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His butler, caring.

Sebastian & Ciel
von

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„Es ist Zeit, aufzustehen, junger Herr.“
 

Mit einem Ruck zog Sebastian die Vorhänge im Schlafgemach des letzten Earls of Phantomhive auf und gleißendes Sonnenlicht durchbrach die so schützende Dunkelheit.

Sebastian war geradezu lautlos in den Raum gekommen, wenn ihn nicht das leichte Klappern des Geschirrs auf dem kleinen versilberten Wägelchen verraten hätte. Auf diesem befand sich ein Teegeschirr aus feinem, blau-weißen Porzellan gefertigt, sowie eine silberne Kanne, die den aromatischen Duft von frisch gebrühtem Earl Gray-Tee verströmte. Auf einem zum Dekor der Tasse und Untertasse passendem Teller war etwas leichtes Mürbegebäck mit Schokoladenüberzug angerichtet.

Diese Aufmachung stand nun neben dem Bett Ciel Phantomhives, der noch immer keine Anstalten gemacht hatte, wach zu werden – selbst, als sein Butler mittlerweile die Vorhänge an den Seiten des großen Fensters durch ein samtenes Band befestigt hatte.

Das einzige, was man sah und was einen Betrachter den Glauben schenken mochte, dass sich überhaupt jemand im Bett befand, waren die vereinzelten stahlblauen Strähnen, die sich über das rüschengesäumte Kissen ergossen. Ansonsten schien der junge Körper vollständig unter der Decke und einem weiteren Überwurf verborgen zu sein.
 

„My Lord?“

Erneut durchschnitt die dunkel-samtene Stimme des Schwarzhaarigen die Stille, doch als Antwort entgegnete ihm Ciel nur ein murmelndes „Mhmmm....“.

Zwar war der Zwölfjährige nie so sonderlich fidel, wenn er am Morgen geweckt wurde, jedoch hatte es bisher keinen zweiten Versuch herausgefordert, ihn anzusprechen und Sebastian spürte, dass etwas mit seinem Master nicht in Ordnung war.

Er ging um das groß ausladende Bettgestell herum und stand nun auf der linken Seite des Bettes, auf der Seite, zu der sich er Jüngere gewandt hatte. Leicht beugte er sich hinunter, die Arme hinter den Rücken gelegt.

„Fühlt Ihr Euch nicht gut, Sir?“, fragte er dann und legte die behandschuhten Finger seiner rechten Hand an die Decke, um diese etwas vom Gesicht des Earls zu ziehen. Jedoch schien dieser nicht sonderlich erfreut über diese Geste zu sein. Ciel zuckte zusammen und schlug gleich darauf die weiße Hand seines Butlers weg, da diese seine Wange streifte.

„Ich habe dir nicht erlaubt, mich anzufassen, Sebastian!“, herrschte der Junge ihn an, jedoch war dessen Stimme viel zu brüchig und matt, als dass es authentisch wirken konnte. Der Ausdruck in dem farblich unterschiedlichen Augenpaar wirkte allerdings wahrhaftig wütend – wenngleich auch ebenso glasig.

Es war wohl keine gute Idee gewesen, am gestrigen Abend draußen zu speisen, dennoch hatte der junge Phantomhive dies anberaumt, selbst da die Herbstluft allzu kalt für das zarte Gemüt gewesen war. Sein Master hatte allerdings einen eigenen Kopf und so hatte er sich wahrscheinlich jetzt auch etwas zugezogen. Warum hatte er ihn denn nicht schon früher gerufen? Wollte er es etwa allein auskurieren oder hatte er einfach gehofft, dass sein jugendlicher Körper damit allein fertig wurde? Manchmal war er doch wirklich einfach nur ein stures Kind, das erwachsen spielen wollte...
 

Der Dämon zog seine Hand zurück, obgleich wissend, dass der seidene Stoff die Wange seines Herrn kaum berührt haben konnte. War er so empfindlich?

Jedoch ruhten seine blutroten Augen auf denen des Earls. Ein eisernes Lächeln umspielte seine Züge, als Ciel ihm befahl, zu gehen und ihn allein zu lassen.

„Ich bedaure zutiefst, das sagen zu müssen, aber dieses Mal nicht, Sir...“, sprach der Butler und legte lächelnd den Kopf zur Seite, ehe er sich leicht mit einem Schienbein auf der Matratze abstützend über den Jungen mit den stahlblauen Haaren beugte. Bei den Worten des anderen fuhr der Jüngere empört hoch, ließ sich dann aber wieder zurückfallen. Zu entkräftet war er doch und er hatte Durst...furchtbaren Durst...

„Warum....widersetzt du dich mir? Geh!“, brachte er mit dem Versuch, so erwachsen und ernst zu klingen wie immer, heraus – jedoch ohne Erfolg.

Der Schwarzhaarige hingegen antwortete nicht, sondern beugte sich nun tiefer, einen Arm auf der weichen Decke abstützend, über den Jungen. Ciel's Augen weiteten sich mit jedem Zentimeter, den das Antlitz des Dämons näher an sein eigenes rückte.

Warum fühlte er sich nur so schwach, ja geradezu gebrechlich, wenn sein Butler ihm so nah war? Alle Energie schien nun erst recht aus seinen Gliedern weichen zu wollen, sodass er nicht einmal die Kraft, nein, nicht einmal den Willen hatte, das weitaus ältere Geschöpf in menschlicher Gestalt von sich zu schieben, welcher nun einen Schatten auf seinen eigenen zierlichen Körper warf. Was hatte er vor?

'Du gehst zu weit...', dachte Ciel im Stillen und seine jugendlichen Züge verhärteten etwas, während er seine Augen nicht von denen seines stillen Dieners lösen konnte. Sebastian verblieb einen Augenblick so, hatte bisher noch immer nicht auf die Aufforderung reagiert, sondern fokussierte die Tiefen seines Herrn.

Ja, er war verunsichert...

So ungern der junge Earl dies auch zugab, aber tief in seinem Inneren sprach Unsicherheit aus seinen Augen und er hatte das Gefühl, als ob der Schwarzhaarige diesen innere Schwäche in seinen Iridien suchte. War es letztendlich vielleicht nicht doch nur ein Traum? In der Nacht hatte er genug von diesen gehabt, die ihn geweckt hatten und ein ums andere Mal hatten sie ihn noch verfolgt, als er die Augen geschlossen hatte, versuchend, wieder einzuschlafen.

Wieder und wieder hatte sich sein Hirn ausgemalt, wie es wohl sein würde, wenn Sebastian seine Seele zu sich nahm. Würde es wehtun? Würde er vielleicht so starke Schmerzen haben, dass sein Körper förmlich brannte? Brannte, wie die Leiber seiner Eltern in den lodernden Flammen? Oder würde der Dämon seine Seele sanft aus ihm herauslocken? Würde er sie in dem letzten Augenblick vielleicht sogar freiwillig dem Dämon anvertrauen, der mit ihm den Weg der Rache gegangen und ihn unterstützt hatte? Sozusagen, als stumme Gegenleistung?

Wie sah so eine Seele eigentlich aus? Wie sah seine Seele aus?

Ciel hatte sich seit dem Pakt das ein oder andere Mal Gedanken darum gemacht, jedoch hatte er keine befriedigende Antwort erhalten können. Auch wenn er es vielleicht nur dem Gespinst eines Kindes entsprach, aber in seinem Unterbewusstsein ging er davon aus, dass wenn die Seele den Körper verlassen würde, dann als eine Art weißer Rauch, der mit dem Wind aus dem geöffneten Fenster tanzt, um gen Himmel aufzusteigen.

Der Himmel, dies würde seiner Seele nicht vergönnt sein, dessen wurde er sich tagtäglich bewusst, wenn er am Morgen seinen Butler sah – selbst wenn es nur dessen schwalbenschwänziger Frack war, wenn er ihm einen Tee eingoss. Hatte er Angst vor dem Unausweichlichen? War es nicht gewesen, der nach Rache sinnte und war diese nicht schon eine Todsünde? Weiß würde seine Seele mit Sicherheit nicht sein, vielleicht eher rot getüncht, rot, wie das Blut derer, die sein Leben in so jungen Jahren ruiniert und seine Kindheit genommen hatten, wenn er seine Rache genossen hatte...

Diese Gedanken jedoch konnte er nicht weiterdenken, denn der Mann, der noch immer in seine Augen sah, hielt ihn davon ab. Sein Unwohlsein schwand keinesfalls, eher hatte der Jüngere das Gefühl, es sei noch weiter angestiegen, wenngleich auch sein Körper von einer vollkommenen Mattheit erfasst wurde. Wenn Sebastian wollte, hätte er nun ein sehr leichtes Spiel mit ihm. Selbst wehren wäre wohl zwecklos. Wozu der Dämon neben der Kunst, Setzlinge zum Blühen zu bringen und jegliche Gefahren von seinem Master abzuwenden, wenn es noch so aussichtslos erschien, fähig war, konnte sich sein Verstand in diesem benebelten Zustand nur ausmalen, jedoch zeigten allein die vorherigen Dinge, dass er nicht ganz menschlicher Natur war...

Seine Lider brannten und so schloss Ciel die Augen. Dies konnte er immerhin als Ausrede benutzen, um den Blick des Butlers zu entgehen, der ihn fühlen ließ, als sei er diesem vollkommen nackt und schutzlos ausgeliefert. Sollte er sich schon auf das Schlimmste gefasst machen? Was, wenn sein Diener nun diesen Moment ausnützen würde? Was würde mit ihm geschehen? Auf einen rettenden Engel brauchte er nicht einmal zu warten, denn es würde niemand zu ihm herabsteigen und ihm beistehen. Wenn es Dämonen gab, müsste es doch auch Engel geben – nur nicht für ihn.

Verzweifelt lief eine Träne aus den geschlossenen Augen des Jungen, benetze dessen dichte Wimpern und rollte dann die glühende Wange des kindlichen Gesichts entlang.

Er war verdammt...

Der Schatten über seinem Gesicht verdunkelte sich weiter und der 12-jährige kniff seine Augen fest zusammen, als hätte er Schmerzen zu befürchten oder zu erleiden. Wieder und wieder quollen große Tränen aus seinen Augen hervor, wo er doch eigentlich gedacht hatte, dass zumindest sein rechtes Auge mit dem Siegel ihres Paktes nicht mehr weinen könnte. Allem Anschein nach erwies sich diese Theorie nun als widerlegt.

Sebastian war immer um ihn herum, fast wie sein Schatten und wenn es erforderlich war, seine Hilfe in Anspruch zu nehmen, genügte es seinen Namen auszusprechen und er war da.

Was hatte der Dämon noch gesagt, als er damals in dem Käfig bei der Untergrundauktion des Viscount of Druitt gesessen hatte?

Je näher das Zeichen am Auge war, desto stärker wäre das Band...und hatte er nicht in dem gleichen Atemzug noch gesagt, dass er ihm selbst in den Abgrund der Hölle folgen würde, an seiner Seite bleiben würde, wenngleich auch Ciels Körper zerstört sein wäre? Dämonen können nicht lügen, wie die Menschen...

War es dann nicht eigentlich albern, dass er Angst hatte? Noch hatte er seine Rache nicht bekommen und so lange dies nicht geschehen war, würde auch Sebastian nicht nach seiner Seele lechzen...oder? Zweifel über Zweifel wühlten sein Gemüt nur noch weiter auf, was zur Folge hatte, dass sich sein Gesicht nur noch stärker erhitzte.

Der junge Phantomhive merkte erst jetzt, dass er die Luft angehalten hatte, doch sein Ausatmen klang mehr nach einem Schluchzen. Zittrig ging sein Atem und sein Brustkorb erschütterte sich krampfhaft anmutend.

„Se-Sebastian....antworte-!“, wimmerte der Earl mit brüchiger, ja fast schon weinerlicher Stimme, wusste jedoch aufgrund seiner wirren Gedanken selbst nicht mehr, was er seinen Butler noch zuvor gefragt hatte.

Sebastian stutzte einen Moment, schmunzelte dann aber nur und schloss ebenfalls seine Augen. Er hatte sich etwas hoch gebeugt, verharrte noch einen kurzen Moment...
 

...und legte nun seine kühlen Lippen an die Stirn seines Herrn, die dort einen Moment lang verharrten. Sie war heiß und Schweißperlen hatten sich auf ihr gebildet. Der junge Earl hatte hohes Fieber. Seine Gesundheit war aufgrund seines vererbten Asthmas durch seine Mutter Rachel fortwährend angeschlagen und so war es nur eine Sache von Stunden, dass der junge Körper auf die Kälte des Vorabens reagierte.

Der Größere hielt den inneren Drang zurück, die Schweißperlen, die nun ebenfalls seine Lippen benetzten, von der glatten Stirn fortzulecken und erhob sich dann wieder.
 

Ciel hatte die Augen wieder geöffnet, blinzelte aber kurz, als die rabenschwarzen Haare Sebastians seine Wangen streiften. Seine Iriden weiteten sich und schwammen geradezu in der mit Salz durchwirkten Flüssigkeit, als er das fremde Lippenpaar auf seiner Stirn spürte und er starrte gegen den schlanken, weißen Hals des Butlers ohne sich zu rühren. Die Tränen waren mittlerweile im Stoff des Kragens seines Hemdes versiegt und das Salz hinterließ ein leicht spannendes Gefühl auf seiner Wange, wo vorher noch die weichen Haare des Dämons gelegen hatten. Wie ein kleiner Junge schaute er nun Sebastian an, der ihm weder Schmerzen zugefügt, noch etwas anderes angetan hatte. Er war verwirrt und gleichzeitig stieg eine Verlegenheit in ihm auf, die er nur seiner blühenden Fantasie im Fiebertraum zu verdanken hatte.

„Mein junger Herr hat ziemlich hohes Fieber und sollte sich am heutigen Tage schonen. Ich werde Eure Termine verschieben, wenn es Recht ist.“, sprach der Butler mit einem breiten Lächeln auf den Lippen und verbeugte sich mit einer Hand vor die Brust gelegt. Ciel schien einen Moment zu überlegen, jedoch hatte er die Augen wieder geschlossen und sein Haupt ruhte auf dem Kissen. Wie hatte er an dem anderen zweifeln können? Selbst für einen so kurzen Moment.

„Ich...überlasse die erforderlichen Angelegenheiten dir, so lange sie zu meiner Genesung beitragen.“, sprach der Junge dann, nachdem er sich geräuspert hatte. So einfach würde er sich nicht von etwas Fieber klein kriegen lassen, dennoch hatte er Mühe, seine Autorität gegenüber dem Schwarzhaarigen aufrecht zu erhalten. In stillen Moment kam es oft vor, dass er sich in eine Zeit zurückwünschte, in der er ein Kind sein durfte...doch jetzt...

„Sehr wohl, Sir, überlasst dies nur mir...“, waren die letzten Worte Sebastians, ehe dieser sich zum Gehen umwand und das Schlafgemach seines Herrn verließ.
 

Zuallererst müssten die wichtigen Termine verschoben werden. Da in der heutigen Nacht ein Ball anberaumt war, musste eine handschriftliche Entschuldigung her. Der Butler nahm sich also eine Schreibfeder aus dem Bürozimmer des Earls hervor und schrieb fein säuberlich die Entschuldigung, ehe er sie mit dem Siegel der Phantomhives verschloss und dann den Botengang höchstpersönlich unternahm, um diese an die richtige Adresse zu bringen. Wieder in der Villa angekommen überprüfte er die Uhrzeit. Du liebe Güte...

Es kostete ihn nicht einmal den Hauch von Mühe zu erkennen, was Ciel nun brauchte: eine kräftige Brühe und kalte Umschläge!

Der Dämon entschwand in die Küche und besorgte sich sogleich die besten Zutaten, die dafür nötig waren, eine heiße Brühe zu kochen, die seinen Meister aufpäppeln sollte. Fein gehackt und geschnitten wanderten sämtliche Gemüsesorten sowie ein 1.Wahl-Rindfleisch in den Topf, der vor sich hin köcheln konnte. Sebastian ließ sodann klares, eiskaltes Wasser in eine Porzellanschale ein und nahm sich ein Seidentaschentuch, welches er in das Wasser eintauchte. Ehe er sich erneut auf den Weg zu Ciels Schlafzimmer machte, beauftragte er Baldroy mit der Beaufsichtigung der Brühe. Enthusiastisch, wenngleich auch mit etwas zuviel des Guten, salutierte dieser allzu pflichtgemäß und hütete – zumindest für den einen Moment - den köchelnden Topf wie eine Glucke ihr Ei.

Sebastian hingegen konnte sich nun mit der Schale in den Händen in Ruhe zum Schlafgemach seines Herrn aufmachen. Lautlos schlüpfte seine schlanke Gestalt hinein, doch Ciel lag immer noch auf dem Rücken und starrte jetzt Löcher in den Himmel seines Bettes.
 

„Junger Herr, soeben habe ich ein Entschuldigungsschreiben überbracht und mitgeteilt, dass Ihr heute unpässlich seid.“, berichtete der Butler dann und stellte die Schale auf den Nachttisch. Der junge Earl hingegen quittierte dies nur mit einem „Hm.“ und richtete nicht einmal seine Augen auf den Diener.

„Just in dieser Minute kocht eine stärkende Brühe auf dem Herd und--“

„Sebastian.“

In seiner Ausführung unterbrochen, richtete sich der Schwarzhaarige aus der leicht gebeugten Haltung auf und sah zu seinem Herrn.

„Bringe mir etwas zu trinken. Kühles Wasser.“

Etwas bestürzt zog der Angesprochene die Brauen hoch.

„Wäre es nicht besser, wenn Ihr Tee-?“

„Hör auf, mich zu bevormunden zu wollen, Sebastian! Tu es einfach!“

Ciels Faust schlug auf die gesteppte dunkelblaue Decke, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen, während sich seine Gesichtszüge verärgert zusammenzogen. Jetzt, wo der Butler ihm nicht mehr so nah war, wie vorhin noch, fühlte er sich minder so matt, jedoch war seine körperliche Verfassung nicht wesentlich genesener.

„Sehr wohl, Sir.“, steckte der Dämon ein, verbeugte sich und ging erneut, um dem Wunsch seines Meisters nachzukommen.

Auf dem Flur legte sich ein teuflisches Schmunzeln auf seine Lippen.

'Ein stures Kind...', ging es ihm durch den Kopf, doch verflogen seine Gedanken, als ihm ein schier widerlicher Geruch in die Nase strömte. Die Brühe!

Sebastian hastete in die Küche nur um festzustellen, dass sich Baldroy mit Finnian balgte, welcher mit einem Kochlöffel bewaffnet auf den Koch einschlug. Die Brühe hingegen wurde unbeobachtet gelassen und kochte nun über, wo sie die beiden doch schon zu streiten pflegten, wer es nun mehr verdient hatte, diese ehrenvolle Aufgabe der Beaufsichtigung zu übernehmen. Der Butler seufzte.

„Baldo! Finny! Was macht ihr hier?“, fragte er dann, einen Arm um seine Taille geschlungen, während sich zwei behandschuhte Finger gegen seine Stirn stützten.

„Hehe....Mr. Sebastian...also....ehehe...“, stammelte der Koch verlegen grinsend und kratze sich am Kopf, ehe sein Blick gerade auf den rumorenden Topf fiel und er die Augen aufriss. Sogleich stürmte er zum Herd, jedoch war dieser nicht mehr so blitzblank, wie Sebastian diesen hinterlassen hatte, als er ging.

Erklärungen konnte man sich sparen.

„Bringt das wieder in Ordnung und achtet auf die Brühe!“, sprach er dann, lächelte nun aber wieder und holte in einem Kristallkelch frisches Wasser für seinen Herrn. Als er die Küche wieder verließ, konnte er noch Finnians Stimme die den anderen neckte: „Hast du gehört, hast du gehört? Wir BEIDE sollen das in Ordnung bringen!“ und Baldroys Knurren:“Jetz' tu bloß nicht so, als ob dich das Aufräumen auch noch freuen würde! Wer soll auf die Brühe aufpass'n, wenn wir beide aufräumen, heh?“ vernehmen.
 

Mit einem amüsierten Kopfschütteln und dem Kelch auf einem kleinen Tablett, schritt der Dämon den Korridor entlang und trat wieder in Ciels Gemach ein.

„Euer Wasser, wie gewünscht, Sir.“, präsentierte Sebastian den Kelch und reichte ihn an seinen Herrn weiter, der nun etwas aufrechter im Bett saß und diesen auch entgegennahm. Der 12-jährige nahm einen hastigen Schluck und kniff seine Augen zusammen, da das kalte Wasser, welches er zu schnell getrunken hatte, ihm Kopfschmerzen bereitete.

„Und nun Tee.“, befahl der Junge trotzig und wand sein Gesicht zur Seite, sodass seine schadhafte, rechte Seite vom Schatten und vom Kissen bedeckt wurde. Momentan war es ihm lieber, wenn er den Dämon nicht ständig um sich herum hatte. Es mochte vielleicht eine Erscheinung seiner Einbildung sein, aber ihm schien es, als zöge sein Butler ihm allein mit seiner Anwesenheit die letzte Kraft aus den Knochen.
 

„Sucht der junge Herr krampfhaft eine Beschäftigung für seinen ihm treu ergebenen Hund?“

Wie von einem Schlag getroffen zuckte Ciels Kopf herum und er starrte seinen Diener an. Wie konnte er es wagen...?

„Sebastian! Nimm' das zurück und tu', was ich dir sage!“, spie der junge Earl giftig, obwohl seine Kräfte jetzt für einen Streit nicht reichen mochten. Wut stieg heiß in ihm hoch und er spürte, wie diese ihm noch zusätzlich zu Kopf stieg. Hatte er sich jetzt auch noch mit einem widerspenstigen Dämon herumzuschlagen? Dies konnte er bei aller Liebe am heutigen Tage nicht auch noch verkraften.

Mit einem perfekten Lächeln auf den Lippen beugte sich der Butler vor.

„Ich sehe es Euren fiebrigen, wässrigen Augen an, dass Ihr mich nicht um Euch haben wollt. Ihr habt Angst...“, sprach der Schwarzhaarige dann und fixierte die Augen des nun im Bett aufrecht Sitzenden.

Angst? Ciel Phantomhive und Angst? Niemals! Er war schon einmal durch die Hölle gegangen, schlimmer, als seine Familie dem Feuertod zu überlassen, während er selbst hilflos und schwach gewesen war...gab es da überhaupt noch etwas, wovor man sich fürchten musste?

Hilflos und schwach...

Diese Worte wollte der Junge aus seinem Gedächtnis ein für alle Mal gestrichen sehen. Er hatte schon einmal alles verloren, was gab es da noch zu verlieren? Selbst seine Seele war schon jemandem versprochen und zwar demjenigen, der ihn nun scheinbar verspotten wollte.

„Tch, Angst...“, wiederholte er das Wort seines Butlers spöttelnd und wand seinen Kopf wieder ab. Er war es leid, den anderen anzublicken, wann immer dieser ihn dazu herausforderte. Nein, er war derjenige, der das Spiel leitete, Sebastian war nur seine Spielfigur. Sein Werkzeug. Nichts weiter. Wie hätte es wohl sein mögen, wenn er zum Kreis der Erwachsenen gehört hätte? Hätte er da überhaupt diesen Vertrag beschließen müssen? Die Feinde seiner Familie hatten gedacht, dass es leicht werden würde, wenn sie die Eltern dieses kleinen Jungen umbrachten. Ein kleiner Junge von damals 10 Jahren konnte sich nicht wehren. Sie würden auch mit ihm ein leichtes Spiel haben, wenn der rechte Zeitpunkt gekommen wäre.

Mehr und mehr erschien es ihm eine Verzweiflungstat gewesen zu sein, als er den Dämon beschworen hatte. Damals war sein kindlicher Verstand nur von Hass erfüllt gewesen und die eigentliche Vernunft wurde von diesem überlagert. Jedoch wusste er zu diesem Zeitpunkt, dass er allein keine Chance hatte, seine Familie zu rächen. Er war auf Hilfe angewiesen.

Jedoch war menschliche Hilfe ausgeschlossen gewesen. Ciel hätte niemanden gehabt und hatte auch nicht vor, seine letzten Vertrauten in den Tod zu schicken, nur wegen seines grenzenlosen Egoismus. Es musste jemand her, den er benutzen konnte, wie es ihm beliebte. Jemand, der sich nur seinem Willen beugte und bedingungslos dies tat, was er sagt. Jemand, der an seiner Statt handelte, weil es ihm körperlich nicht möglich war. Jemand, der sein Schwert werden würde, wenn er in diesen Krieg zog.

Er hatte die Person gefunden.

Sebastian war nun sein Schwert.

Doch was nützte eine Klinge, wenn sie seinem Arm nicht gehorchte?

„Ich habe keine Angst mehr. Vor nichts und niemandem...“, sprach der Junge, doch seine Stimme klang nun erneut brüchig und wenig überzeugend. Er starrte auf die Decke, die seinen Körper warm hielt und bemerkte erst, dass Tränen über seine geröteten Wangen liefen, als ein Tropfen auf den Stoff fiel und dieser sich zu einem weitaus größeren Fleck ausbreitete, während er sich in den Fasern einnistete.

Doch schon im nächsten Augenblick rückten sich behandschuhte Finger in sein Sichtfeld, welche die weiteren Tränen abfingen. Ciel blickte unwillkürlich erneut auf und musste diesem Bastard von Dämon wieder ins Gesicht sehen. Warum verstand er es nicht? Warum wollte er es nicht verstehen?

Wütend kniff der junge Phantomhive die Augen zusammen und drehte seinen Kopf abermals weg.

„ES REICHT!“, schrie er seinen Butler an und es war ihm herzlich egal, ob die anderen Bediensteten dies mitbekamen. „VERSCHWI--“

Der Earl konnte sein letztes Wort nicht zu Ende aussprechen, als Sebastians Hand nun sein Kinn festhielt und dieses zu sich drehte. Der seidene Daumen lag auf den Lippen Ciels und verschloss diese. Blanker Hass sprach aus den noch immer tränenden Augen, die nun gezwungen wurden in die des Höllengeborenen zu blicken. Sebastians Ausdruck hingegen war ruhig, nur bildeten seine Lippen anstatt des eisernen Lächelns eine schmale, ernste Linie.

„Ihr fürchtet Euch vor dem Unausweichlichen. Tag für Tag sehe ich dies in Euren Augen, Ihr braucht nur daran zu denken und schon wird Euer Blick stumpf. Doch ich sage Euch: Eure Seele ist noch nicht reif.“, sprach der Schwarzhaarige dann und hielt weiterhin das Kinn des Jungen.

Was sollte er schon mit einer Seele anfangen, die nur durch und durch vergiftet war? Natürlich schmeckte die Sünde am süßesten, doch auch das Aroma erfüllte Rachegelüste war nicht zu verachten.

„Noch ist sie fad, wie eine Mahlzeit ohne Salz. Das letzte und zugleich wichtigste Gewürz fehlt noch.“, fügte der Butler hinzu und pausierte kurz.

„Ich erwarte von Euch, dass ihr mir eine Seele liefert, für die sich die Mühen auch gelohnt haben, ebenso wie Ihr von mir erwartet, dass ich Eure Befehle mit Perfektion ausführe, damit Ihr Eure Rache bekommt. Unser beider Vertrag, nur präziser formuliert.“
 

Eine Ohrfeige.

Es hallte durch den Raum und Sebastians Kopf drehte sich leicht zur Seite, ehe er spürte, dass seine Wange unter leichtem Schmerz heiß wurde. Er hatte Ciels Kinn nun losgelassen und senkte die Hand ab. Er musste sich einen Moment lang zügeln, jedoch bekam sein Herr dies nicht mit.

Die Worte des Dämons wurden Ciel zu viel. Hatte er nicht gesagt, dass es reichte?

Der Jüngere hielt die Hand, die Sebastian geschlagen hatte, noch immer erhoben und er atmete ziemlich schnell. In seinen Ohren konnte er das eigene Blut pochen hören und das Gefühl der Wut schien sich regelrecht in seine Eingeweide zu fressen. Es war genug.

„Du hast Erwartungen in mich, deinem Herrn, Sebastian? Und du wagst es, diese auch noch vor mich zu stellen?! Du hast geschworen, mein Schwert zu sein, doch du bist nichts weiter als eine Spielfigur, die die Spielregeln missachtet! Man kann mit so etwas Fehlerhaftem kein Spiel gewinnen! Geh mir aus den Augen, ich habe genug von dir!“

Ciels Worte waren deutlich genug. Der Butler richtete sich nun wieder auf und wand sich um.

Einen Moment lang blieb er noch stehen und blickte kalt in seine Augenwinkel, was der auf dem Bett Sitzende nicht sehen konnte. Dieser jedoch fühlte sich nach dem erregten Gespräch schwindlig und fasste alles zusammen, um weiterhin seine stolze Miene aufrecht zu erhalten.

„Verstanden.“, sprach der Diener dann und ging ruhigen Schrittes aus dem Zimmer. Sacht schloss er die Tür und sah dabei, dass sich sein Herr nun mit dem Rücken zur Tür gelegt hatte, um ihn nicht mehr sehen zu müssen.

Sebastian war nur wenige Schritte gegangen, als Meirin, Finnian und Baldroy ihm entgegenkamen.

„M-Mister Sebastian, wir hörten den jungen Herrn und-“, sprach Meirin dann aufgebracht, doch der Schwarzhaarige unterbrach das Hausmädchen.

„Es ist alles in Ordnung...“, sagte er dann, um die anderen nicht auf die Unterhaltung zwischen seinem Meister und ihm weiter aufmerksam zu machen.

„Der junge Herr möchte nur nicht gestört werden.“, fügte er hinzu und lächelte, ehe er sich auf den Weg in die Küche machte. Zwar lag hier und da etwas herum, aber die Brühe stand köchelnd auf dem Herd. Zwischen Baldo und Finny schien sich der Streit gelegt zu haben, denn es war nichts weiter zu Bruch gegangen, obwohl Sebastian damit eher gerechnet hätte.

Er kümmerte sich nun um einen Heiltee und übergoss die Kräuter und Heilpflanzen mit heißem Wasser, ehe er sie abdeckte und sie somit durchziehen konnten. Währenddessen schöpfte er mit einem Löffel das Fett der Brühe etwas ab, damit es nicht zuviel war und nahm dann die Kelle zur Hand, ehe er die duftende Brühe in eine weiße Porzellanschüssel gab. Diese stellte er auf den kleinen Wagen, den er nach dem Frühstück wieder herausgefahren hatte und deckte das Schüsselchen ab. Nun fehlte nur noch der Tee, der nach einer Viertelstunde so durchgezogen war, dass man ihn sieben konnte. Nicht ein Blättchen fiel in den gelb-bräunlichen Aufguss, der dank der Brennessel ein frisches Aroma verströmte.

Mit dem Wagen machte sich der Diener erneut auf den Weg zum Schlafgemach seines Herren. Anklopfen war zwecklos, denn wahrscheinlich würde Ciel es überhören oder überhören wollen. Beides liefe auf das Gleiche hinaus. So betrat er leise das Zimmer und rollte den Wagen herein. Wie zu erwarten war, hatte sich der Earl nicht zu ihm gewandt, sondern lag ebenso unverändert im Bett, wie in dem Augenblick, als der Butler das Schlafgemach verlassen hatte. Der Duft des Tees strömte in den Raum und verteilte sich rasant. Auch die Nase des Jungen nahm dies wahr.

„Hast du mich vorhin nicht verstanden?“, fragte er nuschelnd, bewegte sich aber keinen Zentimeter. Auch sein Hinterkopf, welcher das einzigste war, was Sebastian sehen konnte, ruckte nicht einmal.

„Klar und deutlich, Sir, nur war es Euer Wunsch, Tee serviert zu bekommen.“, antwortete er dann. Ciel gab daraufhin keinen Laut mehr von sich, was der Schwarzhaarige als Zeichen aufnahm, sich entfernen zu dürfen. Den Wagen ließ er neben dem Bett stehen und wand sich abermals zum Gehen.

Die Tür fiel mit einem leichten Knarren ins Schloss.
 

Der junge Phantomhive konnte die Zeit nicht einschätzen, in der er einfach nur stumm dagelegen hatte, während der Duft des Tees in seine Nase stieg. Es erschien ihm, als sei Sebastian vor Stunden bei ihm gewesen und hätte den Wagen hereingebracht. Tatsächlich waren es aber nur zwanzig Minuten, die seit dem Einrasten der Tür verstrichen waren.

'Eure Seele ist noch nicht reif.'

Dieser Satz war es, der Ciel die ganze Zeit über beschäftigt hatte.

Reif...

War seine Seele denn eine Frucht? Er wusste, dass sie dem Dämon Nahrung spenden würde, jedoch fand er diese Wortwahl mehr als nur abstoßend. Wie bei einer Ernte...oder vielleicht auch Auslese? Der Kern würde vom Fleisch getrennt werden, war dieser doch wertvoller als das Fleisch selbst, denn er konnte weitere Pflanzen hervorbringen. War seine Seele somit der Kern und sein Körper das Fruchtfleisch, welches weggeworfen wurde, wenn es nicht mehr gebraucht wurde? Wie auch das Fruchtfleisch wurde sein Körper eines Tages verfaulen...

Ciel richtete sich im Bett nun wieder auf und blickte zu dem Geschirr, da auf dem silbernen Wägelchen angerichtet war. Der Tee hatte sich abgekühlt, ebenso wie die Brühe, dessen Schüssel aber noch Wärme abstrahlte. Der Earl nahm die Tasse an sich und umfasste diese mit beiden Händen. Starr blickte er auf seine Reflexion an der Oberfläche der Flüssigkeit.

Verfaulen...

Ja, das würde er, doch seine Seele würde sich mit dem Dämon verbinden, dem er sie versprochen hatte. Hieße es nicht, dass er dennoch auf eine Art weiterlebte? Dass ihm diese Verbindung ein anderes Weiterleben ermöglichen würde? Sebastian konnte doch sonst alles...konnte er ihm denn nicht auch eine glückliche Zukunft verschaffen? Aber Glück schien nicht auf der Liste der Dienstleistungen eines Höllenbewohners zu stehen und es war auch nicht für ihn reserviert, nutzlos, wie er doch als Einzelner war. Er brauchte Sebastian und sei es nur aufgrund des Vertrages.

Fühlte Ciel nun Reue für die harschen Worte, die er seinem Diener an den Kopf geworfen hatte?

Er starrte weiterhin in das Augenpaar seiner Reflexion in der Tasse, auf der Suche nach einer Antwort, die er zu finden sich nicht eingestehen wollte.

Reue...

Reue wofür?

Dafür, dass er den Dämon zurechtgewiesen hatte? Es stand ihm zu. Er konnte sich von Sebastian nicht einfach so behandeln lassen. Schwäche zeigen war das letzte, woran Ciel dachte, gerade vor seinem Diener. Und doch...

Nun lag er hier, noch immer ans Bett gefesselt und sein Kopf schien anstatt sich langsam abzukühlen, nur noch heißer zu werden, je länger er über die Situation grübelte, die vor kurzem vonstatten gegangen war. Weiterhin hatte er seine Augen auf die Tasse und deren Inhalt gerichtet. Der Tee wurde mit jeder Minute, die verstrich dunkler und der junge Earl bildete sich nach einiger Zeit des Hineinstarrens ein, dass der Tee mittlerweile die Farbe von Sebastians Augen angenommen hatte. Einbildung? Nein, es war nicht einmal Einbildung, denn der Tee hatte sich wirklich rötlich verfärbt, was aber auf die auf dem Grund liegenden Heilkräuter zurückzuführen war, welche noch immer ihre wohltuenden Stoffe abgaben, obwohl sie nicht mehr gebraucht wurden. Der Butler hatte sie mit Absicht drinnen gelassen, da es oftmals ratsam war, den Tee länger stehen zu lassen, egal, wie bitter dieser wurde. Medizin hatte nicht gut zu schmecken und schon gar nicht süß, denn dann half sie nicht, so die gängige Meinung. Jedoch gefiel dem 12-jährigen dies ganz und gar nicht, denn er liebte nun einmal süße Speisen, besonders die, die Sebastian fertigte. Mit Perfektion fertigte...
 

Über den Gedanken an die Süßspeisen schüttelte er verärgert den Kopf. Er würde doch nicht etwa über so etwas elementares, das sein Butler einfach können musste, sentimental werden?

Es erschien Ciel beinahe, als würde der Grund, der doch noch merklich dunkler war, wie eine menschliche Pupille zu ihm hinaufsehen. Sein Bild eines Auges war also gerechtfertigt. Doch musste es ihn ausgerechnet an den Dämon erinnern? Musste selbst der Tee ihn daran erinnern, dass er sich fühlte, als habe er irgendetwas falsch gemacht?

Während er sich das Hirn zermarterte, starrte er weiterhin in die Tasse. Wollte ihn dieses Teeauge etwa anklagen? Langsam stieg in dem Jungen Wut hoch, welche seine Wangen noch zusätzlich mit einem roten Schein überzog. Anklagend, ja, so blickte es ihn an. Es sah ihn an, als wolle es sagen:
 

„Ihr wisst, dass Ihr ohne mich nicht schon desöfteren nicht mehr unter den Menschen weilen würdet, junger Herr.“
 

Ziemlich deutlich konnte sich Ciel vorstellen, wie die Stimme Sebastians zu ihm sprach. Mit diesem undurchdringlichen Lächeln auf den Lippen, aus dem man nie ablesen konnte, was der schwarzhaarige Mann gerade dachte. Auch seine Augen ließen keine emotionalen Deutungen zu. Der Dämon war ein Mysterium und der Earl hatte das Gefühl, dass er dieses Mysterium niemals vollständig ergründen könnte. Es war unmöglich, etwas nachzugehen, was man selbst kaum verstand. Wann hatte er angefangen, an Dämonen zu glauben? Es waren doch nur Horrorgeschichten, die man in Büchern las, Spukgeschichten und anderes wurden gerade sehr begehrt, da sich die Menschen nach etwas anderem sehnten, als ihrem langweiligen Alltag. Auch sein Hausmädchen liebte gruselige Sachen, daher war es ihm schon bewusst, dass sich selbst – und vielleicht gerade – die untere Gesellschaftsschicht solchen Vergnügungen hingeben wollte. Ihr Leben war trist und hart. Streute man aber etwas Übernatürliches ein, so wurde alles eher angenehm und erträglich, trotz des grauen Alltags.

Ein Leben in Luxus allerdings brachte ebenfalls eine Einöde mit sich. Verpflichtungen, gesellschaftliche Empfänge...Es waren keine Vergnügungen, die den Jungen begeistern konnten, weshalb er sich von ihnen fernhielt.

Doch was Dämonen anging... Er hatte erst an diese glauben können, als sein verzweifeltes Herz nach einer Hilfe gefleht hatte, die nicht von Gott gesendet werden würde. Menschen hatten die Angewohnheit, dass sie zu allem flehten, wenn sie der Stunde ihres Todes von Angesicht zu Angesicht gegenüberstanden. Selbst die furchtlosesten Menschen, die behaupteten, der Tod wäre nur die Verlängerung des Lebens und sie würden auf eine bessere Seite des Lebens blicken können, ängstigten sich doch und flehten, dass ihre Zeit noch nicht gekommen sein möge. Und selbst, wenn ihr Beten und Flehen an den Teufel ging.

So war es auch mit ihm geschehen. Er wollte Rache nehmen und diese würde ihm der Dämon ermöglichen, der als Butler „getarnt“ in seinem Haushalt weilte, stets an seiner Seite und um das Wohl seines Herrn bemüht. Doch diente dies alles doch nur dem Zweck, dass Sebastian Michaelis, die Seele des Earls an dem Tag, an dem Ciel gerächt werden würde, mit sich in den Schlund der Hölle nahm, jenem sündigen Ort, den jeder Gläubige fürchtete.

Je länger der Junge mit den stahblauen Haaren darüber nachdachte, je mehr hörte er die Worte seines Dieners in seinem Kopf schwirren, wo seine Augen doch immernoch auf der Tasse lagen. Seine Wut auf die Tatsache, dass die Stimme in seinem Kopf ihn darauf aufmerksam machte, wie wertlos er ohne den anderen war, erfasste seinen gesamten Körper und die Oberfläche des Tees kräuselte sich unter dem Zittern der kleinen Hand. Er hatte genug von alle dem.

Ciel sah ein letztes Mal in die Tasse und sah auf sein eigenes, nun gekräuseltes und verzerrtes Spiegelbild. So musste es aussehen, wann immer der Dämon auf ihn hinunterblickte, jedoch würde er ihn nie so zu Gesicht bekommen, wie er jetzt war. Tränen des Zorns rollen über die kindlichen Wangen und das unterschiedliche Augenpaar verengte sich. Mit einem kurzen Aufschrei seiner eigenen Wut nahm er nun die Tasse und schleuderte das Porzellan gegen die gegenüberliegende Wand neben der Tür des Schlafgemachs. Nie wieder würde dieses Auge ihn verhehlen...

Ciel kauerte sich auf seinem Bett zusammen und zog die Decke wieder hoch, ehe er seine Beine mit den schlanken Armen umschlang und weinte. Er wollte nicht schwach und nutzlos sein.

Schwach, nutzlos, hilflos, abhängig...

Doch er hatte keine andere Wahl, sein kindlicher Körper ließ es nicht zu, dass er allein handeln konnte, wie es ihm beliebte. Schon gar nicht in dem jetzigen Zustand. Er weinte sich wieder in den Schlaf, jedoch hielt dieser nicht lange an, da sein Körper nun von einer Hitze erfüllt war, die ihm Schmerzen bereitete.

Der Junge öffnete die Augen und hörte seinem eigenen Atem zu, der schnell ging. Hechelnd beinahe, wie ein Hund im Sommer. Seine Kehle brannte, da sie ausgedörrt war und er auch bisher keine weitere Flüssigkeit zu sich genommen hatte. Er musste ein paar Mal blinzeln, ehe er wirklich erkannte, was seine Umgebung darstellte, dazu diese unglaubliche Hitze...

Seine Glieder fühlten sich an, als seien jegliche Knochen aus ihnen entfernt und sein Blut gegen eine glühende Flüssigkeit ausgetauscht worden, die nun unabdinglich durch seinen Körper floss. Er wollte die Decke beiseite schieben, doch es kostete ihn viel Kraft, allein seinen Armen zu befehlen, dass sie sich heben sollten. Schweißperlen hatten sich auf seiner Stin und Oberlippe gebildet, welche nun nach und nach hinunterflossen. Die rosafarbene Zunge Ciels nahm eine Schweißtropfen auf, doch es schien ihn zu ekeln. Ein salziger Geschmack breitete sich auf seiner Zunge aus und dies war es, was er nur im Essen duldete. Wieder und wieder blinzelte der junge Earl, doch seine Augen brannten bei jedem Mal, sodass er gezwungen war, sie jedes Mal auch erneut zu öffnen. Konnte er nicht einfach weiterschlafen?

Sein Körper signalisierte ihm doch schon, dass er zu kraftlos war, um etwas anderes zu tun, doch warum sollte er diesem Wunsch nun nicht einmal nachgehen können? Kühl rann ihm der Schweiß nun an den Seiten seines Halses hinunter und landete in seinen stahlblauen Haaren, die ebenfalls schon durchgeschwitzt und somit nass waren. Es war ein unangenehmes Gefühl, welches ihn nun zusätzlich wach hielt. Was sollte er tun?

Ciel murmelte einige unverständliche Worte, fühlte er sich doch, als würde er erneut ins Delirium abgleiten und vernahm seine eigene Stimme nicht so, wie es üblicherweise der Fall war. Sie klang ihm eigenartig fremd und weitab von allem.

Warum nur hatte ihn das Fieber eingeholt? Er hatte sich doch nur etwas verkühlt. Es war kein Geheimnis, dass seine Konstitution anfällig war, litt er doch seit Kindesbeinen an der Krankheit seiner Mutter, dem Asthma. Doch dass sich ein zu kalter Windhauch so auf ihn niederschlagen würde? Daran hatte er nicht einmal denken mögen. Früher als kleines Kind hatte er selbst im Winter mit Lizzy draußen gespielt, sie hatten im Schnee herumgetollt, als sie zu Besuch war. Alles war mit Schnee bedeckt, der wie Puderzucker auf dem Anwesen, dem Garten und dem Wald lag. Es wirkte wie eine Märchenlandschaft und mitten drin spielten er und das Mädchen mit den goldblonden Haaren. Seine Eltern hatten den kleinen Ciel nach dem Toben meistens in die warme Badewanne gesteckt, damit er sich wieder aufwärmen konnte. Er konnte sich noch gut an den Duft der Badeöle erinnern, an den Schaum, mit dem er oft in der viel zu großen Wanne gespielt hatte.

Bilder aus den früheren Tagen flossen nun vor seinen Augen vorbei, glücklichere Tage, als jene, die er nun elternlos durchleben musste... Leicht lächelte er über dies und bemerkte dabei nicht, wie er dabei desöfteren heiser und mit gebrochener Stimme nach seinen Eltern rief.

Doch die Traumbilder verzerrten sich und zurück blieben Bilder, die zeigten, wie das von Puderschnee bedeckte Anwesen zu brennen begann, als hatte man eine Kerze unbeaufsichtigt in einem Lebkuchenhäuschen stehen lassen. Von innen brannte es aus, die Fenster schmolzen und bald fiel der gesamte Bau verkohlt ineinander zusammen. Mittendrinnen befand sich der kleine Junge, der zusehen musste, wie sein Vater von den Flammen eingehüllt war. Er rief nach ihm, doch die Person auf dem Stuhl regte sich nicht. Züngelnde Flammen versperrten ihm den Weg zu seinem Vater...

Erneut zuckte der verschwitzte Körper zusammen. Nun kam es ihm selbst vor, als würde er innerlich verbrennen. Er musste etwas dagegen tun. Mit aller Kraft setzte sich Ciel nun im Bett auf, spürte, wie das Nachthemd kalt an seinem Rücken und an seinen Armen klebte. Das Gefühl ließ ihn erschaudern und unter einem Ächzen schob er die Decke nun beiseite. Er hätte sich besser nicht aufsetzen sollen, denn nun drehte sich seine Umgebung und schwankte, wie bei einem schaukelnden Schiff auf stürmischer See. Es ließ eine Übelkeit in ihm aufkommen, doch hinlegen wollte er sich nun nicht mehr. Der Earl verharrte einen Moment so, wartete darauf, dass das Gefühl abklingen möge, doch vergebens. Die Augen dabei zu schließen war eine ebenso schlechte Idee gewesen, denn als er sich wieder öffnete, übermannte ihn die Übelkeit noch stärker als zuvor. Er würgte und hob seine Hand zum Mund, doch dabei blieb es auch. Kein Mageninhalt stieg seine Speiseröhre hinauf. Ciel ließ seine Augen nun geöffnet, hoffte er doch, dass das Schwanken somit endlich ein Ende hätte, aber es half nichts. Dennoch konnte er nicht einfach hier sitzen bleiben. Nach und nach schwang er seine Beine nun über das Bett. Er brauchte etwas.

Wasser.

Natürlich hätte er nun Sebastian rufen können, doch er wollte es nicht. Er wollte sich nicht nur auf seinen Butler verlassen, der alles für ihn tun würde. Nein, er wollte es nicht.

Als seine Beine nun über der Bettkante lagen, versuchte er sich mit den Armen aufzustützen, damit er festen Stand unter den Füßen bekam, doch dies war schwieriger als gedacht. Der kränkelnde Körper schwankte nun und setzte sich dann sogleich wieder. So wurde es nichts. Wieder und wieder schüttelte der den Kopf, als würde er so ebenfalls den Schwindel abschütteln können, aber dies war vergebens. Abermals stützte er sich auf und hielt sich an dem Bettpfosten fest. Er stand. Zwar wackelten seine Beine und zitterten, aber er hatte sich vom Bett erhoben. Starr blickte er auf seine Füße hinunter, einige blaue Strähnen seines Haares hingen ihm feucht im Gesicht und klebten dementsprechend an diesem fest. Würde er es allein zum Bad schaffen, um dort seiner trockenen Kehle etwas Wasser geben zu können? Ciel tätigte einige Schritte, wobei diese eher ein Schlurfen seiner Füße auf dem Boden waren. Zu unsicher war sein Gang, als dass er ohne die Hilfe einer Halterung gehen konnte, noch dazu schmerzten seine Glieder bei jeder Bewegung und sein Kopf war nicht klar. Der Fußboden schien sich zu drehen und er kam sich vor, als stünde er auf einer Drehscheibe. Musste sich so Trunkenheit anfühlen? Wenn dem so war, so konnte er nicht nachvollziehen, dass es einige Menschen gab, die ihre Verzweiflung in Spelunken im Alkohol ertränken konnten. Erneut ging er einige Schritte, fühlte sich nun sicherer auf den Beinen, jedoch strafte ihn dieses Gefühl Lügen, als er strauchelte und zu Boden fiel. Seine Knie waren ihm weggesackt und nun lag er auf dem Boden, die Knie eingeknickt und seine Brust gen Teppich gerichtet. Seine Händen konnten sich gerade noch abstützen, um ihn davor zu bewahren, dass nicht auch sein Gesicht auf dem Fußboden aufschlug. Er war ein Narr. Ein hilfloser Narr. Leicht hob er den Kopf an und blickte gen Tür. Dort, neben dem Türrahmen lagen die Scherben der zerbrochenen Tasse, die er gegen die Wand geschleudert hatte. Unter den weißen Scherben hatte sich ein rotbrauner Fleck gebildet; der Teppich hatte den Tee nun für sich beansprucht und ihn aufgesogen. Hätte er ihn doch besser getrunken...

Erneut wurde Ciel wütend, jedoch war er wütend auf sich selbst. Warum konnte er dem Dämon nicht einfach vertrauen? Warum tat er nicht einfach, was dieser ihm sagte? Er kam sich lächerlich vor, so, wie er jetzt hier auf allen Vieren auf dem Boden lag. Lächerlich. Wie ein Wurm, der nun nicht einmal vorwärts kriechen konnte. Was würde Sebastian wohl denken, wenn er ihn hier sah, noch dazu, dass er die Tasse zerschlagen hatte, die doch nur mit etwas gefüllt gewesen war, was ihm helfen sollte, wieder auf die Beine zu kommen? Jetzt hatten ihn selbst seine Beine im Stich gelassen. Die Wut ließ seinen Kopf aber nun noch mehr drehen und seine Sicht verschwimmen, langsam schlich sich ein lähmendes Gefühl durch seinen Körper und egal, wie oft er versuchte, sich aufzurichten, seine Ellbogen gaben nach und ließen ihn hier liegen. Auch seine Sinne wurden von dieser Lähmung erfasst und seine Augen wurden schwer. Er drohte das Bewusstsein zu verlieren. Hatte die Hitze seines Körpers ihm so zugesetzt? Die Augenlider fielen nun langsam zu, diese Müdigkeit war nichts, wogegen man hätte ankämpfen können, auch wenn er es erbittert versuchte. Die Dunkelheit nahm ihn nun gefangen und er legte seinen Kopf auf den Boden, ehe noch ein letztes Wort über seine Lippen kam, bevor er sich in diesen dunklen Schlund fallen ließ.

„Se..bastian....“

Gewissenhaft hatte sich der Dämon zurück auf den Flur und somit auch in Richtung der Küche begeben. Dass seine Anwesenheit momentan nicht erwünscht war, hatte sein Master ihm nur allzu deutlich gemacht. Nein, es lag nicht allein in der Ohrfeige, die er ihm gegeben hatte. Es war tiefgehender.

Der Vertrag zwischen einer Kreatur der Hölle und einem Menschen bestand aus zweierlei Dingen. Zum einen waren es die Bedingungen, die der Mensch an den herbeigerufenen Teufel hatte. Zum anderen jedoch war es der Auftrag des Jeweiligen Dämons, dafür zur sorgen, dass die Seele, deren Besitzer er mehr oder weniger bereits war, nach seinen Wünschen geformt und somit nur allzu delikat werden würde. Die Ohrfeige, die Ciel ihm gegeben hatte, war nur die überhitzte Reaktion dessen gewesen, dass sein Herr sich nicht eingestehen wollte, irgendwann seinen eigenen Teil einzulösen. Dass er diesem Menschenähnlichen selbst etwas zurückzahlen musste, so gern er seine Dienste auch in Anspruch nahm.

Ein bitteres, schmales Lächeln lag auf Sebastians Zügen, während er die Küchentür zufallen ließ um sich um den Abwasch zu kümmern, der sonst Maylene anheimfallen sollte.
 

Doch halt.
 

Wie einen Blitz durchzuckte ihn der ihm gegebene Name. Zu gut erinnerte er sich noch an jenen Tag, als der damals 10-jährige seine kleine schmutzige Hand nach dem Frackschoß ausgestreckt hatte und beherzt zugriff. Einige Dinge waren im Dunkel geblieben, selbst dann noch, nachdem die eisernen Stäbe den Jungen nicht mehr gefangen hielten. Sein Name. Die Kinderstimme hallte abermals durch seinen Kopf, jene Stimme die fragte, wie er eigentlich hieße. Doch es war gefährlich, wenn ein Wesen der Hölle seinen eigentlichen Namen preisgab. Menschen, die seinen Namen kannten, würden ihn jederzeit beschwören und für ihre Zwecke missbrauchen können. Daher war es die einfachste Möglichkeit, seinen neuen Herrn darüber entscheiden zu lassen. Und er hatte sich entschieden.

Sebastian.

Der Name des Hundes der Familie, den der Butler lediglich von einem alten, verwitterten Foto kannte – und das, obwohl er Hunden nicht gerade zugetan war. Nein, er hasste sie und doch trug er den Namen eines solchen Tieres. Welch Ironie.

Jener war es, den er nun vernahm und die dazu gehörige Stimme war ihm wohl bekannt. Seit diesem Morgen deutlich schwächer als sonst und selbst nun war sie nur ein leises Rauschen einer Quelle, die noch fernab zu sein schien. Allerdings reichte es aus, um den Bediensteten in Schwarz dazu anzuhalten, den Weg, den er gekommen war, noch einmal zurückzugehen.

Ein kurzes Lauschen hatte dies zur Folge, als er an der Tür stand. Ciel würde doch nicht etwa mit einer Spielerei auf ihn warten? Nicht allzu selten kam es vor, dass er hinter der Tür eine Überraschung erlebte und selbst im Moment der Schwäche war sein Master für einige Überraschungen gut. Vorallem, wenn es sich um Papierflieger oder Dartpfeile handelte.

Doch nun war alles still, wie die Ruhe vor dem Sturm. Die weißbehandschuhte Hand hob sich und deutlich klopfte Sebastian an die Tür. Keine Reaktion. War es vielleicht doch ein Spiel? Nein, dazu war die Stimme zu dünn, zu heiser gewesen.

„Junger Herr, ich trete ein.“, kündigte sich der Schwarzhaarige an, drehte den goldenen Knauf und öffnete die Tür.
 

Das erste, was ihm auffiel, war, dass es unter den Sohlen seiner Schuhe unangenehm knirschte. Der aufmerksame Blick des roten Augenpaars richtete sich zunächst gen Boden, wo er Porzellanscherben bemerkte, nachdem er zur Seite getreten war. Noch immer zu Boden blickend, wollte die samtene Stimme einen Tadel anordnen, doch das Weiß in seinem Augenwinkel machte ihn auf etwas anderes aufmerksam.

Ciel, der kraftlos auf dem Boden lag und hechelte. Ins Delirium war der Jugendliche gefallen, sein Körper zuckte unkontrolliert zusammen, ganz so, als würde er krampfen.

Sebastians Augen weiteten sich, ehe er schnellstmöglich zu seinem Herrn herbeistürzte und sich neben ihn kniete. Einiges war der Butler des Hauses bereits gewöhnt. Der erste Asthmaanfall des Jüngeren hatte ihn bereits überfordert, war er damals doch noch bei Weitem nicht so belesen wie heute.

Es war ein Missstand, dass der junge Mann auf dem Boden verweilte. Sebastian erinnerte sich an die Worte, die Ciel oftmals hatte fallen lassen, sofern der Diener sich selbst unangemessenerweise niedergelegt hatte. Sei es nun, nachdem er niedergeschossen wurde oder aber sich wie abgesprochen tot zu stellen hatte. Grimmig wurde sein Schmunzeln nun, doch die Worte blieben ihm dieses eine Mal im Halse stecken. Er war dafür verantwortlich, dass der junge Earl lebte, so lange, wie der Vertrag nicht erfüllt war. Und das war er bei Weitem noch nicht.

Als würde der Leib des 12-jährigen nicht mehr wiegen als eine Feder, las Sebastian diesen vom Teppich des Zimmers auf und trug ihn zurück zu seinem Bett, von der er vermutlich gefallen war.

Es war nur die allumfassende, klebrige Schwärze, die sich im Kopf des Adligen breit gemacht hatte. Zäh war sie und sog den Jungen in ihren hitzigen Schlund, als würden schwarze Arme nach ihm greifen. Doch jede Berührung, die von diesen ausging, fühlte sich an wie glühende Eisen und der jugendliche Körper wandte sich unter ihnen. In welche Art der Folter war er da nur hineingeraten? Sehen konnte er nichts, hatte man ihm also auch sein letztes Augenlicht genommen? Panisch versuchte er um sich zu schlagen, es konnte keine Unendlichkeit geben, auch nicht jene des Raumes, sodass Ciel jeden Augenblick damit rechnete, seine Gliedmaßen irgendwo anzustoßen, doch unter ihm tat sich ein erneuter Sog auf und ergriff zunächst seine Beine. Aber Moment -

Keine Hitze mehr?

Einige Minuten vergingen, in denen der Diener für ein frisches Nachthemd und eine Schüssel mit kaltem Wasser, sowie einem weichen Tuch gesorgt hatte. Vorgehend wie bei einem rohen Ei hatte Sebastian die verschwitzte Haut aus dem nassen Nachthemd gepellt und dieses erst einmal dem Bettpfosten übergeben. Bei jeder einzelnen Berührung war der schmale Körper zusammengezuckt, als würden ihn tausend Nadeln stechen, sodass es ein unangenehmer Anblick gewesen war. Am Bettende stehend verbannte der Butler die Decke gänzlich aus der Nähe des erhitzten Körpers und machte sich daran, die kaum nennenswerten, schlanken Waden in kalte Umschläge zu hüllen. Und dies bereits zum zweiten Mal.

Ciel schlug aufgrund der Temperaturänderung seine Augen auf. Sehen konnte er noch immer nichts, zumindest nicht auf dem Auge, welches ihm nun dienen sollte: das rechte. Nicht mehr daran denkend, dass in diesem das Vertragszeichen prankte, schlug und zappelte der junge Mann abermals im Bett, öffnete das zweite, leicht verklebte Auge nun und sah eine schwarze Gestalt in seiner Nähe. Hatte er die widerlichen Finger, die sich nach ihm ausstreckten noch immer nicht hinter sich gelassen? Manifestierten diese sich nun anderweitig? In dem Glauben, noch immer in der Schwärze des Fiebertraumes gefangen zu sein, schrie Ciel laut auf und saß mit der letzten Kraft und Gegenwehr, die er aufbringen konnte, plötzlich im Bett.

„Aaaah, nein! Fass mich nicht an!“ Die Augen fest zusammengekniffen wehrte er sich gegen die Hände, die nach ihm griffen. Dieses Szenario war ihm noch immer allzu bekannt. Schmutzige Hände, das Brandmal, der Käfig, Gelächter und Schreie – Schreie derer, die die Qualen nicht überstanden. Dazu gebrochene Augen der Kinder.

Sebastian, beinahe sogar erschreckt über das Gebahren seines Herrn, als dieser mit einem Mal im Bett saß, trat an die Seite und ergriff ihn bei den Schultern, wobei erneut die kindlichen Hände in sein Gesicht schlugen.

Sich noch immer wehrend fand Ciel plötzlich Halt in etwas Weichem und grub so fest es ging seine Fingernägel in jene Masse, von der er glaubte, dass sie ihn festhielt. Die Realität hinterließ jedoch sichelförmige, blutige Spuren auf der Wange des Älteren, der versuchte, ihn zu beschwichtigen.

„Junger Herr, kommt zur Ruhe. Ich bin es...Euer Butler. Sebastian.“

Doch der Junge ließ nicht mit sich reden, schlug weiterhin um sich und auch, wenn er sein Ziel verfehlte, so versuchte er es weiterhin, immer in der Hoffnung, sich dieses Mal allein durchsetzen zu können. Nur dieses eine Mal wollte er nicht abhängig sein, nicht abhängig von -

„Se..bas...tian?“

Leise entwichen die Silben aus der Kehle des Jüngeren, beinahe zu schwach, um überhaupt von einem menschlichen Gehör vernommen zu werden. Dennoch hatte es den Effekt, dass der Adlige aufhörte zu wüten. Wütender sollte er eigentlich sein! Noch wütender, als er es vorher war. Doch es ging nicht. Ganz so, als seien nun all seine Kraftreserven aufgebraucht, ließ er sich zurückfallen, erwartete einen dunklen Schlund, der ihn verschlingen würde. Vieles wollte er dem anderen sagen. Auch wenn es sein Stolz normalerweise nicht zuließ, so zog er nun in Erwägung, sich bei der unheiligen Kreatur zu entschuldigen.

„Es....es...“

Mit geschlossenen Augen versuchte Ciel, sich darauf zu konzentrieren, was sein Mund nun machen sollte, doch es ging nicht. Dieses Mal spülte ihn zwar eine dunkle, doch auf eine Art angenehme Woge hinfort und Sebastian, der sein Nötigstes getan hatte, kapitulierte und trat einen Schritt zurück, überließ seinen entkräfteten Master dem Schlaf und sorgte dafür, dass das Fieber nicht weiter anstieg.
 

Es war bereits früher Nachmittag, als Sebastian ein weiteres Mal versuchte, seinem jungen Herrn einen Tee, ein Glas Wasser und eine Brühe zu bringen. Bardroy hatte dafür gesorgt, dass sein erster Versuch der Brühe letztlich soweit verdunstet war, dass plötzlich wieder verschiedenste Gemüsesorten zum Vorschein kamen und den Topf gänzlich ruinierten. Glücklicherweise hatte er davon abgesehen, einen Flammenwerfer zu benutzen, um den Prozess noch ein wenig zu beschleunigen und dabei im Großen und Ganzen die Küche in ein Meer aus Feuer und hilflosen Schreien von Maylene zu verwandeln.

Damit rechnend, dass Ciel noch immer schliefe, öffnete Sebastian die Tür und brachte ein weiteres Tablett hinein. Die Umschlage waren erfolgreich gewesen, das Fieber hatte sich gesenkt und nun lag die kleine Gestalt noch immer im Bett, hatte ein weißes Tuch auf der Stirn und atmete mittlerweile ruhig und gleichmäßig. Was hatte damaliger Mr. Wordsmith noch über den kleinen Jungen gesagt? Dass er süß sei? Ja, wahrlich, das war er, jedoch nur, wenn er tief und fest schlief. Diese Erkenntnis wurde ihm noch deutlicher vor Augen geführt, wenn man bedachte, wie aufgebracht Ciel zuvor gewesen war.

Der Schwarzhaarige trat näher an das Bett heran, wollte nach dem feuchten Tuch greifen, als ein Arm plötzlich hervorschnellte und sein Handgelenk ergriff. Die roten Augen richteten sich sofort auf die kleinen, schmalen Finger, die sich nun in den Ärmel seines Fracks drückten.

„Du bist es...“, war der einzige, relativ nüchterne Kommentar, den das Oberhaupt der Familie Phantomhive nun von sich gab und die Hand wieder sinken ließ. Räuspern musste er sich daraufhin, da seine Stimme ihm noch immer nicht ganz gehorchen wollte, doch die dunkel verkrusteten Male an des Dämons Wange warfen einige fragen auf, mit denen er sich nun nicht zu befassen wagte.

„Ich wollte lediglich das Tuch wechseln, junger Herr.“, rechtfertigte sich Sebastian letztlich und bemerkte, dass Ciel seine Augen nun aufgeschlagen hatte. Ein Frevel war es, dass er seine Augenklappe nicht trug, doch zu diesem Gemach hatte nur der Butler freie Einkehr und letztlich sogar den einzigen Schlüssel.

„Dann walte deines Amtes.“, erwiderte der Jugendliche kurz angebunden und kniff die Augen zusammen, als mit einem Mal wieder etwas Kaltes auf seiner Stirn Platz fand.

„Sebastian?“

„Was gibt es, my Lord?

„Ich....-“ Der junge Phantomhive brach ab. Was sollte er seinem Butler nun eigentlich sagen? Sollte er sich rechtfertigen, rechtfertigen dafür, dass er krank war? Niemals! Das war schließlich nicht seine Schuld. Beschämt wandte er seinen Kopf ab und ein Tropfen kalten Wassers rann seine Schläfe hinab, versiegte letztlich im Nacken, wo bereits sein Haar schweißfeucht klebte.

„Ich meine....du....“

Wieder wollten die Worte seinen Mund nicht verlassen, doch das nächste, was er spürte, war erneut der weiche Stoff der Handschuhe seines Dieners. Dieser hatte ihm nun einen Finger an die Lippen gelegt, welche sofort zu kribbeln begannen. Wahrscheinlich war es das Fieber, dass sie so empfindlich gemacht hatte, denn sein Mund fühlte sich ebenfalls gespannt an, wie die Haut einer überreifen Frucht, zudem im Innern trocken, als beherberge er eine ganze Wüste.

„Ich habe Euch unter Kühlung gehalten, bis sich Euer Körper selbständig temperiert hat. Noch immer seid Ihr fiebrig, daher ruht Euch aus. Für den restlichen Tag erwarten Euch keine Termine mehr.“

Sanft floss die samtene, dunkle Stimme des Dieners in seinen Gehörgang, lullte ihn geradezu erneut ein, doch er wollte nicht schlafen.

„Sebastian...-“

„Shh...“, wandte der Angesprochene dann zischend ein, wusste er zwar, dass er seinem Master nicht den Mund zu verbieten hatte, doch dieses Mal war es mehr als angebracht. Ihm galt weder Dank noch Entschuldigungen.

„Als Butler des Hauses Phantomhive ist es nur selbstverständlich, dass ich für das Wohlergehen meines jungen Herrn Sorge trage."
 

Selbst, wenn Ihr dies nicht immer als solches zu schätzen wisst...
 

ENDE



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Kommentare zu dieser Fanfic (14)
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Von:  Fangiirl
2013-03-17T16:35:44+00:00 17.03.2013 17:35
Amazin *.*
Ich liebe diese Fanfic... Und dein Schreibstil, ich LIEBE ihn ^.^ (Kann ich ihn heiraten?)
Es gibt wirklich nicht sehr viel auszusetzen... :D
Ciel ist mein Lieblingscharakter und deswegen (Ja, ich bin bekennde Sadistin XDD Zumindest bei meinen Lieblingscharakteren) mag ich es, wenn er leidet!
Nyan~
Fangiirl

Von:  Ayase
2010-08-05T21:21:57+00:00 05.08.2010 23:21
woooow...
*erzitter*
dein Schreibstil ist wirklcih wunderbar!!!
Und so niedlich, wie du Ciel beschreibst!
Von:  Eissee
2010-07-30T23:57:08+00:00 31.07.2010 01:57
Oh..Oh...oh mein Gott O_o !!
Er hat doch hoffentlich nur ne Grippe und nichts schlimmeres :O
Nun gut, Grippen sind mitunter auch tödlich, aber das hoffe ich doch mal nicht :D
Hui aber sehr gut beschrieben diesen desolaten Zustand, der arme Ciel muss ja völlig fertig sein..
Nun, ich bin gespannt was nun passiert! ^^

LG
Von:  Schpain
2010-07-09T18:13:20+00:00 09.07.2010 20:13
Ich kann nur zustimmen, diese FF ist wirklich Klasse....
Das ist die erste Kuroshisuji-FF die ich lese und die Story kenne ich fast nicht und dennoch habe ich bisher alles verstanden *Daumen hoch*
*Favo*
Es geht doch hoffentlich bald weiter, ja, ja? *Hundeblick*
Von: abgemeldet
2010-06-18T12:10:10+00:00 18.06.2010 14:10
Die FF ist total toll!
Dein Schreibstil ist wirklich bewundernswert und ich hoffe du schreibst ganz schnell weiter.
Ich muss littlepinkunicorn (^^ cooler name) zustimmen, es war am anfang wirklich eigenartig, dass Ciel und Sebastian auf Deutsch reden xD Ich hatte mich schon total an das japanische gewöhnt und ich lese auch zum ersten mal eine Kuroshisuji-FF.
Gleich mal auf favo-liste =3

glg,
alice
Von: abgemeldet
2010-06-18T08:23:13+00:00 18.06.2010 10:23
Also was soll ich sagen.
Ich liebe deinen Schreibstil, aber das du weißt.
Man kann sich total in Ciel reinversetzen. als wäre man dabei, genau neben ihm und würde ihm zusehen wa er tut, hören was er denkt.
Und wieder mal passt es. Ciels Gedanken und dann sein Tun.
Und das Sebastian mal nicht vor kam passte, wird er doch im nächsten kapitel bestimmt auftauchen.
Ich freue mich darauf, wenns weiter geht und wie die Geschichte noch seinen Lauf nehmen wird<3
Von:  littlpinkunicorn
2010-06-17T11:32:39+00:00 17.06.2010 13:32
nyu, nochmal danke für die ENS ^_^

ein sehr gutes Kapitel, auch wenn ich Sebastian ein bisschen vermisse, aber ich nehme mal an, er wird im nächsten Kapitel wieder auftauchen ^^ jemand muss ja den armen kleinen Ciel finden ;)
Ciel ist dir in diesem Kapitel gut gelungen, besonders zum Ende hin, aber auch während er im Bett liegt und weint. Man kann sich gut vorstellen, dass Ciel nur im Fieber und wenn er absolut unbeobachtet ist sein kindliches, verletztes Ich zeigt. Seine Gedanken fand ich auch gut, besonders, dass sie so wirr waren.
Ou, und das "Teeauge" fand ich super XDDD

Aber ich hab zwei Stellen gefunden, an denen ich die Formulierungen ein wenig komisch fand:

"und sein Kopf schien anstelle dessen, sich langsam abzukühlen, nur noch heißer zu werden" müsste es nicht "anstatt" heißen?

"daher war es ihm schon bewusst, dass sich selbst" und hier fehlt ein "er", oder?

ich freu mich schon auf nächste Kapitel, bis dann~ ^_^
Von:  littlpinkunicorn
2010-05-14T10:16:01+00:00 14.05.2010 12:16
ich mag deine FF total (obwohl ich gestehen muss, am Anfang fand ichs n bisschen komisch...Ciel und Sebastian...reden auf deutsch miteinander O.O xD)
ist das erste mal, dass ich eine Kuroshitsuji-FF lese und ich bin wirklich begeistert ^_^
der Schreibstil ist auch passend und ich muss mich den anderen Kommi-Schreibern anschließen, Ciel und Sebastian kommen wirklich gut rüber und wirken gar nicht OOC
würd mich über ne ENS freuen, wenn das neue Kapitel on ist =D
Von: abgemeldet
2010-05-06T18:34:28+00:00 06.05.2010 20:34
du schaffst es das man sich in beide charakter total reinversetzen kann, sowohl in sebastian als auch in Ciel. und ich bin gefesselt von deinem Schreibstil der mich mit reißt.

Von:  kuschelmietz
2010-05-06T18:04:41+00:00 06.05.2010 20:04
danke fürs bescheid geben.
langsam wird das ganze echt spannend. und ich finde auch das die handlungen ciels total typisch für ihn sind. gut geschreiben.^^

lg
mietze


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