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Die Vergangenheit der frühen Helden

von

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Ankunft am Arsch der Welt

Ich möchte anmerken, dass die Geschichte, die Figuren und eigentlich alles wesentliche, dass in der Story vorkommt, nicht meinem Gehirn entspringt oder gar mir gehört - sondern aus der Feder von Stephen King stammt.

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Sie ritten gen Osten. Vier Gestalten im Halbdunkel der aufkeimenden Nacht hoch zu Pferde. Zwei ritten vorneweg nebeneinander, zwei hinterher, ebenfalls paarweise.

„Ich will ja ganz bestimmt kein Spielverderber sein, aber wollen wir nicht unser Nachtlager so langsam aufschlagen?“, fragte ein hoch gewachsene Gestalt aus der hinteren Fraktion.

„Angst vor nem kleinen Ritt im Dunklen?“, konterte eine weibliche Stimme mit einem frechen, herausfordernden Unterton. Dennoch klang Müdigkeit darin mit.

„Ich würde dir manchmal gern deinen süßen Hintern versohlen, Phoebe.“ Die Erwiderung kam trotz dessen nicht unfreundlich. Das Mädchen; und genau das war sie noch, ein Mädchen; die scheinbar den Namen Phoebe trug, streckte nur keck die Zunge raus und grinste.

„Bridie! Sie heißt Bridie. Würdest du bitte an unsere Namen denken, während der Zeit, in der wir uns hier aufhalten.“ Diese Ermahnung kam von einer der Gestalten, die vorneweg ritt. Ein großer, schlanker Bursche. Er war nicht hässlich, keineswegs. Er war sogar ganz ansehnlich, auch wenn man seine Augen, die das Blau einer verwaschenen Jeans hatten, im dunkel nicht sehen konnte. Und dennoch konnte man ihn kaum als hübsch bezeichnen, denn in seinem Gesicht lag etwas... etwas Hartes und Unbarmherziges. Selbst in schon in dem jungen Alter von 15 Jahren, die er zählte.

„Ja ja... Mach dir nicht in die Hose. Hier draußen ist doch noch weit und breit keiner. Schon gar nicht bei Einbruch der Nacht.“, sagte der Junge von hinten ganz salopp.

„Darauf werden wir uns aber nicht verlassen. An der nächsten Lichtung können wir von mir aus unser Lager aufschlagen, wenn dir das Recht ist.“ Der Junge vorn, der so etwas wie der Anführer des kleines Trupps zu sein schien, deutet nach vorn in die Dunkelheit auf eine kleine Lichtung. Man konnte sie eigentlich kaum sehen, bei diesen Lichtverhältnissen. Phoebe hatte eine sehr gute Sehstärke, aber was Roland erblicken konnte war einfach phänomenal und nicht zu toppen.

„Soll ich mal den Wachposten fragen?“, kam es wieder von dem redseligen, heiteren Jungen hinten.

„Bloß nicht!“, stöhnten Phoebe und Allan, der andere Junge, der neben Roland geritten war, gleichzeitig auf.

„Hmm....“ Der Spaßvogel beugte sich über einen Vogelschädel, den er makaberer weise immer am Sattel seines Pferdes befestigte, sollte er ihn nicht gerade um den Hals tragen. „Ich glaube, sie legen nicht besonders viel Wert auf deine Meinung.“, sagte er zu eben jenem Schädel. Phoebe musste kichern. Cuthbert schaffte es einfach immer sie zum Lachen zu bringen. So war es schon immer gewesen.
 

Während sie auf der Lichtung ihr Nachtlager aufschlugen und Roland sich noch einmal aufmachte um die Gegend noch etwas zu erkunden - und sicher auch um wenigstens kurz in Ruhe nachdenken zu können; die letzte Zeit war sehr ereignisreich gewesen – hing Phoebe der Vergangenheit nach. Das passierte ihr immer wieder, obwohl sie nicht mehr daran denken wollte, was so geschehen war.

Fakt war: alles war irgendwie schief gelaufen. Die sich zuspitzenden Verhältnisse zwischen Martin und Rolands Mutter, dann der tragische und völlig sinnlose Tod ihres Vaters.... Da waren sie wieder wie ein Faustschlag, die schrecklichen Erinnerungen. Als könnte White Lady, ihr Pferd, ihre Gedanken lesen, stupste es sie freundlich an. Phoebe sah es liebevoll an und streichelte ihre Nüstern. Dieses Pferd hatte sie auch von ihrem Vater bekommen, schon vor einigen Jahren. Wie ihr Name sagte, war sie eine fast schneeweiße Blauschimmelstute. Wunderschön anzusehen, schnell und behände im Galopp.

Phoebe schob die Gedanken beiseite, die sie immer in tiefste Traurigkeit und Wut zugleich verfallen ließen. Was immer auch dazu geführt hatte, dass sie jetzt mit ihren Freunden dort gelandet war, wo sie nun waren... es änderte nichts an der Tatsache, das es eben so war. Also find dich damit ab. Immerhin war sie nicht ganz allein, auch wenn sie sich eine gewisse Zeit lang und auch jetzt manchmal noch, sehr einsam und völlig verloren in der Welt vorgekommen war. Aber sie war eine Kämpferin. Eine Revolverfrau. Ihr Vater konnte stolz sein.

„Aufwachen!“, stieß plötzlich eine Stimme in ihr Ohr und Hände legten sich blitzartig um ihre Hüften. Phoebe fuhr zusammen, konnte einen Aufschrei nur mit Mühe unterdrücken und wirbelte aus den Absätzen ihrer abgetragenen Cowboyschuhe herum. Dabei wollte ihre Hand den Revolver an ihrer Hüfte ziehen... bis sie feststellte, dass da ja keiner war. Diese lagen zusammengerollt in einer Decke, sicher verborgen vor fremden Augen, die nicht das falsche sehen sollten. Aber sie brauchte sie auch nicht. „Cuthbert!“, zischte sie, als sie den Jungen mit dem Vogelschädel um den Hals erkannte. „Bist du des Wahnsinns! Ich hätte dir dein nur jämmerlich vorhandenes Gehirn wegpusten können!“, brachte sie hervor.

„Womit? Mit deinem umwerfenden Charme oder was?“, grinste dieser. Cuthbert hatte genau gewusst, dass Phoebe unbewaffnet war. Ehe sie etwas entgegnen konnte, außer einem entwaffnenden Lächeln, fuhr er fort: „ Außerdem weiß ich überhaupt nicht, wenn du meinst. Ich kenne niemanden, der Cuthbert heißt. Mein Name ist das jedenfalls nicht.“ Er zwinkerte ihr zu, frech und freundlich zugleich.

„Stimmt. Trottel war es aber, glaub ich.“ Es ging nicht anders. Phoebe liebte Cuthbert. Das hatte sie vom ersten Tag an getan und da waren sie noch Kinder. Aber die beiden konnten einfach nicht miteinander, ohne sich gegenseitig aufzuziehen. Allerdings hatte er Recht. Sie musste sich allmählich an ihre neuen Namen gewöhnen. Wenn ihr ein solcher Fehler in der Stadt passierte, war alles gelaufen. Dann konnten sie sich gleich aufhängen lassen.

Sie waren nach Mejis geschickt wurde, von Rolands und Cuthberts Vätern. In Gilead war es zu unruhig geworden. Und die Väter der Jungs wollten sie dort weg haben, vor allem aber Roland und Phoebe, seit diese ihre Reifeprüfung abgelegt hatten und zu Revolvermännern geworden waren. Denn nun waren sie für Martin erst wirklich zu einer Gefahr geworden. Ein Dorn im Auge. Und so war es gekommen. Hier waren sie nun, auf dem Weg zum Nirgendwo und eigentlich waren sie dort schon fast angekommen. Morgen sollten sie den Sheriff von Mejis aufsuchen.

Indes sollte hier natürlich keiner wissen, welcher Abstammung und wer sie waren. Hier in Mejis sollte es zwar sicher sein, doch in solchen Zeiten wie diesen, ist es ganz sicher niemals irgendwo. Daher hatten sie andere Papiere bekommen mit anderen Namen. Eine ganz andere Persönlichkeit im Grunde. Ihr Name war hier nicht mehr Phoebe Masters, Tochter des Cole, sondern Bridie Milano, Tochter eines Viehzüchters oder etwas ähnlichem.

Aus ihren langjährigen Freunden; ihr Ka – tett; Roland Deschain wurde nun William, Alain Jones hieß nun Richard und der gute alte Bert Allgood sollte demnächst auf den Namen Arthur hören. Das passt gar nicht zu ihm. Klingt viel zu ernst, möchte man sagen., dachte Phoebe. Aber wahrscheinlich war auch das, wie alles andere, eine Sache der Gewohnheit. Bert riss sie aus ihren Gedanken:

„ Du bist ja heut wieder witzig. Ich musste wirklich einen Moment aufpassen, dass ich mir vor lachen nicht die Hosen nass mache.“

„Damit hast du erst letzten Mitsommer aufgehört, hm?“ Jetzt war es an ihr zu grinsen, schelmisch und doch wusste Bert sofort, dass dieses ganze Gezanke zwischen ihnen nur ihr Humor war und niemals auch nur eine Sekunde lang ernst gemeint war. Er machte ein betroffenes Gesicht. „Du wolltest dass doch niemanden erzählen.“, murrte er betroffen, als würde es der Wahrheit entsprechen. Einen Moment sahen er und Phoebe sich nur belustigt und auf eine bestimmte Weise wissend, während Alain sie fast schon kapitulierend ansah und den Kopf über sie schüttelte – Einer schlimmer als der andere von den beiden, dachte er – dann brache die beiden in schallendes Gelächter aus.

Roland kehrt zurück oder Bert's lustige Begrüßung

Imernoch gehören die Ideen, Inhalt, figuren und auch alles ander drum herun nicht mir sondern Stephen King.

Vorliegend habe ich auch einige Dialoge übernommen, andere aber umgeändert.

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Als Roland von seinem Ausritt – dessen Folgen erst später allen bewusst werden sollten – zurückkam, war es bereits Nacht und Alain hatte sich schon längst schlafen gelegt. Um genau zu sein: nach nicht einmal 5 Minuten war ein leises, zufriedenes Schnarchen aus seiner Richtung wahrzunehmen. Phoebe hatte sich auch hingelegt, während Bert Wache hielt. Doch an Schlaf war für sie nicht zu denken. Die alten Geschichten gingen ihr im Kopf herum. Die letzten Monate voller Trauer, Wut und Zorn. Und zugleich von Liebe. So viel Schlimmes war geschehen und hatte ihr Leben von Grund auf geändert. Auch jetzt noch verschloss die gern die Augen davor.

Das Klappern von Hufen lies ihre Gedanken ins Hier und Jetzt zurück gleiten. Ehrlich gesagt war dies eine willkommene Ablenkung. Es konnte eigentlich nur Roland sein, der mit seinem Pferd Rusher zurückgekehrt war. Dennoch war Mejis ein fremder Ort, voller fremder Menschen. Vorsicht war also immer geboten.

Doch es war wirklich nur Roland, der derzeit auf den Namen William hörte. Als dieser unter den Bäumen hervor geritten kam, baumelte plötzlich eine kleine, dunkle und markante Gestalt vor seinem Gesicht. Er zog seine Waffe .... die nicht da war. Er war natürlich ohne los geritten. Niemand hier sollte auf die Idee kommen, diese vier „ Kinder“ könnten Revolvermänner sein. Die Waffe war allerdings ohnehin überflüssig. Es handelte sich nur um den Vogelschädel Cuthberts, der ihn, einer lustigen Eingebung folgend wie er sie öfters hatte, zur Begrüßung und als Witz aufgehangen hatte. Roland hatte ihn längst erkannt und aus Wut sich so darüber erschrocken zu haben kräftig dagegen geschlagen. Mit dem Ergebnis, dass die Schnur riss, an der der Schädel befestigt war und eben dieser in die Dunkelheit flog.

„Pfui, Roland!“, ertönte eine Stimme aus dem Dunkel. Phoebe, die dem Ganzen mit dem Rücken zugewandt da lag, öffnete nun die Augen, drehte sich aber nicht um. Sie brauchte es nicht. Eigentlich konnte sie sich sehr bildlich vorstellen, wie sich das ganze abspielen würde.

Eine dunkle Gestalt kam auf Roland zu, die sich schnell als Cuthbert entlarven lies. Er war unverkennbar, selbst im Dunkel. Seine Größe, die breiten Schultern und die schmalen Hüften verrieten ihn. Im Hellen würde es sein unbeschreiblich einnehmendes Lächeln sein.

„Pfui!“, sagte Bert noch einmal, als er nahe genug an Roland heran stand, der immer noch hoch zu Pferde saß. „Eine schöne Art, die diensthabende Wache zu behandeln, den armen Kerl bis zur nächsten Bergkette zu schlagen.“ Seine Stimme klang vorwurfsvoll, aber unter dieser gespielten Empörung, blubberte Gelächter .... wie immer.

„Hätte ich eine Waffe getragen, hätt ich ihn in stücke geschossen und wahrscheinlich das halbe Umland aufgeweckt.“, konterte Roland fast ein wenig gereizt. Bert war sein ältester Freund, dennoch verstand er ihn oft in vielerlei Hinsicht nicht. Er war so ganz anders. Und häufig, glaubte Roland, war er auch nicht so, wie es dem Wesen des wahren Cuhtbert Allgood entsprach.

„ Ach komm schon! Ich wusste, dass du nicht gegürtet herumlaufen würdest.“ Bert wirkte nachsichtig. „Du siehst bemerkenswert schlecht aus, Roland, Sohn des Steven, aber du lässt dich von niemandem zum Narren halten, auch wenn du dich schon dem biblischen Alter von 15 Jahren näherst.“

„Ich dachte, wir hätten und darüber geeinigt, die Namen zu nutzen, unter denen wir reisen. Auch unter uns!“ Jetzt klang wirklich Gereiztheit in Rolands Stimme mit.

Bert hingegen verbeugte sich tief und völlig übertrieben vor Roland. Es erinnerte wahrhaft an einen Hofnarren. Phoebe hatte sich inzwischen doch umgedreht und dem Treiben zwischen Roland und Bert verfolgt. Sie lächelte als sie Bert so sah. Auch Roland konnte sich ein amüsiertes Schnauben nicht verkneifen. „Ich erflehe deine Verzeihung, Revolvermann.“, sagte Bert demütig, wenn auch hörbar belustigt. Rolands Lächeln derweil erloch schlagartig bei diesen Worten. „Nenn mich nie wieder so, Cuthbert! Bitte! Hier nicht! Und auch sonst nirgendwo; nicht wenn, dir etwas an mir liegt.“

Nun sah selbst Bert aufrichtig zerknirscht aus und gab seine Verbeugung auf. Er trat rasch näher an Roland heran. „Roland – Will! – es tut mir leid. Ich wollte nicht....“

„Schön gut. Nichts passiert.“, sagte Roland und klopfte Bert auf die Schulter. „Vergiß es nur fortan nicht. Mejis mag am Ende der Welt liegen, aber es ist nun man Teil dieser Welt. Wo ist Alain?“

„Du meinst Richard?“, meldete sich nun Phoebe zu Wort, die aufgestandne war und lautlos auf die Beiden zugegangen war. Sie stand etwa 5 Meter von ihnen entfernt. Manchmal war es ihnen direkt unheimlich, wenn sie das so machte. Phoebe stattdessen lächelte und kam etwas näher. „Was glaubst du denn?“, fragte sie rhetorisch und deutete nach hinten, wo ein von hier aus gesehen nur dicker Umriss lag und leise schnarchte. „Der würde glatt ein Erdbeben verschlafen.“, stellte Bert fest.

„Aber ihr beide seid aufgewacht und habt mich kommen hören.“, gab Roland zu bedenken.

Bert und Phoebe sahen sich kurz an, grinsten, sahen zu Roland auf und zuckten die Schultern. Eine Geste, die in etwa „Ja, was soll’s?“ bedeutete. Bert stellte fest, dass Roland komisch wirkte. Nicht nur, dass er gereizt reagierte hatte auf einen vergleichsweise harmlosen Spaß von ihm. Er wirkte auch etwas wirr. Dennoch verriet Roland den beiden nichts von seiner Begegnung mit Susan Delgado. Allgemein hatte er nicht mehr viel zu sagen. Alles andere wollte er auch erst am nächsten Tag erzählen, sobald Alain mithören konnte.

"Doch, er ist anders!"

Roland kümmerte sich um sein Pferd. Und er machte es auffällig lang.

„Sollen wir eine Wache aufstellen?“, ertönte plötzlich eine Stimme. Er fuhr zusammen, weil sie ihn völlig aus seinen Gedanken gerissen hatte. Am liebsten würde er sich selbst dafür schlagen, denn in der Bewegung hatte er die Stimme von Phoebe schon erkannt. Aber er hatte geträumt und somit gegen das oberste Gebot verstoßen, dass er den anderen auferlegt hatte.

„Du meine Güte! Erflehe deine Verzeihung; ich wusste nicht, dass du neuerdings so schreckhaft bist. Was ist nur los?“ Sie sah ihn nachdenklich und besorgt zugleich an, als er sich zu ihr umdrehte. Und obwohl sie sehen konnte, dass etwas nicht stimmte und Bert das ja auch schon gesehen hatte, schüttelte er den Kopf. „Es ist nichts. Und ich glaube, eine Wache wird nicht nötig sein.“ Sie sah ihn noch einen Moment an. Dann nickte sie. „Alles klar.“ Sie hatte überlegt, ob sie ihm sagte, dass es eindeutig war, dass er mit den Gedanken nicht ganz da war, aber dann verwarf sie das. Würde bei Roland ja eh nichts bringen. Manchmal war er komisch. Aber das dachte er ja auch von ihr und Bert. So war es irgendwie schon wieder ausgeglichen. „Gute Nacht, Will.“, sagte sie beim Umdrehen und sah ihn noch einen Augenblick an, bevor sie in Richtung ihres Nachlagers ging.

„Gute Nacht.“, gab er zurück und war fast schon wieder in Gedanken versunken.
 

„Du kannst mir sagen, was du willst, aber er ist irgendwie komisch.“, sagte Phoebe zu Cuthbert, als sie ihre Sachen zusammen packten. Heute sollten sie in die Stadt hinein reiten und sich dem örtlichen Sheriff vorstellen. Vielleicht konnten sie eine Unterkunft bekommen oder zumindest aber die Erlaubnis, irgendwo hier ihre Zelte aufzuschlagen. Sie hatten mit Absicht schon ein paar Tage auf dieser seltsamen Fläche gerastet, um sicherzustellen, dass man sie bemerkte und erwarten würde.

„Das ist er doch immer.“, gab Bert verständnislos zurück.

„Nein, komischer.“, sagte sie. Dann legte sie die Stirn in falten. „Oder anders komisch… Komischer….“ Sie merkte selbst, dass sie das schlecht ausdrückte.

„Anders komischer?“, fragte Bert amüsiert.

„Ach, halt doch den Mund!“, murrte Phoebe genervt. Die letzte Nacht war mal wieder nicht sehr erholsam gewesen. Sie hatte kaum ein Auge zu getan. Immer wieder waren ihr die Ereignisse der letzten Wochen und Monate im Kopf rumgeschwirrt. Und das Rolands so komisch war, half auch nicht grade weiter. Aber war er das wirklich oder bildete sie sich das nur ein? Er war in Gedanken seit letzte Nacht, ja. Aber sie war das in letzter Zeit ja auch oft.

„Also, das kann doch wohl nicht sein, dass du jetzt sauer auf mich bist.“, sagte Bert mit gespielter Empörung. „Du hast mich doch gefragt.“

„Ja, was hab ich mir nur dabei gedacht!“, maulte Phoebe.

„Hör dir das an, Herr Wachposten. Siehst du, wie sie mich behandelt?“, sprach er wieder mit dem Vogeltotenkopf.

„Fängst du jetzt gleich an zu weinen?“, fragte Phoebe mit gespieltem Mitleid.

„Ich bin kurz davor.“, stimmte Bert tot ernst zu. Zum Schluss lachten sie doch wieder gemeinsam.

„Jetzt mal ernsthaft, Bert. Ist er anders oder bild ich mir das ein?“, fragte sie mit einem Blick über die Schulter, ob Alain oder Roland in der Nähe waren.

„Ich weiß nicht, da fragst du den falschen. Oder bin ich hier überall für meine Menschenkenntnis bekannt?“, antwortete er jetzt sogar fast ernst.

„Hmm… Ich glaub, meine ist auch keine große Hilfe mehr. In letzter Zeit wittere ich nur noch Hinterhalte und Verrat. Ich werd langsam paranoid und du kannst mir glauben: das find ich echt scheiße.“, sagte Phoebe mürrisch. Seltsamerweise machte Bert jetzt keine Witze. Er hörte ihr aufmerksam zu. Das tat er immer, wenn Phoebe sprach, aber meistens merkte man ihm das nicht an. Jetzt sah er sie fast mitleidig an. „Du hast in letzter Zeit viel durchgemacht. Wir alle. Ist doch klar…“, sagte er. Trösten oder so was war nicht grad seine Stärke. Davor drückte er sich meist und überließ das Alain. Der hatte das echt drauf. Berts Stärke war es mehr, die Leute zu unterhalten, Witze zu machen. Aber wenn es Phoebe ging, dann konnte er sogar das.

„Nein, ist es nicht!“, sagte sie. Sie hasste Mitleid, auch wenn es von ihren besten Freunden kam. Sie konnte diesen mitleidigen Ausdruck in seinen Augen nicht aushalten. Dann fühlte sie sich so klein und schwach und genau das wollte sie nie mehr sein. „Das kann doch nicht eine verdammte Ausrede für alles sein.“, sagte sie.

„Was?“, fragte plötzlich Alain. Roland und er kamen mit den letzten Sachen wieder, die sie in der Nacht aufgehängt hatten.

„Nichts.“, gab Phoebe zurück ohne aufzusehen.

„Du hast grad was von Ausreden gesagt.“, hakte Alain nach.

„Und? Brauchst du eine?“, fragte Phoebe.

„Na, dazu haben wir doch Arthur.“, grinste er und nickte zu Bert.

„Witzig, wahrhaftig.“, sagte dieser nur. Dann gab es einen gepfefferten Schlagabtausch zwischen Alain und Cuthbert, bei dem Phoebe immer wieder lachen musste, obwohl ihr doch eigentlich zum Weinen zumute war.
 

Als alle Sachen gepackt waren, ritten sie los. Phoebe wollte gerade aufsatteln, da lief Bert an ihr vorbei. Er stand ganz nah hinter ihr und flüsterte in ihr Ohr: „Er ist wirklich anders.“, dann ging er zu Glue Boy, seinem Pferd rüber. Phoebe sah ihn vielsagend an, aber er tat so, als merkte er es gar nicht. Sie sattelte auf und musterte Roland. Hoffentlich ging er nur gerade durch, was er dem Sheriff erzählen würde, auch wenn sie das schon an die hundert Male getan haben.

Sheriff Fettklops Avery

Sie ritten unter dem Lehmziegelbogen der Stadt Mejis hindurch. Phoebe lass darauf die Worte „Kommet in Frieden“. Irgendwie lief es ihr dabei kalt den Rücken herunter. Es sollte wie eine freundliche Einladung wirken, aber das tat es nicht. Es machte ihr Gänsehaut. Sie roch Kiefernholz, Öl und vor allem Meersalz. Diesen Geruch würde sie nie wieder vergessen. Keiner von ihnen würde das.

„Ich weiß nicht, ob ich das kann.“, murmelte Alain. Er saß auf seinem Pferd, doch schien er sich nicht wohl zu fühlen. Er schob seinen Viehzüchterhut immer wieder zu recht und sein blondes, störrisches Haar quoll doch immer darunter hervor. Alain war sowieso nicht gerade der Partylöwe oder besonders offen Fremden gegenüber. Er brauchte immer seine Zeit ehe er warm wurde. Wenn er aber Vertrauen gefasst war ein zuverlässiger und treuer Freund, der mit einem durch Himmel und Hölle ging.

„Du wirst das prima machen.“, sagte Phoebe und kam von hinten an ihn heran geritten. Sie klopfte ihm auf die Schulter

„Oh und er sieht auch prima aus.“, lachte Bert, doch es war kein völlig heiteres Lachen. Es wirkte nervös. Selbst er. „Weiß wie ein Laken, hässlich wie ein…“

„Sei still!“, unterbrach Roland ihn grob. Cuthbert machte große Augen und eine unterwürfige Geste.

„Lasst das schon, Jungs! Keine Streitereien. Die können wir jetzt wirklich nicht gebrauchen.“, schlichtete Phoebe mit strengem Unterton. Es galt sowohl Roland als auch Cuthbert. Sicher, diese Witze waren jetzt fehl am Platz, vor allem da Alain ohnehin schon aufgeregt war. Doch Roland brachte es bei Bert auch nicht weit, wenn er ihn ständig wie ein dummes Kind behandelte. Also musste sie eingreifen.

„Hör zu Alain, trink nichts mit Alkohol. Du weißt ja, was du in dem Fall sagen sollst. Halt dich einfach an unsere Geschichte.“, sagte Phoebe wieder freundlich.

„Und vergiss auch den Rest unserer Geschichte nicht. Lächle. Sei liebenswürdig, zieh alle Register gesellschaftlicher Umgangsformen, die du hast. Der Sheriff hat sich förmlich überschlagen, damit wir uns hier willkommen fühlen.“, fügte Roland hinzu. Auch er schien sich nicht wohl zu fühlen. Doch Alain nickte und saß gleich etwas aufrechter im Sattel.

„tja, was die gesellschaftlichen Umgangsformen betrifft, werden sie selbst nicht viele haben, daher dürften wir ihnen einen Schritt voraus sein.“, sagte Bert belustigt. Roland nickte, sah aber den Vogelschädel wieder an Berts Satteltasche. „Schaff das Ding weg!“, zischte er geradezu. Bert gehorchte, sogar mir schuldbewussten Blick. Ja, es würde ihnen wohl kaum einen Vorteil verpassen, wenn jemand in dieser Stadt dieses Ding sehen würde.

Und gerade rechtzeitig. Sie waren angekommen. Zwei Männer in weißen Sachen kamen näher und verbeugten sich lächelnd.

„Behaltet einen klaren Kopf.“, flüsterte Roland fast ohne seine Lippen zu bewegen. „Alle. Vergesst nicht, warum wir hier sind. Und vergesst die Gesichter eurer Väter nicht.“, sagte er. Phoebe verdrehte fast die Augen. Es störte sie ein wenig, dass Roland sie ständig behandelte als wären sie noch Kinder. Dass er stets die Führung übernahm, das machte ihr nichts aus. Er tat seine Sache meist gut. Und wenn er Fehler macht, dann wer dem eben so. Er war eben auch nur ein Mensch. Aber seine Überheblichkeit, die störte sie hin und wieder doch.

„Guten Abend, meine Herren.“, sagte er nun lauter zu den Stallknechten. „Mögen eure Tage auf Erden lang sein.“ Diese grinsten ihn an. Sie verbeugten sich. „Und eure ebenfalls. Willkommen im Hause des Bürgermeisters.“, antwortete der Ältere.
 

~ Flashback ~

Einen Tag zuvor waren sie bei dem Hohen Sheriff gewesen. Dort wurden sie ebenso freundlich begrüßt, wie hier. Doch auch dort war Phoebe das ganze nicht echt vorgekommen. Ihr Gefühl sagte einfach, dass in dieser Stadt nicht viel so war, wie es zunächst schien. Alle schienen so furchtbar freundlich zu ihnen zu sein. Noch niemand hatte sie etwas barsch angesprochen. Es war fast schon unheimlich. Und wenn sie ehrlich war ging ihr diese übertriebene Freundlichkeit auf den Nerv. Sie war sich sicher: Der jenige, der ihr als erstes Mal etwas frech kommen würde, wenn hätte sie in dieser ganzen Stadt am liebsten.

Der Sheriff Herk Avery war ein wohlgenährter Mann, um nicht zu sagen dick. Er trug die Uniform eines Gesetzeshüters. Und auch er begrüßte sie freundlich. Er machte die Tür auf, ehe Roland die Glocke läuten konnte und begrüßte sie mit ausgebreiteten Armen. Dann verbeugte er sich tief. Bert erzählte später, dass er die Befürchtung hatte, der Sheriff könnte das Gleichgewicht verlieren und die Stufen hinabrollen, womöglich sogar den ganzen Weg zum Hafen hinab. Sein Lachen reichte über das ganze Gesicht. Phoebe musste sich anstrengen nicht genervt die Augen zu verdrehen. Drei Deputies folgten ihm. Sie gafften sie an, vor allem aber Phoebe. Da war wirklich ein Mädchen zwischen drei Jungs zu ihnen geschickt wurden. Konnte man das glauben? Phoebe war nicht wütend darüber, nur genervt. Überall die gleiche Reaktion und sie konnte sich gut denken, was sie sich über ein Mädchen inmitten von Jungs dachten.

Avery schüttelte ihnen allen die Hand und verbeugte sich immer wieder und egal was sie sagten, es reichte nicht um ihn zum Aufhören dessen zu bewegen. Endlich führte er sie ins Innere. Trotz der heißen Sonne draußen war es im Büro des Sheriffs angenehm kühl. Und es war groß für ein einfaches Büro eines einfachen Sheriffs. Ansonsten sah es aus wie jedes andere Sheriffbüro, dass sie in ihren so jungen Leben gesehen hatten. Himmel, sie haben geputzt für uns, schoss es Phoebe für durch den Kopf. Sie war gerührt, nervös, amüsiert und genervt gleichermaßen. Das alles war zu perfekt für den Empfang von vier Kindern, die ihre Strafe abbüßen sollten. Okay, sie stammten aus Neu – Kanaan und die Leute in dieser Ecke der Welt sahen sicher nicht oft Leute von dort. Sie betrachteten sie vielleicht wirklich als eine Abordnung königlichen Geblütes. Aber ob das besser war, wusste sie auch nicht.

Die drei Deputies wurden ihnen nun auch vorgestellt. Phoebe hörte zu. Wenn sie sich die Namen merkte, gut. Wenn nicht, hatten sie ja Bert. Bert vergaß so gut wie nie einmal einen Namen. In dieser Hinsicht war sein Gedächtnis. Einer der Deputies lies sich vor ihnen auf die Knie nieder.

„Lass das, du Idiot!“, schrie Avery ihn an. Phoebe zuckte dabei fast zusammen. Seine Stimme war streng und dröhnend. In diesem Fettklops steckte vielleicht mehr als sie auf den ersten Blick vermuteten. „Für was für einen Hinterwäldler werden sie dich jetzt halten? Zudem hast du sie in Verlegenheit gebracht. Das hast du!“, rief er.

„Schon gut.“, sagte Roland, der wirklich etwas verlegen wirkte. Phoebe hielt sich zurück. Das hatten sie so abgemacht. Sicher waren Mädchen hier nicht so involviert wie in Gilead. Also sollte sie nicht weiter auffallen.

„Wissen sie, wir sind nichts Besonderes.“, sagte Roland. Der Sheriff lachte.

„Nichts Besonderes! Nichts Besonderes, sagt er! Da kommen sie 500 Meilen oder mehr von der Innerwelt; unser erster Besuch aus dem Bund seit vor vier Jahren ein Revolvermann hier durchgekommen ist; und sie sagen nichts besonderes.“ Er lachte wieder. „Möchtet ihr euch setzen, meine Jungs? Und Mädchen, natürlich.“, fügte er hinzu. „Ich habe Graf, aber so früh am Tag wollt ihr das vielleicht nicht. Vielleicht auch gar nicht, wenn man euer Alter bemerkt. Aber ich habe ebenfalls weißen Eistee, den ich wärmstens empfehlen kann. Daves Frau hat ihn zubereitet. Sie hat ein gutes Händchen für fast jedes Getränk.“

„Tee ist ein Labsal für durstige Kehlen, danke.“, sagte Roland, nachdem er Phoebe, Alain und Bert angesehen hatte und alle genickt hatten. Und so wurde der Tee geholt.

„Nun, ihr wisst, wer ihr seid und woher ihr kommt und ich weiß es auch.“, sagte der Sheriff dann und setzte sich. Die vier taten es ihm gleich. „Ich kann Innerwelt in euren Stimmen hören, aber wichtiger noch, ich sehe sie in euren Gesichtern. Aber wir in Hambry halten uns an die alten Weisen, ay, so verschlafen und ländlich es hier auch sein mag. Wir erinnern uns an die Gesichter unserer Väter, so gut wir können. Obzwar ich euch nicht länger von euren Pflichten abhalten möchte, und wenn ihr mir die Anmaßung verzeihen wollt, würde ich darum gerne irgendwelche Papiere sehen, die ihr zufällig mit in die Stadt gebracht habt.“

Und tatsächlich hatten sie „zufällig“ alle Papiere mit. Phoebe war sich sicher, dass Avery das ganz genau wusste. Doch dafür studierte er sie sehr lang. Zwei Deputies standen hinter ihn und sahen ihn weise über die Schulter. Es dauerte lang und innerlich fragte sich Phoebe, ob einer von ihnen überhaupt lesen könnte.

William Dearborn, Sohn eines Viehtreibers.

Richard Stockworth, Sohn eines Ranchers.

Arthur Heath, Sohn eines Viehzüchters.

Bridie Milano, ebenfalls Tochter eines Viehzüchters.

Jedes Dokument war von einem Notar beglaubigt. Dafür hatten Berts und Rolands Vater vor der Abreise gesorgt. Jedes von einem anderen, außer bei Bert und Phoebe. Alles in Ordnung. Die Dokumente wurden mit überschwänglichem Dank zurückgegeben. Dann überreichte Roland ihm einen Brief. Behutsam, als wolle er schon damit auf dessen Wichtigkeit hinweisen. Ach, Dramatik. Wie sehr Phoebe davon gelangweilt war. Aber sie spielte ihre Rolle. Averys Augen wurden groß, als er auf dem Brief das Siegel eines Revolvermannes sah. „Bei meiner Seele! Jungs, es war ein Revolvermann, der das geschrieben hat.“, rief er.

Ach du meine Güte!, dachte Phoebe ironisch.

„Ay, so ist es.“, stimmte Bert tatsächlich mit verwunderter Stimme zu. Zum Dank trat Roland in fest gegen den Knöchel. Phoebe musste sich auf die Innenseiten ihrer Wangen beißen, um nicht zu lachen. Aber sie warf Bert einen belustigten Blick zu und erntete einen bösen dafür.

Der Brief stammte von einem gewissen Steven Deschain aus Gilead, einem Revolvermann. Er erklärte, die Anwesenheit der vier Kinder und empfahl sie. Diese seien vom Bund auf eine besondere Mission gesandt worden, um eine Inventur aller Materialien durchzuführen, welche dem Bund in Zeiten des Krieges hilfreich und notwendig sein konnten. Die Kinder haben sich mindestens drei Monate in Mejis aufzuhalten, vielleicht sogar ein ganzes Jahr. Der Brief endete mit der Aufforderung schriftliche Meldung über die drei Jungs und das Mädchen zu übersenden und zwar in allen Einzelheiten. Man solle in dieser Hinsicht nicht nachlässig sein. Mit anderen Worten: Lasst uns wissen, ob sie sich benehmen. Lasst uns wissen, ob sie artig sind und ihre Lektion gelernt haben.

Nun kam endlich der Tee von einem der Deputies gebracht. Er verteilte ein Glas an alle. Alain saß mit einem Mal mit geweiteten Augen da. Seine blauen Augen leuchteten förmlich und er schüttelte auffällig mit dem Glas. Roland sah ihn an, Phoebe ebenso. Sie wusste, worauf er hinaus wollte. Kühlen Tee hatten sie erwartet, aber in diesem Eistee waren Eiswürfel. Eis im Hochsommer. Wirklich erstaunlich. Eis war selbst in Innerwelt um diese Jahreszeit eine Rachität. Und der Tee war wie versprochen köstlich.

„Ihr solltet das sicher an eurer Person tragen, Will Dearborn. Ay, wahrlich sehr sicher.“, sagte Avery und reichte Roland den Brief.

„Ja Sir.“ Er steckte den Brief und Ausweis wieder in die Tasche. Die anderen steckten ihre Dokumente ebenso weg.

„Das ist ein vorzüglicher weißer Tee, Sir.“, sagte Alain. „Ich habe nie einen besseren getrunken.“

„Ay.“, sagte Avery. „Es ist der Honig, der ihn so köstlich macht, nicht Dave?“, fragte er an einen Deputie gewandt.

„Ich glaube schon, aber Judy rückt nicht gern damit heraus. Sie hat das Rezept von ihrer Mutter.“, antwortete jener.

„Ay, wir dürfen auch die Gesichter unserer Mütter nicht vergessen, das dürfen wir nicht.“, sagte der Sheriff. Oh doch, sollten wir sogar!, dachte Phoebe bitter.

„Ihr wundert euch über das Eis, Master Stockworth?“, fragte Avery mit einem mal. Alain zuckte. „Nun, ich…“ Er war sprachlos.

„Ihr habt eine derartige Annehmlichkeit nicht in einem Kaff wie Hambry erwartet, nehm ich an.“, lachte Avery. Doch Phoebe hörte einen Unterton unter dieser gespielten Fröhlichkeit.

Er mag uns nicht. Er mag unser für ihn „städtischen Getue“ nicht. Er kennt uns noch nicht lange genug um zu wissen, was für ein Gebaren wir haben wenn überhaupt, aber schon ist es ihm zuwider. Er hält uns für Rotznasen, die ihn und alle anderen als Landeier betrachten. , wurde es Phoebe klar.

„Nicht nur in Hambry.“, sagte Alain nun freundlich und ruhig. „Eis ist auch im inneren Bogen heutzutage so selten wo überall auch, Sheriff Avery. Früher haben wir es zu Geburtstagen als besondere Leckerei bekommen.“

„Es gab öfter Eis. Abgesehen von dem Feuerwerken hat uns das immer am besten gefallen.“, sagte Bert nun zurückhaltend. Für ihn völlig untypisch.

„Ist das so, ist das so?“, sagte Avery mit gespielt wunderlicher Stimme und Phoebe hätte ihn am liebsten in den Hintern getreten. Verfehlt hätte sie ihn sicher nicht.

"Was haltet ihr davon?"

„In der Stadthalle gibt es einen gasbetriebenen Kühlschrank und einen Herd. Beide funktionieren. Draußen auf dem Citgo – Gelände gibt es eine Menge Erdgas. Das ist das Ölfeld östlich der Stadt. Ich wotte, ihr seid auf dem Weg hierher daran vorbeigeritten.“, sagte Avery. Wieder diese Abfälligkeit in seiner Stimme. Aber sie nickten alle.

„Der Herd ist nicht mehr viel wert, aber der Kühlschrank kommt gut zupass, das tut er. Vor allem im Sommer.“ Er sah sie an. Ein falsches Funkeln in den Augen. „Seht ihr? Kein Geheimnis.“

„Mich überrascht allerdings, dass ihr keine Verwendung für das Öl gefunden habt.“, sagte Phoebe. Sie konnte nicht mehr an sich halten. Roland blickte starr geradeaus. Unterwürfig Avery ansehend. Innerlich erschrak er, als ihre Stimme erklang. Das war gegen die Abmachung. Sie sollte den Mund halten, außer wenn sie direkt gefragt wurde. Wie hatte er nur glauben können, Phoebe würde einmal den Mund halten.

„Gibt es keine Generatoren in der Stadt, Sheriff?“, fragte Roland nun.

„Ay, vier oder fünf. Der größte draußen auf Francis Lengylls Rocking B. Ich erinnere mich noch daran, als er noch lief. Ein Honda. Kennt ihr den Namen?“, fragte er.

„Ich habe ihn ein oder zweimal gehört.“, sagte Roland.

„Wie auch immer. Keiner der Generatoren läuft mit Öl vom Citgo – Feld. Es ist zu dick. Und teerig. Wir haben keine Raffinerien hier.“, sagte er mit einem vielsagenden Blick, den er Phoebe zuwarf.

„Verstehe. Auf jeden Fall ist Eis im Sommer ein Traum.“, sagte Alain unterwürfig. „Egal, wie es in das Glas kommt.“

Avery sah nicht so aus, als wäre das Thema für ihn erledigt. Er sah sie forschend an. Phoebe sogar geringschätzig.

„Wie auch immer. Bürgermeister Thorin hat mich gebeten, euch seine besten Wünsche zu übermitteln. Heute kann er leider nicht zugegen sein. Sehr beschäftigt, unser Lord Bürgermeister, wahrlich.“, sagte Avery. Klar, was sonst, in so einer Riesenstadt., dachte Phoebe bei sich, wieder erfüllt von Sarkasmus.

„Aber er hat für morgen Abend eine Dinnerparty in seinem Haus angesetzt. Sieben Uhr für die meisten Leute, acht für euch junge Herren. Und Damen.“, fügte er fast bissig hinzu. Phoebe lächelte und nickte freundlich für die Höflichkeit sie extra zu erwähnen, während sie sich überlegte, wie sie ihm am besten umbringen könnte, sollte sie die Gelegenheit bekommen.

„Das soll wohl den eindrucksvollen Auftritt zugute kommen, schätze ich. Wegen der Dramatik. Da ihr sicher mehr solche Partys besucht habt als ich warme Mahlzeiten gegessen habe, muss ich euch nicht eigens sagen, dass es am besten wäre auf die Minute pünktlich zu erscheinen.“ Phoebe hätte bei dem Kommentar über die Mahlzeiten am liebsten laut aufgelacht. Witzig! Er hatte Humor. Oder keinen Spiegel, eines von beiden war es sicher.

„Ist es ein förmlicher Empfang?“, fragte Bert nervös. „Wir haben eine lange Reise hinter uns, fast 400 Räder, und haben keine förmliche Kleidung oder Schärpen eingepackt.“

„Mein Ballkleid hab ich leider auch zu Hause gelassen.“, sagte Phoebe. Sie meinte es spitz, aber ihre Stimme war so bedauernd, so unterwürfig und wehleidig, dass es der Sheriff nicht merkte. Ganz im Gegensatz zu Roland. Was sollte das? Wollte sie jetzt Berts Stellung einnehmen?

Avery aber kicherte. Sogar aufrichtig. Wahrscheinlich wirkten Phoebe und Bert auf ihn in der Situation ungebildet und unsicher und das gefiel ihm.

„Nayn, junge Herren. Thorin weiß, dass gekommen seid um zu arbeiten. Tragt eure beste Kleidung, das genügt.“ Er sah Phoebe an. „Ein Rock, wenn ihr einen habt, wäre gut.“ Er musterte sie von oben bis unten, sah dann aber wieder zu Bert. „Mit Schärpen wird sowieso niemand da sein. So machen wir das in Hambry nicht.“, sagte er.

„Jedenfalls werdet ihr morgen Abend mehr arbeiten als Spaß haben, schätze ich. Es sind alle bedeutenden Rancher, Viehzüchter und Viehbesitzer aus diesem Teil der Baronie eingeladen. Nicht, dass es so viele wären. Aber alle wichtigen werden anwesend sein und ich denke, ihr werdet feststellen, dass alle loyale Männer des Bundes sind. Sie helfen bereitwillig und gern. Er zählte einige Namen auf. Roland sah Bert an. „Du wirst morgen eine Menge Arbeit haben.“

„Keine Angst, Will. Ich werd mir alle merken.“, sagte Bert aufrichtig. Fast gespielt aufrichtig, wie Phoebe merkte und verkniff sich abermals ein Lachen.

„Die meisten haben Töchter im heiratsfähigen Alter, die sie mitbringen werden. Ihr Jungs solltet euch umschauen.“, sagte er schelmisch lächelnd. Phoebe dachte, sie hörte nicht richtig. So was von dreist. Sie verkniff sich eine Reaktion, aber es fiel ihr schwer. Damit war der folgende Abend für sie gelaufen. Sie wusste also, wo Bert dann zu finden sein würde. Er hatte eine unwiderstehliche Wirkung auf Mädchen. Und sie waren ihm selten abgeneigt. Es konnte richtig nerven. Avery sah Phoebe wieder an, wieder von oben bis unten musternd. „Nun, es werden auch einige Söhne dabei sein, die im heiratsfähigen Alter sind. Für euch könnte auch der ein oder andere dabei sein.“, sagte er. Phoebe lächelte, nickte und wollte ihn treten, schlagen oder irgendetwas, dass ihm weh tat. Und da Schlimmste: sie konnte aus dem Augenwinkel in Berts Augen Lachen sehen. Es blubberte unter der Oberfläche. Sie war sauer. Und sie hatte für diesen Vormittag genug Tee und Scheinheiligkeit. Auch Roland empfand so.

„Danke für den Tee und den Empfang.“, sagte er. „Bitte dankt auch Bürgermeister Thorin in unserem Namen für die Freundlichkeit und teilt ihm mit, dass er uns morgen Abend Punkt acht Uhr sehen wird.“

„Das werde ich.“, sagte Avery.

Sie standen auf. Phoebe wand sich noch einmal Dave zu, dem Deputie der den Tee gebracht hatte. „Bitte danken sie ihrer Frau für den Tee. Er war wunderbar.“, sagte sie freundlich lächelnd. Der Arme Kerl hatte sich so erschrocken, noch einmal angesprochen zu werden, dass er zurück geschreckt war und sich fast den Kopf am schwarzen Brett schlug.

„Das werde ich. Danke – Sai.“, sagte er. Sie gingen nach draußen. Dabei sah es fast so aus, als würde der Sheriff sie hinaus treiben.

„Was eure Unterkunft betrifft.“, begann er plötzlich noch.

„Beim Henker! Ich habe vergessen, danach zu fragen.“, sagte Roland. „Wir haben unser Lager auf den langen Hang aufgeschlagen. Dort sind jede Menge Pferde bis zur Brandung runter. Ich bin sicher, sie wissen, welche Stelle ich meine.“

„Die Schräge, ay.“, sagte Avery.

„Ohne Erlaubnis jedoch, weil wir nicht wissen, wen wir fragen müssen.“, sagte Roland.

„Das müsste John Croydons Land sein. Er hätte sicher nichts gegen euch, aber wir haben etwas Besseres für euch. Es gibt eine Ranch nordwestlich von hier. Die Bar K. Gehörte früher der Familie Garber, aber nach einem Brand haben sie sie aufgegeben. Sie gehört jetzt dem Verband der Pferdezüchter. Ich habe mit denen über euch gesprochen und er sagt: Wir bringen sie im altem Garber – Haus unter, warum nicht?“

„Warum nicht?“, fragte Bert auch. Roland warf ihm einen Blick zu. Aber Bert schien gedankenverloren. Er sah zu den Fischerbooten hinab.

„Eben, das hab ich auch gesagt. Warum eigentlich nicht? Das Haupthaus ist abgebrannt, aber das Schlafhaus steht noch. Die Stallung und der Küchenschuppen auch. Auf Thorins Befehl hin, habe ich mir die Freiheit genommen und die Vorratskammer bestückt. Das Schlafhaus ist gefegt und etwas aufgeräumt. Vielleicht werdet ihr vereinzelte Käfer sehen, aber nichts, was beißt oder sticht. Und keine Schlangen, es sei denn, es sind ein paar unter dem Boden, aber dann lasst sie dort bleiben, würd ich sagen. Lasst sie dort bleiben.“, sagte er.

„Lassen wir sie einfach dort bleiben, direkt unter dem Boden wo sie glücklich sind.“, sagte Bert. Immer noch wirkte er gedankenverloren. Avery sah ihn komisch von der Seite an.

„Es gibt schlimmeres als Schlangen.“, schaltete Phoebe sich ein. „Ich für meinen Teil mag sie sogar.“ Das stimmte nicht. Aber sie wollte Averys Aufmerksamkeit von Bert lenken. Und es gelang. „Sind auch nur Tiere.“, sagte sie Schultern zuckend.

„Wie auch immer. Es sind keine Löcher im Dach und wenn es regnet sitzt ihr im Trocknen. Und sicher könnt ihr euch etwas aufteilen.“, sagte er mit einem vielsagendem Blick auf Phoebe. Wieder dieser „Ich – weiß – genau - was – ein – Mädchen – wie – du – treibt“ – Blick. Sie ignorierte es.

„Hört sich das gut an?“, fragte Avery.

„Besser, als wir es verdienen.“, gab Roland zurück. „Ich denke, sie sind sehr gründlich gewesen und Bürgermeister Thorin bei Weitem zu gütig.“ Und das dachte er wirklich. Sie alle dachten das. Die Frage war, warum? „Wir wissen das zu schätzen, nicht wahr?“, fragte er an die anderen gewand. Alle nickten. „Wir nehmen dankend an.“, schloss Roland.

„Ich werde es ihm sagen. Reitet wohlbehütet, Jungs. Und Mädchen.“ Wieder betonte er letztes extra. Zum Glück gingen sie gerade zum Pferdebalken. Sie stand ihnen demnach mit dem Rücken zugewandt. Augen geschlossen, tief durchatmen. Alles klar! Du bekommst das hin!

Dann schüttelte Avery wieder allen die Hände. Doch gründlicher noch sah er die Pferde an.

„Dann bis morgen Abend?“

„Morgen Abend“, stimmte Roland zu.

„Werdet ihr die Bar K allein finden, was meint ihr?“ Langsam wurde es zu viel. Phoebe lag schon ein Spruch auf den Lippen. Ein gepfefferten, mit ebenso viel Verachtung gesprochen wie er es die ganze Zeit ihnen gegenüber tat, von einem Mädchen zudem noch, so dass er es sein Leben lang nicht vergessen würde. Doch Bert kam ihr zuvor.

„Wie werden es finden.“, sagte er knapp, aber weit unterwürfiger als sie es getan hätte, vom Inhalt der Aussage mal ganz abgesehen. Sie stieg auf, Bert ebenfalls. Der Sheriff sah den Vogelschädel dabei hervorblitzen. Misstrauisch sah er zu Bert auf. Dieser bemerkte den Blick, sagte aber nichts. Roland war froh darüber und stolz. Er hatte sich genau genommen besser geschlagen als Phoebe.

„Gehabt euch wohl, Sheriff.“, sagte er devot.

„Duc auch, Junge.“, antwortete er. Sie ritten los. Der Sheriff sah ihnen noch nach. In seiner adretten Uniform mit viel zu sauberen Schuhen für einen wirklich hart arbeitenden Sheriff. Phoebe hatte sich geirrt. Er war ihr mehr als einmal frech gekommen und sie mochte ihn überhaupt nicht. Nicht ein Stück. Innerlich brodelte sie.
 

Sie ritten nebeneinander. Alle vier. Hier, außerhalb der Stadt, war ihnen das möglich.

„Was haltet ihr von unserem neuen Freund, dem Hohen Sheriff?“, fragte Roland nach einer Weile.

„Ich hab keine Meinung.“, sagte Bert, jetzt wieder strahlend, aufmerksam, hibbelig. Alles das, was er im Büro da drin nicht gewesen war. Streber!, dachte Phoebe. „Nein überhaupt keine Meinung. Meinung ist Politik und Politik ist ein Übel, durch das mancher Mann gehängt wurde als er noch jung und hübsch war.“

„Himmel!“, stöhnte Phoebe provokativ, damit er den Mund hielt. Bert aber beugte sich über den Wachposten, den er wieder am Sattelknauf befestigt hatte. „Aber dem Wachposten hier, dem hat er nicht gefallen. Tut mir leid, es sagen zu müssen, aber unser treuer Wachposten hält Sheriff Avery für einen Fettsack voller Eingeweide ohne einen einzigen vertrauenswürdigen Knochen in seinem Körper.“, endete Bert. Daraufhin brach Phoebe in schallendes Gelächter aus.

„Was sagt ihr, Junker Stockworth?“, fragte Roland weiter. Dieser schien eine Weile zu überlegen, was er sagen sollte. Schließlich antwortete er: „Ich glaube, wenn er uns brennend auf der Straße sehen würde, würde er nicht mal auf uns pissen, um uns zu löschen.“

Bert und Phoebe mussten herzlich lachen.

„Besser hätt ich es auch nicht sagen können.“, lachte sie gehässig und Bert grinste sie an. „Klar, weil er dich nicht leiden kann.“ Phoebe verstummte. „Halt doch die Klappe.“, maulte sie leise.

„Man, dass mein Herz solch Wunder noch erleben darf. Endlich treffe ich mal jemanden, der mich tatsächlich lieber mag als dich.“, grinste und spottete er weiter.

„Du hast ja auch dagesessen wie ein Musterschüler und nichts gesagt.“, sagte sie bissig.

„Und du hast nicht den Mund gehalten, wie wir es wollten.“, sagte Roland.

„Wie du es wolltest, mein liebster Will.“, fauchte sie. „Frauen haben nichts zu sagen. Hallo? Wo sind wir denn hier?“, fragte sie wütend.

„Am Arsch der Welt.“. antwortete Bert trocken aber belustigt.

„Sage dir mein Dank.“, blaffte sie. „Arsch.“, flüsterte sie.

„Das hab ich gehört.“, grinste Bert. „Man, bist du sauer. Der hat dir ja richtig zugesetzt.“, lachte Bert. Phoebe sah ihn an. „Ich würd dir jetzt am liebsten weh tun.“, sagte sie. Sie war wirklich wütend und sie fasste es nicht, dass die Jungs das nicht verstanden. Dass Bert seine Witze machte, okay. So war er eben. Aber Roland wagte es tatsächlich ihr Vorwürfe zu machen.

„Dieser aufgeblasene Fettkloss!“, platze sie heraus. „So eine falsche Schlange. Der soll mir mal im Dunkeln begegnen. Dieses Arschloch.“, stieß sie wütend hervor.

„Egal wie er sich verhalten hat; du hast nicht auf mich gehört.“, sagte Roland.

„Du bist nicht mein Vater.“, gab sie spitz zurück. Rolands blick änderte sich. Einen Moment war er wütend gewesen, doch dann wich diese Wut und es schlich sich Verständnis ein. Oder mehr noch, Mitleid. Sie sah ihn an, bereit auf ein Donnerwetter gefolgt von einem Streit. Dann sah sie seinen Blick. Sie hasste das. „Sieh mich bloß nicht so an.“, sagte sie schroff. Sie konnte kein Mitleid mehr ertragen. Damit wand sie den Blick von ihm ab.

„du darfst dich nicht von jemanden wie ihm so provozieren lassen.“, sagte Roland.

„Er hat mich angeschaut als wäre ich eine Hure.’, sagte Phoebe nun. „Ich bin es gewöhnt, dass ich verurteilt werde, weil ich ein Mädchen bin und… Ihr wisst schon. Aber das… Er hat kein Recht dazu, so über mich zu denken.“

Das verstanden die Jungs. Natürlich hatte Phoebe es als einziges Mädchen unter ihnen viel schwerer. Vor allem Fremden gegenüber. Ein Mädchen unter Jungs; so sah man sie und natürlich wussten sie, was man über ein solches Mädchen dachte. Dann noch eines, das zur Bestrafung hergeschickt wird. Da denkt man sich seinen Teil. Es war schwer für sie. Und das tat ihnen auch leid. Sie alle liebten Phoebe. Wie eine kleine Schwester war sie für jeden von ihnen. Und nach allem, was sie hatte durchmachen müssen, wollte keiner, dass sie noch mehr verletzt wurde.

„Vielleicht kommt der Tag, an dem du ihm das ins Gesicht sagen kannst. Nur vorerst bitte ich dich, es hinzunehmen.“, sagte Roland verständnisvoll. In Phoebe arbeitete es, das konnte man sehen. Dann sah sie ihm aus dem Augenwinkel an. „Wirst du langsam weich, oder was ist los mit dir? Wo bleibt die Standpauke?“, fragte sie zynisch, aber mit einem sanften Lächeln. Die anderen lächelten auch.

„Nachdem wir Bridies Meinung zu unserem lieben Sheriff Avery nun kennen,“, sagte Bert und von Phoebe kam ein verächtliches Schnaufen, „was hältst du nun von ihm, oh treuer Captain?“

„Er interessiert mich nicht besonders.“, sagte Roland. „Aber etwas, was er gesagt hat, schon. Bedenkt man, dass die Pferdeweide, die er Schräge nennt, über dreißig Räder lang ist oder mehr, woher hat er dann wohl gewusst, dass wir uns auf dem Abschnitt aufhalten, der zur Piano Ranch gehört?“ Bert und Alain sahen ihn überrascht an. Phoebe weniger.

„Wir wurden beobachtet, ganz klar.“ Sie hatte es gemerkt, nicht nur an Averys Wortwahl. „Der Fettsack hat so manchen Hinweis gegeben.“, sagte sie ruhig und Roland nickte. Bert aber lehnte sich wieder über seinen Vogelschädel. „Wir werden beobachtet und du hast es nicht gemeldet? Kein Abendessen für sie, Sir, wenn so etwas noch mal vorkommt.“, sagte er mit vorwurfsvollem Ton.

Phoebe lachte. Roland war genervt, dass Bert schon wieder über so etwas Witze machte. Aber wenigstens hatte er sich vorhin zurück gehalten. Das war doch schon mal etwas.

Und so machten sie sich auf zur Bar K..
 

~ Flashback ende ~

Im Hause des Bürgermeisters

Nun also standen sie vor dem Haus des Bürgermeisters. Die Stallburschen brachten ihre Pferde weg. Am liebsten wäre Phoebe hinterher gelaufen und hätte geschaut, ob sie White Lady auch gut behandelten. Doch das hätte ganz gewiss keinen guten Eindruck gemacht.

Roland, Alain, Phoebe und Cuthbert standen am Fuß der Treppe, nebeneinander, in dieser Reihenfolge.

„Klopfen wir? Oder machen wir einfach auf und spazieren rein?“, fragte Bert. Eine Antwort musste keiner von ihnen geben. Die Haupttür wurde nämlich in diesem Moment aufgerissen. Zwei Frauen standen vor ihnen, die Phoebe an Frauen von Viehzüchter erinnerte. Die etwas untersetztere von beiden kam auf sie zu, freundlich lächelnd. „Ihr seid die jungen Männer vom Bund, das seid ihr. Und das junge Mädchen, verzeiht. Ihr seid willkommen. Guten Abend und mögen eure Tage auf Erden lang sein.“, sagte sie fröhlich, freundlich und als erste wirkte sie dabei aufrichtig. Phoebe musste lächeln. Die erste Person in dieser Stadt, die ihr irgendwie sympathisch war. „Ich bin Olive Thorin, die Gattin des Bürgermeisters. Das ist Carol, meine Schwägerin.“ Sie deutete auf die Frau neben ihr. Eine spindeldürre, hochgewachsene Frau, deren Blick einen Moment zu lange an Phoebe hängen blieb, nach deren Geschmack.

Die drei Jungs verbeugten sich vor ihr und Phoebe machte einen leichten Knicks. Sie mochte das nicht besonderes. Falsches Gehabe von gespieltem Respekt. Es hatte eine Zeit gegeben, da hatte sie dies alles ohne Murren mitgespielt, doch es hatte sich so viel geändert. Es war ihr zuwider.

Die Frau vor ihr aber möchte sie. Sie war irgendwie kindlich in ihrem Verhalten, aber es verleih ihr Würde und etwas Freundliches.

„Ich heiße euch in Seafront willkommen. Betrete unser Haus mit Freuden. Das sage ich aus vollem Herzen, das tue ich.“

„Und das werden wir, Madam.“, sagte Roland und küsste ihre Hand wie ein Gentleman. „Eure Grüße haben uns mit Freude erfüllt.“ Darüber schien sich Olive Thorin noch mehr zu freuen und Phoebe war hingerissen von dieser Frau. Sie freute sich, dass sie gleich zu Anfang eine so nette Frau kennen gelernt hatten. Allerdings sollte es den ganzen Abend über die einzige Person bleiben, die sie mochte und der sie Vertrauen schenkte.
 

Sie betraten den großen Festsaal. Roland hatte gerade noch Zeit Bert einen verkniffenen Blick zu zuwerfen. Dieser nickte. Er hatte den Auftrag sich alle Namen, jedes Gesicht zu merken. Phoebe fand das überflüssig. Bert war ein Witzbold, er würde höchstwahrscheinlich mit einem Witz auf den Lippen sterben, aber er war nicht blöd.

Der erste, denn sie kennen lernten, war ein Mann, der neben Avery stand. Kimba Rimer. Er war groß, riesig fast. Phoebe, die ziemlich klein war und auch zierlich (wobei man sich in ihr täuschen konnte, denn sie war wirklich stark; Roland hatte noch keinen Jungen gesehen, den sie nicht auf die Bretter schickte) stand vor ihm als würde sie zu einem Turm hochsehen. Bert grinste. Typisch.

„Meine Jungs und Mädchen.“, sagte er. „Willkommen in Mejis, in Hambry. Und in Seafront, unserem bescheidenen Bürgermeisterhaus.“

„Wenn dies bescheiden ist, möchte ich gerne den Palast sehen, denn ihr bauen würdet.“, lächelte Roland sehr höflich. Kanzler Rimer lachte laut. Avery auch. Irgendwie wurde Phoebe dabei ganz unwohl. Sie mochte Rimer nicht, dass wusste sie sofort.

„Kommt, ich bin sicher der Bürgermeister erwartet euch mit Ungeduld.“, sagte er dann, als er genug gelacht zu haben schien. Und dann führte er sie an den grinsenden Sheriff vorbei in den Empfangssaal.

Der Saal war voll, nicht groß genug für die Runde aber ausreichend. Es war auch nicht das gleiche wie in den großen Sälen von Gilead, aber dafür herrschte hier eine andere Atmosphäre. Eine lockere, robuste Atmosphäre, wie die Menschen auch. Und dennoch wirkte es seltsam unecht auf Phoebe. Sie fühlte sich unpassend. Alle Frauen um sich herum und auch alle „Mädchen im heiratsfähigen Alter“, wie Avery sie genannt hatte, hatten wundervolle Kleider an. Lange Abendkleider, aus edlen Stoffen, hochgesteckten Haaren mit Perlen darin oder um den Hals. Und sie? Sie stand mit ihrem alten Kleid hier, das in Gilead für keine einzige öffentliche Veranstaltung gut genug gewesen wäre. Das Haar trug sie offen. Es fiel ihr in leichten Wellen über die Schultern und rahmte ihre dunkelbraunen Augen und ihr braungebranntes Gesicht perfekt ein. Sie trug eine schlichte Kette. Es war nicht so, dass sie sonderlich eitel war, was ihr Aussehen betraf. Aber hier fühlte sie sich wie das hässliche Entlein inmitten einem Rudel von Schwänen. Ätzend! Sie fühlte sich so fehl am Platz wie selten in ihrem Leben. Sie sah zu den Jungs rüber. Alain lächelte ihr aufmunternd zu. Roland hatte schon ein Mädchen entdeckt. Gerade er! Prima. Das fing ja gut an. Auch Bert sah sich um. Jede Menge hübsch zu Recht gemachter Mädchen, wie schon gesagt. Er hatte reichlich zu tun.

Dabei wurden sie zu einer Gruppe von Leuten geführt. Einem Mann, groß und hager. Einen Weiteren, kleiner, aber noch dünner als Rimer oder jener andere dort, und mit langen weißem Haar. Und ein Mädchen. Genaugenommen war es das Mädchen, das Roland die ganze Zeit anstarrte. Sie folgte einem innerlichen Drang und trat ihn in die Ferse. Er schrak auf und sah sie fragend an. Sie sagte nichts. Rimer war neben sie und ihm traute sie fast noch weniger als Sheriff Fettklops. Aber ihr Blick sprach Bände: Was ist los mit dir? Konzentrier dich, bei deinem Vater!

„Bürgermeister Thorin?“, begann Rimer. „Darf ich ihnen unsere Gäste aus den Inneren Baronien vorstellen?“ Thorin wand sich dem Mann mit dem weißen Haar ab und schenkte nun ihnen seine Aufmerksamkeit. Er strahlte über das ganze Gesicht. Phoebe fand es ebenso abstoßend wie bei Avery oder Rimer. Sie alle wirkten so falsch. Das konnte doch nicht sein. Hatte sie langsam Verfolgungswahn? Es konnte doch nicht sein, dass ihr eine ganze verfluchte Stadt seltsam vorkam.

„Ay, sie dürfen!“, rief Thorin mit kräftiger, hoher Stimme. „Sie dürfen wahrlich. Wir haben mit großer Ungeduld auf diesen Augenblick gewartet. Ein guter Stern steht über dieser Begegnung, ein sehr guter. Willkommen, ihr Herren! Willkommen, meine Dame! Möge euer Abend in diesem Haus, dessen vorübergehender Besitzer ich bin, glücklich sein. Und mögen eure Tage auf Erden lang sein.“, sagte er mit vor Stolz geschwellter Brust.

Roland nahm dessen Hand als erster, dann verbeugte er sich tief. „William Dearborn, Bürgermeister Thorin, zu euren Diensten. Danke für euren Willkommensgruß und mögen eure Tage auf Erden lang sein.“, sagte er artig. Wie langweilig, schoss es Phoebe durch den Kopf. Roland spielte seine Rolle nahezu perfekt. Immer. Hätte er den Bürgermeister jetzt einen Kuss gegeben oder ihn angespuckt, das wär doch mal provokativ gewesen. Und unterhaltsam. Und warum machte sie sich eigentlich gerade über so etwas Gedanken? Das hier war kein Vergnügen. Es war Arbeit. Aber dennoch musste sie sich das Lachen verkneifen. Ein unglückliches Lachen.

Arthur und Richard erboten nach Roland ihren Gruß. Zuletzt machte Bridie einen tiefen Knicks vor dem Bürgermeister. Er nahm ihre Hand und küsste sie. Spätestens hier war ihr das Lachen vergangen. Ein Anflug von Ekel überkam sie stattdessen. Tapfer lächelte sie.

„Hatten sie eine schwierige Reise?“, fragte Thorin. „Haben sie Abenteuer und Gefahren erlebt? Wir möchten beim Dinner alle Einzelheiten hören, denn wir haben heutzutage nur wenige Gäste aus dem Inneren Bogen.“ Er hörte auf zu lächeln, zog die Augenbrauen hoch. „Sind sie auf Patrouillen von Farson gestoßen?“

„Nein, Exzellenz“, sagte Roland. „Wir…“

„Nayn, nicht doch, Freund! Nicht Exzellenz. Das dulde ich nicht. Nur Bürgermeister Thorin, wenn ich bitten darf.“ Er lachte. Als wäre eine solche Anrede ohnehin unangebracht. Jungendliche Möchtegern Reisende, die vor ihm standen. Phoebe fühlte sich nicht wohl. Alle Blicke, die freundlich auf sie gerichtet waren und doch nicht freundlich waren. Alle schienen ganz und gar nicht verwirrt, ein Mädchen zwischen den drei Jungs zu sehen, doch wenn sie sich umdrehte sah sie ihre Blicke ihr folgen. Unmissverständliche Geringschätzung.

„Danke.“, sagte Roland aber. „Wir haben auch unserer Reise viele seltsame Dinge gesehen, aber keine guten Männer.“

„Gute Männer!“, stieß Rimer plötzlich hervor. Er hatte bisher kaum Anstalten getan, sich zu bewegen oder etwas zu sagen. Als er jetzt so neben Phoebe reagierte, zuckte sie zusammen und sah ihn fast erschrocken von der Seite an. „Gute Männer, wahrhaftig.“ Sein Blick war arrogant. Nichts anderes. Phoebe würde nur zu gern fragen, was daran so wunderlich war. Sie ließ es. Ihren Freunden zuliebe.

„Wir wollen alles hören, jedes Wort.“, sagte Thorin. „Aber bevor ich deswegen meine Manieren vergesse, meine jungen Freunde, möchte ich ihnen die Menschen in meiner unmittelbaren Umgebung vorstellen. Kimba haben sie ja schon kennen gelernt. Dieser treffliche Bursche zu meiner Linken ist Eldred Jonas. Er ist Chef meiner jüngst eingerichteten Leibgarde.“ Thorin sah etwas verlegen drein. „Ich bin nicht wirklich sicher, dass ich eine zusätzliche Wache brauche. Sheriff Avery hat es stets geschafft den Frieden in unserer Ecke der Welt zu erhalten. Aber Kimba besteht darauf und dem muss sich der Bürgermeister beugen.“ Er lächelte.

„Sehr weise, Sir.“, sagte Rimer mir dünnem Lächeln und der ganze Saal lachte, außer Jonas und Phoebe. Sie sah keinen Grund dazu. Wenn jemand wirklich mal einen Witz machen würde, dann würde sie vielleicht auch lachen. So aber trafen sich Jonas und Phoebes Blicke und was sie darin sah ließ alle Alarmglocken in ihr aufschreien.

„Hocherfreut, meine Herrn und meine Dame. Ganz bestimmt.“, sagte jener, als das Gelächter abgestumpft war. Er schüttelte allen die Hand, zu Phoebe ging er als letztes. Lang schien er ihr in die Augen zu sehen. Oder Phoebe kam es nur so vor. Es machte ihr Angst, wenn sie ehrlich war. Seine Hand trug eine Tätowierung. So etwas wie einen kleinen blauen Sarg auf dem Häutchen zwischen Daumen und Zeigefinger.

„Lange Tage, angenehme Nächte.“, sagte sie ohne lang zu fackeln. Erst zu spät fiel ihr ein, dass diese Grußformel nicht in eine ländliche Gegend wie diese passte. Es war eine gängige, ja, aber on Gilead. Fehler! Sie hatte einen Fehler gemacht! Den ganzen Abend hatte sie sich so verdammt von den Blicken und das Verhalten aller ärgern lassen, dass ihr nun aus purer Unachtsamkeit ein Ausrutscher passiert ist.

„Ihnen auch.“, sagte er und hielt ihre Hand fest, musterte sie gründlich. Gerade als Bert es auffallen wollte, dass es ein wenig über den Höflichkeitsgruß hinaus ging, gab er ihre Hand wieder frei.

Als nächstes stellte man ihnen Cordelia Delgado vor, die Tante des blonden Mädchens neben Thorin.

„Und unsere ganz besondere Freundin, Miss Susan Delgado.“, stellte er nun die junge Frau vor. Es war eine blonde Schönheit. Und wenn Phoebe Schönheit sagte, dann war dem so. Blondes, langes, glattes Haar, eine Figur wie es nur unverschämt sein konnte, dass manche Mädchen damit gesegnet waren (endlos lange Beine, schlank und dennoch Busen). Ein hübsches Gesicht mit hellen, grauen Augen. Braungebrannt und gesund. Wenn Bert sie jetzt noch sah, wäre es um ihn ebenso geschehen wie es um Roland schon war. Phoebe brauchte einen Blick auf beide um zu sehen, dass sie es schon geschafft hatte. Dabei fragte sie sich die ganze Zeit: wieso ganz besondere Freundin? Welchen Rang hatte sie? War sie verwandt mit dem Bürgermeister? Was war es, dass sie zu etwas ganz besonderen machte, außer ihr unglaubliches Aussehen natürlich.

Roland verbeugte sich tief. „Freut mich, euch kennenzulernen, Sai.“, sagte er. „Mögen eure Tage lang sein…“ Was war das denn für ein Klang in Rolands Stimme? So hatte Phoebe ihn noch nie gehört.

„Ay, und eure, Mr. Dearborn. Danke – Sai.”, sagte sie schnell. Mit fast beleidigender Geschwindigkeit wand sie sich von Roland ab. Das war irgendwie noch seltsamer. Als nächsten begrüßte sie Alain, dann trat sie an Bert heran. Dieser verbeugte sich und sprach untergeben: „Dürfte ich kurz zu euren Füßen ruhen, Miss? Eure Schönheit hat meine Knie weich gemacht. Ich bin sicher, wenn ich euer Profil einige Augenblicke von unten beschauen dürfte, mit dem Hinterkopf auf diesen kühlen Fliesen, dann würde alles wieder in Ordnung kommen.“ Darüber lachten alle, sogar Jonas. Alle, außer Phoebe. Sie stand neben Bert und warf ihm einen kurzen Blick zu, wütend oder entsetzt konnte man nicht sagen. Dann verdrehte sie die Augen und atmete durch. Hätte man ihr in jenem Moment Aufmerksamkeit geschenkt, hätte man gesehen, dass sie reichlich genervt war.

Susan gab Bert einen Klaps auf den Handrücken, sichtlich errötet. Dann wand sie sich an Phoebe, die sie ruhig ansah. Gerne hätte sie eine Spitze losgelassen, was das Benehmen von Bert gerade anging, doch was sollte das bringen, außer dass sie ihn blamierte und Susan in Verlegenheit brachte. Sie konnte ja schließlich nichts dafür, dass sie so schön war und ihr alle Jungs erlagen.

„Mir gefällt euer Kleid.“, sagte Susan dann lächelnd zu Phoebe.

„Danke. Es ist nichts im Vergleich zu das eure.“, sagte Phoebe milde lächelnd. Beide machten einen Knicks, dann schien Susan es aber doch eilig zu haben zu ihrer Gruppe zurück zu finden. Dann werden wir eben keine Busenfreundinnen, dachte Phoebe und musste grinsen.

Schnell gesellte sich ein weiterer Mann zu ihnen. Endlich mal einer, der nicht gleich vom Fleisch zu fallen schien. Ein Rancher.

„Ihr werdet heute Abend noch ausreichend Gelegenheit bekommen, Mädels kennenzulernen.“, sagte er mit freundlichem Lächeln. „Wenn ihr nicht aufpasst, werdet ihr betrunken allein vom Parfüm werden. Aber bevor ihr sie – oder Jungs, Verzeihung, kleine Miss – kennenlernt, würde ich mich gerne vorstellen. Fran Langyll, zu euren Diensten.“ Ein kräftiger Handschlag ohne irgendwelchen Krimskram hinten dran. Das war eine Begrüßung, wie Phoebe sie guthieß. „Mir gehört die Rocking B … oder ich ihr, je nachdem wie man es betrachten will. Außerdem bin ich Boss des Pferdezüchterverbandes, jedenfalls bis sie mich feuern. Das mit der Bar K war meine Idee. Hoffe, ihr habt nichts dagegen.“

„Es ist perfekt, Sir.“, sagte Phoebe. „Sauber und trocken und Platz für noch zehn von uns. Danke. Sie waren zu gütig.“

„Unsinn!“, sagte er erfreut, als er seinen Punsch hinterkippte. „Wir stehen alle auf derselben Seite, Mädchen. Farson ist heutzutage nur ein falscher Fuffziger in einer ganzen Börse voll Falschgeld. Die Welt hat sich weitergedreht, sagen die Leute. So ist es. Ein gutes Stück auf der Straße zur Hölle hat sie sich weitergedreht. Unsere Aufgabe ist es noch, das Heu so gut und so lange es geht aus dem Feuer rauszuhalten. Für unsere Kinder mehr noch als für unsere Väter.“

„Hört, hört!“, rief Thorin wie zu einem Toast. Alle hoben die Gläser, aber Langyll schien ihn nicht weiter zu beachten. Er studierte Phoebe und die drei Jungs intensiv. Dann sah er Roland an. „Falls ihr in Mejis etwas tun können um zu helfen, fragt nur. Mich, John Croydon, Hash Renfrew, Jake White, Hank Wertner, wenn auch immer. Ihr werdet sie heut Abend kennenlernen, alle, ay. Und ihre Frauen und Töchter und Söhne. Und ihr müsst nur fragen. Wir mögen hier draußen ein gutes Stück von der Narbe Neu – Kanaans entfernt sein, aber wir stehen treu zum Bund. Sehr treu.“

„Gut gesprochen.“, murrte Rimer leise.

„Und jetzt werden wir erst einmal angemessen auf eure Ankunft anstoßen. Ihr habt ohnehin schon lange auf einen Schluck Punsch warten müssen. Trocken wie Staub müsst ihr sein.“

Er drehte sich zu den Punschschalen um. Zwei standen auf dem Tisch, doch er wand sich gezielt der größeren zu.

„Mr. Langyll, einen Moment.“, sagte Phoebe und trat hervor. Sie klang devot, doch lag ein B

befehlgewohnter Unterton in ihrer Stimme. Langyll hörte das und drehte sich zu ihr um.

„In der kleineren Schale ist alkoholfreier Punsch, oder nicht“, fragte sie nun völlig untergeben. Langyll sah verdattert drein, nickte aber.

„Gebt uns davon, wenn ihr so gütig sein wollt.“, sagte sie leise. Sie sah alle Blicke im Saal auf sich gerichtet. Was war hier los? Eigentlich war das doch Rolands Part. Warum hatte er nicht reagiert? Er hätte sich einfach den Alkohol in die Hand drücken lassen. Nun aber übernahm er endlich das Wort.

„Ihr müsst wissen: Wir haben die Gesichter unsere Väter in einer Weise vergessen, die etwas mit unserem derzeitigen Aufenthalt hier zu tun hat. Ich weiß, sie erwarten keine Einzelheiten, daher gehe ich nicht darauf ein, aber ich sollte bemerken, dass wir versprochen haben, während unseres Aufenthaltes hier keinerlei alkoholische Getränke zu uns zu nehmen. Eine Strafe, könnte man so sagen.“, schloss Roland.

„Ihr Vater wäre stolz auf sie und auf sie auch, meine Liebe.“, sagte er zu Roland und Phoebe. „Welches Kind, das sein Salz in der Suppe wert ist, schlägt nicht einmal gern über die Stränge?“ Er sah sie an, mit einem echten Lächeln im Gesicht, aber seine Augen waren schwer zu lesen. „Darf ich an seiner Statt stolz sein?“, fragte er.

„Ja, mit meinem aufrichtigen Dank.“, sagte Roland.

„Und meinem.“, sagte Bert.

„Meinem ebenfalls.“, fügte auch Alain hinzu. Nur Phoebe nickte stumm. Also bekamen sie alkoholfreien Punsch uns allen Gästen wurde ebenfalls dieser gereicht, egal wie oft man betonte, dass dies überflüssig sei.

Und dann folgte auch noch eine Rede. Gott, Phoebe wollte doch jetzt am liebsten schon fliehen. Sie erwartete voller Sehnsucht das Ende des Abends.

„Ladies and Gentleman, meine Freunde. Ich möchte sie bitten, mit dabei zu helfen vier neue Freunde willkommen zu heißen. Junge Menschen aus den Inneren Baronien, wackere junge Leute, die von dem Bund im Dienste von Ordnung und Frieden eine weite Reise gemacht haben.“ Thorin genoss es sichtlich zu reden, vor allem vor Publikum. Er hielt Susan Delgados Hand dabei die ganze Zeit fest.

„Dürfte ich sie mit wenigen Worten vorstellen, Will Dearborn?“, fragte er nun.

„Das dürfen sie und mit Dank.“, gab Roland brav zurück.

„Ladies and Gentleman, ich darf ihnen William Dearborn aus Hemphill, Richard Stockworth aus Pennilton, sowie Arthur Heath und Bridie Milano aus Gilead vorstellen.“ Thorin hielt sein Kristallglas hoch und alle taten es ihm gleich.

Als die Worte Gilead fielen, wurde ein Gemurmel und Aufatmen im Saal laut. Als wären sie vom Himmel gekommen und nicht nur aus Gilead.

„Nehmt sie wohl auf, gebt ihnen wohl und macht ihnen ihren Aufenthalt in Mejis so angenehm wie möglich. Helft ihnen bei der Arbeit, dem Ziel zu dienen, das uns allen so sehr am Herzen liegt. Mögen ihre Tage auf Erden lang sein. Das sagt euer Bürgermeister.“, rief er fast aus.

„Das sagen wir alle!“, riefen alle wie im Chor. Phoebe fand das nicht ergreifend oder erstaunlich, auch wenn ihre Mimik so einen Ausdruck hergab. Im Gegenteil. Sie fand es peinlich und unheimlich

Auftakt zum Ärger

Sie saßen nun am Tisch. Das Essen war aufgetragen wurden. Wenigstens ein Gutes an diesen verdammten Abend. Phoebe hatte seit Wochen nicht mehr richtig gegessen.

Roland saß zwischen Carol Thorin und Hash Renfrew, der nicht müde wurde zu erzählen und zu erzählen und zu erzählen. Roland schien interessiert. Ein wenig zumindest. Vor allem als es um die Pferdebestände ging. Da bekam er schon einige nützliche Informationen.

Bert saß bei Olive Thorin und einem weiteren Rancher.

Alain hatte ein hübsches junges Mädchen zu seiner Seite und einen jungen Burschen zur anderen. Phoebe selbst hätte wahnsinnig gern bei Bert gesessen. Nicht nur, weil sie sich hier langweilte, sondern auch, weil er das Glück hatte bei Olive Thorin zu sitzen. Die einzige im Raum, die Phoebe als Gesellschaft geschätzt hätte.

Aber, nein, sie saß in der Nähe von Roland, zwischen zwei jungen Ranchern. Sicher, es hätte sie schlimmer treffen können. Zwei harte Kerle, die viel tranken, viel mit ihr redeten und ihr nach jedem zweiten Scherz freundschaftlich auf die Schulter klopften. Aber die sie auch immer wieder von der Seite anstarrten. Ein Mädchen, ganz niedlich anzusehen und scheinbar leicht zu haben.

So bekam sie aber auch die Geschichte um Susan Delgado mit. Das war es also, was sie zu etwas „Besonderem“ machte. Eine kleine Hure war sie. Und da wagten diese Leute in diesem Raum sie unverschämt anzusehen?

Die nette Gattin des Bürgermeisters saß am anderen Ende des Tisches, während die hübsche Susan neben dem Bürgermeister Platz genommen hatte. Und sie schien sich wahrhaft zu amüsieren. Phoebe spürte Abneigung gegen dieses Mädchen in sich aufkommen. Es ging sie nichts an. Klar. Dennoch mochte sie sie nicht. Sie kränkte die einzige freundliche Frau in dieser verfluchten Stadt. Arme Olive. Phoebes Blick streifte immer wieder zu jener kleinen, freundlichen Frau am Ende des Tisches. Bert schien sie gut zu unterhalten. Sie lachte viel. Aber jetzt war es für Phoebe unverkennbar, dass sie nicht glücklich war. Ein Schatten schien über ihrem Gesicht zu liegen.

Auch in Rolands Gesicht konnte sie eine Veränderung wahrnehmen, aber er wirkte schockiert. Er wurde sogar blass. Das fand Phoebe äußerst seltsam. Er schien irgendwie die Fassung verloren zu haben und fast nicht mehr geistig anwesend. Das passte nicht zu ihm. Eigentlich hätte Phoebe schon da merken müssen, was los war. Aber sie war zu sehr vor dem Kopf gestoßen.
 

Das Dinner wollte und wollte kein Ende nehmen und als es endlich doch zu ende war, da wurden sie in den großen Empfangssaal geführt um zu Tanzen.

Himmel, nimmt das denn nie ein Ende, fragte sich Phoebe. Sie suchte nach ihren Freunden und fand sie. Bert war umzingelt von drei Mädchen. Alle starrten ihn bewundernd an. Da sprach sie jemand von der Seite an.

„Ihr scheint euch nicht allzu sehr zu amüsieren.“ Es war der junge Rancher, der neben ihr zu Tisch gesessen hatte.

„Oh, doch. Dass tue ich sehr wohl. Euer Blick muss euch täuschen.“, sagte sie mit wohl überlegten Worten.

„Dann tanzt mit mir.“, sagte er lächelnd und deutete auf den Kreis, der sich zu bilden begann. Das fehlte ja gerade noch, dachte Phoebe.

„Ich fürchte, ich muss ablehnen. Ich denke nicht, dass ich diesen Tanz kann.“, sagte sie freundlich.

„Er ist nicht schwer. Kommt, ziert euch nicht.“ Er grinste sie an. „Das passt nicht zu euch.“ Phoebe sah ihn überrascht an. Sollte dass ein Witz sein? Er hatte gerade mal eine Stunde neben ihr gesessen und bildete sich ein, zu wissen, was zu ihr passte? Sie war sauer. Aber sie sah ihn ruhig an, mit einem zynischen Lächeln.

„Ihr glaubt zu wissen, warum ich hier bin, nicht? Denkt, ihr wüsstet genau, was ich getan habe um zur Strafe hier zu sein.“, sagte sie kühl.

„Ich würde nie über euch urteilen.“, sagte er mit einem wissenden Lächeln. Phoebe musterte ihn. „Ihr sagt nur, dass ihr es nicht tut, doch macht ihr es trotzdem.“, stellte sie fest.

„Eine philosophische Unterhaltung?“, fragte der junge Mann.

„Nein, keine. Ich halte nichts von Philosophie.“, sagte sie stattdessen. Sie hatten einen schroffen Unterton in der Stimme. Er überging es komplett, legte ihr einen Arm um die Schulter und grinste sie an. Seine Hintergedanken standen ihm ins Gesicht geschrieben. „Ich mag eure forsche Art.“, grinste er. Phoebe würde ihn zu gern schlagen. Er sollte bloß seinen Arm von ihr nehmen. Bevor sie etwas entgegnen konnte flüsterte er in ihr Ohr: „Ich weiß, ihr mögt mich auch, also wehrt euch nicht weiter.“ Sie sah ihn an, mit eiskaltem Blick.

„Ihr müsst recht haben. Ich habe keine Ahnung mehr, wie euer Name war obwohl ich weiß, dass ihr ihn mir mehr als einmal genannt habt. So interessant finde ich euch.“ Ein falsches Lächeln lag auf ihrem Gesicht. Von weiten würde jeder denken, dass sie sich gut unterhielten. Der Anschein war gewahrt, doch sein Gesicht verlor die Fassung bei diesen Worten. Phoebe drehte sich aus seinen Arm heraus und das erste, was ihr ins Auge sprang war Bert, der sich mit einem Mädchen im Arm in den Kreis zum Tanzen gesellte. Ihr Lächeln verlor sich. Sie sah sogar irgendwie traurig aus, aber nicht überrascht. Eher wissend.

„Würdet ihr mit mir tanzen?“, fragte sie ein Junge von hinten. Sie drehte sich um. Es war nicht ihr „Freund“, aber er stand noch da und funkelte sie an. Phoebe verschaffte es Genugtuung vor seinen Augen den Arm des anderen zu ergreifen. „Warum nicht?“, antwortete sie und ging mit ihm zum Tanz. Doch was sie auch tat, ihr Blick glitt immer wieder zu Bert zurück.
 

Sie hatte es nicht gemerkt. Hatte nicht gesehen, wie er zu ihr rüber gesehen hatte und sie mit diesem schmierigen Kerl beobachtet hatte. Aber Bert hatte gesehen, wie er seinen Arm um sie gelegt hatte und sie hatte gelächelt. Autsch. Nun, wenn er ihr gefiel. Dann war es vielleicht gut. Ein wenig Glück konnte sie durchaus vertragen. Phoebe hatte genug durchgemacht. Aber das ungute Gefühl in seiner Magengegend verging nicht.
 

Der Tanz war einfach. Zwei Kreise, die ringsum tanzten und in der Mitte jeweils ein Paar. Immer wenn die Musik aussetzte, wurden neue Paare gebildet. Bert hatte zuletzt eine alte Frau im Arm, aber er schlug sich wacker mit ihr. Nun musste Phoebe doch lächeln. Es sah so albern aus.

Dann stand Roland Susan gegenüber. Irgendwie war es wieder komisch. Phoebe hörte das Flüstern nicht, hörte nicht, was sie sich an den Kopf warfen oder sich sagten. Sie sah nur Berts Blick, der etwas wie Eifersucht durchblicken ließ. Er hatte mit einer Oma tanzen müssen und Roland hatte das Glück, das hübscheste Mädchen im ganzen Saal als Tanzpartnerin zu erwischen. Phoebe seufzte. Manche Dinge änderten sich eben nie.

Dann lösten sich Roland und Susan und irgendwie sahen beide verwirrt und verärgert zugleich drein. Vielleicht wäre Phoebe es da aufgefallen, was los war, wenn nicht plötzlich Bert als Tanzpartner vor ihr gestanden hätte. Er lachte. „Darf ich bitten?“ Sie nahm seine Hände. Er führte sie in den Tanz. Und dabei vergaß sie alles andere.

„Amüsierst du dich?“, fragte er leise.

„Nicht so sehr, wie du.“, sagte sie spitz. Sie mochte es mit ihm zu tanzen. Das hatte sie schon öfter getan. Es war ihr nichts Neues. Dennoch war es heute anders. Er sah sie fragend an. Sie antwortete nicht darauf. Es war auch zu albern. Als er sie so im Arm hielt merkte er, dass sie sich erst jetzt entspannte. Da wurde ihm klar, dass er ihr Verhalten den ganzen Abend fehl interpretiert hatte. Sie hatte sich nicht amüsiert. Sie hatte auch die Jungs nicht gemocht. Den ganzen Abend war sie angespannt gewesen. Die Jungs waren aufdringlich und ihr zuwider. Und er hatte es nicht gemerkt. Wie hatte er nur so dumm sein können? Nun lächelte er sie an.

„Du siehst hübsch aus heute Abend.“, sagte er. Phoebe sah überrascht auf, sah ihn an und wollte gerade erfreut auflächeln, als sie merkte, dass sein Blick an ihr vorbeiging. Er sah nicht sie an, nicht in diesem Moment. Sie drehte den Kopf und sah Susan Delgado. Sie nickte.

„Jedoch nicht im Vergleich zu ihr, hm?“, sagte sie leise. Aber er hörte es. Da war der Tanz zu ende. Er sah sie etwas erschrocken an. Verdammt! Hatte er gerade wirklich Susan Delgado angesehen, während er mit Phoebe getanzt hatte? Er wollte etwas sagen, da nickte sie und wand sich ab. Er konnte ihr nur hinterher sehen.
 

Phoebe stand in einer Ecke. Sie hatte ein Glas Punsch in der Hand, dass sie nicht einmal angerührt hatte, obwohl es alkoholfreier Punsch war. Sie sah sich die Menschen im Saal an. Wieder fühlte sie sich fehl am Platz. Eine unglaubliche Leere machte sich in ihr breit. Um ihr standen drei Jungs, sie in der Mitte. Sie redeten die ganze Zeit, aber sie hatte keinen Schimmer wovon. Selbst wenn ihr Leben davon abhängen würde, könnte sie es nicht sagen. Aber es machte auch keinen Unterschied. Denn sie sprachen nicht mit ihr. Sie redeten miteinander. Sie war nur Dekoration. Sie fühlte sich, als würde alles an ihr vorbei rauschen. Alle kannten sich, alle hatten miteinander zu tun. Sie kannte niemanden. Das war nicht richtig. Sie gehörte hier nicht hin.

Roland hatte ebenfall genug, wenn auch aus anderen Gründen. Die Geschichte um Susan ließ ihn nicht los. Er suchte mit den Augen nach seinen Freunden. Als er Phoebe erblickte, vergaß er zum ersten Mal an diesen Abend Susan Delgado. Phoebe sah kreuzunglücklich aus. Gelangweilt, ja, aber auch gequält. Mit einem Mal drehte sie den Kopf und sie sah ihn genau an, als hätte sie gemerkt, dass er sie ansah. Ihr Blick traf seinen. Fast flehend. Er nickte nur.

Es war gegen zehn Uhr. Roland und die anderen entboten ihre Empfehlungen zum Abschied.

Für Phoebe die glücklichste Stunde an diesen ganzen verdammten Abend. Seit dem Tod ihres Vaters fand sie keinen Gefallen mehr an irgendwelchen Festen, vor allem wenn sie keinen dort kannte und ihr niemand wohlgesinnt war.
 

Sie ritten in die duftende Sommerluft. „Lasst uns bloß abhauen. Ich will aus diesem Kleid raus. Ich hasse es!“, murrte Phoebe.

„Was? Nein, du trägst es gern.“, sagte Bert lächelnd.

„Jetzt nicht mehr. Ich hab beschlossen es zu hassen.“, sagte sie schlecht gelaunt.

„Hast du auch ne Begründung dafür?“, fragte Bert amüsiert.

„Brauch ich die? Ich kann ja wohl hassen, was ich will.“

„Du bist wütend.“, stellte er fest.

„Ich bin nicht wütend, ich bin temperamentvoll.“, sagte sie schlechtgelaunt.

„Aha.“, sagte Bert trocken.

„Du siehst doch sehr hübsch aus.“, sagte Alain versöhnlich.

„Dein Sarkasmus kann keiner gebrauchen, klar?!“, fuhr sie ihn an. Eigentlich untypisch für Phoebe. Wenn überhaupt erlaubte sie sich so was nur bei Bert. Alain fuhr sie sonst nicht so an. Roland schwieg.

„Was ist denn los mit dir?“, fragte Bert nun.

„Soll das n Witz sein? Sheriff Fettklops hat gesagt, dass wäre hier in Hambry keine so feierliche Veranstaltung. Keiner wird mit Schärpe kommen. Ich hab da drin 14 Männer mit Schärpe gezählt. Manche hatten sogar so einen alten Gehrock an. Und habt ihr die Frauen und Mädchen gesehen? Jede hatte so ein verdammtes Abendskleid an. Mich wollte er in einem alten Rock dorthin schicken.“, sagte sie ohne Luft zu holen.

„Du hattest ja keinen an.“, beschwichtigte Alain sie.

„Das Kleid war auch nicht besser. In Gilead wäre es für keine einzige feierliche Veranstaltung passend gewesen.“

„Wir sind hier aber nicht in Gilead.“, sagte Roland.

„Nein, aber sie waren verdammt nahe dran.“, stellte Phoebe fest. Es sah fast so aus, als hätte sie jetzt genug davon sich aufzuregen, da drehte sie sich zu Bert um. „Die hatten Perlen im Haar, hast du das gesehen? Und riesige Klunker um den Hals. Saphire und was weiß ich nicht. Weißt du, wann ich das letzte Mal so was getragen habe? Noch nie! So ist das nämlich. Das weiß ich genau. Das hab ich mir gemerkt.“ Bert musste grinsen. Sie redete Schwachsinn und er sah ihr an, dass sie das wusste, es nur nicht abstellen konnte. Sie mochte die Leute in Mejis nicht, nicht einen. Und sie war wütend auf diese Leute. Deshalb redete sie sich in Rasche.

„Das würde auch nicht zu dir passen.“, sagte Roland nun ruhig und mit freundlicher Stimme. Phoebe aber sah ihn gar nicht freundlich an. „Was soll das denn heißen?“

„Na ja, du bist eben nicht so eine, wie diese Mädchen.“, erklärte er.

„Danke. Und was bin ich dann?“, fragte sie verständnislos.

„Na, äh, du bist Bridie.“, sagte er als wäre es ganz klar. Phoebe sah ihn an und wirkte nicht im Geringsten versöhnt. „Soll mich das jetzt aufbauen?“, fragte sie verständnislos. Aber eigentlich überraschte sie das nicht. Sie liebte die Jungs, sie waren ihr Leben. Mehr hatte sie nicht mehr. Und sie liebte sie auch dafür, dass sie sie so bedingungslos an ihrer Seite akzeptierten. Wie einen Jungen. Doch dabei vergaßen sie hin und wieder, so hatte sie das Gefühl, dass sie dennoch auch ein Mädchen war. Das war eben der Nachteil.

„Du bist schlecht gelaunt.“, stellte Bert wieder fest.

„Falsch! Vorhin war ich schlecht gelaunt, jetzt bin ich wütend.“ Mit diesen Worten holte sie ihren Farmerhut hervor und setzte ihn sich auf den Kopf. Sie sagte nichts mehr, sondern ritt nur still vorneweg. Auch die Jungs hielten den Mund.
 

Sie trennten sich. Bert wollte unbedingt noch mal in die Stadt. Phoebe hatte nicht die geringste Lust dazu, aber er würde keine Ruhe geben. Alain hatte sich schon bereit erklärt mit ihm zu gehen. Roland hatte gar keine Lust darauf. Er wollte allein sein. Das war ihm nicht schwer anzusehen. Phoebe hatte aber nun auch keine Lust allein zur Bar K zu reiten und dort dann einsam und verlassen herum zu sitzen und wie ein Hausmütterchen auf die Jungs zu warten. Roland war nicht gerade die unterhaltsamste Gesellschaft. Also blieb zum Schluss doch nur die Option, Bert und Al zu begleiten.

Es war für Phoebe keine große Überraschung als sie vor dem Traveller’s Rest, der örtlichen Stammkneipe, anhielten. Sie hatte damit gerechnet, dass dies Berts Ziel sein würde. Womit sie nicht gerechnet hatte, war das ganze folgende Geschehen. Sie dachte, sie würden dort rein gehen, nicht lange bleiben (zumal sie ja ohnehin nichts Alkoholisches anrühren durften) und erst recht würden sie keinen Ärger bekommen. Pustekuchen! Ärger gab es reichlich.

Sie waren gerade von ihren Pferden gestiegen und hatten sie festgemacht, da bekamen sie mit, wie im Rest alles still wurde. Der Junge, der dort arbeitete, hatte einem Mann, der sich selbst für sehr gefährlich und hartgesotten hielt, die Alkoholreste über die Schuhe gekippt. Da wurde es schlagartig mucksmäuschenstill im Raum. Dieser Mann stand an der Bar. Sein Name war Depape, wie sich später herausstellen sollte. Und er war ein Gefährte von Eldred Jonas. Er verlangte, dass der Junge zu seinen Füßen ihn die Stiefel putzte. Nein, putzen war nicht der richtige Ausdruck dafür. Putzen wäre okay gewesen. Jede Wette, wenn das alles gewesen wäre, hätte Phoebe das an seiner Stelle auch getan. Aber dieser arme Torf sollte die Stiefel ablecken. Mit seiner Zunge. Der Junge war den Tränen nahe.

„Muss ich? Kann ich nicht nur tut mir leid und sie richtig doll putzen?“, fragte er mit hoffnungsvollem Blick. Ein Lächeln lag auf seinen Lippen, aber es sah bereits verloren aus.

„Leck, du schwachsinniger Esel!“, sagte der Mann namens Depape.

Sheemie, das war der Name des Jungen, der vor ihm kauerte, war wirklich drauf und dran zu tun, was der Mann verlangte. Wenn er es nicht tat, würde er ihn auf der Stelle und ohne Zögern erschießen. Er gehörte zu den Großen Sargjägern, wie sie genannt wurden und wie sie sich selbst eitel nannten.

„Aufhören, aufhören, aufhören!“, ertönte da eine Stimme. Sie klang schockierend, aber nicht weil sie die Stille zerschnitt oder weil sie wütend klang. Nein, sie klang amüsiert und nur deshalb, war sie so schockierend. „Ich kann das einfach nicht zulassen. Nee, ich würde gerne, kann es aber nicht. Unhygienisch, versteht ihr? Wer weiß, welche Krankheiten auf diesem Weg übertragen werden können? Der Verstand sträubt sich, sträubt sich ab - so - lut.“

Cuthbert stand innerhalb der Schwingtür und hatte seine Schleuder gespannt. Eine im Gaslicht glitzernde Metallkugel lag in der Lasche. Phoebe hatte sich etwas weiter in den Saloon zurückgezogen, sodass sie nicht weiter auffiel. Sie beobachtete das Ganze von der Seite. Allerdings wusste sie nicht, ob sie über Bert lachen sollte, oder sich doch Sorgen machen sollte.



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