen Tracht fantastisch aus. Kein Schmuck war zu viel und die Sonne der Wüste hatte seine Haut nur gutes getan.

Jedoch war in diesen Augen Ärger, großen Ärger. Sie funkelten Hany an und tippte ungeduldig auf den Schatten an der Wand.
 

„Schau hin, der Schatten der Pflanze ist schon fast am Spiegel angelangt!“
 

Hany wusste genau, was der Pharao meinte. Er war zu spät, viel zu spät.
 

„Als der Schatten hier stand-“, Atemu deutete einige Fingerbreiten vor dem Ende des Schattens, „-hättest du schon längst bei meinem Berater sein sollen!“
 

Zornig zog Atemu die Augenbrauen zusammen und erwartete eine Reaktion von dem Kleineren. Er wusste, er hatte ihn wirklich zu sehr verwöhnt. Ihm Freiheiten gewährt, die seinem Stand nicht mal Ansatzweise erlaubten. Doch es viel dem Pharao immer wieder schwer da nein zu sagen.

Aber Hany war kein habgieriger Mensch, ganz im Gegenteil, er wollte alle Annehmlichkeiten ausschlagen, jeden Schmuck hatte er wieder zurück bringen lassen .

Doch er wurde aus den Gedanken gerissen, als Hany eine Papyrusrolle auseinander schob und mit einer goldenen Pyramide beschwerte, mit seiner weißen Feder auf die Innenschrift tippte.
 

„Es ist richtig das ich meinen Vater bei der Überprüfung der Ausgaben helfen wollte und dies tue ich grade. Ich habe die letzten Verträge durchgesehen und Einer ist mir besonders ins Auge gefallen. Du hattest deinem Haremsvorsteher mehr als nur ein Sack Gold für die Beschaffung neuer Frauen übergeben. Ist das nicht ein wenig viel Gold für eine Vergnügung, die du eh nicht in Beanspruchung nimmst?“
 

Der Pharao fühlte sich ertappt und versuchte krampfhaft einen neutralen Gesichtsausdruck zu behalten und er wusste, es würde ihm gelingen. Nur selten ließ er die Maske der Erbarmungslosigkeit fallen. Doch wieso hatte Hany gerade an diesem Auftrag etwas aus zusetzten?
 

„Du weißt genau, das ich dazu verpflichtet bin einen Nachfolger meines Throns zu zeugen und du weißt genauso gut wie ich, das du dazu nicht in der Lage bist.“
 

Er war sich im klaren, das er damit genau ins Schwarze traf. Seine Vermutung wurde auch noch mit einem kurzen Stirnrunzeln von Hany bestätigt, doch er fing sich gleich wieder und lächelte den Pharao an, der noch immer neben dem Spiegel stand.
 

„So war das nicht gemeint. Nur die Investition lohnt sich nicht. Du hast bereits schon Neun junge Damen die sich vernachlässigt fühlen. Willst du daraus Zwanzig machen?“
 

„Wer sagt, das ich sie vernachlässige?“
 

Mit einem Schlag weicht jegliche Farbe aus Hany´s Gesicht und starrte seinen Herrscher fassungslos an. Das konnte doch nicht sein Ernst sein? Was war er denn für ihn? Nur so ein dummer kleiner Liebhaber, der nach jedem Sonnenuntergang in seinem Gemach auf ihn wartete? Er dachte ernsthaft, da sei mehr zwischen ihnen und ehe sich Hany versah, wusste er, das er gerade überreagierte. Der Pharao brauchte dem Harem um nicht die Glaubwürdigkeit des Volkes zu verlieren.

Wenn bekannt wurde, das der Herrscher des Landes sich einen Knaben ausgesucht hatte, würde es in einen Aufstand enden und jeder Feind würde diese ungünstige Lage zur Eroberung ausnutzen.

Athemu hatte ihm erst vor wenige Vollmonden die Treue geschworen und er glaubte dem Wort des Pharaos, denn nie hatte er es auch gebrochen.
 

„Ich nehme mir die Freiheit heraus zu behaupten, das du sie vernachlässigst. Denn ich teile jeden Abend das Gemach mit dir und nicht diese Konkubinen.“
 

Er wollte ihn nicht verärgern, sondern nur klarmachen, das die Steuergelder für seine Geschmack in die falsche Richtung flossen. Hany wusste nicht viel von den Verpflichtungen im Königshaus, dazu erzählte Athemu zu wenig über seine angeborene Arbeit, aber er hatte großen Respekt dafür, wie loyal sich Athemu zum Volk verhielt.
 

Aber Athemu bekam es scheinbar nicht so Recht mit, wie Hany es meinte, denn dieser riss das Papyrus vom Tisch, wo er durch die Wucht die goldene Pyramide zu Boden beförderte und schritt mit schnellen Schritten aus dem Gemach, schmiss vor Wut die verzierte Holztür hinter sich zu und kaum war er außer Hörweite fluchte er auch schon los, was sein loses Mundwerk hergab. Diese Wörter würden den Göttern nicht gefallen, aber ein Wort weniger würde auch nicht gerade seine Seele retten.

Wie einfältig Hany doch manchmal war. Er verstand nichts von Politik oder gar irgendwelche Machenschaften hinter dem Volke. Er hatte keine Ahnung, was zu dem Pflichten eines Gottes gehörte.
 

Früher fand er es nicht gerade als unangenehmen Teil seiner Herrschaft sich in den Haremhallen aufzuhalten, wo die schönsten Frauen Ägypten nur auf ihn warteten. Es war eine Ehre für eine Frau, von dem Pharao solch eine Beachtung geschenkt zu werden. Viele genossen es und Göttin Hathor wusste, wie sehr er diese Macht genoss.

Doch seitdem Hany in sein Leben getreten war, hatte sich seine Sichtweise in vielen Dingen geändert. Auch die Sichtweise des Harems. Denn es war nun nicht mehr sein Harem, sondern den seines Cousins. Aber seinen Plan konnte er Hany noch nicht mitteilen, dazu war es noch zu früh.

Er hatte seitdem er das erste mal mit diesem Jungen Intimitäten ausgetauscht hatte, nicht einmal diese Halle betreten, da er dem Pharao deutlich gemacht hatte, das er dies nicht mochte. Es war sogar in einem riesigen Streit damals ausgeartet, weil er darauf nicht so einfach verzichten konnte. Die Wachen berichteten immer den Beratern, wer es betrat und gerade jetzt, fingen diese an misstrauisch zu werden.

Er hatte Mühe gehabt denen das Sprechen zu verbieten, wenn es um die persönlichen Angelegenheiten des Herrschers ging und vor allem warum ein Junge niedrigen Strandes, das nicht mal den Wert eines halben Kamels hatte, die Gesellschaft des Pharaos immer genießen durfte.
 

Athemu war ziemlich erfinderisch gewesen, was das Fernbleiben der Frauen anging und erklärte missmutig, das er keinen Gefallen mehr an diesen hatte. Sie entsprachen nicht mehr seinem Geschmack und das war nicht mal gelogen. Aber woher sollten die Berater schon wissen, das es etwas mit dem Geschlecht zu tun hatte.

Dummerweise nahmen sie ihre Stellung so ernst, das sie ihm vorschlugen, sich doch neue Frauen aus ferneren Städten und Ländern einschiffen zu lassen, die noch ´unverbraucht´ waren.

Vor einem Jahr hätte er gefallen an der Idee gehabt, doch jetzt war es ihm zuwider, stimmte aber zu, um keine weitere Missgunst zu erzeugen.

Aber Bastet, die Glücksgöttin schien da ein Schläfchen gehalten zu haben, als Hany genau über diesen Vertrag stolperte. Aber er konnte nichts machen, ihm waren förmlich die Hände gebunden, wenn er nicht gestürzt werden wollte.
 

Angesäuert lies er sich in der Halle nieder, wo alle Schriften der Stadt gelagert waren. Hier sammelten sich wenn nur die Gelehrten aber das auch nur in den frühen Mittagsstunden, wenn die Sonne am höchsten stand.
 

„Mein Herrscher, bedrückt Euch etwas?“
 

Erschrocken wurde er aus seinen Gedanken gerissen und blickte zum anderen Ende der Halle und entdeckte einer seiner Berater Nen, der im Arm verschiende Rollen hielt.
 

„Nein.“
 

Nen trat näher und versuchte eine freundliche Miene aufzusetzen, was ihn aber nicht so ganz gelang. Die Unfreundlichkeit viel ihm leichter. Normaler Weise war er auch kein großer Redner, sondern ließ lieber Taten sprechen.
 

„Eure Mimik verrät aber etwas anderes, Pharao.“
 

Ach, schau mal in den Spiegel!

Als ob er gerade ihm das auf die geschminkte Nase binden würde. Der Pharao war sauer, und wie, aber es gibt Dinge, die muss nicht gerade jeder erfahren.
 

Doch dann zögerte Athemu. Nen wusste über die Beziehung von Hany bescheid. Er hatte zwar seine Missgunst stark geäußert, aber sich nicht weiter eingemischt. Sein Blick war zwar immer wieder durchtrieben, aber er war einer der wenigen Berater, die dem Pharao nur wenige Male rieten diesen Jungen aus dem Palast zu jagen.
 

„Ich... bin nur etwas wegen Hany verstimmt.“
 

Vielleicht tat das Reden ja ganz gut und er konnte mal wieder so richtig Dampf ablassen und Nen sagte nichts weiter, sondern tat so, als müsse er die Papyrusrollen in die Holzfächer sortieren, das eine Ohr aber zu ihm gewandt.
 

„Er hatte die Beauftragung neuer Haremsfrauen gefunden und war darüber nicht gerade erfreut. Ich bräuchte sie nicht und es sei nur raus geschmissenes Gold.“
 

Nen glaubte zuerst, sich verhört zu haben. Das war die Gelegenheit, diesen Bengel endlich los zu werden. Er fing an vorlaut zu werden und dem Pharao Vorschriften zu machen. Eine Gottheit! Zugegeben, eine durch den Jungen manipulierte Gottheit, aber das ließe sich auch schnell wieder ändern. Ein teuflischer Plan manifestierte sich gerade in Nens Kopf.
 

„Es steht diesem Hany nicht zu über Eure Befehle zu urteilen.“
 

Athemu nickte abwesend und Nen hatte mühe ein Grinsen zu unterdrücken. Das wurde ja immer besser. Er stimmte ihn zu.
 

„Vielleicht solltet Ihr ihm seine Grenzen genau aufzeigen und die doppelte Menge der vorgesehenen Frauen kaufen.“
 

„Das wäre nicht klug.“
 

Durch diesen unerwarteten Widerspruch wäre Nen beinahe eine Rolle aus der Hand gefallen.

„Nicht?“
 

„Nein, es würde ihn nur umso mehr aufregen und bessern würde es nichts. Außer mehr Zwietracht in meinem Gemach.“
 

Mit diesen Worten stand Athemu auf und wollte gerade die Halle wieder verlassen, als Nen ihn noch einmal aufhielt.
 

„Mein Herr, erlaubt mir, das für Euch zu regeln und ich versichere Euch, es wird keine Zwietracht geben.“
 

Athemu nickte müde und schritt aus der Tür. Er hatte keine Lust mehr auf ein weiteres Gespräch, egal in welche Richtung es gehen würde. Heute Abend kommen die neuen Verträge aus dem Osten, die auf seine Unterschrift warten würden und nachdem was sein Cousin Seth erzählt hatte, waren es mehr als nur ein Arm voll.

Er vertraute Nen in dieser Richtung, er war früher auch ein Berater seines Vaters gewesen und dieser war ihm immer wohlgesonnen. Der alte Narr lebte nur noch für das Dasein, aber er... er wollte ein bisschen mehr. Man konnte es als Habgier bezeichnen, aber er wünschte sich eine Zukunft mit Hany an seiner Seite.
 

Früher konnte er ihn nicht ausstehen, war ihn einfach zu fröhlich und ehrgeizig gewesen, aber nach gewisser Zeit hatte der Kleine ihn angesteckt und ihm die gleiche Welt aus einem anderen Blickwinkel gezeigt.

Eine Sicht, die nicht durch Gold zerfressen war, aber auch eine, die schwer ist zu erschaffen. Sehr schwer. Athemu wusste, das er selbst nur die Grundbausteine legen könnte, sein Nachfolger ist es bestimmt den weiteren Weg zu ebnen.
 

Als die Sonne am höchsten stand, traf die erste Ladung der Frauen ein. Natürlich war es niemanden bestimmt das Gesicht des Herrschers ohne deren Erlaubnis sehen zu dürfen, von daher beobachtete er vom Balkon aus das Treiben auf den Innenhof und musste bei einigen Weibern schmunzeln. Da hatte Seth aber auch seine Hand im Spiel gehabt. Da waren viele blonde Frauen mit bei und ein junger Mann.

Doch Athemu hatte einen Trick heraus gefunden. Wer sagte denn, das nur wenn einer diese Hallen betrat auch das tat, was man erwartete? Sein Plan war fast perfekt. Er mussterte einige Frauen aus, die Begründung es seien diese, die ihm nicht mehr zusagten, dabei waren sie einfach nur nicht Seths Geschmack. Er selbst war in letzter Zeit häufig im Harem gewesen, zu dem erfreuen der Berater, aber er gestaltete die Halle nur um.

Ein Lächeln schlich sich auf seinem Gesicht, verschwand aber auch wieder, als er Hany an seiner Seite sah, der ebenfalls auf den Innenhof blicke.
 

„Sind das die neuen Frauen?“

Seine Tonlage war ungewöhnlich dünn.
 

„Ja, das sind sie.“
 

Und die des Pharaos war voll mit Stolz. Stolz darüber, das auch einige darunter waren, die er ausgesucht hatte und so wie Seth da unten rumwerkelte, hatte er da ins Schwarze getroffen.
 

„Sie sind früh hier. Du scheinst es wohl kaum erwarten zu können.“
 

Athemu überlegte nicht bevor er antwortete.
 

„Da hast du Recht.“
 

Nur meinte er damit, das er es kaum erwarten konnte Seths Dankbarkeit zu sehen. Er hatte ihm versprochen sich um das Zuchthaus der Gewächse zu kümmern, die die Hany so sehr liebte. Die Pflanzen waren durch die vergangene Dürre etwas eingegangen.
 

Hany hingegen nickte nur und trat wieder in das Gemach, der Pharao bemerkte es jedoch nicht. Zu sehr war er damit beschäftigt, sich in seinen eigenen Stolz zu suhlen.

Er hatte mühen sich nicht selbst auf die Schulter zu klopfen. Seine Gerissenheit würde hoffentlich ebenfalls nach seinem Tod dokumentiert werden.
 

Nun wandte er sich auch ab, drehte sich um und erst da viel ihm auf, das Hany gar nicht mehr da war. Es verwunderte ihn, dachte sich aber auch nicht viel dabei.

Mit einem Grinsen ging Athemu durch das Gemach, Richtung Nen, der bestimmt schon die ganzen Papiere zum unterschreiben bereit hielt. Nur noch einige Wochen und es war geschafft. Nur noch etwas durchhalten und nichts könnte Athemu daran hindern, den Jungen für immer zu behalten. Denn es wird bald ein neues Gesetz erscheinen.
 

Was der Herrscher nicht bemerkte war, wie sein Grinsen nicht unentdeckt blieb. Hany stand noch immer im Flur, neben einer Säule, unschlüssig etwas zu tun. Was hätte er auch tun können? Seine zweite Seele war der Pharao von Ägypten und er wollte nicht so im Streit den Palast verlassen. Athemu wusste nicht, das er zu seiner Mutter wollte. Er hatte sie seitdem nicht mehr gesehen, seitdem er im Palast eingezogen war.

Doch alle Gedanken waren wie verraucht als er das freudige Grinsen des Herrschers sah. Freute er sich wirklich auf diese Frauen? War er ihm etwa nicht genug? Konnte er seine Ansprüche nicht gerecht werden, das er auf andere Personen zurück greifen musste?

Obwohl er nicht wusste warum, folgte er ihn und sah, wie er vor der Tür des Harems stehen blieb wo vor kurzem die jungen Frauen drin verschwunden waren.

Ohne zu klopften trat Athemu ein und schloss die Tür hinter sich.
 

Und Hany stand im Flur, starrte auf das Stück Holz hinter dem Athemu gerade verschwunden war. Sofort erklang ein lautes kichern der Frauen und jeder Ton traf genau in Hanys Herz, das gerade einen gewaltigen Sprung bekam.

Hätte man ihn heute morgen gefragt, ob er diesen Mann vertraute, hätte er sofort ohne zu zögern Ja geschrien. Doch würde man ihn jetzt fragten, wäre es ein schwaches Nein.

Es war an der Zeit zu seiner Mutter zu reiten.
 

Als Athemu das Harem wieder verließ, war er völlig durchgeschwitzt und einer der Wachen zeigte grinsend auf das verrutschte Gewand.

Athemu selbst hatte zwar keine Augen im Rücken, aber die Zeichnungen an den Wänden waren so blank poliert, das sie wie einen Spiegel wirkten und er die Geste sehen konnte, achtete aber nicht weiter darauf.

Sollen die doch denken, was jeder normale Mann denken würde. Jedoch war er nur verschwitzt weil die Frauen zu schwach waren das Bücherregal zu schieben, also musste er selbst Hand anlegen.

In seinem Gemach angekommen fand er es leer vor.

Auch das war ungewöhnlich, allerdings ging er davon aus, der Hany wieder im Gewächshaus sein würde. Er schickte alle Diener raus, wusch sich selbst. Auch das hatte er Hany zu verdanken, denn immer wenn ein Diener ihn berührte, wurde sein Blick trotzig, fast schon eifersüchtig.

Für diesen Jungen hatte er auf viele Annehmlichkeiten verzichtet, auf denen der Kleine sich gar nicht bewusst war.

Ein Pharao musste sich nicht selbst waschen, einkleiden oder Verzierungen im Gesicht vornehmen. Selbst das Essen wurde ihm von hübschen Frauen verabreicht, doch schon seit vielen Monden hatten diese Untertanen nichts mehr zu tun.

Der Pharao ging sogar in die Knie, um sich seine Schlappen anzuziehen!
 

Plötzlich betrat ein Diener sein Raum, der Kopf nach unten gerichtet.
 

„Eure Hoheit wird von dem Berater Nen im Arbeitszimmer erwartet.“
 

Er nickte nur und zeigte mit einer Handbewegung, das er gleich kommen würde.

Der Diener blickte nicht einmal auf, sah jedoch die Bewegung als Schatten auf dem Boden und verließ das Gemach wieder.
 

Athemu ließ sich dabei Zeit, schlenderte förmlich zu dem Zimmer und betrat es ohne anzuklopfen, schritt gleich zu dem großen verzierten Stuhl und ließ sich darauf nieder.
 

„Verzeiht mir Pharao, das ich nach Euch rufen musste. Aber hier sind einige Abkommen, die unterzeichnet werden müssen.“
 

Das Wort einige waren wirklich sehr untertrieben, das wusste Nen, aber er war gerissen. So gerissen, das er die Langweiligen zuerst vorlegte. Der Pharao lies sie sich am Anfang noch durch, doch nach der dreiundvierzigsten Papyrusrolle warf er nur noch ein Blick rauf um zu sehen, wo sein Siegel und sein Zeichen hin musste. Er wurde immer gelangweilter, versank immer tiefer im Stuhl und das seufzen lauter.
 

„Keine Sorge, mein Herr, das hier sind die Letzten.“

„Ein Abkommen?“
 

Er hatte eine weitere Rolle vor sich und sah nur eine lange Liste mit Namen.
 

„Das ist die Liste der Verräter des Landes, die sich Euren Befehlen widersetzen und die Hinrichtungserlaubnis.“
 

Athemu tunkte erneut seine Feder in die Tinte und unterschrieb. Nen machte einen zufriedenen Eindruck und fing sogar zu strahlen an, nahm hektisch alle Rollen wieder an sich und wollte gerade zum gehen ansetzten, als Athemu sich erhob.
 

„Für den Rest des Tages möchte ich nicht gestört werden und lass bitte die Schriften noch hier für Seth.“
 

Nen, zögerte kurz und legte eine Rolle umständlich bis ganz nach unten, bevor er sie alle auf den Tisch wieder ablegte.
 

Als Hany bei seiner Mutter ankam, war die Sonne schon am untergehen, doch zu seinem Überraschen, war die nicht allein. Viele Pferde standen vor ihrer Hütte, die unruhig wieherten,
 

„Mutter?“
 

Gerade als er eintreten wollte, wurde die Tür geöffnet und Soldaten kamen heraus. Zwischen ihren Körpern sah er in das innerste der Hütte und entdeckte eine Frau am Boden liegend.
 

„Mutter!“
 

Doch zu mehr kam er nicht, als er nur die Worte eines Soldaten hörte, der eine Rolle auseinander rollte und die Innenschrift vorlas.
 

„Auf den Befehl des Pharaos hin, werden alle Verräter, die der Blasphemie und der Wiedersetzung angeklagt sind, ohne Verhandlung sofort hingerichtet.“
 

Einer der Soldaten holte sein Schwert aus der Scheide und obwohl er mehr auf das dreckige Grinsen der Männer hätte achten sollen, sah er nur seine Mutter, wo die Lache am Boden immer größer wurde.
 

Athemu rollte seinen Kopf von Rechts nach Links und beobachtete den Sonnenuntergang. Es war schon viel zu spät und Hany war noch immer nicht zurück gekehrt. Er fasste den Entschluss zu dem Gewächshaus zu gehen, doch sein Umhang verfing sich am vorbeigehen an der Kante des Tisches uns zog ihn somit einige Zentimeter mit sich. Der Stapel der Verträge geriet damit ins Schwanken und prasselte zu Boden. Obenauf die Liste der Verräter und ein Name stach ihn sofort ins Auge.

Der Name seines treusten Beraters. Der Name von Hanys Vater.

Als zweiter Stelle Hany selbst.
 


 


 


 

Habt erbarmen mit mir. Dieses Kapitel war verflucht -.-

Erst hat meine Katze 95% des Kapitels zerstört, dann musste ich neu anfangen und beinahe hätte ich selbst alles gelöscht als ich den Stromstecker von meinem Lappi rauszog und der Bildschirm schwarz wurde o.O

Noch dazu hatte ich totale Probleme damit. Dies war mein erstes Kap mit historischen Hintergrund und ich bete einfach, das ich nich alles zu sehr verkorkst habe.
 

abgemeldet´s Part wird sich noch ein bisschen hinziehen, da sie gerade noch an ihrer Puppyshippin Story für 1001 jap. Nacht sitzt und (ich zitiere) nur bei der 13ten Seite is -.-°°

13.... pah!
 

Wärend der Ausarbeitung hatte sich ein lustiger Dialog zwischen abgemeldet und mir ergeben, den ich niemanden vorenthalten will. Es hat sozusagen noch einen Bildungshintergrund :P
 


 

Geez:

Gab es das Wort "Dirnen" schon damals in Ägypten?

-Run- sagt:

Eher nicht, ich glaube, die hießen damals Kurtisanen

Geez:

ai, danke

-Run-:

warte, Konkubine (Beischläferin) war das Wort, Kurtisane ist zwar dasselbe, ist aber ein Begriff aus dem französischen Adel

Geez:

habs eben in Wiki nachgeschlagen. Im alten Ägypten mussten diese Weiber sogar Steuern abdrücken o.O

Ich fass es nicht. Die machen die Arbeit mit Beine breit machen und der Pharao sahnt ab

-Run-:

lol

tja, das leben war früher ziemlich ungerecht

Geez:

Ist aber kein schöner geschichtlicher Hintergrund wenn bekannt wird, das der Palast mit Geldern der Prostitution erneuert wurde

oder sein schöner goldener Armreif durch Blasen verdient wurde

oder das funkelnde Silberkettchen am Fuß mit Analverkehr *gröhl

-Run-:

vielleicht nicht besonders schön, aber wahr

*rofl*

oh mann, ich stelle mir das höchstens echt peinlich vor

ich meine der ganze Reichtum, den man den Gräbern beigelegt hat und die goldene Maske, die den Leichnam schmückten, mit Geldern finanziert wurden, die im Rotlichtmileau gemacht wurden *grins*

Geez:

Das ist vll der Grund gewesen. Der Pharao wollte auch im Himmelreich nicht auf das körperliche Glück verzichten und hat als Symbol der Vorlieben das alles mitgenommen um die Engelshuren zu bezahlen. Ey, ich glaub, die müssen die Geschichte umschreiben

-Run-:

ja ja, die Ägypter haben gerne Sachen in ihren Aufzeichnungen 'vergessen', wenn sie ihnen nicht zu gute kamen, zum Beispiel soll Ramses II das Ergebnis eines Krieges gegen die Hethiter gefälscht haben. Er hat aufzeichnen lassen, sie hätten gewonnen, dabei haben sie verloren

Geez:

geil, was man nicht alles durch Zufall heraus bekommen kann

Seeungeheuerhaar, ägyptische Pharaonen und andere kulinarische Grausamkeiten

#"blablabla"# ist mal wieder Ägyptisch
 

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Kapitel 7: Seeungeheuerhaar, ägyptische Pharaonen und andere kulinarische Grausamkeiten
 

„Also Yugi, du weißt sicherlich warum wir diese Konferenz einberufen haben?“, fragt Yami mich mit ernster Stimme.

„Um ehrlich zu sein, nicht so richtig“, antworte ich wahrheitsgemäß. Egal was es ist, es kann nicht so wichtig sein, denn seine Gedanken scheinen ganz wo anders zu sein.
 

Mann, mein Puls rast wie wild. Zum ersten Mal seit ich ihn hier in der Schule herumgeführt habe, sind wir allein. Es versetzt mir einen Stich mitten ins Herz, dass ich für ihn anscheinend so unwichtig bin, dass er nicht einmal bei einer persönlichen Unterredung seine komplette Aufmerksamkeit auf mich fokussieren kann.
 

„Deine Noten sind stark in den Keller gefallen, Yugi.“

Ups. Ich fühle mich irgendwie ertappt und irgendwie auch schuldig. Es kann zwar gar nicht sein, aber sein Blick durchbohrt mich, als wollte Yami sagen: „Ich weiß das es Absicht war.“
 

„Aber ich bleibe doch nicht sitzen.“

Es ist eine Feststellung meinerseits, keine Frage, denn ich weiß ja auch so, dass mein Notendurchschnitt zu gut ist, als dass ich mir den durch drei schlechte Noten so sehr verbaut hätte.
 

Oh Mann, es ist so schwer, mich auf dieses Gespräch zu konzentrieren, wenn er so nah ist. Yami riecht nach Seife und…auch wenn es verrückt ist…nach Holz. Es ist ein anheimelnder Duft, der mich geborgen fühlen lässt. Ich könnte den ganzen Tag damit verbringen, einfach nur stillschweigend bei ihm zu sein. Einfach nur, seine Nähe zu genießen.
 

Ich spüre, wie mir das Blut in die Wangen schießt, als Erinnerungsbruchstücke sich in mein Bewusstsein drängen. Bilder von verstohlenen Blicken und verstohlenen Lächeln flackern vor meinem inneren Auge auf. Heimliche Berührungen. Zart, fast wie ein Windhauch. Die Vorfreude auf den späteren Abend, wenn wir endlich unter uns sein konnten und ich meinen Pharao ganz für mich alleine hatte und natürlich all die Dinge, die dann folgten…
 

„Kann es sein, dass du Probleme Zuhause hast?“

Ich hebe ruckartig meinen Kopf. So schnell, dass mein Nacken knirscht. Zum einen hat mich seine Frage überrascht, zum anderen ist sie einfach nur lächerlich. Ich hoffe, dass mein Blick ihm sagt, wie absurd diese Frage ist. Ich muss bei der Vorstellung lachen, dass Yami an so etwas denkt. Dann fällt mir ein, dass Yami ja ganz neu als Referendar an unserer Schule ist. Er hatte noch gar nicht die Möglichkeit gehabt meinen Großvater kennen zu lernen. Keiner, der das hat, würde davon ausgehen, dass ich Probleme Zuhause habe. Da Yami immer noch auf eine Antwort wartet, gebe ich sie ihm.

„Nein, habe ich nicht!“
 

„Was ist dann der Grund?“

Wieso kann Yami nicht einfach locker lassen? Es fällt mir schon jetzt schwer mich zu konzentrieren. Alles was ich will ist hier zu verschwinden, sonst tue ich noch etwas sehr Dummes und springe ihn an…oder gestehe ihm gleich meine Liebe.
 

Ich blicke auf meine Schuhe, um mich etwas von meinen viel zu bildlichen, viel zu realistischen Erinnerungen abzulenken. Die Aktion nützt nicht viel, denn Yami lockert gerade seine Krawatte und öffnet die ersten beiden Knöpfe seines Hemdes, während er aufsteht und langsam an das Fenster hinter ihm tritt, als ich wieder hochschaue. Es ist zwar nicht viel Haut, die freigelegt wurde, aber es reicht aus, um einen Mund trocken werden zu lassen. So schnell wie möglich senke ich wieder meinen Blick.
 

„Gar nicht gut. Das hier ist gar nicht gut“, wiederhole ich im Stillen panisch immer wieder. „Nein Yugi, schau jetzt nicht hin“, ermahne ich mich selbst gedanklich. „Genau, deine Schuhe sind viel interessanter als Yami mit offenem Hemd…oder ganz ohne Hemd…mit nichts weiter als einem Lendenschurz um die Hüfte…oh ja, das wäre schön…Gott verdammt, NEIN! Falsche Richtung! Ganz böse Gedanken! Ganz, ganz böse! Reiß dich am Riemen, noch ist es nicht so weit…“

Oh Gott, ich habe doch nicht angefangen zu sabbern? Panisch schaue ich auf.
 

Huch. Yami hat mich ja was gefragt…aber was noch mal? Ah…ach ja, was der Grund für meine schlechten Noten sei. Richtig. Langsam sollte ich ihm vielleicht antworten. Nur gut, dass er mich nicht angesehen hat. Anscheinend sind die Unterlagen vor ihm auf den Tisch sehr spannend. Also, was wäre denn logisch, wenn man bei einer Arbeit versagt?

„Es gibt keinen. Ich hatte mich geirrt und die falsche ägyptische Epoche gelernt.“
 

Noch während ich es ausspreche, merke ich wie lahm diese Ausrede klingt. Aber hey, jeder macht mal Fehler! Warum sollte ich also nicht mal das Falsche gelernt haben?
 

Yami ist seine Skepsis anzusehen. Er hat eine Augenbraue hochgezogen und die Arme vor der Brust verschränkt. Ich würde mir vielleicht auch Sorgen deswegen machen, wenn ich nicht absolut gefesselt davon wäre, wie sexy diese Geste ist.
 

„Was mich wundert ist Folgendes“, sagt er, während er mich mit seinem Blick festnagelt. Das hatte ich jetzt nicht erwartet. Bis auf das eine Mal ganz zu Anfang dieses Gesprächs, hat Yami jeden Blickkontakt vermieden. Er hat mich jetzt damit überrumpelt.

„Du hattest bereits schon die Richtigen angekreuzt. Warum wurden sie wieder geändert?“, fragt er mich fordernd. Seine Tonlage ist eine stille Warnung nicht zu lügen. Doch ich kann nicht anders.
 

„Ich…war mir nicht sicher?“

Verdammt, nicht mal in meinen eigenen Ohren klang das glaubwürdig. Die Quittung für diese Lüge bekomme ich sofort.

„Das glaube ich dir nicht.“

Yamis Stimme ist ziemlich harsch. Anscheinend pisst es ihn ganz schön an, dass ich ausgerechnet jetzt anfange zu versagen. Wenn Blicke töten könnten, wäre ich jetzt schon zehn Mal umgekippt. Oh Mann, irgendwie läuft gar nichts, wie ich es mir vorgestellt habe. So viel zu meinem genialen Plan, um nicht mehr der Lehrerliebling zu sein. Kann es denn noch schlimmer kommen?
 

Ich springe vom Stuhl, auf den ich mich zu Beginn unseres Gesprächs gesetzt habe, als er die Bombe platzen lässt.

„Ich habe deine Eltern angerufen.“

„Sie haben was?“, frage ich voller Panik.

„Deine Eltern angerufen.“

Mann, Yami sagt das so seelenruhig und fast schon beiläufig…Hat er denn keine Vorstellung davon, dass er für mich die Apokalypse eingeleitete hat?
 

Ich stelle mich aufrecht hin und frage ihn mit aller Vehemenz zu der ich fähig bin: „Warum haben sie das getan?“

„Weil ich mir Sorgen mache, Yugi“, ist seine ernst gemeinte Antwort.

Ja klar, er sich Sorgen machen. Würde er das tatsächlich tun, hätte er sich danach erkundigt, wer meine Eltern überhaupt sind. Als Kind zweier passionierter Historiker, die gleichzeitig Geschichtsprofessoren sind, hat man es nicht besonders leicht. Klar muss man in allen Fächern gut sein und sich Mühe geben, aber was man auf gar keinen Fall tun darf, unter gar keinen Umständen, ist in Geschichte zu versagen. Nicht ein einziges Mal…und ich hatte das jetzt schon drei Mal getan.
 

Bei meinem Großvater wäre das kein Problem. Er hätte sich die Noten angesehen und gelächelt, weil er ja weiß, was ich damit bezweckt habe. Meine Eltern hätten nie etwas davon erfahren, aber jetzt…
 

Yami redet einfach weiter, aber ich höre ihm nicht mehr zu. Oh Mann, warum muss er mich auch so ins Unglück stürzen? Das Schlimme ist, dass er nicht einmal weiß, was er angerichtet hat. Ich kann ihn noch nicht einmal ansehen, ohne meine Enttäuschung und meine Verzweiflung zu zeigen. Ich sehe, dass ihn mein Blick irritiert, aber wie würde er reagieren, wenn ihm vielleicht Sommerschule bei den eigenen Eltern drohte? Im langweiligen Griechenland.
 

Yami musste so was bestimmt noch nicht mitmachen. Es gibt nichts Schlimmeres, als Professoren, die gleichzeitig deine Eltern sind, die sich Sorgen um deine Zukunft und deine Noten machen. Das letzte Mal, als ich eine drei in dem Fach nach Hause gebracht habe, da musste ich den halben Sommer alles was es zu den Spartanern, den Athenern und deren ständige Rivalität gab auswendig lernen. Da war ich fünfzehn, Nur gut, dass mein Großvater mich dann den Rest des Sommers zu sich genommen hatte. Er hatte meinen Eltern versichert, dass er mir weiter alles wissenswerte zu den Thema näher bringen würde. Das Einzige, was in diesen drei Wochen bei meinem Opa im Entferntesten mit den Griechen zu tun hatte, war als wir uns gemeinsam ‚Meine Frau, die Spartaner und ich’ im Kino angesehen hatten. Ich kann mich nicht daran erinnern meinen Großvater jemals so heftig lachen gehört zu haben.
 

Ehe ich mich versehe, ist dieses ‚ach – so – wichtige’ Gespräch vorbei. Gut, dass Yami noch mal wiederholt, dass ich mich drei Mal die Woche in der achten Stunde Nachhilfe von ihm bekommen werde. Ich habe gar nicht mitbekommen, dass es darum ging. Eigentlich würde ich jetzt ja vor Freude Purzelbäume schlagen, denn Nachhilfe bei ihm, heiß dass ich wieder eine Chance habe ihm etwas über sein früheres Leben und unsere Liebe zu erzählen, aber irgendwie kann ich mich nicht so Recht darauf freuen, wenn ich an das Donnerwetter denke, was mich Zuhause erwartet, wenn meine Eltern wieder anrufen.
 

**********
 

Ich sitze hier bei meiner Nachhilfestunde mit Yami. Er hat mir mal wieder so einen blöden Fragebogen zum Ausfüllen gegeben. Ähnlich wie die letzte Arbeit. Ich müsste eigentlich wegen zwei Dingen glücklich sein. Erstens darüber, dass er mein persönlicher Nachhilfelehrer ist und ich jetzt, wo wir ganz unter uns sind seine gesamte Aufmerksamkeit habe und zweitens darüber, dass ich viel zu früh in Panik geraten bin. Die Apokalypse stand mir nicht bevor. Noch nicht zumindest. Vielleicht würde er ja beim nächsten Mal wirklich meine Eltern anrufen und dann wäre ich dann echt fällig.
 

Das ist auch der Grund dafür, dass ich den Fragebogen diesmal richtig ausfülle. Es hat ja eh keinen Sinn mich dumm zu stellen. Ich bin wahrscheinlich der erste Mensch auf Erden, der dabei versagt zu versagen…
 

Allerdings hatte Yami mit seiner Behauptung ich sei ‚Lehrers Liebling’ gar nicht mal so Unrecht. Ich habe zwar keine Ahnung, ob er selbst etwas davon weiß, aber als ich mir beim Direktor den Schein für die Nachhilfe - ähnlich wie der rosa Zettel den man bekommt, wenn man zum Nachsitzen muss…scheinbar ist es für den Direktor und die anderen Lehrer ein und dasselbe - geholt habe, hat er sich doch tatsächlich dafür entschuldigt, dass er dieser Maßnahme überhaupt zugestimmt hatte. Seine genauen Worte waren glaube ich: „Es tut mir wirklich Leid Yugi. Ich weiß ja, dass es nur Ausrutscher waren. So etwas kann jedem Schüler mal passieren und es waren ja auch keine bedeutenden Zensuren. Nur kleine Tests. Herr Athem ist halt neu. Er ist ja noch kein richtiger Lehrer und er ist etwas zu…übereifrig bei machen Angelegenheiten.“
 

Meine Güte, bei der schleimigen Rede, wurde mir schlecht. War ich denn echt so ein Streber, dass die Lehrer auch gerne darüber hinwegsahen, wenn ich mal versagte? Was wäre, wenn es ein echter Hilferuf von mir gewesen wäre? Hätte das jeder einfach so abgetan?
 

Ich habe mir dann nur schnell den Schein geschnappt und bin mit einem gekünstelten Lächeln und einem Nicken aus dem Büro verschwunden. Ganz ehrlich gesagt, hatte ich durch die Ansprache des Direktors eine neue Seite an Yami entdeckt, die ich lieben konnte: Er war engagiert und setzte sich für seine Schüler ein! Trotz des neu gewonnenen Respekts vor ihm, war ich verdammt sauer auf den Herren Referendar.
 

An dem Tag, an dem er mir gesagt hatte, er hätte meine Eltern angerufen, bin ich wie ein Besessener nach Hause gerannt. Ich habe die Tür zu der Wohnung meines Opas so heftig aufgerissen, dass sie eine Delle in die Wand dahinter gemacht hat. Es tat mir zwar Leid, das ich seine Wohnung etwas demoliert habe, aber ich hatte andere Sorgen.
 

„Ma…ma und Pap…pa…ha…haben sie schon angerufen?“, stotterte ich völlig aus der Puste.

„Nein, warum sollten sie auch?“, fragte mein Großvater stirnrunzelnd zurück.

„Meine No…Noten. Ya…Yami hat gesagt, er hä…hätte sie angerufen“, meinte ich.

„Na da hat dein Herr Referendar gelogen mein Junge“, antworte mir mein Opa grinsend. Ich sah ihn verwirrt an. Das muss wohl zu komisch gewesen sein, denn er lachte laut auf.
 

„Yugi, ruhig Blut. Er hat nur mich angerufen und ich habe deinem geliebten Yami nur gesagt, deine Eltern wären bei Ausgrabungen in Griechenland. Er wollte zwar die Nummer haben, aber sie haben uns ja die Telefonnummern der Hotels in denen sie wohnen nicht gegeben. Das Einzige was ich habe, ist die Nummer des Sattelitentelefons, aber das dürfen wir beide ja nur im Notfall anrufen…und ein Notfall ist für mich, wenn du eine Organtransplantation brachst oder im Koma liegst oder im Gefängnis sitzen würdest…nicht wenn du ein oder zwei oder auch drei schlechte Noten geschrieben hast.“
 

Habe ich schon erwähnt, dass ich meinen Großvater liebe? Das tue ich wirklich. Er hat doch tatsächlich zu Yami gemeint: „Er ist in einer schwierigen Phase und sehnt sich nur nach einer gewissen Führung.“

Das hat er ihm Wort wörtlich so gesagt, als dieser ihm erzählt hatte, wo meine Probleme in dem Tests lagen. Ich habe doch gewusst, dass er es verstehen würde! Opa hat nur gemeint, dass es vielleicht der falsche Weg war, um mich bei ihm sympathischer zu machen. Wie gesagt, ich liebe meinen Großvater…und ich bin stinksauer auf Yami. Dieser Mistkerl hat mich belogen und mich umsonst durch die Hölle und zurück geschickt! Der hat doch nicht einmal eine Ahnung davon, was für eine Panik ich gehabt habe!
 

Das ist auch der Grund, warum ich in der letzten Reihe des Klassenzimmers sitze. Stocksteif, als hätte man meine Uniform mit zu viel Stärke behandelt. Ich versuche die Tests immer so schnell wie möglich zu schreiben, damit ich wieder verschwinden kann. Yami scheint sich aber einen Spaß daraus zu machen diese Fragebögen so langsam wie möglich zu kontrollieren.
 

#“Ach Yugi, ich weiß langsam wirklich nicht mehr, wie ich dir helfen kann.“#

Ich schrecke aus meinen Gedanken, als ich seine Stimme etwas flüstern höre. Die Akustik ist in diesem Zimmer besonders gut. Es klingt so vertraut was er sagt und ich begreife etwa eine Sekunde später, dass Yami wieder auf Ägyptisch gesprochen hat. Mein Kopf übersetzt die Worte fast automatisch. Ihre Bedeutung lässt mein Herz wieder rasen.
 

Er will mir nur helfen? Alles, was er getan hat, war nur der Versuch mir zu helfen? Nun, auch wenn er mit seiner Hilfe total ins Klo gegriffen hat, so war es doch eine nette Geste. Vielleicht habe ich ja auch überreagiert…Yami kennt ja meine Eltern gar nicht. Ich glaube würde er das tun, würde er nicht einmal im Traum daran denken sie anzurufen…ganz egal wie schlimm es um meine Noten bestellt wäre.
 

Huch, ich war mal wieder so in Gedanken, dass ich nicht mitbekommen habe, wie er auf mich zugekommen ist. In seiner Hand hat er eine Lunchbox, die er mir mit einen einfachen „Hier“ entgegen schiebt, nachdem er sich breitbeinig auf einen Stuhl mir gegenüber gesetzt hat. Seine Hände verschränkt er auf der Rückenlehne und schaut mich abwartend an. Was erwartet er denn von mir? Meine Güte, er hat ja sogar perfekte Hände! Niemand den ich bisher kennen gelernt habe, hatte so schöne, schlanke Hände mit so feingliedrigen Fingern. Fast wie die einer Madonnenstatue.

„Iss was.“
 

Er biete mir was von seinem Essen an? Ist das sein Ernst? Zögernd greife ich nach der Box und öffne sie. Der Geruch alleine lässt meinen Magen in Hungerstreik treten, aber der Anblick ist noch um einiges unappetitlicher. Es ist matschig, grün – gräulich und ich kann mir nicht helfen, aber egal was es ist, es erinnert mich an eine der griechischen Mythen, die meine Mutter mir früher erzählt hatte. Es war die Legende von einem Seeungeheuer. Irgendwie sieht das Zeug in der Lunchbox so aus, wie ich mir früher den Haarschopf des Ungetüms vorgestellt habe. Igitt, Seeungeheuerhaar! Wer will das denn essen?
 

„Was ist das?“, frage ich skeptisch.

„Rosenkohl im Wirsingmantel“, antwortet Yami, als wäre diese abartige Kombination tatsächlich essbar. Ich schlucke, weil ich das Gefühl habe, sonst kommt mir alles hoch. Ich mache den Deckel der Box wieder zu. Irgendwie erinnert mich diese Geste an die Büchse der Pandora, aus der alles Unglück und Übel auf die Menschheit losgelassen wurde. Dieser Rosenkohl im Wirsingmantel, kommt dieser Beschreibung ziemlich nah. Angewidert schiebe ich das Zeug zu Yami zurück. Soll er es doch essen, wenn er es verbrochen hat!
 

„Nein danke“, meine ich fest. Um nichts in der Welt würde ich das da essen.

„War das ein ~Nein Danke, ich habe keinen Hunger~ oder ein ~Nein Danke, dieses Zeug ist widerlich~“, fragt er unverschämt wie er ist zurück. Obwohl es nur ganz fein ist, kann ich doch eine Spur Enttäuschung in seiner Stimme erkennen.

„Eher das Zweite.“

„Dir ist schon klar, das selbst ~dieses Zeug~ mir Arbeit bereitet hatte? Oder ist es doch vielleicht so was wie ~Nein Danke, von so einem wie dir nehme ich nichts an~?“

„Nun werden Sie nicht albern, Herr Athem“, obwohl meine Antwort leicht hin gesagt wurde und ich lächle, spüre ich dieses nervende Stechen in meiner Brust.
 

Na toll, jetzt hat er mich! Ich habe ein schlechtes Gewissen und auch noch Mitleid mit ihm. Kochen ist wirklich nicht jedermanns Sache und seine anscheinend überhaupt nicht, aber auch wenn es nichts geworden ist, hat er sich doch die Mühe gemacht.
 

Ich greife nach der Box und nehme die Essstäbchen aus ihrer Halterung. Ich habe eigentlich keine Lust diese Büchse der Pandora wieder zu öffnen, denn sie wird all ihr Unheil über mich bringen, aber was tut man nicht für die Liebe. Ich stochere etwas lustlos in der grünen Masse herum.

„Hallo Seeungeheuerhaar! Schön dich wiederzusehen…“, denke ich mir.
 

„Komm schon Yugi, er hatte diese Dinger selbst gemacht“, redete ich mir gut zu. Yami bot mir seine Lunchbox an! Mit etwas Fantasie könnte ich mir einbilden er hätte diese Lunchbox nur für mich zubereitet. Hier in Japan war es eine Geste zwischen zwei Liebenden, wenn ein Mädchen einem Jungen eine Lunchbox zubereitete, oder andersherum.
 

Warum sollte ich mich da anstellen, als wäre ich ein kleines Kind? Nichts schmeckte so schlimm, dass man es nicht essen konnte…man musste nur den Ekel überwinden. „Komm schon Yugi, es schmeckt bestimmt besser als es riecht…oder aussieht“, machte ich mir Mut. Ich griff die Stäbchen fester. Ich schaute mir dieses grüne Etwas, das ich herausgefischt hatte, weil es nicht zu zermatscht aussah genau an, schluckte, schob es mir in den Mund und biss zu.
 

„Korrektur zum ins Gehirn meißeln: es riech besser als es schmeckt! Das Aussehen ist...na ja...eine Sache für sich“, dachte ich mir kaute aber weiter. Dieser bittere, schale Geschmack war so widerlich. Ich konnte den Rosenkohl aber nicht einfach so wieder ausspucken, schließlich hatte Yami ihn zubereitet.
 

„Bloß nicht auf die Zunge kommen lassen, sonst hast du den ganzen Geschmack im Mund“, sagte ich mir im Stillen, während ich kaute und die Masse herunterschluckte. Sofort setzte ein Hustenreiz ein. Mein Körper versuchte sofort dieses ekelhafte Zeug abzustoßen. Yami klopfte mir helfend auf den Rücken, als ich zu würgen anfing.
 

Zum Glück konnte ich den Würgreiz stoppen, bevor es zu spät war.

„Lecker“, log ich mit einem gequälten Lächeln. Meine Augen tränten etwas, weil ich mich zusammenreißen musste, dass mir dieser Rosenkohl nicht wieder – und diesmal mit samt meinem Frühstück – hochkam. Ich glaube ich log nicht sehr überzeugend.
 

„Meine Güte, wenn es dir nicht schmeckt, musst du es doch nicht essen!“, meinte Yami.

Es ist echt süß, wie besorgt er um mich ist, aber ich kann das doch nicht einfach so auf mir sitzen lassen. Irgendwie habe ich das Gefühl ihn beleidigt zu haben, denn schließlich war auch dieses…dieses…na nennen wir es mal ‚Essen’, aufwendig in der Zubereitung.
 

Doch gerade als ich noch einmal mit den Essstäbchen in die Box greifen will, reißt Yami mir die Lunchbox aus der Hand und klappt den Deckel zu.

„Willst du dich umbringen?!“

Ich lächle etwas gequält, denn zum einen fürchte ich, das mir dieser Rosenkohl im Wirsingmantel wieder hochkommt und zum anderen finde ich diese Aussage echt witzig, auch wenn mir die Kraft fehlt, um richtig zu lachen. Er weiß also, dass er nicht kochen kann! Sollte ich mich jetzt beleidigt fühlen, weil er mir dieses Zeug trotzdem angeboten hat?
 

Scheinbar ist es ihm auch etwas peinlich, denn Yami wechselt meiner Meinung nach viel zu schnell das Thema.

„Du hast mir heute bewiesen, dass du es doch kannst. Ich glaube, du brauchst mich gar nicht, sondern nur einen kräftigen Tritt im Allerwertesten.“

Oh, das hätte er nicht sagen sollen. Wieder diese bösen Gedanken. Ganz, ganz böse Ideen, die mein Gehirn mit unanständigen Bildern fluten.
 

Ich reiße die Augen weit, als mir auffällt, dass er mich immer noch anschaut. Dieser Blick ist so intensiv, dass ich fürchte er könnte meine Gedanken lesen. Oh Mann, wäre das peinlich. Ich lasse meinen Blick im Raum schweifen. Bloß nicht in diese roten Katzenaugen schauen, sonst vergesse ich mich wirklich noch. Wer hätte gedacht, dass Selbstbeherrschung so eine Qual sein kann? Yami ist mir jetzt so nah. Er hat meinen Hefter und meine Federmappe aus dem Weg geschoben, um seine Ellbogen auf dem Tisch abzustützen und seinen Kopf auf seinen gefalteten Händen abzulegen, um mir so noch besser in die Augen zu sehen.
 

„Wie lange willst du noch den Dummen spielen?“

Häh? Was ist denn das für eine Frage? Ach ja, ich hatte ja schon völlig vergessen, dass ich aus einem bestimmten Grund hier bin. Ich schaue verlegen auf meine Finger. Es ist so peinlich, dass Yami mich von Anfang an durchschaut hat. Er weiß ja, dass ich die Arbeiten mit Absicht vermasselt habe. Ich hätte ihm wohl etwas mehr zutrauen sollen.
 

„Wir machen ein Deal“, sagt er plötzlich. Ich verstehe nicht ganz…was er meint. Verwirrt sehe ich ihn an. Oh, oh! Dieses Grinsen bedeutet nichts Gutes, dass weiß ich noch aus meinem früheren Leben. Mein Instinkt sagt mir schnell den nächsten Ausgang zu suchen und zu laufen, so schnell und so weit mich meine Beine tragen können.
 

Doch ich weiß ja, dass Yami mir nur helfen will. Ganz egal zu welchen Mitteln er greifen wird – und ich weiß schon jetzt, dass sie mir nicht gefallen werden – er will mir nur helfen. Irgendwie rührt mich das und ich habe das Bedürfnis ihn zu umarmen. Doch dieser Wunsch ist einfach nur dumm, kindisch und naiv. Ich muss mir ins Gedächtnis rufen, dass Yami ein Referendar ist.

„Ein Deal?“, fragt mein dummes, naives Ich. Wenigstens schaffe ich es ihn skeptisch anzusehen, als ich diese Frage stelle.
 

„Es ist in Ordnung, wenn du mir deine Gründe nicht nennen möchtest, ich bin ja auch nur ein Lehrer.“

Nur ein Lehrer? Das ist doch nicht sein ernst, oder? Für mich ist er sehr viel mehr. Ich will ihn so gerne sagen, dass er mehr als ein Lehrer ist. Er ist einfach ein guter Mensch und wie gerne ich ihm alles erzählen würde was mich bedrückt, aber das kann ich nicht machen, also halte ich lieber meinen Mund.
 

„Wie ich angekündigt hatte, werde ich jede Woche einen Test schreiben“, erklärt Yami mir. Ich nicke. Das habe ich auch gewusst.

„Bei jedem Test wo du einen Fehler hast, werde ich dir Rosenkohl im Wirsingmantel mitbringen.“

Okay, das ist eine wirklich gute Motivation, um wieder hundert Prozent beim nächsten Test zu schreiben. Ich merke schon jetzt wie mir wieder schlecht wird. Vorsichtig schiele ich zu der Lunchbox und schmatze etwas, um den Kohlgeschmack loszuwerden, der sich sofort wieder in meinem Mund breit macht.
 

„Das Grenzt ja schon fast an Erpressung“, empöre ich mich. Soll das eine neue Erziehungsmethode sein? Seit wann greifen Lehrer zu solchen Mitteln?

„Das ist Erpressung“, gibt Yami unverschämt breit grinsend zu.

„Und für jeden Test, wo du keinen Fehler hast, darfst du mir einmal hier in der Nachhilfe zu dem regulärem Thema Fragen stellen, die nur kurz angeschnitten werden.“
 

Na das ist doch wirklich mal ein Angebot! Ich bin hell auf begeistert. Das ist doch wieder eine Chance für mich…auch wenn ich noch nicht wirklich weiß wie ich sie nutzen soll. Außerdem heißt es, dass ich noch mehr Zeit mit ihm verbringen kann. Meine Laune bessert sich schlagartig.

„Gebongt?“, fragt Yami mich, als ich nicht sofort antworte.

„Gebongt!“, antworte ich. Wer, der sich wirklich für Geschichte interessiert, würde so ein Angebot schon ausschlagen?
 

**********
 

Zwei Wochen später finde ich mich zu unserer letzten Nachhilfe Stunde ein. Nicht weil ich keinen Bock mehr habe oder Yami keine Zeit mehr hat – ich frage mich eh schon, wie er es schafft, seine drei Klassen, all die Vorbereitung und dann noch meine Nachhilfe unter einen Hut zu bringen – sondern weil wir nur noch zwei Tage Schule haben.
 

Den ganzen August und Anfang September haben wir jetzt frei. Gott sei Dank. Ich habe zwar nichts gegen die Schule, aber ohne Klimaanlage ist es bei knapp achtunddreißig Grad Celsius in unseren Klassenräumen kaum auszuhalten. Obwohl ich aus meinen Ferienreisen nach Ägypten weitaus höhere Temperaturen gewohnt bin, ist es in der Schule etwas anderes. Schlimmer. Liegt vielleicht an der Kombination von Hitze und Langeweile.
 

Zu jeder Nachhilfestunde bin ich immer pünktlich erschienen. Ich glaube aber wirklich, dass Yami sich etwas an mir rächen will, für den Stress, den ich ihn bereitet habe. Wie ich darauf komme? Na hauptsächlich weil er mir immer etwas aus seiner Lunchbox anbietet. Ja, ich weiß, dass es eigentlich eine freundliche Geste sein soll, aber mal abgesehen davon, dass es mich immer an meine Erfahrung mit dem Rosenkohl im Wirsingmantel erinnert, sind seine anderen Kreationen auch nicht gerade als genießbar…nicht einmal als wirklich essbar…zu bezeichnen. Langsam beginne ich mich echt zu fragen, ob er einfach nur nicht kochen kann oder mich mit Absicht quält.
 

Die Vorstellung, dass Yami von solchen Eigenkreationen lebt, wie Kürbisomelette – sieht genau so aus, wie es kling…oranger Matsch, mit Eiweiß dazwischen – oder Bambussprossen mit Sellerie und Räucheraal, lässt mich Mitleid mit ihm haben. Da es unsere letzte gemeinsame Nachhilfestunde ist, habe ich heute mal eine Lunchbox mit meinem selbst gemachten Essen mitgebracht. Ich hoffe mal normale Kost schmeckt ihm auch genau so, wie seine eigenen abartigen Kreationen.
 

Ich habe meine Chancen ihm etwas von seiner Vergangenheit näher zu bringen so gut genutzt, wie ich konnte. Mein Großvater hat mich auf die Idee gebracht. Er hat mir vorgeschlagen, ich könnte Yami ja über die Blutlinie der Pharaonen ausfragen. Bis zu den Aufzeichnungen, über den ersten Herrscher des Nils. Dazwischen gibt es viele offene Lücken, denn nicht jeder Pharao ist bisher entdeckt worden. Es gibt ganze Jahrzehnte, die keinem bisher bekannten Herrscher zugeordnet werden können. Ich habe es rückwärts laufen lassen, weil ich wusste, dass er ab Echnaton nur einige Pharaonen aufzählen konnte, die bekannt waren…dann kam Seth und danach gab es eine Lücke in der Geschichte.
 

Diese Lücke in den historischen Aufzeichnungen wurde gerade von Arthur und seinem Ausgrabungsteam erforscht. Ich, als der Enkel seines besten Freundes, kriege dadurch immer so etwas wie Insider – Informationen. Mein Opa hat mir den Vorschlag gemacht einen Vortrag über die neuesten Entdeckungen zu halten. Joey hat mich bei diesem Vorhaben unterstützt, denn ich wollte den Vortrag in der letzten Geschichtsstunde halten. Eigentlich waren alle meine Mitschüler von der Idee begeistert, dass ich einen Vortrag halte, denn das heißt: Kein richtiger Unterricht.
 

Meine Lunchbox soll so etwas wie ein Bestechungsmittel sein, damit Yami meinem Vorschlag zustimmt. Vorsichtig betrete ich den Klassenraum. Yami hockt bereits ganz lässig auf einen Stuhl, neben dem Platz, an dem ich für gewöhnlich sitze. Mein Magen dreht sich um, als ich sehe, dass er seine Lunchbox in den Händen hält. Er schaufelt etwas in sich hinein, das aussieht wie verbrannter Grünkohl oder Algen.

Büäh!!! Schon wieder so eine kulinarische Grausamkeit. Hoffentlich bietet er mir nichts davon an.
 

„Ah! Hallo Yugi, da bist du ja endlich. Ich dachte schon, du tauchst heute gar nicht auf und ich bin um sonst noch so lange hier geblieben“, begrüßt er mich. Yami hält mir seine Box entgegen und ich schüttle angewidert den Kopf. Er zuckt nur mit den Schultern und grinst. Ich wusste es! Ich wusste, dass da eine sadistische Strafe dahinter steckte.
 

Doch noch bevor ich etwas sagen kann, stellt er mir schon die nächst Frage.

„Und? Was willst du heute erfahren? Über welch Pharaonen soll ich dir heute Auskunft geben?“

Kommt es mir nur so vor, oder ist er heute doch sehr enthusiastisch? Yami scheint sich richtig darauf zu freuen, mir etwas Neues näher zu bringen. Es könnte aber auch nur Wunschdenken sein. Ich sollte nicht immer so viel in einzelne Gesten reininterpretieren.
 

„Ähm…eigentlich Herr Athem…“, beginne ich zögernd. Verdammt ist das schwer! Schließlich weiß ich ja nicht, ob er meinen Vorschlag annimmt.

„Also eigentlich würde ich gerne mit ihnen etwas besprechen“, schaffe ich es endlich auszusprechen.
 

Ich habe sofort die komplette Aufmerksamkeit des Referendars. Er sieht mich neugierig an. Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass er immer noch darauf wartet dass ich ihm erzähle, warum ich die Tests in den Sand gesetzt habe, aber ich es ihm nicht sagen. Jetzt nicht. Wahrscheinlich noch nicht einmal, wenn ich es je schaffe ihn dazu zu bringen sich zu erinnern. Im Nachhinein betrachtet finde ich, dass es eine absolute Schnapsidee war, die nichts gebracht hat. Es ist mir echt peinlich, dass ich es überhaupt gemacht habe.
 

„Schieß los Yugi“, fordert Yami mich auf, als ich nicht weiterrede. Mann oh Mann, das wird ja immer peinlicher! Erst von etwas anfangen und dann nicht weiterreden. Ich hoffe mal, Yami hält mich nicht für komplett bekloppt.

„Ähm…ach ja…ich wollte eigentlich am Freitag gerne einen Vortrag in Geschichte halten. Wir sind ja gerade im Nachhilfeunterricht an einer geschichtlichen Lücke angelangt…und na ja…ich habe etwas recherchiert und es gibt ein Team von Archäologen, das gerade eine Entdeckung gemacht hat. Es soll sich um das Grabmal und den Königspalast des Vorgängers von Seth I. handeln. Da wir doch eh keine Arbeiten mehr schreiben, dachte ich mir, dass wäre mal eine Abwechslung.“
 

Ich schaue Yami in die Augen, vorher habe ich verlegen einen Punkt über seinem Kopf angeschaut. Habe ich etwas verpasst? Wieso runzelt er denn so die Stirn?

„Ähm…ja, es passiert ja nicht jeden Tag, dass eine Lücke in der Historie geschlossen wird“, füge ich schnell hinzu, als er weiter schweigt. „Ich…ich habe Ihnen auch etwas mitgebracht Herr Athem.“
 

Ich halte ihm meine schwarze Lunchbox entgegen. Verwirrt nimmt er sie an und öffnet sie. Ich muss schmunzeln, als ich seinen fragenden Blick auffange.

„Nach dem Sie so nett waren, mit mir Ihr Essen zu teilen und mich an Ihren kulinarischen Gra…Kreationen teilhaben zu lassen, dachte ich mir, ich erwidere mal den Gefallen. Ist alles selbstgemacht“, meine ich breit grinsend.
 

Ich sehe zu, wie er vorsichtig nach den Stäbchen greift und geschickt damit ein Stück Omelette herausholt. Ich habe es extra zu einer Rolle geformt. Würstchen in Krakenform und Reisbällchen liegen noch darin und als was Leichtes für Zwischendurch habe ich auch noch Gurkensandwiches dazu getan. Ist zwar ungewöhnlich zu einem japanischen Gericht, aber seit meinen Frühlingsferien vor etwa fünf Jahren, als ich mit meinen Eltern in Großbritannien war, habe ich eine Schwäche für die und mache sie zu jeder Gelegenheit. Es ist so zu sagen meine Spezialität.
 

Yami nimmt einen Bissen und scheint überrascht, dass es tatsächlich schmeckt. Tja, meine Rache für den Rosenkohl im Wirsingmantel wird viel subtiler und abschreckender sein, als ihm auch schlechtes Essen vorzusetzen. Nur leider muss ich mich damit gedulden, bis Yami sich an mich erinnert und mit mir zusammenkommt. Ich reibe mir gedanklich schon die Hände.
 

„Hast du denn schon was vorbereitet Yugi? Eine Art Grundgerüst für den Vortrag, oder eine Gliederung? Einen Stichpunktzettel?“, reißt mich mein Gegenüber aus den Gedanken.

„Ah…häh? Ach ja, einen Moment.“

Ich schnappe mir meine Schultasche und krame darin etwas herum. Nach einer Minute habe ich gefunden, was ich gesucht habe.

„Hier“, sage ich und reiche ihm einen weißen Schnellhefter. „Da ist alles drin. Inhaltsverzeichnis oder Gliederung, Einleitung, Hauptteil, Schluss, einige Zusatzinformationen, die interessant sein könnten und die Quellenangabe.“
 

„Ja, da schaust du Yami“, denke ich mir. Ich bereite mich immer gut auf so etwas vor. So ein Schnellhefter existiert zu jedem Vortrag, den ich jemals – und ich meine jemals – gehalten habe. Wie schon erwähnt. Professoreneltern. Das hinterlässt Spuren.

„Stört es dich, wenn ich es mal mitnehme und Zuhause drüberfliege? Ich meine…ob deine Informationen der Wahrheit entsprechen und deine Quellen richtig und vollständig sind? Du bekommst es auch morgen wieder.“

Ich nicke nur. Klar kann er sich das Ganze mal durchlesen. Ich halte ja den ganzen Vortrag nur für ihn. Vielleicht…vielleicht erinnert er sich ja morgen schon an etwas…oder ist zumindest neugierig um mir ein Paar Fragen zu diesen bisher unbekannten Pharao zu stellen.
 

„Na, wenn du nichts weiter wissen willst, dann können wir ja beide jetzt Feierabend machen“, meint Yami und ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube, eine Spur Enttäuschung aus seiner Stimme herauszuhören. „Ich gebe dir dann Morgen Bescheid, ob du den Vortrag halten kannst, oder nicht“, meint er noch zum Abschied und winkt mir zu, während ich zur Tür gehe.

Ich nicke nur wieder.
 

Bevor ich die Tür schließe, höre ich ihn wieder auf Ägyptisch reden. Es ist nur ein Wort, aber die Enttäuschung, die darin liegt, lässt mein Herz höher schlagen.

#“Schade…“#
 

**********
 

„…und so hofft das Team um Arthur Hawkins demnächst weitere Einblicke in das Leben dieses Pharaos zu bekommen, der auf den klangvollen Namen Atemu hörte. Besonders interessant für die Archäologen ist natürlich der Grund für seinen Tod und warum sein Grabmal in seinem ehemaligen Palast liegt. Das ganze Gebäude scheint zu seinem Mausoleum umfunktioniert worden zu sein. Die Frage, die sich dem Team nun stellt, ist ob dieser Maßnahme wegen fehlenden Geldern vorgenommen wurde oder ob es ein Zeichen der größten Ehrerbietung war, diesen Pharao an dem Ort zu bestatten, an dem er gelebt hatte.“
 

Ich lege meine Zettel zur Seite und schaue in die Klasse. Ich bin ehrlich überrascht, dass es tatsächlich Leute gab, die mir interessiert zugehört haben. Eigentlich fast alle…bis auf Tea und ihre zwei Freundinnen, die ich bis vorne hin habe flüstern, lästern und kichern gehört. Zum Glück hat Yami sie nach etwa zwanzig Minuten ständiger Unterbrechungen, mit einem wirklich Angst einflößenden Blick, zur Ordnung gerufen. Mann, bin ich froh, dass ich ihn nie so sauer gemacht habe.
 

Ich war so froh diesen Vortrag halten zu dürfen, dass ich es gar nicht in Worte fassen kann. Okay, Yami hat mir einen echt seltsamen Blick zugeworfen, als er mir den Schnellhefter zurückgegeben hat, ich kann aber nicht sagen, ob das positiv oder negativ war. Bevor er nämlich etwas sagen konnte – was er wollte – kam Herr Taori hinzu und quasselte irgendetwas von wegen ‚Besprechung wegen dem Unterrichtsstoff‘.
 

„Nur so als kleine Zusatzinformation: Arthur Hawkins und sein Team werden in diesem Sommer Hilfe von Sogoroku Muto, den berühmten, aber pensionierten Archäologen bekommen.“

Ich sehe wie Joey mich angrinst. Obwohl ich den gleichen Nachnamen habe, ist noch keiner meiner Mitschüler – außer Joey – darauf gekommen, dass der berühmte Archäologe mein Großvater ist. Wahrscheinlich ist es für die meisten einfach geistig nicht fassbar, dass jemand von ihnen mit einer Art Berühmtheit verwandt ist. Mein Großvater hat sich schließlich einen Namen in der Welt der Archäologie gemacht.
 

Als ich abwartend zu Yami schaue, weil ich seine Meinung hören will, sehe ich, wie er für ein Moment überrascht – ja fast ungläubig – die Augen aufreißt. Ich räuspere ich kurz um ihm zu signalisieren, dass ich fertig bin. Yami schaut mich an und scheint im ersten Moment gar nicht zu verstehen. Ich kann ihm den Augenblick ansehen, in dem es bei ihm ‚KLICK‘ macht.
 

„Ah…ähm ja“, meint er verlegen, „gut gemacht Yugi. Sehr schöner Vortrag. Sehr informativ. Setz dich wieder.“

Ich gehe zu meinem Platz und packe den Schnellhefter und meine anderen Unterlagen in meine Tasche. Gerade in der Sekunde, als ich fertig bin, klingelt es. Yami schaut in seine Unterlagen und während alle anderen sich fertig machen um den Raum zu verlassen und in die heißersehnten Ferien aufzubrechen, schockt er alle mit einem Satz.
 

„Gut Leute, das war es für heute, aber für nächste Woche lernt ihr bitte die Seiten achtundfünfzig bis dreiundsechzig.“

Protestierendes Gemurmel und ungläubige ‚Was?‘ – Rufe sind zu hören. Es ist Joey, der entsetzt meint: „Habe ich was verpasst? Ab jetzt haben wir doch Ferien?“
 

Yami schaut ganz schockiert drein…irgendwie, erinnert er mich an einen begossenen Puddel, als er entschuldigend murmelt: „Ferien…ach ja…das habe ich total vergessen. Ah…ähm…genießt eure Ferien.“
 

Das ist ja nicht zu fassen! Und da gibt er mir das Gefühl ein Streber zu sein. Dabei ist Yami gar nicht besser. Als ich den Raum verlasse, sehe ich ihn noch ein letztes Mal an. Ich muss mir diesen Anblick gut ins Gedächtnis brennen, schließlich sehe ich ihn sechs Wochen lang nicht. Auch wenn ich jede Nacht von ihm und unserer vergangenen Liebe träume und das Gefühl habe, jede Kleinigkeit an ihm zu kennen, so ist Yami in Natura doch anders…besser…als meine Erinnerung.
 

tbc...

illusion conceptions and realizations

-Run- war ja so fix mit ihrem Kapitel, das ich mich sofort da rauf stürzte, als sie es mir per Mexx schickte. Sie hatte es so geil geschrieben, das ich sofort einen Schreibflash bekam und ... nunja, das kam bei raus^^
 

Viel Spaß
 

#"blubb blubb"# wie gehabt ;)
 


 


 

„Gebongt?“

„Gebongt!“
 

Die Abmachung hatte seine Wirkung nicht verfehlt. Auch wenn er vorher schon keinen einzigen Fehler nach meiner Ansprache machte, so war er ab da noch konzentrierter. Yugi wurde wieder zu dem kleinen Streber, wie ich ihn kennen gelernt hatte.
 

Dreimal in der Woche trafen wir uns nach dem Unterricht, Donnerstags musste ich sogar immer drei Stunden warten. Er wusste nicht, das ich Donnerstag meinen kurzen Tag hatte.

Doch ich war nie untätig, nutzte die Zeit um weiter zu pauken, den Stoff für die Klassen vorzubereiten und einmal bin ich sogar mitten auf dem Lehrerpult eingeschlafen.

Die Tage davor hatte ich fast keinen Schlaf, wenn es hochkam vielleicht insgesamt nur sieben Stunden. Aber ich lies es mir nie anmerken, wie erschöpft ich wirklich war. Innerlich ersehnte ich meinen Urlaub. Zwar wusste ich noch nicht, wann ich ihn mir nehmen würde, aber ich konnte es kaum erwarten.
 

Da Yugi ja offensichtlich meine Kochkünste nicht mochte, bot ich ihm dennoch immer wieder etwas von meinem Essen an. Natürlich wurde es angewidert verschmäht, aber damit wollte ich ihn auch zeigen, was auf ihn warten würde, wenn er wieder versagte.

Auch Herr Taori sprach mich oft an, warum ich mir solche Mühe mit diesem Jungen machte, die Noten seien doch wieder wie gewohnt, aber um ehrlich zu sein... ich glaubte diesen Frieden nicht und wollte wissen, was dahinter steckte.

Ich wusste selber, das ich mich da in die Sache zu sehr rein steigerte und Freizeit opferte, die ich für meinen Examen nutzen müsste, aber... ich kenne das Gefühl nach Aufmerksamkeit zu schreien und keiner bemerkt es.
 

In meiner Anfangszeit, als ich noch Neuling als Referendar an der Universität war, hatte ich einige Schwierigkeiten mit den Schülern umzugehen. Besonders einer machte es mir nicht gerade leicht. Er war ebenfalls ein Musterknabe wie Yugi, schrieb nur Einsen, hatte eine hervorragende Zukunft vor sich … und ich begann den Fehler, mich mit ihm einzulassen. Die anderen Schüler wurden zwar nicht vernachlässigt, aber er bevorzugt.

Die Chemie stimmte einfach, wir verstanden uns perfekt. Die gleichen Interessen, Hobbys, meine Güte, er mochte sogar mein Essen. Aber er vernachlässigte den Lernstoff, versaute fast jeden Test und die Zensuren rutschen bei ihm tief in den Keller. So tief, das sie nicht mehr rauszuholen waren.

Und er... er schob es auf mich.

Sein Name war Carter und kein gebürtiger Japaner. Vielleicht war es gerade das, was ich so anziehend an ihm fand. Carter war nicht auf dem Kopf gefallen, sogar schon fast überbegabt, jedoch irrte ich mich, was seinen Charakter betraf. Er wurde faul, war der Meinung das ich als sein Lehrer doch die Zensuren ändern könnte und wickelte mich so sehr ein, das ich es einmal tatsächlich tat, was ich zwei Wochen später sofort bereute. Bei der nächsten Arbeit hatte er nicht einmal einen Punkt erreicht und seine Dreistigkeit war so groß, das er es wieder verlangte.

Ich wollte ihm helfen, wieder auf die Beine zu bekommen, sagte ihm er müsse für seine Noten etwas tun, er kann es wenn er wolle.

Doch er wollte nicht. Carter nutzte meine Schwäche für ihn schamlos aus.

Ich war in ihn verliebt, das konnte ich nie bestreiten, aber ich machte es nicht mehr lange mit.

Ohne ihn davon zu erzählen, hatte ich mich nebenbei an anderen Schulen beworben. Ich konnte ihn nicht mehr unterrichten, wenn er jedes Mal meine Autorität in Frage stellte und Forderungen stellte, die uns Beide ins Verderben stürzten.
 

Nach einigen Monaten, und in diesem Zeitraum hatte ich ihn so benotet, wie es ein Lehrer mit der angebrachten Leistung ebenfalls tun würde, legte ich ihn eines Abends die Zusage von der Schule vor.

Ab diesen Moment bemerkte ich erst, wie ich mich doch in ihm getäuscht hatte. Wenn ihm etwas an mir gelegen hätte, dann... ich weiß auch nicht, aber er hätte anders reagiert als zu lachen.

Carter lachte einfach nur, tippte immer wieder auf das Papier, sein Gelächter wurde lauter.
 

Erst viel später wurde mir klar, was diese Reaktion zu bedeuten hatte. Ich hatte mich an der Nase herumführen lassen und hatte dummerweise auf mein Herz gehört. Einige Wochen danach hatte er die Universität geschmissen.
 

Yugi hingegen war vom Charakter das komplette Gegenteil. Ruhig, hilfsbereit, eine zuvorkommende Person und auch wenn ich ihn kaum kannte, so hatte ich das Gefühl, das ihm das Fach Geschichte Spaß machte. Er lernte in diesem Bereich gerne, war unwahrscheinlich Wissbegierig und ruhte sich nicht auf seinen Lorbeeren aus. Und genau das war der Punkt, der mich stutzig machte, als seine Antworten falsch waren.

Selbst für einen Leihen war es unschwer zu erkennen, dass das benötigte Wissen vorhanden war, Yugi sich aber schusselig Dumm stellte.

Es war wie ein stummer Hilferuf.

Und genau das war es, was ihn von Carter unterschied. Er wollte lernen, er hatte die Kraft und den Willen dazu und ich könnte meine Hand dafür ins Feuer legen, das er es auch tat, aber er brachte dieses Wissen nicht da ein, wo es gefordert war.

Yugi schrie stumm nach Aufmerksamkeit. Wem sie galt musste ich erst noch heraus finden, aber nach dem Telefonat mit seinem Großvater dachte ich, ich wüsste es endlich.

Seine Eltern sind öfters nicht im Land, reisen viel durch die Welt, weswegen stand nicht in den Akten. Warum auch.
 

Ich hatte Yugi absichtlich angelogen, als ich ihm sagte, ich habe mit seinen Eltern gesprochen. Theoretisch dachte ich, er würde angespannt werden, neugierig wie sie reagiert hätten... stattdessen war er geschockt. Als würde ich damit genau das tun, was er nicht wollte. Damit war ich wieder da, wo ich angefangen hatte. Bei Null.

Das veranlasste mich dazu, ihm diese Nachhilfestunden aufzudrücken und endlich hatte ich damit einen Erfolg erzielt.
 

Es freute mich, das er sich seine Zukunft nicht verbauen wollte, sicherlich war es noch alles halb so schlimm, aber ich wollte so früh wie möglich eingreifen, um das zu verhindern, was ich mit Carter erlebt hatte. Darum setzte ich mich so für ihn ein, opferte meine Freizeit und gab mir Mühe. Es könnte mir egal sein, aber aus irgend einem Grund war es das nicht.

Ich hatte versucht, ihn selbst seinen Weg gehen zu lassen, mich raus zu halten, aber diesen typischen Scheuklappenblick konnte ich nicht lange stand halten.
 

Seitdem sich seine Noten wieder verbessert hatten, konnte er mich zu jeder Nachhilfe über die Geschichte abfragen, wie er wollte. Allzu viel Fragen waren nie gewesen, er war seinen Mitschülern sehr weit voraus in diesem Fach und das warf neue Ungereimtheiten auf.

Aber ich wollte Yugi nicht unter Druck setzten.
 

Als ich zwei Wochen später wieder allein im Unterrichtsraum saß und die Zeit selbst mit lernen für das Examen überbrückte, bis Yugi Schluss hatte, war ich so geschlaucht von dem Schlafmangel, das ich kaum meine Augen offen halten konnte und die Kopfschmerzen brachten mich fast um den Verstand.

Schnell war ich eine Asperin ein und legte die Ausarbeitungen erst einmal beiseite. Es hatte eh keinen Zweck etwas in einen Kopf rein zu prügeln, wenn er gerade streikte.

Meine Uhr piepte und als ich auf diese schaute, hellte sich meine Miene auf. In 10 Minuten wird er hier eintreffen und mich etwas ablenken. Zumal auch diese Nachhilfe für mich einen großen Vorteil hatte. Denn durch seine Fragen musste ich fast Vergessenes wieder hervor kramen und konnte somit vieles wieder auffrischen und ich musste auch zugeben, es machte unwahrscheinlichen Spaß so zu lernen. Beide Seiten hatten etwas davon.

Ich schnappte mir meine Lunchbox, ging zu dem Stuhl neben seinem Platz und aß etwas. Schon beim ersten Bissen bemerkte, ich, das mein Magen schon lange keine Arbeit mehr hatte und schaufelte es förmlich in mich hinein.

Zuhause hatte ich noch Reste vom Grünkohl und etwas Aal gefunden und es wäre eine Schande, so viele Vitamine wegzuschmeißen. Und ohne mich selbst loben zu wollen, so schlecht schmeckt es gar nicht. Von wegen ein Single-Mann kocht nur kulinarische Grausamkeiten.
 

Doch ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, als ich hoch blickte und Yugi entdeckte, wie er an der Tür stand und zu meinen Lunch schaute, als würde ihn gleich der Inhalt anspringen wollen.
 

„Ah! Hallo Yugi, da bist du ja endlich. Ich dachte schon, du tauchst heute gar nicht auf und ich bin um sonst noch so lange hier geblieben.“
 

Während er zu seinem Platz ging, konnte ich es mir nicht verkneifen, ihn grinsend etwas von meinem Essen anzubieten. Aber wie es nicht anders zu erwarten war, lehnte er auch das ab und verzog das Gesicht, als wolle ich ihn vergiften. Die Jugend heutzutage hatte doch einfach keinen Geschmack mehr. Ich zuckte mit den Schultern und schloss meine Box, setzte mich wieder richtig hin.
 

„Und? Was willst du heute erfahren? Über welch Pharaonen soll ich dir heute Auskunft geben?“
 

Und ja, ich freute mich wieder über das indirekte Lernen.
 

„Ähm…eigentlich Herr Athem…“ , begann er zögernd und ein imiginärer Punkt über meinem Kopf war interessanter als mein Gesicht. Dieses Gestotterte lies mich erst Recht aufhorchen. Dieses Mal keine Fragen? Das überraschte mich und ein klein wenig enttäuscht war ich schon. Doch er sprach nicht weiter, schien mit sich selbst zu hadern.
 

„Schieß los Yugi.“

„Ähm…ach ja…ich wollte eigentlich am Freitag gerne einen Vortrag in Geschichte halten. Wir sind ja gerade im Nachhilfeunterricht an einer geschichtlichen Lücke angelangt…und na ja…ich habe etwas recherchiert und es gibt ein Team von Archäologen, das gerade eine Entdeckung gemacht hat. Es soll sich um das Grabmal und den Königspalast des Vorgängers von Seth I. handeln. Da wir doch eh keine Arbeiten mehr schreiben, dachte ich mir, dass wäre mal eine Abwechslung.“
 

Deswegen war er heute hier?

Ich runzelte die Stirn. Warum hatte er mich das nicht im Unterricht gefragt? Dann hätte ich schon nach Hause fahren können, da hatte ich mehr Unterlagen zum Lernen als in meiner Lehrermappe. Yugi senkte den Kopf und blickte mir in die Augen. Diese Frage war scheinbar unangenehm. Ich hätte ihn deswegen schon nicht den Kopf abgerissen, aber … das Gefühl konnte man doch als Enttäuscht bezeichnen, das sich in meinem Körper breit machte.
 

„Ähm…ja, es passiert ja nicht jeden Tag, dass eine Lücke in der Historie geschlossen wird“, füge er noch schnell hinzu. „Ich…ich habe Ihnen auch etwas mitgebracht Herr Athem.“
 

Ach, mir was mitgebracht? Und schon im nächsten Moment hielt er mir seine Lunchbox unter die Nase und die Enttäuschung machte für Neugierde platz. War das etwa ein Bestechungsversuch? Ich öffnete die Box.
 

„Nach dem Sie so nett waren, mit mir Ihr Essen zu teilen und mich an Ihren kulinarischen Gra…Kreationen teilhaben zu lassen, dachte ich mir, ich erwidere mal den Gefallen. Ist alles selbstgemacht.“

Seit wann bringt ein Schüler seinen Lehrer etwas zu essen mit? Und ich hätte Schwören können, das er erst Grausamkeiten sagen wollte. Das war aber nicht nett.

In der Box waren Sachen, die ich noch von Früher kannte oder aus dem Fernsehen, aber konnte man das wirklich essen? Es sah ganz anders aus, als das was ich mir immer machte. Das konnte doch nicht schmecken!

Mit einem Stäbchen nahm ich etwas gelbes auf, das Ähnlichkeit mit meinem Omelette hatte und schob es mir in den Mund.

Hm... war tatsächlich genießbar.
 

Meine Eltern hatten früher keine Zeit zum kochen und da ich ein Einzelkind war, fand meine Mutter es nicht lohnend sich für eine Person in die Küche zu stellen, also kamen Fertiggerichte auf den Tisch.

Im Laufe der Zeit bekam man natürlich mit, das selbst gekochtes Gemüse gesünder sei und da ich viele Nährstoffe brauche um Gesund zu bleiben, wurde ich ein kleiner Gesundheitsfanatiker. In meinem Kühlschrank ist keine einzige Suppendose.

Aber Yugis Kreation schmeckt anders als meine, dabei ist es doch das Selbe.
 

„Hast du denn schon was vorbereitet, Yugi? Eine Art Grundgerüst für den Vortrag, oder eine Gliederung? Einen Stichpunktzettel?“
 

Wenn er ein Vortrag halten will, sollte er sich schon was zusammen gesucht haben. Im Grunde hatte ich nichts gegen einen Vortrag, doch ich wollte nicht, das sich meine Schüler einen Quatsch unbewusst merken, der später widerlegt werden konnte. Theorien sind gut, Tatsachen besser.
 

„Ah…häh? Ach ja, einen Moment.“
 

Er schulterte seine Tasche ab und fing an, Ewigkeiten darin herum zu kramen. Ein bisschen überrascht war ich schon. Ich hatte eher damit gerechnet, das er nichts in der Hand hatte.
 

„Hier“, und schon wurde mir ein weißer Schnellhefter unter die Nase gehalten und ich konnte so schon erkennen, das dieser mehr als nur 3 Blätter beinhaltete.

„Da ist alles drin. Inhaltsverzeichnis oder Gliederung, Einleitung, Hauptteil, Schluss, einige Zusatzinformationen, die interessant sein könnten und die Quellenangabe.“

Okay, da war ich baff. Ich öffnete ihn und blätterte darin rum. Das war nicht nur Stichpunkthaltig, sondern schon der komplette Vortrag ausgearbeitet.

Einige Teile überflog ich und es klang echt interessant. Das musste ich mir genauer anschauen.
 

„Stört es dich, wenn ich es mal mitnehme und Zuhause drüberfliege? Ich meine…ob deine Informationen der Wahrheit entsprechen und deine Quellen richtig und vollständig sind? Du bekommst es auch morgen wieder.“
 

Ein Nicken war die Antwort und zufrieden legte ich den Hefter auf den Tisch, behielt aber die Hand darauf. Vielleicht würde sich ja schon einige Informationen durch das Plastik in meine Hand schieben, das ich nicht so lange warten müsste.

Aber dann erinnerte ich mich, das er nur die Erlaubnis für diesen Vortrag haben wollte und ich völlig umsonst drei Stunden gewartet hatte.
 

„Na, wenn du nichts weiter wissen willst, dann können wir ja beide jetzt Feierabend machen.“
 

Ich könnte es ja noch in die Bibliothek schaffen, bevor sie schloss und mir einige Sachbücher ausleihen, die mir bei meinem Examen helfen würden. Zwar hatte ich schon einige Stapel von Kollegen hier an der Schule zusammen geliehen, doch es würde nicht schaden, mehr griffbereit zu haben.
 

„Ich gebe dir dann Morgen Bescheid, ob du den Vortrag halten kannst, oder nicht.“
 

Eigentlich wollte ich noch kurz nachfragen, ob er wirklich nichts mehr wissen wollte, aber als er schon zur Tür ging, schien das Thema wohl erledigt zu sein. Ich winkte ihm zum Abschied freundlich zu.

Kaum hatte er die Tür hinter sich geschlossen, verschwand mein Lächeln und die Hand fiel kraftlos auf den Tisch zurück.

Man, war ich k.o., aber es war...

… #“Schade…“#
 

Als ich Zuhause ankam, schmiss ich mir erstmal Bambussprossen, amerikanischen Spinat und deutschen Sauerkraut in die Pfanne, machte mir ein Teil davon auf einen Teller und trug ihn ins Wohnzimmer, um etwas beim lernen zu mir zu nehmen.

Doch schon beim ersten Bissen merkte ich, das es aber nicht so schmeckte, wie Yugis..
 

Am folgenden Freitag hielt Yugi sein Vortrag so, wie ich es mir in den Unterlagen vorgestellt hatte. Jeden Punkt hatte ich überprüft, recherchiert ob es wirklich so einen Team gab und ich hatte mich mit einem Arthur Hawkins in Verbindung gesetzt, der in seinen Unterlagen der Leiter der Ausgrabung und Begehung des Palastes sein soll. Es war gar nicht so leicht an seine Nummer zu kommen, aber ich als Geschichtsreferendar hatte so meine Quellen und mein Professor hatte hervorragende Kontakte.

Das Gespräch war aufschlussreich und er konnte mir alles bestätigen. Dieser Yugi Muto schien in jedem Punkt Recht zu haben. Es nagte nur etwas an meinem Stolz, das ich so eine Neuigkeit über die Entdeckung eines neuen Pharaos über einen Schüler erfahren musste.
 

In seine Erzählungen war es fast still, viele der Schüler lauschten seinen Vortrag und ich musste zugeben, das er sich fantastisch darauf vorbereitet hatte. Es klang auch nicht langweilig, sondern er verpackte es so, das auch einige die das Hintergrundwissen fehlten verstanden.

Nur einige Mädchen in der hinteren Reihe störten den Vortrag. Immer wieder kicherten die dummen Hühner, kackerten so als ob sie gleich ein Ei legen wollten und zeigten ständig zu Yugi.

Nach der vierten Unterbrechung riss mir der Geduldsfaden. Ich hatte mir zwar schon alles durchgelesen, aber ich wollte dennoch nochmal alles hören, für den Fall, das ich etwas in seinen Unterlagen übersehen hatte, obwohl ich sie mehrere Male durchgegangen war.

Ich tippte so leise mit meinem Fingernagel auf dem Lehrerpult, das es Yugi nicht mitbekam und blickte die Mädchen an. Am liebsten wäre ich aufgesprungen und hätte denen ihr dämliches Schminkmäpchen das bei denen auf den Tisch lag in ihren vorlauten Münder gestopft.

Anscheinend zeigte mein Blick ganz genau wie wenig ich von diesen ständigen Unterbrechungen hielt, denn als sie bemerkten, das ich sauer zu ihnen rüber starrte, verstummten sie augenblicklich.
 

Als ich Yugi seinen Hefter zurück gab, wollte ich ihn auf den Arthur Hawkins ansprechen. Woher er ihn kannte und zu diesen Informationen kam, aber Herr Taori funkte mir dazwischen und rief mich ins Lehrerzimmer.

Dort wurde der Unterrichtsstoff noch einmal durchgegangen, der für die nächsten Stunden geplant war und er gab mir meine Tabellen zurück, die ich Zuhause angefertigt hatte. Sie beinhalteten die Fortschritte jeder einzelnen Person und meine persönliche Beurteilung.
 

Nach Ende des Vortrags sagte er einen Satz, der nicht in den Unterlagen vermerkt war.
 

„Nur so als kleine Zusatzinformation: Arthur Hawkins und sein Team werden in diesem Sommer Hilfe von Sogoroku Muto, den berühmten, aber pensionierten Archäologen bekommen.“
 

Sogoroku Muto? Diesen Namen hatte ich schon mehrmals in den neusten Geschichtsbüchern gelesen und seine Studien waren hervorragend ausgearbeitet. Doch es war der Nachname, der mich Schlucken ließ. Muto.

Wie hoch war die Wahrscheinlichkeit, das es diesen Namen mehrmals in Japan gab? Und wie hoch war sie, das dieser Yugi Muto, der ein Geschichtswissen hatte, das weit über eine normale Allgemeinbildung hinaus ging, den gleichen Namen trug?

Langsam dämmerte es mir und viele Türen, über die ich gerätselt hatte und mir verschlossen blieben, sich knarrend öffneten.

Daher das Interesse. Und daher auch das Entsetzten, als ich ihm sagte, ich habe seine Eltern angerufen. Dieser Sogoroku Muto war sein Vater und wenn dieser erfährt, das sein Sohn so in diesem Fach versagte, würde die Hölle für diesen Jungen ausbrechen. Er musste unter einem unglaublichen Druck stehen. Denn wie würde es denn aussehen, das er da versagte, wo sein Vater einer der Besten war?
 

Yugi räusperte sich kurz und signalisierte mir, das er fertig war. Doch ich verlor kurz den Faden.

Womit war er fertig? Ach ja.
 

„Ah…ähm ja, gut gemacht Yugi. Sehr schöner Vortrag. Sehr informativ. Setz dich wieder.“
 

Ich war immer noch nicht ganz bei der Sache als ich endlich begriff, was hier los war.

Sein Hilfeschrei galt also doch seinen Eltern. Kein Wunder das sie nie im Land waren, wenn sie von einer Ausgrabungsstätte zur Nächsten reisten. Nur dabei vernachlässigten sie eine Person, auf deren eigentlich ihre völlige Aufmerksamkeit liegen sollte. Stattdessen schob sie ihn zu seinen Großvater ab.
 

Langsam sammelte ich mich wieder und suchte den Stoff raus, der wegen Yugis Vortrag etwas verschoben wurde.

Es hatte eben geklingelt und viele Schüler waren gerade dabei den Raum zu verlassen, doch sie kamen mir ohne Hausaufgaben nicht davon. Der versäumte Stoff muss nachgeholt werden.
 

„Gut Leute, das war es für heute, aber für nächste Woche lernt ihr bitte die Seiten achtundfünfzig bis dreiundsechzig.“
 

Das Protest war zu erwarten gewesen, denn es kam jedes Mal wenn ich ihnen Arbeit mit nach Hause gab. Doch es war Joey, der mich kurz gedanklich stolpern lies.

„Habe ich was verpasst? Ab jetzt haben wir doch Ferien?“

Ferien?! Jetzt?! Nicht nur er hatte was verpasst, denn ich ebenfalls.

Seit wann sind Ferien im August?
 

„Ferien…ach ja…das habe ich total vergessen. Ah…ähm…genießt eure Ferien.“

Aber sie kamen sehr günstig. Urlaub, ich komme!!
 

Später hätte ich mir selbst in den Hintern beißen können, das ich mich so unter Stress gesetzt hatte. Unbewusst hatte ich den Stoff für die ersten Tage nach den Ferien vorbereitet, so das ich meinen Urlaub ohne Unterbrechungen genießen konnte. Jede Lehrkraft hatte in dieser Zeit Urlaub und das nutzte ich aus.

Arthur Hawkins hatte mir erlaubt, ihn an seiner Ausgrabungsstelle zu assistieren. So konnte ich hautnah dabei sein, wenn er neue Entdeckungen hatte und konnte mir seine bisherigen Arbeiten ansehen.
 

Den ganzen Abend bin ich durch die Wohnung gerannt um alle Klamotten einzupacken, die für das Wetter geeignet waren, das ich im Internet für die aktuelle Temperatur nachgeschaut hatte. Meinen Vogel gab ich zu der Nachbarin, die mir ihr Glätteisen für mein Hemd geborgt hatte. Wie lange ich in Ägypten bleiben würde, wusste ich noch nicht, aber ich freute mich tierisch darauf.

Im letzten Moment konnte ich noch einen last-minute Flug ergattern, der aber schon in wenige Stunden starten würde, also musste ich mich beeilen.

Meinen Koffer schmiss ich in den Kofferraum und gerade als ich mich auf den Fahrersitz setzte, fiel mir ein, das ich das Wichtigste vergessen hatte. Meine Notizbücher, worin alle Fakten von mir notiert worden sind, die ich im Laufe der Zeit durch eigenständige Studien heraus gefunden hatte. Sofort sprang ich wieder aus dem Wagen, um in meine Wohnung zu flitzen.
 

Der Flug war grausam lang gewesen. Es war keine Direktlinie, sondern musste umsteigen, aber insgesamt war ich 30 Stunden unterwegs gewesen, wobei ich 26h davon nur im Flieger saß. Ich vertrödelte mir die Zeit, indem ich die neusten Arbeiten von Hawkins studierte und mir seine Arbeitsweise einprägte, damit ich ihm auch wirklich eine Hilfe sein konnte und keine Last. Denn ich empfand es als große Ehre ihn begleiten zu dürfen und es wunderte mich ein wenig, das er sofort zustimmte ohne zu überlegen, ob ich in meinem Urlaub mal vorbei schauen könnte. Aber aufgrund meiner Sprachkenntnisse werde ich auch viel selbstständig arbeiten können und diese Feldstudie würde eine wunderbare Vorbereitung für mein Examen sein.
 

Dadurch das ich mitten in der Nacht losgeflogen war und es nur eine Stunde Zeitverschiebung gab, war ich auch mitten in der Nacht in Ägypten und die Hitze erschlug mich fast.

In Japan war es durch die Metropole unglaublich innerhalb der Stadt erhitzt, aber hier stand die Hitze, obwohl es dunkel war. Nur als ich mit einem Mietwagen aus der Stadt raus fuhr, bemerkte ich durch das offene Fenster, das es sich außerhalb extrem abgekühlt hatte.
 

Zuerst wollte ich mir ein Hotelzimmer nehmen, aber Hawkins erklärte mir, das es sich nicht lohnen würde. Ich wäre dann länger mit dem Auto unterwegs, als ich dabei sein könnte, da die Ausgrabungsstätte mitten in der Wüste lag. Also würde ich von ihm ein Lager bekommen.

Das war interessanter als jedes Buch, das ich bisher gelesen hatte. Mein Herz schlug immer schneller, je näher ich meinem Ziel kam und auch wenn ich tausende von Kilometer von Zuhause entfernt war, so fühlte ich mich so wohl wie noch nie.

Während der Fahrt schaute ich immer wieder hoch zu den Sternen und bewunderte die Helligkeit hier draußen. In Japan strahlten sie nie so schön und die Luft war angenehm rein.

Ich musste auch eine Pause einlegen, da ich einfach nicht mehr sitzen konnte. Erst diese Flugzeit und nun das stundenlange Autofahren. Das war ich definitiv nicht mehr gewohnt, da ich selbst im Unterricht lieber stand. Das hatte ich nun davon mich nicht besser zu informieren.
 

Erst am frühen Morgen des zweiten Ferientages kam ich in einer kleinen Nomadensiedlung an, das in der Nähe der Stätte lag, in der östlichen Wüste. Am Rande hatte auch das Team von Hawkins ihre Zelte aufgeschlagen. Schon auf dem ersten Blick sah ich, das es kein fließend Wasser gab, sondern es aus einer nahe gelegenen Oase holten und die Stätte hatte mehrere Generatoren für den Strom. Da stand kein einziges Haus, sondern nur einige große Zelte. Ich konnte eine Mauer etwas weiter hinten durch den schwachen Lichtschein einiger Strahler erkennen, da die Sonne noch nicht aufgegangen war.

Langsam ließ ich den Mietwagen ausrollen und zog die Handbremse. Hier standen auch viele Jeeps und Transporter. Trotz der frühen Stunde herrschte hier schon reger Betrieb.

Sofort kam mir ein junger Mann, mittleren Alters entgegen und winkte mir zu, blieb nur einige Schritte von mir entfernt stehen.
 

„Sie müssen Athem sein, der Referendar aus Japan.“
 

Er grinste mich breit an und viele Furchen auf seiner Haus kamen zum Vorschein. Die Sonne hatte bei diesem Mann schon ihren Tribut geleistet. Sie war braun, ledrig und hatte einige Narben am Hals, als hätten ihn einige Biester gestochen.

Lächelnd reicht ich ihm die Hand.
 

„Genau, das bin ich. Freut mich Sie kennen zu lernen, Herr..?“, fragend blickte ich ihn an.

„Ich bin Odion, der persönliche Assistent von Arthur Hawkins.“
 

Er war ein hochgewachsener Mann mit kräftiger Körperstatur und man sah es ihm an, das er hier nicht zur Erholung da war. Odion nahm mir meinen Koffer ab und hob ihn mit einer Leichtigkeit hoch, obwohl ich Mühe hatte, dieses schwere Teil vor einigen Stunden in den Wagen zu hiefen.
 

Er führte mich quer durch die ganzen Zelte. Bis er vor einem kleinen stehen blieb, den Koffer in den Sand abstellte und den Reißverschluss von unten nach Oben aufzog. Man konnte bequem darin stehen, war zwei Schritte breit und fünf Schritte lang. Darin war ein kleines Feldbett, ein kleiner alter Tisch mit einer Kerze und einer Kiste, die wahrscheinlich als Stuhl diente.

Ich vermisste hier zwar jetzt schon den Wasserhahn und das Fenster, aber es lies sich aushalten. Zwar rustikal... hatte jedoch in seiner eigenen Art... einen gewissen, für mich noch übersehbaren Charme. Den Koffer schob ich nur schnell unter das Bett und folgte Odion einige Meter weiter in ein Zelt, das die doppelte Größe von meinem besaß.
 

Und das war der Moment, wo ich endlich Hawkins kennen lernen durfte. Ich hatte schon einige Fotos von ihm gesehen und er hatte sich kein Stück verändert.

Als ich sein Zelt betrat drehte er sich zu mir um und lächelte mich noch etwas verschlafen an. Scheinbar war er erst frisch aufgestanden und seine halbmondförmige Brille saß noch etwas schief auf seiner knubbeligen Nase. Sein schütteres graues Haar stand etwas wirr von seinem Kopf ab und eine dunkle Bartstoppeln waren zu erkennen. Auch wenn er viele Falten um seine Augen hatte, so machte er dennoch einen fitten Eindruck.

Auch von ihm wurde ich freundlich begrüßt.
 

Und dann begann der bisher anstrengendste Tag, wo ich am Abend dachte, ich breche zusammen. Am Anfang zeigte er mir, wo welche Gerätschaften standen, wofür sie dienten und welcher Punkt für die nächsten Wochen geplant war.

Als die Sonne schon hoch am Horizont stand, gingen wir das erste Mal auf die Mauer zu, die ich bei meiner Ankunft schwach erkennen konnte und erst am Tageslicht wurde mir der Ausmaß der Größe richtig bewusst. Sie war gigantisch. Mein Auge konnte gar nicht so weit blicken, wie sie rechts und links neben mir in der Wüste verschwand. Überall war sie brüchig und an vielen Stellen sogar eingestürzt, aber erst als ich mich wieder einige Meter entfernte, in der Hoffnung die Länge besser erkennen zu können, bemerkte ich erst, das sie gar nicht auf dem Sand stand, sondern sie vorher von diesem bedeckt war und die Schräge worauf ich gerade stand von den Archäologen errichtet worden war. Odion erklärte mir, das hinter den westlichen Hügeln auch das Tal der Könige sei. Leicht verschmitzt grinste ich ihn nur an.

Ach was, dachte ich mir, das hatte ich auf der Karte gar nicht gesehen. Mich nur gewundert, warum da in großen ägyptischen Buchstaben ´Tal der Könige´ drauf stand.

Nur eine halbe Stunde später waren an jedem Meter Teammitglieder, die mit Pinseln den Sand vom Gestein schabten. In unregelmäßigen Abständen waren sogar Löcher vor der Mauer wo zerbrochener Ton lag und ich hätte schwören können, das mir mein Herz vor Aufregung aus der Brust gehüpft war.
 

Die Arbeit in der brütenden Hitze war anstrengender als gedacht und am Abend war ich froh, wenigstens eine Kiste zum sitzen zu haben, wenn man Stunden vor Gestein hockte und es vom Wüstensand befreite. Selbst das Feldbett kam mir für meinen geschundenen Rücken wie ein Himmel vor und langsam begriff ich, was wirklich hinter jeder Entdeckung steckte. Um auch nur eine kleine Tonscherbe zu finden, schufftete man Monatelang, einige Male ohne Erfolg und ich hatte sogar das Glück besessen dabei sein zu dürfen, wo die ehemalige Stadtmauer einer der Pharaonen der 18. Dynastie genauer erforscht wurde. Sogar der Palast war in der Ferne schemenhaft zu erkennen, doch noch durfte ich da nicht hin gehen. Erst wollten die Mitarbeiter alles dokumentieren und in frühestens einer Woche würde meine erste Begehung sein.
 

Ich fühlte mich hier einfach... pudelwohl. Der Nomadenstamm war sehr friedlich und hilfsbereit. Sie kamen öfters vorbei um uns abgekochtes Wasser zu reichen, da wir ihres nicht einfach so vertrugen. Alle Mitglieder des Teams freundlich und ich verstand mich mit vielen auf Anhieb. Nach einigen Tagen war mir fast so, als sei ich Zuhause und nicht mitten in der Wüste. Die Sonne fing an mir nichts mehr aus zu machen und ich konnte sogar viele der Gerätschaften alleine tragen, wo ich vorher Hilfe benötigt hatte. Die Arbeit war im Grunde etwas eintönig und immer das Gleiche, aber sie bereitete mir unwahrscheinlichen Spaß.
 

Am achten Tag hatte ich mir nicht einmal die Mühe gemacht um mir ein T-Shirt anzuziehen. Meine Haut vertrug die Sonne erstaunlicher Weise und nicht einmal ein Sonnenbrand war bei mir zu entdecken. Zum Neid meiner Kollegen wurde ich sogar noch bräunlicher als ich es von Natur aus war. Ich kam mir schon wie heimisch vor, selbst mein Examen war völlig vergessen. Mit freiem Oberkörper saß ich in der Hocke und befreite vorsichtig eine beschriftete Tafel vom angesetzten Gestein und ich konnte bereits schon die Hieroglyphen darauf erkennen. Soweit diese alte Sprache ich noch kannte, konnte ich einige Symbole entziffern.

Ich war so in meiner Arbeit vertieft, das ich gar nicht bemerkte, wie sich Hawkins von mir entfernte und einiges Rufen in der Ferne erklang. Mit der Tafel stand ich langsam auf und drehte mich mit dem Rücken zur Sonne, damit ich besseres Licht auf das Gestein hatte und pinselte einige Sandkörner aus den Ritzen.
 

Hm,.. das könnte ´Intriege´ bedeuten. Aber wenn man diesen Schlitz nicht mit zur Schrift ansah, sondern einfach nur eine Verletzung der Oberfläche, würde es ´Verrat´ heißen. Aber um Klarheit zu haben, müsste ich den Rest auch noch säubern, dann könnte ich aus dem logischen Satzaufbau schlussfolgern, was hier so nach Himbeere roch. Aber die alten Schreiber in der Dynastie waren schon immer ein bisschen seltsam gewesen und ihre Ausdrucksweise zweideutig.

Als ich die Tafel noch ein wenig drehte, entdeckte ich einen neuen Hieroglyphen, der wie eine Himbeere aussah, den ich völlig übersehen hatte. Aus lauter Vorfreude zuckte ich einen feineren Pinsel aus meiner Gesäßtasche, wo schon andere Arbeitsmateriealien raus lugten und pinselte es ein wenig frei.

Im Hintergrund und völlig unbewusst vernahm ich ein helles Lachen, das in meinen Ohren widerhallte, aber nicht in mein Gehirn gelang.

Ein Windstoß kam auf, wehte wie von selbst die Sandkörner von der Tafel, brachte aber einen Geruch mit, der sich in meine Nase drängte, dass das Bild der Himbeere vor mir deutlicher manifestierte.

Aber dann hielt ich inne.

Moment mal, seit wann ist denn die Himbeere bei den Pharaonen so vertreten? Und bei einem zweiten Blick sah ich, das es gar keine Beere war, die jetzt auf dem Gestein frei lag, sondern ein Symbol das die Ähnlichkeit eines Kranichs hatte. Wie zum Geier kam ich dann darauf? Hier in der Wüste ein Himbeergeruch? So ein Quatsch. Ich schien wohl einen Sonnenstich abbekommen zu haben.
 

Doch ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, als ich ein helles Lachen hörte, das mir bekannt vor kam und blickte auf. Da ich aber die ganze Zeit auf einen kleinen Punkt gestarrt hatte, brauchte ich einige Momente, damit sich meine Augen an die neue Entfernung gewöhnten...
 

… Ich glaubte doch ernsthaft meinen Schüler Yugi Muto zu sehen, wie er sich in den Armen von Hawkins befand und zu mir rüber starrte.
 

Neeeeeeeeeeee!!!
 

Kopfschüttelnd wandte ich mich wieder der Tafel zu und hielt einige Sekunden später wieder inne.

Das konnte doch nicht sein. Die Mittagssonne schien mir einen Streich zu spielen, oder die letzte Wasserpause hatte sich nicht mit meinem Magen vertragen, der sich schon an die etwas eintönige Kost hier gewöhnt hatte.

Eine Fatamorgana!
 

Langsam schaute ich wieder hoch, doch zu meinem Leidwesen hatte sich das Bild nicht im geringsten verändert. Er stand wirklich da.
 

Hatte sich denn die ganze Welt gegen mich verschworen, oder wie sollte ich das verstehen?! Ich war tausende von Kilometern geflogen, befand mich in ein komplett anderes Land, dass zufälliger Weise noch riesig war, und treffe an einem abgelegenen Ort das nur durch stundenlanges Autofahren zu erreichen, bei einer Nomadensiedlung, nur mit einer Karte zu finden war, diesen einen Menschen. Ich hatte an dieser Zeit wie ich schon hier war nicht ein einziges Mal an ihn gedacht und dann stand er auch nur wenige Meter von mir entfernt und...
 

… Moment mal. Hatte der eben Hawkins einen Kuss auf die Wange gegeben?! Kennen die sich etwa?
 

Oh Gott, ich sah schon vor lauter Erschöpfung nur noch Himbeeren vor meinen Augen tanzen, anstatt schwarze Punkte.
 


 

tbc
 


 


 

Wollt Ihr eine weitere Puzzleshipping von uns? Dann schaut unter den Spoiler ;)
 

spoiler

Es ist nicht leicht in einer Welt zu leben, wo man in seinen eigenen Fehlern gefangen ist und nicht von dem hohen Ross runter steigen kann. Sie ist voll mit Missverständnissen, Fehltritten, aber auch voll mit Erfolgen, die eine Niederlage schwerer zu ertragen macht, als das Fettnäpchen um die Ecke..
 

Es ist eine weiteres FF-Projekt in Arbeit. Es geht mal wieder um unser aller Lieblingspaar Puzzleshipping und handelt von den Widrigkeiten des Lebens, von den Gefahren einer glitzernden Trugwelt, Eifersucht und Musik.

Erster Upload folgt in Kürze

Rückblick 3 – Die Nacht ist voller Sterne

Kapitel 9: Rückblick 3 – Die Nacht ist voller Sterne
 

Es war bereits tiefe Nacht, als Hany erwachte. Obwohl er den Raum, in dem er sich befand, schon so gut kannte, wie seine eigenen Gemächer, war der junge Ägypter immer wieder aufs Neue verwirrt und musste sich zurechtfinden. Er fragte sich bis heute, womit er diese Ehre verdient hatte.
 

Leise und vorsichtig, um seinen Geliebten nicht zu wecken, stand er auf. Hany hüllte sich in eines der leichten Leinenlaken, um seinen Körper vor der Kälte der Wüstennacht zu schützen, denn obwohl man es innerhalb der Palastmauern nicht bemerkte, war genau das der Ort, an dem sie sich befanden. Die Wüste.
 

Er trat auf den prachtvoll verzierten Balkon, der zum Garten des Palastes zeigte. Die Gemächer des Pharaos hatten mehrere solcher Vorbauten. Einige von ihnen boten einen guten Überblick über den Innenhof, andere über den Außenhof des Palastes. Der, auf dem Hany nun stand, war der einzige, der einen hervorragenden Blick auf den blühenden Garten ermöglichte.
 

Dies war einer der drei Orte, an denen sich der junge Ägypter am liebsten aufhielt. Von dem riesigen Balkon aus, sah der alles unter ihm aus, wie ein grünes Meer. Mandel- und Dattelbäume und auch einige Zedern verbreiteten einen süßen und doch herben Duft. Die Grillen erfüllten die Nacht mit ihrem Zirpen. Hany genoss diesen wundervollen, friedlichen Augenblick.
 

Das Gewächshaus des Palastes war der einzige Ort, an dem es noch friedlicher war, als im Palastgarten. Dieses Biotop wurde einst für die Mutter des jetzigen Herrschers erbaut, doch nach ihrem Tod wurde es nicht mehr genutzt. Hanys Herz hatte vor Freude gejubelt, als der Pharao ihm die Erlaubnis gegeben hatte, sich um die Pflanzen dort kümmern zu dürfen. Im Allgemeinen schien der Herrscher Ägyptens ihm gerne jeden Wunsch zu erfüllen und ihm eine Freude bereitete. Er schien erst mit der Zeit zu begreifen, dass es die kleinen Gesten waren, die Hany mit Glück erfüllten und nicht die kostspieligen Geschenke, die er ihm zu Anfang geschickt hatte. Es war das Gefühl des Stolzes, dass Hany erfüllte, wenn die Blumen und Bäume im Gewächshaus blühten und er wusste, dass es sein Verdienst war, der sie wieder ins Leben geholt hatte.
 

Mit einem leisen Seufzer, in dem all sein Glück und seine Zufriedenheit widerhallten, blickte der junge Ägypter zu den Sternen auf. Es war an der Zeit, den Göttern für ihre Gnade zu danken. Dafür, dass sein Leben nun so glücklich und vollkommen war. Dafür, dass sie ihn zu der Liebe seines Lebens geführt hatten. Die Götter hatten es bisher wirklich sehr gut mit ihm gemeint.
 

Nie hätte er sich träumen lassen, dass er, als der einfache Sohn eines Beraters von nicht all zu hohem Rang, die Aufmerksamkeit des Pharao auf so eine Weise auf sich ziehen würde. Hany hätte sich dies nicht in einmal in seinen wildesten Fantasien ausmalen können. Eigentlich war die Tatsache, dass sie nun Liebende waren auf seltsame Weise witzig, denn vor nicht all zu langer Zeit hatte Hany den Gottkönig noch gehasst und verflucht..
 

Das war jedoch bevor er Atemu kennen gelernt hatte. Als Menschen und nicht als unfehlbaren Pharao, denn trotz allen legenden und der göttlichen Abstammung, war auch ein Pharao nur ein Mensch und kein Mensch war unfehlbar.
 

Hany hatte diesen mächtigen, aber unbekannten Mann dafür gehasst, dass er ihm so viel von seinem Vater stahl. Der Pharao als Person, war für den Jungen nicht greifbar. Er war ein Mythos an sich und nur wenige Leute aus dem einfachen Volk bekamen ich je zu Gesicht. Sie verrichteten die Arbeiten in seinen Namen, führten Kriege für seinen Reichtum und priesen und beteten ihn an. Alle Strafen wurden in seinem Namen und mit seiner Einwilligung verhängt. Der Pharao – er war überall und doch nirgends. Wie ein Hirngespinst. Eben dieses Hirngespinst beanspruchte die Zeit und die komplette Zeit seines Vaters. Das machte Hany wütend. Deswegen hasste er den Pharao.
 

Doch dann kam der eine Tag, an dem sein Vater ihn in den Palast mitnahm. Hany sollte dabei helfen die Aufzeichnungen des Palastbaus durchzugehen und die angefallen Kosten und geleisteten Ausgaben protokollieren. Schon damals hatte Hany den Garten des Palastes bewundert. Es war ihm zu diesem Zeitpunkt nur noch nicht erlaubt gewesen, ihn zu betreten. Doch allein das, was er täglich aus dem kleinen Fenster des Arbeitszimmers seines Vaters sehen durfte, reichte aus, um sein Herz mit Freude zu füllen.
 

Hany wusste selbst nicht genau wie oder wann, aber es gelang ihm die Aufmerksamkeit des Pharao auf sich zu ziehen. Zu Anfang bemerkte er dieses besondere Interesse an seiner Person nicht. Es war nur auffällig, dass sein Vater ihn immer häufiger in den Palast mitnahm. Hany wusste noch genau, wie verärgert er selbst darüber gewesen war, aber wenigstens hatte er Zeit, die er mit seinem Vater verbringen konnte.
 

Dann kam der schicksalhafte Tag, an dem der junge Ägypter zum ersten Mal Atemu begegnete. Er sollte dem großen Pharao die Berichte seines Vaters bringen, da dieser wegen einem alten Leiden im Rücken, unpässlich war.
 

Hany erinnerte sich noch genau an diesen Moment zurück, an dem der Gottkönig selbst ihn aufforderte sich aus seiner Verbeugung zu erheben. Dieser Moment, als Atemu ihm erlaubte, ihm direkt in die Augen zu sehen, hatte sich dem Beratersohn ins Gedächtnis gebrannt. Von dieser ersten Sekunde an, in der er in diese geheimnisvollen, roten Tiefen geblickt hatte, war Hany verloren gewesen. Es war genau dieser Augenblick, von dem an sein Herz nicht mehr ihm gehört hatte.
 

Leider wurde seine Liebe und auch seine Erwartung in den Pharao gleich bei dieser Begegnung auch zutiefst enttäuscht. Der große Herrscher fragte Hany, was er von dessen Führungspolitik und der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes hielt. Er erkundigte sich danach, was der Beratersohn von den Problemen des Volkes hielt und weihte ihn gleichzeitig in Pläne für den Bau einer weiteren Stadt, so wie in einen kommenden Eroberungsfeldzug ein. Auch wenn er sich dadurch geehrt fühlte, dass der Pharao sich nach seiner Meinung erkundigte, wusste Hany, dass für beides die Mittel fehlten. Die Idee von einer Stadt, die für das Volk gedacht war und nicht als Sitz des Pharao gefiel Hany. Auch die Vorstellung, dass dort Kinder – Waisen – unterrichtet werden sollten, ganz egal welchen Stand ihre Eltern angehört hatten oder immer noch angehörten und das dort eine Verpflegung von Alten und Kranken möglich sein sollte gefiel Hany sehr. Doch von was bauen, wenn die finanziellen Mittel fehlten?
 

Es erschreckte und entsetzte den jungen Ägypter, mit welchen unüberlegten Behauptungen er seinen leisen und vorsichtigen Einwand bei Seite schob. Es zeigte ihm, wie wenig Atemu von den Leiden seines Volkes und der finanziellen Not des Landes wusste. Diese unüberlegten Behauptungen Hany machten traurig. Bei jedem anderen, der ohne besseres Wissen so unzutreffende Aussagen getroffen hätte, wäre er wütend geworden, doch bei Atemu, da fühlte er nichts als Trauer und Bedauer. Er fühlte dies für den jungen Pharao, denn Hany konnte erkennen – konnte es fühlen – wie sehr dieser ein guter Herrscher sein wollte. Wie sehr er seine Untertanen glücklich machen wollte.
 

Es waren die unzähligen korrupten und auf ihr eigenes Wohl bedachten Minister, höherrangigen Berater, Visiere und Beamten die ihn daran hinderten. Sie hielten Informationen vor ihm zurück und ließen Atemu in dem Glauben, dem ägyptischen Volk ginge es gut. Dabei blutete das Land und die Menschen schrien nach Gerechtigkeit.
 

Atemus Unwissenheit machte Hany deswegen traurig, weil er es dem Pharao so sehr wünschte, dass dieser der Herrscher sein konnte, der er sein wollte. Gerecht und auf das Wohl seines Volkes bedacht. Ein wahrhaft großer Pharao, den man niemals vergessen würde, den die Zeit niemals auslöschen konnte.
 

Anscheinend war es so, dass man ihm den Schmerz ansehen konnte, den die Aussagen über den angebliche Wohlstand des Volkes und die unreelle Einschätzung der wirtschaftliche und politische Lage des Landes, hervorgerufen hatten, denn Atemu fragte ihn, ob etwas nicht stimmte. Es war Hany leider nicht möglich dem Pharao die komplette Wahrheit zu sagen oder seine Aussagen anzuzweifeln. Das hätte böse Konsequenzen für ihn und seine Familie haben können.
 

So hatte er nur eine Entschuldige gemurmelt und war wieder gegangen. Nach Hause. Zu seinem Vater und seiner Mutter. Hany versuchte mit allen Mitteln diese Begegnung mit dem Pharao zu vergessen. Es zog dem Jungen das Herz zusammen, wenn er an den scheinbar unerfüllbaren Traum des Herrschers dachte. Dabei konnte er doch sehen, wie viel Potential in dem jetzigen Pharao steckte und was dieser alles erreichen könnte. Es war dieses Wissen, dass schmerzte.
 

Auch wenn Hany versuchte den Pharao zu vergessen, so ließ dieser es nicht zu. Von dem Tag an, als sie sich zum ersten Mal begegnet waren, begann Atemu damit regelrecht um ihn zu werben. Zuerst verlangte er immer wieder nach Hanys Anwesenheit, wenn sein Vater eine Audienz bei ihm hatte. Er bestand darauf, dass der Sohn seines Beraters derjenige war, der ihm alle wichtigen Dokumente und Resultate aus Forschungsarbeiten übermittelte.
 

Hany gehorchte zwar, doch er war nicht glücklich damit. Es schmerzte jedes Mal, dem Pharao nahe zu sein. Er sah, was für ein Herrscher er war und was für ein Herrscher er werden könnte. Doch diese Enttäuschung war nicht das Schlimmste. Das Grausame an dieser Situation war, dass er Atemu liebte. Ganz egal, wie sehr er seine Erwartungen enttäuscht hatte, Hanys Herz gehörte jetzt und für immer nur dem Pharao und mit jedem Treffen wuchs die Sehnsucht nach ihm und die Verzweiflung darüber, dass nie etwas aus ihnen werden würde. Der Beratersohn wusste damals ja noch nicht einmal, dass seine Gefühle erwidert wurden.
 

Irgendwann begann er Ausreden zu erfinden, um nicht mehr den Botenjungen spielen zu müssen und um Atemu nicht mehr wieder zu sehen. Dieser Versuch scheiterte nur eine Woche später, denn da Hany immer eine Krankheit oder Unwohlsein vorgetäuscht hatte, um den Pharao nicht zu sehen, schickte dieser ihm seinen persönlichen Leibarzt, um seine Genesung zu beschleunigen.
 

Bald darauf kamen die ersten Geschenke. Schmuck, kostbare Gewänder, wertvolle Kräuter und Öle. All das schickte Hany mit den Boten zurück. Er fand es zwar auf einer Seite schön umworben zu werden, auf der anderen Seite schmerzten diese Geschenke sein Herz nur noch mehr. Glaubte denn der Pharao ihn einfach so kaufen zu können? Seine Gefühle? Seine Zeit? Waren ihm all die normalen Annäherungsversuche zwischen zwei Menschen so fremd, dass er dachte je mehr er bot, desto mehr bekam er auch? Hany hatte ihm doch schon sein Herz geschenkt, ohne das Atemu es überhaupt bemerkt hatte.
 

Es war ein Brief des Pharao, der den jungen Ägypter dazu brachte, den Gottkönig persönlich aufzusuchen. Es war ein Absatz des Briefes, der ihn tief ins Herz traf.
 

~Ich bin bereit alles zu geben, was du dir wünschst. Eine höhere Stellung für deinen Vater, ein höheres Gehalt für ihn, alles Gold und alle Juwelen, die Ägypten zu bieten hat. Sag mir nur dein innigstes Begehren. Deine tiefsten Wünsche. Sag mir, was ich geben muss, um nur noch ein weiteres Mal in deine schönen Augen zu sehen.~
 

Sicher, der Rest des Briefes war fordernd. Er verlangte praktisch, dass Hany bei der nächsten Besprechung mit seinem Vater anwesend war, doch genau deswegen war diese letzte Passage des Schreibens so bedeutsam und rührte am Herz des jungen Ägypters. Der Pharao selbst bat ihn um etwas! Er flehte schon fast darum. Atemu schien zu begreifen, dass er nicht alles kaufen und erzwingen konnte mit seiner Macht.
 

An das Treffen mit dem jungen Herrscher erinnerte sich Hany auch noch ganz genau. Mehr noch als an all die anderen die danach folgten. Nach der offiziellen Beratung schickte Atemu alle anderen Anwesenden fort. Er ließ nur zwei Soldaten bleiben, die sich vor den riesigen Pforten des großen Saals positionierten, bleiben.
 

Hany saß auf einem bequemen Sitzkissen. Er wagte es nicht aufzublicken. Geduldig wartete er darauf, dass der Pharao das erste Wort zu ihm sprach, doch minutenlang blieb es still. Ein Schatten, der sich über den sitzenden Jungen warf, ließ ihn aufschrecken, doch er hob auch da seinen Blick nicht. Es war ihm nicht gestattet den Herrscher anzusehen, bevor dieser ihm die Erlaubnis dazu erteilte.
 

Hany spürte, wie eine Hand ihm sanft und zärtlich durchs Haar strich. Er hörte, wie der Pharao langsam und genüsslich Luft holte, so als würde er den Duft einer exquisiten Blume einatmen. Diese beiden Gesten ließen den Jungen rot werden. Er hörte sein eigenes Herz in den Ohren schlagen und fragte sich, womit er diese Folter verdient hatte, denn auch er wollte nichts anderes, als so frei sein zu dürfen, den anderen auch zu berühren.

„Nun, wie ich sehe bist du meiner Forderung endlich einmal nachgekommen. Wie kommt es, dass du es dir erlaubst meine Geschenke zurückzuweisen? Weißt du denn nicht, wie unklug es ist, meine Gunst auszuschlagen?“
 

Die Neugier und das spürbare Lächeln in der Stimme, nahmen den Worten die eigentliche Härte. Hany schluckte. Er wusste nicht, was er sagen sollte. Ob er überhaupt sprechen durfte, doch er nahm all seinen Mut zusammen und antwortete.

„Ich habe nicht eure Gunst abgelehnt, mein Pharao, sonder lediglich eure Geschenke. Es bedarf nicht viel, um meine zu erlangen. Ihr hattet mein Herz und meinen ewigen Respekt, schon seit dem Tag, als ich zum ersten Mal in eure Augen geblickt habe.“
 

Er wollte mit diesen Worten ausdrücken, dass er ein treuer und ergebener Diener des Herrschers war. Das er Atemu auf keinen Fall erzürnen wollte, sondern dass seine Ergebenheit und sein Respekt nicht erkauft werden mussten.
 

Hany hatte ganz ehrlich geantwortet, trotz seiner Angst, was er mit so viel Ehrlichkeit anrichten könnte. Doch er hatte sich um sonst Sorgen gemacht. Atemu schien sehr erfreut über seine Antwort zu sein. Ja, sogar glücklich. Diese Ehrlichkeit führte zu einem Gespräch, in dem Hany ihm sagte, warum er bisher jedes weitere Treffen vermieden hatte. Das er Atemu nicht leiden sehen konnte und genau wusste, dass dieser es tat, da er bisher nicht der Mann sein konnte, der er sein wollte. Atemus Schmerz war auch seiner. Hany erklärte ihm das er dem Pharao gerne dabei helfen wollte, seine Ziele zu erreichen. Er wollte, dass das all die Träume, Wünsche und Ideen des jungen Herrschers realisiert werden konnten. Der Beratersohn verheimlichte ihm aber auch nicht, dass er noch viel zu lernen hatte.
 

Es erschien den Jungen, mit den riesigen violetten Augen bis heute wie ein Wunder, dass der Pharao ihm zugehört hatte. Dass er seine Ratschläge angenommen hatte, sich hatte zeigen lassen, wie schwer das Leben für das einfache Volk war und ihn nicht für seine unverschämte Offenheit bestraft hatte.
 

Die Sterne über Hanys Kopf funkelten noch heller, als er daran dachte, wie aus ihrer anfänglichen Freundschaft zuerst keusche, schüchterne Liebe und dann dieses Beisammensein entwickelte. Ihren ersten Kuss zum Beispiel teilten sie in diesem Garten unter ihm. Es war ein herrlicher Tag und Hany wusste noch, wie er Atemu in den Ohren gelegen hatte, sich einmal die Zeit zu nehmen, die wundervollen Blumen zu genießen. Er hatte ihm so oft von diesem Garten und seiner Pracht vorgeschwärmt. Der junge Ägypter wusste nicht einmal, ob der Pharao diese Herrlichkeit jemals zuvor bemerkt hatte.
 

Er hatte sich Stunden genommen, um ihn jede einzelne Blume des Gartens zu zeigen. Ihm zu erklären woher sie kommt und wie man sie an besten Pflegt, damit sie immer blüht und den Menschen, die sie sehn Freude schenkt. Atemu hatte ihm die ganze Zeit zugehört und gelächelt. Er schien nie müde zu werden, seinem aufgedrehten Geschnatter zu lauschen. Dann, als die Sonne gerade unterging passierte es. Unter einem Mandelbaum küsste der Herrscher des Nils ihn zum ersten Mal. Noch immer liefen dem Jungen Schauer den Rücken hinab, wenn er an diesen Moment zurück dachte.
 

Genau zwei Tage später erlaubte der Pharao ihm, sich um das fast schon vergessene Gewächshaus zu kümmern. Es schien so, als hätte er zum ersten Mal begriffen, wie es war, jemanden, den man liebte eine klein, aber dennoch unbeschreiblich schöne Freude zu machen. Atemu freute sich schon fast mehr darüber Hany das Gewächshaus zur Verfügung zu stellen, als dieser sich über die Erlaubnis der Benutzung freute. Endlich hatte er seinem Liebsten etwas geben können, was ihn glücklich machte und er hatte dafür nichts bezahlen müssen.
 

Je näher sie sich jedoch kamen, desto schwerer wurde der Abschied für beide. Hany kicherte leise, als er an die Forderung des Pharao dachte, dass er und seine Familie von nun an Quartiere im Palast beziehen sollten. Es waren prachtvoll eingerichtete Räume, doch sein Vater war es diesmal, der Einwand, gegen diese Forderung erhob. Er hatte ja bereits ein Haus und Viehzucht und einen Acker. All das musste doch bewirtschaftet werden. Atemu verstand diesen Einwand und änderte seinen Befehl um. Nur Hany sollte ein dauerhaftes Quartier im Palast beziehen. Er sollte der Bote zwischen dem Berater und dem Pharao sein und als dessen Botenjunge hatte er natürlich immer in der Nähe des Herrschers zu bleiben.
 

Auch wenn dieser Befehl etwas zu forsch und zu fordernd war, so konnte Hany den Wunsch des Pharaos doch verstehen. Er wollte sich einfach nicht von dem Menschen trennen, den er am meisten liebte und Hany ging es genau so. Er fühlte sich wohl in Atemus Nähe. Der allerliebste Ort auf der Welt war für den Jungen in den Armen seines Geliebten. Er war so glücklich. Atemu behandelte ihn wie einen Gleichgestellten. Wie einen Partner und das machte ihre Beziehung noch spezieller. Einfach nur einzigartig. Er durfte sich Freiheiten erlauben, die sich nicht einmal der Cousin des Pharaos – Seth – herausnahm. Alles in allem war Hanys Leben perfekt und doch…
 

Und doch fühlte sich Hany dieser besonderen Liebe nicht würdig. Er war kein besonders guter Mensch, glaubte er. Es war dieses eine Gefühl in ihm. Dieses Gefühl, was er nicht hätte haben dürfen. Hany war eifersüchtig. Schrecklich eifersüchtig.
 

Es war der für ihn gesichtslose Harem des Pharaos, der dieses Gefühl immer wieder in ihm aufwallen ließ. Atemu gehörte in seinen Augen nur zu ihm. Er war es, der es ihm ermöglicht hatte, zu dem Herrscher zu werden, der er nun im Begriff war zu sein… wenn Hany allein an all die positiven Gesetze und Erlasse dachte, die demnächst in Kraft traten… Der junge Ägypter wusste genau, dass er kein Recht hatte so zu fühlen, aber in seinen Augen war es falsch, dass sein Liebster noch so viele Gespielinnen hatte. Er war ihm ja auch treu und er wollte sich nicht einmal vorstellen, was der mächtige Pharao tun würde, wenn er sich auch das Recht herausnehmen würde, mit jemand anderem zusammen zu sein.
 

Sicher ihn – den einfachen Sohn eines niederen Beamten – mit dem Pharao zu vergleichen, wäre so, als würde er einen Muli mit einem Hengst gleichsetzen, doch genau dass war ja der Grund dafür, dass er diese Gedanken niemals äußerte.
 

Hany wusste auch, dass Atemu diesen Harem seit Längeren nicht mehr betreten hatte, doch es war nur eine Frage der Zeit, bis dies wieder passieren würde, denn schließlich erwartete man Nachkommen vom Pharao und ihm war es nun mal nicht gegeben, ihm dieses Geschenk zu machen.
 

Hany seufzte bitter auf. Er fühlte sich so unwürdig. Er hatte all diese Liebe und all die Gnade der Götter nicht verdient. Er hatte doch alles, was er sich vom Leben erhoffen konnte und noch mehr. Da war es doch absolut undankbar von ihm, wegen einer unbedeutenden Kleinigkeit unzufrieden zu sein.
 

Der Junge hörte leise Schritte hinter sich. Starke Arme schlangen sich um seine Taille und drückten in an eine warme Brust. Der Körper seines Geliebten gab ihn die Wärme, die ihm das Leinenlaken nicht mehr geben konnte. Hany entspannte sich vollkommen, als er sanfte Lippen auf seinem Nacken spürte. Er vergaß alle seine vorherigen Gedanken und gab sich vollkommen dieser Liebkosung hin.
 

„Komm zurück ins Bett mein Herz. Es ist kalt und es ist dunkel. Der Morgen kommt sowieso schon früh genug. Lass uns die Nacht genießen, so lange die Sterne noch am Himmel sind“, murmelte Atemu an seiner Haut. Hany lächelte zufrieden und ließ sich nur all zu gerne in die warmen Gemächer zurückziehen. Seine trüben Gedanken hatten auch noch im hellen Licht des Tages Platz und vielleicht würden sie bei anderem Licht auch gar nicht mehr so trübe sein.
 

Es tut mir echt Leid, dass es so lange gedauert hat, ich musste nur ein Kapitel für eine meiner FFs fertig kriegen. Das 10. Kapitel wir auf jeden Fall bis spätestens zum 30.06.2010 on sen.

abgemeldet
 

tbc...

Ägyptische Sonne und Träume, die der Realität nicht standhalten können

#"blablabla"# ist mal wieder Ägyptisch
 

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Kapitel 10: Ägyptische Sonne und Träume, die der Realität nicht standhalten können
 

Endlich! Endlich bin ich wieder in Ägypten. Die letzte Woche war schon fast eine Qual und das obwohl mir eine riesige Poollandschaft und eine Sauna in dem Wellness – Bereich des Fünf – Sterne – Hotels in Griechenland zur Verfügung stand. Ich konnte es vor Erwartung und Vorfreude einfach kaum noch aushalten. Für manche Dinge im Leben fehlt mir einfach die Geduld. Mein Großvater hatte dieses Hotel extra gebucht, um mich von meiner Ungeduld abzulenken. Er kannte mich ja schon ziemlich gut in dieser Hinsicht. Außerdem hatte Opa wortwörtlich gemeint: „Wir verbringen die nächsten vier Wochen in einem Zelt, mit nichts weiter außer einem wackeligen Klapptisch, einem Feldbett und einer Kiste, um darauf zu sitzen. Wohl gemerkt unter der heißen Sonne der östlichen Wüste. Da ist ein bisschen Luxus vorher erlaubt.“
 

Diesen Luxus hatten wir uns wirklich verdient. Gleich an dem Tag nach meinem Vortrag – dem Wochenende vor dem richtigen Beginn der Ferien – flogen mein Großvater und ich nach Griechenland. Der Flug war mörderisch. Trotz Direktflug waren wir über achtzehn Stunden unterwegs.
 

Dies war der Pflichtbesuch bei meinen Eltern, bevor der Teil der Ferien beginnen würde, auf den ich mich wirklich freute. Es hatte mir schon fast körperlich wehgetan Japan zu verlassen, denn so konnte ich Yami ganze sechs Wochen lang nicht sehen. Auch wenn die Chance gering war, hätten wir uns doch zumindest mal auf der Straße begegnen können, doch ich war noch nicht einmal im gleichen Land wie er.
 

Für mich kam es einem Weltuntergang gleich. Doch dann auch noch eine Woche warten zu müssen, bis ich nach Ägypten durfte? Mich so auf die Folter spannen war unfair! Ich konnte es kaum erwarten die Ausgrabungsfortschritte an dem Palast zu sehen. Den Palast an sich überhaupt wiederzusehen. Ich wollte den Ort wiedersehen, an dem ich vor tausenden von Jahren so glücklich gewesen bin.
 

Dies war allerdings nicht der einzige Grund, aus dem ich mich so sehr auf dieses Land freute. Ich hatte es meinem Großvater nie erzählt, aber immer wenn ich in Ägypten war – egal ob im Hotel oder an einer Ausgrabungsstätte – waren meine Träume um so vieles klarer. Ich sah Einzelheiten in diesen Erinnerungsbruchstücken, die mir in Japan nie aufgefallen waren. Zum Beispiel konnte ich den Duft der Blumen im Palastgarten wahrnehmen oder ich erinnerte mich an das Gefühl, wenn die erste warme Brise des neuen Morgens mich geweckt hatte. Die Bilder waren nicht mehr trübe und matt, sondern in den sattesten Farben. Keine vergilbten Erinnerungen, sondern so als wären die Ereignisse gerade wirklich passiert.
 

Manchmal kamen auch neue Erinnerungen hinzu. Ich hatte zwar fast mein damaliges Leben fast vollständig zusammen, doch es waren einige Lücken vor meinem Tod, die ich einfach nicht aus eigener Kraft füllen konnte. Da war etwas – seltsamerweise etwas von dem ich glaube, dass es nach meinem Ableben passiert war – an das ich mich unbedingt zurückerinnern musste. Es war etwas sehr wichtiges, denn mein gesamtes Innerstes schien danach zu schreien es zu erfahren. Es machte mich fast wahnsinnig, dass ich nicht darauf kam, was es war. Eine Art Blockade schien mein Bewusstsein von diesem Teil meines Lebens – oder auch Todes – zu trennen. Ich hatte sehr gehofft, der Aufenthalt in Ägypten würde mir auf die Sprünge helfen.
 

Diese eine Woche in Griechenland. Sie zögerte einfach alles hinaus. Sie störte mich. Sicher, ich freute mich darauf meine Eltern endlich wiederzusehen. Schließlich hatte ich sie jetzt fast ein halbes Jahr lang nicht mehr gesehen. Sogar länger. Waren es jetzt nicht fast genau acht Monate?
 

Die Sache mit meinen Eltern hat nur einen Haken: Egal wie sehr ich sie liebe und vermisse, die Treffen mit ihnen sind immer sehr frustrierend. Auf der einen Seite wollen sie nicht, dass ich ihnen bei ihren Ausgrabungen und Recherchen irgendwie in die Quere komme, auf der anderen Seite scheinen sie richtig beleidigt darüber zu sein, dass mein Interesse an der griechischen Antike und der sonstigen Historie – allgemein an ihrer Arbeit –verschwinden gering ist. Fast schon gar nicht vorhanden. Nicht einmal die Mythologie macht es spannend für mich, aber daran sind meine Eltern selbst mit ihrer Einstellung Schuld.
 

Was soll ich denn machen? Es fällt mir schwer Interesse für etwas zu entwickeln – oder auch nur zu heucheln – zu dem ich weder einen persönlichen, noch einen praktischen Bezug habe. So gesehen bin ich wohl eine ziemliche Enttäuschung für meine Eltern. Wir haben überhaupt nichts, außer den familiären Banden, dass uns verbindet. Sicher, ich weiß dass sie mich lieben und ich liebe sie auch, aber manchmal ist es so, als würden wir verschiedene Sprachen sprechen.
 

Trotz der Faszinierenden Geschichte, mit all den Mythen und Legenden, den versunkenen Städten und sagenhaften Königen, sehen sie ihren archäologischen Auftrag nur in den Daten und Fakten. Sie erforschen die Geschichte eines Landes, ohne das zu berücksichtigen, was diese Geschichte geprägt hat. Sie arbeiten ohne auf die Seele und den Charakter des Landes einzugehen. Es ist diese Einstellung, die jeglichen auflodernden Flammen des Interesses im Keim erstickt.
 

Doch jetzt – jetzt bin ich in Ägypten. Wir haben einen Tag in einem Hotel in Kairo verbracht. Alleine die Luft hier ist so anders als in Japan oder Griechenland. Ich habe das Gefühl die Geschichte hier einatmen zu können. Gut, nicht unbedingt in diesem Touristenparadies aus Glas und Beton, aber gestern Abend auf der Fahrt durch die Stadt ins Hotel.
 

Der Jeep, der Großvater und mich abholen soll, steht schon vor unserer noblen Unterkunft. Ich schnappe mir meinen Rucksack und laufe so schnell wie ich nur kann die Treppen hinab und vor das Hotel. Meine Güte, wie ich mich freue Odion wiederzusehen. Er erinnert mich immer an einen gutmütigen Riesen aus den europäischen Märchen. Odion ist bestimmt doppelt so alt wie ich – vielleicht sogar noch älter – aber er lässt sich trotzdem noch auf die unmöglichsten Scherze und Streiche ein. Er sieht etwas grummelig – manche sagen auch angsteinflößend – aus, aber in Wahrheit hat er ein Herz aus Gold und einen einmaligen Humor.
 

Als ich vor ihm zum Stehen komme, grinst er mich sofort an und wuschelt mir durchs Haar. Diese Angewohnheit von ihm mag ich nicht besonders. Ich komme mir dann immer vor, als wäre ich ein flauschiges Haustier, das man unbedingt streicheln muss oder wie ein kleines Kind. Beides kann ich nicht ausstehen.

„Na Kurzer“, begrüßt er mich fröhlich, „auch wieder im Land? Arthur kann es kaum noch erwarten, seinen Schwiegersohn in spe wiederzusehen. Deine Verlobte ist aber nicht da. Sie verbringt diesen Sommer bei ihrer Mutter.“
 

„Ja, ja. Den Ruf als Schwiegersohn in spe und ‚Teddybärretter’ werde ich auch nie wieder los“, grummle ich ihm entgegen. Es ist wahr, die Geschichte, wie ich Rebeccas Teddy vor dem Kamel gerettet habe, hat sich wie ein Lauffeuer verbreitet und hält sich noch bis heute. Auch dass die Enkelin des Ausgrabungsleiters mich als ihren Verlobten ansieht, ist unter den festen Mitgliedern des Ausgrabungsteams verbreitet. Obwohl es nichts ist wofür man sich schämen muss, ist es mir peinlich, dass alle so darauf herumreiten.
 

„Ach komm Yugi, nimm es nicht so persönlich. Wir allen haben nichts dagegen, dass du die kleine Rebecca abkriegst. Wir gönnen dir diese Liebe. Sie redet immer nur von dir“, neckt er mich weiter mit einem breitem Grinsen im Gesicht. Dann dreht er sich zu meinem Großvater, der bereits im Wagen auf dem Beifahrersitz Platz genommen hat und ruft ihm zu: „Hey Sogoroku, glaubst du nicht auch, dass junge Liebe schön sein muss?“

Mein Großvater lacht nur. Er weiß ja, dass aus Rebecca und mir nichts werden wird. Er kennt ja meine Vergangenheit. Er weiß, dass meine Träume einmal Wirklichkeit waren.
 

Während ich hinten in den Jeep klettere, bemerke ich, dass Odion mich mustert und die Stirn runzelt.

„Habe ich irgendwas am Rücken oder an der Hose kleben? Oder warum starrst du so?“, frage ich ihn.

„Es sind deine Haare…“

Er schweigt und das macht mich nervös.

„Was? Was ist mit meinen Haaren? Hängt ein totes Tier darin oder was ist los?“

„Nein“, sagt Odion und ich höre das tiefe Lachen, das er zu unterdrücken versucht. „Ich dachte nur, dass deine Frisur ziemlich beliebt sein muss in Japan, denn wir haben einen Landsmann von dir da, dessen Haare auch versuchen ein explodiertes Sofakissen nachzuahmen. Von ganz alleine, genau wie bei dir.“
 

„Ach echt?“, frage ich interessiert. Das ist etwas komplett Neues. Bisher war noch kein einziger Japaner im Ausgrabungsteam von Arthur beschäftigt…außer mir und Großvater natürlich. Ich bin gespannt wie der Neue so ist.

„Echt. Der Typ ist erst seit einer Woche da, aber er macht sich ganz gut. Ich glaube, du würdest ihn mögen. Er ist fast so besessen von dieser Ausgrabung, wie du, seit dem du erfahren hast, um was es sich bei den Ruinen handelt“, antwortet er mir und steigt ins Auto.
 

Odion macht mich wirklich neugierig. Mal sehen, wie der unbekannte Landsmann so ist. Bevor der aufröhrende Motor mit seinem Krach alles übertönt, höre ich wie mein guter Freund zu mir sagt: „Es ist gut das du wieder da bist Yugi. Ich habe dich und deine Kochkünste echt vermisst. Ich habe diesen Linseneintopf so satt.“

Na klar, so war es schon immer, seit dem das Team herausgefunden hat, dass ich in der Küche ganz gut bin. Ich werde immer zum Kochen verdonnert, so lange ich da bin. Klar kann ich auch bei den Ausgrabungen mithelfen, aber meine Hauptaufgabe wird die Verpflegung von etwa dreißig bis vierzig hungrigen Ausgrabungshelfern sein, deren Appetit mit dem von ausgewachsenen Löwen zu vergleichen ist.
 

**********
 

Kaum habe ich den Fuß aus dem Jeep gemacht, sehe ich schon Arthur auf uns zukommen. Mein Großvater und Odion waren schon schneller und sind ihm auf halben Weg entgegengekommen. Arthur begrüßt meinen Opa mit einem kurzen Handschlag und einer dafür umso längeren Umarmung.
 

Als sie sich trennen, geht Arthur etwas in die Hocke und breitet seine Arme aus. Ich lasse meinen Rucksack fallen und laufe lachend auf ihn zu. Er schließt mich sofort in die Arme und wirbelt mich einmal herum. Das ist unser Ritual. So heißt er mich immer willkommen, seitdem ich ein kleiner Junge war.
 

Er wirbelt mich noch ein Mal herum und ich lache wieder. Ich fühle mich so ausgelassen und frei. Wer hätte gedacht, dass ein Mann in seinem Alter noch über so viel Kraft verfügt? Als er stoppt schwirrt mein Kopf und meine sicht ist etwas verschwommen, aber ich glaube einen dreifarbigen Stachelkopf zu erkennen, der in einiger Entfernung zu uns steht. Das muss der Neue sein, der gleichzeitig ein Landsmann ist.
 

Als ich meine Augen verenge, um die Person im Hintergrund zu erkennen, glaube ich, mich trifft der Schlag. Da steht tatsächlich Yami! Und…und er starrt zurück! Was hat er denn in Ägypten verloren? Sollte er nicht Urlaub machen und sich von seinen Schülern erholen? Yami schaut zurück auf eine Steintafel – oder mehr ein Fragment von einer. Er hält sie in den Händen und schüttelt den Kopf. Ich glaube er hat auch mich hier nicht erwartet.
 

Ein leises Räuspern lenkt meine Aufmerksamkeit wieder auf Arthur. Stimmt. Einen kleinen Teil unseres Begrüßungsrituals habe ich vergessen. Ich glaube zwar, ich bin zu alt dafür, aber er besteht immer darauf. Es macht keinen Sinn mit einem Menschen, der etwa fünf Mal so alt war, wie man selbst, also drücke ich ihm einen schnellen Kuss auf die Wange. Dann ist mein Blick wieder bei Yami, der irgendwie seltsam wirkt. Er macht einen kleinen Schritt vorwärts und schwankt. Erschrocken keuche ich auf und erreiche so, dass mein Großvater und Arthur ihren Blick zu meinem Referendar wenden. Gerade rechtzeitig, denn in der nächsten Sekunde fällt er einfach so um.
 

**********
 

Kreislaufzusammenbruch. So hieß die Diagnose des Arztes, der zum Ausgrabungsteam gehört. So ein kleines Medizinzelt ist immer von Vorteil, schließlich passieren auf solchen Expeditionen manchmal Unfalle und meistens ist die nächste Stadt hunderte von Kilometern entfernt. So wie jetzt.
 

Ich bin verdammt erleichtert, dass es nur sein Kreislauf war und stinksauer, weil Yami nicht auf sich aufgepasst hat. Arthur hat mir erzählt, dass er heute und auch die letzten Tage ungeschützt in der heißen Sonne gearbeitet hat. Dieser…dieser Volltrottel hat nicht einmal ein Kappy aufgesetzt und sogar vergessen Wasser zu sich zu nehmen. Wie konnte er nur so unvorsichtig sein? Das hier ist schließlich eine Ausgrabung in der Wüste, da muss man auf die Signale seines Körpers hören, sonst bringt man sich in Lebensgefahr. Das ist doch das erste, was man lernt, wenn man ein Neuling ist.
 

Außer meiner Wut, die hundertprozentig von der Sorge herrührt, und der Erleichterung, weil es nichts Ernstes ist, spüre ich auch noch etwas anderes…etwas, was mir absolut peinlich ist. Es ist mir nicht so wirklich aufgefallen, als ich Yami entdeckt hatte, weil ich mir nicht sicher war, ob er es tatsächlich war und als er dann umgekippt ist und Odion und ich ihn ins Medizinzelt geschleppt haben, war ich zu aufgewühlt um darauf zu achten…aber jetzt sitze ich hier ganz alleine und passe auf ihn auf und es springt mir förmlich ins Auge, dass er kein Hemd oder Shirt an hat!
 

Gott, warum nur immer ich und warum in so ungünstigen Situationen? Das letzte Mal war es in dieser wichtigen Konferenz, wegen meiner Noten und jetzt das hier. Damals war es schon nicht so leicht gewesen, mich auf das zu konzentrieren was wichtig war und da habe ich nur den Ansatz seines Brustkorbes gesehen. Jetzt…jetzt liegt er vor mir und ich kann seinen komplett unverhüllten Oberkörper sehen. Mein Mund wird trocken und ich schlucke mehrfach hintereinander.
 

Die Woche, die Yami bereits hier in Ägypten verbracht hat, hat bereits ihre Spuren hinterlassen. Nicht im negativen Sinn. Ganz und gar nicht. Die Haare sind etwas ausgebleicht, aber nicht stark. Yamis Haut ist gebräunt. Nicht zu stark, aber doch sehr deutlich zu unterscheiden, von seinem vorherigen Teint. Es steht ihm, aber ich kann mich nicht entscheiden, ob ich die etwas heller Hautfarbe oder diese sanfte, ebenmäßige Bräune an ihm mehr mag. Ich lasse meinen Blick über die Haut seines Oberkörpers wandern. Sie sieht so zart aus. Ich frage mich wie sie sich anfühlen würde
 

Oh mein Gott…er hat Bauchmuskeln! Und was für welche! Richtig definiert und sie sehen fest aus. Es passt so gut zu seiner drahtigen Figur. Gerade jetzt sieht er dem Mann, der er in seinem früheren Leben war so ähnlich. Ich würde mich so gerne zu ihm herunterbeugen und ihn küssen. Das kann ich aber nicht tun. Yami ist schließlich ohnmächtig…das wäre doch sexuelle Belästigung! Oder? Vielleicht, wenn ich ihn nur ein bisschen berühre? Nur um zu fühlen, ob seine Haut wirklich so weich ist, wie sie aussieht und seine Bauchmuskeln wirklich so fest? Nur ein Mal ganz kurz?
 

Ich schlucke wieder. Warum verdammt noch mal ist mein Mund so trocken? Und warum verdammt lässt man mich – einen Teenager mit hyperaktiven Hormonen – mit meiner großen Liebe allein. Verdammt, warum ist Großvater nur so schnell verschwunden? Er hätte doch wissen müssen, was diese Nähe zu Yami bei mir anrichtet! Er war doch auch mal jung und verliebt!
 

Noch bevor ich wirklich merke, was ich da tue, strecke ich meine Hand aus und berühre sein Schlüsselbein. Meine Augen habe ich fest zusammengekniffen. Irgendwie bin ich davon ausgegangen, dass etwas Schlimmes passiert, sobald ich ihn berühre. Wie zum Beispiel das er genau in dem Moment aufwacht. Doch Yamis Atmung ist immer noch gleichmäßig und seine Augen geschlossen. Gut für mich.
 

Seine Haut ist noch viel weicher und so warm. Einfach nur unwiderstehlich! Meine Fingerspitzen fahren von einem Schlüsselbein zum anderen. Das Gefühl seiner Haut unter meinen Fingern ist so vertraut. Es ist wie ein Deja vue. Natürlich ist es das. Dich gleichzeitig ist es so neu. Es ist anders, als in meinen Träumen, aber deswegen nicht schlechter. Nein, ganz und gar nicht.
 

Ich bin unfähig meiner Hand Einhalt zu gebieten und so wandern meine Fingerspitzen weiter. Zurück zum Brustbein. Ich beobachte, wie sich die Brust beim Einatmen hebt und beim Ausatmen senkt. Meine Finger fahren das Brustbein entlang. Jetzt, da ich weiß, wie zart Yamis Haut sich anfühlt, kann ich ja auch gleich feststellen, ob die Muskeln auch so fest sind wie sie scheinen…wenn ich schon mal die Möglichkeit habe.
 

Meine Finger gleiten weiter nach unten. Über den gut definierten Abdomen zum Bauchnabel. Alleine an der geraden Linie, die ich entlangfahre, kann ich die harten Muskeln spüren. Ich gebe einem inneren Drang nach und fahre eine der Muskelpartien dieses Six Packs nach, bevor ich wieder meinen Weg zum Bachnabel aufnehme.
 

Gerade als meine Fingerspitzen ihr Ziel erreicht haben, zieht Yami seinen Bauch ein. Ich wimmere kurz auf und ziehe meine Hand zurück, als hätte ich mich verbrannt. Panisch drehe ich meinen Kopf, um sein Gesicht zu sehen. Yamis Augen sind noch geschlossen. Er murmelt etwas vor sich hin, das sich wie ‚Himbeeren’ anhört, aber sicher bin ich mir da nicht. Seine roten Augen öffnen sich und er sieht mich an. Der Glanz dieser strahlenden, rubinroten Seelenspiegel ist dahin. Sie wirken matt und müde, aber da ist ein Funkeln. Ein sehr kleines. Ich weiß nicht, was es zu bedeuten hat.
 

Für eine Weile starren wir uns nur an. In meinem Hinterkopf ist eine Stimme, die etwas zu mir sagt, aber ich bin viel zu abgelenkt von diesen Augen, die mich nun, da ihr Besitzer wieder vollkommen wach ist, so intensiv ansehen, wie noch nie zuvor.

„Du bist…bist doch keine Halluzination?“, fragt Yami verwundert. Zu meiner absoluten Überraschung, streckt er seine Hand aus und kneift mich in den Arm.
 

„AU!“

Was war das? Die Strafe dafür, dass ich ihn betatscht habe, während er ohnmächtig war? Verdient habe ich es zwar, aber trotzdem schaue ich ihn beleidigt an und – ich kann es selbst nicht fassen – ziehe einen Schmollmund. Ich fühle mich noch mehr beleidigt, als Yami flüstert: „Du bist tatsächlich echt. Ich fass es nicht.“
 

„Na klar bin ich echt! Was sollte denn das? Es tut doch weh!“

Und genau dieser letzte Satz, zeigt mir genau, wie blöd ich bin. Es tut weh und ich bin froh darüber, dass wir im Krankenzelt sind und da erst fällt mir ein, warum wir überhaupt hier sind! Die Stimme in meinem Hinterkopf ist plötzlich ohrenbetäubend laut und schreit mich an, ich soll die anderen und den Arzt holen, weil Yami ja wieder bei Bewusstsein ist.
 

„Ähm…tut mir Leid. Ich hole den Doktor und Arthur. Sie hatten einen Kreislaufzusammenbruch Herr Athem. Sie sollten wirklich mehr auf sich Acht geben“, murmle ich und eile zum Zeltausgang. Odion steht zum Glück wenige Meter entfernt und erklärt gerade einem der Helfer, welchen Abschnitt, des abgesteckten Areals er sich vornehmen kann. Er sieht mich zum Glück sofort und scheint auch gleich zu wissen, warum ich aus dem Zelt gekommen bin. Odion deutet mir an ich soll zurückgehen und nach dem Patienten sehen. Ich kann mich darauf verlassen, dass er den Arzt holt.
 

Gerade, als ich mich umdrehe um wieder nach Yami zusehen, stelle ich mit Entsetzen fest, dass er aufgestanden ist und versucht einige Schritte zu gehen. Er schwankt ganz schön und ich beeile mich wieder zu ihm zu kommen, um ihn zu stützen. Ich bin gerade rechtzeitig da, denn eine Sekunde später und er wäre wieder zusammengesackt.
 

Behutsam aber doch bestimmt, dränge ich ihn zurück auf die Liege und lasse ihn setzen. Yami schaut mich an und ich kann so etwas wie Wut in seinen Augen funkeln sehen. Vielleicht nicht ganz so stark, aber eine Emotion, die in die Richtung geht. Unzufriedenheit vielleicht.

„Lass mich los Yugi. Ich muss wieder zu meinem Areal. Die Steintafel, die ich gefunden habe…“
 

„Du gehst nirgendwo hin Yami!“, meine ich fest. Mir fällt erst auf, dass ich ihn mit seinem Vornamen angesprochen habe, als der Satz bereits meine Lippen verlassen hat. Ich ignoriere es einfach. Für Formalitäten und Höfflichkeit haben wir auch später noch Zeit.

„Du wirst hier sitzen bleiben und warten bis der Arzt da ist. Erst wenn der dir etwas gegen die Mangelerscheinungen wegen deiner Dehydration gegeben hat und sagt, dass du gehen kannst, wirst du wieder rausgehen. Du hast deine Gesundheit da draußen gefährdet. Glaub mal nicht, dass Arthur darüber so einfach hinwegsieht“, sage ich bestimmt. Yami soll mal kapieren, wie unvorsichtig er war!
 

Ich setze mich auf den Klappstuhl, auf dem ich schon vorher gesessen habe.

#“Jetzt werde ich auch noch von einem Kind bemuttert. Ist das zu fassen?“#

Diese zwei Sätze auf ägyptisch lassen mich aufhorchen. Es macht mich furchtbar wütend, dass Yami noch nicht einmal zu begreifen scheint, dass ich ihn nur zu seinem Besten zurückhalte. Sich dann darüber zu beschweren – und auch noch in einer anderen Sprache – kommt mir einfach so undankbar vor. Es ist einfach nur eine Beleidigung. Vergessen ist meine vorherige Schwärmerei und meine Begeisterung darüber ihn wiederzusehen.
 

#“Würdest du nicht so sorglos mit deiner Gesundheit umgehen, wie ein kleines Kind, müsste ich dich auch nicht bemuttern!“#, rufe ich beleidigt aus und springe von meinem Stuhl auf. Ich habe ihm extra auf ägyptisch geantwortet, damit er auch weiß, dass ich ihn verstehen kann. Yami soll sich mal nichts darauf einbilden eine Fremdsprache zu beherrschen. Ich spreche vier!
 

Wütend stapfe ich aus dem Zelt und würdige diesen undankbaren Kerl mit keinem einzigen Blick. Das hat man nun davon, wenn man sich Sorgen macht.
 

**********
 

Mir dreht sich der Magen um. Nicht wegen dem Essen. Dafür bin ich ja selbst verantwortlich und ich kann von mir behaupten, dass ich ziemlich gut kochen kann. Es ist mein Traum von dieser Nacht. Ich weiß nicht warum. Ich habe nicht viel gesehen, aber das Gefühl, dass mich den ganzen Traum über verfolgt hat war immer noch da. Es ist ein tiefes Brennen in meiner Brust. Mein Körper fühlt sich an als hätte ich einen riesigen Klumpen von Yamis unverdaulichem ‚Essen’ im Bauch.
 

Ach ja, Yami. Ich bin noch immer sauer auf ihn, aber irgendwie ist meine Enttäuschung größer. Ich weiß, dass dieses Gefühl von meinem Traum herrührt. Es ging mir schon öfters so, wenn ich an einige glückliche Momente erinnert wurde, dann herrschte dieses Gefühl des Glücks und der Zufriedenheit auch über die Nacht hinaus in mir vor. Doch das hier ist irgendwie anders. Ich fühle mich mies und klein und seltsam unbeutend. Ich habe das Gefühl, jeden Moment in Trennen auszubrechen und ich weiß, dass Yami – oder der Pharao, der er in seinem frühren Leben war – die Ursache für diesen Schmerz ist. Ich wünschte nur, ich wüsste was dieser Traum bedeutete.
 

In meiner Erinnerung stand ich im Schatten mehrerer Säulen. Ich konnte genau erkennen, wie Atemu seine Gemächer verlies. Diese Räume und die Halle davor kannte ich nur zu gut, um sie nicht wieder zu erkennen. Schon bevor ich ihn sah, spürte ich diese herbe Enttäuschung in mir. Ein leiser Schmerz, weil etwas passiert war, von dem ich gehofft hatte, es würde nicht passieren und Wut auf mich selbst, weil ich so selbstsüchtig und so naiv war, an einen Traum zu glauben.
 

Ich wusste nicht, was diese wirren Gefühle und Gedanken zu bedeuten hatten. Vielleicht würde ich sie verstehen, wenn ich die Erinnerung an das vorherige Geschehen zurückerlangen würde.
 

Ich sah meinen Pharao lächeln. Zufrieden und in freudiger Erwartung auf etwas. Dieses Lächeln schnitt mir ins Herz. Leise folgte ich Atemu. Er schritt durch eine prunkvoll verzierte Tür. Die Symbole, die in das Holz geritzt waren, huldigten der Göttin Hathor. #“Hinter dieser Tür verbirgt sich die Liebe“#, lautete die Inschrift. Minutenlang stand mein früheres Ich da und starrte auf diese Tür.
 

Ich…er…doch ich?...wir fühlten uns wertlos. Ungenügend und nutzlos. Unser Herz zerbrach beim Anblick dieser Tür und mir war nicht klar warum. Wir spürten so viele Emotionen in uns. Trauer, Verlust, Verrat. Alles um uns herum wurde trübe und matt. Die Farben. Die Geräusche. Das ganze Leben war grau.
 

Auf den Weg in die Ställe verstand ich…er – ja er – dass etwas passiert war, was auf jeden Fall hätte passieren müssen. Früher oder später. Es war schon ein Wunder, dass es so lange gedauert hatte. Ein bitteres Lächeln, spielte um seine Lippen. Es tat uns beiden zwar weh, aber irgendwo tief in unserem Inneren wussten wir – oder viel mehr hörte ich es durch seine Gedanken – dass es richtig war. Nicht für uns, aber für Atemu.
 

Wir setzten uns aufs Pferd. Mein früheres Ich hatte vorgehabt seine Mutter zu besuchen. Er wusste, sie würde ihn Trösten. Morgen. Morgen würde er wieder stark sein, aber heute wollte er einfach nur ein Kind mit gebrochenem Herzen sein, das von seiner Mutter getröstet wurde. Nur diesen einen Tag.
 

Wir ritten los und die Umgebung um uns…um mich herum veränderte sich. Es war so, als würde man ein Video im Schnellspulverfahren sehen. Die Wüste raste unter und über mir hinweg. Ich sah das Haus, hörte die Rufe meines früheren Ichs nach seiner Mutter. Die Soldaten in der Tür, das Blut auf dem Boden des Hauses, alles raste an mir vorbei. Ich verstand nicht was die bewaffneten Männer zu mir sagten. Sah nur das Blut. Ich spürte den heftigen Schmerz, als eine von der Sonne gewärmte Bronzeklinge meine Brust durchbohrt und dann wurde alles noch schneller und schneller. Alles flog nur so dahin. Mit einer Geschwindigkeit, die mich gerade mal Farbblitze erkennen ließ.
 

Die plötzliche Dunkelheit, die mich umfing war wie eine Explosion. Ich fühlte mich zerfetzt und trotzdem ganz. Mein Körper schwebt. Ich fühle mich vollkommen. All der Schmerz, den ich vorher gefühlt hatte war verschwunden. Alles was blieb war ein Gefühl der Zufriedenheit und des Glücks.
 

Ich war schon sehr weit entfernt von der Welt der Lebenden. Alles um mich herum war weich und fließend, auch wenn es nur Dunkelheit war, die mich umgab. Die Stimme der Frau, die mir und meinem Liebsten eine zweite Chance versprochen hatte drang an mein Ohr.

„Hany, du weißt die Götter haben dich allein für den Pharao erschaffen. Du erwärmst sein Herz und ergänzt ihn. Ihr seid perfekt zusammen. Doch merke dir mein Lieber, manchmal ist ‚perfekt‘ einfach nicht genug. Manchmal lohnt sich nicht jeder Schmerz für die Perfektion.“

Plötzlich war da ein gleißender Blitz und ich wachte auf.
 

Was soll ich denn von diesem Traum halten? Ich grüble schon den ganzen Morgen darüber nach. Das Schlimme sind diese Gefühle, die mein Herz zu erdrücken scheinen und meinen Magen zu einem harten Klumpen verwandeln. Ich verstehe all diese Emotionen nicht einmal und doch beherrschen sie jetzt meinen Körper und mein Denken. Wie kann zum Beispiel etwas richtig sein, das mir das Herz bricht? Na ‚richtig’ ist vielleicht nicht das passende Wort dafür. Für mich – oder für mein früheres Ich – war es nicht richtig. Aus emotionaler Sicht war es absolut falsch. Alles in mir – in ihm – hatte sich dagegen gewehrt und doch hatte mein früheres Ich gewusst, dass dieser Schmerz irgendwo seine Richtigkeit hatte. Macht das überhaupt Sinn? Das etwas richtig und falsch ist zugleich?
 

„Na Yugi? Was gibt es denn zu essen? Du siehst so verträumt aus…nicht dass das Essen noch anbrennt“, zieht mich Arthur auf.

Ich bin im ersten Moment total verwirrt. Ich habe ihn nicht kommen gehört. Auch meinen Großvater nicht. Der steht hinter seinem alten Freund und grinst von einem Ohr zum anderen.

„Och Arthur. Lass den Jungen doch mal. Er hat allen Grund zum Träumen, meinst du nicht?“

Beide sehen sich an und kichern los, wie Schulkinder. Ich runzle die Stirn. So sind die schon seit gestern. Seit dem sie aus dem Medizinzelt herausgekommen sind. Beide grinsen mich ständig an. Ich fühle mich, als würden sie heimlich Witze auf meine Kosten reißen.
 

Das Verhalten der beiden macht mich schon neugierig. Was wohl hinter diesem ständigen Kichern und den bedeutsamen Blicken, in meine Richtung, steckt? Arthur und mein Großvater scheinen sich sehr darüber zu amüsieren. Da stellt sich mir doch nur die Frage: Will ich überhaupt wissen, was hinter ihren merkwürdigen verhalten steckt? Die Antwort darauf ist ganz klar: Nein, will ich ganz bestimmt nicht.
 

Ich beschließe, dass es besser für mein Seelenheil ist, wenn ich im Dunkeln tappe und rühre in dem riesigen Topf mit Kartoffelsuppe herum. Es ist nicht einfach für knapp vierzig Personen zu kochen – vor allem nicht mit den wenigen halbwegs frischen Zutaten, die sich noch im Lager befanden – aber ich hatte ein Wunder vollbracht und einen Eintopf aus den Resten gekocht.
 

Wer auch immer vorher für die Verpflegung zuständig war, hat wohl gedacht, man kann sich monatelang nur von Linsensuppe ernähren. Kein Wunder das Odion so froh war, dass ich jetzt für das Kochen zuständig war. Ich muss daran denken, ihm die Einkaufliste mit allen erforderlichen Lebensmitteln mitzugeben, wenn er in die Stadt fährt. Solche Einkauftouren werden nur ein Mal die Woche gemacht, um das Nötigste zu besorgen, also muss ich darauf achten, an alles zu denken, was ich an Lebensmitteln für die Woche brauche. Es ist ziemlich viel, denn außer den Dosensuppen gibt das Lager nicht viel her.
 

Obwohl ich es schaffe, meine Gedanken mit der Einkaufsliste und dem seltsamen Verhalten von Arthur und meinem Großvater auf Trab zu halten, kehre ich immer wieder zu den Emotionen aus meinem Traum zurück. Die Aussage dieser Erinnerung von letzter Nacht war klar und deutlich: Mir wurde das Herz gebrochen…und es war mein Liebster, mein Pharao, der es mir gebrochen hat.
 

Dieser Schmerz war nur der Bruchteil eines Erinnerungsfragments und doch war dieses Gefühl – auch im wachen Zustand – so stark, dass ich mir wünschte nie die Qualen eines gebrochenen Herzens erleiden zu müssen.
 

**********
 

Es ist brütend heiß. Die Sonne scheint erbarmungslos vom Himmel und ich Trottel laufe über eine Wüstenebne. Sicher, es sind nur knapp zwanzig oder dreißig Meter von dem Nomadenlager bis zu der Palastruine, aber bei der Hitze könnte es auch gleich ein Kilometer sein, so anstrengend ist es. Man könnte meinen ich sei an die Sonne gewöhnt, schließlich fahre ich jeden Sommer nach Ägypten und bin jetzt auch schon einige Tage hier, aber es ist schon ein Unterschied, ob man sich im Zeltlager aufhält, wo man immer mal ein schattiges Plätzchen findet oder ob man über eine kahle Ebene läuft, die sich verdammt schnell aufheizt.
 

Bisher war ich immer mit kochen, katalogisieren und säubern der Fundstücke beschäftigt gewesen. Ich half auch als Laufbursche etwas aus, in dem ich neue Pinsel oder Wasserflaschen zu den Helfern brachte, die am Rande dieser Ruinen, die sich in der Nähe des Zeltlagers befanden, arbeiteten. Ich sorgte auch zusammen mit Odion und dem Arzt des Teams dafür, dass es an nichts in den Lagern fehlte. Das war ich: Mädchen für alles und Laufbursche.
 

Heute war es jedoch anders. Heute konnte ich den bereits ausgegrabenen Teil der Ruinen besichtigen. Es war etwas, was ich schon von Anfang an machen wollte. Arthur hatte mich vor etwa fünfzehn Minuten damit beauftragt, einige der Helfer zusammenzusuchen, damit er mit denen den weiteren Verlauf der Ausgrabung koordinieren konnte. Genau die Gruppe, die noch fehlte befand sich in den Ruinen und machte dort Fotos, um alles zu dokumentieren.
 

Zu den fünf Helfern gehörte auch Yami und ich muss ganz ehrlich gestehen, mir ist nicht ganz wohl dabei, ihm zu begegnen. Unseren Streit von vor einer Woche haben wir zwar bereinigt – Yami hatte sich am nächsten Abend bei mir entschuldigt – aber trotzdem war die Stimmung zwischen uns etwas eisig. Das lag aber an mir. Ich versuchte fast krampfhaft etwas Distanz zu ihm zu halten…und weiß Gott, das war nicht einfach!
 

Zum einem sehnte sich alles in mir danach in seiner Nähe zu sein und die Chance, die ich durch dieses unverhoffte Zusammentreffen hatte zu nutzen, um ihn an unsere Vergangenheit zu erinnern und zum anderen versuchte Yami auch irgendwie, so etwas wie ein kollegiales Verhältnis zu mir aufzubauen. Ich weiß nicht ob es daran lag, dass er ein schlechtes Gewissen hatte, wegen seiner Bemerkung im Krankenzelt oder ob er wirklich ein daran interessiert war, mit mir befreundet zu sein.
 

Yami machte Witze. Er versuchte mich zum Lachen zu bringen, wenn wir uns unterhielten. Er fragte mich nach meiner Meinung, wenn er Probleme mit der Übersetzung an einigen der Steintafelfragmente hatte, die er fand und er aß sogar das Essen, das ich kochte. An einem Abend hatte er sich zwar selbst etwas in der Stadt geholt – er ist mit Odion zum Einkaufen gefahren – und hatte versucht sich eine seiner Kreationen zu zubereitet, doch aus irgendeinem Grund hat er kaum etwas davon gegessen.
 

Es freute mich alles und ich half ihm auch gerne, gab ihm Antworten, wenn er welche brauchte, die ich ihm geben konnte, gab ihm etwas von dem Essen und lachte sogar über die Witze. Doch innerlich blieb ich distanziert und beschränkte meinen Kontakt mit ihm nur auf das Nötigste. Ich traute mich noch nicht einmal Yami in die Augen zu sehen.
 

Warum? Alles nur wegen diesem dummen Traum! Jedes Mal, wenn ich in seine Nähe kam, war dieser Schmerz und die Enttäuschung wieder da. Mein Körper versteifte sich und in meinem Magen bildete sich dieser harte Kloß. Alles in mir schien sich darauf gefasst zu machen von einem weiteren harten Schlag getroffen zu werden. Ich machte mich unbewusst darauf gefasst, dass Yami mir genau so das Herz brechen würde, wie er es in seinem früheren Leben getan hatte. Ich konnte nicht einmal in dieses vertraute und schöne Gesicht sehen, ohne dass mir die Tränen in die Augen stiegen. Deswegen wollte ich ihm auch nie in die Augen sehen.
 

Ich weiß, es ist dumm solche Ängste nur wegen einem Traum zu haben, aber ich fühle nun mal so. Dabei weiß ich noch nicht einmal warum ich damals so verletzt gewesen bin. Alles, was ich gesehen habe, war diese riesige Tür mit der Inschrift und genau dieser Anblick hatte mein Herz zerbrechen lassen. Bisher haben mir all meine Träume wahre Begebenheiten aus meinem früheren Leben gezeigt, doch noch nie war es so ungenau gewesen. Ich spürte, dass mir die Erinnerung daran fehlte, was vorher geschehen war. Das war nur das Ende einer Begebenheit aus meinem Leben. Die Erinnerung war unvollständig und nur mit dem richtigen Kontext – den ich nicht hatte – konnte ich sie verstehen.
 

Vier der fünf Männer die ich suche, sehe ich sofort, als ich die Überreste des Torbogens passiere. Ich muss lächeln. Dies ist der Wohntrakt des Pharao gewesen. Die riesige – und früher einmal prachtvoll geschmückte Halle – war der Empfangsraum. Ähnlich einem Foyer in heutigen Geschäftsräumen. Von hier aus gehen zwei lange Gänge ab, einer führt zum Thronsaal, zu dem Saal, in dem die Berater ihre Konferenzen abgehalten haben du zu einem riesigen Saal, in dem die Feste und feierlichen Empfänge abgehalten wurden. Alle drei Räume befinden sich auf dieser einen Ebene. Der andere Gang führt in das obere Stockwerk, in dem sich die Gemächer des Pharao befinden. Sein Schlafgemach, die zwei Arbeitszimmer – eines, dass für ihn, seinen Cousin und alle Berater zugänglich war und eines, zu dem nur er und Seth Zugang hatten.
 

Die vier Männer – Rishid, Michael, Robert und Ali – sind langjährige Mitglieder des Teams. Sie machen gerade Fotos von den Verzierungen des Raumes. Michael versucht etwas von einer Steintafel ab zu pauschen, um es später übersetzen zu lassen.
 

„Hey ihr vier“, begrüße ich sie mit einem breiten Grinsen.

„Hi Yugi. Was führt dich hierher?“, fragt mich Rishid. Michael schafft es gerade mal mir zu zunicken und Robert und Ali winken mir kurz zu. Sie sind eigentlich alle mit ihren Arbeiten beschäftigt. Es wundert mich zwar, dass ich Yami nirgends entdecken kann, aber ich richte erst einmal Arthurs Nachricht aus, bevor ich mich nach ihm erkundige.
 

„Der Chef möchte, dass ihr wieder zum Lager zurückkehrt. Er will die nächsten Tage planen. Ein Paar von euch haben Anspruch auf Urlaub und wollten nach Hause fliegen. Er muss die Teams neu zusammenstellen und er will auch noch die Begehung für alle Ausgrabungshelfer klar machen. Arthur hat Angst, dass hier vielleicht etwas zu Schaden kommen könnte, wenn knapp vierzig Mann auf einmal hier durchmarschieren.“
 

„Ah okay, wir waren sowieso fast fertig. Nicht war Michael?“, fragt Robert in die Richtung des Blonden, der gerade den rechten, unteren Rand der Steintafel mit einem Kohlestift auf ein Blatt Papier zu bringen versucht. Der nickt nur hastig und murmelt: „Noch zwei Minuten, dann können wir.“
 

Gerade als ich nachfragen wollte, wo Yami steckt, fragt Ali mich: „Sag mal Yugi, würde es dir was ausmachen unseren Trainee zu holen. Der ist den Gang da lang, weil er sich etwas umschauen wollte. Er ist ja zum ersten Mal hier in den Ruinen. Ich sage auch Arthur Bescheid, dass ihr nachkommt, wenn es was länger dauert ihn zu finden.“

Er lacht auf und Rishid und Robert stimmen in das Lachen mit ein. Michael ist zu beschäftigt mit der Steintafel.
 

„Ja, vielleicht hat er sich ja hier verlaufen oder so“, meint Robert scherzhaft. „Aber pass auf, dass du nicht auch noch verloren gehst, auf der Suche nach Yami. Nicht dass wir einen Suchtrupp nach euch losschicken müssen.“
 

Ich ignoriere die drei und gehe den Gang entlang, auf den Ali gezeigt hat. Die drei hatten schon immer einen seltsamen Humor gehabt, den ich nicht ganz teilen konnte. Es der Flur, der zu den Gemächern des Pharaos führ. Ab einem bestimmten Punkt, sind Stufen in die Wand geschlagen worden, die in einer sanften Steigung nach oben führen. In diesem schattigen Gang fingen meine Gedanken wieder an zu kreisen.
 

„Hany, du weißt die Götter haben dich allein für den Pharao erschaffen. Du erwärmst sein Herz und ergänzt ihn. Ihr seid perfekt zusammen. Doch merke dir mein Lieber, manchmal ist ‚perfekt‘ einfach nicht genug. Manchmal lohnt sich nicht jeder Schmerz für die Perfektion.“

Die Worte dieser Frau schwirrten in meinem Kopf herum. Sie ließen mich nicht mehr los.
 

Auf der oberen Ebene des Palastes angekommen sehe ich mich um. Direkt mir gegenüber ist das private Arbeitszimmer des Pharaos. Einige Meter entfernt sehe ich den Eingang zum Schlafgemach. Ich fühle mich wie magisch davon angezogen. Bilder aus meinem Traum flackern immer wieder vor meinem inneren Auge auf und mit ihnen kehren auch die Gefühle zurück. Ich bleibe vor einer Säule stehen. Eine von denen, in dessen Schatten ich mich versteckt hatte.
 

Ich kämpf mit den Tränen, die aufsteigen. War denn alles woran ich gedacht habe nur ein Trugbild? Ich habe unsere frühere Liebe als perfekt gesehen. Sicher, mit einigen kleinen Streitereien und einigen Anlaufschwierigkeiten, aber doch perfekt. Dieser letzte Traum jedoch sagte etwas anderes. Atemu hatte mir das Herz gebrochen und es hat ihm nichts ausgemacht. Er hat gelächelt, als ich mich bereits mies gefühlt habe. Selbst wenn er mich nicht mit Absicht verletzt hatte, hatte er es doch zumindest nicht gemerkt und ich glaube nicht, dass das passiert wäre, wenn unsere Beziehung so gewesen wäre, wie ich sie immer vor Augen hatte. War es vielleicht das, was diese sanfte Stimme mir nach meinem Tod versucht hatte mitzuteilen? Das ich mir selbst einen Traum erschaffen habe, dem die Realität nicht standhalten kann? Kann eine Beziehung mit Yami denn überhaupt in dieser Zeit funktionieren?
 

Etwas weiter den Gang entlang würde ich diese riesige Tür mit der seltsamen Inschrift finden. Mein Kopf sagte mir ich sollte hingehen und sehen, was es für ein Raum war, der sich dahinter verbarg. Schon von meinem jetzigen Standort konnte ich erkennen, dass es ein separater Wohntrakt war, der an den des Pharaos angebaut wurde. Meine Neugier war auch fast schon so groß, dass ich mich auf den Weg dahin gemacht hätte, doch zum einem weigerten sich meine Beine sich dort hin zu bewegen und mein Herz zog sich allein bei dem Gedanken daran zusammen und zum anderen hörte ich ein Geräusch aus dem Schlafgemach vor mir.
 

Leise betrete ich den Raum. Sobald ich einen Fuß über die Schwelle setzte, überwältigten mich die Bilder aus meinen Erinnerungen. Der Raum beginnt sich zu verändern. An den Wänden hängen auf einmal rote Wandbehänge mit königlichen Symbolen darauf. Die Wände selbst sind nicht mehr mürbe von der Zeit und den vielen Sandstürmen, die dieser Ort miterleben musste, sondern glatt und neu. Auf dem Boden liegen zahlreiche Sitzkissen und ein kleiner Arbeitstisch steht in der Mitte des Raumes. An den Wänden finden sich farbenfrohe Zeichnungen, zur Huldigung des Herrschers und auf der einen Seite steht ein riesiges, massives Bett. Als ich daran denke, was ich dort alles erlebt habe, werde ich rot.
 

Ein leises Räuspern lenkt meine Aufmerksamkeit zu dem Balkon, von dem aus ich so gerne auf den Garten geblickt habe. Dort steht Yami, aber gerade im Moment ist er nicht Yami. Für meinen Geist, der so überwältigt ist von den Erinnerungen, ist er jetzt Atemu. Der einst so mächtige Pharao. Ich lasse meinen Blick über seinen Körper wandern. Über die starken Beine und den muskulösen Bauch, bis zu seiner Brust und den schlanken Hals. Ich fühle mich, als hätte mich jemand vor ein schmackhaftes Buffet gesetzt…das Wasser läuft mir im Mund zusammen und ich hoffe ehrlich, dass ich nicht sabbere. Zur Sicherheit schlucke ich lieber einmal.
 

Es ist sein Gesicht, zu dem meine Augen nun wandern. Zu den weichen Lippen, der geraden Nase und den ausgeprägten Wangenknochen. Es fehlen Millimeter und ich kann ihm in die Augen sehen. Innerlich mache ich mich auf den Schmerz gefasst, der unweigerlich kommen muss, sobald ich das tue, doch er bleibt aus. Alles was stattdessen kommt, ist eine Erkenntnis, die bisher nicht zu mir hindurch dringen konnte.
 

Egal was er damals getan hatte, egal wie sehr Yami – oder eher sein früheres ich – mich vor tausenden von Jahren verletzt hat, mein früheres Ich hatte ihn trotzdem genug geliebt, um alles zu tun, damit er ihn wiedersehen konnte. Und wenn das so war, dann konnte ich mich doch gar nicht so sehr in unserer Beziehung getäuscht haben, oder?
 

tbc...
 

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*Trainee = Auszubildender/Praktikant/jemand, der noch nicht so viel Erfahrung in einem Beruf hat
 

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spoiler

Er ist ständig auf der Suche nach einem neuen Abenteuer. Einem größeren Kick. Dass er dabei auch noch berühmt wird, hätte er nie gedacht. Alles in seinem Leben verändert sich, doch die Sorglosigkeit, mit der er sein Leben führt, bleibt. Bis es eines Tages zu spät für ist für Reue und sein charmantes Lächeln ihm nicht mehr aus der Patsche hilft.
 

Es ist ein weiteres FF-Projekt in Arbeit. Es geht mal wieder um unser aller Lieblingspaar Puzzleshipping und handelt von den Widrigkeiten des Lebens, von den Gefahren einer glitzernden Trugwelt, Eifersucht und - kleine Änderung: nicht mehr Musik - Extremsport

Erster Upload folgt in Kürze.

intended and inadvertent discoveries

Tadaaa. Hier ist das neue Kap. Jetzt werden sich hoffentlich die Gerüchte wieder legen, das wir Memory vernachlässigen^^ Es ist nur... ein bisschen länger geworden als geplant :D

Wie gewohnt: #"bla bla"# -> ägyptisch
 


 


 

Meine Haut brannte, mir war unglaublich heiß und hatte das Gefühl, als würde ich in einer Dunkelheit schweben. Mein Kopf war schwer und mich umgab die ganze Zeit der Duft nach Himbeere. Es roch überall danach und sofort formte sie die Dunkelheit anders, begann runder zu werden und dann sah ich das Gesicht von Yugi vor mir. Er lächelte mich besorgt an, doch das Lächeln verschwand langsam, der Ausdruck in seinen Augen änderte sich. Sorge wich Verlangen und ich hätte schwören können, das mein Körper noch leichter wurde. Aus der Schwärze kam ein Finger, der zärtlich an meinem Schlüsselbein ansetzte, langsam von einer Seite zur anderen strich, dann die Richtung wechselte, über das Brustbein und als er an meinem Bauch angekommen war, zog ich scharf die Luft ein. Die Hitze wurde gewaltiger, verschlang mich mit Haut und Haar, doch als ich den Finger an meinem empfindlichen Bauchnabel spüre, war es um mich geschehen, die Schwebelosigkeit verschwand, krachte mit einem Schlag in die Realität zurück und ich blicke zu einem Zelt hoch, das nach Krankenhaus und Desinfektionsmitteln roch.

Nur langsam wurde mir klar, was sich da eben mein Verstand zusammen gereimt hatte und stöhnte innerlich auf.

Was zum Teufel war da eben passiert? Ich hatte definitiv zu lange keine Körpernähe mehr genossen, wenn ich mir sogar schon Intimitäten mit einem Schüler erträumte.
 

Aber das Schlimmste daran war, das mein Traum wirklich hier war, mich erschrocken anblickte, als hätte ich ihm beim Kuchen-naschen erwischt. Aber alles war noch ein wenig verschwommen und ohne es zu wollen, sah ich in seinem Blick nicht mehr die Erschrockenheit, sondern die Lust, mit der er mich vor wenigen Sekunden auch schon angesehen hatte.

Und wieder konnte ich den imiginären Finger auf meiner Haut fühlen, wie er langsam …

STOP
 

„Du bist…bist doch keine Halluzination?“
 

Ich konnte nicht anders, streckte meinen Arm aus und und kniff kräftig rein.

Okay, die Haut war weich, warm und auf jeden Fall echt. Der darauf folgende Ausruf bewies es ebenfalls.

„AU!“

„Du bist tatsächlich echt. Ich fass es nicht.“
 

Aber das würde ja heißen, dass das Geträumte gar kein Traum war, sondern Real. Nein, das konnte nicht sein. Yugi würde niemals einen schlafenden Mann anfassen. Bei einer Frau wäre es was anderes. Er war noch Jung und wollte Erfahrungen sammeln und ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, das Yugi vom anderen Ufer stammte.

Und als mir wieder die Himbeere in die Nase kroch, wusste ich, das ich im Unterbewusstsein so reagiert haben musste, als mein Körper bemerkte, das er da war. Anders konnte ich es mir nicht erklären. Auch selbst wenn diese Erklärung ziemlich weit her geholt war.
 

„Na klar bin ich echt! Was sollte denn das? Es tut doch weh!“
 

Augenblicklich runzelte ich die Stirn. Er hatte eben eindeutig bewiesen, das er noch fast ein Kind ist. Es tat nicht weh, das wusste ich. Es war eher der Schreck, der ihn zu dieser Aussage verleitete. Aber nur Kinder zogen solche Schmolllippen und bocken rum, wenn ihnen etwas nicht passte.
 

„Ähm…tut mir Leid. Ich hole den Doktor und Arthur. Sie hatten einen Kreislaufzusammenbruch Herr Athem. Sie sollten wirklich mehr auf sich Acht geben.“

Mit diesen Worten eilte er aus dem Zelt.
 

Ich stand auf, schwankte ein bisschen, nahm es aber kaum zur Kenntnis. Viel mehr, das mein Schritt etwas nass war.

Woher kam das denn? Hatte Yugi mir kalte Kompressen umgelegt und Wasser ist darauf getropft? Nein, die Feuchtigkeit kam von innen und war außen gar nicht Sichtbar. Hm, das war ja seltsam...

Moment.

Das würde ja bedeuten, das ich mir....

Nein, wie peinlich war das denn! Ich durfte auf keinen Fall zulassen, das Yugi es bemerkte. Irgendwie muss ich das retuschieren. Taschentücher!

Da lagen welche, jetzt musste ich nur noch da hin gelangen. Nach einem Schritt sah ich schon ein, das es ein Fehler war, gleich aufzustehen, aber es wäre noch schlimmer, wenn Yugi...

mich nicht aufgefangen hätte.

Beinahe hatte ich das Gleichgewicht verloren, doch er stützte mich und dirigierte mich sofort zum Bett zurück.

Als ich in seine Augen sah wusste ich sofort was er dachte. Das war die Rache dafür, das ich ihn zum Nachsitzen verdonnert oder ihm mein Essen angeboten hatte, wo ich immer noch dachte, das er eindeutig übertrieb, wenn er die Nase runzelte, wenn er nur an mein Essen roch.

Ja, das gefällt dir, jetzt eine kleine Macht über mich zu haben, was?
 

Aber das löste noch immer nicht mein Problem in meiner Hose. Schnell suchte ich eine passende Ausrede.

„Lass mich los Yugi. Ich muss wieder zu meinem Areal. Die Steintafel, die ich gefunden habe…“

Doch sofort unterbrach er mich. „Du gehst nirgendwo hin Yami!“
 

Das gab es doch nicht! Jetzt benutzte dieser Flegel auch noch meinen Vornamen. Nur weil wir nicht mehr in Japan waren, war ich dennoch sein Lehrer und diese hatte man zu Siezen. Die Sonne hatte wohl sein Hirn verbrannt.
 

„Du wirst hier sitzen bleiben und warten bis der Arzt da ist. Erst wenn der dir etwas gegen die Mangelerscheinungen wegen deiner Dehydration gegeben hat und sagt, dass du gehen kannst, wirst du wieder rausgehen. Du hast deine Gesundheit da draußen gefährdet. Glaub mal nicht, dass Arthur darüber so einfach hinwegsieht“
 

Von wegen! Ich werde hier nicht einfach sitzten bleiben. Was Arthur dachte, war mir zwar nicht egal, aber ich war immer noch eine unbezahlte Hilfe und man konnte froh über meine Unterstützung sein, auch wenn ich selbst davon profitierte.

Und jetzt drohte mir Yugi auch noch. Die Dreistigkeit schien kein Ende zu nehmen.

Aber das, was mich am meisten Störte, fluchte ich ohne zu überlegen auf ägyptisch.
 

#“Jetzt werde ich auch noch von einem Kind bemuttert. Ist das zu fassen?“#

#“Würdest du nicht so sorglos mit deiner Gesundheit umgehen, wie ein kleines Kind, müsste ich dich auch nicht bemuttern!“#
 

Im ersten Moment war ich überrascht, das er auch die Sprache beherrschte, doch nach einigen Sekunden wunderte es mich nicht. Dieser Bengel war ja auch im allem begabt. In jedem Fach hatte er super Zensuren, war klar das er auch diese Sprache konnte!

Das er aber auch einige grammatische Fehler und Ausspracheverpatzer hatte, ließen mich denken, das er sie zwar kann, aber da wenigstens noch zu lernen hatte.

Wenigstens doch nicht so ein Wunderkind.
 

Ich hatte nur wenige Minuten um mich zu säubern und die Beweisstücke wütend in den Mülleimer zu pfeffern, ehe auch schon Arthur und ein anderer Mann das Zelt betrat. Dieser hatte graue Haare, etwas klein geraten und ein rundes Gesicht. Doch seine Augen erinnerten mich an Yugi.
 

„Wie geht es dir?“
 

Arthur lenkte meine Aufmerksamkeit auf sich. Doch auch wenn er mich freundlich anlächelte, verflog der Ärger nicht. Aber ich antwortete erst nicht, denn ich sollte wohl nicht alles an ihm auslassen.

„Was ist los? Du siehst so verärgert aus.“
 

ACH ECHT? Nein, wie kam er nur auf diese Idee?!

Sofort tigerte ich von einer Ecke in die Nächste, vergrub meine Hände tief in den Hosentaschen. Unbewusst nahm ich damit eine trotzige Haltung ein und erdolchte alles mit meinen Blicken, was mir in die Quere kam.
 

#“Was bildet sich der Bengel eigentlich ein? Benimmst sich wie mein Vater, dabei ist er noch Grün hinter den Ohren. Der Sollte mal erwachsen werden und nicht wie eine beleidigte Leberwurst davon rennen! Nicht mal anständig streiten kann er!“#
 

Stinkig wurde gegen den Mülleimer getreten, dieser fiel um und verteilte mit Schwung den gesamten Inhalt.

Ach du Schande. Ganz schnell wieder aufheben, Yami, ein geübter Männerblick erkennt so etwas sofort! Sehr unauffällig kickte ich die Kügelchen zurück in den Korb, der noch auf dem Boden lag, als sei ich beim Fussball, was mich aber nicht weiter vom Meckern abhielt.
 

#“In der Schule spielt er Streber, verschmäht aber mein Essen. Ist denn das zu fassen? Mein Essen! Das ist hundertmal besser als das in der Mensa! Und jetzt vergisst der alle Höflichkeiten und schnäuzt mich an!“#
 

Mit einer geschickten Bewegung wurde der Eimer mit dem Fuß wieder hingestellt.
 

„Vielleicht schmeckt Yugi aber auch einfach Ihr Essen nicht?“
 

Mit Schwung drehe ich mich um und blicke den alten Mann an, den ich noch nie gesehen hatte.

„Wer sind Sie denn?!“
 

Mit einem Schlag wurde mir bewusst, das ich eben alle meine Manieren vergessen hatte und schämte mich sofort dafür.
 

„Ich bin Herr Muto, Yugi´s Großvater. Wir haben schon mit einander telefoniert.“
 

Er reichte mir freundlich die Hand und grinste mich an. Ich erwiderte die Geste und sofort schoss es mir durch den Kopf, das es bei Yugi wohl auch eine Kurzschlussreaktion gewesen sein musste.
 

„Angenehm.“
 

„Nehmen Sie es Yugi nicht übel, er hat sich nur Sorgen gemacht und das ist dann wohl ausgeartet.“

„Das haben Sie aber milde ausgedrückt!“

Angesäuert stierte ich zu den beiden Männern rüber.

„Er ist normalerweise nicht so aufbrausend, sondern eher ruhig. Yugi muss sie wirklich mögen und respektieren, wenn er sich so in der Tonlage vergriffen hatte.“
 

Von wegen mögen. Das war eindeutig geplant um sich zu Rächen. Ich bin 30 Stunden von meiner Heimat entfernt und ausgerechnet in einer Wüste treffe ich den wieder. Der mag mich nicht. Und selbst wenn, ich hasse ihn. Diesen besserwisserischen kleinen Knirps, der mehr in der Birne hat als manch erwachsene Leute. Ich hasse sein Lachen, das Strahlen der Augen und erst Recht diesen penetranten Geruch nach Himbeere. Ständig ist der in meiner Nähe wenn ich ihn am wenigsten erwarte. Sogar in meinen Träumen schleicht sich dieser Mistkerl rein!

Er ist einfach nur widerlich freundlich, hilfsbereit, ja steht sogar mit beiden Beinen auf dem Boden. Habe ich schon erwähnt, das ich ihn hasse?!
 

#“...ich mag ihn doch auch...“#
 

Diese Worte waren so leise, das selbst ich sie nicht mitbekam.

Ohne es zu bemerken, tauschten die Männer Blicke aus.
 

Arthur und Herr Muto waren freundlich, schalten mich aber auch, warum ich nicht mal ein Tuch auf dem Kopf hatte, um mich vor der Sonne zu schützen.

Und ich musste sagen, das war mir ungeheuer peinlich. Mein Studium drehte sich um dieses Land, alte Funde und Kulturen, aber ich vergaß das Simpelste.

Schon als Kind hatte ich mir alles angesehen, was damit zu tun hatte. Keine Bibliothek blieb vor mir sicher. Sogar meine Geschichtslehrer ging ich dermaßen auf die Nerven, das sie die Flucht ergriffen, wenn ich auf sie zukam.

Aber irgendwie war ich so aufgeregt endlich mal bei einer echten neuen Entdeckung dabei sein zu dürfen, das ich alles vergessen hatte.
 

Und ich fühlte mich schlecht. Weil ich Yugi so angeschnauzt hatte und verstehen konnte, warum er so reagiert hatte. Es war zwar nicht in Ordnung das er alle Förmlichkeiten vergaß, ohne das man es ihm erlaubte hatte, aber wenn sein Großvater Recht hatte, war es scheinbar seine Art, so Sorge in Stresssituationen aus zudrücken.

In den folgenden Tagen versuchte ich es ein bisschen wieder gut zu machen, auch wenn nicht nur ich allein die Schuld trug und ich hatte keine Lust auf böse Blicke im Unterricht.

Doch er ging mir aus dem Weg, rannte schon fast panisch weg, wenn er mich sah, das sich erst langsam legte.

Als ich bemerkte, das er stehen blieb, wenn ich näher als 5 Meter entfernt stand, versuchte ich, ihn in Gespräche zu verwickeln, saugte mir sogar aus den Fingern, das ich einige Steintafeln nicht richtig übersetzen konnte.

Hey, ich war der Geschichtslehrer und Hauptfach auf der Uni war Ägyptisch gewesen und hatte nur Einsen. Natürlich brauchte ich da keine Hilfe, aber das wusste Yugi ja nicht.

Zu meinem Entsetzen musste ich feststellen, das seine Übersetzungen schrecklich waren. Er war auf dem richtigen Weg, aber vertauschte Symbole und somit auch ihre Bedeutungen. Aber die Tarnung wäre aufgeflogen, wenn ich wieder Lehrer gespielt und ihn belehrt hätte.

Also notierte ich mir die Fehler in mein kleines Notizbuch, das ich immer bei mir trug, um sie später ganz Zufällig im Unterricht vor zu nehmen.

Keiner wusste es, aber mein Notizbuch diente mir auch als kleines Tagebuch. Darin schrieb ich hinein, was mich beschäftigte. Völlig zusammenhangslos. Ohne „Liebes Tagebuch“ oder so einen Müll, nur einfach die Sätze, die ich los werden wollte.
 

Dennoch verhielt er sich seltsam. Auch wenn er meine Nähe nicht mehr gemieden hatte, so war Yugi dennoch distanziert. Er lachte mit mir, aber ich mir fiel es sofort auf, das er nur dann was zu mir sagte, wenn ich ihn ansprach. Von alleine kam er nicht auf mich zu.
 

Leider musste ich auch zugeben, das seine Kochkünste echt gut waren. Nicht besser als meine, denn meine Küche war nicht nur einfach, sondern auch noch gesund. Aber sie hatte auch etwas an sich, das nur ganz knapp an meine Single-Gerichte ran kam.

Er kochte fast jeden Abend und ich hatte auch diese dämlichen Bohnen satt, die ständig gereicht wurden. Aber seitdem Yugi uns das präsentierte, hatte ich auch wieder Lust bekommen, etwas selbst gemachtes zu essen. Am späteren Abend fuhr ich in die Stadt mit meinem Leihwagen und kaufte die nötigen Zutaten ein, und besorgte mir von den Nomaden abgekochtes Wasser. Als es im Kochzelt langsam vor sich hin blubbelte, roch es anders.

Etwas abgeschreckt zog ich die Nase kraus. Seit wann riecht meine Blumenkohl, Wirsing, Schafskäse – Specksuppe so komisch...

Yugi sagte nichts dazu. Er stand neben mir und bereitete das Essen für die anderen zu. Ab und zu warf er seltsame Blicke in den Topf, kümmerte sich aber hauptsächlich um seine Suppe.

Später, als ich einen Löffel davon kostete, hätte ich es am liebsten im hohen Bogen wieder ausgespuckt. Das war ja widerwärtig!

Yugi musste was in meine Suppe getan haben. Jetzt fängt das schon wieder an.
 

Aber ich musste auch gestehen, das sein Essen verdammt lecker roch, doch mein Stolz ließ es nicht zu ihn nach was zu fragen. Stattdessen würgte ich mir zwei weitere Löffel runter und kippte es unbemerkt weg.

Seitdem ich seine Speisen probiert hatte, wurde mein eigenes immer seltsamer. Als ob er in seines Suchtmittel getan hätte, wie die, die in Chips sind. Bei ihm konnte ich nach einiger Zeit nicht mehr aufhören zu essen uns meines wurde immer scheußlicher.

War das wieder so ein Racheakt? So langsam ging der mir auf den Keks. Ich tat mein Bestes, um mit ihm klar zu kommen und Yugi nutzte jede Gelegenheit, um mir eins auszuwischen. Das war doch nicht normal, das sein Essen innerhalb einer Woche besser wurde als meins.
 

Aber auch bei mir war irgendwann die Grenze erreicht und ich hatte keine Lust mehr ihn hinterher zu rennen. Wenn der mich meiden wollte, bitte, ich konnte es auch.

Zusätzlich war mir die Aktion mit dem Traum immer noch peinlich. Jedes Mal werde ich knallrot wenn es mir wieder einfällt und ich fragte mich, warum Yugi so eine Reaktion innerhalb von Sekunden in mir auslösen konnte. Das Gefühl war vertraut und .. es fühlte sich gut an. Und genau das machte mir Angst. Das durfte nie wieder geschehen.

Ich ging ihn aus dem Weg, indem ich bei der Expedition in den Tempel beiwohnte. Ja, und auch selbst nach den mahnenden Blick von Herr Muto hatte ich wieder kein Kopftuch um, aber in meiner Hosentasche.
 

Zusammen mit 4 Männern betrat ich den Tempel und selbst innerhalb dieser Steinmauern war es stickig und heiß. Sie lachten mich noch aus, ich solle mich nicht verlaufen, doch ich achtete nicht auf sie, ging einfach nur durch die Halle, starrte auf die Verzierungen an den Wänden und Decke, die durch der Zeit verblasst und vom Sand teilweise abgeschliffen war. Sie war einfach nur gigantisch. Ich bog auf einen langen Gang ein, glitt mit meinen Fingerspitzen leicht über die rauhen Wände.

Ich hatte keine Ahnung, warum ich diesen Weg nahm, aber ich nahm es auch nicht mehr bewusst wahr, ließ mich nur von dem Gefühl leiten, das mich beeindruckte. Ging an Säulen vorbei, die mir bekannt vor kamen. Die musste ich schon mal in Büchern gesehen haben von der damaligen Dynastie und schritt bis zum Ende des Ganges, wo ein riesiger Raum zum Vorschein kam.

Zu gern hätte ich jetzt mein Notizbuch dabei, um alles aufzuschreiben, was ich hier vorfinde, aber seit heute morgen finde ich es nicht mehr. Ich musste es irgendwo liegen gelassen haben. Darin standen auch persönliche Dinge und ich konnte nur hoffen, das der Finder nicht neugierig war.
 

Alles war völlig verwüstet und an einigen Ecken konnte ich noch Reste von orange Wandbehänge erkennen, die völlig zerschlissen waren und mehr als 90% fehlte. Ich wusste nicht warum, aber dieser Anblick stimmte mich traurig. Damals muss es einer der prachtvollsten Zimmer im Palast gewesen sein und nun war er runtergekommen als hätten meine Schüler darin eine Party gefeiert. Warum mich dieser Anblick verstimmte, konnte ich mir nur so erklären, das die damaligen Bewohner sich viel Mühe gaben mit der Architektur, alles mit Liebe gestalltet war und es dennoch gegen die Zeit keine Chance hatte.

Was immer damals geschehen war, es hatte eindeutige Spuren hinterlassen.
 

Langsam ging ich durch das Zimmer, entdeckte gerade aus einen Balkon und ohne zu überlegen warum, zog dieses mich wie durch eine unsichtbare Anziehungskraft an.
 

Mit einem Mal konnte ich das mürbe Gestein unter meinen Füßen spüren, es knirschte unter meinem Gewicht und ich hoffte, das es mich, noch selbst nach dieser Zeit, tragen konnte. Ich blickte … auf nichts. Weit und breit nur ein Meer aus Sand. An vereinzelten Stellen ragte die Palastmauer hervor. Damals gab es vielleicht an dieser Stelle eine üppige Blumenpracht, ich hatte auch schon über Entdeckungen gelesen, wo Wissenschaftler einen Brunnen gefunden hatten, der den Hof verschönerte.

Schade das davon hier nichts mehr zu sehen war. Ich schaute nach rechts und entdeckte ein kleinen Klumpen Gestein, das seltsame Muster hatte. Beim genaueren betrachten in meiner Hand und einiges abkratzen vom Sand, erkannte ich, das es sich um einen Skarabäus handelte. Man konnte kaum noch die Form erkennen, alles war verkrustet und hatte keinerlei Farbe mehr.

Aber es erinnerte mich an etwas, doch es war zu verschwommen, um es klar definieren zu können. Warum kam mir das so bekannt vor? Wo hatte ich es schon einmal gesehen?
 

Ich sah mich eine ganze Weile noch um, begutachtete interessante Inschriften, die aussagten, das hier ein Pharao gelebt hatte, nach deren Tot es aber verschlossen wurde und niemand durfte es mehr betreten, etwas entfernen oder anrühren. Unbewusst strich ich mit meinen Daumen über den Steinkäfer, doch dann blieb mein Blick am Eingang hängen, wodurch ich den Raum betreten hatte.

Yugi stand dort, sah sich ebenfalls um, aber sein Ausdruck in den Augen war anders. Es war eine Mischung aus Trauer, Enttäuschung und wurde zu ängstlich, als ich mich räusperte und er mich bemerkte.

Jedoch blickte er mir nicht sofort ins Gesicht, sondern fing beim Fuß an und als sich unsere Augen trafen, erlebte ich ein Deja Vu.
 


 

Im Alter von sieben oder acht Jahren war die Schule ein Alptraum gewesen. Ich mochte sie, wirklich, aber all die Anforderungen, die die Lehrer unbewusst stellten, würden mich noch irgendwann in den Ruin treiben. Überall war ich als Musterschüler und Raudi gleichermaßen verpönt. Musterschüler weil ich in jedem Fach der Beste war und Raudi, weil ich fast niemanden an mich heran ließ. Ich wollte meine Ruhe haben, genoss die Stille und ich hatte nicht vor, dies jemals zu ändern.

Aber meine Eltern wollten es. Also fing ich an, Gespräche anzufangen und mir unbekannte Mitschüler nach Hause einzuladen. Genau deswegen war es heute die Hölle. Wieder wurde ich von allen belagert.

Yami hier, Yami da, hast du schon das Neuste gehört?

Brech!
 

Doch mein Vater wollte mich für diese Wandlung belohnen. Vor einigen Tagen hatte er durch Zufall einen Laden entdeckt, der viele ägyptische Artefakte zum Verkauf anbot. Das Geschäft soll nur bei Insidern und Geschäftsleuten bekannt sein. Äußerlich ein wenig runtergekommen, aber innen eine reine Rarität.

Es roch nach altes Holz, Gestein und ein bisschen nach Desinfektionsmitteln. Diese Mischung war ekelhaft, aber meine Aufmerksamkeit lenkte mich sofort auf ein Regal, wo viele kleine Gegenstände wie Skulpturen, Schmuckstücke und Rollen lagen.

Dazwischen versteckt ein bläulich schimmernder Skarabäus. Vorsichtig nahm ich ihn in die Hand und durch die Bewegung des Betrachtens, reflektierte die hinein scheinende Sonne, was es fastzinierender Wirken ließ.
 

Plötzlich bemerkte ich etwas im Augenwinkel, drehte mich leicht nach rechts und blickte nach unten. Ein kleiner Junge, vielleicht zwei oder drei Jahre alt, starrte mich mit großen Kulleraugen an, hatte den Mund ein wenig geöffnet. Das Ebenbild von Raa in Form einer Puppe, die er in der Hand gehalten hatte fiel zu Boden.

Seine Augen huschten zwischen dem Skarabäus und mir immer wieder hin und her.
 

„Kann ich dir helfen?“
 

Langsam beugte ich mich zu ihm und lächelte ihn freundlich an. Doch von dem Jungen kam keine Reaktion, starrte nur weiter.
 

„Ach so, du wolltest das Tier hier haben. Kein Problem, du kannst es gern haben, wenn deine Eltern es für dich kaufen.“, sagte ich und reichte es ihm. Er schaute in meine Hand, schien aber keine Anstalten zu machen, um es an sich zu nehmen, starrte stattdessen danach nur wieder in meine Augen. Der war aber komisch.
 

„Yugi komm, wir wollen wieder los.“
 

Der Junge drehte sich um. Der Vater an der Kasse winkte ihn zu sich.

Bevor die Ladentür ins Schloss fiel, konnte ich noch sehen, wie der Junge, der inzwischen auf den Arm des Mannes war, sich zu mir umdrehte und mich wieder diese großen Augen trafen.
 


 

Yugi, der Junge war Yugi.

Mit einem Schlag wurde mir klar, das ich ihn schon einmal getroffen hatte. Er war sicherlich noch zu klein, um sich daran erinnern zu können, aber es war schon ein seltsamer Zufall.

Egal was ich tat, der schlich sich schon als Kind in mein Leben. Und auch in meine Träume, doch an den letzten wollte ich lieber nicht noch einmal denken.
 

Ich blickte in seine Augen und von Sekunde zu Sekunde wurde mir immer mehr bewusst, das ohne mein Zutun sich das Schicksal eingemischt hatte.

Unbewusst versank ich in ihnen, das Violett wurde größer, hüllte mich ein, das Funkeln darin deutlicher, strahlte mich an und dann... glaubte ich Sehnsucht darin erkennen zu können. Freude, aber auch tiefe Traurigkeit. Erinnerungen und Leid. All diese Gefühle schwappten zu mir rüber, rissen mich mit, aber dann, es dauerte nur wenige Millisekunden, blinzelte er einmal kurz, und der Bann gab mich frei.

Ich kam wieder auf die Realität zurück und das eben Erlebte verwirrte mich. Stirn runzelnd wandte ich meinen Kopf zur Seite, doch dieses Mal war Yugi es, der mich auf sich aufmerksam machte.
 

„Was machen Sie hier?“
 

Seine Stimme war schwach, leise und nur ein Hauch. Doch ich verstand sie gut, Aber dennoch weigerte ich mich, ihn erneut in die Augen zu sehen. Aus Angst, sein Innenleben würde mich wieder in eine Welt entführen, die ich nicht beeinflussen konnte.
 

„Ich habe mich hier nur ein wenig umgesehen.“
 

Ich wusste, das meine nicht stärker klang und seine Konkurrenz machte.

Den Skarabäus, den ich noch immer in meiner Hand hielt, umklammerte ich fest. Langsam drehte ich mich um und blickte wieder auf das Sandmeer, die sich vor mir ins unermessliche streckte.
 

Das Knirschen am Boden verriet mir, das er näher kam, doch dann war es still. Ich hörte nur seine leise Stimme.
 

„Damals soll hier einst ein Pharao gelebt haben, über den es keinerlei Aufzeichnungen gibt. Man weiß nichts über ihn. Weder wie er lebte, noch wie er sein Volk regierte. Nur sein Nachfolger Seth ging in seine Geschichte ein. Aber einige Dokumente kamen bei dieser Ausgrabung doch ans Licht. Die Ewigkeit hatte noch nicht völlig alle Spuren verwischt.“
 

Ich konnte nur nicken, meine Augen blieben aber weiterhin am Sand haften.
 

„Genau in diesem Raum sollen seine Gemächer gewesen sein.“
 

„Von wem, Seth?“
 

Überrascht drehte ich mich nun doch um, bereute es aber sofort, als ich sah, wie Yugi ehrfürchtig über die gerissenen Wände strich.
 

„Nein, ich meine seinen Cousin Atemu. Er soll ein guter Herrscher gewesen sein, regierte gerecht, vernünftig und hatte ein gutes Herz. Aber aus einem mir unerfindlichen Grund starb er. Kurz darauf kam Seth an die Macht und er knüpfte da an, wo der ehemalige Pharao aufgehört hatte. Die weiteren Aufzeichnungen hat Arthur.“
 

„Er muss ein mächtiger Pharao gewesen sein. Allein dieser Palast ist riesig und wir haben noch nicht mal ansatzweise die Hälfte hier entdeckt.“
 

Yugi nickte und betrachtete den alten orangen Wandvorhang, der nur noch in Fetzen hinab hing.
 

„Ich konnte nur noch entziffern, das sein Gemach hier nach seinem Tod von Befehl von Seth verschlossen wurde. Nichts durfte entwendet oder verändert werden. Er wurde als Heilig erklärt und nach dem Aufzeichnungen zufolge, soll er ein Opfer der Intrige gewesen sein. Aber alles andere hat Arthur mitgenommen. Die Rollen waren erstaunlich gut erhalten. Nur die Inschriften sind schwer zu entziffern.“
 

Er wendete den Blick von dem zerschlissenen Stoff ab und lächelte mich an. Schüchtern, zurückhaltend, aber der Blick fest auf mich gerichtet.
 

„Mir fällt es schwer diese Sprache zu übersetzten, da ich nur mit dem neuen Symbolen vertraut bin. Wenn Sie etwas Zeit hätten, nun ja...“
 

Ich nahm das mit dem festen Blick sofort wieder zurück, als er die Augen wieder schloss und den Kopf schüttelte, das Lächeln lag noch immer auf den Lippen.

Natürlich wusste ich, das er sein Großvater hatte, der ihm helfen würde oder Arthur, daher wunderte es mich ein wenig, das er mich fragte. Im Stillen wurde es mir klar, das dies wohl ein kleines Friedensangebot werden sollte.

Ich erwiderte ohne zu überlegen das Lächeln, ging auf ihn zu und legte meine Hand auf seiner Schulter. Zögerlich hob er den Kopf und sah mich an.
 

„Klar helfe ich dir. So kann ich wieder ein wenig meine Sprachkenntnisse auffrischen und gleichzeitig wieder ein bisschen mehr lernen. Ein alter Hase wie ich muss doch fit bleiben.“
 

Mit einem Mal wurde er etwas rot um die Nase, grinste mich aber an.
 

Eine halbe Stunde später saß ich mit ihm, seinem Großvater und Arthur im Zelt und begutachteten die Papyrusrollen. Jeder von uns hatte sich Handschuhe übergezogen um nicht das inzwischen dünne Papyrus zu verletzten. Sofort waren alle in der Arbeit versunken. Ab und zu murmelte einer „interessant“, kritzelte sich Notizen oder fotografierte die Symbole.

Doch als Odin in das Zelt kam, streifte sich Arthur und Herr Muto die Handschuhe wieder ab und gingen. Ich hatte nur etwas im Hinterstübchen von Planung gehört und Organisation, aber ich war so in den Aufzeichnungen versunken, das ich kaum was mitbekam. Auch nicht, wie Yugi mich von der Seite musterte.
 

Er legte mir vorsichtig eine Rolle auf den Boden und zeigte mit dem Finger darauf.
 

„Könnten Sie mir hierbei helfen?“
 

Fragend hob ich eine Augenbraue, legte meine beiseite und schaute mir die von Yugi genauer an.
 

Ich half ihm die Symbole zu übersetzen, die Innenschriften logisch zu deuten und erklärte ihm nebenbei noch, wie die neuen ägyptischen Zeichen von diesen entstanden sind.

Die Rollen waren ein wichtiger historischer Fund. Sie schlossen eine große Bildungslücke der 18. Dynastie und beschrieben, wer dieser Atemu war.
 

Er wurde jung zum Pharao gekrönt und sein Cousin Seth, der einige Jahre älter war, stand ihn schon damals mit Rat und Tat zur Seite. Jedoch gab er Gelder aus, die sie gar nicht hatten. Brachte mehr Bildung in die Städte, stürzte sich damit aber in große Schulden.

Es war nicht genau beschrieben, wer es war. Nur einmal wurde kurz erwähnt, das ein Sohn seines Beraters aus einfachen Stand ihn half, wieder in den Wohlstand zu kommen.

Doch durch eine Intrige einiger Priester wurde jedoch der Sohn hingerichtet. Nur wenige Monate später auch der Pharao. In den letzten Monaten hatte er sich in seinem Gemach zurück gezogen und soll sich kaum noch gezeigt haben.
 

Was ich da las, ließ mich staunen, es war faszinierend, wie schon damals die Menschen hinterhältig sein können. Auf einer anderen Rolle wurde das Volk beschrieben, deren Arbeiten, in der nächsten welche Bauarbeiten geplant waren.
 

Aber die letzte Rolle war eines der größten Entdeckungen.

Sie war nur schwer zu entziffern, die Symbole fast verblasst, aber mit genügend Konzentration konnte ich es lesen. Yugi stieß mich an der Schulter an und verzog sein Mund zu einer Schnute. Unbewusst hatte ich aufgehört laut vorzulesen.

Ich räusperte mich.
 

Nach dem Tod von Atemu wurde Seth zum neuen Pharao gekrönt und dieser knüpfte an der Stelle an, wo Atemu aufgehört hatte. Dieser hatte scheinbar von der Intrige geahnt oder es sogar heraus gefunden, denn er hatte Namen einiger Berater aufgelistet. Genau diese wurden in Seth´s Herrschaft öffentlich zur Schau gestellt, was einer der größten Demütigungen in dieser Zeit war und schließlich hingerichtet.

Und plötzlich wurden die Felder wieder fruchtbar, die Dürren blieben aus, die Karawanen kamen pünktlich und das Land wurde immer mächtiger.
 

Langsam ließ ich die Rolle sinken. Es war eine unglaubliche Geschichte. Dieser Atemu hatte in seinem Leben versucht alles richtig zu machen, wurde aber Opfer gespaltener Zungen und wurde sogar ermordet. Aber irgendwie schien er es geschafft zu haben, seinem Nachfolger eine Botschaft zu hinterlassen um wenigstens seinen Thron zu schützen. Doch was mich am meisten wunderte, war die Erwähnung des Sohnes eines Beraters.

Ich hatte noch nie davon gehört, das ein Pharao auf einen Jungen hörte, der nicht einmal adelig war, sogar aus ärmlichen Verhältnissen stammte. Sie hielten sich selbst für Götter und bestraften jeden, der an deren Worte zweifelten. Aber warum machte er eine Ausnahme?

Ich konnte mir denken, das er hingerichtet wurde, weil er dem Pharao zu viele Ratschläge gegeben hatte. Schon in vielen Dynastien wurden die Herrscher Opfer der Priester, die eine Gefahr in der Selbstständigkeit sahen. Sie hatten andere Vorstellungen und ließen nichts unversucht, um an ihren Willen zu kommen.

Aber es blieb ein Rätsel, wer dieser Sohn war.
 

Zusätzlich hatte mir Yugi erzählt, das Atemu´s Gemach verschlossen wurde. Wozu das ganze? Was steckte dahinter? Was war darin, das niemand ändern durfte?

Es war doch Tradition, das der neue Pharao die Räumlichkeiten bezieht. Also warum nahm Seth freiwillig ein Kleines?
 

Vorsichtig rollte ich das Papyrus wieder zusammen und als ich es beiseite legte, um mir Notizen auf einen Block zu machen, fragte mich wieder wo zum Geier ich mein eigenes Notizbuch gelassen hatte. Als ich zur Seite blickte, sah ich, das Yugi völlig in Gedanken versunken war. Seine Mimik hatte etwas trauriges an sich, das mir unweigerlich das Herz zerriss. Es passte nicht zu diesem fröhlichen Menschen. Er sollte Lachen, glücklich sein.

Also beschloss ich, ihn abzulenken von dem, was auch immer ihn beschäftigte.

Er rollte seinen Bleistift in seiner Hand, starrte darauf, schien es aber nicht wirklich zu sehen, bis es plötzlich knackte. Ohne zu überlegen, beugte ich mich zu ihm, griff ich nach seiner Hand und löste den malträtierten Stift sanft von seinen verkrampften Fingern und legte die beiden Hälften zur Seite.

Doch durch die Berührung zuckte er zusammen und riss seinen Kopf zu mir.

Da ich aber näher gerutscht war, um an seine Hand zu kommen, waren sich somit unsere Gesichter nahe. Ich spürte seinen Atem auf meiner Haut. Er war hektisch und unkontrolliert und ich fragte mich, was ihn so aufgewühlt hatte.

Aber das, was mich später selbst verwunderte, war, das ich seinen Blick nicht auswich, nicht einmal den Versuch unternahm, Abstand zwischen und zu bringen.

Stumm sahen wir uns in die Augen. Der Geruch von Himbeere hüllte mich wieder ein und machte mir erst bewusst, in welcher Situation ich mich befand.

Hätte ich mein Notizbuch bei mir, würde ich hinein schreiben, das dieser mich seltsamer Weise nicht mehr so sehr störte. Er war noch immer penetrant, fast schon beißend, aber trotzdem.. irgendwie vertraut. Die Atmosphäre hatte sich geändert. Das erstaunlichste daran war, das ich in diesen Sekunden nicht abgeneigt war, dies zu ändern.
 


 

Seit der Entdeckung waren einige Tage vergangen. Selbst das Verhältnis zu Yugi hatte sich extrem gewandelt. Er war nicht mehr abweisend, schien sogar meine Nähe zu suchen. So oft wir konnten, gingen wir gemeinsam zum Palast und entdeckten immer mehr in Räumen, die wir zwar schon betreten, aber noch nicht katalogisiert hatten. Dieser Palast war einfach nur umwerfend und selbst nach der Zeit konnte ich mich noch immer nicht daran satt sehen.

Einmal erwischte ich Yugi dabei, wie er vor einer riesigen Tür stand, einfach nur auf die Innenschriften starte. Nach meinen Recherchen müsste dahinter der Harem gewesen sein. Doch Yugi betrat ihn nie. Starrte nur und ging dann weiter. Oft hielt er sich in dem Raum des ehemaligen Pharaos Atemu auf. Mich wunderte das, denn wir hatten darin bereits schon alles gefunden, fotografiert. Es gab nichts neues darin.
 

Als ich Yugi wieder vor der Tür erwischte, ging ich einfach an ihn vorbei und öffnete sie, drehte mich zur Yugi um, doch der starrte mich geschockt an, ging sogar einen Schritt zurück, als würde ich ihn etwas mit meiner Entschlossenheit erinnern. Doch ich achtete nicht darauf, sondern zog ihn einfach hinein. Er wehrte sich und ich konnte nicht verstehen, warum er dieses Zimmer nie betreten wollte. Als ich ihn fragte, antwortete er nur: „Das war sein Harem.“ Ich lachte darauf nur. „Ich glaube nicht, das Seth von den Toten aufersteht und dich dafür bestraft, das du sein Harem betrittst.“

Doch ich bekam nur einen verwirrten Blick. „Wieso Seth´s Harem. Es war doch der von Atemu.“

Das war einer der Momente, wo ich mich gern als Lehrer aufspielte, die Arme ausbreitete und auf die Innenschriften an den Wänden zeigte.
 

„Dieser war ehemals dem Pharao Atemu zugeordnet, jedoch schenkte er nach den Innenschriften zufolge seinem Cousin dem Harem, ließ ihn sogar für ihn umbauen und das geschah bereits schon vor deren Intrigen und den Hinrichtungen.“
 

Yugis Kiefer klappte wortwörtlich nach unten. „Ich versteh das nicht, das war doch früher der Harem von Atemu!“

Wieder lachte ich.

„Ich weiß zwar nicht, woher du dir so sicher bist, aber du liegst falsch. Ihm gehörte es mal, ja. Aber der wurde Seth überschrieben. Eine Art Geschenk. Es wurden sogar neue Haremsfrauen für ihn eingeschifft, die dem Geschmack des Cousins entsprechen sollten.“
 

„Ach, darum die neuen Frauen...“

„Na dann hast du doch die Aufzeichnung gelesen. Aber scheinbar nicht gründlich, denn da wurde auch der Wechsel dokumentiert.“ Ich zwinkerte ihn zu.
 

Den restlichen Tag verbrachten wir in diesem Raum. Ich hatte ihn schon oft betreten, aber für Yugi war es Premiere, darum zeigte ich ihm alles, jede Inschriften und erklärte ihm die Symbole, die er nicht verstand. Ich wusste nicht, warum ihn das alles so überraschte, aber ich hatte das Gefühl, das es ihn erleichterte.
 

Am selben Abend ging ich zu dem Zelt, wo Yugi gewöhnlich das Abendessen vorbereitete. Mein Stolz hatte es mir verboten ihn zu fragen, ob er für mich eine Portion mitmachen konnte. Aber mein eigenes Essen war so widerlich geworden, das ich es nicht mehr sehen konnte.

Ich nahm mein ganzen Mut zusammen und klappte den Stoff auf, der den Eingang bedeckte. Er stand mit dem Rücken zu mir und schien in etwas zu blättern. Es roch verführerisch und mir lief schon das Wasser im Munde zusammen.
 

„Yugi?“
 

Doch anstatt das er sich zu mir umdrehte, zuckte er heftig zusammen, machte etwas, das ich nicht sehen konnte, und drehte sich erst dann um. Ich ging auf ihn zu und stellte mich neben ihn.
 

„Es ist mir unangenehm dich das zu Fragen, aber...“
 

Doch der restliche Satz blieb mir im Halse stecken, als ich sah, das auf dem Tisch mein Notizbuch lag, noch aufgeschlagen, leicht verdeckt von Salzstreuern und Besteck.

Fassungslos blickte ich in Yugis Gesicht. Er sah ertappt aus.
 

„Ich... ich habe es hier gefunden.“
 

„Hast du darin gelesen??“
 

Beschämt senkte er den Kopf. Schuldbewusst knetete er wieder seine Finger. Wie er es immer tat, wenn er nervös war.

Die Antwort war nur ein Flüstern, doch sie reichte, um mein Blut in Wallung zu bringen.
 

„...ja...“
 


 


 

tbc
 


 


 

Ich kann mir denken, das einige nicht dahinter kommen, da ich so den Hang habe, alles kompliziert zu schreiben xD abgemeldet hatte in ihrem ersten Kapitel nur erwähnt, das die Träume über seiner Vergangenheit im Kindesalter erschienen sind. Der Rückblick, also somit die Begegnung, war der unbewusste Auslöser der Träume.

Rückblick 4 - felt alone its

Sorry das es so lange gedauert hatte, aber dieses Kapitel hat mir echt den letzten Nerv geraubt. Bin froh, das ich es vollendet hab. Ist zwar nicht so viel, wie ihr gewohnt seit, aber mein nächstes wird länger, versprochen =)
 

-Run- hat sich ja aus pers. Gründen bei Mexx abgemeldet aber ich will noch einmal hier anmerken, auch wenn sie es schon als ENS geschrieben hatte, das die Projekte weiter gehen und man sie immer über diesen ACC hier erreichen kann ^^
 

Ach ja, sie hat auch eine kleine Überraschung für euch.

Wenn es genügend Interessenten gibt, lässt sie sich breit schlagen, eine Lemon zu schreiben. Ich werde da auch ein bissel mit mischen. Wie wo wann.. lasst euch überraschen xD Also, wer will was süßes zum lesen? :P
 


 

Rückblick 4 - felt alone its
 

Es gibt Tage, die können einen umbringen. Man wacht morgens auf und fragt sich, warum man schon wieder die Nacht überlebt hatte. Warum die Götter nicht endlich Gnade walten lassen konnten. Stattdessen blinzelte man in die grelle Sonne und musste jeden Willen aufbringen, um aufzustehen.
 

Diese Tage hatte Athemu, Pharao von Ägypten, fast jeden Tag. Ständig wuselten Bedienstete um ihn herum, halfen ihn sich einzukleiden, reichten ihn so viele Früchte die eher sein Volk gebrauchen könnte und ließen Wasser in das Becken, obwohl eine Dürre schon seit mehreren Monden herrschte.

Normalerweise überschwemmte der Nil ein Teil des Ufers wenn es im Nachbarland regnete, hinterließ nahrhaften Schlamm für die Anbauten und die Ernte war gut. Doch der Regen blieb aus.

Nur diese Sandstürme nahmen immer mehr zu, ruinierten die mickrige Ernte der Bauern, töteten das kranke Vieh und sorgten dafür, das sich viele Dorfbewohner in der Wüste verirrten. Ständig mussten Suchtrupps los geschickt werden um sie wieder zu finden.

Der Berater Nen lag Athemu immer in den Ohren, er solle nicht so viele Soldaten für diese Aufgabe verschwenden. Wenn sie dumm genug gewesen waren im Sturm die Stadt zu verlassen, wird die Dummheit sie wieder schon zurück führen.

Aber so leicht war es nicht. Das Vertrauen zum Herrscher würde sinken, es würde keine glückliche Stadt mehr sein, sondern Misstrauen würde regieren und das wollte er nicht.
 

Nicht sein Vater hatte ihn auf das Amt vorbereitet, sondern seine Mutter war es. Sie unterrichtete ihn persönlich, brachte ihn alles bei, was er wissen müsste.

Doch das wichtigste lernte er erst, als er neben ihren Totenbett stand.

Viele Male hatte sie ihm aufschreiben lassen, wie wichtig die Güte doch sei und das er mit Grausamkeit nie weit kommen würde. Doch das Gegenteil wurde ihm von Nen gelehrt. Seiner Meinung nach, komme man mit Freundlichkeit nicht sehr weit, als Herrscher sollte man oft seine Macht demonstrieren, denn ohne Respekt würde das Reich zugrunde gehen.

Wenn man noch jung ist und vom Leben unerfahren, wem sollte man da glauben? Egal wen er fragte, jeder erzählte einen etwas anderes. Jeder hatte eine andere Vorstellung von der Führung und jeder versuchte auch gleichzeitig die Gunst des zukünftigen Pharaonen für sich zu gewinnen.

Egal wo er hin ging, überall lauerten sie wie Aasgeier und versuchten ihm die Wünsche von den Augen abzulesen. Nicht einmal im Garten seiner Mutter hatte er seine Ruhe. Egal wo er sich versteckte, man fand ihn immer. Doch seinen simpelsten Wunsch konnte ihm niemanden erfüllen.
 

Am Tag ihres Todes sah sie schwach aus und zerbrechlich. Das Gesicht eingefallen, fast schon grau, doch ihre Augen strahlten Athemu noch immer mit voller Liebe an. Sie würden nie die Kraft verlieren.

Sie lächelte ihren Sohn an, nahm seine Braune in ihre weiße und blickte ihn fest an.

Das war der Tag, wo er für immer geprägt wurde. Er versuchte, das Volk so zu regieren, wie sie es für gut befunden hätte. Die Todesstrafe wurde nur noch in Ausnahmen und mit Unterschrift des Pharaos ausgeführt. Eigenmächtige Handlungen wurden verboten.

Er ließ sogar Wasser aus fremden Gebieten und Ländern einschiffen um die Ernte zu sichern und damit das Volk nicht verdurstete.

Einmal im Monat ließ er sogar Lebensmittel auf dem Markt verteilen. Darunter waren die teuersten Früchte und Lebensmittel, die eigentlich für den Pharao vorgesehen war. Doch Athemu sah es nicht ein, warum das alles in den Kammern vergammeln soll. So viel wie darin lagerte, könnte er nie vertilgen eh es schlecht wurde.
 

Sein Vater war schon früh zu den Göttern gegangen und Athemu musste schon mit jungen Jahren den Thron besteigen. Doch sie ließ ihn nie abheben, behielt ihn immer auf den Boden der Tatsachen. Sprach direkt mit ihm und zählte die Fehler auf ohne blumige Sprache. Das war eine Eigenart, die er sehr zu schätzen wusste und später sehr vermisste.

Sie richtete auch sein Gemach ein, erklärte ihn die Geschichte der Familie.

Doch einen Rat hatte er nie verstanden. Er dürfe seinen Beratern nicht trauen. Sie seien zwielichtige Gestalten, die selbst sich nach der Macht verzehrten. Doch warum waren sie dann Beamte, wenn man ihnen nicht vertrauen dürfe? Das ist doch ein Widerspruch in sich. Warum hatte sein Vater sie dann zu seinen Beratern erhoben, wenn sie nicht das gleiche Ziel folgten?

Zu dem Zeitpunkt hatte Athemu die Aussage seiner Mutter auf ihren Geisteszustand geschoben. Er konnte sich einfach nicht vorstellen, das sie seinen Vater getrübt haben konnten, ohne das er es mitbekam. Sein Vater war immerhin der Sohn eines Gottes. Diese konnte man doch nicht hinters Licht führen. Die Boten der Götter hätten ihn doch gewarnt.
 

Er versuchte wirklich alles, nachdem er auch seine Mutter verloren hatte. Athemu achtete nicht mehr auf die Ausgaben, er hatte nur das Ziel, das Land glücklich zu machen, wenn schon die Fluten versagten. Er baute Schulen, neue Häuser und bestellte sogar Kamele und verschenkte sie unter die Armen. Aber was konnte ein einzelner Mann schon ausrichten?

In all den Jahren nagten die Zweifel an ihm, ob die Götter sich nicht geirrt hätten. Oder die Prister den falschen Knaben die Krone versprachen. Was ist, wenn sein Cousin Seth ein besserer Pharao wäre? Gerechter, gütiger und mit mehr Geschick das Land regierte?
 

Doch keiner konnte ihn die Antwort geben, nicht einmal in den heiligen Hallen fand er sie. Athemu betete Tag und Nacht, suchte nach Erlösung, doch stattdessen bekam er darauf hin nur noch mehr Papyrusrollen zum unterschreiben von Nen vorgelegt.

Es war, als wollten alle, das er keine Zeit habe um zu überlegen. Als ob er seine Hand ohne zu denken führen sollte. Aber das konnte doch nicht der richtige Weg sein.
 

Im Laufe der Zeit verarmte das Land, die Dürre wurde größer. Es gab kaum noch Ernten, die das Land ernähren konnten. Krankheiten brachen aus, die sich über das ganze Land ausbreitete.

Aber all dieses Leid blieb vom jungen Pharao unerhört. Nicht, weil er dafür keine Ohren hatte oder gar kein Interesse an das Volk zeigte, sondern weil die Berater und Priester ihn von diesen Sorgen fern hielten. Neue Verträge wurden hinter seinem Rücken ausgehandelt und an vorderster Stelle dieser Verschwörung stand nur ein Mann, der mit böswilligen Lächeln auf die junge Gottheit hinab blickte.
 

So zogen die Jahre ins Land, das Volk verkümmerte unbemerkt vom Herrscher der immer noch glaubte, er hätte eine gute Wirtschaft und glückliche Landsmänner.

An einem warmen Nachmittag saß Athemu wieder auf seinen Thron und wartete auf einen seiner treusten Wirtschaftsberater. Seltsamer Weise legte dieser ihm immer Berichte vor, die das Gegenteil von dem sprachen, was die Priester von ihren täglichen Erkundungen durch die Stadt erzählten. Er hatte ihn gebeten einen Abschlussbericht mit allen wirtschaftlichen Faktoren zu erstellen um nach seiner Meinung die Lage zu begutachten. Jedoch lies genau dieser sich heute entschuldigen und durch einen Boten erfuhr er, das dessen einzigster Sohn ihn heute vertreten sollte.

Eine Wache führte ihn in sein Saal und so wie es jedem Bürger untersagt war, dem Pharao ohne seine Erlaubnis in die Augen zu sehen, kam er mit gesenkten Kopf hinein und kniete sich vor der Gottheit nieder.

Er war jung, sogar einige Ebben jünger als Athemu selbst, aber die zerschlissenen Kleider wunderten ihn. Hatte er nicht erst vor einigen Monden neue Kleidung in der Stadt verteilen lassen? Sein Priester Nen hatte sich persönlich darum gekümmert.

Genau dieser Stand nur wenige Schritte neben ihn und blickte auf den Knaben herab, als hätte er eine Schabe entdeckt und übernahm das Wort.
 

„Was ist dein Verlangen?“
 

„Ich ersuche eine Audienz beim Pharao, da dieser meinen Vater beauftragt hatte, weitere Berichte anzufertigen, mein Herr.“
 

„Wie kannst du es wagen in seiner Gegenwart mit gespaltener Zunge zu sprechen? Niemand hatte dich dazu beauftragt.“
 

Nens Stimme wurde lauter, ging sogar einen Schritt auf ihn zu, machte Anstalten das Podest zu verlassen und winkte sogar schon eine Wache heran, der eine Peitsche an seinem Gürtel trug, doch Athemu hob die Hand zur Wache, worauf dieser wieder rückwärts, mit gesenkten Kopf zu seinem Platz ging.
 

„Aber..“; er setzte schon zum Protestieren an, aber eine weitere Hand ließ auch ihn schweigen.
 

„Ich habe diesen Bericht angeordnet. Nur weil Ihr nicht über alles im Bilde seit, bedeutet es nicht, das Euch jemand aufs Korn nehmen will.“
 

Nen verbeugte sich unterwürfig. Doch als Athemu den Kopf wieder zu den Knaben wandte, spannte Nen seinen Unterkiefer an und seine Verbeugung wurde steifer.
 

Athemu hatte diesen Jungen schon einmal gesehen. Er begleitete öfters sein Vater in seine Arbeitsräume und ging ihn zur Hand. Aber aus der Nähe heraus sah er anders aus. Die Anziehungskraft war stärker. Es war, als würde eine unsichtbare Hand sich um sein Herz legen und ihn näher zu ihn ziehen wollen. Er konnte sich nicht dagegen wehren, wollte es sogar nicht. Dieses Gefühl verleitete ihn dazu, ihn nach seiner Meinung zu fragen. Wie er die Führungsqualitäten im Land sah und was man verbessern konnte.

Doch er hatte nicht mit seiner Ehrlichkeit gerechnet, denn sie war niederschmetternder als alles andere. Durch ihn erfuhr er, wie es wirklich um das Land bestellt war, das Gelder ausgegeben wurden, die gar nicht mehr da waren und das Volk den Pharao schon seit langen nicht mehr vertraute. Wenn das alles wirklich wahr war, dann gab es in seinem System eine Lücke. Hatte er nicht erst letztens einen Bericht der Verwaltung gelesen, das seine Kammern wie immer gut gefüllt waren und die Boten vom Volk nichts zu berichten hatten? Wie ist es denn möglich, wenn er unter falschen Tatsachen regierte.

Doch Hanys Erzählungen waren eher vage gehalten, nichts detailliertes und als der Pharao danach fragte, murmelte er eine Entschuldigung und verließ den Palast wieder.

Es war mehr als Offensichtlich, das der Junge etwas verheimlichte und es war schon fast ein frevelhaftes Verhalten ohne Aufforderung die Gemächer zu verlassen.
 

Aber Athemu war neugierig und war gewillt, die Wahrheit heraus zu finden. Es grenzte schon an Spionage, was er veranlasste, nur um die Schwächen des Jungen heraus zu finden. Er wollte ihn bezirzen, um ihn später im richtigen Moment wie eine Dattel auszuquetschen. Athemu lies nichts unversucht. Schickte Gold, Schmuck, verschiedene Kostbarkeiten nur um die Gunst zu gewinnen, doch sie blieb ihn weiterhin verwehrt. Reagierte weder noch auf Briefe, Einladungen, sogar Befehle schlug er aus und sein Berater Nen war darüber mehr als nur erzürnt. Dies war schon Gotteslästerung und hätte er ihn nicht zurück gehalten. Wäre er wahrscheinlich auf dem Pranger gelandet.

Immer wieder wurde er von Nen gefragt, warum er dieses Verhalten duldete, nichts unternahm und warum er auf das Wissen des Jungen so einen Wert legte, doch er konnte es selber nicht beantworten. Der Junge hatte etwas an sich, das Athemu anziehend fand. Seine ganze Art nebelte ihn ein, seine Augen machten ihn sprachlos. Die Farbe war so ungewöhnlich für ein Ägypter, das der Pharao sich schon erwischte sich zu fragen, ob er mit seiner Familie eingewandert war. Er war kleiner als die normalen Bürger, zierlicher, aber dennoch vom Charakter kräftiger als viele seiner Berater. Seine ganze Haltung zeigte keine Unterwürfigkeit, war aber dennoch nicht respektlos und obwohl er nicht älter als er selbst sein konnte, hätte man denken können, man hat einen weisen alten Mann vor sich.

Durch Zufall bekam er raus, das der Junge auf den Namen Hany hörte, das er öfters mit seinem Vater im Palast war, ihn unterstützte, aber Hany ging Athemu auch aus dem Weg. Immer wenn er zufällig den selben Weg nahm und durch die Gänge sich hätten begegnen müssen, verschwand er im erstbesten Raum, dessen Tür ihn kreuzte.

Es tat fast schon ein wenig weh, kränkte sein Stolz und verwunderte ihn, warum man so derart abweisend auf ihn reagierte. Hatte er etwas falsch gemacht? Den Jungen unbewusst erzürnt?
 

Diese Fragen ließen ihn nicht mehr in Ruhe, hielten den Pharao in der Nacht wach, wurde dadurch nachlässig, war nicht bei der Sache. Doch nachdem er einen Anschnauzer von seinem Cousin Seth erhalten hatte, die lauter war, als der größte Sturm im Land, wusste er, das es so nicht weiter gehen konnte. Es wurde Zeit, das man das aus der Welt schaffte.
 

Also setzte er sich eines Tages an seinem eingeschifften Schreibtisch, rollte eine neue unbeschriftete Papyrusrolle aus, tunkte seine Feder in Tinte, setzte sie auf das Blatt und erstarrte.

Was sollte er schreiben? Er wusste ja nicht einmal, was er falsch gemacht hatte. Keine Ahnung darüber, warum er so erzürnt war. Alle seine Geschenke hatte Hany doch ausgeschlagen, nie eine Antwort gesendet, ging ihn leider erfolgreich aus dem Weg und schien wie ein Löwe darum zu kämpfen, nicht in dem Blickfeld des Pharaos zu geraten. Aber Hany hatte keine Ahnung, das er es bereits war. Seit dem ersten Augenblick in der Halle.

Doch Athemu war sich dessen noch nicht einmal richtig bewusst. Konnte nicht einordnen, woher das große Interesse stammte. Also atmete er einfach tief durch und lies seine Hand das aufschreiben, was in seinem Kopf rum schwirrte. Nach einiger Zeit hatte er gar keine Kontrolle mehr darüber. Die Feder kratze schnell über den Papyrus, wurde immer wieder in die Tinte getunkt und das Handgelenk fing schon nach wenigen Sätzen an zu schmerzen. Der Herrscher war es nicht mehr gewöhnt, selbst zu schreiben. Er hatte immer Gelehrte, denen er die Schriften diktierte, aber dieses Mal kam es ihm zu Privat vor. Er wollte nicht das andere es lesen. Er wollte, das Hany seine Schrift sah, erkennen konnte, das alles ernst war.
 

Als Athemu fertig war, legte er die Feder wieder beiseite und riss die Augen auf, als ihm bewusst wurde, was er da geschrieben hatte. Für ein Außenstehender klang es fast wie eine Liebeserklärung und Hany würde das genauso sehen. Schnell nahm er den Papyrus und wollte es gerade entzwei reißen, um die Beweise zu vernichten um sie später den Küchenfeuer zum Fraß vor zu werfen, doch etwas hinderte ihn daran.

Er hatte so seinen Herzen die Führung überlassen, das er wirklich das nieder schrieb, was in ihm vorging und selbst jetzt wurde ihm klar, was es für Konsequenzen haben konnte. Es war in der Zeit verpönt, einen Liebhaber zu haben vom gleichen Geschlecht, daher wurde sehr darauf geachtet, das nie etwas an die Öffentlichkeit gelang, die Aufzeichnungen darüber wurden nach dem Tod der Götter verbrannt oder versteckt.
 

Seufzend stand er auf, ging zum Fenster und blickte auf den Innenhof. Es war fast die gleiche Aussicht, wie von seinem Schlafgemach. Jedes Mal, wenn er das Gewächshaus seiner Mutter erblickte, wurde ihm schwer um sein Herz. Wie gern sie ihre Zeit darin verbracht hatte. Die Pflanzen waren ihr schon fast wichtiger, als die Aufgaben einer Gattin. Wenn man sie suchte, wusste Athemu immer, wo man sie finden konnte. Er konnte gar nicht mehr zählen, wie oft er sie schon völlig dreckverschmiert in der Erde hockend gefunden hatte. Sie lächelte ihn verschmitzt an, legte ihren Zeigefinger an die Lippen und zwinkerte ihn zu. Eine vertraute Geste, die ihm sagen sollte, das er es für sich behalten könnte.
 

Ein Klopfen riss ihn aus den Gedanken. Ein Bote trat ein, mit gesenkten Kopf und verbeugte sich.
 

„Pharao, ihr hattet einen Boten gerufen?“
 

Athemu zeigte auf die Papyrusstapel auf dem Tisch.
 

„Das sind alles Dokumente, die noch heute überbracht werden müssen.“
 

Der Bote verbeugte sich erneut, schritt zum Schreibtisch und war wenige Augenblicke aus dem Zimmer wieder verschwunden und lies den nachdenklichen Pharao zurück.

Erst wenige Minuten später bemerkte er, das der Bote auch den Schriftsatz an Hany mit genommen hatte, doch das Hufegetrampel auf dem Hof lies vernehmen, das es schon zu spät war, ihn zurück zu rufen.

Jetzt konnte er nur hoffen, das er es nicht falsch auslegen würde.
 

Doch seine Sorgen waren unbegründet, Hany kam wie er ihn gebeten hatte. Sie unterhielten sich lang. In den Gesprächen hatte er jeden aus den Zimmer geschmissen, wollte allein mit ihm sein.

Aber was er in den Tagen erfuhr, war nicht gerade das, was er sich vorgestellt hatte.

Sein Land war ärmer als es in seinen Berichten stand. Es wurde Geld ausgegeben, die der Palast nicht hatte. Die Steuereintreiber, die angeblich im Auftrag des Pharaos gesand wurden, waren brutal und rücksichtslos. Doch wenn er den Auftrag dafür nicht erteilt hatte, wer gab dann die Erlaubnis für dieses Handeln?

Es gab scheinbar viel in diesen Palastmauern, das er nicht kannte und es wurde Zeit, das er das änderte. Er war der Herrscher des Landes, Sohn eines Gottes.
 

Im laufe der Zeit lernten sie sich näher kennen, Athemu bat ihn, sogar in seine Gemächer zu ziehen. Gab ihn Freiheiten, wovon andere nur träumten. Und auch wenn Athemu es nie zugab, so fühlte er sich richtig wohl in seiner Nähe. Das erste Mal seit den Tot seiner Mutter hatte er nicht mehr das Gefühl einsam zu sein, als ob das fehlende Teil endlich wieder eingesetzt wurde.
 

Athemu war so dankbar dafür, das er gar nicht mehr wusste, wie er es wieder gut machen konnte.

Aber als sie einmal im Hof waren und Hany die Blumen betrachtete, kam ihn die Idee. Er wusste über fast jede Pflanze bescheid, erzählte ihre Namen, die Wirkungen für Heilungen, wie man sie am besten pflegte, ja sogar wo sie ursprünglich her stammten.

Ein Blick auf das alte Gewächshaus seiner Mutter und Athemu wusste, was er zu tun hatte.

Er lies neue Samen einschiffen, frische Erde besorgen, Pferdeäpfel aus den Stallungen, Heu für die Dämmung und einige Baumeister, die das alte Häuschen wieder auf forderman brachten.
 

Und die Überraschung war geglückt. Hany lächelte ihn freudig an, strahlte über das ganze Gesicht und stürmte sofort in das Gewächshaus. Und wie seine Mutter früher verbrachte er da mehr Zeit als sonst wo. Aber immer wenn er abends in das Gemach kam, mit Erde unter den Fingernägeln, zerknitterte Leinen und Schmutz auf den Wangen, konnte Athemu nicht anders und grinste mit ihn.
 

Drei Tage später geschah das, womit keiner gerechnet hatte. Sie waren allein im Hof, bewunderten die Arbeit von Hany. Er hatte es geschafft, aus dem vertrockneten Gestrüpp ein Blumenmeer zu zaubern, was Athemu fast die Sprache verschlug.

Hany erzählte drauf los, aber die Wörter drangen zu dem Pharao nicht durch. Er sah nur die schmalen Lippen, wie sie sich bewegten. Er konnte hinterher nicht mehr sagen, ob Hany über die Blumen redete oder einfach nur über die dumme Bettwäsche. Die Wörter wurden nicht aufgenommen. Viel mehr der Duft, den er ausstrahlte. Er stand so nah bei ihm, das er sich nur nach vorn beugen müsste, um ihn zum schweigen zu bringen.

Doch als Hany ihn beim lachen direkt in die Augen sah, war die Versuchung so groß, das er ohne zu überlegen nach vorn griff, seine Hand in seinen Nacken und die Andere an die Hüfte legte und ihn somit zu sich zog und das Lachen abrupt erstarb.

Dieser Kuss war anders als die, die er schon hatte. Die Lippen waren erstaunlich weich, er war sich gar nicht richtig bewusst, das er da einen Jungen küsste. Er bemerkte nur, das dieses Gefühl, das langsam in seinem Inneren aufkeimte, etwas war, das er nicht einmal bei den schönsten Haremsfrauen hatten. Es ließ ihn schweben, auch wenn er ganz genau wusste, das er mit beiden Beiden auf dem Boden stand. Seine Hände fingen kaum merklich an zu zittern, überspielte es, in dem er Hany enger zu sich zog, den Abstand endgültig auf Null setzte und das Gefühl der Schwerelosigkeit wurde größer, riss ihn von den Füßen. Er musste Hany zu Boden zerren, da seine Beine nachgaben. Hany würde sich bestimmt überrumpelt fühlen, das er plötzlich auf den Rücken lag, über ihn sein Pharao und gerade tiefer in seinem Mund versank, doch jedes Bedenken wurde in der nächsten Sekunde weggewischt. Auslöser waren Hanys Arme, die sich um den Nacken von Athemu schlangen, den jungen Mann noch näher zu sich zog.

War es eine Sünde, was er da tat? Würden ihn die Götter im nächsten Leben dafür bestrafen oder gar schon am Himmelstor? Egal was ihn erwarten würde, er würde alle Strafen mit offenen Armen empfangen, wenn er nur weiterhin diese Lippen haben durfte.
 

Dies sollte nicht ihr letzter Kuss gewesen sein, doch es war der Auslöser für alle weiteren Probleme.

Nen stand auf der Brüstung von seinem Arbeitszimmer. Sein Blick verdunkelte sich, als er die Szene von weiten beobachteten und seine Finger verkrampften sich um das das Gestein, als sie auch noch auf dem Boden landeten, der Pharao sich über den Jungen rollte und es nicht danach aussah, als würden sie gleich damit aufhören. Diese Entwicklung war gar nicht gut für den Berater. Es drängte sich gerade eine Person in seinen Plan, die den Pharao beeinflussen könnte. Der Knabe hatte sowie so schon viel zu viel erzählt und den Herrscher Flausen in den Kopf gesetzt.

Es wird Zeit, das er sich mit den anderen Beratern zusammen setzten musste, um diesen Bengel endgültig aus dem Weg zu schaffen.

Das Buch des Untergangs

Hallo an all unsere Leser ^^
 

falls ihr demnächst an einem Lemon in dieser Geschichte interessiert seid, dann sagt bitte Bescheid. Ich lasse mich dazu breitschlagen, aber nur wenn es wirklich gewünscht ist. GeezKatsu und ich haben übrigens noch eine Überraschung für euch, aber was genau, wird erst am Ende dieser FF verraten.
 

So, ansonsten hoffe ich euch gefällt, was ich aus dem Cliffi von GeezKatsu gemacht habe.
 

-Run-
 


 

Kapitel 13: Das Buch des Untergangs
 

Ein Harem. Dieser Raum hinter der Tür aus meinem Traum, war ein Harem. Arthur hat mir das heute gesagt. Hah! Na das erklärt zumindest dieses Gefühl, als würde mir das Herz brechen aus meinem Traum und den Schmerz, der meine Brust fast sprengt. Meine große Liebe hat mich betrogen…und dabei war ich so sicher, dass unsere Liebe perfekt war. Was gibt es sonst noch, an das ich mich nicht mehr erinnere? War denn alles, woran ich bis jetzt geglaubt habe nur die Traumvorstellung einer Liebe? Nur meine perfekte Illusion? Wir haben uns den groben Grundriss des Palastes angesehen, den er angefertigt hat und ich konnte einfach nicht anders als zu fragen.
 

Arthur hat mich kurz angegrinst, während mein Großvater mich mitleidig angesehen hat. Er hat es die ganze Zeit gewusst. Als Arthur mit Odion zu der Organisationsbesprechung vorgegangen waren, hat er mir beruhigend die Hand auf die Schulter gelegt und mir zugeflüstert: „Nur weil Atemu einen Harem hatte, heißt das noch lange nichts Yugi. Viele Pharaonen hatten einen. Es war einfach ein Statussymbol der damaligen Zeit. Außerdem wurden von den Herrschern nun mal Thronfolger erwartet. Es heißt nicht, dass er dich nicht geliebt hat. Wer weiß denn heute noch, ob er den Harem nicht aufgegeben hat, nachdem er dir begegnet ist?“

Seine Worte sollten mich trösten, doch meine komplette Welt war mal wieder dabei unterzugehen.
 

Jetzt bin ich hier dabei das Essen zu machen. Yami ist heute in die Stadt gefahren und ich bin mir ziemlich sicher, dass er mal wieder eine seiner Grausamkeiten zubereiten will. Das hat er letztens schon mal gemacht. Irgendein grauenhaftes Zeug mit Wirsing. Scheint so als würde der Herr Pädagoge dieses Gemüse am liebsten mögen. Das ganze Zelt hat auf jeden Fall danach gestunken. Vielleicht holt er sich ja heute auch nur die Überreste davon. Viel gegessen hat er in letzter Zeit ja nicht und langsam fange ich an mir Sorgen um Yami zu machen.
 

Zwischen ihm und mir ist es echt seltsam. Unsere gesamte Beziehung – wenn man es so nennen will. Vor einigen Stunden war ich noch mehr als bereit ihm zu verzeihen, dass er mich angemotzt hat und dann auch noch in einer Fremdsprache, damit ich nicht verstehen konnte, was er sagte. Yami konnte ja nicht ahnen, dass ich auch ägyptisch spreche.
 

Auch diesen Schmerz, den ich seit meinem Traum, ständig gespürt hatte, war ich bereit zu ignorieren.

„Hey, du weißt doch selber nicht, warum du so verletzt wegen dieser Tür warst, da kannst du Yami nicht dafür mit Nichtachtung strafen. Er kann doch nichts für deine Träume und ich kann ihn nicht für etwas verantwortlich machen, von dem er nicht einmal weiß, dass es überhaupt passiert ist“, habe ich mir gedacht und tatsächlich hatte ich für kurze Zeit das Gefühl gehabt, er würde sich an etwas erinnern.
 

Es gab diesen Moment, in den ehemaligen Gemächern des Pharao, da hatte ich wirklich den Eindruck, Yami würde mich wiedererkennen. Das gab mir Hoffnung und ich ging einen Schritt auf ihn zu, in dem ich ihn um Hilfe bei der Übersetzung der Steintafeln, der Wandschriften und der Papyrusrollen bat, die wir in den Räumen des Pharao gefunden haben. Doch schon zwei Stunden später krachte mein himmelhochjauchzendes Herz auf den harten Boden der Realität.
 

Arthur hat einige der früher gefundene Steintafeln übersetzt, an Hand derer er in der groben Umrisszeichnung des Palastes, die einzelnen Räume bestimmt hatte. Es waren zwar nur Vermutungen, aber durch meine Träume wusste ich ja, dass er bei etwa achtzig Prozent der Einteilungen richtig lag. Stolz hatte er sogar verkündet: „Also da brauche ich nicht einmal Schriftrollen, um zu wissen was das war. Die Schnitzereien an der Tür und die Inschrift sagen schon alles.“

Neugierig habe ich auf den Plan gesehen und dabei sofort den Raum erkannt, hinter dem Atemu in meinem Traum verschwunden war. Ich habe meine Antwort bekommen.
 

Yami hat davon nichts mitgekriegt. Er war zu vertieft in die Übersetzung über die Regierungszeit seines früheren Ichs. Odion holte etwa fünf Minuten später Arthur und meinen Großvater zu einer Besprechung ab.
 

Ich starrte Yami eine Weile an. Es war alles so anders als ich es mir vorgestellt habe. So viel komplizierter. Ich hatte mich so gefreut ihn endlich gefunden zu haben, doch nun glich mein Leben einer Achterbahnfahrt der Gefühle. Mal war ich so glücklich, dass mir fast das Herz platzte und dann wieder fast zu Tode betrübt. Wäre ich nicht schon siebzehn, hätte ich meine Teenager – Hormone dafür verantwortlich gemacht, aber solche Stimmungsschwankungen hat man nur am Anfang der Pubertät…zumindest als Junge.
 

Ich räusperte mich einmal, doch Yami hörte mich nicht. Da aber niemand anderes da war und ich unbedingt Hilfe brauchte um eine Papyrusrolle zu übersetzen, die mich interessierte, musste ich seine Aufmerksamkeit bekommen. Mit einem Seufzer breitete ich die betreffende Rolle direkt vor seiner Nase auf dem Boden aus. Ich achtete darauf, dass sich meine Hand in sein Blickfeld schob, als ich auf ein Symbol deutete und fragte: „Können Sie mir hierbei helfen?“

Manchmal war Yami auch echt zu verpeilt. Viel zu vertieft in seine eigene Welt, um etwas, was um ihn herum passierte zu bemerken. Irgendwie war das niedlich.
 

Er schaute mich an und zog eine Augebraue hoch. Ich glaube Yami hatte ganz vergessen, dass sich noch jemand anders im Zelt befand. Er legte aber sofort die Rolle bei Seite, die er gerade studiert hatte und wandte sich der zu, die ich vor ihm ausgebreitet hatte. Er half mir bei der Übersetzung, so wie er es mir im Palast versprochen hatte.
 

Ab und zu – eigentlich fast die ganze Zeit – kam der Lehrer in Yami hervor. Er übersetzte die Texte nicht einfach nur für mich. Er ließ mich mitarbeiten. Zuerst erklärte er mir nur die einfache Bedeutung der Symbole, wenn ich mal nicht weiterwusste, dann half er mir das Übersetzte in die richtige Reihenfolge zu bringen und zwischendurch, erklärte er mir sogar noch, wie sich die Hieroglyphen der Neuzeit aus denen dieser Epoche entwickelt hatten. Ich muss gestehen, so viel Wissen über das alte Ägypten hätte ich ihm gar nicht zugetraut. Es beeindruckte mich, aber noch mehr imponierte mir die Leidenschaft die dahinter steckte und die in seinen Augen leuchtete, jedes Mal, wenn er mich berichtigte oder mir etwas erklärte.
 

Nur zum Schluss versank Yami wieder in seiner eigenen Welt und ignorierte mich. Die letzten Passagen waren nur schwer zu lesen und zu entziffern, also tat er das und las mir dann laut vor. Ich kannte die Geschichte zwar schon, denn – hallo – ich hatte sie ja selbst erlebt, aber trotzdem lauschte ich nur zu gerne seiner rauen und dunklen Stimme. Mir fiel auf, dass er zum Ende hin immer leiser und leiser wurde und ganz zum Schluss nur noch für sich las. Yami hatte ganz vergessen, dass ich noch da war. Als mir das so richtig klar wurde, stieß ich ihn mit der Schulter an und zog eine Schnute. Wie soll man sich denn fühlen, wenn jemand einen vergisst, obwohl man daneben sitzt?
 

Yami sah mich zuerst total verwirrt an, dann räusperte er sich aber verlegen und las weiter laut vor, ohne irgendwas dazu zu sagen, dass er völlig in seine eigene Welt versunken war.
 

Diese Aufzeichnungen weckten all die Erinnerungen. Der Schmerz machte mir die Brust eng und ließ mich kaum atmen. Ich konnte nichts mehr sehen und starrte eine Zeit lang nur vor mich her. Plötzlich spürte ich etwas Warmes und sehr Vertrautes an meiner Hand. Yami hatte danach gegriffen, um den Bleistift, den ich – ohne es zu merken – entzwei gebrochen hatte, daraus zu befreien. Ich zuckte zusammen. Nicht wegen der Berührung, sondern weil er mir plötzlich so nah war. Unsere Gesichter waren nur wenige Zentimeter von einander entfernt und sein Atem strich über meine Wangen. Ich fühlte mich so wohl und das machte mir Angst. Ich wollte nur noch weg und war dadurch zu hektisch und aufgedreht…nervös. Bis ich mein Heil wirklich in der Flucht fand. Zum Glück hatte ich meine Pflicht zu Kochen, die ich als Ausrede nutzte.
 

Vor ungefähr zwanzig oder dreißig Minuten bin ich dann aus dem Zelt gegangen um die einzige warme Mahlzeit des Tages zuzubereiten. Es gibt Gemüseeintopf mit dem selbstgebackenen Fladenbrot der Nomaden, die hier so zu sagen unsere Gastgeber sind.
 

Gerade als ich schon nicht mehr damit rechne, betritt jemand das Zelt. In meinem Glauben es sei Yami drehe ich mich um, nur um meinem Großvater in die Augen zu sehen. Dieser mitleidige Ausdruck ist immer noch darin und ich drehe mich wieder zum Kochtopf um ihn nicht zu sehen.
 

Eine Weile herrscht Schweigen. Mein Großvater setzt sich nur auf den kleinen Holzhocker neben mir und schaut mich eine Weile an. Ich weiß ja, dass er mich aufmuntern will und mich am liebsten vor jeder Unannehmlichkeit im Leben beschützen will, aber gerade jetzt wäre ich gerne allein.

„Wie fühlst du dich Yugi?“, fragt er mich leise.

Was soll ich denn darauf antworten? Ich schaue meinem Großvater in die Augen und sie sehen mich so besorgt und ernst an, dass ich gar nicht mehr anders kann, als ihm zu antworten.
 

„Ich fühle mich…enttäuscht und…und betrogen“, presse ich hervor. „Ach Großvater, ich weiß gar nicht mehr was richtig ist. Seit…seitdem ich diese Träume hatte, habe ich immer ganz fest daran geglaubt, dass ich ihn irgendwann treffen würde. Ich habe immer gedacht unsere Liebe wäre perfekt gewesen. Ich weiß, dass du gesagt hast, er muss den Harem nicht unbedingt genutzt haben…dass er ihn vielleicht aufgegeben hat, nachdem er mich kennen gelernt hat, aber ich habe davon geträumt. Verstehst du das? Ich habe davon geträumt, wie Atemu diesen Raum betreten hat und ich war so verletzt. Mein Herz ist mir fast verblutet, vor Kummer…und…und wir müssen da schon ein Liebespaar gewesen sein, denn das passierte an dem Tag, an dem ich gestorben bin.“
 

Meine Augen brennen und ich weiß, dass die Tränen nicht weit sind. Dieser eine Satz schwirrt in meinem Kopf herum: „Doch merke dir mein Lieber, manchmal ist ‚perfekt‘ einfach nicht genug.“ Die weibliche Stimme die das sagte war dabei so traurig. Ich wusste, dass es die Stimme der Frau war, die mich kurz vor meinem Tod getröstet hat, dass es die Frau war, die mir diese zweite Chance in Aussicht gestellt hatte und die mir alles erklärte, was ich wissen musste, um glücklich zu sterben.
 

„Weißt du Großvater“, meine ich leise und fast monoton, „ das Traurige daran ist eigentlich, dass ich selbst trotz des Schmerzes in meinem Inneren und diesem unsagbaren Gefühl betrogen worden zu sein – trotz des Gefühls einfach nicht genug gewesen zu sein – fest daran glaubte, dass es richtig so war. Dass endlich das geschah, was schon die ganze Zeit hätte passieren müssen. Ich habe damit gerechnet, dass er mich verlässt, verstehst du das? Ich habe es gewusst. Auch als ich dann Yami kennen gelernt habe, hat er mich einfach angeschnauzt. Es ist alles so anders. Gar nicht perfekt, sondern nur ein Missverständnis nach dem anderen. Ich…was wenn ich ihn gar nicht erreichen kann? Was ist, wenn ich es nicht schaffe ihn dazu zu bringen, sich an mich zu erinnern? “
 

Mein Opa sieht mich nachdenklich an. Er seufzt leise.

„Ich habe schon eine Weile darüber nachgedacht. Was wäre denn, wenn diese zweite Chance euch nicht nur gegeben wurde, weil eure Liebe tragisch geendet hat, sondern weil sie trotz der Tatsache, dass ihr anscheinend für einander bestimmt wart, nicht miteinander glücklich sein konntet? Was ist, wenn diese Chance nicht unbedingt dir gilt, sondern ihm?“, gibt mein Großvater mir zu überlegen und ich muss gestehen, ich habe noch nie darüber nachgedacht. Doch selbst wenn es stimmen sollte, ändert es ja nichts.
 

Mein Großvater scheint mir diese Gedanken anzusehen, denn er seufzt wieder.

„Yugi mein Junge, du weißt ich liebe dich über alles, aber manchmal machst du es dir wirklich zu schwer. Ich will dir mal zwei Dinge zu bedenken geben. Erstmal würde ich ganz gerne von dir wissen, warum du glaubst, dass du ihn dazu bringen musst sich an dich zu erinnern? Kannst du das ganze nicht als eine Art Neustart sehen und Yami einfach dazu bringen, sich in dich zu verlieben? Das ist doch viel einfacher, als von ihm zu erwarten, dass er weiß, was in einem Leben von vor tausenden von Jahren passiert ist.“
 

Er steht auf und tritt zu mir an den großen Topf. Er schnappt sich einen der Löffel, die ich vorhin noch abgewaschen habe und probiert von dem Eintopf.

„Sehr lecker mein Junge, aber da fehlt noch etwas Pfeffer“, meint mein Opa. Er geht einfach an mir vorbei und holt sich den Streuer. Ohne meine Zustimmung abzuwarten, würzt er nach. Man, der ist ja fast schon so wie Yami…nur das er nicht komplett ungenießbares Zeug kocht.

„Was ist die zweite Sache?“, frage ich nach einer Weile. Es war so ruhig und ich habe eigentlich damit gerechnet, dass mein Großvater irgendwann weiterredet, doch er scheint vergessen zu haben, dass er überhaupt etwas gesagt hat.
 

„Häh? Was für eine zweite Sache?“

„Na du hast gesagt, du gibst mir zwei Dinge, über die ich mal nachgrübeln soll. Dinge, die Yami, mich, unser früheres Leben vor einigen Jahrtausenden und die heutige Beziehung betreffen. Du hast aber jetzt nur eine erwähnt“, antworte ich. Ich war viel zu neugierig, was mein Großvater mir sonst noch zu sagen hatte, um genervt zu sein. Selber wäre ich nie auf die Idee gekommen, dass es vielleicht reichte, dass Yami sich in mich – in Yugi – verliebte und nicht in eine Erinnerung aus vergangenen Zeiten. Ich bin wohl zu gefangen gewesen von der Fantasie, dass damals alles vollkommen gewesen war und einfach schon passiert war, dass ich gar nicht auf den Gedanken gekommen bin, dass ich es einfach neu anfangen könnte, dass ich Yami von Neuem dazu bringen könnte, sich in mich zu verlieben.
 

„Hehehe“, lacht mein Großvater leise, „ich dachte eigentlich, dass wäre ganz klar und logisch mein Junge. Die zweite Sache, über die du mal nachdenken solltest, ist deine feste Überzeugung, dass DU es sein musst, der Yami von sich überzeugen muss. Wer sagt denn, dass diese Aufgabe nicht dem ehemaligen Pharao zufallen sollte. Nur weil du die Erinnerungen hast, heißt es nicht, dass du alles initiieren musst. Sicher, du glaubst, dass das der Preis ist, den du zu zahlen hast für eure zweite Chance, aber könnte dein Wissen um die Vergangenheit nicht auch in anderer Hinsicht ein Preis sein? Könnte es nicht einfach sein, dass es deine Aufgabe – dein Sold für dieses neue Glück – auf Yami zu warten, bis er begreift, was er an dir hat? Was wäre denn ein größerer Preis, als der sich nicht in das Schicksal einzumischen, obwohl man es könnte? Verstehst du, was ich versuche dir zu sagen Yugi?“
 

Ich nicke bedächtig. Ich habe es schon verstanden. Ich soll nicht so darauf fixiert sein, die Vergangenheit wieder aufleben zu lassen und ich soll mich nicht so sehr darauf fixieren Yami zu bekommen. Er soll sich ruhig auch mal Mühe geben.
 

„Ach Yugi? Ich bin aus einem bestimmten Grund hierhergekommen. Könntest du bitte die Beleuchtungen auf dem Parkplatz heute manuell anmachen? Unser Generator dort musste ausgetauscht werden, da die meisten offene Autos fahren, möchten sie natürlich nicht, dass irgendetwas dort gestohlen wird. Bitte, sei so gut“, lässt mein Opa die Bombe platzen.

Na bitte! Ich habe doch gewusst, dass er nicht völlig ohne Grund hier auftaucht. War ja klar, dass ich was erledigen muss.
 

Resigniert seufzend gehe ich vom Kochtopf weg. Es hat ja keinen Sinn zu diskutieren. Das gehört halt zu den Aufgaben eines kleinen Helferleins wie mir. Ich darf zwar wesentlich mehr, als Jugendlichen in meinem Alter an einer solchen Ausgrabungsstätte sonst erlaubt wird, aber dafür bin ich auch das Mädchen für alles. Zumindest manchmal. Ich ignoriere also, dass ich eigentlich keine Lust habe dies fünfzig Meter bis zum Parkplatz zu laufen und will gerade das Zelt verlassen, als mein Großvater mich noch einmal aufhält.
 

„Yugi?“

Ich drehe mich zu ihm um und schaue ihn neugierig an. Was hat er wohl jetzt noch zu sagen?

„Vergiss bitte eine Sache nicht: Auch wenn beiden dieselbe Seele innenwohnt, so sind sie zwei völlig verschiedene Persönlichkeiten. Beide sind durch die Zeit in der sie Lebten geprägt worden. Yami ist nicht dein Atemu.“

Ich nicke wieder. Dieses Mal sehr heftig. Ich weiß nicht, was ich sonst tun sollte. Es gibt nichts mehr zu sagen.
 

**********
 

Die Lichter auf dem Parkplatz manuell einzuschalten dauert nicht lange, aber ich musste aufpassen, dass sie auch wirklich an bleiben. Also musste ich zwanzig Minuten lang dort stehen bleiben, um sicherzugehen, dass die Lichter auch wirklich nicht ausgingen. Jetzt ist es schon ziemlich dunkel und kalt. Die Nacht in der Wüste ist das immer und ich habe schon eine Gänsehaut am ganzen Körper.
 

Auf meinen Weg zum Kochzelt zurück, wo ich mir noch einen Teller Suppe und warmes Fladenbrot holen will, schaue ich noch bei den Autos vorbei. Ich bin schon etwas verwundert, dass Yamis Auto da noch steht. Sollte er nicht in der Stadt sein? Ach ja, er ist mit Odion gefahren, weil der sowieso für die nächsten zwei Wochen Vorräte kaufen wollte. Na ich frage mich was wohl Odion zu Yamis seltsamen Essgewohnheiten sagen wird.
 

„Hm? Was ist denn das da“, murmele ich leise. Da liegt etwas auf dem Beifahrersitz von Yamis Auto. Ich hätte es jetzt selbst nicht bemerkt, wenn das Licht nicht plötzlich so hell geworden wäre. Hoffentlich ist das kein Zeichen für eine Überspannung. Ich könnte es jetzt nicht gebrauchen, dass die Flutleuchter kaputt gehen. Es ist höllisch schwer die Neoleuchten auszutauschen.
 

Neugierig, wie ich nun mal bin, trete ich näher an das Auto heran. Ich greife nach dem kleinen, flachen Gegenstand. Es ist ein Buch. Was hat es hier zu suchen? Dann mach es endlich ‚KLICK‘ bei mir. Das ist Yamis Notizbuch! Ich habe ihn schon öfters etwas hinein kritzeln gesehen, wenn er mich um Hilfe bei den Übersetzungen gefragt hat. Ich habe mich schon gefragt, wo es war, weil ich ihn schon ein paar Tage lang nicht damit gesehen habe. Könnte er wirklich so durcheinander gewesen sein, dass er es nach seinen Einkäufen letztes Mal einfach hier vergessen hat? Es ist eigentlich ein Wunder, dass es immer noch so unversehrt hier gelegen hat.
 

Das Material ist warm und angenehm in meinen Händen. Ob ich wohl einen Blick hinein riskieren sollte? Es würde mich schon interessieren, was er so da reinschreibt. Nein, das kann ich nicht machen. Es wäre nicht richtig. Es ist besser, wenn ich es ihm wiedergebe, wenn er da ist.
 

**********
 

„Verdammter Mist aber auch!“, fluche ich und trete einen kleinen Stein zur Seite. Ich bin noch nicht dazu gekommen, Yami sein Notizbuch zurückzugeben. Bevor ich die Chance hatte es ihm zu geben, brauchte Odion meine Hilfe im Vorratslager. Es hat eine Ewigkeit gedauert, die ganzen Konserven so zu sortieren, dass die, dessen Ablaufdatum schon fast bevor stand, als erstes verbraucht wurden.
 

Vor etwa zehn Minuten bin ich erst fertig geworden und habe dann durch Nachfragen herausgefunden, dass Yami in sein Zelt gegangen ist. Jetzt musste ich mich durchfragen, um überhaupt herauszufinden, welches es war. Ich habe es noch nie betreten, habe mich auch nicht wirklich dafür interessiert, auch wenn ich ja sonst total besessen von ihm bin. Ich war halt zu beschäftigt mit den Arbeiten hier im Camp.
 

Das Licht brennt noch in dem Zelt, also gehe ich einfach hinein. Die kleine Öllampe brennt auch tatsächlich noch auf dem Tischchen, doch Yami ist nicht zu sehen. Ich bin zuerst zu verwirrt, um zu verstehen, doch dann höre ich ein sehr leises Seufzen. Mein Kopf schnellt ruckartig zur Seite und ich sehe Yami auf dem Feldbett liegen. Er hat sich gerade zur Seite gedreht und seinen Arm über die Augen gelegt.
 

Der Anblick lässt mich lächeln. Es ist einfach so…so vertraut und richtig. Als wäre dieses Bild nur für mich gemacht. Leise gehe ich zum Tisch und lege das Notizbuch neben die Lampe. Er wird vielleicht etwas verwirrt sein, wenn er es hier vorfindet, denn er muss es ja schon vermisst haben, aber ich kann ihn ja morgen darauf ansprechen, ob er es gefunden hat. Hoffentlich denkt Yami nicht, ich hätte darin gelesen.
 

Ich verwerfe diesen Gedanken. Selbst wenn er es tut, kann ich ihm ja erklären, wie ich es gefunden habe. Ich lösche das Licht. Es ist gefährlich die Lampe an zu lassen, wenn man schläft. Eine Windböe, die durch den Zelteingang weht kann die Lampe umstoßen und dann gibt es ein Feuer, da alles hier aus Holz und Leinen ist.
 

Gerade als ich zwei Schritte nach vorne mache um zu gehen, höre ich, wie Yami etwas im Schlaf murmelt und sich bewegt. Es hatte sich fast angehört wie „…lecker…Himbeeren“. Von Himbeeren hat er doch schon einmal im Schlaf gesprochen…oder eher in seiner Ohnmacht, als er den Kreislaufzusammenbruch hatte. Ob Yami die wohl besonders mag? Schließlich scheint er ständig daran zu denken.
 

Ein leiser Seufzer verlässt seine Lippen und lässt mich erschauern. Dieser Laut ist einfach…einfach so…so erregend. Ich werde rot, als wieder zahllose Bilder unserer vergangen Liebesnächte. mein Gehirn fluten. Das Gefühl, wie sich seine Haut unter meinen Fingern angefühlt hat, wie er meinen Namen geflüstert hat und ich seinen. All das, was in unserem früheren Leben schon passiert ist…es weckt eine Sehnsucht in mir, die ich kaum ertragen kann.
 

In dem ich meinen Kopf schüttle, versuche ich auch diese Gedanken abzuschütteln. Das hier ist nicht die richtige Zeit dafür. Ich drehe mich noch einmal zu Yami um und sehe, dass seine Decke verrutscht ist. Er trägt wieder kein Hemd und meine Fingerspitzen kribbeln in dem Wunsch, noch einmal über seine perfekte gebräunte Haut zu fahren. Noch ehe ich weiß, was ich tue, bin ich schon bei seinem Feldbett.
 

Meine Fingerspitzen berühren ganz kurz die Haut unter seinem Bauchnabel, als ich nach der dünnen Leinendecke greife und sie bis zu seinen Schultern hochziehe. Es ist besser für ihn und mein Seelenheil, wenn er bedeckt ist.
 

Ich bin kein böser Mensch – bin ich wirklich nicht – aber das, was ich dann tue, na ja…meine Teenager – Hormone sind schuld daran und meine eigene Dummheit. Wieso habe ich auch meinen Kopf zur Seite gedreht? Wieso bin ich so dumm? Es muss mir doch klar sein, wie nah er mir ist. Ein kurzer Blick nach Links und plötzlich sind seine Lippen so nah. Sein warmer Atem der über meine Wange und meinen Mund streicht. Nur ein oder vielleicht zwei Zentimeter und ich bin einfach nicht fähig der Versuchung zu widerstehen.
 

Ich glaube, ich schlucke noch einmal, aber sicher bin ich mir da nicht. Das nächste was ich weiß ist, dass unsere Lippen sich berührten. Ich küsse ihn! Ich küsse ihn tatsächlich! Einen schlafenden Mann, der sich nicht wehren kann und den ich – genau gesehen – auch schon begrabscht habe, als er sich nicht hatte wehren können. Dafür komme ich bestimmt in die Hölle…aber dafür lohnt es sich wenigstens.
 

Yamis Lippen sind weich und warm, nicht spröde, wie sie meistens von der Hitze werden. Ich könnte es mir zwar auch nur einbilden, aber ich könnte schwören dass ich Honig schmecke. So süß. Süchtig machend. Ich vertiefe den Kuss, will mehr davon. In meinem Bauch tanzen die Schmetterlinge Walzer. Alles in mir kribbelt vor Anspannung und Genuss.
 

Mein Herzschlag setzt einen Moment lang aus, als ich spüre wie Yami plötzlich Druck auf meine Lippen ausübt. Vor Schreck öffne ich meine Mund etwas…genau in dem Moment, in dem er aufstöhnt. Das lässt mich zurückzucken und einen Schritt nach hinten machen. Voller Panik schaue ich zum Feldbett, doch zu meiner Erleichterung schläft Yami noch. Er hat den Kuss wohl intuitiv erwidert. Mein ganzer Unterleib ist angespannt und prickelt. Ich…ich bin…zum ersten Mal in meinem Leben richtig erregt…nur von einem Stöhnen.
 

Ich schrecke noch einmal zusammen, als Yami sich zur Seite dreht. Er murmelt etwas. Alles kann ich nicht verstehen, aber was mich aufhorchen lässt sind die Worte: „…Yugi…einen Eintrag wert…wo…mein Buch…“

Das war mein Name! Ganz eindeutig! Er will einen Eintrag zu mir machen? Oder…oder hat er ihn schon gemacht? Wohin? Ins Klassenbuch? Nein, er hat „…mein Buch…“ gesagt. Hm…also sein Notizbuch. Was anderes hatte er hier nicht und ich bezweifle, dass er ein Tagebuch führt.
 

Die Neugierde packt mich wieder. Er hat etwas über mich in diesem Buch stehen und ich will wissen, was es ist. Unbedingt. Auch wenn es sonst nicht meine Art ist, schnappe ich mir das Notizbuch und verlasse schnell das Zelt. Er hat das Buch schon einige Tage lang nicht gesehen, da würde er es zwei oder drei Tage mehr auch nicht vermissen, oder?
 

Wieder in meinem Zelt – im Feldbett – schaffe ich es gerade mal, die ersten zwei Seiten durchzublättern. Viel steht da nicht. Nur Sätze. Einzelne Sätze und Wörter. Wahllos auf das Blatt gekritzelt. Da steht wie er hier angeheuert hat. Wie er Arthur und Odion erlebt hat. Nie in mehr als zwei zusammenhängenden Sätzen und selbst das ist selten. An dem Datum kann ich sehen, welcher Tag es war, an dem er die Notiz gemacht hat. An dem Tag als ich angekommen bin, steht da nur „Himbeeren…schon wieder…kann ich denn gar nicht entkommen?“ und „Muto war keine Halluzination! Ich bin verflucht…“
 

Ich werde nicht ganz schlau aus diesem Gekritzel und meine Augen sind zu schwer als das ich mir wirklich einen Kopf darum machen will. Yamis Geschmack ist noch immer auf meinen Lippen. Er hat den Kuss erwidert! Auch wenn es nur eine Reaktion auf das war, was er geträumt hat. Er hat mich zurückgeküsst!
 

Bevor meine Augen sich schließen, habe ich nur noch eine Frage: Wovon hat er wohl geträumt?
 

**********
 

Es vergingen ein paar Tage und ich hatte das Buch immer noch. Klar hatte ich ein schlechtes Gewissen, aber dazu kamen noch so viele andere Gefühle. Ganz am Anfang war ich beleidigt gewesen und auch etwas sauer auf Yami. Ich habe in seinem Buch mindestens fünf Seiten entdeckt, auf denen er meine Fehler beim Übersetzen der Steintafeln notiert hatte. Es waren wirklich viele, aber ich habe ihn ja gewarnt, dass altägyptisch nun nicht unbedingt meine Stärke war. Warum hatte Yami mir nicht gesagt, dass ich diese Fehler gemacht habe? Ich hätte ihm schon nicht den Kopf abgerissen. Und warum ist er überhaupt ständig zu mir gekommen um sich helfen zu lassen, wenn er die Sprache doch besser beherrschte als ich? Erst nachdem meine Empörung und anfängliche Wut verflogen war, begriff ich, dass es Yamis Art gewesen war, die seltsame Stimmung zwischen uns zu brechen…und wohl auch sich dafür zu entschuldigen, dass er mich angeschnauzt hatte. Ja, damals war es echt seltsam zwischen uns und bis heut hatte es sich nicht verändert.
 

In dieser Zeit gingen wir auch oft zu den Ruinen des Palastes. Mehrere Tage lang erkundeten wir die verschiedenen Räume, machten Fotos und versuchten mehr durch die Inschriften in den Steinwänden zu erfahren. Yami wunderte sich immer noch, warum die Gemächer des Pharao verschlossen worden waren. Er verstand nicht, warum ein stolzer Mann wie Seth freiwillig kleinere Räumlichkeiten bezogen hatte. Es fehlte ihm vielleicht wirklich an dem Wissen, das ich über diese Zeit und über die beiden Cousins hatte. Für mich war klar, dass es eine Geste des Respekts von Seiten Seths war. Er verschloss die Türen zu den Gemächern des ehemaligen Pharaos, um die glücklichen Zeiten oder die Erinnerungen daran, darin festzuhalten und nicht entfliehen zu lassen. Seth machte diese Räume zu Atemus zusätzlicher Grabkammer, damit das große Glück seines Lebens ihn auch in das Jenseits begleitete. Es war eine Grabbeigabe, so wie Gold und Juwelen oder auch die Sklaven, die man mit dem Herrscher in seiner Grabstätte verschloss.
 

Yami machte seine Erkundungstouren immer nur gemeinsam mit mir. Ich denke er wollte immer noch diese seltsame Atmosphäre zwischen uns zu bekämpfen. Yami schien irgendwie zu spüren, dass sie immer noch da war. Was er nicht verstand, war dass sie sich verändert hatte. Ich traute mich ja fast nicht mehr ihm in die Augen zu sehen. Nicht nur wegen dem schlechten Gewissen wegen dem Buch oder weil ich ihn ohne sein Wissen geküsst hatte – dafür schämte ich mich immer noch – sondern auch wegen der Erregung, die mich gefangen hält, seit dem ich angefangen habe sein Notizbuch zu lesen.
 

Das ist doch nicht mehr normal! Ständig denke ich an die meine Erinnerungen. Immer an die Bilder, in denen wir als Liebespaar zusammen waren. An unsere Berührungen. Ich komme nicht mehr davon los. Dabei habe ich mich bis jetzt gar nicht dafür interessiert. Für Sex, für Mädchen oder auch Jungs. Es erschien mir einfach unwichtig. Ich wusste ja immer zu wem ich gehöre. All dieses drum und dran, wie flirten und ausgehen, war für mich unnötig. Ich kannte die Liebe meines Lebens schon und alles, was ich zu tun hatte, war auf ihn zu warten. Ich hab mich auch nie so gefühlt wie jetzt. Fast willenlos und ständig erregt. Ich fühle mich meinen Hormonen ausgeliefert, immer wenn ich in Yamis Nähe bin. Jetzt erst, kann ich verstehen, was die anderen Jungs aus meiner Klasse meinten, wenn sie davon sprachen, feuchte Träume zu haben oder zwischenzeitlich mal schnell auf der Toilette verschwinden zu müssen. Es ist so was von peinlich!
 

Vielleicht ist ja auch das einfach nur meine Strafe für meine Neugierde. Karma. Ich habe Yamis Notizbuch geklaut und jetzt musste ich dafür büßen, dass ich darin gelesen habe. In seinem Buch hatte Yami tatsächlich seine Fantasien niedergeschrieben. Die, die ihn nicht mehr losgelassen haben. Ich brauchte zwar eine Zeit lang um daraus schlau zu werden, weil er selten in vollständigen oder zusammenhängenden Sätzen schrieb, aber ich habe es geschafft.
 

Den ersten dieser Einträge las ich am Abend, nachdem wir die Fotos des Schlafgemachs und des Arbeitszimmers gemacht hatten. Ich war immer noch beleidigt, wegen der Fehler, die Yami mir nicht erklärt hat und stattdessen in sein Notizbuch geschrieben hatte. Innerlich machte ich mich auf weitere Seiten mit Übersetzungsfehlern gefasst, doch auf das, was ich dann wirklich las, war ich nicht gefasst. Neugierig schlug ich die Seite auf, auf der keine Symbole und Bedeutungen mehr hin gekritzelt standen und begann zu lesen.
 

„…unvorstellbare Folter…dieser Traum…werde wahnsinnig…wieder Himbeeren…überall … Duft…der Klassenraum…Nachhilfe… wieder falsche Antworten…dunkel…Vollmond und Sterne…alleine mit ihm…der Raum… beleuchtet…sanft…gedimmt…Kerzenschein…Yugi am Tisch…mit Lunchbox…“

Das war das erste Mal, dass ich an diesem Abend die Stirn runzelte. Yami träumte von mir? Wirklich von mir? Ich wurde rot. Die Situation, die er da beschrieb war sehr intim. Wir beide alleine im Klassenraum am späten Abend. Ich ahnte zwar schon was kommen würde, glaubte aber nicht wirklich daran. Ich wollte eigentlich nicht weiterlesen, weil Yami darin wirklich seine Träume beschrieb und es etwas viel zu Persönliches war, als das ich es wissen sollte…und doch las ich weiter.
 

„…große, violette Augen…auf mir…neugierig…bittend…freundlich…erwartungsvoll…‘Für Sie, Herr Athem‘…gibt mir die Box…so lecker…anders als meins…köstlich…dieser Duft…Maki Sushi mit Gurke und Karotten, Gurkensandwiches…Reisbällchen…Wasser läuft in Mund zusammen…neckendes Lächeln…Yugis Lippen… er … auf meinen Schoß…rittlings…er…so warm…’nur wenn ich dich füttere’…Flüstern…seine Worte…leise…vertrautes Duzen…sehnsuchtsvoller Name…mein Name…meine Haut prickelt… berühren uns nicht…nicht wirklich…Hüfte reibt an Hüfte…Geschmack von Reis und Gurke…süße warme Lippen…Hände krallen…mein Haar…so köstlich…Himbeeren …nur er…so heiß…so erregend…Wahnsinn…Blut raucht…Ohren…Stöhnen…seins…endlich…Name von seinen Lippen…seiner von meinen…nur Wispern…vereint“
 

Ich verstand zuerst die Bedeutung dieser scheinbar sinnlos an einander gereihten Worte nicht. Erst als ich diese Seite mehrere Male nacheinander gelesen hatte, ging mir ein Licht auf. Es waren Träume. Dinge, die Yami auch am Tag nicht mehr losgelassen hatten. Der Anfang war es, der mich darauf brachte. Da stand: „…unvorstellbare Folter…dieser Traum…“

Obwohl ich mir ziemlich sicher war, blieb es doch nur eine Vermutung. Das mit der Folter verstand ich da noch nicht. Erst am als mir auffiel, dass mein Name in diesem Wortwirrwarr stand. Erst da begriff ich oder hoffte zumindest, dass ich Recht hatte. So sehr. Erst mit dieser Hoffnung verstand ich was Yami meinte mit dem Wort Folter, denn meine eigenen Gedanken und Fantasien ließen mir ab da keine Ruhe.
 

So was träumte Yami? Wirklich? Von…mir? Das Blut schoss mir ins Gesicht. Zu viel Blut, denn ganz kurz wurde mir schwindelig und alles schwirrte. Ich atmete mehrere Male tief durch und mein Kreislauf beruhigte sich. Erst als ich wieder klar sehen konnte, spürte ich etwas Nasses an meinen Lippen. Ich fuhr mit den Fingerspitzen darüber. Blut. Ich hatte tatsächlich Nasenbluten bekommen. Alles war so verwirrend. Es war mir peinlich, was Yami geschrieben hatte, wovon er geträumt hatte. Doch gleichzeitig gefiel es mir auch. Mein Gehirn malte, von allein, Bilder zu den Worten. Ich konnte diese Szene vor mir sehen. Ganz deutlich.
 

Mein Unterleib spannte herrlich und in meinem Bauch feierten die Schmetterlinge eine wilde Party mit Sambaeinagen. Meine Haut prickelte und meine Hände waren nass und kribbelten. Es war ein wundervolles Gefühl. Dasselbe, das ich hatte, als ich Yami geküsst hatte, nur viel intensiver…und er war nicht einmal hier. Ich habe mir nur eines seiner Hirngespinste durchgelesen.
 

Doch es war eigentlich nicht nur ein Gespinst. Ich fragte mich wie es wohl wäre, wenn wir diese Szene wirklich miteinander erleben könnten. Ich malte mir alles aus. Wie ich vor seinem Tisch stehen würde. Ihn schüchtern anlächeln würde und er mich dann auf seinen Schoß ziehen würde. Fast konnte ich schon seine Hände auf meinen Hüften spüren. Seine Lippen wieder gegen meine.
 

Das Atmen fiel mir schwer bei dieser Vorstellung. Eine Sehnsucht, die schlimmer war, als alles was ich bisher erlebt hatte erfüllte mich. Ein seltsamer, drängender Schmerz in meiner Brust, so als würde ein Teil von mir fehlen.
 

Ich wusste nicht was ich tun sollte. Ganz vage erinnerte mich dieser Schmerz an die Sehnsucht, die ich verspürt hatte, seitdem meine Träume angefangen haben, doch das hier war so viel stärker. Zu diesem eigenartigen Drängen kam auch immer noch das Gefühl des betrogen seins hinzu.
 

Ich versuchte an die Worte meines Großvaters zu denken. Versuchte sie zu beherzigen. Doch auch wenn ich mir vor Augen hielt, dass Yami nicht Atemu war, so änderte es nichts für mich. Ich fühlte mich von meinem eigenen Glauben verraten. Seit dem ich denken konnte war ich davon überzeugt, dass unsere damalige Liebe, obwohl sie ein Geheimnis war, perfekt war. Wie konnte meine Überzeugung so falsch sein? Wie konnte das alles eine Illusion sein? Ich machte mir keine falschen Vorstellungen darüber, wie die damaligen Zeiten gewesen waren. Ich wusste, dass auch Atemu bestimmte Pflichten hatte und dass man bestimmte Anforderungen an ihn stellte, aber dieser Harem…er war nichts weiter als eine der Möglichkeiten die er hatte. Es war eins seiner Rechte und ein Vergnügen, auf dass er nicht verzichtete. Er hatte ihn nicht aufgegeben, als er mein früheres Ich kennen gelernt hatte. Atemu hat ihn aufgesucht, selbst als er bereits mit mir zusammen war und obwohl es mein früheres Ich verletzt hatte, war er der Meinung, dass es richtig gewesen war. Vielleicht war es das damals auch. Doch das, was mich jetzt so hart traf, war die Realisation dass er bei einer seiner Geliebten gewesen war, als ich vor tausenden von Jahren gestorben bin. Dass er deswegen nicht da war, als ich meinen letzten Atemzug getan hatte.
 

All diese Gedanken, dieses Drängen, dieser Schmerz und die Erregung verwirrten mich dermaßen, dass alles um mich herum schwirrte und sich drehte. Da das Essen bereits fertig war, legte ich mich hin und schlief. Die erotischen Bilder, die Yamis Aufzeichnungen in meinen Kopf gezeichnet hatten, verfolgten mich in meinen Träumen und als ich morgens aufwachte, war da dieses unangenehm feuchte und klebrige Gefühl in meiner Boxershorts. Wieder wanderte alles verfügbare Blut in mein Gesicht, als mir klar wurde, dass ich meinen ersten feuchten Traum hatte.
 

Nachdem ich alle Anzeichen für mein Malheur beseitigt und mich umgezogen hatte, ging ich zum Frühstück. Sehr viel war nicht mehr da und es saß auch nur noch Yami am Tisch und grinste mich an. Ich hatte Probleme damit, ihm in die Augen zu sehen, denn ich fühlte mich schuldig und gleichzeitig war es mir peinlich, weil die Bilder meines Traumes auf einmal vor meinem inneren Auge herumtanzten und sie waren denen seines Traums so ähnlich. Ich glaube, ich hätte mich einfach auf seinen Schoß gesetzt und diese Fantasie wahr werden lassen, wenn ich nicht Odion hätte etwas rufen hören.
 

Als ich mich neben ihn setzte, verschwand auf einmal dieses sehnsuchtsvolle Drängen. Es fühlte sich an, als hätte ich endlich mein Ziel erreicht. Als wäre ich Zuhause angekommen. Es war beruhigend und schön. Leider kam dieser Schmerz und das Drängen wieder, als er aufstand und in sein Zelt ging. Ich brauchte nicht lang, um zu verstehen, dass es Yamis Anwesenheit war, die mich beruhigte und diese Sehnsucht nahm. Er war mein Ziel, mein Zuhause und das Objekt meines Verlangens. Für eine Zeit lag glaubte ich, dass ich besessen von ihm war und obwohl ich wusste, dass es besser wäre auf Abstand zu gehen, suchte ich seine Nähe.
 

Es war so befreien, wenn der Schmerz in meiner Brust aufhörte. Deswegen war die beste Zeit des Tages für mich, wenn wir gemeinsam den Palast erkundeten. Alle anderen hatten scheinbar ihr Interesse an der altertümlichen Ruine verloren und beschäftigten sich nur noch mit den Auswertungen der Gesteinsproben und den anderen Papyrusrollen, die in den anderen Räumlichkeiten gefunden worden waren. Einige der Teammitglieder legten auch weitere Areale des Palastes frei, aber direkt bei den Gemächern des Pharaos waren immer nur Yami und ich.
 

Ich selber verbrachte sehr viel Zeit in den Schlafgemächern des Pharao. Ich erinnerte mich daran, wie es früher einmal hier ausgesehen hatte und manchmal, wenn ich ganz versunken war in diese Illusionen aus vergangen Zeiten, konnte ich sogar Atemus Stimme und das Lachen meines früheren Ichs hören. Dann waren die Bilder so klar vor mir, als hätte nicht der Zahn der Zeit daran genagt. Die schweren Vorhänge leuchteten in ihrer vollen Farbpracht, die Zeichnungen und Ornamente an den Wänden waren noch frisch, als wären sie gerade erst aufgetragen worden und unter dem Balkon war alles grün und blühte.
 

Ich erntete an solchen Tagen immer sehr seltsame Blicke von Yami, aber es störte mich nicht. Er schaute mich auch immer so an, wenn ich vor der Haremstür stand und die Inschrift anstarrte.

#“Hinter dieser Tür verbirgt sich die Liebe.“#

„Pha! Von wegen Liebe. Alles was dahinter verborgen war, war Lust! Bedeutungslose Lust, die die wahre Liebe zerstörte“, dachte ich mir. Doch es war vielleicht nicht an mir darüber zu richten, schließlich lernte ich ja dieses Gefühl des Verlangens und der Lust gerade erst richtig kennen.
 

In diesen Tagen las ich immer eine Seite aus Yamis Notizbuch. Neben unwichtigen Anmerkungen, wie zum Beispiel, das Odion ihm unheimlich war, stand pro Seite eine von Yamis Träumen. Eine seiner Fantasien über mich. Es waren vor allem zwei ganz bestimmte, die meine pubertären Hormone auf Trab brachten.
 

„Schmerzen…Schultern, Nacken…alles…Arbeit…anstrengend…auch im Traum…nur Schmerz…sanfte Finger…streicheln Haut…Stöhnen…meins…so gut…hmmm…Himbeeren…bin süchtig…Duft…Verspannung lösen…talentierte Hände…Rücken…kneten Muskeln…warmes Öl…Vanille…Himbeeren …mischen…so wie in Kindheit…vertraut…rote Grütze? (Ich frage mich, ob Yugi auch rote Grütze kochen kann?)“
 

Bei diesem einen vollständigen Satz musste ich auflachen. Es passte gar nicht zu der Situation, denn diese Worte schafften es mich wieder zu erregen und mich mit Sehnsucht zu erfüllen. Ich beschloss ihm eine Portion davon mitzubringen, wenn wir wieder Zuhause wären. Doch ich war viel zu neugierig, wie sein Traum denn weiterging und las daher weiter.
 

„Seufzen…auch meins…Vergessen…kein Schmerz…nur fühlen…so schön…Lippen berühren…Nacken…Schultern…Hände massieren…weiter…auflösen…nur Begierde…fast Verzweiflung…brauche ihn…Yugi… nur ihn…Finger über Brust…Bauch…so gut…küsse Lippen…so süß…Haut an Haut…Berührungen…leidenschaftlich…verbrennen…verzehren…Sehnsucht…Schmerz…Körper an Körper…nicht genug…nie genug…Stöhne…Seufzen…Murmeln…seins…meins…gemeinsam…mein Name…voller Lust“
 

Dies war eine meiner unruhigendsten Nächte und am nächsten Morgen wünschte ich mir weit weg von Yami zu sein. Jede kleine Berührung erinnerte mich daran. Führte mir diese Bilder vor Augen. Ich war nicht sauer deswegen auf ihn. Das war doch eigentlich meine Chance. Die, auf die ich so lange gewartet hatte und doch ergriff ich sie nicht. Es war der Schmerz, durch den Betrug vor so vielen Jahrtausenden, der mich zurückhielt ihn anzuspringen und all die Dinge wahr zu machen, von denen er geträumt hatte.
 

Sicher, ich erinnerte mich an die Worte meines Großvaters. Yami war nicht Atemu und eigentlich bewies er es mir jeden Tag, ohne es zu wissen, doch es fiel mir schwer daran zu glauben, dass etwas das mit Ablehnung und bösen Worten begonnen hatte eine Chance hatte von Dauer zu sein und Bestand zu haben, wenn selbst diese eine liebevolle und perfekte Beziehung von damals voller Schattenseiten, Betrug und Leid war. Ich glaube das war es, was mich dazu brachte vernünftig und realistisch zu bleiben, was mich aber auch mehr beeinflusste als mir lieb war. Das wurde mir an dem Abend bewusst, als ich die zweite von Yamis Fantasien las, die mir den Schlaf raubte. Nur war es nicht nur dieser Eintrag, von dem ich träumte.
 

„Lecker…viele süße Dinge…Schlagsahne…Honig…Himbeersirup…das Beste…nackter Körper…violette Augen…groß…freudig…herausforderndes Lächeln…’ein Geschenk’…gehaucht…verführerisch…’für dich’…warmer Atem…meine Lippen…aufgeregt…erfreut…Grinsen…Honiglippen…Geschmack auf Zunge…rot…Sirup…auf weißer Haut…träufelt…Seufzen…seins…Stöhnen seins…zufrieden…meine Zunge…seine Haut…Brust…Brustwarzen…Bauchnabel…warm…süß…unter Lippen…markiere…rote Zeichen…Haut…meine…alles meins…gehört mir…vollkommen…Rufe…lustvoll…’Yami’…wieder Grinsen…Kontrolle…kleine Hände…ziehen…Haar…küsse Lippen…Finger streicheln…erkunden…mehr…immer mehr…hm so lecker“
 

Auch davon träumte ich nachts. Nur dieses Mal mischten sich zu diesen erotischen Bildern auch die Visionen meines früheren Lebens. Ich sah den Pharao, wie er auf dem Balkon zum Innenhof stand. Zufrieden und voller Freude ruhten seine Augen auf der Schar Frauen, die für den Harem gedacht war. Ich fragte ihn, ob er sich wirklich so sehr auf die neuen Frauen freute, dass er es kaum abwarten konnte sie zu sehen. Er antwortete mit ja und n diesem Moment setzte dieses vertraute Gefühl ein. Enttäuschung und Trauer. Minderwertigkeit. All das, was ich bereits gespürt hatte, bevor ich ihn habe den Harem betreten sehen.
 

Als ich sah, dass mein früheres Ich zu den breiten Säulen ging und sich dahinter verbarg war mir klar, dass dies auch an dem Tag geschah, an dem ich starb. Alles in mir wollt aufwachen. Ich wollte nicht nochmal sehen wie Atemu den Harem betrat. Ich wollte es so sehr, dass es mir tatsächlich gelang. Ich wachte auf. Es war noch dunkel und still. Der Tag hatte noch nicht einmal richtig begonnen. Als ich meinen Kopf bewegte, spürte ich die trockenen Rinnsale, die über meine Wangen verliefen und wusste ich hatte im Schlaf geweint. Ich hasste diesen Tag schon jetzt.
 

Als ich mit Yami wieder im Palast war, fand ich mich vor dieser riesigen Tür wieder. Meine Füße hatten mich von ganz alleine dahin getragen. Wütend starrte ich auf die Inschrift. Ich hasste diese Worte, denn sie waren eine Lüge und ich hasste den Raum, der sich hinter dem morschen Holz verbarg.
 

Ich war so vertieft in meine Wut und meine Verfluchungen, dass ich gar nicht auffiel, dass Yami an mir vorbeiging. Erst als ich seine Rückseite vor den Türen stehen sah, wachte ich aus meiner Wuttrance auf. Er öffnete die Pforten zu dem Raum schwungvoll. Für einen kurzen Moment überschnitt sich dieses Bild, mit dem aus der Vergangenheit. Es erinnerte mich viel zu stark an den Augenblick, als ich Atemu dort hineingehen gesehen habe. Als Yami sich wieder zu mir umdrehte, trat ich einen Schritt zurück und schaute ihn geschockt an.
 

Yami ignorierte das und zog mich einfach mit in die Räume des Harems. Ich wehrte mich, wollte sie nicht sehen. Er verstand mich nicht und fragte, warum ich mich so haben würde. Ich glaube es war mein Schock, die bösen Erinnerungen, die ruhelosen Nächte und seine Nähe, die mich einfach mit der Wahrheit antworten ließen.

„Das war sein Harem.“

„Ich glaube nicht, das Seth von den Toten aufersteht und dich dafür bestraft, dass du sein Harem betrittst“, lachte Yami.
 

Ich war total verwirrt und ich glaube mein Blick zeigte es auch.

„Wieso Seth´s Harem. Es war doch der von Atemu“, fragte ich, nicht fähig diesen Gedanken für mich zu behalten.

Yami breitet die Arme aus und zeigte an die Wände. Ich wusste, dass er mit dieser ausladenden Bewegung die Inschriften und Zeichnungen an den Wänden meinte. Sein Gesicht hatte den Ausdruck eines Lehrers, der froh darüber war, dass einer seiner Schüler ihm endlich diese Frage gestellt hatte.

„Dieser war ehemals dem Pharao Atemu zugeordnet, jedoch schenkte er nach den Innenschriften zufolge seinem Cousin dem Harem, ließ ihn sogar für ihn umbauen und das geschah bereits schon vor deren Intrigen und den Hinrichtungen.“
 

Mein Kiefer klappte herunter. Ich konnte es nicht fassen. Das war ein riesiger Fehler. Das konnte nicht sein. Ich wusste es doch aber besser.

„Ich versteh das nicht, das war doch früher der Harem von Atemu!“, murmelte ich schwach und erntete dafür Yamis Lachen. Erst nachdem ich diese Worte schon ausgesprochen hatte, fiel mir auf, dass Yami gemeint hatte, dass Atemu den Harem Seth geschenkt hatte. Schon vor der Intrige. Doch das konnte nicht sein, er hatte ihn doch an dem Tag noch betreten, an dem ich gestorben war. Vielleicht ist ja auch mit „Intrige“ der Mordanschlag auf ihn gemeint gewesen und nicht das Massaker an denjenigen, die das Land verändern wollten.
 

„Ich weiß zwar nicht, woher du dir so sicher bist, aber du liegst falsch. Ihm gehörte es mal, ja. Aber der wurde Seth überschrieben. Eine Art Geschenk. Es wurden sogar neue Haremsfrauen für ihn eingeschifft, die dem Geschmack des Cousins entsprechen sollten.“

Diese Worte ließen mich aufhorchen. Neue Haremsfrauen? War das die kleine Szene, die ich heute Nacht in meinem Traum gesehen hatte? Bei genauer Überlegung stimmte es. Die Frauen waren alle eher nach Seth’s Geschmack. Groß, mit braunen Augen und einer eher sportlichen Figur. Das war logisch und es beruhigte mich ungemein. Ein riesiger Stein fiel von meinem Herzen und ehe ich mich versah, murmelte ich zu mir selbst: „Ach, darum die neuen Frauen...“
 

„Na dann hast du doch die Aufzeichnung gelesen. Aber scheinbar nicht gründlich, denn da wurde auch der Wechsel dokumentiert“, erwiderte er neckend und zwinkerte mir zu. Ich lächelte kaum merklich. Auch wenn es nicht wirklich erklärte, warum Atemu an diesem Tag noch in den Harem gegangen war, so war dieses neue Wissen für mich fast wie eine Erlösung. Vielleicht waren die Dinge ja doch nicht so, wie sie auf den ersten Blick zu seien schienen? Vielleicht irrte ich mich ja auch mit dem, was ich zu wissen glaubte? Vielleicht hatte ich ja doch eine Chance darauf in diesem Leben mit Yami glücklich zu werden?
 

Den Rest des Tages verbrachten wir in dem Raum. Ich war neugierig, weil es das erste Mal war, dass ich ihn betrat. Deswegen war ich dankbar dafür, dass Yami so ein guter Lehrer war, denn obwohl es für ihn nichts Neues zu entdecken gab, führte er mich bei meiner Erkundungstour herum und zeigte mir alles. Erklärte mir, was einzelne Symbole bedeuteten und wie die Räume wohl früher eingeteilt waren. Das machte mich glücklich.
 

**********
 

Später am Abend stand ich im Kochzelt. Zum ersten Mal, seit dem ich es hatte, habe ich das Notizbuch von Yami mitgenommen. Sonst lag s immer unter meinem Kissen. Als Gutenachtlektüre. Es war meine Erleichterung, dass meine Träume eine andere Bedeutung hatten, als ich es vermutet hatte, die mich diese Dummheit begehen ließen. Ich saß gerade an dem Holztisch, an dem ich für gewöhnlich Gemüse und Fleisch schnitt. Ich hatte gerade vorhin das Besteck herausgeholt und das Fleisch für das Abendbrot gewürzt. Jetzt wollte ich mir eine Pause gönnen und etwas in dem Notizbuch lesen. Gerade als ich die erste Seite aufgeschlagen hatte, hörte ich hinter mir Stoff rascheln und leise Schritte.
 

„Yugi?“

Diese Stimme ließ mich zusammenzucken. Verdammt, warum musste es ausgerechnet Yami sein? Er kam doch sonst auch nicht, wenn ich am Kochen war. Meist erst sehr viel später, wenn ich schon fertig war. Schnell versuchte ich das Buch zwischen dem Besteckhaufen und dem Salzsteuer zu verstecken. Dieses Buch war mein Untergang. Meine verdammte Neugierde war mein Untergang. Obwohl ich gewusst habe, dass es falsch war und alles gefährden konnte, was ich bei Yami aufgebaut hatte, habe ich darin gelesen und es auch noch so lange behalten. Ich bin ein verdammter Idiot und während ich noch zum Himmel betete, er möge es nicht sehen, kam Yami auf mich zu und stellte sich neben mich. Verdammt! Ich war fällig!
 

„Es ist mir unangenehm dich das zu Fragen, aber...“

Egal was er noch sagen wollte, es blieb ungesagt. Er starrte auf das Buch, dann in mein Gesicht. Yami war fassungslos und ich fühlte mich schuldig.

„Ich... ich habe es hier gefunden“, stotterte ich, noch bevor ich darüber nachgedacht hatte. So ein Mist! Das war total falsch! Jetzt wusste er ja, dass ich wusste, dass es ihm gehörte.

„Hast du darin gelesen?“

Was für eine sinnlose Frage, wenn ich doch weiß, dass es ihm gehört. Natürlich habe ich darin gelesen und leugnen hatte jetzt auch keinen Zweck.
 

Schuldbewusst blickte ich nach unten. Nervös knetete ich meine Hände. Hoffentlich würde er nicht allzu sauer auf mich sein.

„…ja…“, flüsterte ich wiederwillig und beschämt.

Der Blick, den Yami mir schenkte, zeigte wie wütend er war. Ich machte mich auf eine ordentliche Standpauke gefasst, aber ich hatte es ja verdient. Hoffentlich würde er wenigstens nicht so laut schreien, dass alle anderen es mitbekommen würden.
 

Yami verschränkt die Arme vor der Brust. Er ist sauer. Doch er sagt nichts. Sieht mich nur abwartend an. Ich frage mich ob das die bekannte ruhe vor dem Sturm ist? Er wippte ungeduldig mit dem Fuß. Dieses Geräusch machte mich fast wahnsinnig und etwas gereizt rief ich: „Herr Gott, ich musste doch irgendwie herausfinden, wem es gehört. Es lag ganz einsam und verlassen auf dem Parkplatz bei den Autos. Ich habe es vorhin gefunden und wollte es auch zurückgeben, nur musste ich doch herausfinden, wem es gehörte.“
 

Ich klang bockig und viel zu grantig, für jemanden, der den Fehler begangen hatte. Es klang fast, als würde ich ihm die Schuld dafür geben, dass ich es gelesen hatte. Yami zog eine Augenbraue hoch und sah mich weiter abwartend an. Auch das Getippe mit dem Fuß hörte nicht auf. Ich hasse ihn gerade dafür.

„Was?“, rief ich ihm entgegen. „Schau mich nicht so an. Eigentlich müsste ich sauer auf dich sein, weil du mich wie ein unwissendes Kind behandelst. Wäre es echt ein Weltuntergang gewesen, mir zu sagen, welche Fehler ich bei den Übersetzungen gemacht habe? Nur wenn ich sie kenne kann ich mich verbessern. Jetzt fühle ich mich, als hättest du mich die ganze Zeit nur verarscht. War es witzig, sich über meine Fehler lustig zu machen?“
 

Oh Gott, was mache ich nur? Bin ich bescheuert? Wieso mache ich ihm Vorwürfe? Er hat doch gar nichts getan. Wieso benehme ich mich wie ein Kind, das sich vor seiner Strafe fürchtet? Ich sollte wirklich zu meinen Fehlern stehen. Meine Wangen werden rot. Ich spüre, wie sie warm werden.

„Es…es tut mir Leid. Ich wollte es wirklich zurückbringen“, flüsterte ich. Es stimmte ja auch. „Ich habe…habe es nur vergessen wegen der Arbeit und dann war ich einfach zu neugierig“, gestand ich, auch wenn diese Aussage nicht ganz wahr war.
 

Die Worte schienen ungehört zu bleiben. Er griff an mir vorbei nach dem Notizbuch und blätterte etwas darin. Ich war froh, so vorsichtig damit umgegangen zu sein. Er würde bestimmt nicht herausfinden, an welcher Stelle ich aufgehört hatte zu lesen. Ich glaube wenn Yami das wüsste, würde er nie wieder dazu fähig sein mit mir zu reden und wahrscheinlich würde er die Schule wechseln, wenn wir zurück wären. Das wollte ich auch nicht.

„Bis wohin?“

Ich zuckte zusammen. Ich hatte nicht mehr damit gerechnet, dass er mich ansprechen würde. Yamis Stimme ist ruhig und kalt. Es macht mir etwas Angst, aber ich schaue ihm trotzdem in die Augen. Ich bin verwirrt.

„Bis wohin was?“, flüstere ich.

„Bis wohin hast du es gelesen?“, verlangte er zu wissen. Seine Stimme duldete keine faulen Ausreden und knallt mir das Notizbuch vor die Nase.
 

Ich erbleiche und schlucke, weil meine Kehle so trocken ist. Oh verdammt! Das ist eine gefährliche Frage. Ich darf ihm da nicht die Wahrheit sagen. Ich will Yami nicht anlügen, aber ich muss! Ich muss einfach! Mit schweißnassen Händen greife ich nach dem Buch und blättere etwas darin. Blättere bis Seite vier, dann zurück bis Seite zwei und wieder vor bis Seite fünf.

„Bis da hin“, meine ich leise und tippe mit dem Finger auf die achte Zeile des Blattes. Es ist zwar gelogen, weil ich es fast auswendig kenne, aber es ist nicht zu weit um ihn in Verlegenheit zu bringen und weit genug, um glaubhaft zu sein, weil ich ja schon zugegeben habe, dass ich es eine Weile hatte. Yami weiß nur nicht wie lang genau. War meine schon immer so piepsig oder ist es nur, weil ich es nicht gewohnt bin zu lügen?
 

Er rieb sich die Nasenwurzel und verdreht leicht die Augen.

„Sag Yugi, warum lügst du mich an?“, fragte er mich. Die Stimme ist immer noch eiskalt, aber nicht mehr ruhig. Sie ist schneidend.

„Wa…wie kommst du darauf? Ich lüge nicht!“, wehre ich mich. Da erst fällt mir auf, dass ich ihn wieder duze. Seit wann mache ich das schon?
 

„Verdammt Yugi!“, schreit Yami auf. Er schlägt mit der Faust auf den Holztisch, so dass er wackelt. „Willst du mich echt für dumm verkaufen? Die Fehler, über die du dich so beschwert hast, stehen viel weiter hinten in dem Buch. Also wie weit?“

Oh oh! Das habe ich nun davon! Meine verfluchte Neugierde und dieses dämliche Notizbuch! Das ist echt mein Untergang. Ich will nicht das Yami mich hasst, ich kann ihm aber nicht die vollständige Wahrheit sagen. Ich weiß einfach, dass er dann gehen wird, wenn er weiß, dass ich seine Träume kenne. Es wäre mir auch viel zu peinlich, wenn er die kennen würde, die ich von ihm hatte.
 

„Ach? Da gab es noch mehr?“, frage ich gespielt verdutzt.

Yami runzelt skeptisch die Stirn. Er nimmt das Notizbuch wieder an sich und schaut noch mal über die Seite, auf die ich gezeigt hatte.

„Wirklich nicht eine oder zwei Seiten weiter?“, will er zweifelnd wissen.

„Wirklich nicht“, antworte ich.
 

„Warum hast du dann als ich es gesehen habe gemeint, dass du es hier gefunden hast und dann gesagt du hättest es auf dem Parkplatz gefunden?“

Verdammt! Verdammt, verdammt, verdammt! Ich bin so ein Idiot! Meine Gedanken rasen. Ich brauche eine Ausrede. Dringend.

„Warum Yugi?“, wiederholt Yami seine Frage.
 

„Weil…weil ich es schon vor etwa zwei Stunden gefunden habe. Nachdem wir aus dem Plast zurückgekommen sind, bin ich wieder zum Parkplatz, um die Lichter manuell anzuschmeißen. Die haben den Generator da ja immer noch nicht repariert. Na da habe ich es gefunden und habe schon ein bisschen rein gelesen. Ich wusste schon, dass es deines war und dann wollte ich es dir auch schon zurückbringen. Odion hat mich aber abgefangen und mich daran erinnert, dass heute Steak auf dem Plan stand und das dauert länger, also musste ich erst mal hier hin zum Kochen.“
 

So weit so gut. Das meiste an der Geschichte stimmte ja, nur der Zeitpunkt, an dem ich das Buch gefunden hatte, war ein anderer.

„Ich gebe zu, ich wollte noch etwas weiter lesen, aber da hast du mich dann erwischt.“

Ich hatte ein schlechtes Gewissen. Es meldete sich wieder. Stärker als vorher. Für diese Lügen und für alles, was ich vorher getan habe, komme ich bestimmt in die Hölle, aber es ist besser ihm die halbe Wahrheit zu sagen und ihn etwas sauer auf mich sein zu lassen, als Yami alles zu gestehen und ihn dann vielleicht für immer zu verlieren.
 

Yami sah mich abschätzig an. Etwas Misstrauen war in seinem Blick noch zu sehen und Enttäuschung. Ich bin ehrlich, dass traf mich am meisten. Er klappte das Buch zu und ging. Nicht ein einziges weiteres Wort. Nur ein fast niedergeschlagenes Kopfschütteln.
 

Er kam nicht um mit den anderen und mir zu Essen. Die Portion, die ich ausnahmsweise für Yami zubereitet hatte, blieb unangetastet.
 

**********
 

„Das ist nicht dein Ernst Odion! Das kann nicht…argh…diese Woche läuft ach alles schief!“, schrie ich über den gesamten Parkplatz. Vor etwa einer Stunde kam ein Anruf über das Satellitentelefon. Es war eine Notfallnummer, die wir – also mein Großvater und ich – auch bei der Fluggesellschaft angegeben hatten, für den Fall einer Flugzeitenänderung. Jetzt kam ein Anruf rein, dass es irgendein Problem am Counter gab. Wir sollten das reservierte Rückflugticket abholen, weil es an unserem Abflugtag irgendwelche Reparaturen am Schalter geben sollte und wir es dann nicht abholen konnten.
 

Mein Großvater hatte mich damit beauftragt, die Tickets abzuholen. Doch gerade heute streikte Odions Motor. So wie ich meinen guten Freund kannte, hatte er den Wagen nicht wirklich gewartet und gepflegt – nicht das es sich bei der alten Karre noch irgendeinen Sinn hatte. Doch das war nur die Kirsche auf der Sahnehaube dieser beschissenen Woche.
 

Zuerst der Traum, in dem ich meine große Liebe sehen durfte, wie sie sich über die Ankunft neuer Frauen freute. Als der Schmerz darüber endete, erwischte Yami mich dabei, wie ich sein persönliches Notizbuch las und jetzt redete er schon seit drei Tagen nicht mehr mit mir. Nicht das ich ihm das übel nahm. Ich hatte es verdient. Doch jetzt konnte ich noch nicht mal die Tickets abholen, weil meine einzige Möglichkeit in die Stadt zu kommen auf Reparaturen angewiesen war.
 

„Was ist hier los? Was soll das Geschrei?“, rief eine Stimme zu uns rüber. Es war die, die ich seit drei Tagen nicht mehr gehört hatte. Ein Schauer lief über meinen Rücken.

„Ah hey Trainee!”, rief Odion. „Der Kurze hier muss seine Flugtickets in der Stadt abholen. Mein Auto hat aber schon gestern schon den Geist aufgegeben und ich kann ihn nicht fahren.“

Ich drehe mich um und sehe, wie er die Stirn runzelt und dann die Augen weit aufreißt. Ich sehe, wie er lautlos etwas sagt. Wahrscheinlich flucht er, danach sieht es zumindest aus.
 

Er hat doch nicht etwa…? Nein. Das glaube ich nicht…obwohl, es ist Yami, möglich wäre es.

„Komm Yugi, ich nehme dich mit. Ich muss auch in die Stadt. Mir ist eingefallen, dass ich noch Besorgungen machen muss.“

Ich grinste. Zuerst natürlich, weil ich doch die Tickets holen konnte, dann aber auch weil ich mit meiner Vermutung richtig lag und zum Schluss deswegen, weil Yami sich freiwillig mit sich nahm.
 

Ich schenkte ihm ein schuldbewusstes Lächeln, als ich auf den Beifahrersitz kletterte und mich anschnallte.

„Versteh das nicht falsch Yugi: Ich bin immer noch sauer, aber ich kann dich nicht einfach stehen lassen, wenn du Schwierigkeiten hast“, versuchte er meine gute Laune zu drücken, doch das schaffte er nicht.

„Und außerdem hast du vergessen dein Rückflugticket zu buchen…“, schoss ich ins Blaue.

Yami sagte nichts, doch sein Schweigen und die leichte Röte auf seinen Wangen sagten mehr als Worte es gekonnt hätten.
 

**********
 

Tja, scheinbar machte das Pech auch vor Yami nicht halt. Wir hatten zwar die Flugtickets bekommen. Yami hat sich eines in der Economy Class gebucht – das Letzte – und ich zwei in der Bussiness Class abgeholt. Yami hatte mich deswegen ganz seltsam angesehen, aber ich hatte nur gemeint: „Mein Großvater ist alt und nachdem er sechs Wochen lang in der Wüste geschuftet hat, wird er bestimmt nicht sechsundzwanzig Stunden in der Economy Class setzen.“

Daraufhin bekam ich sogar ein Lächeln von ihm.
 

Doch nun verließ uns beide scheinbar das Glück. Auch sein Wagen war nicht mehr zu gebrauchen. Motor überhitzt, wegen der langen Fahrt durch die östliche Wüste. Yami fluchte fürchterlich auf ägyptisch. Er benutzte Worte, die ich eigentlich gar nicht kennen sollte und trat in Rage sogar ein paar Mal gegen die Stoßstange. Es war ein lustiges Schauspiel, auch wenn ich nicht verstand, warum er sich so aufregte. Zumindest nicht, bis er meinte: „Wieso passiert mir das immer? Schon als ich nach Domino gezogen bin, ist mir die Karre verreckt…und das war nur der Höhepunkt eines beschissenen Tages, auf den ein noch viel schlimmerer folgte.“

Er sah mich so verzweifelt an, dass ich Mitleid hatte.
 

Wir gingen zu einem Hotel und von da rief ich auf das Satellitentelefon im Ausgrabungscamp an. Mit dem Ergebnis, dass Odion uns erst am nächsten Tag abholen konnte. Uns blieb nichts anderes übrig, als die Nacht in dem Hotel zu verbringen. Ich hatte eine Kreditkarte dabei, also konnten wir uns für eine Nacht einquartieren.
 

Yami und ich fanden uns damit ab, doch unsere Pechsträhne riss nicht. Das es ein echt schlechter Tag war, aus dem eine noch schlechtere Nacht werden würde, wurde uns beiden klar, als der Rezeptionist sagte: „Es tut mir Leid meine Herren, aber derzeit ist in unserem Hotel nur noch ein Doppelzimmer für insgesamt 437 Ägyptische Pfund.* Es ist wirklich das einzige freie Zimmer. Soll ich es für Sie einbuchen?“
 


 


 

*etwa 60,00 Euro

one night

Seit den einen Abend, als ich ihn mit meinem Notizbuch ertappte, versuchte ich so gut wie möglich, mich von diesen Jungen fern zu halten. Yugi hatte mir versichert, das er nur die ersten Seiten gelesen hatte, doch was er nicht nicht wusste, war, das ich ihn inzwischen besser kannte als seine eigene Mutter und seine Reaktion war mehr als nur auffällig gewesen. Das knallrote Gesicht, die Finger, die nicht still halten konnten und die zusammen gepressten Lippen.

Doch das wichtigste Indiz waren seine eigenen Versprecher. Er hatte sich immer mehr verheddert und gerade noch so die Kurve bekommen. Ich war in den Moment richtig stinkig auf ihn und wäre am liebsten an seine zarte Gurgel gegangen.

Ich konnte es auch nicht nachweisen, bis wohin er wirklich gelesen hatte, wenn nicht sogar alles, doch das wollte ich mir nicht ausmalen. Es war einfacher seinen Worten Glauben zu schenken und nicht über Tatsachen nachdenken, die einen völlig aufwühlten.

Zusätzlich machte er mir Vorwürfe, die aus der Luft gegriffen waren. Schrie mich sogar an und aus seinen Augen sprühte kurzzeitig sogar Verachtung. Doch ich blieb still, sagte nichts und schaute ihn nur an. Ich wusste, das dies eine Kurzschlussreaktion war und wie damals als ich wegen der Sonne umgekippt war, war bei Yugi ein Ventil geplatzt und der ganze Ärger strömte mit einem mal raus.

Es war nicht gerade die feine Art sie an mir auszulassen, doch ich ließ ihn einfach nur reden.

Nur wenige Sekunden später schien er auch gleich seinen Fehler zu bemerken, wurde sogar verlegen und nuschelte leise eine Entschuldigung.
 

Im Nachhinein frage ich mich, warum ich so ruhig geblieben war, obwohl ich mir in der Situation einen Bulldozer gewünscht hatte. Es ist eine Sache am Rand des Notizbuches nach einen Namen zu suchen, aber eine andere gleich mehrere Seiten zu lesen. Es würde wohl niemand reinschreiben: „Liebes Tagebuch, ich bin´s wieder, Klaus Dieter!“
 

Aber egal wie man es drehte und wendet, man konnte das Geschehene nicht ändern und es war ja auch meine eigene Schusseligkeit zu verdanken, das es Yugi praktisch in den Schoß gepurzelt war. Das nächste Mal sollte ich ihm gleich meine Träume auf einen Silbertablett servieren, das spart Nerven.
 

Seit 3 Tagen bin ich Yugi erfolgreich aus dem Weg gegangen und es war definitiv schwerer, als ich gedacht hätte. Es ist nicht so, das ich ihn vermisste oder so, doch das seltsame daran war, das selbst der Himbeergeruch weg war und somit doch etwas fehlte. Wenn ich wieder in Japan war, müsste ich mir mal ganz dringend sein Duschgel besorgen.

Aber egal was ich versuchte mir vorzumachen, ich konnte die Enttäuschung einfach nicht verdrängen. War das nicht schon so eine Art Vertrauensbruch? Obwohl, das ja auch gar nicht wirklich zählen kann. Yugi ist ein Schüler und die einzige Art von Vertrauen sollte ich haben, das er weiter fleißig lernt und seine Hausaufgaben macht.

Aber selbst das ist so konfuse geworden, das ich diese simple Sache nicht mehr richtig auseinander halten konnte. Was richtig und was falsch war. Wir haben in den letzten Wochen viel zu viel Zeit miteinander verbracht. Vielleicht wäre es besser, sogar gesünder für mich, wenn ich mich in den letzten Tagen der Ferien so verhalte, wie es ein Lehrer tun sollte und nicht wie ein Freund. Yugi ist mir zu nahe gekommen.
 

Doch ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, als ich ein Geschrei hörte, das von der anderen Seite des Platzes stammte. Ich war noch einmal zu meinen Mietwagen gegangen, um mir aus meiner Reisetasche einige Kleidungsstücke zu holen. Aber die Stimme, die gerade mit 100 Dezibel bei mir hallte, war genau die, dich ich seit mehreren Tagen aus dem Weg gegangen war. Na das fing ja schon mal gut an. Geht man nichtsahnend aus dem Zelt, wird man gleich von den Göttern bestraft. So langsam fing ich an das Land zu hassen, das mich immer wieder zu Yugi führte.
 

„Was ist hier los? Was soll das Geschrei?“
 

Ich ging auf die andere Seite vom Parkplatz, wo auch schon Yugi mit dem Rücken zu mir stand, aber bei meiner Frage heftig zusammen zuckte.
 

„Ah hey Trainee!”, rief Odion. „Der Kurze hier muss seine Flugtickets in der Stadt abholen. Mein Auto hat aber schon gestern schon den Geist aufgegeben und ich kann ihn nicht fahren.“
 


 

Zaghaft drehte Yugi sich um und ich hätte schwören können, so etwas wie Ehrfurcht in seinen Blick gesehen zu haben. Doch woher diese plötzliche Angst vor mir?

Doch als langsam das Gesagte von Odion bei mir durch sackte, entgleisten mir alle Gesichtszüge.

Flugtickets? Scheiße, die habe ich nicht einmal. Wie konnte ich nur so etwas Wichtiges vergessen? Ich war so in Eile her geflogen und die Euphorie hatte mich so gepackt, dass ich gar nicht mehr an den Rückflug gedacht hatte. Au man, werde wohl doch schon alt.
 

Ohne wirklich groß zu überlegen holte ich meinen Wagenschlüssel aus der Hosentasche und schloss die Türen auf.
 


 

„Komm Yugi, ich nehme dich mit. Ich muss auch in die Stadt. Mir ist eingefallen, dass ich noch Besorgungen machen muss.“
 


 

Gerade als ich die Fahrertür öffnete sah ich über das Dach, wie Yugi mich noch kurz anlächelte und einstieg. Stirnrunzelnd ließ ich mich auch nieder, schloss die Tür und steckte den Schlüssel ins Zündschloss.
 


 

„Versteh das nicht falsch Yugi: Ich bin immer noch sauer, aber ich kann dich nicht einfach stehen lassen, wenn du Schwierigkeiten hast.“
 


 

Ich wusste, dass ich damit einen eventuellen Streit wieder herauf beschwören würde, aber ich konnte es nicht lassen, das zu sagen. Ich wollte ihm keine falschen Hoffnungen machen und er musste lernen, mit den Konsequenzen zu leben. Er war erwachsen oder wollte es zumindest werden, da sollte man sich auch wie einer benehmen.
 


 

„Und außerdem hast du vergessen dein Rückflugticket zu buchen…“
 


 

Autsch, das tat weh und traf genau ins Schwarze. Sein Grinsen baute mein Ego auch nicht gerade wieder auf, also wandte ich mich einfach nach vorn und startete den Motor.
 

Die Fahrt verlief schweigsam und niemand sagte ein Wort. Warum sollte ich die Stille auch unterbrechen? Er war es immerhin der Mist gebaut hatte, wieso musste ich dann wieder den Anfang machen?! Weil der Klügere nach gab? In dem Fall entschloss ich mich, diesmal den Dummen zu spielen, also lag ein Teil meiner Konzentration auf der Straße... und leider auch ein Teil auf meinem Beifahrer.

Die Klimaanlage wollte nicht so funktionieren, wie es in jeder Bedienungsanleitung stand, sondern ging gerne einfach mal für mehrere Stunden in den Streik. Genau wie in diesem Moment. Sie seufzte kurz, gab ein Piepen von sich wie „für die nächsten Minuten Ruhestand“ und erstarb nur wenige Sekunden später an einem jämmerlichen Funkionsmangel. Damit war auch die Lüftung hinüber und ich war jegliche Art vom Geruch ausgeliefert. Es war das erste Mal in meinem Leben, das ich jemanden verfluchte, weil er sich regelmäßig wäscht. Ich war schon nach wenigen Minuten so weit mir zu wünschen, das Yugi anfängt zu schwitzen. Mir war jede Geruchsart recht. Egal was es war, es sollte nur diese Himbeere überdecken.
 

Die Sonne knallte erbarmungslos in den Wagen, die Hitze staute sich im Innenraum, weil ich die Fenster nicht öffnen wollte. Sicherlich wäre ein wenig Fahrwind mit bei, allerdings auch so viel Staub, das wir bei der Ankunft wie Wüstenmumien ausgesehen hätten.

Doch was war Schlimmer? Wüstensand oder Himbeere? Ich war kurz davor mich für das Austrocknen zu entscheiden, als Yugi in die Ferne vor uns zeigte.
 

„Da ist schon die Stadt und gleich dahinter der Flughafen.“
 

Ich war noch nie so froh gewesen, gleich in einen Stadtverkehr fahren zu dürfen. Das würde bedeuten: Fenster runter! Also trat ich aufs Gas, schaltete im Gang höher und raste zur Stadt. Da wir mitten in der Wüste waren, hatte ich nicht mal Gegenverkehr also konnte ich in Ruhe den Geruch verdrängen und die Frischluft ersehnen. Aber Yugi neben mir schien es nicht so eilig zu haben, presste sich in den Sitz und krallte sich am Armaturenbrett fest.

Sein Gesichtsausdruck sprach nicht gerade vor Begeisterung, doch das war mir zu dem Zeitpunkt völlig egal.
 

Kaum hatte ich die Stadtgrenze überschritten ging ich sofort vom Pedal, Kurbelte vom alten Ding die Scheibe runter und konnte gerade noch so den Drang widerstehen mein Kopf einfach aus dem fahrenden Wagen zu stecken.
 

Ich war so glücklich endlich angekommen zu sein, dass ich dachte, es konnte gar nicht mehr schlimmer kommen. Denn welcher Mensch hatte so viel Pech, genau den Menschen in einem anderen Land wieder zu finden, den er am liebsten verloren hätte? Schnell war alles vergessen.
 

Die Flugtickets waren gekauft und auf den Rückweg zum Flughafenparkplatz hätte ich mich selber Schelten können. Wie konnte man so etwas derart wichtiges vergessen? Das wäre ein Desaster geworden, wenn ich nach Hause fliegen wollte und ich erst am Schalter bemerkte, dass ich mich gar nicht um den Rückflug gekümmert hätte. Die nächste Maschine wäre erst am nächsten Tag gestartet. Das wäre nicht so tragisch gewesen, da noch das Wochenende zwischen dem Schulbeginn lag, aber hätte meine Planung mit den korrigieren der Arbeiten total über den Haufen geworfen. Denn Zuhause erwartet mich leider ein Berg von Blättern, die nur darauf warten mit einem roten Stift bemalt zu werden.
 

Am Wagen angekommen, öffnete ich ihn, Yugi stieg wieder beim Beifahrersitz ein. Doch als ich mich immer noch nicht regte, sondern einfach nur aus der Frontscheibe auf das Flughafengebäude starrte, winkte er mit der Hand vor meinen Augen rum.
 

„Hey, alles klar?“
 

Ich nickte automatisch, noch ehe mein Gehirn die Frage identifiziert hatte, aber nichts war klar. Mir gefiel das ganze nicht. Ich konnte nicht genau sagen, woran es lag, aber ein richtig schlechtes Gefühl machte sich in meinem Bauch breit und legte einen Pelz auf meiner Zunge. Seit ich heute morgen aufgestanden war, hätte man denken können, das der heutige Tag die Apokalypse einläuten würde.

Langsam steckte ich den Schlüssel ins Zündschloss und erstarrte.

Nein.. nicht schon wieder.
 

Der Motor heulte kurz auf und das Geräusch weckte die Erinnerung von seinem Umzug, als der Mietwagen ebenfalls den Geist aufgab. Dichter Qualm quoll zwischen den Lücken der Motorhaube. Fast schon panisch sprang ich aus dem Wagen, griff an das Metall und zog sofort zischend meine Hand weg. Sie war höllisch heiß.

Ich zog mir den Ärmel meines Hemdes über die Hände und zog sie mit einem Ruck hoch. Die Sicht wurde nur langsam klarer und wedelte den Qualm etwas weg.

Yugi tauchte an meiner Seite auf und starrte nur auf das Innenleben, als verstand er nicht, was gerade vor sich ging.

Fluchend trat ich gegen die Karosserie. Drehte mich um, ging einige Schritte weg, raufte mir die Haare, nur um den Wagen noch einmal wütend anzusehen und erneut mit Schwung gegen die Stoßstange zu treten.
 

„Wieso passiert mir das immer? Schon als ich nach Domino gezogen bin, ist mir die Karre verreckt…und das war nur der Höhepunkt eines beschissenen Tages, auf den ein noch viel schlimmerer folgte.“
 

Fast schon verzweifelt blickte ich Yugi an, der meinen Blick mitfühlend erwiderte, aber das feine unterdrückte Grinsen machte mich nur noch rasender. Fand er also lustig, ja?

Ich war zwar kein Fachmann der KFZ-Werkstätten, aber nach den Klimabedingungen und dem Alter des Fahrzeuges nach zu urteilen war der Motor eindeutig überhitzt.

Zusätzlich bemerkte ich, wie etwas auf dem Boden tropfte und nachdem ich fast unter der Karosserie krochen, sah ich wie die Kühlflüssigkeit nicht den Weg nahm, der vor gedacht war.

Notgedrungen mussten wir uns um eine andere Möglichkeit kümmern, zurück zum Lager zu kommen.
 

Ob es hier auch ein Münztelefon gab? In Japan waren die ja an jeder Ecke verteilt, doch Yugi holte schon seine Jacke aus dem Wagen und schloss die Tür.
 

„Wir sollten dahinten im Hotel mal fragen, ob wir telefonieren können. Ich bin mir sicher, das Odion uns abholen kann.“
 

Er zeigte auf ein unscheinbares, aber riesiges Gebäude direkt neben dem Flughafen.

Doch wie sich einen Herzinfarkt anfühlen würde, erfuhr ich erst, als Yugi den Hörer an der Rezeption auflegte und den Kopf schüttelte. Sein Wagen wäre erst morgen früh wieder fahrbereit, das bedeutete, das wir die Nacht im Hotel verbringen mussten.

Theoretisch war die Idee gar nicht mal so schlecht. Endlich mal was bequemeres als dieses alte aufklappbare Feldbett. Aber auch diese Vorfreude wurde durch einen weiteren Infarkt, der aber verheerender war, als der erste ruiniert.
 

„Es tut mir Leid meine Herren, aber derzeit ist in unserem Hotel nur noch ein Doppelzimmer für insgesamt 437 Ägyptische Pfund frei. Es ist wirklich das einzige freie Zimmer. Soll ich es für Sie einbuchen?“
 

Das Lächeln der Rezeptionistin war zwar nett, doch ich verspührte große Lust es ihr mit dem Telefonbuch das auf dem Tresen lag aus dem Gesicht zu schlagen. Sie legte schon den Schlüssel mit der metallischen Zimmernummer vor mir auf das polierte Holz.
 

„Gute Frau. Ich bin mir sicher, da ist noch etwas frei. Tun Sie mir einen Gefallen und prüfen das erneut.“
 

Ihr Lächeln wurde schüchterner, strich sich eine Strähne aus dem Gesicht und wurde sogar etwas rot um die Nase.
 

„Natürlich“, nuschelte sie nur, und tipperte mit ihren langen lackierten Nägeln auf der Tastatur rum. Doch schon nach wenigen Sekunden blickte sie mir in die Augen, schien sich zu schämen.
 

„Och nein.“, stöhnte ich schon fast und ich hätte schwören können, das sich der Boden unter mir auftat.
 

„Ich würde ihnen ja gern mein Zimmer anbieten, aber-...“
 

Doch diese selbstlose Tat wurde von mir sofort unterbunden, als ich mir den Zimmerschlüssel krallte und Yugi einfach mitschleifte.
 

An sich war das Zimmer nichts besonderes, nur das Doppelbett in Zimmermitte störte mich gewaltig. Sofort ging ich darauf zu und prüfte, ob es nicht zwei einfache Einzelbetten waren, die nur zusammen geschoben worden sind, doch auch da wurde ich enttäuscht und schnaubend ließ ich mich darauf nieder.

Yugi stand noch immer an der Tür, die er geschlossen hatte und schaute mich mit einen Blick an, den ich nicht deuten konnte. Eine Mischung von Enttäuschung und dennoch Freude lag darin.
 

„Stimmt etwas nicht?“
 

Leider starrte er mich nur weiterhin an, rührte sich nicht, hatte noch immer die Jacke um seinen Unterarm gehängt und machte keine Anstalten sich umzusehen.

Langsam stand ich auf ging einige Schritte auf ihn zu und blieb nur wenige Zentimeter vor ihm stehen.
 

„Was hast du?“
 

Sein Blick ruhte nun auf meiner Brust, da ich ein Stück größer als er war, hob aber den Kopf um mir in die Augen zu sehen, sagte jedoch wieder kein Wort.

Ungläubig hob ich eine Augenbraue hoch. Seit wann war er so auf den Mund gefallen? Sicher, er war schüchtern und oft zurückhaltend, aber in der letzten Zeit hatte er mir ja auch oft genug bewiesen, das er wusste, wie man die Stimmbänder benutzte.
 

„Wenn du nicht mit mir reden willst.“
 

Geschlagen wandte ich mich wieder ab, ging zum Fenster und öffnete es. Von dem Zimmer aus hatte man eine fantastische Aussicht auf den Flughafeneingang... na ja, wer auf Metallbauten stand. An sich war das Zimmer wie jedes andere auch. Der meiste Platz wurde von dem Bett eingenommen, das in der Mitte stand, jeweils rechts und links ein Nachttischschränkchen und ein Kleiderschrank für die Klamotten. Das Bad war eng, roch etwas muffig, hatte aber wenigstens eine Dusche das genau gegenüber der Tür lag. Strinrunzelnd dachte ich, das dieses Zimmer wohl eher für besoffene Touristen geeignet ist. Sie brauchten nur das Bett zum Rausch ausschlafen und eine Dusche um sich daneben geschüttelte Getränke ab zu spülen... oder eher andere Dinge, die im Körper bleiben sollten.
 

Als ich mich umdrehte, hatte sich Yugi endlich bewegt, sein Blick starrte auf das Bett, seine Jacke war achtlos darauf geworfen.
 

„Morgen früh um 8 Uhr sollen wir am Wagen sein. Odion wird uns dort abholen und sich auch um die Mietwagenfirma kümmern.“
 

Seine Stimme war völlig monoton, als hätte ich ihn verärgert, schob es aber schnell auf die Müdigkeit, die sich auch langsam in mir breit machte.
 

„Lass uns erst runter ins Restaurant gehen. Ich habe Hunger.“
 

Yugi nickte, ließ die Jacke aber da liegen wo sie war.

Das Gespräch beim Essen war eher einseitig. Im Grunde erzählte der Kellner die meiste Zeit und wenn er nicht am Tisch war, schwiegen wir uns an. Ich hatte so die Ahnung, dass es noch mit meinem Buch zusammen hing, aber warum machte ich mir Gedanken darüber? Vor wenigen Stunden wollte ich auch Abstand von dem Jungen nehmen, sachlicher werden und wahrscheinlich auch die Nachhilfestunden einfrieren.

Das sind alles zu viele Intimitäten, die auf Dauer nicht gut waren. Ich wollte nicht, dass er sich bevorzugt behandelt fühlte, gar vom Boden der Realität abhob. Er sollte so bleiben wie er war.

Lustlos stocherte ich in meinem Salat rum, schob mir ein Blatt zwischen die Lippen und fragte mich, warum mich meine eigenen Gedanken so deprimierten. Warum konnte ich nicht einfach ein Schlussstrich ziehen und das ganze so lassen wie es war? Er war immer noch mein Schüler.
 

„Arrgh!“
 

Mein Salat blieb mir fast im Halse stecken, als ich sah, wie Yugi krampfhaft seinen Arm verrenkte, um mit seiner Gabel am Rücken ran zu kommen. Er hob sie über den Kopf und beugte den Arm so, als wolle er sich mit einer Bürste den Rücken waschen. Jedoch schien er nicht an die Stelle zu kommen, wo er ran wollte, also schob er seinen linken unter dem rechten Arm durch und verdrehte seinen Oberkörper. Durch das Rascheln konnte ich ahnen, das so versuchte sich zu kratzen.
 

„Was tust du da!“
 

„Mein verdammter Rücken..“

„Was ist mit dem?“

„Der juckt wie die Hölle!“
 

Er kniff seine Augen zusammen und war kurz vor dem verzweifeln. Schnell stand ich von meinem Stuhl auf, ging um den Tisch herum und stellte mich hinter ihm, nahm die Gabel aus seiner verkrampften Hand und schob den Kragen von seinem Hemd etwas zu mir, sodass ich auf seinen Rücken sehen konnte ohne ihn zu strangulieren.

Schon auf den ersten Blick bemerkte ich die vielen roten Punkte und geröteten Flecken, die auf seinem ganzen Rücken verteilt waren.

Ohne wirklich zu achten, ob es Yugi recht war, drehte ich den Stuhl mit Schwung zu mir um, griff nach seinen Handgelenken und zog ihn zu mir hoch, drehte ihn um so das er mit dem Rücken zu mir stand und zog ohne zu fragen sein Hemd aus der Hose. Jedoch besaß ich auch so viel Anstand ihn hier nicht völlig zu entblößen, sondern zog es nur soweit hoch, das ich einen Blick auf die erste rötliche Stelle bekam. Vorsichtig strich ich mit dem Zeigefinger rüber. Es fühlte sich rau und heiß an.
 

„Tut es weh?“
 

Er zog zischend die Luft zwischen den Zähnen ein. „Nein, brennt nur und juckt so sehr, das ich mir die Haut abziehen könnte.“
 

„Bist du gegen etwas allergisch?“
 

Ich griff nach meinem Colaglas und fischte die Eiswürfel aus dem Getränk und legte sie auf die Stelle. Ein erleichtertes Stöhnen lies mich schmunzeln.
 

„Ja, Erdbeeren, aber ich habe keine gegessen.“
 

Ich nickte nur und betrachtete mir die Stelle um den Eiswürfel herum. Yugi drehte sich leicht zur Seite. Ich tat so, als würde ich seinen Blick nicht bemerken aber ich bemerkte sehr wohl, wie er sich auf die Unterlippe biss und mit dem Schneidezahn leicht darüber schabte.

Genau in den Moment räusperte sich jemand neben mir.

Der Kellner stand dort.
 

„Meine Herren, wollen Sie auf ihr Zimmer? Die Rechnung können sie auch gern morgen beim Auschecken begleichen.“
 

Erst dachte ich, der Mann hat schon zu viele Überstunden hinter sich, bis sich plötzlich vor meinen Inneren Auge die Situation zusammensetzte, wie der Kellner sie auffasste.

Ich stand hinter einem Jungen, der sich nach vorn gebeugt auf dem Esstisch abstützte, meine Hand unter seinen Hemd und Yugi hatte wie ich eben bemerkte rote Wangen...

oh oh...
 

„Nein.“ Ich lächelte ihn an und winkte ab. „Wären Sie bitte so freundlich und gehen in die Hausapotheke vom Hotel? Er hat einen unangenehmen Ausschlag am Rücken bekommen. Etwas Kühlendes und was Juckreiz unterdrückt. Und bitte wo keine Stoffe von Erdbeeren drin sind.“
 

Er nickte und ich wendete mich an Yugi der mich nur überrascht anstarrte.
 

„Was denn?“
 

„Eine Salbe ohne Erdbeeren? Nein, was für eine Tragödie.“
 

Zuerst verstand ich die Ironie nicht, bis er mich angrinste. Natürlich gab es keine Salbe mit solchen Inhaltsstoffen, aber ich wollte auf Nummer sicher gehen und das warf er mir gerade vor. Das war also der Dank meiner Fürsorge.
 

„Vielleicht sollten wir wirklich auf unser Zimmer gehen.“
 

Wenn ich bis dahin noch meinen Salat gegessen hätte, wäre ich spätestens nach diesem Satz erstickt. Es war nicht nur die Bedeutung der Wörter, sondern auch die Betonung wie Yugi sie aussprach. Nicht mehr so zurückhaltend und schüchtern wie ich ihn kenne, sondern eher verrucht und... erwachsen.

Ich konnte nicht verhindern, dass mir eine Gänsehaut über mein Körper lief und meine Haare aufstellte.
 

Der Kellner konnte keine passende Salbe besorgen. Solche sind gerade nicht im Lager da viele Allergiker sich im Hotel aufhalten. Ich fragte mich, welche Idioten auch in ein Land fahren, das in der Wüste liegt, wenn sie gegen Staub allergisch sind. Man würde sich bei uns melden und sie an der Rezeption für uns hinterlegen.

Schon auf den Weg nach oben hatte ich Angst, dass mir Yugi jeden Moment zusammen brechen würde. Im Fahrstuhl lehnte er sich an mich. Jedoch hatte ich das nicht erwartet und taumelte mit ihm einen Schritt zurück, bis ich mit dem Rücken an der Wand aufkam, die sich kühl anfühlte. Sein ganzes Gewicht lag auf meinem Oberkörper, er war rot im Gesicht, leicht glasigen Blick und verdammt, war der Junge heiß.
 

„Yugi?“
 

Er brummte nur etwas, das ich nicht verstehen konnte, seine Hände krallten sich schon in mein Hemd. Taten die Flecken jetzt doch weh, das seine Hände sich so verkrampften?

Ich war kein Arzt und wusste nicht genau was zu tun war. Ich konnte nur das machen, was für ihm am angenehmsten war. Also zog ich seinen Kopf auf meine Schulter, da dieser mir den Blick auf sein Rücken verwehrte, zog das Shirt das immer noch aus der Hose hing bis zu den Schulterblätter hoch, drehte mich so, das er nun mit dem Rücken zur Wand stand und stöhnte leicht gegen mein Hals, als das kühle polierte Holz seine Haut berührte. Ich musste nun ihn förmlich gegen das Holz pressen, da er mich nicht mehr loslassen, geschweige denn nur einen Zentimeter von mir weichen wollte.

Wenn er sich weiter so benahm, würde er mich in Panik versetzten. Dieser Ausschlag schien schlimmer zu sein, als ich anfangs dachte. Sein Atem ging hörbar schwerer, schien eher von der Wand weg zu wollen, denn er drückte sich eher an mich. Aber vielleicht hatte die Wand auch seine eigene Körperwärme angenommen. Ein Blick auf die Anzeigetafel zeigte mir, wir hatten noch 10 Etagen vor uns. Was sollte ich nur machen? Fügte ich ihn damit eher Schmerzen zu, als es zu lindern? Sein Atem strich meine Haut und bei Gott, wenn ich nicht genau wüsste, das es ihm nicht gut geht, würde mich diese ganze Situation... völlig fertig machen.

Meine Güte, ich bin ein junger Mann in meinen besten Jahren und die Hormone bringt mein Blut gewaltig in Wallung wenn er weiter so macht.

Die Eiswürfel taten ihn gut, also schien die Kühlung zu helfen, aber wie konnte ich ihn kühlen, wenn er nicht kooperiert? Nach der Wärme seines Gesichtes zu urteilen, das inzwischen in meiner Halsbeuge lag, hatte er eindeutig Fieber.
 

Ich entspannte langsam meine Muskeln, so dass Yugi mich wieder nach hinten drückte, drehte mich aber leicht zur Seite und nun hatte ich das Holz im Rücken. Aber mein Ziel war etwas anderes. Jedoch hatte ich große Mühe mich von dem Gefängnis zu befreien, denn nun war ich der Eingesperrte. Ich winkelte mein rechtes Bein an, um eine Stütze zu haben, wenn ich ihn wieder weg drücken wollte, jedoch kam ich dabei mit meinem Arm an seinen Rücken, weil ich die ganze Zeit seine Hüften festgehalten hatte und wieder ein Stöhnen, lauter als das vorherige streifte diesmal mein Ohr.
 

Ruhig, schön ruhig bleiben!
 

Scheinbar tat ich ihn damit wirklich weh. Also hieß es erstmal, direkte Berührungen mit der Haut vermeiden.
 

„Ich hätte diese Nudeln nicht essen dürfen...“
 

Seine Worte waren nur ein flüstern, stockend und heiser. Sie klangen für mich völlig zusammenhangslos und konnte damit nichts anfangen. Jetzt schien der Fieberwahn einzugreifen. Zumal bekam ich das Gefühl, als würde es ihm Mühe bereiten das auszusprechen. Als sammelte er für etwas anderes Kraft.
 

Und ich musste gestehen, ab den Moment war ich völlig überfordert. Bis vor wenigen Minuten konnte man mit ihm noch normal reden, mal abgesehen von der Hantiererei mit der Gabel, aber er war noch bei Sinnen. Jetzt drückte er sich gegen mich, als wäre hinter ihm ein Monster.

Er brauchte etwas kaltes, sofort oder der bricht mir hier wirklich noch zusammen. Mit einem Ruck drückte ich mich mit Hilfe des Beines von der Wand ab, drehte mich erneut und schaffte es so, wieder Yugi gegen das Holz zu drücken. Kaum streifte es wieder sein Rücken, überraschte mich diese Reaktion und... scheiße, ich hätte nicht hinsehen sollen.

Er warf seinen Kopf in den Nacken, verzog das Gesicht, kniff die Augen zusammen aber Stöhnte hemmungslos auf.

Bei den Göttern, wenn ich dieses Bild nicht ganz schnell aus meinem Gedächtnis bekomme, würde es mich quälen!
 

Ein Schüler, verdammt, ein Schüler!!
 

Mit einem lauten Pling öffnete sich die Tür hinter mir und so schnell wie die Tür offen war, hatte ich mir auch schon Yugi gekrallt. Denn ich hätte keine weitere Sekunde in diesen engen Raum mit ihn ausgehalten.
 

Nur mit Mühe erreichten wir unser Zimmer. Es waren nur wenige Meter vom Fahrstuhl über den Flur, jedoch war es alles andere als laufen. Yugi hing so sehr an mir, als könnte er nicht mehr mit seinen eigenen Beinen laufen. Dadurch drückte er mich immer wieder zur Seite und wären wir anderen Gästen begegnet, hätten sie uns wahrscheinlich für total betrunken gehalten.
 

Einige Raufereien und blaue Flecke weiter kickte ich die Zimmertür hinter mir zurück ins Schloss und dirigierte ihn zum Bett. Ich versuchte seine Arme zu lösen, die er um meinen Nacken geschlungen hatte, doch sie waren wie ein Schraubstock. So viel Kraft hätte ich den Kleinen nicht zugetraut. Ich stemmte mich gegen ihn und selbst wenn er den Halt verlieren würde, würde er direkt ins Bett fallen. Jedoch war die Praxis immer anders als die Theorie gewesen. Durch seine Gegenwehr verlor ich aber auch das Gleichgewicht und stürzte mit Yugi um meinen Hals nach vorn. Gerade noch rechtzeitig konnte ich meine Arme zur Seite ziehen, so dass ich mein Gewicht noch abfedern konnte, ehe ich ihn erdrückte. Ich war immerhin ein erwachsener Mann und wog einige Kilo mehr. Aber das löste auch nicht das Dilemma.
 

„Yugi!“
 

Ich nahm sein Gesicht zwischen meinen Händen und drehte sein Kopf zu mir.
 

„Yugi, sieh mich an.“
 

Seine Wangen waren noch wärmer als vorher, kleine Schweißperlen glänzten auf seiner Stirn und liefen schon an seinen Schläfen hinunter. Er hatte sichtlich Mühe die Augen zu öffnen. Sie flackerten, konnte kurz seine glasigen Augen erkennen, ehe er den Kampf aufgab und sie wieder zu fielen.
 

„Du musst mich jetzt los lassen.“
 

Er brummte, versuchte den Kopf zu schütteln, doch meine Hände hinderten ihn daran. Aber selbst wenn sie nicht an der Stelle gewesen wären, er hatte so wenig Kraft, dass ich kaum den Widerstand der Bewegung bemerkte.
 

„Yugi!“ Dieses Mal rief ich seinen Namen lauter, bestimmter und auch langsam wurde ich auch ärgerlich. Wie konnte ich ihn den helfen, wenn er es nicht zuließ. Meine Güte, ich würde schon nicht wegrennen und ihn in diesem muffligen Bett alleine verrotten lassen.

Er zuckte zusammen, doch er ließ mich weiterhin nicht los.
 

„Yugi, los, sie mich an!“ Ich zog sein Kopf näher an mich ran und wartete, doch die Lider blieben zu. „Du sollst mich ansehen!“ Dann wurde ich ruckartig angesehen. Sein Blick schien mich nicht wirklich zu sehen, eher durch mich hindurch.

Plötzlich hob er sein Unterkörper an, drückte sich wieder gegen mich, als wollte er aufstehen, doch die Rechnung hatte er ohne mich gemacht.
 

„Verstehst du, was ich sage?!“
 

Ein schwaches Nicken.
 

„Ich werde jetzt aufstehen und ich möchte, dass du mich dafür loslässt.“
 

Er riss panisch die Augen weiter auf, sahen mich ängstlich an.

„...nein...“

Seine Stimme war genauso schwach wie alle seine Bewegungen.
 

„Ich werde nur für einen Moment ins Bad gehen und dir kaltes Wasser holen.“

„... nein... „

„Doch Yugi, du hast Fieber! Du brauchst dringend kalte Kompressen.“
 

Nur zaghaft löste er doch die Umklammerung und ließ die Arme auf das Bett neben sich sinken.

Vorsichtig hob ich mich hoch und setzte mich auf, aber darauf bedacht Yugi nicht weiter zu berühren. Ich wollte nicht, s er wieder in seinen Fieberwahn auf dumme Gedanken kommt und wieder meine Nähe sucht.
 

Ich stand auf und torkelte ins Bad. Völlig verwirrt musste ich mich erst einmal am Waschbecken abstützen und auf die Keramikoberfläche starren wo noch feine Wassertropfen zu erkennen waren.

Was zum Teufel war nur los?! Ich konnte gar nichts mehr einordnen. Dieser Junge da im Bett machte mich unbewusst völlig fertig. Auch wenn man es mir nicht ansah, aber meine Selbstbeherrschung bröckelt schon gefährlich. Eigentlich sagte ich ihm ja, das ich gleich wieder da wäre, aber ich drehte den Wasserhahn auf und ließ das Nass in meine Handflächen laufen, um es mir im nächsten Moment ins Gesicht zu schütten.

Langsam wusste ich nicht mehr weiter. Ich war Referendar und kein Arzt. Vielleicht sollte ich doch einen Arzt anrufen und ihn herbestellen. Vielleicht war es doch etwas Ernsteres, wovon ich nichts wusste. Ich krallte mir das Handtuch das rechts neben dem Becken hing, trocknete mich flüchtig wieder ab und tauchte es unter dem kalten Wasserstrahl.
 

Als ich wieder bei Yugi ans Bett trat, hatte er sich die Decke bis zu den Schultern hoch gezogen, war auf die Seite gerollt und hatte die Beine eng an sich geschlungen.
 

„Hey.“
 

Vorsichtig berührte ich ihn an der Schulter. Er öffnete die Augen und blickte mich an.
 

„Komm, leg dich auf deinen Bauch. Ich werde dir das Handtuch auf dein Rücken legen.“
 

Er nickte und drehte sich um und zog für mich die Decke mit beiseite. Jedoch viel dann mein Blick auf die Bar, die ich vorher übersehen hatte.

Und Tatsache. Als ich sie öffnete, war ein kleines Kühlfach mit eingebaut, das Eiswürfel in den Plastikformen hatte. Wenigstens etwas Glück.

Mit dem Plastikbehälter ging ich wieder zurück, setzte mich an den Bettrand und zog sein Shirt hoch. Da er jedoch auf dem Bauch lag, war dies ein schwieriger Akt und sehr umständlich.
 

„So wird das nichts.“
 

Ich packte ihn an seinem rechten Arm und zog ihn damit zu mir, womit er den ganzen Körper mit drehen musste. Selbst wenn er wollte, konnte er sich nicht gegen wehren, er murmelte nur etwas, was ich wieder nicht verstehen konnte.
 

„Ich werde dir jetzt dein Hemd ausziehen um besser an deinen Ausschlag ran zu kommen.“
 

Ohne auf eine Antwort zu warten, knöpfte ich schon das Hemd auf, starrte dabei aber auf einen imaginären Punkt auf meiner Hand. Sicher, er war nicht ganz bei Sinnen und ich wusste, wie ein junger Mann mit nacktem Oberkörper aussah, aber ich bekam den Gedanken einfach nicht los, dass es nicht richtig war, hinzusehen. Ich war sein Lehrer und er mein Schüler. Allein die Tatsache, dass ich mit ihm eine Nacht im Hotel verbringen musste, sprengte schon alle Regeln und Moralvorstellungen. Ich durfte wenigstens die innere Grenze nicht überschreiten.

Vorsichtig streifte ich ihn den Stoff von den Schultern und drehte ihn wieder zur Seite, zog damit das Hemd einfach nach unten und schmiss es über den halben Raum, wo es auf einem Stuhl landete, wo sich bereits auch schon meine Jacke befand.

Die Eiswürfel brach ich aus der Schale.
 

„Vorsicht, das wird gleich etwas brennen.“
 

Und ohne zu warten, verteilte ich sie auf die dunkelsten Flecken und legte anschließend das nasse Handtuch darüber. Ich musste dann doch schmunzeln, als ich ein erleichtertes Stöhnen vernahm, das Yugi in seinem Kopfkissen brummte.

Zu guter Letzt holte ich noch ein Waschlappen das über dem Handtuchhalter hing, tauchte es auch ins kalte Wasser, das ich im Becken gelassen hatte und legte es Yugi auf seinen Nacken.
 

Völlig erschöpft stützte ich mich mit meinen Armen hinter mir am Bett ab und beobachtete, wie Yugi langsam seine Muskeln entspannte und nicht mehr so verkrampft wirkte.
 

Schau weg, Yami...
 

Es ist doch faszinierend, wie jeder Mensch anders auf einen wirkte. Man konnte schon an den Armen deutlich erkennen, dass sich einige Muskeln bildeten. Sicher, er wird immer so schmächtig bleiben, wenn er nach seinem Großvater kommt und nicht so sehr in die Breite geht, aber man muss schon zugeben, das Yugi gar nicht so jung war, wie er manchmal mit seiner unschuldigen Art wirkte. Auf dem ersten Blick würde bestimmt jeder einige Jahre seines tatsächlichen Alters unterschlagen, nur bei genauerem hinsehen konnte man die feinen Unterschiede schon erkennen.

Wenn sich jemand noch dazu die Mühe machte, ihn kennen zu lernen, wurde er von einer Intelligenz überrascht, die heutzutage verdammt selten war.
 

Ich beschloss, die Zeit zu nutzen und duschen zu gehen. Der Sand musste mir schon aus den Taschen rieseln.

Doch gerade als ich die Dusche aufdrehte und mich entspannen wollte, hörte ich ein melodisches Klingeln, das mich an die alten Telefone erinnerte. Ich brauchte einige Sekunden um zu realisieren, dass es wirklich ein Telefon war. Sofort sprang ich aus der Dusche, wollte zuerst nackt aus dem Bad gehen, aber Gott sei Dank fiel mir noch ein, das ich nicht allein war, als ich schon die Türklinke in meiner Hand hielt. Also griff ich nach einem Handtuch, das dort noch hing und wickelte es mir um die Hüften.
 

Yugi lag noch immer im Bett, hatte sich kein Millimeter bewegt und schien eingeschlafen zu sein.
 

„Ja?“
 

„Guten Abend, Herr Athem. Ich bin Echidna, Ihre Empfangsdame beim Einchecken.“
 

Sie machte eine kurze Pause und schien auf ein Laut zu warten, der ihr bestätigte, das man sich an sie erinnern würde. Aber ich konnte ihr nicht einmal mehr ein Gesicht zuordnen.
 

„Guten Abend.“
 

Und wieder war eine Stille. Langsam keimte in mir der Verdacht auf, das sie mehr hören wollte, als ich jemals sagen würde.

Ein Räuspern erklang.
 

„Die Salbe, die Sie bei unserem Kellner im Restaurant bestellt haben, ist eben angekommen.“
 

„Endlich. Ich komme runter!“
 

Doch ein Kichern unterbrach mich und ich fragte mich, seit wann es als seriös galt, einen Gast zu unterbrechen.
 

„Ich bringe es Ihnen gern auf Ihr Zimmer, Herr Athem.“
 

Ich legte auf und konnte nur ungläubig das Telefon ansehen. Was war das denn? Irgendwie hatte sie mir nicht gerade den Eindruck vermittelt, als würde sie das aus reiner Freundlichkeit tun. Und seit wann bringt eine Empfangsdame die Lieferungen ins Zimmer? War dafür nicht der Page verantwortlich? Fragen über Fragen, die mich aber auch leider aufhielten, denn schon in der nächsten Sekunde erstarrte ich, als es an der Tür klopfte.
 

„Na das ging ja flott.“
 

Als ich sie öffnete, wurde mir auch schon eine weiße kleine Tüte mit dem ägyptischen Zeichen für Arznei entgegen gehalten. Meine Güte, roch sie schon vorhin so aufdringlich nach Parfüm?!
 

#“Hallo Herr Athem, wie versprochen bringe ich persönlich es ihnen hoch“#
 

Aha. Nun, versprochen war es gerade nicht, aber es hätte meinetwegen auch der Hausmeister bringen können. Die Hauptsache war, das Yugi sie bald bekommen würde.

Zusätzlich wunderte ich mich, warum sie plötzlich in Ägyptisch mit mir redete, denn am Empfang hatten wir Englisch genutzt.
 

#“Was sind es denn für Beschwerden, wenn ich fragen darf?“#
 

Ich versuchte freundlich zu bleiben, obwohl sie gerade offensichtlich versuchte, mit mir zu flirten. Ihr Blick glitt von meinem Gesicht hinunter und als ein kalter Luftzug über meine Brust strich, wurde mir wieder richtig bewusst, wie ich die Tür geöffnet hatte. Mit nichts weiter an als ein Handtuch um die Hüften. Ihr schien zu gefallen, was sie sah, denn sie grinste leicht und ich fragte mich, wo die Schüchternheit von vorhin war.
 

#“Sie ist für einen Ausschlag, wahrscheinlich eine allergische Reaktion.“#
 

Ihr Grinsen wurde so breit, das ich langsam Angst bekam und sah mich erwartungsvoll an. Doch ich sagte nichts und wollte wieder die Tür schließen, als sie mit einer Hand ihre Haare von der Schulter warf, ihre Brust zu mir streckte und wollte wohl verführerisch dabei wirken, aber das einzige was mir dabei auffiel, waren die hässliche Dreiviertel-Hose, die ihr scheinbar mehrere Nummern zu klein war, eng an ihre Beine anlag und wahrscheinlich einen Hetero-Mann gefallen würde, aber ich war nicht hetero und die Farbe Kaki war für mich keine Farbe, sondern eher Matsch auf Stoff.

Da ich weiter nichts sagte, sondern sogar schon flüchtig die Hand zum Abschied hob, schreckte sie auf und räusperte sich.
 

#“Ich bin eine wunderbare Masseurin. Sie werden überrascht sein, wie es eine Heilung verstärkt, wenn man die Salbe richtig in die Haut einarbeitet.“#
 

Mit einem Schlag wich mir jegliche Farbe aus dem Gesicht. Ohne es beeinflussen zu können, wuchs hinter meinen inneren Auge die Vorstellung, wie sie sich über den schlafenden Yugi beugte, die Salbe auf den Händen verrieb und sich breitbeinig auf ihn setzte, nur um mit einem verführerischen Lächeln die Hände zu senken und.... STOP!
 

#“Nein Danke!“#
 

Diese Ablehnung war mehr gezischt als gesagt und schleuderte die Tür zurück ins Schloss. Was für eine aufdringliche und penetrante Person! Soweit kommt es noch, dass ich fremde Weibsbilder an meinen Schüler lasse. Er ist noch nicht einmal Volljährig und brauch ein Mädchen in seinem Alter und nicht so eine alte verbrauchte Schabracke, die sich scheinbar sofort an jedem Gast um den Hals warf, der einigermaßen gut aussah.

Wütend drehte ich mich um und blickte direkt in Yugis Augen, die mich beobachteten.
 

„Seit wann bist du wach?“
 

Sie waren nicht mehr glasig wie vorher, sondern jetzt eher Müde, wachsam aber dennoch lag ein Ausdruck in ihnen, den ich nicht deuten konnte.
 

„Ich habe gar nicht geschlafen.“ Seine Stimme klang kratzig, rau und ungewöhnlich tief.

„Deine Salbe ist eben angekommen.“
 

Ich lächelte ihn an und holte die Tube aus der Tüte. Doch als ich den Deckel aufschrauben wollte, verzog ich angewidert mein Gesicht. In schwarzer, schnörkelhafter Schrift stand ruf mich an, xxx Echidna und darunter eine Nummer.
 

#“Das zählt ja langsam schon als Belästigung.“#

„Wie?“
 

Ohne es zu merken, bin ich wieder in die ägyptische Sprache gesprungen, doch ich winkte ab. Yugi hatte andere Sorgen, als sich anzuhören, wie sich eine Frau vergeblich an seinen Lehrer ran machte.
 

„Schon gut.“

Ich lächelte wieder, doch er ließ nicht locker, sondern setzte sich langsam auf, wobei das Handtuch vom Rücken rutschte und mit einem klatschenden Geräusch auf dem Boden aufkam, jedoch sah er auf einen Punkt auf der Bettdecke.
 

„War das nicht die Frau vom Empfang?“

„Leider!“
 

Ungewollt quetsche ich nur das Wort hervor, aber wenn Yugi noch weiter leben wollte, sollte er das Thema lassen, stattdessen aber schien er Selbstmord gefährdet zu sein.
 

„Warst du eben duschen?“
 

Überrascht blickte ich von meinen schwarzen Daumen hoch, mit dem ich eben das Gekrakel von der Oberfläche gewischt hatte.
 

„Ja, ich war noch voller Sand. Wenn du willst kannst du auch schnell bevor ich dir den Rücken eincreme. Du musst vom Fieber völlig durchgeschwitzt sein.“
 

Doch Yugi schüttelte heftig mit dem Kopf, zog die Bettdecke zu seinem Oberkörper hoch, sah mich aber weiterhin nicht an.

„Ich bin noch ein bisschen wackelig auf den Beinen und könnte in der Dusche nicht lange stehen. Das mach ich lieber morgen früh, wenn ich ausgeschlafen bin. Aber du solltest dir etwas anziehen.“
 

Wollt ich ja, doch ich kam ja nicht dazu. Wenn er nicht geschlafen hatte, dann hätte er es doch mitbekommen. Also verschränkte ich die Arme vor der Brust und sah ihn abwartend an. Sicher, jetzt war ich bockig, aber war das nicht logisch?
 

„Herr Athem, bitte...“
 

Jetzt klang er schon flehend und ich wurde wütend. Sah ich denn so scheiße aus, das es schon unerträglich wurde? Aber innerhalb der nächsten Sekunden verpuffte meine Wut, als er zur Tür zeigte, ich mich umdrehte und sah, wie mein Handtuch fröhlich zwischen Rahmen und Tür baumelte.

Vorsichtig blickte ich an mir runter und sah, das ich so wie Gott mich geschaffen hatte, vor Yugi stand.
 

Wütend über meine eigene Dummheit riss ich das Handtuch von der Tür, das selbstverständlich zerriss und band mir die Fetzen notdürftig wieder um. Heute Morgen hatte ich noch das Gefühl, das die Apokalypse anbrechen würde, doch das sie heute kommt, zeigte nur wieder, was ich doch für ein Glück hatte. Die Salbe schmiss ich achtlos aufs Bett.
 

Yugi schien endlich von seinen Füßen wieder hoch gesehen zu haben, denn mit geröteten Wangen meinte er zu mir: „Das ist doch nicht so schlimm. Ist mir auch schon mal passiert.“
 

„Ach, du warst schon mal ein Referendar, mit einem deiner Schüler im Hotelzimmer und standest nackt vor ihm? Na dann weißte da, wie peinlich das ist!“
 

Mein Gesicht war knallrot und ich war nicht wütend auf Yugi, eher auf die Tussi vom Empfang und auf mich selbst. Ich war selber Schuld, das ich mich auf so etwas eingelassen hatte. Wenn ich den Kontakt gleich von Anfang an gemieden hätte, wäre es nie soweit gekommen. Ich hätte ihm nie diese Nachhilfestunden anbieten dürfen. Warum musste ich auch guter Lehrer spielen. Ich wurde dafür nicht einmal bezahlt, die Überstunden nicht aufgeschrieben und Gott weiß, wie viel Stress und wie wenig Zeit ich eigentlich habe.

Das sollte ein erholsamer Urlaub werden und kein Ausflug in die Hölle!
 

„Bist du sauer?“
 

Er fragte das eher vorsichtig, als wollte er mich nicht weiter verärgern, doch es erreichte nur das Gegenteil. Mir schien in den Moment nicht gerade die Sonne aus dem Allerwertesten. Die ganze Situation war grotesk und für mich unangenehm.

Zügig ging ich an ihn vorbei, doch ich hatte nicht damit gerechnet, dass er mich aufhalten wollte.
 

„Hey, warte doch mal.“
 

Er griff nach meiner Hand, bekam aber nur das Handtuch zu fassen. Da ich aber bei seinem Ruf nicht angehalten hatte, zog man mir innerhalb von 2 Minuten erneut das Stück Stoff aus.
 

Das war doch echt unfassbar. Wie konnte ein einzelner Mann nur soviel Pech haben. Lastet ein Fluch auf mir oder was!

Ohne mich umzudrehen streckte ich die Hand nach hinten aus. Ich wollte ihn den Anblick nicht noch einmal aufdrängen. Das hier reichte schon.
 

„Mein Handtuch bitte.“
 

Mir war das alles mehr als peinlich. Ich wollte auch nicht darüber nachdenken, was Yugi nach dieser Sache für eine Meinung von mir hatte. Wahrscheinlich wird er nach diesen Ferien keinerlei Respekt mehr vor mir haben. Mich nicht als Autoritätsperson ansehen und wenn ich in ein weiteres Fettnäpfchen trete, würde er es ausplaudern. Absichtlich oder aus versehen spielte da keine Rolle. Dann kann ich meine Zukunft aufgeben und mich im Nagelstudio bewerben. Da kommt man gar nicht erst in Versuchung nett zu sein.
 

Wortlos reichte er es mir und als ich es zwischen meinen Fingern spürte, griff ich einfach zu und ging in das Bad.

Ich ließ mir beim anziehen Zeit, nahm sie mir einfach, da ich es gerade benötigte. Wenn ich ehrlich sein soll, traute ich mich nicht einmal wieder raus zu gehen. Am liebsten würde ich mich einfach in die Dusche setzten und mich bis morgen früh da drin verkriechen. Wo sollte ich auch sonst hin? Das Bett würde ich natürlich Yugi überlassen. Ein Sofa gab es nicht, nur ein kleiner billiger Esstisch und zwei Stühle die nicht gerade bequem aussahen. Aber wenn ich zwischen Stuhl und Dusche tendieren müsste, würde ich sogar den Stuhl bevorzugen. Einfach Kopf auf den Tisch und es würde schon gehen. Wenn ich die Arbeiten der Schüler korrigierte, hatte mein Körper auch nichts gegen diese Position.
 

Als ich die Tür wieder öffnete, dachte ich mich trifft der Schlag. Yugi hatte in der einen Hand die Salbe und mit der anderen versuchte er umständlich sich selbst den Rücken einzucremen.
 

„Was machst du da?“
 

Yugi schreckte auf und sah mich mit einem Blick an, als wollte er fragen, sieht man das nicht?
 

„Ich versuche mir selbst Linderung zu verschaffen, aber es sieht bei den Zirkusleuten einfacher aus, wenn sie sich verrenken.“
 

Dann konnte ich mir doch ein Lachen nicht mehr verkneifen.
 

„Warum hast du nicht einfach auf mich gewartet?“
 

Grinsend riss ich etwas Klopapier von der Halterung, setzte mich zu ihm aufs Bett und reichte es ihm.
 

„Wusste ja nicht, wie lange du noch im Bad bleiben wolltest.“

Er nahm es dankbar an und säuberte damit seine Hände, während ich mir die Salbe auf die Handfläche drückte, sie kurz in beiden Händen verrieb und sie langsam und vorsichtig auf seinen Rücken verteilte.
 

„Ich wollte eigentlich da drin so lange im Selbstmitleid baden, bis der nächste Tag angebrochen ist und wir endlich zum Lager können.“
 

Yugi seufzte leise auf, als ich seine Haut berührte und schien es zu genießen.

„Es tut mir Leid, dich enttäuschen zu müssen, aber du bist zu früh … Gott, tut das gut!“
 

Ich versuchte wirklich so vorsichtig wie möglich zu sein. Die Flecke sind durch die Kühlung etwas blasser geworden und durch diese kleine Massage scheint das Jucken angenehmer zu sein.

Leider erinnerte mich das auch an Echidna und das ihre Behauptung zu stimmen schien.

Wenn das einer entzündeten Haut helfen kann, würde es einer Gesunden nicht schaden.

Also wurde ich mit dem verteilen großzügiger, bearbeitete auch die Partien, die normal waren, strich mit beiden Händen den Schulterblätter rauf und runter, wanderte zur Seite, über die Hüften und begann von seinem Steißbein aus das gleiche Spiel, nur das dieses Mal der Nacken mit ran kam.
 

Nach einiger Zeit hatte ich das Gefühl verloren, wie lange ich es schon tat, nur abstreiten konnte ich nicht, das selbst mir es nicht kalt ließ. Aus einem mir nicht bekannten Grund gefiel es mir die Wärme von Yugi an meinen Finger zu spüren. Sie war zart und weich, wenn man über diese Allergie-Pusteln hinweg sieht.

Ich lugte um seine Schultern in sein Gesicht. Während der Massage hatte er sich auf seinen Bauch gelegt und wenn ich es mir recht überlege, klang das letzte Seufzen ziemlich schläfrig. Seine geschlossenen Augen und ruhiger Atem bewiesen mir, das er wirklich ins Land der Träume abgedriftet war.
 

Den Rest des Abends dachte ich wirklich darüber nach, was genau werden sollte. Ich wusste nicht, ob die Angst unbegründet war, doch ich hatte die Befürchtung, das ich wieder einmal eine Schuleinrichtung verlassen muss, weil ich die Grenze mit einem riesigen Sprung bewusst überschritten hatte.

Vielleicht war auch der ganze Beruf nichts für mich. Vielleicht machte ich mir nur etwas vor, um nicht an meinen Lebensstil zweifeln zu müssen. Vielleicht hätte ich mich auch einfach von den Jungen fern halten sollen.
 

Ich stand vor dem Bett und starrte auf sein regungsloses Gesicht. Er machte einen fast schon friedlichen Eindruck. Die Hände, die ich tief in meine Hosentasche geschoben hatte, waren zu Fäuste geballt. Ich wollte Yugi nicht wecken, daher habe ich das Licht ausgelassen. Nur schemenhaft konnte ich die Umrisse erkennen, doch die reichten um mir die Gewissheit zu geben, das er wirklich schlief.
 

Scheinbar war ich einfach nicht dazu in der Lage, eine sachliche Distanz zwischen Schüler und Lehrer zu halten, wenn der Junge meinen Schema entsprach.

Liebend gern würde ich es noch weiter verdrängen, doch es ging nicht mehr. Die letzten Stunden haben mir gezeigt, das Yugi mich nicht so kalt lässt, wie ich mir einredete. Es war keine Liebe. Und auch noch lange keine Verliebtheit. Es war eine Art mögen, das schon gefährlich nahe an der Grenze zwischen den beiden Dingen schabte.

Aber wie sollte ich mich verhalten? In all den Büchern die ich meinen Schülern jeden Tag zum lesen gab, standen so viele Antworten, aber nie eine Antwort auf eine Frage, was jemand anderes als ein Lehrer stellte. Sie konnten mich nicht lehren. Sinnlos.
 

Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, als es an der Tür klingelte. Verwundert blickte ich auf meine Armbanduhr und sah, das es kurz vor Mitternacht war. Wer will denn um diese Uhrzeit noch was von uns? Leise aber schnell, damit derjenige nicht auf die Idee kam noch einmal zu läuten schritt ich zur Tür und öffnete sie einen Spalt und blickte direkt in die schwarzen Abgründe eines sehr tiefen Ausschnittes. Echidna beugte sich noch ein Tick weiter vor und wickelte eine blonde gelockte Strähne um ihre Zeigefinger.
 

#“Guten Abend, Herr Athem.“#
 

#“Was wollen Sie denn schon wieder!“#
 

Ohne wirklich zu überlegen, war das mir raus gerutscht, aber ich schaute auch nicht gerade freundlich.
 

„Haben Sie schon einmal auf die Uhr gesehen? Ich finde es eine Frechheit selbst jetzt noch von Ihnen belästigt zu werden!“
 

Ich wechselte bewusst in Englisch um, damit es auch die Bediensteten Verstanden, die gerade mit dreckiger Wäsche an uns vorbei liefen.
 

„Ich hätte gern meine Ruhe.“
 

„Oh, hat denn die Salbe die ich Ihnen gebracht habe, nicht gewirkt oder warum sind Sie so schlecht gelaunt?“
 

„Die Salbe war nicht für mich, sondern für meinen Begleiter und selbst der Kellner hätte Sie mir bringen können. Am besten tun sie auch nur das, wofür sie bezahlt werden und stalken nicht Gäste hinterher, nur weil Sie scheinbar notgeil sind!“
 

Mit einer Handbewegung zeigte ich auf ihre ganzen Klamotten, die sie anhatte. Von den Highheels, zum Minirock der so klein war, das er schon fast als Gürtel durchging und ein Top, das mehr zeigte als verdeckte. Anschließend nickte ich auf die Weinflasche in ihrer Hand und die zwei Weingläser.
 

„Und trinken während der Arbeitszeit ist verboten.“
 

Damit knallte ich die Tür zu und zuckte zusammen. Mist, ich wollte doch leise sein, um Yugi nicht zu wecken. Doch selbst im Gespräch bin ich unbewusst lauter geworden. Vorsichtig drehte ich mich um, konnte durch die Dunkelheit nichts erkennen. Da sein Atem aber weiterhin gleichmäßig und ruhig war, seufzte ich erleichtert auf und begann mich auszuziehen.
 

Ich hatte weder die Dusche genommen noch der Stuhl. Stattdessen lag ich im weichen Bett, direkt rechts neben Yugi. Obwohl es eine ganz andere Welt als das Feldbett war, konnte ich nicht einschlafen. Diese Weichheit war plötzlich so ungewohnt und fast schon zu weich. Ich hatte mich schon an dem geflochtenen Stroh und Plastik gewöhnt. Aber wie war das? Menschen wollen immer das, was sie nicht haben.

Schon seit Stunden lag ich regungslos da, hatte die Augen geschlossen und hoffte auf die willkommene Traumwelt, jedoch schien mir die verwehrt zu bleiben. Die ganzen Ereignisse der letzten Tage schwirrten mir durch den Kopf und mir dämmerte, das mein Verhältnis ein Ausmaß angenommen hatte, das für ein Lehrer Schüler nicht mehr normal war. Meine Träume waren nicht normal, mein Verhalten ihn gegenüber. Er bedeutet mir einfach schon zu viel und ich wusste nicht mehr was ich machen sollte.

Plötzlich regte sich Yugi neben mir, seufzte auf und legte sich auf den Rücken. Dann war wieder Stille. Als ich das Rascheln der Bettdecke hörte und sie automatisch von meinem Oberkörper weg rutschte, wurde mir klar, das er wach geworden war. Aus dem Seufzen wurde ein tiefes Stöhnen.
 

Das war der Moment wo ich mich nicht mehr traute, mich auch nur einen Millimeter zu rühren. Erst dachte ich, ich habe mich verhört, nein ich muss mich verhört haben, aber das Stöhnen drang erneut in mein Ohr. Verdammt, er lag jetzt direkt neben mir. Und wenn er das tat, was ich dachte...
 

Wieder ein rascheln. Das darauf folgende Geräusch konnte nicht beschrieben werden. Es klang so, als würde Haut auf Haut schnell gerieben werden, seine Atmung wurde tiefer, schneller.

Dieses Mal war das Stöhnen lauter, wurde aber im letzten Ton erstickt, als würde er den Mund zusammen pressen, aber die Laute kamen noch aus seiner Kehle, schien es nicht mehr aufhalten zu können. Durch die Bewegung der Matratze fühlte ich, wie der den Kopf und Hüfte ins Bett drückte.
 

Das Verlangen hinzusehen war so groß, das ich gegen diesen Drang ankämpfen musste und ich war kurz davor zu verlieren, stattdessen versuchte ich mich nicht zu rühren, mich schlafend zu stellen. Wenn er mitbekam, das ich noch wach war, würde ich wahrscheinlich die Nacht nicht mehr überleben. Oder er, je nachdem ob es das war, wonach es sich anhörte.

Sicher, er war in der Pupertät, ich wusste das die Hormone schnell durcheinander gerieten und die Lust aufkam, wo man sie am wenigsten gebrauchen könnte, aber meine Güte, warum ist er dazu nicht ins Bad gegangen? Warum hier bei mir? Im Bett?!

Der Junge machte mich echt fertig.

Doch das schlimmste war nicht die Vorstellung was er tat, sondern die Geräusche dazu, das Reiben der Haut und ich hatte es oft genug selbst getan um zu wissen, wie er es tat.
 

Um ehrlich zu sein, ich war kurz vor dem durchdrehen. Yugi machte mich fertig und als ein erneuter tiefer Seufzer kam, das so verdammt erotisch klang, bemerkte ich, wie mir selbst das Blut in Wallung geriet und dahin floss, wo ich es nicht gebrauchen konnte. Es sollte im Kopf bleiben, damit ich denken konnte... nein da auch nicht, ich dachte gerade zu viel.
 

Mmmmh
 

In den Füßen wäre gut, die wurden gerade eiskalt.
 

Hnngh!!
 

Oder noch besser die Hände, sie wurden taub und kribbelten.

Doch als mir noch schwummrig wurde, bemerkte ich, das ich vergessen hatte zu Atem. Aber ich konnte nicht einfach tief Luft holen, das würde er bemerken, also öffnete ich meine Lippen einen Spalt und zog langsam bedacht den Sauerstoff in meine Lungen.
 

„Oh mein Gott!!“
 

Diese Worte waren nur ein flüstern, aber dadurch das er immer noch direkt neben mir lag und sich scheinbar mit dem Kopf zu mir gedreht hatte, hauchte er es mir direkt ins Ohr. Seine Tonlage war in diesen Moment so tief und ich konnte es ihm deutlich anhören, wie erregt Yugi war.
 

Zum Teufel, er sollte damit aufhören. Das war wie eine Strafe! Einfach nur still dazu liegen und ich musste mir eingestehen, das es mich selbst antörnte, ihn dabei zu zuhören. Sein Atem strich erneut über mein Ohr, als er tief ausatmete, ein Brummen ertönte.
 

Die Bewegungen wurden hektischer und mit einem Mal verkrampfte er sich völlig, warf den Kopf in den Nacken, drückte ihn tief ins Kissen und ich musste die Zähne zusammen beißen.
 

Widersteh den Drang Yami, sieh nicht hin. Da gibt es nichts, das du nicht weißt!
 

Yugi wusste scheinbar nicht, ob er beim Stöhnen ein-, oder ausatmen sollte, denn es klang erstickt, als freute er sich auf die Befreiung,

„oh ja..“
 

Oh nein, gar nicht gut! Nicht hinsehen!
 

Seine leisen Geräusche erfüllten den Raum und mir wurde unglaublich heiß. Selbst die dünne Bettdecke war mir schon zu viel und am liebsten würde ich sie mir einfach vom Leib strampeln.

Plötzlich schrie er auf und eine Hand landete neben meiner. Ich wusste es, weil sein kleiner Zeigefinger direkt über meinen lag.
 

Beherrsch dich, zum Teufel!
 

Mit einem Mal verkrampfte er sich völlig, die Hand wollte scheinbar sich im Laken fest krallen, aber damit zog er auch meinen Finger mit in der Umklammerung und ich riss erschrocken die Augen auf und zuckte zusammen. Ich hatte den inneren Kampf verloren und konnte der Versuchung nicht mehr widerstehen, sah direkt in Yugis verschwitztes Gesicht. Doch er hatte zum Glück die Augen zu, die Lippen lagen fest aufeinander, als wollte er etwas hinaus schreien aber zwang sich ruhig zu sein und hatte meine ruckartige Bewegung nicht mitbekommen.
 

Am liebsten hätte ich meine freie Hand an seine Wange gelegt, damit er die Augen öffnete und ich sein Blick sehen konnte, wenn er zum Höhepunkt kam. Aber auch so war es die reinste Folter zu sehen, wie er ein letztes Mal tief einatmete, danach die Luft anhielt, die Augen weiter zusammen presste und sein Mund sich ein Spalt öffnete... und etwas auf meiner Brust landete.
 

Dann war alles Still, es dauerte Minuten bis er sich entspannte und ich wartete. Wartete einfach darauf, das irgendwas geschah. Er aufstehen würde, oder seine Hand von meiner löste, die er immer noch fest umklammerte. Doch er rührte sich nicht mehr.
 

Ich wusste nicht mehr, wie lange ich da lag und an nichts dachte. Mein Kopf war wie leer gefegt und konnte das Geschehene nur langsam verarbeiten. Doch das Schockierendste war nicht die Tatsache, das sich ein Schüler in meiner Gegenwart masturbiert hatte, auch nicht das er beim Höhepunkt Körperkontakt mit mir hatte, sondern eher, das es mich selbst erregte. Ich konnte es nicht abstreiten und wenn ich es doch tun würde, würde mich mein kleines Problem in meiner Leistengegend Lügen strafen.
 

Es verging wahrscheinlich mehr als eine Stunde, ehe ich mich doch endlich traute die Augen wieder zu öffnen und ich sah direkt in Yugis schlafendes Gesicht. Die Decke war bis knapp über den Hüften hochgezogen und ich musste mich dazu zwingen, nicht daran zu denken, das er darunter nackt war.

Vorsichtig richtete ich mich auf, darauf bedacht ihn nicht zu wecken und behielt die ganze Zeit ihm im Auge und bei der kleinsten Bewegung hielt ich sofort inne und wartete einige Minuten um mir sicher zu sein, das er wirklich noch schlief.

Als ich aufstehen wollte, meine Füße waren schon über den Rand des Bettes geschwungen, bemerkte ich, das mein Finger noch immer in seiner entspannten Hand lag.

Unbewusst und ohne darüber nach zu denken, strich ich mit meinen Daumen über seinen Zeigefinger, ehe ich mich von ihm löste und ins Bad marschierte.
 

Einige Tage später saß ich im Flieger, tief im Sitz verkrochen und wusste nicht so recht mit mir anzufangen. Dadurch das ich meinen Rückflug so spät gebucht hatte, war die 2. Klasse überfüllt und durch ein Buchungsfehler einige Passagiere zu viel. Also wurde ich in der Buissinessclass verfrachtet. Theoretisch ganz gut, denn ich hatte noch die diesen Luxus gehabt aber praktisch ganz schlecht, weil ich genau neben der Person saß, neben der ich im Bett lag, einer seiner intimsten Momente miterlebt hatte und meine Ferien verbrachte.

Als ich ins Bad gegangen bin, wollte ich doch tatsächlich etwas tun, wovon ich mich unter der Dusche mit kaltem Wasser abhalten konnte. Aber ich tat etwas, was mir einen hochroten Kopf bescherte, wenn ich auch nur dran dachte.

In der Situation hatte ich bemerkt, das was auf der Brust war, aber innerhalb weniger Sekunden war der Gedanke wieder weg gewesen. Doch als ich vor dem Spiegel stand, fühlte ich, wie etwas von meiner Brust langsam Richtung Bauchnabel lief.

Ich blickte an mir hinunter und sah eine fast durchsichtige Flüssigkeit, die sich an meiner Körperform hinab schlängelte.

Und wieder einmal setzte mein verstand völlig aus. Ich wusste noch, das ich mich fragte, ob er genauso schmeckte wie er roch, nach Himbeere.

Diese ganze Situation war ja schon abstrakt genug und völlig verrückt, aber als ich noch mit meinem Zeigefinger ein teil aufnahm und mir in den Mund steckte, hätte man mich in die Klappsmühle stecken können. Es schmeckte natürlich nicht nach Himbeere.
 

Yugi saß direkt am Fenster, ich am Gang und hatte Mühe meine Augen offen zu halten. Selbst nachdem ich geduscht hatte und wieder im Bett lag, konnte ich einfach nicht schlafen. Ich war einfach zu aufgewühlt und jetzt zu erschöpft um auch nur einen klaren Gedanken zu fassen.

Im Blickwinkel sah ich, wie Yugi aus dem Fenster schaute. Wie würde er reagieren, wenn er wüsste, das ich wach war?

Und ich fragte mich auch, was wäre passiert, wenn ich ein Mädchen in seinem Alter gewesen wäre? Hätte er Annäherungsversuche gestartet? Wäre er mir näher gekommen? Egal wie schüchtern ein Mensch sein mag, wenn er in völliger Ekstase verfiel, warf er alle Bedenken über Bord.
 

Meine Gedanken fingen an, in meinem Kopf zu schwirren. Total unsortiert. Mir wurde klar, das er noch sein ganzes Leben vor sich hatte. Vielleicht Kinder haben will.
 

„Was hast du nach deinem Abschluss vor?“
 

Und schon war mir die Frage raus gerutscht. Aber ich war einfach zu müde, um mich für diese dreiste Frage innerlich zu schalten.
 

„Ich habe vor, danach auf die Uni zu gehen, um Geschichte und Symbolik zu studieren. Welches Zeitraffer weiß ich noch nicht, denn obwohl mir die ägyptische...:“
 

Mehr bekam ich nicht mehr mit. Seine Wörter gingen rechts rein und links wieder raus. Es lag nicht daran, das es mich nicht interessierte, ganz im Gegenteil, sondern eher das ich die Fähigkeit mich zu konzentrieren scheinbar im Lager vergessen hatte.
 

„Deine Ziele sind lobenswert, aber auch hoch angesetzt. Wenn du das wirklich tun willst, solltest du aufhören andere Leute imponieren zu wollen und die zukünftigen Tests so lösen, wie du es kannst.“
 

Meine Antwort war mehr genuschelt, das wusste ich. Denn ich lag inzwischen fast auf dem Sitz. Nur noch die Anschnallgurte hielten mich einiger Maßen aufrecht, da der Flieger gerade erst gestartet war.
 

„Hast du was in dem Land gelernt?“
 

„Und wie! Es ist für mich immer wieder ein Erlebnis und lerne bei jedem Besuch etwas Neues. Aber vor allem das noch viele Geheimnisse unter dem endlosen Wüstensand verborgen liegen.“
 

Ja, wie zum Beispiel mein Notizbuch, das ich scheinbar schon wieder irgendwo verloren habe. Entweder hält man es in einigem Jahren für ein Fund der alten Zeit, weil ich teilweise die ägyptische Sprache genutzt hatte, oder es liegt zwischen meinen dreckigen Socken oder verstaubten Fön, den ich mitgenommen hatte, ohne daran zu denken, das es da ja nur Strom für die Geräte der Ausgrabung gab.
 

Mein Körper rutschte immer mehr nach links, aber ich hatte kaum Kraft, ihn daran zu hindern.
 

„Aber am meisten haben ich gelernt, das viele Ereignisse aus der Vergangenheit eine größere Tragweite haben, als man sich vorstellen kann. Ägypten ist heiß und dieses Mal war es sogar noch schlimmer, als ich es in Erinnerung hatte.“
 

Hm ja, klang einleuchtend... wenn man die Worte dahinter verstand.

Noch ehe mir die Augen zu fielen, hörte ich wie im weit entfernten Hintergrund etwas von Yugi murmeln, wo ich später nicht wusste, ob ich es mir durch die letzten Geschehnisse eingebildet hatte, oder er es wirklich sagte.
 

„Besonders wenn ein bestimmter Jemand ständig ohne Shirt rumläuft und mit seinem Sixpack protzt.“
 


 

tbc
 


 


 

Tadaaaaa :D und ja, es war kein Lemon, denn die Anfrage galt nicht für mich, sondern für -Run- daher freut euch auf ihren Beitrag ^^

Rückblick 5 – Nicht mehr allein

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Die Mutter der Monster und Erinnerungen in der Bussiness Class

Hier ist es, das neue Kapitel. Ich hoffe es gefällt euch. Hat etwas länger gedauert als geplant. Hoffe echt, das Warten hat sich gelohnt.
 

@Shanti: Zu deiner Frage. Wir haben eine Rolle für Seth in der Zukunft geplant, aber wann, wo und wie genau bleibt erstmal ein Geheimnis.
 


 


 

Kapitel 16: Die Mutter der Monster und Erinnerungen in der Bussiness Class
 

Ich machte es mir in einem breiten Flugzeugsitze, der Bussiness Class bequem. Mein Großvater und ich waren sehr früh beim Boarding und saßen deswegen auch zuerst im Flugzeug. Ich bin richtig froh, so einen angenehmen Sitzplatz zu haben. Hier im Flugzeug kann ich vielleicht den Schlaf nachholen, der mir die letzte Zeit gefehlt hatte.
 

Es ist wirklich unpraktisch gerade im Urlaub festzustellen, dass man mehr Allergien hat, als man eigentlich gedacht hatte. Ich hatte wahrscheinlich noch Glück, dass es nicht direkt in der Wüste passiert war. Unser Medizinzelt ist zwar mit vielen Dingen ausgestattet, aber die sind eher für die Erstversorgung und Notfälle. Nicht gegen eine allergische Hautreizung und einen mittelstarken anaphylaktischen Schock.
 

So gesehen war es gut, dass Yami bei mir war, auch wenn ich auf die Peinlichkeiten hätte verzichten können. Er war derjenige, der sich gut um mich gekümmert hatte und einen schlimmeren Effekt der Allergie verhindert hatte. Er war es auch, der Odion dazu gedrängt hatte mit mir einen Arzt aufzusuchen, bevor wir zum Camp zurückkehrten. Ich habe es wohl ihm zu verdanken, dass ich jetzt ohne Probleme sitzen kann, essen kann und überhaupt noch lebe…auch wenn ich mir sicher bin, dass er sich nach dem Arztbesuch wahrscheinlich schreckliche Selbstvorwürfe gemacht hat, so wie ich ihn kenne. Wahrscheinlich gibt er sich immer noch die Schuld dafür, was passiert ist, obwohl es wohl niemand hätte ahnen können.
 

Es war ein wirklich turbulenter Urlaub muss ich sagen. In meinem ganzen Leben war ich noch nie so froh darüber, dass die Ferienzeit vorbei war und es endlich zurück nach Japan ging. Das war wohl mein aufregendster Aufenthalt hier in Ägypten…und ich würde wirklich zu gerne sagen, dass das alles Yamis Schuld war, doch dann würde ich mich selbst belügen. Egal wie chaotisch alles war, egal wie sehr ich in den letzten Tagen vom Pech verfolgt wurde und egal wie peinlich diese letzte Woche hier in Ägypten für mich war, so war es doch der tollste Urlaub in diesem Land, den ich jemals hatte und der Grund dafür ist nun einmal Yami.
 

Ich weiß, dass ich so denke, weil ich mir gerne einbilden würde, dass ich bei meinen Versuchen Yami näher zu kommen, etwas weiter gekommen bin. Diese Illusion habe ich immer noch, obwohl ich befürchte, dass er mich bei etwas sehr Schlimmeren – Persönlicherem – erwischt hat, als nur dabei in seinem Notizbuch gelesen zu haben. Sicher bin ich mir da jedoch nicht.
 

Ich habe einen bitteren Geschmack im Mund und bekomme eine Gänsehaut, wenn ich nur daran denke wie alles begann.

“Es tut mir Leid meine Herren, aber derzeit ist in unserem Hotel nur noch ein Doppelzimmer für insgesamt 437 Ägyptische Pfund frei. Es ist wirklich das einzige freie Zimmer. Soll ich es für sie einbuchen?“

Mit diesen eher unbedeutenden Sätzen begann mein Unglück.
 

Ich muss ehrlich gestehen, auch wenn ich selbst geschockt darüber war, mir mit Yami ein Zimmer teilen zu müssen, so verletzte mich seine Reaktion doch irgendwie.

“Gute Frau. Ich bin mir sicher, da ist noch etwas frei. Tun Sie mir den Gefallen und prüfen das erneut.“
 

Es war nicht das was er sagte, sondern wie er es sagte. So als wäre es das Schrecklichste auf der Welt eine Nacht mit mir in einem Zimmer zu verbringen. Ich weiß ja, ich habe es nicht anders verdient, weil ich sein Vertrauen in mich enttäuscht hatte, als ich in seinem Notizbuch gelesen habe, doch trotzdem tat diese offensichtliche Ablehnung weh. Ich hörte wie die Rezeptionistin ihm antwortete und dann etwas in ihren Computer eintippte. Das Ergebnis davon schien Yami nicht zu gefallen, so wie er das Gesicht verzog.
 

“Ich würde Ihnen ja gerne mein Zimmer anbieten, aber…“, hörte ich diese aufdringliche Schnepfe sagen, doch noch bevor sie zu Ende sprechen konnte, schnappte sich Yami den Zimmerschlüssel vom Tresen, packte mich am Arm und zog mich hinter sich her.
 

Den ganzen Weg hoch ins Zimmer brodelte es in mir. Wie konnte dieses Miststück es wagen, Yami einfach so anzuflirten? Verstieß das nicht irgendwie gegen die Hausordnung oder ihre Dienstvorschriften? Durften Hotelmitarbeiter überhaupt was mit Gästen anfangen? Gab es da nicht etwas in der Art, wie einen Interessenkonflikt oder so was? Wütend biss ich mir auf die Unterlippe. So viel Unverfrorenheit kannte ich nicht. Die hatte sich ihm vor den Augen eines Minderjährigen praktisch angeboten wie eine billige Nutte. Ich war in diesem Moment so sauer auf diese Frau…dabei hatte ich da noch nicht einmal den leisesten Funken einer Ahnung, wie sehr ich sie noch zu hassen lernen würde.
 

Wieder läuft mir ein Schauer über den Rücken. Am liebsten würde ich gar nicht mehr daran zurückdenken, was an dem Tag noch alles passiert war, doch irgendwie kann ich nicht aufhören. Es sind keine schönen Erinnerungen, die mich verfolgen…bis vielleicht auf zwei oder drei wirklich interessanter Momente.
 

Schon als wir das Zimmer betraten juckte mir der Rücken. Es fühlte sich irgendwie seltsam an. Ich schob es auf das Shirt, das schweißdurchnässt an meiner Haut klebte. Es war mir in dem Moment auch egal, denn alles was ich wahrnahm, war das Doppelbett, das den Großteil des Zimmers einnahm und eine viel zu kleine Couch auf der anderen Seite des Raums. Es schien unvermeidbar. Yami und ich würden uns wohl oder übel ein Bett teilen müssen.
 

Mein Kopf war plötzlich wie leergefegt und mein Mund so trocken wie die Wüste selbst. Mein Blick fiel auf Yami und ich starrte ihn nur an. Mit ihm würde ich mir heute Nacht das Bett teilen.
 

Meine Haut begann zu prickeln. Am Rücken fühlte es sich an, als würden Ameisen darüber laufen. Mir wurde auch ganz schrecklich heiß. Ich schwitzte zwar nicht, fühlte mich aber, als würde ich von innen nach außen glühen. All die Dinge, die er in seinem Notizbuch beschrieben hatte, gingen mir durch den Kopf und ich fragte mich, ob Yami weitere dieser Träume von mir gehabt hatte? Ob das Notizbuch um einige Einträge reicher geworden war? Seltsam…es machte mich wirklich neugierig.
 

“…etwas nicht?“, drang Yamis Stimme an mein Ohr. Sie hörte sich so eigenartig an. Als würde ich ihn nur durch Watte hindurch hören. Seine Schritte, als er auf mich zukam, hallten hingegen ganz laut wieder. Er war auf mich zu getreten. Obwohl ich Yami die ganze Zeit angesehen hatte und auch seine Schritte gehört hatte, überraschte es mich, dass er vor mir stand. Ich schaffte es nicht, die Informationen so zu verarbeiten und zusammenzusetzen, um zu begreifen, dass Yami sich bewegt hatte. Eigentlich hätte mir spätestens da auffallen müssen, dass etwas mit mir nicht stimmte, aber ich Idiot schob es auf die Aufregung und auf die lange Fahrt in einem nicht klimatisierten Mietwagen, in der prasselnden Wüstensonne.
 

“Was hast du?“, fragte Yami. Es hörte sich so dumpf an, wenn er sprach. Mühevoll schaffte ich es meinen Blick zu heben und ihm in die Augen zu schauen. Vorher hatte ich wie hypnotisiert auf seine Brust gestarrt. Peinlich berührt davon, schwieg ich. Er zog so unglaublich süß verwirrt eine Augenbraue hoch und ich hatte das starke Verlangen zu kichern.
 

“Wenn du nicht mit mir reden willst“, schnappte er leicht beleidigt. Yami wandte sich ab und öffnete ein Fenster. Ich schaute wieder zum Bett. "Mann oh Mann", dachte ich mir, "das wird eine interessante Nacht werden.“
 

Auch wenn Yami vielleicht darüber nachdachte mich auf den kleinen Stuhl zu verbannen oder selber darauf zu schlafen, wusste ich, dass es nicht klappen würde. Notfalls würde er sogar in Erwägung ziehen, sich in der Dusche bequem zu machen. Ich warf meine Jacke auf das Bett und machte ein paar Schritte. Ich musste Yami noch wegen Odion Bescheid sagen. Er hatte mir am Telefon ja gesagt, wann er uns abholen würde.

„Morgen früh um 8 Uhr sollen wir am Wagen sein. Odin wird uns dort abholen und sich auch um die Mietwagenfirma kümmern.“, teilte ich ihm mit. Meine Stimme hörte sich nicht wie meine eigene an. Als wäre ich ein Roboter, doch ich war müde und mein Kopf dröhnte so eigenartig, also schob ich es darauf.
 

„Lass uns erst runter ins Restaurant gehen. Ich habe Hunger.“

Yamis Stimme erschreckte mich etwas, auch wenn ich nicht zusammenzuckte. Mein Rücken meldete sich wieder. Dieses Mal war der Juckreiz viel stärker. Er war jetzt nicht nur unter der Haut zu spüren, sondern auch darauf. Ich wollte mich unbedingt kratzen, wollte es aber nicht unbedingt vor meinem Lehrer machen. Am Ende könnte Yami ja noch denken ich hätte gar keine Manieren. Also ignorierte ich es und nickte nur schnell.
 

Die Fahrstuhlfahrt nach unten ins Restaurant war wie eine Erlösung. Ich lehnte mich an das kühle, polierte Holz der Kabine und verschaffte mir so etwas Milderung des Juckreizes. Das Restaurant und der Rest des Hotels waren, im Vergleich zu unserem Zimmer, schon fast nobel, doch es interessierte mich nicht. Mich regte schon wieder diese Rezeptionistin auf. Yami bemerkte sie nicht. Natürlich nicht, er war wohl immer noch sauer auf mich, so dass er mich und auch die Umgebung um ihn herum ignorierte.
 

“Dieser eine Gast mit der ungewöhnlichen Frisur ist so heiß“, quietschte diese Frau einer ihrer Kolleginnen entgegen. Die andere schien sich nicht wirklich dafür zu interessieren, denn ich konnte genau sehen, wie sie die Augen verdrehte. Meiner Meinung nach waren Yami und ich die einzigen beiden Gäste, mit ungewöhnlichen Frisuren und aus irgendeinem Grund war ich mir ziemlich sicher, dass sie den Herren Referendar meinte. Es störte mich irgendwie, dass sie ihn attraktiv fand. Yami sah halt gut aus und Mädchen und Frauen sprangen auch auf ihn an. Tea war ja Zuhause der beste Beweis dafür. Trotzdem störte es mich und machte mich wütend. Es dämmerte mir allerdings erst am nächsten Tag, dass ich eifersüchtig war.
 

“Ehrlich, der Typ hat so einen heißen Knackarsch, da möchte man am liebsten zupacken“, schwärmte sie mit einem dümmlichen Grinsen auf dem Gesicht. Ich konnte sehen, wie ihre Hände diese Grabsch – Bewegung nachahmten. “Ich hätte den sofort angesprungen, wäre da nicht sein kleiner Bruder dabei gewesen…aber aufgeschoben ist ja noch lange nicht aufgehoben.“, meinte sie kichernd. Da sie von einem kleinen Bruder sprach war ich mir plötzlich nicht mehr sicher, ob sie Yami meinte, doch dann meinte diese aufdringliche Person: “Ich habe ja die Zimmernummer. Doppelzimmer Nummer 1318. Den besuche ich heute Abend noch mal und dann fahre ich alle Geschütze auf.“
 

Das war die Nummer von unserem Zimmer. Wütend ballte ich die Hände zusammen. Sie wollte sich an ihn ranmachen? An meinen Yami? Ich war kurz davor rüber zu gehen und ihr meine Meinung zu sagen. Vergessen war mein juckender und mittlerweile brennender Rücken. Nur noch die Wut herrschte in mir. Wo war denn da bitte ihre Professionalität? Oder verwechselte sie vielleicht das Wort ‚Professionalität’ mit ’Professionelle’? Gerade wollte ich den ersten Schritt machen, als ich hörte, wie ihre Kollegin gelangweilt und genervt einwandte: “Wer sagt dir das es sein Bruder war? Es gibt viele Pärchen die ihre Zusammengehörigkeit durch gleiche Outfits und ähnliche Looks ausdrücken.“
 

Ich wollte diese genervte Kollegin am liebsten knutschen für diesen Gedanken, doch das Fräulein Rezeptionistin schien unempfänglich für logische Argumente.

“Ach Quatsch! Der Kleine ist niemals sein Freund. Der ist so knuddelig und niedlich. Das ist ein Junge, der versucht seinem älteren, sexy Bruder nachzueifern!“, wehrte sie sich gegen den Einwand der anderen. “Währe der nur etwas größer, würde ich mein Glück wohl eher bei ihm versuchen. Der Kleinere scheint leichter zu beeinflussen zu sein und ich stelle es mir echt niedlich vor, wenn er erröten würde, wenn man – hehehe ICH – lauter unanständige Sachen mit ihm macht…“
 

Ich wurde tatsächlich rot, als ich diesen Satz hörte, aber eher im Sinne davon, dass ich rot sah! Mir wurde übel bei der Vorstellung etwas in der Art mit dieser Frau zu machen. Dieses kleine Miststück hatte Glück, dass mir gerade in diesem Moment auffiel, dass ich Yami aus dem Blickfeld verloren hatte. Ich schaute mich etwas panisch um. Der Eingang vom Restaurant befand sich direkt vor meiner Nase. Ich sah Yami etwas verloren im Eingangsbereich herumstehen. Er sah sich nervös um, als würde er nach jemanden Ausschau halten. Anscheinend war ihm endlich aufgefallen, dass ich nicht mehr hinter ihm lief. Ich verzichtete darauf der Rezeptionistin die Meinung zu geigen und lief so schnell wie möglich zu ihm. Es freute mich ein kleines bisschen, dass Yami erleichtert war mich zu sehen.
 

Als wir endlich an einem Tisch saßen, bestellte ich mir Nudeln mit Tomatensoße. Mein Leibgericht. Spaghetti Napoli waren meiner Meinung nach die leckersten. Vor allem mit viel Parmesan. Eine Weile versuchte ich nur zu essen und nicht auf meinen Rücken zu achten. Es kostete mich allerdings viel an Konzentration und Willenskraft, mich nicht mit der Gabel am Rücken zu kratzen.
 

Yami versuchte einige Male ein Gespräch anzufangen, doch ich konnte ihn kaum verstehen. Er hörte sich teilweise an, als wäre er ganz weit entfernt. Außerdem wollte ich sowieso nicht viel reden. Ich wollte nur noch weg vom Tisch und mich endlich kratzen können. Ich musste mich wirklich beherrschen und irgendwann hatte ich nur noch einen Gedanken im Kopf: Nicht kratzen, nicht kratzen, nicht kratzen!“
 

Yami hatte es zum Glück nach einigen misslungenen Versuchen aufgegeben, eine Unterhaltung mit mir zu führen und so war es nur noch der Kellner, der fortwährend nervte. Ob wir noch etwas bräuchten, ob wir vielleicht weitere Getränke haben wollten, ob uns der Service denn zusagt? Und all das fragte er etwa alle fünf Minuten. Dieser Kellner ging mir verdammt auf die Nerven, doch noch mehr brachte mich Yami aus der Fassung. Der schien fast eine Ewigkeit für seinen kleinen Salat zu brauchen. Er stocherte sogar nur lustlos im Teller herum, statt zu essen. Wieso konnten wir denn nicht einfach auf unser Zimmer gehen, wenn er keinen Hunger hatte.
 

In der Lobby gab es einen Souvenirshop. Da habe ich im Vorbeigehen auch Rückenkratzer gesehen. Vielleicht könnte ich mir ja so ein Ding zulegen. Praktisch wäre es ja.
 

Als ich es gar nicht mehr aushalten konnte, nahm ich meine Gabel. Yami achtete sowieso nicht auf mich. Erst versuchte ich mit den rechten Arm nach hinten zu kommen, um mich kratzen zu können, doch ich kam nicht an die Stelle, an der es juckte. Dann versuchte ich es kurz mit dem linken Arm, doch auch da hatte ich wenig Erfolg. Zum Schluss hob ich sie über den Kopf und versuchte wie mit einem Rückenkratzer an diese eine Stelle zu kommen. Fast hatte ich es auch geschafft. Es fehlten nur noch Millimeter…und ich kam nicht ran.
 

“Arrgh!“, keuchte ich verärgert auf, als mir klar wurde, dass ich nicht an die Stelle rankommen würde, ganz egal was ich versuchen würde. Dabei hatte ich mich schon fast wie eine Schlangenfrau aus dem Zirkus verrenkt, nur um an die juckende Stelle zu kommen. Mein linker Arm steckte mittlerweile unter meinem rechten und ich spürte die kleinen Schweißtröpfchen auf meiner Stirn, von der Anstrengung. Mein Kopf wummerte und ich hörte ein Rauschen in den Ohren. Ein sicheres Zeichen dafür, dass mein Blutdruck zu hoch war. Da dachte ich wirklich noch, dass es an der heißen Sonne liegen könnte und an der kurzen Strecke die wir ohne Klimaanlage fahren mussten. Nur wenige Minuten später wurde ich allerdings eines Besseren belehrt.
 

„Was tust du da?“, fragte Yami mich.

„Mein verdammter Rücken“

„Was ist mit dem?“

„Der juckt wie die Hölle!“

Das war eine sehr kurze, angebundene Unterhaltung, aber für mehr reichte es bei mir nicht aus. Mein letzter Satz war noch die Untertreibung des Jahrhunderts gewesen. Am liebsten hätte ich mir die Haut vom Rücken abgeschält. Alles! Hauptsache es hätte aufgehört.
 

Ich kniff die Augen zusammen. Vielleicht wenn ich mich nur noch etwas mehr anstrengen würde…

In meinem Kopf hörte ich meinen Pulsschlag, wie den stetigen Klang einer Uhr. Schwarze Punkte schwirrten vor meinen Augen herum und mir war so heiß, als säße ich in der Sauna. Mein Gehirn wirkte plötzlich wie benebelt und alles um mich herum passierte viel zu schnell, als dass ich es begreifen konnte.
 

Ich weiß noch wie Yami mir die Gabel aus der Hand genommen hat – erst da wurde mir klar, dass sich meine Finger schmerzhaft um sie gekrampft hatten – aber ich hatte keine Ahnung, wie er überhaupt zu mir gekommen war.
 

"Saß er nicht noch vor einer Sekunde vor mir?“, fragte ich mich in Gedanken. Zumindest glaube ich, dass es nur meine Gedanken waren. Genau so schnell stand er auch schon hinter mir und zog etwas an dem Kragen meines Hemdes. Plötzlich fühlte ich mich wie in einem Karussell. Ich wurde herumgewirbelt, an den Handgelenken gepackt und hochgezogen. Meinem Kreislauf tat das gar nicht gut. Ich spürte wie die Hitze in meine Wangen wanderte. Mein Körper fühlte sich verdammt leicht an. Als würde ich schweben. Mein Kopf schmerzte irgendwie unangenehm. Nicht schmerzhaft an sich…nur unangenehm. Ich merkte, wie mir das Essen hochkam, versuchte aber es zu verhindern. Zu meinem Glück – und wahrscheinlich auch dem der anderen Gäste des Restaurants – wurde ich gleich wieder umgedreht und mit dem Oberkörper auf die Tischplatte gelegt.
 

Das kühle Holz war wie ein Wunder. Es milderte die Hitze und nahm mir die Übelkeit. Ich spürte nur nebenbei, dass mein Hemd aus der Hose gezogen wurde. Es war auch egal. Ich war nur heilfroh mich nicht übergeben zu müssen. Außerdem tat der kleine Luftzug, der durch das Herausziehen des Shirts entstand der Haut auf meinem Rücken gut. Es kribbelte etwas, aber der Juckreiz war nicht mehr so aufdringlich.
 

Ganz vorsichtig fuhr etwas Warmes über meine Haut direkt beim Übergang zu meinem Steißbein. Es war ganz sanft. Eine Berührung.

„Tut es weh?“, fragte Yami. Ich hätte darauf schwören können, er sprach vom anderen Ende des Raumes zu mir, wäre da nicht sein Atem gewesen, der beim Reden mein Ohr und meine Wange gestreift hatte. Es war sehr schön. Als würde jemand mir Wind zufächern. Am liebsten hätte ich gar nicht geantwortet und mich der Müdigkeit, die mit dem Schwindelgefühl und der Übelkeit kam, ergeben.
 

Doch dann kam wieder so ein Moment an der der Juckreiz und das Brennen auf meinem Rücken zunahmen. Es war wie eine Welle, die über mir einbrach. Ich zog zischend die Luft ein bevor ich antwortete.

„Nein, brennt nur und juckt so sehr, das ich mir die Haut abziehen könnte.“

Es war ja auch nicht gelogen. Am liebsten würde ich das wirklich tun.

„Bist du gegen etwas allergisch?“, kam die nächste logische Frage. Fast gleichzeitig hörte ich überdeutlich ein leises Klirren und dann war da etwas Kaltes und Nasses, dass Yami genau auf die Stelle legte, an die ich nicht rangekommen bin. Erleichtert stöhnte ich auf. Dieses kühle Etwas tat so gut, wie es sich wohl niemand vorstellen konnte.

„Ja, Erdbeeren, aber ich habe keine gegessen“, antwortete ich. Damals wusste ich ja noch nicht wie sensibel meine Haut anscheinend war.
 

Ich verlor mich in dem wohltuendem Gefühl des kühlen Nass, das auf meinem Rücken lag. Langsam drehte ich mich um und sah Yami an. Ich wollte ihm dafür danken, dass er mir half, doch er schien meinem Blick nicht zu bemerken. Mir fehlte plötzlich die Kraft um zu sprechen. Ich brachte einfach kein Wort heraus. Alles was ich machen konnte war nervös auf meiner Unterlippe rumzukauen.
 

Ein leises Räuspern ertönte hinter uns. Amüsiert horte ich, wie der Kellner, der mir vorhin so auf die Nerven gegangen war, fragte: „Meine Herren, wollen Sie auf ihr Zimmer? Die Rechnung können sie auch gern morgen beim Auschecken begleichen.“

Ich hatte eine vage mentale Vorstellung davon, wie Yami und ich in der Position, in der wir uns befanden, für einen Außenstehenden aussahen. Ich muss sagen, ich hatte in diesem Augenblick ziemlich viel Respekt vor diesem Kellner. Dafür, dass wir wahrscheinlich gerade so aussahen, als währen wir kurz davor in der Öffentlichkeit Sex zu haben, blieb der Typ verdammt gelassen. Aus seiner Stimme war keine einzige Emotion herauszuhören.
 

Plötzlich verspürte ich wieder diesen irrationalen Drang zu kichern. Der Nebel in meinem Kopf wurde noch viel dichter. Ich glaube ich bin dann fast eingeschlafen, ohne es zu merken. Das einzige, was ich noch genau weiß, ist dass ich ein kleines Grinsen auf den Lippen hatte und selbst in dem Zustand, verfolgte mich Yami bis in meine Träume. Erotische Träume wohl gemerkt.
 

Langsam wurde es dann wohl auch Yami klar, was wir für einen Eindruck machten. Hastig versuchte er es dem Kellner zu erklären: “Nein, wären Sie bitte so freundlich und gehen in die Hausapotheke vom Hotel? Er hat einen unangenehmen Ausschlag am Rücken bekommen. Etwas Kühlendes und was Juckreiz unterdrückt. Und bitte wo keine Stoffe von Erdbeeren drin sind.“
 

Ich hörte seine Stimme im Halbschlaf. Ich war so müde, aber trotzdem fand ich es ziemlich witzig, was er da gerade vom Kellner verlangte. War ihm überhaupt klar, was für einen Unsinn er manchmal von sich gab?
 

Der Kellner nickte nur. Ihm schien der Fehler gar nicht aufgefallen zu sein. Er ging davon, um Yamis Wunsch zu erfüllen. Ich sah meinen Begleiter dafür skeptisch an. Vielleicht auch überrascht. So genau wusste ich es nicht genau. Ich war wohl schon viel zu sehr abgedriftet. Obwohl…vielleicht habe ich da auch schon geträumt. Schließlich kann sich jemand wie Yami in der Realität nicht wirklich so dumm anstellen?
 

„Was denn?“

„Eine Salbe ohne Erdbeeren? Nein, was für eine Tragödie.“

Ich glaube, dass ich ihn leise schnauben hörte, aber ich bin mir nicht sicher. Ich bin mir ja nicht einmal sicher, ob wir diese Unterhaltung wirklich geführt hatten, oder nicht. Ich weiß nicht, ob ich mir schon mal darüber Gedanken gemacht habe, aber ich glaube, dass ein schmollender Yami, ein extrem niedlicher Yami ist.
 

„Vielleicht sollten wir wirklich auf unser Zimmer gehen.“, habe ich ihn dann gefragt. “Ups“, dachte ich mir dann, “der Satz kam jetzt falsch rüber. Hoffentlich missversteht Yami den nicht…ach scheiß drauf. Soll er ihn ruhig missverstehen. Ist jetzt eh egal!“

Ich glaube noch gespürt zu haben, wie mein größeres Ebenbild leicht erschauerte, doch dass könnte auch Teil des Traumes gewesen sein, denn ich ab da hatte.
 

Das alles sind jedoch Erinnerungen und an den heißen Traum will ich jetzt erstmal nicht denken. Gott sei Dank sitzt Yami in der Economy Class, so werde ich ihn wohl erst nächsten Montag in der Schule sehen. Frühestens jedoch wenn wir in Singapur, wenn wir umsteigen.
 

Doch ich hatte mich wohl zu früh gefreut. Eine lächelnde Stewardess führte einen schlecht gelaunten Referendar den Gang entlang. Er sah mich missmutig an. Ich verstand gar nicht warum…bis ich mich umsah. Neben mir war der einzige freie Sitzplatz.
 

Mit einem freundlichen Lächeln wies die Bordbegleitung Yami an sich zu setzen und sich für den Start anzuschnallen. Ich verfluchte in diesem Moment mein verdammtes Pech. Noch vor wenigen Tagen hätte ich mich ehrlich darüber gefreut, so etwas mehr Zeit mit der Reinkarnation meines ehemaligen Geliebten zu verbringen, doch gerade jetzt war es mir unsagbar peinlich. Es erinnerte mich viel zu sehr an die Nacht in dem Hotel in Kairo.
 

Ich ignorierte ihn. Seine komplette Anwesenheit. Das war aber gar nicht so leicht, denn obwohl die Sitze genug Freiraum boten, konnte ich Yamis Körperwärme an meinem Arm spüren. Merkte er überhaupt, dass er mir immer näher kam oder war es eher eine unbewusste Handlung? Ich wusste ja, dass er in den letzten Nächten nicht viel geschlafen hatte. Alles was ich tun konnte war aus dem Fenster zu schauen, auch wenn es noch nicht viel zu sehen gab. Wir hatten ja noch nicht einmal abgehoben. Etwa zehn oder vielleicht fünfzehn Minuten gelang es mir auch ihn zu ignorieren, doch nach der Sicherheitsbelehrung der Stewardess, hielt Yami es wohl für richtig eine Unterhaltung zu beginnen.
 

„Was hast du nach deinem Abschluss vor?“

War diese Frage ernst gemeint? Ich hatte gar keine Lust auf Small Talk, aber ich konnte ihn ja nicht einfach ignorieren. Yami hielt mich ja sowieso für ein bockiges Kind. Zumindest gab er mir immer öfter das Gefühl. Er könnte vielleicht meinen, ich wäre aus irgendeinem Grund sauer auf ihn und würde deswegen zicken, wenn ich ihm jetzt nicht antwortete. Dabei war es mir nur unsagbar peinlich ihm in die Augen zu sehen. Hoffentlich erfährt er nie, was ich gemacht habe, als wir uns in der einen Nacht das Hotelzimmer geteilt hatten.
 

„Ich habe vor, danach auf die Uni zu gehen, um Geschichte und Symbolik zu studieren. Welches Zeitraffer weiß ich noch nicht, denn obwohl mir die ägyptische Geschichte interessiert mich zwar derzeitig am meisten, aber die Schriften und kaligraphischen Werke Arabiens und auch Indiens sind einfach vielschichtiger. Obwohl mir auch manche der Geheimcodes des Römischen Reichs gefallen. Ich würde zu gerne einmal so einen verschlüsselten Brief von Augustus Caesar oder von Nero entziffern“, erzählte ich ihm begeistert. Außerdem hatte er selbst mir ja in diesem Urlaub gezeigt, wie viel ich noch über die Hieroglyphen der Ägypter zu lernen hatte…das musste ich aber Yami nicht unbedingt auf die Nase binden.
 

„Deine Ziele sind lobenswert, aber auch hoch angesetzt. Wenn du das wirklich tun willst, solltest du aufhören andere Leute imponieren zu wollen und die zukünftigen Tests so lösen, wie du es kannst“, sagte er ganz unvermittelt zu mir. Es klang wie eine unbedeutende Phrase. Ein nichts sagender Ratschlag, wie ’Sei immer du selbst’ oder ’Du musst nur Geduld haben, dann hast auch du irgendwann Erfolg’. Seine Stimme war auch kaum zu hören. Nicht mehr, als ein Nuscheln. Den Satz hätte sich Yami auch gerne sparen können. Als ich zu ihm rüberschaute, wurde mir klar, warum der Satz so nichts sagend klang. Er hatte mir gar nicht zugehört.
 

Warum fragte er mich dann überhaupt nach meinen Zielen, wenn es ihn gar nicht interessierte? Ich musste keinen Small Talk halten. Erst als ich noch genauer hinsah, fielen mir die dunklen Ringe unter den Augen und die halb gesenkten Lider auf. Yami war müde und es schien so, als könnte er sich nicht mehr lange wach halten. Trotzdem hatte er wohl Fragen, die ihm am Herzen lagen, denn redete weiter.
 

„Hast du was in dem Land gelernt?“

Bei dieser Frage musste ich schmunzeln. Sicher hatte ich was gelernt, nur bestimmt nicht die Dinge, die er meinte. Ich gab Yami eine Antwort, die sehr persönlich war, hinter deren Bedeutung er allerdings erst kommen müsste. Egal. Er würde es sowieso nicht verstehen.

„Und wie! Es ist für mich immer wieder ein Erlebnis und lerne bei jedem Besuch etwas Neues. Aber vor allem das noch viele Geheimnisse unter dem endlosen Wüstensand verborgen liegen, aber am meisten habe ich gelernt, dass viele Ereignisse aus der Vergangenheit eine größere Tragweite haben, als man sich vorstellen kann. Ägypten ist heiß und dieses Mal war es sogar noch schlimmer, als ich es in Erinnerung hatte.“
 

Yami sah schon wieder so aus, als ob er mir nicht zuhören würde, aber dieses Mal war es nicht so schlimm. So bekam er wenigstens nicht meine Anspielungen mit. Die Vergangenheit, die in meinem Leben eine wichtige Rolle spielte, denn sie half mir dabei meine Zukunft zu planen.
 

Genau so wenig wie das noch heißere Ägypten, dass ja erst durch ihn so heiß wurde. Ich freute mich schon richtiggehend auf die Schule, denn dort konnte Yami seine neue Angewohnheit, mit freiem Oberkörper durch die Gegend zu laufen, nicht ausüben. Ich konnte es mir einfach nicht verkneifen einen Kommentar dazu abzugeben.

„Besonders wenn ein bestimmter Jemand ständig ohne Shirt rumläuft und mit seinem Sixpack protzt“, nuschelte ich so leise wie möglich. Yami hatte ja gar keine Ahnung, wie sehr er mich mit diesem Anblick gequält hatte. Damit und mit der kleinen Show, die er im Hotelzimmer abgezogen hatte, als er glaubte ich würde schlafen.
 

Nun, jetzt schläft er. Sein Kopf ist an die Lehne des Sitzes gepresst. Yami sieht so friedlich aus im Schlaf. Gar nicht mehr so grummelig und schlecht gelaunt, wie er sonst immer wirkt. Mir gegenüber zumindest. Ich glaube, er ist noch immer sauer, weil ich in seinem Notizbuch gelesen habe.
 

Ob er sich wohl im Klaren darüber war, dass er sein Notizbuch wieder im Auto vergessen hatte? Ich habe es wieder an mich genommen, war aber dieses Mal nicht so dumm darin zu lesen oder es ihm zu sagen. Ich habe es Yami gestern in die Jackentasche gestopft. Er hat die aber wohl in seinen Koffer gepackt. Nun, spätestens beim Auspacken würde er es merken.
 

**********
 

Es war eine Weile vergangen und mittlerweile lag Yamis Kopf auf meiner Schulter und es war nicht so, dass er ihm im Schlaf einfach zur Seite gedreht hatte und aus versehen dort gelandet war. Nein, sein ganzes Körpergewicht ruhte auf meiner Seite und er kuschelte sich an mich, als wäre ich ein riesiges Plüschtier. Mein Großvater hatte das schon gesehen. Er hatte mich angegrinst und mir beide Daumen hoch gezeigt. Auch die Stewardess, die vorhin vorbeigekommen war, um zu fragen ob wir etwas bräuchten hatte mich so wissend angelächelt. Sie hat dann nur etwas gesagt, dass so klang wie: “Na, wie ich sehe braucht ihr Sitznachbar kein Kissen. Er hat was Besseres gefunden.“
 

Na toll, wieso schien es für alle so selbstverständlich, dass ich für Yami das Kissen mimen würde? Was war mit mir? Wieso fragte mich niemand, ob ich überhaupt sein Kuscheltier sein wollte?
 

Es war unsagbar peinlich…und unglaublich schön. Ich glaube, ich könnte diese Situation wesentlich besser genießen, wenn nicht so viele Leute um uns herum währen und wenn ich nicht ständig an diesen Traum denken müsste, den ich gehabt habe, als das Fieber ausbrach.
 

Ich war selber sehr müde und hätte gerne schlafen, doch sobald ich meine Augen schloss, sah ich die Bilder dieses Traums ganz deutlich vor mir. Ich wusste erst gar nicht wirklich wo ich war an einem Ort, den ich nicht genau beschreiben konnte. Ich lehnte mich an etwas, das warm und weich war. Meine Arme und Beine fühlten sich an wie Wackelpudding. Ich hatte keine Kraft mich aufrecht zu halten und doch fühlte ich mich sicher und geborgen und ich wusste, dass ich nicht fallen konnte, denn ich wurde gehalten.
 

Dass woran ich mich lehnte roch nach einer ganz herben Seife und nach Holz.

“Yami!“, flüsterte ich. Ich war mir nicht sicher, ob man mich wirklich hören konnte. Gerade als ich mich noch etwas mehr an ihn lehnte, um mehr Halt zu bekommen, spürte ich, dass er einen Schritt nach hinten mache.

Warum will er denn weg?“, fragte ich mich im Stillen. Mir war so warm und ich hatte das Gefühl zu fallen. Ich war mir sicher in ein bodenloses Loch zu stürzen, wenn er mich jetzt loslassen würde. Bittend sah ich kurz zu Yami hoch. Alles um ihn herum war verschwommen, nur er selbst war klar zu erkennen.
 

Yugi?“, fragte er mich verwirrt. Ich konnte aber noch einen anderen Unterton aus seiner Stimme heraushören. Ich war mir nur nicht ganz sicher was für einer es war. Es klang wie eine Mischung aus verführerisch, überrumpelt und besorgt. Ich drückte meine Nase in sein Hemd. Es roch so gut und es war so warm. Meine Hände krallten sich fester in den Stoff und ich murmelte: “Nicht weggehen. Nicht loslassen.“

Selbst in diesem Traum kamen die Worte nicht sonderlich deutlich rüber.
 

Mein Rücken fühlte sich so seltsam an, aber alles an dieser Situation war irgendwie eigenartig. Da wurde mir erst klar, dass das ein Traum war. In genau diesem Moment zog Yami meinen Kopf auf seine Schulter und machte es mir so noch gemütlicher in seinen Armen. Das war der Moment, in dem ich beschloss diesen Traum einfach zu genießen und mir keine Gedanken zu machen.
 

Hastig zog Yami mir das Hemd bis zu den Schultern hoch. Ich war ziemlich aufgeregt. Dieser Traum unterschied sich von den anderen, die ich sonst von ihm hatte. In den anderen Träumen ging er nie gleich so ran, doch es wäre gelogen, würde ich sagen, es hätte mir nicht gefallen. Er presste mich gegen eine, angenehmem kühle, Wand. Sein Körper war meinem ganz nah. Seine Oberschenkel rieben an meinem Schritt. Ich konnte mich nicht beherrschen und stöhnte laut auf. Zum Glück dämpfte der Stoff des Hemdes diesen Laut, wenn auch nicht besonders gut.
 

Yami presste mich weiter gegen das Holz. Nur langsam nahm ich die anderen Gerüche wahr, die sich in dem Raum befanden. Auch die Oberfläche an meinem Rücken kam mir so bekannt vor. Sie nahm dieses unangenehme Hitzegefühl von meinem Rücken. Erst da wurde mir klar, dass wir uns im Fahrstuhl befanden.

“Na toll Yugi, jetzt träumst du auch noch vom Sex in einem Fahrstuhl. Früher hattest du noch nicht einmal annähernd solche Fantasien und jetzt gehst du gleich so sehr ins Extrem?“, dachte ich mir. Dann musste ich aber lächeln. “Erst das Missverständnis im Restaurant und jetzt dieser Traum. Mein Unterbewusstsein sagt mir also, dass ich in Wahrheit kein schüchterner Teenager bin, sondern ein risikofreudiger Exhibitionist.“
 

Mein Gott, merkte Yami denn überhaupt, was er mir gerade antat? Seine Beine bewegten sich etwas. Er versuchte mir mehr Halt zu geben, in dem er auch meine Oberschenkel mit seinem Körpergewicht gegen die Fahrstuhlkabine drückte, doch alles was er damit bewirkte, war dass ich mich noch mehr an ihn klammere. Ich wurde praktisch zu einem knochenlosen Bündel in seinen Armen.
 

Seine Haut roch so gut und meine Lippen waren nur so wenige Zentimeter von dieser warmen Kuhle entfernt. Ich versuchte meine Lippen auf den Punkt unter dem Kehlkopf zu drücken, doch mir war so schwummerig, dass ich mit dem ganzen Gesicht dort landete, statt nur mit den Lippen. Meine Nase und mein Mund pressten sich fast gleichzeitig auf die gebräunte Haut und auch wenn diese Aktion etwas tollpatschig geendet hatte, hatte ich das was ich wollte. Seinen Duft in meiner Nase und seinen Geschmack auf meinen Lippen.
 

Scheinbar gefiel ihm mein missglückter Kuss trotzdem, denn ich fühlte, wie sich die Muskeln unter meinen Fingern entspannten. Ich nutzte diese Chance und kuschelte mich noch näher an ihn. Yami wartete darauf, bis er sich gegen die andere Wand des Fahrstuhls lehnen konnte, dann schob er ganz unvermittelt sein Knie zwischen meine Beine. Der Druck und die leichte Reibung machten mich fertig. Ich war kurz davor einen Orgasmus zu haben, als der ganze schöne Traum den Bach runter ging.
 

Yami fasste an meinen Rücken. An eine dieser Stellen, an der es so unsagbar brannte, dass mir urplötzlich übel wurde. Ich stöhnte auf. Vor Erregung und vor Schmerz, aber auch aus Frust. Es war so ein schöner Traum, doch nun war es vorbei. Ich bedauerte es die Spaghetti Napoli gegessen zu haben. Yamis Hände landeten auf meinem Hintern und er schlang meine Beine um seine Hüfte, doch mir war zu schlecht, um das genießen zu können.

„Ich hätte diese Nudeln nicht essen dürfen...“, murmelte ich enttäuscht. Meine Stimme klang gepresst und ich hatte Mühe diesen Satz auszusprechen, weil ich dachte, ich müsste mich übergeben. Wer bitte aber auch träumte davon, dass ihm an der besten Stelle eines erotischen Traumes übel wurde? Das konnte ja nur mein krankes Hirn fabrizieren. Die ganze Stimmung war dahin.
 

Traum – Yami schien nicht zu merken, dass es mir nicht so gut ging, denn wieder fand ich mich an eine andere Wand es Fahrstuhls gedrückt. Das kühle Holz auf meinem entblößten Rücken tat wirklich gut. Dazu noch das Reiben seiner Frontseite an meiner… Ich warf den Kopf in den Nacken und stöhnte laut auf. Meine Augen waren geschlossen und doch sah ich bunte Lichtblitze vor meinen Augen. Noch bevor ich wusste was genau passierte, wurde alles um mich herum schwarz und der schöne Traum war vorbei.
 

Wie frustrierend. Deswegen mochte ich die Erinnerung daran nicht so besonders. Der Gedanke an diese Fantasie machte mich immer…heiß…und kühlte mich gleichzeitig auf sehr unsanfte Weise ab. Ich weiß noch, wie ich mir einbildete Yamis Stimme zu hören, die mir sagte ich sollte loslassen, aber ich wusste nicht was ich loslassen sollte. Ich hielt doch nichts.
 

Da war plötzlich wieder dieses Gefühl. Seine Körperwärme um mich herum. Seine Stimme, die mich aufforderte ihn anzusehen…und ich versuchte es wirklich, bekam meine Augen aber nicht auf. Ich dachte mir, dass es vielleicht klappen könnte, wenn ich mich hoch setzen würde, doch mein Oberkörper war so schwer und alles was ich bewegen konnte war meine Hüfte.
 

Dann wurde ich langsam wach. Ich lag. Yami war über mir. Erst langsam dämmerte mir, dass wir uns im Bett des Hotelzimmers befanden. Hatte er meinen Satz vorhin wirklich so ernst genommen? Selbst wenn er es missverstanden hatte, als ich sagte „Vielleicht sollten wir wirklich auf unser Zimmer gehen.“ und diesen Satz ernst genommen hatte, hätte ich nie erwartet, dass er auf so ein Angebot eingehen würde. Meine Güte, hätte ich das auch nur geahnt, hätte ich es viel früher probiert, um ihn rumzukriegen.
 

„Verstehst du, was ich sage?!“

Ich hörte seine Stimme zwar immer noch etwas, wie als würde sie durch Watte zu mir durchdringen, doch ich konnte Yami gut genug verstehen. Ich nickte kurz. Das war ein Fehler gewesen, das merkte ich in der nächsten Sekunde, denn mir wurde wieder fürchterlich schwindelig. Ich war nur froh, dass ich mich immer noch an Yami festhielt. In dieser sich drehenden Welt, wo oben mal unten war und unten mal oben, war er der einzige Halt für mich. Doch der Herr Referendar hatte mal wieder das perfekte Timing, um mir alle Hoffnung zu nehmen.

„Ich werde jetzt aufstehen und ich möchte, dass du mich dafür loslässt“, meinte er. War das sein Ernst? Ich würde bestimmt an einem Drehwurm sterben, wenn ich nichts hätte, dass einen festen, konstanten Punkt für mich darstellte. In dem Fall war das leider er.
 

Ich riss die Augen auf.

“…nein…“, flüsterte ich total verängstigt.

„Ich werde nur für einen Moment ins Bad gehen und dir kaltes Wasser holen“ meinte er nur sehr ruhig, aber bestimmt.

„... nein... „, protestierte ich wieder schwach. Er sollte bleiben. Ein Drehwurm konnte schließlich auch tödlich enden. Da war ich mir sicher.

„Doch Yugi, du hast Fieber! Du brauchst dringend kalte Kompressen.“

Och Menno, da war mir Traum – Yami doch lieber. Der ging zwar verdammt schnell und heftig zur Sache, aber ließ mich wenigstens an sich festhalten…und mit sich kuscheln.
 

Langsam löste ich meine Finger aus seinem Hemd. Er setzte sich auf. Sehr vorsichtig und immer darauf achtend mich nicht zu berühren. Als hätte er Angst, dass ich mich wieder an ihn klammern würde. Das hatte ich aber nicht vor. Ich hatte es schon begriffen: Ihm war es nur recht, wenn ich mich in den Wirbeln des Zimmers bewusstlos wurde. Ich war ja so eine Plage und ohne Bewusstsein, konnte ich ihm nicht auf die Nerven gehen.
 

Ich schloss meine Augen und versuchte dieses Schwirren in meinem Kopf auszublenden. Fühlte man sich so, wenn man Drogen nahm? Wenn ja, verstehe ich nicht warum manche Menschen so scharf darauf waren. Ich fühlte mich meinem Körper und meinen Halluzinationen ausgeliefert und ich hasste es keine Kontrolle zu haben…na ja außer vielleicht in ganz bestimmten Lebenslagen…
 

Nur am Rande bemerkte ich, dass Yami ins Bad gegangen war. Nach einigen Minuten hörte ich wie das Wasser anging. Ich war gleichzeitig enttäuscht und erleichtert. Enttäuscht, weil ich dachte er würde sich um mich kümmern und erleichtert, weil ich bemerkte, dass mein Shirt bis zu den Schultern hochgezogen war. Es war mir peinlich so von Yami gesehen zu werden. Ich war ja immerhin nicht so durch trainiert wie er. Statt eines Sixpacks hatte ich Babyspeck am Bauch.
 

Mit viel Mühe kämpfte ich mich unter den Überwurf des Bettes und deckte mich bis zu den Schultern zu. Das kostete mich Kraft und die Übelkeit und das Schwindelgefühl nahmen auch zu. Alles was ich tun konnte war mich so klein wie möglich zu machen, damit ich so meinen eigenen Körper spüren konnte. Ich drehte mich auf die Seite und zog meine Knie an. Ich schloss meine Augen. Es war wesentlich einfacher ein sich drehendes Zimmer zu ertragen, wenn man es nicht sah.
 

Ich weiß nicht wie lange ich so dagelegen habe. Irgendwann hörte ich leise Schritte, die wieder ihren Weg ins Zimmer fanden.

Ein leises ’Hey!’ und eine Berührung an der Schulter ließen mich meine Augen öffnen.

„Komm, leg dich auf deinen Bauch. Ich werde dir das Handtuch auf dein Rücken legen.“
 

Ich nickte nur und tat was er sagte. Statt sofort ein nasses Handtuch auf meinem Rücken zu legen, stand Yami auf und kramte irgendwo herum. Hörte sich an wie eine Minibar, aber ich wunderte mich schon etwas, dass es so etwas in so einem mittelmäßigen Zimmer gab. Nach einer ganz kurzen Zeit setzte er sich neben mich aufs Bett und versuchte mir das Shirt über den Kopf zu ziehen. Ich lag auf dem Bauch. Natürlich wurde das ein Akt, doch Yami kam erst gar nicht auf die Idee mich zu fragen, ob ich es mir denn selber ausziehen würde. Ich selbst fühlte mich wie durchgekaut und wieder ausgespuckt, also würde ich mich freiwillig ganz bestimmt nicht bewegen. Nicht ohne mindestens eine ganz nette Bitte von ihm.
 

„So wird das nichts“, meckerte er. Mit dieser brillanten Erkenntnis packte er mich auch schon am Arm und drehte mich zu sich um. Er handelte so entschlossen, so bestimmend und energisch, richtig dominant in einer netten Art und Weise, dass er mich an den Traum – Yami erinnerte und ich fragte mich, ob dies nicht wieder eines meiner Fantasiegebilde war. Ich schwebte ja heute sowieso irgendwie zwischen Traum und Wirklichkeit. Möglich war es also.
 

“Nicht schon wieder. Bitte nicht wieder so ein Traum“, presste ich zwischen den Zähnen hervor. Es war Gott sei Dank so leise, dass Yami es nicht verstanden hatte. Er sah mich zwar kurz an, also wollte er fragen: ’Hast du was gesagt?’, doch alles was er sagte war: „Ich werde dir jetzt dein Hemd ausziehen um besser an deinen Ausschlag ran zu kommen.“

Der sarkastische Teil in mir dachte nur: “Ach ne, sag bloß. Von alleine wäre ich da nicht drauf gekommen.“
 

Doch der Sarkasmus verflog schnell, bei der Art, wie Yami mich behandelte. Er machte langsam die Knöpfe auf. Ab und an glaubte ich seine Finger Zittern zu sehen, doch das hätte auch das Schwirren meines Kopfes sein können. Er streifte mir das Hemd ganz vorsichtig ab, um mir nicht noch mehr unnötige Schmerzen zuzufügen. Ich war Yami mehr als dankbar dafür. Diese – ich würde mal sagen ’zärtliche’ – Behandlung von ihm, rührte mich. Er hätte sich ja auch einfach ohne Rücksicht auf meinen Zustand um den Ausschlag kümmern können. Ich bekam kaum mit wohin mein Shirt verschwand und es war mir auch egal.
 

„Vorsicht, das wird gleich etwas brennen“, warnte er mich. Tatsächlich gab es einen ganz kurzen stechenden Schmerz, als er die Eiswürfel, die er vorher aus der Form gebrochen hatte über meinen Rücken verteilte. Yami legte das Eis an genau die Stellen, die am meisten juckten und brannten. Das alleine war ja schon eine Erleichterung, denn trotz des kurzen Schmerzes tat diese Abkühlung wirklich gut, doch als er auch noch das Handtuch darüber legte, damit es das Schmelzwasser aufsog und so gleichzeitig den gesamten Rücken eine Kühlung gab, wäre ich Yami am liebsten vor Dankbarkeit um den Hals gefallen. Stattdessen stöhnte ich erleichtert und zufrieden auf.
 

Der Herr Referendar verschwand wieder im Bad. Wenige Zeit später fühlte ich nassen Froteestoff, der mir in den Nacken gelegt wurde. Yami dachte wirklich an alles und war sehr fürsorglich. Er war ein Mensch, den man einfach dafür lieben musste, dass er so war, wie er war. Kein Wunder also, dass auch ich ihn liebte. Nicht nur verliebt war, sondern ihn wirklich liebte. Ich glaube das war der Moment, in dem mir wirklich klar wurde, dass ich Yami liebte. Nicht Atemu den Pharao. Nicht diese Erinnerung an eine frühere Liebe oder die Traumvorstellung davon. Ich liebte ihn. Dafür, dass er der Mann war, der er war. Diese Erkenntnis machte mich glücklich und ließ mich schweben. Ich erlaubte mir einige Zeit in diesem herrlichen Gefühl zu schwelgen.
 

Ich bekam deswegen nicht mit, dass er unter die Dusche ging. Das erste was ich so wirklich wieder registrierte, war das nervige Klingeln des Telefons und wie Yami fast über seine eigenen Füße stolperte um rechtzeitig abzuheben. Das ließ mich in das Kissen schmunzeln.
 

Ich hörte seine Stimme immer noch nur ganz leise, allerdings konnte ich sehr gut an seinem Tonfall erkennen, dass er über das Timing des Anrufers nicht sehr begeistert war.

“Ja?“, fragte er genervt. “Guten Abend.“

Yami wusste es vielleicht nicht, aber manchmal konnte man ihm das verwirrte Stirnrunzeln an der Stimme anhören. Genau so wie man bei manchen Menschen ein Grinsen oder ein Lächeln heraushören konnte. So ein Moment war gerade jetzt.

„Endlich. Ich komme runter!“

Das klang erleichtert. Dann kam es. Schweigen. Yami legte auf und ich schwöre bei allem was mir heilig ist, ich konnte ohne hinzusehen, die tiefen Falten auf seiner Stirn…nun sagen wir mal ’spüren’. Viel zu tief für seine jungen Jahre.
 

Ein leises Klopfen an der Tür riss Yami aus seinen Grübeleien. Er ging hin und öffnete. Da mein Gehör einen kleinen Schaden zu haben schien, konnte ich nur dumpfes Gemurmel verstehen. Mehr Tonhöhen und Sprachmuster, als die Wörter, die gesprochen wurden. Die eine Stimme gehörte Yami, das war ganz klar. Das andere war eine Frau. Irgendwie kam mir ihre Stimme bekannt vor. Ich strengte eher widerwillig meinen Kopf an. Es kostete so viel Kraft. Dann aber fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Das war das schreckliche Miststück von Rezeptionistin, die da redete. Vage fiel mir ein, dass sie ja so was angedeutete hatte. Sie wollte abends noch mal bei uns vorbeischauen und alle Register ziehen, um Yami zu verführen.
 

Das würde der doch nicht wirklich zulassen, oder? ODER? Panik erfasste mich. Er würde sich doch nicht von so etwas Billigen wie der flach legen lassen, während einer seiner Schüler gleich daneben Höllenqualen litt? Ich setzte mich etwas auf. Bevor ich jedoch aus dem Bett springen konnte um meinen Lehrer – der gleichzeitig der Mann war, den ich liebte – vor Dummheiten zu bewahren, hörte ich ein vehement gezischtes ‚Nein Danke’ und die Tür fiel ins Schloss.
 

Ich schaute gerade in dem Moment hoch, als Yami sich umdrehte. Er merkte gar nicht, dass er gerade etwas sehr Wichtiges verlor.

„Seit wann bist du wach?“, fragte er mich überrascht und machte den einen Schritt, der ihn vollends die letzte Hülle verlieren ließ. Ich fragte mich ganz kurz, ob ich vielleicht nur eingeschlafen war ohne es zu merken und das hier jetzt träumte. In vielerlei Hinsicht war ein nackter Yami Athem der Hauptbestandteil meiner schönsten Träume…aber auch meiner schlimmsten Alpträume.
 

Seltsamer Weise gab ich ihm eine klare und verständliche Antwort und als ich es aussprach, wusste ich auch, dass es wahr war.

„Ich habe gar nicht geschlafen.“

Da ich ja gar nicht geschlafen hatte, konnte ich das hier auch nicht träumen Was wiederum hieß, Yami stand wirklich splitterfasernackt vor mir. Gütiger Himmel, ich glaube man konnte meiner Stimme anhören, wie panisch ich gerade wurde.

„Deine Salbe ist eben angekommen.“

Verdammte Scheiße, bekam er denn gar nicht mit, dass er mir nackt gegenüber stand? So verpeilt konnte doch nicht einmal Yami sein, oder?
 

Ich senkte beschämt den Blick, als ich ihn jedoch auf Ägyptisch fluchen hörte, wanderte mein Blick blitzschnell über seinen Körper, nur damit ich in seine verärgerten roten Augen sehen konnte.

#“Das zählt ja langsam schon als Belästigung.“#

„Wie?“, fragte ich nach. Ich war nicht sicher ob ich in verstanden hatte.

„Schon gut.“

Auch wenn er es einfach abtat, setzte ich mich jetzt vollends auf. Ich wollte wissen was genau an der Salbe dran war, das ihn so aufregte. Das nasse Handtuch und der Waschlappen fielen vergessen neben das Bett. Das war jedoch nicht das Einzige, was ich vergessen hatte.
 

Yami stand noch immer nackt da und er merkte es immer noch nicht. Verlegen starrte ich auf die Decke. Irgendwann musste er es doch merken. Vielleicht wenn ich noch etwas mit ihm reden würde? Irgendwie glaubte ich – nein, wusste ich – dass er noch wütender sein würde, wenn ich ihn darauf aufmerksam machen würde. Verzweifelt suchte ich nach einem Thema, das ich anschneiden konnte.

„War das nicht die Frau vom Empfang?“, fragte ich lahm. Am liebsten hätte ich mir mit der Hand vor die Stirn geschlagen. Warum fragte ich? Ich wusste es doch schon.

„Leider!“, lautet die kurz angebundene Antwort.
 

Verdammt! Das würde so nie was werden. Ich versuchte es etwas direkter, aber mit einem kleinen Umweg. Er konnte ja nicht den ganzen Tag da nackt stehen bleiben. Das würde meine Teenager – Libido nicht aushalten.

„Warst du eben Duschen?“

„Ja, ich war noch voller Sand. Wenn du willst kannst du auch schnell bevor ich dir den Rücken eincreme. Du musst vom Fieber völlig durchgeschwitzt sein.“

Verdammt, verdammt, verdammt! Er raffte es immer noch nicht! Und jetzt redete er auch noch davon mir den Rücken einzucremen. Der Mann legte es doch gerade zu darauf an belästigt zu werden!
 

Ich musste es doch ganz direkt ansprechen. Das mit der Dusche war ein netter Vorschlag, aber das Fieber, die Übelkeit, das Schwindelgefühl und nicht zuletzt der Anblick seines Körpers waren nicht gut für meine Orientierung, mein Gleichgewicht und meine Nerven.

„Ich bin noch ein bisschen wackelig auf den Beinen und könnte in der Dusche nicht lange stehen. Das mach ich lieber morgen früh, wenn ich ausgeschlafen bin. Aber du solltest dir etwas anziehen.“
 

Mist! Mist, Mist, Mist! Ganz großer Doppelmist! Jetzt stand er auch noch herausfordernd da und verschränkte stur die Arme vor dem Körper. Das hier war definitiv mein schönster Traum und schlimmster Alptraum zu gleich. Jetzt fehlten nur noch das verführerische, herausfordernde Lächeln und ein paar heisere, neckende Worte und ich würde ihn anspringen. Bei Gott, das würde ich tun.
 

Dann in letzter Minute kam der rettende Geistesblitz. Vielleicht wenn ich ihn daran erinnern würde, dass er eigentlich mein Lehrer war. Vielleicht würde er es ja bemerken, wenn ich an sein Verantwortungsgefühl appellieren würde. Er war es ja ständig, der die Linie zog, dass ich sein Schüler war und er mein Lehrer.

„Herr Athem, bitte...“

Diese flehend hervorgebrachte Anrede, erzielte ihre Wirkung fast augenblicklich. Leider war es die falsche. Er war wütend. Verzweifelt zeigte ich mit dem Finger einfach nur noch auf die Tür. Vielleicht wenn er das Handtuch sehen würde. Sollte Yami auch diesen Hinweis nicht verstehen, dann müsste ich wohl mit dem Finger auf seine entblößte Körpermitte zeigen.
 

Er sah an sich hinunter und bedeckte sich dann so schnell wie möglich mit dem Handtuch, das in der Tür hing. Na ja…mit dem, was davon übrig war. Die Salbe landete genau neben mir und ich konnte mich wohl glücklich schätzen, dass die Tube mich nicht getroffen hatte.
 

Yami war stinksauer. Da ich selber Blamagen und Fettnäpfchen – siehe sein Notizbuch – auch magisch anzuziehen schien, versuchte ich ihn zu trösten.

„Das ist doch nicht so schlimm. Ist mir auch schon mal passiert.“

Mein Gesicht war dabei total warm, als ich diesen Satz sagte. Hoffentlich wollte Yami keine Beispiele haben.

„Ach, du warst schon mal ein Referendar, mit einem deiner Schüler im Hotelzimmer und standest nackt vor ihm? Na dann weißte da, wie peinlich das ist!“

Okay? War das etwa der Dank dafür, dass man versuchte jemanden aufzumuntern? Man wird angemotzt?

“Dem werde ich nie wieder was Gutes tun“, dachte ich mir. In derselben Sekunde fühlte ich mich dann aber schuldig. Yami hatte heute so viel für mich getan. Diese Situation war ihm peinlich und er stand deswegen unter Stress. Da kann man halt keinen höflicheren Ton erwarten.
 

Leider machte ich den Fehler ihm dann die Frage zu stellen: „Bist du sauer?“

Natürlich war er sauer! Was erwartete ich denn? Wieso stellte ich überhaupt so dumme Fragen? Als er an mir vorbeiging, wollte ich die Chance nutzen, ihn festzuhalten. Es machte mich nur noch nervöser, wenn Yami ziellos durch das Zimmer tigerte.

„Hey, warte doch mal“, forderte ich ihn auf. Ich wollte nach seiner Hand greifen, erwischte aber aus Versehen sein Handtuch und sorgte so dafür, dass Yami an diesem Tag eine zweite unfreiwillige Stripshow hinlegte.
 

Mit sehr viel mehr Würde, als ich sie in so einem Moment gehabt hätte, forderte er sein Handtuch zurück und stakste ins Bad. Da ich nichts daran ändern konnte, akzeptierte ich das und griff mit einem Seufzer zur Tube mit der Salbe. Ich schenkte der Verpackung und der Beilage keinerlei Beachtung. Das hätte ich jedoch vielleicht tun sollen. Nun, ich war zu sehr auf eine wichtige Lektion fixiert, die ich lernte, als Yami im Bad schmollte: Wenn du es schon nicht schaffst an bestimmte Stellen deines Körpers heranzukommen, um dich zu kratzen, dann kriegst du das erst recht nicht hin, wenn du eben diese Stellen eincremen willst.
 

Ich quälte mich gerade mit der Salbe, als Yami das Zimmer wieder betrat.

„Was machst du da?“, fragte er überrascht.

Ich sah ihn an und antwortete trocken: „Ich versuche mir selbst Linderung zu verschaffen, aber es sieht bei den Zirkusleuten einfacher aus, wenn sie sich verrenken.“
 

Nach einer kleinen Diskussion darüber, warum ich nicht auf ihn gewartet hatte, holt Yami mir etwas Toilettenpapier, um meine Hand zu säubern, setzte sich dann hinter mich und massierte mir diese Salbe in die Haut. Seine Bewegungen waren fest und doch übten sie gerade genug Druck aus, um die Muskeln etwas zu lockern.

“…Gott, tut das gut…“, seufzte ich auf, nur um zu merken, dass ich das, was ein Gedanke bleiben sollte laut ausgesprochen hatte. Normalerweise wäre ich rot angelaufen, aber ich glaube selbst mein Blut hatte in dieser Nacht nicht mehr die Kraft, bis in mein Gesicht zu fließen.
 

Ich weiß nicht genau wie lange wir so dasaßen und er meinen Rücken massierte. Die Salbe war schon längst eingezogen. Yami wollte aber anscheinend nicht damit aufhören die Creme einzuarbeiten und ich wollte nicht aufhören seine Hände auf meiner Haut zu fühlen.
 

**********
 

Ich war während der Massage eingeschlafen. Der Tag hatte mich ja auch ziemlich geschlaucht. Es war bereits stockfinster, als ich meine Augen öffnete. Ich fühlte mich irgendwie seltsam. Heiß…aber nicht vom Fieber. Mein ganzer Körper war angespannt. Doch es war nicht unangenehm. Da war so ein Kribbeln in meiner Bauchgegend und im Unterleib…
 

Mit einem Schlag wurde mir klar, dass ich erregt war. Stark erregt. Ich brauchte…ich brauchte einen Orgasmus und neben mir schlief Yami. Seelenruhig und ohne Probleme. Ich wog beide Seiten ab. Was war schlimmer. Ich war müde, doch in dem Zustand würde ich nicht schlafen können. Doch neben mir lag Yami und ich wollte nicht gerade von ihm dabei erwischt werden, wie ich es mir selbst besorgte. Auf der anderen Seite hatte der Mann einen verdammt tiefen Schlaf. Ich könnte neben ihm wahrscheinlich einen Salto mit Musikuntermalung machen und er würde weiterschlafen, ohne etwas zu merken. So gesehen ging es auch nicht um mein Vergnügen. Ich war einfach nur erregt und musste kommen. Warum mein Körper gerade heute so rumspinnen musste, war mir nicht ganz klar.
 

Meine Entscheidung war schnell gefallen. Ich würde mir Erleichterung verschaffen und dann schlafen. Yami würde nichts davon mitkriegen. Ich drehte mich auf den Rücken und ließ meine Hand nach unten wandern. Die Decke, die über mir lag bewegte sich mit mir, als ich mich umdrehte. An sehr viel mehr erinnere ich mich nicht in dieser Nacht. Zumindest nicht daran. Ich war todmüde. Irgendwann erfüllten die ersten Seufzer und mein stöhnen den Raum. Ich weiß noch, dass ich Yamis Anblick von dem vergangenen Nachmittag vor Augen hatte. In meiner Fantasie hatte er dieses herausfordernde und verführerische Grinsen auf den Lippen. Seine Augen ruhten nur auf mir. Seine Zungenspitze fuhr provozierend langsam über seine Unterlippe und alle an ihm war eine Einladung für mich.
 

Ich flüsterte seinen Namen. In meiner Fantasie war ich mutig ich ging auf ihn zu. Ich stand ganz nah bei ihm. Unsere Körper berührten sich fast. Dann, ganz unvermittelt, drückte Yami seine Lippen auf meine. Mein Rücken traf dieses Mal auf die Wand es Hotelzimmers. Mein Aufstöhnen nutzte Yami sofort aus, um mit seiner Zunge meine Mundhöhle zu erforschen.
 

In meiner Fantasie drückte Yami meinen Kopf etwas zur Seite, um besseren Zugang zu haben. In der Realität presse ich ihn ganz fest in das weiche Kissen. Meine Hüften kreisen und drücken sich umso fester gegen das Einzige, dass mir Halt gibt. Die Matratze. In meiner Fantasie macht diese Bewegung Yami fast wahnsinnig und er stöhnt in meinen Mund hinein. Unsere Lippen lösen sich kaum von einander. Gerade einmal weit genug um etwas frische Luft in die Lungen zu bekommen. Deswegen kann er in meiner Vorstellung auch das Grinsen auf meinen Lippen spüren. Zum ersten Mal fühle ich mich, als hätte ich die Kontrolle über ihn. Ein zufriedenes Stöhnen entweicht mir und ich kann gerade noch den Mund zumachen, sonst wäre er zu laut geworden. Wir wollen ja den echten Yami nicht wecken, der in meiner kleinen Illusion reicht mir völlig. Der ist auch immer netter zu mir, als das Original.
 

Ich seufzte, stöhnte keuchte. Alles so leise wie es nur ging. All diese Laute entwichen mir einfach, während sich unsere Hüften in meiner Fantasie immer schneller und schneller gegeneinander bewegten. Ich war kurz davor. Mein Kopf drehte sich von alleine zur Seite. In der Dunkelheit versuchte ich wenigstens etwas von Yami auszumachen. Es war fast so, als würde ich seinen Anblick in der Realität – den ’wahren ’ Yami – brauchen, um den Sprung über die Klippe zu schaffen.

“Oh mein Gott!!!, flüsterte ich, als ich das vertraute Anspannen der Muskeln spürte. Ich war so nah. „Oh ja…“
 

Ein tiefes Brummen kam aus meinem Mund, als ich mir vorstellte, wie es wohl sein würde, wenn er jetzt wach werden würde und seine Hand mir bei meiner Tätigkeit assistieren würde. Dieser Gedanke reichte aus, um mich so zu erregen, dass ich kam. Ich warf meinen Kopf in einem lautlosen Schrei in den Nacken. Mein gesamter Körper krampfte sich zusammen. Von den Zehenspitzen, bis zum Haaransatz, war ich vollkommen angespannt, nur um eine Sekunde später die absolute Erlösung zu finden.
 

Mit einem letzen Aufschrei, war es vorbei. Meine Hand fiel in völliger Entspannung zur Seite und ich spürte, dass mein Zeigefinger etwas von Yamis Haut berührte. Ich hatte praktisch Körperkontakt mit ihm, als ich meinen Höhepunkt erreichte. Ein letztes Mal krampfte sich mein Körper zusammen. Ich krallte mich ins Laken, doch statt den Stoff unter meiner Handfläche zu spüren, war da Yamis Hand, an der ich mich festhielt. Ich ließ sie auch nicht los, als die letzte Welle meines Höhepunkts bereits verebbt war. Ich hätte meinen Kopf zu gerne gedreht und hätte mir die Stelle angesehen, an der sich unsere Körper berührten, doch mich erfasste sofort wieder diese schwere, nebelartige Müdigkeit. Ich war selbst zu müde um mich zu säubern.

“Was soll’s, dachte ich mir, “du gehst früh morgens sowieso unter die Dusche.“

Mut einem glücklichen Lächeln auf den Lippen schlief ich wieder ein.
 

**********
 

Ich wachte auf. Es war immer noch dunkel, aber ein sanfter Lichtstrahl fiel aus dem Bad in das Hotelzimmer. Yami war da drin. Ich konnte hören, wie sich die Schiebetür der der Dusche zur Seite geschoben wurde. Verschlafen fragte ich mich wie oft er an einem Tag duschen gehen wollte. Wieso war ich wach?
 

Der Traum, den ich hatte, war wundervoll. Ich lag auf einer Wiese. Yami neben mir. Unsere Hände lagen in einander. Ich hatte das Gefühl geborgen und sicher zu sein. Ich war vollkommen glücklich. Ich liebte ihn und er liebte mich zurück. In meinem Traum war das ein Fakt. Seine Finger streichelten immer wieder meine Hand. Es war eine so zärtliche, liebevolle Geste voller Vertrauen. Sein Daumen strich über meinen Zeigefinger…und dann ganz plötzlich war sie weg. Seine Hand und mit ihr löste sich der Traum auf. Es tat mir weh, diese Illusion zu verlieren. Doch noch trauriger war, dass ich die ganze Zeit wusste, dass das alles nur ein Traum war. Auf eine seltsame Weise bedauerte ich den Verlust deswegen noch mehr.
 

Deswegen war ich aufgewacht. Eine kleine Träne lief meine Wange hinab, als ich das Wasser angehen hörte. Ich machte mir nicht die Mühe sie wegzuwischen. Stattdessen stand ich auf. Ich weiß nicht mehr genau, warum ich das tat. Mein schmerzendes Herz trieb mich aus dem Bett. Ich konnte nicht still liegen bleiben. Auch dass ich nackt durch das Zimmer schlich, störte mich erst mal wenig. Ich konnte Yami ja immer noch im Bad hören. Es wunderte mich nur, dass er immer noch nicht die Dusche angemacht hatte.
 

Neugierig schlich ich mich zur Badezimmertür. Was tat der Kerl im Bad, wenn er nicht duschte? Die Tür stand einen Spalt breit offen, also warf ich einen kurzen Blick hinein. Was ich sah, ließ mich wieder in meinen Zustand von früher zurückkehren. Ich war schlagartig wieder erregt.
 

Yami stand mit dem Rücken zu mir und starrte sich im Spiegel an. Er schüttelte langsam den Kopf. Als könnte er etwas nicht fassen. Dann stieg er in die Dusche. Ich hatte freie Sicht auf seinen Hintern und – zu meinem eigenen Missfallen – ich musste dieser aufdringlichen Rezeptionistin Recht geben. Yami hatte wirklich einen Knackarsch.
 

Er stellte das Wasser an und ließ es eine Weile laufen. Er stand nur da, als würde er warten, dass das Wasser die passende Temperatur hatte. Dann stellte er sich unter den Wasserstrahl. Die Tropfen glitzerten auf seiner gebräunten Haut und in seinem zerwuschelten Haaren. Gott, dieser Anblick würde mich noch schlimmer verfolgen, als der von heute Nachmittag.
 

Meine Augen wurden groß, als er seine Augen langsam schloss und mit seiner Hand seine Brust hinab fuhr. Seine Finger berührten kaum die Haut, als er an diesen verdammten, sexy Sixpack ankam. Doch selbst da hielt seine nicht inne.
 

Panisch schloss ich die Augen und drehte mich schnell um. So leise wie möglich schlich ich mich wieder ins Bett. Ich verfluchte mich selbst für meine Neugierde. Jetzt war ich wieder erregt und konnte mir noch nicht einmal Erleichterung verschaffen, denn Yami war ja wach. Verdammt, verdammt, verdammt! In diesem Moment hasste ich mein Leben.
 

**********
 

Am nächsten Tag stand ich mit Yami im Fahrstuhl und wartete darauf, dass wir endlich im Foyer ankamen. Ich war so geladen, wie noch nie in meinem Leben. Diese aufdringliche Rothaarige hatte doch mit ihrer abendlichen Aktion tatsächlich den Vogel abgeschossen. Sie hatte unfaire Mittel benutzt um Yami zu verführen – eher bei ihrem Versuch – doch statt ihm, erwischte es mich. Sie war schuld an meiner schlaflosen Nacht und ich hatte vor ihr deswegen die Meinung zu geigen.
 

Nach dem Duschen am morgen fiel mir die Verpackung der Salbe wieder in die Hände. Bevor ich sie in den Mülleimer schmiss, las ich mir durch Zufall die Inhaltsstoffe durch. Dabei bemerkte ich zwei sehr eigenartige Inhaltsstoffe in der Salbe. Patchouli und Ylang Ylang. Das waren exotische Pflanzen, deren Öle in Parfums verwendet wurden, doch was hatten diese Inhaltsstoffe in einer Salbe gegen Hautirritationen und Ausschlag zu tun? Die waren doch parfumfrei, damit es keine weiteren Reizungen für die Haut gab. Ich drehte die Verpackung um und meine Augen wurden groß.
 

Dort stand in einer sehr filigranen und verschnörkelten Schrift ’Aphrosalia’ – Für die subtile Verführung. Man musste kein Genie sein, um zu verstehen, was für eine Creme das war. Die Packung war glänzend und mit einer speziellen Ummantlung. Da war etwas Schwarzes. Verschmierte Schrift. Nicht mehr zu lesen. Was auffällig war, war auch die besondere Form der Verpackung. Sie sah aus wie ein Zylinder. Die Tube passte ganz genau hinein. Der Schraubverschluss schaute aus dieser Form frei heraus. Bei genauerem Nachdenken erinnerte ich mich daran, dass auch auf dem Verschluss etwas Schwarzes gewesen war, als ich die Tube geöffnet hatte.
 

Ich habe das Zeug weggeschmissen. Ich war nicht gut in Botanik, aber ich wusste dass diese Pflanzen kühlend und feuchtigkeitsspendend waren. Das sie nebenbei auch ein Aphrodisiakum waren, wurde mir erst da klar. Natürlich war Yami der Einzige, dem nicht auffallen würde, was für einen Namen die angebliche Wundersalbe gegen Ausschlag hatte. Er war in so vielen Dingen einfach so verpeilt. Ich sagte ihm deswegen nichts davon, sondern bat ihn nur darum, dass ich den Schlüssel für das Zimmer an der Rezeption abgeben durfte. Yami war einverstanden.
 

Unten angekommen, ging er schon einmal vor zum Parkplatz, an dem unser Auto stand. Er hatte mir gesagt, er müsste sowieso etwas mit Odion zu besprechen. Ich ging also zum Empfangstresen und drückte auf die Klingel, um auf mich aufmerksam zu machen. Die rothaarige Plage stand mit dem Rücken zu mir und ignorierte mich total. Ich klingelte noch einmal. Dieses Mal brummte sie etwas, drehte sich aber immer noch nicht um. Also wiederholte ich diesen Vorgang immer und immer wieder. Ich hämmerte mit der Faust praktisch immer wieder auf die arme Klingel. So lange, bis sich die entnervte Rezeptionistin umdrehte und mich anfachte.
 

“WAS IST DU KLEINES BALG? ICH HABE ZU TUN, SIEHT MAN DAS NICHT?“

Ich muss gestehen, ich war nicht darauf gefasst, so angeschrien zu werden und machte einen Schritt zurück. Zum Glück kam in dem Moment die Kollegin der Rothaarigen. Es war dieselbe Frau, die gestern so genervt war, wegen dem Gequatsche der Tussi.

“Echidna! Wie redest du denn mit einem Gast?“, wies sie die Frau zurecht. An mich gewandt sagte sie: “Nimm ihr das nicht übel Kleiner. Sie hat gestern eine ziemlich deutliche Abfuhr von deiner Begleitung bekommen, dabei war sie sich so sicher, sie würde ihn rumbekommen.“
 

“Echt?“ fragte ich. Dieser Satz machte mich glücklich. Yami hatte sie abblitzen lassen. Innerlich freute ich mich darüber, doch gleichzeitig stieg auch wieder die Wut über so eine Unverschämtheit in mir auf. Mir kam eine Idee, wie ich der Frau meine Meinung sagen konnte, ohne sie direkt zu beleidigen. Unschuldig fragte ich die Kollegin: “Habe ich richtig gehört? Der Name der Frau ist Echidna?“

Die Brünette lächelte mich an und nickte, als ich ihr den Schlüssel überreichte. Sie gab die Zimmernummer ein, um mir die Rechnung auszudrucken.
 

“Hm, dann wussten ihre Eltern anscheinend schon als sie ein Baby war, was aus ihr werden würde“, sagte ich laut genug, dass auch Echidna uns hören konnte. Die andere Frau sah mich nur neugierig an, als watete sie auf die Pointe. Sie sollte diese auch schnell bekommen.

“Nun, Echidna war in der griechischen Mythologie ein Monster, halb Schlange, halb schöne Frau. Sie war das, was man heute eine Schlampe nennen würde, die es sogar mit ihrem Bruder und mit ihrem Sohn trieb, um einen Haufen noch schrecklichere Monster in die Welt zu setzen*“, erklärte ich. Manchmal hatte es auch Vorteile Eltern zu haben, die so von der griechischen Geschichte begeistert waren.
 

Die Mundwinkel der Brünetten zuckten verräterisch nach oben. Mit einem breiten Grinsen im Gesicht meinte sie: “Du hast Recht. Ihre Eltern müssen da schon was geahnt haben. Auf jeden Fall haben sie den Namen sehr passend gewählt.“

Sie zwinkerte mir zu, während ich das rothaarige Monster beleidigt aufjapsen hörte. Bevor sie anfangen konnte mich zu beleidigen, verließ ich das Hotel. Ich war zufrieden mit mir.
 

Auf dem Parkplatz musste ich mir erst einmal die besorgten Fragen von Odion antun. Ich weiß, dass er es nur gut meinte, aber obwohl der Ausschlag schon fast weg war und mein Rücken weder juckte noch brannte, schleppten mich Odion und Yami zu einem Arzt. Es war ein bekannter von Arthur und er kannte mich. Wir wurden sofort ins Arztzimmer gebracht.
 

Der Doktor meinte nach einer Untersuchung, da sich die Symptome für die Allergie vorwiegend auf meiner Haut gezeigt hatten, wäre es wahrscheinlich ein chemischer Stoff, auf den ich so reagierte hätte. Das Fieber war der mittelschwere anaphylaktische Schock. Mein Körper war nicht darauf gefasst gewesen. Das Problem war nur, ich war mit nichts extrem künstlichen in Kontakt gekommen. Es war dann Yami, der scheinbar einen Geistesblitz hatte.
 

Er holte eine Dose aus dem Mietwagen, die im Kofferraum stand.

“Können Sie gleich untersuchen, ob er dagegen allergisch ist?“, fragte er.

Neugierig wie ich war, schaute ich auf das Behältnis. Es war Polsterreiniger für Autos.

“Ich hatte die Sitze damit gereinigt, nachdem ich ihn gemietet hatte. Da waren Dinge drauf auf den Polstern, von denen ich nicht einmal wissen wollte, was es war“, erklärte er mir.
 

Was soll ich sagen? Ich war tatsächlich dagegen allergisch. Dadurch, dass mein Hemd nass geschwitzt war, konnten die chemischen Stoffe, auf die ich so empfindlich reagiert hatte bis auf meine Haut gelangen. Zuhause muss ich noch einmal zum Arzt, um feststellen zu lassen, welcher Stoff es genau war, den ich nicht vertragen habe. Ich vermute mal, dass Yami deswegen ein schlechtes Gewissen hat. Er gibt sich dafür die Schuld, obwohl es ja wirklich keiner hätte ahnen können. Ständig sieht er mich so komisch an. Bedauernd und voller Reue. Als hätte er versucht mich umzubringen oder so.
 

Na ja, jetzt geht es endlich nach Hause. Ich glaube, wenn wir wieder in der Schule sind, wird alles wieder wie vorher sein. Besser sogar, denn ich glaube, jetzt habe ich so etwas wie einen Draht zu Yami. Ich glaube zumindest, dass ich ihn ganz gut verstehen kann und ich habe auch das Gefühl, dass er mich zumindest etwas mag.
 

**********
 

Ich fühle mich wie ein liebeskranker Vollidiot. Nie hätte ich gedacht, dass ich mich selbst so erniedrigen würde. Zwei Wochen ist es nun her, dass wir aus Ägypten zurückgekommen sind. Genau so lange hat mich Yami immer wieder bei unseren Nachhilfestunden versetzt. Sicher, meine Noten sind wieder im Einser Bereich und ich habe diesen Zusatzunterricht von ihm gar nicht nötig, aber er hätte mir wenigstens Bescheid sagen können, dass sie ausfallen.
 

Ich verbrachte so gerne Zeit mit ihm und in diesen wenigen Stunden, in denen er versuchte mich zu motivieren, damit ich nicht nachlassen würde, lernte ich so Vieles über ihn. Seine sehr verwirrte Seite, seinen trockenen und manchmal auch sehr schwarzen Humor…leider auch seine Kochkünste. Diese Seiten an Yami kannte nur ich. Sie gehörten nur mir und ich vermisste sie. Sogar das grauenhafte Essen.
 

Jeden Tag in den letzten zwei Wochen bin ich in den leeren Klassenraum gegangen und habe auf ihn gewartet. Immer so lange, wie auch die Nachhilfe gedauert hatte, doch er tauchte nicht auf. Er erwähnte es noch nicht einmal vor, im oder nach dem Unterricht. Es macht mich fertig. Ich frage mich, was ich denn dieses Mal falsch gemacht habe.
 

Das Traurige daran ist, das ich diese Zeit wirklich gerne mit ihm verbringen würde. Seit mir in Ägypten klar geworden ist, dass ich ihn liebte – das ich Yami liebte – wollte ich gerne wissen, wie ER war. Was er mochte, nicht mochte. Was er im Leben erreichen wollte, wie seine Kindheit war. Ich wollte ihn einfach nur kennen lernen.
 

Mein Großvater hatte so Recht, als er sagte, ich muss mich nicht darauf fixieren, in ihm seine Erinnerungen zu wecken. Da ich ihn liebte und nicht die Person, die er einmal vor sehr langer Zeit gewesen ist, war alles, was ich brauchte, seine Liebe. Ich wünschte mir so sehr, dass er sie erwidern würde.
 

Der beste Beweis dafür, dass es nun Yami war, der für mich wichtig war und nicht die Erinnerung an sein vergangenes Ich, war die Nachricht – oder viel mehr meine Reaktion darauf – die ich am Wochenende von Arthur erhalten hatte.
 

Er war so aufgeregt gewesen. Mein Großvater hatte den Lautsprecher des Telefons angemacht, damit wir beide hören konnten, was er uns zu erzählen hatte. Bei der Ausgrabung des alten Palastes hatte er selbst eine versteckte Papyrusrolle gefunden. Es war so etwas wie das geheime Tagebuch des Pharao. Darin stand, dass er mit dem Sohn eines seiner Berater eine Liebesbeziehung hatte. Es war nichts Explizites. Nur die Erwähnungen des Namens des Jungen. Der Tag, an denen sie sich zum ersten Mal geküsst hatten. Die Vorfreude des Pharaos, wenn er wusste, dass der Beratersohn bei ihm bleiben würde.
 

Mein Großvater und ich grinsten uns an, als wir das hörten, auch wenn ich dabei knallrot anlief. Irgendwie war es doch etwas peinlich, dass mein Opa etwas von meinem Liebesleben erfuhr, welches ich eigentlich gar nicht hatte. Es war eine Anordnung zur Tötung ganz bestimmter Personen. Doch das war nicht die einzige Nachricht, die Arthur diesbezüglich hatte. Er hatte unter den letzten Dokumenten, die Atemu unterzeichnet hatte, eine Proklamation gefunden. Eine Anordnung Landesverräter und Leute, die eine potentielle Gefahr für den Pharao darstellten sofort hinzurichten. Gleich bei der Festnahme. Diesem Dokument war eine Liste mit Namen beigelegt. Auf der Liste dieser Personen, war auch der Name des Jungen. Des Beratersohnes.
 

Das fand Arthur sehr verwirrend. Sowohl die Liste als auch die Proklamation zur Hinrichtung waren mit dem königlichen Siegel unterzeichnet. Das hieß, dass Atemu sie gelesen und bewilligt hatte. Er hatte also den Tod seines Geliebten persönlich angeordnet. Arthur verstand es nicht. Wie konnte man jemandes Tod befehligen, den man liebte. Er schickte meinem Großvater alle Unterlagen per Mail.
 

Fotos von den Papyrusrollen. Nahaufnahmen der einzelnen Hieroglyphen. Seine eigenen Übersetzungen. Alles was er hatte Mein Großvater sollte alles noch einmal überprüfen, um sicher zu gehen, dass Arthur nicht vielleicht irgendwo einen Fehler gemacht hatte. Auch er bestätigte die Richtigkeit der Übersetzung, die sein alter Freund ihm gesendet hatte.
 

Zu sagen ich war am Boden zerstört, würde es nicht gut treffen. Meine Welt brach zusammen. Alles was ich bisher geglaubt hatte wurde hier in Zweifel gestellt. Dieses Mal von mir selbst. Ich lief in mein Zimmer und schloss mich darin ein. Ich heulte das ganze Wochenende. Mein Großvater klopfte öfters. Er fragte mich, ob ich Hunger hätte, ob ich Durst hätte. Er ermahnte mich keine Dummheiten zu machen und sagte mir, er würde mir zuhören, wenn ich so weit wäre über meine Gefühle zu reden.
 

Ich war dankbar dafür. Ständig fragte ich mich, ob meine Erinnerungen nicht doch falsch waren. Hatte Atemu mich früher überhaupt geliebt oder war ich nur eine Abwechslung für ihn? War ich einfach nur ein neues Spielzeug für den mächtigen Pharao gewesen? Warum hielt ich dann wie verzweifelt an dieser Liebe fest? Wieso wollte ich dann unbedingt, dass seine Reinkarnation mich liebte? Wozu die ganze Mühe, wenn das alles eine Illusion meines kleinen, naiven, verliebten Herzen gewesen war? Wieso hatte ich überhaupt diese Erinnerungen? War das ein grausamer Scherz des Schicksals?
 

Doch am Ende all dieser Fragen vielen mir die Worte meines Großvaters wieder ein: ’…Yami ist nicht Atemu…’ und ich dachte mir, vielleicht war das der Grund für all das. Vielleicht war es wirklich nicht nur eine zweite Chance für unsere Liebe, sondern auch eine zweite Chance für die Seele des Pharao? Vielleicht war es damals einfach die falsche Zeit und der falsche Ort und jetzt und hier könnten wir es schaffen?
 

Ich vergaß also was Arthur mir erzählt hatte und was diese Dokumente aus vergangenen Tagen sagten. Das jetzt war die Gegenwart und in der – und auch in meiner Zukunft – wollte ich Yami bei mir haben. Also ging ich wieder voller neuer Hoffnung zur Schule, nur um wieder versetzt zu werden.
 

Das hier ist jetzt die dritte Nachhilfesitzung in dieser Woche. Die letzte. Ich habe drei Stunden hier gesessen und auf ihn gewartet, aber Yami war nicht gekommen. Herr Taori teilte mir dann mit, als er mich in dem leeren Klassenzimmer sitzen sah, dass Yami bereits gegangen war, weil er ja jeden Donnerstag früher Schluss hatte.
 

Enttäuscht packte ich meine Sachen zusammen und machte mich auf den Heimweg. Da sah ich sie dann. In einen Café um die Ecke von dem Spielwarenladen meines Großvaters. Yami zusammen mit einer wirklich hübschen Frau. Sie war sehr schlank und elegant gekleidet. Die dunkelblonden Haare waren zu einem Zopf geflochten.
 

Ich kam gerade rechtzeitig vorbei, um zu sehen, wie Yami sie umarmte und ihr einen sanften Kuss auf die Lippen gab. Sie errötete, das konnte man von Weiten sehen. Meine Sicht verschwamm plötzlich und meine Augen brannten. Noch ehe ich verstand, was mit mir passierte, liefen die Tränen über mein Gesicht.
 

Ich rannte los. So schnell wie ich nur konnte. Ich wollte vor den beiden fliehen. Vor dem Anblick. Ich wusste nie, ob Yami überhaupt auf Männer stand. Die Einträge in das Notizbuch gaben mir Hoffnung, aber so wie es aussah, hatte ich mich da in etwas rein gesteigert. Mal wieder.
 

Neidlos musste ich zugeben, dass er und die Fremde gut zusammen ausschauten. Sie gaben ein schönes Paar ab. Ich lächelte bei dem Gedanken und dann, genau in diesem Moment wurde es mir klar. Zum ersten Mal in meinem Leben hatte ich das Gefühl etwas wirklich begriffen zu haben.
 

Es war meine Lektion. Es war kein Preis oder eine Bedingung. Diese Erinnerungen waren eine Lektion für mein Leben Ich wurde für den Pharao gemacht. Ich passte perfekt zu ihm und hatte alles, um ihn zu unterstützen, zu trösten und zu lieben. WIR waren perfekt…und doch wurden wir vom Leben getrennt…er ordnete sogar meine Tod an.
 

Jetzt hatten wir die Chance wieder zusammenzukommen. Es gab keine Konventionen, die uns hinderten oder Menschen, die uns böses wollten. Ich wusste ja sogar, wie es sein würde, wenn wir zusammen wären. Die Umstände waren perfekt. Doch jetzt und hier, schaffte ich es nicht, dass Yami sich in mich verliebte.
 

Das war das, was die Stimme in meinen Träumen versucht hatte mir zu sagen. Manchmal war perfekt einfach nicht genug. Manchmal gab es Menschen, die es einfach nicht schafften zusammen glücklich zu werde. Vielleicht sollten Yami und ich ja auch niemals zusammenkommen? Vielleicht sollte ich das verstehen lernen, bevor unsere Wege sich in diesem Leben kreuzten? Wir waren einfach nicht dazu gemacht, zusammen glücklich zu werden.
 

Auch wenn man es nicht glaubt, als mir das klar wurde, war es so, als würde mir ein riesiger Stein vom Herzen fallen. Sicher, es tat weh. Es fühlte sich an, als würde meine Brust explodieren und ich war verdammt deprimiert, eil ich darauf erst gekommen war, nachdem ich mich in Yami verliebt hatte, doch wie heißt es doch so schon: ’Lieber spät als nie’. Es war nur unfair, dass es auch in diesem Leben ich war, der mit gebrochenem Herzen dastand.
 

Als ich die Tür zur Wohnung über dem Geschäft öffnete, waren die Spuren meiner Tränen beseitigt. Ich sah so aus, als wäre es ein ganz normaler Schultag gewesen.

„Ich bin wieder da Großvater“, rief ich in die Wohnung hinein.

Im gleichen Moment, als ich ausgesprochen hatte, hörte ich laute, polternde Schritte. Jemand rannte. Rannte mit großen Schritten auf mich zu. Ich sah etwas Blondes und noch ehe ich wusste wie mir geschah, lag ich in der Umklammerung einer menschlichen Pythonschlange.

„Yugi, Yugi. Ich habe dich soooo vermisst. Als du in Ägypten warst, war ich bei meiner Mutter, aber weil ich so traurig war, hat sie mich jetzt mitgenommen. Meine Mama hat hier in Japan Arbeit zu erledigen. Ich bleibe jetzt für drei Wochen hier. Freust du dich?“
 

Blaue Augen sahen zu mir auf.

„Rebecca?“
 

tbc
 

*********************************************************************************
 

*http://de.wikipedia.org/wiki/Echidna_%28Mythologie%29
 

*http://image.dek-d.com/13/1199274/13622906
 

*https://myth-wiki-ology.wikispaces.com/file/view/s-echidna-beg.jpg/33369759/s-echidna-beg.jpg



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Von:  Lamello
2021-12-19T19:23:08+00:00 19.12.2021 20:23
Ja, war echt schön zu lesen. Schade, dass es nicht weiter ging. Die Idee, die Story und der Schreibstil bzw. die Stile sind wirklich toll. Schöne Zusammenarbeit! Hat mir gut gefallen und Spaß gemacht sie zu lesen!
Von:  va
2015-07-27T13:48:12+00:00 27.07.2015 15:48
Wie kannst du nur aufhören das ist echt super schön *heul* Würde mich echt riesig freuen wens weitet ginge bittttttttte weiter schreiben !!!!!!!!!!! :)♥♥
Von:  Sandy
2013-10-06T18:30:15+00:00 06.10.2013 20:30
Hallo ich habe deine FF gelesen und ich gebe da Hikari25 Recht einfach super toll ich habe die so wie deine andere FF durch gelesen und bin echt super gespannt ob yami und yugi wieder zusammen kommen amer yugi er erinnert sich an alles und yami nicht aber ich hoffe es wird alles wieder besser zwischen den 2. BITTTTTTTTe schreibt weiter einfach spitze ich finde sier einfach klasse weiter so
hoffe bis bald kann mir bitte auch eine Ens zuschicken das ich bescheid weiß wann es weiter geht ...??
Mit lieben Grüße Sandy
Von:  Hikari25
2010-11-13T13:33:46+00:00 13.11.2010 14:33
ich find deine Story ganz ganz toll
ich hab schon mehr als einmal heulen müssen TT.TT
bitte schreib schnell weiter ja?!
LG Hikari25
Von:  viky
2010-11-08T11:18:11+00:00 08.11.2010 12:18
hi ihr zwei, kam endlich mal zum weiterlen und es hat sich wie immer gelohnt.

die spannung hält an!!! (was ich gut finde)
war auch von allem etwas dabei, be habby, und tränscha XD

freue mich sehr auf die fortsetzung!!!
knuff

viky
Von:  patkinmon
2010-10-16T12:21:55+00:00 16.10.2010 14:21
oh das war schön
aber auch traurig
vorallem der schluss.
Yami küsste eine andere und dann
kommt auch noch rebecca! Die kann man jetzt gar nicht brauchen!!
T.T ich denke ich werde depri *sich verzieh*
Bis zum nächsten kapitel
Von:  Alienor
2010-09-15T23:35:47+00:00 16.09.2010 01:35
Wahhhhhhh ich hab jetzt schon Angst vor Enzugserscheinungen...
Hoffentlich gewährt ihr uns Gnade und arbeitet schnell weiter...ich glaube jetzt wird es erstT richtig spannend/tragisch/ emotional :)

Sehnsuchtsvoll
Alienor
Von:  mu_chan
2010-09-14T21:30:30+00:00 14.09.2010 23:30
woa echt ne tolles kapitel!!^^
der schluß is echt traurig...ich hoffe doch das yugis kampfgeist wieder geweckt wird!!
vielleicht trägt ja rebecca nen teil dazu bei das sich yami und yugi näher kommen...
fraglich is je doch wer is die blonde mit der yami im cafe is...*grübel*
freu mich auf jedenfall schon wenn es witer geht!!
glg mu_chan
Von:  Sephira
2010-09-14T21:18:23+00:00 14.09.2010 23:18
*bet* Lass es ein happy End geben.
Herzschmerz tut doch immer so weh >_<
Von:  Alienor
2010-09-14T20:52:27+00:00 14.09.2010 22:52
Wow...ein unglaublich flüssiger und sehr angenehm zu lesender Schreibstil...da macht es gleich doppelt spaß weiter zu lesen :)


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