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Legenden der Mitternacht

Phönixschwinge
von

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Sonnenwende

Legenden sehen bitterkalt

Geboren aus Unsterblichkeit

Als Helden sterben

Hochmut erben

Und der Wesen Einigkeit
 

Vertreten auch aus Donnerglut

Klangen Stimmen wohl bekannt

Die Klinge führte

Alsbald rührte

Sich der Zorn im Land
 

Doch den Flügel streifen

Bleibt sein Wille ganz allein

So getragen

Ohne Klagen

Können nur Legenden sein
 

Kapitel 1 Sonnenwende
 

Wie ein glühender Feuerball berührte die Sonne den Horizont und tunkte den Himmel in eine kräftige, rote Farbe. Alles schien sich zu wandeln und war getränkt in einen Schimmer so warm wie Gold. Selbst die Pflanzen um ihn herum übernahmen den satten Ton, als hätte die Sonne sich selbst über die ganze Welt verteilt. Eine sanfte Ruhe herrschte um die Klippen am Rande des Bitteren Waldes und vor ihm, weit am Horizont, lagen die Hochebenen, die weiten Wiesen der Azurnalben. Wenn er genauer hinsah, konnte er sogar jetzt noch hier und da das blaue Funkeln eines Schwärmerlings ausmachen, die wie kleine Motten durch die Gräser huschten.

Es war kaum vorstellbar, welch friedlicher, stiller Anblick sich ihm bot. Für einen kurzen Moment spürte er die Schönheit einer Welt, die sich selbst als Feind hatte.

Einen Moment der Stille für all das vergossene Blut, einen Moment der Beschaulichkeit für all die Toten, all die vergeudeten Leben.

Der junge Mann an der Klippe konnte seinen Blick nicht von diesem kurzen, zerbrechlichen Augenblick nehmen, viel zu selten hatte er die Zeit dazu. In seinen Augen spiegelte sich das Gold der Sonne als trauriger Schein wieder, verriet etwas von all dem, was es schon erblickt hatte. Sanders hieß er und er war einer jener Männer, dem die Menschen lieber aus dem Weg gingen, wenn sie ihn erblickten. Hexer, Ketzer, Schwarzkünstler wurde seine Art gemeinhin geschimpft, ein Mann des Teufels und der dunklen Kräfte. Er selbst und seine Mitstreiter nannten sich schlichtweg Magier, doch ihr Ruf in den Ländern der gottesfürchtigen Menschen war nicht der beste.

Jeder, der die Kunst beherrschte das Traumgeflecht zu beeinflussen, war unter Menschen eine Art Monster, selbst wenn es sich um die eigenen Nachkommen handelte. Sanders war sich bewusst, dass die Menschen es einfach nicht besser wussten, aber sie hatten einfach Angst vor dem, was anders war. Und er war genau das und auch, wenn er zugeben musste, dass sich sein Stolz um seine Kunst mit den Jahren verflüchtigt hatte, das würde er immer bleiben.

Seinesgleichen erkannte man schnell, denn die Magier pflegten, vielleicht aus Trotz, vielleicht aus Provokation, einen anderen Kleidungsstil als die üblichen Gelehrten. Sanders trug ebenfalls zumeist seine Ordenstracht, zum einen weil ihm eigentlich keine andere Wahl blieb, wenn er nicht den Zorn seiner Kollegen auf sich ziehen wollte und zum anderen weil sie ihm sogar gefiel, auch wenn er es nicht offen zugeben würde. Sie bestand hauptsächlich aus einer langen, halboffenen Robe aus rotem Filz, der sich schwer an seinen Körper anlegte. Der Saum war gestickt mit einer goldenen Verzierung, die sich bei genauem Hinsehen als kleine Flammen herausstellten, die sich trotzig züngelt an seinen Kleidern hocharbeitete. Auf dem Rücken hob ein ebenfalls goldgesticker Phönix seine Flügel in die Luft, den Kopf majestätisch erhoben und mit Stolz gereckt. Der lange, flammende Schweif umschloss das Bildnis im Kreise und der zurzeit aufkommende Wind konnte sogar ein wenig bewegtes Leben in die Stickerei wehen. Ansonsten pflegte Sanders praktischer zu denken, denn er war keiner von den Bücherwürmern und Bibliothekaren, die sich vielleicht ihre extravaganten Krönchen, Ketten und sonstigen Klimperkram leisten konnten. Feste Stiefel und Handschuhe aus gegerbtem Tatzelwurmleder und zähe Beinkleider gegen die Witterung zeugten von seinem standfesten Charakter. Er wurde hier gebraucht, in der Welt der Mitternacht und nicht hinter staubigen Wälzern, zwischen rauchenden Gläsern und knisternden Zahnrädern.

Vermutlich, denn so denken die meisten Menschen, stellt man sich unter einem „Magier“ einen alten, graubärtigen Mann vor, dessen Anzahl Falten nur von seinen Lebensjahren übertroffen werden. Doch solchen Vorstellungen sprach der Anblick Sanders' Hohn.

Lange, blonde Haare zierten das schmale Gesicht, zu einem praktischen Zopf gebunden, damit sie ihm nicht im Weg waren. Die sonst so selbstsicheren Augen und das kecke Lächeln ließen aber schon vorneweg jeden Anschein von junger Naivität und Gutgläubigkeit verfliegen.

Doch nun fühlte auch er sich von der leichten Melancholie des Augenblicks ergriffen. Der Sonnenuntergang, der alles um ihn langsam verdunkeln ließ, nachdem das satte Schimmern blutrote Lichter auf die Welt geworfen hatte, stimmten ihn ein wenig Traurig, gaben ihm auch die Zeit zum Nachdenken über all das was geschehen und noch geschehen würde. Es war wahrlich keine schöne Zeit, in die er hineingeboren wurde, trotz dem Glanz dieser einmaligen Welt. Er würde gerne die Schönheit dieser Welt für sich entdecken, sie bereisen, erkunden und erforschen. Jeden Winkel ob seiner atemberaubenden Wunder würdigen, die schöpfende Kraft hinter allem atmen, die Herrlichkeit der Natur in seiner Fülle kennen lernen. Doch all das, würde getränkt in Blut und Schatten seiner Bewohner.

Sanders gab eines seiner seltenen Seufzer von sich und stützte sich auf seinen eisernen Stab, eine goldbraune Schlange mit einem Drachenkopf. Langsam entfernte er sich von der Klippe und ging einige Schritte tiefer zurück in den Dickicht des Waldes um ihn herum.

Offenbar durfte er nicht allzu schnell damit rechnen, seinen Zielort zu erreichen. Die Grenzen zu den Toten Ländern lag noch eine Weile weg. Eigentlich hoffte er schnell mit seinem Auftrag fertig zu werden, denn auch ihm waren die Länder der Schwarzalben nicht geheuer. Auch wenn er nur am Randgebiet tätig war, er wollte jede Begegnung mit einem Blutschleifer oder Schlimmeren vermeiden. Dummerweise hatten sie den Kontakt zu einem der mechanischen Späher verloren, der offenbar die Lage der Länder zwischen den Grenzen überwachen sollte. Keine Art der Veränderung in den Ländern um Estérna sollte dem Magierkönig Gabaros Zutan entgehen, besonders nicht seinem gewaltigen Informationsnetz. Was blieb also für Sanders zu tun? Erneut ein überflüssiger Botengang seinerseits. Die zerstörten Überreste des Spähers finden und seinen Lazawardkern bergen, welcher das magische Gedächtnis eines jedem Golems bildete. Die Daten wurden dann sicher wieder von irgendwelchen Arkanisten in ihren Werkstätten ausgewertet, mit denen Sanders am Ende sowieso nichts zu schaffen hatte. Manchmal glaubte er, dass nur er solche Aufgaben zugeteilt bekam, weil ihn möglichst viele aus Hallándar, der Hauptstadt der Magiernation, fernhalten wollten. Solche Botengänge waren unter seiner Würde, doch eigentlich war er ganz dankbar dafür mal etwas anderes als den trockenen Steppenboden der Länder seiner Heimat zu sehen. Hier an den äußersten Randgebieten des Bitteren Waldes war das Leben ruhiger und gab selbst ihm einen kurzen Moment der Besinnung.

Einige Schritte ging Sanders wieder in das Dickicht und schob es mit seinem Stab beiseite als er ein leises Knistern vernahm. Stirnrunzelnd blickte er sich um, konnte aber außer hoch aufragenden Baumstämmen und dunkelgrüner Büsche kaum etwas erkennen. Prüfend sah er sich auch noch einmal zur Klippe um, doch auch dort erwiderte nichts außer der fast versunkenen Sonne seinen Blick. Das einzige Geräusch war das Krächzen eines Vogels und das leise Echo, dass seine Flügelschläge nachahmte. Einige Momente passierte nichts, als das Sanders da stand und in die Ruhe hineinlauschte.

Flammen rauschte durch seine Hände als sich der Magier mit einem weiten Sprung vom Waldrand entfernte und seinen Stab drohend wie eine Waffe in die Schatten zwischen den Stämmen richtete.

„Zeig dich!“, forderte er mit fester Stimme und ließ seine Augen über die Pflanzen schweifen. Dort, irgendwo in der Dunkelheit hatte er eine flüchtige Bewegung wahrgenommen, viel zu groß, damit es sich noch um ein gewöhnliches Waldtier handeln konnte.

„Komm heraus! Ich warne dich“, sagte Sanders, diesmal mit deutlich mehr Nachdruck. Doch eine Antwort bekam er nicht. Wieder blieb es einige Sekunden ruhig und der Magier schwang seinen Stab nervös zwischen mehreren Bäumen hin und her.

Doch dann zuckte auch er zusammen, als sich ein tiefes Grollen aus dem Wald erhob, dunkel wie deutlich wie die Schatten selbst. Sichtlich aufgeregt stolperte Sanders einige Schritte zurück, die eiserne Schlange in seinen Händen so fest umklammert als wäre es sein einziger Halt auf der Welt. Was zur Hölle war das? Ein Tier, dass solche Laute von sich gab? Konnte es so etwas an den Randgebieten des Waldes geben?

Erneut erschallte das Knurren, welches selbst die Äste erzittern ließ. Der dumpfe Schlag einer gewaltigen Tatze auf hartem Boden, das Brechen und Knacken des Geästs als sich etwas Massiges durch den Wald schob. Völlig verstört sah Sanders dabei zu, wie sich selbst die Bäume zu biegen schienen als sich die Kreatur ihm immer weiter näherte. Leidvoll knirschten das Holz unter Quallen als es aus dem Bogen gehoben wurde oder gänzlich ob der gewaltigen Kraft zersplitterte.

Der Magier konnte nicht erkennen was war, aber er spürte das es definitiv näher kam. Doch das einzige, was ihm blieb, war der Weg nach vorne, denn die Klippe in seinem Rücken würde er angesichts seiner Lage wohl kaum rasch bewältigen können.

Harsch wie ein Schwert zerriss ein Schrei die letzten Reste der Stille wie lästige Blätter im Wind und ließ selbst die Erde erbeben. Ohne überhaupt begreifen zu können was geschah, riss Sanders die Hände vor Gesicht. Vor ihm schien der Waldrand förmlich zu explodieren. Die Bäume barsten unter massiven Klauen und ganze Erdbrocken lösten sich, als das Wesen aus aus dem Wald hervorpreschte und sich auf den Magier stürzte. Der Schutt aus Holzsplittern und Dreckklumpen regnete auf ihn nieder, doch er versuchte dennoch den Überblick zu behandeln, was angesichts des Chaos um ihn kaum möglich war. Das donnernde Gebrüll, der Schrei von sterbendem Holz und die Angst, die sich wie ein Leichentuch um alle seine Sinne legte, betäubte seinen Verstand fast zur Gänze. Fluchend stolperte er nach vorne und schwang seinen Stab wie eine Schwert gegen seinen Gegner, den er angesichts seiner Lage nicht einmal ausmachen konnte. Doch rasch hörte er weitere Kreaturen aus dem Waldrand kommen, weitere massige Leiber, die durch das Unterholz jagten. Die Ruhe des Ortes hatte sich in eine leibhaftige Hölle aus Wirrnis und Zerstörung verwandelt und Sanders schien gefangen mitten in diesem Hexenkessel. Die wenigen Augenblicke, in der er einen freien Blick auf seine Umgebung gewährt bekam, sah er nur schwarze Tatzen, rote Augen und Schatten, die aus allen Richtungen auf ihn einstürmten. Immer mehr Bäume um ihn herum, rissen sich mit einem gewaltigen Knarren aus dem Boden und vermischten sich mit dem Getöse um ihn herum. Verwirrt versuchte sich der Magier gegen den Tumult zu wehren, als alles auf einmal über ihm zusammen zu brechen drohte. Keuchend blickte Sanders auf, schüttelte voller Zorn den Kopf und riss mit aller seiner Kraft seinen Stab herum und schleuderte ihn wie ein Speer gegen den sein Ziel.

„Fauler Zauber!“, schrie der aus Leibes Kräften und endete damit das Chaos augenblicklich. Der Zauber verging und als wäre nichts passiert herrschte wieder Ruhe über den Klippen.

Sanders keuchte etwas, doch hielt seinen Stab immer noch fest und entschlossen in den Händen, wenn auch leicht zitternd, ob der Geschehnisse.

„Einen Magier kann man nicht so leicht täuschen“, stellte er fest und blickte langsam zum Ende seines Stabs, „Nicht einmal durch billige Tricks wie Traummagie.“

Der Drachenkopf war gegen einen recht zierlichen Körper gepresst und nagelte Sanders' Gegenüber fest an einen Baumstamm, sodass er sicher nicht noch mal im Stande wäre, ihm eine erneute Illusion vorzugaukeln.

„Du wirst besser, Sanders. Wir haben uns schon so lange nicht mehr gesehen“, antwortete eine freche Frauenstimme zu seiner Überraschung.

„Nevi?“, fragte er etwas ungläubig und besah sich die Person, die er durch seinen Stab an den Baumstamm gepresst hatte erneut.

Vor ihm stand eine junge Frau, nicht älter als er selbst. Ihre Haut hatte einen hellen sandfarbenen Ton, ihre Haare dagegen waren schwarz und ein wenig strähnig, genau wie er es in Erinnerung hatte. Ihr Gesicht mochte auf den Betrachter hübsch wirken, da ihre Züge durchaus etwas Edles, Feines an sich hatten. Dieser Anblick wurde jedoch durch ihr keckes Lächeln gestört, welches eine Reihe silberglänzender Reißzähne entblößte. Auch die zwei dunklen, ledernen Schwingen, die ihr aus dem Rücken schossen, passten nicht ganz zum Bild einer jungen Maid. Gekleidet war sie ausnahmslos in eine schwarze, unauffällige Stoffgewandung mit leichten Schuhen und einem Gürtel, an dem diverse Taschen befestigt waren. Sie hob ihre Hand und legte es auf den Drachenkopf, der ihr immer noch von Sanders an den Hals gedrückt wurde und sie zwang sich an das Holz des Baumes zu lehnen. Ihre langen Krallen an ihren Händen glänzten ebenfalls wie reines Silber.

„Du konntest meine Tricks nicht immer so einfach durchschauen“, sagte sie sachte und senkte mit Nachdruck Sanders' Stab von ihrem Hals. Der Magier selbst ließ seine Waffe schließlich ganz sinken und betrachtete das Mädchen sorgfältig.

„Es ist eine Weile her, das stimmt. Die Nachtgiger meiden den Kontakt mit mir doch seit einer Weile.“

„Warum sollten wir uns auch mit jemanden zusammenschließen, der dem Erzmagier Gabaros Zutan persönlich dient?“

„Du weißt, dass ich mehr als einem Herren diene“ , stellte der Zauberer fest und bekam als Antwort zunächst nur das helle Lachen der Nachtgiger zu hören. Langsam lehnte sie sich vor und kam einen Schritt auf ihn zu. Ihr Geruch erinnerte ihn irgendwie an eine Wasserpflanze bei Nacht. Kalt, aber eindringlich. Genau wie ihr ganzes Wesen, ihre ganze Art. Vermutlich lag das einfach in der Natur der Dinge. Die Nachtgiger waren allgemein recht lichtscheue Wesen, die in gewisser Art und Weise sich auch dem Lauf der Dunkelheit anpassten. Und wahrlich, Sanders konnte sich kaum etwas anderes vorstellen, was besser zur kalten und ruhigen Beschaulichkeit der Nacht passend mochte als Nevi.

„Du hast dich ein wenig verändert. Diese Kleidung... steht dir“, sagte sie und lachte leise. Ihre dunkelblauen Augen musterten den gesamten Körper des Magiers, auf geradezu unzügliche Weise. Immer wenn sie ihn auf diese Art ansah, kam sich Sanders plötzlich nackt vor und er musste etwas verlegen hüsteln.

„Danke“, sagte er und stützte sich wieder auf seinen Stab, „Ich nehme an, du bist nicht hierher gekommen, um mir das zu sagen.“

„Warum nicht? Für mich würde das als Grund völlig ausreichen“, meinte sie genüsslich und lehnte sich leicht an Sanders' Brust, bevor dieser überhaupt wusste, was geschah. Viel sagend blickte sie ihn an und trommelte mit ihren Fingern an seiner Schulter. Das entlockte dem Magier sogar ein leichtes Schmunzeln.

„Weißt du was? Das würde ich dir sogar zutrauen“, sagte er, legte den Kopf schief und betrachtete das dunkle Mädchen, die ihm erneut ein freches Lächeln schenkte.

„Und warum bist du nun wirklich hier?“, fragte er erneut nach.

Ihr Lächeln erstarb augenblicklich.

„Du ruinierst die ganze Stimmung, Sanders. Du hast keinen Sinn für Romantik. Nur wir zwei, an den Klippen und den Sonnenuntergang im Hintergrund. Kommen dir da nicht auch warme Gedanken?“, flüsterte sie schnurrend.

„Mir fehlt es schwer romantische Gefühle zu entwickeln, wenn die Frau in meinen Armen zwei Flügel wie eine Fledermaus auf dem Rücken trägt. Das stört ein wenig das Ambiente“, erwiderte Sanders lachend.

Nevi dagegen schlug dem Magier missmutig auf die Brust, ging einige Schritte von ihm weg und verschränkte eingeschnappt die Arme.

„Manchmal bist du echt ein Trottel. Typisch Mann!“, fauchte sie böse.

„Du hast dich wirklich kein bisschen geändert“, lachte Sanders und schüttelte amüsiert den Kopf.

Die Nachtgiger dagegen streckte nur ihre lange Zunge raus und fauchte anschließend.

„Du sollst Nathaniel einen Gefallen tun“, sagte sie dann schließlich und wandte sich leicht schmunzelnd von Sanders ab, als dieser hellhörig wurde.

„Von Nathaniel? Was will er? Hat er endlich das Dämonenkind gefunden?“, fragte er aufgeregt und kam Nevi einige Schritte näher, doch sie wandte im weiter den Rücken zu und gab ein leichtes Schulterzucken von sich.

„Woher soll ich das wissen? Ich bin doch nur eine Botin?“, sagte sie genussvoll und ein entblößte ihre silbernen Zähne mit einem breiten Grinsen. Der Magier dagegen rollte genervt mit den Augen.

„Unter allen Geschöpfen der Nacht bist du mit Abstand das gerissenste“, murrte er.

„Komplimente bringen dich nicht weiter, kleiner Zauberer“, lachte sie als sie sich ihm wieder zuwandte und ihn erneut wie ein Raubtier musterte.

„Was willst du?“

„Wie wäre es mit einem Kuss?“

„Soll Nathaniel davon erfahren?“

Die Nachtgiger fauchte erneut und verzog missmutig das Gesicht.

„Du bist ein Stein, Sanders. Ein Stein, hörst du?“

„Na also. Steine küsst man nicht“, stellte der Magier daraufhin amüsiert fest. Nevi gab ein gereiztes Seufzen von sich, schüttelte den Kopf und blickte Sanders ernst an.

„Er möchte, dass du dich in Hallándar aufhältst und ihn als auch Waktu vertrittst. Die beiden können sich nicht allzu bald bei ihren Gilden melden, es wäre also besser, wenn wenigstens einer von euch am Hofe bleibt, um nicht zuviel Verdacht zu erregen“, erklärte sie ihm.

„Also doch! Er führt etwas im Schilde. Nathaniel hat mich noch nicht einmal unterrichtet was er vorhat“, stellte Sanders fest und wandte sich der Klippe zu.

„Ich denke, es musste alles sehr schnell gehen, mehr kann ich dir aber auch nicht sagen“, gab die Nachtgiger zu und blickte ihm hinterher.

„Ich hoffe er weiß, was er da macht. Das Land erkrankt, Nevi. Es richtet sich selbst. Es ist etwas Schweres in der Luft, etwas Krankes. Irgendetwas wird passieren. Bald“, flüsterte der Magier und schüttelte den Kopf zerknirscht. Das dunkle Mädchen schwieg einen Moment und starrte in den Abgrund vor ihnen.

„Ich weiß was du meinst. Der Narrenkönig deutete so etwas an. Auch wir Nachtgiger spüren es. Es fühlt sich... so alt an.“

Der Magier nickte.

„Hör zu, besser ich mach mich sofort auf den Weg. Je eher desto besser. So wie ich Nathaniel kenne, ist er ohnehin schon auf eigene Faust losgegangen“, beschloss er dann hastig und wirbelte eilig herum. Von dem plötzlichen Tatendrang überrascht, spannte die Nachtgiger ihre Flügel und flatterte einige Meter in die Höhe.

„In Ordnung. Ich werde zurückfliegen und auf ihn Acht geben. Aber passe auch auf dich auf, Sanders“, flüsterte sie leise.

„Du kennst mich. So schnell passiert Sanders dem Flammenleser nichts“, lachte Sanders und schenkte dem Mädchen ein selbstsicheres Lächeln. Diese musste auch leise lachen und schüttelte amüsiert den Kopf.

„Bleib wie du bist, kleiner Magier. Ich will dich immerhin am Stück wiedersehen“, flüsterte sie leise und hob sich etwas höher in die Lüfte. Der Magier dagegen winkte ihr mit einer kurzen Handbewegung und wandte sich um.

„Bevor ich es vergesse, Sanders... Fang!“, hörte er plötzlich ihre Stimme und konnte sich gerade noch rechtzeitig umdrehen, um einen kleinen Gegenstand zu fangen, der ihm beinahe ins Gesicht geflogen wäre. Verwundert blickte er auf seine Hände und musterte sein Geschenk überrascht. Zwischen seinen Fingern hielt er einen kleinen, blauen Stein in der Größe von vielleicht zwei Walnüssen und geformt wie ein Hühnerei. Das Licht, das ihn traf, spiegelte sich wie ein Fächer wieder und ließ das rotbraune Leder seiner Handschuhe bläulich schimmern wie ein kleines Farbenspiel aus allen erdenklichen Tönen des Ozeans.

„Der Lazawardkern“, stellte Sanders fest und blickte die Nachtgiger aus großen Augen an.

„Du musst doch deinen Auftrag hier erledigen, nicht wahr? Sagen wir, ich hab was bei dir gut“, kicherte Nevi und schwang in der Luft einen kleinen Bogen, ehe sie wieder elegant vor ihm auf den Füßen landete. Doch der Magier runzelte nur die Stirn wie ein alter ungläubiger Mann.

„Woher wusstest du überhaupt, dass ich...“, fing er an, doch das dunkle Mädchen unterbrach ihn rasch, indem sie ihm einen Finger auf die Lippen legte. Ihre Haut war kalt wie Eisen und ließ dem Magier unwillkürlich einen Schauer über den Rücken jagen.

„Frag nicht soviel. Du weißt doch: Wir Nachtgiger sind euch Menschlein immer zwei Schritte voraus“, schnurrte sie dann geheimnisvoll und zwinkerte ihm zu. Damit näherte sie sich ihm noch ein Stück und küsste Sanders kurz auf die Lippen. Der Magier ließ sie sogar gewähren und betrachtete sie danach einen Moment lang mit einem leichten Lächeln.

„Dann sind wir wohl quitt“, stellte er sodann sachlich fest.

„Bitte? Quitt? Du kleines, mieses Menschlein. Tu nicht so, als hättest du mir einen Gefallen getan“, fauchte sie sofort. Der Feuermagier lachte jedoch laut und wandte sich zum Gehen um.

„Pass auf dich auf, Nevi. Möge die Mitternacht über dir leuchten. Wir werden uns wieder sehen, das verspreche ich“, sagte er leise und blickte sie traurig über die Schulter an. Zwar hatte die Nachtgiger zum Zeichen ihrer Wut die Arme verschränkt, doch angesichts der stillen Worte, schmolz ihr Zorn so weich dahin wie Eis auf ihrer Haut. Sie schluckte tief und seufzte.

„Blut liegt in der Luft, Sanders. Vergieße dein eigenes nicht sinnlos.“

„Mein Leben wird nicht zählen, wenn die Zeit gekommen ist. Ich werde alles tun, um den Tod dieser Welt zu verhindern. Egal, was es mich kostet“, sagte der Magier tonlos.

Mit stiller Trauer blickte Nevi zum Abgrund.

„Auf Wiedersehen, Sanders“, flüsterte sie. Doch ob er sie noch hörte, wusste sie nicht. Der Magier hatte sich bereits auf den Weg gemacht und ging langsam durch das Unterholz des Bitteren Waldes. Das Mädchen selbst starrte noch eine Weile auf die Sonne, bis die Nacht die letzten Lichtstrahlen unter ihre schwarzen Decke schloss.

Die Nacht hatte gerade erst angefangen.

Der Alchemist

Kapitel 2: Der Alchemist
 

Ich will wie ein Falke fliegen

Fort von eurer grauen Welt

Keiner soll mich mehr noch kriegen

Nichts was mich am Boden hält
 

Der Wind in meinem Federkleid

Streicht eine süße Melodie

Die Wolken sind nicht weit

Mit dem Flügel streif ich sie
 

("Falkenruf", Bardenlied aus Nasfír)
 

Als er ihn fand, war aus dem jungen Knaben nicht mehr als ein kleines, durchnässtes Häuflein Elend geworden. Mitten im Lichterwald zur denkbar ungünstigsten Zeit hatte sich der Junge vor dem Sturm und dem Regen verkrochen, der den Wind wie eine Peitsche durch die Stämme knallen ließ. Von der Kälte und Nässe wie ein Straßenköter zerlumpt und den Anstrengungen der letzten Tage zerfressen blickte er den Fremden aus glasigen Augen an, die sowohl Angst als auch Hoffnung verrieten.

„Keine Sorge, Junge, ich tue dir nichts“, versprach der Fremde und streckte seine Hand nach dem Jungen aus. Seine Stimme hatte etwas sehr Feines, Gehobenes. Sie hätte sicher einem jungen Edelmann oder einem Prinzen gestanden, doch vor dem Knaben stand nur einer jener Schwarzkünstler aus den Steppen. Zumindest glaubte der Junge so jemanden vor sich zu haben, denn vor solchen Leuten hatte ihn sein Vater immer gewarnt. Und solchen Menschen durfte man nicht trauen, das war es, was sich die Leute in seinem Dorf erzählten. War dieser Ketzer in der Stunde seiner Not gekommen, um seine bösen Spiele mit ihm zu treiben? Wie ein verlaustes Tier schüttelte er nur den Kopf und wünschte sich und den dunklen Zauberer fort, weg von diesem Sturm und wieder zurück in sein Dorf. Er hätte weinen können, wenn er nicht zu stolz dafür gewesen wäre. Doch der Zauberer schien sich nicht so schnell damit zufrieden geben zu wollen.

„Beruhige dich erstmal. Wenn du hier bleibst, holst du dir noch den Tod“, sprach er mit sanfter Stimme weiter. Seine hellgrünen Augen musterten den Knaben eine Weile und erweckten selbst in dem Gelehrten noch reges Mitleid. Der Junge saß zusammengekauert unter einem umgeworfenen Baumstamm, die langen, dunkelblonden Haare von Wind und Wetter zerzaust, das Gesicht von Dreck und Hunger entstellt. Auch seine Kleidung war stark in Mitleidenschaft gezogen worden, dennoch konnte der Zauberer noch gut ihre Bedeutung erkennen.

Es war ein grüner Wappenrock, der ein Rotkehlchen zeigte, das einen Pfeil im Schnabel trug. Ansonsten war der junge sehr einfach und praktisch gekleidet: Feste Stiefel und fingerlose Lederhandschuhe und eine einfache Wollhose und Hemd aus grünem Stoff. Auch ließ sich an seinem Gürtel ein Köcher und ein Dolch ausmachen. Es war die Uniform eines Fängers, einer Gilde von Spähern, Kundschaftern und Kämpfer in diesem Land. Eigentlich waren solche Menschen hervorragende Überlebenskünstler in der Natur, doch der Junge schien vielmehr überfordert, wenn nicht gar hilflos unter diesen Umständen.

Doch wusste er nicht so recht, ob nun Wut oder Trauer aus den Augen des Knaben sprach, vielleicht auch beides. Normalerweise war der Zauberer sicher nicht sonderlich gut im Umgang mit Kindern -und als solches schätzte er den jungen Knaben noch ein -, doch gab er sich Mühe feinfühlige genug zu sein, um ihn nicht zu verschrecken.

„Du brauchst wirklich keine Angst zu haben. Ich will dir nur helfen“, versicherte er erneut und auch wenn der Junge ihm nicht wirklich zu glauben schien, blickte er auf. Vermutlich wiegte er gerade ab, ob die Hilfe von einem Zauberer anzunehmen angesichts seiner Situation vielleicht das geringere Übel wäre. Auch er betrachtete sein Gegenüber genau, denn selbst wenn er sich in einer solch hoffnungslosen Lage befand, wollte er nicht jedem dahergelaufenen Schurken die Möglichkeit bieten sie noch zu verschlimmern.

Der Zauberer selbst war ein großer, stattlicher Mann mittleren Alters. Seine dunkelbraunen Haare waren glatt und gepflegt zu einem Scheitel gekämmt und zudem lang genug, dass sie ihm bis zur Hüfte reichten. Seine Gesichtszüge passten zu seiner Stimme und ähnelten eher einem Aristokraten als einem typischen Zauberer, nur die kleine eckige Brille mochte nicht so recht dazu passen. Als Kleidung diente ihm ein dunkelbrauner, halboffener Gehrock, der hier und da ein paar Flecken zeigte. Zudem trug er lange, lederne Gamaschen und einen besonders auffallenden, breiten Gürtel, dessen Silberschnalle wie ein Ahornblatt geformt war. Viele kleine, geheimnisvolle Flaschen und Beutel klimperten an seinem Gürtel.

„Seid ihr ein echter Zauberer?“, fragte der Junge unsicher, nur um sicher zu gehen. Der Fremde zögerte einen Moment und wiegte seine Antwort gut ab.

„Ja, das bin ich“, antwortete er ihm schließlich wahrheitsgetreu.

Zwar schien das den Knaben zu verschrecken, nachdem sich seine Befürchtung bestätigt hatten, aber zumindest war er froh, dass sein Gegenüber immerhin nicht log um sein Vertrauen zu gewinnen. Die plötzliche und unverhoffte Hilfe eines Zauberer anzunehmen klang für ihn durchaus verlockend, zumal er sich in einer wirklich mehr als erbärmlichen Lage befand, dennoch bissen ihn die Zweifel wie lästige Käfer in seiner Brust.

„Was wollt ihr von mir?“, fragte dann leise.

„Dir helfen. Wenn du hier bleibst, frisst dich noch ein wildes Tier oder du wirst krank und stirbst. Das kann ich doch nicht zulassen, nicht einmal als Zauberer“, antwortete ihm der Gelehrte sogleich und lächelte freundlich. Schließlich seufzte der Knabe, biss sich von Zweifeln geplagt auf die Lippen, streckte aber dennoch seine Hand aus, um die des Zauberer zu greifen und sich von ihm aufzuhelfen. Zu seiner Überraschung war die Haut des Fremden trocken, als hätte der Regen keine Wirkung auf ihn. Erst jetzt fiel dem Jungen auf, dass die Wassertropfen tatsächlich verdampften, bevor sie den Körper des Zauberers berühren konnten. Mit großen Augen betrachtete er das Schauspiel, wie sich so rasch aus dem Regen mit einem leisen Zischen silbriger Dampf bildete und sich auflöste. Der Zauberer bemerkte das offenbare Interesse daran und lachte leise.

„Glaub mir, das ist nichts weiter als ein kleiner Taschenspielertrick von mir. Wie ist dein Name, Junge?“, sagte er, nachdem der Knabe nun aufrecht vor ihm stand. Der Wind wehte ihm immer wieder zerzauste Strähnen seines Haares in das dreckige Gesicht aus dem nur seine blauen Augen klar erstrahlten. Doch auch diese waren getränkt in Unsicherheit und Angst. Zumindest war der Zorn aus seinen Gesichtszügen gewichen.

„Mein Name ist Daramos aus Amunglad, Sohn des Rokar“, stellte er sich vor und wischte sich die Haare aus dem Gesicht, die wegen der Nässe wie braune Striemen auf seiner Haut klebten.

„Freut mich, dich kennen zu lernen, Sohn des Rokar. Meine Name ist Nathaniel“, erwiderte der Zauberer, „Ich fürchte die Umstände dieser Bekanntschaft sind für dich denkbar schlecht.“

Leicht verschämt blickte Daramos zu Boden. Dass ihn wirklich jemand in diesem erbarmungswürdigen Zustand fand, war für einen Fänger wirklich mehr als erniedrigend.

„Mach dir nichts daraus, dies kann selbst noch den Besten zustoßen. Die Natur ist unser aller Herr“, gab Nathaniel zu verstehen, als hätte dieser seine Gedanken erraten, „Folg mir einfach, meine Kutsche steht hier in der Nähe. Dort ist es auch wenigstens trocken“

Der Knabe blickte hoffnungsvoll auf und nickte leicht.

„Habt Dank, werter Herr“, sagte er, doch der Zauberer winkte ab.

„Dank deinen Göttern für diese Zusammenkunft, junger Fänger“, antwortete Nathaniel.

Doch wie so oft, blieben die wahren Gründe für diese scheinbar zufällige Begegnung im Verborgenen wie flüchte Schatten.
 

Die Kutsche des Zauberers stand tatsächlich nicht weit von ihrer Position weg, doch immer noch weit genug, dass sich Daramos wunderte wie Nathaniel ihn so fern des Weges bemerkt haben konnte, um ihm seine Hilfe anzubieten. Doch dieser Gedanke verschwand ebenso wie alle anderen als er dem seltsamen Gefährt des Zauberers gewahr wurde und wandelte sich schlagartig in Verblüffung um. Nathaniels Kutsche war etwas größer als die der üblichen Adeligen und mit einem tiefblauen Holz verkleidet. Die zwei Achsen, sämtliche Räder und der große Teil der schlichten Rahmen um Tür und Karosserie waren jedoch vollkommen Schwarz und wirkten eher so als hätte ein Maler das Gefährt mit einem dicken Pinsel nachgezeichnet. Jedoch war es schwer zu sagen, ob die Kutsche nur durch den schweren Regen und die Nässe so dunkel wirkte oder ob das seltsame Gefährt immer eine derartige Aura von Mystik und Geheimnis umgab.

Das, was Daramos' Neugier jedoch am meisten fesselte, war jedoch das Gespann vor dem Wagen. Dieser fehlte nämlich sonderlicherweise. Kein Pferd, kein Esel oder sonst irgendein Tier war an die Kutsche gespannt und ebenso leer wirkte der Platz davor. Doch trotz fehlender Zugtiere saß ein Kutscher im nachtblauen Mantel auf dem Bocksitz, doch ein schwarzer Umhang und Kapuze, die er tief in das Gesicht gezogen hatte, verdeckten jeden genaueren Blick auf ihn.

„Wie wird die Kutsche denn gezogen?“, entglitt es dem jungen Fänger als er sich an den Zauberer neben sich wand. Dieser, ein wenig überrascht davon, dass man ihm überhaupt eine Frage stellte, blickte Daramos so an als hätte er erst jetzt bemerkt, dass er da war.

„Die Kutsche? Sie wird doch nicht gezogen, sie ist doch immerhin kein Ochsenkarren. Die Traumfeder ist ein arkanes Gefährt und bewegt sich allein auf den Strömen kontrollierter Flechtbahnen fort“, sagte dieser und rückte sich mit einer kurzen Geste die eckige Brille zurecht. Aus den Augenwinkeln bemerkte er jedoch noch das reichlich verwirrte Gesicht des jungen Knaben, der offenbar nicht ein einziges Wort verstanden hatte. Mit einem leichten Seufzen wandte er sich ihm zu und hob die Stimme etwas an als er zur erneuten Erklärung ansetzte.

„Stellt euch die Magie als eine Art Rohstoff vor so wie Stein, Eisen oder Holz. Der Kutscher macht in dem Fall nichts anderes als aus magischer Rohenergie Schienen zu bauen, wenn ihr so wollt. Auf diesen bewegt sich das Gefährt fort. Wir beide sehen davon natürlich nichts, wir sehen nur wie sich die Kutsche bewegt. Diese rohe Art der Magie nennen wir Zauberer Arkanie“, sagte dieser geduldig wie ein Lehrer zu seinem Schüler.

Daramos legte den Kopf schief und betrachtete Nathaniel aus zusammengekniffenen Augen. Ihm gefiel die Art nicht wie ihn der ältere Mann belehrte, doch nahm er die Umstände zunächst einmal hin.

„Ihr treibt also die Kutsche allein durch eure Magie an?“, bohrte er nach. Diese Frage schien den Zauberer jedoch mehr als zu überraschen. Verwundert blickte er den Jungen über beide Brillengläser hinweg an.

„Ich? Wie könnte ich? Nein, ich kann so etwas nicht. Ich habe keinerlei magische Kräfte. Waktu übernimmt diese Arbeit für mich“, sagte Nathaniel abwehrend und deutete auf den Kutscher im dunkelblauen Mantel.

„Keine magischen Kräfte? Aber ihr seid doch...?“, erwiderte Daramos sofort, doch wurde sogleich durch die einschneidende, doch sanfte Stimme des Gelehrten unterbrochen.

„Ein Zauberer? Ja, bin ich. Es ist aber ein alberner Irrglaube, dass alle Zauberer gezwungenermaßen magische Kräfte haben müssen. Ich bin ohne die Gabe der Magie geboren, so wie ihr, junger Fänger.“

Daramos gab sich jedoch damit noch lange nicht zufrieden.

„Aber...“

„Genug jetzt, junger Herr“, unterbrach ihn Nathaniel erneut, „Wir können unser Gespräch auch in der Traumfeder weiterführen. Dort zerzaust euch der Wind immerhin nicht wie herrenloser Straßenhund.“

Der Zauberer wandte sich mit diesen Worten auch sogleich ab und schritt auf die blau-schwarze Kutsche zu. Der durchnässte Fänger eilte ihm hinterher, denn trotz seiner Zweifel und Abneigung gegen die Magie freute er sich auf einen trockenen Platz zum Erholen.

Bald erreichten sie auch die Kutsche, die trotz aufgeschwemmter Erde und tiefen Schlammfurchen auf dem Weg ihnen einige Meter entgegen gerollt kam. Tatsächlich schienen die Räder nicht einmal den Boden zu berühren, sondern ein kleines Stück darüber zu schweben als würden sie auf unsichtbaren Schienen liegen. Auch konnte Daramos einen kurzen Blick auf das Gesicht des Kutschers erhaschen, dessen schmächtiger Körperbau ihm erst jetzt aufgefallen war. Einige blonde Haarsträhnen fielen ihm ins schmale Gesicht, welches teilweise noch sehr jung wirkte. Seine Augen jedoch strahlten eine Art der tiefen Melancholie aus, die zu dem kindlichen Äußeren kaum passen mochte. Er hatte eine kurze Nase und verschwindend dünne Lippen, welche von einer hellen Haut umspannt waren. Doch die Haut um sein linkes Auge war schwarz gefärbt wie dunkler Teer, ganz so als hätten sich dunkle Tränen in seinem traurigen Gesicht gesammelt.

Für einen kurzen Moment trafen sich ihre Blicke, doch der starre Kummer seiner Augen ließ Daramos unwillkürlich erschauern. Hastig eilte er Nathaniel hinterher, um diesem unheimlichen Schmerz seines Blickes zu entkommen.

Der Gelehrte wartete bereits auf ihn als die Tür zur Kutsche wie von Geisterhand bewegt aufschwang. Mit einer leichten Geste gab er ihm zu verstehen, dass er eintreten sollte.

Zwar zögerte der junge Fänger etwas, doch er hatte sich ohnehin schon längst entschieden auf das zu zuschreiten, was ihn erwarten solle.

Im Inneren war die Traumfeder mit zwei roten, gepolsterte Sitzbänken ausgestattet, die jedoch noch genug Platz für ein kleines Schränkchen boten, welches sich an der Seite der Kutsche befand, wo vielleicht eine zweite Tür hätte sein sollen. Von der Decke hing eine kleine, gläserne Kugel herunter, die mit einer seltsamen bläulich leuchtenden Flüssigkeit gefüllt war, die das gesamte Wageninnere erhellte. Der junge Knabe musterte die Ausstattung misstrauisch, ließ sich schließlich aber auf eine der Sitzbänke nieder. Nathaniel schloss die Tür hinter sich und mit einem leichten Ruck setzte sich die Traumfeder sogleich in Bewegung.

„Ich nehme an, euch verschlägt es in die Hauptstadt?“, fragte der Zauberer beiläufig als er ihm gegenüber Platz nahm. Daramos blickte verwundert auf.

„Woher...?“

„Woher ich das weiß?“, unterbrach ihn Nathaniel erneut, „Jeden jungen Mann zieht es einmal nach Garandír, die Stadt der silbernen Türme. Das Schloss des Königs, die Hallen der Paladine und die Kaserne der Hüterarmeen. Dieser Ort verspricht für jeden Jungen doch Ruhm und Abenteuer, nicht wahr? Ist es nicht das, was dein junges Herz bewegt? Abenteuerlust?“

Mit diesen Worten beugte sich der Gelehrte mit einem spöttischen Lächeln vor und stützte sein Kinn mit beiden Händen. Seine Augen musterten den Fänger gönnerhaft, da dieser sich ziemlich sicher war den Jungen in wenigen Minuten ihrer Begegnung bereits durchschaut zu haben. Daramos wandte sich mit einem leichten Schnaufen an die Wand zu seiner rechten und starrte sie missmutig an.

„Das geht euch wohl kaum etwas an“, sagte er leise.

„Oh? Also liege ich richtig?“, lachte Nathaniel leise und rückte sich erneut die eckige Brille zurecht.„Mit welchem Recht befragt ihr mich überhaupt?“, entfuhr es Daramos.

„Ich habe euch das Leben gerettet“, gab ihm der Zauberer als Antwort.

„Ihr übertreibt.“

„Vielleicht ein klein wenig“, gab dieser zu. Eine Zeit verstrich in der keiner der beiden etwas sagte und wieder Stille einkehrte.

„Nun?“, sagte der Zauberer dann.

„Nun was?“, stutzte Daramos und blickte auf. Allerdings schaute er dabei in das deutlich ungeduldige Gesicht des Zauberers.

„Konzentration ist nicht eure Stärke, junger Herr, das steht schon einmal fest“, meinte dieser sogleich. Der junge Fänger, der tatsächlich nicht wirklich mitbekam von was der Gelehrte plötzlich redete, blickte ihm nur etwas ratlos entgegen.

„Haben wir nicht eben über eure Ziele geredet?“

Der Junge brummte kurz und zuckte mit den Schultern, gab aber keine Antwort. Nathaniel wartete eine Weile, doch als auch nach einigen Momenten nur das Rauschen des Windes an der Kutschentür zu hören war, fuhr er einfach fort.

„Wisst ihr, ich kenne da jemanden, der euch eventuell helfen könnte, falls ihr euch der Armee in Garandír anschließen wollt.“

Daramos wurde auf einen Schlag hellhörig. Mit großen Augen blickte er dem Gelehrten entgegen, der offenbar zufrieden mit seiner Reaktion war und sich mit einem leichten Grinsen über die Haare fuhr.

„Ich hab den Punkt getroffen, nicht wahr? Ihr wollt Soldat bei den Hütern werden! Der Traum von Macht und Gold ist so anziehend für das junge Herz“, sagte er.

Auch wenn es ihm wenig gefiel, dass ihn dieser Zauberer wie ein offenes Buch las, so war ihm doch der Gedanke wichtiger, dass er ihm tatsächlich helfen konnte in die Armee der Hüter aufgenommen zu werden.

„Würdet ihr das tatsächlich tun? Aber warum solltet ihr irgendeinem Fänger helfen? Was verlangt ihr als Gegenleistung?“, fragte der Junge sofort und fixierte den Zauberer mit seinen Augen als würde er ihn mit seinem Blick an die Wand nageln wollen. Dieser gab sich von der direkten Art des Knaben mehr als überrascht.

„Ihr seid mir aber einer der besonders misstrauischen Sorte“, stellte er fest und runzelte die Stirn.

„Ihr seid... ein Zauberer“, warf Daramos in den Raum als würde diese Feststellung einfach alles erklären.

„Wie scharfsinnig von euch“, meinte Nathaniel ironisch. Mit einem leisen Seufzen lehnte der Gelehrte sich zurück und fuhr mit seiner Hand über das kleine Schränkchen zu seiner Seite. Dann, ohne auch nur ein Wort zu sagen, beugte er sich vor, öffnete es und zog mehrere Flaschen heraus, die sich alle in Form, Farbe und Größe vollkommen unterschieden. Wie eine Armee kleiner, gläserner Soldaten stellte er sie dann in Reihe und Glied auf dem Schrank auf bis sich dort kein Platz mehr fand. Daramos' Blick verfolgte jeden seiner Handgriffe genau, doch ihm blieb schleierhaft, was Nathaniel damit bezweckte. Was sollten alle die Gefäße dort? Wollte er etwas zusammenbrauen?

„Seht her, junger Fänger“, erhob sich dann wieder die sanfte Stimme des Zauberers, „Ein Zauberer ist ein Mann praktischer Dinge. Wir sind zielgerichtet und alles was wir zu tun pflegen muss einen logischen Zweck haben.“

„Wie meine Rettung“, vermutete Daramos. Nathaniel nickte.

„Genau das.“

„Nun denn, Herr Zauberer“, fuhr er dann spöttisch fort, „Was für einen logischen Zweck hätte es denn, einen jungen Fänger zu retten und nach Garandír zu bringen?“

„Ihr seid kein Zauberer“, meinte sein Gegenüber lächelnd. Über diesen Ausspruch gab sich Daramos jedoch mehr als verwundert, doch bevor er eine entsprechende Frage stellen konnte, fuhr er bereits fort.

„Wir Zauberer haben seither einen schlechten Ruf und sind daher in manchen Situationen etwas verdächtiger als andere Menschen. Aus dem Grund allein...“

„... braucht ihr jemanden der eure dunklen Geschäfte erledigt ohne aufzufallen?“, brummte der Fänger ungehalten und schüttelte den Kopf, „Ganz sicher nicht. Ich knüpfe mich eher selbst auf, bevor ich diesem Ketzerpack helfe.“

Verblüfft zuckte Nathaniel zusammen und blickte den Jungen einen Moment aus großen Augen an. Mit einer derart heftigen Reaktion hätte er nicht gerechnet. Dafür dass er eben noch wie ein Häuflein Elend im Wald gesessen hatte, schien er sich schnell erholt zu haben.

„Nun beruhigt erst einmal euer kochendes Blut wieder, junger Herr. Es ist ein Gefallen, um das euch der Feuerfürst persönlich bittet. Dieser Bitte wollt ihr doch als angehender Hüter nicht abschlagen?“, antwortete Nathaniel schmeichelnd. Daramos horchte sofort auf und blickte den Zauberer aus großen Augen an.

„Der Feuerfürst? Armeegeneral der zehnten Kompanie und der ehemalige Botschafter der Phönixkönigin? Dieser Mann ist eine wahre Legende“, stellte der Fänger erstaunt fest und schüttelte fassungslos den Kopf, „Woher sollte ein Schwarzkünstler wie ihr so einen ehrenwerten Mann kennen? Ich glaube euch kein Wort.“

„So?“, gab der Zauberer amüsiert zurück, „Und was ist, wenn ich euch sage, dass dem Herrn General unsere Zauberkunst nicht fremd ist?“

„Dann lügt ihr“, meinte Daramos zischend.

„Aber nicht doch.“

Nathaniel lächelte triumphierend und griff sich einige Flaschen von dem Schrank als hätte er nur auf ein Stichwort des Jungen gewartet. Ebenfalls aus dem Schrank nahm er sich auch eine kleine Metallschüssel und hielt sie zwischen sich und Daramos.

„Isarn, halte!“, rief er laut und ließ die Schüssel los. In Erwartung, dass ihm das Blech auf die Füße fallen würde, zuckte der Fänger zurück, doch sie blieb wie durch Geisterhand gehalten in der Luft hängen. Mit einem misstrauischen Blick musterte der Knabe sie und den Zauberer.

„Keine magischen Kräfte, hm?“, fragte er nach. Nathaniel lächelte nur.

Mit einem Handstreich öffnete er gleich mehrere Flaschen und goss sie in die schwebende Schüssel, wo sie sich mit einem blechernen Geräusch verteilten. Leise brodelte die Flüssigkeit in ihrem Inneren und nahm kurz nacheinander verschiedene Farben an bis sie bei einem dunklen Lilaton stehen blieb. Langsam stieg leichter Dampf auf und Daramos drückte sich unwillkürlich gegen die Wand um nichts davon einzuatmen.

„Junger Herr, vielleicht seit ihr euch dessen nicht bewusst, aber Tha'Rakan, der Feuerfürst, ist mein Gönner und Herr. In seinem Auftrag handle ich in diesen Landen“, sprach er leise und stellte die Flaschen nacheinander wieder hin.

„Beweist es mir!“, forderte Daramos ungeduldig und blickte den Zauberer böse an, der sich wieder einmal genug Zeit für eine Antwort ließ.

„Junger Herr, ich bitte euch. Ihr werdet noch dem Feuerfürsten selbst begegnen, wenn ihr uns einfach eine Weile begleitet“, sagte Nathaniel und griff in seine Jackentasche. Er tastete eine Weile darin herum, ehe er einen kleinen ledernen Beutel hervor zog.

„Sicher fragt ihr euch, warum wir euch überhaupt brauchen, wenn wir doch im Auftrag von Tha'Rakan persönlich handeln.“

Der Knabe brummte leicht verärgert und starrte wieder zur Wand. Seine Augen funkelten leicht vor Ärger wie zwei flackernde Fackeln.

„Ihr werdet es mir ohnehin gleich sagen, nicht wahr? Ihr habt doch Spaß an diesem Spiel mich im Ungewissen zu lassen.“

Der Zauberer lachte laut und schüttelte den Kopf. Ohne Vorwarnung warf er ihm den Beutel zu, doch dieser wäre Daramos um ein Haar aus der Hand gefallen, als dieser ihn überrascht auffing. Fragen blickte er in das lächelnde Gesicht seines Gegenübers, doch dieser machte keine Anstalten ihm seine Tat zu erklären. Schließlich legte der Fänger den kleinen Beutel auf seinen Schoß und machte sich selbst daran ihn zu öffnen.

Zu seiner Überraschung legte er nur einen kleinen, roten Stein frei in etwa der Größe eines Hühnereis. Ein tiefroter Schimmer ging von ihm aus fast wie ein Stück getrocknetes Blut. Im Inneren hatte es einen Art Kern; eine ovale, schwarze Scheibe in der Länge seines Fingers. Unschlüssig wandte er den Stein in seiner Hand hin und her bis Daramos schließlich leise seufzte.

„Ich verstehe“, murmelte er kleinlaut. Der Zauberer gab sich mit der Antwort mehr als zufrieden und nickte bestimmend.

„Dann ist dir klar, was das ist?“. Der Junge nickte bedrückt.

„Ihr seid jener Alchemist, der mein Dorf vor vielen Jahren besucht hat, nicht wahr? Ihr habt mit meinem Vater gesprochen.“

„Und du hast uns beide belauscht, nicht wahr?“, sagte der Zauberer zwinkernd. Der Junge zuckte zusammen.

„Woher...?“, fing er an, doch Nathaniel unterbrach ihn einfach mit einer leichten Handbewegung.

„Wenn ich damals nicht gewollt hätte, dass ihr es erfährt, junger Herr, dann hätte ich auch auffliegen lassen.“ Verwirrt schüttelte der Fänger doch nur den Kopf.

„Dieser Stein gehörte meinem Vater. Und ich...“, erzählte Daramos, doch Nathaniel unterbrach ihn erneut.

„Euer Vater, junger Herr, bat mich diese Waffe an mich zu nehmen. Aus Sicherheit für seinen eigenen Sohn. Für euch“, stellte dieser dann fest. Fragend schaute der Knabe ihn an, doch bevor dieser etwas sagen konnte, fuhr Nathaniel fort.

„Euer Herr Vater hat Jahre lang in der Zehnten Kompanie der Armeen gedient. Nicht nur als einfacher Soldat, wie er euch vielleicht Glauben lassen wollte. Er war der Vertraute des Feuerfürsten persönlich. Dieser Stein ist so etwas wie eine deaktivierte Waffe der Dämonen aus den Zeiten der Stille. Tha'Rakan gab es eurem Vater persönlich zur Aufbewahrung als dieser die Armee verließ. Tief im Herzen der Königreiche, am äußersten Rand von Assyrál sollte versteckt bleiben für unsere Feinde, junge Herr. In eurer Heimatstadt Amunglad.“

Dem Knaben gingen förmlich die Augen über als er das hörte.

„Mein Vater? Das kann nicht sein. Warum hat er mir nie etwas davon erzählt?“, flüsterte er leise und blickte den Stein in seinen Händen an als wäre es etwas Lebendiges, „Eine Waffe aus der Zeit der Stille? Aber das muss über tausende Jahre her sein.“

„Sechstausend. Um genau zu sein. Die Zeit der Stille ist der Anfang unserer Zeitrechnung, junger Herr,“ erklärte der Alchemist und fuhr sich dabei über die Brillengläser.

Misstrauisch hob der Knabe den Blick und zog die Stirn kraus.

„Damals als ihr mit meinem Vater gesprochen habt, verstand ich kein Wort von dem, über das ihr euch beide unterhieltet. Aber ich habe meinen Namen deutlich gehört. Was habe ich mit all dem zu tun? Warum hat euch mein Vater den Stein zu 'meiner' Sicherheit gegeben?“, hakte er nach, bekam aber zur Antwort zunächst nur ein Schulterzucken.

„Euer Vater glaubte, dass dieser Stein einen gewissen Einfluss auf euch hegt“, gestand der Alchemist schließlich.

„Was meint ihr damit?“

„Ich weiß es selbst nicht genau, aber er bat mich ihn wieder mitzunehmen. Aber nachdem ihr diese Waffe in Händen haltet, weiß ich was er meinte. Tatsächlich scheint der Stein euch beeinflusst zu haben. Das ist höchst interessant. Die Jahre in der ihr in der Nähe der Waffe aufgewachsen seid, müsst ihr immun geworden sein“, stellte der Zauberer sachlich fest.

„Immun? Gegen was?“, fragte Daramos noch, doch schließlich schüttelte er nur wütend den Kopf und fuhr in einem deutlich schärferen Ton fort, „Nun sprecht nur einmal im deutlichen Ton, verdammter Zauberer. Ich bin es Leid mir eure Worte erst zusammenreimen zu müssen!“

„Du müsstest tot sein, nachdem du den Stein mit bloßen Händen berührt hast“, sagte Nathaniel locker. Der Stein knallte auf den Boden, während sich Daramos panisch an die Wand drängte.

„WAS?“, krächzte er panisch, „Das sagt ihr mir erst jetzt?“

Ein wenig besorgt von der heftigen Reaktion des Knaben ließ der Alchemist die dampfende Blechschüssel zwischen ihnen mit einem Handstreich ein wenig zur Seite schweben.

„Nun beruhigt euch wieder. Ich habe diesen Umstand natürlich vorher in Erfahrung gebracht, bevor ich euch suchte und euch den Stein in die Hand gab“, erklärte er sanft. Wieder hatte Nathaniel seine schmeichelnde Seite zum Vorschein geholt und seine Stimme erneut in Sanftheit und Milde geölt. Doch diesmal ließ sich Daramos nicht so einfach davon beeinflussen.

„Und was wenn ihr Unrecht gehabt hättet?“, fragte er immer noch leicht ängstlich. Einen Moment betrachtete der Alchemist die Decke und seufzte leicht.

„Dann wärt ihr nun mausetot“, stellte er dann sachlich fest.

„Ihr spinnt doch!“, schrie der Fänger außer sich.

„Aber, aber, junger Herr. Aber nun wisst ihr wenigstens, warum ausgerechnet ihr für uns interessant seid. Das Wissen um die Existenz dieser Waffe ist nur einigen Wenigen vorbehalten. Dadurch, dass sie offenbar keine Wirkung auf euch hat und euer Vater zu diesen wenigen Eingeweihten gehört, ist es nun an der Zeit, dass ihr den Platz eures Vaters in unserer Mitte einnehmt.“

Eine Weile blickte Daramos den Zauberer an, die Fassungslosigkeit im Blick wie ein Schleier, doch zögerlich fiel auch dieser nieder. Gemächlich löste sich der Knabe von der Wand und griff nach dem Stein auf dem Boden. Mittlerweile mutete er wie ein Auge an, dass den seinen Blick musternd erwiderte.

„Mein Vater wollte verhindern, dass ich das tue“, flüsterte Daramos leise. Es war keine Frage, er wusste einfach das es so war.

„Gewiss. Er ist sehr vorsichtig auf seinen alten Jahren geworden. Er wollte mit dieser Sache nichts mehr zu tun haben. Doch die Vergangenheit kann man nicht so leicht abschütteln wie ein ungeliebtes Kleidungsstück“, erklärte der Zauberer sanft als würde er mit der Situation des Jünglings mitfühlen, „Ich weiß, dies mag alles sehr plötzlich für euch sein, aber wir hatten schon lange vor, euch für diese Sache zu gewinnen. Es ist zum Wohl des Königreichs, junger Herr.“

Fast wie unter Trance blickte Daramos zu dem Gelehrten, halb unsicher, halb ängstlich.

„Zum Wohle des Königreichs“, wiederholte er leise. Der Zauberer lächelte milde und griff nach der Hand des Knaben.

„Nun hört zu, junger Herr. Ich sagte doch, ich tue euch nichts. Ihr wollt zur Armee, wolltet eure Abenteuerlust stillen wie ein jeder Jüngling in eurem Alter. Ich gebe euch also das, was ihr euch wünscht, nicht mehr und nicht weniger. Oder zieht er das harte Training und den Drill der Hüter diesem hier vor?“

Daramos schüttelte leicht den Kopf und blickte Nathaniel nur wie ein geprügelter Hund an.

„Vertraut mir, Daramos. Sohn des Rokar. Ihr werdet nach und nach schon verstehen lernen“, sprach der Zauberer mit sanftem Klang. Eine Weile blickte der Knabe ihn an und nickte schließlich leicht.

„Es ist alles ein wenig verwirrend“, gestand er und schloss kurz die Augen. Als er sie wieder öffnete fiel sein Blick auf die dampfende Blechschüssel, die noch munter vor sich herschwebte.

„Ah! Das hab ich ja total vergessen“, sagte der Alchemist plötzlich und ließ seine Hand los. Nur eine kurze Handbewegung des Gelehrten ließ die Schüssel bereits wieder zwischen ihnen beiden schweben.

„Was macht ihr da?“, fragte der Knabe, doch der Zauberer gab keine Antwort.

Fordernd blickte er den Jüngling dann über die Brille hinweg an als er ihm schließlich einen kleinen, tiefschwarzen Flakon reichte, den er eilig aus dem Schrank zog. Nur zögernd nahm er diese an und betrachtete ihn. Eine Weile wand er es in seinen Fingern, konnte aber nicht so recht herausfinden, auf was Nathaniel nun hinaus wollte.

„Wisst ihr was das ist?“, fragte dieser dann lächelnd. Der Fänger schüttelte den Kopf und blickte sein Gegenüber fragend an.

„Es ist Dämonenblut, junger Herr.“

Unwillkürlich schreckte Daramos angeekelt zusammen und hätte die Flasche fast fallen lassen.

„Wieso gebt ihr mir ein derartiges Teufelszeug in die Hand?“, rief er ungehalten und hielt es ihm wieder hin, doch der Zauberer legte seine Hand um die seine und schob diese wieder zu dem jungen Mann hin.

„Ihr müsst davor keine Angst haben. Es würde mir mehr schaden als euch.“

„Was meint ihr damit nun wieder?“, fragte Daramos.

„Nun denn, seht selbst. Gießt das Blut hinein in die Schale“, forderte Nathaniel schließlich. Doch der junge Fänger verzog nur das Gesicht.

„Macht es doch selbst“, gab er trotzig von sich. Der Zauberer dagegen lachte nur wieder amüsiert.

„Aber nein, ihr wollt doch sicher Gewissheit haben. Nun, dann erblickt sie bei ihrer wahren Natur.“

Unsicher schwang der Blick des Knaben zwischen der Flasche in seinen Händen und der Schüssel hin und her.

„Ich werde es bereuen, da bin ich mir ganz sicher“, seufzte er schließlich, öffnete die Flasche und kippte den gesamten Inhalt in die Schüssel. Wie aus dem Nichts schoss dicker, schwarzer Rauch wie eine Flutwelle aus dem Gefäß hervor und breitete sich blitzschnell um ihn herum aus. Panisch sprang Daramos auf, doch die dunkle Masse schob sich schon wie eine Wand um ihn herum auf. Rasch versuchte der Knabe nach dem Alchemisten zu rufen, doch ehe er die Lippen öffnete, stieg ihm der Rauch wie ein gieriges Tier in den Rachen und füllte seine Lunge. Schwer hustend schlug der Fänger um sich, doch die Finsternis um ihn ließ sich nicht vertreiben. Sie blieb dicker Tinte gleich um ihn herum stehen, zog sich um ihn wie eine Schlinge. Immer wieder knallte seine Hand gegen die Wand der Kutsche als er sich zu orientieren versuchte, doch trotz aller dumpfen Schläge schien ihm keiner zur Hilfe zu kommen.

Die Angst stieg wie eine eisige Kälte seine Brust hinauf, krallte sich um seinen Hals und grub sich durch seinen Verstand. Ohne auch nur etwas sehen zu können außer der tiefen Schwärze, versuchte er aus der Kutsche zu kommen, doch er verlor das Gleichgewicht und stürzte zu Boden. Er spürte einen harten Schlag als er gegen die Schüssel lief und sie mit einem gewaltigen Klirren mit sich zu Boden riss. Bald verteilte sich die Flüssigkeit zäh über sein Körper, während er sich vor Schmerz krümmte. Seine Lungen brannten bereits von dem Rauch wie Feuer als würde er tausende Nadeln einatmen. Doch die Dunkelheit um ihn herum lichtete sich als sich der Nebel wie ein Schleier auseinander schob. Kurze Zeit herrschte nun eiserne Stille um ihn.

Daramos lag nun auf einem schwarzen Felsen, inmitten eines regungslosen Sees. Irritiert blickte er sich um und ließ seine wachsamen Augen über das Meer schweifen. Wo war er? Hatte er diesen Ort nicht schon einmal gesehen? Langsam richtete er sich auf und stockte, als er spürte wie sich eine Regung durch das Gewässer zog. Ein Zucken, ein Beben glitt durch die dunkle Welt und zerschlugen das Gewässer mit einem jähen Aufprall. Um ihn herum türmte sogleich die gewaltige Massen aus Dunkelheit auf, aus dem Wasser peitschend wie dunkle Krallen. Es hatte nichts mit der Abendschwärze einer dunklen Nacht zu tun, nichts von den Schatten, die sich im Schutz des Mondes warfen. Es war intensiv. Und lebendig. Als der Junge hineinblickte, spürte er, wie es seinen Blick erwiderte, aus ebenso schwarzen, kalten Augen. Es pulsierte, regte sich. Er hörte den Herzschlag in der Finsternis, der durch seinen Kopf dröhnte. Oder war es sein eigener? Machte das noch einen Unterschied? Schnell stand er auf und blickte sich gehetzt um. Das Hämmern wurde schneller, zitterte durch seinen Körper, als ob dieses Knäuel aus vollkommener Schwärze unsichtbare Fäden um sein Herz schlingen würde. Angst, welche tief aus seinem Innerem wuchs wie eine dornige Pflanze, dunkler und tiefer als jede andere, grub sich in ihn hinein und zerfetzte die Wände seiner eigenen Selbstsicherheit. Nicht mehr als sein nacktes, bloßes Innere blieb ungeschützt offen. Das Meer aus Finsternis wog hin und her und schlug gewaltige Wellen. Augen, Stimmen, Stille. Es war alles eins. Er fürchtete fast den Halt zu verlieren und in die namenlose Tiefe gerissen zu werden, als er eine Stimme hörte.

Sie war ganz plötzlich da. Eine hohe, wunderschöne Frauenstimme wie der Klang einer Harfe. Und sie sang. Daramos lauschte ihr, konnte ihren Sinn aber nicht vernehmen, als ob die Worte sich seinem Geist entzogen.

Ein Lichtschein, ein kleiner Funke trennte die Wogen aus Dunkelheit und offenbarte einen silbernen Weg. Keuchend blickte Daramos auf und bewegte sich wie unter Trance darauf zu, fort von dem schwarzen Felsen.

Ganz langsam und bedächtig schritt er auf das helle Licht zu. Wütend und Eifersüchtig schlug die Masse aus Schatten um sich und versuchte ihn, ihre Beute, zu erreichen, doch sie fand auf dem Weg des Lichtscheins keinen Halt.

Die Stimmen flüsterten leise, versprachen ihm die schönsten Dinge, bettelten und flehten wie eine verlorene Geliebte und drohten ihm zugleich.

Daramos blickte tief in den Dunst dieses schwarzen Nebels und sah grausame Gesichter, verzerrt vor Leid und Wut. Sie streckten ihre Hände mit dürren klauenartigen Gliedern nach ihm aus und versuchten ihn zu erreichen. Immer mehr Fratzen schälten sich aus der Finsternis und immer mehr Krallen schlugen sich in den Weg, der bereits schmaler wurde. Gehetzt Blickte sich Daramos um. Es wurden immer mehr und ihr Flüstern wurde zu einem schrecklichen Schreien und Kreischen, das sich wie ein Sturm um ihn mit der Finsternis mischte.

Rasch griff er zu seinem Gürtel, doch an der Stelle wo er seine Waffen trug, klaffte die Leere.

Der Schreck kroch langsam wie tausend Spinnen aus seinem Herzen und breitete sich wie dunkler Nebel in seinem ganze Körper aus. Keine Sekunde später regte sich das dornige Gewächs in seinem Inneren wieder. Voller Angst begann er den Weg hinauf zu rennen, doch das Licht versiegte bereits und die grässliche Masse aus schwarzen Fratzen kam näher. Sein Herz raste und Schweiß trat ihm auf die Stirn. Er begann zu zittern und blickte sich mit weit aufgerissenen Augen um.

Er war eingeschlossen. Nun streckten sie ihre dünnen Hände aus und ihre Gesichter verzehrten sich zu gehässigen, abscheulichen Monstern. Er hörte ihre boshaften Schreie, ihr Gekicher. Die Schwarzen Augen blickten ihn hämisch an, durchblickten seine Seele.

Schnell türmten sie sich vor ihm auf, schossen auf Daramos zu, schienen ihn völlig zu umschließen. Heiße Tränen liefen ihm von dem Gesicht und er schrie, schrie so laut er konnte.

Dann sank er auf die Knie und ergab sich der Dunkelheit, verlassen, gebrochen, aufgegeben. Doch plötzlich erschien ein heller Stern, der schnell zu einer gewaltigen Lichtflut anschwoll. Sie richtete sich auf ihn und fegte die Schatten beiseite, die sich vor Schmerzen krümmten und zurückwichen.

„Hast du so wenig Vertrauen zu mir, Daramos?“, sprach eine helle Frauenstimme ohne jeden Vorwurf. Sie klang eher erheitert.

Schwer atmend blickte sich der Knabe um.

„Wer bist du?“, fragte er das Licht.

Sie lachte glockenhell und begann von neuem leise zu singen.

Daramos stand auf und eilte dem Weg aus Licht herauf. Bald ließ er das dunkle Meer hinter sich und stand vor dornigen Gewächsen und Sträuchern.

Ohne Furcht sich zu verletzten und von dem lieblichen Gesang angelockt griff er hinein und kämpfte sich durch das Geäst.

Die Stimme wurde lauter und klarer, dennoch vermochte er den Sinn ihrer Worte nicht zu verstehen. Immer dichter stellten sich die Pflanzen ihm in den Weg, aber er schritt ohne Unterlass hindurch. Dann befand er sich vor einem Brunnen, der auf einer Waldlichtung stand. Er war wunderschön mit steinernen Vögel verziert, so winzig und fein, das Daramos fast glaubte, dass sich ihre marmorweißen Flügel bewegten. Rote Schwingen stießen zu beiden Seiten in die Höhe und umsäumten den Brunnen mit den feurigen Federn. Hunderte tanzende Waldlichter flogen um ihn herum und tauchten ihn in ein gleißendes Licht. In seinem Wasser stand eine Frau mit langen, weichen Haaren, die so weiß wie frischer, unberührter Schnee waren. Das Mädchen dagegen war fein und wunderschön und so anmutig, als wäre sie aus dem selben Marmor gehauen wie die zierlichen Vögel am Brunnenrand. Sie war gänzlich nackt, nur das Wasser benetzte hier und da ihre zarte Haut wie Tau. Ihre Augen funkelten in einem so flammenden Rot, dass sie aussahen als würde in ihnen ein lebendiges Feuer brennen. Sie erhob die Arme, sang weiter und lächelte ihn an.
 

Das Licht der Freien

Nur Silber reiner glänzt

Nur der Schimmer weilen

Weil's keiner mehr erkennt
 

Leise bebt mein Leben

Nur jeder Schritt allein

Alles dafür hergegeben

Nur um frei zu sein
 

Doch dunkel dann umfängt

Den Funken mit sich ein

In der Schlinge hängt

Wird wahrlich Schatten sein
 

Sie schloss die Augen und wiegte ein wenig ihren Kopf hin und her und summte dabei die Melodie. Sie wirkte ein wenig wie ein kleines Mädchen, obwohl ihr Körper der einer Frau war.

„Das Lied ist wunderschön“, sagte Daramos.

„Danke. Ich habe es für dich geschrieben“, sprach sie und kicherte leise.

Verwundert sah er sie an. Ihr Stimme zog ihn in ihren Bann, ohne zu wissen warum. Sie war wie ein erster warmer Sonnenstrahl nach einem unendlich langen Winter.

„Was bedeutet es?“, fragte er.

„Was?“, erklang ihre helle Stimme.

„Das Lied. Ich verstehe es nicht.“

Wieder lachte sie leise.

„Du wirst es wissen, Daramos. Du wirst es sehen, es hören und es begreifen. Aber bis es soweit ist, wirst du suchen.“

„W-Was soll ich suchen?“, stotterte der Junge. Sie schien nur in Rätseln zu sprechen und leise ob seiner Verständnislosigkeit zu lachen.

„Mich, natürlich“, flüsterte sie.

„Aber wie?“, fragte er verzweifelt.

Sie kicherte munter und hob die Hände.

„Verschließe deine Augen vor der blinden Wut. Die Verdorbene wird dein Jäger sein. Im einst reinen Blut wirst du mehr Wahrheit finden als in den Worten deiner Vertrauten. Suche mich und ich befreie dich von den Ketten“

Daramos sagte nichts mehr. Es gab auch nichts mehr, was er hätte mehr sagen können. So sang sie weiter ihr Lied und Daramos stimmte mit ein. Gemeinsam sangen sie dem Tag entgegen, der Daramos aus seinen Träumen reißen sollte.

Mit Ketten und Klingen

Kapitel 3: Mit Klingen und Ketten
 

Hinter der kühlen Stille

Trägt sein finstrer Wille

An einem schweren Tuch

Und am Leben noch genug
 

(Ballade des aschgrauen Herolds)
 

Die Dämmerung lag wie ein leuchtender Nebel auf den Baumkronen der Wälder und filterte das Licht wie ein Sieb. Ab und zu hörte man ein Knistern oder ein Säuseln verschiedener Bewohner wie das der Moosmännlein und Schradgeister. Wenn man gut aufpasste, konnte man sogar ein kleines Waldlicht wie einen schwebenden Nachtschein um die Stämme kreisen sehen. Doch je stärker sich das Dämmerlicht durchsetzte, umso stärker vertrieben es die Schatten der Nacht in die Dunkelheit der dichten Wälder. Die Traumfeder huschte dagegen weiter auf ihrem Weg dahin, so geisterhaft und still dass sie mit der ruhigen Einsamkeit des frühen morgens regelrecht verschmolz.

Nathaniel hatte sich mittlerweile zu seinem Fahrer auf den Fuhrbock gesellt, schwieg aber eisern vor sich hin. Den Arm auf die Knie und das Gesicht auf die Handfläche gestützt saß er dort unbeweglich und starrte zwischen die nebeligen Baumstämme. Seine Gedanken waren dem Tau auf den Gräsern gleich: Ruhig und träge und vor allem ohne erkennbare Richtung. Der Gelehrte schielte schließlich über die Brillengläser zu Waktu hin, der ebenso wie er einen durchaus desinteressierten Eindruck machte. Der junge Fahrer schien wie hypnotisiert geradeaus in die Leere zu blicken, ohne ein einziges Mal mit den Augen zu zucken. So wie er sich benahm wirkte er durchaus ein wenig unheimlich, mehr ein Geist als Mensch, doch der Alchemist war diesen Anblick schon längst gewohnt.

„Was glaubst du wie lange es dauert, bis unser kleiner Freund in der Traumfeder erwacht?“, fragte Nathaniel schließlich den Fahrer, nur um endlich die Stille um sie herum zu brechen. Doch seine Worte schienen sich einfach zu verlaufen und erst nach einer Weile zu Waktu zu durchzudringen. Der junge Mann bewegte wie eine Marionette seinen Kopf zur Seite und blickte den Alchemisten aus großen, traurigen Augen an.

„Ich weiß nicht“, sprach er sehr leise und langsam als wolle er jedes Wort auseinander ziehen, „Vielleicht habt ihr zuviel Dämonenblut verwendet. Selbst er könnte Schäden bei so einer großen Menge davontragen.“

Der Alchemist rümpfte sofort die Nase und verschränkte die Arme. Wenn es eines gab, dass er nicht leiden konnte, dann war es Kritik an ihm, selbst wenn sie stimmen mochte.

„Ach, was. Der Junge kann mehr als das vertragen. Ich hab genug Studien seiner Art herangezogen, um mir ein Urteil bilden zu können“, sagte er abweisend und rückte sich die Brille zurecht.

„Seiner Art?“, fragte die leise Stimme Waktus nach. Er legte dabei seinen Kopf so schräg wie ein Hund der um Essen bettelte.

„Schon gut. Nichts was in deinem Interesse liegt, Waktu“, meinte Nathaniel schließlich und hob die Hand. Der Fahrer nickte langsam und blickte wieder geradeaus auf den Weg.

„Wie… kalt“, murmelte er dann leise. Der Alchemist dagegen zog die Stirn kraus und stürzte die Lippen. Von Ungeduld ergriffen schwang sich der Gelehrte schließlich vom Fuhrbock, strich sich über den Gehrock und lief zur Tür der Traumfeder. Er war mittlerweile der Meinung, genug auf den jungen Fänger gewartet zu haben. Daramos sollte sich nun mehr als reichlich von den Strapazen erholt haben, die der Alchemist ihm den Tag zuvor zugemutet hatte. Rasch legte Nathaniel seine Hand um den Griff der Kutsche, doch zum Öffnen kam er dann gar nicht mehr.

Sofort kam ihm die Tür schwungvoll entgegen und riss ihn kurzerhand von der Traumfeder weg. Völlig überwältigt fiel er zu Boden und landete unsanft im matschigen Dreck.

„DU!“, hörte er dann eine bekannte Stimme brüllen. Verwirrt blickte der Alchemist hoch und sah Daramos schnaufend wie ein Stier in der offenen Tür stehen.

„Du scheinst dich ja prächtig erholt zu haben“, meinte Nathaniel ironisch und versuchte sich wieder aufzurichten, „Ich hab mir schon Sorgen gemacht.“

Der junge Fänger sprang just wie ein jagender Wolf aus der Kutsche heraus und schnappte sich den älteren Alchemisten beim Kragen. Nathaniel wäre vor Schreck zurückgewichen, wenn ihn der Junge nicht wie einen Kartoffelsack umherschüttelte.

„Ich wusste ja gleich, dass man euch ketzerischen Ratten nicht trauen darf“, knurrte er wütend, „Was habt ihr da mit mir angestellt?“

„Nun beruhig dich mal wieder, du bist ja völlig von Sinnen“, meinte der Gelehrte sanft und hob beschwichtigend seine Hände. Doch diesmal schien die erhabene Stimme Nathaniels keine Wirkung auf den jungen Mann zu haben.

„Sagt mir nicht was ich tun soll! Ich war lang genug mit eurer Art höflich, Zauberer. Aber ihr werdet mich nicht länger an der Nase herumführen“, rief der aufgebrachte Junge zornig und krallte sich noch etwas fester in die Kleidung seines Gegenübers. Auch wenn Nathaniel einen Kopf größer war als der Fänger, so war er doch immer noch ein fähiger und ausgebildeter Krieger. Ein Umstand, den man rasch vergaß, wenn man sein Alter betrachtete.

„Ah? Ist das so?“, fragte der Gelehrte lächelnd nach und hob eine Augenbraue an, „Es wäre mir entgangen, dass wir euch überhaupt belogen hätten.“

„Eure Worte sind die einer Schlange!“, meinte Daramos verbissen, „Aber seid versichert, ich falle nicht noch mal auf eure magischen Tricks herein.“

Nathaniel lächelte milde und lachte leise.

„Ich brauche nicht einmal Magie um dich in deine Schranken zu weisen“, hauchte er ihm drohend zu. Bevor sich der Fänger überhaupt der Bedeutung dieser Worte bewusst wurde, schlug der Alchemist seine Hände beiseite und stieß ihn von sich. Einige Schritte taumelte der Junge überrascht zurück, fing sich aber sogleich wieder und zog seinen Dolch aus dem Gürtel. Doch er kam schon gar nicht mehr dazu ihn zu benutzen. Wie ein Hammerschlag traf ihn der Fuß des Gelehrten direkt auf die Brust und ließ ihn wie eine fadenlose Puppe gegen die Traumfeder knallen.

Keuchend blieb er auf der Erde liege, ringend nach Atem wie ein Fisch an Land, während sich seine Lungen so anfühlten als wären sie von zwei Ochsen zusammen gedrückt worden.

„Elender Mistkerl“, raunte der junge Mann mit vor Schmerz verzogenem Gesicht und blickte dem gehässig lächelnden Nathaniel hasserfüllt entgegen. Rasch stieß er sich wieder vom Boden ab um sich auf den Gelehrten zu stürzen, doch der Stoß mit seiner Klinge glitt ins Leere als dieser geschwind auswich. Wie zuvor konnte der junge Fänger kaum mitverfolgen was geschah, als der Alchemist sein Handgelenk packte und ihm mit festem Druck den Dolch aus den Fingern wand. Sogleich darauf versetzte er ihm erneut ein Schlag auf die Brust, doch diesmal war es dessen Ellbogen, der sich einen Moment lang in seine Lungenflügel presste. Mit einem lauten, erstickenden Keuchen brach der Fänger zusammen, die Augen weit vor Überraschung und Schmerz aufgerissen. Die Welt um ihn herum verschwand just unter einem undurchsichtigen Schleier, während ihn die Kraft in den Beinen verließ, fast als sei sie mit dem letzten Keuchen aus ihm heraus gewichen. Schließlich gaben sie dem Gewicht seines Körpers nach, der schwer wie Stein zu Boden stürzte und sich mit einem lauten Platschen im Schlamm wieder fand. Stöhnend und Ächzend presste er die Augen zusammen und legte eine Hand auf seine pochende Brust, die sich immer noch so anfühlte als trüge er ein großes, erdrückendes Gewicht auf derselben.

„Du hast noch eine ganze Menge zu lernen, junger Fänger. Du bist kein bisschen wie dein Vater. Wenn er sauer auf mich war, konnte er mich zumindest auch einmal ins Gesicht schlagen“, hörte er die Stimme Nathaniels, die nur unwirklich und dumpf zu ihm durchdrang.

Mit einem lauten, platschenden Geräusch verteilte sich eine Handvoll Matsch in dem Gesicht des feinen Gelehrten.

„Treffer!“, krächzte Daramos zufrieden und ließ seine Hand wieder allmählich sinken. Nathaniel dagegen wirkte etwas überrumpelt, doch der Ärger setzte sich nach und nach auf seinem Gesicht durch. Mit mühsam unterdrücktem Zorn wischte er sich den Schlamm mit dem Handrücken von den Backen und betrachtete den Jungen mit einem abschätzigen Blick. Zwar öffnete er seinen Mund für eine Schelte, doch anstatt ihn wütend anzufahren, beließ er es schließlich in einem genervten Seufzen.

„Ich korrigiere mich: Du bist deinem Vater sehr ähnlich“, sagte er dann kopfschüttelnd und stieg über den im Schlamm liegenden Jungen wie über eine dreckige Pfütze weg. Daramos lächelte jedoch leicht über diese letzte Anmerkung und versuchte sich ebenfalls wieder aufzurichten, auch wenn seine Brust immer noch höllisch brannte. Nathaniel machte zwar keine Anstalten ihm zu helfen, doch hielt er die Tür zur Traumfeder einladend offen.

„Glaubt ihr etwa…“, begann der düster dreinblickende Fänger mit gebrochener Stimme langsam, „… dass ich hiernach noch das Bedürfnis spüre mit euch zu reisen?“

Offenbar amüsierte seine Aussage den Gelehrten, denn er schmunzelte breit als hätte er einen köstlichen Witz erzählt.

„Natürlich glaube ich das, junger Herr“, meinte er noch, während er ein besticktes Taschentuch aus seinem Gehrock zog und sich das Gesicht säuberte. Mürrisch stürzte Daramos die Lippen und brummte etwas unverständliches, ehe er nach dem „Warum?“ fragte.

„Ganz einfach: Ihr seid der Sohn von Rokar“, antwortete Nathaniel und deutete dabei eine kleine Verbeugung, ehe er selbst die kleinen Stufen zur Traumfeder bestieg und im Inneren verschwand. Daramos zögerte einen Moment, doch er folgte ihm wie den Tag zuvor, auch wenn er nach wie vor wütend war. Allerdings war es keine Wut, dass ihn Nathaniel derart zugerichtet hatte, vielmehr weil dieser Gelehrte Recht behalten würde. Natürlich könnte Daramos jetzt nicht gehen. Er konnte nicht, auch wenn ihm der Alchemist zuwider war. Wenn sein Vater Tha’Rakan wirklich gedient hatte, musste er es in Erfahrung bringen und durfte nicht einfach wegrennen. Für ihn war das mehr als eine Sache des persönlichen Stolzes, es galt den Ruhm seines Blutes und seiner Ahnen zu verteidigen. Nathaniel wusste genau wie wichtig derartige Angelegenheiten für die großen Familienhäuser in Assyrál waren und das Geschlecht von Rokar gehörte ohne weiteres dazu.

„Ihr seid eine Schlange. Eine hinterlistige, verruchte, kriechende Schlange“, beleidigte Daramos den Alchemisten als dieser ebenfalls widerwillig in die Traumfeder stieg und die Tür hinter sich schloss. Gleich darauf setzte sich das magische Gefährt wieder in Bewegung. Mit einem triumphierenden Lächeln überhörte Nathaniel dann einfach die spitzen Worte und bot dem verdreckten Jungen ein weiteres, blütenweißes Taschentuch an.

„Verdreck mir ja nicht die Sitze hier, meine Traumfeder ist kostbar“, sagte er dann und polierte seine Brille kurz mit einem Zipfel seines Rocks.

„Ihr beherrscht die Kampfkunst. Wo lernen Zauberer so etwas?“, fragte der Fänger, während er sich allmählich den Dreck von der Nase wischte. Der Alchemist lächelte erneut. Scheinbar hatte er Spaß daran, dass ihm der junge Mann viele Fragen stellte.

„Was denkst du denn? Als wandernder Magier muss man sich der einen oder anderen Gefahr stellen. Diese Welt ist nur noch ein Schatten ihrer einstigen Form. Wo früher Magier noch große Helfer und Richter waren, sind die heutigen Abkömmlinge der Kunst Mordinstrumente. Nichts weiter“, sagte er und wandte sich von Daramos ab als hätte er plötzlich sein Interesse an ihm verloren. Der junge Fänger dagegen zeigte sich deutlich überrascht.

Mordinstrumente? Hatte der Zauberer gerade seine eigene Zunft Mörder genannt?

„Erzählt mir von den alten Magiern“, fragte der Junge deutlich freundlicher als zuvor. Nun war es Nathaniel, der von der Reaktion des Fängers verblüfft war.

„Zur Zeit als diese Welt noch von den göttlichen Kindern bewohnt wurde, hielten sie die Macht der vier Elemente in ihren Händen. Jene gesegneten Gotteskinder waren die ersten Magier, große Weisen, die das Land, das die Götter ihnen geschenkt hatten, mit großer Umsicht gerecht verwalteten. Sie kontrollierten die Winde und den Himmel, die Erde und das Gestein, die Glut und die Flammen und auch die See und das Wasser. Ihnen gehorchte die ganze Welt und sie nutzten diese Kraft zum Wohle aller Wesen und Kreaturen“, sagte Nathaniel ein wenig melancholisch als würde sich zum ersten mal ein Hauch Trauer in seine sanfte Stimme schleichen.

„Die göttlichen Kinder! Ihr redet von den Alben“, stellte der Fänger begeistert fest, „Also Wesen wie Hauptmann Tha’Rakan. Die Barden besingen die Schönheit und Eleganz ihres Geschlechts selbst bei uns in Amunglad. Ich hab noch nie welche gesehen.“

Der Alchemist hob missmutig eine Augenbraue an und seufzte genervt. Kopfschüttelnd hob er beide Hände an und ließ sie wie eine Peitsche auf seine Schenkel knallen.

„Keinen Sinn für Geschichte, ganz wie der Vater!“, bemerkte er an, beließ es aber bei der Schelte, „Ja, Tha´Rakan ist ein Alb, ein Azurnalb um genau zu sein. Aber von der Göttlichkeit ihrer Rasse ist auch nicht mehr als die Erzählung davon übrig geblieben. Sein Volk ist alt und hat mehr gelitten unter dem Wandel dieser Welt als wir von unserem kurzen Leben erahnen könnten. Niemand sonst hat so viele Tragödien erlebt wie sie. Die Alben sind zerrissen und uneinig und somit auch nur ein Schatten ihrer einstigen Urväter.“

Etwas enttäuscht über die harten Worte des Zauberers stützte Daramos das Gesicht in seine Hände. Das war nicht ganz das, wovon die Barden immer erzählt hatten.

„Warum gibt es dann keiner dieser alten Alben-Magier mehr?“, fragte er bedrückt nach, allerdings brauchte Nathaniel diesmal eine Weile, bevor er ihm antwortete. Lieber starrte er einen Moment in die blaue, leuchtende Kugel an der Decke als wäre er eine Motte, die nach Licht sucht. Schließlich blickte er aber wieder den jungen Mann an, um ihm auch zu antworten.

„Es gibt keine mehr. Weder sie noch die Magie, die sie gebrauchten haben, hat die Zeit der Stille überlebt.“

Daramos stutzte.

„Moment“, rief er verwundert, „Aber wenn die Magie die Zeit der Stille nicht überdauerte, woher beherrschen dann die Zauberer…“

„Ihr solltet Zuhören lernen, junger Herr“, fuhr ihm der Alchemist dazwischen, „Ich erwähnte, dass die Magie verloren ging, die die alten Alben damals gebrauchten. Unsere Art der Zauberkunst ist eine andere. Als sich unsere Welt dem Wandel der Dämonen unterzog, war es das ersten Mal an der Zeit, dass die Urväter ihre Macht als Waffe gebrauchten, um sich und ihr Volk zu verteidigen.“

„Soll das heißen, nie zuvor hat man die Magie…“, fragte Daramos erstaunt, wurde aber wie so oft erneut von dem Zauberer unterbrochen.

„… niemals destruktiv eingesetzt. Genau. Die Magie war eine urgewaltige Kraft, die Leben spendete und sie im Gleichgewicht hielt. An eine zerstörende Macht hätte niemand gedacht, geschweige denn versucht sie einzusetzen“, fuhrt der Gelehrte mit größerem Eifer fort als er bemerkte, dass er offenbar einen nun doch willigen Zuhörer fand, „Aber als die dunklen Seelen der Dämonen nach den Kindern der Götter griffen, veränderten sie ihr Wesen für alle Zeit. Die einst friedfertigen Wesen spürten das erste Mal Angst. Und aus ihrer Furcht heraus, wurden sie zornig, verbittert, aggressiv. Und als der erste Magier einen Dämonen mit seiner Macht niederstreckte, öffnete er sein Herz vollkommen dem, was wir die ‚Schwarze Seele’ nennen. Von nun an ließen sie sich auch von anderen Gefühlen leiten, vor denen die Götter sie hatten bewahren wollten. Hass, Trauer, Furcht.“

„Die Kinder der Götter wurden sterblich“, mutmaßte Daramos an. Der Gelehrte nickte eifrig.

„Wir Menschen wurden seit Anbeginn der Zeit mit der Schwarzen Seele geboren, doch es waren die Alben, die zuließen, dass sich die Dämonen in uns allen einnisteten. Sie waren es auch, die die Zeit der Stille einläuteten, die die Welt von Grund auf veränderte.“

„Was geschah mit der Magie?“

Nathaniel seufzte kurz, zeigte aber dann der Abwechslung halber ein schiefes, wenn auch trauriges Lächeln.

„Ein düsteres Thema, mein junger Freund. Aber wenn ihr es genau wissen wollt: In der Zeit der Stille war kein Platz mehr für Aufbau und Frieden. Die Magie wurde dazu benutzt um zu Töten, auch wenn die Narren nie begriffen, dass sie mit jedem getöteten Dämonen ihnen nur noch ähnlicher wurden. Nur die Zauber, die sich für den Angriff eigneten überlebten diese Zeit, alle anderen wurden niemals an eine neue Generation Zauberer weitergegeben. Die hohe Kunst des Feuers wurde zu dem, was wir heute als ‚Blutmagie’ kennen. Die heilenden Kräfte des Wassers gefroren zu Eis und Kälte, die Magie der Luft ballte sich zum Zorn der Gewitter und Donner. Nur die Jünger der sanften Erde weigerten sich ihre Leben spendende Kraft zu einem Mordinstrument zu verzerren.“

„Was geschah mit ihnen?“

„Sie starben. Allesamt“, sagte der Zauberer knapp und machte mit einer Handbewegung deutlich, dass er genug von dem Thema hatte. Der junge Fänger jedoch konnte das Erzählte nicht so einfach beenden, zumindest nicht in seinem Kopf. Etwas angeschlagen lehnte er sich auf seinem Sitz zurück und starrte nun seinerseits in die gläserne Kugel an der Decke, dessen blaue Flüssigkeit immer noch vor sich hin schimmerte.

‚Eine merkwürdige Fabel’, dachte Daramos bei sich und runzelte nachdenklich die Stirn. Er versuchte sich vorzustellen wie es wohl wäre in einer Welt zu leben, in der es keine Gefühle wie Neid, Angst, Sorge oder Trauer gäbe, doch wirklich greifbar war die Vorstellung nicht. Selbst wenn Frieden herrschte zankten sich doch die Menschen um Nichtigkeiten, tuschelten hinter Zaun und Tor böse Geschichten oder sorgten sich um ihr Hab und Gut. Je mehr er versuchte all diese Eigenschaften auszublenden, umso schwieriger war es ihm, sich ein Bild zu machen von der Zeit vor der Stille.

“Ihr Zauberer erzählt euch schon komische Geschichten“, sagte er schließlich laut und blickte sein Gegenüber mit einem schelmischen Lächeln an, „Das sind doch alles nur alte Märchen. Ich bezweifele, dass es so was wie allmächtige Magier gegeben haben sollte, die über alle Elemente herrschten. Sonst hätten sie ja die Dämonen vertreiben können.“

Mit einem speigiftigen Blick sah ihn Nathaniel an, die Hände einen Moment bebend vor Zorn, doch der Gelehrte versuchte sich rasch wieder zu beruhigen. Daher ließ er sich einen Moment Zeit, ehe er Daramos eines weiteren Wortes würdigte.

„Findet ihr, ja?“, zischte er leise, „Dann werde ich meine ‚komischen Geschichten’ wohl besser für mich behalten, junger Herr.“

Damit wandte sich der Zauberer der Wand zu und schwieg.

Der junge Fänger drückte sich überrascht von dem plötzlichen Ausbruch des Gelehrten in den Sitz der Kutsche und schaute ihn einen Moment betroffen an. Obwohl sein Gewissen ihn drängte, sich für seine Frechheit zu entschuldigen, siegte doch der Stolz des Jungen über sein Verhalten. Daher täuschte er anstatt einer aufrichtigen Entschuldigung, lieber eine gelassene Gleichgültigkeit vor. Nun, da sie beide sich nichts mehr zu sagen hatten, herrschte eine unangenehme Stille in der Traumfeder. So blieb es auch bis sich die Sonne ganz über den Horizont erstreckte und sich die Kutsche weiter der Hauptstadt des Königreichs näherte.
 

Aus der Langeweile oder der Einsamkeit wegen und nachdem Nathaniel sich wieder zu Waktu auf dem Fuhrbock gesellt hatte, hatte die Müdigkeit Daramos die Zeit vertrieben und verführte ihn zu einem kurzen, wenn auch ungemütlichem Schlaf. So allein seinen Gedanken und Überlegungen preisgegeben, fing in der Stille an, jedes noch so leise Geräusch sich wie das Ticken einer Uhr systematisch in sein Gedächtnis zu brennen. Das Klimpern der vielen, kleinen Flaschen im Schränkchen, die in der sanften Bewegung der Traumfeder ihre gläsernen Bäuche aneinander schlugen, das Plätschern der ihm nach wie vor unbekannten, bläulichen Flüssigkeit an der Decke, das Knarzen des stämmigen Holzes und das Geklapper der Kutschentür, die im Wind sich einen spaltbreit öffnete, um gleichauf wieder gegen den Rahmen zu schlagen. Ab und zu hörte man durch das dicke Holz das dumpfe Gemurmel von Nathaniel, der sich offenbar manchmal mit seinem Fahrer unterhielt. Die Antwort Waktus war nie zu hören, dafür war sie offenbar viel zu leise oder er antwortete schlichtweg nie. So schlug er schließlich Stunde um Stunde die Zeit mit Nichts tun tot und hoffte auf eine baldige Ankunft in Garandír.

Nach einiger Zeit schließlich kam die Traumfeder mit einem jähen Ruck endlich zum Stillstand. Von Hoffnung erwacht, stützte sich Daramos sofort eifrig von seinem Sitz und lauschte. Doch die Stimme des Alchemisten war nicht zu hören als ob der plötzliche Halt nichts zu bedeuten hätte. Das einzige was er vernehmen konnte war ein leises Rasseln. Was das wohl zu bedeuten hatte?

Der junge Fänger verbrachte schließlich noch einige Minuten still, in der Hoffnung man würde ihn endlich bescheid geben, dass man angekommen wäre, doch die Zeit gab seiner Ungeduld Sekunde um Sekunde neues Futter. Als diese am Ende noch stärker wurde, rutschte er etwas auf seinem Sitz hin und her als würde er auf glühenden Kohlen sitzen.

„Mir reicht’s“, kommentierte er lautstark sein Tun und stand auf. Mit einem Schwung öffnete er die Tür und streckte den Kopf aus der Kutsche, um sich umzublicken. Verblüfft stellte er fest, dass sie sich immer noch im Lichterwald befanden, weiterhin von Strauch und Baum umzingelt.

„Hey! Zauberer?“, rief er den Fuhrbock hinauf. Keine Antwort. Doch da erklang wieder dieses merkwürdige Rasseln.

„Hallo?“, fragte er deutlich lauter und nachdrücklicher nach.

„Hallo!“, rief lachend eine unbekannte, kratzende Stimme. Blitzschnell beugte sich eine fremde Gestalt von der Kutsche herunter, sodass Daramos erschrocken zusammenzuckte und wieder in die Traumfeder zurückstolperte. Unsanft landete er gegen das Schränkchen auf dem Boden und blickte halb erstaunt halb unsicher zu dem Fremden, der auf dem Dach der Kutsche saß und kopfüber grinsend in den Innenraum der Traumfeder blickte. Von seinem Haupt hing das lange, schwarze Haar struppig und wild wie ein Gewächs herunter und verdeckte die Tür teilweise wie ein zerfilzter Schleier. Der Fremde selbst sah recht ungewaschen und verwahrlost aus, seine Gesichtszüge jedoch waren sehr scharf geschnitten und erinnerten ihn mehr an ein Raubtier als an einen Menschen. Auch seine fast katzenartigen Augen erstrahlten in einem ungewöhnlichen hellen rot, fast wie eine brennende Kerze. Das breite Grinsen des Unbekannten entblößte dazu auch noch eine Reihe spitzer Zähne, deren Anblick Daramos nun endgültig den Atem raubte. Was zur Hölle war das?

„Oh? Hab ich dich erschreckt?“, meinte er kichernd und drehte den Kopf zur Seite, was zur Folge hatte, dass wilder Haarwuchs noch mehr von dem Licht draußen schluckte. Seine Stimme hatte etwas sehr kratzendes an sich, fast als würden Krallen über Stein schaben.

„Naja, soll vorkommen. Mein Anblick ist ja nicht jeder gewohnt“, stellte er dann amüsiert fest, hob den Kopf schließlich an und war rasch wieder auf dem Dach des Wagens verschwunden. Mit einem starken Poltern und heftigem Rasseln sprang er schließlich von der Traumfeder ab und landete genau vor der Tür, aus der immer noch erstarrte Daramos einen ungläubigen Blick nach draußen warf. Der Fremde richtete sich dagegen ganz gelassen auf und streifte etwas Dreck von seinem langen, schwarzen Mantel. Auch sonst hatte er feste, schwarze Handschuhe und Stiefel an, solche wie sie wohl die Wildjäger gerne trugen. Auch der ebenfalls schwarze, breit gekrempelte Wanderhut, den er in seinen Händen von Schmutz ausklopfte, passte zu diesem Eindruck. Zudem wurde auch Daramos ersichtlich was das Rasseln vorher verursacht hatte. Der Unbekannte trug lange Eisenketten um seinen Hals, die Hüfte und sein Handgelenk, fast als hätte man ihn aus einem Kerker freigelassen und vergessen die Fesseln abzunehmen. Nicht weniger auffällig war seine stattliche Körpergröße, mindestens genauso groß wie Nathaniel, wenn nicht sogar größer.

Weiterhin von dem Anblick und dem plötzlichem Auftauchen des wilden Mannes erschrocken, schluckte Daramos seine Angst herunter und richtete sich zaghaft auf. Einen Moment dachte er darüber nach was wohl zu tun war und wie er reagieren sollte. Vielleicht war es nur ein weiterer komischer Bekannte des Zauberers. Schließlich entschied sich der Fänger zu der einzig logischen Reaktion, die ihm einfiel.

„Wer sind sie?“

Der Fremde, der immer noch ihm den Rücken zugewandt hatte und seinen Hut ausklopfte, wandte sich ihm gleich zu und zeigte ein schelmisches Lächeln.

„Schadara' eth Dekart, mein Junge. Aber meine Freunde dürfen mich ‚Schadrat’ nennen“, hauchte er freundlich zu, auch wenn seine roten Katzenaugen ihn derart hämisch anstarrten als wäre er eine besonders leckere Maus. Daramos fühlte sich derart unangenehm in seiner jetzigen Lage, dass er doch lieber noch ein paar Schritte zurückwich und mit den Beinen gegen das Schränkchen knallte. Der Fremde nutzte die Gelegenheit und beugte sich selbst dafür ein wenig mehr in die Tür und trat mit seinen festen Stiefeln mit einem hörbaren Knall auf die Schwelle der Kutsche. Lässig lehnte er sich mit einem Ellbogen auf den Schenkel und stützte das Gesicht mit der Faust ab, Daramos immer noch fest im Blick.

Gerade wollte der Fänger eine weitere Frage stellen, bevor ihn ein erneuter Schreck die Sprache verschlag. Ein Detail schien er bei dem Fremden durch den wilden Haarwuchs bisher übersehen zu haben und zwar seine Ohren. Diese standen spitz, aufrecht und pelzig auf seinem Kopf wie bei einem Tier.

„Was zum…?“, keuchte Daramos als er diesem Anblick gewahr wurde. Schadrat dagegen grinste breiter und ließ seine tierischen Ohren kurz zucken.

„Interessant, nicht wahr? So etwas hat nicht jeder“, gab er zu und kicherte hämisch als hätte er besonderen Spaß an dieser Situation. Sogleich setzte er sich jedoch den Hut auf und verdeckte den Grund von Daramos’ Erstaunen unter dickem Filz.

„Gefällt dir die Jägerkleidung?“, fragte er lächelnd und hob fragend eine Augenbraue, „Also mir gefällt sie wunderbar. Sie passt auch gut, sehr gut sogar. Du musst wissen, ich bin auch ein Jäger. Nicht gerade für Reh und Kaninchen, nein, dafür wäre ich doch sehr unterfordert. Meine Art der Beute ist eine ganz andere.“

Mit den letzten Worten fixierte er Daramos mit seinen roten Augen wie mit zwei Nadeln an die Wand. Dieser, unfähig sich zu rühren oder weiter zurück zu weichen, versuchte sich an die Wand zu drängen, doch Schadara kam ihm einfach näher, indem er nun vollends in die Kutsche trat.

„Kannst du dir vorstellen, welche Art der Beute ich bevorzuge?“, hauchte er vorfreudig, während er mit einer leichten Handbewegung seinen Mantel öffnete. Sogleich erstrahlte das silberne Funkeln der Messer an seinem Gürtel, in deren blank polierten Klingen Daramos sein eigenes, kreidbleiches Gesicht erkennen konnte. Die Situation voll auskosten, beugte sich der Jäger schließlich weiter zu dem Jungen herab als wollte er seine Angst ganz aus der Nähe betrachten.

„Hab keine Angst, Kleiner. Ich mache es kurz und schmerzlos“, lachte er laut, nur um wenige Sekunden später verblüfft festzustellen, dass er plötzlich Daramos’ Stiefel im Gesicht hatte. Von der Wucht des plötzlichen Angriffs überrascht, wurde der Jäger wieder aus der Traumfeder geworfen und landete mit einem lauten Scheppern auf dem Boden, während sein Hut eifrig davon flog. Fluchend warf er sich um und hielt sich das feuerrote Gesicht, von Überraschung, Schmerz und Wut verzehrt.

„Du kleine Ratte!“, zischte er böse, die Stimme bis zu Unkenntlichkeit von einem gutturalem Fauchen verzerrt. Von der gespielten Freude und Höfflichkeit war keine Spur mehr zu erkennen.

„Ich hab keine Ahnung was oder wer du bist, aber wenn du glaubst, dass ein Fänger eine leichte Beute ist, dann hast du dich getäuscht“, sprach Daramos langsam, aber drohend, während er sich aus der Tür der Kutsche beugte. Auch bei ihm war die vorherige Angst verschwunden als hätte sie der nächst beste Windhauch mitgenommen. Dafür schenkte ihm Schadara sogar ein anerkennendes, wenn auch grimmiges Lächeln.

„Ihr Fänger seid trickreich wie die Füchse in eurem Land“, zischte er.

„Dann pass mal auf, bis du mich im Kampf erlebst, Straßenkatze“, sagte der Fänger grinsend.

„Ich kann es kaum erwarten, Bursche!“, rief der Jäger drohend, sprang wieder auf die Füße und griff unter seinen Mantel. Auch Daramos nahm eine breitbeinige Kampfhaltung ein, während seine Finger blitzschnell nach seiner Waffe tasteten. Zu seiner Verwunderung brauchten sie aber eine Weile auf der Suche nach seinem Messer, bis ihm ein durchaus nicht ganz unwichtiger Umstand einfiel. Nathaniel hatte ihm seinen Dolch abgenommen.

„Mist!“, fluchte er leise. Zur Reue hatte er jedoch keine Zeit mehr. Wie eine Peitsche schlang sich eine der Eisenketten des Jägers um seinen Arm und drückten sich tief in sein Fleisch. Noch während der Fänger unter Schmerzen aufschrie, riss ihn Schadara mit einem so kräftigen Ruck von den Füßen, dass er glaubte, er würde ihm den Arm rausreißen. Hilflos wurde er sogleich durch die Luft geschleudert und knallte hart auf den Boden, einige Meter von der Traumfeder entfernt. Der grässliche Schmerz in seinem Fleisch brannte unter den eisernen Ketten heftig, trieb ihm die Tränen in die Augen, noch während er verzweifelt um Luft rang. Doch zumindest ließ der kalte Stahl seinen Arm bald los, als Schadara die Ketten von ihm löste und sie wieder erneut um sein Handgelenk befestigte.

„Na? Was ist? Das ist erbärmlich! So macht mir das ganze gar keinen Spaß“, lachte die höhnische Stimme des Jägers, der sich dem vor Schmerz krümmenden Daramos mit großen Schritten näherte. Kurzerhand packte er ihn und riss ihn vom Boden hoch, um ihn anschließend an einen der Baumstämme zu pressen. Dort nagelte er ihn regelrecht fest, bis ihm die Luft wegblieb.

„Genug geplauscht, schließlich soll man aufhören, wenn es am schönsten ist, nicht wahr?“, raunte er ihm zu und wartete auch eine Weile auf eine Antwort. Doch alles was er zu hören bekam war das Röcheln des Jungen, der verzweifelt nach Atem rang. Schon allein dieses Geräusch ließ den Jäger zufrieden nicken.

Langsam legte er seine Hand an den kühlen Griff eines der Messer an seinem Gürtel und zog es hervor, genau auf vor das Gesicht des Fängers, damit Schadara noch ein letztes Mal dessen Angst auskosten konnte. Und diesmal war sie echt, das spürte er. Die weit aufgerissenen Augen, das Zittern seines Körpers. Wie so oft war von Stolz und Heldenmut nichts mehr zu sehen, denn im Sterben waren alle Menschen gleich, das wusste Schadara genau. Wenn sie die Furcht ergriff waren sie nicht mehr als kleine, winselnde Tiere. Nur für diesen Anblick allein zeigte er ihnen Messer, dass seine Opfer selbst im kalten Eisen ihr eigenes Ende sahen. Für den Jäger selbst, ein letzter, wundervoller Augenblick des Genusses, den er so lange auskostete wie einen guten Wein. Sanft beugte er sich vor, bis er fast die Ohren des Fängers mit seinen Lippen streifen konnte.

„Grüß deine Mutter von mir, wenn du ihr in der Hölle begegnest, Daramos“, wisperte er leise, doch ob der Junge seine Worte überhaupt noch wahrnahm, interessierte ihn schon nicht mehr.

Sofort ließ er das Messer sinken und stach mit einem kräftigen Stoß zu. Im Schreck seines letzten Augenblicks, schloss Daramos panisch die Augen und zuckte zusammen als ein metallenes Klingen wie ein Echo über den Wald niederhalte.

Zwei, drei Momente geschah nichts als sei selbst die Welt um ihn erstorben und ihm zu Grabe geworden. Doch kein Schmerz erfüllte ihn, obwohl er deutlich das kalte Metall einer Klinge an seinem Körper fühlte. Vorsichtig öffnete der Fänger die Augen und erblickte Schadaras Gesicht, dass von einer Mischung aus Enttäuschung und Überraschung beherrscht wurde. Zwischen ihm und dem Messer des Jägers war wie aus dem Nichts die Klinge eines Rapiers aufgetaucht, die sich schützend vor Daramos erhob und an dessen Ende sich Waktus Hand legte. Nathaniels Fuhrmann stand immer noch mit erhobener Klinge da und musterte Schadara mit einem nahezu gleichgültigen Blick. So verharrten sie einige Momente, erstarrt von diesem Augenblick, ohne dass einer von ihnen auch nur einen Muskel rührte. Doch auch wenn dieser Moment zäh wie Schlamm in einer Sanduhr verstrich, so urplötzlich riss sich Waktu jäh aus dieser Starre los. In Sekunden schnellte sein Arm vor und schlug nach dem Jäger, der durch einen flinken Sprung sich seinem Angriff entzog. Wie ein Tier drängte er sich an die Traumfeder und ließ ein lautes Fauchen vernehmen.

Auch Daramos löste sich aus seiner Starre, doch er sank halb erleichtert halb erschöpft an dem Baumstamm herunter und wusste zunächst nicht ob er lachen oder heulen sollte. Für wenige Augenblicke, sei es auch nur Sekunden gewesen, hatte er leibhaftig dem Tod in die Augen geblickt. Die Furcht, so stark und heftig wie noch nie in seinem Leben, hatte sich wie ein Brandmahl in sein Herz gesetzt und ließ ihn jetzt noch verstört zittern. Kraftlos sah er zu seinem Retter hoch, der auch in dieser Situation genauso unbeteiligt wirkte wie zuvor. Doch Waktu hatte den schwarzen Umhang, den er noch auf den Fuhrbock getragen hatte, abgelegt und darunter zeigte sich die Tracht eines Zauberers wie sie Daramos schon einmal gesehen hatte. Es war ein langer, nachtblauer Mantel aus festem Filz, dazu hautenge Stiefel bis zu den Knien, die mit einigen silbernen Schnallen verziert waren. Um die Hände trug er dünne, weiße Stoffhandschuhe und ein ebenso weißes Hemd mit einem weiten Kragen unter dem Mantel, der ihm bis zum Kinn zugeknöpft war als hätte er Furcht auch nur mehr Haut zeigen zu müssen als notwendig war. Zu seiner Seite ragte die Scheide seines langen Rapiers unter dem blauen Filz hervor und zeugte von einer kunstvollen Verzierung aus Gold und Silber. Die Waffe selbst richtete der Fuhrmann drohend auf Schadara, die stolz im Sonnenlicht glänzte. Auch das Rapier war allein ein beeindruckender Anblick. Der Griff aus reinem Silber, räkelte sich ein Handschutz in Form einer vierflügeligen Eule über die Finger des Trägers. Der lange goldene Federschweif des Tieres schlang sich um eine feine Uhr, die in der Mitte des Handschutzes eingelassen war und mit einem leisen, aber beständigen Ticken auf sich aufmerksam machte.

So wie der junge Fuhrmann dastand, wirkte er trotz seines regungslosen Gesichts wie echter Krieger, die Klinge zum Kampf bereit. Nur kurz blickte er über die Schulter zu Daramos, seine blauen Augen von seiner immerwährenden Traurigkeit umhüllt. Die schwarz gefärbte Haut um sein linkes Auge, fröstelte Daramos nach wie vor, selbst jetzt, wo der schweigsame Mann sein Lebensretter geworden war.

Langsam senkte der Fänger den Blick als ihn zu seinem Elend auch der Neid ins Herz stach. Waktu schien nicht viel älter als er, wenn nicht gar jünger und doch strahlte er trotz aller Melancholie eine Art der Kraft aus wie es sich Daramos nur hätte wünschen können.

„Danke dir“, flüsterte er kaum hörbar, doch der junge Fuhrmann nickte als Zeichen des Verstehens langsam und wandte sich sogleich wieder seinem Gegner zu.

„Nicht schlecht, nicht schlecht. Da hast du aber einiges dazugelernt, seit unserem letzten Treffen, Waktu“, rief Schadara schließlich und stemmte die Hände in die Hüfte. Offenbar hatte er die Enttäuschung sein Opfer verloren zu haben überwunden und präsentierte sich wieder mit einem lässigen Grinsen.

„Aber glaub nicht, dass du diesmal…“, fing er erneut an und wurde just von einem lauten Ticken der Uhr im Griff des Rapiers unterbrochen. Sogleich war der Fuhrmann wie vom Erdboden verschwunden als hätte er sich ohne Spur aufgelöst. Noch während sowohl Schadara als auch Daramos verblüfft zusammenzuckten, sprang der Jäger wie von einem Blitz getroffen los und entkam nur um haaresbreite der Klinge seines Gegners. Waktu, der fast ohne einen Moment zu zögern und ohne ersichtlichen Grund hinter dem Katzenmensch gestanden hatte, ließ erst gar keine Zeit verstreichen und ging sofort zum Angriff über. Fast genauso schnell löste Schadara die Eisenketten von seinen beiden Handgelenken und schwang sie wie Peitschen um sich, schlug tiefe Furchen in den Weg und wirbelte nur in kurzer Zeit so viel Staub und Dreck auf, dass der Anblick des Kampfschauplatzes unter braunem Nebel verschwand. Wie Gewitterschläge donnerten Klinge und Ketten aneinander, nur unterbrochen von den schnellen Schritten der beiden Kontrahenten, ob nun zum Ausfall oder zur Verteidigung. Zu schnell waren die Bewegungen als das Daramos sie hätte alle erfassen können und so von einer unnachgiebigen Härte die Angriffe, dass selbst er bei jedem Aufprall zusammen zuckte. Wie durch Geisterhand wechselte der Fuhrmann urplötzlich seine Position bei dem lauten Ticken der Uhr, brachte den Jäger trotz seiner schnellen Reaktion immer weiter in Bedrängnis, die er nur allein durch die Reichweite seiner Eisenketten auszugleichen wusste.

Hastig wollte der Fänger aufstehen als eine der geschwungenen Ketten des Jägers in der Hitze des Gefechts nur kurz über seinen Kopf hinwegsauste und dabei den Baumstamm so sauber auseinander schlug, als hätte man ihn mit einer Säge auseinander geschnitten. Mit weit vor Schreck aufgerissenen Augen, ließ sich der Fänger doch wieder auf den Boden sinken und schluckte nervös. Ein weiterer Schock fuhr ihm durch die Glieder, als sich just eine Hand auf seine Schulter legte. Doch als er sich umblickte, sah er nur Nathaniel durch das Dickicht der Wälder gebückt, der ihm mit einer bestimmenden Geste zu sich zog.

„Verzeih mir! Wir wurden reingelegt. Hat er dir was getan?“, flüsterte er besorgt und betrachtete den Jungen voller Angst, ihm könnten irgendwelche Extremitäten fehlen. Zu mehr als einem Kopfschütteln war Daramos jedoch nicht fähig.

„Alle zwölf Götter des Zufall sei es gedankt“, seufzte er erleichtert und schüttelte den Kopf. Mit einem weiteren Blick fügte er noch hinzu: „Warte hier!“

Den Rat nahm der junge Fänger gerne entgegen. Der Alchemist dagegen stand auf und näherte sich mit festen Schritten den beiden Kämpfenden. Wie ein König der seine Untertanen befiehlt streckte Nathaniel beide Hände aus und runzelte die Stirn. Ein schwaches Leuchten ging sogleich von seiner rechten Hand aus, als sei sein Handrücken von einer metallischen Schicht überzogen.

„Isarn“, rief er laut und deutlich, „Kümmer dich um ihn.“

Fast wie ein Säuseln im Wind, erklang ein metallisches Schaben, das sich fast wie menschliche Sprache anhörte.

„Zu Befehl, Meister!“

Ohne wirklich zu verstehen was vor sich ging, staunte Daramos nur über das Geschehen, dass nicht nur seinen Horizont, sondern auch seine bisherige Realität bei weitem überstieg. Gerade hatte noch der Kampf wild und eifrig zwischen Waktu und Schadara getobt, sogleich kam er zum völligen Erliegen als seine beiden Eisenketten mitten in der Luft erstarrten als wären sie im Schwung festgefroren. Der Jäger fauchte grimmig und versuchte seine Waffen wieder aus der Luft fortzureißen, doch seine Versuche waren mehr kläglich als fruchtbar. Auch Waktu hatte aufgehört zu Kämpfen und schob sogleich das Rapier in die Scheide zurück, als hätte er nur auf den Auftritt Nathaniels gewartet. Dieser näherte sich langsam, aber sicher dem verzweifelten Kater und warf einen nachdenklichen Blick auf die langen Eisenketten.

„Fessel ihn“, sprach er und verschränkte siegessicher die Arme. Sogleich schnellten die beiden Waffen des Jägers wie zwei Schlangen los und wickelten sich um ihn, was er mit einem grimmigen Blick mitverfolgte. Offenbar wehrte Schadara sich gar nicht mehr dagegen, schien es stattdessen mit einer Art Enttäuschung hinzunehmen.

„Ahhh… Du spielst nicht fair“, raunte er beleidigt und zog einen Schmollmund.

„Elende Kreatur“, fluchte Nathaniel laut und ballte die Hand wütend zur Faust, doch ließ sie gleich darauf sinken und strich sich stattdessen eine Haarsträhne aus dem Gesicht.

„Ha? Was denn, Nathaniel? Sind wir langsam verärgert?“, lachte der Kater freudig und streckte ihm die Zunge raus, „Du wirst niemals Ruhe vor mir haben. Du wirst…“

„Halt dein abscheuliches Mundwerk“, unterbrach ihn der Alchemist forsch, „Es ist genug, dass du mir nach dem Leben trachtest, aber, dass du dich nun auch an dem Jungen vergreifst!“

Schadara kicherte hämisch und bedachte Nathaniel mit einem viel sagenden Blick.

„Und nun? Was hast du vor?“, fragte er ihn und streckte ihm neugierig den Kopf entgegen.

Doch der Zauberer antwortete gar nicht mehr. Er wandte sich voller Abscheu ab und ging auf Daramos zu.

„Waktu! Auf die Kutsche. Wir fahren sofort weiter“, befahl er barsch und unterstrich seine Worte mit einer heftigen Gestik.

„Du hast immer noch nicht den Mut mich zu töten, Nathaniel! Nicht wahr? Ha!“, schrie der Jäger ihm nach und verfiel in ein lautes Lachen, dass Daramos einen Schauer über den Rücken jagte, „Du wirst für alles büßen, Nathaniel. Für alles! Hörst du?“

Kurzerhand schlang sich die Kette auch über seinen Mund, was die Stimme des Katers jäh zum Ersticken brachte. Der Alchemist dagegen senkte den Blick und schüttelte den Kopf.

„Noch nicht“, flüsterte er leise zu sich. Er schluckte tief als er versuche diesen Moment in sich verschwinden zu lassen, schüttelte sich dann kurz und blickte den Fänger an.

Daramos war immer noch durcheinander. Das eben Erlebte schwirrte ihm wie ein Wespenschwarm durch den Verstand, kaum in der Lage auch nur einen klaren Gedanken zu fassen. Er erinnerte sich an die Worte des Katers, das was er über seine Mutter gesagt hatte. Er solle sie in der Hölle treffen? Woher sollte dieser Jäger seine Mutter kennen? Er wusste ja nicht einmal etwas von ihr. Und dann diese unheimlichen Kräfte, die nicht nur Waktu, sondern auch Nathaniel unter Beweis gestellt hatte. Daran war doch nichts mehr Menschliches. Was war mit diesen Katzenohren? Warum sollte er sterben? Was zur Hölle war hier los?

„Wie geht es dir?“, fragte Nathaniel besorgt und legte ihm eine Hand auf die Schulter. Im nächsten Moment ballte Daramos eine Faust und schlug ihm ohne Vorwarnung direkt ins Gesicht.

Einen Moment beobachtete er dann wie Nathaniel taumelnd vor ihm zurückwich und sich die Hände schützend vor die Nase hielt.

„Besser“, meinte der Fänger und atmete tief ein. Tatsächlich erleichterte sich die Last auf ihm sogleich als seine aufgestauten Gefühle endlich freilassen konnte. Besser als jedes tröstende Wort.

Zwischen seinen Fingern blickte der Alchemist zu Daramos hindurch, teils verwundert und teils außer sich vor Wut. Doch anstatt ihn erneut anzufahren, ließ er sich für seine nächsten Worte jede Menge Zeit als wollte er sie unendlich weit auseinander ziehen.

„Ich fange langsam wirklich an dich zu hassen.“

Daramos grinste.

„Wunderbar.“

„Steig in die Kutsche“, bellte der Zauberer und ließ allmählich die Hände sinken. Seine Nase glühte förmlich rot wie eine Tomate.

„Erklärst mir dann was es damit auf sich hat?“, fragte der Fänger und deutete auf Schadara, der weiterhin gefesselt auf dem Weg stand und ihnen gierige Blicke zuwarf.

„Wenn du mir sagst, was dieser Schlag sollte?“, meinte Nathaniel grimmig.

„Das du mich allein in der Kutsche gelassen hast“, antwortete Daramos und hob die Hand, „Und weil du dabei noch mein Messer hast.“

Der Alchemist brauchte eine Weile, um ihm einen ganz und gar tödlichen Blick zu zuwerfen, doch dann griff er in seine Tasche und legte ihm den Griff seiner Waffe auf die Hand. Ihm kein einziges Wort mehr würdigend, drehte sich der Zauberer auf den Absatz um und marschierte zurück zur Traumfeder.

Daramos betrachtete einen Moment die Klinge, nickte zufrieden und schob sie zurück in seinen Gürtel, wo sie auch hingehörte.

„Ich habe das Gefühl, dass dies nur der Anfang war“, meinte er mit einer leichten Prise Galgenhumor zu sich. Diesmal sollte er Recht behalten.

Des Fängers Beute

4 Kapitel: Des Fängers Beute
 

Eigentlich hatte er nicht erwartet so etwas wie eine Antwort zu bekommen. Schließlich war Nathaniel nicht nur äußerst verstimmt, die Angelegenheit schien tiefer in ihm zu sitzen, als Daramos vorerst annahm. Schadara oder „Der Jäger“, wie er sich nannte, schien ein Teil einer Geschichte zu sein, die ihm selbst heute noch Schmerzen zufügte und jede Frage, die Daramos stellte, ließen ihn schweigen. Seit vielen Stunden war sein Blick ruhig, aber von Trauer und Scham erfüllt, die sich nur wie ein leichter Schimmer über seine Augen legte. Seine Antwort war stets die selbe.

„Manchmal, wenn du etwas getan hast, kannst du nicht davon laufen und deine Augen verschließen. Es sind Dinge, die warten, die leben. Eine Erinnerung an etwas, dass seine Hand nach dir streckt und dich nicht loslassen wird. Schadara ist meine Erinnerung, Daramos. Und ich verdiene sie, das weiß ich“, sagte er leise.

„Könnt ihr ihn deshalb nicht töten?“, fragte der Junge. Trotz seiner Abneigung gegen Zauberer, war das Mitleid für Nathaniel in ihm erwacht und ließ ihn zumindest etwas Anteil haben. Es verdrängte die restliche Fahrt über seinen Spott und Hohn, selbst obwohl er nicht wusste, was damals im Leben des Gelehrten geschah.

„Es tut mir leid, dass er dich angegriffen hat. Ein derartiger Fehler wird mir nicht noch einmal unterlaufen. Schadara wird sich von uns fernhalten, sobald wir in Garandír sind. In der weißen Stadt ist der Einfluss der Königshüter groß genug, um jeweiliges Gesindel fernzuhalten“, meinte Nathaniel dann weiter und wechselte im selben Zuge gleichauf das Thema, „Es dauert übrigens nicht lang, bis wir da sind. Tha’Rakan erwartet uns sicher schon.“

„Wie ist der General denn? Die Geschichten, die man über seine Taten hört, überschlagen sich bei den Barden fast“, ging Daramos darauf ein und hoffte zumindest etwas von dem Trübsal, das sich wie ein Insekt an der Traumfeder über Stunden festgesaugt hatte, wieder los zu werden. Nathaniel schien ihm dankbar und gestattete sich ein Lächeln bevor er fort fuhr.

„Der Feuerfürst? Er ist ein großartiger Erbe erster Klasse. Der einzige, der ihm vielleicht in seiner Kunst das Wasser reichen kann ist entweder der Gildenleiter der blutigen Hand selbst oder der Flammenleser aus Garandír“, erwiderte der Alchemist und stieß mit dem Zeigefinger gegen seine Brillengläser als wollte er sich vergewissern, das sie noch da sind. Offenbar schien er einen kurzen Moment nachzudenken, ob seine Behauptungen überhaupt stimmten. Das änderte aber nichts daran, dass der Fänger wie immer verständnislos eine Augenbraue hob, wenn der Zauberer wieder mit Namen um sich schmiss, mit denen er nun reichlich wenig anfangen konnte. Er hatte bisher nie etwas über die Zusammenhänge und Gegebenheiten der äußeren Welt um Assyrál erfahren, bis auf die Kunde mancher Spielleute und Geschichtenerzähler auf den Märkten in Siegland. Wie man in Amunglad zu sagen pflegte: ‚Die wichtigste Angelegenheiten des Soldaten sind seine eigenen’.

„Tha’Rakan ist ein Erbe? Ein Erbe wovon?“

Für eine Weile schenkte ihm Nathaniel einen derart perplexen Blick, als hätte ihm jemand die Welt aus den Angeln gehoben.

„Fiurs Erbe natürlich. Weißt du etwa nicht…“, fragte er verwundert, brachte seine Worte aber nicht zu Ende als er Daramos’ halb genervtes und halb verzweifeltes Seufzen bemerkte.

„Schon gut. Die Menschen in Assyrál wissen offenbar nicht viel von der Welt und den fließenden Kräften“, gestand er ihm ein. Allerdings schien der Junge immer noch nicht zufrieden.

„Anhänger der blutigen Hand, also solche Magier, die die Blutmagie bevorzugen, werden gemeinhin Fiurs Erben genannt. Fiur ist der Geist des Feuers, auch Salamander genannt, falls dir das auch nicht bewusst ist“, erklärte er dann und blickte kurz missbilligend zu Daramos. Dieser zeigte jedoch trotz der Stichelei keine Regung und schien einfach abzuwarten, bis der Gelehrte fortfuhr. Allerdings tat er das nicht und so kehrte einige Momente Ruhe zwischen ihnen ein und machte dem Geräusch von Rädern platz, die über die gepflasterten Straßen dahinratterten. Da das Geklapper offensichtlich nicht von der Traumfeder selbst stammen konnte, schien es, als seien sie mittlerweile an einen wesentlich befahreneren Ort angekommen. Wohlmöglich fahrende Händler oder ein Spielmannzug.

„Ich habe einen Bruder in Garandír“, sagte Daramos plötzlich und starrte verloren die Decke an. Obwohl es keinen direkten Zusammenhang zu ihrem Gespräch zu haben schien, nickte Nathaniel.

„Leutnant Ferak, nicht wahr?“, fragte der Gelehrte vorsichtig nach, „Stimmt etwas mit ihm nicht? Du siehst besorgt aus.“

Gleichwohl sich der Junge ertappt fühlte, so ließ er es dieses Mal geschehen, dass ihn dieser Zauberer offenbar so gut lesen konnte wie ein offenes Buch. Im Gegenteil. Er hatte es fast gehofft.

„Das ist es nicht“, meinte Daramos und schüttelte den Kopf, „Ich hoffe nur ihm nicht zu begegnen.“

„Es ist wegen deiner Begleitung“, riet Nathaniel und prüfte einen Moment die Reaktion des Jungen, um sich zu vergewissern, ob er damit auch richtig lag. Die Wangen des Jungen röteten sich leicht als er weiterhin ohne ersichtlichen Grund die Decke mit seinem Blick durchlöcherte.

„Ja, natürlich. Zauberer sind…“

„Ich verstehe schon“, seufzte Nathaniel und hob rasch die Hand, um Daramos’ Einwand schon zu ersticken, bevor er überhaupt zum Antworten kam. Er lächelte, zeigte dass er die Ansichten des Jungen nicht übel nahm und fuhr dann fort.

„Das heißt: Eigentlich verstehe ich es nicht. Der Orden und das Militär sind uns Zauberern sehr misstrauisch gegenüber, dennoch sind die Magier der blutigen Hand in die militärische Struktur einbegriffen. Mehr noch! Es gibt genug Magier, die den Rang eines Obersts innehaben. Der zweithöchste Rang im Militär! Wie passt das denn zusammen?“

Darauf wusste der Fänger keine Antwort. Verblüfft schaute er dem Alchemisten ins Gesicht, doch er schien die Frage ernst zu meinen. Davon abgesehen, dass es äußerst ungewohnt war selbst einmal eine Frage beantworten zu müssen, war er auch noch von dem Sachverhalt selbst irritiert. Im Grunde hatte der Zauberer ja auch Recht. Die Armeemagier waren in seinen Augen auch etwas akzeptables, während die Schwarzkünstler und Giftbrauer aus Estérna ihm sauer aufstießen.

„Ich… weiß es nicht“, gestand er sich ein und verschränkte die Arme, „Ehrlich, ich hab keine Ahnung.“

„Das dachte ich mir schon. Die wichtigsten Angelegenheiten des Soldaten sind seine eigenen“, zitierte der Gelehrte den allseits bekannten Spruch und blickte Daramos durchdringend an. Dieser runzelte die Stirn, seufzte aber schließlich und ließ den Kopf hängen.

„Ich denke, manche Fragen stellt man besser erst gar nicht“, flüsterte er leise. Nathaniel nickte.

„Wäre wohl besser so.“
 

Garandír wurde auch im Volksmund gerne Silberturm genannt, sehr wahrscheinlich wegen den vier prächtigen Türmen, die sich wie weiße Finger in den Himmel streckten. Das Sonnenlicht wurde zur Mittagszeit von den silbernen Spitzen reflektiert und leuchtete über mehrere Meilen sichtbar im vollen Glanze. Der Anblick war geradezu unwirklich, fast magisch, wenn man dieses Wort überhaupt gebrauchen wollte. Jeder dieser Himmelstürme symbolisierte eine Tugend Anvaris: Gnade, Gerechtigkeit, Hingabe und Ausgeglichenheit.

Dies waren auch die Leitsätze der Ritterschaft des Ordens, die Paladine. Für Daramos als jungen Fänger waren diese Männer nicht nur ein Vorbild, sondern auch die Ikone für alles, was er verehrte. Die Paladine dienten dem Königreich als Wächter, aber auch als erbitterte Jäger und furchtlose Krieger, die ihre Gebote und das Reich entschlossen verteidigten. Ihnen verdankten die Bewohner Assyráls die Ruhe und Sicherheit, die im Land herrschten. Schon Dutzende Ketzer und Dämonenanbeter hatten sie gefunden und hingerichtet, um den inneren Frieden zu bewahren, der leicht wie eine welke Blume zu zertreten war, wenn man es zuließ. Häresie wurde weder von dem Orden noch von den Paladinen geduldet.

Für Träumer und Romantiker boten die Geschichten um die Heldentaten eines Ordenritters immer Grund für Balladen und Gedichte, auch Daramos wäre selbst gerne einst ein Paladin, mutig und rein, tugendhafter als jeder Andere. Doch ein Ritter zu werden, war Menschen wie ihm vorenthalten. Nur die Kleriker und Priester des Ordens, die die Weihe des Lichts in Berheim hinter sich gebracht hatten, konnten hoffen einmal ein heiliger Ritter zu werden. Nur Kinder, die das Mal des Lichtes trugen, wurden noch vor ihrem ersten Lebensjahr von den Eltern getrennt und in den Klöstern fernab der Reichsstädte aufgezogen. Sie waren diejenigen, die später Templer oder Paladin des Ordens wurden, heilige Männer und Frauen, die das Land vor Unheil und Dämonen schützte.

Einmal hatte es sogar in Amunglad ein Kind mit dem Mal Anvaris gegeben, ein kleines, helles Symbol über dem linken Auge des Jungen, einer goldenen Ranke nicht unähnlich. So etwas war en seltenes Ereignis in einem so unbedeutenden Fischerdorf wie Amunglad.

Damals waren Templer in das Dorf gekommen, um es abzuholen, jedoch ohne Rücksicht auf die Eltern, die ihr Kind mit aller Gewalt verteidigten. Doch es hatte ihnen nichts genützt, das Kind sahen sie nie wieder. Vermutlich wurde es in den Klosterschulen die Wege der göttlichen Kraft gelehrt, ohne je zu erfahren, wer seine Eltern waren. Daramos war noch sehr klein gewesen, doch er vergaß das Schreien der Mutter nie, die um ihr Kind gebettelt hatte. Doch mit der Zeit hatte er sich an die Umstände und an diese augenscheinlichen Ungerechtigkeiten gewöhnt. Die Templer taten dies ja nicht aus Boshaftigkeit, ihr Anliegen war von höherer Natur, dessen war er sich sicher.

Dennoch war das Flehen von Ketzern auf dem Marktplatz kein schöner Anblick. Er hatte den Scheiterhaufen und die blutigen Hinrichtungen noch nie leiden können, während manche Bewohner gaffend auf die sich windenden Körper glotze bis die letzte Faser ihres Lebens zu schwarzer Asche verglüht war. Jeder Mensch, ob er nun dem schrecklichen Schauspiel angetan war oder nicht, wusste jedoch, dass dies zu ihrem Besten war.

Die meisten, zumindest.
 

Das Gedränge auf dem Markt war groß und selbst durch das dicke Holz der Traumfeder hindurch konnte er das laute Gemurmel, Gezeter und Geschrei von Menschen, Tier und Andersartigen hören. Ab und zu öffnete Daramos die Tür zur Welt außerhalb der Kutsche und erhaschte so den ein oder anderen Blick auf die bunte Menge, die vielen Karren und Stände, sowie einige Barden und Spielleute. An einer Ecke stand auf einer kleinen Tribüne, umringt von einer Masse aus jubelnden und lachenden Menschen, einige Gaukler, Musikanten und Possenreißer in farbenprächtigen Gewändern und Masken von ausgefallener Fantasie.

In erster Reihe stand ein stämmiger Mann mit bunter Hose und nacktem Oberkörper, der Feuerfontänen in die Luft spie und hinter ihm Trommler und Lautenspieler, die eine wilde Melodie anstimmte. Der Feuerspucker selbst trug eine flache Drachenmaske mit schwarzen Hörnern auf dem Kopf, nur sein Mund war unverhüllt, damit das Holz der kunstvollen Gesichtsbedeckung kein Feuer fing. Die zwei Musikanten hinter ihm trugen geradezu pfeilspitze Wieselmasken, die ein breites und freches Grinsen zeigten. Neben ihm warf ein Gaukler in atemberaubender Geschwindigkeit unzählige Fackeln in die Höhe, nur um sie kurz vor dem Aufprall wieder sicher aufzufangen.

Von allen Maskeraden hatte er die witzigste. Es war ein grimmiges Gesicht mit breit herunterhängenden Backen und einer runzeligen Stirn, dazu baumelte ihm ein kleines Lichtkreuz um den Hals, wie es gerne die Priester des Ordens taten. Obwohl es nahezu blasphemisch war, erheiterte ihn der Anblick, nicht nur weil die Kostümierung einem Priester seines Dorfes erschreckend ähnlich sah. Auch der Mut der Spielleute, sich in derartigen Posen dem Publikum zu präsentieren, gerade noch in der Hauptstadt des Landes, beeindruckte ihn.

Ganz am Rande der Tribüne saß auch eine Frau, die bei der lauten Musik und den waghalsigen Kunststücken der Bühne fast unsichtbar wurde. Sie trug ein ganz und gar blutrotes Kleid, das recht kurz und luftig ihr über die Knie hing, dazu unzählige Glöckchen und Schellen an Hand- und Fußgelenk. Schuhe hatte sie keine, so waren ihre Füße auch etwas verdreckt.

Sie schien allerdings nicht aus Assyrál zu ein, denn ihre Hautfarbe war etwas dunkler und ihre Haare pechschwarz. Vermutlich ein Orbone oder eine Malatanin oder aus einem Land noch weiter entfernt. Sie trug die Maske eines ihm unbekannten roten Vogels und hatte eine zierliche Flöte in der Hand, doch er konnte sie durch den Lärm nicht spielen hören.

Aus irgendeinem Grund faszinierte ihn der Anblick, jedoch sicher nicht, weil ihm das Mädchen gefiel (mit einer Orbone würde er sich auf keinen Fall abgeben), aber sie schien etwas an sich zu haben, dass Daramos bisher an keinen anderen Menschen gesehen hatte, ohne genau benennen zu können was das war. Vielleicht war es nur wie sie so allein für sich spielte, dem ganzen Chaos und Lärm um sich herum zum Trotze. Vielleicht war es auch, weil ihn der Anblick der geheimnisvollen Maske anzog.

Gerade als er die Tür wieder schließen wollte, blickte das Mädchen kurz auf und schaute in seine Richtung als hätte sie seine Blicke bemerkt, auch wenn das wohl kaum möglich war. Das letzte was er sah, war ein kleiner schwarzer Fuchs, der ihr auf den Schoss sprang, ehe die Kutsche sich schloss.

„Wie ich sehe scheint sie dir zu gefallen“, scherzte Nathaniel als sich der junge Fänger wieder in seinen Sitz drückte. Prompt zuckte er zusammen als hätten ihn die Worte des Gelehrten wie ein Blitz getroffen.

„Woher…?“, rief er verblüfft, wurde jedoch wieder mal von dem Alchemisten unterbrochen. Dieser schnalzte mit der Zunge und setzte ein wissendes Lächeln auf.

„Hinterfrage niemals die Tricks eines Zauberers“, sagte er leise.

„Bildet euch nichts ein. Sie ist bestimmt eine Orbone. Mit so was würde ich mich nicht blicken lassen“, meinte Daramos genervt.

„Oh“, machte der Zauberer leise und blickte die Wand an, „Scheint mir als wäre der Hass auf die Orbonen in eurem Land noch nicht versiegt.“

„Warum auch? Sie sind dreckig und ketzerisch. Mit denen hat man nichts als Ärger.“

„Hm. Du scheinst wohl doch nicht ganz nach deinem Vater zu kommen“, stellte Nathaniel enttäuscht fest.

„Was soll das nun wieder heißen?“, meinte der Junge verärgert. Doch der Zauberer brauchte nicht mehr zu antworten. Die Traumfeder hielt just an.

„Scheint so, als wären wir angekommen“, sagte Nathaniel überflüssigerweise, stand von seinem Sitz auf und öffnete die Tür. Daramos folgte ihm kurz daraufhin, doch sie standen immer noch auf dem Markt, wenn auch ein Stück weiter weg vom hauptsächlichen Getümmel.

„Sehr gut, Waktu“, rief der Gelehrte zum Fuhrbock hoch, „Fahr die Traumfeder zur Gilde. Wir treffen uns dann dort.“

Dann wandte er sich zu Daramos.

„Wir laufen den Rest. Es ist nicht mehr weit.“

Der Junge nickt langsam und setzte gerade zu einer Antwort an, als ihn eine kleine Gestalt gegen die Hüfte stieß. Sonderlich groß schien es nicht, aber es war in einen dreckig, grauen Umhang gehüllt, sodass er nicht erkennen konnte, was darunter war.

„Hey, pass doch auf!“, rief er verärgert.

„Verzeiht“, murmelte das Männlein entschuldigend. Die Stimme klang ein wenig merkwürdig, fast als hätte es sich auf die Zunge gebissen. Bevor er jedoch nur eine Frage stellen konnte, eilte es schnell weiter.

„Merkwürdig“, murmelte Nathaniel und sah dem wegeilenden Stück Stoff nach, „Das scheint mir ein Andersartiger zu sein. Bis auf wenige Ausnahmen gestatten die Paladine deren Aufenthalt hier nicht.“

„Nun ist er weg, also kümmert das uns nicht mehr“, sagte Daramos und zuckte mit den Schultern. Ein plötzlicher Aufschrei ließ sofort zusammen zucken.

„Elende Drecksbeule“, fluchte Nathaniel ungewöhnlich heftig und laut für einen Gelehrten, „Dieses Vieh hat mir mein Geldbeutel geklaut!“

Der Fänger riss die Augen verwundert auf, konnte sich aber ein schadenfrohes Grinsen nicht verkneifen. Jedenfalls nicht eher ihm auffiel, dass auch ihm etwas fehlte.

„Der Stein! Es hat den Beutel mit dem Stein mitgenommen!“, rief er erschrocken als er vorsichtshalber danach griff. Auf der Stelle vergas der Zauberer sein gestohlenes Geld, als er Daramos in fast schon panischer Angst anstarte.

„Die Waffe ist weg?!“, rief er außer sich.

Damit ließ auch der Fänger jede Vorsicht fallen. Mit einem kräftigen Sprung sprintete er in die Richtung los, wo das Männlein verschwunden war. Die Rufe des Alchemisten ignorierend, hechtete zwischen den Marktkarren hindurch, wich Stapeln von Kisten und Säcken geschickt aus und sprang, wenn nötig, auch über seine Hindernisse drüber. Auch das kleine Männchen, dass er wieder entdeckt hatte, schien es plötzlich eilig zu haben. Doch dies war für Daramos kein Problem mehr. Mehr als genug Kampfausbildung steckte in seinem Leib, als dass er sich von einem kleinen Dieb würde abwimmeln lassen. Doch die Jagt sollte noch einige Zeit dauern, denn auch das Männlein war nicht ungeschickt. Durch Gassen und Gänge der Hauptstraße eilend, versuchte es seinem Verfolger zu entkommen, auch wenn er nicht wenige Schritte hinter ihm lief.

Die gepflasterten Straßen zogen sich zwischen langen Häuserschluchten umher, immer kleiner und enger werdend, als wollten sie die beiden wie zwei Käfer zerquetschen. Das Sonnenlicht streifte die Dächer nur, doch konnte nicht durch die enge Spalte hindurchsickern, so waren die Gassen bald von einem schaurigen Dämmerlicht erfüllt, das graue Schatten an die steinernen Wände warf. Nur ein paar kleine Stufen oder Treppen unterbrachen die Wege hier und dort, machten das Labyrinth der Gossen nur umso verwirrender. Bald schon hatte Daramos die Übersicht verloren, genauso wie das Männlein, dass sich geschickt in diesem Wirrwarr zu bewegen wusste.

Dieses schlich sich eifrig in eine dunkle Ecke, beäugte mehrere Momente lang eindringlich die Umgebung, um sicher zu sein, dass ihm keiner mehr an den Fersen haftete. Nachdem einige Minuten verstrichen waren und es nicht mehr hörte als das Schlagen seines eigenen angestrengten Herzens, nahm es die beiden Beutel unter dem Umhang hervor, die er während der Jagt gut behütet an seinen Unterleib gepresst hatte, um sie nicht zu verlieren. Zufrieden prüfte es das Gewicht der ledernen Säckchen, denn der eine, den er dem Gelehrten abgeknüpft hatte, schien prall gefüllt. Vorfreudig lächelnd öffnete es die Schnurr am Beutel und spähte mit einem neugierigen Blick hinein. Sogleich wurde es mit dem glänzenden Funkeln von Gold- und Silberstücke begrüßt, welches ihm ein wohliges Gefühl bereitete. Das waren sicher mehr als 20 Gulden, weit mehr als es sonst sein eigen nennen konnte. Rasch ließ es den Beutel wieder unter dem Umhang verschwinden und widmete sich nun seiner anderen Beute. Zwar wog dieser deutlich weniger, dennoch war es gespannt auf seinen neusten Fang.

Doch weder Silberlinge noch Gulden traten am Grunde des Beutels zum Vorschein, sondern etwas, dass das Wesen bisher noch nie erblickt hatte.

Es war ein Stein mit einem satten, roten Ton, fast wie Kristall aus Blut. Es schien auch leicht gläsern, sodass man im Inneren einen Kern, eine Art Scheibe erkennen konnte, fast so als wäre ein Insekt in Bernstein gefangen. Eigentlich sah es sogar ganz hübsch aus, dennoch konnte das Männlein nicht das Gefühl loswerden, wertlosen Plunder geklaut zu haben. Aber vielleicht konnte man es ja für einen guten Preis verkaufen. Behutsam hob es die Tasche an und griff vorsichtig hinein, ehe ein gut platzierter Schuh es von den Beinen fegte. Mit einem lauten Platschen schlug es auf den Boden auf und rollte einige Meter weiter über die Steine der Gasse, ehe es zum stillstand kam. Als es etwas benommen zum Himmel schaute, sah es einen durchaus verärgerten jungen Mann vor sicht stehen, der schnaufend den Stein in den Händen hielt und das Männlein anstarrte als wolle er es fressen.

„Du… hast mich getreten!“, stellte das Wesen empört fest.

„Davon kann du mehr haben!“, rief Daramos und drückte dem Männlein sein Schuh in die Seite, bis es laut quietschte.

„Schon gut, schon gut! Tut mir Leid!“, rief es hilflos und verschränkte die Arme schützend über den Kopf. Doch der Fänger gab sich nicht damit zufrieden. Wütend beugte er sich zu dem Männlein herunter und riss ihm den dreckigen Umhang herunter… und starrte einige Sekunden verblüfft auf den Dieb.

Der Verdacht, dass es sich bei dem Wesen um einen Andersartigen, handelte traf vollkommen zu. Über seinen kleinen Körper spannte sich straff eine fleckige, hellblaue und grünliche Haut, die in einem hellen Ton schimmerte. Der Körper dagegen schien fast menschenähnlich, wenn auch leicht unproportional. Es hatte viel zu große, kräftige Beine mit watscheligen, breiten Füßen und auch ebensolche Hände. Zudem hatte es einen langen Schwanz, der in eine breit gefächerte Flosse endete. Flossen hatte es auch an den beiden Unterarmen, die sich einem Fächer ähnlich auf und zu spannten, als würden sie sich mit seinem Atem mitbewegen. Auch am echsenähnlichen Kopf, wo sich bei den meisten Wesen wohl die Ohren befanden, hatte sie diese Flossenfächer wie zwei breite Segel. Die großen, blauen Augen betrachteten Daramos mit einer Mischung aus Angst und Unsicherheit.

„Dachte ich es mir doch! Ein Andersartiger in Garandír! Warte bloß, bis ich dich dem Orden übergebe, die wissen was mit deiner Art anzufangen ist“, drohte er ihr und warf den grauen Stoffmantel achtlos in eine Ecke. Sogleich versuchte das Geschöpf zu entkommen, doch zu seinem Unglück wurde es vom Fänger rechtzeitig am langen Schweif festgehalten. Weinerlich jammerte es auf und blickte wie ein geprügelter Hund zu seinem Peiniger.

„Verzeiht mir, bitte, ja? Ich wollte nichts Böses. Lasst mich gehen“, bettelte es laut. Nun schien sich der merkwürdige Tonfall von selbst zu erklären. Das Echsenwesen lispelte etwas bei jedem Wort, schien aber generell eine recht hohe Stimme zu haben. Es erinnerte ihn ein wenig an eine merkwürdige Mischung aus einem Singvogel und einem Schlangenzischen.

„Nichts Böses? Ein Dieb bist du. So schnell entkommst du mir da nicht“, raunte Daramos und zog das Geschöpft noch etwas weiter zu sich.

„Abschaum. Dein Gewinsel rettet dich jetzt auch nicht mehr.“

„Ich bin kein Abschaum! Lasst mich los“, rief es erneut, doch der Fänger achtete gar nicht mehr darauf. Mit einem leichten Pfeifen maß er die Echse mit einem missbilligenden Blick.

„Und? Was willst du dagegen tun?“, fragte er boshaft. Sogleich stellte sich das Wesen mit beiden Beinen fest auf den Boden und schaute verärgert über seine Schulter zu dem Fänger.

Mit einem heftigen Ruck schlug es den Schweif, mitsamt Daramos gegen die Wand, der aufgrund der Überraschung kaum Zeit zum reagieren hatte. Heftig knallte er mit der Schulter gegen den Stein und stürzte fluchend zu Boden. Die kurze Zeit nutzend entwischte die Echse seinem Griff und stolperte rasch von dem Jungen weg. Doch es verschwand nicht gleich erneut in den Gassen der Stadt, sondern drehte sich zu dem Fänger um und streckte ihm die lange Zunge raus.

„Bäääääh!“, rief es laut und wartete einen Moment auf die Reaktion des Jungen. Diese ließ eine Weile auf sich warten, denn Daramos starte nur eine Weile verblüfft auf diese freche Kreatur, bevor seine Gesichtsfarbe allmählich in ein tiefes Rot überging.

„Du kleines Mistvieh!“, schrie er laut und stürzte sich auf das Wesen, doch das sprang leichtfüßig von ihm weg und ließ ein lautes Kichern vernehmen. Dies hielt so lange an, bis es bei seinen Weg aus der Gasse gegen ein Hindernis stieß.

Und dieses entpuppte sich bei genauer Betrachtung als ein böse dreinblickender Zauberer.

„… Wie unfair“, murmelte das Wesen leise. Nathaniel lächelte hämisch.

„Du hast mein Geld“, sagte er tonlos. Die Echse blickte betroffen zu Boden.

„Ja?“, murmelte es.

„Ich bring es um! Ich sage dir! Ich bring das Vieh um“, knurrte Daramos laut und stand langsam wieder auf.

„Beruhig dein Blut, Daramos“, sagte der Alchemist und hob beschwichtigend eine Hand, während sich die andere fest um den Nacken der Kreatur legte, „Wenn wir sie dem Orden übergeben ist für Gerechtigkeit gesorgt.“

Sowohl er als auch der Junge ignorierten sogleich das erschrockene Gewinsel der Echse, während sich der Fänger noch immer verärgert über die Haare strich und sich versuchte etwas zu beruhigen.

„Was ist das überhaupt?“, fragte er mit einem bösen Blick auf die kleine Kreatur.

„Ein Squama. Oder genauer gesagt ein Ilthid. Das sind kleine amphibisch-humanoide Kreaturen in den tiefen Sümpfen der Süderlande. Ich hab aber noch nie erlebt, dass so ein Wesen sich so weit aus den Sümpfen wagt, eigentlich sind sie sehr scheu den anderen Völkern gegenüber“, erklärte der Gelehrte und schüttelte die Echse im Nacken.

„Gibt es einen Grund, warum du hier bist?“, fragte Daramos mit zusammengezogenen Augenbrauen. Als Antwort konnte er eine Weile dem Ilthid dabei zusehen, wie er ihm die Zunge herausstreckte.

„ARGH!“, knurrte Daramos, doch Nathaniel hinderte ihn daran sogleich wieder auf die Echse loszugehen.

„Beruhig dich doch mal. Es gibt keinen Grund diesem Wesen weh zu tun. Es ist auch gar nicht an uns den Squama hier zu bestrafen“, sagte er bestimmend, während ihm von dem Ilthiden in die Hand gebissen wurde. Laut schreiend ließ er die Echse los und steckte sich die blutende Seite in den Mund. Die Kreatur konnte sich unterdessen sofort befreien und rannte so schnell wie sie ihre Beine trugen davon. Der Gelehrte reagierte gleich und griff in seinen Gehrock, um eine kleine, orange schimmernde Flasche hervor zu ziehen und sie dem Ilthiden hinterher zu schleudern. Das Gefäß verfehlte um haaresbreite, doch die Flüssigkeit entflamme sofort in einer Feuersäule.

Das Wesen blickte sich erschrocken um, doch schien sich in Sicherheit zu wiegen, wenigstens für einen Moment, denn schon streckte der Alchemist seine linke Hand nach ihr aus, die sofort in einem roten Schimmer aufleuchtete.

„Pehwr! Fang sie!“, rief er laut.

In einem lauten Dröhnen explodierte die Flüssigkeit erneut als das Feuer wie ein Geschoss in einer rasenden Geschwindigkeit durch die Gasse hetzte. Erschrocken schrie der Ilthid auf und warf sich wimmernd auf den Boden, während die züngelnden Flammen über seinen Kopf hinweg rauschten.

Dann kehrte urplötzlich Stille ein und der Moment blieb wie ein geradezu absurdes Bild wortwörtlich stehen. Daramos starrte ungläubig die Gasse hinunter, Nathaniel hatte weiterhin den Arm wie eine Waffe von sich gestreckt, der Ilthid lag jammernd am Boden und das Feuer… schien zu warten. Es hatte sich förmlich vor der Echse aufgebaut und versperrte ihr den Weg. Nur ganz langsam hob es den Kopf und starrte von Schreck erbleicht in die still stehenden Flammen.

„Buh!“, rief das Feuer laut. Mit einem markerschütternden Schrei sprang der Ilthid zurück, lief kreidebleich an und fiel vor lauter Schreck auf den Rücken und blieb dort benommen liegen. Aus den unbewegten Flammen erschall dagegen ein lautes Lachen, während sich eine nahezu menschliche Gestalt aus dem Feuer formte. Auch Nathaniel gestattete sich ein leichtes Lächeln.

„Ha! Gut gemacht, Pehwr. Fasst wäre sie mir entkommen“, sagte er erleichtert und leckte sich das Blut von der Hand.

Daramos dagegen war so perplex wie zuvor und blickte die Flammengestalt aus großen Augen an.

„He-hexenwerk! Te-teufelszeug! Magie! Das ist…“, stotterte er erschrocken, wurde aber wieder von Nathaniel unterbrochen.

„Unsinn“, rief er laut und zog ein weiteres blütenweißes Taschentuch hervor, um das restliche Blut von seiner Hand zu putzen, „Ich sagte doch, dass ich keinerlei magische Fähigkeiten habe. Was du hier siehst, ist nichts als reine Alchemie.“

Mit den letzten Worten deutete er auf die Flammefigur, die ihre Hände in die Hüfte stemmte und sich offenbar gerne von Daramos mustern ließ.

„Alchemie“, murmelte er verstört und fuhr sich durch die Haare.

„Exakt. Das ist ein Kaubuk, ein alchemistischer Geist. Ich habe zwei davon, Pehwr und Isarn, ein Feuer- und ein Eisenkaubuk. Sie erlauben mir die Kontrolle über ihr Element“, erzählte der Gelehrte als würde er eine Vorlesung für einen seiner Schüler halten.

Der Fänger antwortete nicht gleich. Stattdessen ging er in seinem Kopf durch, wo er den Namen „Isarn“ schon mal gehört hatte. Vermutlich auch von dem Alchemisten. Er rief in zweimal, einmal um die Schüssel schweben zu lassen und das andere mal, um die Ketten des Jägers aufzuhalten.

„Ich… verstehe. Aber wirklich beruhigen tut mich das nicht. Ihr… Zauberer habt teuflische Kräfte“, raunte er und schüttelte den Kopf, „Was hab ich verdient, um mich mit so was abgeben zu müssen?“

„Mecker nicht!“, befahl ihm Nathaniel, steckte sich das Taschentuch zurück in den Gehrock und schritt gemächlich den Gang entlang, „Wir kommen zu spät.“

„Und was tun wir damit?“, fragte Daramos und deutete auf den Ilthid, der starr wie ein Brett auf den Boden lag und völlig fertig mit sich und der Welt schien. Der Gelehrte wandte sich um und bedachte beide mit einem nachdenklichen Blick.

„Nimm ihn mit. Wir wollen uns nicht noch weiter verspäten. Den Squama können wir auch später dem Orden übergeben“, sagte er und ging dann gemütlich weiter, als würde er ein Spaziergang unternehmen. Als er an der Feuergestalt vorbeikam, löste sie sich in einem Windhauch auf.

Der Fänger seufzte, schüttelte den Kopf und starrte Nathaniel genervt nach.

„Anvari stehe mir bei“, seufzte er, schnappte sich den Ilthid und schwang ihn wie ein Kartoffelsack über seine Schulter. Das Wesen wehrte sich auch nicht mehr und lag schlaff und bewegungslos auf seinem Arm.

„… F-feuer“, murmelte es benommen und zuckte kurz mit dem Kopf.

„Ja, kann ich verstehen“, sagte der Fänger mehr zu sich selbst als zu der kleinen Echse und lief dem Zauberer eilig nach.

Zusammenkunft

5 Kapitel: Zusammenkunft
 

„Ich werde diese Abscheulichkeiten keinen weiteren Moment in meinen Reihen dulden!“, schrie der Oberst mit hochrotem Gesicht und hämmerte auf den Tisch seines Zimmers als wäre dies der Grund für all seinen Ärger. Wie immer war es alles andere als erhebend seinen Vorgesetzten in dieser Stimmung anzutreffen. Der ohnehin schon breite Hals schwoll so stark an, dass sein Kragen wortwörtlich drohte zu platzen. Auf seiner Stirn bildeten sich dicke, pulsierende Adern und die Augen traten ihm stechend hervor als wollten sie herausspringen. Das sah selbst für seine Verhältnisse recht albern aus, da der Oberst von Grund auf ein kahlköpfiger und eher dicklicher Mann war, dessen Mund von einem breiten Schnauzer verdeckt wurde. Der Anblick erinnerte Ferak immer an eine erstickende Kröte in Soldatenuniform, was die Sache nicht besser machte, da er sich fortan das Lachen verkneifen musste. Der Oberst allerdings fuhr unbeirrt mit seinen Hasstiraden auf die „Unordnung“, das „Chaos“ und die „Abarten“ in seiner Kompanie fort.

„Unsere Ahnen hätten sich geschämt, wenn solch widerwärtiges Pack sich in unsere Reihen eingeschlichen hätte! Alben, Ketzer und Zwerge unter meinem Kommando? Was soll als nächstes folgen? Sollen wir noch Orbonen durchfüttern? Rattenpack!“, schrie er erneut los und hämmerte erneut auf den Tisch. Ein Glas voll Tinte fiel mit einem leichten Hüpfer um und verteilte sich über einige Blätter und Akten. Das schien den Oberst nur noch mehr anzufachen, sodass er das Tintenfässchen nahm und gegen die Wand donnerte, wo es in Tausende Teile zersplitterte und einen dunklen, kräftigen Fleck in der Holzverkleidung hinterließ.

„Verzeiht mir, Oberst Haras“, begann Major Moldarius leise mit dem gequälten Gesichtsausdruck, der bereits verriet mit welchem Unwetter er rechnete, sobald er seinen Einwurf angebracht hatte, „Aber die Alben und Zwerge sind seit langem ein Teil des Militärs. Das Oberkommando hat entschieden, dass auch in ihre Kompanie in Zukunft welche eingeteilt werden.“

Der Blick, den der Major nun ertragen musste, hätte vermutlich selbst einen gestandenen Troll in den Suizid getrieben. Die kleinen, stechenden Augen des Oberst flammten vor Wut auf, die schon gefährlich angeschwollenen Sehnen schienen fast zu platzen und das restliche Blut in seinem Körper machte sich bereit seinen Kopf noch einmal rot zum leuchten zu bringen.

„ICH ENTSCHEIDE WER IN MEINE KOMPANIE KOMMT“, schrie er außer sich vor Wut. Moldarius seufzte, schloss die Augen und nickte. Er schien sich kein bisschen von dem Gebrüll einschüchtern zu lassen, auch wenn ihm mittlerweile die Ohren klingeln mussten. Ferak hatte ehrliches Mitleid mit ihm, nicht weil er sich nicht sicher war, dass der Major derlei Konservationen wegsteckte, ohne sich beirren zu lassen. Jedoch musste der Major stets als Überbringer schlechter oder schwieriger Nachrichten einspringen, ob er wollte oder nicht. Und dies war eine besonders heikle Botschaft, gerade für den Oberst.

Oberst Haras hatte sich bereits seit seiner Zeit als Feldwebel dafür eingesetzt ausschließlich Menschen in seiner Einheit zu haben, jeder Nichtmensch war ihm zuwider. Das dies nicht ewig so weitergehen konnte, sah wohl früher oder später auch das Oberkommando ein und so musste der Major als Überbringer dieser Botschaft seinen Kopf hinhalten. Menschen wie den Oberst gab es im Militär zuhauf, doch die wenigsten hatten die Macht und den Rang die Nichtmenschen der Armee auch öffentlich zu diffamieren. Haras dagegen tat dies mit höchstem Genuss und mit aller Leidenschaft. Stolz hatte er sich auch gerühmt die einzig „saubere“ Kompanie der Armee anzuführen.

„Wie sie wünschen. Ich werde ihre Antwort dem General überbringen“, sagte der Major demütig salutierte kurz, indem er die Beine zusammenschlug und die Hand aufs Herz legte. Ohne auf den weiteren Wutausbruch des Obersts zu achten, ging er aus dem Raum, gefolgt von seinem Leutnant.

„Was halten sie davon?“, fragte Ferak als sie beiden schon wieder auf dem Weg zur Kaserne waren. Der Major ging in einem festen Schritt voran, sodass seine Stiefel auf dem Boden einen gut hörbaren Knall von sich gaben und nicht nur einen faulen Rekruten auf seinem Weg aufschreckten. Er war ein Mann von großer Statur, quasi so wie man sich einen Mustersoldaten vorstellte. Seine breiten Schultern und der kräftige Körperbau waren die Zeugen vieler Schlachten und Kämpfe, an denen er teilgenommen hatte. Doch sein kurzes Haar war bereits grau und licht, sein Bart dagegen voll und kantig wie die Stacheln eines Igels. Die Stirn hatte er meist in Falten geschlagen, sodass er immer einen sehr grimmigen Eindruck machte, was recht verstörend auf die meisten jungen Rekruten wirkte. Doch was man seiner Erscheinung nicht absprechen konnte, war eine Aura der Autorität, die er ganz natürlich verströmte, egal in welcher Situation er war. Vermutlich war das einer der Gründe, warum Ferak so fasziniert von dem alten Raubein zu sein schien, der in seiner Dienstzeit zu einer Art Mentor für ihn geworden war.

Schließlich hielt er in seinem Lauf stand und blickte sich nach dem jungen Leutnant um. Wie immer musterte ihn das eine Auge des Majors genau, das andere jedoch war blind und weiß als wäre es erbleicht von den vielen Kriegen, die es gesehen hatte.

„Ich darf das Verhalten des Oberst nicht in Frage stellen“, raunte der Major knapp und setzte seinen Weg fort. Aus irgendeinem Grund erinnerte Ferak die Stimme seines Mentors ihn stets an sprödes Holz oder an das Knacken von dicken Ästen. Es schien das einzig richtige Bild zu sein, um den Majo zu beschreiben. Ein großer, harter Baumstamm.

„Der General ist doch selbst ein Alb. Tha’Rakan wird uns doch zur Verantwortung ziehen, wenn der Oberst der Entscheidung nicht zustimmt“, hakte Ferak genauer nach und eilte sich dem schnellen Schritt des Majors nach zu kommen.

„Dann sei es so. Haras wird früher oder später noch die Folgen seiner Weigerung zu spüren bekommen, bis dahin muss ich eben für ihn bluten.“

„Das ist nicht fair“, beschwerte sich der Leutnant.

„Sei still“, fuhr ihn der Hüne an, „Du hörst dich an wie ein Kind. So stehen die Dinge nun mal und ich habe zu Tragen, was man mir auflädt. Das wirst du auch noch lernen, junger Offizier.“

Ferak schluckte den Ärger hinunter und nickte.

„Verstehe“, sagte er leise. Die Räume der hochgestellten Offiziere hatten sie bereits hinter sich gelassen. Überdacht von halbrunden Decken standen sie in einem der Gänge, die freies Sichtfeld auf das Übungsgelände der Kaserne boten. Statt einer Mauer zeigte sich hier nur ein eckiges Geländer, das einen durchaus willkommeneren und grüneren Anblick als die grauen Wände freigab. Immerhin war der Platz umsäumt mit einigen Bäumen, die zumindest etwas von den trostlosen Gemäuern ablenken konnten. Generell fand sich sonst wenig Erheiterndes in der militärischen Welt der Armee, besonders zu dieser Zeit. Alle wirkten angespannt und gehemmt und nicht selten legte sich ein beklemmendes Gefühl über die Kaserne als würde ein dunkler Nebel über sie niedergehen.

Selbst in der Zeit der Wüstenkriege, in der Ferak angefangen hatte zu dienen, konnte er sich noch an fröhlichere Abende erinnern, sei es nun die allabendliche Kartenspiele mit seinen Kameraden oder die wenigen erheiternden Gespräche. Doch jetzt, wo doch Frieden in Assyrál herrschen sollte, waren die Menschen merkwürdig schweigsam und gedrückt, als wäre eine Vorahnung von Dunkelheit in der Luft. Es ähnelte einer Abenddämmerung, einem letzten Einatmen vor dem Einbruch der Nacht.

Ein mehr als unheimlicher Gedanke.

„Vielleicht wäre es besser den General informieren zu lassen. Ich könnte das übernehmen, wenn ihr wünscht“, bot sich Ferak schließlich an, um sich aus den düsteren Gedanken zu reißen. Moldarius lächelte grimmig, schüttelte aber den Kopf.

„Ich dank dir für deine Anteilsnahme, Ferak, aber ich ziehe meine Männer in solche Situationen nicht hinein. Ich bin keiner von denen, die ihre Untergebenen als Fußabtreter missbrauchen. Ich werde selbst gehen.“

Der junge Offizier nickte und seufzte verstimmt.

„Ich weiß doch. Es wäre mir dennoch lieber, dass sie ausnahmsweise mal einen anderen Sündenbock drannehmen, Mol“, flüsterte er zu sich und schüttelte den Kopf. Der Major schaute Ferak streng an als dieser ihn so vertraut ansprach, dennoch konnte er ihm nicht böse sein.

Auch wenn der junge Mann deutlich unter ihm stand, so waren sie sich durch ihre Zeit in den Wüstenkriegen wesentlich näher. Zwar legte er auf Formalitäten nicht so viel wert legte wie andere ranghohe Tiere, so musste er jedoch zumindest Ferak dazu bringen, sich diese Verhaltensregeln einzuprägen.

„Ich habe mehr Feinde in meiner eigenen Reihe als unter den gesamten Orks der Wüstensonne“, meinte Moldarius und klopfte Ferak auf die Schulter, „Pass besser auf, dass es dir nicht einmal genauso geht.“

Der Leutnant lächelte schief zur Antwort.

„Keine Sorge. Dafür habe ich ja auch euch.“

„Lass dir das nicht zur Gewohnheit werden. Ich werde nicht immer da sein, um dir den Rücken freizuhalten“, brummte der stämmige Major und setzte seinen Weg zu der Kammer des Generals fort. Ferak gesellte sich rasch an seine Seite, hatte aber Schwierigkeiten mit dem plötzlich schnelleren Tritt von Moldarius mitzuhalten. Es schien fast so als wolle er jede weitere Diskussion um sich und den Oberst aus dem Weg gehen, etwas was Ferak schon öfters aufgefallen war. Der Major war kein Mann großer Worte, am liebsten ließ er Taten und Klingen sprechen und für Rangspiele hatte er ohnehin selten etwas übrig. Dass er überhaupt einen so hohen Rang in der Armee bekleidete, verdankte er wohl mehr seinen Verdiensten auf dem Schlachtfeld als an den Führungsqualitäten in seiner Einheit.

Also beließ es der Leutnant auch vorerst dabei. Wenn Moldaris nicht zum Reden aufgelegt war, war es schwer nur einen weiteren Ton aus ihm herauszubekommen. So schwiegen sie den Rest des Weges, der Dank des angehobenen Tempos des Majors allerdings nicht sonderlich lang war.

Schließlich klopfte der Major sachte an die Holztür zu der Kammer des Generals, erhielt jedoch keine Antwort, obwohl man mehr als deutlich doch Stimmen von der anderen Seite hören konnte. Ob der General bereits jemanden empfangen hatte?

Ungeachtet dessen, schob Moldarius die Tür einfach auf, offenbar war es ihm egal ob er störte oder nicht. Dahinter befand sich ganz vertraut das Arbeitszimmer des Generals, das fast so ausgestattet war wie jedes Zimmer eines höheren Offiziers. Ein langer, fein ausgearbeiteter Schreibtisch aus Eichenholz, zwei dicke Schränke und ein dunkelroter Teppich, der das Königswappen zeigte: Ein goldener Adler mit Krone, dessen weit gespannte Flügel von zwei Schwertern flankiert wurden. Das einzige was von dem bekannten Bild eines Offizierszimmers abwich, war eine Zahl verschiedener merkwürdiger Gegenstände und Geräte, die so geheimnisvoll und merkwürdig anmuteten, dass sie völlig fehl am Platz wirkten.

Zum Großteil waren es merkwürdige Bücher und Folianten in den Regalen, die keine militärischen Theorien und Strategien zur Grundlage hatten, sondern zwischen Lexika und Bestarien hin und herschwankten. Allerdings stand auch eine merkwürdige Kugel, getragen von einem feinen, rankenähnlichen Ständer auf dem Tisch, die mit einer blauen, leuchtenden Flüssigkeit gefüllt war. Es musste sich wohl um eine Art Kerzenersatz handeln, denn selbst bei Tageslicht strahlte sie einen hellen, blauen Glanz an die Wände. Den restlichen Gegenständen, die auf den Regalen wirr verstreut lagen, konnte er nicht einmal einen Namen geben.

Doch weit verwunderlicher waren die Personen, die bereits das Zimmer betreten hatten und ihnen entgegenblickten, sobald sie die Tür öffneten. Der General war jedenfalls nicht unter ihnen, stattdessen zwei Männer, an deren Kleidung man sie bereits als Schwarzkünstler identifizieren konnte. Und schlimmer noch: Beide waren Ferak mehr als vertraut, doch hatte er gehofft sie nie mehr wieder sehen zu müssen.

„Nathaniel!“, stieß er zischend wie ein Fluch aus und blieb im Türrahmen stehen.

Der angesprochene Zauberer blickte sie überrascht über beide Brillengläser hinweg an, offenbar hatte auch er nicht mit diesem Treffen gerechnet. Auch Waktu stand neben ihm, der anders als sein Herr ihnen beiden keine Beachtung schenkte. Moldarius dagegen betrachtete die beiden mit grimmiger Abneigung, während er einen sicheren Abstand zu ihnen einhielt, fast schon als hätte er es mit wilden Tieren zu tun.

„Ah… Leutnant Ferak. Welch Überraschung. Ich bin dachte, sie sind mit dem Fall unten in Dirgor betraut. Ihr wisst schon. Die angebliche Seuche die dort unten tobt?“, fragte der Zauberer heiter nach als würde er sich gerade über das Wetter unterhalten.

„Es gab einige Schwierigkeiten in der Kaserne“, erklärte der Leutnant mit gedämpfter Stimme und fixierte den Gelehrten mit seinen Augen als wollte er ihn an die Wand nageln.

„Oh? Davon höre ich zum ersten Mal. Aber sagt, habt ihr etwa auch etwas mit Tha’Rakan zu bereden? Wir warten gerade auf ihn“, meinte Nathaniel mit einem leichten Lächeln, das wie immer gekünstelt, gespielt und arrogant wirkte. Der Alchemist hatte sich kein wenig verändert. Er war genauso verachtenswert, wie er Ferak es in Erinnerung hatte.

„Ja, das tun wir“, zischte der Leutnant.

Ferak musste sich zusammenreißen, um ihm nicht ins Gesicht zu spucken. Ohne die beiden Halunken aus dem Blick zu lassen, schloss er langsam die Tür hinter sich und stellte sich neben den hünenhaften Major. Seine großen Hände hatten sich bereits zu Fäusten geballt, die offenbar nur auf ihren Einsatz warteten.

„Ich frage mich, was uns die Ehre wieder einmal verschafft“, begann schließlich der Major.

„Ah! Major Grimmzorn!“, stellte Nathaniel mit einem Blick auf Moldarius fest als hätte er ihn erst jetzt bemerkt, „Welch Wiedersehensfreude. Die Kriege in der Wüste haben ihre Spuren hinterlassen wie ich sehe.“

„Ich habe Orks getötet“, raunte der Major düster, „Mit meinen bloßen Händen, da mir die Klinge zerbrochen ist. Dabei scheine ich mir die eine oder andere Verletzung zugezogen zu haben.“

Der Alchemist schluckte bitter und lächelte gezwungen.

„Klingt ja spannend.“

„Dummerweise wurde meine Einheit von Magiern aus der Blutigen Hand zurückgelassen. So wurden wir wie Ratten eingekreist und abgeschlachtet. Ich habe einige meiner treusten Männer da draußen verloren“, erzählte Moldarius weiter, während bereits fette Sehnen auf seiner geballten Faust sichtbar wurden als er sie weiter zusammenpresste.

„Was sie nicht sagen“, sagte Nathaniel wesentlich leiserer als zuvor. Er schien sich zusehend unangenehmer in seiner Haut zu fühlen, was Ferak schon ein schadenfrohes Lächeln abverlangte.

„Tatsache. Dummerweise habe ich dabei ein Auge verloren. Etwas was mir flüchtende Magier wohl kaum ersetzten können, nicht wahr?“

Der drohende Blick mit dem Moldarius den Alchemisten bedachte, kam Ferak gleichwohl vertraut und unheimlich vor. Es war erstaunlich wie schnell der Major vom Oberst gelernt hatte und vor allem nicht minder effektiv.

„Wahrlich nicht, nein“, sagte der Alchemist nervös und rettete sich in ein gezwungenes Lächeln, „Aber ich habe gehört, bereits an derartigen Methoden gearbeitet wird. Es würde sie wundern, wozu die moderne Arkanie in der Lage ist.“

Bevor jedoch der Major und Nathaniel ihr Gespräch vertiefen konnte, wurde die Tür hinter ihnen erneut geöffnet und es erklang eine für Ferak besonders vertraute Stimme.

„Keine Chance, Nathaniel. Das nächste Mal gehst du mit dem Ding auf den Schultern durch die Kaserne. Die Soldaten schauen mich an als wäre ich der Dämonenkönig persönlich.“

Ferak wandte sich rasch um.

„Daramos?“, fragte er überrascht und riss die Augen auf. Tatsächlich stand im Türrahmen sein Bruder, der ebenfalls mehr als verdutzt dreinblickte, auch wenn er keinen besonders gepflegten Eindruck dabei machte. Die langen, strähnigen Haare hingen ihm wirr ins Gesicht, seine Kleider waren verdreckt und hier und da ein wenig löchrig. Aber zumindest war das Rotkehlchen auf seinem Wappenrock noch sichtbar, der stolze Ausweis eines Fängers. Merkwürdig jedoch war, was sein Bruder bei sich trug. Auf seiner Schultern lag ein Etwas, das bei näherer Betrachtung wie eine Mischung aus einem Wasserdrachen und einer Landechse aussah. Was es damit wohl auf sich hatte? Doch bevor er ein derartiges Rätsel löste, widmete sich Ferak zunächst einmal einem ganz anderen.

Schließlich dauerte es nicht lange, bis sich Daramos’ Lippen zu einem breiten Lächeln wandelten.

„Ferak! Bei Anvaris göttlicher Gnade, ich hatte nicht gehofft dich hier zu treffen“, lachte er laut auf und ließ das Wesen mit einem lauten „RUMS!“ auf den Boden fallen, um seinen jüngeren Bruder in die Arme zu schließen. Die Echse beschwere sich kurz mit einem lauten Aufschrei, wurde aber von allen Beteiligten ignoriert.

„Ich dachte du wärst in Dirgor eingeteilt? Das hast du uns doch im letzten Brief geschrieben“, fragte Daramos, ließ seinem Bruder aber keine Zeit zur Antwort.

„Du hast dich ziemlich verändert.“

Ferak lächelte breit. Es stimmte wohl, seit seinem Militärdienst hatte sich sein Äußeres gewandelt, schließlich war er vom Knaben zum Mann gereift. Die Haare trug er nun kurz, was ihn durch sein stacheliges Haar unter seinen Kameraden den Spitznamen „Igel“ eingebracht hatte. Zudem zierte ein etwas unbeholfen wirkender, stoppeliger Drei-Tage-Bart sein Kinn.

„Wie geht es Vater? Und Thalia? Ich hoffe du hast du auf sie aufgepasst, während ich weg war. Was machst du überhaupt hier?“, fragte Ferak neugierig. Daramos setzte zu einer Antwort an, doch knallte er zunächst die Tür vor der Nase der Echse zu, die inzwischen versucht hatte zu entkommen. Mit einem lauten, aber unverständlichen Grummeln sah sie mit einem giftigen Blick zum jungen Fänger hoch, doch dieser ignorierte sie weiter.

„Es geht allen gut, keine Sorge. Ich wollte mich selbst in der Armee einschreiben. Du weißt schon: In Vaters Fußstampfen treten so wie du“, erklärte er und fuhr sich durch die zerzausten Haare.

„Bist du den ganzen Weg von Amunglad hierher gelaufen oder nur unter die Waldschrate gegangen?“, scherzte Ferak.

Daramos blickte an seiner zerlausten Kleidung herunter, lachte und schüttelte nur den Kopf.

„Nein. Ersteres hatte ich das sogar vor, weil Vater…“, fing er an, unterbracht sich aber selbst. Bevor jedoch sein Bruder eine Frage in die Richtung stellen konnte, fuhr er hastig fort.

„Weil ich keine andere Reisemöglichkeit hatte. Zum Glück oder Unglück habe ich dann diese beiden Zauberer getroffen, die…“

„Du hast was?“, krächzte Ferak und blickte zu Nathaniel herüber.

„Was hast du nun wieder vor, du falsche Schlange?“

Dieser hob beschwichtigend die Hände.

„Aber, aber… Dankt man es mir so, dass ich euren jüngeren Bruder sicher und wohlbehalten in die Hauptstadt gebracht habe?“, verteidigte er sich als sei er vor Gericht. Daramos rollte mit den Augen und schüttelte den Kopf, ging aber gar nicht näher auf die Behauptung des Alchemisten ein.

„Woher kennst du Nathaniel überhaupt? Ich wusste, dass er sich einst mit Vater getroffen hatte, aber mit dir?“, fragte er Ferak. Dieser seufzte einen kurzen Moment, blickte zwischen seinem Bruder und dem Zauberer hin und her, musste die Frage aber Dank Moldarius nicht selbst beantworten.

„Jeder in der Kaserne kennt den Puppenspieler nur zu gut“, sagte Grimmzorn plötzlich und verschränkte die Arme. Daramos schien bisher auf den stämmigen Major nicht geachtet zu haben, umso überraschter wirkte er, dass er ihn überhaupt ansprach.

„Der Puppenspieler?“, fragte der Fänger nach und wandte sich Nathaniel, „Was hat euch einen solch merkwürdigen Beinamen eingebracht?“

„Weil er mit den Leben anderer wie mit Puppen umgeht“, zischte Ferak verächtlich, bevor sich der Alchemist überhaupt wehren konnte. Doch dieser schüttelte ärgerlich den Kopf.

„Ich verbitte mir das. Das hat ganz andere Gründe“, behauptete der Zauberer beleidigt und deutete auf Ferak, „Ihr tut besser daran, euch erst einmal einen eigenen Namen zu verdienen so wie euer Major Grimmzorn, bevor ihr den meinigen schlecht redet.“

Der Leutnant schnaufte kurz, führte den Streit jedoch nicht weiter.

„Hör zu, Daramos“, sagte er wieder zu seinem Bruder, „Du solltest aufpassen mit wem du dich abgibst, diesen beiden Halunken ist nicht zu trauen.“

„Ich versteh schon. Glaub mir, ich weiß was ich tue“, versicherte Daramos rasch und blickte zu Nathaniel, „Schließlich handeln wir im Auftrag von Tha’Rakan, nicht wahr?“

Dieser eilte sich ihm beizupflichten.

„Natürlich. Alles was ich tue, tue ich auf Geheiß des Feuerfürsten“, sagte er nickte so schnell, dass ihm die Brille von der Nase rutschte. Zweifelnd nahm Ferak erst seinen Bruder und dann den Alchemisten in Augenschein und ließ ein leichtes Pfeifen ertönen.

„Na, wenn du meinst, Daramos“, sagte er langsam und blickte einen Moment nachdenklich auf den Boden. Dabei fiel ihm erneut das Echsenwesen auf, das sich mit einem verärgerten Gesichtsausdruck auf den Boden gesetzt hatte und die Arme verschränkte als sei es beleidigt.

„Aber mal was anderes: Was ist das da?“, fragte er schließlich.

„Ein Squama. Ein Ilthid. Offenbar einer der Zwielichten Sorte. Wir haben ihn am Markt gefunden, wo er uns beinahe die Gulden unter der Nase weggeschnappt hätte“, sagte Daramos und schnaufte. Die Echse dagegen bedankte sich, indem sie ihm erneut die lange Zunge herausstreckte. Ein lautes Schnaufen des stämmigen Majors zog jedoch sofort jede Aufmerksamkeit auf ihn.

„Die Fälle von Andersartigen in Garandír häufen sich. Ich hab schon mehrere Berichte vorliegen, dass offenbar schon ganze Viertel von ihnen unterwandert sind. Aus irgendeinem Grund kommen immer mehr dieser Echsen aus den Süderlanden hier hoch gewandert. Aber keiner von den großen, nur diese kleinen Dingern hier. Das betrifft nicht nur uns, auch andere Städte berichten davon“, erklärte Grimmzorn und stemmte seine großen Hände in die Seite.

„Ja, das stimmt. Die Biester sind tückisch, aber harmlos. Der Orden hat allerhand damit zu tun, sie zu vertreiben. Dummerweise lassen sie sich nur selten erwischen“, bestätigte Ferak und rieb sich das Kinn, „Ist auch das erste Mal, dass ich einen zu Gesicht bekomme.“

„Die Ilthiden sind ein friedliches und harmloses Volk. Der Orden täte besser mal daran, den Grund herauszufinden was sie hier nach oben treibt, statt wieder einmal eine Hetzjagd zu veranstalten“, sagte Nathaniel vorwurfsvoll. Zugleich warfen ihm Moldarius und Ferak verächtliche Blicke zu.

„Ich denke eher, der Orden täte gut daran noch mehr Gesindel von Garandír fernzuhalten“, meinte der Major drohend. Der Alchemist setzte daraufhin nur erneut sein arrogantes Lächeln auf und schnalzte mit der Zunge.

„Ich weiß, ich weiß. Ich tue ja auch brav, was der Orden verlangt. Wir waren dabei das Geschöpf den örtlichen Templern zu übergeben, damit sie darüber richten“, sagte er und verzog die Lippen.

„Dann gebt euch besser doch gleich mit ab, Ketzer“, raunte Ferak verächtlich.

„Das muss ich mir von einem Stiefellecker des Militärs nicht sagen lassen“, rief Nathaniel wütend. Genauso wie Ferak hatte er alle Höflichkeit fallen gelassen. Beide standen sich wie zwei knurrende Hunde gegenüber, fixierten sich mit todgefeilten Blicken.

„Bitte, bitte, meine Herren. Keine Streitigkeiten in meinen Gemächern“, sagte eine sanfte, aber kräftige Stimme. Sofort wandten sich alle der Gestalt zu, die ohne das es nur einer von ihnen bemerkte, den Raum betreten hatte. Es war ein Geschöpf wie es zumindest Daramos noch nie zu Gesicht bekommen hatte. Es war von einem großen, schlanken Körperbau, der selbst den Major um einen Kopf überragte, doch dafür schmal, fast zierlich, trotz den deutlich sichtbaren Muskeln seines Körpers. Haare, so funkelnd wie der Sonnenglanz auf einem Teich, fielen über seine Schultern als ein silbrig, funkelnder Wasserfall, seine Haut dagegen war glatt und alabasterfarbend wie Elfenbein. Sein Gesicht war ebenso wie sein Körper fein und schlank und ein langer, schneeweißer Ziegenbart zierte sein Kinn. Gewandet war er in einem feuerroten Mantel, der gold bestickt mit kleinen, zierlichen Flammen war, die mehr als Worte von der Handwerkskunst der Alben sprachen. Doch das sonderbarste und zugleich faszinierendste an seiner Erscheinung waren seine Augen.

Sie waren hellblau und leuchtend als würde pures Eis aus ihnen herausstrahlen. Doch im inneren waren keine Pupillen wie bei einem Menschen, stattdessen blickten sie in eine ganz und gar leuchtende Scheibe aus intensivem Blau. Diese Augen erfüllten bei seinem Betreten den ganzen Raum mit einer merkwürdigen Kälte, einem Schneesturm, der sich über ihre Gedanken legte.

Alles an ihm wirkte auf sonderbare Art und Weise leblos, ganz so als würde ihnen eine Wasserleiche gegenüberstehen anstatt eines lebenden Wesens. Trotz aller Anmut und Schönheit, wirkte er kalt und starr als wäre er gänzlich aus dem kalten Eis seiner Augen gehauen.

„General Tha’Rakan“, rief Major Grimmzorn laut und salutierte gleichwohl. Ferak tat es ihm gleich, senkte aber beschämt den Blick. Er wusste gleich, dass er sich auf keinen Streit mit dem Alchemisten hätte einlassen sollen, doch der Anblick dieser schlangenzügigen Ketzer brachte ihn jedes Mal zur Weißglut. Es blieb nur zu hoffen, dass der General ihn nicht zu hart zur Vorantwortung ziehen würde.

Der Feuerfürst aber ließ sich Zeit alle Anwesenden im Raum genau zu betrachten, Ferak und Grimmzorn, Waku und Nathaniel, dem er sogar kurz zunickte, selbst dem Ilthiden schenkte er Aufmerksamkeit, der genauso gebannt auf den Alben blickte wie alle anderen. Schließlich legten sich seine kalten Augen auf Daramos, der seinen Blick nur unsicher erwiderte.

„Ist er das?“, fragte er mit einem sanften Lächeln Nathaniel. Dieser nickte rasch.

„Ja, das ist er, Herr. Rokars zweiter Sohn“, stellte der Alchemist ihn vor. Tha’Rakan nickt erneut.

„Freut mich dich kennen zu lernen, Daramos“, sagte er. Ebenso wie seine Präsenz erfüllte auch seine Stimme den ganzen Raum, ließ jedes andere Geräusch verstummen als würde alles nur auf seinen Atemzug hören. Jeder Moment schien nur auf den Alben gerichtet zu sein, alles schien auf ihn zu warten. Daher konnte der junge Hüter gar nicht antworten. Es erschien ihm falsch etwas anderes als dem Alben Platz in dem Augenblick zu gönnen, auch wenn es seine eigene Stimme war.

Tha’Rakan wandte sich jedoch zunächst Major Moldarius zu, der seine Fassung schon kurz nach dem Eintreten des Generals wiedererlangt hatte. Er war genau wie Nathaniel seine Erscheinung mittlerweile gewohnt, auch wenn er sich seiner einnehmenden Präsenz nur schwer entziehen konnte. Der einzige, der wohl ganz und gar unbeeindruckt von dem Alben war, war Waktu, doch es war schwer zu sagen, ob er sein Eintreten überhaupt bemerkt hatte. Die ganze Zeit schon stand er still wie eine Statue da und rührte keinen Muskel.

„Grimmzorn! Sie sind schon wieder hier? Haben sie dem Oberst Bericht erstattet?“, fragte der Feuerfürst nach und schloss die Tür hinter sich. Der Major nickte.

„Das habe ich. Er weigert sich dem Oberkommando Folge zu leisten.“

Einige Momente herrschte Stille im Raum. Man konnte förmlich hören, wie Tha’Rakan Luft holte, ehe er mit einem tiefen Seufzer und Kopf leicht schüttelte.

„So ein Narr. Major Grimmzorn? Ich entbinde sie hiermit Haras’ Kommando. Bis diese Sache geregelt ist, werden sie einer anderen Abteilung dienen“, sagte er bestimmend.

„Jawohl, Herr General“, bestätigte der Major.

„Des Weiteren stelle ich sie nun unter das Kommando von Oberst Gustos. Sie sollten das Bataillon anführen, dass nach Dirgor aufbricht um diese Seuche zu untersuchen. Der Oberst hat mich persönlich darum gebeten, dass er sie mit diesem Auftrag betrauen will“, erklärte der General weiter, ging durch den Raum zu seinem Schreibtisch und griff sich eines der Dokumente, die dort auf einem Stapel lagen. Mit einem nachdenklichen Blick schlug er es auf und las einige Zeilen darin.

„Jawohl, Herr General“, bestätigte Moldarius erneut, nun aber deutlich zögerlicher. Offenbar war er von der Nachricht selbst überrascht. Auch Ferak machte große Augen. Er würde unter dem Kommando von Moldarius dienen? Das war das erste Mal seit den Wüstenkriegen, dass man Grimmzorn wieder eine Einheit anführen ließ.

„Leutnant Ferak, nicht wahr?“, sagte Tha’Rakan plötzlich. Ferak zuckte erschrocken zusammen.

„Ah… Ja, Herr General?“, fragte er zögerlich nach.

„Sie werden doch auch am Einsatz in Dirgor teilnehmen, nicht wahr?“, fragte der Feuerfürst und schaute von seinem Dokument hoch.

„Ja, Herr General“, meldete sich Ferak.

„Dann passen sie beide gut auf sich auf. Wir haben dort unten eine unserer wichtigsten Führungspersonen verloren. Der Aufenthaltsort von Oberst Malenia ist weiterhin unbekannt“, sagte der General warnend und legte das Dokument wieder zurück auf den Tisch.

„Lady Malenia?“, fragte Ferak verblüfft nach.

„Exakt. Ihnen beiden vertraue ich die wichtige Sonderaufgabe an, den Verbleib von Lady Malenia herauszufinden. Das Militär kann es sich nicht leisten, eine derart großartige Frau zu verlieren. Ich zähle auf sie“, betonte der Feuerfürst nachdrücklich und blickte beiden Soldaten mit ernster Miene an. Grimmzorn nickte bestimmend und salutierte, dann wandte er sich um und verließ den Raum.

Der Leutnant dagegen brauchte erst eine Weile, um diese Neuigkeit zu verdauen, schien dem Major aber dann rasch folgen zu wollen. Abermals hielt er inne als er Daramos sah und ließ sich noch einmal mehr Zeit, um Daramos auf die Schulter zu klopfen und ihm ein warmes Lächeln zu schenken.

„Bis bald, Bruderherz. Stell bis dahin nichts an. Egal was du auch mit diesen beiden Galgenvögeln unternimmst, pass auf dich auf. Ich habe keinen zweiten Bruder“, sagte und zwinkerte Daramos zu.

„Ich könnte das gleiche von dir behaupten“, lachte dieser und grinste breit. Etwas ernster fügte er hinzu.

„Sei vorsichtig.“

Ferak nickte bestimmend.

„Versprochen.“

Dann trennten sich die Wege der beiden Brüder erneut. Ferak ging Grimmzorn nach, wissend, dass er am nächsten Tag in den Süden aufbrechen würde. Doch keiner der beiden Brüder wusste, unter welchen Bedingungen sie sich erneut treffen konnte, doch beide hatten das selbe, mulmige Gefühl. Ein Gefühl, das etwas Großes ihnen bevorstand, etwas das ihr nächstes Treffen unter einen wichtigen Stern stellen würde. Doch keiner von ihnen konnte es benennen oder darauf deuten. Alles was blieb war eine stille Vorahnung.

Als wollte er dieses Gefühl von sich abwerfen, schüttelte der heftig den Kopf und wandte sich dem General zu. Der Alb hatte inzwischen an dem großen, thronartigen Stuhl hinter seinem Tisch Platz genommen und blickte erwartungsvoll Nathaniel an. Allerdings dauerte es einige Momente, bevor der Alchemist begriff. Mit einem lauten Räuspern ging er einige Schritte nach vorne, bis er mit den Schuhen fast gegen den Schreibtisch stieß.

„Nun, wie sie sehen, habe ich den zweiten Sohn von Rokar aufgetrieben und zu ihnen gebracht. Auch hält er bereits die Waffe in den Händen, die wir geborgen haben“, erklärte er und zeigte mit einer ausladenden Gestik auf Daramos.

„Kann ich sie einmal sehen, junger Herr?“, fragte der Feuerfürst schmeichelnd. Auch Daramos brauchte einige Momente, um sich von dem Klang der Stimme des Alben loszulösen und den kleinen Beutel, den Nathaniel ihm gegen hatte, hervorzuholen. Ohne zu wissen warum fingen seine Hände an zu zittern, als er den Beutel öffnete und den kleinen Stein im Inneren sah. Obwohl er ihn schon ein paar mal gesehen hatte, kam er ihm ganz fremd vor wie ein Lebewesen aus einer anderen Welt. Unsicher nahm er ihn in die Hand und ließ vor Schreck den Beutel auf den Boden fallen, als seine Hand sich mit einem heftigen Zucken schmerzhaft zusammenzog.

„Stimmt etwas nicht?“, fragte Nathaniel besorgt. Daramos blickte verwirrt auf. Man hatte ihm den Schreck wohl auch am Gesicht ablesen können.

„Er ist ein wenig… kalt“, log er und streckte den Stein weit von sich weg als wollte er in am liebsten fortwerfen. Der General stand von seinem Stuhl auf und beugte sich weit über seinen Tisch, aber auch nur vorsichtig und gehemmt als würde er ein wildes Tier aus sicherer Distanz beobachten wollen.

„Ja, ich erkenne es wieder. Ahra'thialior, die Waffe der Dämonenväter. Sie ist wieder in unseren Händen, nach so langer Zeit“, raunte er ehrfurchtsvoll und nickte langsam.

„Langer Zeit? Die Waffe gehörte schon einmal ihnen?“, fragte Daramos verblüfft. Der General schüttelte jedoch nur den Kopf.

„Nein. Sie gehörte den Alben und den Zwergen. Durch den Verrat von Ahra’thialior an ihren eigenen Vater, fiel uns vor mehr als 6000 Jahre die Waffe der Dämonen zu. Der Albenprinz Thru’uiel konnte so den einstiegen Dämonenvater Bathru verletzten und den Zwergen gelang es somit ihn im ewigen Eis des Nordens zu versiegeln. Diese letzte Schlacht beendete den zweiten Dämonenkrieg nach der Zeit der Stille“, erklärte er sachte und steigerte Daramos’ Erstaunen immer weiter. Mittlerweile blickte er in mit offenem Mund an und konnte sich nicht so recht entscheiden, ob er den Stein in seinen Händen nun verfluchen oder ehren sollte.

„Das war ungefähr 400 Jahre vor der Niederkehr Anvaris auf die Mitternachtswelt. Also lange bevor wir Menschen überhaupt existierten“, warf Nathaniel ein, wieder mit seinem typischen Ton eines Lehrers, der Daramos mittlerweile gut vertraut war, „Man erzählt sich, dass Ahra’thialior einen Fehler besaß und sie ihre Herren deshalb verriet. Als Waffe hatte sie einen eigenen Willen und einen staken noch dazu. Sie wollte sich nicht kontrollieren lassen und half deshalb dabei ihre Väter zu vernichten.“

„Doch das selbe galt auch für die Alben. Nach dem Sieg der Zwerge und Alben verriet sie auch ihre neuen Herren und wechselte erneut die Seite. So weit wir wissen, schien sie sogar einmal in den Händen des Krähenfürsten gewesen zu sein, aber da verlor sich auch unsere Spur“, fügte der Feuerfürst hinzu.

„Es ist davon auszugehen, dass die Waffe auch die Schwarzalben verriet. Dein Vater, Sanders und ich haben jahrelang nach dieser Waffe gesucht und als wir sie hatten, behielt sie dein Vater für Jahre in Gewahrsam. Dort in Amunglad, im abgelegenen Winkel des Reichs sollte sie sicher sein. Den Rest der Geschichte kennst du ja“, führte Nathaniel die Erklärung zu Ende.

„Moment“, warf der junge Fänger gleich darauf ein, „Die Waffe gehörte den Schwarzalben? Ihr meint die Wesen hinter den Gebirgen der Zwerge? Aber wie…?“

„Ne’thol tha Orhta´niu. Ne’ith, luiash fo harash!”, befehlte Tha’Rakan augenblicklich, bevor jemand überhaupt Daramos’ Frage beantworten konnte. Das war das erste Mal das er die albische Sprache hörte, doch hatte er sich ihre Wirkung auf ihn ganz anders vorgestellt. Sofort stellten sich seine Nackenhaare auf und eine Gänsehaut machte sich über seinen Armen breit. Es war schwer zu beschreiben, aber es schien als würde sich jedes Wort wie ein kleiner Nadelstich über seine Haut verteilen.

Nathaniel blickte den General überrascht an und nickte gleichwohl.

„Hör zu, Daramos“, fing der Gelehrte, „Die Schwarzalben sind kein Thema, das wir hier besprechen sollten. Besser wir konzentrieren und auf das Wesentliche.“

„Und das wäre?“, fragte der junge Fänger. Der Alchemist antwortete nicht gleich, sondern blickte betroffen zu Boden. Dann wandte er sich dem Feuerfürsten erneut zu und ließ ein tiefes, trauriges Seufzen vernehmen.

„Der Jäger ist wieder aufgetaucht, Herr“, fing er langsam an und fuhr sich durch die Haare, „Er scheint es nun auf Daramos abgesehen zu haben.“

Der Alb hob eine Augenbraue an, schien aber sonst nicht sonderlich viel Reaktion zu zeigen.

„Merkwürdig. Was könnte ihn dazu veranlasst haben?“, fragte er und faltete die Hände zusammen, „Du bist doch sonst das Ziel seiner Rache.“

Der Zauberer nickte langsam. Sein Blick mit derselben Traurigkeit erfüllt wie neulich in der Traumfeder.

„Ich weiß. Vielleicht ist es auch eine Art Rache, dass er versuch ihn zu töten?“, mutmaßte er.

„Möglich“, stimmte der General zu, „Aber viel wichtiger ist, wie wir ihn wieder los werden. Dummerweise ist es schwer ihn ausfindig zu machen, wenn er nicht will. Nicht einmal ich kann mit Sicherheit sagen, wo er sich aufhält. Er könnte eine ernsthafte Bedrohung für unsere Pläne sein, wenn wir ihn nicht beseitigen können.“

„Es würde doch reichen, wenn wir ihn abhängen. Wir müssten einfach unsere Spuren verwischen“, schlug Daramos vor. Gerade jetzt fiel ihm ein, dass er nicht einmal wusste, wohin sie denn als nächstes gehen würden. Der Alb sprach von einem ‚Plan’, doch Daramos war nicht einmal eingeweiht.

„Die Waffe reaktivieren“, warf Tha’Rakan ein. Sowohl Daramos als auch Nathaniel zuckten gleichermaßen zusammen und blickten den General mit großen Augen an.

„Das war es doch, was dir durch den Kopf ging, nicht wahr?“, hakte dieser nach. Seine kalten Augen musterten Daramos gründlich und verschlugen ihm wieder einige Momente die Sprache. Nervös schluckte er sein Zaudern hinunter, ehe er antwortete.

„Woher wisst ihr das?“, fragte er unsicher. Auch der General lächelte ähnlich wie Nathaniel, wenn er eine solche Frage gestellt bekam. Doch das seinige war anders, nicht nur kälter und berechnender, es hatte auch etwas Unheimliches an sich. Es schien als würde jede Wärme aus dem Raum flüchten, um seiner Kälte Platz zu machen.

„Ich lebe schon lang genug auf dieser Erde, Daramos“, raunte er zur Antwort, „Ich weiß mehr über die Menschen als sie von sich selbst.“

Der junge Fänger spürte quasi wie sich sein Herz vor Eiseskälte zusammenzog als der General ihn bei seinem Namen nannte.

„Um auf deinen Vorschlag zurück zu kommen: Es wird nur schwer möglich sein, unsere Spuren vor Schadara zu verwischen. Er ist nicht nur irgendein Jäger, den man so einfach austricksen könnte. Er wird uns verfolgen bis er uns wieder findet“, mischte sich Nathaniel ein. Zum ersten Mal war Daramos froh, die Stimme des Alchemisten zu hören. Es schien wie ein kleines, warmes Feuer im Winter, nicht heiß genug um einen zu wärmen, jedoch hell genug, um einem wenigstens das Gefühl zu geben.

„Redet ihr von dem Kater?“, lispelte eine kleine Stimme kleinlaut. Einige Momente herrschte Stille und alle blickten verdutzt auf die Echse am Boden, die unbeachtet bisher am Boden gesessen hatte und ihr Gespräch belauscht haben musste.

„Woher weißt du von ihm? Du steckt mit ihm unter einer Decke!“, sagte Daramos mürrisch und machte sich bereit dem kleinen Wesen einen weiteren Tritt zu verpassen.

„Nein, nein, nein!“, rief es ängstlich und hob abwehrend die Hände, „Ihr riecht nur nach ihm. Ehrlich. Ich schwöre es!“

„Moment!“, warf Nathaniel ein und bot Daramos mit einer raschen Geste inne zu halten, „Er riecht nach ihm? Was soll das heißen?“

Etwas schüchtern blickte der Ilthid zwischen dem Fänger und dem Alchemisten hin und her.

„Also…“, fing es zögernd an und prüfte mit einem raschen Blick, ob es nicht schon für diese Worte einen weiteren Fußtritt kassierte. Doch als nichts geschah, fuhr es langsam fort: „Auf dem Markt, da war ein Mann in Jägerkleidung. Er schien ein wenig verwahrlost, aber das war eigentlich nichts Ungewöhnliches. Aber er roch ein wenig nach toter Katze. Ganz deutlich. Ich war nah genug an ihm dran.“

„Vermutlich weil du ihn ausrauben wolltest“, mutmaßte Daramos vorwurfsvoll. Die Echse blickte betroffen zu Boden.

„Vielleicht“, meinte sie und kicherte dann hämisch. Der Fänger stieß sie sofort dafür in die Seite, mehr aber zum Tadel als ihr diesmal weh zu tun.

„Das heißt du kannst ihn riechen wenn er in der Nähe ist?“, fragte Daramos nach.

„Vielleicht…“, sagte der Ilthid und streckte ihm die Zunge raus.

„Denk besser über deine nächste Antwort nach“, sagte der Fänger langsam, aber nachdrücklich, während er seinen Ärger einfach dadurch raus ließ, dass er seinen Dolch aus dem Gürtel zog und ihm an den Hals hielt.

„Ja, kann ich. Ich bin die beste darin. Ich schwöre es! Ich bin besser als jeder Spürhund!“, rief sie panisch und wedelte mit den Armen. Nathaniel lächelte breit und blickte schelmisch zu Tha’Rakan. Dieser erwiderte kurz mit einem kühlen Nicken.

„Ein durchaus praktischer Zufall, meine Herren. Wie ist dein Name, kleiner amphibischer Spürhund?“, fragte der General an die Echse gewandt fort. Diese registrierte gar nicht, dass der Alb überhaupt das Wort an sie gerichtet hatte, bis Daramos sie erneut mit dem Stiefel in die Seite stieß. Verwirrt blickte sie sich um und sah den Feuerfürst fragend an. Mit einer Gestik zeigte die Echse zögerlich auf sich selbst und der General nickte.

„Krartzala, Herr“, lispelte die Echse leise.

„Dann möchte ich dich bitten meinen zwei Dienern und dem jungen Herren hier zur Seite zu stehen und für sie den Spürhund zu spielen. Ich werde mich dafür erkenntlich zeigen, wenn du die Sache gut macht“, sagte Tha’Rakan mit einem wohl freundlich gemeinten Lächeln, dass aber die Echse ebenso frösteln ließ wie Daramos zuvor.

„J-Ja, natürlich, H-herr“, stotterte sie und nickte übereifrig. Offenbar wagte sie es nicht dem Alben zu widersprechen. Daramos konnte es ihr nicht verdenken, schließlich hatte er selbst auch schon Schwierigkeiten überhaupt ein Wort rauszukriegen, wenn diese eisblauen Augen auf ihn gerichtet waren.

„Haltet ihr das für eine gute Idee, Herr?“, fragte Nathaniel nach und runzelte die Stirn, „Ich bin mir sicher, dass diese Kratzkala uns bei nächster Gelegenheit entwischen wird.“

„Krartzala!“, berichtigte die Echse ihn, wurde aber ignoriert.

„Dann solltet ihr Vorkehrungen treffen, mein lieber Nathaniel. Wenn sie den Jäger aufspüren kann, hängt vielleicht der Erfolg der Mission von ihr ab“, sagte der General und ließ sich in den Stuhl sinken.

„Das heißt wir reisen weiter mit diesem Schuppenbündel im Nacken? Das kann nicht euer ernst sein“, rief Daramos entrüstet. Doch Tha’Rakan ließ sich nicht beirren, schüttelte sanft seinen Kopf und blickte den Fänger schließlich eindringlich an.

„Entweder ihn oder den Jäger, mein junger Freund“, sagte er und lächelte leicht. Den Fänger fröstelte es gleich in doppelter Hinsicht. Nicht nur waren es diesmal allein die kalten Augen des Fürsten, auch der Gedanke an die tödliche Klinge des Jägers ließ ihn schaudern. Die Erinnerungen an den knappen Tod waren noch zu frisch und lebendig als das er sie einfach abschütteln konnte.

„Dann nehmen wir wohl besser Kratzkra da mit“, schlussfolgerte er.

„Krartzala!“, berichtige die Echse erneut, bekam aber wieder keine Beachtung geschenkt. Der Alchemist nickte langsam und schien sich auch nach und nach mit dem Gedanken anzufreunden.

„Die Spürnase des Ilthiden kann uns tatsächlich einigen Ärger ersparen. Wenn wir Schadara aufspüren können, können wir uns auch besser auf seine Hinterhalte und Angriffe vorbereiten. Das ist besser als blind umher zu stolpern und dann ins Spinnennetz zu tappen“, stimmte er zu.

„Dann wäre die Sache ja entschieden“, sagte Tha’Rakan und nickte langsam, „Manchmal kann eben auch in einer zufälligen Begegnung das Leuchten eines Glückssterns schimmern.“

„Den Zwölf Geistern des Zufalls zum Dank. Ohne diese Krartraza wären wir vermutlich wahrlich aufgeschmissen“, stimmte Nathaniel zu.

„Kra… Ach, vergisst es. Ihr merkt euch meinen Namen ja doch nicht!“, meckerte die Echse erneut und schnaufte verärgert. Nicht, dass es einer mitbekam. Sie wurde nach wie vor von den Beteiligten ignoriert. Vor allem Daramos hielt das Thema über den Ilthiden für abgeschlossen und beschloss nun endlich genaueres über den ‚Plan’ zu erfahren, von dem der General gesprochen hatte.

„Wo können wir denn die Waffe reaktivieren?“, fragte er laut. Tha’Rakan lächelte erneut und hob den Kopf an, als würde er über etwas nachdenken wollen.

„Wir gehen nach Felistina, dort wo der Rat der Alben sitzt. Ich bin sicher, dass wir dort herausfinden werden, wie die Waffe unbrauchbar gemacht wurde und vor allem wie man sie wieder funktionstüchtig macht“, sprach er langsam aus und tippte sich mit einem schlanken Finger gegen die Wange.

„Felistina? Das ist im Saphirtal! Weit hinter dem Kâz Ladan!“, rief Daramos erstaunt.

„Das ist korrekt. Wir werden Assyrál verlassen. Im Land der Menschen ist es zu gefährlich. Wenn der Orden herausbekommt, dass wir vorhaben eine dämonische Waffe zu aktivieren, dann wird uns nicht einmal der General helfen können. Sie würden Jagd auf uns machen“, erklärte Nathaniel und rückte sich die Brille zurecht.

„Gibt es einen Grund für die Wiederherstellung von Ahra’thialior?“, fragte der Fänger sofort nach, musste aber feststellen, dass sich die der Name merkwürdig in seinem Mund anfühlte. Es schien fast als würde sich der Waffe weigern von ihm beim Namen genannt zu werden.

Der Feuerfürst dagegen antwortete nicht und zeigte keinerlei Regung auf seinem Gesicht. Wie eine aus Stein gehauene Statue saß er eine Weile in seinem Stuhl und starrte Daramos an. Wieder erhob sich in ihm dieses eiskalte Gefühl als würde sich eine Schneelawine durch seine Adern bahnen. Seine Augen griffen förmlich nach seinem Herzen mit kalten Klauen und ließen es nicht mehr los, verwandelten sein Blut in schieres Eis. Langsam fingen seine Beine an zu zittern und senkte schützend seinen Blick zu Boden. Er wünschte sich sofort diese Worte nie gesagt zu haben, auch wenn er nicht wusste, was an ihnen falsch war. Doch er hätte sie nicht einmal zurück nehmen können, denn auch sie waren zu Eis gefroren und lagen wie eine Barriere in der Luft.

Doch schließlich nickte der Fürst und wechselte mit seinem Blick zu Nathaniel. Man konnte förmlich das erleichterte Aufatmen von Daramos’ im Raum spüren.

„Ein Krieg bahnt sich an“, sagte Nathaniel. Der junge Fänger hob sofort seinen Blick und sah den Alchemisten entsetzt an. Dieser nickte leicht und setzte zu einer Erklärung an.

„Oder etwas schlimmeres. Wir haben verschiedene Anzeichen von etwas weit größerem. Der Magierkönig selbst glaubt, dass…“

„Schluss jetzt!“, rief Tha’Rakan. Es war nicht laut, aber dennoch reichte der Befehl aus um den gesamten Raum sofort zum Schweigen zu blicken. Nathaniel blickte unsicher zu dem General und nickte leicht.

„Wir wissen im Prinzip noch gar nichts“, sagte der Fürst an Daramos gewandt und maß den Alchemisten mit einem strengen Blick, „Aber viele höhere Ratsmitglieder sind besorgt über verschiedene Sichtungen und Deutungen von älteren Gelehrten, Forschern und Magiern. Daher der Ahra’thialior. Er ist eine Schutzmaßnahme, nichts weiter.“

Zögerlich nickte Daramos, doch er schien nicht ganz zufrieden mit der Antwort. Doch weitere Fragen stellen wollte er ganz sicher auch nicht. Er wusste nicht, ob er noch einmal einem derartigen eisigen Blick des Fürsten standhalten konnte. So langsam fragte er sich, warum man ihn überhaupt den Feuerfürsten nannte. ‚Der Eisfürst’ wäre vermutlich wesentlich passender gewesen.

„Damit ist wohl alles besprochen. Ich werde Morgen mit einer kleinen Brigade aus Hütern nach Felistina aufbrechen. Offiziell ist dies eine Verstärkung für den Quel’Asir, da sich am Rande des Saphirtals Übergriffe von Larvaes und Schwarzalben häufen. Ihr werdet in der Traumfeder als Botschafter mitfahren. Wenn alles nach Plan läuft sind wir schon in wenigen Tagen dort“, schloss Tha’Rakan und sah sich zwischen allen im Saal um als ob er auf Widerworte warten würde. Natürlich gab es keine. Nach einer Weile nickte er und stand von seinem Stuhl auf.

„Dann ruht euch aus. In der Kaserne gibt es Ruheräume für militärische Boten. Diese habe ich bereits vorbereiten lassen. Morgen früh dann brechen wir auf“, befahl er und deutete mit einer Geste zum Ausgang. Der Alchemist nickte verstehend und wandte sich rasch zum Gehen. Er fasste Daramos am Handgelenk und gab ihm so zu verstehen, dass er ihm rasch folgen sollte. Der Ilthid dagegen schien gleich freiwillig aufzuspringen und den Raum verlassen zu wollen, offenbar ihnen auch noch brav folgend.

„Du hast mir einiges verschwiegen“, tadelte Daramos sobald sich die Tür hinter ihnen schloss. Doch Nathaniel zuckte nur mit den Schultern und lächelte leicht.

„Tha’Rakan kann viele Dinge besser erklären als ich“, meinte er.

„Du meinst wohl ‚überzeugender’?“, hakte der Fänger verärgert nach.

„Das kommt aufs selbe hinaus. Nun gräm dich nicht unnötig. Du hast alles erfahren was du brauchst und nun sei froh darüber. Ich habe schon in Tha’Rakans Auftrag gehandelt mit viel weniger Wissen als du“, sagte der Gelehrte streng und machte mit einer raschen Gestik klar, dass er das Gespräch für beendet hielt. Mit schnellem Tritt machte er sich gleich davon, ungeachtet ob Daramos ihm folgte.

Dieser jedoch seufzte nur genervt und schüttelte den Kopf.

„Na dann komm mal mit, Kaska. Und stell keine Dummheiten an“, sagte er zu der Echse gewandt.

„Kaska?“, fragte es neugierig.

„Irgendwie muss ich dich ja nennen ohne mit dabei die Zunge abzubrechen. Gefällt dir der Name nicht?“, meinte Daramos.

„Nein. Nicht wirklich.“

„Ist mir egal, du heißt jetzt Kaska“, beschloss der Fänger.

Und mit derselben Gestik wie Nathaniel zuvor beendete er auch dieses Gespräch. Es war erstaunlich wie schnell man von ihm lernen konnte, wenn man nur wollte. So langsam würde er sich ohnehin an den Gedanken gewöhnen müssen. Ob er nun Nathaniel mochte oder nicht, offenbar blieben sie noch eine Zeit lang zusammen und mussten sich vertrauen. Allerdings wusste Daramos nicht, ob es richtig war was er tat. Er hatte das dumpfe Gefühl etwas verpasst zu haben, etwas Wichtiges. Dass Tha’Rakan ihm etwas verschwieg war offensichtlich, aber das war es nicht, was ihn beunruhigte. Schließlich stellte ein guter Soldat auch nie die Befehle in Frage, die ihn antrieben. Es war vielmehr der Gedanke an seinen Vater, der ihn stutzig machte. Mit keiner Silbe hatte er je Nathaniel oder den Feuerfürst erwähnt, selbst als er ihn als Kind auf den Alchemisten angesprochen hatte, der sie einst besuchte, so war seine Antwort nur ein tiefes Schweigen. Was es wohl mit allem auf sich hatte?

Jedenfalls würde es nicht in Erfahrung bringen wenn er zauderte oder grübelte. Es gab nur einen Weg und der führte wohl oder übel geradeaus. So wie sein Bruder und sein Vater vor ihm. Der Weg eines Soldaten.

„Willkommen in der Armee“, scherzte Daramos.



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Kommentare zu dieser Fanfic (37)
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Von: abgemeldet
2010-05-22T16:33:18+00:00 22.05.2010 18:33
Gute Kritik hin und her - wenn du veröffentlichst, hast du einen Lektor!
Aber dein Stil... göttlich! Ich hoffe nur, ich klaue dir mal keine Sätze, wenn ich selber schreibe xD

Aber im Gesamtbild fallen die ganzen Namen schwer. ALso wer ist jeztt wer, von wem wird gesprochen und so. Aber 's ist trotzdem spannend. Schade eigentlich, dass vorher da steht, Sanders sein nicht dein Hauptcharakter, der ist cool °_|_° !!
Aber, wenn ich das mit deiner "How to Do" vergleiche, sieht man, dass du VOR dem Schreiben nachdenkst, was in ein Buch muss, RESPEKT !!!

LG, dawnofdragons
Von:  -Catayane-
2010-03-31T13:14:20+00:00 31.03.2010 15:14
Dieses Kapitel war ein wenig langatmig geschrieben, muss ich gestehen.
Kann nicht genau sagen, woran das lag, vermutlich an den ganzen Dialogen und Erzählungen über die ganzen Kriege. Klang zeitweise ziemlich trocken. Ist ein bisschen blöd, wenn die Figuren die ganze Zeit über Ereignisse reden, die der Leser nicht kennt, die aber scheinbar in der Story jedem bekannt sind. Entweder müsste sowas mal irgendwie mal vom Erzähler erklärt werden oder eine Figur muss es fragen. So hab steht der Leser (in dem Fall Icke) irgendwie total im Wald.

Dann muss ich dir noch sagen, dass du grundsätzlich Anreden klein schreibst. So Sachen wie "Sie", "Euch", "Ihr", "Eure" usw. werden immer großgeschríeben, wenn man die andere Person nicht duzt.
Interressant war auch deine Steigerung von "leiser" zu "leiserer".
Aber ganz schrecklich fand ich den Namen der Waffe. Den konnte ich nicht aussprechen, bei Gott nicht, und den Namen der Echse auch nicht. Da kriegt man einen Knoten in die Zunge XD


Tja, sonst war es ganz gut.
Man müsste es nochmal betalesen, aber sonst war es ganz gut.
Mach weiter und schreib bald wieder ein neues Kapitel!

Grüße, Catty
Von:  -Catayane-
2010-03-30T11:55:29+00:00 30.03.2010 13:55
Wiedermal ein reichlich amüsantes Kapitel (bin ja gar nicht schadenfreu XD)
Interessant war es schon, die Sache mit den Elementargeistern zu erfahren und auch diese kulturellen Vorurteile näher beleuchtet zu bekommen. Wirklich sehr erstaunlich.

Na ja, in der Rechtschreibung waren hier und da kleine Fehlerchen (Jagd hast du bspw. immer mit "t" geschrieben) und halt die ein paar Nebensätze ohne Kommas - ansonsten eine klasse Arbeit.

Grüße, Catty
Von:  -Catayane-
2010-03-29T15:45:15+00:00 29.03.2010 17:45
Prima Kapitel!
Ich fands noch besser als das vorherige.
Besonders diese nette Idee mit den Ketten als peitschenhafte Waffe ist wirklich sehr originell.
Ganz tolli, also.

Na ja, ein paar Kommas bei den Nebensätzen fehlten wieder (Ich weiß, ich bin böse, erschlag mich :p) und so ein paar klitzekleine Kleinigkeiten bei der Rechtschreibung.


Das wars wieder von mir und nun zurück ins Studio XD

Grüße, Catty
Von:  -Catayane-
2010-03-29T12:58:00+00:00 29.03.2010 14:58
Also ehrlich, ich finde es wahnsinnig toll, dass du Lieder in die Geschichte einbaust, die die Story an sich begleiten.
Das ist voll schön und erinnert mich an die Bücher von Tom Arden.

Das Kapitel war sehr spannend und stimmig; ein wenig geheimnisvoll, weil man noch nicht wirklich alle Hintergründe weiß. Ist tierisch aufregend! >_<

Pass aber ein bisschen auf die Kommas auf, du vergisst sie gern bei den Nebensätzen.


Grüße Catty
Von:  -Catayane-
2010-03-18T20:21:19+00:00 18.03.2010 21:21
Tja, das war also das erste Kapitel.
Ein paar kleine Kommafehler und etwas Groß-Klein-Schreibung, allerdings nicht gerade gravierend.

Habe selten hier auf Animexx so eine gute Geschichte gelesen und werde sie auf jedenfall weiter verfolgen, soviel ist klar.

Hier noch ein paar Ratschläge:
Wenn eine Figur das erste Mal in Erscheinung tritt, versuche zu vermeiden, sie gleich vom Kopf bis zum Fuß zu beschreiben. Das bringt an sich zu viele Informationen auf einmal. Eher Stück für Stück kommt besser an und am Anfang nur kurz die entscheidensten Merkmale, sonst klingt es ein wenig wie bei Mordkommission-Wer saß gestern im Bus neben dir XD Du wirst schon verstehen, was ich meine.
Und dann noch, sei ganz vorsichtig mit den Wortwiederholungen. Wenn man in zwei direkt aufeinander folgenden Sätzen das Wort "besser" verwendet, klingt das seltsam, vor allem wenn es dieselbe Person (in dem Fall Sanders) sagt.
Und bitte, verliere in schnellen Szenen nicht die Detailliebe, sonst kommt man nicht mehr richtig hinterher.

Genug Kritik. Mach schön weiter!

Grüße Catty
Von:  Mallacai
2009-10-25T14:46:59+00:00 25.10.2009 15:46
Wow! Das ist eine wirklich gute Geschichte. Ich habe zwar erst das erste Kapitel gelesen, aber du hast meinen tiefen Respekt. Nicht viele hier auf Animexx schaffen es so gut mit Worten umzugehen wie du und ich denke mal, dass du gute Chancen haben könntest aus dieser Geschichte was zu machen. Halt dich ran! ^.~
Doch mir sind ein paar Rechschreibfehler aufgefallen. Und vielleicht ein oder zwei grammatische Fehler, doch bin ich bei denen nicht so sicher, da ich kein Deutschgenie bin. xD Könnte mich da auch sicher irren.
Aber ich leg erst einmal los (alles im ersten Kapitel!):

- 4 Seite; 15 Zeile von unten; "...unter Quallen..." hast du geschrieben. Soll sicher Qualen heißen?

- 4 Seite; 6 Zeile von unten; da ist ein "aus" zu viel.

- 4 Seite; 4 Zeile von unten; "....Übersicht zu behandeln...", sollte sicher "....Übersicht zu behalten..." heißen?

- 5 Seite; 1 Zeile von oben; "...eine Schwert...", da haben deine Finger zu viel gewollt und eine Mehrzahl drausgemacht. >3

- 5 Seite; 11 Zeile von oben; "...riss mit aller seiner Kraft...", müsste da nicht ein " ...all seiner Kraft..." hin?

- 5 Seite; 12 Zeile von oben; "...wie ein Speer gegen den sein Ziel.", dass "den" müsste weg.

- 5 Seite; 2 Absatz von oben; Dieses "schrie der" klingt nicht so passend, würde es sich nicht besser anhören, wenn sein Name da stehen würde und ist das mit dem "...endete damit..." so gewollt? Auch das hört sich irgendwie komisch an.

- 5 Seite; In der 12 Zeile von oben hast du etwas in der Art geschrieben: "...und schleuderte den Stab wie einen....", doch in der 16 Zeile schreibst du auf einmal: "...hielt seinen Stab immer noch fest und entschlossen in seiner Hand." Da stimmt was mit der Abfolge nicht.

- 7 Seite; 12 Zeile von oben; "...und ein entblößte ihre silbernen Zähne mit einem breiten Grinsen." Das ein müsste weg, dann wäre es Perfekt.

Okay xD Das war´s. Ich hoffe doch, dass ich nicht nur schwachsinn aufgeschrieben habe und dir vielleicht etwas helfen konnte.

liebe Grüße
Von:  Flordelis
2009-09-17T12:18:15+00:00 17.09.2009 14:18
Wie? Noch kein Kommentar?
Das wollen wir ändern.

Wie schon die vorherigen Kapitel fand ich auch dieses wieder echt wahnsinnig. Allein wie du diesen Kampf beschrieben hast, war einfach nur WOW!
Ein besseres Wort fällt mir dafür echt nicht ein.
Ansonsten gab es ein paar kleinere Fehler (ich bin ziemlich sicher, dass es "schürzte die Lippen" statt "stürzte" heißt) und kurz nach Waktus Eingreifen hast du mal ein Wort vergessen, aber alles in allem ist das nicht weiter schlimm.
Ein herausragendes Kapitel mal wieder. ;)
Von:  SketchingTina
2009-08-19T19:22:31+00:00 19.08.2009 21:22
Erst einmal: Alles gute zum Geburtstag, viel gesundheit, viel geld, viele Geschenke und alles was du noch so willst.

Nun zur FF: Ich kam ja nun mehr oder minder via Zufall darauf, aber deine Art zu Schreiben ist wirklich genial. Gefällt mir gut und es ist auch wunderbar spannend.
Werde die Story also wohl weiter verfolgen. Freu mich schon wenns weiter geht <3

Achja und noch...."Arschfedern für alle!" XD'
(Das ist ein "Insider", verzeih, aber der musste noch eben mit ins Kommi XP)
Von:  DrMohnfuchs
2009-08-19T18:59:55+00:00 19.08.2009 20:59
Auch von mir: Alles Gute zum Geburtstag :)!

Dein Schreibstil ist wirklich toll und ziemlich fehlerfrei [ich habe nur wenige Wiederholungsfehler etc. gefunden]. Es liest sich flüssig und du drückst dich eloquent aus.
Besonders schön finde ich, wie du alles anfängst - obwohl es in einer eigenen Fantasywelt spielt schaffst du es neue Begriffe, unbekannte Städte und "Politiken" einzuführen, ohne dass man sich ´belehrt´ fühlt oder es wie eine nervige Aufzählung/Erklärung auf einen einschlägt. Du fügst Erläuterungen geschickt ein oder lässt es durch Dialoge zu verknüpfenden Zusammenhängen kommen. Trotz allem wird nicht alles beleuchtet und sorgt dafür, dass man als Leser ständig Fragen im Kopf hat, die einem die Neugierde geben, weiter zu lesen, um mehr zu erfahren.
Sehr gut gelungen sind meiner Meinung nach auch die Charakterbeschreibungen - einfach toll, wie du die Gesichtszüge und Augenausdrücke umschreibst. Dadurch bekommen die agierenden Personen einen richtig lebendigen Touch. Sie wirken nicht erfunden, sondern man hat man das Gefühl, als könnte man so einem Menschen auf der Straße begegnen -> es gibt dem ganzen einen realistischen Bezug, wirkt natürlich und nachvollziehbar.
Die Beschreibungen über Landschaften, Atmosphären oder Rassen sind ebenso super geworden. Man kann sich alles wunderbar vorstellen und deine gut eingesetzten Metaphern runden das Ganze harmonisch ab.

Weiter so! Ich bin gespannt auf mehr :).


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