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24 Tage - 24 Befehle (Oder: Der etwas andere Adventskalender)
von

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Prolog

"Er gebraucht Magie und das Telefon"

(Made in Japan)
 

Irgendwann, irgendein Morgen. Nicht hell, nicht grell. Mit einem Bein steht er noch im Delirium. Ein Klingeln zerrt ihn in die Realität.
 

Das erste Wort, das ihn in den Sinn kommt: Nein!
 

Mit der Zeit wird das Klingeln lauter. Vielleicht schwindet auch nur jene unsichtbare Watte in seinem Kopf, die ihm das Denken seit gestern Abend so wunderbar süß, beinah unendlich leicht gemacht hat. Zuckerwatte statt Synapsen.
 

Seine Hand findet von selbst den läutenden Störer. Herrlich stumpfer Automatismus. Wahrscheinlich würde er noch im Sarg an sein Handy gehen. Einfach aus Reflex.
 

"Hey, Felse-"
 

"Nein!"
 

Bela gräbt seinen Kopf in die Kissen. Er will es nicht hören. Braucht es nicht hören. Das Drehbuch ist ohnehin immer das gleiche. Es ist wie in einer dieser schlechten Soaps. Die Szenen und Dramen wiederholen sich.
 

„Ich wollte dir nur...“
 

„...Sagen, dass ich die nächste Zeit im Urlaub bin.“
 

„Sind nur drei Monate.“
 

Die Antwort klingt völlig abgestumpft und uninteressiert. Eine Selbstverständlichkeit, für die er keine Bestätigung braucht. Bela kann sich nicht entscheiden zwischen ins Kissen beißen oder einfach auflegen. Er entscheidet sich für den Mittelweg und presst seine Nase noch tiefer in die weichen Daunen, in der Hoffnung, dass er vielleicht darin verschwindet. Tut er aber nicht. Das Telefon leider auch nicht. Was bleibt, ist hilfloser Zynismus. Eher ihn selbst treffend als Farin am anderen Ende der Leitung.
 

„Ist ja auch nur über Weihnachten und Neujahr... Das Album muss auch nur noch abgemischt werden, aber hey: Es gibt da zum Glück so einen Deppen, der das liebend gerne macht.“
 

„Als wenn du irgendeinen wirklichen Wert auf diese Feste legen würdest.“
 

„Das Album mischt sich trotzdem nicht von allein.“
 

„Rodrigo ist auch noch da.“
 

Als ob der Chilene sich darauf einlassen würde. Nein. Das einzige treu-doofe Mitglied dieser Band ist er selbst. Der gutgläubige Drummer. Loyal, aber dumm. Frustriert schüttelt Bela wie wild den Kopf, kneift die Augen zusammen. Die Zuckerwatte verfliegt, sein Blick wird klar. Bela B.'s persönliche Art, wach zu werden. Ob das Telefonat im agilen Zustand jedoch ertragbarer ist? Bela wagt es zu bezweifeln.
 

„Red dich nur raus, ich bins gewohnt.“
 

„Du weißt...“
 

„Wie sehr du deine Auszeiten brauchst. Natürlich. Hauptsache, du geisterst wieder irgendwo im Nirgendwo umher.“
 

„Unterwegs sein...“
 

„Ist deine ganz eigene Definition von Glück. Deshalb warte ich nur auf den einen Urlaub, wo irgendwann eine Postkarte oder eher noch eine unpersönliche E-Mail kommt, dass du da bleibst. “
 

Der Drummer würde sich die Zunge abbeißen, bevor er irgendeiner Menschenseele erzählte, das alle anderen unpersönlichen Emails des Gitarristen trotz allem einen festen Ordner auf seinem Laptop haben, dessen Postkarten in einem einzigen riesigen Wirrwarr als Collage an seiner Schlafzimmerwand hängen. Meist das erste ist, auf das morgens sein Blick fällt.
 

„Auswandern...“
 

„Ist für dich keine Lösung. Hast du doch oft genug künstlich strahlend in Interviews verkündet. Belüg dich nur selber.“
 

„Hör verdammt nochmal auf meine Sätze zu beenden.“
 

Fast glaubt Bela das kleine Teufelchen auf seiner Schultern lachen zu hören. Zumindest hat er Farin für einen Augenblick aus seiner gottverdammten, selbstherrlichen Ruhe bringen können. Gleich wenn es auch nur ein schwacher Trost ist. Das kleine Spielchen, egal, wie sehr Bela es herauszögern mag, doch sein gewisses und bekanntes Ende nehmen wird.
 

Träge rollt er sich auf den Rücken. Im Augenwinkel die Postkarten, herrlich bunt und irgendwie flirrend, außerhalb seiner bewusster Wahrnehmung. Der Stich, unmittelbar in Herznähe, kommt unerwartet, lässt ihn für den Moment das Gesicht verziehen, ehrlich werden, wie schon lange nicht mehr.
 

„Hör du auf, die Wahrheit nicht zu sehen.“
 

„Was ist bitte diese Wahrheit?“
 

„Dass alles komplett unter dem Unterwegs sein steht. Wirklich alles.“
 

„Ich war schon immer ein rastloser Mensch.“
 

Bela kann sich gerade noch so ein düsteres Lachen verkneifen, was für den Verlauf des Gespräches wohl weniger förderlich wäre. Wenn "rastloser Mensch" bedeutet, ein Sozialkrüppel zu sein der auf die Gefühl seiner Mitmenschen pfeift, dann war Farin ein Paradebeispiel dieser Gattung Homo Sapiens.
 

„Wunderbare Erklärung. Du fühlst dich nicht Zuhause, weil ich dir doch eh nur einen feuchten Dreck wert bin, genau wie die Band. Zuhause ist meistens nichts Materielles. Es ist die Umgebung und die Leute um einen.“
 

„Du weißt ganz genau, dass der erste Teil eine Lüge ist.“
 

Das "Weiß ich das wirklich?" liegt ihm auf der Zunge. Er kann es gerade so herunterschlucken. Die Zweifel, die in seinem Kopf wie wirklich lästige Insekten nisten, sind da nicht so leicht zu verscheuchen.
 

Dementsprechend lang ist die Pause die entsteht. Bela nutzt sie, um in einer verwirrenden Form lethargischer Rastlosigkeit - auf seine Kosten gehen halt immer die schlechten Scherze - seine Beine aus dem Bett zu schwingen, nur mit Boxershorts durch die Wohnung zu tigern. Arme und Beine gänsehautüberzogen, erst bei einem Ziel halt zu machen, von dem er gar nicht weiß, dass er es sucht.
 

Mit einem unhörbaren Seufzer lässt er sich an seinem Schreibtisch nieder, auf dem noch das kreative Chaos von gestern Abend herrscht, greift sich blind Blatt und Stift und fängt an zu kritzeln.
 

Es ist ein Ventil. Wenn auch nur ein kleines.
 

„Du hörst dich an wie ein trotziges, uneinsichtiges Kind. Glaubwürdig.“
 

Dem Satz folgt eine mehr schlechte als rechte Karikatur Farins im SD- Styl, die wütend die Faust ballt und aus deren Nase kleine Rauchwolken kommen, ähnlich einem Babydrachen. Ein Lächeln huscht über Belas Lippen, dieses Mal echt und fast schon freundlich und unbekümmert lässt er seiner Hand weiter ihr Eigenleben.
 

„Spar dir den Sarkasmus.“
 

„Spar dir deine Kommentare.“
 

„Was soll ich denn deiner Meinung nach tun, um dir zu zeigen, wie sehr ich dich doch liebe?“
 

Dort ein Strich, da eine Linie. Bela sieht nicht mal auf das Blatt, lässt seine Gedanken und die Augen schweifen. Erst zum Fenster, wo sich mühsam ein paar Sonnenstrahlen durch die dichte und schwere Wolkendecke kämpfe, dann zu seinem Actionfigurenregal, auf dem der Staub schon höher liegt, als manche der Miniaturen groß sind.
 

Irgendwann bleibt sein Blick an dem Batman-Kalender hängen, der direkt ihm gegenüber an der Wand hängt. Joker grinst ihm verrückt entgegen, während Batman, wie immer unheimlich düster, über die ganze Szenerie schwebt. Es ist der 30.11.
 

Und Bela ist es einfach nur müde.
 

Das Telefonat. Die letzten Tage. Eigentlich das ganze vergangene Jahr. Vielleicht auch ihre Freundschaft. Aber darüber will er nicht nachdenken.
 

Sarkasmus ersetzt die Leere. Ein schwacher Trost.
 

„Ich wein gleich vor Rührung.“
 

„Sags mir doch.“
 

Stille. Es ist nur eine von vielen Phrasen. Und doch kann Bela nichts dagegen tun, dass die kleinen Rädchen in seinen Kopf sich anfangen zu drehen, er wirklich ins Grübeln verfällt. Da ist ein Strohhalm, viel zu schwach um seine Hoffnung tragen zu können, schon jetzt halb am Wegknicken, aber Bela will ihn nicht aufgeben.
 

Er sieht auf seinen Schmierzettel. Der kleine Farin trägt eine Nikolausmütze, der obligatorischen geflickten Sack ist hinten auf seinen Rücken geschnallt.
 

Da ist eine Idee, so wahnsinnig wie genial. Aber so ist es ja meistens.
 

„Du wirst dieses Jahr einen ganz besonderen Adventskalender haben.“
 

Von irgendwo her flattert das Selbstbewusstsein zurück zu Bela, lässt ihn so breit grinsen wie schon lange nicht mehr. Es muss am anderen Ende zu hören sein. Jedenfalls klingt Farin, als hätte ihn irgendjemand mit der Nadel gepiekst, zumindest aber auf seinen nicht vorhandenen Schlips getreten.
 

„Endgültig übergeschnappt.“
 

Bela lässt sich nicht irritieren. Er hat vergessen wie schön es ist zu beherrschen, auch wenn es nur ein dummes Gespräch ist.

„... oder eher selber einer sein.“
 

„Bela, lass den Scheiß und komm zum Punkt.“
 

Er überlegt seine Kunstpause unnötig in die Länge zu ziehen, Farin einfach in der Luft hängen zu lassen, so wie er ihn immer hängen lässt, mit unfertigen Alben, Teambesprechungen oder Interviews. Doch dafür ist Bela einfach zu sozial. Oder ängstlich. Könnte der Gitarrist sich doch noch immer dazu entscheiden, einfach aufzulegen.
 

„24 Tage.“
 

„Sind es ab Morgen bis Weihnachten, ja, so weit bin ich tatsächlich selber.“
 

Klugscheißer.
 

Ein Gedanke, der Gedanke bleibt. Bela kennt seine Grenzen. Oder besser gesagt Farins. Er balanciert jetzt schon am sprichwörtlichen Abgrund. Aber er war ja schon immer der Gefahrensucher der Band gewesen.
 

„24 Befehle, denen du Folge zu leisten hast.“
 

„Okay, ich pack die Zwangsjacke aus.“
 

Der Ältere fragt sich, wann er seinen Gitarristen das letzte Mal so entsetzt gehört hat. Dann, ob das überhaupt schon jemals der Fall gewesen ist. Es lässt etwas in Bela klingen. Auch wenn er nicht weiß, ob das die ersten Skrupel oder etwas anderes ist. Bevor sein eigenes Gewissen ihm ein Bein stellen kann, fährt er schnell fort. Bestätigt Farin und sich selbst.
 

„Das ist mein Ernst.“
 

„Ich soll dir durch Abwaschen und Haussklaven spielen zeigen, wie viel du mir bedeutest? Danke, ich verzichte.“
 

Beinah ist Bela beleidigt. Aber das ist nun einmal Farin Urlaub am anderen Ende der Leitung. Der Farin Urlaub, der außer Lieder schreiben jeglicher Kreativität entbehrt. Sieht man ja allein schon an seinen Bühnenoutfits. Deswegen übergeht er diesen lahmen Kommentar. Als wenn er solche Kindereien nötig hätte, wo sich ihm doch gerade ein ganzes Meer an Möglichkeiten auftut.
 

„Du hast keine Ahnung.“
 

„Ach, du verarschst mich doch eh.“
 

„Das ist doch das Spannende... Du weißt nicht, was hinter dem nächsten Türchen steckt.“
 

„Ich bin kein Hund.“
 

Nicht Hund, eher sturer Bock, aber das behält Bela wohlweislich für sich. Sieht er doch seine Fälle ohnehin davon schwimmen. Doch er wäre nicht er selbst, würde er sich einfach so geschlagen gegeben. Und auch wenn Farin immer mehr wortwörtliche Distanz in ihre Freundschaft bringt, so kennt er den Jüngeren doch gut genug, um ganz genau zu wissen, wo er ihn packen muss.
 

Diesen stolzen Esel hoch zu Ross.
 

„Du kannst dich echt auf nichts einlassen. Okay, dann ein weiteres Schwellenland anstatt mir.“
 

Erneutes Schweigen. Fast möchte sich der Schwarzhaarige selbst gratulieren. Aber die Vergangenheit hat ihn zu oft gelehrt, dass er sich nicht zu früh freuen sollte. Vor allen Dingen nicht bei Farin.
 

„Du überlegst.“
 

Mit einer einfachen Feststellung kann man nie viel falsch machen.
 

„Als wenn ich über diesen Schwachsinn nachdenken würde.“
 

„Buch dir deinen Flug. Album mischt sich ja wie erwähnt von selber und neue Freunde findet man doch auch schnell.“
 

Er wird fies, das weiß Bela selbst, aber er war noch nie besonders geduldig gewesen. Dafür schon immer sehr dramatisch.
 

„BELA!“
 

„Was hast du schon wieder gegen die Wahrheit?“
 

„Wenn du das als freundschaftsrettende Maßnahme bezeichnest. Meinetwegen verschieb ich die Reise. Aber eine wirklich dumme Aktion und ich bin weg.“
 

Mit so einem schnellen Sieg hat er dann doch nicht gerecht. Vor lauter Schreck fällt ihm beinah das Telefon aus der Hand. Jedoch überhört er nicht die unausgesprochene Drohung in den Worten des Blonden. Allein, wenn sie dieses Spiel wirklich spielen sollten, dann nach Belas Regeln und nicht anders.
 

„Kneifen gilt nicht.“
 

„Willst du noch einen Vertrag aufsetzen?“
 

„Eine Reise oder Vierundzwanzig Befehle.“
 

„Normalerweise würde ich jetzt die Eins süßsauer wählen“
 

Bela beißt die Zähne zusammen. Gottverdammter Urlaub. Er hasst es, so kurz vor dem Ziel zappeln gelassen zu werden.
 

„Mach dich ruhig lustig. Nimm deine verdammte Reise, bleib einfach da – Das Bandprojekt ist beendet und unsere Freundschaft auch. Es kann so herrlich einfach sein.“
 

„Einfach kann jeder.“
 

„Oh, der Ehrgeiz des Herrn Urlaub ist geweckt.“
 

„Ich werde deine niederen Befehle befolgen und somit dein Haus auf Vordermann bringen. Als wenn ich das nicht könnte. Lass ich mich halt von dir demütigen. Wenn ‘s Spaß macht. Mein Flug geht dann stattdessen direkt am Abend des 24.“
 

Beinah hätte Bela erleichtert ausgeatmet. Einzig er lässt es, weil es dann doch zuviel verraten würde. Seine Freude, die Anspannung, die in ihm gesteckt hat. Lieber investiert er seine Energie nun darin, seine Hand über das Blatt huschen zu lassen, in der typischen Bela- Krakel- Schrift eine ziemlich lange Liste zu erstellen.
 

Denn es gibt so einiges was er noch besorgen muss.
 

„Du hast sowas von keine Ahnung, auf was du dich nun einlässt.“
 

„Suchst du doch eher einen Sklaven für andere Gelüste?“
 

„FARIN.“
 

Bela weiß selbst nicht, warum er rot wird. Vielleicht weil dieser Rückfall, in ihren alten neckischen Ton zu unerwartet kommt. Vielleicht weil es Ideen in seinen Kopf zaubert, die nun wirklich nicht dorthin gehören.
 

„Ja so heiß ich. Adresse ist ja bekannt, ich nehm die Vierundzwanzig ohne alles.“

1.Dezember

1.Dezember
 

Behäbig öffnet Farin die Augen, gewöhnt sich langsam an die Dunkelheit im Zimmer. Er zwingt sich den Kopf zu heben und einen Blick aus dem Fenster zu werfen. Schwere Wolken und nachtschwarzer Himmel sind die einzigen Dinge, die er erkennt. Noch einen Blick später verraten ihm die giftgrünen Zeiger seines Weckers, dass es gerade einmal sechs Uhr ist.
 

Farin ist absoluter Frühaufsteher, doch dieser so öde und sicherlich kalte Wintermorgen ist gerade absolut nicht nach seinem Geschmack. Die warme, weiche und geborgene Zuflucht seines Bettes würde er frühstens in drei Stunden verlassen. Schon seine Zehen, die unter der Bettdecke hervorragen, fühlen sich taub an durch die Kälte im Raum.
 

Gerade als er sich wieder auf die Seite drehen will, nimmt er draußen einen Schemen im Augenwinkel wahr. Eher noch eine flüchtige, nur zu erahnende Bewegung in der Schwärze. Da selbst um diese Uhrzeit kein irrer Fan seine Haustür aufsuchen würde, der Postbote sicherlich noch nicht seine Runde dreht und die Gegend eh menschenleer ist hat er wohl schon Halluzinationen. Oder er ist endgültig Paranoid.
 

Als nur Sekunden später eine ohrenbetäubende Sturmklingelattacke ausbricht, verwirft Farin seine logischen Gedanken und steht senkrecht im Bett. Sein müder Kopf dröhnt und seine Gedanken fahren Achterbahn. Welcher Idiot kommt auf die Idee, ausgerechnet bei ihm um diese Uhrzeit, bei diesem Wetter Sturm zu schellen?
 

Eigentlich hat er sich schon entschieden, den nervtötenden Attentäter zu vergessen und weiter zu schlafen. Jedoch nimmt Farin erneut den unheimlichen Schemen in seinem Blickwinkel wahr, dieses Mal ist die Bewegung aber unglaublich flink und rasch vorbei.
 

Seufzend schlägt Farin die Bettdecke zurück, lässt sich von der Welle der Eiseskälte überrollen und schlurft zu seiner Haustür. Zitternd vor Kälte öffnet er mit äußerster Vorsicht die Türe. Boxershorts und T-Shirt sind zu dieser Jahreszeit nicht die optimale Kleiderwahl.
 

Bei dem sich ihm bietenden Anblick weiß er nicht, ob er lachen oder weinen sollen. Auf seiner Fußmatte thront scheinbar irgendein Kuscheltier.

Rasch klaubt Farin es auf, trotz seiner Verwirrung möchte er nicht erfrieren. Das plüschige Wesen fasst er mit spitzen Fingern wie einen Aussätzigen an. Wer weiß, von wem dieses Vieh kommt.
 

Um dies zu überprüfen, trollt Farin sich in Richtung Küche und begutachtet das Ding im Schein der Küchenlampe genauer. Tatsächlich handelt es sich um ein Kuscheltier, genauer gesagt um einen Teddybären. An und für sich nichts Seltenes, jedoch scheint dieses Exemplar einer besonderen Behandlung unterzogen worden sein.
 

Der Teddy ist schwarz und trägt scheinbar angenähte Vampirzähne, die liebevoll mit dunkelroten Sprenkeln verziert worden waren. Außerdem ist er mit einem samtroten Cape ausgestattet worden, dazu kommen die ebenso angenähten schneeweißen Krallen an den Pfoten. Beim Wenden des Bärens erkennt Farin noch kleine angeklebte Pappfledermäuse auf dem Umhang und einen neonpinken Klebezettel.
 

„Erster Befehl: Verbringe einen Tag im Bett und tue absolut nichts.“
 

Unterschrieben wurde mit einem verschnörkelten B.
 

Innerhalb von Bruchteilen einer Sekunde erkennt er die Handschrift und erinnert sich an sein gestriges Versprechen, was Farin doch eher im Scherz gegeben hat.

Da ihm jedoch dieser Befehl aktuell sogar entgegen kommt, beschließt er der Aufforderung nachzukommen und sucht erneut sein Schlafzimmer inklusive Teddy auf.
 

Aufgrund der wohligen Wärme seiner Bettdecke dämmert Farin sofort wieder weg und verschwendet keinen Gedanken mehr an Möchtegernvampir-Teddys. Dieser sitzt übrigens mittlerweile aufrecht am Ende des Bettes und beobachtet mit seinen Knopfaugen den ruhig atmenden Blonden.
 

Als er um halb Zehn erneut aufwacht und die Decke zu Seite schlagen will, erinnert sich Farin an den kleinen Zettel. Sollte er wirklich bei dieser schwachsinnigen Aktion mitspielen?

Vielleicht sollte er die Sache als Wettkampf sehen. Jede dieser seltsamen Anordnungen haargenau befolgen und somit Bela zeigen, wer hier der Gewinner ist.
 

Durch den Ehrgeiz beflügelt, breitet er die Decke wieder über sich aus und lässt sich gedanklich einfach Treiben. In seinem Kopf schwirren Erinnerungen, Gedanken, Songtextfetzen und andere Dinge umher. Ein angenehmes Delirium, gefangen im Halbschlaf.

Seine Methode ist jedoch nur kurzzeitig erfolgreich: Innerlich schon Triumphierend blickt Farin wieder auf seinen Funkwecker: 11:30.
 

Eine Uhrzeit, zu der Farin niemals noch in den Federn liegen würde. Er heißt schließlich nicht Bela. Aber ein Tag fasst nun mal mehr als diese zwei Stunden. Genervt möchte er sich eines der vielen Bücher vom Stapel auf seinem Nachtschränkchen ziehen, als ihm der Zusatz des Befehls einfällt.
 

Sein persönliches Horrorszenario. Absolut nichts tun. Leicht hilflos lässt er den Blick durchs Zimmer schweifen und bleibt an dem bizarren Kuscheltier hängen. Frustriert packt Farin den Bären an den weichen Ohren und setzt ihn grob auf den Bücherstapel vor ihm.
 

„Weißt du vielleicht, warum Bela auf so idiotische Ideen kommt?“

Er redet mit einem Teddybären. Ärmlich und traurig zu gleich. Aber besondere Umstände erfordern besondere Maßnahmen. Natürlich antwortet der Haufen aus Plüsch ihm nicht.
 

Aus purem Protest zieht Farin die Decke noch enger um sich und schließt die Augen. Eine Ewigkeit lang. Bis er wieder seine Aufmerksamkeit auf den Wecker lenkt: 11:35.
 

„Hast du eigentlich einen Namen?“

Nur Sekunden später beantwortet er die Frage selber.

„Bestimmt sowas klangvolles aus irgendeinem Horrorfilm. Aber hey, da du mir den eh nicht verrätst: Hallo, Wischmopp. Mehr würde ich mit dir nicht mehr machen, außer Boden wischen.“

Der schwarze Bär starrt Farin weiterhin ausdruckslos an.
 

Die nächsten Stunden ziehen an ihm vorbei und scheinen ein Stück der Ewigkeit zu sein.

Farin dreht sich von der einen zur anderen Seite, wirft dem Bären bitterböse Blicke zu und hofft auf Rettung. Er beschließt sich einen erneuten Tiefschlag zu versetzen und liest die Uhrzeit ab: 14:07.
 

Helllichter Tag und Farin liegt träge im Bett. Es gäbe viele Dinge, die er jetzt tun könnte. Aber er ist an sein Bett gefesselt. Natürlich könnte er einfach aufstehen und das kleine Spiel beenden. Doch ein Farin Urlaub gibt nie auf und verlieren tut er erst recht nicht.

Also krallt er sich einfach weiter in seine Decke und lässt den angestauten Frust einfach heraus:
 

„Du und dieser Volldepp, ihr seid doch beide bescheuert. Völlig durchgedreht. Wer an einem Wintermorgen einen Teddybären vor meine Tür legt, der ist doch ein Psychopath. Und dazu noch dieser PostIt! Erster Befehl... was der sich einbildet. Als wenn man mir irgendetwas befehlen könnte. Ich werd diesen dämlichen Tag rum bringen und ihm danach so die Meinung geigen, dass er mir nie wieder irgendetwas befiehlt!“
 

Der Teddy starrt ins Leere.
 

Erneut landet Farin im Delirium. Nur dieses Mal ist es kein angenehmes. Schwarze Schemen huschen durch seine Tagträume, halten ihn fest und raunen ihm Dinge zu.

Jetzt wird er wahnsinnig. Ganz sicher.

Um irgendetwas gegen dieses schleichende Gift seiner Psyche zu tun, hebt er das Kuscheltier von seinem Aussichtsplatz und dreht es in seinen Händen.
 

Den Wecker wagt er nicht einmal mehr anzusehen. Durch seinen Kopf kreisen seltsame Melodien, unbewusst summt er leise vor sich hin. Langsam formen sich aus dem undefinierbaren Gesumme kurze Textpassagen heraus:
 

"...und die Fledermaus singt Liebeslieder..."
 

Moment. Dieser Text gehörte einer gewissen Person und eindeutig nicht ihm. Selbst sein Unterbewusstsein stellt sich gegen ihn. Farin gegen den Möchtegernvampir Eins, gegen den Möchtegernvampir Zwei aus Plüsch und gegen sich selber. Mit diesem Gedanken, dem Bären auf der Brust und der Melodie in seinem Hinterkopf schläft er über das ewige Liegen endgültig ein.

2.Dezember

2.Dezember
 

Mit müdem Blick starrt Farin auf sein Käsebrötchen. Er weiß nicht mehr, wann er endgültig in den Tiefschlaf gesunken ist. Dafür hat er nun die neue Erkenntnis, dass man sich auch in die völlige Lethargie schlafen kann. Unter seinen Augen zeichnen sich dunkle Schatten ab. Jegliche Gliedmaßen fühlen sich schwer an, die Erdanziehungskraft tut bestens ihren Dienst.
 

Farin beobachtet weiter sein angebissenes Brötchen, in den Krümeln scheint sich ein Name abzuzeichnen. Bela. Alles, aber auch wirklich alles ist auf diesen vier Buchstaben gewachsen. In seinen Gedanken spinnt er schon die finstersten Rachepläne. Der See hinter seinem Haus ist zu dieser Jahreszeit sicher eiskalt. Außerdem liegt sicher bald wieder Schnee. Da kann man schon mal ausrutschen und jemanden anrempeln. So etwas passiert.
 

Selbstzufrieden grinsend blickt er auf die tickende Küchenuhr und genießt sein Kopfkino. Jedoch wird er jäh aus seinen mehr oder weniger schönen Träumen gerissen. Es klingelt.

Vielleicht der Paketbote oder die verspätete Post. Ganz sicher kein Drummer. Bela schafft es nie, irgendetwas zu Ende zu bringen oder seine seltsamen Ideen in die Tat umzusetzen. Während Farin sich selber manipuliert, trottet er ruhig zu seiner Tür.
 

Am liebsten würde er rennen und die Türe aufreißen, doch er beschließt, sich zur Raison zu rufen. Als er endlich die Klinke berührt, kann Farin sich aber nicht mehr beherrschen. Abrupt reißt er die Tür auf und hofft auf das Gesicht seines Postboten. Stattdessen begrüßt ihn Leere.
 

Eine böse Vorahnung beschleicht ihn. Eigentlich weiß er ganz genau, was ihn erwartet. Aber gewisse Dinge möchte man schlicht nicht wahrhaben. Deshalb schaut Farin betont gelangweilt in die Landschaft und versucht mit einem Fuß seine Haustüre wieder zu schließen. Natürlich bleibt sein Blick trotzdem an der Fußmatte kleben.
 

Es herrscht akute Augenkrebsgefahr. Neongrün springt Farin förmlich ins Gesicht. Natürlich ist es einer dieser ekelhaften bunten Klebezettel. Unter diesem verbirgt sich etwas ebenso Knallbuntes und Quadratisches. Kurz überlegt er, den Zettel einfach Zettel sein zu lassen und sich wieder seinem Brötchen zu widmen.
 

Farin verwirft die Idee und beugt sich hinunter. Gewohnt krakelig lacht ihm die bekannte Handschrift entgegen. Es braucht nur einen Blick, um eine weitere Unverschämtheit Belas zu erkennen:
 

„Zweiter Befehl: Höre deine erste Schallplatte!“
 

Innerhalb von Sekunden wird Farin klar, was sich unter dem Zettel verbirgt. Irgendwo in seinem Schrank befindet sich ein anderes Exemplar ebendieser Platte, fein säuberlich eingeordnet.

Vorsichtig löst Farin den Zettel ab und hebt die Schallplatte auf. Er will auf gar keinen Fall einen Kratzer an dieser musikalischen Perle vorfinden.
 

'Sgt. Pepper's Lonely Hearts Club Band'

Der Schriftzug strahlt etwas unheimlich vertrautes aus. Wenn man Musik wirklich zu Tode hören kann, hat er dies mit dieser Platte geschafft. Wie oft sie sich auf dem Plattenteller gedreht hatte. Seine Mutter war es, die ihm diese Vinyl offiziell schenkte. Damals war er noch ziemlich jung und verhältnismäßig normal gewesen, das Album lag jedoch auch später noch öfters auf dem Plattenspieler.
 

Sie war und ist sein erster richtiger Bezug zur Musik gewesen, hatte deshalb diesen hohen Stellenwert. Diese Erinnerung scheint aber vergessen: Heute liegt sie irgendwo ganz hinten in seiner reichhaltigen Musiksammlung.

Mittlerweile bemerkt Farin, wie die eisige Luft seine Finger nach ihm ausstreckt. Kopfschüttelnd wendet er seinen Blick vom Cover des Albums ab und begibt sich wieder in die Wohnung, genauer gesagt in sein Schlafzimmer.
 

Hier befindet sich sein uralter Plattenspieler, scheinbar aus dem vorherigen Jahrhundert stammend. Er thront zwischen einigen Briefen, Fotos und Zetteln auf einem kleinen Schränkchen. Farin ist ein chronischer Ordnungsfanatiker, ein absoluter Minimalist. Doch in seinem Schlafzimmer sind die Verhältnisse anders. Briefe, Fotos, Notizbücher, Geschenke, Kleinigkeiten, sein Plattenspieler, einige Musikalben – Kurz, alle Dinge die ihm etwas bedeuten, versammeln sich hier. Dinge, die ihm unheimlich vertraut sind und die er für kein Geld der Welt je hergeben würde, befinden sich an seinem Rückzugort.
 

Farin mag die Vorstellung, beim Schlafen von all dem umgeben zu sein. Zugeben würde er das nie, dieses Zimmer zu betreten ist deshalb auch mehr als nur verboten. Daher kennt jeder nur das schlichte, ordentliche und bildlose Weiß seiner restlichen Wohnung.
 

Neben dem Krimskrams erkennt er einen alten Bekannten. Der Teddy sitzt auf der Ecke des Schrankes und starrt mal wieder ins Nirgendwo. Er muss ihn heute Morgen beim Aufstehen dorthin abgeladen haben.
 

Jetzt wendet Farin sich aber lieber wieder dem Album zu. Allein das Cover hatte viele Erinnerungen geweckt, manche undeutlich, andere klarer. Was die eigentliche Musik nun bewirken würde, findet er auf seltsame Art und Weise spannend.
 

Mit einem leichten Quietschen öffnet Farin die Abdeckung und legt fachmännisch die Platte auf den Teller. Äußerst behutsam setzt er die Nadel in die richtige Rille. Ächzend und leicht knackend nimmt der Plattenspieler seine Arbeit auf.
 

Farin hat mit vielem gerechnet. Aber nicht damit. Schon die ersten, noch leicht schwerfälligen Töne lösen eine wahre emotionale Lawine in ihm aus. Schemen, Dialoge, Erinnerungen, ja sogar seine eigenen damaligen Gedanken toben durch seinen Kopf. Völlige Überforderung ist das Einzige, was bleibt.
 

Langsam sinkt er auf die Kante seines Bettes. Es fühlt sich an, als wenn statt Blut die Musik durch seine Adern fließt. Als wenn sie gerade seinen Körper regieren würde. Farin gibt sich dieser Diktatur schlicht hin, schließt die Augen und lässt den Regen aus Empfindungen auf sich niederprasseln. Die Zeit scheint den Atem anzuhalten, alles um ihn gefriert und zentriert sich auf die Musik.
 

"I get by with a little help from my friends"

Die Songtextzeile reißt Farin aus seinem Orkan. Aus all den winzigen Stücken seiner Erinnerung formt sich zum Ersten Mal etwas kristallklar heraus.
 

Sie war Asiatin, bildhübsch und intelligent. Ihr Haar hatte schon von Weitem einen starken Duft nach Pfirsichen, ihr Lachen war glockenhell. Jeder auf der Schule drehte sich nach ihr um. Was sollte da dieser seltsam gekleidete, bleiche, musikfanatische Punker erreichen?

Richtig. Nichts.

Es war zu Ende, bevor es begonnen hatte. Diese Tatsache war schmerzhaft. Sie zu akzeptieren, hatte gedauert. Der Bezug zu dem Song rührte jedoch aus einer anderen Situation, diese war aber direkt mit seiner aussichtslosen Liebe verbunden.
 

*

Im Hintergrund spielte die Musik, während Farin stumm auf seinem Bett saß. Auf dem Boden hatte sich Bela ausgebreitet, auf dem Bauch liegend. Der Kopf war in die Hände gestützt, er studierte aufmerksam den unglücklich Verliebten. Genau bei dieser Zeile hob er den Kopf und formte sie lautlos mit den Lippen mit. Dafür erntete Bela sein ehrlichstes Lächeln überhaupt. Liebe war nebensächlich, wenn es den besten Freund gab.

Diese Begebenheit ist Farin so detailgetrau vor Augen, dass er sich sogar daran erinnert, wie Bela sich die zotteligen schwarzen Haare aus dem Gesicht strich. Die Bewegung ist haargenau vor seinem inneren Auge zu sehen.

*
 

Leicht benommen steht Farin wieder auf und stoppt die Musik. Es reicht für heute eindeutig an Nostalgie. Fast liebevoll verpackt er die Platte wieder. Irgendwo macht es Farin Angst, was für einen Sturm so etwas an sich Simples wie Musik in ihm auslösen kann. Musik ist an sich simpel. Aber sie begleitet ihn schon sein Leben lang, ist die einzige echte Konstante. Es ist mehr als logisch, dass ausgerechnet sie die verstecktesten Dinge ans Licht bringt.
 

Seufzend lehnt er das Beatles Album an das Schränkchen. Darauf greift er nach Wischmopp und platziert ihn auf der wieder geschlossenen Abdeckung des Plattenspielers. Blinzelnd registriert Farin, was er da automatisch getan hat.
 

Belas eigenartige Ideen tun ihm ganz und gar nicht gut.

3.Dezember

3. Dezember
 

Es gibt Tage, an denen man die gesamte Welt umarmen, sein ganzes Vermögen einem Kinderdorf in Südafrika spenden, kurzum einfach DER gottverdammte Gutmensch schlechthin sein möchte. Und dann gibt es die anderen.
 

Farin hat heute eindeutig einen dieser anderen Tage erwischt. Schon beim Aufstehen würde er Wischmopp, der ihm fröhlich vom Plattenspieler entgegenzugrinsen scheint, am liebsten in den Schredder werfen. Dann noch dieses vermaledeite Drosselpaar, das ausgerechnet vor seinem Fenster turteln muss. (Es ist Anfang Dezember! Die sollten doch längst Richtung Süden wandern, Winterschlaf halten oder vom Aussterben bedroht sein! Was Drosseln eben so im Dezember machen, anstatt mit dummem Gezwitscher seinen Aggressionen Futter zu geben.)

Als sein Wasserkocher schließlich beim obligatorischen Frühstücks-Tee-Machen den Geist aufgibt und im ganzen Haus für einen Kurzschluss sorgt, ist Farin klar, dass dieser Tag nur entweder in einer Katastrophe oder aber in einem Amoklauf enden kann.
 

Dass es in eben jenem Augenblick, als ihn diese Erkenntnis trifft, an der Tür klingelt, scheint Farin fast schon ein Zeichen. Beinah ist er versucht, einen Sprint hinzulegen, dem Klingler (denn er hat schon eine sehr konkrete Ahnung, wer es ist) mit beiden Händen um den Hals seinen Hass gegen die Welt spüren zu lassen, als er sich dann doch eines besseren besinnt. Nachher rutscht er noch auf dem Flur aus oder rennt gegen irgendein Möbelstück. Farin kennt sein Glück.
 

Mit fast schon vorsichtig anmutenden Schritten schleicht er deswegen auch geradezu zur Tür, hört nur noch wie jemand stampfend über den Kiesweg seiner Einfahrt entschwindet. Verwirrt hebt Farin eine Augenbraue. Da ist jemand aber auch schon mal eindeutig leiser gewesen. Ein wenig ist er schon beleidigt, dass Belas Mühe anscheinend bereits jetzt nachlässt.
 

Als er dann endlich die Tür öffnet und seinen Blick nach unten wendet, strahlt ihm ein schon bekannter Zettel in kreischender Farbe entgegen und… Kastanien?!
 

Sich vorsichtig in die Hocke begebend inspiziert Farin den Korb, der auf seiner Fußmatte steht, als würde es sich dabei um ein besonders ekliges Insekt handeln. Langsam versteht er, warum Bela so schnell wie möglich die Flucht gesucht hat.
 

Neben Kastanien wurden dem Blonden noch Zahnstocher, ein kleiner Handbohrer, Plastikwackelaugen und anderer Bastelkram mitgegeben. Das Klebezettelchen macht es dann absolut eindeutig:
 

"Dritter Befehl: Bastle ein Kastanienmännchen“
 

Farin ist für einen winzig kleinen Moment danach, laut und anhaltend zu schreien. Zwar befindet er sich in unmittelbarer Nachbarschaft zu einer Psychiatrie, aber man muss es ja dann doch nicht unbedingt provozieren. So bringt er seine heutige Aufgabe, oder doch eher Demütigung?, schnell ins Haus, nachher könnte ihn noch jemand damit sehen.
 

Dann steht er erstmal für einige Minuten unschlüssig auf dem Flur. Nicht wirklich wissend, was er machen soll. Die Kastanien gleich auf dem Kompost entsorgen? Der Grundschule im Dorf spenden? Oder Bela bei der nächsten Bandprobe solange damit bewerfen bis dieser blutet? Irgendwo muss doch noch seine alte Steinschleuder rum liegen.
 

So im Grübeln, bemerkt er gar nicht, wie seine Schritte ihn zur Küche führen.
 

Und wie der Korb da so abgestellt auf dem Küchentisch steht, kommt ihn aus unerklärlicher Weise wieder dieses schicksalsgebende Telefonat in den Sinn. Bela scheint etwas an dieser Freundschaft zu liegen. Sonst würde er nicht jeden Tag in seinen abgelegenen Ort stapfen und seine Kreativität anstrengen. So seltsam und bizarr diese Idee ist, irgendwo ist sie süß.
 

Moment. Farin hatte gerade nicht das böse s- Wort gedacht. Und überhaupt kann sich Bela seine ach so hoch gelobte Kreativität sonst wo hinschieben. Wahrscheinlich denkt er eh, dass Farin nichts Gescheites zustande bringt, es nur ein Klumpen Kastanien statt einem echten Männchen wird.

Mit einer grimmigen Entschlossenheit, von der der Blonde selbst nicht so ganz weiß, woher sie kommt, lässt er sich auf einen der Stühle nieder, zieht den Korb zu sich heran. Das wäre doch gelacht, wenn er da kein Kunstwerk hinbekommen würde! Was kleine Schulkinder können, kann er schon lange.
 

Enthusiastisch greift Farin nach dem ersten kleinen runden Bällchen, setzt den Bohrer an - und rutscht prompt ab. Mit einem eher unschönen Fluch auf den Lippen besieht er sich seinen Daumen, wo schon die ersten kleinen Tropfen Blutes, sich ihren Weg an die Oberfläche bahnen.

Die erste beste Selbsthilfe nehmend die ihm einfällt, steckt Farin sich seinen Daumen in den Mund, besieht die Kastanie mit todbringenden Blicken, was diese aber so völlig kalt lässt.
 

Das bedeutet Krieg!
 

Die nächsten drei Stunden sind erfüllt vom lauten Gepolter, gelegentlichen Zischen (Farin ist mehr als nur froh das er in den nächste Woche keine Gitarre spielen muss) und einem außerordentlichen großen Repertoire an Schimpfwörtern.

Doch das Ergebnis kann sich durchaus sehen lassen.
 

Ein wenig erinnert das kleine Monster an die Bestie, nur eben kastanienbedingt runder. Die Augen sind diabolisch etwas schräger gelegt, während aus dem Mund, aus vielen einzelnen Zahnstocherspitzen, messerscharfe Zähne hervorblitzen.

Farin ist extrem stolz auf sich.
 

Und weil er eben nicht nur stolz ist, sondern auch durchaus sozial und an seine Mitmenschen denkt, weiß er auch schon, was er mit diesem Monsterchen anfangen wird.
 

Wenige Minuten später steht die kleine Bestie auf seiner Fußmatte, um den dürren Hals ein kleine Schlaufe an dem ein Zettel hängt. Darauf steht in der penibel ordentlichen Handschrift Farins:
 

Ich fresse gerne kleine Grafen.

4.Dezember

4. Dezember
 

Ein Löffel Zucker.
 

Zwei Löffel Zucker.
 

Am liebsten noch ein dritter. Aber da meldet sich dann doch Farins Gewissen. Oder eher seine Eitelkeit. Obwohl er die Endorphine mehr als nur gut gebrauchen könnte. Kurz den Blick von seiner Teetasse hebend, besieht sich der Blonde vom Wohnzimmerfenster aus den prasselnden Regen, der schon Teils in Form von kleinen Eiskristallen gegen die Scheibe schlägt.
 

Farin weiß, warum er den deutschen Winter hasst. Er im Idealfall sein Glück in der Ferne sucht. Aber anstatt nun an einem schönen, warmen Zuckerstrand zu liegen oder auch unter dem unendlichen Sternenzelt der Wüste, bibbert er sich hier eins ab, die warme Wolldecke fest um die Schulter gezogen.

Und warum das alles?

Weil er in einem infantil-masochistischem Anflug Belas dummem Spiel zustimmen musste. Denn für Farin ist das hier nichts anderes: ein dummes kleines Machtspiel, das einzig und allein dem Egoaufbau des Älteren dienen soll. Denn wann hat man schon einen Farin Urlaub, der alles tut, was man ihm befiehlt?

Freundschaftsrettung sieht eindeutig anders aus.
 

Als er so darüber nachdenkt und seine Augen durch den weiten, komplett in weiß gehaltenen Raum schweifen lässt, trifft er das Telefon. Es wäre so einfach aufzustehen, sein Reisebüro anzurufen und den Flug vom 24. auf morgen umbuchen zu lassen.

Allein, Farins dummer Stolz hindert ihn daran. Und irgendetwas anderes, kleines, nagendes in seiner Brust, dass zu ergründen er jetzt aber keine Lust hat. Oder sich nicht traut. Je nach dem.
 

Grummelnd kuschelt sich Farin tiefer in seine Decke, nippt an seinem Tee.
 

Dummes Wetter.
 

Dummer Adventskalender.
 

Dummer Bela.
 

Just in dem Moment klingelt es an der Tür.

Wenn man vom Teufel spricht. Oder in diesem Fall wohl eher denkt. Langsam erhebt sich Farin schlurft, immer noch mit der Decke um die Schultern, über den Flur. Kurz verzieht er das Gesicht bei der Vorstellung, dass er jetzt wirklich die Tür öffnen muss, sich auch nur für Sekunden diesem Graus namens Wetter stellen muss. So verläuft die ganze Aktion auch ziemlich schnell: Tür auf, Paket rein, Tür zu. Trotzdem erfasst Farin ein Schaudern, überzieht ihn eine Gänsehaut.
 

Mit dem heutigen Türchen unter dem Arm, das er noch nicht ein einzigen Blickes gewürdigt hat, beschließt Farin seine Wirkungsstätte zu verlegen, schnappt sich Tee und vorsichtshalber noch eine Tafel Schokolade (dann nimmt er halt zu, er ist schließlich Rockstar, er kann sich das leisten) und verzieht sich ins Schlafzimmer.
 

Wischmopp begrüßt ihn mit seinem Zähne bleckenden Lächeln, darf beobachteten wie sich Farin aus seinem Bett geradezu eine Burg baut. Auf dem Nachtschrank Tee, Schokolade, sein Laptop und ein gutes Dutzend Bücher, im Bett ein Haufen Kissen und Decken und nicht zu vergessen eine Wärmeflasche.
 

So ausgestattet wendet sich der Blonde dann auch irgendwann gnädig dem Paket zu, für sich selbst und den Teddybären beschließend:
 

„Wenn das wieder so was endidiotisches ist, dann boykottiere ich es dieses Mal. Es ist schon schlimm genug, dass ich überhaupt hier bin, da muss ich meine Zeit nicht mit irgendeiner anderen Waldorfbastelei vergeuden.”
 

Der Replik bleibt natürlich aus, dafür begutachtet Farin den Zetteln, der auf dem rechteckigen Päckchen geklebt ist, dieses mal in einem viel zu grellen Gelb.
 

"Vierter Befehl: Mache einen DVD-Abend!"
 

Farin kann seine Überraschung kaum verbergen, aber das ist weniger schlimm, glaubt er doch kaum, dass Wischmopp ihn verraten wird. Viel zu gut passt Belas Befehl in seine eigne Tagesplanung für heute. Zwar stimmt es, dass er keinen Fernseher hat, was aber lange noch nicht heißt, dass er keine Filme mehr sieht. Wozu gibt es schließlich DVD Laufwerke?
 

So macht er sich auch annähernd freudig daran, die Filme auszupacken nur um im nächsten Moment, jeden positiven Gedanken über Bela zu revidieren.
 

„Der hat sie doch nicht mehr alle!”
 

Was Farin so fröhlich entgegenlacht, sind die schlimmsten Ausgeburten des cineastischen Kitsches. Von eine Weihnachtsgeschichte über Aschenbrödel bis hin zu Der kleine Lord ist wirklich alles dabei. Das einzige Gute an der Sache ist, dass er die Filme ohne Probleme als Brechmittel benutzen könnte. Er sich also definitiv keine Sorgen über Festtagspfunde machen muss.
 

Schnell will er die Filme schon unter seinem Bett verschwinden lassen, bloß nicht sehen müssen, selbst die Cover verursachen ja schon die schlimmsten Augenschäden, als er aus dem Augenwinkel Wischmopp sieht, wie er immer noch hoch oben auf dem Plattspieler thront. Und Farin kann sich nicht helfen, vielleicht ist es auch einfach nur der sich anschleichende Wahnsinn, aber irgendwie wirkt der Blick aus den dunkeln Knopfaugen… nun ja… anklagend.
 

„Das ist nicht dein Ernst, oder?!”
 

Der Blick bleibt. Natürlich. Trotzdem versucht Farin sich zu verteidigen. Ein klägliches Vorhaben, wenn der Gegenüber ein Teddybär ist.
 

„Ich meine Hallo?! Hallo?! Das ist der kleine Lord! Der. Kleine. Lord! Ich hab noch heute ein Trauma wegen diesem Film!”
 

Der Blick bleibt. Immer noch. Resigniert gibt Farin auf, zieht den Laptop zu sich.
 

Dummes Wetter.
 

Dumme Filme.
 

Dummer Wischmopp.
 

Eine halbe Stunde später, schwankt Farin zwischen einem leichten Dämmerschlaf und dem absoluten Gehirngau.
 

„Wenn dieses dumme Gör noch einmal so elendig schmachtent in die Kamera blickt, dann hau ich den Bildschirm ein. Und was soll eigentlich dieser dämliche 'Brat mir doch einer ein Storch' Spruch? Das ist kostbare Zeit meines Lebens, die mir nie jemand wieder geben kann. Ich könnte ein Buch lesen, meine Steuererklärung machen, neue Lieder texten-”
 

Mitten im Satz stockt Farin. Bei Selbstgesprächen nicht unbedingt das Problem und Wischmopp wird ihm sicherlich verzeihen. Hecktisch minimiert der Blonde den Player, öffnet ein neues Worddokument. Zwar spricht beziehungsweise singt er sich seine neusten Songideen lieber auf sein Diktiergerät, einfach weil es bequemer ist, aber Lust, jetzt aufzustehen, hat er keine.
 

Seine Finger fliegen nur geradezu über die Tastatur, im Hintergrund versucht der kleine Lord Fauntleroy endlich seinen Großvater dazu zu überredet, das Armenviertel in Stand zu setzen.
 

"Da brat mir einer n Storch,

und die Beine recht knusprig.

Da brat mir einer n Storch,

und die Beine recht knuspri - hä?
 

Wir haben die Hände in den Taschen.

Wir haben die Taschen voller Geld.

Sind gut gekämmt und frisch gewaschen,

weil das den Damen so gefällt."

(Die Ärzte - Hände Innen)

5.Dezember

5. Dezember
 

Mmmh. Das ist Farins erster Gedanke und gleichzeitig sein erstes Wort am nächsten Morgen. Kein „lecker“ Mmmh, sondern ein „angenehm“ Mmmh. Die Decke reicht diesmal sogar über die Füße, es ist herrlich kuschelig warm und Farin wacht ganz, ganz langsam auf und ist tatsächlich sogar ausgeschlafen.
 

Das Gefühl, etwas geschafft zu haben, das er immer hat, nachdem er Songtexte geschrieben hat, hält noch an und führt beinahe dazu, dass Farin sich auf die andere Seite dreht, seine Wange ins Kissen gräbt und die Beine anzieht, bis er halb zusammengerollt liegt.
 

Beinahe.
 

Farin ist schließlich nicht Bela.
 

Deshalb steht er schließlich auch auf, hastet auf Zehenspitzen, um die Kälte nicht in seine mollig warmen Zehen zu lassen, zur Dusche, und stellt, als er beim Spiegel vorbeikommt, das dämliche Grinsen ein, weil es irgendwie nach Psychopath aussieht.
 

Die gute Laune lässt sich weniger leicht vertreiben.
 

Farin schiebt es darauf, dass er ein Morgenmensch ist, als er beim Frühstück feststellt, dass er sich beinahe auf das heutige Päckchen freut. Und ein kleines bisschen neugierig ist.
 

Dementsprechend schnell ist er auf den Beinen, als es klingelt, nur die Teetasse lässt er ein wenig widerwillig aus den Händen. Seine Finger sind viel zu lang und viel zu dünn und es ist viel zu kalt. Er sollte mal die Heizung aufdrehen.
 

Farin öffnet rasch die Tür, schleift das draußen stehende Paket samt neongelbem Zettelchen in den Flur und schließt die Kälte wieder aus, ehe er dazu kommt, das Gekrakel zu lesen.
 

"Fünfter Befehl: Dekoriere dein Haus!"
 

An sich nichts Schlimmes. Immerhin ist Weihnachten und dieses ganze Theater soll eine Art Adventskalender darstellen. Ein bisschen Dekoration könnte seinem Haus sicherlich nicht schaden. Das einzige Problem an der ganzen Sache ist, dass Farin Bela nur allzu gut kennt. Und dessen Hang zur Übertreibung.
 

Als er sich, bewaffnet mit einer Schere, die er geschwind aus der Küche geklaubt hat, daran macht, vorsichtig das Paket zu öffnen, offenbart sich ihm dann auch das gesamte Maß dieser Übertreibung. Dutzende von (natürlich verhedderten) Lichterketten, ein Plastik Weihnachtsmann sowie Rudolph, Unmengen von Kunstschnee aus Dosen (als hätten sie davon selbst nicht bald genug) und der obligatorische Türkranz, es ist wirklich an alles gedacht. In der kitschigsten Form, die man sich nur vorstellen kann.
 

Die schwere Last ins Wohnzimmer schleifend (zumindest sollte die Heizung dort schon mit ihrer vollen Kraft arbeiten und wenn nicht gibt es noch immer einen ordentlichen Deckenberg), macht sich Farin daran seinen Auftrag genauer unter die Lupe zu nehmen. Sich selbst fragend, ob er es mit all den kleinen Glühlampen schaffen würde, aus seiner Einfahrt einen Flugzeuglandebahn zu basteln, fängt er auch schon wie automatisch an, die Knoten aus der Lichterkette zu wimmeln und kleine Schleifchen, die am Kranz aufgrund des Transportes aufgegangen sind, wieder zusammenzubinden.
 

Es ist eine Aufgabe. Das muss Farin sich eingestehen. Doch wohl anders, als es sich Bela gedacht hat. Farin hätte sein Haus so oder so noch dekoriert. Denn egal, wie sehr er flucht, diese unsägliche Jahreszeit hier verbringen zu müssen, mit all ihrem Schnee, Matsch und schaurigen Temperaturen, ein Scrooge ist er deswegen lange noch nicht. Ganz davon abgesehen, dass auch kein kleiner Timmy in der Nähe zu sein scheint.
 

Das eigentlich Knifflige an diesem “Türchen” ist die Frage, wie er aus dieser gewaltigen Ansammlung blickender Kurzschlussverursacher und krebserzeugender Plastikhaufen aus China, etwas zaubert, das man halbwegs als geschmackvoll bezeichnen kann.
 

Aber Farin hat ja schon immer die Herausforderung geliebt.
 

Deshalb entwirrt er mit schier unendlicher Geduld die völlig verhedderten Lichterketten. Irgendwie beruhigt ihn diese eintönige Tätigkeit. Knoten für Knoten verschwindet aus den Ketten. Dabei sind Farins Gedanken weit weg, alles, was er wahrnimmt, sind die kleinen Birnchen.

Als endgültig jeder Knoten beseitigt ist, kommt es Farin vor, als wenn gerade einmal fünf Minuten vergangen sind.

In Wirklichkeit hatte er Unmengen von Zeit mit dieser stumpfen Beschäftigung vergeudet.
 

Seufzend erhebt sich Farin vom Sofa. Jetzt beginnt der schwierige Teil. Die Lichterketten hinter sich herschleifend, sucht er mit geübtem Blick nach einem geeigneten Platz.

Dummerweise passen die bunt blinkende Ungetüme absolut nicht in das aufgeräumte Weiß seines Wohnzimmers.
 

Genauer gesagt, passen sie auch nicht in seine restliche Wohnung. Stil, Ordnung und Ruhe strahlt sie aus. Da ist kein Platz für Weihnachten.
 

Kurzerhand übermannt Farin eine seiner Meinung nach geniale Idee. Immer noch mit den Lichterketten im Schlepptau stolpert er eher als dass er läuft aus seinem Wohnzimmer Richtung Haustür. Fluchend zieht er sich seine Schuhe an, das Monster von Weihnachtsdeko nimmt ihm seine Bewegungsfreiheit.
 

Mit dem Fuß tritt Farin die Türe auf, unsanft wirft er die Lichterketten vor den nächsten Busch. Dann macht er sich daran, all den anderen hässlichen Kitsch hinaus zu bringen.
 

Vor dem Busch türmt sich nun nach und nach eine Ansammlung auf, mit der man schon einen ordentlichen Dekoladen eröffnen könnte. Zum Schluss hievt Farin eine Kabeltrommel die Kellertreppe hoch in seinen Vorgarten.
 

Schwitzend macht Farin sich an die eigentliche Arbeit. Die Lichterketten werden liebevoll über die Büsche und den Zaun drapiert, der Plastik Weihnachtsmann begrüßt nun jeden an eben diesem, direkt daneben blinkt Rudolph das Rentier. Der Kunstschnee wird kurzerhand über den kompletten Vorgarten verteilt. Auch wenn dies eher nach Puderzucker als nach Schnee aussieht.

Das große Finale bildet der riesige Türkranz an der Haustür. Als Farin den Strom anstellt, gleicht sein Garten wirklich einer Landebahn für Flugzeuge oder wahlweise einem UFO-Landeplatz.
 

Es sieht einfach nur schrecklich aus. Schrecklicher als in jedem amerikanischen Weihnachtsfilm.

Trotzdem ist Farin hochzufrieden.
 

Bis Silvester wird kein einziges, nerviges Fangirlie mehr vor seiner Tür stehen.

6.Dezember

6. Dezember
 

"I'm dreaming of a white Christmas

Just like the ones I used to know..."
 

"Let it snow, let it snow, let it snow..."
 

Farin müsste es eigentlich wissen. Aber er ist ja schon immer mehr der Kopfmensch gewesen. Jegliche Spiritualität verbannend, wie der Papst den Abort, die Rationalität auf ein Podest stellend, höher noch als das, was irgendwo dort oben an der Decke als sein Ego rumschwirrt.
 

Dieses eine Mal wäre es wirklich besser, würde er auf sein Unterbewusstsein hören. Aber nein. Der werte Herr Urlaub muss ja der Logik in seinem Kopf folgen, die Traumfetzen, die gespickt sind mit runden, stets unterschiedlichen Schneeflocken und untermalt von den schönsten Weihnachtsliedern, wegscheuchen wie lästige Fliegen. Ja, würde er es lieber besser lassen. Denn als Farin die Augen öffnet, meint er zuerst, blind geworden zu sein.
 

Weiß.
 

Weiß.
 

Weiß.
 

Erst als er seinen Blick vom Fenster nimmt, zu Wischmopp schaut, dessen Platz inzwischen wieder an seinem Fußende ist, weiß er, dass er durchaus noch in der Lage ist, seine Welt optisch wahrzunehmen. Und dass der schlimmste von allen Fällen eingetreten ist.
 

Schnee. Und das zuhauf.
 

Bibbernd, obwohl ihm noch gar nicht kalt ist, dreht der Gitarrist sich auf die andere Seite, nicht gewillt, auch nur einen Fuß heute vor die Tür zu setzen. Natürlich klingelt es ausgerechnet in diesem Moment an der Tür, wie sollte es auch anders sein? Sich die Decke über den Kopf ziehend, lässt Farin Bela Bela sein, übt sich in jahrzehntelang antrainierter Ignoranz gegenüber dem Drummer. Der würde schon aufgeben. Bei diesem Wetter sogar eher früher als später.
 

Die ersten fünf Minuten klappt das auch hervorragend. Die weichen Daunen des Kissens dämpfen das schrille Läuten der Türklingel wunderbar. Irgendwann aber scheint sich dieses durchdringende Geräusch durch den Stoff zu arbeiten, wie ein abgerichteter Schwarm Killerbienen Farins Ohren anzuvisieren. Den Schlagzeuger und seine ungewohnte Ausdauer (aber das passiert vielleicht, wenn man weiter keine Hobbys hat oder mit diesen nicht erfolgreich ist) verfluchend, richtet sich der Blonde dann doch schließlich auf, schlurft über seinen Flur, in den Ohren das Klingeln und von irgendwoher auch den Todesmarsch. Das Türgeläute stoppt genau in dem Augenblick, in dem Farin die Klinke herunterdrückt und entweder er wird wirklich alt und braucht für die kleinsten motorischen Aufgaben schon Stunden oder Bela hat sich Flügel implantieren lassen (der alte Angeber, der), denn als er die Tür öffnet, ist vom Drummer nichts zu sehen.
 

Dafür blendet ihn erst einmal das strahlende Weiß dieses ach so schönen Wintermorgens und er muss beinah die Augen zusammenkneifen, um über all diesem wunderehrlichen Schneetreiben sein Türchen auf der Fußmatte auszumachen. Dieses Mal ist es ein Korb. Bei näherer Betrachtung, die Farin natürlich im Inneren des Hauses durchführt, schön warm und trocken, kommt eine kleine Thermoskanne, eine warme Decke, in deren Innenseite eine Isofolie eingenäht ist, ein Buch und eine Nikolausmütze zum Vorschein. Als Farin diese auf den Kopf dreht, fällt ein klein zusammengefalteter Stadtplan, ein Ticket sowie der Zettel heraus.
 

"Sechster Befehl: Statte deinem Baumhaus mal wieder einen Besuch ab!"
 

Zuerst hebt sich nur eine Augenbraue Farins. Dann verzieht sich sein rechter Mundwinkel nach unten, dem nur allzubald der linke folgt. Er würde nie, nie, niemals diesem Schwachsinn Folge leisten. Nicht nur, dass draußen der schlimmste Wintereinbrauch seit Jahren tobt, er hat auch nicht wirklich Lust auf seine alte Heimat. Nicht umsonst wohnt er ganz weit am Rand von Berlin, fast außerhalb, fernab von jeglichem Trubel der Großstadt.
 

Bela soll sich gefälligst, wenn er schon an diesem idiotischen Adventskalender festhält, halbwegs vernünftige Aufgaben ausdenken. Da würde Farin ja wirklich lieber von oben bis unten Belas Haus schrubben.
 

Ohne dass Farin es selbst merkt, führt ihn sein Weg zum Schlafzimmer wo er sich gedankenverloren umzieht, schwarze Socken, schwarze Hose, schwarzer Pulli. Ja selbst die Unterwäsche in der gleichen Farbe. Perfekt für jede Beerdigung. Selbst als er sich auf dem Flur die dicke Daunenjacke (na, na, welche Farbe wohl?!) anzieht, denkt er sich nichts dabei. Viel zu sehr ist er mit seinem mentalen Boykott beschäftigt und damit, Verwünschungen der übelsten Sorte gegen Bela zu schicken.
 

Erst als der Gitarrist mit dem Korb in der Hand vor der Eingangstür steht, sich schon die ersten Schneeflocken in seinen Haaren einnisten und der Atem weiß vor seinem Gesicht tanzt, blinzelt er ein zwei Mal, als würde er aus einem langen Traum erwachen.
 

Kurz schüttelt er kurz den Kopf und zuckt dabei mit den Schultern, was dann doch ziemlich dämlich aussieht. Wenn er schon draußen war, konnte er ja dann doch diesen dämlichen Befehl befolgen und Bela beweisen, dass er nicht kleinbeigeben wird. Mit klammen Fingern zieht er die Wegbeschreibung aus dem Korb, die lachende Stimme des Drummers in seinem Kopf ignorierend.
 

*
 

Frustriert starrt Farin auf den Fahrplan vor sich, ein wenig wie ein zu groß geratenes, düsteres Rotkäppchen, so mit dem Korb in der Armbeuge. Hinter ihm liegt schon eine halbe Odyssee durch Berlin und nun ist er endlich an der Osloerstraße, seinem letzten Umsteigepunkt angekommen. Und auch wenn Farin es vor der Fahrt nach Frohnau graust, die noch mal über eineinhalb Stunden in Anspruch nehmen wird, irgendwie kann er sich des Gefühls der Nostalgie nicht erwehren. Und dem, dass genau das Belas Absicht war.
 

Grummelnd lässt der Gitarrist einer viel zu aufgetakelten Dame Platz, die mit wichtigtuerischer Miene immer wieder auf ihre Uhr guckt, verfolgt das sanfte Wiegen der Schneeflocken, die unschuldig weiß vom Himmel fallen, um dann ihr Ende als grauen Matsch auf Großstadtbeton zu finden. Irgendwie auch kein schönes Schicksal. Eben jener graue Matsch wird von quietschenden großen Reifen gegen Farins Hose gespritzt. Einmal mehr an diesem Tag fluchend, sieht er auf und entdeckt einen Bus der Linie TXL. Zwar nicht die Linie die er eigentlich nehmen muss, trotzdem kribbelt es in seinen Füßen. Er könnte diesen dummen Korb einfach stehen lassen, in den Bus steigen und nach Tegel fahren. Mit seiner Kreditkarte, die er genau wie seinen Reisepass immer dabei hat, wäre es so einfach sich in den nächsten Flieger Richtung Sonne zu setzen. Aber dann ist da wieder diese kleine Stimme in ihm, irgendwo in Herznähe, die ungewöhnlich tief für Farin ist und eher nach Bela klingt und als er es dann endlich geschafft hat, diese mundtot zu machen, ist der Bus auch schon abgefahren.
 

Dann eben weiter dem Schneerauschen zusehen. Ist ja eigentlich auch ganz hübsch.
 

*
 

Eine Station vor der Endhaltestelle ist der Bus wie ausgestorben. Keine Menschenseele befindet sich mehr darin, Farin fühlt sich leicht unwohl. Der Busfahrer beachtet ihn gar nicht, sondern starrt stur auf die Straße. Besser bei diesem Wetter. Farin klammert sich krampfhaft an die Haltestange, unsicher.

"Invalidensiedlung", vertönt eine aufdringliche Stimme die Haltestelle.
 

Eigentlich möchte er die mollige Wärme des Busses gar nicht verlassen. Aber irgendwo in ihm regt sich die Neugierde. Eine wirkliche Wahl hat er eh nicht, da der Fahrer ihn gleich galant aus dem Bus werfen würde. Das haben Endhaltestelle so an sich.
 

Deshalb tritt Farin hinaus in die klirrende Kälte und fragt sich zuerst, ob er tatsächlich noch in Berlin ist. Das Szenario erinnert mehr an einen Märchenwald. Dicht an dicht drängen sich die Bäume gen wolkenverhangenen Himmel. Der Schnee treibt unbeirrt weiter durch die Luft, vor Farin liegt ein kleiner geschlängelter Weg mitten in den Wald hinein.

Seufzend zieht er Belas gewohnt krakelige Wegbeschreibung aus der Tasche. Tatsächlich scheint es nicht mehr weit zu sein. Außerdem bemerkt Farin, dass ihm trotz der dichten Schneedecke alles extrem vertraut ist. Ohne den weißen Mantel hätte er wahrscheinlich jedes Steinchen erkannt und auf jede Wegbeschreibung verzichten können.
 

Farin stapft den kleinen Weg hinein in das dunkle Dickicht. Eine beruhigende Stille liegt über dem Wald, jeder Schritt Farins wird durch den Schnee gedämpft. Nach einiger Zeit verlässt er den kleinen Pfad und versinkt bis zu den Waden in Eiseskälte. Leise fluchend macht er große, schlaksige Bewegungen, um voranzukommen.

Glücklicherweise verirrt sich selbst der hartgesottenste Hundebesitzer seltener hierher und niemand beobachtet die bizarre Vorstellung.
 

Leicht außer Atem steht er schlussendlich vor einer großen Leiter aus Metall. Die ist damals definitiv nicht hier gewesen. Als er den Kopf in den Nacken legt, sieht er die ihm vertraute Gabelung des kahlen Baumes. Dort sind nur ein paar einsame Bretter geblieben, die Natur hatte sich ihr Revier zurückerobert. Farin sieht trotzdem das alte Baumhaus, sekündlich wird die Erinnerung klarer.
 

Mittlerweile nur noch neugierig und nicht mehr durch gewisse Schlagzeuger extrem genervt, klettert Farin rasch die Leiter hinauf und hockt sich zwischen die Astgabeln. Immer noch genauso bequem wie früher, die raue Rinde spürt er selbst unter den behandschuhten Fingern. Leicht bibbernd breitet er die Decke aus seinem heutigen Türchen über sich aus, greift zu der Thermoskanne und gießt sich eine Tasse des noch unbekannten Getränks ein.

Aufgrund des Geruchs stellt sich dies aber schnell heraus, handelt es sich um Pfefferminztee.
 

Moment. Irgendetwas ist da noch gewesen. Einen Blick in den Korb später, weiß Farin es wieder.

Das Buch. Das sicherlich interessanteste in diesem Korb hat er noch keines Blickes gewürdigt. Es überrascht ihn selbst.

Neugierig schnappt Farin sich das Buch und muss unbewusst grinsen.

Alice im Wunderland.
 

Farin kuschelt sich in die warme Decke, nimmt einen Schluck Tee und taucht ein in die Welt von Alice. Um ihn herum wird das Schneetreiben dichter und dichter, doch seit der weiße Hase mit zu wenig Zeit ihn abgeholt hat, nimmt er absolut nichts mehr wahr. Wie ein Verdurstender liest er Seite um Seite, grinst dabei manchmal oder atmet scharf ein. Er liebt dieses Buch. Die Illusion. Seine Umgebung ist nicht mehr wichtig. Erst wenn das letzte Wort gelesen ist, kehrt er zurück. Statt einem Wunderland der weiß-graue Wald mitten in Frohnau. Ein schlechter Tausch. Farin ermahnt sich gedanklich zum langsamen Lesen.
 

*
 

Es dämmert, die Flocken kommen noch schneller vom Himmel. Der Wind pfeift durch die kahlen Baumkronen, heult sein Lied in die bald beginnende Nacht. Als Bela durch die makellose Schneedecke stapft, versinkt er einige Mal tief. In der Hand hält er sicherheitshalber eine Taschenlampe, da bald die Dunkelheit den Wald wie Tinte durchtränkt. Ächzend legt er seinen Kopf in den Nacken und erkennt eine große Gestalt auf dem Baum vor ihm.

Es ist so klar gewesen. Bela weiß, warum er Farin sich nicht selber überlassen hat. Bücher und Farin sind eine gefährliche Kombination, wenn er sich nicht in einem geschützten Umfeld befindet.
 

"FARIN!"

Zuerst keine Reaktion. Gut eine Minute später kommt ein leises: "Bela?" aus der Astgabelung. Der Schlagzeuger hört das deutliche Zähneklappern nur zu gut.

"Ich würde mal sagen, wir gehen mal langsam zu meinem Auto..."

"Schon so spät?"

Als Antwort folgt nur ein Seufzen.
 

Farin erwacht langsam und registriert die bald beginnende Nacht und das dichte Spiel der Schneeflocken.

"Irgendwie ist das doch ganz schön...", Farin wollte den Satz nur denken, spricht ihn aber doch laut aus.

Das strahlende Weiß in Verbindung mit der schwarzen Nacht hat Charme. Auf seine eigene Art und Weise.

"Mhm?", brummelt Bela von unten.

"Der Schnee."

"Du hast doch schon nen Kälteschock."

"Jaja, ich komm schon runter."
 

*
 

Leicht panisch starrt Bela auf Farin.

"Deine Lippen sind blau und du siehst aus wie der Tod höchstpersönlich", sagt er trocken, doch der besorgte Unterton schwingt mit.

Farin winkt mit einer Hand ab und stapft still neben Bela her, der die Richtung vorgibt. Dass ihm in Wirklichkeit mehr als nur eiskalt ist verschweigt Farin einfach.

Plötzlich wird seine eisige Hand genommen und in die Hand des Schlagzeugers gepresst. Die ebenso behandschuhten Handflächen sind viel zu warm, als dass Farin sich dagegen zur Wehr setzen würde.

Hand in Hand, ein ziemlich bizarrer Anblick, stiefeln sie weiter Richtung Zivilisation.
 

*
 

Draußen vor Farins Fenster toben immer noch Schneeflocken. Doch irgendwie scheint sein morgendlicher Hass auf das Weiß zu verfliegen. Viel mehr hypnotisiert ihn das Gewusel vor seinem Schlafzimmerfenster so, dass er ohne Probleme in einen tiefen, traumlosen Schlaf fällt. Vielleicht ist Winter doch gar nicht so übel, wie Farin immer dachte.

Wenn auch kalt.

7.Dezember

7.Dezember
 

Das Erste, was Farin an diesem Morgen wirklich wahrnimmt, sind Kälte und Nässe.

Hustend wischt er sich über das schneeverschmierte Gesicht. Als sein Blickfeld wieder klarer wird, erkennt er den Übeltäter.
 

Grüne Augen blitzen unter den verwuschelten schwarzen Haaren hervor. Die Haare schimmern im ersten Morgenlicht, da es kontinuierlich weiter schneit. Der frischgefallene Schnee schmilzt sofort. Wie kleine Perlen liegt er auf den Strähnen seines Freundes.
 

„Gitarristen haben einfach keine angeborenen Reflexe“, feixt der Schlagzeuger.

„Du Wichser.“ Es klingt nicht wie eine Beleidigung. Eher wie eine Feststellung.
 

Grinsend schaufelt Bela erneut weichen Schnee in seine Hände und formt eine Kugel. Diese ähnelt zwar mehr einem Golem, scheint aber für den Zweck ausreichend zu sein.
 

„Schau mal auf dein T-Shirt.“

„Da fall ich jetzt nicht drauf rein.“
 

Bela öffnet seine Hände und lässt die unförmige Kugel zurück in die weiße Landschaft plumpsen. Waffenstillstand.

Farin wiegt sich in seiner Sicherheit und schaut auf sein Shirt. Wieder einmal weiß er nicht, ob er lachen oder weinen soll.
 

Ein pinkes, noch halb zusammengefaltetes Zettelchen begrüßt ihn. Rasch klaubt er den Zettel von seinem Oberteil. Auch wenn er sich den Inhalt denken kann. Mit wasserfestem Edding geschrieben verkündet er:
 

„Siebter Befehl: Stürze dich in eine Schneeballschlacht mit mir!“
 

„Du hast noch eine Minute Zeit, dich anzuziehen.“, grinst Bela weiter und sieht auf die verlockende weiße Pracht vor seinen Füßen.
 

Eigentlich ist es unter Farins Würde, dieser Kinderei nachzugeben, zumal der Befehl auf eine gewisse Weise so rüde wie noch nie erfolgt ist. Aber allein die Vorstellung von einem Bela, der röchelnd und bibbernd im Schnee liegt, sich dabei vielleicht sogar eine Erkältung einfängt und dann seinen idotischen Weihnachtskalender nicht weiterführen kann, fegt alle Bedenken fort. Ein fast schon sardonisches Lächeln umspielt Farins Lippen, die Warnung wird so leise ausgesprochen, dass er sich nicht ganz sicher ist, ob Bela sie auch versteht. Egal.
 

„Rache für sechs seltsame Tage.“
 

Rasch zieht er sich seine Jacke an und schlüpft in seine Schuhe. Lauernd starrt er auf Bela, der seinen Blick durch die Landschaft schweifen lässt. In einem Moment, in dem er völlig unbeobachtet ist, schlägt er zu.
 

Blitzschnell schaufelt auch er eine Portion Schnee in seine Hände und schleudert sie direkt auf den Schlagzeuger. Volltreffer.

Genau wie er vor wenigen Minuten hustet Bela sich jetzt auch die Seele aus dem Leib und sieht nur noch die Hälfte seiner Umgebung.

Rache ist süß.
 

Nur Sekunden später tobt eine Schneeballschlacht mit schon fast epischem Ausmaß. Treffer folgt auf Treffer, der Schnee saust durch die Luft. Währendessen schneit es weiter, die kleinen weißen Flocken tanzen mit ihren Schneebällen durch den klaren Wintermorgen.

Beide kämpfen auf Entfernung, haben damit aber nur mäßigen Erfolg. Farin grübelt schon eine ganze Weile, wie er einen Durchbruch nach vorne erzielen könnte.
 

Der kleine schwarzhaarige Schneeteufel ist nämlich erstaunlich flink und duckt sich wo er nur kann. Während Farin in das Schmieden seines ultimativen Schlachtplans vertieft ist, bemerkt er gar nicht wie der Schneeteufel zur Schneekatze mutiert.
 

Lautlos schleicht der Schlagzeuger seitlich zu dem Gitarristen heran. Ebenso lautlos nimmt er eine Unmenge von dem Pulverschnee in beide Hände. Dann geht alles wieder erstaunlich schnell.
 

Bela macht einen Satz nach vorne zu seiner Beute, schiebt dessen Jacke und T-Shirt hoch. Jetzt zögert er für einen Bruchteil einer Sekunde, der helle ungeschützte Bauch sieht irgendwie ganz besonders verlockend aus.
 

Dummerweise zögert er eine Winzigkeit zu lange. Dumpf schlägt Bela auf den Boden, landet auf dem Rücken. Er wird aber von der Schneedecke gut abgefangen.

Farin hat eine Hand auf seine Brust gelegt. Unter seinen mittlerweile eiskalten Fingern spürt er das Herz des Schlagzeugers unregelmäßig und schnell pochen.

Ein seltsames, aber doch sehr angenehmes Gefühl.
 

„Einigen wir uns auf unentschieden?“ Bela sieht ihn mit seinem besten Tiere-suchen-ein-Zuhause-Blick an.

„Davon träumst du nachts.“
 

Langsam nimmt er die Hand von dem Schlagzeuger, richtet seine Kleidung und starrt in das immer dichter werdende Schneetreiben.
 

„Seltsam,dass ich mich jetzt schon zu infantilen Schneeballschlachten herablasse“

„Uh, der König der Fremdwörter.“
 

Farin sagt nichts darauf und sieht auf Bela, der immer noch im Schnee liegt.

„Was findest du an Weihnachten so besonders?“ Eine Frage, die der Gitarrist ohne nachzudenken stellt. Sie geistert schon seit längerem durch seine Gedanken.
 

„Weihnachten...“, murmelt Bela.
 

„Es ist ne schöne Zeit. Man kann wieder Kind sein... Ich darf mich im Schnee wälzen, Plätzchenteig roh essen, mich über die Bescherung freuen. Da brauch ich keine Erklärung. Es ist Weihnachtszeit. Allein diese ganzen Gerüche, die Erinnerungen an früher...“ Bela bricht ab. Seine Augen leuchten hellgrün vor Begeisterung.
 

Irgendwie auch schon wieder süß, denkt Farin. Schnell ermahnt er sich in Gedanken, dass er schon wieder das böse S-Wort benutzt. Wenn es auch nur in seinem Kopf ist. Wobei Bela nicht nur zur Weihnachtszeit so ist. Er war schon immer der Peter Pan der Band.

Einem Impuls folgend lässt er sich neben den Schlagzeuger in den Schnee fallen.
 

„Ich kann der Sache nicht so viel abgewinnen. Es ist zu erzwungen.“
 

„Mhm.“
 

Bela scheint immer noch völlig in seinen Überlegungen vertieft, dabei fängt er an, seine Arme und Beine auf und ab zu bewegen.
 

„Das ist jetzt nicht dein Ernst.“
 

Leicht lächelnd steht Bela auf und sieht sich sein Werk an. Danach sieht er auffordernd seinen Freund an.
 

„Nein.“
 

Das Lächeln wird noch honigsüßer.

Der zähflüssige Honig scheint Farins Verstand zu lähmen und langsam in der Süße zu ertränken. Er kann der Versuchung nicht mehr widerstehen. Dafür würde er vielleicht noch so ein Lächeln gewinnen. Farin kann zwar perfekt mit 52 Zähnen grinsen, aber perfekt lächeln kann nur Bela.
 

Gespielt seufzend wiederholt er Belas Gestik in der weißen Pracht. Als er sich auch aus dem Schnee erhebt, sieht er auf einen Hünen von Schneeengel.
 

Der Schlagzeuger lächelt.
 

„Lass uns reingehen, es wird kalt.“
 

Bela legt leicht zögerlich seinen Arm um Farins Schulter. Zusammen laufen sie zurück zu dem Haus des Gitarristen.
 

Zurück bleiben ein kleiner und ein großer Schneeengel, die von den weißen Flocken jedoch rasch wieder verdeckt werden.

8.Dezember

8. Dezember
 

Der Mensch ist ein Gewohnheitstier.
 

Grund genug, dass der Weg zur Haustür schon einen festen Platz in Farins Morgenroutine hat. Das es vielleicht ein winziger Funken Vorfreude auf das nächste Türchen und die somit verbundene Aufgabe ist, dass wird vom die Gitarristen von vornherein komplett ausgeschlossen. Wobei ja bekanntlich schon die Ahnung des Gedanken reicht, um den Verdacht zu wecken.

Aber gerade im Moment ist Farin nur müde und, er gibt es gerne zu, auch ein wenig zu faul, um über solche Haarspalterei zu sinnieren.
 

Deswegen entlockt ihm das schon vertraute (und zu seiner Überraschung pünktliche, vielleicht lernt Bela es ja doch noch irgendwann) Läuten nicht mehr als ein Gähnen und ein wenig verschlafen öffnet er die Tür, nur um wieder einen Korb davor zu finden. Die muss es wohl auch im Sonderangebot gegeben haben oder der Drummer hat ihm sein neustes Hobby verschwiegen. Was eigentlich bei ihrem nächsten Treffen den ein oder anderen Spruch wert wäre, aber selbst dazu sind Farins graue Zellen noch nicht wach genug, weshalb er sich den Korb greift und erst mal wieder zur Küche wankt, sich einen extra starken schwarze Tee machend. Halbe Tage im Schnee zu verbringen, selbst wenn man dick eingepackt ist, gehörte eben doch nicht zu den gesündesten Sachen.
 

Und so hat er auch nur ein halbes Auge, für den bunten Zettel, der, dieses mal nicht dran geklebt, sondern fein säuberlich mit einer Schleife an den Korb gebunden wurde. Als die Information jedoch irgendwann, mit einer viel zu langen Reaktionszeit, sein Gehirn erreicht, ist Farin versucht, den Schluck den er gerade im Mund hat über seine ganze schön polierte Küchenzeile zu verteilen. Allein sein Ordnungssinn siegt über den Reflex der gerechten Empörung und beschert ihm erst einmal einen gewaltigen Hustenanfall. Passiert wenn Tee Luft- mit Speiseröhre verwechselt.

Erst eine gefühlte Ewigkeit später, kann Farin sich wieder dem Zettel zuwenden. Und sich fragen ob Bela nicht unter die Hausmütterchen gegangen ist. Zumindest würde es zu dem Befehl passen.
 

"Achter Befehl: Stricke dir einen Schal!"
 

Zumindest die Farbe ist ertragbar. Ist Bela doch so klug gewesen, nichts anderes außer schwarze Wolle in den Korb zu legen. Etwas anderes hätte Farin wohl auch gar nicht erst angefasst. So aber, kann er nicht umhin einen prüfenden Blick auf den Inhalt zu werfen und nach einem ebenfalls prüfenden Griff festzustellen, dass die Wolle wirklich ziemlich weich ist. Außerdem wäre so ein Schal sicherlich nicht das schlechteste bei diesen Temperaturen und sein Hals kratzt nach dieser vermaledeiten Schneeballschlacht ohnehin schon die ganze Zeit.
 

Bleibt nur noch die Frage der Herstellung zu klären.
 

Denn auch wenn sich Farin manches mal nur zu gerne als unfehlbar hinstellt (und er hatte verdammt noch mal das Recht dazu, zu 90% ist er eben perfekt), bei Dingen, die das Geschick der Finger erfordern und nichts mit Gitarre spielen oder Verführung zu tun haben, versagt der Blonde stets auf ganzer Linie.

Die Beweise dafür prangen dank dem tollen Kastanienmännchen- Befehl von Bela, immer noch als Schrammen an seinen Händen. Er ist halt eben schon immer der Kopf der Band gewesen. Während sich Bela als der Bastler ausnimmt. Ob es sich da um besonders gewagte Outfits, einem Podest für seine Schlagzeug oder selbst gestaltete Mobiles aus Playboyschnipseln handelt.
 

Trotzdem.
 

So schwer kann das ja bitte auch nicht sein. Jede dumme Göre bekommt so einen Schal hin. Und wenn er mit zwei Stäbchen Sushi und andere Dinge essen kann, dann kann er auch mit zwei Stäbchen stricken.
 

Einmal mehr den Korb inspizierend, findet Farin noch mehr Wolle, eine Schere und eine Anleitung, die im Schritt für Schritt und mit Bildern, den Weg zu einen hübschen und vor allen Dingen ganzen Schal erklärt. Da dies alles im allen weniger kompliziert ist und Farin ja immerhin auch Abitur hat, macht er sich sofort ans Werk, die tickende Küchenuhr als stumme Zeugin seiner Bemühungen.
 

*
 

Mittlerweile weiß Farin, dass Sushi und Schal doch nur den gleichen Anfangsbuchstaben haben. Die Anleitung scheint Typ schwedisches Möbelhaus zu sein, ist absolut nicht verständlich und bringt ihn zur Weißglut. Außerdem ist es eine unglaubliche Aufgabe für die Koordination beide Stricknadeln richtig zu bewegen.

Aus lauter Frust benutzt er die beiden Nadeln jetzt nach seiner eigenen Methode und hofft auf das gewünschte Endprodukt. Eigentlich ahnt Farin ja schon, dass er am Ende höchstens ein Gebilde der modernen Kunst haben wird.
 

Doch da ist wieder diese verdammte Ehrgeiz in ihm.
 

Also „strickt“ er weiter, lauscht dem leisen Klappern der Stricknadeln und fühlt sich ein bisschen wie eine senile Omi im Altenheim. Draußen schneit es schon wieder (Oder immer noch?), die Dämmerung legt sich zudem langsam über die Landschaft.

Nicht auf seine Finger achtend rutscht Farin prompt ab und gerät an eine seiner älteren Wunden, die er auch einem gewissen Herren mit B zu verdanken hat. Leise fluchend aufgrund des pochenden Schmerzes, beschließt er seine Strickarbeit zu beenden.
 

Sollte der Schal zu kurz sein, kann man ihn ja immer noch als Putzlappen verwenden. Oder als staubfangende Deko.
 

Das Ergebnis ist jedoch schlimmer als überhaupt erwartet. Der Schal ist eigentlich ein Objekt, dass mit Löchern durchsetzt ist. Einem Schweizer Käse gleich hält Farin den Schal anklagenden in die Höhe.

Definitiv auch nicht mehr zum Putzen zu gebrauchen.
 

Farin lässt den Schal sinken und überlegt, seiner Wut über sein Versagen Luft zu machen. Innerhalb von Sekunden hat er einen gelben Block mit Klebezetteln gefunden und krakelt in seiner schönsten Sauklaue (Farin benutzt diese Sauerei einer Handschrift nur, wenn er wirklich wütend ist.):
 

"Das sind Dinge für senile Omas. Oder Schlagzeuger."
 

Zufrieden schmeißt er einfach seine komplette Ausrüstung in den Korb zurück und pappt den Zettel auf den misslungenen Strickversuch. Was für eine Genugtuung doch so eine simple Beleidigung sein kann.

Immer noch äußert zufrieden trägt Farin den Korb wieder vor seine Haustüre, damit der Schlagzeuger morgen auch etwas davon hat.
 

Jedoch ist ihm da jemand zuvorgekommen. Fein säuberlich gefaltet wartet auf Farin ein schwarzer, allem Anschein nach selbstgestrickter Schal mit einer Notiz, auf einem der altbekannten Zettel geschrieben.

Die Nachricht ist kurz, sagt aber eindeutig alles aus, was sie aussagen soll.
 

"Ich wusste es."

9.Dezember

9. Dezember
 

Als Farins Blick die weite weiße Pracht vor seinem Schlafzimmerfenster trifft, weiß er im Grunde genommen ganz genau, worauf sein heutiges Türchen hinauslaufen wird. Dafür kennt er Bela einfach zu gut. Seine perfide Art der Rache (für was auch immer) oder, um es im Originalton seines Schlagzeugers zu sagen: seine Bemühungen zur Rettung ihrer Freundschaft.
 

Es wird kalt werden.

Verdammt kalt.

Und nass.
 

Farin kann ein brummiges Schnauben nicht unterdrücken, ist kurz versucht, die Decke über seinen Kopf zu ziehen und das dumme Klingeln heute ganz bestimmt zu ignorieren. Irgendwie siegt dann aber doch seine Neugierde, die Aufregung, vielleicht auch ein klein wenig seine Freundschaft zu Bela, den er irgendwie nicht enttäuschen möchte.
 

Dass sein Beweggrund noch etwas ganz Anderes sein könnte, etwas Winziges, das sich tief in seinem Bauch eingenistet hat und dort mit jeder weiteren Aufgabe und Aufmerksamkeit Belas wächst, versucht Farin keines Gedankens zu würdigen. Schwerer gedacht als getan, doch auch das gelingt ihm dann (schließlich ist er ja immer noch Farin Urlaub, Meister aller Klassen und alles in allem perfekt) und während ihn Wischmopp vom Fußende interessiert zu beobachten scheint, zieht Farin sich an, macht sich auf den Weg in die Küche.
 

Die er nicht erreichen soll, weil es just in dem Moment, in dem er den Flur betritt, klingelt und langsam beginnt Farin zu überlegen, ob Bela ihn nicht eventuell tatsächlich verwanzt hat, sein perfektes Timing spricht zumindest eindeutig dafür. Sich selbst fragend, ob er erst seiner Teesucht frönen soll, siegt schlussendlich das noch Unbekannte vor seinem Haus. Mit einem Schwung, der wesentlich mehr Elan besitzt als zum Anfang seines Adventskalenders, reißt er die Tür auf und sieht:
 

Schrott.
 

Anders lässt sich dieser Krüppel von einem Schlitten nicht beschreiben. Die einzelnen Bretter sind am Rand schon abgewetzt und splittern, die Kordel, welche eigentlich zum Ziehen gedacht ist, scheint bei dem kleinsten Ruck zu reißen. Eine dunkle Ahnung beschleicht Farin und mit einem Zittern, das sicher nicht von dem kalten Wind stammt der an seiner Kleidung zerrt, geht er in die Hocke, besieht sich den heutigen Klebezettel.
 

"Neunter Befehl: Gehe Schlitten fahren!"
 

Am liebsten würde Farin sich auf dem Absatz umdrehen, zurück in die wohlige Wärme des Hauses. Doch irgendetwas hindert ihn daran, den Befehl nicht auszuüben. Dieses Mal ist es aber nicht sein Stolz, sein absoluter Ehrgeiz zu gewinnen. Farin weiß ganz genau, was es ist, doch er traut sich nicht, diesem Etwas in ihm mit Worten Kontur zu geben.
 

Deshalb huscht Farin auch erst einmal zurück in seine Wohnung, packt sich für eine Nordpolarexpedition ein und greift noch ohne darüber nachzudenken Wischmopp. Ziemlich perplex starrt er auf den Teddy in seiner Hand, ist der Griff doch völlig automatisiert geschehen. Sein merkwürdiges Bauchgefühl wird gefüttert und erfreut sich an der reichhaltigen Mahlzeit.
 

*
 

Farin schleift den Schlitten bedächtig hinter sich her, achtet penibel darauf, nicht beobachtet zu werden. Die Blöße muss er sich nun wirklich nicht geben, selbst für den Schlagzeuger nicht. Sein Ziel ist schon in Sichtweite, der kleine Berg ist über und über mit Schnee bedeckt.

Mit schwerer werdendem Atem zieht er den Schlitten vorbei an der stillgelegten Jägerhütte am Fuß des kleinen Berges, stetig hinauf.
 

Da der Berg aber eher die Bezeichnung Hügel verdient (Farin Urlaub ist nicht nur perfekt, sondern übertreibt auch gerne. Eine kleine Schlange wird bei seinen Urlaubsanekdoten auch schon mal zur Boa Constrictor) ist der Aufstieg schnell hinter sich gebracht. Kurz sieht er sich um, sucht etwas in der eintönigen Landschaft zwischen all dem Weiß. Fündig wird er nicht, nirgendwo blitzt eine schwarze Haarsträhne auf, ein schelmisches Lächeln oder das strahlende Grün seiner Augen.
 

Es dauert seine Zeit, bis Farin realisiert, dass er Bela vermisst. Er kann seinen besten Freund nicht vermissen, wenn er ihn vor zwei Tagen das letzte Mal gesehen hat. Technisch unmöglich, das ist doch keine Zeitspanne. Aber er vermisst ihn, das Etwas in seinem Bauch scheint zu schreien. Lauthals kräht es vier bestimmte Buchstaben in die eisige Winterluft.
 

Farin antwortet in Gedanken mit einem schlichten Nein. Je mehr er dieses Monster füttert, desto schlimmer wird es werden. Um sich von sich selber abzulenken, greift er sich den Schlitten und begibt sich zur Abfahrt. Auf dem Selbstmordgerät thront Wischmopp, wie der König der Welt.
 

Der Hügel scheint mittlerweile zum Mount Everest gewachsen zu sein. Lang und steil erstreckt sich vor Farin das tiefer liegende Gebiet, fast hämisch scheint die Abfahrt ihm entgegen zu grinsen.

Angst hat er natürlich keine. Wer durch die gefährlichsten Länder der Welt tourt, den stört so ein kleines Hügelchen nicht.

Trotzdem wäre es sicher besser, zu testen, ob der Schlitten nicht bei der kleinsten schnelleren Bewegung zusammenbricht.
 

Kurzerhand will Farin dem Schlitten einen kleinen Schubs geben und ihn fürs Erste nur mit dem Vampirteddy als Passagier in die Tiefe schicken.

Doch mitten in seiner Bewegung spürt er eine warme Hand auf der Schulter, die ihn einige Meter zurückzieht.
 

„Du wolltest da nicht etwas meinen Lieblingsteddy opfern?“, honigsüß lullt Farin die bekannte Stimme ein.

Er beschließt nicht zu antworten, was ihm aber eh nicht gelungen wäre. Das Monster in ihm ist nämlich scheinbar gerade Punk geworden, absolut gegen die Regierung und rebelliert in seinem Magen.
 

Neben dieser Rebellion bemerkt Farin nur halb, wie er wieder unauffällig Richtung Schlitten geschoben wird. Als er sich nur Sekunden später auf dem Gefährt wieder findet, fragt er sich ob die Demenz ihn eingeholt hat. Zwischen seinen Beinen befindet sich das eigentliche Opfer mit den angenähten Vampirzähnen.
 

Plötzlich knackt es bedrohlich, der ganze Schlitten scheint nur noch bemüht ganz zu bleiben.
 

„Bela, lass...“
 

In diesen Sekunden stößt Bela sie vom schneebedeckten Boden ab, die Abfahrt ist nicht mehr aufzuhalten. Farin schafft es gerade so, einen peinlichen Aufschrei zu unterdrücken.

Um seinen Bauch schlingen sich die Arme des Schlagzeugers, ziehen ihn ganz nah zu Bela. Die Nähe ist so angenehm, dass er von der Fahrt nur den schneidenden Wind und die Geschwindigkeit halbwegs wahrnimmt. Die Umgebung verschwimmt in einem Farbenstrudel, in dem mal wieder Weiß dominiert - Bis es einen dumpfen Aufprall gibt und ein lautes Knacken.
 

Die Augen halb geschlossenen will Farin die Funktionstüchtigkeit seiner Gliedmaßen überprüfen, kommt jedoch nicht dazu, weil ihn ein kräftiger Arm nach hinten reißt.
 

Noch ein lautes Poltern, irgendetwas splittert direkt vor ihnen in alle Einzelteile. Langsam öffnet Farin die Augen jetzt endgültig um sich einen Eindruck zu verschaffen, die Szene ist aber nur halb so schlimm wie erwartet.

Der Schlitten hat unsanft vor dem alten Jagdhaus gebremst, dabei haben scheinbar einige Holzbalken des Gerätes ihren Dienst quittiert. Ansonsten ist nichts weiter passiert, Bela und er haben allem Anschein nach nicht mehr als einen blauen Fleck.
 

Das Poltern hingegen rührt von einem Blumentopf, der auf der Fensterbank des Hauses stand und durch die Erschütterung den Weg nach unten gesucht hat. Durch die guten Reflexe Belas hat Farin nun keine schwerere Gehirnerschütterung, sondern liegt stattdessen im Schoss des Schlagzeugers.
 

Die grünen Augen fixieren ihn, das leichte Lächeln umspielt die Lippen. Aus seiner Froschperspektive wirkt Belas Lächeln noch perfekter, noch geheimnisvoller.

Es ist so ein Moment, den man gerne einfangen und luftdicht verkorken möchte, um ihn jederzeit wieder zu genießen. Damit man in den tristen Stunden trotzdem den Hauch des Lebens spüren kann.

Doch die schlechte Angewohnheit von Momenten, nämlich unwiederbringlich und dazu unglaublich schnell vorbei zu sein, besitzt auch dieser.
 

„Schlimmer als ein kleines Kind, ich werde nie irgendetwas finden, wobei du dich nicht selbst umbringst.“

„Jaja, Onkel Bela ist ja jederzeit für mich da.“
 

Ironie und Sarkasmus zerschlagen das Unbekannte in ihnen, geben die alte Sicherheit wieder zurück und lösen die aus Sekunden aufgebaute Situation auf.

10.Dezember

Danger: Ungebetat!
 

10. Dezember
 

Farin findet das er vieles ist: gut aussehend, talentiert, intelligent bis unter den Zehenspitzen (das sein Kopf noch nicht die Ausmaßen eines Fußballs angenommen hat, gehört für ihn selbst zu den sieben, Pardon, dann acht Weltwunder), kurzum er ist ein richtig klasse Typ, den man auf gar keinen Fall und unter keinen Umständen wehleidig nennen kann. Wie gesagt, ist das Farins Sicht der Dinge.
 

Sein Umfeld sieht das denn nämlich doch ein wenig anders.
 

Und das kommt sicher nicht daher, das der Gitarrist, sofern er auch nur das kleinste Anzeichen einer Erkältung bei sich ausmacht, schon mal seine Gruft mit dazugehörigen Klageweiber aussuchen geht. Ganz und gar nicht.
 

Genau aus eben diesem Nicht- Grund, hat Farin sich heute früh, als er ein leises Kratzen im Hals bemerkt hat, auch sofort entschieden den ganzen Tag im Bett zu verbringen, sich mit der Hausapotheke zu zu dröhnen und einfach nur zu leiden. Was, zugegebener Maßen, ohne Publikum nur halb so viel Spaß macht, aber wenigstens von Wischmopp bildet er sich ein, einen mitleidigen Blick zu bekommen. Ist auch das mindeste, was dieser dumme Teddy für ihn tun kann. Hat er, sein Erschaffer und diese an Kamikaze erinnernde Schlittenfahrt, doch überhaupt erst zu seinem Zustand geführt.
 

Sich tiefer ins Kissen kuschelnd, mit der Decke bis unter die Nase, will er deswegen auch gar nicht aufstehen, als irgendwann gegen halb zehn, die Tür läutet. Kann der fiese Bela sehen was er davon hat, ihn in den Schnee zu schicken. Öffnen würde Farin heute ganz bestimmt nicht. Nachher würde er noch auf dem Weg zur Tür auf dem Flur zusammenbrechen und dann wäre niemand da, der ihm helfen könnte. Nein, nein. Da bleibt er lieber im Bett und somit in der sicheren Nähe zum Telefon, falls es doch schlimmer werden sollte und er den Krankenwagen rufen muss.
 

Allein, Bela scheint andere Pläne zu haben. Und eine Menge Zeit hat er auch mitgebracht. Nach einer halbstündigen Klingelorgie, bei der Farin zumindest glaubt die Melodie von Dein Vampyr heraus zu hören (der alte Poser, der), kann der Gitarrist nicht anders, als aufzustehen. Er braucht zu dieser halben Lungenentzündung nicht auch noch Kopfschmerzen. Mit der Decke um den Schultern, per schlürfenden Schritten, schleicht er über den Flur, ein einziges Bild des Jammers.
 

Als er die Tür missmutig öffnet, macht Farin erst einmal drei Schritte rückwärts. Vielleicht hat er schon Fieber bekommen und das da vor seine Tür ist nur eine Wahnvorstellung, die sicher nicht real ist.

Das braune Schild aus Wellpappe ist aber irgendwie doch zu wirklich, wird ihm regelrecht unter die Nase geschoben.
 

"Zehnter Befehl: Lasse dich von mir gesund pflegen"
 

Die aufdringliche Botschaft wird langsam aus Farins Blickfeld entfernt, stattdessen begrüßen ihn die altbekannten grünen Augen.

Bloß nicht hineinsehen. Ein falscher Blick, ein falscher Moment und schon hat er weitaus größere Probleme als seinen sicherlich bevorstehenden Tod.
 

Farin beschließt mit der hohen Kunst der Ignoranz zu reagieren, ohne ein Wort oder einen Gesichtsausdruck schlurft er zurück Richtung Bett. Sein Gang ist schleppend, immerhin hat er jetzt einen Zuschauer und das werte Publikum möchte man nicht enttäuschen.

Kurz überlegt er, die Türe kraftvoll zuzuschlagen und Bela den Eintritt in sein Allerheiligstes aka Schlafzimmer nicht zu gewähren. Es wäre klüger, auch der Schlagzeuger hatte noch nie nur ein Fleckchen Wand hier gesehen.
 

Doch aus irgendeinem ihm nicht erschließbaren Grund lässt er die Tür sperrangelweit offen und lässt sich schwer seufzend wieder in die Decken fallen.

Natürlich handelt Bela wieder wie ein Uhrwerk, berechenbar und präzise. Egal wie leise die Schritte sind, Farin hört sie trotzdem. Eigentlich ist es ihm ja zu anstrengend, auch nur den Blick zu heben. Diese Aktion könnte zudem auch zum Zusammenbruch führen, Überanstrengung ist gerade absolut gefährlich.
 

Die Neugierde siegt, Farin fixiert seinen Freund und muss schon fast leise lachen. Bela starrt, als wenn er gerade auf dem Mond gelandet wäre und die kleinen grünen Männchen ihn begrüßen. Es scheint als wolle er jeden einzelnen kleinen Fetzen in dem Zimmer in sich aufsaugen, verarbeiten und in den Erinnerungen archivieren. All die Fotos, manchmal auch nur Bildfetzen, der Plattenspieler, sein Teddy, die Urlaubserinnerungen...
 

Der Magen des Schlagzeugers macht einen seltsamen Hüpfer, als er ein gemeinsames Foto von ihnen in der Dachschräge erkennt. Ziemlich alt, ziemlich zerknittert und somit ziemlich benutzt pappt es an der Wand und sticht zwischen jedem einzelnen Fetzen heraus, als wenn ein blinkender Leuchtpfeil aufgestellt wäre. Die Vorstellung, dass Farin sich und ihn noch kurz vor dem Einschlafen ansieht ist zu wunderschön. Wenn auch unglaublich kitschig.

Ein Lächeln huscht über Belas Lippen, so ehrlich wie lange nicht mehr.
 

In diesem kurzen Augenblicken fühlt er sich Farin wieder näher als zuvor. Endlich wieder Abseits von der Bühnenperson Farin, wieder viel näher bei Jan. Dieses Gefühl, was er sich so erhofft hat, wonach der Schlagzeuger eine regelrechte schon eher ungute Sehnsucht hatte. Das vielleicht auch nur zu diesem Adventskalender geführt hat, der Schlittenfahrt, Farins Erkältung und dieser irgendwie verfänglichen Situation, die gar nicht verfänglich sein dürfte.
 

Den Kopf schüttelnd, und dabei gekonnt Farins verwirrten Blick auf ihn übergehend, macht sich Bela an die Krankenpflege, die so einfach wie gedacht gar nicht wird. Da ist der Tee einmal zu heiß gekocht, dann hat er wieder nicht lang genug gezogen. Dort wurde das Kissen nicht richtig auf geschüttelt (Da pickst mich ja eine Feder!), später sind die extra zubereiteten Käsespießchen nicht in der richtigen Reihenfolge. (Das geht Käse, Weintraube, Käse. Nicht Weintraube, Käse, Weintraube.)
 

Irgendwann ist Bela versucht, den armen Patienten mit dem zum x-ten Mal durchlüfteten Kissen (ein wenig fühlt er sich wie Frau Holle) zu ersticken, aber dann siegt doch seine Freundschaft zu Farin. Oder auch einfach nur die schlichte Angst vor zehn Jahren Gefängnis. Wobei bei guter Führung und einem talentierten Anwalt könnten es ja auch nur sechs sein. Mit ein wenig Bakschisch sogar noch weniger...
 

So in seinen Überlegungen vertieft merkt der Schlagzeuger gar nicht wie die siebte Plage, auch genannt Farin Urlaub, in das Land der Träume entgleitet. Verwundert, da dass nun doch schneller ging als er gedacht hat, beugt sich Bela über den anscheinend so tief Schlafenden, der still und friedlich, das Bild liebster Unschuld trügt. Und irgendwie auch niedlich aussieht. Aber das hat er jetzt nicht gedacht. Genau so wenig, wie er überlegt, wie es wäre, einer der wirren Strähnen aus der Stirn des Gitarristen zu streichen.
 

Und weil er das alles gar nicht denkt und überlegt und Farin schlafend auch überhaupt nicht verführerisch wirkt, lehnt er sich noch weiter runter, den Geist auf Autopilot, das tuend, was nicht wirklich mehr in die Kategorie Krankenpflege vom besten Freund fällt.
 

Belas Lippen berühren die des Schlafenden eigentlich gar nicht wirklich. Es ist eine federleichte, aber doch so intensive Bewegung. Jeden Reiz nimmt er tausendfach verstärkt wahr, trotz der Kürze und der Zurückhaltung. Der leichte Geschmack nach Honig, vermischt mit der leicht bitteren Note der Medikamente, dazu jede einzelne Erhebung in der gereizten Haut. Langsam entfernt Bela sich wieder, steht auf, der tief und fest schlafende Farin hat nicht einmal ansatzweise irgendetwas registriert. Fast macht diese Tatsache Bela etwas traurig, Enttäuschung mischt sich in seine aufgewühlte Gefühlswelt.

11.Dezember

11.Dezember

Das Erste, was Farin am nächsten Morgen macht, ist sich räuspern, um zu schauen, ob die Pest dank Belas zugegebenermaßen hingebungsvoller Pflege jetzt endgültig in die Flucht geschlagen wurde. Ansonsten, nimmt Farin sich vor, wird er noch so einen Pflegetag verlangen. Das geht schließlich nicht an, dass Farin arbeiten muss, wenn er, von Bela verschuldet, krank ist!
 

Ist er aber nicht, wie er feststellen muss, auch bei wiederholtem Räuspern und gestelltem Husten tut sein Hals nicht mehr weh, und etwas gnädiger gestimmt von diesem Tauglichkeitsbeweis Belas in Sachen Krankenpflege schwingt er seine Füße beherzt auf den eiskalten Boden, um das Türchen zu öffnen. Fußbodenheizung fand er doch ZU spießig, als er eingezogen ist, daran erinnert er sich noch haargenau. Verdammte Punkerprinzipien. Und Puschen durfte er sich auch nie kaufen, sonst hätte er der Biographie widersprochen, in der er doch dementiert hat, dieses Wort überhaupt in seinem doch ziemlich umfangreichen Vokabular zu haben.
 

In Gedanken vor sich hin lamentierend, läuft er zu seinem Kleiderschrank und zieht erst einmal die dicksten Socken hervor, die er finden kann. Sie sind zu seinem Entsetzen rot, vielleicht hat Bela sie dort deponiert, um ihn zu ärgern, zuzutrauen wäre es ihm.
 

Aber Funktion geht über Optik, er ist schließlich kein Drummer, also zieht er die Strümpfe beherzt an. Zumindest hat er das vor, denn just in diesem Moment schellt es an der Tür.
 

Farin hüpft auf einem Fuß in den Flur, bevor er überhaupt nachdenken kann, öffnet die Tür rasch und zieht den heutigen Korb ins Haus, nicht ohne einen sichernden Blick rundum geworfen zu haben, ob nicht irgendwo eine schwarze Haarsträhne oder ein verstohlener grüner, wissender Blick zu sehen ist. Aber nein.
 

Und so starrt er auf den Korb, die Socke in der Linken, und fragt sich, warum er es eigentlich so eilig hatte, als würde das heutige Türchen kleine Beinchen ausfahren und wegrennen, wenn er nicht innerhalb von Sekunden die Tür öffnet. Und selbst wenn.
 

Farin verwirft den Gedanken, zumindest startet er den Versuch, und zieht sich endlich auch die zweite Socke über, ehe er sich dem Inhalt der Weiden-Leiche widmet.
 

Ein grellvioletter Zettel prangt oben auf viel glitzerndem Papier. Bela hat diesmal sogar mit Silberstift geschrieben, um Farins Augen zu schonen. Aber richtig dankbar sein kann Farin nicht dafür, jedenfalls nicht mehr, nachdem er den Befehl gelesen hat.
 

"Elfter Befehl: Schreibe Sahnie eine Weihnachtskarte!"
 

Farin mag sarkastisch sein und jeden in Grund und Boden reden oder seinetwegen auch schreiben können. Aber doch nicht auf Glitzerpapier, auf dem sich Rentiere tummeln!
 

Frustriert starrt Farin auf die Karten. Eine schlimmer als die andere. Er sieht sie durch, um Zeit zu schinden, die Hoffnung auf irgendetwas, das seinen Ansprüchen an etwas, das seinen Sarkasmus, seinen versteckten Hohn und überhaupt sein schreiberisches Können verdient hat, hat er nicht.

Schließlich kennt er Bela.
 

Knutschende Engel. Rentiere. Weihnachtsmänner. Schneeflocken in allen nur erdenklichen Formen und Farben. Kinder, die sich im Schnee tummeln. Von oben bis unten geschmückte Tannenbäume. Christbaumkugeln. Christkind. Pausbackengel.
 

Farin bekommt Kopfschmerzen von dem geballten Kitsch, der sich durch seine Augen in sein Gehirn bohrt. Er lässt sich auf den Boden sinken und massiert sich die Schläfen. Sahnie wird sich auf dem Boden kringeln vor Lachen, wenn er von ihm eine Karte mit nackten, rumleckenden Engelskindern bekommt!
 

Schließlich rappelt Farin sich auf und wendet eine Methode an, die sich bisher immer bewährt hat: Er wandelt seinen Frust in Wut. Auf Bela und Sahnie.
 

So sucht er sich einen Kuli (schwarz, um dem bunten Glitter zu trotzen) und fischt aufs Geradewohl eine Karte heraus, klappt sie auf, ohne auf die Vorderseite zu sehen, und schreibt hinein:
 

Hey Sahnie!

Lange nichts mehr von dir gehört. Ich wollte meiner Sorge, ob es dir auch gut geht mit deinen 46 Angestellten in Malaysia, einmal mit einer Weihnachtskarte Ausdruck verleihen.
 

Zu offensichtlich, befindet Farin und klappt die Karte zu. Ein rotwangiger Weihnachtsmann strahlt ihm entgegen. Farin malt ihm ein Hitlerbärtchen, kindisch hin oder her, er braucht das jetzt, und knüllt das Papier zusammen.
 

Diesmal sucht er sich sein Übel selbst aus und betrachtet die Karten, überlegend, welches wohl im krassesten Gegensatz zu seinen Worten stehen würde. Mit spitzen Fingern zupft er schließlich das wohl bekannteste Engelspärchen überhaupt aus dem Korb.
 

Hey,

ich wollte nur mal fragen – wie geht's dem Auto? Bestell ihm frohe Weihnachten von mir!
 

Vermutlich würde Sahnie den Witz nicht verstehen. Farin schnippt die Karte quer durch den Raum.

Als nächstes muss eine äußerst brave Karte mit Christkind herhalten, auf der "Gesegnete Weihnachten wünscht…" steht.
 

…Farin (der mit der kommerziellen und saudummen Musik).

Ich werde die 13-jährigen Mädchen, die dich angehimmelt haben, auf dem nächsten Konzert pantomimisch ein wenig an dich erinnern, ich hoffe, das ist in deinem Sinne!

Grüße und ein fröhliches Weihnachtsfest auch an deine über 45 Angestellten in Malaysia.
 

So. Energisch wird die Karte zugeklappt und eine Neue aus dem Stapel gezogen, die Farin schon vorhin ins Auge gefallen ist: Zwei Kinder auf einem Holzschlitten. Jetzt ist Bela dran.
 

Auch dem selbstherrlichen Drama-Drummer ein gesegnetes Fest. Möge Gott seine Hand schützend über deine Katze halten. Rache ist süß, und wenn ich wiederkomme, wirst du dafür zahlen, komme, was da wolle.
 

…In sexuellen Gefälligkeiten oder mit seinem geistigen Wohl, schießt es Farin durch den Kopf, und es hat einmal eine Zeit gegeben, da hätte er es ohne zu überlegen darunter geschrieben, aber jetzt hat er doch ein wenig Sorge, Bela könnte es zu ernst nehmen.
 

Farin nimmt die beiden Karten, stellt den Korb kurzerhand auf den Kopf und legt die Weihnachtskarten hinein, um sie vor die Tür zu stellen.
 

Anschließend klaubt er die restlichen Karten zusammen und wirft sie in den Müll, sich darüber ärgernd, dass er keinen Kamin hat. Es wäre so viel nützlicher gewesen, sie dort hinein zu werfen und sich an dem Feuer die trotz Socken eisigen Füße zu wärmen.

12.Dezember

12.Dezember

Farin ist vom einen Moment auf den anderen schlagartig hellwach. An der Zimmerdecke meint er, grüne Augen verblassen zu sehen, und braucht einen Moment, um zu realisieren, dass das das letzte Bild aus seinem Traum ist, das langsam verschwindet und schließlich wie der Rest des Traums nur ein bittersüßes Gefühl zurücklässt.
 

Jetzt wäre es schön, jemanden zu haben, der ihm einen heißen Tee ans Bett bringt, sinniert Farin und starrt noch immer völlig antriebslos an die Decke. Ja, er ist wach und nein, er kann unmöglich wieder einschlafen, aber wirklich aufstehen möchte er auch nicht.
 

Lieber im morgendlichen Zwielicht nach Traumfetzen haschen, ehe ihn das unvermeidliche Türschellen aus dem Nichtschlaf reißt. Farin wirft einen Blick zu dem alten Foto von ihm und Bela und atmet tief ein. Das seltsame Gefühl verstärkt sich.
 

Schließlich erlöst ihn das schrille Klingeln. Mit den letzten Schwaden schweren Halbschlafs schüttelt Farin entschlossen die verwirrenden Gedanken und das Gefühl, von dem er sich nicht sicher ist, ob es nun angenehm oder unangenehm ist, ab und läuft zur Tür.
 

Meine Güte. Wann war er zum letzten Mal so sentimental? Kopfschüttelnd reißt Farin die Tür auf und zieht den Korb hinein. Er vermeidet den Blick rundum, Bela kann sich ruhig zeigen, wenn er gesehen werden will.
 

Der grüne Zettel verkündet fröhlich:

"Zwölfter Befehl: Lerne ein Gedicht auswendig!"
 

Okay, Bela wird wieder albern bis merkwürdig. Doch Farin überlegt nicht einmal mehr, ob er den Befehl ausübt, sondern greift routiniert nach dem Korb und bugsiert ihn auf einen der Küchenstühle. Einerseits ist es die Neugierde, was ihn noch alles erwarten wird. Andererseits genießt er dieses fremde Gefühl in ihm viel zu sehr, hängt an dem kleinen Monster in ihm. Es ist neu, es ist anders und irgendwo tut es ihm auch gut. Was kann daran schon falsch sein, an diesem kleinen Spiel?
 

In Gedanken korrigiert sich Farin. All das hat als kleines Machtspielchen, als einer der üblichen Konkurrenzkämpfe zwischen ihnen begonnen, mittlerweile jedoch ist diese Seite der Angelegenheit etwas in den Hintergrund gerückt. Heute ist es auch ganz eindeutig nicht der Ehrgeiz oder der Wille des Übertrumpfens, der ihn zu seiner Aufgabe treibt. Viel eher möchte Farin den Schlagzeuger beeindrucken, ihm zeigen, was er alles für diese Freundschaft tun würde.
 

Wobei auch das Wort „Freundschaft“ nicht mehr wirklich sicher ist.
 

Seufzend widmet Farin sich nun dem Korb, er wird wohl doch alt. Normalerweise denkt er zwar auch über alles und jeden ausgiebig nach, nur heute sind schon morgens seine Kapazitäten erreicht.
 

Auswendig lernen ist eine schöne, stumpfe Tätigkeit, bei der man seine Umgebung und die Zeit wunderbar vergisst. Gerade genau das Richtige für Farin.

In dem Korb befindet sich neben dem eingerollten Gedicht noch eine bekannte Thermoskanne mit dampfendem Tee. Farin gießt sich einen Schluck des Getränks in seine Tasse, stellt erneut fest, dass es unverkennbar Pfefferminztee ist und macht sich an die Arbeit.
 

*
 

Farin gäbe wohl für einen heimlichen Beobachter ein eher merkwürdiges Bild ab. Auf und ab laufend in seiner Küche murmelt er immer wieder dieselben Wörter vor sich hin, ab und an verhaspelt er sich dabei. Darauf reagiert er mit einem lautlosen Fluch, stoppt aber nur kurz und beginnt erneut.
 

Nachdem er zum zehnten Mal dasselbe Wort vergessen hat, schleudert er das Blatt Papier schließlich in eine Ecke (zumindest hat er das vor, das Papier beharrt störrisch auf seiner Beschaffenheit und segelt seelenruhig eine Weile in der Luft herum, ehe es in der Mitte der Küche auf dem Boden liegen bleibt.)
 

Farin würdigt es keines Blickes mehr, sondern macht sich stattdessen auf die Suche nach der Dose Kekse, die er noch irgendwo für Notzeiten deponiert hat. Andere mögen es Frustessen nennen, Farin tauft es Restevernichtung.
 

Die Dose findet sich ganz oben auf dem Schrank in der Küche, wahrscheinlich ein eher schlechter Versuch, die Kalorien zu verstecken. Farin klemmt sich seine Frustnahrung unter den Arm, stapft ins Wohnzimmer und lässt sich auf das Sofa fallen.
 

Eigentlich ist er schon ziemlich bescheuert, mitzuspielen. Wieder muss Farin an den Palmenstrand und seine geliebte Ruhe denken, doch dieses Mal huscht der Gedanke nur ganz flüchtig an ihm vorbei. Nur ein kurzes Winken, dann ist er schon vorüber gezogen.
 

Denn trotz Festtagspfunde, seiner Nahtoderfahrung vor zwei Tagen, den immer seltsamer werdenden Türchen – Irgendwo ist Farin gerade glücklich.
 

Er lässt den Keks, den er gerade verspeisen will, sinken.
 

Glücklich. Tatsächlich im kalten, ungemütlichen Deutschland zu dieser Jahreszeit glücklich inklusive dieses Adventskalenders.
 

Die Erkenntnis schockt Farin sichtlich, kann er selber nicht wirklich begreifen was dieses Gefühl ausmacht. Wobei er sich damit wieder einmal selber belügt.
 

Es sind die altbekannten vier Buchstaben mit dem schelmischen Lächeln.

13.Dezember

Das gewohnte Klingeln an der Haustür lässt Farin sein reichhaltiges Frühstück unterbrechen, mittlerweile hat er die schlanke Linie fürs Erste aufgegeben.

Den Toast (dick mit Butter und Honig bestrichen) noch in der Hand, begibt er sich zur Haustür, wieder einmal insgeheim auf Gesellschaft hoffend.
 

Doch auch heute erwartet ihn nur einer der Körbe, die scheinbar wirklich ein Restposten waren. Mit leichten Schwierigkeiten, immer noch kauend (Multitasking will gelernt sein) hievt Farin den Korb auf die kleine freie Ecke am Rand des Küchentisches.
 

Neugierig wirft er einen Blick in sein Türchen, fragt sich ob Bela weiterhin Gemeinheiten auspackt und ihn dabei in manchen Momenten quält.

Seine erste Sinneswahrnehmung ist jedoch der leicht süßliche Geruch aus dem Korb, er würde wohl doch im Januar eher in den Urlaub rollen.
 

Tatsächlich ist es süß, auf zwei Arten und anders als Farin es erwartet hätte. In seinem Türchen verbirgt sich eine Schüssel mit sehr sicher selbstgemachtem Plätzchenteig, einige Blöcke Kuvertüre, bunter Zuckerguss, Streusel, Liebesperlen, andere Leckerein und einer eher ungewöhnlichen, aber Bela typischen Ausstechform: Eine Fledermaus.
 

Am Rand der Teigschlüssel kleben zwei Zettel, die bei der Teigproduktion wohl ziemlich gelitten haben. Das Mehl auf ihnen zwingt Farin zu einem zweiten Blick, um Gewissheit zu haben.

Der erste enthält die Backanleitung für den Teig, der zweite den schon vorhersehbaren Befehl:
 

„Dreizehnter Befehl: Backe Plätzchen!“
 

Leicht grinsend schiebt Farin sich das letzte Stück seines Frühstücks in den Mund, räumt den Tisch ab und macht sich ans Werk.
 

*
 

Die Küche gleicht der Schlacht von Waterloo, dabei musste Farin den Teig und somit die größte Schweinerei überhaupt nicht mehr zubereiten. Überall stehen Töpfe, Schüsseln und Gläser, dazwischen die unterschiedlichsten Dekoriermittel, die komplette Küchenzeile ist voller Flecken von geschmolzener Schokolade. Er ist zwar ordentlich, doch beim Backen und Kochen braucht Farin erst einmal ein gewisses Chaos für die richtige Stimmung. Später kann er dann alles wieder blitzeblank schrubben und in seinen Urzustand zurückversetzen, was er natürlich dann auch prompt tut.
 

Jetzt jedoch befindet er sich noch in der ersten Phase und sieht selber ein wenig wie seine Küche aus. Die wirren Haarsträhnen fallen ihm ins Gesicht, seine Kleidung gleicht der Küchenzeile (Warum hat er auch Omas Schürze damals direkt weggeschmissen?) und ein Schweißtropfen verirrt sich auf seine Stirn.
 

Über das Backblech gebeugt, verleiht er einer Reihe auf dem Blech frischgebackener Fledermäuse einen knallpinken Anstrich. Auf den noch flüssigen Guss streut er einige Liebesperlen.
 

Genau das Richtige für die Naschkatze von Drummer, befindet Farin.

Die nächste Reihe hingegen wird in flüssiger Schokolade und Schokostreuseln ertränkt.

Seine Kreationen werden von Plätzchen zu Plätzchen immer ausgefallener, hingebungsvoll verziert er einen einzelnen Flügel.
 

Ja, dieser verdammte Befehl macht ihm Spaß. Ohne wenn und aber.

Irgendwie ist es befreiend, einfach durch die Küche zu wirbeln und seine Kreativität an den Backwaren auszulassen. Und irgendwo freut er sich auch auf das Gesicht von Bela, wenn er ihm die Plätzchen überreicht.

Aus diesem Grund würden sie sicher auch keinen Platz auf der Fußmatte bekommen.
 

Nachdem Farin die letzte Lage der Fledermäuse noch bepinselt hat, legt er die Backbleche hochzufrieden auf die Fensterbank, um die Kalorien trocknen zu lassen. Der Geruch der Plätzchen zieht durch das gesamte Haus und verleiht allem eine süßlich-weihnachtliche Note.
 

Farin erwacht derweil aus seinem regelrechten Backrausch und fragt sich, wie sehr er sich doch im Laufe des Adventskalenders an die Begebenheiten angepasst hat. Genauer gesagt hat er sich mit dem Kalender selber verändert.
 

Wenn man ihn am ersten Dezember vor Plätzchenteig und Zuckerguss gesetzt hätte, wäre er wohl lachend aufgestanden und gegangen. Doch mittlerweile lässt er sich einfach auf die Dinge ein, lässt alles einfach auf sich zukommen. Er, der Kopfmensch.

Jedoch muss Farin einräumen, dass es wunderbar ist, auch einmal Bauchmensch zu sein. Nichts für die Dauer, aber ab und an ganz nett. So wie gerade eben.
 

So in Gedanken bemerkt Farin fast nicht, wie sich eine streunende Katze an das geöffnete Fenster geschlichen hat und sich eine der gebackenen Fledermäuse angeln will. Wahrscheinlich aber eher zum Spielen als zum Verzehr.
 

„Kusch dich, sonst kommt Dracula aus seiner Gruft und saugt dich aus!“
 

Laut miauend zeigt die Drohung sofort Wirkung (Jedoch eher aufgrund des Tonfalls als der Aussage selbst) und die Katze verschwindet im immer noch liegenden Schnee.

Farin sieht ihr einen kurzen Moment nach, verliert sich im Weiß der Landschaft und starrt weiter hinaus.

14. Dezember

14. Dezember
 

Versonnen beobachtet Farin den Badeschaum und das helle Licht der Morgensonnen, die darin Reflexe in allen Farben des Regenbogen malt. Es ist noch nicht mal neun und endlich mal wieder dem Frühaufsteher in sich nachgebend, ist es eine spontane Entscheidung des Gitarristen gewesen, den Tag mit einem herrlich warmen Bad anzufangen. Und Quakie.
 

Denn wenn Bela der Peter Pan der Band ist, so mutiert Farin in der Wanne ebenfalls zu einem infantilen 1,94m großen Haufen Mensch, der durchaus seinen Spaß daran hat, mit der Quietscheente durchs Wasser zu fahren oder Tintebrausetabletten dabei zuzuschauen, wie sie bunte Blubberblasen in die Luft werfen. Grund genug also, während einer Tour nie niemals zu baden und stets auf eine Dusche in seinem Zimmer zu beharren.
 

Aber jetzt gerade im Moment ist er nicht auf Tour, sondern zuhause und so kann er diesem doch nicht ganz standesgemäßen Spaß nach Herzenslust frönen. Doch das kann wird sehr schnell zum könnte, schellt es doch (gerade dann als er einen erneuten Tauchgang starten will, der Rod vor Neid erblassen ließe) an der Tür und das in einem Ton der irgendwie... naja... dringend anmutet. Und weil es eben so dringend ist und Farin auch noch nicht wirklich mit Bela rechnet und es tatsächlich ja mal etwas Wichtiges sein könnte (vielleicht hat er jetzt doch endlich den Friedensnobelpreis gewonnen, Zeit wird es), hechtet er geradezu aus der Wanne, legt sich im Sprint zur Tür notdürftig ein Handtuch um die Hüfte. Tropfnass und ein wenig wie der Pudel ihm Regen wirkend reißt er die Tür auf und...
 

… sieht Bela.
 

Dem die Verwunderung deutlich ins Gesicht geschrieben steht, welche jedoch schnell von einem breiten Grinsen, plus anzüglich gehobener Augenbraue abgelöst wird.
 

„Das nenne ich aber mal ein schönes Geschenk.“
 

„Geschenk?!“
 

Verwirrt stellt Farin fest, das die eben noch vorhandene gute Laune am Drummer abblättert, als wäre es billiges Blattgold. Das Strahlen in den Augen wird dunkler, beinah schon gefährlich, ein bitterer Zug schleicht sich um die Mundwinkel, macht ihn nicht unbedingt älter, verleiht ihm dafür aber eine düstere Aura.
 

Sich fragend was er nun schon wieder falsch gemacht hat, beschließt Farin erst mal Bela in seine Wohnung zu winken, die Tür zu und die Kälte auszuschließen. Egal was dem Älteren für eine Laus über die (mit Sicherheit schon stark vergrößerte) Leber gelaufen ist, es ist noch lange keine Rechtfertigung dafür, dass er pitschnass und halbnackt beinah erfriert.
 

So ist es auch nur ein halber Blick, den er auf den heutigen Befehl wirft, der mal wieder auf einem Pappschild gekrakelt wurde. Ist er doch schon auf dem Weg ins Schlafzimmer, sich anziehen.
 

„Vierzehnter Befehl: Besuche mit mir den Weihnachtsmarkt!“
 

Noch beim Socken Zusammensuchen siniert Farin darüber, was denn nun der Grund für Belas plötzlichen Stimmungswechsel sein könnte. PMS? (Er wusste ja immer schon, dass Bela sein Künstlernamen nur deshalb gewählt hat, weil es nur ein Buchtstaben braucht um ihn in Bella zu verändern) Drogen? (Dafür war er dann aber doch wieder zu normal) Manisch- depressiv? (Wäre durchaus eine Variante.)
 

Als Farin auch noch nach dem sechsten Sockenpaar, das er aus dem Chaos fischt keine Lösung gefunden hat, zuckt er, nur für Wischmopp sichtbar, die Schultern und kommt mit sich selbst überein, dass er nicht der Grund sein kann und Belas schlechte Laune schlichtweg ignorieren wird. Hat er doch alle dämlichen Befehle bisher nach Wunsch ausgeführt. Seine Schuld kann es also nicht sein. Im Vorbeigehen schnappt er sich noch die Tüte mit den zuckersüßen Fledermäusen, vielleicht würden die den Drummer ja später aufheitern.
 

So beachtet er auch nicht den sauertöpfischen Ausdruck Belas, erfreut sich dafür an dem Schnee, durch den sie stampfen und später sogar an der Skyline Berlins, an der er in der S-Bahn vorbeizieht, Richtung Alex. Bela sagt kein einziges Wort, guckt nur böse bis beleidigt. Selbst als ein paar Punker an der Weltzeituhr sie erkennen und sie über den gesamten Alexanderplatz hinweg als Kommerzschweine beschimpfen, hat der Drummer nicht mehr als ein leises Grummeln übrig. Farin ist es recht. Auf noch mehr Aufmerksamkeit ist er nicht wirklich erpicht.
 

Auf dem Weihnachtsmarkt gehen sie glücklicherweise in der Menge unter, sind nur zwei unter vielen. Scheinbar haben die beiden Freunde heute Rollen getauscht, die mürrische und lustlose Miene geht heute eindeutig an Bela.

Wenn diese nicht wäre, würde Farin wahrscheinlich mit einem Dauergrinsen durch das Lichtermeer spazieren, jeden Geruch tief einatmen und einfach nur glücklich sein.

Doch die Laune des Drummers wirft auf ihren ganzen Tag einen langen Schatten, auch wenn Farin sie ignorieren wollte.
 

Dies ist nämlich schlicht und ergreifend nicht möglich. Für nichts lässt der Schlagzeuger sich begeistern, alles sieht er nur desinteressiert an.
 

Langsam aber sicher hat Farin die Nase voll von den pubertären Stimmungsschwankungen Belas und beschließt, sich den Drummer zur Brust zu nehmen.
 

Just in diesem Moment fällt in Farins Blickwinkel ein Mädchen mit knallgrünem Pony und BelaFarinRod Pullover. Die Apokalypse naht also in langen Schritten.

Überraschenderweise bleibt der Fan aber stehen und ruft nur erfreut: "Alles Gute zum Geburtstag, Bela!"
 

Danach ist sie wieder in der schiebenden und drängelnden Menschenmasse verschwunden. Farin verfällt in eine Schockstarre, traut sich nicht Bela anzusehen.

Was könnte es böseres geben, als von einem Fan an den Geburtstag seines besten Freundes erinnert zu werden?
 

Irgendwann entscheidet Farin sich doch, einen Blick zur Seite zu wagen. Jedoch steht dort kein Bela mehr, überhaupt sieht er nirgendswo seinen Drummer.
 

"Scheiße", flucht Farin einfach nur und schiebt sich schnellstmöglich weiter durch die Leute.
 

*
 

Farin findet seinen Freund an dem im Winter trockengelegtem Neptunbrunnen, das Licht der Scheinwerfer malt auf Belas Gesicht dunkle Schatten. Er wirkt bedrohlich, verletzt und unnahbar durch das Lichtspiel auf seiner Haut.
 

Schluckend sucht Farin den Blick des Schlagzeugers, dieser jedoch starrt vehement weiter auf den Boden vor sich.
 

"Es tut mir leid, verdammt.", murmelt Farin in die eisige Luft, versucht die Buchstaben ernst und ehrlich klingen zu lassen. Mit mäßigem Erfolg.
 

"Jaja, wie viel dir schon leid tat..."
 

Der Schlagzeuger hat sich berechtigterweise in den Trotz-Modus gestellt. Kurzerhand baut Farin sich vor seinem Freund auf und deklariert:
 

"Aktuell ist die Wissenschaft.

Denn eigenes Wissen gibt eigene Kraft.

So hatte ich es gedacht und laut gesagt,

Wie sich der Weihnachtsmann doch plagt
 

Spezies von lebenden Organismen werden genannt.

Hauptsächlich Insekten und Bakterien sind uns bekannt.

Fliegende Rentiere? Es gibt kein Klagen und kein Wehen.

Nur der Weihnachtsmann hat sie gesehen.
 

Ich nehme mal an, auch wenn die Erde bebt.

Dass in jedem Haushalt ein braves Kind lebt.

378 Millionen Kinder laut Volkszählungs-Büro.

Darüber ist der Nikolaus besonders froh.
 

Der Weihnachtsmann hat noch nie geklagt.

Obwohl er einen 31-Stunden –Weihnachtstag hat.

Durch Zeitzonen von Ost nach West er reist.

Der Himmelsweg ist trocken, nicht vereist.
 

Er braucht eine tausendstel Sekunde ohne wettern.

Für Parken und den Schornstein runterklettern.

Dazu die Socken füllen am Kamin, Retour heraus.

Und weiterfliegen zum nächsten Haus.
 

822 Besuche pro Sekunde, blitze-schnell.

Bei jedem braven Kind ist er zur Stell.

Millionen Stopps, gleichmäßig auf der Erde verteilt.

1,3 km Entfernung zu jedem Haushalt er reist.
 

120,8 Millionen km braucht er jedes Jahr.

Plus Pause und Essen, das ist doch klar.

Sein Schlitten ist enorm und imposant.

1040 km pro Sekunde fliegt er sehr rasant.
 

Umgerechnet mit 3.000-facher Schallgeschwindigkeit.

Der Ulysses Space Probe mal zum Vergleich.

Fährt dieser mit lächerlichen 43,8 km pro Sekunde.

Ein Rentier schafft höchstens 24 km pro Stunde.
 

Nun zur Ladung des Schlittens mit Effekt.

Mit Geschenken wird der Weihnachtstisch gedeckt.

Pro Kind nimmt man ein Kilo Präsente mit im Wagen.

Dann ist der Schlitten mit Paketen vollgeladen.
 

378.000 Tonnen nicht gerechnet den Weihnachtsmann.

Auf der Waage schlägt dieser bestimmt mit 120 kg an.

Man braucht 216.000 Rentiere, das erhöht das Gewicht.

Auf eine Gabe verzichtet der Weihnachtsmann nicht.
 

Bei 1040 km/h Geschwindigkeit wird es amüsant.

Dies erzeugt ein einen ungeheuren Luftwiderstand.

Dadurch werden die armen Rentier aufgeheizt.

Durch das Raumschiff wird die Erdatmosphäre gereizt.
 

8 Trillionen Joule-Energie muss das Rentier absorbieren.

Das zweite Paar wird bestimmt explodieren.

Das gesamte Team von Rentieren ganz interessiert,

Wird innerhalb von 5 Tausendstel Sekunden vaporisiert.
 

Der Weihnachtsmann wird bestimmt nicht gehetzt.

Jedoch der 17.500-fachen Erdbeschleunigung ausgesetzt.

Der schwere Weihnachtsmann würde rutschen.

Und das angenagelt ans Ende seines Weihnachts-Kutsche.
 

Mit 20,6 Millionen Newton Kraft.

Verliert jeder Mensch seinen roten Saft.

Damit kommen wir zum tollen Schluss,

Unser Nikolaus ist ein Pfiffikus.
 

Er lässt sich nicht blicken, man kann ihn nicht sehen.

Er kommt einfach so, um dich zu erspähen.

Er wird dich mögen und dir die Nächte rauben.

Jeder sollt an den Weihnachtsmann glauben."
 

Irgendwie schafft Farin es, alle Strophen komplett fehlerfrei aufzusagen und selbst die schwierigsten Zahlen in diesem hochkomplizierten Gedicht zu behalten.
 

Als er geendet hat, erhellt sich Belas Miene tatsächlich ganz kurz, nur für einen winzigen Augenblick zwar, aber immerhin.
 

"Du hast es auswendig gelernt?"
 

Da ist leichter Unglaube, aber auch ehrliche Freude. Farin beschließt, dass es allein dafür wert ist, auch jedes weitere andere dumme Türchen, was noch folgen wird, genau so zu befolgen, wie er es bekommt.
 

"Befehl ist schließlich Befehl."
 

Farin grinst, versucht sich nicht an dem Bühnenlächeln, sondern an jenem Gesichtsausdruck, dem er schon vor langer Zeit für den Drummer reserviert hat. Der aufbewahrt wurde für ganz besondere Momente. Und der nun, jetzt gerade wo es entscheidend wird, nicht ganz gelingen möchte. Der Gitarrist selbst merkt nicht, dass dies aber nicht unbedingt mit einem Verlust zu tun hat sondern viel mehr mit dem Gewinn eines Gefühls. Dafür ist die ganze Situation jedoch zu verwirrend kompliziert, das Etwas noch zu klein.
 

Bela bekommt von all dem nichts mit, scheint sich in seiner Position ganz wohl zu fühlen. Die des leidenden Freundes.
 

"Du bist mir trotzdem noch was schuldig."
 

Tatsächlich muss Farin keine Sekunde überlegen, was Bela von ihm möchte. Spontan geht er auf den Kleineren zu und umarmt ihn fest.

Das warme Licht, dass den Brunnen anleuchtet, taucht auch die beiden Freunde ein sanften Schimmer. Leise flüstert Farin in die Intimität des Augenblickes:

"Es tut mir wirklich leid. Wirklich."

Er drückt ihm einen Kuss auf den Haaransatz und sieht, wie der dunkle Schleier langsam aus den Augen Belas verschwindet.
 

"Irgendetwas hat gerade in deiner Jackentasche geraschelt."
 

"Verdammt!"
 

Fluchend zieht Farin die völlig zerkrümmelten Plätzchen aus seiner Tasche. Die Fledermäuse gehen allerhöchstens noch als misslungenes Genexperiment durch. Trotzdem schnappt Bela sich die Tüte und beginnt, die Kekse, beziehungweise eher die Krümel zu essen.
 

Farin lässt sich neben ihn auf die Brunnemauer sinken, legt aufgrund einer spontanen Laune seinen Arm um den Schlagzeuger und lässt sich von den Scheinwerfen blenden.
 

Die beiden geben ein seltsames, aber doch niedliches Bild ab, Arm in Arm, plätzchenessend, auf dem verwaisten Brunnen sitzend.
 

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Weihnachtsgedicht by http://www.unterhaltungsspiele.com/Weihnachten/Existenz2.htm

15.Dezember

N/A: Achtung, die Betaleserin war leider schon im Bett. Ansonsten hoff ich, dass das Kapitel heute schneller den Weg zu euch findet. Und ein unglaubliches gerührtes und ehrliches Danke für über 100 Kommentare und fast 20 Favoriteneinträge *_* Ihr seid wunderbar! :D

Fast schade, dass bald Heiligabend ist.

***
 

15. Dezember
 

Als Farin aufwacht, liegt noch immer der Geschmack von Plätzchenfledermäusen auf seinen Lippen und vor seinen Augen tanzen die bunten Lichter des Weihnachtsmarktes Karussell. Gar nicht die Augen öffnen wollend, so schön ist trotz aller Missverständnisse, die Erinnerung an den gestrigen Tag, bringt ihn erst sein knurrender Magen dazu, die Beine aus den Bett zu schwingen, sich auf den Weg in die Küche zu machen.
 

Gut gelaunt und leise vor sich hin summend macht er sich an ein reichhaltiges Frühstück, weil Gebäck, wie lecker es auch schmecken mag, trotz allem nicht wirklich zu den nahrhaften Sachen gehört. Und während er sich, einer kleinen Raupe gleich, durch die letzten Vorräte seine Kühlschranks kämpft (zwischen irgendeinem Türchen, sollte er mal wirklich wieder einkaufen gehen), kann sein Kopf es nicht lassen, ein paar Stunden zurück zu spulen.
 

So selten er auch nur noch in der Öffentlichkeit Arm in Arm mit seinem besten Freund auf Brunnenmauern sitzt (nicht das sie das überhaupt in ihrer Vergangenheit oft getan hätten) so schön war es doch irgendwie gewesen. Allein die ungewohnt vertraute Nähe zu Bela zu spüren, schien ihm alle die Demütigungen der letzten Tag wert gewesen zu sein. Vielleicht dient dieser Kalender, trotz aller anfänglicher Proteste Farins, wirklich zur Freundschaftsrettung. Zumindest bei dem Gitarristen scheint es langsam zu fruchten.
 

So ist Farins Gang, als es dann pünktlich an der Tür klingelt, auch beschwingt, liegt ein feines Lächeln auf seinen Lippen. Irgendwo im Hinterkopf, dort wo Trauma von Rentierpullovern und ersten Küssen liegen, hofft er, das heutige Türchen wieder mit Bela verbringen zu dürfen. Allein der obligatorische Korb vor seiner Haustür, lässt die kleine Seifenblase platzen, deren feine Tropfen irgendwie bitter auf seiner Seele liegen.
 

Geschwind wird der Korb in sein Haus verfrachtet, der nächste Befehl, mit einem prüfenden Blick bedacht. Die Figuren, die sich in der Flechtarbeit türmen, lassen es schon erahnen, aber Farin braucht wirklich erst die in Worte gefasste Bestätigung.
 

"Fünfzehnter Befehl: Bastle ein Krippe!"
 

Farin weiß nicht, ob es der Unglauben über den Befehl ist, der ihn bitter auflachen lässt oder die Tatsache, dass er Bela heute wirklich nicht zu sehen bekommt.
 

Er! Eine Krippe! Der größte Antichrist, nunja, zumindest Atheist, nach Faust persönlich. Als würde er diesem dämlichen Ritual einer Religion folgen, die ihre Glaubensgrundsätze nach einem Märchenbuch errichtet haben. (Unbefleckte Empfängnis. Schon klar. Übers Wasser laufen. Sicher.)
 

Aber anderseits; schon lange hat sich der Gitarristen vorgenommen, das hier durch zu ziehen. Mal mehr, mal weniger gut. Im Grunde genommen, schon als er bei dem Telefonat zugestimmt hatte. Und so trägt er, einer seiner Meinung nach genialen Idee folgend, den Korb in sein Arbeitszimmer, wo ein Computer und ein Drucker bereit stehen.
 

Die Figuren ein nach der anderen ausräumend (ganz unten befindet sich sogar ein kleiner Verbandskasten, mit einen schönen Gruß an seine Finger, gezeichnet Bela), startet er nebenbei sein Internet.
 

*
 

Mittlerweile gleicht seinem Arbeitszimmer wieder der Küche vor zwei Tagen.

Nur ohne Zuckerguss und Liebesperlen. Papierschnipsel, Reste des Tesafilms und viele Bögen Papier häufen sich auf dem Teppich.

Bei genauer Betrachtung scheint jedes der ausgeschnittenen Blätter irgendetwas mit dem Die-Ärzte-Kosmos zu tun zu haben.Erkennt man doch deutlich den Umriss des Kopfes der Gwendoline oder die freche Geste der Bestie.
 

Diese Papierbestie legt Farin gerade liebevoll in die Krippe, während er mit der anderen Hand mit dem Tesafilm kämpft. Zum gefühlten Hundertsten Mal hat er den Anfang der Rolle verloren, doch Farin bleibt beharrlich.
 

Nach einem weiteren Versuch schafft er es dann auch, der Maria den letzten Schliff zu verpassen. Statt dem ausdruckslosen Holzgesicht beobachtet den Betrachter nun die Gwendoline.

Den restlichen Figuren erging es ähnlich. Seine Bandkollegen geben die heiligen drei Könige,ein Schaf hat zufälligerweise das Gesicht von Sahnie,ein Engel strahlt bedrohlich mit dem Gesicht von Elke auf die Szene herab und der frühe Bela B. gibt den passenden Goth-Punk-Josef.
 

Das Gesamtbild sieht aber eher nach moderner Kunst als wirklich ernstzunehmender Bastelarbeit aus, da Tesa nun mal unter Bastlern nicht die feine englische Art ist. Jedoch stört Farin diese triviale Sache nicht im geringsten, er ist hochzufrieden mit seiner Ärzte-Krippe. Absolut nicht mehr christlich, schon allein aufgrund der obszönen Figur der Sweet Sweet Gwendoline.
 

Natürlich will er Bela das Ergebnis nicht vorenthalten und bringt sein Kunstwerk mit äußerster Vorsicht (Inklusive unbenutzem Verbandskasten) zur Tür.

Beim Abstellen des eher sperrigen Gegenstands schneidet Farin sich aber doch an einem hervorstehendem Holzbalken des Stalls, flucht und benutzt trotzdem nicht den Verbandskasten (Soll Bela doch nicht denken, er wär völlig lebensunfähig.)
 

Als das Blut aber kurz davor ist seine mühevolle Arbeit zu durchtränken, verbindet Farin sich doch den Finger. Stolz hin oder her, die Kunst ist wichtiger.
 

Schlussendlich stellt er die Krippe (Jetzt ohne Verbandskasten, wer weiß wozu man das Ding noch brauchen konnte.) auf seine Fußmatte, ohne irgendeine Nachricht.
 

So etwas muss still auf den Betrachter wirken, es ist schließlich eine hohe Form der Kunst, da es von Farin Urlaub stammt.
 

Auch wenn es eher wie die Bastelei eines Dreijährigen aussieht.

16.Dezember

Schon wieder erstmal ohne Beta,Sorry! Wird noch behoben.

***
 

16.Dezember
 

Als bei oder nach Farins Frühstücksritual niemand an der Tür schellt, wundert es ihn noch nicht. Bela liegt sicher noch in den warmen Daunen und macht gleich die böse Entdeckung des Zeigers auf seinem Wecker. Doch als um die Mittagszeit noch keine Menschenseele an seiner Haustür ist, wird Farin schon stutziger.

Vielleicht hat Bela auch wirklich einfach nur noch etwas anderes zu tun, als sein heutiges Türchen abzuliefern. Oder er ist auch krank und liegt hustend im Bett. Es gäbe viele Erklärungen, jedoch stellt keine Farin zufrieden.
 

*
 

Mittlerweile ist es bald sechs Uhr Abends, heute würde ganz eindeutig kein Schlagzeuger mehr auftauchen. Irgendwie deprimiert Farin die Tatsache, dass er vergessen wurde, wie ein altes Spielzeug. Wobei er ja nicht einmal weiß, ob er mit einem Hintergedanken vergessen wurde. Was ihm aber gerade auch egal ist, vergessen ist vergessen. Beleidigt sinkt Farin in die Polster seines Sofas, es ist doch so klar, dass Bela diese Sache nicht bis zum Ende durchzieht. Enttäuschung macht sich trotzdem in Farin breit.
 

Bis ein rabiates Sturmschellen alle Verwünschungen und gedanklichen Hasstiraden in den Hintergrund rückt. Farin muss sich absolut beherrschen, nicht wie ein hyperaktives Kind zur Tür zu hasten. Seine Füße fliegen über den scheinbar immer länger werdenden Flur, erst nach einer gefühlten Ewigkeit erreicht er das Ziel.

Erwartungsvoll drückt Farin die Türklinke hinunter und öffnet seine Haustüre.

Menschen. Viele bekannte Menschen. Mitarbeiter ihrer Plattenfirma, ihres Tourneemanagement, Freunde und Bekannte aus dem gleichen Geschäft... Farin schätzt ungefähr 30 Leute vor seiner Haustür, die ihn jetzt ebenso erwartungsvoll ansehen.
 

Ganz hinten in dem Pulk macht er das charismatische Lächeln eines ihm sehr bekannten Bassisten aus, von Bela gibt es allerdings keine Spur. Gerade als Farin zu seiner berechtigten Frage ansetzen will, läuft die Menge wie auf Kommando einfach in seine Wohnung ein.
 

Perplex tritt Farin unbewusst zur Seite und gewährt Einlass in seine vier Wände. Als fast die ganze Gesellschaft in seine Wohnung eingefallen ist, (Inklusive Rod, der ihn ziemlich dümmlich angegrinst hatte und ihn mit einem halb gelachten: „Hallo Farin, mein Freund!“ begrüßt hatte. Man sollte ihm den Alkohol verbieten.) kristallisiert sich eine letzte Gestalt aus der Dunkelheit heraus.

Diese hält ein viel zu bekanntes Pappschild in die Höhe:

"Sechzehnter Befehl: Schmeiße eine Weihnachtsparty!"
 

Lachend wirft Bela das Pappschild in den nächsten Busch, grinst Farin wie ein genmutiertes Honigkuchenpferd an und begrüßt ihn kurz angebunden:

„Sei ja ein guter Gastgeber, mein Lieber...“

Danach betritt auch er die wohlige Wärme des Hauses.
 

*
 

Farin hat tatsächlich noch Käse-Weintraube-Spieße, einige Chips und Salzstangen undefinierbarer Herkunft und Apfelschorle organisieren können. An Hochprozentigem mangelt es auch nicht, da ein gewisser Schlagzeuger um den Alkoholbestand seines Freundes weiß.
 

Seine Anlage und die dazugehörige CD-Sammlung bietet auch genug Unterhaltung für die Meute, nur Bela ist mal wieder nicht auffindbar.

Farin würde ihn nach dieser Aktion mit dem Gesicht zuerst in den Schnee werfen, ganz sicher.
 

Vielleicht ist das auch der Grund, warum Belas Lächeln auch immer mal wieder wie das der Grinsekatze aufzuhuschen scheint, nur um Sekunden später in der Masse zu verschwinden. Möglicherweise weiß er um das Schicksal, welches im blühen würde.
 

So gibt Farin seine Pirsch auch nach einer halben Stunde auf und versucht die Party, trotz der Vorschlaghammermethode, mit der man ihn damit überrannt hat, zu genießen und so gut wie möglich mitzufeiern.
 

Das ist dann aber auch schon wieder leichter gesagt, als getan. Scheint doch mit der Uhrzeit auch die Promilleanzahl seiner Gäste zu steigen und Farin kann sich nicht helfen, aber er kann einfach nicht komplett entspannen, wenn er die ganze Zeit befürchten muss, das seine handsignierte Beatles LP zu Bruch geht.
 

Und da nicht wirklich die Option besteht, die Feierwütigen einfach mal so rausschmeißen (gut möglich, das die Hälfte noch nicht mal mehr dazu in der Lage ist zu gehen, sondern im wahrsten Sinne des Wortes geschmissen werden müsste) übt sich der Gitarrist am „Nichts sehen, nichts hören, nicht sagen“. Wobei letzeres ohnehin irrevelant ist, da die allgemein Konversation ohnehin nur noch aus „Ficken?!“ besteht. Selbst für seine Verhältnisse relativ stumpf.
 

Irgendwann findet sich Farin dann in seinem Gästeklo im Studiokeller wieder, das einzige was noch nicht in Beschlag genommen wurde und atmet erst mal tief durch.
 

Bis ein (Seltsamerweise für seine Verhältnisse ziemlich nüchterner) Bela mit Karacho die Tür aufschlägt, grinsend die Anwesenheit Farins registriert und sich prompt an diesen lehnt. Die Hände auf die Brust des Gitarristen gestützt sieht Bela ihn unverhohlen an.
 

„Was zum Teufel willst ausgerechnet du jetzt hier?!“

„Dich küssen?“
 

Auf Worte folgen Taten, die schmalen Lippen legen sich für einen kurzen Augenblick auf die seines Freundes, dabei greift eine seiner Hände ihn die eher einem Wischmopp gleichende Frisur Farins. Dieser reißt die Augen auf, schiebt das Raubtier von sich weg und starrt entgeistert auf den Schlagzeuger:
 

„Wieviel hast du getrunken?“

„Wenig.“
 

Die Wahrheit, kennt Farin den Älteren doch ihn viel schlimmeren Zuständen.
 

„Was treibt dich dann zu der Erkenntnis, auf dem Gästeklo nach mir zu suchen und mich zu küssen?“, die Frage stellt Farin vorsichtig und langsam.
 

„Die kleine Fledermaus auf meiner Schulter?“

Kurz überlegt Farin, was das jetzt wieder heißen soll, bis er feststellt, dass Bela die Aussage nicht so ganz ernst meinte. Auch dieser sieht die Ratlosigkeit und das Überlegen in den Augen seines Freundes, verdreht gespielt genervt die Augen.
 

„Ich natürlich, du Idiot.“
 

Bela küsst ihn wieder, nimmt seine alte Position noch einmal ein. Dieses Mal jedoch erwidert Farin die Geste zaghaft, viel zu verwirrt um nur einen einzigen klaren und logischen Gedanken zu verfassen.

„Geht doch.“, stellt Bela fest.
 

Hochzufrieden, schon wieder randdebil grinsend, verlässt der Schlagzeuger Farins Refugium und lässt die Türe wieder ins Schloss fallen.
 

Derweil sinkt Farin gegen die Fliesen an der Wand, seufzt, und fragt sich, welche neue Modedroge an ihnen Beiden eben getestet wurde.

Mit Pech heißt sie Verliebtheit, lässt einen nicht mehr los und beeinflusst alles auf eine eher bedrohliche Art und Weise.

Zumindest für Farin bedrohlich.
 

Wobei er sich selbst dabei nicht mehr sicher ist, wo Gut und Böse liegt.

17.Dezember

17. Dezember
 

Felix? Anton? Farin ist sich nicht sicher, wie er diesen Kater nennen soll, der doch im Grunde genommen gar keiner ist. Denn obwohl er letzte Nacht seinen Prinzipen wie stets treu geblieben ist, hämmert es in seinem Kopf doch, als hätte sich dort Bela höchst persönlich eingenistet, seine Schädeldeckel als Snare missbrauchend.
 

So finden seine Füße auch nur langsam den Weg zum Boden, er selbst mehr schwankend als laufend das Bad. Der Blick in den Spiegel gelingt ihm erst nach einiger Überwindung, die sich viel zu schnell als berechtigt herausstellt.
 

Das Bild das Farin da so gnadenlos zurückgeworfen wird, scheint mehr tot als lebendig; seine Augen sind vom ungewohnten Zigarettenrauch der Party noch immer ganz gerötet, die Lippen rissig, das ganze Gesicht so blass, als würde er gleich nach hinten aus den Latschen (nicht Puschen!) kippen. Die Haare hängen ihm strähnig ins Gesicht und nur nebenbei bemerkt der Gitarrist, dass die Farbe bald herausgewachsen ist, seine natürlichen dunkelblonden Haarfarbe Platz macht.
 

Aber es gibt erstmal essenziellere Aufgaben zu lösen, als die bröckelnden Lacks. Ihn wieder halbwegs menschlich machen zum Beispiel. Und so dauert es eine rekordverdächtige dreiviertel Stunde, bevor sich Farin aus dem Bad traut, sich der rauen und vor allen Dingen kalten Welt stellend. Hat es in der Nacht, unbemerkt von den Feiernden, doch wieder angefangen zu schneien, liegt der Schnee sogar höher als vor ein paar Tagen, wo er die abenteuerliche Schlittenfahrt hinter sich gebracht hat.
 

Durch sein Haus Richtung Küche schlürfend (die Beine heben wäre dann doch schon wieder zu viel Anstrengung) kann Farin nichts dagegen tun, dass seine Gedanken sich einmal mehr auf Wanderschaft begeben, die letzten Tage und vor allen Dingen die letzte Nacht anaylisieren.
 

Wahnsinn. Was anderes kann es gar nicht sein.
 

Wahnsinn das er diesen Kalender und allen Befehlen folgt, Wahnsinn das er ohne zu murren alles mit sich machen lässt. Von Waldorfbastelein, über Kamikazefahrten bis hin so Spontanpartys. Wahnsinn, dass er wirklich bemerkt, regelrecht spürt wie die alte Freundschaft zu Bela wieder zu blühen anfängt, langsam Knospen trägt.

Und Wahnsinn, dass er selbst solche Dinge zu lässt, die weit über eben jene Freundschaft hinausgeht, in Gefilde vorstößt, die er eigentlich stets versucht hat vom Drummer fern zu halten.
 

So in seinen Gedanken vertieft, bemerkt Farin fast gar nicht das Türklingeln, erwacht erst aus seiner Trance, als Bela einen energischen Rhythmus anschlägt. Schwankend zwischen dem Wunsch den Älteren wieder zu sehen und der Panik, wie er auf ihn reagieren soll, entscheidet sich der Gitarrist für ein gemäßigtes Tempo.
 

Allem Anschein nach beinhalten Belas Pläne jedoch gar kein Treffen, ist, als Farin die Tür öffnet, vom Drummer doch weit und breit nichts mehr zu sehen. Farin bleibt nichts anderes als dies hin zu nehmen und zu hoffen, dass Bela weiß was er tut (und irgendwie auch das er weiß, was er Farin damit ANtut). Mit einer schnellen Bewegung schnappt sich der Größere deswegen auch das heutige Türchen von der Fußmatte, was, mal wieder, in einem Korb unter einem schützenden Tuch versteckt liegt.
 

Ein prüfender Blick später verrät ihm, das Bela es entweder irgendwie geschafft hat, ein Kamara in seinen Kopf einzubauen, die seine Gedanken aufnimmt oder er einfach nur eine verdammt gute Auffassungsgabe hat.
 

Unter dem Tuch verborgen, stehen in Reihe und Glied Directons in allen erdenklichen Farben des Regenbogens, sowie eine obligatorische Blondierung. Der Befehl der am Henkel des Korbes baumelt ist reine Formsache:
 

„Siebzehnter Befehl: Färb dir die Haare!“
 

Farin kann sich ein Grinsen nicht verkneifen und obwohl er es schon ein wenig Schade findet, das er Bela wohl heute nicht zu Gesicht bekommt (das noch bösere V- Wort verbietet er sich veehment), schlendert er vergnügt zu seinem Bad, das so viel Benutzung wohl nur noch von seiner letzten Freundin gewöhnt ist.
 

Wie in einem Reflex greift Farin nach der Blondierung und will auch schon die Packung aufreißen, als er mitten in der Bewegung und aus einem für ihn unerklärlichen Impuls inne hält.
 

Heißt es nicht immer, dass eine neue Frisur einem ein neues Lebensgefühl geben würde? Zumindestens das Selbstbewusstsein steigert. Gleich wenn Farin das natürlich selbstredend überhaupt nicht braucht, sein Ego irgendwo beim nichtvorhandenen Krohnleuter hängt. (Und das ohnehin absoluter Mädchenkram, also typisch Bela ist.)
 

Und so ist es einer der berühmten Kurzschlusshandlungen, welche auch zu Bandgründungen- und auflösungen führen, zu Albumtiteln und Urlaubszielen, die sich Farin wahllos eine Farbe greifen lässt.
 

*
 

Ein kleine Ewigkeit später mutet Farins Badezimmer wie der Schauplatz eines schlechten Horrorfilms, vorzüglich einer der B- Movies an, in denen dann und wann auch schon mal Bela mitspielt.
 

Rot auf dem Wasserhahn, Rot auf dem Spiegl, Rot auf dem Badewannenvorleger und (noch Jahre später wird sich Farin fragen wie er das geschafft hat) Rot an der Decke.
 

Auch wenn das Endergbniss sich wirklich sehen lassen kann.
 

Pumuckelrot prangt die neue Farbe auf seinem Haupt, leuchtet geradezu im Licht der Energiesparlampen. Sich selbst im Spiegel angrinsend, ignoriert Farin den Gedanken, dass er nun das ganz Bad putzen darf um seinen Ordnungstrieb Futter zu geben.
 

Und das die Farbe rot mit ganz bestimmten Gefühlen assoziert wird.

18.Dezember

18. Dezember
 

Noch im Aufwachen streicht Farin sich durch die neue rote Haarpracht, die sich wie immer direkt nach dem Färben so herrlich anfühlt, dass man glatt narzisstisch werden könnte, wenn man es nicht von den Zehennägeln bis zu den Spitzen der schicken Haare wäre.
 

Er fühlt sich ziemlich gut, genauer gesagt scheint sein Ego in einer Ecke seiner Brust zu liegen, weich zusammengerollt und schnurrend. Fehlt nur noch ein Bela, der es mit seinem Schmachtblick auf Hochglanz poliert.
 

Farin grinst, fährt sich noch einmal durch die Haare und stellt bei dem ersten Blick in den Spiegel fest, dass er wesentlich besser aussieht als gestern. (Schlechter auszusehen, wäre aber auch ein Ding der Unmöglichkeit gewesen.)
 

In der Küche setzt er sich aus einer Laune heraus mit der obligatorischen Tasse Tee (Brombeere, passend zu seinem Schopf) auf die Küchentheke und fühlt sich irgendwie rebellisch. Dementsprechend selbstzufrieden grinst er auch, während er an seinem Getränk nippt.
 

Er fühlt sich heute energiegefüllt bis zum Rand; schläfrig sein ist schlicht nicht möglich. So springt er auch gleich auf, als es an der Tür schellt, stellt den Tee im Vorbeilaufen unsanft auf dem Tisch ab und eilt zur Tür, halb hoffend, halb fürchtend, aber auf jeden Fall gespannt.
 

Vor der Tür erwartet ihn allerdings kein ausgehfertiger Bela, sondern ein Korb, der schleunigst hereingezogen wird. Schließlich taut es und Ekelwetter ist noch schlimmer als Schnee.
 

Farin linst kurz nach oben und sieht einen Schimmer Rot, der den kleinen Teil von ihm, der ganz kalt und schwer geworden ist, als vor der Tür kein Bela stand, wieder aufpäppelt.
 

Dann widmet er sich neugierig dem Korb und kann ein Kichern nicht unterdrücken, als er den Zettel und zeitgleich den Inhalt sieht. „Das ist nicht dein ERNST“, murmelt er amüsiert und kein bisschen ernsthaft, schließlich weiß er so oder so, dass doch ja, das Belas ganzer Ernst ist.
 

Orange leuchtet es ihm entgegen: „Achtzehnter Befehl: Mach dich mal wieder richtig schick!“
 

Der Korb ist bis zum Rand gefüllt mit allem, was Bela wohl für nötig gehalten hat, dieses Weib: Nagelfeile, Nagelpflege, Handcreme, Pinzette (Farin schwört sich, dass er sich nie, nie niemals damit die Augenbrauen zupfen wird), Badekugeln, Waschlotion mit undefinierbarem (aber nicht schlechtem) Geruch, Shampoo für rotgefärbtes Haar (Farin schaut nach oben, halb in der Erwartung, eine kleine schwarze Kamera an der Decke zu finden), Lotion und ganz unten, ein leicht zerknitterter Zettel, der sich als Gutschein für einen neuen Anzug herausstellt.
 

Farin grinst breit und überlegt erst gar nicht, zu seinem Tee zurückzukehren, dazu ist er jetzt viel zu erpicht darauf, dem Türchen zu folgen und Bela mit dem bezaubernden Endergebnis zu verblüffen. Also verzieht er sich in das Bad und widmet sich zuerst einmal seinen Fingernägeln; er feilt sie nicht rabiat bis auf die Haut herunter wie sonst immer (dämliche Gitarristengewohnheit), sondern lässt einen kleinen, weißen, perfekt halbmondförmigen Rand, genau, wie Bela das liebt. („So schöne Hände, und dann verschandelst du sie so! Lass Rand!“)
 

Anschließend nimmt er das Bad; ein herrlicher Luxus, denn die Badekugeln stellen sich als sprudelnde, grüne Badewiese heraus, die echte, getrocknete Blüten um ihn verteilt und das Wasser grün färbt. Auch wenn Farin ein wenig Sorge hat, das Grün könne in seine Haut eingehen und er müsste als Marsmännchen Anzüge kaufen gehen, zwar gutaussehendes und gepflegtes Marsmännchen, aber immer noch Marsmännchen. Obwohl es gut mit seiner Haarfarbe kontrastieren würde.
 

Seine Sorge erweist sich als unbegründet, als er aus der Wanne steigt und sich abtrocknet. Das Handtuch wird grün und seine Haut nimmt wieder ihre normale, gesunde Farbe an.
 

Er verwendet sogar die Handcreme für die Hände und die Lotion für den Rest des Körpers; beugt sich schließlich misstrauisch zu der Pinzette herunter, die neben dem Gutschein als einziges noch nicht benutzt wurde.
 

Okay, stellt er in den Spiegel schauend fest, ein einziges Augenbrauenhaar weniger kann nicht schaden, und außerdem ist da eines, das viel zu weit außen sitzt.
 

Zupf. Farin zieht die Brauen zusammen und fragt sich, wie Frauen das aushalten, diesen ekligen, pieksenden Schmerz. Das Härchen hinterlässt einen winzigen roten Punkt in Farins Gesicht.
 

Eine halbe Stunde und sehr viel umweltfreundliches Haarspray später (man will seine neuen Vorzüge ja schließlich zur Geltung bringen) ist Farin ausgehfertig, steckt sich den Gutschein in die Tasche und beschließt, heute das Auto zu nehmen, um im Laden weniger wie unerwünschter Pöbel zu wirken (er hat heute schon genug rebelliert).
 

*
 

Fest entschlossen, heute einmal einen wirklich passenden Anzug zu finden, beschäftigt Farin gleich mehrere verzweifelte Verkäuferinnen. Offenbar hat die Anzugfirma (oder so) aber vor, Hünen auszurotten, denn für 1,94-Meter-Menschen scheint irgendwie nichts Passendes da zu sein: Entweder die Ärmel sind zu kurz, oder die Hose reicht nicht bis zu den Knöcheln (Farins heutiges Minimum) oder ist zu weit, oder die Jacke passt nicht so recht…
 

Kurz bevor die erste Verkäuferin einen hysterischen Anfall bekommt und die zweite in Tränen ausbricht, schneit der Grund für Farins Anwesenheit herein und erlöst sie alle.
 

Farin kann sich ein Grinsen nicht verkneifen, denn Bela sieht definitiv aus, als hätte er sich in der Tür geirrt: in Leder und Schmuck bis zum Abwinken kommt er zielstrebig auf Farin zu. Er hat heute anscheinend im Gegensatz zu ihm noch nicht genug rebelliert, auch wenn Farin sich wie immer neidlos gestehen muss, dass es ihm steht.
 

Charmant lächelnd schickt er die Verkäuferinnen weg (die prompt das Weite suchen) und zieht ohne ein weiteres Wort energisch einen Anzug von einer Stange, drückt ihn Farin in die Hand und deutet grinsend zur Umkleidekabine.
 

Farin hätte wissen müssen, dass das allein für eine Bel’sche Aktion zu witzlos ist, aber er ist kein bisschen darauf vorbereitet, als Bela kurz nach ihm auch in die Umkleidekabine huscht.
 

So starrt er ihn nur ein wenig verwirrt an und findet partout keine passenden Worte, geschweige denn Taten. Bela schiebt ihn sanft weiter nach hinten, stemmt dann seine Arme in die Hüften und hebt eine Augenbraue. „Soll ich dich ausziehen?“
 

Hastig zieht Farin Jacke und T-Shirt über den Kopf, die alles andere als desinteressierten Augen Belas förmlich spürend, und zieht sich eilig das bereitgelegte Hemd an. Bela kommt einen Schritt näher und Farin kann sich nicht zwischen zurückweichen und vorwärtsgehen entscheiden, dann sind Belas kühle Hände an seinem Hals und schließen den ersten Knopf des Hemdes.
 

„Du siehst gut aus“, kommentiert Bela und lässt den Blick über Farins Gesicht gleiten, während er beiläufig routiniert die restlichen Knöpfe schließt.
 

Farin lächelt schief zurück. „Weiß ich.“
 

Bela verweilt einen Moment zu lange bei dem letzten Knopf, dann wendet er sich Farins Händen zu. Ein kurzes Aufleuchten in seinen Augen zeigt Farin, dass er die Fingernägel gerade richtig interpretiert hat.
 

Bela verschränkt seine beringten Finger mit Farins, legt seine andere Hand ganz beiläufig auf seine Brust und stellt sich auf die Zehenspitzen.
 

Farin hält den Atem an. Sie sind sich viel zu nahe, nahe genug, um Belas Minzatem riechen zu können und die leichte Unregelmäßigkeit in seiner Atmung, die ihm zeigt, dass auch Bela nicht ganz unbeeindruckt ist.
 

„Du hast die Pinzette nicht benutzt!“ mault Bela plötzlich und stößt ihn vor die Brust. Farin taumelt völlig perplex zurück, fängt sich dann an der Wand ab und macht sich eilig an die Verteidigung.
 

„Doch! Hab ich, schau genau hin…“
 

Er ist sich nicht sicher, ob er sich dafür beglückwünschen oder ohrfeigen soll, denn natürlich hat er Bela daraufhin prompt noch viel näher bei sich.

Ein zufriedenes Brummen ertönt, anscheinend hat Bela den roten Punkt gefunden, gefolgt von einem Kuss auf die malträtierte Stelle. „Fein“, sagt Bela zufrieden, löst sich von ihm und nimmt das Jackett von dem Haken, „Los, zieh an, ich möchte dich nochmal so richtig fein sehen!“
 

Farin holt tief Luft, um das zittrige Gefühl zu vertreiben und zugleich den Gedanken, dass sie allebeide vollkommen durchgedreht sind, denn zum Aufhören ist es schlicht zu gut, und zieht das Kleidungsstück über. Eilig, als fürchte er, Farin könne ihm diese Arbeit abnehmen, legt Bela seine Finger wieder auf Farins Brust und knöpft den Anzug zu.
 

„Perfekt“, sagt er anschließend und betrachtet selbstzufrieden „sein“ Werk.

Farin entledigt sich schließlich auch seiner Hose und steigt eilig in die Anzughose, in der unbestimmten Angst, Bela könne auf die Idee kommen, ihm auch das abzunehmen.
 

„Dreh dich“, kommandiert Bela und macht eine kreisende Bewegung mit dem Zeigefinger. Gehorsam macht Farin eine halbe Drehung.
 

„Ein schöner Hintern in einer schönen Hose, was gibt es Besseres?“ fragt Bela scheinheilig und Farin dreht sich eilig um.
 

Eine Sekunde später stellt er fest, dass das ein Fehler war, denn im Nu hat er Bela am Hals hängen, oder vielmehr an den Lippen.
 

Vielleicht war es auch kein Fehler, denkt Farin noch, bevor sein Denken sich für die nächsten Minuten verabschiedet.

19.Dezember

19. Dezember
 

Farin spürt Belas Hände unter seinem Hemd, auf dem Rücken, bald am Bund der Hose. Das kühle Metall der Ringe jagt Schauer über seinen Rücken, Farin seufzt ganz leise in Belas Mund. Ganz… leise.
 

Bela löst sich von ihm und setzt einen Kuss auf sein Kinn, dann schmiegt er sich an seinen Hals und verteilt dort kleine gänsehautmachende Küsse. Farin lehnt sich an die Wand der Umkleidekabine, nicht fähig, sein Gewicht länger selbst zu tragen.
 

Indessen ist Bela am Hemdkragen angekommen, zieht ohne Umschweife seine Hände unter Farins Hemd hervor, um den ersten Knopf zu lösen-
 

Rrring.
 

Farin reißt die Augen auf und ist sich einen Moment lang nicht sicher, wo er ist.
 

Dann sickern langsam erste Traumfetzen zurück in sein Gedächtnis, und er drängt sie reflexartig in die hinterste Ecke seines Kopfes.
 

Darüber denkt er später nach. Am besten gar nicht.
 

…Okay, vielleicht ein ganz kleines bisschen, weil es sich so gut anfühlt.

Mit vernebeltem Kopf wankt Farin zur Tür, ihm egal, wenn da jetzt noch so eine Horde feiern wollender Idioten steht. Oder Bela. Nein, okay, das wäre nicht egal.
 

Es ist aber weder das Erste noch das Letzte, sondern nur etwas Kleines Schwarzes und der obligatorische knallige Zettel.
 

Ersteres stellt sich als Nietenarmband heraus, und nicht nur irgendeines, nein, es ist Farins, das er vor Urzeiten einmal bei Bela hat liegen lassen und der immer behauptet hat, er hätte es verschlampt. Also, entweder er hat damals schon diesen seltsamen Adventskalender geplant, oder er hat es erst kürzlich wiedergefunden. Oder…
 

Farin streicht das zweite Oder gedanklich, aber er kann nicht verhindern, dass ihm bei dem Gedanken, Bela könnte es die ganze Zeit für sich aufbewahrt haben und nicht hergeben wollen, weil es von Farin ist, ganz warm ums Herz wird.
 

Der Befehl, dem Farin endlich auch einen Blick widmet, besagt: „Neunzehnter Befehl: Triff mich im Ballhaus!“
 

Farin grinst und geht schon im nächsten Moment gedanklich seinen Kleiderschrank durch. Da sag nochmal einer, er sei die Modesünde der Band.
 

Irgendwann fällt ihm der Anzug ein und er muss lachen, als er daran denkt, wie er wohl damit unter den ganzen Leuten auffallen würde. Viel mehr denkt er nicht und eine halbe Stunde ist er fertig und legt als letzten Schliff das Nietenarmband um.
 

Er fegt den Gedanken, er könne zum zweiten Bela mutieren, beiseite, stellt fest, dass er noch massig Zeit totzuschlagen hat und holt sich ein Buch.
 

*
 

Ballhaus Spandau. Das erste legendäre Treffen, ein schnöder Zufall, kein Schicksal. Schicksal ist es, dass sie hierher zurückkehren und sehen, was sich zwischen ihnen verändert hat.
 

Am Türsteher vorbeizukommen, war kein Problem, auch wenn der ihn ein wenig seltsam angesehen hat mit dem Anzug. Aber Nietenarmband und Haarpracht haben ihn gemeinsam aus der Spießer-Schublade gezogen und somit gerettet.
 

Nun nähert Farin sich langsam, aber beständig dem lässig an der Theke lehnenden Bela, der ihn selbstzufrieden mustert.
 

„Hey“, sagt Farin unsicher und fühlt sich ekelhaft. Er ist Farin Urlaub, er hat nicht unsicher zu sein!
 

„Guten Abend, der Herr!“ Bela zieht ihn in eine Umarmung und Farin gesteht sich ein, dass er das vermisst hat. „Und? Wieder ewig vor dem Kleiderschrank gestanden?“
 

„Eher nicht. Ich hab ja einen kleinen Hinweis im letzten Türchen bekommen. Und ich konnts mir nicht entgehen lassen, aufzufallen wie ein… dunkler Hund im Kanarienvogelkäfig. …Außerdem bin ich nicht du!“ Farin sieht Bela zum ersten Mal richtig an. Enge Hosen, ausgefranstes T-Shirt, Unmengen Schmuck. Und der Kajalstrich.
 

Das hat sich nicht verändert, denkt Farin und sagt: „Steht dir aber.“
 

Bela lächelt ihn an, wie er sonst nur Frauen anlächelt, und Farin vermisst die kleine Lücke zwischen seinen Schneidezähnen und denkt, das hat sich verändert.
 

Gedankenverloren dreht und wendet Farin den Fakt, dass er Bela vermisst hat, obwohl er ihn erst gestern gesehen hat, während der die Zeit nutzt und ihnen Getränke bestellt. Apfelsaft und Cola, und auch das hat sich verändert.
 

Auch wenn Farin partout gegen das Rauchen ist, gerade vermisst er Belas vom Feuerzeug angeleuchtetes Gesicht, einfach, weil Bela selten schöner aussieht, als wenn er sich eine Kippe anzündet. Auch, wenn ihm das erst jetzt auffällt, im Nachhinein.
 

Dann wischt Farin energisch die düsteren und seltsamen Gedanken weg und konzentriert sich auf den verbalen Schlagabtausch mit Bela, und er stellt fest, dass er auch das vermisst hat, die lockeren Gespräche, die kleinen Sticheleien nicht nur auf der Bühne.
 

Das ist Bela, und er ist hier, und Farin ist so zufrieden damit, dass er ihn zwischen zwei Scherzen auf die Wange küsst. Bela grinst ihn an und widmet sich seiner Cola, und Farin erwischt sich bei der Frage, ob das jetzt ein Fehler war.
 

Er ist Farin Urlaub, er macht keine Fehler.
 

*
 

Bela beschließt aus einer Laune heraus, ihn noch bis zur Bushaltestelle zu begleiten (wie früher), und so laufen sie (wie früher) in sinnlose Diskussionen vertieft nebeneinander her.
 

„Okay“, sagt Farin und verbannt alle Enttäuschung aus seiner Stimme, „da wärn wir.“
 

„Ja“, antwortet Bela, stellt sich auf die Zehenspitzen und küsst Farin. Nicht wie früher. Ganz und gar nicht wie früher, stellt Farin fest, dann fällt er in das bereits bekannte Gefühl der völligen Glückseligkeit, zieht Bela näher und erwidert den Kuss.
 

Längst nachdem Bela von ihm abgelassen hat und ihn atemlos und mit einem halb in der Dunkelheit verschwundenen Winken allein zurückgelassen hat, sitzt Farin auf der Bank und vergleicht früher und heute.
 

Ein eiliger Abschiedskuss, halb fröhliche Flirterei, halb Provokation. Möglicherweise einfach nur Alkohol und Laune.
 

Tiefergehend und definitiv zu lang für bloß Freunde. Und ganz nebenbei völlig nüchtern und ernsthaft.

20.Dezember

20. Dezember
 

Wenn das Leben ein Film wäre, würde Farin ein sanfter Sonnenstrahl wecken. Er würde blinzelnd die Augen öffnen, vielleicht auch ein klein wenig die Nasen rümpfen, ob der Störung die seinen schönen Schlaf widerfährt und dann ganz langsam aufwachen. Aus der Küche könnte er einen leichten Duft von Tee wahrnehmen, aufgebackenen Brötchen und diesem ganz besonderen Geruch eines klaren Wintermorgens. Und während er so langsam dem Wachsein entgegendimmern würde, würde eine Hand durch sein Haar streifen, sich sanfte Lippen auf seine Stirn legen.
 

Wenn das Leben ein Film wäre.
 

Das Leben ist aber leider kein Film, hat keinen Regisseur und auch kein Drehbuch. Und so ist es auch kein Sonnenstrahl, der ihn weckt, sondern das monotone Piepen des Müllwagens draußen auf der Einfahrt. Der Duft von Tee, Brötchen und Wintermorgen weicht dem seines Haarsprays, von dem er gestern zu faul gewesen war es noch aus zu waschen. Und die Hand die ihm so zärtlich beim wach werden geholfen hat, entpuppt sich als eine kleine Sabberlache, unangenehm feucht an seiner Wange.
 

Frustriert reibt sich Farin den Schlaf aus den Augen, begegnet der grauen Welt vor seinem Fenster mit einem finsterem Blick (mit Schnee hat er sich inzwischen angefreundet, aber dieser Matsch ist und bleibt einfach nur grässlich) und setzt vorsichtig erst den linken und dann den rechten Fuß auf den kalten Boden.
 

Er wirkt ein bisschen wie ein Zombie, ein Eindruck, den der zerknitterte Anzug und die zerrupfte Frisur nicht gerade tilgen, weshalb sein erster Weg auch dem Badezimmer gilt. Eine halbe Stunde später (alles Belas schlechter Einfluss, früher war er nie so ein Mädchen gewesen), ist er wieder halbwegs vorzeigbar. Gerade zum richtigen Zeitpunkt, denn als er auf den Flur schlendert, klingelt es an der Tür.
 

Wie selbstverständlich werden seine Schritte schneller, ist er binnen Sekunden am Eingang. Nützen tut es ihm trotzdem nichts, scheint Bela doch heute nicht darauf erpicht zu sein sich ihm zu zeigen. Zumindest augenscheinlich. Weiß Farin doch nie, wie es im Kopf des Drummers aussieht.
 

So greift er sich den heutigen Befehl, der mal wieder in einem Korb unter einem Tuch versteckt ist und schleppt ihn in sein Haus. Schleppen im wahrsten Sinne des Wortes, ist das Flechtwerk doch schwerer als sonst, facht Farins Neugierde um ein weiteres an. Sich bis zur Küche geduldend, in der er den Korb auf den Tisch stellt, braucht es nur einen kurzen Blick unter das Tuch, um zumindest seine noch temporär vorhandene Aufregung zu stillen.
 

Der bunte Klebezettel hängt dieses Mal an einem Christbaumständer, der massiven Sorte, darauf geschrieben:
 

„Zwanzigster Befehl: Kauf dir einen Weihnachtsbaum!“
 

Eigentlich ein relativ harmloser Befehl. Trotzdem kann Farin seine Augenbraue nicht daran hindern, in die Höhe zu schnellen. Er hatte schon Probleme, als er nur das Haus dekorieren sollte, wusste nicht, wohin mit all dem Kitsch in seinen geordneten und sauberen vier Wänden. Und nun ein ganzer Baum?! Wahrscheinlich noch auf das schlimmste geschmückt, mit Sternspitze, Lametta und Lichterketten? Dabei wohl möglich den ganzen Fußboden vollnadelnd, während die Spitze Spuren an seine Decke kratzt?
 

Undenkbar.
 

Noch in Gedanken wie er das bewerkstelligen soll, kramt sich Farin aus seiner Garderobe Jacke und Autoschlüssel. Ein Rums begleitet das Zufallen der Haustür hinter sich und mit langen großen Schritten, die den Matsch zu beiden Seiten spritzen, ist er bei seinem Auto. Selbst beim Starten des Motors, lässt ihn diese vertrackte Aufgabe nicht in Ruhe. Eine wahre Nuss die ihn Bela da ins Körbchen gelegt hat.
 

*
 

Vier Tannenbaummärkte und zwei Blume2000 braucht ist, ehe Farin begreift, dass diese Nuss aus purem Granit zu bestehen scheint. Sobald er sich nämlich an den Gedanken eines Ungetüms in seinem Wohnzimmer gewöhnt hat (drum rum kommen wird er nicht, entweder Belas mit Sicherheit installierten Kamaras geben ihn Auskunft oder der Ältere macht einfach einen Kontrollbesuch), fängt auch schon die leidige Suche an.Sobald er sich nämlich an den Gedanken eines Ungetüm in seinem Wohnzimmer gewöhnt hat (darum kommen wird er nicht, entweder Belas mit Sicherheit installierten Kameras geben ihn Auskunft oder der Ältere macht einfach einen Kontrollbesuch), fängt auch schon die leidige Suche an. Da ist der erste Baum zu klein, der zweite unten schräg gewachsen, dem dritten fehlt eine ordentlich Spitze, der vierte ist dann wieder zu groß und der fünfte ist doch wohl bitte eine einzige Krücke.
 

Und wehe es behauptet jemand, Farin hätte zu hohe Ansprüche!
 

Schon leicht an genervt stampft der Gitarrist durch eine weitere viel zu überfüllte Fußgängerzone. Seine Füßen erfrieren langsam, trotz dicker Winterstiefel und Socken und wenn er auch nur noch ein einziges Gör sieht, dass heulend seine Mutter zum x-ten Weihnachtsgeschenk zu überreden versucht, vergisst er seine Vegetarismus und wird Kannibale. Mit Vorliebe für lecker Kinderbeinchen.
 

Im Augenwinkel ein neues Schild der mehr oder weniger bekannten Ladenkette für Gewächse aller Art habend, hetzt Farin wie die breite Masse an den blickenden und geschmückten Schaufenster vorbei und fühlt sich mal so alles andere als rebellisch. Im Gegenteil. Ein wenig kommt er sich wie seine Eltern vor, typische Mittelstandspießer die vor dem 24. Dezember den reinen Kollaps bekommen, weil Weihnachten ja mal wieder so plötzlich kommt und sie noch gar nicht alles zusammen haben.
 

Vielleicht bleibt Farin deswegen auch plötzlich vor dem Reisebüro stehen, kümmert sich nicht um den älteren Herrn der strauchelnd beinah zu Boden geht, weil sein Stoppen so abrupt kommt. In den Auslagen wurde ein wenig Sand aufgeschüttet, ein kleiner Miniaturliegestuhl und Blumengirlande lassen den Blonden sofort anfangen zu träumen.
 

Und seit langem fragt sich Farin mal wieder, warum er sich das alles überhaupt antut. Natürlich JETZT noch aufzuhören steht völlig außer Frage. Die vier Tage würde er auch noch aushalten. Komme was da wolle. Trotzdem. Tiefer versenkt er seine Hände in die Jackentasche, vergräbt das Gesicht in dem schwarzen Schal. Würde jetzt, in dieser Sekunde eine Fee vor ihm auftauchen und Farin hätte drei wünsche frei, er würde nicht eine Sekunde lang zögern, die nächste Südseeinsel anvisieren.
 

Aber das Leben ist nun mal immer noch kein Film und Feen komm halt nur in Disneyproduktionen vor, weshalb sich Farin, wesentlich langsamer und verstimmte, weiter seines Weges macht.
 

Dabei schweift er nur kurz die anderen Läden und auch wenn die Distanz bis zu dem Blumengeschäft geschwinden gering ist, schafft es Farin ein zweites Mal stehen zu bleiben. Dieses Mal aber nicht vor einem augenscheinlichen Zuckerstrand, sondern vor einem Batmancomic, dass in einer Schutzhülle eingeschweizt wurde und dessen Preis ihm einfach nur verboten hoch vorkommt.
 

Es ist das erste Mal an diesem Tag, das Farin bewusst an Bela denkt und wie von selbst schleicht sich ein kleines Grinsen auf seine Lippen. Mag sein das er hier im Matsch wandert. Mag sein das er einfach nur angenervt ist. Mag sein das er langsam zum Menschenfeind mutiert. Letzendlich weiß Farin schon, wofür, oder besser, für wen er das alles macht. Und das sein Wunsch an die obligatorische gute Fee, ganz bestimmt nicht die Südseeinsel wäre. Zumindest nicht allein.
 

*
 

Zufrieden betrachtet Farin das Meisterwerk vor sich, umrundet es noch mal, prüft es auf Fehler, die es aber (natürlich!) nicht hat. Es ist ein Kompromiss. Etwas zwischen TUI und Comicladen. Zwischen Misanthrop und Weihnachtsjunkie. Zwischen ihm und Bela.
 

Ein letztes Mal guckt der Gitarrist ob genug Wasser im Blumentopf ist, dann macht er sich aus dem Wohnzimmer Richtung Bett, dass er sich redlich verdient hat.
 

Stumm steht die Weihnachtspalme im Raum, mal nicht ganz so festliche Schatten in die Dunkelheit.

21.Dezember

A/N: Wieder böse ungebetat, wird noch gemacht. Und morgen wird auch wieder versucht pünktlicher hochzuladen. Ich hoffe,ihr bleibt uns treu ;)

***
 

21.Dezember
 

Als Farin die Augen aufschlägt, beschließt er heute einen Tag ohne die Welt zu verbringen.

Seine Gliedmaßen fühlen sich schwer an, alles scheint irgendwie nicht zusammenzupassen. Vor allem die Tatsache, dass er Bela gestern nicht gesehen hat, wurmt ihn.

Auch wenn es ihm gar nicht behagt sich dies einzugestehen.
 

Der Kuss am Ballhaus geht Farin seitdem nicht mehr aus dem Sinn. Er hat in seinem Leben schon oft geküsst (Mal mehr, mal weniger ehrlich.), aber so hatte sich diese Geste noch nie angefühlt.

Liebevoll, trotzdem irgendwie ungestüm und so unendlich vertraut. Wie ein zweiter erster Kuss.
 

Grummelnd zieht Farin sich seine Decke bis an den Hals, als er feststellt, welche kitschig bis kindlichen Gedanken durch seinen Kopf gehen und ihn ernsthaft beschäftigen.

Leider wird seine Ignoranz der Umwelt durch ein durchdringendes Türklingeln unterbrochen.
 

Die verdammte Chance Bela zu sehen, treibt Farin automatisch aus dem Bett. Er kann nichts dagegen tun, seine Füße fliegen regelrecht Richtung Tür. Ihm selber behagt das zwar gar nicht, doch sein Bauchgefühl hat in letzter Zeit eindeutig an Position in der Rangordnung gewonnen.
 

Erwartungsvoll öffnet er die Haustüre, wartet auf diesen Blick oder gar noch einen Kuss. Stattdessen begrüßt Farin einer der obligatorischen Weidenkörbe, ganz ohne Bela. Sein enttäuschtes Seufzen verhindert er gerade so noch. Für diesen ganzen Irrsinn in seiner Gefühlswelt gäbe es eine ganz schlichte, allumfassende Erklärung.
 

Er hat sich in Bela verliebt.
 

Kurz nachdem Farin diesen Satz nur gedacht hat, erweitert er seine Liste der verbotenen Wörter sofort. Nein, er ist ganz sicher nicht in diesem v-Zustand.
 

Neugierig schleppt er den Korb wie gewohnt in die Küche, während er seine Gedanken auf eine einsame Insel wünscht. Egal was er denkt, eine Person mit B findet sich zu oft darin wieder.
 

Um sich abzulenken sieht er lieber schnell in sein Türchen und findet ein kleines, komplett leeres Fotoalbum, Kleber und (wie sollte es anders sein) Fotos.
 

"Einundzwanzigster Befehl: Bastele ein Fotoalbum!"
 

Das sind diese Sekunden, wo er Bela hasst und zugleich liebt.
 

*
 

Wie gewohnt bei Urlaub'schen Bastelarbeiten sieht der gesamte Küchentisch wieder nach einer Schlacht aus. Auf dem Tisch sind die Fotografien ausgebreitet, Bela scheint mit Bedacht gewählt zu haben.

Fotos aus ihren frühsten gemeinsamen Tagen, bis heute.
 

Da ist ein Bela, mit schwarzen Haaren und blonden Pony, der ihm von einem alten Polaroid entgegengrinst. Ungewollt tauchen Bilder in Farins Kopf auf, Szenen, die sonst tief in seinem Unterbewusstsein vergraben sind.
 

Ein Drummer der sich ungestüm um seinen Hals hängt, weil sie ihren ersten Gig mehr oder minder erfolgreich hinter sich gebracht haben. Die gleiche Gestalt die sich schwer auf ihn lehnt, sich halb zum elterlichen Zuhause tragen lässt, in dem bewussten Wissen, dass Farin dadurch seinen letzten Bus verpassen würde. Immer noch die gleiche Person, die mit ihm auf irgendeiner Wiese, in irgendeinem Sommer, in irgendeiner Nacht auf einer Wiese liegt. Arm in Arm.
 

Unbewusst murmelt Farin wieder einmal Songtextzeilen vor sich hin, langsam aber sicher schon Gewohnheit.

"Die Antwort bist du..."
 

Aus einer spontanen Laune heraus klebt er einige Fotos ein und krakelt ebenjene Zeile unten rechts in die freie Ecke. Wenn Nostalgie, dann richtig.

Die nächsten Fotos sind in der Zeit nach ihrer Reunion entstanden, wie schon bemerkt fehlt eine Zeitspanne.
 

Erneut schleichen sich Bilder in seinen Kopf. Sein erstes Zusammentreffen nach langer Zeit mit dem Schlagzeuger, dieses Honigkuchenpferdgrinsen. Ihre ersten Konzerte in vollen Hallen, das Tourleben. Die infantilen Späße Belas, die gemeinsam mit seinen zu einem Inferno führten (Von Tortenschlachten bis Spontanstriptease). Das Duo Infernale halt.
 

"Wie ein Hagelsturm an einem Sommertag!"

Ohne darüber nachzudenken findet sich die Zeile auf dem blütenweißen Papier wieder, nach kurzer Zeit gesellt sich die Reihe der Fotos hinzu.
 

Die letzten Schnappschüsse reichen bis heute.

Zum ersten Mal sind es nicht nur positive Momente, die Farin in den Sinn kommen. Die monumentalen Touren, die Massen von Interviews, das ständige aufeinanderhocken in einem engen Tourbus. Ihre lautstarken Streits zu unmöglichen Uhrzeiten. Ihr Image, gekünstelt auf der Bühne.

Die zerbrechende Freundschaft zu dem Schlagzeuger.
 

"Vieles ist zur Gewohnheit verkommen..."

Dieses Mal schreibt er die Zeile nur hauchdünn mit Bleistift. Dinge, die er sich nicht traut auszusprechen oder zu schreiben. Ist es gerade doch wieder... ja wo eigentlich angekommen?

Seufzend pappt Farin die letzten Bilder in das Album, schließt es darauf vorsichtig, als könne er etwas zerstören.
 

Natürlich drapiert er das Fotoalbum auf der Fußmatte, jedoch ohne irgendeine Nachricht. Er möchte einfach seine Gedanken mitteilen. Ohne Schnörkel, ohne Lügen ohne Halbwahrheiten.

Nachdenklich schließt Farin die Kälte wieder aus und macht sich daran, die Küche wieder betretbar zu machen.

22.Dezember

22.Dezember
 

Am nächsten Morgen wird Farin von dem leisen Tropfen seiner Regenrinne geweckt, welche sich, dank der Bauplanung irgendeines hochstudierten Architekten, genau neben dem Fenster

befindet. Er ist noch nicht ganz wach. Viel mehr schwebt er in einer Art halbwirklichen Traumwelt, mit Bildfetzen gleich kleinen Wolken. Da aber dennoch nie zu fassen.
 

Sanfte Lippen auf seiner Stirn.
 

Tropf.
 

Ein dunkles Lachen, Mark erschütternd.
 

Tropf.
 

Katzenaugen in tiefster Nacht, bedrohlich und lockend zu gleich.
 

Platsch.
 

Verschreckt öffnet Farin nun gänzlich die Augen, sucht nach allen Seiten den Übeltäter, welcher ihn nun gänzlich aus seinem Schlummer gerissen hat. Erst langsam wird seinem müden Gehirn klar, dass es sich wohl um eine halbe Lawine gehandelt haben muss, die der Schwerkraft folgend vom Dach gerutscht ist, ihr Ende laut platschend auf seinem Rasen gefunden hat.
 

Ein Blick nach draußen bestätigt seine Theorie.
 

Schlimmstes Tauwetter.
 

Schaudernd und so elanlos wie möglich (das heißt erst ganz langsam den einen Fuß und dann noch langsamer den anderen) hebt sich der Gitarrist aus seinem Bett, macht sie Richtung Küche. Würde er sich den Blick in den Spiegel trauen, der auf dem Weg dahin auf dem Flur hängt, würde ihm ein lustloser Anfangdreißiger begegnen. Ein wenig infantil wirkend, in seiner postpubertären rebellischen Phase mit den roten Haar und auf jeden Fall zerknautscht bis griesgrämig.
 

Weil Farin das aber ganz genau weiß, müht er sich gar nicht erst mit der ernüchternden bis niederschmetternden Realität ab, sondern sucht seinen Heil ihm Tee machen, dabei versucht ganz bestimmt nicht an eine Person zu denken, die er gestern schon wieder nicht sehen durfte. Oder an seine Gefühle für eben diese.
 

Schwerer gesagt als getan, klingelt es doch nur allzu pünktlich an seiner Tür. Und trotz der allgemeinen Lethargie die ihn erfasst hat (vielleicht ist es auch nur ein ganz profanes Leiden der Sehnsucht) schaffen es seine Beine ungewohnt flink ihn zur Tür zu bringen.
 

Ein Ziehen an der Tür und ein enttäuschter Blick später, reißt ihm die Gewissheit, dass der Drummer ihm sich heute schon wieder nicht zeigt, jeglichen Ansporn unter die Füße weg. Seine Schulter schaffen es sogar ein klein wenig herunterzusacken, ein einziges Bild der Enttäuschung.
 

Dem heutigen Türchen spendet er deswegen auch nur einen dürftigen Blick. Unter dem Tuch befindet sich ein ganzer Batzen an Brotkrümeln, einige der Reste scheinen auch von alten Kuchen zu stammen. Am Henkel baumelt der bekannt knallige Befehl:
 

"Zweiundzwanzigster Befehl: Gehe Entchen füttern!"

Eindeutig wieder eine Kurzschlussreaktion, wie nur Bela B sie beherrscht. Irgendetwas zwischen infantil und senil, zwischen Wahnsinn und spontanem Einfall.

Farin möchte gar nicht wissen, was in Belas Kopf vorgegangen ist. Allein diese Verniedlichung von Ente lässt ihn schaudern.
 

Noch dreimal würde er all diesen Launen standhalten müssen, aufgeben kommt einfach nicht mehr in Frage. Egal wie bescheuert der Befehl ist, die Zeit hat Farin zermürbt und relativ willenlos gemacht.
 

*
 

Mit einer schwarzen Cappi und seiner obligatorischen,ebenso schwarzen Sonnenbrille und einer olivgrünen Regenjacke stapft Farin durch den kleinen Park, der nicht allzu weit von seinem Wohnort entfernt ist.

Hauptsache er wird nicht erkannt, die Brot-und Kuchenkrümel hat er schon vorsichtshalber umgetütet.
 

Als er sich die BILD-Schlagzeile: "Farin Urlaub füttert Enten im Park – Droht doch bald das Altenheim oder gar die Psychatrie?" vorstellt, inklusive einem Schnappschuss von ihm und seinen Brotkrumen, muss er ungewollt leise lachen. Eine schöne Meldung für das Schmierblatt, seiner Meinung nach.
 

Mittlerweile hat er die kleine Brücke und die dazugehörigen Enten, Entchen oder einfach Vögel erreicht, mit suchendem Blick schwimmen sie träge auf dem Wasser unter ihm hin und her. Eine ganze Weile starrt Farin auf die verschiedenfarbigen Tiere, stützt seine Arme auf die Holzbrücke und lässt sich nach vorne sinken.
 

„Schön hier,nicht?“

Oh Nein. Wer auch immer ihn gefunden hat, er will es nicht wissen.

„Mhm.“, antwortet Farin unverbindlich und nichtssagend.

„Ich komme oft hierher.“

Scheinbar der Prototyp von: Ich-drehe-dir-gleich-meine-ganze-Lebensgeschichte-an.

Egal, ob Farin daran Interesse hat oder nicht. Da er immer noch halb auf der Brücke zusammengesackt ist und keinen Willen hat sich umzudrehen, meint er nur zu wissen, dass die Person weiblich und älter ist. Lustlos wirft er einer der Enten einige Krümel in das dreckige Wasser, worauf gleich ein Krieg unter den Tieren entflammt
 

„Warum kommen Sie hierher?“

Die ehrliche Antwort wäre: „Weil mein bester Freund und mittlerweile irgendwie auch Liebhaber mir einen Adventskalender gemacht hat und ich jeden Tag einen Befehl zu befolgen habe. In Türchen 22 haben sich diese Essensreste befunden, mit denen ich genau diese Entchen füttern soll.
 

Es klingt so krank in seinen Gedanken, dass Farin kurz schockiert ist und weiter schweigt. Erinnert ja schon an BD/SM im rosaroten Zuckerwatteland. Aus Frust wirft Farin eine besonders fette Ente mit Kuchenkrümeln ab. Der Protest folgt prompt in Form lauten Quakens.
 

„Sie wollen nicht reden,mhm? Ich habe nichts gegen Schweigen. Hauptsache es geht demjenigen gut dabei. Sie sehen irgendwie nachdenklich aus... und ein klein wenig verliebt. Nein, nicht nur ein klein wenig. Aber auch unsicher in der Sache.“
 

Farins Kopf schnellt nach oben, er dreht sich sofort um. Vor, beziehungsweise hinter ihm steht eine ältere Dame, dick eingepackt in Wintersachen, mit einer großen Handtasche.

Ihr Lächeln ist warm und freundlich, läd irgendwie ein.
 

„Verliebt würde ich das jetzt nicht nennen.“

Farin hat keine Ahnung, warum er bei der Fremden einfach auf dem Nähkästchen plaudert. Er fühlt sich so absolut sicher, dass er (zu seinem Leidwesen mal wieder) nicht denkt.

„Verliebt definiert sich jeder selber. Manche denken Tag und Nacht an diese eine Person, manche nur einmal am Tag und andere hassen sie sogar ein kleines bisschen. Die Spannweite ist größer, als das was man verkauft bekommt.“
 

Mit erneutem Schrecken stellt Farin fest, dass er auch noch zu Typ I gehört. Erneut muss die Ente unter ihm Leiden, als er sich wieder Richtung Wasser dreht.
 

„Die Ente kann da jetzt aber wirklich nichts für, dass Sie sich Ihre Gefühle nicht eingestehen.“
 

Ein Schnauben folgt als Antwort, mit wiederholtem Versuch des Enten-Abwerfen.

Die plötzliche Stille ist unbehaglich, aufgrund dessen dreht Farin sich doch wieder zu seiner sehr eigenen Gesprächspartnerin.
 

Diese ist aber verschwunden, sang- und klanglos, ohne ihm noch irgendeine Weisheit mitzugeben.

23.Dezember

23.Dezember
 

Wie es mit dem Morgen im Allgemeinen so ist, kommt der des 23. Dezembers viel zu früh und vor allen Dingen viel zu plötzlich. Noch immer hängen Farins Gedanken am gestrigen Tag: den schnatternden Enten, der merkwürdigen Oma und diesem nicht bestimmbaren Gefühl, dass er einen kurzen Blick in die Twilightzone geworfen hat. Und natürlich dem Fakt, dass Bela alles in allem mal wieder nur durch Abwesenheit glänzte. Das dritte Türchen in Folge.
 

Ein endlos langes Seufzen verlässt die Lippen des Gitarristen, müde (und das nicht nur vom wenigen Schlaf) reibt er sich über die leicht schmerzenden Augen. Sein Blick streift kurz Wischmopp, der mittlerweile ein wenig zerrupft wirkt. Das Cape hängt nicht mehr ganz so akkurat um den bepelzten Hals, einer der angeklebten Zähne hängt auf halb acht, droht der Absturz. Versuchend, sich so wenig wie möglich zu bewegen und auch ja nicht seine angewärmte Bettdecke zu verlieren, angelt Farin nach dem Teddy, setzt ihn auf seinem Schoß ab. Er sieht ihn sich ein wenig genauer an, stoppt irgendwann bei den schwarzen Knopfaugen, die ihm wie stets leblos entgegen schauen.
 

„Du weißt auch nichts damit anzufangen, nicht?“
 

Farin braucht das "Nichts" nicht zu konkretisieren, weiß er doch, dass von Wischmopp keine Antwort zu erwarten ist. Was nichts an der Tatsache ändert, dass er trotzdem mit ihm redet und sich dadurch wirklich ein klein wenig besser fühlt. Ist es doch immer noch würdevoller als Selbstgespräche führen.
 

Ein bisschen zumindest.
 

„Bin ich denn der Einzige von uns beiden, der... ich meine bin nur ICH es, der darin mehr sieht? Oder gehört das alles zu dem Adventskalender? Interpretiere ich da zu viel hinein? Bela war schon immer flatterhaft, klar, weniger schamlos... das ging seit unseren Anfangstagen weiter als normal... aber...“
 

Der Satz bleibt offen. Gedankenverloren drückt Farin den Zahn an Wischmopps Mäulchen fester, zurrt den Umhang zurecht.
 

„Das kann doch nicht nur eine Laune gewesen sein. Das in der Umkleidekabine... okay... das war eine typische Aktion vom ihm... Knall auf Fall, aber das am Ballhaus... das war geplant... hundert Prozent! Er war nüchtern und bei vollem Bewusstsein und...“
 

Auch dieses Mal findet Farin kein Ende, schafft es nicht seinen verwirrten Gedanken eine klare Form zu geben, ihnen eine Sprache zu verleihen. Frustriert fährt er mit dem Finger die Umrisse der Fledermaus nach, die immer noch am Cape hängt und so absolut Bela ist, dass es jetzt im Moment gerade nur schmerzt.
 

„Da war definitiv mehr, auch von seiner Seite aus. Aber warum... warum dann dieses auf Abstand Halten? Sollten diese dummen Befehle denn nicht dazu dienen, dass wir uns wieder näher kommen? Unsere Freundschaft retten? Hat er denn gar keine Sehnsucht?!“
 

Schließlich kommt die Katze doch noch aus dem Sack. Allein der Schlag trifft nur den Gitarristen. Übergeht Wischmopp diese skandalöse Erkenntnis doch schließlich mit gnädiger Gelassenheit und Ruhe und so still, wie es sich Farin von manchen Leuten nur wünscht.
 

Ja, der Blonde hat Sehnsucht nach Bela. Wünscht sich nichts mehr, als einen Blick der grünen Augen zu erhaschen, die so beruhigende dunkle Stimme des Älteren zu hören. Vielleicht auch den ein oder anderen Kuss rauben zu können.
 

Und ja, es tut ihm weh, dass Bela nicht so fühlt wie er. Augenscheinlich. Dass er Tage ohne ihn verbringen kann, Farin am langen Arm verdursten lassend. Es sät Zweifel in dem Gitarristen. Bedroht sein Zuckerwatteland im Schatten dunkler Wolken. Bis jetzt ging es Farin immer nur um seine eigenen Gefühle. Sich über sich selbst und seine Beziehung zu dem Drummer klar zu werden. Nun aber kommen diese Fragen, die böser sind als jedes s oder v Wort.
 

Was, wenn das alles für Bela gar nichts ist? Sondern nur eins von vielen Spielen? Farin sich am Ende zum totalen Trottel macht mit dieser Liebe, die möglicherweise unerwidert ist? Das alles minutiös vom Älteren geplant wurde, nur damit dieser am Ende den wirklich großen Lacher einheimsen kann?
 

Frustriert wirft Farin Wischmopp mit Schwung zurück zum Fußende, vergräbt sein Kopf in die Kissen.
 

Doch erneut wird er unsanft durch das Türklingeln aus seiner hohen Kunst der absoluten Ignoranz gerissen. Versucht, dieses Mal wirklich liegenzubleiben und Bela einfach Bela sein zu lassen, ist er zwar, doch das Etwas in ihm ist wieder einmal viel zu stark.
 

Rasch wirft er das Kissen auf Wischmopp, schaufelt sich aus seiner Decke hoch und hastet zur Tür. Das gleiche Spiel wie jeden der letzten Tage: Erwartungsvoller Moment, Öffnen der Türe, Enttäuschung.
 

Nicht einmal einer dieser gottverdammten Körbe. Nur ein gefalteter Zettel und der knallige Klebezettel:
 

"Dreiundzwanzigster Befehl: Kaufe noch einige Kleinigkeiten für Weihnachten ein!"
 

Als er den Zettel aufklappt, begrüßt ihn die gewohnt krakelige Handschrift und drei Unterpunkte.
 

1. Eine Flasche Wein

Ganz schlecht. Farin hat in etwa so viel Ahnung von Wein, wie eine Kuh vom Fliegen. Still hofft er auf eine gute Beratung.
 

2. Kerzen

Leicht verwirrt starrt er auf das eine Wort. Was genau soll ihm das jetzt wieder mitteilen?
 

3. Eine Packung Kondome und eine Tube Gleitgel

Farin liest den Punkt einmal. Dann ein zweites Mal. Beim dritten Mal realisiert er das Geschriebene, wird tomatenrot, passend zur Haarfarbe, und reißt die Augen auf.

Das Schlimmste an der Sache ist aber, dass er nicht mal mehr weiß, ob Bela scherzt oder gewisse Dinge todernst meint.
 

*
 

Scheinbar ist die halbe Bevölkerung heute noch auf den Beinen, um irgendwelche Dinge zu besorgen. Egal wo Farin hinsieht, überall drängeln sich Menschen in den Einkaufspassagen.

Mittlerweile hat Farin schon eine ziemlich teure Flasche Wein in einer ebenso exklusiven Tüte (Wozu ist man Rockstar?), glücklicherweise ist in dem astronomischen Preis auch eine Beratung inklusive gewesen. Jetzt kann er nur hoffe, dass der aufgeblasene Verkäufer in dem kleinen Weingeschäft mit seiner Empfehlung Recht behält.
 

Auch die gewünschten Kerzen befinden sich in einer weniger exklusiven Tüte, sind sie doch nur aus irgendeinem der unzähligen Dekoläden.
 

Theoretisch könnte Farin jetzt einfach zu seinem Auto laufen und nach Hause fahren. Theoretisch.

Da ist immer noch ein Punkt auf seiner Liste, der brav darauf wartet, Beachtung zu bekommen.
 

Kurz schielt er zu einer bekannten Drogeriekette, nicht wirklich sicher, ob er dort alles Gewünschte bekommt. Sein nächster Blick gilt einem abgewrackten Sexshop am Ende der Passage.
 

Es wäre nicht das erste Mal, klar.
 

Aber letztes Mal hing ein lachender Bela an seinem Arm, der alles völlig gelassen gesehen hat und mit dem Verkäufer geplaudert hat, während er vergnügt im Laden herumgestöbert hat.
 

Aber auch allein wäre das kein Problem gewesen, wenn es nicht FÜR Bela wäre und er nicht die ganze Zeit diese Bilder im Kopf hätte...
 

Farin schneidet seine Gedanken ab, indem er einfach die Tür öffnet und den Laden betritt. Maulverbot für alle Szenarios und Könnte-sein-Gedanken.
 

Die Verkäuferin lächelt ihn strahlend an. Nicht versaut. Klar, das ist auch nur ein Geschäft hier. Auch wenn ihr Ausschnitt ziemlich tief ist.
 

Ehe er in ebenjenem versinkt, sieht er sich eilig im Laden um, nimmt sich, das Hallo der Dame halblaut erwidernd, Kondome von vor der Kasse und scannt das Geschäft auf Tuben.
 

In einer Ecke wird er fündig, liest sich die großen Schilder durch (würde er die Tubenrückseiten lesen, würde vermutlich sein Kopf platzen vor lauter Blut) und nimmt schließlich eine der Teureren, er will ja nichts falsch machen.
 

Mit Willenskraft (als Bühnenperson lernt man so etwas) zwingt er sein Gesicht dazu, eine normale Farbe anzunehmen, legt Gleitgel und Kondome auf die Theke und zückt sein Portemonnaie. Die Verkäuferin lächelt ihn unentwegt an, während sie beides in die Kasse eintippt, und nennt den Preis.
 

„Viel Spaß“, wünscht sie mit zuckersüßem Verkäuferstrahlen.
 

Farin tritt draußen gegen den nächsten Baum.

24. Dezember

24. Dezember
 

Als Farin nach einer wirklich interessanten Nacht aufwacht (Man mag nicht meinen was mit ein wenig Fantasie und... Eigeninitiative möglich ist. Könnte Wischmopp reden, er hätte wahrlich eine Menge zu erzählen.) kann er einfach nichts gegen das Grinsen tun, welches sich immer wieder auf seine Lippen schleicht. Und das durchaus ein kleines bisschen debil anmutet.
 

Nachdem er gestern noch sein Fuß ein wenig gekühlt hatte (Bäumen können wenn sie wollen verdammt hart sein), kam er nach langen Überlegungen zu den Schluss, dass definitiv mehr dahinter stecken muss. Es nicht nur ein extrem fieser Scherz des Drummers ist. Dafür hat Bela zu viel Energie in diesen Kalender gesteckt. Sich beinah selbst übertroffen bei den einzelnen Türchen. (Ja, ja, im Nachhinein kann man ja immer über schlimme Dinge lachen. Auch über Schlitten fahren, Weihnachtskarten schreiben und Entchen füttern.) Farin schlichtweg auf diese (zugegebener Maßen etwas eigenwillige und schräge Art und Weise) seine Liebe demonstriert hat.
 

Weswegen sich der Gitarrist auch an diesem Morgen absolut sicher ist, dass er den Älteren heute zu Gesicht bekommen wird. All die letzten Befehle, die Distanz die Bela augenscheinlich aufgebaut hat, die aber doch von Zuneigung durchtränkt war, dank den ganzen süßen Aufgaben, machen das deutlich. Es muss einfach so sein!
 

Fast aus seinen Bett hüpfend, sprintet Farin nur so ins Bad, zieht alle Register. Und ja, er sieht verdammt gut aus in dem Anzug, den er dieses mal mit einem weinroten Hemd kombiniert hat und den etwas helleren Haaren im selben Ton, die zu allen Seiten abstehen! Sich kurz ein Tee machend, verdursten will er schließlich nicht, lauert Farin dann geradezu nur so vor der Tür.
 

Und schnell wird im klar, dass nichts sicher ist. Außer die Steuer und der Tod. Mit jeder Runde die der Zeiger der Uhr dreht, mit jeder Minute die Bela verstreichen und ihn warten lässt, wird Farin unsicherer. Könnte doch immer alles nur noch ein schlechter Scherz von Bela sein, ein kleiner Spaß nebenbei. Bela gibt sich in solchen Dingen gerne viel Mühe. Je perfekter und authentischer der Witz, je besser die Pointe – Desto zufriedener ist der Schlagzeuger.
 

Seine morgendlich beschwingte Laune weicht einem beklemmendem Gefühl. Eigentlich will er sich nur den schlechtesten Fall ausmalen, doch in seine Gedanken tummelt sich zu viel noch in rosarot. Farin hasst sich selber dafür, aber dagegen unternehmen kann er gerade nichts.

Leicht hilflos sitzt er in der Küche und klammert sich an seine warme Teetasse.
 

Bis es klingelt. Seine Füße fliegen regelrecht zur Tür, alles Denken wird in der klebrigen Zuckerwatte ertränkt, einzig und allein der Gedanke an Bela zählt. Farin bemerkt nicht, wie er die Tür überhaupt öffnet.
 

Das erste was er bemerkt, ist die gänzlich fremde männliche Person vor seiner Haustür. Bekannt ist nur das Pappschild mit der vertrauten Schrift, allein die Buchstaben lassen Farins Herz irgendwie höher schlagen.
 

„Vierundzwanzigster Befehl: Folge allen Anweisungen des Taxifahrers!“
 

„Würden Sie mir bitte folgen?“
 

Wie fremdgesteuert marschiert Farin hinter seinem Fahrer zu einem ganz normalen, gelbem Taxi mit den üblichen Ledersitzen. Als ihm die Tür geöffnet wird, registriert er das Ganze nur mit einem kurzen Nicken.
 

„Bitte ziehen Sie diese Augenbinde an.“
 

Leicht perplex nimmt Farin das schwarze Stück Stoff, verbindet seine Augen und denkt immer noch keinen Deut nach.

Er ist so aufgeregt, verwirrt, erwartungsvoll und (so böse das Wort sein mag) verliebt. Gefangen im Rosarot, unwiderruflich.
 

Lange Zeit hört Farin nichts, bis endlich irgendetwas laut polternd in den Kofferraum des Taxis geladen wird. Seltsamerweise scheint sein Fahrer nicht mehr allein, beweisen kann Farin es nicht, da niemand redet. Doch da ist diese ganz bewusste Ahnung von der Präsenz einer anderen Person.
 

Der Taxifahrer ist weiterhin ein eher stiller Zeitgenosse. Stumm fährt er los, stumm bleibt er. Währenddessen stirbt Farin die süßesten Tode auf seinem Beifahrersitz. Er kann nicht anders, malt sich die schönsten auf ihn wartenden Dinge aus. Obwohl da noch ganz klar der Verdacht ist, dass die Fahrt ihn nur zu der Pointe des Kalenders bringen wird.
 

*
 

„Aussteigen!“
 

Siezen scheint dem Fahrer mittlerweile zu anstrengend, stattdessen ein eher schroffer Befehl. Farin ist dies aktuell ziemlich egal, vorsichtig tritt er aus dem Auto. Eine Ahnung, wo er sich befindet, hat er nicht. Wie auch, wenn man mit verbunden Augen schon fast entführt wird.
 

Plötzlich blendet ihn das Sonnenlicht, für einige Sekunden sieht Farin überhaupt nichts. Es dauert eine ganze Weile, bis er seine Umgebung realisiert und richtig wahrnimmt.

Ein großes Gebäude vor ihm, einige wenige Menschen mit Koffern und Reisetaschen, über ihm hört er Flugzeuge.
 

Genau bei diesem Gedanken fährt Farin zusammen und würde am liebsten frenetisch jubelnd im Kreis rennen.

Der Flughafen. Ausgangspunkt für sein eigentliches Glück.
 

Aus der kleineren Menschenmenge vor dem Hauptgebäude kristallisiert sich eine Person heraus, die geradewegs auf ihn zu läuft. Farin beschließt, sich nicht auf das unterste Niveau einzulassen. Also kein ungestümes Umrennen des Schlagzeugers.
 

Dieser scheint aber ebenso ungeduldig und läuft beständig, rasch, mit festem Blick auf ihn zu ihm.
 

„Du hast es echt durchgehalten.“
 

Die Bewunderung in Belas Stimme registriert er nicht ohne Stolz.
 

„Natürlich.“
 

Mittlerweile steht der Schlagzeuger direkt vor ihm, Farin wird halbwahnsinnig, reißt sich aber zusammen. Mit einer Hand fummelt Bela irgendetwas aus seiner Tasche, Farin kann nichts genaueres erkennen. Keiner der Beiden spricht ein Wort, eine leichte Spannung liegt in der Luft. Ob positiv oder negativ ist noch die Frage.
 

Ebenso überraschend wie das Sonnenlicht vor ein paar Minuten bekommt er einen Umschlag in die Hand gedrückt. Eigentlich kann er sich ja denken, was ihn erwartet. Trotzdem reißt er den Kuvert so aufgeregt auf, wie er das letzte Mal als Kind zu Weihnachten Geschenke aufgemacht hat. Damals flogen die Papierschnipsel auch nur so durch die Luft, konnte er nicht genug von dem lauten Rascheln bekommen. Heute ist es nur ein kleiner Ratsch und das sanfte Fallen des Umschlags auf den grauen Betonboden.
 

Allein das Leuchten in Farins Augen, dieses Kribbeln im Bauch welches das Silvesterfeuerwerk schon vorweg zu nehmen scheint ist das gleiche. Oder sogar noch ein wenig mehr. Fast andächtig tastet Farin das Flugticket ab. Registriert eher beiläufig den angestrebten Ort, die Malediven, gilt doch beim Gitarristen wirklich das Sprichwort: Der Weg ist das Ziel.
 

Alle restlichen Hemmungen fallen lassend, will er den Drummer für diese „Belohnung“ einfach nur ohnmächtigen drücken (wahlweise auch küssen, Farin ist da sehr flexible), doch als er den Blick hebt, ist da kein Bela mehr. Der ist nämlich seinem natürlichen, viel zu hohen Bewegungsdrang gefolgt, steht bereits am Kofferraum des Taxis, dem Fahrer dabei helfend, Farins Gepäck aus zu laden. Das hat also vorhin so lange gedauert.
 

Langsam schlendert der Große zu den beiden, versucht auf den kurzen Weg seine Beherrschung wieder zu finden. Zur Hälfte bleibt es „versucht“.
 

„Du bist dir schon klar, dass ich wohl weniger Bekleidung brauchen werde am Strand?“
 

Ein Fingerzeig auf den viel zu beladenen Koffer, von den sich Farin jetzt schon fragt, wie er ihn durch die Kontrollen bekommen soll. Da darf er dann wohl mächtig Übergewicht bezahlen.
 

„Zumindest habe ich überhaupt an Sachen für dich gedacht. Andere Leute stürmen ja einfach kopflos aus den Haus, gewisse Präsente vergessend, die durchaus notwendig werden könnten. Das bist so typisch du, würdest wahrscheinlich selbst deinen Kopf vergessen, wenn du niemanden hättest der dich daran erinnert. Oder du deine dummen Listen nicht hättest...“
 

Bela munter weiter vor sich hinplappern lassend, fällt dem Gitarristen siedend heiß die Tüten mit den Einkäufen von gestern ein, die noch immer auf seinem Küchentisch liegt und da einen sehr guten Platz gefunden hat. Der Gedanke der aber viel wichtiger ist, alle anderen Überlegungen mit der Vorschlaghammermethode verdrängt und so plötzlich auftaucht wie ein Blitz, ist die Feststellung das er nur ein Flugticket in seinen Händen hält.
 

Zeitgleich hört Farin sein Herz laut aufschreien und wundert sich, dass niemand es mitbekommt. Im Bruchteil nur einer Sekunde ist jede gute Laune dahin und es braucht nur einen weiteren Wimpernschlag lang, dass er sich entscheidet, diesen Flughafen nicht ohne Bela zu verlassen. Und wenn er dafür in Deutschland bleiben muss. Diesem Entschluss irgendwie einen verbalen Mantel geben wollend, sucht Farin nach den passenden Worten.
 

„Bela, ich-“
 

„... außerdem hatte ich keinen Bock zwei Koffer zu packen. Ich meine, so viel Zeug brauch man am Strand wirklich nicht, da hast du schon recht. Ich geh ohnehin viel lieber nackt baden, hat man viel mehr von, meines Erachtens nach und-“
 

Dieses Mal wirklich nicht mehr an sich halten könnend, reißt Farin Bela an sich, vergräbt seinen Kopf in den schwarzen Haarschopf. Die leicht pikierten Blicke der Passenten und die ungeduldigen Gebaren des Taxifahrers, der wohl endlich sein Geld haben möchte, sieht er gar nicht. Farin ist viel zu sehr damit beschäftigt, das Gesicht des Drummers in seine Hände zu nehmen, ihn mit kleinen Küssen zu übersehen, Stirn, Nase, Mund und immer wieder leise „Danke“ zu murmeln.
 

Erst eine Hand an seinem eignen Hinterkopf, die ihn energisch gegen die Lippen Belas drückt, lässt ihn wieder ein klein wenig klarer werden. So klar wie man in einem Meer aus rosaroter Zuckerwatte sein kann. Ganz vorsichtig und ehrlich bedauernd, löst sich Farin von dem Kleineren, schenkt ihn sein glücklichstes Lächeln, dass im Vergleich doch eher klein ausfällt, sich viel mehr in den grün- braunen Augen widerspiegelt.
 

Und in dem Wissen, dass es kein besseren Zeitpunkt geben kann, beugt sich Farin ein klein wenig runter zu Belas Ohr. Wenn er schon in diesem Meer untergeht, dann richtig.
 

Und nur zusammen mit seinem Bela.
 

„Ich liebe dich.“

Epilog

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]



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Von:  Kittielein
2014-06-21T18:39:39+00:00 21.06.2014 20:39
Vier Jahre später lese ich die Story hier.
Mitten im Sommer ("Das nennst du Sommer?!"), aber drauf geschissen. :D

Die Geschichte ist immer noch unglaublich schön. Ich fühl mich wieder 16. ^^

Und danke, dass ihr mir meinen Dezember, meine so schwierige Vorweihnachtszeit damals so aufgesüßt habt. Niemals vorher hatte ich mich auf den nächsten Tag im Dezember gefreut. :>
(Und niemals war mir meine Jugend peinlicher. XD)

Liebe Grüße.
Von:  LunaLux
2011-12-16T13:35:11+00:00 16.12.2011 14:35
Jaa :)
endlich geht es voran mit den beiden :D
echt süß(ich hasse es wenn ich das wort mit die ärzte verbinde, aber es muss sein :D)wie bela sich benimmt :)
lg
LunaLux
Von:  LunaLux
2011-12-15T13:19:12+00:00 15.12.2011 14:19
Echt coole Idee Farin ne Krippe basteln zu lassen :D
Ich glaub ich bastel mir auch mal eine Ärzte-Krippe :) würde bestimmt gut aussehen^^
das ist echt schwer nicht einfach alle Kapitel zu lesen... :(
freu mich schon auf morgen^^
lg
LunaLux
Von:  LunaLux
2011-12-07T18:40:41+00:00 07.12.2011 19:40
echt mega süß <3
Ich hab die Geschichte gerade erst gefunden und kämpfe mit mir ob ich, nachdem ich die ersten 7 Tage schon an einem gelesen habe, nicht doch eher warte und das als einen wirklichen Adventskalender benutze...
Ich glaub ich versuch das mal, auch wenn die Fanfic dazu eigentlich zu toll ist. :)

lg
LunaLux
Von:  _Sternkind_
2010-05-06T22:04:19+00:00 07.05.2010 00:04
Ich habe diesen Adventkalender seeeehr geliebt - und das beste daran ist, dass man ihn jedes Jahr aufs Neue verwenden kann :-D (außer vielleicht euch fällt bis in den Dezember wieder eine neue klasse Idee ein ;-) )

Vielen Dank für dieses schöne und würdige Ende. Das Warten hat sich gelohnt!!!

Bleibt fleißig am Schreiben - ich lese euch wirklich gerne!
Von:  Toozmar
2010-05-05T18:53:13+00:00 05.05.2010 20:53
ich hatte ja schon gar nicht mehr mit einem epilog gerechnet, umso schöner einen wirklichen perfekten Abschluss zu diesem wunderschönen Adventskalender zu lesen!
wunderbar geschrieben, einfach toll, super... lalalala ich bin begeistert XD

ich danke auch recht herzlich für diese wundervolle Aktion!
Von: abgemeldet
2010-05-04T18:31:17+00:00 04.05.2010 20:31
Schön, dass es noch dieses Ende gibt. Ich finde, dass es sehr gut geworden ist. Ich stelle mir jetzt ganz gemütlich vor, wie die beiden spazieren gehen. Hach, schön.

Vielen lieben Dank für alle Kapitel.

LG :)
Von:  Slythericious
2010-05-03T12:38:38+00:00 03.05.2010 14:38
ok, der heutige tag entwickelt sich langsam zu einem wahren ereignis^^
ich hab ja fast schon nicht mehr dran geglaubt aber trotzdem immer gehofft, dass meinem gebettel nach einem adult-kapi nachgegeben wird xD
sehr toller schluss wie ich finde <3
sorry, dass ich erst jetzt zum lesen/kommentieren komme, aber... im alter wird man wunderlich^^
Von: abgemeldet
2010-05-02T12:20:20+00:00 02.05.2010 14:20
<3
Einen schöneren Epilog hätte es nicht geben können!
Ich weiß gar nicht was ich schreiben soll... der perfekte Abschluss eines so wunderbaren Adventskalenders (auch wenn es mich vom lernen abhält...^^)
ich freue mich schon wieder auf Dezember, nur um die Story dann nochmal zu lesen :)

vielen, vielen dank dafür!

Liebste Grüße,
Gräfin
Von:  Kelandria13
2010-04-14T01:17:51+00:00 14.04.2010 03:17
Tut mir leid wenn mir nichts besseres einfällt als ein lautes aber von Herzen kommendes: Oh mein Gott!!! *quiek*
Wirklich großartig. Vielleicht nicht unbedingt sehr passend zu dieser Jahreszeit (tatsächlich habe ich während des lesens einen kompletten Schoko-Osterhasen verdrückt o.ô) but i love it ^_^
So, jetzt Schluss (man beachte die Uhrzeit, und ich hab selber noch ein paar Kapitel zu schreiben... Nachtmenschen dieser Welt vereinigt euch! (Ich bin mir grad nicht sicher, ob ich in dem Zustand wirklich noch schreiben soll.. Aus, Kela! Platz!))
In diesem Sinne: Fleißig weiterschreiben (Ich meine natürlich andere, neue FFs *hust*) und gute Nacht!
P.s.: Wer die ein oder andere Klammer findet, darf sie behalten, ich hab genug davon. (Alle von Farin geklaut *muhahaha* o.Ô )


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