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Blutiges Verlangen

Ghetto der Angst I
von

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Der moderne Vampir (Handbuch für angehende Vampirjäger)

[Der Prolog ist rein informativ und hat nichts mit der eigentlichen Handlung zu tun. Eventuell wird er nachträglich noch bearbeitet.]
 

Es war nun schon fast 3 Jahre her, als die VSR-Gesetze in Deutschland verabschiedet wurden. VSR bedeutete Vampir-Schutz-Rechte und erlaubte den wandelnden Leichen (wie sie einige bezeichneten) nun erstmals freies Geleit. Sie haben also fortan Rechte und Pflichten, genauso wie die anderen Bundesbürger.

Diese Gesetze wurden zwar schon vor 3 Jahren erlassen, dennoch herrschte in den deutschen Städten nach wie vor ein großer Tumult deswegen. Häufig hörte man von Auseinandersetzungen von Vampirhassern gegen die Untoten.

Es war natürlich verständlich, dass die Menschen sich vor den Vampiren fürchteten, jedoch war die Anzahl derer in deutschen Großstädten seit dem Jahre 2000 etwa verdoppelt worden. Das bedeutete, dass zirka 5 Prozent der Deutschen bereits Untote waren. Sie galten nun als eine ethnische Minderheit und vor allem wusste nun selbst jedes Kind, dass Vampire keine Hirngespinste aus Horrorgeschichten waren. Diese Tatsache konnte man nicht mehr verbergen und musste es akzeptieren, oder man bekam heftige Probleme mit den Behörden. Zugegeben, die Vampir-Lobby war wohlhabend und hatte riesigen Einfluss auf führende Großkonzerne und Banken und ebenso einige Vertreter in der Politik…

Doch ebenso wie die Vampire zu Staatsbürgern wurden, schlossen sich deren Gegner zu verschiedenen Organisationen zusammen. Einige Untergrundorganisationen von Vampirhenkern gab es bereits schon vorher, jedoch wurden diese aggressiver als je zuvor. Dies ging hervor aus ihrem Missmut gegen die verabschiedeten VSR-Gesetze. Auch in der Politik waren Vampir-Gegner nun zahlreich vertreten und bildeten eine Art Opposition gegen die Vampir-Befürworter. Eine der bekanntesten und mächtigsten Parteien, die die Vernichtung von Vampiren anstrebte war die AVA, genannt Anti-Vampir-Abteilung, welche es letztes Jahr sogar geschafft hatte in den Bundestag einzuziehen.

Doch vergleichbar mit einer radikalen Partei, so waren auch ihre Methoden. Sie bevorzugten es Keller und ganze Gebäude niederzubrennen, in denen Vampire tagsüber Ruhe fanden und in einen komatösen Schlaf verfielen. Allerdings hatte der Staat Vampire zu Bürgern erhoben, dadurch durften von nun an keine mehr ohne richterliches Gutachten ermordet werden. Das machte frühere Vampirjäger beinahe arbeitslos, denn nur Vampire der Stufe A, welche als besonders gefährlich eingestuft wurden, durften von Vampirhenkern getötet werden.

Deutschland war natürlich nicht das einzige Land, welches dieses Gesetz befolgte, die USA waren der Vorreiter, seit mehr als 10 Jahren tolerierten sie mit gutem Beispiel die Untoten. Auch Frankreich hatte das Gesetz seit nunmehr als 5 Jahren und einige andere europäische Länder wollten in den nächsten Jahren noch nachziehen.

Die modernen Vampire waren blutsaugende Kreaturen der Nacht, jedoch unterschieden sie sich stark untereinander. Die älteren Blutsauger hatten häufig übernatürliche, sogar magische Kräfte und man bezeichnete sie somit ehrenvoll als Meistervampire. Die Jung-Vampire hingegen waren erst seit wenigen Jahren untot. Man bezeichnete sie als die Millenniumsgeneration, weil es in Europa seit dem neuem Jahrtausend einen heftigen Vampirboom gab.

Den Meistervampiren wurden eigene Territorien zugewiesen, in welchen sie die ihnen unterlegenen Vampire zu kontrollieren hatten und die Herrscher trugen fortan den Namen Meister der Stadt, oder ähnliches. Schwächere Vampire hatten den Willen des Meisters zu befolgen und dieses System sicherte größtenteils den Pazifismus zwischen Menschen und Vampiren.

Doch was sollte getan werden, falls ein übergeschnappter Vampir auf hilflose Passanten losging? Die Legende vom Knoblauch war längst überholt. Dinge, die einen wahnsinnigen Blutsauger stoppen konnten, waren Sonnenlicht, Feuer, silberne Kruzifixe und Weihwasser, doch zum sicherem Tod war der Verlust von Kopf oder Herz entscheidend. Denn man sollte nie die Regenerationskräfte eines Vampirs unterschätzen. Ja, selbst die jüngsten Vampire konnten mit ihrer unmenschlichen Kraft mühelos einen PKW stemmen. Einige der älteren Sorte überlebten sogar bei Tageslicht, doch dies schien eher eine Ausnahme zu sein…
 

Es schien beinahe so, als würde die Menschheit das akzeptieren, was sie seit Jahrhunderten verachtet, gefürchtet und gejagt hatte...

Doch war es auch die richtige Entscheidung?

Bloody Cherry

Es war gegen 22 Uhr als zwei Mädchen aus der Straßenbahn ausstiegen. Der Wind war diese Nacht besonders eisig und der November zeigte, dass der Winter nicht mehr fern war. Die Kälte war hereingebrochen, wie ein sommerlicher Regenschauer bei einem Picknick im Freien. Eines der Mädchen nahm einen Haargummi und band sich ihre langen, braunen Haare zu einem Pferdeschwanz zusammen. Sie sah hinauf zu den bunten Leuchtreklamen, welche selbst die finsterste Nacht zum Tag erhellten.

Sie befanden sich im Vampirviertel der Stadt, welches von Jugendlichen häufig nur das Ghetto der Angst genannt wurde. Tatsächlich aber behaupteten fast alle Teenager, dass sie keine Angst davor hatten, sich in diesem Stadtteil aufzuhalten, denn es war zugleich nächtlicher Szenetreff. Es gab eine Hand voll Kasinos, unzählige Kneipen, Discos und sogar Striplokale, welche von Vampiren geführt wurden.

Die Freundin nahm die Kopfhörer aus den Ohren packte den MP4-Player in ihre Handtasche. Sie trug eine schwarze Jacke mit bunten Buttons darauf, dazu eine schwarze Röhrenjeans und Chucks. Ihre ehemals langen, hellblonden Haare waren mit dunkler Haarfarbe gesträhnt und fransig, modern geschnitten. Sie deutete begeistert auf ein Gebäude, dessen Name als Leuchtreklame dargestellt wurde. Das Bloody Cherry.

„Kate, da vorne ist der Schuppen!“, meinte sie strahlend.

Kate, oder genauer gesagt Kathy, wie sie richtig hieß, sah stumm in die Richtung und blickte das leuchtende Schild an, auf dem eine blutrote Kirsche abgebildet war. Sie hatte sich ähnlich wie ihre Freundin herausgeputzt. Ihr dezentes Make-up betonte ihre weiche, feminine Gesichtszüge und passte hervorragend zu dunklen Haaren und ihre hellblauen Augen stachen deutlich hervor. Sie trug ebenfalls eine schwarze Jacke, welche jedoch an den Ärmeln und am Kragen rot-kariert war. Dazu einen roten Minirock mit eingenähten Falten zu einer dichten schwarzen Strumpfhose. Ihre eleganten, schwarzen Schuhe hatten einen Plateauabsatz, welche das Mädchen auf eine ansehnliche Größe von 1,80m brachten.

Unsicher blickte die Siebzehnjährige zu ihrer Freundin. „Warst du da schon oft, Val?“, fragte sie schließlich und kratzte sich an ihrer Wange.

„Hm, drei...viermal schätze ich. Ist ganz nett dort, nicht so überfüllt wie im Toxic Dreams.“, antwortete Valerie.

Das Toxic Dreams lag etwa 3 Kreuzungen weiter entfernt und war eine bekannte Vampirdisco, welche hauptsächlich von Gothics besucht wurde. Das Bloody Cherry hingegen hatte erst vor 2 Monaten eröffnet und wurde sogleich inoffizieller Szenetreff von Punks, Emos und ähnlichen Gruppen. Natürlich befanden sich auch Vampire unter ihnen.

Nach einer längeren Schweigepause gingen die beiden Mädchen in Richtung Eingang. Ihren Weg kreuzten einige Punks, die rauchend und feixend aus dem Bloody Cherry kamen.

Kate war gespannt, wie es im Inneren wohl aussehen würde, sie stellte sich einen schillernden Ort mit vielen Lichtern, lauter Musik und lauter tanzenden Leuten vor.

Als sie jedoch am Türsteher vorbeikamen, trat sie ein in einen dumpf beleuchteten Raum, in dem harte, scheppernde Rockmusik gespielt wurde. Zuerst mussten die beiden eine längere Treppe hinunter, die direkt zur Tanzfläche führte. Wenn man dies überhaupt so bezeichnen konnte. An einer Wand lagen einige Jugendliche betrunken am Boden, wiederum andere rockten direkt vor der weitläufigen Bühne, auf der eine schrill gestylte Hardcore-Punk-Band ihre Songs zum Besten trug. In der anderen Ecke des Saals gab es eine Bar und Val zog ihre Freundin sogleich mit dorthin.

„Erst mal geb ich dir was zu Trinken, damit du mal bisschen entspannter wirst. Du bist ja total verkrampft heute!“, behauptete sie ernst.

„Was ich? Verkrampft?“, prustete Kate erschrocken und beleidigt zugleich.

Doch Val ging nicht genauer darauf ein, sondern fragte nur, ob sie lieber Bier oder gleich was Hochprozentiges haben wollte. Nach etwa fünf Minuten hatten sich die beiden Mädchen für eine Wodka-Cola entschieden und hockten mit ihren Getränken in den Händen auf der breiten Treppe beim Eingang.

Kate fühlte sich sichtlich unwohl in dieser fremden Umgebung, war sie doch seit Jahren an die Vorzüge des Toxic Dreams gewöhnt gewesen. Dort gab es mehrere Etagen, exzellente Leuchteffekte, super Cocktails und vor allem viele süße Jungs. Aber als sie sich hier so umsah, fand sie viele Jungs mit viel zu langen Haaren, oder mit schrillen bunten Frisuren und natürlich auch einige mit Irokesen-Haarschnitt. Keiner schien ihr zu gefallen. Sie seufzte schwerfällig und trank einen Schluck.

„Also ich weiß echt nicht...wir hätten vielleicht doch lieber woanders hingehen sollen. Hier ist kaum was los. Richtig tote Hose…“, meckerte sie enttäuscht.

„Hab dich mal nicht so! Schließlich ist es doch erst mal kurz nach 10 Uhr, und dabei war doch erst halb 10 Einlass. Die meisten kommen ja erst noch.“, versicherte sie mit einem kokettem Lächeln im Gesicht.

Kates Lippen verkrampften sich zu einem gequältem Lächeln, zumindest bis ihre Augen die linke, hintere Ecke des Saals überflogen. Dort stand ein Junge mit etwas längeren schwarzen Haaren, welche am Pony teilweise rot gefärbt waren. Er hatte ein nahezu perfektes, jedoch blasses Gesicht mit einem Lächeln, dass sogar Schokolade zum Schmelzen brachte. Der Junge trug im Vergleich zu den um ihn stehenden keine zerrissenen Hosen oder schrille Punkkleidung, sondern eine schwarze Jeans und ein schwarzes Band-T-Shirt, seine Jacke hatte er sich eben ausgezogen, daher konnte man in dem T-Shirt sehen, wie sich seine Muskeln abzeichneten. Er war nicht übermäßig muskulös, aber gerade so, wie sie es sich erträumte.

Als sein Blick den von Kate traf, sah sie schnell weg und nippte an ihrem Getränk. Ihre Hand verkrampfte sich am Becher und ihr entging sogar die Bemerkung ihrer Freundin.

„He Kate, bist du noch da?“, Val machte eine genervte Handbewegung, sodass die Braunhaarige wieder zu sich kam.

„Was hast du gesagt?“, wunderte sich diese und starrte Val verständnislos an.

Doch Val griff sich auf die Stirn und stieß einen tiefen Seufzer aus. „Du bist echt total weggetreten!“

Darauf konnte Kate nur grinsend mit einem „Sorry!“ antworten, anschließend war sie weiterhin damit beschäftigt, die Personen um sie herum zu beobachten. Ein großer Junge mit grünen Haaren und einigen Piercings im Gesicht stach besonders hervor.

Er war laut, genervt und wirkte vor allem sehr betrunken. Er trennte sich von seiner Clique und ging in Richtung Treppe.

Von einer Sekunde zur anderen rannte er hinauf und rempelte Kate so sehr an, dass sie dadurch ihre Wodka-Cola verschüttete.

„Verdammt noch mal! Pass doch auf du...“, rief sie ihm wütend nach, doch er war bereits zur Tür hinaus. Kate sah sich das Malheur an, ihre Strumpfhose war nass und roch stark nach Alkohol. Doch Val stieß sie heftig an und rief. „Deine Tasche!!“

„Was?!“, da erst begriff sie, dass der Grünhaarige beim Vorbeirennen ihre Handtasche mitgenommen hatte. Das Mädchen fluchte heftig und rannte so schnell sie konnte die Treppe hinauf. Als sie nach draußen gelangte sah sie ihn gerade in eine Seitengasse einbiegen. Natürlich hetzte sie hinterher, da sie eine begnadete Läuferin war, fiel ihr die Verfolgung nicht schwer. Nur die Schuhe waren für Sprints nicht sonderlich gut geeignet gewesen, sonst hätte sie ihn gewiss schneller verfolgen können. Die Seitengasse war völlig düster, ohne jegliche Beleuchtung, ganz im Gegensatz zur Hauptstraße. Sie rannte an einigen Mülltonnen vorbei und an Eingängen zu Wohnungen, die sich über den Kneipen und Discos befanden. Von fern her hörte sie die Musik vom Bloody Cherry. Dumpf ließ sich der Refrain eines Liedes der Band ausmachen: „Die, Bastard, die“.

Die Gasse war eng und sie konnte kaum erkennen, was vor ihr lag. Dies war auch die Ursache dafür, dass sie stürzte und sich vor Schmerzen auf den Boden krümmte. Sie hatte sich das Knie aufgeschlagen und als sie mit ihrer Hand in die Wunde griff, lief Blut über ihre Hand. Nochmals fluchte sie und der Groll richtete sich gegen den ganzen Tag, der ihr anscheinend überhaupt nichts Gutes brachte.

Shit, jetzt ist meine Strumpfhose auch noch ruiniert, dachte sie sich entnervt und hatte Mühe sich auf die Beine zu bringen. Ihr Bein zitterte heftig, als sie sich gegen eine Wand gelehnt hinstellte. Der Schmerz war vielleicht nicht der Schlimmste, aber die Verfolgung von dem Punk, der ihre Tasche geklaut hatte, konnte sie nun garantiert vergessen.

Doch plötzlich vernahm sie aus der Nähe ein leises Geräusch. Sie fragte sich, wer das wohl sein könnte und hoffte inständig, das es Val war, damit sie ihr helfen konnte. Aber wieder einmal irrte sie sich heftig.

Langsame Schritte kamen auf sie zu und sie ballte ihre Hände zu Fäusten.

„Wer...ist da?“, fragte sie und ihre Stimme klang ernst und entschlossen. Punkt für sie, dachte sie sich, denn sie hasste es schwach zu wirken.

Es wurde nicht geantwortet, stattdessen wurden die Umrisse einer zwielichtigen Person deutlich. Sie hoffte, oder eher betete innerlich, dass es eine freundlich gesinnte Person sei. Als derjenige ins matte Licht trat erkannte sie ihn, als hätte man ihr einen Schlag ins Gesicht verpasst. Es war der gutaussehende Kerl, den sie vorhin in der Bar gesehen hatte.

„Oh Gott...“, murmelte sie kaum hörbar zu sich selbst und war froh, dass er nicht sehen konnte, dass sich Röte in ihrem Gesicht breit machte.

„Hey, alles ok mit dir?“, fragte der Fremde und schenkte ihr ein warmes Lächeln.

„Ich...ähm...“, begann sie verlegen, dann deutete sie auf ihr Knie.

„Oh, komm ich helfe dir.“, sagte er und reichte ihr einen Arm. Sie nahm ihn und er stützte sie. Dann ging der Junge langsam einen Schritt und sie versuchte nachzukommen. Langsam, aber gleichmäßig gingen beide aus der Gasse heraus zur Hauptstraße und Kate konnte nicht anders, als sich nach dem Dieb umzusehen. Am Eingang zum Bloody Cherry wartete sichtlich nervös ihre beste Freundin und es dauerte keine Sekunde länger, da entdeckte Val die Verletzte und eilte zu ihr.

Völlig außer Atem rief sie: „Kate, oh man, geht’s dir gut?“

Kate lächelte so gut, wie sie gerade konnte, jedoch tat ihr Knie sichtlich weh.

„Du hättest nicht so unüberlegt losrennen sollen, da haben wir den Salat!“, kritisierte die Blonde.

Genervt blickte Kate sie an. „Könntest du mir erst mal helfen? Du klingst ja wie meine Mum.“

Natürlich machte Valerie keine abwertenden Anstalten mehr, sondern zückte aus ihrer Handtasche erst mal ein Taschentuch, mit dem sie das Blut abwischte. Die schwarze Strumpfhose war allerdings total zerrissen.

„Ich werde deine Sachen zurückholen, das verspreche ich dir. Ich kenne den Typen nämlich. Der macht immer Ärger, es sollte nicht schwer sein ihn wiederzufinden.“, versprach der nette Junge, der Kate immer noch aufrecht hielt.

Ihr wurde bitter bewusst, dass sie sich noch gar nicht vorgestellt hatte.

„Danke, aber bring dich nicht in unnötige Gefahr. Ach...ich heiße übrigens Kathy.“, sagte sie aufrichtig dankbar über sein großzügiges Angebot.

Er schenkte ihr das schönste Lächeln, dass er konnte. Dabei fielen ihr seine spitzen Eckzähne auf. „John. Schön dich kennen zu lernen.“, entgegnete er.

Sie machte eine leicht erschrockene Geste, denn ihr wurde bewusst, dass sie ihn so nur anziehend fand, weil er eine faszinierende vampirische Aura hatte. Kate hatte vorher schon einige Vampire getroffen und hatte dabei immer ein seltsames Gefühl wahrgenommen. In ihrer Nähe fühlte sie sich warm, kalt oder magisch berührt. Es war recht unterschiedlich, doch in Johns Nähe spürte sie eine Wärme, die sie innerlich streichelte. Nicht alle Menschen konnten die Aura von Vampiren so intensiv wahrnehmen, wie sie. Es war früher weit verbreitet, dass Menschen die Aura einer Person sehen und fühlen konnten, doch über die Jahrhunderte hinweg verlernten sie es und in der heutigen, mit Reizen überfluteten Welt war es schon eine außergewöhnliche Gabe.

Dass der Junge ein Vampir war, war natürlich auch Valerie nicht entgangen. Sie fragte sich, warum er nicht scharf auf das Blut ihrer Freundin war. Doch sie schloss daraus, dass er sich heute schon genährt hatte.

Kate hingegen kümmerte sich nicht darum, sondern genoss das warme Gefühl seiner Aura. Es war damit zu vergleichen, an einem warmen Ofen zu sitzen und sich zu Wärmen. Innerlich spürte sie, dass John noch nicht sehr lange ein Vampir war. Er gehörte vermutlich zur neuen Millenniums-Generation.

Val brach das Schweigen und fragte das, was Kate sich dachte: „Wie lange bist du denn schon ein Vampir?“

Verdammt, dachte sich Kate, wieso musste sie ihn so direkt darauf ansprechen?

John hingegen schien sich zu amüsieren und lachte herzlich. „Seit etwa 2 Jahren.“

Verblüfft ließ Val ihren Mund offen. „Und? Wie fühlt es sich so an?“

Kate hätte ihrer Freundin in dem Moment am liebsten die Lippen mit Klebeband zugeklebt und schämte sich für ihre Offenheit.

Der junge Vampir lachte weiterhin, aber sagte schließlich: „Vielleicht reden wir lieber ein anderes Mal darüber, wir sollten lieber erst mal Kathy ein Pflaster für ihr Knie besorgen. In meinem Auto liegt ein Verbandskasten.“

„Kate, bitte. Du kannst mich ruhig so nennen.“, korrigierte sie und lächelte beklommen.

„Klar.“, bei Johns sanftem Gesichtsausdruck wäre Kate gerade fast umgefallen, doch er hielt sie ja glücklicherweise noch fest. Ganz zu schweigen vom eigentlichem Handtaschenproblem, welches sie nun total vergessen hatte...

Visionen

Als Kates Bein notdürftig mit einem Pflaster beklebt worden war, saß sie auf dem Beifahrersitz eines silbernen VWs. John stand einige Meter weiter entfernt, telefonierte mit seinem Handy und hatte eine Zigarette im Mund. Ihre Illusion vom perfekten Jungen waren damit zerronnen, den sie mochte das Rauchen nun wirklich überhaupt nicht. Val hingegen gönnte sich auch eine Zigarette und lief auf dem Parkplatz auf und ab. Sie waren nicht weit vom Toxic Dreams entfernt auf einem weitläufigem Parkgelände, welches wirklich randvoll zugeparkt war.

Kate hatte sich von der Strumpfhose getrennt und sie fröstelte bei der Kälte. Sie war wirklich froh darüber, dass sie sich keine Gedanken darüber machen musste pünktlich zu Hause zu sein. Es war schließlich Samstag, oder schon fast Sonntag und sie würde die Nacht bei Val verbringen. Diese wohnte zusammen mit zwei anderen Mädels in einer WG und Kate beneidete sie darum, dass sie so keinen Zoff mehr mit den Eltern hatte. Leider ging Kate noch zur Schule, denn sie machte ihr Abitur, so wie ihre Eltern das von ihr erwarteten.

Nach einer Weile beendete John das Telefonat und ging zu ihr. Er sah sie mit einer sorgenvollen Miene an. „Ist dir nicht kalt? Komm ich mach die Heizung vom Auto an.“, schlug er vor und stieg auf den Fahrersitz. Er betätigte die Autoheizung und bald wurde es wärmer um sie. Val öffnete indessen die hintere Tür und stieg auf den Platz hinter Kate ein.

„Ich fahre euch wohl besser nach Hause.“, meinte John und startete den Motor.

„Zu mir nach Hause.“, korrigierte Val und erklärte ihm wo sich die WG befand.

Nach etwa einer viertelstündigen Fahrt erreichten sie schließlich ein mehrstöckiges Wohnhaus. Das Wohnviertel war im Sommer immer schön grün und wirkte freundlich, doch in dieser kalten Novembernacht wirkten die Ahornbäume knochig und unheimlich. Alles um sie herum wirkte recht düster und es brannte kaum noch Licht in den Wohnungen, nur das Licht einer beschädigten Straßenlaterne flackerte auf dem schmalen Parkplatz.

„Komm ruhig mit hoch, Kate kommt bestimmt nicht alleine in den 5. Stock.“, grinste Val, denn sie wusste, dass Kate was von ihm wollte. Diese schenkte ihr nur einen Blick, der alles und nichts bedeuten konnte.

Als sie ausstiegen umwehte sie ein starker Luftzug, die Luft roch winterlich und es würde sicherlich bald Schnee geben. John griff dem Mädchen unter die Arme und sie ließ ihn. Sie gingen in das Treppenhaus und Kate war es sichtlich unangenehm die Treppenstufen hinaufgehen zu müssen. Noch dazu war es ihr peinlich, dass sie unter diesen Umständen einen süßen Vampir kennen gelernt hatte. Sie wünschte sich eigentlich nur unter die heiße Dusche zu kommen und sich auszuruhen. Dann dachte sie daran, dass sich in ihrer Tasche auch ihr Handy befand. Dies war sehr schlecht, denn zu Hause würde es sicherlich ein Donnerwetter geben, weil sie nicht ans Telefon gegangen war, wenn ihre Eltern versuchen würden anzurufen.

Es dauerte beinahe zehn Minuten bis die beiden oben angekommen waren, Val blickte sehr genervt über die Lahmarschigkeit drein. Kate und John hingegen hatten ein angeregtes Gespräch über Musikbands geführt und tatsächlich hörten sie doch ähnliche Bands an.

In der Wohnung war es hell und warm und Kates Augen mussten sich erst an das Licht gewöhnen. Mit zusammengekniffenen Augen versuchte sie sich am Eingang ihre Schuhe auszuziehen.

„Wo sind die anderen?“, fragte sie schließlich.

„Meine Mitbewohnerinnen sind auf einer Party und werden wahrscheinlich erst morgens hier aufkreuzen.“, erklärte Val und stellte die Schuhe in einen kleinen Schrank.

John half Kate noch bis zu dem braunem Sofa im kleinem Wohnzimmer, der sich direkt nach dem schmalem Flur anschloss. Es gab noch 3 weitere Zimmer und noch eine Küche sowie ein Bad in der Wohnung. Kate saß müde auf dem Sofa und war sichtlich froh, dass sie nicht mehr im Vampirviertel war.

John machte eine entschuldigende Geste. „Ich werde dann mal wieder losmachen. Will ja nicht stören.“

„Nein, nein!! Du störst uns doch nicht! Nicht wahr, Kate?“, sie grinste bis über beide Ohren und drängte John dazu sich neben sie aufs Sofa zu setzen.

„Nein wirklich.“, seufzte er. „Ich muss noch wohin, es ist wichtig.“, erklärte er. „Am besten tauschen wir einfach mal Nummern aus, dann könnt ihr mich auch erreichen. Ich werde dann schon dafür sorgen, dass Kate ihre Sachen wieder bekommt.“, er berührte sie sanft an der Schulter.

Val besorgte sofort Stift und Papier. Am liebsten hätte sie ihm gesagt, er solle auf den Zettel „Für meine liebste Kate“, schreiben, hielt sich den Kommentar aber grinsend zurück.

Nachdem John gegangen war, machte sich eine Stille breit, die sich wie Kaugummi lang zog.

Valerie hielt es nicht aus und erklärte Kate, dass sie ins Bad gehen solle und sie in der Zwischenzeit ein Gästebett für sie beziehen würde. Kate nickte nur und verschwand im Bad.

Ihr Knie sah gar nicht schön aus, es war rot, blau und pochte heftig, als sie in der Dusche das heiße Wasser darüber laufen ließ. Sie biss sich auf die Unterlippe, nahm sich aber fest vor den Schmerz auszuhalten. Als das heiße Wasser über ihren Kopf lief, ließ sie vor ihrem innerem Auge den Tag Revue passieren. Sie war froh, dass sie nun ihre Ruhe haben würde.

In einem kitschigem, rosa Kätzchen-Nachthemd stand Kate anschließend vorm bodenlangen Badezimmerspiegel und starrte erstaunt hinein. Sie fühlte sich wie benommen und ihr Gesicht sah wirklich, wenn man es so sagen wollte, beschissen aus. Sie war viel zu blass und die dunklen Haare passten überhaupt nicht zur hellen Haut. Noch dazu wirkte sie müde und sie konnte sich nicht erklären, wie so ein gutaussehender Vampir wie John an ihr was finden konnte. Sie schüttelte den Kopf und dachte, dass er bestimmt eine Freundin hatte, es war garantiert die wichtige Sache gewesen, von der er gesprochen hatte.

Müde und erschöpft ließ sie sich in das weiche Bett fallen. Das Gästebett stand mit in Valeries Zimmer, doch diese war jetzt gerade im Bad. Kate machte das große Licht aus und schaltete eine Nachtischlampe ein. Obwohl sie noch auf Valerie warten wollte holte sie der Schlaf schneller ein, als sie erwartet hatte.
 

Es war ein lauer Frühlingsmorgen, eine weiche Woge umgab die Träumende und ihr wurde bewusst, dass sie in einem klarem See mitten in einem Wald schwamm. Das Wasser war warm und schön hellblau. Aber der Himmel verdunkelte sich auf einmal und das Wasser wurde unruhig. Die Farbe schwang zu einem trüben grünblau um und heftige Wellen schlugen auf. Kate befand sich mitten im See und dachte daran umzukehren, doch die Strömung wurde immer heftiger. Schmutz und Unrat befanden sich auf der Wasseroberfläche. Der Versuch das rettende Ufer zu erreichen schien vergebens, denn je mehr sie versuchte dahin zu schwimmen, desto weiter wurde sie davon weggetrieben.

Allmählich ließ ihre Kraft nach und sie begann heftig zu husten. Das Mädchen hatte keine Kraft mehr zu schwimmen und sank langsam unter den Wasserspiegel. Das Wasser drang in ihre Lunge, doch aufgegeben hatte sie sich noch nicht. Sie schwamm zurück nach oben und hustete heftig. Doch das Schicksal meinte es nicht gut mit ihr, denn ein strömender Regen prasselte hernieder. Abermals versank sie und diesmal schien sie sich nicht dagegen zu wehren.

Wie aus heiterem Himmel griffen ihr zwei Arme um die Taille und sie wurde an Land gezogen. Ohne Hinzusehen spürte sie die Bewegung und hörte dem Atem des Retters.

Am Ufer angekommen rang Kate um Atem. Keuchend konnte sie sich auf alle Viere aufrichten. Die nassen Haare klebten ihr im Gesicht wie Seetang an Felsen. Genervt versuchte sie ihre Haare aus dem Gesicht zu schieben und sah dabei ihren Rettungsschwimmer.

Es war eine Person, die sie nicht kannte. Er war groß, garantiert einsneunzig und hatte ein faszinierendes Äußeres. Er trug einen formschönen, langen schwarzen Mantel, seine schwarzen Lederschuhe glänzten wie Käferflügel. Es schien sie auch gar nicht zu wundern, dass der Fremde im Vergleich zu ihr gar nicht nass geworden war.

Vorsichtig ging sie in die Hocke und wrang ihre Haare aus, während ihre Augen nicht anders konnten, als ihn zu mustern. Dunkelblaue Handschuhe und ein glänzender Silberring mit einem großem Saphir schmückten seine Hände. Sein Gesicht jedoch, war überhaupt das Besondere an ihm. Die Gesichtskontur war ein nahezu perfektes Oval, die Augen, der Mund und die Nase waren exakt symmetrisch zueinander. Eine Perfektion, wie die Kate nur aus Fotomontagen kannte. Die Haut war blass, jedoch strahlend. Die Augen ein tiefes Nachtblau, indem man versinken konnte, wie in einem nicht enden wollendem Tunnel. Seine Haare waren braun, vorne etwas kürzer und fransig geschnitten und hinten lang, sodass auch einige einzelne Strähnen auf seinem Oberkörper lagen. Die Aufmachung wurde durch einen schwarzen Hut komplett.

Noch nie zuvor hatte Kathy solch eine Gestalt gesehen, das Merkwürdige an dem Ganzen war jedoch, dass sie das dumpfe Gefühl hatte ihn irgendwoher zu kennen. Langsam rappelte sie sich auf und starrte ihn stumm an. Irgendwie fühlte sie sich schwerelos, als sie in seine Augen sah. Wie in Trance wachte sie auf, als er einige Schritte weiter weg ging.

Ohne zu verstehen warum, folgte sie ihm. „Wer bist du?“, wollte sie fragen, doch ihre Stimme war nicht zu hören. Sie versuchte daraufhin noch was zu sagen, doch es funktionierte nicht.

Kate sah wie er in dem Wald verschwand und wollte hinterher. Allerdings stolperte sie über ihre eigenen Füße und lag im feuchten, weichem Waldboden. Hinter ihr spürte das Mädchen eine eisige Kälte, als sei plötzlich eine Kühlschranktür geöffnet worden.

Sie zuckte sichtlich zusammen, als sie sah, dass es eine junge Frau war. Ihre glänzend schwarzen Locken umrahmten ihr mattweißes Gesicht und ihre Augen waren fliederfarben und von langen, schwarzen Wimpern eingerahmt, die an Spinnenbeinchen erinnerten. Ihr Gesicht war eine makellose Maske ohne jegliche Gefühlsregung.

Aus unerklärlichen Gründen hatte Kate schreckliche Angst vor ihr. Einen Herzschlag später fiel die Frau in einer Zeitlupenbewegung ihre Richtung. Ihr Körper verwandelte sich in Dutzende, schwarze Raben, die kreischend zu ihr flogen. Erschrocken fuchtelte Kate mit den Armen um sich und hörte von Fern her ihren Namen.
 

„Kate! Kate, wach auf!“, schrie Val und riss sie aus dem seltsamsten Traum, den sie je hatte. Benommen und völlig von der Rolle starrte sie in ihr erschrockenes Gesicht.

„Was ist denn?“, murmelte Kate, dann erst hörte sie die Sirenen von Polizei und Krankenwagen. Irgendwas war passiert...mitten in der Nacht?

Vampirssnack

Die Polizei und der Krankenwagen standen vor dem Wohnblock und es herrschte ein riesiger Tumult. Es war gerade mal 2 Uhr, das hieß, dass die Mädchen maximal eine Stunde geschlafen hatten. Kate hatte sich noch schnell ein paar Sachen übergezogen und Val trug einen schicken Bademantel. Der eiskalte Wind war ihnen in dem Moment egal gewesen, als sie sahen, was unten auf dem Parkplatz los war. Eine junge Frau, allerhöchstens 20 Jahre alt, lag auf dem kaltem Asphaltboden und war vermutlich tot. Als sie näher herangingen fiel ihnen die Blutlache auf, in der sie lag. Besonders auffällig waren die zahlreichen Bissmale an ihrem Hals. Es waren mindestens 5 von verschiedenster Forum. Einige waren nahezu sauber, andere wiederum waren von einem Kranz blauer Blutergüsse umgeben und wirkten, als hätte der Vampir versucht sie zu verschlingen. Es bestand kein Zweifel darin, dass die Frau bald zu einem Vampir auferstehen würde, doch ein Detail hatten die meisten Schaulustigen übersehen.

Ein Polizist deutete einem anderem, auf eine bestimmte Stelle auf ihrem Rücken. Daraufhin zog man ihr vorsichtig die Lederjacke aus und entblößte dabei ihre zerrissene Bluse welche sich mit dem Blut vollgesogen hatte. Sie hatte eine heftige Schusswunde, die ein tiefes Loch in ihrem Körper hinterlassen hatte. Ein paar andere Polizisten sicherten den Tatort ab und man scheuchte die Anwohner weg mit dem Aufruf, es gäbe hier nichts zu sehen. Na klar...

Kate erhaschte noch einen letzten Blick auf ihr hübsches Gesicht und die langen, blonden Haare, welche blutverschmiert auf dem Boden klebten. Beinahe wirkte ihr Gesichtsausdruck friedlich, als ob sie jeden Moment aufwachen würde.

„Wie furchtbar.“, meinte Val und griff nach Kates Arm. Diese bemerkte jetzt erst, dass sie ihren Atem angehalten hatte, weil sie so erschrocken über den Anblick gewesen war.

Ihr fiel ein roter Audi auf, der eilig in die Einfahrt fuhr. Am Steuer war ein junger Mann mit kurzen, blonden Haaren. Sein erschrockenes Gesicht war den Mädchen nicht entgangen und sie schlossen daraus, dass er die Tote gekannt haben musste. Als er ausstieg rannte er zum Tatort und versuchte zu einem Beamten Kontakt aufzunehmen. Die Leute vom Krankenwagen konnten nichts mehr für das Opfer tun und außerdem stand fest, dass sie auch nicht mal mehr als Vampir auferstehen könnte.

Val nahm an, dass die Frau auf dem Dach gestanden haben musste und nach dem tödlichen Schuss von dort herunter gefallen ist. Sie schien auf der Stelle tot gewesen zu sein.

Val erzählte ihrer Freundin von ihrem Verdacht. Kate konnte ihr folgen, nur verstand sie nicht, warum die Frau erst ausgesaugt und danach erschossen wurde. Irgendwie machte es doch keinen Sinn, warum sollten Vampire sie erschießen, obwohl die schon an dem Blutverlust gestorben sein musste? Kate konnte sich keinen Reim daraus machen und blickte stumm um sich. Es standen mittlerweile weit mehr als 50 Personen um den Tatort und es schienen immer mehr Anwohner das Bedürfnis zu haben eine Leiche zu sehen. Noch dazu standen viele Leute an den Fenstern und starrten wie bekloppt hinunter. Anscheinend war dies mal eine aufregende Sache in dem Viertel und das neue Topthema auf Kaffeekränzchen von Nachbarn.

Kate schüttelte den Kopf, als sie die Leute begutachtete und wandte sich zu Val. „Wir sollten lieber wieder reingehen. Ich glaube nicht, dass wir hier etwas zu sagen hätten.“

Es war eine wirklich kluge Entscheidung gewesen wieder zurück zugehen, jedoch konnten die beiden Mädchen kein Auge zu tun. Kate wälzte sich unruhig im Bett hin und her und Val starrte schockiert an die Decke. Es wurde eine lange Nacht mit viel zu wenig Schlaf für die beiden.
 

Nachdem Frühstück klingelte es an der Tür und Val eilte um diese zu öffnen. Kate bekam gerade noch mit, dass es einer von der Kripo war und er einige Zeugenaussagen für den Tathergang brauchte. Nach etwa einer Viertelstunde kam Val zurück in die Küche und sah bedrückt drein.

„Sie meinten, dass sie erst 19 Jahre alt war, sie wohnte hier im Viertel, man hat sie als Charlotte Schuster identifiziert. Sie wurde allen Anschein nach von Vampiren misshandelt und ist dann von einem Vampirhenker erschossen worden, damit sie nicht als Untote wiederaufstehen konnte. Man fand auf dem Dach verschiedene Spuren von mehreren Personen.“

Kate atmete tief und gleichmäßig. „Ich kann mir nicht vorstellen, wie man nur so grausam sein kann...“

Die Blonde knallte mit beiden Händen energisch auf den Tisch. „War bestimmt so ein Idiot von der AVA! Die wollen doch schließlich alle Vampire ausrotten!“

„Nimmst du die Vampire, die ihr das angetan haben etwa in Schutz?“, fragte Kate empört und ballte die Fäuste.

Val hielt inne, bevor sie noch was antwortete. „Nein, das tue ich bestimmt nicht, aber es sind doch nicht alle Vampire solche...Bestien.“, das letzte Wort hatte eine widerlich abwertende Betonung. „Aber denk doch mal an den Vampir von gestern. John schien auf mich nicht so zu wirken, wie diese Monster!“

Das brachte Kate zum Nachdenken. Ihrer Meinung nach gehörte John zu einen der nettesten Personen, die sie kennen gelernt hatte. Das er ein Vampir war, war für sie ein Schock gewesen, doch unbeirrt durch diese Tatsache hielt sie an ihrer Meinung fest. „Wenn die Vampire ihr das angetan haben, müssen sie unbedingt geschnappt werden und dafür büßen. Sollen sie doch in der Sonne zu Asche verbrennen!“

Sie stand auf und ging an Val vorbei ins Bad. Val sah ihr lange stumm nach und setzte sich schließlich auf das Sofa im Wohnzimmer.

Das kalte Wasser lief in Rinnsalen Kates Gesicht hinab und als sie im Spiegel ihr eigenes müdes Gesicht sah, fühlte sie sich unendlich elend und schuldig dafür, dass sie nichts tun konnte. War der nette John etwa doch einer dieser blutsaugenden Bestien? Sie fühlte sich schwer und wollte nicht mehr daran denken. Ihrer Meinung nach würde sie ihn nie wieder sehen, jedoch brauchte sie ihre Tasche und nur er konnte sie zurückholen. Sollte sie auf ihr Gewissen hören und seinem Angebot die kalte Schulter zeigen, oder war es doch besser aufs Bauchgefühl zu hören und ihn stattdessen doch anrufen?

Sie fand keine Antwort und wäre am liebsten weg von allem und jedem.

Es klopfte an der Tür. Val hämmerte laut und Kate blickte genervt zur Tür.

„Hey das musst du dir ansehen! Komm doch mal bitte!“

Kate schloss auf und trat ins Wohnzimmer. Der Fernseher lief und war ziemlich laut eingestellt. Kate starrte fassungslos auf den Bildschirm, als die Frühnachrichten kamen.

„Es wurden an 5 Gebäude in Brand gesetzt, allesamt im Ghetto der Angst. Es wird vermutet, dass die AVA dafür verantwortlich seien. Sie wollten die Vampire darin einfach verbrennen!“, erklärte Val ihr mit fassungslosem Gesichtsausdruck.

Kate hielt zitternd ihre Arme an ihren Oberkörper gepresst. „Wenn wir gestern Abend nicht von John hergefahren worden wären, dann wären wir vermutlich im brennendem Viertel gewesen. Verdammt, wir hatten unglaubliches Glück, dass wir zu dem Zeitpunkt nicht dort gewesen sind!“, rief Kate immer noch zitternd und starrte entsetzt auf den Bildschirm, sogar als der Bericht schon zu Ende war und die darauf folgende Werbung eingeblendet wurde.

Val stand auf und nahm sie in die Arme. „Scheint so, als hätte die Sache mit deinem Knie doch noch was Gutes gehabt...mal abgesehen von John.“

„Meinst du er ist wieder dorthin zurückgefahren? Ob er wohl...“

Beruhigend umschloss Val die leicht verstörte Kate und beruhigte sie. „Ihm ist bestimmt nichts passiert, wir rufen einfach an und fragen wie es ihm geht!“

Das war das Stichwort und Kate eilte den Zettel mit seiner Handynummer zu holen, da wurde ihr aber bewusst, dass sie ihn ja erst nach Anbruch der Dunkelheit anrufen konnte, da er wie alle Vampire tagsüber schlief.

In ihrem Gesicht zeichneten sich Furcht und Sorgen ab, bis sie sich bewusst der Tatsache bewusst wurde, dass sie John vor wenigen Minuten doch gar nicht mal mehr anrufen wollte.

Außerdem kannte sie ihn gerade mal wenige Stunden und wusste doch gar nichts über ihn. Warum aber machte sie sich dennoch Sorgen, ausgerechnet um einen Vampir, denn sie doch gar nicht wirklich kannte? Was wusste sie wirklich über die Vampire? Konnte sie ihnen überhaupt trauen?

Kate fuhr sich durch die langen Haare und war sich nicht sicher, was die richtige Entscheidung war. Sie ballte die Hände zu Fäusten und drückte die Fingernägel in die Handflächen, bis es schmerzte.

Verdammt, warum haben wir den Abend nur nicht mit Pizza und Chips und einer guten Horror-DVD verbracht?, ärgerte sie sich in Gedanken. Nun hing sie gewissermaßen in der Luft. Sie musste sich entscheiden, daran konnte man nichts ändern...

Gefühlsschwankungen

Am Sonntagabend, gegen 22 Uhr versuchte Kate mehrmals John zu erreichen.

Doch jedes Mal war niemand ans Telefon gegangen. Sie fragte sich, ob die Nummer wohl falsch war und ob er es nicht ernst mit seinem Angebot meinte. Natürlich kam ihr auch der Gedanke, dass ihm etwas passiert sein könnte, dass die Radikalen von der AVA ihn erwischt hätten. So verbrachte die Jugendliche den restlichen Abend mit wagemutigen Überlegungen. Sie vergaß sogar, dass sie eigentlich hätte lernen sollen. Morgen stand eine wichtige Geschichtsklausur an und sie war nun wirklich kein Genie in dem Fach.

Sorgenvoll lümmelte sie auf dem Bett und hörte nebenbei noch traurige Gothic- Songs an. Sie hielt eine Plüschente in den Händen, welche sie schon seit Jahren besaß und verband mit ihr immer einen stillen Zuhörer. Fast wollte sie fragen, was sie nun tun sollte, dann bemerkte sie, dass es kindisch war und legte das Stofftier in ihren Sessel.

Kate beschloss schließlich ins Bad zu gehen und sich die Zähne zu putzen, dann hörte sie den nervigen Klingelton ihres alten Klapp-Handys, das noch nicht einmal polyphone Klingeltöne hatte, aber das Neue war ja weg. „Mhh...Moment!“, murmelte sie mit Zahnbürste im Mund. Sie spuckte den Schaum aus und rannte in ihr Zimmer, während sie ihren Mund mit dem Ärmel abwusch.

„J...ja!“, ihre Stimme klang ein bisschen abwesend.

„Ich bin’s John.“, die Aussage kam knapp und emotionslos.

„Ach du. Ich bin’s Kate, ich hab ständig versucht dich anzurufen, weil ich doch...“, begann sie, doch sie wurde unterbrochen.

„Tut mir leid, ich kann jetzt nicht reden.“, selbst durchs Telefon konnte sie ihn seufzen hören. „Können wir uns vielleicht morgen treffen?“

Ein Treffen? In Kates Kopf spielten sich Visionen von händchenhaltenden Paaren im Park ab, die zusammen Eis aßen. Doch sie wusste, dass es wahrscheinlich nicht als Rendezvous gemeint war.

„Ja, klar.“, antwortete sie schließlich.

„Um halb zehn vorm Toxic Dreams?“

„Ja klingt gut.“

„Gut.“, sie konnte erahnen, dass er ins Telefon lächelte. „Dann bis morgen.“

„Bis morgen dann.“, Kate grinste innerlich.

John legte jedoch auf, bevor er Tschüss gesagt hatte. Leicht enttäuscht, aber dennoch glücklich ging Kate zurück ins Bad, als ihr einfiel, dass sie noch zu lernen hatte. Allen Anschein nach, stand ihr eine lange, stressige Nacht mit wenig Schlaf und viel heißem Kaffee bevor.
 

Der nächste Tag war besonders kühl, der Frost hatte die Bäume mit einer zarten Eisschicht bedeckt, jedoch war der Himmel klar und die Sonne schenkte Licht, welches das Eis zum Funkeln brachte.

Kate saß eingenickt in der S-Bahn und hatte schon längst die Station verpasst, an der sie eigentlich hätte aussteigen müssen.

Die Klausur konnte sie mit Mühe und Not überstehen, jedoch würde das Ergebnis mit Sicherheit nicht allzu gut ausfallen.

Eine alte Dame stupste das Mädchen an und sie wurde wach. „Entschuldigung, dürfte ich mich hinsetzen? Hier ist kein Platz mehr frei und meine alte Knochen tun weh.“

Kate stand prompt auf, nahm ihren Ranzen auf eine Schulter und stellte sich hin. Ihr fiel auf, dass sie schon zu weit gefahren war. Innerlich fluchte sie.

Die nächste Station war mitten im Stadtzentrum, so weit hätte Kate nicht fahren sollen. Aber wenn sie schon mal hier war, dachte sie sich, könnte sie sich doch ein bisschen in den Geschäften umsehen.

Nach dem Nickerchen in der S-Bahn war sie putzmunter und hatte sogar richtig Lust bekommen ein paar Sachen zu kaufen.

Eine halbe Stunde später hatte sie bereits zwei Taschen voll mit Klamotten gekauft. Irgendwie ärgerte sie sich, dass sie schon wieder so viel Geld für Anziehsachen ausgegeben hatte, andererseits war sie froh, dass sie wieder was Neues hatte.

Sie betrat ein Haus mit dem Namen Café Paradiese. Es war ein netter Ort, indem man Eis essen und sich gemütlich hinsetzten konnte. Kate war schon oft hier gewesen. Die karmesinroten Sitzecken und die Glastische waren größtenteils vollbesetzt. In der hintersten Ecke sah sie einen Jungen, der mit in ihren Kurs ging. Sie ging auf ihn zu. Seine rotblonden Haare waren gelockt, er wirkte lausbubenhaft, also auch nicht wirklich erwachsen, obwohl er bereits 18 Jahre alt war. Kate nahm nicht wirklich an, dass er jemals erwachsen auf die wirken würde.

Er hieß Joey und in der Schule war er ein totaler Spaßvogel, noch dazu war er ein Freund aus Kindertagen. Sie mochte ihn zwar, aber manchmal ging er ihr tierisch auf die Nerven.

Als Kate an den Tisch herantrat sah Joey von seiner Zeitung auf und grinste bis über beide Ohren.

„Hey Kate, du auch hier?“

„Hi...“, sie schenkte ihm ein höfliches Lächeln.

„Hm...setzt dich doch.“, er legte sie Zeitschrift zusammen und stellte seinen leeren Eisbecher zurück auf seine Tischhälfte, danach bot er ihr den Platz ihm gegenüber.

„Wie fandest du Geschichte?“, fragte er um ein Gespräch zu beginnen.

Kate sah ihn betroffen an. „Schrecklich! Den hab ich total verhauen!“

„Nicht nur du. Sag mal hast du vom Ghetto der Angst gehört?“, fragte er schließlich und wirkte ziemlich interessiert. Dies schien im wahrsten Sinne des Wortes ein heißes Thema zu sein.

„Ich war dort, allerdings bin ich gegangen, bevor dort alles in Flammen aufgegangen ist. Und bei Val’s Wohnung wurde eine Frau von Vampiren ermordet.“, berichtete sie und faltete ernst die Hände auf dem Tisch ineinander.

„Ist nicht wahr?!“, verblüfft starrte er sie an.

„Doch.“, sagte sie und machte danach eine kurze Pause. „Ich habe kurz zuvor einen jungen Vampir kennen gelernt, er hieß John und hat uns nach Hause gefahren.“, sie unterdrückte das Rotwerden mit Bravur.

„John? Wie sah er aus?“, fragte der Rotschopf mit einem spöttischem Lächeln auf den Lippen.

„Lass mich nachdenken. Groß, schwarze Haare mit roter Strähne. Naja er war sehr charmant zu mir, es scheint so, als sei er sehr beliebt bei den Mädchen...“, beschrieb Kate und fand, dass sie ihn zu knapp beschrieb, wo er doch so toll auf sie gewirkt hatte. Aber irgendwie konnte sie seine Gestalt nicht zu gut in Worte kleiden.

„Ich glaube er ging mal mit auf unser Gymnasium. Vor zwei-drei Jahren oder so.“

„Er ist seit 2 Jahren Vampir. Ich wusste gar nicht, dass er mal auf unserer Schule war!“, Kate fühlte sich ein wenig verärgert, dass er ihr früher gar nicht aufgefallen war.

Die Unterhaltung wurde vom Kellner unterbrochen, Kate bestellte sich einen Früchteeisbecher und versank in ihrer eigenen Gedankenwelt. Sie stellte sich John als Schüler vor. Wie er wohl gewesen sein mag, als er noch gelebt hatte? Ob er wohl beliebt war?

„Bitte erzähle mir was von ihm!“, sprudelte schließlich aus ihr heraus und im nächsten Augenblick bereute sie ihre Bitte.

Joey überlegte eine ganze Weile. „Nun er...“

„Hm?“, fragte sie neugierig.

„Also er war so ein Draufgänger, er hatte viele Freundinnen, aber jede nicht länger als einen Monat. Ich verstehe gar nicht, warum er so beliebt war, aber alle Mädels standen auf ihn. Sogar meine große Schwester, die eine Klassenstufe über ihm war und das soll schon was heißen!“

Enttäuscht nagte Kate an ihrem Fingernagel, als Joey weitererzählte: „Ah...und er war mal Sänger in der Schülerband, aber nicht sehr lange, weil er danach verschwunden ist. Wie wir ja jetzt wissen ist er eine umherwandelnde Leiche.“

Bei dem Wort Leiche hätte sie ihn ohrfeigen können. Dies war einer der Momente, in dem sie Joey echt nicht ab konnte.

„Ist das wirklich alles? Ein Draufgänger, der jede rumkriegt?“, Kates Augen glänzten wässrig, sie konnte gerade noch ihre Tränen zurückdrängen.

„Hm? Stehst du etwa auf ihn?“, fragte Joey, der natürlich die Sache nicht nachvollziehen konnte.

„Ich...ach nein. Nein.“, beteuerte sie und schluckte heftig.

Joey konnte sich ein gehässiges Lächeln nicht verkneifen. „Kate ist verknallt!“, posaunte er lautstark heraus.

Sie hingegen ballte die Fäuste und schrie ihn fast an. „Lass den Scheiß!“

So verbrachte Kate den restlichen Nachmittag zusammen mit ihrem Kumpel Joey beim Eisessen, jedoch kamen sie nicht mehr zu dem Thema John zurück, was ihrer Ansicht auch besser war.

Als es gegen 17 Uhr spät wurde fuhr er sie nach Hause und sie verabschiedeten sich.

Kate ging völlig geknickt in ihr Zimmer und zerriss den Zettel mit Johns Nummer in winzige Fetzen. Sie ging in die Badewanne und versuchte ihren Kummer wegzuwaschen. Wieder mal ist die an einen falschen geraten, aber wenigstens hatte sie es erfahren, bevor es zu weit gekommen war. Als sie so im heißem Wasser lag schlief sie kurz ein und hoffte, dass sie nicht mehr aufwachen müsste...

Unerfreuliche Begegnung

Kates Handy machte sie mit einer ohrenbetäubenden Piepsmelodie munter und sie stand mürrisch aus der Badewanne. Am Apparat war ihre beste Freundin und als diese erfuhr, dass Kate das Treffen mit dem Vampirjungen abblasen wollte reagierte sie gar nicht erfreut darüber.

„Bist du bekloppt?! Kate! Vielleicht hat er sich ja geändert!“, rief sie durchs Telefon.

Doch Kate legte das Handy einen Moment aus der Hand, um sich abzutrocknen. Als sie wieder am Handy war hörte sie nur noch wie Val ihr erzählte, dass sie doch außerdem nie wieder jemanden wie ihn kennen lernen würde.

Darauf reagierte Kate jedoch genervt und wollte am liebsten nichts mehr mit ihm zu tun haben. Es bedarf einer halben Stunde Überzeugungsarbeit, bis die Freundin sie dazu gebracht hatte, dass Kate trotzdem hingehen würde. Jedoch nicht weil sie ihn unglaublich süß fand, sondern ganz sachlich, weil er ihr helfen wollte wegen der Sache mit der Tasche. Es war aber garantiert nicht so einfach, wie sie es sich vorstellte, denn wie konnte man schon sachlich bleiben, wenn man doch in dieses wundervolle Gesicht sah?, dachte sie sich entrüstet. Sie verspürte daraufhin den Drang seinen gestählten Körper unter dem T-Shirt zu spüren, es ihm gar vom Leib zu reißen und sich an die warme, weiße Haut zu schmiegen, wie eine Mieze. Dann schüttelte sie langsam den Kopf und versuchte die schmutzigen Gedanken nicht zu Ende zu führen.

Als die Kirchenuhr neun schlug hatte Kate sich die Haare geföhnt, angezogen und fertig gemacht. Sie beschloss, diesmal eher leger gekleidet zu sein. Eine schwarze Röhrenjeans schien dafür genau perfekt. Ein Nietengürtel und ein dunkelgraues Sweatshirt von einer Gothic-Metal-Band dazu und natürlich noch ein rot-schwarzer Schal gegen die Kälte. Es war warm, bequem und diesmal rechnete sie auch nicht damit, dass sie sich das Knie aufschlagen würde.

Die S-Bahn zum Ghetto der Angst war nahezu leer, da unter der Woche weniger Jugendliche abends hingingen. Nur ein paar junge Erwachsene waren in ihrem Abteil. Eine große, schlaksige Frau mit Jeans-Mini und einer violetten Leggins darunter und Pumps von mindestens 10 Zentimetern Höhe brachten ihre langen Beine gut zur Wirkung. Jedoch war die Frau im Gesicht recht stark geschminkt und ihre langen schwarzen Haare hingen ihr bis zum Po hinab.

Kate wusste, dass es einige Stripclubs im Viertel gab, jedoch hatte sie nie vor in solch einen hinein zu gehen. Man behauptete in der Schule, dass einige Menschen Geld dafür bezahlten, um von einer Vampirstripperin gebissen zu werden. Bei dem Gedanken lief ihr ein Schauer über den Rücken und sie sah rasch von der Frau weg.

Direkt hinter Kate hatte sich ein Mann platziert, der Kate an einen Türsteher erinnerte. Er hatte einen Körperbau wie ein Schrank, trug einen schwarzen Ledermantel und hatte ein kantiges, unrasiertes Gesicht und einen Hut auf.

Kate fühlte sich unwohl und beobachtet. Das Atmen des Mannes hinter ihr ging laut und schwerfällig, klang manchmal eher nach einem Husten. Kate fühlte sich wie erschlagen, als sie die Macht der beiden Vampire spüren konnte.

Ihre Energien flammten auf und prallten heftig aneinander. Die Aura der Vampirfrau war lodernd heiß, man könnte es auch elektrisierend nennen. Im Vergleich dazu war die Aura des Riesen eher schwer und erdrückend. Kate fühlte sich wie im Epizentrum eines Erbebens. In ihr hämmerte der Puls, dass sie schon Kopfschmerzen bekam. Eins stand fest: Sie wollte hier raus - und zwar sofort.

Sie stand auf und als die Bahn nach einer halben Ewigkeit, wie ihr schien, zum Stillstand kam, hüpfte sie eilig raus. In der Hoffnung, den Mann im Nacken los zu sein ging sie unbeschwert eine kaum befahrene Nebenstraße entlang. In Gedanken sah sie immer noch die Frau und ihre Energie kribbelte noch leicht auf Kates Haut, als hätte sie ihre Schwingungen in sich aufgesogen.

Als jedoch Schritte hinter ihr zu hören waren, ahnte sie Schlimmes. Sie hatte diesmal Sneaker an, welche ihr das Laufen angenehmer machten, jedoch hatte sie nicht damit gerechnet verfolgt zu werden. Mit einem flauem Gefühl in der Magengegend beschleunigte sie ihre Schritte. Doch auch die Person hinter ihr wurde schneller. Als die Jugendliche schließlich zu rennen begann, rannte ihr Verfolger ihr nach und sie merkte schlussendlich, dass es nur jemand aus der S-Bahn sein konnte. Ein kurzer Blick nach hinten genügte und sie fühlte sich wie vom Schlag getroffen. Hinter ihr war der Mann, der vorher hinter ihr gesessen hatte. Und er war verdammt schnell!

Zügig überholte er das Mädchen und hielt sie an den Armen fest. Sie biss ihm in die Hand, doch er schien davon nicht viel zu spüren.

Der Mann war mindestens zwei Köpfe größer als sie und vor allem doppelt so stark. Er packte sie mit einer Hand fest am Hosenbund und sie stieß einen kurzen erschrockenen Schrei aus. Natürlich versuchte sie nach ihm zu treten und sich zu wehren, doch alles schien zwecklos.

Dann fiel sie auf den Asphalt und der Mann stürzte sich auf sie. Hart landete sie und ihr Atem war ihr für einen Moment aus der Lunge entwichen. Der Riese lag schwer direkt auf ihr. Kates Puls hämmerte ihr bis in die Fingerspitzen. Als sie schreien wollte, presste er ihr schmerzvoll die riesige Hand auf den Mund. Mit der anderen Hand löste er ihren Schal und öffnete einen Teil ihrer Jacke. In der Panik vergewaltigt zu werden zappelte sie wie ein Fisch an Land. Doch er lag auf ihr und hielt sie an den kalten Boden gedrückt.

Zudem schien niemand in dieser Straße unterwegs zu sein, der ihr hätte helfen können. Tränen rannen ihr seitlich von den Wangen entlang und sie wünschte sich, dass sie sich nie dazu entschlossen hätte, doch in dieses verdammte Viertel zu fahren. Doch nun war es zu spät!

Der Mann grinste schließlich selbstsicher und entblößte dabei seine blitzweißen Reißzähne. Ganz gleich, was er in ihrem Gesicht ablesen konnte, es brachte ihn dazu sich gierig die Lippen zu lecken.

„Ich werde dich aussaugen und dann deine Leiche schänden!“, flüsterte er ihr zu und man hörte einen Akzent der aus Polen oder Ukraine zu sein schien.

Der Mann drückte ihr einen harten Kuss auf die Lippen, zwang sie ihren Mund zu öffnen. Sie konnte seine spitzen Zähne spüren und hatte sich die Zunge daran geschnitten. Er löste den Kuss, lachte munter und leckte ihr das Blut von den Lippen. Der Vampir beugte sein Gesicht zu ihrem Hals hinab und sein heißer Atem streifte ihre Haut. Er führte alles bewusst langsamer aus, als es nötig war, um ihr Leiden zu verlängern, weil es ihn erregte. Ihr leises Wimmern schien ihn dabei noch mehr anzuspornen.

Er küsste ihren Hals und die Halsschlagader pochte dagegen wie ein hilfloser Schmetterling, der im Spinnennetz gefangen war. Er öffnete die Lippen leckte ihr mit der Zunge genüsslich über die Haut und dann kratzte er schließlich mit den Zähnen feine Linien in den Hals.

Kate fühlte sich völlig hilflos ausgeliefert in dieser Situation und schluchzte heftig. War es das, was eine Siebzehnjährige verdient hatte? Das sie ermordet und vergewaltigt wurde und niemand ihr half?

Ein Schuss durchbrach die Stille und traf den Vampir in der Stirn. Blut und Schlimmeres spritzen aus der Öffnung in der Schädeldecke direkt auf die Verängstigte. Es folgten 3 weitere Schüsse und der Vampir hatte fast keinen Kopf mehr. Die Überreste klafften vom Hals hinab. Eine Blutfontäne ergoss sich direkt auf ihrem Gesicht.

Der Schütze stand ungefähr 20 Meter von ihr entfernt und zielte immer noch zu dem Vampir. Als sich der Körper nicht mehr regte, rannte er zu ihr hin. Kate stieß angewidert den Vampir von sich. Sie war bekleckert mit ekligen Substanzen und Teilen vom Gehirn. Sie glaubte, sich übergeben zu müssen, konnte den Würgereflex gerade noch so unterdrücken.

„Gregor Schabowski, Vampir des Ranges A, 6 bestätigte Morde und Misshandlungen an jungen Frauen und Mädchen, Verdacht auf 4 weitere Morde.“, sagte der Mann und packte seine Pistole weg.

Kate schaute ihn ungläubig an und bebte am ganzen Körper vor Angst. Der junge Mann beugte sich zu ihr hinab und lächelte sie freundlich an. Sein blondes Haar war mit Haargel gestylt worden und war kurz und fransig.

Da dämmerte es ihr. Es war der Mann gewesen, der auch in der Nacht des Mordes an der jungen Frau da gewesen war. Er fuhr doch damals mit dem Wagen an ihr vorbei.

„Alles ok mit dir? Hat er dich gebissen?“, fragte er sie und berührte sie vorsichtig, weil er Angst hatte, dass sie zurückschrecken würde, wenn ein Mann sie anfasst.

Kate war zu perplex zum Reden. Sie schüttelte mit dem Kopf. „Hat...er nicht. A...aber...“ sie berührte mit dem Zeigefinger die Zungenspitze. Es brannte unangenehm.

Der junge Mann nahm sie behutsam in die Arme. „Keine Angst, dadurch kannst du kein Vampir werden. Du bist in Sicherheit, hörst du? Er kann dir und niemand anderem mehr etwas tun.“

Die beruhigende Geste brachte dennoch nichts. Kate brach in Tränen aus. Obwohl sie es sonst immer hasste vor anderen Menschen weinen zu müssen lies sie alles raus und fand nur langsam wieder zur Besinnung.

Etwa 20 Minuten später traf Polizei und Krankenwagen ein. Der blonde Mann klärte die Sache mit der Polizei, er schien jedenfalls Routine darin zu haben. Ein Sanitäter brachte Kate eine warme Decke und man bestand darauf, dass sie ins Krankenhaus kam, weil sie einen Schock hatte. Das Blut auf ihrem Gesicht war getrocknet und widerte sie noch mehr an.

Der Vampirjäger erklärte ihr, dass er naher noch einmal vorbeikommen würde, um sie dort zu besuchen. Kate war einverstanden und hoffte, dass er in ihrer Nähe blieb. Wie ein kleines Kind hatte sie nun festgestellt, dass die Monster unter ihrem Bett real waren und sie die arme Kate verschlingen wollten.

Sie fühlte sich sichtlich benommen und war zu müde, um klar denken zu können. Mit verheulten und brennenden Augen wurde sie ins Krankenhaus gebracht und verbrachte dort die folgende Nacht. Das Treffen mit John war somit auch kein Thema mehr.

Familientreffen

In einem hellblau eingerichteten Krankenhauszimmer stieg Kate der Geruch von Desinfektionsmitteln in die Nase. Der sterile Geruch, das Sirren der blendenden Neonleuchten und das ganze verdammte Zimmer trieb sie zum Wahnsinn. Alles was sie sich wünschte war, dass sie bald wieder nach Hause konnte. Sie lag zwar erst eine Viertelstunde unter der Bettdecke gekauert, ihr kam es jedoch wie eine Ewigkeit vor. Die Ärzte hatten sie von den Vampirüberresten befreit und sie in ein viel zu großes Krankenhausnachthemd gesteckt.

Der junge Mann, der ihr Leben gerettet hatte, lies nicht lange auf sich warten. Ein Klopfen an der Tür durchbrach die Stille und schließlich trat er ein. Erst jetzt konnte sie ihn bewusst wahrnehmen. Der Blonde trug einen maßgeschneiderten, schwarzen Anzug mit einer blutroten Krawatte. Einige Blutflecke hatten sein Jackett ruiniert, doch die Reinigung würde es vielleicht wieder Säubern können. Sein Gesichtsausdruck war herzlich und beim Lächeln hatte er kleine Grübchen.

„Ich hoffe, du hast dich etwas beruhigt. Denn ich habe noch eine schlechte Nachricht für dich.“, seine Miene blieb unverändert, doch seine Augen lächelten nicht mit.

Was konnte es sein? Hatte sie nicht schon genug schlimme Erfahrungen in letzter Zeit gehabt? Vorsichtig setzte sie sich in dem Krankenhausbett auf und bot ihm den Stuhl neben dem Bett an. Langsam schritt er dorthin und nahm Platz. Sein Körper war leicht verkrampft, doch er versuchte ruhig zu wirken.

„Nimm es mal so, ich...“, begann er.

„Halt!“, unterbrach sie ihn. Viele Fragen brannten in ihr. „Wer sind Sie überhaupt? Und...und warum wussten Sie so vieles über den Vampir?“

Er seufzte schwer, war aber bereit ihr Klarheit zu verschaffen. „Nun, mein Name ist Daniel Clark. Zumindest nennt man mich so. Ich bin ein Vampirhenker.“ Es schien ihm schwer gefallen zu sein, ihr das zu sagen, doch er wusste, dass es nötig war.

Kate öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, jedoch stockte sie. Daniel Clark, wenn dies überhaupt sein richtiger Name war, sollte ein Killer sein, der Vampire hinrichtet? In ihrem Kopf war ein Universum von Fragen, die es zu Ordnen galt.

„Heißt das, Sie sind von der AVA?“

Er schüttelte langsam mit dem Kopf und nahm vorsichtig ihre Hand. Sie zog sie weg.

„Was...was haben Sie vor?“, ihre Stimme kam flach und unsicher.

„Ich töte Level A Vampire.“, antwortete er knapp und sah ihr nicht in die Augen.

Als es wieder an der Tür klopfte erschrak sie.

„Herein.“, rief sie und war spürbar angespannt.

Ein großgebauter Mann mit schwarzen Haaren und einer modernen Brille betrat als Erster den Raum. Es war ihr Stiefvater. Seine Mimik war ernst und sein Gang dominant und aufgebracht. Ihre Mutter folgte ihm, sie hingegen wirkte zerbrechlich und ängstlich. Ihre langen braunen Haare waren mit einem Zopf straff nach hinten gebunden.

„Was hast du dir dabei gedacht abends noch ins Vampirviertel zu gehen?“, brüllte ihr Stiefvater ernst.

Die Mutter legte ruhig ihre Hand auf seine Schulter und versuchte ihm die Anspannung zu nehmen.

„Geht es dir gut?“, fragte sie mit ruhiger Stimme und gläsernen Augen.

„Ich...“, bekann das Mädchen und sah an allen vorbei zum Fenster. „Ich komme klar.“, sie vermied bewusst zu sagen, dass es ihr gut ging, denn sie wusste selbst noch nicht, wie sie mit allem umgehen sollte.

„Wer sind Sie? Was wollen sie von meiner Tochter?“, schnauzte der ältere Mann Daniel an.

„Es tut mir Leid, ich...“, wollte er beginnen, doch Kate fiel ihm ins Wort.

„Er hat mich gerettet.“, unverändert starrte sie aus dem Fenster in die dunkle Nacht hinaus.

Die Tür des Krankenzimmers war offen geblieben und so betraten zwei weitere Personen das Krankenzimmer. Es war ein Mädchen mit schulterlangen, dunkelbraunen Haaren.

„Kate, Kate, Kate!“, rief sie in einer aufgelösten Stimmlage.

Das brachte Kate dazu sie anzusehen. Es war ihre jüngere Schwester. Hastig fiel sie ihrer großen Schwester in die Arme und Tränen rannen ihre Wangen entlang. Die Ältere wischte ihr vorsichtig die Tränen aus dem Gesicht.

Die Situation spannte sich weiter an, als der leibliche Vater die Tür hinter sich schloss. Der ältere Mann mit den längeren, braunen Haaren hielt seinen Blick an die Frau geheftet. Seine leuchtend blauen Augen fixierten jede ihrer Bewegungen.

„Guten Abend, Monique.“, sagte er kühl.

„Lang nicht gesehen, Kevin.“, sie sah ihn zwar an, jedoch war ihre Aufmerksamkeit auf Robert ihren derzeitigen Ehemann gerichtet. Dieser wurde noch angespannter.

„Wie kommst du nur zu der Unverfrorenheit...?“, begann Robert und ballte die Fäuste, doch Monique hielt ihn fest.

„Sie ist auch meine Tochter.“, meinte er abwertend und ging stolz zu dem Bett hinüber.

Kate sammelte sich. „Kelly, ich habe dich vermisst.“, begann sie und fuhr ihr durch die Haare.

„Ich könnte mir nie verzeihen, wenn dir was passiert! Bitte pass auf dich auf, ohne dich könnte ich nicht weiterleben!“, schluchzte die Vierzehnjährige.

„Ich auch nicht.“, betonte Kate und achtete gar nicht auf die gespannten Familienverhältnisse.

Daniel stand auf und zog sich die Krawatte zurecht. „Ich schätze mal, ich komme ein anderes Mal wieder. Ich möchte mich nur ungern einmischen.“ Er verlies den Raum und Kate sah ihm noch lange nach.

Kevin setzte sich auf den Platz am Bett und schlug lässig die Beine übereinander. „Hat er dir wehgetan?“

Der Stiefvater schnaufte einen geladenen Luftstrom aus der Nase, doch rührte sich nicht vom Fleck.

„Nein, jemand hat mir geholfen und...ja so was das...“

Er nickte. „Vielleicht solltest du lieber bei mir wohnen. Ich bin schließlich Polizist und könnte auf dich Acht geben.“ Seine Augen waren zwar auf die Tochter gerichtet, jedoch galten die Worte ihrem Stiefvater. „Ich möchte verhindern, dass dich noch einmal jemand so anfasst.“

„Ich weiß, Papa.“, die warme Berührung von Kellys Händen in ihren beruhigten ihr Gemüt.

„Aber ich möchte Mama nicht allein lassen.“, dies zu sagen viel ihr schwer, denn sie hasste ihren Stiefvater, aber ihre Mutter wollte sie trotzdem nicht verletzen.

„Schon gut.“, leicht enttäuscht sah er hinab. „Aber du hast meine Unterstützung, egal was kommt.“

„Danke, Papa.“, sie richtete sich so auf, dass sie ihn vom Bett aus umarmen konnte.

Egal wie schlimm es kommen würde, sie war froh, dass sie eine Familie hatte, die ihr half.

Doch ganz gleich, wie sie sich jetzt fühlte, der Arzt wollte sie über Nacht im Krankenhaus behalten, nur für den Fall, dass sie noch unter einem Schockzustand litt.

Im dunklem Zimmer lag sie später allein und nur das Licht des Halbmondes schien durchs Fenster hinein. Die gewöhnliche Krankenhausakustik störte sie beim Einschlafen. Teilweise brannte ihr das Gesicht des Vampirs noch vor Augen und sie fühlte sich zermürbt.

Ein Geräusch von der Fensterscheibe ausgehend riss sie aus dem unruhigem Halbschlaf. Ihr Herz pochte aufgeregt, dann nahm sie an, dass sie sich das Geräusch nur eingebildet haben musste.

Doch das Klopfen kehrte erneut zurück. Ängstlich drehte sie sich auf die Fensterseite zu und erkannte das Gesicht eines Jungen, welches in den nächtlichen Schatten lag. Er hockte auf dem schmalem Fensterbrett außerhalb des Fensters und klopfte an die Scheibe.

Erst nach einer Weile verstand sie, dass sie das Fenster öffnen sollte. Langsam stand sie auf und das lange Nachthemd flatterte ihr um die Beine. Am Fenster angekommen erkannte sie Johns Gesicht. Sie betätigte den Fenstergriff und öffnete es nach innen.

Sein Körper bewegte sich mit schwereloser Gleichgültigkeit zu ihr und er schlang seine Arme um ihre Schultern. Das hübsche Gesicht blieb nur wenige Zentimeter vor ihrem stehen. Johns Wärme umfloss ihren Körper wie ein Fluss. Ein keuscher Kuss, nur eine hastige Bewegung der Lippen schenkte er ihr und bereits einen Lidschlag später stand er hinter ihr und umarmte sie zärtlich.

Kate stand wie gefesselt da und wusste nicht wie ihr geschieht.

„Was tust du hier?“, flüsterte sie.

„Dich abholen. Wir waren verabredet.“, sein Flüstern bereitete ihr einen warmen Schauer. „Ich zeige dir die Dächer bei Nacht und vieles mehr.“

„A...aber...“, stotterte sie.

„Kein Angst. Ich bring dich auch heile wieder zurück.“

Sie glaubte in einem Traum festzustecken, doch es schien real zu sein.

„Wie bist du hier rauf gekommen?“, sie drehte sich in seinen Armen zu ihm um.

„Die Schwerkraft ist kein Hindernis für einen guten Vampir.“, sein Lächeln war freundlich. „Mir ist es natürlich egal, was du trägst, du siehst immer süß aus. Allerdings ist es kalt draußen und ich möchte ja nicht, dass du frierst.“

„Warum denkst du sollte ich mit dir mitkommen?“, fragte sie verdutzt.

„Etwa nicht?“, er fasste es als Scherz auf.

„Na gut. Ich zieh mich schnell um.“, seufzte sie, doch innerlich war sie völlig aufgeregt. Sie ging in das Bad, welches direkt an das Zimmer angebaut worden war und zog sich dort ihre Klamotten an. Als sie wieder ins Zimmer kam, konnte sie John nirgends entdecken.

Plötzlich erschien sein Kopf von oben herab und er stand an der Zimmerdecke. Erschrocken taumelte sie einige Schritte zurück, doch er befand sich bereits hinter ihr und hob sie auf seine Arme.

Dann sprang er aus dem Fenster und sie war zu perplex um zu schreien zu können...

Ghetto der Angst

Johns Aura lies sie in eine Trance fallen, sie fühlte sich leicht benommen und spürte weder die Kälte, noch den stürmischen Wind, als sie auf dem Dach eines hohen Bürogebäudes standen. Er legte seine Arme hinterrücks um sie und sagte nichts. Ihre Augen waren auf die Lichter der City fixiert. Es kam ihr so vor, als hätte sie noch nie die Augen geöffnet. Die bunten Farben waren ihr nie zuvor so bewusst aufgefallen und alles erschien unwirklich und fremd für sie.

Als er sich von ihr löste war die Kälte wieder da. Der Wind zog ihr durch die Haare und es schauderte sie. Kate drehte sich zu ihm um und sah in seine mysteriösen, dunklen Augen. Seine Lippen waren halb geöffnet und formten sich schließlich zu einem Lächeln. Hinter seinem Rücken hielt er eine Hand, zog diese hervor und was er da hielt war ihre Tasche. Sie fragte sich, wo er sie auf einmal hergezaubert hatte. Sie nahm ihre Sachen entgegen und freute sich.

„Vielen Dank, ich bin so froh.“, glücklich sie umarmte ihn.

Lächelnd fuhr er ihr durch die Haare. Dann nahm er ihr Gesicht in seine Hände und streichelte sie sanft. Sie lies es geschehen und versank in seinen Augen. Obwohl sie wusste, dass es seine Vampirkräfte waren, die sie in Trance versetzten, wehrte sie sich nicht dagegen.

Mit einem zufriedenem Lächeln blickte er zu ihr herab.

„Wie hast du sie zurückbekommen?“, fragte sie schließlich und ihre Stimme klang selbst für ihre Ohren fremd.

„Ich kenne so ein paar Leute.“, antwortete er knapp und ihr Blick fiel dabei auf seine Lippen.

„Dankeschön“, flüsterte sie nur und seine Wärme hüllte sie wieder ein.

„Was bietest du mir als Dank?“, fragte er sie. Ihre Augen weiteten sich ein wenig. Hatte sie eine Schuld bei ihm zu begleichen. Sie war sich unsicher, was sie tun sollte.

Die Energie seiner Vampiraura wurde heißer und wühlte sie innerlich auf, es war eine Ungeduld in der Aura zu spüren, doch sein Gesicht blieb nichtssagend.

Nach einer längeren Pause fragte sie ihn: „Was möchtest du?“, ihr schien es gleichgültig und ihre Augen wirkten leer.

Sein Lächeln wurde breiter. „Dich.“, antwortete er und hob mit einer Hand ihr Kinn.

Da kehrte ihre Vernunft langsam wieder zu ihr zurück. „Aber ich...“, begann sie, doch er machte eine beruhigende Geste und hob sie hoch. Sie legte ihre Arme um seine Schultern und vergrub ihr Gesicht auf seiner Brust. Irgendetwas störte sie innerlich an ihm, aber andererseits schenkte sie ihm ihr Vertrauen.

Kates Gedanken waren wie verriegelt hinter einer Mauer aus warmen Wogen. Sie wollte sich darauf treiben lassen, das Nachdenken fiel ihr schwer. Ihre Sinne waren getrübt, die Augen nahmen alles verschwommen wahr und sie hörte nur ein monotones Rauschen in den Ohren.

Sie kam wieder zu sich, als sie in einem engen, verdrecktem Hausflur standen. John zog aus seiner Jacke einen kleinen Schlüssel und öffnete die Tür. Er bat sie herein und vorsichtig ging sie einige Schritte. Sie konnte sich aufs Gehen konzentrieren, aber viel mehr war nicht drin.

Die Wohnung war unaufgeräumt, ungemütlich und alles wirkte lieblos angeordnet. Man sah keine Dekoration, keine Bilder an den Wänden, keine Pflanzen am Fensterbrett. Nur ein altes, schäbiges Sofa vor einem Fernseher und Gerümpel, welches kreuz und quer davor lag. Alte Zeitungen, Schachteln und zerrissene Kissen lagen vor ihren Füßen. Es sah nett ausgedrückt, wie ein Schlachtfeld aus.

John nahm sie mit einer Leichtigkeit hoch und trug sie durch das Chaos. Er lachte und sie musste seltsamerweise Mitlachen. Trotz allem hatte es einen romantischen Touch von ihm getragen zu werden.

Im Nebenraum stand ein einfacher Holzsarg, daneben war ein Bett. Die Decke war unordentlich hingelegt und rutschte von einer Seite vom Bett. Sonst befand sich nichts in dem Raum. Es gab nicht einmal Vorhänge an den Fenstern und man sah die blinkenden Leuchtreklamen der gegenüberliegenden Häuser des Vampirviertels.

Kate konnte ihren Körper kaum spüren, betrunken von einer Energie, die sie sich selbst nicht erklären konnte stellte sie fest, dass er sie aufs Bett gelegt hatte. Ihre Beine kribbelten und fühlten sich etwas taub an.

John saß neben ihr auf dem Bett und schob einige Strähnen aus ihrem Gesicht. Er sah selbstzufrieden drein und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. Die Energie flammte in ihr auf.

Sie erschauderte. Mit aller Kraft ballte sie ihre Hände zu Fäusten, trieb die Fingernägel soweit in die Haut, dass sie blutete. Ihre Wahrnehmung verbesserte sich etwas. Sie dachte an das, was ihr Klassenkamerad über John erzählt hatte und sie fand sich in der Realität wieder.

„Wie hast du meine Tasche wirklich wiedergefunden?“, brach plötzlich aus ihr heraus.

Seine Augen weiteten sich und erstaunt sah er auf sie. „Das tut nichts zur Sache, du hast sie ja wieder.“

„Erzähle es mir!“, verlangte sie und versuchte nicht in die Augen zu sehen.

„Wie bitte?“, ein gereizter Unterton lies sich vernehmen.

Sie zögerte, dann setzte sie sich im Bett auf und wich von ihm zurück. Er machte keine Einwände.

„Wie konntest du...“, er sah sie nicht an. „...dich aus der Trance befreien?“

Dies war eine Sache, die sie selbst nicht mal so genau verstand. Der Schmerz in ihren Handflächen lies nach, aber sie blieb bei klarem Verstand. Der Rauschzustand verschwand immer mehr. Anscheinend waren seine Augen der Schlüssel zu dem Gefühl und da er sie nicht mehr ansah, konnte sie sich der Magie entziehen. Seine Aura wirkte nun auch nicht mehr warm, sondern brannte auf ihrer Haut wie ein unsichtbares Feuer. Sie versuchte sie zusammenzureisen und das Brennen lies langsam nach.

„Die Aura...hat sich verändert.“, schloss sie daraus.

Er sah verständnislos in ihre Richtung, doch sie vermied den Augenkontakt.

„Je nachdem wie ein Vampir sich fühlt und was seine Ambitionen sind, verändert sich das Ausmaß seiner Energie. Ich weiß nicht warum, aber ich kann sie spüren. Sie aufsaugen, von ihr umschlossen werden, oder sie durchbrechen. Ich wusste rein gar nichts von dir, aber dennoch hast du versucht mich zu hypnotisieren und hast mich sogar bis hier her gebracht!“, die Wut in ihrer Stimme nahm einen bitteren Klang ein, ihre Hände verkrampften sich in der Bettdecke.

John schien sprachlos zu sein. Sie nahm es als Bestätigung für eine vage Theorie.

„Du kanntest den grünhaarigen Jungen nicht nur, du hast ihn dazu gebracht mir die Sachen zu klauen, damit ich dir vertrauen würde. Wie oft hast du diese Scheiße schon abgezogen? Wie viele Mädchen hast du auf diese Weise schon ins Bett geschleift?!“

Er sah sie nicht mehr an, sondern wirkte abseits und in Gedanken versunken.

„Sag’s mir John! Sag’s mir! Wer bist du wirklich?!“, schrie sie ihn an und stand vom Bett auf. Der Sarg lag eine Armlänge von ihr entfernt.

Seine Stimme kam leise und bitter. „Du verstehst das nicht.“

Ihre Wut kam zum Überkochen. „Was soll ich nicht verstehen? Das du ein Perverser bist?“

Er stand auf und war im nächsten Moment schon hinter ihr.

„Hör auf mit den billigen Tricks! Hör auf mir vorzuspielen, dass du auf magische Art und Weise hinter mir auftauchen kannst, indem du meine Augen trügst. Meinen Verstand wirst du nicht noch einmal betrügen.“

„Dreckige Schlampe!“, er stieß sie zurück aufs Bett.

„Was ist dein Problem, John? Hast du Minderwertigkeitskomplexe? Wurdest du als Kind geschlagen? Oder traust du dich einfach nicht auf normale Art und Weise was mit Mädchen anzufangen, ohne dass du nur mit ihnen schlafen willst?“, brüllte sie und stieß ihn mit den Beinen in die Magengrube.

„Du hast doch keine Ahnung. Nichts weißt du von meinem Leben!“, protestierte er keuchend.

„Ach was! Du bist doch nur eine wandelnde Leiche!“, schrie sie, doch das schien ihn überhaupt nicht zu passen. Wutgeladen packte er sie, schob den Deckel des Sarges beiseite und packte sie hinein. Als der Deckel sie in totale Finsternis einschloss schrie sie laut auf.

Dumpf konnte sie seine Stimme hören. „Verrotte doch! Du bist nicht besser als all die anderen Weiber.“

Kate versuchte stark zu bleiben, krallte die Hände in das Holz und dennoch rannten ihr Tränen hinab.

„Warum tust du nur so was?“, heulte sie.

„Das würdest du doch nie verstehen. Niemand kann verstehen, wie ich mich fühle.“

Danach war es still. Als sie nicht mal mehr seine Aura über dem Sarg spüren konnte, wischte sie dich die Tränen vom Gesicht. Es mussten Minuten gewesen sein, in denen sie nichts wahrnahm. Kein Geräusch, kein Funken seiner Aura und alles um sie herum war schwarz. Vorsichtig hob sie ihre Hände zum Sargdeckel und drückte das schwere Holz weg. Es lies sich öffnen, sie schnappte erleichtert nach frischer Luft.

Im Schlafzimmer war niemand mehr. Durch das Fenster fiel die Geräuschkulisse des Ghettos in den Raum. Verschiedene Stimmen, Musik, Autogetöse und dergleichen, aber in der Nähe lies sich nichts vernehmen. Sie fragte sich wohin John wohl verschwunden sein konnte, als sie aus dem engen Sarg stieg.

Sie verließ das Schlafzimmer und auch im Wohnzimmer war keine Spur mehr von ihm. Die Eingangstür zur Wohnung stand offen. Warum war er nur so plötzlich verschwunden? Es passte irgendwie nicht, dass er auf einmal Schuldgefühle bekommen würde. Ebenso wenig glaubte sie daran, dass er sie entkommen lassen würde. Sein Ego schien viel zu groß zu sein, als das ein einfaches Menschenmädchen sich dagegen behaupten konnte.

Das Treppenhaus war dunkel, doch die Lichtschalter funktionierten nicht. Mit langsamen Schritten stieg sie die Treppen hinab und bemerkte, dass die Wohnung direkt über einem Striplokal lag. Es hieß Secret Fantasy und auf dem Leuchtschild waren halbnackte Vampirmänner in eindeutigen Posen abgebildet.

„Wie geschmacklos über einer Schwulenbar zu wohnen...“, murmelte sie kaum hörbar.

Sie betrat die lebhafte Straße. Überall waren Leute, die aussahen, als hätten sie eine schnelle Nummer nötig. Abwertend betrachtete das Mädchen die Umgebung und fühlte sich wie in einer falschen Kulisse. Nein. In solch einen Bezirk des Vampirstadtteils hätte sie sich nie allein verirrt. Fragte sich nur wo zum Teufel der Mistkerl war, der sie beinahe verführt hatte.

Mit verschränkten Armen stand sie auf dem Bürgersteig und sah sich nach allen Richtungen um. Nirgends war eine Spur von ihm.

Allmählich wurde ihr bewusst, dass sie ja ihre Tasche mit sich trug. Die schwarze Umhängetasche besaß viele Buttons und Aufnäher, sie war auch nicht die neueste, aber irgendwie hing Kate an der Tasche, weil sie diese zusammen mit Val bei einer Klassenfahrt gekauft hatte. Sie zog den Reißverschluss auf und kramte ihr Handy heraus.

„Verdammt!“, fluchte sie leise, denn ihr Akku war leer. Also konnte sie nicht einmal zu Hause anrufen. Hastig sah sie sich nach einer Telefonzelle um und tatsächlich gab es eine nur wenige Häuserblocks weiter.

Das Mädchen kämpfte sich durch die Menschenmenge. Es gab sogar einige Männer, die sie fragten, ob sie nicht mit in ihr Auto steigen wolle. Kate wurde es leid und rannte zur Telefonzelle, ohne darauf zu achten, wie viele sie rammte.

Keuchend angekommen öffnete sie die Tür, doch was sie da sah war auch nicht gerade angenehmer. Es waren zwei Männer, die sich innig berührten und schon dabei waren sich die Hose auszuziehen. Aber das Schockierendste davon war, dass einer der beiden, der Kerl mit den grünen Haaren war!

Der Tanz

Fassungslos stand sie da und ihre Hand umklammerte den Griff der Tür. Nichtsahnend, was sie jetzt tun sollte starrte sie die beiden Männer an. Vor ihrem innerem Auge lies sie den Abend Revue passieren, an dem sie ihn zum ersten Mal gesehen hatte. Den Komplizen von John.

Eine blutige Röte stieg ihr in den Kopf, gleichzeitig kehrte die Wut in ihr Gesicht. Schmerzhaft wurde ihr bewusst, wie sehr sie die beiden, John und den fremden Jungen, hasste. Sie hasste es, dass sie so naiv war und sich beinahe in John verliebt hätte. Sie hasste es, wie sie betrogen wurde.

„Na macht’s Spaß?“, spöttisch verschränkte sie die Arme.

Der Grünhaarige machte sich mit einem Ruck den Hosenstall zu. Etwas irritiert stieg auch ihm die Röte ins Gesicht, bis er sich schließlich erinnerte. „Du bist doch die Schlampe, die John aufreißen wollte!“, platzte aus ihm heraus.

Dies war ein Schlag ins Gesicht für das junge Mädchen. „Du fieses Arschloch!“, sie stürmte auf ihn zu, stieß den anderen Mann beiseite. Mit geballten Fäusten holte sie aus, doch jemand hielt sie zurück. Ein starker Griff umschloss ihren rechten Arm. Empört blickte sie hinter sich und sah einen weiteren fremden Mann.

Seine langen braunen Haare, waren locker zu einem Zopf nach hinten gebunden, doch einige freche Strähnen, lagen locker und elegant in seinem makellos weißem Gesicht. Die Augen des Mannes hatten ein tiefes blau, welches von innen heraus zu leuchten schien. Doch es waren nur Augen. Nichts zog sie in eine unendliche Tiefe, kein Versuch sie in den Bann zu ziehen.

Keuchend bemerkte sie, wie sich ihre Wut in Fassungslosigkeit umwandelte. Ihre Iriden fixierten den Fremden, wie ein verängstigtes Kaninchen im Lichtkegel eines Autos. Ihre Faust lockerte sich und genauso auch der Griff, der sie zurückgehalten hatte.

„Verdammt was geht hier ab?“, fragte der Junge mit dem grünen Haaren. Doch die Worte gingen an Kate vorbei, sodass sie sich einige Sekunden später fragte, ob sie sich den Satz nur eingebildet, oder wirklich vernommen hatte.

Der große Herr hinter ihr lies sie los und sie bemerkte erst jetzt, dass seine Aura der Grund für ihre innere Ruhe war. Wie ein fließender Strom hatte sich seine Magie in ihrem Körper bewegt, es fühlte sich sehr kalt, jedoch nicht unangenehm an. Solch eine geheimnisvolle Vampiraura hatte sie noch nie gespürt.

Der großgewachsene Vampir trug einen gutaussehenden weißen Anzug, der nur eine Nuance heller war als seine bleiche Haut, die rote Krawatte trat hervor wie frisches Blut. Doch es blieb ihr keine Zeit sich über die interessante Farbe einen Gedanken zu scheren, denn es wurde plötzlich ungemütlich.

Die beiden Männer, die sich kurz zuvor noch in der Telefonzelle befummelt hatten suchten eilig das Weite und Kate wurde von ihnen gerammt, dass sie das Gleichgewicht verlor und hart auf dem kalten Bürgersteig fiel. Sie hatte eindeutig genug von diesem Tag und schlug innerlich fluchend die Hand auf den Boden. Der stechende Schmerz lies ihren Geist wieder zur Vernunft kommen.

„Soll ich dir helfen?“, die Stimme streichelte ihre Sinne und es fühlte sich an wie Pelz auf nackter Haut. Der Mann hielt ihr die helle Hand entgegen und goldene Manschettenknöpfe funkelten sie an. Doch Kate stand ohne Hilfe auf und blickte ihn stumm an.

„Ist wirklich alles in Ordnung mit dir?“, fragte er vorsichtshalber noch einmal, sein Gesicht zeigte dabei keinerlei Mimik.

Sie nickte zweimal und sah ihn eindringlich an. Der direkte Blick in seine mitternachtsblauen Augen zeigte keinerlei Wirkung auf sie und für einen Bruchteil einer Sekunde schien es ihn zu beeindrucken. Doch er fand schnell zu seiner perfekten Maske zurück.

„Beeindruckend.“, war das einzigste Wort und jede einzelne Silbe drang in ihr Inneres wie eine Quelle magischer Wellen. Sie hatte es geschafft, zum zweiten Mal an diesem Abend, den direkten Blick eines Vampirs zu durchbrechen. Obwohl sie keine Ahnung hatte warum, schien sie heute nichts mehr zu wundern.

„Ich weiß nicht, warum ich es kann.“, gab sie ruhig zu und wand leicht unsicher den Blick ab.

„Ist dir nicht kalt? Wollen wir vielleicht drinnen etwas reden?“, schlug der Fremde fort. Tatsächlich war dieser Abend eisig, doch durch die Aufregung schien es nebensächlich.

Sie folgte ihm in einen Stripclub, der nur heute, als einzigster in der Straße, nicht geöffnet war. Zuhälter, war der erste Begriff, der ihr durch den Kopf schoss.

„Keine Angst.“, meinte der Vorausgehende und ihr dämmerte es, dass er ihre Gedanken lesen konnte. Es war doch alles nur ein schlechter Scherz, hoffte sie innerlich, und setzte sich auf ein Sofa, dass er ihr anbot.

Der Mann lies sich gegenüber in einen Sessel fallen und überschlug lässig die Beine. Im Inneren des Lokals war es dunkel, nur einige schwache Lampen leuchteten, die Bühne mit den Metallstangen war in tiefe Schatten gefüllt und es war bis auf eine Vampirfrau am Tresen niemand weiter hier. Die Vampirfrau wirkte auf Kate bekannt, tatsächlich war es die aus der S-Bahn gewesen. Kate lies ihren Blick eine Weile lang auf die Bar gerichtet und sie beobachtete, wie die Frau einige Gläser polierte.

„Möchtest du was trinken?“, der Satz riss sie aus den Gedanken.

Irritiert starrte sie den Mann an und nickte. „Nur ein Glas Wasser.“

Er nickte ebenfalls und wie auf Kommando brachte die Vampirfrau ihr ein sprudelndes Glas Mineralwasser und ihm einen dunklen Rotwein. Schweigsam nippte er am Wein und Kate hielt ihr Glas mit den Händen umklammert und blickte abwesend auf ihren Schoss. Die Stille zog sich lang, bis er sie mit seiner charmanten Stimme durchbrach.

„Du bist ihr so ähnlich.“

„Wem?“, brach aus ihr heraus.

Der Vampir stellte das noch halbvolle Glas auf den Beistelltisch neben dem Sessel und fuhr fort. „Deiner Mutter.“

„Sie kennen meine Mutter?!“, fassungslos starrte sie in seine Augen.

Er nickte nur und wand den Blick einem imaginären Punkt neben Kate zu. „Ich kenne sie sehr gut, auch deinen Vater. Ich weiß sehr viel über sie. Wir kennen uns schon lange.“

Kate atmete tief aus. „Wer sind Sie überhaupt?“

„Ich bin eine unsterbliche Seele, die sich danach gesehnt hat, dich wiederzusehen.“ Kates Hände spannten sich weiter an. „Du kannst mich Julian nennen.“, sagte er schließlich.

Der Name kam ihr bekannt vor, doch sie hatte keine Ahnung warum. Irgendetwas ging von ihm aus, was sie sich nicht erklären konnte. Gedanklich überflog sie eine Namensliste, doch es gab keinen Eintrag unter dem Namen Julian. Doch warum kannte der Vampir ihre Eltern? Warum hatte er sich danach gesehnt sie zu wiederzusehen? Woher kannte er sie nur?

„Wenn die Zeit gekommen ist...“, begann er flüsternd, denn er hatte sich ein weiteres Mal in ihre Gedanken eingeklinkt.

„Wollen wir vielleicht tanzen?“, begann er und per Knopfdruck schaltete er mit einer Fernbedienung irgendwo eine Stereoanlage ein. Die Musik hatte etwas von den 20er Jahren, gemischt mit dem Rhythmus, der in den 50ern so beliebt war.

„Klar.“, sagte sie zurückhaltend und nahm seine Hand entgegen und stand auf. Sie waren die einzigsten, die auf einer weitläufigen Tanzfläche, neben der Stripbühne tanzten. Komisch war es schon, jedoch es hatte auch etwas vertrautes. Diese Berührung. Diese Musik. Der Duft von Flieder. Wie der Duft von Flieder? Kates Nase nahm den Duft auf und es war angenehm. Ihre Augen waren weitestgehend von dem Fremden weggerichtet, als sie beide der Musik folgten. Woher kam nur das Gefühl der Vertrautheit? Sie kannte diesen Vampir nicht einmal. Doch er kannte sie und ihre Eltern.

Das nächste Lied war ruhiger, begleitet von einer zarter Klaviermusik, leisem Schlagzeug und einer klaren Frauenstimme. Der Song war moderner, sie hatte ihn sogar schon einmal gehört.
 

„This love

This love is a

stange love

a faded kind of day love

this love”*
 

Julian und Kate tanzten bewusst langsamer als vorher. Sie spürte keine Gefühle zu dem Vampir, sie hatte weder Angst noch Zuneigung. Es war nur ein Tanz. Sie fragte sich, warum sie sich so sicher fühlte. Dabei war es nicht einmal seine faszinierende Aura. Nur kurz vorher war sie so beeindruckt von Johns Vampirkräften gewesen, doch gegen Julians Kräfte war John nur eine 30-Watt-Glühbirne. Julians Kräfte überstiegen ihre Vorstellungen. Seine Energie glich eher der Sonne.

Sie war ernsthaft am Überlegen. Warum war sie nur hier? An einem solchem Ort? Doch John war ihr mittlerweile egal. Das Mädchen wollte alles um sich herum vergessen und nur in diesem Moment bleiben, solange es möglich war.

Als der Song vorbei war wagte sie einen flüchtigen Blick in seine Augen, doch was sie darin sah, verblüffte sie. Es war Schmerz. Unendlich tiefer Schmerz. Sie versuchte zu verstehen, was in ihm vorgegangen war. Genau in diesem Moment spürte sie seine vampirische Kraft, dass sie jetzt erst begriff, wie stark er sich zurücknehmen musste, dass die Aura sie nicht überwältigte. Ganz anders als Johns Aura. Wenn man sie einem Element zuordnen konnte, dann war es wohl Wasser. Wie eine Ertrinkende sah sie vor ihren geistigen Augen die Jahrhunderte vorüberziehen. Ihr wurde klar, dass der Vampir an die tausend Jahre alt war. Ein Alter, dass sie sich nicht einmal in ihren kühnsten Träumen vorstellen konnte.

Seine Lippen kräuselten sich zu einem Lächeln, doch die spitzen Zähne zeigte er dabei nicht. „Du beeindruckst mich immer wieder. Genauso wie sie es damals auch tat.“

„Meinst du meine Mutter?“, fragte Kate ruhig.

Der Vampir machte eine verneinende Geste.

„Wen meinst du denn sonst?“, ein Hauch Ungeduld schwang in der Frage mit.

Doch in dem Moment schlug etwas laut auf die hölzerne Eingangstür ein.

„Du solltest besser gehen.“, erklärte er flüchtig und sah zum Eingang. „Ich zeige dir den Hinterausgang.“ Kate wurde mitgerissen und Julian öffnete eine schwere Metalltür in einer versteckten Ecke des Lokals. „Die Meisterin darf dich nicht sehen. Geh schnell raus und meide die Hauptstraße! Los schnell!“

Das Mädchen eilte hinaus und die Tür fiel ins Schloss, bevor sie noch einen Blick auf den Vampir werfen konnte. Warum hatte er es so eilig gehabt? Kate rannte die dunkle Gasse entlang und wusste instinktiv wohin sie rennen sollte. Die Gasse mündete in eine schmale Seitenstraße ein. Hauptsache nicht zur Hauptstraße war sein Rat gewesen. Kates Füße ließen keinen Schmerz zu, denn sie spürte Angst. Die Angst davor verfolgt zu werden. Die Sorge aus Julians Gesicht lies sie immer weiter laufen.

Es mussten 10 Minuten gewesen sein, bis sie keuchend aufgab und sich an einen Zaun gelehnt hielt. Erschöpft sog sie Luft in ihre Lungen und keuchte diese kraftlos wieder aus. Die Furcht hatte sie soweit laufen lassen, dass sie nicht mal mehr gemerkt hatte, dass sie das Vampirviertel schon längst verlassen hatte.

„Wieso nur...“, murmelte sie. „...wieso habe ich nur solche Angst?“, ihr Körper bebte und sie zitterte heftig. Sie massierte leicht ihre Schläfen. Der Kopfschmerz war nicht mehr weit.

Johns Gesicht erschien bildlich in ihrer Gedankenwelt. Sie fühlte sich erbärmlich. Er war der Grund für ihre jetzige Lage gewesen. Alles in das sie verwickelt worden war, war auf ihn zurückzuführen. Dieser Mistkerl.

Langsam ging sie weiter, sie wusste nicht wohin. Ihre Armbanduhr zeigte, dass es bereits 3 Uhr war. Es war das Stadtviertel in dem ihre Schule war. Das große, kastenförmige Gebäude war normalerweise hellblau, aber im dämmrigen Licht der Nacht wirken alle Katzen grau. Sogar die Schule wirkte unheimlich, noch unheimlicher als tagsüber. Und das hatte nichts mit fiesen Lehrern und Klassenarbeiten zu tun. Die knochigen Bäume auf dem Schulhof warfen finstere Schattengestalten an die Mauern. Unheimliche Monster mit Krallenhänden. Die Angst aus ihrer Kindheit kehrte zurück.

Sie erinnerte sich an etwas, das ihr Gehirn sie bewusst vergessen lies. Es war sehr lange her, sie war höchstens 3 Jahre alt. Die dunklen Gestalten verfolgten sie. Ihre Krallen waren spitz, große Pranken griffen nach ihr. Sie versuchte die Erinnerungen zu verdrängen und es gelang ihr allmählich. Der Kopfschmerz war längst da.

„Ich will einfach nur nach Hause.“, flüsterte sie und fröstelte.

„Daraus wird jetzt nichts.“, sagte eine Frauenstimme hinter ihr. Sofort drehte Kate sich um und sah in ein Gesicht, dass einer Porzellanpuppe glich. Die Schwarzen Locken umrahmten es und verschmolzen mit dem Schwarz ihres langen Kleides. Es wirkte düster. Die Frau war wie der böse Geist aus einem Horrorfilm, der nach Rache sühnte.

„Ich kann dich nicht gehen lassen.“, die Schatten in ihrem Gesicht, ließen eine dunkle Fratze entstehen, obwohl ihr Gesicht so anmutig war.

„Was wollen Sie von mir?“, Kate wich zurück.

„Du hast einen meiner Vertrauten auf dem Gewissen. Ich möchte Entschädigung.“

Das klang ganz danach, dass es brenzlig wurde. Doch was meinte die Frau damit nur?

„Ich kann Ihnen nicht ganz folgen.“

Ein spöttisches Lachen zerriss die Stille. „Gregor ist tot. Ich verlange Ersatz. Bietest du dich mir freiwillig an?“

„Niemals! Ich...ich habe ihn doch nicht getötet, außerdem wollte er...“

„Widersprich mir nicht du törichte Gans!“

Ich hör wohl nicht recht!, dachte Kate und sah wutentbrannt die Vampirlady an. Doch sie presste Kate blitzschnell an die Mauer vor der Schule. Die Kraft des Mädchens lies nach, das alles war zuviel für eine Nacht!

„Ich bin Jeanne-Claire, die Meisterin der Stadt und niemand kann sich gegen mich stellen. Jetzt halt still, dann geht es auch schnell vorbei!“, befahl sie ernst und Kate keuchte unter den Druck, dem sie ausgesetzt wurde.

„Das würde ich nicht tun, wenn ich du wäre.“, ein Klacken ertönte hinter der Vampirfrau. Es war das typische Geräusch beim Entsichern einer Pistole. „Es sei denn du bist scharf auf Silbermunition!“

„Wenn du schießt wird es die Kleine auch erwischen!“, zischte Jeanne-Claire bösartig, als der Lauf in ihren Rücken gerammt wurde.

„Wollen wir es darauf anlegen?“, fragte der Mann und zog an ihren Haaren, dass ihr Kopf nach hinten fiel. Kate sah den blondhaarigen Daniel, sein Gesicht war in Schatten getaucht.

Jeanne-Claire löste den Druck auf ihren Körper ein wenig. „Ich bekomme meinen neuen Diener noch, du Drecksack!“

Daniel lachte leise. „Das werden wir sehen.“

Ihr Gesicht verfinsterte sich darauf und mit einem Ruck lies sie von ihr ab und verschwand aus heiterem Himmel. Zum zweiten Mal war es Daniel, der Kate den Arsch rettete, sie sollte sich ein Geschenk für ihn einfallen lassen, fand sie schließlich.

„Danke.“, seufzte sie und sank in die Knie.

„Dich zieht das Unglück an, oder?“ Kate lies die Frage unbeantwortet.

„Komm ich fahre dich zu mir nach Hause, da solltest du erst mal sicher sein.“, entschloss er und nahm ihre Hand. Wiederwillig folgte sie ihm zu seinem Auto, das einige Straßen weiter parkte.

Während der Fahrt brachte keiner von beiden ein Wort heraus und Kate befürchtete, dass sie einnicken würde. Glücklicherweise dauerte es nicht mehr lange und der Wagen hielt vor einem Mehrfamilienhaus. Im vierten Stockwerk befand sich schließlich sein Appartement. Eine große, gemütlich eingerichtete Dachgeschosswohnung mit modernem Mobiliar.

„Du kannst im Gästezimmer schlafen. Nebenan ist das Badezimmer.“, erklärte er als sie hereingekommen waren.

„Ja danke.“, brachte sie gähnend hervor.

Wie ferngesteuert ging sie zum Bad und schloss hinter sich die Tür. Es war nur ein schmales Bad, mit Dusche, Toilette und Waschbecken. Viel mehr Platz bot der Raum auch nicht. Sie lies gedankenverloren das Wasser laufen. Ihr Spiegelbild wirkte ihr fremd. Sie wirkte jedenfalls hübsch, ihre Haare waren zu leichten Locken gefallen, die Haut war blasser als gewohnt. Das Einzigste, was störte, waren dunkle Schatten unter den Augen. Sie war mehr als müde und für ein weiches, warmes und vor allem sicheres Bett sie hätte in diesem Moment sogar ihre Mutter verkauft.

Da kam ihr Julian in den Sinn. Woher kannte er nur ihre Eltern? Die unerklärliche Frage wurde mit eiskaltem Wasser weggewaschen.

Nach etwa zehn Minuten landete sie endlich in einem frisch bezogenem, weichem Bett. Daniel hatte glücklicherweise die Vorhänge zugezogen, sodass das Licht des Mondes nicht hineinfallen konnte. Es war eine zunehmende Mondphase und bei dem silbernen Licht, war es nicht einfach einzuschlafen. Kate zog die Decke über den Kopf und genoss die Ruhe und die völlige Dunkelheit. Es dauerte nicht lange, bis der Schlaf sie einholte. Es war ein unruhiger Schlaf, da ihr viele Gedanken durch den Kopf gingen.
 

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*Rand-Info Song: Sarah Brightman "This love"

Finsternis

Es war dunkel. Kate erwachte in dem abgedunkeltem Zimmer und glaubte immer noch nicht ganz wach zu sein. Dämmriges Licht schien durch die schweren Vorhänge in das karg eingerichtete Zimmer. Ihr fiel in dem Moment auch wieder ein wo sie sich befand. Daniels Appartement.

Ihre Stirn kündigte scharfen Schmerz an. Sie hatte kaum geschlafen und ihr Schädel dröhnte. Durch die Aufregungen des Vortages hatte sie nicht ein Auge zu tun können, obwohl sie tierisch müde gewesen ist, als Daniel sie herbrachte.

Kate brauchte eine Weile, bis sie realisieren konnte, dass das alles nicht nur ein verrückter Traum gewesen ist. Alles war real. Die Angst hatte gesiegt. Kauernd blieb sie weitere Minuten unter der Bettdecke liegen. Sie fühlte sich wie in ihre Kindheit zurückversetzt. Damals als sie heimlich Horrorfilme im Fernsehen gesehen hatte und dann nachts nicht einschlafen konnte, weil unter dem Bett die Monster waren. Genauso fühlte sie sich jetzt auch, nur würde diesmal nicht ihre Mutter kommen und ihr sanft einen Kuss auf die Stirn geben. Die Realität war anders.

Ein schmaler Lichtstrahl fiel in den Raum und schenkte etwas Sonnenlicht. Die gegenüberliegende Wand war in gelboranges Dämmerlicht getaucht. Die Kopfschmerzen ließen ein wenig nach. Zumindest so weit, dass sie sich schlussendlich doch dazu entschloss aufzustehen. Ihre ersten Schritte waren wackelig, doch sie konnte sich auf den Füßen halten, als das Blut ihr in den Kopf stieg. Vor ihren Augen war es kurzzeitig schwarz, goldene Funken flimmerten ihr vor der Netzhaut. Ein Zeichen dafür, dass sie doch zu eilig aufgestanden war. Als das Blut sich wieder normal im Körper verteilt hatte, ging sie mit langsamen Schritten auf das Fenster zu. Mit einer raschen Bewegung zog sie die Vorhänge auf und wurde gleich von hellem Sonnenlicht begrüßt. Die Augen schmerzten und brauchten etwas, um sich an das Licht zu gewöhnen.

Draußen war es herrlich. Der schönste Novembermorgen seit einigen Wochen in denen Nebel, Regen und Schnee regiert hatten. Der Anblick des fast völlig blauen Himmels entlockte ihr einen Seufzer. Die spärliche Frostschicht auf Giebeln und Dächern, ebenso wie den zarten Baumkronen war von Glitzer erfüllt. Die kleinen Eiskristalle schillerten in Farben, die sie vorher nie so genau wahrgenommen hatte. Vielleicht lag es ja auch nur daran, dass sie gestern beinahe von einem Vampir zerfleisch worden war, dass sie nun gebannt in die Natur hinausstarrte.

Dann kündigte sich ihr Magen an. Genervt hielt sie sich den Bauch, doch deutlich war das Magenknurren zu vernehmen. Kate beschloss also ihren warmen Sonnenplatz zu verlassen, um etwas Essbares in sich hineinzustopfen. Vorher zog sie sich noch die Kleidungsstücke von gestern an und verlies schließlich den kleinen Raum.

Der Wohnzimmerbereich war sehr groß und erleuchtet von gelblichen Lichtstrahlen. Eine Dachschräge, darin zwei Fenster sorgten für Helligkeit. Das gesamte Appartement beinhaltete viele Ecken, Winkel, Türen und interessante Raumstrukturen. Die hellbeige Couch und der niedrige Couchtisch waren zur Sonnenseite gerichtet. Darunter gab es einen flauschig-weichen weißen Teppich. Rechterhand lag die Küche. Es gab keine Tür, eher nur einen breiten Durchgang. Es war vermutlich so gedacht, dass man nicht in der kleinen Küche, sondern im Esszimmer essen sollte. Die moderne Küchenanrichte war sauber und ebenfalls todschick. Beigefarbene Marmorsteinplatten als Arbeitsoberfläche, die Schränke dazu waren in ein angenehmes pflaumenrot gestrichen, was sehr warm und gemütlich wirkte.

Als sich Kate so umsah konnte sie Daniel nirgends entdecken. Einen Moment lang fragte sie sich, ob er bereits weggegangen war. Eine silberne Funkuhr in der Küche zeigte, dass es bereits 9.10 Uhr war. Es wunderte sie etwas, denn dafür dass sie kaum geschlafen hatte, war es doch schon relativ spät.

Ein Geräusch lies sie kurz aufschrecken. Verwundert suchte sie wieder im Wohnzimmer nach dem Blondschopf. Fehlanzeige. Dann hörte sie wieder etwas. Es war der Nebenraum gleich beim Gästezimmer. Ohne zu Zögern ging sie in diese Richtung und drückte die Türklinke hinab. Eine Millisekunde später schoss ihr das Blut in den Kopf. Sie hätte vielleicht vorher klopfen sollen!

Daniel stand mit dem Rücken zu ihr gekehrt, lediglich mit einer grau-blau gemusterten Boxershorts im Schlafzimmer, gerade im Begriff sich etwas anzuziehen.

Kates Gesicht war in das herrlichste kaminrot getaucht, dass der Farbkreis nur bot! Die Situation wurde noch peinlicher, als sich der Halbnackte noch zu ihr herum drehte und ihr Blick auf seinen Oberkörper fiel. Die Hitze in ihrem Kopf drohte auszubrechen, wie bei einem Dampfkessel. Kate starrte auf seinen gut trainierten Bizeps und hätte zu gern einmal seine Armmuskeln angefasst.

„Ah...ich...ich wollte wirklich nicht...also...“, stammelte sie vor sich hin und nun endlich fixierte sie Daniel verdutztes Gesicht. Zurücktaumelnd stolperte sie über ihre eigenen Füße und fiel der Länge nach hin, natürlich riss sie die Stehlampe neben ihr mit um. Die Metallstange fiel auf ihre Nase und hinterlies einen unangenehmen Schmerz. Fluchend schob Kate die Lampe von sich weg.

Da stand schon Daniel bereit, der ihr grinsend eine helfende Hand reichte. Dies machte es nicht besser. So wie er über ihr stand, bot er ihr die feinsten Blicke auf seinen begehrenswerten Körper.

„Oh nein...das tut mir wirklich leid.“, sie schluckte heftig einen Kloß in ihrem Hals hinunter und lies sich von ihm aufhelfen.

„Schon ok. Geht’s dir soweit gut?“, fragte der Blonde, der sich wohl von nichts und niemanden aus der Ruhe bringen lies.

„Ja...mach dir keine Gedanken.“, unsicher sah sie hinab, jedoch fiel ihr Blick dann auf seine Unterhose, sodass sie sofort wieder aufblicken musste und somit in seine ozeanblauen Augen sah.

„Geh doch schon mal in die Küche und mach ein paar Toasts. Ich komm dann gleich nach, ok?“, schlug er vor und ging lässig zurück ins Schlafzimmer.

„G...geht klar.“, immer noch sichtlich aus der Fassung schwankte sie in die Küche.

„Hinterster Schrank in der Mitte! Und in den oberen Fächern sind Teller und Tassen!“, rief Daniel noch, bevor sie Zimmertür zufiel. Kate befolgte die Anweisungen und schob mit zitternden Händen die Brotscheiben in den Toaster. So etwas peinliches musste ja immer ausgerechnet ihr passieren! Wobei es für ihn mindestens doppelt so peinlich gewesen sein musste, doch er lies sich ja nichts anmerken.

Das Mädchen deckte den hellen Ahornesstisch mit dem besagtem Geschirr und fand noch einige Dinge wie Wurst, Marmelade und Käse im mandelfarbenen Kühlschrank. An der teuer aussehenden Kaffeemaschine vergriff sie sich vorerst nicht. Als der junge Mann endlich kam - diesmal sogar angezogen - schenkte sie ihm ein leicht schiefes Lächeln.

„Mach dir keine Umstände!“, lächelnd sah er zum gedecktem Tisch. „Du bist schließlich mein Gast.“

„A...aber du hast mir schon zwei Mal das Leben gerettet. Nun ja und dann durfte ich ja noch hier übernachten. Ich möchte dir nicht zur Last fallen und helfe gern.“

Er legte ihr beim Vorübergehen kurz die Hand auf die Schulter und deutete an, dass es ihm nichts ausmachen würde.

„Du trinkst doch Kaffee, oder?“

„Ja.“, antwortete sie mit einem Lächeln auf den Lippen.

„Schwarz?“, kam es aus der Küche.

„Nein, lieber mit Milch.“, entgegnete sie und setzte sich schon mal an den Tisch.

Daniel kam mit zwei Tassen Kaffee zurück und ihr fiel sofort seine Kleidung auf. Ein einfaches weißes Hemd zu einer karamellfarbigen Hose. Es passte nur zu gut zur Einrichtung der Wohnung.

Der Kaffeeduft war angenehm und der erste Schluck - aus der ebenfalls teuer aussehenden Kaffeetasse - weckte ihre Lebensgeister.

„Und gut geschlafen?“, fragte er und schob sich gerade ein Käsebrot in den Mund.

„Eher nicht.“, verneinte sie und hielt mit beiden Händen die wärmende Tasse.

Daniel nickte kauend und trank hastig einen Schluck aus seiner Kaffeetasse. „Wundert mich nicht, nachdem was du gestern alles durchgemacht hast.“

Kate nickte zustimmend und schmierte sich Kirschkonfitüre auf ihren Toast.

„Du scheinst ein wahrer Vampirmagnet zu sein.“

„Warum warst du eigentlich gestern zweimal da, um mir helfen zu können?“, die Neugier kam durch.

„Eigentlich war es eher zufällig. Als Gregor dich beinahe überwältigt hatte war ich zur rechten Zeit am rechten Ort. Ich habe diese miese Kanake schon seit Tagen im Visier gehabt, weil er sich ja öfters an jungen Mädchen und Frauen vergangen hatte. Da konnte man schon richtig froh sein, dass ich es noch rechtzeitig geschafft hatte.“, erklärte der Angesprochene und sah sie an.

„Und beim zweiten Mal? Bei dieser Frau...Jeanne...ähm....“, der Name war ihr entfallen.

„Sie heißt Jeanne-Claire und ist die Obermackerin hier in der Umgebung. Im Umkreis von 20 Kilometern hört jeder Blutsauger, wie ein Schoßhündchen, auf ihre Anweisungen. Das ist echt extrem gefährlich, wenn man auf ihrer Beuteliste steht. Ja...und du stehst nun ganz oben.“

Ängstlich starrte Kate ihn an. War das wirklich sein Ernst?

„Schau doch nicht so. Ich pass schon auf, gut dass ich damit schon gerechnet hatte und dich beobachtet hatte gestern Abend.“

„Du hast was?“, hustete Kate.

„Naja ich hab auf dem Krankenhausparkplatz geparkt und als dann ein Vampir antanzte hab ich versucht euch zu folgen, jedoch die Spur verloren. Später hab ich dich dann bei Jeanne-Claire gefunden.“

Peinlich berührt stierte sie ihren angeknabberten Toast an. Glücklicher Weise ahnte Daniel nicht mit wem sie am Abend zusammen war und vor allem was um haaresbreite fast geschehen wäre. Johns Wohnung erschien vor ihrem innerem Auge. Frustriert zwang sie sich den letzten Bissen Toast in sich hinein. Kauend dachte sie noch mal an die vergangene Nacht.

„Danke.“, war schließlich alles was ihr einfiel. Es gab keine richtigen Worte, um jemanden zu danken, der einem zwei Mal das Leben gerettet hatte. „Ich weiß aber nicht, wie ich es gutmachen könnte.“, gab sie resigniert zu.

„Bleib am Leben.“, sagte Daniel ernst und beendete das Frühstück.

Einige Sekunden blieb sie regungslos, über seinen letzten Satz nachdenkendend, auf ihren Platz sitzen, bis sie realisierte, dass er längst wieder in der Küche verschwunden war. War es so einfach? Kate versank in den Überlegungen, was wohl als nächstes kommen würde und wie sie wohl mit der Situation klar kommen würde. Rational stellte sie Theorien auf, wie, wann und wo sie wohl von den Vampiren abgemetzelt werden würde. Absurde Gedanken schossen ihr durch den Kopf.

Schließlich stand sie auf und half Daniel dabei das Geschirr in die Spülmaschine einzuräumen. Irgendwie empfand sie ihn auf Anhieb als einen guten Freund, obwohl sie noch rein gar nichts über ihn wusste. Er war Vampirjäger, soviel stand fest. Aber von wem er Aufträge erhielt, wie viele wandelnde Untote er schon erledigt hatte und was seine Ziele waren, stand noch zur Debatte. Irgendwie musste sie es wissen, wusste nur nicht recht, wie sie ein Gespräch aufbauen konnte, um all ihre Fragen loszuwerden.

Stumm betrachtete sie die digitale Uhr. Es war kurz vor zehn. Was wohl ihre Eltern machen würden? Ob sie sich Sorgen machten?

Kate ging ins Wohnzimmer und traf den Entschluss nach Hause zu fahren. Bestimmt gab es zu Hause Ärger, weil sie aus dem Krankenhaus abgehauen war, jedoch konnte sie doch unmöglich hier bleiben.

„Daniel ich...ich denke ich sollte nach Hause gehen.“, begann sie.

„Bist du irre?“, fragte er lautstark.

Sie stand da wie eine Kalksteinsäule.

„Wenn du nach Hause gehst, bringst du nicht nur dich, sondern auch deine Familie in Gefahr! Solange die Vampire hinter dir her sind solltest du vorsichtig sein und dich nicht ihnen auf einem Silbertablett servieren!“

„Aber ich...“, natürlich dämmerte es ihr, dass Daniels Worte plausibel waren. Jedoch hatte sie keinen Schimmer, was sie sonst hätte tun können. „Ich muss doch irgendetwas tun. Meine Eltern sollten doch wenigstens wissen, das ich wohlauf bin. Sie sorgen sich bestimmt, wenn ich nicht zurückkomme!“

„Dann rufe sie an, aber ich lasse jetzt garantiert nicht zu, dass du einfach dein Leben riskierst. Du hast keine Ahnung von den Vampiren. Ich hatte oft genug mit ihnen zu tun.“

Dies schien die perfekte Gelegenheit für Kate eine ihrer Fragen loszuwerden. „Wie viele Vampire...hast du denn schon...getötet?“, fragte sie zurückhaltend aber bestimmt.

Er schien etwas verblüfft zu sein. „Den einen oder anderen.“, zwinkernd lächelte er und fuhr fort. „Wenn du willst bringe ich dir bei, wie du dich verteidigen kannst.“

Kate ahnte bereits, dass er ihr keine genaue Zahl nennen würde. „Wie meinst du das?“

„Hm...so ein bisschen Selbstverteidigung gegen Blutsauger.“, meinte er grinsend.

„Echt? So mit Pistole und Flammenwerfer und so was?“ In ihren Gedanken sah sie John inklusive dem grünhaarigem Jungen, wie sie die beiden abmetzeln würde.

Der Blonde hob die Augenbraue. „Nein. Ich will doch nicht riskieren, dass du dir aus Versehen ins Knie schießt.“

„Du bist gemein. Ich bin schließlich schon fast volljährig.“, gab Kate trotzig zurück.

Daniel hingegen ging schon zur Tür und zog sich eine Jacke über. „Kommst du mit, oder willst du doch nicht?“

„Wie jetzt? Was willst du mir denn beibringen, wenn es nicht das Schießen ist?“, sie eilte herbei, um sich auch die Jacke anzuziehen.

„Warte es ab.“, war alles, was sie zu hören bekam. Na das konnte ja heiter werden.
 

Etwa 20 Minuten später waren sie am äußersten Stadtring und bogen von der Hauptstraße in eine kaum befahrene Gegend ab. Hier war das Industriegebiet. Oder zumindest stehen hier die vielen Lagerhallen von vielen verschiedenen Fabriken. Kate sah sich um und konnte sich keinen Reim daraus machen, was Daniel geplant hatte. Die Straße verwandelte sich in einen Schotterweg mit vielen Schlaglöchern und großen, braunen Pfützen mit einer dünnen Eisschicht darauf. Schließlich blieb der Wagen stehn und Daniel schaltete den Motor aus.

„Pass auf, hier ist gleich eine Pfütze, tritt nicht rein.“, riet er und stieg aus.

Kate versuchte beim Aussteigen die riesige Wasseransammlung zu meiden. Das dünne Eis knirschte etwas, aber sie hatte es wenigstens trockenen Fußes geschafft. Danach folgte sie Daniel bis zu einem Betonklotz, der aus dem Boden ragte. Es war ein Eingang zu einer U-Bahn gewesen. Zumindest damals, als hier noch ein belebter Industriestandtort gewesen war. Die Bretter waren teilweise verfault und bildeten eine schmale Öffnung.

„Ladies First.“

„Was? Ist nicht dein Ernst?”, protestierte Kate.

„Doch. Und jetzt geh schon, es sei denn du willst nicht Schießen üben?“

Da glaubte Kate, dass sie sich verhört hatte. Es war irrsinnig cool von ihm, dass er sich doch dazu entschlossen hatte, es ihr beizubringen.

„Oh danke, danke, danke!“, quietschte sie.

Daniel lachte freundlich. „Aber sag’s keinem. Das ist illegal. Naja...was soll’s!“

Aufgeregt stieg Kate durch die schmale Öffnung ins Dunkle. Daniel leuchtete mit einer Taschenlampe hinein. Es war tatsächlich eine verlassene U-Bahn Haltestelle. Im Inneren war nichts als Finsternis. Wäre die Taschenlampe nicht gewesen, hätte man tatsächlich nichts sehen können.

Daniel hatte sogar eine zweite Taschenlampe parat. Er reichte sie ihr und zeigte ihr anschließend etwas, dass er unter seiner braunen Lederjacke trug. Es war ein Schulterholster. Kate war gar nicht aufgefallen, wann er es sich angezogen hatte. Jedenfalls starrte sie gebannt auf die zwei Schusswaffen, die er herauszog und ihr zeigte.

Die rechte wirkte etwas älter, aber war dennoch in tadellosem Zustand. Die Pistole trug ebenholzbraune und goldene Farbtöne, war poliert, hatte jedoch einige Schrammen und Kratzer, die anscheinend durch häufigen, vermutlich auch jahrelangen Gebrauch entstanden waren.

„Diese hier habe ich von meinem damaligen Lehrmeister geschenkt bekommen. Es ist eine Dessert Eagle. Solche halbautomatische Single-Action-Pistolen werden seit den 80ern in den Vereinigten Staaten hergestellt. Sie ist somit schon ein etwas älteres Model, aber war mir sehr treu bisher.“

„Die ist ganz schick.“, gab das Mädchen, nichtsahnend von der Technik einer Handfeuerwaffe, zu.

„Sie basiert auf dem Funktionsprinzip eines Gasdruckladers mit Drehwarzenverschluss. Maximale Schussweite beträgt 300m, toll nicht? Das geladene Magazin hier enthält 7 Schuss. Das Hervorragende ist, dass es auch Magazine mit 8 oder 9 gibt. Aber ich habe zur Zeit nur 7 Schuss mit Silbermunition geladen. Du musst wissen, Vampire und Lykantrophen sind auf Silber sozusagen...allergisch.“

Es war eindeutig, dass hier ein Fachmann am Werk ist. Kate verstand immerhin, dass es 7 Schüsse geben würde und dass es sich um Silber handelt. Sie war froh, wenn sie so viel Wissen wie möglich aufschnappen könnte.

„Was sind Lykantrophen?“, fragte sie schließlich.

„Hm Gestaltwandler kann man zu ihnen sagen, aber nicht alle Gestaltwandler sind auch Lykantrophen.“ Jetzt verstand Kate nur noch Hauptbahnhof. „Vielleicht sagt dir der Begriff Werwolf eher etwas...“

„Werwölfe? Ich dachte das wäre nur eine Legende...“, gab sie zu.

„Ja...das war einmal. Sie haben sich gut gehalten und nun gibt es auch in Mitteleuropa wieder mehr als genug von den Biestern. Ich weiß gar nicht, was schlimmer ist. Ausgesaugt zu werden, oder zerfleischt.“

Kate schluckte. „Hast du schon welche getroffen?“

Im Halbdunkeln sah sie ihn nicken. „Sie sind ganz schön hartnäckig.“ Dann wand er sich der anderen Waffe zu. Die andere Pistole war schwarz und silbern, zusätzlich noch einem Griff mit Hartholzmantel. Sie war auf jeden Fall moderner, aber auch etwas schlicht gehalten vom Aussehen her.

„Das ist mein Schatz. Die gute alte Browning. Diese ist besonders zuverlässig und sehr unempfindlich gegen Schmutz und Staub.“

Kate starrte es an. „Und was kann sie so?“

„Schießen!“, lachte er. „Naja du wirst schon noch sehn. Jedenfalls gebe ich meine Browning nicht aus der Hand. Aber du kannst für den ersten Versuch ja mal die Dessert Eagle ausprobieren.“, Daniel reichte sie ihr.

Das ungewohnte Gewicht in ihren Händen war seltsam, Kate zitterte leicht vor Spannung, wie es sich wohl anfühlen würde einmal zu schießen.

Daniel schob die Browning wieder in das Holster unter das Jacke. Dann erklärte er ihr noch einiges, was sie zu beachten hätte, wie man sie entsicherte und was sonst noch alles wichtig war. Kate war etwas ungeduldig, lauschte jedoch seinen Worten und war sichtlich froh, als er seinen Monolog beendet hatte und sie endlich praktisch üben durfte.

Daniel leuchtete mit zwei Taschenlampen zur Wand, bei der die rostigen U-Bahn-Schienen entlang führten. Einfach nur in die Wand schießen, meine er. Keine große Sache. Nur das Gefühl fürs Schießen ausprobieren. Dennoch kribbelte es Kate in den Fingern, als sie die Waffe entsicherte.

„Ich bin etwas unsicher.“, gab sich mit zittriger Stimme zu.

„Das ist normal beim ersten Versuch.“, beruhigte er sie.

Im nächsten Moment hatte Kate ein sehr seltsames Gefühl in der Magengrube. Es roch nach dem metallischem Geruch von Blut und nach...Schwefel. Noch bevor sie sich fragen konnte, woher es kam, gab Daniel einen unterdrückten Schrei von sich. Die Taschenlampen, die er gehalten hatte fielen krachend zu Boden und verloren die Batterien. Somit war alles stockdunkel. Kate vernahm ein leises Knirschen. Es war wie das Geräusch, wenn man Kartoffelnchips aß.

Die fremde Aura roh widerlich nach Schwefel, sodass es in den Augen brannte. Dann spürte sie zwei weitere Energieströme. Unsicher blickte sie um sich. Doch sie konnte weder etwas sehen, noch was hören. Nur der eklige Geruch strömte in ihre Nase.

Irgendwas war hier und von Daniel war nichts zu spüren. Nach dem unsicherem Umdrehen wusste sie nicht mal mehr in welcher Richtung die Wand war. Wenn jetzt irgendwas schief ging, würde sie vielleicht sogar noch Daniel treffen...!

Schwefel

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Magie

Sorry, dass es länger nicht weiter ging. Mir ist einiges dazwischen gekommen. (Englandfahrt, Krankheit, Schule)

Dafür wird es hoffentlich bald schneller weiter gehen.^^
 

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Etwas warmes und prickelndes war auf ihrer Schulter zu spüren. Sie keuchte vor Schmerz und jemand legte ihr ein feuchtes Handtuch auf die Stirn. Ihre Lider zitterten, noch war sie im Schockzustand versunken. Zu schwach, um zu sehen, was die Welt um sie herum mit ihr anstellte.

Ihr Kopf hämmerte. Das Herz pumpte heftig Blut. Pulsierend strömte Blut durch die Venen und Arterien bis zu den kleinsten Kapillaren. Ein monotones Pochen herrschte zwischen ihren Ohren. Langsam kehrte ein Körpergefühl zurück. Zaghaft blinzelte das Mädchen, doch die Umrisse verschwammen vor ihren Augen. Dumpfe Geräusche nahm sie wahr.

Doch dann, da war noch diese Stimme. Diese Hoffnung verheißende Stimme führte dazu, dass Kate ihre Augen doch wieder aufschlug.

Es war Abend und die Beleuchtung der Straßenlaterne formte einen Kreis auf dem nasskaltem Asphalt. Sie befand sich auf einer folienartigen Rettungsdecke, die man in einem Sanikasten vorfand. Über ihr waren lange braune Haare, die gelegentlich ihre Wangen kitzelten. Es war Julians warmer Atem, der dicht über ihr zu spüren war. Er sprach in schnellen, fremd klingenden Worten. Noch nie hatte sie solch eine Sprache gehört.

In Kates Schulter war ein scharfer Schmerz zu spüren. Ein tonloser Schrei entwich ihr. Ihre Stimme war ihr abhanden gekommen vor Aufregung. Der Schock saß tief.

„Ruhig...bleib ruhig, sonst wird es mehr schmerzen.“, erklärte eine Frauenstimme. Kate nahm an, dass es eine Sanitäterin sein musste, doch es war ein Mädchen, das kaum älter sein konnte als Kate selbst. Ihre glänzend schwarzen Haare fielen ihr glatt hinab und sie war bemüht, sich die Strähnen aus dem Gesicht zu halten und hinters Ohr zu legen. Ihre Aura erweckte Kates Aufmerksamkeit für einen Augenblick. Sie fühlte sich an, wie Blätter die im Herbst vom Wind getragen werden. Doch das Gefühl verschwand recht schnell, denn sofort spürte Kate, dass das Mädchen ein noch junger Vampir war. Vielleicht etwas über hundert Jahre und bei weitem keine mächtige Vampirin. Kaum zu glauben, dass sie es standhielt Kate zu verarzten. Die Luft hatte einen rostigen, metallischen Geruch angenommen. Es war Blut - das meiste davon war von Kate.

Die Schwarzhaarige hatte stechend grüne Augen und sie gab ihr Bestes, um nicht ihre Blutlust offen zu legen. Schnaubend atmete sie ein und aus.

Daniels Stimme kam von der Seite. Kate drehte ihren Kopf zu seiner Richtung, was nicht so einfach war, da sie dadurch den Schmerz in der Schulter wieder erneut verstärkte. Das, was sie in Daniels Gesicht sah, war alles andere als das, was sie sich erhofft hatte.

Eine Platzwunde klaffte oberhalb seiner rechten Augenbraue und das Blut war ihm übers Auge geflossen und danach dort getrocknet. Die hellblonden Wimpern waren verklebt, wie Vögel in der Ölpest. Das Auge war nur halb geöffnet.

„Kate halte bitte durch, du hast es bald überstanden.“, meinte er, jedoch fragte sich Kate, was er mit überstanden meinte. Das sie bald nach Hause käme? Oder das der Schmerz nachlassen würde?

Letzteres trat allmählich ein. Das Warme, was sich an ihrer Schulter zu schaffen machte, war Julians spezielle Art der Hilfe. Kaum mehr als drei Zentimeter über der klaffenden Fleischwunde ruhten seine Hände. Ein schwaches Leuchten ging von ihnen aus.

Kate erinnerte sich an die Fernsehserie, bei der es um Hexen ging, die mit ihrer Magie ebenfalls andere Menschen auf diese Weise heilen konnten.

Jedoch sah es in real nicht ganz so spektakulär aus. Vor allem aber dauerte es deutlich länger. Sie konnte sich nicht vorstellen, wie lange Julian diese magischen Worte nun schon in fortwährend gleicher Tonlage sprach. Seine Körperhaltung war angespannt, aber dennoch zeigte er keine Anzeichen von Stress oder Anstrengung. Sein weißes Gesicht war wie üblich ausdruckslos und wirkte entspannt. Nur ein einsamer Schweißtropfen etwas oberhalb seiner linken Braue zeigte, dass diese Form der Magie ihm enorme Konzentration abverlangte.

Das Handtuch von Kates Stirn wurde ihr abgenommen und das Vampirmädchen übergoss es mit frischem Wasser aus einer Mineralwasserflasche. Danach wurde der tropfende Stoff ihr wieder auf den Kopf gelegt. Tatsächlich glühte ihre Haut darunter schon. Woher kam nur auf einmal dieser Fieber?

Unter Julians Händen begannen sich Zellen in sekundenschnelle zu entwickeln. Es war wie im Zeitraffer alles beschleunigt. Muskelfasern verbanden sich wieder mit einander und die riesige Blutung wurde langsam aber sicher gehemmt. Das Geräusch dazu erinnerte an das Knistern, wenn man durch trockenes Laub läuft. Langsam wurde das rote Fleisch von einer hellen Hautschicht überzogen. Von kirschblütenrosa bis zur normalen Hautfarbe dauerte es lediglich weitere 2 Minuten. Danach war die Wunde verschlossen. Man konnte nicht mehr feststellen, dass der Ghul ihr ein saftiges Fleischstück herausgerissen hatte. Nicht mal eine Narbe hinterlies Julians Wunderbehandlung. Der Schmerz war erloschen und das Fieber mit ihm.

„Wie fühlst du dich.“, Julians melodische Stimme klang beinahe so, als sei sie nur für Kates Ohren bestimmt.

„Besser.“, gab sie schlicht zurück und erhob langsam ihren Oberkörper. Da erst sah sie, dass sie nur ihren BH trug, da man ihr das T-Shirt und die Jacke ausgezogen hatte. Sie stieß einen erschrockenen Atemstoß aus und war sichtlich peinlich berührt. Jetzt hatte der Adonis von Vampir sie auch noch im BH gesehn. Sie fühlte sich seiner Schönheit gegenüber wie ein dreckiger Wischmopp. Das war ihr unangenehm, besonders da auch noch das fremde Mädchen und Daniel neben ihr waren.

„Kann ich mir bitte was anziehen?“, sagte sie klanglos und setzte sich auf.

Daniel reichte ihr das blutverschmierte Oberteil und sie zog es sich eilig über. Ihr war es gleich, ob das T-Shirt blutig war, nur wollte sie nicht länger in der Kälte und vor Julian sich so bloß vorkommen.

Plötzlich wurde ihr etwas schwindelig und sie sank zurück nach hinten, wurde jedoch von Julian gehalten.

Er umarmte von hinten um den Hals herum und reckte den Kopf nach vorn, dass er in ihr Gesicht sehen konnte und umgekehrt. Ein seichtes Lächeln schmückte seine ermüdeten Züge. Anscheinend brauchten sogar Untote mal etwas Ruhe. Der Kraftakt der Heilung hinterlies Spuren bei ihm und Kate war froh, dass sie doch noch was menschliches an ihm fand. Er konnte sogar Mimik offenbaren, die er nicht mit aller Kontrolle, die ihm die Jahrhunderte eingebracht hatten, verbergen konnte.

„Was tust du hier?“, fragte sie ihn, schloss indirekt aber auch das Mädchen mit ein.

Julians Augen waren heller als gewohnt, als er zu einer Antwort ansetzte. „Ich...“ Er begann vorsichtig den Satzanfang, schloss dann jedoch den Mund und sprach stattdessen in ihren Gedanken weiter. „...lass dich nicht im Stich.“

Seine Stimme in ihren Gedanken widerhallen zu hören war für sie befremdlich, aber auf irgendeine Art und Weise war es sehr intim und das war vielleicht Wert es auszukosten...

„Warum tust du das für mich?“, sprach Kate in Gedanken und sah ihm dabei in die heller werdenden blauen Augen. Anscheinend löste die Magie bei Vampiren ein Hellerwerden der Iris aus.

„Weil es für mich wie ein Laster ist dir nah zu sein. So wie für euch Menschen das Rauchen und Trinken ist, so ist es für mich zu sehen, wie du erwachsen wirst. Außerdem habe ich es damals jemandem versprochen.“, seine Stimme war zartschmelzender als alle Schokolade dieser Welt.

„Wem hast du es denn versprochen?“, jetzt wollte sie es aber genau wissen.

„Einer dir nahestehenden Person, die du jedoch nicht kennst.“, erklärte er. Je mehr Julian ihr bisher gesagt hatte, desto mehr Fragen warf das Gesagte wiederum auf. Gern hätte Kate ihn unter ein Kreuzverhör genommen, jedoch machte er ihr deutlich, dass sie nun schleunigst aufbrechen sollten. Er half ihr beim Aufstehen, sie hielt sich mit wackligen Beinen stehend an ihm fest.

„Tut mir leid, ich hab mich noch gar nicht vorgestellt.“, meinte das Mädchen hinter ihr. „Ich heiße Esther und bin strikte Vegetarierin.“

„Hm.“, Kate hob die Braue hoch. „Wie geht das? Vampire müssen doch Blut trinken.“

„Ich trinke aber keines...direkt von Menschen. Eher Blutkonserven aus Krankenhäusern, oder das Schweineblut vom Metzger. Ich war früher zwar richtige Vegetarierin, aber du hast schon Recht. Wir können nicht ohne...“

Ja, ohne Blut geht es nicht und so wie es aussah, hatte Julian dieses sogar sehr nötig. Es war noch nicht sehr spät, vielleicht gegen Acht Uhr, jedoch war es im Herbst immer zeitig sehr dunkel draußen. Seine Haut war blütenweiß und er machte einen ermatteten Eindruck auf sie.

Kates Augen wanderten zu seiner Kleidung hinab. Er trug ein weißes Hemd mit reichlich Ausschnitt und gekräuselten Rüschen. Es war eindeutig nicht aus dieser Zeit. Dazu trug er eine schmal anliegende, dunkelbraune Hose und glänzende kastanienbraune Stiefel. Die Aufmachung war altertümlich, jedoch passte sie zu ihm wie es nicht anders sein konnte.

Er machte einen Wink und Esther kam an seine Seite. Sie wollten nun aufbrechen.

Aus irgendeinem Grund wollte Kate nicht, dass er jetzt schon wieder ging. Erstens gab es da noch einige offene Fragen zu klären und außerdem...

„Julian...“, begann Kate und stockte prompt.

Er tauchte in ihrer Gedankenwelt auf. „Wann sehen wir uns wieder?“, fragte sie sich in Gedanken.

„Wenn das Schicksal es so will.“, war seine Antwort.

Ihr entwich ein leises „Oh.“, aber dann hörte sie ihn noch mal. „Wenn du mich brauchst, ich werde da sein. Versprochen.“ Dann spürte sie, dass er nicht mehr in ihren Gedanken war.

Sie lächelte leicht und formte lautlos ein „Danke“ mit den Lippen. Julian erwiderte es mit einem matten Lächeln.

Ein Wind zog auf und unerwartet waren beide mit einem Schlag verschwunden. War das noch zu fassen? Wie machen die Vampire nur diese verdammt coolen Abgänge?

Sie bekam einen Schubs von der Seite. „Hey, was war das für eine unheimliche Nummer mit dem Vampir, eben?“, fragte Daniel ratlos.

„Er...hat Telepathie benutzt.“, sie sah immer noch zu der Stelle, an der er eben noch war. Ihr war sein Verschwinden so surreal vorgekommen. Als hätte sie einen Augenfehler. Gerade noch da, einen Augenschlag später nicht mehr. Doch seine Gestalt war definitiv keine Einbildung gewesen.

„Ich verstehe gar nicht, warum du mit Vampiren verkehrst. Der eine hat dich doch gestern fast aufge...“

„Julian ist anders!“, protestierte sie und stieß Daniel mit dem Zeigefinger auf die Brust. Danach überlegte sie. War er wirklich anders, als die anderen Blutsauger? Bei John hätte sie damals auch gemeint, dass er vertrauenswürdig war, doch sie hatte sich geirrt, was wenn nun auch Julian...?

„Meinst du?“, kam barsch von ihm zurück. Daniel verschränkte die Arme.

„Ich...“, sie nahm den Finger weg. „Ich denke nicht, dass er so ist. Keine Ahnung wieso, aber bei ihm spüre ich nichts das mir Angst einjagen würde. Es ist so vertraut das Gefühl, was ich bei ihm habe. Als würde ich ihn schon ewig kennen und er meint, dass er mich schon seit meiner Geburt kennt. Dabei habe ich ihn letzte Nacht doch erstmals richtig gesehn...“

Daniel schwieg eine Weile und atmete dann in einem Strom aus. „Was meinst du denn mit erstmals richtig gesehn?“

Sie wurde stutzig. Daniel dachte also haarscharf mit. „Ich habe einmal von ihm geträumt. Vor ein paar Tagen. Da hat...er mich gerettet.“

„Oh...ein Vampir der Menschen rettet. Okay, das hat er ja jetzt bewiesen, aber bitte verlass dich nicht darauf, dass er immer so lieb sein wird zu dir.“ Daniels strenge Ermahnung machte ich leicht zu Schaffen.

„Ähm ok.“, sie sah hinab auf den Asphalt.

Dann auf einmal nahm er sie in den Arm, drückte sie ans sich und murmelte. „Bitte lass dich nicht mit diesen Blutsaugern ein, ja?“

Ihr Kopf verwandelte sich in einen Heizkessel, der drohte auszubrechen. War das jetzt eine Anmache oder nur ein Zeichen seiner Freundschaft und Sorge um sie? In ihrem Kopf lief ein Mechanismus zur Zusammenstellung passender Antworten, es gab viele gute Variationen wie „danke, ich passe auf mich auf“ oder „ja, auch wenn es schwer fällt“, aber alles was das Mädchen hervorbrachte war ein stummes Nicken.
 

Eine halbe Stunde später fuhr Kates leiblicher Vater mit dem Streifenwagen vor. Er hatte seinen Dienstwagen genommen, weil er gerade von der Schicht nach Hause fahren wollte. Als Kate und Daniel in den Scheinwerferkegel traten wurde der Motor abgestellt.

Der Vater stieg aus dem Wagen und lockerte sich mit der anderen Hand die grüne Krawatte. „Kate, lass dich ansehen Kind.“ Er nahm sie in den Arm und achtete darauf, dass er sie nicht verletzte. „Ist dir was passiert, Schatz?“

„Argh, Paps...bin soweit ok. Lass mich bitte los.“, sie befreite sich aus der Umarmung.

„Warum hast du mich denn auch so aufgeregt angerufen? Ich mach mir doch Sorgen, vor allem weil du nicht im Krankenhaus warst.“

„Hätte ich etwa Mutti und den Ober-Spießer namens Robert sagen sollen, dass sie mich abholen sollen? Ich hätte mir wieder den ganzen Abend sein Gemecker anhören müssen. Ich will das nicht.“, erklärte sie ihm bitter.

„Gut, dass du den coolen Dad hast. Nicht wahr? Ich bin ein cooler Dad, oder?“, Kevin grinste und löste die Krawatte so, dass er sogar in der Polizeiuniform lässig aussah.

„Ja...ja Paps...”, beteuerte sie scheinheilig. Natürlich war ihr Kevin viel lieber als ihr Stiefvater, aber wirklich Lust nach Hause zu gehen hatte sie auch nicht. Ja, und das musste sie spätestens morgen. Sie wollte nicht daran denken, was für einen Vortrag sie sich von ihrem Stiefvater anhören werden müsste.

„Und du? Was tust du eigentlich immer hier? Bringst du sie in Gefahr?“, der Mann ging drohend auf Daniel zu.

Kate wollte gerade Daniel in Schutz nehmen, doch er kam ihr zuvor. „Ja, es tut mir leid, ich wollte ihr etwas zeigen und das ist etwas außer Kontrolle geraten. Wird nicht wieder vorkommen.“, er machte ein schuldbewusstes Gesicht. Meinte der Blondschopf das ernst oder war es nur gespielt?

„Das hoffe ich für dich, Freundchen.“, dann fasste er Kate bei der Schulter. „Komm wir gehen nach Hause und dann koche ich uns was leckeres. Nudeln, oder lieber Reis? Du magst doch asiatisch...“, meinte er mit einem warmen Tonfall und führte sie mit zum Auto.

„Na dann gute Nacht...“, sagte Daniel zaghaft und leise, als er zu seinem Auto ging.

Kate drehte sich zu ihm um. „Dir auch gute Nacht!“, rief sie ihm nach, doch ihr Vater zog sie weiter zum Auto mit.

Daniel kehrte sich von ihnen um und lief zum Auto, doch insgeheim war ein sanftes Lächeln auf seinen Lippen.
 

Die Autofahrt verlief die meiste Zeit wortlos, erst am Hauseingang unterhielten sie sich kurz darüber, dass die Veranda renoviert wurde.

Es war ein niedliches, kleines Backsteinhaus aus roten Ziegeln und lag in einem ruhigerem Stadtteil. Das Haus hatte vorn eine Veranda und einen kleinen Vorgarten, in dem es im Sommer immer sehr schöne Tulpen und Nelken gab. In einer Ecke des Hauses wuchs ein mickriger Magnolienbaum. Diesen hatte Kate letzten Sommer mit ihrem Vater zusammen aus dem Baumarkt gekauft. Kate liebte den Duft der Blüten. Jedoch war dieser so spärlich, dass sie Sorge hatte, ob er überhaupt den Winter überstehen würde. Der Garten wirkte zu dieser Jahreszeit allgemein wie ausgestorben und im Dunkeln sowieso.

Sie gingen näher bis zur Tür, dort machte wie automatisch Kelly die Tür auf.

„Kate, du besucht uns! Ah, komm rein!“, sie schien völlig aus dem Häuschen zu sein.

Innen war es schön gemütlich warm. Das kleine Haus hatte direkt nach dem Eingang einen schmalen Flur und linkerhand war eine Treppe. Rechts war ein kleines Badezimmer und geradeaus am hinteren Ende war die Küche. Dort brannte noch das Licht der Küchenanrichte.

„So ich mache dann mal was zu essen. Kelly mach du doch bitte das Gästebett für sie fertig.“, er zog die Jacke aus und hing sie an den Haken beim Eingang. Die Schuhe landeten in der Kommode. „Und Kate kann sich ja frisch machen.“

„Ja mach ich. Komm gehen wir nach oben, du duscht schnell und ziehst dir was von mir an und danach ich zeige dir meine neuen Xbox-Spiele!“

„Ist klar.“, viele Einwände blieben Kate nicht, denn sie wurde nach oben gezerrt.

Zwanzig Minuten später fand sich Kate frisch gewaschen und in sauberen Sachen wieder. Ihre Schwester und sie hatten fast die gleiche Kleidergröße, denn Kate war recht schlank. Das Mädchen trug eine schmale, schwarze Jeans und dazu einen schwarzen Pulli aus Baumwolle. Es hatte ein Motiv drauf, es war ein knallrosa Comichase, der jedoch mit jede menge Nieten und Punk-Kleidung dargestellt war. Es war aus der neuen Winterkollektion einer Modelinie für junge Leute.

Sie bürstete sich noch schnell die Haare und verlies dann das Badezimmer. Glücklicherweise hatte sie keine Wunde mehr in der Schulter, sie war narbenlos verheilt.

Kate verbrachte den Abend damit ihrer Schwester dabei zuzusehen, wie sie in virtuellen Welten gegen Drachen und Dämonen kämpfte und hin und wieder war auch mal ein Zombie dabei. Die Siebzehnjährige hatte wirklich keine Lust sich mit diesen ekligen Untoten Viechern rumzuschlagen. Nicht noch einmal, dachte sie sich. Jedoch sagte sie nichts weiter dazu und beobachtete stattdessen, wie Kelly ihren Spaß daran hatte.

Anschließend gab es Reis mit Gemüse und einer scharfen Soße. Sie aß es gerne und nahm sogar noch Nachschlag. Nach diesen ganzen Stress hatte sie es sich wirklich mehr als verdient. Ihr Vater war davon überzeugt, dass er auf seine Kochkünste stolz sein konnte und freute sich über ihren großen Appetit.

Gegen elf Uhr saßen die beiden Mädchen draußen, in Decken eingemummt, auf der Veranda und starrten in den sternenklaren Himmel. Das Sternbild Orion funkelte sie von oben herab an.

„Kate, weißt du was?“, begann Kelly.

„Hm?“, machte sie nur.

„Ich wünschte, wir würden wieder zusammen wohnen. Ich finde es zwar toll ein eigenes Zimmer zu haben und so...aber...“

„Geht mir genauso.“, erklärte Kate. „Ich möchte wirklich mehr mit dir zusammen sein. Manchmal habe ich das Gefühl, dass ich dich aus den Augen verlieren könnte und dich nicht mehr wiedererkennen würde. Aber seit unsere Eltern geschieden sind, müssen wir es halt so aushalten. Solange Mama mit diesem....hm...solange sie glücklich sind. Wir sollten versuchen das Beste daraus zu machen.“

„Du hast wahrscheinlich Recht.“, stimmte sie zu und wirkte nachdenklich.

Kate spürte ein Gewicht an ihrer rechten Schulter. Kelly hatte sie angelehnt.

„Wir sollten schlafen gehen. Du musst morgen zur Schule gehen. Ich mach sowieso blau.“

Dann raschelte es in der näheren Umgebung. Kates Ohren waren gespitzt, wie die eines Luchses. Danach kam das Geräusch wieder und was war schnell. Verdammt schnell sogar! Ein großer Schatten zog binnen einer Sekunde an ihnen vorbei, Kelly schrie plötzlich auf und im nächsten Augenblick war es verschwunden. Und Kelly auch!

Kate stand sofort auf und rief den Namen ihrer Schwester in die Dunkelheit hinein. Ein Mal, zweimal. Immer und immer wieder, bis die Nachbarn aus den Fenstern schauten. Verzweifelt rannte sie auf die Straße und Tränen rannten ihr Gesicht hinab.

Irgendetwas hatte ihre Schwester - und es war definitiv nicht menschlicher Natur!
 

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Ich hoffe, ihr schreibt mir mal paar Kommentare *sonst traurig bin*

LG,

eure Mad-Ann <3

Krypta der Verdammnis

Eine Weile lang rannte Kate die Straße auf und ab, doch nirgends war eine Spur von der Schwester abgeblieben. Nichts.

Die Nachbarn standen alle in ihren Vorgärten, teilweise sogar schon in Pyjamas und Pantoffeln. Sie waren natürlich neugierig, was da passiert war und wollten auf keinen Fall etwas wichtiges verpassen. Diese Sensationsgeilheit brachte Kate zum Rasen, denn sie hatte dieses Verhalten auch bei dem Mord an der jungen Frau beobachten können. Wie die Wildhunde lechzten die Menschen einer Großstadt ständig nach neuen Ereignissen. Mord, Vergewaltigung, Gewalt, das alles was man selbst nie erleben möchte, aber bei anderen Menschen gern Zeuge wäre. In jedem von ihnen schien ein kleiner Voyeur zu stecken.

Ihr Vater hatte sofort mit ein paar Kollegen von der Polizei telefoniert, jedoch wusste auch er nicht recht, wo er die Suche nach dem verschwundenem Mädchen beginnen sollte. So plötzlich, wie sie verschwunden war, hatte man weder eine Täterbeschreibung, noch einen Hinweis auf den Verbleib von Kelly. Die Sache war schier unheimlich und sie sollte womöglich noch viel unheimlicher werden...
 

Kate rief später noch bei ihrer Mutter zu Hause an, doch diese war so aufgelöst am Telefon, dass man sie fast nicht verstehen konnte. Erst war nämlich Kate aus dem Krankenhaus verschwunden und als diese wieder aufgetaucht war, war die Schwester verschollen. Wie sollte sich eine Mutter in solch einer Situation auch anders verhalten? Das Telefonat war ein Desaster. Das Einzigste was ihre Mutter von sich gab war ein weinerliches Schluchzen, bis plötzlich Kates Stiefvater das Telefon in die Dan nahm.

„Sag mal spinnst du?! Deine Mutter solchen Kummer zu bereiten. Scher dich ja nach Hause mein liebes Fräulein!“, brüllte er.

Den Teufel werde ich tun, dachte sich Kate. „Es ging nicht anders, ich habe es mir schließlich nicht ausgesucht von Vampiren verfolgt zu werden.“, meinte sie kühl und versuchte dabei möglichst sachlich zu klingen.

„Ja als ob du nichts dafür könntest! Das kommt davon, wenn du nachts mit deiner nichtsnutzigen Freundin im Vampirviertel draußen rumzieht!“ Das Motzen ging also weiter und Kate platzte fast der Kragen.

„Meine Freundin ist kein Nichtsnutz du penetranter-“, Kevin nahm ihr das Telefon aus der Hand.

„Jetzt hör mal gut zu. Du wirst sofort aufhören meine Tochter und ihr Leben in den Dreck zu ziehen. Sie kann nichts dafür und du hast nicht das Recht solche Bemerkungen über sie zu machen. Es sei denn du willst, dass ich persönlich vorbeikomme und dir das Maul stopfe!“ Der Hörer landete krachend in der Telefongabel. Dem hatte es ihr Vater jetzt aber gegeben. Hoffentlich würde Robert sich nicht wieder als Ersatzvater aufspielen. Kate wünschte, sie könnte von zu Hause wegrennen. Am liebsten würde sie zusammen mit Kelly und ihrem richtigem Vater irgendwo ein kleines Haus auf dem Lande haben. Irgendwo dort, wo es keine Vampire gibt und ihr Stiefvater nicht ständig im Geschehen rumfunken würde.
 

Es war kurz nach Mitternacht, als Kate die Suche aufgab und in Gedanken versunken auf dem Gästebett saß. Sie hatte die Beine an den Körper angezogen und umklammerte diese mit ihren Armen. Immer im gleichen Takt wippte ihr Oberkörper ein Stück vor und zurück. Es zierten feine Linien eingetrockneter Tränen ihre Wangen. Ihre Augen brannten, sie waren leicht salzig vom Weinen. Wie ein Mantra flüsterte sie andauernd eine Frage vor sich hin. „Warum sie und nicht ich?“ Warum hatte es diesmal ihre Schwester getroffen, obwohl die Vampire waren hinter ihr her waren? Was planten sie jetzt nur mit ihr?

Insgeheim wünschte sie sich Julian herbei, er würde ihr sicher helfen können, doch Daniels Worte ermahnten sie zur Vernunft. Man durfte sich auf keinen Fall auf einen Blutsauger verlassen. Auch wenn sie diesem Blutsauger alles anvertrauen würde.

Kühlen Kopf bewahren hatte allerhöchste Priorität. Gedanklich spielte sie mehrere Szenarien ab, was als nächstes passieren konnte, aber man kann so was ja nicht vorherberechnen.

Ihr Vater erschien im Türrahmen. „Kate, du solltest schlafen. Wir werden sie schon finden.“, er setzte sich neben sie aufs Bett und streichelte sanft ihre Haare. „Es wird alles gut werden, ich verspreche dir, dass sie gesund und munter nach Hause zurückkommt. Du solltest dich jetzt wirklich hinlegen, es ist spät und du hast viel hinter dir.“ Die sanften Worte des Vaters waren gut gemeint, jedoch bezweifelte Kate, dass sie einschlafen könnte, mit der Erkenntnis, dass ihre geliebte Schwester nun ähnliche Erfahrungen mit den Vampiren, wie die Siebzehnjährige, machen würde. Zu allen Überfluss konnte Kate ihr nicht im Geringsten beistehen.

„Ich kann bestimmt nicht schlafen.“, gab sie mit klangloser Stimme zu.

Der Vater küsste seiner Tochter behutsam auf die Stirn. „Ich werde dir ein paar Schlaftabletten geben. Du musst dich etwas erholen.“
 

Als sie die Tabletten eingenommen hatte fiel sie schneller als ihr lieb war in einen unruhigen, traumlosen Schlaf. Ihre Gedanken waren wirr versponnen, doch der Name ihrer Schwester fiel darin immer wieder.

Ein Geräusch in ihrem Zimmer riss sie aus den Schlaf. Es war immer noch tiefste Nacht, doch die Wirkung der Tabletten war anscheinend nicht sehr stark. Kate drehte sich mit dem Rücken zur Wand und starrte in die Dunkelheit des kleinen Zimmers. Das Fenster stand offen und die Gardinen wurden vom Wind verweht. Es war ein altes Haus mit alten Fenstern, aber eigentlich gingen sie nie von alleine auf.

Dann sah Kate ein dunkles Relief einer stehenden Person. Die Gestalt war größer, wohl auch größer als Kate und trug einen langen, schwarzen Mantel.

Sie schreckte hoch und kauerte sich in die Hälfte des Bettes, die an der Wand lag. „Wer sind Sie?“, ihre Stimmte war ein angstvolles Flüstern.

Statt zu antworten kam der Mann näher und streckte eine Hand nach ihr aus. Kate zückte blitzschnell eine Taschenlampe (welche sie sich vorm Schlafen unters Kissen gelegt hatte) und strahlte dem Fremden den gelblichen Lichtstrahl ins Gesicht.

Erschrocken hielt er sich die Hand schützend vors Gesicht, denn er wurde richtig damit geblendet. Der Mann hatte eine ovale Gesichtsform, darin befanden sich zwei schwarze Augen und passend ein Paar gepflegter Augenbrauen. Die Nase war gerade und recht schmal. Seine Lippen hatten eine seichte Krümmung und die Oberlippe ein ausgeprägtes Herz. Sein Gesicht wirkte ohne Frage etwas weiblich, doch diese Androgynität stand dem Vampir wirklich gut.

Der schwarze Mantel flappte auf, als er in Windeseile die Bettdecke wegriss und sich Kate schnappte. Er trug sie auf seinen Armen und war binnen einer Sekunde mit ihr zum Fenster raus. Ihr blieb nicht einmal Zeit für einen letzten Hilfeschrei, da war sie und der Fremde schon über den Dächern der Vorstadt. Und sie flogen!

Rasend schnell zogen die Lichter der Häuser unter ihnen vorbei. Der Flug ging weiter in die Höhe und die Zugluft braute an ihnen vorbei. Es war das Aufregendste, was sie sich bisher vorstellen konnte. Ganz ohne Flügel, ohne Maschine, ganz einfach von allein flog der Vampir mit ihr auf den Armen durch die Novembernacht.

„Verdammt! Lass mich runter!“, Kate stieß einen schrillen Schrei aus, der ihr jetzt aber auch nichts mehr nutzen würde.

„Willst du aus 100 Metern Höhe jetzt auf eines der Dächer da unten krachen?“, fragte der Mann spöttisch. Seine Stimme war ein angenehmer Bariton.

Ihre Finger krallten sich am Ärmelsaum fest. „N...nein.“, stammelte sie.

Dann fiel ihr auf, dass sie nur mit T-Shirt und Slip ins Bett gegangen war und oben in der Luft war es verdammt noch mal eisig kalt. Ihr liefen gleich mehrere Schauer den Rücken hinab und ihre Glieder zitterten wie Espenlaub.

Der Mann setzte zur Landung auf einem hoch liegendem Hausdach an. Es war ein ebenes Dach eines Mehrfamilienhauses. Er setzte sie ab und zog sich den Mantel aus, anschließend legte er diesen auf ihre Schultern. Sie schlüpfte in die Ärmel und machte sich den Mantel zu. Die Wäre darin würde sie jetzt wenigstens nicht gleich erfrieren lassen. Es war ein schöner Wintermantel. Sie beäugte wieder den fremden Mann. Er trug noch einen schwarzen Pullover, ihm schien also nicht kalt zu werden.

Danach nahm der Mann sie wieder wortlos auf seine starken Arme und trug sie weiter durch diese eiskalte Nacht. Der Flug dauerte nicht lange, als unter ihnen leuchtende, bunte Schilder blinkten. Es war das Vampirviertel, doch sie flogen noch eine ganze Ecke weiter. Unter ihnen war ein großer Friedhof und er landete auf dem Kiesweg. Die Grabsteine waren allesamt in unheimliches Mondlicht gehüllt. Ein diesiger Nebel hing über dem Boden.

„Warum bringst du mich hier her? Wer bist du überhaupt? Ich will runter!“, Kate protestierte und zappelte heftig.

„Du bist ja genauso anstrengend wie deine Schwester!“, meckerte der Fremde.

„Meine Schwester? Hast du sie etwa...du Mistkerl! Lass mich gefälligst runter!“, Kate war dabei mit den Armen rumzufuchteln, um ihn einen Schlag ins Gesicht zu verpassen.

„Nein, außerdem bist du barfuss.“, seinem Tun störte Kates Gehampel reichlich wenig. Er ging in aller Seelenruhe auf einen Geräteschuppen zu und trat mit einem Bein die Tür auf.

Erneut schrie das Mädchen und versuchte sich zu befreien. Erfolglos.

Tatsächlich entpuppte sich der trist aussehende Schuppen in einen unterirdischen Eingang. Eine Falltür war im Boden und die dunkle Steintreppe führte hinab. Der Mann trug sie mit Leichtigkeit durch die engen Gassen einer Krypta. An den Wänden gab es hin und wieder Fackellicht, ansonsten war alles in komplette Finsternis gehüllt. Links und rechts gab es immer mal wieder eine Tür oder eine Verzeigung zu einem anderem Korridor. Der Mann ging etwa 50 Meter geradeaus und bog dann nach links ab.

„Wo sind wir hier, verdammt noch mal?“, motzte Kate und starrte geradeaus.

Er antwortete nicht, sondern setzte sie mit den Füßen auf den kalten Steinboden ab. Vor ihnen erstreckte sich eine gigantische alte Holztür. Das alles war wie aus einem mittelalterlichem Fantasy-Roman, es fehlte jetzt nur noch, dass er ‚Sesam öffne dich’ sagt, oder etwas derartiges. Stattdessen öffnete sich das Tor selbstständig mit einem schwerfälligem Knarren. Ein riesiger Saal lag dahinter und war komplett mit Fackel und Kerzenlicht in ein dämmriges rotgelbes Licht getaucht.

Der Vampir gab ihr einen Schubs nach vorn, als Zeichen, dass sie in den Raum laufen sollte.

Der bodenlange, schwarze Mantel war ihr natürlich viel zu groß, daher schleifte der untere Saum auf dem Boden. Ihre nackten Füße verkrampften sich bei jedem Schritt auf dem kalten Gestein. Langsam aber bestimmt betraten beide den Saal und die schwere Holztür fiel hinter ihnen polternd ins Schloss.

Am hinteren Ende des Prachtsaals stand ein großer Thron. Er war garantiert antik, denn die Verzierungen in dem rustikalem Holz wurden heutzutage bestimmt nicht mehr angefertigt. Der Sitz war mit blutrotem Stoff bezogen und die Polsterung lud zum Hinsetzen ein. Doch irgendwie ahnte Kate, dass dieser königliche Platz nicht für sie vorbestimmt war.

Ungefähr 5 Meter davor war ein großer Steinklotz, er befand sich unmittelbar in der Mitte des Saals. Der Sockel war kreisrund und an der Außenseite ringsum waren altertümliche Schriftzeichen eingemeißelt worden. Die dicke Gesteinsplatte ganz oben war Rechteckig und etwa 2 Meter lang. An beiden schmalen Seiten befanden sich rostige, alte Ketten mit Fesseln daran. In Kate dämmerte etwas. Es war ein zeremonieller Opferungsaltar!

„Verdammt! Was soll der Scheiß?“, schrie sie und rannte weg von dem Mann, der sie jedoch gleich wieder schnappen konnte. Sie fing sich eine deftige Ohrfeige an und fiel zu Boden. Der Schmerz in ihrer Wange, war eigentlich erträglich, dennoch pulsierte es ganz schön.

„Mach es dir nicht noch schwerer als es schon ist. Wenn du Glück hast, dann blutest du heute nicht auf diesem Steinaltar!“ Er sagte mit Absicht ‚blutest’, denn fest stand, dass seine Aufgabe darin bestand, das Mädchen auf diesem Alter zu fesseln. Denn sie sollte auch ganz artig sein, wenn die große Feier losging.

Er packte sie über seine Schulter und trug sie zu dem Altar. Sie lies ihn, mittlerweile verlor sie den Mut sich gegen so eine Übermacht behaupten zu wollen. Es schien, als sei es bereits beschlossene Sache, dass sie da nicht lebend rauskommen würde. Der Mann nahm ihr ebenfalls den Mantel ab, sodass sie lediglich mit schwarzen Slip und gleichfarbigem T-Shirt gefesselt wurde. Das beklemmende Gefühl bald zu sterben wuchs in ihr an. Sie wollte noch nicht tot sein, sie war doch noch so jung und unverbraucht. So viele Dinge wollte sie noch in ihrem Leben sehen und erleben. Doch jetzt stand nicht einmal fest, ob sie den nächsten Morgen miterleben würde.

Kaltes Metall legte sich klirrend und eng um ihre Knöchel und Handgelenke. Die Steinplatte hatte einen rostigen, modrigen Geruch. Es dünstete nach altem Tod und nach getrocknetem Blut. Unzählige Opfer haben in diesen Hallen schon einen schier unerträglichen Tod gefunden und heute fand eine weitere Todesparty statt.

Der Vampirmann machte sich weiter daran zu schaffen alles vorzubereiten. Er holte meterhohe weiße Kerzen herbei und stellte ein halbes Dutzend um den Altar herum. Kate beobachtete ihn dabei, wie er eine nach der anderen anzündete.

„Hey...du könntest mir doch eigentlich auch mal deinen Namen sagen.“, fand sie spontan.

Er drehte ihr sein Gesicht ihr zu. „Vinzenz.“

„Schöner Name für einen Henker.“, gestand sie daraufhin und seufzte.

„Ich bin nicht dein Henker.“, verneinte er. „Den Job erledigen andere.“, ergänzte er süffisant.

„Oh wie wunderbar.“, säuselte sie und schlug den Kopf mehrmals rücklings auf die Steinplatte. „Hätte nie gedacht, dass ich einmal auf diese Weise sterben würde. Hurra.“ Der Sarkasmus flog als spitzer Pfeil auf den verwunderten Vampir zu.

Er entgegnete nichts dazu. Alle Kerzen waren bereits angezündet und gaben dem ganzen eine weitaus befremdliche Atmosphäre.

Vinzenz zog sich den Mantel wieder an und setzte sich die Kapuze auf den Kopf. Einen Moment später öffnete sich schwerfällig das Tor und an die 20 Gestalten betraten den Raum. Alle trugen schwarze Kutten mit Kapuze. Sie begannen damit in einer fremden Sprache zu singen. Es klang wie ein Kanon, denn es gab mindestens 3 verschiedene Stimmen. Die Vampire bildeten einen großen Kreis um dem Altar herum. Als danach wieder welche in den Raum strömten bildeten sie einen weiteren Kreis innerhalb des anderen. Einer der Vampire hob sein Gesicht so weit, dass das Kerzenlicht unter seine Kapuze schien.

Es war Johns beängstigtes Gesicht. Der Ausdruck, den er Kate zuwand zeigte seinen Schmerz. Mit einer Hand zog er die Kapuze bis zur Nasenspitze herab, in der Hoffnung, dass sie ihn nicht gesehen habe.

Mit einem Schlag verstummte der Vampirchor und Kate drehte ihr Gesicht erneut in Richtung der Tür um. Dort sah sie jemanden, mit dem sie zwar gerechnet hatte, aber dennoch war sie höchst erstaunt sie zu sehen.

In einem historischem Festgewand, wie es schöner nicht sein konnte, stand die kleine Vampirfrau Jeanne-Claire am Tor. Das bodenlange Ballkleid hätte ebenso gut einer Kaiserin gehören können. Es war weinrot, pompös und übersäht mit kunstvollen Rüschen. Das Decolleté betonte perfekt ihre niemals alternden Brüste und die Korsage presste alles dahin, wo es zu sitzen hatte. Ihre Porzellanhaut war makellos schön und die weichen Gesichtskonturen waren äußerst weiblich. Schwarze Korkenzieherlocken rahmten das schöne Gesicht ein und flossen elegant ihren Rücken hinab.

Die Meisterin trat einen Schritt weiter ein und hob beide Arme einladend in die Höhe.

„Wie schön, dass ihr alle so zahlreich erschienen seid, meine Brüder und Schwestern. Heute ist ein schöner Tag zum Feste feiern und wir werden heute einen Neuling in unseren Reihen haben.“

Alle im Saal stimmten mit einem melodischem Klatschen der Gastgeberin zu. Diese ging auf den Altar zu und sah auf Kate hinab.

„Wie schön es ist dass du mein Gast bist. Es ist so herrlich, du könntest dich ruhig bisschen mehr freuen, du bist heute schließlich mein Ehrengast.“, Jeanne-Claires Lachen schallte durch den Saal und wieder wurde mit Klatschen zugestimmt.

„Ich wurde ohne meine Erlaubnis eingeladen. Sicherlich habe ich kein großes Interesse hier zu sein, elende Gruftschlampe!“, zischte sie giftig.

„Du kleines Drecksbalg. Ich verspreche dir die herrlichsten Schmerzen heute Nacht. Damit hast du dir einen langsamen und qualvollen Tod eingehandelt. Freu dich schon mal darauf.“, die Vampirella schien ganz schön beleidigt zu sein. Kate freute sich irgendwie darüber, wenigstens konnte sie die alte Hexe noch richtig beleidigen.

„Schafft den Aperitif her.“, Jeanne-Claire klatschte zwei mal in die Hände und zwei Vampire trugen Kelly hinein. Das Mädchen war an Armen und Beinen gefesselt und ihr Mund war ihr auch zugebunden. Als die Jüngere ihre ältere Schwester sah, riss sie Augen auf und zappelte noch mehr als vorher.

„Lasst sie sprechen.“, befahl die Vampirin.

Ein Vampir löste das Band an ihrem Mund. „Kate! Kate!“, schrie sie sofort und Tränen rannten ihr Gesicht hinab.

Der eine Vampir schlug ihr mit flacher Hand ins Gesicht, sodass sie verstummte.

„Hast du deiner Schwester noch etwas wichtiges zu sagen, dann überleg es dir bitte jetzt gut. Denn wir werden dir nicht viel Zeit dafür geben.“, erklärte die Schwarzhaarige und sah zwischen den Mädchen hin und her.

Kelly schluckte hart ihren Kloß im Hals herunter. „Kate. Egal was kommt, ich werde dich nie im Stich lassen. Du bist meine Schwester und wirst diese auch ewig bleiben! Ich liebe dich und du bist die beste Schwester, die ich jemals verdient hätte.“, schluchzend brachte sie die letzten Worte hervor.

Die beiden Vampire neben ihr brachten Kelly dazu aufzustehen und Jeanne-Claire trat vor sie. „Welch eine rührende Ansprache. Wirklich.“, sie strich ihr zärtlich übers Gesicht.

„Kelly! Ich lass dich nicht allein, niemals! Lasst sie frei, sie soll nach Hause gehen, sie hat überhaupt nichts mit der Sache zu tun! Ihr müsst sie loslassen, verdammt!!“, Kates Stimme war kreischend. Ein unaufhaltsamer Tränenfluss rann ihr Gesicht hinab.

„Kelly! Ich liebe dich, sei stark!“ Immer wieder zerrte Kate an den Ketten, doch es war sinnlos, sie würden sich keinen Millimeter weiter bewegen.

„Na dann meine lieben Untertanen. Die Vorspeise ist angerichtet. Bedient euch, es ist genug für alle da heute Nacht!“, Jeanne-Claires Lachen hallte tausendfach im unterirdischen Gemäuer wider.

Das ließen sich die Vampire nicht zwei mal sagen. In einer Schar fielen sie über das Mädchen her, bissen in ihre jugendliche Haut, tranken ihr junges Blut und ergötzten sich an diesem Geschmack. Die Schreie von Kelly hallten ohrenbetäubend durch den Raum. Immer wieder rief sie den Namen ihrer Schwester.

Kate schrie auch, mehrmals. „Neiiin!!!“

Immer und immer wieder war der Saal von verzweifelten Schreien erfüllt und im Hintergrund erklang das Gelächter der erbarmungslosen Vampirmeisterin.

Vampirblut

So und ich habe es geschafft in den Ferien noch ein Kapitel fertig zu bekommen.

Allerdings habe ich mich irgendwie schwer damit getan...

Ich hoffe, ihr mögt es dennoch.

Ich gebe mein Bestes *tschakka!!* xD

Na dann...viel Spaß beim Weiterlesen (& Kommischreiben hoffentlich..)^^
 

LG,

eure Mad-Ann
 

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Die Vampire ließen nicht ab von dem Mädchen und saugten hungrig an den freien Stellen an Arm, Bein und Hals. Nicht ein einziger Tropfen Blut ging daneben. Fein säuberlich tranken etwa ein halbes Dutzend Vampire. Ihre Schmerzenschreie hatten sich in ein gequältes Stöhnen verwandelt. Kraftlos hing ihr Körper herab von etwa zehn fremden Armen gehalten. Langsam lösten diese ihren Griff und Kelly sank zu Boden. Ihrer Kehle entglitt ein erschöpfter Laut. Die Vampire beleckten ihre blutroten Zähne und sahen, immer noch hungrig, auf das hilfslose Geschöpf vor ihnen, hinab.

Jeanne-Claire stand während des ganzen Spektakels unbeteiligt daneben und sah den anderen Vampiren zu. Ihr Desinteresse war mehr als offensichtlich. Sie bevorzugte den Hauptgang und all die restlichen Vampire im Raum, welche sich auch noch keinen Zentimeter gerührt hatten, schienen wohl eben so darauf zu warten.

Langsam stieg etwas Unmenschliches in ihren Augen auf. Es konnte Gier sein, oder womöglich war es auch Verlangen.

Sie brannte innerlich darauf die Jugendliche zu kosten. Schon als sie Kate das erste Mal gesehen hatte, erregte der Duft ihres Blutes in ihr einen unbändigen Hunger. Kein Mensch hätte es so riechen können, wie die Vampire im Raum. Wirklich jeder der untoten Anwesenden im Saal war längst auf Kates einzigartigen Geruch aufmerksam geworden. Man hätte es mit dem Duft von Braten, Zimt und Gebäck an Heiligabend vergleichen können, so war es für die Untoten und keiner von ihnen wollte länger auf die Bescherung warten...

Kellys Augen waren glasig geworden und standen immer noch offen. Der Tränenfluss hatte sich eingestellt. Kates hingegen war noch lange nicht zu Ende. Schluchzend zerrte sie an den Fesseln und rieb sich damit die Hand- und Fußgelenke wund.

Immer wieder stammelte sie den Namen ihrer kleinen Schwester, doch diese hörte sie nicht mehr. Deren Kopf lag nun auf dem kalten Steinboden, ihr Körper war bewegungslos. Sie war übersäht mit Bissen, einigen sauberen, andere hingegen wirkten brutal und hinterließen einen dunkelblauen Bluterguss. Das Gesicht war unverwandt auf Kate gerichtet, doch in den Augen war nur noch Leere.

Die Vampirlady trat vor Kelly und nahm sie behutsam hoch. Es war eine Leichtigkeit für einen Vampir Sachen anzuheben, auch eine kleine Frau wie sie, schaffte es ohne Probleme.

„Sie wird sterben, wenn ich jetzt so hier liegen lasse. Möchtest du das, oder wünscht du es dir dass sie ein Kind der Nacht wird? Es sei denn du willst du mit ihr zusammen im Tode vereint werden. Entscheide dich. Ich erlasse dir die einmalige Gelegenheit dich für uns zu entscheiden, oder für den Weg einer Sterblichen.“ Ihre Stimme war eiskalt und Kate spürte ihre Aura auf der Haut gefrieren.

Die Worte von ihr stellten Kate vor ein Ultimatum. Sollte sie ihre Schwester an die Untoten verkaufen? Einerseits hasste sie die Vampire jetzt umso mehr, andererseits wollte sie ihre Schwester auf gar keinen Fall verlieren.

Vor ihrem innerem Auge spielten sich die unbeschwerten Momente der Kindheit ab. Damals, als sie noch zusammen in einer kleinen Vorstadt gelebt hatten. Dies war die Zeit, in der die Familie noch glücklich vereint war. Sie musste sich an den Sommer erinnern, in dem die beiden Mädchen zusammen am Waldesrand gespielt hatten. Kate war damals kaum älter als sieben und sie flocht ihrer Schwester einen Blumenkranz. Sie spielten, dass sie Blumenfeen seien und rannten den ganzen Tag über die strahlenden Wiesen. Doch all das würde jetzt nur noch als dunkle Erinnerung mehr und mehr verbleichen. Nichts würde ihre Schwester jetzt zurückholen. Nie wieder würde sie so sein können wie früher.

Keuchend gab sie dem Druck auf die Fesseln nach und lies ihre Augen über den leblosen Körper ihrer geliebten Schwester schweifen. Sie ertrug es nicht anzusehen, was man mit ihr gemacht hatte. Die salzigen Tränen flossen weiterhin ihre Wangen hinab.

In diesem Moment wünschte sie sich an ihre Stelle. Warum genügte es der Meisterin Jeanne-Claire nicht einfach nur Kate zu töten? Warum musste sie jemals die arme Kelly da hineinziehen?

In ihr kam eine unbändige Wut auf, ihre Lippen zitterten, als sie zum Sprechen ansetzte. „Wie konntet ihr nur so etwas mit ihr tun? Sie war doch völlig unschuldig! Ihr habt ihr in solch eine Angelegenheit gezerrt, dass werde ich euch niemals vergeben!“, ihre Worte kamen langsam und die Stimme war zittrig.

„Ich erwarte eine Antwort von dir, ma chère.“, in Jeanne-Claires Worten lag ein bitterer Unterton.

„Sie hat den Tod nicht verdient.“, Kate biss sich sogleich auf die Unterlippe. Sie stand echt gerade kurz davor ihre Schwester zu einem Vampir zu machen und diese Tatsache könnte sie ebenso wenig wieder gutmachen. Vermutlich würde Kelly es ihr nicht verzeihen.

Die Meisterin legte den Kopf schief. „Ich werte diese Aussage als ein ‚ja’. Also wird dir deiner Entscheidung nichts mehr im Wege stehen.“ Ihr Lächeln war richtig angsteinflößend.

Sie legte das Mädchen wieder auf dem Boden ab. Danach bückte sie sich zu ihr und bewegte den eigenen Arm an ihre Lippen. Sie biss sich in die Pulsader. Anschließend öffnete sie Kellys Mund und lies das warme Rot hineintröpfeln. Durch Kellys Körper ging ein Ruck und ihre Muskeln verkrampften sich schlagartig.

„Ma petit, schon bald wirst du mein neuer Liebling sein.“, flüsterte sie und lächelte kalt.

Die Meisterin der Stadt winkte einen ihrer Diener herbei und nahm ihm mit einem Ruck die Kapuze ab. Schwarze Haare befanden sich darunter und als der junge Mann sich langsam umdrehte, entpuppte er sich als niemand anderes als John. Sein Gesicht war gebannt vom Anblick der halbtoten Kelly. Wie auf ein stummes Signal hin beugte er sich hinab zu ihr und legte sich neben sie. Er bot ihr seinen rechten Arm an. Sein Gesichtsausdruck verriet nichts.

Kellys Körper war von Impulsen durchwühlt, sie schrie auf, ächzte vor Schmerz und ihre Glieder zuckten unkontrolliert. Kates Augen waren tränenüberschwemmt auf sie gerichtet.

„Was passiert jetzt mit ihr?“, fragte Kate mit einem dicken Kloß im Hals.

„Sie stirbt.“, gab Jeanne-Claire zur Antwort. „Ihr Körper muss sich an die neuen Lebensbedingungen anpassen. Bald werden all ihre Sinne schärfer sein, als die eines Menschen jemals sein könnten. Das Körpergewebe muss sich an die Aufnahme von Blut einstellen und der Organismus stellt sich ein auf ein ewiges Leben. Auf ewig jung, ist das nicht wundervoll?“ Ihr Lachen schallte durch das alte Gemäuer.

Der frischgebackene Vampir schlug erstmals im neuen Leben die Augen auf. Sie leuchteten eisblau und hatten die Menschlichkeit abgelegt.

Kelly verspürte erstmals Hunger. Großen Hunger.

Über ihrem Gesicht schwebte immer noch Johns Arm. Hastig packte sie ihn mit beiden Händen und zog ihn sich an den Mund. Gierig schnappte sie mit ihren spitzen Zähnen zu. Die Zähne bohrten sich durch seine Haut und er gab ein kurzes, erschrockenes Stöhnen von sich. Das Blut floss in ihren Mund und etwas davon lief seitlich aus ihren Mundwinkeln. Ihre Kehle bewegte sich schnell auf und ab, denn der Durst wollte nicht so schnell aufhören. Sie war nun kein Mensch mehr, ihr blutrünstiges Verhalten erinnerte eher an ein Tier, das nur auf den Fressinstinkt aus ist.

Johns Arm zitterte und er gab Laute des Schmerzes von sich. „Genug.“, stöhnte er, doch Kelly lies den Arm nicht locker. Auch die anderen Vampire im Saal sahen nicht ihre Pflicht darin ihm zu helfen. So musste er also hoffen, dass der Hunger der Kleinen bald getilgt wurde, ansonsten würde er selbst bald als Vampir mit Blutarmut dastehen.

„Kelly tu das nicht!“, rief Kate und durchbrach das Schweigen. Der Anblick war abstoßend und furchterregend für sie.

Abrupt lies Kelly den Arm los und richtete sich in einer geschmeidigen Bewegung auf. Ihre Iriden glühten mehr denn je und fixierten Kate. Es lag Blutlust in ihrem Blick und mit ihren neuen Sinnen nahm nun auch sie den Geruch der Jugendlichen ganz anders wahr.

„Was für eine Blutgruppe hast du, ma chére?“, begann Jeanne-Claire ganz unerwartet und ging zwei Schritte in Richtung Opferaltar.

Kate brauchte eine Weile, bis sie sich gesammelt hatte und auf die Frage eingehen konnte. „AB negativ.“, antwortete sie schließlich.

„Welch ein seltenes Blut doch durch deine Adern fließt. Ist es nicht ein Zufall, dass ausgerechnet dies meine Lieblingssorte ist? Du bist wie ein hervorragender Jahrgang eines guten Weins.“

„Elende Schlampe! Wenn ich nicht festgekettet wäre, würde ich dir deine widerliche Schnauze polieren!“, brüllte Kate und richtete ihr Augenmerk nun vollkommen auf die Schwarzhaarige.

Ein Gelächter stellte sich ein. Allen voran Jeanne-Claire. „Du bist so süß, ich werde es genießen, wenn ich dich jetzt gleich vernaschen werde. Zu schade, dass es zu wenig Mädchen wie dich gibt. Ich erinnere mich an Charlotte, doch diese war weitaus nicht so interessant wie du, chérie.“

Kate musste schlucken. Charlotte...war das nicht der Name des Mädchens, das erst kürzlich ermordet aufgefunden wurde?

„Charlotte. Warum musste sie denn...das gleiche Schicksal...“, ihre Stimme versagte.

Jeanne-Claire trat vor sie in den Kerzenschein. Der Blick auf Kelly wurde verdeckt.

„Sie war eine Schönheit. Ihr blondes Haar duftete nach Pfingstrose...hmm...“, die Vampirin spielte mit einer schwarzen Haarlocke. „Aber ihr Blut erst, es war ein Genuss, auch wenn es nur eine A negativ war. Aber auch heute werden wir ganz vornehm zu Abend essen.“

„A...aber der Schuss, sie wurde doch...“, unsicher sah sie die Schwarzhaarige an.

„Ganz schön neugierig, was? Aber da du sowieso gleich sterben wirst, kann ich dir ja ein paar deiner heißersehnten Fragen beantworten.“, ihr Grinsen wurde breiter. „Tatsächlich hat die AVA uns bemerkt. Als sie an jenem Abend auf den Plan getreten sind, ließen sie nichts unversucht mich töten zu wollen. Doch es gelang uns rechtzeitig zu fliehen. Jedoch sorgten sie natürlich dafür, dass aus Charlotte kein Vampir werden konnte. Dabei wäre sie mit Sicherheit eines meiner Schönsten Kinder geworden.“

Sie trat einen Schritt beiseite und gewährleistete die freie Sicht auf John. „Tritt doch näher zu mir heran, mein Sohn.“

Stumm kam er auf sie zu und beachtete seine Erschafferin mit einem ehrfürchtigem Blick. Kate riss nun die Augen auf. Also war es die Vampirmeisterin persönlich, die John zu dem gemacht hatte, was er nun ist.

„Mein Schatz. Möchtest du vielleicht als erstes einen Biss an ihr nehmen? Ich sehe dir doch an, wie viel dir deine neue Schwester genommen hat. Außerdem hattest du noch gar nichts heute Abend...“

Seine Augen verengten sich. In seinem Blick lag teilweise Furcht, aber teilweise auch Wut.

„Ich fürchte, ich muss dieses Angebot ausschlagen. Ich kann nicht...Kate...“, er stockte und sah zu Boden.

„Wie kann man nur so ein undankbarer Taugenichts sein?!“, wild schrie sie auf und schlug ihm in sein bleiches Gesicht. Er hielt der Bewegung stand und presste die Lippen aneinander.

„Bitte, lass sie laufen. Sie...“, zitternd ballte er die Hände zu Fäusten.

„Schafft ihn mir aus den Augen!“ Zwei Kapuzenmänner packten den Vampir und zerrten ihn, gegen seinen Willen zum Tor. „Werft ihn in das dreckigste Verlies und lasst ihn so lange darin verrotten, bis er zu mir zurückzukriechen wünscht!“

Ihre Wut überflutete den Saal und alle anwesenden Vampire wichen ein Stück von ihr zurück. Ihnen lag nichts an dieser Frau, sie waren ihr nur untertan, weil sie sie fürchteten.

Kate hingegen zerrte erneut gegen die Fesseln. Der letzte Hoffnungsschimmer - jemand der sich gegen die Tyrannin stellen wollte - war soeben aus dem Raum gebracht worden. Nun konnte sie zwar noch hoffen, dass ihre Schwester sich dazu erbarmen würde ihr zu helfen, diese jedoch stand unbehelligt am Rande des Tores und starrte stumm zum Altar. Die Bisswunden begannen langsam sich zu schließen und ihre Haut war kalkweiß.

Der Puls hämmerte ihr gegen ihre Kehle, als Jeanne-Claire weitere Schritte auf sie zumachte. Langsam beugte sie sich zu ihr nieder und ihre Fingerspitzen glitten sanft durch Kates Haare. Sie strich ihr einige widerspenstige Strähnen aus dem Gesicht und beäugte ihr hübsches Gesicht. Die Aura der Vampirin strich ihr fahrig über die Haut und brachte ihr Blut zum Pulsieren.

Erregt zog sie das Gesicht der Sterblichen ganz nah an ihres und sie sog ihren Duft ein. Genießend schloss die Vampirin ihre Augen und lies ihre Finger weiter in den Haarschopf gleiten. Als beide Gesichter nur noch wenige Zentimeter voneinander entfernt waren, keuchte das Mädchen erschrocken auf. Der kalte Angstschweiß floss ihr die Stirn hinab.

Lautlos stellte sich ein Hautkontakt der Lippen ein. Sanft knabberte Jeanne-Claire an ihrer Unterlippe. Mit einem eleganten Wimpernschlag, öffnete sie ihre Augen und darin brannte das jahrhundertealte Ungeheuer in ihr, dass nur noch auf Blut aus war. Die sonst so dunklen Augen, wurden zu einer grauen Trübung.

Kate keuchte erschrocken auf. Ihr war jetzt erst aufgefallen, dass sie vergessen hatte zu atmen. Als sich die Lippen voneinander lösten glitten die Vampirlippen in zarten Küssen ihr Kinn hinab, bis sie schließlich über der Halsschlagader ihren Halt fanden.

„Bitte nicht...“, ein kaum hörbares Flüstern entrang ihr, doch im selben Augenblick wusste sie schon, wie es enden würde.

Der harte Kuss auf ihren Hals brachte sie erneut zum keuchen. Die Meisterin legte den Kopf schief und öffnete ihren Mund, dabei schloss sie erneut ihre Augen. Den Kuss vertiefend glitt ihre Zunge über die Haut und die harte Berührung von Zähnen machte sich bemerkbar. In der nächsten Sekunde schon bohrten jene Zähne sich durch die empfindliche Haut.

„Das würde ich unterlassen.“, erklang es aus Richtung Eingang.

Augenblicklich schlug die Vampirin die Augen auf und lies die Zähne zurückgleiten. Sie hob langsam ihren Kopf und wandte diesen zum Tor zu.

Kate spürte, wie warmes Blut ihren Hals hinabfließen zu schien. Glücklicherweise war der Biss noch nicht allzu tief, sodass die rote Flüssigkeit in hauchdünnen Linien seitlich hinabfloss. Dennoch genügte dies, um alle hiesigen Vampire in Aufruhr zu bringen. Erschöpft drehte auch sie ihren Kopf zum Tor und erblickte ihren Ritter in der glänzenden Rüstung. Naja nicht ganz.

Jedoch war Julians Anblick so atemberaubend für sie, dass ihr Tränen in ihre Augen stiegen. Tonlos formten ihre Lippen seinen Namen.

„Ist ja typisch, dass ausgerechnet der älteste Vampir der Stadt sich wieder als Märtyrer aufspielt. Aber ich sag’s nur ungern. Du bist nicht zu dieser Party eingeladen.“, mit böser Zunge giftete die Meisterin ihn an.

Eine Melange aus verärgerten Blutsaugern bildete einen engen Kreis um den großgewachsenen Mann. Er zeigte sich unbeeindruckt, sein Gesicht war schlichtweg ausdruckslos.

„Ich fürchte, ich bin derjenige, der diesem bunten Treiben ein Ende bereiten wird. Ob dir das nun passt, oder nicht.“, seine diplomatischen Worte kamen völlig objektiv.

„Verpiss dich.“, fluchte sie und ihre Fingerspitzen glitten über das frische Blut. Anschließend leckte sie es genüsslich ab.

„Lass sie los. Ich werde es nicht noch einmal sagen.“, die Macht des älteren Vampirs flog durch den Saal und alle Untergebenen Vampire wichen verängstigt von ihm zurück. Ganz gleich wie sehr sie der Meisterin untergeben waren, keiner wollte sich so jemandem wie ihm freiwillig gegenüberstellen.

„Du gehst jetzt, würde ich vorschlagen.“ Ihre kühnen Worte galten zwar Julian, aber ihr Gesicht schwebte wenige Zentimeter über Kates Hals.

Die Siebzehnjährige war nach wie vor zu verängstigt, um auch nur einen Ton herauszubringen. Auch sie hatte den Anschwall Julians Macht gespürt, aber auf sie hatte es eher eine beruhigende Wirkung ausgeübt.

„Wenn du nicht sofort das Mädchen frei lässt, werde ich dich offiziell zu einem Duell auffordern. Du kennst ja die Regeln in diesem Fall.“

Tatsächlich wussten alle Vampire, außer Kelly, dass eine Aufforderung zu einem Duell immer ein Angriff auf die persönliche Autorität und Macht war. Wenn ein Meister der Stadt zu einem Duell aufgefordert wurde, so durfte er dieses unter keinen Umständen abschlagen. Dennoch hatte der Ältestenrat immer noch eine hoheitliche Ordnung über offizielle Streitigkeiten. Sie sorgten dafür, dass die Vampire nicht wahllos auf einander losgingen.

Jeanne-Claire erhob sich und kehrte Kate den Rücken zu. „Du weißt, der Ältestenrat wird dir niemals gewähren gegen mich anzutreten zu dürfen. Du hast damals freiwillig darauf verzichtet der Meister der Stadt zu werden, also hör mit diesen leeren Drohungen auf.“

Über Julians Gesicht husche ein kurzes Lächeln. „Du fürchtest, dass du gegen mich verlieren würdest. Deswegen ziehst du den Ältestenrat als Einwand vor.“

Sie presste wütend die Augen zu Schlitzen zusammen. „Du verdammter Hundesohn...“

Beide Vampire ließen einen Machstrom ihrer Aura los, dass Kate kaum noch atmen konnte. Auf ihrer Hautoberfläche pulsierten die Kräfte von zwei uralten Vampiren, doch natürlich spürte sie auch, dass Jeanne-Claire mit ihrem Alter von geschätzten fünfhundert Jahren deutlich schwächer war.

Das Kribbeln auf der Haut lies langsam nach, als die Vampirfrau auf die Knie fiel und sich mit beiden Händen den Kopf anfasste. Sie schien unerträgliche Schmerzen im Kopf zu haben, da Julian mit seiner Macht in ihr Bewusstsein eingedrungen war. Sie begann am ganzen Körper zu zittern und fluchte leise etwas auf Französisch.

Julian stand unverändert einige Meter von ihr entfernt und einige Haarsträhnen bewegten sich in dem Wind seiner eigenen Magie. Als diese sich legten, schritt er ruhig an ihr vorbei und sah einem ihrer Diener tief in die Augen. Sofort machte sich der rangniedrigere Vampir daran die Fesseln zu lösen und war damit fertig, noch bevor Julian den Altar erreicht hatte.

Kates Körper zitterte noch vor Angst, weil sie das Ausmaß der mächtigen Vampiraura hautnah miterlebt hatte. Flehend suchte sie nach einer Gestik in Julians Gesicht. Vergeblich. Er war absolut ausdruckslos, als er seinen Arm um sie legte. Sie verstand und legte ebenfalls ihre Arme um ihn, als er sie schließlich hochnahm.

Sein Körper war ebenso kalt, wie die Steinplatte und das verunsicherte sie. Egal wie sehr sie sich in seiner Nähe auch geborgen fühlte, sein Körper war dennoch nur der eines Vampirs. Und wie jeder wusste, brauchte jeder Vampir frisches Blut, um überhaupt etwas Wärme zu bekommen.

Die Tränen waren wieder da. Schluchzend klammerte sie sich an ihm fest, als er mit ihr in den Armen, an der Vampirin vorbei ging. Die Angst davor, dass sie gleich angreifen würde, war zu groß und sie wollte einfach nur weg von diesem schrecklichem Ort.

Weg von Jeanne-Claire, die immer noch auf dem Boden kauerte. Weg von der ehemaligen Schwester Kelly, die nun auch eine von den Blutsaugern ist. Weg von allem in dieser unterirdischen Hölle!

Schneeweiß und Blutrot

Ich habe in letzter Zeit irgendwie echt Probleme gehabt gute Ideen zu finden.

Deshalb hoffe ich, dass ihr das versteht und dass euch dieses Kapitel trotzdem etwas gefällt.

Nach langem hin und her habe ich mich für diese Version entschieden. ^^

Also dann...dennoch viel Spaß beim Lesen und schreibt mir bitte Kommentare.
 

LG,

eure (melancholische) Mad-Ann
 

P.S.: Ich erinnere noch an meinen FA Wettbewerb, macht bitte mit ^^
 

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In bitterkalten Böen zog der Wind durch die dürren Zweige der Baumallee, über den Bäumen türmten sich schwere, rötlich schimmernde Wolken auf. Auf den Ästen hatte sich eine kristalline Schicht nächtlichen Frostes gebildet. Die Nacht war still, nur das leichte Rauschen des Windes durch die Bäume war zu vernehmen. Zarte Flocken sanken auf den von Reif durchzogenen Boden. Es war der erste Schnee des Jahres und es war eine allzu anmutige Erscheinung. Der November hatte endlich seine endgültige Wende zum Winter erreicht. Kates Blick fiel zögernd auf die Straße, auf der sich nach und nach eine hauchdünne Schicht glitzerndes Weiß absetzte. Der Anblick wirkte völlig malerisch und für einen Moment vergaß sie das eben durchlebte und glaube, oder eher wünschte sie sich, dass sie ihre Schwester in den Arm nehmen könnte. Betend sah sie zum rötlich gefärbten Himmel auf und hoffte, dass sie Kelly um Vergebung bitten dürfe. Die Winde sprachen zu ihr, indem sie ihre Haare sanft wehen ließen. Sie ignorierte die Kälte einfach. Sie konnte nichts spüren, oder besser gesagt wollte sie es nicht. Es war fast so, als sei ein Teil ihrer Seele eben in der finsteren Krypta gestorben...

Julians formschöner, langer Mantel hüllte sie komplett ein und auf seltsame Weise war er angenehm warm, ganz als ob ein Hauch Magie im Mantel verborgen war. Sie zog sich den Kragen bis zur Nasenspitze und schloss die Augen, um die sich in diesen Moment der Ruhe zu vertiefen. Seine Schritte knisterten leise und sie war dankbar, dass er sie trug, da sie sich nichts sehnlichster wünschte als Frieden.

Ihre Fantasie lies düstere Ahnungen vor ihren inneren Augen aufkommen, sodass sie erschrocken aufwachte, obwohl sie nicht einmal richtig geschlafen hatte. Der Sekundenschlaf hatte etwas völlig Beklemmendes. Mit aufgerissenen Augen starrte sie in die gespenstische Nacht. Das Zwielicht von Dunkelheit und rotglühenden Wolken wirkte plötzlich nicht mehr malerisch sondern schauderhaft auf sie. Je mehr sie daran dachte, was geschehen war, desto mehr fürchtete sie sich. Julians Körper fühlte sich nur allzu kalt an, sodass sie aufsehen wollte, um zu sehen, ob er nicht schon längst erfroren war. Sein Atem verdunstete zu weißen Wölkchen, jedoch lief er mit gespielter Leichtigkeit mit dem Mädchen auf den Armen durch die Nacht. Sein perfekter Oberkörper war lediglich mit einem Hauch weißen Stoffes verhüllt, es war ein langärmeliges Hemd mit Ausschnitt und aufgerafften Ärmeln. Die kalte Luft drang stechend in seine Brust, doch er war Mannes genug so zu tun, als ob es ihm nichts ausmachen würde.

Er war eine Art Mann, zu dem das Wort Kavalier nur allzu prächtig passte, ja selbst der sagenhafteste Charmeur würde in Julians Gegenwart wie ein alberner Rabauke dastehen. Julians Art war auf diese Weise anziehend, dass er weder aufdringlich noch abweisend Kate zu verstehen gab, dass sie ihm wie ein wohlbehüteter Augapfel nahe sei. Doch ohne zu wissen, warum er so für sie empfand, warf das in ihrem Kopf nur erdenklich viele Fragen auf.

„Julian...“, begann sie und suchte nach gescheiten Worten. „Warum tust du das für mich...das alles?“

Er schwieg und ging in aller Seelenruhe weiter.

„Warum antwortest du mir nicht?“, sie sah hinab und wusste, dass sie auch diesmal keine Antwort von dem Vampir erhalten würde. „Ich bin mir manchmal nicht sicher, ob ich dir vertrauen kann. Du bist solch ein Rätsel für mich. Nie erzählst du mir etwas von dir.“

Seufzend gab der Vampir nach. „Sieh in dein Herz. Dieses unschuldige, kindliche Gemüt in dir. Wenn ich dir auf all deine Fragen antworten würde, befürchte ich, dass du mir nie mehr in die Augen sehen würdest...“

Erschrocken sah Kate auf. „Niemals. Warum sollte ich dich hassen. Du bist doch schließlich immer wieder da und rettest mich. Wenn du nicht wärst...dann hätte mich die Vampirmeisterin längst zerfleischt.“

Julian war erneut still. Sie war so schwach, so zerbrechlich, dass er sie um jeden Preis beschützen musste. Er war mit Sicherheit einer der ältesten Vampire Europas und wusste, dass ein Menschenleben durch eine Unachtsamkeit eines Vampirs jederzeit hätte enden können. Er spürte ihren warmen, lebendigen Körper und ihm wurde schmerzlich bewusst, wie wenig Menschlichkeit in seinem Leib noch war.

„Bitte versprich es mir.“, sagte er schließlich und sah in ihre traurigen, eisblauen Augen.

Zuerst wollte sie sofort mit „Ja.“, antworten, doch dann dachte sie an John. Ihre Gefühle für ihn waren zwiespältig. Einerseits war es tiefe Verachtung für seine frauenfeindliche, egozentrische Art. Andererseits...vermutlich war er jetzt unter Jeanne-Claires Fuchtel und würde bitter dafür büßen, dass er Kate nichts antun wollte. Was war, wenn in Julian auch etwas monströses steckt, dem sie nicht vergeben könne? Konnte sie mit gutem Gewissen ein Versprechen geben?

Die Antwort war „Ja, ich verspreche es.“ Sie wusste nicht, wie schlimm Julians Antworten hätten sein können, aber sie würde versuchen hinter ihm zu stehen. Ganz gleich wie lange es dauern würde, bis er ihr sagte, warum er sie schützte und was seine Beweggründe waren, sie wollte darauf warten.

„Danke.“, seine Lippen formten ein flüchtiges Lächeln.

„Aber ich möchte, dass du mir auch etwas versprichst.“, beharrte sie und in seinem Gesicht lag kurzzeitig eine überrasche Mine.

„Versprich mir bitte, dass wir meine Schwester Kelly befreien können und auch John. Ich will nicht, dass die Vampirschlampe Jeanne-Claire ihnen noch mehr antut. Ich wünsche mir doch so sehr, dass der Spuk endlich ein Ende hat.“

Er sah in ihr kindlich wirkendes Gesicht. Wie konnte man ihr nur etwas abschlagen?

„Natürlich. Wenn es dein Wunsch ist, dann kannst du dich auf mich verlassen.“

Sie lächelte zögernd und hoffte, dass schlussendlich alles gut werden könnte. Mit dem mächtigen Vampir an ihrer Seite, würde Jeanne-Claire keine Chance haben, daran glaubte sie felsenfest.

In die Schatten der Bäume gehüllt verlief die menschenleere Straße direkt neben einem breitem Fluss. Eine hauchzarte Eisschicht hatte sich am Ufer gebildet, die kleinen Eiskristalle funkelten im Licht der Straßenlaternen. Fernab von dem endlosem Getöse der Autos, den grellen Lichterscheinungen des Vampirviertels und der quetschenden Enge von partyhungrigen Menschen lag das recht einsam wirkende Stadtviertel. Etwa fünfzig Meter gerade aus kreuzte die Nebenstraße eine stärker befahrene Hauptstraße. Da diese zur Rushhour stark befahren wurde, gab es eine Fußgängerunterführung und es dauerte gar nicht lange, bis der großgewachsene Vampir darauf zusteuerte. Eine Hand voll gesichtsloser Passanten waren um diese Uhrzeit noch auf den Straßen unterwegs.

Keine der nächtlich umherstreifenden Personen scherte sich darum, dass ein Mann eine Jugendliche in den Armen Spazieren trug. Sie schienen alle in eigene Nichtigkeiten versunken, einige wünschten sich offenbar ihr warmes Bett nach einer anstrengenden Nachtschicht, andere wiederum hatten die Nacht bis in die frühen Stunden durchzecht und waren erpicht darauf das zu Hause noch vor Sonnenaufgang wiederzufinden.

In der Unterführung lag ein Herr mittleren Alters auf dem Boden, schlafend und mit nasser Hose, neben ihm eine halbleere Wodkaflasche. Die Alkoholfahne drang Kate in die Nase und sie kämpfte mit einem innerem Ekel. Mit verwesenden Ghulen zu kämpfen war eine Sache, aber Alkoholiker konnten schon fast genauso abstoßend wirken. Das fand zumindest Kate und blickte kurz in Julians gleichgültiges Gesicht auf. Sie begann sich zu fragen, wohin sie gingen, jedoch wurde sie abrupt in ihren Überlegungen unterbrochen.

Drei Männer, jeder von ihnen breit wie ein Schrank, standen vor ihnen. Der Trunkenbold lag kaum hinter den beiden, da versperrten diese Männer ihnen den Weg. Einer hatte kurze, graue Haare und dazu kleine finster blickende, graue Augen. Er trug eine ausgewaschene Jeans und eine schwarze Lederjacke, dass er der klischeehafteste Diskothektürsteher sein konnte.

Der Mittlere hatte langes zu einem Pferdeschwanz zusammengebundenes braunes Haar und trug ähnliche Kleidung wie der andere.

Der dritte Mann rechts daneben war ein typischer Obermacker. Einige tiefe Narben zierten seinen unförmig großen Kopf, dieser war völlig kahl geschoren und glänzte im trüben Licht. Er trug sportlich wirkende Bekleidung und auf seinen schmalen Lippen lag ein hinterhältiges Grinsen. Wie aus heiterem Himmel hielt dieser eine Schusswaffe in der Rechten.

Kate blickte erschrocken in den Pistolenlauf und begann augenblicklich zu zittern. Sollte das etwa ein Überfall werden?

Der Türstehertyp trat einen Schritt näher und verschränkte kühn die Arme vor der Brust. „Ey lass das Mädchen runter du dreckiger Blutsauger!“, seine tiefe Stimme war angsteinflößend.

Julian rührte sich nicht. Sein Gesicht verriet nichts.

„Hast du was auf den Ohren? Lass sie verdammt noch mal runter, oder willst du sie zu deiner Vampirella machen?“, sprach der mit der Pistole in der Hand und zielte bedrohlich auf Julians Kopf.

Kate sah ängstlich zu Julian, dieser sprach ihr in Gedanken zu, dass sie Ruhe bewahren solle.

„Wer seid ihr?“, seine melodiöse Stimme hallte im Untergrund wider.

Der Langhaarige spuckte auf den Boden und gab eine Antwort. „Wir sind Mitglieder der AVA und wir hassen solch abartige Kreaturen. Diese widerliche weiße Haut, diese monströsen Zähne und vor allem schleppst du ein armes Mädchen herum. Wie verabscheuungswürdig kann ein Wesen nur sein?“

Mit hasserfüllten Blick sah er dem Vampir in die Augen und wurde von dessen enormer Macht ergriffen. Die Magie fuhr wie ein Schwert in die tiefsten Winkel seiner Seele. Erst blieb er starr stehen, unfähig sich dem Bann zu befreien, den der direkte Blick in die Vampiraugen erzeugte, schließlich wand er sich schmerzerfüllt zusammen. In seinem Innerem tobte ein Krieg, er sah die schrecklichsten Bilder, die sich sein Verstand ausmalen konnte. Kreischend krümmte er sich am Boden und verfiel in Hyperventilation. Die Farbe war aus seinem Gesicht gewichen und sein Atem ging so heftig, dass ihm die Lunge schmerzte. Dann floss ihm das Blut aus dem Mund er spukte es auf den Boden.

Der Türstehertyp sah erschrocken zu seinem Kollegen herab. „Verflucht! Wie hat er das gemacht?“, seine Stimme war leicht cholerisch.

Der andere rief laut. „Niemals in die Augen sehn! Wie oft soll ich das noch sagen? Verdammt noch mal, dieser blutige Anfänger!“

Der gemeinte wand sich vor Schmerzen am Boden und hustete Blut. Er wollte etwas erwidern, schaffte es jedoch nicht.

Julian setzte Kate wortlos neben sich ab, hielt ihre linke Hand. Der nasskalte Steinboden war eisig, vor allem, da sie keine Schuhe trug. Mit Unsicherheit in ihrem Blick krampfte sie ihre Hände zusammen. Ihr Blick fixierte die Pistole.

Dann geschah es wie aus heiterem Himmel! Ein ohrenbetäubender Schuss durchbohrte die finstere Nacht. Dunkles Blut quoll aus Julians linker Brusthälfte und tönte das weiße Hemd in einem kräftigen Rot. Er stöhnte auf, versuchte jedoch so ruhig wie möglich zu wirken.

„Julian!“, Kate klammerte sich an ihn und wollte sich schützend vor ihn stellen, doch er schubste sie beiseite und flog geraderecht auf den Angreifer zu. Seine unmenschliche Geschwindigkeit war irrsinnig für menschliche Augen. Noch bevor Kate auf ihrem Hintern landete, hatte Julian dem Mann schon die Pistole aus der Hand gerissen und hielt sie ihm drohend an den kahlen Schädel.

Kate lag auf dem verdrecktem Boden, direkt neben ihr röchelte der Alkoholiker, der durch den Tumult wach geworden war. Seine Flasche kippte um und rollte auf sie zu und vergoss dabei noch schön den alkoholischen Inhalt.

Als die Luft von saurem Urin, stechend riechendem Alkohol und Blutgeruch erfüllt war, war die Szene perfekt. Zwei weitere Männer standen hinter Kate und wieder fielen Schüsse. Julians Oberkörper war nun von mehr als einem halben Dutzend Schüssen getroffen, doch die Vampirhasser hatten noch nicht genug. Der Mann, der die Pistole von Julian am Kopf hatte, wimmerte leise und untypisch für seine sonst so aufsässige Art. Dann zerrte ein fremder Mann Kate auf die Beine und hielt sie im Schwitzkasten gefangen. Keuchend wand sie sich, hatte jedoch keine Chance sich zu befreien. Dann hielt ein anderer Mann neben ihr eine Firestar an ihre Stirn. Er entsicherte die kompakte Pistole kickend.

„Entweder du knallst unseren Kameraden ab, oder wir knallen deine kleine Schlampe ab, du Dreckssack!“, anscheinend ging es diesem Mann nicht sehr um das Wohlergehen einer Sterblichen. Ihm war es sogar sehr bewusst, dass ein paar Unschuldige sterben mussten, wenn man das Ziel alle Vampire auszurotten, erreichen wollte.

Kate schluckte hart einen Kloß im Hals hinunter, wie oft musste ihr Herz in dieser Nacht noch vor Todesangst beben?

Wieder tauchten zwei Männer auf, diesmal von der Seite aus, wo Julian stand. Somit waren Kate und Julian von allen Seiten umstellt. Die neu Dazugekommenen Männer sahen auf den Hyperventilierenden herab.

Ein großgewachsener Mann mit Büstenhaarschnitt und braunem Mantel hatte eine Zigarette in dem Mund. Er nahm die glühende Kippe und warf sie auf den AVA-Neuling. Dann stemmte er einen Fuß auf dessen Brust und zückte ebenfalls eine Pistole aus der inneren Manteltasche. Diese war schwarz und hatte einen Schalldämpfer.

„Scheint so, als seiest du nichts weiter als Dreck. Ebenso wie die wandelnden Leichen. So jemand wie du verdient es nicht ein vollwertiges AVA-Mitglied zu sein...“, seine eiserne Stimme war entschlossen.

Der Angesprochene hustete. „B...bitte nicht. Ich werde...Sie nicht wieder enttäuschen.“

„Oh ja, dafür werde ich schon sorgen.“, der Boss grinste und gab einen Schuss ab. Blut quoll aus dem Kopf und so war er zumindest von den physischen und psychischen Schmerzen befreit.

Kate schrie erschrocken auf, als sie den Erschossenen anstarrte. Diese Radikalen waren sogar bereit ihre eigenen Anhänger niederzustrecken!

„So und jetzt kümmern wir uns um dich Freundchen.“, sagte der Anführer und steckte sich eine weitere Zigarette an. Als er die Waffe auf Julian gerichtet hatte, sprach er mit Glimmstängel im Mund weiter. „Wir sind schon seit fast zwei Kilometern hinter dir her, es wir langsam Zeit, ich werde ungeduldig.“

Also war es genauso, wie Julian es vermutet hatte. Diese Typen hatten nur auf die Gelegenheit gewartet ihnen aufzulauern und in einen Hinterhalt zu locken. Doch es traf ihn relativ unvorbereitet, da er unkonzentriert gewesen war. Es war doch schließlich dieses hübsche Ding, dass ihm so den Verstand geraubt hatte...

„Also...gib auf und lass ihn los. Wir werden dich und deinen Imbiss sowieso ermorden, auch wenn es etwas schade um die Süße ist.“, er lachte. „Du kannst es dir schon etwas leichter machen, in Anbetracht, dass wir eh in der Überzahl sind.“, die Asche der Zigarette fiel glühend auf den Körper der Leiche unter ihm, auf der er immer noch mit einem Bein stand.

Julian lies sich nicht beeindrucken. In seinen Augen funkelte Intelligenz und er wusste, dass er mit Sicherheit aus dieser Sache rauskäme. „Wetten ich kann ihn erschießen und sie retten, noch bevor ihr abdrücken könnt?“

Die Pistole des Anführers war auf Julian gerichtet, eine andere auf Kates Stirn. Das war ein Spiel, wie russisch Roulette. Entweder Leben oder Tod.

„Top die Wette gilt.“, und die Waffe an Kates Stirn klickte. Ihre Augen weiteten sich, dass sie viel Weiß zeigten. Sie schrie wie ein gehetztes Tier und wurde von einer anderen Gewalt niedergerissen. Danach wurde sie wie ein kleines Fischerboot in Seenot von einer gewaltigen Naturgewalt niedergerissen, fiel erneut zu Boden und vor ihren Augen zuckten leuchtende Funken.

Sie begriff nicht, dass Julian den Kahlkopf erschossen hatte, sodass eine mächtige Blutfontäne aus seiner Stirne drang, weil eine Hauptader getroffen wurde. Der Schuss des Bosses ging ins Leere. Anschließend noch bevor man es hätte realisieren können, war Julian auf die anderen Männer gesprungen. Ein lautes Knacken lies die Schreie eines Mannes verstummen, dem das Genick gebrochen wurde.

Als Kate ihre Sinne wiedererlangte sah sie, dass ein Mann mit zielsicheren Schüssen Julian in die Brust traf, jedoch lies sich der Vampir nicht davon abbringen näher zu kommen und tat mit ihm das selbige wie mit dem vorhergehendem. Kates Körper verkrampfte völlig unter dem Anblick von weißen Knochen, die aus dem Halsbereich des Mannes herausragten. Sein Gesicht war im Tode schmerzverzerrt er hielt die Waffe noch in den schlaffen Händen.

Der rauchende Typ schoss derweilen immer noch auf Julian, bis sein Magazin leer war. Fluchend suchte er in seinen Taschen ein neues, fand aber keines.

Julian stand auf, sein blutüberströmter Körper wurde wieder makellos, da die Wunden heilten, als ob kleine Insekten unter seiner Haut krabbeln würden und alles wieder zusammensetzten, so wie es vorher schon war. Diese eigenartige Wellenbewegung seiner Haut war so faszinierend, dass Kate trotz all des Blutes keine Abscheu gegen ihn entwickeln konnte. Der perfekte Körper war surreal, so schön konnte niemand sein, sagte ihr Verstand, doch sie hatte mit eigenen Augen gesehen, dass die Regenerationskräfte des Vampir ihre Vorstellungen weit übertrafen.

Was hatte sie schon aus Büchern und Filmen über Vampire erfahren? Doch es mit eigenen Augen zu sehen, wie ein Meistervampir seinen Körper regenerierte war etwas völlig anderes.

So gebannt wie sie war entging ihr der letzte, wagemutige AVA-Anhänger, der in seiner Rechten eine Mini-Uzi hielt. Also eine kompakte Maschinenpistole, die er auch bereit war anzuwenden. Sein Anführer hatte die Flucht ergriffen, als er bemerkte, dass die Situation brenzlig für ihn werden könnte. Doch der mit der Uzi in der Hand war er alles andere als ängstlich.

„Damit wirst du niemals durchkommen und wenn ich dir eine gehörige Ladung Blei in deinen beschissenen Körper pumpen muss!“.

Mit diesen Worten begann das Feuerwerk und Julians Brust bebete unter den unaufhörlichen Einschüssen. Seine Augen wurden trüb, richtig ausdruckslos und seine Lippen formten sich zu einem kaltem Lächeln.

„Stirb du Hurensohn!“, brüllte der Fanatiker in seinem Blutrausch und genoss das Getöse der Maschinenpistole.

Kates Entsetzen war mehr als offensichtlich, als sie Julians leblos wirkende Gesichtszüge sah. Er stand zwar immer noch aufrecht, aber solch eine Ladung war selbst für einen Meistervampir eine gehörige Herausforderung.

„Nicht! Julian, bitte nicht!“, flehte sie, hielt sich dennoch von dem Feuersturm entfernt. Salzige Tränen rannen ihre Wangen hinab, sie kroch am Boden etwas näher an ihn heran, war sich jedoch sicher, dass er diese Attacke nicht überstehen würde.

Nach einer Weile endete der Kugelhagel und Julian fiel vornüber auf den Boden. Der Angreifer hielt mit einem Siegerlächeln die schwere Waffe auf der Schulter gestützt.

Das Mädchen kroch zu Julian, fasste seinen regungslosen Körper mit flehenden Gesten und stammelte seinen Namen in einem fort. Der Braunhaarige rührte sich nicht und die Blutlache unter ihm breitete sich aus. Gleichgültig derer klammerte sich Kate weinend an ihn. Sie drehte ihn auf den Rücken, sah in sein bleiches Gesicht und seine ach so schönen Augen waren verschlossen. Seine Brust war durchlöchert wie ein Schweizer Käse und war ein einziger Fleischklumpen aus dem das Blut sickerte.

„Julian...“, keuchte sie. „..Ich brauche dich doch...“, flüsterte sie und presste ihr Gesicht an seine kalte Wange.

Sie vernahm das Gelächter des Mannes. „Dreck zu Dreck.“, dabei deutete er zu dem regungslos erstarrten Alkoholiker, der das Geschehen so erschrocken mitverfolgt hatte, dass er nicht wusste, wie ihm geschah. „Du kannst jetzt weglaufen, der Blutsauger wird dir nichts mehr antun, dafür habe ich gesorgt Kleines.“, der AVA-Anhänger hatte eine großkotzige Lache.

„Du verdammter...“, entwich bösartig ihrer Kehle. Sie sah missmutig zu ihm auf, ohne den Kopf von Julian zu heben.

Die kalten Züge seiner Haut waren unsagbar weich und sie presste ihre Wange an die seinigen und spürte die Sanftheit. Wieder tropften Tränen ihr Kinn hinab, diese flossen auch auf Julians Gesicht. Langsam hob sie ihren Kopf ein paar Zentimeter und lies ihre Lippen über seinen schweben. Sanft küsste sie seine zarten Lippen und hoffte, dass sie ihm einen Teil ihrer Lebensenergie übertragen könne. Erneut sprach sie seinen Namen und wimmerte leicht. Dann schloss sie die Augen und wünschte sich an seine Stelle. Wie so oft in dieser Nacht zerfraßen sie Schuldgefühle.

„Nein, du sollst nie an meiner Stelle enden.“, kaum hörbar bewegten sich die kalten Lippen des Vampirs zu den Worten, die sie aufschrecken ließen. Erstaunt und erleichtert blickte sie ungläubig in sein müdes Gesicht.

„Ich werde garantiert nicht sterben, solange du bei mir bist.“, keuchte er und sie sah, wie seine Wunden sich erneut schlossen. Eine zügige, knochenlose Bewegung führte Julian aus, er stand plötzlich und Kate blieb fassungslos am Boden sitzen.

Der Angreifer stand ihm mit heruntergeklappter Kinnlade gegenüber und ahnte, was ihm nun blühte. Hysterisch kreischend rannte er fort, ohne dass Julian auch nur eine Handbewegung ausführen musste. In makelloser Schönheit türmte der Vampir sich vor ihr auf, sie blickte in seine sanften Gesichtszüge und sah zum ersten Mal ein solch brilliantenschönes Lächeln.

„Komm, wir sollten uns beeilen, bevor die Sonne aufgeht.“, er reichte ihr die Hand und sie nahm sie wortlos an, dann hob er sie wieder auf seine Arme.

Das Mädchen drückte sich an seine blutbesudelte, jedoch makellos verheilte Brust und er schritt elegant gleitend über die Leichen hinweg.

Draußen sank der Schnee in großen Flocken zur Erde und hüllte alles in ein friedlich, weißes Paradies. Auf dem weißen Boden hinterlies Julian Blutspritzer, die bedrohlich hervorstachen. Sowie die beiden die Unterführung verlassen hatten und ihren Weg fortsetzten, konnte sie nicht anders als noch mal in sein Gesicht zu schauen. Innerlich hoffte sie, dass dieses Lächeln noch nicht erloschen war.

Tatsächlich.

Da war es noch.

Dieses wunderschöne Lächeln auf seinen weichen Lippen.

„Ach ja...“, setzte er leicht verlegen an. „Danke für den Kuss...“

Regeneration

So, wieder ein neues Kapitel fertig. ^^

Ich bin ganz froh darüber, ich habe mich aufs Wochenende gefreut, damit ich endlich weiterschreiben konnte.

Ich hatte die Woche einfach keine Zeit, wegen der Schule...

Naja, das Kapitel ist länger geworden als erwartet, lag wohl auch daran, dass ich mir nicht ganz sicher war, was als nächstes folgen sollte.

Jedenfalls wünsche ich euch wie immer viel Spaß beim Lesen.

Kommentare, Liebesbekundungen, oder Drohmails sind wie immer erwünscht XD
 

LG,

Mad-Ann

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Das brennendheiße Wasser floss ihr über den Kopf, die Haare klebten schwer im Gesicht, doch das Mädchen genoss die Wärme. Man konnte den heißen Wasserstrahl gerade noch auf der kalten Haut ertragen. Ihr Körper fühlte sich unendlich schwer an, die Haut war beinahe taub vor Kälte gewesen, also war es Kate mehr als Recht, dass Julian ihr angeboten hatte, dass sie die Dusche im Gästebad benutzen dürfte. Das Prickeln auf der Haut weckte ihre Lebensgeister und sie schloss die Augen, während die Wärme wieder in ihren Körper kehrte.

Stoisch lies sie die Gedanken schweifen. All das, was sie bisher erlebt hatte war vermutlich erst der Anfang. Wenn sie sich neuen Konfrontationen mit bösartigen Wesen stellen müsste, dann so nahm sie es sich vor, müsste sie stärker werden. Die Zeiten in denen sie wie ein kleines Mädchen von anderen beschützt wurde, mussten bald eine Wendung erreichen. Wenn sie sich ständig auf Julians oder Daniels Hilfe verlassen würde, wäre es unumgänglich, dass denen etwas zustößt. Das wollte sie nicht. Auf keinen Fall wollte sie nochmals miterleben, dass einer wichtigen Person in ihrem Leben, etwas Schreckliches angetan wird. Sorgenvolle Gedanken zogen vorbei und Kate ahnte, dass Julian sie vermutlich abhören konnte. Doch es war gleichgültig. Denn es war die Wahrheit. Sie wollte erwachsen werden und sich nicht immer auf andere verlassen.

Sie schaltete die Brause ab, blieb noch eine Weile in der Dusche stehen. Glänzende Wasserperlen tropften ihren nackten Körper hinab.

Der Anblick seines leblos wirkenden Körpers haftete in ihrem Gedächtnis. Sie hatte wirklich gebangt, dass er sterben könnte. Nur schwer konnte sie es glauben, dass sie um einen Vampir getrauert hätte. Quälend dachte sie an seine kalten Lippen. Auch wenn es eigentlich nur ein flüchtiger Lippenkontakt gewesen war, so musste sie entsetzt feststellen, wie sehr sie ihn begehrte. Seine maskulinen Gesichtskonturen, seine unbeschreiblich betörende Aura. Alles an ihn lies sie innerlich verrückt werden.

„Reiß dich zusammen.“, zwang sie sich selbst und ballte die Hände zu Fäusten.

Warmer Dampf strömte aus der Dusche, als sie heraustrat und sich das Gästehandtuch krallte. Sie wickelte es um ihren Körper, dass es erst mal nicht verrutschen konnte und trat an den geräumigen Waschtisch. Der Spiegel war groß und darüber waren moderne Lampen angebracht.

Angesichts des fremden Mädchens im Spiegel erschrak sie. Irgendwie hatte Kate das bange Gefühl, dass sie nicht mehr die selbe war, wie noch vor wenigen Tagen. Hätte sie doch damals nie im Leben geglaubt, dass all dies hätte geschehen können. Aber erst recht nicht, dass der vermutlich älteste Vampir der Region sich für sie interessierte...

Sie sah sich im stilbewussten Gästebad um. Alles war hell und freundlich, stilvolle Formen an jeder Ecke. Es war geradezu das Bad aus einer reichen Designerwohnung. Wenn dies nur das Gästebad sein sollte, wie umwerfend müssten dann die restlichen Zimmer sein?

Allgemein war Julians Appartement sehr modern eingerichtet, zumindest soweit sie es gesehen hatte, als sie es betreten hatte. Dies hatte sie überhaupt nicht erwartet. Ihrer Meinung nach hätte Julian in einer alten, unheimlichen Villa mit Spinnen und Fledermäusen leben müssen. Umso erstaunter war sie allerdings, als sie seine riesige Wohnung in einem wohlhabenden Stadtteil sah. Es lag in der obersten Etage eines schicken und wohl auch verdammt teueren Wohnhauses. Vom zwanzigsten Stockwerk aus, hatte man eine wundervolle Aussicht auf den darunter liegenden Park und dahinter türmten sich viele Wolkenkratzer auf, welche die Nacht zum Funkeln brachten. Die vielen Lichter waren eine Pracht, vor allem bei dem sanften Schneefall.

Ein zögerliches Klopfen an der Tür war zu Hören.

„Ja?“, fragte Kate, als sie sich gerade die Haare rubbelte.

„Ich hab dir was zum Anziehen mitgebracht.“, eine zögerliche Frauenstimme ertönte. Es war Esther. Julian hatte sie hierher exerziert, damit sie Kate etwas Wärmendes zum Anziehen brachte.

„Oh einen Moment.“, meinte Kate und schloss die Tür auf. Als sie einen Spalt weit auf war, reichte die Schwarzhaarige ihr ein Bündel Klamotten.

„Ich hoffe sie passen dir, aber ich denke schon.“

„Vielen Dank. Das ist sehr nett von dir.“, entgegnete sie und nahm die Kleidung an sich.

Daraufhin schloss sie die Tür wieder und sah sich die Sachen erst mal an. Es gab eine schicke, schwarze Bluse mit hochwertiger Spitze an den Ärmeln und am Kragen. Dazu gab es noch eine schwarze Weste aus mattglänzendem Polyester, die sie anscheinend darüber anziehen sollte. Es hatte einen V-Ausschnitt und machte einen gescheiten Eindruck zusammen mit der Weste. Außerdem lag ein knielanger, schwarzer Rock dabei. Er war unten etwas weiter geschnitten und hatte gleichfarbige Rüschen am Saumrand. Dazu sollte eine wärmende, schwarze Baumwollstrumpfhose getragen werden.

Kate zog sich an und fand sich damit sehr schick. Es hatte etwas düsteres, war jedoch sehr bequem und passte wie maßgeschneidert. Noch dazu hatte Kate erstaunt festgestellt, dass allesamt von einer renommierten Designermarke war.

Esther hatte sogar an Schuhe gedacht. Es waren weiß-schwarze Ankle-Boots mit leicht erhöhtem Absatz. Es war also noch möglich damit bequem zu laufen, aber übers Rennen wollte Kate erst mal lieber nicht nachdenken. Sie schlüpfte in die Schuhe hinein, um zu sehen ob sie passen würden. Sie taten es. Schließlich hatte Julian sie nach ihrer Schuhgröße gefragt, bevor er Esther angerufen hatte.

„Ob sie wohl die gleiche Schuhgröße hat?“, murmelte Kate fragend.

Danach sah sie sich die restlichen Sachen an. Ein knielanger, schwarzer Wollmantel mit dekorativen, großen, roten Knöpfen. Sogar ein roter Schal und Handschuhe waren dabei. Esther hatte wirklich an alles gedacht, dass man sich wünschen konnte.

Kate zog sich die Schuhe wieder aus und stellte sie auf Mantel, Handschuhe und Schal, womit sie dann das Badezimmer verließ. Die Aufmachung war ungewohnt. Sehr extravagant und erwachsen.

Das riesige Wohnzimmer war ebenso sehr modern und elegant eingerichtet. Eine schwarze Ledercoach und zwei Sessel auf weißem Teppichboden, mittig stand ein glänzender Glastisch und überall verteilt wundervolle Kunstgegenstände. Geschmackvolle und stilbewusste Innenarchitektur schien Julian etwas zu bedeuten. Also lernte sie doch noch etwas mehr über ihn kennen. Die bodenlangen Fenster waren mit silbernglänzenden Vorhängen blickdicht zugezogen. Deckenfluter in zwei Ecken des Raumes sorgten für Beleuchtung.

Julian lag auf der Coach, die Beine elegant übereinandergeschlagen, einen Arm im Nacken haltend und er blickte gedankenverloren zur Decke hinauf. Er hatte sich ebenfalls gewaschen und umgezogen. Nun trug er eine blutrote Weste zu einem langärmligen, schwarzem Hemd. Seine Hose war aus schwarzem Leder und wirkte sehr attraktiv. Kates Augenpaar fixierte ihn und sie war sehr fasziniert. Sie blickte auf seine noch etwas nassen braunen Haare und kämpfte damit, möglichst nicht Rotzuwerden.

Dann richtete der Vampir sein Augenmerk auf die Sterbliche und bedachte sie mit einem kühlen Lächeln. „Das steht dir wirklich gut.“

Nun war es doch so weit. Ein Strom glühend heißen Blutes stieg ihr ins Gesicht und färbte ihre Wangen. „Ähm...nun...danke schön.“, völlig beklemmt wanderte ihr Blick hinunter auf den weißen Teppich.

Elegant gleitende Schritte von Stilettos näherten sich aus einem Nebenzimmer. Esthers seidig glänzende Haare schwangen reizvoll bei der Bewegung. Ihr roter Lippenstift wirkte grell zur schneeweißen Haut. Ein Lächeln schwang ihrem Blick mit.

„Wunderbar, es passt dir, wie ich sehe.“, sie faltete die Hände ineinander und musterte Kate, die immer noch unsicher hinabsah.

„Nochmals vielen Dank. Es sind wirklich sehr schöne Sachen, sie sehen so verdammt teuer aus. Ich verspreche dir, sie dir zurückzugeben, sobald ich mir zu Hause etwas anderes anziehen konnte...“, versprach sie, doch Esther winkte ab.

„Diese alten Sachen? Mach dich nicht lächerlich, mir passten sie eh nicht mehr und ich habe sowieso viel zu viel, da kannst du sie gern behalten.“, Esther lachte und hielt sich die Hand vor den Mund.

„Ach ehrlich?“

„Ja ja, sei nicht so schüchtern, Kate. Sieh es als kleines Geschenk. Wir Frauen müssen schließlich zusammenhalten und hübsch aussehen.“ Esther zwang sich zu einer eleganten Pose und so sah Kate auf und musterte ihr Outfit. Sie trug einen schmal geschnittenen weinroten Rock aus hochglänzendem Satin, der ihr bis zum Knöchel reichte, dazu eine glänzende schwarze Nylonstrumpfhose und hochhackige Schuhe. Ihr Oberteil war schwarz und korsagenähnlich geschnitten, dazu trug sie eine ebenfalls weinrote Bluse, im selben Farbton, wie der Rock. Ihre Haare waren offen und umspielten ihre schlaksige Figur.

„Wo bist du denn hingegangen?“, fragte Kate, die bemerkte, dass dieses Outfit zu extraordinär für den Alltag sein konnte.

„Ich bin eine Escort-Dame.“, entgegnete diese und blickte charmant.

Völlig baff starrte das Mädchen Esther erst mal eine Weile an.

„Ja richtig.“, Ester fuhr sich durchs Haar und machte es sich in dem Sessel bequem. „Ich verabrede mich mit Männern, gehe mit ihnen aus und danach in ein Hotelzimmer, um mit ihnen Spaß zu haben.“ Sie sprach, als sei es der normalste Beruf den es gab.

„Machst du es um des Geldes Willen?“, fragte Kate schließlich, als sie sich gefangen hatte.

Nach einer kurzen Schweigepause antwortete die Vampirin. „Anfangs ja, aber jetzt macht es mir Spaß. Ich möchte kein feste Beziehung, daher kommt mir dies sehr gelegen. Ich kann mir die schönsten Designer-Klamotten kaufen, fühle mich nicht billig wie eine Prostituierte und kann dennoch meinen Spaß haben.“

Kate schluckte leise. „Verstehe.“ In Gedanken wurde ihr klar, dass Esther wohl gerade eben bei solch einem Treffen mit einem fremdem Mann gewesen sein musste.

„Die Nacht zieht ihre Bahnen und der Tag bricht bald heran. Ich denke, wir alle haben uns alle etwas Schlaf verdient.“, meinte Julian und richtete sich im Sofa so auf, dass er nun saß.

„Kate besonders.“, behauptete Esther grinsend. „Ich muss wohl oder übel auch hier übernachten, ich schaffe es nicht mehr bis in meine Wohnung, bevor die Sonne aufgeht. Es macht dir doch nichts aus, oder Julian?“

„Nein, allerdings hatte ich mir gewünscht, dass Kathy und ich mal etwas unter uns sein könnten.“, er lächelte sinnierend.

Kate überkam wieder eine Welle der Resignation.

„War nur ein Witz, keine Scheu.“, Julian lachte amüsiert und stand auf. „Komm ich zeige dir, wo du schlafen kannst.“

Er glitt nahezu schwebend über den weichen Teppich. Kate folgte ihm mit dem Kleiderbündel in den Armen. Esther blieb sitzend im Wohnzimmer zurück, ohne zu den beiden zurückzublicken.

Die beiden traten ein in ein fliederfarbenes Zimmer. Auch hier war es finster, die Rollladen waren blickdicht heruntergelassen, dass kein Licht hineinfallen konnte. In der Mitte des Raumes stand ein breites, gemütliches Bett mit flauschigen Kissen, die darauf lagen. Die Decke hatte einen hübschen violetten Farbton. Es gab noch einen antiken, dunklen Mahagonischrank im Zimmer. Auch hier gab es einige Kunstgegenstände, ebenso ein schönes Landschaftsgemälde an der Wand.

„Mach es dir gemütlich und fühl dich ganz wie zu Hause. Schlaf dich schön aus, damit du morgen Abend fit bist.“, sprach der große Vampir an ihrer Seite.

„Das werde ich bestimmt! Ich bin todmüde.“, gähnte Kate und lies sich auf der weichen Federkernmatratze nieder.

Mit einer eleganten Geste verlies Julian das Gästeschlafzimmer und lies die Tür ins Schloss fallen.

Seufzend lies sich das Mädchen rücklings auf das Bett fallen und holte tief Luft. Irgendwie war es so angenehm endlich wieder frisch gewaschen und wohlbehütet in einem Bett zu liegen.

Dann erhob sie sich jedoch und ging ans Fenster. Ruckartig zog sie die Jalousie hoch und Lichtstrahlen fielen ins Zimmer. Am Horizont, da wo der Himmel die Wolkenkratzer küsste, ging die Sonne auf. Die schneebehangenen Wolken hingen in Fetzen am purpurnen Himmel. Es war schon seltsam, dann Schlafen zu gehen, wenn andere Menschen gerade dabei waren aufzustehen. Bevor sie noch weitere Gedanken darüber verschwendete zog sie sich bis auf die Unterwäsche aus und legte sich ins Bett. Die Bettdecke zog sie sich bis über den Kopf und fiel in einen komatösen, traumlosen Schlaf.
 

„Aufwachen Prinzessin.“, hallte es melodisch durch ihren Kopf. Blinzelnd regte sich Kate unter der Bettdecke und sah aus kleinen Augen in Julians bildschönes Gesicht.

„Du hast den ganzen Tag verschlafen...“, lächelnd strich er ihr über die Wange.

Erschrocken riss sie die Augen auf. „Was im Ernst?!“

Ein Blick nach draußen genügte. Die Lichter der Hochhäuser brannten und wieder fiel vereinzelt Schnee am nächtlichem Himmel.

„Verdammt...du hast Recht!“, säuselte sie, richtete sich auf, sodass die Bettdecke herunterrutschte. Erschrocken erinnerte sie sich daran, dass sie beim Schlafen nur ihre Unterwäsche trug und nun bot sich für Julian ein gerader Blick auf ihren BH. Mit glutrotem Kopf zog sie sich die Decke bis an die Nasenspitze.

Julian war wie immer total höflich und hatte sein smartestes Lächeln aufgesetzt. Zumindest lies er sich nichts anmerken...

„Ich habe Esther gebeten etwas zu kochen, bevor sie gegangen ist. Es steht in der Küche. Ich schätze...nein eher, ich weiß, dass du Hunger hast.“, ohne ein weiteres Wort erhob er sich und schritt hinaus.

Kates Magen knurrte schmerzend. „Ich bin wirklich am Verhungern.“, flüsterte Kate zu sich und stand auf. Eilig zog sie sich die Klamotten an und bewegte sich durch das riesige Appartement. Die moderne Küche enthielt viel blankpolierten Chrom, dennoch sah Kate auf den ersten Blick, dass diese Küche eher selten zum Kochen verwendet wurde. Wozu auch? Es war eine Vampirwohnung. Vampire brauchten normalerweise kein richtiges Essen.

Auf dem gläsernem Küchentisch stand eine Portion Penne mit roter Soße, daneben stand ein leeres Glas und eine Flasche Mineralwasser.

„Ich weiß, dass es nicht gerade die Vorstellung von einem menschlichen Frühstück ist, aber das war so ziemlich alles, dass Esther aus den Zutaten, die hier sind kochen konnte.“, säuselte Julian entschuldigend, während Kate Platz nahm.

„Egal...ich bin momentan nicht sehr wählerisch.“

Sie begann die Penne mit der Gabel aufzuspießen und verschlang diese dann. Der Geschmack war angenehm, besonders die herbe Tomatensoße hatte es ihr angetan.

„Wohin ist sie denn gegangen?“, fragte sie schließlich und goss sich Wasser ins Glas.

„Nun, zu ihrem Erschaffer. Er heißt Vinzenz, ich bin mir nicht sicher, ob du schon seine Bekanntschaft gemacht hast.“, entgegnete Julian in Gedanken versunken. Er saß am anderen Ende des Tisches und hatte die Hände ineinander gefaltet.

Kate verschluckte sich und trank viel zu hastig ihr Glas aus.

„V...Vinzenz?!“, brabbelte sie.

Nicken.

„A...aber der Typ ist doch einer von Jeanne-Claires Schoßhündchen!“

„Das mag sein.“, seufzte Julian. „Aber Esther ist so ziemlich die Einzige im hiesigen Bezirk, die sich ihrem Vater und der Führerin entgegenstellt. Ich bin froh, dass sie sich mit mir verbündet hat.“

„Hat sie denn gar keine Angst?“, wieder spießte Kate die Pasta auf. „Ich meine Jeanne-Claire hasst dich doch...“

„Natürlich. Jedoch weiß Vinzenz und auch Jeanne-Claire dass es nichts bringen würde ihr etwas anzutun. Sie würden es nur mit mir zutun bekommen...“ Julian sah mit düsteren Augen hinab und dachte nach.

Kate kam der Gedanke von vergangener Nacht in den Sinn. Allen Anschein nach, war Julian wohl wirklich eine Bedrohung für die anderen Vampire.

„Sie hatte etwas erwähnt...“, Kate überlegte. „Etwas von einem Rat, glaube ich...“

Julian hob den Kopf und sah Kate direkt an. „Der Ältestenrat.“, korrigierte er.

„Ähm ja...was genau hat das zu bedeuten?“, fragte sie interessiert.

„Nun ja, der Ältestenrat ist eine Allianz der ältesten Vampire der Welt. Es gibt sieben Mitglieder, sie kommen alle aus verschiedenen Ländern.“

Kate hörte neugierig zu, sah zu Julian und gab ihm zu verstehen, dass er fortfahren sollte.

„Der Rat ist zuständig dafür, dass die Vampirschutzgesetze eingehalten werden können. Sie verfassten eine Reihe von Verboten und Geboten, an die sich die zivilisierten Vampire halten sollten.“, er begann leise zu lachen. „Aber das ist lächerlich. Es gibt keine zivilisierten Vampire. Ich lebe schon lange genug, um zu wissen, wie viel die meisten Vampire darüber denken.“, er stand auf und zog die Vorhänge auf. Mit dem Rücken zu ihr sprach er weiter. „Es ist unter anderem Verboten, dass der Meister der Stadt von einem anderem Vampir angegriffen wird, ohne dass der Rat von dem Duell erfährt.“

„Julian?“, unterbrach sie ihn. „Wenn die ältesten Vampire in diesem Rat sind und Jeanne-Claire jünger ist als du, warum bist du kein Meister der Stadt oder ein Ratsmitglied?“

Gedankenversunken sah er aus dem bodenlangem Fenster. Nach einer langen Pause antwortete er schließlich. „Ich habe abgelehnt.“

„Wieso?“, fragte sie automatisch. Doch der Vampir blieb regungslos und stumm vor dem Fenster stehen. Anscheinend hatte er nicht beabsichtigt Kate noch mehr davon zu erzählen. Warum war es nur so schwer etwas mehr von ihm zu erfahren?
 

Nach einer geraumen Zeit hatte der Teller seinen Weg in die Geschirrspülmaschine gefunden und Kate knöpfte sich den Mantel zu. Julian ging bereits vor und betätigte die Taste vom Aufzug. Mit einem „ding“, öffneten sich die Fahrstuhltüren und die beiden gingen hinein. Während der Fahrt abwärts verlor keiner der beiden ein Wort. Dann führte Julian das Mädchen durch das wohlhabende Foyer hinaus. Draußen wirbelte der Wind die Schneeflocken umher, die Straße war recht voll. Es war etwa Neun Uhr abends und somit ging wieder einmal eiliges Gedränge der Großstadt. Julian bot ihr seine behandschuhte Hand. Sie nahm sie wortlos an und fühlte sich mit ihm wie eines der Paare, die am Abend zu einem Konzert, oder einer Oper aufbrachen. Irgendwie breitete sich ein mulmiges Gefühl in ihrer Magengrube auf, so wie es nach außen hin schien, mussten die beiden wohl wirklich wie ein Traumpaar wirken.

„Wohin gehen wir?“, fragte Kate vorsichtig, während sich die beiden durch das Menschengedränge kämpften.

„Ich muss noch schnell in mein Lokal. Es geht um paar geschäftliche Angelegenheiten. Du kannst solange in meinem Büro warten, ich hoffe es wird nicht allzu lang dauern.“, erklärte er sachlich und pfiff ein Taxi herbei. Sie stiegen ein und wieder herrschte betretenes Schweigen. Die leuchtenden Fassaden huschten an den Scheiben vorbei und Kate beobachtete, wie sie sich unweigerlich auf das Vampirviertel zu bewegten. Ironischerweise war dies der Ort allen Übels.

Kalte Luft zog vorüber, als sie ausstiegen und sich zum Eingang des Striplokals bewegten. Eine Horde junger Männer und weniger Frauen tummelten sich gesprächig und artig in einer Reihe. Der Türsteher kontrollierte Ausweise von jungen Erwachsenen. Als der kräftig gebaute Mann seinen Vorgesetzten sah, grüßte er in demütig und gewährte ihm Platz, um ins Innere zu gelangen. Kate war nicht entgangen, dass der Mann ebenfalls ein Vampir war.

Im Inneren herrschte erregtes Getümmel, zu lauter Musik tanzten nur spärlich bekleidete Vampirdamen an Stangen. Männer tranken an ihren Tischen die farbenprächtigsten Cocktails und eine Alkoholfahne konnte man im Saal riechen.

Julian berührte Kate sanft am Rücken und geleitete sie durch die Menge zu einer Tür auf der „Nur für Befugte“ stand. Dahinter lag ein schmaler Flur und einige Türen zu anderen Räumen. Am Ende des Ganges lag sein Büro und er bat sie hinein. Ein Bonzensessel an einem massiven Schreibtisch, viele vollgestopfte Bücherregale und eine dunkle Holztäfelung an den Wänden. Der Raum wirkte ziemlich überfüllt.

„Ich lasse selten jemand in mein Büro, daher ist es so unaufgeräumt.“, hektisch schob Julian einige Mappen und Akten auf dem Schreibtisch umher, stapelte sie schließlich zu einem Stapel. „Bleib bitte hier. Ich muss einige Sachen klären, wahrscheinlich wird es etwas Zeit beanspruchen. Deswegen mach es dir derweilen gemütlich.“

Das Mädchen setzte sich in den bequemen Ledersessel und beobachtete, wie sich Julian den Kragen seines Hemdes richtete, nachdem er sich aus seinem Mantel geschält hatte. Kaum als das er den Raum verlassen hatte, herrschte Stille. Nur der Pendel einer antiken Standuhr erzeugte kontinuierliche Geräusche.

Es war langweilig.

Stinklangweilig.

Kate starrte die Uhr an. Eine Viertelstunde hatte sich dahingezogen. Die Minuten verstrichen so gut wie gar nicht, erst recht nicht, wenn man den Minutenzeiger fixierte.

„Was treibt er bloß?“, säuselte sie angeödet und lief im kleinem Raum hin und her.

Dann vernahm sie ein dumpfes Geräusch. Erschrocken blieb sie stehen und lauschte in die Stille. Gleich darauf war es wieder zu hören. Ein ersticktes Poltern, das allem Anschein nach von der Seitengasse kam. Ihre Hand ruhte auf der Türklinke. Natürlich hatte Julian gemeint, dass sie hier bleiben sollte. Aber erstens war es langweilig und zweitens konnte nichts verwerfliches dabei sein, wenn sie kurz zur Tür hinauspickte.

Der Flur war einsam. Da erspähte sie einen Notausgang, der wohl in die vermutete Gasse führte. Vorsichtig schob sie den Türriegel hinab und drückte die metallne Tür nach außen. Die dreckige Gasse war düster und es standen große Müllcontainer rum. Sie starrte ins Dunkel und erkannte einige Meter entfernt etwas, das sich bewegte. Langsam schlich sie einige Schritte hinaus, sie war sich durchaus bewusst, wie leichtsinnig ihr Verhalten war, jedoch zwang eine innere Instanz sie dazu nachzuschauen. Hinter ihr fiel die Tür ins Schloss und erschrocken stellte sie fest, dass diese sich nur von innen öffnen lies.

Ein leises Fluchen entwich ihr, dann wand sie sich wieder der Gestalt zu. Achtsam ging sie näher heran und hoffte, dass man sie nicht bemerken würde. Als ein matter Lichtschein eines entfernt vorbeifahrenden Autos die Gasse erhellte, verschlug es Kate beinahe den Atem! Entsetzt starrte sie nach vorn und erkannte, was sich da gerade vor ihr befand...

Alte Freunde

So und diesmal ein längeres Kapitel in dem viel passieren wird - Trommelwirbel bitte! ^^

Also ich saß jetzt echt lange daran und hoffe, es ist gut gelungen XD

Ich freue mich schon tierisch auf die nächsten Kapitel. Langsam wird es interessant...

Der Anfang von diesem Kapitel ist mehr oder weniger Nhaundar zu verdanken, weil sie mich dazu brachte mir Ginger Snaps anzusehen :3

Dieses Kapitel widme ich also Nhaundar, meiner lieben Art_of_Kaska, weil sie mich ständig motiviert ^^ (bzw. anstachelt weiterzuschreiben xD) und zusätzlich den ganzen Schwarzlesern, die mir nie Kommentare schreiben, mich aber gefavt haben XD

So, dann viel Spaß beim Lesen.

Schreib mir fleißig euer Feedback *sich tierisch über Kommis freut*!^^
 

LG,

eure Mad-Ann

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Jemand schrie gellend auf.

Die schäbigen Wände waren blutbespritzt und die markerschütternden Schreite verstummten mit nur einem kräftigem Hieb. Das Geräusch von zerreißendem Stoff und darunter liegendem Fleisch war zu hören. Jemand fiel dumpf zu Boden und Knochen brachen knirschend.

Die monströse Schattengestalt warf den Kopf in den Nacken und heulte auf. Schwarzglänzende Krallen trieben sich in das Fleisch der leblosen Person. Die Haut des Wesens warf Falten auf, als sich die Muskeln darunter verschoben und formten. Die Knochen zerbrachen und wuchsen wieder zusammen und dort wo eben noch Haut gewesen war, wallte nun schwarzes Fell wie Wasser auf. Dolchartige Zähne wuchsen aus dem Maul und schmerzerfüllt schrie die Bestie auf. Das Aufheulen war viel zu tief für menschliche Kehlen.

Ein Lichtstrahl eines Autos flutete die menschenleere Gasse und weiß blitzten die spitzen Zähne auf. Das Gesicht wies teilweise noch menschliche Züge auf, doch in den stechend gelben Augen war schon längst nichts menschliches mehr zu sehen.

Regungslos stand die Braunhaarige in unmittelbarer Nähe, zu erschrocken um überhaupt zu reagieren. Unter ihren Füßen breitete sich eine Blutlache aus, während das Geschöpf mit erschöpften Schreien sich gegen die Transformation sträubte. Die Stoffe seiner Kleidung rissen auseinander und auf dem nacktem Rücken verformten sich die einzelnen Wirbel. Erneut schrie er auf und krümmte sich vor Schmerzen. Doch das Tier in der Gestalt gewann die Oberhand und es war zu spät.

Sie schrie.

Durch einen heftigen Stoß hatte der Werwolf sie an die gegenüberliegenden Müllcontainer geschleudert. Mit einem Schlag entwich ihr alle Luft aus den Lungen, dass sie erst mal keuchend um Atem rang. Der Schmerz strahlte durch ihren gesamten Körper und vor ihren Augen zuckten Feuerfunken. Sie keuchte und stand trotz aller Schmerzen auf, doch bereute es sofort wieder. Ihre Gelenke knackten und der Rücken sandte einen brennenden Schmerz aus. Wankend hielt sie sich an dem verschmutztem Container fest, der Gestank von verwesendem Abfall kroch ihr in die Nase.

Knurrend sah der Gestaltwandler in ihre Richtung und hatte seine wölfische Form schon fast vollständig erreicht. Hungrig sah er Kate an und fletschte seine übergroßen Zähne.

Ein Anschwall von Macht traf das Mädchen wie ein Schlag, sie spürte die tierische Gier. Kate sah wie mit seinen Augen zerreißendes Fleisch, Blut und spürte dieselbe Begierde wie er. Sie sank krächzend auf den Boden und hielt sich mit den Armen den Kopf.

Warum? Warum sehe ich das nur?, fragte sie sich gedanklich und spürte eine unerklärliche Verbindung mit dem riesigem Wolf. Seine Aura durchfloss sie, ihr Verstand spielte ihr Trugbilder von dunklen Wäldern vor. Sie sah sich mit anderen Wölfen fressen, sah wie ihre Zähne sich ins Fleisch schlugen. Erneut schrie sie entsetzlich auf und krallte die Fingernägel in die Kopfhaut.

Der Wolf heulte auf und biss die Bauchdecke der Frau auf. Augenblicklich riss Kate die Augen auf, ohne je gemerkt zu haben, dass sie sie geschlossen hatte. Wie gebannt sah sie zu, wie die noch warmen Eingeweide aus der Frau quollen. Der Geruch von Blut, Fleisch und anderem durchzog die nach Müll stinkende Gasse.

Wartend sah das Ungeheuer zu dem Mädchen.

Es war eine Einladung.

Mit starrem Blick sah Kate auf die Leiche vor ihr. Die Gedanken und Gefühle des Lykantrophen drangen in sie ein, sie wusste, was er von ihr verlangte. Das Schlimme jedoch war, dass ihr Verstand nicht mehr zwischen Realität und Wahnsinn unterscheiden konnte. Langsam kroch sie auf allen Vieren zu dem Wolf, spürte wie das kühle Blut am Boden ihre bleichen Hände tünchte. Der rostige, metallische Geruch des Blutes schwängerte die Luft und sie war im Begriff den Kopf zu der Blutlache unter ihr zu senken.

Dann kreischte sie erneut auf.

Schockiert wurde sie sich ihrem Körper wieder bewusst. Sie kauerte am Boden, das Gesicht war blutgetränkt und vor ihr starrten sie diese mächtigen, gelben Augen an.

War es wirklich möglich, dass ein Werwolf solch eine magische Aura hatte, ganz so wie ein Meistervampir?

Kreischend wand sie sich am Boden von dem Geschehen weg, während der Wolf sein Opfer mit gierigen Bissen fraß. Er riss große Stücke Fleisch heraus und schlang sie erbarmungslos hinunter.

„Nein!“, ächzte Kate. „Verdammt hör auf damit!!“, brüllte sie ihn an und zerrte wie irre an ihren Haaren.

Ein lautes Knurren kam als Antwort und das Tier schleuderte die Leiche an die Wand. Seine riesigen Krallen zogen Furchen in den eisigkalten Boden. Mit langsamen Schritten kam er ihr näher und witterte sie. Begierig sog er ihren Geruch ein, kam ihr dabei immer näher und näher.

Kate kroch rückwärts und hielt den Blick auf den Wolf geheftet.

„Verschwinde!“, schrie sie auf und spürte die Wand hinter ihr.

Doch das Tier wollte sie nicht fressen.

Nein.

Es hatte ganz andere Pläne mit ihr.

Angespannt hielt er seinen gewaltigen Kopf nur wenige Zentimeter von ihr entfernt.

Das Mädchen hielt den Atem an und starrte in seine Augen. Ihr Puls hämmerte ihr in der Kehle.

Dann geschah es wieder, der Wahnsinn durchfuhr sie und fröstelnd wandte sie sich unter dem großem Wolfskörper.

Die animalischen Signale der Werwolfaura brachten sie dazu, dass sie ihr Gesicht in das Fell des Wolfes eintauchte und seinen Geruch wahrnahm. Sie schrak zusammen, als das Tier sie mit einer Pranke zu Boden presste. Sein Maul strich ihr über die empfindliche Haut am Hals. Ihre Haut bebte glühend darunter.

Plötzlich hämmerte der pulsierende Schmerz in ihr, lautlose Schreie entwichen ihrer Kehle. Desillusioniert ballte sie die Hände zu Fäusten und schlug so heftig sie konnte in das Wolfsgesicht. Kratzte mit den Fingernägeln in seine Augen, sodass er sie aus Reflex jaulend von sich weg warf.

Das Mädchen rollte auf den Bauch und zitternd versuchte sie wieder aufzustehen. Neben sich fand sie einige metallische Mülleimer und sie zögerte nicht diese auf den Wolf umzustoßen. Klirrend trafen sie ihn und er wich erschrocken zurück.

Kate nutzte die Gelegenheit und zwang sich hustend loszurennen. Die Lichter der Straße schienen meilenweit entfernt zu sein, denn das Biest heulte hinter ihr schon wieder auf. Es waren nur Sekunden, doch ihr kam der Weg wie Stunden vor.

Schreiend trat sie in das Licht der Straßenlaternen und Leuchtreklamen. Rings um sie herum erschraken Menschen und Vampire. Achtlos rannte sie auf die hektische Straße direkt vor ein Auto, das gerade noch rechtzeitig abbremsen konnte.

Das aufgebrachte Hupen ignorierte sie und schluchzend raste sie weiter bis zur gegenüberliegenden Straßenseite, just in diesem Moment sprang der Werwolf aus der Gasse und die Leute schrieen auf. Überall wütete die Panik beim Anblick des großen, grauschwarzen Wolfes.

Seine wütenden Augen strahlten Raserei aus. Er wollte sein Opfer nicht entkommen lassen, rannte auf die Straße und wurde von einem PKW erfasst. Jaulend flog er über die Frontscheibe durch die Luft, brach sich beim Aufprall einige Knochen. Heulend blieb er mitten auf der Straße liegen und die Leute starrten fassungslos auf das Bild, das sich ihnen bot.

Stöhnend sah Kate nur gerade aus, ihr entgangen die erschrockenen Blicke der Fußgänger. Es musste ein entsetzliches Bild sein, denn die Passanten wichen dem blutbesudeltem Mädchen schreiend aus. Atemlos und ohne einen Blick auf den Verkehr rannte sie über die rote Ampel einer Kreuzung.

Es war ein Sekundenbruchteil, nur einen Augenblick lang sah sie noch die Scheinwerfer auf sich zukommen.

Dann war es schon zu spät.

Wie in Zeitlupe drehte sich tonlos die Welt um sie herum. Schwerelos flog der junge Körper durch die Luft. Das Einzige Geräusch was sie wahrnahm, war ihr eigener Herzschlag.

Sie spürte nicht wie sie auf der anderen Seite des Autos auf dem nasskaltem Asphalt aufschlug. Vor ihren Augen wurde alles trüb. Geräuschlos sah sie, wie die Farben der Neonlichter verschwammen.

Die Augen nahmen nur noch die unklaren Umrisse von Schattengestalten war. Eilig bewegten sie sich um sie herum, starrten sie mit durchdringenden Blicken an. Schockiert und doch sensationsgeil.

Von ihrem Körper war nichts zu spüren.

Sie spürte nichts.

Garnichts.
 

„Verflucht tu doch was!“, schrie die Blondhaarige.

Der Angesprochene schlug die Wagentür hinter sich zu und eilte herbei, zwängte sich durch die gaffende Menge.

„Sie stirbt!“, rief sie und zerrte an seinem braunem Sakko.

„Dazu wird es nicht kommen.“, beharrte er, zog sich den Sakko aus und krempelte die langen Hemdärmel hoch, um sein weißes Hemd nicht schmutzig zu machen.

„Was bist du denn auch so schnell gefahren. Ausgerechnet jetzt wo wir es eilig haben, rast du wie ein Bekloppter!“, schimpfte sie und schob sich durch die Menschenmenge.

„Ich kann nichts dafür, sie ist einfach auf die Straße gerannt! Wir hatten schließlich grün.“

Der großgewachsene Mann kratzte sich nervös an seinem bartbewachsenem Kinn.

„Verschwindet hier, ich kann ihr helfen!“, murrte er grimmig und schubste die Menschen beiseite. Er drückte einer fremden Frau sein Sakko mit den Worten „Halt mal“ in die Hände und bückte sich über das blutbesudelte Mädchen.

Auch seine Begleiterin hatte sich endlich bis zu ihr durchgekämpft und die Vorwürfe setzten sich fort.

„Sieh nur, was deine Raserei uns eingebracht hat. Wir werden unseren Termin aufschieben lassen müssen, weil uns ein Menschenkind wegstirbt! Und das wo unser Flug doch bereits Verspätung gehabt hatte.“, sie zupfte ihr langes, cremefarbenes Kleid zurecht und ging vor der Verletzten in die Hocke.

„Willst du mir jetzt die ganze Zeit Vorwürfe machen? Wir haben hier weit größere Probleme, da wird unser Termin eben warten müssen!“, brummte er und warf ihr einen bösen Blick zu.

Die Blondine gab schließlich nach. „Dann rette das Mädchen.“, entgegnete sie kleinlaut.

Der Mann lies sich das nicht zweimal sagen und hob die großen Hände über den Kopf des Mädchens. Sie begannen türkis zu glühen und Irrlichter tanzten auf der blutverschmierten Haut. Behutsam lies er seine Hände abwärts gleiten nur wenige Zentimeter über dem Oberkörper schwebend. Über der Brust tanzten nun auch grünbläuliche Lichter und das Mädchen begann zu husten.

Aus Kates Mund floss Blut, dass sich begonnen hatte in ihren Lungen auszubreiten. Sie keuchte, riss schmerzerfüllt die Augen auf. Die Pupillen waren starr geradeaus gerichtet, doch alles drehte sich so schnell um sie, dass sie eigentlich nichts erkennen konnte.

Die Blondine hob das Kinn des Mädchens ein Stück nach oben, sodass der Atemweg frei war und der Hals gestreckt wurde. Der bittere Geschmack des Blutes brachte Kate zum Würgen.

Die Frau legte sanft ihre kalten Fingerspitzen auf ihre Stirn und massierte die Schläfen. Dabei flossen gelbglühende Wellen um ihre Finger.

„Sie hat eine Gehirnerschütterung und vermutlich einige Hirnblutungen.“, meinte sie sachlich und begann mit ihren magiedurchflossenen Fingern nun andere Bereiche des Kopfes zu massieren. Die Blondine sah neutral blickend in Kates starre Pupillen.

„Kümmere du dich um den Kopf, ich muss ihre Organe aufrecht erhalten. Es gibt starke innere Verletzungen und ein paar gebrochene Rippen. Aber ich denke es lässt sich machen.“, seine Hände bewegten sich allmählich zu Kates Bauch.

Er hatte schon öfters Menschen mit seinen Kräften geheilt, jedoch hing das Überleben größtenteils vom Gehirn ab. Im Schlimmsten Falle käme es zu irreparablen Hirnschäden, da das Blut sich zwischen dem knöchernen Schädel und dem Gehirn ausbreitet und dabei Blutgefäße bestimmter Hirnareale abdrückt. Wenn dies nicht rechtzeitig behandelt wird, ist die Blut und Sauerstoffzufuhr behindert und die Nervenzellen könnten absterben.

Die Passanten bildeten einen Kreis um die drei, einige Menschen fürchteten die seltene Begabung der beiden Vampire. Gewiss gab es nicht viele, die ihre Energie zum Heilen einsetzen konnten.

Kate hustete weiter, bis sich das Blut zunehmend mit Speichel gemischt hatte und schließlich kein Blut mehr aus ihrem Mund quoll. Dann schrie sie auf, da sie sich der unerträglichen Kopfschmerzen bewusst wurde. Es fühlte sich so an, als würde ihr Kopf in einem Nussknacker zusammengedrückt werden. Die markerfüllten Schreie brachten das Vampirviertel in Aufruhr und immer mehr Neugierige und Schaulustige versammelten sich auf der Straße. Menschen stiegen aus ihren Autos, um zu sehen was da los war.

„Hey hör mir zu, ja?.“, begann die Blondine schließlich auf Kate einredend. „Du bist gar nicht hier, das ist nur ein Traum. Also schließ die Augen und schlaf weiter, dann wirst du aufwachen und alles ist gut!“ Tatsächlich war es so, dass ihre glockenhelle Stimme in Kate einen Trancezustand auslöste. Ihre Lider fielen schwer hinab und sie spürte, wie ihr Körper von Wärme durchzogen wurde. Warme Wogen durchflossen sie und das Hämmern in ihrem Schädel wurde leiser, bis es schließlich komplett verstummte.

Schreiend wachte sie auf und lag mit dem Kopf auf dem Schoß der hübschen Vampirin. Sie sah aus ihren kleinen dunklen Augen auf Kate hinab und lächelte leicht. Die Braunhaarige schreckte auf und erhob ihren Oberkörper, dass sie schließlich saß. Mit bebenden Atemzügen sah sie die Meute von Leuten um sie herum, die sie alle aus ihren verdutzten Gesichtern heraus angafften.

„Na toll, diese Flecken krieg ich nie wieder raus.“, meckerte die Blondine und sah große Blutsflecken auf ihrem hellem Kleid.

„Krieg dich mal wieder ein. Hast du sonst keine Probleme?“, mit verschränkten Armen stand der Vampir auf, denn er hatte ebenfalls zur genüge Flecken auf seinem weißem Hemd abbekommen.

„Was ist...“, setzte Kate an, schloss den Mund jedoch wieder und blickte sich unsicher um.

Aufgebrachtes Tuscheln ging durch die Menge, gebannt sahen sie, wie Kates Verletzungen verheilt waren. Durch diese Menschenmenge kämpfte sich erneut jemand hindurch, er schob sich durch die ungewollten Zuschauer hindurch und erreichte schließlich den Mittelpunkt des Geschehens.

„Kate...“, hauchte Julian atemlos. Zuerst bot sich ihm das Bild, dass seine Kate, sein verletzliches Menschenkind, blutüberströmt auf der Straße lag. Als Nächstes fiel ihm auf, wer ihre Retter gewesen waren.

„Lange nicht gesehen, Julian.“, das Grinsen breitete sich in den Zügen der Frau aus. Ihre spitzen Zähne funkelten auf und das joviale Lächeln entging auch Kate nicht.

„July, du?“, raunte er fassungslos und seine Augen schweiften zu dem anderem Vampir.

Der Mann mit Bart hatte ordentlich nach hinten gekämmte silbern-schwarze Haare. Seine Augenbrauen waren ernst und die dunkelbraunen Augen blickten finster zu Julian. Die Mundwinkel waren herabgesunken, als er die Worte von July vernommen hatte.

Erschrocken starrte Julian den Gegenüber an. Seine Körperhaltung war entgegen der Gewohnheit angespannt.

„Das ausgerechnet du dich jetzt hier blicken lässt.“, begann der Mann und blickte gönnerhaft zu Julian.

„Maurice Greenwood...“, sprach Julian leise. „...auf diesen Moment hatte ich so lange gewartet...“ Den letzten Worten fügte er einen bitteren Unterton bei.

„Gleichfalls.“, antwortete der Angesprochene arrogant. „Ich habe mir schon sehr lange überlegt, was ich bei unserer Begegnung tun würde...“

„Maurice!“, wand July hektisch ein. “Untersteh dich. Nicht hier. Nicht jetzt!“

Knurrend sah Maurice Greenwood die Blonde an. Seine Haltung machte deutlich, dass er sich von ihr nichts sagen lassen wollte. Er war der Mann. Er lies sich gewiss nicht von einer Frau den Mund verbieten.

„Ich bitte dich.“, murmelte sie einfühlsam und sah zu Kate, die sich noch nicht sonderlich geregt hatte. Kate hatte genug Probleme ihren Körper unter Kontrolle zu kriegen, ihr Verstand spielte verrückt.

„Lass uns das ein anderes Mal klären...“, es war mehr ein Flüstern, doch der Vampir verstand und gab nach. Maurice wand sich um Gehen um und die Menschen bildeten eine schmale Gasse, damit er zu seinem Rolls Royce schreiten konnte. Beim nächsten Mal würde er nicht so schnell nachgeben, doch er wollte seine Beherrschung noch nicht verlieren.

Julian drehte sich zu Kate und beugte sich zu ihr hinab.

„Was tust du nur?“, fragte er liebevoll und strich ihr über die Stirn.

„J...Julian.“ Kates Augen wurden glasig, als sie den kummervollen Ausdruck in seinem Gesicht las.

Warum war er nur so verunsichert, als er die beiden Vampire gesehen hatte? Sie schienen sich auf jeden Fall zu kennen...

July hatte sich ebenfalls zu dem Wagen aufgemacht, mit eleganten Schritten ging sie ebenfalls und schenkte Julian einen tiefen Blick über die Schulter hinweg. Dieser sah ihr missmutig nach und half danach Kate beim Aufstehen.

„Was ist mit dem Wolf?!“, fragte sie heiser und klammerte sich an ihm fest.

Er schüttelte den Kopf. „Er wurde von mehreren Autos überrollt, ich bezweifle, dass er sich wieder regen wird.“

Langsam lichteten sich die Reihen und die Menschen gingen wieder ihren Tätigkeiten nach. Nach und nach stiegen die Autofahrer wieder in ihre PKW und fuhren um Kate und Julian herum, die bewegungslos am Fahrbahnrand standen.

„Ich will dich nicht verlieren.“, flüsterte Julian kaum hörbar, als er sie umarmt hielt.

Sie spürte seinen Körper ganz nah bei sich und wünschte, dass sie ewig in seinen Armen sein könnte.

Dann jedoch lies er sie doch los und führte sie zum Bürgersteig. Schweigend gingen sie nebeneinander her und sie blickte auf den Boden hinab.

Sollte sie etwas sagen? Sich entschuldigen? Für einen Moment hob sie den Kopf und sah in sein maskenhaftes Gesicht. Wie schaffte er es nur immer so gefühllos auszusehen, wo sie sich solche Sorgen machte? Vielleicht war Julian ja auch verärgert, dass sie einfach sein Büro verlassen hatte...

Verdammt, sag doch etwas!, zwang sie sich selbst in Gedanken.

„Julian...“, setzte sie an, doch genau dann ergriff der Vampir ihre Hand und zog sie über die Straße zu einem Park hin. Ahnungslos lief sie mit und sah zu dem weitläufigem Gelände. Dort angekommen spazierten sie durch die schneebedeckte Landschaft.

„Was wolltest du sagen?“, fragte er prosaisch.

Kate musste sich schnell etwas einfallen lassen, um ein Gespräch einzuleiten. „Und hast du deine Geschäftsangelegenheiten klären können?“

Schmunzelnd sah der Braunhaarige in ihr blasses Gesicht. Ihre Lippen waren noch blutgerötet und die rotbraune Substanz lies sie noch empfindlicher wirken.

„Es waren nur Nichtigkeiten.“, sprach er wispernd hob die Hände an ihr Gesicht und streichelte über ihre Wangen.

Kate merkte, dass er erneut die Konversation mied. Sie musste ihn irgendwie zum Reden bringen. Wenigstens, um seine betörend schöne Stimme zu hören.

„Wer waren denn diese Vampire?“, fragte sie anschließend.

Julian sah zum wolkenbehangenem, rötlichem Himmel hinauf. Es schneite ganz sanft.

„Mr. Greenwood und Juliette. Mrs. July ist von Maurice vor langer Zeit zu einem Vampir gemacht worden. Ich kenne die beiden schon sehr lange. Maurice und ich reisten einst gemeinsam durch Europa.“ Ermattet sah er an Kate vorbei.

„Ihr wart also befreundet, nicht?“, Kate sah nun ebenfalls in die Wolken.

Julian nickte.

„Aber es ist etwas passiert.“, riet sie.

„Das ist wahr.“, stimme er zu.

„Wir lernten uns in einer italienischen Provinz kennen, es war im 15. Jahrhundert. July nannte sich damals noch Guilietta und war eine der begehrtesten Frauen in der Ortschaft. Maurice stammte ebenso aus Italien, sein richtiger Vorname lautete Mauricius. Er war ein begnadeter Poet und Schriftsteller, doch durch sein theatralisches, melancholisches Wesen hatte er es nicht gerade leicht bei den Frauen.“, Julian seufzte und fuhr fort. „Ich war damals schon einer der älteren Vampire und er sah in mir eine Art Mentor. Er selbst war kaum ein Jahrhundert lang Vampir. Er glaubte, ich könnte ihm in Liebesdingen helfen. Nacht für Nacht sah er in Guiliettas Zimmer hinein und schwärmte mir die Ohren von ihr voll, aber traute sich nicht sie anzusprechen.“

„Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass dies eine wahre Geschichte ist.“, lächelte Kate. „Das ist alles so lange her...“

Julian blickte amüsiert und erzählte weiter, während sie nebeneinander durch den schneeweißen Park liefen.

„Bei ihrem fünfzehntem Geburtstag gab ihr Vater ein großes Fest. Er war adliger Lehnsherr und wollte eine reiche Feier für seine einzigste Tochter geben. Die Menschen strömten herbei, um den prächtigen Wuchs seiner Tochter zu bewundern. Nun, zur damaligen Zeit mussten die Mädchen schon früh verheiratet werden und so gestaltete sich die Feier zu einer Schau nach einem geeignetem Bräutigam. Natürlich bestand Mauricius darauf dorthin zu gehen und schleifte mich mit.

Während des Abends traute er sich jedoch nicht mit ihr ins Gespräch zu kommen. Ich ging also zu der Schönheit und bat sie darum mit meinem Freund zu plaudern. Doch es kam anders...“

„Sie hat sich in dich verliebt!“, brach aus Kate heraus.

Verdutzt starrte Julian das Mädchen an. „Woher wusstest du?“

Natürlich war es schon eine Kunst, wenn sich eine Frau nicht in diesen Vampir verguckte, aber Kate wollte dies nicht sagen.

„Weibliche Intuition.“, meinte sie nur.

„Du hast Recht. Wir tanzten zusammen und sie genoss meine Anwesenheit. Ganz zum Leidwesen meines Freundes. Er verlies wutentbrannt die Feier und sprach die Tage darauf kein Wort mehr mit mir.

In den adligen Kreisen der Provinz ging jedoch das Gerücht um, dass ich um Guiliettas Hand anhalten möge. Als er davon zu Hören bekam, schlich er sich nachts in ihr Zimmer und machte sie zu einer von uns. Denn wenn er sie zum Vampir macht, hätte er ebenso die Kontrolle über sie und würde sich sicher sein, dass sie ihm auf Ewig gehöre.“

„Das ist ja echt tragisch...“, entgegnete Kate mitfühlend.

„Nun ich liebte sie ja nicht, jedoch hatte Mauricius das angenommen. Daher sahen wir uns einige Jahrzehnte lang nicht wieder und ich verlies Italien und ging zum Bodensee. Unsere einstige Freundschaft geriet in Vergessenheit.

Dann verliebte mich in eine wundervolle junge Frau, sie war sehr gütig, schön und liebenswert. Jedoch kam es früher oder später zu einem schrecklichem Tag. Mauricius war mir gefolgt und tötete sie. Er sah es als Rache und als Gegenlohn dafür, dass ich ihn hintergangen hätte...“

Allein das Erzählen brachte in Julian längst vergessene, schmerzliche Erinnerungen zum Vorschein. Er biss die Lippen zusammen. Der Verlust ist selbst nach Jahrhunderten nicht verheilt und heute Nacht wäre um haaresbreite seine süße Kate gestorben.

Kate verstand. Sie wollte ihm nicht länger wehtun. Allein die Tatsache, dass er ihr dies alles erzählte, dass er ihr einen Einblick in sein Herz gab, war Zeichen dafür, wie sehr er sich davor fürchtete nun auch Kate zu verlieren. Sie beschloss, dass sie sich bei ihm entschuldigen müsse.

„Ich...ich wollte mich entschuldigen, dafür, dass ich nicht auf dich gehört habe.“, gestand sie und sah direkt in seine tiefblauen Augen.

Eine Weile blieb Julian verwundert vor ihr stehen, die Schneeflocken begannen sich in ihren langen Haaren zu verfangen. Lächelnd fuhr er ihr durchs Haar und vergrub eine Hand in dem weichem Schopf. Worauf sich anschließend sein Gesicht an ihres näherte und sich die Lippen zu einem Kuss berührten.

Verwundert riss Kate die Augen auf, die Hitze stieg ihr ins Gesicht und sie zwang sich die Augen zu schließen, während sie seine Nähe genoss. Sie spürte seine Lippen, seine Zunge und nahm den magischen Geruch seiner Haut wahr. Alles wonach sie sich heimlich gesehnt hatte, erfüllte sich in dem Moment indem er sie küsste.

Bleib bei mir.

Sei mein.

Die Worte hallten in atemloser Spannung durch ihren Kopf. Julians Aura drang in sie ein, sie spürte seelisch seine jahrhundertealte Magie, die sich in ihr ausbreitete. Ein Wind wehte, jedoch nicht physisch, sondern in ihrem Geist. Ihr Körper verlor den Halt, sie sank in die Knie, dabei huschten Bilder vor ihre geschlossenen Augen.

Lautlos sackte sie zu Boden und sah längst vergangene Erinnerungen.

Julians Erinnerungen...

Räuberjunge

Da bin ich mal wieder...^^

Diesmal wird es etwas historisch, ich muss sagen, es fiel mich nicht leicht.

Ich mag dieses Kapitel dennoch irgendwie.. =]

Ich hoffe, euch geht es beim Lesen genauso.^^
 

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Durch den dichten Laubwald zog ein heftiger, kalter Windstoß, das Rauschen der Bäume war unheimlich. Ein älterer Mann mit vergrauten, braunen Schopf saß auf einem recht störrischem Pferd, das einfach nicht mehr weiterlaufen wollte. Da half auch kein Fluchen oder Betteln. Mochte es nun daran liegen, dass der Herr zu ungeduldig war, oder an den ganzen Krimskrams, dass das arme Tier zusätzlich tragen sollte?

Zu den Seiten trug es allerlei Taschen und Beutel in denen die wunderlichsten Dinge verstaut waren. Seltene, herrlich duftende Kräuter, magisch anmutende Essenzen in kunstvollen Phiolen, oder klirrende, metallische Gegenstände, waren nur einige Beispiele. Es schien fast so, als sein ein gesamter Hausrat in diesen Taschen verstaut.

Der Händler stieg von seinem Pferd ab und lief mit ihm zu einer Eiche, um die Zügel an dem Baum festzubinden. Sein ältester Sohn tat es ihm gleich, da dieser ebenfalls bis gerade eben auf seinem braun-weiß geschecktem Pferd gesessen hatte.

Der Vater trug eine dicke Wolldecke mit sich, diese breitete er schließlich auf einer freien Stelle im Waldboden aus und setzte sich. Seine Gesichtszüge waren ernst und er wirkte sehr ermüdet von der schier ewigandauernden Reise.

Der Sohn, der vermutlich schon an die zwanzig Jahre alt war, lehnte sich an einem Baum und blickte forsch zu seinen beiden jüngeren Brüdern. Er trug seine langen, gelockten Haare offen und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Johann, Julian.“, rief er streng und folgsam eilten die jüngeren Geschwister herbei. „Hier in der Nähe gibt es einen Bach, geht und holt Vater etwas Wasser zu Trinken.“

Die beiden Jungen nickten und emsig holten die beiden Jungen jeweils ein Trinkgefäß und machten sich zu dem besagtem Bach auf. Der Bach war einen längeren Fußmarsch durch unwegsames Gelände entfernt und der weiche Waldboden machte das Auftreten nicht leicht. Schließlich erreichten die beiden den klar funkelnden Bach, indem auch einige winzige Kaulquappen schwammen. Die Jungen tauchten die Gefäße ins Wasser und spürten das kalte Wasser an ihren Händen. Als sie das Wasser schließlich hineingefüllt hatten, kehrten sie um und gingen ein Stück bergauf.

Grinsend hüpfte einer der beiden, der fünfzehnjährige Johann, über eine mächtige Wurzel und sein jüngerer Bruder wollte es ihm nachmachen, er stolperte jedoch ungeschickt und fiel hin, dabei schlug er sich sein Knie auf. Natürlich war auch das Wasser verschüttet und das Gefäß zerbrach klirrend, als es gegen einen Baum schleuderte.

„Aua, das tut weh!“, rief der Junge mit den schulterlangen, braunen Haaren.

„Du bist echt ein Tollpatsch, Julian.“, entgegnete daraufhin der Bruder.

Julian hielt sich das verwundete Knie, es blutete. Der Zwölfjährige versuchte sein Bein auszustrecken und lehnte sich mit dem Rücken an einen dicken, moosbewachsenen Baumstamm.

„Tu doch was!“, wimmerte er.

Johann fuhr sich nervös durch seine braunen Locken. „Ich hole wohl besser Vater. Er weiß, was da zu tun ist.“ Sofort rannte er den selben Weg zum Lagerplatz zurück und lies seinen Bruder allein zurück.

Jede Sekunde, in denen der Junge im finsteren Wald allein auf dem Boden saß, fühlte er sich schutzloser und beängstigter. Noch dazu begann allmählich die Dämmerung fortzuschreiten.

Zitternd riss er einen Stofffetzen von seiner Hose ab, um sich damit das Knie zu verbinden. Unsicher blickte er anschließend in die düsteren Baumkronen hinauf und fragte sich, warum sein Bruder so lange brauchte, um Hilfe zu holen.

Ihm dämmerte, wie garstig der Vater wohl sein würde, wenn er erfuhr, dass sein Jüngster schon wieder eine Verletzung davongetragen hatte und noch dazu ein Tongefäß kaputtgemacht hatte.

Immer wieder hielt ihm der strenge Vater vor, wie wehleidig Julian doch sei und dass er genauso zart und verletzlich wie seine verstorbene Mutter wäre. Seine Brüder waren im Vergleich zu Julian immer einen ganzen Tick mutiger und stärker gewesen. Er beneidete sie etwas, besonders weil Vater immer seinen ältesten Sohn lobte.

Der Vater war ein weitumhergekommener, jedoch ein älterer Wanderhändler, der von Ort zu Ort reiste, um dort seine Waren feilzubieten. Die beiden Pferde, die er besaß waren jedoch nur für ihn selbst und dem ältesten Bruder Lothar vorbestimmt. Die beiden Jüngeren konnten, so war die Ansicht des Vaters, ja zu Fuß gehen, da sie ja noch junge Beine hätten.

Natürlich liebte Julian seine Familie sehr und schätzte auch seinen alten Herrn, jedoch würde er alles dafür geben, um von dem Vater dieselbige Zuwendung zu bekommen, wie Lothar.

Seufzend saß er immer noch auf der nasskalten Erde, bis er das Wiehern von Pferden vernahm. Es war nicht fern, vermutlich kam es aus der Nähe des Rastplatzes.

Am Baum stützend rappelte sich der Junge auf und blickte durch den dämmrigen Wald. Die schwarzen Schatten der Bäume wirkten bedrohlich und er schrak auf, als er in der Nähe das Geräusch einer Eule wahrnahm. Er musste daran denken, dass es in den Wäldern schreckliche Ungeheuer geben musste. Jeder Schatten wirkte nun auf ihn so, als würde ein böser Wolf oder ein riesiger Bär im nächsten Gebüsch lauern.

„Bitte Johann, beeile dich...“, murmelte er ängstlich und der kalte Wind fegte durch die Blätter.

Als er zum zweiten Mal die Pferde hörte, verspürte er den Drang zu dem Rastlager zurückzugehen, ganz gleich wie sehr der Schmerz in seinem Knie pochte. Hauptsache er war wieder bei dem Vater, er würde ihn schon sicher vor all den unheimlichen Schattengespenstern beschützen, dachte er sich.

Langsam tat er Schritt für Schritt und blickte fortwährend in die Dunkelheit. Nach einer geraumen Zeit sah er, wie sich dunkle Gestalten zwischen den Bäumen bewegten.

„Vater bist du das?“, flüsterte er leise vor sich hin und spähte durch die Finsternis.

Als er näher gekommen war, sah er mindestens 5 Personen, doch diese waren gewiss nicht seine Familienahnangehörigen.

Julian huschte hinter einen Baumstamm und sah, dass jemand auf dem Boden lag. Es war sein Vater.

Erschrocken schrie er auf und erweckte somit die Aufmerksamkeit einer fremden Gestalt.

Julian sah, wie ein zwielichtiger Mann auf ihn zukam und er versuchte wegzulaufen, doch sein Knie bereitete ihm arge Schwierigkeiten.

„Lothar! Johann! Vater!!“, rief er in die Nacht hinein und humpelte durch den Wald. Doch der Fremde war viel schneller, packte den Jungen am Handgelenk und zerrte ihn zu sich.

„Auf die kannst du dich nicht verlassen, Kleiner!“, schallte es in seinen Ohren. Die tiefe Stimme des Räubers lies das Blut in seinen Adern gefrieren.

„Nein...Vater nicht...!“, stammelte er und zappelte, doch der Mann hielt ihn gekonnt fest.

Er wurde zurück zum Platz gezerrt und sah, wie sein Vater bewusstlos und blutüberströmt auf der Wolldecke lag. Seine Gesichtszüge wirkten beinahe so, als würde er nur schlafen und jeden Moment wieder aufwachen.

Julian entdeckte Lothar, wie er zu Boden herabgesunken an dem Baum lehnte und mit schmerzerfüllten Gesichtsausdruck sich eine Bauchwunde hielt. Das Blut floss ihm über die Hand und keuchend rief er zu Julian: „Verschwinde! Rette dich!“

„Bruder! Nein, halte durch!“, weinend versuchte sich Julian aus dem festen Griff des Mannes zu befreien. Doch er schaffte es nicht.

„Dich lass ich gewiss nicht abhauen, Bürschchen. Dein Bruder war schon schneller als du und hat seine Haut gerettet. Ist es fassbar, dass er dich hier allein zurückgelassen hat?“, lachte der Halunke.

Es waren einige andere Männer damit beschäftigt die Handelsgüter zu durchsuchen. Sie fanden vieles, dass ihnen von Nutzen sein konnten und lachten über ihren guten Raub.

Ein älterer Mann mit dichtem Bart fragte, was sie denn mit dem Jungen machen sollten.

„Behalten wir ihn und geben ihn unserem Anführer, vielleicht findet er ja Gefallen dem Knaben.“, lautete die Antwort eines anderen.

Somit band ein Gauner Julians Arme und Beine zusammen, dass er ja auch gar nicht daran denken konnte zu fliehen und setzte ihn auf den Rücken eines Pferdes. Der Mann setzte sich hinter Julian aufs Pferd und in tosendem Galopp ritt die Räuberbande durch den pechschwarzen Wald.

Es musste eine halbe Stunde gedauert haben, so genau konnte man die Zeitspanne nicht einschätzen, als die Pferde vor einer Hütte am Waldesrand hielten. Man lud das Räubergut von den Rössern ab und trug es ins Haus. Ein Mann mit langen, blonden Haaren, einem dunkelbraunem Umhang und heller Haut trat aus der Tür. Seine markanten, maskulinen Gesichtszüge ließen ihn mächtig aussehen. Vermutlich war er der Anführer der Räuber.

„Sieh nur Alexander. Wir haben einen großartigen Fang gemacht. Es war ein reisender Händler mit seinen Kindern, sieh nur was wir für Schätze erbeutet haben!“, froh verkündete einer die frohe Nachricht und zeigte die prall gefüllten Taschen.

Alexander nickte langsam und wand dann seine Augen auf den Jungen, der immer noch gefesselt auf dem Pferd saß.

Der Mann, der mit Julian geritten war, hob den Jungen nun vom Pferd und warf ihn zu Boden, sodass Julian mit dem Gesicht im Dreck direkt vor dem Anführer lag.

„Was soll das?“, fragte Alexander bissig und sah das Kind wie eine wertlose Sache an.

„Er ist ein junger Knabe, vielleicht könnt ihr ihn gebrauchen. Er könnte doch für euch arbeiten. Er hatte zwar noch einen etwas älteren Bruder von kräftigerem Wuchs, aber dieser ist uns leider entkommen...“, erklärte der Mann.

Julian hob das Kinn etwas an, dass er erkennen konnte, wie der Blondhaarige musternd auf ihn herabsah. Die leuchtend grünen Augen durchbohrten ihn förmlich.

Julians ganzer Körper tat ihm weh, da er zu Boden geworfen wurde. Allein die Tatsache, dass sein Vater und Lothar nicht überlebten und auch Johann nicht mehr für ihn da sein konnte, trieb ihm bittere Tränen in die Augen. Noch dazu zückte der Mann, der den Namen Alexander trug, einen spitzen, silbernglänzenden Dolch.

Jetzt ist es aus!, dachte sich der Junge und sprach in Gedanken sein letztes Gebet. Der Kerl würde ihn jetzt bestimmt umbringen, weil er ihn nicht einmal als Sklaven für seine Drecksarbeit gebrauchen wollte.

Der Dolch näherte sich ihm bedrohlich schnell und ein rascher Schnitt trennte die Seile zu seinen Füßen auf. Überrascht riss Julian die Augen auf und starrte zu seinen Erstaunen in die giftgrünen Augen des Mannes.

„Ich lebe noch!“, lispelte er erleichtert.

„Er dachte, ich würde ihn töten...“, lachte Alexander mit einem hämischen Lächeln im Gesicht. „Und jetzt steh auf.“, befahl er und Julian trat zitternd vor den großgewachsenen Mann. „Ich werde mir noch überlegen, was ich mit dir anstellen könnte.“

„Lassen Sie mich am Leben?“, fragte er argwöhnisch lieber noch einmal nach.

Überlegen blickte der Blondschopf in Julians kindlich, weiches Gesicht, dass von den Tränen gezeichnet war. Irgendwie hatte der Mann eine unheimliche Ausstrahlung. Die prüfenden Blicke seinerseits lösten in Julian ein großes Unbehagen aus. Was hatte der Fremde mit ihm vor? Würde er ihm wehtun wollen?

Alexander wand sich wieder einem seiner Männer zu. „Es scheint, als hättet ihr dieses eine Mal eine wirklich gute Arbeit geleistet. Ich schätze mal, dass ich den Knaben behalten werde.“

Zustimmend nickte der Mann und trug einige Taschen in die Hütte hinein.

„Warum reden Sie über mich, als sei ich nur ein Tier?“, fragte Julian schüchtern.

Die Miene des Mannes verfinsterte sich.

Ach, hätte ich nur nichts gesagt!, ärgerte sich Julian. Hoffentlich würde er seine Meinung nun nicht ändern und ihn doch noch umbringen.

„Jetzt hör mir mal zu. Du bist ein Nichts. Du solltest deinem Herrn im Himmel dafür dankbar sein, dass ich dein wertloses Leben verschone. Ich handle wie ich will und ich rede über dich, wie ich will. Niemand hat mir zu sagen, ob ich etwas zu tun, oder zu lassen habe!“, feurig drangen die brennenden Worte in Julians Verstand.

„Schafft ihn in den Stall und gebt ihm etwas zu essen, aber sorgt dafür, dass er nicht auf dumme Gedanken kommt!“, rief Alexander seinen Untergebenen zu und mit einem elegantem Schwung seines Umhanges verschwand er in dem Holzhaus.

Julian wurde zu den Ziegen in den Stall gebracht und man hatte ihn Fesseln aus schwerem Eisen an die Füße gebunden. Dafür entfernte man jedoch die Seile an seinen Handgelenken und später brachte man ihm etwas trockenes Brot und Brunnenwasser.

Der arme Junge fühlte sich wie ein Hund und sah verunsichert den Räubern nach, die alle in dem Haus verschwanden. In diesem Haus war es laut und es wurde viel gelacht, es schien eine einzige große Feier zu sein.

Der Braunhaarige sah zur Schotterstraße, die in den unheimlichen Wald hineinführte. Abhauen stand nicht zu Debatte, die Fesseln und sein verletztes Knie erschwerten die Flucht und allein der Gedanke an den unheilvollen Wald brachten ihn zum Schaudern.

Elendig sah er auf die Brotscheibe hinab und entschloss sich diese zu essen und hoffte, dass der nächste Tag ihm weniger Schmerz bereitete würde...
 

Während der nächsten Tage verblieb Julian die meiste Zeit in seiner Scheune bei den Ziegen. Er begann sich einsam zu fühlen und gab jeder der drei Ziegen einen Namen. Er sehnte sich nach Gesellschaft und begann in den Nächten vor dem Schlafengehen mit ihnen zu reden, als seien sie Menschen. Er sprach mit ihnen über seine Familie, die er schmerzlichst vermisste, doch je mehr er mit seinen tierischen Freunden darüber sprach, desto besser konnte er das Geschehnis verarbeiten.

Er fühlte sich sehr traurig, da niemand mit ihm sprach, denn natürlich konnten die Ziegen nicht antworten. Die Räuber gaben ihm immer wenn sie eine Mahlzeit eingenommen hatten einige Reste ab, die er gierig vor Hunger verschlang. Jedoch gesellte sich keiner zu ihm und wenn Julian einen Mann ansprach, so antwortete man ihm nicht.

In der ganzen Woche, die er in Einsamkeit verharrte, hatte er nicht gesehen, das Alexander das Haus verlassen hatte. Julian sah fortwährend zu dem Räuberversteck, sah wie die Männer ein und ausgingen, doch den Anführer bekam er nie zu Gesicht.

Julian begann sich zu fragen, ob der mysteriöse Räuberanführer ihn vergessen hatte. Oder sollte es die Bestrafung für seine zügellose Zunge sein, dass Alexander ihn nun völlig ignorierte?
 

In der zehnten Nacht wurde unsanft geweckt, er herrschte aufgeregtes Treiben, dass er sich aufrappelte und am Scheunentor stehen blieb, um zu sehen, was los war. Einige Bauern hatten herausgefunden, dass sich hier eine Räuberbande aufhielt und mit Fackeln und Heugabeln wollten sie gegen die vielen Räuber vorgehen. Leider hatten sie keine Chance, da die Bösen in der Überzahl waren und die wenigen Landleute unerschrocken bekämpften. Diese sahen in ihrer letzten Not nur noch die Möglichkeit ihre Fackeln auf das Haus zu werfen, dass natürlich kurze Zeit später lichterloh in Flammen stand. Das Feuer breitete sich rasend schnell aus und nun stürmte auch der Anführer aus dem Gebäude.

Die Schurken hatten die Bauern niedergeschlagen und sattelten ihre Pferde. Eilig suchten sie all das zusammen, dass sie noch mitnehmen konnten und die ersten ritten schon davon. Es waren nur noch wenige der Männer vor dem brennendem Haus anwesend, unter anderem auch Alexander, der sein Hab und Gut noch schnell auf sein Pferd packte.

Ob sie mich wohl vergessen?, fragte sich Julian und rieb sich die wundgewordene Haut unter den Fußfesseln. Plötzlich rannte der gutaussehende Alexander in seine Richtung. In seiner Hand hielt er einen Schlüssel und er bückte sich, um die Fesseln des Kindes zu lösen. Danach machte er kehrt und wollte zu seinem Schimmel zurückkehren.

„Lasst ihr mich zurück?“, fragte Julian furchtsam.

Alexander blieb mit dem Rücken zu ihm stehen. „Du bist frei. Ich lasse dich gehen.“

„Aber ich weiß nicht wohin ich gehen könnte. Ich habe nichts und niemanden mehr.“, Julian musste sich die Tränen verkneifen. Sein Bruder Johann war bestimmt nicht mehr am Leben, ob er es überhaupt alleine aus den Wald heraus geschafft hatte?

„Heißt das, dass es dir lieber wäre bei uns Gaunern und Dieben zu bleiben, als in Freiheit zu leben?“, misstrauisch hatte sich Alexander umgedreht und blickte missmutig zu dem Jungen.

„Ja bitte. Ich möchte nicht verhungern, oder von Wölfen gefressen werden.“, flehte er und die Tränen ließen sich nicht mehr unterdrücken.

„Na dann komm her.“, sagte er entgegenkommend und nahm den Jungen vor sich sitzend auf das weiße Pferd. Dann ritten sie im Galopp als letztes fort von der ehemaligen Bleibe.

Die Flammen waren noch sehr lange zu sehen. Selbst als die Bande den Wald durchquert und auf einem Berg waren, war in der Ferne noch das orangerote Glühen im Tal zu sehen.

Julian lehnte mit dem Rücken an Alexander, der ihn während des schnellen Ritts die ganze Zeit mit einem Arm festgehalten hatte, sodass er nicht vom Pferd fiel.

„Wie heißt du eigentlich?“, fragte er.

„Julian.“

Er nickte. „Du darfst mich ab sofort Alexander nennen.“, entgegnete dieser und folgte den anderen Räubern über den steinigen Gebirgspass.

Julian war irgendwie unendlich müde und schließlich schlief er ein. Alexander war vermutlich der seltsamste Mann, der ihm bisher untergekommen war und vermutlich war er Julians einzigste Rettung...
 

Nach einigen Monaten hatte Julian begonnen in dem blondem Schönling eine Art Vaterfigur zu sehen. Immer wenn die Bande der Räuber einen großen Raubzug vollzogen hatte, wurde dies mit reichlich Wein und Essen gefeiert. Alexander hatte begonnen Julian bei diesen Festen an seiner Seite zu dulden und gab dem Jungen nun auch immer etwas von dem gutem Essen ab. Wenn man es von dieser Seite aus betrachtete, hatte das Räuberleben auch einige Vorzüge.

Julian wuchs zu einem hübschen jungem Mann heran und lernte wie er sein Aussehen dafür ausnutzen konnte, um edlen Weibsbildern das Geld aus den Taschen zu ziehen. Alexander meinte eines Tages sogar, dass Julian einer seiner besten Schüler war, da er schnell die Prinzipien des Gaunern lernte.

Zu Julians Verwunderung verlies Alexander jedoch niemals den Unterschlupf, besonders nicht tagsüber. Dennoch war Julian gerne in seiner Nähe, auch wenn er sich fragte, warum Alexander sich nie zu verändern schien, wohingegen Julian immer reifer wurde.
 

Im Alter von fünfundzwanzig Jahren hätte man Julian für Alexanders Bruder halten können, denn beide glichen sich durch ihr makelloses Äußere. Alexander war seit Jahren um keinen Tag gealtert.

In einer lauen Sommernacht war Julian fest entschlossen, Alexander mal nach draußen zu bringen. Mit den besten Argumenten gelang es ihm schließlich, auch wenn der Blonde Julian nur wiederwillig mit nach draußen folgte. Die engen Gassen der Burg war es düster und der perfekte Ort, um ein paar Ahnungslose zu bestehlen.

„Warte hier und ich zeige dir, wie gut ich den Leuten ihre Habseeligkeiten stehlen kann.“, lachte Julian und ging zu einem Wanderhändler, der gerade dabei war, seinen Stand zu räumen.

Alexander wartete an einer Mauernecke und blickte zu seinem Schützling.

Julian schritt siegessicher zu dem Mann und entdeckte prompt einen silbernen Dolch in dessen Sortiment, der ungesichert und einsam auf einem kleinem Holztisch lag. Der Händler hatte sich umgedreht und packte Sachen in seine Beutel. Beinahe lautlos näherte sich Julian dem begehrtem Objekt und hatte es schon mit der Hand umschlossen, als sich der Händler umgedreht hatte. Erstaunt blickte der braungelockte Mann starr in Julians Gesicht. In diesem Moment wussten beide, dass sie die verloren geglaubten Brüder waren.

„Johann...“, blieb es Julian im Hals stecken. Erschrocken machte er kehrt und rannte gehetzt davon. Den schönen, silbernen Dolch hielt er fest in den Händen gekrallt und konnte das Gesicht seines Bruders nicht vergessen. Es war ohne Frage sein Bruder und er hatte ihn eben bestohlen!

„Was ist los?“, fragte Alexander erstaunt.

„Das war mein Bruder...lass uns sofort verschwinden.“, mit glasigen Augen starrte er in Alexanders erschrockenes Gesicht und war so traumatisiert, dass er sein Bewusstsein verlor.
 

Kate wachte erschrocken auf und spürte den kalten Schnee unter sich, auf dem sie lag. Julian lag dicht neben ihr und hatte den Oberkörper aufgerichtet.

„Verflucht! Wie hast du das gemacht?!“, schrie sie förmlich und wich von ihm zurück.

„Das war ich nicht!“, behauptete der Vampir verwundert.

„Das war so krank!“, sie stand auf und entfernte sich einige Schritte von ihm. „Ich erinnere mich nur noch daran, dass du mich geküsst hast und auf einmal ist da dieser völlig bizarre Film vor meinen Augen. Sag mir nicht, dass ich es nur geträumt habe! Was zum Teufel war das?“, hysterisch atmend versuchte sie ihre Gedanken zu sortieren.

„Das waren meine Erinnerungen. Ich habe es auch gesehen.“, Julian stand irritiert auf.

„Was? Aber wie hast du das angestellt?“, fragte sie erneut.

„Ich habe gar nichts gemacht. Das warst du.“, beharrte der Vampir entschlossen.

„Was...?“, sie zitterte. „Wie soll ich das angestellt haben?“, flüsterte sie sich kaum hörbar selbst zu.

„Ich weiß es nicht, mir ist so etwas noch nie passiert.“, erklärte Julian und setzte eine neutrale Miene auf.

Kate holte tief Luft und sah missmutig in seine blauleuchtenden Augen. Sie waren sehr viel heller als gewohnt, das übliche Mitternachtsblau war nahezu eisblau mit silbernen Sprenkeln.

„Dann war das also deine Vergangenheit?“, immer noch verdutzt über den wunderlichen Traum, hielt sie schüchtern die Hände ins Gesicht.

Der Vampir nickte.

„Das ist hart.“, meinte sie und schluckte. „Ich meine du bist wirklich unter solchen Zuständen aufgewachsen. Ich könnte mir das nie im Leben vorstellen.“

Julian antwortete nicht, doch Kate wusste, dass es ihm weh tat, sich an die Vergangenheit zu erinnern.

„Was ist aus ihm geworden? Aus diesem Alexander?“, fragte das Mädchen zögernd.

Julian sah zu dem wolkenverhangenem Himmel. „Er ist ein Vampir.“

„Hat er dich gebissen?“ Kate fragte ohne nachzudenken.

Julian sah direkt in ihre Augen und nickte schwerfällig.

„Das tut mir leid.“

Julian hob eine Braue. „Warum tut es dir leid?“

„Ich hätte gedacht, dass er dich mochte. Ich meine dem zufolge, dass er dich damals bei sich aufgenommen hatte...“

Julian schüttelte mit dem Kopf. Unsicher sah Kate ihn an und schwieg eine Weile.

„Lebt er noch?“, fragte sie schließlich.

Julian fuhr sich nachdenkend durchs Haar.

„Ja.“ Dann sah er weg. „Lassen wir diese Unterhaltung, das führt zu nichts...“

„Nein! Warum weichst du mir immer wieder aus? Ich möchte doch nur versuchen dich zu verstehen!“, protestierte Kate und kam ihm wieder näher, doch diesmal trat Julian einen Schritt zurück.

„Du bist noch jung. Du würdest es nicht verstehen.“, erklärte er ruhig und blickte etwas trübeselig drein.

Das Mädchen lies es dabei bewenden. Julian sprach nicht gern über vergangene Zeiten, damit musste sie sich abfinden. Aber dennoch hätte sie gern gewusst, warum er immer versuchte ihr etwas zu verheimlichen.

„Bitte verzeih mir. Ich wollte dich nicht nerven, ich bin nur so schrecklich verwirrt.“, stellte sie klar. „In letzter Zeit erlebe ich so viele Dinge, die ich nicht verstehe.“

Sie hob die Hände mit den Handflächen nach oben vor sich und fing einige flauschige Schneeflocken in den Handschuhen ein.

„Es ist nicht deine Schuld.“, wisperte Julian leise. „Es gibt nur Dinge, über die ich nicht gern sprechen möchte.“

Kate nickte.

Der bitterkalte Wind wehte einen Anschwall Schnee durch die Luft. Die schweren, rotschimmernden Wolken hingen tief am Himmel.

„Ich muss mal telefonieren.“, sagte sie nach einer Weile.

Ihr kam wieder die eigentliche Problematik in den Sinn. Jeanne-Claire. Sie musste irgendetwas gegen diese elende Gruftschlampe unternehmen. Die Anwesenheit eines Ratsmitgliedes war selbstverständlich auch kein Zufall...
 

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An dieser Stelle nur noch mal die Anmerkung, dass ich Alexander irgendwie toll finde *-* Ich habe bewusst ein paar Erinnerungslücken gelassen, offen für eure Fantasie...^^

Allerdings sage ich schon mal im Voraus, dass Alexander im ersten Teil nicht wieder auftauchen wird...tja... :3
 

Zeichnet doch was für meinen Wettbewerb...büdde Q.Q
 

LG eure Mad-Ann

Rivalität

Da bin ich wieder und langsam wird es ernst...^^

Naja..ich bin mir nicht so sicher, was ich von diesem Kapitel halten soll, aber ich machs gern spannend :D

Viel Spaß beim Lesen

LG, eure Mad-Ann
 

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Eine reichliche Viertelstunde später befand sich Kate zusammen mit ihrem vampirischen Begleiter wieder in dessen vollgestopftem Arbeitszimmer. Unter einem Haufen Papier, mehreren Schichten Akten und Ordnern war schließlich das Telefon zu finden. Es war eines der älteren Modelle. Eines der sehr viel älteren Modelle. Es war glänzend schwarz, hatte eine geringelte Hörerschnur und unglücklicherweise eine vergoldete Drehscheibe zum Wählen, anstatt von Tasten. Der schwere, schwarze Hörer lag auf der Gabel und Kate kam es reichlich komisch vor, dass solch ein für sie antik wirkendes Telefon vor ihr auf dem Tisch stand. Im Zeitalter von Handys, die jeden erdenklichen Kram machen konnten, wie fotografieren, filmen, Musik spielen und anderem Schnickschnack-Zubehör, kam sie sich mit einem altertümlichen Modell mehr als überfordert vor. Leicht irritiert starrte sie auf das seltsame Objekt. Wie konnte es sein, dass Julians Wohnung so modern war und hier das genaue Gegenteil davon vorherrschte?

Kate griff nach dem Hörer und hielt es sich ans Ohr. Ein Piepton war zu hören, dann atmete sie tief aus und schloss die Augen.

Sie musste ihren Vater anrufen. Sie müsste es wirklich tun. Doch noch nie im Leben hatte sie ein solch mulmiges Gefühl dabei. Wie sollte sie ihm nur erklären, was in den letzten Tagen vorgefallen war?

Sie schnaubte und starrte auf die Ziffern, die mit schwarzer Schrift auf weißem Hintergrund geschrieben waren und von der goldenen Drehscheibe umrahmt wurden. Mit zittrigen Fingern drehte sie die Scheibe, um die gewünschte Nummer zu wählen.

Ruhig durchatmen!, sprach sie sich selbst in Gedanken Mut zu.

„Ich lasse dich wohl lieber allein.“, schlug Julian sanft lächelnd vor und trat aus dem Zimmer hinaus.

Die Braunhaarige starrte zur Tür und fröstelnd hörte sie, wie das Telefon piepte. Nach einer Weile klackerte es am anderen Ende der Leitung und ihr Vater Kevin nahm ab.

„Ja bitte?“, er klang etwas angekratzt, das merkte sie sogar, obwohl sie ihn nicht sehen konnte. Verdammt. Es war definitiv kein gutes Anzeichen für solch schwierige Diskussionen.

„Ich bin es, Kate.“

„Oh Kate! Du bist es! Du bist es wirklich!“, rief er erleichtert auf. „Wo bist du, wie geht es dir? Ist Kelly auch bei dir?“

Kate schloss nervös die Augen. Eins nach dem anderem. Er musste es erfahren. Sie holte tief Luft und sprach so ruhig sie konnte in den Hörer.

„Ich bin...in Sicherheit. Aber Kelly ist nicht hier.“

„Was ist passiert?“ Misstrauen kam in den Worten mit auf.

„Papa, es ist folgendermaßen: Kate und ich wir wurden entführt von Vampiren. Ich konnte gerade noch entkommen, aber Kelly...“, sie musste tief Luft holen, da ihr das Gesicht ihrer Schwester wieder schmerzlich in den Sinn kam. „...sie ist noch bei ihnen und wird es auch bleiben.“

„Was meinst du denn damit?“, ihr Vater klang aufgeregt.

Kate schwieg eine Weile.

„Sie ist ein Vampir.“

Danach war es auch am anderen Ende der Leitung still. Nach einer gewissen Zeit fragte Kate noch mal nach, um sich zu vergewissern, dass ihr Vater noch am Apparat war.

„Scheiße.“, entgegnete sie. „Sag doch irgendwas.“

„Wieso...ich meine...wie ist es dazu gekommen? Warum haben sie Kelly zu...einem Vampir gemacht?“, Kevins Stimme kam leise und klang erschüttert, er musste ständig nach Worten suchen.

Dann schilderte Kate ihre Geschichte. Alles, was in den letzten Tagen passiert war, angefangen vom grausamen Gregor, der sie angefallen hatte, bis eben, als sie von dem Werwolf angegriffen wurde. Doch die wichtigen Details wie Julian, John und die Ratsmitglieder lies sie aus. Sie war sich nicht sicher, was sie ihrem Vater sagen konnte, um ihn nicht auch in Gefahr zu bringen. Er war schließlich Polizist und ihr war nicht klar, was er alles tun würde, wenn er erfuhr, dass sie im Moment bei einem der ältesten Vampire, in einem Stripclub, war.

Nachdem sie ihre Geschichte beendet hatte, hörte sie ein Schnaufen aus dem Telefon.

„Scheiße.“, sagte nun auch ihr Vater. „Weiß deine Mutter schon davon?“

Kate schüttelte den Kopf, merkte aber, dass ihr das am Telefon nichts brachte. „Nein, ich habe dich zuerst angerufen.“, sagte sie also.

„Sag mir wo du jetzt bist.“, forderte er eindringlich.

„Ich kann nicht.“, beharrte sie jedoch und atmete langsam aus.

„Liebes ich bitte dich! Ich bin dein Vater, ich kann dir helfen. Du musst nach Hause, ich passe auf dich auf. Du bekommst rund um die Uhr Polizeischutz, wenn du magst. Es soll dir niemand etwas anhaben.“

Das Mädchen fröstelte noch immer. So einfach war die Sache nicht. Kate würde nie in Sicherheit sein, solange die Meisterin der Stadt noch am Leben war. Das war ein fatales Problem für sie und alle Beteiligten.

„Es tut mir leid...“, sie hängte den Hörer auf die Gabel und stierte auf einen imaginären Punkt auf dem Schreibtisch. Es war ihr schwergefallen ihrem Vater das so direkt zu sagen, aber etwas anderes blieb ihr nicht übrig.

„Das war die richtige Entscheidung.“, kam eine Männerstimme aus einer Ecke des Raumes.

Kate hob den Kopf und sah direkt zu John, der lässig an der Wand lehnte. Erschrocken schrak sie auf.

„Was...äh...wie lange bist du schon hier?“ Nach den richtigen Worten suchend, krallte sie ihre Fingernägel in das weiche Leder des Sessels. Damit hatte sie nun wirklich nicht gerechnet und sie wusste folglich nicht damit umzugehen.

John löste sich von der Wand und hob die rechte Hand, um sich durch die Haare zu fahren. Seine rote Strähne wirkte wirklich toll in den dichten, schwarzen Haaren. Er trug eine dunkelrote Lederjacke, die nach oben hin geöffnet war und dort war im Inneren der Jacke dunkles Fell eingearbeitet, in dem sein geschmeidiges Haar nahezu übergangslos verschwand. Die Jacke war mit Ketten und Nieten bestückt, die leicht klimperten, als er einige Schritte näher kam. Jedoch blieb er außerhalb der Reichweite stehen.

„Schon ein paar Minuten.“, er heftete den interessierten Blick auf sie. „Du siehst heute Abend zum Anbeißen aus.“, meinte er ungeniert und war sich der Doppeldeutigkeit seiner Worte bewusst.

„Du solltest verschwinden.“, kam schroff von ihr.

„Was ist, wenn ich gar nicht gehen will?“, hauchte er förmlich. Die Luft war von seiner magisch betörenden Aura geschwängert. Kate wurde dadurch ein wenig schwindelig.

„Was willst du?“, säuselte sie.

„Warum bist du heute so abweisend zu mir? Ich hätte mehr von dir erwartet. Vielleicht so etwas in die Richtung: ‚Oh John, danke dass du mich letztens nicht gebissen hast, als Jeanne-Claire es verlangt hatte...’, aber anscheinend, kann ich dir nicht viel Dankbarkeit abgewinnen...“, er schauspielerte eine traurige Miene.

Kate saß angespannt im Bürosessel und antwortete nicht. Das war ihr einfach zu blöde.

„Du bist echt ein naives Mädchen...“, sagte er schließlich und grinste, dass die Reißzähne nur so blitzten.

„Was?!“, Kate wurde allmählich sauer auf diesen arroganten Macho.

John kam in einem Sekundenbruchteil zu ihr an den Tisch und schleuderte die Sachen beiseite. Wie in Zeitlupe flogen die einzelnen Zettel und Papiere zu Boden.

„Verstehst du es denn nicht?! Verstehst du denn nicht, was Julian wirklich vorhat?“, brüllte er sie an.

„Was meinst du denn?“, rief sie empört zurück. Ein mulmiges Gefühl hatte sie ja schon, als John plötzlich solch einen Ausraster hatte.

„Du verstehst es also nicht...“, meinte er enttäuscht und starrte ihr tief in die erschrockenen wasserblauen Augen. „Es ist doch ganz simpel zu verstehen. Du bist bildhübsch, jung und jungfräulich...“

Das ging ihr langsam zu weit. „W...woher willst du das wissen?!“, ihr Kopf wurde knallrot.

Johns Lippen kräuselten sich zu einem siegessicherem Lächeln. „Nur so ein Bauchgefühl. Aber ich habe doch Recht. Es ist ja richtig süß, wie du jetzt rot wirst...“ John machte ihr einen Luftkuss.

Jetzt trieb es John ihr aber zu bunt. Was bildete er sich nur ein?

„Du Arschloch.“, murrte sie und schämte sich fürs Rotwerden.

„Ach Kate, du bist einfach niedlich.“, er lachte bittersüß. „Sieh dich doch nur an und sieh dir diesen Julian an, es ist doch offensichtlich.“

„Komm endlich zum Punkt.“ Kate presste die Lippen zusammen und versuchte ernst zu wirken.

John setzte sich auf die Tischkante, ohne sie aus den Augen zu lassen.

„Er ist ein Vampirältester, er ist gutaussehend, er betreibt einen Stripclub und er ist vor allem ein Mann!“

Kate schluckte und hörte ihm zu.

„Du weißt anscheinend nicht viel über Vampire.“, stellte John fest und sein Blick funkelte sie an.

Plötzlich, ohne dass Kate es überhaupt registrierte warf John sie über seine Schulter und trug sie aus dem Zimmer hinaus. Sie hämmerte auf seinen Rücken ein und trat mit den Beinen, doch für einen Vampir war es ein leichtes einen Menschen in Schach zu halten. John öffnete den Hinterausgang und verschwand mit ihr in der eisigkalten Nacht. Übermenschlich schnell sprang er von Fensterbrett zu Fensterbrett, von Balkon zu Balkon, bis er mit ihr als Gepäck das Dach des Hauses erreichte.

„Verflucht, was soll der Scheiß?!“, schrie Kate, doch John ignorierte es und sprang grinsend von Dach zu Dach.

Schließlich entfernten sie sich mehr und mehr von dem schillerndem Stadtteil, bis es unten in der Stadt nicht mehr so von Menschen und Vampiren wimmelte. John sprang vom Hausdach ab und flog mit ihr durch die Luft. Sie schrie auf, doch John landete sanft und katzenartig mit auf dem verschneitem Asphalt.

Er trug sie weiter und blieb vor einem unscheinbaren, grauem Gebäude stehen. Es war im Bauhausstil erbaut, die Wände waren betonartig und grau, es war jedenfalls auch nicht das neueste Haus gewesen. Kate starrte zu dem recht tristem Bauwerk und las auf einem Schild. „Bibliothek - für Vampire von 22 - 4 Uhr geöffnet“. Das fünfstöckige Haus, das von zwei größeren Häusern ziemlich eingequetscht wirkte, war tatsächlich eine Vampirbibliothek. Was für interessante Sachen es nicht alles gab...

John setzte Kate ab und winkte ihr, dass sie ihm folgen sollte. Murrend hielt sie mit ihm Schritt und betrat zusammen mit ihm das Haus. Es gab gleich nach dem Eingang eine Art Vorsaal, dort stand ein Automat, neben einer modernen elektrischen Glasschiebetür. Wie man es aus Banken kennt, gab es hier einen Kartenleser, der die Tür nur öffnete, wenn man seine, in diesem Fall Bibliotheksmitgliedskarte, hineinsteckte. John schob die Chipkarte hinein und die Glastür öffnete sich.

„Nur Vampire können hier rein.“, erklärte er.

„Ich wusste nicht mal, dass Vampire sich für Bücher interessieren...“, säuselte Kate.

John lachte schallend und trat in den großen Saal. Im Inneren war es echt beeindruckend. Auf mehreren Etagen stand Bücherregal an Bücherregal.

„Wahnsinn nicht? Es gibt auch Vampire, die Hobbys haben, außer in Stripclubs zu gehen.“

Kate ignorierte seine satirische Bemerkung und schaute sich beeindruckt um. An einer Seite im Erdgeschoss gab es so was wie eine Kasse, dort saß ein ziemlich gelangweilter, grauhaariger Vampir, der den beiden müde ein „Guten Abend“ schenkte.

„Was machen wir hier?“, flüsterte Kate ungeduldig.

John seufzte. „Ich vermute du schätzt mich völlig falsch ein. Ich komme nämlich gern hierher, wenn ich meine Ruhe haben will.“ Das Grinsen war augenblicklich verschwunden. „Jedenfalls... ich möchte dir etwas zeigen.“

Kate sah ihn misstrauisch an, nickte jedoch.

„Komm mit.“, murmelte er und ging voraus.

Beide stiegen mehrere Etagen hinauf, bis zum fünften Stockwerk und John führte sie zu der Abteilung, in der es uralte, fette Wälzer gab. In der Abteilung „Historische Chroniken“ blieb er stehen.

„Hier gibt es unglaubliche Bücher. Ich vermute mal, dass Menschen nicht viel über vampirische Gesetze, Rituale und Bräuche wissen.“

„Nicht wirklich. Aber warum zeigst du mir das?“, fragte Kate etwas irritiert.

John zog einen sehr schweren Wälzer aus dem hintersten Regal und legte ihn auf einen Tisch ab.

„Setz dich doch.“, schlug John vor und setzte sich mit an den Tisch.

Kate saß dem Mädchenschwarm gegenüber und glotzte ihn etwas unbeholfen an. John schlug das Buch auf. Der leicht modrige Geruch stieg ihr in die Nase. Das Buch war so alt, dass es eigentlich zu Staub zerfallen müsste. Auf dem Einband stand irgendwas von „lamia“, „chronicusa“* und anderen lateinischen Wörtern, die sie nicht kannte.

Gezielt schlug John eine Seite auf und zitierte etwas.

„Unter den Unseren, den Ältesten unseres Volkes sei es Pflicht unser Blut zu sichern und neue Vampire zu erschaffen. Dabei sei der Brauch einzuhalten, dass der erste ehemals menschliche Abkömmling ein ewiger Begleiter werde.“

John starrte Kate an, sie starrte verständnislos zu ihm zurück.

„Okay...was ich damit sagen will, ist so: Die alten Vampire können Menschen beißen und sie zu Vampiren machen, so wie du es bei Jeanne-Claire bereits gesehen hast. Ich kann es zum Beispiel nicht, dazu fehlt mir einfach die Reife und Begabung, das variiert je nach Vampir. Dabei gibt es die Tradition, dass der Vampir, der zum ersten Mal einen Menschen in einen Vampir verwandeln will, mit diesem auf ewig eine untrennbare Blutsverbindung eingeht. Das kann man auch mit menschlicher Heirat vergleichen.“, John faltete die Hände auf dem Tisch ineinander. „Und jetzt rate mal, wer noch nie einen vampirischen Abkömmling erschaffen hat...“

Kate wusste es, aber sie traute es nicht auszusprechen. „J...Julian. Meinst du etwa…er will mich zu einem Vampir machen?”

John nickte langsam und bedächtig.

„Nein, das glaube ich nicht! Das würde er niemals tun!“ Weder wollte sie es, noch konnte sie glauben, dass Julians Zuwendung zu ihr sie eines Tages in einen wandelnden Untoten verwandeln würde.

„Du spinnst doch!“, schrie sie ihn an.

„Kate!“, John packte mit festem Griff ihre Hand. „Ich bin nicht zu dir gekommen, um mich mit dir rumzustreiten. Ich will das doch wirklich nicht...“

„Aber warum sagst du es mir denn sonst.“, sie befreite ihre Hand und wich zurück, bis sie die Wand hinter sich spürte. „Was soll das Ganze?“

John blieb sitzen und sah auf die Tischplatte hinab.

„Ich will weder, dass Jean-Claire, noch dass Julian dich zu einem Vampir macht.“, er sah sie direkt an. „Das ist mir klargeworden, als ich dich letztens unten in der Krypta gesehen hatte. Anfangs hatte ich dich für ein normales Mädchen gehalten, dass leicht zu haben ist, das gebe ich zu. Ich möchte mich dafür entschuldigen, dass war echt verdammt falsch von mir...“

Kate antwortete ihm nicht, sondern presste ihre Schulterblätter weiter an die Wand.

„Du bist anders und du musst mir diesmal wirklich glauben. Ich habe es bisher noch niemals so erlebt und niemals jemanden gesagt...“ Johns Blick war unsicher und suchte den ihrigen. „Ich habe mich wohl in dich verliebt...“

Das letzte Wort schwebte durch die Luft und klang tausendfach in ihren Ohren wieder. Verliebt. Verliebt, ja ernsthaft! John hatte verliebt gesagt!

Mit offener Kinnlade lehnte sie fassungslos an der Wand. Kate traute ihren Ohren nicht, war es wirklich sein ernst?

Die totenstummen Minuten verstrichen, in denen keiner von beiden sich traute ein Wort zu verlieren. Nach einer gewissen Zeit ergriff John zögernd das Wort.

„Wenn Jeanne-Claire erfährt, dass ich mich mit dir in diesem Moment treffe...dass ich entgegen ihres Verbotes zu dir gegangen bin und die Tatsache, dass ich dich aus Julians Büro mehr oder weniger entführt habe, ist genaugenommen saudämlich und arschgefährlich für mich. Ich stelle mich zwischen zwei Fronten, nur weil ich dich sehen wollte...“, er stand auf und trat zu ihr, bis ihre Gesichter nur noch wenige Zentimeter voneinander entfern waren. „Jeanne-Claire...sie ist meine Mutter, meine Gebieterin, meine Königin der Nacht, doch ich bin nicht ihr Geliebter. Sie kann als Meisterin der Stadt zwar über meinen Körper herrschen, über meinen Verstand bestimmen, aber niemals über mein Herz regieren. Mein leichtsinniges Herz hab ich schon an dich verloren...“

Kates Herz schlug hämmernd und unsicher sah sie in seine schönen Augen.

„Jeanne-Claire...hat sie etwa ein solches Blutsband mit dir?“, lautete ihre Frage.

John lächelte und schüttelte den Kopf. „Nein, sie hätte es vermutlich gern, aber ihr erster Abkömmling ist nicht mehr am Leben.“

„Vermutlich ist sie deshalb so zickig...“, grinste Kate schadenfroh.

Auch Johns Züge wurden amüsierter. „Wahrscheinlich.“

Johns rotgefärbte Strähne kitzelte auf ihrer Stirn und sein warmer Atem fuhr über ihre Haut. „Ich kann Julian irgendwie nachvollziehen...“, erklärte er und fuhr mit seiner Hand sachte über ihre Wange. Seine Lippen näherten sich den ihrigen gefährlich nahe, doch sie konnte es einfach nicht. Sie stieß ihn von sich und John stöhnte vor Schmerzen auf.

„Bist du etwa verletzt?“, fragte sie verwundert, da sie ihn ja nur leicht von sich gestoßen hatte.

Sein Gesicht war schmerzerfüllt. „Es ist nichts.“

Wie typisch für Jungs..., dachte sich Kate und ärgerte sich etwas.

„Was hast du denn?“, fragte sie besorgt.

„Jeanne-Claires Bestrafung...“, hauchte er nur.

Kate wollte der Sache auf den Grund gehen. „Was hat sie denn getan?“

Nachgebend zog John sich die Jacke aus und anschließend schob er den Stoff seines grauen T-Shirts ein Stück weit nach oben. Viel zu viel der schönen glatten, weißen Haut wurden entblößt. Sein sportlicher Bauch war von einem Kranz rosafarbiger Narben gezeichnet. Es waren kreuzförmige Brandwunden.

„Silberkruzifixe...es wird noch heilen, keine Panik. Es dauert nur verdammt lange. Silber löst bei Vampiren Verbrennungen aus. Das ist Jeanne-Claires sanfteste Methode jemanden zu strafen.“

„Verflucht! Es tut mir leid...“, beschämt senkte sie den Blick.

Kate befand sich in der Zwickmühle. John hatte sicherlich Fehler begangen, aber er hatte es gebüßt. Ihr Verstand setzte aus. John und Julian...zwei Vampire, wie sie unterschiedlicher nicht sein konnten. Doch beide waren sie hinter ihr her, wie sollte sie nur damit umgehen?

John zog sein T-Shirt wieder zurecht und sah betroffen zu Boden.

„Du musst dir darum wirklich keine Gedanken machen, das kommt schon wieder in Ordnung.“, ein schwaches Lächeln zierte sein Gesicht.

„Ich hatte keine Ahnung.“, sagte sie. „Aber dafür wird sie büßen, das verspreche ich dir.“

John hob den Kopf und matt lächelnd sah er sie an. „Ich danke dir.“

Kates Herz machte einen Hüpfer. Wieso musste er nur so süß aussehen, sie konnte unmöglich länger auf ihn sauer sein.

„Ich würde vorschlagen, dass ich dich zurückbringe, bevor Julian merkt, dass du nicht mehr dort bist.“, meinte John seufzend.

Kate ahnte, dass Julian es schon längst wusste, jedoch nickte sie und ging zusammen mit John hinaus. Die kalte Luft umhüllte die beiden. Das Mädchen steckte die Hände in die wärmenden Jackentaschen und sie ging zusammen mit dem Vampiradonis auf dem Fußgängerweg in Richtung des belebten Vampirviertels, aus dem sie vorhin gekommen waren.

Etwa zwanzig Meter vor ihnen türmte sich ein schwarzer Schatten auf und eine mächtige Aura durchfuhr die Gegend. Die Atmosphäre wurde unerträglich unheimlich.

Kate sah in Julians blasses Gesicht, der Blick war allerdings nur auf John gerichtet. Mit beinahe unsichtbar schnellen Bewegungen wurde der Jungvampir von Julian an eine Mauer gepresst. Julians Hand schloss sich um Johns Kehle, aus der ein unterdrückter Schmerzenslaut entwich.

Kate schrie erschrocken auf. „Julian tu das nicht! Lass ihn los!“

Julian würde ihn garantiert umbringen, es wäre untypisch für einen Mann, wenn er den Rivalen nicht beseitigen würde. Koste es was es wolle und das Leben eines Millenniumsvampirs war in dem Fall nebensächlich. Das Mädchen zerrte an dem Kleidungsstoff des Meistervampirs, versuchte ihn mit allen Mitteln von seinem Vorhaben abzubringen.

Heiße Tränen rannen ihre Wangen herab. „Julian bitte verschone ihn. Ich flehe dich an, lass ihn leben!“

Der Angesprochene wandte seinen wütenden Blick nun endlich doch mal auf sie und die Mimik lockerte sich. Ebenso lockerte sich der Handgriff an Johns Kehle. Dieser rutschte an der Wand entlang zu Boden und hustend sog er Luft in seine Lungen. Ein kaum verständliches „Danke“ richtete er an Kate.

Kate krallte ihre Hände weiterhin in den Stoff von Julians Kleidung und ihr glasiger Blick war angsterfüllt. Julians Hände strichen ihr die Tränen weg und sein kalter Atem auf ihrer Haut veranlasste, dass sich die Nackenhärchen aufrichteten. Er war einzigartig schön, kaum vorstellbar und doch real. Sein Gesicht war weiß wie Schnee und einfach perfekt. Doch seine eisige Aura war kein Vergleich zu John heiß prickelnder Magie. Die Lippen näherten sich langsam zum Kuss und Kate schloss unruhig die Augen. Sie wusste nicht, ob sie es wollte, nachdem ein anderer ihr seine Liebe gestanden hatte.

Ein Klicken lies sie aufschrecken und die Brünette riss reflexartig die Augen auf.

Hinter gezogener Waffe trat Daniels ernstes Gesicht in den Lichtkreis der Straßenlaterne. Der lange metallene Schaft der Schrotflinte war gekonnt ruhig auf den Vampir gerichtet. Die Augenbrauen von Daniel waren ernst geformt.

„Tritt langsam von ihr zurück, keine hastigen Bewegungen!“, kam seine Anweißung und Julian hörte darauf. Nachdem er einen Schritt von dem Mädchen zurückgewichen war, kam der Vampirjäger langsam näher.

„Keiner rührt sie an, oder ihr könnt die Erfahrung mit meinen Silberkugeln machen!“, Daniels Gesicht war ernst und Kate konnte sich nicht entsinnen, ihn jemals so kalt berechnend erlebt zu haben.

„Daniel...du hier?“, sie sah ihn direkt an und konnte es kaum glauben. Jetzt waren sie alle am selben Ort, dies konnte nichts gutes verheißen...
 

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Anmerk.: Ich kann kein Latein...

Familienportrait

In letzter Zeit wirds irgendwie immer schwerer die Handlung voranzutreiben...wenn ich weiter so mache, wird der 1. Teil noch sehr lang werden XD

Bitte seid nicht böse, aber ich möchte keinesfalls berechenbar werden und euch immer wieder neu überraschen, ich hoffe ich kriege es diesmal wieder hin (nein Kate wird nicht wieder in Gefahren verwickelt...noch nicht jedenfalls^^).

An dieser Stelle noch vielen Dank an alle fleißigen Kommischreiber und über die aktuell 77 Kommis freue ich mich riesig ^^

Also dann, viel Spaß beim Lesen =3
 

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„Keine Bewegung, Blutsauger!“, lautete Daniels Drohung und mit konzentrierter Körperhaltung kam er näher zu dem relativ perplex wirkendem Mädchen.

Nachdem die beiden Vampire außerhalb ihrer Reichweite waren, senkte Daniel langsam die Waffe und trat zu ihr.

„Ist alles in Ordnung mit dir?“, fragte er und obwohl seine Stimme nichtssagend ruhig war, huschte eine nervöse Regung in seinen Pupillen.

Das Mädchen starrte ihn ungläubig an, bis sie sich wieder gedanklich gefangen hatte. Langsam wurde ihr alles zu viel.

„Was sollte der Scheiß?“, fragte sie ihn und deutete aufgebracht auf die Pistole.

„Was das soll? Da fragst du noch?“, obwohl Daniel seine Stimmlage relativ ruhig hielt, klang es etwas genervt. „Siehst du denn nicht, wie gefährlich es ist, wenn du ihnen vertraust? Für Vampire bist du doch nur eine wandelnde Blutskonserve.“ Daniel hob sich eine Hand an die Stirn und schüttelte den Kopf. Seine Körperhaltung wurde langsam lockerer, doch er war noch längst nicht bereit, die Waffe ins Schulterholster zu stecken.

„Wandelnde Blutkonserve...“, kam ein Gelächter von hinten. John grinste und die weißen Zähne blitzten. „Der Joke war echt gut, Blondy.“

„Klappe da hinten auf den billigen Plätzen.“, knurrte Daniel finster, dann wandte er sich wieder dem Mädchen zu. „Kate, sei nicht so blind. Du musst dich von ihnen fern halten, sie stehen doch alle unter Jeanne-Claires Fuchtel!“

Kate schüttelte den Kopf. Eben wollte sie protestieren und sagen, das Julian sich nichts von der alten Zimtzicke sagen lassen würde. Doch das wäre kindisch gewesen. Sie wusste nicht was sie ihm stattdessen antworten sollte. Daniel hatte ja schließlich in einer Hinsicht recht. Es war gefährlich und dumm noch dazu. Ja, es war dumm sich mit Vampiren einzulassen. Und irgendwie schien die Gefahr Kate zu verfolgen. In nur einer Woche hatte sie mehr Beinahe-Tot-Erfahrungen gemacht, wie manche Menschen in ihrem gesamten Leben nicht. Dies war mehr Action, als ihr lieb war.

„Was weißt du schon...?“, motzte Kate ihn stattdessen an. Sie war zum jetzigen Augenblick irgendwie auf Trotz ausgelegt.

„Jedenfalls mehr als du. Ich verfolge Jeanne-Claire nicht erst seit gestern und weiß, wozu sie alles fähig ist. Verdammt, was weißt du schon über diese beiden Parasiten? Es gibt nur zwei Dinge, die Vampire von uns Menschen wollen und das ist Blut und Sex.“

„Parasiten? Jetzt fühle ich mich aber auf den Schlips getreten.“, nörgelte es wieder von hinten. John zog eine Schnute. Kate ignorierte den Vampir jedoch in diesem Moment.

„Nein! Nein, das glaube ich dir nicht. Du kannst doch nicht von Vampiren so voreilige Schlüsse ziehen, nur weil du noch nie einen Vampir wirklich kennen gelernt hast. Sie sind anders.“, behauptete Kate. Jedenfalls dachte sie, dass die beiden anders wären.

Sie drehte sich zur Mauer um, an welcher der heißblütige Don Juan von einem Vampir, genauer gesagt John, immer noch lehnte. Es schmückte nun ein breites Grinsen dessen Gesicht.

Dann sah sie zu Julian. Der Meistervampir hatte seine gut perfektionierte Maske wieder aufgesetzt, bei der man nicht mutmaßen konnte, was wirklich in ihm vorging. Wie eine Skulptur stand er bewegungslos neben der Straßenlaterne und richtete seine Iriden auf einen imaginären Punkt. Nur die Untoten beherrschten diese Kunst völlig regungslos zu wirken, man hörte nicht einmal einen Herzschlag. Diese Tatsache bewirkte, dass sich bei Kate die Nackenhaare aufrichteten. Ihr wurde schmerzhaft bewusst, dass sie ein mulmiges Gefühl bekommen würde, wenn sie mit einer wandelnden Leiche das Bett teilen müsste.

Kate wandte sich nun wieder ihrem menschlichen Freund und Helfer zu. Wenn sie nicht völlig aus der Fassung gewesen wäre, so hätte sie sich gewiss mehr gefreut Daniel hier anzutreffen. Diese ganze Sache war ihr einfach zu viel.

„Das glaube ich nicht...“, murmelte sie leiser werdend.

Daniel hob eine Hand an ihr Kinn und zwang sie, ihm in die Augen zu sehen.

„Kate, ich möchte dir doch nur helfen.“, sagte er ehrlich, jedoch ohne zärtlich oder romantisch zu wirken.

Sie löste sich von seiner Berührung und wich zurück, sodass sie alle drei vor sich hatte, ohne jemanden zu Nahe zu kommen.

„Was ist wenn ich keine Hilfe möchte?“, ihre Gesichtszüge wurden ernster. „Alle behandeln mich dauernd wie ein kleines Kind, dass nicht auf sich selbst aufpassen kann. Ich habe aber keinen Bock mehr mich dauernd von irgendwem beschützen zu lassen. Ihr Kerle mit eurem Beschützerinstinkt, das nervt einfach nur!“ Sie schrie es beinahe und hielt die Hände zu Fäusten geballt.

Eine Weile lang sagte niemand etwas. Es war eine Stille die an ihren Nerven zerrte.

„Verdammt...ich halt das hier nicht aus!“, stöhnte sie und begann sich von allen wegzubewegen. Sie wollte den Kopf endlich freibekommen, frei von allem. Doch der Blondschopf behinderte sie daran wegzugehen.

„Wo willst du denn hin?“, fragte er sie besorgt.

„Lass mich einfach in Ruhe, ja?“, sie sagte es ruhig und sah hinab. „Lasst mich einfach alle in Ruhe.“

Dann begann sie zu rennen.

Regelrecht wegzurennen, ja sie floh.

Ihr war klar, dass sie sich irgendwann der Situation stellen müsste, aber für den heutigen Abend hatte sie genug. In dieser Nacht wollte sie nichts mehr von Liebeserklärungen, Vampiren und anderen Dingen hören. Und am meisten hasste sie es, dauernd auf irgendwelche starken Jungs angewiesen zu sein. Nur weil sie ein Mädchen war, hieß das noch lange nicht, dass man nicht stark sein konnte. Zumindest könnte man versuchen stark zu werden, redete sie sich selbst ein.

Sie rann bis ihre Lungen stachen. Das Herz pochte gegen die Rippen wie ein gefangenes Tier. Doch sie rann immer weiter bis sie eine Straßenbahnhaltestelle vor sich sah.

Kate ärgerte sich innerlich dafür, dass sie das direkte Gespräch mied, weil sie Angst davor hatte. Sie wusste ja selbst nicht was sie wollte. Jedenfalls wusste sie, dass sie weg wollte. Einfach nur weg.

Die Bank der Haltestelle erschien wie ein rettendes Boot im unendlichem Ozean. Sie lies sich nieder, senkte den Oberkörper, sodass ihre Ellenbogen die Knie berührten. Dann vergrub sie ihr Gesicht in den Händen und sanfte Locken fielen nach vornüber.

In ihrem Gedächtnis tauchten die Worte von John auf. Wie Schleier zogen sie durch ihren Kopf und wiederholten sich. Dann wurden sie von dem Gefühl der weichen Lippen von Julian verdrängt. Ihr Kopf glühte und das nicht vor Fieber. Sie spürte eine wabernde Hitze in ihrem Innerem aufsteigen, das nach außen drang und ihren Verstand beinahe sprengte. Nicht einmal die Schneeflocken, die auf ihrer Haut schmolzen, konnten diese Glut in ihr dämpfen.

Klackernd zog ein Luftschwall zu ihr durch und als sie aufsah, erblickte sie die Straßenbahn. Kate kam sich vor, wie im Fiebertraum, als sie die Bahn wie ein Monstrum vor ihr bemerkte. Sie war so versunken gewesen, dass sie gar nicht mitbekommen hatte, die wie Bahn gehalten hatte.

Jawohl, es fahren selbst zu den unmöglichsten Zeiten Straßenbahnen. Für die Vampire und Nachtmenschen ist es ideal, nicht wahr?

Schließlich stand sie dann doch auf und drückte auf einen Schalter, damit sich die Türen öffneten. Schläfrig glitt sie auf einen der schwarzen Sitze und klammerte sich mit der Rechten an einer Stange fest. Es war fast keiner mehr in der Bahn und sie war froh über die wohlverdiente Stille. Langsam schloss sie die Augen und verdrängte all die Worte und Bilder aus ihrem Kopf. Morgen hatte sie ja noch genug Zeit darüber nachzudenken.

Die Durchsage der Haltestellen kam leise, aber dennoch gut hörbar. Die Braunhaarige öffnete die Augen und überlegte, wo sie eigentlich hingehen sollte. Der letzte Ort, wo sie jetzt hinwollte wäre ihr eigenes zu Hause. Vielleicht zu Val? Nein, das wäre zu riskant, fand sie und dachte daran, dass die Vampire sogar so weit gingen ihre Schwester zu entführen. Sie wollte ihre beste Freundin nicht auch noch durch Jeanne-Claires dunkle Machenschaften verlieren.

Sie verweilte eine Weile lang reglos, bis die Bahn erneut hielt. Sie schlug die Augen auf und das Licht in der Bahn erschien ihr ungewöhnlich grell. Diesmal war es die Station, die gleich in der Nähe ihres Zuhauses war.

Schließlich stand sie dann an der nasskalten Straße und beobachtete, wie die knochigen Äste der Bäume sich sanft im frostigem Wind wogen. Der Schneefall hatte sich endlich eingestellt. Ebenso die wabernde Hitze in ihrem Kopf. Jetzt war ihr schweinekalt. Also ging sie doch nach Hause, auch wenn sie sich schrecklich davor fürchtete, was wohl ihr alter Herr, der schlimmste aller Stiefväter, sagen würde, wenn sie die Türschwelle betreten würde...
 

Nach mehrmaligem Klingeln wurde die Tür geöffnet. Im Halbdunkel stand ihre Mutter an der Tür. Sie trug ein knielanges, weißes Nachtkleid mit Mohnblumenmotiv darauf. Ihre Haare waren offen und fielen in schönen Locken vom Scheitel abwärts. Immer wenn sich Monique tagsüber einen Zopf geflochten hatte, so kam es, dass sie am Abend diese wundervollen Locken hatte. Ihre verschlafenen Augen weiteten sich, als sie ihre Tochter erkannte. Wortlos folgte eine beiderseitige Umarmung. Lautlos weinte die Mutter um ihr verlorengeglaubtes Kind.

„Mama...“, begann Kate, als sie einander losließen.

Die Frau zog ihr Kind in den Flur hinein und wischte sich selbst erst mal die Wangen trocken und musterte dabei das Mädchen.

„Mama...ich...“, setzte Kate nochmals an, doch Monique unterbrach sie durch ein einfaches „Pssst.“

„Komm mit in die Küche. Möchtest du einen Tee? Du frierst ja!“

Die Siebzehnjährige nickte nur merkte erst jetzt, dass sie zitterte. Also folgte sie ihr hinein in die Küche. Als Kate sich an den Tisch gesetzt hatte, drehte die Mutter die Heizung auf Stufe 4 auf und ein Schwall warmer Luft stieg rauschend auf. Der Wasserkocher brodelte und Monique setzte sich Kate gegenüber an den Tisch. Sie hielt ein Küchentuch in den Händen, mit denen sie ihre immer wiederkehrenden Tränen trocknete.

„Ich hatte solche Angst, als Kevin mich anrief und erzählte was passiert war. Es ist so...ich hatte wirklich gedacht, dass du nie wieder zurück kommen würdest. Kelly ist ja schließlich...“

„...ein Vampir.“, endete Kate und schluckte einen imaginären Kloß im Hals hinunter. „Es tut mir leid, dass ich dir und Papa solche Sorgen bereite. Ich wünschte, das wäre nie passiert.“

„Dein Vater hat mich gleich angerufen, nachdem du dich bei ihm gemeldet hattest. Er meinte er würde sofort aufbrechen und überall nach dir suchen.“, berichtete sie.

„Ja, sieht Papa ähnlich. Ich hatte es geahnt, schließlich ist es ja Teil seiner Arbeit als Polizist.“ Sie legte ihre kalten Hände auf den Heizkörper, damit sie warm wurden. „Aber...wo ist denn jetzt eigentlich Robert?“, Kate wunderte sich, dass die Nervensäge nicht auftauchte. Normalerweise hätte sie von dem Stiefvater jetzt eine heftige Standpauke erwartet. Denn immer wenn Kate auch nur 5 Minuten zu spät nach Hause kam setzte es gewaltigen Ärger seitens Robert.

„Nun ja...“, Monique stand auf und goss das heiße Wasser in zwei Tassen und warf Teebeutel hinein. „Wir hatten Streit.“

Das letzte Wort brachte Kate zum Stutzen.

„Ihr habt euch gestritten? Worüber?“, fragte Kate erschrocken.

„Er meinte, dass meine Töchter nicht erzogen seien und den ganzen Tag nur an sich selbst denken würden. Er sagte noch, dass du von zu Hause abgehauen wärst, weil ich eine schlechte Mutter wäre, die ihre Kinder nicht erzieht und so weiter. Jedenfalls hat er dann seine Sachen gepackt und ist verschwunden. Das war kurz bevor Kevin mich heute Abend angerufen hatte.“

Sie stellte die Tassen auf den Tisch und setzte sich wieder, langsam hatte sie sich beruhigt. Die Mutter hatte echt eine Menge durchgemacht.

„Dieser Arsch! Was fällt dem ein? Ich würde doch nicht wegen dir weglaufen, du bist keine schlechte Mutter, aber er ist ein stinkmieser Vater, soviel kannst du wissen! Bin ich nur froh, dass er weg ist. Er sucht ja eh bei jedem Problem das Weite!“, das Mädchen sprang auf und umarmte wieder die Mutter. „Ich liebe dich, Mama. Der Mistkerl hat kein Recht dich zu beleidigen!“

„Ich bin so froh, dass du das sagst, Spatz.“, sie fuhr dem großen Kind durch die Haare und dann setzten sie sich wieder.

„Erzählst du mir, was alles passiert ist?“, bat Monique schließlich.

So tranken die beiden ihren Tee und Kate erzählte nochmals das erlebte im Schnelldurchlauf, damit ihre Mutter auch über die Situation aufgeklärt war. Diesmal erwähnte sie auch John und Julian. Doch komischerweise unterbrach Monique ihre Tochter, als dessen Name fiel.

„Wie hieß er noch mal?“, fragte sie und leerte die Tasse.

„Ähm...er heißt Julian.“

„Julian also...verdammt, Kathy du musst dich von ihm fernhalten!“, rief sie erzürnt.

Kate hob verwundert die Braue. „Kennst du ihn etwa?“

„Nun...ja. Ich kenne ihn tatsächlich.“, gestand Monique und fuhr sich durch die Locken. „Du darfst ihn nie wiedersehen!“

„Was wieso? Warum kennst du ihn?“, nun war es Kate, die laut wurde.

„Weil ich nicht will, dass du dich mit diesem Vampir triffst. Ich will, dass er sich von meiner Familie fern hält!“

Mit verschränkten Armen sah die Frau ernst zu Kate, diese erwiderte nichtsahnend ihren Blick. Was sollte das nun wieder bedeuten?

„Ich werde mich nur von ihm fernhalten, wenn du mir sagst, warum du ihn kennst! Was verschweigst du mir?“

Sie gab nach und senkte den Blick. „Eigentlich hätte ich mir gewünscht, dass du nie von ihm erfährst. Ich hatte gehofft, dass er unsere Familie nicht finden würde, als wir vom Land in die Großstadt gezogen sind.“

Kates Augenbrauen wanderten nach oben. „Ich dachte wir sind weggezogen, weil es hier in der Stadt Arbeit gibt, hattet ihr das nicht gesagt?“

Der braune Lockenschopf schüttelten den Kopf. In diesem Moment sah Monique sehr jung und zerbrechlich aus und überhaupt nicht so, als wäre sie Kates und Kellys Mutter. „Unsere Familie lebte seit Generationen auf dem alten Hof, doch ich hätte es nicht ertragen diesen Vampir in unserer Nähe zu wissen. Es läuft mir ein Schauer hinunter, wenn ich nur an ihn denke. An seine eisigkalte Aura, die aus ihm fließt wie Wasser. Er macht mir furchtbare Angst. Deswegen sind wir so weit wie möglich weggezogen, in der Hoffnung, dass er uns in einer Metropole nicht auffinden könnte.“

Langsam wurde es wirklich mysteriös. „Du kannst Vampiraura etwa auch spüren?“

Sie nickte. „Ja, mein Kind. Das ist eine einzigartige Begabung, die auch du geerbt hast.“

Einzigartig. Begabung. Die Worte hallten in Kates Kopf wider.

„Eigentlich wollte ich dich und Kelly erst an deinem 18. Geburtstag einweihen. Aber ich muss es dir wohl oder übel jetzt sagen, da Kelly sowieso schon...“, die verzweifelte Frau brachte das Wort Vampir immer noch nicht über die Lippen.

„Komm mit, ich muss dir etwas zeigen.“, sagte sie und bat Kate, ihr ins Schlafzimmer zu folgen.

Aus einem Regal hob die Frau ein sehr dickes, altes Buch heraus und legte es behutsam aufs Bett.

„Hey, dieses Fotoalbum kenne ich noch gar nicht.“, grinse Kate, als sie sah, um was für ein Buch es sich handelte. Es war ein Familienalbum.

Monique begann darin zu blättern und schlug eine der vorderen Seiten auf. Es war eine alte Schwarzweißfotografie, welches ein Gruppenfoto darstellte. Es war am Abend aufgenommen worden im großen Speisesaal des alten Familienhofes.

In der Mitte stand eine junge Frau, die vielleicht 20 Jahre alt war, mit einem Baby im Arm. Die Frau hatte lange Locken und ist unverkennbar Kates Mutter. Bei dem Baby handelte es sich um die kleine Kelly.

Daneben links stand ein Kleinkind, welches sich am knöchellangen Rock der Mama festkrallte. Unsicher blickte das Mädchen in die Kamera. Kate war als Kind recht pummelig, das runde Gesicht wirkt jedoch ziemlich niedlich zusammen mit den Zöpfchen und dem kleinem Strohhut auf ihrem Kopf. Sie trug an diesem Tag ein hübsches Kleid mit Blumenmuster. Auf dem Foto schien sie grade mal 3 oder 4 Jahre jung gewesen zu sein.

Ein gut aussehender, junger Mann mit Anzug stand rechts von Monique. Er hatte damals noch recht lange Haare gehabt, die er sich straff nach hinten zu einem Pferdeschwanz gebunden hatte. Mit einem breiten Lächeln grinste Kevin in die Kamera. Schon damals war er eine wahre Frohnatur gewesen und das war die Eigenschaft an ihm, die Monique einst so sehr an ihm geliebt hatte. Als Kate darüber nachdachte, wusste sie immer noch nicht so recht, warum sie sich hatten scheiden lassen.

Neben ihm stand eine gebrechliche, alte Frau mit einem langem, dunklem Kleid und einem formschönen Hut mit Kunstblume darin. Ihre kurzen, weißen Haare waren fast vollständig vom Hut bedeckt. Es war die Urgroßmutter von Kate und sie erinnerte sich überhaupt nicht mehr an sie, da sie bereits starb, als Kate 5 Jahre alt war. Ihr Name war Amelie und sie starb im Alter von 81 Jahren.

Auf dem Foto war ebenfalls noch Kates Oma Hellene, sie trug einen hellen Hosenanzug und ihre kurzen Haare waren lockig und teils von einem Hut bedeckt.

Neben jener Frau mittleren Alters stand ihr französische Gatte. Kates Opa Baptiste, war ein sehr netter Herr gewesen, soweit sie sich noch an ihn erinnerte. Er starb vor einigen Jahren und somit lebte Hellene allein auf dem alten Familienhof. Sie vermietete die oberen Wohnungen, da sie es nicht mehr alles bewirtschaften konnte, seitdem die Kinder und Enkel ausgezogen waren.

Auf der alten Fotografie waren noch viele andere Personen abgebildet, wie etwa Onkel, Tanten, Cousinen und Cousins und andere Freunde der Familie.

„Das Bild wurde zum 80. Geburtstag deiner Urgroßmutter gemacht.“, erklärte Monique und strich sanft mit dem Daumen darüber, als würden die Erinnerungen an damals dadurch lebendig werden.

„Daran erinnere ich mich nicht mehr.“, entgegnete Kate missmutig.

„Das dachte ich mir. Aber bitte sieh dir das Bild genau an.“

„Hm...na gut.“, nochmals lies Kate ihre Augen über das Bild schweifen, bis sie in einer Ecke etwas entdeckte. Am Rand, in der hinteren Reihe, etwas abseits gelegen stand ein bildhübscher Mann in einem altertümlich wirkendem Anzug. Es trug ein Hemd, dass an barocke Schönheit erinnerte, da es recht prunkvoll gerüscht war und dazu passend eine maßgeschneiderte, dunkle Hose. Der Mann trug offene, lange Haare und stand abseits genug, dass man meinen könnte, er sei nicht Teil des Bildes.

„Oh mein Gott! Ist das nicht Julian!“, Kates Kinnlade fiel ins Bodenlose. „Was macht er auf dem Geburtstag von Uroma?“

„Nun, er war ein recht guter Freund der Familie.“, gestand sie und schlug eine andere Seite im Buch auf. Auf dem nächstem Foto war die kleine Kate als Kleinkind zu sehen, die auf Kevins Schoß saß und daneben stand Julian. Kevin war derjenige, der wie ein Blöder grinste.

„D...das ist jetzt nicht wahr, oder?!“, fassungslos starrte sie das Bild an. Sie sah sich Julians makellose Gesichtszüge an, das leichte Lächeln auf seinen blassen Lippen und seine dunklen Augen, die sie durch das Foto hindurch, direkt anzustarren schienen.

„Verstehst du nun...? Ich mag ihn nicht, ich mochte es noch nie, dass dieser Vampir ein Freund der Familie war. Nach dem Tod deiner Urgroßmutter hab ich ihm gesagt, dass er sich von meinen Kindern fern halten sollte. Es war mir gleichgültig, wie viele Generationen er unsere Familie schon kannte. Ich mochte ihn noch nie. Er war der Grund, weshalb wir unsere alte Heimat verlassen mussten.“

„Aber er hat mich dennoch gefunden, warum ist er uns hierher gefolgt?“, ungläubig lies das Mädchen ihren Blick auf dem Foto gerichtet.

„Der Stammbaum unserer Familie ist sehr lang und er kennt über Jahrhunderte hinweg unsere Familie. Wie gesagt, die Fähigkeit magische Energien zu spüren liegt in unserer Familie, denn wir sind eine ganz besondere Familie.“

„Inwiefern sind wir denn besonders? Können wir auf Besen fliegen und Löffel verbiegen?“, spekulierte sie und lachte.

Monique musste lachen. „Nein das können wir sicher nicht. Ich erzähle dir morgen mehr darüber, ich bin nämlich schrecklich müde. Die letzten Tage habe ich kaum Schlaf gehabt. Du solltest dich nach all der Aufregung auch ausruhen.“

„Ja du hast wohl Recht...“, stimmte sie zu.

„Nimm das Album ruhig mit zu dir ins Zimmer, wenn du willst. Aber bleib bitte nicht zu lange auf.“, die Mutter legte sich gähnend zurück ins Bett.

„Ist gut. Gute Nacht.“, gab Kate zurück und schaltete das Licht aus, als sie das Schlafzimmer verlies.
 

Nachdem sie sich gewaschen und bettfertig gemacht hatte, lag sie in ihrem Zimmer auf dem Bett. Das Nachtischlicht brannte und vor ihr befand sich das Familienbuch. Sie drehte sich auf den Bauch und legte das Buch aufs Kissen. Sie blätterte die Seiten, aber von Julian gab es nur diese beiden Fotografien, auf denen er mit abgebildet war. Ganz ehrlich, sie hatte sich gewünscht noch mehr Bilder von ihm zu sehen.

Alles was darauf folgten waren Kinderbilder von ihr und der Schwester. Es gab auch einige Bilder von ihrem alten Haus, von den Feldern und Wiesen. Auf einigen war die glückliche Familie im Wald an einem strahlendem Bach. Die folgenden Seiten wurden nach und nach leerer, ein paar Weihnachtsfotos hier und da ein paar Bilder von Geburtstagen, doch es gab keine Bilder mehr, nachdem sie in die City gezogen waren.

Es war wie ein neuer Lebensabschnitt, daher sollte wohl auch ein neues Album her. Kate kannte die neueren Fotoalben, in denen befanden sich keine Bilder mehr vom alten Hof. Irgendwie fehlte ihr die alte Zeit.

Die Braunhaarige schloss das Buch und legte es auf ihr Nachttischschränkchen. Noch eine Weile lang lag sie wach und starrte an die Zimmerdecke. Mattes Licht drang ins Zimmer hinein und die Bäume erzeugten skurrile Schatten an der Zimmerdecke. Schließlich sank sie langsam in den Schlaf.

Dämmerung und Jagt

Diesmal übertreffe ich mich mich mit einem besonders langem Kapitel ^^

Jedoch ist das, was ich eigentlich jetzt schreiben wollte noch nicht möglich, da ich erst Recherchen machen muss.

Ich hoffe, ihr könnt es noch aushalten, es wird dann bald danach noch folgen, damit ich euch nicht zu lange auf die Folter spanne.

Ich wollte anmerken, dass dieses Kapitel eine Art "Dankeschön" für 80 Kommentare und 30 Favoriten ist. Das freut mich wirklich sehr, danke an alle lieben Kommischreiber! :D

So, dann wie immer: Viel Spaß beim Lesen!^^
 

eure Mad-Ann

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Kate hatte irgendwelche abstrusen Alpträume in der Nacht. Vielleicht war es auch ein einziger Alptraum der durch verschiedene Schlafphasen unterbrochen und wieder fortgeführt wurde. Jedenfalls war er nahezu zusammenhangslos. Ein Monster, vermutlich eine Kreuzung zwischen Vampir und Werwolf, wie er aus Frankensteins Labor hätte stammen können, war mit Klauen und Zähnen hinter ihr her. Zwischendurch hörte man Jeanne-Claires höllisches Gelächter, die einem die Haare zu Berge versetzte.

Als sie aufwachte war sie schweißnass und ihr Herz schlug wie verrückt. Das Mädchen brauchte einen Moment, um zu realisieren, dass sie nicht mehr vor dem Ungeheuer auf der Flucht war. Sie setzte sich auf die Bettkante und bemerkte, dass ihre Haare ihr wild vom Kopf standen, als hätten sie in der Nacht eine Party ohne sie gemacht.

Sie stand auf und stellte fest, dass es im Zimmer leicht dunkel war. Entweder war es noch sehr früh am Morgen, oder die Abenddämmerung setzte so ganz langsam ein. Letzteres wurde durch die Wanduhr bestätigt.

„Verdammt...schon halb 5.“, murrte Kate. In den Wintermonaten wurde es wirklich immer zeitiger dunkel und das nervte sie. Nun hatte fast den ganzen Tag verpennt. Irgendwie hatte sich ihre innere Uhr darauf eingestellt die Nächte durchzumachen. Kate, die Nachteule. Na klasse.

Sie begann sich an das zu erinnern, was ihre Mutter ihr abends zuvor erzählt hatte. Von ihrer Familie. Die Besondere Begabung. Was konnte es nur damit auf sich haben?

Der Wuschelkopf tappte barfuss und noch ziemlich verschlafen in das nahe gelegene Badezimmer. Sie wollte gar nicht wissen, wie ihr Spiegelbild aussah, sondern stellte sich prompt wie sie das Zimmer betrat, unter die Dusche. Nachdem das Wasser ergiebig über sie floss, begann ihr Körper allmählich wach zu werden. Sie drehte das Wasser von warm auf kalt und schrie leise auf, als sich durch die Kälte ihre Muskeln zusammenzogen. Abhärtung soll ja bekanntlich gut für die Abwehrkräfte sein, sofern man den allgemeinen Meinungen glauben schenken durfte.

Nach der Dusche trat sie vor den Spiegel. Nackt. Sie sah sich im Spiegel an und entdeckte keinen Kratzer, keine Aufschürfung. Nichts. Nur unversehrte, weiche und vor allem helle Haut. Nichts deutete darauf hin, dass sie angegriffen und angefahren wurde. Hatte sie dies den Heilungskräften der Vampire zu verdanken? Es war einfach beeindruckend.

Die nassen Haare klebten an ihrem Körper, danach wurden sie mit einem Handtuch trocken gerubbelt. Ihre Gedanken schweiften ständig ab. Zuerst dachte sie an die drei Jungs. Irgendwie bereute sie ihre gestrige Entscheidung. Sie hatte die Jungs einfach da stehen gelassen. Vor allem Daniel. Er hatte nicht einmal etwas negatives getan. Mal abgesehen von der gezogenen Pistole.

Als sie endlich fertig gewaschen und angezogen war, ging sie wieder in ihr eigenes, kleines Territorium. Auf ihrem chaotischem Schreibtisch stand ein Bilderrahmen. Sie hob es an und sah traurig auf das Foto von ihr und ihrer Schwester.

„Ich hol dich da raus.“, schwor sie sich flüsternd und unterdrückte die Tränen. Sie stellte seufzend das Bild wieder hin. Kate wollte zu gern wissen, wie es ihrer Schwester wohl unter der Fuchtel der Meisterin der Stadt erging.

Später fand sie sich in der Küche wieder. Ihre Mutter war nicht da. Dafür lag aber ein Zettel auf dem Küchentisch.

Hallo Spatz,

ich wollte dich nicht wecken, da du viel durchgemacht hast.

Ich habe heute Nachtschicht, werde also erst morgen wieder da sein.

Vergiss nicht was zu essen!

Wir reden morgen wenn ich wieder da bin. Ich muss dir noch was erklären.

Ich hab dich lieb,

Mutti

Ihre Mutter war Krankenschwester und musste ausgerechnet heute Nachtschicht haben. Gerade jetzt, wo ihr so viele Fragen wirr durch den Kopf schwirrten. Was gab es nur für Geheimnisse, was hatte sie ihr verheimlicht?

Ihr Magen knurrte wie ein ausgehungerter Bär. Sie hatte lang nichts mehr gegessen und beschloss sich eine Pizza aufzubacken. Frisch aus der Tiefkühltruhe rein in den Ofen. Auf Frühstück wollte sie um 5 Uhr abends lieber verzichten.

Plötzlich klingelte es an der Tür. Kate erschrak, drehte aber in aller Ruhe noch den Backofen auf. Jemand klingelte mehrmals, als sei es enorm wichtig. Ob es wohl Kevin war? Nein. Kevin hatte doch einen Notschlüssel, wenn mal was sein sollte. Wer war es sonst?

„Ja ja...bin schon unterwegs.“, säuselte sie und öffnete die Tür. Sie schaute nicht einmal durch den Spion. Und so blickte sie völlig unvorbereitet in das Grinsen von keinem geringerem als...Daniel!

„W...woher weißt du wo ich wohne?“, wunderte sich das Mädchen und riss erstaunt die blauen Augen auf.

Der junge Mann, der blonde Vampirhenker trat ohne zu fragen in die Wohnung ein und grinste weiter. „War nicht schwer herauszufinden. Zumindest nicht für mich.“

Genervt sah sie ihn an. „Hast mich verfolgt, was?“

Er zuckte mit den Schultern. „Verfolgt würde ich das jetzt nicht nennen...“, begann er.

Kate hätte jetzt eigentlich gesagt, dass er reinkommen solle, aber er stand ja bereits im Flur, also schloss sie die Tür.

„Nette Wohnung habt ihr hier.“ Er sah sich lächelnd um.

Sie nickte. „Ja danke. Aber sag mir lieber, womit ich deinen Besuch verdient hab.“

„Hm...na ja ich bin ein Vampirhenker und du wirst von Vampiren verfolgt. Nicht von irgendwelchen, sondern von der Meisterin der Stadt und von einem der Ratsmitglieder. Da muss ich dir ja helfen. Ich meine wir Menschen müssen zusammenhalten. Oder etwa nicht?“, sein breites Lächeln zierte sein Gesicht noch immer.

Sie öffnete den Mund, um etwas zu sagen und schloss ihn wieder. Dann meinte sie nur, dass er seine Jacke und Schuhe ausziehen solle, um ihr dann in die Küche zu folgen.

„Ah es gibt Pizza.“, schnupperte er.

„Hast du Hunger?“, fragte sie. „Das ist sozusagen mein Frühstück.“

„Ich konnte es mir schon fast denken.“, antwortete er nur darauf.

„Woher?“, platze es aus ihr heraus.

„Na aus der Tatsache, dass deine Haare noch nass sind, schließe ich, dass du erst aufgestanden bist.“, er setzte sich wie selbstverständlich an den Tisch.

„Cleveres Bürschchen.“, nun musste auch Kate grinsen.

„Mein Ruf eilt mir mal wieder voraus. Daniel Clark, Vampirhenker und cleveres Bürschchen - stets zu Diensten.“, er stand auf und spielte eine Verbeugung vor.

Sie begannen beide zu lachen. „Du bist albern heute.“

„Man darf das Lachen nie vergessen. Das Leben ist zu kurz, um Trübsal zu blasen. Man sollte jeden Tag mindestens einmal lachen, sonst ist es ein verlorener Tag. Vor allem in meiner Branche weiß man nie, wann es vorbei sein könnte.“

„Philosophisch also auch noch. Aber du hast wohl recht. In den letzten Tagen hatte ich nur relativ wenig zu lachen...“, auch Kate setzte sich nun ihm gegenüber.

„Das bringt mich wiederum zu einer ernsteren Angelegenheit.“, er schien es zu bedauern und sein Lächeln verschwand. „Ich hatte ja erwähnt, dass ein Ratmitglied hinter dir her ist.“

„Ja ich weiß, Maurice Greenwood, nicht wahr?“, ergänzte sie.

„Wie ich sehe, bist du bereits bestens informiert. Ich habe einiges herausgefunden über den obersten Vampirrat.“, er faltete die Hände auf dem Tisch in einander und machte eine ernste Miene.

„Ich höre.“, Kate stand auf und sah nach der Pizza. Sie war fast durch, nur noch der Käse sollte ein bisschen schmelzen.

„Es gibt insgesamt sieben Ratsmitglieder. Es muss eine ungerade Summe sein, wegen Abstimmungen innerhalb des Rates. Allesamt sind die Mitglieder mächtige Vampire, die über besondere Kräfte verfügen. Die meisten sind über tausend Jahre alt. Glücklicherweise scheint dieser Maurice Greenwood knapp unter diesem Alter zu sein, sofern meine Quellen richtig liegen.“, er sah nervös durch die Küche.

„Also ist das gut oder schlecht?“, fragte Kate.

„Weder noch. Maurice Greenwood lebt seit Jahrhunderten in London und ist dort der Meister der Stadt. Im englischen Bezirk gibt es die VSR erst seit diesem Jahr, aber dennoch hat er jetzt schon enorme Machteinflüsse in ganz Europa. Aber er ist nichts desto trotz der Schwächste im Rat. Wobei wir immer noch nicht seine besonderen Kräfte kennen. Er muss über enorme Stärke verfügen, wenn er sich als Ratsmitglied behaupten kann. Wir dürfen ihn nicht unterschätzen, besonders da er vermutlich von Jeanne-Claire hier her berufen wurde.“

Die Pizza war fertig und landete auf einem runden Holzbrettchen, das die passende Größe hatte. Kate schnitt Stücke zurecht. „Ich habe ihn schon getroffen und kann sagen, dass er über enorme Heilungskräfte verfügt, aber mehr weiß ich nicht von seinen Fähigkeiten.“

Daniel nickte zwei Mal langsam. Das Essen fand nach einer Weile endlich seinen Weg auf den Tisch und beide nahmen sich etwas davon.

„Nun ja...“, fuhr Daniel fort. „Ohne mich in deine Beziehungen einmischen zu wollen...wie sieht es aus, kann man auf die Hilfe von einem Vampir zählen?“

Kate schluckte hart und lief rosa an. „Nun ja...ich schätze mal auf einen ist sicher Verlass, bei dem anderem bin ich mich nicht hundertprozentig sicher, da er ein Abkömmling von Jeanne-Claire ist. Und dann gibt es noch ein Vampirmädchen, auf sie können wir bestimmt auch noch zählen.“

„Verstehe.“, Daniel schluckte etwas Pizza hinunter. „Man die ist gut. Sind das Oliven?“

„Ähm ja, Mama hat die Pizza gekauft. Ich esse aber keine Oliven und kratz die immer ab.“, sie deutete auf einige Oliven, die sie auf das Brettchen gelegt hatte.

„Welch Verschwendung. Ich darf doch?“

Da er es wie eine Frage klingen lies, antwortete sie. „Bedien dich.“

Das lies er sich nicht zweimal sagen und verputzte die schwarzen Oliven.

„Um wieder darauf zurückzukommen...“, er wusch sich einige Teigkrümel aus den Mundwinkeln. „Ich muss aus dir noch eine Vampirjägerin machen.“

„Bitte was?!“, Kate blieb das Essen fast im Hals stecken.

„Naja du sagtest gestern was davon, dass du dir nicht mehr helfen lassen willst und wir unsere Machoscheiße lassen sollen. Also schlussfolgere ich, du willst eine feministische Heldin werden, die unerschrocken gegen alle Schurken und Kreaturen kämpfen wird.“, seine Augen funkelten leidenschaftlich.

„Du denkst nicht zufälligerweise gerade an Lara Croft?“, zischte sie ironisch.

Er hüstelte. „Naja...war nur so eine Vorstellung...“

Wieder mussten die beiden lachen. Das lockerte auf, da sie sich ja eigentlich um ernste Angelegenheiten kümmern mussten.

„Was hast du vor?“, fragte sie ihn schließlich als sie aufgegessen hatten.

„Ich will, dass du Schusstraining machst, noch dazu solltest du deine Fähigkeiten im lautlosen Anschleichen an Gegner, sowie Verstecken trainieren. Da dachte ich wir spielen Paintball*.“

So einfach es auch klang, Kate war überrascht. „Was echt? Wann?“

„Noch heute.“, meinte Daniel und lächelte.

„Wie viel Zeit hab ich mich fertig zu machen?“, wollte Kate wissen.

Er sah auf die Uhr. „Naja reichen dir zehn Minuten? Ich wollte noch los, bevor es stockfinster draußen wird.“

„Alles klar.“, rief sie und rannte aus der Küche. „Warte hier, ich zieh mir nur was wärmeres an.“

Verdammt, das ist ja so was von cool!, schoss ihr durch den Kopf und sie schmiss einige Klamotten aus ihrem Schrank.

„Was zieht man da am besten an?“, grübelte sie.

Sie entschied sich schließlich für eine ältere Bluejeans, zog sich dazu einen weiten, schwarzen Pullover an, auf welchem mit rosa Schrift „Cute but Psycho“ stand. Dieses hatte sie mal zusammen mit Val gekauft, was hieß, dass Val auch so eines hatte nur in einer anderen Farbe.

Außerdem entschied sie sich noch für ein paar schwarze Handschuhe aus Kunstfasern, die nicht schnell nass wurden. Gegen die Kälte zog sie sich noch eine schwarze Steppjacke an. Sie war eines der teueren Markenmodelle, die man zum joggen oder wandern anziehen konnte. Es hatte einen steifen Stehkragen, eine abnehmbare Kapuze mit weinrotem Innensaum und es war weitestgehend wasserabweisend und wärmend.

Dann tappte sie zurück zu Daniel in die Küche. „Ist das so in Ordnung?“

„Hm...du brauchst noch Schuhe.“, entgegnete er nur, als er sie musterte. „Und zieh dir einen Schal an, das schützt die Hals und Nackenregion besser.“

„Tut Paintball denn weh?“, fragte sie ihn nichtsahnend, wie Paintball überhaupt gespielt wurde.

„Naja, nur ein bisschen, aber nicht schlimm.“

Der Blonde erhob sich vom Stuhl und schritt auf sie zu. „Wo ist euer Schuhschank?“

Sie deutete auf eine niedrige Kommode im Flur. Er schritt darauf zu und öffnete die Schubladen. Der Blonde fand einige hochhackige Damenschuhe und schmiss sie aus dem Schrank raus.

„H-hey! Was soll das?“, rief Kate augenblicklich empört.

„Na, ich muss sortieren. Wozu braucht man schon so etwas?“ Er hielt einen roten Pumps fragend hoch.

„Der ist von meiner Mama...“, murrte sie. „Mach doch nicht so ein Chaos hier.“

Daniel ignorierte ihre genervte Art und wühlte weiter in fremder Leute Sachen rum. Schließlich fand er ein paar schwarz, graue Wanderschuhe.

„Warum ziehst du nicht die an, die haben recht gute Sohlen, da rutscht man bestimmt nicht schnell aus.“

Sie musterte die ausgewählten Schuhe. Normalerweise mochte sie diese nicht anziehen. Sie war gewöhnt bei fast jedem Wetter Chucks oder Turnschuhe zu tragen. Manchmal durften es auch weiblichere Modelle sein, aber Wanderschuhe lagen bei ihr immer ganz hinten im Schrank. Schließlich gab sie doch nach und zog sich diese an.

„Na gut dann brechen wir auf.“, sagte Daniel tatkräftig und um ihn herum lagen mindestens ein Dutzend Paar Schuhe chaotisch auf dem Boden.

„Hilf mir die Schuhe wieder einzuräumen!“, protestierte die Braunhaarige darauf, doch schon packte Daniel sie am Handgelenk und steuerte zur Tür. Schnell zog er sich seine braune Jacke über und seine Schuhe, da waren sie auch schon draußen und auf dem Weg zu seinem Auto.

„Und merk dir das, du solltest immer so etwas anziehen, wenn wir demnächst zusammen auf Vampirjagd gehen.“

Sie staunte nicht schlecht. „Wer hat gesagt, dass ich auf Vampirjagd will?!“

Jedoch war jeglicher Protestversuch machtlos und so fuhren sie zum Paintballfeld außerhalb der Stadt.
 

Der Wald war schon in Dämmerlicht gehüllt. Jedoch war es tagsüber scheinbar wärmer gewesen, sodass die dünne Schneeschicht von den Ästen herunterzutropfen begann. Dadurch wurde der weiche Waldboden noch viel rutschiger als zuvor.

Das Gelände war komplett eingezäunt. Man hatte ihr eine Schutzmaske gegeben, eine Farbpistole mit 500 Schuss Munition und während Daniel bezahlen ging, erklärte ein Mitarbeiter ihr wie das Spiel überhaupt funktionierte.

Aus irgendeinem Grund konnte Daniel den Mitarbeiter an der Kasse glaubhaft machen, dass Kate bereits volljährig sei. Anscheinend schien er den Typen bereits zu kennen, worauf sie schlussfolgerte, dass Daniel häufiger hier her kam.

Dieser kam nach einer Weile wieder zurück und hatte ein paar kräftige Männer mit dabei, die allesamt schon in passenden Kleidungsstücken bereit fürs Gefecht waren. Mit Gelächter kamen sie zu ihr.

„So und das ist Kate, sie spielt heute zum ersten Mal, also seid nett zu ihr und macht ihr keine Angst.“, sagte Daniel lachend zu den Jungs.

Ein großer, muskulöser Mann mit Bart sprach Kate an. „Warum sollte man denn vor uns Angst haben?“

Er lachte und Kate war leicht nervös, er war vermutlich stark wie ein Bär.

„Ich heiße Dave, schön dich kennen zu lernen.“, er reichte ihr die Hand. Sein Händedruck brach ihr fast die Hand und sie schrak auf.

„Alter! So kann man doch nicht mit Frauen umgehen!“, nörgelte ein dünner mit langen blonden Haaren, die er sich zu einem Zopf gebunden hatte. „Ich bin Niley, es ist mir eine Ehre. Man trifft selten Frauen in diesem Sport.“

„Ja freut mich auch dich kennen zu lernen.“, Kate war etwas unsicher von den fremden Jungs.

Ein anderer ergriff das Wort. „Mensch Daniel, wo findet man so süße Mädchen?“

Daniel lachte nur und sagte dann: „Wenn man Vampire abmetzeln geht.“

Auch der Typ begann zu lachen. „Du bist echt ein Scherzkeks, Alter!“ Anscheinend schien er ihm nicht zu glauben.

Nun gab Kate allen aus der Runde die Hand. Einer hatte kurze, schwarze Haare, die mit reichlich Haargel zu spitzen Spikes geformt waren, er hieß Nils. Ein anderer, der kurze braune Locken hatte, nannte sich Edwin. Der letzte der Jungs zögerte, als Kate ihm die Hand reichten wollte.

„Ich heiße Marc.“, meinte er nur und wich etwas zurück.

Etwas verunsichert sah Kate zu Daniel. Dieser schüttelte den Kopf.

Kate sah den etwas verstörten Marc genauer an. Er war kleiner als sie und hatte dichtes, blauschwarzes Haar, dass er sich als Pferdeschwanz nach hinten gebunden hatte. Seine grünen Augen funkelten schüchtern. Kate schätzte ihn auf etwa Mitte Zwanzig.

„Marc kann nicht mit Frauen umgehen.“, lachte der große Dave.

„Weichei, er traut sich auf dem Spielfeld alles, nur mit Frauen kann er nicht reden.“, stimmte nun auch Niley mit in das Gelächter ein.

„Ok, lasst uns anfangen oder nicht Leute?“, sagte Daniel. „Kate ist in meinem Team.“

„Lasst Niley mit in eure Gruppe, damit er mal eine Frau außerhalb von Pornozeitschriften kennen lernen kann.“, grinste der Schwarzhaarige.

„Marc ist außerdem echt gut. Ich finde so wäre es ausgeglichen, weil Kate ja noch nie gespielt hat.“, sagte Dave.
 

Gesagt getan und so zogen sie die Jungs und das einzigste Mädchen die schwarzen Schutzmasken auf und gingen hinaus ins Spielfeld.

„Das Spiel geht genau 3 Stunden. Wer danach immer noch steht hat gewonnen, wer getroffen wird muss das Feld sofort verlassen und scheidet aus. Um es spannender zu machen gibt es ein Ziel. Beide Teams müssen versuchen einen goldenen Schlüssel zu ergattern, der in einer kleinen Hütte am Fuße des Berges gibt. Die Hütte liegt östlich von hier an einem Fluss. Das Team muss den Schlüssel schnappen und wieder hierher zurück zur Basis bringen. Dabei muss das Team nicht vollständig bleiben. Es reicht, wenn am Ende nur noch einer des Teams den Schlüssel zurückgebracht hat. Haben das alle verstanden?“, erklärte Daniel

Die gesamte Mannschaft nicke.

„Dann legen wir also noch unsere Teamanführer fest. Ich schlage mich selbst vor für mein Team.“, fuhr Daniel fort.

Dave, Niley und Nils sprachen sich kurz ab und legten dann Niley als Teamchef fest.

„Also gut. Dann legt mal los.“, rief Niley.

„Bleib bei mir in der Nähe“, sagte Daniel zu Kate.

Sie nickte.

Dann begann er zu rennen - und sie hinterher.
 

Die ersten zehn Minuten begannen damit, dass Daniel, Marc und Kate durch das dunkle Dickicht schlichen. Im Dunkeln konnte man den Feind schlecht erkennen, doch hören. Also war es von äußerster Bedeutung so leise wie möglich zu bleiben und nicht die Nerven zu verlieren.

Um lautlos zu sein, konnten sie also nicht sprechen, daher hatten sie sich Handzeichen ausgemacht. Daniel ging voraus und machte nach hinten zu den anderen beiden Handzeichen. Seine rechte Hand hielt er flach nach oben, das der Hintermann den Daumen und die Kante der Hand sehen konnte. Dies bedeutete weiterlaufen.

Der eisige Boden knirschte nur sehr leise unter ihren Füßen, jedoch war es unsagbar schwer, sich durch das unwegsame Gelände zu bewegen. Natürlich hätte man auch am Flussufer entlang laufen können, jedoch würde man so vom Feind schneller erkannt werden.

Kate war sichtlich nervös. Ihr Herz pochte so laut, dass sie glaubte, dass man es schon von weitem hören konnte.

Ihr Vordermann, Marc drehte sich kurz zu ihr um. „Sei nicht so verkrampft.“

„Sorry...“, meinte sie nur und war nur noch aufgeregter. Auf keinen Fall wollte sie diejenige sein, sie als erste getroffen wurde. Also musste sie Ruhe bewahren.

Daniel hielt die Hand so, dass man seine Rechte von vorn sah. Dies bedeutete Stopp und augenblicklich verharrten alle völlig regungslos an Ort und Stelle.

Kate lauschte in die Finsternis. Sie konnte nichts erkennen, was mit dem eingeschränkten Blickfeld der Maske sowieso schon schwierig war. Sie hörte absolut gar nichts. Es war still und wie es das Klischee will - zu still.

Dann hieß es wieder weitergehen. Kate konnte fast gar nichts mehr erkennen, so vertraute sie darauf, dass die beiden vorderen wussten, wo sie hin mussten. Wo auch immer die anderen hintraten, so tat sie es ihnen gleich. Selbst wenn sie einen Ast, ein Hindernis, das vor ihnen lag nicht erkannte, so traute sie den anderen und folgte den selben Pfad.

Die Zeit schien stehen zu bleiben. Sie hatte jegliches Zeitgefühl verloren. Plötzlich hieß es von vorn wieder „Stopp“, und gleich danach hielt Daniel die Hand parallel zur Erde. Hinlegen und zwar sofort!

Alle drei kauerten sich ins Gebüsch und der Kugelhagel setzte ein. Die Bäume wurden von bunten Farbkugeln getroffen und Kate presste sich der Länge nach in den weichen Waldboden, um nicht getroffen zu werden. Nun schossen Daniel und Marc auf die Angreifer. Kate nahm von fern wahr, dass einer von den anderen getroffen war.

Gott sei dank, jetzt muss ich nicht mehr die erste Ausgeschiedene sein, schoss ihr durch den Kopf. Doch aufgeben wollte sie noch nicht.

Sie zielte nun auch, jedoch traf sie nicht.

Auf einmal rannten Daniel und Marc los. Sie hatte das Handzeichen nicht mitbekommen. Hastig stand sie auf, passte auf, dass sie möglichst im Schutz der Baumstämme war und rannte los. Ihr Herz schlug so laut, dass sie nicht mehr hörte, dass er Kugelhagel aufgehört hatte.

Sie schloss zu den anderen auf, als diese sich gerade wieder hinkauern wollten. Dann ging die Ballerei erneut los. Sie begriff zu langsam, dass sie sich ducken musste. In Sekundenschnelle wurde sie gepackt und zu Boden gerissen. Marc lag mit seinem Oberkörper auf ihrem Rücken und presste sie an den frostigkalten Boden.

„Verdammt pass doch auf!“, brüllte er. Anscheinend hatte er jetzt jegliche Art von Schüchternheit überwunden.

Kate war zu perplex, um zu antworten. Plötzlich durchfuhr sie ein Anstrom von Macht. Etwas glühend gelbes, jedoch für das ungeschulte Auge Unsichtbares, zuckte als Wolkenstrom vor ihren Augen. Sie erschrak und schon war diese seltsame Energie wieder verschwunden. Sie spürte nur noch den Körper von Marc auf ihr, der sie in die Erde drückte.

„Los weiter.“, rief er ihr zu und stand wieder auf.

Auch das Mädchen beeilte sich. Ihr blieb keine Zeit darüber nachzudenken, was das eben war. Daniel raste voraus, er schien jedenfalls nichts davon bemerkt zu haben.

Ihr Teamchef war immer weiter von ihr entfernt und auch der Abstand zwischen ihr und Marc wurde immer weiter. Doch so gut sie es versuchte, sie konnte nicht schneller laufen. Die anderen schienen sich wie Wasser durch die Äste und Zweige zu bewegen, wo hingegen sie an jeder Ecke und Kante hängen blieb.

Die Entfernung zwischen ihr und ihrer Gruppe riss immer weiter auseinander. Das Schlimme war jedoch, dass sie nicht mehr weiterrennen konnte. Sie bekam Seitenstechen, obwohl sie sonst nie so schlechte Ausdauer hatte. Doch der Weg durch den Wald war beschwerlicher, als auf den ersten Blick zu erwarten gewesen wäre.

Nur wenige Zeit später waren die anderen außer Sichtweite. Keuchend hielt sie an und rang um Atem. Sie hatte Daniel und Marc verloren, das hieß sie war auf sich allein gestellt. Und obwohl alles nur ein Spiel war, wollte sie auf keinen Fall klein bei geben, jetzt müsste sie erst recht zeigen, was sie drauf hatte!

Ein knackender Ast in ihrem Umfeld lies sie aufschrecken. Sie rann also weiter, bis sie am steinigem Ufer angelangte. Der Fluss war breit und das Wasser war pechschwarz, wie die Nacht. Nur das Licht des Mondes am Himmel sendete etwas Licht, jedoch nicht genug, um andere Spieler, die dunkel gekleidet waren, zu erkennen. Dies hieß vielleicht aber auch, dass andere Spieler die ebenfalls schwarz gekleidete Kate auch nicht sehen konnten...

Die Umgebung war still, außer dem Rauschen des Wassers war nichts zu vernehmen. War der knackende Ast etwa nur eine Einbildung gewesen?

Eher nicht, denn vom anderen Ufer kam ein Rascheln. Scheiße.

Sofort rann sie ins Dickicht und stellte sich hinter einen Baum. Einige Schüsse kamen, trafen jedoch nur Baumstämme. Sie lugte um die Rundung des Stammes und versuchte auszumachen, woher die Schüsse kamen. Sie konnten praktisch von überall her kommen!

Wenige Sekunden später hörte der Beschuss auf. Vielleicht mussten sie nachladen?

Kate nutzte die Gelegenheit und schmiegte sich an die Rinde, sodass ihr Körper größtenteils geschützt war, doch der Lauf der Waffe in Angreiferrichtung zeigte. Dann schoss sie, verteilte großflächig überall am anderen Ufer entlang Schüsse. Sie schien niemanden getroffen zu gaben. Die anderen rannen weiter, sie hörte ihre Schritte und atmete leise auf.

Dann schlich sie ebenfalls weiter. Sie lief am Waldesrand, sodass sie den Flusslauf verfolgen konnte. Dieser wurde steiniger, nahezu felsig, je weiter sie kam. Schließlich hörte sie ein lautes Rauschen. Ganz in der Nähe schien ein Wasserfall zu sein. Sie sah sich um. Im Mondlicht erkannte sie eine Felsenklippe, unten musste der Wasserfall liegen. Doch von der Klippe aus, würde man sicher die Hütte finden können. Sie ging in die Hocke und kroch den Weg bis zu den Felsen.

Innerlich hoffte sie, dass die anderen ihres Teams den Schlüssel schon gefunden hatten.

Aber sie hatte ja jegliches Zeitempfinden verloren. Was, wenn die 3 Stunden schon um waren und das Spiel zu Ende wäre? Was wenn es auch nur 30 Minuten waren? Sie hatte keine Ahnung, was sie tun konnte, um Daniel oder Marc wiederzufinden.

Schließlich kniete sie auf einem halbwegs ebenen Felsen, nahe der Kante. Das Rauschen lies ihren Herzschlag ruhiger werden. Sie sah dahinter ebenfalls nichts weiter als Wald. Wie weit konnte diese Hütte noch entfernt liegen?

Plötzlich war etwas hinter ihr. Ein saftiges Geräusch, wie als würde man durch Morast laufen. Sie drehte sich um. War es ein Gegner? Vielleicht war es auch einer von den Ihrigen? Woher sollte man sie erkennen?

Sie verharrte in Regungslosigkeit. Versuchte den Atem anzuhalten, bis derjenige verschwunden war. Wieder hörte sie etwas. Bei genauem Hinhören klang es wie Schritte. Verdammt.

Dann beschloss sie sich flach auf den Fels zu legen, ihre Füße reichten jedoch über die Kante hinaus. Die Schritte kamen immer näher.

Wie aus heiterem Himmel schoss jemand, glücklicherweise in eine andere Richtung zum Wald.

„Wohl doch nichts.“, murrte er kaum hörbar. Doch Kate erkannte die Stimme.

„Marc?“, fragte sie.

Der Betreffende drehte sich um.

„Ich bin’s Kate.“, flüsterte sie.

„Hier steckst du also.“, wispernd kam er näher.

Also stand Kate auf. Sie wollte ihre Waffe aufheben, da verlor sie das Gleichgewicht. Kate taumelte nach hinten und die Farbpistole fiel scheppernd auf den Boden und sie selbst kippte nach hinten um. Gerade noch so konnte sie die Kante mit einer Hand zu fassen bekommen. Marcs Hand schloss sich um ihr Handgelenk.

„Ich zieh dich hoch.“, keuchte er nur.

Das Mädchen versuchte mit den Füßen irgendwie an der Felswand Halt zu finden, baumelte jedoch im Leeren. Ihre linke Hand suchte etwas greifbares, doch es brach augenblicklich ab. Dann rutschte ihr von ihrer Rechten der Handschuh ab.

Sie fiel.

Ihr Schrei ging im Rauschen des Wasserfalls unter.
 

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* Ich habs noch nie gespielt, ich hab bloß bisschen vor dem Schreiben des Kapitels über Paintball recherchiert.

Spiel oder ernst?

Bevor die Ferien zu Ende sind...noch ein kurzes Kapitel...

Der Anfang des nächsten ist auch schon begonnen, aber ich bin mit meinen Recherchen noch nicht ganz fertig und noch etwas unsicher...aber ansonsten hoffe ich doch, dass mein KreaTIEF bald ein Ende finden wird.

Jedoch wurde ich schon mehrmals...genervt..."liebevoll angestachelt" doch endlich weiterzuschreiben...^^ Ich nenne keine Namen, diejenige Person sollte sich jedoch angesprochen fühlen. ;)
 

Viel Spaß,

LG eure Mad-Ann

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Sie fiel gerade mal 2 Meter tief und klatschte wie ein Stein ins Wasser. Die Wellen rissen sie in die Tiefe und sie ruderte hastig mit den Armen, schaffte es aber nicht Überwasser zu bleiben. Sie sank ins Wasser, ihr Mund füllte sich mit der eiskalten Flüssigkeit. Dann rang das Mädchen um Atem.

Doch mit ihrem Hinterteil berührte sie das Flussbett.

Überrascht stand sie auf und bemerkte, dass der Fluss gerade mal hüfttief war.

„Ist jetzt nicht wahr, oder? Ich dachte ich sauf ab!“, keuchte sie entnervt, als sich ihre Lungen wieder mit Luft füllten.

Sie bemühte sich an das Flussufer zu kommen. Das Wasser war nur knapp über dem Gefrierpunkt und das spürte man nur allzu deutlich. Es stach brennend kalt auf der Haut und ihre Kleidung hatte sich damit vollgesogen. Sie tropfte wie ein nasser Pudel und die Kleidung an ihrem Leib klebte nass an ihr. Kniend gelangte sie an das steinige Ufer und musste erst mal heftig husten. Neben ihr nahm sie bewusst das Näherkommen einer Person wahr. Daniel hatte sie erreicht, bevor sie aufgestanden war.

„Kate, du bist völlig durchnässt. Brich das Spiel ab und zieh dir was trockenes an.“, er nahm sie wärmend in die Arme. Soviel Fürsorge seitens Daniel war sie nicht gewohnt und erst recht wusste sie nicht, wie sie sich dabei verhalten sollte.

Kate stieß ihn weg. „Ich gebe jetzt bestimmt nicht so leicht auf.“, meinte sie missmutig. „Wenn das jetzt real wäre... Ich meine, wenn ein paar Vampire hinter mir her wären, wenn es wirklich hart auf hart käme, so würde ich jetzt auch nicht aufgeben, nur um ein paar trockene Klamotten Willen.“ Sie bereute es ja schon selbst, dass sie es gesagt hatte, jedoch wollte sie nicht länger wie eine Versagerin dastehen. Sie hasste es, dass sie sich so erbärmlich schwach vorkam.

„Aber du holst dir den Tod bei diesen Temperaturen!“, beharrte er jedoch und verstand nicht, wie sie sich so schnell in ihrem Verhalten wandeln konnte. Sie schien es allerdings ernst zu meinen.

Kate zog sich mit etwas Mühe den nassen Stoff von ihrem Oberkörper. Es war bestialisch kalt, als sie mit BH und nasser Jeans bekleidet im Dunkeln stand. Dann begann sie damit, den Stoff auszuwringen. Als es etwas trockener war und nicht mehr tropfte, zog sie sich wieder an. Innerlich hoffte sie, dass ihre Körperwärme ausreichen würde, um nicht in den feuchten Sachen zu erfrieren.

„Ich komm zurecht.“, entgegnete sie schroff und versuchte zu gehen. Der Jeansstoff war sehr schwer geworden und es kostete Mühe sich in der nassen Hose zu bewegen.

„Kate sei nicht dumm...“, Daniel schlug die Hände vor den Kopf. „Wir haben fast Minusgrade und du bist klitschnass.“

„Ich sagte, ich komm damit klar. Ich will euch nicht aufhalten. Wir schnappen uns jetzt einfach diesen verdammten Schlüssel.“ Sie sah in sein Gesicht, sah im Dunkeln allerdings nur dunkle Umrisse.

„Bist du dir sicher?“, hackte er noch mal nach.

Sie nickte und sah, wie auch Marc sich zu ihnen gesellte. Jetzt wollte sie nichts anderes, als dieses Match zu gewinnen.

„Gut...dann los.“, meinte Marc und gab ihr die Farbpistole wieder zurück.

Nun ging es wieder im Teamwork weiter. Sie schlichen am Flussufer entlang und sahen nach wenigen Minuten Licht in einer kleinen Hütte. Kates Schritte waren geräuschvoll durch die Nässe, also musste sie langsamer laufen, um nicht zu viel Aufmerksamkeit auf sich zu richten. Kate behielt die Umgebung wachsam im Auge, während Marc sich zur Hütte aufmachte, um den Schlüssel zu holen. Daniel hielt mit einigen Metern Abstand Schritt.

Als sie in der Hütte waren hörte Kate etwas Knirschendes. Ein schwarzer Schatten bewegte sich im Wald. Sie zögerte nicht und schoss in diese Richtung. Diesmal traf sie sogar.

„Verdammt!“, meinte der Getroffene wütend.

Da das Mädchen niemanden in dessen Nähe ausmachen konnte, begab sie sich in diese Richtung.

Es war Niley, den sie getroffen hatte. In seinen Händen hielt er den glänzenden Schlüssel.

„Nicht schlecht, junge Dame.“, meinte er und gab ihr freiwillig den Schlüssel.

„Danke.“, sie musste grinsen, dass sie ausgerechnet ihn getroffen hatte.

Doch im nächsten Moment verlies sie auch schon ihre Glückssträhne. Jemand hinter dem Gebüsch schoss Farbkugeln auf sie und traf ins Schwarze. Sie spürte es am Rücken.

„Nein! Verdammt!“, rief sie und wollte sich noch ducken, als es schon zu spät war.

„Touché“, lachte Niley, als er sich seine Schutzmaske abnahm und blonde Strähnen ihm ins Gesicht fielen.

„Na klasse.“, zischte sie sarkastisch. „Ich hatte schon gedacht ich würde im Rennen bleiben.“

Im nächsten Augenblick schoss Daniel auf den letzten des gegnerischen Teams und somit war das Spiel entschieden. Daniel nahm den Schlüssel von Kate an.

„Sei nicht frustriert. Ich bin sehr beeindruckt.“

„Obwohl ich getroffen wurde?“, sie zog sich nun auch die Maske ab und genoss die frische Waldluft.

Er nickte. Obwohl sie sein Gesicht nicht sah, wusste sie, dass er lächelte.

„Ich hätte nicht gedacht, dass du soviel Durchhaltevermögen hast. Aber lass uns nun lieber schnell zurückgehen, ok.“

Sie sah ihn noch einige Sekunden lang an. Dann nickte sie ebenfalls.
 

Später am Abend war sie mehr als froh, als sie in trockenen Sachen steckte. Auch wenn es Anziehsachen von Jungs waren. Eine überlange Jeans, die glücklicherweise an der Hüfte halbwegs saß und nicht herunterrutschte und dazu ein übergroßes, schwarzes Sweatshirt einer Heavy Metal Band.

Irgendwie kam sie sich vor wie ein hartes Mädchen, oder ein androgyner Junge. Männerkleidung war echt nichts für schlanke Mädchen. Entweder kam man sich vor wie in einer Clownsschule, wo alles mindestens 3 Nummern zu groß war, oder man würde aussehen wie ein Mannsweib. Letzteres war in diesem Fall passender.

Das nasse Bündel befand sich im Kofferraum. Sie hatte sich auf der Damentoilette umgezogen. Die Kerle hatten meistens Wechselkleidung im Kofferraum ihres Pick-ups, wenn sie Paintball spielen gingen. Schlammflecken waren offensichtlich an der Tagesordnung.

Die Gruppe war gleich danach in eine nahegelegene Bar gefahren. Die Vier hatten eine Fahrgemeinschaft und fuhren mit Nileys Wagen. Daniel und Kate fuhren mit dem viel kleinerem Golf hinterher.

Es war eine nichtssagende, 0-8-15 Kneipe am Rande der Stadt. Auf einem leuchtendem Schild stand „Polterkiste“, was schon ein ziemlich beknackter Name für ein Lokal war. Auch die Gegend war irgendwie trostlos und trist. Die Straße hatte so manche Schlaglöcher und Wellen, die durch physikalische Umwelteinflüsse der Jahreszeiten entstanden waren. In einigen Mehrfamilienhäusern brannte mattes Licht. Jedoch waren die Häuser im Vergleich zur Innenstadt deutlich niedriger und hatten zueinander größere Abstände. Eine öde Vorstadt eben.

Die Gruppe hatte die Kneipe betreten und war in dessen gesellige und laute Stimmung eingetaucht. Von außen ahnte man gar nicht, dass hier so viele Leute ihr Feierabendbier tranken. Sie setzten sich an einen Tisch in der hinteren Ecke der Kneipe. Kate lies ihre Augen über ein Hirschgeweih an der Wand schweifen. Der Raum hatte eine dumpfe und erdrückende Wirkung auf sie. Der Boden war aus dunklen Holzdielen und an den Wänden war eine Holztäfelung, aus ebenso dunklem Holz. Überall waren Jagdsouvenirs, hier ein Tierschädel mit Geweih und dort ein ausgestopfter Waschbär. Auch die Gäste in dieser Kneipe passten in dieses Klientel. Die meisten waren untersetzte, große Männer meistens mit einem schludrigem 3-Tage-Bart. Sie sahen nach Fernfahrern, Bauarbeitern und Holzfällern aus. Die Braunhaarige fühlte sich in diesem Moment ein wenig fehl am Platz.

„Kate? Trinkst du nicht?“, erklang es seitens Niley.

Sie wachte aus ihren Tagtraumzustand auf und starrte ihn an. Dann bemerkte sie, dass jeder ein Bier vor sich stehen hatte.

„Ähm...ja doch...“, meinte sie zögernd und lächelte leicht. Niley hatte anscheinend für jeden etwas ausgegeben.

„Also...“, er lenkte die volle Aufmerksamkeit der Runde auf sich. „Lasst uns anstoßen - auf Kate. Ihr erstes Paintballspiel hat sie sehr gut absolviert.“

Alle stimmten dem zu und Kate musste lachen. „Oh danke...“

Das einzigste Mädchen unter Jungs zu sein war etwas befremdlich, jedoch hatten sie Kate sehr herzlich aufgenommen. Selbst der so harte Dave schien im Inneren ein netter Bursche zu sein.

Ihre Augen huschten rüber zu dem etwas seltsamen Marc. Dieser hatte irgendwie einen Charakterwechsel. Er war wieder ganz der verklemmte Typ, wie zu Beginn. Als ihre Blicke sich trafen, sah sie seine stechenden braungrünen Augen. Es überkam sie wie eine Glut und eine Tatsache fiel ihr wie Schuppen von den Augen. Er war kein Mensch.

Sie wusste es so genau, ohne zu wissen, woran sie es merkte. Hinter seinen Augen flammte etwas auf, etwas dass er zurückzudrängen versuchte. Sie sah es in seinen Augen aufblitzen. Einen grauschwarzen Wolf.

Er wandte den Blick als Erster ab. Anscheinend hatte er ihr am Anfang nicht die Hand gegeben, weil er geahnt hatte, dass man seine Fassade durchschauen konnte. Er war ein Werwolf und schien es geheim zu halten vor den anderen. Ob Daniel es überhaupt wusste?
 

Daniel und Kate blieben bis halb 1, dann verabschieden sie sich als erste von den anderen. Kate sah zu Daniels Bierglas, das nahezu unberührt stehen geblieben war. Niley hatte allen etwas bestellt, doch Daniel hatte nicht einmal daran genippt.

Die beiden schritten zum Wagen, der auf einem kleinem Parkplatz stand.

„Trinkst du keinen Alkohol?“, fragte sie ihn. Sie selbst merkte, dass sie leicht benebelt war. Innerlich wärmte sie der Alkohol.

Daniel schüttelte den Kopf. „Das habe ich mir abgewöhnt. Ich mag es einfach nicht, wenn ich nicht kontrollieren kann was ich tue. Außerdem bietet es sich als Vampirhenker an, sich durch nichts den Verstand trügen zu lassen. Und natürlich muss ich dich noch heil nach Hause bringen, sonst werde ich noch als Entführer verhaftet.“

Sie kicherte. „Das wäre irgendwie auch blöd.“

Im Moment war sie überrascht, wie diszipliniert Daniel seinen etwas skurrilen Beruf ausübte. Er war noch jung, aber er schien nicht häufig auszugehen, wie seine Altersgenossen. Ein Vampirjäger durch und durch.

„Von dir kann ich bestimmt noch was lernen...“, murmelte sie kaum hörbar, doch sie war sich sicher, dass er sie verstanden hatte.

Mit einem zufriedenem Lächeln im Gesicht setzte er sich ans Steuer und fuhr los. Er schien sich sehr auf den Verkehr zu konzentrieren.

Nach einer geraumen Zeit fragte sie ihn endlich. „Weißt du, dass...“

„Was denn?“, er sah ihr forsch ins Gesicht und dann wieder zur Straße.

„Nun ja, ich denke...nein ich bin mir sogar ziemlich sicher, dass Marc ein Werwolf ist.“, sie sah in Daniels Gesicht eine überraschte Regung. „Ich kann mir nur nicht erklären, warum ich mir dessen so sicher bin.“

„Ich hätte nicht erwartet, dass du ihn durchschauen würdest.“, gab er erstaunt zu und wandte sich wieder der Straße zu. „Nun ja, ich kenne Marc nicht nur durchs Paintballspielen. Einmal hat er mir das Leben gerettet.“

„Echt? Das hätte ich nicht gedacht. Was ist passiert?“, fragte sie und wurde neugierig.

„Dies war bei einem meiner ersten Hinrichtungsbefehle. Ein Millenniumsvampir hat in der Vorstadt-Gegend fast ein halbes Dutzend Menschen bestialisch ermordet. Kehle mit den Zähnen aufgerissen und ähnliches. Als eben dieser Irrer mir seine Zähne in den Hals schlagen wollte, warf sich ein Wolf auf ihn und hat ihn mit einem Schlag zerfetzt. Marc hat mich gerettet, weil jener Vampir seine Schwester auf dem Gewissen hatte. Er ist der einzigste Lykantroph, dem ich bisher begegnet bin. Ich hörte, dass die meisten lieber in Gebieten leben, in denen es mehr Wälder gibt. Denn dort können sie ungestört Tiere jagen. In gewisser Weise vertraue ich ihm. Er hat bisher noch keinen Menschen getötet.“

Kate schluckte einen Kloß im Hals hinunter. „Hätte ich gestern nicht einen Werwolf erlebt, würde ich dir sogar glauben, dass man so einem trauen könnte.“

„Nun ja, je öfter man sich verwandelt hat, desto mehr Kontrolle gewinnt man über sein Tier.“, erklärte der Erfahrene.

Sie sah nachdenklich aus dem Fenster. Allmählich begann sie zu frösteln. „Ich hoffe es.“ Noch so eine Begegnung mit einem vollends verwandelten Werwolf wollte sie vorerst nicht haben.

„Vielleicht würde Marc uns sogar beim Fall Jeanne-Claire zur Seite stehen.“ Daniel dachte laut darüber nach.

Das Mädchen lies es sich durch den Kopf gehen. Einerseits fürchtete sie sich vor Gestaltwandlern, andererseits brauchten sie ernsthaft Hilfe, wenn sie sich der Vampirschlampe in den Weg stellen wollten. Sie beschloss später darüber noch mal nachzudenken und antwortete vorerst nichts.
 

Es war kurz nach ein Uhr. Die Wohnung war immer noch völlig wüst. Der halbe Schuhschrank war ausgeräumt und auf dem Boden verteilt. Bisher ergab sich ja noch keine Gelegenheit sich um das Chaos zu kümmern.

Daniel hatte sie eben erst wieder nach Hause gebracht und sie war heilfroh, wieder bei sich zu sein. Der Abend war mehr als aufregend gewesen. Diesmal war es sogar lustig gewesen.

Wenig später hatten die beiden einander die Handynummern gegeben. Es diente zu dem Zweck, dass Daniel sich nun offiziell dazu berufen fühlte, aus Kate eine Vampirjägerin zu machen. Sie war zwar nicht begeistert, aber sie brannte innerlich auf Rache. Jeanne-Claire sollte für ihre Taten gehörig büßen...

„Ich habe übrigens gestern einen Hinrichtungsbefehl beim Richter beantragt. Wenn wir Glück haben ist es sogar ganz legal, wenn wir Jeanne-Claire von ihrem hohen Ross stoßen.“

„Und wenn nicht?“, fragte sie unruhig.

Daniel grinste hämisch. „Dann musst du es eben keinem erzählen, dass wir sie töten werden.“

Sie stand mit aufgerissenen Augen und offenem Mund vor ihm. „Spinnst du? Wir könnten in den Knast wandern!“

„Es muss keiner erfahren, dass du dabei warst. Wenn es ganz brenzlig wird, dann würde ich die Schuld auf mich nehmen und dich als Zeugin oder Opfer darstellen.“

Sie musterte sein ernstes Gesicht und stellte fest, dass er das nicht nur so zum Spaß gesagt hatte. „Du würdest dafür wirklich ins Gefängnis gehen?“

„Mach dir keine Sorgen. Wir warten erst mal ab, ob wir die Genehmigung bekommen. Wenn sie ein Stufe A Vampir ist, dürfen wir reinspazieren und sie killen.“

Anscheinend schien er sich seiner Sache ziemlich sicher zu sein. Kate holte tief Luft. „Das sagst du so leicht...“

„Keine Sorge, dein Mentor wird nicht so schnell sterben.“, nun grinste er und legte beruhigend eine Hand auf ihre Schulter. „Ach ja und noch etwas.“

Aus der Innentasche seiner Jacke holte er etwas hervor. Es war eine kleine Pistole.

„Hier. Das ist ein Geschenk für dich.“, er zeigte ihr die Waffe. Sie hatte einen silberglänzenden Schaft und einen Griff aus rotem Nussbaumholz.

„Du willst mir eine Knarre schenken? Ich kann das nicht annehmen. Außerdem bin ich erst 17!“, protestierte sie und wich einen Schritt zurück.

„Nun, ich würde dir raten, dass du sie nimmst. Wenn Jeanne-Claire wieder eines ihrer kranken Spielchen treibt, so hast du dann wenigstens etwas, um zurückzuschlagen.“, erklärte er und drückte es in ihre Hand. „Dies ist eine Röhm RG 70 Ladystar. Sie ist nicht so groß und sperrig, denn sie ist extra für zarte Frauenhände hergestellt worden. Man muss zwar eigentlich 18 sein, aber es muss ja keiner wissen, dass du eine besitzt. Naja und nach der Nummer heute beim Paintball bin ich mir sicher, dass du auch als Vampirjägerin so etwas gut beherrschen würdest.“

„Das ist nett gemeint aber...“, sie starrte das Ding in ihrer Hand misstrauisch an. Irgendwie war es echt cool, doch sie hatte auch Angst davor.

„Hier gebe ich dir noch zwei 6 Schuss Magazine, eines mit normaler Munition und die andere mit geweihter Silbernitratlösung und versilberter Hülse.“ Diese zauberte er ebenfalls aus den Jackentaschen.

„So, dann wünsch ich dir mal gute Nacht. Ich melde mich dann, wenn es etwas neues gibt.“, er zog den Reisverschluss wieder zu und ging hinaus.

„Du...gehst einfach und lässt mir diese Pistole hier?!“, empört rannte sie zur Tür.

„Lass dich nicht erwischen.“, er schmunzelte und ging davon.

„Was soll das?“, murrte sie leise und ging zurück in ihr Zimmer. Sie legte die Pistole auf ihren Nachttischschrank.

Nein, das war keine gute Idee.

Sie legte sie in die Schublade. Sie hoffte nur, dass ihre Mutter nicht auf die Idee käme dort reinzuschauen. Unruhig legte sich Kate mit dem Rücken auf das Bett.

Hoffentlich würde alles glatt laufen und so wie Daniel es geplant hatte.

Morgen würde sie es wissen.

Othila

Hi meine Lieben. ^^

Es geht wieder mal weiter, ich zwang mich, auch mal neben der Schule zu schreiben, da ich dieses Kapitel endlich abschließen wollte. Es quälte mich schon so lange.

Ich musste einiges recherchieren und hab mind. 3 mal neu damit angefangen, aber mit dem aktuellem Ergebnis bin ich relativ zufrieden.

Ich wollte jedenfalls noch anmerken, dass ich nach diesem Kapitel max. 4-5 Kapitel geplant habe, danach noch einen Epilog und dann ist finish...(zumindest mit Teil 1)

Und außerdem noch vielen Dank an alle Favos und Kommischreiber! =D

Ihr macht mir Mut, dass meine Geschichte doch halbwegs gut ist XD
 

LG, eure Mad-Ann
 

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Der nächste Tag war sonnig und man merkte kaum mehr was vom Winter. Das Thermometer zeigte stolze 10 Grad an und draußen schmolz die Schneeschicht zu dreckigen, braunen Pfützen. Die asphaltierte Straße vor dem Mehrfamilienhaus wirkte wie ein brauner Tümpel und jedes Mal, wenn ein Auto entlang fuhr, flutete eine Spritzwelle den dreckigen Schlamm zu dem Bürgersteig. Die Radwege waren durch die schmutzigen Schneehaufen, welche die Schneeräumfahrzeuge erzeugt hatten, unbenutzbar. Im Kontrast dazu zeigte sich das angenehme Wetter. Der Himmel war klar und es war fast kein Wölkchen mehr zu sehen.

Außer vielleicht das imaginäre Gewitterwölkchen, das über Kates Kopf schwebte...

Sie rührte emotionslos in der Müslischale rum und ihr Kopf fühlte sich so schwer an wie Blei.

Sie glaubte nicht, dass es an dem Alkohol letzter Nacht gelegen hätte, sondern viel eher, dass es all ihre Sorgen waren, die sie völlig konfus machten.

Sie war appetitlos und dachte die ganze Zeit über an die Worte ihrer Mutter, an ihre Schwester und wie es wohl bei Jeanne-Claire zuginge. Fast verdrängt hatte sie ihre Probleme mit den Jungs. Doch im Hinterkopf tauchten immer wieder mal Julian und John auf und gelegentlich auch Daniel, der sich darum bemühe, sie zu einer Vampirjägerin auszubilden.

Sie schüttete die Hälfte ihres Frühstücks in den Bio-Müll und räumte die Schüssel in den Geschirrspüler. In dem Moment öffnete sich die Wohnungstür und sie zuckte erschrocken zusammen.

Die Mutter streifte sich die dunkelblaue Jacke ab und hängte jene an einen Kleiderhaken. Kate war zwischenzeitlich aufgesprungen und stand in der Türschwelle von Küche zu Flur.

„Guten Morgen.“, grüßte sie und schenkte der übermüdeten Mutter ein fahles Lächeln.

„Morgen, Kate.“, entgegnete die Angesprochene und zog sich die Winterschuhe aus, die tropfnass waren.

Neugierig beobachtete Kate ihre Mutter und wollte nun endlich das erfahren, was ihr so dringend unter den Nägeln brannte. Sie dachte an Julians kühle, geheimnisvoll, jedoch faszinierende Art und an das Geheimnis, das er zu hüten versuchte. Das Geheimnis, das mit ihr selbst zutun hatte.

„Mutti...“, setzte sie an. „...ich kann’s nicht länger erwarten! Bitte erklär es mir doch. Ich will wissen, was ihr mir alle verheimlicht habt. Du weißt schon, die Sache mit Julian auf den Familienfotos und so.“, gestand sie ungeduldig und hüpfte von einem Beim zum anderen. Sie war zu nervös, als dass sie noch länger hätte darauf warten können.

Die Ältere lies sich davon nicht beeindrucken. „Ich bin mir nicht sicher, ob dir die Wahrheit gefallen wird.“, meinte sie nur schroff und ging mit gemütlichen Schritten hinüber ins Wohnzimmer.

Kate folgte ihr und wusste nicht, warum es so eine Geheimniskrämerei gab. Was in aller Welt hatte sie angestellt, dass ihr niemand erklären wollte, was Sache war? Warum war es so schwer etwas Klarheit zu erlangen?

Monique wollte sich eben in den Sessel setzten und griff zur Fernbedienung, als Kate sie mit einem Ruck daran hinderte. Sie zerrte an der Hand ihrer Mutter und hielt sie so fest, dass diese ihr ins Gesicht sehen musste. Zugleich versteifte Kate ihre Haltung, dass sie die etwas größere Frau festhalten konnte. Man hörte Kate aufgebracht atmen. Die Mutter hingegen war überrumpelt.

„Sag mir die Wahrheit!“, es war ein halbes Schreien, also schluckte Kate, um sich wieder etwas zu beruhigen.

„Ich kann mit diesen Lügen nicht leben!“, ihr fordernder Blick war durchdringend und es folgte eine nervenzerreißende Stille. Monique wandte den Blick nach einiger Zeit ab.

Als weiterhin keine Tendenzen der Mutter folgten, setzte die Jugendliche erneut an.

„Wie kannst du nur so tun, als sei alles heile Welt? Hast du daran gedacht, dass Kelly jetzt unter den Untoten weilt? Es wird nicht lange dauern, dann werden sie auch mich gefunden haben! Uns und Papa auch. Ich bin nicht noch jemanden zu verlieren.“ Sie lies die Worte einige Sekunden lang wirken.

„Schlimmer noch, man wird versuchen uns umzubringen, oder zumindest mich...“, Kate war sich nicht sicher, ob Jeanne-Claire auch vorhaben würde den Rest ihrer Familie anzugreifen, wo sie doch einzig und allein hinter Kate her war.

„Aber du kannst mir nicht mal ins Gesicht sehen, um mir die Wahrheit zu sagen?“, aus Kates Neugier wurde ein Flehen nach der Wahrheit.

Plötzlich bahnte sich eine kleine, glänzende Träne den Weg über Moniques Wange. Als Kate das realisierte, lies sie langsam von ihr ab. Die Ältere sank beklommen in den Sessel.

Als diese zum Sprechen ansetzte, kam ihre Stimme zittrig und es war mehr ein Flüstern. „Ich wollte, ich hätte mehr für euch tun können. Ich hatte gedacht, dass wir in einer anonymen Großstadt sicherer gewesen wären, aber...“, ihr Satz wurde von einem Schluchzen unterbrochen.

Kate wich zurück und senkte den Blick. „Es tut mir leid, ich habe es nicht so gemeint...“ Jetzt fühlte sie sich mehr als schuldig, dass sie ihre eigene Mutter zum Weinen gebracht hatte.

Doch Monique schüttelte den Kopf. „Ich hätte es euch niemals verheimlichen dürfen. Ich ahnte ja nicht, wie sehr Unrecht ich hatte.“

Schuldig mied die Frau den Blick und stand auf. Dann bewegte sie sich langsam, aber bestimmt einem Wohnzimmerschrank zu. Sie bückte sich und zog aus der hintersten Ecke eine kleine, rotbraune Holzkiste hervor und stellte sie behutsam auf den gläsernen Couchtisch ab.

Kate hatte es sich auf dem Sofa bequem gemacht und starrte gebannt auf die Schatulle. Mit einer eindeutigen Geste, machte die Mutter ihr Kind darauf aufmerksam, dass sie sich den Inhalt selbst ansehen müsse.

Unsicher beugte sich die Braunhaarige nach vorn und ergriff mit beiden Händen das Objekt und öffnete es. Im Inneren fand sie einen schwarzen Samtbeutel vor, deren Inhalt klapperte. Sie griff hinein und ein kleiner Stein lag in ihrer Hand.

Auf ihm war ein seltsames Zeichen eingraviert, das mit viel Fantasie aussah wie ein Fisch. Die Oberfläche fühlte sich glatt und warm an. Es war merkwürdig, weshalb dieser schlichte Stein sich warm anfühlte.

Auf einmal überkam sie eine plötzliche Müdigkeit und ein nicht minder heftiger Schwindelanfall, dass sie nach hinten ins Polster sank. Sie wusste nicht viel von magischen Gegenständen, doch dieses kleine Stückchen Gestein hatte eine unwirkliche, nicht greifbare Energie. Wie in überirdischen Nebel getaucht verlor sie die Kontrolle über ihren Körper, spürte weder den Stein in ihren Händen, noch den Rest ihres Körpers. Ihre Augen waren einzig und allein auf dieses seltsame Symbol gerichtet, dass gleichzeitig fremd und doch so vertraut wirkte.

Der Gegenstand raubte ihr alle Sinneskräfte, entzog ihr die Energie, saugte sie förmlich von innen heraus auf und doch gab es ihr etwas zurück. Es weckte irgendetwas tief in ihrem Inneren, dass schon lange dort geruht hatte und nun empor stieg, wie aus einem goldenen Käfig.

Mit aller Kraft raufte sie ihre Konzentration zusammen, um einen Satz zu sprechen. „Was passiert mit mir?“ Die Laute kamen nur keuchend.

Ihr Kopf hämmerte, als hätte sie das Atmen vergessen. Sie riss Mund und Augen auf. Sog heftig Luft in ihre Lungen und fiel gleichzeitig seitlich vom Sofa. Ihr Kopf prallte auf der Glasplatte auf, der Schmerz durchfuhr sie wie kleine Messerstiche.

Das Ungewisse brach aus ihr heraus. Das Etwas, was von ihr Besitz ergriffen hatte kroch wie eine höhere Instanz heraus, denn nichts anderes konnte es sein. Etwas war in ihr und sie konnte sich dieses Gefühl nicht erklären.

Im nächsten Moment saß sie kerzengerade da, den schwarzen Stein in der linken Hand umfassend und völlig wach. Ihr Puls raste und die Augen waren wachsam aufgerissen. Sie fühlte sich frisch und wie von neuem Leben erfüllt. Als wäre dieses Gefühl, der Schmerz nur eine trübe Vorstellung gewesen und als ob nichts ihre seelische Energie aufgesogen hätte.

„Was war das?“, fragte sie und sah der Mutter unkundig ins Gesicht.

Diese zog die Braue hoch. „Ich habe nichts gesehen.“

Monique deutete auf den Stein. „Dies ist lediglich ein Stein aus Onyx mit einer eingravierten Rune.“

„Das ist unmöglich, da war doch etwas und es hat mich ausgesogen und ich fühlte mich so verletzlich und dann dieser Schmerz, das kann unmöglich ein Tagtraum gewesen sein!“, beharrte Kate und riss zermürbt die Brauen hoch.

„Bei jedem verläuft die Weissagung anders...“, lautete die schlichte Antwort darauf.

„Weissagung? Wovon sprichst du denn bitte?“ Kate lies den unheimlichen Stein in den Beutel zurücksinken und merkte, dass sich jener plötzlich eiskalt anfühlte.

„Dies sind Runen. Es gibt verschiedene Symbole und das Schicksal entscheidet welchen von diesen du ziehst. Das Symbol hat dich ausgewählt und deine starke emotionale Reaktion hat gezeigt, dass deine Kräfte jetzt erwacht sind. Du hast übrigens Othila gezogen, diese Rune bedeutet Heimat und Ahnenbesitz, sie steht für ein Erbe, dass du antreten wirst, auch im spirituellem Sinne.“

Kate starrte irritiert drein. Jetzt verstand sie gar nicht mehr, worauf ihre Mutter hinaus wollte.

„Als meine Mutter mit mir diese Zeremonie durchgeführt hatte, spürte ich rein gar nichts. Es war nur ein kalter Stein für mich, was bedeutete, dass meine Kräfte nicht sehr ausgereift sind. Aber bei dir ist das anscheinend ganz anders...“, sie schloss den Schrank und begab sich zurück und nahm im Sessel Platz.

„Was für Kräfte denn?“, jetzt hatte Kate wieder die Neugier gepackt.

„Es ist schwer zu erklären. Mehrere Mitglieder unserer Familie und Ahnen haben oder hatten besondere Kräfte, die man rein wissenschaftlich nicht erklären kann. Bei einigen äußerten sich diese Kräfte nur passiv und unterbewusst, aber einige wenige haben eine starke Aura und damit einhergehende starke Kräfte. Einige unserer Ahnen, besonders die Frauen, waren magisch veranlagt. Der richtige Begriff dafür lautet...Völva.“

Kate wusste ihre Gedanken nicht zu ordnen. „Völva?“

Monique sah zu Boden und nickte. „Ja, das stammt aus der Zeit in der die Menschen noch an die alten Mythologien glaubten, noch bevor das Christentum nach Mittel- und Nordeuropa kam. Völva steht für eine Frau mit magischem Stab, ihre Begabung es war es beispielsweise die Zukunft zu sehen und mit der Anderswelt Kontakt aufzunehmen. Die Fähigkeiten sind recht unterschiedlich. Jedenfalls waren diese Frauen zu ihrer Zeit sehr gefragt, wenn jemand die Zukunft erfahren wollte.“, Monique erzählte die Gesichte genauso, wie sie ihr auch von ihrer eigenen Mutter überliefert wurde.

Den Erklärungen schlossen sich allerdings noch mehr irritierte Blicke seitens Kate an.

Die Braunhaarige presste sich mit den Rücken ins Sofapolster und zog die Beine an den Körper.

Das, was sie da hörte, war einfach viel mehr, als sie je erwartet hätte.

Als das Mädchen nichts erwiderte fuhr Monique fort. „Deine Großmutter hat zum Beispiel sehr starke telepathische Fähigkeiten. Sie wusste bereits bei deiner Geburt, dass du das magische Blut in einer Reinheit erben würdest, wie es nur einmal innerhalb Hunderter Jahre auftritt.“, sie sah zu ihrer Tochter und lächelte leicht.

„Bei der Geburt hat deine Oma dafür gesorgt, dass die magischen Kräfte versiegelt wurden. Sie benutzte spezielle Seidr, sogenannte Zauber, damit deine Kräfte nicht aus Versehen Schaden anrichten.“

Sie pausierte und Kate blickte auf. Noch immer wusste sie nichts zu sagen.

„Nur in einigen Fällen tritt die Magie passiv auf, daher kannst du beispielsweise die Aura eines Vampirs spüren, wie etwas Greifbares.

Unsere Familie hat die Tradition, dass mit dem Erwachsenwerden auch die Kräfte erwachen.

Daher kommen diese Runen zum Einsatz. Die Rune wählt dich nach deiner Seelenschwingung aus, es ist also Schicksal, welche zu ziehst und nicht nur blanker Zufall.“

„Und was hat diese...Rune...jetzt bewirkt?“, Kates Stimme klang selbst für ihre eigenen Ohren fremd.

„Ab heute, können sich deine Kräfte frei entwickeln. Sie werden sich formen und du kannst vermutlich schon bald eigene Seidr aussprechen und vielleicht sogar Blicke in die Zukunft werfen.“

Nun erwachte Kate aus ihrem Trancezustand und richtete sich sitzend auf. Sie hob unbewusst die Hände und starrte sie an.

Meinte sie das so, wie sie es sagte?

War sie eine Seherin, hatte sie wirklich diese Magie in sich?

Kate kniff sich die Augen zusammen und versuchte sich innerlich zu sammeln. Einige Sekunden später öffnete sie die Augen wieder und fühlte sich nicht anders als vorher.

„Ich komme mir nicht wirklich verändert vor. Was ist, wenn ich gar keine magischen Kräfte habe, so wie es Oma gesagt haben soll?“, zweifelnd sah sie zu der Älteren und suchte Rat.

„Das wirst du schon erfahren. Ich kann nicht viel tun, da ich jene Kraft nicht so beherrsche. Aber ich glaube an das Erbe unserer Familie. Eine unserer Ahnen, war eine sehr mächtige Völva und man hatte sie als Hexe geächtet, als der christliche Glaube die Menschen nach den Kreuzzügen verändert hatte. Doch sie entkam glücklicherweise und wir sind somit eine der letzten Familien, die direkte Nachkommen dieser Seherinnen längst vergangener Zeiten sind.“. Monique erhob sich und griff mit der linken Hand an die Stelle an Kates Herzen. „Du musst nur an die Kraft glauben. Irgendwo da tief in dir drinnen, schlummert eine Gabe, die dich von anderen Menschen unterscheidet.“

Nachdem Gesagten verlies sie das Wohnzimmer und lies das Mädchen dort zurück. Andächtig lies Kate die Worte in ihrem Kopf Revue passieren. Das war doch etwas zu viel auf einmal.

Ganz unerwartet, sie wusste nicht, wie es kam, fühlte sich Kate nicht mehr so schwach und zerbrechlich. Sie fühlte sich nun als etwas Individuelles, etwas Besonderes und hoffte, sie würde ihre Kräfte noch rechtzeitig entdecken, um die Menschen zu schützen, die ihr am Herzen lagen.

Anfang vom Ende

Ich wollte das Kapitel eigentlich erst später hochladen. Es hat mir aber so schon gut gefallen, daher muss ich es jetzt einfach noch uppen. ^^

Also viel Spaß damit. X3

Und nochmals Danke für eure Kommentare *sich freu*
 

LG, eure Mad-Ann

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Nach den ereignisreichen letzten Tagen, war es mehr als ungewohnt, für Kate, als sie in ihrem Zimmer saß und nichts mit sich anzufangen wusste. Immer wieder begutachtete sie ihre nagelneue Röhm RG 70 Ladystar. Sie war winzig, im Vergleich zu normalen Pistolen, aber das war auf einer Seite wiederum gut, da man sie leicht unter der Kleidung verstecken konnte.

Einige Male spielte sie daran herum, als sie sich vergewissert hatte, dass kein Magazin geladen war. Sie betätigte die Sicherung, zog den Abzug, hörte das Klacken, das dabei entstand und übte einige Male vor dem Spiegel, wie man am coolsten damit aussah.

Sie dachte an Krimiserien aus dem Fernsehen und posierte die coolen Bewegungen der Fernsehstars nach. Irgendwie musste man sich ja davon ablenken, dass man vermutlich schon bald wieder in Lebensgefahr schweben würde. Mit dieser Situation hatte sich Kate schon abgefunden. Früher oder später würde sie sich den Vampiren stellen müssen.

Draußen war es schon langsam dunkler geworden. Es war etwas nach 18 Uhr und am Himmel war eine dicke Wolkendecke aufgezogen. Einige vereinzelten Schneeflocken fielen herab, konnten sich auf dem schlammdurchtränkten Boden aber nicht lange halten und schmolzen wieder.

Dann klingelte auf einmal das Handy.

Kate erschrak und hastig verstaute sie die Pistole wieder in ihrem Nachttischschränkchen.

Die Rufnummer des Anrufers war anonym.

„Hallo Daniel.“, antwortete sie selbstsicher mit einem Lächeln auf den Lippen.

„Hi Kate. Woher weißt du dass ich es bin?“, kam es aus der Leitung.

„Weibliche Intuition.“, sagte sie und setzte sich aufs Bett. „Was gibt’s Neues?“

„Ja klar...na gut ich wollte dich eigentlich in meine Pläne einweihen.“ Im Hintergrund hörte man Autos vorbeifahren und ein monotones Rauschen. Vermutlich sprach er mit der Freisprechanlage im Auto.

„Ähm okay. Ich höre.“

„Nicht am Telefon.“, fiel er ihr sofort ins Wort.

„Ich bin in etwa zwanzig Minuten bei dir. Jedenfalls...ich habe eine Tötungslizenz gegen Jeanne-Claire. Ich habe die Sache heute noch mit dem Staatsanwalt persönlich geklärt.“ Der letzte Satz hatte eine tiefere Bedeutung.

Daniels persönliches Gespräch mit dem Staatsanwalt hatte einige Details, die er Kate nicht erklären wollte. Schließlich war es nicht gerade üblich einem Juristen eine Vampirtötungsbescheinigung mit gezogener Browning abzuverlangen.

„Ach echt? Das ist super.“ Kate konnte sich ein hämisches Grinsen nicht verkneifen.

„Es gibt jedoch einen Haken...“, wiedersprach er augenblicklich.

„Welchen?“

„Wir haben jetzt zwar die Lizenz, dass wir auf legalen Wege die Meisterin der Stadt umlegen können, jedoch dürfen wir keine Ratsmitglieder umbringen. Das heißt Maurice hat eine Immunität und wenn es dazu kommen wird - und das wird es ganz sicher - dass er uns angreift, so dürfen wir ihn nicht umbringen. Bei der aktuellen Rechtslage wird ein Mord an einem Ratsmitglied mit über 10 Jahren Haft bestraft.“, erklärte Daniel und zwischendurch gab es einige klackernde Geräusche im Hintergrund. Vermutlich parkte er den Wagen gerade irgendwo.

Kate stieß einen unruhigen Luftstrom aus. Die Sache war nicht gut. Ganz und gar nicht gut.

„Und was machen wir jetzt?“

Das Auto kam zum Stillstand und der Empfang wurde besser. „Ich werde dich gleich abholen. Wir müssen die Sache unbedingt heute Nacht noch durchziehen, anderenfalls könnte es schon zu spät sein.“

„Was meinst du mit zu spät?“, fragte sie und kratzte sich unbewusst am Hinterkopf.

Sie werden dich finden.“, hallte es durchs Handy.

Es war eine Weile lang still.

Dann räusperte sich Daniel.

„Zieh dich um und bereite dich darauf vor. Steck die Pistole ein. Ich bin in einer Viertelstunde da.“

„Scheint nur wenig Zeit zu sein um noch schnell ein Testament zu schreiben, oder?“, lies sie sich anmerken. Sarkasmus? Nein, nicht doch.

Ein warmes, ehrliches Lachen drang durch den Hörer. „Hoffen wir, dass du keines brauchen wirst.“, sein Lachen verhallte und er schluckte hörbar.

„Ich warte vor dem Haus, ich werde nicht klingeln, okay.“

„Alles klar.“, antwortete sie knapp.

Er legte auf.

„Alles klar...“, murmelte sie zu sich selbst und beugte den Oberkörper nach vorn, dabei lies sie die Finger in die braunen Haare wandern und verdeckte ihr Gesicht.

„...Alles klar...“, kam kaum hörbar von ihr.
 

Keine zehn Minuten später hatte sich Kate ganz unbemerkt aus der Wohnung geschlichen. Ihre Mutter war gerade in der Küche beschäftigt und hatte sie nicht gehört oder gesehen, als sie sich mucksmäuschenstill rausgestohlen hatte.

Kate erinnerte es ziemlich genau an die Zeit vor gerade mal 2 Jahren, als sie sich damals immer rausgeschlichen hat, wenn sie zusammen mit Val auf angesagte Partys oder Konzerte gehen wollte, ihre Mutter es ihr aber verboten hatte. Zu dumm, dass sie an diesem Abend wohl eher keinen Spaß haben würde.

Auf Kates Schreibtisch lag ein kurzer Abschiedsbrief, für den Fall, dass...nun ja etwas schief ging. Was sie natürlich nicht hoffte.

Sie wollte ihrer Mutter selbstverständlich nicht zumuten, dass sie gleich erfahren würde, dass die Tochter heute Nacht noch zu Jeanne-Claire, der Vampirschlampe des Ghettos der Angst gehen würde. Ganz zu schweigen davon, dass es nicht nur die Meisterin, sondern noch einige Dutzend anderer Vampire dort gab, insbesondere auch noch ein Ratsmitglied höchstpersönlich. Sie wollte es sich ja kaum selbst eingestehen, wie dumm das war, was sie jetzt vorhatte.

Vor der Einfahrt parkte Daniel und Kate stieß einen Seufzer aus, als sie sah, wer auf der Beifahrerseite saß. Ihre Augenbraue wanderte unmerklich ein kleines Stückchen nach unten.

Es war der Werwolf-Marc.

Als er registrierte, stieg er aus.

Er trug eine Bluejeans, eine typische aus den 90er Jahren, dunkelblau und ausgewaschen, oder vielleicht war die Hose auch nur auf Used-Look gemacht worden. Dazu trug er ein Paar braune Cowboystiefel, die seine Waden bis kurz unterhalb der Kniekehlen bedeckten. Obenrum trug er eine schwarze Jacke, die so aufgepolstert war, dass man mutmaßen konnte, er würde Gewichte stemmen.

„N’abend.“, meinte er etwas abwesend und klappte den Beifahrersitz nach vorn, damit Kate nach hinten ins Auto einsteigen konnte. Das Auto war nur ein 3-Türer.

„Hallo...“, entgegnete Kate und fühlte sich in der Anwesenheit des schüchternen Werwolfes irgendwie unwohl. Sie stieg nach hinten und erntete ein Grinsen seitens Daniel, der nach hinten zu ihr blickte. Er schien in innige Vorfreude versunken zu sein.

„Und bist du bereit?“, fragte er sie und musterte sie genau.

Kate trug eine ältere, hellblaue Röhrenjeans mit einigen so gewollten Rissen, zu schwarzen Sneaker. Dazu ein rotbraunes Sweatshirt unter einem grau-schwarz gemustertem Wollponcho, der ihr bis zum Bauch reichte. So war es ihr nicht zu warm im nass-kalten Matschwetter, aber auch nicht zu kalt. Die Magazine samt der kleinen Pistole hatte sie in der Bauchtasche ihres Pullovers verstaut. Diese nahmen praktischerweise nicht allzu viel Platz weg. Sie hatte noch eine kleine, schwarze Umhängetasche, in der lag ihr Handy, etwas Verbandsmaterial, ein Kugelschreiber und...ein Päckchen Kaugummi. Naja so was brauchte man eben.

„Naja so einigermaßen.“, murmelte sie daraufhin und überlegte, ob sie das wirklich durchziehen sollte.

Daniel zwinkerte beschwichtigend. „Das wird schon.“

Marc meldete sich zu Wort. „Hat sie das überhaupt schon mal gemacht?“

„Nein.“, antwortete Daniel ihm wahrheitsgemäß.

„Mmmkay...“, Marc schien über irgendetwas nachzudenken. Der Typ war Kate auf irgendeine unerklärliche Art und Weise unsympathisch.

„Das wird ja ein Spaß...“, säuselte er leise und ironisch vor sich hin und lehnte seinen Kopf an die kühle Seitenscheibe.

Daniel schien es nicht zu stören, dass Marc schlecht gelaunt schien. Er nickte Kate gutmutig zu und dann wandte dich der Blonde wieder nach vorn und lies den Motor an. Langsam fuhr er aus der Einfahrt und pendelte sich in den Verkehr ein.

Dabei strömte rauschend warme Luft durch die Klimaanlage und die Vorderscheibe war beschlagen. Marc wischte während Daniel fuhr das Kondenswasser vom Glas, sodass man wieder vernünftig durchsehen konnte.

Der Blondschopf nickte ihm zu. Anscheinend verstanden sich Jungs auch ohne große Reden.

Kate hatte sich auf die Seite hinter Daniel gesetzt und sich schließlich angeschnallt. Es dauerte eine Weile, bis sich ihre Augen an die hellen, blinkenden Lichter der Stadt in der Dämmerung gewöhnt hatte. Überall blinkten sie bunte Häuser und Reklameschilder an. Es waren zahlreiche PKW auf dem Weg in die Innenstadt. Schließlich war es Abend und es gab ein sehr vielfältiges Nightlife in der City. Und das tagtäglich.

„Warum...ist er mitgekommen?“, fragte Kate schließlich und meinte natürlich Marc damit.

„Er hat sich bereiterklärt uns zu helfen, weil er noch eine Rechnung offen hat...mit Jeanne-Claire.“, antwortete Daniel und bog bei einer Kreuzung ab.

„Ich werde die alte Krähe rupfen!“, zischte der Werwolf und ballte die Hand zur Faust.

Sie musste augenblicklich lachen und stellte sich die Situation bildlich vor. „Achso...was war denn los?“

Marc drehte sich zu ihr um. „Normalerweise leben Werwölfe nicht in solch großen Städten.“

Kate nickte nur.

„Daher haben Werwölfe, die hier leben keine Rudelgemeinschaft. Andererseits leben die Vampire hier in ihren Clans, also das heißt, dass es eine Art Rangfolge gibt, und dass sie einen Anführer haben. Wenn man jedoch als Werwolf alleine hier lebt, so glauben die Vampire sich das Recht herauszunehmen, über die anderen Rassen zu dominieren. Und ich lass mich bestimmt nicht von einer Frau dominieren.“, er machte ein angewidertes Gesicht, als er an Jeanne-Claire dachte.

Irrte sich Kate, oder klang das gerade sehr sexistisch?

„Jedenfalls würde ich mich besonders nicht von so einer Schlampe dominieren lassen. Sie lässt von nichts die Finger, egal ob Männlein oder Weiblein.“

Nun verzog auch Kate das Gesicht. Damit hatte er allerdings recht.

Marc wandte sich wieder nach vorn und verschränkte die Hände im Nacken. Er war wahrhaft ein komischer Typ. Warum lebte er in der Großstadt, wenn er da als Werwolf unterlegen war, gegenüber den Vampiren? Andererseits konnte man die Hilfe eines Werwolfes gut gebrauchen, wenn man es mit bösartigen Vampiren zutun bekam.

„Und erklärst du mir jetzt deine Strategie?“, fragte sie nach einer Pause Daniel.

Sie sah wie er sie über den Rückspiegel hin ansah. Kurz darauf wandten sich seine Augen wieder der Straße zu. Sie befanden sich gerade auf einer mehrspurigen Straße, die durchs Vampirghetto führte.

„Also ich war die letzten Tage über hinter Jeanne-Claire her und habe festgestellt, dass ihr Schlafplatz von Nacht zu Nacht wechselte. Es ist anscheinend so, dass sie sich schützen will, vor feindlichen Angriffen. Jedoch habe ich einige ihrer Handlanger dabei beobachten können, wie sie sich im Industrieviertel herumgetrieben haben. Ich habe eine bestimmte Ahnung, wo sie sich momentan aufhalten könnte.“

Kate folgte seinen Worten aufmerksam und nickte.

„Jedenfalls...der Plan sieht folgendermaßen aus. Wir haben den Überraschungsmoment auf unserer Seite, also werden wir uns möglichst unbemerkt zu den Vampiren schleichen, gegebenenfalls einige schwächere Millenniumsvampire umlegen, bis wir bei der Meisterin sind. Dort kümmert sich Marc zusammen mit dir um Jeanne-Claire, während ich dafür sorge, dass Maurice uns nicht in die Quere kommt. Du musst dich voll und ganz auf Marc verlassen, er gibt dir Deckung, verstanden?“

Dieser Plan gefiel ihr nicht, aber was sollten sie sonst tun? Jemand musste sich ja um Maurice Greenwood kümmern, wer wenn nicht der Profi-Vampirkiller persönlich?

„Ich...ich weiß nicht recht.“, murrte sie und schielte zu Marc rüber.

Dieser funkelte sie böswillig an. „Wenn du nicht willst, dass ich mithelfe, verschwinde ich und ihr könnt selbst sehen, wie ihr die Vampire bekämpfen wollt.“

Jetzt hatte sie Marc auch noch sauer gemacht. Na das konnte ja nur besser werden...

„Tut mir leid, ich hab’s nicht so gemeint.“, entschuldigte sie sich und seufzte. „Also gut, ziehen wir es so durch.“

Daniel grinste stumm vor sich hin und bog in eine Seitenstraße ein.

„Aber wehe, wenn du mich nicht mit dieser Gruftschlampe allein lässt!“, maulte Kate und verschränkte die Arme vor der Brust.

Marc drehte sich zu ihr um und streckte ihr die rosa Zunge raus. „Hey...nicht so ungefällig, Kleine.“

Kate lies ein entnervtes Schnauben los. „Bitte versichere mir: Lass mich nicht mit Jeanne-Claire allein.“, verbesserte sie und es kostete ihr einen Teil ihrer Überwindung.

Marc schmunzelte. „Geht doch. Ich lass dich nicht mit ihr allein.“

Der Weg führte sie an einen entlegenen Parkplatz vor eine stillgelegte Ziegelei der späten 70er Jahre. Der Wagen hielt, als er sich seinen Weg durch den ungeräumten Platz gebahnt hatte und plötzlich war es ruhig um sie herum. Kein lärmender Verkehr, keine Leute nichts.

„Wo sind wir hier gelandet?“ Kate blickte aus dem Fenster in die entlegenste Gegend der Stadt. Sie konnte sich nicht entsinnen, schon einmal hier gewesen zu sein.

Normalerweise war sie damit vertraut, dass in allen Winkel und Gassen der Stadt Menschen oder Vampire waren und dass alle Straßen fein säuberlich geräumt und gesalzen waren. Hier jedoch, war nichts davon der Fall. Der Schnee lag stellenweiße knietief, bis auf die wenigen Stellen, an denen vorher schon Autos langgefahren waren. Links und rechts von ihr türmten sich Fabrikgebäude auf, welche mindestens 5 Etagen hoch waren. Nicht zu übersehen waren die unzähligen, engen und schmutzigen Gassen, in einigen stand oder lag Metallschrott von kaputten Maschinen. Schiefe Wellblechdächer waren rostdurchfressen, ebenso wie einige Dachrinnen, aus denen meterlange Eiszapfen bedrohlich herabhingen und geradezu darauf warteten jemanden zu erstechen.

„Dieses Industriegebiet ist schon seit einigen Jahren ziemlich verlassen, die Hallen und Fabriken sind größtenteils leerstehend.“, kam von Daniel.

Das Mädchen sah sich um. Dass die Gegend verlassen war, war ihr auch schon aufgefallen.

„Bist du dir sicher, dass sich hier noch jemand freiwillig aufhalten würde?“, zögernd betrachtete sie die Gegend noch einmal.

„Nur die Bösen gehen an solche Orte.“, lachte er.

Der Vampirjäger löste den Gurt und stieg aus. Danach öffnete er den Kofferraum und zog einen silbern glänzenden Koffer heraus. Nun standen auch Marc und Kate aus und sahen sich den Inhalt an.

Im Inneren des Koffers war eine Schicht aus grauem Schaumstoff mit genau eingepassten, silbernen Klingen. Es war ein Zehner-Set. Die kürzeste Klinge hatte eine Länge von zirka 12 Zentimetern, die längste jedoch eine von fast 30 Zentimetern. Die Messer unterschieden sich auch noch nach Breite des Schneideblattes.

„Hier sind meine kleinen Schützlinge, allesamt aus 925er Sterlings-Silber. War eine Spezialanfertigung und nicht gerade ein Schnäppchen.“, kommentierte Daniel und nahm sich zwei der größten und breitesten und verstaute sie in zwei Armscheiden, die er sich umgeschnallt hatte. Jetzt erst fiel Kate auf, dass Daniel voll und ganz in schwarz gekleidet war.

Eine lange, enggeschnittene Jeans, welche noch einige kleinere Taschen an den Beinen aufwies. Passend dazu schwarze Sportschuhe und einen ebenfalls schwarzen Pullover unter dem sich noch einiges Waffenarsenal abzeichnete. Die Klingen waren als Einzigstes über der Kleidung an speziellen Armschneiden angebracht und ließen den Blonden jetzt voll und ganz bedrohlich wirken.

Marc hatte sich von den Klingen entfernt sah Kate eindringlich an.

Kate begriff, dass Marc als Werwolf eine Art Allergie gegenüber Silber hatte.

Anschließend holte Daniel aus dem kleinem Kofferraum noch Arm- und Beinholster und Messerscheiden.

Nach wenigen Minuten hatte er an ihr einen Reichtum an Waffen montiert. An ihren beiden Beinen trug sie über der Kleidung jeweils ein Messer, an der Taille trug sie ein Waffenholster und in dem steckte eine mit Silbermunition geladene Firestar. Unter ihrem Pullover an beiden Armen befanden sich versteckt nochmals zwei kürzere Messer. Als Kate sich mit der ungewohnten Last bewegte, fühlte sie sich mehr als ungewohnt.

„Das dürfte reichen.“ Zufrieden betrachtete Daniel sein vollendetes Werk.

„Ich fühle mich schrecklich unwohl.“, gestand Kate und spürte nicht die Sicherheit, die sie sich mit den Waffen eigentlich erhofft hatte.

Daniel legte seine Hände auf ihre Schultern, beugte den Oberkörper leicht nach vorn, damit er mit ihr auf Augenhöhe war. Seine tiefseeblauen Augen strahlten eine gewisse Reife aus, die jemand in seinem jungen Alter noch gar nicht hätte haben können.

„Du musst keine Angst haben. Die Guten gewinnen immer.“, schon wieder zierte ein siegessicheres Lächeln sein Gesicht. „Merk dir eines: Lass die Vampire nicht zu nah an dich rankommen und halte sie mit der Pistole auf Distanz, während Marc und ich uns um Jeanne-Claire und Maurice Greenwood kümmern.“

Dann klopfte er ihr kumpelhaft auf die Schulter.

„Geht klar.“, entgegnete sie leise und blickte hinab.

Marc hatte sich in der Zwischenzeit an das Auto gelehnt und schielte genervt zu den beiden hin. „Seid ihr endlich fertig? Es ist schon fast 8 Uhr.“

Die beiden anderen nickten ernst und Daniel ging als Erster los. Es war ein Stück zu Fuß, so meinte Daniel, da sich die kleine Gruppe ja unbemerkt in die Nähe der Vampire begeben wollte.

Allein der Schnee am Boden sorgte dafür, dass es nicht stockfinster war, da es hier nur sehr wenige funktionierende Straßenlaternen gab. Warum mussten sich die Bösen auch nur so klischeehaft an dunklen Orten aufhalten?

Marc, der im Moment die Mitte bildete, hielt plötzlich an. Er hielt seinen Kopf nach oben, schloss die Augen und lauschte. Gleichzeitig zitterten leicht seine Nasenflügel und er schnüffelte, anders konnte man es nicht bezeichnen.

„Scheiße.“, sagte er und riss die Augen auf.

In eben der gleichen Sekunde löste sich ein Ein-Meter-Eiszapfen von oben und fiel direkt auf Kate hinab. Im gleichen Moment flog Marc durch die Luft, ohne dass sie seinen Sprung gesehen hatte, er kam mit den Beinen an der naheliegenden Wand auf, dabei stieß er sich kraftvoll ab und schleuderte den Eiskoloss in die entgegengesetzte Richtung.

Noch nie kam Kate eine Sekunde so schrecklich lang vor.

Eben flog der Zapfen noch in Zeitlupengeschwindigkeit durch die gegenüberliegende Glasscheibe, schon hatte Daniel die Browning gezogen und gab Schüsse ab, welche etwas am Dach traf, von dem sich der Eiszapfen gelöst hatte.

Der Schall kam wie ein Düsenjet und riss Kate aus ihrer vorübergehenden Regungslosigkeit.

Durch den Schuss hatte sich auf dem Dach eine Schneeschicht gelöst, welche auf einem Schlag herabdonnerte. Sie sprang, wie sie noch nie gesprungen ist, schien für einen Moment lang durch die Luft zu fliegen und landete unsanft in einem Schneehaufen. Über ihr zerbrach die Fensterscheibe in glitzernde, tödlich funkelnde Splitter. Fast zeitgleich stürzte der weiße Haufen vom Dach, donnerte auf die Stelle, an der Kate eben noch gestanden hatte. Sie presste ihr Gesicht in den stechendkalten Schnee und hielt die Arme schützend über ihren Hinterkopf, als die Splitter über sie herabregneten. Die Scherben bohrten sich teilweise durch den dicken Stoff ihres Pullovers, den Poncho durchdrangen sie glücklicherweise nicht, da die Wolle dafür einfach zu dick war.

Sie stöhnte auf, als sie mit einem Ruck am Arm nach oben gezogen wurde. Ihre Augen weiteten sich, suchten die Umgebung nach Daniel ab.

Doch sie sah nur in die grauen Augen einer fremden Vampirfrau, die Kate mit der einen Hand hoch zerrte und mit der anderen in ihren Schopf griff, die Haare straff packte und den Kopf nach hinten zog. Sie riss ihren Mund auf und entblößte ihre spitzen Zähne und setzte schon zu einer Bewegung an ihren Hals an, da explodierte ihr Schädel schon in viele kleine Fetzen und unerdenklich viele Teile vom Gehirn schleuderten in Kates Gesicht. Teile des Schädelknochens kratzten Kates Wange auf und eine durchtrennte Halsschlagader spritzte einen reichlichen Strahl voll Blut.

Schließlich sank der Körper der Vampirfrau zu Boden.

Kate blieb ein Moment, um einen kräftigen Atemzug zu tun.

Sie sah an sich herab, war von oben bis unten blutbesudelt, hatte unzählig viele Kratzer auf ihrer Körperrückseite verteilt und im Gesicht. Und das Alles geschah innerhalb von nur wenigen Sekunden Reaktionszeit.

Ihre Augen suchten Daniel und fanden ihn mit einem kräftigem Vampirmann ringend nur wenige Meter von ihr entfernt. Er hatte die Browning in der Hand, doch konnte nicht schießen, da der Vampir seinen Arm nach hinten gezogen hatte und die Waffe somit nach oben zu noch mehr tödlichen Eiszapfen deutete. Dies hieß, wenn Daniel so schoss, würde er zwar den Vampir erledigen, jedoch auch sich selbst.

Noch bevor Kate es registriert hatte, hielt sie ihre Firestar in der Rechten, stützte den Arm mit der Linken und schoss. Der Vampir wurde am Hals, genauer gesagt am Adamsapfel getroffen, fiel nach hinten um und Daniel befreite sich aus dem Griff.

Dann blickte Kate weg von Daniel in die andere Richtung und fand Marc von etwa einem halben Dutzend anderen Vampiren umringt. Jedoch schien das Kräfteverhältnis ausgeglichen zu sein, da sich die Blutsauger leicht von ihm zurückstoßen ließen.

„Das mit dem Überraschungsmoment können wir wohl vergessen.“, meinte Kate mit heißerer Stimme zu Daniel, der dem Vampir hinter sich noch den Gnadenschuss erteilt hatte.

„Sieht so aus.“, keuchte er.

„Sollen wir Marc helfen?“, fragte Kate und beobachtete den Kampf von einem Werwolf gegen sechs Vampire.

Doch der Vampirhenker schüttelte nur den Kopf. „Die haben keine Chance gegen ihn. Los, lass uns nicht hier so rumstehen. Marc kommt schon gleich nach.“

Das Mädchen nickte knapp und begann loszuspurten, als Daniel es auch tat. Der Schnee war voll Blut, Glas, Gehirnresten und etwa das gleiche Bild zeigte sich, wenn man Kate betrachtete. Doch ihr war im Moment egal, wie viele Kratzer sie hatte, oder wessen Blut an ihr klebte.

Das Adrenalin pumpte sich durch ihre Adern, wie eine aufputschende Droge.

Ihre Schritte knirschten durch den Schnee, bis sie eine hohe Lagerhalle erreichten. Sie hatte sehr hohe Fenster, die aus kleineren quadratförmigen Scheiben gebildet war. Es führte ein kleiner Podest in die Halle, da dies vermutlich zum Beladen von LKWs vorgesehen war. Die schwere Eisentür war geöffnet und Licht schien von dort nach draußen.

Daniel sprang auf den Vorsprung und rannte ohne Zögern ins Innere hinein. Kate folgte ihm mit nur wenigen Schritt Entfernung.

Eine Hand voll Vampire flogen direkt auf Daniel zu und rissen ihn zu Boden. Etwa drei von ihnen wurden dabei von ihm tödlich getroffen. Den letzten Beiden gelang es ihn am Boden festzuhalten, was allerdings auch nur an der Tatsache lag, dass Daniel nachladen musste.

Als Kate sich ins Innere vorgedrungen hatte, erspähte sie vor sich eine Couchgarnitur aus schickem, schwarzem Leder. Es saßen vielleicht sieben Vampire beieinander auf den drei Möbelstücken und mittig war ein kaffeebrauner Couchtisch, der allein schon mindestens zwei Meter breit war.

Jetzt fiel ihr erst die geschmackvolle Inneneinrichtung auf. Der Saal war riesig und die Sitzecke befand sich genau mittig und war symmetrisch. Die Möbel waren wie ein U geformt, mit der Öffnung zur Tür.

Der Boden war aus schwarz-weiß karierten, großflächigen Fließen, die Wände waren neutral weiß und es hingen meterlange Stoffbahnen in Schwarz und in Weiß von den hohen Decken. Diese entsprangen mittig und wölbten sich leicht und waren fächerartig zu den Wänden hin angebracht. Die Optik erinnerte etwas an ein Zirkuszelt, nur eben in den beiden Nichtfarben, statt in bunt. Im Saal brannten in regelmäßigen Abständen rote Stehlampen, die aussahen wie Tulpen.

Doch Zeit zum Bestaunen blieb der Braunhaarigen nicht sehr lange. Es hielten sich hier weit mehr als Dreißig Vampire auf, zusätzlich zu denen auf den bequemen Möbeln sitzend.

Die sieben höherrangigen Vampire blickten mit ausdruckslosen Gesichtern zu Kate am Eingang. Zu ihnen zählten natürlich Jeanne-Claire, des weiteren Maurice, July und Vinzenz. Neben Jeanne-Claire saßen wie wohlerzogene Kinder John und Kelly links und recht von ihr. Auf dem Platz neben Vinzenz saß auch noch Esther, diese hielt jedoch den Kopf gesenkt und sah von Kate weg.

„Enchanté. Mademoiselle ’Pomme de Sang’ est arrivé.“, lies Jeanne-Claire hocherfreut verkünden und ein entzücktes Lächeln schmückte ihr puppenhaftes Antlitz. Wenn man je behaupten konnte, dass eine Frau eine Lolita war, so müsste man diese Vampirin damit meinen, denn ihre Ausstrahlung kann nur so beschrieben werden.

„Wie bitte?“, räusperte sich Kate verdutzt.

„Sie sagte, dass Fräulein Blutsapfel angekommen ist.“ Hinter ihr tauchte nun auch endlich Marc in der Türschwelle auf.

„Blutsapfel?“, fragte Kate unsicher.

„Eine schöne Umschreibung für einen Menschen, den die Vampire aussaugen wollen.“, flüsterte der Werwolf ihr leise zu.

Er hatte eine tiefe Schnittwunde an der rechten Augenbraue, das Blut floss ihm über das Auge, jedoch schloss sich die Wunde bereits wieder.

Nun stand die Vampirmeisterin auf. Ihr zierlicher Körper war in ein puppenhaftes, schwarzes Kleid gehüllt, dass reichlich Spitze an Saum und Ärmel hatte, ebenso ein schönes Decollete formte und bodenlang war.

Wären die anderen Vampire mit ihr aufgestanden, hätte es die eindrucksvolle Wirkung zerstört und außerdem war die Meisterin die Kleinste von allen.

Wie in einer geisterhaften Bewegung sanken die schwarz eingehüllten Körper der unwichtigen, schwachen Millenniumsvampire, zu Boden. Ihre Köpfe berührten den gefliesten Boden mit einer Ehrfurcht, wie vor einer Königin. Denn nichts anderes war sie für all jenen, die sich in schwarze Kapuzenumhänge kleiden mussten.

Die Königin der Nacht.

„Es freut mich wirklich sehr, dass du dich nach unserer netten, kleinen Familie gesehnt hast, ma chérie.“, lies sie mit einem unverkennbaren französischem Dialekt verkünden.

Kate zog die Brauen missbilligend hoch. Nette, kleine Familie - von wegen.

Sie schielte hinüber zu Daniel, dieser schien regungslos am Boden zu kleben. Ihr fiel der Blick von Vinzenz auf, der seine Augen auf den Vampirjäger gerichtet hatte.

Folglich drehte sie sich sofort zu Marc um, doch dieser schien auch mit Widerwillen festgehalten zu werden, nur diesmal von July. Diese hatte ein kokettes Lächeln auf den Lippen, während sie sich einerseits auf die Starre von Marc konzentrierte, und sich gleichzeitig mit der Hüfte an Maurice anschmiegte, wie ein blondes Kätzchen. Es fehlte nur noch das Schnurren, als der Ältere ihr mit der Hand das Bein entlang fuhr und somit mehr Haut offenbarte, da sie ein glänzend blaues Kleid trug.

„J...Jungs...w...was ist los mit euch?“, stotterte sie und ihre Kinnlade zitterte, nicht vor Kälte, sondern vor Angst.

„Um die musst du dir keine Gedanken machen, sie im Augenblick so nutzvoll wie ein Haufen stinkender Abfall.“, kicherte jemand. Es war Kelly. Sie hatte ein breites Grinsen im Gesicht.

Kates Schwester trug eine blaue Jeans mit vielen Rissen, dazu einen Nietengürtel, der absichtlich schief hing. Außerdem noch eine halb zerfetzte, violette Bluse. Weitere Nieten, eine gestreifte Stulpe am linken Arm, einige Ringe und Ketten ergänzten das Gesamtbild einer Punkrockgöre. Solche Kleidung trug sie noch nicht zu Lebzeiten, also als Mensch, soviel war sich Kate sicher. Diese Aufmachung musste aus einem fremden Kleiderschrank stammen. Zusätzlich hatte die Kurzhaarige noch viel zu viel Make-up auf die blasse Haut aufgetragen. Mit anderen Worten: Kelly war nicht mehr wiederzuerkennen!

„Nun wird niemand im Weg stehen, wenn wir gemeinsam eine große, glückliche Familie werden. So wie früher Kate. Wir werden für immer vereint sein.“, Kellys Kichern durchfuhr wie ein Schauer den Saal.

So wie Kate die Situation einschätzen konnte war sie nun völlig auf sich allein gestellt. Vor ihr waren unglaublich viele Vampire und ihre beiden Verbündeten verharrten in Regungslosigkeit. Das waren ja prima Aussichten...

Geteiltes Leid

Hallo meine Lieben,

hat etwas gedauert, dafür hab ich sehr fleißig am Ende gearbeitet. Dieses Kapitel ist relativ lang geworden und das nächste muss auch nur noch korrigiert werden. Ihr seht also, lange wird es nicht mehr dauern, bis Jahresende möchte ich eigentlich auch damit fertig werden ^^

Also dann, ich hoffe es gefällt euch, würde mich auch über Verbesserungen/Lob/Kritik freuen, damit ich besser werde ;)
 

LG,

Mad-Ann

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„Verdammt Jungs, reißt euch zusammen!“, die Worte der Jugendlichen schallten echoend durch den Saal und gingen in dem ohrenzerreißendem Lachen der Blutsauger unter.

Verzweiflung, Angst, Hilflosigkeit und noch einige andere Emotionen standen in dem Gesicht der jungen Frau geschrieben. Gefühle, die sie nicht nach Außen kehren wollte, doch jetzt kam alles auf einmal in ihr hoch. Was konnte sie in dieser Lage noch tun?

„Äh...Jungs?“, ihre Stimme stockte und ihre Brauen wanderten steil nach oben.

Für einen Rückzieher war es zu spät, doch alleine konnte sie rein gar nichts gegen die Übermacht der Vampire ausrichten. Sie waren einfach übermächtig.

Es kostete Daniel einiges an Kraft sich ein wenig bewegen zu können und den Mund zum Sprechen zu öffnen. Immerhin wurde er von einigen Vampiren in schwarzen Kutten am Boden festgehalten und war zusätzlich von Vinzenz Magie bewegungsunfähig. Seine Kinnlade bebte, als er die Worte keuchend heraus brachte.

„V...Vinzenz...du musst...“

Auch ohne, dass er es komplett aussprechen musste, verstand Kate, was er damit meinte.

Sie riss die Augen auf und starrte zu dem Vampir, der den Blonden mit irgendwelcher Gedankenkontrolle physisch bewegungsunfähig machte. Erstaunlich war nicht nur Vinzenz Magie, sondern ebenso sein Gesichtsausdruck. Sowohl elegant, als auch herablassend und übermütig, blickte er aus einer Entfernung von etwa Fünfzehn Metern zu ihr herüber und schenkte ihr ein selbstgefälliges Grinsen.

Irgendwie war er ihr unheimlich.

Vermutlich freute er sich schon seligst auf das Spektakel, das gleich kommen würde, wenn die Situation außer Kontrolle geriet.

Die Anspannung lag so zäh in der Luft, als könnte man sie mit dem Brotmesser teilen.

„Mistkerl...“, zischte sie giftig und kniff dabei etwas die Augen zusammen und sah ihn wütend aus schmalen Augen heraus an.

Wenn sie jetzt nichts unternähme, würde es auch nicht besser werden.

Sie musste sich entscheiden, was sie als nächstes tat. So schnell wie möglich.

Eine Trübe stieg in ihre hellen Augen, in diesem Moment fühlte sie sich unnahbar und die Angst verschwand mit dem aufkommendem Adrenalinschub. Das Herz hämmerte gegen die Rippen und ihr Körper begann sich nahezu mechanisch zu bewegen. Der Puls zuckte pochend in ihren Fingerspitzen und sie spürte das kalte Metall der Pistole.

Vinzenz hatte es nicht verdient zu leben, schoss ihr durch den Kopf. Er hatte damals Kelly entführt und sie ebenfalls an Jeanne-Claire ausgeliefert. Es war ihr egal, ob er nur einer von Jeanne-Claires Lakaien und Arschkriecher war. Was er getan hatte, war Rechtfertigung genug, dass er eine gehörige Abreibung verdient hatte.

Unweigerlich bewegte sich ihr Arm in seine Richtung und sie zögerte für einen Bruchteil einer Sekunde. Es würde ihr großen Spaß bereiten, ihm alles heimzuzahlen und diese Erkenntnis beunruhigte sie etwas. Ein kleines Bisschen jedenfalls.

Ein Schuss erhallte.

Das Echo klingelte noch eine Weile in ihren Ohren nach. Etwas schwankend auf den Beinen drehte sie sich instinktiv halblinks und schoss nochmals.

Die Handlung war ausgeführt, noch bevor sie es überhaupt realisiert hatte.

Dann wurde ihr das Ausmaß ihrer Tat durch gellende Schreie bewusst.

Vinzenz hielt sich mit der Hand seine Schulter, sein Gesicht war zu einer wütenden Fratze verzogen. Er hatte damit überhaupt nicht gerechnet und war zu perplex um zu fluchen. Er hätte es getan.

Auf Kates Gesicht zeichnete sich ein schadenfrohes Lächeln ab. Der Schwarzhaarige hatte es doch gar nicht anders verdient. Sie war nur etwas enttäuscht darüber, dass sie ihn nicht direkt bei einer lebensbedrohlichen Stelle getroffen hatte.

Gleichzeitig hatte sich die Vampirella July nach vorn gebeugt und spukte Blut. Der zweite Schuss hatte sie recht mittig in der Magengrube getroffen. Der teure Stoff des Kleides sog das Blut auf, wie ein Schwamm. Die Farbe war ihr aus dem ohnehin blassen Antlitz gewichen und der blutige Mund wirkte viel zu grell im schneeweißen Gesicht.

Mit böswillig funkelnden Augen stierte sie Kate an.

„Dafür wirst du büßen...“ July wünschte sich in diesem Moment nichts sehnlicher, als das Menschenmädchen leiden zu sehen. Doch sie war nicht in der Lage es jetzt selbst zu tun.

„Du elende Schlampe!“, brüllte eine Männerstimme. „Wie kannst du es wagen?!“

Es war Maurice, doch anstatt auf die Sterbliche loszustürzen begann er erst mal seiner Geliebten zu helfen. Er hielt die heilenden Hände über ihre Wunde und tat das selbe, das er vor einigen Tagen auch bei Kate getan hatte, als er sie mit der Luxuskarosse umgenietet hatte.

„Runter!“, kam es wie aus dem Nichts von der Seite und Kate reagierte darauf. Es musste Daniel gewesen sein. Das Mädchen duckte sich und aus den Augenwinkeln heraus konnte sie sehen, wie etwas rasend schnell durch die Lüfte sprang. Zu schnell, um einen genaueren Blick darauf werfen zu können.

Zwei Körper prallten in der Bewegung aufeinander. Man hörte Schreie, zerreißende Kleidung und ein Grölen, dass zu tief für menschliche Kehlen war. Ihre Augen sahen etwas vorbeiziehen, doch die Bewegung war zu schnell, als dass ihr Gehirn es begreifen konnte. Reflexartig hob sie die Arme schützend über ihren Kopf. Natürlich die Pistole noch fest in der Hand umklammert.

Dann sah sie einen Schwall Fell aufbrausen, wie Flutwellen an die Küste prallen, es war wild und ungelenkt. Hier waren ein paar Krallen, da ein paar spitze Zähne und zwischendrin ein Bündel schwarzer langer Haare. Zerreisendes Fleisch erklang als ein saftiges Geräusch und das Jaulen wurden nur noch lauter.

Plötzlich war die Schlacht ausgebrochen und die ganze Halle schien zu beben. Auch die unbekannten Vampire waren in Bewegung ausgebrochen und es wirkte wie im Inneren eines Bienenstocks.

Als Kate auf die Vampire geschossen hatte, schien das letzte Streichholz in den Heuhaufen gefallen zu sein...
 

Nur wenige Meter neben ihr eröffnete Daniel das Feuer mit einer Miniaturversion eines Maschinengewehrs. Es war eine Mini-Uzi, wie sie auch von Spezialeinheiten der Polizei verwendet wurde.

„Die Jagdsaison ist eröffnet!“, rief er munter lachend und schoss freudig ins Chaos.

Die Funken sprühten wie bei einer Wunderkerze zu Silvester und Patronen fielen nacheinander klirrend zu Boden. Blut spritzte in jeden Winkel und an die naheliegende Wand.

Die gesichtslosen Millenniumsvampire machten den groben Fehler direkt in ihr eigenes Verderben loszustürmen. Sie überfielen von allen möglichen Seiten den Vampirhenker, der sie dann grinsend zurück in die Gruft beförderte.

„Einundzwanzig...Zweiundzwanzig...Dreiundzwanzig...“, zählte er in einem Fort vor sich hin.

Als der fünfundzwanzigste Vampir an der Reihe war und mit einigen Schüssen seine Schädeldecke verlor, wichen die restlichen Vampire fauchend zurück. Ihre Fratzen waren nicht anmutig, wie die der mächtigeren Vampire und sie verfügten auch über keine besonderen Kräfte. Die meisten waren nur nach Blut dürstende Kreaturen, sie waren nur die willenlosen Bauern auf dem Schachfeld.

„Na, habt ihr genug?“, grinste der Blonde und seine Mundwinkel wanderten steil nach oben.

Anscheinend gab es doch noch einige Klügere, die nicht als Kanonenfutter enden wollten.

Er steckte die Uzi weg und drehte lässig die Browning in der Hand. Irgendwie hatte sich Daniel das ganze schwieriger ausgemalt, dass die Vampire jetzt so einfach zurückweichen würden, war ja schon regelrecht langweilig.

„Wer traut sich? Oder war das etwa schon alles?“, forderte er sie heraus und lachte. Er kam sich vor, als sei er an einer Schießbude auf einer Kirmes. Treffe alle und gewinne ein Stofftier.

Ein paar Vampire torkelten nach hinten und fürchteten, dass die Ballerei gleich weiterginge. Auf dem schwarz-weißem Boden hatte sich nun ein halber See aus Blut gebildet. Kreisförmig umgaben ihn die Vampirleichen, einige mit überraschten Gesichtszügen, ganz als hätten die Körper noch nicht verstanden, dass sie tot waren.

Im Blut konnte man etwas unscharf Daniels Spiegelbild erkennen, als er es durchschritt, um den verängstigten Vampiren näher zu kommen. Sein Lachen schnürte den Vampiren die Kehle zu und sie wichen immer mehr zurück. Daniel zeigte sich so fern seiner üblichen Art, er war nun voll und ganz der kaltberechnende Killer, für den er bekannt war.

„War das schon alles, was ihr zu bieten habt?“, lachte er provozierend und senkte den Arm mit der Browning.

Doch ganz unerwartet flog eine flinke Gestalt von oben herab, machte einen Satz und einen darauffolgenden Salto und stürzte sich auf den Vampirkiller...
 

Kate drehte sich Marc zu und war gebannt von dem Anblick, der sich ihr bot.

Marc, der sich im Augenblick einen Kampf mit Jeanne-Claire lieferte und sich jetzt auch schon ziemlich verändert hatte. Sein Oberkörper war frei und beachtlich gewachsen. In Sekunden hatte er Muskeln aufgebaut, wie ein Bodybuilder es in einigen Jahren schaffen würde. Doch es war nicht nur Muskelmasse, die jetzt neu an ihm war.

Eine Schicht schwarzgrauer Haare wuchs mit beachtlicher Geschwindigkeit und die Hände hatten ihre Form verloren und wurden zu klauenartigen Riesenpranken. Unmenschliche Laute drangen aus der Kehle. Jene die Hass, Mordlust und Blutgier ausdrückten.

Das Haar der Vampirmeisterin schwebte anmutig durch die Luft, als sie eine gekonnte Drehung vollzog und mit der bloßen Hand die Körpermitte des Werwolfes durchdrang. Das Knurren wurde zu Brüllen, als sie die bluttriefende Hand wieder herauszog und ein faustgroßes Loch zurück lies.

Wenn Kate es nicht mit eigenen Augen gesehen hätte, würde sie es gar nicht glauben. Marcs großer, muskulöser Körper wurde mit einem einzigen Hieb komplett durchbohrt. Anscheinend hatte Jeanne-Claire beachtlich mehr körperliche Kraft, als man ihrem zarten, kleinem Leib zutrauen würde.

Genüsslich leckte sie das Blut mit der rosa Zunge ab.

„Nicht so stürmisch, mon ami. Heute kommen alle an die Reihe.“ Ihr Kichern war so zuckersüß, dass man annahm, bei Jeanne-Claire handelte es sich um ein kleines, verzogenes Kind. Vermutlich war sie auch tatsächlich solch eines gewesen.

Marcs bernsteinfarbene Augen weiteten sich und er brüllte.

Brüllen war das richtige Wort. Es war laut und klagend.

Blut und andere Flüssigkeiten drangen aus der Bauchwunde, doch an den Seiten begann bereits die Heilung. Eine Schicht neues Gewebe bewegte sich von ganz allein und füllte das Loch von Innen heraus wieder.

„Dafür werde ich dich zerreisen!“, knurrte er mit einer Stimmlage, die sogar tiefer als Bass war.

Darauf lachte die zierliche Vampirfrau nur und um die beiden kämpfenden bildete sich ein Kreis von anderen Vampiren. Dies hatte den Zweck, dass der Wolf völlig eingekesselt war und nicht einfach verschwinden konnte.

Doch er hatte auch gar nicht vor kampflos aufzugeben.
 

Eben in diesem Moment wurde Kate mit einem heftigen Schlag auf einmal von der Seite an eine Wand geschleudert. Teile des Putzes bröckelten von der Mauer. Polternd schlug sie auf den Boden auf und es wurde kurz schwarz vor ihren Augen. Sie bangte schon damit bewusstlos zu werden, doch die Funken vor den Augen zogen vorbei.

Als sie versuchte sich aufzusetzen, wischte sie sich das Blut aus den Mundwinkeln und lehnte sich an die Wand. Vor ihren Augen war es unscharf und sie erkannte verwackelt die Konturen einer auf sie zukommenden Gestalt.

„Sag ist dir langweilig, dass du hier nur rumstehst?“, fragte jemand.

Ein schiefes Grinsen.

Ein dämonischer Blick.

Ein vertrautes Gesicht.

Kate wurde an Armen gepackt und hart nach oben gezogen. Dabei presste sie die Gestalt umso fester an die Wand.

„Kelly! Lass mich los!“, brüllte Kate und strampelte, um von ihr loszukommen.

Die Jüngere lachte nur.

„Wie du willst.“, lautete die gefühlslose Antwort.

Danach wurde Kate an die Eisentür geworfen und das Metall klirrte dumpf. Ihr Kopf prallte hart auf und sie sank erneut zu Boden. Diesmal fühlte sie nur noch Schmerzen im ganzen Körper. Sie blieb liegen und schmeckte den bitteren, metallischen Geschmack des Blutes, das sich in ihrem Mund ansammelte. Angewidert schluckte sie es hinunter.

„Erinnerst du dich noch an früher?“, kicherte das junge Vampirmädchen und kam näher.

Ihre azurblauen Augen waren weit aufgerissen und rot unterlaufen. Die bedrohlichen Augen waren zusätzlich noch stark schwarz geschminkt.

Kate fiel die fahle, leblose Haut auf und die blassen, spröden Lippen. Trotz des Make-ups war die Haut darunter bleich und hellblaue Adern zeichneten sich oberhalb der Wangenknochen ab.

Sie sah aus, wie auf Drogenentzug.

Kelly wirkte unheimlich. Richtig angsteinflößend sogar.
 

Währenddessen hatte Daniel ganz andere Sorgen.

Um seinen Kopf herum pressten sich schlanke Frauenschenkel wie eine Zange zusammen. Die Frau zog seinen Kopf etwas nach hinten und torkelnd fiel der Killer zusammen mit ihr nach hinten um.

„Nicht so voreilig!“, lachte die Schwarzhaarige und krallte ihre langen, lackierten Fingernägel in seine Wangen.

Der Blonde lag mit dem Rücken in der Blutlache und auf ihm saß Ester. Sie war ihm so nah, dass ihre langen Haare sein Gesicht berührten. Ihre kalten Augen waren von dichten, schwarzen Wimpern eingerahmt. Die weiße Haut, der blutrote Lippenstift und die schwarzen Haare bildeten einen so harten Kontrast, der Esther gleichzeitig wunderschön wirken lies.

Daniel spürte das lauwarme Blut in dem er lag und starrte überrascht in ihr hübsches Gesicht.

„Mit so etwas hatte ich jetzt nicht gerechnet...“, lachte er und seine blauen Augen leuchteten dabei. „...ich hatte nicht gedacht, dass eine Frau sich mal so auf mich wirft. Zumindest hätte ich mir solch eine Situation immer anders vorgestellt, nicht ganz so blutig...“

Esther machte einen gereizten Gesichtsausdruck. Entnervt trieb sie ihm die Fingernägel in die Wangen, bis diese blutende Spuren hinterließen.

„Du kannst mich mal!“, keifte sie beleidigt und zog Kratzer über seine Wangen.

Das Lächeln in Daniels Gesicht verschwand nicht vollends.

„Dito.“

Aus dem Ärmel des Mantels hatte er ein Silbermesser hervorzaubert und rammte es ihr zwischen die Rippen. Sie fiel fauchend zurück und zischend reagierte das Metall mit ihrem Körper.

„Silber?“, wunderte sie sich und versuchte ängstlich das Messer aus ihrer Brust herauszuziehen. Doch als sie den ebenfalls silbernen Griff berührte züngelten blaue Flammen auf ihrer Hand.

„Du verdammter Bastard!“

„Solche Ausdrücke sind aber gar nicht ladylike.“, scherzte er daraufhin und stand auf.

„Fick dich doch!“, keifte Esther.

Daniel stand vor ihr und grinste, als sie sich auf dem Boden mit dem Messer in ihrer Brust abquälte. Es war ihm egal, was aus ihr werden würde. Sie war nichts Besseres, als der ganze restliche vampirische Abschaum in dieser Halle.

„Eines würde mich doch interessieren...“, er machte für einen Augenblick einen nachdenkendlichen Eindruck.

„Was willst du noch?!“, schrie sie nur und riss die Augen weit auf.

„Warum hast du Kate damals nach dem Ghulangriff geholfen und jetzt stellst du dich auf Jeanne-Claires Seite?“
 

Kelly fuhr sich mit der Hand durch die Haare und seufzte leise.

„Damals, als unsere Eltern noch verheiratet waren...“, ihre Worte wurden von heiserem Kichern unterbrochen. Sie bückte sich zu ihrer Schwester hinab und zog Kates Kopf in ihre Richtung. Kate hingegen dankte es nur mit einem gequältem Blick.

Langsam sank ihr Kopf zu Kates hinab. „...da lagen wir abends in unseren Betten im Zimmer und haben uns immer Geheimnisse zugeflüstert.“

Erneut setzte ein hysterisches Lachen ein. Kellys Blick schien fordernd, daher entschloss sich Kate zu antworten.

„Ja...ich weiß noch.“ Ihr Hals war staubtrocken.

Die Vampirin riss die Augen noch weiter auf. „Ich will dir eins verraten!“

Mit einem schmerzhaftem Ruck drehte sie Kates Kopf auf die linke Seite und schob die braunen Haare vom Hals weg.

Kate hörte Kellys Herz nicht schlagen, dafür aber ihren keuchenden Atem.

Zaghaft senkte diese ihre Lippen an Kates Ohr und die Worte kamen zögernd und so, als würden sie ihr eine gehörige Portion Überwindung kosten.

„Ich weiß, dass es falsch ist. Dein Blut riecht so gut, dass ich den Verstand verliere. Ich will es, so sehr, dass mir egal wäre, was aus dir wird. A...aber ich kann es nicht...“, Kellys Fingernägel krallten sich in Kates Oberarme wie Katzenkrallen. „...ich kann’s einfach nicht! Es wurde mir verboten!“

Brennendheiße Tränen flossen aus den blutunterlaufenen Augen. „...ich darf’s nicht! Weißt du was das bedeutet? Weißt du es?“, wie wahnsinnig schrie der Jungvampir auf.

„N-Nein.“, ächzte Kate, die mehr als verstört am Boden lag.

„Ich muss trinken, sonst verreck ich in diesem beschissenem Körper!“ Aus dem Flüstern wurde ein Keuchen und schließlich ein verzweifeltes Wimmern.

„Immer wenn ich dich sehe...“, sie schluchzte. „...dann rieche ich dein frisches Blut wie ein Duft der an deinem Körper haftet. Das macht mich einfach wahnsinnig...“

Die salzigen Tränen tropften herab auf Kates Wangen.

„Kelly bitte...bitte nicht...“

„Weißt du, welche Schmerzen ich leide? Dieser Körper...i...ich...“

„Kelly, reiß dich zusammen. Du...du musst dagegen ankämpfen, lass mich bitte los. Ich bitte dich...“, Ihre Unterlippe zitterte beim Sprechen vor Furcht.

Kellys Augen weiteten sich.

Kate fuhr fort. „Ich...ich werde Jeanne-Claire töten und dann...dann kann ich dir helfen. Wir werden wieder glücklich sein, wie früher...wir gehören doch zusammen...“

Doch Kelly schüttelte resigniert den Kopf und zerrte noch mehr an ihrer menschlichen Schwester. „Nichts kannst du! Hörst du? NICHTS! Du bist nutzlos! Du bist ein Mensch, du hast keine Ahnung, wie dreckig ich mich fühle!“

Ein Klatschen lies Kellys Schreien verstummen.

John stand mit einem Ausdruck von Fassungslosigkeit und Zorn im Gesicht bei den Schwestern. Er hatte der Vampirin eine Ohrfeige verpasst, die sich gewaschen hatte. Ein Handabdruck war auf ihrer Wange deutlich zu erkennen.

Perplex starrte Kelly ins Nirgendwo. Als der Schwarzhaarige sie von Kate wegstieß, gab sie wortlos nach. Zitternd kauerte sie sich am Boden zusammen und heulte.

„Ein bisschen mehr Haltung hätte ich von dir erwartet Kelly. Schließlich bist du jetzt der Meisterin ihr Lieblingskind.“, der Blick, den John ihr schenkte, war verachtend und kam auch genauso demütigend bei ihr an.

„Bist du in Ordnung, Kate?“, fragte er und half ihr auf.

Das Mädchen war zu überrascht von der Situation, dass sie nicht antworten konnte.

John deutete das Schweigen so, dass er sie schützend in die Arme nahm. Seine Hand durchfuhr ihr Haar und er presse sie so eng an sich, dass es Kate schon unangenehm war. Doch ihr Körper wusste nichts dagegen zu tun und so lies sie es benommen zu.
 

„Der ewige Kampf, nicht wahr, mon ami? Wir Vampire gegen einen einzigen Werwolf und zwei Menschen. Wollen wir wetten, wer diese Nacht überleben wird?“, lachte Jeanne-Claire und stemmte selbstsicher die Hände in die Seiten.

„So schnell gebe ich nicht auf!“, knurrte mehr das Tier in Marc, als die menschliche Seite.

Die Verwandlung schritt weiter fort und die Hose zerriss allmählich. Den wachsenden Muskelmassen war der Jeansstoff einfach nicht gewachsen. Marc streifte sich die lästigen Reste der Kleidung vom Leib und seine Nacktheit wurde von dem dichten Fell verborgen. Es schien ihn auch nicht sonderlich zu stören. Er hatte sich oft genug verwandelt und stand hinter seiner tierischen Erscheinungsform.

Wie eine hetzende Meute verengte sich der Kreis der Vampire um die beiden Kontrahenten.

„Die Vampire haben sich in den Städten gegenüber den Lykantrophen behauptet. Du bist einfach zu naiv und siehst nicht ein, dass du keine Chance gegen einen Meistervampir wie mich hast.“

„Nur weil du eine Horde willenloser Marionetten um dich herum hast, bist du noch lange kein Gegner für mich.“, er sah kurz in die Gesichter der außenstehenden Vampire. „Sie mögen dein sein, doch du bist zu schwach, um Meister über sie alle zu sein.“

Die Schwarzhaarige begann zu lachen. „Na wenn das so ist. Ich gebe dir einen Versuch mich anzugreifen, mon ami.“

Dies lies sich der Wolf nicht zweimal sagen. Seine gelbbraunen Augen blitzten auf und mit einem Satz sprang er los. Mit dem festen Ziel die vorlaute Vampirin zu zerfleischen und ihren Kopf als Trophäe über den Kaminsims zu hängen.
 

Zischend landete das blutverschmierte Messer auf den Fließen.

Die Einschnittwunde dampfte immer noch und keuchend rang Esther um Atem. Das Silber verhinderte, dass sich die Wunde vampirisch schnell schloss und löste gleichzeitig noch schwere Verbrennungen aus.

„Warum...sollte ich dir das sagen?“, keuchte sie mit zusammengepressten Augen. Der Schmerz schien enorm zu sein, jede Bewegung tat ihr weh.

Daniel machte einen lässigen Wink und kam ihr einen Schritt näher. „Ich würde nur gern wissen, wie ich Kate später erklären soll, dass ich dich töten musste...“, das Lächeln war verschwunden und er sah leicht melancholisch auf sie hinab. In der Hand hielt er schussbereit eine Pistole und zielte auf Esthers Kopf.

Langsam öffnete sie ihre Augen und sah ihn klagend an. „Ich habe nichts gegen sie. Wirklich nicht.“

Esther holte schnaufend Luft und stieß sie stöhnend aus. „Wäre es anders gekommen, wäre sie wohl eine gute Freundin von mir geworden...“

„Warum also?“, hackte Daniel nach und verzog keine Miene.

„Ich habe einen Eid geschworen, als ich ein Teil des Clans wurde. Mein Leben gehört diesem Clan und ich tue alles, was in meiner Macht steht, diesen zu beschützen.“

Der Vampirhenker schien einen Moment lang überrascht. „Du setzt dein Leben für die Gruftschlampe ein? Einfach so?“

Ester ächzte und zitternd hob sie die Hand zu der Verletzung. Sie war dicht beim Herzen, doch die Klinge hatte das lebensnotwendige Organ nur ganz knapp verfehlt.

„Ich bewundere Julian, dass er sich ihr und dem Clan entgegenstellt.“, ein mattes Lächeln erschien. „...doch ich bin nicht stark genug. Der Vampirclan gibt uns Schwächeren Vampiren Halt, hier sind wir sicher, doch wir verpflichten uns lebenslangem Dienen unseres Oberhauptes. Selbst wenn mein Erschaffer Vinzenz und ich uns von ihr abwenden würden, so hätten wir alleine keine Chance. Wir könnten alleine nirgends sicher sein...“, ihre Worte brachen ab und sie wimmerte vor Schmerz auf.

Daniel bückte sich zu ihr herab und berührte sanft ihre weiße Wangen. Er selbst beachtete nicht das schmerzende Pochen auf seinen Wangen, die sie ihm zugefügt hatte.

„Es tut mir leid, für dich.“, flüsterte er ihr zu und setzte die Browning an ihre Stirn.

Einen Moment lang sah sie ihn aus großen Augen an. Sie nickte langsam und schloss die Augen.

Zögernd öffnete sie den Mund und schloss ihn gleich wieder. Dann schluckte sie unsicher.

„Bitte sorg dafür, dass Kate glücklich wird.“

Langsam nickte er. „Natürlich.“

Dann ertönte ein Schuss.
 

Kate ballte die Hände zu Fäusten und ignorierte den Schmerz.

Sie versuchte sich aus Johns Umklammerung zu befreien und schaffte es doch nicht. Er gab sie nicht frei, egal wie sie sich wehrte.

„Verdammt lass mich los, John!“, schrie die Braunhaarige und hämmerte mit den Fäusten auf seinen Rücken ein.

Durch die Menge erschien Vinzenz, neben ihm Maurice Greenwood zusammen mit July. Der ältere Mann blickte ernst zu ihr und hielt seine Gemahlin bei der Hand.

„Ah...Mr Greenwood, ich bin hocherfreut ihnen Kate vorzustellen. Sie ist der Liebling unserer Meisterin und ein wahrer Leckerbissen.“

Maurice nickte und kratzte sich nachdenkend am Bart. „Ich schätze, wir kennen uns bereits.“

Beratschlagend sahen sich Maurice und July kurz an.

Dann fuhr er fort. „Daher lass ich das ganze Vorgeplänkel jetzt sein und wir kommen gleich zur Sache.“

„Ich will dass du ihr einen langen, qualvollen Tod bereitest.“, zischte Ms July giftig und man sah, dass ihre Wunde am Bauch geheilt war. Doch das Kleid war definitiv ruiniert.

Ebenso war Vinzenz wieder wohlauf, er schien sich selbst auch wunderbar heilen zu können.

„Sie scheint besonderes Blut zu haben.“, die Nasenflügel von Maurice Greenwood bewegten sich leicht als er schnupperte.

„Zu schade, dass ich auf diesem Terrain nichts jagen darf. Ich könnte ja fast meine Contenance verlieren, dies wäre äußerst unpässlich, da ich ja lediglich ein Gast bin.“

Vinzenz schaute ihn missbilligend von der Seite an. „Wir dürfen nur mit ihr spielen, aber wir brauchen sie lebendig! Ansonsten bin ich dran, weil ich nicht auf sie aufgepasst habe.“

„Ich will sie aber in Stücke reißen!“, protestierte July, die auf ihr ruiniertes Kleid deutete.

Der Sterblichen wurde Himmelangst, als sie hörte, wie kaltherzig die Vampire über ihr Schicksal sprachen. Ganz so als sei sie der Fuchs in der Jagdsaison.

„Du sitzt in der Falle.“, lachte Vinzenz und kam näher auf sie zu.

„Was soll das? John lass mich los!!“, schrie Kate und drehte ihren Kopf so, dass sie in sein Gesicht sehen konnte.

John war also unter Vinzenz’ Kontrolle und sie erkannte, wie sich seine Augen zu ihr wandten, er aber den Rest seines Körpers nicht bewegen konnte.

„Was hältst du von einem kleinem Spiel, Maurice?“, fragte ihn Vinzenz mit einem schiefen Grinsen im Gesicht.

„Was meinst du?“, entgegnete dieser interessiert.

„Ich kann unseren kleinen Spielkameraden benutzen. Er greift sie an, nascht etwas von ihrem süßem Blut...wer weiß, wie stark sein Wille sein kann. Dies wäre ein großer Spaß, ohne dass wir uns die Hände schmutzig machen müssten. Mal sehen, vielleicht will er ja sogar mit großem Vergnügen mitspielen.“

Die drei Vampire lachten laut auf.

„Welch krankes, böses Spiel...und es gefällt mir.“, höhnend lachte July und hielt sich damenhaft die Hand vor den Mund.

Johns Umklammerung löste sich allmählich und Kate wich ängstlich zurück. Unsicher sah sie ihn an und zitterte leicht. Wie mechanisch bewegte sich sein Körper auf sie zu. Sein Gesicht wirkte leer und zeigte keinen Ausdruck. Er stierte sie wie gebannt an und sein Körper bewegte sich gegen seinen Willen.

Das Mädchen hatte die Firestar in der Hand, doch sie konnte es nicht. Sie konnte nicht eine Waffe gegen einen Freund richten. Vor kurzem war sie noch so sauer auf John, vor einigen Tagen, als er versucht hatte sie ins Bett zu kriegen, hätte sie ihn dafür am liebsten kielgeholt. Doch nun, nachdem sie gesehen hatte, wie sehr er sich für sie eingesetzt hatte und dass er selbst nur ein Opfer dieser ganzen Misere war, konnte sie ihn nicht einfach erschießen.

„John, ich will nicht auf dich schießen, aber wenn du mir keine Wahl lässt...“, sie schluckte einen Kloß im Hals hinunter. „Bitte...zwing mich nicht dazu das zu tun...“

Seine blauen Augen wirkten für einen kurzen Moment von tiefer Trauer erfüllt.

Vinzenz lachte. „Er kann dich nicht hören!“

Das Mädchen biss sich auf die Unterlippe, bis es weh tat. „Ich weiß, dass du dagegen ankämpfen kannst, John.“

Langsam wurde Kate richtig wütend auf Vinzenz und sie begann sich innerlich zu schwören, dass der Meistervampir sterben würde, noch bevor die Nacht zu Ende sei...

In dem Moment, als der Gedanke gefasst wurde, begann John Kate anzugreifen. Er packte sie am Handgelenk und zerrte sie an sich.

Allerdings wehrte sich die Vampirjägerin in spe und verpasste dem Vampir einen gepfefferten Tritt in das Schienbein.

Der Schmerz im Bein schien ihm nicht viel auszumachen und er bewegte sich recht schnell zu ihr und presste sie an die Eisentür.

Die Braunhaarige schrie, als er versuchte seine Zähne in ihren Hals zu schlagen.

„Verpiss dich!“, brüllte Kate und schlug ihm mit der Faust in die Visage. Daraufhin lies er sie kurz los und sie konnte sich befreien.

Ihr Herz pulsierte und sie bekam Kopfschmerzen von dem hohem Blutdruck. Sie stand schon halb draußen und starrte ihn fassungslos an.

John griff sich kurz an die Wange, wo ihn der Schlag erwischt hatte. Doch anstatt, dass er irgendeinen Ausdruck von Schmerz offenbarte, machte er sich wieder daran das Mädchen zu überwältigen.

Gekonnt holte er zum Angriff aus und schlug in ihre Richtung. Gerade noch rechtzeitig gelang es ihr zu entkommen.

Sie begann zu rennen. So schnell, wie sie ihre Beine tragen konnten. Wohin sie konnte, wusste sie nicht, doch sie wusste, dass sie einfach weg musste.

Weg von ihm.
 

Daniel steckte ein neues Magazin in seine Browning und stieg über die Leichen hinweg.

Aus irgendeinem Grund konnte er ihre Worte nicht vergessen. Esthers letzten Worte hatten in ihm irgendetwas zu Bruch gebracht.

Normalerweise hatte er nie solche Gedanken gegenüber einem Vampir gehabt. Noch nie hatte er Mitgefühl mit einem Blutsauger gehabt. Rational gesehen, waren sie für ihn sowieso alle schon längst tot, der Sensenmann hatte sich nur noch nicht getraut es ihnen zu sagen.

Wandelnde Leichen hatten keine Gefühle und schon gar keine Seele. Doch ihre Worte hatten etwas, das ihn nachdenklich stimmte. Sie hatte gesagt, dass sie Kate mochte. Unter Schmerzen versicherte sie, dass sie sich es doch wünschte, wenn sie aus diesem Clan austreten konnte.

Der junge Mann hatte vorher noch nie darüber nachgedacht, unter welchen Regeln und Normen der hiesige Vampirclan weilte. Diese Loyalität bis zum Tod war anders ausgedrückt ein Blutspakt bis zum bitterem Ende.

Esther war also nicht böse. Es war das Umfeld gewesen, dass sie dazu getrieben hatte.

„Verdammt, reiß dich zusammen!“, ermahnte er sich flüsternd und sah bewusst von ihr weg. Rings um ihn herum waren Vampirleichen. Die restlichen Kuttenträger waren abgezischt, als sie sahen, wie auch Esther zu Fall gebracht wurde.

Insgesamt also Sechsundzwanzig Tote.

Und bei Fünfundzwanzig hatte er weder Mitleid noch Erbarmen gespürt.

Er ballte die Hände zu Fäusten und war selbst davon erschrocken, wie wenig er dafür empfunden hatte Vampire zu töten. Zeigte dies die ersten Anzeichen eines Soziopathen? War es wirklich so nebensächlich und alltäglich für ihn diese Monster zu töten?

Tief atmete er ein und schloss für einen Moment die Augen. Konzentriert versuchte er in sich hineinzufühlen. Er spürte Erleichterung und Zufriedenheit, da war kein Anschwall von Zweifel oder Unsicherheit, als ans Töten dachte. Er war viel mehr zufrieden damit, seinen Job zu erledigen. Langsam begriff er, wie es um ihn stand. Wenn die nervtötende kleine Stimme in seinem Kopf nicht wäre, die ständig sagte, „Ester war nicht böse.“, so würde er sich tatsächlich für einen Soziopathen halten.

Der verwirrte Killer wurde aus seinen Gedanken gerissen, als er auf einmal Kate schreien hörte.

„Ich werde ihren letzten Wunsch erfüllen...“, murmelte er.
 

Marc flog im Sprung durch die Luft, während die Vampirella ebenso aufsprang und mit ihrem Fuß in seine Weichteile trat. Der Wolf wand sich jaulend am Boden und stierte sie grimmig an.

„Du hässliche Hure!“, knurrte er und sein Körper krümmte sich vor Schmerz.

„Keiner hat verlangt, dass ich mit fairen Mitteln kämpfen soll...“, lachte sie.

Nun trat sie mit ihrem Fuß inklusive Stöckelschuh auf den großen Wolfskopf. Seine Zähne fletschten sich daraufhin, doch sie fuhr herum und glitt elegant durch die Lüfte. In dem Moment, in dem sie beinahe schwerelos durch die Lüfte flog, wirkte sie wie ein schwarzer Todesengel. Ihre langen, schwarzen Locken schlangen sich um sie und der Stoff ihres Kleides flatterte beim Sprung.

Der Wolf biss jetzt nach ihr. Marc wollte sie erreichen, noch bevor sie auf dem Boden aufkommen würde. Er erreichte jedoch nur den Kleidsaum und zerriss das schöne Kleid stattdessen.

Jeanne-Claire landete abrupt und stellte entnervt fest, dass sie nun recht freizügig war. Ihre Beine waren unbedeckt und der Riss reichte ein Stück weit über die Hüfte und man konnte so ihr Spitzenhöschen sehen.

„Was fällt dir ein, mich so zu entblößen?“, zischte sie und ballte ganz undamenhaft Hände zu Fäusten. Sie rannte wieder auf den Werwolf zu, dieser hatte im Maul noch den restlichen Stoff. Wenn sein unmenschlicher Kiefer es zugelassen hätte, so hätte man ihn nun Grinsen sehen können.

„Und nun setzten wir dem ganzen ein Ende.“, rief sie und sprang wieder ab, um ihn von oben heraus zu treffen. Sie landete auf seinem breitem Kreuz und hielt sich mit der linken Hand fest, als Marc versuchte, sie von sich runterzuwerfen.

Jetzt war der Zeitpunkt gekommen, wo sie ihm den Gar ausmachen wollte. „Stirb!“, schrie Jeanne-Claire wutentbrannt.

Sie durchbohrte erneut blitzschnell mit der Hand den Körper des Wolfmannes und lachte dabei schaurig schön. Marc jaulte verzweifelt auf, während sich ihre Hand tiefer und tiefer in seinen Oberkörper hineinbewegte. Sie suchte nach etwas, fuhr mit der Hand durch das Gewebe und unter die Rippen hindurch, bis sie etwas Pochendes erreichte.

„J'ai trouvé.“, freute sie sich, als sie das Herz gefunden hatte und ergriff das Organ mit der ganzen Hand. Für einen kurzen Augenblick genoss sie das Gefühl seiner inneren Wärme.

Erneut brüllte das Tier auf und schlitzte mit einer Pranke der Vampirin den Bauch entlang. Sie stöhnte zwar auf aber lies nicht locker. Mit einem Ruck entriss sie das Herz und hielt es noch pochend in der Hand. Die gelblichen Augen des Wolfes wurden langsam trüb und er sank zu Boden. Die Vampirmeisterin saß noch auf ihm und hielt ihre blutende Trophäe in der Hand.

Das Brüllen und jegliche Bewegung seitens Marc war mit einem Mal ausgeloschen und leblos lag der Wolf am Boden.

„C’est fini.“, jubelte sie triumphierend.

Das Organ zerdrückte sie jetzt in der Hand wie eine reife Tomate und Blut lief ihren Arm entlang, tropfte auf den Boden und war auch sonst überall.

Die restlichen Millenniumsvampire jubelten auf, es sah aus, als würden sie gemeinsam tanzen und alle sangen heiser im Chor: „C’est fini. C’est fini.“
 

Kate rannte durch die verschneite Gegend und sah Dutzende anderer Vampire in ihren schwarzen Gewändern draußen vor der Halle. Sie wichen ihr aus, wie schwarze Schatten, so als wären sie gar nicht wirklich da, sondern nur dunkle Trugbilder einer kranken Fantasie. Doch die interessierten, neugierigen und schaulustigen Blicke hefteten alle an ihr und ihrem männlichem Verfolger.

John war dichtauf, sprang vom Treppenansatz der Lagerhalle ab und schwebte geschickt in hohem Bogen mehrere Meter weit und holte dadurch recht schnell auf.

Sie wusste, dass er im Laufen, viel schneller war als sie, daher zögerte sie nicht länger und drehte sich zu ihm um, damit sie einen Schuss abfeuern konnte, der den Jungvampir am rechten Bein traf. Dieser stolperte sogleich in den Schnee, welcher sich blutrot färbte.

Keuchend stampfte Kate durch den Schnee und bahnte sich ihren Weg durch die Gassen. Die Verletzung würde ihn nicht sehr lange aufhalten, aber wenigstens würde er nicht mehr zu schnell aufholen können.

Sie achtete nicht länger auf die Umgebung. Die Häuser, Hallen und Fabriken rauschten an ihr vorbei, wie Schattenriesen. Nach wie vor empfand sie mörderischen Zorn für Vinzenz. Sie würde ihn umbringen, koste es, was es wolle. Er dürfe wegen seinen miesen Scheiß-Aktionen den nächsten Tagesanbruch auf keinem Fall mehr erleben.

Es war John der ihr auf den Fersen heftete, er stand unter Vinzenz’ Bann. Warum musste es ausgerechnet John sein? Sie wusste nicht, ob sie ihn wirklich liebte, doch empfand sie sehr viel für ihn.

Sie musste handeln.

Sofort.

Ausweglos

Holla liebe Leser,

ich geb's zu...dieses Kappi mag ich nicht so...aber es muss sein *drop*

Das Schreiben ist mir schwer gefallen, obwohl es schon länger so geplant war. Oder auch nicht? Bei mir ändert sich das ständig irgendwie oô

Jedenfalls...viel Spaß damit. ^^'

*Kapitel hinwerf und wegrenn*
 

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Es gab im ganzen Bezirk mindestens hundert Millenniumsvampire. Weit mehr als zu dem Zeitpunkt, als die Dreiergruppe sich den Weg in die Halle gebahnt hatten. Anscheinend gab es hier in den zahlreichen, leerstehenden Gebäuden weitere Unterkünfte der Vampire. Vermutlich betrug die Population des Vampirclans eine immens hohe Summe.

Man konnte es eine alberne Fantasie nennen, als Kate mit dem Gedanken spielte, die ganzen Vampire auszumerzen. Schier unmögliche Angelegenheit.

Vor ihr lag eine leerstehende Zementfabrik. Außen gab es alte, verrostete Mischanlagen und Geröll von anderen, kaputten Maschinen. Ohne großartig darüber nachzudenken erschien es ihr als ihre Chance.

Sie rannte durch das offenstehende Tor und war erleichtert, als sie in der großen Halle keine anderen Vampire sah. Es gab auch im Inneren einige große Anlagen, teilweise waren diese mehrere Meter hoch und man konnte sie nur durch andere Treppen und Brüstungen betreten. Sie sah sich um, trotz dass es dunkel war, schien etwas Licht hinein, irgendwo dort draußen musste es elektrische Laternen geben.

Hinter ihr vernahm sie holprige Schritte und ihr blieb nicht viel Zeit zum Überlegen. Instinktiv eilte sie eine Metalltreppe hinauf, versuchte sich mit der Rechten am rostigen Geländer festzuhalten und war erschrocken, als sie feststellte, dass dieses nicht mehr fest angeschraubt war. Die Metallstange sauste hinab und traf klirrend auf dem Boden auf.

Nun waren wahrscheinlich auch die letzten Vampire aus ihrem schlafähnlichen Zustand erwacht. Hoffentlich würden sie nicht alle gleich auf sie losstürmen. Es war völlig ausreichend, dass sie bereits einen Verfolger im Nacken hatte.

Das Mädchen wagte einen scheuen Blick hinterrücks und bereute es auch sogleich. John, hatte zwar immer noch eine heftig blutende Wunde am Bein, aber mit der Verletzung war er dennoch unnatürlich schnell. Mit einem unerwartetem Sprung flog er gleich mehrere Meter weit und hatte das Tor der Halle erreicht.

Vor Kate lagen noch einige Treppenstufen, die sie atemlos erklomm und nochmals zurückblickte. Der Vampir war ihr dicht auf und sprang erneut. Diesmal würde er ihr bedrohlich nahe kommen, sobald er auf der Treppe landet.

Gerade noch schaffte sie es ins nächste Stockwerk und knallte eine Eisentür hinter sich zu. Sie packte den Sperrriegel und schob es vor die Tür. Der Vampir auf der gegenüberliegenden Seite knallte dumpf dagegen.

Nach dem Scheppern sackte sie auf die Knie zusammen und versuchte wieder zu Atem zu kommen. Während ihrer Flucht war sie so schnell gerannt, wie noch nie. Ihre Waden schmerzten pulsierend und ihr Atem ging nur stoßweise und ihre Lungen stachen. Sie musste einige Male schlucken, um den Blutgeschmack im Mund loszuwerden.

Kellys Angriff von vorhin, hatte ihr eigentlich schon ziemlich zugesetzt. Doch Kate wollte noch nicht klein bei geben, noch hing sie zu sehr am Leben, um als Jeanne-Claires Festmahl, oder das eines anderen Blutsaugers, zu enden.

Als sie sich wieder etwas gesammelt hatte, bekam sie ein merkwürdiges Gefühl. Die Braunhaarige hörte ihren eigenen Puls, ihren Atem, doch sonst nichts. Von der anderen Seite des Tores kam kein Laut. John war nicht zu hören.

„Verdammt...“, stöhnte sie und stand wieder auf. Als sie sich umgedreht hatte, stieg ihr das Entsetzen ins Gesicht.

Es gab einen Mittelsteg, der vielleicht Zwei Meter breit war und aus rostigem Metall inklusive marodem Geländer bestand. Links und rechts davon ging es mehrere Meter hinab in die untere Etage. Es gab noch einige weitere Maschinen, welche teilweise bis zur Decke reichten, doch zwischen ihnen gab es genügend Platz um runterzufallen.

Sie stellte sich an das rostfarbene Geländer und blickte von der Brüstung hinab. Normalerweise hatte sie keine Angst vor der Höhe, jedoch schien die Metallbrüstung nicht gerade sicher oder stabil. Wenn sie dort hinüberlaufen würde, könnte sie gewiss hinabstürzen und in den Geröllmengen im ersten Stockwerk landen.

Auf einmal spürte sie einen kalten Luftzug über sich. Sie sah hinauf und stellte fest, dass bereits Teile des Daches zerstört waren und vermutlich hinabgestürzt sind. Der Himmel über ihr war wolkenbehangen und der Schnee und der Regen stritten sich gegenseitig. Für eine Weile fielen sanfte Schneeflocken hinab, im anderen Moment wurden sie so nass und schwer, dass man meinen konnte, es würde regnen.

Auf einmal kam ein lautes Poltern von der Metalltür. Sie erschrak und zuckte zusammen. Glücklicherweise konnte sie sich noch so weit zusammenreißen, nicht gleich aufzuschreien.

Dann polterte es erneut. Jemand machte sich an der massiven Eisentür zu schaffen. Diese wellte sich so stark, als sei sie aus Blech.

Binnen weniger Minuten würde ihr Verfolger durch die Tür durchbrechen und sie schnappen, das wusste sie, also verdrängte Kate jegliche Angst und hastete über den Metallsteg. Ihre Schritte klirrten und der Boden wackelte holprig unter ihren Füßen.

Sie blieb stehen und ein knarrendes Geräusch zog sich unter ihren Füßen lang. Der Weg würde sofort einstürzen, wenn sie weiter so rannte. Doch wenn sie stehen blieb, wäre es mit Sicherheit aus mit ihr.

Sie konnte sich nicht entscheiden, ob es ihr lieber war in den Tod zu stürzen oder von einem Vampir getötet zu werden.

Anscheinend hatte sie heute nicht einmal einen Funken Glück verdient...
 

Jeanne-Claire flog mit einer anmutigen Pose in Daniels Richtung. Er schoss mit der Browning, bevor sie ihn erreichte und traf sie beim Schlüsselbein. Daraufhin ging er in Deckung und schoss noch einmal, noch ehe sie auf dem Boden aufkam. Der Schuss schnellte knapp an ihrer Wade vorbei.

Die Augen der Vampirmeisterin begannen sich zu verfärben. Das tiefe schwarz schien plötzlich silbern oder gräulich zu leuchten, wie bei polierten Metall.

Ihr Gesicht verlor die unschuldige, puppenhafte Erscheinung und wurde nach und nach blass und fahl. Es zeichneten sich schmale Gesichtskonturen und hohe, betonte Wangenknochen unter der weißen Haut ab.

Daniel hatte so etwas noch nie gesehen, aber bereits davon gehört. Das geschah, wenn die Vampiraura sich veränderte. Ein Meistervampir konnte durch seine mächtige Aura seine Schönheit erhalten, nach außen hin war er anmutig und makellos. Doch sobald sich die Aura verwandelte zu ihrer rein vampirischen Form, in der es nicht einmal das geringste menschliche Fünkchen gab, wirkte ein Vampir nur noch kalt, dämonisch und leblos. Nicht viele Vampire konnten diese Form erreichen. Es gehörte eine gewisse Gabe, Reife und Talent dazu.

Der junge Mann wusste, dass ihm jetzt nicht mehr viel Zeit bleiben würde. Wenn Jeanne-Claires Verwandlung vollständig wäre, so könnte seine Munition nicht mehr viel gegen sie ausrichten.

Ohne Zögern wechselte er das Magazin und hatte einen weiteren Satz Patronen, welche aus Silbernitrat und geweihtem Silber bestanden, eingesetzt. Die sollten die gemeingefährliche Vampirlady erst mal in die Schranken weisen, damit er dann Kate suchen konnte.

„Schluck deine Medizin du Abschaum!“, rief er ihr zu und schoss gleich das ganze Magazin leer.

Ihr Leib wurde von den Silberpatronen durchbohrt und sogleich entzündeten sich kleine, bläuliche Flammen auf ihrer Haut und dem zerfetztem Kleiderstoff.

Dennoch fiel sie nicht um.

Stattdessen pulten ihre kreideblassen, knochendürren Finger in den Einschusslöchern und zogen die Patronen aus den Wunden. Die Schwarzhaarige zog die Kugeln aus dem Fleisch, als wäre ihr der Schmerz völlig egal. Oder viel eher, als empfände sie gar keinen Schmerz.

Ein schauriges Lachen hallte durch den Saal, der sogar alle Jungvampire zum Verstummen brachte.

Jeanne-Claire war keineswegs mehr die schöne, mädchenhafte Puppe. Ihr ganzer Körper wirkte eingefallen, karg und so als hing die Haut nun nur noch auf einigen, wenigen Muskelsträngen. Ihre silbrigen Augen schimmerten und alles weiße in den Augen war verschwunden.

Daniels Kinnlade blieb offen stehen, während er sich mit dem Rücken an die Wand presste.

„Was zum Teufel geht hier ab?“, fragte er sich und hielt die Browning unabwegig auf sie gerichtet.

Ihr Gesicht starrte ihn müde an. Die Augen waren wie tot und ihre schönen, schwarzen Locken hingen ihr nunmehr wie verfaultes Stroh vom Kopf. Sie sah aus wie ein halber Zombie, nur noch nicht ganz so faulig.

Ihr nächstes Gelächter kam so atemlos wie asthmatisches Husten. „Mon dieu. Du schimpfst dich einen Vampirjäger? Hast du denn geglaubt ich sei ganz umsonst die Meisterin der Stadt?“

„Nein, aber...wie könnt ihr in eurem Alter...bereits so immun gegen Silber sein?“, wunderte sich der Blonde. Normalerweise konnte er alle Vampire, die etwa bis Fünfhundert Jahre alt waren mit weniger als einem Magazin Silberkugeln auf Nimmerwiedersehen in die Hölle schicken. Noch nie war ihm ein Vampir untergekommen, der bereits in ihrem Alter eine regelrechte Silberresistenz vorwies.

Jeanne-Claire kicherte.

Sie griff sich bewusst an die Stelle, an der ihr Kleid aufgerissen war. Dann umfasste sie den Stoff und riss ihn sich vom Körper, bis sie nur noch in einer Korsage und Höschen gekleidet war. Überall an ihrem Körper waren Einstiche, die von Nadeln stammen könnten. Gleich einer Fixerin hatte sie sich an verschiedenen Stellen ihres Körpers, wie am Oberschenkel, an der Hüfte oder den Schultern etwas gespritzt. Diese Einstiche waren von braungrauen Flecken umgeben, die an Hämatome erinnerten, nur irgendwie schmerzhafter aussahen.

„Unser Clan führte seit einigen Jahrzehnten Experimente durch, mit dem man die Silberimmunität erreichen kann.“, begann sie zu erklären. „Zunächst probierten wir es an einigen Neulingen aus. Wir injizierten einigen Vampiren nur geringe Mengen Ammoniumsilbernitratlösung. Doch bereits eine sehr kleine Dosis dieser Chemikalie führte bei ihnen zum Tod, da das Silber bei ihnen innere Verbrennungen auslöste.“

Die Meisterin machte bewusst eine Sprechpause und sah Daniel durchdringend an. Sie schien sich trotz ihrer jetzigen Gestalt immer noch attraktiv zu finden und sah daher keinen Grund sich etwas überzuziehen, auch wenn sie jetzt mehr oder weniger in Unterwäsche gekleidet war.

„Wir experimentierten weiter und schließlich erhielten wir eine Konzentration, die der vampirische Körper verkraften konnte. Nun begannen einige von uns sich dieses Mittel zu spritzen, wie eine Impfung. Doch wir brauchen es täglich, um resistent zu werden.“

„Als Hyposensibilisierung also...wie als Mittel gegen eine Allergie.“, schlussfolgerte Daniel daraus.

Mit so etwas hatte er nicht gerechnet. Das sich ausgerechnet Vampire eigenhändig eine Silberverbindung impfen, obwohl Silber als todsicheres Mittel gegen Vampire galt.

Er senkte die Browning. Sein Arm wurde schwer und irgendwie verlor die Waffe nun ihre bedrohliche Bedeutung. Es mussten andere Geschütze her.

Blitzschnell zog er eine Waffe hervor, die unter seinem weitem Mantel verborgen war und zielte auf die Vampirlady.

„Dann wollen wir sehen, wie gut du wirklich bist!“
 

Kates Schritte wurden langsamer, als sie über den unsicheren Boden schritt. Das Poltern der Metalltür hinter ihr war plötzlich verschwunden, stattdessen wurde sie von vorn überrascht.

„Na hast du mich vermisst?“, fragte John mit leeren Augen und einem frechem Grinsen im Gesicht.

„John!“, rief sie und taumelte rückwärts, bis sie das Geländer an der Hüfte spürte.

Der Millenniumsvampir hielt die Hände in den Hosentaschen und sein Grinsen wurde breiter. „Hast du noch etwas, das du mir sagen willst, bevor es zu Ende geht?“

„John ich bitte dich...ich weiß du bist noch irgendwo da drin. Du musst gegen Vinzenz ankämpfen!“, flehte sie ihn an und hielt die Pistole umklammert, jedoch nicht auf ihn gerichtet.

Er schüttelte nur lachend den Kopf. „Dummes, kleines Gör.“

Langsam kam er ihr nahe und sie war von ihrer Angst gelähmt. Wo sollte sie denn auch sonst noch hinrennen, wenn er sie doch sowieso finden würde?

Dann spürte sie ihn auch schon auf Tuchfühlung und seine schwarzen Haarsträhnen kitzelten ihren Hals.

„Kleines, ängstliches Mädchen...lass mich von dir kosten, bevor Jeanne-Claire dich beschmutzt.“, flüsterte er ihr ins Ohr und fuhr mit seiner warmen Hand ihren Hals entlang, tiefer unter den Pulloverstoff bis über ihre Schulter.

Das Mädchen biss sich auf die Unterlippe und presse gequält die Augen zu. Sie empfand zu viel für ihn, um ihn jetzt zu erschießen. Ihre Haut wollte unter seiner warmen Berührung wegkriechen und doch wollte sie nicht, dass es aufhören würde.

Allmählich überflog seine warme und prickelnde Aura ihre Haut und ihr fiel das Atmen schwer, wenn er so dicht an ihr war. Ihr Herz hüpfte in der Brust.

Wenn die Vampiraura ihren Verstand verschleiern würde, so würde selbst der schmerzhafte Biss für sie wie ein sanfter Kuss sein. Doch würde sie ihren Verstand fallen lassen, so könnte sie diese Nacht nicht überleben.

„Bitte nicht...“, keuchte sie und sank leicht in die Knie und spürte das Geländer kalt an ihrem Rücken.

John lies sich nicht abbringen. Er fuhr mit seinen Lippen ihren Hals entlang und atmete schwer warme Luft aus.

Ihre Nackenhärchen stellten sich auf. Als sie wieder ihre Augen öffnete sah sie, dass die Schneeflocken wie in Zeitlupe durch das Loch im Dach hinabschwebten.

Ihr Verstand hatte sie noch nicht verlassen, sie konnte noch gegen Johns Aura ankämpfen. Doch wäre es viel einfacher gewesen, sich einfach von der Wärme treiben zu lassen.

Stockend versuchte sie zu sprechen.

„John...bitte nicht!“, ihr Atem war irgendwie gehemmt. Sie versuchte zu reden, bekam aber fast keinen Ton mehr raus.

Der Vampir lies für einen Moment von ihr ab.

John schüttelte den Kopf und fuhr mit einer Hand von ihrer Schläfe bis zum Kinn hinab und vergrub dann die Hand in ihrem Haar.

Er presste ihr einen Kuss auf die Wangen, der sie knallrot werden lies. Daraufhin versuchte sie ihn von sich zu stoßen, doch er war wie eine unbewegliche Statue nicht wegzubewegen.

Sie wimmerte, als sich seine Lippen langsam lösten. Wenn es nicht Vinzenz kranke Psychonummer gewesen wäre, so wäre der Kuss bestimmt ein viel schöneres Gefühl gewesen.

„Verdammt.“, keuchte er und griff sich an die Stirn, als hätte er schreckliche Kopfschmerzen.

„Kämpf gegen Vinzent an...“, hauchte sie, mehr als das sie sprach.

Doch stattdessen packte er sie bei den Schultern und drückte sie nach hinten. Langsam aber bestimmt näherte sich sein Mund an ihren Hals. Gleichzeitig machte das Geländer ein bedrohlich quietschendes Geräusch.

Mit einem Schlag war das Mädchen aus der betörenden Macht seiner Aura erwacht und nun wurde ihr klar, wie schmal der Steg zwischen Leben und Tod wurde.

Unsicher hob sie die Hand mit der Waffe und presste sie an seinen Bauch.

„Lass mich los!“, schrie sie verzweifelt und bohrte den Pistolenlauf bedrohlich noch tiefer in seinen Bauch.

Etwas entrüstet lies John die eine Hand zu ihrer mit der Pistole sinken und schob den Lauf nach oben und weg von sich. Kates Hand schmerzte, als er versuchte, die Pistole von sich wegzudrehen.

„Mach keine Dummheiten, Mädchen.“, drohte er und packte nun ebenfalls die Pistole.

„Dann lass mich verdammt noch mal los!“, konterte sie lautstark und lies die Waffe nicht los, ganz gleich wie fest er anpackte.

Das Knarren des Metalls wurde lauter.

„Lass mich los! Wir fallen sonst beide in den Tod!“, urteilte sie hartnäckig.

Die beiden kämpften beide um die Pistole und der Lauf zeigte immer mal zu ihr oder ihm. Es schien so, als würden es beide darauf anlegen den jeweils anderen zu erschießen.

„Du spinnst doch!“, giftete sie und presste die Firestar wieder an ihn.

Doch er schaffte es dann entgültig die Waffe unter seine Kontrolle zu bekommen.

„Halt jetzt still verdammt!“, brüllte er unter Vinzenz’ Einfluss. „Oder ich muss ungemütlich werden!“

Plötzlich krachte das Metall hinter Kates Rücken zusammen. Die beiden taumelten und John versuchte noch das Gleichgewicht zu halten und Kate an sich zu pressen, damit sie nicht fiel. Doch es kam zu keiner Balance und schreiend schwankten sie über die Brüstung und ein unbeabsichtigter Schuss löste sich.

Echoend verklang der Schall in der leerstehenden Fabrik.
 

Flammen glühten auf.

Es roch nach versenktem Haar und verbranntem Stoff. Dennoch gelang es Jeanne-Claire stets Daniels Flammenwerfer zu entkommen.

In ihren Bewegungen konnte man nicht erkennen, was sie plante, oder wie sie es schaffte, sich so unmenschlich schnell zu bewegen.

Allgemein war nichts in ihrem Tun und Handeln mehr in irgendeiner Form menschenähnlich. Sie war ein reines Monster.

Daniel standen kleine Schweißperlen auf der Stirn, denn die Hitze der Flammen machte auch ihm etwas zu schaffen. Umso ärgerlicher war es, dass es der Vampirlady jedes Mal gelang dem Feuer zu entwischen. Es war einfach zum Haarerraufen.

„Du bist zu langsam!“, kicherte sie und flog wie ein Gespenst über ihn hinweg. „Es macht doch gar keinen Spaß, wenn du mich nicht ernsthaft triffst.“

Sie machte sie lustig über ihn und das konnte er überhaupt gar nicht gerne sehen. Langsam wurde er richtig wütend und das konnte nichts Gutes bedeuten.

„Verdammt so wird das nie was.“, ärgerlich fuchtelte Daniel mit dem Flammenwerfer herum und grillte stattdessen ein paar der außenstehenden Vampire. Diese begannen lichterloh zu brennen und rannten kreischend umher, stießen mit anderen Vampiren zusammen und so entstand ein regelrechtes Lauffeuer.

Schließlich warf er die Waffe beiseite und nahm wieder seine heißgeliebte Mini-Uzi. Diese schoss wesentlich schneller und sollte auch eine so nervige Vampirschlampe treffen können.

Er schoss in einer Tour auf Jeanne-Claire und das Ausweichen wurde nun auch für sie nicht mehr so einfach. Zwar schaffte sie es gerade noch so aus der Halle, doch würde auch sie irgendwann einen Schwachpunkt zu Tage legen. Diesen musste er nur noch herausfinden.

Also rannte der junge Vampirhenker ihr hinterher und verlies die Halle in der jetzt nicht nur die Vampire, sondern auch das ganze Mobiliar, in Flammen standen.

Draußen war eine Horde von Blutsaugern versammelt, die ihm den Weg verwehrten. Die Meisterin entkam und sauste durch die Menge hindurch weg.

Nun musste sich Daniel mit ein paar Dutzend Neulingsvampiren rumschlagen. Irgendwie erschien ihm die Situation ermüdend.

Es hatte ihm gerade so viel Spaß gemacht mit der Meisterin, da sie nicht so einfach zu besiegen war, wie all die anderen namenlosen Monster...
 

Rosa Wolken, Nässe, Kälte, wallender Rauch, ein stetiges Tropfen...und irgendwie ein Gefühl von Einsamkeit. Kates Gedanken waren verworren und sie fühlte sich wie unter Alkoholrausch. Von ihrer Umgebung bekam sie nichts mit.

Vor ihren Augen zogen Schleier auf, gebündelt mit zuckenden Sternchen. Ihre Arme fühlten sich an, als seien sie aus Blei. Schwere und müde zuckte sie kurz zusammen.

Alles an ihrem Körper schmerzte.

War sie schon tot? Oder fühlte es sich nur so an?

Zögernd versuchte sie ihre Augen zu öffnen und wurde von heftigem Kopfschmerz bestraft. Irgendwie konnte sie nichts erkennen. War es etwa wirklich so dunkel?

Nicht nur ihre Arme fühlten sich abgequetscht an, auch ihr Brustkorb schien sich nicht bewegen zu wollen. Sie fragte sich, ob sie sich vielleicht die Rippen gebrochen hatte.

Für einen Moment schloss sie wieder die Augen und merkte nicht, dass sie einige Minuten später wieder aufwachte. Es kam für sie nur wie ein Bruchteil einer Sekunde vor.

Beim zweitem Versuch gelang es ihr die Augen zu öffnen, ohne das hämmernde Stechen im Kopf.

Sie hörte etwas tropfen.

Wasser.

Regen.

Vorsichtig drehte sie den Kopf zur Seite und sah neben sich eine kleine Wasserpfütze die der Regen gebildet hatte.

Es hatte zu nieseln begonnen.

Der Himmel war schwarzgrau und der helle Sprühregen verteilte sich auf ihr.

Gang langsam versuchte sie den Kopf zu heben und merkte, dass ihr jede Bewegung weh tat. Sie war mit dem Rücken aufgekommen. Jeder Wirbel schien gestaucht zu sein und jede Muskelfaser unter dem Schmerz angespannt.

Als sie ihren Kopf knapp über dem Boden gehoben hatte, sah sie, dass John auf ihr lag. Quer über ihr, also auch auf ihren Armen und mit seinem Oberkörper auf ihrem.

Auf einmal begann ihr Herz heftig zu pochen.

John.

Alles was noch in ihrem Geist war konzentrierte sich allein auf ihn.

Lebte er? Atmete er noch? Konnte sie seinen Herzschlag noch hören?

Und dann ganz langsam nahm sie ein einsames Pochen in seiner Brust war. Sein Herz schlug noch. Nur sehr schwach, aber immerhin, es schlug noch.

„John!“, keuchte sie.

Aufschreiend überwandt sie jeden Schmerz und richtete sich auf. Johns Körper war unerwartet schwer und fühlte sich viel zu kalt an.

Doch er lebte, das konnte sie noch spüren. Vorsichtig drehte sie ihn auf den Rücken und schob ihn von sich runter. Sie hockte sich und legte behutsam seinen Kopf auf ihre Oberschenkel. Vorsichtig fuhr sie mit ihrer Hand über seine Stirn und versuchte ihn irgendwie wieder zu Bewusstsein zu bringen.

„John...“

Eine einzelne Perle tropfte herab und landete auf seiner Wange. Sie wollte ihn nicht verlieren.

Sie sah sich kurz um. Die Firestar lag in der Nähe, ein Schuss hatte sich gelöst und John in der Magengegend getroffen. Das Blut hatte sich ausgebreitet.

„Bitte wach auf...“, flehte sie und beugte sich mit ihrem Gesicht an seines.

Er war so kalt. Aber ganz schwach ging sein Puls noch und das war das Entscheidende.

„Vorhin...hattest du gefragt, ob ich noch etwas zu sagen hätte.“, keuchte sie leise. „Da gibt es was...“

Sie küsste sanft seine Wange und fuhr mit der Hand durch seine schwarzen Haare.

„Ich liebe dich.“, hauchte John und blinzelte erschöpft.

Erleichtert rollten ihr weitere Tränen übers Gesicht.

„Du lebst...bitte du darfst nicht einfach sterben...“, weinend klammerte sie sich an ihn.

„Sag es mir bitte...“, begann der Vampir. „Du wolltest mir doch etwas sagen?“

Kate wusste, dass dies der richtige John war. Vinzenz hatte seinen Körper verlassen und nun lag John im Sterben, weil sich dieser kranke Spinner einen Spaß auf fremde Kosten erlaubt hatte.

Sie wollte das vermeiden. Sie wollte sich an ihn klammern und ihn leben sehen.

„Ich...liebe dich auch.“, schluchzte sie leise und weinend.

In Johns Gesicht zeichnete sich ein schwaches Lächeln ab. Dann sanken seine Lider und er schien zu schlafen.

„Nein! Nicht!“, rief das Mädchen in die Dunkelheit.

Panisch suchte sie eine Möglichkeit ihm zu helfen.

Ihr fiel nur eine ein.

Blut.

Sie zog eines der Messer, dass Daniel ihr zu Beginn der Nacht gegeben hatte. Die Klinge glänzte bedrohlich schön im matten Licht.

Hastig zog sie einen schnellen Schnitt ihren Arm entlang. Der Schmerz lies sie aufstöhnen, doch sie sah das warme Blut hinabfließen. Im Dunkeln wirkte es schwarz und zäh.

„Du darfst jetzt nicht sterben! Bitte tu mir das nicht an!“, heulte Kate und presste ihren Arm auf seine blassen Lippen.

Die Flüssigkeit tropfte in seinen Rachen.

Sie weinte bitterlich und flehte ihn in einem Fort an, dass er wieder aufwachen solle.

Doch er tat es nicht.

Eine Weile später nahm sie ihren Arm zurück und legte sich weinend neben ihn. Am liebsten wäre sie für ihn gestorben. Sie hätte die Julia sein müssen, die sich für ihre Liebe aufopfert, doch sie war zu unfähig um wenigstens mit ihm zu gehen.

Schluchzend überkam sie die Ohnmacht wie ein schwarzer Schleier aus Samt. Der Schmerz schied dahin. Der Schock saß zu tief in ihrem Mark und der Körper wollte dass sie vergessen konnte.

Unbewusst wurde sie geweckt, als sie Schritte vernahm.

Dicht neben ihr, danach rief jemand ihren Namen.

Gedanklich wollte sie Johns Namen aussprechen.

Wollte hoffen, dass er noch am Leben war.
 

Allerdings erkannte sie dann Julians melodiöse Stimme, die sie aus ihrem Schlafzustand riss.

„Du lebst...“

Julians sanfte Stimme klang besorgt.

Als Kate die Augen öffnen konnte, erkannte sie seine weichen, makellosen Gesichtskonturen auf Anhieb. Er war das wunderschöne Abbild einer ebenmäßigen Engelsstatue. Oder vielleicht war er auch wie ein Schutzengel, der über sie wachen wollte.

„Ich bin bestimmt gestorben...“, flüsterte Kate atemlos. „...und im Jenseits angelangt.“

Julian sah sie verständnislos an, doch er half ihr auf, als sie von allein versuchte sich zu erheben.

„Du bist mein Richter. Bringst mich an die Tore der Hölle.“, keuchte sie ohne nachzudenken, was sie da sprach.

Doch der Meistervampir schien mitfühlend und wollte ihr irgendwie helfen.

„Ganz ruhig, Kate. Du redest wirres Zeug. Du bist noch am Leben...“, beruhigend nahm er auf seine Arme.

Sie stöhnte unter den körperlichen Schmerzen. Aber es schien nichts gebrochen zu sein, es war großes Glück, dass sie den Sturz ohne Knochenbrüche überstanden hatte.

Erneut rannen ihr Tränen über die Wangen.

„Wieso...konnte ich nicht mit ihm gehen?“, murmelte sie vor sich hin und presste ihr Gesicht in Julians Mantelstoff.

„Vielleicht ist es Schicksal, dass du am Leben bleibst?“, Julian lächelte sanft und seine kühle Aura hüllte sie ein, sodass sie ihre Schmerzen nicht mehr spüren konnte.

Im Moment war es ihr egal, ob sie ihren Verstand für seine Magie öffnete. Sie wollte einfach nicht mehr und konnte nicht mehr dagegen ankämpfen.

Sie träumte von einem kühlem See und dass sie darin badete. Julian war der Anker, der sie tiefer ins Wasser zog und somit kam sie dem Grund immer näher. Ihr Verstand vergaß den Schmerz und die Trauer. Sie fühlte sich schwerelos und sorgenfrei im klarem Wasser.
 

Zum Dritten Mal in dieser Nacht wachte Kate auf. Diesmal fand sie sich auf Julians schwarzen, langen Wintermantel vor. Sie schrak auf und saß nun kerzengerade da. Das Gefühl des kühlen, umschließenden Wassers war verschwunden. Sie spürte seine Aura nicht einmal mehr bewusst.

Neben ihr kniete der großgewachsene Vampir mit einem kleinem Lächeln im Gesicht.

„Geht es dir jetzt besser?“, wollte er wissen und sah sie etwas ermattet an.

Kate stellte fest, dass sie keine Schmerzen mehr vom Sturz hatte. Eilig zog sie ihren Ärmel hoch und sah sich ihren Arm an. Die selbstzugefügte Schnittwunde war verschwunden, als hätte es nie eine gegeben.

Dann erinnerte sie sich an Johns schwaches Lächeln, kurz bevor er starb. Er hatte sie geliebt und starb durch ihre Waffe. Dabei wusste das Mädchen nun, dass sie ihn auch geliebt hatte.

„Ich konnte ihm nicht helfen...“, keuchte sie mutlos und spürte heiße Tränen auf ihrem Gesicht.

Julians Lächeln verschwand. Er hob die Hand, um sie zu berühren, zögerte aber und lies die Hand wieder sinken.

„Warum konnte ich ihn nicht retten?“

Die Schuldgefühle verzehrten sie. Zuerst musste sie hilflos zusehen, wie ihre Schwester zu einem Vampir wurde und nun war sie auch noch Schuld am Tod ihrer ersten großen Liebe.

„Es war nicht deine Schuld...“, versuchte Julian sie zu beruhigen, ganz so als ob er ihre Gedanken gelesen hätte. „Man kann im Krieg nicht jeden retten.“

„Du verstehst das nicht!“, wollte sie lauthals protestieren und bereute dann das was sie gesagt hatte.

Hatte der Vampir nicht mal erwähnt gehabt, dass seine Geliebte ermordet wurde? Anscheinend wusste Julian ganz genau, wie sich dieser Schmerz anfühlte. Sie konnte es in seinem Gesicht ablesen.

Seine Augen waren von ihr abgewandt und leuchteten dunkelblau, wie Saphire im Mondlicht. Die Haare trug er diesmal offen und dazu einen schwarzen Hut auf dem Kopf. Einige Strähnen hingen ihm ins Gesicht und über die Augen und er wirkte etwas abseits und müde.

„Ich hab’s nicht so gemeint.“, sagte Kate schließlich. „Ich hatte vergessen, dass du...“

Julian sah ihr direkt in die Augen und schüttelte nachdenklich den Kopf. „Das ist schon lange her.“

Aber Kate verstand, dass sie ihn an etwas Schlimmes erinnert hatte und dass es nicht fair war, so rücksichtslos zu sein. Sie wusste nicht, was sie ihm sagen konnte. Die Trauer verfraß ihr einerseits die Brust und das Gewissen redete ihr ein, dass sie ständig nur das falsche tat.

Schuldig sah sie ihn an und verspürte den Drang sich in seine Arme zu legen und zu weinen. Doch so etwas konnte sie jetzt nicht einfach tun.

„Du...siehst geschwächt aus.“, stellte sie schließlich fest.

Seine Lippen hatten sich kurz zu einem kleinem Lächeln gekräuselt. „Es ist nichts weiter.“

„Du hast mich wieder geheilt nicht wahr?“

Der Vampir nickte nur.

„Kostet es dich viel Kraft?“, wollte sie wissen.

Der Braunhaarige schien etwas verwundert zu sein, als sie sich danach erkundigen wollte. Er strich mit seiner Hand durch ihre Haare. Sie folgte seiner Bewegung und wurde etwas ruhiger. Julian verströmte soviel Ruhe und Gelassenheit, die sich auch auf sie übertrug.

„Danke.“, murmelte sie kaum hörbar.

Er nickte und stand nun auf.

Kate tat es ihm gleich und hob seinen Mantel vom Boden auf. Sie klopfte etwas den Dreck davon ab und reichte sie ihm.

„Wir müssen deinem Freund helfen.“, entgegnete er.

Kate wurde klar, dass sie Daniel komplett vergessen hatte. Ob er sich gegen die ganzen Vampire allein durchschlagen konnte? Sie wusste nicht wie der Kampf außerhalb verlaufen war.

„Oh verdammt Daniel?!“, rief sie aufgebracht.

Julian lächelte platt. „Bis eben kam er zurecht. Er war gerade dabei gegen Vinzenz und Maurice zu kämpfen. Die Meisterin ist allerdings auf der Suche nach dir.“

Ihr fiel ein regelrechter Brocken vom Herzen. ‚Zurecht kommen’ bedeutet wohl am Leben sein. Er war doch ein hartnäckiger Kerl, er würde hoffentlich noch solange durchhalten, bis Kate und Julian ihm helfen konnten.

„Du solltest in meiner Nähe bleiben. Die Millenniumsvampire wollen dein Blut. Die Meisterin hat ihrem Clan verboten sich zu nähren, bis sie dich nicht geschnappt haben. Doch trotz oder gerade wegen des Verbotes sind sie besonders scharf darauf.“, erklärte er.

„Heißt es, sie hat ihnen verboten zu Jagen? Aber warum? Warum will sie ausgerechnet mein Blut?“, das Mädchen begann darüber nachzudenken. Ja, sie hatte eine seltene Blutgruppe, doch das konnte doch nicht der einzige Grund dafür sein.

Kate erinnerte sich an Kellys verzweifelte Art. Sie schien völlig wahnsinnig zu sein, als sie Kates Blut roch. Bestimmt war das allgemeine Fasten ein Grund.

„Jeanne-Claire kann mir nichts anhaben. Ihr passt es nicht, dass ich mich ihr als Clanoberhaupt entgegenstellte. Ich habe den Clan verlassen und mache meine eigene Sache. Doch eben aus dem Grund, dass sie mich nicht besiegen kann, sucht sie einen Angriffspunkt, etwas womit sie mich verletzen kann...“, ruhig atmete er aus und schloss dabei die Augen. „Sie will dich, um mir zu schaden. Damit sie mich verletzen kann.“

Allmählich wurde ihr nun alles klar. Daher hatte sie es also auch auf ihre Schwester abgesehen. Die elendige Vampirlolita hatte es nur auf sie abgesehen, um sich an Julian zu rächen. Dass Julian etwas für Kate empfand schien ein gefundenes Fressen für die Meisterin zu sein, etwas um ihre aufgestaute Wut loszuwerden. Wenn Kate umkommen oder zu einem Vampir ihres Clans wurde, hatte Jeanne-Claire die Fesseln der Macht in ihrer Hand.

„Diese widerliche, alte Hexe!“, fluchte Kate und wollte nun nichts sehnlicher, als Jeanne-Claire tot zu sehen.

Es war also keine Zeit mehr zu verlieren. Kate machte ihren ersten vorsichtigen Schritt und musste sich kurz an Julian stützen. Sie war durch und durch mitgenommen von den Geschehnissen, doch würde sie so lange durchhalten, bis entweder sie oder Jeanne-Claire tot wäre...
 

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So jetzt könnt ihr mich hassen, wenn ihr wollt xD

Ansonsten freut euch aufs nächste Kappi, wenns den Vampiren an den Kragen geht xDDD

Im Netz der Spinne

Frohes Neues Jahr =D & viel Spaß mit dem vorletzem Kapitel xD
 

Eine beinahe romantische Stimmung ging von den rotglühenden Flammen aus. Sie flackerten meterhoch auf und die heißen Funken sprühten in den Nachthimmel hinauf und sanken zusammen mit den schweren Schneeflocken zu Boden. Der Rauch stieg auf in grauen, überdimensional großen Wolken und es stank nach verbrannten Kunststoffen und Lacken der alten Lagerhalle.

Inmitten dieser Szenerie standen die Millenniumsvampire wie andächtige, reglose Statuen in ihren formlosen, dunklen Umhängen mit den langen Kapuzen, die ihre ahnungsvollen Gesichter darunter verbargen. Sie schienen sich ihres Sieges beinahe sicher, denn für sie wäre es ein schändliche Schmach, wenn die Meisterin nicht ein paar einfache Menschen zurechtweisen könnte.

Kates mysteriöser Begleiter in Schwarz durchschritt zusammen mit ihr den Platz vor der lichterloh brennenden Lagerhalle, während die Millenniumsvampire auf Abstand gingen. Er hielt zwar Kates Hand, aber sie fühlte sich selbst dadurch nicht wirklich sicher. Natürlich wusste das Mädchen, dass der Vampir an ihrer Seite weitaus mächtiger war als Jeanne-Claire, dennoch war dies immer noch kein Indiz dafür diese Nacht zu überleben.

Sie sah leicht betroffen zu den anderen Vampire, die wie reglose Skulpturen da standen. Aus irgendeinem Grund kam es ihr so vor, als wäre es ihre Bestimmung diese Wesen aus der Tyrannei der Meisterin zu befreien, auch wenn die meisten unter ihnen in der Vampirmeisterin so was wie eine Gottheit sahen.

Es dauerte gar nicht lange, bis die beiden auf ihren anderen Verbündeten trafen.

Daniels Haare waren leicht zerzaust, blutdurchtränkt und er selbst hatte auch einige Wunden vom Kampf davongetragen. Auf seiner Stirn war eine Platzwunde, vielleicht sah diese aber auch nur schlimmer aus, als sie tatsächlich war. Blut war ihm über das rechte Auge gelaufen, sodass der Vampirjäger nur noch mit dem anderen sehen konnte.

„Kate...“, keuchte er und versuchte sich von der Wand zu lösen, an welcher er zuvor gelehnt hatte. Er kam den beiden näher, mit unsicheren Schritten, aber dennoch mit seinem üblichem Lächeln im Gesicht.

„Alles klar bei dir?“, sagte er beinahe unbeschwert und schmunzelte dabei.

Natürlich war Kate erleichtert ihn zu sehen, aber wirklich besser fühlte sie sich dennoch nicht.

„Scheint so, als würden sich die Millenniumsvampire zurückziehen.“, stellte der Blonde fest. „Aber ich vermute nicht, dass ich es war, der sie verscheucht hat.“

Kate blickte um sich und tatsächlich gingen nach und nach die anderen Vampire fort.

„Meinst du...das Jeanne-Claire ihnen befiehlt sich zurückzuziehen?“, fragte sie etwas verwundert über den plötzlichen Wandel.

„Selbst ein großer Kriegsherr weiß, wann es an der Zeit ist die Soldaten zum Rückzug zu bewegen.“, erklärte Julian. „Jeanne-Claire ist nicht dumm, aber vermutlich war das noch nicht alles. Viel eher nehme ich an, dass uns das Schlimmste noch bevorsteht.“

„Ich will, dass das Ganze ein Ende hat!“, keuchte sie.

Das Mädchen ballte die Hände zu Fäusten.

„Sie soll es bereuen, was sie allen angetan hat. Vor allem wegen Johns Tod...ich will...“

Der Tränenfluss stellte sich erneut ein, bevor sie den Satz endigen konnte.

Daniel nahm das Mädchen vorsichtig in seine Arme. Sein Lächeln verblasste allmählich.

Er wusste, dass jetzt keine Worte passend sein würden. Daher schwieg er und warf über Kates Schulter hinweg einen Blick zu Julian.

„Sie kommt.“, war alles was der Vampir entgegnete.

Daniels Blick wanderte nach oben zu dem Dach eines anderen Gebäudes. Dort stand die Meisterin höchstpersönlich, gekleidet in jenem schwarzem Umhang, den sonst nur ihre Anhänger trugen.

Dicht neben ihr stand Kelly, die einen betrübten Blick hinab warf. Sie schien irgendwie benommen zu sein, denn ihre Augen hatten ihren einstigen Glanz verloren.

Nun hatte sich auch Kate wieder etwas beruhigt und die Anwesenheit der Meisterin bemerkt.

„Scheint so, als würde der General persönlich aufs Schlachtfeld kommen.“, meinte Julian mit neutraler Miene.

„So sieht man sich wieder, nicht wahr, Julian?“, erwiderte Jeanne-Claire mit einem herablassendem Lächeln. Sie hatte das Talent seinen Namen in einem Akzent auszusprechen, der gleichzeitig vornehm und verrucht klang.

Der Meistervampir antwortete nichts darauf, sondern sah sie nur streng an.

Plötzlich ergriff die Meisterin das junge Vampirmädchen am Schopf, zog sie an sich und schlang ihre Arme so bedrohlich um deren Hals, das Kelly vor Schreck das Atmen schwer fiel. Die Jüngere keuchte auf und packte Jeanne-Claires Arme, um sich loszureißen. Doch sie hatte einfach nicht genug Kraft dazu.

„Lass sie los, du Hexe!“, brüllte Kate nun wieder voll erzürnt.

Ein höllisches Lachen ging von der Vampirmeisterin aus. „Wenn du das willst, so musst du mir schon folgen.“

Schon im nächsten Moment sprang sie vom Dach und rannte los. Natürlich wollte Kate hinterher und begann in ihre Richtung loszustürmen. Daniel rannte ebenfalls los, denn auch er wusste, dass dies nur eine Falle sein konnte. Und somit waren beide fort.

„Nicht! Das ist nur ihre Strategie, um uns voneinander zu trennen!“, rief Julian tadelnd. Hinter ihm tauchten allerdings schon Maurice und Julie auf. Beide mit einem siegessicherem Lächeln auf den Lippen.

„Ganz recht, ganz recht.“, lachte Maurice auf und eine unheimliche Aura umgab ihn.

„Wie lange warte ich schon sehnsüchtig darauf einen Zweikampf mit dir zu führen? Und nun willst du dich einfach auf die Seite eines einfachen Menschenmädchens stellen?“, wunderte sich dieser.

„Sie ist so...gewöhnlich. Sie mag zwar hübsch sein, aber es gibt Huren, die besser sind, als dieses...Kind.“, er lachte, denn er wusste, dass dieser Ausspruch Julian rasend machen würde.

„Schweig.“, donnerte Julian auf einmal und seine Augenbrauen wanderten dramatisch weit nach unten. „Verschwinde, ich habe kein Bedürfnis danach, mich mit dir zu duellieren.“, brachte der Vampir zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.

„Du schade aber auch...dass du zudem auch noch ein Feigling geworden bist.“ Es wirkte ziemlich theatralisch, als Maurice den Kopf schüttelte und dabei ein selbstgefälliges Grinsen aufsetzte.

Ein Schwall Macht entströmte von Maurice und es wirkte sogleich wie eine heftige Druckwelle. Selbst seine Begleiterin sank in die Knie und hatte schwer damit zu kämpfen. Julian lies sich davon allerdings nur wenig beeindrucken.

„Verschwinde von hier Julie. Dies ist eine Sache, die unter Männern geklärt werden muss.“, brummte ihr Liebhaber leicht genervt und seine Stimme klang herablassend.

Sie nickte ängstlich und rannte nun ebenfalls in die Richtung, in welche auch Jeanne-Claire verschwunden war.

Nun sah es wohl so aus, als müsse sich der langhaarige Vampir seinem Rivalen endlich stellen, ob er nun wollte oder nicht. Natürlich wäre es ihm lieber gewesen, wenn der Kate und Daniel helfen konnte, denn er wusste ganz genau, dass zwei Menschen allein keinerlei Chance hatten.

„Es tut mir leid, Kate.“, seufzte er mit fadem Gesichtsausdruck und ging einige Schritte auf seinen ehemaligen Freund zu. „Aber ich denke, es wird nicht allzu lange dauern.“

Nun brach auch seine Aura hervor und schien der von seinem Gegner ebenbürtig zu sein, wenn nicht sogar stärker.

„Ah...also stellst du dich mir nun doch. Das freut mich wirklich.“, meinte der andere. „Ich bin aber nicht mehr so schwach wie früher. Vermutlich bin ich über die Jahre sogar besser geworden als du.“

Julian ging nicht weiter darauf ein. „Bringen wir das einfach hinter uns.“, sagte er kühl.

„Hm...alles klar. Dann lass uns keine Zeit verlieren.“, seine Stimme fegte wie ein Orkan über den Platz. Es war ein Sturm von Worten, die alles kurz und klein schlugen.

So standen sich nun die beiden Meistervampire gegenüber, beide mit ernstem Blick und jeder von ihnen war gewillt dieses kleine Machtspielchen für sich zu entscheiden.
 

Die Gasse führte zu einer Treppe nach unten ins ungewisse Dunkel. Ohne darüber nachzudenken folgte Kate der Meistervampirin. Sie musste Kelly unbedingt befreien, man konnte Jeanne-Claire alles zuzutrauen, doch Kate wollte gar nicht mal so genau darüber nachdenken.

Daniel lag bei der Verfolgung etwas hinterher, doch dann wurde er von jemandem aufgehalten. Mit enormer Geschwindigkeit tauchte Julie vor ihm auf, landete leichtfüßig wie eine Kate und schleuderte den jungen Mann mit einem heftigem Tritt gegen eine Ziegelmauer.

Der Aufprall war hart genug, um einem normalen Menschen zur Bewusstlosigkeit zu führen. Doch Daniel war relativ hart im Nehmen. Er musste keuchend um Luft ringen, konnte aber zügig wieder aufstehen.

„Lass uns Spielen, Süßer.“ Grinsend trat Julie vor ihn.

Doch der Blick des Killers wanderte zur Seite, allerdings hatte er Kate schon aus den Augen verloren. Es schien tatsächlich so, als wäre das Mädchen diesmal ganz auf sich allein angewiesen, denn hier würde er nicht so schnell wegkommen. Die Vampirin hatte es auf einen Kampf mit ihm abgezielt.

„Dieses Spiel wird dir allerdings nicht gefallen.“, gab er entschlossen zurück und zog die Waffe.

Dies schien ein Spiel zu sein, das er besonders bevorzugte...
 

Schritte hallten durch einen leeren Korridor, der in das flackernde Licht einiger alter Neonleuchten getauft war und unheimliche Schatten huschten wie schwarze Dämonen an den Mauern entlang. Es schien völlig verlassen zu sein. Kein Klang, kein Geräusch geriet in diesen schier endlos wirkenden Flur hinein, nur die Schritte des Mädchens schienen diese Ruhe zu durchbrechen. Einige der alten Lampen knackten immer mal wieder. Es war ein seltsamer Laut.

Sie blieb stehen, wandte ihr Haupt zurück, doch selbst der Eingang, die Treppen, die heruntergeführt hatten schienen in weite Ferne gerückt zu sein. Vor ihr sah es genauso aus. Der Korridor erstreckte sich so weit, dass kein Ende in Sicht war.

Ihr Atem war unruhig. Sie fühlte sich unerklärlicherweise aber gar nicht so hilflos, wie man hätte meinen können. Irgendwie wusste Kate, dass es nun ganz allein an ihr lag, ihre Schwester aus Jeanne-Claires Klauen zu befreien und dem Ganzen ein für alle Mal ein Ende zu bereiten.

Die kühlen, blauen Seelenspiegel wanderten von links nach rechts, sie musste die Umgebung irgendwie im Blick behalten, um mögliche Überraschungsangriffe zu vermeiden. Niemand war ihr gefolgt. Nicht einmal Daniel. Irgendwie fand sie schon seltsam, denn sie hatte auf seine Hilfe gebaut. Aber anscheinend war sie nun wirklich ganz allein.

Wie ferngesteuert rannte sie weiter.

Es war ein Korridor, der niemals enden sollte.

Sie lief und lief.

Soweit wie ihre Beine sie trugen.

Doch es war nach wie vor kein Ende in Sicht, war das noch normal?

Erneut blieb sie stehen. Blickte zurück. Kehrte sich um.

Wachsam lauschte sie. Nicht einmal das Knacken der Leuchtstoffröhren war mehr zu vernehmen.

„Verdammt.“, entkam ihr und leichte Zweifel kamen auf.

Wieder begann sie zu rennen, diesmal in die entgegengesetzte Richtung.

Immer weiter, so weit wie nur möglich. Doch auch diesmal schien es aussichtslos.

„Aber ich bin doch aus dieser Richtung gekommen.“, murmelte sie leise vor sich hin. Was zum Teufel war das nur für ein seltsamer Ort?

Wirre Gedanken flogen ihr durch den Kopf.

Vor ihren Augen sah sie, wie Daniel von einem Vampir gebissen wurde. Das Blut tropfte langsam seinen Hals hinab und seine ausdruckslosen Augen sahen zu ihr. Hilfesuchend formten seine Lippen die letzten atemlosen Worte, doch sie konnte ihn nicht hören.

Sie biss sich heftig auf die Unterlippe, bis sie sich des Schmerzes bewusst wurde. Warum spielte der Verstand ihr nur solche Scherze?

Julians Augen waren geschlossen und seine Haut wirkte leblos und fahl. Die feinen Haarsträhnen lagen auf dem Boden in einer Blutlache verteilt. Vor ihm stand Maurice. Blutüberströmt und in irrem Gelächter. Seine Mundwinkel waren spitz nach oben gezogen. Er stand vor Julian, der leblos am Boden lag. Das Gesicht von Maurice drehte sich zu ihr und sie nahm seine dunkle Silhouette wahr, die langsam erlosch, zusammen mit seinem furchtbarem Gelächter.

Kates Füße verloren den Halt, sie fühlte einen Moment lang die Schwerelosigkeit, sah wie der Korridor in weite Ferne rückte und von einem dunklem Schleier verhüllt wurde. Einige Male rollte sie und blieb schließlich reglos liegen.

Ihre Unterlippe hatte zu bluten begonnen und sie spannte jeden Muskel an, um aus diesem seltsamen Traum zu erwachen. Die dunklen Vorahnungen waren verschwunden, als sie die Augen wieder aufschlug und ihren schmerzenden Körper spürte. Die Illusionen verschwanden also, sobald sie sich ihres Körpers wieder bewusst wurde. Die Schmerzen ließen sie erwachen.

Die Lichter über ihr flackerten wieder. Oder immer noch. Das knackende Geräusch war wieder da. Sie hörte ihrem Atem wohl bewusst zu und wusste, dass dieser Korridor nicht mehr eine Täuschung war. Denn sie sah nun endlich den Ausgang.

Sie schaffte es sich aufzurichten und stellte fest, dass der Eingang und das Ende des Korridors in ihrer Wahrnehmung endlos weit von einander entfernt schienen, es aber gar nicht waren.

„Wo bist du? Ich weiß, dass das einer deiner gottverdammten Tricks war!“, keifte sie wütend und hatte sich eines der Silbermesser gekrallt, die sie unter ihrer Kleidung versteckt hatte.

„Deine dämlichen Spielchen kannst du dir sparen!“

Ein entferntes Gelächter hallte den Gang entlang. Es musste hinter den rostigen alten Türen mit den zerschlagenen Glasscheiben sein. Irgendwo dort musste sie hingerannt sein.

Die Braunhaarige ging hindurch und vor ihr war ein alter Bahnhof. Ein kleines Kassenhäuschen, einige Werbereklametafeln, die schon modrig wirkten, die dunklen, gerissenen Bodenplatten und der Geruch von etwas Faulem und Modrigem stieg ihr in die Nase.

Langsam ging sie weiter und blickte sich um. Der Bahnhof musste schon Ewigkeiten leer stehen und war völlig umgebaut worden. Es sah aus wie in einem geheimen Forschungszentrum, das ebenso zerstört und verlassen wirkte. Unzählige Tische mit Reagenzien darauf standen in der weitläufigen Halle. Eine Zentimeterdicke Staubschicht lag auf ihnen und die Flüssigkeiten schienen teilweise verfault zu sein, oder Spinnen und Krabbeltiere hatten sich darin eingenistet.

Lange Spinnweben hingen von der Decke hinab und sie musste diese mit Mühe von sich fernhalten. Dort wo eigentlich die Treppe wieder hinauf zu den Gleisen führte, war der Weg mit riesigen Bottichen zugestellt. In ihnen befanden sich nicht zu identifizierende, schleimige Substanzen. Sie waren dunkel, klebrig und völlig modrig, was wohl auch den grässlichen Geruch begründete. Um was genau es sich dabei handelte und ob das früher mal lebendig war, konnte Kate nicht so genau feststellen.

„Willkommen in der Forschungsabteilung.“, kam direkt hinter ihr und völlig ohne Vorwarnung.

Erschrocken drehte sie sich um und starrte direkt in Jeanne-Claires leere und ausdruckslose Augen.

„Du...“, keuchte sie empört. „Was ist das für ein...“ Um das, was sie hier sah zu beschreiben fehlten ihr einfach die Worte.

„Das ist ein Ort den bisher noch kein Mensch gesehen hat und lebend davongekommen ist.“, erklärte die Schwarzhaarige kalt und emotionslos.

„Du Monster!“, keuchte das Mädchen und wich zurück, kam aber den ekligen Behältnissen näher.

Sie lies die Augen schweifen, um Kelly zu finden. Die kleine Schwester saß reglos auf einem leerem Labortisch und hatte den Blick abgewendet.

„Kelly...“, seufzte Kate und wollte schon zu ihr hin, wurde jedoch von der Meistervampirin daran gehindert.

Ohne zu zögern holte sie schnell aus und bohrte die Klinge vollständig in deren Körper. Schon zog sie das Messer wieder heraus und wollte zum nächsten Hieb ansetzten, als sie fassungslos feststellen musste, dass das Silbermesser keinerlei Wirkung erzielt hatte. Eine dunkle, klebrige Substanz entkam der Schnittverletzung und die eigentliche Wunde war vollständig verschwunden.

Die Lache der Schwarzhaarigen war schrill und man konnte sie getrost als wahnsinnig beschreiben. Als der schwarze Umhang an deren Körper hinabsank, bemerkte Kate die eigenartigen dunklen Stellen auf der weißen Haut. Im Halbdunkel sah es aus, wie schlecht verheilte Wunden, oder Hämatome.

„Ahahaha...du kannst absolut gar nichts gegen mich ausrichten, ma chérie.“

Das Gesicht der Vampirin war völlig verändert. Das Kindliche, Hübsche war völlig erloschen. Die dunklen Augen saßen viel zu tief in den Höhlen und die Wangenknochen stachen bedrohlich weit hervor. Das Grinsen im Gesicht war unnormal und die Reißzähne blitzten, wie bei einem Raubtier zur Fressenszeit.

„W...warum...“ Das Messer fand seinen Weg zu Boden und klimperte laut auf.

Die Vampirin packte das Mädchen fest bei den Schultern und presste sie gegen einen der Bottiche.

„Mach dir nichts draus. Für ein Kind bist du schon sehr weit gekommen.“, begann ihre Gegenüber mit heiserer Stimme. „Aber kein Mensch kann mich mehr aufhalten und dieser Ort hier wird dein Ende sein.“

Kates Augen waren weit aufgerissen und entsetzt starrte sie die Gegnerin an.

„Aber ich muss eins zugeben. Mumm hast du jedenfalls.“, meinte Jeanne-Claire.

„Und du bist eine hässliche Schabracke.“, knurrte Kate genervt.

Erneut lachte die Vampirin auf. Das Ganze schien sie einfach nur zu amüsieren.

„Wenn du erst einmal eine von uns bist...dann werden wir eine große, glückliche Familie sein.“

Doch das Mädchen dachte gar nicht daran, dass es dazu jemals kommen würde.

Sie hob ihr Knie und rammte es der dämonischen Hexe in die Magengrube und trat gleich darauf mit dem selbigen Bein so hart gegen ihren Brustkorb, dass Jeanne-Claire nach hinten umfiel. Bei einem normalen Menschen wäre durch solch einen heftigen Tritt bestimmt die eine oder andere Rippe gebrochen gewesen.

Ohne zu zögern eilte Kate zu der Schwester, wurde aber bevor sie diese erreichte schon wieder von hinten umgeworfen.

Jeanne-Claires Körper war nicht schwer, mehr als einen Zentner konnte sie nicht wiegen, vermutlich war es sogar etwas weniger, so mager wie sie mittlerweile aussah, glich sie eher einem wandelndem Skelett. Dennoch wusste sie gekonnt ihr Gewicht einzusetzen um das Mädchen am Boden festzuhalten.

Mit einer Hand schob sie die brünetten Haare beiseite und flüsterte dann in ihr Ohr. „Warum kämpfst du immer noch, wenn du doch weißt, dass du sowieso nicht gewinnen kannst? Ist es Ehre, Hass, Rache oder einfach nur Dummheit?“

Kate streckte den Hals nach vorn aus, um das Gesicht vom Boden zu lösen.

„Lieber sterbe ich, als genauso ein Dämon zu werden, wie du...“, brachte sie nur mühsam zwischen den Zähnen hervor.

„Ganz wie es dir beliebt, chérie.“

Gesagt, getan. So hatte Jeanne-Claire sich auch schon wieder erhoben, zog das Mädchen ebenfalls hoch und schneller, als die menschliche Wahrnehmung es erfassen konnte, wurde Kate an die gegenüberliegende Wand gepresst.

„Vor deinem Tod...noch etwas zu sagen?“, fragte die Böse, ganz klischeehaft, wie sonst nur in Hollywood-Filmen.

Kate entkam ein schadenfrohes Schmunzeln. „Ich würde nur gern wissen, wie du zu so einer widerlichen Schreckschraube verkommen bist...“
 

Maurice und Julian hatten währenddessen schon beide einige Verletzungen eingesteckt. Das Seltsame an der Sache war nur, dass die beiden sich noch nicht einmal berührt hatten. Die Machtausströmung der beiden Ältesten war so gewaltig, dass ein Kontakt mit der feindlichen Aura einem Menschen bereits schwere, bis tödliche Verletzungen zugefügt hätte.

Auf Maurices Stirn perlte ein Schweißtropfen hinab, während er ununterbrochen mit ernstem Blick seinen Rivalen fixierte. „Du bist wie zu erwarten war kein einfacher Gegner.“

Auch Julian schien schon etwas angekratzt zu sein, doch er bemühte sich darum, sich so gut wie nichts anmerken zu lassen. „Gleichfalls.“

„Wenn du nicht so stur wärst...“, begann Maurice mit atemloser Stimme. „...wärst du im Ältestenrat bestimmt ein wertvolles Mitglied.“

Der kühle, langhaarige Vampir erwiderte nichts darauf.

Was für einen Belang hatte der Rat schon für ihn? Es würde nichts in der Welt besser werden, wenn er sich den strengen Ordensregeln unterwerfen würde. Selbst wenn er nur ein Meister der Stadt wäre, so würde dies nichts ändern. Seine Aufgabe lag fernab von diesem bürokratischem Geschwätz. Auch wenn der Rat vorgab patriotische Ziele zu verfolgen, waren sie alle genau solche Monster wie Jeanne-Claire es war.

Seine tiefblauen Iriden wandten sich zögernd von seinem Gegner ab. Aus sicherer Entfernung hatte sich ein wachsamer Beobachter dazugesellt und beobachtete das Geschehen vom Dach aus.

Es war niemand anderes als Vinzenz. Seine neugierigen Blicke verfolgten das Duell mit größter Zufriedenheit.

Mit Leichtigkeit sprang er vom Dach und landete in dem Bereich in dem sich die Auren der beiden Meistervampire trafen. Just in diesem Moment löste sich der Machtschwall auf. Elegant warf sich Vinzenz seinen Umhang flatternd nach hinten und stand nun in einem schwarzen, maßgeschneidertem Anzug vor den beiden. Ein unverfrorenes Lächeln schenkte er Julian.

„Ich störe ja nur ungern, meine Herren.“, sagte er fast so, als ob es ihm wirklich etwas ausmachen würde. „Aber ich werde mich in diese Partie einmischen, wie es von Anfang an geplant worden war.“

Nun realisierte auch Julian, dass der Rückzug der Vampire alles nur Teil einer Strategie war. In dem Moment, in dem Vinzenz in den Machtkampf der beiden Vampire getreten war, hatte er den gewaltigen Strom der Aura irgendwie durchbrechen und neutralisieren können. Anscheinend hatte er eine besondere Begabung dafür.

Nun tauchten die Millenniumsvampire allmählich hinter den Gebäuden wieder auf. Sie wirkten wie Marionetten, denn sie schienen selbst keinen freien Willen zu zeigen.

Der gutaussehende Vampir riss erstaunt die Augen auf. „Was soll das?“

Vinzenz begann zu lachen.

„Nun dies ist doch ganz einleuchtend.“, er warf einen kurzen Blick zu Maurice rüber. „Unseren Clan hat es schon lange gestört, wie unkollegial Ihr gegenüber uns seid. Besonders unsere Meisterin hat jahrelang nach einem Weg gesucht, um euch ein für alle Mal zu stellen. Schließlich hat sich ja doch ein Weg erwiesen...“

Auf dem Gesicht von Vinzenz tauchte ein anmaßendes Lächeln auf.

„Dieses Mädchen schien euch etwas zu bedeuten, deshalb ist sie euer Schwachpunkt. Ebenso ist es uns gelungen einen eurer damaligen Kameraden als unseren Verbündeten dazuzugewinnen, da wir wissen, dass Ihr gewiss nicht einen ehemaligen Freund töten würdet.“

Ein scheußliches Lachen ging von ihm aus und er warf Maurice einen zufriedenen Blick zu. Dieser erwiderte ihn ebenfalls mit einem Gelächter.

„Dennoch bin ich in der Tat dazu fähig dich umzubringen.“, fügte Maurice hinzu.

Tatsächlich befand sich Julian nun in einer unangenehmen Situation. Auch wenn ihn sein früherer Kamerad bis über den Tod hinaus hasste, so würde er es nicht übers Herz bringen ihn zu töten. Es war prinzipiell nicht seine Art eine Fehde mit Gewalt zu lösen. Doch an dieser Stelle würde jede Diplomatie scheitern.

Mittlerweile war er komplett von anderen Kuttenträgern eingekesselt worden. Also blieb ihm nur der Weg nach oben, also sprang oder eher flog Julian hinauf, doch Maurice konnte dies auch. Der Gegner traf ihn in der Luft und verpasste ihm einen solch gewaltigen Schlag, dass er in eines der Dächer flog und das Blechdach schreckliche Dellen davontrug.

Es war Vinzenz, der grinsend vor ihm stand, als Julian sich wieder aufrichtete.

„Das passiert mit Abtrünnigen, die sich nicht dem Clan unterordnen wollen.“

Maurice war bereits zum nächsten Schlag bereit, doch kampflos würde sich Julian bestimmt nicht ergeben. So begannen die beiden sich teils auf dem Dach und teils schwebend zu prügeln, wobei man nicht ausmachen konnte, wer von beiden der bessere Kämpfer war.
 

Die Maschinenpistole brauchte Daniel diesmal nicht. Es würde ihm keinen Spaß machen, wenn sein Gegner nicht schnell genug war und zu leicht zu besiegen wäre. Also hatte er zwei Pistolen gezogen. Eine in jeder Hand, versteht sich und beide Magazine waren geladen.

Die beiden Blondhaarigen lieferten sich ihren Kampf an der Fabrikfassade in schwindelerregenden Höhen.

Der Vampirjäger hetzte die Metallstege in luftiger Höhe entlang, riskierte dabei gekonnt keinen scheuen Blick nach unten, während Julie sich darin verstand schnell von einer Stelle zur nächsten zu springen.

Einige Male musste Daniel Acht darauf geben, sich nicht gegen ein loses Geländer zu stützen, denn den freien Fall hinab würde er bestimmt nicht ohne weiteres überleben.

Julie schien dieses kleine Katz-und-Maus-Spiel sichtlich zu gefallen. Sie war durchaus schnell und wendig und es gelang ihr somit den Schüssen gerade im rechten Moment auszuweichen.

Sie sprang zu ihm, trat ihm die Beine in der Bewegung weg, sodass er nach hinten fiel und es gerade noch mit einer Hand schaffte sich an der Kante einer Brüstung festzuhalten.

Eine der Pistolen fiel in die Tiefe und landete Sekunden später erst auf dem Boden.

„Meinst du, dass du mich mit nur einer Pistole besiegen kannst, Süßer?“, fragte sie mit zarter Stimmlage.

Der Blonde nickte und lächelte. „Im Prinzip bräuchte ich nur zwei Fäuste, um dich zu besiegen.“

Er schwang mit den Beinen hin und her, ließ schließlich los und sprang auf die Fensterbank ein Stockwerk tiefer. Leicht taumelnd fand er das Gleichgewicht wieder und stand schließlich sicher auf der schmalen Fensterbank.

„Noch bringst du mich nicht zu Fall.“, entgegnete der Profikiller amüsiert.

Ein Klatschen ertönte. „Bravo.“, rief sie lächelnd.

„Zu dumm, dass ich dich töten muss. Du bist ja richtig süß.“, sagte sie und setzte zum Sprung an.

Sie flog zu dem Fenster, an dem Daniel stand. Gekonnt trat sie ihn und die Scheibe in seinem Rücken zerbrach, woraufhin beide hinunterfielen und in das alte Fabrikgebäude hinein. Scherben fielen glitzernd zu Boden und derjenige, der zuerst unten aufkommen würde, wäre vermutlich der Verlierer.

Beiden war ein Lächeln aufs Gesicht geschrieben, denn sie schienen etwa gleichrangige Gegner zu sein. Daniel bereute es schon fast, dass dieser Kampf bald ein Ende finden würde...
 

Jeanne-Claires Lachen kam recht unerwartet für Kate. Viel eher hätte sie damit gerechnet, dass die Gruftschlampe sofort ausrasten würde, aber Lachen war vermutlich das Letzte, woran sie gedacht hätte.

„Du amüsierst mich. Nach allem, was passiert ist, bist du dennoch ziemlich stur.“, grinsend verschaffte sich die Meisterin einen Blick zu Kelly.

Diese schien völlig geistesabwesend zu sein. Sie beachtete die beiden gar nicht, sondern starrte kontinuierlich auf einen imaginären Punkt. Vermutlich wollte sie nicht mit ansehen, was Jeanne-Claire mit Kate antun würde. Ihre Psyche schien dies einfach nicht mehr zu ertragen, sodass sie in ein Trauma verfiel.

„Dieser Ort hier...“, begann Jeanne-Claire erzählend. „...diente dazu ein Mittel zu erforschen, dass Vampiren völlige Silberresistenz möglich machen würde. Die Vampire, die hier ihr Leben ließen waren nichts als wertloser Dreck, sie waren einfach nur dazu da, die Chemikalien zu testen.“

Das Mädchen sah Jeanne-Claire aus zusammengekniffenen Augen heraus an. „Du bist noch schlimmer als ich dir zugetraut hätte...“ Allein der Gedanke daran, wie viele hier unten zu Forschungszwecken sterben mussten, widerte sie an. Anscheinend hatte die Gruftschlampe keinerlei Maß und Reue für ihre Taten.

„Aber viele sind dadurch zu Ghulen geworden. Einigen gelang die Flucht, doch sie waren nur noch Schatten ihrer Selbst. Ohne Gedanken und ohne Gefühle, das Einzigste, was sie hatten war der Trieb des Fressens. Später wurden die Menschen darauf aufmerksam und einige versuchten sich Zutritt hierher zu verschaffen, um dem Ganzen ein Ende zu bereiten. Nun, was glaubst du, was mit solchen Eindringlingen passiert ist...?“, Jeanne-Claire schmunzelte verheißungsvoll.

Kate fehlte es an Beleidigungen und Worten, um ihre Gedanken auszudrücken.

„Und du hast ja feststellen können, dass es uns gelungen ist, eine Silberresistenz zu ermöglichen. Sodass auch ich es schaffte, dass mich nichts mehr aufhalten kann. Doch dies ist nicht ganz ohne Nebenwirkungen, da es wie Gift in unserem Organismus wirkt und uns nach und nach verzehrt.“

Die Schwarzhaarige hob die klauenähnlichen Hände an Kates Hals und presste zu. Dem Mädchen gelang es nicht mehr zu atmen. Ihre Augen waren entsetzlich weit aufgerissen und rot unterlaufen. Sie keuchte, rang um Atem und der Puls raste so hämmernd durch ihren Körper, dass sie begriff, dass wohl all ihr Einsatz hier zum Erliegen kommen würde. Die Kraft lies nach und Tränen rannen ihr Gesicht hinab.

Kelly war ein Vampir geworden. John war tot und viele andere Leben waren ebenfalls erloschen. Sie hatte sich Rache für all das geschworen und nun musste sie alle enttäuschen. Sie war einfach nicht stark genug. Es war schon beinahe aus mit ihr und sie konnte nichts gegen die Schwärze tun, die vor ihren Augen wie ein Schleier auftauchte.

Alles verwand in einem monotonem Rauschen. Der Schmerz und all ihre Hoffnungen erloschen, als das Gefühl der Schwerelosigkeit die Oberhand gewann.

Fühlte es sich so an, wenn man starb?
 

Graue Schatten zuckten vor ihren Augen.

Sie sah Gesichter, die ihr vertraut vorkamen.

Doch sie kannte die Personen nicht. Sie hatte sie noch nie in ihrem Leben gesehen.

Plötzlich war alles ganz hell und klar.

Eine Kutsche polterte an ihr vorbei. Sie sah ein wunderschönes Mädchen in einem teurem, aufwändig gemachtem Kleid. Ihre Hochsteckfrisur war ohne Frage kunstvoll. Einige Blütenblätter fielen von den Bäumen herab.

Die Straße wirkte sehr lebendig. Viele Menschen liefen mit freudigen Gesichtern an ihr vorbei. Alle hatten die schönsten und prächtigsten Kleider an. Viele von ihnen trugen teures Parfüm und hatten gepuderte Gesichter. Die Frauen wirkten vornehm und verbargen ihr Lächeln hinter schönen Fächern. Ihre Diener waren ständig hinter ihnen und sorgten dafür, dass die langen Kleider keinen Schmutz abbekamen.

„Ah...hier seid Ihr also!“, rief jemand hinter ihr. Die Schwarzhaarige wandte ihr Haupt dem Mann entgegen, der nach ihr rief.

„Ihr solltet doch nicht allein vorausgehen. Es ist nicht sehr leicht, jemanden wiederzufinden in diesen Straßen.“

Die junge Dame war zweifelsohne Jeanne-Claire. Damals, als sie ein Kind war.

Kate fühlte sich, als sei sie ein Teil dieser Erinnerung und doch nur ein außenstehender Beobachter.

Der Mann trug eine gepuderte Perücke, hatte aber wahrlich ein schönes Gesicht. Seine Kopfform war ein nahezu perfektes Oval mit markant zulaufendem Kinn, hohen Wangenknochen und leuchtenden grünbräunlichen Augen.

„B...Bruder...“, sagte das Mädchen und lächelte lieblich.

„Ihr seid doch alles was ich noch habe, nach dem Tod unserer ehrwürdigen Eltern.“, entgegnete der junge Mann und nahm das Mädchen bei der Hand.

„Also...nach was beliebt es euch? Sucht euch etwas aus.“, er deutete auf die Geschäfte. „Sei es eine neue Puppe? Sei es ein köstliches Törtchen? Ihr dürft euch etwas wünschen.“

Lächelnd verschwanden beide in einem der Geschäfte und alles wurde immer heller. Vor ihren Augen wurde es weiß und es war nun wieder still.

War das eine von Jeanne-Claires Erinnerungen zu Lebzeiten? Aber warum gerade jetzt?
 

„Was tust du da?!“, schrie Jeanne-Claire empört und völlig wutentbrannt.

Noch bevor Kate es realisierte, war sie zurück in der Wirklichkeit. Kelly lag am Boden, sie zitterte, aber es schien ihr gut zu gehen.

Jedoch schien die Meisterin nur noch aufgebrachter zu sein, als vor gerade eben.

„Nicht...du darfst das nicht tun...“, heulte Kelly und stand auf allen Vieren.

Tränen tropften auf den schmierigen Fußboden.

Kate wurde aus ihrer Verwunderung gerissen, als sie wieder Atem bekam. Sie röchelte etwas, während sie an der Wand entlang zu Boden glitt.

Kelly musste ihr irgendwie geholfen haben. Zumindest war sie noch nicht erstickt.

„Nein. Nein.“, murmelte Kelly in einem Fort.

Da Kate noch eine weitere Chance bekommen hatte, wusste sie, dass sie irgendetwas tun musste. Plötzlich fiel ihr etwas ein. Sie besaß noch die Röhm RG Ladystar. Die kleine Pistole, die sie von Daniel geschenkt bekommen hatte. Schnell war diese gezogen und entsichert.

Ein Schuss traf Jeanne-Claire aus kurzer Distanz. Kate hoffte, dass es ihr gottverdammtes Herz erwischt hätte.

Blut tropfte aus dem trockenem Mund der Vampirin. Sie war erstaunt, nein sogar richtig überrascht. Und diesmal hatte die Waffe sogar eine Wirkung gezeigt, auch wenn die Wunde wieder verheilte.

„Dreckiges Luder.“, fluchte sie und krallte die langen Finger in Kates Haare. Sie zerrte den Kopf und stieß ihn einige Male gegen die Wand, bis vor Kates Augen alles verschwamm.

Drei weitere Schüsse lösten sich und trafen erneut in den Brustkorb der Vampirmeister.

„Fahr zur Hölle, du dreckiges Luder!!“, kreischte Jeanne-Claire, die nicht begreifen konnte warum die Schüsse sie verletzen konnten.

Die Meisterin sank zu Boden und atmete schwerfällig. Auch Kate hatte einen unruhigen Atem. Obwohl sie alles nur unscharf wahrnehmen konnte, wusste sie, dass sich irgendwie ein Schwachpunkt von Jeanne-Claire offenbart hatte.

Ihr kam der Tag in den Sinn, an dem sie mit Julian zusammen unterwegs war. Auch damals hatte sie es irgendwie geschafft seine Erinnerungen anzuzapfen. Vielleicht schaffte sie es, die Barriere der Vampiraura irgendwie zu durchbrechen und dadurch auch an Erinnerungen zu gelangen. Zumindest wäre diese Theorie denkbar.

Sie keuchte, aber ein Grinsen tauchte in ihrem Gesicht auf.

„Dein Bruder schien echt nett zu sein.“

Die Schwarzhaarige starrte entsetzt. „Halt die Klappe!“

„Er muss sich gut um dich gekümmert haben, als eure Eltern gestorben sind.“, hackte Kate weiter nach.

„Halt deine verdammte Klappe! Halt deine Klappe!!“, schrie Jeanne-Claire und schlug mit den Fäusten auf den Boden ein. Sie schien einem Nervenzusammenbruch nahe. Fortwährend schrie die Meisterin, das Kate ja still sein sollte, doch sie hatte das Gesicht von ihr abgewandt.

Nun begriff Kate, dass das Jeanne-Claires Schwachpunkt war. Die Erinnerung an ihren Bruder. Anscheinend hatte sie die gemeinsame Zeit tief in sich vergraben, denn es schien ein enormer Schmerz damit verbunden zu sein.

Aber Kate dachte gar nicht daran mit dem Spiel aufzuhören. Sie wollte Jeanne-Claire leiden lassen.

„Er ist...bestimmt vor vielen Jahren gestorben, oder?“ Eine mögliche Spekulation.

Die Gruftschlampe war in Schluchzen ausgebrochen.

Kate schien den Nagel auf den Kopf getroffen zu haben.

Plötzlich wandte sich die Furie wieder Kate zu und ergriff mit beiden Händen ihren Hals. Kate zerrte an Jeanne-Claires Armen, um sich irgendwie davon zu lösen. Sie begann zu husten und Blut spritze aus ihrem Mund.

Verdammt. Nicht schon wieder. Diesmal hätte sie bestimmt nicht so viel Glück und würde wieder zu Atem kommen.

Kate musste sich in der Panik irgendwas einfallen lassen. Sie stand kurz davor. Jeanne-Claire war nicht unbesiegbar. Das Mädchen hatte noch eine Chance zu überleben.

Trotz des Ekels vor Jeanne-Claires Körper bewegte sie die Hände zu den Wunden in Ihrer Brust. Der Körper der Meisterin schien grau zu schimmern. Sie bewegte die Hand über die Wunde und spürte, wie sich das Gewebe darunter leicht glitschig anfühlte. Es hatte eine weiche Konsistenz und schien sich sogar teilweise abzulösen.

Wenn ihr nicht die Luftröhre abgequetscht wurde, so hätte Kate bestimmt vor Ekel würgen müssen. Doch sie lies die Hand in eine Wunde hineingleiten, diese weitete sich aus. Irgendwie war der Körper schon soweit ruiniert, dass man meinen könnte, es wäre kein Vampir mehr, sondern schon längst ein Ghul. Der Einzigste Unterschied war wohl, dass Jeanne-Claire noch halbwegs bei Verstand war.

Sie schrie auf, aber lockerte den Griff nicht um Kates Hals.

Diese sah, wie es vor ihren Augen immer trüber wurde. Sie musste schnell weitermachen, bevor es mit ihr zu Ende ging. Sie musste einfach gewinnen.

Unter der Haut war keine Wärme vorhanden. Der Körper fühlte sich völlig leblos und kalt an, doch sie spürte das Herz zucken. Noch ein Stückchen weiter. Nur noch ein bisschen, solange sie noch bei Bewusstsein war, dann würde sie es schaffen.

„HEXE! DU HEXE!“, brüllte die Untote auf. Da lag sie anscheinend nicht einmal ganz im Unrecht. Denn irgendwie hatte Kate die Kraft einen schier unbesiegbaren Gegner zu bekämpfen.

Kates Hand war auf einmal heiß. So heiß, als würde sie auf eine Herdplatte greifen. Sie wollte die Hand zurückziehen. Wollte schreien. Wollte atmen. Nichts davon gelang ihr, doch sie spürte nun das glitschige Herz in der Nähe ihrer Hand pulsieren und spürte eine Hitze, die wie Glut war.

In dem Moment verlor sie die Umrisse der Umgebung aus ihrem Blickfeld. Sie hörte auch nicht mehr die Schreie und spürte nur noch diese gewaltige Hitze, als langsam alles trüb wurde und sie schließlich darin versank...

Epilog

Irgendwo weit entfernt war das Klappern einer Schalousie zu vernehmen.

Zwei Personen schienen sich zu unterhalten, doch die Worte...unverständlich.

Etwas rollte vorbei, dann noch ein Piepton immer im gleichen Rhythmus.

Zögernd schlug das Mädchen die Augen auf.

Es war zu hell, über ihr war helles Licht und irgendetwas bewegte sich neben ihr.

Sie erkannte nach und nach die Konturen der Umgebung.

Eine Lampe. Eine fliederfarben gestrichene Decke. Streifenförmige Schatten.

Nach einigen Malen des Blinzelns hatte sie endlich eine Ahnung, wo sie sich befinden konnte.

Es war ein Krankenhauszimmer.

Ihre klaren Seelenspiegel waren weit aufgerissen und beobachteten alles. Jemand stand am Fenster und hatte die Rollladen hinunter gelassen. Über ihr leuchtete eine Lampe. Neben ihr am Bett standen zwei unbesetzte Stühle. Ein Gerät befand sich daneben. Sie identifizierte es als ein EKG-Gerät. Auch gab es eine Blutkonserve, die Kate zugeführt wurde.

Sie wollte sich langsam aufrichten, sank jedoch keuchend zurück ins Kissen.

Ihr Körper fühlte sich dennoch halbwegs gut an. Schmerzmittel?

„Sie ist wach geworden!“, rief jemand aus Richtung Gang.

„Okay, dann prüft bitte ihren Zustand.“, meinte eine männliche Stimme.

Einige Schwestern und zwei Ärzte kamen ins Zimmer und beredeten einige Dinge, denen Kate gar nicht so genau folgen konnte.

Dann wurden ihr Fragen gestellt. Unter anderem, ob sie sich an das erinnern konnte, was geschehen war.

Sie musste erst mal darüber nachdenken. Es schien so, als hätte sie es vergessen. Aber dann kam ihr das Gesicht ihrer Schwester in den Sinn und das von Jeanne-Claire ebenfalls.

Sie nickte, öffnete den Mund, aber ihr Hals war zu trocken zum Sprechen. Jemand schob ihre Lippen auf und gab ihr etwas zu Trinken. Sie schluckte zwar, aber es tat weh und so musste sie husten.

Es dauerte nicht lange, bis sie sich an alle Details erinnern konnte. An Daniel, Julian und auch an John. Doch sie fühlte sich einfach zu schwach.

Nach einigen Minuten hatten die Ärzte das Zimmer wieder verlassen und die Gestalt vom Fenster näherte sich dem Bett und lies sich auf einem Stuhl nieder.

„Guten Morgen, Prinzessin.“, grinsend schlug Daniel ein Bein lässig übers andere, sodass er eine bequeme Haltung eingenommen hatte.

„Daniel!“, rief das Mädchen verwundert.

Der Blonde hatte ein großes Pflaster an der Stirn und einige weitere an den Armen. Er trug ein kurzärmeliges Oberteil und so konnte man seine Verletzungen an den Armen deutlich erkennen. Eine Hand war sogar einbandagiert, aber es schien nichts ernstes zu sein.

Sie hustete wieder.

„Ich komme mir grad voll beschissen vor...“, murrte sie leise.

Daniels Brauen wanderten nach oben. „Ich an deiner Stelle wäre stolz auf mich. Ich bin ebenfalls stolz auf dich.“

Kate griff zu dem Glas Wasser das auf dem Nachttischschänkchen stand und trank einen Schluck. „Wovon redest du?“

Der Blonde grinste und stand auf. Er ging ums Bett herum zum Tisch und holte eine Tageszeitung. Er hielt sie direkt mit der Titelseite zu Kate. Sie las die großgeschriebenen Lettern ’Sensation: Vampirmeisterin gestürzt!’

Zuerst dachte Kate, sie würde sich das nur einbilden. Dann aber öffnete sie den Mund und brabbelte etwas vor sich hin.

„Ich hab zwar nichts von dem verstanden, was du eben gesagt hast...aber ja...Jeanne-Claire ist tot und das hast du allein geschafft.“, erklärte der Vampirjäger in zivil.

„Oh...mein...Gott...“, entkam dem Mädchen atemlos. Sie hatte es also irgendwie doch geschafft.

„Was ist mit den anderen? Was ist mit Kelly und mit Julian?“

Sein Lächeln wurde breiter, aber es machte ihm nichts aus, alles noch mal bis ins kleinste Detail genau zu erklären.

Jeanne-Claire sei leblos aufgefunden worden, als Feuerwehr, Sanitäter und Polizei eingetroffen waren. Kelly hatte Hilfe geholt, sodass Kate gerettet werden konnte.

Außerdem habe man Maurice Greenwood tot auf dem Dach einer Maschinenanlage gefunden. Von Julie und Vinzenz fehlt bislang jede Spur. Wobei Daniel aussagte, dass er Julie ein paar Schüsse verpasst hatte, woraufhin sie durch ein Fenster gesprungen und anscheinend getürmt sei.

Julians Spur konnte man ebenfalls weder verfolgen noch nachweisen. Aber es sei wohl vor einigen Tagen eine Karte an Kate adressiert ins Krankenhaus geschickt worden sein, in der er bedauere, wie die Dinge gekommen waren, er sich aber wünsche, dass sie bald gesund und munter nach Hause gehen könne.

Man hatte seine Wohnung zwar ermitteln können, aber musste feststellen, dass sie gar nicht unter seinem Namen lief, sondern anscheinend unter Esthers Namen gemeldet war. Also hatte man keine Ahnung, wo sich der Vampir nun aufhalten könnte.

Ebenfalls schilderte Daniel, wieso und wie Esther umgekommen war und er beteuerte Kate, dass es wirklich keine andere Möglichkeit gegeben hätte. Ebenfalls erfuhr Kate, dass der Werwolf, oder besser bekannt als Marc, ebenfalls ein Opfer von Jeanne-Claire sei.

Die Wahl des nächsten Meisters der Stadt würde übrigens der Ältestenrat beschließen, bei dem nun auch ein weiterer Platz frei geworden war.
 

Einige Tage später, an einem Samstag konnte Kate frühzeitig das Krankenhaus verlassen. Sie hatte einige kleinere Verletzungen gehabt, war aber ganze 48 Stunden nach dem Kampf bewusstlos gewesen. Die Ärzte meinten, dass sie eine posttraumatische Belastungsstörung habe und unbedingt zur Beobachtung im Krankenhaus bleiben sollte, jedoch wollte das Mädchen keinesfalls die Beerdigungen verpassen.

Es gab gleich zwei. Die dritte am Tag darauf.

Auf dem Friedhof der weiter außerhalb der Stadt lag, wurde Marc, geboren als Markus Decker, im engstem Familien und Freundeskreis bestattet. Er hatte kaum Familie. Seine Mutter war sehr zeitig gestorben und der Vater hatte jeglichen Kontakt zu seinen Kindern abgebrochen. Doch seine Patentante und deren Familie, ebenso ein Halbbruder und deren Frau kamen zur Bestattung. Sein Freundeskreis war ebenso klein. Die Paintballtruppe war erschienen, von der man meinen könnte, es handelte sich dabei um wirklich harte Jungs, diese jedoch trauerten am meisten. Vor allem Niley konnte seine Tränen nicht unterdrücken.

Daniel fuhr anschließend mit Kate zurück ins Zentrum, wo sie abends bei einer Vampirbestattung geladen waren. Diese fanden natürlich erst nach Abenddämmerung statt.

Esther hatte sogar einen noch kleineren Kreis gehabt. Einige Vampire kamen, jedoch waren Daniel und Kate die Einzigsten Menschen dort. Kate blieb bis zuletzt an ihrem Grab stehen und ging dann langsam aus dem Vampirfriedhof, der ebenfalls im Ghetto der Angst lag. Daniel wartete bereits im Auto auf sie, der wieder gespannt die Zeitung verfolgte.

Obwohl Kate mit Julians Anwesenheit gerechnet hatte, konnte sie ihn nirgends ausmachen. Aber sie spürte dennoch seine Aura, irgendwo in der Nähe und war sich gewiss, dass er bestimmt noch kommen würde.
 

Am Sonntagabend, fand die wohl schlimmste Beerdigung für sie statt. Noch nie musste sie ihr schwarzes Kleid so oft tragen, wie an jenem Wochenende.

Zu Johns Bestattung hielt ein Vampir, der Junge mit den grünen Haaren, eine tiefgründige, traurige Rede. Cliff schien Johns bester Freund gewesen zu sein, da beide etwa zum selben Zeitraum Vampire geworden waren.

Auch Val hatte Kate diesmal begleitet und sogar Kevin, Kates Vater, der das ganze Theater einer Vampirbestattung zwar als „Humbug“ betitelte, aber seine Tochter bei so etwas beistehen wollte. Während der ganzen Zeremonie hatte Kevin eine Miene drauf gehabt, als wäre sieben Tage lang Regenwetter gewesen. Er verkniff sich auch jeden Kommentar, der seiner Meinung nach sogar witzig gewesen wäre, über Cliff, den er gern „Waldmeisterbrause“ nannte.

Daniel war ein stiller Anwesender an diesem Abend gewesen, ebenso Val, die beide bis zuletzt nicht von Kates Seite wichen.

Diese hatte sich die Augen ausgeheult, schon als alle anderen Anwesenden gegangen waren und ein unangenehmer Schneeregen aufkam.

Die drei Freunde verharrten vor dem schlichten Grab, bis Kevin vom Auto zurückkam und über Kate einen Regenschirm aufspannte.

In dieser Nacht hatte Kate nicht geschlafen. Aber sie war sich sicher, dass es John gut ginge, da wo auch immer er jetzt war.
 

Kate und ihre Mutter zogen vorübergehend wieder zu Kevin in das kleine Haus ein. Es war ein Versuch. Zusammenleben auf Probe. Moniques Kontakt zu Robert brach mit der Zeit ab.

Kelly erhielt ein neues Zimmer im Keller, damit sie dort nicht bei Tageslicht aus dem Sarg klettern konnte. Sie schien sich wieder halbwegs normal aufzuführen. Nur musste sie, als der Rest der Familie Abendbrot machte, sich eine selbst Blutkonserve genehmigen. Aber ansonsten versuchten die Eltern die Familie halbwegs zu erhalten, wenn es auch alles etwas seltsam war, wenn die Tochter ein Vampir war und niemals altern würde.
 

Es vergingen einige Tage, bis Kate die Geschehnisse der letzten Zeit halbwegs überwunden hatte. Daniel, Val und Kates Vater hatten reichlich dazu beigetragen, sie wieder aufzumuntern und sie über den Schmerz hinwegzubringen.
 

Der Wald wurde anscheinend immer dichter und die Straße ging steil bergauf, sodass Kate sich wunderte, ob Daniels kleines Auto diesen Anstieg überhaupt schaffen würde. Er hatte ihr versprochen, einen schönen Ort zu zeigen, der außerhalb der Metropole lag, aber dennoch sollte dieser strahlend schön sein.

Kate war sich unsicher, lehnte leicht den Kopf an die kalte Scheibe und starrte vor sich hin. Wenn Daniel schon meinte, er müsse sie irgendwie aufheitern, so müsste sie wenigstens ein bisschen so tun, als wolle sie auch aufgemuntert werden. Tatsächlich war ihr alles egal, sie musste ständig an John denken und daran, das Julian spurlos verschwunden war.

Julians Postkarte lag unter ihrem Kopfkissen, denn sie musste sich irgendwas vor Augen halten, dass sie nicht anfing zu glauben, ihn sich nur eingebildet zu haben. Angeblich habe er nirgends eine Wohnung besessen und sonst wäre er auch nicht im Einwohnermeldeamt registriert.

Abends sah sie sich die Postkarte mit Julians erstaunlich sauberer, eleganter Handschrift an. Auch wenn es nur ein paar Zeilen waren. Sie wollte ihn wenigstens noch einmal sehen und sich bedanken.

Immer wenn sie die Augen schloss sah sie Johns oder Julians Gesicht und vermisste beide.

Daniel bog in eine unbefestigte, holprige Straße ein. Es lag nur eine geringe Schneeschicht, aber dennoch hatte der Wagen irgendwie schwer damit zu kämpfen, was wohl an der Bergneigung lag.

Schließlich stellte der Blonde den Wagen an einer unersichtlichen Stelle ab. Kate dachte schon, er will sie für blöd verkaufen.

„Es sind noch ein paar Meter zu Fuß.“, meinte er nur und löste den Sicherheitsgurt.

Sie nickte, schnallte sich ab und stieg zusammen mit ihm aus dem Wagen.

Es war wirklich nicht mehr weit, bis die Bäume ein Ende fanden und Kate sich an einer Klippe wiederfand, von der aus man einen fantastischen Blick über die Großstadt hatte.

Die Lichter der Stadt funkelten so hell wie unzählig viele Sterne und sie fand, Daniel hätte bei der Beschreibung dieser Aussicht sogar noch untertrieben.

„Das ist atemberaubend...“, meinte sie erstaunt und setzte sich auf einen Baumstamm.

„Siehst du. Ich wusste doch, dass es dir gefällt.“, grinste der junge Mann.

Kate musste nun auch lächeln. Sie war froh, einen so guten Freund gefunden zu haben.

„So nun müssen wir aber über das Geschäftliche reden.“, tadelte er gespielt.

„W...was?“

„Naja ich rede davon dass ich dir alles übers Vampire jagen beibringen muss. Stell dir vor, wir zwei als Vampirjäger. Ich als Sensenmann und du als meine Gehilfin.“, lachend fuchtelte Daniel mit den Händen rum, um seine Fantasien zu untermalen.

„Hey...wer von uns hat Jeanne-Claire getötet?“, murrte Kate daraufhin, die das Ganze aber dennoch lustig fand.

„Wenn dann machen wir das umgekehrt. Ich bin der Todesengel und du darfst von mir aus mein Scherge sein.“, schlug sie grinsend vor.

Beide mussten daraufhin lachen und Kate bewunderte weiterhin das funkelnde Licht der Stadt.

„Aber eine Sache müssen wir trotzdem noch klären.“, begann sie schließlich.

Daniels Augen wanderten neugierig zu ihr. „Hm? Was denn?“

Kate schmunzelte. „Ich würde zu gern wissen, ob Daniel überhaupt dein richtiger Name ist.“

Daraufhin musste der Vampirjäger lachen. „Okay...darüber reden wir vielleicht ein anderes Mal...“, winkte er ab und auch Kate begann zu lachen.

„Okay...dann ein anderes Mal.“, meinte nun auch Kate und blickte zu der Stadt, die selbst nachts lebendig und taghell war. „...irgendwann...“
 

________________________________________________________________________
 

Nachwort
 

An dieser Stelle möchte ich mich erstmal bei allen Lesern bedanken. Es freut mich wirklich, dass ihr diese Geschichte mitverfolgt habt, auch wenn ich selbst zugeben muss, dass ich einiges noch verbessern muss. Es ist meine 1. Geschichte gewesen, die ich bisher so wirklich mit Eifer geschrieben habe, aber ich gebe dennoch weiterhin mein Bestes. ^^

Der 2. Teil folgt auch, jedoch wird es bis dahin noch etwas dauern...

So und jetzt mal im Speziellen, ich bedanke mich bei Yuki_Lolly und Nhaundar, die mich immer angestachelt haben. Außerdem noch bei Art_of_Kaska und allen anderen Kommischreibern.

Ich hoffe, man liest sich bald wieder =)
 



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Von:  LightGirl
2017-09-28T11:47:17+00:00 28.09.2017 13:47
Also ich fand die story echt super gut habe die innerhalb der letzten 3 tagen durchgelesen und es hat sich gelohnt
Nur Schade das John gestorben ist bevor es richtig angefangen hat mit denn beiden :/😑😕
Freu mich auf die nächste Story :)
mach weiter so 😊😄

Von:  Minzou_Sshi
2017-07-08T19:50:12+00:00 08.07.2017 21:50
Omg. Diese story ist so cool. Leider fand ich es mega traurig das john gestorben ist. AKS ich das las benahm ich einen totalen Nervenzusammenbruch. I dont know why... Ich hab gehäult wie ein Wasserfall. --' Aber auch schade, dass Julian einfach abgehauen ist. Dafür Frauen ich mich aber für Kate das Daniel geblieben ist. Trotzdem die arme...
Von:  Stevy
2017-05-10T09:14:10+00:00 10.05.2017 11:14
Wirklich eine tolle ff nur der teil mit Johns tot war blöde 😭😭😭😭😭
Schreibstil und Vokabular finde ich extrem gut gelungen.
Und ich bin froh, daß ich auf keinen kappi warten musste. 😅😅😅

Mach weiter so ich freue mich schon auf die Fortsetzung
Von:  Stevy
2017-05-09T19:26:27+00:00 09.05.2017 21:26
Ich kann auch kein Latein, is aber egal, war überzeugend 😅😅😅
Von:  Renjia
2012-03-27T13:43:34+00:00 27.03.2012 15:43
Wow die Fanfic ist echt toll *__*
Ich freue mich schon sehr auf einen zweiten Teil^^
Von:  -Viala-
2011-06-18T14:18:45+00:00 18.06.2011 16:18
Hallo,
deine Fanfic hat mich die letzten zwei tage in ihren bann gezogen. Du hast einen sehr schönen Schreibstil und die Geschichte ließ sich flüßig und angenehm lesen.
Das Ende war traurig und ich hätte mir wirklich ein anderes Ende gewünscht, aber so ist das nunmal. ;)
Mach weiter so!
-Viala-
Von:  Talyna
2011-02-06T09:46:46+00:00 06.02.2011 10:46
löchen ^-^

Ich bin vor ein paar Tagen über deine FF gestolpert und habe den Inhalt regelrecht in mich eingesogen.

Die Geschichte ist gut durchdacht und die Chara´s haben Tiefgang, heißt Wiedererkennungswert in Charakterzügen. Sie sind sehr gut charakterisiert. Kurz einfach zum verlieben XD

Man konnte sich gut in das Geschehen einlesen und durch die bildlich geschriebene Art sich die Szenen und Handlungen gut vorstellen.
Kurz ich hatte richtig Kopfkino XD

Ein großes Kompliment an den Schreiberling, ich finde 'Blutiges Verlangen' erstklassig und bin schon sehr gespannt auf eine Fortsetzung

Freundliche Grüße
Talyna
Von: abgemeldet
2010-07-19T12:53:15+00:00 19.07.2010 14:53
*gerührt sei*
Soo tolle geschichte!! Durchdachter Inhalt, Charas zum verlieben (*um John trauer* Q.Q ), und das wichtigste: eine Vortsetzung!! Bitte, bitte weiter schreiben... ^-^
Von:  Art_of_Kaska
2010-06-22T16:08:56+00:00 22.06.2010 18:08
...
UWAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAH!
*flennend im Kreis rennt*
Wie konntest du nur?! Wiiiiiiiie?!
Du hast ihn getötet! John! Den Mann, der die schönste Liebeserklärung aller Zeiten von sich gegeben hat!
Oh mein GOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOTT!
Wenn als nächstes Daniel nen Abgang macht,fang ich ernsthaft an zu flennen...
Ohmann...bis zu dem Moment, als John gestorben is, fand ich das Kappi sau toll...aber dann hast du meinen Fav-Char getötet...T_T
Jetzt mag ich Julian nimmer...
RIP - John... *An Grab trauer*

Hab dich liieb...auch wenn du John getötet hast...
Von:  Nhaundar
2010-03-02T18:17:53+00:00 02.03.2010 19:17
Ich finde es ist ein schönes Ende,
auch wenn so einige sterben mussten.
Aber solch ein Enbde ist mir lieber, als so ein Fride -Freude- Eierkuchen- Ende, oder ein total Tragisches!

So schlimm finde ich den Epilog gar nicht.
Ein kleines bisschen merkt man aber schon, dass du keine Lust hattest, aber nichts dramatisches!

Ich freue mich wirklich auf den zweiten Teil!
Ich hoffe doch, dass du bald Zeit dafür haben wirst!

Hab dich lieb! ^^


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