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Halluzinationen mit Frau Holle

von

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Der Anfang allen Übels

Es war ein wunderschöner Morgen. Die Sonne war soeben im Begriff aufzugehen und die Vögel hoben zum ersten zarten Gezwitscher des Tages an. Die Welt schien noch ganz in sich versunken und friedlich, als ein anderes "zartes" Stimmchen zu einer ... motivierenden ... Rede anhob: „ Will, jetzt mach gefälligst ein bisschen schneller mit dem Gepäck, wir wollen heute noch los! Die perfekte Braut wird mir nicht einfach zulaufen!“

„Prinz, wenn du nicht so viel...“ In diesem Moment schien Wilhelm, dem Diener des gut aussehenden, sadistischen und brautsuchenden Prinzen Ludwig, einzufallen, dass seine leise Kritik diesen sowieso nicht großartig interessieren würde. So endete er nur mit einem resignierten „Ja, ich beeile mich ja schon.“

Dieser Tag ging wirklich toll los.

Und er ging auch nicht gerade berauschend weiter.
 

Am frühen Nachmittag brach ein Rad der Kutsche, mit der die kleine Gruppe, bestehend aus dem Prinzen, Wilhelm und der Hexe Dorothea, ins nächste Königreich unterwegs war. Und wer musste in den Wald, um passende Stöcke für die Reparatur zu suchen? Genau, Wilhelm. Ob Dorothea nur gesagt hatte, sie könne das Rad nicht mit einem Zauber wieder zusammenfügen, um ihn zu ärgern? Wahrscheinlich wollte sie nur allein mit Lui sein, um wieder erfolglos zu versuchen ihn rumzukriegen oder auch nur um sich ein bisschen von ihm quälen zu lassen.
 

Während seiner bis jetzt erfolglosen Suche überkam ihn ein plötzliches und nicht gerade schwaches Hungergefühl. Richtig, er hatte den ganzen Tag noch nichts gegessen, da der Prinz unbedingt darauf bestanden hatte, sofort bei Tagesanbruch loszufahren. Vielleicht fand er ja einen Himbeer- oder Brombeerstrauch, von dem er ein wenig naschen konnte.

Doch weit und breit war kein Strauch zu sehen; er war wohl einfach zu weit im Unterholz. Endlich fand er ein paar Äste von passender Länge und Dicke und war froh, jetzt wieder zu dem unfreiwilligen Rastplatz zurückkehren zu können. Wer wusste schon, was Dorothea in der Zwischenzeit alles mit dem Prinzen angestellt hatte.

Als er mit den schweren Ästen beladen aus dem Gestrüpp auf den Waldweg kam, kam ihm eine alte Frau mit einem Korb entgegen. Auf einmal stolperte sie über einen Stein und fiel hin. Will ließ natürlich sofort die Äste fallen und eilte zu ihr, um ihr auf zu helfen. Als die Alte wieder auf den Beinen war, sagte sie zu ihm: „Es war sehr nett von dir mir zu helfen, junger Mann.“ Da sich in diesem Moment Wills Magen wieder zu Wort meldete, sprach das alte Mütterchen weiter: „Da du ja sowieso Hunger zu haben scheinst, gebe ich dir zum Dank einen meiner leckeren Äpfel. Ich bin ja gerade zum Markt unterwegs, mal sehen, ob ich alle verkaufen kann...“ Die Alte machte nicht den Eindruck, dass sie so schnell mit der Plauderei aufhören würde, sodass Will schnell entgegnete: „Ja, ich muss auch weiter sonst reißt man mir noch den Kopf ab, es war nett sie getroffen zu haben.“ Und mit diesen Worten lud er eilig die Äste wieder auf und beeilte sich, endlich zu der kaputten Kutsche zurückzukehren. Er schaffte es dennoch im Laufen seine Ladung auf eine Schulter zu verlagern, sodass er mit dem wirklich sehr schmackhaften Apfel nebenbei auch noch seinen Hunger stillen konnte. Das hatte sich ja wirklich gut getroffen!
 

Als er wieder an der Unfallstelle eintraf, war es bereits später Nachmittag.

„Wo zur Hölle warst du solange, Will?“, wurde er freundlich wie immer vom Prinzen begrüßt.

„Es hat eben ein bisschen gedauert, bis ich passende Äste gefunden hab. Es hätte ja auch viel schneller gehen können, wenn Dorothea das Rad einfach wieder ... zusammengehext hätte!“ war Wills ein wenig entrüstete Erwiderung.

„Ja, schieb es nur auf mich Wilhelm!“ Die soeben Beschuldigte wollte gerade zu weiteren Entgegnungen ansetzen, als sich Lui wieder zu Wort meldete, um der noch nicht mal richtig begonnen Diskussion ein Ende zu setzen: „Ist ja auch egal. Will, du und der Kutscher, ihr repariert jetzt das Rad, damit wir endlich weiter können. Ich habe keine Lust hier mitten in der Pampa zu übernachten. Und Dorothea: du machst einfach das...was du immer so machst!“

Träume sind Schäume...oder?!

Die Gegend lag schon in tiefer Dunkelheit, als sie endlich, nach einer Fahrt ohne weitere Zwischenfälle in ihrem Zielkönigreich ankamen. Da es schon fast Mitternacht war, konnte Will Lui davon überzeugen, dass es vielleicht nicht unbedingt ratsam war, jetzt noch beim König vorzusprechen. Trotz der späten Stunde war schnell eine gemütliche Herberge gefunden, in der sie sogar noch etwas Warmes zu essen bekamen, bevor sie zu Bett gingen. Auf dem Gang zu den einzelnen Zimmern verabschiedeten sich Lui und Will von Dorothea, die ein eigenes Zimmer bekommen hatte. Dafür hatte sich Will ausgesprochen und der Prinz war sofort seiner Meinung gewesen. Bei dem Gedanken, dass die Hexe, während er schlief, mit ihm tun konnte, was sie wollte, wurde Lui ziemlich übel. Wäre sie mit ihnen in einem Zimmer gewesen, er hätte wahrscheinlich zum ersten Mal seinen gesunden und überaus festen Schlaf verflucht. So lagen die beiden Männer dann auch in ihren Betten und schliefen nach dem (zumindest für Will) sehr anstrengenden Tag schnell ein.
 

Die Sonne schien. Es war angenehm warm. Kein Wölkchen war am Himmel zu sehen.

Wilhelm registrierte, dass er an einem Brunnen saß. Ein Stück weit von diesem Brunnen entfernt stand ein recht ärmlich aussehendes Haus, vor dem ein Hahn stolz umher spazierte. Er sah sich noch ein wenig weiter auf dem Hof um und musste feststellen, dass ihm dieser Ort völlig unbekannt war. Er hatte weder das Haus noch den Brunnen je in seinem Leben gesehen. Als er gerade darüber nachdachte wie um alles in der Welt er hierher gelangt sein könnte, sprang die Tür des Häuschens auf und ein Mädchen von vielleicht siebzehn oder achtzehn Jahren kam herausgestürmt und schnurstracks auf ihn zugelaufen. Offenbar war sie nicht gerade gut gelaunt.

„Was willst du hier? Verzieh dich, Mann! Ich hab jetzt wirklich keine Zeit mich mit irgendwem zu unterhalten! Obwohl...eigentlich könntest du mir helfen, wenn du einmal hier bist. Mir ist meine Spule in den Brunnen gefallen und meine Stiefmutter sagt, ich soll sie wieder hoch holen. Würdest du mich vielleicht an dem Seil wieder hochziehen, wenn ich die Spule gefunden habe?“

Will war erst einmal völlig perplex ob der schnellen Rede und der unerwarteten Aufforderung des Mädchens, fand dann aber seine Sprache wieder und antwortete: „Ähm, natürlich helfe ich dir. Aber wie ist dir die Spule denn überhaupt da rein gefallen?“

„Ach weißt du, meine blöde Stiefmutter zwingt mich immer das Garn für unsere Kleidung zu spinnen und wenn schönes Wetter ist, mache ich das hier draußen am Brunnen. Aber wenn man eben die ganze Zeit am Spinnen ist, dann werden die Hände schon mal wund und blutig. Und als das heute wieder passiert ist, wollte ich die Spule im Brunnen auswaschen, da ist sie mir aus der Hand gerutscht und hineingefallen. Das musste ich natürlich meiner Stiefmutter beichten und dann hat sie eben gesagt, ich soll sie wieder hoch holen, egal wie. Und da du jetzt weißt, was du wissen wolltest, Fremder, würde ich jetzt gerne erstmal deinen Namen wissen.“

„Ich bin Wilhelm.“ antwortete der „Fremde“ lächelnd. Irgendwie schien sie ihm gleich sympathisch.

Seine freundliche und aufgeschlossene Antwort schien sie vollends davon zu überzeugen, dass es sich bei dem jungen Mann, der hier plötzlich einfach so herumgelungert hatte, um einen netten und vertrauenswürdigen Kerl handeln musste.

„Ich bin Marie, freut mich dich kennen zu lernen. Also holen wir das gute Stück da mal wieder raus. Ich geh runter und wenn ich an dem Strick hier ziehe, dann holst du mich hoch.“

Dabei deutete sie auf das Seil, an dem der Eimer zum Wasserheraufholen befestigt war.

„In Ordnung.“

„Gut, dann mal los.“

Und mit diesen Worten war sie über den steinernen Rand des Brunnens gestiegen und gesprungen. Als sie fiel, entfuhr ihr ein spitzer Schrei, der jedoch bald verstummte.
 
 

Dann war Stille.
 
 

Nachdem Marie gesprungen war, blieb Wills Blick auf dem Brunnenrand hängen. Erst jetzt entdeckte er die kleinen Blutflecken, die von Maries Verletzungen beim Spinnen stammen mussten. Und apropos Marie ... so langsam begann er sich über die unangenehme Stille zu wundern. Wenn jemand in einem mit Wasser gefüllten Brunnen etwas suchte, dann müsste doch zumindest so etwas wie Plätschern zu hören sein. Und ihr Aufprall auf dem Wasser hätte ebenfalls ein nicht zu überhörendes Geräusch verursachen müssen.

„Marie?“

Keine Antwort.

„Marie?“ Diesmal rief er lauter. „Ist alles in Ordnung?“

Nur die Vögel zwitscherten leise. Kein Laut drang aus dem Dunkel nach oben.

Was sollte er jetzt tun? Marie war eindeutig verschwunden. Sollte er an der Tür des Hauses klopfen und der Stiefmutter alles erzählen? Nein, die würde das nicht großartig interessieren. Nach allem, was ihm die junge Frau erzählt hatte, machte die Stiefmutter nicht gerade den Eindruck, dass sie sich besonders um das Wohl ihrer Stieftochter scherte.

Sonst war kein Mensch zu sehen, den er hätte um Hilfe bitten können. So blieb ihm wohl nichts anderes übrig, als selbst in den Brunnen zu springen und nachzusehen, was mit Marie geschehen war.

Er stieg auf den Brunnenrand und mit einem kühnen Sprung ließ er diesen seltsamen Ort hinter, oder besser, über sich. Er fiel tiefer und tiefer, doch zu keinem Zeitpunkt spürte er Wasser um sich. Und ein Aufprall war bis jetzt auch nicht abzusehen. So fiel er weiter und immer weiter...
 
 

Schweißgebadet wachte er auf. 'Wo bin ich?' dachte er überstürzt. Noch immer saß ihm ein ziemlicher Schreck in den Gliedern und sein Atem ging schwer und schnell. Er sah sich um. Er lag in einem Bett in einem dunklen Zimmer. Ein Blick auf das Bett neben ihm und dessen prinzlichen Inhalt und ihm fiel schlagartig alles wieder ein. 'Achja...das Gasthaus. Unser Zimmer...' Bei diesen Gedanken entfuhr ihm ein erleichterter Seufzer und er entspannte sich. Er ließ sich zurück auf sein Kissen fallen und dachte über diesen Traum nach, der ihn so durcheinander gebracht hatte. Wohin konnte das Mädchen denn verschwunden sein? Gut, es war ein Traum, da war alles möglich, aber trotzdem...

Er hatte noch nie einen Traum von solch erschreckender Klarheit gehabt. Und meistens vergaß er sofort im Moment des Erwachens, was er geträumt hatte ... doch selbst jetzt noch, zehn Minuten nach seinem Erwachen, stand ihm jeder einzelne Moment dieses Traumes klar vor Augen. Nach weiteren fünfzehn Minuten des Vor-sich-hin-grübelns sagte er sich, dass es keinen Zweck mehr hatte. Morgen würde bestimmt wieder ein anstrengender Tag werden und da konnte er es sich nicht leisten, die halbe Nacht wach zu bleiben und über etwas nachzudenken, das sowieso nicht real war. So drehte er sich auf die Seite, schloss die Augen und versank in einen neuerlichen, doch diesmal traumlosen Schlaf.
 

Schon kurz nachdem die ersten Sonnenstrahlen durch das Fenster schienen, stand Wilhelm auf und zog sich an. Der Prinz war eigentlich ein Langschläfer, doch auch er wollte heute etwas früher aufstehen. Er wollte endlich zum Schloss, um sich mit der Prinzessin bekannt zu machen, die von allen Leuten, die sie (sprich Will) in der Gegend befragt hatten, als äußerst klug angesehen wurde. Nun gut, hatte er sich gedacht, wenn sie so hübsch wie klug war, hatte er kein Problem. Außerdem mochte er kluge Frauen.

Im Palast des Königs wurden sie (sprich Ludwig) von ebendiesem König auch recht herzlich begrüßt. Er zeigte sich hocherfreut über das Interesse, dass der Prinz an seiner Tochter hegte und sprach auch von einer guten Beziehung zwischen ihren zwei Ländern. Jedoch hoffte Lui, dass die Prinzessin mehr ihrer Mutter als ihrem Vater ähnelte, denn der hatte rein äußerlich nicht gerade viel zu bieten, mit seinem mehr als dicken Bauch und seinem pausbäckigen, geröteten Gesicht, den Sommersprossen und dem etwas längeren Bart aus roten Haaren.

„Nun, Prinz Ludwig, darf ich vorstellen: meine Tochter, Prinzessin Nathalie.“

Die Tür zum Thronsaal öffnete sich und herein trat ein blondes Mädchen in einem bezaubernden blauen Kleid.

„Guten Tag, Prinz Ludwig, es freut mich Euch kennen zu lernen.“, sagte sie, als sie diesem Prinzen gegenüberstand, der so völlig anders aussah, als sie sich einen Prinzen vorgestellt hätte.

Der Angesprochene war gerade intensiv und ausschließlich in die Betrachtung des Kleides versunken und stellte sich den doch recht ansehnlich geformten Körper darin genauer vor. Doch nun löste er sich von seinen Vorstellungen und hob seinen Blick, um festzustellen, ob das Kleid die vermutlich blauen Augen des Mädchens so fabelhaft unterstreichen würde, wie er dachte. Nun, er blickte der Tat in zwei hellblaue Augen, die jedoch durch eine dicke Brille überdurchschnittlich groß aussahen. Ihr Gesicht war über und über mit Sommersprossen bedeckt und sie blickte ihn mit einem breiten Grinsen an, das enthüllte, dass Prinzessin Nathalie auch eine Zahnspange ihr Eigen nannte.

Die allgemeinen Grundsätze der Höflichkeit verboten es ihm, aber am liebsten wäre er bei diesem Anblick schreiend aus dem Schloss gerannt. Klug mochte die Prinzessin wohl ohne Zweifel sein, aber optisch war sie für Lui der komplette Reinfall.

Er schaffte es nach allen Regeln der prinzlichen Entwindungskunst sowohl den König als auch die Prinzessin abzuwimmeln und machte sich dann schleunigst aus dem Staub.

In einem Vorzimmer des Thronsaals wartete Will, der schon an Ludwigs schnellem Schritt ablesen konnte, dass die Prinzessin wohl nicht seinen Ansprüchen genügt hatte.

„Los Will, bloß weg hier!“

Oh ja, der Prinz war not amused.
 
 

„Das musst du dir mal vorstellen: ihr Körper sah ja ganz in Ordnung aus, aber das Gesicht... furchtbar. Eine Brille so dick wie ... ich weiß nicht was ... und Sommersprossen und eine Zahnspange!! Es war einfach grausam.“

Lui war noch immer ganz aufgebracht.

„Kann ich mir vorstellen, Prinz.“ war Wills möglichst neutrale Antwort. Ein bisschen gelacht hätte er am liebsten schon, wenn er sich vorstellte, wie verdutzt Lui vor diesem Mädchen gestanden haben musste.

„Ganz ruhig, Prinz. Ihr habt ja noch mich! Ich stehe Euch immer zur Verfügung ...“ sagte Dorothea, während sie anzüglich um ihn herumscharwenzelte.

Der Angesprochene ließ es sich nicht nehmen, sie mit einer Geste, als ob er Ungeziefer verscheuchen wolle und einem schnippischen Kommentar abzufertigen: „Wenn ich mal ganz verzweifelt bin, komme ich auf dein Angebot zurück. Oder warte..nein, noch nicht mal dann.“

Ludwig hatte beschlossen den Weg zurück zum Gasthaus zu laufen. Auch wenn er es nicht unbedingt zugab, das schöne Wetter freute ihn und er genoss es, einfach mal den Boden unter seinen Füßen zu spüren, statt immer nur auf dem Pferd oder in der Kutsche zu sitzen.

Der Prinz versuchte zwar, es zu verbergen, aber Wilhelm spürte, dass ihm dieser Spaziergang gut tat. Und so schnupperte auch er ein wenig die warme Frühlingsluft und ließ die Sonne auf sein Gesicht scheinen, während er mit den Pferden hinter den beiden anderen herlief.
 

Sie waren eine Weile so gegangen und noch immer im Wald, da überkam Will ein komisches Gefühl. Es war, als würde etwas an seinem Verstand ziehen, seine Aufmerksamkeit in eine andere Richtung lenken. Er schloss kurz die Augen, um dieses merkwürdige Gefühl abzuschütteln, doch als er sie wieder öffnete, befand er sich offensichtlich nicht mehr in dem Wald, in dem er soeben noch mit Lui und Dorothea gegangen war. Er war auf einer grünen Wiese, von der er schwören konnte, dass sie vorher nicht da oder auch nur in Sicht gewesen war. Wunderschöne Blumen umgaben ihn und der Duft, den er einatmete, war einfach atemberaubend. Für einen kurzen Augenblick ließ er sich von der Schönheit dieses Ortes einlullen.

Dann jedoch begann er sich zu fragen, was er eigentlich hier machte. Er erhob sich, denn er war in liegender Position erwacht, und aus der Höhe fielen ihm Fußspuren auf, die sich von seinem Standpunkt aus weiterzogen.

Nun gut, dann war also schon einmal jemand hier gewesen. So beschloss er, den Fußspuren zu folgen.
 
 

„Will, wenn wir im Gasthaus sind, kannst du schonmal anfangen meine Koffer in die Kutsche einzuladen und das nächste Königreich mit ansprechender Prinzessin ausfindig zu machen!“

Keine Antwort.

„WILL!“

Lui wendete seinen Blick nach hinten, entdeckte jedoch nur Dorothea, die sich nun auch suchend nach dem Diener umblickte.
 

Doch weder die Pferde noch Wilhelm waren zu sehen.

Komplett durchgeknallt...

...oder Sherlock Holmes auf der Traumwiese
 
 

„Toll...einfach weg...WILL, wo immer du bist, komm raus oder es setzt was!“

Prinz Ludwig war mehr als ungehalten. Überall in der näheren Umgebung ihres Weges hatten sie nach Wilhelm gesucht, aber weder der Diener selbst noch eine Spur, die zu ihm führte, waren zu finden gewesen. Man sollte meinen, auch die zwei edlen Pferde aus den königlichen Stallungen hätten Spuren hinterlassen, aber Fehlanzeige. Hinter Bäumen und Büschen, im Unterholz...nirgends auch nur ein Hinweis auf den Verbleib des prinzlichen Eigentums tierischer und menschlicher Art. Doch trotz der bisherigen Erfolglosigkeit ihrer Suche war Lui noch nicht bereit aufzugeben.

„Prinz! Hört Ihr das? Da raschelt etwas im Gebüsch!“

Nach Dorothea hörte es jetzt auch Ludwig: „Tatsächlich! Will, bist du das? Komm schon raus da, sonst bist du fristlos gefeuert!“

Ein paar Sekunden voller Rascheln später kam ein kleines Kaninchen aus dem Busch gehoppelt. So langsam verlor der Prinz wirklich die Nerven. Wie konnte man es denn bewerkstelligen, einfach so zu verschwinden? Und vor allen Dingen ohne, dass es jemand anderes mitbekam...da war definitiv irgendetwas faul...

Seine Gedankengänge wurden jäh unterbrochen, als auf einmal ein Pferdewiehern aus einiger Entfernung zu vernehmen war.

„Das kam von da hinten!“ rief Lui und stürzte los, sodass Dorothea ihm nur noch verdutzt hinterher blicken konnte. Schließlich rannte sie ihm hinterher, sie wollte ja nicht auch noch verloren gehen.
 
 

Einen Zwei-Minuten-Sprint später hatten sie zumindest den ersten, und zwar den tierischen Teil des prinzlichen Besitzes wiedergefunden. Die Pferde standen auf einer kleineren Lichtung, waren offensichtlich unversehrt und fraßen munter Gras. Von Will war jedoch auch hier nichts zu sehen. Sie suchten die Umgebung ab, aber keine Spur...bis es wieder im Gebüsch raschelte.

„Also nochmal mache ich das nicht mit!“ murmelte der Prinz wütend vor sich hin und fand schließlich nach kurzem Umschauen hinter einem Baum das fragliche, Geräusche produzierende Gewächs.

Doch was er außerdem sah, ließ ihn erstarren...
 
 

Wilhelm war den Fußspuren schon seit geraumer Zeit gefolgt und noch immer wollte die Blumenwiese kein Ende nehmen. Nein, ein normaler Ort war das ganz sicher nicht. Wo war er hier nur gelandet? Er beschloss eine kleine Pause zu machen und setzte sich zwischen die bezaubernden gelben und roten Blüten. Jedenfalls war schon jemand vor ihm hier gewesen, auf dessen Spuren er ja im Moment wandelte. Als er sich die Frage stellte, wer das wohl sein mochte, kam ihm die Idee, die Fußabdrücke einfach mal genauer zu untersuchen. Nicht nur, dass man anhand der Länge der Füße in etwa sagen konnte, ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelte, nein, wenn er die Abstände der Spuren mit seiner eigenen Schrittlänge verglich, konnte er auch sagen, ob die Person eher größer oder eher kleiner war als er. Gedacht, getan. Da sollte noch einmal jemand sagen, die Lektüre von Detektiv-Romanen lohne sich nicht... Kurzum, die Fußspuren waren viel kleiner als seine eigenen, was bedeuten musste, dass es sich entweder um eine Frau oder ein Kind handelte, wobei die zweite Möglichkeit nach „Messen“ der Schrittlänge ausfiel. Eine Frau also...

Schließlich erklärte Will die Pause für beendet und ging weiter. Nach einigen hundert Metern roch es auf einmal ziemlich lecker. Nach, nach...ja nach was eigentlich? Er konnte es nicht genau zuordnen...sein Magen schien sich jedoch auf etwas Essbares eingestellt zu haben, denn er knurrte lautstark. Und wirklich, ein paar Meter weiter stand ein Ofen, in dem herrlich duftendes Brot vor sich hin buk. Das war es also gewesen, was auf seinen Magen so ansprechend gewirkt hatte. Aber mal im Ernst: ein Ofen mitten im Nirgendwo auf einer Blumenwiese? Da konnte doch irgendwas nicht stimmen. Dieser Gedanke bestätigte sich, als er auf einmal auch noch Stimmen aus dem Backofen zu hören schien. Ja, die kamen definitiv aus dem Ofen. Die Brote redeten mit ihm!

„Zieh uns raus, zieh uns raus, sonst verbrennen wir, wir sind schon längst ausgebacken!“

Sie gaben ihm auch noch Befehle!

'Naja,' dachte sich Wilhelm resignierend, 'ich mache ja sowieso den ganzen Tag nichts anderes, als Befehle zu befolgen, da kann ich das jetzt auch tun. Auch wenn es Befehle von Backwaren sind...'

Allein dieser Gedanke zeigte ihm schon, wie weit es mit ihm gekommen war. Nach einem kurzen Kopfschütteln, zuckte er nur mit den Schultern und machte sich an die Arbeit. Mit dem Schuber, der an dem Ofen gelehnt hatte, zog er ein Brot nach dem anderen aus der heißen Glut.
 
 

Nein, so etwas hatte Lui definitiv noch nie gesehen. Das war einfach unglaublich!

„Komplett durchgeknallt...“ waren die einzigen Worte, die ihm zu dem Bild einfielen, das sich ihm hier bot.

Da stand doch tatsächlich der verschwunden geglaubte Wilhelm, stocherte mit einem Stock in einem Busch herum und murmelte etwas von wegen 'Brot herausholen'.

'Mein Gott,' dachte sich Lui kopfschüttelnd, 'solche Momente sollte man eigentlich festhalten können.' Das war einfach zu komisch.

Auch Dorothea kam jetzt dazu, erfasste die Situation und fragte irritiert: „Was in drei Teufels Namen macht er da?“

„Ich habe keine Ahnung.“ kam als Antwort von einem grinsenden Prinzen.

Ein paar Minuten später war Will mit seiner „Arbeit“ fertig, sodass es angebracht schien, ihn aus dem seltsamen Zustand zu erwecken, in dem er sich zweifelsohne befand.

Dorothea machte den ersten Versuch und ging auf den Diener zu: „Will! Will, komm zu dir!“ sagte sie sanft und rüttelte leicht an seiner Schulter.

Keine Reaktion.

„Geh mal zur Seite, so wird das doch nichts!“ sprach Ludwig und stieß Dorothea unsanft weg. Er packte Wilhelm an den Schultern, schüttelte ihn und fuchtelte wie wild mit seiner Hand vor seinem Gesicht herum: „Will, jetzt wach auf oder es kostet dich was! Zuallererst mal deinen Job! Oder ich verschenke dich an Lisette, mal sehen, was die mit dir anstellt!“

Die etwas raue Behandlung des Prinzen zeigte allmählich Wirkung: Wilhelms Augen wurden klarer, er blinzelte und war einige Augenblicke später wieder völlig bei sich.

„Wo bin ich? Was ist passiert?“ wunderte sich der soeben in die Wirklichkeit Zurückgeholte.

„Du bist immernoch im Wald und was passiert ist, das sollten wir wohl eher dich fragen! Du warst auf einmal verschwunden!“ machte der Prinz seinem Ärger Luft. „Wir haben dich stundenlang gesucht! Und als wir dich endlich finden, fuhrwerkst du mit einem Stock in einem Busch herum und erzählst was von Broten!“

„Aber, aber...der Ofen und die...die Wiese...“ begann der leicht verwirrte Wilhelm.

„Was für ein verdammter Ofen und was für eine verdammte Wiese?“

„Auf einmal war ich nicht mehr in dem Wald hier, ich stand auf einer Blumenwiese. Und als ich ein Stück gelaufen war, stand da so ein Ofen und die Brote darin haben gesagt, ich soll sie rausholen, sonst verbrennen sie.“ In diesem Moment fiel Will auf, wie verboten lächerlich sich das anhören musste.

„Also, um das nochmal festzuhalten: Die Brote haben dir befohlen, sie aus dem Ofen zu holen. Aus dem Ofen, der mitten auf einer Blumenwiese stand.“ Während er Wilhelms Aussage noch einmal zusammenfasste, konnte er ein Lachen kaum unterdrücken.

„Ja, mach dich nur drüber lustig.“ erwiderte Wilhelm eingeschnappt.
 
 

Etwa eine halbe Stunde später waren alle vollzählig bei der Herberge angekommen. Dem Prinzen verging das Grinsen auf dem ganzen Rückweg nicht und Will hatte beschlossen, den Vorfall tot zu schweigen; auch als Dorothea ihn noch einmal nach bestimmten Einzelheiten fragte (rein aus beruflichem Interesse, denn als Hexe war sie natürlich daran interessiert, wie Halluzinationen hervorzurufen waren).

Da es nach den vielen Stunden der Suche nach Wilhelm und den Pferden doch schon etwas spät geworden war, beschloss Lui, dass sie noch eine Nacht länger in der Herberge bleiben würden. Es wurde gegessen und sehr zu Wills Freude der Vorfall vom Nachmittag nicht noch einmal angesprochen. Stattdessen beschwerte sich der Prinz über Prinzessin Nathalie im Detail und über die heutigen Prinzessinnen im Allgemeinen. Es könne ja wohl nicht sein, dass es keine gäbe, die hübsch wäre und eine für ihn adäquate Körbchengröße habe.

„Und vergiss ja nicht, nach dem genauen Aussehen der nächsten Prinzessin zu fragen. Oder lass dir am besten ein Bild zeigen, wenn du in der Gegend herumfragst. Damit mir sowas wie heute Morgen nicht noch einmal vorkommt!“ ermahnte Ludwig nochmals den heute schon mehr als genug gebeutelten Wilhelm.

„Ja, Prinz, ich werde daran denken.“ Wilhelm klang nicht nur müde, als er das sagte, bei Gott, er war es auch. So war es kein Wunder, dass er, beinahe sofort nach dem Zubettgehen, einschlief. Lui im Bett daneben hörte nur noch Wills regelmäßiges, ruhiges Ein- und Ausatmen und war bald auch selbst weggedämmert.
 
 

Da war sie wieder! Da vor ihm rannte sie! Über die Blumenwiese!

Er rief nach ihr, glücklich sie unversehrt wieder zu sehen: „Marie! Marie, bleib stehen, ich bin es: Wilhelm! Marie, jetzt warte doch!“

Ein kleines Stück konnte er ihr noch folgen, doch sie war zu schnell und er zu geschafft. Er verlor sie aus dem Blickfeld. Das letzte, was er sah, bevor er aus seinem Traum gerüttelt wurde, waren die wunderschönen gelben und roten Blüten.
 
 

„Will! Will, wach auf!“

Als er die Augen öffnete, blickte er in das Gesicht des Prinzen, der, man mochte es kaum glauben, ziemlich besorgt dreinschaute.

„Was...was ist denn los?“ fragte der Geweckte verwirrt.

„Du hattest wahrscheinlich einen Albtraum. Hast immer wieder einen Namen gerufen. Maria oder so...“ Wilhelm erschrak, denn nun sah er Maries Gesicht wieder vor sich, wie er es im Traum hatte sehen können, als sie sich kurz zu ihm umgedreht hatte.

„Und du hast mich geweckt, weil...?“ fragte er den Prinzen.

„Natürlich weil ich unglaublich besorgt um dich war.“ Mit dieser Antwort hatte Will nicht gerechnet. Er musste den Prinzen angesehen haben wie ein Schaf, wenn es donnert, denn der erwiderte sofort: „Das hast du doch jetzt nicht etwa wirklich geglaubt?! Ich habe dich geweckt, weil dein Hin- und Hergewälze und dein Namen murmeln mich bei meinem wohlverdienten Schlaf gestört haben! Tze...und jetzt schlaf gefälligst weiter und zwar möglichst geräuschlos!“

Mit diesen Worten drehte sich der Prinz um und legte sich wieder in sein Bett. Will tat wie ihm geheißen. Er schloss seine Augen, unterdrückte den Wunsch sich noch einmal umzudrehen und machte keinen Mucks. Und ehe er sich versah, war er wieder in einen diesmal traumlosen Schlaf versunken.

Wenn Taten Früchte tragen (oder auch nicht)...

Der Morgen kam schneller als der momentan vom Schicksal gebeutelte Wilhelm es sich gewünscht hätte. Obwohl er noch mindestens drei Stunden hätte weiter schlafen können, stand er auf, kurz nachdem die Sonne den Horizont überschritten hatte. Eine Stunde ließ er den Prinzen noch schlafen, während er sich wusch, anzog und schon mal anfing die Koffer und Taschen seines Herrn hervor zu kramen, sodass er direkt anfangen konnte zu packen, wenn sich der Prinz für ein Outfit entschieden hatte. Anschließend trat er hinaus auf den Gang und klopfte sachte, aber bestimmt an Dorotheas Zimmertür, um sie aus den Federn zu holen, denn sie brauchte für gewöhnlich auch ihre Zeit, bis sie abreisefertig war. Nicht, dass der Prinz darauf immer Rücksicht genommen hätte; Will jedoch wollte ihr ersparen, noch einmal im Nachthemd hinter der Kutsche her rennen zu müssen. Er hörte ein leises Rascheln im Zimmer, das ihm signalisierte, dass die Hexe aufgestanden war. So ging er zurück in das Zimmer, das er sich mit dem Prinzen teilte, und machte sich, wie jeden Morgen, an die schwierige Aufgabe Ludwig zu wecken. Heute gestaltete sich dieser Prozess glücklicherweise weniger kompliziert als sonst. Ein leichtes Rütteln an des Prinzen Schulter und ein etwas lauter geflüstertes „Prinz, es ist Zeit zum Aufstehen, wir müssen ins nächste Königreich aufbrechen.“ hatten genügt, um den sonst so verschlafenen Lui aus den Federn zu holen.

Nachdem dieser sich ankleidet hatte, wurde Will wieder einmal der in seinem Fall sehr fatale Zusammenhang zwischen den Wörtern Ge-päck und pack-en bewusst. Das Letztere dauerte in seinem Fall, da er es nun schon gewöhnt war, nicht mehr ganz so lange, dafür hatte er im Anschluss an Ersterem um so mehr zu schleppen. Als er gerade die Kutsche belud, trat Dorothea samt Koffer aus der Herberge. Wilhelm hatte die Hexe zwar nun schon in den unmöglichsten Situationen erlebt und beobachtet, aber in solch einem Zustand hatte er sie noch nie gesehen. Tiefe Augenringe ließen sie aussehen, als habe sie die ganze Nacht - und vielleicht sogar noch ein paar Nächte mehr - kein Auge zugetan. Auf Wills verwundertes und fragendes „Guten Morgen.“ gab sie nur ein halblaut gemurmeltes „Mo'en“ zur Antwort. Vielleicht hatte sie ja die ganze Nacht über einem Zaubertrankrezept oder ähnlichem gebrütet, wer wusste das schon. Schließlich kam auch der Prinz aus dem Gasthof und so konnten sie nun die Fahrt ins benachbarte Königreich antreten.
 
 

Der Kutschfahrt zog sich ruhig und ohne Zwischenfälle dahin und so kam auch Will ein bisschen zur Ruhe, besah sich aus den Fenstern die malerische Landschaft, durch die sie fuhren, und hing seinen Gedanken nach.

'Was passiert nur im Moment mit mir? Ich habe seltsame Träume - sogar am helllichten Tag - in denen mir Brote Befehle erteilen, ich bin auf einer Zauberwiese unterwegs...wie soll das nur enden, wenn diese Visionen wieder auftauchen und vielleicht sogar schlimmer werden? Der Prinz war ja schon beim letzten Mal so aufgebracht... Woher kann das nur gekommen sein, ich hatte so etwas bis jetzt noch nie...' Schließlich kam Will zu der Ansicht, dass es ihn keinen Schritt weiterbrachte, wenn er sich den Kopf über etwas zerbrach, bei dem es bis jetzt so wenige Anhaltspunkte und so viel Ungeklärtes gab.
 

Nach einigen Stunden Fahrt machten sie Halt in einem etwas größeren Dorf mit vielen kleinen Fachwerkhäusern und einem großen Markt.

„Will, du gehst jetzt auf diesen Marktplatz und fragst die Leute über die Prinzessin oder andere schöne Adelstöchter hier aus. Ich werde so lange etwas essen gehen. Wenn du fertig bist, findest du mich dann in diesem Gasthof oder schon wieder in der Kutsche. Und denk dran: wenn möglich ein Bild zeigen lassen!“ befahl der Prinz seinem Diener.

„Ja, Prinz.“ Will war innerlich genervt und resigniert. Der Magen hing ihm in den Kniekehlen, aber er musste ja die Leute ausfragen. Wirklich klasse. Nach ca. einer Stunde Interviews mit den immer gleichen Fragen („Haben Sie die Prinzessin schon mal gesehen? Wie sieht sie aus? Wissen Sie vielleicht, ob man irgendwo ein Bild von ihr sehen kann?“) wusste Wilhelm so ziemlich alles, was es über die Prinzessin zu wissen gab und hatte sogar ein Bild von ihr gesehen. Sie hatte glatte dunkle Haare, ein sehr hübsches Gesicht und machte einen sehr zierlichen und sanften Eindruck. Nur die Frage nach der Körbchengröße, die der Prinz ihm wieder stellen würde, blieb ungeklärt, da er sich schlichtweg weigerte, die Leute danach zu fragen, das war einfach zu peinlich. In dieser Hinsicht hatte er auf das Bild gehofft, doch der Busen war leider nicht mit auf dem Porträt gewesen. Das würde ihm wieder mal einen Rüffel vom Prinzen eintragen, aber ihm war das im Moment sowieso herzlich egal. Er hoffte nur, dass er vielleicht noch eine Mahlzeit abbekam. Und Will hatte durchaus Glück, es gab noch etwas zu Essen für ihn und so fühlte er sich schon wesentlich besser, als Ludwig nun endlich die Ergebnisse seiner Recherche zu wissen verlangte. Wills Bericht fiel sehr zur Zufriedenheit des Prinzen aus und Will freute sich, dass der Prinz offenbar nicht bemerkt hatte, dass er den Punkt 'Körbchengröße' einfach großzügig in seinem Bericht ausgespart hatte.
 

Da es noch nicht zu spät war, beschloss man noch heute beim König und der Königin vorzusprechen. Der Empfang, der der kleinen Reisegruppe in dem großen und herrschaftlichen Schloss gemacht wurde, war sehr herzlich und das Königspaar begrüßte Ludwigs Wunsch die Prinzessin, Amelie mit Namen, kennen zu lernen. Während der Prinz also mit den Eltern der Prinzessin nach oben geleitet wurde, begann für Wilhelm und Dorothea wieder einmal die Phase des stundenlangen Wartens und Sich-die-Zeit-vertreiben-müssens. Als sich die Hexe in einen dicken Wälzer mit verschiedenen Zauberformeln zu allen möglichen Zwecken vergrub, beschloss Wilhelm auf eigene Faust, den Garten und das Außengelände des Schlosses zu erkunden. Nach ungefähr zehn Minuten kam er in den hübsch angelegten Schlossgarten. Hier gab es Blumen in allen erdenklichen Farben, hohe Bäume, unter die man sich an heißen Tagen wahrscheinlich mit Freuden legen würde und einen großen, tiefblauen See, auf dem Enten und Schwäne ihre Bahnen zogen. Ja, hier konnte er sich endlich ein wenig von dem ganzen Stress der letzten Tage erholen und dann würde es ihm sicherlich auch wieder besser gehen. Und diese seltsame Einbildungs-Sache war dann ein für alle mal vorbei...

Mit diesem Gedanken setzte sich Will an das sonnenbeschienene Seeufer und war schneller eingeschlafen als man 'Körbchengrößenmessung' sagen konnte.
 
 

Lui befand sich derweil ein paar Stockwerke weiter oben in einem Turm des Schlosses, das ihm gerade von der, wie er fand, wirklich bezaubernden Amelie gezeigt wurde. Gut, dass er Will immer herumfragen ließ. Sie sah wirklich hübsch aus und hatte ein nicht zu verachtendes Dekolleté. Obwohl er davon nichts erzählt hatte, musste Will wirklich darauf geachtet haben und ihm die Prinzessin mit diesem Hintergedanken so sehr ans Herz gelegt haben. 'So wünsche ich mir das!' war Ludwigs Gedanke, bevor ihm durch den Kopf schoss, dass er vielleicht lieber wieder der Prinzessin zuhören sollte.

„Wenn Ihr nun einen Blick aus dem Fenster werft, Prinz Ludwig, habt Ihr einen wunderschönen Blick auf den Schlossgarten, den mein Vater eigens nach den Wünschen meiner Mutter und mir anlegen ließ. Der See wurde … wurde...ähm … ist … ist das nicht Euer Diener da unten? Der, der da so den Baum...“

„...“

Ein genauerer Blick aus dem Fenster und Ludwig sah es ebenfalls: Da unten stand tatsächlich Will und rüttelte wie verrückt an einem Baum herum. Das durfte doch einfach nicht wahr sein! Der Prinz fuhr sich mit der Hand übers Gesicht. Musste Wills seltsames Verhalten denn gerade hier und jetzt wieder zuschlagen? Gerade vor diesem Mädchen, vor dem er sich solch eine Peinlichkeit nicht erlauben konnte und wollte? Hier musste dringendst eine Lösung gefunden werden, denn ansonsten hatte Lui keine andere Wahl als ernsthafte Konsequenzen in Bezug auf seinen Diener zu ziehen.

„Entschuldigt mich bitte, Prinzessin, ich bin so schnell wie möglich wieder bei Euch!“ Und mit diesen Worten stürmte der Prinz auch schon aus dem Raum.

Als er gerade aus dem Schloss kam, passierte er auch die Kutsche, an die gelehnt Dorothea saß und ihr Buch studierte. Sie erhaschte die vorbeiziehende Gestalt Ludwigs aus dem Augenwinkel, ließ sofort ihr Buch fallen und folgte ihm.

„Was ist denn los?“ fragte sie ein wenig außer Atem, denn Lui hatte einen sehr schnellen Schritt, bei dem Dorothea anfangs Mühe hatte, mitzuhalten.

Die Frage blieb unbeantwortet, bis sie den Schlossgarten erreichten, wo nun auch die Hexe erblickte, was den Prinzen nur wenige Minuten zuvor aus seiner sehr anregenden Tour durch das Schloss gerissen hatte.

„Er“ , sein Finger zeigte auf Wilhelm, „ist los!!“ Noch immer war Wilhelm damit beschäftigt den Baum zu schütteln, nur unterbrochen von den Pausen, in denen er die „Früchte“ seines Schüttelns aufzusammeln und zu stapeln schien.

Wieder einmal war es wohl angebracht den armen Will aus seiner Umnachtung zu erwecken...
 
 

Als er, kurz nachdem er sich an den See gesetzt hatte, die Augen aufschlug, fand Wilhelm sich an einem Ort wieder, der ihm nur zu bekannt vorkam. So langsam fand er die roten und gelben Blüten nicht mehr schön, sondern nervig. Schon wieder war er auf dieser vermaledeiten Zauberwiese gelandet. Das gab es doch einfach nicht, was war denn nur los mit ihm? Es blieb ihm wieder nichts anderes übrig, als den Fußspuren in der Wiesenerde zu folgen. Mal sehen, wohin sie ihn dieses Mal führen würden...vielleicht bekam er es ja jetzt mit sprechenden Zitronen zu tun...

Mit seinen eigentlich ironischen Gedanken hatte er gar nicht so enorm falsch gelegen, stellte er fest, als er mitten auf der Wiese einen Apfelbaum erblickte. Resignierend fragte er sich schon, was die Äpfel ihm wohl zu erzählen oder zu befehlen hatten...und wirklich, der Apfelbaum samt Äpfeln begann zu reden:

„Schüttle mich, schüttle mich, wir Äpfel sind alle miteinander reif!“

Will atmete einmal tief durch und begann tatsächlich zu schütteln. Er begründete das für sich damit, dass er keine Lust darauf hatte, dass die Äpfel ihm damit ewig in den Ohren lagen. Immer dann, wenn er wieder viele Äpfel vom Baum herunter gerüttelt hatte, machte er eine kurze Pause, sammelte die Früchte auf und legte sie zu einem Haufen zusammen.

Er war gerade fertig, als er spürte, dass er sich wieder von der Wiese entfernte und war in seinem Innern sehr dankbar dafür.
 
 

Lui hatte genau wie beim letzten Mal an Wilhelm herumfuchtelt und gezerrt, bis dieser endlich wieder zu sich kam. Als er in das besorgte Gesicht von Dorothea und das wütende Gesicht des Prinzen blickte, fragte er nur: „Was hab ich diesmal gemacht?“

„Du hast mir meine kleine private Schlossführung ganz allein mit der Prinzessin versaut, indem du einen verdammten Baum im Schlossgarten geschüttelt hast wie ein Verrückter! Es ist mir echt egal, was du gedenkst gegen deine komischen Träume zu unternehmen, aber, verdammt, mach IRGENDWAS! Denn wenn das nicht besser wird, bin ich leider gezwungen mir einen neuen, halluzinationslosen Diener zu suchen!“

Das hatte gesessen. Nach diesen Worten rauschte der Prinz wütend davon und ließ seinen "Noch-Diener" und Dorothea allein.

Es dauerte einen kleinen Moment, bis der geschockte Will seine Sprache wiederfand. „Was soll ich denn nur machen?“, fragte er die Hexe in einem Ton, in dem die Verzweiflung nur zu offensichtlich mitschwang und rutschte mit dem Rücken an dem Baum herunter, den er bis eben noch gerüttelt hatte. Dorothea hockte sich neben ihm auf die Wiese, tätschelte ihm die Schulter und gab Wilhelm wieder ein wenig Hoffnung: „Die letzten Tage und Nächte habe ich viel über Halluzinationen und Träume nachgelesen und wie man sie hervorrufen und beeinflussen kann. Vielleicht kann ich dir bei deinem Problem helfen...“

Wilhelm wusste nicht recht, ob er eher Hoffnung oder Angst haben sollte.

Hypnosen und andere Unfälle

Noch immer saßen Will und Dorothea im Schlossgarten, in dem der Diener vor einer halben Stunde, ohne etwas dafür zu können, beinahe durch eine erneute Halluzination seine Anstellung verloren hatte.

„Also, Will ich werde dir jetzt ein paar Fragen stellen und die wirst du mir ohne zu Zögern und mit sämtlichen Details, die dir einfallen, beantworten. In Ordnung?“ Dorothea schien sehr motiviert und engagiert, das Halluzinationsproblem anzugehen. Wilhelm konnte nur vermuten, ob und was für Hintergedanken sie dabei hatte.

Er nickte stumm zur Antwort.

„Gut! Hast du dich in der Zeit, kurz bevor das mit den Träumen anfing, irgendwie schlecht gefühlt, hattest du Schmerzen, war dir übel?“

„Nein, überhaupt nicht.“

„Hast du irgendwann vorher in deinem Leben mal Halluzinationen gehabt?“

„Nicht im Geringsten.“

„Sind in deiner Familie je irgendwelche Fälle von Wahnsinn oder Geisteskrankheit aufgetreten?“

„Nein...jedenfalls nicht, dass ich wüsste.“

Dorothea überlegte kurz, dann stellte sie fest: „Gut, dann können wir gesundheitliche Ursachen ausschließen und uns dem zuwenden, worin ich mich wirklich auskenne: möglichen magischen Auslösern für deine kleinen Visionen. Hast du in letzter Zeit irgendetwas getrunken oder gegessen, das seltsam geschmeckt hat? Und damit meine ich nicht nur etwas, dass vielleicht ekliger geschmeckt hat als normal, sondern vielmehr … anders. Viel schlechter oder auch um Welten besser ...“

Will schüttelte den Kopf.

„Wurde dir mal in einer ungewöhnlichen Situation etwas zu essen oder zu trinken angeboten?“

„Nein, eigentlich nicht.“

„Denk noch einmal ganz genau darüber nach, Wilhelm. Wirklich nicht? Es kann etwas ganz einfaches, kleines gewesen sein. Obst oder Gemüse vielleicht, eine Süßigkeit....“

„Mhm...wenn du das jetzt gerade so erwähnst: als die Kutsche kaputt war vor ein paar Tagen, da habe ich doch im Wald Äste gesucht. Da kam so eine alte Frau vorbei und fiel hin. Ich habe ihr natürlich aufgeholfen und auch ihre Waren wieder mit eingesammelt. Zum Dank gab sie mir einen ihrer Äpfel. Ich hatte einen Bärenhunger und da hab ich ihn natürlich gleich auf dem Rückweg gegessen. Aber er hat ganz normal geschmeckt...und die Dame schien auch echt nett und freundlich zu sein...“

„Will, du bist echt noch naiver, als ich dachte. Nach solchen Äußerlichkeiten kann man doch nicht gehen! Also gut...ein Apfel, das könnte schon der Kern des ganzen Spuks sein. Gib mir ein wenig Zeit, vielleicht bis heute Abend, dann werde ich schauen, wie der Zauber funktioniert und wir werden dein Problem bestenfalls schon morgen gelöst haben.“
 

Dorothea versuchte den ganzen Nachmittag, mehr über den Zauber herauszufinden, der auf Wilhelm angewendet worden war. Eigentlich wollte sie sich einen Apfel besorgen, um ganz genau nachzuvollziehen, wie es funktionierte. Wer wusste schon, wann man sowas noch einmal brauchen konnte, um jemanden zu manipulieren. Aber anscheinend gab es im Schloss keine Äpfel. Man erklärte ihr, das läge an der Prinzessin. Sie sei den Früchten gegenüber äußerst misstrauisch, man habe ja schon so viele Geschichten gehört von Prinzessinnen-Vergiftungen durch Äpfel. Tja, dann musste eben ein Pfirsich herhalten.

Als Dorothea der Meinung war anhand ihrer Verzauberungsexperimente mit dem Pfirsich die Magie verstanden zu haben, legte sie das Obst achtlos auf ihren Nachttisch in der kleinen Schlosskammer, die ihr zugeteilt worden war, und suchte Wilhelm. Sie wurde im Zimmer des Prinzen fündig, wo der Diener sich gerade wieder einige Tiraden seines Herrn anhören musste. Nach dem Zwischenfall im Schlossgarten war zwischen ihm und Prinzessin Amelie nicht wieder...nun ja...die rechte Stimmung aufgekommen.

„Nur wegen deiner bescheuerten Halluzinationsgeschichte geht mir vielleicht die perfekte Braut durch die Lappen! Ganz toll, Wilhelm, wirklich ganz toll!“

„Will, ich glaube ich habe eine Lösung!“, unterbrach Dorothea den Vortrag, als sie in den Raum platzte. Augenblicklich verstummte auch der Prinz und beide wurden ganz Ohr.

„In einem etwas älteren Buch habe ich die Verzauberung gefunden und genau nachvollziehen können.“

„Was genau heißt bei dir 'etwas' älter?“, fragte Will besorgt im Gedanken an die alten Schinken, die die Hexe immer las. Er war sich nicht wirklich sicher, ob diese dem aktuellen Stand der Magie und Hexerei entsprachen.

„Naja, so grob geschätzt … 300 Jahre.“

„Was?!“

„Keine Angst, das Buch, das ich zu Rate gezogen habe, ist wirklich zuverlässig. Es hat mich noch nie im Stich gelassen.“

Bis auf dieses eine Mal, als … aber das verschwieg sie Wilhelm lieber, sonst regte er sich nur noch mehr auf.

„Also Dorothea, wie sieht deine Behandlung denn nun aus?“ Will war sich nicht sicher, ob er das wirklich so genau wissen wollte.

„Also wenn ich das richtig interpretiert habe, geht es darum, dass du weiter in deine Vision vordringen musst, um den Grund zu finden beziehungsweise um das Problem zu lösen, vor dem du in den Träumen stehst. Wir müssen dich also dazu bringen, den Traum zu Ende zu träumen. Da du die Visionen nur hast, wenn du entspannt bist oder schläfst, werde ich dich hypnotisieren müssen. So kann ich auch durch das, was du erzählst, mit verfolgen, was passiert und dich notfalls wecken.“

„Notfalls?“

„Naja, falls du etwas sehr schlimmes erlebst und Gefahr läufst in der Halluzination hängen zu bleiben.“ Augenblicklich biss sie sich auf die Unterlippe. Sie hatte schnell und reflexmäßig geantwortet, ohne an die leicht beunruhigende Wirkung ihrer Worte zu achten.

„Was?!“

„Keine Angst, das wird ja sowieso nicht passieren. Ich weiß doch, was ich tue! Es ist wichtig, dass du mir zu 100% vertraust, sonst wird es schwierig.“

Will war sich nicht sicher, ob er das konnte.

„Moment, ich will aber auch dabei sein, wenn du ihn enthalluzinierst!“, meldete sich der Prinz zu Wort. „Ich muss doch dafür sorgen, dass du mein Eigentum nicht beschädigst!“ Das war natürlich nur die halbe Wahrheit. Eigentlich hoffte er, dass Wilhelm in Trance ein paar peinliche Sachen erzählen würde, mit denen er ihn später ärgern könnte.

„Also willst du das wirklich machen, Will?“

„Ja, ziehen wir das durch. Und nein, ich bin mir nicht wirklich sicher, aber du bist im Moment meine einzige Hoffnung.“

Oh ja, es wäre wirklich schön, wenn das endlich ein Ende hätte … Will hatte diese merkwürdigen Ausflüge auf die blöde Wiese mit den sprechenden Gegenständen allmählich satt. Und mittlerweile ging es ja sogar noch um seine Anstellung bei Prinz Lui.

„Schön. Dann treffen wir uns dann nach dem Essen in deinem Zimmer und werden dich wieder herstellen.“

 

Beim Abendessen kamen dem Diener dann wirklich ernsthafte Zweifel an dem Vorhaben und er wurde einfach den Gedanken nicht los, dass er dieses Essen genießen sollte, weil es vielleicht sein letztes sein könnte. Warum schaffte er es einfach nicht Dorothea ganz zu vertrauen?

Schweren Schrittes begab er sich nach seinem vielleicht letzten Abendmahl mit dem Prinzen in sein Zimmer. Als sie den Raum betraten, fiel ihr Blick als erstes auf die Hexe, die einen riesigen Wälzer im Arm hatte. Überall im Zimmer waren Kerzen aufgestellt, die aber, wie der Diener Dorothea kannte, keinen bestimmten Zweck erfüllten, sondern einfach nur die „mystische Atmosphäre“ verstärken und dafür sorgen sollten, dass sie als Hexe glaubwürdiger erschien.

„So...da wir nun vollzählig sind, können wir ja anfangen. Wenn ich dich jetzt bitten dürfte, dich auf das Bett zu legen, Will, und die Augen zu schließen.“

Er tat wie ihm geheißen. Sie begann monoton und leise auf ihn einzureden: „ Du wirst nun ganz entspannt. Ganz entspannt und langsam zählst du von 100 an rückwärts. 100...99...98...Du kommst vollständig zur Ruhe. 97...96...95...Alles um dich herum wird ganz still. Du fühlst dich ganz leicht, ganz leicht und entspannt.“ Dabei entspannte er sich wirklich und dämmerte immer mehr weg.

„Kehre zurück an den Ort deiner Visionen Will, die mysteriöse Wiesenlandschaft." Ein Kichern konnte Dorothea an dieser Stelle nur schwer unterdrücken.

"Gehe deinen Weg dort weiter und erzähl uns, was du siehst.“

Und Wilhelm begann zu erzählen...

 

Er war wieder da. Schon wieder diese blöde Wiese mit den blöden roten und gelben Blumen. So langsam nervte es gewaltig. Da fiel sein Blick wieder auf die Fußspuren und schicksalsergeben folgte er ihnen weiter. Wilhelm fragte sich ernsthaft, was ihm dieses Mal begegnen würde. Vielleicht eine sprechende Kerze, die wollte, dass man sie löschte. Oder auch ein kleiner garstiger Zwerg; das wäre zumindest eine Abwechslung zu sprechenden Lebensmitteln.
 
 

Er lief noch eine ganze Weile und gefühlte 5 Kilometer weiter, sodass auch die Hexe und der Prinz außerhalb der Vision so langsam ungeduldig wurden.

„Mein Gott, Dorothea, wie lange soll das denn noch dauern?“ fragte ein genervter Prinz; wütend darüber, dass er nun schon etwas mehr als eine Stunde darauf wartete, dass in den Halluzinationen seines Dieners irgendetwas mehr oder minder Spannendes passierte.

„So lange, bis er am Ziel des Weges angelangt ist und die Person, der die Fußspuren gehören, gefunden hat. Mit anderen Worten: keine Ahnung. Aber wenn du dir die Zeit anderweitig vertreiben willst, Prinz, bin ich immer für dich da ...“

Anzüglich näherte sie sich ihm, doch er brachte schleunigst ein wenig mehr Abstand zwischen sich und die Hexe und erwiderte: „Nein, ich denke, Will … ist jetzt wichtiger.“

Man konnte förmlich sehen, wie sehr er sich dazu überwinden musste, einen solchen Satz auszusprechen, aber er wusste, dass eine Beleidigung und ein härteres Wegstoßen nur Dorotheas masochistische Ader angeregt hätten und sie ihn anflehen würde, sie doch bitte noch ein bisschen weiter zu quälen.

So warf sich der Prinz entnervt auf das zweite Bett im Raum, verschränkte die Arme hinter dem Kopf und starrte an die Decke. Kurz darauf fiel sein Blick auf den Pfirsich auf dem Nachttisch. Da ihn aus Langeweile sowieso gerade der Hunger auf Süßes überkommen hatte, zuckte er nur mit den Schultern und biss genüsslich hinein.

Dorothea bemerkte nichts, sie konzentrierte sich voll auf Wilhelm.

Nachdem dieser zehn Minuten später immer noch nichts angemessen Peinliches erzählt hatte, seufzte der Prinz auf und ließ sich wieder rücklings auf das Bett fallen. Ehe er sichs versah, war er auch schon eingeschlafen. 
 
 

Derweil konnte Will auf seiner heißgeliebten Wiese nun in weiter Ferne etwas ausmachen, das an ein Gebäude erinnerte. Er kam immer näher, sodass er immer mehr Einzelheiten des wirklich seltsamen Hauses erkennen konnte. Es war nur aus Holz gebaut, aber trotzdem zwei Etagen hoch und so schief, als hätte sich der Wind nicht recht entscheiden können, in welche Richtung er die Behausung schieben wollte. Die untere Etage war stark nach links geneigt, während die obere sich eher nach rechts wandte. Dass diese beiden Neigungen sich ausglichen, war wahrscheinlich der einzige Grund dafür, dass das Haus überhaupt noch stand. Von der anderen Seite des Häuschens konnte er leise Geräusche hören, doch da das seltsame Gebilde von einem weitläufigen verzierten Metallzaun umgeben war, hatte er keine Chance nachzusehen, um was es sich handelte und ob es vielleicht besser wäre, weiter zu gehen. Am Ende siegte Wilhelms Neugier. Er trat durch das große, quietschende Zauntor zur Tür und hämmerte mit einem seltsam geformten Türklopfer dagegen, der irgendwie an ein...an ein Kissen erinnerte. Einen Moment später schwang die Tür auf und Will war überrascht, als er sah, wer ihn da begrüßte.
 
 

„Ah, Prinz, das klingt doch jetzt ganz interessant, ich glaube wir kommen so langsam der Traumursache näher! Prinz? ... Ludwig?“ Als er nicht antwortete, drehte Dorothea sich um und sah den Prinzen friedlich schlafend auf dem Bett liegen.

,Das ist doch meine Gelegenheit! Will wird schon einen Moment ohne mich klarkommen in seinem Traum...‘, dachte sie sich diebisch lächelnd. Doch als sie sich gerade über den Prinzen beugte, um zu überprüfen, wie genau sich seine Lippen anfühlen mochten, fiel ihr Blick auf den halb aufgegessenen Pfirsich auf dem Nachttisch:

„Verdammt!“



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Kommentare zu dieser Fanfic (13)
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Von: abgemeldet
2010-08-03T19:25:44+00:00 03.08.2010 21:25
der letzte Satz ist wirklich mal einfach nur toll, genau wir du gesagt hast <33
auch sonst war das Kappi wie immer sehr schön geschrieben, sodass das Lesen trotzdem Spaß machte, auch wenn jetzt nicht sooo viel passiert ist ^^ ...aber so ein Überleitungskapitel braucht man eben ab und zu mal.
Hoffentlich gehts schnell weiter ^___^
Von: abgemeldet
2009-09-20T17:54:20+00:00 20.09.2009 19:54
So, jetz lass ich dir nen Kommi hier... das kann ich ja sonst nicht auf mir sitzen lassen, sonst bist du noch enttäuscht von mir oô

ich fand das Kappi - wie auch die andern - tollig ^^
Und irgendwie kam mir beim lesen der ungeheure Drang, Wills Interaktionen mit diversen Gehölzen mal als Fanart zu visualisieren *___* ...die Vorstellung si so geil :D
nya mal schaun, ob das was wird x.x
Von:  Koribian
2009-09-05T22:34:45+00:00 06.09.2009 00:34
Hallihallo! Vielen Dank für die Benachrichtigung. :)
Ui, das wird ja immer schlimmer mit Wills Halluzinationen. Mal sehen, was unsere Hexe da so auf Lager hat. Klag jedenfalls nicht sehr seriös. XD
Wieder ein super Kapitel. *nick*
Freu mich auf´s Nächste, immerhin müssen wir ja wissen, auf was sich Will da einlässt, damit Lui ihn nicht verstößt. ;D

Liebe Grüße,
Koribian
Von:  Ririm
2009-08-01T11:11:04+00:00 01.08.2009 13:11
Wow!
Echt geile Geschichte! Der arme Will, bekommt jetzt schon von Bachware befehle. Aber lustig ist es schon ^_^
Auch als Lui fluchtartig den Palast verlies, zum tod lachen!!!!
Hoffe das du bald weiter schreibst!
Von: abgemeldet
2009-05-08T16:19:51+00:00 08.05.2009 18:19
geil ^____^
besonders die Stelle, als Will völlig geistesabwesend in dem Busch rumstochert und was vopn Broten faselt... ich kanns mir richtig bildlich vorstellen *weglach* XDD
das ist doch bestimmt jene besagte Stelle, die du meintest?
also schnell weiterschreiben ^.^
mhm was könnt ich dir dalassen? *rumsuch*
ahja: *ferrero Schokokugeln dalass*
Von:  Ikuto_Kuro_Neko
2009-05-08T05:38:17+00:00 08.05.2009 07:38
hu hu mein Tag fangt dank dir supi an ^^
Will´s gesicht muss total komisch ausgesehen hanen
*grinst*
vor allem Lui konnt ich mir gut vorstellen als er Will gesehen hat wie er im Busch rumstochert
*Lacht*

*Schoky dalass*
schön weiterschreiben
=^.^=
Von:  Koribian
2009-05-05T19:49:31+00:00 05.05.2009 21:49
Hui, du hast mir meinen Tag gerettet. Also, danke für die Benachrichtigung, ich hab mich echt gefreut. :]
Ich finde, das ist wieder ein klasse Kapitel geworden. *nick* Am besten hat mir die Stelle gegen Ende (mit Lui & Will) gefallen. Und die Brote, die Wilhelm jetzt auch schon Befehle erteilen. XD Find ich echt gelungen.
Ich freue mich schon aufs nächste Kapitel ^^
Bis dahin: immer fleißig bleiben ;D *kekse dalass*
Koribian
Von:  Koribian
2009-04-10T13:45:27+00:00 10.04.2009 15:45
Hey ^^
Also es gibt definitiv viel zu wenige FFs zu diesem Manga und ich hab mich echt gefreut, als ich deine gesehen habe. Allein dass du eine geschrieben hast, finde ich super. XD Aber als ich die Story dann gelesen habe, war ich wirklich begeistert. Kam mir fast so vor, als würde ich wirklich den Manga lesen, da du die Charaktere recht gut getroffen hast. (Will ist toll *Q*)
Ich könnte jetzt ewig so weiter machen und dich loben, aber wir wollen ja mal nicht übertreiben, sonst wird mein Kommentar zu lang. ;D
Auf jeden Fall hast du meiner Meinung nach einen klasse Schreibstil, da alles verständlich ist und es sich flüssig und ohne weitere Probleme lesen lässt. Hast du fein gemacht *tätschel* :D Weiter so! *mit killerniete-Fan-Fähnchen rumwedel*
Bis zum nächsten Kapitel,
Koribian :]
Von:  Ikuto_Kuro_Neko
2009-03-20T20:27:08+00:00 20.03.2009 21:27
oh das war super
*will fan ist*
mach so weiter dann bekommst de viele komis ^^

bin schon gespannt ob Lui Will findet
Von: abgemeldet
2009-03-02T19:43:44+00:00 02.03.2009 20:43
↓da fehlt ein 'a' ^^°


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