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Sorrow and Pain

von

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First meeting

Es war dunkel um ihn herum. Dunkel und feucht. Wo war er? Was war passiert? Wieso war er hier in dieser ewigen Finsternis, die ihn zu verschlingen drohte und sein gesamtes Denken einnahm? Unter sich konnte er harten Beton fühlen und als er sich umsah, bemerkte er, dass diese tiefe Schwärze daher herrührte, dass es späte Nacht war. Mindestens schon nach Mitternacht. Geisterstunde. Genauso fühlte er sich auch.

Seine zitternde Hand erhob sich und er fasste sich an seinen Hinterkopf. Als er sie wieder wegnahm, bemerkte er eine dickflüssige Substanz, welche an seinen Fingern klebte. Blut. Er blutete? Wieso?

Ein schweres Husten entrang sich seiner Kehle und er ließ sich wieder auf den Boden sinken. Er war erschöpft...
 

Es war schon tief in der Nacht und noch immer hatte er nicht alles erledigt, was er wollte. Nun musste er aber doch langsam nach Hause und in sein Bett. Normalerweise hätte er schon viel früher Feierabend gehabt, aber nein. Da musste es im Restaurant auch noch so ein Desaster geben. Jetzt war es zwei Uhr nachts und er konnte sich endlich auf den Heimweg machen. Wurde aber auch langsam mal Zeit. Noch länger und er wäre im Stehen eingeschlafen. Aber er brauchte den Job. Was anderes hatte er momentan nicht. Also hieß es Zähne zusammenbeißen und durch da.

Und so marschierte er schnellen Schrittes durch die Straßen Kanagawas auf dem Weg in seine Wohnung und sein eigenes heißgeliebtes Bett.

Plötzlich erschrak er und sah vor sich auf dem Boden eine kauernde Gestalt. Irgendwie war ihm mulmig. Dennoch ging er weiter auf den dunklen Schatten zu.
 

Immer noch lag er auf dem harten Asphalt der Straße und wusste einfach nicht, wo er war. Er kannte diese Gegend hier nicht. Er war noch nie hiergewesen. Wie kam er bloß hierher? Was war passiert?

Er versuchte, sich ein wenig zu bewegen, jedoch schmerzte sein ganzer Körper und er brach wieder zusammen. Verdammt... Er spürte das Blut, welches langsam aus seinem Hinterkopf sickerte und seine Sicht verschwamm leicht. Er wollte hier weg. Einfach nur weg. Er konnte nur hoffen, dass ihn jemand finden würde. Irgendjemand...
 

Er sah, wie sich der Schatten bewegte und dann ein merkwürdiges Gestammel von sich gab. Ein wenig Angst bekam er jetzt doch schon. Dennoch hatte er das Gefühl, dass der jenige Hilfe brauchte. Keine Ahnung, wie er darauf kam. Dennoch war es ihm ziemlich egal, warum. Er wollte helfen. Das lag einfach in seiner Natur. Und das Häufchen Elend, das dort saß, schien seine Hilfe auch dringend zu benötigen.

So kam er direkt auf ihn zu und hockte sich vor dem Schatten hin. Er konnte die Person zwar nicht identifizieren oder ausmachen, ob es eine Frau oder ein Mann war, aber das war auch ziemlich egal.

"Ist alles okay bei Ihnen?", fragte er mit zittriger Stimme.
 

Mühselig hob er den Blick und versuchte, die ihm gegenüber hockende Person zu erkennen. Langsam klärte sich sein Blick ein wenig. Schwarze, verstrubbelte Haare, freundliche Augen, die ihn anblinzelten, ein in dunklen Stoff gehüllter Körper. Ein junger Mann hockte dort vor ihm und sah ihn besorgt an. Er öffnete seinen Mund, um ihm zu antworten, doch er brachte keinen Ton heraus. Sein Körper zitterte leicht und seine trockenen Lippen versuchten verzweifelt, Worte zu formen.

"I... Iie... Iie..."

Who´s Aoi?

Kami-sama! Der Mann musste wirklich Hilfe benötigen. Er konnte kaum sprechen und eigentlich sah er auch nicht danach aus, dass er es alleine in ein Krankenhaus schaffen würde. Sein Gestammel ließ ihn wirklich stutzig werden. Irgendetwas stimmte hier nicht. "Was ist denn passiert?", fragte er und reichte der Person eine Hand. Er wollte ihm aufhelfen. Wenigstens aufhelfen konnte er ihm. Aber dieser nahm seine Hand gar nicht erst entgegen. Was war denn jetzt los?

"Kommen Sie, ich bringe Sie in ein Krankenhaus. Sie sehen wirklich nicht gut aus." Erst jetzt konnte er ein paar Gesichtszüge und die Statur des anderen richtig ausmachen.
 

Erleichtert stellte er fest, dass dieser Mann ihm anscheinend helfen wollte. Irgendwie helfen. Aber wie sollte er ihm auch schon helfen können? Er war verletzt und wusste nicht, wo er war, geschweige denn, wo er überhaupt herkam. Es war, als wäre sein ganzes Leben aus seinem Gehirn gelöscht worden bis zu diesem Zeitpunkt. Eine seltsame Leere machte sich in ihm breit und er wich zurück.

"Iie... Iie..."
 

"Nani?" Verdutzt starrte er den anderen an. Warum lehnte er ab? Er brauchte doch wirklich Hilfe. Warum also wies er ihn zurück?

"Aber... Sie brauchen wirklich Hilfe." Er konnte es einfach nicht sehen, wenn jemand litt und nicht in der Lage war, sich selbst zu helfen. Außerdem schien der junge Mann nicht wirklich zu wissen, wo er war. Er schaute irritiert in die Gegend und zitterte. Scheinbar hatte er auch Angst, sich gerade von ihm helfen zu lassen.

"Warum wollen Sie sich nicht helfen lassen? Ich beiße wirklich nicht." Sein Blick war traurig und auch ein wenig verletzt. Sah er denn so gruselig aus, dass man sich ihm nicht anvertrauen konnte?
 

Er hatte Angst. Furchtbare Angst. Er konnte sich nicht erklären, wieso er sich an nichts erinnern konnte. Es war, als hätte er bis vor zehn Minuten noch nicht existiert. Wäre einfach so aufgetaucht und in diese Welt geworfen worden. Einfach so. Ohne Namen, ohne Haus, ohne Existenz. Er hatte gar nichts...

"Iie...", brachte er nur wieder heraus und drückte sich noch enger an die Wand hinter sich.

Sein Herz schlug hart und schnell in seiner Brust und er hatte Angst, dass der Fremde ihn hören konnte. Er wollte in kein Krankenhaus, wo man ihn irgendwelche Medikamente in den Körper pumpte, ihm versprach, alles für ihn zu tun und ihn dann später nach seiner Genesung mit irgendeiner fremden Identität auf die Straße zu stellen. Nein. Das wollte er nicht.

"Iie..."
 

Nur ganz langsam und mit äußerster Vorsicht näherte er sich ihm noch ein Stück. "Sie brauchen keine Angst zu haben. Ich möchte Ihnen doch nur helfen." Dann sah er im fahlen Licht der Laterne, dass an der Schläfe seines Gegenübers Blut entlang lief. Was war denn bloß mit ihm passiert? Was hatte man ihm angetan?

"Sie bluten und brauchen dringend Hilfe. Bitte..." Er wollte nicht, dass so ein junger Mensch einfach auf der Straße das Ende seines Lebens abwartete. Das war einfach nicht seine Art und er spürte, dass immer mehr Sorge um diesen völlig Fremden in ihm aufstieg. Er wollte ihm unbedingt helfen. Aber dazu musste sich sein Gegenüber erst einmal helfen lassen.

Er kramte ein Taschentuch aus seiner Hosentasche und streckte den Arm aus. Er wollte ihm das Blut von den Schläfen wischen. Wenigstens das. Er schien sich nämlich wirklich nicht helfen lassen zu wollen.
 

Was sollte das? Verstand dieser Mann ihn einfach nicht? Er war ihm wirklich dankbar, dass er sich um ihn kümmern wollte, jedoch wollte er unter gar keinen Umständen in ein Krankenhaus. Nein. Alles. Bloß nicht in ein Krankenhaus. Damit wäre ihm auch nicht geholfen.

"Iie... Bitte...", wisperte er und beobachtete, wie der andere ein Taschentuch hervorholte und ihm das Blut von der Schläfe tupfen wollte.

Sein Kopf ruckte ein Stück nach hinten und sofort durchschoss ihn ein scharfer Kopfschmerz, welcher ihn leise wimmern ließ. Er robbte noch ein Stück weiter weg und hievte sich nun auf die Beine. Sie zitterten stark und schwankend tastete er sich an der Wand entlang. Einfach nur weg...
 

Jetzt war er doch etwas entsetzt. Warum wollte er sich denn nicht helfen lassen?

"Warten Sie!" Und schon packte er ihn vorsichtig am Handgelenk. "Warum wollen Sie sich nicht helfen lassen?", fragte er mit heiserer Stimme. Er wollte nicht, dass wegen ihm ein so junger Mensch einfach abhaute und vermutlich irgendwo in einer einsamen Straße sein Leben aushauchte.

Der andere zitterte stark und hielt sich scheinbar nur mit sehr viel Mühe auf den Beinen. Vermutlich würden sie eh gleich nachgeben und er würde einfach so zu Boden sinken. Gott, der Mann tat ihm so furchtbar leid. Aber was sollte er denn machen? Er wollte seine Hilfe offensichtlich wirklich nicht.
 

Sofort riss er sich von ihm los und schwankte weiter. Seine Sicht verschwamm immer mehr und er fühlte, dass er Fieber hatte. Ein kurzes, raues Husten entrang sich seiner Kehle und er blieb einen Moment stehen, um sich etwas auszuruhen. Nein. Er würde sich nicht von diesem Mann helfen lassen. Er verstand sowieso nicht, wieso er sich überhaupt um ihn sorgte. Er kannte ihn doch gar nicht. Er kannte diesen Mann ebenso wenig, wie sich selbst. Wenn er wenigstens wüsste, wer er war... Dann würde er das mit dem Krankenhaus auch zulassen.

"Kein Kr... Krankenhaus...", murmelte er leise vor sich hin und bog langsam um die nächste Ecke.

Dort jedoch rannte sofort jemand in ihn hinein. Er taumelte nach hinten und fiel hart zu Boden. Sofort wurde seine Welt schwarz.

Der kleine, blonde Mann, welcher den anderen gerade umgerannt hatte, erschrak heftig und kniete sich sofort zu dem Bewusstlosen.

"Hey? Hallo? Können Sie mich hören? Mist..."
 

Sofort lief er dem anderen hinterher, der gerade um die Ecke verschwand und es plötzlich rumste. Besorgt ließ er seine Tasche fallen und hockte sich neben dem jungen Mann, den er eben erst kennengelernt hatte.

Dann schaute er auf und sah den anderen vorwurfsvoll an. "Können Sie denn nicht aufpassen!", zischte er. Doch dann schluckte er. Oh Gott, das war doch...

"Ruki? Was machst du denn hier?"
 

"Ich? Na, wie seh ich aus, huh? Wo komm ich wohl her?", er deutete auf sein schwarzes Top und seine goldene Hose. "Ich war in der Disco. Sieht man doch."

Er seufzte leise und schaute dann wieder auf den Bewusstlosen, der noch immer vor ihnen lag und sich nicht rührte. Vorsichtig tätschelte er ihn an die Wange und wurde langsam echt nervös.

"So doll war das doch gar nicht. Ich... Ich hab das nicht mit Absicht gemacht, ehrlich nicht. Ich wollte nur so schnell wie möglich nach Hause. Hab vergessen, Sabu-Chan zu füttern, so ein Mist. Aber... Wieso blutet er denn? Sieht ganz schön fertig aus! Und er sieht auch nicht gerade warm angezogen aus. Er muss ziemlich frieren..."
 

Kai nickte nur. Ja, das hatte er auch schon festgestellt. "Keine Sorge, du hast das nicht verursacht. Er hat eben schon geblutet. Ich wollte ihm helfen und ins Krankenhaus bringen. Das wollte er aber nicht und is dann einfach losgegangen." Er sah besorgt zu senem Kumpel. "Was sollen wir denn machen? Ich weiß noch nicht einmal, wie er heißt und so können wir ihn ja nicht ins Krankenhaus bringen.", seufzte er und hob den regunglos am Boden Liegenden hoch und auf seine Arme. Dieser ließ die Arme am Körper herunterbaumeln und nur ein leises unstetiges Atmen verriet, dass er noch lebte.
 

"Ich weiß nicht... Stimmt schon. In ein Krankenhaus können wir ihn, glaub ich, nicht bringen, so ohne Papiere und allem. Und du weißt echt nicht, wer das ist? Aber... Wieso ist der überhaupt hier? Ich verstehe es einfach nicht."

Er beobachtete, wie Kai den anderen auf seine Arme hob. Die Arme baumelten leblos an seinem Körper hinab und der Kopf fiel in den Nacken. Das sah gar nicht gut aus. Ruki hoffte, dass der Kerl überhaupt noch lebte. Mit einer Leiche wollte er ja nicht in Berührung kommen.

"Uhm... Nehmen wir ihn mit zu dir? Der Weg ist am kürzesten und dann können wir auch, wenn er wieder wach ist, noch einen Krankenwagen rufen."
 

Er nickte. Ja, zu ihm war es wirklich am kürzesten. Also ab dort hin. "Könntest du schnell meine Tasche noch holen? Die liegt da vorne in der Seitenstraße. Dort hab ich ihn gefunden.", meinte er zu seinem kleinen Freund und deutete mit dem Kopf in die dunkle Straße.

Was Besseres war ihm auch im Moment nicht eingefallen. "Aber den Notarzt kann ich doch einfach über meinen Namen laufen lassen. Dann würde er wenigstens ärztlich versorgt werden. Seine Wunde sieht schlimm aus und ich glaub, er hat schon ganz schön viel Blut verloren."
 

Schnell schlüpfte der Kleine ins Dunkel hinein, um Kais Tasche zu holen. Er raffte sie vom Boden auf und wollte gerade weiter, als ihm etwas auffiel. Auf dem Boden war eine Pfütze. Er kniete sich davor. Es war keine normale Pfütze, wie er jetzt mit Schrecken feststellen musste.

"Blut!", rief er erschrocken und rannte sofort wieder zu Kai. "Der Kerl hat sogar ziemlich viel Blut verloren. Da hinten ist eine ganze Lache. Scheiße, Mann. Der kratzt uns unter der Nase weg, wenn wir nicht gleich was machen. Schnell nach Hause und dann rufen wir den Notarzt an. Na komm."

Er hing sich Kais Tasche um und rannte schon mal voraus.
 

So schnell er konnte, folgte er dem Kleinen. Der regungslose Körper auf seinem Arm war nicht wirklich schwer. Scheinbar hatte er sogar noch enormes Untergewicht. Was war dem armen Kerl nur passiert.

Es dauert keine zehn Minuten und sie standen vor seiner Wohnungstür. Ruki schloss auf und Kai stapfte sofort in sein Schlafzimmer, wo er den jungen Unbekannten gleich auf sein Bett legte. Erst jetzt sah er, wie schlecht es ihm ergangen sein musste. Er wandte sich zu seinem Freund. "Ruf du schon mal den Notarzt. Ich werd ihm gleich einen Pyjama anziehen. Dann fällt das nicht so auf, dass wir ihn auf der Straße gefunden haben." Er seufzte und machte sich auch sofort daran, den anderen von den Stofffetzen, die er trug, zu befreien. Dabei war er äußerst vorsichtig. Er wollte ihm nicht noch mehr Schmerzen und Leid zufügen. Das schien er schon genug zu haben.
 

Ruki knipste das Licht im Schlafzimmer an, als Kai den jungen Mann auf dem Bett ablegte und verzog das Gesicht. Er war dreckig, hatte Blutergüsse auf den dünnen Armen und sein Haar sah auch nicht gerade so aus, als hätte es erst vor kurzem eine Dusche gesehen. Alles in allem sah der Mann aus wie ein Penner. Ruki ging noch einen Schritt näher und rümpfte die Nase.

"Der könnte auch mal eine Dusche vertragen. Bah..."

Schnell verzog er sich aus dem Zimmer und ging zum Telefon. Er wählte die Nummer ein und hatte wenige Sekunden später den Notarzt an der Strippe. Er nannte Name und Adresse und ging dann wieder zurück zum Schlafzimmer. Er lehnte sich an die Tür.

"Der Notarzt kommt gleich."
 

Nun lag der junge Mann bis auf seine Unterwäsche nackt vor ihm auf dem Bett und er schluckte. Er war übersäht von blauen Flecken, Blutergüssen und Schürfwunden. Man musste ihm ganz schön zugesetzt haben. Doch Ruki hatte Recht. So konnte er ihn unmöglich dem Arzt überlassen.

Schnell rannte er ins Badezimmer und füllte eine Schüssel mit warmem Wasser und schnappte sich noch einen Waschlappen und ein Handtuch. Jetzt würde er ihn wenigstens noch von dem Dreck befreien und ihn ein wenig herrichten, damit man ihn nicht wirklich für einen Obdachlosen hielt. Er wusste ja selbst nicht, ob er überhaupt einer war.

Ganz vorsichtig wusch er ihn und trocknete ihn ab. Jetzt sah er schon etwas besser aus. Nur sein Kopfkissen hatte einen ordentlichen Fleck bekommen. Aber das war nicht schlimm. Der Arzt sollte nur endlich kommen, damit er ihnen hier nicht einfach wegstarb.
 

Ruki war nervös. Tierisch nervös. Er beobachtete seinen langjährigen besten Freund dabei, wie er diesen fremden Mann wusch und ihm danach vorsichtig den Pyjama anzog. Ruki schluckte. Der junge Mann sah wirklich aus wie ein Penner. Was war bloß geschehen, dass er so schlimm verletzt war? War er vielleicht in eine Schlägerei geraten? Hatte er versucht, jemanden zu bestehlen? Vielleicht einen Drogendealer um sein Geld gebracht und war dafür zusammen geschlagen worden? Oder hatte er einen Mord beobachtet und hatte dann einfach nur gestört?

Ruki schüttelte den Kopf. Er sah eindeutig zu viele Krimis. Sein Blick fiel wieder auf den reglosen Mann in Kais Bett und schluckte. Wenigstens sah er jetzt wieder etwas besser aus. Kais Kissen war schon blutdurchtränkt und er hörte aus der Kehle des Mannes ein leises Wimmern. Hoffentlich starb er ihnen nicht wirklich hier weg.

Da klingelte es auch schon an der Tür. Schnell rannte der Kleine zur Tür, machte dem Arzt auf und führte ihn ins Schlafzimmer. Der Arzt machte sich sofort daran, den Fremden zu untersuchen.
 

Kai und Ruki standen einfach nur daneben und beobachteten den Arzt und die Sanitäter, wie sie sich um ihn kümmerten. Hoffentlich würden sie ihm helfen können. Er wollte sich gar nicht ausmalen, was passieren würde, wenn sie das nicht schafften. Doch dann wurden sie angesprochen und nach dem Namen des Fremden gefragt.

Kai schluckte. Was sollte er denn jetzt sagen? "Er ist mein Cousin und heißt Uruha." Was Besseres war ihm gerade nicht eingefallen. Und irgendwie passte der Name ja auch sehr gut.

Der Arzt schien sich damit auch gerade zufrieden zu geben und behandelte ihn weiter.

Die Wunde an seinem Kopf wurde ausgiebig verarztet und schließlich mit einem ordentlichen Verband abgedeckt.
 

Ruki verzog das Gesicht, als Kai den Namen des jungen Mannes nannte. Uruha? War ihm denn nichts Besseres eingefallen? Also wirklich... Er grummelte leicht und verschränkte die Arme vor der Brust und schüttelte den Kopf. Kai war manchmal echt seltsam.

Der Arzt beendete seine Untersuchungen und drehte sich dann zu Kai um. Er steckte seine Utensilien wieder zurück in die Tasche und seufzte schwer.

"Was ist denn mit Ihrem Cousin geschehen? So etwas passiert nicht durch eine Treppe hinunterfallen oder so. Der Junge muss in eine Prügelei geraten sein. Er hat massive Verletzungen und seine Rippe ist angeknackst. Können von Glück reden, dass Sie ihn noch gefunden haben. Lange hätte der nicht mehr mitgemacht."

Er ließ Kai noch Verbandszeug und Salben da und verabschiedete sich dann wieder. Uruha hatte sich immer noch nicht bewegt.
 

Der Schwarzhaarige seufzte. Er wusste wirklich nicht, was passiert war. Er hatte ihn einfach auf der Straße gefunden und fühlte sich irgendwie für ihn verantwortlich. Und nun lag er hier in seinem Bett und wurde verarztet. Hauptsache es würde ihm bald wieder besser gehen. Mehr war im Moment nicht von Bedeutung.

Als alles wieder ruhig war, beobachtete er den nun schlafenden jungen Mann in seinem Bett. Er sah wirklich fertig aus. Allem Anschein nach war er wirklich ein Obdachloser, der in eine Schlägerei verwickelt war. Aber bei der Statur des Mannes war es auch nicht verwunderlich, dass er gerade so davon gekommen war. Er war dünn, abgemagert und sah ziemlich blass im Gesicht aus. Das würde er ändern müssen.

"Ruki? Kannst du mal auf ihn aufpassen? Ich werd schnell was zu essen machen. Er muss irgendwie wieder zu Kräften kommen."
 

"Ich mach ja schon. Mach du schnell das Essen fertig und spar nicht mit dem Fett. Der Kerl sieht aus, als würde der weniger wiegen als wir beide und das will schon was heißen."

Er grinste leicht und sah an sich und Kai hinab. Sie beide waren wirklich dünn und zierlich gebaut, aber momentan übertraf dieser Mann wirklich alles. Die ganze Gestalt sah ausgezehrt und abgemagert aus und Ruki war sich sicher, dass er allerhöchstens um die 50 Kilo wiegen konnte. Er wollte sich nicht vorstellen, wie lange dieser Mann schon durch die Gegend geirrt war.

Er setzte sich zu ihm ans Bett und starrte das blasse Gesicht sorgenvoll an. Er stupste ihm in die Seite.

"Hey... Aufwachen..."
 

Kai verschwand in die Küche. Schnell suchte er alles zusammen. Mit einer schönen Reissuppe würde er ihm schon wieder auf die Beine helfen. Das Zeug half eigentlich bei allem. Und dann würde es sicher auch hier sein Übriges tun.

Es dauerte auch wirklich nicht lange und er kam mit einem Tablett ins Schlafzimmer und stellte es auf seinen kleinen Nachttisch ab.

"Wie geht es ihm?", fragte er seinen kleinen Freund, der noch immer Wache hielt und den Patienten stumm beobachtete. Er sollte aufwachen. Sonst konnte er ihm doch nichts Warmes zu essen geben.

Ganz vorsichtig beugte er sich über das ausgezerrte Gesicht des Mannes, den er einfach Uruha getauft hatte und strich ihm sanft über die Wange. "Hey, aufwachen. Es gibt was zu essen.", sprach er ihn mit ruhiger Stimme an.
 

Ruki seufzte leise und zuckte mit den Schultern. Wie sollte er denn wissen, wie es dem Mann ging, wenn er nicht aufwachte? Er konnte ihn ja schlecht fragen, wenn er schlief. Sorgenvoll betrachtete er ihren Patienten und seufzte noch einmal schwer.

"He... Aufwachen, hai? Kai hat für dich gekocht...", sprach er leise mit dem Bewusstlosen.

Rukis Stimme drang wie von weit entfernt in sein Bewusstsein und ließ ihn langsam aus der Finsternis herauskommen. Wer rief ihn da? Wer sprach da so mit ihm? Vorsichtig öffnete er seine Augen einige Millimeter und wimmerte leise.

"Er wacht auf!", rief eine viel zu laute Stimme und Uruha wimmerte erneut auf.
 

"Sscht.", machte er zu seinem Freund und hielt ihm auch gleich den Mund zu. "Du musst ihn ja nicht gleich so anbrüllen deswegen. Da bekommt man doch gleich noch mehr Angst." Dann drehte er sich wieder zu dem jungen Mann und lächelte ihn an, als dieser die Augen öffnete.

"Hey.", begrüßte er ihn leise und mit sehr ruhiger Stimme. Er wollte ihn ja nicht gleich überfordern.

"Wie geht es Ihnen? Alles okay? Wir haben uns Sorgen gemacht.", fügte er noch hinzu und wartete darauf, dass der andere ihm antwortete. Geduldig wartete er. Nur Ruki schien das nicht zu gefallen. Irgendwie war er ziemlich hibbelig und scheinbar auch etwas nervös.
 

Ruki trat nervös von einem Bein auf das andere. Er wusste nicht, was jetzt zu tun war. Was sollten sie denn jetzt machen? Was, wenn der Kerl ein Psychopath war und sie gleich beide abstechen wollte. Und dann hatten sie keine Chance mehr.

Er schluckte und trat vorsichtig näher an den benommenen Mann, welcher sie irritert ansah. Dieser winselte leise und kniff die Augen wieder zusammen. Nein, bitte nicht. Nicht der schon wieder. Was sollte das? Konnten sie ihn nicht einfach in Ruhe sterben lassen? Mussten sie ihm helfen? Sein Leben war schon beschissen genug.

"Iie...", brachte er nur wieder heraus und wollte sich aufsetzen, um davonzulaufen.
 

Etwas verwirrt vernahm er, dass der andere sich scheinbar wieder zu einer Flucht durchringen wollte. Nichts da. Bevor er nicht gesund war, würde er ihn keinen Schritt vor die Tür setzen lassen. Nicht mal einen einzigen Millimeter.

Und so hielt er ihn vorsichtig fest. "Nicht. Sie müssen sich ausruhen. Sonst geht die Wunde wieder auf. Also bleiben Sie bitte liegen. Das ist das Beste, glauben Sie mir bitte." Seine letzten Worte klangen schon fast flehend. Der Kerl konnte aber auch verdammt stur sein. Jetzt lag er schon in seinem Bett und würde etwas Warmes zu essen bekommen und trotzdem wollte er einfach weg? So ganz verstand er das nicht.

"Ich habe Ihnen etwas zu essen gemacht. Bitte essen Sie etwas. Sie müssen erst zu Kräften kommen." Und schon hielt er ihm die Schüssel mit der warmen Reissuppe vor die Nase.
 

Irritiert blickte er auf die dampfende Suppenschüssel und schluckte. Erst jetzt wurde ihm bewusst, dass er seit drei Tagen kaum etwas gegessen, geschweige denn, getrunken hatte. Sein Körper war schwerfällig und so hatte er keine andere Wahl, als sich wieder in die Kissen sinken zu lassen. Na toll. Er wollte einfach nur weg. Diese Blicke... Er hielt sie nicht aus. Diese beiden Männer machten sich sicherlich über ihn lustig, weil er nicht so gepflegt aussah und auch nicht in so einer Luxusbude lebte.

Jedoch nahm er die Schüssel an sich und versuchte, etwas zu essen. Doch das ging im Liegen einfach nicht bei Suppe...
 

Irgendwie schien es dem anderen gar nicht so leicht zu fallen, sich mit ihrer Hilfe anzufreunden und auch das Löffeln der Suppe schien ihm schwer zu fallen. Lag wohl daran, dass er mehr lag als saß. Und so schob er einen Arm unter dessen Rücken und half ihm ganz behutsam, sich aufzusetzen, nach dem er ihm die Schüssel kurz abgenommen und Ruki in die Hand gedrückt hatte.

Besorgt legte er ihm noch ein Kissen mehr hinter den Rücken und lächelte ihn an. "Jetzt dürfte es besser gehen oder?", fragte er ihn und reichte ihm wieder die Schüssel. "Aber vorsichtig, das ist heiß. Nicht, dass Sie sich noch verbrennen."
 

Wieso? Wieso bloß? Womit hatte er das verdient? Konnte er nicht in seinem Haus sein, wo auch immer das war, und sich entspannen wie jeder normale Mensch? Aber nein... Er musste ja blutend in irgendeinem fremden Bett liegen und sich diese Bemutterungsversuche antun. Das war nicht fair.

Jedoch aß er ohne zu murren die Suppe und nachdem er fertig war, stellte er sie wieder auf den Nachttisch und schloss die Augen. Er war fertig mit den Nerven. Er konnte einfach nicht mehr.

Plötzlich entrann sich seiner Kehle ein lautes Keuchen und er drehte sich schnell zur Seite. Aus seinem Mund liefen kleine Blutrinnsale und er wimmerte auf.
 

Oh Gott! Nicht das auch noch. Jetzt hatte er auch noch Blut in den Mundwinkel. Nun war er nicht mehr nur besorgt, sondern hatte schon regelrechte Angst um ihn. Warum er das tat, konnte er sich wirklich nicht erklären. So etwas hatte er auch noch nie erlebt. Der junge Mann schien ihnen hier wirklich einfach wegzusterben, wenn das so weiter ging. Er kam sich so hilflos und nutzlos vor. Was sollte er denn machen? Konnte ihm denn da keiner helfen?

Vorsichtig reichte er ihm ein Taschentuch. "Sie scheinen Hilfe zu brauchen. Sind sie sicher, dass Sie nicht doch lieber in ein Krankenhaus wollen? Dort könnte man Ihnen doch besser helfen. Der Notarzt hat auch nur das Nötigste gemacht. Aber das scheint nicht zu reichen."
 

Ihm war, als würden seine Eingeweide von innen heraus verbrennen. Sein Magen tat furchtbar weh, dazu noch die Kopfschmerzen und die angeknackste Rippe. Was kam als nächstes? Sicherlich irgendetwas Schlimmes. Auf Besserung hatte er gar keine Hoffnungen mehr. All sein Hoffen und Bangen würde nichts nützen. Er war alleine, hatte keine Familie und keinen Wohnsitz. Nicht einmal eine Identität. Da konnte er doch nicht ins Krankenhaus oder?

"Iie... Nicht...", murmelte er leise und wischte sich beiläufig das Blut von den Mundwinkeln.

Es schmeckte metallisch und er schauderte.
 

Kai schaute erst zu dem Fremden dann zu Ruki. "Was machen wir jetzt?", fragte er ihn. "Wir können ihn doch nicht einfach so wieder auf die Straße schicken. Dann stirbt er.", wimmerte er und schaute den anderen wieder traurig an.

Dann kam ihm eine Idee. Aber ob er sich wirklich dazu durchringen würde? Er kannte ihn nicht und umgekehrt war es doch genauso.

"Ich... ich würde Sie bei mir wohnen lassen, bis Sie wieder gesund sind. Wäre das in Ordnung für Sie?" Auf Rukis entsetzte Reaktion achtete er gar nicht.
 

Sofort war Ruki zur Stelle und zog Kai mit sich aus dem Zimmer. Bloß weg von diesem Obdachlosen, welcher immer noch zitternd und verstört vor sich hinmurmelnd in Kais Bett lag und scheinbar nicht wusste, wohin.

"Weißt du eigentlich, was du da tust? Der Kerl könnte sonst was für ein Psychopath sein! So ganz dicht sieht der nämlich nicht aus! Was, wenn du seelenruhig in deinem Bettchen schläfst und dann dieser Kerl mit dem Messer ankommt und dich ersticht? Fändest du das lustig? Oder wenn der irgendwelche Parasiten hat und dich mit irgendwas ansteckt? Das lasse ich nicht zu! Kai, wir bringen ihn einfach in irgendein Obdachlosenheim, da kümmern die sich um ihn. Ich will nicht, dass du..."

Weiter kam er gar nicht, denn von drinnen kam erst ein lauter Knall, dann ein Wimmern und dann war alles still.
 

Irgendwie hatte sein kleiner Freund ja auch Recht. Er kannte ihn wirklich nicht und wusste nicht, wo er herkam oder wer er war. Aber trotzdem konnte er ihn doch nicht in diesem Zustand einfach vor die Tür setzen. Das konnte er nun wirklich nicht.

Dann gab es einen lauten Knall und er fuhr zusammen.

Kai schubste Ruki fast zur Seite und rannte wieder ins Schlafzimmer. Was war denn hier passiert?
 

Wütend starrte er in das Zimmer. Das gab´s ja wohl nicht. Da holte man sich einmal einen Fremden ins Haus, wollte für ihn Sorgen und dann sowas. Wirklich eine Unverschämtheit! Wenn der Kerl dafür nicht in hohem Bogen rausfliegen würde, wusste er auch nicht weiter.

Uruha lag auf dem Boden, inmitten von tausenden von Scherben. Anscheinend hatte er aufstehen wollen, war dabei zusammengebrochen und hatte Kais teure chinesische Vase vom Nachtschrank gestoßen. Die war wirklich sehr viel wert. Betonung lag auf 'war'. Jetzt gehörte sie höchstens in den Müll. Mit kleben war da nichts.

Ohne auf Uruhas leises Wimmern einzugehen, verschränkte Ruki die Arme vor der Brust und sah Kai an.

"Siehst du? Was hab ich dir gesagt? Nur Ärger mit solchen Leuten."
 

Sofort stieß er Ruki seinen Ellenbogen in die Seite und knurrte kaum hörbar. Musste er es denn immer übertreiben? Kaputt gehen konnte immer mal was. Und auch seine Vase, die er eigentlich wirklich verehrt hatte, war halt nun einem solchen Versehen zum Opfer gefallen. Na gut, es tat ihm schon etwas weh, dass sie zu Bruch gegangen war, aber ändern konnte er es auch nicht.

"Sei nicht so gemein. Das hätte dir genauso wie mir passieren können. Das ist kein Grund, ihn vor die Tür zu setzen.", murmelte er und kam wieder zu dem Fremden. Dieser saß nun auf dem Bettrand und starrte auf die Scherben zu seinen Füßen.

"Alles okay? Ist Ihnen etwas passiert?"
 

Ruki verdrehte die Augen. Pah. Da war wohl mal wieder Kais Beschützerinstinkt und Sinn für Gerechtigkeit erwacht. Das war mal wieder typisch Uke Yutaka. Immer da, wenn jemand seine Hilfe brauchte, egal, wer es war. Selbst so ein Penner wie der konnte auf Kais Unterstützung zählen. Ruki verstand es einfach nicht. Er traute dem Kerl einfach nicht.

"Kai, wo hast du denn deinen Heiligenschein gelassen? Komm mal wieder runter.", er konnte das Verhalten seines Freundes einfach nicht verstehen.

Uruha indessen starrte reglos auf seine Handflächen, aus denen stetig Blut quoll. Dann rutschte er vom Bett und versuchte panisch, die Scherben aufzusammeln. Er hatte doch kein Geld, um das alles zu bezahlen.

"Gomen... Gomen nasai... Das wollte ich nicht...", murmelte er immer wieder verstört und sammelte die Scherben ein.
 

"Hey!" Und schon packte er den anderen an den Handgelenken und hielt ihn so davon ab, sich noch mehr zu verletzen. Aufgrund dieser Handlung fielen die eingesammelten Scherben wieder zu Boden. Irritiert schaute er auf die verletzte Handfläche und dann zu Ruki. "Hör endlich auf, Ruki.", schimpfte er. "Das hat er doch nicht mit Absicht gemacht. Was wäre denn, wenn dir das passiert wäre? Glaubst du, ich hätte dir deshalb den Kopf abgerissen?" Dann wandte er sich wieder dem Verletzten zu. "Das müssen wir sofort verarzten, sonst entzündet sich das noch."
 

"Pfh... Sankt Kai...", knurrte der Kleinste leise und verschwand aus dem Zimmer.

Das tat er sich nicht länger an. War ja nicht zum Aushalten.

Uruha wimmerte leise und starrte auf seine zerfetzten Handflächen. Er wusste einfach nicht, wohin. Was sollte er denn tun, wenn dieser... Kai? verlangte, dass er die Vase abbezahlte?

"Ich... Ich hab kein Geld... Gomen nasai, ich...", stammelte er verstört und schluckte. "Gomen..."
 

Kai lächelte ihn beruhigend an. „Iie... Die Vase is doch nicht wichtig. Die kann man ersetzen." Mit einem weiteren Taschentuch tupfte er vorsichtig die Hand ab. Einige Splitter hatten sich in seine Haut gebohrt und er versuchte, sie ganz vorsichtig mit den Fingern herauszuziehen.

Sollte Ruki doch motzen. Das hier war seine Wohnung und er würde auch ohne ihn klarkommen. Er entschied, wer hier bei ihm wohnen durfte und wer nicht. Und der Mann hier vor ihm wirkte nun absolut nicht wie ein Serienkiller oder Psychopath. Er schien eher verwirrt und etwas verängstigt zu sein.

"Ich bin Uke Yutaka, aber Freunde nennen mich Kai.", stellte er sich einfach mal vor und grinste ihn an. "Darf ich nach deinem Namen fragen?" Jetzt hatte er einfach mal vor, die Initiative zu ergreifen.
 

Verstört blickte er den anderen an und beobachtete, wie er versuchte, die Glassplitter aus seinen Handflächen herauszuziehen. Uruha zuckte immer wieder zusammen, da es höllisch wehtat, doch schlussendlich waren alle Splitter draußen und der andere Mann verband ihm seine Hände.

"Arigatou...", murmelte er.

Dann jedoch zuckte er zusammen, als der Mann ihn nach seinem Namen fragte. Was sollte er denn darauf antworten? In seinem Gedächtnis herrschte absolute Leere. Da war nichts. Gar nichts. Als hätte er vorher nie existiert.

"Ich... Ich weiß nicht... Ich denke, ich bin Uruha..."

Richtig, der Mann hatte ihn vorhin ja so genannt. Der Name war besser als gar nichts.
 

Der Schwarzhaarige legte den Kopf schief. "Wieso weißt du das nicht? Was ist denn passiert?", fragte er besorgt. Irgendwie konnte er sich nicht erklären, warum der andere nicht mal seinen Namen wusste. Ihm muss wohl wirklich was Schreckliches passiert sein.

Seufzend verband er ihm die Hand, nachdem er sie leicht mit einer Salbe eingerieben hatte. Dann hob er wieder den Blick.

"Wenn du möchtest, Uruha, kannst du so lange bleiben, wie du möchtest. Bevor du nicht gesund bist, lass ich dich eh nicht mehr hier raus. Da sei dir sicher."
 

Uruha fühlte sich unwohl. Ein völlig Fremder duzte ihn einfach so und kümmerte sich um ihn. Er wusste nicht, was er davon halten sollte. Aber... Irgendwie fand er diesen Kerl ja auch ziemlich nett. Er hätte nicht für möglich gehalten, dass ihm jemand helfen würde.

"Ich... Ano... Ich weiß nicht... Ich bin vorhin in dieser Seitengasse aufgewacht und dann warst da auch schon du... Ich hab wirklich keine Ahnung, wer ich bin... Aber ich wüsste es zu gerne..."

Er schniefte kurz und blickte auf seine verbundenen Hände.
 

"Oh...", machte er sehr intelligent. "Also erinnerst du dich an gar nichts mehr, was vor unserem Treffen war?", fragte er nach. Das war irgendwie wirklich komisch. Aber so würde er ihn erst recht nicht wieder wegschicken.

"Mach dir keine Sorgen, Uruha." Freundlich legte er ihm eine Hand auf die Schulter. "Wie gesagt, du bleibst jetzt erst mal so lange hier bei mir, bis du gesund bist und in der Zeit schauen wir mal, was wir auf die Reihe kriegen. Viellicht erinnerst du dich ja in den nächsten Tagen auch wieder an irgendetwas." Und wenn nicht, würde er eben noch ein paar Tage länger bleiben. Dann schaute er auf den Scherbenhaufe zu seinen Füßen. "Und wegen dem Ding brauchst du dir keine Gedanken machen. So schön war das olle Ding nun auch wieder nicht.", lachte er.
 

"Wieso bist du so nett zu mir? Ich versteh´s nicht... Ich... Anscheinend hab ich vorher auf der Straße gelebt und habe kein Geld bei mir... Wieso bist du so verdammt nett und lässt mich bei dir wohnen? Dein Freund ist da schon viel misstrauischer. Wieso?"

Deutliche Verzweiflung war aus seiner Stimme herauszuhören. Seine Schultern bebten unter Kais Griff und er hickste laut auf. Sofort legte er sich die Hand auf den Mund, um laute Schluchzer zu ersticken. Yutaka sollte ihn nicht auch noch für einen Schwächling halten. Vielleicht tat er das aber schon sowieso...

"Darf... Darf ich vielleicht duschen oder so...?"
 

"Wieso sollte ich nicht nett zu dir sein? Du hast mir doch gar nichts getan und allem Anschein nach brauchst du Hilfe. Und die möchte ich dir geben. Aber..." Er drehte den Kopf leicht weg. "Wenn du sie nicht willst, dann kann ich dich ja nicht dazu zwingen. Aber glaub mir, ich möchte dir wirklich helfen. Und wegen Ruki brauchst du dir keine Gedanken machen. Der is immer so. Also nimm es ihm nicht übel. Der Kleine muss erst mal warm werden."

Dann erhob er sich. "Du kannst gerne duschen gehen. Aber ich räum vorher schnell die Scherben weg. Nicht, dass du da jetzt reintrittst und dir gleich noch mehr Wunden zuziehst. Das wollen wir ja nicht."
 

"Ich... Ich danke dir. Ich bin dir wirklich dankbar, dass du mir helfen willst. Ich will dir bloß keine Umstände machen. Falls ich störe, gehe ich natürlich sofort..."

Er wollte ihm wirklich keine Umstände bereiten. Das war das Letzte, was er wollte.

Nachdem Kai endlich die Scherben weggeräumt hatte und Uruha erlaubte, ins Bad zu gehen, stand er vorsichtig auf und tapste schwankend ins Bad hinein. Ihm war furchtbar schlecht und die Wunde an seinem Kopf pochte stark, ebenso wie seine Rippe. Er stöhnte leise, nachdem er die Tür zugemacht hatte und hielt sich den Kopf. Verdammt noch mal. Was sollte er denn bloß machen? Ihm war furchtbar schwindlig. Seufzend zog er sich aus und stieg unter die Dusche. Das Wasser, welches er auf kalt gestellt hatte, belebte seinen Körper wieder. Er achtete auch darauf, dass der Verband um seinen Kopf nicht allzu nass wurde. Gerade wollte er nach dem Shampoo greifen, da durchzuckte ihn ein scharfer Kopfschmerz und ihm wurde schwarz vor Augen. Keuchend sank er auf den Duschboden und hustete. Wieder lief ein kleines Rinnsal Blut aus seinem Mund und er lehnte den Kopf an die kalte Fliesenwand. Verdammt...

"Hilfe...", nuschelte er leise.
 

Kai lächelte. "Das machst du schon nicht, keine Panik. Und fühl dich hier wie Zuhause. Ein bisschen Gesellschaft kann ich wirklich immer gebrauchen. Sonst vereinsamt man ja nur. Also helfen wir uns gegenseitig. Und nun ab ins Bad mit dir.", grinste er und brachte die Scherben weg.

Und schon wurde er in der Küche von Ruki belagert. Der hielt ihm abermals einen Vortrag darüber, dass er nicht wildfremden Menschen gleich so viel Vertrauen entgegenbringen sollte oder gar durfte. Er kannte den Kerl zwar wirklich noch nicht lange, aber er machte wirklich nicht den Eindruck, dass er sich in dem jungen Mann geirrt hatte.

Und so bereitete er noch schnell einen Tee zu, damit Uruha ihn gleich trinken konnte, wenn er aus der Dusche kam.

Doch auch nach einer Viertelstunde kam er noch nicht aus dem Bad. Kai wurde skeptisch. Ob ihm etwas passiert war?

Misstrauisch ging er zur Badezimmertür und klopfte vorsichtig an. "Uruha? Ist alles in Ordnung?" Keine Antwort. Nur das Rauschen von Wasser. Aber das machte es auch nicht leichter. Zögerlich drückte er die Klinke und öffnete die Tür.
 

Uruhas Sicht wurde immer schlechter und sein Oberkörper wankte leicht hin und her. Durch das Wasser war der Verband schon vollkommen durchweicht und löste sich langsam von der Wunde, welche sofort durch das Wasser anfing zu brennen und zu bluten. Uruha wimmerte leise und krümmte sich noch mehr zusammen. Er verstand immer noch nicht. Wieso? Wieso passierte ihm das alles? Er wollte doch bloß nach Hause, wo auch immer das war und friedlich weiterleben. War ihm das etwa nicht vergönnt? Würde er vielleicht nie wieder seinen wahren Namen erfahren? Was, wenn er eine Familie hatte, die sich um ihn sorgte? Was war dann?

"Itai...", murmelte er leise.

Durch das viele Nachdenken bekam er Kopfschmerzen und sein Körper fing wieder an zu zittern. Nein... Ein Husten entrang sich seiner Kehle und ließ wieder Blut aus seinem Mund fließen, welches jedoch sofort vom Wasser aufgefangen wurde und nur eine leicht rote Spur hinterließ.

Dass Kai in diesem Moment das Zimmer betrat, merkte er nicht.
 

Geschockt schaute er auf die Silhouette hinter der Duschwand. Irgendwie sah die Haltung des Größeren wirklich nicht sehr gut aus und dann hustete er wieder. "Uruha?", fragte er zögerlich und schritt auf die Duschkabine zu. "Ist alles in Ordnung? Sag was.", forderte er, denn er bekam abermals keine Antwort. Er hoffte, dass es dem Anderen gut ging. Aber ohne eine Antwort konnte er schlecht darauf schließen.

Doch auch dieses Mal bekam er keine Antwort und so zögerte auch keine Sekunde länger. Schnell öffnete er die Duschtür und war entsetzt. "Uruha!" Sofort stieg er in die Dusche und hielt den anderen fest.
 

Erschrocken spürte er, wie sich plötzlich zwei Arme um ihn schlangen und ihn festhielten, damit er nicht gänzlich auf den Duschboden sinken würde. Genau das hatte er nämlich gerade vorgehabt. Schwerfällig drehte er seinen Kopf zur Seite und schaute den anderen mit trüben Augen an. Ein schwaches Lächeln bildete sich auf seinen Lippen und seine Augen fielen ihm zu. Er hatte einfach keine Kraft mehr.

"Du bist da... Wie schön..."

Sein Körper sackte noch mehr zusammen und sein Kopf kippte willenlos zur Seite. Nur noch sein schwerer Atem und das leichte Zittern, welches von ihm ausging, verrieten, dass er lebte.
 

Kai war mehr als entsetzt. Nicht nur dass sein neue Freund hier in seinen Armen zusammensackte, nein, er schien ihn auch erwartet zu haben? Aber warum? Vielleicht hatte er ihn auch nur mit jemand anderem verwechselt.

Er griff mit einer Hand angestrengt zum Wasserhahn und drehte das Wasser ab. Dann hob er den anderen wieder auf seine Arme und stieg mit dem nackten jungen Mann auf seinem Arm aus der Dusche. Nicht nur Uruha, der duschen wollte, war nass, nein, auch er war nass bis auf die Knochen. Egal. Er schien wenigstens noch rechtzeitig gekommen zu sein.

Ein weiches Handtuch legte er ihm um den Körper und trug ihn aus dem kleinen Raum wieder direkt in sein Bett. Ganz vorsichtig legte er ihn in die weichen Kissen und trocknete ihn ab. Dann zog er ihm wieder einen frischen Pyjama an und deckte ihn zu. Den nassen Verband wechselte er schnell. Allerdings darauf bedacht, dass er ihn nicht irgendwie weckte, in dem er ihm Schmerzen zufügte.
 

Seine Welt war in vollkommene Schwärze getaucht. Kein Laut drang zu ihm hindurch und er hätte glauben können, er wäre tot, wenn da nicht plötzlich ein kleines Flackern gewesen wäre, welches langsam immer näher kam. Uruha ging darauf zu und wollte es anfassen, doch es blinkte auf einmal bunt auf und aus dem Flackern formten sich Menschenköpfe, die um ihn herumtanzten und lachten. Schaurig lachten. Jedoch konnte er kein Gesicht erkennen, sie waren verzerrt und verschwommen. 'Du bist schuld...' riefen sie. 'Du bist schuld...'. Uruha drehte sich auf den Fersen herum und rannte davon so schnell er konnte. Er hatte Angst. Wahnsinnige Angst. Und das Lachen der Köpfe verfolgte ihn.

Mit einem lauten Schrei erwachte er. Er saß kerzengerade im Bett und atmete schnell und hastig. Sein Herz raste, als hätte er gerade einen Marathon hinter sich. Er saß in völliger Dunkelheit in dem Bett und sah sich um. Niemand war bei ihm. Wieso?
 

Nachdem er Uruha versorgt hatte, hatte er sich zu Ruki in die Küche gesetzt. Der war alles andere als begeistert von seinem Vorhaben. Doch Kai ließ sich davon nicht abhalten. Es war sein Leben und darüber konnte er selbst bestimmen. Er war alt genug.

Nach einer halben Stunde Diskussion gab der Kleinere auf und verschwand mit einem leichten Murren. Dennoch hatte er sich angemessen von seinem Freund verabschiedet. "Wenn was is, dann ruf mich an. Sonst mach ich mir Sorgen um dich. Und lass dich nicht abstechen oder so." Dann war er auch schon verschwunden.

Kai hingegen hatte sich auf sein Sofa verzogen und schaute noch ein wenig fern.
 

Schniefend saß er jetzt im Bett und zog die Bettdecke bis unters Kinn. Er fühlte sich schrecklich. Wieso lag er überhaupt in einem Bett? War er nicht duschen gewesen? Was war passiert? Jetzt war er noch verwirrter als vorher schon und zitterte am ganzen Leib. Als er an sich herabblickte, bemerkte er, dass er einen flauschig-weichen Pyjama anhatte. Anscheinend von diesem Yutaka. Er schluckte. Anscheinend hatte er ihn auch umgezogen. Das war peinlich...

Er stand leise auf und tapste aus dem Zimmer durch den langen Flur. Wo war Kai? Er wollte jetzt nicht alleine sein. Er hatte Angst. Angst vor den Menschen aus seinem Traum. Er wusste ihn nicht zu deuten.

Vorsichtig drückte er die Tür auf und betrat das Wohnzimmer. Der junge Mann saß vor dem Fernseher und schaute interessiert einen Krimi. Uruha schluckte und tapste auf leises Sohlen zu ihm.

"Ano... Gomen... Ich... Ich kann nicht schlafen... Kann... Kann ich hier bleiben?"
 

Kai hob den Blick vom Fernseher und lächelte ihn an. "Natürlich. Hab doch gesagt, dass du dich wie Zuhause fühlen sollst.", meinte er. "Möchtest du etwas trinken? Ich hab aber nur Apfelsaft da. Muss morgen erst was einkaufen. Hab das nicht mehr geschafft. War heute irgendwie nicht mein Tag."

Seine Augen verrieten allerdings, dass auch er schon ziemlich müde war. Er wollte nur nicht einfach schlafen und irgendwie verpassen, wenn Uruha etwas wollte oder es ihm schlecht ging. Das wollte er nicht riskieren. Lächelnd klopfte er auf das Sofa neben sich.

"Setz dich ruhig. Ich beiße nicht."
 

Vorsichtig ließ er sich neben Kai nieder und senkte den Blick. Es war ihm schon irgendwie peinlich, als erwachsener Mann danach zu fragen, ob er bleiben dürfe, nur weil er Angst hatte. Ging es denn noch peinlicher? Nein. Sicherlich nicht. Er wollte nicht wissen, für was für einen Waschlappen dieser Kai ihn jetzt halten würde. Oh nein. Das wollte er ganz sicher nicht wissen.

"Eto... Arigatou.", nuschelte er leise und schloss die Augen, nachdem er es sich etwas gemütlicher gemacht hatte und versuchte, wieder einzuschlafen.
 

Der Schwarzhaarige schaute ab und an zu dem anderen und dann wieder zum Fernseher. Irgendwie schien er sich noch immer nicht wirklich wohl zu fühlen. "Geht es dir eigentlich jetzt etwas besser? Du sahst vorhin wirklich nicht sehr gut aus. Ich hab mir Sorgen gemacht." Seine Stimme klang wirklich besorgt. Er wollte auch gerne etwas mehr über den anderen wissen. Aber dieser schien ja selbst nichts über sich zu wissen. "Ist dir schon mal wieder etwas eingefallen? Ich stell mir das wirklich schrecklich vor, wenn man sich an nichts erinnert."
 

Der Brünette schüttelte den Kopf und spielte verstört mit einer seiner langen Haarsträhnen, welche er um seinen Finger wickelte. Er wusste immer noch nichts. Alles war immer noch genauso schwarz wie vorher, wenn er versuchte, sich an etwas zu erinnern. Da kam gar nichts. Absolut nichts.

"Iie... Ich hatte eben nur einen Alptraum, weiter nichts. Da waren Köpfe, ich konnte die Gesichter nicht erkennen und sie... Sie beschuldigten mich. Ich hätte Schuld...", er seufzte tief und lehnte sich an die Sofalehne. "Ich verstehe es nicht..."
 

Wäre der andere jetzt ein Kind gewesen, hätte er ihn jetzt in den Arm genommen und einfach getröstet. Aber Uruha war ein erwachsener Mann. Da würde so etwas eher nicht so gut kommen und könnte auch leicht missverstanden werden. Deshalb legte er ihm nur eine Hand auf die Schulter.

"Wenn du zu viel darüber nachdenkst, wird das auch nicht besser werden. Wenn die Zeit da ist, wirst du dich sicher an alles erinnern können. Und dein Traum hatte bestimmt nichts zu bedeuten.", beruhigte er ihn.
 

"Hai... Ich hoffe es doch. Ich will nämlich nicht an irgendetwas schuld sein."

Seufzend tätschelte er kurz die Hand, welche auf seiner Schulter lag und legte sich dann halb auf das Sofa, um wieder einschlafen zu können. Doch so richtig wollte das nicht klappen. Immer wieder kamen ihm die Gesichter in den Sinn und er schluckte hart einen Kloß in seinem Hals hinunter. Was sollte er bloß tun? Er sah den jungen Mann neben sich an und musterte ihn genau. Er könnte in etwa in seinem Alter sein vom Aussehen her.

"Hey... Darf ich fragen, wie alt du bist? Ich weiß nicht, wann ich geboren wurde und... Wir könnten im selben Alter sein..."
 

Nun war er etwas irritiert. Im selben Alter? Gut, das konnte gut möglich sein. Uruha wirkte auch nicht so, als wäre er sehr viel älter oder jünger als er selbst. "Ano... Klar darfst du das fragen. Warum auch nicht? Wenn es dir weiterhilft, mach ich das doch gerne. Ich werd im Oktober 22. Schnapszahl.", grinste er. Und vielleicht waren sie ja wirklich in einem Alter. Konnte man ja vorher nicht wissen.

"Aber das Alter wird dich auch nicht wirklich weiterbringen oder? Gibt ja scheinbar vieles, was du nicht mehr weißt. Das tut mir wirklich leid. Wenn ich etwas für dich tun kann, dann lass es mich ruhig wissen. Hai?"
 

22 also. Dann war er selbst auch nicht viel älter oder jünger als der Mann ihm gegenüber. Jedenfalls sah er nicht danach aus. Aber Kai hatte recht. Das Alter brachte ihn keinen Schritt weiter an seine Erinnerungen heran. Keinen einzigen Schritt. Gut... Aber was sollte er tun? Er hatte wirklich keinen Anhaltspunkt, wo er anfangen könnte, zu suchen.

"Hai. Das ist lieb von dir.", er lächelte kurz, stand auf und setzte sich in den Sessel. Dort rollte er sich zusammen. "Es stört dich doch nicht, wenn ich mich hier hinlege oder? Ich bin müde und alleine sein... Das will ich momentan wirklich nicht..."
 

Sofort stand er vom Sofa auf und zog es aus. Es war ein altes Überbleibsel aus seinem Kinderzimmer. Und so hatten sie genug Platz. Uruha konnte sich richtig hinlegen und er konnte so auch gut auf ihn aufpassen.

"Leg dich lieber hier hin, das ist doch viel bequemer." Und schon zog er ihn wieder auf die Beine und schleifte ihn zurück zum Sofa. Dort platzierte er ihn auf dem weichen Polster. "Ich hol dir schnell ein paar Kissen und eine Decke. So kann man doch eh viel besser schlafen." Und schon verschwand er im Schlafzimmer.
 

So schnell konnte er gar nicht gucken, wie er auf dem aufklappbaren Sofa lag und von Kai zugedeckt wurde und ein weiches Kopfkissen bekam. Er lächelte ihn sanft an und kuschelte sich in die Kissen. Er hörte, wie Kai den Fernseher ausstellte und blickte zu ihm hinauf. Diese Frage war zwar überflüssig, da er sich sicher war, dass Kai in seinem eigenen Bett schlafen würde, aber vorsichtshalber fragte er trotzdem.

"Sag mal... Kannst du hier schlafen?"
 

Der Kleinere von beiden schaute ihn etwas verwirrt an. Doch er begriff schnell. "Ano... Das wär kein Problem, aber das Bett ist sicher bequemer, wenn du nicht alleine schlafen willst. Ich muss nur noch ein paar Sachen erledigen. Hab noch ein bisschen Papierkram zu erledigen." Ja, wenn man seinem besten Freund schon versprach, sich um ihre Band zu kümmern, die eigentlich nicht so wirklich eine war, weil sie lediglich aus einem Drummer, einem Bassisten und einem Sänger bestand, dann musste man auch so einiges erledigen. Und den Papierkram hatte man ihm überlassen. Er kümmerte sich darum, dass sie auch mal ein paar Auftritte bekamen.

"Oder stört es dich, wenn ich da drüben am Schreibtisch sitze und das Licht anhab?"
 

Sofort schüttelte er den Kopf. Natürlich störte es ihn nicht. Solange er nicht alleine sein musste, war ihm alles recht. Er hätte sogar am Boden geschlafen, nur um nicht alleine zu sein. Er hätte alles dafür gegeben. Alles.

"Nein, stört mich nicht... Aber... Wieso musst du um halb fünf Uhr nachts Papierkram durcharbeiten? Geht das nicht auch tagsüber?"

Er seufzte leise und schloss die Augen. Am liebsten wäre er jetzt sofort eingeschlafen und nie wieder aufgewacht.
 

Wieso?

Gute Frage. Aber tagsüber hatte er dafür meist keine Zeit. Seine Arbeitszeiten ließen es nicht zu. Meist schlief er tagsüber, während er nachmittags zur Arbeit musste und meist erst ziemlich spät nach Hause kam.

"Na ja, ich arbeite in einem Restaurant. Da komm ich immer sehr spät nach Hause und schlafe meist den ganzen Vormittag. Und nachmittags muss ich dann schon wieder zum Job. Deshalb mach ich das meist nach der Arbeit. Und ich kann doch Ruki nicht enttäuschen.", lachte er und stand auf, um seine Tasche zu schnappen und zum Schreibtisch zu gehen. Schnell schaltete er die kleine Lampe an und fuhr seinen Laptop hoch.

"Wenn es dich stört, sag mir Bescheid, dann hör ich auf."
 

Er runzelte die Stirn. Dann war der andere also ein Koch oder ein Kellner. Netter Job. Da war er sicherlich entweder ein meisterhafter Koch oder einfach nur sehr gut im Umgang mit Menschen. Beides tolle Eigenschaften, die Uruha zu schätzen wusste. Er seufzte leise. Er würde auch gerne wissen, wo er gearbeitet hatte oder vielleicht sogar noch arbeitete. Aber diesen Job würde er sicherlich bald sowieso nicht mehr ausführen dürfen. Er wusste ja nicht einmal, wo er arbeitete und wenn er es wieder wissen würde, wäre er sicherlich längst gefeuert. Er seufzte noch einmal tief und schloss die Augen. Er hörte Kais Finger, wie sie schnell über die Tastatur flogen und etwas tippten. Er wüsste zu gerne, was.

Wenige Augenblicke später jedoch, war er tief und fest eingeschlafen und wachte bis zum nächsten Morgen auch nicht mehr auf.
 

Es war bereits sieben Uhr morgens, als er den Rechner runterfuhr und sich streckte. Endlich hatte er alles erledigt. Hatte länger gedauert, als er dachte. Na ja, jetzt war das vorerst die letzte Nachtschicht, die er für Ruki eingelegt hatte. Der Kerl sollte seinen Scheiß auch mal machen und nicht immer auf ihn abwälzen.

Neugierig drehte er den Kopf und schaute zum Sofa. Uruha schien friedlich zu schlafen. Sein Atem jedenfalls ging ruhig und er wimmerte auch nicht mehr. Scheinbar hatte er dieses Mal keinen Alptraum. Gut, dann konnte er sich wenigstens im Schlaf erholen.

Er selbst musste gähnen und hielt sich die Hand vor den Mund. Sollte er den Schlafenden jetzt wecken oder sich zu ihm legen? Er hatte ihn gebeten, bei ihm zu schlafen, damit er nicht alleine war. Und er hatte zugesagt. Einen Rückzieher konnte er jetzt nicht machen. Also schlüpfte er aus seinen Klamotten und legte sich nur in Shirt und Boxer bekleidet zu seinem neuen Mitbewohner unter die Decke. War ja nichts dabei.
 

Diese Nacht träumte Uruha nichts und schlief friedlich neben Kai, welcher über Nacht etwas näher an ihn heranrückte. Er seufzte leise und erwachte erst sehr spät, etwa gegen ein Uhr mittags. Blinzelnd sah er sich um und gähnte leise. Wo war er? Was war passiert? Wieso war er hier?

Wieder stürzten tausend Fragen auf ihn ein und er schluckte. Dann fiel es ihm ein und er seufzte erleichtert auf. Er war bei diesem netten, jungen Mann, der ihn gestern von der Straße aufgelesen hatte. Aber... Er schaute neben sich. Wo war Kai? Etwa schon bei der Arbeit? Nein. Aus der Küche konnte er leises Summen und Deckelklappern hören. Anscheinend war er in der Küche und kochte.

Uruha stand vorsichtig auf und tapste in die Richtung, in der er die Küche vermutete und trat ein. Und er hatte recht. Dort stand Kai am Herd und summte leise vor sich hin.

"Ohayou.", murmelte er leise.
 

Kai erschrak sich fast zu Tode. Er hatte gar nicht mehr daran gedacht, dass da ja noch jemand war. Viel zu sehr war er in seiner Arbeit vertieft. Dabei fiel ihm auch ein, dass er ja für ihn und sich gekocht hatte.

"Gomen.", entschuldigte er sich für sein schreckhaftes Verhalten und lächelte ihn dann aus seinen etwas verschlafen wirkenden Augen an. "Ohayou. Gut geschlafen?", fragte er und rührte noch einmal das Essen im Topf um. "Ich hoffe, du hast Hunger. Hab bestimmt zu viel gekocht. Aber dann hast du heute auch was zum Abendessen, wenn ich nicht da bin. Ich hoffe, das ist okay für dich."
 

Er nickte kurz. Kai würde also am Abend nicht da sein. Er wäre alleine in diesem großen, fremden Haus. Niemand, der mit ihm reden könnte, wäre also hier. Irgendetwas sträubte sich in ihm dagegen und er zitterte leicht auf. Alleine sein war irgendwie keine so tolle Idee. Aber er konnte Kai ja auch nicht von seiner Arbeit abhalten. Natürlich ging das nicht.

"Hai... Bist du dir sicher, dass ich nicht gehen soll? Ich mein... Wie dein Freund gestern schon sagte, ich könnte dich ausrauben oder sonst etwas... Wieso vertraust du mir?"

Das war etwas, was ihn schon die ganze Zeit beschäftigt hatte.
 

Stirnrunzelnd musterte er ihn von oben bis unten. Dann schüttelte er den Kopf. "Wenn du so etwas tun würdest, dann hättest du es doch schon längst getan oder?" Mehr sagte er dazu nicht und trat direkt auf ihn zu. "Komm, setz dich. Das Essen ist fertig." Und schon drückte er den Größeren an den Schultern auf einen seiner Stühle. Direkt gefolgt von einer heißen Schüssel Misosuppe. "Hau rein. Musst ja langsam wieder zu Kräften kommen. Mal sehen, ob´s dir schmeckt. Bin ja noch Anfänger. Hoffentlich kann ich irgendwann mal mein eigenes Restaurant aufmachen. Das wär so~ toll.", schwärmte er, bevor er dann wieder in die Realität zurückfand. "Und wegen heute Abend mach dir keine Gedanken. Wenn du willst, schick ich dir Ruki vorbei. Dann bist du nicht so alleine."
 

"Bist du dir da auch ganz sicher? Ich... Ich will dir keine Umstände machen. Wirklich nicht. Wenn es dir zuviel wird, dann sag es mir bitte und... Und ich verschwinde. Ganz ehrlich. Und... Dein Freund scheint mich auch gar nicht zu mögen. So eine tolle Idee ist es nicht, ihn herzuholen, damit ich nicht alleine bin..."

Irgendwie versank er gerade in Selbstmitleid. Das sollte er sich mal dringend abgewöhnen. Das war gar nicht gut...

"Und dein Essen... Es schmeckt fantastisch. Du kannst das richtig klasse. Sag mal... Bist du Koch?"
 

Kai lachte und schüttelte gleichzeitig den Kopf. "Iie... Ich bin kein Koch. Leider. Aber irgendwann werd ich bestimmt mal einer. Ich koche einfach viel zu gerne. Bin nur ein kleiner Helfer in dem Restaurant. Aber damit kann man halt auch Geld verdienen. Für mehr hat es bisher aber nicht gereicht. Und ab und an schau ich dem Koch da mal über die Schulter." So redselig kannte er sich zwar selbst nicht, aber Uruha hatte ihn ja gefragt. Und er war nicht alleine. Es war schön, wenn mal jemand bei ihm war.

"Na ja, wenn du Ruki nicht hier haben willst, dann versteh ich das natürlich. Er kann manchmal echt unmöglich sein.", entschuldigte er sich für das Verhalten seines kleinen Freundes. "Aber meist bereut er dann auch schon das, was er so voreilig von sich gegeben hat. Mach dir also deshalb keine Sorgen."
 

Uruha seufzte leise und lehnte sich gegen die Theke. Er schloss die Augen und versuchte, wenigstens diese Informationen in seinem Gedächtnis abzuspeichern, wenn er sonst schon nichts wusste. Kai war also kein Koch. Er war nur ein kleiner Helfer im Restaurant, der ab und an auch mal dem richtigen Koch half. Okay. Gespeichert.

"Bist du dir sicher, dass Ruki damit einverstanden wäre? Ich will ihm keine Umstände bereiten. Ich kann auch in der Zeit, wo du nicht da bist, ein bisschen rausgehen und komme dann wieder... Ano..."

Er wusste einfach nicht, was er sagen sollte. Er hatte Angst, dass Ruki ihn einfach nur verachten und schlecht behandeln würde. So, wie er es die ganze Zeit über getan hatte. Ein schweres Husten entrang sich seiner Kehle und er wischte sich wieder ein Rinnsal Blut aus dem Mundwinkel. Was war das bloß?

"Verdammt."
 

"Alles okay?", fragte er besorgt und legte einen Arm um die Schulter des Größeren. "Das passiert dir schon öfter oder?" Wieder hielt er ihm ein Tuch hin. "Wir sollten das mal untersuchen lassen. Ich glaube nicht, dass es normal ist, dass du Blut hustest." Egal, wie er das anstellen sollte, er würde sich schon etwas einfallen lassen, damit sie der Ursache für diesen Husten auf den Grund gehen konnten.

"Was hältst du davon, wenn du dich wieder ins Bett legst und ich mich um Gesellschaft für dich kümmer. Ich möchte nicht, dass du auf die Straße gehst. Schon gar nicht in deinem Zustand. Was wäre, wenn dir da irgendwas passiert? Wer weiß, ob dir da jemand helfen konnte oder würde." Er machte sich wirklich Gedanken darüber. Sie hatten ja schon Glück, dass sie ihn gefunden hatten. Laut Notarzt wäre es beinahe zu spät gewesen. "Komm, leg dich wieder hin. Wir finden schon eine Lösung und das mit deinem Husten werden wir auch noch in den Griff bekommen."
 

Seufzend folgte er dem anderen brav und tapste auf nackten Sohlen wieder zurück ins Schlafzimmer. Dort schüttelte Kai kurz noch einmal die Bettdecke und das Kopfkissen aus, ehe sich Uruha hineinlegen konnte und sich fest einkuschelte. Er beobachtete Kai, wie er die Rollos runterzog und fühlte wenige Augenblicke später, wie er ihm den Kopf tätschelte.

"Ano... Ist dir das auch wirklich recht, wenn ich in deinem Zimmer und in deinem Bett bin? Ich meine... Es ist doch dein Bett. Da kann ich doch nicht einfach... Ano..."

War er schon immer so verschüchtert gewesen und stotterte vor sich hin? Er wusste es einfach nicht und so schloss er einfach nur deprimiert die Augen.

"Ano... Wen willst du denn anrufen? Ruki?"
 

"Mach dir da mal keine Gedanken. Für mich ist es völlig okay, dass ich dir mein Bett zur Verfügung stelle. Ich würd dich nie auf dem ollen Sofa schlafen lassen, wenn ich dir mein Bett geben kann. Na hör mal.", grinste er. Lächelnd deckte er ihn ordentlich zu. "Ich werde nicht Ruki anrufen. Keine Angst. Ihr müsst wohl erst mal richtig warm miteinander werden. Aber ich kenn da jemanden, der sich sicher gut um dich kümmern wird. Er ist einer meiner besten Freunde und kann dich bestimmt auch etwas aufmuntern. Vor ihm brauchst du überhaupt keine Angst zu haben." Er machte eine kurze Pause. "Okay, ein wenig vielleicht schon.", kicherte er. "Er hat so eine Eigenart an sich. Und nicht erschrecken. Er ist etwas durchgeknallt. Aber total lieb. Und wunder dich nicht, wenn er dir was mit seiner Gitarre vorspielen will. Ohne das Ding kann er nämlich nicht."
 

Uruha runzelte die Stirn. Ein anderer als Ruki? Ein wenig durchgeknallt? Trotzdem ganz lieb? Spielt gerne Gitarre? Ziemlich viele Informationen für jemanden, der selbst keine richtige Identität hatte. Jedenfalls keine, von der er wusste. Aber gut. Wenn Kai meinte, dass dieser Kerl lieb und nett war und ihn nicht niedermachen würde, dann würde er damit auch einverstanden sein. Sicher. Was blieb ihm auch anderes übrig? Irgendjemand musste ja bei ihm bleiben.

"Hai... Gute Idee. Und... Wer ist er? Wann musst du eigentlich weg?"
 

Kai schaute zur Uhr. "Na ja, in ner Stunde muss ich los. Sonst komm ich nicht pünktlich und das is echt schlecht. Der Job is ziemlich wichtig." Und so ging er zu seinem Kleiderschrank und holte sich ein paar frische Klamotten heraus. Dabei sprach er weiter. "Ach, Miyavi ist wirklich nett. Und sorgt eigentlich immer für einen Lacher. Aber keine Angst. Er ist für alles offen und wirklich ein herzensguter Mensch. Und er hat sogar schon einen Vertrag in der Hand. So toll wie er hab ich noch niemanden Gitarre spielen sehen. Hat sich echt gemausert der Kleine." Ja, und er kannte ihn schon solange. Wenn er überlegte, seit wann er ihn kannte und er schon mit 15 jungen Jahren seine ersten richtigen Erfolge feierte. Der Junge war einfach ein Multitalent durchweg.

"Ich werd ihn gleich mal anrufen. Für seine Freunde nimmt er sich immer Zeit."
 

Erstaunt blickte er Kai an und bemerkte erst eine Minute zu spät, dass er ihn mit offenem Mund anstarrte. Momentchen mal. Wenn Kai 22 war und er einen Freund hatte, dann konnte er ja eigentlich davon ausgehen, dass dieser auch so um den Dreh alt sein musste. Mit 22 hatte der schon einen eigenen Vertrag? Wow, wie cool war das denn? Da bekam er sicherlich ziemlich viel Geld und war schon eine kleine Berühmtheit. Aber... Er hatte noch nie was von einem Miyavi gehört. War ja eigentlich auch nicht verwunderlich, da er sich an nichts was vor Kai geschehen war, erinnern konnte.

"Das ist lieb...", murmelte er leise.

Eine Dreiviertelstunde später klingelte es auch schon an der Haustür.
 

"Das wird er sein. Schön liegen bleiben.", meinte er zu seinem neuen Mitbewohner und marschierte grinsend zur Tür. Und schon wurde er herzlichst begrüßt, als er die Tür öffnete. Der 1,83 m große junge Mann umarmte in beherzt und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. "Hey, Kai! Wie geht´s? Schön, dass du dich mal wieder gemeldet hast." Neugierig blickte sich der Größere um. "Und wo ist mein Pflegekind für heute?", grinste er. "Ich will den Jungen doch gleich mal kennen lernen, damit ich weiß, wen du so alles in dein Heim lässt."

Kai lachte nur. "Überfall den armen Kerl nicht gleich. Und wenn du mal wieder zu stürmisch bist, bekommt er gleich nen Herzkasper von dir. Also benimm dich." Er nahm ihm den Gitarrenkoffer ab und stellte ihn in sein Wohnzimmer. Dann führte er ihn in sein heiliges Reich, in dem Uruha nun lag.

"Darf ich vorstellen? Das ist Miyavi und das ist Uruha.", stellte er die beiden einander vor.

"Ich muss dann auch gleich. Vertragt euch und lass den Armen am Leben, Miya. Okay?"
 

Ehe Uruha auch nur etwas sagen konnte, wurde die Tür schon aufgemacht und Kai trat zusammen mit einem für einen Japaner wirklich großen Kerl mit bunter Kleidung herein. Irgendwie erinnerte er Uruha an einen Paradiesvogel. Oh, da hatte er ja auch schon gleich einen Spitznamen für den anderen. Natürlich würde er den nicht laut sagen. Aber so im Geheimen konnte er den ja benutzen.

Das Paradiesvögelchen also schritt beschwingt auf ihn zu und schüttelte ihm grinsend die Hand. Dann ließ er sich neben Uruha auf das Bett plumpsen und schaukelte mit dem Oberkörper vor und zurück.

"Ah, dann ist das also mein Pflegekind. Freut mich. Ich bin Miyavi, kannst mich aber auch Miya oder Myv nennen, ist mir eigentlich wurscht. Ich pass ab heute jeden Tag auf dich auf, bis es dir besser geht, hai?"
 

Kai verabschiedete sich kurz und hoffte irgendwie, dass er mit Miyavi die richtige Wahl getroffen hatte. Aber bei ihm hatte er weniger Bedenken, ihn mit Uruha alleine zu lassen, als bei Ruki. Der hätte ihm wahrscheinlich wieder irgendwelche Worte an den Kopf geknallt oder ihn die ganze Zeit nur grimmig angeschaut. Und das war nicht unbedingt die beste Methode, jemanden wieder auf die Beine zu kriegen.

Dann war er auch schon verschwunden.

"So, du bist also Uruha.", stellte der Größere fest. "Was machen wir zwei beide denn jetzt? Hast du irgendeinen Wunsch?"
 

Leicht unwohl war ihm schon, jetzt mit diesem ihm völlig Fremden alleine zu sein. Kai kannte er ja jetzt schon ein wenig. Er war sozusagen seine Bezugsperson. Aber Miyavi schien ein ordentlicher Kerl zu sein, der keine bösen Gedanken hegte gegen ihn, so wie Ruki. Beleidigungen hätte er jetzt nämlich nicht ertragen.

"Ich... Also... Kai hat mir erzählt, du würdest richtig toll Gitarre spielen können und... Würdest du mir vielleicht vorspielen? Hm?"

Hoffentlich verlangte er damit nicht zuviel.
 

Ein wenig rot wurde er schon, dass Kai ihn mal gelobt hatte, kam nämlich nicht sehr oft vor. Er schien eher zu wollen, dass er auf dem Teppich blieb und hielt ihn damit immer auf dem Boden der Tatsachen. Dafür war er seinem langjährigen Freund auch immer wieder dankbar.

Sofort nickte er heftig und hibbelte auch schon wie bescheuert ins Wohnzimmer um im Affenzahn auch wieder ins Schlafzimmer gestürmt zu kommen. Miyavi spielte einfach unglaublich gern Gitarre. Schon war sie ausgepackt und er hängte sie sich um.

"Hast du denn eine besonderen Songwunsch?"
 

So schnell, wie Miyavi seine Gitarre geholt hatte und wieder zurück an seinem Bett saß, konnte er gar nicht gucken. Mit großen Augen starrte er sein Gegenüber an und schluckte. War der immer so überdreht? Wenn ja... Wer hatte ihm die falschen Tabletten verschrieben? Das war doch nicht mehr normal. Hatte der das Zappelphillip-Syndrom?

"Eto... Ich kenne gar keine Lieder...", nuschelte er leise und starrte auf seine Hände, die auf der Bettdecke lagen.
 

"Macht nix!", grinste er breit und begann einfach. Er präsentierte ihm einfach mal was ganz Simples und so spielte und sang er erst mal einen Klassiker. "Hit the Road, Jack...", trällerte er vor sich hin und trommelt im Rhythmus seiner Gitarre mit den Fingern auf das bearbeitete Holz. Das machte er immer wieder gerne.

Als er damit fertig war grinste er ihn wieder breit an. "Was ist eigentlich passiert, dass du so mitgenommen aussiehst? Muss ja ziemlich schlimm gewesen sein. Und wenn du dich wieder erinnern kannst, dann machen wir die Mistkerle fertig. Kann ja wohl nicht sein, dass die einen einfach niedermachen."
 

Uruha schloss die Augen und hörte gespannt Miyavis Gesang und dem Gitarrenspiel zu. Es hörte sich einfach nur fantastisch an. Der andere war ein Gott auf der Gitarre und singen konnte er auch noch sehr gut. Wow. Das wollte er auch gerne mal können. Das war wirklich klasse. Uruha wurde ein wenig neidisch. Als Miyavi geendet hatte, seufzte er leise auf und antwortete ihm.

"Ano... Ich weiß es selbst nicht. Ich bin in einer Seitengasse aufgewacht, hab geblutet wie sonst was und da war auch schon Kai da... Hab wirklich keine Ahnung."
 

"Hmmm...", machte er nur und legte die Gitarre beiseite. "Also hattest du wirklich Schwein, dass unser guter, alter Kai da mal eben so vorbeikam, was? Irgendwie hat er einen Riecher dafür. Aber ich find es toll, dass es solche Menschen noch gibt. Nicht auszudenken, was ein anderer mit dir angestellt hätte.", seufzte er.

Dann drehte er sich zu ihm und lächelte. "Auf jeden Fall kannst du dich auf ihn verlassen. Der schafft eigentlich alles, was er sich in den Kopf gesetzt hat. Und ich glaube nicht, dass er sich die Sache mit dir nicht auch in seinen Kopf gesetzt hat. Das zieht er garantiert durch."

Dann nahm er wieder seine Gitarre und hielt sie Uruha vor die Nase. "Möchtest du auch mal? Ist gar nicht so schwer. Ehrlich."
 

"Hai. Ich will nicht wissen, was passiert wäre. Ich glaube, ohne Kai... Ohne Kai wäre ich jetzt nicht mehr am Leben. Er hat mir das Leben gerettet und dafür stehe ich auf ewig in seiner Schuld. Ich hoffe doch, dass er mich auch nicht sofort nach meiner Genesung wieder rausschmeißt. Ich... Ich hab keine Arbeit und kein Geld und..."

Er seufzte leise. Das interessierte diesen Miyavi sicherlich auch gar nicht. Sicherlich nicht...

"Ano... Ich kann nicht spielen.", doch trotzdem nahm er die Gitarre wie aus einem Instinkt heraus an sich und setzte die Finger an. Es war ihm auf einmal, als würde er schon einmal eine Gitarre in der Hand gehalten haben und seine Finger fingen wie von alleine an, über die Seiten zu tanzen und eine Melodie zu spielen, die ihm irgendwie bekannt vorkam.
 

Miyavi staunte nicht schlecht. "Wieso sollte Kai dich dann rauswerfen? Das macht er garantiert nicht. Das weiß ich hundertpro. Das bringt er nicht übers Herz. Dafür ist er ein viel zu lieber Kerl. Du werd erst mal gesund und dann schauen wir weiter."

Dann schaute er gespannt zu, wie Uruha die Gitarre in die Hand nahm. Es sah aus, als wäre das nicht das erste Mal, dass er eine Gitarre in der Hand hatte. Garantiert nicht. Und auch als er spielte, wurde sein Verdacht bestätigt. Uruha hatte definitiv schon einmal Gitarre gespielt.

Als der andere dann aufhörte, zu spielen, kicherte er. "Du hast noch nie Gitarre gespielt? Scherzkeks." Sanft stupste er ihm gegen die Schulter.

"Ich glaube, wir haben schon mal eine Aufgabe für dich. Kai würde sich bestimmt freuen, wenn er das erfährt."
 

Nachdem er geendet hatte, hielt er die Gitarre noch einige Momente in seinen Händen und die Augen geschlossen. Ihm war irgendwie komisch. Es war, als hätte er wirklich schon einmal Gitarre gespielt. Früher...

Plötzlich sah er in seinem Kopf Bilder von einem etwa achtzehnjährigen Jungen, welcher eine Gitarre in der Hand hielt und spielte. Dann jedoch kam ein großer Mann ins Zimmer, nahm ihm die Gitarre weg und zerschlug sie auf dem Boden. Der Junge weinte bitterlich.

Uruhas Kopf durchzuckte ein starker Kopfschmerz und er wimmerte leise auf. Sein Körper krümmte sich zusammen und er drückte sich die Hände auf die Ohren.

"Itai...", wimmerte er leise und sackte leicht zusammen.
 

"Hey." Sofort nahm Miyavi die Gitarre weg und stellte sie beiseite, um sich auch gleich zu Uruha ans Bett zu hocken und ihm beruhigend über den Rücken zu streicheln. "Was ist los, Uruha? Geht es dir nicht gut? Soll ich einen Arzt holen?" Das war das erste Mal in seinem Leben, dass er sich einer solchen Situation stellen musste und das war wirklich eine echte Herausforderung. Er wusste nicht, was er tun sollte.

"Uruha? Beruhige dich. Hier ist niemand, der dir weh tun will. Wirklich nicht."
 

Vor Uruhas innerem Auge spielte sich immer und immer wieder diese Szene ab. Der Junge spielte Gitarre, dann kam der große Mann herein, zerschlug die Gitarre und der Junge fing an zu weinen und zu betteln, während der Mann ihn anschrie und sogar ohrfeigte. Es war, als würde er diese beiden Menschen kennen, konnte sie jedoch nicht zuordnen, da die Gesichter verschwommen waren. Es war ihm, als hätte er diese ganze Situation bereits einmal miterlebt, als wäre er dabei gewesen.

"Itai...", jammerte er und krampfte seine Hände in seine Haare.

Sein Oberkörper lehnte sich schwer gegen Miyavis und er wimmerte immer wieder leise auf, realisierte nicht, dass der andere mit ihm sprach. Viel zu sehr war er mit seinen Visionen beschäftigt. Dann durchzuckte es ihn wie ein Blitz und ein leises "Aoi..." sich über seine Lippen löste und seine Welt in Schwärze versank.
 

Was war denn nun los? Warum verkrampfte sich der andere so sehr und ließ immer wieder schmerzverzerrte Laut über seine Lippen kommen? Ging es ihm so schlecht?

Und wer bitte schön war denn Aoi?

Irgendwie verstand er gar nichts mehr. Aber eins wusste er, er musste unbedingt Hilfe holen, denn sonst würde er vielleicht doch noch etwas Falsches tun und das Risiko wollte er nicht eingehen.

Vorsichtig legte er den bewusstlosen Körper zurück in die Kissen und schnappte sich sein Handy. Sofort hatte er einen Notarzt bestellt.
 

Dieser kam auch sofort, jedoch konnte er nichts weiter tun, als Miyavi zu sagen, dass der Patient einfach nur ohnmächtig war. Den Grund dafür konnte selbst er nicht herausfinden. Er beruhigte ihn und meinte, solange er nicht wieder anfing, zu bluten oder sonst etwas passierte, wäre er nicht in Lebensgefahr und er müsste sich keine Gedanken oder Sorgen um ihn machen. Miyavi wurde damit beauftragt, Uruha einfach eine Aspirintablette gegen die Kopfschmerzen zu geben. Und schon war der Notarzt wieder verschwunden.

Uruha wachte etwa eine halbe Stunde später wieder auf und blinzelte verwirrt in Miyavis Gesicht.

"Was...?"
 

Puh, da war er aber erleichtert. Uruha schien wieder zu sich zu kommen und auch nichts Ernsthaftes zu haben. Zumindest bisher nicht. Was noch kam, konnte er ja eh nicht wissen und wollte es auch nicht. Wer weiß, was dann auf ihn warten würde. Nein, danke. Darauf konnte er gut und gerne verzichten.

"Hey, geht es dir besser? Du warst plötzlich weg und ich hab mir Sorgen gemacht." Er legte eine Hand auf Uruhas Stirn und schaute, ob er nicht vielleicht doch Fieber hatte. Dann hielt er ihm ein Glas Wasser und die Aspirin hin. "Damit gehen deine Kopfschmerzen gleich weg.", meinte er. Schweigend beobachtete er den anderen, als diese Frage dann doch über seine Lippen kam. "Wer ist Aoi?"

Not sure

Uruha blinzelte ein paarmal verwirrt, ehe sich sein Blick wieder fokussierte und er Miyavi richtig anschauen konnte. Der andere sah ihn ehrlich besorgt an und half ihm dann auch, die Aspirin mithilfe des Wassers aufzulösen und hinunter zu würgen. Dann durfte er sich wieder nach hinten lehnen und schloss die Augen.

Auf Miyavis Frage hin zuckte er einmal kurz zusammen und biss sich auf die Unterlippe. Diese Frage war berechtigt. Wer war Aoi? Wieso war ihm dieser Name plötzlich in den Sinn gekommen? Was war hier los?

"Ich... Ich weiß nicht.", antwortete er wahrheitsgemäß und sah ihn wieder an.
 

"Ist ja nicht schlimm." Miyavi wusste ja, dass sich sein Gegenüber eigentlich an nichts erinnern konnte. Das hatte er ihm auch am Telefon schon gesagt und er hatte auch kein Problem damit. Irgendwann würde sich der junge Mann schon noch an seine Vergangenheit erinnern. Da war er sich sicher. Aber dieser Aoi musste schon eine größere Bedeutung in dem Leben des anderen spielen. Darüber würde er nachher noch mit Kai sprechen, wenn dieser wieder zurückkam und sie sich wieder ablösten. Allerdings würde das ja noch eine Weile dauern.

"Am besten du versuchst noch etwas zu schlafen. Dann wirkt die Aspirin auch besser. Ich bin hier und pass auf dich auf. Dir kann also nichts passieren, hai?"
 

Uruha nickte leicht und drehte sich auf die Seite. In dieser Stellung zog er die Beine eng an seinen Oberkörper und schlang die Arme darum. Embryostellung. So fühlte er sich gleich viel beschützter und zitterte auch nicht mehr so stark. Obwohl er wusste, dass Miyavi bei ihm war und aufpasste, hatte er immer noch Angst. Angst vor dem Unbekannten. Angst davor, einzuschlafen und zu träumen.

"Arigatou....", nuschelte er leise und schloss die Augen.

Binnen weniger Minuten war er auch schon eingeschlafen. Immer wieder tauchten die beiden Gestalten in seinen Träumen auf und immer wieder fing der schwarzhaarige Achtzehnjährige an zu weinen, während der Mann ihn anschrie. In einer Ecke kauerte noch eine kleinere Gestalt, die Uruha allerdings nicht erkennen konnte.
 

Die Zeit verging ziemlich schnell und auch er hatte wirklich keine Lust, schon wieder länger zu machen. Immer wieder war sein Blick zur Uhr gehuscht und er betete, dass er schnell Feierabend hatte. Irgendwie machte er sich doch Gedanken um seinen Patienten. Auch wenn Miyavi wirklich ein toller Kerl war, so wusste man manchmal nicht, was in ihm vorging. Und er hoffte doch inständig, dass der Größere sich auch seinem Alter entsprechend benommen hatte.

Aber seine Bedenken wurden sofort weggespült, als er seine Wohnung betrat und er Miyavi auf seinem Sofa schlafend vorfand. Sein erster Gang führte ihn allerdings ins Schlafzimmer, wo er den Schlafenden auch gleich erblickte. Er schlief zwar unruhig, aber er schlief und so zog er die Tür leise ran und ging zu seinem Freund.

"Hey, Miya. Alles okay?" Sanft ruckelte er ihm an der Schulter, um ihn zu wecken.
 

Grummelnd öffnete er ein Auge nach dem anderen und blickte Kai verständnislos an. Was machte der denn bitte in seiner Wohnung? Dann erst fiel ihm wieder ein, dass er in Kais Wohnung war und auf Uruha aufgepasst hatte. Vorsichtig rappelte er sich wieder auf und fuhr sich gähnend durchs Haar.

"Hai. Bei mir schon. Bei Ruha eher weniger...", er stand auf und streckte sich. "Er hat plötzlich angefangen zu wimmern und irgendwas von einem Aoi oder so gefaselt und dann ist er ohnmächtig geworden. Hab den Notarzt gerufen, der konnte aber nix feststellen und meinte nur, er braucht ne Aspirin. Seitdem schläft er."
 

"Mmmmh... Das klingt nicht wirklich toll. Aber sonst ist alles soweit okay? Du siehst ziemlich müde aus. Bist du dir sicher, dass du das jeden Abend machen möchtest? Ich will dich damit nicht belasten, aber er möchte auch nicht alleine sein und ich lass ihn auch ungern alleine.", meinte er und setzte sich zu ihm.

"Ich weiß nicht, was ich sonst machen soll. Ich kann ihn ja schlecht die ganze Zeit alleine lassen. Und schon gar nicht in einer fremden Umgebung. Er hat sicher Angst vor mir.", seufzte er. Er würde ihm doch so gerne helfen.

"Wer dieser Aoi wohl ist?"
 

Seufzend ließ er sich neben seinem alten Kumpel nieder und legte ihm einen Arm um, zog ihn an seine Brust und strich ihm über den Rücken. Wenn Kai so nachdenklich war, machte er sich wirklich Sorgen.

"Hey, da hast du dir aber echt ein Problemkind geangelt, alle Achtung. Das kann auch echt nur dir passieren. Was ist denn, wenn er dir wegstirbt? Ich meine, du hast mir selbst gesagt, dass er schwer verletzt war und es vielleicht immer noch ist. Ich hab vorhin auch gesehen, wie er Blut gehustet hat, das ist ganz und gar nicht lustig. Was machst du dann, Kai? Du hast dir da wirklich viel Arbeit aufgehalst.", er fuhr sich durchs Haar. "Und ich weiß selbst nicht, wer dieser Aoi ist. Ich hab ihm vorhin meine Gitarre gegeben, damit er mal ein bisschen was zu tun hat und siehe da, der Kerl kann super spielen. Der muss also schon mal gespielt haben, kann sich nur nicht erinnern. Und dann ist er halt zusammengebrochen und hat von diesem Aoi geredet. Meinst du, er hat sich an was erinnert?"
 

Ein schwerer Seufzer verließ seine Lippen. "Hai, du hast ja Recht. Aber ich will ihn nicht im Stich lassen. Außerdem hat er doch im Moment niemanden, der ihm hilft außer uns. Und wenn er sich wieder erinnern kann, dann hat es doch auch einen Vorteil. Vielleicht haben wir dann einen Freund mehr."

So wirklich glaubte er auch nicht an seine Worte, aber was sollte er denn sonst machen. Uruha war krank und hatte zudem auch Gedächtnisverlust erlitten. So würde er ihn niemals wegschicken. Und er war nicht wirklich so angsteinflößend, wie Ruki behauptete. Eigentlich schien er ein sehr umgänglicher Mensch zu sein.

"Morgen Früh werd ich mal meine Ärztin anrufen, ob sie sich ihn mal anschauen könnte. Der Notarzt gestern war nicht wirklich hilfreich."
 

Er seufzte leise und wuschelte seinem Freund durch die Haare, ehe er zur Garderobe ging und seine Jacke überzog. Dann schlich er auf leisen Sohlen in das Zimmer, in welchem Uruha friedlich schlief, strich ihm vorsichtig über die Wange, schnappte sich seine Gitarre und schlich zu Kai zurück. Dem gab er einen fetten Schmatzer auf die Wange und klopfte ihm grinsend auf den Rücken.

"Tu, was du nicht lassen kannst und mach dir keine Sorgen. Ich will dir und ihm gerne helfen, also komm ich ab heute jeden Abend vorbei und kümmere mich um ihn. Bis morgen dann, Kai!"

Und schon war er verschwunden.
 

Seufzend starrte er seinem Freund noch hinterher, als dieser schon längst verschwunden war. Wenigstens auf ihn konnte er zählen. Gut, Ruki war einfach nur vorsichtig, was so etwas anbelangte. Aber trotzdem hätte er sich von seinem Freund etwas mehr Unterstützung erwartet.

Trotzdem konnte er an Rukis Auffassung nichts ändern. War ja auch egal. Vielleicht würden sie ja doch irgendwann mal richtige Freunde werden Ruki und Uruha. Wäre wirklich nicht schlecht. Doch jetzt musste dem Armen erst mal geholfen werden.

Ganz leise öffnete er die Tür und betrat das Schlafzimmer. Er wollte noch mal genau schauen, wie es denn seinem Freund ging und legte ihm sanft eine Hand auf die Stirn. Fieber schien er keines zu haben und er schien auch, ruhig zu schlafen. Gut, dann konnte er jetzt schnell duschen gehen und würde sich dann ebenfalls schlafen legen. Morgen hatte er viel vor und musste ausgeruht sein.

"Oyasumi nasai, Uruha-san.", wünschte er ihm und verschwand dann im Bad.
 

Uruha schlief derweil wieder friedlich vor sich hin. Ohne jegliche Alpträume oder sonstiges, was ihn von einem erholsamen Schlaf abhalten konnte. Er lag da zusammengerollt auf dem Bett, die Arme um ein Kissen geschlungen und friedlich ein und aus atmend. Von Kais vorsichtigen Berührungen bekam er nichts mit, ebenso wenig davon, dass er die Dusche anstellte und das Wasser laut begann, zu rauschen. Er schlief einfach durch.

Dann jedoch wurde er davon wach, dass er Kai im Bad herumwerkeln hörte und blinzelte müde. Er gähnte leise und rieb sich den Schlaf aus den Augen. Nanu? Was war denn nun passiert? War nicht eben noch Miyavi da gewesen?

"Ano... Hallo?", rief er leise und wartete, bis ihm jemand antwortete.

Vielleicht war Kai ja auch schon da.
 

Kai hörte ihn nicht, denn er war gerade dabei, sich abzutrocknen. Und wieder stieß er sich den Kopf an dieser dämlichen Halterung vor dem Spiegel. Kami-sama. Er sollte da wohl wirklich mal was machen. Wenn er so weitermachte, würde er vermutlich noch Uruha wecken.

Dass er das schon geschafft hatte, wusste er nicht und so werkelte er munter weiter, putzte sich die Zähne, kämmte sich die nassen Zotteln und schlüpfte in ein Shirt und eine Boxer.

Schnell noch einen Blick in den Spiegel und dann war er bettfertig. Mit einem zufriedenen Lächeln kam er ins Schlafzimmer und wollte sich Decke und Kissen holen, damit er es auf dem Sofa im Wohnzimmer etwas bequemer hatte.
 

Müde rieb er sich weiter die Augen, als er dann endlich hörte, wie eine der zahlreichen Türen geöffnet wurde und jemand ins Zimmer tapste. Uruha horchte auf und öffnete seine müden Augen wieder. Da war Kai, der anscheinend noch nicht bemerkt hatte, dass er wach war und der sich mit einem zufriedenen Lächeln seine Bettdecke und ein Kissen schnappte und anscheinend damit wieder abhauen wollte. Doch das wollte Uruha nicht zulassen. Nicht wieder alleine sein.

"Kai...?", fragte er leise und hoffte, dass er ihn nicht erschreckte. "Ano... Kannst du nicht hier schlafen? Bitte... Ich will nicht unbedingt alleine sein und... Wenn schon, dann gehe natürlich ich ins Wohnzimmer. Es ist dein Bett..."
 

Erschrocken fiepte er auf. Hatte er doch eben noch gedacht, dass Uruha schlief, so wurde er jetzt eines Besseren belehrt. Seufzend hielt er sich die Hand an die Brust. "Mann, hast du mich erschreckt.", kicherte er und versuchte seinen enormen Herzschlag wieder zu normalisieren.

Dann schaute er zu ihm auf das Bett und erkannte, dass Uruha das ziemlich ernst zu meinen schien.

Einmal tief durchatmen. "Okay, ich lass dich nicht alleine, aber komm nicht auf die Idee, dass du auf dem Sofa schläfst. Das kannst du dir abschminken. Verstanden?" Und schon legte er sich samt Decke und Kissen ins Bett und kuschelte sich in die weichen Kissen. Zufrieden seufzte er.

"Morgen müssen wir früh aufstehen. Ich möchte, dass dich jemand richtig untersucht, damit du wieder richtig gesund wirst. Okay? Also schlaf jetzt schön und erhol dich. Oyasumi nasai, Uruha."
 

Na toll. Was sollte das denn jetzt? Er war doch schon so oft in den wenigen Stunden, in denen er bei Kai war, untersucht worden. Viel zu oft für seinen Geschmack. So langsam reichte es doch auch mal oder? Man musste es ja nicht gleich übertreiben. Aber er wollte es Kai auch nicht unnötig schwer mit ihm machen und so nickte er nur leicht. Musste wohl sein. Und er wollte Kai keine Schwierigkeiten machen. Na ja... Jedenfalls nicht mehr als ohnehin schon. Das war ja nun wirklich nicht nötig.

"Oyasumi nasai... Kai-San..."

Wenige Augenblicke später war er wieder eingeschlafen und erwachte auch nicht bis zum nächsten Morgen.
 

Nur gut, dass er sich den Wecker doch noch gestellt hatte. Sonst hätten sie glatt verpennt. Aber so tragisch wäre es nicht gewesen. Zumindest bei Uruha nicht. Der brauchte ja eh nichts weiter zu machen, als im Bett zu liegen. Er selbst musste sich darum kümmern, dass er seine Ärztin hierher bekam und sie ihn untersuchen würde. Und da begann schon die erste Hürde. Er war nicht sehr oft bei ihr, denn eigentlich war er nie krank oder kaum. Trotzdem wollte er es versuchen.

Also sprang er schnell aus dem Bett und huschte ins Wohnzimmer. Sofort wählte er ihre Nummer. Ungeduldig wartete er ab und wurde dann doch mit ihr direkt verbunden.
 

Uruha wachte erst auf, als er etwas neben sich ruckeln merkte und dann die Tür zufallen hörte. Er grummelte und vergrub sein Gesicht im Kissen. Na toll. Konnte Kai denn nicht mal etwas leiser sein? Ging das wirklich nicht? Oh Mann... Jetzt war er wach und würde sicherlich nicht mehr einschlafen können. Wo wollte Kai denn eigentlich so plötzlich hin? Dann fiel es ihm wieder ein und er stöhnte auf. Nein. Bitte keinen Arzt...

Im Wohnzimmer hatte Kai die Ärztin an der Strippe und bestellte sie zu sich. Keine halbe Stunde später stand sie vor der Tür.
 

Er war froh, dass seine Ärztin sich so schnell bereit erklärt hatte, sich Uruha mal genau anzuschauen. Und er hatte sogar mit ihr vereinbart, dass sie die Rechnung über ihn laufen lassen würde. Besser konnte es doch gar nicht mehr kommen. Und dieses Mal würde er auf eine intensive Untersuchung bestehen. Es konnte ja nicht sein, dass er Blut hustete und keiner der anderen Ärzte sich darum scherte.

"Was meinen Sie? Wie steht es um ihn? Ich meine, er hustet ab und an Blut und das kommt mir doch recht seltsam vor. Ich mach mir Sorgen um ihn.", sprach er mit ihr, während sie ihn weiter untersuchte.
 

Die Ärztin steckte gerade ihr Stethoskop zurück in ihren Koffer und rückte ihre Brille zurecht. Sie war eine kleine untersetzte Frau mit strengem Blick, jedoch ziemlich umgänglich, wenn man sie nicht ärgerte. Und da Kai fast noch nie bei ihr gewesen war, hatte er auch noch nie die Gelegenheit, ihn zu ärgern. Also lächelte sie ihn leicht an und seufzte dann.

"Er hat eine Rippenfraktur. Ein Rippensplitter hat sich oberhalb in den linken Lungenflügel gebohrt und verursachte dadurch das Bluten in der Lunge. Der Notarzt scheint das aber schon alles gerichtet zu haben und es ist nicht weiter lebensgefährlich. Die Lunge verheilt von alleine und die Rippen auch. Ich hab ihm einen Druckverband um den Brustkorb gebunden, damit die Rippen stabil bleiben. Den wechseln Sie bitte jeden Abend aus, ja? Ach... Und kümmern Sie sich drum, dass er was isst. Der Junge leidet unter akuter Mangelernährung. Ich schätze ihn etwa auf mindestens 1,75 m und er wiegt höchstens 50 kg. Machen Sie da mal was. Bis demnächst."

Und schon war auch sie verschwunden und Uruha saß mit nacktem Oberkörper und nur mit dem Verband oben rum bekleidet auf dem Bett.
 

Erleichtert ließ er sich auf dem Boden vor dem Bett sinken und fuhr sich mit beiden Händen durch das schwarze zerzauste Haar. Gut, also würde es ihm bestimmt bald wieder besser gehen.

Lächelnd hob er den Kopf und schaute Uruha tief in die Augen. Irgendwie hatte er wirklich ein hübsches Gesicht, stellte er fest. Das war ihm bisher noch nicht aufgefallen. Aber es stimmte. Er hatte ihn auch noch nie so ausgiebig betrachtet.

"Wie geht´s dir? War es so schlimm? Oder war sie erträglich?", grinste er. Irgendwie musste er ihn ja ein wenig aufmuntern, denn sehr glücklich sah sein Gegenüber nicht aus.
 

"Pfh... Sie hat mich nicht umgebracht, das ist wahr... Trotzdem hasse ich Ärzte. Die sind immer so übertrieben freundlich. Das kann ich gar nicht leiden... Auch, wenn sie es nur nett meinen."

Er seufzte und kratzte sich an der Schulter. Es behagte ihm auch gar nicht, dass Kai ihn jetzt so unverhohlen anstarrte und musterte. Das konnte er gar nicht leiden. Beschämt senkte er den Blick und nuschelte leise:

"Ano... Kann ich dein Oberteil wieder anziehen?"
 

Der Schwarzhaarige setzte sich im Schneidersitz hin und stützte seinen Kopf mit seinen Händen auf den Knien ab. Ein breites Lächeln zierte sein Gesicht und noch immer schaute er ihn einfach an. "Weißt du... Eigentlich bist du echt nen netter Kerl. Hast ein hübsches Gesicht und schaust total knuffig aus, wenn du so verlegen bist. Und Miyavi hat mir auch erzählt, dass du total toll Gitarre spielst. Er war echt beeindruckt.", brabbelte er einfach drauf los. Auf die Frage Uruhas reagierte er gar nicht. Stattdessen stand er auf und ging zu seinem Kleiderschrank. Schnell streifte er sein olles Shirt ab und warf es auf den Stuhl neben sich. Dann fischte er zwei Shirts raus und hielt sich eines nach dem anderen vor die nackte Brust. "Welches findest du besser? Das oder das?"
 

Wäre dies ein Anime, dann würde Uruha jetzt droppen. Was sollte das denn jetzt bitteschön? Hatte der jetzt ein Rad ab oder so? Er schaute knuffig, wenn ihm was peinlich war und er hatte ein total hübsches Gesicht? Und jetzt fragte er ihn auch noch, welches Shirt ihm denn nun besser stand. Hallo?

"Ich... Ich weiß nicht so genau, ich mein...", er schluckte kurz, als er Kais Oberkörper war. Dünn, aber die Oberarme doch schon leicht muskulös und ein leichtes Sixpack war auch zu erkennen. "Ano... Ich find das blaue besser..."
 

"Yeah! Dacht ich´s mir doch." Und schon hielt er Uruha das andere hin. Es war nämlich wirklich nicht seine Farbe. Violett passte einfach nicht zu ihm, aber Uruha schien das bestimmt zu stehen. "Probier das mal. Ich glaub, die Farbe steht dir besser als mir.", grinste er und stand nun mit freiem Oberkörper direkt neben dem Bett. "Ich schenk es dir, wenn es dir gefällt. Und damit hast du schon mal wieder etwas nur für dich. Was meinst du? Is das okay?"

Irgendwie war seine Stimmung gerade wieder etwas besser geworden. Das waren wirklich tolle Nachrichten, die die Ärztin ihnen dort überbracht hatte. Da durfte er doch mal etwas ausgelassener sein.

Schnell schlüpfte er nun in sein Shirt. "Hast du vielleicht Lust, heute mal ein bisschen was zu unternehmen? Nur im Bett liegen, is bestimmt ziemlich öde. Außerdem hab ich heute erst später Schicht. Da können wir ein bisschen die Stadt unsicher machen."
 

Mit schiefgelegtem Kopf blickte er auf das violette Shirt und musterte es eine Weile. Irgendwie wirkte diese Farbe ziemlich ansprechend auf ihn und so zog er es ohne Murren an. Langsam stand er auf und tapste vorsichtig zum Spiegel hinüber und betrachtete sich darin. Zufrieden nickte er.

"Ich glaube... Violett ist meine Lieblingsfarbe."

Es war nur so dahergesagt, aber irgendetwas in ihm sagte ihm, dass es stimmte. Dann drehte er sich wieder zu Kai herum und versuchte sich an einem Lächeln.

"Stadt klingt gut, aber... Ich sehe absolut fürchterlich aus. Ich erschrecke doch sicherlich alle Leute auf der Straße und das will ich nicht."

Seufzend sah er wieder in den Spiegel.

"Ich sehe furchtbar aus..."
 

Okay, da musste er ihm wirklich irgendwie zustimmen. So ganz ausgehfertig sah er nicht aus. Aber das konnte man doch ändern. "Ich hab eine Idee." Ja und auch die würde er einfach in die Tat umsetzen.

Vorsichtig schritt er auf Uruha zu. "Darf ich mal kurz?", fragte er und stellte sich auf Zehenspitzen, damit er auch wirklich an den Verband kam. "Ich will mir das mal angucken. Und wenn das okay ist, dann werden wir mit dir mal noch zum Friseur gehen. Kannst dir eine Frisur aussuchen und dann machen wir dich wieder fit. Was hältst du davon?" Also er war von der Idee begeistert.

Ganz langsam löste er den Verband und erschrak etwas. Seine Haare waren am Hinterkopf völlig mit getrocknetem Blut verklebt. Da mussten sie wirklich etwas tun.
 

Uruha zischte leise und kniff die Augen zusammen. Der Verband hatte an seinen Haaren geklebt und somit ziemlich gezogen, als Kai vorsichtig versuchte, ihn zu lösen. Er seufzte auf und schloss die Augen. Kais leisem Ausruf nach zu urteilen sah er wirklich schrecklich aus. Das war´s dann wohl mit der neuen Frisur. Würde er wohl ewig mit diesen langen Zotteln rumlaufen müssen.

"Ano... Geht wohl nicht mit dem Friseur oder? Na ja... Muss ja auch nicht sein. Bin schon froh, wenn ich was zum Anziehen habe."
 

"Ey." Er zwickte ihm leicht in die Seite. "Ich hab nicht gesagt, dass wir den Friseur abessen können. Es sieht nur ziemlich verklebt aus. Das sollten wir vorher rauswaschen, sonst fällt uns die Frisöse noch vom Stuhl, wenn sie das sieht.", scherzte er und ließ den verschmierten Verband zu Boden sinken. Es sah schon ziemlich heftig aus, aber so, wie es schien, war es alles getrocknetes Blut, so dass die Wunde wohl schon zu war. Wenigstens etwas. Jetzt würde er ihm nur vorsichtig alles rauswaschen müssen.

"Komm, ich helf dir beim Haare waschen. Und dann machen wir uns für den Stadtausflug fertig." Und schon zog er ihn vorsichtig mit sich ins Badezimmer.
 

Uruha schluckte hart, als Kai ihn ins Badezimmer zog und die Tür hinter sich schloss. Er fühlte sich ziemlich unwohl und sah sich kurz um. Lange Zeit blieb ihm jedoch nicht, da Kai ihn anwies, sein Shirt wieder auszuziehen, damit es nicht nass wurde und sich vor die Badewanne zu knien. Uruha tat, wie ihm geheißen und hockte wenig später mit über die Wanne gebeugtem Oberkörper da und schloss die Augen.

"Aber... Sei bitte vorsichtig, ja? Das tut sicherlich weh..."
 

"Hai, ich bin wirklich ganz vorsichtig.", versprach er ihm und drehte das warme Wasser langsam auf. Er hielt eine Hand darunter, um zu testen, dass es auch ja nicht zu kalt oder zu heiß war. Das würde er nicht wollen und Uruha würde das sicher noch mehr Schmerzen zufügen, als er ohnehin schon hatte. Behutsam fuhr er mit dem Duschkopf über den Kopf des anderen und strich nur ganz leicht mit den Fingern über sein Haar. Sofort färbte sich das Wasser rot und Uruhas Haare kamen langsam wieder in ihrer normalen Farbe zum Vorschein. Eines allerdings war sicher, eine Farbveränderung würde er heute definitiv nicht zulassen. Dafür sah die Verletzung doch etwas dolle groß aus, die da zum Vorschein kam.

"Mann, die haben dich aber mächtig zugerichtet.", wisperte er und es tat ihm unglaublich leid, dass es überhaupt zu so etwas gekommen war.
 

Uruhas Finger krallten sich so fest an den Badewannenrand, dass die Knöchel weiß hervortraten und seine Fingerspitzen sich rot färbten. Vorsichtig öffnete er ein Auge und beobachtete, wie sich das blutrote Wasser im Abfluss verflüchtigte und schluckte. Das war alles sein Blut, was in seinen Haaren geklebt hatte? Hilfe... Was war bloß passiert? So eine Kopfwunde bekam man doch nur, wenn man auf den Hinterkopf mit einem schweren Gegenstand geschlagen wurde. Vielleicht mit einem Baseballschläger?

"Itai...", murmelte er leise und durfte sich nun endlich wieder aufrichten.

Kai begann nun vorsichtig, seine Haare zu trocknen und wenig später durfte Uruha sich auch wieder richtig anziehen. Er besah sich um Spiegel und stellte zufrieden fest, dass er jetzt wenigstens ein bisschen besser aussah. Seine kastanienbraunen Haare hatten einen schönen Glanz, nur leider hatten sie Spliss und waren anscheinend schon länger nicht mehr geschnitten worden.

"Na komm... Dann lass uns mal los."
 

Kai nickte zustimmend. Jetzt würden sie ihm erst mal wieder eine schöne Frisur zaubern lassen. Darauf freute er sich schon. So würde man Uruha halt wieder erkennen. Hoffte er zumindest. Er wusste ja nicht, wie der andere vorher ausgesehen hatte oder sich anzog. Das mussten sie alles erst mal wieder in Erinnerung rufen. Aber dazu brauchten sie Zeit und irgendwie fühlte er sich wirklich wohl in der Nähe des Größeren.

"Dann lass uns mal. Der Frisör macht für uns sicher keine Überstunden.", grinste er und zog Uruha auch sofort mit sich.
 

Sofort wurde Uruha mit Kai mitgezogen und wimmerte leise auf. Der andere war aber auch übermütig. Er war bis eben noch bettlägerig gewesen, wie sollte er denn da so schnell schon Kai hinterher wetzen können? Das ging einfach auch nicht. Und so löste er sich von Kais Hand und hakte sich bei ihm unter. So würde ihm das Laufen sichtlich erleichtert werden.

"Immer langsam, ja? Du hast doch sicherlich ein Auto oder? Können wir nicht damit fahren, bitte? Ich schaff das noch nicht..."
 

Ein Auto? Ups. Daran hatte er wirklich nicht gedacht. Und zu seinem Bedauern besaß er auch keines. Zumindest noch nicht. Derzeit konnte er sich noch keines leisten. Er sparte lediglich dafür.

"Ano... ich hab kein Auto. Gomen. Das konnte ich mir bisher noch nicht leisten.", meinte er kleinlaut. Und schon ging er ein paar Schritte langsamer. Er musste Uruha ja nicht gleich so sehr in Anspruch nehmen.

"Reicht es, wenn wir den Bus oder die Bahn nehmen? Dann sind wir auch recht schnell im Stadtzentrum angekommen."
 

Na toll. Auto fiel also schon mal weg. Also blieb dann ja nur die Bahn oder der Bus. Aber er besaß keine Busfahrkarte, da würde also nur die Bahn klappen. Das sagte er Kai auch und zusammen, Uruha bei Kai untergehakt, gingen sie langsam nebeneinander her die Straßen entlang. Er seufzte leise und sah sich um. Nichts von alledem kam ihm bekannt vor. Nichts. Wirklich rein gar nichts. Es war, als hätte er vorher in einer anderen Stadt gelebt.

Sie kamen vor dem Friseurladen an und Kai geleitete Uruha hinein. Er sah sich um und schluckte. Auch hier Fehlanzeige. Er erinnerte sich an nichts.
 

"Hey, Kai-chan!", wurden sie auch schon begrüßt. "Was treibt dich denn hierher?", fragte eine aufgeregte Frauenstimme und kam auch schon auf sie zugestürmt. "Konnichi wa, Yukiko-san." Er war hier Stammgast. Allerdings nicht zum Haare scheiden. Das nicht. Er war derjenige, der den Damen immer das Essen brachte, dass sie bei ihm im Restaurant bestellten. Und er kannte sie alle sehr gut.

"Ich hätte da einen Freund, dem du die Haare schneiden solltest. Aber du musst vorsichtig sein. Er hat am Hinterkopf eine große Wunde. Man hat ihn zusammengeschlagen und einfach liegen lassen. Würdest du ihm helfen?", fragte er und legte gekonnt einen unglaublich süßen Dackelblick auf.
 

Uruha spürte, wie er innerlich ein Stückchen kleiner wurde und versteckte sich so gut es ging hinter Kai. Der Blick, mit dem diese Frau ihn ansah, gefiel ihm gar nicht. Sehr erschrocken blickte die Frau ihn aus großen Augen an, musterte ihn und sah dann wieder zu Kai.

"Wie? Zusammengeschlagen? Das gibt es ja wohl nicht. Das sollte man anzeigen, Kai-Chan! Also wirklich... Sowas mag ich ja gar nicht leiden, solche Menschen gehören ins Gefängnis!", fiepte sie mit ihrer hellen Stimme und zog Uruha sogleich mit sich zu einem der Stühle. Dort setzte sie ihn drauf und schob sogleich ein Tischchen mit Haarscheren, Bürsten, einem Föhn und Klammern und zahlreichen Lockenwicklern heran und zog Kai auch gleich neben sich. "So. Was genau soll ich denn machen, Süßer? Färben? Schneiden? Nur die Spitzen oder gleich ganz neue Frisur?"
 

Kai grinste. "Das musst du ihn schon selber fragen. Ich werd mich hüten, etwas über seinen Kopf hinweg zu entscheiden. Schließlich muss er ja damit rumlaufen und nicht ich. Aber..." Er deutete auf Uruhas Hinterkopf und zeigte ihr vorsichtig die Stelle, die er vorhin gerade vom Blutrest befreit hatte. "Ich glaube nicht, dass wir färben sollten. Das wäre wirklich nicht gut. Aber sonst kannst du gerne tun, was er von dir möchte. Machst du das?", fragte er wieder und schaute sie zuckersüß an. Er sah nicht, dass Uruha ihm im Spiegel dabei beobachtete.
 

Uruha schluckte, als Kai diesen supersüßen Blick auflegte und sah sofort weg. Seine Wangen färbten sich puterrot und er blickte zu Boden. Die Friseurin schickte Kai weg, der sich dann in eine Ecke auf die Wartestühle setzte und eine Zeitung las und widmete sich dann ganz ihrem Kunden.

"So, Schätzchen. Was soll´s sein?"

"Ano...", Uruha beschrieb ihr, wie er es gerne hätte und lächelte sie dann leicht an.

"Okay, Süßer. Dann legen wir mal los, was? Kai wird staunen, weil ich aus dir einen richtigen Märchenprinzen machen werde. Du wirst schon sehen."

Und somit fing sie professionell mit ihrer Arbeit an und Uruha beobachtete unauffällig Kai dabei, wie er mit übereinandergeschlagenen Beinen da saß und las.
 

Nicht ein einziges Mal hob er den Blick. Er wusste, dass es dazu keinen Grund gab. Er vertraute Yukiko voll und ganz. Sie wusste immer, was sie tat. Und so widmete er sich intensiv seiner Zeitschrift.

"Gefällt er dir?", fragte Yukiko dann mal ganz frech, als sie mal wieder einen von Uruhas unauffälligen Blicken zu Kai hinüber erhaschte. "Kannst es ruhig zugeben. Kai ist auch ein ganz lieber. Aber... ich muss dich enttäuschen. Soweit ich weiß, steht er auf die weibliche Gesellschaft."

Während sie ihn fröhlich vor sich hin schnatternd frisierte und da mal etwas wegschnitt und dann dort wieder, widmete sich der Schwarzhaarige noch immer seiner Zeitschrift. Er bekam gar nicht mit, wie sie seinem neuen Freund gerade die neue Frisur zeigte und ihn dann von dem großen Umhang befreite. "So fertig."
 

Uruha wäre am liebsten sofort im Erdboden versunken. Wo war das nächste Loch, wenn man es brauchte? Das durfte ja jetzt wohl nicht wahr sein. Hatte sie ihn etwa gerade wirklich gefragt, ob er Kai attraktiv finden würde? War das ihr Ernst? Uruha wurde knallrot und sah sofort zu Boden. So langsam wurde ihm mulmig. War er etwa... Homosexuell? Stand er auf das eigene Geschlecht? Er wusste ja nichts mehr über sich, es könnte also wirklich sein. Oh Gott! Das war so peinlich...

Endlich war er fertig und tapste unbeholfen wie ein Welpe zu Kai hinüber und stellte sich vor ihn. Leise räusperte er sich und sah sofort wieder zu Boden. Er wollte Kai nicht ansehen, schon allein deswegen nicht, da er immer noch knallrot war.

"Bin fertig..."
 

Etwas abwesend schaute er auf. Er hatte gar nicht mitbekommen, dass Uruha schon vor ihm stand. Erst als er sich räusperte und ihn ansprach, wurde er sich dessen bewusst.

"Hey!" Sofort sprang er auf und schmiss die Zeitung auf den Tisch. Bewundernd betrachtete er ihn von allen Seiten. "Das sieht fantastisch aus. Es steht dir ausgezeichnet, Uruha?" Und schon konnte er nicht mehr an sich halten und umarmte den anderen herzlich. "Siehst du? Und jetzt können wir ein bisschen in der Stadt bummeln. Was meinst du?"

Jetzt freute er sich doch gleich noch mehr. Uruha sah wirklich fast wie ein anderer Mensch aus. Was eine Frisur so alles ausmachen konnte? Aber es gefiel ihm.

"Was bekommst du denn Yukiko-san?", fragte er und kam auch schon auf die junge Frau zu. Diese grinste breit. "Ein Mittagessen von dir, mein Junge."
 

Immer noch puterrot im Gesicht wurde er von Kai umarmt, traute sich jedoch nicht, die Umarmung jetzt zu erwidern und beließ es deswegen bei einem kleinen Lächeln. Immer noch drehten sich seine Gedanken um das, was ihn die Frau eben gefragt hatte. Fand er Kai wirklich hübsch? Diese Frage konnte er schon mal mit Ja beantworten. Kai war wirklich ein sehr hübscher Mann. Fand er ihn vielleicht sogar schon attraktiv? Das konnte er einfach noch nicht so genau sagen und blickte deswegen auch stur weiter nach unten. Er wollte nicht, dass Kai einen falschen Eindruck von ihm bekam, wenn er ihn so auffällig musterte.

Zusammen gingen sie aus dem Laden und Uruha seufzte leise.

"Ano... Und wo gehen wir jetzt hin?"
 

Der Schwarzhaarige bedankte sich nochmals aufrichtig bei der netten Frau und verließ dann mit Uruha den Laden. Gute Frage.

"Lass uns ein paar Klamotten für dich besorgen. In meine passt du ja schlecht rein.", lachte er und hakte sich dieses Mal bei ihm unter. "Aber du siehst echt toll aus so. Und? Gefälltst du dir wenigstens auch ein bisschen?", fragte er neugierig, während sie langsamen Schrittes weiter in die Stadt hinein gingen. Kai wusste schon, wo er ihn hinführen konnte und auch würde. Dort würden sie nämlich garantiert fündig werden und es war auch nicht so, dass der Laden ungemein teuer war. Eher im unteren Durchschnitt, so dass sich jeder etwas leisten konnte.
 

"Hai. Natürlich gefällt es mir, ich hab es mir doch selbst ausgesucht. Und wenn es dir gefällt, dann bin ich ja gleich doppelt so zufrieden."

Er seufzte leise und lehnte sich ein bisschen an den anderen. Er brauchte gerade sowieso eine Stütze, da würde es Kai vielleicht nicht so sehr auffallen, dass er sich fast schon an ihn kuschelte. Uruha überlegte immer noch stark über die Worte der Frau und bemerkte gar nicht, wie er sich näher an Kai schmiegte.

Zusammen betraten sie den Laden und Uruha sah sich um. Die Klamotten hier sahen auch wirklich hübsch aus, nur hatte er kein Geld und wusste somit nicht, wie er jetzt etwas Neues bezahlen sollte. Kai konnte er damit unmöglich belasten.

"Ano... Ist vielleicht doch keine so gute Idee... Ich kann es nicht bezahlen."
 

Es fühlte sich seltsam an, wenn Uruha sich so an ihn schmiegte. Gut, er brauchte eine Stütze und die würde er ihm jawohl nicht verwehren. Dafür hatte er viel zu viel Herz. Allerdings fühlte es sich wirklich komisch an. Na ja, darüber musste er sich jetzt nicht den Kopf zerbrechen.

"So, da wären wir dann also und nun such dir mal ein paar Sachen raus. Damit können wir dich wenigstens einkleiden. Und immer in den selben Klamotten lass ich dich bestimmt nicht rumlaufen. Und keine Widerrede.", unterbrach er den anderen, als dieser erneut zu Protesten ansetzen wollte.

"Mindestens zwei Hosen und vier Shirts. Vorher setz ich keinen Schritt vor diese Tür.", forderte er.
 

Uruha seufzte tief. Mann... Konnte der Kerl es denn nicht mal gut sein lassen? Wenn er nicht wollte, dann wollte er nicht und am wenigsten wollte er Kai Umstände machen und ihm das Geld aus der Tasche ziehen. Das hatte er echt nicht vor. Aber anscheinend bestand er darauf und würde sich davon auch nicht abbringen lassen. Also Augen zu und durch.

"Okay... Mach ich. Eher kurze Sachen? Ist ja Sommer...", nuschelte er verlegen und deutete auf die Shirts und kurzen Hosen. "Davon welche?"
 

Kai schüttelte den Kopf und grinste frech. "Das musst du dir schon aussuchen. Ich werd mich hüten, über deinen Kopf hinweg sowas zu entscheiden. Also such dir das aus, was dir gefällt und dann ab in die Umkleide mit dir." Und schon schob er Uruha weiter in den Laden.

Der Kerl konnte einen aber auch echt in den Wahnsinn treiben. Er machte ihm keine Umstände. Für ihn war das mal ein wenig Abwechslung und es machte ihm schon Spaß, mit dem anderen unterwegs zu sein.

"Und jetzt kein einziges Wort mehr von irgendwelchen Umständen. Du machst keine. Also los."
 

Leicht mürrisch trottete er hinter dem anderen her in den Laden hinein, die Hände in die Hosentaschen vergraben und leise vor sich hinnuschelnd. Kai wollte also nichts über seinen Kopf hinweg entscheiden? Warum entschied er dann, dass er so unbedingt eine neue Frisur und neue Klamotten brauchte? War ja irgendwie widersprüchlich.

Seufzend ging er auf die Ständer zu, durchsuchte sie und hatte binnen weniger Minuten zwei schöne kurze Hosen und vier Shirts herausgesucht, das eine natürlich violett, das andere blau, das andere fliederfarben und das andere weinrot. Damit in den Arme drehte er sich zu Kai um und sah ihn fragend an.

"Soll ich die mal anprobieren?"
 

"Nein, du sollst sie essen.", witzelte er. "Natürlich sollst du die anprobieren, du Witzbold." Irgendwie war das schon verdammt witzig. Uruha schaffte es irgendwie, in andauernd zum Lachen zu bringen. Er stellte sich manchmal an wie der erste Mensch. "Manchmal bist du echt komisch." Dennoch freute er sich, dass er ihm wenigstens etwas helfen konnte und wenn es nur durch solch kleine Gesten war.

Er sah zu, wie der Größere in der Umkleidekabine verschwand und wartete ab, bis dieser sich bemerkbar machte.

"Und? Wie sieht´s aus, junger Mann?", kicherte er und wartete, dass Uruha sich ihm zeigte.
 

Jetzt war seine Laune erst recht miserabel. Fing der Kleinere jetzt auch noch an, sich über ihn lustig zu machen? Das war ja so unfair. Nur, weil er mal fragte, was er machen sollte? Hätte ja auch sein können, dass er sich zu teuere Sachen ausgesucht hatte und Kai meinte, er solle sie lieber wieder weglegen und sich neue suchen. Deswegen hatte er gefragt. Aber nein, Kai musste das ja in den falschen Hals bekommen und sich über ihn lustig machen. Herzlichen Dank auch.

Nun stand er in der Umkleidekabine und zog sich eine der Hosen an. Sie ging ihm knapp bis über die Knie und zeigte ziemlich viel Bein. Das trug man ja auch schließlich im Hochsommer. Dazu zog er sich das violette Shirt an und präsentierte sich so Kai.

"Und? Kann ich das anziehen?"
 

Freudig klatschte er in die Hände. "Hai, das steht dir ausgezeichnet. Lila is wohl wirklich deine Farbe. Passt perfekt. Da kann ich wirklich nichts gegen sagen.", grinste er und kam ein paar Schritte näher. Wenn, dann wollte er ihn schon rings rum mustern und so drehte er ihn kurzerhand einmal um seine Achse und musterte ihn von oben bis unten. Dann drückte er ihn einmal kurz und lächelte ihn abermals so zuckersüß an, wie er es bei der jungen Frau im Frisörsalon gemacht hatte. "Das ist schon mal gekauft. Oder was meinst du?"
 

Hilfe. Er verstand immer noch nicht, wie dieser Kerl auch immer so überfreundlich sein konnte. Und jetzt musterte er ihn schon wieder so auffällig und umarmte ihn sogar. Sie kannten sich gerade mal einen Tag. Das war doch nicht mehr normal. Hm... Vielleicht für diesen Kerl schon. Sein Kumpel war da ja auch nicht besser und der Giftzwerg das genaue Gegenteil.

Als Kai dann jedoch plötzlich wieder dieses zuckersüße Lächeln aufsetzte und ihn direkt ansah, konnte er nicht anders und wurde sofort feuerrot. Fahrig nickte er und eilte zurück in die Umkleidekabine. Die nächste Hose war noch kürzer und dazu trug er das weinrote Shirt. Immer noch knallrot im Gesicht kam er wieder zu Kai zurück.
 

Und wieder konnte nichts anderes sagen, als dass sein Gegenüber wirklich klasse aussah. Allerdings machte ihn etwas stutzig. Uruha sah wirklich toll aus, aber er musste wirklich wieder etwas zulegen. Sonst würden sie ihn nachher noch für magersüchtig oder so halten.

"Das sieht super aus. Kann ich echt nichts gegen sagen, aber..." Er seufzte und musterte abermals die schlanken langen Beine. Dass er dabei ein kleines bisschen starrte, fiel ihm gar nicht auf. Aber er fand Uruha wirklich sehr attraktiv. Moment mal! Attraktiv?!

Innerlich schüttelte er den Kopf und versuchte, zum ursprünglichen Thema zurück zu kommen.

"Du musst wieder ordentlich essen. Es sieht ja so aus, als würde ich dich hungern lassen.", scherzte er. "Was hältst du von nem Becher Kaffee bei Starbucks? Und dann können wir ja irgendwo zu Mittag essen. Hai?"
 

Irgendwie war ihm gerade mal wieder unwohl. Was schaute er ihn denn so an? Er sah an sich hinab und musterte sich ebenfalls selbst. Seine langen dünnen Beine sahen wirklich etwas knochig aus. Fand Kai ihn etwa abstoßend? Sah er ihn deshalb so an? Er seufzte schwer und als Kai dann auch noch meinte, er müsse mal etwas essen, wurde er in dieser Vermutung auch noch bestärkt. Jedoch versuchte er, gute Miene zum bösen Spiel zu machen und lächelte leicht.

"Das wäre lieb, aber... Ach, schon gut. Dann lass uns eben einen Kaffee trinken gehen. Und wo kann man hier was Gutes zum Mittag kriegen? Ich hab wirklich Hunger. Irgendwie fühlt sich mein Magen an, als hätte ich seit Tagen nichts mehr gegessen."

Wer weiß... Vielleicht stimmte das ja sogar.
 

"Aber vorher probierst du mal noch die anderen beiden Shirts. Dann haben wir wenigstens ein paar Klamotten für dich, die dir passen." Und so schob er den anderen wieder in die Kabine und lehnte sich daneben gegen die Wand. "Worauf hast du denn Hunger?", fragte er durch den Vorhang hindurch. "Hier gibt es ne Menge toller Restaurants und Schnellimbisse. Kannst dir also gerne etwas aussuchen. Ich bin für alles offen."

Er konnte Uruha schon verstehen. Er machte wirklich den Eindruck, als hätte er schon ewig nichts mehr zu sich genommen. Deshalb hatte er wohl auch so stark abgenommen. Und er würde jetzt zusehen, dass er wenigstens wieder ein paar Kilos zunahm.
 

Und schon stand er wieder in der Umkleidekabine und musste die Sachen anprobieren und Kai zeigen. Nachdem er das auch getan hatte, schnappte sich Kai gleich die Tüte und ehe Uruha protestieren konnte, hatte Kai alles bezahlt und beide schlenderten nun die Straßen entlang. Uruha hatte die Tüte mit den Sachen fest an seine Brust gepresst, als fürchtete er, man würde sie ihm wieder wegnehmen und starrte auf den Boden. Er seufzte leise.

"Ano... Weiß nicht so genau. Auf irgendwas Deftiges jedenfalls. Eto... Hamburger oder so. Hab wirklich tierischen Hunger."

Zum Beweis knurrte sein Magen einmal sehr laut und Uruha wurde rot, starrte noch weiter auf den Boden.

"Da hörst du´s..."
 

Lauthals lachte er los und legte ihm freundschaftlich einen Arm um seine Schulter. Wieder zwickte er ihm in die Seite und lächelte ihn an. "Das war auch nicht zu überhören, mein Lieber.", kicherte er. "Was hältst du von McDonalds? Das geht schnell und eigentlich mag das jeder." Er selbst war schon Stammkunde dort und ihm schmeckte dort auch wirklich alles. Und er war eigentlich davon überzeugt, dass auch sein Freund das mögen würde.

"Dann lass uns mal gemütlich ein bisschen Fast Food schnabbulieren und danach sehen wir weiter. Okay?"
 

Uruha nickte leicht und starrte Kai leicht aus den Augenwinkeln heraus an. Der andere hatte seinen Arm um ihn gelegt und schnatterte fröhlich drauflos und zeigte immer wieder auf Geschäfte. Uruha jedoch hörte ihm gar nicht zu und sah ihn die ganze Zeit einfach nur an. Der Arm um seine Schulter fühlte sich muskulös an. Woher das wohl kam? Der Rest von Kais Körper sah ja nicht gerade wirklich stark aus. Woher dann diese Kraft in den Armen? Leicht lehnte sich Uruha wieder an ihn und hoffte, dass Kai nichts dagegen haben würde.

Kurze Zeit später betraten sie das McDonald's und setzten sich. Uruha sah ihn fragend an.

"Und... Was darf ich mir bestellen?"
 

Gespannt schaute er ihn an. Dann legte er den Kopf schief und sah in dieses Mal fragend an. "Uruha?" Irgendwie wollte er mal klarstellen, dass er ihn nicht ständig solche Fragen stellen sollte. Er hatte doch schließlich eine eigene Identität und ein eigenes Leben. Also konnte er auch mal selbst entscheiden und sich nicht immer nur auf ihn stützen. Auch wenn ihm das wirklich nichts ausmachte.

Kai beugte sich über den Tisch und stützte seinen Kopf mit den Händen auf der harten Holzplatte ab. Und wieder lächelte er.

"Warum fragst du mich eigentlich immer so was?"
 

"Ano... Weil ich nicht wirklich weiß, was ich machen soll. Du kennst dich hier viel besser aus als ich, ich weiß gar nichts mehr und weiß eigentlich noch nicht mal, welche Stadt das hier ist.", er seufzte schwer. "Und du bezahlst doch schließlich alles für mich. Da ist es doch normal, wenn ich vorher frage, was ich mir denn bestellen darf. Oder etwa nicht?"

Noch einmal seufzte er tief, ehe er sich die Menüs ansah und dann auf etwas tippte.

"Ich... Kann ich den Chickenburger mit Pommes und eine Cola haben?"
 

Kai seufzte. Eigentlich hatte er ja Recht, aber dennoch gefiel ihm das nicht, dass er dachte, er wäre so abhängig von ihm. Das hatte er auch gar nicht vor. Irgendwie musste er es schaffen, dass Uruha ein wenig aus sich rauskam. Einfach mal machte, wozu er Lust hatte und sich nicht immer von ihm mitziehen ließ.

"Bestell dir ruhig, was du möchtest. Ich lad dich ein und dann ist gut. Und ich will so eine Frage vorerst nicht wieder hören, verstanden?", forderte er von ihm. Und das wäre wenigstens schon mal ein Anfang.

"Und außerdem sind wir Freunde, also glaub nicht, dass ich das nicht gerne tun würde."
 

Verdattert starrte er Kai an.

"Freunde? Du... Du willst wirklich mit mir befreundet sein? Wieso?", fragte er ganz frei heraus und blickte ihn verdattert an. "Wir kennen uns doch noch gar nicht richtig. Gerade mal einen Tag, also... Wieso willst du mit mir befreundet sein? Verstehe ich nicht... Aber denk bitte nicht, dass ich nicht auch mit dir befreundet sein will. Das will ich nämlich wirklich gern. Ich freue mich, wenn ich dein Freund sein darf."

Und zum ersten Mal schenkte er ihm ein aufrichtiges, niedliches Lächeln.
 

"Wieso sollten wir keine Freunde sein?", fragte er etwas merkwürdig dreinschauend. Er mochte ihn schon irgendwie und was sprach denn gegen eine Freundschaft zwischen ihnen? Eigentlich doch nichts oder?

"Ano... Ich mag dich einfach und würd es toll finden, wenn wir befreundet wären. Is wirklich schön, wenn ich mit dir unterwegs bin. Hatte schon lange nicht mehr so viel Spaß.", meinte er.

"So und nun lass uns erst mal was essen. Ich verhunger gleich. Danach können wir ja weiterreden, wenn du magst. Aber ehe du mir hier vom Stuhl fällst und dein Magen das ganze Lokal zusammenknurrt, verschieben wir die Unterhaltung lieber, was?"
 

Genau in diesem Moment knurrte sein Magen wieder lautstark und ein fetter Mann, welcher neben ihnen mindestens zehn Burger in sich hineinspachtelte, blickte ihn verwirrt an und Uruha wurde rot. Wie peinlich. Böser Magen. Ganz, ganz böser Magen.

Da kam auch schon jemand, der ihnen das Gewünschte vorbeibrachte und Uruha leckte sich über die Lippen. Ein leckerer Duft stieg ihm in die Nase und er schloss für einen Moment die Augen. Dann nahm er den Chickenburger in die Hand und biss andächtig hinein. Es war ihm, als hätte er noch nie etwas Leckereres gegessen und so biss er noch einmal herzhaft zu und ein glücklicher Ausdruck legte sich auf seine Lippen.
 

Zufrieden lächelnd beobachtete er sein Gegenüber. Dieser schien sich mächtig über einen einfach Chickenburger zu freuen. Wieso konnte er sich nicht erklären, aber es machte Spaß, ihn dabei zu beobachten, wie er ihn herzhaft einen Bissen nach dem anderen verschlang.

"Schmeckt´s?", fragte er. Er selbst hatte noch nicht einen Happen probiert, sondern einfach nur den anderen beim Essen beobachtet. Das war wirklich ein lustiger Anblick.

Dann nahm auch er sich seinen Burger und biss ordentlich hinein. Wenn es Uruha wirklich so sehr schmeckte, dann würde er jetzt öfter mal mit ihm herkommen. Was funktionierte besser als Fast Food, um jemanden ein paar Kilos auf die Rippen zu verschaffen? Ihm fiel jedenfalls nichts ein.

Und so aßen sie beide genüsslich ihre Portion weg und lehnten sich dann zufrieden in ihre Stühle. "Das war mal wieder lecker.", kommentierte er sein leeres Tablett.
 

"Haaai^~!", lächelte er langgezogen und legte sich seine Hände auf seinen Bauch, um langsam darüber zu streicheln. "Das war wirklich absolut lecker. Können wir hier nicht öfters mal hingehen? Ano... Natürlich nur, wenn du da nichts gegen hast..."

Er schlürfte noch den letzten Rest Cola aus seinem Pappbecher und legte den Becher dann an seine Lippen und den Kopf in den Nacken, um an den kleinen Eiswürfel zu kommen, der ihm nun in den Mund rutschte. Zufrieden lutschte er daran herum und sah Kai an.

"Wo wollen wir denn jetzt hin? Hast du eine Idee?"
 

Oh Gott! Irgendwie war der Anblick, wie er da den Eiswürfel aus dem Becher angelte, verdammt anziehend, so dass er den Blick irgendwie nicht abwenden konnte. Er musste blinzeln und schluckte.

"Ano..." Dann schaute er zur Uhr und seufzte. "Ich hab nicht mehr viel Zeit. Meine Schicht beginnt bald und ich muss mich vorher noch frisch machen und umziehen." Es tat ihm leid, dass er den schönen Tag mit dem anderen jetzt schon beenden musste, aber Arbeit war eben Arbeit und die durfte er nun mal nicht schwänzen. Die war verdammt wichtig.

"Genug Ausflug für dich heute. Du musst wieder ins Bett und ich zur Arbeit. Miya kommt nachher auch gleich und kümmert sich dann wieder um dich, hai?" Und so erhob er sich und räumte ihre Tabletts in den dafür vorgesehenen Schrank rein.
 

Deprimiert blickte er nun auf den Tisch, der nun ziemlich vollgekrümelt aussah und blinzelte ein paar mal. Ohne, dass er es bemerkt hatte, hatten sich in seinen Augen kleine Tränen gebildet, welche nun ans Tageslicht kommen wollten. Doch Uruha ließ dies nicht zu und blinzelte sie schnell weg. Er fand es wirklich sehr schade, dass Kai jetzt einfach weg musste. Dann wäre er wieder mit Miyavi alleine. Auch, wenn das Paradiesvögelchen ein lustiger Kerl war, irgendwie kam er sich so alleine vor ohne Kai. Lag wohl daran, dass er es war, der ihm zu Anfang geholfen hatte.

"Hai...", murmelte er enttäuscht und zusammen gingen sie zurück zu Kais Wohnung.

Uruha schwieg den ganzen Weg über.
 

Kai bemerkte schon, dass irgendetwas nicht stimmte. Gut, gesprächig war der andere nun wirklich nicht gewesen. Das war von Anfang an so gewesen, aber das hier war irgendwie anders.

Vor seiner Tür blieb er stehen und schaute den anderen tief in die Augen. "Was ist los mit dir?", fragte er ihn direkt. "Ist dir nicht gut? Du bist so ruhig. Hab ich was falsch gemacht?", wollte er wissen und schloss die Tür auf, um Uruha herein zu bitten und die Tür hinter ihnen wieder zu schließen.

"Hat es mit Miyavi zu tun? Willst du nicht, dass er dir Gesellschaft leistet? Oder woran liegt es?"

Er nahm dem anderen die Tüte mit den neuen Sachen ab und trug sie ins Schlafzimmer. Er schüttelte schnell die Kissen und die Decke aus und lüftete kurz. Dann zog er sich das Shirt und die Hose aus und tapste nur auf Socken durch den Raum. Er suchte seine Klamotten zusammen.
 

Irgendwie war ihm gerade wirklich zum Heulen zumute. Er wollte nicht von Kai alleine gelassen werden. Alles, nur nicht das. Miyavi war wirklich ein netter Kerl, aber zu ihm hatte er einfach momentan nicht diese... 'Bindung', wenn man es denn schon so nennen konnte. Kai war im Moment einfach etwas Besonderes für ihn. Jemand, der ihm Halt geben konnte.

Er stand nun ziemlich verloren im Flur und hielt sich die Hand vor den Kopf, lehnte an der Wand und schloss die Augen. Ihm war gerade mal wieder nicht so besonders. Da bemerkte er auch nicht, wie Kai nur noch auf Socken und in Boxer durch die Wohnung dackelte. Viel zu sehr war er gerade wieder mit sich selbst beschäftigt. Er hatte endlich jemanden, der ihm Halt geben konnte, eine Bezugsperson... Hatte er so jemanden auch schon vorher gehabt? Er versuchte, sich zu erinnern. Hatte es jemanden gegeben, der immer für ihn da gewesen war?

Plötzlich durchzuckte seinen Kopf wieder ein furchtbarer Schmerz und er sank auf die Knie. Er sah ein lachendes Gesicht vor sich. Das Gesicht war wieder verschwommen, nur die schwarzen Haare waren zu erkennen und er wimmerte leise. Wieder war das Lachen zu hören und er sah, wie der Schwarzhaarige einen kleineren Jungen in die Arme nahm.

"Aoi...", murmelte er leise und bekam gar nicht mit, dass er nun schräg an der Wand lehnte.
 

Verdutzt hielt er inne und starrte den im Flur stehenden Uruha perplex an. Irgendwie sah das gerade danach aus, als ginge es ihm nicht gut. Aber was hatte er?

Schnell kam er auf ihn zu und packte ihn an den Schultern. Sanft zog er ihn in die Arme und streichelte ihm über den Rücken. "Hey, ganz ruhig. Was ist los? Geht es dir nicht gut?", fragte er besorgt und versuchte ihn, ganz vorsichtig mit sich zu ziehen und ihn so wieder ins Bett legen zu können.

Behutsam legte er ihn dann wieder auf die weiche Matratze. "Was ist los? Du siehst so blass aus. Brauchst du was? Tut dir was weh?"
 

So wirklich bekam er nicht mit, wie Kai ihn vorsichtig ins Schlafzimmer zog und ihn auf die weiche Matratze bettete. Sein Kopf dröhnte und nur langsam wurde seine Sicht wieder klarer. Verwirrt blinzelte er Kai an, dann schloss er noch mal kurz die Augen und biss sich auf die Unterlippe.

"Hai... Alles okay. Mir war gerade bloß schwindlig. Mach... Mach dir keine Sorgen, hai?"

Er versuchte sich an einem Lächeln, was allerdings gründlich scheiterte und drehte sein Gesicht dann von Kai weg.

"Gomen..."
 

"Uruha...", seufzte er und strich ihm sanft ein paar Strähnen aus dem Gesicht. "Du musst mir schon sagen, wenn es dir nicht gut geht und... so wirklich glaube ich dir nicht, dass alles in Ordnung ist. Du siehst blass aus und das macht mir Sorgen. Ich will doch, dass du wieder gesund wirst und dich wieder daran erinnerst, wer du warst und wer du bist." So besorgt hatte er noch nie mit jemandem gesprochen. Aber es lag ihm wirklich viel daran, dass der andere sich wieder fand und auch seine Vergangenheit wieder entdeckte. Ohne Vergangenheit gab es nun mal keine Erinnerungen und so etwas war doch wichtig.

Er setzte sich zu ihm an den Bettrand und strich ihm liebevoll über die Wangen. "Wenn dich etwas bedrückt, dann sag es ruhig. Ich bin für dich da, hai?"
 

Nun lag er auf der Seite und hielt die Augen geschlossen. Er wusste doch selbst, dass es ihm nicht gut geht, das wusste er auch schon selbst. Aber er konnte Kai doch auch nicht volljammern. Das wäre doch eigentlich total unhöflich gewesen. Aber... Er spürte, wie ihm eine heiße Träne die Wange hinunterlief und er hickste auf.

"Ich... Ich habe jetzt schon zweimal eine Vision von einem Jungen gehabt. Einem Schwarzhaarigen. Irgendwie kommt er mir bekannt vor und ich weiß, dass er Aoi heißt... Aber ich kann sein Gesicht nie erkennen und ich habe Angst, dass ich ihn wirklich kenne. Was, wenn er meine Familie ist? Wenn ich mich nie wieder wirklich an ihn erinnern kann? Ich will meine Familie nicht verlieren... Vielleicht ist er auch nur ein guter Freund, aber er ist mir wichtig... Das spüre ich..."

Immer mehr Tränen liefen seine Wangen hinab.
 

"Hey." Kai beugte sich über ihn und drehte sein Gesicht vorsichtig zu sich. So konnte er ihm wenigstens ins Gesicht schauen. Liebevoll wischte er ihm die Tränen von den Wangen. "Mach dir nicht so viele Gedanken. Es braucht Zeit, bis du dich wieder an alles erinnerst. Und dann werde ich dir helfen, deine Familie und deine Freunde zu finden. Das versprech ich dir. Und so lange kannst du mich ja erst mal als deinen Freund ansehen. Ich freue mich wirklich, wenn ich dir helfen kann. Und mach dir wegen alles andere keine Sorgen. Wir schaffen das schon." Jetzt lächelte er ihn sanft an und hoffte, dass er ihn so etwas beruhigen konnte. "Wir werden deine Vergangenheit schon zurückholen, aber unter Zwang wird das nichts. Dann ist es für dich viel schwerer. Lass dir Zeit. Sie rennt dir nicht weg. Okay?"
 

Geräuschvoll zog er die Nase hoch und schniefte noch ein paar mal. Immer wieder liefen ihm die Tränen aus den Augenwinkeln und er hickste leise vor sich hin. Kai war wirklich so lieb... So verdammt lieb und er wusste gar nicht, womit er das verdient hatte. Womit? Womit hatte er so einen wunderbaren Freund verdient, der für ihn da war?

Vorsichtig richtete er sich auf und schlang die Arme um Kais Nacken. Er drückte seinen Körper an ihn und zitterte leicht. Er wollte ihn nicht loslassen. Nicht jetzt.

"Bitte lass mich nicht auch alleine..."
 

So schnell konnte er gar nicht gucken, wie Uruha ihn mit einem Mal umarmte und sich fest an ihn drückte. Erst war er erschrocken, doch dann legte sich ein sanftes Lächeln auf seine Lippen und er erwiderte die Umarmung.

"Iie... Du brauchst keine Angst haben. Ich bin immer für dich da. Das versprech ich dir. Ich lass dich nicht alleine. Du bist doch mein Freund." Freundschaftlich streichelte er ihm über den Rücken. "Sscht...", machte er und wollte so, dass er aufhörte, zu zittern. Er sollte sich beruhigen, denn seine Worte waren ernst gemeint.

Doch da klingelte es auch schon an der Tür. Das musste Miyavi sein. Und so langsam musste er sich wirklich fertig machen. Noch immer hatte er es nicht geschafft, sich umzuziehen. Gut, seine Hose hatte er wenigstens schon an, aber bis zum Shirt war er noch nicht gekommen.

"Ich komme!", rief er in Richtung Tür und versuchte, sich von Uruha zu lösen.
 

Sofort schüttelte er den Kopf, als Kai sich von ihm lösen und zur Tür gehen wollte. Nein. Nicht jetzt. Er brauchte Kai momentan, da würde er ihn nicht loslassen. Er wollte ihn nicht loslassen. Immer noch spukten diese Gesichter und dieses Lachen in seinem Kopf herum und zahlreiche Tränen verließen wieder seine Augen und blitzten an seinen Wangen auf. Es tat ihm furchtbar weh, zu wissen, dass es irgendjemanden da draußen gab, der ihn vermisste, der ihm etwas bedeutete und den er so einfach vergessen hatte.

"Lass mich jetzt nicht alleine...", hickste er und klammerte sich mit aller Kraft an Kai fest, ließ ihn nicht los.
 

Was sollte er denn machen? Es tat ihm furchtbar weh, den anderen so zu sehen. So hilflos und einfach tief verletzt. Und er kam sich so verdammt hilflos vor. Er wusste einfach nicht, was er tun sollte.

"Warte, Uruha. Ich bin wirklich gleich wieder da. Versprochen." Erneut versuchte er, sich von ihm zu lösen. "Geht gleich los, Miya!", rief er wieder zur Tür. Doch Uruha schien, ihn einfach nicht gehen lassen zu wollen.

"Uruha..", seufzte er und hob sein Kinn, damit er ihm ins Gesicht schauen konnte. "Ich bin wirklich gleich wieder da. Okay?", versuchte er es erneut und hoffte, dass er ihn wenigstens bis zur Tür gehen lassen würde, um Miyavi hereinzulassen.
 

Wieder schüttelte er nur den Kopf und krallte sich wieder fester an Kai heran. Seine Finger krallten sich in Kais Oberarme und sein Gesicht drückte sich in dessen Halsbeuge, während weitere tausend Tränen seine Wangen hinabrannen und Kais Haut langsam feucht wurde. Doch ändern konnte er daran nichts. Auch, wenn es vielleicht Miyavi gegenüber gemein war, er wollte ihn nicht hier haben, sondern Kai. Er konnte sich nicht wirklich erklären, wieso... Jedoch wusste er, dass irgendetwas an Kai besonders war. Irgendetwas war an Kai, was ihn für Uruha so wichtig machte.

"Bitte...", hickste er.
 

Etwas verlegen seufzte er. Es war wirklich süß, dass er ausgerechnet ihn hier haben wollte, aber er musste doch zur Arbeit und es war nicht fair, wenn sie Miyavi jetzt einfach so eiskalt da stehen lassen würden. Und es viel ihm auch nicht wirklich etwas ein. Wobei...

Wenn Uruha ihn schon nicht loslassen wollte, dann würde er ihn einfach mitnehmen. Und wirklich schwer war er ja nicht. Das wusste er ja auch. Schneller als dem anderen wohl lieb war, hatte er ihn einfach gepackt und hochgehoben.

"Gomen, Uruha, aber ich kann Miyavi nicht einfach so vor der Tür stehen lassen. Musst du halt mitkommen.", grinste er und tapste zur Tür, um diese lächelnd zu öffnen. "Hi, Miya. Schön, dass du da bist."

Der Größere antwortete erst gar nicht, sondern deutete nur auf das Anhängsel, das um Kais Hals hing und sich an ihn klammerte.
 

Uruha keuchte leise auf, als Kai ihn so unvermittelt hochhob und ihn einfach zur Tür trug. Ach herrje. Das hatte er ja nun gar nicht erwartet. Er hatte eigentlich vermutet, dass Kai Miyavi wegschicken würde, aber doch nicht, dass er mit ihm im Arm zur Tür gehen würde. Mann, war das jetzt peinlich... Schnell klammerte er sich noch ein Stückchen fester an Kai und schlang seine Beine um dessen Hüfte, um besseren Halt zu finden.

Miyavi währenddessen starrte die beiden einfach nur an und zeigte immer noch auf Uruha.

"Was...?"
 

Kai grinste verlegen. "Erklär ich dir später. Komm erst mal rein. Muss ja nicht jeder mitbekommen.", meinte er und zog den anderen am Ärmel in seine Wohnung, um sie hinter ihm wieder zu schließen.

"Was macht ihr da?", war die erste Frage, die der Größte von ihnen von sich gab. Keine Begrüßung. Nichts. Es kam ihm einfach suspekt vor, dass sich da ein erwachsener Mann an einen anderen klammerte. Und wenn das mal nichts zu heißen hatte.

Jetzt grinste er. "Aber, Kai-chan. Fällst du jetzt schon über kleine wehrlose Männer her, die in deinem Bett liegen und gesund werden sollen? Du bist aber ein ganz schlimmer Krankenpfleger.", lachte er. Allerdings kassierte er dafür auch gleich eine Kopfnuss des Schwarzhaarigen. "Es sind nicht alle so pervers wie du.", grummelte er.
 

"Wer sagt denn, dass ich so was machen würde?", grinste Miyavi und pokte Uruha in die Seite. "Hey, Kleiner. Was hängst du denn da so rum? Spielst du Klammeräffchen oder was? Kann ich auch mitmachen?"

"Ich bin nicht klein...", hickste Uruha und sah Miyavi aus geschwollenen und rotgeweinten Augen an.

Dieser wich sofort zurück und ließ sich zusammen mit Kai, der Uruha so auf seinen Schoß setzte, auf das Sofa und schluckte.

"Was ist passiert, huh? Wieso weint Ruha so? Und wieso trägst du ihn und... Und wieso hast du kein Shirt an?"
 

"Immer mal langsam mit den jungen Pferden.", versuchte er, Miyavi erst mal wieder runterzukriegen. "Kann ich dich um einen Gefallen bitten?", fragte er ihn auch gleich. Denn er hatte das Gefühl, dass er so heute bestimmt nicht zur Arbeit gehen konnte. "Ich weiß, dass das viel verlangt ist, aber könntest du heute bitte die ganze Zeit bei ihm bleiben? Es geht ihm nicht so gut und ich glaube... er hat wirklich Angst, alleine zu sein. Wäre das machbar?" Er sah seinen Freund aus bittenden Augen an. Es fiel ihm schwer, andere um einen solchen Gefallen zu bitten. Doch etwas anderes wusste er im Moment auch nicht wirklich. "Bitte, Miya."
 

Miyavi jedoch wollte gar nicht langsam machen. Er war viel zu neugierig und obwohl er Uruha noch nicht lange kannte, so machte er sich schon Sorgen um den Kleineren. Vorsichtig strich er ihm durch die Haare und seufzte leise. Dann nickte er Kai zu und lächelte sanft.

"Natürlich. Ich bleibe hier bei ihm, bis du wieder da bist und ich werde auch ganz sicher nicht einschlafen. Das verspreche ich dir. Hoch und heilig. Heiliges Miyavi-Ehrenwort.", er grinste leicht. "Jetzt aber endlich mal raus mit der Sprache. Was ist hier los? Ich kann es nicht mit ansehen, wie der Kleine weint."

Dafür bekam er von Uruha nur ein leises Grummeln zu hören, da er sein Gesicht immer noch in Kais Halsbeuge versteckte.
 

Der Schwarzhaarige streichelte ihm beruhigend über den Rücken. "Na ja, eigentlich hatten wir heute ne Menge erlebt. Die Ärztin von mir war hier und meinte, dass er nur Blut husten würde, weil sich ein Rippensplitter in die Lunge gebohrt und sie eben leicht verletzt hatte. Aber es würde wieder verheilen. Wir müssen jeden Abend den Druckverband um seinen Oberkörper erneuern. Das würde ich aber machen, wenn ich wieder zurück bin. Dann waren wir beim Frisör und wie du siehst, sieht er wirklich süß aus damit.", lachte er und bekam wieder ein Grummeln zu hören. Miyavi konnte allerdings nicht sehen, wie Uruha nun mit der neuen Frisur aussah. Aber das würde er ja schon noch. "Ein paar Klamotten haben wir auch für ihn organisiert. Dann haben wir mal deftig bei McDonalds reingehauen und mussten dann leider wieder nach Hause. Und irgendwie..." Jetzt wurde er etwas traurig. "Seit dem geht es ihm nicht so gut. Ich glaube, er erinnert sich zwar, dass es jemanden gibt, der ihm wichtig ist, aber er kann sich weder an seine Gesicht noch an die Beziehung zu ihm erinnern. Er kennt nur den Namen."
 

"Lass mich raten... Es ist dieser Aoi, stimmt´s? Den hat er ja gestern auch schon erwähnt, als ich bei ihm war und er diesen fürchterlichen Alptraum gehabt hatte.", Miyavi kratzte sich kurz am Hinterkopf und lehnte sich nach hinten. "Irgendwie muss man doch rausfinden können, ob es jemanden gibt, der hier Aoi in der Gegend heißt oder? So viele wird es doch sicherlich nicht geben. Aber was, wenn das nur ein Spitzname ist? Wie wir uns alle nur mit unseren Spitznamen anreden? Dann wird das echt schwierig..."

Er hörte Uruha leise aufschluchzen und strich ihm sanft über den zitternden Rücken.

"Hey... Nicht weinen... Wir finden schon raus, wer dieser Aoi ist. Versprochen."
 

Nun schlang er die Arme gänzlich um den bebenden Körper und drückte ihn fest an sich. Er konnte einfach nicht mit ansehen, wie er hier so wimmernd auf seinem Schoß saß und sie über ihn redeten, als wäre er gar nicht anwesend.

"Uruha...", flüsterte er ihm leise zu, so dass Miyavi es nicht hören konnte. "Ich werde alles tun, damit du genauso lächelst wie vorhin. Das steht dir nämlich viel besser."

Dann stand er auf und wollte sich von dem Größeren lösen. "Lässt du mich gehen? Miyavi bleibt bei dir, bis ich wieder da bin. Das hat er versprochen und ich weiß, dass man sich auf ihn verlassen kann. Nicht böse sein, hai?" Noch einmal strich er ihm über den Rücken und wuschelte ihm durchs Haar, bevor er ihn einfach an Miyavi übergeben wollte.
 

Eigentlich hatte er versucht, sich noch weiter an Kai zu klammern, doch dessen liebevolle Worte und das Versprechen Miyavis, auf ihn aufzupassen, ließen ihn etwas ruhiger werden. Nur in Zeitlupe löste er sich endlich von Kais Hals und wurde nun von Miyavi an der Hüfte gepackt und auf dessen Schoß gezogen. Irgendwie war es ihm peinlich, so herumgereicht zu werden, doch er hatte auch Angst, alleine zu sein und klammerte sich nun deswegen auch regelrecht an Miyavi.

Dieser grinste Kai an, hob einen Daumen und zwinkerte.

"Bis nachher dann, Kai-Chan. Ich pass schon auf."
 

"Und wehe, du machst ihm Angst. Dann kannst du was erleben.", warnte er ihn noch. Dann huschte er ins Schlafzimmer und zog sich ein frisches Shirt an. Schnell stand er wieder neben ihnen und beugte sich vor, um Uruha einen freundschaftlichen Kuss auf die Wange zu geben. "Sei schön lieb und wenn er dir zu nervig wird, schmeiß ihn einfach raus. Das kennt er auch von mir schon. Also nicht zimperlich sein mit ihm.", zwinkerte er Uruha zu. Von Miyavi erntete er dafür nur ein tiefes Murren, das ihn allerdings völlig kalt ließ, weil er das schon kannte.

"Ich bin so gegen zwei wieder da. Und lasst die Wohnung heile.", rief er aus dem Flur, als er in seine Schuhe schlüpfte und nach seinem Schlüssel angelte. "Bis nachher!" Und schon fiel die Tür leise ins Schloss und Kai war weg.
 

Kai war weg und Uruha zitterte wieder etwas mehr. Ihm war unwohl so ganz alleine mit Miyavi. Sehr unwohl sogar. Er wusste, dass er ihm nichts antun würde, das hatte er Kai ja auch versprochen, aber irgendwie war ihm trotzdem mulmig zumute.

"Miyavi...", fragte er leise und hob den Kopf etwas an, um ihn auf dessen Schulter abzulegen. "Hältst du mich für einen Irren? Wenn ja... Dann kann ich dich verstehen. Ich hab Visionen, werd öfters ohnmächtig und fang dann einfach an zu weinen wie ein Kleinkind. Ich... Ich verstehe mich selbst nicht mehr..."

Er schluchzte leise auf und vergrub sein Gesicht wieder in Miyavis Halsbeuge.
 

Etwas verwirrt schaute er ihn an. "Wie kommst du auf die Idee, dass ich dich für einen Irren halten würde?", fragte er erschrocken. Dann grinste er. "Die meisten halten mich eher für einen Irren.", lachte er. Dann wurde er wieder ernster. "Weißt du... Ich glaube, das ist völlig normal, dass man nach so einem Erlebnis nicht ganz so ist, wie man es sonst wäre. Aber schau mal. Alles für dich ist ungewohnt und fremd. Das ist eine natürliche Reaktion." So wortgewandt und psychologisch kannte er sich zwar nicht, aber vielleicht half es ja, dem wimmernden jungen Mann in seinen Armen wieder etwas Hoffnung und Zuversicht zu geben.

"Also wenn hier einer irre ist, dann ist das wohl Kai.", kicherte er.
 

"Bist du dir sicher? Ich meine... Ich will nicht, dass mich irgendjemand für einen Psychopathen hält. Ruki hat das schon so oft zu mir gesagt und meinte, ich würde vielleicht während der Nacht Kai ausrauben oder abstechen... Das würde ich doch niemals tun! Ich verstehe nicht, warum man mir sowas unterstellt...", er hickste auf und klammerte sich noch mehr an Miyavi, welcher ihn an sich drückte und beruhigend streichelte. "Wieso ist Kai denn irre?"

Jetzt sah er ihn ehrlich interessiert an.
 

"Ach, Ruki is ein kleiner Giftzwerg... Schlechtwetterzwerg trifft´s eher.", lachte er. "Der hat das irgendwie im Blut und ist allem gegenüber ziemlich misstrauisch. Mach dir deshalb keinen Kopf." Freundlich wuschelte er ihm durchs Haar und seufzte dann.

"Willst du das wirklich wissen? Ich meine... Ihr kennt euch kaum und dann willst du wirklich etwas von ihm wissen?", fragte er. Doch eine Antwort wartete er eh nicht ab. "Is auch nicht wichtig. Dir kann ich´s ja bestimmt sagen, aber nimm dir das nicht so zu Herzen, ja?"

Er holte tief Luft. "Kai is voll der Workaholic und nichts bringt ihn von seinen Zielen ab. Er hat für alles und jeden ein Ohr und kann andere Menschen einfach nicht leiden sehen." Er machte eine Pause. "Das klingt völlig normal oder? Ist es eigentlich auch, aber bei Kai ist das so eine Sache. Er klemmt sich überall hinter und bleibt selbst dabei auf der Strecke." Er seufzte. "Er hat vor einiger Zeit seine Drums verkauft, weil er jemandem helfen wollte. Dabei hat der ihn nur ausgenutzt. Jetzt hat er seine heißgeliebten Drums nicht mehr." Ihm tat es echt leid. Er hatte ihm sogar schon versprochen, dass er sie ihm wiederbeschaffen wollte, doch Kai hatte sich strikt geweigert, das anzunehmen. "Deshalb hat es mich gewundert, dass er dich ohne Weiteres bei sich aufgenommen hat."
 

Uruha hatte schweigend zugehört und biss sich nun hart auf die Unterlippe. Wie? Ein so liebenswürdiger Mensch wie Kai war so hinterhältig hintergangen worden? Einfach so, ohne ersichtlichen Grund? Das... Das war so verdammt unfair. Und dann war ihm auch noch etwas Wichtiges abgenommen worden. Seine Drums? Kai spielte? Unwillkürlich musste er an Kais starke Arme denken und wirkte leicht verträumt. Hatte er deswegen so muskulöse Oberarme? Könnte natürlich möglich sein.

"Ano... Und das lässt du dir einfach so verbieten? Wenn ich könnte, würde ich ihm seine Drums sofort wiederbeschaffen. Weißt du denn, wer das gewesen ist?"
 

Miyavi lachte. "Gomen, aber glaub mir, das würde ich sicher bereuen, wenn ich etwas hinter seinem Rücken machen würde. Da wird er zum Tier. Und mit dem mag ich nicht noch einmal Bekanntschaft machen. Das würde ich nicht überleben." Ja, Uruha würde noch so einiges von dem Schwarzhaarigen erfahren, was er jetzt noch nicht wissen konnte. Sie mussten sich erst richtig kennenlernen, bevor der andere seinem neuen Mitbewohner wohl davon erzählen würde.

"Ich hab es mit Ruki schon versucht, rauszubekommen, aber kannst du vergessen. Die Drums sind weg. Wie vom Erdboden verschluckt und keiner weiß, wie das passieren konnte. Deshalb is Kai auch etwas niedergeschlagen. Ab und an nehm ich ihn mit ins Studio, damit er mal wieder etwas spielen kann, aber man merkt ihm schon an, dass es ihm fehlt." Er seufzte und lehnte sich wieder zurück an die Lehne.

"Er ist so ein verdammt netter Kerl. Manchmal frag ich mich, wie er das alles schafft."
 

"Ano... Seid ihr euch da sicher? Kann man da nicht noch weitersuchen? Es muss doch irgendwo sein. Ganz weg ist es sicherlich nicht. Irgendjemand muss es ihm doch abgenommen haben und genau eben dieser Kerl wird es dann auch noch irgendwo haben und wenn nicht, weiß er mit Sicherheit, wo er es hingebracht hat. Ich bin mir ziemlich sicher, dass es irgendwo ist. Man muss nur gründlich suchen, dann geht das schon."

Er versuchte sich an einem zaghaften Lächeln und als Miyavi sich nach hinten lehnte, wurde er automatisch mitgezogen und lag schon fast an dessen Brust. Er gähnte kurz und rieb sich über die Augen. Es war ein anstrengender Tag gewesen.
 

"Das kann schon sein. Aber mit Kai sollte man es sich lieber nicht verscherzen. Glaub mir, das würden wir bereuen. Und deshalb haben wir es dann auch gelassen. Zumindest wenn Kai dabei ist. Ruki, Reita und ich suchen allerdings immer noch. Nur bisher blieb jeder Versuch erfolglos." Mehr konnte er dazu auch nicht sagen. Wenn er gekonnt hätte, dann hätte er seinem Freund schon ein neues Drumset gekauft, aber so wie er Kai kannte, hätte er das nicht angenommen und ihm prompt wieder vor die Nase gestellt. Kai war einfach nicht der Typ, der ohne Grund etwas annahm.

"Bist du müde? Willst du ins Bett?", fragte er den anderen. "Oder magst du mal auf einer Gitarre spielen? Hab dir eine ältere von mir mitgebracht. Die kannst du erst mal behalten. Dann kannst du jeden Tag ein bisschen drauf spielen, wenn du Lust hast." Und vielleicht würde ihm das helfen, sich wieder an etwas zu erinnern.
 

Uruha seufzte leise und schloss die Augen. Irgendwie schien Kai echt ein schwieriger Typ zu sein. Von außen her total süß und lieb, aber wenn man ihn besser kannte, dann anscheinend auch ziemlich starrsinnig und dickköpfig und ließ sich auch nicht gerne was sagen. Schwieriger Typ, wirklich. Hoffentlich würde er sich niemals mit ihm streiten. Das würde er nicht aushalten. Bei Kai fühlte er sich so anders als bei anderen. Total anders. Es war merkwürdig...

"Hai, ich bin müde. Ich würde gerne ins Bett, aber... Dann bist du nicht bei mir und das will ich nicht. Ich will nicht alleine sein. Bitte...", dann blickte er ihn groß an. "Du... Du hast eine Gitarre für mich mitgebracht? Für mich ganz alleine?"
 

Miyavi grinste ihn an. "Hai, nur für dich. Scheinst ja schon so deine Erfahrung mit einer Gitarre zu haben. Und sie wird bei dir sicher in guten Händen sein. Irgendwann kannst du sie mir ja dann zurückgeben. Bis dahin passt du gut auf sie auf, ja?" Und abermals wuschelte er ihm durch die Haare. "Dann werd ich dich mal ins Bett bringen. Und keine Sorge, ich bleib solange bei dir, bis Kai wieder da ist. Der scheint ja eh einen Narren an dir gefressen zu haben. Länger würde er mich eh nicht hier lassen. Glaub mir.", lachte er. "Na, komm, ab ins Bett mit dir."
 

Dauernd wuschelte Miyavi ihm durch seine neue Frisur und das mochte er gar nicht. Da fühlte er sich irgendwie wie ein Kleinkind. Aber er wollte sich nicht wie ein Kleinkind fühlen, sondern wie ein erwachsener Mann behandelt werden. Auch, wenn er momentan sehr schnell zu weinen anfing und schutzbedürftig war, so war er jedoch ein Mann von mindestens 20 Jahren, wenn nicht sogar noch etwas älter. Dennoch kuschelte er sich an Miyavi heran und sah ihn dann an.

"Danke, dass du bei mir bleibst. Ich hab irgendwie Angst alleine... Klingt zwar blöd, ist aber so... Danke..."
 

"Kein Problem, Kleiner." Und schon stand er auf und stellte Uruha wieder auf seine eigenen Füße. Schnell griff er nach seiner Hand und zog ein einfach mit sich. "Wenn du nämlich noch nicht im Bett bist, wenn Kai nach Hause kommt, dann krieg ich eh mächtigen Ärger. Da ist er immer wie eine besorgte Mutter. Keine Ahnung, warum er so ist, aber irgendwie ist es ja auch nicht normal für nen Mann, aber ich find´s schon irgendwie süß." Das musste er zugeben. Kai hatte irgendwas an sich, was Leute immer schnell in seinen Bann zog.

"Eins sag ich dir...", sprach er, als er Uruha ins Bett verfrachtete und ihn zudeckte. Dann legte er sich daneben und schaute ihn lächelnd an. "Kai ist ein Freund fürs Leben. Manchmal wüsste ich echt nicht, was ich ohne den Kerl tun würde.", gab er offen zu.
 

"Nenn mich nicht Kleiner, ja? Ich bin größer als Kai... Okay, kleiner als du, aber trotzdem. Für einen Japaner bin ich ja wohl groß oder etwa nicht?", leicht grinsend stellte er sich auf die Zehenspitzen, um wenigstens annähernd so groß zu sein wie Miyavi.

Dann wurde er jedoch auch schon gepackt und mitgeschleift, dann aufs Bett verfrachtet, zugedeckt und angegrinst. Ganz schön viel auf einmal. Dann spürte er, wie sich Miyavi neben ihn legte und drehte sich zur Seite, damit er ihn ansehen konnte.

"Ich mag Kai auch gerne... Ich kenne ihn noch kaum, aber irgendetwas hat er an sich, was ich wirklich gern hab."
 

Daraufhin schmunzelte der Größere. "Das sagen viele. Und ich weiß, was du meinst. Für mich ist er wie ein großer Bruder, auch wenn er nicht wirklich viel älter is als ich. Trotzdem kümmert er sich auch um meine Probleme, wenn ich zu ihm komme. Er ist eben eine gute Seele. Deshalb ärgert es mich ja auch so, dass er sich manchmal für solche Leute einsetzt, die ihn dann hinterher so hintergehen." Er ballte eine Hand zur Faust und streckte sie in die Luft. "Ich hoffe, er findet bald mal einen Menschen, der ihn wirklich zu schätzen weiß und dem auch er sich mal anvertrauen kann. Er ist wirklich immer für andere da, aber um sich selbst kümmert er sich nicht. Er schluckt einfach alles und lässt es nicht wieder raus. Das kann auch mal böse enden.", seufzte er. Irgendwie erzählte er ganz schön viel von seinem Freund. Ob er das überhaupt durfte?

"Ano... Sag ihm aber nicht, dass ich dir das alles erzählt hab. Hai?"
 

Uruha legte sich auf den Rücken und starrte an die Decke. Das Paradiesvögelchen war wirklich ziemlich redselig. Durfte er ihm das überhaupt alles erzählen? Er wollte nicht, dass Miyavi ihm irgendwelche Geheimnisse von Kai anvertraute, wenn der nicht wollte, dass Miyavi sie ihm erzählte. Er wollte Kai auf keinen Fall verärgern. Dafür hatte er ihn schon viel zu lieb gewonnen. Und sie waren Freunde. Das hatte Kai ihm ja auch schon gesagt. Vielleicht war es dann ja doch nicht allzu schlimm, wenn er das von Kai wusste. Er hoffte es zumindest.

"Natürlich sag ich ihm nichts. Meine Lippen sind versiegelt, du kannst mir da wirklich vertrauen. Wenn du nicht willst, dass ich irgendwas sage, dann sag ich auch nichts. Ich verspreche es.", er gähnte kurz und drehte sich auf die Seite, dann blickte er Miyavi an und wurde leicht rot. "Sag mal... Kannst du mich vielleicht in den Arm nehmen? Ich will nicht ganz alleine liegen und... Also nur, wenn du willst, ich meine..."
 

Irgendwie war der andere wirklich süß. Man konnte kaum glauben, dass hier ein erwachsener junger Mann von ca. 20 Jahren neben ihm lag und ihn wie ein kleines Kind darum bat, ihn in den Arm zu nehmen.

"Du bist echt süß, weißt du das?", grinste er. "Und nein, es stört mich nicht. Ich kuschel auch ganz gerne mal.", meinte er nur und legte dann einen Arm um den anderen.

"Sag mal? Magst du Kai eigentlich? Ich meine... so richtig?" Er wollte schon gerne wissen, warum sich der andere vorhin so dermaßen an seinen Freund geklammert hatte und ihn scheinbar auch nur widerwillig wieder losließ. "Das soll jetzt nicht heißen, dass du dich in ihn verlieben sollst. Keine Bange. Soweit ich weiß, steht er auch nicht auf Männer." Er machte eine kurze Pause. "Okay, so oft hab ich ihn auch noch nicht mit einem Mädel gesehen, aber mit Kerlen noch gar nicht."
 

"Ich bin nicht süß, ich... Ich hab einfach nur Angst alleine. Ich weiß, dass ich eigentlich kein Recht habe, dich zu fragen, ob du mich in den Arm nehmen kannst, aber momentan brauch ich das einfach.", dann jedoch wurde er auch schon in Miyavis Arme gezogen und durfte sein Gesicht an die Brust des anderen kuscheln. "Danke..."

Er wollte gerade die Augen schließen und versuchen, einzuschlafen, als Miyavi ihn fragte, ob er Kai mögen würde. Sofort wurde er wieder rot und zuckte leicht zusammen. Was sollte er denn jetzt dazu sagen?

"Ano... Weiß nicht so genau... Ich weiß ja nicht mal, ob ich früher auf Männer gestanden habe oder nicht... Ich fühl mich nur in Kais Nähe so merkwürdig... So wohl... Und ich finde ihn schon wirklich hübsch....", wieso sagte er ihm das denn alles? "Aber... Wenn er Männer eh nicht mag... Schlag ich mir das aus dem Kopf..."
 

Miyavi zwickte ihm leicht in die Seite. "Na hör mal. Bist du ne Memme oder ein Kerl?", murrte er. "Wenn du ihn wirklich magst, solltest du dich nicht gleich wegen so etwas zurückziehen. Man weiß ja nie, ob sich da nicht doch etwas tut.", meinte er und zog ihn wieder an sich. "Kai ist wirklich ein Unikat und du solltest ihn dir nicht durch die Lappen gehen lassen, wenn du dich schon für ihn interessierst. Außerdem glaube ich, dass du es schaffen könntest, sein Herz zu erobern." Jetzt schüttelte er den Kopf. "Iie... Ich bin mir sicher, dass du das kannst. Und ich muss sagen, dass mir der Gedanke irgendwie sogar gefällt.", lachte er. Vielleicht war dieser junge Mann hier in seinen Armen wirklich in der Lage, auch mal Kais Gefühle zu Tage zu fördern. Das konnte dem Schwarzhaarigen doch sicher mal gut tun.

"Aber denk nicht so viel darüber nach. Schlaf lieber ein bisschen. Wir wollen doch, dass du wieder gesund wirst."
 

"Meinst du denn, dass ich das wirklich schaffen könnte? Wenn du sogar schon sagst, dass er Frauen eigentlich eher attraktiv findet als Männer, dann glaub ich eher nicht, dass er mich hübsch findet. Ich bin keine Frau...", er seufzte leise, schmiegte sein Gesicht wieder zurück an Miyavis Brust und schloss die Augen.

Es brachte nichts, sich jetzt noch Gedanken darum zu machen. Wenn der richtige Zeitpunkt da wäre, würde sich schon etwas tun. Da war er sich sicher.

"Oyasumi nasai, Miyavi-San...", murmelte er leise und war wenige Augenblicke später eingeschlafen.

Er war mal wieder über eine Stunde zu spät dran. Seinen Chef verfluchte er gerade wieder mal wie wild. Zumindest in seinen Gedanken. Jetzt war es drei Uhr nachts und hoffentlich war Miyavi noch da. Er wollte Uruha nur ungern alleine lassen.

Als er die Tür aufschloss, war alles dunkel. Nirgends brannte mehr Licht und alles war still. Ob Miyavi doch schon gegangen war, schoss es ihm durch den Kopf. Er schlüpfte aus seinen Schuhen und tapste auf leisen Sohlen durch den Flur ins Wohnzimmer. Doch nichts. Kein Licht, kein Geräusch, kein Miyavi. Und so tapste er weiter und blieb im Türrahmen zu seinem Schlafzimmer stehen. Schmunzelnd beobachtete er das Szenario, das durch die kleine Nachttischlampe gut sichtbar war. Da lagen Miyavi und Uruha in seinem Bett. Beide schienen die gleichen Schlafgewohnheiten zu haben, denn sie lagen beide quer und streckten alle Viere von sich. Wenn das mal kein lustiges Bild war.

Vorsichtig ging er zu seinem Nachtschrank und schaltete das Licht aus. Er würde die beiden lieber in Ruhe schlafen lassen. Wecken wäre jetzt wirklich gemein gewesen. Und so zog er sich zurück und verschob einfach mal den Verbandswechsel von jetzt auf einen späteren Zeitpunkt. Das würde ja nicht wegrennen.

Er zog sich das Shirt über den Kopf und schlüpfte aus seiner Hose, um sich dann mit der Wolldecke, die auf dem Sofa lag, zuzudecken und es sich auf dem Sofa gemütlich zu machen.

"Oyasumi nasai...", hauchte er in die Stille und schloss dann die Augen.
 

Uruha und Miyavi bekamen von alledem nichts mit. Sie lagen alle Viere von sich gestreckt auf dem Bett, Miyavi dazu noch leise vor sich hin schnarchend und Uruha leise schnurrend. So schliefen sie beide friedlich bis zum nächsten Morgen.

Der begann schon ziemlich früh für Uruha, denn Miyavi ließ einen extrem lauten Schnarcher hören und schmatzte leise vor sich hin. Dadurch wurde Uruha wach und blinzelte leicht verstört in das helle Sonnenlicht. Wo war er? Was war hier los?

Dann blickte er neben sich und lächelte Miyavi an. Der Größere sah irgendwie richtig niedlich aus, wie er da so schlief. Vorsichtig stand Uruha auf und tapste leise ins Wohnzimmer.

"Kai-Chan? Bist du wach?", fragte er in die Stille hinein.
 

Doch Kai schlief noch tief und fest. Die Schicht hatte ihn eine Menge abverlangt und er war einfach nur froh gewesen, dass er endlich schlafen konnte. Sein Atem ging leise und er hatte sich dick in die Decke eingemummelt. Friedlich schlummerte er vor sich hin. Er war noch gänzlich in seiner Traumwelt gefangen und lächelte kurz im Schlaf.

Doch dann drehte er sich und wickelte sich aus der Decke aus, die zu Boden fiel. Nun lag er nur noch in seiner Boxershorts auf dem Sofa und schlief einfach weiter. Er war einfach noch viel zu erschöpft.
 

Uruha tapste auf leisen Sohlen zu Kai hinüber und bückte sich, um ihm die Decke wieder über den schlanken Körper zu legen. Dabei berührte er die weiche Haut an seinen Oberarmen und erschauderte. Nur einmal... Einmal drüber streicheln... Uruha konnte nicht wiederstehen und streichelte ihm überaus vorsichtig über den Arm. Kai hatte wirklich sehr weiche Haut. Es fühlte sich schön an, sie zu berühren. Dann deckte er den Körper richtig zu und tapste in die Küche.

Dort sah er sich um und biss sich auf die Unterlippe. Hm... Er wollte Miyavi und Kai mal eine Freude machen und ihnen Frühstück machen. Nur leider hatte er keine Ahnung, wie er das anstellen sollte. Er seufzte, griff sich einfach kurzerhand eines von Kais Kochbüchern und schlug die Seite mit den Reisbällchen auf. Sah ja gar nicht so schwer aus... Also machte er sich an die Arbeit. Leider war er dabei ziemlich laut.
 

Kai bekam gar nichts mit. Es war das erste Mal, dass er einen so tiefen und festen Schlaf hatte. Doch einer wurde wach. Miyavi. Dieser wuschelte sich durch das zerzauste Haar und kam gähnend aus dem Schlafzimmer marschiert. Im Wohnzimmer sah er seinen Freund auf dem Sofa friedlich schlummern und zog die Stirn kraus. Wer um alles in der Welt machte denn so einen Krach am frühen Morgen? Und wer traute sich in Kais Küche? Der musste aber verdammt mutig sein, stellte er fest.

Verschlafen wanderte er weiter und grinste breit, als er Uruha da stehen sah, wie er sich mit dem Reiskocher abquälte. "Ohayou...", begrüßte er ihn und hätte dabei fast den Reiskocher an den Kopf bekommen, weil er Uruha erschreckt hatte und der ziemlich wild um sich schlug.
 

Uruha mühte sich gerade mit dem Reiskocher ab, da er einfach nicht wusste, wie er den bedienen sollte und fluchte dabei ziemlich unfein vor sich hin. Himmel, er war ja ein richtiger Dreckspatz. Da musste er sich demnächst wohl mal gründlich den Mund auswaschen. So ging das ja nun wirklich nicht. Nein...

Plötzlich jedoch wurde er von hinten angesprochen, quiekte laut auf und drehte sich so schnell um die eigene Achse, dass er seinem Gegenüber beinahe den Reiskocher gegen den Kopf geschlagen hätte. Sein Herz pochte wild und er musste sich am Tresen festhalten, um nicht zusammenzusacken.

"Miyavi... Spinnst du?", keuchte er und fasste sich ans Herz.
 

Jetzt war auch Kai wach geworden. Müde rieb er sich die Augen und starrte zu der Tür, aus dessen Richtung wohl gerade dieser Urschrei kam. So richtig konnte er diesen nicht zuordnen. Dennoch stand er auf und marschierte auf nackten Füßen und nur mit seiner Boxer bekleidet in Richtung Küche.

Er gähnte hinter vorgehaltener Hand und schaute von Miyavi zu Uruha und dann zum Reiskocher. Irgendwie kam er immer noch nicht ganz klar. Aber wie es schien, wollte hier jemand Reis kochen. Etwas verwirrt schaute er Miyavi an und dann Uruha. "Was tut ihr zwei hier?", fragte er und kratzte sich kurz über Bauch und die Seiten. Er war irgendwie noch nicht ganz wach.
 

Mussten ihn heute denn alle erschrecken? Erst Miyavi und jetzt auch noch Kai. Gott, sah der müde aus. War wohl eine lange Nacht geworden. Der arme Kerl. Er seufzte leise und versuchte sich an einem Lächeln. Sein Herz schlug immer noch so wahnsinnig schnell. Viel zu schnell für seinen Geschmack.

"Ano... Ich wollte Frühstück machen und da kam auch schon Miyavi an und... Jetzt bist du auch da und meine Überraschung ist futsch. Ich kann nur nicht kochen... Der Reiskocher ist ziemlich kompliziert.", nuschelte er leise.
 

Kai kicherte. Irgendwie konnte wohl keiner seiner Freunde wirklich kochen. Na ja, dann musste er ihnen doch irgendwann mal einen Kochkurs schenken oder gar selbst einen durchführen. Vielleicht würde das ja etwas bringen.

Lächelnd kam er auf ihn zu und griff von hinten um ihn herum. Wenn Uruha schon kochen wollte, würde er ihm das eben zeigen.

"Das ist wirklich lieb von dir. Arigatou...", hauchte er ihm gegen den Hals und legte seine Hände auf die des Größeren. Seine Brust drängte sich gegen Uruhas Rücken. "Komm, ich zeig dir, wie das geht und dann schaffst du das schon.", meinte er und widmete sich dem Reiskocher. Mit seinen Händen lenkte er Uruhas. "So, das machst du so und zack, schon ist alles fertig. Jetzt musst du nur noch warten, bis es fertig ist."

Miyavi stand dezent im Hintergrund und beobachtete die beiden mit einem breiten Lächeln im Gesicht.
 

Uruha spürte Kais Körper an seinem gerade überdeutlich und schluckte hart. Kai war ihm so nahe, so unglaublich nahe, dass ihm beinahe schwindlig wurde. Wie kam es, dass ein ihm eigentlich vollkommen fremder junger Mann sich so nahe an ihn heranwagte? Das war irgendwie nicht mehr normal. Jedenfalls fühlte es sich nicht normal an, aber es störte Uruha auch nicht. Nicht im Geringsten. Sein Herz schlug hart und schnell in seiner Brust und er hoffte, dass es nicht so laut war, dass Kai es würde hören können. Miyavi hatte er längst vergessen. Für ihn zählte gerade nur Kais Nähe.

"Arigatou...", stammelte er leise und spürte, wie seine Wangen wieder heiß wurden und sich feuerrot färbten. Himmel... "Lass mich jetzt nicht los...", wisperte er leise und wurde sich nicht ganz bewusst, dass er das soeben gerade so laut gesagt hatte, dass es Kai hören konnte.

Seine Knie waren weich geworden und drohten beinahe, unter ihm nachzugeben.
 

Der Schwarzhaarige schluckte. Wieso sollte er ihn jetzt nicht loslassen? Ging es ihm nicht gut? Aber... eben sah er doch noch kerngesund aus. "Ano... geht es dir nicht gut?", fragte er besorgt und legte die Arme einfach um seinen Bauch. Er wollte nicht riskieren, dass er jetzt hier einfach zusammensackte. Das wäre nicht gut. Außerdem waren die Fliesen bestimmt nicht gerade angenehm, wenn man dort aufschlug. Er hielt ihn einfach fest. "Möchtest du dich lieber setzen?" So richtig wusste er nicht, was er machen sollte. Und ganz wach war er auch noch nicht. "Sag mir, was los is?", bat er mit Besorgnis in der Stimme.
 

Zu behaupten, ihm würde es nicht gut gehen, wäre maßlos übertrieben gewesen? Es ging ihm gerade eigentlich mehr als gut. Sein Bauch kribbelte als wenn tausend Schmetterlinge in ihm herumflattern würden, jedoch waren seine Knie butterweich und drohten wirklich jeden Moment, nachzugeben. So krallte er sich leicht an Kais Unterarmen fest und lehnte sich von hinten an ihn. Am liebsten würde er ewig so stehenbleiben...

"Iie... Halt mich bitte einfach fest, ja?", fragte er leise.
 

Okay, wenn er das so wollte, dann würde er das tun. Etwas hilflos sah er zu Miyavi, der noch immer grinsend in der Tür stand und nur mit den Schultern zuckte. Und im nächsten Moment verschwand er und rief aus dem Flur noch etwas zu ihnen. So ganz verstehen konnte er es nicht. Dennoch kamen die Worte "Bis heute Abend, Uruha!" noch bei ihm an. Dann hörte er nur die Tür ins Schloss fallen und weg war sein Freund. Irgendwie bekam er wohl heute gar nichts wirklich mit. Erst wurde für ihn gekocht, dann wurde er darum gebeten, dass er den anderen festhielt und mit einem Mal verschwand sein Freund ohne ein weiteres Wort. Das war ein wirklich seltsamer Tag heute. Ob da noch mehr von solchen Überraschungen kam?
 

"Hai...", nuschelte er leise auf Miyavis Ausruf. "Bis heute Abend dann..."

Jedoch kuschelte er sich noch etwas mehr an Kai heran und seufzte leise und zufrieden. Kai war so schön warm und weich, dass er am liebsten auf ewig so mit ihm da gestanden hätte. Aber das war wohl nicht möglich. Schade eigentlich. Sehr schade sogar.

"Kai... Wechselst du mir gleich mal den Verband, bitte...?", fragte er leise in die Stille hinein.
 

Der Kleinere nickte. "Klar, wenn du möchtest? Der Reis braucht ja noch ein bisschen." Und so löste er sich wieder von dem anderen. Er streckte sich ausgiebig, wobei seine Knochen leicht knackten. Noch einmal gähnte er ausgiebig und ging dann zum großen Fenster im Wohnzimmer. "Das machen wir am besten gleich, dann haben wir das hinter uns. Ich dachte zwar, dass Miya uns helfen würde, aber na ja. Wir schaffen das auch schon alleine, oder?" Er öffnete das Fenster und lehnte sich erst mal der frischen Luft entgegen. "Hach, das wird heute herrliches Wetter.", meinte er so und lehnte sich nun mit dem Rücken zum Fenster. Mit den Händen stützte er sich am Fensterbrett ab und lächelte Uruha an. "Wie geht´s dir heute eigentlich? Ihr habt ja beide schon tief und fest geschlafen, als ich kam."
 

Uruha ließ sich auf dem Sofa nieder und verflocht seine Finger miteinander. Dann blickte er zu Boden. Eigentlich hätte er auch erwartet, dass Miyavi ihnen helfen würde. Oder hatte er sich extra verkrümelt, damit sie alleine waren? Konnte gut möglich sein... Schließlich hatte er ihn auch gefragt, ob er Kai gerne mögen würde und da hatte er ja gesagt. Irgendwie fand er Kai wirklich sehr attraktiv. Anscheinend stand er auf Männer...

"Mir geht´s ganz gut. Außer, dass der Verband tierisch juckt..."
 

"Na dann komm. Wollen wir dich daraus mal befreien." Und schon kam er auf ihn zu und zog ihn wieder auf die Beine. "So, dann wollen wir mal schauen, dass wir den hier mal abmachen." Langsam und mit äußerster Vorsicht wickelte er den Verband ab. Darunter kam immer mehr Haut zum Vorschein. Sie war leicht gerötet. Stück für Stück fielen die einzelnen Verbände und ließen dann nur noch einen nackten Oberkörper sehen. Allerdings konnte er mehrere blaue Flecken und auch Blutergüsse auswindig machen. Das gefiel im ganz und gar nicht.

"Möchtest du vorher lieber duschen? Dann ist es danach vielleicht angenehmer mit dem Verband.", fragte er und sammelte die einzelnen langen Stofffetzen auf, um sie dann im Mülleimer zu entsorgen. Verbandszeug hatte er genug da. Nicht nur von seiner Ärztin hatte er welches bekommen. Und so konnte er sicher sein, dass er immer frische Verbände hatte.
 

Nachdem Uruha endlich von seinem Druckverband befreit worden war, atmete erleichtert aus. Das war wirklich eine Qual gewesen. Endlich konnte er mal etwas freier atmen und blickte dann auf Kais Frage hin zu ihm und nickte leicht. Er würde sogar ziemlich gerne duschen.

"Hai, wenn ich darf."

Sofort machte er sich daran, sich seiner Sachen zu entledigen. Jedoch kam er nicht weit. Er wollte sich seine Hose ausziehen, doch als er sich auch nur ein wenig bückte, schmerzte sein Brustkorb höllisch und er wimmerte leise auf. Verdammt, tat das weh.

"Itai...", jammerte er leise und setzte sich auf den Klodeckel, um wieder besser atmen zu können.
 

"Alles okay?", fragte er ihn. Er hatte nur einen Schmerzlaut vernommen. Aber er wusste nicht, wo er wieder Schmerzen hatte. "Wenn du Hilfe brauchst, sag einfach Bescheid, hai? Ich helf dir dann." Und so entfernte er sich wieder von dem anderen und schaute mal eben nach dem Reis. Auf der Arbeitsfläche neben dem Reiskocher lag ein Buch aufgeschlagen. Aha, Uruha wollte also Reisbällchen machen. Nicht sehr anspruchsvoll, aber eine sehr süße Idee. Warum auch nicht?

Schnell griff er zum Kühlschrank und suchte noch ein paar andere Sachen heraus. Konnte er ihm ja noch eine Omelette dazu machen. Mal sehen, ob ihm das auch schmecken würde.

Und so trällerte er fröhlich vor sich hin, während er weiter das Frühstück zubereitete.
 

Das war ja auch irgendwie gemein von Kai. Er hatte doch genau gehört, dass er Schmerzen gehabt hatte. Wieso kam er denn dann nicht und versuchte ihm zu helfen? Das hatte er doch sonst auch immer getan. Aber er wollte ja auch nicht, dass Kai ihn wieder für einen Schwächling hielt, also sagte er erst mal gar nichts und zog sich unter Schmerzen aus. Mit schwerem Atem ging er unter die Dusche und duschte sich vorsichtig ab. Nachdem er das so gut gemacht hatte, wie er konnte, stieg er wieder aus der Dusche hinaus, trocknete sich unter Schmerzen ab und langte dann einfach nach Kais Bademantel. Auf noch mehr Schmerzen beim Anziehen hatte er keine Lust.

Sich die Hand auf den schmerzenden Brustkorb pressend, tapste er zurück zu Kai in die Küche, wo es bereits lecker duftete.
 

"Hey, fertig mit duschen?", fragte er und lächelte ihn an. "Essen ist gleich soweit. Wollen wir schnell den Verband anlegen? Dann kannst du vielleicht besser sitzen und so." Er wartete aber gar nicht erst auf eine Antwort. Sofort wusch er sich die Hände und packte Uruha dann gleich wieder am Handgelenk. Langsam zog er ihn zum Sofa, wo er schon sämtliche Sachen bereitgelegt hatte. U.a. lagen hier unzählige Verbände und Salben und auch Pflaster, um dem Verband Halt zu geben.

"So, Herr Patient. Dann machen Sie mal bitte den Oberkörper frei.", scherzte er.
 

Und schon lag er auf dem Rücken auf dem Sofa und musste sich wohl oder übel Kais 'ärztlichen Untersuchungen' über sich ergehen lassen. Hoffentlich wurde das auch was. Er hatte irgendwie Angst, dass Kai ihm noch mehr Schmerzen bereiten würde. Diese ganzen Salben und Pflaster sahen auch nicht gerade freundlich aus.

Aber er folgte Kais Anweisungen und ließ sich den Bademantel über die Schultern gleiten, sodass er mit freiem Oberkörper vor Kai lag und ihn erwartungsvoll ansah.
 

Kai schluckte. Eigentlich war Uruha wirklich ein hübscher Kerl und er fragte sich immer noch, wie man ihm so etwas hatte antun können. Wer besaß so viel Dreistigkeit und konnte einem Menschen so viele Wunden zufügen? Das durfte doch nicht wahr sein. Wenn er den in die Finger kriegen würde, dann Gnade dem Gott. Der würde die nächsten Wochen weder stehen, noch laufen, noch irgendetwas zu sich nehmen können.

Bei dem Gedanken, dass man seinem Freund so etwas angetan hatte, stieg Wut in ihm auf und er ballte die Hände zu Fäusten. Dann hockte er sich hin und senkte den Kopf. "Gomen, Uruha... Es tut mir leid, dass man dir so etwas angetan hat. So etwas werd ich nicht mehr zulassen. Das versprech ich dir." Nun griff er nach der Salbe und tat sich etwas davon auf die Hand. Behutsam legte er sie auf die Brust des anderen und begann, ihn vorsichtig einzureiben. Er achtete besonders darauf, dass er ihm nicht weh tat. Als er das erledigt hatte, nahm er den ersten Verband und legte ihm diesen um. Dies tat er, bis auch der letzte Verband dort saß, wo er hin sollte.
 

Uruha schluckte leise, als er Kais kleine Rede hörte und versuchte sich an einem schwachen Lächeln. Das war wirklich süß von Kai, dass er ihm helfen wollte und so. Aber er wusste ja nicht, wer ihm das angetan hatte, also konnte Kai ihm auch nicht helfen. Da musste er wohl oder übel alleine durch. Ging ja auch nicht anders. Leider...

Kai massierte vorsichtig seine Brust ein, strich dabei immer wieder über seine Brustwarzen und Uruha musste stark an sich halten, nicht leise aufzustöhnen. Das Resultat jedoch war schließlich, dass seine Nippel erhärtet waren und sich Kai entgegenstreckten. Das war so peinlich, dass Uruha sich am liebsten irgendwo verkrochen hätte.

Schließlich saß auch der letzte Verband und Uruha schloss die Augen. Endlich vorbei.
 

"Und? Sitzt alles? Sonst müssen wir das noch mal neu machen. Ich hab so etwas noch nie gemacht." Irgendwie war er sich wirklich nicht sicher, ob er das jetzt wirklich richtig gemacht hatte. Das war wirklich etwas Neues für ihn und wenn, dann wollte er es auch vernünftig machen.

Erst jetzt viel ihm richtig auf, dass Uruha ja seinen Bademantel anhatte. Ein kleines Lächeln schlich sich auf seine Lippen. "Das ist zwar nicht unbedingt deine Farbe, aber steht dir auch.", lachte er und zupfte am Gürtel des Bademantels. "Violett steht dir besser."
 

"Ich weiß nicht genau... Zwickt und zwackt hier und da noch ein bisschen. Meinst du, wir sollten das nochmal machen? Es soll ja auch richtig halten und ich will nicht unbedingt wieder Schmerzen haben.", meinte er und sah Kai groß an. "Ich glaub, nochmal machen ist schon besser..."

Dann seufzte er leise.

"Du hast irgendwie einen Narren an mir gefressen, wenn ich lila an habe oder?", er grinste süß und befreite sich wieder von dem Bademantel, damit Kai den Verband nochmal richten konnte.
 

"Na, wenn du meinst.", lachte er und half seinem Versuchskaninchen dabei, sich den Bademantel wieder von den Schultern zu streifen. "Auf in die nächste Runde. Aber nicht meckern, wenn es auch noch ein drittes Mal sein muss. Heißt doch schließlich, dass alle guten Ginge drei wären. Mach dich also auf das Schlimmste gefasst." Und schon befreite er ihn wieder von dem ersten Versuch seinerseits, einen Druckverband anzulegen.

Kaum war er fertig, legte er auch schon wieder los. Und dieses Mal ging es doch um einiges leichter und besser. Vielleicht hatte er einfach nur ein bisschen Übung gebraucht. So zum warm werden.

"So, ist es jetzt besser?", fragte er ihn und zog ihm wieder den Bademantel über die Schultern.
 

Zufrieden nickte Uruha und richtete den Bademantel wieder. Das hatte Kai wirklich richtig gut hinbekommen und das schon beim zweiten Versuch überhaupt. Wirklich gut. Er grinste ihn zuckersüß an, dann beugte er sich vor und gab ihm einen kleinen Kuss auf die Wange. Leicht rot werdend sah er ihn an.

"Wirklich toll gemacht, Kai. Super. Hätte nicht gedacht, dass das so schnell und so gut klappt. Du könntest auch Arzt werden anstatt Koch.", er lachte leise und richtete sich dann auf. "Und was machen wir heute? Einfach nur zuhause rumgammeln, bis du heute Abend wieder weg musst?"
 

"Hmmm... Gute Frage." Mit vor der Brust verschränkten Armen ließ er sich im Schneidersitz auf dem Boden nieder. "Weiß nicht so genau. Eigentlich hast du ja Bettruhe verordnet bekommen und wenn ich dich wieder einfach nach draußen schleife, geht´s dir nachher vielleicht wieder so bescheiden. Das will ich eigentlich nicht unbedingt. Es soll dir doch bald mal wieder besser gehen. Dann könnten wir auch mal ein bisschen was zusammen unternehmen. Außerdem..." Jetzt lächelte er ihn süß an. "Hab ich ja ab morgen sogar frei für ein paar Tage." Dann senkte er plötzlich den Kopf. Stimmt ja, da war ja was. Er hatte sich wirklich ein paar Tage frei genommen. Das hatte er aber getan, weil er seine Familie besuchen wollte.
 

Uruhas Herz machte einen kleinen Sprung und er sah Kai nun vollends begeistert an. Er hatte einige Tage frei? Würde also die ganze Zeit über bei ihm sein können? Mit ihm reden, vielleicht ein wenig kuscheln, wenn ihm danach war und einfach nur bei ihm sein? Das war so fantastisch. Uruha grinste, doch dann bemerkte er, wie Kais Blick traurig wurde und er den Blick senkte. Huh? Was war denn nun los? Hoffentlich war alles okay. Er wollte nicht, dass Kai so traurig war.

"He? Alles okay? Ist was nicht in Ordnung, Kai?", fragte er besorgt.
 

Nichts war in Ordnung. Er hatte seiner Mutter versprochen, dass er sie besuchen und auch über Nacht bleiben würde. Allerdings wollte er Uruha auch nicht alleine lassen. Aber mitnehmen konnte er ihn ja auch nicht. Wie sollte er seiner Mutter denn erklären, dass er Uruha von der Straße geholt hatte und ihn nun gesund pflegte, obwohl er ihn eigentlich gar nicht kannte. Irgendwie war das jetzt wirklich nicht der passende Moment. Sie würde ihm dann wieder eine Moralpredigt der besonderen Art halten. Das hatte sie beim letzten Mal schon getan, als sie erfahren hatte, dass er wegen dem Mädel sein Drumset verkauft hatte und sie dann einfach verschwunden war. Und jetzt machte ihr Sohn vermutlich wieder den gleichen Fehler. Kami-sama. Das konnte er ihr doch schlecht brüh warm servieren. Sie würde ihm ordentlich den Kopf waschen.

Er schüttelte den Kopf und sah traurig auf. Seine Augen waren mit Trauer gefüllt und auch mit Demut. Er wollte ihn doch nicht alleine lassen. Er wusste doch, dass er Angst hatte.

"Ich... ich kann nicht hierbleiben. Ich habe meiner Mutter versprochen, sie zu besuchen. Das war der eigentliche Grund, warum ich frei genommen hab."
 

Uruhas Blick wurde leicht glasig. Nichts mehr war von der übermäßigen Freude noch übrig, welche noch vor kurzem in seinen Augen geleuchtet hatte. Sein Blick wirkte nun leicht stumpf und er sah zu Boden. Also war doch nicht alles okay. Kai hatte nur freibekommen, da er zu seiner Mutter fahren wollte. Also würde er viele Tage allein sein müssen. Ohne Kai... Das würde er nicht aushalten. Er würde durchdrehen vor Angst. Nur mit Miyavi als Begleitung war er einfach nicht glücklich genug und Kai hatte ihm schon so oft geholfen, wenn er Angst gehabt hatte. Er wollte nicht alleine sein.

"Aber...", er schluckte hart und presste die Lippen aufeinander. "Schon gut... Ich hätte nicht fragen dürfen..."
 

Er wollte ihn doch selbst nicht alleine lassen. Uruhas Blick und seine leise, heisere Stimme verrieten ihm, dass dieser auch nicht sehr glücklich darüber war, dass er in den nächsten Tagen nicht hier war und ihn alleine lassen würde.

"Ano..." Irgendwie wusste er nicht, was er machen sollte. Was konnte er denn schon machen, dass Uruha wieder aufbauen würde.

Vielleicht würde er ihn ja doch mitnehmen können.

"Ich werd mal kurz telefonieren." Und so zog er sich einfach ins Schlafzimmer zurück, um zu telefonieren. Es war eine kleine, eine klitzekleine Chance, die er sah. Dann würde er sich auch nicht vor seiner Familie rechtfertigen müssen.
 

Nun stand er alleine im Wohnzimmer und blickte Kai hinterher, welcher sich ins Schlafzimmer verzogen hatte, um in Ruhe telefonieren zu können. Er war gespannt. Sehr gespannt sogar, was Kai da jetzt wieder ausgeheckt hatte. Er ließ sich seufzend auf dem Sofa nieder und zog die Beine an den Körper, umschlang sie mit seinen Armen und bettete seinen Kopf darauf. Sein Körper zitterte immer noch leicht und er starrte ausdruckslos an die Wand. Was, wenn Kai wirklich für mehrere Tage zu seiner Familie reiste und ihn alleine ließ? Das würde er sicherlich nicht aushalten. Da ging er schon lieber zurück auf die Straße und versuchte sein Glück irgendwo anders. Aber ohne Kai in seinem Haus sein, das wollte er nicht. Auf gar keinen Fall.
 

Es kostete ihn einige Mühe, seinen Gesprächspartner von etwas zu überzeugen, das er gerade eben ausgeheckt hatte.

Seufzend kam er in sein Wohnzimmer zurück und sah, wie Uruha starr auf die Wand schaute. Stirnrunzelnd kam er auf ihn zu und setzte sich neben ihn.

"So, das hätten wir dann schon einmal geklärt. Dann stell dich mal auf ein langes Wochenende ein, mein Guter.", grinste er und legte ihm einen Arm um die Schulter. "Und mach dir schon mal Gedanken, wie du meine Mutter überleben willst. Könnte nämlich sein, dass sie dir mächtig auf den Zeiger gehen wird und dich mit Fragen durchlöchert. Wär das okay für dich?"
 

Leicht zusammenzuckend bemerkte er, wie Kai ihm den Arm um die Schultern legte und hörte, was er ihm zu sagen hatte. Erst drang die Nachricht gar nicht bis in sein Gehirn vor, dann jedoch machte es 'Klick' und der Schalter in seinem Hirn legte sich um. Er bekam große Augen und drehte seinen Kopf so, dass er Kai ansehen konnte. Ein Leuchten ging wieder durch seine Augen und er grinste leicht. Freudestrahlend kuschelte er sich an Kais Seite.

"Ehrlich? Danke, Kai! Ich werd mich auch gut benehmen, versprochen!"
 

"Das weiß ich doch." Er wuschelte ihm liebevoll durch das Haar. Dabei passte er allerdings auf, dass er seine Wunde nicht berührte. "Da hab ich keine Bedenken, aber..." Nun musste er ihm aber verklickern, unter welchen Umständen er ihn mitnehmen konnte. "Du musst dich ein bisschen darauf vorbereiten. Meine Mutter soll nicht wissen, dass du eigentlich ein Fremder bist und ich dich auf der Straße gefunden habe. Das würde wirklich nicht gut kommen." Er seufzte. Aber er konnte ihm nicht den Grund dafür nennen, warum seine Mutter so skeptisch bei so etwas reagierte. Das konnte er nicht. Dafür kannten sie sich einfach noch nicht gut genug. Dennoch wollte er ihn nicht alleine lassen und so würde er damit leben müssen.

"Du kommst als eines unserer Bandmitglieder mit."
 

Eine seiner feingeschwungenen Augenbrauen hob sich in die Höhe und er blinzelte Kai ein paarmal verwirrt an. Hatte er das gerade richtig gehört? Er kam mit als... Als ein Bandmitglied? Kai hatte eine Band? Da musste er doch gleich nochmal nachfragen, da war er jetzt mal neugierig.

"Ano... Du hast eine Band? Ehrlich? Wie heißt sie denn, wenn ich fragen darf? Wer spielt denn alles bei euch mit? Miyavi auch?"

All diese Fragen sprudelten geradezu aus Uruha heraus und er sah Kai mit großen Augen an.
 

Kai legte den Kopf schief und musterte Uruha. "Ano... Miyavi nicht. Der is nicht bei uns dabei. Aber... Ruki ist unser Sänger und dann is da noch Reita. Er ist unser Bassist, aber eher ein ungeselliger Typ.", erklärte er. Mehr konnte er ihm noch nicht sagen. Was er so alles wissen wollte, machte ihn doch etwas stutzig. "Ano... das kann ich dir alles noch erzählen, wenn wir morgen dahinfahren. Reicht ja, wenn wir dich als unseren Gitarristen vorstellen können. Damit wird sie sich schon zufrieden geben." Es war ihm schon unangenehm, seiner Mutter letztendlich eine solche Lüge auftischen zu müssen, damit sie ihn akzeptieren würde.
 

"Ano... Also Miyavi nicht? Aber er ist doch so ein genialer Gitarrist, wie du gesagt hattest. Wieso ist er denn dann nicht in eurer Band? Das wäre doch ein guter Fang. Und Ruki ist also euer Sänger, ja? Hätte ich ihm gar nicht so zugetraut. Seine Stimme klang für mich nicht gerade so angenehm... Werde ich denn Reita auch mal kennenlernen? Also... Wenn das geht..."

Irgendwie redete er schon wieder zu viel. Er war doch sonst nicht so. Bisher hatte er nur mit Kai ein paar Sätze gewechselt und das nicht gerade sehr viel. Er seufzte leise.

"Also fahren wir morgen dann los... Okay..."
 

"Ja, morgen fahren wir los. Aber nur wir beide. Ruki und Reita bleiben hier. Meine Mutter kommt mit Reitas grummeliger Art nicht zurecht.", lachte er. "Aber das wirst du schon noch mitbekommen. Solange werden wir dir den alten Brummbär nicht vorenthalten. Sollst ja schließlich auch deine anderen Bandmitglieder noch kennenlernen, wobei du Ruki ja schon kennst und ich bin ja eh nur nebensächlich.", grinste er.

"Aber für deinen Ausflug müssen wir noch ein paar Sachen besorgen. Sonst kann ich dich ja schlecht mitnehmen." Und irgendwie wollte er ihn jetzt unbedingt mitnehmen und seiner Familie vorstellen. Er war gespannt, wie diese auf den hübschen jungen Mann reagierten.
 

Stirnrunzelnd sah er Kai an und knabberte leicht nervös an seiner Unterlippe. Er würde also Kais Familie kennenlernen. Irgendwie war er ziemlich aufgeregt im Moment. Das war ja fast wie bei einem Besuch der Schwiegereltern. Nur dass Kais Eltern nicht seine Schwiegereltern und Kai und er nicht verheiratet waren. Schade eigentlich...

Aus, Uruha! Ganz böse!, schimpfte er mit sich selbst und wurde rot. Wie konnte er bloß so etwas denken? Das war peinlich und er war froh, dass Kai keine Gedanken lesen konnte.

"Und was willst du noch besorgen?", fragte er und blickte Kai direkt in die Augen.
 

Kai grinste und zählte mit Hilfe seiner Finger unzählige Sachen auf, die sie noch benötigen würden, damit ihrem Ausflug nichts im Wege stand. Dazu gehörten unter anderem ein paar Waschsachen, mindestens eine Badehose und halt noch ein paar Kleidungsstücke. Irgendwann hörte er auf, alles aufzuzählen und seufzte. "Die Liste ist also noch ziemlich lang. Und ich glaube, es ist besser, wenn wir da heute wenigstens schon mal die Hälfte von besorgen. Sonst wird das morgen zu viel, bevor wir losfahren. Und wir wollen ja die Woche dort genießen können, oder? Und so kommt meine Mutter auch nicht auf die Idee, dich mit irgendwelchen anderen doofen Fragen zu löchern. Du musst dich ja eh noch ausruhen. Da wäre das nicht unbedingt angebracht."
 

Uruhas Augen wurden groß, als Kai diese endlos lange Liste mithilfe der Finger wie im Mathematikunterricht aufzählte und scheinbar gar nicht mehr damit aufhören wollte. Schließlich hörte er jedoch trotzdem schon auf und erklärte Uruha, dass sie das alles heute wohl noch, so gut es eben möglich war, besorgen mussten. Na toll. Wieder so viel Geldausgeberei für Kai. Das hatte er ja eigentlich nochmal vermeiden wollen. Kai sollte nicht immer alles für ihn bezahlen. Das wollte er tun.

"Ano... Na gut. Wollen wir dann gleich los?", fragte er und stand auf. "Erst zieh ich mir aber noch was von meinen neuen Sachen an."
 

Der Schwarzhaarige seufzte. "Alles werden wir heute nicht mehr schaffen, aber das Nötigste werden wir dir schon besorgen. Das ist ein Muss. Dann können wir morgen auch noch ein bisschen in der Stadt schauen. Und nächste Woche können wir dann bei meinen Eltern noch shoppen gehen. Da gibt es eine Menge toller Läden. Und dann müssen wir unbedingt mal in den einen rein. Da muss ich unbedingt rein." Dass es sich dabei um ein Musikgeschäft handelte und er nach einem ganz bestimmten Gegenstand Ausschau halten würde, verriet er ihm nicht. Uruha sollte nicht denken, dass er schwach war und etwas hinterher trauerte, das er eh nie wieder besitzen würde.

"Dann lass uns mal los." Dass sich sein Blick von eben neu freudestrahlend zu ziemlich traurig gewandelt hatte, bemerkte er gar nicht.
 

"Hai. Dann mach ich mich schnell fertig. Bin gleich soweit."

Und schon war er im Schlafzimmer verschwunden. Dort lag die Tüte mit seinen neuen Klamotten und sofort zog er sich vorsichtig das lilafarbene Shirt mit der kürzeren Hose an und tapste so zurück zu Kai. Als er dort angekommen war, starrte er auf seine Schuhe. Die sahen auch schon ziemlich abgenutzt aus und er biss sich leicht auf die Lippen. Also auch neue Schuhe kaufen. Na toll... Noch mehr Geldausgeberei für Kai. Toll, Uruha. Ganz klasse...

"Hai, dann gehen wir mal los.", und schon hakte er sich bei Kai unter und zusammen gingen sie hinaus.

Es war herrlich warm und Uruha war froh, dass er sich diese kurzen Sachen angezogen hatte. In anderen würde er eingehen.
 

Während Uruha im Schlafzimmer war, hatte auch er sich angezogen und wartete darauf, dass sein neuer Freund endlich zu ihm kam. Er hatte heute nicht so viel Zeit. Und es würde sicher auch nicht so gemütlich sein, wie es das letzte Mal war, denn sie würden es schnell machen müssen.

"Bist du dir sicher, dass du das schaffst? Es ist nicht unbedingt sehr angenehm hier draußen. Ich hoffe, dass dein Kreislauf das mitmacht. Du bist noch nicht topfit.", meinte er, als sie die Straße entlang gingen und sich direkt auf den Weg ins Stadtzentrum machten. Es war ungewohnt, dass er jetzt mit jemandem zusammen in die Stadt ging. Sonst war er meist alleine unterwegs.
 

Verlegen kratzte er sich am Hinterkopf und zuckte mit den Schultern. Ob er das aushalten würde, wusste er ja jetzt noch nicht. Alles, was er wusste, war, dass es wirklich sehr heiß hier war und er schon jetzt leicht schwitzte. Er fuhr sich mit der Hand über die Stirn, als sie in eine Einkaufsstraße einbogen und sah sich um. Dann zeigte er auf ein Geschäft. Bademoden für die Herren. Das war doch was. Und vielleicht war es darin ja auch mal angenehmer. Hier ging er wirklich langsam ein.

Und so zog er Kai in das Geschäft hinein und sah sich um.
 

Unweigerlich wurde er schon in das erste Geschäft gezogen und stand perplex neben dem Größeren, der sich sofort auf die Suche nach einer Badehose begab. Verdattert blieb er am Eingang stehen und überließ Uruha das Kommando. Schließlich musste er das Ding nachher anziehen und nicht er. Dabei fragte er sich, ob das mit der Badehose wirklich einen Sinn machte, denn... Uruha musste ja noch immer den Verband tragen, damit sein Brustkorb stabilisiert war. Aber er konnte ihn ja auch schlecht mit ans Meer nehmen und dann einfach am Strand sitzen lassen. Nee, das war absolut nicht sein Ding. Also beobachtete er ihn einfach weiter.

Schnell hatte die Suche ein Ende und auch die restlichen Sachen fanden sie schneller, als er erwartet hatte. Lag vielleicht auch daran, dass Uruha ihn nicht ständig fragte, ob er das denn nehmen durfte oder nicht. Er hatte ihm beim ersten Mal klipp und klar gesagt, dass er sich etwas aussuchen sollte und dann wurde es mitgenommen.

Und scheinbar hatte das auch funktioniert.

Zwischendurch waren sie noch etwas essen gewesen und waren nun wieder auf dem Heimweg. Dabei schien ihnen eine merkwürdige Person zu folgen und Kai stutzte. Was wollte dieser Kerl von ihnen?
 

Uruha ging fröhlich mit seinen Sachen in der Hand, die er in einer Tüte verstaut hatte, neben Kai her und sah sich immer wieder um. Es kam ihm alles so fremd vor, doch irgendwie wusste er auch, dass er schon mal hier gewesen war. Von der merkwürdigen Person, die sie verfolgte, bemerkte er nichts. Er war viel zu sehr damit beschäftigt, sich zu freuen. Endlich hatte er mal wieder richtig schöne Sachen zum Anziehen und neue Schuhe hatte er auch bekommen. Weiße Turnschuhe mit Klettverschluss. Sahen richtig stylisch aus, wie er fand und bewunderte sie. Er war Kai so dankbar und nahm sich vor, ihm heute so gut er konnte zu helfen.

Plötzlich jedoch sprang eine Person aus einer Seitengasse auf ihn zu. Uruha sah bloß noch, wie ein Baseballschläger auf ihn zuraste, hörte einen dumpfen Knall und dann wurde alles schwarz um ihn herum. Dass er aufgefangen und in die Seitengasse gezerrt wurde, bemerkte er gar nicht mehr.
 

"Wo bleibst du denn, Uruha.", grummelte er. So langsam mussten sie sich wirklich beeilen, damit er sich für die Arbeit fertig machen konnte. Doch dann hörte er hinter sich einen dumpfen Schlag und drehte sich abrupt um. Er sah noch, wie irgendjemand den reglosen Körper seines Freundes in die Seitengasse zog.

Hastig rannte er zurück und folgte ihnen in die dunkle Gasse. Seine Augen mussten sich erst an die unangenehme Dunkelheit gewöhnen, doch es war ihm ziemlich egal. Uruha war scheinbar bewusstlos und wurde einfach geschleppt.

"Stopp!", brüllte er in die Dunkelheit. Seine Augen gewöhnten sich langsam an das fahle Licht und er erkannte erst schwach ein paar Umrisse. Dann wurde seine Sicht klarer. Und er hatte Recht. Uruha lag bewusstlos auf dem Boden und der Kerl über ihm schien, gerade wieder auf ihn einschlagen zu wollen.

Sofort rannte er auf ihn zu, um ihn vom Schlag abzuhalten. Das durfte doch wohl nicht wahr sein. Er packte ihn am Arm und hielt ihn fest. "Was soll der Scheiß?!", keifte er und stellte sich schützend vor dem am Boden Liegenden. Er dachte gar nicht daran, vor dem bulligen Kerl vor sich Angst zu haben. Hier wurde ein Mensch verletzt und das passte ihm gar nicht.
 

Von alledem bekam Uruha nichts mehr mit. Er lag auf dem kalten Asphaltboden der Seitengasse, leicht verdreht und stark blutend. Seine Wunde am Hinterkopf war wieder aufgeplatzt und sein Gesicht war leichenblass. Seine Atmung ging leicht stockend und setzte immer wieder aus. Es sah gerade ganz und gar nicht gut für ihn aus.

Der bullige Mann, der sich bis eben noch über ihn gebeugt hatte und den blutverschmierten Baseballschläger in der Hand hielt, richtete sich auf, als eine kleine Hand sich um sein breites Handgelenk schloss und ihn vorm erneuten Zuschlagen abhalten wollte. Er knurrte auf und zeigte Kai nun sein Gesicht. Er trug eine Glatze, dazu war er wirklich ziemlich dick und muskelbepackt und an seiner Unterlippe prangte ein Lippenpiercing, während seine Arme über und über mit Tattoos bestochen waren. Er grinste hämisch und lachte dümmlich auf.

"Na? Wer bist du denn, du halbes Hähnchen? Lass mich hier meine Arbeit machen, kapiert? Und was der Scheiß soll, geht dich einen feuchten Dreck an. Wenn ich dir den Grund erzählen würde, müsste ich dich auch umbringen und das wäre doch schade.", er lachte rau auf. "Ihm hier kannst du sowieso nicht mehr helfen. Schau. Nach dem zweiten Schlag auf den Kopf sieht er ziemlich weggetreten aus und atmen tut er eh kaum noch. Macht nicht mehr lange, das Bürschchen. Lass mich jetzt meine Arbeit machen oder du kriegst es mit meinem Baseballschläger zu tun."
 

Kai schluckte, als er sich kurz zu Uruha umdrehte. Der Kerl hatte Recht. Es sah wirklich nicht gut aus für seinen Freund. Doch er konnte ihm nur helfen, wenn er den Kerl davon abhalten konnte, ihn noch weiter zu verletzten.

"Lass deine dreckigen Pfoten von ihm!", zischte er und sein Blick verriet, dass er verdammt sauer war. Der Kerl würde es wirklich bereuen, wenn er sich ihm in den Weg stellte. Sollte er doch denken, was er wollte. Für Uruha würde er auch ein paar Schläge einstecken, aber er würde ihn nicht einfach so kampflos aufgeben. Uruha war sein Freund und er hatte es genauso verdient, zu leben wie alle anderen auch. Also warum wollte er ihn umbringen?

"Was hat er dir getan, dass du ihn einfach grundlos zusammenschlägst?", fauchte er und packte etwas fester zu.

"Solltest du es wagen, auch nur ein einziges Mal Hand an ihn zu legen, dann vergess ich mich!", drohte er. Doch sein Gegenüber schien davon wenig beeindruckt, denn er holte mit dem Schläger aus und erwischte Kai überraschend an der Seite. Keuchend kniff er die Augen zusammen. Das tat schon weh, aber er würde es überleben.

Jetzt allerdings hatte er es sich mit ihm verscherzt und er holte ebenfalls aus. Mit einem kräftigen Schlag in die Magengegend brachte er den Größeren dazu, den Schläger fallen zu lassen und doch erschrocken in die Knie zu gehen.

"Was ist? War das alles, was du drauf hast? Lächerlich!" Dass er den Kerl damit weiter provozierte, war ihm nicht bewusst, aber eins war ihm klar. Das würde für den Kerl ein Nachspiel haben. Kai war sauer. Stocksauer.

Von der Straße aus beobachteten einige Passanten das Spektakel in der Gasse. Dass einer davon sein Handy zückte und die Polizei rief, bemerkte keiner von beiden.
 

Keuchend ging der Mann in die Knie und hielt sich den Bauch. Kai hatte wirklich ziemlich fest zugeschlagen, das traute man ihm vom ersten Anblick an gar nicht zu, so dünn wie er war und der Allergrößte war er ja auch nicht. Der Mann, der nun leicht auf den Knien saß, war fast zwei Meter groß und mindestens dreimal so breit wie Uruha oder Kai. Er stand wieder auf und knackste mit den Knöcheln. Grinsend trat er einen Schritt auf Kai zu.

"Das hast du nicht umsonst gemacht, Kleiner. Willst du sterben oder was, huh? Na warte, ich werd dir...", er stockte, als plötzlich lautes Sirenengeheul ertönte. "Scheiße! Wer hat hier die Bullen gerufen?! Verdammte Scheiße!"

Er sah sich nach einem Fluchtweg um, doch da er in einer Sackgasse war, kam er auch nicht heraus. Vorne parkten schon die ersten Polizeiautos. Er saß in der Falle. Dann fiel sein Blick auf den bewusstlosen Uruha auf dem Boden. Mit einem Satz war er bei ihm, zog ihn mit Leichtigkeit hoch und drückte ihn fest an sich. Dann zückte er ein Messer und hielt es dem Wehrlosen an die Kehle.

"Keinen Schritt weiter!"
 

Das war aber mächtig unter der Gürtellinie, dachte er sich so. Aber er wusste auch nicht wirklich, was er machen sollte. Er konnte Uruha nicht einfach von ihm losreißen. Er würde ihm sicher dabei weh tun und das wollte er eigentlich vermeiden.

Doch nur kurz hielt er inne und hob dann beschwichtigend die Hände. "Lass ihn los. Er kann nichts dafür. Außerdem wirst du mit einer bewusstlosen Geisel nicht weit kommen.", meinte er. "Lass ihn los und ich geh mit.", unterbreitete er ihm den Vorschlag. So konnten die Polizisten wenigstens seinem Freund helfen, der noch immer bewusstlos war und ziemlich stark blutete. Erneut keimte in ihm die Angst auf, dass Uruha sterben könnte, wenn er ihm nicht half.

Der Kerl grinste nur und warf den bewusstlosen Mann einfach zur Seite und schnappte sich ihn. Am liebsten hätte er ihn sich gerade zur Brust genommen, aber so würde die Hilfe für seinen Freund wohl zu spät kommen. Also hielt er still.

Nun lag das Messer an seiner Kehle und sein Arm war schmerzhaft auf den Rücken gebunden. Er sog geräuschvoll die Luft durch seine Zähne. Es schmerzte ziemlich, aber es war sicher nichts im Vergleich zu dem, was Uruha gerade an Schmerzen ertragen musste.

Und so wurde er kurzerhand von dem Kerl aus der Seitengasse geschoben und der Polizei als Geisel präsentiert. Sie waren gerade draußen, da rief er den Polizisten zu, dass sie sich um den Schwerverletzten kümmern sollten. Mehr konnte er nicht mehr sagen, da wurde ihm auch schon der Mund verboten. "Halt die Klappe!"
 

Sofort, nachdem Kai ihnen gesagt hatte, dass es einen Schwerverletzten gab, eilten zwei Notärzte in die stockdunkle Gasse hinein und kamen wenige Minuten später mit einer Trage wieder. Auf eben jener lag Uruha. Leichenblass, mit einem Verband um den Kopf, einer Atemmaske über den Mund gestülpt und mit einer schweren Decke zugedeckt. Sie eilten mit der Trage an ihm vorbei zu einem Krankenwagen, wo sie Uruha hineinschoben und wenige Minuten später schon mit lautem Tatütata wegfuhren, Richtung Krankenhaus.

Der Mann derweil hatte Kai fest an sich gepresst und hielt ihm immer noch das Messer an den Hals. Er hatte noch nie eine Geisel genommen und wusste nicht so recht, was er tun sollte. Die Menschen um ihn herum machten ihn nervös, ebenso wie die Waffen der Polizisten, die auf ihn gerichtet waren.
 

Mit einem entsetzten Blick folgte er der Trage und wie sie im Krankenwagen verschwand. Er musste schlucken. Uruha sah noch schlimmer aus, als er gedacht hatte. Hoffentlich würden sie ihm helfen können. Aber jetzt wurde wenigstens seinem Freund geholfen und so interessierte es ihn auch nicht mehr, was mit ihm geschah. Er hatte eine Stockwut auf diesen Mistkerl, der seinen Freund so zugerichtet hatte. Und jetzt wollte er ihm das geben, was er dafür verdient hatte.

"Das bereust du.", zischte er und hatte sich so schnell aus dem Griff des Größeren befreit, dass dieser es erst gar nicht mitbekam. Tja, groß und kräftig sein, hieß nicht, dass ein kleinerer, schwächerer Mann ihn nicht besiegen konnte. Und Kai hatte so viel Wut in sich aufgestaut, dass er noch nicht einmal merkte, dass er eine Schnittverletzung am Hals davongetragen hatte. Ihm war es jetzt viel wichtiger, diesem Kerl eine Lektion zu erteilen.

Und da bekam er sie auch schon. Kai verpasste ihm so einen Kinnhaken, dass der Kerl nach hinten kippte und nur noch vor Schmerz wimmern konnte. Egal, ob er ihm jetzt den Kiefer gebrochen hatte oder nicht. Seiner Meinung nach hatte er das verdient und eigentlich noch viel mehr.

Nur leider wurde er auch schon von zwei Beamten an den Armen festgehalten und von dem anderen weggezogen.

"Lasst mich los!", fluchte er. "Der hat es doch nicht anders verdient!"
 

Nachdem der Mann zu Boden gegangen war und nur noch leise vor sich hin wimmernd dalag, wollten die Polizisten eigentlich auf ihn zustürmen und ihn verhaften, doch Kai kam ihnen zuvor. Er baute sich vor dem Hünen auf und wollte gerade erneut zuschlugen, als er auch schon von zwei der Beamten festgehalten und davon abgehalten wurde, den anderen wirklich ernsthaft zu verletzen. Sie zogen den zeternden Kai mit sich und sahen ihn strafend an.

"Ausnahmsweise bekommen Sie mal keine Anzeige von uns, junger Mann. Das war reine Notwehr und das verstehen wir. Aber wenn Sie sich jetzt unbedingt weiterprügeln wollen, dann können wir Ihnen das nicht mehr einfach so durchgehen lassen. Der Mann liegt schon am Boden und wird für das, was er getan hat, zur Rechenschaft gezogen. Seien Sie da mal unbesorgt, er bekommt seine gerechte Strafe schon noch. Und jetzt erklären Sie mir mal bitte, was hier verdammt nochmal los war. Das werden wir zu Protokoll nehmen und Sie bei einer Verurteilung auch noch als Zeuge brauchen. Ich brauche dann noch Ihren vollständigen Namen und Ihre Adresse. Und dann gehen Sie bitte mit meinen Kollegen mit. Die bringen Sie ins Krankenhaus. Sie sind verletzt und haben sicherlich einen Schock."
 

Verletzt? Wo bitte schön war er denn verletzt? Er sah nichts und er spürte nichts. Und eigentlich wollte er auch nur diesen Kerl so zurichten, wie es angemessen für ihn war. Das hatte er nicht verdient, so ohne weiteres davonzukommen. Uruha war schwer verletzt. Man wusste wahrscheinlich noch nicht einmal, ob er durchkommen würde. So sah er jedenfalls aus, als man ihn an ihnen vorbei in den Krankenwagen geschoben hatte. Und es kotzte ihn an, dass der Kerl nun so einfach mit einem blauen Auge davonkommen würde.

Noch immer zappelte er in den Armen der Polizeibeamten. Er wollte den Kerl so windelweich prügeln, dass er nicht mehr wusste, wer er war oder wo er war.

"Lassen Sei mich verdammt nochmal los!", keifte er. "Ich werd ihn schon am Leben lassen. Aber so einfach wird der nicht davonkommen!" Er war einfach in Rage.

"Hey, was is denn hier los?", hörte er eine vertraute Stimme. Es war Miyavi.
 

"War das gerade eine Drohung? Wenn Sie nicht sofort aufhören, sich zu wehren, dann werden wir Sie in Gewahrsam nehmen müssen, bis Sie sich beruhigt haben. Es ist keine Lösung, wenn Sie den Mann jetzt halb totprügeln. Ihr Freund wird bereits im Krankenhaus versorgt und die Ärzte dort tun ihr Bestes, um ihn durchzubringen. Also...", er wurde jedoch von Miyavi unterbrochen, welcher nun zu ihnen herüber gerannt kam, Kai aus den Armen der Polizisten befreite und ihn sanft an sich drückte.

Vorsichtig streichelte er seinem Freund über den bebenden Rücken und hielt ihn fest. Er wunderte sich. Wo war Uruha?

"Hey, Kleiner... Alles okay? Was hast du? Was ist hier passiert und wo ist Ruha? Ist ihm was passiert?"
 

Erst jetzt kam er langsam wieder runter. Dennoch stieß er Miyavi von sich weg und schaute finster zu dem am Boden liegenden Kerl, der gerade von den Polizisten auf die Beine gezogen wurde. "Dieses Arsch!", zischte er und wandte sich wieder ab. Den würde er schon noch kriegen. Und dann würde ihn keiner mehr vor ihm beschützen. Darauf konnte er Gift nehmen.

"Ich muss zu Uruha.", sagte er kurz und knapp und marschierte dann an den verdutzten Polizeibeamten und Passanten vorbei. Auch Miyavi ließ er einfach so stehen. Er schnappte sich Uruhas Tüten und ging einfach. Die würden ihn jetzt nicht davon abhalten, zu Uruha ins Krankenhaus zu gehen.
 

Uruha wurde derweil im Krankenhaus einer Notoperation unterzogen. Er hatte sehr viel Blut verloren, weswegen er noch eine Bluttransfusion bekam. Als dies endlich auch geschehen war, wurde er in die Intensivstation gebracht und dort in einem Einzelzimmer untergebracht. Noch durfte er keine Besucher empfangen und war noch bewusstlos. Sein Mund wurde mit einer Atemmaske bedeckt, während sein ganzer Körper über und über mit Schläuchen, Pflastern und Kabeln versehen war und er am Tropf hing. Die umstehenden Geräte piepsten laut und Nerv tötend, doch davon bekam er nichts mit.
 

Miyavi packte ihn am Arm und wollte endlich wissen, was passiert war. So aufgebracht hatte er seinen Freund noch nie erlebt. Und es war ihm ziemlich unheimlich. Doch Kai hatte einfach keine Lust, jetzt darüber zu reden. Er wollte wissen, wie es Uruha ging und ob es ihm gut ging. Alles andere zählte gerade nicht.

Jedoch wurde er gleich von einem Polizisten angesprochen, der alles zu Protokoll nehmen wollte. Und dem konnte er sich wirklich nicht entziehen. Er wollte keinen Ärger mit der Polizei bekommen. Das fehlte ihnen gerade noch.

Bis ins kleinste Detail erzählte er alles, was er wusste und äußerte auch seinen Verdacht, dass der Kerl es war, der Uruha schon vor ein paar Tagen so zugerichtet hatte. Er wurde gefragt, wie er darauf kam und er erzählte, was der Kerl ihnen so an den Kopf geworfen hatte und dass ihn das schon etwas stutzig gemacht hatte.

Nach knapp vier Stunden durfte er dann auch endlich gehen. Jetzt hatte er alles gesagt und alle Dokumente unterschrieben. Das Protokoll war geschrieben und die Anzeige erhoben. Nun konnte er endlich zu Uruha. Schnell rief er noch seinen Chef an, dass er heute definitiv nicht kommen kann, weil er eine Zeugenaussage machen musste. Nur gut, dass dieser heute milde gestimmt war und nur meinte, dass er sich erholen sollte und die freien Tage mal auch dafür nutzen würde. Kai bedankte sich dafür und seufzte, als er den Hörer aufgelegt hatte.

"Uruha...", wisperte er nur und er machte sich wirklich Sorgen. Hoffentlich ging es ihm gut.

"Würden Sie mich bitte ins Krankenhaus bringen?", fragte er einen der Beamten. Dieser nickte zustimmend. Miyavi schickte er nach Hause und meinte nur, er würde sich schon bei ihm melden. Und so stieg er in den Polizeiwagen und fuhr davon.
 

Seufzend stimmte der Polizist zu, nachdem er Kais Zeugenaussage zu Protokoll genommen hatte und schnappte sich seine Jacke. Mit einem leisen 'Dann kommen Sie mal mit' ging er Kai voraus aus dem Kommissariat und führte ihn zu einem der zahlreichen Polizeiautos, die da wohlgeordnet beieinander standen und nur darauf warteten, auf Einsätze gefahren zu werden. Der Polizist stieg vorne ein und bat Kai, auf dem Beifahrersitz Platz zu nehmen. Und schon startete er den Wagen und fuhr los.

Während der Fahrt redete er kein Wort mit Kai. Nur ab und an, wenn sie an einer Ampel stehenbleiben mussten, huschte sein Blick zu Kai hinüber und da sah er, wie dieser mit den Tränen zu kämpfen schien. Er seufzte leise und bog dann schließlich in die Krankenhausauffahrt ein und hielt den Wagen an.

"Sagen Sie... Soll ich eventuell mitkommen? Ihr Freund liegt auf der Intensivstation und da wird es schwierig werden, dass Sie ihn besuchen können. Aber vielleicht kann ich als Polizist da ja was deichseln..."

Ihm tat Kai furchtbar leid.
 

Die ganze Fahrt über starrte er unentwegt auf seine ineinander verhakten Finger. Er schwieg und er spürte, wie Tränen versuchten, sich aus seinen Augen zu stehlen. Doch er schaffte es, sie gerade so zu unterdrücken. Erst als sie vor dem Krankenhaus ankamen und der Polizist ihn ansprach, schaute er auf und realisierte, dass er schon dort angekommen war, wo er hin wollte.

So wirklich registrierte er aber nicht, was der Polizist genau sagte. Er nickte nur und öffnete die Tür. Dann stieg er aus und fuhr sich mit den Händen über das Gesicht. Erst jetzt sah er, dass er Blut an den Händen hatte. Wo kam das her? War das Uruhas Blut?

Irritiert starrte er auf seine Handflächen. So ganz war er noch nicht wieder bei klarem Verstand. Noch immer war das Bild des am Boden liegenden Uruhas in seinem Kopf präsent und es schien auch noch nicht weichen zu wollen.

Doch er riss sich zusammen und ging zielstrebig auf den Eingang zu. Dass seine Wunde am Hals noch immer leicht blutete, merkte er nicht. Das Meiste davon war eh angetrocknet oder bereits in seinem Kragen versiegt.

An der Anmeldung erregte er so ziemlich das Interesse der übrigen Besucher und Patienten. Das konnte allerdings auch daran liegen, dass er verletzt war und in Begleitung eines Polizeibeamten hier auftauchte.

"Ich möchte zu dem jungen Mann, der hier vorhin eingeliefert wurde. Er heißt Uruha." Er konnte ja nicht wissen, dass das Krankenhauspersonal den Namen des Opfers noch gar nicht kannte.
 

"Moment bitte.", gab die dickliche Frau hinter dem Empfangstresen mit gelangweilter und monotoner Stimme zurück und tippte eine Weile auf ihrem PC herum. Dann sah sie zurück zu Kai und schüttelte den Kopf. "Tut mir leid, wir haben hier keinen Uruha. Hat er denn auch einen Nachnamen?"

Sofort schaltete sich der Polizist ein. Er lehnte sich ein wenig über die Theke, damit nicht jeder der anderen Besucher und Patienten mithören konnte.

"Wir wissen den Namen des Mannes noch nicht, aber wir wissen, dass er vor etwa vier Stunden hier eingeliefert wurde und auch notoperiert werden musste. Ihm wurde mit einem Baseballschläger auf den Hinterkopf geschlagen. Können Sie mit diesen Informationen etwas anfangen?"

"Moment, da muss ich mal in den Akten sehen.", antwortete sie wieder ziemlich monoton und trippelte zu einem Schrank. Dort zog sie einige Akten heraus und kam dann einige Minuten später zurück. "Ich glaube, ich weiß, wen Sie meinen. Vor vier Stunden ist bei uns nur ein Patient eingetroffen, der notoperiert werden musste. Zimmer 234."
 

Kai achtete gar nicht weiter auf den Polizisten oder die Frau am Empfang. Sobald er eine Zimmernummer hatte, rannte er los. Es war ihm egal, was die Leute von ihm hielten. Sein Freund brauchte ihn und er wollte wirklich wissen, wie es ihm ging. Mehr zählte wirklich nicht.

Doch schon zwei Etagen höher wurde er gebremst. Vor ihm bäumte sich eine gläserne Tür auf, durch die er nicht kam. Sie war verschlossen und vor seinen Augen prangte in roten Lettern 'Intensivstation'. Sofort viel er auf die Knie und starrte mit geweiteten Augen auf die Tür. Hier kam er nicht rein. Hier würde ihn niemand zu ihm lassen. Und das wusste er. Auf die Intensivstation durften nur Familienangehörige. Und das war er nicht. Also würde er auch nicht in Erfahrung bringen können, wie es seinem Freund ging.

Warum war die Welt nur so verdammt ungerecht? "Uruha...", wisperte und nun liefen ihm wirklich eine Träne nach der anderen die blassen Wangen hinab und versiegten genau wie das getrocknete Blut in seinem Kragen.
 

Der Polizist staunte nicht schlecht, als Kai auf einmal wie von der Tarantel gestochen lospreschte. Verdattert blieb er einige Minuten stehen, dann jedoch nahm er selbst die Beine in die Hand und rannte dem jungen Mann hinterher. Nach zwei Etagen jedoch blieb er schwer atmend stehen und stockte. Kai lehnte an der Tür zur Intensivstation und schien zu weinen. Sofort war er bei ihm und half dem jungen Mann auf die Beine.

"Geht es Ihnen gut? Setzen Sie sich bitte erst mal, ja?", und schon beförderte er Kai auf einen der Wartestühle. "Ich kümmere mich darum."

Er drückte auf eine Klingel, die an der Seite der Tür befestigt worden war und wartete. Er würde die Krankenschwester schon davon überzeugen, Kai hereinzulassen.
 

Verwundert sah er auf und schaute direkt ins Gesicht des Polizisten. Dennoch konnte er ihn nicht genau erkennen, denn seine Sicht war verschwommen von den Tränen, die unaufhörlich weiterliefen.

Dann hörte er die Klingel und wie jemand ihnen zurief über den Lautsprecher, dass gleich jemand kommen würde.

Ungeduldig starrte er auf die Tür. Ob er wirklich hier hinein durfte? Würden sie ihn wirklich zu ihm lassen? Uruha hatte doch außer ihm niemanden. Das hatte er ihm selbst gesagt und er würde sich sicher fürchten, wenn er wieder so ganz alleine wäre. Das wollte er nicht.

Nach etwa zehn Minuten erbarmte sich dann doch mal jemand und trat zu ihnen vor die Tür. Allerdings zog der junge Krankenpfleger die Tür hinter sich wieder zu.

"Was kann ich für Sie tun?", fragte er und Kai sprang sofort auf. Fast wäre er dem jungen Mann um den Hals gefallen und hätte ihn auf Knien angefleht, ihn zu Uruha zu lassen, doch der Polizist hielt ihn sofort fest.

"Wir sind hier, um den Patienten, der vor ungefähr vier Stunden hier eingeliefert wurde, zu besuchen.", eröffnete der Beamte das Gespräch. "Sie meinen den jungen Mann mit der schweren Kopfverletzung?" Kai nickte sofort und auch der Polizist stimmte mit ein. "Hai, genau zu ihm wollen wir."

Kai hoffte inständig, dass er zu ihm durfte. Doch seine Hoffnung wurde durch ein Kopfschütteln sofort zunichte gemacht. Der Pfleger begründete diese damit, dass der Patient sich noch nicht ausweisen konnte und somit auch kein Besuchsrecht bestand. Da könnte ja jeder kommen und behaupten, er wäre ein Familienangehöriger.

Und schon sackte Kai wieder in sich zusammen. Wieder hatte sich eine seiner Hoffnungen in Luft aufgelöst. "Uruha...", wimmerte er.

Der Polizist schaute kurz zu ihm hinunter und zog ihn wieder auf die Beine. "Gut, dann werden wir jetzt eine Identifizierung des jungen Mannes vornehmen, denn Herr Uke kennt ihn und auch seinen Namen." Verwirrt blinzelte Kai und nickte dann einfach. Mehr als ‚nein‘ sagen konnte der Kerl ja nicht. Und um seine Aussage noch zu bekräftigen hielt der Beamte seine Marke hoch.

Sofort wurden sie hereingelassen und Kai sackte das Herz in die Hose. Er war drin. Er war wirklich hier und nicht viel trennte ihn davon, zu sehen, wie es Uruha ging.
 

Grinsend steckte der Polizist seine Marke wieder zurück in seine Hosentasche und schritt hinter dem Krankenpfleger her, Kai direkt hinter ihm. Er war froh, dass er dem jungen Mann helfen konnte, zu seinem Freund zu kommen. Er rätselte, was die beiden für eine Verbindung zueinander hatten. Vielleicht waren sie Brüder? Vielleicht auch nur Freunde? Konnte ja alles möglich sein und er war neugierig. Dann jedoch richtete er sein Wort an den Krankenpfleger.

"Ist der Patient schon einmal wach gewesen?"

"Bis jetzt nur ein einziges Mal und das war vor etwa eineinhalb Stunden. Er hatte seine Augen nur minimal geöffnet und war nicht ansprechbar, aber wir haben die Hoffnung, dass es so langsam mit ihm wieder bergauf geht. Der Schlag war ziemlich heftig gewesen und hätte beinahe seine ganze Schädeldecke zertrümmert. Wenn das passiert wäre, hätte er Hirnblutungen gehabt und das hätte er nicht überlebt. So jedoch ist nicht so viel passiert, außer dass er sehr viel Blut verloren hat und eine starke Gehirnerschütterung erlitten hat."

Der Polizist nickte und nun kamen sie vor Zimmer 234 an. Der Krankenpfleger öffnete die Tür, jedoch wandte er sich noch einmal an Kai.

"Ich muss Sie jedoch bitten, die Station in mindestens einer halben Stunde wieder zu verlassen. Der Patient braucht Ruhe und ich kann Ihnen auch nicht versprechen, dass er überhaupt erwachen wird. Immerhin schwebt er auch noch in Lebensgefahr."

Dann ließ er sie ein und verschwand. Der Polizist und Kai traten ein und der Polizist schloss die Augen, als er die leichenblasse Gestalt in dem Bett sehen konnte. Über und über mit Schläuchen und Verbänden behangen lag der junge Mann ohne Namen da und schien zu schlafen.
 

Lebensgefahr? Kai schluckte, doch er nickte. Er verstand es, dass er Ruhe brauchte. Und da würde er ihn sicher nicht unnötig belästigen wollen. Aber er wollte schon sehen, wie es um seinen Freund stand.

Mit zittriger Stimme wandte er sich an den Polizisten. "Kann... kann ich kurz mit ihm alleine sein? Er ist ein Freund und ist anderen Menschen gegenüber ziemlich ängstlich. Bitte." Seine Stimme zitterte nicht nur, sie klang auch ziemlich weinerlich. Und genau so war ihm auch grade zumute. Er hätte heulen können und zwar so richtig. Aber diese Blöße würde er sich nicht vor dem anderen geben und auch nicht vor irgendwem. Nur Uruha durfte es sehen, denn er weinte um ihn.

Der Polizist war ihm scheinbar auch dankbar dafür, denn ohne zu zögern verließ er das Zimmer und wartete in der kleinen Vorhalle darauf, dass Kai wieder herauskommen würde.

Langsam schritt er auf das Bett zu, in dem sein Freund lag und es sah so aus, als würde er einfach nur schlafen. Nichts erinnerte daran, dass er gerade um sein Leben kämpfte. Er hoffte zumindest, dass er das tat. Er wollte ihn noch einmal so unbeschwert lächeln sehen, wie an dem Tag bei McDonalds. Dieses Lächeln wollte er nochmal sehen.

Vorsichtig zog er sich einen Stuhl ran und ließ sich direkt neben Uruhas Bett nieder. Zögerlich griff er nach der Hand seines Freundes. "Hey, Ruha..." Es war das erste Mal, dass er ihn so nannte.
 

Uruhas Welt war ihn endlose Schwärze getaucht. Er konnte nicht erkennen, wo er sich befand und wusste auch nicht, wieso. Alles, was er wahrnahm, war diese bedrückende Schwärze, welche ihn umgab und nicht mehr freilassen wollte. Alles tat ihm weh. Jede noch so kleine Pore schien nur aus Schmerz zu bestehen. So, als ob sein ganzer Körper brennen würde. Was war bloß passiert? Er konnte es sich nicht erklären und tapste weiter durch diese endlose Finsternis.

Kein Laut drang zu ihm hindurch, nichts. Ihm war eisig kalt und er bebte leicht. Wo war Kai? Wieso war er nicht hier? Hier bei ihm? Wieso nahm er ihn nicht in den Arm, wie er es schon so oft getan hatte? Hatte er ihn vergessen, einfach alleine gelassen? Nein... Das konnte er sich bei Kai nicht vorstellen. Aber was war dann passiert?

Plötzlich spürte er eine angenehme Wärme, die sich in ihm ausbreitete und stutzte. Was war nun los? Dieses angenehme Kribbeln hatte er immer nur dann verspürt, wenn Kai bei ihm gewesen war. Sein Herz machte einen kleinen Freudensprung. War Kai hier, um ihn aus der Dunkelheit zu befreien?

Der echte Uruha regte sich kein Stück. Nur seine Finger zuckten leicht in Kais Hand und kündigten ein baldiges Erwachen an.
 

Die ganze Zeit starrte er auf das fahle Gesicht seines Freundes. Nichts regte sich oder deutete darauf hin, dass sein Freund noch lebte. Lediglich das nervige Piepsen um ihn herum zeigte ihm, dass der andere noch lebte und vermutlich noch darum kämpfte, weiterhin auf dieser Welt zu sein.

Kai beugte sich nach vorne und seinen Kopf auf Uruhas Hand, die er immer noch in seiner hielt. Es war ein beklemmendes Gefühl, nicht zu wissen, was mit ihm werden würde. Dabei wollten sie doch morgen beide verreisen. Darauf hatte er sich so sehr gefreut und auch Uruha schien davon begeistert zu sein. Doch was war nun? Nun lag sein Freund auf der Intensivstation eines Krankenhauses und kämpfte um sein Leben.

Erneut stieg Wut in ihm auf. "Dieser Bastard.", fluchte er leise vor sich hin. "Das wird er mir büßen.", drohte er. Dabei bekam er nicht richtig mit, dass die Hand in seiner leicht zuckte.

"Uruha...", seufzte er. "Bitte komm zurück. Wir wollen doch noch so einiges erleben. Du sollst in unserer Band spielen. Du wolltest Reita kennenlernen und du wolltest hören, wie Rukis Stimme klingt, wenn er singt. Wir wollten zu meinen Eltern fahren und im Meer schwimmen gehen. Hast du das alles vergessen?"
 

In Uruhas Herz drang diese angenehme Wärme weiter vor und es erschien ihm merkwürdig. War Kai wirklich hier? War Kai hier, hier bei ihm und passte auf ihn auf? Das war zu schön, um wahr zu sein. Er lächelte leicht und versuchte, endlich aus dieser Finsternis auszubrechen. Nur für Kai. Nur für ihn gab er sich alle erdenkliche Mühe, um wieder zu erwachen und aus der Dunkelheit aufzutauchen.

Ein leises Wimmern verließ die blassen Lippen des echten Uruhas und seine Hand zuckte noch ein wenig mehr in Kais. Uruha schaffte es langsam, sich aus der Schwärze zu lösen und zu erwachen. Noch einmal ertönte ein leises Wimmern, dann war wieder alles still. Nur Uruhas Augenlider flatterten und einige Minuten später öffneten sie sich einige Millimeter. Uruha selbst jedoch zeigte keinerlei Reaktionen. Nur seine Augen sahen unendlich müde an die Decke über sich und er schien nicht zu wissen, wo er sich befand.
 

Jetzt spürte er, dass die Hand in seiner zuckte und er schreckte auf. Verwirrt schaute er dem anderen ins Gesicht. "Ruha...", wisperte er und stand auf, damit er ihn besser in die Augen schauen konnte. „Uruha..." Er sah, wie er die Augen leicht geöffnet hatte und an die Decke schaute. Nun konnte er ein wenig lächeln. Uruha war wach. Auch wenn er nicht viele Regungen zeigte, aber er war da.

Nun liefen ihm Tränen über die Wangen. "Ich bin froh, dass du da bist. Bitte geh nicht wieder weg, hai?" Er bettelte förmlich und gab ihm einen Kuss auf die Stirn.
 

Immer noch starrte er ausdruckslos an die Decke und regte sich nicht. Ihm war komisch. Die Welt schien wie in Watte gepackt zu sein. Die Geräusche drangen nur dumpf zu ihm und seine Welt war verschwommen, klare Konturen konnte er nicht erkennen. Ein erneutes Wimmern verließ seine Lippen und die Hand, die in Kais lag, zuckte erneut und seine Fingernägel versuchten, sich schwach in Kais Handfläche zu bohren, um wenigstens ein bisschen zu zeigen, dass er ihn hören konnte.

Kai drückte ihm einen Kuss auf die Stirn und strich ihm über die Wange und Uruhas Augen blickten ihn nun direkt an, jedoch sagte er immer noch kein Wort. Die Lider waren auf Halbmast.
 

Mit einem erleichterten Lächeln musterte er ihn und strich ihm immer wieder über die blassen Wangen. "Es ist schön, dass du wieder bei uns bist. Bitte bleib.", flüsterte er und hauchte ihm abermals einen Kuss auf die Stirn. Er spürte, wie der andere versuchte, seine Hand zu halten und er erwiderte seine Versuche, in dem er sie sanft drückte.

Er freute sich, dass Uruha ihn wenigstens ansah. Auch wenn er sich das vielleicht nur einbildete. Es war egal. Uruha lebte.

Kai drehte sich um und schaute aus dem Fenster, das zu den Schwestern der Station ging und winkte sie her. Sie mussten schließlich auch wissen, dass er wach war.

"Ruh dich aus, ich bin bei dir."
 

Kaum, dass Kai die Schwestern herbei gewunken hatte, ging die Tür auch schon auf und zwei von ihnen trippelten zu Uruha ans Bett. Die eine bugsierte Kai ziemlich unfreundlich vom Stuhl, damit sie genug Platz hatte und leuchtete Uruha mit einer kleinen Lampe in die Augen, um die Reaktion zu testen und sich den Augenhintergrund anzusehen und die andere überprüfte die Geräte, an welche Uruha angeschlossen war und füllte den Tropf erneut auf. Die andere Schwester, welche sich gerade um Uruha selbst kümmerte, strich ihm sanft über die Wange und sprach leise, aber dennoch deutlich mit ihm.

"Können Sie mich hören?", ein leises Wimmern Uruhas ertönte. "Können Sie mich auch sehen?" Ein erneutes Wimmern und die Krankenschwester seufzte zufrieden. "Das ist gut. Ruhen Sie sich bitte aus, wir sind hier und kümmern uns um Sie. Brauchen Sie etwas?"

Erst herrschte Stille. Dann jedoch öffnete Uruha langsam seine Lippen und versuchte etwas zu sagen, jedoch kam nur ein Krächzen heraus. Nach einem weiteren Versuch jedoch klappte es und man konnte ein einzelnes Wort verstehen.

"K... Ai..."
 

Kai beobachtete nur, wie sie ihn umsorgten und versuchten, ihn anzusprechen. Was er sagte, verstand er nicht. Viel zu sehr war er auf ihn fixiert. Seine Worte interessierten ihn nicht, denn er lebte und das war wichtig für ihn.

Uruha war sein Freund und er wollte ihn nicht mehr verlieren. Und schon gar nicht auf eine solche Art und Weise.

Mit zitternden Händen stand er an die Wand gelehnt, direkt gegenüber von Uruha und er konnte ihn genau beobachten. Und das tat er. Nicht eine Sekunde wandte er den Blick ab und irgendwie konnte er die ganze Zeit nur Lächeln. Uruha war wirklich da.

Dann stockte er. Hatte er das richtig gehört? Hatte er seinen Namen genannt? Oder bildete er sich das nur ein.

Nein, das war sicher nur Einbildung.
 

Die Krankenschwester runzelte die Stirn. Dann jedoch beugte sie sich ein wenig herunter zu Uruha und fragte noch einmal.

"Könnten Sie das bitte nochmal wiederholen? Ich habe Sie nicht ganz verstanden."

Erneut erklang bloß ein Krächzen und Uruha brauchte zwei weitere Anläufe, um sein Anliegen erneut vorzubringen. Seine Augen wanderten langsam zu Kai und sahen ihn direkt an. Dann öffneten sich seine Lippen und er murmelte schon etwas deutlicher:

"Ka... I..."

Die Krankenschwester erhob sich und blickte zu Kai hinüber.

"Entschuldigen Sie bitte. Sind Sie... Kai? Wenn ja, dann möchte er, glaub ich, dass Sie zu ihm kommen."
 

Verdutzt schaute er die Schwester an. "Mich?", fragte er und deutete mit dem Finger auf sich selbst. Er konnte nicht so ganz glauben, dass er nach ihm verlangte. Doch als die Schwester nickte, wusste er, dass es wirklich so war. Uruha wollte, dass er zu ihm kam? War das wirklich so?

Nur zögerlich kam er von seinem Platz rüber zum Bett. Verlegen lächelte er ihn an. "Hey.", machte er nur und wartete einfach schweigend. So richtig wusste er nicht, was er machen sollte. Uruha schien kaum sprechen zu können und seine Zeit wäre sicher auch gleich rum. Man hatte ihm nur eine halbe Stunde Zeit gegeben. Zwanzig Minuten waren sicher schon rum. Und er war sich sicher, dass sie ihn gleich bitten würden, wieder zu gehen.
 

Uruha bemerkte mit Freude, wie Kai sich zu ihm setzte und mit ihm sprach. Jedoch nahm er diesmal nicht seine Hand oder gab ihm einen Kuss auf die Stirn und das machte ihn auch irgendwie traurig. Kai sollte bei ihm sein. Richtig nahe bei ihm. Ansonsten... Ansonsten hatte er irgendwie Angst. Ohne Kai war einfach nichts gut. Gar nichts.

"K-Kai... K...", er musste wieder stocken, da ihm die Worte im Hals steckenblieben und sah ihn so einfach nur weiter an.

Was anderes konnte er gerade eh nicht tun. Die Krankenschwester seufzte leise, tauschte einige Blicke mit ihrer Kollegin und sah Kai dann an.

"Sagen Sie... Wenn Sie möchten, können Sie bleiben. Ich glaube, es ist keine so gute Idee, ihn jetzt hier alleine zu lassen. Anscheinend hat er einen sehr guten Draht zu Ihnen und ihn jetzt alleine zu lassen, könnte einen Schock in ihm auslösen und das ist das, was wir eben gerade nicht wollen. Bleiben Sie bei ihm? Dann stellen wir Ihnen hier noch ein Bett hinein."
 

Völlig überfordert mit der ganzen Situation schaute er zu der Schwester, die ihn gerade ansprach. "Nani?" Irgendwie verstand er das jetzt nicht. Er durfte bleiben? Sie würden ihm sogar ein Bett hier hinstellen? Hatte er das jetzt richtig verstanden? Oder war das nur wieder irgendeine Einbildung?

Dann sah er zu Uruha, der leicht nickte und ihm scheinbar so mitteilen wollte, dass er das auch wollte. Und wie von selbst nickte auch er. "Ha...hai, dann werd ich bleiben, wenn das in Ordnung ist.", stammelte er und griff nun nach Uruhas Hand. Das ging hier irgendwie gerade merkwürdig zu, aber warum sollte er ablehnen, wenn er dafür bei Uruha sein konnte.

Als die Schwestern dann das Zimmer verließen, hörte er nur, wie sie mit dem Polizisten sprachen und ihm mitteilten, dass sie ihn hierbehalten würden, damit Uruha nicht noch irgendwie einen Schock erleiden würde.

"Was machst du nur für Sachen?", scherzte er. "Das nächste Mal gehst du vor mir oder ich halt dich an der Hand. Lässt dich einfach von so einem Idioten eins überziehen. Manchmal bist du echt unmöglich, mein Lieber.", kicherte er und gab ihm nun zum dritten Mal in dieser kurzen Zeit einen Kuss auf die Stirn. "Ich hab mir Sorgen um dich gemacht."
 

Als Kai ihm erneut einen süßen Kuss auf die Stirn hauchte, schlossen sich seine Augen wie von selbst und ein Hauch eines Lächelns schlich sich auf seine Lippen. Kai war da. Er hatte sich das also doch nicht alles nur eingebildet. Kai war da und wollte bei ihm bleiben und auf ihn aufpassen. Gab es etwas Schöneres als das? Für ihn momentan nicht. Für ihn zählte gerade nur, dass Kai da war. Bei ihm. Seine Hand hielt. Mit ihm sprach. Einfach, dass er für ihn da war.

"K-Kai...", nuschelte er. Eine kurze Pause. Dann sprach er weiter. "Go... men... Gomen... Es...", er brach ab.

Es war einfach noch zu schwer für ihn, Worte zu formen. Am nächsten Tag würde das sicherlich alles besser werden. Das hoffte er zumindest.

"Blei... Bleibst du... h-hier...?"
 

Sofort nickte er. "Hai, ich bleibe hier. So lange wie du willst. Versprochen." Jetzt lächelte er. Dann legte er eine Hand auf seine Stirn und strich ihm ein paar der verschwitzten Strähnen aus dem Gesicht. "Und nun ruh dich aus. Schlaf ein bisschen. Du brauchst unbedingt Ruhe. Und keine Sorge, ich bin bei dir. Ich lass dich nicht alleine. Wirklich nicht. Vertrau mir." Mehr sagte er nicht. Er hob nur Uruhas Hand und küsste sie. Es wirkte wie ein Versprechen. Wobei es ja wirklich eines war. Und Kai hielt sich ganz bestimmt daran. Sonst wäre er nicht Kai.
 

Seine Augen drifteten wie von alleine zu und ein leises, heiseres Schnurren entrang sich seiner Kehle. Er war so schrecklich müde, aber er wollte eigentlich nicht schlafen. Er wollte bei Kai sein und ein wenig mit ihm reden. Er wollte auch wissen, wieso er überhaupt hier war. In einem Krankenhaus. Was hatte er hier zu suchen? Das war es, was er nicht verstand. Was machte er hier?

"Kai...", er schüttelte leicht den Kopf. "Ich... will ni... nicht... sch-schlafen... Bitte..."

Genau in diesem Moment schob einer der Pfleger Kais Bett hinein, wünschte Ihnen beiden eine gute Nacht und verschwand dann wieder. In Uruhas Augen bildeten sich Tränen. Kai sollte jetzt auch nicht schlafen.
 

"Ruha..." Sanft strich er ihm über die Wange. "Du brauchst Ruhe. Du willst doch wieder gesund werden, hai? Und mach dir keine Sorgen. Ich pass auf dich auf. Niemand wird dir mehr weh tun. Niemand. Das versprech ich dir." Wie viele Versprechen wollte er dem armen Kerl denn noch geben? Irgendwie verlor er gerade selbst den Überblick. Und seit wann warf er mit Versprechen so wild um sich? Das war doch sonst nie so gewesen. Aber Uruha brachte ihn andauernd dazu. Egal wie. Für ihn würde er noch tausende Versprechen geben.

Aber war das denn noch normal? Und warum hatte er um ihn geweint? Das hatte er noch nie gemacht. Auch nicht, als sein allerliebster Hamster gestorben war, als er selbst noch ein Kind war. Gott. Was machte er mit ihm? Was geschah hier nur mit ihm?
 

Uruha konnte nicht antworten. Immer wieder rannen Tränen über seine Wangen. Er wusste momentan einfach nicht, wohin mit seinen Gefühlen. Sie überwältigten ihn fast und rissen ihn mit sich. Er hatte Angst, alleine zu sein. Wenn Kai jetzt schlafen würde, könnte er nicht mit ihm reden und ihm wichtige Fragen beantworten. Auch, wenn es kindisch klang... Uruha fühlte sich ohne Kai einfach alleine. Mutterseelenalleine. So alleine, wie noch nie zuvor.

"Bitte... lass mich... nicht... alleine..."
 

Energisch schüttelte er den Kopf und drückte wieder fest seine Hand. "Ich hab dir doch versprochen, dass ich dich nicht alleine lasse. Wirklich. Und wenn ich dir das verspreche, dann halt ich das auch." Nur kurz ließ er die Hand Uruhas los und erntete dafür ein mürrisches Grummeln. Doch nur so konnte er das andere Bett noch etwas weiter rüberschieben. Gerade so, dass er ihn von dort aus noch mit der Hand erreichen konnte.

Doch er legte sich nicht hin. Noch nicht. Er setzte sich wieder zu ihm ans Bett und griff vorsichtig nach seiner Hand. "Ich bin bei dir. Wir sind doch Freunde und Freunde passen aufeinander auf, hai?"
 

"Freunde... hai... du bist mein... Freund...", lächelte er leicht und versuchte, sich ein wenig zu beruhigen.

Kais Worte klangen so ehrlich, so lieb gemeint, dass er gar nicht anders konnte, als ihm zu glauben. Er glaubte ihm, dass er ihn nicht alleine lassen würde. Kai würde sein Versprechen einhalten und bei ihm bleiben. Die ganze Nacht, wenn es sein müsste. Aber das wollte er ihm auch nicht antun. Dazu war er zu müde.

"Oyasumi nasai...", hauchte er leise und schloss die Augen.

Wenige Augenblicke später war er wieder eingeschlafen und die Hand in Kais Hand erschlaffte und regte sich dann nicht mehr.
 

"Oyasumi nasai, Ruha...", erwiderte er und drückte die Hand in seiner nochmals liebevoll. Erst als Uruha eingeschlafen war und die Hand in seiner dies auch deutlich machte, ließ er sie kurz los, zog sich bis auf seine Boxershorts und Shirt aus und legte sich dann ebenfalls hin. Als er lag, griff er vorsichtig wieder hinüber und nahm Uruhas Hand wieder in seine. Er sollte nicht denken, dass er sein Versprechen einfach so brechen würde. Nichts da. Wenn Kai eines gab, dann hielt er es, bis er es erfüllt hatte.

Auch wenn die Lage zum Schlafen recht unbequem war, es war ihm alle Male lieber, als ihn zu enttäuschen. Und das würde er ganz sicher nicht tun.

"Schlaf gut, Uruha...", wisperte er noch, bevor auch er in einen tiefen Schlaf sank.

First fight

Uruhas Nacht war unruhig. Immer wieder träumte er wirres Zeug, was er nicht zu deuten wusste. Bunte Schlieren tanzten vor seinen Augen und lachende Gesichter tauchten auf. Uruha wimmerte leise. Dann jedoch drückte Kai seine Hand während des Schlafens fester und er beruhigte sich ein wenig. Die Träume lösten sich auf und ließen ihn ruhig weiterschlafen, ohne jegliche Alpträume.

Am nächsten Morgen kam eine der Schwestern ins Zimmer herein und fand die beiden immer noch Händchen haltend vor. Sie schmunzelte leicht, dennoch musste sie Kai wecken. Sie brauchten das Bett für einen anderen Patienten. Sie ging auf ihn zu, löste die beiden Hände vorsichtig voneinander und stupste Kai sachte an.

"Uke-San? Wachen Sie bitte auf."
 

Verstört blinzelte er und rieb sich die Augen. "Ano... Ohayou...", murmelte er. So ganz verstand er nicht, was los war, doch schon wurde er etwas unsanft vom Bett gezogen und auf einen Stuhl verfrachtet. Verschlafen schaute er dabei zu, wie sein Bett gerade den Raum verließ. Jetzt war er verwirrt. Gut, dann würde er sich eben etwas anderes zum Schlafen suchen. Es war doch noch viel zu früh, um aufzustehen. Und so zog er den Stuhl zu Uruhas Bett hinüber, griff nach seiner Hand und legte den Kopf einfach auf das Bett ab. Das war zwar nicht sehr bequem, aber immerhin konnte er so noch ein wenig weiterschlafen. Er war doch noch so verdammt müde.

Und jetzt war es ihm auch egal, dass sie ihm das Bett förmlich unter dem Hintern geklaut hatten. Selig schlummerte er wieder ein.
 

Uruha spürte schwach, wie jemand seine Hand nahm und sie sanft streichelte. Dann spürte er ein leichtes Gewicht neben sich und seine Augenbrauen zogen sich zusammen. Er wollte die Augen jetzt nicht aufmachen. Irgendwie hatte er Angst, dass er Kai dann nicht vorfinden würde, sondern irgendeine andere Person. Was, wenn Kai doch gegangen war? Er erzitterte leicht, dann machte er jedoch trotzdem die Augen auf. Die Neugierde hatte gesiegt.

Seine Augen öffneten sich einen kleinen Spalt und blickten neben sich. Er erkannte verschwommen Kais Kopf, welcher auf seinem Bett lag und bemerkte, dass er es war, der seine Hand hielt. Müde schloss er die Augen wieder und bewegte seine Finger ein wenig, um Kai aufzuwecken.

"Kai...? Hey...", nuschelte er, da er noch nicht lauter sprechen konnte.
 

Doch Kai hörte ihn gar nicht. Er war einfach zu müde und dass er Uruhas Hand halten konnte, beruhigte ihn noch mehr. Und so schlief er selig weiter und nur sein leiser Atem verriet, dass er noch da war. Sonst herrschte Stille im Raum, die lediglich durch Uruhas leise Versuche durchbrochen wurde.

Immer wieder drückte er fest die Hand, wenn sie sich in seiner bewegte. Es war schön zu wissen, dass er hier war und scheinbar wirklich lebte. Hatte er also doch nicht nur geträumt. Es war wirklich so.

Kleine Tränen schlichen sich aus seinen Augenwinkeln. Doch es waren keine Tränen der Trauer sondern der Freude. Die Freude darüber, dass sein Freund da war und ihn nicht einfach alleine zurückließ.

"Ruha...", nuschelte er nur.
 

Uruha wimmerte leise und versuchte, Kais Hand fester zu drücken. Das konnte doch nicht wahr sein. War Kai etwa so müde, dass er nicht aufwachen wollte? Aber er war doch wach und wollte Kai so gerne danken, dass er ihn gerettet hatte. Ohne Kai wäre er jetzt vielleicht tot. Uruha erinnerte sich wieder daran, was gestern Nacht geschehen war. Er erschauderte und schluchzte leise auf. Der Kerl hatte versucht, ihn umzubringen. Wirklich umzubringen. Wenn Kai nicht gewesen wäre, wäre er jetzt tot.

"Kai... Wach bit... bitte auf...", schluchzte er leise und drückte so fest zu, wie er im Moment konnte.
 

Kais Lider flatterten. Doch so richtig wach werden wollte er noch nicht. Deshalb hielt er die Augen auch weiter geschlossen und grummelte nur leise vor sich hin. "Noch fünf Minuten, Okaa-san.", stammelte er und schmatzte dann leise vor sich hin. Sein Kopf drehte sich dabei zur Seite und das Gesicht wandte er so Uruha zu. Dennoch blieben die Augen geschlossen. Es war viel zu schön, um jetzt einfach so aufzuwachen. So sollte es immer bleiben. Uruha in seiner Nähe. Das war so schön.
 

Uruha hickste leise und verfluchte sich selbst für seine Schwäche. Wieso musste er auch immer gleich heulen? Er sollte sich mal wie ein erwachsener Mann benehmen. Das war ja schon peinlich. Aber Kai wachte auch einfach nicht auf. Er wollte sich doch so gerne bei ihm bedanken. Das war das Einzige, was er jetzt wollte. Aber das konnte er nicht tun, wenn Kai weiterhin schlief.

Uruha wimmerte leise auf und kniff die Augen zusammen. Ihm tat der Kopf weh und der restliche Körper ebenso. Er versuchte, sich ein wenig anders hinzulegen, doch das klappte auch nicht. Verdammt. Er konnte aber auch gar nichts richtig machen. Das war wirklich zum Heulen. Einfach nur schrecklich.
 

Durch die ruckelnden Bewegungen des Bettes kam er so langsam zu sich. Doch er murrte noch mehrmals, bevor er dann doch die Augen langsam öffnete. Schnell schloss er sie wieder, denn das grelle Licht im Zimmer blendete ihn. "Mann...", maulte er und hielt sich eine Hand vor die Augen, um sie dann doch wieder zu öffnen.

Nur langsam gewöhnten sie sich an die Helligkeit und er gähnte ausgiebig, bevor er die Hand des anderen losließ und sich streckte. Erst dann schaute er dem anderen direkt ins Gesicht.

"Ohayou, Ru-chan.", begrüßte er ihn und gähnte abermals hinter vorgehaltener Hand. Irgendwie hatte er noch immer nicht bemerkt, dass man seine Wunde noch immer nicht behandelt hatte. Noch immer klebte das Blut auf seiner Haut und zierte den Kragen seines Shirts.
 

Kami-Sama! Endlich hatte sich Kai mal erbarmt und war aufgewacht. Hatte ja auch lang genug gedauert. Ein zaghaftes Lächeln umspielte Uruhas Lippen, als er vorsichtig nach Kais Hand griff und sie wieder schwach drückte.

"'Hayou... Kai...", murmelte er leise. "Gut geschlafen...?"

Er wurde leicht rot, als er realisierte, dass Kai ihn soeben mit -Chan betitelt hatte. Das war ja irgendwie richtig süß von ihm. Durfte er das dann vielleicht auch...?

"Kai-Chan..."
 

„Hai?", machte er nur und streckte sich ein weiteres Mal. Dabei knackten seine Knochen ein wenig. Diese Schlafhaltung war alles andere als bequem gewesen. Aber er war auch schon schlimmeres gewohnt. Also war das hier ja noch ein Zuckerschlecken gewesen.

"Wie geht´s denn unserem Sorgenkind heute? Siehst auf jeden Fall schon mal etwas lebendiger aus.", grinste er und streichelte mit seinem Daumen über Uruhas Hand. Dann seufzte er.

"Mit unserem Ausflug wird es ja nun leider nichts, aber das holen wir einfach nach. Was meinst du? Hauptsache du wirst wieder fit."
 

"Geht so... Mir tut alles weh... aber... sonst is alles... ganz gut...", nuschelte er leise und schloss seine Augen wieder.

Es tat ihm so furchtbar leid, dass Kai jetzt nicht zu seiner Mutter konnte und die freien Tage alleine verbringen musste. Das hatte er nicht verdient und Uruha hatte ja auch nicht gewollt, dass das passierte. Trotzdem tat es ihm furchtbar leid.

"Gomen nasai... wegen mir... kannst du jetzt nicht... zu deiner Mutter.... Gomen... und... ich wollte dir... danken..."
 

Kai legte die Stirn in Falten und schaute ihn etwas entgeistert an. "Sag mal... Aber sonst geht es dir gut, hai?" Er strich ihm ein paar Strähnen aus dem Gesicht. "Meinst du, das is wichtig? Mann, meine Mutter seh ich nicht nur einmal im Jahr. Die kann gut und gerne auf mich verzichten. Und danken brauchst du mir nicht. Hätte ich besser aufgepasst, würdest du jetzt hier nicht liegen müssen und hättest garantiert auch weniger Schmerzen.", grummelte er. Uruha hatte also keinen Grund, sich darüber den Kopf zu zerbrechen. "Du werd gesund. Den Rest überlebe ich schon. Und so wichtig is es nicht mit den freien Tagen. Die verschieb ich einfach und geh dann wieder arbeiten. Dann nehmen wir eben eine andere Woche. Läuft ja nicht weg. Aufgeschoben is ja nicht aufgehoben, ne?", grinste er und zeigte zum ersten Mal sein freches Grübchen.
 

"Ano... Hai... Ich hab gedacht, dass es dir... wichtig ist... gomen nasai... ", er hickste kurz traurig auf und rieb sich müde über seine Augen. Er war noch nicht auf der Höhe. Von einem Moment auf den anderen fühlte er sich wieder schlapp und ausgelaugt. "Gomen... Ich wollt doch so gerne mal... mit dir mitkommen und..."

Dann versagte seine Stimme und er sah weg. Er benahm sich wirklich gerade wie ein Kleinkind. Er wollte nicht wissen, was Kai jetzt von ihm hielt.
 

Kai stützt sich mit den Armen neben Uruhas Körper auf der Matratze ab und kam seinem Gesicht ein Stück näher. Ziemlich nah. Ein breites Lächeln lag auf seinen Lippen und er schaute ihm tief in die Augen. Dann rieb er seine Nase an der seines Gegenübers. Er wollte ihn ein wenig necken.

"Ach was, das ist nicht so wichtig wie deine Gesundheit. Und es läuft ja auch nicht weg oder? Wir sind doch Freunde und da werd ich dich doch trotzdem mitnehmen dürfen. Davon wird mich keiner abhalten. Dann kannst du auch mal im Meer baden, wenn du das noch nie gemacht hast.", kicherte er und wich dann wieder ein Stück zurück.

"Ich werd mal mein Shirt auswaschen gehen. Sehe ja aus, als wär mir sonst was passiert." Spontan zog er sich das Shirt über den Kopf und stand nun nur noch in seiner engen Boxershorts im Raum. Uruha hatte er den Rücken kurz zugewandt.
 

Auf Uruhas blassen Wangen erschien eine fast schon unangenehme Hitze und er wusste, dass er gerade feuerrot wurde. Eben noch stupste Kai seine Nase mit seiner eigenen an und nun zeigte er ihm auch noch seine nicht gerade unansehnliche Rückenansicht. Uruha schluckte. Kais Po sah wirklich ziemlich... knackig aus.

Okay, jetzt wusste er auf alle Fälle, dass er schwul war. Das war für einen Hetero nicht normal.

Sofort schloss er die Augen und sah weg. Das hielt er nicht aus.
 

Auf nackten Füßen tapste er durch den offenen Raum auf der Suche nach einer Toilette, wo er sein Shirt waschen konnte. Dabei schien er mächtig Aufsehen zu erregen, denn sämtliche Blicke folgten ihm. Aber was wollte er denn machen? In dem Zimmer gab es nun mal keine Möglichkeit, sein Shirt zu waschen und das brauchte dringend mal ein Bad, damit man sich das auch wieder mal überziehen konnte. So ging das ja mal gar nicht. Das sah aus, als wäre er abgeschlachtet worden.

Dann sprach er einfach mal jemanden an, denn er fand einfach nichts, wo er sein Shirt mal auswaschen konnte.

"Ano... Entschuldigen Sie, gibt es hier irgendwo eine Möglichkeit, dass ich mal mein Shirt auswaschen kann." Er hielt es der Schwester demonstrativ unter die Nase. Etwas entsetzt sah sie erst auf das Shirt und dann zu ihm auf. Sie war ein kleines Stück kleiner als er. Dann schien sie etwas entdeckt zu haben, denn sie hob die Hand und legte sie ihm an den Hals. "Sind Sie okay?", fragte sie ihn. Kai nickte. "Hai. Ist noch von gestern, aber ich denke mal, ich werd´s überleben...", grinste er. Doch plötzlich wurde er an der Hand gepackt und mitgezogen.

"Ano... Was..." Und schon saß er auf einem Stuhl in einem der Schwesternzimmern und wurde untersucht. So hatte er sich das aber nicht vorgestellt.
 

Kaum, dass sich Uruha versehen hatte, war er auch schon wieder alleine im Raum. Na toll. Was sollte das denn werden? Hatte Kai etwa kein Schamgefühl? War er da eben etwa wirklich halbnackt aus dem Zimmer gelaufen auf der Suche nach einer Waschmaschine. Uruha schloss resigniert die Augen. Das durfte ja wohl nicht wahr sein. Der erschreckte doch die armen Krankenschwestern. Wirklich. Da würde er nachher noch mit Kai ein ernstes Wörtchen reden müssen. So ging das ja nun wirklich nicht.
 

Kai wurde erst einmal ordentlich von den Blutresten befreit, bekam noch eine Spritze, um einer Entzündung vorzubeugen und man nahm ihm auch gleich das dreckige Shirt ab. Und schon bekam er von der Schwester ein Shirt in die Hand gedrückt, mit der Bitte, nicht halbnackt durch die Station zu laufen.

Ups... Daran hatte er nun wirklich nicht gedacht. "Gomen nasai...", entschuldigte er sich und schlüpfte schnell in das Shirt. Es war ziemlich groß und verdeckte so auch sein Hintern sehr gut. Musste wohl eines von dem hiesigen Pfleger sein, der da hinten langlief. Der war bestimmt zwei Meter groß.

Komplett verarztet und mit einem dicken Pflaster am Hals marschierte er wieder grinsend zu Uruha zurück ins Zimmer.

Lächelnd hob er die Hand zum Gruß. "Da wär ich wieder."
 

Uruha schob seine Lippe vor und sah Kai vorwurfsvoll an. Er sah zwar sehr niedlich aus, wie er da in diesem übergroßen Hemd stand, aber trotzdem war er sauer auf ihn. Der konnte doch nicht einfach so mir nichts, dir nichts aus dem Zimmer verschwinden und halbnackt durch die Intensivstation rennen. Das ging doch nicht!

"Kai... Du bist doch doof...", nuschelte er leise und sah ihn schmollend an. Seine rehbraunen Augen schauten zu Kai hinauf. "Läufst einfach so... halbnackt durch die Gegend..."
 

Verlegen schaute er zu Boden und spielte am Saum seines Shirts. Uruha hatte ja Recht, aber daran hatte er eben einfach nicht gedacht. Vorsichtig schaute er mit treudoofen Augen hoch und lächelte ihn an. "Gomen..." Noch immer spielten seine Finger am Shirt. "Hab das nicht mit Absicht gemacht.", beteuerte er. Er war nun mal ein kleiner Schussel und vergaß ab und an einfach mal ein paar Sachen. Außerdem war es ja nicht so, dass die Schwestern hier nicht schon öfter Männer mit freiem Oberkörper gesehen hätten. Die meisten hatten bestimmt schon viel mehr gesehen, wenn sie die Patienten wuschen, weil diese es selbst nicht mehr konnten. Also war es doch nicht schlimm. Solange er nicht nackt war?

Dann grinste er. "Na ja, wenigstens bin ich nur halbnackt rumgelaufen und nicht ganz nackt."
 

Er seufzte leise und blickte Kai immer noch aus vorwurfsvollen Augen an. Gottchen. Das war doch jetzt nicht Kais Ernst oder? Er hatte das nicht mit Absicht gemacht? Was war das denn gewesen? Wie konnte man sich denn nicht mit Absicht selbst ausziehen und dann nicht mit Absicht durch die Gänge laufen? Da wollte Kai ihn aber gewaltig verkackeiern. Aber nicht mit ihm. Auch, wenn er jetzt nicht so ganz auf der Höhe war, so wach war er.

"Red keinen Quatsch...", nuschelte er. "Komm lieber wieder zu mir und hilf... mir mal... Ich will mich... hinsetzen..."
 

Kai zog eine Schnute. Uruha schien ihm nicht zu glauben. Beleidigt verschränkte er die Arme vor der Brust. Wie ein kleines bockiges Kind stand er jetzt vor ihm und schmollte. Wenn er ihm nicht glaubte, hatte er eben Pech, aber es war wirklich so. Kai war und blieb ein Schussel. Durch und durch.

Er war auch nicht immer der, der an alles dachte.

"Ich bin nicht der erste Mann, den die zu Gesicht bekommen haben. Wer weiß, was die von dir schon alles gesehen haben.", holte er zum Gegenschlag aus.
 

Uruhas Mund klappte auf. Verdattert blickte er Kai an, ehe er realisierte, was der andere ihm da eben an den Kopf geworfen hatte. Was?! Was sollte das denn nun schon wieder heißen? Was sie von ihm schon gesehen hatten? Gar nichts! Sicherlich nicht... Oder?

Schluckend hob er leicht die Decke an und erschrak. Er lag hier nur mit einem kurzen Krankenhaushemdchen bekleidet da. Die hatten ihm doch aber die Unterhose angelassen oder? Er bewegte sich ein wenig, sodass das Hemd ein wenig hochrutschte und ihm stockte der Atem. Nein. Keine Unterhose.

"Ich bin nackt...", murmelte er erschrocken und wurde bleich.
 

Lachend hielt sich Kai den Bauch. "Hahahaha.", lachte er und zeigte mit dem Finger auf Uruha. "Siehste! Da hab ich doch echt Schwein gehabt, dass ich wenigstens ne Unterhose anhatte." Das geschah ihm jetzt recht. Da hatte er sich eben ordentlich ein Eigentor geschossen.

"Hab´s dir ja gesagt. Und ich hab mich doch noch benommen. Schlimmer wäre es gewesen, wenn ich nackt durch die Station marschiert wäre. Aber das hab ich nich gemacht, weil ich ja noch Leben wollte. Das wär ja sowas von peinlich gewesen."

Grinsend ging er auf seinen Stuhl zu und schnappte sich seine Hose. Schnell schlüpfte er hinein. Dann kam er wirklich auf Uruha zu, wie dieser es von ihm verlangt hatte. Doch noch immer musste er kichern.
 

Als Kai sich neben ihn setzte, zog er sich die Decke sofort bis zum Kinn hoch und schaute betreten auf seine Hände. Knallrot im Gesicht schluckte er. Das durfte doch jetzt wohl nicht wahr sein! Er hielt Kai hier Vorträge, von wegen er solle sich vor den Krankenschwestern nicht entblößen und selbst war er von ihnen schon splitterfasernackt gesehen worden. Das war... sowas von... megapeinlich!

"Hör auf, zu lachen... Das ist nicht lustig... Peinlich...", nuschelte er leise und konnte nicht verhindern, dass ihm Tränen die Wangen hinab liefen. So gut er sich erinnern konnte, hatte ihn noch nie jemand nackt gesehen. "Mann..."
 

Verwirrt schaute er ihn an. Wieso weinte er denn jetzt?

"Hey..." Er beugte sich vor und zog ihm die Decke ein Stück weg. Dann legte er ihm eine Hand an die Wange. "Nicht weinen. Warum auch? Du hast doch einen schönen Körper. Die werden dich höchsten ordentlich angegafft haben.", grinste er und hauchte ihm einen Kuss auf die Stirn. "Du musst dich dafür nicht schämen. Echt nicht." Ein wenig wollte er ihn doch wieder aufbauen. Es gab schließlich keinen Grund, warum er weinen sollte. Außerdem gehörte das doch zu dem Job der Schwestern. Vielleicht hatte es ja auch einer der Pfleger gemacht. "Wenn es dich tröstet, ich wurde eben auch von einer Schwester verarztet. Und die war nicht so hübsch wie die, die sich um dich kümmern. Und ich beschwer mich auch nicht."
 

"Aber... Aber du wurdest nicht ganz nackt gesehen... Das ist so peinlich... Und woher... woher willst du wissen, dass ich einen... hübschen Körper habe? Hab ich nicht... Sagen doch alle... bin viel zu dünn und knochig... sagst du auch... also hör auf, sowas zu sagen..."

Er hickste leise auf und wischte sich vorsichtig die Tränen aus dem Gesicht. Heulen war ja jetzt eigentlich wirklich überflüssig. Er war um die 20 Jahre alt. Da musste er ja nicht mehr weinen. Auch, wenn es wirklich sehr peinlich war, wenn ihn jemand nackt sah.
 

Erneut zog er eine Schnute. Wenn Uruha es nicht anders wollte, dann musste er eben zu drastischeren Mitteln greifen.

Ruckartig zog er ihm die Decke weg. "So, jetzt hab ich dich auch gesehen. Und was is daran so schlimm? Guckt dir doch keiner was weg. Außerdem bist du hübsch, egal ob nun nackt, halbnackt oder angezogen. Nun sei nicht so. Ich find dich wirklich hübsch." Und mit dieser Predigt legte er wieder vorsichtig die Decke über den anderen und streichelte ihm erneut über die Wange. "Es ist völlig egal, was andere von dir denken. Solange du dich so magst, wie du bist, ist alles in Ordnung."
 

Erschrocken fiepte Uruha auf, als Kai ihm plötzlich einfach so die Decke wegzog. Immer noch war das Hemd leicht hochgerutscht und bot einen kleinen Einblick auf seinen Intimbereich. Er hörte gar nicht wirklich, was Kai ihm da sagte, sondern starrte ihn einfach nur entsetzt an. Das durfte doch jetzt nicht wahr sein. Das hatte er nicht wirklich gemacht... Nein...

"Du...", fauchte er leise und zeigte auf die Tür. "Raus... Hau einfach ab, okay...? Das hast du nicht umsonst gemacht... Geh..."

Jetzt war er wirklich wütend auf Kai. Er konnte ihm doch nicht einfach so die Decke wegziehen. Das war seine Privatsphäre.
 

Kai schluckte. Ups... War er womöglich doch zu weit gegangen? Scheinbar, denn Uruha sah ziemlich sauer aus und auch seine Stimme klang alles andere als begeistert. Was hatte er denn gemacht? War das so schlimm? Sie waren doch beide Männer. War es da so schlimm, wenn man den anderen einfach mal halbnackt sah? Eigentlich doch nicht oder? Und irgendwie begriff er das auch nicht so wirklich.

Er seufzte nur und senkte dann den Kopf. Mit hängenden Schultern drehte er sich um und ging. Uruha hatte ihn weggeschickt. Gut, dann würde er auch gehen. Konnte er ja auch nicht ändern. "Okay, bis später.", meinte er nur und verließ den Raum.

Am liebsten hätte er sich jetzt geohrfeigt. Warum begriff er nicht, was mit dem anderen los war?

Vielleicht sollte er ihm doch ein bisschen Zeit geben und nach Hause gehen. Dann würde er ihm wenigstens nicht auf den Senkel gehen.

Und so sagte er einer der Schwestern Bescheid, dass er nach Hause würde und wenn irgendwas war, dann sollten sie ihn einfach anrufen. Hier würde er ja eh nur stören, meinte er und verschwand.
 

Er hätte eigentlich erwartet, dass Kai ihn fragen würde, ob er nicht doch bleiben dürfte, aber anscheinend hatte Kai verstanden, dass er gerade wirklich ziemlich sauer auf ihn war. Wie konnte Kai es wagen, ihn einfach so zu entblößen? Das war seine Intimsphäre und da hatte Kai nichts zu suchen. Auch, wenn er Kai wirklich anziehend fand und ihm vielleicht gerne näher kommen würde, das ging zu weit. Das war wirklich ein Schlag unter die Gürtellinie.

So blieb er jetzt ganz alleine zurück und starrte mit leerem Blick an die Wand. Kai würde sicherlich nicht zurückkommen. Anscheinend hatte er ihn jetzt vergrault. Uruha seufzte. Er war so ein Idiot...
 

Mit gesenktem Haupt und hängenden Schultern ging er die Straßen entlang. Toll, Kai. Irgendwas haste falsch gemacht und zwar mächtig. Irgendwie hatte er das Gefühl, dass Uruha mächtig sauer war und zwar auf ihn. Er seufzte und steckte die Hände in seine Taschen.

Es wäre wohl besser, wenn er vorerst nicht mehr zu ihm ging. Erstens brauchte er Ruhe und zweitens schien er sie bei ihm ja nicht zu bekommen. Und bevor er in die Versuchung kam, doch wieder zu ihm zu gehen und ihn wieder aus der Fassung zu bringen, beschloss er kurzerhand, doch zu seiner Mutter zu fahren. Noch war es ja nicht zu spät. Er musste lediglich Sachen packen und dann wäre er wenigstens für ein paar Tage weg und Uruha hätte seine Ruhe vor ihm.
 

Einige Tage später saß Uruha bereits aufrecht im Bett und starrte an die Wand. Er war blass und immer noch so schrecklich dünn, vielleicht sogar noch dünner. Die Ärzte bekamen ihn einfach nicht zum essen. Das lag aber keinesfalls am Krankenhausessen, das war eigentlich wirklich lecker. Nein. Es hatte einen anderen Grund. Einen viel Schlimmeren.

Kai war seit ihrem kleinen Streit nicht mehr bei ihm aufgetaucht. Nicht einmal auf der Station hatte er angerufen und sich nach Uruha erkundigt. Niemand außer den Krankenschwestern besuchte ihn ab und an. Niemand wusste ja auch außer Kai, dass er hier lag. Seine Familie, wenn er denn eine hatte, wusste ja nicht mal, dass er überhaupt noch lebte.

"Mein Leben ist absoluter Mist... Ich will hier weg... Irgendwohin...", schluchzte er leise und vergrub sein Gesicht in den Händen.
 

Jetzt war er schon fast eine Woche weg und sollte sich ja eigentlich erholen und etwas Abstand gewinnen. Aber so richtig konnte er das nicht. War es wirklich richtig, dass er einfach so abgehauen war? Er hatte weder Uruha noch irgendwem anderes Bescheid gegeben, wo er war und dass er überhaupt weg war. Wobei... Uruha würde ihn ja eh nicht vermissen. Der war bestimmt noch stinksauer auf ihn wegen der Aktion vor ein paar Tagen.

Seufzend saß er im Garten seiner Mutter und starrte an den wolkenlosen Himmel. Hier hätte er mit Uruha liegen können und die warmen Sonnenstrahlen genießen sollen. Stattdessen war er einfach weg und hatte ihn alleine gelassen. Hatte er ihm nicht versprochen, dass er ihn nicht alleine lassen würde?

Aber zurück konnte er jetzt auch nicht mehr. Da blieb nur eins. Schnell zückte er sein Telefon und rief Miyavi an. Freundlich bat er ihn darum, den anderen solange bei sich aufzunehmen, wenn er noch nicht wieder da sein sollte und Uruha das Krankenhaus wieder verlassen durfte. Er wusste ja nicht, wie es um den anderen stand. Aber Miyavi wusste von Uruha und würde ihm sicher mehr helfen als er.

Und zu seiner Zufriedenheit stimmte dieser ihm zu. Allerdings wollte er schon gerne wissen, wo Kai sich befand. Nur widerwillig gab er seinen Aufenthaltsort bekannt und sagte ihm auch, dass er wohl doch etwas länger hier bleiben würde.
 

Etwa eine Woche später war es endlich soweit. Uruha konnte entlassen werden. Zwar war er immer noch ziemlich schlapp und zittrig und hatte ab und an Kopfschmerzen durch seine Gehirnerschütterung, aber ansonsten ging es ihm wieder ganz gut. Er hatte sich richtig angezogen und musste sich bei einer der Krankenschwestern einhaken, die ihn langsam nach draußen führte. Sie erzählte ihm, dass jemand angerufen hatte und gemeint hatte, dass er Uruha abholen würde. Uruha runzelte die Stirn. War Kai etwa doch da? Wenn ja, wieso hatte er ihn dann nicht ein einziges Mal besucht? Er verstand es nicht. Aber er wollte eigentlich auch nicht verstehen. Kai konnte bleiben, wo der Pfeffer wächst. Er hatte ihm versprochen, ihn nicht alleine zu lassen und er hatte es dennoch getan. Obwohl er wusste, wie viel Angst Uruha hatte.

Vor lauter Kummer und Angst hatte Uruha nur sehr wenig gegessen und nun schlackerten seine Sachen noch mehr als vorher schon. Er musste sich auf eine Bank setzen und die Krankenschwester verabschiedete sich von ihm. Uruha war gespannt. Wer würde ihn denn nun abholen?
 

"Hey." Mit gehobener Hand grüßte er den anderen schon von weitem. Mit einem strahlenden Lächeln kam er auf den anderen zu. "Na du? Alles klar?", grinste er und begrüßte ihn mit einer stürmischen Umarmung. Dann runzelte er die Stirn. "Was ist denn los?" Er sah, dass Uruha wirklich nicht sehr gut aussah. Irgendwie dünner und ziemlich mitgenommen. Aber warum? Er war doch sicher gut behandelt worden hier im Krankenhaus.

Erst einmal setzte er sich zu ihm. "Was ist los, Uruha?", fragte er ihn. "Du siehst aus, als hättest du nichts zu essen bekommen und nicht geschlafen."
 

Uruhas Knochen krachten, als Miyavi ihn da so unerwartet durchknuddelte und er keuchte leise auf. Was sollte das denn jetzt? Was machte Miyavi hier? Er hatte eher mit Kai gerechnet. Aber doch nicht mit Miyavi. Woher wusste der denn bitteschön, dass er hier im Krankenhaus gewesen war? Hatte Kai ihm das etwa erzählt?

"Miyavi... Was... Was machst du hier?", er schluckte. "Wieso sehe ich aus, als hätte ich nicht geschlafen und nichts gegessen?"

Er verstand Miyavi nicht.
 

Miyavi tippte mit seinem Finger gegen Uruhas Stirn. "Erstens, ich hole dich ab und nehm dich mit nach Hause. Zweitens, siehst du leichenblass aus und noch dünner als vorher. Und deine Augenringe sind nicht mehr normal. Was hast du gemacht? Du solltest dich erholen und nicht noch bescheidener zurück kommen, als wie du hergekommen bist. Wenn Kai das erfährt, killt der die hier.", seufzte er und lehnte sich nach hinten zurück.

"Ich bin hier, weil Kai nicht da ist. Mehr weiß ich aber auch nicht. Und solange er nicht da ist, wirst du mit mir Vorlieb nehmen müssen. Schlimm?"
 

Er schüttelte leicht den Kopf. Natürlich war das nicht schlimm. Im Moment wollte er Kai sowieso noch nicht sehen. Er hatte ihn so lange alleine gelassen, ohne eine Nachricht, ohne alles. Das war unfair. Kai hatte sein Versprechen gebrochen und so musste Uruha erst mal neues Vertrauen in den anderen schöpfen. Und das dauerte nun mal seine Zeit. Damit würde Kai leben müssen. Uruhas Vertrauen jedenfalls hatte er gründlich missbraucht.

"Wenn es dir nichts ausmacht, komme ich gerne mit dir mit... Und zu deiner Frage... Ich hab nicht viel gegessen und geschlafen. Ich konnte nicht. Ohne Kai hatte ich so furchtbare Angst, dass ich nicht schlafen konnte und keinen Bissen hinunter bekommen habe. Das ist Kais Schuld und nicht die des Krankenhauses. Kai hat mich ja einfach die ganze Zeit über alleine gelassen..."
 

Der Größere legte einen Arm um die Schulter des anderen. "Hey. Kai hat daran auch nicht alleine schuld." Miyavi seufzte. Kai war daran wirklich nicht alleine schuld. Er wusste zwar nicht genau, warum das hier jetzt so lief, aber Kai klang am Telefon alles andere als glücklich.

"Weißt du, was wir machen?", fragte er ihn und stand auf. Vorsichtig zog er ihn auf die Beine. "Wir päppeln dich jetzt erst mal wieder richtig auf und dann machen wir beide einen Ausflug. Einfach mal Urlaub. Du darfst dir auch aussuchen wohin. Ich lad dich ein. Und du siehst wirklich danach aus, dass du den gut gebrauchen kannst."

Langsam zog er ihn mit sich.
 

"Natürlich ist Kai schuld... Wer denn auch sonst? Ich etwa? Kai ist derjenige, der mir die Decke weggezogen und mich einfach mal so halbnackt angeglotzt hat und der sich dann nicht mehr gemeldet hat."

Als er vorsichtig auf die Beine gezogen wurde, stolperte er kurz und fiel Miyavi beinahe in die Arme. Er fing sich jedoch wieder und taumelte ihm hinterher. Miyavi schien es wirklich eilig zu haben. Aber dass Miyavi ihn jetzt auch noch einladen wollte, konnte er einfach nicht annehmen. Nie und nimmer.

"Nichts da. Ich nehme nicht noch mehr von anderen Leuten an. Ihr wisst doch gar nicht, wie ich mich dabei fühle... Ich will das nicht, verstanden? Nein... Ich nehme nichts mehr von euch an und will auch nicht eingeladen werden. Ich suche mir einen Job und wenn ich genug Geld habe, dann such ich mir eine Wohnung..."
 

Miyavi lachte. "Du bist genau so ein Sturkopf wie Kai.", gab er zu seinem Besten. "Irgendwie seid ihr euch verdammt ähnlich. Aber das mit der Decke hat er mir schon erzählt. Allerdings schien er nicht ganz verstanden zu haben, was er damit verursacht hatte. Er meinte nur, dass er dir lieber nicht zu nahe kommen werde, weil du sonst nur wieder sauer bist und das will er nicht. Deshalb hat er sich auch nicht bei dir gemeldet. Er hatte wohl eher Angst, dass er wieder was falsch macht und du ihn dann noch mehr hassen würdest. Da hat er sich lieber verkrümelt.", meinte er nur und ging mit Uruha zu seinem Auto. "Soweit ich weiß, wird er auch vorerst nicht wieder kommen. Er schämt sich zu sehr, dir unter die Augen zu treten. Weiß der Geier warum." Er half seinem neuen Mitbewohner ins Auto und stieg dann auch ein.

"Manchmal ist er einfach noch zu unerfahren. Und... ich glaube, er mag dich einfach zu sehr, als dass er dir weh tun will. Da weiß er sich nicht zu helfen und schottet sich ab." Miyavi startete den Motor und fuhr los. Den Rest der Strecke schwieg er.
 

"Das gibt ihm aber noch lange nicht das Recht, sein Versprechen mir gegenüber so zu brechen. Er hat mir hoch und heilig versprochen, mich nicht mehr alleine zu lassen. Er weiß, wie viel Angst ich bei anderen Menschen habe und dass ich nicht alleine sein will und kann. Er hatte mir versprochen, immer bei mir zu bleiben und dann haut er einfach ab. Ich wäre ihm nicht mehr böse gewesen. Spätestens am nächsten Tag hätte ich ihm verziehen, aber... Aber dass er mich fast zwei Wochen alleine lässt, das verzeihe ich ihm nicht."

Sie kamen bei Miyavi zuhause an und gingen in dessen Wohnung. Uruha sah sich um.

"Hübsch hast du´s hier..."
 

Der Größere seufzte nur. "Doch ein Sturkopf.", nuschelte er sich in seinen nicht vorhandenen Bart. Da kann Kai einem aber auch leidtun, dachte er sich so. Irgendwie schienen sich die beiden zwar zu mögen, aber sich immer wieder mit Missverständnissen auseinander zu treiben. Das war echt kompliziert. Kopfschüttelnd ließ er sich auf sein Sofa fallen und streckte alle Viere von sich. So, wie er es immer tat, wenn er nach Hause kam.

"Arigatou...", bedankte er sich für das Kompliment. Aber gedanklich war er schon wieder mit etwas anderem beschäftigt.

"Ruh dich erst mal etwas aus. Ich besorg uns was zu essen und dann können wir ja mal ne Runde reden, wenn du willst. So kann das ja nicht weitergehen." Und schon schnappte er sich das Telefon und bestellte Pizza. Zwar wusste er nicht, was der andere gerne mochte, aber er wählte einfach mal frei aus. Er war ja selbst nicht sehr wählerisch.
 

Seufzend ließ er sich auf einem gemütlichen Sessel nieder, da Miyavi das ganze Sofa durch seine beachtliche Größe für sich beanspruchte und starrte auf seine Füße. Er trug seine alten Schuhe und auch seine Klamotten waren immer noch seine etwas älteren. Die neuen konnte er nicht holen. Er hatte gar nichts bei Miyavi. All seine Sachen waren bei Kai und er wusste nicht, wann dieser wiederkommen würde.

"Hm... Ich brauche unbedingt Sachen, Miyavi. Ich hab hier keine. All meine Sachen sind bei Kai..."
 

Schelmisch grinste er. Dass sie der andere da mal nicht irrte. Kichernd erhob er sich und stapfte in den Flur. Dort stand ein Koffer, den er sich schnappte und ins Wohnzimmer trug. Direkt vor Uruhas Nase stellte er ihn ab. "Das soll ich dir geben. Ist ein kleines Geschenk von Kai und mir." Dann grinste er noch breiter und ließ sich wieder aufs Sofa fallen.

Neugierig starrte er den anderen an. Als der sich nicht regte, kicherte er. "Los, mach schon auf. Mal sehen, was du dazu sagst. Und ob wir auch das Richtige für dich getroffen haben."
 

Skeptisch blickte er auf den Koffer, der nun auf seinem Schoß lag und sah dann Miyavi an. Oh-Oh. Wenn der so grinste, dann war da doch irgendwas faul. Was war da bloß drin? Er hoffte, dass da nicht irgendwas zu Peinliches drin war. Dann wäre er Kai noch mehr böse. Also öffnete er vorsichtig den Koffer und starrte hinein. Viele Sachen lagen darin. Viele lilafarbene Shirts, kurze Hosen, aber auch lange, Pullover, Schuhe und... Ein Haufen buntes Zeugs. Uruha hob ein neonpinkes Shirt hoch und verzog das Gesicht.

"Was ist das?"
 

"Das hab ich ausgesucht!", fiepte der Größere und hibbelte fröhlich auf seinem Sofa hin und her. "Das is doch klasse. Steht dir bestimmt ausgezeichnet." Dann wurde seine Miene ernster und er zog einen Schmollmund. "Mehr durfte ich nicht aussuchen. Kai hat sich geweigert.", schmollte er. "Aber wenigstens durfte ich dir ein Shirt aussuchen." Jetzt grinste er wieder. "Zieh mal an. Ich will mal sehen, ob dir die Sachen auch passen. War gar nicht so leicht, was Passendes für dich zu finden. Kai meinte nur, dass dir die Farbe Violett am besten steht und du sie scheinbar auch gerne anziehst. Deshalb is das meiste da drin auch lila."
 

Uruha seufzte. Das war wirklich sehr lieb gemeint von den beiden, aber... Er hatte es lieber, wenn er sich etwas aussuchen konnte, anstatt dass es irgendjemand anders für ihn tat. Da wurde sein Geschmack einfach nicht so sehr getroffen. Beispielsweise hatte er hier ein violettes Shirt mit V-Ausschnitt. Das mochte er gar nicht. Das einzige, was ihm gefiel, war, dass es viele lila Sachen waren und auch ganz viele Röhrenjeans dabei waren. Er liebte diese Hosen.

"Muss das sein? Ich... Ich lass mir nicht so gern was schenken. Ehrlich nicht..."
 

Beleidigt stemmte er die Arme in die Seite. "Nichts da! Du suchst dir da raus, was du möchtest und dir gefällt und den Rest behalte ich. Ich mag lila auch gern. Zwar nicht so sehr wie Pink aber egal." Und schon war für ihn diese Diskussion beendet. Widerworte würde er jetzt eh nicht hören wollen und ihnen auch keine Aufmerksamkeit schenken.

"Da ist das Bad." Er zeigte mit dem Finger auf eine Tür am Ende des Flures. "Oder wenn dir das lieber ist, da ist das Schlafzimmer." Sein Blick deutete auf die Tür hinter Uruha. "Da ist auch ein großer Spiegel. Was dir lieber is. Aber glaub ja nicht, dass du dir erlauben darfst, nichts davon zu nehmen. Kapiert?"
 

Na toll. Jetzt wurde er auch noch gezwungen, sich etwas auszusuchen. War ja mal wieder ganz klasse. Aber Miyavi schien auch keine Widerrede zu dulden, so ernst wie er gerade aussah. Na gut... Musste er da eben wohl durch. Also tapste er auf leisen Sohlen ins Schlafzimmer, um sich dort anzuziehen. Immer wieder wechselte er dort die Klamotten, bis er schließlich etwa fünf Shirts und drei weitere Hosen hatte, die er behalten wollte. Dazu kamen noch drei Pullover und zwei Paar Schuhe.

"Miyavi? Bin fertig mit aussortieren..."
 

Strahlend kam er ins Schlafzimmer gerannt und umarmte den anderen spontan. "Gut." Hastig räumte er den Rest aus dem Koffer aus und schmiss es aufs Bett. Dann beförderte er etwas unsanft die ausgewählten Kleidungsstücke des Kleineren in den Koffer und klappte ihn zu.

Er war jetzt einfach mal wieder der spontane Typ und schnappte sich sowohl den Koffer als auch Uruhas Hand und zog ihn mit sich. Mit großen Schritten marschierte er in den Flur und forderte Uruha auf, seine Schuhe wieder anzuziehen und hielt ihm eine Jacke hin. "Anziehen!", forderte er und schlüpfte selbst in seine Sachen.
 

Vollkommen verdattert wurde er von Miyavi mitgezogen und blinzelte ihn ein paarmal verwirrt an. Wie jetzt? Schuhe anziehen? Was wollte er denn jetzt mit dem Koffer? Er verstand gerade wirklich nur noch Bahnhof. Aber Miyavi schien wiedermal keine Widerworte zu dulden und so zog er sich seine Schuhe an, ebenso wie die ihm angebotene Jacke Miyavis, die ihm ein paar Nummern zu groß waren, weil er einfach zu dünn war. Dann wurde er sofort von Miyavi an der Hand gepackt und mitgezogen.

"Nicht so schnell!", er war ja immer noch nicht ganz fit.

Und schon saß er im Auto, Miyavi verstaute die Koffer im Kofferraum und brauste los.

"Wo fahren wir hin?"
 

Miyavi schwieg. Er redete zwar allerhand, aber er sagte kein Wort zu ihrem Ziel. Das würde er schon noch früh genug erfahren. Mann gut, dass es gerade mal Mittagszeit war. Plötzlich stockte er. Ups, da war ja noch was gewesen.

Mit der flachen Hand klatschte er sich gegen die Stirn. "Mist! Das hab ich jetzt glatt vergessen!", brummte er, doch dann brach er in schallendes Gelächter aus. Irgendwie tat ihm der Pizzabote schon leid. Jetzt hatte er ihn extra zu sich bestellt und nun war er nicht mal da. Na ja, jetzt konnte er es auch nicht mehr ändern. Außerdem war er schon zu weit von Kanagawa entfernt, als dass er jetzt einfach noch mal umdrehen würde für ein paar Pizzen.

Dann wandte er sich an Uruha. "Am besten du machst ein bisschen die Augen zu. Wir fahren noch ein bisschen."
 

Als Miyavi auf einmal so laut ausrief, dass er etwas vergessen hätte, zuckte er erschrocken zusammen. Mann. Konnte der ihn denn nicht mal vorwarnen, wenn er anfangen wollte, so laut zu schreien? Oder war das hier ein ganz perfider Plan, um ihn um die Ecke zu bringen? Das wäre ja richtig fies.

"Wie weit fahren wir denn?", murmelte er leise und lehnte sich gemütlich nach hinten.

Er erwartete keine Antwort. Miyavi hatte ja recht. Er sollte vielleicht doch mal etwas schlafen, da er wirklich todmüde war.

Und so verschlief Uruha wirklich die gesamte Fahrt.
 

Vorsichtig ruckelte er an der Schulter des Schlafenden. Er hatte gerade das Auto in einer Auffahrt geparkt und schaltete den Motor aus. "Hey, Schlafmütze. Wir sind da. Du kannst ruhig wieder aufwachen. Kannst gleich noch genug schlafen." Ja, das würde er können, denn es war bereits dunkel. Und endlich hatten sie ihr Ziel erreicht. "Komm schon. Ich hab keine Lust, mich wegen dir anschnauzen zu lassen, dass ich um diese Uhrzeit doch nicht mehr stören sollte.", murmelte er, als der andere noch immer nicht reagierte. Außerdem war sein Auto ja kein Schlafplatz sondern ein Auto.
 

Uruha jedoch hatte kein Interesse daran, zu erwachen. Er war einfach viel zu erschöpft und außerdem stand er auch noch unter Medikamenteneinfluss, die ihn schläfrig machten. Es war gerade viel zu gemütlich, als dass er sich von Miyavi hätte aufwecken lassen. Nein, da müsste schon eine Bombe neben ihm hochgehen, wenn er aufwachen sollte.

Leise schmatzend kratzte er sich im Schlaf an der Nasenspitze und schlief einfach munter weiter.
 

"Boah!", motzte er. "Alte Schnarchnase!" Grummelig stieg er aus und klingelte einfach mal an der Haustür. Irgendwer musste ihm jetzt einfach mal helfen und entweder die Koffer oder den alten Schnarchsack auf seinem Beifahrersitz ins Haus tragen. Alleine schaffte er das bestimmt nicht. Auch wenn er größer war als der andere, hieß das noch lange nicht, dass er ihn auch einfach so hochheben und ins Haus tragen konnte.

Grinsend begrüßte er sein Gegenüber, der ihn verdattert anstarrte. "Was...was machst du denn hier?", wurde er auch gleich gefragt. "Frag nicht, hilf mir lieber!", murrte er und zog den anderen einfach zu seinem Auto. "Du nimmst das Gepäck auf dem Beifahrersitz und ich das aus dem Kofferraum.", befahl er und verschwand hinter dem Auto. Der andere blieb neben dem Wagen stehen und starrte durch das Fenster ins Innere. Eine feingeschwungene Braue erhob sich und er schaute zu Miyavi. "Was soll das denn werden, wenn´s fertig is?"
 

Miyavi grummelte leise. Musste Kai sich jetzt so anstellen? Sonst war er doch auch immer der hilfsbereite Mensch, wieso denn jetzt nicht? Er wollte doch nur, dass Kai mal Uruha ins Haus trug. War ja nicht zu viel verlangt oder? Also wirklich. Der stellte sich vielleicht an.

"Nun beeil dich. Sonst wecken wir vielleicht noch deine Mama auf und das will ich nicht. Ich nehm die Koffer und du nimmst Uruha. Alles klar soweit? Na, dann komm."

Und ohne auf Kais perplexen Gesichtsausdruck zu achten, nahm er die Koffer an sich und schritt einfach ins Haus. Den schlafenden Uruha und Kai ließ er einfach stehen.
 

Kai seufzte. Na toll. Jetzt hatte er ihn auch noch einfach so hierher geschleppt. Ob Uruha überhaupt wusste, worauf er sich da eingelassen hatte? Scheinbar nicht, sonst würde er hier wohl nicht im Auto sitzen und so friedlich vor sich hin schlummern.

Seufzend beugte er sich ins Auto, schnallte den anderen ab und hob ihn vorsichtig aus dem Auto. Er stockte. Kami-sama. Uruha war noch dünner geworden. Nein, warum? War das Essen im Krankenhaus so schlimm gewesen? Irgendwie dankte er Miyavi jetzt doch dafür, dass er ihn mitgebracht hatte. Seine Mutter würde ihn schon ordentlich durchfüttern. Das kannte er ja schon zu genüge.

Vorsichtig zog er ihn aus dem Auto und knallte mit dem Fuß die Tür zu. Dann marschierte er schnurstracks ins Haus.

"Hast du vielleicht mal daran gedacht, dass es hier nur ein Gästebett gibt?", schimpfte er. Wo sollte er Uruha denn jetzt schlafen legen? Oder wollte Miyavi auf dem Sofa schlafen? Wobei... Dann würde seine Mutter morgen Früh doch wieder aus allen Wolken fallen, wenn sie ins Wohnzimmer kam.
 

Miyavi war gerade dabei, den Koffer ins Gästezimmer zu legen und drehte sich zu dem leise keifenden Kai mit Uruha im Arm um und grinste. Abwehrend hob er die Hände. Kai sollte mal nicht so einen Wind machen. Wenn er weiter so rumschimpfte, würde er Uruha noch aufwecken und das wollte er dem Kleinen nicht antun. Der brauchte doch seinen Schlaf. Also legte er den Zeigefinger an seine Lippen und grinste leicht.

"Nicht so laut. Du weckst ihn sonst noch auf. Mach dir keine Sorgen. Ich hau ja schon wieder ab. Also, bis demnächst, Kumpel. Man sieht sich. Und kümmer dich mal drum, dass er was isst. Ruha hat mir gebeichtet, dass er vor lauter Angst nichts essen konnte. Oder jedenfalls kaum was. Bis dann."

Und schon war er verschwunden und ließ die beiden alleine.
 

Etwas verdattert starrte er dem anderen hinterher. Wieso haute der denn jetzt schon wieder ab? Vorsichtig legte er Uruha auf das Bett und deckte ihn zu. Dann rannte er Miyavi hinterher, der schon im Auto saß und den Motor startete.

Mit vor der Brust verschränkten Armen stellte er sich neben das Auto und warf ihm einen grimmigen Blick zu.

Miyavi zuckte zusammen, als er das sah und schluckte. Oh, oh. Das würde jetzt mächtig Ärger geben, wenn er sich nicht schleunigst vom Acker machte. Immer wieder startete er den Motor, doch dieser verweigerte ihm den Dienst. Das Auto sprang einfach nicht an. "Onegai...", wimmerte er und betete, dass sein Auto ihm doch noch den Gefallen tat. Doch nichts passierte. Auch nach dem zwanzigsten Versuch wollte der Motor einfach nicht anspringen.

Miyavi schluckte und drehte ängstlich den Kopf zur Seite. Neben ihm stand ein ziemlich finster dreinblickender Kai.

"Mi~ya~vi~", knurrte er.
 

Miyavis Herz schlug gerade richtige Purzelbäume. Hilfe. Wenn Kai so grimmig schaute, dann hatte er wirklich Mist gebaut. Er saß mächtig in der... Ja, er saß wirklich mächtig in der Scheiße. Anders ausgedrückt wäre das noch zu mild gewesen. Ängstlich blickte er zu Kai und stieg langsam aus dem Auto. Er schluckte. Oh-Oh. Hoffentlich würde er jetzt noch den nächsten Tag erleben. Aber er hatte doch den beiden nur einen Gefallen tun wollen. Mehr nicht. Hoffentlich reagierte Uruha nicht auch so, wenn er feststellte, dass er bei Kai gelandet war. Dann wäre er wirklich tot. Das wäre sein Todesurteil.

"Ano... Kai, ich kann das erklären..."

Aber Kai hörte ihm schon gar nicht mehr zu, sondern packte ihn am Ohr und zog ihn hinter sich her in das große Haus. Dort wurde er ins Gästezimmer geschubst und Kai warnte ihn, dass er, wenn er das Zimmer verlassen würde, einen Kopf kürzer gemacht werden würde. Also ließ er das lieber und blieb artig, wo er war.

Uruha lag derweil immer noch mit Schuhen und Alltagskleidung bekleidet auf dem Bett und schlummerte friedlich vor sich hin.
 

Schon wieder hatte er die Arme vor der Brust verschränkt und schaute erst auf Uruha, der selig schlummerte und scheinbar auch nicht so schnell aufwachen würde, und dann zu Miyavi. Er knurrte wie ein angriffslustiges Tier auf der Jagd.

"Was hast du dir dabei gedacht?", fragte er ihn. Allerdings war er doch recht ruhig dafür, dass er stocksauer auf ihn war. Er wusste ja, dass sein Freund schon mal Mist baute, aber das hier brachte das Fass zum Überlaufen.

"Hast du dir mal überlegt, wie es Uruha geht, wenn er aufwacht und feststellt, wo er sich befindet? Hast du?", stellte er ihm die erste Frage. "Hast du dir mal ausgemalt, wie wir das meinen Eltern erklären? Hast du?" Zweite Frage.

"Und hast du dir mal überlegt, was das für Konsequenzen mit sich bringt?" Eigentlich fielen ihm noch mehr solcher Fragen ein, aber er dachte, dass das fürs Erste reichen würde.
 

"Ano... Ich hab gedacht, du freust dich. Ich hab wirklich geglaubt, dass ich euch beiden eine Freude mache. Uruha hat nichts gegessen und hatte Angst, weil du nicht bei ihm gewesen bist. Das hat er mir jedenfalls so gesagt. Und ich wollte ihn nicht so leiden lassen, verstehst du? Bei dir geht es ihm einfach besser. Du siehst doch, wie dünn er ist. Das ist alles nur passiert, weil er nicht bei dir sein konnte. Weißt du... Jetzt mal ganz unter uns... Uruha hat dich wirklich total gerne. Sehr gerne sogar, wenn du verstehst, was ich meine. Ich bin nicht blind, Kai. Ich weiß doch, wie er dich immer ansieht. Du bedeutest ihm sehr viel, also... Schimpf nicht wieder mit ihm, wenn er aufwacht oder mach ihm keine Vorwürfe. Vielleicht wird er dir welche machen, aber nur, weil du ihn alleine gelassen hast. Er hatte wirklich richtig Angst ohne dich..."

Er seufzte und deutete dann auf den Schlafenden.

"Kümmer dich um ihn, ja?"
 

Nein, er verstand wirklich nicht, wie er das meinte. Es war seiner Meinung unverantwortlich einen Kranken so eine weite Strecke fahren zu lassen und ihn dann auch noch im Ungewissen, wo es hinging. So einen Blödsinn konnte auch nur Miyavi verzapfen. Eigentlich hätte er es ja auch wissen müssen.

"Du bist echt verantwortungslos, Miyavi.", warf er ihm an den Kopf. "Außerdem..." Er setzte sich nun auf den Bettrand und strich Uruha eine Strähne aus dem Gesicht. Er sah wirklich ziemlich mitgenommen aus, stellte er fest. Aber das war ganz sicher nicht wegen ihm. Warum auch? Ohne ihn war er doch wesentlich besser dran. Dann regte er sich wenigstens nicht auf. "Hat er es doch ohne mich viel leichter. Dann gibt es niemanden, der ihn so in Rage bringt wie ich. Aufregung tut ihm nicht gut.", seufzte er und stand wieder auf.

"Du kannst auf dem Boden schlafen. Zur Strafe.", grummelte und öffnete die Tür. "Bis morgen Früh."
 

Sofort wurde er aufgehalten und herumgedreht. Miyavi packte ihn an den Schultern und hielt ihn fest. Ernst sah er ihm in die Augen und knurrte leise.

"Nun hör mir mal zu, du gottverdammter Sturkopf. Du hast mir eben nicht zugehört. Es kann sein, dass er manchmal in Rage ist, wenn er bei dir ist. Aber wenn er nicht bei dir ist, verfällt er in vollkommene Lethargie und lässt niemanden mehr an sich ran. Kai... Ich hab das Gefühl, dass er ohne dich Stück für Stück stirbt. Das klingt jetzt hart, aber es ist so. Uruha hat wirklich fast nichts gegessen, weil er sich ohne dich einsam gefühlt hatte und Angst hatte, dass du nie mehr wiederkommst. Da hatte er anscheinend gar keine Lust mehr auf sein Leben. Bitte... Kümmer dich um ihn und lass ihn jetzt nicht wieder alleine. Bitte."

Er ließ Kai los und ging zum Bett. Vorsichtig hob er den immer noch schlafenden Uruha hoch und legte ihn Kai in die Arme. Dann schaute er Kai tief in die Augen und lächelte leicht.

"Lass ihn nicht wieder alleine."
 

Mit geweiteten Augen schaute er Miyavi an und schluckte. Das hatte er jetzt nicht wirklich gehört oder? Seit wann hatte Miyavi eine solche Seite an sich? Oder war ihm diese noch nie aufgefallen?

Gut, er war ein liebenswerter und herzlicher Mensch, aber das hier war neu und ziemlich gewöhnungsbedürftig.

Dann wanderte sein Blick auf den schlafenden, jungen Mann in seinen Armen. Er seufzte. War wirklich er daran schuld, dass Uruha so schlecht aussah? War er der Grund dafür? Oder täuschte sich Miyavi da nicht einfach. Vielleicht hatte er das doch nur falsch interpretiert.

Wieder schaute er Miyavi an und schüttelte den Kopf, bevor er ihn wieder an den Größeren gab. "Es tut mir leid, aber ich kann nicht. Gomen nasai." Und schon wandte er sich wieder ab.
 

Wenn Miyavi Uruha jetzt nicht im Arm gehabt hätte, dann hätte er sich jetzt die Haare gerauft. Wie blöd konnte ein einzelner Mensch denn sein? Anscheinend hatte Kai sein Hirn irgendwo verloren. So dumm war der doch sonst auch nicht. Aber Anscheinend hatte er wirklich irgendwie gerade einen Dachschaden. Also nochmal von vorne. Er übergab Uruha wieder an den anderen und wunderte sich langsam, dass der nicht aufwachte. Lag anscheinend an den hohen Medikamenten. Dann sah er Kai böse an.

"Nun hör mir nochmal ganz genau zu! Uruha hat dich verdammt lieb und kann ohne dich nicht mehr! Du bist der Einzige, den er hat, verdammt nochmal! Du bist die einzige Person, zu der er einen Draht hat, einen ganz besonderen sogar! Er will dich nicht verlieren! Also hör endlich auf und lass ihn nicht immer alleine! Du bist ziemlich feige, Uke Yutaka!"

So sauer war Miyavi noch nie gewesen. Normalerweise lächelte er wie Kai immer, aber jetzt sprühten seine Augen Funken. Er war stocksauer.
 

Und wieder hatte er den anderen im Arm. Verdammt nochmal. Begriff Miyavi denn gar nichts? Er wollte ihn einfach nicht noch einmal so sauer erleben. Uruha war doch der gewesen, der ihn weggeschickt hatte. Er wollte ihn doch nicht mehr wiedersehen. Das waren die Worte, die sich so sehr in sein Gedächtnis gebrannt hatten, dass er es war, der wirklich wegging. Er wollte diese schmerzhaften Worte nicht noch einmal hören. Nie mehr.

Auch Miyavis zornige Mimik und seine funkelnden Augen konnten daran nichts ändern. Uruha hatte ihn weggeschickt und nicht er ihn.

Und schon legte er ihn wieder in Miyavis Arme und nun rannen Tränen über seine Wangen. Heftig schüttelte er den Kopf. "Das ist überhaupt nicht wahr. Er hat mich doch weggeschickt und hat gesagt, dass er mich nicht mehr sehen will!" Seine Stimme bebte und seine Hände ballten sich zu Fäusten. Doch er wollte hier nicht länger bleiben und so rannte er raus und verschwand Tür knallend in seinem Zimmer. Von innen lehnte er sich gegen die Tür und drehte den Schlüssel im Schloss. Langsam rutschte er an dem Holz nach unten. Noch immer liefen ihm die Tränen.

"Miyavi du Arsch...", fluchte er.
 

Miyavis Augenbraue zuckte. Ein deutliches Zeichen dafür, wie unglaublich sauer er gerade auf Kai war. Das gab´s doch wohl nicht! Wie verstockt und verbohrt war der Kerl eigentlich? So kannte er ihn gar nicht. Normalerweise war Kai eher der offene Typ. Nicht derjenige, der andere ausschloss. Das war nicht Kais Art. Seufzend blickte er auf die schlafende, zierliche Gestalt in seinen Armen und biss sich auf die Unterlippe.

"Du tust mir so leid... Aber... Ich kann nicht anders, Uruha. Da musst du jetzt durch und ich gebe nicht auf, bis Kai endlich seinen Fehler einsieht."

Und so tapste er auf leisen Sohlen zu Kais Zimmertür und legte Uruha davor. Dann klopfte er bei Kai an und sagte deutlich zu ihm:

"Sie haben ein Paket erhalten und das wird so lange da liegenbleiben, bis Sie es abholen. Rückgabe ausgeschlossen."

Und schon verschwand er im Gästezimmer und schloss sich ein, damit Kai auch nicht auf die Idee kam, Uruha zurückzubringen.
 

Erschrocken fuhr er zusammen, als er Miyavis Stimme hinter der Tür vernahm und aufhorchte, was er da sagte. Er zog die Stirn kraus und wischte sich mit dem Saum seines Shirts die Tränen aus dem Gesicht. Was hatte Miyavi gesagt? Ein Paket? War der noch ganz dicht? Wo sollte denn jetzt bitte schön ein Paket herkommen? Der Kerl wollte ihn doch sicher nur verarschen.

Mit finsterer Miene erhob er sich und rückte seine Kleidung zurecht, dann schloss er die Tür wieder auf und öffnete sie mit einem Ruck. Er wollte gerade auf den Größeren losgehen und ihn zusammenstauchen, als er plötzlich stutzte und vor sich auf dem Boden Uruha liegen sah.

Kami-sama! War Miyavi jetzt völlig bekloppt? Was sollte das denn werden? War er schon so kaltblütig und ließ einen kranken, schlafenden Menschen auf dem Boden liegen, nur damit er in einem warmen, weichen Bett schlafen konnte?

Na warte. Das würde er gleich noch zu spüren bekommen. Aber vorher musste er sich um den Schlafenden kümmern. Vorsichtig schob er die Arme unter den schmalen Körper und hob ihn an. Langsam tapste er zu seinem eigenen Bett und legte Uruha dort hinein. Schnell noch deckte er ihn zu und wollte sich gerade auf den Weg machen, als ihn etwas am Shirt einfach festhielt.
 

Uruha hatte die ganze Zeit über nichts davon mitbekommen, wie er hin und her gereicht wurde und sich die beiden Menschen, die ihm schon sehr wichtig geworden waren, anschnauzten. Auch, dass es dabei um ihn ging, hatte er nicht mitbekommen. Er schlief einfach nur seelenruhig und sah dabei so friedlich aus wie schon lange nicht mehr.

Als er jedoch von Miyavi auf dem kalten, harten Boden abgelegt wurde, wurde er so langsam wach. Was war das denn? Bis eben noch war alles kuschelig warm gewesen und nun? Nun war überall nur noch eisige Kälte. Dann jedoch wurde er wieder angehoben und auf etwas Weichem abgelegt. Das war doch gleich viel besser. Aber so langsam wollte er auch mal wissen, was hier eigentlich los war und so öffnete er seine Augen einen Spalt breit und sah direkt zu Kai, welcher sich gerade umdrehte. So schnell er konnte, packte er den Saum seines Shirts fest und hielt Kai davon ab, aus dem Zimmer zu gehen. Mit großen, bittenden Kulleraugen sah er ihn an.

"Onegai... Bleib hier...", er war immer noch so furchtbar müde.
 

Verdutzt drehte er sich um und sah direkt in Uruhas bernsteinfarbene Augen, die ihn so merkwürdig ansahen. Was war denn nun los? Bis eben hatte er doch noch geschlafen und noch nicht einmal mitbekommen, wie sie sich gegenseitig angeschnauzt hatten und ihn sogar rumreichten, als wäre er ein Stück Vieh. Und jetzt legte er ihn in sein Bett und er wurde wach? Was bitte schön war das denn für ein Mensch?

Kopfschüttelnd wandte er sich wieder ab. "Lass mich bitte los.", bat er. Allerdings klang seine Stimme noch ziemlich harsch, so dass sie doch etwas härter im Ton war, als er wollte. Uruha konnte ja eigentlich nichts dafür, dass er jetzt so sauer war. "Bitte, Uruha...", forderte er abermals, als der andere ihn noch immer nicht losließ.

Er wollte jetzt Miyavi mal ordentlich den Kopf waschen. Das hatte er mehr als verdient.
 

Durch Kais harschen, bitteren Ton zuckte er zusammen und ließ Kai dann doch schließlich los. Dass er noch wütende auf ihn wurde, wollte er natürlich nicht. Aber... Er verstand nicht. Was hatte er denn jetzt schon wieder gemacht? Was machte er überhaupt hier? Hatte Miyavi ihn etwa direkt zu Kai gebracht?

"Gomen nasai... Ich... Gomen...", wisperte er verstört und verbarg das Gesicht hinter den Händen.

Er krümmte sich leicht zusammen und schluchzte. Wieso war Kai denn jetzt so zu ihm? Er hatte eigentlich allen Grund, auf Kai sauer zu sein, nicht anders herum.

"Gomen..."
 

Doch das bekam er schon gar nicht mehr mit, denn er stand schon vor der Tür des Gästezimmers und hämmerte wie wild gegen das Holz. "Miyavi, du Baka! Mach dir Tür auf, damit ich dich mal zusammenstauchen kann! Was fällt dir ein, Uruha einfach auf den kalten Boden zu legen?!", fauchte er. "Du bist so ein verdammtes Arschloch! Bist du schon so egoistisch geworden und nutzt es aus, dass ein Kranker sich nicht wehren kann, nur damit du ein warmes Bett unterm Hintern hast?!"

Und wieder hämmerte er wie wild dagegen. Doch Miyavi saß grinsend auf dem Bett und schaute gemütlich fern. Es interessierte ihn nicht, dass Kai ihn gerade mit sämtlichen Schimpfwörtern bombardierte und ihm sogar halbe Morddrohungen an den Kopf warf. Sollte er doch machen, was er wollte. Er würde ihn eh nicht rein lassen.

Kai konnte von Glück reden, dass seine Mutter und sein Vater einen ziemlich festen Schlaf hatten, wenn sie denn schon wieder von der Geburtstagsfeier eines Bekannten zurück waren. Er war ziemlich laut und irgendwie schien auch die Tür bald nicht mehr mitzumachen. Doch irgendwann ging auch ihm die Puste aus und er ging vor der Tür auf die Knie und keuchte doch ein wenig. Seine Arme schmerzten fürchterlich.
 

Miyavi grinste. Mein Gott, er hatte gar nicht gewusst, dass Kai so ein lautes Organ haben konnte. War ja mal eine ganz neue Seite an ihm, die er noch gar nicht kannte. Oder vielleicht auch nicht kennen wollte. Kai konnte richtig bissig werden, wenn er mal sauer war. Das merkte er jetzt wirklich überdeutlich und hoffte, dass Kai es nicht schaffte, die Tür einzuschlagen. Aber das traute er ihm nun doch nicht zu.

Als es endlich aufhörte, an der Tür zu donnern, holte er tief Luft und rief zu ihm hinaus:

"Halt die Klappe, Kai! Geh du mal lieber zu ihm und kümmer dich um ihn! Das hattest du ihm versprochen, also halt dich auch dran, anstatt mich jetzt anzupflaumen! Geh zu ihm!"

Uruha lag derweil schluchzend in Kais Bett und drückte sich die Hand auf den Mund, während laute Schluchzer seine Lippen verließen. Sein gesamter Körper bebte und er hatte Mühe, normal Luft zu bekommen. Ihm ging es gerade gar nicht gut. Kai hasste ihn anscheinend. Ansonsten hätte er ihn nicht so angepflaumt. Also stand er zitternd auf und tapste aus dem Zimmer hinaus. Er wollte weg. Einfach nur weg. Er wankte an Kai vorbei, ohne ihn richtig zu bemerken und trat aus dem Haus. Ein eisig kalter Wind blies ihm um die Nase und er zitterte stark. Dann ging er die Auffahrt hinunter. Es war dunkel draußen. Aber er wollte einfach nur weg.
 

Erst bemerkte er nicht, dass jemand an ihm vorbeiging, doch als er hörte, wie die Tür aufging, wurde ihm bewusst, dass das nur Uruha sein konnte. Sofort sprang er auf und rannte ihm hinterher. Noch bevor Uruha gänzlich in der Dunkelheit verschwand, packte er ihn von hinten und schlang seine Arme um ihn. Er drückte ihn einfach an sich und hielt ihn fest. "Geh nicht weg...", flüsterte er in die Finsternis hinein.

Sein Herz klopfte und er hatte Angst, Uruha könnte es hören. Das wollte er nicht. Zum ersten Mal spürte er, wie hilflos er geworden war. Irgendwie war er einfach machtlos. Uruha hatte ihn irgendwie in einen Bann gezogen, aus dem er nicht mehr herauskam. Aber was war das?
 

Plötzlich wurde er einfach herumgedreht und an eine starke Brust gepresst. Verwirrt hörte er die wispernde Stimme, welche so verzweifelt klang und er hickste auf. Gott. Was sollte das denn nun heißen? Wollte Kai ihn etwa doch nicht wegschicken? Hasste er ihn etwa doch nicht? Wenn ja, dann ging gerade wirklich ein Traum für ihn in Erfüllung.

Schluchzend krallte er sich an Kai fest und spürte, wie seine Beine und sein gesamter Körper heftig zitterten.

"Kai... Lass mich nicht wieder alleine... Ich hab Angst ohne dich..."
 

Hastig schüttelte er den Kopf. "Iie... Ich lass dich nicht mehr alleine, aber..." Er schluckte. "Schick mich nicht wieder weg oder sag, dass du mich nie wiedersehen willst. Bitte." Er presste ihn so sehr an sich, dass er beinahe den Verstand verlor. Hatte es sich schon immer so angefühlt, wenn man einen Freund umarmte? Klopfte das Herz immer so stark, wenn man einem anderen Menschen, den man Freund nannte, so nah war? Wenn ja, dann hatte er noch nie Freunde gehabt, denn es war das erste Mal, dass es sich so anfühlte. Und es war nicht unbedingt unangenehm. "Ich möchte dein Freund sein und werde immer für dich da sein. Immer...", hauchte er ihm ins Ohr.
 

In seinem Bauch kribbelte es wie von Millionen von Ameisen und als Kai ihm so süß ins Ohr hauchte, dass er sein Freund sein und immer für ihn da sein wollte. Das war so... so wunderschön, dass es ihm noch mehr Tränen in die Augen trieb und ihn laut aufschluchzen ließ.

Er spürte Kais starke Arme um sich und fühlte sich so geborgen wie schon lange nicht mehr. Kai gab ihm den Halt, den er so sehnsüchtig brauchte und wenn er bei ihm war, fühlte er sich einfach gut. Fast schon zu gut. Vorsichtig nahm er Kais Gesicht in seine Hände und hauchte ihm einen zarten Kuss auf die Wange, ganz in der Nähe des Mundwinkels.

"Ich hab dich lieb..."
 

Kai war ziemlich verwirrt und seine Wangen färbten sich wie von selbst leicht rot. Nur gut, dass es dunkel war und Uruha das nicht sehen konnte. Das wäre doch viel zu peinlich gewesen. Nicht, dass er noch denken würde, er wäre in ihn verliebt. Sie waren doch einfach nur Freunde. Richtige Freunde.

Dann lächelte er ihn wieder an. "Hai, ich dich doch auch.", meinte er und wuschelte ihm durchs Haar. Liebevoll nahm er seine Hand und zog ihn wieder mit sich. "Komm, es ist kalt und wir sollten lieber wieder reingehen. Eine Erkältung kannst du jetzt wirklich nicht gebrauchen." Und schon standen sie im Flur des Hauses und Kai schloss hinter ihnen die Tür. Seufzend lehnte er sich von innen dagegen und schaute nach oben zu der Tür, hinter der jetzt Miyavi war. Wieder kochte Wut in ihm hoch. Das würde er schon noch bereuen. Und zwar nicht zu knapp. Kais Rache war dem anderen sicher.
 

Er schenkte ihm ein zartes Lächeln und ging bereitwillig hinter ihm her. Jetzt fühlte er sich schon nicht mehr so alleine und verlassen. Kai war ja da und der hatte ihm versprochen, dass er ihn jetzt wirklich nie mehr alleine lassen würde. Sie beide waren Freunde und Uruha hoffte, dass daraus vielleicht noch ein wenig mehr werden würde. Auch, wenn das vielleicht nur reines Wunschdenken war und Träume Schäume waren. Er wünschte es sich einfach.

Sie kamen in Kais Schlafzimmer an und Uruha klappte seinen Koffer auf und holte daraus einen kurzen, schönen, violetten Pyjama heraus und lächelte Kai an.

"Danke nochmal für die schönen Sachen."
 

Verlegen kratzte er sich am Hinterkopf und lächelte. "Ano... ich dachte mir nur, dass du ja eh neue Sachen brauchst, wenn wir verreisen wollen und eben auch so. Und da bot sich das einfach an. Ich... ich hoffe, du magst das Lila. Mir is nix anderes eingefallen und die Farbe steht dir einfach." Das war wirklich der Grund dafür. Okay, nicht der Einzige. Der Hauptgrund war eigentlich, dass er Uruhas Augen noch einmal so strahlen sehen wollte wie beim ersten Mal, als sie zusammen unterwegs gewesen waren.
 

"Du bist echt so lieb. Danke. Die Sachen sind wirklich toll. Aber das nächste Mal sucht bitte nicht Sachen ohne mich aus, okay? Miyavi wollte mir echt pinke Sachen andrehen. Ne, danke."

Er grinste leicht und kratzte sich am Hinterkopf. Dann jedoch war er diesmal derjenige, der sich vor Kai entblößte und sich bis auf die Unterwäsche auszog. Nur noch in Boxern bekleidet stand er nun vor Kai und hielt sich zwei verschiedene Pyjamas an den Körper.

"Welchen findest du besser?"
 

Ein bisschen verlegen wurde er schon, wie der andere sich mit einem Mal bis auf die Unterhose vor ihm auszog und ihn dann noch fragte, welchen er besser fand. "Ano... eigentlich völlig egal. Im Bett sieht das ja eh keiner.", grinste er. "Such dir ruhig was aus, aber..." Und nun trat er ganz nah an ihn ran. "Du darfst nur hier bleiben, wenn du ab jetzt auch vernünftig isst. Ich will nicht, dass du hier noch vom Fleisch fällst. Das möchte ich wirklich nicht." Leicht zwickte er ihm in die Seite. "Versprochen?", forderte er. Wenn er schon ein Versprechen gab, dann Uruha bitte auch. Und er würde sicher ganz genau auf die Einhaltung dessen aufpassen. Ganz sicher.
 

Uruha wurde leicht rot, als Kai ihm plötzlich so nahe war und hielt den Atem an, als er ihn direkt ansah. Jetzt konnte er Kais Schokoaugen mal von ganz nahem sehen. Dieser Kerl brauchte einen Waffenschein dafür. Das war ja nicht mehr normal. Diese Augen waren so wunderschön. Er fiepte leise auf, als Kai ihn in die Seite zwickte und sah ihn schmollend an.

"Hai, Mami. Mach ich. Keine Sorgen."

Er grinste zuckersüß und machte sich nun daran, den violetten Schlafanzug anzuziehen. Als er ihn anhatte, krabbelte er sofort unter Kais Bettdecke und schaute ihn an.

"Ich verspreche dir hoch und heilig, dass ich mehr esse! Versprochen!"
 

Zum ersten Mal in den letzten Tagen lächelte er wieder von ganzem Herzen. Es hatte ihm die ganze Zeit etwas gefehlt. Seit er hier war, fühlte er sich nicht wohl und mit einem Schlag war es anders. Lag das an Uruha? Lag es wirklich nur daran, dass er nicht dagewesen war? Oder was war es?

Na auch egal. Jetzt würden sie erst einmal schlafen gehen. Und so zog er sich das Shirt und die Hose aus und griff nach seinem Shirt, das er immer zum Schlafen anzog. Er roch kurz daran und rümpfte die Nase. Okay, er sollte wohl doch lieber ein anderes raussuchen. Und so tapste er mit freiem Oberkörper zu seinem Schrank und wühlte erst einmal nach dem passenden Teil zum Schlafen.
 

Er beobachtete Kai, wie er an seinem Shirt roch und das Gesicht verzog. Ein Grinsen stahl sich auf seine Lippen. Da musste wohl mal was gewaschen werden. Er sah, wie Kai sich richtig anzog und sich dann neben ihn ins Bett kuschelte. Uruha überlegte, was er nun machen sollte. Durfte er sich vielleicht an Kai kuscheln? Oder war das vielleicht sogar schon zu viel verlangt?

Ach, egal. Schüchtern kuschelte er sich in Kais Arme und legte den Kopf auf dessen Arm ab. Dann sah er ihm in die Augen und lächelte.

"Kuscheln?", fragte er leise und versuchte, ihm sein schönstes Uruha-Lächeln zu schenken. "Ich hab dich so vermisst..."
 

Zufrieden sank er in die weichen Kissen und spürte schon, wie Uruha seinen Kopf auf seinem Arm bettete. Es war so, als wäre es das Normalste auf der Welt mit einem Freund so im Bett zu liegen und einzuschlafen. Aber zu seinem Erstaunen störte ihn das nicht im Geringsten. Es fühlte sich gut an und er erwiderte das süße Lächeln Uruhas mit einem ebenso süßen.

"Hai, ich auch." Und schon hauchte er ihm einen Kuss auf die Stirn und schloss die Augen. "Oyasumi nasai, Ruha-chan.", säuselte er und drückte ihn noch etwas mehr an sich. Diese Nähe war irgendwie schön und so verdammt beruhigend, dass er binnen Sekunden schon ins Reich der Träume abdriftete und nur sein ruhiger, leiser Atem noch zu hören war.
 

Uruha wurde leicht rot, als er den süßen Kuss auf die Stirn bekam und fing sogar leise an zu schnurren. In Kais Armen fühlte er sich so geborgen wie schon lange nicht mehr und er nahm sich fest vor, Kai nicht mehr wieder einfach so gehen zu lassen. Er wusste, dass er überreagiert hatte und das würde ihm jetzt nicht nochmal passieren. Ganz sicher nicht. Kai war im Moment der wichtigste Mensch in seinem Leben und den wollte er nicht vermissen müssen. Nie mehr.

Schon nach kurzer Zeit schlief der vollkommen übermüdete Uruha schon wie ein Stein und wachte bis zum nächsten Morgen auch nicht mehr auf.
 

Der Einzige, der auch noch Stunden später wach war, war Miyavi. Er hatte sich einfach mal vor den Fernseher gesetzt und zappte noch immer fröhlich und putzmunter durch die Kanäle. Es musste so gegen drei Uhr gewesen sein, wo er sich dann doch mal erhob und zur Tür ging. Leise schloss er sie auf und schaute über den dunklen Flur. Alles war still. Ob die beiden denn auch schon schliefen?

Das wollte er testen und auch sicher gehen, dass die Streithähne sich wieder vertragen hatten.

Ganz leise schlich er durch den Flur und blieb vor Kais Zimmertür stehen. Vorsichtig drückte er die Klinke hinunter und betrat den Raum. Auch hier herrschte absolute Stille. Nur der leise Atem der beiden war zu hören. Langsam kam er näher und musste grinsen. Das fahle Licht von draußen ermöglichte es ihm, dass er die beiden auch in dieser Finsternis erkennen konnte.

Beide lagen eng aneinander gekuschelt in Kais Bett und schliefen selig. Das war ein wirklich schönes Bild, musste er feststellen. Und damit er das nicht durch einen blöden Zufall zerstörte, machte er sich ganz schnell auf den Weg zurück in das Zimmer, aus dem er gekommen war und schlüpfte unter die Decke. Mit einem breiten und ziemlich zufriedenen Grinsen schlief er dann auch irgendwann ein.
 

Von Miyavis nächtlichen Ausflügen durch das Haus und in ihr Zimmer bekamen die beiden Schmusekätzchen gar nichts mit. Uruhas Kopf lag mittlerweile auf Kais Brust, während er seine Arme um ihn geschlungen hatte und Kais Hand lag auf Uruhas Hüfte. Die Decke lag halb auf Uruha, halb auf dem Boden, doch trotzdem wachten beide nicht auf.

Früh am Morgen war Kais Mutter schon auf den Beinen. Ihr Mann schlief noch schnarchend im Bett, aber sie wollte ihrem Sohn etwas Gutes tun und ihm Frühstück ans Bett bringen und ihn so etwas aufmuntern. Der Junge war die ganze Zeit über so traurig gewesen. Also ging sie in die Küche, machte einige Leckereien zurecht, stellte diese auf ein Tablett und balancierte es zu Kais Zimmer. Umständlich drückte sie die Klinke herunter und öffnete die Tür. Dann stellte sie das Licht im Zimmer an und drehte sich herum. Da sah sie, dass ihr Sohn mit irgendeinem fremden Jungen im Bett lag und friedlich schlief. Sie stieß vor Schreck einen spitzen Schrei aus und ließ das Tablett fallen, von welchem der Inhalt auf den Boden purzelte.

"Yutaka! Was macht dieser Mann in deinem Bett?!"
 

Erschrocken zuckte er zusammen, als es erst polterte und dann auch noch ein spitzer Schrei durch sein Zimmer hallte. Müde rieb er sich die Augen und setzte sich auf. Erst rieb er sich den Schlaf aus den Augen und dann fuhr er sich mit beiden Händen durch das schwarze ziemlich zerwuschelte Haar. Mit halbgeschlossenen Augen schaute er seine Mutter an.

"Ohayou, Okaa-san.", begrüßte er sie und grinste dann breit. Plötzlich musste er gähnen und rieb sich erneut die Augen.

"Darf ich vorstellen, Okaa-san. Das ist Uruha. Er ist der neue Gitarrist in der Band von Ruki, Reita und mir. Du weißt schon." Mehr sagte er nicht dazu. Mehr brauchte sie auch vorerst nicht zu wissen. "Und weil Miyavi das Gästezimmer blockiert, hat er eben in meinem Bett mit geschlafen. Das Sofa is viel zu unbequem."
 

"Aber... Aber...", stammelte sie. "Was macht er denn hier? Kai... Der war doch gestern Abend noch nicht da. Wie ist er denn hierhergekommen, bitteschön? Und was hat Miyavi hier zu suchen, huh? Ich verlange eine Erklärung!"

Sie stemmte die Hände in die Hüften und schaute ihren Sohn grimmig an. Uruha richtete sich nun auch total verschlafen auf und rieb sich die Augen. Als er Kais Mutter sah, erschrak er kurz, dann stand er jedoch auf und verbeugte sich artig vor ihr.

"Ohayou, Uke-San. Ich bin Uruha. Ich... Bin ein Freund von Yutaka..."

Die Frau sah ihn überrascht an, musterte ihn und Uruha fiepte erschrocken auf, als sie ihn plötzlich an der Hüfte fasste und abtastete. Verdattert blickte er sie an. Die Frau sah entsetzt aus und fragte ihn:

"Wie lange hast du denn schon nichts mehr gegessen? Na komm, ich mach dir schnell was!"

Und schon wurde Uruha aus dem Zimmer gezerrt und in die Küche manövriert. Kai ließen sie einfach stehen.
 

Verdattert schaute er ihnen hinterher. Hatten sie ihn eben eiskalt hier stehen lassen? Ihn vollkommen vergessen?

Hallo?! War das nicht seine Mutter? Oder hatte er jetzt irgendwas verpasst?

Scheinbar, denn seine Mutter machte keine Anstalten, auch ihn mit sich zu zerren. Na ja, dann konnte er es sich ja nochmal gemütlich machen und schlüpfte wieder unter die warme Decke. Er wusste ja, dass dem anderen nichts passieren würde, wenn sie ihn nur durchfüttern wollte. Und den Anschein erweckte sie gerade.

Dass auf dem Boden noch die ganzen Scherben lagen, störte ihn nicht. Das konnte er ja nachher immer noch wegräumen.

"Oyasumi...", murmelt er zu sich selbst und kuschelte sich wieder tief in die Decke, um dann friedlich in einen erneuten Schlaf zu versinken.
 

Uruha jedoch wurde weiter mit gezerrt, bis er schließlich mit Kais Mutter in der Küche angelangt war. Dort wurde er auf einen Stuhl gedrückt und ihm wurde befohlen, sich nicht mehr zu rühren, bis er aufgegessen hatte. Kais Mutter zauberte ein wundervolles, ausgewogenes Frühstück auf den Tisch und setzte sich dann neben ihn, um ihn genau zu beobachten und aufzupassen, dass er nicht weglief. Das hatte Uruha aber auch gar nicht vor. Viel zu erschrocken war er darüber, dass ihn eine wildfremde Frau einfach so angefasst hatte. War das normal in dieser Familie? Hatten die alle kein Schamgefühl?

"Du bist also Uruha, ja? Du bist der Gitarrist von meinem Sohn?"

Uruha nickte leicht.
 

"Dann erzähl mal, was dich dazu gebracht hat, bei dieser Chaotentruppe mitzumachen? Is doch bestimmt nicht leicht mit den Jungs.", lächelte sie und schaute dabei zu, wie Uruha sich langsam an das Essen heranwagte. "Keine Angst. Das kannst du alles essen. Dir nimmt keiner was weg. Yu-chan kann sich nachher selbst was machen. Der weiß ja, wie das geht."

Sie wandte nicht ein einziges Mal den Blick von dem jungen Mann, der vor ihr saß und wartete gespannt auf eine Antwort. Sie wollte schon gerne wissen, woher sich die beiden denn kannten. Kai war zwar ein kontaktfreudiger Mensch und ziemlich umgänglich, aber so einen hübschen jungen Mann hatte er bisher noch nie mitgebracht.
 

Uruha geriet langsam ins Schwitzen. Was sollte er denn jetzt sagen? Dass Kai ihn von der Straße aufgegabelt hatte und dass das eigentlich eine komplette Lüge war? Also, dass er eigentlich gar nicht der Gitarrist der Band war, musste sie ja nicht wissen. Da konnte er mogeln. Aber dass er von der Straße kam... Uruha kam ein Gedanke. Gar keine schlechte Idee...

"Ano... Eigentlich hab ich immer draußen auf der Straße mit meinem Vater Gitarre gespielt, um die Leute ein bisschen zu unterhalten. Und dann kam Kai eines Tages vorbei und hat gemeint, dass er mich so gut findet, dass er mich in seine Band aufnehmen will. Joar und da hab ich natürlich nicht nein gesagt.", er grinste leicht.

Hoffentlich war das jetzt nicht zu weit hergeholt.
 

Etwas irritiert schaute sie ihn an und legte den Kopf schief. Irgendwie war das schon ungewöhnlich. So etwas machte ihr Sohn doch sonst nicht? Ein bisschen skeptisch war sie schon, was das anbelangte. Aber was sollte sie denn sonst hören wollen? Irgendwann würden sie schon mit der Sprache rausrücken und Uruha schien doch ein ganz netter Kerl zu sein. Jedenfalls machte er den Eindruck.

"Aha... Bist du deshalb so dünn? Das ist nicht gesund, mein Junge. Da müssen wir aber mal was unternehmen." Nun richtete sie sich auf und stemmte sich mit den Händen von der Tischplatte ab. "Du bleibst jetzt solange hier, bis Yu-chan wieder fährt. Dann kann ich wenigstens sicher sein, dass du vernünftig isst. So lass ich Freunde von meinem Sohn nicht wieder aus dem Haus.", verkündete sie ihm.

Da kam auch schon ein völlig verpennter Kai auf nackten Füßen in die Küche und rieb sich die Augen. "Warum machst du hier so einen Lärm, Okaa-san? Du weckst noch die gesamte Nachbarschaft."
 

Uruha seufzte erleichtert. Sie hatte es geschluckt. Gott sei Dank. Was, wenn sie es ihm nicht geglaubt hätte? Nicht auszudenken... Er wollte nicht, dass sie ihn auch noch für einen Obdachlosen hielt, wie Ruki es schon anfangs getan hatte. Er wollte ganz normal behandelt werden.

"Ano... Meine ganze Familie ist so dünn, ich glaube nicht, dass sich da so viel machen lässt.", schwindelte er und kratzte sich verlegen am Hinterkopf. "Aber das ist trotzdem sehr liebenswürdig von Ihnen. Arigatou."

Da kam auch schon ein total müder Kai in die Küche und sah beide fragend an. Uruha seufzte. Hoffentlich würden sie sich jetzt nicht verplappern.
 

"Yu-chan!", begrüßte sie ihn nun etwas freundlicher und umarmte ihn auch so gleich. "Ich wusste gar nicht, dass du auch schon Musiker auf der Straße ansprichst. Du willst wohl wirklich endlich eine richtige Band zusammenstellen, was?"

Verwirrt sah er seine Mutter an und dann an ihr vorbei zu Uruha. Dieser hatte den Kopf gesenkt und stocherte in seinem Frühstück herum, das vor ihm stand.

"Ano..." Hoffentlich bekam er jetzt die Kurve. "Na ja, Uruha kann halt einfach verdammt toll Gitarre spielen. Glaubst du echt, den würde ich mir durch die Lappen gehen lassen?", grinste er und hoffte, dass er jetzt nichts Falsches gesagt hatte. Vielleicht hätten sie sich vorher doch lieber absprechen sollen. Dann wäre eine solche Situation vermutlich gar nicht erst entstanden.
 

Uruha hielt den Kopf gesenkt und stocherte nervös in seinem Essen herum. Wenn das jetzt schiefgehen würde, dann würde er jetzt wohl wirklich seine Koffer packen und abreisen müssen. Er wollte nicht, dass ihn irgendjemand für einen obdachlosen Penner hielt. Nein. Da würde er lieber freiwillig gehen. Das wäre wirklich zu peinlich. Aber Kai schien ja die Kurve gekriegt zu haben, denn er klang sehr überzeugend und grinste dabei noch sein typisches Lächeln. Super. Klappte doch fantastisch.

Zusammen mit Kai aß er das viele Essen auf, dann räumte Kais Mutter ab und Uruha und Kai standen auf. Uruha sah seinen neuen Freund fragend an.

"Ano... Was machen wir jetzt? Eine Idee?"
 

In einem Moment, in dem seine Mutter sie nicht beobachtete, beugte er sich zu ihm rüber und flüsterte ihm leise ein paar Worte ins Ohr. "Da haben wir echt Schwein gehabt, Ru-chan." Dann grinste er und half seiner Mutter dabei, den Geschirrspüler einzuräumen. Als das getan war, lehnte er lasziv mit dem Rücken gegen die Arbeitsfläche und stemmte sich mit seinen kräftigen Armen daran ab. Ein sanftes Lächeln umspielte seine Lippen.

Doch sogleich verschwand es wieder, als eine Person den Raum betrat, die noch gehörig den Marsch geblasen bekommen würde. Miyavi stand mit freiem Oberkörper in seiner Küche und gähnte ausgelassen mit einem verdammt breiten Grinsen im Gesicht. Sofort verfinsterte sich Kais Miene.

"Du~!“, knurrte er auch sogleich.

Forgotten

Verdattert stand Uruha nun zwischen den Fronten. Kai rechts, der an der Theke lehnte und wütende Blitze aus seinen Augen auf Miyavi abschoss und Miyavi links, der ihn einfach nur angrinste und dann auf Uruha zukam. Er schloss ihn in seine langen Arme und drückte den Kleineren an sich. Vorsichtig streichelte er ihm über den Kopf und grinste dann wieder zu Kai hinüber.

"Ja, ich. Was hast du denn, Kai-Chan? Ich hoffe doch, du hast schön mit dem Kleinen gekuschelt in deinem Bettchen. Sah jedenfalls die Nacht ganz danach aus. Ihr seid süß."

Uruha wurde knallrot. Was sollte das denn jetzt?
 

Man konnte förmlich sehen, wie über Kais Kopf die Wut verpuffte und er knallrot anlief. Das durfte doch wohl nicht wahr sein.

Und schon war seine ganze Wut wieder da und er kam direkt auf den Größeren zu und packte ihn wutschnaubend an den Schultern und drängte ihn gegen die nächstbeste Wand. Kai war selten wütend, aber dieses Mal war es unglaublich und seine Augen waren fast komplett schwarz.

"Du bist so ein verdammtes Arsch!", zischte er. "Warum hast du ihn einfach auf den kalten Boden liegen lassen?! War es dir so wichtig, nen warmes Bett unterm Arsch zu haben, dass du ihn dafür sogar auf dem Boden schlafen lässt?!"
 

Uruha verstand hier gerade einfach nur noch Bahnhof. Wie bitte? Miyavi hatte ihn auf dem Boden abgelegt? Einfach so? Während er geschlafen hatte? Uruha blies seine Wangen auf und verschränkte die Arme vor der Brust. Das war ja gemein. Er war doch krank, da konnte ihn Miyavi doch nicht einfach so auf dem kalten Boden liegen lassen.

Miyavi hob abwehrend die Hände und grinste Kai an.

"Mach mal nicht so einen Wind. Okay? Das hab ich nur gut gemeint. Wie hätte ich denn sonst anstellen sollen, dass Ruha bei dir im Bett schlafen kann? Das hab ich extra gemacht...", er seufzte. "Lass mich los."
 

"Und das soll ich dir jetzt abkaufen, oder was?!", fauchte er abermals und ließ nicht von dem anderen ab. Dem sollte man mal ordentlich die Leviten lesen. Und er dachte immer, Miyavi wäre sein Freund. Scheinbar war er manchmal einfach nur ein Baka schlechthin.

"Wer´s glaubt, wird selig, du Hirni! Bist du dir im Klaren, was passiert wäre, wenn ich ihn nicht gefunden hätte? Oder wenn ich die Tür aufgemacht hätte und auf ihn getreten wäre?!" Er war mächtig sauer. Stocksauer und irgendwie realisierte er gar nicht, dass sowohl Uruha als auch seine Mutter mit im Raum standen.

"Dir ist doch manchmal echt egal, was aus anderen wird oder?!", zischte er. Dann ließ er von ihm ab und verschwand aus der Hintertür in den Garten.
 

"Hör auf, mich so anzumeckern. Ich hätte schon nach Ruha gesehen und nachgeguckt, ob er da immer noch liegt. Wenn ich gesehen hätte, dass er da noch liegt, hätte ich ihn schon wieder mit ins Zimmer genommen. Keine Bange. Ich lass dich doch nicht auf Ruha treten. Wo gibt´s denn sowas?", er grummelte leicht. "Ich hab´s nur gut gemeint."

Doch Kai verschwand schon wutschnaubend im Garten und Ruha warf Miyavi nur noch einen bösen Blick zu, ehe er Kai hinterherrannte und ihn schließlich einholte.

"Hey... Alles okay? Miyavi hat sich doch entschuldigt..."
 

Die Hand, die ihn vorsichtig am Arm packte, stieß er einfach weg. Er war einfach nur sauer. Aber zu spät bemerkte er, dass es Uruha war, der ihn versuchte, aufzuhalten.

"Gomen...", entschuldigte er sich sofort und ließ sich einfach ins Gras fallen. Irgendwie war das doch unfair Uruha gegenüber. Er war doch sauer auf Miyavi und nicht auf Uruha.

Sanft packte er ihn am Arm und zog ihn zu sich runter ins weiche Gras. "Tut mir leid, Ru-chan. Aber Miyavi hat mich echt wütend gemacht mit dieser dämlichen Aktion. Ich hab mir die ganze Zeit Sorgen um dich gemacht und was tut er? Legt dich auf den kalten Boden und verschwindet im Zimmer." Er seufzte. "Es macht mich traurig, wenn man dir so etwas antut."
 

"Aber es ist mir doch nichts passiert. Noch kranker als jetzt schon kann ich ja ohnehin nicht werden. Miyavi hat das sicherlich nicht böse gemeint. Wirklich nicht. Ich will nicht, dass ihr euch wegen mir streitet. Ich hab euch beide lieb und ihr habt euch auch lieb. Also vertragt euch wieder, ja?"

Seufzend kuschelte er sich an Kais Seite und schloss die Augen. Die Sonne tat ihm sehr gut und strahlte sanft auf sie hinab. Er genoss die Wärme richtig.

"Ich freu mich so, dass ich hier sein darf..."
 

"Vielleicht hast du Recht.", seufzte er und machte sich lang. Die Arme verschränkte er hinter dem Kopf und schloss die Augen. Ja, hier war er verdammt gerne. Hier konnte er einfach mal abschalten und an nichts denken. Zumindest war es jetzt so. In den letzten Tagen konnte er einfach nicht entspannen. Immer wieder hatte er an Uruha gedacht und traurig überlegt, warum er ihn weggeschickt hatte und ihn nicht wiedersehen wollte. War er denn so ein schrecklicher Mensch, dass man ihn nicht um sich haben wollte? Oder woran lag es?

Er seufzte schwer. Manchmal wusste er einfach nicht weiter.

Dann drehte er den Kopf zur Seite und schaute Uruha ins Gesicht. "Du kannst hier so oft herkommen, wie du willst."
 

"Danke, Kai. Das bedeutet mir sehr, sehr viel. Vertrag dich bitte wieder mit ihm. Ich mag es nicht mit ansehen, wie sich so gute Freunde wie ihr es seid streiten. Das geht doch nicht. Ich bin es nicht wert, dass ihr euch zankt. Bitte, ja?"

Seufzend schloss er die Augen und schmiegte sich eng an Kai. Sie lagen nun nebeneinander im Gras und genossen die warmen Sonnenstrahlen. Es war still um sie herum. Uruha konnte nur die leisen Atemzüge Kais wahrnehmen.
 

"Ich weiß nicht." Und wieder seufzte er. "Dieses Mal ist er eindeutig zu weit gegangen. Auch wenn es ihm leid tut, dafür muss er sich mächtig ins Zeug legen, wenn ich ihm das verzeihen soll. So geht man einfach nicht mit Freunden um. Und das sollte er eigentlich wissen." Mehr sagte er nicht dazu, sondern schwieg lieber. Er wollte jetzt einfach das schöne Wetter genießen und sich nicht über seinen Freund Miyavi ärgern. Dafür war der Tag einfach zu schön, um für so etwas verschwendet zu werden.

"Was hältst du davon, wenn wir heute ans Meer gehen? Es ist wirklich nicht weit weg von hier.", schlug er vor. "Oder wollen wir einfach den Pool meiner Eltern missbrauchen?" Nun grinste er breit. Allerdings noch immer mit Blick in den Himmel.
 

Sofort war Uruha hellauf begeistert. Ans Meer wollte er unbedingt mal. Unbedingt! Er konnte sich ja nicht mehr erinnern, jemals an einem Strand gewesen zu sein und so kam es ihm vor wie das allererste Mal. Er nickte heftig und sah Kai begeistert an.

"Ja! Ich will zum Strand, okay? Da will ich unbedingt mal hin! Mit dir ins Wasser gehen und herumtoben!"

Er grinste ihn an wie ein Honigkuchenpferd und kuschelte sich an ihn.

"Gehen wir gleich los? Bitte!"
 

Boah! Na das war ja mal ein temperamentvoller Gefühlsausbruch. Kaum hatte er vom Meer gesprochen, wurde er auch schon regelrecht zu Boden gedrückt und scheinbar tausende Male darum gebeten, wirklich zum Meer zu gehen.

Vorsichtig drückte er ihn weg von sich und lächelte ihn an. Spontan wuschelte er ihm durchs Haar. "Können wir machen, wenn du willst. Aber vorher müssen wir dir noch ein paar Sachen raussuchen, damit du alles hast, was du brauchst."
 

Grinsend knuddelte er Kai eine Weile zu Boden, ehe er von ihm abließ und sofort begeistert aufstand. Er konnte es kaum noch erwarten, endlich ans Meer zu dürfen. Das war ja so aufregend. Ob es da wirklich Haie gab oder Quallen? Uruha wollte gerne mal eine Qualle sehen.

"Nun komm dann aber auch. Ich will los!"

Er packte Kai am Handgelenk und zog ihn mit sich. Voller Vorfreude zog er ihn mit sich ins Schlafzimmer und sah ihn an.

"So. Was brauchen wir alles?"
 

Kai kratzte sich am Hinterkopf. Nun stand er schon wieder in seinem Zimmer und wurde von Uruha regelrecht belagert. "Ano... Ne Badehose wäre vielleicht mal ein Anfang.", scherzte er und ging zu seinem Kleiderschrank, um sich auch sogleich seine herauszuholen. "Dann nehmen wir mal noch für jeden ein Handtuch mit und wir sollten die Sonnencreme nicht vergessen. Hier kannst du ganz schnell einen Sonnenbrand bekommen, wenn du nicht aufpasst.", belehrte er ihn.

Es dauerte auch wirklich nicht lange und sie hatten jeder eine kleine Tasche vollgepackt mit Sachen, die sie für ihren kleinen Ausflug benötigten.

Dann klopfte es leise an der Tür. "Darf ich auch mitkommen?", kam es kleinlaut. Stirnrunzelnd sah Kai auf. Miyavi stand wie ein getretener Hund in der Tür.
 

Uruha war ganz hibbelig und trat von einem Bein aufs andere, während Kai ihre kleine Tasche vollpackte. Hoffentlich vergaßen sie auch nichts. Er wollte richtig viel Spaß haben. Nach all der langen Zeit im Krankenhaus hatte er sich das ja eigentlich auch verdient.

Da stand plötzlich Miyavi vor der Tür und bat darum, mitkommen zu dürfen. Uruha hatte total vergessen, dass Kai und Miyavi sich gestritten hatten und hopste sofort auf den Größeren zu und strahlte ihn an.

"Klar, Miya! Wir gehen gleich zum Strand, ist das nicht toll?"
 

Etwas übergangen fühlte er sich schon, doch er konnte Uruha ja jetzt nicht einfach verklickern, dass er seinen Freund nicht dabeihaben wollte. Seufzend wandte er sich wieder der Tasche zu. Er sagte nichts zu Miyavis Bitte und ging schweigend an ihm vorbei. So leicht würde er es ihm dieses Mal nicht machen. Nein. Dieses Mal wirklich nicht. Miyavi hatte schon oft Mist gebaut und jedes Mal war es Kai, der ihm verzieh und sich wieder mit ihm vertragen wollte. Doch das hier war zu viel gewesen. Nein. Er würde ganz sicher nicht bei ihm ankommen.

"Dann lass uns los, Uruha." Miyavi schenkte er keinerlei Beachtung und der andere trottete ihnen mit gesenktem Kopf hinterher. Er schien zu wissen, dass er ziemlichen Bockmist gebaut hatte. Kai war sonst nie so lange sauer auf ihn gewesen.
 

Oh Mann. Die beiden waren solche Kleinkinder. Schrecklich. Konnten die sich denn nicht wie erwachsene Menschen benehmen und sich einfach vertragen? Wieso war Kai denn so lange sauer? Uruha hatte Miyavi doch auch längst verziehen und Kai hatte eigentlich keinen Grund, auf Miyavi böse zu sein. Also wirklich. Das war sehr kindisch von Kai.

Sie stiegen ins Auto und Kai fuhr los. Eigentlich war der Strand gar nicht so weit weg, dass man mit dem Auto fahren musste, aber da Uruha immer noch nicht richtig gesund war, nahmen sie lieber das Auto, damit er sich nicht überanstrengte. Uruha war ihnen dankbar.

Schließlich kamen sie am Strand an und Uruha rannte sofort hinaus und kniete sich in den Sand. Er ließ sich die feinen Körner durch die Finger rieseln und lachte auf.

"Das ist toll hier!"
 

Ein bisschen unheimlich kam ihm Uruhas Verhalten schon vor, aber das lag vielleicht auch daran, dass er sich an nichts erinnern konnte. Vielleicht würde es ihm aber auch helfen, wenn er rumkam. Dadurch könnten ja auch einige Erinnerungen zurückkehren. Wer wusste das schon?

"Hey, du wolltest ans Meer und dich nicht im Dreck suhlen!", rief er ihm nach und lachte. Dann stand er neben Uruha und zog ihn wieder auf die Beine. "Man merkt, dass du noch nie am Meer warst, mein Lieber." Und schon zog er ihn noch ein Stück weiter. Bis zum Wasser war es schon noch ein Stück.

Während Miyavi die Decke ausbreitete, zog Kai sich das Shirt über den Kopf und schlüpfte aus seinen Schuhen. irgendwie war er froh, dass er sich seine Badehose doch noch angezogen hatte. Vor den Umkleidekabinen standen sie nämlich Schlange. Darauf hatte er wirklich keinen Bock.

Er streckte sich nochmals ausgiebig.
 

Uruha murrte leise, als er einfach so auf die Beine gezogen wurde und hinter Kai herdackeln musste wie ein braves Kindchen, welches an der Hand seiner Mutter ging. Er hatte sich doch nur den Sand anschauen wollen. Der sah so schön aus. Vielleicht benahm er sich auch etwas seltsam, aber in seiner Erinnerung gab es nichts, was an einen Strand erinnern konnte, also wollte er sich alles nochmal ganz genau ansehen.

Er sah Miyavi dabei zu, wie er die Decke ausbreitete und Kai sich die Hose runterzog. Uruha schluckte. Der Kerl war so schlau gewesen und hatte sich die Badehose unter die andere gezogen. Uruha war so hibbelig gewesen, dass er das ganz vergessen hatte. Und in die Kabinen kam er nicht, da standen viel zu viele Leute.

"Ano... Ich kann nicht ins Wasser... Hab die Badehose nicht drunter gezogen..."

Das konnte nur Kai hören, da Miyavi sich bereits ins Wasser verzogen hatte.
 

Kai schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. "Du bist echt ein Schlaukopf, Ru-chan. Dann zieh sie dir doch einfach an. Oder hast du sie vergessen?", fragte er und schaute von ihm zu den Kabinen. Ein leiser Seufzer verließ seine Lippen. "Ano... für die Kabine musst du noch ne Weile anstehen.", bemerkte er das Offensichtliche. Dann hatte er eine Idee. "Soll ich dir vielleicht helfen und das Handtuch halten? Dann kannst du dich umziehen und keiner guckt dir was ab." Was Besseres fiel ihm jetzt aber auch nicht ein. Und so wartete er ab, was Uruha dazu sagte. Er wollte ihn ja wirklich gerne mit ins Wasser nehmen. Deswegen waren sie ja auch hier. "Außerdem hab ich dir versprochen, dich nicht mehr alleine zu lassen. Also musst du mitkommen oder ich hierbleiben."
 

"Ich will dir den Spaß nicht verderben. Also... Na gut. Dann hältst du mir das Handtuch, ja?", er kratzte sich verlegen grinsend am Hinterkopf und stellte sich mit dem Rücken an seine Wand, sodass schon mal niemand seinen Po sehen konnte. Dann schnappte er sich seine Badehose und bat Kai, das Handtuch zu halten. Das tat er dann auch und Uruha zog sich etwas umständlich die Hose aus und die Badehose an. Dann war er endlich fertig und blickte Kai an. Seine Wangen waren leicht rot gefärbt.

"Danke.", er nahm Kais Hand. "Gehen wir jetzt ins Wasser? Ja?"
 

Geht doch, dachte er sich so in seinem Hinterstübchen und grinste ihn breit an, als er Uruha das Handtuch hielt und dieser sich umständlich umzog. Es war schon witzig mit anzusehen. Wie hieß es so schön? Warum einfach, wenn´s auch kompliziert geht. Uruha war wohl eher der kompliziertere Typ.

Grinsend hielt er nun Uruhas Hand und marschierte mit ihm zum Wasser. Ein angenehmes Lüftchen wehte und das Meer war relativ ruhig, so dass der Wellengang doch relativ flach ging. Perfekt für einen erholsamen Tag am Meer. Genau das Richtige, um einfach mal zu entspannen.

Schnell ließ er Uruhas Hand los und rannte einfach ins Wasser.
 

Na, der traute sich aber was. Uruha war sich absolut sicher, dass das Wasser eisigkalt sein musste. Und da sprang Kai einfach so mir nichts, dir nichts rein und tauchte wie ein Delfin umher. Der hatte echt Mut. Uruha jedoch tapste unsicher hinterher und hielt seinen großen Zeh ins Wasser. Sofort überzog ihn eine Gänsehaut und er bibberte. Er hatte recht gehabt. Das Wasser war saukalt.

Er hockte sich hin und nahm eine Handvoll des kalten Wassers und ließ es sich über die Arme träufeln. So wollte er seinen Körper an das Wasser gewöhnen. Was er nicht wusste, war, dass Kai ihn beobachtete. Musste wohl ziemlich seltsam aussehen, was er da machte.
 

Während Kai den anderen nur aus der Ferne beobachtete und sich ein Grinsen verkniff, war da schon jemand auf dem Weg zu Uruha. Keiner der beiden hatte bemerkt, dass Miyavi sich aus dem Wasser geschlichen hatte und nun hinter Uruha stand. Kai schluckte, als er ihn entdeckte. Das würde er jetzt nicht wirklich tun oder? Oder etwa doch?

Ja, Miyavi würde, denn schon hatte er ihn gepackt und warf ihn sich über die Schulter. Schnell rannte der Größere mit ihm ins eiskalte Wasser hinein und warf ihn dann in Kais Richtung.
 

Während Uruha sich nassmachte, bemerkte er Miyavi nicht, welcher sich nun hinter ihn schlich. Dann jedoch wurde er plötzlich einfach so an den Hüften gepackt und fand sich wenig später auf Miyavis Schultern wieder. Vollkommen verdattert fiepte er erschrocken auf und spürte an seinen Füßen schon das eiskalte Wasser, da Miyavi mit ihm direkt zu Kai rannte. Dann wurde er plötzlich herumgewirbelt und in Kais Richtig geworfen. Kurz flog er durch die Luft, ehe er mit einem lauten Platsch ins eiskalte Wasser tauchte und untergluckerte.
 

Schnell griff er nach dem jungen Mann, der jetzt bestimmt den Schock seines Lebens bekommen hatte. Schnell zog er ihn an die Wasseroberfläche und hielt ihn fest. Besorgt schaute er ihm ins Gesicht. "Hey, alles okay bei dir?", fragte er und schaute dann zu Miyavi, der sich glucksend im Wasser kugelte. Erst war sein Blick finster, doch dann ließ er Uruha kurz los und verschwand selbst unter Wasser, um sich an Miyavi ran zu schleichen. Sofort schnappte er sich dessen Bein und zog ihn unter Wasser. Das war die Rache für Uruhas unfreiwillige Kälteschockkur, die er ihm verpasst hatte.

Und schon tauchte er wieder auf und schwamm zu Uruha. Sanft strich er ihm über die Wange. "Alles klar?"
 

Bibbernd stand Uruha nun im brusttiefen Wasser und versuchte, seine Arme wieder warm zu rubbeln. Seine Lippen bebten heftig und er starrte geschockt zu Miyavi herüber, welcher immer noch laut lachend jetzt im Wasser schwamm und sich nicht mehr einkriegte. Dann kuschelte er sich an Kai.

"H-Hai... Alles okay. Hab mich nur erschrocken... Ich wollte mich doch nur aufs Wasser vorbereiten und dann kommt Miyavi an und schmeißt mich rein... Das war fies..."

Er zitterte immer noch heftig und erschauderte in regelmäßigen Abständen. Zu Miyavi warf er böse Blicke. Das bekam der noch zurück.
 

Ein bebender und ziemlich stark zitternder Körper hing an seinem und er schlang die Arme um ihn, um ihm wenigstens ein wenig Wärme zu spenden. "Komm, du musst dich bewegen, damit dir wieder warm wird. Lass uns ein bisschen schwimmen. Miyavi bekommt das noch im passenden Moment wieder. Glaub mir." Ein verschmitztes Grinsen legte sich auf seine Lippen und er zog Uruha ein Stück mit sich.

Ein kleines Stück schwamm er voraus. Er kannte hier ein wirklich tolles Fleckchen. Und das würde er Uruha jetzt einfach mal zeigen. Vielleicht kam er so ja auf andere Gedanken. Er sollte sich jetzt nicht zu sehr auf seinen Racheplan an Miyavi konzentrieren. Sie waren hier, um Spaß zu haben. "Komm, ich zeig dir mal was."
 

Immer noch ziemlich sauer auf Miyavi schwamm er seinem Freund hinterher und gewöhnte sich so langsam durch die Bewegung an das kalte Wasser. Ihm wurde wieder etwas wärmer und nach einiger Zeit hatte er Kai auch endlich eingeholt. Nun schwamm er neben ihm her und tauchte immer mal wieder ab. Es machte ihm unheimlichen Spaß. Im Wasser fühlte er sich so frei wie schon lange nicht mehr.

"Und wo schwimmen wir jetzt hin?", fragte er interessiert.
 

Kai lächelte ihn süß an. "Das wirst du gleich sehen.", antwortete er nur und schwamm weiter. Nur ab und an schaute er zu Uruha, um sicher zu gehen, dass dieser ihm auch folgen konnte und es ihm soweit gut ging.

Nicht weit und sie erreichten einen ziemlich abgelegenen Teil vom Strand. Hier waren überall Schilf und andere Pflanzen hochgewachsen und verdeckten das Meiste. Dennoch war auch hier ein kleiner Strand auszumachen. Es war wirklich schön. Doch das war nicht das, was er ihm zeigen wollte. Langsam trottete er aus dem Wasser und schüttelte kurz seinen Kopf, um seine Haare ein wenig trocken zu kriegen, so dass sie nicht mehr an seinem Kopf so fest klebten. Das mochte er nämlich nicht.

"Komm." Er reichte Uruha die Hand.
 

Uruha wrang seine längeren Haare einfach aus, sodass sie ihm locker auf die Schultern fielen und kam durch Kais Hilfe wieder auf die Beine. Sie durchwateten dieses Meer aus Schilf und Uruha fragte sich langsam, wo das denn alles hinführen sollte. Dann konnten sie endlich auf Sand gehen und Uruha erschauderte. Unter seinen nassen Füßen blieb der Sand kleben und kitzelte ihn zwischen den Zehen.

Er schmiegte sich ganz dicht an Kai, um ihn nicht zu verlieren und so gingen sie immer weiter, bis Uruha schließlich ungeduldig wurde.

"Wo gehen wir denn nun hin?"
 

Und wieder lächelte er ihn nur an und zog ihn langsam weiter. "Wir sind gleich da.", offenbarte er ihm und führte ihn nun einen schmalen Pfad aus Sand entlang. Schon als Kind war er immer hierhergekommen und hatte die Aussicht genossen. Ein Stück mussten sie bergauf gehen, aber die Steigung war relativ gering, so dass es auch für Uruha nicht allzu schwer sein durfte.

Plötzlich blieb er stehen und drehte sich zu Uruha um. "Wir sind da. Und jetzt mach mal die Augen zu." Vorsichtig stellte er sich hinter Uruha und hielt seine Hände über dessen Augen. "Und jetzt noch fünf Schritte gehen, aber nicht luchsen." Uruha schien dem ohne weiteres Folge zu leisten und setzte zögerlich einen Fuß vor den anderen.

Dann hielt Kai ihn einfach fest und stoppte ihn. Ganz langsam nahm er seine Hände von Uruhas Augen. "Und jetzt schau dir das an."

Für ihn war dieser Ausblick einfach atemberaubend schön. Man konnte das Meer sehen und wie sich die Sonne in dem Wasser spiegelte und glänzte. Nur vereinzelte Boote schipperten auf dem Meer und eine leichte Brise wehte um ihre Nase.

"Schon als Kind bin ich hier gern gewesen und hab stundenlang auf das Meer geschaut."
 

Vollkommen überwältigt von dem Anblick, welcher sich ihm nun bot, bekam er den Mund vor Staunen nicht mehr zu und blickte wie gebannt auf die Szenerie. Er konnte das Meer rauschen hören und der Geruch von Salzwasser stieg ihm in die Nase. Die Aussicht war einfach nur perfekt und Uruha seufzte wohlig auf. Vorsichtig lehnte er sich nach hinten an Kai, welcher die Arme um ihn legte und sie über Uruhas Brust kreuzte. So konnte Uruha seine Hände an Kais Unterarme legen und sanft darüber streicheln. Es dauerte eine Weile, bis er seine Sprache wiedergefunden hatte, dann begann er zu sprechen. Jedoch flüsterte er, da er diese Atmosphäre jetzt nicht zerstören wollte.

"Das ist so wunderschön hier...", wisperte er.
 

"Hai. Und ich dachte mir, dass dir das vielleicht gefallen könnte. Deshalb wollte ich ja, dass du mit zu meinen Eltern kommst. Ich wollte dir diesen Ort hier zeigen. Vielleicht lässt er dich ja endlich deine Ängste und Sorgen vergessen.", wisperte er ihm gegen das Ohr, während sein Kopf auf Uruhas Schulter gebettet war und er ihn im Arm hielt. "Warum können wir in Kanagawa nicht auch so einen schönen Ort haben? Einen, wo man sich einfach hin zurückziehen kann, um alles zu vergessen. Nur ein einziges Mal möchte ich wirklich alle meine Sorgen und Ängste vergessen können." Ein tiefes Seufzen, dann ließ er Uruha los und setzte sich auf den weichen Sand, der zu ihren Füßen lag.
 

Nachdem Kai ihn losgelassen hatte, stand Uruha noch einige Momente einfach nur da und starrte auf das Meer hinaus. So richtig hatte er Kais Worte noch gar nicht realisiert, viel zu sehr war er von dieser Atmosphäre gefangen. Dann jedoch bemerkte er, dass Kai saß und auch seine Worte drangen zu ihm durch. Er ließ sich langsam vor Kai auf die Knie sinken und nahm seine Hände fest in seine. Dann nahm er ihn in den Arm.

"Kai? Willst du mir erzählen, wovor du Angst hast?"
 

Verwirrt blinzelte er, als Uruha ihn in seine Arme zog. Er lächelte und legte die Arme ebenfalls um den anderen. Sein Gesicht vergrub er in Uruhas Halsbeuge und seufzte. Nein, er wollte seinen Freund nicht damit belästigen. Uruha hatte doch selber viel zu viele Probleme und da musste er ihm nicht auch noch seine auftischen. Er würde das schon schaffen.

"Schon gut. Ist nicht so wichtig.", flüsterte und ließ den Größeren dann wieder los. "Lass uns wieder zurück. Miya wird uns bestimmt schon vermissen und das müssen wir ihm ja nicht antun." Schon stand er auf, klopfte sich den Sand von der Hose und den Beinen und hielt Uruha dann mit einem kleinen Lächeln die Hand hin. "Na komm."
 

Uruha jedoch setzte sich im Schneidersitz auf den Hosenboden und zog eine Schnute. Er hatte Kai bis jetzt immer seine Probleme und Ängste anvertraut und sogar vor ihm geweint. Und was machte Kai? Der wollte ihn mal wieder nichts sagen und verschloss sich. Aber nicht mit Uruha. Er würde jetzt so lange Sitzstreik machen, bis Kai redete. Und Kai hatte ihm versprochen, ihn nicht alleine zu lassen. Also konnte Kai auch nicht einfach abhauen.

"Nichts da. Du sagst mir erst, was dich bedrückt."
 

Der Schwarzhaarige seufzte. "Komm schon, Ru-chan. Das müssen wir nicht jetzt ausdiskutieren. So wichtig ist das wirklich nicht. Viel wichtiger ist es doch, dass du wieder ganz gesund wirst und du dich wieder an deine Vergangenheit erinnerst. Alles andere is nebensächlich." Und wieder ein Seufzen, denn Uruha regte sich nicht. Er saß einfach da und schaute ihn mit diesem eisernen Blick an. Was bitte schön sollte das denn werden? Sie waren doch hier, um sich zu erholen und zu entspannen und nicht, um sich seine Probleme anzuhören.

"Komm schon, Ru-chan. Ich möchte dich nicht alleine lassen. Das hab ich dir versprochen. Bitte." Mehr als seinen süßen Dackelblick konnte er nicht machen und er hoffte, dass das vielleicht ziehen würde. Bei seiner Mutter zog das ja auch immer.
 

"Nix da. Du hast doch damit angefangen und ich hab dich ganz vernünftig gefragt, ob du mir deine Probleme auch mal mitteilen willst. Ich vertraue dir und hab dir meine Probleme ja auch anvertraut, also... Also kannst du mir auch vertrauen in solchen Dingen. Ich will dir auch nur helfen, verstehst du? Ich möchte, dass du mir vertraust und mir auch mal was über dich erzählst.", er seufzte traurig und blieb weiter eisern sitzen. "Komm schon... Ich gehe wirklich nicht ohne dich weg."

Und das meinte er wirklich bitterernst. Ohne Kai würde er nicht weggehen.
 

Und wieder verließen nur unzählige Seufzer seine Lippen. Er schloss kurz die Augen und atmete tief durch. Dann schaute er Uruha wieder aus diesen schokobraunen und verdammt ernst dreinblickenden Augen an. "Es ist wirklich schön, dass du mir vertraust, Uruha, aber... Es tut mir wirklich leid. Darüber möchte ich nicht reden." Und schon wandte er sich ab. Er wollte wirklich nicht darüber reden. Niemand wusste davon und das sollte auch so bleiben. Diese Ängste und Sorgen würden für immer in seinem Inneren verbannt bleiben und niemals das Tageslicht zu Gesicht bekommen. Das hatte er sich geschworen und so würde es auch bleiben.
 

Jetzt war er sauer. Eigentlich hatte er gewollt, dass das wirklich ein wunderschöner Ausflug wurde, aber anscheinend vertraute ihm Kai nicht. Kein Stück. Er vertraute ihm noch nicht mal soweit, dass er ihm mal erzählen konnte, wie es in ihm so aussah. Also stand er auf, klopfte sich den Rest Sand vom Po und schritt dann erhobenen Hauptes an Kai vorbei.

"Mach doch, was du willst."

Und schon durchstreifte er wieder diesen Urwald aus Schilf und Pflanzen, ohne dass er wirklich wusste, wohin er musste. Er würde Kai nicht lange böse sein, aber im Moment war er einfach enttäuscht. Sehr enttäuscht sogar.
 

Unsicher fuhr er sich mit den Händen durch die Haare und raufte sie sich. Kami-sama. Uruha verstand das wirklich völlig falsch. Jetzt war er bestimmt sauer auf ihn. Aber was sollte er denn machen? Seine Probleme würde ihm eh niemand nehmen können. Da würde auch darüber reden nichts bringen. Das wusste er und deshalb beließ er es auch dabei. Und bisher hatte auch noch niemand weiter danach gefragt. Uruha war der Erste, der es scheinbar unbedingt wissen wollte. Und so folgte er ihm einfach durch das Dickicht. Allerdings fragte er sich, wo dieser hin wollte. Das war der völlig falsche Weg. "Uruha! Wo willst du hin?", rief er ihm nach. "Das ist der falsche Weg!"
 

"Ich geh dahin, wo ich hin will. Und hör auf, mir nachzulaufen. Ich bin sauer auf dich.", schimpfte er und wusste, dass das gerade ziemlich albern klang, aber er war nun mal wirklich sauer und wusste seinem Frust gerade nicht anders Luft zu machen.

Also stapfte er Kai voraus durch das Dickicht und wusste gar nicht, wo er überhaupt hin ging. Er wusste auch nicht, wohin er trat und plötzlich fühlte er unter sich keinen Boden mehr. Er fiepte erschrocken auf und fand sich wenig später in einem ziemlich tiefen Loch wieder. Er rieb sich den Po und schaute hinauf. Na toll. Und nun?

"Kai?", rief er nach oben und hoffte, dass Kai ihn hören konnte.
 

Verwirrt blinzelte er. War da eben nicht noch Uruha vor ihm gewesen? Aber wo war der plötzlich geblieben? Doch dann hörte er dessen Stimme, die ihn rief. Er seufzte und folgte der Stimme. Was war dem Guten denn nun schon wieder passiert? Irgendwie schien er ja solche Situationen magisch anzuziehen.

Dann hielt er und sah vor sich ein Loch, das sich vor ihm ausbreitete. Oh Mann. Uruha war doch jetzt nicht wirklich in diesem Loch oder?

Zu seinem Bedauern musste er feststellen, dass genau das der Fall war. Uruha saß am Boden dieses Loches und rief noch immer lautstark seinen Namen. Kai hielt sich die Ohren zu und lugte über den Rand zu ihm runter. "Schrei nicht so, ich bin doch nicht taub.", gab er nur von sich. "Irgendwie schaffst du das aber immer wieder, was?“ Jetzt grinste er breit und hockte sich hin, um ihm seine Hand zu reichen und ihn aus dem Loch zu ziehen.
 

Grummelnd richtete er sich zu seiner vollen Größe auf und klopfte sich den Dreck von der Haut. Echt klasse. Wieso passierte das immer bloß ihm? Wer hatte bitteschön so ein vermaledeites Loch mitten in den Weg gegraben. Waren die hier alle bescheuert oder was? Das hätte auch schiefgehen können. War es ja Gott sei Dank nicht, aber trotzdem. Es hätte schiefgehen können.

Seufzend nahm er Kais dargebotene Hand und ließ sich aus dem Loch ziehen. Dankbar sah er ihn an.

"Danke... Ich sollte das nächste Mal auf dich hören, was?"
 

Kai stupste mit seinem Finger gegen Uruhas Nase und grinste verschmitzt. "Hai, das solltest du wirklich mal lernen.", gluckste er und zog ihn erst mal fest in den Arm, um zu testen, ob auch noch alles heile war. "Hauptsache dir geht´s gut und es ist nichts weiter passiert." Dann ließ er wieder von ihm ab und nahm seine Hand. Langsam stapften sie wieder dorthin zurück, von wo sie gekommen waren. Kai kannte sich wirklich gut aus. Das lag auch daran, dass er hier aufgewachsen war und eben oft seine Zeit hier verbrachte. Und so waren sie auch schnell wieder an dem Strandabschnitt, an dem sie angekommen waren und ließ sich sofort ins Wasser gleiten.
 

Uruha ließ sich seufzend neben Kai ins kalte Wasser sinken und entspannte sich merklich. Ihm taten von dem Sturz eben alle Knochen weh und er hoffte, dass er mit einem oder zwei blauen Flecken noch davonkommen würde. Das hoffte er wirklich stark. Hatte nicht schon wieder Lust auf einen Bluterguss oder so. Und gebrochene Knochen wollte er auch nicht unbedingt haben. Das musste ja nun wirklich nicht sein.

"Und nun? Was machen wir jetzt?", fragte er, als sie im etwas seichteren Wasser sitzen konnten und schwang ein Bein über Kai, sodass er nun auf dessen Schoß zum Sitzen kam und ihn ansah. "Ne Idee?"
 

Erschrocken fiepte er auf, als Uruha plötzlich auf seinem Schoß saß. Verwirrt schaute er leicht nach oben in die bernsteinfarbenen Augen seines Gegenübers. Er schluckte. Hatte er schon immer solche tollen Augen gehabt? Oder kam ihm das jetzt nur so vor?

Vorsichtig legte er die Hände an Uruhas Hüfte und schob ihn langsam von sich runter. Es war ihm schon etwas unangenehm, wenn er ihm so nahe kam. Sie waren doch beide Männer, also was sollte das werden, wenn es fertig war.

"Ano... Lass uns zu Miya zurück." Er wandte sich ab und schwamm los. Die Situation eben hatte ihn doch ein wenig überfordert und er wusste wirklich nicht, wie er damit jetzt umgehen sollte. Er fand Uruha wirklich hübsch und er war auch ein netter Kerl, aber das war ja auch schon der Haken an der Sache.
 

Irritiert blickte er Kai nach, welcher anscheinend übereilt die Flucht vor ihm ergriffen hatte. Nanu? Hatte er was falsch gemacht? Vielleicht, weil er sich auf seinen Schoß gesetzt hatte? Aber... Das hatte er doch nur gemacht, weil er ihm besser in die Augen sehen wollte. Das hatte keine besondere Bedeutung für ihn gehabt. Also warum sollte Kai dann so überreagieren und ihn von sich runter schieben? Na, egal.

Er schwamm ihm hinterher und kam dann wenig später mit ihm bei Miyavi an. Er ließ sich neben den Paradiesvogel nieder und sah dann Kai an, der anscheinend nicht mehr mit ihm reden wollte.

"Und nun?"
 

Während die anderen beiden es sich auf der Decke gemütlich gemacht hatten, stand er vor ihnen und reckte seinen Hals in Richtung Sonne. Auf seiner Haut glänzten noch einzelne Wassertropfen, die nach und nach auf seinem Körper in kleinen Bahnen nach unten liefen.

Seine Badehose tropfte und klebte etwas unangenehm an den Beinen und er legte die Hände in den Nacken, um gleich darauf tief Luft zu holen.

"Das hier hab ich so vermisst.", wisperte er und ließ sich einfach der Länge nach nach hinten in den weichen Sand plumpsen. Dass er jetzt über und über mit Sand bedeckt war, störte ihn nicht. Es war einfach ein herrlicher Tag.
 

Uruha grinste leicht. Kai so zuzusehen, wie er lachte und sich freute, war irgendwie ein sehr schönes Gefühl. Es freute ihn wirklich sehr, dass Kai glücklich zu sein schien. Nur diese Reaktion von eben verstand er einfach nicht und sah ihn stirnrunzelnd an. Sollte er vielleicht...? Einfach nochmal ausprobieren und gucken, wie Kai reagieren würde...? Ja, warum eigentlich nicht?

So stand er auf, tapste auf Kai zu und setzte sich wieder auf dessen Schoß und blickte ihn von oben herab an.

"Dir gefällt´s hier sehr oder?", grinste er süß.
 

Abrupt hielt er in seiner Bewegung inne und starrte den anderen von unten her etwas entsetzt ins Gesicht. "Uruha?" So ganz verstand er nicht, was das hier werden sollte. Warum setzte er sich schon wieder einfach auf seinen Schoß? Hatte er irgendwas an sich? Warum eigentlich immer er?

Seufzend setzte er sich auf und schob Uruha wieder von sich runter. Allerdings brauchte er dieses Mal etwas mehr Kraft dafür. Im Wasser vorhin war das um einiges leichter gewesen. Dennoch schaffte er es ohne Probleme.

Schnell war er wieder auf den Beinen und rannte zum Wasser. Das hier war ganz und gar nicht das, was er wollte. Mit einem Sprung war er verschwunden und schwamm wie ein Irrer nach draußen.
 

Uruha seufzte resigniert und ließ sich auf den weichen Sandboden sinken. Na toll. Und schon war er wieder weg. Ganz klasse. Was hatte er denn gemacht, bitteschön? Nichts Verwerfliches jedenfalls. Er hatte Kai nur gefragt, ob es ihm hier denn so gefiele und hatte sich auf dessen Schoß gesetzt? Er hatte sich doch schon so oft an Kai gekuschelt und da hatte es ihn auch nicht gestört. Also warum jetzt? Er verstand das alles nicht.

Seufzend stand er auf und rannte Kai hinterher. Dann sprang er ebenfalls ins Wasser und schwamm hinter Kai her. So schnell er konnte versuchte er, ihn einzuholen, jedoch war er immer noch nicht wieder fit und war so viel langsamer als Kai und konnte schon nach einiger Zeit nicht mehr.
 

Als er hoffte, endlich weit genug weg zu sein, schwamm er nicht mehr weiter. Irgendwie war das eben etwas viel gewesen. Wieso hatte er sich einfach auf seinen Schoß gesetzt? Er verstand es einfach nicht.

Sonst hat er doch auch keinerlei Probleme, dem anderen etwas näher zu sein. Aber vielleicht war das hier eine unsichtbare Grenze. Eine Grenze, die er sich selbst gebaut hatte. Bis dahin und nicht weiter. Vielleicht war es ja wirklich so. Und vielleicht sollte er sich einfach bei Uruha für sein ziemlich kindisches Verhalten entschuldigen. War ja nicht mehr normal, wie er sich zurzeit benahm. Er war doch nun wirklich kein Kind mehr.
 

Uruha war eine ganze Weile geschwommen, bis er einfach nicht mehr konnte. Sein ganzer Körper war schon verspannt und er war vollkommen aus der Puste. Dann sah er sich um und stockte. Okay... Wo war jetzt nochmal der Strand? Er war so weit raus geschwommen, dass er nur noch von Wasser umgeben war und nicht mehr sagen konnte, aus welcher Richtung er gekommen war. Er biss sich auf die Unterlippe. Oh je. Und nun? Ewig konnte er auch nicht mehr auf einer Stelle treiben, ihm taten ja bereits alle Muskeln weh.

"Kai?", rief er laut und sah sich um. "Wo bist du?"
 

Wie lange er hier auf einer Stelle trieb, wusste er nicht, doch seinen Gedankengängen wurde ein jähes Ende beschert, als er seinen Namen hörte und ihm diese Stimme doch nur allzu vertraut vorkam. Irgendwie überraschte es ihn schon nicht mehr, dass der andere hinter ihm hergeschwommen war und nun reichlich orientierungslos ein paar Meter hinter ihm im Wasser trieb. Junge. Uruha hatte wirklich ein Faible für solche Situation. Er nahm wirklich alles mit.

Mit einem resignierten Seufzer auf den Lippen überwand er die Distanz und wuschelte Uruha durch die nassen Haare. "Was ist denn? Du musst doch nicht gleich den ganzen Strand zusammenbrüllen, Ru-chan."
 

"Ich brülle nicht, ich rufe. Ich hab mir Sorgen um dich gemacht und dann bin ich dir hinterher geschwommen. Nur leider wusste ich nicht, wie ich wieder zurückkomme. Ich kann doch auch nichts dafür, wenn ich Unglück magisch anziehe."

Er zog einen Schmollmund und klammerte sich jetzt an Kai fest, um ihn auch ja nicht wieder zu verlieren. Sonst würde er noch Tage hier herumschwimmen. Und darauf hatte er ja nun wirklich keine Lust.

"Wieso bist du eigentlich eben abgehauen? Wir haben schon so oft gekuschelt, wieso schwimmst du dann immer weg, wenn ich mich auf deinen Schoß setze?"
 

Fast hätte er vergessen, wie das ging, sich über Wasser zu halten, denn er tauchte kurz unter. Uruha fiel mal wieder mit der Tür ins Haus. Kami-sama! Der Kerl war manchmal echt unmöglich.

Nur schwer rappelte er sich wieder auf und hustete. Er hatte ein wenig Wasser geschluckt und das salzige Nass schmeckte nicht sonderlich gut. Diese Erkenntnis hatte er schon mal bekommen.

Doch auf Uruhas Frage wusste er selbst keine Antwort und genau deshalb drehte er den Kopf weg und sah hinüber zum Strand, als wenn es da jetzt etwas sehr Interessantes zu beobachten gäbe. Er wollte daran jetzt nicht denken und eine Antwort hatte er ja eh nicht. Also warum sollte er darauf jetzt näher eingehen?
 

"Du bist gemein, Kai. Du könntest mir ruhig mal antworten, wenn ich dir eine Frage stelle. Was hab ich dir denn getan, huh? Was? Bist du mir irgendwie böse oder so? Wenn ja, dann sag es mir bitte. Ich hab schon vorhin gemerkt, dass ich dich irgendwie verärgert habe, als ich dich nach deinen Ängsten fragte und du sie mir nicht verraten wolltest. Also... Wenn ich was falsch gemacht habe, dann sag es mir und ich mach´s nie wieder, ja? Das verspreche ich dir auch hoch und heilig, wirklich."

Er seufzte und schwamm wieder voraus. Kai hatte ja anscheinend kein Interesse daran, mit ihm zu reden. Also schwamm er zurück zu Miyavi.
 

Irgendwie hatte er ja recht, aber was sollte er denn machen? Sollte er ihn etwa unnötig mit seinem Mist und ziemlich beschissenen Gedankengut belatschern? Sollte er? Wollte er das wirklich hören?

Sicher nicht. Ganz sicher nicht. Aber wenn es Uruha beruhigen würde, dann würde er ihm erzählen, was er wissen wollte.

Hastig schwamm er ihm nach und im seichten Gewässer schaffte er es dann auch, den anderen einzuholen und am Arm zu packen. "Warte!" Mit einem kräftigen Ruck zog er ihn zu sich und sah ihm wieder in die Augen. "Wenn du es unbedingt wissen willst, dann werd ich es dir sagen. Aber...Nicht jetzt. Lass mir ein wenig Zeit, okay? Und..." Sein Blick wurde ernster. "Ich bin dir wirklich nicht böse. Warum auch? Du hast nichts falsch gemacht."
 

"Ach... Ich hab nichts falsch gemacht? Und wieso haust du dann immer ab, wenn ich mich auf deinen Schoß setze? Immer dann ergreifst du die Flucht. Ich versteh´s nicht, Kai. Ehrlich nicht. Wir haben schon so oft gekuschelt, sogar in einem Bett geschlafen. Wieso schiebst du mich immer weg? Komm ich dir irgendwie zu nahe? Bitte, Kai. Sag´s mir endlich."

Irgendwie war er gerade ziemlich verzweifelt. Er wollte nicht, dass Kai böse mit ihm war.
 

Heftig schüttelte er den Kopf. "Iie... Das ist es doch gar nicht." Nun senkte er den Kopf und schaute auf das Wasser. Schweigen. Keiner sagte ein Wort und das war wirklich zum Verrückt werden.

Doch die Stille zwischen ihnen währte nicht lange, denn plötzlich kam Miyavi an und schubste Uruha direkt zu Kai. Beide fielen um und tauchten erst einmal unter.

Als sie wieder auftauchten, wurden sie mal wieder doof an gegrient. Kai hustete erst einmal wie verrückt. Schon wieder hatte er Wasser geschluckt. Uruha, der noch immer in seinen Armen hing, schien genau das Gleiche erlebt zu haben.

Irgendwann würde er Miyavi nochmal umbringen für solche Aktionen. "Baka.", murmelte er nur und ließ Uruha los. Jetzt wollte er erst mal nur raus aus dem Wasser.
 

Mann. Wie oft würde er eigentlich heute noch unbeabsichtigt im Wasser landen oder sonst was? Das war doch wohl total unfair. Hatte Kami-Sama heute irgendwas gegen ihn? Wenn ja, was bloß? Er konnte es sich gerade wirklich nicht erklären und so tapste er Kai einfach nur hinterher. Er ließ sich auf der Decke nieder und umschlang seinen Körper mit den Armen. Ihm war kalt und langsam wurde es auch dunkel. Irgendwie wollte er nach Hause. Aber Kai schien noch nicht zu wollen und Miyavi auch nicht.

Also schloss er einfach die Augen und döste vor sich hin.
 

Auch der Schwarzhaarige ließ sich auf der Decke nieder. Miyavi sollte gerade bleiben, wo der Pfeffer wächst. Der hatte sich in den letzten Stunden schon genug Dinger geleistet. Und jetzt war das Maß voll. Und wenn er sich noch ein einziges Mal falsch verhalten würde, dann konnte er heute Nacht draußen schlafen. Ganz sicher.

Kai streckte alle Viere von sich und ließ sich von den Sonnenstrahlen wärmen und gleichzeitig trocknen. Irgendwann döste er einfach nur noch vor sich hin.

Keiner der Drei bemerkte jedoch, dass sich da mächtig etwas zusammenbraute. Am Horizont zogen dunkle Wolken auf und noch bevor sie sich versahen, fielen die ersten Regentropfen, bevor ein wahrer Platzregen den Strand leerte.

Erschrocken fiepte er auf, als tausende kleiner Wassertropfen auf seinen Rücken fielen.

Dann zuckte nur noch ein Blitz durch den Himmel und ein unsagbares Grollen hallte durch die Luft.
 

Erschrocken quietschte er auf, als er ebenfalls die kalten Tropfen auf seinem Bauch spürte und schreckte aus seinem Dämmerschlaf. Na toll. Ganz klasse. Konnte es denn noch besser werden? Anscheinend ja, denn auf einmal durchzuckte ein lautes Grollen die Luft und ein Blitz erschien am Horizont. Uruha fiepte auf und versteckte sich hinter Miyavi. Der grinste und pattete ihn auf den Kopf.

"Magst wohl Gewitter nicht, was, Kleiner? Na kommt. Wir gehen lieber nach Hause. Vom Blitz getroffen werden will ich nicht gerade. Los. Alle Mann einpacken!"
 

Gerade fragte er sich, wie ein Mensch in einer solchen Situation so ruhig bleiben konnte? Manchmal war ihm der Größere mehr als suspekt und erschien ihm etwas... na ja, wie sollte er das ausdrücken? ... nicht wirklich angemessen? Irgendwie fand er dafür gerade keine Worte.

Eilig stopfte er alles in die Tasche und schnappte sich Uruhas Hand. Sofort rannte er mit dem anderen unter einen der zahlreichen überdachten Grillplätze. Wenn sie jetzt noch weiter laufen würden, wären sich sicher völlig durchweicht und total erschöpft. Das sollte eigentlich auch nicht sein. Außerdem wusste er auch nicht, wie weit Uruha mit seiner Kondition war. Das wollte er in einem solchen Moment sicher nicht ausprobieren.

"Lass uns hier kurz warten." Allerdings war plötzlich von Miyavi keine Spur mehr.
 

"Hai, okay...", murmelte er leise und drückte seinen klammen Körper eng an Kais Seite. Er zitterte ununterbrochen und starrte in den Himmel. Na toll. Er hasste Gewitter total und er hoffte stark, dass es nicht so lange andauern würde. Er war froh, wenn sie wieder zuhause bei Kai waren und sich trockene Sachen anziehen konnten, anstatt in ihren Schwimmsachen herumzulaufen. Bei dieser Kälte war das wohl keine so gute Idee.

Dann sah er sich um und runzelte die Stirn. Nanu? Da fehlte doch einer.

"Miyavi?", fragte er. "Kai, wo ist Miyavi hin?"
 

Kai wusste darauf auch keine Antwort. Eben war er noch hinter ihnen gewesen. Doch jetzt war er weg. Kein bunter Schopf war irgendwo zu sehen und Miyavi war wohl wirklich ein eher auffälliger Typ.

Dann jedoch spürte er, wie der Körper neben ihm mächtig zitterte. Uruha schien wohl zu frieren. Schnell kramte er sein noch immer trockenes Handtuch hervor und legte es ihm um die Schultern, bevor er ihn in seine Arme zog und ihm so etwas Wärme spenden konnte. Mehr konnte er im Moment auch nicht tun. "Beruhig dich. Der Kerl kann ne Menge ab und wird sicher irgendwo untergekommen sein."

Dass Miya bereits die Hälfte des Weges zu Kai nach Hause hinter sich hatte und einen ordentlichen Sprint hinlegte, wusste außer Miyavi natürlich keiner.
 

Sofort schmiegte er sich schutzsuchend an Kai und versuchte, sein Zittern unter Kontrolle zu bekommen. Ihm war wirklich sehr kalt und er hatte Angst um Miyavi. Was nun? Was, wenn Miyavi irgendetwas zustoßen würde? Er hatte wirklich wahnsinnige Angst um den Paradiesvogel. Aber nirgends waren bunte Klamotten zu sehen, also war Miyavi auch nicht mehr in der Nähe.

"Wir müssen ihn suchen, Kai! Was, wenn er ins Wasser gefallen ist und untergegangen ist? Kai!"

Seine Stimme klang leicht verzweifelt.
 

Vorsichtig drückte er ihn an sich. "Keine Angst. Das wird er nicht. Ganz sicher. Ich kenne ihn so gut, dass ich dir diese Angst nehmen kann." Liebevoll strich er ihm über den Rücken und gab ihm einen Kuss auf die Stirn.

"Du brauchst dir um ihn keine Sorgen machen. So wie ich den kenne, is der sogar schon auf dem Weg nach Hause. Der kann ganz schön sprinten.", scherzte er. Dass er damit gar nicht so Unrecht hatte, konnte ja keiner ahnen.

Aber das Gewitter nahm einfach nicht ab. Immer wieder durchzuckten Blitze den fast schwarzen Himmel und Donner hallte durch die von Regen durchpeitschte Luft.
 

"Bist du dir da auch ganz sicher? Ich meine... Das Wetter ist wirklich richtig schlimm, der Himmel ist schwarz und es blitzt und donnert und regnet. Ich könnte darauf wetten, dass es gleich zu hageln anfängt. Also... Komm bitte. Lass uns Miyavi suchen. Ich hab wirklich Angst um ihn. Ihm ist bestimmt was passiert! Bitte!"

Nun zuppelte er wirklich nervös an Kai herum, doch dieser lächelte ihn einfach nur an und machte Scherze. Das konnte ja wohl nicht wahr sein! Also drehte er sich um und ging hinaus in den strömenden Regen.

"Ich gehe ihn jetzt suchen!"

Und schon rannte er los in die Dunkelheit hinein.
 

"Ruha!", schrie er ihm noch hinterher und rannte los. Doch dann verschwand der andere im strömenden Regen und er konnte ihn nicht mehr sehen. "Ruha!" Immer wieder rief er seinen Namen, doch er bekam keine Antwort.

Na toll. Miyavi hatte es wieder einmal geschafft. Irgendwie schien er dafür einen Riecher zu haben. Wenn der Kerl jetzt wirklich schon bei ihm Zuhause saß und gemütlich einen Tee schlürfte, dann würde er sich wirklich vergessen.

Aber darüber konnte er sich später noch Gedanken machen. Jetzt musste er unbedingt Uruha finden.

"Uruha! Wo bist du?!" Der Strand war menschenleer, doch es gab keine Spur von dem anderen. Verdammt! Wo war er nur?
 

Uruha verstand Kai nicht. Wieso machte der Kerl Scherze, wenn sein bester Freund vielleicht irgendwo hier draußen war und vielleicht sogar verletzt war? Das konnte er doch nicht verantworten. Das wäre unterlassene Hilfeleistung und Miyavi könnte sie deswegen sogar anzeigen. Wenn er das hier überlebte... Uruha schüttelte den Kopf. Denk jetzt nicht an sowas, Uruha, schimpfte er mit sich selbst. Think positive!

Und schon rannte er weiter in die Nacht hinein und fand sich bald in irgendeinem abgelegenen Strandteil wieder, den er auch noch nicht kannte. Er zitterte wie Espenlaub.

"Miyavi! Melde dich bitte!"
 

"Uruha!" Noch immer suchte er nach seinem Freund. Doch wo war dieser abgeblieben? Der Regen hatte nachgelassen und er konnte fast den gesamten Strand überblicken, doch nichts. Keine einzige Spur. Kein Mensch war mehr hier. Sicher war auch Miyavi nicht mehr hier. Doch Uruha war da, nur wo?

"Uruha!!!" Immer wieder den Namen des anderen rufend lief er den Strand ab. Er suchte in jedem Winkel, den er fand. Doch es war erfolglos. Uruha war wie vom Erdboden verschluckt. Das durfte nun wirklich nicht wahr sein. Erst haute Miyavi einfach ab und jetzt war Uruha auch noch verschwunden. Heute war ein beschissener Tag.

Aber Moment. Hatte er nicht eigentlich gemeint, dass es ein schöner Tag war? Doch diese Aussage konnte er just in diesem Moment unter totale Fehleinschätzung verbuchen.

"Uruha!"
 

So langsam hatte er nun wirklich keine Lust mehr. Miyavi musste doch hier irgendwo sein. Oder hatte Kai recht und er war schon längst wieder zuhause? Wenn ja... Oh ja, dann würde er sich bitterlich an Miyavi rächen. Fürchterlich rächen. Wie konnte er es wagen, ihn so zu verarschen? Das war total gemein!

"Miyavi! Komm endlich raus!", aber immer noch antwortete ihm keiner.

Nicht mal Kai. Er war alleine. Mutterseelenalleine und wusste einfach nicht mehr, wo er war. Taumelnd kam er bei einer kleinen Grillhütte an und setzte sich auf die nassen Stufen. Dort zog er die Beine an den Körper und lehnte sich an die Wand. Er zitterte und schloss die Augen. Toll. Jetzt war nicht nur Miyavi weg, sondern Kai auch noch. Und er fand nicht mehr nach Hause und ihm war kalt. Wirklich ganz klasse.
 

"Uruha! Wo bist du?!" Immer wieder rief er nach ihm, immer wieder lief er von einem Ende des Strandes zum anderen. Noch hatte er die Hoffnung nicht aufgegeben. Wenigstens hatte es aufgehört zu regnen. Allerdings war das Gewitter noch immer nicht vorbei. Es grollte und ab und an blitzte es gefährlich über dem Wasser. Die Wellen tobten, denn auch der Wind war aufgefrischt und um einiges stärker, als noch vor einer knappen Stunde. Da hatten sie angefangen, nach Miyavi zu suchen. Und jetzt war er sich ganz sicher, dass der andere schon längst Zuhause war. Aber ohne Uruha würde er sich hier keinen Zentimeter wegbewegen. Nicht einen.

"Uruha! Nun sag doch endlich was?! Verdammt nochmal wo bist du?! Uruha!"
 

Uruha jedoch saß immer noch an die Wand gelehnt da und zitterte ununterbrochen. Was sollte er denn jetzt bloß machen? Kai fand er sowieso nicht und sonst war auch niemand mehr am Strand. Die hatten sich alle aus dem Staub gemacht. Selbst Miyavi schien jetzt wirklich wieder zuhause zu sein. Der würde sich noch gewaltig umhören. Nicht mit ihm. Er ließ sich doch nicht zum Narren halten. Also wirklich, das ging zu weit.

Er schniefte kurz und zog die Beine noch enger an seinen Körper. Er nieste. Ihm war wirklich eisig kalt und er hoffte, dass Kai sich gut genug hier auskannte, um ihn zu finden. Wenn nicht... Tja... Dann hatte er wirklich ein Problem.

Es donnerte erneut und er zuckte erschrocken zusammen.
 

Seine allerletzte Hoffnung war der entlegene Teil des Strandes. Er hoffte, dass er den Größeren wenigstens dort finden würde. Auf der großen Strandfläche war er nicht und auch nicht an einem der kleineren Strandabschnitte. Es blieb also wirklich nur noch dieser Teil. Innig betete er dafür, dass er sich hier irgendwo aufhielt. Wenn nicht würde er sich sein Leben lang Vorwürfe machen, warum er nicht besser auf seinen Freund aufpassen konnte.

Noch ein letztes Mal versuchte er sein Glück. Und er hoffte so sehr, dass er ihn endlich finden würde. Und Miyavi würde sich warm anziehen müssen, denn der würde dieses Mal nicht so glimpflich davon kommen.

"Uruha!", schrie er mit letzter Kraft in der Stimme über die Fläche, die sich vor ihm aufbäumte.
 

Uruha wäre beinahe eingeschlafen. Ihm war unglaublich kalt und er hatte Angst. Er hätte wohl doch nicht sofort loslaufen und stattdessen auf Kai warten sollen. Verdammt und zugenäht. Er brachte sich aber auch immer wieder nur in Schwierigkeiten. War ja nicht zum aushalten. Wenn Kai ihn deswegen anmeckern wollte, hatte er auch allen Grund dafür und Uruha würde sich nicht wehren. Aber im Moment wollte er einfach nur zu Kai. Er hatte wirklich Angst in der Finsternis und zitterte wie Espenlaub.

Plötzlich jedoch hörte er, wie jemand seinen Namen rief. Das konnte ja nur Kai sein.

"Kai!", rief er so laut zurück, wie er konnte und hickste.

Hoffentlich fand Kai ihn hier.
 

Sofort horchte er auf. Das war... Das war doch Uruhas Stimme oder? Nein. Das war ganz sicher Uruhas Stimme. "Uruha! Wo bist du?!", rief er abermals und rannte einfach drauf los. Uruha würde ihm hoffentlich noch ein weiteres Mal antworten, damit er ihn auch wirklich fand.

Kami-sama. Er hatte wirklich Angst um den anderen. Warum hörte er denn nicht ein einziges Mal auf ihn? Er kannte Miyavi doch schon so gut, dass er ihn auch dementsprechend einschätzen konnte. Warum traute Uruha ihm das nicht einfach zu? Warum musste er mal wieder seinen eigenen Dickkopf durchsetzen wollen?
 

"Ich bin hier, Kai! Hier! Bei der Grillhütte!", rief er in die Finsternis hinein und hickste wieder auf.

Er hatte nicht gemerkt, wie ihm kleine Tränen die Wangen hinuntergelaufen waren. Viel zu sehr war er damit beschäftigt, sich Vorwürfe zu machen. Er hätte auf Kai hören sollen. Er kannte Miyavi ja schon länger und wusste dementsprechend auch über seine Macken Bescheid. Er hätte ihm vertrauen müssen. Am liebsten würde er sich jetzt für seine Dummheit ohrfeigen.

Immer wieder fielen ihm die Augen zu. Er war durchgefroren und zitterte ununterbrochen. Schließlich war er immer noch nass und hatte nur seine Schwimmhose an.

"Kai..."
 

Kaum hatte er die Stimme des anderen ein weiteres Mal gehört, sprintete er auch schon zu besagter Grillhütte. Da saß ein in sich zusammengesunkener junger Mann und zitterte wie Espenlaub. Sofort hockte er sich nieder und zog ihn in seine Arme. "Ru-chan." Er drückte ihn ganz fest und rubbelte ihm über die kalten Oberarme. "Was machst du nur für Sachen, hä?", fragte er und lächelte ihn erleichtert an.

"Gott, ich hab mir solche Sorgen um dich gemacht.", flüsterte er und zog ihn schnell auf die Beine. Für Vorwürfe war jetzt eh keine Zeit und die würde er ihm ganz bestimmt nicht machen. Die volle Ladung würde jemand ganz anderes bekommen. Und der konnte sich auf was gefasst machen.

"Lass uns schnell nach Hause und dann ab mit dir unter die warme Dusche. Eine Erkältung wäre jetzt sicher nicht gut." Und so zog er ihn auf direktem Weg zu der Grillfläche, wo ihre Sachen noch standen und dann zum Auto. So wie sie waren, setzten sie sich hinein und Kai fuhr los. Er wollte nur noch eins. Uruha unter die Dusche stecken, damit er sich wieder aufwärmen konnte.
 

Gott sei Dank, jetzt war ja Kai da und hatte ihn gefunden. Überglücklich presste sich Uruhas Körper an Kai heran und klammerte sich an ihm fest. Er würde ihn jetzt nicht mehr loslassen. Ohne Kai an seiner Seite ging es einfach nicht mehr. Uruha hatte längst gemerkt, wie abhängig er von dem anderen geworden war. War das noch normal? So abhängig von einem Freund zu sein? Er hoffte es stark und folgte Kai brav ins Auto.

Endlich konnten sie wieder nach Hause und Uruha sich was Warmes anziehen, ebenso wie Kai. Sie gingen ins Haus hinein und Uruha klammerte sich immer noch an Kai.

"Es tut mir leid. Ich hätte nicht weglaufen sollen! Gomen nasai!"
 

Er schenkte dem anderen ein warmherziges und liebvolles Lächeln. Und es war wirklich ernst gemeint. Er war wirklich froh, dass er ihn gefunden hatte. "Schon gut. Geh schnell unter die Dusche. Ich geh dir ein paar warme Sachen holen und dann ab ins Bett mit dir. Ich will nicht, dass du dich noch erkältest. Hai?" Und so schob er ihn weiter ins Haus hinein. Er selbst würde erst einmal einem gewissen Herrn einen Besuch abstatten. Da würde er sich wohl schon genug aufwärmen, wenn er mit ihm fertig war. Doch Uruha blieb einfach nur stehen und schaute ihn an. Was war denn nun los?
 

Uruha jedoch blieb stehen. Nein. Er wollte jetzt nicht von Kai weg. Kai sollte bei ihm bleiben. So, wie er es ihm versprochen hatte. Kai sollte sein Versprechen jetzt nicht brechen. Selbst dann nicht... Wenn er duschen sollte. Er wollte Kai dabei haben.

Vorsichtig kuschelte er sich an Kais Brust und blickte ihn bittend in die Augen. Erst wusste er nicht, wie er es sagen sollte, doch dann fasste er Mut und setzte einen zuckersüßen Blick auf.

"Kai? Kommst du mit mir ins Bad... Bitte? Lass mich nicht wieder alleine..."
 

Das musste er jetzt erst einmal verdauen. Uruha wollte bitte schön was? Dass er mit ins Bad kam, nur weil er nicht alleine sein wollte? Aber... Wieso? Er war doch nicht weit weg und den Weg vom Badezimmer in sein Zimmer kannte er doch. Auf die Toilette hatte er es doch auch alleine geschafft.

"Ano...", druckste er. Na ja, wie sollte er das denn sagen. Außerdem schaute er ihn mit so einem verdammt süßen Blick an, dass er doch eigentlich gar nicht anders konnte, als zuzustimmen oder? Aber er hatte trotzdem so seine Bedenken.

"Eto... Bist du dir sicher, dass ich mitkommen soll? Ich meine,... du gehst duschen und... ist es nicht peinlich, wenn da einfach einer mit dir im Badezimmer steht?"
 

"Hai, sollst du. Ich will jetzt wirklich nicht alleine sein und du hast mir versprochen, mich auch nicht alleine zu lassen. Also halte dich auch dran, okay?", er lächelte wieder zuckersüß und nahm Kais Hand. Schnell zog er ihn hinter sich her, bis sie schließlich im Bad ankamen und schloss dann die Tür hinter sich. Er lehnte sich an eben jene und blickte dann zu Kai hinüber, der ihn verdattert ansah. Uruha jedoch störte das nicht, nicht im Geringsten. Schnell hatte er sich bis auf die Boxershorts ausgezogen und sah Kai dann an.

"Na? Was ist? Willst du...", er wurde rot. "Nur bei mir sein oder... Vielleicht sogar mit duschen?"
 

Wie auf Kommando lief er hochrot an und drehte sich weg. Wie kam Uruha auf die Idee, ihn so etwas zu fragen? Seit wann duschten denn Kerle zusammen? Auch wenn sie Freunde waren... Nicht einmal mit Miyavi war er zusammen unter der Dusche gewesen und mit ihm war er seit Jahren eng befreundet. Uruha kannte er jetzt seit etwa drei Wochen. Nicht länger und er fragte ihn allen Ernstes, ob er mit ihm duschen ging?

Kai schluckte. Irgendwie war heute wirklich der Wurm drin.

"Ano... Ich... ich warte lieber, bis ... bis du fertig bist.", stammelte er und setzte sich auf den Toilettendeckel. Noch immer starrte er auf die weißen Fliesen zu seinen Füßen. Es war ihm schon unangenehm.
 

"Na gut. Dann eben nicht. Musst du ja wissen. Du bist auch total durchgefroren und solltest mal duschen. Und wenn wir zusammen duschen, sparen wir Wasser. Wäre doch eine Alternative. Aber egal, wenn du nicht willst, ist das in Ordnung."

Er seufzte, drehte sich rum und zog sich nun auch die Boxershorts über den Po, sodass er nun vollkommen entblößt vor Kai stand und dann in die Duschkabine stieg. Er sah noch einmal kurz zu Kai hinüber, ehe er das Wasser andrehte und sich unter den schön warmen Strahl stellte.
 

Er seufzte. Musste Uruha sich auch noch direkt vor seiner Nase ausziehen? Irgendwie passte ihm das gar nicht, denn er wurde schlagartig noch einen Tuck roter im Gesicht. Etwas lief hier zurzeit mächtig schief. Allerdings konnte er sich auch nicht erklären, was es war. Schlimm war nur, dass er jetzt auch noch auf die milchig weiße Duschwand starrte und einfach nicht den Blick abwenden konnte. Überall kribbelte es ihm bei dem Gedanken, dass er jetzt hätte mit darunter stehen können und vielleicht sogar den anderen einseifen durfte.

Moment! Stopp! Aus!

Böser Kai, tadelte er sich. Hastig sprang er auf und rannte aus dem Badezimmer. Nur noch die Tür knallte hinter ihm zu.
 

Uruha bekam gar nicht mit, wie der andere aus dem Zimmer flüchtete. Er war gerade viel zu sehr damit beschäftigt, sich zu entspannen. Das warme Wasser tat ihm sehr, sehr gut und er seufzte wohlig auf. Dann schäumte er sich gründlich ein, wusch sich ab und öffnete dann die Kabinentür. Er stieg aus und sah sich verwirrt um. Nanu? Wo war Kai denn nun hin? War alles in Ordnung?

Er seufzte und zog sich richtig an. Dann tapste er in seinem Pyjama aus dem Zimmer in Kais Schlafzimmer und sah ihn auf dem Bett sitzen.

"Hey... Alles okay?"
 

So richtig war er nicht anwesend. Viel zu sehr beschäftigte er sich mit der Frage, warum er sich das eben genau so vorgestellt hatte. Warum er es auch wirklich gewollt hätte? Uruha war ein Mann. Genauso einer, wie er auch. Das war doch nicht mehr normal. Irgendetwas stimmte eindeutig nicht mit ihm. Noch nie hatte er sich gewünscht einen Mann anfassen zu können.

Wenn es so gewesen wäre, dass er das auch bei seinen anderen Freunden gewollt hätte, dann wäre das wohl auch normal, aber so...

Heftig schüttelte er den Kopf. "Gomen... Ich geh duschen.", stammelte er nur und verschwand im Badezimmer.
 

Jetzt blieb er wieder alleine zurück und ließ sich resigniert auf Kais Bett sinken. Na toll. Jetzt war der andere auch schon wieder weg. Hatte er etwa schon wieder etwas falsch gemacht? Wenn ja, was? Kai hätte doch nicht bleiben müssen, wenn er nicht gewollt hätte. Aber er war geblieben und daran konnte Uruha ja nichts ändern. Also wirklich. Der Kerl übertrieb manchmal echt ziemlich.

"Du machst es mir echt schwer, Kai...", murmelte er und schloss die Augen.
 

So schnell war er noch nie dabei gewesen und hatte sich unter eine eiskalte Dusche gestellt. Er musste erst mal wieder klar im Kopf werden. Seit er Uruha kannte, machte er nur Mist. Alles ging schief und er hatte nicht mal mehr seine Gedanken richtig unter Kontrolle. Kami-sama. Was für ein Weichei war er eigentlich?

Ein ziemlich großes, wenn man bedachte, dass er eben schon wieder vor ihm geflüchtet war.

Nach der kalten Dusche gönnte er sich dann doch etwas warmes Wasser und wärmte sich zusehends wieder auf. Doch die Gedanken kreisten trotzdem immer noch um den anderen. Und das war definitiv nicht normal. Das wusste auch er.
 

Immer wieder kreisten seine Gedanken um Kai. Was sollte das? Wieso wollte er nicht mit ihm in einem Raum sein? Sie waren beide Männer, also... Wo war da das Problem? Er hatte gar keinen Grund gehabt, so schnell wegzugehen. Also wirklich. Diese Reaktion war wirklich mehr als nur überzogen. Übertrieben.

"Oh Mann...", murmelte er leise und schloss die Augen. Wenn Kai wiederkommen würde, würde er erst mal nicht mit ihm reden. Vielleicht sagte Kai ja was von sich aus.
 

Nur schwer konnte er sich von der angenehmen Wärmequelle lösen und stieg aus der Dusche. Verwirrt blickte er in den Spiegel. Doch er erkannte nichts, was ihm hätte seine Frage beantworten können. Da war nichts und sein Spiegelbild würde ihm auch sicher keine vernünftige Antwort darauf geben können.

Seufzend griff er nach einem Handtuch und legte er sich um. Gerade wollte er seine Sachen nehmen, als ihm auffiel, dass diese ja noch in seinem Zimmer lagen. Resigniert kam er aus dem Badezimmer gestapft. Noch überall waren Wassertropfen auf seiner Haut und nur das kleine Handtuch bedeckte das Nötigste.

So kam er aus dem Badezimmer und marschierte schnurstracks in sein Zimmer, um vor dem Kleiderschrank Halt zu machen.
 

Uruha schnaubte, als er Kai sah, wie er zurück ins Zimmer kam, nur mit dem Nötigsten bedeckt und noch klitschnass. War ja klar. Bei ihm nahm er immer schon gleich Reißaus und selbst wollte er ja anscheinend bewundert werden, ansonsten würde er ja nicht immer halbnackt vor ihm herumlaufen. Irgendwie war das verdammt unfair, wie Uruha fand. Und so drehte er sich demonstrativ von Kai weg und schloss die Augen. Pah. Er würde ihn jetzt nicht angaffen. Ganz sicher nicht.
 

Kai hingegen schnappte sich nur schnell seine Sachen und war auch so schnell, wie er ins Zimmer kam, schon wieder verschwunden. Wenn er gekonnt hätte, dann hätte er diese Situation jetzt lieber vermieden. Irgendwie war es ihm unangenehm, dass er sich so vor dem anderen zeigte.

Hastig trocknete er sich ab und zog sich einen Pyjama an. Eigentlich trug er nie einen, aber irgendwie fand er das angebrachter. So würde er ihm wenigstens nicht mehr halbnackt unter die Augen treten.

Mit einem viel zu großen Schlafanzug kam er wieder. Allerdings blieb er in der Tür stehen und senkte den Blick. "Uruha... ich..."
 

"Nichts da 'Uruha, ich'! Ich verstehe dich nicht, Kai. Wir haben die gestrige Nacht in einem Bett zusammen geschlafen und jetzt darf ich mich nicht mal auf deinen Schoß setzen. Was ist los mit dir? Was hab ich falsch gemacht? Ich lasse doch auch zu, dass du mich berührst und ich darf es nicht? Das ist ungerecht..."

Immer noch drehte er sich demonstrativ von Kai weg und starrte schmollend an die gegenüberliegende Wand. Kai sollte sich mal bei ihm entschuldigen und nicht so rumstottern. Also wirklich.
 

Bang! Und schon hatte Uruha ihm eine deftige Ohrfeige verpasst. Zwar nur sinnbildlich, aber das langte schon und ließ ihn innerlich noch mehr zusammensacken. Uruha hatte wirklich Recht. Ihn zu berühren machte ihm nichts, aber von ihm berührt zu werden, war ein merkwürdiges Gefühl, das er sich nicht erklären konnte. Er wusste damit einfach nicht umzugehen. Es war irgendwie befremdlich.

Kai schloss die Tür hinter sich und kam zögerlich näher an sein Bett. Schnell huschte er unter die Decke und drängte sich an die Wand vor ihm. Es war irgendwie dumm gelaufen, stellte er fest. "Gomen, Uruha. Ich weiß auch nicht, warum ich mich so verhalte. Aber glaub nicht, dass ich dich deshalb nicht mag. Ich hab dich wirklich gern und möchte, dass du mein Freund bist." Seine Wangen färbten sich rot, während er dies Worte leise vor sich hin brabbelte.
 

Nach Kais 'Geständnis' drehte er sich zu ihm herum und blickte ihn aus großen Augen an. Jetzt verstand er wirklich nichts mehr. Kai war nicht böse auf ihn und wollte noch sein Freund sein und er wusste selbst nicht, wieso er sich so verhielt. Okay. Auch gut. Wenn Kai meinte, ihn verarschen zu müssen, dann bitteschön, nur zu.

"Du bist echt fies. Ich lasse auch zu, dass du mich anfasst und hab dir auch angeboten, mit mir zu duschen und du hast nichts dagegen gehabt. Und dann ganz plötzlich springst du auf und flüchtest, als hätte ich eine ansteckende Krankheit. Findest du das fair? Ich auch nicht. Das verletzt mich, Kai. Ich will doch bloß wissen, was in dir vorgeht."
 

Der Schwarzhaarige zuckte merklich zusammen unter diesen Worten. Es tat ihm schon weh, dass er ihm so etwas vorwarf, aber er wusste doch selbst nicht, warum er sich wie ein kleines Kind verhielt.

Kurz drehte er sich um und schaute direkt in Uruhas Gesicht. Er streckte eine Hand nach ihm aus und zog ihn zu sich. Wenn Uruha ihn unbedingt berühren wollte, dann würde er das auch zulassen. Zumindest würde er es versuchen, denn er wollte nicht, dass er weiterhin so von ihm dachte.

Er legte Uruhas Arme einfach um sich und die Decke mit über den anderen Körper. Doch sagen tat er nichts dazu.
 

Jetzt lag er vollkommen verdattert mit Kai im Bett und hielt den anderen im Arm. Was war denn nun kaputt? Eben noch hatte er sich furchtbar beschwert und nun? Nun ergriff er selbst die Initiative und kuschelte sich an ihn. Was sollte er denn jetzt bitteschön davon halten? Kai hatte irgendwie Gefühlsschwankungen.

Aber egal. Hauptsache, Uruha durfte sich an Kai kuscheln und das tat er dann auch. Schnurrend legte er seinen Kopf auf Kais Brust ab und schlang die Arme fest um ihn.

"Danke...", nuschelte er leise.
 

Er hörte aus Uruhas kleinem Dankeschön heraus, dass er wohl ausnahmsweise mal die richtige Entscheidung getroffen hatte. Uruha schien zufrieden zu sein und er musste sich eingestehen, dass das hier wirklich nicht schlecht war. Es fühlte sich schon komisch an, aber eben auch ziemlich gut. Uruha war schön warm und sein heißer Atem auf seiner Haut verursachte eine Gänsehaut.

"Schon gut. Aber glaub mir, ich möchte dir nicht weh tun. Ich hab dich wirklich gern. Das mein ich ernst.", sagte er und schloss die Augen.
 

"Danke, Kai. Weißt du eigentlich, dass du momentan der wichtigste Mensch in meinem Leben bist? Ich hab dich wirklich sehr gerne und will gar nicht mehr von dir weg.", er wurde leicht rot. "Aber genug geschleimt. Lass uns schlafen, ja? Ich bin wirklich müde und Miyavi können wir morgen auch noch eine Abreibung verpassen, die sich gewaschen hat."

Er gähnte kurz, ehe er sich wieder an Kai kuschelte und die Augen schloss.

"Oyasumi nasai."

Wenige Augenblicke später war er eingeschlafen.
 

Die Abreibung hatte sich ordentlich gewaschen, die Miyavi da über sich ergehen lassen musste. Neben einer mächtigen Standpauke von Uruha wurde er von Kai so dermaßen zusammengestaucht, dass er den Eindruck erweckte um ganze zwanzig Zentimeter geschrumpft zu sein. Die beiden hatten also ordentliche Arbeit geleistet.

Jetzt rückte allerdings so langsam der Alltag wieder in greifbare Nähe, denn Kai musste wieder nach Hause und an die Arbeit. Er hatte schon viel zu lange "Urlaub" gemacht und nun hieß es wieder ran an die Arbeit.

Die Woche hier bei seinen Eltern zusammen mit Miyavi verging wie im Flug. Zum Abschied hatten sie noch eine kleine Feier geplant und dazu hatte er auch seine anderen Freunde eingeladen. Alte Bekannte aus der Nachbarschaft. Ruki und Reita wollte er es nicht antun, die weite Strecke nur wegen einer Party zu fahren. Das konnten sie dann da noch nachholen.

Und nun saßen sie hier und feierten ausgelassen im Garten seiner Eltern. Gut, es war schon ziemlich spät und die meisten Gäste waren schon wieder gegangen. Nur sehr wenige waren noch anwesend. Zumindest körperlich. Er selbst hatte schon etwas mehr getrunken, als er sollte. Miyavi lag schon schnarchend neben ihm im Gras und war ins Reich der Träume entflohen. Eigentlich waren auch nur noch er und Uruha wach.

Diesen starrte er irgendwie die ganze Zeit an, während der Größere scheinbar dabei war, ein wenig Ordnung im Garten zu schaffen.
 

Leicht angeheitert tapste Uruha durch den Garten, mit einer Harke bewaffnet und immer wieder 'Ich töte dich, Unkraut. Weiche...' vor sich her murmelte. Es machte ihm sichtlich Spaß, mal etwas Ordnung in den Garten von Kais Mutter zu bekommen. Auch, wenn er dabei auch mal die eine oder andere Blume ausriss, er meinte es ja nur gut. Und er war ja nicht schuld, dass er manchmal nicht das Unkraut sondern die Rosen erwischte. Es war ja schon dunkel und daran war ganz alleine die Sonne schuld, die sich mal wieder verdünnisiert hatte. Das war wirklich unverantwortlich von der Sonne.

Uruha fand es ziemlich amüsant, da so im Dreck rumzusitzen und Unkraut zuppeln zu dürfen. So bemerkte er auch nicht, wie Kai ihn anstarrte.
 

Kai lachte, als er bemerkte, was Uruha da eigentlich tat. Irgendwie sah er ja wirklich süß aus, wie er da hockte und scheinbar das Unkraut rupfen wollte. Was der Kerl so alles toll finden konnte, war ihm ein Rätsel, aber es freute ihn, dass man Uruha so schnell für etwas begeistern konnte.

"Ru-chan?", rief er ihm zu und krabbelte dann ein Stück zu ihm. Grinsend legte er die Arme um den schlanken Körper.

"Was machst du denn da? Das Unkraut rupfen? Oder doch die Rosen meiner Mutter vernichten?", kicherte er. Er merkte, dass er doch schon ganz schön betrunken war. Das war doch sonst nie sein Ding, aber die Stimmung war so ausgelassen gewesen, dass er sich einfach mitreißen ließ.

Hastig griff er nach der Hand des anderen. "Lass lieber, sonst killt sie dich morgen noch. Das sind nämlich ihre liebsten Blumen in diesem Garten.", lallte er und ließ sich rittlings nach hinten ins Gras fallen. Irgendwie war er müde und wollte nur noch schlafen. Uruha zog er einfach neben sich.
 

Vollkommen verwirrt saß Uruha nun neben Kai auf dem kalten Gras und zog eine Schnute. Was sollte das denn jetzt? Er hatte den Kampf gegen das Unkraut doch noch gar nicht gewonnen, er war gerade erst richtig heiß gelaufen und voller Tatendrang. Aber er wollte ja auch noch länger leben, also ließ er es lieber und kuschelte sich an Kai. Schnurrend schloss er die Augen und umarmte ihn. Vorsichtig strich er mit den Fingerspitzen über Kais Arm. Dass er ihn dabei dreckig machte, störte ihn nicht. Er hatte immer noch die Blumenerde unter den Fingernägeln hängen.

"Können wir jetzt rein?", hickste er leise und klammerte sich noch ein Stückchen mehr an Kai. "Bin ein Klammeraffe... Und müde..."
 

Der Schwarzhaarige kicherte leise. Uruha war also ein Klammeraffe. Als wenn er das noch nicht bemerkt hätte, aber es störte ihn recht wenig. Denn es gefiel ihm außerordentlich gut. Und irgendwie wünschte er sich gerade, dass es immer so wäre.

Kai rührte sich keinen Zentimeter vom Fleck. Er fand das gerade wirklich schön. Einfach mit Uruha hier zu liegen und in den Himmel zu schauen.

Er streckte einen Arm nach oben und deutete gen Himmel. "Schau mal, da sind so viele Sterne." Dann drehte er den Kopf zur Seite, um Uruha anschauen zu können. "Such dir einen aus, ich schenk ihn dir.", grinste er breit.
 

Uruha legte sich mit Kai nach hinten und kuschelte sich ganz eng an ihn. Ihm gefiel es sehr, Kai so nahe bei sich zu haben und das weiche Gras unter ihm lud ebenfalls zum kuscheln ein. Das war wirklich wunderschön und als Kai in den Himmel zeigte und ihm anbot, ihm einen Stern zu schenken, strahlten seine Augen förmlich und er sah in den Himmel. Überall konnte man die Sterne glitzern sehen und Uruha fiel sofort der am hellsten leuchtende Stern auf und er deutete darauf.

"Den. Den möchte ich haben.", nuschelte er, dann sah er Kai an und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange. Er wurde rot. "Hab dich lieb..."
 

Und wieder kicherte er nur. Uruha hatte sich den Polarstern ausgesucht. Eine gute Wahl. Nur leider wusste er nicht, ob der denn überhaupt noch zu haben war. Na egal, für Uruha würde er auch den Polarstern neu benennen und ihm den schenken.

"Und wie willst du den dann nennen?", fragte er. Seine Stimme verriet, dass er nicht mehr ganz nüchtern war und irgendwie begann alles, sich um ihn herum zu drehen. Das war nicht wirklich schön, aber er lag ja, also konnte ihm wirklich nichts passieren.

"Hai, ich dich auch, Ru-chan. Ganz dolle sogar.", grinste er und gab auch ihm einen Kuss. Allerdings landete dieser statt auf der Wange auf dessen Mundwinkel.
 

"Ano...", murmelte er leise und tippte sich nachdenklich gegen die Lippen. „Ich denke... Ich nenne ihn den Kaistern. Hübsch, nicht? Nach dir benannt. Hab dich ja auch so dolle lieb. Will gar nicht mehr von dir weg müssen. Du bleibst ja immer mein Freund, hai?"

Rot werdend nahm er zur Kenntnis, dass Kai ihm gerade fast einen richtigen Kuss gegeben hatte. Vorsichtig streichelte er mit seinen Fingerspitzen über die geküsste Stelle und sein Herz fing heftig an zu schlagen, als er Kai in die Augen sehen konnte. Diese Augen waren so unbeschreiblich schön... Er konnte den Blick nicht mehr abwenden und bemerkte nicht, wie er sich immer weiter an Kai heran kuschelte.
 

"Nani?", war seine geistreiche Aussage zu der Namensgebung des Sterns, den er soeben Uruha geschenkt hatte. Na wenn er meinte? Aber irgendwie klang das auch schon ziemlich lustig.

Der Schwarzhaarige blinzelte kurz und schloss dann die Augen. Irgendwie war er wirklich müde.

Wie von selbst legten sich seine Arme um den schlanken Körper neben sich und drückte ihn an sich.

"Ich werd für immer und ewig dein Freund sein. Ich geb dich eh nie wieder her.", murmelte er und hickste kurz auf. Dann schaute er Uruha direkt in die Augen. In die Augen, die es ihm schier unmöglich machten, sich aus ihrem Bann zu befreien. "Uruha?", fragte er leise.
 

"Hai...?", fragte er leise zurück und wartete auf Kais Antwort.

Irgendwie traute er sich gerade nicht, diese Stille zu unterbrechen, höchstens durch leises Flüstern. Kais Augen waren so wunderschön. Wie schokoladige Seen, in die man am liebsten hinein tauchen würde. Und genau das tat Uruha nun auch. Er versank förmlich in diesen Augen und seufzte wohlig auf, als Kai ihn auf einmal in seine Arme schloss.

Schnurrend schmiegte er sich an den anderen und hickste noch einmal leise auf.

"Können wir jetzt rein? Bin müde...", nuschelte er und rieb sich die Augen. "Krieg ich noch ein Gute-Nacht-Küsschen?"
 

Ein zuckersüßes Lächeln schlich sich auf seine Lippen und eine Hand legte sich wie von selbst an Uruhas Wange. Er spürte, dass dem anderen schon ziemlich kalt sein musste, denn seine Wange war eisig kalt. Vorsichtig strich er mit dem Handrücken darüber. Nicht eine Sekunde wandte er den Blick ab. Uruhas Augen waren wirklich wunderschön und er konnte in ihnen den Sternenhimmel sehen. Tausende Sterne spiegelten sich in ihnen wieder.

Er bemerkte gar nicht, dass er sich immer mehr dem Gesicht des anderen näherte. Dabei wollte Uruha das sicher nicht. Aber sein Verstand war nicht nur benebelt, sondern schon ausgeschalten. Der Alkohol war ihm zu Kopf gestiegen.

Nur Millimeter trennten ihn noch von den sündigen Lippen des anderen. Bevor er sie endlich mit seinen berührte, hauchte er ihm noch ein paar süße Worte dagegen und seine Augen drifteten zu.
 

Leicht erschrocken riss Uruha die Augen auf, als er plötzlich etwas Fremdes und Weiches auf seinen Lippen spüren konnte. Kais Lippen bewegten sich zärtlich gegen seine und er schien es zu genießen. Uruhas Augen schlossen sich wieder automatisch und er erwiderte sehr schüchtern diesen Kuss. Da er sich ja nicht erinnern konnte, ob er jemals zuvor jemanden geküsst hatte, war es für ihn eben sein erster Kuss und er versuchte, ihn so gut es ging zu genießen. Doch irgendwie machte ihn es schon stutzig. Er küsste hier gerade einen Mann. Und nicht nur irgendeinen Mann. Sondern Kai. Er küsste gerade wirklich Kai. War das Traum oder Wirklichkeit? Er wusste es nicht.

Leise in den Kuss seufzend schmiegte er sich noch enger an Kai und schlang die Arme um ihn.
 

Erst zögerlich, doch dann immer zärtlicher bewegte er seine Lippen gegen die des anderen. Er war wie berauscht von diesem unbeschreiblichen Gefühl, diese sündigen Polster mit seinen Lippen zu berühren. Oder war das der Alkohol?

Auch egal, befand er. Es fühlte sich einfach toll an und diesen Augenblick würde er jetzt einfach genießen. Egal, was für Konsequenzen es mit sich ziehen würde, dass er einen seiner Freunde und dann auch noch einen Mann küsste. Uruha hatte ihn vom ersten Augenblick an fasziniert und ihn mehr und mehr in seinen Bann gezogen. Wie er das machte, konnte er sich nicht erklären, aber er hatte schon die ganze Zeit davon geträumt, ihm einfach mal einen Kuss stehlen zu können. Und scheinbar hatte Uruha da auch nichts gegen einzuwenden, denn er seufzte wohlig gegen seine Lippen und erwiderte die sanften Bewegungen.
 

Der Kuss ging noch eine ganze Weile so. Uruha schnurrte in den Kuss und hielt Kai fest, während der andere leise seufzte und ihn im Arm hielt. Dann jedoch mussten sie sich wegen Luftmangels lösen und Uruha sah Kai mit hochroten Wangen an. Er wusste nicht, was er dazu jetzt sagen sollte. Es war irgendwie peinlich, aber auch schön. Viel zu schön, um wahr zu sein.

"Ich...", stammelte er und suchte nach den passenden Worten. "Das war... Wunderschön... Aber... Wieso hast du mich geküsst?"

Ja, das war wohl die Frage, die ihm nun am schwersten im Magen lag und er wollte unbedingt die Antwort darauf wissen.
 

So ganz konnte er seine Gedanken gerade nicht ordnen. Alles drehte sich und sein ganzer Körper war von einem unsagbaren Kribbeln beherrscht, das er nicht zuordnen konnte.

Die Augen hielt er noch immer geschlossen und leckte sich über die rotgeküssten, feuchten Lippen. So, als würde er auch den letzten Rest des Geschmacks seines Gegenübers in sich aufnehmen wollen. Zu seinem Erstaunen stellte er fest, dass Uruha wirklich einen verdammt süßen Geschmack hatte und er allein jetzt schon wieder nach mehr verlangte. Das war doch Folter. Uruha schien ihn süchtig machen zu wollen.

Erst nach fünf Minuten hatte er den Mut, die Augen wieder zu öffnen. Er sah direkt in Uruhas bernsteinfarbene Iriden, die ihn fixiert hatten und scheinbar auch nicht vorhatten, dies in den nächsten Minuten zu ändern.

Erst jetzt drang Uruhas Frage zu ihm durch und er versuchte, etwas Plausibles und auch Überzeugendes in seinem Kopf zusammenzureimen. Doch es ging nicht. Irgendwie fehlten ihm gerade die Worte und so strich er einfach weiter sanft mit den Fingerspitzen über die weiche haut.

"Wir sollten ins Bett gehen...", nuschelte er nur.
 

Leicht enttäuscht nickte er. Ja, sie sollten wohl wirklich ins Bett gehen. Es war schon weit nach Mitternacht und Uruha hatte bloß seine kurze Hose und ein Top an. Ihm war unsagbar kalt. Erst jetzt fiel ihm auf, dass ihm während des Kusses nicht kalt gewesen war. Im Gegenteil. Ihm war sogar richtig heiß geworden.

Nun aber spürte er die Eiseskälte wieder und versuchte, sich noch enger an Kai zu pressen, um etwas mehr Wärme abzubekommen. Sie standen gemeinsam auf und Uruha schwankte bedrohlich neben Kai her. Durch das lange Liegen war sein Gleichgewicht außer Kontrolle geraten und der Alkohol gab ihm echt den Rest.

"Ins Bett...", nuschelte er und hakte sich bei Kai ein, um nicht umzukippen.
 

Doch auch der Kleiner schwankte beachtlich von einer Seite zur anderen. So viel hatte er schon lange nicht mehr getrunken. Okay, wenn er sich recht entsann wohl eher noch nie. Aber er hatte unglaublich viel Spaß gehabt. Erst hatten sie gemeinsam gekocht. Dann sind sie in den Garten und haben einfach geplauscht und Musik gehört. Themen hatten sie genug und es wurde verdammt viel gelacht.

Da fiel ihm ein, dass Uruha auch mal richtig gelacht hatte. Allerdings entsann er sich nicht, warum. Aber das war auch egal. Er hatte ihn zum ersten Mal herzhaft lachen hören und es gefiel ihm. Der andere sollte viel mehr lachen. Das stand ihm ausgezeichnet.

"Hai... insch Bött...", murmelte er und zusammen mit Uruha torkelte er ins Haus und stolperte fast die Treppe rauf, bevor sie sich einfach in sein Bett fallen ließen.
 

Tot wie ein Stein ließ er sich zusammen mit Kai ins Bett fallen und schloss sofort die Augen. Im drehte sich alles und ihm war auch furchtbar schlecht. Das würde am nächsten Morgen sicherlich einen richtig fiesen Kater geben. Er hätte wohl doch nicht so viel trinken sollen. Aber er hatte auch nicht widerstehen können. Alle hatten etwas getrunken und er hatte seine Liebe für einen Champagner namens Moet&Chandon entdeckt. Das Zeug war einfach nur geil. Anders konnte er es gar nicht ausdrücken.

"Oyasumi...", nuschelte er und war kurz darauf auch schon mit Kai zusammen eingeschlafen.
 

Der Morgen danach war alles andere als prickelnd. Kai wachte mit einem Männchen im Kopf auf, das es sich scheinbar zur Aufgabe gemacht hatte, seinen Schädel von innen her im Dauerfeuer mit einem Hammer zu bearbeiten. Er hatte tierische Kopfschmerzen und ihm war auch ziemlich übel. Was war nur passiert?

Mühsam setzte er sich auf und schaute auf Uruha, der noch neben ihm auf dem Bett lag und schlummerte. Gott, was war nur passiert und wieso hatte er so einen unglaublich schrecklichen Kater? Alles drehte sich und er hielt sich den Kopf. Und irgendwie stellte er gerade fest, dass er sich nicht mal daran erinnern konnte, wie er ins Bett gekommen war. Hatte er nicht eigentlich im Garten mit den anderen gesessen?
 

Uruha schlief traumlos die ganze Nacht durch und erwachte erst ziemlich spät am Morgen. Als er die Augen öffnete, entfuhr ihm ein leises Winseln und er hielt sich den stark schmerzenden Kopf. Verdammt und zugenäht. Er hatte gestern Abend wohl doch etwas übertrieben mit dem Alkohol. Mann. Er schwor sich, jetzt erst mal eine Zeit lang nüchtern zu bleiben. Er hatte keine Lust auf noch so einen Kater wie jetzt.

Er drehte sich mühsam zur Seite und sah direkt in Kais Gesicht. Sofort fiel ihm ihre gestrige Aktivität ein und er wurde rot. Kai hatte ihn geküsst. Wirklich geküsst. Das war zu schön, um wahr zu sein. Vielleicht durfte er jetzt öfters mit ihm kuscheln. Das wäre so schön...

Das tat er dann auch und kuschelte sich sanft schnurrend in Kais Arme.

"Guten Morgen, Kai-Chan!"
 

Dieser wimmerte nur und hielt sich abermals den ziemlich dolle dröhnenden Schädel. "Ohayou...", gab er nur kleinlaut von sich. Er fühlte sich gerade hundsmiserabel. Mann, warum musste er auch so viel trinken? Eines wusste er jedenfalls. Vom Alkohol war er vorerst geheilt. Den würde er so schnell nicht wieder anrühren und schon gar nicht in solchen Mengen.

Sein Blick wanderte zur Uhr, während auch er die Arme um Uruha legte. Warum das wie von selbst ging, wusste er nicht. Aber um darüber nachzudenken, fehlte ihm einfach die Lust.

Er sah, dass es bereits fast Mittag war. Seufzend drehte er den schmerzenden Kopf zu Uruha. "Wann sind wir eigentlich ins Bett? Irgendwie hab ich das Gefühl, dass alles weg ist."
 

Verdattert blickte er Kai an. Wie jetzt? Anscheinend hatte Kai einen Blackout und das nicht zu knapp. Er grinste leicht und wuschelte ihm durchs Haar.

"Du hast es gestern wohl ziemlich übertrieben oder? Du Armer.", er kicherte leise. "Hast alles vergessen."

Dann jedoch entgleisten seine Gesichtszüge und er hielt sich die Hand vor den Mund, während er Kai anstarrte. Nein. Das war jetzt ein blöder Scherz oder? Wenn Kai sich nicht mehr erinnern konnte, wie sie ins Bett gekommen waren, dann... Dann wusste er auch nichts mehr von dem Kuss.

"Aber... Irgendwas musst du doch noch wissen oder? Wie wir beide im Gras lagen, uns Sterne angesehen haben und du mich... Du mich...", seine Stimme brach.
 

Kai murrte leise, als Uruha ihm durchs Haar wuschelte. Musste das jetzt sein? Er hatte tierische Kopfschmerzen und Uruha hatte nichts Besseres zu tun, als ihm den Kopf zu tätscheln.

Leicht schüttelte er den Kopf. "Iie... ich weiß noch, dass ich mich mit Miya unterhalten habe und danach is irgendwie nix mehr. Alles weg.", seufzte er. Und an Gras und Sterne angucken? Nee, davon wusste er nun wirklich nichts mehr. Es war alles weg. Er erinnerte sich nicht mehr daran. Nur der Kater vom vielen Alkohol ließ ihn wissen, dass er eindeutig über den Durst getrunken hatte. Das war alles.

"Gomen ne, aber ich hab wohl voll den Blackout." Dann erhob er sich und wankte noch immer leicht. "Ich werd mal duschen gehen. Vielleicht werd ich dann wieder fit.", murmelte er und torkelte davon.
 

"Aber... Aber...", stammelte er und blickte Kai hinterher, wie er im Badezimmer verschwand und die Tür hinter sich schloss. Das gab´s doch wohl jetzt nicht! Das durfte doch wohl jetzt nicht wahr sein! Konnte Kami-Sama ihm denn nicht einmal den Gefallen tun und ihn glücklich sein lassen? Nur einmal? Das war so unfair. Wieso erinnerte Kai sich denn jetzt nicht mehr an ihren ersten gemeinsamen Kuss unter freiem Sternenhimmel? Einer mit Amnesie reichte doch, da musste Kai das jetzt nicht auch noch haben.

Er zog die Beine an seinen Körper und umschlang sie mit seinen Armen. Dann legte er den Kopf darauf ab und starrte an die Wand über sich. Es ging in seinem Leben aber auch wirklich alles schief, was nur schiefgehen konnte.

Aoi?

Wohlig seufzend genoss er die warme Dusche. Es ließ ihn auch erst mal vergessen, dass er heute wohl mit einem fetten Kater leben musste. Die warmen Tropfen benetzten seinen Körper und bahnten sich ihren Weg über die weiche Haut.

Genießerisch streckte er den Kopf nach oben und schloss die Augen. Unter der Dusche konnte er unglaublich gut entspannen.

Nach knapp zehn Minuten unter laufendem Wasser drehte er den Hahn dann doch wieder zu und stieg aus der Kabine. Schnell trocknete er sich ab und legte sich das Handtuch um. Irgendwie hatte er in den letzten Tagen noch immer nicht gelernt, dass er seine Sachen lieber mit ins Badezimmer nehmen sollte. Und so musste er doch wieder nur mit dem Handtuch aus dem Badezimmer in seines tapsen.

"Gomen ne...", entschuldigte er sich sofort. Doch dann stockte ihm der Atem. Warum saß Uruha jetzt so deprimiert auf dem Bett und starrte auf die Wand? Sein Blick folgte dem Uruhas. Doch er konnte da nichts entdecken, was irgendwie interessant sein könnte. Und so setzte er sich kurzerhand neben Uruha aufs Bett. "Hey, Ru-chan. Was ist los? Du siehst so traurig aus?"
 

Uruha hickste leise auf und wischte sich die Tränen von den Wangen. Er war enttäuscht. Einfach nur so wahnsinnig enttäuscht, dass Kai ihren Kuss einfach so vergessen hatte. Wie sollte er denn jetzt weitermachen? Einfach so tun, als wäre nichts gewesen? Das ging doch nicht. Er konnte so etwas Wichtiges doch nicht einfach so vergessen.

Mit rotgeweinten Augen sah er ihn an und fauchte leise.

"Natürlich bin ich traurig! Du hast was Wichtiges vergessen! Weißt du, was du mir damit antust? Wieso hast du das bloß gestern gemacht? Anscheinend hat es dir gar nichts bedeutet! Willst du wissen, was du gemacht hast? Huh? Das hier!"

Und schon legte er seine Lippen auf Kais und küsste ihn. Mal sehen, wie er darauf jetzt reagieren würde.
 

Wie versteinert starrte er ihn an, während Uruha ihn küsste. Sein gesamter Körper versteifte sich und alle Muskeln waren angespannt. Sein Gesicht lief rot an und sofort griff er nach Uruhas Schultern und drückte ihn von sich weg.

Mit geweiteten Augen schaute er ihn an. Sein Herz raste und scheinbar sein gesamtes Blut befand sich gerade in seinem Gesicht. Ihm war irgendwie heiß.

"Uruha...", stotterte er. "Wie...wieso tust du das?" Die Verwirrung stand ihm ins Gesicht geschrieben. Sein Körper zitterte und seine Augen verrieten, dass er wirklich nicht wusste, was er davon halten sollte.
 

"Wieso ich das tue? Wieso?", er lachte freudlos auf und erhob sich. Er deutete anklagend auf Kai und nun liefen die Tränen wieder seine Wangen hinab. "Weil du mich gestern Abend auch geküsst hast und das sogar ohne richtige Aufforderung! Ich hab gedacht, dir hat es was bedeutet! Aber nein, wir waren ja betrunken, es war ein Unfall! Toll, ganz klasse! Es ist ja auch egal, wie ich mich fühle! Das ist allen egal!"

Wutschnaubend und verzweifelt schlug er die Tür hinter sich zu und flüchtete ins Wohnzimmer. Dort warf er sich auf das Sofa und schluchzte in die Kissen.
 

Hätte er gekonnt, so hätte er sich jetzt eine ordentliche Abreibung verpasst. Uruha schien wirklich sauer und verdammt enttäuscht von ihm zu sein. Was hatte er bloß wieder angestellt?

Dann hallten die Worte Uruhas in seinem Kopf wider. Trocken schluckte er. Er hatte bitte was getan?!

Er hatte Uruha geküsst?

Man sah förmlich, wie seine grauen Zellen begannen, auf Hochtouren zu arbeiten. Jetzt wollte er wirklich wissen, ob er das getan hatte.

Aber es fiel ihm wirklich nichts ein. Wieso auch sollte er den anderen küssen? Sie waren Freunde und dazu noch Männer. Ein Mann durfte keinen anderen Mann küssen. Das war doch...

Doch irgendwie...

Noch immer spürte er die weichen Lippen des anderen auf seinen und sein Finger glitt über seinen Mund. Es war ein vertrautes Gefühl gewesen. So, als hätte er ihn wirklich schon einmal geküsst. Und irgendwie... fühlte es sich auch nicht wirklich falsch an.
 

Uruha lag schluchzend auf dem Sofa und weinte in die Kissen. Seine Schultern bebten und er konnte sich gar nicht mehr beruhigen. Wenn es nach Kai ginge, dann hätte es diesen Kuss also nie gegeben. Kai gab sich ja nicht einmal Mühe, sich daran zu erinnern. Toll. Hätte er sich ja auch gleich denken können. Sie waren beide Männer und Männer durften sich nicht küssen. Natürlich nicht. Aber Uruha wusste ja mittlerweile, dass er schwul war und fand daran eigentlich gar nichts Schlimmes. Nur Kai fand die Vorstellung, einen anderen Mann zu küssen, bestimmt eklig und widerlich.

Schluchzend stand Uruha wieder auf und tapste zurück zu Kai. In der Tür blieb er stehen und sah Kai aus rotgeweinten Augen an.

"Können wir wieder zu dir nach Hause fahren?"
 

"Uruha..." Er war noch völlig in Gedanken versunken, als der andere wieder ins Zimmer kam und ihn aus geröteten Augen ansah. Uruha wollte scheinbar nach Hause. Und irgendwie konnte er das auch verstehen. Er hatte wohl gerade ziemlichen Bockmist gebaut. Sein Gegenüber hatte das wirklich ziemlich mitgenommen.

Zögerlich streckte er die Hand nach ihm aus und hoffte, dass Uruha ihn verstehen würde. Er wollte sich entschuldigen und... er hatte Uruha auch versprochen, dass er mit ihm reden würde. Vielleicht war es jetzt ja an der Zeit, darüber zu sprechen und ihn wissen zu lassen, was er für Sorgen und Ängste hatte.
 

Uruha sah auf die ihm dargebotene Hand und schluckte hart. Nanu? Was sollte das denn jetzt? Eigentlich wollte er jetzt sauer auf Kai sein, aber dessen verschüchterter und bittender Blick ließen bei ihm mal wieder alle Barrieren zu Bruch gehen und so nahm er die Hand an und wurde sogleich zu Kai aufs Bett gezogen. Nun saßen sie beide nebeneinander und Uruha blickte ihn aus traurigen Augen an.

"Und? Was willst du mir sagen? Dass du mich eklig findest?"
 

Er war froh, dass der Andere seine Hand annahm und zog ihn zu sich aufs Bett. Nun saßen sie nebeneinander und er verschluckte sich fast an seiner eigenen Spucke, als Uruha ihm das sagte. Er sollte was? Er sollte Uruha eklig finden?

Sofort legte er eine Hand auf Uruhas Mund und schaute ihn grimmig an.

"Spinnst du oder was? Wie kommst du auf diese bescheuerte Idee?" Seine Stimme klang ernst und es war auch ernst gemeint. "Glaubst du allen Ernstes, ich würde dich eklig finden?" Dann drehte er den Kopf weg und ließ Uruha wieder los. "Wenn du glaubst, ich würde so über dich denken, dann bitte. Ich hindere dich bestimmt nicht daran. Aber es ist nicht so. Ganz und gar nicht. Es ist eher so, dass es genau das Gegenteil ist." Seine Worte wurden immer leiser.
 

"Aber... Du fandest den Kuss doch eben sicherlich widerlich oder? Sonst hättest du doch nicht so geguckt. Ich hab deinen Blick doch gesehen. Willst du mir etwa sagen, dass er dir gefallen hat? Aber..."

Er wusste gar nicht, was er darauf jetzt sagen sollte. Kai fand nicht, dass er eklig war? Eher genau das Gegenteil? Aber... Was sollte das denn heißen, das Gegenteil? Was sollte er denn jetzt bitte schön wieder davon halten? Irgendwie verstand er in letzter Zeit nur noch Bahnhof.

"Kai... Sprich Klartext, ja? Du verletzt mich mit deinem Verhalten.“
 

Kai schluckte. Irgendwie hatte er das auch schon bemerkt. Egal, was er tat oder sagte, irgendwie hatte er immer genau das Falsche getan. Dennoch senkte er den Blick und spielte nervös an seinen Fingern.

"Ano... Weißt du, es... es gab da mal jemanden, den ich wirklich gemocht habe... Okay, mehr als gemocht habe und..." Warum fing er jetzt damit an? Wieso musste er jetzt gerade das erwähnen? Er hatte es doch schon so weit verdrängt gehabt. Es soweit in der hintersten Ecke seiner Gedanken vergraben, dass er es nie wieder zutage fördern wollte. Doch... Wenn er Uruha nicht verlieren wollte, würde er mit ihm darüber reden müssen. Ihm sagen müssen, warum er sich so merkwürdig verhielt.

Jetzt schaute er auf und direkt in Uruhas Augen. In seinen eigenen konnte man erkennen, dass er traurig war und enttäuscht zugleich. Doch es war nicht Uruha, der ihn enttäuschte. Eher er selbst und die Person, der er zum ersten Mal in seinem Leben so sehr vertraut hatte.
 

So langsam wurde er ungeduldig. Endlich hatte er Kai soweit, dass dieser endlich mal mit ihm über sich sprach und jetzt redete er nicht weiter. Was war bloß mit diesem Kerl los? Wenn er nicht mit ihm über sowas reden wollte, dann sollte er es auch lassen und ihn nicht noch neugieriger machen. Was sollte das denn auch schon heißen? Kai hatte jemanden gehabt, den er sehr gern gehabt hatte. Toll. Und wen? Und wieso sagte er ihm das? Das ging ihn doch eigentlich gar nichts an. Aber er wartete ab und sagte gar nichts. Vielleicht würde Kai ja gleich mit der Sprache rausrücken und dann wäre alles geklärt. Das hoffte er jedenfalls...
 

Doch Kai schwieg und hob nur einen Arm, um eine seiner Hände an Uruhas Wange zu legen und sie sanft zu streicheln.

"Ich habe Angst davor, es abermals soweit kommen zu lassen und dann wieder den Menschen zu verlieren, der mir so viel bedeutet.", flüsterte er und lehnte seinen Kopf gegen Uruhas Brust. "Weißt du, irgendwie hab ich immer ein komisches Gefühl, wenn du bei mir bist. Und ich trau mich nicht, dir so nahe zu sein. Ich weiß auch nicht warum. Aber es ist wirklich so." Eine Hand krallte sich in Uruhas Shirt und hielt sich einfach fest. "Ich hab dich verdammt gern und ich will nicht, dass ich dir weh tue... Das möchte ich nicht noch einmal durchmachen. Bitte..."
 

Langsam glaubte Uruha wirklich, den Verstand zu verlieren. Wie jetzt, nochmal von vorne. Er musste erst mal seine Gedanken sammeln. Also... Kai fühlte sich merkwürdig, wenn er in seiner Nähe war. Okay... Er traute sich nicht, Uruha nahe zu kommen. Okay... Und er wollte ihm nicht wehtun. Auch okay... Aber er tat genau das. Dieses Verhalten tat Uruha mehr als nur weh und ließ ihn verzweifeln. Er wollte Kai doch nahe sein und bei ihm bleiben, aber wenn Kai dies nicht zulassen wollte, konnte er auch nichts weiter machen, als abzuwarten.

Vorsichtig streichelte er Kai über das Haar und schob ihn von sich weg, um ihm in die Augen sehen zu können. Er lächelte leicht.

"Ich will dir so unheimlich gerne ganz nahe sein, Kai... Aber wenn du das nicht willst, dann sag es mir bitte und ich verschwinde endlich aus deinem Leben. Vielleicht geht es dir dann wieder besser. Also sag mir, was du willst. Ich kann nicht in dir lesen wie in einem Buch. Also weiß ich auch nicht, was du willst. Ich will dir gerne nahe sein, Kai... Bitte..."

Und wieder liefen ihm die Tränen hinab, doch diesmal unternahm er nichts gegen sie und ließ ihnen freien Lauf.
 

Ruckartig krallte er sich noch mehr an ihm fest. Jetzt hatte er erst recht Angst. Uruha wollte aus seinem Leben verschwinden? Nein. Das wollte er sicher nicht. Uruha war zu einem Teil seines Lebens geworden. Stück für Stück hatte er sich in sein Leben geschlichen und nun wollte er ihn auch nie wieder hergeben. Niemals wieder.

Nun konnte auch er nicht mehr an sich halten und Tränen suchten sich ihren Weg über seine Wangen. Sein Körper bebte.

"Iie...", bat er. Nein. Uruha sollte nicht weg gehen. Nie mehr sollte er weggehen. Er gehörte doch hierher. Er sollte bleiben.

"Du darfst nicht einfach gehen. Nie mehr...", stammelte er.
 

"Aber, Kai... Wenn ich hierbleibe, geht es dir doch von Tag zu Tag schlechter. Du machst dir um alles Sorgen und kümmerst dich nur noch um mich. Das ist auch nicht gut und du vernachlässigst so deine Freunde. Miyavi ist viel wichtiger als ich, also solltest du mehr Zeit mit ihm verbringen."

Er lächelte leicht und küsste ihn auf die Stirn, ehe er die geküsste Stelle leicht streichelte und aufstand. Schnell hatte er all seine Sachen zusammengepackt und hielt nun den Koffer in der Hand.

"Kannst du mich wieder nach Kanagawa bringen? Ich werde mir eine Arbeit suchen und dann ein neues Leben anfangen. Das Alte ist mir ja sowieso geraubt worden. Ich kann nicht mehr zurück und dir bringe ich nur Unglück."

Er ging zur Tür und öffnete sie.

"Ich warte am Auto auf dich."

Und schon war er verschwunden.
 

"Warte!", rief er ihm noch hinterher, doch Uruha ging einfach weiter und war dann auch schon verschwunden. Sofort sackte er auf dem Bett zusammen und noch mehr Tränen traten hervor. Warum? Warum machte er auch immer alles falsch? Nie schaffte er es, die Menschen glücklich zu machen, die er so verdammt gern hatte.

Alles in seinem Leben lief schief. Konnte er denn gar nichts?

Uruha würde ihn nun auch verlassen. Das hatte er eben selbst gesagt. Er sollte ihn nur noch nach Hause fahren und dann... Ja, was dann? Uruha würde vermutlich aus seinem Leben verschwinden. Einfach so wie er in jenem aufgetaucht war, würde er sich jetzt auch wieder davon machen.

Was hatte es da noch für einen Sinn? Uruha war ihm so verdammt wichtig geworden.

"Uruha...", wimmerte er. Irgendwie sah er so langsam keinen Sinn mehr in seinem Leben. Alle Menschen, die er liebte, wandten sich von ihm ab. Einer nach dem anderen.
 

Uruha lehnte an dem schwarzen Auto Kais und schaute in den Himmel. Er war klar und blau, keine einzige Wolke war zu sehen und eine laue Brise ging. Uruhas Haare verwehten im Wind leicht und hangen ihm im Gesicht, doch es störte ihn nicht. Er war viel zu sehr damit beschäftigt, sich selbst zu bemitleiden. Was hatte er schon vom Leben? Nichts, rein gar nichts. Seine Vergangenheit war ausgelöscht worden und anscheinend suchte auch niemand nach ihm. Niemand vermisste ihn. Und nun hatte er auch Kai verloren. Der Mensch, der im Moment das Wichtigste für ihn war. Was sollte er denn jetzt bloß machen? Er würde seine Worte wohl wahrmachen müssen und Kai verlassen, um ein eigenes Leben führen zu können. Es machte ihn wirklich sehr traurig, aber anders ging es nicht. Er tat Kai einfach nicht gut.

Wenn man vom Teufel dachte... Da kam Kai auch schon und beide setzten sich ins Auto. Uruha bemerkte, dass Kai geweint haben musste, doch er sagte dazu nichts. Es würde alles nur noch schlimmer machen, wenn er jetzt versuchen würde, ihn zu trösten.
 

Die gesamte Fahrt über schwiegen sie. Und Kai starrte wie gebannt auf den Verkehr. Allerdings fiel es ihm sichtlich schwer, denn noch immer kreisten die Gedanken um jene Person, die neben ihm saß und sich vermutlich das letzte Mal in seiner Nähe aufhielt. Wenn er genau darüber nachdachte, war es vielleicht auch das Beste für Uruha. Er jedenfalls schien den Anderen durch sein Verhalten andauernd zu verletzen. Und das wollte er nicht. Uruha sollte glücklich werden und das konnte er ihm wohl nicht geben. Obwohl er es sich so sehr wünschte.

Sie waren gerade drei Stunden unterwegs, als Kai einfach in einen Feldweg abbog und anhielt. Er konnte einfach nicht mehr. Der Schwarzhaarige stellte den Motor aus, krallte sich ans Lenkrad und legte den Kopf darauf.
 

Uruha war während der Fahrt eingeschlafen. Immer wieder träumte er von Kai, wie er weinend auf dem Bett saß und so war der Schlaf auch nicht gerade erholsam gewesen. Alles in allem erwachte er drei Stunden nach Beginn der Fahrt plötzlich, als Kai auf einmal den Wagen anhielt und abrupt stehenblieb. Davon erwachte Uruha und sah sich verschlafen um. Jetzt verstand er gar nichts mehr.

"Nani? Was ist denn, Kai? Musst du mal? Dann beeil dich, okay? Ich will ganz schnell nach Hause und meine restlichen Sachen holen... Dann bist du mich los.", nuschelte er leise.
 

Bei diesen Worten zuckte er zusammen. Uruha wollte also wirklich weg. Das hatte er ihm eben schon wieder gesagt. Er konnte es einfach nicht glauben. Erst trat er so unverhofft in sein Leben und stellte sein Innerstes Kopf und nun... nun würde er einfach wieder abhauen. Einfach so. Warum?

"Warum?", fragte er. Seine Stimme war heiser und es klang eher wie ein Krächzen. Aber das lag daran, dass er stark gegen seine inneren Gefühle kämpfte. Er wollte nicht schon wieder weinen. Hatte er das nicht damals schon oft genug getan? Jetzt würde er es wieder tun und konnte nichts dagegen unternehmen. Er hatte es wohl einfach nicht verdient, mit einem Menschen zusammen zu sein, der ihn so liebte, wie er war. Scheinbar musste er sich verstellen, doch das wollte er nicht. Er wollte er sein.

"Warum?", wiederholte er leise und schlug mit der Faust auf das Lenkrad.
 

Entsetzt sah er mit an, wie Kai immer wieder auf das Lenkrad einschlug und auch immer wieder wie eine Mantra das Wörtchen 'Warum' aufsagte. Anscheinend war er ziemlich verzweifelt. Jetzt war es an Uruha, nach dem Warum zu fragen. Er verstand es nicht. Wollte Kai etwa gar nicht, dass er ging? Wenn ja, warum sagte er es ihm dann nicht einfach? Er wollte endlich Klarheit haben! Es war nicht fair von Kai, ihn so lange zappeln zu lassen und ihm nichts zu erklären.

"Kai... Soll ich gehen, ja oder nein? Wenn nicht, dann bleibe ich natürlich hier... Ich will, dass es dir gut geht, verstehst du? Und wenn du meinst, dass es dir ohne mich besser geht, dann gehe ich auch. Das musst du entscheiden. Also bitte. Sag es mir endlich..."

Er lehnte sich soweit zu Kai hinüber, dass er sich ein wenig an ihn kuscheln konnte und sah ihn an.

"Was willst du?"
 

"Bleib...", war alles, was er sagte. Nur dieses eine Wörtchen und es kam ohne das geringste Zögern und wie aus der Pistole geschossen. Er musste nicht lange nachdenken. Wenn Uruha ihm die Wahl ließ, dann gab es wirklich nur eine einzige Antwort darauf und die hieß ‚bleiben'.

Ja, Uruha sollte bleiben. Und wenn möglich für immer. Er war für ihn so verdammt wichtig geworden, dass er sich ein Leben ohne ihn einfach nicht mehr vorstellen konnte. Die zwei Wochen ohne ihn waren grausam und das hatte nicht nur er zu spüren bekommen. Seine ganze Familie hatte dies bemerkt und scheinbar auch Miyavi. Der hätte Uruha wohl sonst auch nicht einfach zu ihm gebracht.
 

Erleichtert atmete Uruha auf und schmiegte sich jetzt richtig fest an Kai heran. Das war ja gerade nochmal gut gegangen. Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn sie jetzt nicht miteinander gesprochen hätten. Dann wäre Uruha wirklich weggegangen und er hätte Kai nie wiedergesehen. Nie. Er war so unbeschreiblich glücklich, dass er anfing zu weinen und sich ganz nah an Kai drückte.

"Ich hab dich lieb und es tut mir leid, wie ich mich benommen habe. Wirklich. Ganz arg doll tut`s mir leid. Ich mach`s nie wieder, ja? Verzeihst du mir?", fragte er und sah Kai wieder tief in die Augen.
 

Sofort ließ er das Lenkrad los und drehte sich zur Seite. Jetzt krallte er sich in Uruhas Shirt und wollte ihn nicht mehr loslassen. Nein, nie mehr. Und plötzlich dachte er daran, dass er sich vielleicht doch... Konnte es sein, dass er sich... Aber war das wirklich möglich?

Hatte er sich vielleicht wirklich in Uruha...?

Egal. Darüber würde er sich später noch Gedanken machen können.

"Uruha? Versprichst du mir etwas?", fragte er mit heiserer Stimme.
 

"Hai. Ich verspreche dir alles, was du willst. Wirklich alles, egal was es ist. Ich will, dass du glücklich wirst."

Er lächelte schwach und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange. Eigentlich durfte er das ja jetzt nicht mehr, aber einmal hatte er das noch tun wollen. Wenn Kai aber was dagegen hatte, dann sollte er das sagen. Uruha wurde leicht rot. Ihm war jetzt klar geworden, wie sehr er Kai mochte. Zu sehr schon fast. Hatte er sich vielleicht in Kai verliebt? Ein ganz kleines bisschen?
 

Jetzt schaute er auf und man sah, dass tausende von Tränen sein Gesicht benetzten. Seine Augen waren rotgeschollen und seine Sicht verschwommen. Dennoch wollte er ihm ins Gesicht sehen, wenn er ihn darum bat.

"Versprich mir, dass du immer bei mir bleibst, hai?", nuschelte er und legte sofort seinen Kopf wieder an Uruhas Schulter. Er sollte nicht sehen, wie mies er sich gerade fühlte. Er würde Uruha so einfach an sich binden. Aber was dachte Uruha darüber? Er war doch ein freier Mensch. Und es gab wirklich noch nie jemanden, den er um einen solchen Gefallen gebeten hatte.

"Du bist der wichtigste Mensch für mich geworden."
 

"Hai. Ich verspreche dir, dass ich bei dir bleibe, wenn du mich auch nie alleine lässt, ja? Das wäre wirklich lieb und würde mir sehr viel bedeuten. Du bist ebenfalls der wichtigste Mensch in meinem Leben geworden. Ich kann es mir nicht erklären, aber es ist so. Ich hab dich unwahrscheinlich lieb. Glaub mir das. Ich hab dich wirklich lieb."

Und wieder gab er ihm ein kleines Küsschen und setzte sich dann wieder richtig hin. Er sah zu Kai hinüber und grinste.

"Fahren wir jetzt nach Hause?"
 

Mit dem Ärmel wischte er sich die letzten Spuren der Tränen weg und setzte sich ebenfalls richtig hin. Noch einmal atmete er tief durch und startete wieder den Motor. Jetzt würde es nach Hause gehen. In ihre Wohnung.

Bei dem Gedanken schlich sich ein süßes Lächeln auf sein Gesicht und er musste zu Uruha hinüber schauen.

"Dann lass uns mal nach Hause fahren. In unser Zuhause.", wisperte er und fuhr los.

Die letzten Stunden vergingen wie im Flug und sie trafen noch vor der Dämmerung in Kanagawa ein.
 

Endlich wieder in Kanagawa. Uruha hatte diese Stadt wirklich vermisst, obwohl sie vielleicht gar nicht seine Heimatstadt war. Doch solange er bei Kai war, war sie es und er würde noch sehr lange bei ihm bleiben, das hatte er sich geschworen.

Sie standen gerade an einer Ampel und Kai wartete ungeduldig darauf, dass es wieder grün wurde, während Uruha aus dem Fenster sah und sich müde die Augen rieb. Er beobachtete die Passanten, die den Bürgersteig auf und ab gingen. Sie alle hatten eine Familie, die auf sie wartete. Nur er nicht. Das machte ihn irgendwie eifersüchtig. Plötzlich fiel ihm ein junger Mann ins Auge. Er war in einen schwarzen Mantel gehüllt und stand an der Ampel angelehnt. Er hatte rabenschwarzes Haar und war ziemlich bleich. Uruha musterte den jungen Mann, der zwei oder drei Jahre älter als er sein musste. Irgendwoher kannte er ihn doch... Doch der Mann drehte sich um und ging die Straße hinab. Dabei konnte Uruha für einen kurzen Augenblick in die Augen des Mannes sehen und plötzlich durchzuckte ihn ein gewaltiger Kopfschmerz. Er wimmerte auf, krümmte sich nach vorne und hielt sich den Kopf. Ihm kamen wieder die Bilder des schwarzhaarigen Jungen in den Sinn, welcher auf dem Boden hockte und einen kleineren Jungen in Armen hielt. Er schien ihn vor einem riesigen bulligen Mann beschützen zu wollen, welcher wutschnaubend vor ihnen stand und zum Schlag ausholte.

Uruha wimmerte auf.

"Itai...", winselte er.
 

Kai achtete nur auf die Ampel, dass diese endlich auf grün umschaltete. Als sie es dann auch tat, hörte er nur einen Schmerzenslaut von Uruha und stockte. Schnell griff er mit der freien Hand nach Uruha und drückte dessen Hand. "Hey, alles in Ordnung?"

Bei diesem dichten Verkehr konnte er unmöglich einfach anhalten und so konnte er einfach nur weiterfahren und Uruhas Hand halten. Er hoffte sehr, dass es ihm gut ging und er nicht allzu große Schmerzen hatte.

So schnell er konnte, fuhr er durch die Straßen, bis er schließlich vor seinem Wohnblock ankam. Sofort stellte er den Motor aus und schnallte sich ab. Vorsichtig beugte er sich zu Uruha hinüber. "Ru-chan?"
 

Uruhas Kopf schien vor Schmerzen explodieren zu wollen. Es tat furchtbar weh und diese Bilder ließen ihn einfach nicht los. Wieso hatte der Blick in die Augen dieses Mannes gereicht, um verschüttete Erinnerungen in ihm wachzurütteln? Wer war dieser Mann? Was hatte er hier zu suchen?

Fragen über Fragen, die Uruha sich nicht selbst beantworten konnte. Er hoffte, dass diese Höllenfahrt bald vorbei sein würde. Je näher sie Kais Haus kamen, desto schwächer wurden die Kopfschmerzen, bis sie schließlich ganz verschwanden, als Kai anhielt. Jedoch war er vollkommen benommen und vor seinen Augen tanzten schwarze Schlieren und bunte Punkte. Als er seinen Namen hörte, nuschelte er ein leises "Kai-Chan..." Seine Zunge schien an seinem Gaumen zu kleben.
 

"Komm." Uruha sah irgendwie blass aus und es schien ihm, wirklich nicht gut zu gehen. Das hieß für den Größeren, dass Kai ihn jetzt einfach mal ins Bett stecken würde. Noch einmal hatte er keine Lust darauf, dass der andere solche Schmerzen empfand, wie es gerade eben der Fall gewesen war.

Hastig rannte er ums Auto, als er ausgestiegen war und öffnete die Beifahrertür. Vorsichtig half er seinem Freund aus dem Auto und zog ihn in die Höhe.

"Alles okay? Du siehst nicht gut aus.", meinte er nur.

Er ließ Uruha kurz stehen und holte dann ihre Koffer aus dem Wagen. Dann machten sie sich auf den Weg zum Fahrstuhl. Uruha würde er jetzt bestimmt keine Treppen steigen lassen.
 

Uruha musste sich bei Kai einhaken, während sie langsam zu den Fahrstühlen gingen. Ihm war schwindlig und schlecht. Was war das eben bloß gewesen? Er verstand es einfach nicht. Wieso konnte ein einzelner Blick von einem ihm völlig fremden Mann so etwas in ihm auslösen? Diese Schmerzen waren gewaltig gewesen. So etwas hatte er noch nie gespürt.

Sie kamen in Kais Wohnung an und Uruha wurde sofort ins Bett gesteckt. Er blickte Kai aus müde Augen an und hielt ihn an der Hand fest und zog ihn neben sich aufs Bett.

"Kai? Ich... Da war eben so ein seltsamer Mann... Ich glaube, ich kenne ihn und dann hatte ich wieder eine Vision... Was ist das bloß?"
 

Der Schwarzhaarige setzte sich zu ihm auf das Bett und strich ihm liebevoll über die Stirn. Angespannt lauschte er den Worten des Anderen und versuchte, zu verstehen, was das zu bedeuten hatte. Doch so langsam dämmerte es ihm.

Vor ein paar Wochen hatte Uruha den Namen 'Aoi' erwähnt. Ob das vielleicht dieser Aoi gewesen war? Vielleicht kannte Uruha ihn und hatte deshalb diese Vision, als er ihn gesehen hatte.

Ein sanftes Lächeln schenkte er dem Anderen. "Ich weiß nicht. Aber es kann sein, dass dieser Mann, den du da gesehen hast, etwas mit deiner Vergangenheit zu tun haben könnte. Ganz sicher bin ich mir allerdings nicht."
 

"Aoi?", murmelte er leise und schloss die Augen. "Das... Das könnte natürlich sein. Ich habe in letzter Zeit auch öfters von einem Aoi geträumt. Ich würde wirklich zu gerne wissen, ob er es wirklich ist und was er mit mir zu tun hat. Er sah so... So traurig aus... Und was ich seltsam finde... Er sieht mir irgendwie ähnlich. Ich kann es mir auch nur einbilden, aber es ist wirklich so."

Er seufzte und kuschelte sich eng an Kais Seite heran und blickte zu ihm hinauf.

"Ich würde ihn zu gerne nochmal sehen und mit ihm sprechen..."
 

Kai nickte nur. Dass die Wahrscheinlichkeit, diesen Aoi demnächst wiederzutreffen, hier in Kanagawa ziemlich gering war, ließ er erst einmal völlig außer Acht. Sie würden das schon irgendwie hinbekommen.

Aber da Kai ihn nicht gesehen hatte und auch nicht genau wusste, wen von den vielen Passanten Uruha meinte, konnte er auch nicht auf eigene Faust losgehen und ihn suchen. Sie würden sich auf das Schicksal oder den Zufall verlassen müssen. Leider.

"Ruh dich erst einmal aus. Morgen werden wir dann mal schauen und in der Stadt ein paar Recherchen anstellen. Vielleicht kann uns dort jemand weiterhelfen oder wir begegnen ihm vielleicht. Aber darüber solltest du dir jetzt nicht den Kopf zerbrechen. Du brauchst Ruhe." Er hauchte ihm einen Kuss auf die Stirn. "Schlaf ein wenig, ich pack die Koffer aus und komm dann zu dir."
 

Seufzend legte er sich auf die Seite und knabberte nervös an seinem Daumennagelbett herum. Was, wenn Kai Unrecht hatte und sie Aoi nicht finden würden? Kanagawa war schließlich eine große Stadt und da gerade denjenigen zu finden, den sie suchten, war schon fast ein Ding der Unmöglichkeit. Aber sie würden es wenigstens versuchen. Das hatte Kai ihm versprochen. Und wenn sie sich Mühe geben würden, dann würde das auch klappen. Er musste nur dran glauben.

Während Kai Koffer auspackte, wartete Uruha ungeduldig auf Kai. Er war müde und wollte schlafen.
 

Seufzend räumte er die Koffer aus. In Gedanken allerdings war er schon wieder ganz woanders. Er machte sich schon ein wenig Sorgen. Was wäre, wenn es wirklich dieser Aoi war? Oder wenn er es vielleicht doch nicht war und Uruha sich einfach nur getäuscht hatte? Was würde passieren, wenn sie ihn finden würden? Was, wenn Uruha sich wieder an alles erinnern würde?

Was würde dann passieren? Würde Uruha dann doch weggehen? Würde er ihn einfach vergessen, wie er jetzt seine Vergangenheit vergessen hatte? War er dann überhaupt noch wichtig für den Anderen?

Eigentlich waren das ziemlich egoistische Gedanken, die er da hatte. Aber waren sie nicht eigentlich auch normal? Er hatte doch bloß Angst um seinen Freund. Er wollte ihn beschützen und immer für ihn da sein?

Und wenn... Er musste ihm helfen, egal zu welchem Preis. Wenn Uruha sich wieder erinnern würde, dann könnte er womöglich wieder ein normales Leben führen und hätte wieder eine Familie. Da musste er sich nicht noch dazwischen drängen.
 

"Kai? Kommst du jetzt wieder ins Bett? Ich will schlafen und morgen stehen wir ganz früh auf, damit wir auch schnell in die Stadt kommen können, ja? Ich will unbedingt nach Aoi suchen. Ich hab irgendwie im Gefühl, dass wir ihn finden werden. Ich hoffe es zumindest sehr stark.", redete er auf Kai ein, welcher vor dem Schrank hockte und die Klamotten wieder einsortierte. "Ich bin aufgeregt..."

Er lächelte und ließ sich in die Kissen sinken. Endlich war Kai dann mit auspacken fertig und Uruha konnte sich im Bett an den Anderen kuscheln. Er drückte ihm noch einen Nachtkuss auf die Wange, ehe er die Augen schloss.

"Oyasumi.", und es dauerte nicht lange, da war er auch schon eingeschlafen.
 

Kai hingegen lag noch ziemlich lange wach. Seine Gedanken beschäftigten sich nun schon seit Stunden nur mit diesem einen Thema. Dabei sollte er doch alles Mögliche daransetzten, dass Uruha sich wieder erinnerte. Und was tat er? Innerlich hoffte er, dass es soweit nicht kommen würde. Für ihn würde es dann vermutlich wieder heißen, dass er alleine war.

Seufzend schloss er die Augen und schlief ein. Allerdings träumte er nicht wirklich und sein Schlaf war alles andere als ruhig. Irgendwie nahm ihn das alles gerade ziemlich mit. Nur konnte er sich nicht erklären, warum das so war.
 

Uruha schlief sehr gut in dieser Nacht. Innerlich freute er sich sehr darauf, endlich Aoi zu treffen und vielleicht mehr über seine Vergangenheit zu erfahren. Endlich. Darauf wartete er nun schon seit Wochen und vielleicht war heute dieser besondere Tag gekommen.

Uruha erwachte schon sehr früh. Diesmal war er hellwach und ohne auf Kai zu achten, rannte er sofort ins Badezimmer, zog sich aus und duschte sich gründlich. Dann frisierte er seine Haare ein wenig und schminkte sich. Als er mit seinem Äußeren zufrieden war, tapste er ins Zimmer zurück und zog sich ein lilafarbenes Shirt und eine seiner kurzen Hosen an und setzte sich zu Kai ans Bett. Vorsichtig rüttelte er an ihm.

"Hey. Aufwachen. Wir wollen los."
 

Mürrisch öffnete er ein Auge, doch dann schnappte er sich eines der Kissen und zog es sich über den Kopf. Er wollte doch jetzt noch nicht aufstehen. Das war doch noch viel zu früh.

"Uruha.", maulte er. "Musst du jetzt schon so verdammt munter sein? Es ist doch noch nicht mal acht Uhr oder?" Er hatte selbst nicht auf die Uhr gesehen, aber sein Gefühl sagte ihm, dass es eindeutig zu früh war, um jetzt schon aus dem Bett zu krauchen und nach draußen zu gehen. "Lass mich schlafen.", brummte er weiter. Doch Uruha schien nicht aufgeben zu wollen und versuchte nochmal sein Glück. Aber nicht mit Kai. Hastig griff er ein Kissen und pfefferte es dem Größeren direkt ins Gesicht. Als dieser ihn dann entsetzt ansah, als er das Kissen von seinem Kopf nahm, musste er breit grinsen. "Siehst du? Du hast noch kein Reaktionsvermögen. Also ist es noch viel zu früh." Prompt schnappte er sich Uruha Handgelenk und zog ihn frech neben sich. Er legte sich halb auf ihn, damit er auch gar nicht auf die Idee kam, einfach abzuhauen.
 

Musste er sich am frühen Morgen schon so etwas gefallen lassen? Nein, musste er nicht! Das war echt zu viel. Erst wurde er mit Kissen bombardiert und jetzt lag er halb unter Kai und wurde einfach festgehalten, und das, obwohl er so gerne gleich in die Stadt wollte. Das war hundsgemein von Kai und so dachte er gar nicht im Traum daran, Kai jetzt in Ruhe zu lassen. Auch, wenn er jetzt nicht auf eigene Faust irgendwo hin konnte, er würde Kai schon noch dazu kriegen, endlich aufzustehen.

"Kai? Was ist, wenn Aoi gerade jetzt in der Stadt ist und vielleicht Brötchen kauft oder so? Dann verpassen wir ihn und dann bin ich die nächsten Wochen nur noch unglücklich, willst du das? Huh? Das ist gemein von dir, also steh jetzt endlich auf."

Und so redete er putzmunter immer weiter auf Kai ein und dachte nicht im Traum daran, Kai jetzt schlafen zu lassen, oh nein.
 

Irgendwann wurde es ihm zu viel und er hielt Uruha einfach den Mund zu. "Irgendwann schenk ich dir mal ne Tüte mit Punkten und Kommas. Ist ja nicht zum Aushalten.", lachte er. Aber er dachte nicht im Geringsten daran, jetzt schon aufzustehen. Nichts da. "Welcher Idiot ist um diese Uhrzeit schon auf den Beinen und kauft Brötchen?", fragte er ihn. "Das kann wirklich nicht dein Ernst sein, oder?"

Langsam nahm er die Hand wieder von Uruhas Mund und legte seinen Kopf zurück ins Kissen. Uruha sollte nicht denken, dass er sich so schnell geschlagen geben würde. Nichts da. Er wollte einfach noch im Bett bleiben und ein wenig schlafen. War das zu viel verlangt?
 

Eine Weile grummelte er gegen Kais Hand, bis dieser ihn wieder entließ und scheinbar weiterschlafen wollte. Aber nicht mit ihm. Uruha wollte jetzt sofort in die Stadt und da würde er Kai auch nicht alleine hier lassen. Kai musste mit und ihm beistehen.

Jetzt sah Uruha nur noch eine Chance. Er schwang ein Bein über Kai und setzte sich so auf dessen Schoß. Dann hob er die Hände, führte sie unter Kais Arme und kitzelte ihn gründlich durch. Aha! Anscheinend hatte er eine von Kais Schwachstellen gefunden. Kais Lachen erfüllte den ganzen Raum.

"Kommst du jetzt mit?"
 

"Uwah!", fiepte er auf, als Uruha sich erst auf seinen Schoß setzte und ihn dann auch noch kackfrech durch kitzelte. Sich windend kämpfte er dagegen an. Das war ja mal sowas von unfair, was er hier mit ihm machte. Lachend warf er den Kopf von einer Seite zur anderen. Woher wusste der andere so genau, dass er kitzlig war. Und Kai war verdammt kitzlig.

Doch er ließ Uruha keine Chance. Nein. Er wollte jetzt definitiv noch nicht aufstehen und daran würde ihn auch kein kitzel wütiger Uruha hindern. Nie im Leben.

Mit einem Ruck packte er ihn und warf ihn um. Jetzt würde er den Spieß einfach mal umdrehen und Uruha ordentlich durch kitzeln. Mal sehen, was der davon hielt, so dermaßen gefoltert zu werden.
 

Ach, Mist. Jetzt hatte er schon mal Kais Schwachstelle herausgefunden und konnte sie nicht gegen ihn verwenden, da Kai ihn einfach so herumgeworfen hatte und nun ihn durch kitzelte. Lachend wandte er sich unter Kai und kicherte immer wieder hell auf, wenn Kai über seinen Bauch kitzelte. Da war er nämlich am kitzligsten.

"Kai~!", winselte er und hielt sich vor Lachen den Bauch und versuchte, sich ein wenig zu schützen. "Hör auf! Ich ergebe mich! Ich kann nicht mehr!"
 

Ha! Das war doch mal ein Erfolg auf ganzer Linie. Uruha gab sich also geschlagen? Wunderbar. Dann konnte er ja jetzt wenigstens noch liegen bleiben und ein wenig dösen. Nach der Kitzelattacke würde er eh nicht mehr einschlafen können. Dazu hatte er schon viel zu viel gelacht und sein Bauch schmerzte auch schon leicht davon.

Und so ließ er von ihm ab und legte sich wieder neben ihn. Zufrieden kuschelte er sich wieder in seine Decke und vergrub das Gesicht tief im weichen Kissen. Seufzend schloss er die Augen und genoss es. Er hatte sein Bett schon irgendwie in den vergangenen Wochen vermisst. Jetzt hatte er es ja wieder.

"Und jetzt leg dich noch ein wenig hin. Es ist viel zu früh."
 

Vollkommen außer Atem lag er nun da und atmete schwer. Gott, sein Bauch tat ziemlich weh und er hatte einen Lachkater. Seufzend kuschelte er sich an Kai heran und schloss die Augen. Na gut. Kai würde sich eh nicht davon abhalten lassen, noch ein wenig zu schlafen. Obwohl er es ziemlich schade fand. Wenn er wegen ihm Aoi verpasste, dann würde das für Kai ein böses Ende nehmen, oh ja.

Und so blieben sie noch etwa eine Stunde im Bett. Uruha jedoch konnte nicht mehr schlafen und erwartete sehnsüchtig den Augenblick, bis Kai wieder erwachen würde.
 

So richtig schlafen konnte er nicht mehr. Dafür hatte Uruha ihn einfach zu brutal durch gekitzelt. Nur noch dösend lag er neben ihm und kuschelte sich in die weichen Laken. Es war wirklich schön. Doch er machte sich noch immer einen Kopf darum, wie es weitergehen würde, wenn sie diesen Aoi, oder wie der hieß, wirklich ausfindig machen würden. Was würde dann passieren?

Allerdings gönnte er Uruha auch sein Glück.

Gähnend und sich streckend öffnete er die Augen. Er räkelte sich ausgiebig, bevor er Uruha ins Gesicht sah. Unwillkürlich wurde er rot. Hatte Uruha ihn etwa die ganze Zeit beobachtet?
 

Endlich machte Kai die Augen auf und sofort überzog dessen Wangen ein leichter Rotschimmer. Nanu? Was war denn nun los? Ach, war ja nun auch egal. Kai war wach und das war es, was zählte. Uruha saß sofort kerzengerade im Bett und zog Kai die Decke weg. Er grinste ihn an und stand auf, um sich vor dem großen Spiegel seine Frisur nochmal zu richten.

"Kai? Nun steh bitte auch endlich auf, du Schlafmütze. Ich will jetzt endlich in die Stadt. Jetzt ist es fast neun und ich hab Angst, dass wir Aoi verpassen. Nun steh bitte endlich auf!"

Wie ein kleines Kind nörgelnd stand er vor Kai und sah ihn aus großen Kulleraugen an.
 

Der Schwarzhaarige hatte sich leicht aufgesetzt und stützte sich mit den Unterarmen von der Matratze ab. Sein Blick wanderte über das Bett und direkt zu Uruha, der direkt vor ihm stand und ihn mit angedeuteten Kulleraugen ansah. Er seufzte. "Du kannst einem echt den letzten Nerv rauben.", murrte er. Dass er hier halbnackt auf dem Bett lag und Uruha ihm auch noch die Decke geklaut hatte, war ihm schon etwas unangenehm, aber der Größere schien ja eh nichts anderes im Kopf zu haben, als diesen komischen Aoi.

Grummelig erhob er sich und fuhr sich mit beiden Händen durch das schwarze ziemlich zerzauste Haar. Auf nackten Füßen tapste er an dem Größeren vorbei.

"Jetzt is der Urlaub wohl endgültig vorbei.", brummte er und verschwand im Badezimmer.
 

Begeistert klatschte er in die Hände. Endlich war Kai soweit, ins Bad zu dackeln und sich fertig zu machen. Wunderbar. Einfach nur klasse. Dann konnte es ja bald auf die Suche gehen. Und Uruha war sich sicher, dass sie fündig werden würden. Er freute sich schon so und hibbelte ganz aufgeregt durch den Raum.

Als er es dann nicht mehr aushielt, tapste er in die Küche und machte erst mal einen starken Kaffee. Den würde er Kai vorsetzen und trinken lassen, damit er auch richtig wach wurde. Schnell huschte er mit der heißen Tasse ins Schlafzimmer und wartete darauf, dass Kai zurückkommen würde.
 

Etwas munterer kam er aus dem Badezimmer, da wurde ihm auch schon in der Tür zum Schlafzimmer eine Tasse Kaffee in die Hand gedrückt. Verwirrt blinzelte er Uruha an. "Was is das?", fragte er im ersten Moment. Doch dann stieg ihm der Duft von frisch gebrühtem Kaffee in die Nase und seine Frage wurde ohne Worte beantwortet.

Er wollte gerade ansetzen und einen Schluck trinken, als ihm Uruhas Blick auffiel. Dieser starrte ihn irgendwie merkwürdig an. Stirnrunzelnd legte er den Kopf schief. "Nani?", fragte er geistreich. Doch eigentlich hätte er sich die Frage auch selbst beantworten können. Es wurde nämlich doch ziemlich kühl unten herum.

Kai hatte sein Handtuch verloren, als Uruha ihm die Tasse in die Hand gedrückt hatte. Wie genau er das geschafft hatte, wusste er nicht.
 

Als Kai ins Schlafzimmer kam, reichte Uruha ihm sofort die Tasse und lächelte ihn zuckersüß an. Kai nahm die Tasse auch und trank einige Schlucke, doch dabei löste sich das Handtuch und Kai stand bald ganz nackt vor Uruha. Dieser schrak zurück und hielt sich die Hand vor den Mund. Oh je. Armer Kai.

Uruha spürte, wie ihm heiß wurde und sein Magen anfing zu kribbeln. Oh nein. Oh nein, bitte nicht.

"Ano... Ich...", stammelte er. "Ich warte draußen!"

Und schon war er nach draußen verschwunden und ließ Kai alleine da stehen.
 

Verdattert schaute er dem anderen nach. Was war denn nun los? Hatte er etwas verbrochen? Er hatte doch nur ein bisschen Kaffee getrunken und nichts weiter. War das denn so entsetzlich?

Doch dann merkte er was Phase war und blickte an sich herunter. Sofort wurde er hochrot. Kami-sama! Das war jetzt nicht wirklich passiert oder? Er stand nicht in seinem Schlafzimmer so, wie Gott ihn schuf und trank genüsslich eine Tasse Kaffee. Oder doch?

Scheinbar, denn genau so kam das Ganze jetzt rüber. Kein Wunder, dass Uruha die Flucht ergriffen hatte.

Eilig stellte er die Tasse beiseite und suchte sich passenden Klamotten raus. Schnell war er angezogen und trat noch immer rot im Gesicht ins Wohnzimmer, wo Uruha am Fenster stand und scheinbar sehnsüchtig nach draußen schaute.
 

Uruha hatte sich auf die Fensterbank gesetzt und die Stirn ans Glas gelehnt. Er wollte unbedingt nach draußen und mit suchen anfangen. Aber immer wieder kam ihm Kais nackter Körper in den Sinn und er wurde feuerrot. Na toll. Dabei wollte er sich unbedingt nur auf Aoi konzentrieren und das konnte er jetzt nicht.

Er zog die Beine an den Körper und schaffte es, nicht vom Fensterbrett zu fallen. Das war das erste Mal, dass er es gut fand, so dünn und schmal zu sein. Dann bemerkte er Kai und setzte ein schüchternes Lächeln auf.

"Können wir los?"
 

Kai nickte und trat näher an Uruha. Auch er schaute nun aus dem Fenster und seufzte schwer. "Weißt du... Ich find es schön, dass du hier bist und..." Er machte eine Pause und legte eine Hand an die Scheibe. "Auch wenn das vielleicht egoistisch klingt, aber... irgendwie hab ich Angst, dass wir diesen Aoi wirklich wiederfinden. Keine Ahnung, wieso."

Es erschreckte ihn schon, dass er das so offen sagen konnte. Aber er hatte Uruha ja versprochen, dass er mit ihm über sein Innerstes reden würde. Und da sollte er schon wissen, wie er sich im Moment fühlte.

Doch bevor Uruha näher darüber nachdenken konnte, schnappte er sich seine Hand und zog ihn vom Fensterbrett. "Dann lass uns mal los. Da draußen wartet ein Aoi auf dich."
 

Uruha wurde vom Fensterbrett gezogen und sah Kai freudestrahlend an, als er Aoi erwähnte. Er nickte heftig und hibbelte ein wenig herum. Dass Kai gesagt hatte, er habe Angst, Aoi zu finden, realisierte er gar nicht. Er war gerade viel zu sehr damit beschäftigt, sich auszumalen, wie Aoi wohl war und in welcher Beziehung sie zueinander standen. Das war einfach viel zu aufregend.

Also zog er Kai hinter sich her und die Straßen entlang. Die Augen behielt er wie ein Adler offen und späte in alle Winkel und Gassen.
 

Ein bisschen mulmig war ihm schon, als Uruha ihn so aufgeregt durch die Straßen Kanagawas zog und ständig nach rechts und links Ausschau zu halten schien. Ihm gefiel das hier ganz und gar nicht. Er fühlte sich einfach unwohl. Konnte Uruha nicht doch lieber alleine nach ihm suchen? Musste er ihm das auch noch antun?

Scheinbar hatte der Größere eh nicht realisiert, was er ihm vorhin gesagt hatte. Okay, er war bestimmt einfach nur aufgeregt.
 

Uruha zog Kai einfach so hin und her, kreuz und quer durch die Stadt und schaute wirklich in jedes Geschäft hinein. Nur leider war nirgends eine Spur von Aoi. Nachdem sie nun wirklich schon eineinhalb Stunden durch die Stadt gelaufen waren und Aoi noch nicht gefunden hatten, blieb Uruha ruckartig stehen und senkte den Blick. In seinen Augen standen die Tränen und er schniefte.

"Er ist nicht da..."
 

Liebevoll legte er einen Arm um die Schultern des Anderen. "Lass den Kopf nicht hängen, Ru-chan. Wir sind doch noch gar nicht lange unterwegs und haben ja auch noch ein bisschen Zeit. Also lass uns einfach weitersuchen. Vielleicht ist er ja auch um die nächste Ecke. Das kann man doch alles nicht wissen." Irgendwie musste er ihn doch aufbauen. Und so war er es, der nun die Hand des Anderen packte und ihn wieder mit sich zog. Wenn Uruha diesen Aoi finden wollte, dann würde er solange mit ihm suchen, bis sie ihn gefunden hatten. Und wenn es den ganzen Tag dauern würde. Uruha sollte doch endlich auch mal Glück haben.

Kaum, dass er ihn um die nächste Ecke zog, lief er auch schon in jemanden hinein.
 

Uruha seufzte leise und wischte sich die Tränen ab. Das war alles so ungerecht. Wieso konnte er nicht auch mal Glück haben und Aoi finden? Kami-Sama... Wenn es ihn dort oben gab, dann sollte er ihm bitte diesen einen Wunsch erfüllen und er würde ihn auch nie wieder um etwas bitten. Aber nein. Anscheinend hatte er ja nie Glück.

Als sie um die nächste Ecke bogen, konnte Uruha nicht mal bis drei zählen, da liefen sie schon in jemanden rein und alle drei landeten auf dem Hosenboden. Uruha jammerte leise und rieb sich das Steißbein. Dann blickte er hoch und wollte sich gerade bei demjenigen entschuldigen, den sie da gerade umgerannt hatten, als ihm das Wort im Halse stecken blieb. Ein schlanker Körper, schwarzer Mantel, rabenschwarzes Haar und bleiche Haut. Nein... Das konnte doch nicht...

Ein Fiepen verließ Uruhas Kehle und er lenkte somit die Aufmerksamkeit des Mannes auf sich, der ihn mit großen Augen anstarrte.
 

Kai rieb sich das Hinterteil und stand dann auf. Er wollte gerade Uruha die Hand reichen und ihn auf die Beine ziehen, da wurde ihm das schon abgenommen.

Vor ihm stand ein junger Mann mit nachtschwarzen Haaren. In seiner Lippe hatte er ein Piercing und er hielt Uruha die Hand hin. Kai schluckte. Irgendwie sah der Kerl genauso überrascht aus, wie sie und auch Uruha schien den Blick von dem Typen nicht abwenden zu können.

"Kouyou?", kam es mit tiefer Stimme von dem schwarzhaarigen jungen Mann, der noch immer verdattert auf den anderen sah.

Noch ehe sie´s sich versahen, hockte der andere auch schon auf dem Boden und zog Uruha unwillkürlich in seine Arme. "Kou!"
 

Vollkommen perplex lag Uruha nun in den Armen des schwarzhaarigen Mannes und starrte mit weit aufgerissenen Augen an die gegenüberliegende Hauswand. Nein... War es wirklich wahr? War das dieser Aoi, den er so sehnsüchtig gesucht hatte? Anscheinend, wieso auch sonst sollte er ihn auch in den Arm nehmen. Nur... Wer war Kouyou? War das etwa... Sein richtiger Name? Sein Körper begann, heftig zu zittern und er drückte sich ganz nah an den Körper des anderen.

"A-Aoi?", fragte er heiser und krallte seine Finger in das Hemd des Mannes vor ihm.

Insecureness

Während sich die beiden in den Armen lagen, stand Kai nur daneben und beobachtete die Szene. Er schluckte. Wenn das wirklich Aoi war, dann...

""Kou! Ich hab dich überall gesucht. Wo warst du solange? Ich hab mir solche Sorgen um dich gemacht. Du warst solange weg. Was ist passiert? Wie geht es dir?" Aoi sprach wie ein Wasserfall. Ohne Punkt und Komma.

Da entdeckte Kai schon eine gewisse Ähnlichkeit zwischen den beiden. War Aoi vielleicht mit Uruha verwandt? Oder warum fielen ihm jetzt die enormen Gemeinsamkeiten zwischen ihnen auf?

"Kouyou! Ich bin so froh, dass ich dich endlich gefunden hab."
 

Bei Uruha brachen nun alle Dämme. Mit einem Mal schluchzte er lauthals auf und krallte sich so nahe an Aoi, das zwischen sie kein Blatt Papier mehr gepasst hätte. Er zitterte am ganzen Körper und so langsam überströmten ihn die Erinnerungen. Sein Name war... Kouyou... Takashima Kouyou... Ja... Und Aoi... Aoi war gar nicht Aoi... Nur ein Spitzname... Shiroyama Yuu... Sein... Sein Pflegebruder... Sein älterer Pflegebruder, mit dem er zusammen aufgewachsen war... All dies strömte mit einem Mal auf ihn ein und er schluchzte noch ein wenig lauter.

"Yuu! Yuu!", weinte er immer und immer wieder und konnte sich einfach nicht beruhigen.
 

"Kou..." Mit zitternden Händen hielt er den Jüngeren fest in seinen Armen und drückte ihn an sich. Endlich hatte er ihn wieder. Seit Wochen suchte er nun nach ihm und durch einen dummen Zufall hatte er ihn nun endlich wieder.

"Hey." Liebevoll strich er ihm über den Rücken. "Nicht weinen. Das steht dir doch nicht, Kleiner." Sein Lächeln war unglaublich warmherzig und Kai stockte. Uruha kannte ihn und... sein richtiger Name war also Kouyou...

Kai schluckte. Das waren alles Dinge, die er nicht wusste und der Andere schien ihm auch unglaublich nahe zustehen. Und Uruha schien sich auch an den Anderen erinnern. Er kannte dessen Namen, aber... warum nannte er ihn Yuu? Hatten sie nicht bis eben nach einem Aoi gesucht?
 

Uruha konnte jedoch nicht anders, als sich ganz nahe an den Anderen zu pressen und einfach nur zu weinen. Er war gerade so unglaublich glücklich, dass er dies mit keinen anderen Worten zu beschreiben wusste. Er konnte und wollte es nicht beschreiben. Das Einzige, was er wollte, war in Yuus Armen zu liegen und sich an ihn zu kuscheln und mit seinem großen Pflegebruder zu schmusen. Auch, wenn er sich sonst an nichts anderes erinnern konnte. An Yuu erinnerte er sich jetzt und dafür war er so unsagbar dankbar, dass er keine Worte fand.

"Yuu! Ich hab dich so vermisst! Yuu!", brachte er hervor und drückte dem Älteren einen Kuss auf die Wange. "Yuu!"

Und wieder fing er an zu zittern und war froh, dass sie saßen. Stehen würde er jetzt nicht können.
 

"Kou... Hör auf, so zu weinen. Das ist doch peinlich. Du bist doch ein großer Junge!", witzelte er und streichelte ihn immer noch. Er war wirklich froh, dass er ihn wieder hatte. Sein Bruder war schließlich alles, was ihm Kraft gab. Nur mit ihm hatte er es geschafft.

"Na komm. Beruhige dich. Der junge Mann hier scheint sich schon für uns zu schämen. Sieht ja auch komisch aus, wenn hier zwei Kerle sich im Arm liegen und sich gegenseitig die Ohren vollheulen, ja? Na komm." Und so erhob er sich und zog Uruha mit sich hoch. Doch er ließ ihn nicht los, er freute sich einfach zu sehr, dass er seinen Bruder wiederhatte.
 

Uruha hielt seinen Bruder immer noch fest umschlungen und hatte auch nicht vor, dies in den nächsten Stunden zu ändern. Er war so unbeschreiblich froh, endlich jemanden aus seiner Familie wiederzuhaben. So froh war er seit Wochen nicht gewesen. Auch, wenn es jetzt gemein klang, aber dieses Hochgefühl übertraf das mit Kai noch um Längen. Aber wer konnte es ihm verübeln? Er hatte seinen Bruder wieder.

"Hai... Gomen nasai... Ich freu mich nur so, Yuu.", hickste er und wischte sich die Tränen aus den Augen und sah den etwas Kleineren an. "Ich hab dich so verdammt vermisst, Yuu..."

Er konnte nicht anders und musste den Namen seines Bruders immer wieder sagen. Er hatte Angst, ihn wieder zu vergessen. Kai ignorierte er gerade völlig. Er konzentrierte sich nur auf seinen Bruder.
 

“Hai, Kou... Ich hab dich auch vermisst und mir solche Sorgen gemacht. Ich wusste nicht, wo ich noch suchen sollte. Ich hatte schon die Befürchtung, dass die irgendetwas Schlimmes passiert wäre und ich dich nie wiedersehen würde.", gab der Kleinere zu und drückte ihn wieder an sich. "Komm, lass uns nach Hause gehen. Dort wartet schon jemand sehnsüchtig auf dich. Er hat kaum gefressen und würde sich sicher freuen, wenn du wieder da bist."

Kai indessen stand einfach nur da. Er wusste nicht, was er machen sollte. Uruha schien dem Anderen ja unglaublich viel zu bedeuten. Allerdings wusste er noch immer nicht, in welcher Beziehung die beiden nun zueinander standen. Aber dass sie sich sehr nahe standen, war ziemlich offensichtlich. War dieser Yuu vielleicht...

Er schluckte. Gott! Uruha hatte also einen Menschen in seinem Leben, der ihm so viel bedeutete und jetzt würde er...

Nein! Das konnte er nicht ertragen. Uruha würde ihn jetzt sicher verlassen und er konnte es ihm nicht einmal verübeln. Er hatte seinen wichtigsten Menschen wiedergefunden. Da hatte er nichts mehr verloren.

Ohne dass die Anderen es bemerkten, verschwand er.
 

Uruha runzelte die Stirn. Oh je. Jetzt musste er Yuu wohl mal sagen, was passiert ist und dass er sich an nichts außer ihn und seinen Namen erinnern konnte. Und wer da auf ihn warten würde, wusste er beim besten Willen auch nicht. Aber dass es sich dabei um ein Tier handelte, das wusste er. Sonst hätte Yuu gegessen anstatt gefressen gesagt. Das wäre ja auch sonst wirklich unhöflich. Sehr unhöflich sogar.

"Du, Yuu?", fragte er den Älteren und kuschelte sich an ihn. "Ich muss dir dann nachher was sagen... Aber... Kann Kai mitkommen? Er ist mein neuer Freund und ich will mich wenigstens richtig von ihm verabschieden können..."

Ja, dass er zu Yuu zurückziehen würde, das wusste er jetzt schon. Aber er würde Kai regelmäßig besuchen und bei ihm sein. Das nahm er sich fest vor. Er drehte sich um und wollte gerade Kais Hand nehmen, als er bemerkte, dass der Andere nicht mehr da war.

"Kai?", fragte er und sah sich um.

Wo war er bloß? Er wollte sich doch noch richtig verabschieden... Freute er sich nicht für ihn, dass er seinen Bruder wiedergefunden hatte?
 

"Meinst du den jungen Mann, der hier eben war?", fragte er und zog eine feingeschwungene Augenbraue nach oben. Er hatte schon bemerkt, dass sich dieser Kai scheinbar die ganze Zeit um ihn gekümmert hatte. Nur fragte er sich gerade, warum dieser mit einem Mal verschwunden war. Vor allem ohne ein Wort. Das kam ihm schon etwas merkwürdig vor.

Doch viel wichtiger war, dass er seinen kleinen Bruder wieder hatte. Er hatte sich unheimlich viele Gedanken um ihn gemacht.

"Komm, lass uns nach Hause und dann erzählst du mir mal, was passiert ist. Außerdem musst du mal wieder vernünftig essen. Du siehst aus, als hättest du die ganze Zeit nichts zu essen bekommen." Und schon zwickte er ihm spielerisch in die Seite.
 

Wieso hackten eigentlich alle immer auf seiner Figur herum? Okay, er war wirklich ziemlich schmal, aber das gab den Leuten doch nicht das Recht, ihn dauernd in die Seiten zu pieken. Aber Yuu konnte er nicht böse sein. Dafür war er viel zu froh, dass er ihn wieder hatte. Und Kai... Ja... Der hatte anscheinend Besseres zu tun, als sich von ihm zu verabschieden. Und das machte ihn irgendwie verdammt traurig. Naja... Dann würde er eben seinen Bruder bitten müssen, ihn mal zu Kai zu fahren.

Hand in Hand ging er mit seinem Bruder durch die Straßen und kuschelte sich an ihn, bis sie schließlich vor einer kleinen Wohnung ankamen. Aoi schloss aus und sie betraten die Wohnung.
 

Sofort kam jemand angetapst und umkreiste die Beine der beiden. Es war Shima, Uruhas Kater. Und scheinbar freute der sich auch enorm, sein Herrchen endlich wieder zu haben. "Schau mal, da begrüßt dich einer schon sehnsüchtig. Hast den Kleinen ja auch lange alleine gelassen. Da musst du dich aber gewaltig ins Zeug legen, wenn er sich wieder mit dir anfreunden soll.", lachte der Ältere und marschierte in die Küche. Shima folgte ihm sofort.

"Komm rein, du weißt ja, wo alles ist.", meinte er nur und kümmerte sich erst mal darum, dass der Kater etwas zu essen bekam. Dann kam er ins Wohnzimmer und schaute den Größeren verwirrt an. "Was ist los, Kou? Geht es dir nicht gut?"
 

Uruha stand einfach nur im Wohnzimmer und sah sich um. Alles war wirklich schön hell und freundlich eingerichtet und auch so modisch. Es gefiel ihm wirklich sehr hier und er fühlte sich auch sofort heimisch. Dann sah er auf den kleinen Kater, der um seine Beine schnurrte. Gott, war der süß. Und das war wirklich seiner? Wie konnte er denn so ein süßes Dingelchen bloß vergessen?

Er stand die ganze Zeit nur ratlos im Wohnzimmer. Nein, er wusste eben nicht, wo alles war. Er wusste gar nichts.

"Yuu...?", fragte er leise und sah ihn traurig an. "Ich kenn mich hier nicht aus..."
 

Aoi legte die Stirn in Falten. Wie jetzt? Wieso kannte er sich denn hier nicht aus? Er wohnte doch hier...

"Ano... wieso denn das nicht? Du wohnst doch schon seit Jahren mit mir hier. Und jetzt willst du mir sagen, dass du dich nach ein paar Wochen Abwesenheit nicht mehr auskennst?" Irgendwie gefiel ihm der Blick seines kleinen Bruders überhaupt nicht. Und so zog er ihn einfach an der Hand zum Sofa und setzte sich mit ihm auf das weiche Polster.

Liebevoll strich er ihm eine Strähne aus dem Gesicht.

"Was ist denn passiert, Kou? Ich möchte alles wissen und dir helfen."
 

Jetzt brach alles aus ihm heraus. Er erzählte Yuu alles, was er in den letzten Wochen erlebt hatte. Dass er zusammengeschlagen in einer Gasse gelegen hatte, dass er dadurch sein Gedächtnis verloren hatte, dass Kai ihn bei sich aufgenommen hatte, was sie so erlebt hatten, dass er dann nochmal zusammengeschlagen worden war und wie er ihn verzweifelt gesucht hatte. Tränen liefen seine Wangen hinab.

"Ich erinnere mich nur an dich und meinen Namen. Ich weiß nicht mal mehr, wie alt ich bin, ich kenne diese Stadt nicht, ich kenne diesen Kater nicht und ich kenne diese Wohnung nicht. Ich weiß gar nichts mehr.", schluchzte er verzweifelt. "Ich weiß nicht, was ich noch machen soll..."
 

"Kou..." Er zog den anderen in seinen Arm und drückte ihn fest an sich. "Du hast es bis hierher geschafft und den Rest schaffen wir auch noch. Ich bin bei dir und helf dir, so gut ich kann. Hai? Ich lass dich nicht im Stich. Lass den Kopf nicht hängen. Das wird schon wieder und die Erinnerungen werden bestimmt auch bald alle wieder da sein. Ganz sicher." Was sollte er noch machen? Außer ein paar tröstende Worte konnte er im Moment nicht geben. Aber er war froh, dass es jemanden gab, der sich um seinen kleinen Bruder gekümmert hatte. Das musste er dem Anderen hoch anrechnen. Und wie es den Anschein hatte, hatte der Schwarzhaarige, der vorhin neben ihnen stand, das Leben seines Bruder sogar mehr als nur einmal gerettet.

"Wir nehmen uns so viel Zeit, wie du brauchst. Ich zeig dir alles und werde dir alle deine Fragen beantworten. Jede einzelne."
 

"Ano...", er hickste kurz auf. "Dann möchte ich erst mal wissen, wie alt ich überhaupt bin und wann ich Geburtstag habe. Weißt du, es ist gar nicht schön, nicht zu wissen, wann man geboren worden ist. Und wie alt bist du und wann hast du Geburtstag? Wie heißt denn der kleine Kater? Eto... Wieso leben wir beide hier ganz alleine?"

All diese Fragen schossen geradezu aus ihm heraus und er sah seinen großen Bruder bittend an. Er wollte unbedingt alles wissen, was es zu wissen gab und würde auch keine Ruhe geben, bis er alles wusste.

"Kannst du mich dann hier mal rumführen?"
 

Abwehrend hielt er die Hände hoch und lächelte ihn an. Das waren ganz schön viele Fragen auf einmal, musste er feststellen, aber er würde jede einzelne beantworten.

"Also, nur kurz zur Einführung etwas und dann führe ich dich rum. Versprochen." Er lehnte sich zurück und nahm Uruha wieder fest in den Arm. "Du bist Takashima Kouyou und wurdest am 9.6.1981 hier in Kanagawa geboren. Der Kleine hier..." Er deutete auf den Kater, der vor ihnen saß und sich die Schnute leckte. "...ist Shima. Er gehört zu uns, seit ich denken kann und du bist eigentlich sein Herrchen. Zumindest hat er dich lieber als mich.", kicherte er. "Und zu deinen anderen Fragen. Ich bin dein großer... äh... okay... älterer Bruder Shiroyama Yuu und ich wurde am 20.1.1979 in Mie geboren. Wir beide sind in ein und derselben Pflegefamilie aufgewachsen, bis wir es beide nicht mehr ausgehalten haben und abgehauen sind. Seit dem haben wir uns alleine durchs Leben geschlagen. Reicht das fürs Erste an Informationen?"
 

Uruha nickte ganz beklommen. Das musste er jetzt erst mal verdauen. Das waren wirklich viele Informationen auf einmal und er hoffte inständig, dass er sich alles merken konnte. Er wollte nicht wieder etwas vergessen und auf die Hilfe anderer angewiesen sein. Er wollte selbstständig sein können. Aber dazu musste er jetzt erst mal seine Gedanken ordnen können. Also nochmal zum Mitschreiben. Er war also 22, Yuu 25 und der Kater hieß Shima. Gut so. Und sie beiden waren zusammen in einer Pflegefamilie groß geworden und dann abgehauen.

"Wieso sind wir von Zuhause weggelaufen, Yuu? Wurden wir schlecht behandelt?"
 

Sofort drehte der Schwarzhaarige den Kopf zur Seite und schloss die Augen. Genau das wollte er ihm nicht sagen. Warum fragte er genau danach? Sein Gedächtnisverlust hätte wenigstens einen Vorteil gehabt. Er hätte all diese schrecklichen Erlebnisse vergessen können.

Er schluckte. "Kou... Ich... Lass uns darüber jetzt bitte nicht sprechen, hai?", bat er ihn. Es war schwer für ihn, dass er es verdrängen konnte. Sein Bruder war der, der immer alles abbekommen hatte. Nicht immer konnte er ihn beschützen. Doch sie waren genau deshalb weggelaufen. Er konnte es nicht mehr ertragen, wie man Kouyou behandelt hatte. Da war er ausgerastet und hatte seinen Pflegevater zusammengeschlagen und sich Kouyou geschnappt und war mit ihm abgehauen. Da war er fünfzehn Jahre alt gewesen und Kou gerade zwölf.
 

Nani? Er verstand nicht, was los war. Yuu machte ein ganz bedrücktes Gesicht und hatte anscheinend nicht vor, ihm zu sagen, weshalb sie von Zuhause weggelaufen waren. Seltsam fand er das schon, aber irgendwann würde Yuu es ihm sicherlich noch sagen, deshalb fragte er auch nicht weiter nach. Er vertraute seinem großen Bruder sehr und wusste, dass er ihn niemals enttäuschen würde.

"Wenn du nichts sagen willst, ist das okay. Du kannst es mir ja später noch sagen.", er lächelte sanft und gab seinem Bruder einen Kuss auf die Wange. "Zeigst du mir jetzt die Wohnung? Ich möchte mein Zimmer unbedingt sehen. Und... Können wir nachher mal Kai besuchen fahren? Ich möchte mich unbedingt von ihm verabschieden."

Seine Stimme klang furchtbar traurig, als er von Kai sprach.
 

Na klar würde er seinem Bruder die Wohnung zeigen. Er wohnte doch genauso hier wie er auch. Das war doch wohl das Mindeste, was er tun konnte. Und sofort hellte sich seine Miene wieder auf. Dann grinste er breit und wuschelte ihm durch die Haare. "Übrigens hätte ich dich fast gar nicht erkannt." Jetzt zuppelte er ihm an einer Haarsträhne. "Aber das sieht wirklich toll aus und... dein Makeup ist auch anders als sonst.", bemerkte er mal so nebenbei. Dann zog er den Größeren auf die Beine und zeigte ihm in aller Ruhe die Wohnung, wobei er ihn noch vorwarnte. "Aber ich warne dich, erschreck dich lieber nicht. Ich hab dein Zimmer nicht aufgeräumt. Das kannst du schön alleine machen. Bin ja nicht deine Putze, klar?"
 

"Hai. Kai hat mir einen neuen Haarschnitt verpassen lassen und das Make-up hab ich mir heute Morgen selbst beigebracht. Ich wollte dich ja unbedingt treffen und dann nicht wie der letzte Penner rumlaufen, verstehst du? Also komm. Ich will jetzt unbedingt alles hier kennenlernen, wenn ich schon wieder hier wohnen soll.", dann sah er Yuu perplex an. "Wie? Sieht mein Zimmer immer so schlimm aus?"

Er lachte leise und folgte Aoi durch die Wohnung. Erst kam das Badezimmer, dann Yuus Zimmer und dann zum Schluss sein eigenes Zimmer. Als Yuu die Tür aufmachte, wusste er, was er gemeint hatte. Es sah aus, als hätte eine Bombe eingeschlagen. Überall lagen CDs, Make-up und Klamotten rum. Aber es gefiel ihm wirklich sehr. Alles war in violett eingerichtet. Wirklich alles.
 

Aoi ließ ihn erst einmal in Ruhe. Kouyou sollte sein Reich schon alleine erkunden. Dafür war es halt seines. Vielleicht würden ja auch auf diese Weise wieder ein paar Bruchstücke seiner Erinnerungen wiederkehren.

Doch dann fiel ihm etwas ein, was den Jüngeren sicher noch mehr interessieren würde. Leise schlich er sich davon und holte das, was dem Anderen schon immer so verdammt viel bedeutet hatte. Noch beobachtete er seinen Bruder, wie dieser sich durch den Haufen von Klamotten, CDs und anderen arglos auf dem Boden rumliegender Gegenstände kämpfte. Dann sprach er ihn doch an.

"Ich habe nur etwas aus dem Chaos hier geholt und gut verstaut. Und ich wusste ja, dass dir dein Baby heilig is. Deshalb hab ich ihr ein ordentliches Zuhause besorgt." Nun hielt er dem anderen einen schicken Gitarrenkoffer hin.
 

Verdattert blickte er auf den schwarzen Gitarrenkoffer, welcher ihm nun von Aoi hingehalten wurde und runzelte die Stirn. Er spielte Gitarre und besaß sogar selbst eine? Wow. Deswegen hatte er bei Miyavi so gut spielen können. Das war doch kein Zufall gewesen. Er nahm ihn entgegen und holte eine schöne Gitarre hervor. Sie war, wie konnte es auch anders sein, violett und Uruha strich liebevoll über die Seiten. So langsam wurde er wieder warm und es kam ihm so vor, als würde er dies hier alles wirklich kennen. Er hörte Aoi aufmerksam zu und lächelte sanft. Das war wirklich sehr lieb von Aoi. Er legte die Gitarre beiseite und kuschelte sich ganz eng an seinen Bruder heran und fing leise an zu schnurren.

"Ich hab dich lieb, Aoi. Ganz furchtbar lieb.", nuschelte er. "Aber... Können wir jetzt schnell bei Kai vorbeischauen?"
 

"Ich dich auch und ich freu mich so unglaublich, dass du wieder da bist und es dir gut geht. Da werd ich mich wohl bei deinem Kai anständig bedanken müssen, dass er mir meinen kleinen Bruder heile wieder nach Hause gebracht hat.", lächelte er und wuschelte dem Anderen wieder durchs Haar. Das machte er einfach zu gern und dem Anderen hatte es damals nie gefallen. Doch jetzt hatte er sich noch nicht dagegen gewehrt oder irgendwelche Anstalten gemacht, dass ihm das nicht gefiel.

"Gut, dann lass uns mal zu deinem Kai fahren. Aber nicht ohne ein angemessenes Dankeschön. Verstanden? Also überleg dir mal, was ihm gefallen würde. Und ich sag dir eines, Geld spielt dieses Mal keine Rolle. Du bist mir mehr als alles andere wert."
 

Uruha schluckte. Er sollte Kai ein Geschenk mitbringen? Na toll. Und was sollte er da bitteschön nehmen? Er wusste wirklich nicht, was Kai gefallen könnte. Nur eines wusste er. Dass er unheimlich gerne Drums spielte. Uruha begann zu strahlen. Ja! Das war doch bestimmt genau die richtige Idee! Er klatschte begeistert in die Hände und hoffte, dass es wirklich nicht zu viel verlangt war von seinem Bruder. Schlagzeuge waren ja nicht gerade billig.

"Weißt du... Er spielt in einer Band, aber durch einen blöden Zufall hat er sein Schlagzeug nicht mehr. Meinst du... Dass wir ihm vielleicht ein neues kaufen könnten? Er hat mir mein Leben gerettet und ich möchte ihm doch so gerne eine Freude machen."
 

Jetzt schaute er ihn ziemlich bedeppert an. Der Andere hatte was? Eine Band und er spielte Schlagzeug?

"Aha... Und du meinst, er würde sich über ein neues Drumset freuen? Bist du dir da auch ganz sicher?", hakte er lieber nochmal nach. Auch wenn ihm die Idee gefiel, ging er lieber auf Nummer sicher. Er konnte ja nichts dazu sagen. Er kannte den Anderen nicht. Und er hatte ihn auch nur ein einziges Mal gesehen und das auch eher sehr kurz, so dass er sich von ihm kein Bild machen konnte.

"Wenn du meinst, dass ihm das gefallen würde, dann machen wir das."
 

"Hai. Ich glaube, er würde sich wirklich sehr freuen. Das hoffe ich doch zumindest. Jedenfalls war er immer ziemlich traurig. Das hat mir ein anderer Freund erzählt. Er vermisst es, richtig Schlagzeug spielen zu können. Und ich will ihm doch so gerne ein Andenken an mich zurücklassen, wenn ich ihn schon verlasse und bei dir lebe. Weil dich möchte ich wirklich nicht mehr gehen lassen und ich hoffe, dass er das auch versteht."

Ja, davor hatte er am meisten Angst. Dass Kai ihn dafür hassen würde, wenn er ihn verlassen würde, wollte er natürlich nicht. Kai war ihm ja auch ans Herz gewachsen. Aber es war doch normal, wenn er bei seinem Bruder bleiben wollte oder?
 

"Okay, okay. Hab schon verstanden. Also ist das eine Sache, mit der er absolut nicht rechnen wird, hai?" Er sah Kouyou an, dass er das wirklich ernst meinte und seine Augen strahlten auch ein wenig, als er den Namen Kai in den Mund nahm. Dann grinste er schelmisch.

"Kou?", fragte er ihn und stupste mit seiner Schulter gegen die des Größeren. "Kann es sein, dass du Kai magst? Ich meine so richtig magst?"
 

Während sich die beiden so unglaublich angeregt über ihn unterhielten, saß er Zuhause auf seinem Bett und starrte an die kahle Wand vor seiner Nase. Irgendwie war es verdammt ruhig und auch sehr einsam, stellte er fest. Ohne Uruha fehlte hier einfach was. Etwas verdammt Wichtiges. Aber Uruha würde jetzt nicht wieder zu ihm kommen. Dafür gab es auch keinen Grund mehr. Seufzend schaute er zur Uhr. Gut, in ein paar Minuten musste er eh los. Die Pflicht rief und irgendwie würde es ihn hoffentlich von seinen tristen Gedanken ablenken. Und so erhob er sich und machte sich soweit fertig, damit er auch gleich los konnte. Zu spät durfte er nun wirklich nicht kommen.
 

Sofort lief er rot an und sah seinen großen Bruder verwirrt an. Oh Gott. War das etwa so offensichtlich? Und... Wusste Aoi etwa von seiner Neigung? Hatte er sich also doch nicht eingebildet, dass er schwul war? Hilfe. Und er hatte schon gedacht, er würde verrückt werden.

"Hai... Ich glaub... Ich bin ein bisschen in ihn verliebt... Ist das schlimm?", fragte er an Aoi gewandt. "Weißt du zufällig, ob... ob ich schwul bin? Also..."

Mann, war das peinlich. Er wusste gar nicht, was er sagen sollte.
 

Aoi gab seinem Bruder eine liebevolle Kopfnuss. "Iie... wie kommst du darauf, dass du schwul wärst? Also bisher hattest du nur Mädels angeschleppt, aber man sieht es dir schon an, dass er scheinbar etwas Besonderes für dich ist." Nun wuschelte er ihm wieder wild durchs Haar. "Und mach dir keine Gedanken. Ich habe damit absolut kein Problem. Man verliebt sich halt in den Menschen und nicht in sein Geschlecht. Darauf nimmt die Liebe eben keine Rücksicht." Irgendwie klang er gerade wie so ein altkluger Besserwisser, stellte er fest. Aber na ja, sollte Uruha doch ruhig in diesen Kai verliebt sein. Der schien ja auch so einigermaßen in Ordnung zu sein. Zumindest hatte er sich anständig um seinen kleinen Bruder gekümmert. Da konnte man es ihm schon verzeihen, dass er diesem wohl auch ein wenig den Kopf verdreht hatte.

"Na los, sonst haben die Geschäfte schon zu und dann wird das nichts mehr mit dem Geschenk für den Guten. Ansonsten können wir das nämlich erst am nächsten Wochenende machen, weil ich wieder zur Arbeit muss."
 

"Okay... Dann ist gut. Ich hatte nur Bedenken, dass du mir das vielleicht übel nimmst. Ich hoffe wirklich, dass Kai es mir nicht übel nimmt, wenn er es vielleicht irgendwann rausfindet. Ich will ihn als guten Freund behalten und nicht alles aufs Spiel setzten.", er seufzte leise und nahm dann Aois Hand. "Na komm. Dann mal schnell los. Ich will unbedingt das schönste Schlagzeug kaufen, das sie haben."

Und schon zerrte er Aoi mit sich aus dem Haus und die Straßen entlang. Es war wie eine Art Eingebung, als er zielstrebig auf einen Laden zusteuerte und das dann tatsächlich ein Musikladen war. Er wunderte sich, woher er das gewusst hatte, aber dann zuckte er nur mit den Schultern. War ja egal. Er wollte einfach nur ein Drumset.

Zusammen mit Aoi ging er hinein und sah sich um.
 

Der Schwarzhaarige wurde regelrecht überrumpelt und hinterher geschliffen von seinem "kleinen" Bruder. Der schien es ja mächtig eilig zu haben. Aber er fragte sich, warum dieser Kai es ihm übel nehmen sollte, wenn er ihm sagte, dass er in ihn verliebt war? Das verstand er nicht so ganz. Der sollte sich doch eher glücklich schätzen, dass er das tat, denn es war ja doch eher eine Form eines Kompliments. So sah er das jedenfalls. Deshalb würde er auch niemals jemanden verachten, nur weil dieser ihm gestand, sich in ihn verliebt zu haben. Und eigentlich dachte er, dass andere auch so dachten. Na ja, er musste diesen Kai ja auch erst einmal kennenlernen, bevor er sich eine Meinung dazu bilden konnte.

Nun standen sie hier in ihrem Lieblingsmusikgeschäft und schauten sich um. Der Verkäufer kam auch gleich auf sie zu und verbeugte sich höflich vor ihnen.

"Konban wa, Takashima-san. Konban wa, Shiroyama-san. Es freut mich, dass ihr auch mal wieder bei mir vorbeischaut. Was kann ich für euch tun? Mal wieder eine Saite gerissen, Shiroyama-san?" Angesprochener schüttelte nur den Kopf. "Iie... Wir sind heute mal hier wegen etwas anderem. Wir suchen ein Drumset für einen guten Freund von Kouyou. Hast du da etwas im Angebot, was treffend als ein verdammt großes Dankeschön sein könnte?"
 

"Ano... Ich wusste gar nicht, dass Takashima-san einen Freund hat, der Schlagzeug spielt. Hat er mir gar nicht erzählt. Ihr beiden ward ja auch schon lange nicht mehr bei mir wirklich. Was habt ihr denn die ganzen Wochen so getrieben?"

Der ältere Mann stellte wirklich viele Fragen, wie Uruha feststellte und seufzte. Mann oh Mann. Das ging einem ja wirklich auf den Zeiger nach einer Weile des endlosen Gequatsches. Er wollte unbedingt das Drumset kaufen und dann so schnell wie möglich zu Kai.

"Könntest... Du...", er wusste nicht, ob er ihn duzen durfte oder nicht. "... Uns jetzt vielleicht das Drumset zeigen?"

"Oh, natürlich. Ungeduldig wie immer.", er deutete auf ein schönes Schlagzeug und lächelte. "Das ist das billigste, was wir haben. Aber auch ein richtiges Prachtstück oder? Für jeden Liebhaber das richtige Geschenk."

"Kann ich das für Kai haben, Onii-San?", fragte Uruha und zuppelte aufgeregt an Aois Hemd herum.
 

Kami-sama! Wie sollte er diesem Kerl auch widerstehen können? Seinem kleinen Bruder konnte er eh nichts abschlagen und dieses Drumset sah unglaublich toll aus. Er schaute auf das Preisschild und war doch etwas verblüfft. Für dieses unglaublich faszinierende Exemplar wollte er nur so wenig Geld haben? War damit etwas nicht in Ordnung?

"Ano... Auch wenn ich mir damit vielleicht selbst ins Fleisch schneide, aber... wieso kostet es nur so wenig?", fragte Aoi den Verkäufer.

Dieser schaute ihn nur lächelnd an. "Weißt du, das ist so... Ich hab es einem Bekannten abgekauft und der hatte es wohl von einem jungen Mann, der es zwangsläufig loswerden wollte. Ich habe gesehen, dass dort unter der Snape etwas steht. Da ist eine Gravur drin und deshalb kann ich das Set nicht zum vollen Preis verkaufen. Schade, aber was soll´s. Es ist wirklich ein einmaliges Stück."

Davon wollte er sich selbst überzeugen und schaute darunter. Verwundert runzelte er die Stirn. "Ano... Was haben denn diese Buchstaben zu bedeuten? U und Y? Komisch. Na egal. Ich denke, wir nehmen es."
 

Verwirrt blinzelnd starrte er auf die Gravur und runzelte die Stirn. U und Y... U und Y? Nee, jetzt nicht wirklich oder? Wollten die ihn gerade verarschen? Noch einmal schaute er genauer hin, doch die Buchstaben blieben dieselben.

"Ano... Mein Freund, dem ich das Drumset kaufen will, heißt Uke Yutaka. Und er musste es zwangsläufig verkaufen. Wenn ich jetzt echt Glück habe, könnte es sein Schlagzeug sein.", er strahlte regelrecht. "Yuu! Ich will das unbedingt haben! Ich muss es Kai schenken! Wenn das wirklich sein altes Drumset ist, dann wird er, glaub ich, durchdrehen vor Freude!"
 

Verwirrt sah er ihn an. "Nani?" So ganz kam er nicht mit mit den Gedanken des anderen. "Wie jetzt? Kannst du mir das auch irgendwie erklären? Oder wirfst du mir das jetzt nur an den Kopf, weil du es haben willst? Ich hab doch schon gesagt, dass wir es nehmen werden oder nicht?" Fragend schaute er den Verkäufer an, der auch sogleich nickte. Okay, er hatte also doch zugesagt. Aber der andere schien gerade vollkommen aus dem Häuschen zu sein.

"Ano... Wann können wir es denn abholen? So bekomm ich es nicht in mein Auto. Oder würdest du es liefern? Für die Kosten kommen wir natürlich auch auf. Scheint ja eh sehr wichtig zu sein für Kou.", lachte er.
 

"Es ist wirklich so. Er heißt Uke Yutaka und sein Spitzname ist Kai. Er hat vor einiger Zeit sein Drumset verkaufen müssen und ist seitdem todtraurig. Verstehst du? Ich muss es ihm unbedingt wiederholen. Ich will doch, dass er wieder glücklich ist und lacht. Also bitte, Aoi... Onii-San!"

Uruha sah den Verkäufer an, welcher nur leicht grinste und dann sagte:

"Also ich könnte es euch auch gleich nachliefern. Ist kein Problem. Wohin soll das gute Stück denn?"

Uruha strahlte und nannte dem Verkäufer Kais Adresse. Aoi bezahlte und beide gingen fröhlich wieder aus dem Laden raus.
 

Aoi wuschelte Uruha einmal kräftig durchs Haar und grinste ihn an. "Oh Mann, ich glaub, das ist nicht nur ein bisschen verliebt sein, mein Guter. Du strahlst gerade wie ein Honigkuchenpferd und das nur, weil wir ein Drumset für einen gewissen Kai gekauft haben. Du bist schwer verknallt in den Guten.", piesackte er den anderen. "Dann lass uns mal zum Auto, damit wir auch noch vor dem Drumset bei dem Jungen auftauchen. Sonst ist das eher da als wir. Ich glaub nicht, dass du das willst, hai?" Und so packte er ihn an der Hand und zog ihn wieder mit sich. Okay, irgendwie wohl eher andersrum, denn Uruha schien mächtig aufgedreht zu sein. Aber das kannte er ja von ihm. Wenn seinem Bruder etwas gefiel und er Spaß daran hatte, dann war er wie ausgewechselt. Und so strahlte auch er.
 

"Hör auf, Yuu. Das ist saupeinlich! Ich bin zwar verknallt, aber auch nicht so, dass ich ihn anhimmle. Ich will doch bloß, dass er glücklich ist, auch wenn ich nicht mehr bei ihm wohnen werde. Ich will, dass er, wenn er auf dem Drumset spielt, immer an mich denkt. Und natürlich, dass er sich freut. Kai ist mein bester Freund geworden und ich will wirklich nur sein Bestes."

Er lächelte zuckersüß und schleifte seinen großen Bruder hinter sich her die Straßen entlang. Wenige Minuten später standen sie auch schon vor Kais Haustüre und Uruha klingelte. Der Lieferant war noch nicht da. Gut.

"Mach auf, Kai..."
 

Erschrocken zuckte er zusammen, als es plötzlich klingelte. Er war schon im Begriff, zu gehen. Die Arbeit rief schließlich und er wollte keineswegs unpünktlich dort erscheinen. Allerdings hatte er auch nicht damit gerechnet, dass gerade jetzt, wo er zur Türklinke greifen wollte, auch noch jemand was von ihm will.

Und derjenige würde auch noch weiter warten müssen, denn er hatte wirklich keine Zeit. Und so ignorierte er das Klingeln und machte sich auf den Weg. Die Tür zog er leise hinter sich zu und zuckte erneut, als die Klingel scheinbar wieder betätigt wurde. Da war aber einer ziemlich hartnäckig. Aber egal. Darauf konnte er jetzt wirklich nicht eingehen. Er war eh schon spät dran.

Schnell hastete er die Treppen hinunter und riss die Haustür auf. Verdattert blieb er stehen. "U...Uruha?"
 

"Hallo, Kai!", begrüßte er ihn freundlich und umarmte seinen Freund. "Wieso bist du eben einfach so weggegangen? Ich wollte dir doch noch Yuu vorstellen. Das war nicht gerade freundlich, weißt du das? Aber ich bin dir nicht böse. Ich will einfach nur nochmal mit dir reden."

Er grinste und zog Yuu an der Hand zu sich, sodass sich die beiden Schwarzhaarigen gegenüberstanden.

"Kai, das ist Yuu. Yuu, das ist Kai.", er grinste wieder und wandte sich dann nur noch an Kai. "Dürfen wir reinkommen?"
 

Doch der Kleinere winkte ab und schüttelte den Kopf. "Gomen, aber ich muss zur Arbeit.", entschuldigte er sich und wandte sich von den beiden ab. Es tat ihm eh schon weh, dass die beiden sich so nahe standen. Jetzt musste er es ihm wohl auch noch unter die Nase reiben. Das war echt unfair von ihm.

"Ich muss. Bai.", rief er ihnen noch zu und rannte dann los. Seine Uhr verriet ihm, dass er nicht wirklich viel Zeit hatte. Auch wenn das eben Uruha gewesen war, seine Arbeit war verdammt wichtig.
 

Vollkommen perplex stand Uruha nun vor der Haustür und sah Kai hinterher, wie er die Straße entlang rannte. Er schluckte. Und was wurde jetzt aus seiner Überraschung? Er hatte sich doch schon so gefreut, Kai seine Drums wiedergeben zu können. Und nun war der einfach abgehauen. Das war absolut unfair. Nun gut. Ewig konnte Kai ja nicht auf der Arbeit bleiben. Also würde er hier einfach warten.

Er setzte sich vor die Haustür und verschränkte die Arme vor der Brust.

"Ich warte hier, bis er wiederkommt. Du kannst gerne nach Hause gehen. Ich komm dann, wenn ich Kai die Drums geschenkt habe. Aber vorher gehe ich hier nicht weg..."
 

Aoi runzelte die Stirn und sah zu seinem Bruder, der sich auf die Stufen vor der Haustür gesetzt hatte und irgendwie gerade ziemlich entschlossen aussah. "Ano... Du weißt doch gar nicht, wann er wiederkommt. Warum willst du dann auf ihn warten? Außerdem..." Nun setzte er sich zu ihm. Mit den Händen stützte er sich nach hinten hin ab und schaute nach oben in den Himmel. Es dämmerte bereits und das würde heißen, dass dieser Kai ganz sicher nicht vor Mitternacht hier wieder aufkreuzen würde.

Er seufzte und schaute Uruha dann von der Seite an, wie dieser leicht schmollend und mit verschränkten Armen dasaß.

"Ich will dir ja nicht die Laune verderben, aber es kam mir so vor, als sei er nicht gerade erfreut gewesen, uns zu sehen."
 

"Auch, wenn er sich vielleicht nicht gefreut hatte, aber ich bin ja da, um ihn fröhlich zu machen. Wenn er erst mal sein Schlagzeug sieht, wird er ausrasten vor Freude. Aoi, du kannst wirklich gerne gehen, wenn du willst. Ich komm schon zurecht."

Es wurde langsam dunkel und Uruha fing an zu frieren. Er hatte keine Jacke mitgenommen, da er ja auch nicht geplant hatte, die Nacht vor Kais Haustür zu verbringen. Da musste er jetzt eben durch. Und er würde sich auch nicht davon abbringen lassen. Er würde hier auf Kai warten. War doch wohl klar.

Es vergingen viele Stunden, in denen Uruha einfach nur dasaß und auf Kai wartete, als es aber schon kurz nach elf Uhr war, konnte er einfach nicht mehr. Sein Körper sank gegen Aois und er schlief vollkommen erschöpft ein.
 

Der Schwarzhaarige legte den Arm um den Jüngeren und zog ihn näher zu sich. Er spürte, dass der andere fror und wärmte ihn so wenigstens ein bisschen.

Sie saßen schon seit Stunden hier und auch das Drumset stand nun vor ihrer Nase. So sollte das eigentlich nicht laufen. Seufzend schaute er gen Himmel. Das würde sicher eine kühle Nacht werden. Aber er hatte ja auch nicht damit gerechnet, dass er mit ihm hier die halbe Nacht verbringen würde. So war es jedenfalls nicht geplant. Doch Uruha schien sich ja auch nicht davon abbringen zu lassen. Es musste den Kleinen ganz schön erwischt haben, dachte er sich so. Sonst war er eigentlich immer der ungeduldige Typ gewesen. Doch heute zeigte er ganz schön viel Beharrlichkeit.

Aoi schaute auf die Uhr. Jetzt war es schon nach Mitternacht und noch immer keine Spur von dem Kerl. Irgendwie wurde er unruhig.

Doch just in diesem Moment kam jemand die Straße entlang.
 

Uruha schlief immer noch vollkommen erschöpft an seinen großen Bruder gelehnt und träumte. Diesmal jedoch keine Alpträume, ganz im Gegenteil. Er sah schöne Szenen mit Aoi vor sich. Wie sie in ihrem Zimmer spielten und lachten. Wie Aoi Uruha hochhob, damit er an einen Apfel herankam, der hoch oben in einem Baum hing. Wie Aoi Uruha immer von der Schule abholte. All dies strömte auf ihn ein und ließ ihn sanft im Schlaf lächeln und sich gleich noch enger an seinen Bruder kuscheln.

Dann jedoch hörte er plötzlich Schritte und wie jemand leise vor sich hin pfiff. Müde öffnete er die Augen und sah, dass Kai gerade genau auf sie zusteuerte. Sofort war er auf den Beinen und lief auf Kai zu.

"Kai! Da bist du ja endlich!"
 

Sofort blieb er stehen. Damit hatte er nun wirklich nicht gerechnet. Wieso war Uruha denn hier?

Kai legte den Kopf schief und schaute ihn fragend an. "Ano... Was machst du denn hier?" Mehr brachte er gerade überhaupt nicht raus, denn viel zu perplex war er. Musste er ihn denn auch jetzt noch um diese Uhrzeit mit sich konfrontieren? Er hatte sich, so gut es ging, auf Arbeit abgelenkt und nun... Nun stand er wieder vor ihm.

Uruhas Bruder stand nur da und lächelte ihn an. Am liebsten wäre Kai umgedreht und wieder abgehauen. Aber das konnte er jetzt schlecht tun.
 

"Na, warum bin ich wohl hier? Ich will mich doch richtig von dir verabschieden, was denn sonst? Du bist vorhin einfach weggewesen, da hatte ich ja keine Chance mehr.", er seufzte leise und nahm Kai bei der Hand, zog ihn hinter sich her. "Aoi und ich haben auch eine Überraschung für dich! Ich hoffe, dass du dich darüber freust!"

Er grinste und deutete ganz aufgeregt auf etwas, das von einem großen Tuch abgedeckt wurde. Uruha hibbelte von einem Bein aufs andere und sah ihn an.

"Na los! Mach´s auf!"
 

Sofort senkte er den Kopf, als er Uruhas Worte hörte. Verabschieden. Also war es wirklich so. Toll. Jetzt war er also wieder alleine.

Ohne jegliche Gegenwehr ließ er sich von dem Anderen mitziehen. Was sollte denn jetzt noch kommen? Uruha hatte ihn doch eh schon in ein tiefes Loch geworfen. Wollte er ihn noch weiter in die Knie zwingen? Wenn ja, dann war das absolut unfair von ihm.

Überraschung? Was sollte das denn sein? Die brauchte er nun wirklich nicht mehr. Davon hatte er heute schon genug gehabt. Nein danke, darauf konnte er gut und gerne verzichten.

"Gomen, aber... ich will keine Überraschung." Und so schlich er sich an den beiden vorbei und schloss die Haustür auf. "Man sieht sich vielleicht irgendwann mal. Oyasumi nasai...", murmelte er und schloss die Tür wieder hinter sich. Er wollte nichts von ihm haben. Nicht ein bisschen. Uruha hatte ihm schon viel zu viel genommen.

Oben angekommen, schloss er die Tür hinter sich und ließ sich an dem harten Holz hinab gleiten. "Uruha...", murmelte er nur. Jetzt wurde er sich so langsam bewusst, was der Andere für ihn bedeutete. Er war nicht nur ein Freund. Nein... Uruha war viel mehr für ihn.
 

Hilflos musste er mit ansehen, wie sein bester Freund und heimliche Liebe einfach so an ihm vorbeiging und ihn nicht mal richtig für voll nahm. Dabei hatte er sich so gefreut, Kai sein Drumset wiedergeben zu dürfen und nun war alles aus. Kai hatte anscheinend kein Interesse mehr an ihm. Wie hätte es auch anders sein können? Für Kai war er anscheinend ja nur der Junge von der Straße, dem er das Leben gerettet hatte. Jetzt liefen ihm die Tränen in Strömen die Wangen hinab und er hickste auf. Na klasse. Alles umsonst. Kai hasste ihn...

"Dein Geschenk bleibt trotzdem hier! Ich will, dass du wieder lachen kannst, Kai!", schrie er ihm noch nach, ehe er sich umdrehte und weinend die Straße hinunterrannte.

Er hatte als Freund anscheinend gründlich versagt.
 

Auch ihm liefen die Tränen in Strömen die Wangen hinab. Irgendwie war das alles vollkommen anders gelaufen, als es sollte. Ganz und gar nicht so, wie es für gewöhnlich war. Und trotzdem tat es verdammt weh. Dabei war Uruha doch nur sein Freund und nichts weiter. Warum um alles in der Welt fühlte es sich dann so unglaublich schmerzhaft an, wenn er ihn jetzt mit dem anderen, diesem komischen Yuu oder wie der hieß, zusammen sah? Wenn sie wirklich nur Freunde waren, dann dürfte es ihm doch überhaupt nichts ausmachen. Aber warum war es dann nicht so?

Wimmernd kauerte in seiner dunklen Wohnung und versuchte, sich krampfhaft die Tränen aus dem Gesicht zu wischen. Anscheinend empfand er mehr als bloße Freundschaft für den Größeren. Aber war das denn normal?

Jetzt erhob er sich und ging durch die Dunkelheit direkt zu seinem Wohnzimmerfenster. Von hieraus konnte er nach unten auf die Straße blicken und sah gerade noch, wie Uruha scheinbar davon lief. Es versetzte ihm einen Stich ins Herz, denn das war wohl das letzte Mal, dass er den anderen sehen konnte. "Sayonara, Ru-chan...", hauchte er gegen die Scheibe.

Aoi hingegen sprang auf und rannte ihm hinterher. Er hatte ihn auch gleich an der nächsten Ecke eingeholt und gegen die Hauswand gedrückt. Mit besorgten Augen schaute er ihn an und hielt ihn fest. "Hey, Kou... Was ist los? Gibst du so schnell auf?"
 

Uruha wollte einfach nur weg. Weg von hier. Dahin, wo Kai ihn nicht mehr fand und er in Selbstmitleid versinken konnte. Er wollte nicht, dass Kai noch trauriger wurde, wenn er in seiner Nähe war. Da war es doch das Beste, wenn er ganz weit weg war und Kai nicht mehr belästigen konnte. Es war das Beste für sie alle. Kai konnte wieder ein normales Leben führen, ohne sich um ihn kümmern zu müssen und Uruha konnte endlich wieder mit seinem Bruder zusammen sein und sein altes Leben wieder neu aufrollen.

Plötzlich wurde er gepackt und gegen die nächste Hauswand gedrückt. Mit schmerzverzerrtem Gesicht blickte er Yuu an. Es war allerdings kein physischer Schmerz, sondern ein psychischer. Seine Beine gaben nach und hätte Aoi ihn nicht festgehalten, wäre er zusammengebrochen. Er atmete heftig.

"Lass mich los, Yuu... Ich will nicht zu Kai zurück! Er hasst mich doch!"
 

Wenn es für Uruha nicht noch mehr Schmerzen bedeutet hätte, hätte er ihm dafür jetzt glatt eine Ohrfeige verpasst. Aber eine, die sich gewaschen hatte. Manchmal stellte sich sein Bruder aber auch an. Hatte er denn nicht gesehen, warum der andere schnell verschwunden war? Hatte er denn gar keinen Blick für sowas?

Liebe macht wohl doch blind und zwar mächtig.

"Ich will jetzt kein Wort mehr hören!", zischte er. "Ich weiß, dass du gekränkt bist, aber..." Er schaute dem Größeren tief in die Augen. "Bist du blind oder was? Hast du nicht gemerkt, was los ist? Ich glaube absolut nicht, dass er dich hasst. Niemals. Dafür sah er viel zu traurig aus."
 

"Aber... Aber... Ich...", stammelte er und spürte, wie sich Aois Griff verfestigte. "Er hat doch nicht mal angesehen, was wir für ihn gekauft haben. Das hätte er doch wenigstens machen können. Er hasst mich ja anscheinend, weil ich jetzt zu dir ziehen will und nicht mehr bei ihm bleibe. Aber das ist doch normal oder? Ich will natürlich bei meinem Bruder bleiben und nicht bei einem Mann, den ich erst seit kurzer Zeit kenne. Da muss er doch nicht so einen Wind machen! Ich bin eh nicht mehr als ein Freund für ihn!"

Er hickste.

"Ich will nur, dass er glücklich ist... Ich liebe ihn doch..."
 

Genau das hatte er hören wollen. Endlich hatte Uruha die Worte gesagt, von denen er wusste, dass er so empfand. Das hatte er schon gesehen, als er beide getroffen hatte und nun hatte er es selbst bestätigt.

"Kou..." Sanft legte er ihm eine Hand an die Wange und streichelte darüber. "Er hasst dich ganz sicher nicht, glaub mir. Auch wenn du ihn vielleicht besser oder eher länger kennst als ich, so kann ich dir eins sagen. Hassen tut er dich ganz sicher nicht. Das schwör ich dir. Und du musst ihn auch verstehen. Schau mal... Du warst jetzt drei Wochen bei ihm und ihr habt euch angefreundet und du dich sogar in ihn verliebt. Und nun gehst du einfach. So von heut auf morgen. Glaubst du nicht, dass es dir genauso gehen würde, wenn du an seiner Stelle wärst?", fragte er ihn direkt. Er wollte wissen, wie er darüber dachte. Er war sich jedenfalls mehr als sicher, dass der andere ihn nicht hassen würde.
 

"Ich... Ich glaube, ich wäre auch sehr traurig, wenn ich wüsste, dass Kai nie wieder bei mir wohnen würde... Aber... Ich will bei dir bleiben, Onii-San! Ich will bei dir wohnen bleiben, ist das denn so schlimm?", er strich sich die Tränen aus dem Gesicht und schniefte. "Ich will wirklich nur sein Bestes und ich weiß nicht, wie ich das anstellen soll. Kai wird immer traurig sein, wenn ich nicht da bin... Aber ich will bei dir sein, Aoi!"

Das war wirklich eine verzwickte Angelegenheit. Aber er würde jetzt auch nicht eher aufgeben, bis Kai und er zusammen gesprochen hatten.

Und so machte er eine Kehrtwende, sprintete zu Kais Haus zurück und klingelte Sturm.
 

So schnell konnte er dem Anderen gar nicht hinterher schauen, wie dieser wieder davonrannte. Doch dieses Mal schien es sogar die richtige Richtung zu sein. Schmunzelnd lehnte er sich an die Wand und seufzte. "Warum nicht gleich so, du Sturkopf.", lachte er, ehe auch er sich wieder in die Richtung begab, aus der sie eben gekommen waren. Die Hände hatte er in den Hosentaschen versteckt und trottete seelenruhig zurück.

In der Zwischenzeit hatte Kai sich vom Fenster zum Sofa begeben und kauerte dort nun. Irgendwie fühlte er sich verdammt einsam. War das schon immer so gewesen? Oder war es jetzt anders.

Doch er kam gar nicht mehr dazu, länger darüber nachzudenken, denn da klingelte es auch schon Sturm. Irgendein Irrer schien es sich zur Aufgabe zu machen, ihn mitten in der Nacht zu terrorisieren. Das gefiel ihm ganz und gar nicht. Aber er versuchte es erst einmal mit Ignoranz. Vielleicht würde der nächtliche Störenfried schnell wieder aufgeben.
 

Uruha stand wie zur Salzsäule erstarrt vor Kais Haustür. Sein Zeigefinger drückte ohne einmal abzuheben auf die Klingel und ließ sie im Dauerton schrillen. So. Er würde jetzt hier nicht eher weggehen, bis er mit Kai gesprochen und Kai sein Geschenk angenommen hatte. Wäre ja noch schöner. Da bezahlte er - okay, Aoi hatte bezahlt - ein Heidengeld dafür und Kai nahm es nicht an. So ging das ja auch nicht. Kai würde schon noch rauskommen müssen. Uruha würde jedenfalls nicht nachgeben.

Dass sein Bruder schon wieder grinsend hinter ihm stand, hatte er nicht bemerkt. Und selbst, dass er ziemlich fror, war ihm gerade egal. Was zählte, war Kai.
 

"Baka!", fluchte er in Richtung Tür, als das Klingeln noch immer nicht erlosch. Irgendwer hatte da wirklich gute Nerven und schien, sie an ihm auslassen zu wollen. Aber nicht mit ihm.

Wutschnaubend erhob er sich und schritt zur Tür. Er drückte nicht auf den Summer, sondern auf den Knopf für die Gegensprechanlage. "Verzieh dich, du Baka!", motzte er. "Weißt du, wie spät das is?! Nerv gefälligst wen anderes! Ich hab genug Probleme!" Und schon ließ er wieder los. Doch er sank an der Tür wieder nach unten. Kami-sama. Warum fühlte er sich so verdammt verloren? Lag es denn wirklich nur an dieser einen Person?
 

Geschockt starrte Uruha auf die Tür und dann zur Gegensprechanlage. Nein. Das hatte er jetzt nicht gemacht oder? Wieso beschimpfte er ihn als Baka, bitteschön? Was hatte er denn gemacht?

Und wieder drückte er auf die Klingel und ließ nicht los. Was sollte das, verdammt nochmal? Kai sollte endlich mal nicht so verbohrt sein und mit ihm reden! Sich wenigstens richtig verabschieden! War das etwa zu viel verlangt?

"Mach sofort diese verdammte Tür auf, Kai! Aber sofort!"
 

Gerade hatte er erneut die Gegensprechanlage eingeschalten und wollte demjenigen da unten nochmals ein paar nett gemeinte Worte an den Kopf werfen, als er auch schon selbst zur Schnecke gemacht wurde.

Verdutzt starrte er auf den Lautsprecher der Anlage, aus der ihm gerade mal ordentlich ein paar laute Worte an den Kopf geworfen wurden.

Er schluckte. War das etwa Uruha? Oder halluzinierte er schon wieder? Aber es klang schon ein wenig nach ihm. Nur leider war er sich nicht sicher, denn so hatte er den anderen eigentlich noch nie gehört gehabt.

Während die Gegensprechanlage weiter leise vor sich hin summte, schwieg er und starrte weiter auf das Hightech-Ding an seiner Wand.

Aoi schlich sich neben Uruha und grinste ihn an. Dann hauchte er einfach ein paar nette Worte hinein. "Ano ... Kai-san? Hier ist Aoi. Uruha würde gerne mit dir etwas besprechen. Etwas ziemlich Wichtiges würd ich sagen. Lass ihn rein, hai? Das ist sehr nett von dir."

Wusch! Mit einem Mal gehorchte ihm sein Körper nicht mehr und sein Finger betätigte den Summer wie von selbst.
 

"Sei nicht so nett zu ihm, Aoi! Der Kerl hat verdient, angeschrien zu werden, verdammt nochmal! Ich lass mich doch nicht von dem als Baka bezeichnen, wo kommen wir denn dahin? Das ist so ein verdammter, verbohrter, nichtsnutziger...", weitere Schimpftriaden konnte er jedoch nicht ausführen, da in diesem Moment der Summer gedrückt wurde, die Tür aufging, Aoi ihm die Hand auf den Mund legte und ihn ins Treppenhaus zog. Er wurde die Treppen zu Kais Wohnung geschleift und dann konnten sie auch schon die Wohnung betreten. Uruha löste sich sofort von seinem Bruder und baute sich vor Kai auf, der ihn verwirrt ansah.

"Nun hör mir mal gut zu, ja? Ich will dir bloß richtig tschüss sagen und dir alles Liebe wünschen! Nur, weil ich jetzt bei meinem Bruder leben will, musst du doch nicht so ein Theater machen! Ich bin immer noch in derselben Stadt wie du und wir können uns jeden Tag sehen! Mach nicht so ein Drama draus! Und du kommst jetzt sofort mit mir runter, damit ich dir meine Überraschung geben kann!"
 

Kai sah verwirrt aus. Er hockte hier auf dem Boden und schaute ihn aus tränenverschmierten Augen an. Für Uruha schien dies hier selbstverständlich zu sein, doch ihm viel es verdammt schwer.

Schnell senkte er den Blick und vergrub sein Gesicht in den Händen. Also war es doch so, dass er nicht wegen ihm zurückgekommen war, sondern sich nur von ihm verabschieden wollte. Toll! Ganz toll! Das war auch ganz sicher das, was er sich erhoffte hatte.

"Iie... Ich möchte nichts, danke...", nuschelte er vor sich hin. Er konnte dem Anderen ja noch nicht einmal ins Gesicht sehen. Und auch seine Worte nahm er gar nicht so richtig für voll.

Doch dann legte sich ein warme Hand auf seine Schulter und er hob den Kopf. Vor ihm hockte dieser komische Aoi und lächelte ihn auch noch an. Super! Noch mehr davon und er würde sich gleich einen Strick nehmen.

"Was ist los? Kou hat ein Geschenk für dich. Und ich möchte schon ganz gerne sehen, was du dazu sagst. Er hat mir damit den ganzen Weg hierher in den Ohren gelegen. Und meinem kleinen Bruder kann ich doch eh nichts abschlagen. Ich bin dir verdammt dankbar, dass du auf ihn so gut aufgepasst hast. Wirklich."
 

Uruha fuhr sich mit zitternden Händen durchs Haar und versuchte, sich zu beruhigen. Er war auf 180. Himmel noch einmal. Seit wann war Kai bloß so verdammt verstockt? Er hatte doch nun wirklich keinen Grund. Uruha war immer noch in derselben Stadt wie er und hatte sich auch fest vorgenommen, ihn jeden Tag zu besuchen. Aber nein, Kai war das also nicht gut genug. Schön. Wenn er das so wollte. Aber sein Geschenk bekam er trotzdem. Er hatte doch nicht so viel Geld für nichts und wieder nichts ausgegeben. Nein, ganz sicher nicht. Kai würde es annehmen müssen. Eher ging Uruha auch nicht weg.

Grob packte er den weinenden Schwarzhaarigen am Arm und zog ihn auf die Beine. Dann schleifte er ihn einfach so mit sich hinunter aus dem Haus hinaus und stellte ihn vor das abgedeckte Drumset. Er stemmte die Hände in die Hüften und deutete darauf.

"Schau es dir wenigstens einmal an. Nur einmal."
 

Stolpernd wurde er hinterher gezogen und dann einfach wieder auf die Straße gezerrt. Irgendwie lief heute aber auch alles schief. Konnten sie ihn nicht einfach mal in Ruhe lassen? Ihm ging es nicht gut und nun sollte er auch noch einfach irgendwas von ihnen annehmen?

Er kannte sie doch beide so gut wie gar nicht. Okay, Uruha kannte er schon ein wenig, aber diesen Aoi sah er gerade zum ersten Mal und trotzdem ging er mit ihm um, als würden sie sich schon Jahre kennen. Was tat dieser Kerl eigentlich?

"Ano..." Nun stand er wieder hier unten und würde wohl auch nicht eher gehen gelassen, wenn er sich das da unter dem Tuch nicht endlich anschauen würde. Aber wenn er das tat, hieß das dann nicht auch, dass er es annahm? Aber er wollte doch gar nichts. Er wollte nur noch in seiner Bude hocken und niemanden mehr an sich ranlassen. Mehr nicht. War das denn so schwer zu verstehen?

"Ich...ich kann nicht."
 

"So langsam reicht es mir wirklich mit dir, Kai! Du hast dich die ganzen Wochen über so gut um mich gekümmert und mir geholfen und jetzt willst du nicht mal ein Dankeschön von mir annehmen! Es ist ungerecht, okay? Ich will, dass du glücklich bist und jetzt nimm es endlich an, verdammt nochmal!"

Jetzt liefen ihm auch die Tränen die Wangen hinab und als Kai immer noch nicht reagierte, wurde es ihm langsam zu bunt. Er packte den Saum des Tuches und zog einmal kräftig daran, sodass das Drumset zum Vorschein kam und unschuldig im Mondlicht glitzerte. Uruhas Körper zitterte und er blickte in Kais geschockte Augen.

"Ich hab es für dich wiedergeholt... Ich will doch nur, dass du glücklich bist, verdammt nochmal..."

Weinend machte er auf dem Absatz kehrt und lief davon.
 

Entsetzt starrte er auf das Drumset, das Uruha gerade freigelegt hatte. Auch wenn das fahle Licht der Straßenlaternen und der Mond es nicht in seiner ganzen Pracht erscheinen ließen, so kannte er es. Hart schluckte er und hielt sich die Hand vorm Mund. Das... Das durfte nicht wahr sein. Das war... Zögerlich machte er ein paar Schritte darauf zu. Und jetzt war er sich sicher. Es war wirklich seins. Es war sein Drumset, das er zwangsläufig verkaufen musste. Aber...

Verwirrt schaute er zu Aoi, denn Uruha war weg. Nur Aoi stand noch hier und lächelte ihn an. Dann legte der Ältere ihm eine Hand auf die Schulter. "Wo...woher wusste er, dass..." Und schon wuschelte der andere ihm durchs Haar. "Tja, wenn man jemanden mag, dann will man alles über ihn wissen und genau das hat er getan. Woher genau er das weiß, kann ich dir nicht sagen, aber er wusste es einfach. Ohne dieses Set wollte er nicht mehr zu dir kommen.", meinte er nur. Dann wandte er sich von ihm ab. "Ich werd mal nach ihm sehen. Mach dir keine Gedanken und nimm es ruhig an. Es bedeutet ihm sehr viel, wenn du es in Ehren hältst."
 

Uruha lief immer weiter, bis er nicht mehr konnte. Weinend brach er auf dem Boden zusammen und kauerte sich an eine Hauswand. Die Beine zog er an den Körper, schlang die Arme darum und legte den Kopf darauf ab. Die Tränen liefen ihm ungehindert aus den Augen und Uruha machte sich auch nicht die Mühe, sie aufzufangen oder wegzuwischen. Es hatte doch eh alles keinen Sinn mehr. Kai würde das Drumset nicht annehmen und sich für immer und ewig von ihm abschotten. Genau das war es, wovor er Angst hatte. Dass Kai nie wieder etwas mit ihm zu tun haben wollte und ihn immer wieder wegschickte. Dabei hatte er es doch nur gut gemeint.

"Baka...", hickste er leise und verkrümelte sich noch weiter in die Seitengasse hinein. Aoi sollte ihn jetzt nicht so sehen. Das würde er nicht aushalten. Aoi würde ihm nur wieder einen Vortrag halten und sagen, dass er feige wäre und zu Kai zurückgehen sollte. Aber das würde er nicht. Nicht nochmal. Kai wollte doch sowieso nichts mehr von ihm wissen.
 

"Warte." Kai hielt den Anderen am Arm fest. Dann drückte er ihm etwas in die Hand. "Ich weiß, dass es vielleicht ganz schön dreist ist, dich das zu fragen, aber... würdest du bitte auf das Schlagzeug aufpassen, solange ich weg bin?", fragte er den anderen mit leiser heiserer Stimme. "Ich werd ihn suchen gehen. Onegai...", bat er. Und schon verschwand er in die Richtung, in die Uruha davongelaufen war.

Ein etwas verwirrter Aoi blieb zurück. Er starrte auf seine Hand. Der Jüngere hatte ihm den Schlüssel in die Hand gedrückt. Okay, so würde er garantiert warten müssen, denn sonst hatte er es zu verantworten, dass der Andere nicht mal mehr in seine eigene Wohnung kam. Aber ihm sollte es recht sein. Sollten die zwei Turteltäubchen sich doch mal so richtig aussprechen. War vielleicht gar keine schlechte Idee. Und in der Zeit konnte er sich ja ein wenig nützlich machen.

"Uruha!" Immer wieder nach ihm rufend rannte er durch die rabenschwarze Nacht. Seine Blicke schweiften nach rechts und nach links und er hoffte, dass der andere noch nicht allzu weit gekommen war.
 

Plötzlich hörte er eine Stimme, die nach ihm rief und drückte sich noch weiter in die Gasse hinein. Oh nein. Er kannte diese Stimme doch. Das war... Er lauschte erneut. Kein Zweifel. Das war Kais Stimme und er rief nach ihm. Aber nicht mit Uruha, auf gar keinen Fall. Jetzt konnte Kai auch bleiben, wo der Pfeffer wächst. Auf dessen Heuchelei hatte er jetzt gar keinen Bock. Kai wollte doch bloß, dass er bei ihm blieb. Aber das wollte Uruha nicht. Auch, wenn er Kai liebte... Er kannte ihn noch nicht so gut und Aoi war seine Familie. Da war es doch wohl verständlich, dass er zu ihm ziehen würde und nicht mehr zu Kai.

Er gab keinen Mucks von sich und hoffte, dass Kai ihn nicht finden würde. Doch zu früh gefreut. Just in diesem Moment ging Kai an der Seitengasse entlang, in der er saß.
 

Sein Blick fiel in eine kleine Seitengasse. Das fahle Licht machte es ihm verdammt schwer, etwas erkennen zu können. Doch irgendwie hatte er das Gefühl, dass auch er beobachtet wurde. Konnte es sein, dass hier jemand war?

Hastig schüttelte er den Kopf. Quatsch, Kai! Wer sollte dich denn beobachten? So ein Hirngespinst kannst ja auch nur du dir einreden, dachte er so. Allerdings hatte er das Bedürfnis auch diese Gasse abzusuchen, genau wie er es mit den anderen auch getan hatte.

"Uruha?", rief er etwas kleinlaut in die schmale Straße hinein. "Uruha? Komm raus, ich muss mit dir reden. Bitte." Seine Stimme klang aufgeregt und besorgt zugleich.
 

"Hau ab, Kai...", murmelte er leise und hoffte, dass Kai ihn nicht gehört hatte.

Er wollte jetzt nicht mehr mit Kai reden. Eben hatte er es die ganze Zeit versucht und Kai hatte abgeblockt und nun versuchte er es doch. Was war nur mit dem Kerl los? Irgendwie benahm er sich gerade total anders als sonst. Kam da etwa Kais wahre Seite zum Vorschein? Uruha hoffte es nicht. Diese Seite an Kai war nicht gerade dass, was er erträglich nennen würde.

Er atmete erleichtert auf, als Kai sich umdrehte und anscheinend in einer anderen Gasse weitersuchen wollte. Doch er hatte mal wieder kein Glück. Etwas kitzelte ihn an der Nase und er ließ einen leisen Nieser hören. Mist.
 

Erschrocken drehte er sich wieder um. Da war doch etwas gewesen oder hatte er sich geirrt? Nein! Ganz sicher nicht. Da war etwas. Und so ging er wieder ein Stück weiter in die Gasse hinein. Seine Augen gewöhnten sich an die Dunkelheit und er konnte erkennen, dass dort in einer Ecke jemand kauerte. War das etwa ein Penner? Ein Obdachloser? Egal, er konnte ihn ja fragen, ob dieser hier jemanden vorbei hatte laufen sehen. Fragen kostet ja bekanntlich nichts und im Notfall gab er dem armen Schlucker auch ein paar Yen.

Langsam kam er auf die zusammengekauerte Person zu. Ein Lächeln lag auf seinen Lippen, denn er wollte ja niemanden erschrecken oder einschüchtern. Das wollte er wirklich nicht. Er suchte ja auch nur jemanden.

"Entschuldigen Sie. Haben Sie zufällig jemanden hier vorbeilaufen sehen? Es ist wirklich wichtig, wissen Sie? Bitte helfen Sie mir, hai?"
 

Verwirrt drückte Uruha sich noch mehr in die Ecke. Nani? Was war das denn jetzt? Hatte Kai ihn nicht erkannt? Wenn ja, dann war das echt ein Glückstreffer. Kai konnte anscheinend nichts erkennen, da es in der Ecke hier so finster war. Und das war Uruhas Glück. Er räusperte sich kurz und antwortete dann mit tiefer Stimme:

"Ich habe niemanden gesehen. Hauen Sie einfach ab."

Er hoffte, dass Kai sich dadurch ein wenig einschüchtern ließ und wirklich die Biege machte. Er wollte alleine sein.
 

Kai hingegen runzelte nur die Stirn. Was war das denn für einer? Er hatte ihn doch bloß nach jemandem gefragt. Manchmal waren diese Leute echt unmöglich. Doch er wollte sich ja wenigstens bedanken. Und so hockte er sich hin und lächelte den Anderen an. Dann stockte er. Irgendwie kam ihm diese Silhouette verdammt bekannt vor. Sofort zog er den Vergleich zu dem Bild, das sich ihm in der Dusche gegeben hatte. Das... Konnte es sein?

Nun verdrehte er die Augen und erhob sich wieder. Beleidigt stemmte er die Hände in die Hüften.

"Uruha, du Baka!", schnauzte er. "Verarschen kann ich mich allein."
 

Mist. Voll ins Fettnäpfchen getreten. Och Manno. Konnte Kai ihn denn nicht mal alleine lassen? Er hatte wirklich keine Lust, mit ihm zu reden. Und er hatte auch keine Lust, sich dauernd von ihm beleidigen zu lassen. Jemanden Baka zu nennen war ja nun wirklich kein Kavaliersdelikt. Er zog eine Schnute und stand auch auf. Die Arme legte er um seinen Oberkörper, da ihm immer noch furchtbar kalt war.

"Was willst du, huh? Ich will jetzt nicht mehr mit dir reden, okay? Aoi und ich nehmen das Drumset wieder mit und verkaufen es. Du willst es doch sowieso nicht mehr haben. Anscheinend hab ich mich geirrt. Es bedeutet dir rein gar nichts."
 

Perplex starrte er den Anderen erst an. Doch dann reichte es ihm. Wieso konnten sie sich seit Aois Auftauchen nicht ein einziges Mal vernünftig unterhalten? Sie motzen sich entweder gegenseitig an oder schwiegen vor sich hin. Das war doch vorher auch nicht so gewesen.

Und nun sollte Uruha nicht noch einmal einfach so abhauen. Jetzt wollte er die Fronten klären. Ein für alle Male. So konnte es doch wohl unmöglich mit ihnen weitergehen. Hatten sie nicht gesagt, sie wären Freunde? Was für Freunde waren sie denn, wenn sie nicht einmal das auf die Reihe brachten.

Kraftvoll knallte er mit der flachen Hand gegen die Hauswand direkt neben Uruhas Kopf. Grimmig blickte er ihn an. "Ich WILL jetzt aber mit dir reden. Und zwar Klartext. Verstanden?"
 

Geschockt starrte Uruha in Kais Augen. Neben sich bröckelte schon leicht die Hauswand. Eiderdaus, da hatte Kai aber wirklich heftig zugeschlagen. Mit ihm wollte sich Uruha niemals anlegen. Also schluckte er nur und sah ihn dann abwartend an. Wenn Kai was mit ihm besprechen wollte, dann sollte er auch endlich anfangen, zu reden. Ansonsten würde Uruha nämlich gleich die Biege machen.

"Nun fang schon an oder ich gehe.", grummelte er und lehnte sich an die Hauswand.
 

Eigentlich hatte er gehofft, dass er das hier nicht so schnell sagen musste, aber... es gab auch keine andere Möglichkeit, Uruha dazu zubringen hierzubleiben. Okay, vielleicht würde er dann auch einfach Reißaus nehmen. Aber wer wusste denn schon, wie ein Anderer reagierte.

"Ich danke dir sehr dafür, dass du mir ein so tolles Geschenk machen möchtest. Aber... ich kann es nicht annehmen. Das geht einfach nicht. Ich habe dir nie etwas getan, was dieses Geschenk auch nur annähernd rechtfertigt. Du bist mein Freund und da ist es selbstverständlich, dass ich mich um dich kümmer. Es ist nur..." Jetzt senkte er den Blick. "Seit dieser Yuu aufgetaucht ist, hab ich das Gefühl, dass ich nur noch Luft für dich bin. Das tut weh, Uruha. Verdammt weh."
 

Uruha runzelte die Stirn. Jetzt verstand er wirklich nur noch Bahnhof. Kai dachte, dass er Luft für ihn wäre? Das war doch nun wirklich lächerlich. Kai machte sich gerade ziemlich zum Deppen.

"Kai... Yuu ist mein Bruder. Ich hab ihn endlich wiedergefunden und da ist es doch wohl selbstverständlich, dass ich mich wahnsinnig freue und auch gerne bei ihm sein will oder? Außerdem bist du sofort, nachdem ich Yuu wiedergefunden habe, abgehauen. Da hatte ich gar keine Zeit, dich wie Luft zu behandeln. Und als ich dann zu dir gekommen bin, hast du MICH doch wie Luft behandelt. Und das hat mir wehgetan, Kai. Ich verstehe dich wirklich nicht. Ich behandele dich nicht wie Luft. Aber Yuu ist mein Bruder und er ist mir sehr, sehr wichtig."
 

Kais Augen weiteten sich merklich und er spürte gerade, wie sein Herz in seine Hose sackte. Yuu war was? Er war Uruhas Bruder?

"Ano..." Verlegen wandte er den Blick ab und drehte sich weg. Kami-sama. Noch peinlicher ging´s jawohl nicht. Und er hatte gedacht, dass Yuu... dass Yuu Uruhas Freund oder so etwas war. Und ganz bestimmt nicht sein Bruder.

"Go... gomen....", stammelte er und ließ sich auf den Boden sinken. Irgendwie lief zurzeit alles schief und ganz und gar nicht so, wie er es sich vorgestellt hatte.

"Ich bin so ein Idiot...", murmelte er leise vor sich hin. Uruha hatte vollkommen Recht, wenn er ihn jetzt nicht mehr sehen wollte. Er hatte sich aufgeführt wie ein eifersüchtiger Ehemann.
 

Irgendwie kam sich Uruha vor wie der letzte Idiot. Er verstand mal wieder nur noch Bahnhof. Wieso entschuldigte Kai sich jetzt bitteschön? Wofür? Und er sah so verdammt verwirrt und erschrocken aus. Musste Uruha sich etwa Sorgen um den Anderen machen?

Er hockte sich zu ihm und legte ihm eine Hand auf den Arm. Dann sah er ihm direkt in die Augen und runzelte die Stirn.

"Ano... Alles okay bei dir? Du bist so blass. Soll ich mal Onii-San holen? Wir bringen dich wohl lieber nach Hause, Kai. Hast du dich vielleicht erkältet oder so?", er machte sich gerade wirklich Sorgen, da Kai leichenblass geworden war. "Was ist los?"
 

Aus ziemlich verwirrten Augen schaute er ihn an und schüttelte leicht den Kopf. "Scho... schon gut, alles okay, denk ich. Aber..." Wieder senkte er den Blick. "Ich kapier einfach nichts mehr. Ich versteh mich selbst nicht mehr. So bin ich doch sonst nicht. Aber... seit ich dich kenne, ist irgendwie alles so merkwürdig.", wisperte er in die Nacht.

"Es ist nicht so, dass ich dir Vorwürfe machen will. Ganz und gar nicht, aber es ist wirklich so... Seit ich dich kennengelernt habe, macht mein Verstand nicht mehr richtig mit. Ich hab dir andauernd irgendwie weh getan, obwohl ich das nie wollte. Mein Körper reagiert ständig mit irgendwelchen eigenartigen Gefühlen, wenn du bei mir bist, wenn du mich berührst. Ich versteh es einfach nicht.", sprudelte aus ihm heraus.
 

Sofort wurde Uruha leicht rot. Kai beschrieb gerade genau das, was in ihm auch vorging. Aber er wusste ja bereits, dass er in Kai verliebt war. Uruhas Atem stockte. Hieß das etwa, dass... dass Kai vielleicht auch in ihn verliebt war? Uruha schüttelte den Kopf. Nein. Ganz sicher nicht. Die Friseurin hatte ihm ja selbst gesagt, dass Kai nur Mädchen mitbrachte. Niemals einen Jungen. Also war er auch nicht schwul, sondern hetero. Uruha schluckte. Oh Mann. Konnte das Leben denn nicht einmal gerecht zu ihm sein?

"So geht es mir bei dir auch, Kai... Ich hab immer ein Kribbeln im Bauch, wenn ich dich sehe und... Es fühlt sich so seltsam an.", flüsterte er.
 

Jetzt war er noch mehr verwirrt. Erneut hob er den Kopf und sah Uruha aus erstaunten Augen an. "Nani?", war sein geistreicher Kommentar zu den Worten des Größeren. Hatte Uruha ihm eben gesagt, dass es ihm genauso ging?

"Aber... weißt du vielleicht, was das zu bedeuten hat? Ich versteh´s nicht. So komisch hab ich mich noch nie gefühlt. Auch nicht, wenn ich mit einem Mädchen zusammen war. Nicht einmal beim..." Er stockte und wurde rot. Okay, das musste er nun wirklich nicht sagen. "Es ist so ganz komisch. So ungewohnt. Und ich weiß nicht einmal wieso. Das ist alles so neu und ich kann es einfach nicht einordnen. Und als dann dein Bruder aufgetaucht ist, da war ich irgendwie total enttäuscht. Ich hab gesehen, wie glücklich du warst und wie sehr du dich gefreut hast, dass er wieder da war. Da hab ich Panik bekommen. Ich wollte, dass du dich auch bei mir so fühlst. Aber ich hab das nie geschafft."
 

Er seufzte und hockte sich nun etwas weiter vor Kai. Er drückte dessen Beine auseinander, damit er zwischen ihnen Platz nehmen und Kai in den Arm nehmen konnte. Seufzend kuschelte er sich an seinen Freund und strich ihm vorsichtig über die Wange. Dann sah er ihm tief in die Augen und atmete ein paarmal tief durch. Okay. Jetzt war wohl der Zeitpunkt der Wahrheit gekommen. Länger würde er es wohl nicht mehr vor Kai geheim halten können. Dafür war Kai ihm zu wichtig. Er wollte ihn nicht die ganze Zeit über anlügen müssen.

"Ano... Yuu hat mir gesagt, dass es sein könnte... dass... Ich...", oh Kami-Sama, war das schwer. "Ich... also... Yuu meinte, dass ich in dich... verliebt wäre und... Ich glaube auch, dass... es stimmt.", vorsichtig hob er den Blick und wurde augenblicklich rot. "Bist du mir böse deswegen?"
 

Sein ganzer Körper verkrampfte sich augenblicklich, als Uruha sich zwischen seine Beine setzte und ihn in die Arme zog. Aber am meisten geschockt war er von den Worten, die er ihm so offenkundig gesagt hatte. Uruha war in ihn verliebt? Aber... Wieso? Wieso verliebte man sich denn in einen Mann, wenn man selber einer war? Das... Irgendwie war das schon unheimlich. Aber irgendwie ehrte es ihn auch, dass Uruha sich ihn ausgesucht hatte.

Langsam färbte sich sein Gesicht rot. Nur gut, dass man das bei dieser Dunkelheit nicht wirklich erkennen konnte. Dann schüttelte er leicht den Kopf. "Ano... Bin ich nicht. Wirklich, aber..." Ja, da gab es etwas, dass er noch nicht sagen konnte. "Ich weiß nicht, ob ich diese Gefühle so erwidern kann, wie du sie für mich hast.", entschuldigte er sich. Aber der eigentliche Grund war, dass er Angst hatte. Und wieder stand ihm seine Vergangenheit im Wege.
 

Tief getroffen senkte er den Blick und löste sich von Kai. Er hatte es doch gewusst. Wie hatte er so blöd sein und glauben können, dass Kai ihn vielleicht auch lieben könnte? War er denn total bescheuert? Kai war ein Mann und Männer sollten eigentlich Frauen lieben. Irgendwie empfand er gerade Abscheu vor sich selbst. Er war wirklich dumm.

Er stand auf, klopfte sich den Dreck von den Klamotten und brachte ein gequältes Lächeln zustande. Er hätte es sich doch denken können.

"Gomen nasai... Ich hätte dich damit nicht belästigen sollen, es tut mir leid. Ich verschwinde besser."

Und schon drehte er sich um und wollte gehen. Zu seinem Bruder und alles vergessen.
 

"Warte!" Schnell griff er nach seinem Handgelenk und zog ihn zu sich. Dass er Uruha dabei zu Fall brachte, hatte er zwar nicht gewollt, aber es war schon ein passender Nebeneffekt, denn so landete dieser auch gleich auf seinem Schoß. Kais Wangen waren feuerrot und es war ihm schon etwas unangenehm, dass Uruha nun auf seinem Schoß saß. Doch er machte auch keine Anstalten, dies wieder zu ändern. Sanft legte er die Arme um ihn und legte seinen Kopf auf die Schulter des Größeren.

"Du belästigst mich nicht damit, wirklich... Gib mir etwas Zeit und hilf mir dabei, herauszufinden, was ich für dich empfinde. Du bist mir wirklich wichtig. Unheimlich wichtig."

Kiss?

So schnell konnte er gar nicht gucken, wie er plötzlich auf Kais Schoß saß und der die Arme um ihn geschlungen hatte. Er wurde tiefrot und schluckte. Seit wann ließ Kai denn zu, dass er auf seinem Schoß sitzen durfte? Sonst hatte er ihn doch immer weggeschubst. Das war schon merkwürdig. Aber gut. Er würde sich auch jetzt nicht beschweren. Er hatte so lange schon mal auf Kais Schoß sitzen wollen und jetzt durfte er dies auch mal tun.

Sofort kuschelte er sich ein wenig an den Kleineren heran und legte ebenfalls die Arme um ihn. Er sah ihm tief in die Augen und nickte. Oh ja. Er würde ihm helfen, herauszufinden, was er für ihn empfand. Und da hatte Uruha auch schon eine Idee.

"Kai? Kann ich... Kann ich dich küssen?"

Das wäre ja auch nicht ihr erster Kuss. Kai hatte ihn schon bei der Party im Garten geküsst.
 

Verwirrt starrte er ihn an. Ein Kuss? Mit allem hatte er gerechnet, aber dass Uruha das so schnell angehen würde, überraschte ihn doch etwas. Ein wenig überrumpelt von dieser Frage nickte er. Er hatte Uruha um Hilfe gebeten und was würde da nicht besser passen, als wenn sie sich küssten. Es war ja auch nicht so, dass dies dann der erste Kuss war. Uruha hatte ihn schon einmal geküsst und auf der Party hatte er ihn wohl auch geküsst. Also war doch nichts dabei oder?

"Ha...hai...", stotterte er und krallte sich leicht in Uruhas Shirt. Jetzt würden sie sich küssen. Ob das wirklich eine gute Idee war? Oder sollte er das lieber doch nicht machen? Aber er hatte es doch so gewollt. Er wollte doch herausfinden, wie er zu dem Größeren stand und hier würde sie doch eh keiner sehen. Es war stockduster und sie saßen in einer Seitengasse. Was konnte da eigentlich schief gehen?
 

Uruhas Herz schlug hart und schnell, als er sich vorbeugte, um Kai einen süßen Kuss zu stehlen. Er rückte sich ein wenig auf dessen Schoß zurecht und nahm Kais Gesicht in seine Hände. Er sah ihm tief in die Augen und seufzte leise auf. Dann schloss er die Augen und kam Kais Gesicht immer und immer näher. Schließlich legte er seine Lippen sanft auf Kais Kusspolster und bewegte sie sachte gegeneinander. Ihm wurde schwindlig. Kami-Sama. Kai war wirklich ein verdammt guter Küsser und diese Lippen waren die pure Sünde.
 

Seine Lider legten sich automatisch über seine Augen, als er diese weichen Lippen auf den seinen spürte. Sein Herz schlug wie wild gegen seine Brust und er hatte Angst, dass es jederzeit rausspringen würde oder Uruha hören konnte, wie heftig es schlug. Irgendwie wurde ihm heiß und kalt zugleich. Doch er wollte nicht nur von ihm geküsst werden. Wenn dann wollte auch er ihm zeigen, dass er nicht einfach nur stumm alles über sich ergehen ließ. Und zu einer Liebe gehörten ja dann auch zwei Menschen. Vielleicht war das ja der Weg, den Kami-sama für sie vorherbestimmt hatte. Das wusste man ja vorher eh nie. Und so genoss er diesen Augenblick der unglaublichen Nähe und ausgesprochen intimen Zärtlichkeit.

Allerdings stellte er schnell fest, dass es das erste Mal war, dass sich ein Kuss so atemberaubend anfühlte, dass er ihn am liebsten nie wieder lösen wollte.

"Kou...", hauchte er gegen die Lippen des Anderen, als sie sich nach schier endlosen Minuten wieder voneinander lösten und aus halbgeschlossenen Augen und mit feucht geküssten Lippen ansahen.
 

Als sie sich nach unzähligen und für Uruha niemals enden sollenden Minuten voneinander wegen Luftmangels lösen mussten, keuchte Uruha leise und leckte sich über die angeschwollenen Lippen. Dieser Kuss war so atemberaubend, so einzigartig. Uruha wüsste gerne, ob er schon einmal so einen Kuss bekommen hatte. Aber er war sich sicher, dass er noch nie so einen bekommen hatte. So einen perfekten Kuss konnte man nur von dem Menschen bekommen, den man von Herzen liebte und Uruha war sich nun sicher, dass dieser besondere Mensch für ihn Kai war. Aoi hatte Unrecht gehabt. Er war nicht in Kai verliebt. Er liebte Kai. Und zwischen verliebt sein und lieben war schon noch ein gutes Stück.

"Kai? Ich... Ich liebe dich...", murmelte er leise und kuschelte sich eng an den anderen heran.
 

Auch wenn ihn diese Worte unglaublich glücklich machten und sich dieser Kuss eben auch so verdammt richtig angefühlt hatte, konnte er seinem Freund diese Worte nicht erwidern. Es ging einfach nicht. Wenn er sie sagte, dann musste er sich auch vollkommen sicher sein, dass sie ehrlich waren. Aber vielleicht würde bald dieser Augenblick da sein. Das wusste er nicht. Vielleicht war Uruha wirklich der Mensch, den er liebte. Doch er musste sich wirklich sicher sein. Noch eine solche Enttäuschung vertrug er nicht. Zu tief saß die Wunde, die eine große Narbe in seinem Inneren hinterlassen hatte. Und er wusste nicht, ob es jemals möglich war, diese Narbe auszumerzen.

Sanft drückte er ihn an sich. "Lass uns nach Hause gehen, hai? Yuu wartet dort bestimmt auf uns." Nicht nur bestimmt. Kai wusste, dass er dort auf sie warten würde. Auch wenn er den Mann nicht kannte, seine Augen waren so ehrlich und warmherzig, dass er ihm eigentlich vertraute.
 

Uruha war enttäuscht, dass Kai ihm seine liebevollen Worte nicht erwidert hatte. Aber was hatte er auch großartig erwartet? Kai brauchte sicherlich noch eine Weile, bis er sich sicher sein konnte, ob er ihn nun liebte oder nicht. Er hatte Kai ja mit dieser Aktion so ziemlich überrumpelt. Zwar unbeabsichtigt, aber er hatte es getan.

Seufzend stand er mit Kai zusammen auf und kuschelte sich an ihn. Sanft drückte er ihm noch einen Kuss auf, ehe er ihn ansah.

"Ich warte auf dich und deine Antwort, Kai. Lass dir Zeit so viel du brauchst. Ich kann warten."

Dann nahm er Kais Hand in seine und zog ihn hinter sich her. Wenig später kamen sie bei Kai zuhause an und Uruha ließ ihn los. Sofort rannte er auf Yuu zu, der beinahe vor der Haustüre eingeschlafen war und kuschelte sich an ihn.

"Onii-San? Ich hab mich mit Kai wieder vertragen."
 

Verwundert schaute Kai sich um. Dann kam er näher und gesellte sich zu den beiden, die sich nun glücklich in den Armen lagen. Er sah, wie Yuu dem Jüngeren über den Kopf wuschelte und ihm dann ein breites Grinsen schenkte. Auch wenn Uruha es vielleicht noch nicht bemerkt hatte, Kai stellte es sofort fest. "Ano... Wo ist denn das Drumset hin?", fragte er etwas entsetzt. Uruha hatte es ihm geschenkt und nun war es weg?

Aoi kicherte und zeigte mit dem Finger nach oben. "Das steht ein paar Etagen über uns und wartet darauf, vernünftig aufgebaut zu werden. Ich wollte das gute Stück nicht hier unten stehen lassen und hab´s halt nach und nach in deine Wohnung gestellt. Ist das okay für dich?" Ein wenig fertig sah er schon aus. Er war nur froh, dass es in diesem Haus einen Fahrstuhl gab.
 

Uruha kicherte leise. Aoi war schon toll. Er hatte einfach mal so mir nichts, dir nichts das ganze Drumset in Kais Wohnung gebracht. Das hatte er wirklich toll gemacht. Nur hoffte er, dass Kai damit auch zufrieden war. Schließlich war Yuu einfach so in Kais Wohnung eingedrungen. War das nicht eigentlich Hausfriedensbruch? Na egal. Kai sah allerdings ja auch nicht so aus, als würde er sich daran stören. Er bedankte sich artig bei Aoi und Uruha half seinem Bruder auf. Dann sah er Kai unschlüssig an.

"Ano... Wir sollten dann wohl langsam mal gehen. Es ist schon sehr spät..."
 

Nur ein trauriges Seufzen verließ seine Lippen und Wehmut machte sich in ihm breit. Hatte er nicht eben noch gesagt, dass er ihn liebte und ihm helfen würde, seine Gefühle für ihn herauszufinden? Nun gut, Yuu war Uruhas Bruder und mit ihm hatte er schon so viel Zeit verbracht. Da konnte Kai ihm noch lange nicht das Wasser reichen. Außerdem war Yuu jetzt die Person, die ihm helfen konnte, seine Vergangenheit wieder aufzufrischen und sein altes Leben wiederzufinden. Also sollte er dem auch nicht im Wege stehen.

"Hai... Und danke für alles." Er verbeugte sich in aller Form vor Aoi und auch vor Uruha. Bei ihm wusste er ja eh nicht, wie er sich ihm jetzt gegenüber verhalten sollte. Es war schon komisch, zu wissen, dass es jemanden gab, der einen liebte. Allerdings gefiel ihm dieser Gedanke auch ungemein.

"Oyasumi nasai und kommt gut nach Hause.", verabschiedete er sich und bekam von Aoi seinen Schlüssel in die Hand gedrückt. Wie würde er sich jetzt Uruha von ihm verabschieden?
 

Uruha musste sich ein Grinsen verkneifen, als Kai sich vor ihm verbeugte. Was war das denn jetzt bitteschön? Kai musste sich doch vor ihm nicht verbeugen. Sie hatten sich doch gerade ihre Liebe gestanden. Also wirklich. Das war nun wirklich nicht nötig. Er kicherte leise und trat langsam wie eine Raubkatze auf Kai zu. Dann legte er ihm die Arme um den Nacken und beugte sich zu ihm. Vorsichtig verschloss er ihre Lippen miteinander und verwickelte seinen Freund in ein zärtliches Lippenspiel, ehe er sich wieder von ihm löste und ihm ein liebevolles:

"Aishiteru, Kai-Chan. Oyasumi nasai...", ins Ohr hauchte und ihm zuzwinkerte.

Dann nahm er Aoi bei der Hand, warf ihm noch eine Kusshand zu und verschwand dann mit seinem Bruder um die Ecke.
 

Verdattert blieb Kai zurück und fasste sich geistig ziemlich abwesend an die eben geküssten Lippen. Schlagartig wurde er rot und ihm wurde ziemlich heiß. Geschlagene zehn Minuten stand er noch da wie angewurzelt, eher er sich ganz langsam, schon fast wie in Zeitlupe, ins Haus schlich und nach schier unzähligen Treppen seine Wohnung betrat. Sein Blick fiel sofort ins Wohnzimmer. Dort stand es. Und jetzt konnte er es auch hundertprozentig sagen. Das war sein Drumset. Es war wirklich seins. Wie hatte Uruha das nur geschafft? Und woher wusste er davon?

Während Kai sich noch immer so seine Gedanken machte, schlenderte er neben seinem Bruder her und grinste diesen fröhlich an. "Da ist aber einer mächtig glücklich, was?", piesackte er.
 

"Na und?", lachte er leise und kuschelte sich an die Seite seines Bruders. "Ich hab ihm endlich meine Liebe gestanden. Das ist so aufregend, Aoi. Sag mal... War ich schon mal verliebt? Ich meine, so richtig? Hatte ich schon mal eine Freundin oder einen Freund? Und... Weißt du, ob ich schon mal Sex hatte?"

Er musste diese ganzen Fragen jetzt einfach stellen. Er musste es wissen. Es war ihm schon peinlich, seinen Bruder so etwas zu fragen, aber es war ihm gerade wirklich wichtig und er hoffte, dass Aoi ihm da helfen konnte.
 

"Oh Mann, du willst echt viel wissen. Glaubst du wirklich, dass ich das alles weiß?", fragte er und lächelte. "Aber ich find es wirklich schön, dass du es ihm gesagt hast. Ich bin wirklich stolz auf dich." Und zum unzähligsten Male wuschelte er ihm durchs Haar. "Ich freu mich für dich. Wirklich. Aber deine Fragen beantworte ich dir erst, wenn wir Zuhause sind. Es muss ja nicht jeder über dein Liebesleben Bescheid wissen, hai?" Und damit war diese Diskussion erst einmal beendet. Zumindest für ihn.

Es dauerte auch nicht wirklich lange, da kamen sie wieder Zuhause an. Aoi schob den Größeren vor sich her in die Wohnung. "Willkommen Zuhause, kleiner Bruder.", kicherte er und umarmte ihn nochmals herzlich. "Ich bin so glücklich, dass es dir gut geht und du wieder bei mir bist."
 

Murrend folgte er ihm und konnte es schon gar nicht mehr erwarten, bis sie endlich wieder zuhause waren. Er wollte es unbedingt wissen. Schließlich wollte er auch wissen, ob er schon Erfahrungen in Sachen Sex gesammelt hatte und wenn er mal Sex haben sollte, wollte er ja auch wissen, ob es sein erstes Mal war oder nicht. Und ihm war auch wichtig, zu wissen, ob er schon einmal eine Beziehung geführt hatte. Alles in allem sprudelte er geradezu vor Neugier über und betrat ohne zu zögern das Haus. Sofort wurde er von seinem Bruder umarmt und seufzte leise.

"Du, Aoi? Ich weiß, das hört sich jetzt vielleicht ein bisschen kindisch an, aber... Kann ich mir meinen Schlafanzug anziehen und dann kuscheln wir ein bisschen vor dem Fernseher und du erzählst mir alles? Ich bin so froh, dass ich dich wiederhabe!"
 

Aoi lachte und nickte sofort zustimmend. "Hai, das machen wir. Wie sonst auch.", gab er Preis. Ja, sie beide waren zwar Brüder, aber das war doch kein Grund, warum sie abends nicht gemeinsam vor dem Fernseher sitzen sollten und kuschelten. Es war ja nichts dabei. So zeigten sie sich auch, dass sie sich unheimlich viel bedeuteten. So sah er es jedenfalls. Und scheinbar hatte Uruha genau dieses Bedürfnis in seinem Unterbewusstsein nicht vergessen.

"Dann beeil dich mal. Es ist ja eigentlich auch schon ganz schön spät. Aber wenn du willst, können wir uns auch in mein Bett schmeißen. Da können wir ja auch fernsehen, wenn dir danach ist. Und wenn wir dann einfach einpennen, ist das nicht so unbequem wie auf dem ollen Sofa." Griesgrämig schaute er zu dem alten Ding. Das hatte auch schon einmal bessere Tage gesehen.
 

"Na gut.", grinste er.

Anscheinend hatte er gar nicht so falsch gelegen mit seinem Bedürfnis nach kuscheln. Er hatte sich bei Kai auch immer gewundert, dass er so gerne kuschelte, aber anscheinend lag das ja in der Familie. Aoi schien ebenso gerne zu kuscheln wie er und das freute ihn ungemein. Er grinste seinen Bruder nochmal an, ehe er aus dem Wohnzimmer in sein eigenes Zimmer flitzte. Dort seufzte er und musste erst mal über all die Dinge steigen, die auf dem Boden rumlagen. Er nahm sich fest vor, morgen hier mal Klarschiff zu machen. So ging das ja auch nicht weiter. Sofort führte ihn sein Weg zu seinem Kleiderschrank und er machte ihn neugierig auf. Wie erwartet war auch hier der Großteil seiner Sachen violett. Er nahm sich einen kurzen Schlafanzug raus, zog ihn sich an und tapste dann auf nackten Sohlen zu Aoi ins Zimmer. Der lag schon auf dem Bett und zappte durch die Kanäle.

Schnurrend kuschelte er sich an seinen großen Bruder heran und sah in den Fernseher. Irgendein Liebesfilm lief.

"Beantwortest du mir jetzt meine Fragen?"
 

Während Uruha in sein Zimmer verschwand und er nur ein ziemlich entsetztes Seufzen von dem Anderen hörte, machte er sich auf den Weg in sein Zimmer. Schnell stieg er aus seinen Klamotten und zog sich sein Schlafschirt über. Aoi hatte nicht wirklich das Bedürfnis, in einem Pyjama zu schlafen. Uruha hingegen fand das schon immer toll. Deshalb wunderte es ihn auch nicht, als dieser in seinem Lieblingspyjama auf nackten Füßen anmarschiert kam und sich neben ihn auf das Bett niederließ. Zufrieden lächelte er ihn an und zog die Decke über sie beide.

"Du bist ganz schön hartnäckig, mein Guter. Aber gut, ich werd dir jede Frage beantworten, die du mir stellst. Wenn ich denn eine Antwort darauf habe. Alles weiß ich ja auch nicht."
 

Dieser Schlafanzug war wirklich absolut kuschlig und flauschig und Uruha hatte das Bedürfnis, sich richtig hinein zu kuscheln. Er legte sich neben seinen Bruder und wurde von diesem auch sogleich in die Arme gezogen. Schnurrend schmiegte er sich in die starken Arme Aois und legte den Kopf auf dessen Brust ab. Jetzt hatte er also Zeit, ihm all seine Fragen zu beantworten.

"Also... Wie bin ich eigentlich sonst so gewesen? War ich eher der aufgeschlossene Typ oder eher schüchtern? Hab ich früher auch so gerne gekuschelt wie jetzt?"

Die Fragen nach dem Sex und so ließ er erst mal außer Acht. Jetzt wollte er erst mal etwas mehr über sich selbst erfahren.
 

So schön aneinander gekuschelt schauten sie fern und er stand seinem Bruder Rede und Antwort. Es war schon witzig, dass man einem Anderen etwas über ihn selbst erzählen musste. Aber auf diese Art und Weise würde Uruha sich wieder selbst kennenlernen. Doch die meisten Züge seines Charakters hatte er eh schon ans Tageslicht gebracht. Er war etwas ungeduldig, sehr emotional und auch ziemlich anhänglich und verschmust. Aber ihn störte es wirklich nicht. So war sein Bruder nun mal und er wollte es auch nicht ändern.

Und nach diesen Fragen war er sich sicher, dass da sicher noch ein paar mehr kommen würden und auch diese würde er ihm weitestgehend beantworten.
 

Irgendwie war es wirklich komisch, jemanden anderes fragen zu müssen, welche Charakterzüge man selbst besaß. Aber die, die ihm Aoi da gerade nannte, waren bei ihm ja auch schon zutage getreten und so war er auch nicht sonderlich überrascht. Gut, also hatte er sich eigentlich nicht verändert. War doch schon mal ein sehr positiver Aspekt. Und nun kamen die schwierigen Fragen zu seinem Selbst. Er hoffte, dass Aoi sie ihm beantworten konnte. Es war ihm wirklich wichtig, das über sich herauszufinden.

"Ano... Weißt du, ob ich schon mal einen Freund oder eine Freundin gehabt habe und... Ob ich schon mal Sex hatte? Es ist mir wirklich wichtig, das zu wissen, Onii-San..."
 

"Kou...", mahnte er ihn. "Glaubst du wirklich, dass du mit mir über solche Sachen gesprochen hast? Ich meine, wenn du Sex hattest, dann ist das doch eine ziemlich private Sache. Und ich weiß nicht, ob du mir das überhaupt erzählt hast. Allerdings kann ich dir sagen, dass du schon öfter mal ein Mädchen mit nach Hause gebracht hast. Aber so eine richtige Beziehung war nicht dabei, denn dafür waren das eindeutig zu viele." Mehr konnte er wirklich nicht sagen. Uruha hatte sein eigenes Leben und weil er selbst viel unterwegs war aufgrund der Arbeit, hatte er auch keine großartige Gelegenheit so viel von seinem Leben mitzubekommen.

Doch dann grinste er."Da fällt mir ein..." Er stupste ihm mit dem Finger gegen die Nase. "Du hast eine ziemlich innige Beziehung gehabt und ich glaube, dass die immer noch besteht. Ich hoffe nur, dass du ihr nicht untreu wirst."
 

Leicht erschrocken war Uruha schon, als Aoi ihm da sagte, dass er schon ziemlich viele Mädchen mit nach Hause gebracht hatte. Hilfe. War er wirklich so jemand, der sich einfach mal ein Mädchen nach Hause holte, ein bisschen mit ihr rummachte und sie dann wieder fallen ließ? War das wirklich seine Art? Aber so wirklich konnte er sich das nicht vorstellen. Er konnte sich einfach nicht vorstellen, mit einem Mädchen... Nein... Und er fand es schade, dass er Aoi nie erzählt hatte, ob er schon mal Sex gehabt hatte oder nicht. Das war wirklich blöd gelaufen.

"Aber ein Junge war noch nie dabei oder?", fragte er. Dann jedoch wechselte er das Thema. "Na, auch egal... Sag mal... Hab ich eigentlich einen Job?"
 

"Iie... Ein Junge war bisher noch nicht dabei. Das kann ich dir versichern. Aber für alles gibt es ein erstes Mal, ne?", lachte er. Dann lenkte Uruha das Thema schon wieder auf etwas anderes. Jetzt stellte er langsam fest, dass er wirklich alles vergessen hatte. Es gab wohl nichts, an das er sich noch erinnerte, ohne dass er was dazu sagen musste.

Aoi seufzte. "Können wir nicht morgen noch darüber reden? Ich bin hundemüde und morgen ist doch Wochenende. Dann hab ich ganz viel Zeit, um dir alles zu beantworten und dann kann ich dir auch ein paar Sachen geben, mit deren Hilfe du dich vielleicht selbst wieder erinnerst. Gibt ja genug Fotoalbums von dir und mir.", scherzte er.
 

"Aber... Aber... Aber ich will doch nur wissen, ob ich irgendwo arbeite und mein eigenes Geld verdiene. Ist das zu viel verlangt? Komm schon..."

Aber Aoi hatte anscheinend keine Lust mehr, ihm irgendwelche Fragen zu beantworten und so konnte er nichts anderes tun, als sich an seinen großen Bruder zu kuscheln und das Licht auszuknipsen. Er war sich sicher, dass er bei ihm schlafen durfte. Hatte er ihm ja auch vorhin noch selbst angeboten. Also nahm er das auch dankend an. Alleine in seinem Zimmer wollte er jetzt auch nicht unbedingt sein. Das war alles noch viel zu neu für ihn.

"Oyasumi nasai, Onii-San.", nuschelte er, drückte seinem Bruder noch ein Küsschen auf und schlief dann wenig später auch schon.
 

Aoi legte die Arme um ihn und hauchte ihm einen Kuss auf die Stirn. "Hai, du auch, Großer." Liebevoll kuschelte er sich an ihn und schloss die Augen. Es dauerte nicht lange und er schlief zufrieden mit einem Lächeln auf dem Gesicht ein.

Während die beiden in Aois Bett friedlich schlummerten, stand Kai unter seiner Dusche und genoss das warme Wasser. Seine Gedanken schweiften immer wieder um Uruha und das, was er ihm gesagt hatte. Uruha hatte sich in ihn verliebt und hatte es ihm einfach so ins Gesicht gesagt. In seinen Augen hatte er lesen können, dass er es auch so meinte, wie er es gesagt hatte. Bei diesem Gedanken wurde er wieder rot und es kribbelte in seinem ganzen Körper. Was hatte das jetzt zu bedeuten?
 

Am nächsten Morgen erwachte Uruha schon ziemlich zeitig. Er hatte sehr gut geschlafen. So gut, wie schon seit mindestens drei Wochen nicht mehr. Damit wollte er nicht sagen, dass er bei Kai nicht gut geschlafen hatte, aber bei seinem Bruder im Bett zu schlafen, war schon etwas ganz anderes. Es war ein viel intensiveres Gefühl, an das sich Uruha erst einmal wieder gewöhnen musste.

Er öffnete die Augen und blickte seinem schlafenden Bruder direkt ins Gesicht. Ein Lächeln schlich sich auf seine Lippen und er hauchte ihm einen Kuss auf.

"Onii-San? Aufstehen."
 

Für diese frühe Stunde antwortete er nur mit einem ziemlich mürrischen Grummeln. Aoi war Langschläfer und ein ziemlicher Morgenmuffel. Und damit würde auch sein kleiner Bruder jetzt Bekanntschaft machen. Mit einem finsteren Gesicht drehte er sich weg und zog die Decke über den Kopf. "Lass mich schlafen, Kou... Es ist viel zu früh. Aber steh ruhig auf.", murmelte er nur und schwieg dann wieder. Der Andere würde mit seinen Eigenarten schon noch Freundschaft schließen. "Geh duschen.", grummelte, als der Größere ihn abermals zum Aufstehen überreden wollte. Aber nicht mit ihm.
 

"Ey, menno. Ich dachte, du freust dich, wenn ich so viel Zeit wie nur irgend möglich mit dir verbringen will. Aber nein, gleich am ersten Morgen werd ich angemeckert. Fängt prima an, Aoi."

Seufzend stand er auf und tapste sofort ins Bad, wie Aoi es ihm gesagt hatte. Er zog sich aus, duschte sich, cremte sich sorgfältig ein und schminkte und stylte sich. Als er endlich nach über einer Stunde mit seinem Aussehen zufrieden war, zog er sich ein kurzes Top und eine kurze Hose an und tapste zu seinem Bruder zurück.

"Aoi? Bist du jetzt wach?"
 

Nur ein leises Grummeln kam von dem Älteren. Doch dieses Mal drehte er sich zu ihm um und gähnte ausgiebig. Auch seine müden Glieder streckte er in alle Richtungen aus. "Ohayou, Kou..." Und wieder gähnte er und grinste ihn breit an. Seufzend setzte er sich auf und streckte die Arme nach dem anderen aus. "Noch eine Runde kuscheln, Großer?", fragte er liebevoll. Seine Haare standen zu allen Seiten ab und seine Augen waren noch so klein, dass sie kaum vermuten ließen, dass er schon wach war und nicht immer noch schlief. Für Aoi war es einfach noch nicht die Zeit aufzustehen.
 

"Na gut. Aber dann erzählst du mir eben jetzt schon ein bisschen was, ja? Du wolltest mir Fotoalben von uns beiden zeigen, ja? Ich will doch wissen, wie wir früher mal ausgesehen haben und ob du schon immer so viele Falten hattest, Alterchen!", er lachte und kuschelte sich an seinen Bruder. "War nur ein Scherz. Also, was ist? Soll ich mal eins holen? Wenn du mir sagst, welches und wo das ist, dann hol ich es und du kannst weiter schön im Bett bleiben. Ist das ein Angebot?"
 

Zuerst verpasste er ihm mal eine Kopfnuss für das 'Alterchen'. Der Jungspund sollte sich das gar nicht erst angewöhnen. Würde er noch einmal einen solchen Spruch ablassen, würde er sich vergessen und seine berüchtigte Kitzelattacke gegen ihn starten Er wusste ja von den Schwachstellen seines Bruders. Und die würde er dann gnadenlos ausnutzen.

"Iie... Komm her. Du brauchst nirgends hin. Die sind eh hier bei mir.", grinste er und krabbelte zum Bettrand, um sich darüber zu beugen und Kopf über unter das Bett zu schauen. Mit einem Griff zog er einen großen Karton hervor und grinste breit. "Hier sind alle unsere Erinnerungen drin. Kannst dich also beruhigt aufs Bett schmeißen und alles durchstöbern."
 

"Itai...", jammerte er leise und hielt sich den Kopf. Musste Aoi auch immer so rabiat sein? Gottchen, der hatte wirklich einen harten Schlag drauf, alle Achtung. Wie sagte man doch so schön? Nicht schlecht, Herr Specht. Alter Falter.

Sofort nahm er den Karton aus Aois Hand und legte sich auf den Bauch. Er hob den Deckel ab und zog gleich mal das erste Album hervor. Er schlug es auf und musste sofort anfangen, zu grinsen. Zwei kleine Jungen, etwa im Alter von 3 und 6 Jahren, saßen zusammen in der Badewanne, der Kleinere auf dem Schoß des Größeren und plantschten vergnügt im Wasser herum. Das nächste Foto zeigte einen schmollenden Vierjährigen, der vor seiner Superman-Figur saß und neidisch auf die Batman-Figur seines älteren Bruders starrte.

"Das ist toll...", nuschelte er.
 

Zufrieden lag der Ältere neben Uruha auf dem Bett und schaute so nebenbei mit rein. "Ist schon lange her, dass wir uns die mal wieder angeschaut haben. Das war wirklich eine schöne Zeit." Ja, zu dem Zeitpunkt war sie das noch. Allerdings ließ das ein paar Jahre später schon wieder nach, als ihre Pflegemutter sich scheiden ließ und sie einen neuen Pflegevater bekamen. Ab da ging es bergab und Aoi hatte das irgendwann nicht mehr mit ansehen können. Er hatte die günstige Gelegenheit genutzt und heimlich seine und Uruhas Sachen gepackt. Dann holte er ihn eines Tages von der Schule ab und verschwand auf nimmer Wiedersehen von dieser Familie. Danach waren nur noch sie beide für einander da. Ob Uruha sich auch an die schlimme Zeit erinnern würde?
 

Auf der nächsten Seite war wieder der vierjährige Uruha zu sehen, welcher Huckepack von seinem Bruder getragen wurde und einen Cowboyhut trug. Anscheinend hatten sie da gerade Cowboy und Pferd gespielt. Und Aoi war das Pferd gewesen. Lustig. Das nächste Bild zeigte ihm sich selbst, wie er auf dem Schoß einer hübschen Frau saß, die ihn liebevoll in den Arm genommen hatte und Aoi, der danebenstand und versuchte, Uruha durch zu kitzeln. Uruha seufzte leise. Er wünschte, er würde sich wirklich daran erinnern können. Er sah weiter und entdeckte ein kleines Mädchen, welches neben dem etwa fünfjährigen Uruha stand und ihm einen Kuss auf die Wange gab. Uruha kicherte. Er sah da ganz und gar nicht glücklich aus.

"Aoi? Wer ist das Mädchen da?", fragte er interessiert.
 

Uruha wollte es aber auch ganz genau wissen und nun wurde er sich so langsam darüber klar, dass dieser Tag hier vermutlich nur noch aus einem Frage und Antwort Spiel bestehen würde. Seufzend vergrub er das Gesicht in seinem Kissen. Der Jüngere würde ihn sicher heute noch einiges an Nerven kosten.

"Kou... Warum willst du das jetzt schon alles wissen? Wenn ich dir jetzt alles erzähle, erinnerst du dich wahrscheinlich trotzdem nicht. Du musst es langsam angehen lassen. Also überstürz es jetzt noch nicht." Dann gab er ihm einen Kuss auf die Wange und lächelte ihn an. "Aber wenn du es genau wissen willst, dann kann ich dir sagen, dass das die Nachbarstochter war. Du warst schon ganz schön begehrt bei den Mädels."
 

"Mit etwa fünf Jahren schon? Mein Gott, bin ich gut.", brüstete er sich grinsend und blätterte weiter.

Das ganze Album verschlang er in einem Durch und musste immer wieder leise kichern. Es machte wirklich Spaß, Kindheitsfotos von sich anzusehen. Wirklich. Es war fantastisch. Allerdings zeigte das Album nur etwa bis zu seinem zehnten Lebensjahr die Geschehnisse und Uruha wollte natürlich auch noch wissen, wie es weitergegangen war mit ihm und Aoi. Er blickte in den Karton und sah dort nur noch eine Schicht aus losen Fotos. Toll. Gab es nur dieses eine Album? Aber halt. Da lugte doch ein dunkelblaues Album hervor. Uruha schob die Lage Fotos weg und nahm das schwere Buch heraus. Ohne auf Aois entsetzten Gesichtsausdruck zu achten, schlug er es auf. Das erste Bild zeigte einen etwa elfjährigen Uruha, welcher neben einem riesigen Hünen stand, der ihm die Hand auf die Schulter gelegt hatte und grimmig in die Kamera sah. Der kleine Uruha schaute auch ziemlich bedrückt aus. Uruha blätterte es im Schnelldurchlauf durch und erschrak. Alle Bilder zeigten nur noch triste Stimmung. Des Öfteren war sogar ein traurig wirkender Uruha auf den Fotos zu sehen, wie er entweder ein blaues Auge hatte oder einen Arm in der Schlaufe. Entsetzt blickte er Aoi an.

"Aoi? Was sind das für Fotos?"
 

Kami-sama! Jetzt verfluchte er sich dafür, dass er diese schrecklichen Erinnerungen nicht schon längst verbrannt hatte, wie er es eigentlich schon immer vorgehabt hatte. Leider hatte er es noch immer nicht gemacht und nun hatte Uruha auch noch genau diese Erinnerungen hervorgekramt und fragte ihn auch noch. Aber darüber wollte er eigentlich wirklich nicht reden. Es waren schreckliche Erinnerungen, die er schon längst vergessen haben wollte. Und nun sollte er sie wieder hervorholen?

Hastig sprang er auf und entriss dem Jüngeren dieses entsetzliche Stück Vergangenheit. "Kou! Vergiss, was du da gesehen hast, hai? Diese Vergangenheit können wir zwar nicht mehr ändern, aber dafür unsere Zukunft."
 

"Aoi! Was sind das für Fotos, verdammt! Wieso bin ich darauf zu sehen, verletzt? Aoi, bitte! Wer ist dieser riesige Mann da neben mir? Ich will es wissen!"

Er geriet vollkommen in Rage und riss das Album wieder an sich. Er konnte sich nicht erklären, wieso Aoi so reagierte. Er konnte es einfach nicht. Was war hier los? Was wurde hier gespielt?

"Aoi, sag endlich! Ich geb doch sowieso keine Ruhe, ehe du mir nicht sagst, wer dieser Mann ist!"

Wütend schlug er das Buch auf. Genau auf einer Seite, auf der das wohl schlimmste Foto zu sehen war. Ein Familienfoto. Die Frau, die auf den vorherigen Bildern so wunderschön gewirkt hatte, sah nun abgemagert und verhärmt aus. Ihre langen, schwarzen Haare wirkten matt und verfilzt. Sie hatte einen fünfzehnjährigen Aoi an der Hand, der ziemlich unglücklich aussah. Allerdings schaute er nicht in die Kamera, sondern blickte zur Seite, auf seinen kleinen Bruder, welcher vor dem hünenhaften Mann stand. Er sah ebenfalls abgemagert aus und hatte auf den dünnen Armen zahlreiche blaue Flecken. Seine Augen sahen aus, als hätte er vorher geweint.

Plötzlich durchzuckte Uruhas Kopf ein gewaltiger Kopfschmerz, der ihn in die Knie zwang. Vor sich sah er sich und Aoi, wie sie zusammen auf dem Boden eines Zimmers saßen und Gitarre spielten. Auf einmal kam der große Mann ins Zimmer, brüllte herum und entriss dem Kleinsten von ihnen die Gitarre und zerschlug sie auf dem Boden. Uruhas jüngeres Ich fing an zu weinen und der jüngere Aoi versuchte, seinen wutschnaubenden Vater zu beruhigen. Doch der schubste den Jungen bloß beiseite und zog Uruha auf die Beine. Ab da wurde sein Blickfeld schwarz, nur noch vereinzeltes Schreien und Weinen war zu hören und Uruhas Welt versank in Finsternis.
 

"Kou! Hör auf! Lass es gut sein!", wehrte er ab, doch da hatte Uruha ihm schon das Buch entrissen und hatte genau eine Seite aufgeschlagen, die so ziemlich am Ende war. Das war das wohl letzte Mal, dass Aoi es zugelassen hatte, dass man seinem Bruder so unglaublich weh getan hatte. Danach hatte er einfach nicht mehr nur einfach zuschauen können, sondern wollte etwas unternehmen. Das war der Tag, an dem Aoi den Entschluss gefasst hatte.

Doch da war es schon zu spät. Uruha ging auf die Knie und Aoi kam sofort zu ihm und hielt ihn fest. "Kou?! Was ist los?" Er verstand gar nichts mehr. Was war denn nun passiert?
 

Uruhas Blickfeld wurde immer wieder durch schwarze Schlieren und bunte Punkte unterbrochen, die ihm das Sehen schwer machten. Er wimmerte leise. Sein ganzer Kopf fühlte sich an, als wäre er geplatzt und er wusste gar nicht mehr, wo vorne und wo hinten war. Für einen kurzen Augenblick hatte er wohl das Bewusstsein verloren, denn er konnte sich nicht erinnern, wie er in die Arme seines Bruders gekommen war, der ihn mehr als nur besorgt ansah und ihm vorsichtig verschwitzte Haarsträhnen aus dem Gesicht strich.

"Yuu...", murmelte er leise und ihm fielen immer wieder die Augen zu. "Was..."
 

Doch Aoi konnte ihm nicht antworten, denn er musste hart schlucken und kämpfte vergeblich gegen die Tränen, die sich nun ihren Weg über seine Wangen bahnten. Er wollte nie wieder an diese schlimme Zeit denken. Aber für Uruha muss das Ganze noch viel schlimmer sein als für ihn. Aoi hatte ihn nicht immer beschützen können und so wurde Uruha auch von diesem verdammten Mistkerl auch geschlagen, wenn er es nicht mitbekam. Der Kleinere lief grundsätzlich mit blauen Flecken durch die Gegend.

"Go...gomen, Kou... Ich konnte es nicht verhindern. Ich hab es versucht, aber ich wusste nur noch diesen einen Ausweg. Verzeih mir."
 

Uruha wusste gar nicht, wovon sein großer Bruder da sprach. War das eben eine Erinnerung gewesen? So etwas Schlimmes war ihm angetan worden? Aber... Wieso? Wieso hatte man ihm so etwas angetan? Ihn geschlagen und verletzt? Aber... Wieso? Womit hatte er das denn verdient?

Er erzitterte merklich in den Armen seines großen Bruders und seine Finger versuchten schwach, sich an ihm festzukrallen. Es war, als würde all seine Kraft ihn verlassen haben. Er fühlte sich schwach und ausgelaugt und ihm war kalt.

"Aoi... Was...?"
 

Energisch schüttelte er den Kopf und murmelte immer wieder eine Entschuldigung nach der anderen. Uruha sollte es doch lieber vergessen. Es war doch schon schlimm genug, dass er das durchmachen musste. Wieso wollte er denn jetzt noch alles so genau wissen? Tat es ihm nicht schon genug weh, dass er das alles erlebt hatte?

"Iie... Ich...Ich kann nicht, Kou. Bitte... Bitte verlang nicht von mir, dass ich dir das sage. Ich will es vergessen und du solltest es auch. Onegai...", wimmerte er und drückte den Jüngeren ganz fest an seinen Körper. "Vergiss ihn. Vergiss, was damals passiert ist. Bitte... Ich will nicht, dass es dir noch einmal so weh tut."
 

Noch nie hatte er seinen Bruder so aufgelöst gesehen und es tat ihm in der Seele weh. Was war hier los, verdammt nochmal? Wieso weinte sein sonst so willensstarker Bruder hier wie ein getretenes Hündchen und hielt ihn fest an sich gepresst? Er verstand gar nichts mehr. Aber Aoi schien wirklich viel daran zu liegen, dass er ihn nicht mehr danach fragte. Gut. Dann würde er das auch nicht mehr tun. Nur Aoi zuliebe würde er nicht mehr nachfragen.

"Aoi... Mir ist kalt... Und schwindlig, ich... Kannst du mir helfen?", winselte er leise und sah seinen großen Bruder bittend an.
 

Hastig wischte er sich die Tränen aus dem Gesicht und nickte beklommen. Vorsichtig half er ihm auf die Beine und legte ihn zurück ins Bett. Liebevoll deckte er ihn zu und kuschelte sich wieder eng an ihn. "Es...es tut mir leid, dass ich deine Frage nicht beantworten konnte. Aber... Ich will nicht, dass du dich daran erinnerst. Das ist nicht böse gemeint, aber ... es tut zu sehr weh." Noch immer sah man ihm an, dass er geweint hatte. Und das nicht gerade wenig. Diese Erinnerungen waren das Schrecklichste, das er jemals erlebt hatte und er wollte seinem Bruder diese, so gut es ging, ersparen.

"Ich hab dich unglaublich lieb, Kou und ich tu alles dafür, dass du glücklich wirst. Alles."
 

"Ano... Aoi... Schon gut. Du kannst nichts dafür. Wirklich nicht. Wenn du schon weinst, muss es etwas Schlimmes gewesen sein und ich werde nicht mehr danach fragen. Ich verspreche es dir... Weißt du... Ich will auch nur, dass du glücklich bist... Also werde ich nicht mehr danach fragen. Auch, wenn ich diese Bilder jetzt nicht mehr aus meinem Kopf kriege."

Er hickste nun ebenfalls verzweifelt auf und krallte sich an seinem Bruder fest.

"Ich hab dich lieb..."
 

Er konnte es immer noch nicht richtig glauben, dass Kouyou wieder bei ihm war. Er hatte sich schon sonst was ausgemalt, was ihm hätte passieren können. Es war schon schrecklich genug. Überall hatte er gesucht und ihn nie gefunden. Doch jetzt war er wieder bei ihm und er hielt ihn im Arm.

"Du bist der wichtigste Mensch in meinem Leben, kleiner Bruder. Wirklich...", murmelte er und drückte ihn noch fester an sich. "Du bist alles, was ich habe. Und ich bin froh, dass du wieder bei mir bist."
 

Uruha wurde leicht rot bei Aois Worten und schmiegte sich noch enger an seinen Bruder heran. Vorsichtig legte er seinen Kopf auf Aois Brust ab und schniefte leise. Er hatte nicht beabsichtigt, dass Aoi weinen musste. Er hatte ja auch nicht gewusst, was das für Bilder waren und wie sie in Verbindung mit ihnen standen. Dass Aoi so reagieren würde, hatte er ebenfalls nicht gewusst. Wie denn auch?

"Hab dich lieb, Onii-San.", wisperte er. "Ich hab dich wirklich lieb..."
 

"Hai, das weiß ich doch." Jetzt lächelte er und strich ihm liebevoll über die Wangen. "Das sagst du mir nicht zum ersten mal, Kou... Und ich höre es immer wieder gern. Besonders von dir." Und schon zwickte er ihm in die Wange.

"Was machen wir heute beide? Wollen wir vielleicht deinem Schatz einen Besuch abstatten? Ich würd schon gerne sehen, was er so drauf hat. Das Set sah nämlich ziemlich komplex aus. Das lässt darauf schließen, dass er damit nicht nur kleine Trommelübungen macht. Was meinst du?"
 

Uruha überlegte kurz. Sollte er mit Aoi zusammen wirklich Kai besuchen gehen? Er wusste nicht, ob das wirklich eine so gute Idee war. Vielleicht wollte Kai ja auch erst mal alleine sein und in Ruhe nachdenken. Über sich und Uruha. Aber er wollte ihn auch unbedingt wiedersehen und so nickte er. Allerdings konnte er es nicht lassen und gab Aoi eine Kopfnuss.

"Er ist nicht mein Schatz. Jedenfalls noch nicht."

Und schon stand er auf den Beinen und wartete darauf, dass Aoi sich auch mal aus dem Bett bequemen würde.
 

Der Schwarzhaarige legte den Kopf schief und rieb ihn sich. "Itai..", maulte er und sah Uruha hinterher. "Ano... Wie jetzt? Er ist nicht dein Schatz? Aber... Der Kuss sah schon danach aus. Und irgendwie seht ihr total süß zusammen aus.", grinste er und hielt sich vorsichtshalber eines der Kissen vors Gesicht. Bei Uruha wusste man ja nie, was als nächstes kommt. Er war immer für eine Überraschung gut.

"Außerdem sah er leicht enttäuscht aus, als du meintest, dass wir jetzt nach Hause gehen würden. Ich glaub, er hätte dich gerne mit in sein Bettchen genommen."
 

"Ich hab ihn geküsst, weil er mich auch schon mal geküsst hatte. Außerdem wollte ich ihm seine Entscheidung etwas leichter machen. Er kann sich noch nicht entscheiden, ob er mich liebt oder nicht. Und... Wir sehen nicht süß zusammen aus! Du bist peinlich, Aoi!"

Er grummelte leise und verschränkte die Arme vor der Brust. Aoi versteckte sein Gesicht lieber hinter einem Kissen. Und das war auch gut so, denn bei seinen nächsten Worten wurde es ihm zuviel. Er holte aus und boxte seinen Bruder gegen die Seite.

"Er will mich nicht in sein Bettchen mitnehmen!"
 

Aoi lachte sich halb schlapp. Uruha war aber auch so verdammt süß, wenn er versuchte, sich zu rechtfertigen, es aber eigentlich überhaupt nicht musste. Er wusste auch so, dass er bis über beide Ohren in den anderen verschossen war. Da brauchte er ihm auch gar nicht widersprechen, wenn er meinte, die beiden sähen süß zusammen aus. Denn das taten sich ganz gewiss.

"Und ob er das wollte. Hast du nicht gesehen, wie er geguckt hat? Wenn du das nicht gesehen hast, dann weiß ich auch nicht. Außerdem passt ihr so super zueinander.", piesackte er einfach weiter. Er wollte mal sehen, wie weit der Jüngere nun gehen würde.
 

"Nein, hab ich nicht. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass er nicht SO geguckt hat. Ganz ehrlich, du bildest dir da wieder was ein.", grummelte er leise und zog seine Schnute weiterhin. "Ich und Kai sind noch nicht zusammen und wer weiß, ob wir das jemals sein werden. Kai ist sich noch nicht so sicher..."

Er seufte traurig und schmiegte sich an seinen großen Bruder.

"Na komm, Onii-San. Es war deine Idee, Kai besuchen zu gehen."
 

Er pattete den anderen und zog ihn in seine Arme. "Armes Ponchen. Hat er sich noch nicht geoutet?" Irgendwie konnte er es nicht lassen und musste seinen Bruder immer wieder necken und ein wenig durch den Kakao ziehen. Das hatte er unglaublich vermisst.

"Na los, dann werden wir den Kleinen mal besuchen und dann kannst du ihm noch ein bisschen den Kopf verdrehen, damit er endlich mal auftaut und sich mit dir beschäftigt.", ärgerte er ihn weiter und versteckte sich jetzt doch lieber unter seine Decke. Er hatte nämlich das Gefühl, dass Uruha sich jetzt ihm ausgiebig widmen würde. Und das würde wohl nicht gut enden für ihn.
 

Okay, spätestens jetzt brannten bei Uruha alle Sicherungen durch. Wie konnte Aoi es denn wagen und ihn so verarschen? Das war so gemein! Und das würde sein großer Bruder jetzt auch zu spüren bekommen, oh ja. Da würde ihn jetzt selbst die Decke nichts mehr nutzen. Die konnte man gut für einen Erstickungsplan gebrauchen.

Uruha setzte sich rittlings auf die Hüfte seines Bruders und boxte immer wieder auf die Decke ein. Natürlich nicht so fest, dass er ihm ernsthaft wehtun konnte, aber auch so fest, dass er immer wieder leises Wimmern unter der Decke hören konnte. Er grinste und hörte auf. Allerdings blieb er weiterhin auf seinem Bruder sitzen.

"Gibst du auf?"
 

Aoi wimmerte immer wieder. Aber das hier hatte er sich ja auch selbst eingebrockt und so nahm er es mit Humor und kicherte, als Uruha aufhörte und ihn danach fragte, ob er aufgäbe. Doch so leicht ließ er sich nicht davon überzeugen, mit seinen kleinen Albernheiten aufzuhören. Er fand das einfach toll. Und so viel Spaß hatte er schon lange nicht mehr.

Vorsichtig lugte er über den Deckenrand hervor und schaute direkt in Uruhas Augen. Dieser saß auf seiner Hüfte und erwiderte den Blick. Leicht schüttelte er den Kopf. "Iie... Warum sollte ich aufgeben? Ich find das wirklich total niedlich, wie ihr beide euch so anschmachtet. Das is purer Zucker.", kicherte er.
 

"Wir sind aber keine kleinen Kinder mehr, Aoi. Das ist echt peinlich, wenn du so was sagst. Außerdem geht dich das doch gar nichts an. Mein Liebesleben ist tabu für dich, Onii-San!", maulte er und boxte ihn wieder, diesmal gegen den Arm. "Hör auf, okay? Kai will das sicherlich auch nicht hören. Vielleicht will er mich ja auch gar nicht als seinen Freund haben. Ich jedenfalls bleibe jetzt solange hier auf dir sitzen, bis du mich vom Gegenteil überzeugen kannst oder aufhörst."
 

"Ha..hai... Schon gut." Beschwichtigend hob er die Arme und lächelte ihn entschuldigend an. "Okay, ich hör ja schon auf. So kommen wir ja sonst nie zu deinem Schatzi.", lachte er und warf sich um, so dass Uruha nun neben ihm auf dem Bett lag. Schnell sprang er auf und nutzte die Gelegenheit, um dem leicht wutschnaubenden jungen Mann zu entkommen und ins Badezimmer zu huschen. Eilig schloss er die Tür und grinste breit. Er hörte noch, wie der Jüngere ihm nachlief und gegen die Badezimmertür klopfte. Doch er grinste weiter vor sich hin. Uruha würde das schon noch verstehen lernen. Und er war sich eigentlich sicher, dass Kai sich auch zu seinem kleinen Bruder hingezogen fühlte. Und er würde dafür schon sorgen, dass die beiden sich gegenseitig in den Armen lagen und sich ihre Liebe gestanden. Das wäre doch gelacht. Schließlich war er Aoi.

"Is aber so!", rief er seinem Bruder zu und verschwand dann unter der Dusche. Uruha konnte ruhig noch mehr beteuern, dass sie nicht süß wären, aber er wusste es. Sie waren definitiv süß zusammen.
 

Wutschnaubend stand er vor der nun geschlossenen Tür und hämmerte dagegen. Das gab´s doch wohl nicht! Musste Aoi ihn denn wirklich immer so ärgern? Er konnte es wirklich nicht einmal sein lassen.

"Ich krieg dich schon noch, Freundchen. Dann kannst du dein blaues Wunder erleben.", fauchte er und stapfte zurück ins Schlafzimmer. Dort legte er für seinen großen Bruder ein komplettes Outfit auf das Bett, ehe er selbst in sein Zimmer huschte und erst mal ein wenig Ordnung schaffte. War ja nicht zum Aushalten.

"Ich bin echt ein Schmutzfink..."

Nachdem er das auch erledigt hatte, tapste er ins Wohnzimmer und legte sich dort erschöpft aufs Sofa. Er wollte eigentlich auf Aoi warten, doch der brauchte mal wieder eine halbe Ewigkeit im Bad. So dauerte es auch nicht lange, bis Uruha wieder eingeschlafen war.
 

In aller Seelenruhe machte er sich fertig. So wie er es eben immer tat und ließ sich dabei mal wieder ordentlich Zeit. Ihn jedoch störte es recht wenig.

Als er dann fertig war, traute er sich nur zögerlich hinaus. Schnell schaute er aus der Tür raus. Erst nach links, dann nach rechts. Kein Uruha in Sicht. Glück gehabt.

Und schon tapste er durch die Wohnung und bleibt verwirrt neben dem Sofa stehen. Uruha lag da und schlief schon wieder. "Ja ja, und ich soll nicht so viel pennen, alte Schnarchnase!" Leicht piekte er ihm in die Wange und grinste breit. "Aufstehen, Ponchen. Wir wollen doch zu deinem Hasi. Also hopp, ab auf die Beine. Hab mich extra für dich beeilt und du ratzt hier seelenruhig vor dich hin."
 

Total verschlafen blinzelte er seinen Bruder an und murrte leise. War er eingeschlafen? Wie peinlich. Eben noch hatte er seinen Bruder so angetrieben und jetzt schlief er selbst. Toll.

"Gomen nasai...", nuschelte er leise und setzte sich auf. Müde rieb er sich den Schlaf aus den Augen und stand auf. "Und nenn mich nicht Ponchen, Aoi!"

Er piekte seinen Bruder in die Seite und ging dann zusammen mit ihm aus dem Haus. Es war ein herrlicher Tag und so gingen sie gut gelaunt nebeneinander her durch die Straßen Kanagawas, zu Kais Haus.
 

Jetzt war es an ihm, eine Schnute zu ziehen. "Warum soll ich nicht 'Ponchen' sagen? Du bist doch mein kleines Schatzi.", kicherte er und knuffte dem anderen wieder in die Seite. Doch so wirklich ging er darauf nicht näher ein. Uruha wollte scheinbar unbedingt los, denn ehe er sich´s versah, waren sie auch schon auf dem Weg zu Uruhas Schwarm.

"Und wie soll ich mich verhalten, wenn ihr knutschend in der Ecke sitzt und euch gegenseitig befummelt? Darauf kann ich gut und gerne verzichten. Auch wenn ich euch süß zusammen finde, muss ich nicht unbedingt dabei sein, wenn ihr übereinander herfallt." Vorsichtshalber wich er ein paar Schritte zurück. Irgendwie fand er es einfach nur fantastisch, endlich mal etwas zu haben, mit dem er seinen kleinen Bruder aufziehen konnte.
 

So langsam wurde es ihm wirklich zu bunt. Was sollte das denn bitteschön? Er hatte keine Lust darauf, dauernd und überall von seinem großen Bruder aufgezogen zu werden. Und 'sein kleiner Schatzi' war er sicherlich auch nicht. Also nix da 'Ponchen'. Aber er wollte auch nicht mit ihm diskutieren, also steckte er nur die Hände in die Hosentaschen und zuckte mit der Schulter.

"Wenn´s dir zu viel wird, dann gehst du eben wieder. Und du glaubst doch nicht im Ernst, dass Kai gleich über mich herfällt oder? Ich glaub jedenfalls nicht daran..."

Und schon standen sie vor Kais Haustür und Uruha klingelte.
 

"Och Mann." Aoi stupste mit seiner Schulter gegen die des Größeren. "Nun mal doch mal nicht alles so schwarz, Kou..." Irgendwie wollte er ihn doch einfach nur ein bisschen belustigen, doch Uruha schien das gar nicht lustig zu finden. Seufzend schritt er nun neben ihm her und schwieg. So konnte er wenigstens nichts Falsches mehr sagen.

Als sie vor der Tür standen, vor der sie gestern schon mehrere Stunden verbracht hatte, schaute er sich nochmals um. So richtig mitbekommen hatte er noch nicht, wo dieser Kai nun wirklich wohnte. Aber jetzt erkannte er das Viertel. War gar nicht so übel die Gegend. Da hatte Uruha wirklich Glück gehabt, dass er bei so einem netten jungen Mann untergekommen war. Es hätte ihn wahrlich schlechter treffen können.

Uruha schien wirklich ungeduldig zu sein, denn schon wieder belagerte er die Klingel und ließ ein Dauerfeuer in Kais Wohnung ertönen.

Dieser jedoch lag noch im Bett und schlief. Erschrocken fuhr er sich mit der Hand übers Gesicht. Gähnend erhob er sich, als er realisierte, dass es seine Klingel war, die da scheinbar nicht mehr stillstehen wollte. Und so tapste er auf nackten Füßen nur in seiner Boxershorts zur Tür und drückte den Summer. Er wusste zwar nicht, wer das da war, aber konnte ja nicht schaden, dem die Tür aufzumachen, damit er endlich Ruhe gab. Geduldig und halb wieder einschlafend stand er in seiner Tür und wartete, dass der Besuch endlich in Sichtweite kam.
 

Ungeduldig hibbelte er wieder vor der Tür herum und drückte im Dauerton Kais Klingel. Als dann endlich der Summer ertönte und ihnen signalisierte, dass die Tür offen war, stieß sie Uruha natürlich sofort auf und rannte die zahlreichen Treppen bis zu Kais Tür hinauf. Diese stand bereits offen und ein noch nicht ganz wach erscheinender Kai stand in dieser und sah sie verwirrt an. Uruha jedoch fackelte nicht lange und warf sich Kai an den Hals, um ihn mal ordentlich durch zu knuddeln.

"Na? Ohayou, Kai-Chan! Gut geschlafen? Ich hab dich vermisst!", sprudelte es aus ihm heraus und er drückte ihm einen Kuss auf die Wange.

Wenn Aoi jetzt wieder einen dummen Spruch ablassen musste, würde er wirklich für nichts mehr garantieren.
 

Doch sein Bruder hielt sich dieses Mal zurück. Kai sah eh noch nicht ganz wach aus und da musste er ihn nicht noch mehr schocken, wenn Uruha sich wütend auf ihn stürzte und ihm gehörig die Leviten las. Das wollte er dem jungen Mann wirklich nicht antun.

Kai hingegen war etwas überrumpelt. Uruha warf sich ihm an den Hals und ließ ihn nicht wirklich zu Wort kommen.

"O...Ohayou...", stammelte er und legte zaghaft die Arme um den Größeren. Doch als er Aoi hinter ihm entdeckte, ließ er sofort von ihm ab und trat zur Seite. "Ano...kommt rein. Ich geh mir nur schnell was anziehen."
 

Grinsend folgte Uruha Kais Anweisung und betrat zusammen mit seinem Bruder die Wohnung. Er sah Kai hinterher, wie er in Richtung Bad davon tapste und sich etwas anziehen wollte. Uruha und Aoi zogen derweil ihre Jacken und Schuhe aus, hangen die Jacken an die Garderobe, schlüpften wie es in Japan üblich war in Hausschuhe und tapsten leise ins Wohnzimmer hinein. Dort ließen sie sich auf dem Sofa nieder und warteten auf Kai.

Uruha hatte leicht rotschimmernde Wangen und ein Lächeln auf den Lippen. Kai hatte ihn eben auch in den Arm genommen. Nur leider hatte da Aoi ein wenig gestört. Aber was soll´s.

Und da kam auch schon Kai wieder und gesellte sich zu ihnen. Sofort kuschelte sich Uruha an den anderen.

"Wie geht´s dir so?"
 

Noch mit ziemlich kleinen Augen ließ er sich neben die anderen beiden auf dem Sofa nieder. Sofort hatte sich Uruha an ihn gekuschelt und er wurde rot. Es war ihm schon ein wenig unangenehm, dass Uruhas Bruder hier neben sie saß und sie dabei beobachtete und irgendwie ein immer breites Grinsen im Gesicht hatte.

"Müde...", kommentierte er nur die Frage und fuhr sich mit beiden Händen gleichzeitig durch das immer noch ziemlich zerzauste, schwarze Haar. Er hätte zwar schon gerne noch ein wenig geschlafen, aber es war auch schön, dass Uruha scheinbar schon am frühen Morgen Sehnsucht nach ihm hatte.
 

"Och, du Armer. Soll ich dir nen Kaffee machen? Dann wirst du sicherlich wieder munter. Ich konnte es gar nicht erwarten, endlich zu dir zu können. Hab dich nämlich wirklich vermisst, weißt du?", er lächelte süß. "Und kümmer dich nicht um Aoi. Der hat heute eine Schraube locker."

Das fügte er noch hinzu, da er das dümmliche Grinsen auf Aois Gesicht genau gesehen hatte und auch zu deuten wusste. Kai jedenfalls sah ziemlich verwirrt aus.
 

Ja, das war er auch, denn er konnte mit den Worten Uruhas über seinen Bruder nicht wirklich viel anfangen. Er kannte ihn ja auch nicht und wusste also auch genauso viel über seine Vorliebe der Sockenfarbe wie über seinen Charakter. Da konnte er sich nun wirklich kein Bild von machen. Allerdings machte ihm dieses schelmische Gegrinse doch etwas stutzig.

"Iie... Ich möchte keinen Kaffee, aber trotzdem danke. Lieb, dass du mir helfen willst." Jetzt lächelte er. Auch wenn es ihm ziemlich schwer fiel, denn er hatte wirklich kaum geschlafen. Oder besser gesagt, kam er erst vor knapp drei Stunden dazu, endlich mal richtig zu schlafen. Solange schwirrten ihm nämlich noch Gedanken an den gestrigen Abend durch den Kopf. Und drei Stunden Schlaf war nun wirklich nicht sehr viel.

"Was kann ich euch denn anbieten. Kaffee? Tee? Frühstück?", fragte er. Er wusste sonst nichts anderes.
 

"Ano... Du musst dir für uns keine Mühen machen. Wir brauchen jetzt nicht unbedingt was. Also...", fing Uruha an, doch ihm wurde sofort von seinem Bruder der Mund zugehalten und so brachte er nur ein gedämpftes "Hmmpfhmmm!", heraus und starrte böse auf Aoi, welcher grinsend Kai ansah.

"Also gegen ein ordentliches Frühstück hätte ich ja nichts einzuwenden. Was hast du denn Feines da?"

Uruha verdrehte nur die Augen und biss seinem Bruder mal kräftig in den Finger.

Hatte er ja auch selbst schuld, wenn er immer so vorlaut sein musste. Er sollte nicht so unhöflich sein.
 

Kai ging in Gedanken mal das Sortiment seines Kühlschrankes durch und musste feststellen, dass da eigentlich gar nicht wirklich was drin war. Er war ja auch noch nicht einkaufen gewesen und gestern Abend hatte er im Restaurant gespeist. Da gab es immer etwas für ihn zu Essen. Damit wurde dort jeder Mitarbeiter versorgt. Also hatte er bisher auch nichts gebraucht.

"Ano... Kaffee und Tee.", gab er verlegen zu und kratzte sich am Hinterkopf. "Gomen, ich war noch gar nicht einkaufen, seit wir wieder zurück sind. Is also höchstwahrscheinlich nur noch Müsli da. Mehr kann ich im Moment nicht anbieten."
 

"Wovon ernährst du dich denn bitteschön, Kai?", fragte Aoi etwas entsetzt und rieb sich die gebissene Hand. "Deswegen ist Uruha wohl auch so furchtbar dünn geworden. Du hast ihn nicht genug gefüttert. Schäm dich. Und dir würden ein paar Pfunde mehr auch besser zugutekommen, das kann ich dir versichern."

Uruha gab seinem Bruder einen Klaps auf den Hinterkopf und schnaubte. Der Kerl war so was von frech. Das ging ja mal gar nicht. Aber er versuchte gute Miene zum bösen Spiel zu machen und grinste Kai an.

"Mach dir keine Sorgen. Wir brauchen wirklich nichts."
 

Kai errötete merklich und senkte den Blick. Bei Uruha verstand er ja, dass er meinte, er müsse mehr essen, aber Kai futterte eigentlich immer. Er konnte nur nichts dafür, dass bei ihm da scheinbar nie was hängen blieb. Und manchmal hatte er so viel um die Ohren, dass er gar nicht an Essen dachte und es dann schlichtweg vergaß. So was passierte halt ab und an mal. Konnte man auch nicht ändern.

"Ano...Sicher, dass ihr nichts wollt?", fragte er lieber noch einmal nach, damit er nicht noch als schlechter Gastgeber rüberkam.

"Und sonst? Alles okay bei euch?" Er hob den Kopf wieder und lächelte Uruha liebevoll an. "Erinnerst du dich wieder an etwas?"
 

"Also, ich bin Takashima Kouyou, 22 Jahre alt, am 9. Juni 1981 geboren. Ich hab einen Kater, der Shima heißt und er ist total süß. Anscheinend bin ich ein richtiger Chaot, weil mein Zimmer aussieht, als hätte eine Bombe da eingeschlagen und ich hab auch anscheinend einen Violett-Fimmel. Mein ganzes Zimmer ist lila.", er grinste leicht. "Und sonst... Ich hab mir alte Fotoalben angesehen. Voll niedlich."

Auf seinem Gesicht erschien ein leicht trauriger Anblick, denn er wollte das dunkelblaue Album nicht erwähnen. Das wollte er Aoi nicht noch mal antun.

"Und sonst... Eigentlich nichts... Leider."
 

Erschrocken weiteten sich Aois Augen, als er sah, dass Uruhas Gesichtsausdruck von heiter fröhlich zu ziemlich traurig wechselte. Er wusste genau, worauf dieser Blick beruhte. Uruha dachte gerade an das Album und die Situation, die sich daraus ergeben hat.

Kai hingegen lächelte und erhob sich. Höflich verbeugte er sich vor den beiden Anwesenden. "Ich bin Uke Yutaka, 22 Jahre alt und am 28.10.1981 geboren. Freut mich, euch kennen zu lernen.", witzelte er. Dann ließ er sich wieder in die weichen Polster sinken und grinste sein fröhliches Lachen, wobei er mal wieder sein Grübchen präsentierte.

"Ich freu mich, dass du dich wieder an einiges erinnerst. Bestimmt kommt bald noch mehr."
 

"Hai... Hoffe ich jedenfalls. Ich will mich wieder an alles erinnern können. An wirklich alles..."

Das Wörtchen 'alles' betonte er dabei ganz genau und blickte aus den Augenwinkeln auf den ziemlich geschockten Aoi. Aber er sollte nicht so traurig sein und diese schrecklichen Erinnerungen alleine haben. Er wollte sie mit ihm teilen und versuchen, Aoi wieder ein wenig aufzubauen. Nur wenn er das nicht schaffen würde, müsste Aoi diese Bürde selbst tragen.

Uruha blickte mehr als nur traurig zu Boden und knetete seine Hände in seinem Schoß. Er wusste nicht, was er jetzt noch sagen sollte.
 

"Hey." Kai spürte, dass hier gerade irgendetwas mächtig schief lief. Wieso waren die beiden denn mit einem Schlag so niedergeschlagen? Hatte er etwas falsch gemacht?

Ganz vorsichtig legte er den Arm um Uruhas Schulter und zog ihn in seine Arme. Er hauchte ihm einen süßen Kuss auf die Wange und lehnte dann seine Stirn gegen de seines Gegenübers. "Ich möchte mich noch bei dir bedanken.", wisperte er. Eigentlich wusste er nicht wirklich, wie er das anstellen sollte, aber da er wusste, dass Uruha es mochte, wenn sie sich so berührten, machte er auch keine Anstalten. Langsam näherte er sich Uruhas Lippen und gab ihm nun einen Kuss auf den Mund. "Arigatou... Ru-chan."
 

Vollkommen überrumpelt spürte er plötzlich Kais Lippen auf den seinigen und automatisch schlossen sich seine Augen. Das war so ein atemberaubend schönes Gefühl, dass er gar nicht anders konnte, als den süßen Kuss zu erwidern. Als Kai diesen dann löste und sich bedankte, sah er ihn mit geröteten Wangen an und lächelte leicht.

"Keine Ursache..."

"Oh Mann, ey. Seid ihr Kleinkinder oder was? Ihr wisst doch, wie man knutscht oder? Dann macht doch einfach mal. Eure Schüchternheit ist zwar total süß und so, aber langsam nervt´s. Ihr steht doch aufeinander, also fallt schon übereinander her. Ich verzieh mich auch.", lachte Aoi und grinste die beiden an.

Uruha wurde knallrot und versteckte sein Gesicht in Kais Halsbeuge. Oh nein.
 

Eine feingeschwungene Augenbraue wanderte nach oben und Kai sah den anderen etwas skeptisch an. Okay, jetzt verstand er, was Uruha vorhin gemeint hatte. Dieser Kerl war irgendwie... Na ja, wie sollte er das ausdrücken? Merkwürdig? Durchgeknallt? Ihm kam einfach nicht das richtige Wort in den Sinn. Aber so richtig böse konnte er ihm auch nicht sein für seine Wortwahl. Irgendwie hatte er ja auch Recht, aber hatte er auch einmal überlegt, dass sie beide Männer waren? Wenn einer von ihnen eine Frau gewesen wäre, dann würde es ja auch vielleicht nicht so schwer sein. Aber so...

Demonstrativ legte er die Arme um Uruha und grinste den anderen siegessicher an. "Okay, wenn du also so nett wärst.", gab er ihm als passende Antwort und war gespannt, was der Schwarzhaarige jetzt tun würde.
 

Uruhas und Aois Gesichtszüge entgleisten gleichzeitig. Allerdings fing sich Aoi wenige Sekunden später schon wieder, während Uruhas Mund weiterhin leicht offen stand. Hatte Kai das gerade echt gesagt? Uruha, du solltest dir mal wieder die Ohren saubermachen. Du hörst schon schlecht. Aoi allerdings grinste die beiden verschmitzt an und wuschelte seinem Bruder dann über die Haare, während er Kai ansah.

"Aber sei lieb zu ihm, ja? Das ist mein Kleiner und mein ganzer Stolz.", lachte er. "Aber ich will eine Kostprobe sehen. Eher gehe ich nicht. Könnte ja auch sein, dass ihr mich verkackeiert und dann häkelt ihr hier Socken. Ich will was sehen."
 

Kai blies genervt die Backen auf und zog die Stirn kraus. Kami-sama! Jetzt verfluchte er diesen Kerl und zwar gewaltig. Das ging ihm hier gerade gegen Strich und Faden. Was interessierte ihn das eigentlich, was sein Bruder mit dem Menschen tat, den er liebte. Also hatte er auch kein Anrecht darauf, zu sehen, wie sie sich küssten oder ähnliches.

Ein tiefes Knurren verließ seine Kehle und er drückte Uruha noch näher an sich.

"Wir häkeln ganz sicher keine Socken. Davon kannst du ausgehen. Und außerdem geht dich das gar nichts an. Bist wohl neidisch darauf, dass wir einander haben, was?" Irgendwie war er jetzt sauer auf den anderen. Mit so was trieb man keine Späße.
 

"Ganz ruhig, Kleiner. War doch nicht so gemeint. War ja nur ein Witz. Ich will euch schon nichts abgucken, keine Bange. So pervers bin ich auch nicht, dass ich meinem Bruder beim Fummeln zugucken will.", seufzte Aoi und stand auf. "Ich will nur sichergehen, dass du ihm keine falschen Hoffnungen machst. Wenn du Uruha auch nur ein einziges Mal zum Weinen bringst oder ihm wehtust, dann sei dir sicher, dass ich kommen werde und dir die Leviten lese. Und das willst du ganz sicher nicht."

Trotz seiner ernsten Worte grinste er und wuschelte den beiden einmal über die Köpfe, ehe er verschwand und die beiden alleine ließ. Uruha war knallrot angelaufen und blickte Kai an.

"Entschuldige..."
 

Verdattert starrte er dem anderen hinterher, der die Wohnung über den Flur schnurstracks verließ. Was war denn hier mit einem Mal los? Hatte er irgendwie was verpasst? Er war doch eigentlich noch gar nicht mit Uruha zusammen und er hatte auch nicht vor, jetzt über ihn herzufallen. Eigentlich wollte er dem anderen damit nur verdeutlichen, dass auch er sich nicht über den Mund fahren ließ und seine Entscheidungen durchaus alleine treffen konnte, ohne dass sich da ein älterer Herr dazu herablassen musste, ihm einen Wink mit dem Zaunpfahl zu geben.

Dann sah er Uruha ins Gesicht. Noch immer fragte er sich, was hier gerade abging. "Ano... ist der immer so drauf?"
 

"Ich... Eigentlich nicht, also...", Uruha war immer noch geschockt. Seit wann war sein Bruder denn so frech? So hatte er ihn eigentlich noch nie erlebt. Soweit er sich jetzt erinnern konnte. "Es tut mir ehrlich leid, Kai... Ich sollte ihn mal richtig erziehen. Er ist einfach nur peinlich..."

Er seufzte leise und kuschelte sich ein bisschen enger an Kai heran, der ihn ja immer noch im Arm hielt. Es gefiel ihm wirklich, ihm so nahe zu sein. Aber wollte Kai das überhaupt? Oder hatte er das nur wegen Aoi gemacht?

"Ano... Hast du dir das eigentlich noch mal überlegt...? Wegen uns...?"
 

Sofort wurde sein Puls schneller und er begann, zu schwitzen. Hai, er hatte wirklich darüber nachgedacht. Deshalb hatte er ja auch so verdammt wenig Schlaf bekommen, dem Uruha ja auch frühzeitig ein Ende gesetzt hatte. Aber zu einem Entschluss war er noch immer nicht gekommen.

Er wusste zwar, dass der andere ihm sehr viel bedeutete und er ihn immer gerne um sich haben wollte, aber ob das schon Liebe war, konnte er nicht sagen.

"Ano...", stammelte er. "Ich habe schon darüber nachgedacht, aber..." Jetzt sah er direkt in Uruhas schöne Augen. "Gib mir noch etwas Zeit. Ich bin wirklich gerne mit dir zusammen, aber... ich hab auch Angst davor." Ja, Angst ein weiteres Mal so tief verletzt zu werden, wenn er sich in jemanden so haltlos verliebte.
 

"Ano... Hai, ist okay. Ich warte auf dich, Kai. Ich werde immer auf dich warten.", wisperte er leise und löste sich von Kai. "Ich will dir deine Entscheidung auch nicht allzu schwer machen... Vielleicht ist es dann ja besser, wenn wir nicht kuscheln."

Irgendwie wusste er gerade nicht, was er sagen sollte. Kai klang so merkwürdig. So verletzt. Hatte er etwas falsch gemacht? Und eine weitere Frage türmte sich wie eine Festung in ihm auf: Wieso hatte Kai ihn eben geküsst, wenn er ihn doch gar nicht wirklich liebte?
 

"Warte." Und schon hatte er ihm am Handgelenk gepackt und zog ihn wieder näher zu sich. Nun stand der Größere direkt vor ihm und Kai schlang die Arme um die schmale Hüfte. Den Kopf legte er gegen Uruhas Bauch. "Ich will aber mit dir kuscheln. Bitte." Er ließ ihm auch gar keine andere Wahl, denn er hatte nicht vor, seinen Griff um den anderen zu lockern oder gar zu lösen. Nein, wenn Uruha jetzt ging, dann...

Ja, was dann? Kai wusste es selbst nicht. Er mochte es unheimlich, mit Uruha zu kuscheln und auch einem Kuss war er nicht abgeneigt. Überhaupt nicht. Er genoss es regelrecht und er wollte mehr davon.
 

Erschrocken stand Uruha nun vor Kai und fühlte dessen Arme um seine Hüfte und dessen Kopf auf seinem Bauch. Er hoffte, dass Kai seinen schnellen Herzschlag nicht hören konnte, denn sein Herz schlug gerade Saltos und lief Marathons. Kai wollte doch mit ihm kuscheln? Weshalb denn? Normale Freunde kuschelten doch nicht so miteinander, wie sie es getan hatten und normale Freunde küssten sich auch nicht so, wie sie es getan hatten. Und wenn Kai sich noch unschlüssig war, was seine Liebe zu Uruha anging, dann sollten sie auch nicht kuscheln. Aber Kais Griff war einfach viel zu fest und Uruha konnte sich nicht von ihm lösen. Und so stand er einfach nur reglos da, mit gesenktem Kopf und wusste weder vor noch zurück. Er würde Kai jetzt erst mal machen lassen. Mal schauen, was er tun würde.
 

Als er merkte, dass Uruha sich nicht mehr rührte und auch nichts zu seinen Worten sagte, schaute er von unten auf. Den Griff löste er nicht eine Sekunde von ihm. Nein, Uruha sollte einfach bei ihm bleiben. Nur ihre Blicke trafen sich. Sonst schwiegen sie. Kai traute sich einfach nicht, etwas zu sagen. Er wusste auch nicht was.

Irgendwann senkte er wieder den Blick. "Ich habe Angst, Ru-chan. Ich weiß, dass ich dich wirklich mehr als nur gern habe, aber genau davor habe ich Angst.", murmelte er. Manchmal gab s halt auch in seinem Leben Momente, die er fürchtete und die ihn so sehr geprägt hatten, dass er fürchtete, sie noch einmal durchmachen zu müssen. Er hatte sein Herz bereits einmal verschenkt gehabt und jetzt lag es nur noch in Trümmern. Er wollte nicht noch einmal so ein Scherbenmeer in seinem Inneren zulassen. Nie mehr.
 

Die Worte Kais drangen zwar durch ihn hindurch, doch verstehen tat er sie nicht. Wieso hatte Kai Angst? Vor was? Etwa vor ihm? Vielleicht vor sich selbst? Er verstand es einfach nicht und so konnte er nichts weiter tun, als Kai nur zweifelnd anzuschauen. Was sollte er denn jetzt darauf sagen? Mehr als ihm seine Liebe beweisen konnte er nicht. Und so setzte er sich vorsichtig auf Kais Schoß, umschlang ihn mit seinen Armen und küsste ihn auf die Wange.

"Ich liebe dich..."
 

Und da waren sie wieder. Die Worte, die er so gerne hören wollte und Uruha scheute sich nicht eine Sekunde, sie ihm zu sagen. Und er? Er musste sich darüber erst Gedanken machen. Wenn man jemanden liebte, konnte man es dann nicht einfach haltlos dem anderen ins Gesicht sagen? Warum also stammelte er hier so vor sich hin oder schwieg sogar. Das war doch eigentlich mehr als unfair dem anderen gegenüber. Wieso also konnte er sie ihm nicht einfach so sagen? Warum?

Es gab doch überhaupt keinen Grund, warum er sie nicht erwidern durfte. Uruha liebte ihn. Was gab es da noch zu überlegen?

"Gomen, Ruha... Ich weiß auch nicht. Du sagst mir, dass du mich liebst. Einfach so. Ohne Scheu, ohne Furcht. Und ich...

Ich bin einfach nur doof. Der Mensch, der mir am meisten bedeutet, sagt mir, dass er mich liebt und ich... Ich weiß einfach nicht, ob ich meine Gefühle einfach so freilassen kann. Ich habe Angst davor. Noch eine Enttäuschung verkrafte ich nicht."
 

"Kai... Es ist okay, wenn du nicht weißt, wie du für mich fühlst. Ich kann deine Liebe doch nicht erzwingen. Wenn es so sein sollte und du mich wirklich nicht liebst, muss ich doch auch damit leben. Aber denk nicht, dass ich dich einfach fallen lasse wie eine heiße Kartoffel, weil du mich nicht liebst. Ich werde immer an deiner Seite sein, wenn du das wünschst. Ich werde dich nicht enttäuschen, Kai. Ich liebe dich wirklich von ganzem Herzen."

All diese Worte sprudelten geradezu aus ihm heraus und er meinte sie ehrlich. Sie kamen aus dem tiefsten Inneren seines Herzens und er hoffte, dass Kai ihm glauben würde.
 

Erneut senkte er den Blick. Allerdings nur, weil er nicht wollte, dass Uruha sah, wie sich still und heimlich kleine Tränen aus seinen Augen schlichen. Es waren Tränen, weil er Uruha doch so verdammt gerne hatte und er ihm auch so unglaublich viel bedeutete. Dennoch konnte er diese süßen Worte nicht aussprechen. Sie lagen ihm auf der Zunge und sein Herz schrie förmlich danach, aber seine Vergangenheit schien dies nicht zulassen zu wollen.

Statt mit ihm zu sprechen und ihm zu sagen, was in ihm vorging, schluckte er wieder alles und sein Körper erzitterte dabei und leise Schluchzer verließen seine Lippen.
 

Erschrocken sah er mit an, wie kleine Tränen Kais Augen verließen und ihn erzittern ließen. Oh nein. Was hatte er denn nun wieder falsch gemacht? Manchmal könnte er sich für seine Dummheit selbst schlagen. Anscheinend hatte er Kai doch überfordert und mit seinen Worten das genaue Gegenteil bewirkt, was er eigentlich bezwecken wollte. Klasse gemacht, Uruha. Jetzt weint Kai wegen dir. Bieg das erst mal wieder gerade, du Idiot.

So schnell er konnte stand er von Kais Schoß auf und schluckte. Noch einmal wollte er ihn nicht so überfordern, wie er es soeben getan hatte.

"Gomen, Kai... Nicht weinen, ja?"
 

"Ha...hai...", versuchte er zu sagen, doch es klang lediglich wie ein leises Wimmern. Dabei wollte er doch nicht, dass Uruha das mitbekam. "Es liegt nicht an dir." Vorsichtig drückte er Uruha ein Stück von sich weg und drehte den Kopf zur Seite. Er sollte nicht noch mehr von seiner Unfähigkeit mitbekommen. Nein. Uruha sollte sich doch nicht in so einen verdammten Idioten verlieben. Nein. Uruha hatte jemand besseres verdient. Jemand, der von Anfang an zu seinen Gefühlen stand und nicht immer nur Angst hatte. So einen sollte er suchen und ihm seine Gefühle schenken. Nicht so einem verbohrten Trottel wie ihm.

"Ich hab dich nicht verdient, Ruha..."
 

So langsam reichte es ihm. Er konnte sich nicht beherrschen und gab Kai einen kleinen Klaps auf die Wange. Es war noch keine richtige Ohrfeige, jedoch stark genug, dass Kais Wange sich leicht rötlich färbte. Wutschnaubend setzte er sich wieder auf Kais Schoß und zwang ihn mit einer Hand, ihn anzusehen. Dann drückte er seine Lippen auf Kais und verwickelte ihn in einen liebevollen Kuss. Als er sich löste, blickte er Kai aus feucht schimmernden Augen an.

"Du hast mich sehr wohl verdient, Kai. Du bist mir das wichtigste auf der Welt. Glaub mir doch bitte, dass ich nur dich liebe und auch immer lieben werde. Wirklich..."

Jetzt schluchzte auch er leise auf und sah zur Seite.
 

"Aber... aber..." Dann sah er, dass auch sein gegenüber gleich weinen würde, wenn er sich nicht langsam zusammenreißen würde. Uruha schien wirklich viel an ihm zu liegen und das beruhte ganz sicher auf Gegenseitigkeit, denn auch er konnte nicht leugnen, dass der Größere einen wichtigen Teil in seinem Herzen eingenommen hatte. Einen ziemlich großen sogar.

Er spürte das leichte Ziepen in seiner Wange. Das hatte er auch verdient. Aber er fragte sich noch immer, warum sich der hübsche, junge Mann vor ihm gerade in ihn verliebt hatte. Er war doch der totale Gefühlsdepp.

"Kou...Kouyou?", fragte er vorsichtig. "Darf...darf ich dich was fragen?"
 

Leise schluchzend klammerte er sich an Kai und vergrub sein Gesicht in Kais Halsbeuge. Er zitterte leicht. Wieso verstand Kai denn nicht, dass er ihn wirklich von ganzem Herzen liebte? Wieso konnte er seine Liebe nicht so akzeptieren? Uruha meinte es wirklich verdammt ernst mit Kai. Er liebte ihn wirklich. Von ganzem Herzen. Wieso konnte Kai das nicht verstehen und verschloss sich ihm gegenüber so?

"Hai...?", murmelte er erstickt.
 

Hastig wischte er sich die Tränen aus den Augen und hob dann Uruhas Kinn leicht mit dem Finger nach oben. Er wollte ihn ansehen, wenn er ihn dies fragte, denn er wollte eine ehrliche Antwort. Eine Antwort, die ihm vermutlich weiterhelfen würde.

"Ich möchte nur wissen, ob es sich wirklich so anfühlt, wenn man den anderen liebt. Ich weiß, das klingt wirklich blödsinnig, aber... Ich möchte mir schon meiner Gefühle für dich klar sein. Und wenn du dir so sicher bist, dass du mich liebst, dann kannst du mir diese Frage auch sicher beantworten." Er schluckte und schaute ihn aus verlegenen Augen an. "Wie fühlst du dich, wenn du bei mir bist. Wie fühlt es sich an, wenn man verliebt ist?" Allerdings hoffte er inständig, dass Uruha es ihm sagen konnte. Denn genau das war es, was ihm andauernd durch den Kopf ging. ER fühlte sich zwar wohl und geborgen in seiner Nähe, doch er hatte auch furchtbares Herzklopfen und ein unsagbares Kribbeln im Bauch.
 

"Ich... Ich fühle mich einfach nur wunderbar in deiner Nähe. Ich will am liebsten immer und ewig in deiner Nähe sein und mit dir kuscheln. Mein Herz schlägt Saltos, wenn ich nur an dich denke und mein Bauch kribbelt ganz fürchterlich, als wenn tausende Ameisen darin herumlaufen. Es ist einfach ein wunderbares Gefühl, bei dir sein zu dürfen. Und es macht mich so verdammt glücklich, wenn du mich streichelst oder in den Arm nimmst. Das klingt alles vielleicht etwas schnulzig und übertrieben, aber es ist wirklich so, Kai. Ich liebe dich von ganzem Herzen und es tut mir leid, dass ich es dir noch nicht früher gesagt habe..."

Er wurde rot und sah zur Seite. Hoffentlich verstand Kai jetzt, was in ihm vorging.
 

Eine ganze Weile beherrschte Schweigen den Raum. Nur ihr leiser Atem war zu hören. Auch wenn Kai glaubte, dass man seinen Herzschlag auch noch in Timbuktu hören konnte. Uruha hatte ihm ebenso verdammt viele Komplimente gemacht und schämte sich scheinbar nicht ein Sekunde dafür. Er hingegen lief ruck zuck rot an und wusste einfach nicht mehr, was er sagen sollte. Selbst jetzt noch nicht.

So fühlte es sich also an, wenn Uruha verliebt war. Hmmm... Irgendwie kam ihm das auch ziemlich vertraut vor. Nur wusste er nicht so ganz genau, wie er das deuten sollte.

Manchmal war er einfach so was von begriffsstutzig, dass er vor sich selbst Angst bekam. Er sollte wohl doch irgendwann noch mal lernen, nicht nur auf seinen Kopf zu hören, sondern auch mal das Herz zu Rate zu ziehen. Und genau das tat er jetzt auch.

"Eto... darf... darf ich dich küssen? Ich meine... so richtig küssen?"
 

Verdattert blickte er Kai in die Augen und sagte erst einmal gar nichts. Er brauchte anscheinend doch mal ein Hörgerät. Oder hatte er da eben wirklich gehört, dass Kai ihn küssen wollte? So richtig küssen? Oder wie hatte Kai das eben gemeint? So viele Fragen türmten sich wieder in ihm auf, dass ihm beinahe schwindlig davon wurde. Dann wandte er seinen Blick von Kais hübschen Augen auf dessen ebenso hübsche Lippen und schluckte hart. Okay... Jetzt war es endgültig um ihn geschehen. Wenn er eben noch ein bisschen Zurückhaltung gehabt hatte, so war sie jetzt wie weggeblasen.

"Hai... Onegai...", hauchte er leise.
 

Ein Lächeln legte sich auf seine Lippen und er hob die Hände, um Uruhas hübsches Gesicht zu umrahmen. Eigentlich wusste er nicht, ob dies der richtige Weg war, um herauszufinden, was er für Uruha empfand. Aber nachdem dieser ihm sagte, wie es sich anfühlte, war er sich eigentlich sicher, dass auch er sich verliebt hatte. In welchem Umfang konnte er nicht sagen, aber es war so. Und dieser Kuss sollte ihm vielleicht zeigen, wie weit er selbst schon mit seinen Gefühlen für den anderen war.

Ganz langsam näherte er sich den Lippen des Größeren mit seinen. Nur Millimeter davor kam er zum stehen und schaute ihm tief in die Augen, bevor sie zu drifteten und er seine Lippen gegen Uruhas süße, sündige Polster legte. Erst nur zaghaft, dann mit mehr Druck und wesentlich mehr Gefühl.
 

Kaum, dass sich ihre Lippen berührt hatten, schlossen sich Uruhas Lider automatisch und seine Arme legten sich zärtlich um Kais Nacken. Es fühlte sich so verdammt schön an, wenn Kai ihn küsste und er dachte wehmütig daran, dass Kai dies hier gerade nur zu Versuchszwecken tat und er ihn vielleicht nie wieder so küssen würde, wenn er sich sicher war, dass er ihn doch nicht liebte. Und Uruha hoffte stark, dass dies nicht der Fall war. Er wollte Kai immer so nahe sein können.

Süße Laute verließen seine Lippen, während sie sich küssten und Uruha legte den Kopf leicht schief, um besseren Zugang zu Kais weichen Kusspolstern zu bekommen. Ihm wurde leicht schwindlig und immer wieder verließen kleinere, zarte Seufzer seine Kehle. Es fühlte sich einfach nur schön an.

Sweet and candy

Kai genoss sichtlich diese süßen Berührungen und seufzte ebenfalls wohlig in den Kuss. Es war unbeschreiblich und atemberaubend. Hatte sich ein Kuss schon jemals so angefühlt?

Doch darüber machte er sich jetzt lieber keine Gedanken. Viel zu sehr nahm in dieser unbeschreiblich schöne Moment in Beschlag. Uruhas Lippen waren so verdammt weich und er hatte die Ehre und durfte sie küssen. Sie mit seinen eigenen Lippen berühren.

Aber irgendwie fühlte es sich so verdammt richtig an, dass er eigentlich noch mehr wollte. Ganz behutsam öffnete er seine Lippen und fuhr mit seiner Zungenspitze über Uruhas volle Unterlippe.
 

Ohne zu zögern öffnete er seine eigenen Lippen einen kleinen Spalt, um seine Zunge vorsichtig heraus schlängeln zu lassen und Kais vorsichtig mit seiner eigenen anzustupsen. Sie wagten sich noch nicht in die jeweils andere Mundhöhle vor, sondern trugen ihre kleine Erkundungstour außen aus. Uruhas Zunge streichelte immer wieder über Kais und Kais tat es ihm ebenso gleich. Es war ein unbeschreibliches Gefühl.

Dann jedoch zog sich Uruhas Zunge zurück und versuchte, Kais Zunge in seine Mundhöhle zu locken.
 

Ihm gefiel dieses Spielchen zusehends. Er mochte es, wie Uruha mit seiner Zunge spielte und jede noch so kleine Berührung eben so sanft erwiderte, wie er sie ihm zu teil werden ließ.

So intensiv hatte sich ein Kuss für ihn noch nie angefühlt. Dabei küsste er hier gerade einen Mann. Aber das war ihm so was von egal. Solange es sich richtig anfühlte und sie Gefühle für einander hatten, war es doch nicht verwerflich. Und die Liebe machte bekanntlich auch nicht vor den Geschlechtern Halt. Das war ihm auch eigentlich egal.

Als Uruha seine Zunge zurückzog, murrte er kurz auf. Wollte er das Spiel jetzt schon beenden? Nein! Das wollte Kai ganz sicher nicht. Und so drängte er sich in die warme Mundhöhle seines Gegenübers, um ihn abermals in ein neckisches Zungenspiel zu verwickeln und ihn dieses Mal nicht so schnell wieder entkommen zu lassen.
 

Ein leises Stöhnen entfuhr Uruhas Lippen, als Kais Zunge sich in seine Mundhöhle drängte und ihm wurde augenblicklich heiß. So intensiv hatte er noch nie einen Kuss erlebt. Soweit er sich jedenfalls erinnern konnte. Er konnte sich einfach nicht vorstellen, mit einem Mädchen einen solchen Kuss zu teilen. Auch, wenn sie beide Männer waren, so fühlte es sich dennoch richtig an. Verdammt richtig sogar. Uruha hoffte, dass dieser Kuss niemals enden möge. Dafür war er einfach viel zu schön.

Uruhas Arme schlangen sich noch etwas fester um Kais Hals und er rückte sich auf dessen Schoß noch ein wenig zurecht. Er spürte Kais Hände, wie sie seine Taille umfassten und ihn festhielten und das gab ihm noch mal mehr ein Gefühl von Sicherheit.
 

Doch irgendwann musste er sich dann doch von dem anderen lösen. Dafür bekam er nur ein tiefes Grummeln von Uruha und lächelte ihn daraufhin an. "Gomen...", keuchte er. "Aber irgendwie wurde die Luft langsam knapp.", meinte er und hauchte ihm nun einen flüchtigen Kuss auf den Mund. Ziemlich angetan von ihrem kleinen Gefecht, leckte er sich über die feuchten, rotgeküssten Lippen. In seinen Augen kam ein Leuchten zum Vorschein und er spürte, dass sein Herz noch immer ein enorm hohes Tempo drauf hatte.

"Das war...Wow...", wisperte er und lehnte sich gegen Uruha. Den Kopf bettete er auf dessen Schulter und wollte ihn vorerst nicht wieder loslassen.
 

Viel zu schnell für seinen Geschmack war der Kuss auch schon wieder vorbei und sie mussten sich lösen. Er hatte gar nicht bemerkt, wie knapp seine Luft geworden war und so musste er jetzt hastig ein und aus atmen, um genügend Sauerstoff in seine Lungen zu pumpen. Kami-Sama. Das war einfach nur wunderschön gewesen.

"Du sagst es...", hauchte er leise und schlang seine Arme um Kai. Zufrieden kuschelte er sich an ihn und fing an zu schnurren. "Ich liebe dich..."
 

Kai schwieg. Irgendwie wollten diese Worte einfach nicht über seine Lippen kommen. Dabei war er sich doch eigentlich jetzt sicher, dass er in ihn verliebt war. Aber er konnte es einfach nicht sagen. Dass er ihm mal gesagt hatte, er hätte ihn lieb, war überhaupt kein Problem. Aber die Bedeutung der Worte 'Ich liebe dich' war für ihn einfach noch zu herausragend. Für ihn musste es wirklich etwas Besonderes sein, wenn er diese Worte benutzte. "Ich hab dich lieb, Ruha." Mehr schaffte er noch nicht, zu sagen. Aber er wollte ihm wenigstens ein wenig zeigen, dass er ihm nicht abgeneigt war. Denn das war er ganz und gar nicht.
 

Enttäuscht beugte er sich soweit runter, dass er seinen Kopf auf Kais Brust legen konnte und seine Hände daneben. Dass er dabei ein leichtes Hohlkreuz bilden musste, störte ihn gerade nicht im Geringsten. Er wollte Kai bloß nicht ins Gesicht sehen. Kai sollte seine enorme Enttäuschung nicht sehen. Wieso sagte er ihm, er habe ihn lieb? Konnte er nicht zu seinen Gefühlen stehen? Oder hatte Kai nach diesem gefühlvollen Kuss endlich begriffen, dass er kein Interesse an Uruha hatte? Es brach ihm gerade das Herz. Ein leises Schluchzend verließ seine Kehle und er vergrub sein Gesicht in Kais Hemd, während sich seine Finger in eben jenes krallten.
 

Vorsichtig legte er die Arme um den schmalen Körper, der auf seinem Schoß saß. Irgendwie hatte er gerade das Gefühl, etwas falsch gemacht zu haben. Aber was? Hätte er ihn vielleicht doch nicht küssen sollen? Tat es Uruha vielleicht do zu sehr weh?

Irgendwie war er doch der Gefühlsdepp schlechthin. Warum konnte er nicht einfach über seinen eigenen Schatten springen und ihm direkt ins Gesicht sagen, was sich in seinem Inneren abspielte?

"Kou...?", ganz vorsichtig drückte er ihn von sich. Doch Uruha wehrte sich dagegen. Scheinbar wollte er ihm jetzt nicht ins Gesicht sehen. Aber Kai wollte es und er hatte eindeutig mehr Kraft in den Armen. So schaffte er es dann auch, dass der andere mit gesenktem Kopf vor ihm saß. Liebevoll strich er ihm die Haare aus dem Gesicht.

"Ich möchte, dass du weißt, dass ich ... " Heftig schüttelte er den Kopf und rief sich wieder zur Vernunft. "Ich... Ich hab dich unglaublich lieb und... ich möchte gerne mit dir zusammen sein.", stotterte er leise und mit hochrotem Gesicht.
 

Obwohl er sich so gut dagegen gewehrt hatte, wie er konnte, saß er nun mit gesenktem Kopf auf Kais Schoß. Seine Finger krallten sich in Kais Hemdsaum und zogen nervös daran. Er lauschte Kais Worten genau und zuckte zusammen. Was sollte das? Machte es Kai etwa Spaß, mit seinen Gefühlen zu spielen? Verstand er nicht, dass es ihn verletzte, wenn er so etwas sagte? Kai sollte sich endlich mal entscheiden. Entweder er hatte ihn lieb und ließ ihn dann auch bitte mit solchen Äußerungen in Ruhe oder er liebte ihn und nahm ihn fest in den Arm.

"Kai, hör endlich auf damit... Merkst du nicht, dass du mir wehtust? Ich will nicht, dass du mir falsche Hoffnungen machst, weil du nicht willst, dass ich traurig bin. Aber ich bin nicht dumm, Kai. Wenn du mich nicht liebst, dann sag es mir bitte direkt ins Gesicht und versuch nicht, mich zu vertrösten. Das tut weh...", und wieder schluchzte er leise auf und wischte sich die Tränen mit dem rechten Handballen aus den Augenwinkeln, während er seine Lippen vor Nervosität beinahe blutig biss.
 

"Hey." Sanft legte er eine Hand an Uruhas Wange und streichelte darüber. Die Worte des anderen ließen ihn aufhorchen und erst jetzt bemerkte er, dass er mal wieder alles falsch gemacht hatte. Langsam schüttelte er den Kopf. "Iie... Ich will dir nicht weh tun und ich kann auch nicht sagen, dass ich dich nicht liebe, weil es ja nicht stimmt. Und ich möchte wirklich gerne mit dir zusammen sein. Sehr gerne sogar. Bei dir fühl ich mich so wohl und geborgen und würde am liebsten die Zeit anhalten, damit der Moment ewig dauert, den wir miteinander verbringen." Seine Hand wanderte in Uruhas Nacken und zog ihn ein Stück näher an sich. Nun hatten sie Stirn an Stirn und Kai schaute seinem Gegenüber tief in die Augen. Er wollte ihm beweisen, dass seine Worte ernst gemeint waren. "Verzeih, dass ich dir die Worte noch nicht sagen kann, de du so gerne hören möchtest. Aber ich tue das hier nicht aus Mitleid oder weil ich dich vertrösten will. Nein. Ich tue das, weil ich weiß, dass da mehr ist als nur bloße Freundschaft. Verstehst du."
 

Kais Worte zerflossen in seinem Inneren wie Butter und füllten ihn sanft aus. Er wusste nicht, was er jetzt daraufhin erwidern sollte. Kais Worte hatten ihm deutlich gemacht, dass er es ernst meinte. Jedoch fühlte er sich immer noch so verdammt enttäuscht, da Kai ihm die süßen Worte noch nicht erwidern konnte, die Uruha ihm am liebsten jede Sekunde sagen würde. Anscheinend war 'Ich liebe dich' einfach noch zu persönlich für Kai und er hatte Schwierigkeiten, sie über die Lippen zu bringen. Wieso, wusste er nicht. Aber er versuchte, daraus das Bestmögliche zu machen.

"Hai... Ich liebe dich und warte solange, bis du es mir sagen kannst...", nuschelte er leise und blickte Kai tief in die Augen, ehe er sie schloss und sich wieder zurück an ihn kuscheln konnte. "Kuscheln wir jetzt ein bisschen?"
 

"So viel du willst." Liebevoll schlang er die Arme um Uruha und drückte ihn fest an sich. Es war ein wirklich tolles Gefühl. Dieser junge Mann in seinen Armen hatte nicht nur sein Leben auf den Kopf gestellt, sondern auch seine Gefühlswelt tierisch durcheinander gebracht. Oh Mann. Was wäre nur passiert, wenn er ihm nicht begegnet wäre?

Daran mochte er eigentlich gar nicht denken, denn er lag hier in seinen Armen und er würde ihn auch so schnell nicht wieder gehen lassen. Sanft strich er mit einer Hand über den gekrümmten Rücken seines Freundes.

Bei dem Gedanken daran, dass Uruha jetzt sein fester Freund war, musste er leise kichern und drückte ihm gleich darauf einen süßen Kuss auf die Wange.
 

Er spürte, wie er noch fester als üblich an Kai gedrückt wurde und schnurrte leise auf. Er liebte es, so von ihm gehalten zu werden. Am liebsten würde er gar nicht mehr aufstehen und für immer und ewig und einen Tag länger so mit Kai hier sitzen und schmusen. Aber das ging ja leider nicht. Kai würde sicherlich auch bald zur Arbeit müssen und Aoi wartete bestimmt auch schon auf ihn. Schade eigentlich. Sehr schade sogar...

"Kai?", fragte er leise und wurde rot. "Sind wir jetzt... Eigentlich ein Paar?"
 

Bei dieser Frage weiteten sich seine Augen und sein Gesicht nahm noch mehr Farbe an, als es eh schon hatte. Dann schluckte er und versuchte sich, so gut es ging, zusammenzureißen. Verlegen nickte er. Für Worte fehlte ihm eindeutig die Stimme. Ja, eigentlich dachte er schon, dass sie jetzt zusammen waren. Sie beide empfanden etwas für einander und Kai war sich sicher, dass er Uruha auch liebte. Nur wollten diese Worte einfach noch nicht seine Lippen verlassen. Dennoch war er sich seiner Gefühle für den Älteren bewusst. "Hai, Kou... Ich denke schon." Und schon zeigte er seinem Freund sein süßes Grübchen, indem er ihm eines seiner schönsten Lächeln schenkte.
 

Überglücklich schlang er die Arme um Kais Nacken und küsste ihn beinahe besinnungslos. Das war so ein atemberaubendes Gefühl. Kai war sein fester Freund! Sie waren ein Paar! Liebende! Okay, Kai konnte seine Gefühle ihm gegenüber noch nicht zum Ausdruck bringen, dennoch freute er sich ungemein, dass Kai sein Freund sein wollte.

"Aishiteru!", hauchte er ihm entgegen und kuschelte sich ganz fest an ihn. Er erwartete keine Antwort. Er wollte einfach nur gehalten werden.
 

Etwas überrumpelt von der überschwänglichen Freude seines Gegenübers wurde er nach hinten in die Lehne gedrückt und wurde auch so gleich mit Küssen überhäuft. Lachend versuchte er sich dann doch etwas von ihm zu befreien. "Hey. Lass mich leben, sonst hast du nicht viel von mir.", scherzte er. Dennoch legte er die Arme um ihn und lächelte ihn an. "Schön, dass du da bist. Ich weiß nicht, was passiert wäre, wenn wir uns nicht getroffen hätten." Er seufzte. "Aber lassen wir das. Lass uns den Tag einfach genießen. Zumindest bis ich zur Arbeit muss.", fügte er noch hinzu.
 

"Wann musst du denn wieder von mir gehen?", fragte er traurig und zog eine Schnute. "Ich mag dich gar nicht gehen lassen. Du wirst mir dann total fehlen und Aoi muss mich dann sicherlich mit Schokoladeneis trösten."

Er kicherte leise und streichelte seinem Freund durchs Haar. Es floss durch seine Finger wie flüssige Seide und er roch kurz daran. Es duftete himmlisch. Irgendwie fand er gerade immer mehr Sachen, die er an Kai lieben konnte. Dieser ganze Mann war einfach nur zum Verlieben.
 

"Ano... so wie immer eigentlich. Hab ja wieder die Spätschicht kassiert. Aber was tut man nicht alles, wenn man das Geld braucht. Und so schlimm ist das ja auch nicht.", grinste er. Allerdings musste er seinem Freund aufmunternd in die Seite pieken. "Das Schokoladeneis kannst du auch gut vertragen, mein Lieber." Und so war es ja auch. Uruha sollte ruhig mal ein bisschen zulegen.

"Ich bin ja morgen Früh auch wieder da. Kannst dann ja zum Frühstück vorbeikommen." Dann räusperte er sich. "Aber Aoi bitte nur mit Leine und Maulkorb."
 

"Wird gemacht, Chefchen. Oder ich bring ihn einfach gar nicht erst mit. Der is bei fremden Menschen nicht ganz stubenrein und das will ich dir ja nicht antun. Wirklich nicht. Das hast du nicht verdient."

Er lachte leise und gab ihm einen dicken Schmatzer, ehe er auf die Uhr schaute und leise seufzte.

"Soviel Zeit haben wir dann ja gar nicht mehr zusammen. Wir haben uns ganz schön verschwatzt. Na toll. Und gegessen hab ich heute den ganzen Tag auch noch nichts. Mir hängt der Magen in den Kniekehlen."

Seufzend rückte er sich auf Kais Schoß ein bisschen zurecht und sah ihn an.
 

Auch Kai lachte. "Okay, dann besorg lieber einen Babysitter für ihn, damit er sich nicht so einsam fühlt oder irgendwelche Dummheiten anstellt.", feixte er. "Sonst musst du ihn nämlich ins Tierheim bringen. Und ein bisschen Erziehung braucht er ja auch noch. Aber darum kümmern wir uns dann schon."

Beide lachten ausgelassen, ehe sich auch Kais Magen bemerkbar machte. Stimmt, sie hatten wirklich noch nichts gegessen. Aber Kais Kühlschrank gab auch nicht wirklich was her. Da blieb also nur eins. "Gibst du mir mal das Telefon?* Kai deutete auf das Handy, das hinter Uruha auf dem Couchtisch lag. Der fragende Blick seines Schatzes - ja, jetzt konnte er das schon sagen, auch wenn es ihm doch noch etwas gewöhnungsbedürftig vorkam - ließ ihn schmunzeln. "Lass uns Pizza bestellen und dann hauen wir uns aufs Sofa und schauen dabei ein wenig fern. Na, wie klingt das?"
 

"Pizza!"

Sofort war Uruha Feuer und Flamme und zeigte Kai jetzt mal, wie gelenkig er war. Da er keine Lust hatte, sich von Kais Schoß zu bequemen und aufzustehen, um das Telefon zu holen, bog er einfach seinen Rücken nach hinten, sodass dieser eine Brücke bildete und schnappte sich das Handy. Dann hielt er es Kai grinsend hin.

"Tada! Ich bin gelenkig, was?", lachte er leise und knackte mit den Schulterknochen. "Aber auch etwas eingerostet. Ich werde alt."
 

Daraufhin lachte Kai lauthals los. "Ja, du alter Sack!", neckte er ihn und kniff ihm leicht in die Wange. "Da sprießen schon die ersten Falten und der Hintern ins auch nich mehr so knackig." Demonstrativ kniff er leicht in eine von Uruhas Pobacken. Dafür erntete er allerdings ein kleines Fiepen und Uruha bockte sich auf seinem Schoß auf. Doch ehe er weiter protestieren konnte, hielt Kai ihm den Mund zu und wählte schon mal die Nummer der Pizzeria.

Am anderen Ende ertönte eine nette Frauenstimme und Kai stellte sich wie immer vor. Dan sah er sein Gegenüber fragend an und löste seine Hand von dessen Mund. "Was möchtest du für eine?", fragte er ihn, ehe er die Antwort durch den Hörer an die junge Frau weitergab.
 

Murrend saß er nun auf Kais Schoß, mit verschränkten Armen und Schmollmund. Kai hatte ihn gekniffen. In den Po. Das war fies. Er hatte doch ein ganz ansehnliches Gesäß, da brauchte Kai ihn gar nicht ärgern. Der sollte sich mal selbst im Spiegel angucken. Sicherlich hatte er auch schon einen fetten Hintern. Obwohl... Das, was Uruha bisher von Kais Hinter gesehen hatte, war ganz und gar nicht fett gewesen, ganz im Gegenteil. Das, was er gesehen hatte, war ziemlich knackig gewesen... Uruha wurde rot und räusperte sich. Leise "Hawaii...", nuschelnd, vergrub er sein Gesicht peinlich berührt in Kais Hemd und wartete ab, bis Kai endlich wieder aufgelegt hatte.
 

Das tat er auch sogleich und musterte nun skeptisch den Größeren. Irgendwie fragte er sihc gerade, was mit ihm los war? "Ano... Was hast du denn?", fragte er ihn daraufhin direkt. Merkwürdig war das schon. Sie hatten doch eben nur über Pizza gesprochen. Da gab es doch nun wirklich keinen Grund, rot zu werden.

Na ja, war ja auch egal. "Du, Ru-chan?", erhob er abermals die Stimme. "Würdest du mich mal hoch lassen? Ich muss noch duschen, bevor ich nachher zur Arbeit muss und die Pizza kommt ja nachher schon bald. Ist es in Ordnung, wenn du hier auf mich wartest? ich beeile mich auch."
 

Sofort schüttelte er den Kopf. Kai musste doch jetzt nicht duschen. Nicht gerade jetzt. Es war gerade viel zu schön dafür. Musste Kai denn jetzt die Stimmung so zerstören? Er seufzte leise und krallte sich einfach noch ein bisschen mehr an Kai fest und machte sich schwer.

"Nichts da. Jetzt nicht, ja? Ich will weiterkuscheln. Kannst du nicht nachher noch schnell duschen? Du stinkst doch nicht mal, also musst du auch gar nicht duschen..."

Er versuchte gerade mit allen Mitteln seiner Überredungskunst, Kai zum Dableiben zu bewegen.
 

"Danke auch. Wäre ja noch schöner, wenn ich stinken würde.", schmollte er. Doch es war nun einmal so, dass er nicht allzu viel Zeit zur Verfügung hatte und da sie heute die meiste Zeit damit verbracht hatten, miteinander zu reden, blieb nun auch nicht mehr viel von diesem Tag übrig.

"Ruha... Wir können auch nach dem Duschen noch weiterkuscheln. Das verbietet uns doch keiner. Und wenn du so kuschelbedürftig bist, kannst du auch gerne über Nacht bleiben. Du weißt ja, dass in meinem Bett immer ein Platz für dich frei ist. Hai?" Damit hoffte er ihn, milde zu stimmen und ihm seine Dusche doch noch zu gewähren. Vielleicht klappte es ja.
 

"Aber... Ich will jetzt weiterkuscheln und nach dem Duschen bist du ganz kalt und klamm. Das ist nicht so toll. Und bei dir übernachten...? Ich weiß nicht genau. So gerne will ich Aoi ja nicht alleine lassen.", aber wieso eigentlich nicht? Aoi war 25 Jahre alt, der konnte gut auf sich selbst aufpassen und brauchte kein Kuscheltier. "Na gut. Wenn ich bei dir schlafen darf, dann steh ich auch auf."

Er grinste leicht und erhob sich müde von Kais Schoß. Dann ließ er sich auf das Sofa sinken und kuschelte sich da ein.

"Ich warte auf dich."
 

Schnell hauchte er ihm noch einen Kuss auf den Mund und sprang dann auf. "Ich beeile mich auch extra für dich. Ano... Sollte die Pizza schon kommen, da vorne..." Er deutete mit dem Finger auf den Schreibtisch hinter Uruha. "...liegt meine Geldbörse. Wärst du so lieb und bezahlst sie dann? Danke." Mit diesen Worten verschwand er auch schon im Badezimmer. Eilig zog er sich aus, musterte sich kurz im Spiegel, wobei er feststellen musste, dass man ihm seinen Schlafmangel der letzten Nacht doch ziemlich ansah, und sprang dann schnell unter die Dusche.
 

Währenddessen lag Uruha einfach teilnahmslos auf dem Sofa herum und starrte Löcher in die Luft. Was sollte er denn jetzt in der Zeit, in der Kai duschte, tun? Ihm war sterbenslangweilig ohne ihn. Toll. Wirklich toll. Kai musste sich echt beeilen.

Da klingelte es plötzlich und Uruha sprang auf. Das musste die Pizza sein. Schnell rannte er dorthin, packte Kais Geldbeutel und machte die Tür auf. Er bezahlte die Pizzen, nahm sie in Empfang und stellte die dampfenden Kartons auf den Wohnzimmertisch. Allerdings wartete er noch mit dem Auspacken auf Kai.
 

Uruha schien nicht bemerkt zu haben, dass aus der Geldbörse Kais etwas herausfiel, als er die Pizza bezahlt hatte und das Restgeld wieder in die dafür vorgesehenen Fächer steckte.

Kai hörte aus dem Badezimmer, wie es klingelte und dann die Tür auch sogleich geöffnet wurde. Gut, also war die Pizza schon mal da. Dann musste er sich jetzt aber wirklich ranhalten, sonst wäre sein Essen nachher noch kalt und kalte Pizza schmeckte nun wirklich nicht sehr lecker.

Und so spülte er sich noch ab und stieg aus der Dusche. Mit einem Handtuch um die Hüften sprintete er an Uruhas verdutztem Gesicht vorbei in s Schlafzimmer. Kai konnte es sich einfach nicht abgewöhnen, seine Klamotten nicht mit ins Badezimmer zu nehmen. Bisher gab es dazu ja auch eigentlich keinen Grund.

Fast stolperte er ins Wohnzimmer, als er im Gehen versuchte, sich seine Hose über die Beine zu ziehen. Wie ein Känguru hüpfte er den Weg bis zum Sofa, damit er die Hose auch richtig anhatte und zuppelte immer wieder daran. Erst als er auf dem Sofa saß, konnte er sie schließen und atmete tief durch.

Er grinste breit und starrte erst die Kartons und dann Uruha an. "Itadakimasu!", wünschte er ihm und öffnete den ersten Karton.

"Itadakimasu!", wünschte er zurück und nahm sich genüsslich ein Stück Pizza und biss hinein. "Verdammt, ist das lecker. Ich hab schon lange nicht mehr so etwas so Leckeres gegessen."

Er seufzte wohlig auf und kuschelte sich fest an Kais Seite, während er auf seiner Pizza herum kaute. Es machte ihm wirklich viel Spaß, bei Kai sein zu dürfen und mit ihm zu kuscheln. Und wenn es dann noch etwas Leckeres zu essen gab, war seine Welt in Ordnung.

"Und ich kann echt bei dir schlafen?", fragte er lieber noch mal nach.
 

Kai schüttelte kurz den Kopf, um seine Haare ein wenig trockener zu bekommen. Dabei erwischte er auch Uruha, der ein paar Wassertropfen abbekam. Grinsend biss er in sein Stück Pizza und schmatzte genüsslich vor sich hin. Erst nickte er nur. Doch als er aufgekaut hatte, wand er sich seinem Freund zu. "Hab ich dir doch gesagt oder nicht? Wieso solltest du nicht dürfen? Hast doch sonst auch bei mir geschlafen. Oder magst du nicht?" Konnte er ja nicht wissen. Aber sonst schien es ihn auch nicht sonderlich gestört zu haben. Also warum sollte er das jetzt nicht mehr wollen.

"Aber wenn du willst, dann schlaf ich auch auf dem Sofa."
 

"Hey!", lachte er leise auf, als Kai seinen Kopf schüttelte wie ein nasser Hund und ihm die Wassertropfen ins Gesicht flogen. Er stupste Kai an und lehnte sich zur Seite und schmiegte sich an seinen nun festen Freund heran. Er war überglücklich. "Quatsch mit Käsesoße! Du musst doch nicht auf dem Sofa schlafen. Ich will, dass wir zusammen in einem Bett schlafen und kuscheln, hai? Ich bleib dann solange wach, bis du wieder da bist, okay? Oder bist du erst wieder so spät abends da?"
 

"Na ja...", druckste er. Er wusste ja selbst nicht, wann er heute aus dem Restaurant gehen konnte. In letzter Zeit kam immer wieder etwas dazwischen, so dass es meist doch später geworden war, als es sollte.

"Ich kann das nicht genau sagen. Irgendwie is zurzeit der Wurm drin, so dass es durchaus sein kann, dass ich wieder später komme. Aber vor Mitternacht bin ich sicher nicht Zuhause.", seufzte er. Dabei wäre es wirklich schön, wenn er nach Hause käme und dort jemand auf ihn wartete. Und wenn es Uruha war, dann würde er sich sicher noch mehr darüber freuen.

"Aber wenn du nicht willst, dann ist es wohl besser, wenn du wieder nach Hause gehst. Ich will dich zu nichts zwingen."
 

"Ano... Ich will aber lieber hier auf dich warten. Ich kann ja fernsehen in der Zeit oder so. Ich warte hier gerne auf dich, wirklich.", er lächelte sanft und gab ihm einen kleinen Kuss auf die Wange. "Wann genau musst du denn los?"

Seufzend aß er seine Pizza auf und sah seinen Freund dann an. Er war so unglaublich froh, ihn zu haben. Er wusste gar nicht, was er ohne Kai machen sollte. Wenn er es sich so recht überlegte, würde er ohne Kai gar nichts mehr machen. Da wäre er nämlich schon zweimal gestorben.

"Ich liebe dich."
 

Kai schaute zur Uhr und seufzte. So langsam musste er sich sputen, denn die Zeit verging heute irgendwie verdammt schnell. "Ano... in einer Stunde muss ich spätestens los.", seufzte er und zuckte dann doch etwas zusammen, als Uruha ihm abermals sagte, dass er ihn liebte. Daran musste er sich erst noch gewöhnen. So kannte er das nämlich überhaupt nicht, aber es gefiel ihm durchaus. Verlegen lächelte er ihn an. "Du bist wirklich süß, Ru-chan.", wisperte er und beugte sich nach vorne, um ihm einen kleinen Kuss zu stehlen.

"Du bist wirklich verdammt süß...", murmelte er und schnappte gleich ein weiteres Mal nach den Lippen seines Freundes.
 

Leicht rot werdend, genoss er die sanften Küsse, die Kai ihm nun schenkte und seufzte leise bei jeder Berührung ihrer Lippen. Wenn hier einer süß war, dann war das doch Kai. Nicht nur seine Persönlichkeit war für Uruha purer Zucker, auch das absolut niedliche Grübchen trug seinen Teil zu der Zuckerbombe bei. Wenn Uruha bei Kai war, dann lief er wirklich Gefahr, Karies zu bekommen. Er grinste leicht, als sie sich lösten und kuschelte sich an ihn.

"Ich warte hier auf dich..."
 

En süßes Lächeln legte sich auf sein Gesicht und er legte den Arm um seinen Freund. Irgendwie war das wirklich unglaublich. Eigentlich hatte er nie zu träumen gewagt, dass er eine solche Szene noch einmal erleben darf. Doch nun war es so. Uruha kuschelte sich an ihn und würde auch auf ihn warten. Das war so... Einfach nur unbeschreiblich. Er fühlte sich irgendwie total glücklich gerade. Der wichtigste Mensch für ihn war ihr bei ihm und kuschelte sich so süß an ihn. Das war wirklich toll.

Sanft streichelte er über den Oberarm des anderen und schloss dabei genießerisch die Augen. "Ich freu mich jetzt schon darauf, wieder heim zu kommen.", flüsterte er.
 

"Ich freu mich auch, wenn du endlich wieder bei mir bist. Wird hier sicherlich furchtbar langweilig ohne dich. Und weißt du was? Morgen nehm ich dich mal mit zu mir nach Hause. Ich muss dir unbedingt mein Zimmer zeigen, ja?", lächelte er liebevoll und streichelte ihm sachte über die Wangen. Kai hatte so wunderbar weiche Haut, dass er da am liebten immer und immer wieder drüber gestreichelt hätte.

So blieben sie noch eine ganze Weile liegen, bis Uruhas Blick zur Uhr wanderte und leise seufzte.

"Ich glaube, du musst los, mein Schatz.", wisperte er traurig.
 

Verwirrt schaute er ihn an. Hatte Uruha ihn gerade wirklich so genannt? Ja, hatte er. Und er hatte sich sicher nicht verhört. Seine Wangen färbten sich rot und er nickte nur verlegen. "Hai... Leider..." Nur schwer konnte er sich von ihm lösen und stand auf Doch für einen Kuss reichte die Zeit doch sicher noch. Und so beugte er hinunter und legte eine Hand an Uruhas Wange. Mit dem Daumen streichelte er leicht darüber und kam den Lippen des anderen immer näher, bis sie wieder aufeinander lagen. Am liebsten würde er das die ganze Zeit tun und sich nie wieder von ihm lösen. Aber das ging nun mal nicht.

Schnell huschte er ins Schlafzimmer und machte sich fertig. Ein letzter Blick in den Spiegel und die Haare noch etwas zurecht gezupft. Und schon stand er wieder im Wohnzimmer und lächelte Uruha an, der noch immer auf seinem Sofa saß.

"Bis später dann. Ich beeil mich." Mit einer leichten Handbewegung gab er ihm noch einen Luftkuss. "Lass dir die Zeit nicht zu lang werden. Und wenn du magst, kannst du auch mal vorbei schauen. Gibt sehr leckeres Essen bei uns." Und schon war er weg.
 

Leise seufzend blieb Uruha nun alleine in Kais Wohnung zurück und sah sich um. Hm... Was sollte er denn jetzt machen? Kais Wohnung war so verdammt leer und einsam ohne ihn, dass er sich doch schon irgendwie unwohl fühlte. Bei Aoi wäre er jetzt wenigstens nicht alleine. Da wäre zwar Aoi auch auf Arbeit, aber er hätte wenigstens noch Shima gehabt, der mit ihm kuscheln könnte. So saß er nun ganz alleine in Kais Wohnung und starrte an die Decke.

"Mann, is das langweilig...", murrte er leise und tapste in die Küche, um sich einen Kakao zu machen.
 

Während Kai und Uruha sich für ein paar Stunden trennen mussten, war Aoi schon wieder auf dem Weg nach Hause. Sein Arbeitstag war bereits zu Ende und er ließ sich genüsslich in seinen Sessel fallen. Wie er es immer tat, legte er erst einmal die Füße hoch und steckte sich eine Zigarette an. Das war doch mal was. Allerdings stellte er fest, dass sein Bruder wohl noch immer nicht viel Sehnsucht nach ihm hatte. Sonst wäre er sicher schon bei ihm gewesen. Na gut, wollte er das junge Glück mal nicht weiter stören.

Dann hörte er es draußen Grollen und der Himmel zog sich schnell zu. Es wurde mit einem Mal stockduster und Aoi ging zum Fenster. Eine leise Vorahnung beschlich ihn, dass es gleich ein ordentliches Gewitter geben würde. Und das war ganz und gar nicht gut. Er wusste, dass sein kleiner Bruder tierische Angst vor Gewitter hatte und meist extrem panisch reagierte. Das war alles andere als gut. Dann schaute er zur Uhr. Gestern um diese Uhrzeit war Kai zur Arbeit gegangen. Ob er das heute auch wieder tat? Wäre Uruha dann alleine in dessen Wohnung?

Er schluckte. Wenn das so war, dann musste er auf der Stelle dorthin. Sofort. Doch da sah man schon das erste Blitzen und ein tiefes Donnern erschütterte den Himmel.

Hastig zog er sich an und rannte aus dem Haus.
 

Mit einer Tasse Kakao in der Hand saß Uruha nun auf Kais Sofa und schlürfte an dem heißen Getränk. Ihm war sterbenslangweilig und er hoffte, dass Kai wirklich mal bald nach Hause kommen würde. Er saß hier und sah Fernsehen, als er plötzlich merkte, wie dunkel es im Zimmer wurde. Perplex sah er nach oben und konnte gerade noch sehen, wie die Lampe an der Decke flackerte und ausging. Nanu? Ein Blick zum Fernseher sagte ihm, dass dieser nun auch den Geist aufgegeben hatte. Schneegestöber war das einzige, was er noch erkennen konnte. So langsam kroch die Panik in ihm hoch und er stand auf. Er trat zum Fenster und schaute hinaus. Der Himmel war stockfinster und er sah einen Blitz auf die Erde hinab krachen und wenige Sekunden später hörte er auch den dazugehörigen Donner. Das Gewitter musste also genau über ihm sein. Sein Herz begann zu rasen und er versuchte, in der stockdunklen Wohnung noch etwas zu sehen. Aber nichts. Plötzlich gab es erneut einen Knall und Uruha ließ vor Schreck die Tasse fallen, die auf dem Boden zersprang und der Kakao sich auf dem Teppich ausbreitete. Panisch sah Uruha auf die Flecken, die in Kais schönen weißen Teppich sickerten und begann zu zittern. Was sollte er denn jetzt machen? Er hasste Gewitter.

Gerade wollte er in die Küche und einen Lappen holen, als es plötzlich einen so lauten Knall gab, dass Uruha aufschrie und sich unter dem Küchentisch verkroch. Panisch hielt er sich die Ohren zu und zitterte am ganzen Körper wie Espenlaub. Dass der Blitz ins Hausdach eingeschlagen hatte und dieses nun anfing, zu brennen, hatte er nicht mitbekommen. Auch, dass sich das Feuer in Windeseile ausbreitete, bemerkte er vor Panik nicht.
 

Es regnete bereits aus Strömen, als er nach draußen trat und sofort losrannte. Hastig zog er sich die Kapuze über den Kopf und lief die Straßen entlang. Jetzt war er doch froh, dass Uruha ihm gezeigt hatte, wo Kai wohnte. Sonst würde das hier sicher in einem Desaster enden. Und darauf hatte er keine Lust. Er wusste schließlich, wie sein Bruder reagierte, wenn ein Gewitter aufzog. Allein davon bekam er schon leichte Panikattacken und verkroch sich. Und wenn er jetzt auch noch alleine war, dann... Ja, das würde sicher nicht gut gehen.

Schon nach einer Viertelstunde sprinten, kam er an dem Wohnblock, in dem Kai wohnte an. Mit geweiteten Augen schaute er nach oben. Oh Kami-sama! Lass das bitte nicht wahr sein!

Doch es war wahr. Das Haus stand in Flammen. Oh Gott. Auch wenn bisher nur das Dach brannte, so wusste er, dass sich das Feuer schnell ausbreiten konnte. Hastig rannte er hinein. Er musste Uruha finden!
 

Immer noch panisch hockte Uruha unter dem einfachen Holztisch der Küche und hielt sich die Ohren zu. Er hatte Angst. Panische Angst. Wieso war Kai denn jetzt bloß nicht hier? Uruha hickste auf und kniff die Augen zusammen. Er musste einfach an was Schönes denken, dann wäre alles okay.

Plötzlich stieg ihm ein beißender Geruch in die Nase. Irgendwie roch es hier ziemlich verbrannt. Vorsichtig öffnete er die Augen und erschrak. Vor ihm türmte sich bereits eine Flammenflut aus und griff auf den Küchentisch über, unter dem Uruha saß. Sofort war er auf den Beinen und kletterte die Theke hinauf. Das Feuer würde noch ein wenig brauchen, bis es hier herauf kommen würde. Doch der Rauch war schon im ganzen Raum verteilt und Uruha hustete. Er hielt sich den Ärmel vor den Mund und kniff die tränenden Augen zusammen.

Kai! Aoi!, dachte er verzweifelt.
 

Aoi achtete gar nicht darauf, dass ihm die Menschen, die ihm entgegen kamen, immer wieder nachriefen, er solle doch in die andere Richtung laufen. Das Feuer wäre bereits so weit, dass man dort nicht mehr lang konnte. Doch er hörte draußen bereits die Sirenen der Feuerwehr. Gut, dann würden die sich jetzt hoffentlich schleunigst darum kümmern, dass der Brand gelöscht wurde. Alles weitere würde er eh denen überlassen. Nur Uruha musste er finden. Doch eigentlich hoffte er, dass dieser sich auch bereits nach draußen gewagt hatte. Jedoch wusste er ja auch, dass es draußen gewitterte und sein Bruder panische Angst davor hatte. Höchstwahrscheinlich hatte er sich irgendwo verkrochen und hielt sich die Ohren zu und kniff die Augen zusammen. So, wie er es eigentlich immer tat.

Im Stockwerk, in dem Kais Wohnung lag, stieg ihm schon der üble Geruch von Feuer und Ruß in die Nase und der dichte Rauch ließ ihm kaum Luft zum Atmen. Man gut, dass es solche Übungen öfter bei ihm auf Arbeit gab und so wusste er auch, wie er sich in einem solchen Falle verhalten sollte.

Und so ging er auf die Knie und krabbelte unter dem Rauch durch. Als er dachte, Kais Wohnung ausfindig gemacht zu haben, erhob er sich und trat sie einfach ein. Das würde ihm der andere sicher verzeihen und es würde sicher nicht auffallen bei dem, was hier eh alles den Flammen zum Opfer fallen würde. Von draußen drangen gedämpft Geräusche ins Innere. Die Löscharbeiten hatten als begonnen.

"Kou!", rief er und hustete gleich darauf stark. Der Rauch brannte n seiner Lunge. "Kou! Wo bist du!"
 

Hustend saß er immer noch auf der Theke in der Küche und versuchte, sich so klein zu machen wie nur irgend möglich. Das Feuer hatte bereits die gesamte Küche in Beschlag genommen und er hoffte stark, dass die Küche wenigstens der einzige Raum in Kais Wohnung war, der den Flammen zum Opfer fallen würde. Kai hatte doch nur das alles hier und Uruha wollte nicht, dass Kai nun auch noch sein heißgeliebtes, gerade erst neu gewonnenes Drumset wieder verlor. Das durfte nicht sein.

Der beißende Geruch des Rauches trieb ihm die Tränen in die Augen und er kniff sie einfach zusammen, ebenso wie er seinen Mund schloss, um ihn nicht so arg einzuatmen. Die Nase konnte er ja nicht versperren, sonst würde er ersticken. Aber was machte das eigentlich für einen Unterschied? Er würde hier sowieso sterben. Er sah keinen Ausweg aus dieser Flammenflut. Dabei hätte er Kai doch noch einmal so gerne in den Arm genommen und mit ihm gekuschelt. Wenigstens einmal wollte er ihm noch sagen, dass er ihn liebte und nur ein einziges Mal wollte er es auch aus Kais Mund hören. Aber das würde ihm wohl für immer verwehrt bleiben.

Die Hitze des Feuers machte ihn fertig und erschöpft lehnte sich Uruha an die Wand hinter ihm. Er bekam kaum mehr Luft und hustete immer wieder auf. Seine gesamte Kleidung und sein Gesicht waren bereits rußverschmiert. Plötzlich hörte er, wie jemand seinen Namen schrie. Hatte er schon Halluzinationen? Er öffnete die Augen und versuchte, etwas zu erkennen, doch durch die Hitze sah er alles verschwommen und schloss die Augen benommen wieder.

"Ich bin hier! In der Küche!", rief er schwach und hoffte, dass man ihn hören konnte.
 

Nur sehr leise vernahm er die Stimme seines Bruders. Doch er hatte ihn gehört. Sofort kroch er durch den Flur ins Wohnzimmer und dann zur Küche. Man gut, dass diese Wohnungen alle fast gleich aufgebaut waren. Da musste er nicht erst noch lange suchen. Langsam öffnete er die Tür und erschrak, als ihm eine gewaltige Flammenflut entgegen kam. Und hier sollte Uruha drin sein? Er konnte es fast nicht glauben. "Kou!", rief er abermals und erblickte den anderen auch sofort. Hastig stand er auf und lief einfach durch das Feuer. Er wollte ihm helfen und ihn da so schnell wie möglich rausholen. Aoi packte ihm am Arm, hob ihn hoch und rannte einfach den Weg zurück, den er bis hierher genommen hatte. Nur schnell raus hier. An die frische Luft.

Er wusste nicht genau, wie er das geschafft hatte, aber er stand nun mit Uruha auf dem Arm vor dem Hauseingang und wurde sofort von Rettungskräften belagert.
 

Er spürte, wie ihn jemand hochhob und durch die Flammenhitze trug. War das nur eine Einbildung? Oder war das Wirklichkeit? Er konnte es nicht einschätzen, seine Sinne waren durch den Rauch immer noch vernebelt. Jedoch spürte er auch, wie kurze Zeit später etwas Nasskaltes auf ihn niederprasselte und ihm jemand eine Decke überlegte. Schwach öffnete er die Augen und fand sich auf Aois Armen wieder, der ihn liebevoll anblickte. Uruha schloss die Augen wieder und atmete geräuschvoll die kühle, frische Luft ein. Das Gewitter ließ langsam nach.

"Aoi..."
 

"Hai, es wird alles gut, Kou...", flüsterte er ihm zu und lächelte ihn an. Seine eigenen Wangen und Klamotten waren mit Ruß bedeckt und er spürte, dass seine Lungen ziemlich brannten. Das kam wohl von dem ganzen Rauch, den er eingeatmet hatte.

Vorsichtig gab er den Jüngeren in die Obhut der Rettungskräfte und setzte sich dann zu seinem Bruder. Beide bekamen eine Decke umgelegt und Aoi hielt liebevoll die Hand des anderen. Er sah noch eine Weile dabei zu, wie die Feuerwehr das Feuer löschte. Glücklicherweise schafften sie es recht schnell und es wurde auch niemand weiter verletzt. Ein Schock war es allerdings trotzdem. Wer hätte schon gedacht, dass einfach so mal ein Feuer ausbrach.

Er fragte sich nur, was Kai machen würde, wenn dieser in ein paar Stunden nach Hause kam und dort nichts mehr war. Auch wenn die Wohnung nur in der Küche in Flammen stand, so wäre sie dennoch unbewohnbar, bis man sich darum gekümmert hatte. Solange würde er diese Wohnung sicher nicht bewohnen dürfen.
 

Uruha hustete schwach und legte sich die Hand auf die Stirn. Sie fühlte sich ziemlich heiß an. Lag aber auch an der Hitze des Feuers, welchem er mindestens eine Viertelstunde lang ausgesetzt gewesen war. Obwohl ihm immer noch so unerträglich heiß war, zitterte er am ganzen Körper und weinte leise in Aois Hemd. Er lag auf dem Schoß seines Bruders und der hielt ihn in den Armen. Er konnte es nicht fassen, war einfach viel zu geschockt. Kais Wohnung stand da in Flammen und schien für eine Weile unbewohnbar. Hoffentlich war Kai gut versichert. Wenn nicht... Uruha schluchzte erneut auf und blickte seinen Bruder an.

"Was wird denn jetzt mit Kai...?", dass eben jener gerade in seine Straße einbog, konnte er nicht wissen.
 

"Das kriegen wir schon hin, Kou... Mach dir darüber keine Gedanken. Und im Notfall nehmen wir ihn einfach solange zu uns. Fällt ja nicht auf, wenn da einer mehr am Tisch mit sitzt.", versuchte er, ihn zu beruhigen. Liebevoll streichelte er ihn. Er sollte sich erst einmal beruhigen.

Da kam auch schon Kai an. Ziemlich verwirrt blieb er vor dem Haus stehen und schaute nach oben. Er schluckte. Irgendwie war das hier jetzt bloß ein böser Traum oder ein schlechter Scherz. Zumindest hoffte er das. denn dieser Anblick ließ das Blut in seinen Adern gefrieren. Dann schoss ihm ein Gedanke durch den Kopf und er ließ alles an Ort und Stelle fallen. "Uruha!", schrie er und lief auf das Haus zu. Er konnte ja nicht wissen, dass dieser bereits in Sicherheit war.
 

Uruha kuschelte sich eng an seinen Bruder heran und schloss die Augen. Er hoffte, dass Aoi Recht behielt und sie Kai bei ihnen unterbringen konnten. Das wäre ja das Mindeste, was sie für Kai tun konnten. Sie konnten ihn ja schließlich nicht alleine auf der Straße sitzen lassen. Das hatte Kai bei Uruha nicht getan und das würden sie auch nicht bei ihm tun. Ganz sicherlich nicht. Sie würden ihm helfen.

Einer der Feuerwehrmänner sah den panischen Kai auf das Haus zu rennen und hielt ihn gerade noch rechtzeitig fest.

"Sie können da nicht hinein, junger Mann!"

Doch als Kai sich verbissen wehrte und immer wieder nach einem gewissen Uruha schrie, fiel es ihm wie Schuppen von den Augen und er lächelte den verstörten jungen Mann an und deutete auf Aoi und Uruha, die da so nahe beieinander saßen.

"Der junge Mann dahinten ist vorhin auch einfach ins Haus gerannt und hat den anderen Jungen hinaus geholt. Gehen Sie ruhig zu den beiden."
 

Verdutzt schaute er den Feuerwehrmann an. Wie jetzt? Da war schon mal einer hineingerannt? Verwirrt folgte er dem Blick des Mannes und seine Augen weiteten sich. Da saßen Aoi und Uruha in dem Krankenwagen. Eng aneinander gekuschelt und ziemlich dreckig im Gesicht. Aber das störte ihn nicht. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, rannte er einfach los und ließ sich vor Uruha auf die Knie sinken. Sofort zog er ihn aus Aois Armen und drückte ihn fest an sich. "Ruha...", murmelte er verstört. "Gott sei Dank ist dir nichts passiert.", wimmerte er und Tränen der Erleichterung liefen über seine Wangen.
 

Verdutzt lag er nun anstatt in Aois in Kais Armen und wurde an ihn gedrückt. Sofort krallte er sich an seinen Freund und hickste verstört auf. Kai war endlich da und hielt ihn im Arm. Er hatte schon befürchtet, dass er das niemals mehr wieder würde tun können. Sogleich überschüttete er Kai auch mit unzähligen Küssen auf Wange und Mund und es war ihm egal, ob die anderen es sehen konnten oder nicht. Das einzige, was für ihn zählte, war Kai und dem wollte er jetzt unbedingt wieder zeigen, wie sehr er ihn liebte.

"Kai-Chan... Ich liebe dich!"
 

"Schon gut, Ruha." Sanft streichelte er ihm über den Rücken. "Ich bin so froh, dass dir nichts passiert ist. Mein Herz ist eben fast stehen geblieben.", murmelte er und lächelte. Dann wand er sich an Aoi, der sie verdutzt und dennoch breit grinsend ansah. "Arigatou, Aoi-sama.", bedankte er sich höflich bei ihm.

"Nun mal nicht so förmlich, Kai. Bin doch dein Schwager, also lass dieses dämliche 'sama' weg, hai?", forderte der Ältere.

Kai wurde rot bei dem Gedanken, dass Aoi ja irgendwie Recht hatte. Dennoch gefiel es ihm nicht so wirklich. Der Kerl schien irgendwie immer einen blöden Spruch auf den Lippen zu haben.
 

Ihn interessierte es nicht, was Aoi jetzt schon wieder von ihnen dachte. Das einzige, was ihn interessierte, war Kai und der war hier bei ihm und hatte Angst um ihn gehabt. Letzteres war zwar nicht so schön, zeigte ihm aber, wie viel er Kai anscheinend bedeutete und das machte ihn unwahrscheinlich glücklich. Seufzend kuschelte er sich an seinen Schatz und hauchte ihm immer wieder Küsse auf den Mund. Aoi grinste und stand mit seinem kleinen Bruder in den Armen auf. Der murrte leise, weil er so Kai loslassen musste. Aoi ließ das aber vollkommen außer Acht und grinste Kai an.

"Willst du unser Prinzesschen nach Hause tragen oder soll ich?"
 

Kai legte die Stirn in Falten. "Nani?" Irgendwie kam er jetzt gar nicht mehr mit. Erst zog er ihn aus seinen Armen und jetzt wollte er ihn nach Hause tragen? Und warum nannte er ihn Prinzesschen? Am liebsten hätte er ihm dafür mal ordentlich eine verpasst.

"Ano... Ich werd hier bleiben und sehen, dass ich wieder in meine Wohnung kann. Würdest du ihn dann nach Hause bringen?", bat er höflich seinen 'Schwager'. Erst musste er sehen, dass er wieder in sein heim kam und gucken konnte, was alles zu retten war. Und dann würde er sich nach einer neuen Bleibe umschauen müssen. Dass er hier noch weiterhin wohnen durfte, bezweifelte er ganz stark.

"Seid vorsichtig, hai." Und schon gab er Uruha nochmals einen kleinen Kuss.
 

"Nix da, Freundchen. Ich muss doch jetzt auf dich aufpassen.", grinste Aoi und brüstete sich leicht auf. "Ich bin schließlich hier der Älteste, also sag ich dir jetzt, dass du bei uns wohnen kannst, okay? Uruha will das auch und in unserer Bude ist nun wirklich genug Platz. Und nein, keine Widerrede!", murrte er leise, als Kai schon den Mund aufmachen und protestieren wollte. "Ich hab gesagt, dass du bei uns wohnen kannst und das war ernst gemeint. Du wirst jetzt eine Zeit lang nicht in deine Wohnung können und da bleibst du auch bitte schön bei uns."

Und schon zog er Kai mit einer Hand hinter sich her, während er mit der anderen Uruha festhielt.
 

Stolpernd wurde er hinter den anderen hergezogen. Proteste schien der andere auch irgendwie zu ignorieren, denn Kai beteuerte immer wieder, dass er das nicht annehmen konnte. Aber der Ältere grinste immer nur und zog ihn dann weiter. Hilfesuchend wandte er sich an Uruha, doch auch dieser schien das Ganze egal zu sein. Mann. Wo war er hier nur wieder gelandet?

Aber es war schon sehr nett von Aoi, dass er ihn einfach mit zu ihnen nehmen wollte. Allerdings hatte er da so seine Bedenken. Er war sich nicht sicher, ob das wirklich eine gute Idee war. Er würde den beiden sicher nur zur Last fallen und das wollte er ganz sicher nicht.

"Ano... Das geht doch nicht. Ich stör euch doch nur. Und es ist wirklich nicht schlimm, wenn ich mir was suche.", versuchte er abermals.
 

"Du störst nicht und jetzt hör auf zu nerven, Kleiner. Ich kann dich doch nicht einfach auf der Straße sitzen lassen. Du hast meinem Bruder schon so oft das Leben gerettet und ihn in dein Haus geholt, da kann ich dich doch nicht alleine lassen. Also wirklich, hältst du mir für so einen Unmenschen?"

Er seufzte leise und schloss die Tür auf. Dann bat er Kai herein und zog sich und Uruha umständlich die Schuhe aus. Seufzend trug er seinen Bruder in sein Zimmer, deckte ihn zu und ging dann zurück zu Kai, der unschlüssig im Wohnzimmer stand. Er lächelte den anderen an.

"Willst du was essen? Wenn nicht, kannst du ja zu Ruha ins Bettchen kriechen, der freut sich bestimmt. Sein Zimmer ist hier gleich die dritte Tür links."
 

Blush. Und schon war er rot wie eine Tomate. Musste der Kerl auch jedes Mal so einen Spruch ablassen? Erst unterstellte er ihm, klein zu sein, obwohl er festgestellt hatte, dass er wenigstens einen Zentimeter größer war als der Ältere. Jetzt wurde ihm auch noch einfach eine Entscheidung abgenommen oder besser gesagt aufgezwungen. Und nun schien er sich auch noch über ihn lustig zu machen. So langsam mochte er ihn immer weniger. Musste er sich das eigentlich gefallen lassen?

Na ja, eigentlich hatte er jetzt eh keine andere Wahl mehr.

"Ano... dürfte ich vielleicht eure Dusche benutzen? Mir haftet noch der ganze Geruch von Arbeit an."
 

"Klar, du kleines Schweinchen. So schlimm riechst du aber auch nicht. Na gut. Also, das Badezimmer ist hier gleich die Tür rechts. Kannst du gar nicht verfehlen, Ruha hat da ein violettes Schild mit der Aufschrift 'Schönheitssalon' angebracht.", lachte er leise und deutete auf die Tür. "Na los. Ach und wenn du dann schon mal im Bad bist, kannst du ja Ruha auch gleich mitnehmen. Der Arme ist ja auch noch voller Ruß."

Und schon verschwand Aoi in der Küche und ließ Kai alleine da stehen.
 

Kai schüttelte nur den Kopf. Was um Himmels Willen war das für ein Kerl? Das durfte doch wohl nicht wahr sein. Na ja, wenn er es unbedingt wollte. Aber erst einmal würde er Uruha fragen, ob er das überhaupt wollte. Er würde ihn ganz bestimmt nicht gegen seinen Willen ins Badezimmer schleppen und ihn einfach mit unter die Dusche nehmen. Da hatte Uruha jawohl auch noch ein Mitspracherecht.

Allerdings wäre es ihm schon irgendwie lieber, wenn der andere dies verneinen würde. Es war wirklich etwas unangenehm. Gut, er hatte sich in ihn verliebt und wollte ihm auch gerne nahe sein, aber... Jetzt schon gemeinsam duschen? Ging das nicht etwas zu weit?

Zögerlich ging er durch den Flur und klopfte leise an die Zimmertür. "Ruha? Darf...darf ich reinkommen?"
 

Uruha lag in seinem Bett und starrte an die Wand. Immer wieder hustete er noch den Staub aus seinen Lungen und seufzte leise. Dieser Tag war der absolute Horror gewesen. Ein Alptraum. Wieso hatte gerade dann, wenn er alleine in Kais Wohnung war, alles angefangen zu brennen? Würde Kai ihn vielleicht dafür verantwortlich machen, weil er nicht besser aufgepasst hatte? Er hoffte nicht. Das war alles einfach zu viel für ihn gewesen.

"Komm rein...", murmelte er leise und sah, wie Kai eintrat und sich zu ihm ans Bett gesellte.
 

Ein wenig schaute er sich um, doch sein Hauptaugenmerk lag auf dem anderen, der in seinem Bett lag und irgendwie nachdenklich aussah.

"Hey.", sagte er nur leise und ließ sich vor Uruhas Bett auf die Knie sinken. Liebevoll streichelte er ihm über den Kopf und strich ein paar verirrte Haarsträhnen aus seinem Gesicht.

"Was ist los? Du siehst so nachdenklich aus. Worüber zerbrichst du dir gerade den hübschen Kopf?" Er gab ihm einen Kuss auf die Stirn.

"Ano... möchtest du vielleicht mit unter die Dusche kommen? Aoi meinte, dass du auch eine vertragen könntest."
 

"Ich weiß nicht... Bist du mir böse? Ich konnte wirklich nichts dafür. Ich hab nicht gemerkt, dass es gebrannt hatte. Erst, als die Küche schon in Flammen stand, hab ich es gemerkt. Es tut mir wirklich so verdammt leid, dass du jetzt erst mal hier bleiben musst und nicht nach Hause kannst.", murmelte er leise und kuschelte sich eng an seinen Freund. Als dieser dann fragte, ob er mit unter die Dusche wollte, wurde er augenblicklich rot. Erstaunt sah er ihn an. "Mit dir? Zusammen? Ano... Gern..."
 

"Worüber du dir alles den Kopf zerbrichst, Ru-chan." Er lächelte ihn frech an und gab ihm dann einen Kuss auf die Nasenspitze. "Du kannst doch nichts dafür. Außerdem war es wohl mal wieder der Blitz gestern. Das hatten wir schon öfters gehabt. Und ich wollte deshalb auch schon mehrmals ausziehen und mir was Neues suchen. Nur leider gibt es hier nichts preisgünstigeres, was ich mir leisten könnte. Also nehm ich das schon in Kauf. Kann ich ja nicht ändern." Kai legte seine Stirn gegen Uruhas. "Wenn du nicht willst, musst du auch nicht. Es war ja nur eine Frage."
 

"Ich will aber gerne.", nuschelte er und sah Kai in die Augen, hauchte ihm einen süßen Kuss auf und lächelte. "Wir sind doch jetzt ein Pärchen oder? Da dürfen wir das doch. Und Aoi wird auch sicherlich nicht reinkommen, wenn er dir schon vorschlägt, mich mitzunehmen. So respektvoll ist er wenigstens."

Seufzend richtete er sich auf und sah Kai noch leicht benommen an.

"Deswegen rauche ich auch nicht. Rauch ist wirklich die reinste Hölle für meine Lunge. Echt eklig."
 

Zustimmend nickte er. "Hai, ich mag das auch nicht. Irgendwie stinkt man ständig nach dem Zeug.", grinste er und stand wieder auf. Er schnappte sich Uruhas Hand und zog ihn auch auf die Beine. Auch wenn ihm das etwas unangenehm und ziemlich neu für ihn war, so würde er es jetzt trotzdem tun. Eigentlich war ja auch nichts dabei. Sie waren beide Männer. Also was sollte da schon schlimm dran sein.

"Dann lass uns mal unter die Dusche und den ganzen Dreck abwaschen. Sollst ja nicht als Schweinchen enden."
 

"Angenehm, Schweinchen Babe.", grinste er und ging mit Kai an der Hand ins Badezimmer, an dessen Tür wirklich ein violettes Schild mit der Aufschrift 'Schönheitssalon' stand. Die Schrift war ziemlich krakelig. "Aoi hat mir gesagt, das Schild hätte ich angebracht, als ich etwa... 15 war."

Er lachte leise und sie betraten das schön saubere Badezimmer. Es war ziemlich groß und geräumig. Er sah Kai schüchtern an und wurde leicht rot.

"Uhm... Und wir gehen jetzt echt zusammen duschen? Nich, dass du jetzt denkst, ich will nicht, aber... Is ja auch irgendwie peinlich..."
 

Verlegen kratzte er sich am Hinterkopf. "Ano... Aber eigentlich is doch nichts dabei oder? Ich kann dir ja schlecht was abgucken und du mir auch nicht. Also is es doch eher so wie im Badehaus oder nicht?" Ja, Kai war oft dort, weil ab und an auch mal seine Dusche den Geist aufgab und ihn dann nur noch mit eiskaltem Wasser berieselte. Darauf hatte er verzichten können, weshalb er dann doch lieber das öffentliche Bad genutzt hatte.

"Aber wenn es dir unangenehm ist, dann warte ich bis du fertig bist. Ich will nicht, dass es dir peinlich ist."
 

"N-Nein. Wirklich nicht schlimm. Es ist nur so, dass ich auch noch nicht so oft im Badehaus gewesen bin. Unsere Dusche hat immer prima funktioniert.", wehrte er ab und hob verlegen beide Hände. "Ist schon okay, wenn wir zusammen duschen. Na dann..."

Er blickte Kai noch mal kurz an, ehe er die Tür von innen absperrte, damit Aoi ja auch nicht auf die Idee kam, einfach mal reinzuplatzen und zog sich dann mit roten Wangen langsam aus, bis er vollkommen nackt vor Kai stand und zu Boden sah.

"Bist du fertig?"
 

Während Uruha sich auszog, tat er es ihm gleich. Nur er hatte doch noch etwas Hemmungen, sich gänzlich vor dem anderen zu entblößen. Deshalb hatte er auch noch immer seine Boxershorts an. Außerdem fragte er sich gerade, was er nachher anziehen sollte. Er hatte überhaupt nichts hier. Alle seine Klamotten waren in seiner Wohnung, wenn man das noch so nennen konnte. Er wusste ja nicht, wie die jetzt aussah und was noch gerettet werden konnte. Ob sein Drumset den Flammen zum Opfer gefallen war? Oder hatte es das gerade so überstanden? Na ja, ändern konnte er daran sowieso nichts. Er war nur froh, dass Uruha nichts passiert war.

Und genau dieser Gedanke war es, der Kai dazu veranlasste, den anderen einfach in seine Arme zu ziehen und fest an sich zu drücken.

Die nackten Körperpartien trafen aufeinander und Kai seufzte wohlig auf, als er die Wärme des anderen spürte.
 

Ehe er es sich versehen konnte, war er auch schon in Kais Armen gelandet und blinzelte ein paarmal verwirrt. Ihre nackten Oberkörper trafen aufeinander und Uruha seufzte leise und wohlig auf. Das war ein wirklich schönes Gefühl, dem anderen so nahe sein zu dürfen und er hoffte, dass Kai ihn nicht so schnell wieder loslassen würde. Er kuschelte sich sanft an ihn heran und schnurrte leise. Kai hatte die Arme um ihn gelegt und streichelte ihn sanft und vorsichtig über den nackten Rücken bis hinunter zum Steißbein. Uruha ließ es sich gefallen und spürte plötzlich in seinem Unterleib ein leichtes Kribbeln. Entsetzt riss er die Augen auf und drehte sich rasch um. Ein Blick auf seine Körpermitte ließ ihn das Schlimmste bewahrheiten. Er war leicht erregt. Sofort stieg er in die Duschkabine ein und drehte das eiskalte Wasser auf. Er fiepte leise und seufzte erleichtert, als er spürte, wie seine Erregung zurückging und sah Kai mit geröteten Wangen an.

"Kommst du...?"
 

Der Schwarzhaarige wusste erst gar nicht, was los war, als Uruha ihn einfach stehen ließ und unter die Dusche sprang. Etwas verwirrt war er schon, denn irgendwie fand er das gerade so schön und Uruha hatte sich einfach von ihm abgewandt. Das leise Fiepen hatte er zwar mitbekommen, aber er wusste nicht so recht, was es zu bedeuten hatte.

Langsam zog er sich auch das letzte Stück Stoff aus und stieg dann in die ziemlich enge Kabine. Wie versteinert blieb er stehen, denn ihre Körper berührten sich zwangsläufig aufgrund der enormen Enge, die hier herrschte. Sofort wurde er rot, als sein Hinterteil das des anderen berührte. "Ano... es ist ganz schön eng. Meinst du nicht, wir sollten vielleicht doch einzeln duschen?"
 

"Ano... Nein, ist doch okay so. Außer natürlich, du willst unbedingt alleine duschen, dann verstehe ich das natürlich. Aber... Ich würde gerne mit dir duschen, ja?"

Aus bittenden Augen sah er seinen Freund an. Das kalte Wasser, das auf sie niederprasselte, tat sein Übriges und ließ ihn nicht wieder in eine peinliche Situation verfallen, als er sich vorsichtig an Kais Brust kuschelte und ihn ansah.

"Ich find´s nämlich schön so... Du etwa nicht?"
 

"Do...doch...", stammelte er. Und wie ihm das gefiel. Es war nur unheimlich, dass es ihm mit einem Mann gefiel. Auch wenn er schon mal mit einer Frau unter der Dusche gestanden hatte, so hatte das aber nicht das bewirkt, was es jetzt tat. Irgendwie kribbelte es überall in seinem Körper und er wurde noch einen Tuck roter im Gesicht.

Nur zögerlich legte er die Arme um Uruhas Hüften und dann auf seinem Bauch. Er wusste ja nicht, ob seinem Freund das gefiel. Er musste eh erst viele Dinge ausprobieren, bevor er sicher sein konnte, dass Uruha sie zulassen würde.
 

Zufrieden schnurrend kuschelte er sich an seinen Freund und lehnte mit dem Rücken an dessen Brust. Er genoss das eiskalte Wasser auf seiner erhitzten Brust und spürte, wie der Schmutz endlich von seiner Haut abgewaschen wurde. Es fühlte sich einfach schön an und Kais zarte Finger, die ihn am Bauch streichelten, taten ihren Teil dazu bei.

Dann drehte er sich in Kais Armen so, dass er mit dem Rücken an den Fliesen lehnte und Kai direkt ansehen konnte. Leicht rot werdend gab er ihm einen Kuss und griff dann zu dem Shampoo, um sich einzuschäumen.
 

Kai murrte leise, als Uruha sich einfach umdrehte. Eigentlich fand er das gerade eben doch wirklich sehr schön und mit einem Mal ließ er davon ab. Ein bisschen gekränkt war er deshalb schon, aber wenigstens lief Uruha nicht schreiend davon, als er ihn so berührt hatte. Und er musste sagen, dass ihm das auch sehr gefallen hatte. Diese weiche, warme Haut unter seinen Fingern spürte er auch jetzt noch. Kami-sama! Uruha brauchte unbedingt mal einen Waffenschein für seinen Körper. Irgendwie machte er ihn völlig wirr damit.
 

Während er sich einschäumte, sah er immer wieder zu Kai aus den Augenwinkeln und bemerkte, dass der andere ihn anstarrte. Er spürte, wie seine Wangen noch heißer wurden und ließ von seinem eigenen Körper ab, um näher an Kai heranzutreten und ihn süß anzusehen. Mit einem Dackelblick von allererster Klasse sah er ihm tief in die Augen, gab ihm einen kurzen Kuss und lächelte leicht.

"Sag mal... Darf ich dich einseifen, Kai?", fragte er und drückte eine große Portion Shampoo auf seine Hand. Sein eigener Körper war immer noch schaumüberzogen.
 

Klong! Wenn Kai jetzt noch nicht rot genug war, dann war er es jetzt auf jeden Fall. Es war schon süß, wie er ihn dort so ansah und ihm dann auch noch einen Kuss aufdrückte. Dagegen hatte er nun absolut gar nichts, aber... Uruha wollte ihn einseifen. Und dann wahrscheinlich auch noch am ganzen Körper.

"Na...Nani?", fragte er verwirrt. Der Kerl brachte ihn irgendwie andauernd aus dem Konzept. Egal wie. Er schaffte es immer wieder. Nur warum tat er das immer?

Er schluckte und nickte dann einfach wie von selbst. Warum er das tat, wusste er zwar nicht, aber sein Verstand hatte ihn in den letzten Tagen ja eh immer mal wieder im Stich gelassen. Also kam es jetzt auch nicht mehr darauf an.
 

"Weil ich es möchte. Ich möchte dir nahe sein.", wisperte er leise und sah ihm tief in die Augen. Dann jedoch nickte Kai und Uruhas Herz schlug ein Stückchen schneller. Vorsichtig erwärmte er die kalte Masse auf seiner Hand, ehe er sie auf Kais nackte und makellose Brust legte und vorsichtig darüber strich. Seine Augen folgten seiner Hand und er starrte wie gebannt auf die kleinen Bläschen, die sich auf Kais schaumbedeckter Brust bildeten und dann irgendwann zerplatzten. Er schluckte hart und leckte sich über die trockengewordenen Lippen. Kais Haut war so zart und weich. Er konnte einfach nicht widerstehen.
 

Wohlig seufzend genoss er diese Berührung. Anfangs schaute er genau dabei zu, was Uruha da mit ihm machte. Doch irgendwann fielen seine Augen wie von selbst zu und er lehnte sich den Berührungen entgegen. Es fühlte sich toll an, so berührt zu werden. Es war wie eine kleine Massage und er wollte auch nicht wirklich, dass sie endete.

Doch auch er wollte nicht untätig sein und hob die Hände, um sie auf Uruhas Brust zu legen und auch ihn sanft zu streicheln und den Schaum, der sich auf dessen Brust befand noch ein wenig mehr zu verteilen.

Er spürte die Wärme und wie sich der Brustkorb des anderen hob und wieder senkte. Und auch seinen Herzschlag konnte er deutlich spüren. Lächelnd öffnete er die Augen und griff mit seinen Händen nach Uruhas, die auf seinem Körper lagen. Zärtlich drückte er sie. "Dein Herz schlägt ganz schön schnell.", flüsterte er und konnte es einfach nicht lassen. Langsam beugte er sich vor und legte seine Lippen wieder auf Uruhas.
 

"Nur wegen dir...", hauchte er zurück und schloss die Augen, als sich Kais Lippen ganz zärtlich auf die seinen legten und begannen, sie zu massieren. Leise und süße Laute verließen seine Lippen, immer wieder dann, wenn Kai sich leicht von ihm zurückzog und seine Lippen den Weg zurück fanden. Es war ein atemberaubendes Gefühl, Kai so nahe sein zu dürfen und ohne, dass er es sich wirklich bewusst wurde, kuschelte sich sein gesamter Körper an Kais heran, sodass sich ihre feuchte, nackte Haut berührte. Ein leises Seufzen entwich seinen Lippen und er leckte vorsichtig über Kais Lippen, um um Einlass zu bitten.
 

Ohne zu zögern gewährte er ihm diesen, denn auch er fand es einfach unbeschreiblich schön, dem anderen so nahe sein zu können. Er fühlte die warme, feuchte Haut Uruhas an seiner Brust und legte die Arme um dessen Hüfte, um den Größeren noch näher an sich zu ziehen und so schnell nicht wieder entkommen zu lassen. Er war wie im Rausch. Alles drehte sich und in seinem Kopf herrschte totale Leere. Nur eines schwirrte da oben herum und das war Uruha. Dieser hatte nun nicht nur sein Herz für sich eingenommen, sondern ihm nun auch noch den Verstand geraubt. Aber er konnte es ihm ja auch überhaupt nicht verübeln. Warum sollte er auch? Es war doch ein tolles Gefühl und es sollte niemals enden.

Doch als sich auch ihre unteren Körperhälften berührten, durchzuckte ihn ein regelrechter Stromschlag und er musste in den Kuss keuchen.
 

Schnurrend kuschelte er sich ganz fest an seinen nun festen Freund und schlang die Arme um seinen Nacken. Er drängte sich noch ein bisschen enger an ihn heran und keuchte ebenfalls leise auf, als sich ihre Körpermitten berührten und blickte Kai aus geröteten Wangen an. Was sollte er denn jetzt machen? So richtig bereit für so etwas Intimes war er noch nicht. Er wollte lieber noch etwas warten. Entschuldigend blickte er ihn an.

"Ano... Das geht mir ein bissen zu schnell... Gomen nasai..."
 

Die Wangen des Schwarzhaarigen glühten, als er Uruhas Worten lauschte. Erst wusste er nicht, wie er das zu verstehen hatte, doch dann dämmerte es ihm und er ließ ihn sofort los. Abwehrend hielt er die Hände hoch und schaute verlegen zur Seite. "Go...gomen ne... Das... das wollte ich nicht.", stotterte er leise vor sich hin. Schnell drehte er Uruha den Rücken zu, um nicht doch wieder in die Versuchung zu kommen. Auch ihm ging es etwas zu schnell, aber er wollte auch wirklich nicht, dass Uruha von ihm dachte, er würde sich ihm aufdrängen oder so. Nein. Er wollte es ganz ruhig angehen. Es war doch alles so verdammt neu für ihn.

"Ich werd dann schon mal..."
 

Sofort hielt er ihn fest und drehte ihn wieder zu sich herum. Zärtlich küsste er ihn, während er ihm über die Wange strich und sich dann löste. Ein leiser Seufzer verließ seine Lippen und er drehte das Wasser wieder auf.

"Du kannst doch nicht einfach aus der Dusche gehen, ohne dich abzuwaschen. Du bist noch voller Schaum.", murmelte er leise, während er dabei zusah, wie der Schaum von Kais Brust glitt. "Mir geht das nur wirklich ein bisschen schnell. Ich bin gerne bei dir und liebe es, von dir berührt zu werden, aber... Das eben war doch eine Nummer zu groß für mich. Tut mir leid..."

Liebevoll sah er ihn an.
 

Stumm nickte er nur und drehte dann verlegen den Kopf wieder zur Seite. Uruha hatte ja recht, aber irgendwie hatte es ihm auch unglaublich gut gefallen. Diese Berührung war unglaublich. Wenn er daran dachte, fuhr es ihm heiß und kalt gleichzeitig durch den Körper und es kribbelte angenehm. Aber wenn es zu schnell ging, dann würde er das auch nicht wieder tun. Er wollte Uruha zu nichts zwingen. Nein. Wirklich nicht.

"Schon okay. Ich... hab das nicht mit Absicht gemacht.", murmelte er und wusch sich den restlichen Schaum vom Körper, eher er aus die Dusche trat. Verwirrt schaute er sich um. Hier draußen war es doch etwas kühl und er wusste auch nicht, wo die Handtücher lagen. So schlang er bibbernd die Arme um seinen Körper und wartete darauf, dass Uruha ebenfalls aus der Kabine kam.
 

"Weiß ich doch, dass du das nicht mit Absicht gemacht hast. Ich bin dir ja auch nicht böse. Ich hab´s ja nur mal gesagt.", seufzte er leise und stieg hinter Kai aus der Dusche heraus.

Dann nahm er zwei flauschige Handtücher vom Haken, gab Kai eines und wickelte sich selbst in ein anderes, das, wie sollte es auch anders sein, lila war. Dann kuschelte er sich an Kai und gab ihm einen süßen Kuss.

"Nun schau doch nicht so traurig. Ich bin dir doch nicht böse."
 

Er nickte nur und trocknete sich dann ab. Das Handtuch legte er sich dann um die Hüfte und schaute Uruha aus großen Kulleraugen an. "Ano... Hättest du vielleicht was für mich zum Anziehen?", fragte er verlegen. "Ich hab ja nichts hier und weiß ja noch nicht einmal, ob ich überhaupt noch etwas besitze." Er seufzte und lehnte den Kopf niedergeschlagen gegen Uruhas Brust. Irgendwie hatte er sich das alles anders vorgestellt. Nun stand er bei Uruha im Badezimmer und bemitleidete sich selbst. In seinem Leben ging es also mal wieder drunter und drüber. Toll. Konnte es nicht ein einziges Mal so laufen, wie es sollte oder er es sich erhoffte?
 

"Ano... Hai, hab ich. Wenn´s dir nichts ausmacht, dass du einen lilafarbene Schlafanzug anziehen musst. Die anderen sind gerade alle in der Wäsche. Dann nehm ich mir mein Schlafshirt.", er lächelte lieb und strich Kai über den Kopf. "Und mach dir keine Gedanken. Morgen gehen wir beide dann mal gucken, ob wir ins Haus rein dürfen und dann holen wir ein paar Sachen, okay?"

Und schon zog er Kai mit sich aus dem Bad in sein Zimmer. Dort schloss er die Tür hinter sich, stieg über die ganzen Sachen, die auf dem Boden herumlagen und griff nach dem Schlafanzug. Den drückte er Kai in die Hand, watete zu seinem Schrank, aus welchem er ein übergroßes Schlafshirt zog und zog es sich über.
 

Etwas entsetzt stellte er fest, dass wirklich fast alles in Uruhas Nähe einem Lila-Fimmel unterlag. Seufzend nahm er den Schlafanzug entgegen und löste das Handtuch von seinen Hüften. Nur zögerlich stieg er hinein, denn das Lila war nicht unbedingt seine Farbe. Nein. Ganz und gar nicht. Deshalb beließ er es auch lieber nur bei der Hose und reichte Uruha das Oberteil wieder. "Ano... Das Lila reicht mir schon.", grinste er verschmitzt. Noch mehr davon und er würde im Erdboden versinken. Die Farbe war absolut nichts für ihn. Aber was wollte er machen. Nackt wollte er nun wirklich nicht schlafen und schon gar nicht durch die Wohnung rennen.

Dann seufzte er. "Ist es denn auch wirklich in Ordnung, wenn ich hier bleibe?"
 

Leicht beleidigt nahm er sein Oberteil zurück und zog eine Schnute. Kai mochte also lila nicht. Und ihm sagte er noch dauernd, dass lila ihm wirklich gut stand. Toll. Stand ihm eine Farbe, die Kai gar nicht mochte? Sollte er das für ein Kompliment halten? Wenn ja, dann war es ein schlechtes.

Seufzend warf er das Oberteil einfach in irgendeine Ecke und ließ sich aufs Bett fallen. Er schlug seine violette Satinbettdecke weg und klopfte auffordernd neben sich. Immer noch schmollte er.

"Na komm. Ich bin müde."
 

Mit dem anderen stimmte doch irgendwas nicht. Warum feuerte er den Rest des Schlafanzuges einfach in irgendeine Ecke und zog dann auch noch so ein Gesicht? Hatte er schon wieder einen Fehler gemacht? Oder etwas Falsches gesagt? So richtig stieg er nicht dahinter. Aber er wusste, dass etwas nicht stimmte.

Seufzend trat er näher. Dabei musste er erst einmal über bergeweise Klamotten waten und dann auch noch ein paar anderen Dingen ausweichen. Uruha würde unbedingt mal Ordnung schaffen müssen. Das sah ja aus wie bei Hempels unterm Sofa. Kopfschüttelnd und breit grinsend ließ er sich neben ihm aufs Bett nieder und drückte ihm erst einmal einen dicken Kuss auf die Wange.
 

Immer noch leicht beleidigt zog er eine Schnute erster Klasse und blickte seinen Freund an. Die Arme verschränkt lag er auf der Seite neben Kai und blickte ihm fest in die Augen. Er selbst trug sein lilanes Schlafshirt und wollte jetzt unbedingt mal wissen, was Kai gegen seine Lieblingsfarbe einzuwenden hatte. Die war doch wohl total schön. Also wieso gab er ihm dann sein Oberteil wieder?

"Wieso willst du dir mein Oberteil nicht anziehen? Es ist kalt nachts in meinem Zimmer.", murmelte er leise.
 

Kai grinste daraufhin breit und konnte es nicht lassen, Uruhas Nase mit der seinen anzustupsen. "Aber wenn du neben mir liegst, dann wird mir eh schon heiß genug. Also frieren werde ich bestimmt nicht." Und wieder drückte er ihm einen Kuss auf. Dieses Mal allerdings auf die Nase. "Und nun ab ins Bett. Mein kleiner Schatz ist doch müde.", kicherte er und schlang die Arme um Uruha. Mit einem leichten Ruck lagen sie nun nebeneinander auf dem Bett und schauten sich tief in die Augen. Zärtlich streichelte Kai seinem Freund über die Wange.
 

Mit dieser Antwort wollte er sich eigentlich gar nicht zufrieden geben, aber Kai ließ ihm keine Chance, zu protestieren und schon lag Uruha in Kais Armen auf dem Bett und ließ sich dessen Streicheleinheiten gefallen. Sehr gefallen sogar. Schnurrend schmiegte er sich an den anderen, bettete seinen Kopf auf Kais Brust und lächelte sanft.

"Ich bin nicht klein. Du bist viel kleiner als ich. Und Ruki is sogar noch viel kleiner. Selbst Onii-San ist kleiner. Ich bin der große Uruha.", kicherte er leise und sah Kai tief in die Augen.
 

Der Schwarzhaarige schmunzelte und stupste abermals Uruhas Nase an. "Ja, ja, du bist der Größte und machst dafür auch die meisten Sorgen.", erinnerte er ihn an die vergangenen Wochen, in denen Uruha wirklich nur das Unglück angezogen hatte. Vor ein paar Stunden hatte er dieses auch mal wieder unter Beweis gestellt. "Du bist echt ein verdammt großer Pechvogel. Ist dir eigentlich auch schon mal was Gutes wiederfahren? Etwas, womit du auch mal Glück hattest. Irgendwie muss da ja mal nen Ausgleich kommen. Kannst ja nicht den Rest deines Lebens nur vom Pech verfolgt sein. Dann hätt ich nämlich ganz schön viel zu tun und sollte eventuell meinen alten Job an den Nagel hängen. Dann werd ich dein Babysitter.", kicherte er.
 

Kais Worte verletzten ihn leicht und er blickte auf dessen Brust. Was konnte er denn dafür, wenn er nicht viel Glück im Leben hatte? Was konnte er dafür, wenn ihm immer irgendetwas im Wege stand? Erst machte ihm irgendein Freund seiner Mutter das Leben schwer, dann musste er sich mit Aoi alleine durch die Weltgeschichte kämpfen, dann wurde er auch noch niedergeschlagen und beinahe verbrannt. Er konnte doch nun wirklich nichts dafür.

"Ich hab nur zweimal Glück in meinem Leben gehabt.", wisperte er. "Das erste Mal, als mich mein Bruder aus dieser schrecklichen Familie gerettet hat und sich um mich gekümmert hat und dann, als ich dich kennen gelernt habe... Sonst noch nie..."
 

Stirnrunzelnd musterte er ihn. Das hatte er jetzt nämlich nicht so wirklich verstanden. Wie meinte Uruha denn das jetzt? "Ano... schreckliche Familie?", hakte er nach. Das kam ihm schon etwas Spanisch vor. Er dachte, Uruha würde sich an nichts erinnern. Zumindest noch nicht. Woher...

Liebevoll nahm er ihn fest in den Arm und drückte ihn an sich.

Eine Hand strich dabei über Uruhas Rücken und die andere hielt seinen Kopf leicht gegen Kais Brust gedrückt. "Wenn du jemanden zum Reden brauchst, sag es mir. Ich werd immer für dich da sein, Ruha. Wirklich immer. Ich liebe dich doch." Und da rutschten ihm doch einfach so diese Worte heraus. Allerdings hatte er es noch nicht einmal bemerkt.
 

Sofort verkrampfte sich Uruhas ganzer Körper und er glaubte wirklich, sich verhört zu haben. Hatte er das richtig verstanden? Kai liebte ihn? Er hatte es wirklich gesagt? Ganz im Ernst jetzt?

Sofort traten ihm die Tränen in die Augen und er verkrampfte seine Finger in Kais Oberarme. Sein Gesicht presste er an Kais Brust und sogleich erzitterte sein gesamter Körper, als er anfing, heftig zu schluchzen. Kai hatte es wirklich gesagt. Er liebte ihn. Er liebte ihn wirklich. Das war viel zu schön, um wahr zu sein.
 

"Hey. Was ist los, Kou?" Er spürte, dass Uruha zitterte und hörte, dass er schluchzte. Was war denn nun los? Scheinbar musste es eine wirklich schreckliche Familie gewesen sein, aus der Aoi ihn da herausgeholt hatte. Dafür würde er sich auf jeden Fall bei dem Älteren bedanken. Auch wenn er nicht genau wusste, was damals scheinbar passiert war.

"Kou...", hakte er nach, als noch immer nur das Schluchzen zu hören war und Uruhas Körper immer noch zitterte. Auch die Hände an seinen Schultern spürte er merklich, denn sie krallten sich ziemlich hart in das weiche Fleisch. "Kou, sag was? Hab ich was falsch gemacht? Wenn ja, dann sag es mir. Ich will nicht, dass du wegen mir weinst. Bitte."
 

Seine Fingernägel hinterließen leicht rote Striemen auf Kais Schultern und er krallte sich immer noch weiter an den anderen. Er wollte ihm nicht wehtun, aber er konnte auch nicht anders. Uruha brauchte gerade einfach Halt und den konnte ihm gerade nur Kai geben und Kai war auch hier und hielt ihn fest.

"Du... Du hast... Gesagt... Du liebst mich...", hickste er und blickte Kai aus tränenverschmierten Augen an. "Stimmt... Das?"
 

Kai musste erst einmal blinzeln und schluckte dann. Hai, das hatte er wohl gesagt und dann meinte er das auch so, also warum weinte er dann? War es denn so schlimm, dass er es gesagt hatte?

"Ano... ist das etwa schlimm? Ich dachte, du wolltest es so gerne hören.", wisperte er und wischte ihm ein paar der Tränen aus dem Gesicht. "Hai, ich meine es wirklich so, wie ich es gesagt habe. Warum auch nicht? Du bist mir der wichtigste Mensch auf der Welt und ich möchte dich auch für nichts auf der Welt wieder hergeben. Darf ich dann nicht sagen, dass ich dich liebe?", fragte er etwas verwirrt. "Und damit du es mir glaubst, werd ich es dir so oft sagen, wie du möchtest." Er gab ihm einen Kuss auf die Stirn und legte danach seine dagegen. "Aishiteru, Kou-chan.", hauchte er ihm zu.
 

"Aishiteru mo, Yutaka-Chan... Aishiteru mo...", wisperte er vollkommen aufgelöst zurück und kuschelte sich so eng an ihn, wie er nur konnte. Er hatte die Hoffnung, Kai würde ihm jemals seine Liebe gestehen, beinahe schon aufgegeben und nun hatte er es ihm doch gesagt. Gab es etwas Schöneres? Nein, gab es nicht. Das war der schönste Augenblick seines Lebens. Also hatte er doch mal Glück in seinem Leben. Verdammt großes Glück sogar.

"Du bist der wichtigste Mensch in meinem Leben, Kai-Chan. Ich liebe dich über alles und ich werde dich niemals im Stich lassen. Niemals."
 

Er lächelte und gab ihm einen süßen Kuss auf die Lippen. "Das freut mich zu hören. Mir geht es genauso, aber... lass uns jetzt lieber schlafen. Es ist schon verdammt spät geworden.", wisperte er und drückte ihn noch ein Stück näher an sich.

"Schlaf gut, Kou... Und träum süß." Dann kuschelte er sich tief in die Kissen und stellte fest, dass hier alles nach seinem Freund roch. Und das war ein schönes Gefühl. Nun konnte er endlich mal sehen, wie Uruha so lebte. Obwohl hausen es wohl eher treffen würde. das mit der Ordnung würde er ihm wohl noch schonend eintrichtern müssen. Aber sie standen ja erst am Anfang ihrer Beziehung. Da würde noch so viel Zeit vor ihnen liegen, dass das eh nur einen minimalen Bruchteil ausmachte.

Sanft streichelte er ihm über den Rücken. "Oyasumi nasai, mein Schatz."
 

"Oyasumi nasai, mein süßer Schatz. Träum schon. Ich werd sicherlich schön träumen. Und zwar von dir.", hauchte er leise in Kais Ohr, ehe er sich zurück in sein riesiges Kissen sinken ließ, sich eng an Kai heran kuschelte und die Augen schloss. Es dauerte zwar etwas länger als sonst, aber er schlief friedlich in Kais Armen ein und träumte diesmal auch nicht schlecht. Er fühlte sich viel zu wohl in Kais Nähe. Schnurrend schlief er an Kais Seite geschmiegt, bis...

Bis am nächsten Morgen jemand plötzlich die Vorhänge an seinem Fenster zurückzog und ihnen die Decke frecher weise einfach von den aneinandergeschmiegten Körpern wegzog. Murrend rollte er sich noch mehr ein, da ihm ziemlich kalt wurde und öffnete ein Auge. Aoi stand grinsend vor ihnen.

"Ich hab Frühstück gemacht! Aufstehen!", trällerte er.

Uruha stöhnte leise.
 

Kai zögerte nicht lange und zückte eines der Kissen, die unter seinem Kopf lag. Mit einem gezielten Wurf in die Richtung, aus der dieser entsetzliche Morgengruß kam, traf er den anderen auch direkt im Gesicht. Genau das hatte er gewollt. Und für einen Augenblick herrschte auch wieder Ruhe.

Liebevoll legte er wieder den Arm um Uruha und zog ihn an sich. Dort bekam er wenigstens noch ein bisschen Wärme und er hatte noch nicht wirklich vor, schon aufzustehen. Auch wenn Aoi sich die Mühe gemacht hatte und ihnen ein Frühstück zauberte. Nichts ging über die Nähe zu seinem Freund und auf Aufstehen hatte auch Uruha scheinbar keine Lust.

"Dann guten Hunger.", knurrte er dem anderen entgegen. "Wir halten dich nicht vom Frühstück ab."
 

Leicht entsetzt sah er mit an, wie Kai seinem großen Bruder ein Kissen ins Gesicht schleuderte. Seit wann war er denn gegenüber Älteren so frech? Kai war doch sonst immer der respektvolle Mensch, der niemals frech zu anderen war. Aber jetzt... Er konnte ihn gut verstehen. Aoi war wirklich lieb und nett, aber das ging wirklich langsam zu weit. Hatte Aoi denn nicht gemerkt, dass sie alleine sein wollten?

"Hey! Ich hab mir voll Mühe gegeben! Sei nicht so frech zu mir, Kai!", knurrte der Ältere und warf das Kissen zurück. "Kommst du wenigstens mit, Kou?"

"Ano, ich...."

"Ach, vergiss es!"

Und schon war Aoi hinaus gestapft und knallte die Tür zu. Uruha zuckte leicht zusammen.
 

"Ups.", murmelte der Schwarzhaarige in sein Kissen, das er soeben mit voller Wucht zurück ins Gesicht bekam. Seufzend legte er es beiseite und schaute Uruha aus noch ziemlich kleinen Augen an. "Ano... Lass uns lieber aufstehen. Ich will keinen Zoff mit deinem Bruder. Und wenn er schon Frühstück macht, müssen wir das doch ausnutzen, oder?" Obwohl er natürlich lieber liegen geblieben wäre und noch ein bisschen mit Uruha gekuschelt hätte. Aber man konnte eben nicht alles haben.

Dann näherte er sich Uruhas Gesicht und küsste ihn. "Ohayou, Kou..."
 

"Ohayou...", nuschelte er zurück und schmiegte sich an den anderen. Dann nickte er und setzte sich zusammen mit seinem Schatz auf und lehnte sich noch todmüde an ihn. "Hast du gut geschlafen? Ich ziemlich gut. Du hast die ganze Zeit in meinen Träumen herum gespukt. Das war schön."

Er gab ihm einen kleinen Kuss auf die Wange, stand dann auf und reckte sich. Das Schlafshirt rutschte dabei leicht hoch und entblößte einen Großteil seiner langen Beine, ehe es, als er die Arme wieder sinken ließ, wieder zurück bis knapp zu seinen Knien rutschte.

"Kommst du?"
 

Fast wäre ihm die Kinnlade bis zum Boden heruntergeklappt. Musste Uruha auch schon am frühen Morgen versuchen, ihn zu verführen? Okay, vielleicht hatte er das aber auch unbeabsichtigt getan, dennoch war der Anblick, den er ihm da gerade geboten hatte, alles andere als unschuldig. Das gehörte verboten. Und er hatte wieder einmal festgestellt, dass dieser verdammt hübsche Kerl einen Waffenschein für sich brauchte. Anders konnte er es sich nicht erklären.

Mit roten Wangen und gesenktem Blick nickte er. "Hai... Hab schon lange nicht mehr so gut geschlafen. Aber es war doch ganz schön eng in dem kleinen Bett." Er hielt sich ein wenig den Rücken.
 

"Ehrlich? So schlimm? Soll ich dich mal massieren, mein Schatz? Ich will ja nicht, dass du leidest."

Er grinste leicht und hockte sich nun hinter Kai. Seinen Oberkörper schmiegte er leicht an Kais unbekleideten Rücken und begann nun damit, Kais Schultern entlang sanft zu massieren. Immer wieder übte er leichten Druck auf die beanspruchten Schultern aus und wanderte dann mit seinen Händen an Kais Rücken hinab und massierte ihn auch dort.

"Gut so?", hauchte er ihm leise ins Ohr hinein.
 

Nur ein Keuchen entwich seinen Lippen, als Uruha ihn sogleich massierte. Das war toll. Einfach sagenhaft. "Hai... Sehr gut...", hauchte er und entspannte sich merklich unter den warmen, geschickten Fingern seines Freundes.

Immer wieder seufzte er oder entließ ein leises Keuchen. Er genoss es sichtlich und am liebsten hätte er, dass Uruha niemals wieder damit aufhörte.

"Das ist fantastisch....", murmelte er.
 

Uruha wurde leicht rot. Kais Keuchen machte ihn irgendwie an und er blickte einfach nur stur geradeaus auf Kais Rücken und versuchte, die erotischen Laute Kais einfach zu überhören. War aber leichter gesagt, als getan und so schaffte es Uruha einfach nicht. Deswegen hörte er auch schon frühzeitig wieder auf mit seiner kleinen Massage und stand wieder auf. Nervös zupfte er sich sein Shirt zurecht.

"Aoi wartet mit dem Essen..."
 

Kai murrte, als Uruha sich wieder von ihm löste. Die Augen hatte er noch immer geschlossen und sein Körper war völlig entspannt. Er hätte hier ruhig noch Stunden sitzen können und sich massieren lassen. Uruha hatte wirklich geschickte Finger. Das musste er ihm lassen. Und er hoffte inständig, dass das hier nicht die letzte Massage war, die er von ihm bekommen hatte.

Völlig relaxt stand er auf und ging Uruha nach in die Küche. Es duftete bereits im Flur herrlich nach Kaffee und Aoi schien sich wirklich verdammt viel Mühe gemacht zu haben. Er hatte ordentlich aufgetischt.

"Das sieht lecker aus, Aoi-sama."
 

Kai war entspannt, Uruha war angespannt. Aber so richtig. Wie konnte Kai es wagen, solche Laute wegen einer kleinen Massage zu machen? Wusste er nicht, welche Auswirkungen das auf Uruha hatte? Anscheinend ja nicht, denn Kai ging ganz normal zu Aoi in die Küche und machte ihm sogar noch Komplimente. Was war denn jetzt los? Hatte er was verpasst? Aoi war auch leicht perplex, doch er bedankte sich artig und alle setzten sich. Aoi schüttete Kai und sich Kaffee ein, während er Uruha einen heißen Kakao gab. Er wusste, dass sein kleiner Bruder keinen Kaffee mochte. Dann verteilte er die Brötchen an alle und grinste in die Runde.

"Itadakimasu!"

Uruha jedoch hatte keinen wirklichen Hunger und starrte auf seinen Teller.
 

Verwundert darüber, dass Uruha nicht ein bisschen anrührte und auch auf seine mehrmaligen Ansprechversuche nicht reagierte, kniff er ihm in die Wange und grinste ihn an. "Hey, du Schnarchnase! Am Essenstisch wird nicht gepennt. Iss lieber was.", lachte der Älteste in der Runde.

Kai schaute nur von der Seite zu Uruha, der sich maulend die Wange rieb. Man merkte deutlich, dass die beiden sich mochten und dass sie Brüder waren, bezweifelte er nun wirklich nicht mehr. In vielerlei Hinsicht waren die beiden sich verdammt ähnlich.

Dann lachte er, als Uruha unterm Tisch hindurch gegen Aois Schienbein trat, weil er es nicht lassen konnte und Uruha wieder mit einem Spruch ärgern musste. "Du sollst essen und nicht irgendwelchen Schweinkram mit Kai am Frühstückstisch durchgehen. Der is auch lieb und isst brav sein Brötchen." Danach folgte der Schmerzensschrei Aois, verursacht durch eine deftigen Tritt Uruhas.
 

"Wenn du deine Klappe nicht langsam mal hältst, Onii-San, dann tret ich dir dahin, wo es richtig wehtut und dann wirst du nie wieder Schweinkram machen können.", fauchte die Wildkatze namens Uruha und verschränkte die Arme beleidigt vor der Brust. "Ich hab bloß nicht so großen Appetit. Wirklich nicht."

"Droh mir nicht, Kleiner. Ich bin viel erfahrener als du. Ich weiß, welches Gesicht zu ziehst, wenn du an Schweinkram denkst und genauso guckst du gerade."

Uruha wurde knallrot und sah auf seinen immer noch leeren Teller. Er hatte seinen Onii-San wirklich verdammt lieb, aber manchmal wollte er ihm einfach nur den Hals umdrehen.
 

Jetzt wurde es aber auch ihm zu bunt. Aoi hatte nicht das Recht, über seinen Freund so etwas zu sagen. Doch so richtig wusste er nicht, was er davon halten sollte. Also versuchte er es auf die neutrale Tour.

"Jungs, hört auf, euch hier wie Kleinkinder zu benehmen. Wir sind erwachsene Menschen, also führt euch auch demensprechend auf. Sonst endet das hier nachher noch in einem unnötigen Kleinkrieg. Und das wollen wir nicht."

Lächelnd schenkte er also Aoi noch eine Tasse Kaffee ein, während er Uruha einfach eine Hälfte seines Marmeladenbrötchens auf den Teller legte. Damit sollte die Diskussion doch jetzt beendet sein, oder?

Ob er sich da mal nicht getäuscht hatte? Die beiden Brüder waren ein Herz und eine Seele, aber wenn sie sich so schon begegneten, dann konnte das auch mal in einer ordentliche Katastrophe enden, wo es dann auch schon zu Türknallen und tagelangem Ignorieren des anderen kommen konnte. Aber das wusste er ja nicht. Diese Seiten musste er erst noch an den beiden Brüdern kennen lernen.
 

"Misch dich mal bitte nicht ein, Kai-Chan. Das ist eine Sache zwischen mir und Onii-San und die klären wir alleine. Nicht wahr?", hauchte Uruha zuckersüß und sah seinen Bruder an, jedoch konnte man genau erkennen, wie es unter seiner ruhigen Fassade zu brodeln begann. Er war auf hundertachtzig. Wirklich tierisch sauer. Aoi blamierte ihn hier gerade vor Kai und merkte es anscheinend nicht mal.

"Ach, sei nicht immer so miesepetrig, Kleiner. Ich sag doch nur die Wahrheit. Unter deinem knappen Hemdchen kann ich doch deine Beule erkennen. Was habt ihr die Nacht über getrieben, huh? Ihr ward echt leise, ich hab nichts gehört. Du bist doch sonst nicht so still, Kou-Chan.", stichelte Aoi weiter. Dann jedoch wurde es Uruha zu bunt. Er sprang auf und sah seinen Bruder wütend an.

"Halt endlich die Klappe, Aoi! Unser Liebesleben geht dich doch einen Scheißdreck an! Lass mich einfach in Ruhe, okay?"

Und schon war er aus der Küche gerannt und in sein Zimmer geflüchtet. Wie konnte Aoi es wagen, ihn so vor Kai zu blamieren?!
 

Geschockt schaute er Uruha hinterher, wie dieser die Küche fluchtartig verließ, nachdem er seinen Bruder noch einmal ordentlich über den Mund gefahren war.

Ah ja, so war das also, wenn man einen älteren Bruder hatte. Na ja, nicht wirklich wünschenswert, wenn man sich das so recht überlegte. Irgendwie schien das nicht unbedingt ein Traumjob zu sein. Und kleiner Bruder schien auch nicht besser zu laufen. Und wieder einmal war er doch froh, dass er das Glück eines älteren Bruders oder gar eines jüngeren dieser Sorte nicht hatte.

"Aoi-sama?", fragte er. "Ist das bei euch immer so? Oder machst du das extra, weil ich da bin? Uruha hat dir doch gar nichts getan. Warum musst du ihn mit so etwas aufziehen? Irgendwie find ich das echt kindisch von dir. Da fragt man sich doch, wer hier der Erwachsenere ist." Mit diesen Worten stand er auf, räumte sein Geschirr weg und ging dann zu Uruha. Leise klopfte er an der Tür.
 

"Ich natürlich. Was denkst du denn? Aber Kou ist einfach viel zu verbohrt. Er lässt wirklich kaum jemanden an sich ran und so langsam mache ich mir Sorgen. Ich mein, der Junge is 22. Eigentlich schon gar kein Junge mehr. Also wieso ist er dann so verdammt schüchtern, kannst du mir das mal verraten? Er hat gar keinen Grund dazu. Er hat so einen tollen Freund wie dich. Er sollte sich auf dich stürzen und dir richtig beweisen, wie sehr er dich liebt.", murmelte Aoi leise. "Ich hab´s nicht böse gemeint."

Uruha lag derweil auf seinem Bett und krallte sich in sein Bettlaken. Das war alles nicht wahr. Das hatte Aoi nicht getan. Er hatte ihn jetzt nicht so vor Kai blamiert. Aber was nützte es, sich alles schön zu reden? Es war so. Kai musste jetzt ja sonst was von ihm denken.

Missunderstanding

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Pain and sorrow

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Sure?

"Ob ich sie brauche oder nicht, entscheide immer noch ich... Verstanden? Ich will, dass du wenigstens die Decke nimmst. Okay?", aber Kai reagierte nicht und beteuerte ihm nur wieder, dass er es nicht wert wäre und Uruha sich in die Decke kuscheln solle. So langsam konnte er wirklich nicht mehr. Kai saß hier nur halbnackt und wollte sich einfach nicht helfen lassen. Wenn Kai sich wegen ihm eine Grippe einfangen würde, würde er sich das nicht verzeihen. Seine Angst für einen kurzen Augenblick überwindend, schritt er auf Kai zu, ließ sich zwischen dessen Beine sinken, lehnte sich an ihn und legte die Decke über sie beide. Sein Körper bebte vor unterdrückter Angst, aber er wich keinen Zentimeter von Kais kaltem Körper weg. "Dann wärme ich dich eben..."
 

Kai wurde rot und auch er zitterte stärker. Er überlegte, was es Uruha an Überwindung kosten musste, dass er sich ihm so sehr näherte. "Ruha-chan... Du musst das nicht tun. Wirklich. Ich will nicht, dass du noch mehr leidest. Und ich weiß, dass du das tust. Du zitterst am ganzen Körper. Tu dir das nicht an. Nicht wegen mir.", wisperte er und er spürte, wie die Wärme des Größeren langsam auf seinen Körper überging. Es fühlte sich schön an, aber es war ihm unangenehm, dass der andere wegen ihm solche Ängste hatte und sich das auch noch freiwillig antat.

"Bitte, Ruha... Ich will dich nicht noch mehr leiden sehen wegen mir."
 

Obwohl Uruhas Körper immer noch heftig zitterte, wich er keinen einzigen Zentimeter zurück. Kai fror unendlich, das spürte er und so konnte er gar nicht anders, als sein Gesicht an Kais Brust zu drücken und seine Hände neben seinem Kopf abzulegen. Ein leises Winseln verließ seine Kehle. Uruha hatte Angst. Wirklich Angst, dass Kai ihn gleich umwerfen und noch einmal so wehtun würde. Aber nichts dergleichen geschah. Uruhas zusammengepresste Augen lockerten sich mit jeder verstrichenen Minute und auch sein Körper zitterte nicht mehr so heftig. Die Angst blieb trotzdem.

Er sagte nichts, sondern ließ Kais Nähe still über sich ergehen, ertrug sie eigentlich nur, weil er Kai nicht frieren lassen wollte. Sagen tat er allerdings immer noch nichts.
 

Uruhas Schweigen und sein Zittern taten ihm mehr weh, als wenn er ihn jetzt einfach eiskalt hätte abserviert. Das hätte er eher ertragen können. Aber nein, Uruha musste es ihm noch schwerer machen. Gut, eigentlich hatte er diese Qualen doch auch sowas von verdient. Also schwieg er. Allerdings rührte er sich auch nicht. Eine falsche Bewegung und Uruha hätte ihn vermutlich noch mehr gehasst.

"Ano... Darf... darf ich dich in den Arm nehmen?", fragte er zögerlich. "Ich mach auch nichts. Ich versprech es. Aber du frierst scheinbar immer noch und ich möchte dich wärmen, so wie du es für mich tust."
 

Uruha stockte. Kai wollte ihn in den Arm nehmen? Hatte er das eben wirklich gesagt? Wollte er ihn etwa noch mehr quälen als ohnehin schon? Die Welt war so verdammt ungerecht. Bei so einer lieb gestellten Frage konnte er doch gar nicht anders, als zuzustimmen. Kai hatte ihn voll und ganz unter seiner Kontrolle. Und Uruha wusste einfach nicht, wie er sich ihm entziehen konnte. Es ging einfach nicht. Uruha war von Kai abhängig.

"H-Hai, aber... Vorsichtig... Sonst geh ich gleich wieder...", wisperte er.
 

Kai nickte. Nur sehr vorsichtig legte er die Arme um ihn. Gerade so, als könnte Uruha zerbrechen.

"Ich will dir nie wieder weh tun. Niemals mehr.", hauchte er und schloss die Augen, während der Größere nun in seinen Armen lag. Sanft streichelte er ihn. Aber nur so, dass es nichts von Bedeutung wäre. Obwohl er auch hier sehr viel Gefühl hineinlegte. Es war doch eh das allerletzte Mal, dass er ihm so nah sein konnte.

Er legte den Kopf in den Nacken und plötzlich bebte sein Körper. Wieder einmal weinte er und versuchte, die Tränen einfach zu unterdrücken, doch es ging nicht. Sie liefen und liefen und hörten einfach nicht auf. Er verfluchte sich selbst für das, was er getan hatte.
 

Wie unter Strom zuckte er mal wieder zusammen, als Kai die Arme um ihn legte und auch noch anfing, ihn hauchzart zu streicheln. Kai hatte ihm doch aber versprochen, nichts zu tun, was er nicht wollte. Und er hatte doch bloß erlaubt, dass Kai ihn umarmen durfte. Von streicheln war nie die Rede gewesen. Aber was sollte er denn nun machen?

"N-Nicht, Kai... Hör auf damit... Nur umarmen, hab ich gesagt und... Und hör auf zu weinen, ja? Bitte..."
 

Sofort hielt er in der Bewegung inne. "Go...gomen nasai...", stammelte er. Doch die Tränen konnte er einfach nicht abstellen. Es ging einfach nicht. Es wurden nur immer mehr, je mehr er versuchte, sie zu unterdrücken.

"Ich hab alles kaputt gemacht...", wisperte er und schluchzte immer wieder. Sein Körper beruhigte sich einfach nicht. "Lass mir wenigstens die Tränen. Bitte.", bat er leise. Wenigstens die wollte er vergießen dürfen, denn er hatte den größten Fehler seines Lebens gemacht.

"Ich brauche sie, wenn ich schon meiner großen Liebe leb wohl sagen muss. Bitte..."
 

Kais Worte verletzten ihn zutiefst. Er war Kais große Liebe? Womit hatte er das verdient? Er war doch schuld an dem ganzen Schlamassel. Er war schuld, dass Kai ihn beinahe vergewaltigt hatte. Er alleine. Kai war nur ausgetickt, weil er provoziert worden war. Es war nicht Kais Schuld gewesen. Nur Uruhas. Uruhas ganz alleine. Nur er trug Schuld daran. Kai durfte nicht wegen ihm weinen.

Ganz vorsichtig hob er den Kopf und hauchte einen so zarten Kuss auf Kais Wange, dass er kaum zu spüren war, aber er war da. Sofort färbten sich Uruhas Wangen rot.

"Gomen nasai..."
 

Seine Augen weiteten sich, als er die hauchzarte Berührung an seiner Wange spürte. Wie von selbst wanderte eine Hand an die Stelle, die er eben berührt hatte. Sein Finger strichen darüber und seine Augen starrten direkt in Uruhas Gesicht. Sie waren tränenverschmiert und bereits rot geschwollen. Und jetzt wusste er wirklich nicht mehr, was er denken sollte.

Es war alles zu viel und nun gab sein Körper einfach nach und er sackte zusammen. Alles um ihn herum wurde schwarz und er vernahm nichts mehr. Seine Welt war in Finsternis versunken.
 

Uruha spürte plötzlich, wie Kai in seinen Armen zusammensackte und dessen Hände von seinem Rücken fielen. Erschrocken riss er die Augen auf und sah, dass Kais Augen geschlossen waren und er sich nicht mehr regte. Sofort überkam ihn die Angst um Kai und er klopfte ihm vorsichtig auf die Wange.

"Kai? Kai-Chan? Hörst du mich? Mach die Augen wieder auf!"

Doch Kai reagierte nicht und in Uruha erwachte die Panik. Was, wenn Kai irgendetwas Schlimmes hatte? Und einfach nicht mehr erwachen konnte? Einfach so wurde ja niemand bewusstlos. Er packte ihn unter den Schultern und versuchte, ihn zum Bett zu tragen, doch er selbst war viel zu geschwächt dazu. Also holte er tief Luft und schrie nach seinem Bruder.

"YUU! Komm schnell! Kai ist zusammengebrochen!"
 

Aoi hörte ihn nicht. Er saß noch immer auf dem Sofa, hörte Musik und las dabei eine seiner Zeitschriften. Genüsslich zog er an seiner Zigarette und lehnte sich mit übereinandergeschlagenen Beinen zurück in die weichen Polster. Er war sich sicher, dass die zwei Streithähne das jetzt unter sich klären würden. Allerdings wollte er von dem Geschrei und Gebrüll nichts hören. Da würden sicher gerade mächtig die Fetzen fliegen. Er kannte ja Uruha. Und Kai hatte es nicht anders verdient. Der sollte gefälligst dafür gerade stehen, was er verbockt hatte.

Da würde er sich jetzt sicher nicht reinhängen.
 

Mit Tränen in den Augen hickste er hilflos auf und musste lauthals schluchzen. Was sollte er denn jetzt machen? So geschwächt, wie er war, konnte er Kai nicht hochheben. Das ging gerade wirklich schlecht. Also hatte er keine andere Wahl, als sich mit dem Rücken an die Wand zu lehnen und Kai auf seinen Schoß zu ziehen. Die Decke wickelte er um den reglosen Körper des anderen und strich ihm vorsichtig über den Kopf.

"Verzeih mir, Kai... Gomen nasai...", hauchte er hilflos.
 

Reglos lag er in den Armen des anderen. Nur sein leiser Atem verriet, dass er noch lebte. Sein Herz schlug ruhig in seiner Brust, als er die Wärme des anderen nah an seinem Körper spürte.

Wer war das? Wer hielt ihn in den Armen und streichelte ihn? War das Uruha? Nein, das war er ganz sicher nicht. Uruha hasste ihn. Aber wer war es dann? Er wollte von niemand anderem so berührt werden. Nur er durfte das. Als wer wagte es, ihn so anzufassen?

Langsam öffnete er die schweren Lider und schaute in das Gesicht über ihm. Mehr als einen kleinen Spalt schaffte er nicht. Sämtliche Kraft war seinem Körper entwichen.

"Aishiteru...", hauchte er nur und fiel dann wieder in die Bewusstlosigkeit zurück.
 

"Kai! Kai, wach wieder auf! Bitte!", murmelte er verzweifelt und klopfte dem anderen immer wieder vorsichtig auf die Wange, um ihn wieder aufzuwecken. Sein Körper begann wieder zu zittern und er krallte sich verzweifelt in die Decke, die um den reglosen Körper gewickelt war, drückte sich noch weiter an ihn und weinte immer mehr. Kai sollte aufwachen. Kai durfte ihn nicht alleine lassen.

"Bitte... Onegai! Kai! Wach auf!", rief er verzweifelt. "Ich verzeihe dir auch, aber wach bitte auf! Ich hab Angst um dich..."
 

Doch nichts geschah. Allerdings hörte Kai die Stimme des anderen. Sie hallte dumpf und wie aus unendlicher Ferne in seinem Kopf wieder. Selbst wenn er gewollt hätte, er hatte einfach keine Kraft mehr. Und so driftete er immer mehr in die Dunkelheit hinab. Sein Leben hatte doch eh keinen Sinn mehr. Seinen Lebenssinn hatte er leichtfertig aufs Spiel gesetzt. Uruha gehörte nicht mehr zu ihm.

Auch wenn sie sich nur so kurz kannten, so hatte er sich doch unsterblich in ihn verliebt. Der Größere war seine erste große Liebe und würde auch die einzige bleiben, denn er würde sich niemals neu verlieben können. Dafür war Uruha viel zu sehr in seinem Herzen verankert.
 

"Kai! Hörst du mich? Ich rede mit dir, verdammte scheiße! Wach endlich wieder auf!", schrie er jetzt vollkommen verzweifelt und rüttelte an Kai. Sein gesamter Körper fing heftig an zu beben. Es war ihm einfach zuviel. Kai war ihm so unglaublich nahe und er konnte ihn auch nicht einfach alleine lassen. Das ging auch nicht. Aber es wurde ihm einfach zuviel. Er brauchte Abstand von Kai. Und so holte er tief Luft und schrie:

"YUU! HILF MIR!"
 

Doch wieder konnte er auf die Hilfe seines Bruders nicht zählen. Dieser ging weiterhin seiner Beschäftigung nach und trällerte leise vor sich hin. Dass seine Hilfe gerade dringend notwendig war, bekam er nicht mit. Manchmal war er einfach nur der Trottel der Nation.

Noch immer hing er bewusstlos in den Armen des anderen. Am liebsten wäre er für immer in der Dunkelheit versunken. Dort würde ihn niemand suchen und finden. Er wollte einfach weg und in die Finsternis, die ihn gerade umgab versinken und nie wieder daraus erwachen.

Doch Uruhas Stimme verhinderte das. Immer wieder vernahm er sie und drehte sich um. Sie hielt ihn davon ab, ganz zu verschwinden.

Irgendwann konnte er nicht mehr und rannte der bebenden Stimme nach, ließ die Finsternis hinter sich. Seine Lider flatterten und ließen ein weiteres Mal ein winziges Stück Licht in seine Augen fallen.
 

Schluchzend presste er den immer noch vollkommen wehrlosen Körper des Schwarzhaarigen an sich und vergrub sein Gesicht in dessen Halsbeuge. Seine Finger krallten sich in Kais nackte Haut und hinterließen rote Striemen. Er hoffte nur, dass er Kai damit nicht allzu wehtat. Konnte Kai denn überhaupt etwas fühlen, wenn er bewusstlos war? Uruha wusste es nicht und so konnte er auch nicht anders, als sich immer weiter an ihn zu krallen und seine Fingernägel in die weiche Haut zu bohren.

Dass Kai seine Augen einen Spalt geöffnet hatte, bemerkte er nicht, da er sein Gesicht in Kais Halsbeuge vergraben hatte. Er hickste immer weiter auf.

"Kai... Aishiteru..."
 

"I...itai...", murmelte er nur, als er den Schmerz spürte, den Uruha ihm zufügte. Trotzdem lag ein Lächeln auf seinen Lippen. Irgendwie fühlte er sich gerade sehr bescheiden. Ihm tat alles weh und er konnte sich kaum bewegen. Doch für ein leise gehauchtes 'mo' reichte es noch. Mehr schaffte er nicht mehr.

Trotzdem wusste er nicht, was er nun tun sollte. Uruha weinte schon wieder. War es wegen ihm? War es weil er ihm so nah war, obwohl er gesagt hatte, dass er das nicht mehr tun würde? Aber er konnte auch nicht weg. Er schaffte es einfach nicht.
 

Keuchend hörte er das leise 'itai', welches nur von Kai stammen konnte und hob dessen Gesicht so an, dass er ihm direkt in die Augen sehen konnte. Kais Augen waren leicht glasig und das trieb Uruha noch mehr Tränen in die Augen. Verdammt. Was hatte er seinem Freund nur angetan? Er liebte ihn doch und enttäuschte ihn dann so. Er war wirklich ein schlechter Freund. Er hatte Kai nicht verdient. Trotzdem zog er ihn ganz fest an sich heran und wisperte:

"Aishiteru... So sehr... Kai-Chan... Onegai shimasu..."
 

"Mo...", wimmerte er und zog eine schmerzverzerrte Grimasse. Uruha tat ihm weh so, aber er sagte dazu nichts, denn er war froh, dass Uruha ihn wenigstens nicht völlig abwies. So konnte er ihn wenigstens so etwas nahe sein. Auch wenn es womöglich wirklich das letzte Mal sein würde.

"Kou...", hauchte er mit heiserer Stimme. "Nicht weinen, bitte... Nicht wegen mir." Oh Kami-sama. Er fühlte sich so elend. Irgendwas stimmte nicht mit ihm. Aber was war es? So schwach hatte er sich noch nie gefühlt. Ob es die Kälte war, die seine Knochen so schmerzen und seine Glieder schwer werden ließ? Er wusste es nicht.
 

„Kai-Chan... Ich... Ich liebe dich wirklich... Bitte... Ich... Ich will dich nicht verlieren, hörst du? Ich will dich nicht verlieren... Bitte...", hauchte er hilflos und stand mit dem anderen im Arm schwerfällig auf. Es kostete ihn all seine Kraft, die er noch übrig hatte, Kai ins Bett zu tragen, doch das war es ihm wert. Kai sollte nicht in dieser Eiseskälte auf dem Boden liegen, sondern sich in sein Bett kuscheln und sich auskurieren. Vielleicht hatte er sich ja eine Erkältung eingefangen und die wollte er nicht noch schlimmer machen.

Vorsichtig setzte er sich neben Kai und schlang die Arme um seinen eigenen, zitternden Körper.

"Bleib wach, Kai-Chan..."
 

Der Schwarzhaarige spürte nur, wie Uruha sich mit ihm im Arm erhob und ihn dann weich auf die Matratze bettete. Aber Uruha setzte sich nur neben ihm aufs Bett und schien erneut wegen ihm zu zittern. Ob er ihn fragen durfte?

Er streckte eine zitternde Hand nach ihm aus und sah ihn bittend an. "Kou... Bitte... Mir ist kalt... so furchtbar kalt... Darf ich... würdest du..." Wie sollte er das anstellen? Er lag hier in Uruhas Bett und zitterte wie Espenlaub und was tat er? Er saß daneben und fror sicher auch.

"Bitte Ruha..."
 

Uruhas Augenbrauen erhoben sich in die Höhe. Was wollte Kai da bloß von ihm? Er konnte ihn nicht wirklich verstehen, da er so nuschelte. Wieso streckte er die Hand nach ihm aus? Wollte er etwa... Wollte er, dass... Wollte er, dass Uruha sich zu ihm legte? Ins gleiche Bett, wie er? War es das, was Kai gerade wollte? Uruha schluckte hart. Kai sah so furchtbar hilflos aus, dass er gar nicht anders konnte, als sich vorsichtig neben ihn unter die Decke zu kuscheln und sich vorsichtig in seine Arme zu schmiegen. Tat er hier das Richtige? Er wusste es nicht.
 

Erleichtert atmete er auf und schloss die Augen. "Arigatou...", murmelte er nur leise und schmiegte sich leicht an den anderen Körper. Er wusste, dass er Uruha so verdammt viel abverlangte und doch war er froh, dass er jetzt nicht ganz ohne ihn war.

Seufzend öffnete er seine Augen noch einmal und drehte den Kopf zu Uruha. "Verzeih, dass ich dir soviel abverlange. Ich weiß, dass es dir schwer fällt und trotzdem... trotzdem bist du bei mir.", säuselte er und wieder fielen ihm die Augen zu. Jetzt hatte er wirklich keine Kraft mehr und sämtlich Muskeln in seinem Körper erschlafften, ehe er einfach einschlief.
 

"Schon gut... Aishiteru... Ich bleib bei dir, hai?", murmelte er leise und strich dem anderen sanft über den Kopf. Oh Mann. In was für eine beschissene Situation hatte er sich da nur reingeritten? Das durfte ja wohl nicht wahr sein. Wieso lag er hier? Hier mit Kai? Wieso tat er sich das an?

Vorsichtig entließ er Kai aus seinen Armen und stand auf. Er wusste, dass es nichts brachte, nach Aoi zu rufen, also tat er das, was ihm als richtig erschien. Vorsichtig setzte er sich in die hinterste Ecke seines Zimmers und rollte sich dort ein. Nach einer Weile war er eingeschlafen.
 

Irgendwann mitten in der Nacht kam er wieder zu sich. Sein Kopf dröhnte furchtbar und alles tat ihm weh. Auch wusste er nicht, wo er war und was eigentlich bis jetzt passiert war. Doch der Geruch der Bettwäsche kam ihm bekannt vor.

Stimmt. Er war bei Uruha. Lag er etwa in dessen Bett? Nein, das durfte nicht sein.

Vorsichtig setzte er sich auf und schaute sich um. Neben ihm lag niemand. Also musste Uruha woanders sein. Sein Blick wanderte durch das dunkel Zimmer. Dann nahm er eine zusammengekauerte Gestalt war, die auf dem Boden lag und immer wieder leicht zitterte. Das durfte doch wohl nicht wahr sein.

Hastig stand er auf und ging auf leisen Sohlen zu ihm hinüber. Mit den Händen fuhr er unter den schmalen Körper und hob ihn an. Sanft legte er ihn auf das Bett und deckte ihn zu. Auch wenn er damit sein Versprechen brach, konnte er es nicht lassen und gab ihm einen Kuss auf die Stirn.

Mit einem leisen 'Lebe wohl' verabschiedete er sich von ihm und ging zur Tür. Hoffentlich war diese offen. Und er sollte nicht enttäuscht werden. Aoi hatte wohl doch irgendwann die Tür aufgeschlossen.

Schnell huschte er ins Badezimmer, wo seine Sachen hingen, die sie getrocknet hatten. Schon schlüpfte er in Hose und Shirt, schaute nochmals kurz in den Spiegel.

Dann hinterließ er Uruha noch einen kleinen Zettel, den er unter der Tür zu seinem Zimmer schob. 'Aishiteru... Werd glücklich... Yutaka' stand nur drauf.

Seufzend trat er heraus und zog sich nun im Flur auch Schuhe und Jacke an.

Mit einem leisen Klacken schloss er die Tür hinter sich. Jetzt würde er Uruha nie wieder unter die Augen treten.
 

Uruha spürte nicht, wie ihn Kai anhob und ins Bett legte. Er spürte nur diese eiserne, bleierne Kälte, die sich wie ein Schatten über ihn legte und ihn einnahm. Voll und ganz. Sein Körper bebte. Was sollte er nur tun? Er war vollkommen verwirrt und durcheinander.

Kai, er... Er hatte ihm so wehgetan. So sehr. Mehr als jemals jemand zuvor. Er hätte nie geglaubt, dass er mal von jemandem so verletzt werden konnte. Aber es war geschehen und nun konnte er es nicht mehr ändern. Es war unumstößlich. Kai hatte ihn missbraucht und sein Vertrauen noch dazu.

In der Nacht träumte er wirres Zeug. Er war in vollkommener Dunkelheit, doch dann plötzlich erschien ein helles Licht und kam auf ihn zu. Da stand Kai. Ganz in weiß gekleidet und mit Engelsflügeln. Uruha lächelte und rannte mit ausgestreckten Armen auf ihn zu. Kai nahm ihn in die Arme und streichelte ihn. Doch dann veränderte sich Kai, seine Kleidung wurde schwarz und eine grausige Lache ertönte.

Schweißgebadet und mit einem lauten Schrei erwachte Uruha und starrte mit angstgeweiteten Augen an die Wand.

"Kai?!"
 

Kai war bereits in die kalte Nacht entschwunden und machte sich auf den Weg zu seiner halb ausgebrannten Wohnung. Seinen Job konnte er sicher auch vergessen, da er nicht dort aufgekreuzt war. Da wäre die Kündigung sicher schon in Sack und Tüten. Na ja. Er hatte ja eh nichts mehr zu verlieren. Seinen größten Schatz hatte er bereits verloren. Uruha.

Alles, woran er denken konnte, war er. Nichts anderes interessierte ihn im Moment. Aber es gab für ihn auch nichts Wichtigeres. Jetzt jedenfalls würde er hoffentlich glücklich werden. Ohne ihn wäre er sicher besser dran.

Am besten er würde seine Sache packen und wieder zu seinen Eltern gehen. Dort würde er den anderen auch nicht mehr im Weg sein. Und sobald er einen neuen Job gefunden hatte, würde er auch von da verschwinden. Dann würde er niemandem mehr zur Last fallen.

Er brauchte auch nicht lange, bis er seine Wohnung erreicht hatte. Schnell hatte er das Wichtigste zusammengesucht und in eine Reisetasche verstaut. Ein letztes Mal strich er liebevoll über das Drumset, das Uruha ihm wiederbeschafft hatte. Dafür war er ihm auch dankbar, aber er konnte es nicht annehmen. Deshalb legte er auch hier einen Zettel ab. 'Danke für Alles, aber pass gut auf diesen Schatz auf.' hinterließ er ihm. Dann verließ er die Wohnung ein für alle Male. Den Schlüssel, so beschloss er, würde er Uruha in den Briefkasten werfen, damit er das Set abholen konnte.

Seufzend stieg er in sein Auto, fuhr kurz bei Uruha ran und schmiss seinen Wohnungsschlüssel dort hinein. Dann verließ er Kanagawa und schwor sich, nie wieder einen Fuß in diese Stadt zu setzen.
 

Uruha jedoch konnte nicht von seinem Bruder gehört werden. Dieser lag immer noch mit dem Kopfhörer auf dem Sofa und schnarchte lautstark. Uruhas ganzer Körper bebte. Das... Das durfte doch wohl nicht wahr sein! Ein Blick neben sich, bestätigte ihm, dass Kai nicht hier war. Wo war er? Uruha sprang aus dem Bett. Sein ganzer Körper fing an zu zittern. Oh nein. Was hatte Kai nur vor? Wohin war er nur verschwunden? Er rannte ohne sich eine Jacke anzuziehen aus dem Haus. Er schloss die Tür hinter sich, als ihm etwas auffiel. Im Briefkasten steckte etwas. Er griff hinein und zog einen Wohnungsschlüssel heraus. Seine Miene verfinsterte sich. Oh, Kai... Jetzt bist du zu weit gegangen.

Er würde ihn zur Rede stellen. Es ging einfach nicht, dass Kai sich einfach so ohne etwas zu sagen aus dem Staub machen würde. Das wollte Uruha nicht tolerieren. Er wollte seinen Kai wiederhaben. Auch, wenn sie sich momentan nicht nahe standen. Er wollte ihn nicht verlieren.

Keuchend kam er vor Kais Haustür an und öffnete diese. Er rannte ins Haus hinein, nur um festzustellen, dass Kai nicht mehr da war. Er schluchzte laut auf und ging ins Wohnzimmer. Dort sah er auf dem Drumset einen Zettel und klappte ihn auf. Als er die Nachricht darauf las, sackte er auf die Knie.

Kai würde niemals mehr zurückkommen.
 

Kai fuhr die Straßen entlang. Sein Ziel war das Haus seiner Eltern. Das war weit genug weg von Uruha und Kanagawa. "Uruha...", wisperte er und musste blinzeln. Verdammt! Jetzt heulte er schon wieder. Schnell fuhr er an den Straßenrand und krallte die Hände ins Lenkrad. Den Kopf legte er darauf und weinte wieder bitterlich. Warum tat das so verdammt weh? Er hatte doch Uruha weh getan. Da durfte er jetzt doch nicht heulen. Er war doch selbst schuld daran. Er hatte alles zerstört. Er war derjenige, der ihre Beziehung so leichtfertig wegwarf.

"Kou...", schniefte er und schloss die Augen. Er merkte nicht, wie ihm die Augen zufielen und er langsam aber sicher einschlief.
 

Uruha saß lange Zeit auf dem kalten Boden in Kais Wohnung und starrte auf den Zettel. Gott... Was hatte er getan? Er hatte Kai aus der Stadt getrieben. Für immer und ewig. Das... Das würde er sich niemals verzeihen können. Wie sollte er Kai denn nun jemals wiederfinden? Wie bloß? Er konnte sich zwar denken, dass er bei seinen Eltern war, aber den Weg dahin wusste er nicht. Er hatte geschlafen, während Miyavi ihn gefahren hatte.

Schluchzend stand er auf und wankte zum Sofa. Dort ließ er sich einfach fallen und presste das Gesicht ins Kissen. Selbst das roch nach Kai. Uruha erinnerte sich an die schönen Zeiten zwischen ihnen, doch nun klaffte dort ein großes Loch. Würde er dieses je wieder füllen können?

Wenige Minuten später war er eingeschlafen und schlief auch bis zum nächsten Morgen.
 

Miyavi stand vor dem Haus, in dem sein bester Freund wohnte. In den Nachrichten hatte er davon gehört, dass es hier einen Brand gegeben haben sollte und er wollte schauen, wie es Kai ging und ob auch er betroffen war. Als er von unten hinauf schaute, stockte ihm der Atem. Da, wo Kais Küchenfenster war, prangte ein deutliches Zeichen, dass das Feuer auch dort gewütet hatte. Hoffentlich war ihm nichts passiert.

Schnell rannte er zur Tür und wollte gerade klingeln, als ihm ein netter älterer Herr die Tür öffnete. Obwohl dieser ihn freundlich anlächelte, sah man ihm an, dass er sich über Miyavi so seine Gedanken machte. Aber kein Wunder. Miyavi war eben ein kleiner Paradiesvogel und er lächelte einfach fröhlich zurück.

"Arigatou shimasu...", bedankte er sich, hielt dem älteren Mann die Tür bereitwillig auf und verbeugte sich dann.

Gut, erste Hürde war genommen. Hastig rannte er hinauf und keuchte hektisch, als er vor der Tür zum Stillstand kam. Doch er gönnte sich keine Pause und drückte auf die Klingel. Sturmklingeln.
 

Uruha wurde durch ein lautes Klingeln wach und öffnete verschlafen die Augen. O~kay. Wer war das? Vollkommen übermüdet rappelte er sich auf, streckte sich kurz und stand dann auf. Gott. Ihm war so schlecht. Lag vielleicht daran, dass er seit gestern Mittag nichts mehr gegessen hatte. Na toll. Das hatte ihm ja gerade noch gefehlt.

Seufzend taumelte er zur Tür und öffnete sie. Sofort sprang ihm etwas Knallbuntes ins Auge und er verdrehte leicht die Augen. Miyavi stand vor ihm und grinste ihn an. Er öffnete die Tür und ließ den anderen hinein. Hoffentlich sah er nicht allzu bescheiden aus.

"Was willst du, Miyavi?"
 

"Hey, Uruha!" Und schon umarmte er den anderen stürmisch, drängte ihn zurück in die Wohnung und schubste mit einem Fuß die Tür zu. "Wo ist Kai? Ich wollt gucken, wie es euch geht. Hab in den Nachrichten gesehen, dass es hier gebrannt hatte und wollte sicher gehen, dass euch nichts passiert ist.", grinste er breit und ließ endlich wieder den anderen los.

Verwirrt schaute er sich um und blieb mit seinem Blick an Uruha hängen. Eine Augenbraue zog er hoch und musterte den anderen jetzt ausgiebiger.

"Ruha? Du siehst beschissen aus. Was ist passiert? Und wo steckt Kai?"
 

"Ano... Ich... Ich hatte Streit mit Kai und... Und jetzt ist er weg... Für immer und ewig... Ich hab Kai verloren... Er... Er ist bei seinen Eltern... Ganz sicher, aber... Aber ich kenn den Weg dahin doch nicht...", schluchzte er auf einmal los und vergrub sein Gesicht an Miyavis Brust.

Auch, wenn er ihn nicht so wirklich gut kannte. Miyavi hatte sich immer um ihn gekümmert, als Kai arbeiten war abends. Er war der einzige außer Kai und seinem Bruder, dem er hier vertraute.

"Hilf mir bitte..."
 

Miyavi runzelte die Stirn und legte dann liebevoll die Arme um den anderen. "Ihr habt euch gestritten?", fragte er ungläubig. Eigentlich kannte er Kai so gut, dass das für den kein Grund war, zu seinen Eltern zu fahren. Ganz sicher nicht. Da muss etwas anderes gewesen sein. Und warum weinte Uruha um seinen Freund? Oder war da mittlerweile mehr zwischen den beiden passiert, seit sie aus dem 'Urlaub' zurück waren?

Doch dann nickte er und lächelte ihn an. "Ich weiß zwar nicht, was passiert ist, denn Kai fährt nicht einfach so zu seinen Eltern, aber..." Er seufzte. "Ich denke, ich kann dir helfen. Ich weiß ja, wo er wohnt."
 

"Dann hilf mir bitte... Ich kann nicht ohne Kai. Hilf mir doch bitte, Miyavi. Kai hat mir einen Zettel hinterlassen, dass ich gut auf sein Drumset aufpassen soll und jetzt weiß ich, dass er nie wieder zurückkommen will. Er hat doch sogar gepackt, ich hab nachgesehen!"

Immer mehr Tränen rannen seine Wangen hinab und er schniefte auf. Dann jedoch packte er Miyavi an der Hand und zerrte den Größeren mit sich. Er wollte so schnell wie möglich zu seinem Kai.

"Wo wohnst du? Wir nehmen dein Auto!"
 

"Hey, hey, hey." Der Größere hatte eindeutig mehr Kraft und hielt Uruha so problemlos am Arm fest. "Bevor ich dich zu ihm bringe, will ich wissen, was passiert ist. ich will den Grund wissen, warum Kai einfach abhaut und scheinbar nicht wiederkommen will. Da muss etwas Ernstes gewesen sein. Ein einfacher Streit hat ihn noch nie zu einer solchen Reaktion bewogen." Er schaute Uruha zum ersten Mal mit einem ernsten Ausdruck im Gesicht an. Kai war sein bester Freund und der zog für gewöhnlich nicht so schnell den Schwanz ein. Das war einfach nicht seine Art. Und wenn er auch noch sein heißgeliebtes Drumset einfach zurückließ, muss es nicht nur ernst sondern tiefgründig gewesen sein.
 

Uruha wurde rücksichtslos am Arm festgehalten und so gestoppt. Verwirrt blinzelte er das Paradiesvögelchen an und blickte dann sofort zu Boden, als er dessen Befehl gehört hatte. Er wollte also unbedingt wissen, was passiert war. Nein. Das konnte er Miyavi nicht erzählen. Er würde Kai dafür vielleicht ebenso verachten, wie Uruha es für eine Weile getan hatte und er wollte ihre Freundschaft nicht zerstören. Sie war etwas Besonderes und sollte behütet werden wie ein Schatz.

"Schon gut, Miya... Ich will jetzt einfach nur zu Kai. Du erfährst es schon noch... Irgendwann..."
 

Jetzt war er verwirrt. Sein Gehirn arbeitete auf Hochtouren, doch er konnte es sich nicht erklären. "Schon gut. Aber ich möchte trotzdem wissen, was los war. Weißt du, ...", begann er und zog Uruha zum Sofa, damit sie sich dort setzten.

Miya atmete tief durch. "Ich weiß, dass Kai mich dafür hassen wird, dass ich dir das erzähle, aber es gibt etwas, dass Kai emotional so labil gemacht hat, dass er sich alles und jedem verschließt." So richtig wusste er nicht, wie er es rüberbringen sollte. Hinter Kais fröhlicher Fassade steckte ein leidender Mensch. Jemand, dem man so unendlich weh getan hatte, dass er eine Mauer um sich herum aufgebaut hatte, die sehr schwer einzureißen war. Es war Kais Schutzschild nach außen sozusagen.
 

Uruha wusste nicht, was das jetzt sollte. Wieso sagte Miyavi ihm das jetzt? Hatte das gerade irgendetwas mit ihm zu tun? Das wagte er jetzt einfach mal ganz stark zu bezweifeln und sah Miyavi mit hochgezogenen Augenbrauen an. Er wollte das jetzt nicht hören, sondern zu Kai. Zum Geschichtenerzählen war nachher noch genug Zeit. Jetzt war es wichtig, ihre Beziehung zu retten. Wenn die noch zu retten war.

"Wieso erzählst du mir das? Das interessiert mich jetzt nicht. Ich will zu Kai!"
 

Der Blick des Größeren verfinsterte sich. "Das sollte dich aber interessieren, wenn dir etwas an ihm liegt. Und ich weiß, dass du ihn sehr magst.", knurrte er. Wenn es um Kai ging, konnte er zum Tier werden. Er war nicht umsonst sein bester Freund. Kai hatte soviel für ihn getan und nun konnte er sich vielleicht bei ihm dafür erkenntlich zeigen. Denn auch Kai schien großes Interesse an dem hübschen Japaner zu haben.

"Oder du hörst es dir auf dem Weg zu ihm an. Da haben wir genug Zeit. Nimm dir aber ein paar Sachen mit. Und dann gehen wir zu mir und ich fahr dich zu ihm."
 

"Na gut. Wenn es wirklich sein muss, hör ich es mir im Auto an. Aber Sachen brauch ich wirklich nicht. Ich will ja keinen Dauerurlaub machen, sondern Kai zurückholen. Und das schaffe ich auch innerhalb von einigen Stunden.", murmelte er leise und nahm wieder Miyavis Hand, zog ihn eilig mit sich aus dem Haus und die Straßen entlang. Er wollte doch nur noch zu Kai. Nur zu ihm. Nichts anderes zählte gerade. Ob es ihm gut ging? Was, wenn er sich wieder umbringen wollte? Oh nein.

"Miyavi, schneller! Wo wohnst du?!"
 

So schnell konnte der Größere gar nicht gucken, da wurde er schon hinterher geschliffen und lief mit Uruha die Straßen entlang.

"Ano... Ich wohne aber in die Richtung.", meinte er verwirrt, als Uruha genau die falsche Richtung einschlug. Irgendwie war es ja niedlich, dass er so unbedingt zu Kai wollte. Aber irgendwas sagte ihm auch, dass das vielleicht nicht unbedingt die richtige Entscheidung war.

"Und was ist, wenn er nicht will, dass wir dahinkommen? Hast du daran auch mal gedacht? Schließlich ist er ja deshalb nicht mehr hier."
 

Sofort blieb er stehen und starrte zu Boden. Seine Hände ballten sich zu Fäusten und er biss sich hart auf die sowieso schon bebenden Lippen. Miyavi hatte recht. Was, wenn Kai wirklich nicht wollte, dass er zu ihm kam? Was, wenn Kai ihn wirklich so sehr verabscheute? Uruhas Körper begann zu beben und er hickste leise auf. Miyavi hatte sowas von recht. Kai war genau deswegen davongelaufen. Er wollte Uruha nicht mehr sehen.

Uruhas Beine gaben nach und er sackte auf den kalten Straßenboden. Seine Finger krallten sich in den harten Asphalt und er wimmerte leise.

"Ich will aber zu meinem Kai..."
 

"Hey!" Sofort hockte er sich neben ihn und legte die Arme tröstend um ihn. Das hatte er damit wirklich nicht bezwecken wollen. Er wollte Uruha nur darauf vorbereiten, dass Kai ihn eventuell nicht sehen wollte. Aber dass er ihn damit so sehr umhauen würde, hatte er nicht vorgehabt. "Komm schon. Ich fahr dich erst einmal hin und dann sehen wir weiter. Und bis dahin machst du dir nicht so viele Gedanken." Und so zog er ihn auf die Beine. "Wir sind gleich da und dann fahren wir los. Allerdings wird es eine Weile dauern, bis wir da sind. Willst du dich vorher noch etwas frisch machen? Du siehst ziemlich mitgenommen aus, Ruha."
 

"Iie... Ich will einfach nur zu ihm... Onegai shimasu... Onegai, Miyavi-San. Ich will zu Kai, bitte...", nuschelte er geschwächt gegen Miyavis Brustkorb. Die bleierne Müdigkeit kam wieder in seinen Körper zurück und er hatte Mühe, sich auf den Beinen zu halten. Aber das tat er doch nur für Kai. Nur für Kai hielt er dem enormen Druck stand und brach nicht zusammen. Bittend sah er den Größeren an und hickste leise.

"Nimm mich bitte jetzt mit, Miyavi... Bitte..."
 

Miyavi nickte und stützte den Kleineren so gut, wie er konnte. "Hai... Das werd ich schon. Und jetzt reiß dich zusammen. Sonst schaff ich es nicht, dich direkt zu ihm zu bringen, weil ich Angst um dich habe. Du bist völlig geschwächt und nicht unbedingt kerngesund." Er hob ihn richtig auf die Beine. Doch er würde schon dafür sorgen, dass er jetzt vernünftige Kleider anzog. Vorher würde er ihn keinen Zentimeter fahren.

Und so gingen sie den restlichen Weg zu seiner Wohnung. Dort hatte er arge Probleme, Uruha davon zu überzeugen, nochmals kurz nach oben zu gehen und sich umzuziehen. Das hatte ihn mächtig Nerven gekostet, doch Uruha folgte ihm und nun saßen sie in seinem Auto und fuhren in Richtung Kai.
 

Immer noch geschwächt saß er nun in Miyavis Wagen und fuhr sich über die Stirn. Diese war leicht heiß. Sicherlich die Aufregung. Miyavi hatte ihn durch die ganze Wohnung gescheucht, damit er sich auch ja was Vernünftiges anzog. Das hatte Uruha dann auch getan und nun saß er endlich in dem Auto. Die langersehnte Fahrt hatte begonnen.

Eine Weile starrte er aus dem Fenster, doch diese bleierne Müdigkeit wollte und wollte einfach nicht von ihm weichen. Und so dauerte es nicht lange und Uruhas Augen drifteten wie in Zeitlupe zu. Und wieder verpasste Uruha den Weg zum Zuhause von Kais Eltern.
 

Immer wieder schaute er besorgt zu dem jungen Mann, der neben ihm auf dem Beifahrersitz saß und nun endlich eingeschlafen zu sein schien. Wenigstens das. Aber was würde Kai sagen, wenn sie vor der Tür seiner Eltern standen? Das letzte Mal hatte er ihn schon rund laufen lassen. Wie würde das aussehen, wenn er das ein weiteres Mal ohne seine Erlaubnis tat?

Aber er machte sich ernsthaft Sorgen. Das letzte Mal hatte Kai ihn angerufen, um ihm Bescheid zu sagen. Dieses Mal kam nichts. Er hatte sich nicht einmal gemeldet, dass es ihm gut ging. Und das war wirklich merkwürdig für ihn. Das war nicht der Kai, den er kannte. Da musste wirklich was passiert sein. Etwas verdammt Ernstes.

Während Miyavi durch die offene Landschaft Japans fuhr, war Kai schon seit ein paar Stunden Zuhause angekommen. Seine Mutter hatte ihn besorgt angeschaut, doch er hatte nur abgewunken und sich erst ins Badezimmer und dann in sein altes Zimmer verzogen. Seitdem war er nicht wieder herausgekommen. Er hatte es auch nicht vor.
 

Uruha verschlief die ganze Autofahrt. Er war wirklich extrem müde. Nicht nur körperlich, nein, auch seelisch. Er war des Lebens langsam wirklich müde. Kai würde sicherlich eh nicht zu ihm zurückkommen. Ganz sicher nicht. Da musste schon ein Wunder geschehen. Und Uruha glaubte nicht an Wunder. Nicht mehr. Als er und Kai zusammengekommen waren, da hatte er geglaubt, dass es ein Wunder wäre. Aber ohne Kai gab es in seinem Leben keine Wunder mehr. Der Glauben und der Wille an sie war endgültig verlorengegangen.

Es dauerte auch nicht mehr lange, bis Miyavi endlich in die Auffahrt vom Haus von Kais Eltern fuhr und Uruha langsam erwachte. Als der Wagen stoppte, öffnete er die Augen und gähnte leise.

"Sind wir schon da?"
 

"Hai, sind wir.", murmelte er und lehnte sich kurz nach hinten. Den Kopf legte er in den Nacken und drehte ihn dann zu seinem Beifahrer und seufzte. "Bevor du jetzt dort hinein gehst, werde ich erst mit Kai sprechen. Ich will nicht, dass es ihm schlecht geht. Also warte kurz hier." Langsam stieg er aus und ging um das Auto herum. Sein Weg führte direkt zur Haustür und er klingelte. Es dauerte eine Weile, bis jemand die Tür öffnete. Es war Kais Mutter. Eigentlich hatte er gehofft, dass Kai ihm öffnen würde, doch das war nicht der Fall.

Höflich verbeugte er sich vor ihr und lächelte sie dann an. Doch sie lächelte traurig. Das war nicht zu übersehen.

"Konnichi wa. Ich würde gern mit Yutaka sprechen. Ist er hier?", fragte er freundlich, doch er bekam genau die Antwort, die er nicht hören wollte. Kai war zwar da, aber er hatte sich in sein Zimmer eingeschlossen und wollte niemanden sehen. Sie sagte ihm, dass er selbst das Essen verweigerte. Und das machte ihn stutzig. Dann deutete er mit dem Finger auf seine Auto und den darin sitzenden Uruha. Und wieder bekam er nur ein Kopfschütteln als Antwort.

Seufzend kam er zurück zum Auto und setzte sich hinein. "Er will niemanden sehen. Es geht ihm wohl sehr schlecht."
 

Uruha sah Miyavi entsetzt an. Kai ging es sehr schlecht? Wie schlecht? War er vielleicht verletzt? Uruha musste es einfach wissen. Er hatte wirklich schreckliche Angst um Kai. Sehr schreckliche Angst. Kai hatte schon einmal versucht, sich umzubringen. Was, wenn er das noch einmal versuchte? Und... Es vielleicht schlussendlich schaffte? Wenn das passieren würde, wusste Uruha, was zu tun war. Er würde Kai folgen. Niemals würde er auch nur zulassen, dass Kai alleine für das büßte, was sie beide verbockt hatten. Kai war nicht schuld an dieser Misere. Sondern er. Hätte er Kai nicht so provoziert, wäre es niemals soweit gekommen. Niemals.

Also sprang er auf und rannte aus dem Wagen. Dann klingelte er Sturm und trommelte hysterisch an die Tür. Kais Mutter musste ihn durchlassen. Zu seinem Kai.
 

Miyavi sah entsetzt zu, wie Uruha wie wild gegen die Tür trommelte und Sturm klingelte. Er seufzte. Wusste Uruha denn nicht, dass er damit nichts erreichen würde? Kais Mutter würde ihn nicht durchlassen. Sie wusste, dass es ihrem Sohn schlecht ging. Wenn er sogar das essen verweigerte, dann war es sehr schlimm und er würde jetzt den Teufel tun und Uruha zu ihm lassen. Nein. Ganz sicher nicht.

Und so stieg er aus und kam auf Uruha zu. Schnell packte er ihn an den Handgelenken und hielt ihn fest. "Uruha! Lass das sein! Kai braucht Ruhe!", wies er ihn zurecht. Da ging auch schon die Tür auf und Kais Mutter stand vor ihnen.
 

Als Miyavi ihn so plötzlich an den Handgelenken packte, schrie er auf und wandte sich in dem Griff des Größeren. Miyavi hatte kein recht, das zu tun. Er wollte doch nur zu Kai. War es denn nicht sein gutes Recht? Doch, das war es. Uruha würde nicht zulassen, dass Miyavi ihm den Zutritt zu Kai versagte. Und auch nicht Kais Mutter. Niemand würde ihm das verbieten können-

Plötzlich ging auch schon die Tür auf und Kais Mutter stand geschockt vor ihnen. Sofort schrie Uruha auf sie ein. Er war wie im Wahn und wehrte sich verbissen gegen Miyavis Griff.

"Uke-San! Uke-San! Sie müssen mich durchlassen! Ich muss mit Kai sprechen! Es ist dringend!"
 

Der Größe ließ Uruha jedoch nicht los. Nein. Kai brauchte Ruhe und wenn Uruha jetzt zu ihm ging, würde er diese nicht mehr bekommen. Auch Kais Mutter schüttelte nur den Kopf.

"Yu-chan braucht Ruhe. Es geht ihm nicht gut und er will niemanden sehen." Sie seufzte. Es tat ihr in der Seele weh, dass es ihrem Sohn so schlecht ging. Er aß nicht, kam nicht aus dem Zimmer und hatte dort sogar alles abgedunkelt. Das war alles so untypisch für ihn.

"Aber kommt erst einmal rein. Ihr seid sicher müde von der Fahrt. Doch zu Yutaka könnt ihr nicht." Und so trat sie zur Seite und ließ beide Zugang zum Haus.
 

Doch kaum, dass Kais Mutter zur Seite getreten war und sie ins Haus gelassen hatte, stürmte Uruha schon an ihr vorbei und rannte die Treppen hinauf zu Kais Zimmer. Einige Male stürzte er sogar und hatte sich beinahe das Genick gebrochen, weil er so hetzte, aber das war es ihm wert. Die anderen würden ihn nicht davon abhalten, zu Kai zu kommen. Er musste ihm sagen, dass er da war und ihn liebte. Er brauchte Kai doch, da konnte er nicht einfach so verschwinden.

Er kam vor Kais Zimmertür an, hämmerte hysterisch dagegen und sank vor ihr auf die Knie.

"KAI! Mach die Tür auf! Ich bin´s, Kouyou! Lass mich rein! Ich muss mit dir reden! Kai! Aishiteru!", schrie er gegen die geschlossene Tür.
 

Schnell sprintete Miyavi hinter ihm hinterher. Nein. Uruha sollte Kai jetzt nicht in seiner Ruhe stören. Sofort packte er ihn an den Armen und zog ihn von der Tür weg. "Uruha! Lass das!", knurrte er und zog ihn den Flur entlang zur Treppe. "Ich habe dir gesagt, dass er dich vielleicht nicht sehen will. Also akzeptiere seine Entscheidung. Und benimm dich nicht wie ein Kleinkind." So hievte er ihn auf die Beine.

Von dem Tumult vor seinem Zimmer bekam er nichts mit. Kai kämpfte gerade gegen das Fieber, dass sich in ihm breit gemacht hatte. Er hatte sich erkältet und das nicht zu knapp. Er schwitzte und ihm tat alles weh. Da war es nicht verwunderlich, dass er tief und fest schlief.
 

Uruha lag nun in Miyavis Armen und weinte heftig, denn seine Beine hielten ihn nicht länger aufrecht. Er konnte einfach nicht mehr. Kai antwortete ihm nicht. Es war alles zu spät. Kai hasste ihn wirklich und Uruha hasste sich mittlerweile auch selbst. Kai hätte ihn wirklich vergewaltigen sollen. Dann hätte er seine gerechte Strafe bekommen.

"Miyavi-San... Uke-San... Lasst mich zu Kai... Bitte... Ich... Ich will zu ihm...", hickste er leise und merkte, wie seine Sicht immer mehr verschwamm. "Bitte..."

Dann wurde alles schwarz um ihn und er fiel gänzlich in Miyavis Arme.
 

Kais Mutter war nun auch oben angekommen und hielt sich entsetzt die Hand vorm Mund. In ihren Augen standen Tränen und sie schluckte, als Uruha in Miyavis Armen zusammenbrach.

Was war hier eigentlich los?

Verzweifelt wandte sie sich an den Solokünstler und deutete ihm, dass er Uruha ins Gästezimmer nebenan legen sollte. Scheinbar war auch er erschöpft und völlig ausgelaugt.

Miyavi folgte dieser Aufforderung, legte Uruha ins Bett und deckte ihn zu. Dann ging er mit Kais Mutter hinunter ins Wohnzimmer. Die beiden brauchten Ruhe und sollten sich erst einmal ordentlich ausschlafen.

Bei einer Tasse Tee erzählte Miyavi, was er bisher wusste. Auch wenn es nicht viel war, wurde auch Kais Eltern bewusst, dass etwas Ernsthaftes passiert sein musste.
 

Uruha bemerkte nichts von dem, was im Wohnzimmer von Kais Eltern passierte. Und das war vielleicht auch ganz gut so. Er hätte es nicht ertragen. Kais Eltern erzählten, wie schlecht es Kai ging und das würde Uruha nicht aushalten können. Und so schlief er im Gästebett und wandte sich unruhig hin und her, während er von Alpträumen geplagt leise wimmerte.

Mitten in der Nacht jedoch wachte er auf. Nanu? Hatte er da nicht eben ein Schloss gehört, welches sich leise drehte? Er hob eine Augenbraue. War das vielleicht...?

Schnell war er auf den Beinen und trat leise auf den Flur, um zu sehen, wer da des Nachts auf den Fluren herumgeisterte.
 

Es war mitten in der Nacht und Kai verspürte das Bedürfnis, mal eben das Badezimmer aufzusuchen. Irgendwann musste ja sein Körper auch etwas loswerden, wenn er es schon nicht ausschwitzen konnte.

Mühevoll hievte er sich aus dem Bett und stand auf. Seine Beine waren wie Wackelpudding und er schwankte gefährlich hin und her. Aber das hielt ihn nicht davon ab, auf die Toilette zu müssen. Und so strauchelte er in der Dunkelheit zur Tür, schloss sie auf und schleppte sich über den Flur ins Badezimmer.

Es dauerte für seine Verhältnisse ganz schön lange, bis er wieder den Weg in sein Bett antreten konnte. Doch er schaffte es. Er drehte das Schloss der Badezimmertür auf und trat in den Flur. Wankend schlich er über den Flur und wieder in sein Zimmer. Schnell ließ er sich wieder auf sein Bett fallen. Dass er die Tür nicht wieder geschlossen geschweige denn abgeschlossen hatte, bemerkte er nicht einmal. Ihm war so elend, dass er auch sofort wieder einschlief.
 

Uruha blinzelte in den stockfinsteren Flur hinein und sah noch, wie eine barfüßige Gestalt durch den Flur in Kais Zimmer wankte. Dann hörte er die Matratze quietschen und dann war alles ruhig. Er zog die Stirn in Falten. Nanu? Kai schloss die Tür gar nicht? Was war hier nur los?

Leise tapste er ins Zimmer hinein und stockte. Da lag Kai, alle Viere von sich gestreckt und ohne Decke, auf dem Bett und schlief scheinbar. Was sollte das denn bitte schön? Vorsichtig trat Uruha an ihn heran und setzte sich auf den Boden neben dem Bett. Den Kopf legte er auf Kais Matratze und streichelte ihm vorsichtig über die Hand.

"Was machst du nur für Sachen...?", murmelte er leise, ehe er wieder einschlief.
 

Kai war entsetzlich warm. Sein Körper fühlte sich so schlapp an und er konnte einfach nicht mehr. Sämtliche Körperteile waren überhäuft mit Schmerzen und taten bei jeder Bewegung weh. Sein Atem ging schwer und ihm drehte sich selbst im Schlaf alles. Hundeelend war schon gar kein Ausdruck mehr für seinen Zustand. Aber ändern konnte er daran auch nichts. Er würde schon wieder gesund werden. Und wenn nicht, war es auch nicht so tragisch. dann verreckte er eben an einer mächtigen Grippe. Auch nicht schlimm. Ihn würde ja eh keiner vermissen. Da war doch alles egal.

Seufzend wälzte er sich von einer Seite seines Bettes zur anderen. Ruhigen Schlaf konnte man das nicht wirklich nennen.
 

Uruha schlief in der Zeit sehr, sehr schlecht. Wieso das so war, konnte man sich ja denken. Ihm lag der Streit mit Kai wirklich sehr schwer im Magen und so kam es auch, dass er früh am Morgen mit Bauchschmerzen erwachte.

Wimmernd drehte er sich ein wenig und sah direkt in Kais Gesicht. Er hatte die Nacht über auf dem Boden von Kais Zimmer verbracht und das war auch nicht gerade eine angenehme Position. Aufstöhnend richtete er sich auf und sah den anderen mitleidig an.

"Kai-Chan... Was hab ich dir nur angetan?", wisperte er leise.
 

"Kou...", murmelte er wie auf Kommando im Schlaf. Er vermisste den anderen so sehr. Er wollte ihn berühren. Ihn bei sich haben und nie wieder gehen lassen. Aber das war nicht möglich. Uruha hasste ihn und würde ihn nie mehr an sich ranlassen. Also konnte er sich auch weiterhin verkriechen und nie wieder einen Schritt vor die Tür setzen. So konnte er wenigstens niemandem mehr weh tun und Uruha schon gar nicht. So konnte er einfach vor sich hinvegetieren. Mehr wollte er nicht mehr. Mehr gab es in seinem Leben auch nicht mehr. Es hatte keinen Sinn.

Eine Träne nach der anderen stahl sich unbemerkt über seine Schläfen und versank in den Kissen.
 

Es tat ihm in der Seele weh, zu sehen, wie Kai sich quälte. Vorsichtig wischte er mit dem Finger die nasse Tränenspur von Kais Schläfe und streichelte ihm dann über die weichen Wangen. Er seufzte tief. Wie sehr hatte er es vermisst, diese Haut spüren zu dürfen. Obwohl von dürfen eigentlich keine Rede sein konnte. Kai wollte das ganz sicher nicht. Er hasste Uruha doch. Ansonsten wäre er nicht weggelaufen und würde sich in sein Zimmer einsperren.

Vorsichtig beugte sich Uruha zu Kai hinab und sah ihm ins Gesicht. Nur noch einmal wollte er Kais weiche Lippen küssen dürfen, dann würde er auf ewig aus Kais Leben verschwinden. Es brachte eh alles nichts. Es war endgültig vorbei. Sanft berührten sich ihre Lippen zu einem unschuldigen Kuss und Uruhas Augen fielen automatisch zu.
 

Erschrocken zuckte er zusammen und riss die Augen weit auf. Er schaute genau in Uruhas Gesicht. Träumte er jetzt etwa? Oder halluzinierte er schon? War er etwa schon so dolle geschwächt und noch immer so sehr mit dem anderen beschäftigt, dass er ihn sich jetzt schon vorstellte, wie er ihn küsste? Gott. Wie tief war er gesunken?

Wimmernd rannen ihm noch mehr Tränen über die erhitzte Haut. Ihm war schon wieder so unsagbar heiß und dann stellte er sich auch noch vor, dass Uruha ihn küsste?

Wie erbärmlich war er eigentlich?

"Kou...", wisperte er leise in den Kuss hinein. Er wusste ja nicht, dass Uruha tatsächlich hier bei ihm war.
 

Uruhas Lippen bewegten sich nur hauchzart gegen Kais und er seufzte leise auf. Gott. Was tat er hier eigentlich? War er jetzt schon so verzweifelt, dass er Kai im Schlaf überfallen musste? Er war wirklich armselig. Musste er Kai noch mehr Schmerzen zufügen als ohnehin schon? Konnte er es denn nicht langsam mal gut sein lassen?

Plötzlich riss er jedoch erschrocken die Augen auf, als er seinen gewisperten Namen hörte und starrte Kai entsetzt an. Schnell hielt er sich die Hand vor den Mund und wimmerte leise. Oh nein. Was hatte er getan?
 

Verwirrt schaute er den anderen aus glasigen Augen an. Schnell rutschte er auf seinem Bett noch weiter nach hinten und kauerte sich zusammen. Die Knie zog er eng an seinen Körper und die Arme legte er darum. Er wusste einfach nicht, was hier los war. Alles drehte sich und er halluzinierte schon. Uruha war ganz sicher nicht bei ihm. Nein. Er war nicht hier und er hatte ihn auch nicht geküsst. Uruha hasste ihn doch. Warum sollte er das dann tun?

Schluchzend senkte er den Kopf und weinte hemmungslos. Sein Leben war doch einfach nur beschissen. Jetzt, wo er seine große Liebe verloren hatte, wollte er und konnte er einfach nicht mehr.

Nun schlang er die Arme um seinen bebenden Körper und schaute noch einmal aus tränenverschmierten, glasigen Augen auf. Doch noch immer hatte er Uruha vor sich. Wieso? Das ging doch gar nicht...

"Kouyou...", wisperte er den Namen des anderen.
 

Kami-Sama... Was hatte er nur getan? Was hatte er seinem Kai angetan, dass es ihm so miserabel ging? Sollte er selbst nicht eigentlich derjenige sein, der sich weinend verkroch und nie mehr jemanden sehen wollte? Schließlich war er derjenige, der beinahe vergewaltigt worden war. Aber nein. Stattdessen saß da Kai und weinte sich die Seele aus dem Leib. Und irgendwie... Irgendwie sah der andere auch noch viel schlimmer aus. Die Augen glasig, das Gesicht leichenblass, Augenringe unter den Augen und verwuscheltes Haar, ganz zu schweigen von den rotgeschwollenen Augen. Gott. Was war hier nur los?

Vorsichtig näherte er sich dem Gesicht des anderen und streckte langsam die Hand nach ihm aus, um ihn nicht zu verschrecken. Dann legte er sie vorsichtig auf Kais Stirn und zuckte sofort zurück. Kai verglühte beinahe.

"K-Kai...", winselte er leise. "Was...?"
 

Erneut zuckte er zusammen, als seine scheinbare Halluzination ihn auch noch berührte. War Uruha etwa wirklich hier? Hier bei ihm? Aber wieso? Er hasste ihn doch. Warum war er dann hier bei ihm?

Ohne ein weiteres Wort zu verlieren oder sich dessen bewusst zu sein, dass der andere panische Angst vor seinen Berührungen hatte, schlang er die Arme um ihn und drückte ihn fest an sich. Fast so, als habe er Angst, der andere könnte einfach so verschwinden. Und das sollte er ganz bestimmt nicht mehr. Uruha sollte bei ihm bleiben. Und wenn er dafür sonst was tun musste. Er sollte ihn nie wieder verlassen. "Ruha-chan...", wimmerte er und vergrub sein Gesicht in dessen Halsbeuge.
 

Er spürte die unsägliche Hitze des anderen an seinem Körper und wimmerte ebenso leise auf wie er. Verdammt. Dass Kai ihn gleich so fest umarmen würde, hätte er nie für möglich gehalten. Eher mit einer Ohrfeige hätte er gerechnet. Aber nein. Die blieb aus. Stattdessen kam nur ein leises 'Ruha-Chan' aus Kais Mund und Uruha zuckte noch mehr zusammen. Was sollte er denn jetzt bloß tun? Er konnte Kai doch nicht umarmen oder? Ging das etwas schon? Wirklich?

Er schluckte hart und legte beide Hände ganz vorsichtig auf Kais Rücken.

"Kai...", winselte er leise.
 

"Lass mich nie mehr alleine... Bitte...", hauchte er und spürte, wie ihm mehr und mehr Tränen kamen. Doch er konnte nicht verhindern, dass sie sich aus seinen Augenwinkeln lösten. Das wollte er auch gar nicht. Er war viel zu geschwächt und brauchte Halt. Halt, den ihm nur Uruha geben konnte. Der Mensch, den er über alles liebte und nie mehr gehen lassen wollte. Auch wenn es nur für diesen einen Moment war. Das änderte nichts daran, dass er ihn so sehr liebte. Und das würde sich sicher auch niemals ändern.

"Aishiteru....aishiteru..." Immer wieder kam eine leises Wimmern über seine Lippen.
 

"Kai, ich... Verzeih mir bitte... Ich hab alles falsch gemacht. Wirklich alles... Bitte... Verzeih mir!", schluchzte er verzweifelt und krallte seine Finger in Kais Rücken hinein. Dabei entfloh seinem Mund ebenfalls immer ein leises 'Aishiteru'. Er konnte es nicht fassen. Kai liebte ihn wirklich noch. Wirklich und wahrhaftig. Gott. Gab es denn etwas Schöneres als das hier? Momentan für ihn jedenfalls nicht und so konnte er nicht anders, als sich zu Kai zu beugen und ihn in einen Kuss zu verwickeln. Auch, wenn er das vielleicht bald bereuen würde... Er konnte nicht anders.
 

Er spürte, wie Uruha sich in seinen Rücken krallte und plötzlich wurde er erneut geküsst. Sofort fielen seine Lider zu und er seufzte wohlig in den Kuss. Wie sehr hatte er das hier vermisst. Einfach dem anderen so nah sein zu dürfen und ihn zu küssen. Auch die süßen Worte Uruhas ließen ihn förmlich dahinschmelzen.

Der leichte Druck auf seinen Lippen veranlasste ihn, sich weiter nach hinten zu lehnen und Uruha einfach mit sich zu ziehen. Nun lagen sie nebeneinander auf dem Bett und küssten sich. Wie wohl er sich plötzlich fühlte. Dennoch wurde ihm immer heißer. Aber das lag wohl doch nur an dem Fieber. Er wusste, dass er Uruha nur küssen durfte. Für mehr wäre dieser sicher nicht bereit. Aber das verstand er. Hauptsache Uruha war bei ihm.
 

Uruha konnte einfach nicht anders. Es fühlte sich wirklich viel zu schön an, Kai hier so nahe sein zu dürfen. Diesen schien das ja irgendwie gar nicht zu stören? Warum bloß? Uruha konnte es sich nicht erklären. Dennoch klammerte er sich wie ein Ertrinkender an Kai fest und weinte leise in den Kuss. Wie sehr hatte er sich das gewünscht...?

Plötzlich zog Kai ihn hinunter und sie lagen nebeneinander auf dem Bett und küssten sich. Uruha wurde schwummrig. Was war hier nur los? Das lief irgendwie nicht so, wie er es sich vorgestellt hatte. Aber dagegen wehren konnte er sich auch einfach nicht. Es ging nicht. Kai hatte ihn in seinen Bann gezogen und entließ ihn nicht mehr.

Ein leises Wimmern entfleuchte seinem Mund und er klammerte sich noch etwas fester an den anderen.
 

Nur schweren Herzens löste er sich von dem Kuss und schaute Uruha direkt in die Augen. Ihre Gesichter waren sich nah, aber sie berührten sich nicht. Kai strich mit seiner Hand sanft über Uruhas Wange. Weiter würde er nicht gehen. Nein. Dafür hatte Uruha sicher zu viel Angst vor ihm und das wollte er ihm nicht wieder antun. Nein. Er würde einfach nur mit ihm hier liegen und ihn ansehen. Keine Sekunde wollte er ihn mehr missen.

Dass er eigentlich krank war, ignorierte er gekonnt. Das war jetzt nebensächlich. Viel mehr interessierte ihn der andere. "Kannst du mir verzeihen?", fragte er schüchtern und mit heiserer Stimme. "Ich habe so viel Mist gebaut und dir so weh getan. Ich bin so ein Idiot. Wie konnte ich dir das nur antun.", schniefte er. "Du bedeutest mir so viel und was mach ich? Ich trete dein Vertrauen mit Füßen..."
 

Sofort schüttelte er den Kopf und presste seinen Körper noch näher an Kais heran, sodass kein Blatt mehr zwischen sie gepasst hätte. Niemand sollte sich jetzt mehr zwischen sie drängen können. Niemand mehr. Kai war ihm einfach viel zu wichtig, als dass er sich von so etwas davon abhalten lassen würde, ihm nahe zu sein. Kai war der wichtigste Mensch in seinem Leben.

"Du hast mir wehgetan, das stimmt. Und ich hatte eine Zeit lang wirklich Angst vor dir, aber... Ich versuche, diese Angst jetzt zu überwinden. Bitte, Kai-Chan... Du bist nicht schuld, ich hab dich doch provoziert... Es tut mir alles so wahnsinnig leid, also... Verzeih mir bitte. Ich liebe dich von ganzem Herzen. Lass mich nie wieder so alleine ja?", wimmerte er leise und sah Kai direkt an. "Lass mich bitte nie wieder los..."
 

Nun war Kai es, der den anderen fest an sich drückte und die Arme um dessen Körper schlang. "Ich liebe dich auch... so sehr, dass ich ohne dich nicht mehr sein kann und es auch nicht will. Du bist alles auf dieser Welt, was mich interessiert. Nur du...", wisperte er. "Ich werd dich nie wieder gehen lassen. Niemals mehr." Und schon legte er seine Lippen auf Uruhas und küsste ihn mit unglaublich viel Gefühl und dennoch sehr zurückhaltend. Er wollte ihn nicht überfordern. Wollte ihm die Zeit geben, die er brauchte, um sich ihm wieder annähern zu können. "Ich warte auf dich. Und wenn ich alt und grau bin, das ist mir auch egal. Ich will nur dich...", beteuerte er ihm und versiegelte abermals schüchtern ihre Lippen.
 

Als er erneut diese süßen Lippen auf seinen spüren durfte, war es wie ein Traum für ihn. Ein wahrlich schöner Traum. Oder war es etwa Wirklichkeit? Hatte Kai ihn hier wirklich in den Armen und küsste ihn? War es die Wahrheit? Um dieser Sache nachzugehen, öffnete er seine Augen noch mal einen Spalt breit und berührte schüchtern Kais Wange. Es stimmte. Das hier war eindeutig sein Kai und keine Illusion. Es war echt.

Überglücklich schmiegte er sich noch enger an den anderen Körper heran und erwiderte schüchtern den Kuss. Er bemerkte, dass Kai ihn nicht überfordern wollte und dafür war er ihm auch wirklich sehr dankbar.
 

Genießend schnurrte er in den Kuss und genoss ihn in vollen Zügen. Noch vor ein paar Minuten war er sich sicher gewesen, dass er nie wieder in den Genuss kommen würde, Uruha in den Armen zu halten und ihn so liebevoll zu küssen. Es war wie im Traum. Aber ein wirklich schöner Traum. Und er sollte nie enden. Er hoffte gerade so sehr, dass er nicht mehr schlief, sondern wach war und dies in Wirklichkeit geschah. Sollte es nur ein Traum sein, dann würde er lieber nie mehr aufwachen wollen. Dann sollte er mit diesem schönen Traum einfach für immer schlafen.

Zögerlich öffnete er die Augen und sah Uruha direkt vor sich. Dann löste er sich von seinen Lippen und schnappte nach Luft. Eigentlich hatte er die Trennung der Lippen noch nicht wirklich gewollt, aber es blieb ihm nichts anderes übrig.

"Ruha? Könntest... könntest du mich mal kneifen?"
 

Jetzt legte sich ein ganz kleines, zartes Lächeln auf seine Wangen und er beugte sich leicht zu ihm hinüber. Vorsichtig verschloss er seine Lippen noch einmal mit Kais, ehe er sich wieder von ihm löste und noch mehr lächelte.

"Ich soll dich kneifen? Sicher? Okay..."

Und schon schob er seine Hand unter Kais Hemd und zwickte ihn verspielt in die Seite. Ein lautes Lachen erfüllte die Luft und Uruha konnte einfach nicht anders, als leise mit zu kichern. Kais Lachen war ansteckend.

"Du bist die süßeste Person, die ich kenne...", murmelte er leise.
 

Kai musste herzhaft lachen. Gott. Er war doch so verdammt kitzlig. Wieso musste Uruha ihn auch gerade in die Seite zwicken? Da war er doch am empfindlichsten. Aber irgendwie tat das auch gut. Es war irgendwie befreiend und als Uruha dann auch noch leise mit kicherte, konnte er einfach nicht mehr und lächelte ihn süß an. Seine Stirn legte er gegen die Uruhas und schaute ihm tief in die Augen. Ihre Nasenspitzen berührten sich und der Kleinere rieb seine an der des anderen.

"Iie... Du bist so viel süßer. Da muss ich aufpassen, dass ich keinen Zuckerschock bekomme.", kicherte er.
 

"Du musst doch immun gegen Zucker sein. Sonst müsstest du ja von dir selbst einen Zuckerschock bekommen.", wisperte er zurück und wurde sofort rot. Was redete er denn da, bitteschön? Süßholzraspeln war doch sonst nicht so seine Art. Aber nun... Kai brachte vollkommen neue Seiten in ihm hervor. Der andere war wirklich etwas Besonderes.

"Aishiteru, Kai... Ich will dir immer so nahe sein. Bitte...", er rieb seine Nase auch vorsichtig an Kais und fing ganz unbewusst an, zu schnurren. Es war einfach zu schön, um wahr zu sein.
 

Zack. Jetzt war er nicht nur rot vom Fieber, dass sich aber scheinbar langsam zurückzog, sondern auch von Uruhas süßen Worten. Beschämt schaute er ihm in die Augen. Das war einfach zu süß, wie er hier so vorsichtig die Nase an seiner rieb. Auch das leise Schnurren gefiel ihm und ließ ihn fast schon hoffen, dass es so werden konnte, wie es war, bevor er diesen entsetzlichen Fehler begangen hatte.

"Mo..., Kou... Mo..." Schnell gab er ihm einen kleinen Kuss. "Ich hab nichts dagegen, aber ich will dir nicht weh tun. Also, wenn du etwas nicht willst, dann sag es mir. Ich hör sofort auf.", versicherte er ihm und strich abermals sanft über seine Wange. "Ich will dir nie wieder weh tun. Niemals wieder... Das schwör ich dir."
 

Ohne auch nur eine einzige Sekunde zu zögern, nickte er heftig und stupste Kais Nase erneut mit seiner an. Uruha würde Kai schon sagen, wenn ihm etwas nicht passte. Es wäre dumm, wenn er dies nicht tun würde. Kai hatte ihm ja jetzt auch hoch und heilig versprochen, dass er ihm niemals mehr wehtun würde. Und an diesen kleinen Hoffnungsschimmer klammerte sich Uruha wie ein Ertrinkender und schluchzte leise auf.

"Du bist so furchtbar süß, Kai... So furchtbar süß... Ich liebe dich von ganzem Herzen und... Bitte... Bitte sei mir wieder nahe, ja? Ich bitte dich... Lass nie wieder etwas zwischen uns kommen. Ich liebe dich doch viel zu sehr."
 

Sein Herz wummerte hart gegen seine Brust und er hatte irgendwie das Gefühl, dass es jeden Moment zerspringen könnte, weil es sich einfach nicht beruhigen wollte. Uruha wollte ihm nahe sein. Das hatte er doch jetzt gesagt oder täuschte er sich da. Durfte er ihn wieder streicheln und berühren? Ihm so viele Zärtlichkeiten geben, wie der andere verdient hatte?

Leicht nickte er und beugte sich leicht nach vorne, um seine Lippen wieder auf Uruhas zu legen. "Nichts und niemand wird mich mehr davon abhalten, dir so nahe zu sein. So nahe, wie du es möchtest.", hauchte er gegen die Lippen. Dann schloss er die Augen und küsste seinen Freund nochmals.

"Ano..." Schüchtern schaute er ihm in die Augen. "Sind wir wieder zusammen?"
 

Liebevoll nickte Uruha und versiegelte ihre Lippen wieder einmal. Doch diesmal war dieser Kuss lang anhaltend und sinnlich. Natürlich waren sie wieder zusammen, wenn Kai das wollte. Und anscheinend wollte er es ja, ansonsten hätte er Uruha ja nicht danach gefragt. Es machte ihn überglücklich, dass der andere ihn scheinbar nicht hasste. So glücklich hatte er sich noch nie gefühlt.

Er vertiefte den Kuss noch etwas und strich Kai ganz vorsichtig über den Nacken, als könne er ihm wehtun. Er war noch zögerlich, da er nicht wusste, was er tun sollte. Aber er hatte Kai gesagt, dass er jetzt seine Angst überwinden würde und das hatte er auch vor.

"Kai? Möchtest... Möchtest du mich ein wenig streicheln? Ich hab das so sehr vermisst..."
 

Kai lächelte ihn liebevoll an, als er seine Frage gestellt hatte. Ja, das hatte auch er so sehr vermisst. Er wollte ihn streicheln und ihn einfach nur mit Zärtlichkeiten überhäufen. Ihm zeigen, wie sehr er ihn liebte und wie ernst er es mit ihm meinte.

"Alles, was du willst, mein Schatz. Alles." Und schon schickte er seine Hände auf Wanderschaft. Langsam und auch immer darauf bedacht, Uruhas Reaktion so genau wie möglich zu beobachten. Er wollte sofort aufhören, wenn er merkte, dass der andere sich unwohl fühlte. Und so schaute er ihm direkt in die Augen. Er hoffte, dort zu sehen, wenn der andere irgendein Zeichen zeigte.
 

Als der andere zustimmte, schluckte er trocken und schloss die Augen. Jetzt gab es also kein Zurück mehr. Er hatte Kai angeboten, ihn anfassen zu dürfen und das würde er jetzt auch nicht zurückziehen. Das wäre feige von ihm und genau das wollte er ja nun nicht mehr sein. Also schloss er tapfer die Augen und ließ Kais Berührungen auf sich wirken. Zuerst ganz zart, dann etwas intensiver berührte Kai ihn und entlockte Uruha immer wieder das ein oder andere Schnurren. Er bog sich leicht den süßen Streicheleinheiten entgegen und seufzte zufrieden. Dass es so schön sein würde, hätte er niemals für möglich gehalten.

"Hör bitte nicht auf...", murmelte er ganz leise.
 

Das hatte er auch irgendwie nicht vor. Viel zu schön fühlte es sich an, die weiche Haut unter seinen Fingern zu spüren. Einfach berauschend und unglaublich verführerisch. Aber er riss sich zusammen und ließ seine Berührungen nur ganz sanft ausfallen. So, dass Uruha nicht überfordert wurde. Das hatte er nicht vor.

"Aber sag sofort Bescheid, wenn du etwas nicht willst. Ich will dir nicht weh tun. Alles nur das nicht. Ich hab Angst davor.", flüsterte er leise und lehnte den Kopf gegen Uruhas Stirn. "Ich liebe dich so sehr. Und ich kann warten. Solange du brauchst. Ich möchte dich nicht unter Druck setzen."
 

"Das tust du auch nicht, mein süßer Schatz... Du tust mir nicht weh. Noch mehr verletzt werden kann ich nicht und ich bin dir jetzt dankbar, wenn du machst, was ich dir sage. Und ich sage dir, dass du mich bitte berühren sollst... Ich brauche dich, Kai und ich werde dich niemals mehr loslassen. Auch, wenn der Himmel auf uns kracht. Ich werde dein Dach sein und dich vor ihm beschützen..."

Gott, er war ja richtig poetisch. Du solltest ein Buch schreiben, Uruha. Aber jetzt mal Spaß beiseite. Kai war wichtiger, als seine dummen, gedanklichen Selbstgespräche.

"Aishiteru... Onegai, Kai-Chan..."
 

Uruha war so unglaublich lieb zu ihm und das, nachdem er ihm so sehr weh getan hatte. Das konnte er einfach nicht glauben. Waren eben die Tränen versiegt, so kamen sie jetzt wieder und liefen ohne sein Zutun einfach über seine Wangen und er schluchzte. Womit hatte er nur so einen süßen Freund verdient? Es war nicht zu fassen. Konnte ein einzelner Mensch denn so viel Güte in sich tragen? Scheinbar, denn Uruha schien ihm gerade einen unverzeihlichen Fehler zu verzeihen.

Er ließ den Kopf sinken und hickste auf. Die Stirn lehnte er so gegen Uruhas Halsbeuge und vergrub sein Gesicht so, dass der andere nicht sehen konnte, dass er weinte. Aber dieses Mal nicht vor Trauer sondern vor Freude. Er war so verdammt glücklich.
 

Als Kais Streicheleinheiten plötzlich und abrupt aufhörten, runzelte er nur verwirrt die Stirn. Nanu? Was war denn nun los? Hatte er vielleicht doch etwas falsch gemacht? Wenn ja, was denn bloß? Dann hörte er auf einmal ein leises Schluchzen und erschrak heftig. Kai weinte. Gott. Machte er denn eigentlich immer alles falsch? Am liebsten hätte er sich jetzt wirklich selbst in den Arsch getreten.

Vorsichtig hob er Kais Kinn an und küsste ihm die salzigen Tränen weg. Dann sah er ihn aus traurigen Augen an.

"Was hast du, Kai-Chan? Hab ich was falsch gemacht? Soll... Soll ich dich lieber alleine lassen?"
 

Aus tränenden Augen schaute er ihn an, doch auf seinen Lippen lag ein verlegenes Lächeln. Dann schüttelte er den Kopf und küsste Uruha spontan. "Iie... hast du nicht und lass mich nicht alleine.", wisperte er unter Schluchzern. Hastig wischte er sich die restlichen Tränen mit dem Handrücken weg und lächelte ihn wieder an.

"Ich... ich bin einfach nur so froh, dass du bei mir bist. Ich weine, weil ich mich freue. So froh war ich noch nie in meinem Leben." Und das stimmte auch. So sehr hatte er sich noch nicht einmal gefreut, als er sein Drumset gekauft hatte. Auch nicht, als Uruha es geschafft hatte, es ihm wiederzubeschaffen. Nein. Nichts konnte ihn glücklicher machen als Uruha bei sich zu haben.

"Ich liebe dich so sehr." Das sagte er ihm direkt ins Gesicht, ohne den Blick zu senken und mit einem zuckersüßen Lächeln auf den Lippen.
 

Sofort wurde Uruha rot. Kami-Sama! Musste der Kerl immer so unfair sein? Bei diesem Puppey-Blick konnte doch kein normaler Mensch widerstehen. Und so konnte er auch nicht anders, als sich wieder an seinen Schatz zu kuscheln und leise zu schnurren. Es war einfach nur fantastisch. Niemals wieder wollte er diese Nähe missen müssen. Und dafür würde er kämpfen. Er würde ihre Beziehung hegen und pflegen wie eine zarte Blume.

"Kai?", fragte er leise in die Stille hinein. "Küss mich bitte..."
 

Und wieder konnte er sich ein Lächeln nicht verkneifen. Würde das hier so weitergehen, dann würde er heute ganz sicher der Sonne Konkurrenz machen können, denn dieses Strahlen schien kein Ende mehr zu finden. Aber er wollte auch gar nicht aufhören. Sollten doch alle ruhig wissen, dass er soeben der glücklichste Mensch auf Erden war. Er hatte Uruha wieder. Seinen Uruha. Auch wenn das kitschig klang, es war einfach das, was er im Moment gerade fühlte.

Ein leichtes Nicken und schon lag seine Hand wieder auf Uruhas Wange und streichelte sie. "So viel du willst...", säuselte er und legte nun auch seine Lippen auf die süßen, sündigen Polster seines Liebsten. Liebevoll und leidenschaftlich küsste er ihn. Zögerlich ließ er die Zunge über die volle Unterlippe des anderen gleiten. Einfach nur so. Er würde ja merken, was er zuließ und was nicht.
 

Kaum, dass Kai mit seiner Zunge um Einlass bat, öffnete Uruha auch schon seine Lippen und spürte, wie sich eine kleine, vorwitzige Zunge in sein Reich drängte. Was für eine Frechheit. Uruha wollte Kais Mund ebenso plündern wie dieser es gerade mit dem seinigen tat. Aber Uruha hatte keine Chance. Es fühlte sich einfach viel zu schön an, wie Kai schüchtern über seinen Gaumen und seine Zahnreihen fuhr und dann anfing, seine Zunge zu verwöhnen. Uruha entwich ein kleiner Seufzer und er schmiegte sich noch viel enger an den anderen heran, wollte ihn wirklich nie mehr hergeben.

"Onegai...", hauchte er leise, als sie sich wegen Luftmangels lösen mussten.
 

Kais Körper glühte und kribbelte überall, als Uruha ihm einfach Einlass gewährte. Kami-sama. Womit hatte er das nur verdient? Und Uruha trieb ihn schier in den Wahnsinn. Er hatte arge Probleme, sich nicht wieder weiter vor zu wagen. Aber er hatte Uruha das Versprechen gegeben, nichts ohne seine Zustimmung zu tun. Und so hielt er sich im Zaum und sah ihn fragend an. Auch wenn das vielleicht eher unpassend war, er wollte einfach nichts falsch machen.

"Gomen ne... Es ist blöd, wenn ich das frage, aber ich will wirklich nichts falsch machen. Ich will dich nicht wieder verlieren." Er schloss die Augen und sein Gesicht wurde noch roter, als es eh schon war. "Um was bittest du mich? Was soll ich tun?", fragte er fast tonlos.
 

Sein Gesicht färbte sich tomatenrot, als Kai ihn dies fragte. Ja... Worum bat er ihn eigentlich? Was hatte er eben noch so sehnlichst gewollt? Eigentlich hatte er ja gehofft, Kai hätte seine Bitte verstanden, aber da dem nicht so war, musste er es wohl oder übel selbst sagen. Auch, wenn es peinlich war und Kai dies vermutlich nicht wollen würde, dennoch musste er es endlich sagen. Mit einer Abfuhr konnte er leben. Dann wusste er, dass ihre Beziehung noch nicht reif genug war. Aber einen Versuch war es wert. Er holte einmal tief Luft und setzte dann zum Sprechen an.

"Kai?", fragte er leise. "Schlaf mit mir..."
 

Seine Augen weiteten sich, als er die Bitte des anderen hörte. Sollte er wirklich? War das jetzt auch wirklich wahr? Aber... hatte Uruha keine Angst mehr vor ihm? Er hatte doch genau das mit ihm versucht und wäre beinahe wirklich so weit gegangen. Aber er hatte sich bereits in ihn gedrängt gehabt. Also war es doch schon so etwas wie eine Vergewaltigung, die er da begangen hatte. Sollte er Uruha das wirklich vor Augen führen?

"Ano...", stammelte er und sein Blick wurde traurig. "Möchtest du das wirklich? Ich mein,.... ich hab dir so viel angetan und jetzt willst du trotzdem mit mir..."
 

"Kai-Chan... Bitte... Ich will es wirklich. Wie soll ich denn jemals wieder richtig Vertrauen zu dir schließen, wenn wir nicht das testen, womit du mir so wehgetan hast? Du hast mir versprochen, es nie wieder zu tun und das wäre jetzt deine Probe. Onegai... Kai-Chan..."

Seine Stimme klang belegt und seine Wangen fingen an zu glühen. Schnell vergrub er sein Gesicht an Kais Brust und zitterte leicht. Er wollte es wirklich. Kai sollte mit ihm schlafen und ihm beweisen, dass er sein Versprechen einhalten würde.

"Onegai shimasu..."
 

Und wieder schlug sein Herz schneller und schien bald aus seiner Brust springen zu wollen. Seine Wangen glühten und Uruha schien es wirklich ernst zu meinen. Er würde ihm jetzt also beweisen müssen, dass er auch in solchen Momenten unsagbar zärtlich zu ihm sein würde. In jeder Sekunde seines Lebens. Etwas anderes wollte er eh nie wieder tun.

"Ha...hai....", stotterte. Jetzt war er so unglaublich nervös und unsicher. Er wollte doch alles richtig machen. Dabei hatte er doch nicht wirklich Ahnung davon. Dennoch würde er alles versuchen, um ihm nicht weh zu tun oder ihn zu enttäuschen.

Liebevoll streichelte er ihm über die Wangen und zog ihn wieder in einen Kuss. Seine freie Hand ging auf Wanderschaft und strich ihm zärtlich über die Seite.
 

Uruhas Herz machte gerade ordentliche Sprünge in seinem Brustkorb. Hilfe. Was tat Kai da nur mit ihm? Ein einzelner Mensch konnte einem anderen doch nicht so den Kopf verdrehen. Das ging doch gar nicht. Oder etwa doch? Oder war er so aufgeregt, weil er Angst vor Kai hatte? Beides, vermutete er. Einerseits hatte Kai ihm ja versprochen, nichts mehr ohne seinen Willen zu tun, andererseits jedoch wusste Uruha nicht, ob er ihm wirklich glauben konnte. Aber er wollte Kai auch nicht enttäuschen. Das mit dem miteinander schlafen war seine Idee gewesen und da würde er auch nicht den Schwanz einziehen. Den brauchte er ja jetzt wohl noch.

Schlagartig wurde er rot und vergrub sein Gesicht noch stärker an Kais Brust. Doch dann spürte er dessen süße Streicheleinheiten und konnte nicht anders, als seinen Kopf auf Kais Schulter abzulegen und seinen Hals zu recken. Gott. War das schön...
 

Hauchzart fuhren seine Fingerspitzen über die noch immer mit dünnem Stoff benetzten Haut. Dennoch konnte er die Gänsehaut des anderen spüren und schmunzelte leicht, als er ihm dann auch noch den Hals entgegenreckte. Dieser Anblick war verführerisch und Kai leckte sich leicht über die trockenen Lippen. Kami-sama. Ob er auch wirklich alles richtig machen würde? Er wollte Uruha nicht enttäuschen. Und was war eigentlich, wenn es ihm nicht gefiel, was er mit ihm tat? Er war sich einfach so verdammt unsicher. Und trotzdem wollte er ihn nicht enttäuschen. Also tat er das, was ihm richtig erschien und tat es mit so viel Gefühl, dass er vor sich selbst Angst bekam. Doch Uruha war es ihm wert. Dieser Mann war ihm alles wert.

Langsam ließ er sich am Körper des anderen nach unten gleiten und küsste sich seinen Weg über das Ohrläppchen, über den Hals, bis zum Schlüsselbein. Seine Hände schob er unter das Oberteil und schob es leicht nach oben. Zärtlich fuhren seine Finger über die leichten Bauchmuskeln hinauf zur Brust.
 

Leise Laute verließen seine Lippen und Uruha glaubte sich wirklich im Himmel. Kami-Sama. Er wusste, dass er ihm ganz nahe war. Nur im Himmel konnte man schließlich solch schöne Gefühle genießen. Oder etwa doch nicht? Ging das alles auch auf der Erde. Anscheinend ja, denn es war Kai, der ihn da berührte und verwöhnte und kein leuchtender Engel. Obwohl... Kai war ein Engel. Sein ganz persönlicher Schutzengel, den er immer hegen und pflegen würde. Niemals mehr würde er ihn jetzt alleine lassen. Das war es einfach nicht wert. Ohne Kai fühlte er sich wie ein halber Mensch. Einfach nicht vollständig. Ohne Kai fehlte etwas.

Als sich Kai seinen Weg vom Ohrläppchen, wo Uruha ja besonders empfindlich war, über den Hals und zum Schlüsselbein küsste und dabei auch noch sein Hemd hochschob, war es um Uruha geschehen. Leise, wohlklingende Laute verließen im Sekundentakt seine Lippen. Er konnte einfach nicht anders. Kai war die pure Sünde und für diese Sünde würde er selbst die Hölle in Kauf nehmen.
 

Zufrieden vernahm er die süßen, lustvollen Laute seines Freundes. So wusste er, dass er wenigstens nichts falsch machte. Und so konnte er auch einfach nicht aufhören, ihn weiter auf diese Art und Weise zu verwöhnen.

Langsam schob er das Hemd noch höher. Doch da fiel ihm auf, dass er das doch auch anders machen konnte. Also wanderte es wieder nach unten und Kai widmete sich ausgiebig jedem einzelnen Knopf, während er sich noch immer an Uruhas Hals und Schlüsselbein zu schaffen machte. Es war ein unbeschreibliches Gefühl, ihn so wieder zu spüren. Das würde er so schnell nicht wieder vergessen.

Schneller als erwartet, waren die Knöpfe aus dem Weg geräumt und er konnte das Hemd zu beiden Seiten von Uruhas Brust schieben. Fasziniert betrachtete er die sahneweiße Haut unter seinen Fingern, eher er sich daran machte, auch hier den schlanken Körper mit Küssen zu überhäufen.
 

Er glaubte beinahe, den Verstand zu verlieren. Kais Berührungen waren so atemberaubend zärtlich, dass ihm beinahe wirklich die Luft zum Atmen fehlte. Es war einfach viel zu gut, als dass er Kai jetzt bitten würde, aufzuhören. Oh nein. Das würde er jetzt bis zum süßen Ende durchhalten und er war sich sicher, dass er das mit Bravour schaffen würde. Wieso auch nicht? Kai war sein Freund und wollte ihm nie weder wehtun. Also musste er ja auch keine Angst mehr vor ihm haben.

Errötend merkte er, wie Kai sein Hemd aufknöpfte und wie es an seinen schmalen Schultern hinabrutschte. Dann sah er Kai leicht zweifelnd an.

"Gefällt dir, was du siehst?", wisperte er leise und mit rauchig-weicher Stimme. "Aishiteru..."
 

Kai konnte darauf nur lächelnd nicken und beugte sich sogleich hinunter, um die süße weiche Haut zu küssen und mit der Hand zärtlich zu streicheln. Nur kurz schaute er auf und direkt in Uruhas Gesicht. "Mir gefällt alles an dir. Jeder Millimeter...", hauchte er und widmete sich dann liebevoll den rosigen Knospen, die ihn geradezu anflehten, beachtet zu werden. Und das würden sie auch. Nichts konnte ihn davon abhalten.

Neckisch leckte er über sie und zupfte leicht mit den Zähnen daran, eher er wieder besänftigend mit der Zunge und den Lippen darüber fuhr. Nicht lange und sie reckten sich ihm entgegen. Es war ein schönes Gefühl, zu sehen, dass sein Schatz ihm vertraute. Es musste ihm schier unsagbar Nerven kosten, dass hier einfach so über sich ergehen zu lassen. Doch er wollte ihm zeigen, dass er wirklich nie wieder so etwas Grausames mit ihm tun würde.
 

Seine Finger vergruben sich tief in dem schwarzen, dichtem Haar seines Kais und streichelten so zärtlich darüber und auch über den Nacken, wie er konnte. Wenn Kai schon all seine Bemühungen in sein Vergnügen steckte, dann wollte er Kai auch beweisen, dass er das ebenso konnte. Und so begaben sich auch seine Hände auf Wanderschaft und strichen über den Rücken. Langsam und zärtlich schob er das Hemd seines Schatzes nach oben und liebkoste mit den Fingerspitzen die weiche Haut an Kais Rücken.

Dann widmete sich Kai ganz plötzlich seinen Brustwarzen und Uruha konnte nicht anders, als sich auf seinen Zeigefinger zu beißen, um nicht allzu laut zu sein. Er wollte nicht, dass Miyavi oder Kais Mutter sie hören konnten. Sein Stöhnen sollte nur für Kai hörbar sein. Nur für ihn. Er hörte die leisen Geräusche Kais, die er machte, wenn er über seine Brustwarzen leckte und Uruha wandte sich leicht unter ihm.

"Onegai..."
 

Der Schwarzhaarige widmete sich ausgiebig den süßen kleinen Knospen. Dann wanderte er mit der Zunge langsam über Uruhas Bauch und umspielte dessen Bauchnabel. Noch vom letzten Mal wusste er, wie sehr dem anderen dies gefallen hatte. Und er hoffte, dass dies auch jetzt noch der Fall war. Und so versenkte er seine Zunge im Bauchnabel seines Schatzes und ließ seine Hände weiterhin sanft über den Brustkorb Uruhas gleiten. Er wollte ihn verwöhnen und ihn vielleicht auch etwas von seiner Angst nehmen. Er hatte sich geschworen, niemals wieder so einen Fehler zu begehen. Nie mehr. Und genau das würde er Uruha jetzt beweisen. All seine Gefühle für den Größeren steckte er in jede einzelne Berührung, mit der er seinen Körper verwöhnte. Und das hatte er sich verdient. Uruha sollte einfach entspannen und genießen. Er würde ihm schon zeigen, dass Sex etwas Schönes war. Etwas, dass er nie vergessen werden würde.

Schüchtern legte er eine Hand auf Uruhas Hose und nestelte am Verschluss. Unsicher schaute er auf. Lieber auf Nummer sicher gehen.
 

Plötzlich spürte er Kais Hände an seiner Hose und reflexartig zuckte er zusammen. Sofort hielt er Kais Hände fest und blickte ihm ängstlich in die Augen. Wollte Kai ihn etwa jetzt schon ausziehen? Keinerlei richtiges Vorspiel? Er brauchte das aber. Er hatte Angst, dass Kai sein Versprechen gleich vielleicht doch brechen würde. Wahnsinnige Angst. Und so schüttelte er nur leicht den Kopf und sah Kai bittend an.

"N-Nicht... Ich... Ich brauche noch ein bisschen Zeit... Kannst du noch ein bisschen weitermachen, onegai? Ich... Ich brauche das... Bitte..."

Gott, er war erbärmlich. Eben noch protzte er damit, keinerlei Angst mehr zu haben und jetzt kniff er. Wirklich klasse, Uruha.

"Gleich darfst du... Nur noch ein bisschen, hai?"
 

Ein bisschen erschrocken war er schon, als plötzlich seine Hand festgehalten wurde. Doch er hatte damit rechnen müssen. Er war auch nicht enttäuscht oder so. Nein. Er hatte ihm versprochen, ihm so viel Zeit zu geben, wie er brauchte. Die würde er auch bekommen.

Mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen ließ er von der Hose ab und krabbelte wieder nach oben zu Uruha, um ihm einen liebevollen und innigen Kuss zu geben.

"Schon gut, ich kann warten. Auf dich solange, wie du brauchst. Mach dir keine Gedanken.", versicherte er ihm abermals und streichelte ihn wieder ganz zärtlich und behutsam. Ja, er würde nichts tun, was er nicht wollte. Und wenn Uruha Zeit wollte, dann würde er diese auch bekommen. Allein die Tatsache, dass er ihn streicheln und berühren und sogar küssen durfte, ließ ihn auf Wolke sieben schweben. Und so verwöhnte er ihn noch intensiver und zärtlicher. Umschmeichelte die Brustwarzen, strich mit den Fingerspitzen hauchzart über die Seiten und küsste ihn überall.
 

Erleichtert atmete er auf. Kai hatte also verstanden, dass er noch etwas Zeit brauchen würde, bis er Kai an sich heranlassen würde. Und als Kai dann tatsächlich von ihm abließ und sich stattdessen daran machte, seinen restlichen Körper wieder zu streicheln und zu verwöhnen, da konnte er nicht anders und schnurrte laut auf. Das war so gut. So verdammt gut. Kai machte alles genau richtig und ließ ihm Zeit. Dafür war er seinem Schatz auch wirklich unsagbar dankbar.

Als Kai wieder mit den Lippen an seinem Ohrläppchen ankam und zärtlich daran knabberte, spürte er auf einmal, wie seine Hose anfing, zu spannen.

"Wow...", hauchte er leise.
 

Kai lächelte. Ja, das hier war wirklich 'wow' und zwar ein verdammt scharfes 'wow'. So langsam kribbelte es überall und seine enge Boxershorts schien ihm das auch noch zu verdeutlichen. Uruha machte ihn schier verrückt und trieb sein Verlangen nach dem Größeren auch immer mehr in unermessliche Gefilde. Irgendwie war es ja gemein, aber er konnte das auch verdammt gut verstehen. Also hielt er sich auch weiterhin zurück und liebkoste jeden Millimeter, der ihm in die Quere kam. Und Uruha hatte verdammt viele verführerisch Zentimeter Haut zu bieten. Das hatte er wieder einmal feststellen müssen. Da hatte er ordentlich was zu tun. Aber er tat es gerne, denn er liebte das Gefühl, wie sich Uruha unter ihm wandte und leise Seufzer seine Lippen verließen. Es machte ihn unglaublich heiß und er spürte sein Fieber kaum noch. Viel zu sehr war er mit seinem Schatz beschäftigt.
 

Uruhas Hose wurde langsam wirklich viel zu eng. Kami-Sama. Was war das nur für ein Gefühl? Jedenfalls eines, was ihm noch nie zuvor untergekommen war. Es war unglaublich. Total unglaublich und wunderschön zugleich. Kais Berührungen gingen ihm durch Mark und Bein und ließen ihn heftig erzittern. So langsam konnte er auch nicht mehr und er fand es langsam wirklich gemein, Kai so zappeln zu lassen. Also raffte er all seinen Mut zusammen und lächelte seinen süßen Freund an.

"Jetzt darfst du... Ich bin bereit..."

Something new

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Pain and anger, love and sex

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Past

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Ending

Mitten in der Aufnahme des Protokolls klingelte plötzlich sein Telefon und er entschuldigte sich vielmals für diese Unterbrechung. Das war sicher Aoi, der ihm mitteilen wollte, wo genau Uruha nun lag. Gut, dann wurden sie sicher auch gut versorgt. Darüber musste er sich also keine Gedanken mehr machen.

Eine Stunde verging noch, bevor er sich von den Polizisten verabschieden konnte und den Weg nach Hause antreten durfte. Er musste sich zuerst einmal frisch machen, bevor er sich zu den beiden trauen durfte. Nur gut, dass die umstehenden Passanten für und nicht gegen ihn und seine Freunde ausgesagt hatten. Der Großteil hatte sogar darauf bestanden, dass er in Notwehr gehandelt hatte. Manchmal waren die Leute doch nicht so ungerecht zu ihnen.

Nicht lange und er war fertig. Gut, er hatte sich ziemlich beeilt, damit er zu seinen beiden Freunden konnte. Schnell besorgte er noch zwei Blumensträuße und ein paar momiji manjuu für die Zwei und machte sich auf den Weg. Nur gut, dass er wusste, wo er Uruha finden würde. Und Aoi war sicher nicht weit von seinem Bruder entfernt.

Leise und vorsichtig klopfte er an die Tür.
 

Aoi war sichtlich nervös. Seit seiner SMS an Kai war eine ganze Stunde vergangen oder vielleicht sogar etwas mehr. Er machte sich Sorgen. War Kai vielleicht gar nicht von den Polizisten losgekommen? Hatten sie ihn mit ins Gefängnis genommen, weil er einen anderen zusammengeschlagen hatte? Aber das war nun wirklich Notwehr gewesen. Kai hatte sie nur beschützen wollen. Da konnte ihm doch niemand einen Strich draus drehen. Oder etwa doch? Aoi wusste es einfach nicht und so konnte er nicht länger in seinem Bett liegen. Er musste einfach irgendetwas tun.

Und so setzte er sich an Uruhas Bett und streichelte seinen Kleinen sanft über die blasse Wange. Der andere schlief noch und würde aber bald erwachen. Das hatten jedenfalls die Ärzte behauptet. Hoffentlich hatte Uruha nicht noch mehr Schäden als diese Wunden davongetragen. Seelische Schäden waren viel schwieriger zu flicken als andere.

Plötzlich klopfte es an die Tür und Kai trat mit zwei riesigen Blumensträußen ein. Aoi lächelte zaghaft und klopfte auffordernd neben sich aufs Bett.

"Hey, Kai. Wie geht´s dir? Was ist passiert? Uruha ist leider noch nicht aufgewacht, aber er sollte es bald."

Und wie aufs Stichwort konnten sie ein leises Winseln hören und wie Uruha wieder begann, leise mit sich selbst zu sprechen.
 

Zu allererst hielt er dem Älteren einen der beiden Blumensträuße hin. "Eine kleine Aufmerksamkeit, damit ihr beide schnell wieder gesund werdet.", lächelte er und hielt dem anderen dann auch noch eine große Packung momiji manjuu hin. "Bitte schön. Kommt von Herzen.", kicherte er.

Aoi war irgendwie wirklich ein netter Kerl. Dabei hatte er ihn auch anders kennengelernt.

Dann schnappte er sich eine der Vasen und stellte Uruhas Blumenstrauß hinein. Sofort setzte er sich zu seinem Schatz und nahm seine Hand. Uruha sah zwar jetzt nicht mehr so blutverschmiert aus, allerdings waren so auch die Wunden deutlich sichtbarer. Liebevoll küsste er seine Hand und hauchte ihm ein 'gomen nasai' dagegen.
 

"Danke. Das wäre nicht nötig gewesen. Und die momiji manjuu kann Kou haben. Der steht doch so auf die Dinger und ihm geht´s gerade wirklich deutlich schlechter als mir.", Aoi seufzte leise, stellte seinen Strauß ebenfalls in eine Vase und setzte sich wieder zu den anderen beiden und beobachtete sie. Sie waren wirklich ein süßes Pärchen. Kai kümmerte sich so rührend um Uruha und bei Kai konnte Uruha immer so unbeschwert sein und lachen. Die beiden gehörten einfach zusammen.

"Kai? Bleib immer bei ihm, ja? Versprich mir das bitte. Ich sehe doch, wie glücklich er bei dir ist. Ohne dich kann er nicht und deshalb bitte ich dich, ihn niemals mehr alleine zu lassen. Du liebst ihn doch oder? Würdest du alles für ihn tun? Bitte, Yutaka. Ich will Kouyou glücklich sehen können. Das ist für mich das einzige, was zählt."
 

Kami-sama! Seit wann war Aoi denn so drauf? Okay, er kannte ihn nicht wirklich gut, aber so etwas hätte er von dem anderen nicht gedacht. Dieser schien ihn schon förmlich darum anzuflehen, dass er bei ihm bleiben sollte. Aber das war eigentlich überhaupt nicht nötig. Kai liebte ihn so sehr, dass das eigentlich selbstverständlich war. Und von jetzt an würde er ihn auch besser beschützen und auf ihn aufpassen.

"Hai, ich liebe ihn sehr und ich verspreche dir, dass ich auf ihn aufpasse und bei ihm bleibe. Davon wird mich nichts mehr abhalten. Ich werde mit nach Kanagawa kommen und mich dort um ihn kümmern. Ich werde mir einen Job suchen und dann kann ich auch bei euch wohnen, wenn das Angebot denn noch steht. Ich kann solange auch für euch kochen und so. Ich will euch nämlich nicht zur Last fallen." Irgendwie schien er gerade wie verwandelt. Hatte er vorhin nicht noch gedacht, dass er Aoi und Uruha nicht stören sollte? Und jetzt? Jetzt wollte er unbedingt zu ihnen.
 

"Natürlich bleibst du bei uns. Wenn wir dich schon mit nach Kanagawa schleifen, dann ist das natürlich selbstverständlich, dass du auch bei uns wohnst. Und jetzt mal ganz unter uns... Dein Essen ist absolute Spitzenklasse. Wo hast du das gelernt, Kai? Ich hab bis jetzt zwar nur Frühstück von dir gekriegt, aber ich bin schon jetzt tierisch süchtig danach. Ich kann Uruha wirklich verstehen, dass er dich so liebt. Ich meine... Du kannst genial kochen, bist ein sehr, sehr netter und liebevoller Mensch, würdest alles für ihn tun und als Kami-Sama das gute Aussehen verteilt hat, hast du mindestens zweimal 'Hier!' geschrien. Und das meine ich ernst."

Er grinste und strich dann Uruha über die Stirn, welcher die Augen einen Spalt offener hatte und sie verwirrt anblinzelte, aber keinen Ton sagte.

"Kou? Kannst du mich hören?"
 

Sofort lief er hochrot an. DAS hatte ihm noch niemand so ins Gesicht gesagt. Uruha hatte seine Kochkünste zwar auch öfters gelobt, aber mit so vielen Komplimenten wurde er bisher noch nicht überschüttet. Deshalb saß er auch wie versteinert an Uruhas Bett. Nur seine Hand bewegte sich dabei und strich noch immer zärtlich über die Haut des anderen.

Hatte er eigentlich wirklich so viele positive Eigenschaften? Er selbst zweifelte stark daran. Er hatte so viele verdammte Schwächen an sich und auch einige nicht so tolle Charaktereigenschaften. Also sollte Aoi nicht so von ihm sprechen. Das war er wirklich nicht wert.

Doch dann hörte er Aoi, wie dieser leise mit Uruha sprach. Und auch er beugte sich nach vorne. Er schlich sich an Aois Kopf vorbei und hauchte Uruha einen kleinen Kuss auf die Lippen.
 

Aoi seufzte leise, als Kai Uruha vorsichtig küsste und setzte sich auf. Er grinste leicht, strubbelte Kai kurz durchs Haar und ging dann zur Tür.

"Ich hol mal was zu futtern für uns. Nur durch momiji manjuu wird unser Kleiner ja nicht satt. Pass auf ihn auf. Bis gleich.", und schon war er verschwunden.

Uruha blieb alleine mit Kai zurück und winselte leise. Er spürte Kais Lippen auf seinen, hatte allerdings nicht die Kraft, zu erwidern und musste sich damit zufrieden geben, ihn anzusehen. Und richtig erpicht darauf, mit ihm zu sprechen, war er auch nicht wirklich. Also sagte er lieber gar nichts und nuschelte weiter vor sich hin. Er verstand immer noch nicht, wieso man ihm so etwas angetan hatte. Was hatte er getan?
 

"Hey, mein Schatz.", murmelte er und ließ seine Stirn ganz sacht gegen die Uruhas gelehnt. Er schaute ihm tief in die Augen und lächelte ihn liebevoll an. "Warum machst du immer solche Sachen? Aber ab jetzt werde ich ganz dolle auf dich aufpassen. Alles, was dir Schaden zufügen könnte, werd ich mit allem mir zur Verfügung stehenden Mitteln verhindern. Ich will nicht, dass du noch mehr leiden musst. Niemals mehr.", hauchte er ihm sachte zu. "Du bist mein größter Schatz und ich werd dich von nun an nicht mehr aus den Augen lassen. Auch wenn ich dir beim Pinkeln zugucken muss. Das is mir auch egal. Aber niemals mehr soll so etwas passieren." Erneut küsste er ihn sanft.
 

Kais Liebesbekundungen und dass er immer auf ihn aufpassen wollte, machten ihn zwar glücklich, aber im Stande, dies auch zu zeigen, war er momentan einfach nicht. Er konnte nicht mehr. So lange hatte er ohne Schläge gelebt, war behütet aufgewachsen und nun kam er wieder und wurde gleich wieder bewusstlos geschlagen. Was hatte er der Welt angetan, dass sie so ungerecht zu ihm war? Hatte er eine seltene Tier- oder Pflanzenart ausgerottet? Oder irgendwie das Wasser verschmutzt? Was hatte er getan, dass die Welt ihn so sehr hasste und ihn leiden ließ?

Sein Körper begann leicht zu zittern und er winselte immer wieder leise auf. Seine Finger krallten sich ins Laken und stumme Tränen rannen seine Schläfen hinab und versanken in den Kissen. Aber antworten konnte er Kai immer noch nicht.
 

"Du brauchst doch nicht weinen, mein Schatz. Ich passe auf dich auf. Niemals wieder wird man dir so etwas antun. Ganz sicher nicht. Und wenn es mein Leben kostet. Ich beschütze dich auf jeden Fall. Du bist mein Ein und Alles und ich geb dich nie mehr her.", versicherte er ihm. Und er meinte das so ernst. Sehr ernst. Es würde nichts geben, was ihn davon abhalten würde.

Aber zuvor würde er sich Miyavi mal zur Brust nehmen. Mit dem hatte er nämlich auch noch ein Hühnchen zu rupfen. Und zwar ein gewaltiges.

"Schlaf ein bisschen, Kou... Ich bin bei dir."
 

Schlafen? Wie sollte er denn jetzt schlafen können? Ihm ging es so mies wie noch nie. Nicht mal bei seinen anderen Prügeleien war es ihm derart schlecht gegangen. Sein Pflegevater war wieder da und wusste jetzt, wie er aussah. Er wusste, wie er aussah und konnte ihn immer wieder aufspüren und zusammenschlagen. Uruha hatte Angst. Panische Angst, dass sein Vater wiederkommen und ihn dann totprügeln würde. Und das würde sicherlich das nächste Mal geschehen. Da war er sich sehr sicher. Da würde sich sein Vater nicht mehr zurückhalten.

"Ich hab Angst...", wisperte er mit zittriger Stimme und blickte Kai ängstlich an.
 

"Kou..." Er strich im vorsichtig ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht. "Ich verstehe, dass du Angst hast, aber... soweit ich das mit den Polizisten besprochen habe, wird der Kerl wohl eine ganze Weile hinter Gittern bleiben. Ich weiß auch, dass er schon sehr oft auffällig geworden sein muss, denn sie kannten ihn sehr gut. Also können wir davon ausgehen, dass er es nicht mehr wagen wird, sich euch beiden zu nähern. Und ich beschütze dich vor ihm und allen anderen, die dir weh tun wollen. Das schwör ich dir. Du bist alles, was ich habe und brauche. Ich gebe dich nie wieder her. Niemals."

Und wieder verschloss er die Lippen seines Schatzes mit den seinen. Er wollte ihm irgendwie zeigen, wie ernst es ihm war.
 

Vorsichtig kuschelte er sich an den anderen heran und schloss die Augen. Er hatte immer noch Angst, dass wirklich etwas passieren konnte, aber Kai machte ihm gerade sehr viel Mut. Er wollte auf ihn aufpassen und ihn beschützen. Das war ein wunderbares Gefühl und Uruha war sich sicher, dass Kai sein Versprechen einhalten würde. Alles würde gut werden. Jedenfalls hoffte er das.

"Aishiteru...", murmelte er leise und erwiderte den süßen Kuss.

In diesem Moment klopfte es an der Tür und zwei Polizisten betraten das kleine Zimmer.
 

Dicht folgte ihnen auch die eine Polizistin, mit der Kai sich unterhalten hatte, nachdem er alles zu Protokoll gegeben hatte. Sie lächelte ihm zu und er lächelte einfach zurück. Es war eher ein Reflex von ihm.

"Takashima Kouyou?", fragte der scheinbar Älteste von ihnen in die Runde. Kai sah, wie Uruha leicht nickte und ließ von ihm ab. Er setzte sich auf seinen Stuhl direkt neben Uruhas Bett. Seine Hand ließ er dabei nicht los. Jetzt würden sie ihn sicher zu der Tat befragen und eventuell auch noch etwas über seine Vergangenheit in Erfahrung bringen wollen. Allerdings wusste er nicht, ob Uruha sich überhaupt an etwas von früher erinnerte.
 

"Hai...?", fragte Uruha leise und sah die Polizisten fragend an. Was wollten die denn jetzt bitte schön von ihm? Hatte Kai nicht schon alles erzählt? Was musste er denn jetzt noch alles erzählen?

"Mein Name ist Ishitaka Toshi, Hauptkommissar. Ich möchte Sie gerne über die Tat befragen. Könnten Sie uns bitte den genauen Tatvorgang beschreiben? Mein Kollege wird Protokoll führen und alles aufschreiben, was Sie uns erzählen."

"Ano...", machte Uruha unsicher und blickte erst Kai an, dann zu Boden und spielte an seiner Decke herum. "Ich bin mit meinem Bruder Shiroyama Yuu und meinem Freund Uke Yutaka in der Stadt einkaufen gewesen... Da kam auch schon mein Pflegevater an, hat herum gepöbelt, mich beleidigt und geschlagen... Yutaka wollte mir nur helfen, deshalb hat er meinen Pflegevater geschlagen."
 

"An mehr erinnern Sie sich nicht?", fragte die kleine Polizistin den Patienten. Dieser schüttelte nur den Kopf. "Okay, das ist auch verständlich. Ihre Verletzungen sind zwar nicht lebensgefährlich, aber trotzdem wird er wegen vorsätzlicher schwerer Körperverletzung verurteilt werden. Soweit es aussieht, hat er auch mehrere Pflegekinder vor und nach Ihnen körperlich und psychisch missbraucht und war auch anderen Mitmenschen gegenüber sehr gewalttätig. Nach dem er bereits mehrmals im Gefängnis war deswegen, wird er auch jetzt nicht ungeschoren davonkommen. Das kann ich Ihnen versichern. Allerdings müssten wir Sie als Zeugen vor Gericht laden. Ihre Zeugenaussage ist wichtig und kann dazu führen, dass Ihr Pflegevater lebenslänglich ins Gefängnis gehen würde.", erzählte man ihnen.
 

Erschrocken hob er den Kopf. Er sollte gegen seinen Pflegevater aussagen? Vor Gericht? Das konnte er doch nicht einfach tun. Sein Pflegevater würde ausrasten und ihn vielleicht noch mehr verletzen als ohnehin schon. Irgendetwas würde wieder passieren. Das hatte er im Gefühl. Und außerdem wollte er ihn nie wiedersehen. Nie.

"M-Muss das sein?", fragte er mit ängstlicher Stimme und sah die Polizistin verzweifelt an. "Ich... Ich will ihn nie wiedersehen. Onegai..."

Seine Hand krallte sich fest an Kais und er knabberte nervös an seiner Unterlippe herum. Er wollte nicht wieder Opfer seiner Beleidigungen und Schläge werden. Nie wieder.
 

Kai seufzte schwer und drückte Uruhas Hand etwas fester. "Reicht es auch, wenn ich eine Aussage mache?", wendete er sich an die Beamten. Genau in diesem Moment kam Aoi wieder ins Zimmer und blieb wie angewurzelt in der Tür stehen. Verwirrt schaute er die drei Besucher an. "Was ist denn hier los?", fragte er und tapste langsam auf sein eigenes Bett zu. Mit einem kleinen Hopser setzte er sich darauf und verschränkte die Arme vor der Brust. Mit einem breiten Grinsen musterte er die drei Polizisten.

"Wollen Sie uns verhaften oder was soll das werden?"
 

Ach herrje. Was hatte Aoi denn schon wieder genommen? Wieso grinste der denn schon wieder so breit? Irgendetwas hatte der doch vor, das wusste Uruha ganz genau. Wenn Aoi so grinste, hatte er irgendwas. Nur was? Das würde er schon noch herausfinden.

Die Polizisten wandten sich nun an Aoi, befragten ihn ebenfalls zur Tat und befanden, dass wenn Uruha zu viel Angst hatte, es auch reichen würde, wenn der andere Pflegesohn aussagen würde. Sie verabschiedeten sich wieder und Uruha starrte wieder auf den Boden.

"Ich bin echt ein Weichei...", murmelte er leise.
 

"Bist du nicht, Kou.", konterte sein Bruder. "Is doch verständlich, dass du das nicht möchtest. Ich versteh das und die Polizei sagt ja auch nichts dagegen. Also sag nicht, dass du ein Weichei wärst." Mit einem leichten Klaps auf Uruhas Hinterkopf dankte er ihm diesen dämlichen Kommentar.

"Uruha... Sie haben doch gesagt, dass er vermutlich nicht mehr rauskommen wird. Und wenn Aoi eine Aussage macht und das reicht, ist doch alles okay. Mach dich deshalb nicht so fertig. Da hätte doch wohl jeder Angst vor. Du musst erst einmal wieder richtig gesund werden. Dann gehen wir wieder nach Kanagawa und fangen von vorne an. Nur du, Aoi und ich."
 

"Hai... Vielleicht habt ihr ja sogar Recht, aber... Ich fühl mich deswegen einfach nur schlecht. Ich hab so lange ohne Schläge meines Pflegevaters ausgehalten und nun ist er wieder da und hat mich erneut geschlagen. Das ist unfair. Und... Unsere Mutter hat er scheinbar auch getötet und irgendwo im Keller verschachert..."

Uruhas Körper begann zu beben und seine Hände krallten sich in Kais Hemd. Er hickste leise und blickte Aoi an, dessen Blick ebenso traurig geworden war. Seine Mutter war tot, sein Pflegevater würde bald im Kittchen landen. Wen hatte er dann noch? Nur Kai und Aoi. Und mit ihnen wollte er ein neues Leben beginnen.
 

"Wir schaffen das schon, kleiner Bruder." Aoi stand auf und setzte sich zu Kai und Uruha auf das andere Bett. Liebevoll strich er seinem Bruder über den Kopf und nahm ihn dann in die Arme. Beruhigend streichelte er ihm über den Kopf.

"Schau mal, Kou. Du hast mich und wir gehen nach Kanagawa zurück. Und Kai kommt mit. Du liebst ihn doch und er dich auch. Da kannst du dich drauf verlassen." Jetzt grinste er. "Von jetzt an wird uns unsere Vergangenheit nicht mehr einholen können. Schau einfach nach vorne. Lass die Vergangenheit, Vergangenheit sein. Wart einfach ab, was die Zukunft bringt. Hai? Wir werden dich beschützen und für dich da sein."



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Kommentare zu dieser Fanfic (14)
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Von:  --baozi
2009-10-19T19:45:35+00:00 19.10.2009 21:45
Das nächste Kapitel wird bestimmt wieder Adult und ich kanns nicht lesen *schmollt*
Aber auf jeden Fall finde ich gut das sie sich so viel Zeit lassen um sich wieder aneinander zu vertrauen.
Von: abgemeldet
2009-10-12T09:29:45+00:00 12.10.2009 11:29
oh man, armer kai und vor allem seine arme wohnung
aber zum glück konne er ja mit zu uru ^^
aoi ärgert uru ja echt nur und was er sagt ist echt peinlich XD
ich freu mich schon aufs nächste kapi ^^^
also dann bis zum nächsten ^^
GLG Tsunade28
Von:  -AiIshihara-
2009-10-11T21:34:38+00:00 11.10.2009 23:34
hab mir grad die ganze ff durchgelesen
das is so knuffig uruha tut mir teilweise echt leid das is voll sünde aber kai und uruha sind voll das süße pärchen =) verrätst du noch warum der typ uruha umbringen wollte?? wär ganz lieb
die story ist echt toll
lg Levke
Von: abgemeldet
2009-10-07T21:09:15+00:00 07.10.2009 23:09
aaawwww~
was ist das ein süßes kapitel

bis auf die sache mit der vergangenheit von ruha & aoi ^^"

aber deinen ff ist sehr schön
gefällt mir sehr
*1geb und zu den favos tu*

ich hoffe es geht bald weiter :3
lg ruha =3
Von: abgemeldet
2009-10-06T16:00:01+00:00 06.10.2009 18:00
Süßes Kapi ^^
Ich würde echt gerne mal wissen, wass Kai damals passiert ist.
Ich meine die Person muss ihn wirklich sehr sehr sehr verletzt haben
Bis hoffe ich bald zum nächsten Kapi
GLG Tsunade28
Von: abgemeldet
2009-10-06T14:18:34+00:00 06.10.2009 16:18
Wieder ein tolles Kapi~ x3
Die beiden sind so süß *_*
Bin mal gespannt ob Uruha sich auch erinnert
warum der Typ ihn umbringen wollte ._.
*den hau* ><
Aber jetzt ist ja Kai da~ >///3///<

*schon aufs nächste wart* :D
Von:  --baozi
2009-10-06T04:48:05+00:00 06.10.2009 06:48
Ich find die Story einfach total niedlich ♥
Besonders gut finde ich das sie sich so viel Zeit lassen, beziehungsweise es so lange gedauert ab bis sie mal bemerken das sie ineinander verliebt sind.
Schade finde ich allerdings das so wenig-bis keiner-Kommis schreiben .___.
Dabei will ich nicht das die Story zu Ende geht Q__Q
Nur weil so Schreibfaule Säcke hier herum lungern
Also immer schön weitermachen x3
LG Kigo
Von: abgemeldet
2009-10-02T16:13:14+00:00 02.10.2009 18:13
Hey, echt klasse Kapi ^^
Hat mir gut gefallen und ich bin ja mal gespannt was jetzt so passiert ^^
Also ganz schnell weiter schreiben xD

Bye ^^
Von:  Evallina
2009-10-01T17:48:19+00:00 01.10.2009 19:48
souh ich hab mir eben alles durchgelesen und..
..ich bin begeistert ^^
Die Storyline gefäfllt mir wirklich sehr gut und so, ich bin auch schon sehr gespannt wies weiterget, vor allem da Aoi ja jetzt auch da ist : D
*giggle*
Ich freu mich schon wenns weitergeht x3

Yume~
Von: abgemeldet
2009-09-28T17:10:05+00:00 28.09.2009 19:10
"Yutaka! Was macht dieser Mann in deinem Bett?!"
Wie geil xD

Wie immer toll geschrieben freu mich schon aufs nächste Kapi ^~^


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