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Was wäre wenn

... der Kampf im Tal des Endes anders ausgegangen wäre? (eine Partner-FF von -NikaEvelina- und mir)
von

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Regen

Das Rauschen des Wasserfalls war mit einem Mal verstummt, ebenso wie der Rest der Welt um ihn herum. Das Grün der Bäume, das Blau von Wasser und Himmel war verschluckt worden von dem grellen, weißen Licht, das mit einem Mal seine gesamte Weltsicht ausgemacht hatte.

Da war nichts mehr gewesen, nichts als dieser unendlich scheinende Moment, als die beiden Attacken aufeinander prallten und versuchten einander gegenseitig zu übertrumpfen, aufzusaugen, zu vernichten, irgendwas.

Doch paradoxerweise war das nicht geschehen. Stattdessen hatten sie diese seltsame Energiekugel gebildet, die Sasuke und ihn von der Außenwelt abschnitt und in einer Leere, einem Vakuum gefangen hielt, dass sie beide nicht verstehen konnten oder wollten.

Dieser wertvolle Moment der Ruhe war das letzte, woran er sich erinnern konnte, vielleicht das letzte, was er von seinem Freund jemals sehen würde.

Naruto konnte sich denken, dass er kurz darauf ohnmächtig geworden war, denn auf den einzigen Gedanken, den er in diesem Augenblick gehabt hatte – „Warum konnten wir keine Freunde sein?“ – folgte nichts mehr. Das nächste, was er bewusst wahrgenommen hatte, war die Kälte unter ihm und die nassen Tropfen auf seinem Gesicht.

Er rührte sich nicht, weigerte sich die Augen zu öffnen, aus Angst vor dem, was er finden würde. Er hatte versagt, er hatte Sasuke nicht aufhalten können, hatte ihm nicht klarmachen können, was für einen Fehler er gerade beging.

Vage erinnerte er sich an diese unglaubliche, unbändige Wut, die ihn ausgefüllt hatte und irgendwo in seinem Unterbewusstsein war er auch in der Lage zu verstehen, was passiert war. Warum seine Wunden geheilt waren, woher er auf einmal diese Kraft gehabt hatte und doch… selbst das vermochte ihn jetzt nicht mehr zu erschrecken. Auch die Macht des Dämons hatte nicht ausgereicht, um ihn zu stoppen.

Naruto zuckte leicht, als ein Schauder durch seinen Körper huschte. Ihm war kalt. Der harte, raue Stein unter ihm fühlte sich selbst für seine tauben, reglosen Finger kalt und tot an. Er fühlte sich, als wäre er nicht nur einmal, sondern unzählige Male von einem wilden Tier in die Mangel genommen worden und auch wenn er wusste, dass sein Körper kaum noch physische Wunden aufwies, so änderte das nichts an dem Schmerz, der ihnen folgte.

Das Dämonenchakra war nicht für Menschen gedacht und seine Muskeln und Sehnen protestierten nun im Nachhinein heftig unter der Belastung, die er ihnen zugemutet hatte. Selbst das Atmen war unangenehm, die Luft feucht und kühl wie alles andere auch. Immer mehr Regentropfen fielen auf sein Gesicht.

Er war sich nicht sicher, ob er das angenehm oder störend fand. Sie hatten etwas Beruhigendes, Regelmäßiges an sich. Wie lauter kleine Tierchen, die über sein Gesicht huschten und ihm zeigten, wie lebendig sie waren. Wie eine Dusche, die den Schmutz und Schmerz von ihm abwusch, damit er sich besser fühlte. Oder wie die sachten Berührungen einer Hand, die ihn beruhigen wollten.

Auf der anderen Seite aber war auch dieses Wasser kalt und es erinnerte ihn an Tränen, die er sicher vergossen hatte und die sicher noch vergossen werden würden. Tränen des Schmerzes, der Trauer, der Hoffnungslosigkeit und Resignation.

Dieser seltsame Regen…

Narutos Lippen entwich ein Seufzer und unendlich langsam öffnete er nun doch die Augen. So gerne er auch in der Bewusstlosigkeit geblieben wäre – war sie doch ein zuverlässiges Mittel alles andere zu vergessen und auszublenden – so wusste er doch, dass es langsam keinen Sinn mehr hatte sich selbst etwas vorzumachen.

Blinzelnd blickte er hinauf in den grauen, düsteren Himmel. Eine einheitlich dunkle Fläche, in der man nicht einmal mehr die einzelnen Wolken erkennen konnte. Wie passend, entsprach das Wetter doch genau dem, was er gerade empfand: Leere.

Wie viel Zeit wohl vergangen war, seit er ohnmächtig geworden war? Minuten? Stunden? Tage? Er konnte es nicht sagen, aber viel dringlicher war auch die Frage, wie weit war Sasuke gekommen?

Hatte es noch einen Sinn ihm hinterher zu eilen?

Mit einiger Mühe gelang es Naruto den Kopf zumindest leicht zu drehen – wie konnten Bewegungen nur so unendlich schwer sein? – und er erstarrte.

Mit weit aufgerissenen Augen konnte er nichts tun als auf den zweiten, reglosen Körper zu starren, der direkt neben ihm lag.

Er sah genauso mitgenommen aus, wie Naruto sich fühlte, die blasse Haut war nicht länger makellos, sondern von unzähligen Schnitten und Kratzern verunziert. Hier und da zogen sich noch einige rötliche Blutfäden durch das Regenwasser und verschmierten nicht nur sein Gesicht.

Die Kleidung war so zerfetzt, dass es ein halbes Wunder war, dass sie überhaupt noch halbwegs an ihrem Platz saß und auf dem Stirnband, das sich gelöst hatte und neben ihm auf dem Boden lag, prangte ein hässlicher Kratzer genau auf Höhe des Konoha-Zeichens.

Sasukes Kopf war leicht in Narutos Richtung geneigt, die nassen Haare klebten auf Stirn und Augen, aber sie verdeckten den Gesichtsausdruck kaum. Und er war… überraschend friedlich.

Wie alle Menschen hatte Sasuke im Schlaf oder in der Bewusstlosigkeit keine Kontrolle über seine Gesichtsmuskulatur und so entspannte sie sich ohne, dass er das überhaupt wollte. Es sah in seinem sonst so kühlen, ernsten Gesicht fast schon falsch und fremd aus, aber Naruto konnte nicht anders, er lächelte.

Es war noch nicht alles verloren.

„Naruto!“, hörte er eine ihm nur allzu gut bekannte Stimme rufen, aber er brauchte dennoch einige Herzschläge, um die Stimme einer Person zuzuordnen und bis er es geschafft hatte den Kopf in ihre Richtung zu drehen, war eben diese Person längst vor ihm gelandet und in die Hocke gegangen.

„Ka…ka…sen…“, weiter kam er nicht, Kakashi legte ihm sacht eine Hand auf die Schulter. „Schon gut, Naruto, spar dir die Kraft.“, meinte sein Lehrer und auch wenn er sich scheinbar alle Mühe gab ruhig zu bleiben, Naruto hörte eine Spur von Erleichterung, die mit der fast verborgenen Sorge in seinem sichtbaren Auge konkurrierte.

Er spürte, wie Kakashis Blick über ihn hinweghuschte und kurz besorgt an dem großen Loch in seiner Kleidung dicht neben seinem Herzen hängen blieb. Dann wanderte Kakashis Auge zu dem zweiten Jungen neben sich und für einen Moment schien er erschrocken. Naruto konnte sich denken, wie es aussehen musste, aber selbst er nahm das Heben und Senken von Sasukes Brust wahr – er war ganz eindeutig nicht tot.

Narutos Augen wurden immer schwerer, es war beinahe unmöglich sie noch aufzuhalten. Offenbar bemerkte Kakashi das, denn Naruto hörte ihn sagen: „Entspann dich, keine Angst, ich bring euch jetzt beide zurück.“

Trotz aller Müdigkeit brachte Naruto es irgendwie noch fertig glücklich zu nicken, ehe seine Lider endgültig zufielen und er wieder abtrifftete. Kurz bevor er endgültig einschlief meinte er noch zu hören, wie sein Lehrer sagte: „Das hast du gut gemacht, Naruto.“ Es mochte Einbildung gewesen sein, aber so seltsam es auch war, Naruto war glücklich und er konnte es kaum erwarten endlich wieder in Konoha aufzuwachen und Sasuke gehörig was zu erzählen… was bildete der Typ sich eigentlich ein, einfach so wegrennen zu wollen…?

Eine Entscheidung für die Zukunft

Das erste, was Naruto richtig registrierte, war, dass sich sein Körper anfühlte, als wäre er aus Blei. Er konnte kein einziges Glied rühren, selbst die Augenlider nicht. Alles schien eine Tonne zu wiegen. Sein Kopf schien in einem Presslufthammer zu stecken und sein Mund fühlte sich ausgetrocknet an.

Er versuchte sich daran zu erinnern, was mit ihm los war. Sein Hirn arbeitete im Schneckentempo, was dazu führte, dass er erst nach fünf Minuten schnallte, was passiert war. Das Geschehene raste nur so durch seinen Kopf: Sasuke, der Kampf, die Schmerzen als der Fuchs die Kontrolle über seinen Körper übernahm, wie Sasukes Chidori und sein Rasengan aufeinander geprallt waren und dann das grelle Licht.

Mit einem erschrockenen Keuchen riss er die Augen auf und fuhr hoch.

„Sasuke!“

Sich so schnell aufzusetzen war offensichtlich keine sehr gute Idee gewesen. Grelles Licht blendete ihn, alles drehte sich und ihm wurde wahnsinnig schlecht. Sein überstrapazierter Körper protestierte gegen jede Bewegung, die er machte. Ein schmerzvolles Zischen entfuhr ihm.

„Naruto?“

Die Stimme klang verzehrt, aber vertraut. Jemand packte ihn an den Schultern, um ihn zu stützen. Als Naruto leicht den Kopf hob, sah er braune Haare und intelligente braune Augen.

„Shika-“

„Ganz ruhig, Kumpel.“ Die Stimme seines Teamleaders klang beschwörend. „Alles ist in Ordnung.“

Wenn er ihm nur recht geben könnte. Er fühlte sich nämlich ganz und gar nicht in Ordnung. Ehrlich gesagt fühlte er sich richtig scheiße!

„Ich... glaube, ich... muss mich...“, keuchte er.

Gott sei gedankt für Shikamarus klugen Kopf. Der merkte sofort, was los war und stellte ihm gerade noch eine Bettpfanne an den Bettrand, ehe Naruto sich nach links drehte und sich heftig übergab. Obwohl er kaum etwas hatte, was er von sich geben konnte. Das war vielleicht ein mieses Gefühl, Würgekrämpfe zu haben und nicht zu kotzen. Schweiß bildete sich auf seiner Stirn und seinem Rücken.

Als Naruto einigermaßen aufgehört hatte sehr unappetitliche Laute von sich zu geben, hing er nur noch schlapp über der Bettkante. Von Shikamaru kam ein leises Glucksen.

„Ich glaub, ich sage Tsunade, dass sie das Demorol bei dir weglassen kann. Das hat unangenehme Nebenwirkungen.“

„Sehr... witzig.“, keuchte Naruto.

Mühsam zog er sich wieder ins Bett und schaute erschöpft an die Decke. Shikamaru rückte näher an sein Bett.

„Wie geht es dir?“

„Hast du doch gesehen.“

„Abgesehen von der Kotzerei.“

„Ich fühle mich wie durch einen Schlauch gepresst.“

„Kann ich mir vorstellen.“

Naruto leckte sich über die trockenen Lippen und sah sich zum ersten Mal um. Er war in einem Einzelzimmer und ganz offensichtlich im Krankenhaus. Das Fenster war offen und die Sonne stand hoch am Himmel. Sein ganzer Körper schien in Verbände gehüllt zu sein. Er seufzte und setzte sich schwerfällig im Bett auf. Shikamaru sah ihn scharf dabei zu, schien aber zu merken, dass er keine Hilfe wollte. So viel Stolz besaß Naruto nach der Kotzaktion noch. Tief atmete er die frische Luft vom Fenster her ein und sah dann zu Shikamaru.

„Was ist mit den anderen?“

Shikamarus Miene verdüsterte sich ein wenig. „Chouji und Neji haben ordentlich was abbekommen. Beide waren bis vor kurzem noch in Lebensgefahr. Tsunade und Shizune haben beide dem Himmel sei Dank wieder hinbekommen. Kiba hatte eine Anzahl von Verletzungen, aber er ist nicht lebensgefährdet. Und ich selbst habe nur einen gebrochenen Finger.“

Naruto atmete erleichtert aus und lächelte. Dann war jeder heil davon gekommen. Ein Glück. Doch seine Miene wurde entschlossen und ernst als er die Frage stellte, die ihm die ganze Zeit auf der Zunge lag.

„Und Sasuke?“

Shikamaru seufzte genervt, verschränkte die Arme hinter dem Kopf und sah an die Decke. „Der Kerl wird’s überleben. Er liegt in einem Einzelzimmer und wird von ein paar Anbu's bewacht.“

Narutos Finger krallten sich in die Bettdecke. „Kann ich zu ihm?“

„Die einzigen, die zu ihm dürfen, sind Tsunade und Kakashi.“

„Warum nicht ich?“

„Willst du, dass er abermals versucht, dich umzubringen?“

Shikamaru und Naruto fuhren zur Tür herum, in der Narutos Sensei stand.

„Kakashi-sensei!“, rief Naruto erfreut.

Der hob eine Hand. „Yo, wie geht es dir?“

„Prima. Darf ich zu Sasuke?“

„Er hat sich gerade übergeben und kann gerade mal die Arme bewegen.“, warf Shikamaru hilfreich ein. Naruto warf ihn einen Blick zu, der ihn als Verräter abstempelte. Aber Kakashi schien auch so bemerkt zu haben, dass Naruto nicht gut auf den Beinen war. Er schmunzelte nur unter seinem Mundschutz und kam zu ihm ans Bett. Shikamaru stand auf.

„Ich bin dann mal weg, Naruto. Werde schnell wieder gesund.“

„Klar. Danke, Shikamaru.“

Shikamaru gestattete sich ein Grinsen und verschwand aus dem Zimmer. Kaum war er draußen, wand Naruto sich Kakashi zu.

„Warum kann ich nicht zu Sasuke?“

„Es ist auch schön dich zu sehen, Naruto.“

„Kakashi-sensei!“

Kakashi seufzte ergeben und setzte sich zu ihm ans Bett. Sein Blick wurde sehr ernst, wodurch Naruto schlucken musste.

„Ich glaube, dass es wirklich nicht besonders gut wäre, wenn du jetzt bei Sasuke im Zimmer aufkreuzen würdest.“

„Warum nicht?“, fragte Naruto patzig.

„Im Moment ist er nicht zurechnungsfähig.“

„Hä?“

„Er ist wahnsinnig wütend. Als er gemerkt hatte, dass er wieder hier war, wollte er ausbrechen und hat sogar die Anbu's angegriffen. Tsunade musste ihn ans Bett fixieren.“

Naruto klappte der Mund auf. Vor ihm blitze ein Bild auf, wie Sasuke ans Bett gefesselt war und vor sich hinschäumte. Verdammt gruselig. Er schielte zu Kakashi hoch.

„Ähm... hat er mich erwähnt?“

„Er hat gesagt, wenn er dich sehen würde, würde er dich mit seinem Chidori braten, wie ein Hähnchen.“

Naruto kratze sich am Kopf und sah woanders hin. Okay, das war definitiv nicht die Situation in der er seinem Teamkameraden wieder begegnen wollte. Er schluckte abermals.

„Was wird Tsunade jetzt mit ihm machen?“

„Das wird noch entschieden.“, sagte Kakashi. Einen Moment war es still und Naruto fühlte sich elend. Jetzt hatte er seinen Freund wieder zurück nach Konoha gebracht, aber zu welchem Preis? War ihre Freundschaft jetzt für immer zerstört?

Aber ehe er noch weiter in deprimierende Gedanken verfallen konnte, legte Kakashi ihm die Hand auf den Kopf und wuschelte ihm durch das blonde Haar. Er lächelte ihn aufrichtig an.

„Das, was du geleistet hast, war große Klasse, Naruto. Ich bin sehr stolz auf dich.“

Widerwillen zauberte sich sofort ein breites Lächeln auf Narutos Gesicht. Doch bevor er noch was sagen konnte, unterbrach Kakashi ihn. Nur wandte er seine Worte an die Zimmertür.

„Und ich glaube, dass Sakura auch sehr stolz auf dich ist. Nicht wahr, Sakura?“

Die Tür ging auf und Sakura trat ein, einen leichten Rotschimmer im Gesicht. Als sie an Bett kam, konnte Naruto nichts anderes tun, als sie triumphierend anzugrinsen.

„Sakura-chan. Ich habe mein Versprechen gehalten.“

Seine Worte bewirkten, dass sich Tränen in ihren Augen bildeten und sie um seinen Hals fiel. Sofort wurde er so rot wie eine Tomate, auch wenn ihm der Körperkontakt nicht besonders gut tat.

„Danke.“, hauchte Sakura. „Ich danke dir von ganzem Herzen, Naruto.“

Naruto klopfte ihr unbeholfen auf den Rücken und schielte zu Kakashi. Der zwinkerte ihm nur kurz zu und verließ dann das Zimmer. Als die Umarmung ein wenig zu lange andauerte, tippte Naruto Sakura auf die Schulter.

„Sakura-chan, kannst du mich vielleicht Luft holen lassen?“

Sofort ließ sie ihn los und wischte sich eiligst die Tränen aus dem Gesicht. Ein liebevolles Lächeln lag auf ihren Lippen.

„Naruto, ich weiß nicht, wie ich dir danken soll.“

Naruto lachte leicht und legte sich in die Kissen zurück. Auf einmal war er unheimlich müde. Er leckte sich über die trockenen Lippen und schloss halb die Augen.

„Du musst mir nicht danken. Es war ein Versprechen und das habe ich gehalten.“

Sakura nickte und nahm seine Hand. „Wen du was brauchst, dann frag mich nur.“

„Danke... Sakura-chan.“

Kaum hatte er das gesagt, war er auch urplötzlich eingeschlafen.
 

Naruto wusste nicht, wann er das nächste Mal aufwachte. Auf jeden Fall war es dunkel im Zimmer und der Mond schien durch das Fenster. Seufzend drehte er sich auf die Seite, versuchte seine schmerzenden Gelenke zu ignorieren und wieder einzuschlafen.

Aber jetzt wo er schon einmal wach war, konnte er nicht mehr schlafen. Nein, jetzt schoss ihm allerlei durch den Kopf.

Würde er je wieder mit Sasuke befreundet sein können, wenn er ihn jetzt hasste? Würde Sasuke wieder versuchen abzuhauen? Was sollte man dagegen unternehmen? Tsunade konnte ihn nicht wie ein Tier hier in Konoha einsperren. Sasuke hatte gehen wollen, um stärker zu werden. Er hatte gedacht, dass Konoha ihm nichts mehr beibringen konnte und dass es besser wäre zu Orochimaru zu gehen als hier zu versauern.

Nachdenklich kaute er auf seiner Unterlippe. Das alle ließ ihm verdammt noch mal keine Ruhe.

„Kannst du nicht schlafen?“

Naruto zuckte heftig zusammen und starrte zum Fenster. Eine ihm wohlbekannte Gestalt saß dort und blickte in die Sterne.

„Ero-senin?“, fragte er überrascht.

„Hallo, Naruto.“

Jiraiya grinste ihn an.

„Was tust du denn hier?“

„Kann ich nicht mal nach meinem Schüler sehen? Hier haben sich einige Sorgen um dich gemacht.“

„Wieso?“

„Du hast die letzten eineinhalb Tage durchgeschlafen und nicht mal einen Finger gerührt.“

Naruto runzelte die Stirn und schlug die Bettdecke zur Seite. Jetzt konnte er erst recht nicht mehr schlafen. Vorsichtig setzte er sich auf und achtete nicht auf das Schwindelgefühl, das ihn überkam. Zaghaft versuchte er ein paar Schritte und näherte sich dem Fenster. Jiraiya beobachtete alles schweigend und sagte auch nichts weiter, als sich Naruto neben ihm auf das Fensterbrett setzte. Jiraiya lachte leise.

„Tsunade reißt mir den Kopf ab, wenn sie erfährt, dass ich dich nachts besucht habe.“

Naruto grinste und sah in die Sterne. Die Nacht war wunderschön, keine einzige Wolke trübte den Himmel. Obwohl es in seinem Innern wohl wie sieben Tage Regenwetter aussah.

„Worüber denkst du nach?“, fragte Jiraiya, dem das natürlich nicht entgangen war.

Naruto holte tief Luft. „Was wird Tsunade mit Sasuke machen?“

Jiraiya schlug die Beine übereinander und lehnte sich an den Fensterrahmen.

„Das wollte ich eigentlich morgen mit dir besprechen, aber da du schon mal wach bist, kannst du das auch schon jetzt erfahren.“

Sofort war Naruto mehr als hellhörig und lauschte jedem Wort, das Jiraiya sprach. Und mit jedem Wort wurden seine Augen größer und größer.
 

Sasuke konnte sich nicht daran erinnern, wann er das letzte woanders hingesehen hatte als an die Decke dieses verfluchten Krankenhauses. Mittlerweile kannte er jede einzelne Kante, jeden einzelnen Spalt und jede Delle in dieser Decke. Und er hasste sie. Ja, er hasste diese verfluchte Decke, dieses Krankenhaus, dieses Dorf, die Einwohner.

Er hasste alles und jeden!

Weil er sein Ziel nicht erreicht hatte. Er war ausgeflippt, als er im Konoha-Krankenhaus aufgewacht war. Als dann auch noch die Anbu's ins Zimmer gekommen waren und ihn zu dritt festhalten mussten, hatte er das Gefühl gehabt gleich in die Luft zu gehen. Wie konnten die es nur wagen, ihn ans Bett zu fesseln? Wie konnten sie es wagen, ihn hier überhaupt festzuhalten?

Wie hatte Naruto es wagen können, ihn wieder nach hierher zurück zu schleppen?

Er schwor sich: Würde er diesen Vollidioten wieder begegnen, dann war er mehr als nur fällig!

In dem Moment klopfte es an der Tür. Stur den Blick auf die Decke gerichtet, versuchte er das Klackern der Stöckelschuhe auf dem Boden zu ignorieren, die auch noch immer näher an sein Bett kamen.

„Hey, Sasuke.“

Tag, alte Schachtel! Wie viel Botox haben Sie sich heute ins Gesicht spritzen lassen?

Gut, das er das nicht sagte, aber auch egal. Tsunade setzte sich zu ihm ans Bett und sah ihn prüfend an.

„Dir ist klar, dass wir nicht zulassen können, dass du wieder einen Ausbruchsversuch unternimmst, oder?“

Ach nee, echt?

„Bist du immer noch wegen der Fesseln eingeschnappt?“

Nein, sie gefallen mir riesig. Echt, lassen Sie sie ruhig dran.

Tsunade seufzte, so als hätte sie ihn gehört. Doch dann passierte etwas, womit er gar nicht gerechnet hatte. Als er ihre kühlen Finger an seinem Handgelenk spürte, schaute er automatisch nach links. Sie löste seine Fesseln? Schweigend und auch ein wenig überrascht sah er zu, wie sie jedes einzelne Lederband von seinen Gelenken losmachte. Als sie fertig war richtete er sich automatisch auf und knackte mit den Gelenken. Himmel, er kam sich vor wie eingerostet.

„Besser?“, fragte Tsunade.

Er warf ihr einen misstrauischen Blick zu. Sie machte hingegen keinerlei Anstalten noch einmal handgreiflich an ihm zu werden. Das einzige, was sie tat, war ihn anzusehen. Und das gefiel ihm nicht.

„Ich bin hier, weil ich dir ein Angebot machen will, Sasuke. Ein Angebot, wie du stärker werden kannst, ohne, dass du zu Orochimaru gehst.“

Widerwillen entfuhr ihm ein aggressives Zischen. Sie wollte ihm ein Angebot machen? Pah, was konnte sie schon tun? Niemand war so mächtig wie Orochimaru, er hatte dessen Macht am eigenen Leib erfahren. Und sie war so köstlich gewesen. Er hätte es längst geschafft hier auszubrechen, hätten diese Idioten ihn nicht mit Chakrablockern außer Gefecht gesetzt.

„Versprichst du mir zuzuhören?“

Hatte er eine andere Wahl. Schweigen gab ihr die Antwort und sie nickte.

„Ich weiß, dass dich der Verlust deiner Familie schmerzt. Und ob du es glaubst oder nicht, ich kenne es, ein Familienmitglied zu verlieren. Es schmerzt ganz fürchterlich. Ich kann dir diesen Schmerz nicht nehmen. Und wohl auch nicht deine Rachegefühle.“

Sofort wurde er steif wie ein Brett und funkelte sie böse an. Seine Familie ging sie gar nichts an! Wohlgemerkt hatte er dann aber nicht mit ihrer nächsten Ansprache gerechnet.

„Ich sage es direkt vorne weg: Ich mische mich nicht in dein Ziel ein deinen Bruder umzubringen. Ich erlaube es dir sogar. Du kannst deinen Bruder aus freien Stücken suchen gehen.“

Jetzt bekam er große Augen. Bitte was? War die Frau komplett bescheuert? Wo war das Aber?

„Aber eine Bedingung gibt es.“

Wusste ich's doch.

„Du gehst auf eine drei Jahre lange Trainingsreise. Und zwar mit deinem Lehrer Kakashi.“

Jetzt klappte ihm doch der Mund auf. Aber sie überraschte ihn noch weiter.

„Und ihr beiden seid nicht allein. Jiraiya und Naruto werden euch beide begleiten.“

„Was?!?“

Das hatte er jetzt doch laut gesagt. Mit guten Grund. Er sollte mit einer pornolesenden Vogelscheuche, einem perversen alten Sack und einer hyperaktiven Orange drei Jahre lang durch die Gegend stiefeln?

„Sind Sie noch ganz bei Trost?“, zischte er wütend. „Das ist so ziemlich das einzige, was Sie gar nicht von mir verlangen können.“

„Ich kann und ich werde, Sasuke!“, sagte sie, jetzt auf einmal sehr autoritär. „Und das war keine Bitte, das war ein Befehl. Du wirst auf diese Trainingsreise gehen. Das ist gleichzeitig deine Strafe und ein Vorteil für dich. Danach kannst du meinetwegen mit deinem Bruder machen was du willst. Aber du wirst diese Zeit mit den dreien zusammen sein.“

Stille kehrte ein in der nur das Ticken der Uhr zu hören war.

„Sie können mich nicht dazu zwingen.“ Sasuke funkelte sie mit all seiner Boshaftigkeit an, die er gerade drauf hatte. „Ich kann immer noch versuchen während der Reise abzuhauen.“

„Du hast einen Jonin und einen Sanin bei dir. Das schaffst du nicht so schnell.“

„Ich lerne schnell.“

„Ich glaube, du hast mich nicht verstanden.“

Oh Gott, da war dieser zuckersüße Unterton in ihrer Stimme. Er kannte so einen Ton. Den setzten Frauen immer auf, wenn sie etwas durchsetzten wollten. Und auch ihr Grinsen im Gesicht war nicht besonders ermutigend.

„Wie gesagt, das war keine Bitte. Du wirst auf diese Trainingsreise gehen. Wenn du es nicht tust... versiegle ich deine Sharingan.“

Jetzt klappte ihm doch der Mund auf.

„Was?!?“

„Du hast mich schon verstanden.“

„Das können Sie nicht machen!“

„Ich bin Hokage, ich kann alles. Du hast die Wahl. Und ich glaube nicht, dass du deinen Bruder besiegen kannst, wenn du keine Sharingan hast.“

Dieses... miese... Drecksluder!

Wenn er Itachi umgebracht hatte, würde er sich sie als nächstes vorknöpfen. Aber bei ihrem Blick hielt er schon wieder inne und begann zu überlegen, bis er letztendlich nur vor einer Lösung stand. Oder besser gesagt einer Frage.

Hatte er überhaupt eine andere Wahl?

Die verlorene Ruhe des Konoha-Krankenhauses

Der nächste Morgen begann für Naruto erstmal mit einem ziemlich lauten Scheppern, einem wütenden Zischen und einem nur halb geflüsterten „Verdammte Scheiße, Jiraiya, ich bring dich um!“

Als er die Augen aufriss und zur Seite blickte, sah er wie erwartet Tsunade, die sich gerade bückte um etwas aufzuheben, das verdammt nach einem aufgeschlagenen Notizbuch aussah und aller Wahrscheinlichkeit nach der Grund für das laute Scheppern gewesen war – es lag nämlich genau vor dem metallenen Schrank gegenüber von seinem Bett.

Sie musterte was immer es auch war kritisch, dann bildete sich eine Zornesfalte auf ihrer Stirn und sie klappte es schnell zu, nur, um sich kurz darauf ziemlich ruckartig zu ihm umzudrehen.

„Ah, Naruto, du bist wach.“, kommentierte sie und entgegen seiner Gewohnheit schluckte er schnell herunter, was er hatte sagen wollen.

Wenn sie diesen Blick drauf hatte und in diesem Tonfall sprach, war es besser sie nicht noch weiter zu verärgern, dass wusste selbst er. Dementsprechend nickte er nur stumm und wartete auf das Donnerwetter. Zu seiner Überraschung blieb es aber erstmal aus, Tsunade verschränkte nur die Arme, das Buch nach wie vor in einer Hand, und musterte ihn einen Moment lang kritisch, dann nickte sie, offensichtlich zu sich selbst und meinte: „Wenn dieser Nichtsnutz schon hier war, gehe ich mal davon aus, er hat dich auf den neusten Stand gebracht?“

Ja, das hatte er. Und Naruto hatte ihm nicht glauben wollen. Nicht, dass sie auf eine Reise gehen würden, nicht, dass Sasuke und Kakashi mitkamen, nicht, dass es zum Training sein würde und erst recht nicht, dass sie drei ganze Jahre fort bleiben würden.

Doch auf jeden seiner Einwände hin hatte der alte Kauz nur gelacht und gesagt, dass es Tsunades Entscheidung gewesen war und dass man besser daran tat sie nicht in Frage zu stellen. Als Naruto aber fragte, ob Sasuke dem wirklich zugestimmt hatte, war Jiraiya plötzlich sehr unruhig geworden, hatte noch mehr Unsinn geschwafelt als üblich und war abgehauen ohne auch nur ansatzweise eine Antwort zu geben.

Unnötig zu sagen, dass der Rest der Nacht für Naruto kaum noch Ruhe oder gar Schlaf bedeutet hatte. Immer wieder hatte er sich die Worte des Alten durch den Kopf gehen lassen. Hatte versucht sich vorzustellen, wie diese Reise aussah und hatte die unterschiedlichsten Szenarien im Kopf durchgespielt.

Leider gefielen ihm die zwei wahrscheinlichsten – dass Sasuke entweder auf dem Weg abhaute oder ihn umbrachte – am allerwenigsten. Gut, Kakashi und Jiraiya waren auch noch da, aber er kannte seine beiden Lehrer gut genug, um zu wissen, dass sie sehr leicht abzulenken waren… da gehörte nun wirklich nicht viel dazu…

Die Frage, die ihn immer wieder beschäftigte hatte sich dementsprechend nicht geändert: Wie würde Sasuke reagieren? Da er von Natur aus alles andere als geduldig war, quälte ihn die Unwissenheit zunehmend. Lange würde er das nicht mehr aushalten…

„Ja, hat er.“ Und dann, ohne an die möglichen Folgen zu denken, ohne auch nur einen Gedanken an Tsunades Wut zu verschwenden, rutschte es ihm auch schon raus: „Was hat Sasuke dazu gesagt, Oma?!“

Tsunades rechte Augenbraue schoss nach oben und für einen Augenblick zeigte sich wieder dieselbe Zornesfalte auf ihrer Stirn, dann aber entspannte sie sich wieder angesichts der weit aufgerissenen, fragenden, blauen Augen, die ihr entgegen starrten. Sie seufzte. „Nichts. Ich habe ihm einen Tag Bedenkzeit gegeben, aber ich gehe davon aus, dass er zur Vernunft kommen und die richtige Entscheidung treffen wird.“, erklärte sie bestimmt und ließ das Detail ihrer kleinen Erpressung mal außen vor. Das war nichts, worüber der Junge sich jetzt Gedanken machen sollte. Außerdem würde Sasuke ihm das sicher früh genug unter die Nase reiben und sie fand es fast schade, dass sie nicht da sein würde, um Narutos Gesichtsausdruck zu sehen. Geschah ihm recht, was musste er sie auch ständig Oma nennen?

Im Augenblick allerdings schien ihm das überhaupt nicht bewusst zu sein, denn er quengelte bereits weiter: „Darf ich jetzt zu ihm?“

„Nein, Naruto, du musst dich noch ausruhen...“, antwortete sie ernst, woraufhin er sie aber sofort unterbrach: „Ich bin total ausgeruht! Echt jetzt!“

Innerlich lächelte sie. Wie ein kleines Kind…

Nach außen hin allerdings blieb sie hart. „Vergiss es, ich bin hier die Ärztin und ich sage, dass du gefälligst im Bett zu bleiben hast. Wenn du jetzt aufstehst, kippst du um, noch ehe du auch nur das Zimmer verlassen hast!“

Naruto zog augenblicklich einen Schmollmund und in dem Moment wurde ihr klar, dass sie ihn jetzt, da er ebenfalls wach war, auch würde ans Bett fesseln müssen, wenn sie verhindern wollte, dass er aufstand, sobald er dachte, dass sie es nicht mehr mitbekam. Auch wenn sie keine Probleme damit hatte das zu tun, wirklich gerne tat sie das niemandem an und es war schlimm genug einen Patienten zu haben, der sie am liebsten mit seinen Blicken aufspießen würde.

Seufzend ergab sie sich ihrem Schicksal. „Okay, du darfst dein Zimmer verlassen, aber nur unter einer Bedingung.“

Sofort wurden die Augen ihres Gegenübers groß und ein dickes Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. „Alles, Oma!“

Sie konnte nicht anders, sie grinste fies und die Reaktion auf das, was sie verlangte, war so ziemlich die, die sie erwartet hatte: „WAAS?!“
 

Eine Viertelstunde später klopfte es an der Tür zu Kibas Zimmer. Der derzeitige Bewohner war noch ziemlich schläfrig und alles andere als begeistert von der doch ziemlich frühen Visite – vor allem, da er befürchtete, dass wie gestern ein Ärzteaufgebot kommen würde, um ihm erneut zu sagen, dass er noch eine Weile bleiben musste.

Und dann hatten sie ihm auch noch mit der Begründung Tiere hätten nichts im Krankenhaus zu suchen verboten Akamaru mitzunehmen – er hatte seinen kleinen Freund seit ihrem gemeinsamen Kampf nicht mehr sehen dürfen und das alleine machte ihn schon mehr als sauer. Wer auch immer jetzt hereinkommen würde, er konnte sich auf was gefasst machen!

Als sich dann aber die Tür öffnete und eine der Krankenschwestern einen schmollenden, motzenden Naruto im Rollstuhl und mit einer netten Beule auf dem Kopf herein schob, war aller Ärger schlagartig vergessen und Kiba fing – obwohl das eigentlich noch ordentlich weh tat – schallend an zu lachen.

Naruto schoss ihm daraufhin einen sauren Blick zu, den er aber nicht sah, während die Krankenschwester sich verabschiedete. „Ich komme dann in einer halben Stunde wieder und bringe dich zu Neji-san.“

Naruto verdrehte nur die Augen und griff, kaum dass die Tür wieder ins Schloss gefallen war, an seine Räder, um näher an Kibas Bett heranzurollen. Der grinste noch immer breit, hatte es aber inzwischen geschafft sein Gelächter auf unterdrückte Gluckser abzuschwächen.

Kiba sah schon wieder fitter aus, als er nach Tsunades Aussage war. Von seinen Verbänden sah man unter dem typischen Krankenhausoutfit – das auch Naruto zu seinem Missfallen momentan anhatte – wenig und allein sein Lachen hätte Naruto fast überzeugt, dass er vollkommen gesund war, wäre da nicht dieses leichte Funkeln von Schmerz in seinen Augen gewesen. Nach den spärlichen Infos, die Tsunade ihm gegeben hatte, hatte Kiba mindestens einen ordentlichen Treffer in den Bauch einstecken müssen und der war es wohl, der ihm nun beim Lachen wehtat.

„Was haben sie denn mit dir angestellt?“, brachte Kiba schließlich hervor, als er wieder halbwegs atmen konnte und Naruto seufzte theatralisch. „Oma Tsunade meinte, sie lässt mich nur dann aus dem Bett raus, wenn ich nicht herumlaufe, sondern mich, ich zitiere, brav in einen Rollstuhl setzte.“ Naruto verzog das Gesicht. „Was sie mir vorher natürlich nicht gesagt hat, ist, dass sie meine Beine irgendwie an diesem verdammten Ding fixiert hat, damit ich nicht aufstehe, sobald keiner mehr guckt und als ich mich beschweren wollte, hat sie mir bildlich erklärt“, er gestikulierte in Richtung seiner Beule, „dass man in einem Krankenhaus nicht schreit.“

Das brachte Kiba nur erneut zum Lachen, während Naruto die Arme verschränkte und ihm beleidigt die Zunge rausstreckte. Dann aber wurde er wieder ernst. „Wie geht es dir, Kiba?“

Der unterdrückte mit einiger Mühe ein Kichern und fasste sich unbewusst an den Bauch. „Abgesehen davon, dass ich Akamaru nicht sehen darf, ganz gut. Nur das Lachen tut weh, aber ich vertrag die Schmerzmittel… nicht so gut.“, bei den Worten blickte er so gequält drein, dass Naruto ungewollt an sein erstes Aufwachen im Krankenhaus erinnert wurde und ein kurzes, humorloses Lachen ausstieß. „Wem sagst du das…“, grummelte er kaum hörbar.

„Und dir? Wie schlimm hat’s dich erwischt? Außer, dass du lebst, wollten die Schwestern mir nichts sagen.“

Naruto zuckte die Schultern. „Nichts, das nicht in ein, zwei Wochen wieder in Ordnung wäre. Die Oma übertreibt wieder mal maßlos mit ihrem Gequatsche vonwegen ich solle im Bett bleiben.“ Er zögerte kurz, dann fügte er hinzu: „Aber ich bin froh, dass keinem was Schlimmes passiert ist.“

Kiba nickte nachdenklich, dann fragte er plötzlich: „Hast du was gehört, was mit dem Verräter passiert?“

Naruto blinzelte. „Verräter? Ach so, Sasuke? Nee, sie wollen mich nicht zu ihm lassen, er soll wohl ganz schön getobt haben.“

Kiba schnaubte daraufhin und seine Miene wurde ein wenig finster. „Hat er auch. Er muss wohl im Zimmer nebenan sein, hat sich nicht sehr nett angehört, das kannst du mir glauben. Aber wenigstens hast du den Kerl aufgehalten, damit er jetzt sehen kann, was er davon hat…“
 

„Naruto-san! Nicht!“

„Ach was, ich krieg das schon hin, ich hab doch alles im Gri… Ahh!“ Ein ziemlich lautes, unschönes, klatschendes Geräusch folgte, das Neji dazu brachte sich zu fragen, ob Naruto gerade allen Ernstes gegen seine Zimmertür gerannt war – so blöd konnte doch nicht mal dieser Kerl sein… oder doch?

Augenblicke später wurde besagte Tür ruckartig aufgerissen und dort stand – oder besser saß – tatsächlich der wohl lauteste Ninja des Dorfes und rieb sich seine leicht rote Nase. Scheinbar hatte er es wirklich fertig gebracht mit dem Rollstuhl vorwärts in die Tür zu rasen und mit dem Gesicht dagegen zu knallen.

Neji runzelte die Stirn angesichts dieses Anblicks. „Naruto, was…?“

Doch der Blondschopf winkte lachend ab. „Ich brauch’ nur noch etwas Übung, dann krieg’ ich das mit dem Bremsen schon noch raus…“, erklärte er ohne zu wissen, dass das nicht Nejis eigentliche Frage gewesen war.

Die Schwester hinter ihm blickte mehr als skeptisch drein, was Naruto natürlich nicht sah, aber Neji entging es keineswegs, doch sie seufzte nur, verdrehte stumm die Augen und schloss die Tür hinter den beiden Jungen wieder, während Naruto sich – diesmal zum Glück deutlich langsamer und vorsichtiger – zu Nejis Bett herüber schob.

Der schwarzhaarige Junge lag auf dem Bauch – was ihm selbst im Übrigen überhaupt nicht gefiel, aber angesichts der Tatsache, dass beinahe alle seine Wunden auf dem Rücken waren und er sich geweigert hatte mehr Schmerzmittel als unbedingt nötig zu nehmen, hatte er keine große Wahl. Wie bei Kiba waren die Verbände nahezu alle unter der Kleidung versteckt und Neji hatte sogar bereits wieder darauf bestanden sein Ninja-Stirnband anzuziehen, sodass man nicht einmal den um seine Stirn sah.

Er wirkte allerdings alles andere als begeistert über den unruhigen, morgendlichen Besuch. Kritisch musterte er Narutos Rollstuhl und versuchte es ein zweites Mal. „Wie lange…?“

„Wie lange bis ich wieder fit bin? Oma Tsunade meinte was von zehn Tagen, aber ich glaube…“

Langsam riss Nejis ohnehin sehr kurzer Geduldsfaden und er unterbrach sein Gegenüber grob: „Nein, ich meine, wie lange du in diesem… Ding sitzen musst.“

Endlich verstand Naruto und er kicherte nervös. „Ach so, nur heute… oder morgen auch noch, so wie ich die Alte kenne…“, fügte er grummelnd hinzu.

Neji nickte nur stumm, atmete aber doch erleichtert aus. Irgendwie wäre es ihm falsch vorgekommen, wenn Naruto nach all der Mühe, die sie hinter sich hatten, als Dank im Rollstuhl gelandet wäre. Man hatte ihm bisher nicht groß vom Gesundheitszustand der anderen erzählt, da Neji die meiste Zeit über entweder geschlafen oder nachgegrübelt hatte und es nach den ersten bösen Blicken niemand mehr gewagt hatte, ihn zu stören.

Auch jetzt reagierte er nicht groß darauf und schwieg wieder, was Naruto allerdings wie immer wenig interessierte.

„Ich hab’ gehört, dich hätte es ganz schön heftig erwischt?“

Neji schnaubte. „Ich werde es überleben. Und zumindest war die Mission erfolgreich.“ Das war so ziemlich das erste gewesen, was er nach seinem Aufwachen hatte wissen wollen, auch wenn es bedeutet hatte, dass er sich daraufhin von Gai – der nun mal leider als einziger anwesend gewesen war – fast eine halbe Stunde lang eine flammende Rede über seine Jugend, seine Tugendhaftigkeit und seinen unvergleichlichen Stolz (Neji war sich nicht einmal sicher, ob der letzte Teil wirklich positiv gemeint war) hatte anhören müssen.

„Was passiert jetzt eigentlich mit ihm?“, fragte er plötzlich und überraschte damit Naruto und auch sich selbst. Der Blondschopf musste nicht fragen, wer „er“ war, er zuckte nur die Schultern. „Das liegt wohl an ihm, aber die Alte schien sich ziemlich sicher zu sein, wie er es sich entscheiden wird und…“

Weiter kam Naruto nicht, da in eben diesem Moment die Tür ein zweites Mal so heftig aufgerissen wurde, dass Neji schon befürchtete, sie würde jeden Moment aus den Angeln krachen.

„Neji-san!“ Im nächsten Augenblick stand etwas Grinsendes, Grünes neben ihm und schrie ihm fast das Ohr ab. „Ich habe gehört, dass du endlich Besuch empfangen darfst und da musste ich doch sofort hereilen und… oh, hallo Naruto-san, darfst du wieder aufstehen?“

Das alles brachte Lee in einem einzigen Atemzug hervor, während er dabei noch wild mit den Armen wedelte und Naruto beinah seinen dritten blauen Fleck an diesem Tag verpasste.

„Hallo, buschige Augenbraue.“, erwiderte Naruto lachend, „Wie man es nimmt, stehen darf ich nicht, aber zumindest muss ich nicht mehr im Bett liegen und langsam krieg ich den Dreh mit dem Ding raus.“

Lee blinzelte einen Moment und betrachtete neugierig den Rollstuhl, dann breitete sich ein Grinsen auf seinem Gesicht aus und er streckte stolz die Brust heraus. „Was für eine einmalige, interessante Trainingsgelegenheit. Ich werde sofort zu Gai-sensei eilen und fragen, ob ich nicht auch in einen Rollstuhl kann!“

Und ehe sich die beiden Verletzten versahen, war Lee schon wieder auf und davon. Naruto starrte ihm fassungslos hinterher, Neji hingegen verdrehte nur die Augen und kommentierte trocken: „Ich glaube, jetzt muss ich mich bei dir bedanken, du hast mir mindestens eine Stunde Ohrenschmerzen erspart…“

„Ähm…“, meinte Naruto verwirrt und versuchte zu verstehen, was Neji überhaupt meinte und was da grade los gewesen war, „Gern geschehen… glaube ich…“
 

Auf dem Weg zu Chouji schaffte Naruto es tatsächlich nicht in die Metalltür zu krachen – dafür traf er allerdings die Wand direkt daneben. Warum konnten diese verdammten Bremsen nicht mal so funktionieren, wie er das wollte?!

„Naruto-san!“, rief die Schwester erschrocken, doch er winkte schnell ab, rieb sich über die ohnehin noch rot gewesene Nase und setzte sein übliches Grinsen auf.

„Nicht der Rede wert, danke für’s Herbringen, ich schaff das schon alleine.“, meinte er und öffnete ein wenig umständlich – und natürlich ohne anzuklopfen – Choujis Zimmertür und rollte hinein.

Er hörte die Schwester lautstark seufzen und irgendwas von einem „unverbesserlichen Schwachkopf“ murmeln, aber das ignorierte er gekonnt. Wahrscheinlich hatte sie ohnehin nicht ihn gemeint. Stattdessen schlug er die Tür hinter sich mit Schwung zu, damit sie auch ins Schloss fiel und er sich nicht extra umdrehen musste.

Dem darauf folgenden lauten Knallen folgte ein wütender Schrei: „Ruhe, verdammt noch mal, das hier ist ein Krankenhaus!!“ Doch auch das ließ Naruto reichlich kalt, als er sich zum Bett hinüber schob.

Zu seiner Überraschung schlief Chouji trotz dem Lärm, den er gerade veranstaltet hatte, noch immer tief und fest, neben ihm auf dem Nachtisch und um das Bett herum lagen mindestens zwanzig leere Chipspackungen und am Fußende auf der Decke noch mal beinahe genauso viele ungeöffnete.

Tsunade hatte ihm gesagt, dass Chouji relativ glimpflich davon gekommen war und schlichtweg extrem ausgelaugt und übermüdet eingeliefert worden war. Scheinbar hatte er all seine Energie in kürzester Zeit verbraucht und seinen Körper schlagartig an die Leistungsgrenze getrieben.

Naruto stellte neugierig fest, dass sein ehemaliger Klassenkamerad deutlich schlanker wirkte, als er ihn in Erinnerung hatte – und das obwohl er allem Anschein nach seinen Appetit nicht verloren hatte und definitiv nicht an Schlafstörungen litt.

Naruto überlegte einen Moment lang den schlafenden Jungen zu wecken, aber er wusste, wie ungern er selbst sich wecken ließ, wenn er gut schlief und ließ es bleiben. Nachdenklich lehnte er sich in seinem Rollstuhl zurück, bis ihm auf einmal eine Idee kam und er ein schelmisches Grinsen aufsetzte.

Die Schwester hatte ihm eine halbe Stunde für jeden Besuch gegeben und vermutlich hatte sie nicht gewusst, dass Chouji schlief. Dank Kiba konnte Naruto die Anzahl der Zimmer, in denen Sasuke stecken konnte auf schlappe zwei eingrenzen. Die einzige Frage war, ob er es im Rollstuhl fertig bringen würde sich unbemerkt in eines der Zimmer zu schleichen, aber was hatte er schon groß zu verlieren?

Die Anbu Wachen, von denen Tsunade ihm erzählt hatte, hatte er längst wieder vergessen und so gab er sich alle Mühe leise zu sein, als er die Tür zum Gang wieder öffnete, vergebens versuchte einen Blick nach draußen zu werfen und schließlich einfach auf gut Glück nach draußen rollte. Die Tür schloss er so leise, wie es irgendwie ging und mit ein wenig Glück hörten ihn auch nur die nächsten zwei oder drei Räume.

Naruto war froh darüber, dass all ihre Zimmer vergleichsweise dicht beieinander lagen, denn sonst hätte er Kiba nicht so schnell wieder finden können. Neugierig und langsam schob Naruto die Tür rechts daneben auf und musste wenig begeistert feststellen, dass er in einer… Besenkammer gelandet war. Mann, warum konnten die das denn nicht mal an die Tür dran schreiben, anstatt dem kleinen Kämmerchen, das noch nicht mal den Namen „Raum“ verdiente, eine sticknormale Nummer, wie allen anderen auch, zu geben?

Und überhaupt, warum war das, was man suchte eigentlich immer genau da, wo man zuletzt suchte?! Was sollte der Mist?

Er stützte kurz den Kopf mit der rechten Hand ab, verzog das Gesicht und schmollte für etwa fünf Sekunden, ehe er sich wieder fing, rückwärts rollte und tat, als wäre nichts gewesen.

Die Tür links von Kibas Zimmer war unverschlossen, was Naruto schon ein wenig wunderte, aber als er sie aufstieß, wurde schnell klar, warum.

„Naruto!“, zischte eine reichlich wütend aussehende Tsunade sauer, „Was in drei Teufelsnamen machst du denn hier?!!“

Okay, das erklärte zumindest das augenscheinliche Fehlen von Anbu… Naruto rieb sich verlegen den Hinterkopf. „Öh… Sasuke besuchen?“, schlug er mit Unschuldsmiene vor.

Tsunades Augenbraue zuckte, aber sie hatte sich gut genug unter Kontrolle, um nicht weiter herumzubrüllen. „Hatte ich dir das erlaubt?“

„Äh… nicht so direkt…?“

„Warum darf dieser Idiot eigentlich aus dem Bett raus und ich muss hier herumliegen?“, schaltete sich unerwartet Sasuke in das Verhör ein. Augenblicklich hatte er die Aufmerksamkeit der beiden anderen für sich, während er selbst mit seiner ich-tu-so-als-wäre-mir-alles-egal-Miene und verschränkten Armen aufrecht im Bett saß und Narutos Blick bewusst auswich.

„Weil dieser Idiot“, fing Tsunade betont an, „sich freiwillig in einen Rollstuhl gesetzt hat.“ Und offenbar hatte das ganz und gar nicht die Wirkung gehabt, die sie erwartet hatte. Naruto war und blieb nun einmal leider unberechenbar…

„Hn?“, auf einmal war da dieses spöttische Funkeln in Sasukes Augen, als er nun doch in Narutos Richtung sah, sein Gesicht allerdings nach wie vor bewusst mied.

Der Blondschopf verzog unter diesem Blick das Gesicht und wedelte wild mit den Armen. „Na und? Immer noch besser als blöd im Bett herumzuliegen!“

Er wollte sich näher an Sasukes Bett heran schieben, um ihm eine runterzuhauen, doch leider hatte er wieder mal die Bremsen nicht ordentlich unter Kontrolle und knallte reichlich unsanft dagegen, was den Schwarzhaarigen natürlich nur noch mehr amüsierte.

„Kannst du eigentlich überhaupt irgendwas?“

Naruto schoss ihm einen sauren Blick zu. „Du könntest das auch nicht besser!“, stellte er gleich mal klar, woraufhin sich eine Furche auf Sasukes Stirn bildete.

Das war sicher nicht der Verlauf, den irgendeiner der beiden auch nur ansatzweise für dieses Gespräch vorgesehen hatte, aber sie waren zu sehr in ihrem Element, um daran zu denken, dass sie sich eigentlich gegenseitig an die Gurgel wollten.

„Hn. Das werden wir ja sehen.“ Sasuke wand ruckartig den Kopf in Tsunades Richtung. Die hatte bisher nur stumm zugesehen und hatte alles erwartet, aber nicht das, was nun folgte: „Hokage-sama? Ich möchte die gleiche Vereinbarung eingehen wie Naruto.“

„Wie bitte?!“, fragte sie ungläubig blinzelnd.

Sasuke verschränkte unbeeindruckt von ihrem sauren Unterton die Arme. „Naruto war schlimmer verletzt als ich.“ Eine leichte Befriedigung klang in seiner Stimme mit, als er das sagte. „Und er darf aus dem Bett, also will ich das auch.“

„Du hast hier keine Forderungen zu stellen, kleines Balg…!“, knurrte Tsunade, doch so schnell ließ Sasuke sich nicht beeindrucken.
 

Eine halbe Stunde später (die zum Großteil mit sich-anstarren und wütende-Blicke-tauschen gefüllt war) gab Tsunade schließlich seinem Wunsch nach. Eine Viertelstunde danach bereute sie es gleich wieder, nachdem Naruto und Sasuke ernsthaft versucht hatten sich ein Wettrennen auf dem Krankenhausflur zu liefern.

Weitere fünf Minuten später waren beide mit einer Beule auf dem Kopf in ihren Zimmern eingesperrt und murrten vor sich hin.

Zur Strafe hatte Tsunade sie nicht zurück in ihre Betten gelassen, was bedeutete, sie saßen nach wie vor in den Rollstühlen und durften nichts tun, als abzuwarten und in ihrem Zimmer im Kreis zu rollen, wobei sie hoffentlich keinen Schaden mehr anrichten können.

Tsunade indes hatte sich in ihr Büro zurückgezogen und seufzte gerade laut. Ihre Hand glitt unwillkürlich in Richtung der Schublade, um eine Flasche Sake herauszuholen, doch zu ihrem Missfallen musste sie feststellen, dass Shizune ihr offenbar mal wieder dazwischen gefunkt und den Alkohol entsorgt hatte. Sie brauchte langsam wirklich mal wieder ein paar neue, bessere Verstecke…

So aber stützte sie den Kopf auf einer Hand auf und sah an dem wiedermal riesigen Papierberg vorbei nachdenklich nach draußen.

Sie war tatsächlich erschrocken, als Naruto in Sasukes Zimmer geplatzt war, sie hatte ernsthaft damit gerechnet, dass letzterer ihren Fast-Enkel tatsächlich angreifen würde und war bereit gewesen einzugreifen.

Doch die beiden hatten wieder einmal vollkommen unlogisch reagiert und statt sich gegenseitig anzubrüllen oder anzugreifen hatten sie nur wieder einmal demonstrieren müssen, was für Kinder sie noch sein konnten.

Sasuke hatte zugestimmt, widerwillig, mürrisch und flüsternd, aber er hatte zugestimmt und sie hatte ihm ein Siegel hinter das linke Ohr gemalt, damit er es nicht vergas. Sie hatte ihm erzählt, dass Kakashi es aktivieren könnte, sobald sich auch nur abzeichnete, dass er außer Kontrolle geriet und Sasuke hatte es ihr geglaubt.

Dass es in Wahrheit bloß ein aufgemaltes Zeichen und absolut funktionslos war, musste er ja nicht wissen, das würde vorerst ihr Geheimnis bleiben. Doch nach dem heutigen Auftritt war sie froh, dass Jiraiya und Kakashi bei den beiden sein würden. Nicht auszudenken, was die zwei anstellen würden, wenn man sie alleine ließ.

Früher oder später würde der große Krach, den sie heute eigentlich schon erwartet hatte kommen und eigentlich wollte sie lieber nicht dabei sein… am besten sie hielt die beiden getrennt, bis sie aufbrechen würden. Dann dürfte sich der alte Spanner damit rumschlagen, wie er die Jungs auseinander hielt, geschah ihm recht, dachte sie mit einem Schmunzeln, dann lernte er vielleicht auch endlich mal Verantwortung zu übernehmen…

Aufbruch

Zehn Tage später:
 

Naruto konnte gar nicht beschreiben, wie froh er darüber war das Krankenhaus am Mittag endlich verlassen zu haben. Kaum war er über die Schwelle des Gebäudes getreten, rannte er auch schon in einem Affenzahn durch die Straßen, die überraschten Blick der Dorfbewohner nicht beachtend.

„Ich bin wieder da-ha!“, schrie er laut und machte unweigerlich einen Luftsprung. „Konohas zukünftiger Hokage ist wieder am Start!“

Das musste er natürlich sofort feiern. Schnurstracks machte er sich auf den Weg zu Ichiraku, keiner konnte ihn davon abhalten jetzt eine Nuddelsuppe zu essen. Denn es würde auch sehr wahrscheinlich seine letzte originale für die nächsten drei Jahre sein.

Seine Stimmung trübte sich minimal und seine Schritte wurden langsamer. Unweigerlich sah er sich genauer um, so, als wollte er sich alles noch mal neu einprägen. Es ging morgen früh nämlich schon los. Tsunade hatte keine Zeit verschwenden wollen und hatte Kakashi und Jiraiya befohlen sofort mit den Jungs aufzubrechen, kaum das sie das Krankenhaus verlassen hatten. Naruto seufzte. Dann hatte er also nur noch heute, um sich von seinen Freunden zu verabschieden.

Als er bei seiner Lieblingsimbissbude ankam, wurde er sofort herzlich empfangen. Ach ja, der alte Ichiraku war doch ein prima Kerl.

„Naruto! Schön dich zu sehen. Hab gehört, du warst eine Weile im Krankenhaus.“

„War nicht der Rede wert.“, grinste Naruto und setzte sich. „Einmal bitte die Spezialsuppe mit allem drum und dran.“

Der alte Mann runzelte die Stirn. „Die große? Gibt es einen Anlass?“

Unweigerlich entfuhr ihm ein Seufzen. „Es ist wahrscheinlich die letzte für die nächsten drei Jahre. Ich gehe morgen auf Trainingsreise.“

Ichiraku bekam große Augen. „Was? Dann verliere ich ja für drei Jahre meinen besten Kunden.“

Naruto zuckte mit den Schultern und spielte mit ein paar Essstäbchen. Als die Suppe ihm nach einer Weile vor die Nase gesetzt wurde, grinste er breit.

„Lecker! Du bist der Beste!“

Der Ladenbesitzer grinste. „Die geht natürlich aufs Haus.“

„Aber...“

„Wenn es die letzte für die nächsten drei Jahre ist, möchte ich, dass du die hier auf keinen Fall vergisst. Die ist für deinen Abschied und für deine Genesung.“

Ichiraku zwinkerte ihm zu und Naruto konnte nicht anders, als den Alten wie einen Opa zu lieben.

„Danke.“

Nach seiner Suppe und seinem Abschied von Ichiraku und dessen Tochter, machte er sich auf den Weg nach Hause. Die Wohnung hatte auch schon mal besser ausgesehen, in den Wochen in denen er nicht da gewesen war, war der Staub schon wieder auf den meisten Möbelstücken zu sehen. Naruto machte sich gar nicht erst die Mühe zu putzen, sondern ging direkt in sein Zimmer, um seine Sachen zu packen.

Was nahm man eigentlich auf so eine Reise mit? Er konnte ja schlecht seinen ganzen Schrank mitnehmen, aber Klamotten brauchte er wohl zu Genüge. Er überlegte kurz und kramte in seinem Schrank nach einer größeren Tasche als er sie sonst benutze. Schließlich fand er einen Seesack, den er zwar kaum gebrauchte, der sich aber hervorragend für den Transport von Klamotten eignete. Seinen Rucksack würde er dann für die anderen Sachen gebrauchen.

Zufrieden stopfte er so viel Klamotten in den Sack wie er konnte. Natürlich waren sie fast alle orange oder schwarz. Kurz überlegte Naruto sich irgendwann mal andere Klamotten zu kaufen.

Als er sicher war, dass er alles gepackt hatte, sah er auf die Uhr. Es war bereits Sieben.

Was mache ich denn jetzt noch?

Er sollte sich von seinen Freunden verabschieden. Aber wo waren die alle? Die konnten im ganzen Dorf sein. Naja, wahrscheinlich würde er heute sowieso kaum schlafen können, da konnte er ja auch Nachtspaziergänge machen, bis er schwarz wurde.

Mit den Händen in den Hosentaschen ging er aus dem Haus und genoss die klare Luft. Das Treiben auf den Straßen legte sich langsam und Ruhe kehrte ein. Spontan ging Naruto zum Trainingsplatz und fand da diejenigen, von denen er sich wohl am meisten verabschieden wollte. Der Zufall wollte es so, dass Neji, Hinata, Kiba, Chouji, Shikamaru, Ino und Lee da waren. Sie alle schienen sich zu unterhalten, worüber wusste er nicht.

„Hey, Leute!“, rief er und winkte.

Alle fuhren auseinander und kamen direkt auf ihn zu.

„Hi, Naruto, wir haben gerade über dich geredet.“, grinste Ino.

„Ach ja?“

„H-Hallo, Naruto-kun.“, piepste Hinata.

„Morgen bist du weg. Wir haben uns überlegt, ob wir noch mal zu dir in die Wohnung kommen sollten.“, meinte Kiba grinsend.

Gegen seinen Willen kratze sich Naruto verlegen am Kopf. „Ich bin euch gerade auch suchen gegangen. Ich wollte mich... verabschieden.“

Alle nickten ernst. „Ist schon komisch, dass du jetzt drei Jahre nicht mehr hier sein wirst.“, sagte Shikamaru.

„Wem sagst du das?“

„Werde ja stark!“, mampfte Chouji zwischen zwei Bissen des Inhalts einer Tüte Chips. „Wäre eine Enttäuschung, wenn du als Lusche zurückkommst.“

„Ich trete dir in den Hintern, wenn ich wieder da bin.“, lachte Naruto und stupste ihn an.

„Pass bloß auf dich auf!“, murmelte Neji. „Wenn der Verräter Faxen macht, mach ihn ordentlich fertig. Er soll es nicht schon wieder wagen abzuhauen.“

Naruto sah Neji ernst an. „Ich lasse nicht zu, dass Sasuke wieder das Weite sucht. Das soll er nur versuchen.“

Lee grinste und klopfte ihm äußert heftig auf den Rücken. „So kennen wir dich. Hier wird es ganz schön still sein, wenn du nicht mehr da bist.“

„Tja. Was soll man machen. Es gibt halt keinen, der so überragend ist, wie ich.“

Naruto lachte schallend los, seine Freunde grinsten oder verdrehten die Augen. Naruto unterhielt sich noch eine ganze Weile mit ihnen, ehe es wirklich spät war und die Gruppe sich langsam auflöste. Jeder verabschiedete sich auf seine eigene Art und Weise. Schulterklopfen, Händedrücken, Hinata schaffte es sogar ihn kurz zu umarmen ohne in Ohnmacht zu fallen.

Dann war Naruto auch schon wieder auf dem Nachhauseweg, ein leichtes Grinsen auf dem Gesicht. Er hatte Freunde, die ihn mochten und die ihn achteten. Nichts hatte er sich mehr gewünscht. Sie zu verlassen war hart, aber er würde ja wiederkommen.

Hoffe ich zumindest, dachte er mit einem düsteren Gedanken an Sasuke.
 

Natürlich schlief Naruto nicht, er konnte es gar nicht. Viel zu viel schoss ihm durch den Kopf, als dass er hätte schlafen können. So war er am nächsten Morgen um acht Uhr hundemüde und zog erst mal seine Socken falsch herum an. Mann, war er verpeilt.

Als er es nach einer Viertelstunde endlich geschafft hatte alle Kleidungsstücke an den richtigen Stellen zu haben, schnappte er sich seinen Rucksack und den Seesack und schaute sich ein letztes Mal in seiner Wohnung um. Sehr groß war sein Wohnheim ja nicht, aber als den liebsten Ort, wo er gerne war, konnte er sie auch nicht bezeichnen. Er zuckte mit den Schultern, schloss die Tür ab und lief los.

In den Straßen war noch nicht viel los, zumindest nicht vom Betrieb her. So hatte er auch keine Probleme schnell zum Dorftor zu kommen. Ausnahmsweise war er mal einigermaßen pünktlich, denn es waren nur Jiraiya und Tsunade schon da.

„Hey!“, rief Naruto von weiten und stellte sich vor seinen Lehrer. „Ich bin so bereit, wie man nur bereit sein kann.“

Tsunade grinste. „Freut mich zu hören. Dann müssen wir ja nur noch auf die beiden anderen warten.“

„Kakashi kommt wahrscheinlich wieder zu spät.“, murrte Jiraiya und kratzte sich am Kopf.

„Tust du doch sonst auch, Ero-senin.“

„Tu ich nicht!“

„Tust du doch.“, sagte Tsunade ruhig. „Und hört auf euch zu streiten. Da vorne sind sie schon.“

Naruto drehte sich blitzschnell um und sah Kakashi gemächlich angetrottet kommen. Hinter ihm kam Sasuke, die Hände in den Hosentaschen vergraben und stur in eine andere Richtung starrend als zu ihnen.

„Yo.“, sagte Kakashi. „Dann sind wir ja alle ausnahmsweise mal pünktlich.“

Tsunade nickte. „Freut mich. Dann kann ich euch ja nur noch viel Glück wünschen.“

Sie sah jeden der Reihe nach an und ihr Blick blieb erst mal an Naruto hängen.

„Mach ja keinen Blödsinn, Naruto. Hör auf Jiraiya, wenn er dir etwas sagt. Befehle von ihm und Kakashi werden nicht missachtet, hast du verstanden?“

„Ja, Oma.“, murrte Naruto.

„Jiraiya und Kakashi, ihr passt bitte auf die beiden auf. Es wäre nicht schön zu erfahren, dass sie irgendetwas Schwerwiegendes anstellen würden, für welches ihr dann die Verantwortung tragen müsst.“

Beide Erwachsenen nickten und neigten kurz den Kopf vor ihr. Dann blieb ja nur noch einer übrig, dachte Naruto und linste zu Sasuke. Der sah immer noch in eine andere Richtung als zu Tsunade. Die baute sich direkt vor ihm auf und klopfte mit einem Fuß auf dem Boden.

„Und Sasuke. Vergiss nicht: eine falsche Bewegung, ein falscher Gedanke oder irgendetwas, das in Richtung Flucht gehen sollte... und du bist dran.“

Für eine Millisekunde sah es so aus als würde Sasuke zucken. Tsunade wartete auf eine Antwort.

„Verstanden?“

„Tss.“

Das war wohl das einzige, was sie aus ihm rausbekommen würde, denn Tsunade gab sich damit zufrieden. Sie nickte ihnen zu und reichte Kakashi und Jiraiya die Hand. Dann fing sie auf einmal an zu lächeln und sah zu Naruto.

„Ich glaube, da ist noch jemand, der sich von dir verabschieden will.“

Naruto blinzelte verwirrt und sah sich um. Tatsächlich stand hinter einem Baum Sakura und kam auf die Worte der Hokage hinter ihm hervor. Langsam trottete sie zu Naruto und lächelte ihn an, als sie vor ihm stand.

„Hey.“

„Hey, Sakura-chan. Willst du dich noch von mir verabschieden?“

Naruto grinste breit und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. Sakura lächelte ebenfalls.

„Ich habe dich gestern nicht mehr gesehen und da wollte ich dir noch viel Glück wünschen.“, sagte sie.

„Ach, das werde ich nicht brauchen. Ich schaffe sowieso alles.“

Er lachte schallend los, worauf Sakura leicht ärgerlich seufzte und ihm eine kleine Kopfnuss gab.

„Aua.“

„Ich meine es ernst. Pass gut auf dich auf, okay?“

Naruto rieb sich den Schädel. „Okay, okay.“

Sakura nickte und hielt ihm die Hand hin. Sofort bildete sich wieder Narutos Grinsen und er klatschte ein. Ihm fiel jedoch auf, dass sie auch einen Blick auf Sasuke warf. Er sah sie allerdings nicht an und so wie er sich im Moment benahm, würde er es auch nicht tun.

„Viel Glück.“, sagte Sakura noch mal. „Für euch beide.“

Sie sprach Sasuke damit ja wenigstens indirekt an. Naruto nickte und somit verabschiedeten sie sich alle, bis auf Sasuke, und kehrten Konoha-Gakure für drei Jahre den Rücken zu.
 

Sasuke wurde schnell klar, dass Kakashi und Jiraiya eine Richtung einschlugen, die nicht mal in die Nähe von Orochimaru ging. Sie gingen in Richtung Kiri-Gakure.

Wollten die ihn davon abhalten abzuhauen, indem sie einen so großen Abstand zwischen ihm und der Schlange machten wie möglich? Toller Plan. Aber selbst wenn er vorgehabt hätte abzuhauen, hätte er es bestimmt mit Bedacht getan.

Seine Finger wanderten zu dem komischen Ding, das Tsunade ihm auf den Nacken gemalt hatte. Diese dämliche Kuh. Was sie da tat war blanke Erpressung... und dummerweise funktionierte es. Ohne seine Sharingan konnte er nicht bei Orochimaru auftauchen und schon gar nicht seinem Bruder gegenübertreten. Das hatte er echt super hinbekommen.

Warum zum Teufel noch mal war er nicht schneller wieder aufgewacht als Naruto? Dann hätte er jetzt diese Scheiße nicht am Schuh und er müsste keine drei Jahre mit diesen Pfeifen durch die Gegend latschen. Er warf einen stink wütenden Blick auf den Blonden, der mit riesigen Schritten voran ging, so wie sonst auch. Alles in ihm wollte Sasuke dazu verleiten vorzuspringen und den Kerl von hinten zu erdolchen. Wären da nicht Mister Vogelscheuche und Mister Frauenbespanner, hätte er es garantiert getan. Aber was sollte man machen, die Welt war ja bekanntlich nicht fair, schon gar nicht zu seiner liebenswürdigen Persönlichkeit.

Selbstverständlich sprach er während der Reise kein Wort und ignorierte die anderen so gut es eben ging. Was bei Narutos lauten Stimmorgan, Jiraiyas Gelache und Kakashis gelegentlichen Beiträgen nicht so einfach war.

Und daher konnte er auch gar nicht beschreiben, wie froh er war, als es endlich Abend wurde und sie sich eine Bleibe suchen mussten. Wie durch Zufall kamen sie in ein kleines Motel, das genauso gemütlich war, wie es kostete: billig. Und, Zufall Nummer zwei, es war nur ein Zimmer für vier Personen da. Sasuke sah sich schon zwischen Naruto und Jiraiya und Kakashi über allen im Bett eingequetscht ersticken. Seine Gänsehaut ignorierend und mit dem festen Entschluss heute Nacht auf dem Boden zu schlafen, folgte er den Dreien ins Zimmer.

Heureka, es gab wirklich nur ein Bett und eine Couch. Und der Teppich sah neben den Flöhen und den ganzen Fusseln sehr bequem aus.

„Zimmer für vier Personen.“, brummte Jiraiya. „Das ich nicht lache.“

„Du wolltest das billigste haben.“, sagte Kakashi neutral. „Naruto, du und Sasuke nehmt das Bett.“

Von beiden kam gleichzeitig im gleichen Ton und in der gleichen Lautstärke die gleiche Antwort: „SPINNEN SIE?!?“

„Keine Widerrede.“

„Sie erwarten allen Ernstes, dass ich mich mit dieser Pflaume in das unbequemste Bett der Welt quetsche?“, fauchte Sasuke.

„Das können Sie nicht machen.“, heulte Naruto. „Dann wache ich morgen als Leiche wieder auf.“

„Man kann als Leiche nicht wieder aufwachen, du Vollidiot.“

„Aber ich bin tot, also ist das Resultat das gleiche.“

„Schluss damit!“, mischte sich Jiraiya ein. „Ihr könnt das meinetwegen jetzt gerne in aller Ruhe alleine klären. Kakashi und ich müssen mal kurz weg.“

„WAS?!?“ Natürlich waren beide schon wieder nicht begeistert davon.

„Es ist nur für eine halbe Stunde.“, sagte Kakashi, während er seinen Rucksack ablegte. „Bis dahin schlagt ihr euch bitte nicht die Köpfe ein. Ihr wisst beide, was für Konsequenzen das hat, oder?“

Sasuke war bestimmt nicht so doof und hatte sie vergessen. Naruto anscheinend auch nicht, denn er zog den Kopf ein. Was hatte man ihm verboten, eine Woche keine Fertigramen?

„Gut.“, sagte Jiraiya. „Wir sind gleich wieder da.“

Damit gingen die beiden Erwachsenen zur Tür und Sasuke horchte auf die sich entfernenden Schritte. Langsam drehte er sich zu Naruto um, der ihn ebenfalls nur anstarren konnte. Jetzt, jetzt wäre der ideale Zeitpunkt um ihn umzulegen. Zum Glück besann er sich eines besseren und ging einfach nur zu seinem Rucksack, damit er irgendwas zu tun hatte.

Als er ausgiebig seinen Rucksack neu geordnet hatte und wirklich nichts mehr fand, womit er sich beschäftigen sollte, drehte er sich zum einzigen Fenster um und setzte auf die Fensterbank. Mittlerweile war es schon dunkel und der Halbmond leuchtete ins Zimmer.

Von Naruto kam ein Räuspern, ehe er sich meldete. „Sollten wir nicht mal miteinander reden?“

Er stand immer noch an der Stelle, wo er vorhin gestanden hatte. Ein Wunder, dass ein Typ wie er so lange an einem Platz bleiben konnte. Da Sasuke definitiv keinen Bock hatte sich mal wieder auf Narutos Niveau runterzustufen um mit ihm reden zu können, ignorierte er ihn.

„Hast du das Reden verlernt oder ignorierst du mich?“

Drei mal darfst du raten.

„Also, mir hat Kakashi verboten eine Woche lang Fertigramen zu essen, wenn ich mich mit dir anlege.“

Ich hab's gewusst.

„Und was hat er dir verboten?“

Die Frage musste ja kommen. Und Sasuke hatte definitiv nicht vor darauf zu antworten.

„Hallo?“

Keine Antwort.

„Hallo-ho?!?“

Nichts.

„Sasuke, du bist dran.“

Wie konnte man nur so nervig sein? Damit der Typ endlich die Klappe hielt, sagte Sasuke einfach das, was er bei den meisten Personen dazu sagen würde.

„Geht dich nichts an.“

„Wow, ich hab's geschafft.“, lachte Naruto.

„Was geschafft?“ stöhnte Sasuke.

„Das du mit mir geredet hast.“

Ein klein wenig zu spät merkte Sasuke, dass er auf einen total blöden Trick reingefallen war. Innerlich vor Wut kochend, wandte er sich wieder dem Mond zu. Wieso war er nicht ein Werwolf und konnte sich bei Mondschein in eine Bestie verwandeln? Ach nee, das passierte ja nur bei Vollmond. Hätte Tsunade ihm nicht dieses beschissene Siegel verpasst, würde er sich in seinen Fluchmalmodus versetzten und Naruto in Stücke reißen.

Seine Hand wanderte in den Nacken, dort wo Tsunade ihm dieses komische Zeichen draufgemalt hatte. Seine Fingernägel krallten sich in die Haut und für einen Moment verzerrten sich seine Gesichtszüge vor Hass. Er fühlte sich gedemütigt und total herabgesetzt. Er war ein Uchiha, verdammt, wie konnten sie es auch nur wagen ihn so zu behandeln?

„Geht es dir gut?“

Narutos Frage ließ ihn aufsehen. Er hatte doch tatsächlich nicht bemerkt, dass der Blonde ihm ganz nah gekommen war und ihm forschend ins Gesicht sah. Und er mochte diese Nähe nicht.

„Komm einen Schritt näher und dir geht es gleich alles andere als gut.“

Sofort trat Naruto einen Schritt zurück. Plötzlich, als Sasuke Naruto wütend in die Augen sah, sah er unendliche Traurigkeit in Narutos Blick aufblitzen. Dann wandte Naruto sich ab.

„Mach doch, was du willst.“

Damit ging er zu seinem Rucksack und fing, genau wie Sasuke eben, in seiner Tasche herum zu kramen. Sasuke runzelte die Stirn. Er hatte eigentlich noch nie erlebt, dass Naruto beleidigt von dannen zog und vor allem verstand er nicht die Traurigkeit in seinem Blick. Was hatte er denn?

Während Sasuke darüber grübelte, was hier eigentlich genau los war, vergingen die Minuten. Aus den Minuten wurden Stunden. Als es Mitternacht war, die beiden Jungen saßen jeweils in der gegenüberliegenden Ecke des Raumes, wurde es Naruto zu bunt.

„Eine halbe Stunde.“, murrte er und stand auf. „Wenn ich Kakashi erwische, kann er was erleben.“

Mit stampfenden Schritten ging er zu Tür. Sasuke, der ein bisschen gedöst hatte, sah auf.

„Wo gehst du hin?“

„Ich gehe die beiden suchen.“

Damit war er auch schon weg und Sasuke war allein im Zimmer. Wieder runzelte er die Stirn und dachte für einen Moment, dass das doch mehr seine Art war, die Erwachsenen zu suchen. Und da er keinen Bock hatte später von irgendjemandem darüber angesprochen zu werden, stand er auf und ging, die Hände in den Hosentaschen vergraben, Naruto nach.

Als sie in die kühle Luft traten, konnte Sasuke sich direkt denken, wo die beiden Spinner waren. Es gab nämlich nur ein Gebäude, wo noch Licht war, und wo man lautes Gelächter draus vernahm.

„Ich lege Ero-senin um.“, murrte Naruto und ging mit großen Schritten raus, auf einmal stinksauer. Sasuke, der das gar nicht von Naruto kannte, ging gemächlich nach, auch dann, als Naruto schon die Tür zur kleinen Bar aufstieß und mit lauter Stimme anfing zu schimpfen.

„Ero-senin. Willst du mich veräppeln?“

Sasuke hatte keinen Plan, ob er über die Situation lachen oder genervt sein sollte. Es war tatsächlich eine kleine Bar, in der nur fünf Menschen waren, bestehenden aus dem Barkeeper, ihren Lehrern und zwei Frauen. Während der Barkeeper total verzweifelt hinter dem Tresen stand, lag Kakashi mit dem Kopf auf der Tischplatte und schlief seelenruhig. Jiraiya war noch putzmunter und hielt sowohl rechts als auch links eine Frau im Arm. Die letzten drei genannten Personen glotzen Naruto verblüfft an, als er seinen Lehrer zusammen schrie. Sasuke ging zu Kakashi und tippte ihn vorsichtig mit dem Fuß an. Sein Mentor schlief wie ein Toter.

„Na super.“

Während sich die Lautstärke in der Naruto und Jiraiya sich stritten steigerte, suchte der Barkeeper schnell das Weite, genauso wie die Frauen. Was Jiraiya nicht gefiel.

„Nein, bleibt doch hier, meine Süßen! Naruto, jetzt hast du mir die Gesellschaft vergrault.“

„Was für ein Glück.“, fauchte Naruto und trat ihm gegen das Schienbein. „Beweg deinen Arsch jetzt hoch, schnapp dir deinen Saufkumpel und geht jetzt zurück ins Zimmer.“

Jiraiya schien noch kurz nach einer Ausrede zu suchen, aber er fand ganz offensichtlich keine. Sasuke konnte nicht anders als minimal zu grinsen, als der Alte zu Kakashi ging, in halb weckte und mit ihm aus der Bar torkelte, während Naruto Jiraiya hinten weiterschob. Da fragte man sich, wer hier wen bemuttern musste. Als Jiraiya auch noch genau vor dem Zimmer stehen blieb und Naruto ihn nicht weiter schieben konnte, hatte Sasuke keinen Bock mehr auf den Mist. Er ließ ein hauchdünnes bisschen von seinem Chakra in seine Hand fahren und erzeugte einen kleinen Blitz. Mit dem Finger zielte er auf Jiraiyas Hintern und verpasste ihm einen Stromschlag, der ihn mit einem Schrei ins Zimmer stolpern ließ. Naruto sah ihn erstaunt an, aber Sasuke ging einfach an ihm vorbei und bekam gerade noch mit, wie beide Männer auf dem Bett landeten und sofort einschliefen.

Naruto stöhnte entnervt. „Saufköpfe.“

Sasuke sagte gar nichts, sondern schnappte sich seinen Rucksack und ein Kissen vom Bett und pflanzte sich auf den Boden. Er würde bestimmt nicht auf der Couch schlafen, die stank und nicht ein bisschen weicher als der Boden war. Mit einem Murren schloss er die Augen und versuchte einzuschlafen.

„W-Willst du nicht auf die Couch?“, fragte Naruto verstimmt.

Er gab vor schon zu schlafen. Er hörte Naruto sich eine Zeit lang nicht bewegen. Dann seufzte er und legte sich anscheinend auf die Couch. Hoffentlich hat er morgen Flöhe, dachte Sasuke grimmig.

Da der Boden so hart war, konnte er aber natürlich nicht einschlafen. Das Schnarchen der zwei Betrunken und Narutos ewiges Rumwälzen auf dem Sitzmöbelstück trugen nicht viel zur Ruhe bei. Als er schon dachte, dass er die Nacht durchmachen musste, hörte er Naruto aufstehen. Ein dumpfer Aufprall ganz in seiner Nähe ließ ihn die Augen einen Spalt breit öffnen.

Fast hätte er die Augen aufgerissen, als er Naruto einen Meter neben sich liegen sah. Da er in einer nicht mondbeschienenen Ecke lag, konnte Naruto nicht sehen, dass er wach war. Aber Naruto war wach und schaute ihn an, wieder hatte er diesen traurigen Blick. Dann schloss er die Augen.

Sasuke blinzelte verwirrt und versuchte nach einer Weile, in der er Naruto angestarrt hatte, wieder einzuschlafen. Irgendwie wurde er das Gefühl nicht los, dass Naruto sich wegen ihm auf den Boden gelegt hatte, aus welchem Grund auch immer.

Zwei Minuten später waren beide eingeschlafen.

Lasst die Spiele beginnen/Baumstammklettern reloaded

Als Kakashi am frühen Morgen aufwachte, stellte er als erstes wenig begeistert fest, dass er auf einem sehr harten, sehr ungemütlichem Bett lag, ihm die Morgensonne durch die nicht mal ansatzweise lichtdichten Vorhänge genau in die Augen schien und es irgendwie stark nach Alkohol und einer durchzechten Nacht roch.

Das alles verblasste aber schlagartig, als er die Augen mit einer Hand gegen das grelle Licht der unbarmherzigen Morgensonne abschirmte, sich ein Stück aufsetzte und blinzelnd im Raum umsah.

Unter seiner Maske, die zum Glück noch an ihrem Platz saß, musste er unwillkürlich lächeln. Vor ihm auf dem Boden lagen seine beiden Schützlinge und gaben im Schlaf ungewollt ein fast schon niedliches Bild ab. Kakashi konnte sich nicht vorstellen, dass sie das beabsichtig hatten, aber sie lagen Rücken an Rücken, beide entgegengesetzt in genau derselben Haltung mit leicht angewinkelten Beinen und angezogenen Armen.

Um ein Haar hätte man sie (wie so ziemlich alle schlafenden Kinder) für liebe, kleine Engelchen halten können, doch Kakashi wusste es besser und seufzte leise. Sobald die beiden wach waren, würden sie alles andere als friedlich und lieb sein.

Dann blinzelte der Jounin erschrocken, als ihm ein anderer Gedanke durch den Kopf schoss: Wenn Naruto und Sasuke beide auf dem Boden lagen und die Couch, die er Dank der fehlenden Größe dieses Zimmers ebenfalls problemlos sehen konnte, leer war, hieß das dann nicht…?

Ein Blick nach rechts bestätigte seine Befürchtung und Kakashi entschied eilends, dass er lange genug geschlafen hatte und war in Null Komma Nichts aus dem Bett. Einen Moment lang stand er einfach nur da und überlegte noch, ob er die beiden Jungen wirklich wecken sollte. Immerhin wäre dann, rein realistisch betrachtet natürlich, die ruhige Zeit für heute erstmal vorbei.

Dann kam ihm ein Gedanke, der ihn fies grinsen ließ und mit federleichten, nicht hörbaren Schritten schlich er zu seinem Rucksack hinüber, um den kleinen Fotoapparat herauszukramen, den er meistens dabei hatte. Ein kleines Druckmittel konnte bei den beiden Sturköpfen immerhin nicht schaden und so würde er wohl auch mal ein wenig Spaß haben, sobald er den nächsten Fotoladen gefunden hatte, der ihm die Bilder entwickeln konnte.
 

Gute zwei Stunden später waren sie wieder unterwegs. Jiraiya, der schon direkt nach dem Aufwachen wieder angefangen hatte sich mit Naruto über Mädchen und die richtige Abendbeschäftigung zu streiten und noch immer ein wenig verstimmt war, weil er seine Gesellschaft verloren hatte, lief voran. Oder besser, er stolzierte voran, mit weit ausholenden Schritten und vor sich hin summend, um vorzugeben, dass er den Rest der Truppe ignorierte, insbesondere den Teil der direkt hinter ihm lief.

Das war nämlich Naruto und der versuchte sein nunmehr einer halben Stunde den „alten Kerl“ darauf aufmerksam zu machen, das sie auf einer Trainingsreise waren und Training keinesfalls mit Sauftraining oder Flirttraining gleichzusetzen war. Lautstark wie eh und je, konnten die anderen nur froh sein, dass sie gerade nicht verborgen unterwegs sein mussten, denn die Stimme des Jungen konnte man vermutlich in einem Umkreis von locker zehn Kilometern hören… wenn nicht noch mehr.

Und so war es auf kein Wunder, dass Sasuke, der als nächster in der Reihe kam, erstmal ein gutes Stück Abstand zwischen sich und dem schreienden Jungen ließ und ab und an – wenn Naruto wiedermal besonders hohe Oktaven erreichte – genervt und gequält zugleich das Gesicht verzog oder sich ein-, zweimal sogar die Ohren zuhielt. Auch er war schlecht drauf, nicht nur, dass er auf diese bescheuerte Reise wegen dieser bescheuerten Erpressung mit diesen bescheuerten Typen musste, nein, er war auch noch reichlich unsanft von einem lauten, schiefen Lachen geweckt worden (als Kakashi Jiraiya anstieß, um ihn auf das friedliche Bild vor ihnen aufmerksam zu machen), hatte zum Frühstück die wohl mieseste Pampe, die sich Essen schimpfte, überhaupt (und er wollte gar nicht erst wissen, was das war – wieso hatte ihn Kakashi nur gezwungen überhaupt zu frühstücken?) bekommen und nun drohte eine immerlaute Nervensäge auch noch damit sein Gehör zu zerstören.

Konnte dieser Tag eigentlich noch besser werden?

Natürlich beschwert sich ein Uchiha nicht laut über so etwas, nein, er setzt stattdessen das düsterste Gesicht auf, zu dem er fähig ist, vergräbt die Hände in den Hosentaschen, stampft grazil vor sich hin und starrt alles und jeden, der es wagt, ihm in den Weg zu kommen oder ihn gar anzusprechen böse an.

Einzig Kakashi, der – „aus Sicherheitsgründen“ – heute das Schlusslicht bildete, schien nicht vor sich her zu schmollen.

Nein, stattdessen behielt er die beiden Jungen vor sich ganz genau im Auge. So waren ihm auch die Blicke nicht entgangen, die Naruto während seiner Standpauke, die ohnehin auf taube Ohren stieß, immer wieder nach hinten warf. Wartete er darauf, dass Sasuke etwas tat? Wenn ja, was? Kakashi war sich nicht wirklich sicher, ob Naruto wusste, dass Sasuke keine große Wahl blieb, als mit ihnen zu kommen.

Dass er es nicht freiwillig tat, dürfte wohl klar sein, aber was erwartete der Blödmann? Einen Angriff? Oder eher einen Fluchtversuch? Es war nicht weiter schwer in Narutos Gesicht zu lesen, dass er mit sich selbst rang, ob er Sasuke ansprechen sollte oder nicht.

Sasuke seinerseits, da war Kakashi sich beinahe sicher, fing diese Blicke ab und an sogar auf, aber er schien nicht im Geringsten darauf zu reagieren, was ihn einigermaßen überraschte. Eigentlich wartete er seit ihrem Aufbruch auf einen bissigen Kommentar in Narutos Richtung, doch der war bisher ausgeblieben. Er war sich ganz und gar nicht sicher, ob das nun ein gutes oder ein schlechtes Zeichen war, aber viel konnte er im Augenblick nicht tun, als erstmal abzuwarten und zu beobachten, wie sich das ganze entwickelte.
 

Weitere drei Stunden später erreichten sie das erste Ziel ihrer Reise. Zu sagen, dass die beiden jüngeren Ninja ungläubig aus der Wasche sahen, wäre eine deutliche Untertreibung gewesen. Viel mehr sahen sie ihre Sensei mit einem Blick an, der eindeutig ausdrückte, dass sie der Meinung waren, die beiden Älteren hätten den Verstand verloren.

Das kleine Dorf, das diesen Namen im übrigen nicht wirklich verdiente, bestand aus ganzen sechs Gebäuden – allem Anschein nach fünf Bauernhöfen mit einem Gasthof – die in einem großen, losen Kreis um eine Art altmodischen Brunnen, der offenbar den Dorfmittelpunkt bildet, gruppiert waren.

Darum wechselten sich Felder mit Kühen, Schweinen und gelegentlich Schafen mit grün bewachsenen Äckern und Ausläufern des Waldes, den sie gerade verlassen hatten, ab. Rechts von ihnen zog sich parallel zum Weg ein kleiner Bach, der sich einmal quer über den freien Platz vor ihnen wand und dann irgendwo auf der linken Seite hinter einem der Gebäude wieder verschwand.

Das hier war wohl so ziemlich einer der langweiligsten, abgelegensten, einsamsten Orte, die Konoha zu bieten hatte, und ausgerechnet hier lag ihr erstes Ziel?! Was bitte sollten sie hier trainieren??

Gerade, als Naruto den Mund aufmachen wollte, um sich zu beschweren, brach Kakashi gut gelaunt die Stille: „So, da wären wir. Es ist schon nach Mittag, fangen wir also am besten gleich mal an. Jiraiya?“, wand er sich an den Weißhaarigen, der ihn einen kurzen Augenblick fragend ansah, ehe er verstehend nickte.

„Aber sicher doch. Los, Jungs, gebt mir eure Taschen, ich bring sie in die Unterkunft, dann könnt ihr gleich anfangen!“, grinste er breit.

„Und du gleich die Weiber abchecken, wie Ero-Sennin?“

Doch Jiraiya zog es vor darauf nicht zu antworten, ließ sich die Taschen der beiden Genin geben und war auf und davon, während Kakashi nur die Schultern zuckte und auf den Waldrand ein ganzes Stück links von ihnen deutete.

Naruto und Sasuke folgten ihm schweigend, wurden aber zunehmend argwöhnischer, als er immer und immer wieder die Bäume hinaufsah und Worte wie „zu klein“, „zu niedrig“ oder „zu dünn“ vor sich hin murmelte. Nach guten fünf Minuten langweiligem hin und her Latschen, tauschten die beiden einen genervten Blick, nur um sich gleich darauf bewusst zu werden, was sie da eigentlich taten und so schnell es ging den Kopf wieder abzuwenden.

Weitere fünf Minuten später hielt Naruto es nicht mehr aus: „Kakashi-sensei, was zum Teufel suchen wir eigentlich?!“

Kakashi indes ließ sich davon nicht im Geringsten aus der Ruhe bringen und fuhr fort einen Baum nach dem anderen in aller Seelenruhe zu inspizieren. „Nun, wenn du dich so aufregst, wie wäre es zuerst einmal mit Geduld?“

Ein Schnauben war die einzige Antwort darauf und hätte Naruto in diesem Moment sein Gesicht sehen können, so hätte er darauf ein amüsiertes Schmunzeln gesehen. Er rechnete schon gar nicht mehr damit, als Kakashi entschied ihm doch noch zu antworten: „Wir suchen den besten Trainingsplatz.“

Naruto hob mehr als leicht skeptisch eine Augenbraue. „Trainingsplatz für was?“

Nun kicherte Kakashi wirklich und irgendwie hatte Naruto kein sehr gutes Gefühl bei der Sache, als sein Lehrer vor einem vermutlich ziemlich alten Baum stehen blieb und sich zu ihnen umdrehte.

„Da haben wir ihn doch schon.“

„Schon?“, murmelte Naruto genervt, warf aber dennoch einen Blick nach oben, nur, um festzustellen, dass Kakashi offensichtlich nach einem der ältesten Bäume gesucht hatte. Dieses Exemplar war extrem groß und musste einen enormen Umfang haben. Vermutlich würden sie es nicht einmal zu viert gänzlich umfassen können.

Naruto setzte dazu an zu fragen, was genau sie denn jetzt bitte eigentlich mit diesem Baum anstellen sollten, doch zum zweiten Mal an diesem Tag kam Kakashi ihm zuvor: „Wir verlassen das Dorf wieder, sobald ihr mir sagen könnt, was wir hier trainieren wollen. Oh, und umsetzen können solltet ihr es am besten auch.“

Unnötig zu sagen, dass Naruto daraufhin das Gesicht verzog. „Wie sollen wir Ihnen denn sagen, was wir trainieren, wenn wir nicht trainieren? Das wäre ja so, als wenn man sagen soll, welche Sorte Ramen man in der Hand hat, obwohl die Packung verschlossen ist und jemand den Aufdruck übermalt hat.“

Zwei fragende Augenpaare richteten sich auf den blonden Jungen, der mit vor der Brust verschränkten Armen da stand und verwundert zurücksah. „Was?“, fragte er und sah unschlüssig zwischen Kakashi und Sasuke hin und her.

„Das war ein… interessanter Vergleich, Naruto.“, kommentierte Kakashi trocken, wozu Sasuke ein gemurmeltes „Volltrottel“ hinzufügte, ehe ihr Lehrer sich vernehmlich räusperte und fortfuhr: „Die Frage ist durchaus berechtigt, aber, keine Sorge, ich werde euch natürlich eine Aufgabe geben, aber herauszufinden, wozu sie gut ist, müsst ihr schon selbst.“

„Bringt diese Art von Training uns dann überhaupt etwas?“, hakte Sasuke skeptisch nach und musste gegen seinen Willen Naruto zustimmen: Irgendwie erschien ihm das ganze reichlich sinnlos.

„Das will ich doch hoffen, aber am Ende liegt es bei euch.“, erwiderte Kakashi und verriet damit genauso viel, wie meistens auch: nämlich rein gar nichts. Er winkte allerdings die beiden Jungen ein Stück näher zu sich und wartete geduldig, bis sie sich – reichlich widerstrebend – nebeneinander gestellt hatten. Dann deutete er auf den Baum hinter sich. „Was meint ihr? Wie hoch hinaus geht er?“

Naruto und Sasuke tauschten einen kurzen Blick, dann zeigte sich eine seltsame Entschlossenheit auf beiden Gesichtern und sie starrten angestrengt nach oben.

„30 Meter.“, antwortete Sasuke als erster nach kaum zehn Sekunden.

„Oh? Bist du dir ganz sicher?“, fragte Kakashi, woraufhin der Schwarzhaarige noch einmal nach oben sah und sich trocken korrigierte: „Nein, doch eher 30,2358 Meter.“

Der Sarkasmus in seiner Stimme entging wohl nur Naruto, der nach wie vor nach oben blickte und den oberen Teil des Baumes fixierte, den man Dank des Blätterdachs kaum noch sehen konnte. „Also, ich denke…“

„Kakashi-sensei, was machen Sie da eigentlich?“, murrte Sasuke in dem Moment und so sehr Naruto sich auch darüber ärgerte, dass er schon wieder unterbrochen worden war, der seltsame Tonfall ließ ihn doch den Blick senken. Es war nicht weiter schwer zu erraten, was Sasuke meinte: Kakashi war aus irgendeinem unerfindlichen Grund vor ihnen in die Hocke gegangen, doch nun klopfte er sich die Hände ab und richtete sich wieder auf.

„Nichts weiter. Dann können wir ja jetzt loslegen.“

„Wollten Sie nicht wissen, wie hoch der Baum ist?“, fragte Naruto sogleich lautstark nach. Doch Kakashi schüttelte den Kopf. „Nein, ich wollte nur, dass ihr euch nicht so sehr sträubt.“ Ehe die unausgesprochenen Fragen, die nur zu deutlich auf den Gesichtern der beiden aufblitzten, ihren Weg zu den Mündern finden konnten, fuhr er eilends fort: „Um es kurz zu fassen: Ich möchte, dass ihr den Baum da hochklettert. Und zwar ohne eure Hände zu benutzen.“

Gute drei Herzschläge lang war es totenstill und Kakashi hatte einen immensen Spaß daran zuzusehen, wie den beiden Jungen langsam aber sicher die Gesichtszüge entglitten. In Gedanken zählte er ruhig. Fünf. Vier. Drei. Zwei. Eins. Nu…

„Das ist doch wohl der größte Schwachsinn überhaupt!“, motzte Naruto berechenbar wie eh und je drauflos, „Das haben wir doch schon längst hinter uns!!“

Sasuke sagte nichts, er schnaubte nur und verschränkte die Arme, aber es war offensichtlich, dass er Naruto zustimmte. Kakashi schmunzelte unbemerkt wissend.

Dann trat er seelenruhig einen Schritt zur Seite, deutete auf den Baum und meinte. „Nur zu, wenn ihr nach oben kommt, verzichte ich auf den Rest des heutigen Programms.“

Seine beiden Schüler verdrehten synchron die Augen, stießen sich mit einem Bein ab und rannten auf den Baum zu… nun, sie versuchten es zumindest. Keiner der beiden kam weiter als einen Schritt, dann stürzten sie nebeneinander doch eher unsanft auf den Waldboden.

Naruto fluchte, spuckte einen Mund voll Erde aus und funkelte sauer in Sasukes Richtung. „Hey, du Bastard, das war nicht meine Idee, also stell mir hier gefälligst kein Bein!!“

Sasuke knurrte, stützte sich auf die Unterarme ab und schoss einen nicht weniger wütenden Blick zurück. „Was redest du da, du Volltrottel? Wer hat denn hier bitte wem ein Bein gestellt?!“

Sie wollten offensichtlich aufstehen, doch noch ehe sie sich auch nur halb aufrichten konnten, stürzten beide sofort wieder vornüber, was weitere Flüche und Verwünschungen mit sich brachte. Kakashi staunte nicht schlecht, was die beiden doch alles für Schimpfworte kannten, doch ehe sie sich noch zerfleischten – inzwischen waren sie nämlich schon zur einer mittleren Bodenrangelei übergegangen – hielt er sie doch lieber auf, indem er vorsichtig, aber bestimmt ihre Köpfe auseinander drückte. Das zwang die beiden Jungen automatisch dazu ein Stück voneinander weg zu rücken – allerdings nicht sehr weit.

Beide sahen gleich verwirrt zu ihren Beinen, als sie einen merklichen Widerstand spürten. Kakashi überlegte noch, ob er es ihnen lieber gleich erklären oder doch eher warten sollte, bis sie es selbst herausfanden, doch Sasuke nahm ihm die Entscheidung ab. Er wand den Kopf und sah aus, als wollte er seinen Lehrer regelrecht mit Blicken durchbohren. „Ein Faden?!“, knurrte er leise und griff nach dem kaum sichtbaren, störenden Objekt, dass sich um sein rechtes und Narutos linkes Knie wand und sie zusammenhielt. Aber so sehr er auch daran zerrte und versuchte ihn einfach herunter zu schieben, der Faden blieb wie angeschweißt an derselben Stelle.

Naruto indes hatte Sasuke reichlich ungläubig zugesehen und stumm abgewartet, bis der Schwarzhaarige entnervt aufgab und stattdessen wieder Kakashi mit Blicken aufspießte.

„Was…?“, setzte Naruto an, der sich gerade leicht mit der Situation überfordert fühlte.

Kakashi grinste unter seiner Maske breit. „Training. Ich sagte doch, ihr sollt den Baum hoch laufen.“ Er zwinkerte amüsiert und ignorierte alle imaginären Pfeile und Dolche, die ihn gerade durchbohren wollten ungerührt.

„Während unsere Beine zusammengebunden sind?!“, versicherte sich Naruto skeptisch, worauf Kakashi nickte.

„Nun, genau betrachtet solltet ihr vielleicht erstmal das Laufen an sich üben, ehe ihr wirklich versucht da hochzuklettern…“ Er brach ab und musste sich alle Mühe geben nicht laut loszulachen angesichts des Schauspiels, das sich ihm gerade bot. Sasuke war es zu bunt geworden und er hatte erneut aufstehen wollen, hatte es sogar geschafft Narutos Bein schlichtweg halb mit in die Höhe zu ziehen, ehe der Blondschopf sich ärgerlich gegen diese Behandlung gewehrt hatte und beide aufeinander wieder zu Boden gefallen waren. „Bei genauerer Überlegung solltet ihr doch lieber mit dem Aufstehen anfangen.“, kommentierte Kakashi erheitert und sprang auf einen der Nachbarbäume.

Er machte es sich gemütlich und zog in aller Seelenruhe sein Büchlein aus der Tasche. „Sagt Bescheid, wenn ihr wieder stehen könnt.“

Hätten Blicke töten können, so wäre er in diesem Moment wohl wortwörtlich tausend Tode gestorben, doch da sie das ja bekanntlich nun einmal nicht können, grinste er nur im Verborgenen umso breiter. Das konnte noch ein sehr lustiger Tag werden…
 

Tatsächlich brauchten sie fast eine Viertelstunde, ehe sie sich endlich darauf einigen konnten gleichzeitig aufzustehen. Sasukes Weigerungen mit Narutos zu sprechen und Narutos Sturheit nicht auf das hören zu wollen, was ihm sein Teamkollege sagte (insbesondere nicht auf „wenn ich ‚jetzt’ sage, stellst du deinen Fuß auf“) machten das ganze nicht unbedingt leichter.

Nun standen sie also mit vor der Brust verschränkten Armen dich nebeneinander und weigerten sich auch nur einen Blick zu tauschen.

Naruto seufzte in Gedanken, so hatte er sich das ganze nicht vorgestellt. Irgendwie war er immer davon ausgegangen, dass Sasuke wieder zur Vernunft kommen würde, wenn es ihm gelang ihn zurück nach Konoha zu schleifen, aber so wie es im Augenblick aussah, wollte der immer noch davon rennen. Die Frage war nur: Was hielt ihn davon ab?

Gestern Abend wäre die ideale Gelegenheit gewesen abzuhauen, während beide Lehrer… beschäftigt und Naruto zu genervt gewesen waren, um auf ihn zu achten. Bedeutete die Tatsache, dass Sasuke nichts unternommen hatte, dass es doch noch Hoffnung gab?

Er warf einen kurzen Blick zu Kakashi hoch, der immer noch auf dem breiten Ast oben im Baum rechts von ihm lümmelte und in sein Buch versunken war. Was hielt er von der Sache? Glaubte er, dass sie noch eine Chance hatten?

Unwillkürlich huschten Narutos Augen nach links und, wie auf ein geheimes Zeichen hin, sah auch Sasuke in genau diesem Moment zu ihm herüber, sodass sich ihre Blicke nun doch trafen. Beinahe sofort zuckten beide wieder weg.

„Wir sollten das dann mal besser hinter uns bringen, oder?“, brach Naruto die unangenehm werdende Stille. Die einzige Reaktion darauf war ein Schnauben. „Hn.“ Er deutete das mal als Zustimmung und wollte loslaufen.

Sasuke ebenfalls – nur leider zum wiederholten Mal mit dem anderen Bein, sodass beide um ein Haar gleich wieder vornüber auf den Boden gekracht wären, hätten sie sich nicht im letzten Moment mit den Händen abgefangen.

Sasuke murmelte etwas Undeutliches vor sich hin, während er sich wieder aufrichtete, dann funkelte er Naruto wütend an, zögerte einen Moment lang, als wäre er sich unsicher, ob er überhaupt sprechen sollte und knurrte dann kaum hörbar: „Hör zu, du Idiot, es bringt nichts, wenn du drauflos stürmst. Wir müssen mit demselben Fuß anfangen, kapiert?“

Augenblicklich meldete sich Narutos Dickkopf und er streckte als Antwort erst einmal die Zunge raus, während er sich innerlich freute, dass Sasuke immerhin mal wieder mit ihm gesprochen hatte.

Sasuke ignorierte ihn weitestgehend und entschied ohne ihn zu fragen: „Wir fangen beide hiermit an.“ Er hob überdeutlich ihre zusammengebundenen Beine ein Stück hoch. Es war keine Frage, sondern fast schon ein Befehl und seinem Blick nach zu urteilen wartete er nur darauf, dass Naruto ihm widersprach und/oder protestierte. Der allerdings tat ihm nicht den Gefallen, sondern blieb unüblich still und wand den Kopf nach vorn.

Er zog fast schon behutsam sein linkes Bein nach vorn und als er merkte, dass Sasuke in die Bewegung mit einstieg, machte er ohne Nachzudenken den nächsten Schritt. Diese Technik ging überraschend lange gut, bedachte man, dass Naruto überall hinsah, nur nicht zur Seite, doch nach etwa vier Metern passierte das Unvermeidliche.

Ihre Schrittlängen waren nicht aufeinander abgestimmt und da die beiden Jungen sich weigerten mehr als nötig aufeinander zu achten… stellten sie sich im wörtlichen Sinn mehr oder weniger selbst ein Bein. Narutos zu großer Schritt zwang Sasuke dazu sich zur rechten Seite hin zu lehnen, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren, dabei stieß er unweigerlich gegen Naruto, der nun ebenfalls einen Seitwärtsschritt machen musste, Sasuke dabei nur noch weiter nach rechts zog und sie beide umgeworfen hätte, hätte Sasuke nicht geistesgegenwärtig den Arm des Blondschopfs gepackt und ihn wieder zurück gezogen.

Naruto sah leicht entgeistert auf seinen Arm hinab, den Sasukes Hand noch immer umschloss. „Du…?“

Sasuke schnaubte. „Bild dir nichts drauf ein, Volltrottel, ich hab nur keine Lust wieder hinzuknallen.“ Dann ließ er fast schon ruckartig los und sah wieder weg. Naruto allerdings musterte das Gesicht seines Teamkollegen kritisch von der Seite. War das wirklich die ganze Wahrheit gewesen?
 

Kakashi hatte sich geweigert, ihnen den Faden abzunehmen, als sie zum Abendessen gingen und so waren die Jungen zum Leidwesen beider gezwungen gewesen sich dicht nebeneinander zu setzen.

Sasuke hatte auf die Art und Weise mehrere Spritzer von Narutos Ramen abbekommen und Naruto zum Dank mehrere unsanfte Schnipser gegen Ohr oder Stirn – und auch das nur, weil Sasuke wusste, dass eine Kopfnuss oder Ohrfeige sie im schlimmsten Fall beide vom Stuhl geworfen hätte. Oh, wie er das alles gerade wieder hasste. Was genau wollte Kakashi – der zum Essen nicht einmal erschienen war – damit eigentlich bezwecken? Dass sie sich noch mehr auf die Nerven gingen, als üblich? Wollte er ihn bloß in Versuchung bringen, Naruto doch noch umzubringen?!

Jiraiya hatte sich, kaum, dass er aufgegessen hatte, verabschiedet und nicht nur Sasuke hatte das untrügliche Gefühl, dass sie ihn diesen Abend nicht mehr wieder sehen würden. Wenigstens hatten sie diesmal zwei Zimmer und Kakashi hatte netterweise daran gedacht ihnen vor dem Essen den Zimmerschlüssel zu geben – wenn auch vermutlich nur, damit sie nicht wieder auf die Idee kamen, nach den beiden zu suchen.

Nun, zumindest Sasuke hatte auch definitiv keine Lust darauf sich zum zweiten Mal innerhalb von zwei Tagen mit den beiden sturzbesoffenen Lehrern anzulegen und als hätte Naruto, der gerade neben ihm murrend mit seinen Essstäbchen spielte, seine Gedanken gelesen, murmelte er kaum hörbar: „Zimmer?“

Sasuke nickte, was Naruto wohl aus den Augenwinkeln gesehen hatte, denn er legte das Stäbchen weg und setzte dazu an aufzustehen. Sasuke folgte der Bewegung und sie schoben sich langsam seitlich an dem Tisch vorbei. Sasuke unterdrückte ein Knurren, ein Glück, dass niemand hier im Raum war, das war so was von erniedrigend…

Wenigstens das Laufen hatten sie aber inzwischen halbwegs drauf und so kamen sie zumindest ohne allzu große Probleme in ihr Zimmer. Es war eine Mischung aus traditioneller und moderner Einrichtung, was Sasuke nur recht kam. Die Tatami-Matten konnten sie zum Schlafen nebeneinander schieben, wenn es sein musste. Das war zwar unangenehm, aber immer noch besser als ein Doppelbett und sobald dieses elendige Training vorüber war, konnten sie sich schön weit auseinander schieben… so etwa drei Meter, schätzte er. Das wäre ja auch wohl das mindeste und…

Seine Gedanken wurden schlagartig unterbrochen, als ihn ein Arm im Gesicht traf. „Hey, pass doch auf…!“

Als er sich umwand musste er feststellen, dass Naruto sich gerade Jacke und T-Shirt abgestreift hatte und mit dem rechten Bein aus der Hose stieg.

Sasuke stöhnte wütend und fasste sich mit einer Hand an den Kopf. „Du Vollidiot, wie zum Geier willst du denn die Hose ausziehen, wenn der Faden darüber liegt und… hey…!!“ Naruto hatte ihn nicht beachtet und das linke Bein mit soviel Schwung hochgerissen, dass es Sasuke fast auf die Bretter geschickt hätte, wäre das Zimmer nicht klein genug gewesen, dass er sich noch mit den Händen an der Wand hinter sich abfangen konnte.

Er wollte gerade zu einer mehr als wütenden Antwort darauf ansetzen, als er verwundert blinzeln musste. Naruto hatte es geschafft die Hose auszuziehen, obwohl der Faden immer noch da war. Wie…?

Der Blondschopf allerdings beachtete ihn immer noch nicht, warf besagte Hose achtlos in die Ecke und wollte zu einer der Matten links von ihnen gehen, doch diesmal verlagerte Sasuke das Gewicht rechtzeitig und bremste ihn aus. Nun endlich wand Naruto den Kopf doch um und Sasuke wurde erneut überrascht, als sein Gegenüber ihm tatsächlich eine ernste, fast schon traurig wirkende Miene präsentierte.

„Willst du da ewig rum stehen, oder gehen wir heute noch mal schlafen?“, kommentierte Naruto tonlos, was Sasuke automatisch ein Schnauben abrang. Was war denn auf einmal in den gefahren?

„Sonst fällt dir nichts ein?“

Naruto zuckte die Schultern und zerrte wieder an ihren zusammengebundenen Beinen, doch Sasuke dachte gar nicht erst daran locker zu lassen. Zu leicht würde er es ihm nicht machen.

Narutos Gesicht verzog sich, aber nicht wütend, nein, es wurde schlagartig… enttäuscht?

„Was soll ich denn noch sagen, du hörst mir doch ohnehin nicht zu, oder?“, meinte er pampig und versuchte offensichtlich etwas zu überspielen. Das reizte Sasukes Ärger erneut.

„Ich höre dir nicht zu, ja? Wer ist denn bitteschön für diese verdammte Scheiße hier verantwortlich?!“

Naruto fauchte augenblicklich zurück: „Glaubst du denn, ich habe mir das so vorgestellt?! Glaubst du das wirklich?!!“

Narutos Gesicht näherte sich seinem und obwohl Sasuke automatisch die Hände hob und gegen seinen Brustkorb drückte, um ihn auf Abstand zu halten, merkte er gleich, dass es sinnlos war. Die einzige Chance die aufkommende Katastrophe zu verhindern wäre gewesen auf Abstand zu gehen und die hatte ihnen dieser vermaledeite Kakashi erstklassig genommen. So war er gezwungen in Narutos blaue Seelenspiegel zu blicken und darin mehr Gefühle zu finden, als er überhaupt sehen wollte.

Wütend wollte er den Blick abwenden, aber das wäre ein Zeichen für Schwäche gewesen und war absolut inakzeptabel. Also starrte er weiter in die Augen, die ihm mehr entgegen schrieen, als Worte je gekonnt hätten, während ihr Besitzer fortfuhr: „Verdammt, du Bastard, ich wollte, dass es wie vorher wird! Ich wollte, dass wir ein Team werden!“

Damit donnerte er Sasuke, der zu unschlüssig war, um zu reagieren, seine Hand gegen die Wange und schleuderte sie beide zu Boden. „Ich dachte, wir könnten Freunde sein…!!“ Soweit ihre Beine es zuließen hatte Naruto sich über ihn gerollt, doch Sasuke wich dem nächsten Faustschlag gerade noch aus und schwang sich zur Seite, sodass nun Naruto unten war. Der schlug weiter nach ihm. „Ich dachte, wir wären Freunde!!“

Sasuke fing knurrend eine Faust ab, die auf sein Gesicht zielte. „Vielleicht waren wir das, aber…“

Weiter kam er nicht, da Naruto nun die Taktik wechselte und mit dem freien Bein nach ihm trat, was Sasuke dazu zwang seitwärts auszuweichen und Naruto genug Luft zu geben, dass dieser sich wieder auf ihn stürzen konnte.

„Vielleicht?? Vielleicht?!!“ Naruto schien nun richtig in Rage zu sein, er schrie immer lauter: „Argh, du hast es doch selbst gesagt!“

Sasukes Augenbrauen wanderten mehr und mehr nach unten, während sie sich auf dem Boden hin und her warfen, ohne, dass einer auf Dauer die Oberhand gewinnen konnte. „Du verstehst wie immer nicht das Geringste!“, fauchte er zurück.

„Wie auch, wenn du nicht mit mir redest?“, gab Naruto bissig zurück, kurz bevor sie beide äußerst unsanft mit dem Rücken gegen die Kommode krachten – so ziemlich das einzige hölzerne Möbelstück im ganzen Raum.

Für einen kurzen Augenblick gelang es Naruto daraufhin Sasuke festzunageln und wieder traf den Schwarzhaarigen dieser anklagende, traurige, wütende Blick. „Sag mir, Sasuke, was hättest du getan, wenn ich an diesem Tag damals auf einmal zu einem perversen Schlangenmenschen hätte rennen wollen, der nur meinen Körper haben will?! Heh?!! WAS?!!! “

Und zum ersten Mal wusste Sasuke absolut nicht, was er tun oder sagen sollte. Eigentlich hätte er antworten sollen, dass es ihm nicht egaler hätte sein können, aber entsprach das wirklich der Wahrheit? Machte es einen Unterschied? Sollte es ihn kümmern? Warum reagierte er überhaupt auf diese Anschuldigungen? Warum dachte er darüber nach? Und warum, verdammt noch mal, warum verwirrte ihn diese eine Frage so sehr…?!
 

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Ähm, ja, hier mal kurz Nebelland: Tut mir echt leid, dass wir bzw. ich euch so lange habe warten lassen. Es war nicht geplant, dass das Semester dermaßen heftig los geht und so viel Zeit in Anspruch nimmt, dass ich gar nicht mehr zum Schreiben komme... ich hoffe, das wird nicht wieder vorkommen... ^^°

Hals- und Schädelbruch

Der nächste Morgen hätte trüber nicht sein können. Es war als würde eine Regenwolke über dem Frühstückstisch schweben, die genau ihren Platz über den beiden Jungs gefunden hätte. Die rührten beide ihr Frühstück nicht mal an, Naruto sah stur auf den Tisch, während Sasuke die Wand ansah. Das beide an den Füßen noch miteinander verbunden waren, verbesserte die Situation nicht gerade. Und irgendwie hatte Kakashi das Gefühl, dass sich die beiden gestern richtig gezofft hatten, als Jiraiya und er nicht da gewesen waren. Beide hatten ein paar blaue Flecken im Gesicht und die negative Stimmung, die sie ausstrahlten, war so kalt, dass man damit Getränke direkt vor ihnen hätte kühlen können.

„Wie war euer gestriger Abend?“, fragte er trotzdem nach.

Sie ignorierten ihn. Irgendwie hatte er was anderes auch nicht erwartet. Andere Frage. „Wie läuft es mit eurem Training?“

Jetzt erntete er bitterböse Blicke, die ihm alles sagten, was er zu wissen brauchte. Er zuckte mit den Schultern. „Wenn ihr beiden das nicht auf die Reihe bekommt, kann ich auch nichts machen.“

„Sie könnten uns von dieser blöden Schnur befreien.“, murrte Naruto.

„Guter Witz.“, meinte Kakashi. „Von mir aus kann die liebe Schnur bis an euer Lebensende dran bleiben. Es sei denn, ihr lernt endlich was daraus.“

Jetzt sahen beide doch ein wenig betroffen aus. Kakashi stand auf. „Kommt, ihr esst sowieso nichts mehr. Aber beklagt euch nicht, wenn ihr beim Training Hunger bekommt.“

Widerwillig standen beide auf und Kakashi grinste unter der Maske leicht, als die beiden es wenigstens schafften mit einigem Hin und Her vorwärts zu kommen. Er warf noch einen Blick auf Jiraiya, der nur leicht den Kopf schüttelte. Kakashi seufzte innerlich. Wenn das so weiter ging, würden sie noch Wochen in diesem kleinen Kaff bleiben.

Sie brauchten eine geschlagene Viertelstunde bis zum Baum, den man eigentlich in fünf Minuten erreichen konnte. Dass die beiden sich nicht anfauchte, war irgendwie besorgniserregender als wenn sie es tun würden. Als sie endlich vor dem gewünschten Trainingsobjekt standen, war Kakashi innerhalb von zwei Sekunden auf einem sehr hohen Ast und schaute auf beide runter, die verstohlen vor dem Baum standen.

„Ich warte.“, rief er runter.

Beide warfen sich kurz einen Blick zu und sie gingen in Position. Dass sie es mittlerweile schafften die passenden Füße beim Gehen zu bewegen ohne hinzufallen, war schon mal ein Fortschritt, aber es änderte nichts an der Tatsache, dass Sasuke und Naruto zwei Sekunden später wieder auf den Waldboden krachten. Das Problem war eigentlich ganz einfach. Es ging nicht nur darum die passenden Füße voreinander zu setzten, sondern auch die Schrittgröße anzupassen. Und das taten beide überhaupt nicht. Beim Gehen machte Naruto viel ausholendere Schritte als Sasuke, während beim Laufen Sasuke der Schnellere war.

Kakashi tat das einzige, was ihm in dieser Situation einfiel. Er packte sein Flirt-Paradies-Buch aus, machte es sich auf dem Ast gemütlich und fing an zu lesen.
 

Das wird nie was, dachte Naruto fluchend, während er sich wieder aufsetzte und sich den Schädel rieb. Ein verstohlener Blick auf Sasuke bestätigte ihm, dass er nicht anders dachte. Am Ende des Tages würden sie sich wahrscheinlich beide den Hals gebrochen haben.

„Scheiße!“, fluchte er und stand wieder auf, wobei Sasuke es ihm gleich tat. Wütend funkelte Naruto den Baum an, dann wanderte sein Blick zu seinem Lehrer hoch und sein Gesicht wurde knallrot, der doch tatsächlich gemütlich las.

„Ich bringe diesen perversen Sack um.“, zischte er und wollte sofort auf den Baum zurennen um, seinen Lehrer ordentlich die Meinung zu geigen. Nur hatte er für einen Moment mal wieder die Schnur vergessen und er lag mit dem Gesicht voran im Gras.

„Vollidiot.“, hörte er Sasuke murren.

Und da hatte Naruto echt keinen Bock mehr. Er wollte nicht schon wieder dieses Training machen, er wollte nicht an Sasuke gefesselt sein, er wollte das Ganze hier überhaupt nicht. Jedenfalls nicht so. Das war verdammt noch mal Folter!

Also blieb er im Gras liegen, haute mit der rechten Faust auf es ein, während er sehr unsanfte Wörter ins Gras schrie. Natürlich ging ihm irgendwann die Puste aus, worauf er anfing seinen Kopf auf den Boden zu hämmern.

„Haben wir es dann bald mal?“

Sasuke ignorierend machte er weiter. Sollte der blöde Sack doch alleine weiter machen und es irgendwie schaffen sich von dieser Schnur loszumachen. Dann hatte er keine Sorgen mehr und Naruto auch nicht.

„Gleich hat der Boden 'ne Delle.“

„Na und?“

Mist, er hatte doch geredet. Aber er hörte nicht auf dem Kopf auf den Boden zu schlagen. Irgendwie war das ganz angenehm, man konnte sich auf was anderes konzentrieren, als darauf es seinem unfreiwilligen Partner recht zu machen, der sich sowieso nie nach ihm richtete.

„Das hilft uns nicht weiter.“

„Dann lass dir was einfallen.“

„Du hilfst mir nicht gerade dabei.“

„Ich bin am nachdenken.“

„Das sehe ich.“

Wütend hob Naruto den Kopf und funkelte zu Sasuke hoch. „Dann mach mal einen verdammten Vorschlag, vielleicht fällt mir dann auch einer ein.“

Sasuke verschränkte die Arme vor der Brust und sah in die Tiefen des Waldes. Und das ungefähr eine Viertelstunde. Gerade wollte Naruto seinen Kopf wieder mit dem Boden bekannt machen, als Sasuke nach unten griff und ihn an seinem T-Shirt hochzog.

„Wir gehen.“

„Was?“, fragte Naruto perplex.

„Wir gehen jetzt mal ein Stück.“

„Willst du mich verarschen?“

Sasuke funkelte ihn an. „Wir schaffen es nicht mal einen Schritt den Baum hoch. Vielleicht sollten wir erst mal versuchen richtig zu gehen.“

Wo er recht hatte, hatte er recht. Aber das würde er natürlich nicht zugeben. Mit einem Murren erklärte sich Naruto bereit und sie fingen an zu gehen. Wenn es hier irgendwo eine versteckte Kamera gebe, sie live in eine Talkshow sendete, würden die Zuschauer derbe was zu lachen haben, denn das hier war mehr wie betrunkenes Herumeiern als Gehen.

„Da!“, sagte Sasuke in dem Moment.

„Was da?“

„Genau da liegt das Problem.“

„Hä?“

Der Schwarzhaarige rollte genervt die Augen. „Schau mal auf unsere Füße, während wir gehen.“

Naruto tat es widerwillig und beobachtete die Schritte. Es fiel ihm ein paar Sekunden später auf. „Upps.“, meinte er und blieb stehen.

Sasuke knallte auf die Nase, weil er das nicht vorhergesehen hatte. Er ballte die Hände zu Fäusten, aber er fing nicht an zu schreien. Stattdessen hörte Naruto seine gedämpfte Stimme aus dem Gras. „Hast du es gesehen?“

„Ja.“, gab er murrend zu.

Die Tatsache, dass sie beide nicht richtig gehen konnte, war wohl oder übel er. Er machte zu große Schritte. Sasuke rappelte sich auf, einen hübschen grünen Fleck auf der Nase. Trotzdem trat er schweigend wieder in Position. Als sie diesmal wieder gingen, passte Naruto sich Sasukes Schritten an und … wow, sie eierten nicht mehr herum! Das waren gut platzierte Schritte, womit sie nicht durch die Gegend torkelten. Fast sofort stahl sich ein dickes Grinsen in sein Gesicht und er sah zu seinem Partner. Der hatte die Augen geschlossen und ein minimales Zucken an den Mundwinkeln war zu sehen. So gingen sie ungefähr zehn Runden auf der Lichtung umher, bis sie sich endlich aufeinander abgestimmt hatten.

„Okay, und jetzt laufen.“, sagte Sasuke. „Das klappt nämlich auch nicht.“

„Wieso nicht? Wir können doch gehen, da könnten wir es doch auch mal mit laufen versuchen.“

„Beim Laufen machen wir wieder andere Schritte. Ist dir das noch nicht aufgefallen?“

Jetzt wo Naruto so drüber nachdachte, fiel ihm echt ein, dass es da auch nie richtig geklappt hatte. Und nach kurzen Überlegen war ihm auch klar, warum. Er funkelte Sasuke von der Seite her wütend an.

„Das mit dem Laufen ist aber deine Schuld.“

„Wieso meine?“

„Du bewegst dich zu schnell. Da kann ich nicht mithalten.“

„Das ist nicht mein Problem.

„Nein, das ist unser Problem. Könntest du dein Tempo vielleicht ein wenig drosseln?“

Sasuke schnaubte abfällig und schien kurz nachzudenken. Dann nickte er minimal und sie gingen wieder auf der Lichtung los, nur diesmal schneller. Diesmal waren mehrere Anläufe nötig, ehe sie es schafften nebeneinander herzulaufen. Sasuke fiel es eindeutig schwer sich Narutos langsameren Tempo anzupassen, aber er hatte wohl oder übel keine andere Wahl. Und es war irgendwie nur fair, dass er sich jetzt auch mal Naruto anpasste und der sich nicht nur immer nach dem Herrn Uchiha richten musste. So langsam wurde ihm das nämlich auch zu blöd.

Aber nach einer halben Stunde schafften sie es endlich im langsam Tempo nebeneinander her zu laufen. Und Naruto konnte nicht anders, als stolz auf seine Leistung zu sein. Er wandte sich dem großen Baum zu.

„Hey, Kakashi-sensei, haben sie das gesehen?“, rief er hoch.

Aber auf dem Ast saß keiner. Verwirrt sahen Sasuke und Naruto sich um, aber Kakashi war weit und breit nicht zu sehen.

„Der Penner ist doch nicht allen ernstes abgehauen?“ Naruto war mehr als empört. „Das kann er nicht machen.“

„Kann er, denn er hat es offensichtlich getan.“, sagte Sasuke mit einer leisen Spur von Zorn in der Stimme. Er sah wieder auf den Ast, auf dem sein Lehrer gesessen hatte und kniff auf einmal die Augen zusammen. „Naruto...“

„Was?“

„Da hängt ein Zettel.“

Naruto hob ebenfalls den Blick und sah, was Sasuke meinte. Ein kleines weißes Blatt Papier hängte am Ast und schien nur darauf zu warten, dass es von den beiden gelesen wurde.

„Dieser miese...“, fluchte Naruto und steuerte zielstrebig den Baum an. „Ich lass mich von dem doch nicht verarschen.“

Sasuke hatte offensichtlich auch keinen Bock mehr auf den Mist, denn beide gingen vor dem Baum in Position und sahen sich einmal verstehend an. Diesmal dauerte es ein wenig länger, bis beide auf den Boden knallten, aber aus dem einen Meter Baumklettern waren fünf Meter Baumklettern geworden. Dummerweise ging man beim Baumklettern das Risiko ein, sich gegenseitig in den Weg zu gehen oder auf die Füße zu treten.

Beim dritten Hinfallen war es Naruto endgültig zu viel. „ICH HABE KEINEN BOCK MEHR AUF DIESEN MIST!!!“

In der festen Überzeugung, dass Kakashi irgendwo auf einem anderen Ast saß und vor sich hingrinste, während er beobachtete wie sie sich beide zum Affen machten, setzte er noch einen drauf. „Kakashi, wenn ich sie in die Finger kriege, werde ich ihnen ihre BESCHEUERTE Frisur rausreißen und ihnen ihr SCHMUDDELHEFT IN DEN ARSCH STOPFEN!!!“

Dann stand er keuchend auf der Lichtung, mit einem Gesicht, dass einer Tomate glich. Sasuke hatte sich währenddessen auf den Boden gesetzt und eine Hand unter das Kinn geschoben. Er sah auch nicht so aus, als hätte er noch groß Lust.

Als Naruto sich wieder einigermaßen beruhigt hatte, sah er runter zu seinem Teamkollegen, dann zu dem Baum und dann zu dem Zettel. Okay, er würde jetzt an dieses Papier kommen und dann würden er und Sasuke hier weggehen. Er tippte Sasuke mit der Fußspitze an, um ihn zu zeigen, dass er weiter machen wollte. Widerwillig stand der Uchiha auf und beide gingen wieder in Position. Es waren sieben Meter bis zu dem Ast, das musste doch wohl zu schaffen sein.

Diesmal zählte Naruto. „Eins, zwei, drei!“

Beide liefen los und rannten Stück für Stück den Baum hoch. Ein Meter, zwei Meter, drei, vier, fünf, sechs...

Ab sechs Meter war Schluss, Sasuke machten minimal einen zu großen Schritt und sie verloren das Gleichgewicht. Doch Naruto hatte die Schnauze voll. Mit einem trotzigen Schrei stieß er sich mit einem Fuß ab und ergriff den Ast. Ein Ruck ging durch seinen Körper, als Sasuke an seinem Bein in der Luft hing.

„Was hast du gemacht?“, schrie der Uchiha.

„Quatsch nicht rum, komm hoch!“, zischte Naruto.

Er konnte förmlich spüren, wie der Uchiha zögerte, aber dann schaffte er es irgendwie an Narutos Hosenbein zu kommen und sich langsam an Naruto hochzuziehen.

„Du ziehst mir die Klamotten aus, du Blödmann!“

„Anders komm ich doch nicht hoch.“

„Zieh mir nicht die Hose aus, du...“

„Denkst du, ich habe Bock deinen Boxershorts zu begutachten?“

Nach einigem Hin und Her schaffte Sasuke es auf Narutos Brusthöhe und für einen kurzen Moment sahen sie sich in die Augen. Naruto meinte für einen winzigen Moment so etwas wie Befriedigung in Sasukes Augen zu sehen und er konnte nicht anders, als stolz auf sich zu sein. Sie hatten es zumindest auf den Ast geschafft.

Als Sasuke endlich auch den Ast ergriffen hatte, zogen sie sich beide hoch. Beide standen wackelig auf dem Ast und Naruto schnappte sich schnell den Zettel, begierig darauf zu lesen, was Kakashi ihnen hinterlassen hatte.

Kaum hatte er das Geschrieben auf dem Stück Papier gelesen, bekam sein Gesicht eine ungesund aussehende viollette Farbe.

„Was steht da?“, fragte Sasuke.

Doch Naruto hatte endgültig die Schnauze voll. „DIESES VERDAMMTE...“

Er stapfte mit dem Fuß mehr als verärgert auf den Ast auf. Blöder Fehler. Ehe er es sich versah, rutschte er aus.

„Vorsicht!“, schrie Sasuke noch, doch es war zu spät.

Mit einem Schrei stürzte Naruto vornüber, doch die Schnur verhinderte, dass beide auf den Erdboden knallten. Das letzte, was Naruto richtig erkennen konnte, war, wie Sasukes erschrockenes Gesicht auf einmal auf ihn zugerast kam, ein Krachen ertönte … und auf einmal viele, viele bunte Sternchen vor seinen Augen tanzten.
 

Als Sasukes Kopf volle Kanne gegen Narutos Dickschädel schlug, wurde er vor Schmerz kurz blind und er schrie erschrocken auf. Die Hände vor die Stirn geklatscht, fluchte er ungehalten.

„Verdammt noch mal!“, schrie er laut.

Die Schnur hatte verhindert, dass beide auf dem Waldboden geschlagen waren. Dafür hing Naruto jetzt auf der einen Seite des Astes und er auf der anderen Seite, wodurch sie beide kopfüber in der Luft baumelten. Wirklich ganz toll. Während ihm das Blut langsam in den Kopf lief, bekam er unendliche Kopfschmerzen, was den Schmerz an seiner Stirn nicht sehr verbesserte. Verdammt, tat das weh!

Als er mit unterdrückten Fluchen fertig war, nahm er die Hand von der Stirn, nur um zu sehen, dass sie leuchtend rot war. Jetzt merkte er auch die warme Flüssigkeit, die über seine Stirn in sein Haar lief. Ein Stöhnen entrann seiner Kehle und er sah zum Erdboden. Die roten Blutstropfen landeten sieben Meter weiter unten auf dem Waldboden.

Himmel, wie war das ganze eigentlich passiert? Ach ja, Naruto hatte diesen Zettel gelesen und war sauer geworden. Super, der Idiot war also wieder Schuld.

„Naruto, was stand auf dem Zettel?“, fragte er. „Denn wenn es nichts Schlimmes war, trete ich dir in deinen...“

Erst jetzt fiel ihm was auf. Es war ruhig. Zu ruhig. Kein Gefluche war außer seinem eigenen war zu hören, und Naruto würde garantiert fluchen. Nur ein leises Brabbeln war zu hören.

Durch die Tatsache, dass Sasuke unkontrolliert in der Luft pendelte, drehte er sich langsam um die eigene Achse. Und auch jetzt fiel ihm auf, dass es nicht nur sein Blut war, welches den Erdboden unten volltropfte.

„Naruto?“, fragte er leise.

Endlich konnte er seinen Partner sehen, der ihm den Rücken zugedreht hatte, die Arme schlaff in der Luft hängend. Mit einem Schlucken packte Sasuke ihm am Arm und drehte ihn so, dass er ihn richtig sehen konnte. Fast sofort verzog er das Gesicht.

Naruto sah im Gesicht wahrscheinlich nicht besser aus als er. Eine große Platzwunde war an seiner Stirn und das Blut tropfte, genau wie beim ihm, in seine Haare und auf den Boden. Die blauen Augen waren zwar geöffnet, aber Naruto murmelte wirres Zeug vor sich hin, während seine Augen ins Leere sahen.

„Naruto?“

Sasuke patschte ihm auf die Wange und versuchte das zu hören, was der Blonde murmelte. Nach einigem Hinhören verstand er es auch und es war auch der Grund, warum Sasuke ihm eine verpasste.

„Viele, viele bunte Sternchen...schwirren süß umher...“

„Wach auf, du Idiot!“

Die Ohrfeige brachte nicht viel. Anscheinend nur, dass Naruto noch mehr Sternchen sah als zuvor. Und das Gebrabbel hörte nicht auf.

„Oh, jetzt sind sie violett. Sasuke, die Farbe ist echt cool.“

Super, der Kerl war total grogy. Langsam aber sicher hatte Sasuke keine Lust mehr hier herumzuhängen. Durch das Blut, welches ihm in den Kopf schoss, nahm der Druck in gerade diesem unheimlich zu, was hieß, dass mehr Blut aus seiner und Narutos Wunde lief und er langsam aber sich das Gefühl hatte, dass seine Augäpfel gleich wie reife Melonen platzen würden. Bei Naruto konnte man bereits kleine geplatzte Äderchen in den Augen sehen.

„Naruto, hallo. Das ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt, okay?“

Sasuke schlug ihm immer mal wieder leicht gegen die Wange und langsam hörte das Gemurmel auf und Naruto wurde wacher. Trüb sah er ihn an.

„Sasuke...“

„Endlich.“, stieß Sasuke hervor und er merkte kaum, dass er sogar ein wenig erleichtert klang. „Wir sitzen in der Tinte.“

„Ach echt?“ Naruto sah sich um und verzog das Gesicht. Als er sich mit einer Hand über die Stirn fuhr, zuckte er überrascht zusammen, als er das Blut sah. Dann sah er zu Sasuke und seine Augen wurden noch größer. „Sasuke, deine Stirn...“

„Ich weiß. Hast du eine Idee, wie wir hier loskommen?“

Naruto sah sich weiter um und zuckte dann so gut es ging mit den Schultern. „Weiß nicht. Schlag du was vor. Ich habe Kopfschmerzen.“

„Was du nicht sagst.“

Sasuke wurde langsam aber sicher kalt. Der Tag näherte sich dem Ende und ehrlich gesagt hatte er vergessen, wie lange sie hier schon hingen. Schließlich hatte er eine Idee. „Schubs mich mal ordentlich an.“

Naruto stellte ausnahmsweise mal keine Fragen, sondern stieß ihn mit den Händen ordentlich an den Rücken. Durch den Schwung schaffte Sasuke es um seine Beine zu greifen und letztendlich auch den Ast zu erfassen. Mit viel Mühe schaffte er es sich schließlich auf den Ast zu setzte. Jetzt hatte er nur das Problem, dass Naruto noch an seinen Beinen hing und sein Gewicht ihn langsam vom Ast holte.

„Sasuke...“, kam es in dem Moment.

„Was?“

„Mir ist schlecht.“

„Wundert mich gar nicht.“ Er selbst hatte wahnsinnige Kopfschmerzen. Er sah zu Naruto runter. „Versuch mal Schwung zu holen und nach meiner Hand zu greifen.“

Naruto schielte zu ihm hoch. Dann fing er an hin und her zu schwingen, während Sasuke ihm die Hand hinhielt.

„Oh Gott, gleich kotz ich.“, stöhnte Naruto.

„Schlechter Zeitpunkt, meinst du nicht auch?“

Mit einem weiteren Schwenk schaffte Naruto es seine Hand zu greifen. Allerdings war die so schwitzig, dass sie Sasuke langsam entglitt. Verbissen versuchte Sasuke den Blonden hochzuziehen. Und er rutschte immer weiter vom Ast. Zu allem Überfluss hörte er dann auch noch ein verräterisches Knacken.

„Sasuke, der Ast bricht!“, schrie Naruto.

Als ob er das nicht selber wusste. Komm schon, dachte Sasuke, komm schon, das ist doch nicht so schwer.

Das Krachen des brechenden Astes war so laut, dass es wie ein Pistolenschuss durch den Wald halte. Naruto schrie, er würde mit dem Kopf voran auf dem Boden aufschlagen. Und während sie auf den Boden stürzten, tat Sasuke das einzige was ihm in diesen Moment einfiel. Er zog Naruto, den er immer noch an der Hand hielt, an seine Brust, drehte sich im Sturz um die eigene Achse...und landete mit dem Rücken voran auf dem Boden, Naruto genau auf ihn drauf.

Der Aufprall raubte ihm den Atem und seine Brust fing höllisch an zu schmerzen. Am Rande merkte er, wie Naruto erschrocken von ihm runter krabbelte, während er sich zusammen krümmte und anfing zu husten. Verdammt, was ging heute eigentlich noch alles schief?

„Sasuke, bist du okay?“

Naruto schüttelte leicht seine Schulter und sah ihn aus großen Augen an. Als Sasuke wieder einigermaßen Luft bekam, fing er schwach an zu grinsen. „Klar, alles bestens. Mir gehst super. Du solltest vielleicht ein paar Pfund weniger wiegen, dann hätte das nicht so weh getan.“

Naruto überging die Bemerkung und beobachtete ihn aus besorgten blauen Augen. Letztendlich hatte Sasuke keinen Bock mehr aufzustehen und er blieb einfach auf den Waldboden liegen, Naruto gesellte sich wenige Minuten später neben ihn. Sie lagen schweigend nebeneinander, während der Mond aufging und zu ihnen runter schien.

Sasuke war, der die Stille unterbrach. „Ich hätte das gleiche getan.“

Naruto sah ihn verpeilt an. „Was?“

„Ich hätte das gleiche getan.“

„Bei was?“

„Wenn du dich entschieden hättest zum Feind über zu wechseln, nur um mehr Kraft zu bekommen, trotz dass du wüsstest, dass der Feind dich nur wegen deines Körpers haben will...hätte ich das gleiche getan.“

Er musste seinen Kopf nicht in Narutos Richtung drehen um zu wissen, dass der ihn mit offenen Mund anglotze. Und er wollte ihn auch nicht ansehen. Nach ihren gestrigen Streit war ihm einiges durch den Kopf gegangen, vor allem, weil Narutos Predigt ihn so fertig und nachdenklich gemacht hatte. Letztendlich war er zu der Antwort gekommen, denn...was machte er sich eigentlich vor? Der Kerl war zwar ein unbeschreiblicher Vollidiot, aber er hätte zu dem Zeitpunkt eindeutig das gleiche getan.

Irgendwann hörte er von Naruto ein Seufzen, bevor er ihn am Arm schüttelte. Vorsichtig öffnete er die Augen. Naruto sah zu ihm runter, während er ihm was hinielt. „Du solltest das auf deine Stirn tun. Das sieht zwar nicht sehr ansehlich aus, aber es ist immer noch besser als gar nichts.“

Es war ein Taschentuch. Sasuke sah auf das Stück Stoff, dann auf Naruto, ehe er anfing zu schmunzeln. „Das hast du eher nötig als ich.“ Naruto sah bei weitem schlimmer aus als er.

Naruto zuckte mit den Schultern. „Ist mir egal.“

„Nimm du es.“

„Nimm du es.“

Sasuke stöhnte genervt, ehe er es doch entgegen nahm. Ohne auf Narutos Protest zu achten, schnitt er das Taschentuch in zwei Hälften und gab die andere Naruto zurück, bevor er anfing sich das Blut aus dem Gesicht zu wischen und es sich dann auf die Stirn zu legen. Als eine ganze Weile Stille zwischen ihnen herrschte, legte sich Naruto wieder neben ihn.

„Wir sollten zurück.“

„Keine Lust.“, sagte Sasuke.

„Wie jetzt?“

„Ich habe keine Lust wieder in dieses stickigen kleine Zimmer zu gehen. Und vor allem will ich Kakashi nicht sehen.“

Es war kurz still, ehe Naruto mit den Schultern zuckte. „Dann lass uns hier bleiben.“

Sasuke hob erstaunt den Blick, aber Naruto hatte es sich schon gemütlich gemacht und ihm den Rücken zugedreht. Nach einem Moment des Erstaunens, machte Sasuke es ihm nach. Vielleicht würden die Kopfschmerzen ja morgen weg sein und sie konnten weiter trainieren. Jetzt hatte er jedenfalls keinen Bock mehr. Kurz vorm Einschlafen fiel ihm aber noch was ein.

„Naruto, was stand eigentlich auf dem Zettel?“

Naruto schnaubte. „Nichts. Nur ein fetter blöd grinsender Smily.“
 

Kakashi ging am nächsten Morgen zum Zimmer der Jungs hoch, um sie zu wecken. Der Raum war jedoch leer. Er runzelte die Stirn und ging zu Jiraiya.

„Hast du die Jungs gestern Abend noch gesehen?“

Jiraiya zuckte mit den Schultern. „Ich glaube, sie sind beide gestern nicht nach hier gekommen.“

Kakashi zog die Augenbrauen zusammen und sah in Richtung des Waldes. Sie waren nicht zurückgekommen? Hatten sie sich vielleicht gestritten und sich geprügelt? Bei den beiden würde es ihn jedenfalls nicht wundern. Okay, vielleicht hätte er gestern nicht den Trainingsplatz einfach so verlassen sollen, aber er wollte halt sehen, ob die Jungs auch ohne ihn zurecht kamen. Sie waren ja schließlich keine Kleinkinder mehr. Aber wenn beide gestern nicht zurück gekommen waren, dann war entweder was passiert oder sie hatten im Wald übernachtet.

„Kommst du mit nach ihnen sehen?“, fragt Kakashi.

Jiraiya erhob sich ohne was zu sagen und zusammen gingen sie in den Wald, bis sie zu dem Baum kamen. Die Lichtung selbst war leer.

„Merkwürdig.“, sagte Jiraiya. „Meinst du, sie sind abgehauen?“

„Denke ich nicht.“, sagte Kakashi leise und sah sich um. Es dauerte nicht lange, bis er etwas sah, was ihn doch ein wenig erschreckte. Am Baum, genau unter dem Ast auf dem er gestern gesessen hatte und der jetzt abgebrochen auf dem Boden lag, waren zwei Blutspuren. Zwei Meter daneben war das Gras platt und mit kleinen Blutflecken bedeckt. „Ich glaube, den beiden ist was passiert.“

Jiraiya trat neben ihn und begutachte die Spuren auf den Boden. „Wir sollten sie suchen. Nicht das...“

Weiter kam er nicht, denn es ertönte ein lautes Rascheln aus dem Baum. Als beide hinauf sahen, erblickten sie allerdings etwas, womit sie gar nicht gerechnet hätten. Mit gemächlichen Schritten kamen beide Jungs aus dem Baum und landeten synchron vor ihren Lehrern.

„Das seit ihr ja endlich.“, sagte Naruto genervt. „Kakashi-sensei, warum seit ihr gestern einfach abgehauen?“

Kakashi konnte die beiden nur erstaunt ansehen. Beide hatten Pflaster auf der Stirn kleben und ihre Haare waren von getrockneten Blut verfärbt. Mal abgesehen von der Tatsache, dass beide ein wenig genervt aussahen, waren sie topfitt und hatten ganz offensichtlich das geschafft, was er ihnen aufgetragen hatte.

„Ihr habt es geschafft?“, fragte er leise.

„Nein, wir haben nur aus Spaß die Baumkrone besucht.“, sagte Sasuke genervt.

„Machen sie uns jetzt endlich dieses blöde Ding ab?“, setzte Naruto noch hinzu.

Kakashi brauchte einen Moment in dem er seine beiden Schüler betrachtete. Dann fing er an zu grinsen und beugte sich zu ihnen runter. Als er beiden sanft die Hände auf die Köpfe legte, hatte er auf das Gefühl, dass endlich wieder wenigstens etwas in Ordnung war. „Ihr habt bestanden.“

Kleine (B)Engel

Eine Woche. Eine ganze verdammte Woche war seit ihrem Erfolg, der ihm im Nachhinein doch verdammt klein vorkam, vergangen. Eine vermaledeite, unnütze Woche, in der sich nicht viel mehr getan hatten, als ewig durch die unergründlichen, immer gleichen Wälder des Feuerreiches zu laufen und gelegentlich mal eine kurze Trainingseinheit einzubauen, wenn sie gerade eine Pause machten.

Es war mit das unsinnigste, was Sasuke seit langem getan hatte – das gemeinsame Bäumeklettern mit zusammengebundenen Beinen einmal ausgenommen – und mit jedem verstreichenden Tag und jeder Stunde, die sie wenn überhaupt mit standardmäßigen Kata- oder Wurfübungen verbrachten, verflog jedes bisschen Verständnis, das er für diese Reise überhaupt noch gehabt haben mochte.

Dazu kam noch, dass er sich selbst nicht ganz im Klaren darüber war, wie genau er sich nun Naruto gegenüber verhalten sollte. Dieser eine Tag und die darauf folgende Nacht vor einer Woche waren seltsam gewesen. Zum einen, weil er sich über sich selbst wunderte, dass er sich nicht nur dazu hatte breitschlagen lassen, mit dem Volldeppen zusammenzuarbeiten, nein, dass er ihm gegenüber auch noch zugegeben hatte, dass er genauso gehandelt hätte, war ja wohl der Gipfel der Dummheit. Man sollte Naruto gegenüber niemals zugeben, dass er im Recht war… Spätestens nach den ersten beiden Tagen war ihm das wieder mehr und mehr bewusst geworden, nachdem der Blondschopf bei jeder kleinsten Kleinigkeit anfing ihn daran zu erinnern, dass er „das Richtige getan hatte“. Inzwischen zog Sasuke es vor gar nicht mehr auf so etwas zu antworten, sondern verdrehte nur noch die Augen.

Zum anderen war der Tag seltsam gewesen, weil es sich… so unendlich normal angefühlt hatte. Etwas, das Sasuke nicht mehr gewohnt war. Mit Naruto war es irgendwie immer so. Einerseits gab es wenig, das ihn mehr hätte nerven können, als der orange Zappelphilipp, aber andererseits brachte er immer etwas Vertrautes, Alltägliches mit sich, dass Sasuke an seine frühere Kindheit erinnerte und, wie er mehr als widerwillig zugeben musste, irgendwie beruhigte.

Auch jetzt, am späten Nachmittag des achten Tages, als sie – wieder einmal – einem schmalen Waldweg folgten, lief Naruto neben ihm und redete ununterbrochen auf ihn ein. Sasuke hörte ihm nicht zu, er hatte keine Ahnung, worüber er sprach, aber das war nicht schlimm. Die Erfahrung hatte ihn gelehrt, dass es am einfachsten war Naruto zu ignorieren, wenn man ihn reden ließ und ab und an mal nickte oder schnaubte, damit der Idiot das Gefühl hatte, man würde ihm zuhören. Eine Antwort würde er ohnehin nie erwarten – und schon gar nicht von ihm – also musste er sich auch nicht die Mühe machen dem Wortschwall auch nur ansatzweise zu folgen.

Seit sie gemeinsam den Baum hochgelaufen waren, schien der Trottel mehr und mehr das Gefühl zu haben, sie wären jetzt die dicksten Kumpel, denn auch wenn er sich zunehmend häufiger und lauter bei Kakashi beschwerte – und Sasuke gab ihm insgeheim Recht, auch wenn er nichts sagte und nur finster dreinblickte – die meiste Zeit über sprang er im wahrsten Sinne des Wortes um Sasuke herum und redete beinah ununterbrochen in einem für Sasukes Geschmack viel zu fröhlichen Tonfall.

Entsprechend war er ein wenig unschlüssig, was er tun sollte. Naruto zum Schweigen zu bringen, würde aller Wahrscheinlichkeit nach damit enden, dass Kakashi sich eine ähnlich „sinnvolle“ Trainingsaufgabe wie das Beine-zusammenbinden ausdachte und das brauchte Sasuke wirklich nicht noch mal. Genauer betrachtet war einmal schon zu viel gewesen.

Naruto weiter reden zu lassen allerdings war auch nicht gerade die beste Aussicht, da es nicht nur seine Nerven, sondern auch seine Ohren auf Dauer ordentlich in Mitleidenschaft ziehen würde. Und der Typ bezeichnete sich selbst als sein Freund? Na, vielen Dank auch, darauf konnte er getrost verzichten!

„Oder, Sasuke?“

Blinzelnd schreckte Sasuke aus seinen Gedanken, als Naruto ihn unerwarteter Weise ansprach. Erwartungsvolle, große, blaue Augen sahen ihn fragend an und da es für ihn nicht in Frage kam, zuzugeben, dass er nicht aufgepasst hatte, tat Sasuke, was er meistens in solchen Fällen tat: Er warf ihm einen düsteren Blick zu. „Hn.“

Natürlich wäre Naruto nicht Naruto gewesen, wenn er sich so leicht hätte aus dem Konzept bringen lassen. „Ach, komm schon, so schlimm ist die Frage doch auch nicht, oder?“

Keine Ahnung, dazu hätte ich dir und deiner nervigen Stimme zuhören müssen… „Hn.“

„Sasuke~e!“, motzte der Blonde und stand offensichtlich kurz davor zu schmollen.

„Hn.“ Das ist viel zu einfach, er lernt es echt nie…

„Du Bastard, jetzt sag schon!“

Wenn ich wüsste, worum es geht, würde ich dir ja vielleicht sogar antworten, aber so… „Hn.“

„Arroganter Egoist!“

Okay, vielleicht auch nicht. „Hn.“

Zufrieden beobachtete er, wie Narutos Augenbrauen immer weiter nach unten wanderten. Warum machte es ihm nur immer wieder so viel Spaß den Blonden zu ärgern? Waren sie am Ende wirklich so etwas wie F…?

„Sasuke, Naruto, wir sind da, wo bleibt ihr denn schon wieder?“
 

Ihr Ziel diesmal war ein etwas größeres, aber doch deutlich moderneres Dorf. Von der Größe und dem groben Aufbau her entsprach es wohl etwa der Hälfte Konohas und besaß damit offensichtlich deutlich mehr Einwohner als der weitaus größere Teil der Siedlungen des Feuerreichs von sich behaupten konnte.

Jiraiya schien sich hier auszukennen, er lief sogleich voraus und führte sie zielstrebing durch eine kleinere Einkaufsstraße dorthin, wo Kakashi den Dorfmittelpunkt vermutete. Er selbst war noch nicht hier gewesen, fand den Ort aber auch nicht wirklich spannend und behielt viel lieber seine beiden Schüler im Auge, die sich gerade mehr oder weniger offen umsahen. Naruto machte wie immer keinen Hehl aus seiner Neugier und hopste immer wieder glücklich von einem Stand zum anderen, während er Sasuke, der grummelnd und mit in die Hosentaschen gesteckten Händen nebenher lief, mehr als einmal regelrecht mitschleifte. Ein leichtes Schmunzeln breitete sich ungesehen auf Kakashis Gesicht aus, als er zusah, wie Naruto gerade versuchte Sasuke zum Kauf einer Schlafmütze zu überreden und ihm eine aufsetzen wollte.

Wahrscheinlich hatten sie es selbst nicht einmal gemerkt, aber die beiden waren bereits wieder viel besser aufeinander abgestimmt und seit dem vermutlichen Vorfall am Abend vor über einer Woche hatten sie sich nicht mehr gestritten. Okay, sie hatten sich gestritten, aber es war kein Vergleich zu dem, was Kakashi insgeheim erwartet und befürchtet hatte. Ihre Stirnwunden und blaue Flecke waren beinahe verschwunden und nicht durch neue ersetzt worden, sie hatten außer zum Training nicht wirklich mit einander gekämpft und geschrieen hatten sie auch nur selten.

Eigentlich lief es schon ein bisschen zu glatt, fast wie die Ruhe vor dem großen Sturm, aber bis es soweit war, hatte Kakashi vor den momentanen Frieden zu genießen und sich einzureden, dass es tatsächlich die Erfolge seines Trainings waren. Er wusste, dass er sie noch deutlich öfter würde zur Teamarbeit zwingen müssen, ehe sie wirklich anfangen würden von alleine auf die Idee zu kommen es auch außerhalb der absolut brenzligen Situationen, in denen es schlichtweg notwendig wurde, zu tun. Ursprünglich hatte er auch noch geplant ihnen eine Art von Vertrauenstest aufzuerlegen, aber nachdem sie deutlich länger für das einfache Bäume klettern gebraucht hatten, als er erwartet hatte, hatte er das verschoben.

Weit nach hinten verschoben, um genau zu sein, da er sich im Augenblick nicht sicher war, ob sie eine Vertrauensprobe tatsächlich bestehen würden und ein Fehlschlag würde aller Wahrscheinlichkeit nach verheerende Konsequenzen haben…

Aus diesem Grund hatte er für heute auch etwas anderes geplant und bereits ehe sie den Ort erreichten einige Vorbereitungen getroffen. So war er auch keineswegs überrascht, als Jiraiya sie durch den kleinen, aber überraschend sauberen Dorfplatz hindurch und in eine der Seitenstraßen führte.

Die beiden Jungs wurden dabei zunehmend ruhiger und Naruto fing nach einer Weile an zu quengeln, als sie das einzig interessanter hier – die kleinen Geschäfte im Zentrum – hinter sich gelassen hatten und in ein Wohngebiet kamen. Im Endeffekt dauerte es keine Viertelstunde, aber als sie endlich vor dem unscheinbaren Gebäude standen, auf dem mit großen, bunten Buchstaben „Kindergarten“ stand, sahen seine beiden Schützlinge Kakashi an, als wollten sie sagen: „Und dafür sind wir meilenweit durch die Gegend gelatscht? Das kann doch nicht Ihr Ernst sein!“ Und wieder einmal schmunzelte er insgeheim darüber, wie ähnlich die beiden sich doch sein konnten, ehe er unberührt ihre Blicke ignorierte und klopfte.

Eine halbe Stunde später war Jiraiya – wiedermal – verschwunden und Naruto und Sasuke draußen im Garten bei den Kindern abgesetzt.

Kakashi stand derweil mit der Leiterin zusammen in ihrem Büro und sah aus einem kleinen Fenster hinab auf eben jenen Garten.

„Und Sie sind sich sicher, dass die beiden der Aufgabe gewachsen sind?“, fragte die Frau neben ihm gerade skeptisch. Sie war im mittleren Alter, ein Stück kleiner als er mit einer leicht rundlichen Figur und kinnlangen, schwarzen Haaren. Bei der Begrüßung hatte sie das warme Lächeln einer Frau getragen, die ihren Beruf und insbesondere Kinder liebte und tatsächlich das Beste für die Kleinen wollte. Nun allerdings breitete sich eine Sorgenfalte auf ihrer Stirn aus, als sie hinab sah.

Bei dem Anblick, der sich ihm bot, musste Kakashi schwer an sich halten, um ihr nicht doch aus Versehen zu sagen, dass er sich keineswegs sicher war. „Ja, keine Sorge, die beiden schaffen das.“

Er wusste, dass beide Erzieherinnen heute ausfielen – eine war krank und die andere auf einer Beerdigung – und hatte es als ideale Gelegenheit gesehen, den beiden Jungs endlich mal so etwas wie Verantwortungsbewusstsein aufzuzwingen. Allerdings machte ihm ihr erstes Herabgehen an die Sache alles andere als zuversichtlich und nach einem letzten Blick aus dem Fenster, wand er sich ab, deutete eine leichte Verbeugung an und verabschiedete sich mit dem Versprechen sie am Abend wieder abzuholen. Hoffentlich würde das Gebäude dann noch stehen…
 

Sasuke grummelte mürrisch vor sich hin. Er fühlte sich wie im Kin… Mist, der Ausdruck brachte nichts, er war tatsächlich in einem Kindergarten. Er konnte immer noch nicht glauben, dass dieser verdammte Kakashi sie allen Ernstes dazu verdonnert hatte auf bestimmt zwanzig kleine Kinder aufzupassen – was sollte das denn für ein Training sein?!

Unnötig zu sagen, dass Sasuke kleine Kinder hasste. Sie waren laut, frech, vorlaut, dumm und konnten nichts. Nicht einmal verstehen, wenn man ihnen sagte, dass sie still sein sollten. Fast so, wie ein bestimmter blonder Teamkollege von ihm.

Apropos, Naruto schien sich offensichtlich mehr als wohl zu fühlen, was Sasuke keineswegs überraschte. Er hatte schon immer gewusst, dass der Trottel hierher gehörte…

Als sie nach draußen getreten waren – Naruto mit einem breiten Grinsen, Sasuke mit einem mehr als missmutigen Gesichtsausdruck – war es augenblicklich still geworden und alle Kinder waren auf einmal auf sie zugestürmt. Sasuke hatte das dringende Bedürfnis zurück ins Haus zu flüchten und schnell die Tür zuzuknallen unterdrücken müssen, während Naruto offenbar Gefallen an der Aufmerksamkeit schien.

„Wer seid ihr?“

„Bleibt ihr jetzt hier?“

„Spielt ihr mit uns?“

„Seid ihr die neuen Aufpasser?“

„Wie heißt ihr?“

Sasuke verdrehte jetzt schon genervt die Augen und warf der Meute, die im Schnitt ein bis zwei Köpfe kleiner war als er, einen bösen Blick zu. Für eine Sekunde sahen sie ihn mit großen Augen fragend und erschrocken zugleich an, dann wanden sie sich aber rasant ab und huschten stattdessen zu Naruto herüber, der den anderen gerade erklärte, dass er der „Supertolle zukünftige Hokage“ und ein „erstklassiger Aufpasser“ wäre und sie Sasuke am besten gar nicht weiter beachten sollten.

Das war vor etwa einer halben Stunde gewesen und dass er Sasuke damit tatsächlich einen Gefallen getan hatte, ahnte Naruto vermutlich nicht einmal. Letzterer saß inzwischen mitten im Sandkasten, umgeben von etwas über einem Dutzend kleinen Kindern, und baute eine Sandburgenstadt, die in Sasukes Augen nach einer Mischung aus Konoha und Narutos überquellender Fantasie aussah. Der Blondschopf war ziemlich vertieft in das, was er tat und insgeheim musste Sasuke zugeben, dass Naruto einiges Talent im Umgang mit feuchtem Sand hatte – was er selbst im Übrigen für eine reichlich nutzlose Gabe hielt, aber immerhin hielt es ihm selbst die Kinder vom Leib.

Er lehnte mit dem Rücken neben der Tür ins Gebäude und gab sich alle Mühe mürrisch und geistesabwesend auszusehen, während er tatsächlich eher diejenigen Kinder im Auge behielt, die nach kurzer Zeit – verständlicherweise – das Interesse an Narutos Geschwafel verloren und sich wieder den anderen Spielsachen zu gewand hatten. Der Garten war nicht allzu groß, er verlief einmal entlang der rückläufigen Wand des Gebäudes und bildete ein Rechteck von vielleicht zehn auf zehn Metern. Es gab nur zwei Bäume in den jeweils äußeren, vom Gebäude entfernt liegenden Ecken, dazu einen Sandkasten, der den Großteil der linken Hälfte ausfüllte und eine Rutsche beinhaltete, sowie rechts zwei Schaukeln und einen freien, gepflasterten Platz mit zwei Dreirädern und einer Kisten mit Bällen.

Alles in allem konnte Sasuke ohne viel Mühe den Überblick behalten und wusste ganz genau, wo die Kinder waren, die Naruto nicht zuhörten: Zwei Mädchen fuhren für seinen Geschmack etwas zu dicht in seiner Nähe auf den Dreirädern immer wieder im Kreis, eines saß oben am höchsten Punkt der Rutsche und traute sich offenbar nicht wirklich runter. Das war allerdings nicht sein Problem, die Kleine konnte quasi nicht seitlich rausfallen und wenn sie ungewollt herunterrutsche, war Naruto nah genug, um sie aufzufangen.

Ein Junge saß noch auf der Schaukel und ein weiterer schien im von ihm aus gesehen linken der beiden Bäume eingeschlafen zu sein. Er war der einzige, der Sasukes Aufmerksamkeit wirklich beanspruchte, denn er könnte durchaus ungewollt fallen. Es wäre einfacher gewesen sich unter den Baum zu stellen, aber Sasuke würde sich sicher nicht dazu herablassen seine Sorge zur Schau zu stellen und außerdem war er sicher, dass er im Zweifelsfall schnell genug rennen konnte.

Es war eine bescheuerte, hirnrissige, sinnlose Aufgabe, die ihr Möchtegern-Trainer ihnen da gegeben hatte, aber es war nun einmal eine Aufgabe und er würde es sicher nicht so weit kommen lassen, dass Naruto damit klar kam und er nicht. Das wäre schlichtweg unakzeptabel.

„Ähm…“

Sasuke wurde plötzlich aus seinen Gedanken gerissen, als sich eines der Kinder, die eigentlich bei Naruto waren, offenbar von der Gruppe gelöst hatte und zu ihm gekommen war. „Ähm…“, wiederholte das kleine Mädchen grade und Sasuke gab sich alle Mühe nicht sofort die Augen zu verdrehen. Er musterte sie lieber mürrisch. Durchschnittliche Hautfarbe, schwarze, kinnlange Haare, hellbraune Augen, ein bisschen kleiner als die anderen. Im ersten Augenblick erinnerte sie ihn ein wenig an Hinata… leider.

„Ähm.“, machte sie gerade zum dritten Mal und kaute unruhig auf ihrem Daumennagel herum. Sasuke seufzte. „Was ist denn?“

„Da… da hinten.“ Sie deutete scheu auf den Baum am gegenüber liegenden Ende des Gartens. „Da sind…“

Weiter kam sie allerdings nicht, da bei Sasuke gerade ungewollt die Alarmglocken losschrillten und er instinktiv den Kopf wand, ehe er noch registrierte, was eigentlich los war. Ein einziger Blick reichte aber vollkommen aus, dass er am liebsten laut geflucht hätte. Der Junge im Baum hatte sich offenbar gerade jetzt ausgesucht, um sich auf die Seite zu drehen und da Sasuke in letzter Zeit ohnehin keine guten Erfahrungen mit Bäumen gemacht hatte, wunderte es ihn keineswegs, dass der Ast natürlich zu schmal war und…

Sekunde, hatte er das grade wirklich gedacht? Herrlich, Narutos Dummheit färbte anscheinend schon ab. Er schob den Gedanken so weit weg, wie es irgendwie ging und sprintete stattdessen los, um den Jungen gerade noch rechtzeitig aufzufangen, als dieser mit einem erschrockenen Schrei fast auf den Boden knallte.

Vom Schwung mitgerissen hätte Sasuke um ein Haar ebenfalls das Gleichgewicht verloren, schaffte es aber gerade noch mit einer leicht torkelnden Bewegung nach rechts auf den Beinen zu bleiben. Er gestattete sich ein erleichtertes Ausatmen, ehe er auf das Kind hinab sah, das sich in seinen Armen immer noch zusammenkauerte, als hätte es noch nicht so ganz verstanden, dass es nicht fallen würde.

Der Junge war überraschend klein und leicht. Bei genauerer Überlegung schien er Sasuke auch jünger zu sein, als die übrigen Kinder, vermutlich kaum älter als vier. Er hatte hellbraune, kurze Haare und einen eher zierlichen Körperbau, mehr war im Moment nicht zu erkennen.

„Sasuke!“

Ein Aufblicken verriet, dass Naruto aufgesprungen war und auf ihn zukam, doch Sasuke schüttelte nur den Kopf und deutete mit dem Kinn warnend in Richtung Rutsche. Naruto hob fragend eine Augenbraue, sein Blick folgte aber der Bewegung und offenbar verstand er, was Sasuke meinte, denn auf einmal drehte er sich laut schreiend um und stapfte auf das Mädchen zu, dass immer noch oben auf saß. „Hey, kommst du da auch mal runter?“

Während der Blonde also wiedermal den Pausenclown für die kleinen Kinder spielte, verdrehte Sasuke erneut genervt die Augen und setzte das Kind ab, das er bis eben noch im Arm gehalten hatte. Der Junge sah ihn aus großen Augen heraus an und… schien leicht zu schmollen? Na super, undankbarer Bengel!

„Ich hätte mich auch selbst abfangen können!“, erklärte er gerade trotzig. Sasuke schenkte ihm daraufhin einen mehr als sauren Blick und schnaubte nur, ehe er das Kind einfach stehen ließ und zurück zu seinem Wachposten neben der Tür lief. Das fehlte ja gerade noch, dass er anfing mit einem kleinen Kind zu diskutieren.

Ehe er jedoch an der Wand ankam, stolperte er fast über das Mädchen, das offenbar die ganze Zeit über auf ihn gewartet und sich direkt neben seinem Platz auf den Boden gesetzt hatte. „Ähm…!“, begann sie wieder und Sasuke biss sich wortwörtlich auf die Zunge, um nicht am Ende noch einen nicht ganz jugendfreien Kommentar abzulassen.

„Was?!“ Das kam fauchender und härter raus, als beabsichtigt, aber eigentlich scherte ihn das wenig.

„Da hinten…“, flüsterte das Mädchen eingeschüchtert und so leise, dass er sich allen Ernstes ein Stück herunterbeugen musste, um sie überhaupt zu verstehen.

„Was?“

„Da…“

Sie wurde zu seinem Missfallen nur noch leiser und Sasuke musste einmal ganz tief durchatmen, um sich selbst wieder zur Ruhe zu zwingen. Konnte es eigentlich noch besser werden?

„Was ist da hinten?“, fragte er und gab sich alle Mühe ruhig zu klingen, doch anscheinend hatte es ziemlich den gegenteiligen Effekt, denn zu allem Überfluss sah das Mädchen jetzt auch noch auf den Boden herunter und schien anscheinend mit einer der Steinplatten zu reden, was dazu führte, dass er jetzt überhaupt nichts mehr verstand.

Okay, Sasuke, drei Möglichkeiten. A, du ignorierst sie einfach und tust, als wäre nichts gewesen, B, du siehst selbst nach oder, C, du machst einen auf Naruto und beruhigst das Mädchen…

Eigentlich erschien ihm keine der Varianten wirklich verlockend, aber da C mal definitiv flach viel und er für A vermutlich Ärger kriegen und am Ende wieder Bäume würde hochlaufen müssen, entschied er sich murrend für B, stopfte die Hände in die Hosentaschen und lief zu dem Baum hinüber.

„Hey, Ba… Sasuke, was machst du?“, rief ihm Naruto fragend zu, als er am Sandkasten vorbei kam, doch Sasuke deutete nur ein Kopfschütteln an und stapfte einfach weiter. Beim Baum angekommen, stellte er wenig interessiert fest, dass es sich um eine Kirsche handelte – eine ziemlich alte. Unnütze Information, die sein Gehirn automatisch abgerufen hatte. Und was sollte hier jetzt sein?

Er sah nach oben in die Äste, konnte aber nichts Ungewöhnliches erkennen. Keine Vögel oder Eichhörnchen, nicht mal Ameisen am Stamm. Die Äste sahen auch nicht aus, als würden sie zusammenbrechen und eine Gefahr darstellen. Im Gegenteil sie schienen noch sehr stabil, der Stamm ebenfalls, keine nennenswerten Kratzer oder Wunden. Kinder spielten hier auch keine, die hätten herunter fallen können, was also sollte hier sein?

Sasuke warf einen Blick zurück zum Gebäude, wo das Mädchen nach wie vor stand und fast schon ängstlich zu ihm herüberblickte. Wenn die ihn jetzt wegen nichts hier herüber geschickt hatte, dann…!

„Hey, Katze!“, kommentierte auf einmal eine helle Jungenstimme direkt neben ihm und Sasuke musste blinzelnd feststellen, dass der kleine Junge, der vom Baum gefallen war, neben den dicken Wurzeln des Baumes kauerte und offenbar auf etwas starrte, dass zwischen Baumstamm und Zaun eingequetscht sein musste. Wann war der überhaupt her gekommen? Und wieso hatte er ihn nicht bemerkt?

Dann erst zogen seine Gedanken mit der Situation gleich und er wiederholte ungläubig: „Katzen?“

Der Junge sah ihn an, als wäre er bescheuert. „Nein, nicht ‚Katzen’, eine Katze!“

Sasukes Augenbraue zuckte bedrohlich. Jetzt wurde er schon von einem kleinen Kind korrigiert?! Er verkniff sich aber gerade noch einen Kommentar und beugte sich stattdessen über den Jungen, nur, um festzustellen, dass dieser Recht hatte. Eingeklemmt zwischen zwei der Wurzeln hockte eine kleine Katze und winselte jämmerlich.

Sasuke seufzte, packte den protestierenden Jungen unter den Armen und setzte ihn ein Stück seitlich wieder ab, damit er selbst Platz hatte, um sich in den engen Raum zwischen Baum und Zaun zu quetschen und an die Katze dran zu kommen. Wo auch immer sie herkam, hier konnte sie nicht bleiben und ihm fielen auf Anhieb mehrere Personen ein, die ihm die Hölle heiß machen würden, wenn er die Katze einfach so ihrem Schicksal überließ. Ganz abgesehen davon, dass sie ihm erschreckenderweise irgendwie leid tat…

Inzwischen hing er schräg in der Öffnung und kam mit der linken Hand gerade so an das Kätzchen ran, das sogleich seine Hand beschnupperte und ableckte. Sasuke verzog das Gesicht. Super, eingeklemmt und wahrscheinlich kurz vorm verhungern, aber trotzdem erstmal schmusen wollen…

Er ignorierte die Liebkosungen so gut es ging und tastete vorsichtig nach dem Nacken des kleinen Tieres, um es rauszuziehen. Er hatte noch dunkle Erinnerungen daran, dass ihm jemand – er konnte sich nicht erinnern wer – erklärt hatte, dass Katzen ihre Jungen auch am Nacken durch die Gegend tragen und dass es den Kleinen in keinster Weise weh tat.

Leider saß der kleine Stubentiger ordentlich fest und dass der Baumfalljunge sich neben ihn schieben wollte, um ihm zuzusehen, half Sasuke auch nicht grade. Er grummelte, schob den Jungen mit der freien, rechten Hand wieder rückwärts und zog mit links ein Kunai.

Als würde sie verstehen, was das bedeutete, maunzte die Katze wild los, während er das Messer langsam aber sicher in die Nähe ihres Körpers brachte. Ein Schnitt sollte genügen und das Problem hatte sich gegessen…
 

Langsam aber sicher wurde das Gedrängel und Gewusel um Sasuke herum immer größer und Naruto hatte alle Mühe, die Kinder davon abzuhalten zu ihm zu laufen – insbesondere, als er selbst den leisen, aber unverwechselbaren Klang eines Kunais hörte, das aus seiner Tasche gezogen wurde.

Naruto runzelte instinktiv die Stirn. Was zum Geier hatte der Kerl eigentlich vor?! Verwundert warf er einen schnellen Blick über den Garten und entdeckte im zweiten Anlauf ein kleines Mädchen neben der Tür stehen, das unruhig von einem Fuß auf den anderen hopste und Sasuke keine Sekunde aus den Augen ließ.

Sie wirkte leicht verängstigt.

Naruto seufzte. Das musste ja passieren… er gab die Schaufel einem der Kinder weiter und lief zu er kleinen herüber, um vor ihr in die Hocke zu gehen, damit sie etwa auf Augenhöhe waren. „Hey, Kleines, ich bin Naruto, wie heißt du?“, fragte er mit einem breiten Grinsen. In der kurzen Zeit, die er hier war, hatte er bereits gelernt, wie er die Kinder am schnellsten dazu bekam Vertrauen zu fassen.

Sie lächelte zaghaft und sah ihn mit großen Augen an. „Izumi.“

Naruto lächelte weiterhin. „Izumi-chan, weißt du, was Sasuke da macht?“

Die Kleine sah ihn einen Moment lang noch fragender an, dann streckte sie den Finger aus und zeigte zum Baum hinüber. „Das ist Sasuke-sensei?“

Naruto verdrehte gedanklich die Augen. Sah dem Bastard ähnlich sich den Kindern nicht mal vorzustellen… Äußerlich blieb er aber möglichst ruhig und nickte. Izumi schien einen Moment zu überlegen und Naruto war kurz davor davon auszugehen, dass sie nichts wusste, als sie erklärte: „Da hinten ist eine Katze. Ich wollte Sasuke-sensei Bescheid sagen, aber er hat mir nicht zugehört und ist dann einfach losgelaufen. Hab ich was falsch gemacht?“

Naruto verfluchte seinen sturen, egoistischen Teamkollegen in Gedanken ausgiebig, während er dem Mädchen über den Kopf fuhr und erklärte: „Aber nein, er ist einfach so, keine Sorge. Du hast alles richtig gemacht.“

Augenblicklich hellte sich ihre Miene auf, sie lächelte und rannte davon zu den anderen Kindern in den Sandkasten, während Naruto kopfschüttelnd zu Sasuke herüberlief und sich insgeheim wünschte, er hätte einen Fotoapparat. Dieses Bild, wie er da hinter dem Baum hing, war einfach nur göttlich.

„Hey, bequem?“, rief er gut gelaunt und legte dem kleinen Jungen, der neben Sasuke stand und zu schmollen schien eine Hand auf die Schulter, um ihn sacht ein Stück wegzuschieben. Als Antwort bekam er ein paar unterdrückte Flüche und ein Kunai, das auf seinen Bauch zuschoss. Naruto fing es problemlos auf, verzog aber beinah sofort das Gesicht. „Hörst du wohl auf vor den Kindern mit Messern herumzufuch…!“

Weiter kam er nicht, denn in diesem Moment tauchte Sasuke endlich wieder vollständig auf und hielt ihm eine kleine Katze vor die Nase. „Wäre es dir lieber ich fackel gleich den ganzen Baum ab, um sie da raus zu kriegen?“, schnaubte er wütend.

Naruto aber war zu abgelenkt und wollte ihm die Katze abnehmen, doch zu seiner ungläubigen Überraschung, zog Sasuke die Hand zurück und ließ zu, dass das kleine Tier sich an seine Brust schmiegte. Naruto grinste und verschränkte die Arme vor der Brust, sagte aber nichts. Das war einfach nur herrlich, das könnte er ihm später immer wieder vorhalten!!

„Sie ist noch ganz jung.“, kommentierte Sasuke gedankenversunken und Naruto stellte verwundert fest, das mit einem mal der kalte, harte Ausdruck aus seiner Stimme verschwunden war. Wie seltsam…

„Ihre Augen haben sich wohl grade erst geöffnet… ich frage mich, wo ihre Mutter hin ist.“

Naruto wollte gerade ansetzte darauf zu antworten, als ihn eine Kinderstimme unterbrach: „Weg!“

Der Junge neben ihm, der irgendwie denselben Tonfall wie Sasuke draufzuhaben schien, wiederholte: „Weg, die Besitzer sind vor zwei Tagen umgezogen…“

„Bist du sicher… äh…“, fing Naruto an, woraufhin der Junge die Augen verdrehte.

„Kazuki. Ich heiße Kazuki Iki.“

„Ah, ja, also bist du dir sicher, Kazuki?“

„Ja, bin ich, warum sollte ich lügen?“

Eine halbe Stunde später wurden die ersten Kinder von ihren Eltern abgeholt, während die anderen drinnen an kleinen Tischen saßen und malten. Naruto saß neben ihnen auf dem Boden und sah zu, tatsächlich lauschte er aber dem Gespräch, dass Kakashi, der natürlich wieder mal im richtigen bzw. falschen Moment aufgetaucht war, gerade mit Sasuke führte…

„Sie ist noch zu jung, um sie mitzunehmen.“

„Das weiß ich auch, Sensei, aber wir können sie doch nicht einfach so sich selbst überlassen.“

„Mmh, das stimmt, vielleicht erklärt sich einer der Eltern…?“

„Und wenn nicht?“

„Tja, die Alternative wäre, dass du eine Ninjakatze aus der Kleinen machst.“

„Wie bitte?“

„Warum denn nicht? Das wäre doch sehr… praktisch.“

„Sensei, ich habe keine Zeit, um mich um das Tier zu kümmern. Wir haben Wichtigeres zu tun.“

„Dann beschwör doch eine der anderen Katzen, um sich um die Kleine zu kümmern.“

Darauf folgte eine Stille und Naruto sah in Gedanken nur zu deutlich, wie Sasuke die Augen verdrehte.

„Ich kann keine Tiere beschwören, wie Sie sehr wohl wissen!“

Kakashi klang ein wenig überrascht, als er antwortete: „Du hast es nie gelernt, aber du hast doch einen Vertrag mit den Katzen unterschrieben.“

„Nein, hab ich nicht.“

„Alle Uchiha haben das…“

Oh je, Naruto bereitete sich darauf vor, ruckartig die Tür zu schließen, die Uchiha vor Sasuke zu erwähnen war alles andere als eine gute Idee und er wollte nicht, dass die Kinder das hörten…! Doch Sasuke klang wenn überhaupt eher traurig und verwundert, als wütend.

„Ich nicht… wahrscheinlich war ich einfach zu jung…“

Katzenaugen, Tiger und Bindungen

„Dann frag Naruto um Hilfe.“, sagte Kakashi gelassen.

Als ob! Sein Sturschädel meldete sich sofort zu Wort. „Vergessen Sie's!“

„Warum?“

„Ich frage doch nicht den Idioten um Hilfe.“

„Der Idiot steht hinter dir.“

Sasukes Kopf schoss herum und ein beleidigter Naruto kam zu ihnen. „Ich bin kein Idiot.“

„Naruto hat im Gegensatz zu dir einen vertrauten Geist. Er kann seinen herbeirufen und vielleicht eine Katze mitbringen.“

„Worüber redet ihr eigentlich?“, fragte Naruto. „Ich verstehe nur Bahnhof. Was hat Sasuke mit Katzen zu tun?“

Kakashi verdrehte die Augen, gab sich aber geschlagen, während Sasuke demonstrativ die Wand anstarrte, um keinem der beiden in die Augen zu sehen.

„Die Uchiha haben schon seit geraumer Zeit Katzen als vertraute Geister gehabt. Jedenfalls ein paar. Die meisten Uchiha hatten entweder keinen vertrauten Geist oder haben die Katzen nie gebraucht, deshalb wissen nicht sehr viele darüber Bescheid. Und wenn Sasuke keinen Vertrag eingegangen ist, so wie er gesagt hat, dann war er damals wahrscheinlich zu klein.“

Narutos geistreicher Kommentar dazu war: „Boah!“

Und dann. „Das mache ich doch gerne. Ich rufe gleich Gamakichi und frag ihn. Kann ja nicht so schwer sein.“

Voller Elan ging er aus dem Zimmer, blieb aber noch mal in der Tür stehen, um Sasuke anzugrinsen. „Jetzt habe ich mal etwas, was ich dir beibringen kann, Teme!“

Als Naruto weg war, sah Sasuke seinen Lehrer mit dem besten Todesblick an, den er gerade drauf hatte, während das Kätzchen in seinen Armen friedlich schnurrte.
 

Draußen bereitete Naruto alles vor und bemerkte die Kinder nicht, die ihm gefolgt waren. Er biss sich in den Finger, formte mit ein paar schnellen Bewegungen die erforderlichen Fingerzeichen und knallte die Hand auf den Boden.

Bei dem Knall schreckten ein paar Kinder zusammen, andere sahen voller Erstaunen auf den weißen Rauch starrten, der sich schnell verzog und den Blick auf eine orange, fette Kröte vor Narutos Füßen freigab.

„Hey.“, grinste der Blondschopf. „Lange nicht gesehen, Gamakichi.“

Der Frosch blinzelte verwirrt als er die Kinder sah, ehe er seinen Beschwörer begrüßte. „Tag. Was gibt’s?“

„Ich habe mal 'ne Frage. Hast du vielleicht von den vertrauten Geistern des Uchiha-Clans schon mal gehört?“

„Die Katzen? Nur einmal von meinem Vater. Wieso?“

„Unser lieber Herr Uchiha will einen Vertrag mit ihnen abschließen. Und ich wollte dich fragen, ob du irgendwie Kontakt mit ihnen aufnehmen kannst.“

Gamakichi runzelte die warzige Stirn. „Ich kann es mal versuchen. Kann aber vielleicht 'ne kleine Weile dauern.“

„Kein Problem“, grinste Naruto. „Danke!“

Mit einem Knall verschwand der Frosch und die Kinder hinter Naruto fingen an zu jubeln, so als hätte er ihnen ein tolles Kunststück gezeigt. Er ließ sich von dem Lachen der Kinder anstecken und bemerkte Sasuke und Kakashi nicht, die in der Tür standen.
 

Während Kakashi grinste, sah Sasuke nachdenklich und vielleicht auch eine Spur neidisch aus. Doch als die kleine Katze in seinen Armen anfing zu miauen, zauberte sich ein Lächeln auf sein Gesicht, er ging zu einer Bank an der Wand und strich ihr sanft über das glänzende schwarze Fell. Jetzt erst fiel ihm auf, dass sie komplett schwarz war und nicht einen weißen Fleck hatte. Und das Bemerkenswerte an ihr waren ihre Augen. Sie waren verschiedenfarbig, das eine Auge war stechend grün, das andere war tiefblau. Wie hypnotisiert sah sie ihm in die Augen und er blickte verblüfft zurück. Ein eigenartiges Kribbeln machte sich in seinem Magen bemerkbar und mit einem Mal meinte er noch etwas zu spüren. Aus irgendeinem Grund spürte er das Trommeln des kleinen Herzens, welches er unter seinen Fingern spüren konnte, in seinem ganzen Körper, so als würde die Katze mit ihm verschmelzen. Und auf einmal hatte er das seltsame Gefühl, dass die Katze dadurch zu ihm irgendwie „Hallo.“ sagte. Es war, als würde er auf einmal die Katze sein.

„SASUKE!!!“

Sasuke schreckte auf, riss sich von den Augen der Katze los, das schnelle Herzklopfen der Kleinen verschwand aus seinem Körper und er war wieder Sasuke Uchiha. Naruto schüttelte ihn an den Schultern und sah ihn an als wäre er krank.

„W-Was?“

Was zum Geier war das denn bitte gewesen?

„Sag mal, geht es dir nicht gut oder so?“

„Hä?“ Sehr geistreicher Kommentar für einen Uchiha.

„Du hast die ganze Zeit die Katze angestarrt und als ich dich gerufen habe, hast du gar nicht reagiert und du wurdest auf einmal kreideweiß und sahst so aus, als würdest du gleich von der Bank fallen.“

Naruto plapperte so aufgeregt auf ihn ein, dass er kaum etwas verstand. Wieder sah er auf das Tier, das in seinen Armen eingeschlafen war. Wie lange hatte er denn hier gesessen? Erst jetzt merkte er, dass die Kinder alle weg waren und ihre Lehrer am Eingang des Kindergartens auf sie warteten.

„Reg dich nicht gleich auf.“, sagte er schließlich gelassen. „Ist doch nichts passiert.“

„Nichts passiert? Jage mir nicht noch mal so einen Schrecken ein, Teme! Kapiert?“

„Ja, Mama.“ Sasuke verdrehte genervt die Augen und stand vorsichtig auf. Auf einmal war er hundemüde.

Schweigend gingen sie den Weg zum Hotel zurück. Sasuke schaffte es nicht mal mehr sich darüber aufzuregen, dass Naruto und er sich ein Doppelzimmer teilen mussten, das auch noch nur ein Doppelbett besaß. Er schaffte nur noch sich die Hose auszuziehen, die Katze auf sein Kissen zu legen uns sich selbst am unteren Teil des Bettes zusammen zu rollen, ehe er direkt einschlief.
 

Naruto starrte denn Jungen auf dem Bett an, als wäre er ein Pferd.

„Wer bist du und was hast mit Sasuke gemacht?“, fragte er laut.

Davon wurde Sasuke allerdings nicht wach. Sein Blick wanderte von der Katze zu Sasuke und ihm fiel die Ähnlichkeit der Liegestellungen auf. Wurde er jetzt langsam verrückt? Wurde Sasuke langsam verrückt?

„Was ist hier los?“, murmelte er.

Leise ging er aus dem Zimmer und klopfte an die Nachbartür. Kakashi machte auf. „Was ist?“

„Kakashi-sensei, das klingt vielleicht blöd, aber Sasuke verhält sich komisch.“

Kakashi runzelte die Stirn. „Was meinst du mit komisch?“

Naruto erzählte ihm alles und Kakashi kam letztendlich mit ihm mit, weil er die Sache mit dem Einschlafen ihm wohl nicht so richtig abkaufte. Als er auf Sasuke sah, sah Naruto seinen Lehrer zum ersten Mal sprachlos.

„Und? Was denken Sie?“, fragte Naruto direkt.

„Ich habe nicht die geringste Ahnung.“

„Bitte?“

„Ich weiß es echt nicht. Schlaft beide erst mal 'ne Nacht darüber und morgen sehen wir weiter.“

Damit ließ Kakashi ihn im Zimmer stehen und Naruto starrte immer noch perplex auf seinen Zimmergenossen. Er hatte letztendlich keine andere Idee als sich fertig zu machen, das Licht zu löschen und ins Bett zu gehen. Er besaß wenigsten noch die Geistesgegenwärtigkeit Sasuke eine Decke zu geben, ehe er einen beunruhigten Blick auf die Katze warf und dann auch einschlief.

Und der nächste Morgen fing auch nicht fiel besser an. Naruto wurde davon geweckt, dass ein Knall im Zimmer ertönte und er auf einmal etwas Schleimiges, Nasses im Gesicht hatte.

„Aufwachen, Schlafmütze!“

Naruto fuhr vor Schreck aus dem Schlaf und schleuderte damit die Kröte Gamakichi von seinem Gesicht.

„Hey!“

„Erschrecke mich nicht so!“

„Du hast doch gesagt, dass ich dir Bescheid geben soll, wenn ich was über die Katzen weiß.“

„Aber doch nicht um...“ Naruto sah auf die Uhr. „...sechs Uhr morgens.“

„Mir doch egal.“, murrte die Kröte.

Naruto wischte sich mit der Hand über das Gesicht und sah kurz zu Sasuke, der immer noch seelenruhig am Ende des Bettes pennte, genauso wie die Katze. Er brauchte wirklich dringend 'nen Fotoapparat.

„Okay, was hast du herausgefunden?“

„Ich habe deine komischen Katzen gefunden.“

Er riss die Augen auf. „Echt? Kommt eine nach hier?“

In dem Moment ertönte ein weiterer Knall, nur nicht im Zimmer, sondern vorm Zimmer. Nach anfänglichen Glotzen fragte er: „Ist das eine?“

„Ja, aber sei bloß nicht...“, setzte die Kröte an, kam aber nicht weit.

Naruto war vom Bett aufgesprungen und riss mit einem Ruck die Tür auf... nur um in die Augen eines ausgewachsenen Tigers zu sehen.

„Hi.“, grinste er.
 

Sasuke wurde von einem ohrenbetäubenden Schrei geweckt.

„OH MEIN GOTT!!!“

Er fuhr mit klopfenden Herzen hoch und sah gerade noch, wie Naruto rückwärts ins Zimmer fiel und zum Bett krabbelte, während ein... Tiger in den Raum trat?

Er konnte nicht verhindern, dass er durch einen offenen Mund und riesige Augen aussah wie ein Vollidiot. Das Vieh war riesig, doppelt so groß wie ein Hund und so muskelbepackt, dass es es locker mit einem Sumo-Ringer aufnehmen konnte.

Und, oh mein Gott, es grinste als es Naruto zusah, wie der keuchend vor dem Bett hockte, während die komische Kröte von gestern auf dem Bett saß und sich ins Fäustchen lachte.

„Ich habe es dir doch gesagt.“

„Du hast mir aber nicht gesagt, dass ein überdimensionaler Tiger vor mir stehen würde, verdammt!“

„Die gehören auch unter die Kategorie Katzen.“

Der Tiger schnaubte und sah sich jetzt im Raum um. Zuerst fiel der gelbe Topasblick auf die kleine Katze auf dem Bett, die sich jetzt auch regte, dann auf Sasuke. Sofort wurden ihre Augen schmal und schleichend kam sie zu ihm rüber und schnupperte an seinem Bein. Er musste unterdrücken sie wegzuziehen, aber er sah den Tiger ruhig an, während er den Kopf hob, sich auf den pelzigen Hintern setzte und dann katzenhaft grinste.

„Sieh mal einer an, ein Uchiha. Ich habe mich ja schon gewundert, was der Frosch da erzählt hat, aber wie es schient, stimmt es ja. Hätte nicht gedacht noch mal von einem von euch gerufen zu werden.“

Okay, an sprechende Frösche war er mittlerweile gewöhnt, aber so einen Tiger vor sich zu haben, der mit ihm plauderte, als wäre er ein Mensch, war schon irgendwie seltsam.

„Wer war denn der letzte, der dich gerufen hat?“, fragte er vorsichtig.

„Kennst du bestimmt nicht, das war vor ewigen Zeiten, da waren deine Eltern wahrscheinlich noch nicht auf der Welt.“

„Wer war denn der letzte, der mit dir einen Vertrag schließen sollte?“

„Das war so ein talentierter Uchiha-Sprössling mit langen Haaren, aber er hat abgelehnt, obwohl sein Vater eigentlich gewollt hatte, dass er den Vertrag eingeht.“

Eine Welle des Hasses ging durch seinen Körper, er musste nur eins und eins zusammenzählen. Der Tiger merkte sofort seinen Stimmungsumschwung.

„Du kanntest dieses Kätzchen?“

„Er ist keinen Vertrag eingegangen?“

„Unterbreche mich nicht, Sasuke!“, fauchte die Katze.

Blinzelnd hielt er den Mund und fragte sich nur kurz, warum sie seinen Namen kannte. Das Vieh mochte es wohl nicht, wenn man ihm reinredete.

„Beantworte meine Frage! Was hast du mit diesem Kätzchen zu schaffen?“

Sasuke knirschte mit den Zähnen bevor er es sagte. „Das war mein Bruder.“

Der Tiger legte den Kopf schief und schlug mit dem Schwanz hin und her. „Dein Bruder. Und du magst ihn nicht.“

Musste er sich etwa noch eine Leuchtreklame an den Kopf kleben wo drauf stand „Ich hasse Itachi!“?

„Muss ich darauf eine Antwort geben?“

Die Katze grinste. „Wohl eher nicht. Warum hast du nach mir rufen lassen?“

Ein leises Miauen hinter ihm brachte ihn dazu sich umzudrehen und das Kätzchen auf dem Arm zu nehmen. „Ich habe sie gestern unter einem Baum eingeklemmt gefunden, sie hat kein zu Hause und ich kann sie nicht mitnehmen.“

„Und du denkst, dass ich das Kätzchen mitnehmen soll? Um was mit ihr zu tun?“

„Könnt ihr sie nicht irgendwie aufnehmen und sie zu einer von euch machen, oder so?“

Der Tiger fing an zu lachen, ein Geräusch, bei dem sich Sasuke die Nackenhaare aufstellten. Nachdem er aufgehört hatte, knurrte er leise. „Wir sind kein Waisenhaus. In meiner Welt überleben nur die stärksten Katzen, die Schwachen werden getötet oder verhungern. Dieses mickrige Ding besteht kaum aus Haut und Knochen.“

Als hätte die Kleine das verstanden, fing sie an zu fauchen, so als wollte sie das Gegenteil beweisen und zu allem Überfluss schlug sie auch noch mit den winzigen Krallen nach der großen Schnauze des Tigers. Der Tiger fauchte einschüchtern zurück, aber sie ließ sich nicht beirren und fauchte weiter, ließ sich auch nicht von Sasuke beruhigen, der sie bereits am Kragen festhielt. Ein tiefes Knurren kam aus der Kehle des Tigers, aber er setzte sich überrascht wieder auf den Hintern.

„Sie hat Mut, muss ich ihr lassen. Und ihre Augen sind ausdrucksvoll. Hast du ihr einen Namen gegeben?“

Nö, wieso auch? Sasuke sah auf Katze, die nicht aufhörte zu fauchen und zu kratzen. „Neko?“, schlug er lahm vor.

„Sehr einfallsreich bist du nicht, was?“, lachte der Tiger.

„Wie ist überhaupt dein Name?“

„Tora.“

„O ja, sehr einfallsreich.“, spottete er zurück.

„Das ist ein kleiner, mutiger Kater, auch wenn er so mickrig aussieht. Du solltest ihm einen Namen geben, jeder braucht einen Namen.“

Na klasse, jetzt kam er sich erst recht vor wie der letzte Vollidiot. Aber wo der Tiger recht hatte, hatte er recht. Vorsichtig hob er die Kleine am Kragen hoch und sah ihr ins Gesicht. Wieder sah er den Blick ihrer verschiedenfarbigen Augen und für einen winzigen Moment spürte er wieder ihren Herzschlag so wie seinen. Irgendwo in der Ferne meinte er Tora amüsiert schnurren zu hören.

Schließlich zuckte er mit den Achseln, löste sich von dem Blick der Katze und setzte sie wieder auf ihren Schoss.

„Wie wäre es mit Nyanko?“

Tora leckte sich über die Lippen. „Ein süßer Name. Wollen wir hoffen, dass die anderen Katzen ihn nicht damit aufziehen.“

„Du nimmst ihn mit?“

„Wenn aus ihm etwas wird, bekommen wir einen mutigen Kater in unsere Familie. Wir werden sehen, wie er sich macht.“

Unbewusst atmete er erleichtert aus und streichelte Nyanko über den kleinen Kopf. Wenigstens das Thema war gegessen.

„Und was ist mit dir?“, fragte Tora.

„Wie jetzt?“

„Willst du das machen, was dein Bruder nicht getan hat?“

Er starrte Tora an und merkte jetzt erst, dass der Tiger eine riesige Schriftrolle auf dem Rücken trug. Sofort fing er an zu überlegen. Er hatte gesehen, was für einen Vorteil es hatte vertraute Geister zu haben, sowohl bei Kakashi als auch bei Naruto. Und die Gewissheit, dass er dann etwas konnte, was sein Bruder nicht konnte, war eine ungeheure Befriedigung. Außerdem war es in seiner Familie sowieso Tradition gewesen.

„Was soll ich tun?“, fragte er entschlossen.

Tora grinste, kickte die Rolle vom Rücken und breitete sie auf dem Boden aus. Tora erklärte ihm, dass er mit Blut seinen Namen und den Abdruck seiner Hand hinterlassen musste, dann konnte er jederzeit eine Katze rufen.

Irgendwo an der Seite meinte er Naruto alles gespannt mit ansehen zu sehen, aber er unterschrieb ruhig und die Schriftrolle schloss sich wieder.

Tora nickte ihm zu. „Dann gib mir jetzt den Kleinen.“

Mehr oder weniger freiwillig nahm er Nyanko auf dem Arm und reichte ihn dem Tiger. Als sich die spitzen Zähne um das Kragenfell schlossen, wurde ihm kurz bange, aber die große Katze hob ihn sanft hoch. Ein jämmerliches Quieken kam von Nyanko als er ihn losließ und Tora lächelte.

„Der Kleine hat sich bereits an dich gebunden.“

„Hä?“

„Er hat bereits mit dir eine Verbindung. Wenn er ausgewachsen ist, wird er wahrscheinlich die Katze sein, die dir sofort zur Seite steht.“

Damit drehte sich Tora um und ging aus dem Zimmer. Bevor sie sich in Luft auflöste hörte er noch ein „Bye, Sasuke.“, dann war sie weg.

Und von Naruto kam ein: „Mann, war das gruselig!“
 

„Dann wollen wir mal.“, lachte Naruto, als er mit Sasuke auf die große Wiese vor dem kleinen Hotel ging. Sasuke sah man deutlich an, dass er keinen Bock hatte mit ihm zu trainieren, aber wenn er das Jutsu des vertrauten Geistes lernen wollte, dann blieb ihm keine Wahl, als mit ihm, Kakashi oder Jirayia zu trainieren. Und da der perverse Sack für ihn nicht in Frage kam und Kakashi keine Zeit für ihn hatte, musste Sasuke nun mal mit ihm Vorlieb nehmen. Die Freude darüber stand ihm ins Gesicht geschrieben.

„Okay, wie fange ich am besten an?“, murmelte Naruto vor sich hin.

„Wie wäre es mit Fingerzeichen?“, fragte Sasuke genervt.

„Richtig!“ Naruto schnippte als ihm das einfiel. „Also, da gibt es fünf Fingerzeichen, die man ausführen muss. Wildschwein, Hund, Vogel, Affe und Schaf.“

„Alles Tiere, die zu dir passen.“, murmelte Sasuke in seinen nicht vorhandenen Bart. Naruto ignorierte es.

„Jedenfalls musst du dir vorher in den Finger beißen, weil es ohne Blut nicht geht, dann die Fingerzeichen machen und dabei eine Menge Chakra konzentrieren. Das ist mehr als du denkst, wenn du zu wenig konzentrierst, kann das schief gehen.“

„Was kommt dann dabei raus?“

„Also, bei mir waren es immer Kaulquappen.“ Naruto schauderte unwillkürlich. „Tu mir bitte den Gefallen und beschwöre keine halbfertigen Katzenembryos oder so was, in Ordnung?“

Sasuke stand der Ekel bei der Vorstellung ins Gesicht geschrieben, aber er nickte und Naruto klatschte in die Hände. „Na dann. Hau rein, Alter!“

Sasuke stöhnte genervt, biss sich in den Finger, machte die Fingerzeichen und knallte die Hand auf den Boden. Gespannt wartete Naruto, als Sasuke im weißen Rauch verschwand. Und das erste was er hörte, war ein „Miau.“ und er dachte „Gott sei dank!“

Als der Rauch sich endlich verzog, sah er Sasuke mit einer weißen Winzkatze auf dem Kopf auftauchen, die gerade mit seinen Haaren spielte. Und der missmutige Gesichtsausdruck brachte Naruto endgültig zum lachen. Das sah echt zu albern aus. Er musste sich echt ’nen Fotoapparat anschaffen.

„Das ist nicht witzig.“, murrte Sasuke.

„Doch! Aber das geht beim ersten Mal immer schief.“

„Wie tröstlich.“

Sasuke machte weiter und eine halbe Stunde später saß Narutos Teamkollege mit ungefähr zehn Minikatzen auf der Wiese und wusste nicht wohin mit den Dingern. Außerdem standen ihm schon die Schweißperlen auf der Stirn. Tja, er hatte ihm ja nicht geglaubt.

„Soll ich dir welche abnehmen?“, fragte Naruto vorsichtig.

Sasuke murrte nur und Naruto nahm ihm ein paar Katzen ab, die sofort mit ihm kuschelten. Hey, mit den Dingern konnte man wenigstens schmusen, bei den Fröschen war das nicht so angenehm gewesen.

„Versuch mal ein bisschen mehr Chakra.“, sagte Naruto.

„Noch mehr? Weißt du, wie viel ich schon benutze?“

„Das ist 'ne Gewöhnungssache. Irgendwann hast du die richtige Menge im Kopf, aber das musst du halt üben.“

Sasuke gab ein Knurren von sich, aber er biss sich noch mal in seinen mittlerweile missratenen Daumen, schloss die Fingerzeichen und machte das ganze noch mal. Diesmal war die Rauchwolke schon größer und die Chakramenge auch, das konnte Naruto fühlen. Als der Rauch endlich weg war, fing Naruto an zu glotzen.

Okay, es war kein Katzenembryo, es waren auch nicht noch mehr Katzenbabys. Nein, Sasuke hatte es irgendwie fertig gebracht zwei ausgewachsene identisch aussehende Tigerkatzen zu beschwören. Beide trugen leichte Verbände um die Beine und ihre Augen waren messerscharf.

Sasuke glotze genau wie Naruto auf die beiden Katzen und Naruto wurde klar, dass er das nicht beabsichtigt hatte.

„Hi.“, sagten beide gleichzeitig. „Was willst du?“

Sasuke schüttelte benommen den Kopf und legte den Kopf schief. „Ich wollte eigentlich nur eine rufen.“

Beide Katzen lachten. „Oh, das ist leicht. Wenn du einen von uns rufst, rufst du auch den anderen. Ich bin Aki.“, sagte die eine.

„Und ich bin Aya.“, sagte die anderen. „Wir sind Zwillinge.“

„Und ich bin der Stärkere.“, sagte Aki kratzbürstig.

„Stimmt gar nicht.“, protestierte Aya. „Ich bin genauso stark wie du.“

„Ach ja?“

„Ja.“

Ehe sich es beide versahen fingen die Katzen sich an zu prügeln. Naruto lachte wieder. „Super, Sasuke. Und das für dein erstes Training.“

„Ja, wirklich Bombe.“, keuchte Sasuke.

Naruto runzelte die Stirn. „Willst du dich vielleicht mal hinsetzten?“

Das hätte er eigentlich gar nicht sagen brauchen, denn zwei Sekunden später fiel Sasuke auf sein Hinterteil und legte sich erschöpft ins Gras. Sofort war der Blonde bei ihm und beugte sich runter.

„Alles okay?“

„Mir ist schwindelig.“, kam es zurück.

Naruto seufzte und setzte sich neben ihn, während beide zusahen, wie sich Aki und Aya prügelten.

„Für den Anfang war das gar nicht schlecht. Du warst viel besser als ich damals.“

„Sicher, weil ich in allen Sachen besser bin als du.“

Eine Spur von Sasukes altem Humor kam zurück, bei dem Naruto es ihm nicht übel nehmen konnte. So langsam aber sicher wurde sein Freund wieder zu dem, den er damals gekannt hatte. Und das freute ihn immens.

„Ich hol uns mal was zu trinken.“, meinte er nach der Weile.

Mit einer Flasche Wasser kam er drei Minuten später zurück, die Katzen prügelten sich immer noch und Sasuke war kurz davor einzuschlafen. Er machte sich einen Scherz daraus ihn mit ein wenig Wasser zu wecken und ihm die Flasche dann ganz zu überlassen. Der würde heute gar nichts mehr schaffen, als den Weg ins Zimmer, dachte Naruto.

Als es dann Abend wurde, bat Naruto die Katzen zu gehen und die Babys gleich mit. Mit einem Murren verschwanden beide und die ganze Katzenschar und Naruto machte sich daran Sasuke auf die Beine zu bekommen.

„Aufstehen, Schlafmütze.“

„Es ist noch zu früh.“, murmelte Sasuke und drehte sich auf die Seite. „Komm um drei wieder.“

Naruto seufzte genervt und schaffte es ihn letztendlich mit ein paar Fußtritten auf die Beine zu bekommen, wo er schwankend aufstand. Schleppend kamen sie im Zimmer an und das zweite Mal innerhalb von zwei Tagen sah Naruto zu, wie Sasuke sich aufs Bett fallen ließ und sofort einschlief.

„Ich werde nicht schlau aus dieser Pfeife.“, murmelte er.

„Wie lief's?“

Kakashi kam ihm im Flur entgegen und Naruto sagte ihm alles, was er gesehen hatte. Kakashi nickte. „Ich habe nichts anderes erwartet. Er braucht nur eine Aufgabe und er ist beschäftigt.“

„Ist das bei mir auch so?“

Kakashi grinste und legte ihm eine Hand auf den Kopf. „Natürlich. Vielleicht ist das der Grund, warum ihr beiden euch letztendlich so gut versteht.“

Von Waffen und anderen Problemen

„Also, was ist?“, fragte Kakashi ernst. Er saß gerade auf dem einzigen Stuhl im gesamten Hotelzimmer, während Jiraiya ausnahmsweise einmal nicht in die nächstbeste Kneipe verschwunden war, sondern ihm gegenüber am Fußende des rechten Bettes saß. Der Ältere hatte sich zwar relativ bedeckt gehalten, was das Training der beiden Sturköpfe anging, aber das hieß nicht, dass es ihm vollkommen egal war.

Über zwei Monate waren inzwischen vergangen, seit sie weiter gezogen waren. Zwei Monate voller Chaos und Überraschungen, die keiner von ihnen einkalkuliert hatte. Sasuke hatte im Vergleich zu seinen ersten Versuchen deutliche Fortschritte im Beschwören von Katzen gemacht. Hin und wieder würde er sich noch mal mit der Chakramenge vertun – und Kakashi erinnerte sich nur sehr ungern an das eine Mal, als der Junge mit zu viel Eifer an die Sache gegangen war und einen ausgewachsenen, missmutigen Bergleoparden beschworen hatte – aber alles in allem konnte man guten Gewissens sagen, dass er die Technik tatsächlich gemeistert hatte. Es war ja schließlich auch nicht so, dass er sie jeden einzelnen Tag trainieren würde, dafür waren die Energiekosten viel zu hoch und im Gegensatz zu Narutos waren Sasukes Chakramengen deutlich begrenzter.

Naruto auf der anderen Seite hatte von Sasukes schnellen Erfolgen angetrieben einige Erfolge im Bereich seiner Chakrakontrolle machen können. Manchmal war es fast schon beängstigend, wie schnell der Junge lernen konnte, wenn er nur wollte.

Viel erstaunlicher aber war die Tatsache, dass die Streitereien der beiden seltsam abgeflacht geworden waren. Sie zankten sich zwar nach wie vor um die unmöglichsten Dinge – gerade bei der Anreise am Vorabend ging es doch ernsthaft um die Frage wer in welchem Bett schlafen würde, obwohl beide absolut identisch waren – aber abgesehen davon… verhielten sie sich fast friedlich.

Keine Mordversuche, keine unnötigen Raufereien, keine Prügeleien und keine ernst gemeinten Angriffe außerhalb des Trainings. Kakashi traute dem Braten nach wie vor nicht, aber es schien fast, als hätten sie zumindest gelernt zu unterscheiden – meistens – wann sie gefahrlos streiten konnten und wann es gefährlich wurde.

Langweilig geworden war es aber keineswegs. Auf der Reise Richtung Süden hatten Jiraiya und er eher erfolglos versucht mit den beiden zusammen an Techniken und Angriffen zu arbeiten, doch wie sich schnell herausgestellt hatte fiel es beiden mehr als schwer ihre bestehenden Techniken zu verbessern.

Sasukes Versuche das Chidori auf beide Hände gleichzeitig auszudehnen endeten dreimal mit einer Totalerschöpfung und einmal sogar mit einer leichten Schädelverletzung, als er schlichtweg umkippte und mit dem Kopf gegen einen Stein donnerte, Narutos Idee eines beidhändigen, deutlich größeren Rasengans hingegen zertrümmerte nicht nur den Boden der zum Trainingsgelände erklärten Wiese, sondern auch noch zwei Hauswände.

Daraufhin hatten die beiden Lehrer beschlossen das ganze vielleicht doch erstmal noch zu verschieben und waren zu Waffenkunde zurückgegangen. Das hatte die letzten vier Wochen nach demselben Schema ausgefüllt – Waffe aussuchen, einen Tag lang unter Anleitung lernen, wie man sie benutzte und dann vier Tage üben, ehe sie am sechsten damit gegen Kakashi antreten sollten.

Immerhin wusste dieser jetzt, dass beide seiner Schüler keine nennenswerten Talente im Umgang mit Senbon, Sai, Naginata und Kyuudo hatten. Gestern hatte er ihnen mit entsprechend wenig Hoffnung Katana in die Hand gedrückt – mit denen sie sich mit sehr viel Glück noch nicht gegenseitig (oder in Narutos Fall selbst) aufgespießt hatten. Normalerweise beobachtete er von beiden unbemerkt zumindest am ersten Tag ihr eigenständiges Training, doch heute war Jiraiya unerwartet früh und mit unüblich ernster Miene zurückgekommen und Kakashi hatte seinen Beobachtungsposten auf einem Dach in der Nähe aufgegeben, um in der Ruhe des Hotelzimmers reden zu können.

Naruto und Sasuke würden sich schon nicht umbringen. Hoffentlich.
 

Einige hundert Meter vom Hotelzimmer entfernt am Rand eines kleinen Baches drosch Naruto gerade mit einer eher unsauberen Technik, aber dafür umso mehr Sägespänen auf einen Holzpfahl ein, der schon in den letzten Tagen alle möglichen Attacken hatte aushalten müssen. Da Kakashi ihnen aber schlauer- oder vielleicht eher dummerweise tatsächlich scharfe Waffen in die Hände gedrückt hatte, litt das Holz diesmal erheblich mehr und hatte kaum noch etwas von seiner ursprünglich runden Form behalten.

Tatsächlich sah es eher so aus, als hätte jemand… nun ja, ohne große Technik mit einem scharfen Gegenstand darauf gehauen.

Sasuke zwei Meter weiter links hingegen hatte seinen Pfahl gleichmäßiger abgetragen, sodass dieser nun annähernd die Form einer sehr schmalen Sanduhr hatte und unter dem nächsten, diesmal horizontal geführten Schlag in zwei saubere, symmetrische Teile zerbrach.

Sasuke grinste zufrieden, als Naruto ihn offenbar aus den Augenwinkeln beobachtet hatte und sich nun sauer zu ihm herumdrehte. „Du hast den Baumstamm kaputt gemacht.“, merkte er hochintelligent an und vergas völlig auf seinen eigenen weiter einzuschlagen. Stattdessen fuchtelte er noch mit dem Schwert in der Hand wild in richtig besagten Objekts und erklärte lautstark und siegessicher: „Das wird Kakashi-sensei so was von gar nicht gefallen! Jetzt kriegst du Ärger.“

Sasuke schnaubte nur und verschränkte die Arme ohne sich von der Klinge, die vor seinem Gesicht herumwirbelte sonderlich beeindrucken zu lassen. „Hn. Falls es dir noch nicht aufgefallen sein sollte, Volltrottel, war es der Sinn der Sache, dass wir lernen möglichst effektiv mit dem Katana…“

Weiter kam er nicht, da ein aufgeregtes oranges Etwas ihn nicht ausreden ließ und in Sekundenbruchteilen direkt vor seiner Nase stand und anklagend einen Finger auf ihn richtete.

„Ach ja?! Du willst doch nur wieder angeben, wie gut du darin bist, Dinge kaputt zu machen!“

Sasuke verdrehte nur die Augen und schaltete ab, während Naruto weiter vor ihm auf und ab hüpfte und ihm wild gestikulierend (was dazu führte, dass Sasuke zwei ungeplante Schläge auf seinen Kopf und Bauch parieren musste) irgendetwas absolut unwichtiges erklärte. Stattdessen warf er nur einen sehr befriedigten Blick auf das Schwert in seiner rechten Hand. Es gefiel ihm. Die Handhabung fiel ihm leicht und es hatte einen deutlich größeren Radius als die üblichen Kunai. Sicher, dafür war es ein klein wenig unhandlicher und vermutlich unpraktischer zu transportieren, aber im Gegensatz zu all den anderen Waffen, die Kakashi ihnen in den letzten Wochen aufgezwängt hatte, war diese noch am besten geeignet.

Andererseits schien auch Naruto damit unüblich gut klar zu kommen, was eigentlich schon wieder gegen die Waffe sprach, wie Sasuke fand.

Auch wenn die Schläge des Blonden nicht ganz so sauber oder schön waren, sie trafen immer ihr Ziel und so, wie das Holz aussah, lag eine ganz schöne Wucht in ihnen. Während er selbst die Lagen mehr schichtweise in gleichförmigen Bewegungen abgeschabt hatte, waren Narutos Angriffe auf den Pfahl kraftvoll und verheerend gewesen. Hätten sie wirklich Menschen vor sich gehabt, wäre Narutos Gegner beim ersten Treffer tot gewesen, während Sasukes wohl öfter getroffen, aber bei weitem nicht so schwer verletzt worden wäre. Je nachdem, wo genau hätte er sicher ein paar Angriffe überstehen können.

Sasuke grummelte leise und stieß das Katana wortlos in den Boden. Vielleicht sollte er sich wirklich nach einer anderen Waffe umsehen oder doch lieber bei den Shuriken und Kunai bleiben, die ihm ohnehin bisher immer am liebsten gewesen waren…

„Hey, Bastard, hörst du mir eigentlich zu?!“

Sasuke schnaubte nur und duckte sich unter einem weiteren Hieb hinweg. „Hn.“

Naruto knurrte wütend, rammte sein Schwert ebenfalls mit der Spitze in den Boden und wollte sich, wenn man seiner Körperhaltung glaube durfte, gerade auf ihn werfen, als er plötzlich wie erstarrt inne hielt.

Auch Sasuke hatte es gehört und spannte instinktiv die Muskeln an, was er bei Narutos albernen Angriffen nicht einmal für nötig befunden hatte. Ein leises Rascheln von Schritten auf trockenem, alten Laub gefolgt von einem etwas zu zischenden Luftzug. Jemand war in der Nähe – und dieser Jemand wollte offenbar nicht, dass sie von seiner Aufmerksamkeit wussten.

Sasukes Blick huschte schnell durch die Umgebung und blieb an einem kleinen Hain etwa drei Meter hinter ihnen hängen. Es musste von dort gekommen sein, nirgends sonst lag hier genügend Laub herum, um…

Rechts von ihm klang es, als versuchte jemand krampfhaft ein Husten zu unterdrücken. Shit. Sasukes Blick traf kurz Narutos, der für den einen Moment unüblich ernst und fast schon konzentriert aussah. Wie ungewöhnlich…

Der Blonde vor ihm deutete ein Nicken an, ehe er nur die Lippen bewegte, doch da Sasuke ahnte, was er sagen würde, fiel es ihm nicht weiter schwer die Bewegungen zu verstehen: „Wir sind nicht allein.“
 

Jiraiya unterdrückte ein Seufzten, ehe er sich mit einer Hand übers Gesicht fuhr und ruhig anmerkte: „Kakashi, ich glaube, wir müssen weiter.“

Überrascht von der plötzlichen Ernsthaftigkeit, hob Kakashi automatisch fragend die eine, sichtbare Augenbraue, woraufhin Jiraiya ihm bereitwillig erklärte: „Ich habe schon vor zwei Tagen Gerüchte gehört, dass Orochimaru hier in der Gegend sein soll.“

Kakashi runzelte zweifelnd die Stirn, sagte aber vorerst nichts. Sie waren inzwischen in einem sehr südlichen Teil des Feuerreichs und damit weit entfernt vom Reich der Reisfelder und somit Orochimarus Einflussbereich. Es wäre mehr als töricht von ihm ihnen hierher zu folgen. Als hätte er seine Gedanken gelesen, fuhr Jiraiya fort: „Ich habe ihnen allerdings keinen Glauben geschenkt. So dumm sich soweit von seinem Stützpunkt zu entfernen, ist er nicht und ich wollte das ganze schon als Gerede abtun… doch heute morgen hat mir jemand das hier gezeigt.“

Er zog aus dem Ärmel seiner Jacke ein Foto heraus und reichte es an Kakashi weiter, während er erklärte: Gestern Abend gab es in einer Kneipe in einem Ort etwa eine Stunde Fußmarsch von hier eine kleine Prügelei unter den Gästen und der Wirt hat ein Foto gemacht.“

Kakashi nickte nachdenklich. Auf dem Bild konnte man den Schankraum gut erkennen – und sauber in einer Reihe ausgestellt sechs äußerst sauer aussehende Männer. Auf den ersten Blick war nichts Auffälliges an ihnen, abgesehen davon vielleicht, dass sie alle einen alkoholisierten Eindruck machten und durchaus aussahen, als kämen sie gerade aus einer Schlägerei.

Doch Kakashi fiel gleich ins Auge, was Jiraiya offenbar auch gesehen hatte: Unter dem Mantel eines hager aussehenden Typen, der auf dem Foto ganz links stand, blitze etwas Helllilanes hervor. „Also sind wir verfolgt worden?“

Jiraiya schüttelte den Kopf und schnaubte. „Das kann ich mir nicht vorstellen. Aber so, wie ich das sehe, hat er seine Handlager ausgeschickt, um uns zu suchen. Entweder ins ganze Land, was ich eher bezweifle, so viele hat er dann doch nicht, oder systematisch und sie sind uns zufällig nahe gekommen.“

Er verzog bei dem Gedanken verständlicherweise leicht das Gesicht und auch Kakashi war alles andere als begeistert von den Aussichten. Auch wenn auf dem Bild nur ein einziger zu sehen war, war es mehr als wahrscheinlich, dass es noch andere dicht in der Nähe gab.

„Das eigentliche Problem ist auch eher, dass ich mit der Wirtin unseres Hotels gesprochen habe und sie sich an jemanden erinnert, der auf die Beschreibung des Typen da passt und der heute morgen hier eingecheckt ist.“

Bei den Worten weiteten sich Kakashis Augen unwillkürlich und er blickte ruckartig auf. Und da blieb Jiraiya noch so ruhig?!

„Wir sollten sofort aufbrechen.“, meinte er und stand selbst auf, um ihre Taschen zu greifen, „Ich hole Sasuke und Naruto und…“

„Langsam, Kakashi.“, meinte Jiraiya zu seinem Unverständnis und deutete mit der Hand an, dass er sich wieder setzen sollte. „Sie sind zwei Stunden später wieder aufgebrochen, warum auch immer, sie sind also weg. Wir müssen nichts überstürzen, aber ich halte es trotzdem für angebracht, dass… was?“

Kakashis minimal sichtbarer Gesichtsausdruck wechselte gerade von ungläubig zu entsetzt. „Sie sind wieder ausgecheckt?“

„Ja, wahrscheinlich weil… Scheiße.“

Für jemanden, der normalerweise so hoch gelobt wurde, bewies Jiraiya heute irgendwie wenig Menschenkenntnis, doch als er endlich verstand, was Kakashi andeuten wollte, sackten auch ihm die Mundwinkel herunter.

In der Spanne eines Lidschlags waren beide aus dem Zimmer verschwunden und auf dem Weg zu ihren Schützlingen. Kakashi hoffe, dass sie nicht zu spät waren…

Wenn sie aufgebrochen sind, heißt das entweder, dass sie woanders hin müssen oder aber, dass sie ihr Ziel bereits gefunden haben…
 

Offenbar hatten die fremden Ninja bemerkt, dass sie entdeckt worden waren und es keinen großen Sinn hatte sich zu verstecken – oder sie waren schlichtweg dämlich. Auf jeden Fall gaben sie ihre Tarnung auf. Vier erschienen wie Sasuke und auch Naruto richtig vermutet hatten, aus dem Hain, drei aus dem kleinen Bach und vier weitere waren wie aus dem nichts plötzlich einfach da und schlossen den Kreis um sie herum.

„Na, ganz toll…“, motzte Naruto und griff schnell nach dem Katana im Boden. Natürlich hatte keiner von ihnen ernsthaft mit einem Angriff gerechnet und Shuriken- sowie Kunaitasche lagen schön sauber (oder in Narutos Fall achtlos hingeworfen) auf ihrem Bett im Hotelzimmer. Er sah er, wie Sasuke es ihm gleich tat und nach einem letzten Blickaustausch, drehten sie sich um, sodass sie nun Rücken an Rücken standen. Zu zweit gegen elf Gegner, von denen sie nicht einmal wussten, wie stark sie waren und die die seltsam lilanen Bänder Orochimarus trugen.

„Scheint so, als wären deine Verehrer da.“, kommentierte Naruto nüchtern, während er die Typen reihum musterte. Durchschnittsgesichter. Alle dieselbe Kleidung. Fast wie Klone. Shit, wenn Sasuke jetzt entschied, dass er doch gehen wollte, hatte er echt ein Problem. Der zischte aber nur in seinem Rücken und Naruto meinte fast zu sehen, wie er sich mit der freien, linken Hand warum auch immer kurz hinters Ohr fasste, ehe er das Katana beidhändig griff.

„Was wollt ihr?“, verlangte Sasuke kühl und mühsam beherrscht zu wissen. Naruto direkt hinter ihm hörte aber noch etwas anderes in der Stimme. Einen Unterton, den er nicht wirklich einordnen konnte und der ihn verwirrte. War das… Unsicherheit? Verwirrung? Unglauben? Nein, keines davon, aber es ging in die Richtung.

„Da fragst du noch?“, antwortete jemand außerhalb von Narutos Blickfeld, doch er traute sich nicht sich umzudrehen und die Typen vor sich aus den Augen zu lassen. Wo steckte eigentlich Kakashi, wenn man ihn mal brauchte?! Die letzten Tage hatte er doch auch immer zugesehen, auch wenn er offenbar glaubte, sie hätten ihn nicht bemerkt…

„Wir sind gekommen, um dich zu holen, Sasuke-sama. Tritt zur Seite und wir erledigen das orange Knallbonbon hinter dir.“

Naruto blinzelte. Was bitte? „Wer ist hier ein oranges Knallbonbon?!“, schrie er sauer und drehte sich nun doch um. Ein offensichtlicher Fehler, da die Oto-Nin offenbar glaubten, er wollte Sasuke angreifen oder was auch immer und sich nun auf ihn stürzten.

„Ganz toll eingefädelt, Flachbirne.“, kommentierte Sasuke wenig begeistert und wehrte ein Kunai auf Narutos Gesicht ab, das dem Blondschopf andernfalls einen zusätzlichen Streifen beschert hätte, und duckte sich unter zwei weiteren weg.

„Sasuke-sama, wir…“

„Ich komme nicht mit.“, fauchte der zu Narutos Überraschung und ungeheurer Erleichterung wütend und donnerte dem nächststehenden Ninja seinen Schwertgriff gegen den Kopf. „Also spar dir deinen Atem und hau ab.“

Für einen Augenblick erstarben die ohnehin nicht ganz ernst gemeinten Angriffe wieder und Naruto huschte schnell auf seine vorherige Position zurück. Ihm entging vorher allerdings nicht das wütende Gesicht des Typen, der scheinbar Sprachführer war und der als einziger nach wie vor noch auf Distanz geblieben war. „Wir haben den Befehl dich zu holen. Wenn du nicht freiwillig willst…“

Er ließ die Drohung offen, doch es war auch so vollkommen klar, was er meinte. Sasuke schnaubte als Antwort nur und Naruto meinte ein schmerzhaftes Ausatmen zu hören, dass darauf schließen ließ, dass sein Teamkollege irgendwem den Griff nun mitten in den Bauch gerammt hatte.

Als wäre das das Startsignal gewesen, brach in dem Augenblick die Hölle los. Zehn Mann, die sich nahezu gleichzeitig auf sie stürzten und sie mit Hieben, Kunais und Tritten eindeckten. Naruto verlor viel zu schnell den Überblick und bekam ein paar schmerzhafte Treffer vor allem in die rechte Seite ab. Daraufhin kreuzte er schnell die Finger und rief ein paar Schattendoppelgänger, die ihm kurzfristig ein wenig Luft verschafften und das Kampfgetümmel teilten. Naruto zählte sieben Gegner, die mit seinen Doppelgängern beschäftigt waren, blieben also fünf bei Sasuke, er wand sich schnell um, um ihm zu Hilfe zu kommen und…

Naruto hatte das Gefühl einer riesigen Wasserblase an seinem Kopf, als er zu seinem erklärten Rivalen hinübersah. Der huschte rasend schnell zwischen ihnen hindurch und schien keine allzu großen Probleme zu haben alle fünf auf einmal in Schach zu halten… okay, das hätte er auch ahnen können, er hatte Sasuke schon mit deutlich mehr als fünf Schattendoppelgängern auf einmal angegriffen… warum machte er sich überhaupt Sorgen um ihn?

Seine Aufmerksamkeit wurde schlagartig abgelenkt, als er am Rand seines Blickfeld etwas schimmern sah und sich grade rechtzeitig nach hinten fallen ließ, um dem Schwert zu entgehen, dass ihm sonst vermutlich den Schädel abgeschlagen hätte.

Er fing den Fall mit beiden Händen ab, trat mit den Füßen aus und beendete die Drehung mit einem Sprung zurück auf die Füße. Er hatte es sogar irgendwie geschafft das Schwert dabei festzuhalten, das er nun siegessicher grinsend in Richtung des Gesichts seines Gegners hielt. „Hah!“, konnte er sich nicht verkneifen, was sofort ein ärgerliches Zucken einer Wutader an der Schläfe seines Gegenübers sowie einen wahren Schwerthiebhagel zur Folge hatte, der Naruto langsam aber sicher immer weiter nach hinten und auf Sasuke zu zwang.

Vielleicht hätte er doch besser nicht gleich die Klappe aufreißen sollen…

Sasuke indes hatte es geschafft drei der Gegner auszuschalten und lieferte sich mit den beiden verbliebenen noch einen ziemlich schnellen Schlagabtausch. Sie waren besser als die anderen und konnten sein Tempo fast mithalten. Er traf sie zwar, aber sie schafften es immer wieder im letzten Moment doch noch soweit auszuweichen, dass es nur Streifschläge wurden. Das ärgerte ihn.

Fast noch mehr als die Tatsache, dass der Volldepp von einem Teamkollegen sich gerade reichlich dümmlich zurückdrängen ließ.

„Hey, Naruto, Rollentausch.“, rief er, als besagter Blondschopf nah genug war. Das hochintelligente „Häh?“ ignorierend packte er blitzartig Narutos Arm und wirbelte sich und ihn herum, sodass sie genau vertauscht standen. Sasuke nutzte den Überraschungseffekt aus und donnerte seinem Gegenüber die Faust gegen die Schläfe, was ihn augenblicklich auf die Bretter schickte. Wenig überraschend war Narutos Auffassungsgabe etwas zu langsam für ein solches Manöver und so schrie er lieber auf, als er sich unter zwei Tritten wegduckte.

„Hey, was sollte das, du Arsch?“, rief er Sasuke zu, als der wieder neben ihm auftauchte und einen der Gegner übernahm.

Sasuke zuckte unbeeindruckt die Schultern. „Ablenkungsmanöver.“

„Ja, klar.“, motzte Naruto, während er einen der Schattendoppelgänger zu sich winkte, einen Meter rückwärts sprang und schnell ein Rasengan formte. Der Typ war ihm im Taijutsu leider überlegen, aber mal sehen, wie ihm eine Ladung Chakra im Bauch schmeckte. Offenbar ahnte sein Gegner aber, was er vorhatte und zog sich ein Stück zurück, um sich mit den verbliebenen vier, die noch standen, erneut zu sammeln.

Naruto verdrehte die Augen und wollte die Chakrakugel schon wieder auflösen – er brauchte echt mal eine Fernkampftechnik! – als ihn plötzlich äußerst unsanft ein Ellbogen im Rücken traf. Er zuckte nach vorne, schrie auf und riss instinktiv die Hände hoch, um einen möglichen Stürz abzufangen, als…

Ja, was eigentlich? Es ging alles so schnell, dass er kaum sicher war, ob es wirklich passiert war. Irgendwie hatte er die Hand hochgerissen und auf einmal hatte aus dem Rasengan eine Minikugel gelöst, war geradewegs nach vorn geschossen und hatte (durch reinen Zufall) einen der Gegner umgehauen.

Naruto sah reichlich belämmert aus der Wäsche und sein Blick wechselte immer wieder zwischen seiner Hand und dem bewusstlosen Gegner hin und her. Sasuke neben ihm hatte sich endlich seines Angreifers entledigt und sah nicht weniger ungläubig drein, als Naruto.

„Okay, wie hast du das gemacht?“, fragte er fast schon wütend darüber, dass der Trottel vor ihm eine neue Technik gemeistert zu haben schien.

„Öhm… das werde ich dir ja wohl mal nicht verraten!“, meinte Naruto und wand sich nun den Gegnern zu. „Und nun zu euch. Hah!“ Er streckte die Hand vor, in der er nach wie vor das Rasengan hielt und… nichts passierte.

„Du hast keine Ahnung, oder?“, kommentierte Sasuke in die aufkommende Stille hinein, woraufhin ihm Naruto nur die Zunge rausstreckte. „Ich hab so was von Ahnung, ich… äh…“

„Kopf runter.“

Sasuke trat ihm schlagartig hinten in die Kniekehlen, sodass Naruto zusammenzuckte und vornüber fiel – zu seinem Glück sonst hätten ihn gleich drei Shuriken an der Stirn getroffen.

„Hey, das hat wehgetan!“, beschwerte er sich vom Boden aus (der nun eine unschöne Delle hatte, wo ihn das Rasengan getroffen hatte).

„Hn.“, war alles, was Sasuke dazu zu sagen hatte, ehe er schnell ein paar Handzeichen machte und eine Feuerwand auf die Verbliebenen jagte.
 

Kakashi und Jiraiya hatten bereits seit etwa drei Minuten in der Nähe gestanden und halb besorgt, halb neugierig zugesehen. Jiraiya hatte bereits zweimal eingreifen wollen, doch Kakashi hatte stumm den Kopf geschüttelt und ihn zurückgehalten.

Die beiden kamen alleine klar – hoffte er.

Seine Annahme schien sich aber zu bestätigen, als wenig später sämtliche Angreifer bewusstlos am Boden lagen, während Naruto und Sasuke immer noch standen – genau genommen zumindest kurz, denn Narutos Versuch Sasuke gut gelaunt einen Arm um die Schulter zu legen endete damit, dass er selbst auf dem Boden lag.

Ehe er sich allerdings auf seinen Teamkollegen stürzen konnte, entschied Kakashi, dass es nun doch Zeit für seinen Auftritt wurde und erschien in einem Blätterwirbel zwischen den beiden.

„Dann ist ja noch mal alles gut gegangen.“, erklärte er zufrieden und fing Narutos Faust auf dem Weg zu seinem Bauch ab.

„Sie hätten aber ruhig mal ein bisschen früher kommen können!“, beschwerte sich der Junge postwendend, „Wo waren Sie denn überhaupt? Die ganzen anderen Tage waren sie doch auch da und…!!!“

Er redete weiter. Kakashi ließ ihn reden und wand sich in aller Ruhe Sasuke zu. „Wollten sie…?“

Sasuke nickte nur stumm, mit verbissenem Gesichtsausdruck und vor der Brust verschränkten Armen. Kakashi blinzelte. Da hatte aber jemand schlechte Laune…

„Kakashi-sensei, Sie hören mir ja überhaupt nicht zu!! Haben Sie meine neue Attacke gesehen?! Ist die nicht cool?!!“

Kakashi lächelte unter der Maske angesichts dieser kindlichen Freude und wand sich wieder dem jüngeren seiner Schützlinge zu. „Wie hast du das denn gemacht?“, fragte er freundlich, woraufhin Naruto erstmal stutzte und schließlich die Schultern zuckte. Er rieb sich verlegen den Hinterkopf und gab kleinlaut zu: „Äh, Sasuke hat mich irgendwie in den Rücken gestoßen und dann… war… das einfach… da?“

Auf einmal grinste Sasuke sehr fies. „Also stellst du dich einfach beim nächsten Angriff mit einem Rasengan vor mich und ich hau dir ein paar Mal in den Rücken?“, schlug er auf einmal wieder deutlich besser gelaunt vor.

Naruto schmollte daraufhin und Kakashi musste sich ein weiteres Schmunzeln verkneifen. Sie merkten nicht mal, dass sie zusammengearbeitet hatten… Sie entwickelten sich weiter, ohne, dass sie das selbst merkten. Er wusste nicht, ob das gut oder schlecht war. Wenn sie den Fortschritt selbst nicht sahen, den sie machten, konnte das sehr unterschiedliche Konsequenzen haben….

Gedankenverloren blieb er stehen und nahm nur am Rande wahr, wie Naruto weiterfaselte. „Ich muss mir einen Namen dafür ausdenken! Mini-Rasengan! Nein, das klingt nach einer Mädchenattacke… äh… ich hab’s Rasenganchen! Nein, noch schlimmer… Rasenminis! Mmh, das klingt wie was zu essen…“

„Wie wär’s mit ‚Hirnlose Bälle’?“, schlug Sasuke schelmisch vor und da Naruto gerade wiedermal dabei war sich in sein Tun hineinzusteigern, geschah das unvermeidliche…

„Genau! Hirnlose Bälle! Ich… WAS?!! Argh! Teme!“ Und damit warf er sich nun wirklich auf Sasuke, der ihn problemlos abfing und scheinbar zufrieden eine kleine Rangelei anfing. Kakashi seufzte. Und schon war alles wieder beim Alten…

Er verdrehte kurz die Augen und warf einen letzten Blick auf die Bewusstlosen um sich herum, ehe er Jiraiya zunickte sich um sie zu kümmern. Der deutete ein Nicken an und verschwand.

Kakashi indes hatte auf einmal das Gefühl beobachtet zu werden, doch als er sich umsah, war dort nichts. Nur eine Krähe, die sich gerade aus dem Hain in den Himmel erhob und davon flog. Kakashi runzelte die Stirn. Es wurde dringend Zeit, dass sie aufbrachen. Sie waren schon viel zu lange hier.
 

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Senbon = Wurfnadeln

Sai = so eine Art Mini-Dreizack, kommt gerne in Filmen vor

Naginata = Schwertlanzen

Kyuudo = Langbögen

Katana = Samuraischwert

Let's get dirty

„Du bis immer... noch ein... Klotz am Bein... du Vollidiot...“

Er konnte nichts anderes tun als zu starren. Konnte nichts anderes tun als das Ergebnis seiner Unachtsamkeit und seines Leichtsinns vor sich zu sehen.

Sein bester Freund, blutüberströmt und mit Wurfnadeln bestickt.

„Warum?“ Seine Frage war ein verzweifeltes Schreien. „Warum hast du mich beschützt?“

„Woher... soll ich das... wissen?“ Ein trockenes Husten ertönte und ein Schwall Blut landete vor seinen Füßen. „Ich habe... es einfach... automatisch gemacht.“

In der darauf folgenden Stille konnte er sein gequältes Keuchen hören, ehe er kurz lachte.

„Ich... mochte dich... eigentlich nie.“

„Warum hast du es dann getan? Warum? Ich habe dich nie darum gebeten!“

Seine Stimme brach und er senkte den Kopf, sah starr auf den Boden. Wieder hörte er ein leises Kichern.

„Woher soll... ich das wissen... mein Körper... hat sich von selbst... bewegt...“

Und dann kippte er hinten über. Rein aus Reflex fing er ihn auf und ging mit ihm zu Boden.

„Sasuke!“, schrie er verzweifelt.

Das konnte doch nicht sein. Das durfte nicht passieren.

Traurige und erschöpfte Augen sahen ihm aus einem blutüberströmten Gesicht entgegen. „Ich... ich wollte nicht sterben... ehe ich meinen... Bruder nicht getötet... habe.“

Langsam hob er seine Hand, so als wollte er sie ihm auf die Wange legen.

„Naruto... stirb nicht...“

Und dann fiel seine Hand schlaff auf seine Brust und er rührte sich nicht mehr.
 

Sasuke war schon lange wach, bevor Naruto anfing in Nachbarbett um sich zu treten und zu stöhnen. Er hatte die halbe Nacht an die Decke gestarrt und versucht Fragen zu beantworten, die er nicht beantworten konnte.

Wie hatte Naruto es geschafft ein Rasengan fliegen zu lassen?

Das war zum Beispiel eine, deren Antwort ihm verwehrt blieb. So oder so hatte es anscheinend so ausgesehen, dass der blonde Idiot sowieso nicht wusste, was er da gemacht hatte. Es war ein Glückstreffer, Zufall oder was auch immer gewesen.

Und eine der Fragen, die ihn ebenfalls nicht in Ruhe ließ war: Wieso hatte er das Gefühl beobachtet zu werden?

Dieses Gefühl rührte garantiert nicht von der Paranoia, dass Tsunades komischer Bann um sein Fluchmal ihm sein Sharingan rauben könnte. Jenes blöde Ding hatte er im ganzen Training sowieso vergessen.

Da war dieses Kribbeln im Nacken, das seine Haare auf den Unterarmen aufstellen ließ, dieses Ziehen im Genick, als versuchte dich jemand mit Blicken zu töten. So ein Gefühl eben. Nicht gerade angenehm. Daher wunderte es ihn auch nicht, dass er nicht schlafen konnte. Nachdem er sich fünfeinhalb Stunden lang die Decke angesehen hatte, hatte er keinen Bock mehr sich die Musterung einzuprägen. Und genau in dem Moment wo er aufstehen wollte, fing Naruto an um sich zu treten, als hätte man ihm Ameisen unter die Decke gesteckt.

Ganz offensichtlich träumte er nicht besonders gut.

Er beachtete ihn nur kurz. Wahrscheinlich träumte er, dass man ihm seine Ramen-Gutscheine geklaut hatte. Genervt stöhnend stand er auf, putzte sich die Zähne und zog sich um, ehe er sich auf das Fensterbrett setzte und die Morgensonne am Horizont erwartete. Es dämmerte bereits, lange würde es nicht mehr dauern.

Langsam sah er die Umrisse der Bäume am Waldrand erscheinen und wenn er genau hinsah, konnte er zusehen, wie die Sonnenblumen, die ein wenig weiter weg auf einem Feld neben ihrem Motel standen, ihre Köpfe langsam in Richtung Sonne drehten.

Müde lehnte er den Kopf gegen die Fensterscheibe und sah in den Wald, während langsam seine Augen zufielen. Müde war eben müde. Kurz bevor er wegdämmerte, sah er jedoch was. Auf einem Baum, auf der Krone einer Eiche, saß eine Krähe.

Eine Krähe, die ihn beobachtete?

In dem Moment hallte ein Schrei durchs ganze Zimmer, der ihn von dem Fensterbrett fegte.

„SASUKE!!!“

Hart kam er auf dem Boden auf mit hämmernden Herzen und verdammt saurer Laune.

„WAS?!?“, schrie er. Er drehte sich stinksauer zu Naruto um, um ihm ordentlich die Meinung zu geigen, aber als er ihn sah, blieben ihm die Worte im Hals stecken.

Naruto saß kerzengerade im Bett, sein Gesicht war weiß wie Schnee und er schwitzte wie verrückt. Was auch immer er geträumt hatte, ihm waren sicher nicht die Ramen-Gutscheine geklaut worden. Für einen kurzen Moment waren nur keuchende Atemzüge seitens Narutos zu vernehmen, ehe Sasuke wieder das Wort ergriff.

„Musst du so rumschreien?“ Murrend stand er auf. „Du hast bestimmt das ganze Motel geweckt.“

Statt einer Rechtfertigung kam nichts. Sasuke warf ihm noch einen schnellen Blick nur um schnell woanders hinzusehen. Irgendwie war das gruselig. Er fragte sich, was Naruto geträumt hatte, das ihn so aus der Fassung gebracht hatte. Aber gleichzeitig wollte er es auch gar nicht wissen.

„Zieh dich lieber um oder geh mal duschen.“, murmelte er, „Wenn du fertig bist, gehen wir Kakashi und den anderen Trottel wecken.“

Zu seiner Verwunderung sagte Naruto immer noch nichts, sondern ging schweigend ins Bad, kurze Zeit später konnte Sasuke die Dusche hören. Müde rieb er sich mit einer Hand über das Gesicht und setzte sich wieder ans Fenster.

Ein paar Augenblicke später fiel ihm wieder ein, was ihn kurzzeitig abgelenkt hatte, und er sah wieder in den Wald. Die Krähe war weg. Über sich selbst den Kopf schüttelnd sah er zum Horizont und beobachtete wie die Sonne aufging, bevor er die Augen schloss. Irgendwo im Wald begannen die Vögel zu singen.

Und eine Krähe zu krähen.

Blinzelnd öffnete Sasuke die Augen und sah die Krähe vor dem Sonnenblumenfeld sitzen. Sie saß ganz still da, ignorierte die Vogelscheuche, die keine zwei Meter hinter ihr im Feld stand und sah zu ihm rüber. Sie sah ihn eindeutig an.

Aus leuchtend roten Sharingan.

Noch bevor ihm heiße und kalte Schauer den Rücken runter liefen, hatte er sich schon sein Katana, das Kakashi ihm zum Training hinterlassen hatte, geschnappt und das Fenster aufgerissen. Er bemerkte nicht mehr, dass Naruto aus dem Bad kam, ihn entsetzt ansah und seinen Namen rief. Er sah nur diese verdammte Krähe, die sich sofort ihn die Lüfte erhob, sobald sie ihn auf sich zulaufen sah. In einem Affenzahn lief er hinter ihr her, nur einen Gedanken im Kopf.

Irgendwo hier in der Nähe war er. Er beobachtete ihn.

Die Krähe flog immer schneller, er konnte sie durch die Baumwipfel kaum sehen, aber irgendwie schaffte er es an ihr dran zu bleiben. Dann kam er auf eine Lichtung und auf einmal war die Krähe weg.

Schlitternd kam er zum stehen und suchte keuchend den Himmel ab. Sein Herzschlag dröhnte in seinen Ohren, seine rechte Hand lag verkrampft um sein Katana.

„Zeig dich!“, schrie er in den Wald. Irgendwo meinte er sein Echo zu hören. „Zeig dich, du verdammter Feigling! Oder hast du Angst mir ins Gesicht zu sehen?“

Das einzige, was zurückkam, war gähnende Stille. Frustriert biss er sich auf die Unterlippe und spürte diese vertraute unbändige Wut in sich hochkommen.

„ITACHI UCHIHA!!!“, brüllte er. „Komm sofort raus!“

Und dann erschien er. Lautlos wie ein Schatten trat er hinter einem Baum hervor, die Krähe auf der Schulter sitzend und eine Hand auf ihrem Gefieder liegend. Sein schwarzer Mantel mit den roten Wolken raschelte leise bei seinen Bewegungen. Er kam so gemächlich wie in alten Zeiten auf ihn zu, die eine Hand ruhig an seiner Seite, während die andere gelassen die Krähe liebkoste.

Sasuke spürte seinen Hass wie ein Fegefeuer in sich auflodern. Alles an diesem Kerl verabscheute er.

Sein Auftreten, seine Art ihn anzusehen.

„Du bist also nicht zu Orochimaru gegangen.“

Und diese Stimme hasste er am meisten. So ruhig und rein, als würde er mit ihm ein Kaffeekränzchen halten.

„Warum beobachtest du mich?“, zischte Sasuke.

„Ist es nicht die Aufgabe eines großen Bruders nach seinem kleinen Bruder zu sehen?“

„Du bist nicht mehr mein großer Bruder.“, fauchte Sasuke. „Seit jener Nacht ist mein großer Bruder tot.“

Itachi ließ die Krähe auf seinen Finger steigen und dann davonfliegen. Sie verschwand irgendwo im Wald.

„Wieso bist du nicht zu Orochimaru gegangen?“, fragte Itachi. „Du wolltest gehen.“

„Das geht dich nichts an!“

„Du bist gegangen.“ Er redete einfach weiter. „Aber etwas hat dich aufgehalten.“

Dann endlich begegnete Sasuke dem kalten Blick von Itachi, der ihn abschätzend, ja fast analytisch ansah. So als könnte er in ihm lesen, wie in einem Buch.

„Oder jemand.“, stellte er leise fest. „Naruto ist dir also hinterher gelaufen.“

„Dich geht einen feuchten Dreck an, warum ich noch hier bin oder nicht!“, zischte Sasuke. „Warum bist du wirklich hier? Doch wohl nicht, um gegen mich zu kämpfen.“

Für einen kurzen Moment sah Sasuke etwas in Itachi Augen, dass er nicht deuten konnte. Fast sah es aus wie Schmerz.

„Was willst du wirklich, Sasuke?“

Die Frage war so eigenartig, dass Sasuke nicht wusste, was er sagen sollte. Er konnte nur starren, während Itachi ihn betrachtete.

„Du willst mich für das richten, was ich unserer Familie angetan habe. Du willst stärker werden. Aber was willst du wirklich? Willst du stärker werden, obwohl du weißt, dass Orochimaru dich zu etwas Größerem machen könnte, als Kakashi? Willst du allein sein und für den Rest deines Lebens niemanden an dich heran lassen? Oder willst du nur deinen besten Freund nicht verraten?“

Sasuke klappte den Mund auf, wie um sich zu rechtfertigen, bevor er ihn wieder schloss, weil er keine Antwort wusste. Mit großem Schreck wurde ihm klar, dass etwas an dem dran war, was Itachi sagte. Was genau wollte er eigentlich?

„Diese Frage solltest du klären. Sonst wirst du es nie schaffen mich zu schlagen.“

Sasuke riss den Kopf hoch, er hatte nicht mal gemerkt, dass Itachi sich von ihm entfernt hatte. Gerade trat er wieder in den Schatten der Bäume.

„Warte!“, schrie er. „Wir sind noch nicht fertig.“ Sofort lief er hinter ihm her, gerade als Itachi in den Bäumen verschwand.

Oh nein, so schnell war er noch nicht mit ihm fertig.

So schnell er konnte, lief er ihm hinterher, versuchte so schnell zu laufen, wie sein Bruder, der schon immer schneller gewesen war als er. Er biss sich wütend auf die Lippen, während der Wald sich um sie herum lichtete und er auf die nächste Lichtung kam. Gerade lief Itachi über die Lichtung.

Mit einem gewaltigen Satz sprang Sasuke, die Hand nach ihm ausgestreckt. Als er mit den Fingerspitzen den Mantel berührte, drehte Itachi sich blitzschnell zu ihm um und trat ihm mit voller Wucht in den Magen. Der Tritt trieb ihm alle Luft aus den Lungen und er kam hart auf dem Boden auf. Keuchend versuchte er wieder zu Atem zu kommen, während er sich am Boden krümmte.

Er musste sich nicht umdrehen um zu wissen, dass Itachi nicht mehr da war.

Und gerade als er dachte, dass der Tag echt scheiße anfing, fing es auch noch an zu regnen. Wassertropfen fielen ihm hart aufs Gesicht, als ein heftiger Platzregen aus den Wolken, die er vorher nicht bemerkt hatte.

So viel zum Satz: Schlimmer kann es nicht mehr werden.

Und er hatte sich schon wieder getäuscht. Als er sich endlich wie ein geprügelter Hund aufrappelte, rauschte ein keuchender Naruto, der wenigstens die Rücksicht gehabt hatte sich ein T-Shirt und eine Hose anzuziehen, durch die Bäume. Der Schreck und der Vorwurf in seinen Augen war so groß, dass Sasuke auf den Boden sah und bemerkte, dass er nass bis auf die Knochen war.

„Sieh mich nicht so an.“, murmelte er, während er sich die Rippen hielt und sein Katana, das mittlerweile im Schlamm lag, aufhob.

Doch bevor er das tun konnte traf ihn eine Faust mitten im Gesicht, sodass er auf den Boden stürzte. Direkt in eine Schlammpfütze. Innerhalb von Sekunden war er schmutzig bis auf die Unterhose.

„Was soll der Mist?“, schrie er.

Statt einer Antwort sprang Naruto ihn an und verpasste ihm gleich noch eine.

„Du verdammter VOLLIDIOT!!!“

Jetzt wurde es Sasuke zu viel. Mit einem Fauchen stürzte er sich auf Naruto, um ihm eine zu verpassen. Und ehe es sich beide versahen, prügelten sie sich im Schlamm, schlugen sich, bewarfen sich mit Schlamm und versuchten sich in jeder erdenklichen Weise eine zu verpassen. Alles endete damit, dass Naruto es irgendwie schaffte den schon angeschlagenen Sasuke zu Boden zu werfen, sich auf seine Brust zu setzten und ihn anzuschreien.

„Tu das nie wieder!“ Okay, Korrektur. Er schrie ihn nicht an, er brüllte ihn an. „Was meinst du, was ich gedacht habe, als du aus dem Fenster gesprungen bist? Was denkst du dir dabei abzuhauen, ohne mir Bescheid zu sagen? Wolltest du wieder gehen? Ich wäre dir wieder gefolgt, das weißt du genau. Wieso? Wieso machst du das?“

Sasuke registrierte auf einmal mit einem riesigen Schreck, dass es nicht nur Regentropfen waren, die ihm da aufs Gesicht fielen. Naruto heulte ihm direkt ins Gesicht, packte ihn an den Schultern und stieß immer wieder seinen Kopf in den Schlamm, bis er Kopfschmerzen bekam.

Irgendwie schaffte Sasuke es Naruto von sich runter zu bekommen, ehe er ihm den Schädel einschlug. Als Antwort verpasste er ihm eine mitten auf die Nase, was Naruto auf den Boden beförderte.

„Itachi hat uns beobachtet.“, fauchte er. „Itachi Uchiha hat mich die ganze Zeit über beobachtet. Er hat gewusst, dass ich nicht bei Orochimaru bin, er hat gewusst, was ich tue, wie jeder einzelne meiner Schritte aussieht. Und auf einmal steht er vor meinem Fenster. Denkst du da bleibe ich ruhig auf meinem Arsch sitzen und sehe zu, wie er sich weiter ins Fäustchen lacht, während ich mich mit euch drei Idioten zum Affen machen?“

Naruto klappte der Mund auf, während er langsam seine Hand von der Nase nahm. „Itachi?“

„Ja, Itachi, verdammt noch mal! I-t-a-c-h-i, du Volltrottel!“

Keuchend standen sie beide sich gegenüber, starrten sich an und wussten nichts mehr zu sagen. Naruto schaute so blöd aus der Wäsche, dass Sasuke letztendlich nichts anders konnte als zu schnauben.

„Mach den Mund zu, es zieht.“

Naruto klappte vernehmlich den Mund zu und wollte sich durchs Haar streichen. Ehe er den Schlamm bemerkte und ihn dann verlegen ansah.

„Ich...“

„Vergiss es.“, murmelte Sasuke. „Außerdem war nicht alles umsonst.“

„Hä?“

Statt einer Antwort öffnete Sasuke die Hand, mit der er eben nach Itachi gegriffen hatte und zeigte Naruto den Stofffetzen, den er von Itachis Mantel geschnappt hatte. Er war ja nicht komplett blöd. Er hatte gewusst, dass er noch nicht stark genug war, um gegen Itachi zu kämpfen und er hatte auch geschnallt, dass er ihn nicht hatte schnappen können. Aber jetzt hatte er eine Geruchsspur, auf die er eine seiner Katzen ansetzten konnte.

Und wenn er endlich stark genug war, würde dieser kleine unbedeutende Fetzen dafür sorgen, dass er Itachi Uchiha fand und ihn fertig machen konnte.

Auf einmal warf Naruto den Kopf zurück und fing schallend an zu lachen, Sasuke konnte ihn nur blöd ansehen, bis er endlich wieder sprechen konnte.

„Tut mir leid, ich habe überreagiert. Ich hatte heute nur so einen blöden Traum und da habe ich gedacht, dass du wieder abhaust.“

„Ach ja? Was denn?“ Sasuke hob fragend eine Augenbraue.

Naruto winkte ab. „Alte Vergangenheitsscheiße. Unwichtig und vergangen.“

Sasuke betrachtete ihn noch einen Moment, ehe er den Blick in den Himmel richtete und sofort den Kopf vor dem Regen einzog.

„Wir sollten zurück. Kakashi sollte bald aufstehen und wenn er merkt, dass wir nicht da sind, wird er uns den Kopf abreißen.“

Naruto nickte seufzend und machte Anstalten aufzustehen. Doch bevor er das geschafft hatte, hielt Sasuke ihm die Hand hin. Irgendein Friedensangebot musste ja geschlossen werden und er sah auch ein, dass es nicht gerade schlau von ihm gewesen war Naruto so einen Schrecken eingejagt zu haben.

„Lass uns gehen.“, murmelte er.

Naruto lächelte und griff dankend nach seiner Hand.

Und dann passierten so viele Dinge gleichzeitig, dass Sasuke später nicht mal mehr wusste, wie das alles so schnell passieren konnte.

Kaum hatte er Naruto aufrecht auf die Füße gestellt, verwandelte sich dessen Gesicht in eine Maske des Entsetzens. Dann gab er Sasuke einen Stoß, sodass er hinter ihn geriet und breitete die Arme aus, während Sasuke im Schlamm landete. Sasuke hörte ein Zischen und dann ein undefinierbares Geräusch, welches ihm aber auf eine seltsame Art und Weise unheimlich bekannt vorkam. Dann drehte er sich um, eine schreckliche Vorahnung habend.

Am Waldrand standen drei Oto-Ninjas, alle mit Orochimarus Markenkleidung versehen und einem höhnischen Grinsen im Gesicht. Dann hörte er ein schreckliches Keuchen und sein Blick wanderte zu Naruto hoch. Er konnte nur seinen Rücken sehen, aber er sah deutlich das Blut, welches vor ihm auf den Boden tropfte.

Mit einem Mal hatte Sasuke ein Deja-vu. Er sah sich selbst schützend vor Naruto stehend, während Blut auf den Boden tropfte und Naruto hinter ihm entsetzt auf eben diesem lag.

Und genau in dem Moment, wo diese Erinnerung in ihm hochgerufen wurde, kippte Naruto nach hinten. Wie von selbst fing Sasuke ihn auf und es schien, als würde er für einen kurzen Moment sein eigenes blutendes Gesicht sehen.

In Narutos Brust steckten mehrere Shuriken und in seinem Hals steckten genau fünf Wurfnadeln. Nur eine hatte seinen Hals verfehlt. Die sechste Wurfnadel steckte knapp oberhalb seines linken Auges.

Narutos Gesicht war weiß, während er keuchte und mit zitternder Hand nach seinem Auge fasste. Sasuke selbst konnte nichts anderes tun als entsetzt zu starren und die Stimmen der beiden Männer zu hören, die ihn ansprachen.

„Da der Idiot wohl der einzige war, der dich daran gehindert hat zu Orochimaru zu gehen, würde ich sagen, ist dieses Problem auch gelöst. Komm endlich mit zu unserem Herrn, Sasuke Uchiha!“
 

Das nächste, was Sasuke wieder richtig wusste, war, dass seine Hände blutig waren und er keuchend vor den Leichen der drei Männer stand, während ihr Blut ihm noch von den Fingern und dem Gesicht tropfte. Nur für einen kurzen Moment erschrak er sich, ehe sich in ihm wahre Genugtuung breit machte.

Er erinnerte sich daran, dass er nur ein einziges Mal so einen Filmriss gehabt hatte.

Dann hörte er das Wimmern und er landete brutal wieder in der Realität.

„Naruto...“, flüsterte er und drehte sich blitzschnell um.

Naruto lag an der Stelle, wo er ihn zurückgelassen hatte, beide Hände vor das Gesicht gepresst, während er verzweifelt nach Luft schnappte. Blut lief ihm über die ganze linke Gesichtshälfte und sein Gesicht war erschreckend weiß. Außerdem zitterte er unkontrolliert.

„Naruto!“ Sasuke kam schlitternd zum stehen und kniete sich neben ihn. „Sag was! Los, rede mit mir!“

Er schien ihn noch zu hören, seine Pupillen waren riesig und seine Lippen liefen langsam blau an.

„Naruto, hör zu, krieg jetzt ja keinen Schock, verstanden! Bleib wach, rede mit mir und zwar sofort!“

Zum zweiten Mal in seinem Leben fühlte Sasuke sich absolut hilflos.

Alles auf eine Karte

Naruto verstand die Welt nicht mehr. Er verstand nicht, was passiert war, weder, woher die Ninja auf einmal gekommen waren, noch was in Sasuke gefahren war. Es war kein schöner Anblick gewesen, so kalt, so schnell, so… gefährlich.

Sein Teamkamerad hatte sich wie eine erzürnte Bestien, wie ein Dämon auf die Oto-Nin gestürzt, doch in dem Augenblick, in dem er zu ihm zurückgekommen und sich neben ihn gekniet hatte, war da jeder Hass, jeder Wahnsinn in seinen Augen verschwunden gewesen, abgelöst durch etwas, das Naruto nur noch weniger verstand.

Denn ein Uchiha war nicht besorgt. Niemals.

Das hätte Sasuke ihm sicher auch selbst gesagt. Vielleicht tat er das sogar gerade, Naruto nahm nur zu deutlich wahr, wie sich Sasukes Lippen bewegten, aber irgendwie ergaben die Worte keinen wirklichen Sinn mehr.

Sie gingen schlichtweg unter. Im Pochen seines eigenen Herzens, in den immer schlimmer werdenden, brennenden Schmerzen in seinem Hals, in den qualvollen Atemzügen, die irgendwie alles nur noch schlimmer zu machen schienen. Egal, wie oft er mühsam die Luft einzog, nie schien es etwas zu bringen, hinterher fühlte er sich nur noch mehr außer Atem und langsam aber sicher bekam er ein Gefühl des Erstickens. Langsam. Unangenehm.

Dazu kam das Blut, das ihm über das Gesicht und ins Auge lief. Es brannte, ließ ihn blinzeln und färbte sein Blickfeld mit unschönen Schleiern.

Naruto konnte sich nicht erinnern, wann er sich das letzte Mal so schrecklich gefühlt hatte. Ob er das überhaupt schon einmal hatte. Bisher hatte er sich eingebildet, körperliche Wunden könnte man ertragen, aber mit einem Mal fragte er sich, ob er nicht bereits eine Grenze überschritten hatte.

Der unsichere, leicht ratlos wirkende Ausdruck in Sasukes Augen bestätigte seinen Verdacht nur. Die Aktion war echt dämlich gewesen. Er hatte gehandelt, ohne darüber nachzudenken und jetzt, im Nachhinein… er bereute es nicht. Nicht im Geringsten, aber er wusste, dass es alles andere als schlau gewesen war. Immerhin konnte er jetzt von sich behaupten, dass er verstand, was Sasuke damals gemeint hatte, als er schwachsinnigerweise behauptet hatte sein Körper hätte sich „von alleine bewegt“.

Denn ganz offensichtlich war Naruto ganz genauso schwachsinnig veranlagt…

Er hustete gequält und der stechende Schmerz in seinem Hals holte ihn halbwegs in die Realität zurück und langsam, unendlich langsam stellte sein Gehirn fest, dass Sasuke mit ihm sprach, aber noch immer blieben die Worte verschwommen, undeutlich, nicht auszumachen. Aber da war etwas in Sasukes Mimik… waren das Tränen in seinen Augen? Naruto blinzelte verwundert, bis ihm mit einem Mal klar wurde, dass Sasuke offenbar echt kurz davor stand zu weinen.

Er öffnete den Mund, um ihm zu sagen, dass er den Mist lassen sollte, doch als er sprechen wollte, hustete er nur wieder und schmeckte überdeutlichen das metallene Aroma frischen Blutes. Er hasste es.

Ich werde sterben.

Er wusste nicht, woher das Wissen auf einmal kam, es war einfach da. Und auch wenn er es nicht erklären konnte, er wusste, dass es stimmte. Er hatte Nadeln im Hals stecken und so schwer, wie ihm das Atmen fiel…

Naruto lächelte traurig, als er zu Sasuke aufsah. So hatte er sich das nicht vorgestellt. Er hatte doch nicht sterben wollen, ehe er nicht Hokage war…

Gleichzeitig spürte er aber weder Hass, noch sonst irgendetwas, weder auf das Leben, noch auf Sasuke. Da war einfach… nichts. Es war nicht gelaufen, wie geplant, aber Naruto fand, dass es deutlich Schlimmeres gab, als für einen Freund zu sterben, ja, irgendwie entsprach das doch viel mehr seinem Ninjaweg, als so manches andere, das er hätte tun können.

Ein sanftes Lächeln stahl sich auf seine Lippen, als sie lautlos die Worte „Leb wohl.“ Formten. Sasukes Augen weiteten sich entsetzt und er schrie auf.

„Naruto!“

Das erste verständliche Wort, doch Naruto wusste, dass es längst zu spät war. Sasuke offenbar auch, denn er riss die Augen nur noch ein Stück weiter auf und dann… dann änderte sich schlagartig alles. Sasuke biss sich auf die Lippen und im nächsten Moment verschwanden Sorge und Trauer aus seinen Zügen, wurden abgelöst von etwas, das Naruto als Spott, Hohn oder Hinterlist einstufen würde, aber… warum auf einmal?

Naruto blinzelte verwirrt und wollte zu einer Frage ansetzen, doch Sasuke ließ ihm keine Gelegenheit. Stattdessen ließ er ihn mit einem Ruck los, sodass Naruto rücklings und fast schon hart auf den Boden aufschlug. Ein Keuchen entwich seinen Lippen und er presste gequält die Augen zusammen, als ihm Dank der unsanften Aktion erneut Stiche in den Hals zu fahren schienen.

„Danke, Naruto.“, meinte Sasuke, aber in einem Tonfall, der seine Worte mehr als ironisch machte und als Naruto es endlich schaffte, die Tränen, die ihm in die Augen geschossen waren, wegzublinzeln, sah er, wie sein Teamkamerad ihn höhnisch angrinste. „Das ist besser gelaufen, als ich gedacht hätte.“, fuhr der nun unbeeindruckt fort und verschränkte zufrieden die Arme vor der Brust, „Ich wusste, dass mindestens du mir nachlaufen würdest, wenn ich versuche abzuhauen, und dass ich dich unbedingt loswerden musste, aber dass du dich so bereitwillig opfern würdest…“

Er ließ den Satz unvollendet, zuckte nur die Schultern und stand in aller Seelenruhe auf, ohne Naruto aus den Augen zu lassen.

„Diese Idioten hätten mich nur behindert, wenn sie es nicht einmal schaffen, am Leben zu bleiben.“, meinte er achtlos und deutete auf die beiden Gefallenen hinter sich, „Aber jetzt kann ich endlich meinen eigenen Weg gehen. Alleine. Und dorthin, wo ich schon die ganze Zeit hin wollte.“

Naruto wollte, konnte nicht glauben, was er da hörte. Er wollte protestieren, schreien, Sasuke verdammt noch mal am Kragen packen, ihn gegen den nächst besten Baum pressen und seinen Kopf so lange dagegen donnern, bis er wieder zur Vernunft kam! Was war auf einmal nur in ihn gefahren?!

Naruto riss den Mund auf, spuckte aber nur Blut. Sasuke hob dazu kurz spöttisch eine Augenbraue, wand kurz den Blick ab, um zu sehen, ob sie noch alleine waren, dann stupste er Naruto fast schon sacht mit dem Fuß an.

„Hast du echt gedacht, dein albernes Gerede über Freundschaft oder unsere“, er schnaubte, „so genannten Aufpasser würden mich aufhalten? Ich sag dir was, Naruto, Freundschaft ist mit das dämlichste, was es gibt. Sie kann dich niemals stark machen, sie kann dich nur schwächen und dir wehtun. Glaubst du ernsthaft, so was würde ich zulassen?“

Naruto wälzte sich auf dem Boden herum, versuchte irgendetwas zu tun, doch seine Glieder gehorchten ihm längst nicht mehr. Zu der anhaltenden Atemnot hatte sich eine Schwere in seinem ganzen Körper ausgebreitet, die ihn zunehmend bewegungsunfähig machte. Er fühlte sich wie ein Gefangener, unfähig sich auch nur ein Stück vom Boden zu erheben. Als er schreien wollte, spuckte er wieder nur Blut und keuchte gequält auf.

Sasuke schnaubte amüsiert. „Versuch es gar nicht erst. Deine Zeit ist vorbei. Da siehst du, was dein ach so toller Ninjaweg dir gebracht hat.“

Naruto konnte nichts tun, als zuzuhören und den Menschen, den er für seinen besten Freund gehalten hatte, fassungslos anzustarren. Wie? Wann? Warum?

Hatte er sich wirklich so sehr irren können? Hatte er so falsch liegen können? Wie konnte Sasuke – gerade Sasuke, der doch wissen sollte, wie sehr Verrat schmerzte – ihm das antun? Wieso jetzt? Wieso, wieso, wieso?!

Sasuke derweil lehnte sich an den nächstbesten Baum und sah ihm zu. „Ich denke, ich schulde dir wohl, dass ich bis zum Ende bei dir bleibe, was? Um wenigstens noch zu sehen, dass du mir wirklich nicht wieder hinter kommen und mich aufhalten kannst. Ich frage mich ja immer noch, wie du es überhaupt einmal geschafft hast…“

Naruto spürte, wie ihm Tränen die Wangen herunter liefen und er merkte, wie seine Sicht zunehmend verschwommener wurde – und diesmal war es kein Ausdruck körperlicher Schmerzen. Er wollte es noch immer nicht glauben, wartete immer noch darauf, dass Sasuke ihn gleich auslachen würde, ihm sagen, dass alles nur ein blöder Witz war, dass er nur in einem Genjutsu steckte und jeden Moment daraus befreit werden würde, dass er aufwachen und merken würde, dass alles nur ein Albtraum war, irgendwas…

Aber es geschah nichts. Es war die verdammte, knallharte, unfaire Wirklichkeit, in der Naruto sich zwar gerade fühlte, als würde er aus einem Traum aufwachen, aber keinesfalls aus einem Albtraum. War er wirklich so ein naiver Tagträumer gewesen, dass er nicht hatte sehen können, was Sasuke wirklich vorhatte und tat? Dass er nicht hatte wahrhaben wollen, dass die Worte, die er ihm immer wieder entgegen geschleudert hatte, ernst gemeint waren? Waren all die Male, in denen sie zusammen gekämpft hatten, als die Augenblicke, in denen sie etwas zusammen erreicht hatten und all die Momente, die ihnen ihre Freundschaft gezeigt hatten, nichts weiter als gespielt gewesen? Perfekt inszenierte Lügen und Illusionen? Täuschungen, nur auf Verrat und Hass ausgelegt?

Sasuke kicherte leise. „Na, Naruto, wer von uns ist jetzt der Verlierer und liegt weinend am Boden? Ich konnte dich wirklich nie ausstehen, aber ich wusste, dass du mir eines Tages nützlich sein würdest. Deswegen hab ich damals auch vorgetäuscht für dich sterben zu wollen, obwohl ich nur zu genau wusste, dass es nicht tödlich sein würde. Du bist und bleibst einfach ein Trottel. Und jetzt, wo du deine Pflicht getan hast, brauche ich dich auch nicht mehr. Auf Nimmerwiedersehen, Naruto.“

Er lachte leise und so kalt, dass es Naruto schaudern ließ. Das war nicht Sasuke! Das war nicht der Junge, den er für seinen Freund gehalten hatte! Das durfte er nicht sein! Nein, nicht jetzt, nicht so, nicht…!!!

„NEIN!“
 

Sasuke hatte nicht mal mehr die Zeit erschrocken zu zucken, als Naruto plötzlich aufsprang, ihn am Kragen packte und mit ordentlich Wucht gegen den Baumstamm presste, an dem er gelehnt hatte.

Blinzelnd versuchte er noch zu verstehen, was gerade passiert war, als er Narutos Blick begegnete und leicht die Augen aufriss. Die Iriden, die ihm wütend entgegen blickten, waren tief rot und geschlitzt. Narutos gesamter Körper war von hellorange leuchtendem Chakra umgeben, dass wie ein seltsamer, lebendiger Schleim um ihn herumzuwabern schien. Die Nadeln aus seinem Hals waren verschwunden und als Sasukes Augen in Windeseile über die Umgebung huschten, fand er sie in den umliegenden Bäumen stecken, als hätte sie jemand oder etwas mit viel Druck aus Narutos Körper hinausgeschleudert.

Oh, Mann, das hätte schief gehen können…

Wenn diesen Nadeln jemanden getroffen hätten… Sasukes Blick zuckte ruckartig zu Narutos Hals und wie erwartet waren die Wunden bereits jetzt beinahe wieder verschwunden, nur unendlich kleine, rote Punkte waren noch zu sehen. Sasuke atmete innerlich aus und wäre vor Erleichterung fast in sich zusammengesackt, hätte ihn Narutos… Pranke nicht an Ort und Stelle gehalten.

Sasuke hatte wirklich gedacht, es wäre zu spät. Narutos Verletzungen hätten tödlich sein sollen, das hatte er auf den ersten Blick gesehen. Ebenso, wie er von Anfang an gewusst hatte, dass er nichts dagegen hatte tun können. Selbst wenn er Arzt gewesen wäre – was er ganz eindeutig nicht war und nie sein würde – hätte er mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nichts mehr tun können. Sasuke konnte nur vermuten, aber es hatte stark danach ausgesehen, als ob Naruto nicht nur Wunden in Adern und Luftröhre, sondern auch noch Blut in der Lunge gehabt hatte – er wäre früher oder später qualvoll erstickt.

Und dann war Sasuke eine Idee gekommen, für die er beinahe augenblicklich selbst ein verdammt schlechtes Gewissen bekommen hatte. Aber er hatte keine Wahl, entweder es funktionierte und Naruto hatte eine Chance zu überleben, oder aber es lief schief, dann würde er ohnehin sterben.

Nun, ganz so einfach war es natürlich nicht, denn Sasuke wusste nur zu gut, dass sein Plan beinhaltete, dass er Naruto mehr als nur wehtun musste. Er würde ihm so ziemlich das Schlimmste antun müssen, zu dem er überhaupt fähig war, aber er hatte einfach wirklich keine Wahl.

Einmal hatte er nämlich schon erlebt, dass Naruto eine an sich tödliche Wunde (die er ihm auch noch selbst zugefügt hatte), unversehrt überstanden hatte. Und seine Erinnerung daran beinhaltete Wut, Hass, ungebändigten Zorn und Wildheit. Genau die Gefühle, die er jetzt auch hatte in ihm hervorrufen wollen und die ihm diese wilden, unmenschlichen Augen vor ihm nun entgegen schrieen.

Sasuke hasste sich selbst dafür und es war ihm mehr als schwer gefallen seine Rolle bei zu halten, als Narutos Augen in immer anklagender und trauriger angesehen hatten und er geradezu spüren konnte, wie sehr der andere im Todeskampf auch noch litt.

Aber scheinbar hatte es doch irgendwie funktioniert, schneller, als er erwartet hatte (zum Glück! Narutos Gesicht war schon dabei gewesen sich leicht bläulich zu färben), doch nun war zumindest die Lebensgefahr erst einmal gebannt.

Als Naruto Sasukes Schädel durch einen unsanften Ruck gegen die raue Baumrinde donnerte, kam Sasuke wieder ins hier und jetzt zurück und ihm fiel schlagartig sein Denkfehler ein. Naruto lebte, aber er war nicht nur überaus wütend, er hatte sich ganz offenbar nicht mehr hundertprozentig unter Kontrolle. Beim letzten Mal war er auch mehr als unberechenbar und brutal gewesen, als er…

Sasuke blinzelte ein wenig besorgt und setzte an zu sprechen: „Naruto, ich…“

Weiter kam er nicht, denn sein Kopf wurde zum wiederholten Mal fest genug gegen den Baum gedonnert, dass er erstmal nur Sternchen sah.

„Du willst also abhauen, ja? Ich bin nutzlos geworden und du brauchst mich nicht mehr? Das kannst du so was von vergessen! Ich. Lass. Dich. Nicht. Gehen.“

Bei jedem einzelnen der Worte im letzten Satz wurde Sasuke erneut gegen den Baum gestoßen, bis ihm nicht nur der Schädel fast auseinander flog, sondern die Welt sich auch noch zu drehen schien.

Und er wusste nicht, wie er Naruto jetzt beruhigen sollte. Wie er ihn noch einmal dazu bringen sollte, ihm zu glauben. Sein Plan endete mit Narutos Überleben, über das, was darauf folgen würde, hatte er sich keine Gedanken gemacht.

„Hörst du mir zu, du Bastard?“, knurrte Naruto sauer und sein Gesicht kam Sasukes immer näher, „Ich rede mit dir!“

Sasuke begegnete Narutos Blick ruhig und sicher und mit einem Mal meinte er etwas in den Augen seines Gegenübers aufblitzen zu sehen. Unsicherheit? Verwirrung?

Und dann hatte Sasuke eine noch bescheuertere Idee, als die letzte. Aber, hey, es war irgendwie der Tag der bescheuerten Ideen, also sollte wohl eine mehr auch keinen Unterschied mehr machen…

Und so sagte er gar nichts, weil er nicht davon ausging, dass Naruto ihn überhaupt bewusst hören würde, gestattete sich nur ein echtes, sichtbares, erleichtertes Ausatmen und… umarmte Naruto, soweit das in ihrer Haltung irgendwie ging.

„Es tut mir leid.“, flüsterte er neben dem Ohr seines Kumpels und ließ sich nun wirklich insofern fallen, dass er nicht mehr versuchte aufrecht stehen zu bleiben. Er spürte das seltsam heiße Chakra, das auf seiner Haut brannte, ohne sie wirklich zu verbrennen. Er spürte regelrecht die Wut, die darin steckte und aus Naruto ausbrach, aber er ignorierte es schlichtweg. Er hatte Naruto viel schlimmer wehgetan, da sollte er das jetzt aushalten können!
 

Naruto hielt vollkommen entsetzt inne und verstand die Welt nicht mehr. Eben noch hatte Sasuke ihm erklärt, wie nichtsnutzig und untauglich er war und dass er abhauen würde und jetzt… umarmte er ihn und entschuldigte sich?

„Was…?!“, mehr brachte er nicht heraus, aber er merkte, wie sein Hass schlagartig nachließ und er runterkühlte, als hätte ihm jemand einen Eimer kalten Wassers übergekippt.

„Es tut mir wirklich leid, aber ich konnte nicht zulassen, dass du stirbst…“, flüsterte Sasuke weiter und Naruto wurde mit einem Mal kalt. Seine Hände zitterten und er kämpfte mühsam um seine Fassung, als er versuchte zu verstehen, was gerade vor sich ging. Sein Griff an Sasukes Kragen löste sich wie von selbst und seine Hand fiel haltlos herab. Sasuke löste sich wieder von ihm, hielt ihn aber besorgt an den Schultern fest und als ihre Blicke sich trafen, trug der andere ein leicht schmerzerfülltes Lächeln, als hätte er ein sehr schlechtes Gewissen. Die Kälte, der Spott, all das war aus seinem Gesicht gewichen, geblieben war… ja, was eigentlich?

Naruto wusste es nicht. Er verstand es nicht, er wusste nicht, ob er es verstehen wollte…

„Du…?“, versuchte er zu fragen, aber ihm brach die Stimme weg.

Sasuke schüttelte sacht den Kopf. „Ich geh nicht weg.“, erklärte er, als hätte er die Frage tatsächlich verstanden.

Das war Narutos letzte klare Erinnerung, danach wurde es dunkel und da war noch ein vages Gefühl zu fallen und dann… nichts mehr.
 

„Naruto!“ Entsetzt fing Sasuke den Jungen schnell ab, als er auf einmal die Augen verdrehte und kurz drauf ohnmächtig in sich zusammenkippte.

Eigentlich kein Wunder, er hatte einiges durchmachen müssen und ganz offensichtlich hatte es ihn einiges an Kraft gekostet. Sasuke seufzte leise. Das hatte er echt nicht gewollt…

Vorsichtig hob er Naruto hoch, es wurde Zeit, dass sie sich auf den Rückweg machten. Allein bei dem Gedanken verzog er das Gesicht. Kakashi würde ihnen so was von den Marsch blasen…

Im Nachhinein bedauerte er es halb, aber allein der Gedanke, dass sein Bruder auch nur in der Nähe sein konnte, hatte ihn rasend gemacht. Noch war er nicht so weit, da hatte Itachi ganz Recht, aber die Zeit würde kommen und dann konnte der verdammte Dreckskerl sich endlich auf was gefasst machen!

Und bis dahin… ja, bis dahin hatte Sasuke tatsächlich nicht mehr vor wegzugehen. Auch wenn er sich bisher eingeredet hatte, dass Tsunades Siegel der Hauptgrund war, Naruto hatte ihm in seiner unorthodoxen Art wieder einmal ohne es selbst zu wissen, klar gemacht, wie falsch er eigentlich lag.

Denn er hätte es wirklich nicht ertragen, soviel stand fest.

Wäre Naruto wirklich vor seinen Augen – und noch schlimmer wegen ihm – gestorben, wäre Sasuke endgültig durchgedreht und vermutlich Amok gelaufen. Dann hätte ihn wohl auch Itachi nicht aufhalten können, stellte er trocken fest.

Ob er das nun wollte oder nicht, der Chaot, den er grade durch die Gegend schleifen durfte, hatte es irgendwie fertig gebracht in sein Leben dazu zu gehören. Sasuke schnaubte leise. Wie hatte es nur dazu kommen können?

Aber, wenn er wirklich ehrlich zu sich selbst war – was er fast nie tat – dann war er irgendwo auch froh darum. Er hatte immerhin wieder eine Art komischer Ersatzfamilie, die aber auf ihre eigene Art besorgt um ihn war. Okay, vielleicht ein wenig zu sehr, aber immerhin…

Als das Hotel wieder in Sicht kam, musste Sasuke sich alle Mühe geben ein Seufzen zu unterdrücken. Er freute sich nicht gerade auf Kakashis Strafpredigt, die unweigerlich folgen würde und vor dem Moment, in dem Naruto aufwachen würde, hatte er fast schon Angst. Er würde ihm mehr als nur eine einfache Erklärung schulden und ob Naruto ihm danach noch vertrauen würde, war auch fraglich… aber wenigstens war er am Leben, alles andere würde sich schon irgendwie fügen.
 

Kakashi traute seinen Augen nicht. Nachdem er soeben ins Zimmer seiner Schützlinge gegangen war, um die Schlafmützen (was ungewöhnlich war, normalerweise war Sasuke eher ein Frühaufsteher und weckte die Schlafmütze Naruto… nicht immer sanft) aus den Federn zu schmeißen, war alles, was er vorgefunden hatte, ein leeres Zimmer und ein offenes Fenster.

Kakashi war nicht dumm und konnte sich denken, was das bedeuten sollte, entsprechend war er gerade dabei gewesen aus dem Haus hinauszustürmen, um eine mögliche Spur nicht zu verlieren, als er die beiden sah.

Und es nicht glauben wollte.

Sasuke trug Naruto, der offensichtlich nicht bei Bewusstsein war, vor sich in beiden Armen, beide waren mit größeren und kleineren Blutspritzern bedeckt und wirkten stark mitgenommen. Allein, dass Naruto bewusstlos war, ließ Kakashis Alarmglocken erst recht läuten und in Bruchteilen von Sekunden war er bei seinen Schülern.

„Sasuke.“, meinte er scharf, doch als der zu ihm aufblickte, stand in seinen Augen ein Ausdruck, den Kakashi nicht verstand, fast so etwas wie… Erleichterung? In einer solchen Situation? „Was ist passiert?“

Sasuke seufzte unendlich leise, dann antwortete er für Kakashis Geschmack fast schon zu ruhig: „Wir wurden angegriffen und Naruto verletzt. Die Wunden sind verheilt, aber… er ist erschöpft. Ich bringe ihn ins Bett.“

Und damit ging er einfach weiter und an ihm vorbei. „Sasuke.“

Kakashi verstand sehr wohl, was Sasuke nicht sagen wollte. Angriff bedeutete offensichtlich Oto-Nin, Wunden verheilt, bedeutete, dass Naruto offenbar sehr, sehr wütend gewesen sein musste und dass Sasuke ihn ins Bett bringen wollte… er hatte ein schlechtes Gewissen? Weswegen? Und vor allem, warum waren die beiden überhaupt erst abgehauen?

„Sasuke!“, wiederholte er gefährlich leise.

Der blieb kurz stehen, wand sich aber nicht zu ihm um. „Kakashi-sensei, bitte, ich werde Ihnen nachher alles erklären, aber… nicht jetzt.“

Und damit ging er einfach weiter. Kakashi war sich nicht sicher, was er davon halten sollte. Eins war klar, wenn die beiden auch nur halbwegs ausgeruht waren, war dringend ein Gespräch nötig!

Freundschaft

Sasuke legte Naruto vorsichtig auf dessen Bett ab, ehe er sich selbst schwer auf seines fallen ließ. Ein erschöpftes Stöhnen entrann seiner Kehle und er fuhr sich mit beiden Händen über das Gesicht. Ein weiterer Blick auf Naruto, der bleich wie eine Leiche war, sagte ihm, dass der wohl noch eine Weile still liegen bleiben würde. Leise schlurfte er ins Bad.

Er wusste nicht, was er empfinden sollte. Wut auf Itachi? Zorn auf sich selbst? Sollte er sich über Naruto ärgern? Oder sollte er alles auf einmal empfinden?

Er stütze sich mit beiden Händen am Waschbecken ab und sah in den Spiegel vor sich. Seine Haare waren teilweise braun von Schlamm, sein Gesicht war bleich, sein Mund hatte sich zu einem Strich verzogen. Würde er selbst sein Alter nicht kennen, hätte er gedacht, dass ein Erwachsener ihm aus dem Spiegel entgegen sah.

Sein Magen schmerzte dort, wo Itachi ihn getreten hatte, sein Gesicht tat von Narutos vorherigen Schlägen weh und durch dessen wütenden Klammergriff von eben fühlte sich sein Hals so an, als hätte er Feuer eingeatmet. Ganz zu schweigen davon, dass seine Haut sich durch das Chakra dieses blöden Fuchses so anfühlte, als würden Ameisen auf ihm rumkrabbeln.

Er wusste nicht, wie lange er sich im Spiegel angesehen hatte, als er aus dem Nebenzimmer leises Stöhnen hörte. Sofort schoss er ins Schlafzimmer und sah, wie Naruto sich leicht bewegte.

Ihn durchfuhr eine Welle der Erleichterung, als Narutos Lieder flatterten und er dann langsam die Augen öffnete. Stumm sah er an die Decke, sein Blick zeugte von Verwirrung.

„Naruto?“, fragte er leise.

Die blauen Augen wandten sich in seine Richtung und starrten ihn leer an. Aber das hielt nicht lange.

Innerhalb von Sekunden lag eine Wut in Narutos Augen, bei der er zusammenzuckte und erstarrte. Dann spürte er auf einmal wieder eine grobe Hand an seinem Hals und er wurde hinter sich an die Wand gedrückt. Und dann explodierte ein grässlicher Schmerz in seinem Gesicht, als Naruto ihm mit voller Wucht seine Faust in jenes schlug.

Immer und immer wieder.

Er hörte Naruto irgendetwas schreien, er spürte etwas Warmes sein Gesicht und seinen Hals runter laufen. Seine Ohren klingelten, seine Augen sahen zwischen den Schlägen Narutos wutverzehrtes Gesicht und bunte Flecken.

Und er fühlte, wie sehr es ihm leid tat, was er seinem besten Freund da im Wald angetan hatte. Was der Grund dafür war, dass er die Arme sinken ließ.

Bevor seine Wahrnehmung sich unendlich langsam trübte, hörte er irgendwo in der Ferne einen Knall.
 

Kakashi, der sich nach Sasukes und Narutos Rückkehr in sein Zimmer zurückgezogen hatte, wurde aus seinen Überlegungen gerissen, als er nebenan ohrenbetäubenden Krach und Schreie vernahm. Blitzschnell sprang er auf und riss in dem Moment, die Tür auf, wo Jirayia aus sein Zimmer gestürmt kam. Was Kakashi sah, ließ ihm die Haare zu Berge stehen.

Naruto hatte Sasuke an die Wand gedrückt und schlug wie ein Besessener auf ihn ein, während er ihn anschrie und beschimpfte, was für Kakashi keinen Sinn ergab.

„Naruto!“

Der Blonde hörte ihn nicht mal, sondern prügelte weiter auf Sasuke ein, der, wie Kakashi jetzt entsetzt feststellte, sich nicht mal versuchte zu wehren.

Mit einem Satz riss Jirayia Naruto von Sasuke los und hielt ihn in Klammergriff. Auch als er merkte, dass er Jirayia nicht entkommen konnte, schrie Naruto immer noch und trat wild um sich. Kakashi kniete sich vorsichtig vor Sasuke.

Sein Gesicht war rot von Blut und er atmete schwer. Sein Blick war trüb und als er Kakashis Augen streifte, sah Sasuke zu Boden. Kakashi erkannte verwirrt, dass er sich für etwas so sehr die Schuld gab, dass er nicht mal Anstalten gemacht hatte sich zu wehren.

„Regel das!“, sagte Kakashi zu Jirayia, ehe er seinem Schüler auf die Beine half und mit ihm zurück in sein Zimmer ging.

Als Kakashi Anstalten machte Sasuke zu verarzten, schüttelte der allerdings nur den Kopf, ging ins Bad und schloss sich ein. Da Kakashi ihn mittlerweile gut genug kannte, um zu wissen, wann er seine Ruhe haben wollte, ging er zurück zu Naruto.

Der immer noch versuchte sich von Jirayia loszumachen. Was Kakashi wiederum wütend machte.

„Naruto, wenn du nicht sofort aufhörst, lähme ich dich mit meinem Sharingan und fessel dich an einen Stuhl.“

Das half. Naruto hörte auf um sich zu treten und sah stinksauer zu seinem Lehrer hoch. Seine Augen glühten vor Zorn. Was hatte ihn so aus der Fassung gebracht?

„Und jetzt erklärst du mir, was passiert ist!“

Naruto brauchte eine Weile, bis er die Klappe aufmachte. Er erzählte, wie er morgens aufgewacht war, sich im Bad fertig gemacht hatte und dann bemerkt hatte, wie Sasuke urplötzlich aus dem Fenster sprang und wie ein Irrer in den Wald lief. Als Naruto ihn einholte, rappelte er sich gerade wieder aus einer Schlammpfütze auf.

Kakashis Augen weiteten sich, als Naruto sagte, dass Sasuke seinem Bruder hinterher gelaufen war. Allerdings hatte er auch damit gerechnet, dass damit der Grund geklärt war, warum Naruto sauer war.

„Doch als wir gerade wieder umkehren wollten...“, Naruto biss sich auf die Lippen. „waren da diese Oto-Nins und es hatte so ausgesehen, als wollten sie Sasuke angreifen. Also habe ich...“

Kakashi schloss die Augen und legte den Kopf in den Nacken. Es war also das gleiche passiert, wie auf der Brücke.

„Was ist mit den Oto-Nins passiert?“

„Sasuke hat sie umgebracht.“

„Er hat WAS?!?“

„Sein Fluchmal ist losgegangen oder so etwas, ich weiß es nicht genau.“

Das hätte verdammt noch mal in einer Katastrophe enden können, schoss es Kakashi durch den Kopf. Er schluckte. „Und dann?“

Narutos Mund verzog sich zu einem Zähnefletschen. „Zuerst sah der Bastard so aus, als würde er sich Sorgen machen. Aber dann hat er, während ich auf dem Boden lag und nichts machen konnte, angefangen mich zu verspotten und zu sagen, dass er von Anfang an nur eine Show abgezogen hat. Er sagte, er hätte mich nur benutzt, um endlich sein wahres Ziel zu erreichen. Er lachte mit dabei ins Gesicht. Ich war so wütend.“

Kakashi sah von Naruto zu Jirayia, der endlich seinen Schüler losließ. Er hatte wahrscheinlich denselben Gesichtsausdruck wie er im Gesicht.

Alles machte Sinn.

Warum Sasuke so fertig aussah, warum Naruto in so einem Zustand gewesen war, warum Sasuke Schuldgefühle hatte.

„Naruto...“, murmelte Jirayia.

„Wo ist er?“, zischte Naruto. „Ich werde ihm den Arsch so lange versohlen, bis er darum bettelt, dass ich aufhöre.“

„Naruto.“ Kakashi kniete sich vor ihn und hielt ihn an den Handgelenken fest. „Ist dir eigentlich klar, was Sasuke da getan hat?“

„Er hat gesagt, er wollte abhauen, dass er geht, dass er mich...“

„Was hat Sasuke damit bezweckt? Sieh dich mal an! Siehst du noch irgendetwas von deinen Wunden?“

Naruto hielt inne und sah langsam an sich herunter. Langsam weiteten sich seine Augen und er griff sich unbewusst an den Hals.

Kakashi stand auf. „Sasuke hat dir damit dein Leben gerettet.“
 

Naruto spürte, wie sich eine unbändige Kälte in seinem Innern ausbreitete. Mit einem Mal erinnerte er sich daran, Sasuke an den nächsten Baum gedrückt zu haben und dass er ihn genauso angeschrieen hatte, wie eben.

Sasuke hatte ihn daraufhin umarmt.

Und irgendwo in seinem Kopf hörte er ihn sagen: „Ich geh nicht weg.“

Oh Gott, was hatte er nur getan?!?

Mit einem Satz rannte er aus dem Zimmer und riss Kakashis Tür auf. Als er die Tür aufstieß, sah er seine blutigen Hände und sein Entsetzen wurde größer. In Kakashis Badezimmer entdeckte er blutige Fingerabdrücke, aber kein Sasuke. Als er ins Schlafzimmer zurückkehrte und eilig aus dem Fenster sah, entdeckte er ihn. Sasuke saß angelehnt an dem Zaun zum Sonnenblumenfeld.

In einem Affenzahn riss Naruto das Fenster auf und eilte zu ihm.

„Sasuke!“

Der Schwarzhaarige hob den Kopf und Naruto legte eine Vollbremsung der Extraklasse an den Start, während er spürte, wie sein Gesicht so weiß wurde, wie Schnee.

Das hatte er ihm angetan? Seinem besten Freund?

Die Nase saß eindeutig schief, das linke Auge schwoll langsam zu und über der rechten Augenbraue bildete sich eine Platzwunde. Blut tropfte leise von seinem Kinn auf sein Shirt.

Naruto knickten die Knie ein, als er ihn so sah, während er anfing zu zittern.

„Sasuke, ich...“ Er stockte. „I-Ich...es...“

Die schwarzen Augen sahen ihm müde entgegen. Er wusste nicht, ob Sasuke eine Entschuldigung erwartete oder ob er ihm überhaupt zuhörte.

„I-Ich...“ Seine Kehle schnürte sich langsam zu.

„Wehe du fängst jetzt an zu heulen, Blödmann.“

Naruto zuckte zusammen. Sasukes Blick war unverändert, aber da war ein Zucken an seinen Mundwinkeln.

„Das, was eben im Wald passiert ist, wollte ich nicht tun.“, sagte er leise. „Aber ich musste es tun, auch wenn ich wusste, was ich dir damit antat.“

Es half nichts, Naruto spürte wie ihm Tränen über das Gesicht liefen. „Es tut mir so leid, ich...“

„Oh Mann, hör auf zu heulen! Da kriegt man ja Kopfschmerzen.“

Er schaffte irgendwie ein zittriges Lachen, ehe er mit einem Ärmel vorsichtig über Sasukes Wange strich, worauf der unwillkürlich zusammenzuckte.

„Dafür wird mich Sakura umbringen.“, lachte er heiser.

„Dann hoffe, dass davon nichts mehr zu sehen ist, wenn wir nach Konoha zurückkehren.“

Narutos Augen weiteten sich leicht. „Wirst du wirklich bei uns bleiben?“

Sasuke stütze sich an das Geländer hinter ihm ab und stand langsam auf. „Ich klopfe keine leeren Sprüche.“

Damit ging er langsam zurück ins Motel, Naruto eilig hinter ihm. Kakashi empfing sie in ihrem Zimmer.

„Kann ich jetzt bitte mal dein Gesicht sehen?“

Mit einem Murren setzte Sasuke sich aufs Bett und Kakashi wischte ihm so vorsichtig wie möglich das Blut aus dem Gesicht. Naruto fand den Anblick immer noch grauenerregend. Kakashi musterte vorsichtig Sasuke Nase, das linke Auge und die Platzwunde.

Ehe er urplötzlich Sasuke an die Nase griff und sie ruckartig kurz nach links drehte.

Es gab ein ekelhaftes Knirschen und Sasuke zischte laut auf. „Sind sie bescheuert?!?“

Gelassen fixierte Kakashi die Nase mit einem Pflaster. „Sei froh, wenn die so gerade bleibt, wie jetzt.“

Sasuke murmelte irgendetwas Unverständliches, was aber ganz offensichtlich nicht sehr fein war. Kakashi versorgte noch seine anderen Wunden, ehe er von ihm abließ.

Gerade als Kakashi aufstehen wollte, hielt er jedoch inne. „Sasuke, ist was?“

Sasuke war auf einmal gefährlich rot im Gesicht. „Hat Tsunade nicht gesagt, dass sie meine Sharingan versiegelt, wenn ich auch nur winzige Andeutungen mache abzuhauen, auch wenn ich es nur in den Mund nehme?“

Kakashi runzelte die Stirn. „Kann schon sein.“

Mittlerweile war Sasuke so rot wie ein Feuerlöscher. Und seine Augen ebenfalls. „Und warum funktionieren die dann noch?“

Naruto, der keinen Plan hatte, worum es eigentlich ging, sah von Kakashi zu Sasuke hin und her. Kakashi schien hingegen das Problem zu sehen, fing allerdings an zu grinsen.

„Ich habe mir schon gedacht, dass das irgendwann rauskommen muss.“

Sasuke sprang auf, seine Augen funkelten wild. „Heißt das, die blöde Tussi hat mich von Anfang an VERARSCHT?!?“

Die Frage erübrigte sich anscheinend von selbst. Sasuke stieß einen Fluch aus, der selbst in Narutos Ohren sehr, sehr unschön klang. Wutgeladen ging er aus dem Zimmer, Naruto verwirrt hinterher.

„Was ist denn los?“, fragte er.

Sasuke murmelte vor sich hin, blieb aber stehen, als er Narutos Frage hörte. „Was los ist? Ich habe gerade einen weiteren Grund gefunden nach Konoha zurückzukehren.“ Er vergrub die Hände in seinen Hosentaschen. „Ich werde dieser alten Schachtel ihre Botoxfresse einschlagen, darauf kannst du Gift nehmen!“

Naruto konnte nicht anders. Auch wenn er die Situation nicht verstand, er fing an zu lachen, allein wegen der Tatsache, dass es urkomisch war mit anzusehen, wie Sasuke offensichtlich in seinem Uchiha-Stolz verletzt worden war.

Auf sein Gelächter hin drehte Sasuke sich mit bissiger Miene um, die sich aber in Verblüffung umwandelte, als Naruto ihm einen Arm um die Schulter legte. Durch Narutos Gelächter doch angesteckt, verzog sich sein Mund zu einem winzigen Grinsen.

Und zusammen gingen sie nach draußen, um den Rest des Tages, der so mies angefangen hatte, mit Training zu vertrödeln.

Immer dasselbe

Sakura stand auf dem Dach des Hokageturms und blickte ein wenig traurig hinunter aufs Dorf. Es war ein schöner, ruhiger Morgen, die Sonne war erst vor kurzem aufgegangen und die weißen Schäfchenwolken, die den gesamten Himmel einnahmen, wirkten an manchen Stellen noch leicht rötlich. Die Luft war relativ kühl und fühlte sich irgendwie feucht an, als würde es bald regnen, aber Sakura störte das wenig.

Sie lehnte am Geländer und seufzte leise. Es waren inzwischen über drei Jahre vergangen, seit sie ihre beiden Teamkameraden und ihren Sensei das letzte Mal gesehen hatte. Tsunade hatte gesagt, dass sie sich keine Sorgen machen brauchte, dass Kakashi und Jiraiya nie pünktlich wiederkommen würden, aber inzwischen waren sie weit über einen Monat über dem Termin und langsam aber sicher, begann Sakura zu zweifeln. Das eine oder andere Mal hatte sie das Gefühl, dass sie niemals wiederkommen würden. Dass sie es gar nicht konnten, weil schon vor einer halben Ewigkeit etwas passiert war und sie nicht mehr…

Nein, sie wagte es nicht einmal in Gedanken auszusprechen. Sie hatte sich schon einmal gefragt, wie lange Sasuke wohl ruhig bleiben würde. Er hatte gehen wollen. Wirklich. Würden ihn da gerade diese drei aufhalten können? Würde er es nicht erneut versuchen? Was, wenn er es schaffte und wenn er…

„Sakura.“

Sie wurde aus ihren Gedanken gerissen, als ihre Lehrmeisterin durch die Tür neben sie trat. Tsunade wirkte ruhig, gelassen, aber an den leichten Falten auf ihrer Stirn konnte Sakura erkennen, dass auch sie langsam zu zweifeln begann. Anfangs hatte Jiraiya ab und an noch Berichte geschickt, aber der letzte war über ein halbes Jahr her und auch wenn Tsunade meinte, dass das typisch wäre, allmählich schien auch sie nicht mehr so ganz daran zu glauben und lauschte immer wieder auf Nachrichten aus anderen Ländern über Überfälle und sonstige, auffällige Vorkommnisse. Bisher ohne Erfolg.

„Sakura“, wiederholte sie, diesmal deutlich leiser und fast schon beschwichtigend, als ob Sakura sie sauer angefunkelt hätte oder dergleichen, „Ich weiß, was du denkst, aber noch ist es dafür zu früh.“

Sakura erwiderte daraufhin nichts, nickte nur schwach, aber alles andere als überzeugend, woraufhin Tsunade sich die Haare aus dem Gesicht strich und ihr dann eine Akte entgegen hielt. „Das sind die Einreisetermine für heute und morgen, Kotetsu hat sie schon wieder hier liegen lassen, kannst du sie ihnen bitte bringen?“

Sakura zwang sich zu einem halbherzigen, leicht gequälten Schmunzeln und nahm die Akte entgegen, deutete eine schwache Verbeugung an und war auf und davon. Sie wusste, dass es eine reine Ablenkung sein sollte – wobei wahrscheinlich nicht mal eine Lüge, seit sie halbwegs Einblick in den täglichen Ablauf hatte und es mitbekam, hatte Kotetsu besagte Akte im Schnitt bei jedem zweiten Mal vergessen.

Trotzdem war normalerweise nicht sie es, die ihm das Ding nachtragen durfte und selbst Tsunade sollte wissen, dass dieser Auftrag selbst bei normalen Tempo keine zehn Minuten gedauert hätte. Im Ninja-Tempo hingegen war sie in weniger als zwei Minuten da und hielt der leicht verdutzt dreinblickenden Waffe wortlos die Papiere hin.

Beinah sofort fing Izumo an ungehalten auf Kotetsu einzureden, während der abwehrend die Hände hob und meinte, so was könnte doch mal passieren und er solle sich nicht wieder künstlich aufregen.

Sakura seufzte. Es war echt immer dasselbe und…

Ein lautes Krachen unterbrach die beiden und ließ auch Sakura aufblicken. Vor den Toren Konohas, ein ganzes Stück weiter, kurz vorm Waldrand, war eine riesige Staubwolke zu sehen, die sich langsam weiter ausbreitete und größer wurde, während parallel dazu kleinere und größere blaue und rote Lichtblitze aufflammten und wieder verschwanden und vereinzelt Schreie zu hören waren.

„Was ist das?“, fragte neben ihr einer der beiden entsetzt, doch Sakura bekam nicht einmal mehr mit, wer es war, sie starrte nur auf die Szenerie. Wer bitte war dumm genug Konoha direkt anzugreifen und was…?

Der Tumult war nah genug, dass sie nun einige der Wortfetzen auffangen und verstehen konnte und Sakura traute ihren Ohren nicht.

„Hirnlose Bälle!“

Unter anderen Umständen hätte sie gesagt, da war jemand vollkommen verrückt geworden, aber in eben diesem Moment tauchte ein blonder Haarschopf aus dem Gewühl auf, der sie schlucken ließ und im nächsten Moment leuchteten mehrere, kleine, runde helle Chakra…scheiben(?) hell auf und knockten gleich mehrere nur schemenhaft zu erkennende Figuren aus.

Naruto?, schoss es ihr durch den Kopf und ehe sie weiter drüber nachdenken konnte, lief sie ihm entgegen und wollte seinen Namen rufen, als sich plötzlich ein Schatten neben ihr bewegte. Als hätte er nur darauf gewartet, dass jemand aus dem Tor kam und er sie angreifen konnte. Sakura sah Metall aufblitzen, aber ihr war sofort klar, dass sie nicht schnell genug würde ausweichen können.

Sie konnte nicht einmal schnell genug die Augen zusammenkneifen und wollte schreien, als…

Ein zweiter, dunkler Blitz schob sich vor sie und zu schnell für ihre Augen segelte der erste Schemen durch die Luft und landete mit einem Stöhnen zwei Meter weiter, sein Messer hingegen bohrte sich dicht neben ihm in den Boden.

Sakura erstarrte, als der Junge… nein, junge Mann, der sich zwischen sie und den Angreifer geworfen hatte, sich langsam zu ihr herumdrehte. Im ersten Moment blickte er nur tadelnd drein, vermutlich, weil sie einfach so losgestürmt war, doch in der nächsten Sekunde, stahl sich Erkennen in seine dunklen Augen und der Ansatz eines Lächelns huschte über sein Gesicht.

„Sakura.“

Sie konnte nicht anders, als ihn anzustarren, während er einen Blick zum Getümmel hinüberwarf, das aber scheinbar abgeebbt war und dann wohl entschied, dass er nicht weiter eingreifen brauchte.

Sasuke war groß geworden, sie reichte ihm kaum noch bis zur Nase und er wirkte eindeutig erwachsener, vermutlich hätte er schon als volljährig durchgehen können, wenn er es darauf angelegt hätte. Er trug nun eine schwarze, kurze Hose, ein engeres, blaues Oberteil, das ärmellos zu sein schien und eine schwarze Weste, auf deren Rückseite ohne Zweifel sein Symbol prangte. Noch unter seinem Rucksack schob sich quer über den Rücken eine dunkelrote Lederscheide, deren Halterung auch vorne schräg über seine Brust lief und in die er soeben ein langes, in der Sonne glitzerndes Katana schob.

Seine Hände steckten in ebenfalls dunklen Handgelenksschützern und waren an den Ellbogen mit Bandagen stabilisiert.

Er sah so erwachsen aus, aber es war ohne Zweifel noch Sasuke. Seine Frisur hatte sich quasi nicht verändert und um seine Stirn wand sich auch noch immer das Stirnband mit Konohas Abzeichen. Allerdings gab es einen gewaltigen Unterschied zu früher, denn als er sah, dass der Kampf vorbei war, entspannten sich seine Züge und der leicht mürrische, gefühlslose Ausdruck verwand. Es war nicht so, dass Sasukes Mimik nun vollgeladen mit Gefühlen wäre, aber… er lächelte. Schwach, angedeutet, aber er lächelte. Sakura traute ihren Augen nicht.

Sie schluckte schwer und setzte grade dazu an, etwas zu sagen, als sie ein Ruf unterbrach: „Hey, Teme, hör auf da in der Gegend rumzustarren und helf…“, Naruto brach mit einem freudigen Quietschen mittendrin ab und kam auf sie zu gerannt. „Sakura-chan!“

Schlitternd kam er vor ihr zum Stehen und grinste breit.

Und wieder fühlte Sakura sich vor den Kopf gestoßen. Jetzt musste sie auch zu Naruto aufsehen… er schien wenig kürzer als Sasuke geworden zu sein und wirkte trotz des kindlich freudigen Grinsens, ebenfalls deutlich älter. Er trug die gleiche, kurze, schwarze Hose, darüber allerdings ein oranges Shirt und eine kurze, rote Jacke. Seine Haut war ein wenig brauner geworden und seine Haare ein klein wenig länger, aber in seinen Augen strahlte noch immer dasselbe Lachen und dieselbe Unschuld, die sie jedes Mal an ein kleines Kind denken ließ.

Er legte den Kopf leicht schief, als sie ihn einfach nur anstarrte, zuckte dann aber die Schultern und ohne Vorwarnung nahm er sie in seine Arme. Sakura riss erstaunt die Augen auf, als sie spürte, wie sich seine Muskeln bewegten. Seit wann waren die so deutlich ausgeprägt??

Als er sie wieder losließ, grinste er noch breiter. „Sakura-chan, ich bin größer als du geworden!“, erklärte er zufrieden lachend, woraufhin Sasuke ihm einen eindeutigen Blick zuwarf und die Augen verdrehte.

„Oh, Wunder, sie ist ein Mädchen.“, kommentierte er trocken, aber Sakura meinte seine Augen kurz amüsiert funkeln zu sehen.

„Na und? Mädchen können auch groß werden!“, protestierte Naruto sogleich woraufhin Sasuke nur schnaubte.

Es war seltsam, sie sahen älter aus, aber gleichzeitig schienen sie sich kein bisschen verändert zu haben… zumindest auf den ersten Blick nicht. Doch als Sakura genauer hinsah, merkte sie das Zucken der Mundwinkel, das unmerkliche Leuchten in den Augen und sie verstand, dass sich sehr wohl etwas verändert hatte. Sie hoffte nur, dass sie selbst sich auch genug verändert hatte, um noch dazu zu passen…

„Na na, Jungs, was ist denn das für ein Verhalten kurz vor Zuhause?“, wie aus dem Nichts stand auf einmal Kakashi zwischen den beiden – und er hatte sich tatsächlich nicht verändert, „Oh, hallo, Sakura, du bist aber groß geworden.“, stellte er gerade fest und sie konnte das Lächeln durch seine Maske hindurch sehen.

„Und ihr seid zu spät.“, kommentierte eine Stimme und Sakura brauchte sich nicht umzudrehen, um zu wissen, dass Tsunade mit äußerst missbilligendem Gesichtsausdruck grade hinter ihr aufgetaucht war, „Über einen Monat zu spät genau genommen.“, präzisierte sie warnend.

„Ja… äh, wir wurden leicht… abgelenkt von…“, murmelte Kakashi abwesend, doch noch während er sich eine Ausrede überlegte schüttelte Tsunade erleichtert den Kopf und ihr Blick huschte über die beiden Schützlinge, die zurückgekehrt waren.

„Naruto, Sasuke…“, sie hielt inne, als hätte sie eigentlich etwas anderes sagen wollen und fragte stattdessen: „Wo ist der alte Lustmolch?“

Naruto schnaubte amüsiert. „Rate mal…“

Tsunades Miene verdüsterte sich kurz, dann wuschelte sie Naruto, der sofort protestierte einmal durch die Haare und wand sich ernst zu Sasuke um. Der warf ihr kurz einen ärgerlichen Blick zu, sprach aber ohne Wut in der Stimme: „Hokage-sama, warum haben Sie das getan?“

Tsunade hielt seinen Blick ohne zu zucken. „Weil es sein musste, du hättest sonst nie zugehört.“

Sasuke blieb einen Moment regungslos, dann zuckte er die Schultern. „Stimmt.“, gab er zu, „Aber jetzt erwarte ich, dass Sie auch halten, was Sie versprochen haben.“

Tsunade nickte und ein Lächeln spielte um ihre Mundwinkel. „Sicher. Sobald du soweit bist, komm zu mir und du wirst den Auftrag bekommen.“

Sasuke nickte zufrieden.

Sakura hatte das Gefühl nicht ganz mitzubekommen, was gerade ablief, aber ehe sie nachfragen konnte, packte Naruto ihr Handgelenk und zog sie mit sich fort. „Kommt, gehen wir zu Ichiraku, ich hatte drei Jahre lang keine Nudelsuppe und ich will wissen, was hier passiert ist!“

Und ohne auf eine Antwort zu warten, zog er sie mit sich und winkte Sasuke, der zu Sakuras fassungslosen Erstaunen zwar die Augen verdrehte, ihnen aber folgte.

Was zum Teufel hatte sie alles verpasst??
 

Tsunade blickte den dreien noch einen Moment lang hinterher. „Das hast du gut gemacht, Kakashi.“, meinte sie zufrieden, doch er schüttelte den Kopf.

„Das war ich nicht.“ Auf ihre hochgezogene Augenbraue hin, erklärte er schnell: „Das waren sie selbst. Ich glaube, eigentlich wollten sie es auch, aber sie würden es auch unter Folter nicht zugeben.“ Dann hielt er ihr einen Stapel Zettel entgegen, den Tsunade annahm. Die Berichte, die detailliert den Reiseweg, das Training, die Erfolge aber auch Misserfolge dokumentierten.

Sie lächelte. „In einem Monat findet das nächste Chunin-Examen statt. Ich kann es kaum erwarten zu sehen, wie sie diesmal abschneiden.“

Kakashi lachte leise und Tsunade konnte sich denken, warum. Allein von dem Getümmel eben war klar, dass die beiden das Chunin-Niveau längst hinter sich gelassen hatten, es würde ein Spaß werden, ihnen zuzusehen.

„Und jetzt entschuldige mich, ich muss einen gewissen Perversen suchen gehen.“, murmelte sie. Und ein wenig spionieren, wie sich meine kleinen Schützlinge jetzt machen…

Aber das war ihr Geheimnis und würde es auch bleiben.
 

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Hallo, Leute ^^

ich freue mich wahnsinnig, dass die FF fertig ist. Habe vorher noch nie ne Partner-FF gemacht und ich muss sagen, es hat ziemlich gut geklappt XD

Das jeder von uns ein Kapi abwechselnd geschrieben hat, war sehr angenehm.

Ich hoffe, dass euch die FF gefallen hat und sie in eurem Sinne realistisch erschien ^^.

Lg und Tschüss sagt hiermit

-NikaEvelina-
 

Auch von mir ein allgemeines hallo! ^^

Für mich war es zwar tatsächlich nicht die erste Partner-FF, aber die erste, bei der jedes zweite Kapitel komplett mir war (so und wer noch nicht hat, darf jetzt gerne mal raten, welches Kapitel von wem war… ^.~) und auch wenn ich anfangs doch leichte Bedenken hatte, ob das wirklich klappt, muss ich sagen, ich finde, das hat wunderbar funktioniert. ^^

Ich hoffe, ihr hattet Spaß mit der Geschichte, wir hatten sie auf jeden Fall. XD

Nebelland



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Kommentare zu dieser Fanfic (43)
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Von:  MaGiczZKyuubi
2015-01-25T22:28:39+00:00 25.01.2015 23:28
Jo hab die Story entdeckt und muss sagen die ist gut


Schade das du sie ent weiter führst
Von:  Saika_a
2011-03-01T11:06:40+00:00 01.03.2011 12:06
lieber spät einen Kommei als nie XD
also: ein wirklich gelungenes Ende für eure tolle Story!!
Gefühle, Dramatik, es war einfach alles drin, was eine gute FF braucht^^
Ich hofffe doch mal, dass das nicht eurer letzte gemeinesame FF bleibt und ihr wieder von euch hören lasst XDD
bis dann!
a_A

Von:  fahnm
2011-02-28T01:00:31+00:00 28.02.2011 02:00
Super Ende.
Schade das es schon vorbei ist.^^
Von:  Raishyra
2011-02-12T19:12:33+00:00 12.02.2011 20:12
tolles Kapi >.<
Von:  fahnm
2011-02-09T00:30:18+00:00 09.02.2011 01:30
Hammer Kapi^^
Von:  Saika_a
2011-02-08T13:25:01+00:00 08.02.2011 14:25
ich muss schon sagen, ein absolut herliches Kapitel!
das Richten der Nase hat schon beim lesen weh getan...
aber immer noch besser als eine schiefe zu behalten XD
a_A
Von:  Lilly-Drackonia
2011-02-08T12:30:30+00:00 08.02.2011 13:30
Das kapi ist echt cool
ich bin schon gespannt wie es weiter gehen wird.
Lilly-Drackonia;)
Von:  Kandera
2011-02-08T08:37:28+00:00 08.02.2011 09:37
cooles kapitel
mach weiter so
mfg
kandera
Von:  Saika_a
2010-12-06T13:35:11+00:00 06.12.2010 14:35
also wirklich Kakashi,
müssen sie immer gleich alles so negativ sehen?
ok, einfaach drauflos zu stürmen war dämlich,
aber aus der Situation haben die beiden bestimmt mehr gelernt als von einer enormen StandpaukeXDD
also, sei nicht so hart Kakashi!^^
a_A
Von:  fahnm
2010-12-05T23:34:33+00:00 06.12.2010 00:34
Super Kapi!^^


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