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Rache!

von

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Change

Prolog: Change
 

An diesem Donnerstag morgen war ich mir sicher.

Gegen halb 12 stand ich auf, schließlich kann man mir ja in den Ferien keine Vorwürfe machen, wenn ich mal ausschlafen wollte.

Sorgfältig wählte ich meine Klamotten aus. Eine schöne taillierte Bluse in bordeauxrot. Dazu eine schwarze Röhrenjeans. Details waren natürlich genauso wichtig, deshalb wählte ich noch eine rot-schwarz-gestreifte Krawatte, mein schwarzes Lieblingsarmband und wählte einen Gürtel mit Pyramidennieten, natürlich auch in schwarz-rot gehalten. Dazu noch passende Vans und ging entschlossen aus der Tür.

Verträumt erinnerte ich mich an die Situation vor zwei Tagen.

Es war unser zweites Treffen gewesen, bei dem sonst kein anderer unserer Freunde dabei gewesen war. Vor zwei Monaten hatten wir uns das erste Mal in dieser kleinen Bar gesehen, die auch heute wieder unser Treffpunkt sein würde.

Vor zwei Tagen war es ganz anders gewesen, wie die Treffen davor.

Sie hatte ihren Kopf an meine Schulter gelehnt. Lange Zeit hatten wir einfach nur schweigend da gesessen. Es war ein angenehmes Schweigen gewesen. Irgendwann begann ihre Hand immer an meinem Bein auf und ab zu streifen. Nur ihre Fingerkuppen hatten mein Bein dabei federleicht berührt. Doch schon bei diesem zarten Hauch wurde mir ganz heiß. Die Stellen, an denen sie mich berührt hatte, fühlten sich an, als stünden sie in Flammen. Ach was, als wäre ein ganzer Waldbrand auf meiner Haut ausgebrochen.

Mein Herz hatte immer schneller geklopft und mit der Zeit ging mein Atem immer flacher. Irgendwann hatte ich es einfach nicht mehr aushalten können, dennoch wollte ich nicht das sie aufhörte. Ich legte den Kopf in den Nacken und schloss die Augen.

Plötzlich spürte ich eine angenehme Wärme an meinem Hals. Um herauszufinden, was das gewesen war, öffnete ich die Augen ein ganz kleines Bisschen.

Diese angenehme Wärme kam von ihren Lippen, die an meiner Schlagader entlang fuhren. Immer wieder küsste sie mich dabei. Schließlich öffnete auch sie ihre Augen, die bis zu diesem Moment ebenfalls geschlossen waren. Sie schielte zu mir hoch und als sie bemerkte, das ich sie ansah, lächelte sie, fasst schon lasziv, vermutete ich. Das sie das Tat, merkte ich jedoch nur an dem Gefühl an meiner Haut, das Gesicht konnte ich dafür nicht gut genug sehen.

Genüsslich schloss sie wieder die Augen und ich tat es ihr gleich.

Schließlich leckte sie kurz an meiner Halsschlagader entlang. In dieser Sekunde schossen tausend Gedanken durch meinen Kopf, in dem sich aber einer besonders herauskristallisierte.

Was tust du hier eigentlich gerade?

Plötzlich ging mir auf, das ich, ein Mädchen, das so naiv war, immer noch zu glauben hetero zu sein, mit einem anderen Mädchen rummachte. Das wiedersprach gegen alles, was mir immer beigebracht worden war. Gleichgeschlechtliche Liebe ist unnormal und geisteskrank.

Aus einem Impuls heraus drückte ich sie weg. Verwirrt schaute sie mich an. Aber ich hatte den Blick in ihre moosgrünen Augen einfach nicht mehr ertragen können.

Schnell murmelte ich ein „Entschuldigung“, stand auf und verließ die Bar.

Ich wusste nicht, was Marisol jetzt über mich denken mochte, aber ich hatte einfach gehen müssen.

Gestern hatte ich sie dann angerufen und um ein Treffen gebeten. Zögernd hatte sie zugestimmt. Mein Gott, wahrscheinlich hatte ich sie total vor den Kopf gestoßen.

Und schon saß ich in meinem Auto und überlegte fieberhaft, wie ich das alles bloß wieder gut machen konnte.

Vielleicht mag das ja seltsam klingen. Nach nur zwei Tagen, hatte ich mich völlig von den Gedanken, die mir immer eingetrichtert worden waren, gelöst. Ich hatte meine Scheu, mit einem Mädchen zusammensein zu wollen abgelegt. Wahrscheinlich hatte ich schon früher gemerkt, das ich mehr für Marisol empfand, als ich hatte zugeben wollen. Dies war mir nur so unwirklich vorgekommen, da ich ja schon ein paar mal eine Beziehung zu einem Jungen hatte.

Fest stand aber für mich, das ich nicht mehr ohne sie Leben konnte und wollte. Es war mir sogar egal, was andere Leute darüber dachten.

Kurz darauf parkte ich mein Auto auf einem nahe gelegnen Parkplatz. Ich stieg aus und lief über die Straße. Ich bog nur noch um eine Ecke und schon tauchte das kleine Gebäude, in der die Bar untergebracht ist, auf.

Ich ging hinein und setzte mich auf einen freien Platz, hinten links in der Ecke.

Ich schaute auf die Uhr, enttäuscht stellte ich fest, das es erst halb eins war. Ich beschloss noch einen Kakao zu trinken, während ich wartete. Schließlich waren wir erst für eins verabredet.

Die Minuten zogen sich wie Gummi. Während ich an meinem Kakao nippte, dachte ich angestrengt nach, was ich wohl sagen würde, wenn sie auftauchte.

Und dann stand sie endlich in der Tür. Suchend blickte sie sich in der kleinen Bar um. Da ich jedoch, bis auf die zwei an der Theke, die einzige Person in der ganzen Bar war, findet sie mich schnell. Zielstrebig durchschritt sie den kleinen Raum und kam auf mich zu und setzte sich mir gegenüber.

„Hey!...“, war das einzige, was ich atemlos hervor brachte.

Sie saß nur schweigend da und schaute mich abwartend an. Da war aber noch etwas anderes in ihrem Blick, was mich zu lähmen schien. Vielleicht kann man es mit Bitterkeit umschreiben. Unwillkürlich musste ich wegschauen und starrte in meine Tasse. Der Kellner, oder wie auch immer die Berufsbezeichnung heißen mag, unterbricht schließlich das unangenehme schweigen, indem er fragt was Marisol denn gerne trinken wolle.

„Danke, nichts. Es wird wohl nicht so lange dauern“, antwortete sie geradeheraus.

Bei diesen Worten blickte ich verwundert auf.

Der Kellner zuckte nur mit den Schultern und ging wieder.

„Wa...?“, setzte ich an.

„Willst du mir nicht endlich sagen, warum du mich hierher bestellt hast? Oder wolltest du nur noch einmal eine Lesbe begaffen?“

Was laberte die denn da für einen Müll? Lesbe begaffen...

Kurz verschlug es mir die Sprache.

„Nei... Nein. Das siehst du völlig falsch. Ich... Ich muss mich bei dir entschuldigen. Ich...“

„Komm zum Punkt, die Mitleidstur zieht nicht und hält nur auf“, unterbrach sie forsch, meine gestammelten versuche mich zu erklären.

Ich schloss die Augen und atmete noch einmal tief ein. Dann blickte ich ihr in die Augen.

„Ich habe mich total falsch verhalten, ja. Ich war so überrascht und verwirrt, weißt du?“

Sie verdrehte bloß die Augen.

An ihrer Körperhaltung erkannte ich, dass sie wohl jeden Moment aufstehen und gehen würde.

„Ach, verdammt noch mal!“, fluchte ich vor mich hin.

Dann stand ich aus einem Impuls heraus auf und ging, um den Tisch herum, zu ihr. Ohne weiter nachzudenken, damit ich es mir nicht noch anders überlegen konnte, beugte ich mich zu ihr herunter. Ich schloss die Augen und spürte sofort ihre Lippen auf meinen.

Sanft küsste ich sie. Nach kurzem zögern erwiderte sie sogar den Kuss. Nein, sie erwiderte ihn nicht nur, sie zog mich auch noch auf ihren Schoß und legte ihre Hände auf meinen Rücken. Der Kuss wurde leidenschaftlicher und ich verschränkte meine Arme in ihrem Nacken.

Mein Gott, das ist sogar noch besser als ich es mir jemals erträumt hätte.

Als wir den Kuss wieder lösten, war ich total außer Atem, dafür aber glücklicher als jemals zuvor. Ich schaute ihr in die Augen und hatte das Gefühl ich könnte darin für immer versinken. In diesem Moment blieb für mich die Zeit stehen.

Nach einer Ewigkeit, wie mir schien, brach Marisol dann das schweigen.

„Ich liebe dich“, hauchte sie.

Schon allein diese drei Worte hätten mich Freudensprünge vollführen lassen können. Zufrieden breitete sich bei mir ein Lächeln über das ganze Gesicht aus.

Ich küsste sie auf die Wange.

„Ich dich auch, Marisol.“

Als Antwort breitete sich auch auf ihren Zügen ein Lächeln aus.

„Lass uns gehen“, sagte sie dann.

Ich nickte nur. Dann erhob ich mich von ihrem Schoß und lege noch fünf Euro auf den Tisch. Das musste reichen.

Daraufhin ergriff sie meine Hand und gemeinsam gingen wir nach draußen.

Wir beschossen, an diesem angebrochenen Tag zu ihr nach Hause zu fahren.
 

Marisol kochte für uns. Und sie war als Köchin echt einsame Spitze. Dieser Tag würde bestimmt als einer der schönsten in meinem ganzen Leben, in meinem Kopf haften bleiben.

Die ganze Zeit hatte ich das Gefühl, dass ich träumte. Aber wenn das so war, wollte ich bitte nicht geweckt werden.

Suprise

1. Kapitel: Suprise
 

Ich blinzelte. Die Sonne schien genau in mein Gesicht. Der Staub tanzte in dem Licht, das durch das Fenster fiel.

Als ich mich an die Helligkeit gewöhnt hatte schaute ich nach links. Marisol lag dort an meine Schulter gelehnt. Sie schlief ruhig. Ihr Atem, der meine Schulter streifte, war das einzigste was man hören konnte.

Ich begann zu lächeln. Ich liebte diese Momente in denen man noch vom Traum gefangen, in einem Zustand zwischen Schlaf und Wach sein war. Der Tranceartige Zustand wurde kein bisschen davon getrübt, dass ich das Mädchen in den Armen hielt, das ich Liebte, er verstärkte ihn nur noch.

Seit fast drei Monaten waren wir jetzt schon zusammen.

Anfangs war es sehr schwer für mich gewesen. Vor allem als meine Freunde nach und nach herausfanden, dass ich mit einem Mädchen zusammen war. Einige fanden es niedlich, aber die meisten versuchten noch Marisol und mich auseinander zu bringen. Als sie sich eingestehen mussten, dass sie es nicht schaffen würden, kehrten sie mir den Rücken zu.

Erst war ich ziemlich erschüttert darüber gewesen. Heute dachte ich mir, wären es echte Freunde gewesen, hätten sie nicht einmal daran gedacht uns beide auseinander bringen zu wollen.

Ich strich ihr eine Haarsträhne aus den Augen. Sie lächelte verschlafen und drückte sich noch etwas enger an mich. Also war sie doch wach! Behutsam drehte ich mich etwas auf die Seite, um sie auf den Mund zu küssen. Sofort breitete sich eine brodelnde Hitze in mir aus, die in den Monaten, die wir schon zusammen waren kein bisschen abgenommen hatte. Danach lagen wir noch etwas aneinadergeschmiegt und sagten nichts.

Plötzlich war ein grummeln zu vernehmen. Marisol wurde sofort knallrot, grinste jedoch etwas. Als mir klar wurde, dass das ihr Magen gewesen war, fing ich an zu lachen.

„Hey!“, sie knallte mir ein Kissen auf den Kopf.

Prustend buddelte ich mich darunter hervor.

„Pass auf was du tust!“, drohte ich lachend.

Als sie erneut das Kissen heben wollte, kniete mich über sie und begann sie zu kitzeln. Jetzt fing auch Marisol an zu lachen. Sie versuchte sich gegen meinen Angriff zu wehren, hatte jedoch keine Chance. Nach einer Weile hörte ich auf und betrachtete sie. Marisol rang nach Luft. Dann bohrte sich ihr moosgrüner Blick in meinen und wir küssten uns wieder leicht. Nach einem kurzen Augenblick löste ich mich jedoch wieder von ihr und stand auf.

Ihr fragender Blick verfolgte jede meiner Bewegungen.

„Wohin gehst du?“, fragte sie dann.

„Na, du hast doch Hunger oder nicht? Ich mach Frühstück“, erklärte ich ihr dann.

Wieder begann sie zu grinsen.

„Aber bitte ohne Eier diesmal.“

„Wieso?“, aber in dem Augenblick in dem ich fragte wurde ich puterrot, weil ich genau wusste was sie meinte.

Wieder begann sie zu lachen.

„Letztes Mal ist das auch ziemlich schief gegangen, falls du’s vergessen hast.“

„So schlimm war’s nun auch wieder nicht...“, brachte ich lahm hervor.

„Nein. Wie komm ich bloß drauf... Ich hätte nur damit dem Nachbar die Scheibe einschlagen können...“, brachte sie prustend hervor.

Ich drehte mich um und merkte wie mir erneut die Hitze in den Kopf stieg.
 

Als ich in der Küche soweit war, kam auch endlich Marisol. Im Vorbeigehen strich sie mir mit dem Finger über die Schulterblätter, in denen sich sofort ein wohliges Kribbeln ausbreitete und setzte sich dann. Ich stellte die Kaffeekanne weg, die ich eben noch in der Hand gehalten hatte und setzte mich ebenfalls.

„Du hast ja tatsächlich die Eier weggelassen“, meinte sie dann gut gelaunt.

„Wenn du mich immer auslachen musst...“, gab ich in gespielt beleidigten Ton zurück und zog einen Schmollmund.

„Ooh, wie kann ich das nur je wieder gut machen?“, fragte sie dann und hob eine Augenbraue an.

„Ich wüsste da schon was...“, gab ich flüsternd zurück und kopierte ihre Geste und zog ebenfalls ein Augenbraue nach oben.

Sie verschränkte die Finger ineinander, stützte die Arme auf dem Tisch ab und legte dann den Kopf darauf. Dabei beugte sie sich etwas nach vorne.

„Denkst du da an das Gleiche wie ich?“, fragte sie dann verschwörerisch.

„Ich glaube schon“, antwortete ich mit einem lasziven Grinsen.

Überraschend riss sie die Arme nach oben und ließ ein Triumphgeheul hören. Ich rieb mir die Ohren, zum Zeichen, dass die Tonlage recht schief war.

„Was soll das de...“, setzte ich an.

„Endlich machst du einen Kochkurs!“, brach es dann aus ihre heraus.

„Einen WAS?“, fragte ich verblüfft.

„Einen Kochkurs“, wiederholte sie dann, jeden Buchstaben betonend.

„Aber...“

„Du hast doch gesagt, du denkst an das gleiche wie ich“, stellte sie dann klar und strahlte mich an.

Ich ließ meinen Kopf auf die Tischplatte knallen. Womit hatte ich das nur verdient?

„Ich meinte das andere Gleiche...“, nuschelte ich dann gegen mein regelrechtes Brett vor dem Kopf.
 

Später am Nachmittag klingelte das Telefon.

Marisol erklärte mir Nachher, das es ein alter Freund von ihr gewesen sei. Sie waren in der Grundschule in einer Klasse gewesen und hatten sich danach etwas aus den Augen verloren und liefen sich jetzt nur noch zufällig in der Stadt über den Weg. Er hatte sich am Abend mit ihr Treffen wollen. Jetzt fragte sie, ob ich mitkommen wollte.

Den Rest des Nachmittags grübelten wir darüber nach, warum er sich so plötzlich bei ihr gemeldet hatte.
 

Als es dann so weit war kamen wir doch etwas zu spät. Wir wollten uns ja immerhin etwas schön machen, wenn wir schon ausgehen wollten.

Zielstrebig ging Marisol dann auf einen Tisch zu, an dem zwei Jungen mit dem Rücken zu uns saßen. Sie begrüßte die beiden.

Sobald der eine von ihnen sich umdrehte erlebte ich ein Überraschung.

Das konnte doch nicht wahr sein! Oder doch?

„Evan!“, stieß ich hervor.

Er blinzelte mich überrascht an.

„Joan?“, gab er dann verblüfft von sich.

„Woher kennt ihr zwei euch jetzt?“, wollte Marisol wissen.

Ich sah sie an und spürte wie mir die Röte wieder ins Gesicht stieg.

Evan ging nicht auf ihre Frage und stellte ihr eine andere.

„Ich dachte du wolltest mit deiner Partnerin kommen.“

„Das ist meine Partnerin, wie du es nennst.“

Er schaute mich an. Ich nickte nur und an Joan gewandt erklärte ich es ihr.

„Wir waren in der siebten Klasse mal zusammen.“

„Aha...“, machte sie nur.

Dann endlich setzte auch ich mich. Demonstrativ legte ich den Arm um Marisol und drückte sie noch etwas an mich.

Extortion

2. Kapitel: Extortion
 

Das war ja jetzt mal ne schöne Überraschung gewesen. Hätte ich auch echt drauf verzichten können...

Jetzt war ich nur noch gespannt darauf, was Evan vorhatte. Warum wollte er plötzlich Marisol treffen?

Und außerdem wäre es mir lieber wenn er mich nicht so berechnend anschauen würde!

Evans Freund fragte uns schließlich in die Stille hinein, ob wir was trinken wollten. Wir sagten ihm kurz was wir wollten und schon waren wir nur noch zu dritt.

„Also Evan... Was läuft jetzt? Was hast du vor?“, fragte ich ihn dann.

„Das erklär ich euch nach her, wenn Dan wieder da ist“, das war jetzt keine Antwort auf die ich gehofft hatte.

Also starrte ich in der Gegend rum und spielte ein bisschen mit Marisols langen Haaren. Ich hasste den Geruch von überfüllten Kneipen und Zigaretten. Warum konnten sich die Menschen nicht einfach mal das Rauchen abgewöhnen?

Während ich also durch die Gegend schaute redeten Marisol und Evan gedämpft miteinander. Über die alten Zeiten, wenn ich das richtig mitbekommen hab.

Eigentlich interessierte es mich aber auch nicht wirklich. Was mir sorgen bereitete, war das Evan sich irgendetwas in seinen Kopf gesetzte hatte. Und das musste dann nicht mal ungefährlich sein, so wie ich ihn kannte. Aber so ein Blödsinn, wie auf abgesperrten Baustellen nach irgendwelchen Schätzen zu buddeln würde ihm ja hoffentlich nicht mehr in den Sinn kommen. Irgendwann musste sogar er erwachsen werden, ob es ihm gefiel oder nicht.

Nach einer halben Ewigkeit, wie mir schien, tauchte dann endlich dieser Dan wieder mit unseren Getränken auf, die mir eigentlich herzlich egal waren. Ich wollte nur noch hier weg.

„So und jetzt schieß los!“, forderte ich ihn auf.

Er stieß kurz die Luft aus.

„Okay, wenn du so wenig Zeit hast...“, vermutlich hatte er versucht mich zu provozieren oder zu necken, was ich dann kurzerhand ignorierte.

Ich schaute ihn nur genervt an, woraufhin er den Kopf schüttelte.

„Genau genommen sind wir geschäftlich hier“, fing er endlich an.

Geschäftlich, na das konnte ja noch heiter werden. Was machte der denn jetzt eigentlich beruflich?

„Wir sind beide bei der Jugenddetektei, by the way. Jedenfalls sind wir einem Drogenboss auf der Spur. An dieser Stelle wäret ihr dann gefragt. Er hält sich hauptsächlich in Schwulenbars und solchen Milieus auf. Das heißt eigentlich wickelt er nur dort seine Geschäfte ab...“

„Moment mal. Stop. Erstens, was hat bitte schön eine Jugenddetektei großartig mit so großen Dingern wie einem Drogenboss zu tun? Und zweitens, warum schleicht ihr Super-Detektive euch nicht einfach in so ne Bar ein?“, fragte ich dazwischen.

„Manchmal ist es einfacher als Jugendlicher Drogenkreise aufzustöbern. Oder würdest du hinter einem 18-jährigen einen voll ausgebildeten Drogenfahnder vermuten?“, fragte er zurück.

„Hmm... ich glaub nicht“, machte ich nur.

„Aber das brauchst du jetzt nicht überall rum zu erzählen! Die Drogenbosse sollen davon nix mitbekommen!“, warf Dan plötzlich ein.

„Ist ja schon gut“, meinte Marisol nur.

„Ich hatte euch aber noch ne Frage gestellt und die wartet noch auf ne Antwort“, fiel mir dann wieder ein.

„Was für ne Frage noch mal?“, meinte Evan.

„Warum ihr nicht einfach mal versucht euch in so einer Bar einzuschleichen. Ihr seid schließlich die top-ausgebildeten Detektive nicht wir“, gab ich augenrollend zurück.

„Äh...“, machte Evan nur und warf schnell einen Blick auf Dan.

Dann wurde er knallrot im Gesicht und schaute einfach wo anders hin.

„Das haben wir ja schon probiert...“, erklärte Dan dann, schaute uns jedoch auch nicht an. Seine Bierflasche war anscheinend viel interessanter.

Ich guckte von einem zum anderen.

War denen das echt jetzt so peinlich, das die auch noch rot werden mussten?

Als Evan sich räusperte, wahrscheinlich um wieder das Gespräch aufzunehmen brach ich in schallendes Gelächter aus. Marisol grinste auch von einem zum anderen Ohr.

„Ich glaub das nicht! .... Oh man... Zwei Supermachos die... die versuchen schwul zu...“, weiter kam ich einfach nicht.

Mittlerweile war Marisol auch in das Gelächter mit eingestimmt. Das kam mir ja selber total mies vor, aber ich konnte einfach nicht anders.

„Sorry...“, brachte ich dann hervor, als ich mich langsam wieder beruhigte.

Die Jungs waren in der Zwischenzeit fast dunkelrot angelaufen.

„Sch... Schon gut...“, sagte Evan.

So schüchtern wie heute hatte ich ihn echt noch nie erlebt. Normalerweise war er ein naiver Draufgänger gewesen. Zumindest vor vier Jahren war das noch so gewesen. Konnte man sich denn so drehen? Nein, natürlich nicht. Sonst wäre er ja auch nicht unter die Detektive gegangen.

„Also... wie schon gesagt... Wir brauchen eure Hilfe. Es ist gar nicht so einfach in so ne Schwulenbar reinzukommen... Beziehungsweise so lange da drin zu bleiben wie nötig. Ohne euch sind wir echt aufgeschmissen.“

„Ihr braucht unsere Hilfe... Tze...“, grummelte ich vor mich hin. Wahrscheinlich hatte meinen Einwurf keiner gehört.

„Würdet ihr das für uns machen? Bitte...“, fragte Evan dann.

„Na klar! Wieso eigentlich nicht?“, rief Marisol sofort aus.

„What the fuck? Ist das dein ernst?”, mit weit aufgerissenen Augen schaute ich sie an.

„Logisch. Das könnte doch mal was interessanter werden“, gab sie zurück.

„Interessanter, du bist gut. Vor allem ist das gefährlicher!“, ermahnte ich sie.

„Wir passen schon auf euch auf!“, warf Dan ein.

„Siehst du? Uns kann gar nichts passieren.“

„Aber...“

„Mensch, jetzt tu doch nicht so. Wir brauchen eure Hilfe, das ist völlig ungefährlich und wenn wir das nicht tun verrecken diese Kids wahrscheinlich an den scheiß Drogen“, schaltete sich Evan jetzt auch wieder ein.

Waren den jetzt alle gegen mich?

„Jaah, sieh’s mal positiv. Ihr könntet Helden sein!“, meinte Dan dann.

Ich verdrehte die Augen.

„Das wär doch auch mal ein Ansporn oder nicht?“, fragte Marisol.

„Ein Ansporn...“, wiederholte ich. „Liebe ein lebender Feigling als ein toter Held!“

„Jetzt sei doch kein Spielverderber!“, klagte sie.

„Jetzt reicht’s aber, Marisol! Da liegt ja das Problem! Es ist eben kein Spiel. Weiß der Teufel was da passieren könnte! Ich hab da kein gutes Gefühl bei...“, appellierte ich jetzt an sie.

Ich verschränkte meine Hände in ihre und blickte ihr tief in die Augen.

Ich wollte doch einfach nicht das ihr was passiert.

„Joan,... es wird schon klappen...“, sagte sie, gerade laut genug das ich sie noch verstehen konnte.

„Wenn du nicht willst, kann sich Marisol für die Aufträge ja eine andere Partnerin suchen... Also jetzt nicht in dem Sinne, das sie dich abschießen soll... ich meine...“, stammelte Evan.

„Halt besser die Klappe!“, drohte ich ihm.

„Ist auch gut... Wenn du nicht willst könnte ich das echt machen...“, bot jetzt auch Marisol an.

„Siehst du. Ist alles kein Problem!“, warf dann wieder Evan ein.

„Wann kannst du anfangen?“, fragte er dann an Marisol gewandt.

„Mmhm ich denk so ab morgen“, meinte sie.

Ich schaute von einem zum anderen. Hatte ich irgendetwas nicht mitgekriegt? Warum wollte die das jetzt unbedingt durchziehen?

„Marisol...“, setzte ich an, wurde jedoch von Evan unterbrochen.

„Großartig. Morgen suchen wir dir dann erst mal eine Partnerin aus, für die Arbeit meine ich.“

„Hey!“, rief ich aus und knallte meine Hand auf die Tischplatte.

Die andern schauten mich aller erschrocken an.

„Seit ihr jetzt alle vollkommen bekloppt geworden?“, dann schaute ich Evan eindringlich an.

„Wenn ihr zwei Detektiv spielen wollt, ist mir das vollkommen egal. Die können mit euch meinetwegen anstellen was sie wollen. Aber ihr braucht uns da nicht mit reinzuziehen! Das ist zu gefährlich!“, während ich redete wurde ich immer lauter.

„Marisol hat aber anscheinend nichts dagegen. Du kannst nicht einfach über sie hinwegbestimmen. Aber so warst du ja schon immer. Egoistisch bis zum geht nicht mehr!“

„Verdammt noch mal! Ich will doch nur nicht das ihr was passiert! Und lass das mit dem Egoismus weg, ich hab euch schließlich auch nicht persönlich angegriffen!“, fuhr ich ihn an.

„Okay,... stimmen tut’s trotzdem...“

„Ich geh da jetzt nicht näher drauf ein...!“, gab ich zurück.

„Gut, machen wir einen Deal. Jeder macht das was er für richtig hält. Und dabei sind du und Marisol eingeschlossen“, meinte er.

„Wie bitte...?“, setzte ich an.

„Ist gut. Also wir sehen uns dann Morgen. Bis dahin hat sich Joan sicher auch wieder beruhigt“, ergriff jetzt Marisol plötzlich wieder das Wort.

Damit stand sie auf und griff nach meinem Arm, um mich mit sich zu ziehen.

„Hallo...?!“, machte ich noch aufgebracht.

„Dann bis morgen Marisol!“, sagte Evan noch schnell.

„Hey!“

Ich riss mich von Marisol los.

„Ich dachte ihr wolltet jeden das machen lassen was er will...“

„Ja, machen wir doch auch. Marisol will uns helfen und du nicht. Also hilft uns Marisol und du eben nicht, so einfach ist das“, erklärte Evan noch mal.

„Das grenzt ja schon an Erpressung! Du weißt ganz genau das ich Marisol nie alleine da rein gehen lassen würde!“

„Äh...“, machte er nur kurz.

„Was glotzt du denn jetzt so blöd?“, fuhr ich ihn gereizt an.

Mittlerweile schauten uns schon sämtliche Leute blöd von der Seite an. Aber das war mir jetzt auch egal.

„Naja... damals bei mir scheint dir das ja auch herzlich egal gewesen zu sein...“, meinte er dann.

„Erstens musstest du dich ja auch immer auf wahnwitzigen Kram einlassen, zweitens ändern sich Menschen auch mal und drittens bist du auch en Typ und kein Mädel!“

Aus den Augenwinkeln heraus sah ich das Marisol lächeln musste. Sie wusste natürlich, das mich sämtliche Unterscheidungen oder Klischees zwischen Männern und Frauen mich aufregten. Und ausgerechnet so etwas benutzte ich jetzt als Argument.

„Ist mir auch egal. Entweder kommst du jetzt eben mit oder nicht. Komm Dan wir gehen“, mit diesen Worten schnappte er sich seine Jacke und verschwand, von Dan gefolgt, die Bar. Die beiden ließen uns einfach dumm stehen. Ich guckte ihnen hinterher.

Das konnte doch jetzt nicht wahr sein!

Nightlife

3. Kapitel: Nightlife
 

Den restlichen Abend war ich schlecht drauf gewesen.

Da half es auch nicht, das Marisol eigentlich eine phantastische Verführerin ist.

Später, als ich mich endlich wieder etwas beruhigt hatte, sprachen wir noch einmal ausführlich darüber.

Ich wollte immer noch nicht, das sie so etwas tat. Ich konnte mir selbst nicht erklären wovor ich so eine Angst hatte. Schließlich sollten wir nur mit diesem Typen in einer Bar sein und zusehen das wir herausfanden, mit wem er sich dort traf. Wir brauchten ja nicht einmal mit ihm zu reden. Aber irgendwie hatte ich ein schlechtes Gefühl dabei. Irgendetwas sagte mir, das etwas furchtbar schief gehen würde.

Es war spät, als wir uns endlich zum schlafen legten.

Marisol war bei ihrer Meinung geblieben, dass da nichts allzu schlimmes dran sein würde. Ich lag dann noch lange wach. Marisol lag an mich geschmiegt und die ganze Zeit spürte ich ihren warmen Atem an meiner Wange.

Erst als ich mir einredete, das an dem Gefühl gar nichts dran sein konnte und ich es mir nur einbildete, schlief auch ich ein.
 

Am Nachmittag trafen wir uns dann bei Evan in der Wohnung.

Er schärfte uns ein, diesem Drogenboss ja nicht zu nahe zu kommen, damit er keinen Verdacht schöpfen könnte. Ansonsten sollten wir uns möglichst normal verhalten. Vielleicht noch darauf achten, dass zumindest eine von uns so saß, das sie ihn immer im Blick hatte.

Keine seiner Anmerkungen ließ ich Kommentarlos an mir vorbei. Ich nutzte es, um ihm und vor allem Marisol, klar zu machen dass es ganz und gar nicht ungefährlich war, was er da verlangte.

Meine Proteste stießen jedoch auf taube Ohren.

Anfangs widersprach mir Evan noch, später ignorierte er mich einfach.

Und eine knappe Stunde später fanden wir uns in unserem Wagen wieder, der meiner Meinung nach viel zu schnell auf die übliche Bar des Drogenbosses zuhielt.

Schmollend schaute ich aus dem Fenster.

„Komm schon. Du bist doch sonst nicht so skeptisch. Das wird ein Kinderspiel und wenn wir Glück haben ist das der erste und der letzte Abend, an dem das nötig ist“, versuchte Marisol mich etwas aufzumuntern.

Ich seufzte und schaute sie schließlich an.

Diesmal hielt ich aber meinen Mund. Sie wusste mittlerweile nur zu gut was ich von dieser fixen Idee hielt, aber überreden können hatte ich sie trotz allem nicht.

Und jetzt würde sie auch keinen Rückzieher mehr machen.

„Du kannst immer noch nach Hause wenn du nicht willst...“, meinte sie dann zögernd.

„Ich werde dich das nicht alleine machen lassen. Wenn doch etwas passiert, werde ich mir das nie verzeihen...“, den letzten Satz sprach ich mehr zu mir selbst, als zu ihr. Und es war wohl der ehrlichste, den ich seit beginn dieser Farce ausgesprochen hatte.

Sie parkte den Wagen auf dem Platz vor der Bar.

Dann schaute sie mich an, oder mehr ihr Blick schien mich zu durchbohren.

„Du bist so süß wenn du Angst um mich hast“, sagte sie dann und beugte sich vor um mich zu küssen.

Leidenschaftlich erwiderte ich ihn und zog sie, so gut es über den Hebel der Kupplung ging, an mich.

Als wir uns wieder von einander lösten hatte sie ein triumphierendes Grinsen auf den Lippen.

Ich verdrehte die Augen und wir stiegen aus.

„Aber das mit dem süß vergisst du sofort wieder, hörst du. Ich bin nicht süß!“, protestierte ich dann.

„Stimmt, eigentlich bist du die Verführung in Person“, meinte sie dann mit einem auffälligen zynischen unterton.

Ich lachte kurz auf.

„Na klar, und das sagst ausgerechnet du. Venus muss ein Mauerblümchen gegen dich gewesen sein!“, antwortete ich und meinte es ernst.

Ich fragte mich immer noch, wie ich mich so hoffnungslos in sie verlieben konnte. Und jeden Tag schien es schlimmer zu werden.

Als wir uns einen Tisch aussuchten, kamen mit voller Wucht meine Bedenken zurück.

Ich betrachtete Marisol eingehend, während sie auf ihrem Handy rumtippte, um noch einmal das Bild dieses Typen aufzurufen. Als sie es gefunden hatte, hielt sie es mir noch einmal unter die Nase.

„Ich glaub es ist besser wenn wir uns das jetzt genau einprägen und ich es dann lösche...“, begann sie.

„Ja, ja schon gut...“, murmelte ich.

Als Evan uns das Foto gezeigt hatte, hatte ich nicht darauf geachtet. Also fiel mir jetzt erst auf, das er ziemlich Jung sein musste. Seine Züge verrieten, das vermutlich Engländer war, da sie sehr fein geschnitten waren. So einer war in der Schwulenszene, in der er sich ja anscheinend am liebsten aufhielt, sicher sehr beliebt. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, das so jemand womöglich seine angeblichen Lover anfixte um dann an ihr Geld zu kommen.

Aber genau das war sicher sein Erfolgsrezept. Er konnte sicher jedem Menschen weiß mache, das er kein Wässerchen trüben konnte.

„Was sagte Evan noch mal wie er heißt?“, flüsterte ich.

„Anthony sowieso... weiß ich nicht mehr genau...“, antwortete sie dann genau so leise.

Ich nickte, das war doch auch ein typisch englischer Name.

„Hast du ne Ahnung wie alt der sein könnte?“, fragte ich dann.

Sie zuckte die Schultern.

„Bestimmt noch keine 30.“

„Entschuldigen Sie, darf ich Ihnen etwas bringen?“, sprach uns plötzlich die Bedienung von der Seite an. Ich hatte gar nicht mitbekommen, das er gekommen war.

„Jaah, ähm..., zwei mal Sex-on-the-Beach bitte“, bestellte Marisol dann.

Ich starrte sie mit großen Augen an, während die Bedienung mit einem ‚natürlich’ verschwand.

„Bist du bekloppt? Willst du jetzt etwa Alkohol trinken?“, zischte ich dann.

„Wenn wir keinen trinken würden, wäre das total auffällig oder nicht?“, fragte sie zurück.

Warum geriet ich eigentlich immer an diese total ausgeflippten Kriminalisten?

Ich verdrehte die Augen.

„Und ein Taxi bestellen dürfen wir dann nachher auch noch...“, meinte ich resigniert.

Sie grinste.

„Du arme, von keinen geliebte Joan...“, mit diesen Worten beugte sie sich vor und küsste mich.

Seit wann war sie denn so anhänglich in der Öffentlichkeit? Spielte sie jetzt nur oder machte es die Umgebung, in der es normal war, homosexuell zu sein?

Ich stellte meine Gedanken beiseite und ließ mich fallen. Bis plötzlich ein räuspern neben uns ertönte.

„Ihre Getränke Myladys“, sagte der Kellner dann kurz angebunden und verschwand sofort wieder in Richtung Theke.

Jetzt erst viel mir auf, dass er ein knallpinkes, hautenges Shirt trug, das ihm nur bis knapp über dem Bauchnabel reichte, wo es dann ausfranste. Dazu trug er eine super enge Jeans, wo vorne noch die rote Schürze hing und darauf einen mit goldenen Paietten besetzten Gürtel.

Ich schaute wieder zu Marisol und zog eine Augenbraue nach oben.

„Und so was finden Schwule sexy?“, fragte ich sie dann zweifelnd.

„Naja, bei denen die ich kenne wäre der bestimmt auch unten durch“, antwortete sie dann grinsend. Ihre Mimik verlief jedoch als jemand die Bar betrat. Ich blickte in die Richtung der Tür.

Anthony kam herein. Er hatte den Arm um einen etwa 17-jährigen Jungen gelegt. Hinter den beiden kamen noch drei weitere, aufmerksam dreinschauende Männer in die Bar.

Er sprach kurz mit einem anderen Kellner, der eindeutig mehr Geschmack hatte und küsste dann besitzergreifend den Jungen.

Er war wohl sein neustes Opfer. Leicht schockiert wandte ich mich von der Szene ab. Dieser Typ musste wirklich Eiskalt sein, wenn er sich an so junge Männer heranschmiss.

Tatsächlich hatte er sehr arrogant gewirkt, auf dem Foto war er eher als sympathischer Nachbar herübergekommen. Wie sehr man sich doch täuschen konnte...

„Was macht er?“, fragte ich dann leise Marisol.

„Er geht nach oben, in die ‚privat Räume’, gleich müsste er hinter den Vorhängen verschwinden“, antwortete sie und schaute ihm die ganze Zeit aufmerksam hinterher.

„Seine drei Wachen, oder was die darstellen sollen bleiben davor stehen“, ergänzte sie dann noch.

Die ‚privaten Räume’ waren etwas gemütlicher eingerichtet. Außerdem waren sie fast von jeder Seite mit leicht durchsichtigen Vorhängen eingefasst. Man könnte auch sagen, sie wären ideal für geschäftliche Besprechungen. So konnte man ungestört ausgehen.

Allerdings musste man, für das Privileg solche Räume benutzten zu dürfen, schon ein Stammgast sein. Und das waren wir eindeutig nicht.

Wir blieben noch eine geschlagene Stunde. Aber es tat sich nichts mehr.

Schließlich gingen wir nach draußen und riefen Evan an, damit er uns abholen konnte. Er saß sicher schon total hibbelig zu Hause und wartete gespannt auf den ersten Bericht, den wir ihm abliefern würden.

Als wir draußen rumstanden und auf ihn warteten, merkte ich, dass ich nicht mehr ganz gerade stehen konnte. Ich war anscheinend ganz schön angetrunken.

Nach nicht einmal fünf Minuten tauchte Evans Wagen auf. Dan saß am Steuer und ließ uns einsteigen.

„Sag mal in welchem Affentempo seit ihr hier hin gefahren? Wir haben von deiner Wohnung aus ne viertel Stunde gebraucht!“, fragte ich erstaunt.

„Wir waren nicht bei mir zu Hause. Ich hab dir doch gesagt, das wir auf euch aufpassen. Ein paar unserer Jungs waren in dem Cafè auf der anderen Straßenseite, ein paar andere sind immer mal vorbeispaziert und wir haben auch hier in der nähe in einer Kneipe gesessen“, erklärte er dann forsch.

„Aber jetzt zu euch. Wie ist es gelaufen? Haben sie versucht euch irgendwelche Gliedmaßen abzuschneiden oder glaubst du mir jetzt endlich, das es total ungefährlich ist?“

„Er kam mit so einem Jungspund herein, quatschte kurz mit der Bedienung und verschwand dann in den privat Räumen. Seitdem haben wir ihn nicht mehr gesehen“, fasste Marisol alles zusammen.

„Mehr nicht? Könntet ihr den Jungen denn beschreiben oder wiedererkennen?“, wollte er dann wissen und trommelte nervös auf die Armlehne.

„Beides, ja“, meinte ich dann.

„Aber ich glaube nicht dass das großartig etwas bringt. Das sah alles noch sehr frisch aus. Der Junge weiß bestimmt nichts über euren tollen Drogenclown.“

„Wir können aber auch nicht warten bis er zum Junky geworden ist, dann gibt er erst recht keine brauchbaren Aussagen mehr ab“, erklärte jetzt Dan.

„Das hatte ich auch nicht gehofft“, meinte dann Marisol und ich nickte gedankenverloren.

Beloved

4. Kapitel: Beloved
 

Sie hatten uns direkt nach Hause gefahren, damit wir erst mal unseren Rausch ausschlafen konnten. Direkt am Morgen holten sie uns dann wieder ab, um eine Beschreibung des Jungen zu bekommen.

In dieser Nacht hatte ich aber endlich einmal wieder etwas ruhiger schlafen können. Wenn das weiter so ging würden wir zwar einige Personen beschreiben können, aber ohne deren Aussagen würden sie ihn nie Dingfest machen können. Eigentlich hatte ich schon über den Erfolg der ganzen Sache resigniert. Aber mein Unbehagen konnte ich jetzt leicht ausblenden, was auf jeden Fall auch schon einmal was wert war.

Während wir das Phantombild anfertigten wurde mir erst wieder bewusst, wie Jung er gewesen war. Langsam stiegen in mir Zweifel auf, ob er nicht vielleicht noch ein Jahr oder sogar zwei jünger war. Aber heute weiß man ja nie wie alt die Jugendlichen wirklich sind.

„Hm, hab ich noch nie gesehen. Kennst du den?“, fragte Evan Dan als wir fertig waren.

„Nein, aber das lässt sich wahrscheinlich schnell herausfinden.“

„Und was wollt ihr machen, wenn ihr wisst wer das ist?“, wollte ich wissen.

„Wir werden ihn so schnell wie möglich befragen. Er muss bereit sein Aussagen zu geben bevor er total verknallt in ihn ist. Sonst wird er für ihn lügen. Und wir müssen hoffen das er nicht schon gefallen an seinen Geschäften findet, zumindest von denen, die er schon mitbekommen hat“, antwortete Dan.

Ich schnaufte.

Das gefiel mir gar nicht.

„Und wenn er auspackt werden sie ihn abknallen. Sehr tolle Idee“, grummelte ich vor mich hin.

„So weit wird es gar nicht kommen. Der Junge kommt ins Zeugenschutzprogramm“, erwiderte Evan.

Es verschlug mir die Sprache.

Überrascht schaute ich von Dan zu Evan.

„Ihr wollt damit also sagen, das er tatsächlich Leute erschießt die versuchen ihn zu verpfeifen!“, meine Stimme überschlug sich und war fast hysterisch.

Evan schlug sich mit der flachen Hand gegen den Kopf.

„Scheiße! Warum kann ich denn meine Klappe nicht halten!“

Ich sprang auf.

„Das reicht! Wir brechen das Ganze auf der Stelle ab! Das werde ich nicht riskieren! Komm Marisol!“

„Joan bitte ihr könnt uns jetzt nicht einfach im Stich lassen!“, rief dann Evan.

Ich ignorierte ihn und drehte mich auf dem Absatz um.

„Joan...“, sagte Marisol jetzt endlich was. Sie trat hinter mich und legte die Arme um meine Taille und ließ ihren Kopf auf meine Schulter sinken.

„Was soll den da schon passieren? Erstens verpfeifen gar nicht wir Anthony, sondern seine Lover. Und zweitens weiß er doch gar nicht das wir Informationen für sie beschaffen. Schließlich hatten wir weder mit der Polizei oder Jungdetektiven noch mit Drogen jemals was am Hut.“

Das klang alles ganz logisch aber ich musste mir eingestehen das ich Angst hatte. Wenn ich alleine gewesen wäre, hätte ich vielleicht auch nichts weiter gesagt. Aber Marisol. Ich wollte sie in keinster Weise in Gefahr bringen. Und das hielt mich auch davon ab irgendetwas gutes in dieser Sache zu sehen.

„Man kann dich denken hören, Süße. Du rauchst ja schon richtig“, mit diesen Worten gab sie mir einen Kuss an den Hals und ließ mich los.

Ich drehte mich wieder zu ihr.

Dann schüttelte ich den Kopf.

„Bitte, Marisol, versteh doch endlich...“, setzte ich an.

„Sieh es mal positiv. So können wir so oft wir wollen ausgehen und kriegen sogar noch alles bezahlt. Dafür müssen wir nur ab und zu jemanden im Auge behalten“, unterbrach sie mich.

„Der uns bei dem leisesten verdacht den Schädel wegpustet“, setzte ich bitter hinzu.

„Dann hatten wir wenigstens noch unseren Spaß vorher!“, erwiderte sie mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht.

Ich schaute ihr tief in die Augen und seufzte.

„Wenn das jetzt endlich geklärt ist, noch mal kurz zurück zum Thema. Ihr werdet erst in zwei, drei Tagen wieder in die Bar gehen. Wenn ihr plötzlich jeden Tag da auftaucht wird das ein bisschen zu verdächtig aussehen“, erklärte Dan.

„Warum nur fühle ich mich hier wie die Verbrecherin die der Polizei nicht auffallen darf?“, fragte ich dann, zum wiederholten mal resigniert.
 

Die zwei, drei Tage von denen er sprach gingen leider viel zu schnell vorbei. Kaum hatte ich mal eine Nacht besser schlafen können, kehrte mein mieses Gefühl jetzt mit aller Wucht zurück. In einer Nacht hatte ich sogar davon geträumt, das wir aufflogen. Ich konnte mich nur nicht so recht an das Ende des Traumes erinnern. Aber ich war mir auch nicht so ganz sicher ob ich das überhaupt wollte.

Wir machten uns für den Abend fertig. Immer wieder blickte ich in den Spiegel und betrachtete dadurch Marisol. Auf meine Schminke achtete ich dabei gar nicht.

Sie war gerade damit beschäftigt ein Korsett zuzuschnüren, das man vorne zuband. Sie liebte es ab und zu wie eine Lolita auszusehen, das war mir schon lange aufgefallen. Es war Schwarz und Dunkelblau. Ich hatte ihr zu dem Schwarz-roten geraten aber sie wollte unbedingt das blauschimmernde. Als ich mich daran erinnerte legte sich ein grinsen auf mein Gesicht.

Ihre Figur wurde dadurch nur noch besser betont.

Dazu trug sie einen schwarzen Rock und ein paar Boots, sowie ein paar Armstulpen. Zuletzt setzte sie sich noch einen mit Rüschenversetzten Haarreif auf den Kopf. Sie sah einfach nur zum anbeißen aus.

In der Zwischenzeit hatte ich mich zu ihr umgedreht um sie genauer zu betrachten. Als sie endlich aufsah und mich angrinste, spürte ich ein starkes Ziehen in der Brust, das ich mir nicht erklären konnte.

Mein Gott, wie sehr ich sie nur liebte.

Ich zog sie an mich und küsste sie leidenschaftlich. Am liebsten hätte ich gar nicht mehr aufgehört. Aber irgendwann drückte sie mich lachend von sich.

„An der Stelle können wir heute Nacht weitermachen...“, damit verschwand sie aus dem Bad und ging zur Tür.

„Kommst du jetzt?“, rief sie dann von da aus.

Zögernd setzte ich mich in gang.
 

Anfangs verlief alles wie ein paar Tage zuvor.

Wieder hatte Marisol den Blick auf die weiteren Räume und die Tür.

Es überraschte mich ein wenig, das er diesmal einen anderen Jungen im Arm hatte. Ich hatte ihn auch nur sehen können, weil ich gerade von der Toilette kam und fast mit seinem jungen Freund zusammengestoßen wäre.

„Entschuldigung...“, murmelte ich vor mich hin und sah mir den Jungen ganz genau an. Er war etwa genau so alt wie ich. Hatte ebenso weiche Züge wie Anthony und wache Augen.

Ich konnte nicht anders und lächelte ihn traurig an.

„Komm Kleiner“, sagte Anthony und zog ihn von mir weg, dann verschwanden sie wieder in dem gleichen Raum wie vor ein paar Tagen.

„Der tut mir echt leid...“, sagte ich leise, als ich mich wieder setzte.

Marisol nickte nur kurz und nach ein paar Sekunden waren wir schon wieder in ein Gespräch vertieft.

Ich bemerkte, dass sie zwar ab und an nach oben schaute und den Blick aber sofort wieder in eine andere Richtung schweifen ließ.

„Was ist los? Warum schaust du immer so plötzlich weg?“, fragte ich, als es mir langsam zu blöd wurde.

„Dieser Typ hat hier rüber geschaut“, gab sie zurück.

„Welcher, Anthony?“

„Nein, der sitzt doch hinter dem Vorhang und hat seinen Spaß mit dem Jungen. Diese Gorillas von Bodyguards mein ich.“

Ich trank den Rest aus meinem Glas.

„Wir sind auch lang genug hier gewesen. Ich glaube wir gehen jetzt besser.“

Wieder ließ sie ihren Blick zu den Typen schweifen. Und wieder schaute sie mich sofort an, als sie bemerkte das sie immer noch jemand beobachtete.

„Wir können jetzt nicht so plötzlich hier abhauen. Das fällt doch auf.“

„Mir ist egal ob das in irgendeiner Weise auffällig ist oder nicht. Das wird mir zu heiß. Wir verschwinden jetzt und zwar sofort“, mit diesen Worten stand ich auf.

Jetzt trank auch Marisol ihr Glas aus und stand ebenfalls auf.

„Geh schon mal raus. Ich bezahle noch schnell unsere Getränke.

Sie nickte nur und ging los.

Ich gab dem Barkeaper ein dickes Trinkgeld und ging ebenfalls nach draußen. Während ich zu Marisol ging rief ich schon Evan und Dan an.

Wir wollten ihn schon mal ein paar Schritte entgegen gehen.

Plötzlich hörte ich das jemand hinter uns rief.

„Hey! Wartet mal!“

Ich zuckte zusammen.

„Verdammt“, zischte ich.

Ich drängte Marisol zum weitergehen und ließ sie sich nicht umdrehen.

„Was ist denn?“, fragte sie.

„Das ist die Stimme von diesem Anthony!“, flüsterte ich zurück.
 

Ich sah Dan um die Ecke biegen.

Jetzt riskierte ich doch einen Blick zurück.

Dann ein Knall.

Ein Ruck ging durch Marisols Körper.

Ein erstickter Schrei.

Quitschende Reifen.

Männer schreien herum.

Ich geh in die Knie.

Das Gewicht von Marisol in den Armen haltend.

Aus den Augenwinkel sehe ich den Schützen wegrennen.

Tränen rinnen mir über das Gesicht.

Ich schreie.

Rufe immer wieder ihren Namen.

Dabei blicke ich in ihre leeren Augen.

Sie zuckt nicht mal.

Ich kann aber nicht aufhören nach ihr zu rufen.

Gerangel weiter hinten.

Aber ich kann nichts hören.

Ein weißer Schleier legt sich vor meine Augen.

Dann ein Arm um meine Schultern.

Ich werde von Marisol weggezerrt.

Ich will nicht.

Ich kämpfe dagegen an.

Ich hab keine Chance.

Sirenen von Krankenwagen.

Blaulicht.

Polizei.

Eine Decke um meine Schultern.

Ich merke schon gar nicht mehr das ich noch weine.

Auch nicht das ich immer noch apathisch ihren Namen flüstere.

Die Szene spult sich immer wieder von vorne in meinem Kopf ab.

Der Schütze.

Schwarze, kurze Haare.

Weiße Haut.

Weiche Züge.

Marisol.

Desolated

5. Kapitel: Desolated
 

An den restlichen Tag kann ich mich kaum noch erinnern...

Es ist als hätte ich alles von außen durch einen weißen Nebel wahrgenommen. Der Schmerz in meinem Herzen hatte meinen ganzen Körper betäubt. Und mein Kopf war einfach nur noch leer.

Ich weiß noch, dass Evan mich mit sich nach Hause nahm.

Er war unheimlich vorsichtig mit mir.

Geweint hab ich wohl auch die ganze Zeit, das habe ich aber nicht mehr gemerkt. Ich vermute es nur, weil ich am nächsten Morgen total verheult vor dem Spiegel stand.

Ich war in seinen Armen eingeschlafen.

Irgendwann morgens war er aufgestanden und hatte Kaffee und Frühstück gemacht.

Die Sonne die durch die dünnen Vorhänge schien hatten mich schließlich geweckt.

Aber ich blieb liegen. Dabei hielt ich die Augen geschlossen.

Ich sog die Luft tief durch die Nase ein.

Erst dann öffnete ich die Augen, weil ich nicht wie üblich Marisols Duft aufgenommen hatte.

Bis zu diesem Moment hatte ich immer noch gehofft, das alles wäre nur ein böser Traum gewesen. Und auch jetzt konnte ich es nicht so recht glauben.

Ich zwickte mich in den Arm, aber es tat weh.

Da schlug alles wieder auf mich ein. Dieselbe Szene wie gestern wiederholte sich in meinem Kopf.

Verdammt das konnte doch nicht etwa alles gewesen sein!?

Wozu hatte ich denn die große Liebe meines Lebens kennen gelernt und mir mein Ego wieder neu aufbauen müssen, als mich alle verließen die damit nicht zurechtkamen, wenn sie mir jetzt wieder genommen wurde?

Und im nächsten Moment hätte ich mir am liebsten selbst eine aufs Maul gegeben.

Begann ich wirklich zu bereuen, Marisol jemals kennen gelernt zu haben? Das konnte einfach nicht sein!

Ich würde die Erinnerungen an sie immer bei mir tragen und hüten.

Erst als ich mich wieder gesammelt hatte, nach diesen Gedanken, schaffte ich es endlich aus dem Bett zu steigen.

Als ich in die Küche kam saß Evan hinter einer Zeitung und hatte eine Hand an die Kaffeetasse gelegt.

Sobald er mich bemerkte, ließ er die Zeitung sinken und lächelte mich schwach an.

„Guten Morgen“, sagte er dann leise.

Ich ließ einfach nur meinen Blick sinken.

Der jedoch an den Frühstückseiern hängen blieb.

Ich schloss die Augen und fast war es so, als stehe ich immer noch in unserer Küche und höre Marisol spotten, das Ei sei steinhart.

Aber als ich die Augen wieder öffnete, war alles wieder verschwunden und ich stand doch ganz wo anders.

Die ganze Zeit über hatte mich Evan beobachtet.

„Setz dich. Am besten Frühstückst du erst einmal was, du siehst blass aus“, meinte er dann ruhig.

Mittlerweile hatte er die Zeitung ganz beiseite gelegt.

Ich setzte mich folgsam.

„Ich habe keinen Hunger...“, antwortete ich und schüttete mir etwas Orangensaft in ein Glas.

„Joan, ... bitte. Nur ein bisschen.“

Stumm schüttelte ich den Kopf.

Statt etwas zu trinken starrte ich nur auf das warme Orange des Saftes.

Jetzt stand er auf und ging um den Tisch herum.

Er setzte sich auf den Stuhl neben mich. Dann legte er den Arm um meine Schultern und zog mich an sich.

Ich ließ meinen Kopf gegen seine Schulter sinken und schloss die Augen.

„Es tut mir so leid...“, flüsterte er nach einer ganzen Weile und ließ mich dann wieder los.

Plötzlich fühlte ich mich völlig alleine. Als gäbe es niemanden mehr auf der Welt, der für mich da war.

Und das alles Sekundenbruchteile, nach dieser Umarmung.

Es war ein schreckliches Gefühl.
 

Das Frühstück hatte ich unberührt stehen lassen und ging kurz darauf unter die Dusche.

Danach fühlte ich mich um einiges frischer, wenn auch nicht wirklich besser.

Aber meine Gedanken hatte ich wieder halbwegs ordnen können.

Ich wollte einfach nur noch nach Hause.

Evan hatte mich gefragt ob ich mir wirklich sicher war, jetzt wieder alleine in die Wohnung zurückzukehren.

Alleine...

Aber ich wollte jetzt nur noch weg von hier.
 

Heute war es recht kühl und grau, zumindest für Spätsommer.

Aber die klare Luft ließ mich wieder meinen Körper spüren. Die letzten paar Stunden waren es nur meine Gedanken, die mich ausgemacht hatten.

Der Schmerz blieb dennoch.

Langsam hatte ich das Gefühl jemand müsse dafür büßen, was er mir angetan hatte.

Das konnte man sich einfach nicht vorstellen...

Ich schloss die Augen und sah ein ganz bestimmtes Gesicht vor mir.

Anthony Blake.

Er war an allem Schuld.

Aber irgendwie hatte ich das Gefühl als wäre er nicht der einzige.

Wie auch immer.

Was sollte ich denn tun, um mich an ihm zu rächen?

Und vor allem wie sollte ich das anfangen.

Plötzlich stand ich vor meiner Haustür.

Unschlüssig blieb ich stehen.

Ich hatte schon den Schlüssel aus meiner Jackentasche gekramt aber konnte mich nicht dazu bewegen, auch die Tür zu öffnen.

Schließlich tat ich es doch.

Sofort schloss ich die Tür wieder, blieb dann aber im Flur stehen.

Ich sog die Luft tief ein und stieß sie aber genauso schnell wieder aus. Kurz darauf saß ich zusammengekauert auf dem Sofa und versuchte zu weinen, um endlich alles hinter mir zu haben.

Aber ich konnte nicht.

Stattdessen wurde nur mein Hass geschürt.

Ich spürte geradezu wie es anfing in mir zu brodeln.

Und das war ein verdammt gutes Gefühl.

Zumindest das beste, was ich seit über einen Tag hatte.

Über einen Tag, der mir vorgekommen war, wie ein paar Monate. Und es war kein Ende in sicht.

Unexpected

6. Kapitel: Unexpected
 

Ich glaube in den nächsten Tagen entwickelte ich so etwas wie Trotz, um nicht glauben zu müssen das so etwas passieren konnte.

Wie ein kleines Kind wehrte ich mich dagegen.

Tagsüber machte mich das stärker, aber in den Nächten wurde es dafür umso schlimmer.

Ich begann mich anders zu kleiden, meine Essgewohnheiten wurden drastisch gekürzt. Ich aß nur noch, damit ich nicht zusammenklappte. Ich glaube, ich fing sogar an mich anders zu bewegen.
 

Immer häufiger ging ich später aus der Tür.

Alle meine Pläne für die Zukunft waren vergessen.

Was denn auch für eine Zukunft. Ich hatte doch alles mit Marisol durchdacht. Sie war ein fester Bestandteil für diese gewesen. Aber sie würde nicht zurück kommen. Immerhin das hatte ich jetzt verstanden.

Aber ich würde es nicht einfach so über mich ergehen lassen, das mir jemand meine Träume zerstört hatte.
 

In diesen Nächten lief ich in der Stadt umher.

Ich fuhr auch nicht mit dem Auto in die Innenstadt, sondern lief die 2 ½ Kilometer dorthin.

Mit offenen Augen lief ich durch die Szene.

Die Ecken an denen ich am aufmerksamsten war, waren die wo die Drogenjunkies abhingen und an der Stelle, wo man hier ganz offen seine Homosexualität zeigen konnte.

Also zwei der größten U-Bahn-Stationen und eine Straße voller Bars und Diskotheken.

Meistens kaute ich schlechtgelaunt auf irgendeinem Kaugummi rum und beobachtet meist dezent, manchmal offen die Menschen, die mir begegneten.
 

Heute setzte ich mich in eine kleine Bar, in der nähe einer der U-Bahn-Stationen und beschloss nach dem zweiten Tequila mich nicht zu betrinken. Ich wollte mir die Peinlichkeit ersparen, wie an dem Vortag, mehr nachhause zu schwanken als zu laufen. Außerdem hatte ich nicht vor Alkoholikerin zu werden.

Und immerhin war mir das bis jetzt nur einmal passiert, also keinen Grund zur Panik.
 

Das hieß in diesem Moment jedoch für mich, das ich eine Ablenkung finden musste.

Ich drehte mich also auf dem Barhocker um und ließ meinen Blick über die Leute schweifen.

Mein Blick blieb an einem etwa 17-18 jährigen hängen, der nur zwei Hocker neben mir saß. Schlecht gelaunt stierte er in sein Bierglas, bereits drei Schnapsgläser standen um dieses herum und schien etwas abwesend.

Eigentlich ganz hübsch, dachte ich mir, wenn er nur nicht so betrübt aussehen würde.

Er hatte, wie man es jetzt öfters mal sah, Wasserstoffblond gefärbte Haare. In dem Zwielicht schimmerten seine Augen fast Golden, bei Sonnenlicht betrachtet waren sie wohl eher Bernsteinfarben.

Für die Schwulenszene, in der ich mich ja in der letzten Zeit häufiger aufgehalten hatte, schien er weder ein besonders weiblichen, noch betont männlichen Part einzunehmen. Er war nicht so extrem schlank, was wohl eher durch seine sichtbaren, wenn auch nicht übertriebenen Muskeln so wirkte. Er wirkte eher wie ein ganz normaler Teenager.

Wie ein sehr frustrierter Teenager.

Ohne es zu bemerken hatte ich ihn wohl eine ganze Weile nachdenklich angestarrt.

Langsam drehte er den Kopf und schielte mich unter seinem Pony hinweg aus leicht schräg stehenden Mandelaugen an.

„Was glotzt du denn so, du siehst selbst auch nicht besser aus, bekloppte Tussi“, grummelte er dann vor sich her.

Normalerweise würde mich so eine Aussage eher amüsieren, als beleidigen. Aber erstens hatte ich heute schon getrunken und zweitens ging es mir echt scheiße.

Trotzdem versuchte ich ruhig zu bleiben, er konnte ja immerhin nichts dafür.

„Vielen dank für das Kompliment...“, erwiderte ich also nur knapp.

Einen kurzen Moment breitete sich Stille über uns aus, wie ein schweres Tuch, das nicht bewegt werden will.

„Was ist dir denn schlimmes über die Leber gelaufen?“, fragte ich dann aus einem Impuls heraus.

Warum sollte ich mich nicht mit den Problemen anderer Leute ablenken, da brauchte ich wenigstens nicht über meine eigenen nachdenken.

„Du siehst nicht so aus als würde dich das etwas angehen“, murrte er, kaum hörbar bei dem Geschwätz in der Bar.

Ich zuckte nur kurz mit den Schultern und trank dann aus meinen Bierglas einen tiefen Zug.

Dann halt nicht.

„Letzte Woche habe ich meinem Freund sitzen lassen, weil er mir zu langweilig geworden ist, dafür hat er meinen getunten Roller zu Schrott verarbeitet, um ihn dann mit einem riesigen Knall in die Luft zu jagen“, ratterte er dann seufzend los.

„Klingt als sei er eifersüchtig auf jemanden gewesen“, gab ich meinen Kommentar dazu ab.

„Da wäre ich alleine nie drauf gekommen“, meinte er dann verärgert.

„Hast du ihm wegen einem andern sitzen lassen?“, trieb mich meine Neugier ihn weiter aus zu fragen.

Er seufzte wieder tief, bevor er weitersprach.

„Ja“, meinte er dann nur knapp.

„Aber?“, langsam kam ich mir unverschämt vor.

„Der Typ ist eigentlich viel zu alt und kann jeden haben den er will.“

Man hörte sich das entmutigt an.

„Hast du schon mal versucht an ihn ranzukommen?“, fragte ich dann nach.

Kopfschütteln.

Ich überlegte kurz.

„Ich hätte zwar eigentlich besseres zu tun, aber da ich auch etwas Ablenkung suche... Vielleicht kann ich dir ja helfen“, schlug ich dann vor.

Im nächsten Moment bereute ich das schon wieder. Was interessierte mich das Liebesleben dieses todunglücklichen, naiven Idioten. War er doch selber Schuld.

„Echt? Das würdest du tun?“, fragte er dann und klang sehr hoffnungsvoll dabei.

Aber das schlimmste war, er schaute mich zum ersten mal richtig an. Wie sollte man denn bei so traurigen Augen noch nein sagen können?

Ich nickte nur knapp, bevor ich es mir anders überlegen konnte.

„Ich bin Kyle!“, stellte er sich dann vor, überbrückte den Sitz zwischen uns und streckte mir seine kräftige Hand entgegen.

„Joan“, ich drückte sie kurz.

„Hast du denn ein Bild von deinem Angebeteten?“

Langsam fragte ich mich, ob er nicht doch einmal den Unterton meiner Stimme erkennen würde.

Sofort zog er ein leicht verwackeltes Foto aus seinem seiner Jackentasche.

Ich hatte grad etwas getrunken und als ich das Bild sah verschluckte ich mich fast.

„Der?“, fragte ich mit kratziger Stimme.

Das es ausgerechnet Blake sein musste war doch irgendwie klar gewesen. Zufälle gab es eben nicht nur im Film.

Und auf einmal fiel mir ein grandioser Plan ein, bei dem mir Kyle wunderbar helfen konnte.



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Kommentare zu dieser Fanfic (37)
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Von: abgemeldet
2009-04-18T17:43:54+00:00 18.04.2009 19:43
Wie traurig...... ich find es so schade, dass Marisol tot ist.
Tut mir leid, ich bin gerade sehr einfallslos.
Von:  Dark777
2009-04-03T17:53:23+00:00 03.04.2009 19:53
Ich denke ja, dass Joan noch einiges durchmachen muss, wenn sie diesen Rachefeldzug wirklich durchziehen will. Domino hat Recht damit, dass Marisol dadurch auch nicht wieder zurück kommen wird. Ganz ehrlich? Ich würde es aber auch nicht anders als Joan machen. Wenn man mir soetwas antun würde, möchte ich dass der Andere mindestens genauso extrem leidet! Bin nur gespannt, wie sich Joan das Ganze vorgestellt hat. Ich hoffe doch mal, ich kann das bald lesen ^_^.
Von: abgemeldet
2009-03-23T20:33:30+00:00 23.03.2009 21:33
duuu xD der arme kyle1 der wird bestimt am ende tot unglücklich xDDDD
nja, ich mag das kapitel, auch wenn mir marisol fehlt *träne kullern tu*
tja, da die ff Rache heißt, bin ich mal auf den plan gespannt *grins*
bis bald, deine kleine^^
Von: abgemeldet
2009-03-22T09:22:45+00:00 22.03.2009 10:22
Das Kapitel hat mir gefallen.
Die Gefühle von Joan sind sehr gut nachzuvollziehen.
Bin auf ihren Plan gespannt.
Von: abgemeldet
2009-03-21T22:57:31+00:00 21.03.2009 23:57
mh gutes Kapitel würde ich sagen =)
ich musste zwar noch mal das Kapitel davor lesen, aber alles in allem mag ich das Kapitel.
Du hast es gut rübergebracht, wie sich Joan fühlt und dass sie irgendwo endet und sich betrinkt, ist zwar etwas klischeehaft, aber so ist es ja meistens. Es ist schwer über den Tod einer Geliebten hinweg zu kommen.
Ich frage mich allerdings, ob es so gut ist, dass sie jetzt eventuell Rache ausüben will.
Ich glaube ja eher nicht.
Dieser Junge(hab schon wieder seinen Namen vergessen) ist zwar eine gute Möglichkeit einen Plan auszuhecken, aber am Ende bringt das Marisol ja nicht zurück.
Ich bin gespannt auf das nächste Kapitel =) lass dir nicht zu viel Zeit, sonst muss ich das Kapi, was ich gerade kommentiere noch mal lesen ;)

*winkz*
Von:  Dark777
2008-11-26T17:37:43+00:00 26.11.2008 18:37
Das Kapitel ist "leer", genauso wie Joan sich fühlt......es passt also hervorragend. Am Anfang hat es mich etwas verwundert, dass sich Joan so schnell mit dem Tod von Marisol abfindet, dem ist aber (zum Glück, sonst wäre die Story schon zu Ende >_<) nicht so. Dadurch, dass sie Hass und Rachegefühle empfindet, hat sie noch lange nicht mit Marisols Tod abgeschlossen. So kann Joan ihre eigentlichen Gefühle verdrängen und wie sie zum Schluss schon gesagt hat, es ist ein gutes Gefühl.....besser als zu trauern! Ich würde mal sagen, jetzt fängt der Rachefeldzug à la Kill Bill an. Freu mich schon riesig drauf ^_^!
Von: abgemeldet
2008-11-23T17:33:24+00:00 23.11.2008 18:33
Es geht weiter für Joan.
Mach weiter so.
Von: abgemeldet
2008-11-22T22:17:27+00:00 22.11.2008 23:17
Und wieder wollte ich eigentlich ins Bett gehen........
Wie auch immer. Das Kapitel war ein bisschen kurz und dieses Mal fehlt mir tatsächlich etwas. Dass Joan zu der Erkenntnis kommt, wer in ihren Augen schuldig ist und so weiter, find ich alles gut, nur sie geht einfach so in die Wohnung....? Wäre doch eigentlich eine perfekte Gelegenheit, dass sie irgendwelche Sachen von Marisol findet und so weiter.
Aber ja, ich bin immer noch nicht einverstanden. *G*
Von:  Dark777
2008-11-14T19:22:16+00:00 14.11.2008 20:22
......War ja klar -_-.......aber es passt verdammt gut ^_^. Boah, jetzt wird sich Joan sicher rächen wollen.......na ja, was erwartet man auch bei dem FF-Namen >_<?! Bin echt gespannt, wie es weiter geht!
Von: abgemeldet
2008-11-12T12:06:25+00:00 12.11.2008 13:06
Jetzt bin ich richtig gespannt wie es weitergeht.
Schade das Marisol sterben musste. aber sonst würde deine Story ja nicht weitergehen.



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