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Perfect All Over

Sequel zu 'Perfect Girlfriend', ItaDei
von

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Perfect Arrivial

Sollte irgendjemand sehnsüchtig gewartet haben, hier ist die überaus grandiose Sequel. Keine Angst, sie wird auf keinen Fall so lang wie das Original.
 

Itachis erster Eindruck von Iwa war klar. Er mochte es nicht. Das traf in Anbetracht seiner Laune auf mehrere Dinge zu, doch er konnte Gründe dafür nennen, warum er es nicht einsah, in einer zweitägigen Gewaltfahrt inklusiv Zwischenstopp in einem ruhefeindlichen Hotel hergeschleift worden zu sein.

Es war heiß. Gut, in Konoha war es auch manchmal heiß. Aber nur im Sommer und nicht auf so unerträgliche Weise – die Luft war dick und stand geradezu. Wegen dieses Klimas gestaltete sich die Vegetation eher karg und verstärkte den tristen Eindruck. Und nicht zu vergessen, die Menschen hatten nichts Besseres zu tun, als ihn wegen seiner blassen Haut und seines dunklen Haars anzustarren.

Deidara ließ sich dadurch nicht in seiner Freude, seine Geburtsstadt wiederzusehen, bremsen. Trotz der drückenden Hitze und der anstrengenden Fahrt verfügte er über abartige Energiereserven.

Es war immer noch ein eigenartiges Gefühl, Hand in Hand zu laufen. Itachi gehörte nicht zu der Sorte Mensch, die ihre Telefongespräche mit 'Ich liebe dich' beendeten oder dem Partner all seine überragenden Vorzüge aufzählte, um Zuneigung zu bekunden. Ganz davon ab waren ihm romantikbeladene Szenen zuwider. Dieses Geplänkel stumpfte ab, und es war langweilig, jemanden in- und auswendig zu kennen.

Es gab andere, wenn auch nicht immer angenehme Wege, die besagte Zuneigung darzustellen. Was zum Beispiel hieß, dass Itachi mindestens ein Mal im Monat eine Nacht lang nervös wachlag, um am Tag darauf ein Motocrossrennen zu ertragen, bei dem er aufrichtige Ängste ausstand und am späten Abend bis auf die Knochen nass, verdreckt und völlig ausgebrannt zurückkehren durfte. Der Grad des Verstehens zwischen ihnen würde wohl nie umfassen, warum man sich diese Rennen antun musste. Allerdings war es auch nicht so reizlos, wie Itachi es denunzierte, denn nachdem er die aufgeführten Strapazen mit dem Wetter und der Furcht ertragen, eine Ladung von Rädern aufgewirbelten Schlamm abbekommen und einen halben Hörsturz vom Lärm erlitten hatte, gab es nach wie vor den Moment, indem das gewünschte Motorrad endlich still stand, Deidara seinen erdbespritzten Helm abnahm und grinste wie ein Idiot – und das war der Moment, in dem die vermaledeite Kerze in Itachis Herz lichterloh brannte.

Die Idee, so etwas wie Urlaub mal in Erwägung zu ziehen, stammte von Itachis Mutter. Ihrer Meinung nach konnte es nicht schaden, in dem überhaupt nicht weniger werdenden Stress etwas von der Welt zu sehen. Deidara hatte das mit Begeisterung aufgenommen und kurzerhand bestimmt, sie würden nach Iwagakure fahren, um Itachi seinen Eltern vorzustellen. Und dafür hatte er ihn zwei Tage lang mit dem Motorrad auf diese Reise gezerrt.

Itachi wusste, dass er den Fehler so schnell nicht wieder machen würde.

Da waren sie also, Itachi in einer sehr abgekämpften Verfassung und Deidara aufgekratzt wie eh und je. Falls es dafür einen gesonderten Grund gab, war er Itachi entfallen. Er nutzte den Moment der Unachtsamkeit und setzte sich bei der nächsten Gelegenheit auf den Rand eines Bottichs voll staubtrockener Erde, in dem ursprünglich wohl etwas hatte wachsen sollen.

"Ah... Ich glaube, du willst heute keine Stadtrundfahrt mehr machen, oder, un?"

Itachi funkelte Deidara gereizt an.

"Ich werde heute überhaupt keine Fahrten mehr machen."

Deidara faltete seinen Stadtplan zusammen und summte fröhlich: "Du wirst es müssen, meine Eltern wohnen ein Stück von hier, un."

Er nahm neben Itachi Platz und zupfte ihm beiläufig ein paar schweißverklebte Strähnen aus der Stirn. Itachi war durch Taten leichter zu besänftigen als durch Worte.

"Keine Bange, sie werden dich mögen, un."

Deidara hatte sich kaum über seine Eltern geäußert. Er wollte die Überraschung erhalten, obwohl es für Itachi wenig Vorfreudeerregendes gab. Stattdessen fragte er sich, ob Deidara ihnen eigentlich erzählt hatte, dass er einen festen Freund hatte. Erfahrungsgemäß war das der Alptraum aller Eltern... Je länger er hier saß und darüber nachsann, desto mehr bezweifelte er, ob diese Reise eine übermäßig geniale Idee gewesen war. Es war nicht so, als wollten sie heiraten, warum musste er demnach die Familie seines Freundes kennen lernen?

Zurück zum ersten Teil des Gedankens. Sie wollten nicht heiraten. Sie wohnten seit gerade mal einem Monat zusammen, weil Itachis Mutter noch nicht aus der Haft entlassen war und Itachi sich schwer daran tat, Sasuke allein leben zu lassen. Irgendwann hatte Sasuke sein Argument, es hätte zwei Jahre lang wunderbar funktioniert, da sie ihre Freizeit ohnehin getrennt verbrachten, durchgesetzt.

Theoretisch hatten sie also keine Zeit für Urlaub. Die neue Wohnung war noch nicht fertig, und je eher sie das hinter sich brachten – und es endlich nicht mehr nach Farbe stank – desto besser.

So weit seine Sicht der Dinge. Aber Deidara hatte energisch darauf bestanden, seine Eltern vorzustellen, und er war eindeutig derjenige mit den romantischen Hirngespinsten. Bei näherer Betrachtung war es nicht so abwegig, dass er beabsichtigte...

"Deidara?"

Hochzeiten waren Kitsch. Purer, nervtötender, klischeehafter Kitsch.

"Un?"

Allerdings wäre es sehr brüsk, das offen zu sagen.

"Hast du allen Ernstes vor..."

Das war völliger Blödsinn. Er konnte nur wiederholen, sie wohnten erst seit kurzer Zeit zusammen. Sie waren beide noch unschlüssig, was nach dem Studium werden sollte. Und man heiratete erst ab dreißig! Dass seine Mutter mit achtzehn geheiratet hatte (und er schon ein Jahr darüber hinaus war), war absolut kein Argument!

"Was denn, un?"

Deidara beobachtete ihn mit argloser Neugier. Itachi maß ihn mit einem misstrauischen Blick.

"Hast du allen Ernstes vor, mich zu-"

Ein Schrei schnitt ihm das Wort ab. Ein Schrei, der in seinen Tonschwankungen an eine Feuerwehrsirene erinnerte. Itachi fuhr erschrocken zusammen. Das war kein idealer Auftakt...

Falls Deidara irgendwelche Worte der Begrüßung fallen ließ, gingen sie in dem Schrei unter. Itachi blinzelte mehrmals verwirrt.

Er kannte nicht viele Mütter. Mädchen in einem bestimmten Alter hielten sich von ihren Müttern fern, als ginge es um ihr Leben, Kisames Eltern waren geschieden und seine eigene Mutter so ziemlich das präzise Gegenteil dieser Frau. Das fing schon damit an, dass sie ihren Sohn nie mit einem solchen Getöse begrüßt hätte.

Deidaras Mutter war von kleiner, etwas korpulenter Statur. Die kräftigen Arme benutzte sie, um entweder andere zur Seite zu stoßen oder ihren Sohn in eine knochenbrechende Umarmung zu ziehen, obwohl er ein Stück größer war als sie. Ihr Haar war flachsblond und schulterlang, wellte sich jedoch in alle erdenklichen Richtungen. Ihr Gesicht war rund und freundlich; Itachi hätte es nicht direkt als schön bezeichnet. Ihre Haut war mit Sommersprossen überzogen, der Mund breit und zinnoberrot geschminkt. Sie war nicht mehr jung, vermutlich Mitte vierzig, und der Ansatz ihrer Haare verfärbte sich in der Sonne silbrig.

Ihre Augen waren von demselben intensiven Enzianblau wie Deidaras, ansonsten fand Itachi wenig Ähnlichkeiten.

Itachi stand der Höflichkeit halber auf, bekam allerdings keine Gelegenheit, vor ihrer offenen Herzlichkeit in Deckung zu gehen – sie unterzog ihn derselben Prozedur wie ihren Sohn. Von einer fremden Frau aus dem Stegreif umarmt zu werden, war tatsächlich ein krasser Gegensatz zu der stillen, sanften Mikoto. Itachi unterdrückte mit Mühe ein Schaudern, als sie sein Gesicht in die Hände nahm und vorsichtig drehte. Zumindest dabei war sie nicht anders als ihre Landsleute...

Deidara räusperte sich vernehmlich, und sie ließ ihn los. Von Nahem hatten ihre weichen Züge Ähnlichkeit mit seinen, auch wenn sie bei Deidara weniger füllig waren.

"Hübscher Junge. Itachi heißt du?"

Sie sprach den Namen mit ihrem tiefen Akzent langsam und deutlich aus, während sie seine Reaktion abwartete. Ihr Parfüm war schwer und aromatisch – Kassiablüte, wenn er sich nicht irrte.

Itachi nickte bestätigend, und sie drückte ihm freundlich die Schultern.

"Wunderbar, freut mich. Ich bin Taeko, du darfst mich Tae nennen."

Itachi nickte wieder, diesmal mechanisch. Ihre Zutraulichkeit schüchterte ihn ein.

Nach der kurzen Bekanntmachung wandte sie sich vorwurfsvoll an ihren Sohn: "Als du sagtest, du besuchst uns, dachte ich nicht, dass du dieses furchtbare Motorrad nimmst! Die ganze Strecke, so eine Strapaze... Außerdem ist es gefährlich, das weißt du."

Deidara ertrug ihre mütterliche Zurechtweisung mit der Art Lächeln, die ihr klarmachte, dass sie auf taube Ohren stieß. Stattdessen sah er sich suchend um.

"Dad kommt nicht, un? (Suffixe sind aufgrund des Ortswechsels und des irgendwie zu formellen Klangs geändert)"

Er klang enttäuscht. Taeko tätschelte ihm beschwichtigend den Arm.

"Er muss arbeiten. Ab morgen nimmt er sich frei."

Itachi entspannte sich etwas. Das bedeutete ein wenig Ruhe – die hatte er in den letzten Tagen schmerzlich vermisst.

"Jetzt seid ihr wahrscheinlich müde..."

Sie warf Deidara einen tadelnden Blick zu und fügte hinzu: "Du bist es nicht, ich weiß, aber wie kannst du dich so von deiner schlechtesten Seite zeigen, wenn du es schon mal für nötig hältst, einen Freund herzubringen?! Hast du ihn überhaupt gefragt, ob ihm etwas fehlt, er ist so blass... Wo war ich? Ach ja, ich hab noch was zu erledigen. Geht schon mal vor, ich komme nach. Es ist schon fast Abend, doch wie ich dich kenne, hast du irgendwas Minderwertiges gegessen. Ich hab dein altes Zimmer umgeräumt, ihr könnt beide dort schlafen. Hier, der Haustürschlüssel. Kennst du den Weg noch?"

Taeko beendete ihren munteren Redeschwall abrupt und musterte ihn scharf. Offensichtlich war ihm sein schlechter Orientierungssinn angeboren. Deidara beteuerte hastig das Gegenteil und ging nicht auf die Bemerkung bezüglich Itachi ein. Der Mutterinstinkt dieser Frau weitete sich anscheinend recht schnell aus.

Taeko ließ sie allein, um ihre – wie auch immer gearteten – Erledigungen hinter sich zu bringen. Nach Itachis Einschätzung war die dralle, lebensfrohe Frau kein sonderliches schauspielerisches Talent. Sie schien sich wirklich nicht an der Begleitung ihres Sohnes zu stören.

Zu Itachis großem Missfallen war er danach gezwungen, wieder auf dieser Höllenmaschine Platz zu nehmen. Deidara war zwar stark geneigt, ihn trotz der Anweisung seiner Mutter herumzuführen – es mochte an der Erschöpfung liegen, doch Itachi verstand nicht, was es in dieser Einöde zu zeigen gab - beließ es dennoch glücklicherweise bei einer euphorischen Aufzählung der Sehenswürdigkeiten.

Dieser Urlaub versprach anstrengend zu werden.
 

"Sie hat es wirklich umgeräumt! Wehe, sie hat etwas weggeschmissen, un!"

Der Wohnstil in Iwa unterschied sich grundlegend von dem in Konoha, den Itachi kannte. Statt den fragilen Bauten waren die Häuser groß, massiv steinern und weitläufiger, als es in der Großstadt möglich gewesen wäre. Balkons gab es nicht, der Boden war ausschließlich gefliest. Dafür gab es umso mehr farbenfrohe Tapete und eine fast tropische Vielfalt an Zimmerpflanzen. Itachi bewunderte noch, wie man in einem kühlen, relativ dunklen Flur so große Clematis züchten konnte, während Deidara aufgeregt sein Kinderzimmer inspizierte. Der erste Blick in die genannte Örtlichkeit ließ Itachi erstaunt die Stirn runzeln.

"Hast du die Wände bemalt...?"

Deidara nickte nicht ohne Stolz. An den Wänden ließ sich der Alterungsprozess anschaulich verfolgen. Mitten auf der Wand hinter dem Bett befanden sich bunte Handabdrücke und plumpe Figuren, die allmählich detaillierter und anspruchsvoller wurden. Lediglich die Türseite war nicht fertiggestellt.

Aufgrund mangelnder Benutzung waren hier recht wenige Pflanzen. Das Bett war groß und von dicken Teppichen unterlegt. Ein reichlich chaotisches Bücherregal und ein ebenso chaotischer Schreibtisch hätten ebenso gut aus Deidaras Wohnung in Konoha stammen können. Der Kleiderschrank war voll von Kinderkleidung, von der Taeko sich vermutlich nicht hatte trennen können.

Rechts neben dem Bett war ein Futon ausgelegt worden. Itachi betrachtete den pfirsichfarbenen Plüschteppich, auf dem mindestens ein Mal etwas verschüttet worden war, etwas zweifelnd, bevor er sich auf dem Futon niederließ. Der Gedanke, dass er sein Gepäck nicht mitgebracht hatte und zum Holen wieder aufstehen musste, war unerträglich.

"Du kannst noch nicht schlafen! Tu wenigstens so, als wärst du ein wenig interessiert, un!"

Itachi fixierte seinen Freund träge durch halb geschlossene Lider.

"Alles zu seiner Zeit."

"Schlafen kannst du nachts, un."

"Man kann eine Ausnahme machen, wenn man in den letzten zwei Tagen kaum Gelegenheit zum Schlafen hatte."

Deidara zuckte mit den Schultern und bedeckte gedankenverloren einen der kleinen Handabdrücke mit seiner eigenen.

"Es ist erst sechs, un."

"Und es ist sengend heiß draußen."

"Nachts wird's nicht besser, un."

Großartig. Was für tolle Umstände für einen Erholungsurlaub.
 

Deidara teilte Itachis geringe Begeisterung nicht. Er hatte seine Heimat im Grunde immer vermisst und in letzter Zeit öfter mit dem Gedanken gespielt, hierher zurückzukehren. Falls es dazu kam, wollte er Itachi mitnehmen – er war zuversichtlich, dass der Schwarzhaarige Iwa früher oder später für sich entdecken würde.

Die vertraute Kälte der Steine erinnerte ihn an seine Kindheit. Beklemmungen, die ihn hin und wieder in Konoha geplagt hatten, spürte er hier ebenso wenig wie die unangenehme Ruhelosigkeit, die ihm in manchen Nächten den Schlaf geraubt hatte. Und Itachi schien außerhalb von Konoha keine solche Symptome zu haben. Umso besser.

Deidara rieb sein nasses Gesicht gründlich mit einem Handtuch ab und betrachtete zufrieden seine Reflektion im Badezimmerspiegel. Wie oft hatte er vor diesem Spiegel gestanden und versucht, Seifenblasen an die Oberfläche zu kleben? Gut, das hatte eine Riesensauerei und einen sehr glitschigen Fußboden gegeben, und ein Mal war ihm die Bank weggerutscht... Na ja, man konnte nicht an alles schöne Erinnerungen haben.

Der Fall hatte höllisch wehgetan, und der Bruch war sauber gewesen. Deidara betastete probeweise sein nacktes Schlüsselbein. Er glaubte beinahe, den harten Aufprall immer noch fühlen zu können. Zusammen mit der leidvollen Erfahrung, dass seine Mutter nach diesem Vorfall jedes Seifenprodukt im gesamten Haus weggeschlossen hatte.
 

Itachi bürstete mit penibler Sorgfalt sein Haar. Eigentlich war das nicht nötig, aber er langweilte sich. Und außerdem hielt ihn die stupide Tätigkeit davon ab, sich vor Augen zu führen, dass in Konoha um diese Zeit die Temperaturen fielen. Ein kurzes Fensteröffnen hatte vorhin gezeigt, dass das hier nicht der Fall war.

Taeko hatte sich nicht mehr gemeldet, obwohl Itachi sie im unteren Teil des Hauses rumoren hörte. Itachi war das nur recht – hätte Deidara ebenfalls die Gnade gehabt, sein Energielevel herunterzuschrauben.

"Das ist zu warm, un."

Das bezog sich zweifellos auf die Kleidung. Itachi war nach wie vor ein Jeans-und-T-Shirt-Typ. Besagter gab lediglich ein unwilliges Grunzen zur Antwort und starrte von seinem Futon aus die Decke an.

"Das Bett ist ziemlich breit, un."

Itachi entging der hoffnungsvolle Unterton nicht. Er grinste.

"Leider wäre es grob unhöflich, wenn deine Mutter den Futon umsonst ausgelegt hätte."

"Du willst nicht wissen, womit dieser Teppich unter dir alles in Kontakt gekommen ist, un."

Itachi betrachtete die bunte Fleckenzusammenstellung übertrieben nachdenklich. Nein, eher nicht.

"Ist das überhaupt noch feststellbar?", fragte er und ließ sich neben Deidara auf das Bett fallen, ohne den Teppich aus den Augen zu lassen. Allmählich war er nicht mehr so sicher, ob die Originalfarbe tatsächlich Pfirsich war...

Deidara gab ihm einen mahnenden Nasenstüber für das mangelnde Interesse an seiner Person. Gewöhnliche Paare mochten bei solchen Gelegenheiten anzügliches Geplauder oder das übliche Geturtel austauschen, doch solche Gespräche verloren mit zunehmendem Sarkasmus ihren Romantikgehalt.

"Morgen lernst du Dad kennen, un."

"Ist er genauso wie deine Mutter?"

Deidara hob eine Braue, während er sein Haarband umständlich löste.

"Wie ist sie denn, un?"

Itachi zögerte kurz.

"Anders, als ich sie mir vorgestellt hatte."

Deidara überhörte den vorsichtigen Beiklang nicht, ebenso wie die recht deutliche Botschaft 'Wolltest du gesagt bekommen, dass ich sie seltsam finde?'. Er wischte sich den nunmehr störenden Pony beiseite und warf Itachi einen bemüht strengen Blick zu.

"Sie ist nicht verrückter als ich, und wir kommen auch aus, un."

"Ihr Griff ist auf jeden Fall sehr fest."

"Sie mag dich eben, un."

Itachi rollte ironisch mit den Augen.

"Ich wickle noch deine gesamte Familie um den Finger."

"Und ich kriege einen separaten Finger, den Ringfinger, un."

War das eine Andeutung? Itachis gelassene Stimmung trübte sich etwas. Er war nicht mal sicher, wie er selbst darüber dachte... Nur, weil seine Mutter so jung geheiratet hatte, musste das nicht heißen, dass er das nachmachen wollte. Obwohl das Problem mit der Familiengründung bei ihnen ausgeräumt war...

"Itachi, un?"

Der Gerufene zuckte zusammen und versuchte, eine unverfängliche Miene aufzusetzen.

"Hm?"

Deidara lächelte reumütig und verflocht ihre Finger.

"Morgen hetze ich dich nicht so, un..."

Itachi ermahnte sich, den bloßen Brustkorb seines Freundes nicht zu beachten und quittierte das Zugeständnis mit einem gleichmütigen Schulterzucken. Vielleicht würde er ihn nicht mehr hetzen, aber seinem Enthusiasmus waren schwer Grenzen zu setzen. Und übermäßiger Enthusiasmus war Gift für die Erholung.

Nun ja, vielleicht nicht für jede Art von Erholung, gab Itachi zu, als er sich küssen ließ. Der Hinweg hatte an seinen Nerven gezerrt, und diese Hochzeitsandeutungen hatten ihn beunruhigt, umso willkommener war es nun, die anstrengenden Tage zu vergessen... Mit einem leisen Seufzen ließ er sich auf die Matratze zurücksinken. Deidara beugte sich über ihn und führte den Kuss fort, ohne seine Absicht zu vertuschen, dass er die heutige Gesprächsphase für beendet erklärte. Itachi nahm das klaglos hin, bis sein Freund ihm mit einem kindischen Kichern das T-Shirt über den Kopf zog und damit seine wunderbar gebürsteten Haare in Unordnung brachte. Mit einem kleinen Laut des Unmuts drehte Itachi den Kopf zur Seite. Deidara war damit nicht zu beeindrucken, er versah ungerührt die dargebotene, milchig weiße Haut des Halsansatzes mit Küssen.

Das war definitiv eine erholsame Sorte Enthusiasmus...

"Habt ihr noch genug Handtücher? Oh..."

Mit einem Ruck setzte Itachi sich auf und schob Deidara ein Stück von sich weg, wobei seine Finger etwas länger als nötig auf der warmen, glatten Schultermuskulatur verweilten. Taeko betrachtete ihren Sohn und dessen – falls sie das jetzt erst begriff – Liebhaber mit einem großen Stapel bunter Handtücher in den Händen, hinter denen sie sich zu verstecken schien.

Itachi verstand mit äußerster Willenskraft der Versuchung, das Gesicht zu verbergen. Es gab Dinge, die waren peinlich. Und es gab Dinge, bei denen man sich ein Schwarzes Loch herbeisehnte. Letzteres traf gerade zu.

Perfect Tour

Lange war Taeko nicht mit ihrem unpassenden Auftritt beschäftigt. Sie ließ die Handtücher auf eine niedrige Kommode neben der Tür fallen und feixte verschmitzt.

"Na ja, das musste euch eben mal passieren, nicht? Seid froh, dass ich keine Fremde bin... Gute Nacht!"

Nachdem die Tür sich geschlossen hatte, verdrehte Itachi gequält die Augen. Froh? Keine Fremde? 'Gute Nacht' mit seltsamer Betonung? Das hatte nicht so zu laufen, verdammt!

Deidara machte sich weit weniger Sorgen. Er schien das mit dem Schwarzen Loch auch nicht so dramatisch zu nehmen.

"Entspann dich. Morgen hat sie das wieder vergessen, un."

Itachi glättete sein Haar und ließ sich rücklings auf die Matratze sinken. Sie war samtweich und duftend, doch das ließ Itachis missmutige Miene nicht freundlicher werden.

"Hast du dir überhaupt die Mühe gemacht, sie aufzuklären?"

"Worüber, un?"

Deidara blinzelte arglos und schaltete das Licht aus. Itachi spürte, wie der Blonde ihm im Dunkeln einen Kuss auf die Stirn drückte und völlig selbstverständlich den Arm unter Itachis Kopf schob. Diese kleine, beiläufige Geste der Zuneigung war beinahe genug, um den Uchiha seine mulmige Vorahnung vergessen zu lassen.

Beinahe.

"Die meisten Eltern sind entsetzt, wenn ihr einziger Sohn homosexuell ist."

Eine Mischung aus einem Seufzen und einem Gähnen folgte.

"Wenn dich das so bedrückt, werde ich morgen Dad zu dir schleifen und euch bekannt machen. Er reißt dir nicht den Kopf ab, un."

Itachi schmiegte sich wortlos an die warme Haut unter seiner Wange. Wie Deidaras Vater reagieren würde, wusste er nicht. Aber in einem hatte sein Freund vermutlich Recht, er machte sich zu viele Sorgen.

Hoffentlich.
 

Schöne, ruhige Morgenstunden. Das Zimmer war angenehm war, kein Lärm störte die Stille, wie es in Konoha ständig der Fall war, und er schwebte zufrieden im Halbschlaf.

Deidara hatte diese seltenen Morgenstunden schon immer geliebt, und sie wurden noch besser, wenn man nicht allein war. Hin und wieder zuckte einer von Itachis Muskeln im Schlaf – ein Zeichen, dass der vorherige Tag ihn gestresst hatte – doch das war Vergangenheit. Er war sicher, dass dieser Tag großartig verlaufen würde – alles andere war nicht in Sicht.

Zufrieden seufzend vergrub er sein Gesicht in Haar, das wahrscheinlich nicht sein eigenes war. So viel Mühe Itachi sich auch gab, keine aromatisierten Shampoos zu benutzen, würden seine Haare wohl nie ganz jede Duftnote verlieren.

Wo war er stehen geblieben? Ach ja, das war der perfekte Urlaub. Zwei Wochen Urlaub, die in Konoha keinesfalls so verlaufen könnten.

Träge öffnete er eins seiner Augen und betrachtete gedankenverloren das dunkle Haar, während er mit einer Hand Itachis Wirbelsäule auf- und abstrich. Falls Itachi noch nicht wach gewesen war, änderte sich das jetzt. Trockene Lippen verzogen sich an seinem Halsansatz zu einem Lächeln. Seine Mutter würde vermutlich nicht noch mal denselben Fehler machen...

Das Einsetzen von Musik beendete den Moment trauter Zweisamkeit abrupt. Sehr lauter Musik.

"Mom, mach das aus, un!"

Deidaras Ruf ging in dem Krach unter. Und mit ihm die letzte Hoffnung auf einen schönen Start in den Tag. Stöhnend setzte er sich auf und wartete, dass Taeko einfiel, dass sie nicht allein war.

Währenddessen drehte Itachi sich auf den Bauch und drückte sich das Kissen auf die Ohren, was für ihn nicht gerade typisch war. Er hatte gerade angefangen, Iwa zu mögen. Und schon bewies ihm dieses Land, dass es dessen nicht wert war. Er wollte zurück nach Konoha, da war der Straßenlärm zumindest weniger scheußlich als diese Musik...

Endlich trat wieder Stille ein. Es geschahen tatsächlich noch Zeichen und Wunder... bis die Tür aufging.

"Mom, du könntest wenigstens klopfen, un!"

Taeko bahnte sich ihren Weg herein und zerrte einen Staubsauber hinter sich her.

"Wozu, anders kriegt man dich nicht aus dem Bett. Ich muss hier mal saugen."

"Doch nicht jetzt, un!"

Taeko musterte ihren Sohn verwirrt.

"Wieso, gibt es da etwas, das ich nicht finden soll?"

Deidara seufzte frustriert. Und er zeigte sich von seiner schlechtesten Seite, ja?

"Nein! Nur warum musst du uns um diese Zeit aus dem Bett schmeißen, un?!"

"Uns?"

Seine Mutter wiederholte das überrascht, dann ließ sie unter lautem Getöse den Hals des Staubsaugers fallen.

"Herrje, stimmt! Tut mir leid, Itachi!"

Besagter setzte sich ebenfalls auf, sein Kissen vor die Brust gedrückt.

"Kein Problem...", murmelte er finster.

"Wir wollten sowieso aufstehen."
 

Glücklicherweise ließ Itachis schlechte Laune bis zum Frühstück nach. Also gerade rechtzeitig, um herauszufinden, dass nicht mal die Küche so war, wie er es gewohnt war. Nein, Iwa war fixiert auf Geschmacksextreme, oder Taeko konnte nicht kochen. Itachi war taktvoll genug, um vom Ersten auszugehen, obwohl er insgeheim eher das Zweite vermutete.

"Wenn ihr rauswollt, seid zum Abendessen wieder da. Dein Vater kommt auch, da ist es nicht zu viel verlangt, ein wenig zu erzählen."

Itachi starrte nachdenklich auf die in einer abartig süßen Soße ertrinkende Waffel auf seinem Teller. Erzählen? Tolle Idee. Welches Ereignis hatte ihre Beziehung geprägt? Richtig, und seine Familie war ein Desaster. Der einzige, der sich des Attributs 'normal' rühmen durfte, war Sasuke. Und das würde früher oder später rauskommen. Ob Deidaras Eltern tolerant waren oder nicht, spielte in einer ganz anderen Liga.

Dass Taeko ihn unverhohlen musterte, irritierte Itachi und störte seine pessimistischen Überlegungen.

"Deine Haut sieht empfindlich aus. Hast du Sonnencreme dabei?"

Itachi nickte. Natürlich. Er wollte keine dunklere Haut, das war... unpassend. Gut, Deidara stand es, aber das war nicht dasselbe.

"Sei nicht so still. Ist Konoha schön?"

Das klang, als wäre sie nie dort gewesen, obwohl ihr Sohn dort seit Jahren zur Schule ging. Apropos, wo war Deidara? Sein Platz war leer.

"Es ist... anders."

Das war das Freundlichste, was Itachi spontan einfiel. Taeko rührte mit wehmütigem Gesichtsausdruck ihren Kaffee um.

"Es ist schön, oder? Ich wollte auch immer dorthin."

Wo war die feine Linie zwischen Smalltalk und Privatsphäre? Itachi beschloss, nachzuhaken.

"Warum sind Sie nicht mit Deidara gegangen?"

Deidara machte nicht ein Eindruck, glücklich darüber zu sein, dass er von seiner Familie getrennt war. Taeko drehte eine Haarsträhne um den Finger.

"Na ja... Ursprünglich hieß es, das wäre nicht gut. Familienplanung, verstehst du?"

Sie zwinkerte ihm schelmisch zu.

"Daraus wurde nicht recht etwas, und danach... wollten wir die Zustände nicht mehr ändern, weil er allein zurechtkam."

Zurecht wohl, doch das hieß nicht automatisch zufrieden. Deidara hatte diesen kindischen Wesenszug nie richtig abgelegt, weil ihm keiner gezeigt hatte, wann er erwachsen werden sollte. Sasori vielleicht, nur war auch der keine geborene Vorbildfigur.

"Hast du Geschwister?"

Ihre Stimme klang sehnsüchtig. Itachi fragte lieber nicht nach, warum sie keine weiteren Kinder hatte.

"Ja, einen kleinen Bruder. Deidara und er verstehen sich ganz gut."

Das hieß, wenn sie dazu Lust hatten. Taeko grinste, als hätte sie das erraten.

"Eifersüchtig, was? Und wie habt ihr beiden euch kennen gelernt?"

Gott sei Dank erwählte Deidara diesen Moment, um zurückzukommen – Itachi hätte nicht gewusst, wie er das beantworten sollte. Er stand auf und warf dem anderen einen tadelnden Blick zu, als er ihm das Haar zerzauste. Taeko beobachtete sie mit mütterlicher Nachsicht.

"Vergiss das Abendessen nicht, Und lass diese Höllenmaschine hier!"

Musik in Itachis Ohren. Kein verdammtes Motorrad. Deidara machte eine enttäuschte Miene.

"Dann kann ich für das Erste nicht garantieren, un."

Taeko winkte ab.

"Das wagst nicht mal du. So, wollt ihr hier Wurzeln schlagen?"

Deidara zog Itachi beleidigt aus der Küche. Aha, das hieß, sie würden auf die altbekannte Zerrmethode zurückgreifen. Wunderbar.

"Deine Tasche ist da, un."

Zurück im Hausflur machte der Blonde Anstalten, so schnell wie möglich zu verschwinden. Dabei murmelte er halblaut Namen vor sich hin, die Itachi noch nie gehört hatte.

"Hat deine Mutter die gepackt?"

Itachi versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, dass das ein Eingriff in seine Privatsphäre und anbei passender bei einem Fünfjährigen war.

"Sie meint's nur gut, un."

Itachi kommentierte das lieber nicht.
 

Draußen war es schätzungsweise ein paar Grad kühler als gestern, was sich vermutlich noch ändern würde, sobald die Sonne höher stieg. Itachis Meinung hatte sich nicht geändert – hier sah alles mehr oder weniger gleich aus.

Deidara betrachtete den entfalteten Stadtplan. Er hatte bestimmte Orte farbig eingekreist.

"Mittags müssen wir irgendwo eine Pause machen, sonst kriegst du einen Sonnenstich, un."

"Du nicht?"

Es war nicht so, als wäre es in Konoha zeitweilig nicht auch heiß. Bis zu einem gewissen Punkt war das sogar angenehm.

Deidara grinste überlegen.

"Ich nicht. Abgehärtet, un."

Bevor sie das vertiefen konnten, faltete Deidara den Stadtplan wieder zusammen.

"Lass uns gehen, un!"
 

Itachi bekam genügend Gelegenheiten, die krassen Unterschiede zwischen ihren beiden Heimatstädten zu finden. Deidara beschwerte sich zwar, in Konoha sehe jedes Haus gleich aus, doch das fand Itachi hier viel zutreffender. Die Formen der Häuser waren äußerst identisch, allein der genaue Farbton des Steins variierte. Die Vegetation war überall karg, bis auf dunkles Gras und Stechgewächse gab es wenig.

Blond war offenbar die dominierende Haarfarbe in Iwa, so unlogisch es auch klang. Ausländer fielen ihm keine auf, oder er war der einzige, bei dem das so herausstechend war. Die neugierigen Blicke gingen ihm auf die Nerven.

Schönheit erlangte Iwa in gewissem Maße durch die diversen Skulpturen in allen Größen und Formen. Anders als in Konoha gab es keine Spuren von Vandalismus, obwohl die Jugend hier nicht besonders anders zu sein schien.

Gerade besichtigten sie den Drehort des Itachi so verhassten Actionfilms 'Hellburner', dessen endlose Fortsetzungen er sich zu seinem Leidwesen alle hatte anschauen müssen, als Deidara begann, unruhig den Himmel zu begutachten.

"Was ist?"

"Es sieht nach Regen aus, un..."

Itachi hob den Kopf. Hatte die Prognose eine versteckte Bedeutung? Denn der Himmel war klar und blau wie schon den ganzen Tag. Deidara hob mahnend den Zeigefinger, bevor er das aussprechen konnte.

"Wichtig für Stadttouren durch Iwa: es fängt dann an zu regnen, wenn du es nicht erwartest, un."

Wie um seine Worte zu untermalen, schwemmte im wahrsten Sinne des Wortes aus heiterem Himmel eine bleigraue Wolkenmasse über sie hinweg. Auf Itachis Nasenbein zerplatzte ein warmer Regentropfen – in der nächsten Sekunde wandelte sich das zum Platzregen. Das Trommeln des Wassers übertönte, was Deidara ihm zurief – sehen konnte er ihn so oder so nicht, ohne dass ihm Regen in die Augen rann. Dementsprechend froh war er, als der Blonde lediglich seine Hand packte und ihn mitzog. Itachi stolperte blindlings hinter ihm her, obwohl es keinen Sinn mehr machte zu rennen. Er war nass bis auf die Knochen.

Wie er Iwa hasste...

Deidara zerrte ihn mit sich in das schmucklose Foyer eines Touristenhotels. Die Halle war ausgestorben, nur eine Rezeptzionistin telefonierte angeregt, ohne sie zu beachten.

Itachi wischte sich triefende Haarsträhnen aus der Stirn. Seine Kleidung klebte an ihm, der Stadtplan war durchgeweicht und das Mistwetter hielt an. In einem Wort: ein voller Erfolg.

"Ist dir immer noch zu warm, un?"

Und selbst jetzt war Deidara zum Scherzen aufgelegt. Itachi warf ihm einen genervten Blick zu und ging zu einem der Waschräume, um sein Haar über etwas auszuwringen.

"Wir hätten gleich sowieso einen Stopp einlegen müssen, un."

Der Waschraum war genauso trist wie das Foyer. Man schien hier nicht viel auf Touristengastronomie zu geben. Itachi fühlte sich dadurch bloß noch mehr fehl am Platz.

"Und, wie gefällt es dir, un?"

Deidara sah ihn erwartungsvoll an, und Itachi brachte es nicht über sich, die ungeschminkte Wahrheit zu sagen. Also rang er sich ein 'Ganz gut' ab und verbarg sein Gesicht hinter einem Streifen Papierhandtuch. Als er davon aufschaute, durchwühlte Deidara im Stehen seinen Rücksack, die Unterlippe schmollend vorgeschoben.

"Du bist so negativ, un..."

Itachi wusste, dass er sich nicht dafür rechtfertigen musste, dieses Land nicht zu mögen – dennoch verschaffte es ihm Gewissensbisse, dass er Deidara offenbar den Spaß an diesem Urlaub verdarb.

Situationen wie diese waren eigentlich rar. Sie stritten selten, und normalerweise war es Deidara, der den ersten Schritt machte.

Ein wenig unbeholfen trat er neben seinen Freund und lehnte seinen Kopf an dessen Schulter. Er hörte Deidara seufzen.

"Es wird besser, un..."

"Du meinst, wenn wir die Schlösser in deinem Zimmer ausgetauscht haben?"

Deidara grinste und stellte seinen Rucksack ab.

"Spätestens dann, un."

Er küsste Itachi auf den Mundwinkel, leicht und spielerisch. Das war der einzige Punkt, an dem Itachi so etwas wie kitzlig war. Der Schwarzhaarige gab ein leises Protestgeräusch von sich und drehte seinen Kopf so, dass Deidara seine Lippen traf. Damit verließ die Konversation den Bereich einer harmlosen Versöhnungsanfrage.

Durch seine nasse Kleidung schienen die Kacheln an Itachis Rücken noch kälter zu werden. Klamme Finger ertasteten sein Gesicht, strichen störendes Haar zur Seite und schoben sich zuerst am Nacken, dann tiefer entlang. Itachi hatte genug Gelegenheit, um zu erkennen, dass es ein Fehler war, ein Hemd mit Knöpfen zu tragen. Knöpfe und durchgeweichter Stoff waren eine schlechte Combo. Vor allem zum Aufmachen ohne Hinsehen. Und anscheinend war Deidara ein klein wenig zu ungeduldig, um so lange zu warten. Ob absichtlich oder nicht, zwei Knöpfe rissen bei der Zerrerei ab. Itachi realisierte das zunächst nur am Rande.

Gut, Sex musste nicht immer im Schlafzimmer stattfinden. Das Wohnzimmer war okay, solange niemand sonst da war. Das Bad auch, vorausgesetzt, Deidara rutschte nicht auf den Fliesen aus, und das passierte ihm ständig. Der Fahrstuhl... war hart an der Grenze. Aber eine öffentliche Einrichtung... Irgendwo hörte es auf.

Sein Gehirn kam zu diesem Schluss, den sein Körper mit Bravour ignorierte. Viel zu sehr hatte er es vermisst, jede Schramme und kleine Narbe, von denen Deidara recht viele besaß, auf dessen Haut zu suchen und nachzuziehen. Sein Kopf brodelte mit Glücksgefühlen, während er Deidara bewies, dass er nach wie vor der bessere Küsser war. Seine Atemzüge waren längst schneller und hastiger geworden, und der Waschraum erzeugte ein blechernes Echo dazu.

Deidara bedeckte Itachis Gesicht mit zärtlichen Küssen bei denen sich der Körper des Schwarzhaarigen mit Gänsehaut überzog. Ungeduldig zog er ihm das T-Shirt über den Kopf und ließ es achtlos zu Boden fallen. Seine Hände waren anderweitig beschäftigt, glitten provokant langsam tiefer...

Das Quietschen der Türangeln ließ Itachi zusammenzucken. Kurz darauf tauchte eine Gestalt im Rahmen auf. Itachi vergrub das Gesicht in Deidaras Halsbeuge. Es gab ein Wort für diese Situation, in die er nie hatte kommen wollen: inflagranti.

Und damit nicht genug. Zwar brauchte Deidara einen kurzen Zeitraum, um die Veränderung überhaupt zu erfassen, doch seine atemlose, aufgeraute Frage ließ Itachi fast das Herz stehen bleiben.

"Dad, un?"

Einen Moment lang verharrte die Person reglos im Türrahmen, dann drehte sie sich um.

"Zieh dich an und komm. Sofort."

Der tiefe Bariton der Stimme täuschte nicht darüber hinweg, wie ungehalten und scharf sie klang. Kurz darauf fiel die Tür krachend ins Schloss.

Itachi schloss die Augen.

Perfect Dinner

Die Klimaanlage des Autos war so weit aufgedreht, dass Itachi fror. An ihnen raste die öde Stadtgegend vorbei, deren Nässe bereits wieder trocknete. Der Asphalt dampfte, als der elegante und vermutlich sehr teure Wagen darüber hinwegfegte.

Bisher hatte niemand mehr ein weiteres Wort verloren. Der Beifahrersitz war leer, und wenn er Deidaras Gesichtsausdruck betrachtete, konnte er sich denken, warum. Die sonst eher weichen, verträumten Züge waren in nervöser, vielleicht auch ängstlicher Anspannung erstarrt. Und es schien nichts mit dem mehr als peinlichen Vorfall vorhin zu tun zu haben, denn Deidara verhielt sich anders, wenn ihn etwas gründlich in Verlegenheit gebracht hatte.

Ein Mann, der seinen einzigen Sohn im Kindesalter allein in ein fremdes Land schickte, musste ein gewisses Maß an Gefühlskälte besitzen, zumindest dann, wenn es nur um die Schulausbildung ging. Dennoch hatte Itachi nicht erwartet, dass es sich um so eine Persönlichkeit handelte, die der ihrer Frau und ihres Sohnes so gänzlich unähnlich war.

Deidaras Vater war groß, und, soweit es der schmucklose schwarze Maßanzug durchblicken ließ, kräftig. Sein Gesicht war dreieckig geformt, markant und aristokratisch, mit einer ausdrucksstarken, nach unten gebogenen Nase und tief liegenden, strengen Brauen. Sein Haar war von einem helleren Blond und streng zurückgekämmt. Die gesamte Gesichtsfläche war glatt und makellos, Itachi schätzte ihn auf etwa fünfundvierzig, was allerdings schwer festzustellen war. Er war äußerst korrekt gekleidet, und seine stahlblauen Augen waren respekteinflößend.

Kurz nach Fugakus Tod, als Mikoto noch einige Schwierigkeiten damit hatte, mit dem Unternehmen zurecht zu kommen (und auch noch danach) hatte Itachi genügend Gelegenheit gehabt, die verschiedenen Kategorien erfolgreicher Menschen kennen zu lernen und zu unterscheiden. Wenn er sich recht erinnerte, war Deidaras Vater Anwalt, und er vertrat das Klischee der alten Schule mit seiner strikten Kleidung und seinem recht kühlen Auftreten. Solche Menschen waren meist gesundheitsbewusst, hatten felsenfeste Prinzipien und konzentrierten ihr Leben auf Arbeit und Karriere.

So weit ließ sich alles bestätigen, was er an Beobachtungen gemacht hatte. Das einzige, was nicht in Itachis Schema passte, war Taeko. Sie war so gar nicht der Typ Frau, mit dem diese Kaste (die Bezeichnung stammte von Sasuke, und daher, dass die meisten dieser Personen so penibel darauf achteten, ihre 'Kasten' einzuhalten, fand Itachi das gar nicht so unpassend) Umgang pflegte, geschweige denn heiratete und Kinder in die Welt setzte.

Itachi hatte ein ausgesprochen ungutes Gefühl, und das vermengte sich nur noch mit den angesammelten unguten Gefühlen, die er bereits hatte.
 

Taeko schien das Ganze für einen lustigen Ausflug zu halten, außerdem war sie ganz die fürsorgliche Gastgeberin, die das Abendessen vorbereitet hatte und überall herumhuschte, um letzte Vorbereitungen zu treffen. Itachi nahm sich nicht die Zeit, seiner Neugier nachzugeben und herauszufinden, wie sie ihren Gatten begrüßte, dazu wollte er zu schnell aus den nassen, lädierten Sachen raus.

Deidaras Gefühlsregungen waren dabei schwer zu lesen. Er zollte seinem Vater zweifellos Respekt, doch Itachi konnte sich noch keinen rechten Reim darauf machen, wie er sich sonst zu ihm verhielt. Keine rührenden Vater-und-Sohn-Szenen, trotzdem hatte er bei ihrer Ankunft nach ihm gefragt und sich enttäuscht gezeigt, als er nicht da war.

Itachi warf einen Blick in den Badezimmerspiegel und zog vage eine trockene Grimasse.

Es war momentan sein geringstes Problem, was er über diesen Vater dachte – andersherum saß der Teufel im Detail.
 

"Hast du Angst?"

Der Hausflur erschien Itachi mit einem Mal düster und bedrückend, obwohl das Sonnenlicht durch die hohen Fenster flutete und der Abend nach dem kühlenden Regen angenehm warm war und die herabhängenden Clematis zusätzlich einen süßen Duft verbreiteten.

"Wieso sollte ich, un?"

Deidara war blass, aber vielleicht war das bloß eine Sinnestäuschung. Itachi hoffte, dass es so war.

"Nur so."

Er wollte das nicht groß erklären, solange sie im Flur waren, gut hörbar für jeden.

"Wenn du das meinst... das war schon immer, un."

Deidara zuckte gleichgültig mit den Schultern. Itachi fand trotzdem, dass er beunruhigt wirkte.

Der Gedanke mit der Heirat fiel ihm wieder ein, ausgerechnet jetzt. Die Vorstellung war ihm schon vorher wenig verlockend vorgekommen, und inzwischen erschien sie desaströs. Zudem hatte Deidara ein zuverlässiges Gespür für den falschen Zeitpunkt, um solche Dinge anzusprechen.

"Warum hast du überhaupt darauf bestanden, dass ich deine Eltern kennen lerne?"

"Was ist daran falsch, un?"

Deidara klang sowohl leicht gereizt als auch gekränkt. Er war also tatsächlich nervös.

"Gibt es eine besondere Motivation dahinter?"

Innerhalb der Küche räusperte sich jemand vernehmlich, wohl eine Aufforderung, auf dem Flur keine Wurzeln zu schlagen. Itachi hielt den Blick seines Freundes einige Sekunden länger fest, bevor ihn umrundete und die Küchentür öffnete.

Innen war es geradezu tropisch stickig, obwohl die Fenster aufgerissen worden waren. Taeko war äußerst beschäftigt damit, in allen möglichen Töpfen herumzurühren und dieses mit jenem zu vermischen, was in Itachi beharrliche Zweifel an ihrer Kochkunst aufkommen ließen.

Deidaras Vater war nicht anwesend.

"Hat euch das Gewitter überrascht? Ich hoffe, ihr wart nicht zu weit im Osten, da hat es sogar gehagelt. Wenn das passiert, steht der Autoverkehr sofort still, weil es sonst zu gefährlich ist. Der Hagel fällt hier sehr dicht.", plauderte sie munter vor sich hin und wischte sich die Hände an ihrer langen, geblümten Schürze ab. Ein paar Haarsträhnen klebten ihr verschwitzt in der Stirn, und bei den Mengen an Wasserdampf in der Küche hegte Itachi großes Misstrauen gegen den gefliesten Boden und seine Rutschfestigkeit.

"Nö, hat nicht gehagelt, dafür waren wir am Set von 'Hellburner'. Sie sind fast fertig mit den Dreharbeiten, der Filmstart ist für diesen Winter angesagt, un."

Itachi ließ Deidara den Vortritt in die Küche und setzte sich auf einen hölzernen Hocker. Niemand, alias ihr Gatte, schien sich die Mühe gemacht zu haben, sie auf den neusten Stand der Fakten zu bringen.

Taeko lächelte. Itachi erkannte, dass sie unter ihrer Schürze dieselben Sachen wie am Morgen trug, demnach wenig formell gekleidet war. Das erleichterte ihn ein wenig.

"Wie schön. Kommt ihr wieder her, um euch den Film anzusehen?"

In ihrer tiefen Stimme deutete sich ein sehnsüchtiger Unterton an, der Deidara nicht aufzufallen schien.

"Itachi hasst den Film. Mal abwarten, un.", erwiderte er ehrlich. Taeko musterte Itachi verblüfft.

"Welcher Junge mag keine Actionfilme?"

Es klang beinahe wie ein Vorwurf. Itachi bewahrte sich noch gerade vor einer entsprechend missmutigen Antwort – beziehungsweise Deidara tat es.

"Itachi mag Splatter. Und Historikfilme, un."

Taeko hörte kurz auf, in ihren Töpfen zu rühren. Itachi fragte sich lieber nicht, woher die originelle Farbgebung deren Inhalte kam.

"Oh... Habt ihr denn gar keine gemeinsamen Interessen?"

Gemeinsame Interessen? Allein schon die enttäuschte Weise, auf die sie es aussprach, ließ Itachi das Blut in die Wangen schießen. Natürlich hatten sie gemeinsame Interessen! Vielleicht nicht viele, aber sie hatten sich arrangiert, und Itachi hatte nichts vermisst. Was machte es schon, wenn er keine platten Actionfilme mochte, davon hing keine ganze Beziehung ab!

Eine Reaktion über die fast beleidigende Äußerung blieb ihm erspart, denn Deidaras Vater betrat die Küche. Es war nicht zu erkennen, ob er sich umgezogen hatte, jedenfalls trug er dieselbe, korrekte Kleidung wie vorhin, als würde er zu einem Geschäftsessen gehen. Er durchquerte die Küche, ohne jemanden zu beachten, und richtete dabei seine Krawatte. Taeko schien sich nicht zu wundern, sie wandte sich wieder vollends ihren Töpfen zu und drehte den Herd herunter. Ihr Mann verschwand in einem angeschlossenen Zimmer, in dem Itachi bisher nicht gewesen war.

"Wohin geht es da?"

Deidara war seinem Vater mit den Augen gefolgt. Jetzt atmete er leise aus und lehnte sich rücklings gegen die Wand, an der Itachis Hocker stand.

"Ins Esszimmer, un."

Seine Stimme klang seltsam gepresst, als würde ihm dieser Raum Unbehagen bereiten. Itachi nahm an, dass es auch so war.

"Was ist damit?", hakte Itachi gedämpft nach. Taeko war ohnehin zu beschäftigt, um ihnen zuzuhören.

Deidara zuckte mit den Schultern. Sie waren unnatürlich gestrafft.

"Eigentlich benutzen wir ihn nie. Und wenn, dann... für irgendwelchen entscheidenden Kram, un."

Itachi folgerte daraus, dass Deidara als Kind in diesem Raum erfahren hatte, dass er die nächsten Jahre seines Lebens allein in einem völlig fremden Land verbringen sollte. Wenn er damit richtig lag, war es Deidaras gutes Recht, deshalb beunruhigt zu sein.
 

Ein Recht, beunruhigt zu sein, erhielt Itachi ebenso. Er hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, auf bohrende Blicke zu reagieren, wenn jemand ihn damit bedachte. Es gab zwei Arten der besagten Blicke und zwei verschiedene Reaktionen, jetzt gab es drei.

Die erste Variante solcher Blicke konnte überall passieren, zum Beispiel in der U-Bahn. Itachi ließ sich nicht gern anstarren, bei solchen Gelegenheiten starrte er unfreundlich zurück.

Die zweite Variante waren Starrduelle, bei denen Deidara immer verlor, weil er blinzeln musste.

Und vom heutigen Tage an gab es eine dritte Variante, und zwar die bohrenden Blicke eines Vaters, denen Itachi gern unfreundlich begegnet wäre, wenn das nicht so undiplomatisch gewesen wäre. Also zwang er sich, Nichtbemerken vorzutäuschen und auf seinen Teller zu starren.

"Uchiha heißt du?", beendete der ältere Mann das Schweigen. Es war eine rhetorische Frage, Itachi nickte trotzdem.

"Der Name war oft in der Zeitung..."

Itachi versteifte sich. Natürlich hatte der Mord an seinem Stiefvater Schlagzeilen gemacht, und Itachi war äußerst froh, als die Wogen sich endlich ein wenig geglättet hatten. Allerdings hätte er wissen müssen, dass der Fall bei Juristen noch nicht so weit in Vergessenheit geraten war, wie er es gern gehabt hätte.

Dennoch schien es, als hätte er Glück; Deidaras Vater fügte nichts hinzu, schien zu grübeln, was genau das gewesen war. Itachi glaubte, die Fasern am Damoklesschwert reißen zu hören.

Dann flog die Tür des Esszimmers auf und Taeko rauschte überall herum, plauderte leise mit ihrem Sohn über irgendwelche Details der Gerichte.

Itachi wunderte sich, ob sie die gereizte Stimmung nicht mitbekam oder mit aller Macht überspielen wollte.
 

Der Abend war eine Tortur. Es war stickig-warm im Raum, weil Taeko es schaffte, von überall Wasserdampf herzuleiten, die Serie der bohrenden Blicke brach nicht ab, und Deidaras Vater stellte gezielte, beinahe lauernde Fragen über alles Mögliche. Itachi und Deidara hatten sich nicht wirklich abgesprochen, was sie aus den bizarren Umständen, unter denen sie sich kennen gelernt hatten, machen sollten, Itachi hatte seinen Freund lediglich gebeten, nichts von der Rolle zu erzählen, die Mikoto in dem ganzen Fall gespielt hatte.

Allerdings schien Deidaras Vater auch gar nichts über das eigentliche Top-Thema wissen zu wollen, er suchte Itachis Meinung nach eher nach Ungereimtheiten in ihrer Schilderung von Konoha.

Taeko stellte keine Fragen oder höchstens solche, die mit Ja oder Nein zu beantworten waren, oder kommentierte etwas, ansonsten war sie still – ganz die zuvorkommende Ehefrau.

Was Itachi im wahrsten Sinne des Wortes Magenschmerzen bereitete, war das Essen. Taeko hatte sich vermutlich tatkräftig um ein Menü nach allen Regeln der Kunst bemüht, mit drei Gängen und großer Auswahl. Itachi waren manche der Ingredienzien völlig fremd, doch das änderte nichts daran, dass er das Essen nicht mochte und es eher herunterwürgte als aß.

Seine Zunge brannte so sehr, dass er Mühe hatte, die Tränen zu unterdrücken. Deidara sah absichtlich nicht in seine Richtung, er war sich also der Beobachtung seines Vaters bewusst und wich deshalb allem aus, was beleidigend wirken könnte.

Itachi atmete unauffällig durch und bemühte sich, nicht noch mal den Fehler zu machen, schwach gesalzenen Reis mit der unauffälligen, höllisch scharfen rosa Soße in Kontakt kommen zu lassen. Gleichzeitig versuchte er, keine Vergleiche mit seiner eigenen Mutter zu ziehen.

Mikoto konnte zumindest kochen, sie erachtete das nicht als unemanzipiert, sondern als wichtigen Teil des Familienlebens. Und sie war es gewohnt, dass sich jemand über irgendeine Kleinigkeit an dem von ihr vorgesetzten Essen beschwerte, darum kam man mit Söhnen in einem bestimmten Alter nicht herum. Taeko fehlte diese Phase gänzlich, dementsprechend war sie wohl anfällig für die besagte Kritik.

In einem anderen Zusammenhang hatte Deidara früher mal gemeint, seine Mutter halte Kochen für ein Ritual. Itachi war deshalb davon ausgegangen, sie beherrsche es.

Taeko sprang schon wieder auf, ihre blauen Augen glitzerten vor Stolz auf Aufregung.

"So, ich hab Nachtisch gemacht! Einen Moment!"

Itachi tröstete sich damit, dass er das Meiste geschafft hatte und ein Zuckerschock – der recht wahrscheinlich war – für ihn nicht tödlich sein würde. Für wie lange war ihr Besuch angesetzt? Zwei Wochen? Das würde er nicht durchhalten...

Taeko hatte inzwischen wieder die Küchentür aufgerissen und marschierte mit einer einzigen – Wunder über Wunder! – wenn auch ziemlich großen Platte herein, die von einer Edelstahlhaube bedeckt wurde. Itachi krallte seine Finger in die Kante der Sitzfläche und setzte eine neutrale Miene auf.

Taeko riss schwungvoll die Haube ab, und die Miene bröckelte. Itachis Magen drehte sich um, und allein der Geruch schien ihm Juckreiz zu verursachen.

Es war... Pudding. Ein großer, hübsch geformter, gelblicher Pudding mit allerlei Guss und karamellisierten Früchten.

Guapudding.

Taeko strahlte ihn an, sie schien seinen erschrockenen Gesichtsausdruck gar nicht bemerkt zu haben.

"Es war knapp, aber er ist mir trotz allem gelungen! Willst du ihn probieren, Itachi?", schlug sie begeistert vor. Itachi schüttelte beklemmt den Kopf.

"Ich kann das nicht essen.", murmelte er und riss sich von dem enormen Pudding los. Warum konnte man hier bloß keine Fenster öffnen, er hasste diesen Geruch...

Deidaras Vater beugte sich ein Stück vor. Zweifelsohne hatte er endlich den Haken gefunden, auf den er schon den ganzen Abend lang wartete.

"Wieso nicht?"

Seine Stimme klang lauernd, und Itachi konnte nicht anders, als seinem Blick unterschwellig wütend zu begegnen.

"Ich bin allergisch gegen Guanin."

Seine Augen machten einen kleinen Schwenk nach links, wo Deidara saß. Dieser wirkte nicht so, als fühlte er sich besonders wohl in seiner Haut.

"Das stimmt, wirklich. Er bekommt dann..."

Deidara zog die Brauen hoch und ließ das Ende des Satzes offen. Itachi hatte es stets dabei belassen, dass er diese Allergie hatte und sich nie über deren Effekt ausgelassen. Ein Fehler, der ihn jetzt teuer zu stehen kam.

"Übelkeit und verstärkt juckenden Ausschlag.", zitierte Itachi eisig den Arzt. Er konnte sich noch gut an den Tag erinnern, an dem er von seiner Allergie erfahren hatte. So viel sei verraten: es war kein besonders lustiger Geburtstag gewesen.

"Tatsächlich?", hakte Deidaras Vater unbeeindruckt nach.

"Ja, tatsächlich."

Aus den Augenwinkeln bemerkte Itachi, wie Deidara einen beunruhigten Blick mit seiner Mutter wechselte. Die Stimmung war schon vorher angespannt gewesen, und jetzt drohte alles zu kippen. Es war völlig egal, und wenn Itachi bei dem Verzehr von Guanin sterben würde oder wenn er ein simples Glas Wasser abgelehnt hätte – es ging dämlicherweise nur darum, dass er sich geweigert hatte, aus welchen Gründen auch immer.

Itachi dachte ironisch daran, wie lächerlich ihm die Filme vorgekommen waren, in denen bei einem solchen Essen alles schief ging und alle gleichzeitig aufsprangen und aus dem Raum stürmten. Diesmal war es auch lächerlich, aber auf eine Art, die es umso ernster machte.

Etwas in den stahlblauen Augen funkelte, und Itachi wurde kalt.

"Du hast deinen Vater umgebracht, nicht wahr?"

Sein Gedächtnis hatte ihn vorhin nicht im Stich gelassen. Er hatte lediglich auf den richtigen Moment gewartet, um sein Wissen mit der größtmöglichen Wirkung einzusetzen. Ein guter Anwalt, das war alles, was Itachi ihm an Respekt zollen wollte.

Taeko schnappte entsetzt nach Luft und ließ das Messer, mit dem sie den Pudding hatte malträtieren wollen, fallen. Deidaras Kopf ruckte nach oben.

"Dad, un!", protestierte Deidara, und Taeko starrte auch ihn entsetzt an. Itachis Kiefermuskeln spannten sich, er schaffte es, gesammelt zu bleiben.

"Er war mein Stiefvater, und ich habe ihn nicht umgebracht.", erklärte er mit leiser, deutlicher Stimme. Deidaras Vater achtete nicht auf ihn. Er hob das Messer auf, das seiner Frau heruntergefallen war, und fixierte es fast interessiert.

"Mit so einem Messer?"

Itachi antwortete nicht. Seine zu Fäusten geballten Hände unter dem Tisch bebten.

Er konnte nichts erwidern. So weit stimmte es, es war ein langes Obstmesser gewesen. Alles, was über diese Zustimmung hinausging, würde unweigerlich dazu führen, dass er ausfallend wurde.

Das Messer wurde wieder weggelegt. Ohne Itachi ein einziges Mal anzusehen, wandte der ältere Mann sich an seinen Sohn: "Du hast dich von ihm hineinziehen lassen. Als wäre es nicht schon schlimm genug..."

Zu Itachis maßloser Überraschung war Deidaras erste Reaktion, den Kopf ein wenig zu senken wie ein gescholtenes Kind. Und zu seiner darauffolgenden Erleichterung verharrte er nicht in dieser Stellung.

"Was weißt du denn schon, dir gefällt nie etwas, das ich tue, un!", fauchte er, offensichtlich tief gekränkt von dem Vorwurf. Itachi streckte seine Hand nach seiner aus, zog sich aber zurück, als Taeko nervös aufstand und am liebsten auf beiden Seiten des Tisches sein zu wollen schien.

"Oh, muss das denn jetzt sein, bitte..."

Ihr verzweifelter Ton hinderte Deidara daran, fortzufahren, ihr Gatte hingegen war weit weniger leicht zu besänftigen.

"Du durftest alles tun, was du wolltest – du wolltest Kunstkurse besuchen, und das tust du. Du wolltest Motorrad fahren, und das tust du. Du wolltest studieren und das tust du. Ist es denn da zu viel verlangt, sich wenigstens, was alles Andere angeht, normal zu verhalten?!"

Während die tiefe Stimme zuerst neutral, beinahe schon sanft klang, verhärtete sie sich beim letzten Satz und ließ seine Familie zusammenzucken.

"Ich bin normal, un!", wehrte Deidara sich empört. Trotzdem konnte Itachi hören, dass er durchaus eingeschüchtert war, und hätte umso lieber seine Hand genommen, wenn er nicht gefürchtet hätte, die Situation damit zu verschlimmern.

"Normal?", stieß Deidaras Vater höhnisch hervor.

"Leider nicht im geringsten... Diese Sache mit den Haaren und dieses... Satzanhängsel, das sind noch Nebensächlichkeiten, und auch über dein Benehmen kann man meistens hinwegsehen, doch dass du es wagst, einen Verbrecher hierher zu bringen, einen-"

Mit einem Ruck, wie man eine Marionette am Faden hochzieht, war Deidara auf den Beinen, sein Stuhl fiel krachend auf den gefliesten Boden. Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen. Ein ersticktes Geräusch war das einzige, was er mit zugeschnürter Kehle herausbrachte. Dann drehte er sich wortlos um und verließ das Esszimmer, knallte die Tür hinter sich zu.

Itachi zögerte nicht lange, obwohl er mit wesentlich weniger Hast aufstand.

Herzlichen Glückwunsch. Er konnte die stummen Botschaften problemlos lesen, die Deidaras Eltern austauschten.

Perfect Turn

Deidara hatte sich, ganz in der Manier eines schmollenden Teenagers, bäuchlings auf's Bett geworfen und den Kopf von der Tür weggedreht, als Itachi das Zimmer betrat. Was leider kein Zeichen von Harmlosigkeit war, denn für gewöhnlich konnte der Blonde nicht stillsitzen, wenn er wütend war, und tigerte so lange herum, bis die erste Wut verraucht war.

Itachi schloss die Tür ab und ließ mit einer grimmigen Genugtuung den Schlüssel stecken, bevor er sich neben ihn auf's Bett setzte und es Deidara überließ, ob er ihn ansehen oder mit ihm reden wollte.

Letzteres wollte er offenbar.

"War dein Vater ein Arschloch, un?"

Itachi lächelte ein wenig.

"Manchmal. Aber er hätte dich gemocht."

Vermutlich, nachdem Itachi ihm eine zwanzigseitige Begründung darüber abgeliefert hatte, warum nun gerade dieser und kein anderer, wie sein alter Herr es angeblich getan hatte, bevor er Mikoto hatte heiraten dürfen... Sasuke hatte einen derartigen Bericht ihrer Mutter geschickt (immerhin sechs Seiten lang), um die Tradition aufrecht zu erhalten.

Itachi schwor sich im Stillen, wenn sie heil hier rauskamen, würde er einen Bericht mit mindestens dreißig Seiten schreiben.

"Tut mir leid, ich... dachte nicht, dass er das so aufnimmt, un."

Itachi verkniff sich gerade noch das 'Ich hab dich ja gewarnt', das ihm auf der für die nächsten Stunden geschmackstauben Zunge lag.

"Warum entschuldigst du dich für ihn?"

"Weil er's nicht tun wird, un."

Eine Tatsache, die zwar sicherlich zutraf, aber deshalb nicht als Argument gelten konnte. Itachi zog es in Erwägung, das zu sagen und ließ es bleiben, um einen eventuell aufkeimenden Streit zu vermeiden.

"Warum hat sie nichts gesagt, un?!", hob Deidara erneut an. Itachi rollte mit den Augen.

"Was sollte sie schon sagen?"

Deidaras Gesicht wandte sich ihm mit einer Mischung aus Ärger und Verständnislosigkeit zu. Seine Augen waren trocken, doch rote Halbmonde auf seinen Armen zeigten, wo sich seine Fingernägel während und nach dem Abendessen in die Haut gegraben hatten.

"Sie hätte ihm widersprechen sollen, un...", knurrte er. Itachi verstand nicht, warum er derjenige sein musste, der Deidara den bizarren Zug dieser Ehe erklären durfte, und nicht zum ersten Mal sehnte er sich nach dem allgegenwärtigen Lärm von Konoha zurück. Hier drin war es abartig still, und zwischen den massiven Steinmauern fühlte Itachi sich beklemmt und fror.

"Sie wollte deinen Vater nicht... aufregen.", begann er vorsichtig. Deidara schnaubte abfällig.

"Hat er Bluthochdruck, un?!"

Itachi seufzte leise und drückte die Fingerspitzen aneinander.

"Wie alt ist deine Mutter?"

"Vierundvierzig. Warum willst du das wissen, un?"

Er wollte es nicht im geringsten wissen, es war Gegenstand seiner Argumentation.

"Und was für einen Beruf hat sie?"

"Hausfrau, un."

Deidaras Tonfall ließ erkennen, dass er nicht verstand, worauf Itachi hinauswollte.

"Grob gesagt, sie ist also von deinem Vater abhängig?"

Deidara setzte sich rasch auf, wobei die Sprungfedern des Bettes lautstark quietschten.

"Ich weiß, dass du ein Ventil für deine angestauten Aggressionen über die nicht vorhandene Logik bei Seifenopern brauchst, aber musst du dafür Ehe meiner Eltern nehmen, un..."

Itachi hätte gern gelächelt. Er verbot es sich, weil es ihn unglaubwürdig erscheinen ließ.

Deidara erforschte seine Miene gründlich. Und wartete. Offensichtlich wartete er darauf, dass Itachi seine These platzen ließ.

"Wollte dein Vater weitere Kinder haben?"

Deidara begriff den Zusammenhang dieser Frage mit dem Thema zweifelsohne nicht, doch er schüttelte verneinend den Kopf.

"Wollte deine Mutter dich nach Konoha schicken?"

Deidara runzelte die Stirn, während er darüber nachsann. Itachi konnte sich die Antwort denken, und er begann sich zu wundern, ob sein Freund sich schlichtweg weigerte, diese Abfolge zu verstehen.

"... Wollte sie nicht, un."

Er streckte seine Hand nach Itachi aus, doch dieser verschränkte unnachgiebig die Arme vor der Brust und setzte eine durchdringende Miene auf.

"Warum hat sie es trotzdem zugelassen?"

Ein wütender Blitz fuhr durch die enzianblauen Augen, und Itachi stellte resigniert fest, dass sie auf dem besten Wege waren, sich zu streiten. Dabei stritten sie sich nie. Jeder Mensch zankt sich mit jemandem, mit dem er zusammenwohnt, früher oder später. Aber über nicht gespültes Geschirr oder ein geklautes Stück Schokolade (Itachi konnte es nicht haben, wenn seine weiße Schokolade ohne seine persönliche Erlaubnis geschmälert worden war), nicht über kriselnde Ehen, die nicht mal ihre eigenen waren.

"Sie ist nicht in der Position, sich durchzusetzen. Sonst hätte sie dich vorhin unterstützt.", beantwortete Itachi seine eigene Frage mit brutaler Ehrlichkeit.

Deidaras Lippen öffneten sich einen kleinen Spalt, dann pressten sie sich zu einer dünnen, farblosen Linie zusammen.

"Das ist nicht wahr, un!"

Inzwischen saß er kerzengerade, das blonde Haar zerzaust und die Wangen gerötet vor... Empörung? Zorn? Widerwillen? Fassungslosigkeit? Itachi konnte das nicht definieren, und er konnte den Vulkan auch nicht vom Ausbrechen abhalten.

"Du kennst sie erst seit zwei Tagen! Wie kannst du da schon behaupten, dass sie..."

Deidara fuchtelte herum und suchte nach den richtigen Worten. Itachi sah ihm beinahe geduldig dabei zu, was nicht dazu beitrug, dass der Vulkan sich besänftigt vorkam.

"... irgendwelche Eheprobleme hatten, un?!", beendete Deidara schließlich seinen Satz, wobei ihm anzumerken war, dass er es ungern aussprach.

"Alle Freundinnen meiner Mutter haben solche Probleme. Fast alle."

Itachi war ein rational verwurzelter Mensch, und wenn man ihm protestierte, ohne zumindest ein schlüssiges Argument vorzubringen, steigerte das seinen Willen, die Diskussion für sich zu entscheiden, und verringerte sein Zartgefühl. Und Itachi besaß eh nicht viel davon.

"Deine Mutter, un!", fauchte Deidara schnippisch. Itachis bohrender Blick warnte ihn davor, näher auf Mikoto einzugehen.

"Was haben die gemeinsam, un?!"

"Von meiner Mutter war nicht die Rede, wenn du dich erinnerst."

Deidara presste seine Lippen fester aufeinander. Vor dem Hintergrund seiner bunt bemalten Wände hätte das nicht deutlicher kontrastieren können.

"Du hängst dich an Details auf, ich kenne die Freundinnen deiner Mutter nicht mal, un."

Itachi ortete den Ausflucht sehr genau. Ihm war nun die Chance geboten, das Gespräch auf ein anderes Gebiet zu verlegen – er konnte Anekdoten so erzählen, dass sie unterhaltsam waren, wenn er das wollte – und es somit herunterzufahren, bis die Gemüter sich abgekühlt hatten. Aber er nahm diese Chance nicht wahr.

"Sie ist unterlegen, weil ihr Mann sie versorgt und sie deshalb keine Wahl hat, als sich an seinen Willen zu halten. Es ist nicht ihr Charakter, der sie davon abhält, Paroli zu bieten, sie hat einfach Angst."

Etwas, mit dem Itachi keinerlei Schwierigkeiten hatte. Alle Kinder wurden irgendwann mit der völlig natürlichen Wahrheit konfrontiert, dass ihre Eltern nicht so großartig waren, wie sie dachten. Realitätssinn musste über das Urvertrauen siegen, doch wegen der durch die Distanz bedingten Abgeschnittenheit hatte Deidara den Zeitpunkt verpasst, zu dem man begriff.

Und jetzt war ein wunderbarer Moment, um das nachzuholen. Itachi fand seinen eigenen Zynismus bisweilen unerträglich.

"Du weißt nicht, wie sie ist, un.", protestierte Deidara mit einem geistesabwesenden Unterton, der seine eigenen Worte hohl klingen ließ.

"Ich weiß, wie du bist."

Itachis Stimme war uncharakteristisch sanft, und vermutlich erreichte nur die persönliche Note, dass sein Freund ihm zuhörte. Zu spät fiel Itachi dabei auf, dass seine Worte den falschen Sinn hatten, um beschwichtigend zu sein. Bis dahin konnte er sie nicht zurücknehmen.

"Und sie ist wie du. Deshalb hast du auch Angst."

Abrupt setzte Deidara sich auf. Es war nicht länger Geistesabwesenheit, sondern eine Art Verstörung in seinen Zügen, als hätte man ihn aus dem Halbschlaf geweckt. Seine Augen schweiften fiebrig umher und Itachi wusste, dass sie nichts bewusst wahrnahmen.

"Ich geh frische Luft schnappen.", murmelte der Blonde ohne jegliche Satzmelodie und schob sich an Itachi vorbei. Wenig später heulte draußen das Motorrad auf.

Der pfirsichfarbene Teppich hatte mit einem Mal etwas so Widerliches, Organisches an sich, dass Itachi eilig zur Seite sah.
 

Es gab eine ganze Menge, was man alles empfinden konnte, wenn man so sitzen gelassen wurde. Man konnte seine Worte bereuen oder sich erneut versichern, dass sie die Richtigen gewesen waren, man konnte sich mit Vorwürfen und Selbstzweifeln plagen, Zukunftsszenarien ausarbeiten, an Trennung denken, Resümees ziehen, man konnte bangen und hoffen und herumtigern und an seinen Nägeln herumkauen.

Itachi klappte seinen Laptop auf und checkte seine E-Mails.

Nicht, dass ihn das ablenkte. Es gab haufenweise Fotos von Iwa, die noch bearbeitet werden mussten, einen ganzen Katalog von Sightseeingzielen und Attraktionen, die sie noch diskutieren mussten, und anbei hatte Itachi zu lernen. Urlaub hieß nicht, dass man verpflichtungsfrei war.

Wenn er jedoch bedachte, dass er sich auf das alles nicht konzentrieren und gleichzeitig diese Liste der Empfindungsvarianten ausblenden konnte. Er konnte nicht mal eins von beidem.

Itachi überflog, was er an Mails bekommen hatte und erwog zuvor, Sasori um Rat zu fragen. Nachdem er gesehen hatte, dass der Inhalt der Mail sich größtenteils mit den Erlebnissen auf einer Kunstmesse befasste, die Sasori zusammen mit Kankuro besucht hatte, verwarf er das wieder. Deidara hatte, was Kankuro anbelangte, immer noch einen wohl gehüteten Eifersuchtskomplex, was vermutlich der Grund dafür war, warum sie sich nie mögen würden.

Kurzum, es gab keine Hintertüren.

Itachi klappte den Laptop wieder zu und legte ihn beiseite. Er verspürte keinen Wunsch, länger als nötig in diesem Haus zu bleiben. Seit sie das Esszimmer verlassen hatten, war es gespenstisch still gewesen, eine drückende Stille, mindestens ebenso drückend wie die Hitze.

Er konnte sich also ebenso gut auf die Suche machen.
 

Da der Stadtplan beim letzten Regenguss durchgeweicht war, verlor Itachi bald die Orientierung. Er hätte einfach an einem Kiosk einen Neuen kaufen können, doch das hatte er gar nicht vor. Stattdessen lief er auf gut Glück los, was er sonst unter keinen Umständen getan hätte. Aber extreme Situationen verlangten extreme Maßnahmen.

Laut Taekos Mitteilung hatte es im Osten der Stadt gehagelt, es war also unwahrscheinlich, dass Deidara dorthin gefahren war. Das ließ drei verfügbare Teile von Iwagakure übrig, und das vereinfachte so gut wie nichts.

Nachdem der Regen die Hitze gebremst hatte, dampften die Straßen und hüllten alles in feuchten Nebel. Noch etwas, das Itachi an dieser Stadt nicht gefiel, bei dieser Luftfeuchtigkeit war es geradezu tropisch. Sein Hemd klebte bereits am Rücken, und er ertappte sich dabei, die Hände an der Hose abzuwischen, wann immer er sich durch eine Menschensammlung drängte.

Irgendwann blieb er an einer Ampel stehen und holte die Liste der Attraktionen heraus. Sie hatten erst einen kleinen Teil abgearbeitet, was nicht zuletzt Itachis Schuld war. Er hatte sich geweigert, sich nach der strapaziösen Anreise schon wieder auf ein Motorrad zu setzen, und deshalb waren sie langsamer voran gekommen.

Der nächste Halt war ein Wassergarten, der seine eigentliche Berühmtheit erst im Winter erlangte. Dann lag Schnee zwischen den Zeichen, und bunt gefärbtes Wasser sprudelte in Brunnenfontänen hin und her. Jetzt war es nur eine Ansammlung von Teichen und wahrscheinlich mückenverseucht. Deidara hatte es trotzdem mit auf die Liste gesetzt.

Die Chancen standen nicht schlecht, dass er dorthin gefahren war. Itachi gestattete sich einen kurzen, obligatorischen Zweifel, als er nach dem nächsten U-Bahn-Eingang Ausschau hielt. Man störte niemanden, den man gerade vor den Kopf gestoßen hatte, erst recht nicht, bevor der jemand Zeit gehabt hatte, sich davon zu erholen.

Sicher tat man das. Wie sonst sollte man auch jemals heiraten?
 

Eine Fahrt mit der U-Bahn war auch in diesem Fall unerfreulich, doch Itachi blieb gelassen. U-Bahn-Fahrer waren grundsätzlich irgendwie beschäftigt, sie hatten keine Zeit einen anzustarren, nur weil man offensichtlich Ausländer war. Und sie hatten noch weniger Zeit, dies als ansteckende Krankheit zu betrachten, weshalb Itachi an seiner Haltestelle ausstieg und zu dem Schluss kam, dass U-Bahn-Fahrer überall auf der Welt gleich waren.

Da es nicht die Hauptlaufzeit war, war der Wassergarten nur spärlich beleuchtet. Kaum jemand wanderte auf den knirschenden Kieswegen umher, und der Parkplatz lag verwaist da. Eine alte Dame fütterte Fische, und Itachi sah ihr dabei zu, wie das Wasser von Weißfischkörpern brodelte.

Er hätte gewettet, dass Deidara hier war. Es passte zu gut in das Logikgefüge, das er verfolgte. Itachi fragte sich, ob er vielleicht schlimmer verletzt war, als es zunächst den Anschein gehabt hatte.

Das Tageslicht war weitgehend verblichen. Itachi hatte keinen Schlüssel, und er hatte vor allem keine Lust, zurückzugehen. Er kletterte über die Schranke des Wassergartens. Eigentlich war es illegal, wenn man keinen Eintritt bezahlte, aber das Tickethäuschen war leer und das war wohl schon den ganzen oder zumindest halben Tag so. Und den Sicherheitsvorkehrungen nach interessierte es auch keinen, ob man den Wassergarten ohne Ticket betrat.

Ein paar recht hübsche Irrlichtlaternen, von denen stellenweise einige ausgefallen waren, säumten den Weg und markierten ihn in der einbrechenden Dunkelheit. Itachi blieb kurz stehen und sah einem gescheckten Karpfen zu, wie er dröge herumschwamm, dann verscheuchte er eine aufdringliche Mücke und schlenderte weiter.

Nichts hier war es wert, eine Attraktion genannt zu werden, stellte er bald fest. Der Regendunst war hier noch schlimmer als in der Stadt, ständig flogen Mücken und Nachtfalter umher, und die Blumenbeete waren von Unkraut überwuchert. Es war zu offenkundig, dass der Wassergarten nur im Winter schön war.

Itachi kehrte nach einem kurzen Rundgang zu dem Teich mit dem einzelnen Karpfen zurück, der unverändert seine Runden schwamm. Ein ermüdender Trott.

Eine Handvoll Kies klatschte ins Wasser, schlug Wellen, verursachte Fontänen, spritzte Itachi nass und schreckte den Karpfen auf, der eilig in die tieferen Bereiche seines Teichs flüchtete.

Itachi drehte sich um und sah auf seine mit grünlichem Teichwasser besprenkelte Hemdbrust hinab.

"Du hättest hier sein sollen.", sagte er missbilligend, und Deidara lachte.

"Du bist sehr durchschaubar, wenn du glaubst, jemanden zu durchschauen, un."

Es gefiel Itachi nicht, durchschaubar zu sein, aber man vergaß allzu schnell, wie gut ein Mensch einen anderen kennen konnte.

"Wo warst du, wenn nicht hier?"

Die grünen Flecken waren sehr hartnäckig. Deidaras blondes Haar wirkte so feenhaft im Licht der Laternen.

"Nirgendwo, ich bin etwas gefahren. Wieso bist du nur auf die Idee gekommen, ich würde mich an eine Liste halten, die ich nicht mal dabei habe, un?"

Und wenigstens das hätte Itachi wissen können, Deidara konnte sich Dinge auf Listen nicht merken. Er musste die besagte Liste haben, um ihr folgen zu können.

"Es erschien mir logisch.", brummte er. Deidara lachte wieder, es war das einzige Geräusch im ganzen Wassergarten und ließ ihn mehr wie eine Attraktion wirken.

"Deshalb dachte ich mir, dass ich dich abhole, un."

Itachi brachte es nicht über sich, ihre Diskussion wieder aufzunehmen. Deidara hatte sie anscheinend abgeschüttelt, und damit wieder anzufangen, war nicht mal logisch. Und Dinge, die nicht logisch waren, fielen in Deidaras Ressort und nicht in seins.

Zögerlich streckte er die Hand aus, ließ seine Finger von Fremden berühren, die er ganz genau kannte. Er hätte sie zeichnen können, wenn er dazu die Fähigkeit gehabt hätte, und es schien nie etwas Langweiliges, Unspektakuläres an diesen Händen zu sein.

Behutsam verflochten sich die Finger ineinander. Der feuchte Nebel klebte die Haut zusammen, und Itachi verspürte ein merkwürdiges Ziehen in seiner Kehle. Nicht, als müsste er sich übergeben, aber als müsste er etwas loswerden, was damit nichts zu tun hatte.

Ob er es vorhatte. Er musste es so formulieren, dass es nicht misszuverstehen war. Nicht wie ein Angebot, sondern eine Nachfrage, weil er es nicht verstanden hatte. Itachi war sich allerdings fast sicher, dass ihm das nicht gelingen würde.

"Willst du mich heiraten?"



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Kommentare zu dieser Fanfic (14)
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Von:  LilaCrazyqiirL
2014-01-30T09:00:03+00:00 30.01.2014 10:00
hey kannst du die bittttte weiter schreiben
Von:  -Nox-
2009-08-09T00:17:05+00:00 09.08.2009 02:17
Es geht weiter!
Wirklich klasse!

Ich bin leider erst heute zum lesen des neuen Kapitels gekommen,
da ich zuvor sehr viel zu tun hatte.

Ich liebe deinen Schreibstil, ich kann dir dies wirklich nicht oft genug sagen. Es ist beindruckend wie du mit Worten umspringst :)

Ich freue mich darauf, zu lesen wie Deidara reagieren wird, und ich bewundere dich wirklich, für deine Schreibart!

Mach weiter so!
Von:  cocabulaire
2009-07-17T13:02:02+00:00 17.07.2009 15:02
juhu!
ich freu mich riesig, dass du ein neues kapitel reingestellt hast.
jetzt möcht ich aber gerne wissen, wie deidara reagiert.
deinen schreibstil find ich grossartig.

glg cocabulaire
Von:  Chibchib
2009-07-12T20:55:10+00:00 12.07.2009 22:55
erste :)
klasse kapi
bin gespannt was dei auf die frage antwortet
freu mich aufs nächste kapi
glg alish
Von:  CharlesFilth
2009-04-13T15:34:50+00:00 13.04.2009 17:34
Meine Güte... Was ein Arsch.
Gut geschrieben.
Von:  -Nox-
2008-07-08T21:40:11+00:00 08.07.2008 23:40
Oh man, es ist deprimierend dir immer wieder das Gleiche zu sagen, aber das Kapitel ist wie immer hammer gut geschrieben und eines ist klar, ich mag Deidaras Vater nicht unbedingt, er erinnert mich ein wenig an den Vater meines besten Freundes..
Die Sache mit dem "du bist nicht normal", hat wohl übelst gesessen, sowas in das Gesicht seines EIGENEN sohnes zu sagen ist hart, und niemand ist normal auf dieser Welt, weder deidara noch sein Vater und der sollte stolz sein, das sein Sohn sowas einzigartig besonderes ist!
Und sowas dann auch noch in der gegenwart von Itachi, aber niedlich die sache mit der hand^^
jedenfalls, freu mich das es weiter ging, und wir lesen uns bald wieder ;)
Von: lunalinn
2008-07-05T13:16:28+00:00 05.07.2008 15:16
Oh man...mein armes Herz. >_>
Das Kapitel war genial...ich hab die ganze Zeit auf sowas gewartet...irgendeine Eskalation...und da war sie. Du hast die Stimmung so gespannt, ich war innerlich richtig aufgewühlt...und dann diese Frage von Deis Vater. Das war echt das Allerletzte...vor allem da er die Hintergründe nicht kennt und demnach kein Recht hat, zu urteilen.
Das ist es, was ich nicht an Anwälten mag...sie sind so voreingenommen. >_>
Na ja...jedenfalls kommen viele so rüber...weiß nicht, vielleicht denke ich da auch zu oberflächlich, sind immerhin auch nur Menschen.
Aber das was Deis Vater da abgezogen hat...ne, das geht gar nicht. Seinen eigenen Sohn so runter zu putzen und das auch noch in Gegenwart von dessen Freund...Scheiße, der is intolerant.
Das wird sicher nicht einfach...vor allem da es noch zwei Wochen sind.
Und Deidara ist wohl normal!! ò__ó
Na ja...doch ein wenig sonderbar vielleicht, aber das macht seinen Charakter doch grade aus und sein Vater sollte ihn akzeptieren! >_<
Und Itachi fühlt sich auch total beschissen...fand es irgendwie niedlich, wie er immer Deidaras Hand nehmen, die Situation aber gleichzeitig nicht verschlimmern wollte...das war wieder so ein Zwiespalt.
Jedenfalls ein schönes Kapitel...freu mich auf weitere. ^^
lg
Pia
Von:  Chibchib
2008-07-04T14:37:42+00:00 04.07.2008 16:37
Also deis vater is ja echt n arsch
und ita hat seinen stiefvater ja garnet umgebracht
ich fan des kapi trotzdem ma wida klasse
und schreib bitte ganz schnell weiter
glg alish
Von: lunalinn
2008-06-08T19:24:46+00:00 08.06.2008 21:24
Oha...der Vater ist wohl doch nicht so tolerant, hm?
Hallo erstmal. Hab mich riesig gefreut, dass du die ff fortsetzt und werd auch diese mit Vergnügen lesen~ xD
Echt eine spannende Stelle, an der du aufgehört hast...da kann man jetzt alles mögliche reininterpretieren...Itachi ist jedenfalls schon mal fertig mit der Welt, da geht gar nix mehr, lol.
Na, wer kanns ihm verdenken...Iwa ist scheiße, Taneko stellt ihm ungünstige Fragen und jetzt werden sie auch noch vom Vater inflagranti erwischt...schon mies.
Frag mich echt, wie es jetzt weitergeht...freu mich, wenns soweit ist. ^^
lg
Pia
Von:  -Nox-
2008-06-07T22:35:07+00:00 08.06.2008 00:35
EiEieiei...

erstmals, bin ich froh das es weiter geht :D wie schon so oft gesagt, ich liebe deine Story, ich liebe deinen Schreibstil, der hat einfach so was magisches ansich wodurch der leser sofort in die Situation gezogen wird.

Itachi hat auch wirklich irgendwie pech xD erst so ne Mutter die überall reinplatzt wenn er mit Dei "kuschelt" dann ein Regen und nun der Vater..?

Eeieiei Väter sich ja generel in solchen Situationen seltsam... zumindest meiner xD

whatever

NICE! :D
freu mich wenns weiter geht


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