Zum Inhalt der Seite

Und dann kam der Fremde

aus der Jugend Inu Taishous
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Ein Fremder in Sanshi

Der Inu no Taishou nahm an, dass er nach der Eroberung der westlichen Länder mehr oder weniger auf seiner Terasse sitzen kann...

Wie naiv er doch war...
 

“A stranger in town is a dangerous sight…”

Chris de Burgh: The Traveller
 

1. Ein Fremder in Sanshi
 

Der Diener, der Reisig in die Feuerschalen nachlegte, warf dem Gast seines Herrn einen neugierigen Seitenblick zu, beeilte sich aber mit seiner Verrichtung. Warum auch immer Prinz Hidemaru Takahashi einen echten Youkai eingeladen hatte, es war und blieb ein unheimliches Wesen. Wobei auch der Dienstbote zugab, dass sich der Fremde nicht anders verhalten hatte, als es ein hochrangiger Mensch getan hätte.

„Danke“, sagte der Prinz, als der Diener den Raum verließ, ehe er seine Schale Sake aufnahm, nachdenklich schwenkte.

Sein Gast musterte ihn: „Prinz Hidemaru, ich weiß nicht, was dich bedrückt, aber du erscheinst mir heute ein wenig unaufmerksam.“

„Vergebt. Ich…ich bin in der Tat in Gedanken.“ Der Prinz hielt sich selbst für einen mutigen Mann, hatte das auch oft genug bewiesen, aber er wusste, wo seine Grenzen lagen. Der Youkai neben ihm war sein Gastfreund, aber auch der neue, wahre Herr der weiten Länder des Westens. Und den beleidigte sicher niemand ungestraft.

Der weißhaarige Hundeyoukai legte nachlässig die Hand auf sein Schwert, das neben ihm in seiner Scheide ruhte: „Das merke ich. Einen menschlichen Grund?“ Das würde ihn nichts angehen. Aber er hielt seinen Menschenfreund für intelligent. Deswegen wäre er nicht so aufgewühlt gewesen.

Hidemaru atmete tief durch: „Nein. - Ich möchte Euch nicht beleidigen….“

„Aber mich etwas fragen?“

„Ja.“

„Tue es. Ich muss ja nicht antworten.“ Die tiefe Stimme war ruhig.

„Warum habt Ihr meinen Vater und mich bislang vor Abgaben verschont?“

„Nun, die Ernte wurde noch nicht eingebracht. Überdies beabsichtige ich nur von denjenigen Tribut zu fordern, die Schutz verlangen.“ Der Hundeyoukai lehnte sich gegen die Wand zurück: „Aber das ist nicht alles, oder?“

„Nein.“ Hidemaru warf seinem Gast einen Blick zu: „Ihr verlangtet noch keine Abgaben?“

„Nein. Dazu hatte ich kaum Zeit. Was meinst du?“

Der Prinz griff in sein Gewand, zog eine Rolle hervor. Er hoffte, wie nie zuvor in seinem Leben, sein Gegenüber richtig einzuschätzen: „Ich bekam einen Brief von einem Freund. Er lebt auf einer Hochebene im Nordwesten. Er...er berichtet, dass Euer Stellvertreter von Menschen und Youkai harte Steuern eintreibt, viel mehr, als es zuvor die Wölfe taten.“

Der Gast nahm den Brief schweigend, überflog die Zeilen, die eindeutig privat waren, ehe er sich festlas.

Hidemaru wagte kaum zu atmen. Ihm war nur zu bewusst, dass dieser Mann, dieses Wesen, vor ihm über eine Macht verfügte, mit der sich der gesamte Takahashi-Clan schwer tun würde.

Endlich blickte der Hundeyoukai auf: „Die Ebene von Sanshi. Mir scheint, Prinz Hidemaru, dass du mir einen großen Gefallen getan hast.“ Er reichte den Brief zurück, ehe er mit seiner Schulter zu sprechen schien: „Myouga: gehe zu Kakeru, dem Herrn der Wölfe. Ich will alles über den Wolfsclan, der auf der Hochebene von Sanshi lebt, vor allem über dessen Anführer, einen Wolf namens Torajiro, wissen. Bring überhaupt möglichst viele Informationen über diese Gegend.“

Hidemaru bemerkte verwundert, wie eine winzige Gestalt von der Schulter seines Gastes sprang, aus dem Fenster hüpfte. Aber er meinte höflich: „Wenn ich Euch einen Gefallen tun konnte, freut es mich.“

„Ich werde morgen früh nach Nordwesten reisen.“

„Ich verstehe.“ Der menschliche Prinz atmete auf. Dann hatte er sich nicht in seinem Gastfreund getäuscht: „Ich…darf ich Euch einen Brief an meinen Freund mitgeben?“

Der Hundeyoukai schien erheitert: „Ein Empfehlungsschreiben an einen Menschen?“

„Vergebt. Ich…“

„Nein, du hast vollkommen Recht, Prinz Hidemaru. Es mag sinnvoll sein.“ Er wusste nicht genau, welche Konstellationen dort auf der Hochebene von Sanshi vorlagen. Und er würde genug Ärger am Hals mit den Youkai haben. Vielleicht wäre es nur zu sinnvoll, Menschen anders beeinflussen zu können.
 

Der Hundeyoukai ging durch den Wald. Neben ihm schwebte ein kleiner Geist, der aus seiner Schwertscheide gekommen war.

„Oyakata-sama“, begann dieser vorsichtig.

„Was ist, Saya?“

„Ihr…Ihr verlangt keine Steuern und dennoch treibt sie jemand in Eurem Namen ein?“

„Ja.“

„Dieser Torajiro?“

„Nein. - Ah, Myouga.“

Der Flohgeist landete außer Atem auf der Schulter seines Herrn. „Guten Morgen, Oyakata-sama. Und viele Grüsse vom Herrn der Wölfe. Torajiro ist seiner Meinung nach ein sehr ehrenhafter, stolzer Wolf, der die Burg des nördlichen Wolfsrudels hütet. Kakeru nahm bis jetzt an, dass dieses Rudel die Hochebene von Sanshi kontrolliert und die umgebenden Berge. Er hörte nichts anderes. Allerdings hat das Rudel keinen Anführer. Torajiro ist nur der...der Verwalter, bis der junge Erbe alt genug ist.“

„Weiter?“

„Die Ebene ist sehr fruchtbar und viele Menschen leben auch dort. Wenn es jemand auf Tribute abgesehen hat, Anteile von Nahrungsmitteln und so etwas, wäre er dort richtig. Es gibt auch Bergwerke, oder hat es einst gegeben. Kakeru sagt, er war selbst lange nicht dort.“

„Wir werden sehen.“

„Äh…darf ich Euch eine Frage stellen?“

„Du tust es ja doch.“

Der kleine Floh rieb sich über die Nase: „Als ob ich etwas tun würde, das Euch verärgert! Ihr wollt in Sanshi nicht als Herr der westlichen Länder erscheinen?“

„Nein. Ich bin nur ein fremder Reisender. So werde ich am meisten erfahren.“

„Herr“, wandte Saya nun ein: „Mit Verlaub, aber auch dem dümmsten Youkai müsste klar sein, dass Ihr kein gewöhnlicher Reisender seid. Selbst, wenn Ihr Euer Youki unterdrückt….“

„Du schmeichelst mir. – Myouga, wo ist die Burg des Wolfsrudels?“

„Am östlichen Rand von Sanshi, am Kozan-yama.“

Der Hundeyoukai warf einen Blick auf die Bergkette vor ihm: „Die Magie der Länder sagt mir nicht, dass dort etwas falsch läuft. Es scheint sich also um eine Fehde zwischen Youkai und Menschen zu handeln.“

Seine beiden selbsternannten Ratgeber tauschten einen Blick. Wer auch immer sich als Beauftragter des Herrn ausgegeben hatte, würde es gewiss bereuen.
 

Der Menschenort lag am Fuße des Kozan-yama. Ein Stück den Berg hinauf erhob sich die Burg des nördlichen Wolfsrudels. Seit Jahrhunderten schon siedelten Menschen in deren Schutz, lebten gemeinsam mit den Youkai, die sie bewachten. Dafür erhielten die Wölfe gewisse Tributzahlungen. Nun jedoch war dieses Gleichgewicht gestört worden. Weder Menschen noch Youkai konnten jemand anders dafür verantwortlich machen als den neuen Herrn der westlichen Gebiete, dessen Stellvertreter seit einigen Monaten beide Rassen zu neuen, überhöhten Steuern presste.

Auf dem Marktplatz des Ortes war es menschenleer. Alle hatten sich eilig in die Häuser zurückgezogen. Streit unter Youkai war nichts, dem man ungeschützt zusehen sollte. Drei Krieger griffen einen vierten an, dessen schwere, teure Rüstung einen höheren Rang verriet. Er setzte sich gegen die Übermacht auch mit dem Geschick eines erfahrenen Kriegers zur Wehr. Er selbst kämpfte ehrenhaft, und als er merkte, dass dies seine Gegner anders sahen, saß er schon in der Falle. Zwei hielten seine Arme, während der dritte dabei war, ihm da Schwert in den Bauch zu stoßen. Das durfte doch nicht wahr sein. Er musste die Seinen schützen, musste seine Pflicht tun….Aber sein letztes Aufbäumen wurde gewaltsam niedergehalten.
 

Er spürte das Aufflammen einer Energie vor sich, wie er sie nie zuvor erlebt hatte. In der nächsten Sekunde stürzte er zu Boden, vollkommen verwirrt. Wieder verriet jedoch seine Reaktion den erfahrenen Kämpfer. Noch ehe er begriff, dass seine drei Gegner tot vor ihm lagen, erkannte, dass eine weitere Person auf dem Marktplatz erschienen war, hatte er sein Schwert in der Hand, stand bereits wieder.

Jetzt starrte er den weißhaarigen Fremden an, der ihm das Leben gerettet hatte. Das war natürlich sehr freundlich gewesen, und er schuldete ihm sicher einiges…aber dieses Youki….Das hatten nur sehr wenige, gefährliche Männer. Und er hatte hier in Sanshi schon genug Ärger. „Ich...ich danke dir“, sagte er darum zurückhaltend.

Der Hundeyoukai konnte sich den Grund denken: „Ich suche Unterkunft für eine Nacht. Kannst du mir etwas empfehlen?“

„Mein Name ist Torajiro. Ich bin der Burgvogt dort oben. Heute sei mein Gast.“

„Danke.“ Er warf einen Blick auf die Toten. Krieger, ja, aber keine sehr mächtigen Youkai. Ob sie wohl dem Kerl dienten, der sich als sein Stellvertreter ausgab? Aber das sollte er vergessen. Er war nichts als ein namenloser Fremder, ein neugieriger Reisender.

Der Wolfsyoukai hatte den Blick bemerkt: „Kennst du sie?“

„Nein. – Ich fand nur drei gegen einen ein wenig übertrieben.“ Und er hatte vermutet, dass es sich um Torajiro handeln könnte. Fiel der Verwalter des Rudels, war es mit einem Kind an der Spitze führerlos und eine leichte Beute.

„Komm.“

Die beiden Youkai gingen langsam empor zur Burg und die Menschen im Ort trauten sich wieder, ihren Geschäften nachzugehen.
 

„Es ist unhöflich, den Gast nach seinem Namen und seinem Begehr zu fragen“, meinte der Burgvogt langsam: „Ich möchte es darum auch nicht tun. Aber ich möchte dir den Rat geben, aus dieser Gegend bald zu verschwinden. Die Ebene von Sanshi ist nicht mehr das, was sie einst war.“

„Ich habe auch nicht die Absicht, mich hier lange aufzuhalten.“ Der Fremde warf einen Blick auf die Burg. Wölfe und andere Youkai, schwer bewaffnet. Das sah in der Tat nach Krieg aus. Und er hatte angenommen, den westlichen Ländern den Frieden gebracht zu haben.

„Gut. – Hier ist die Taverne der Burg. - He, Wirt.“

„Torajiro-sama…welche Überraschung…“ Der dicke Wirt eilte heran. Seine langen, hängenden Ohren verrieten, dass er aus der Hasenfamilie stammte: „Wie kann ich Euch dienen?“

„Dies hier ist mein Gast. Was auch immer er für Wünsche hat, die Rechnung geht an mich.“

„Ja, Torajiro-sama.“ Der Wirt warf einen neugierigen Blick auf den Fremden. Als er dessen goldenen Augen begegnete, sah er hastig zu Boden. Er war sein Leben lang Wirt gewesen – und besaß genügend Menschen- und Youkaikenntnis, um zu wissen, dass dies niemand war, den man verärgern sollte. Etwas lag um ihn, das Angst einflössend war, obwohl, oder gerade weil er in der Lage war, sein Youki vollkommen zu verbergen.

Der Burgvogt sah zu seinem Lebensretter: „Ich habe noch einiges zu erledigen. Ich hoffe, du hast einen angenehmen Aufenthalt.“

„Danke für die Gastfreundschaft.“ Der Fremde wartete, bis Torajiro den Raum verlassen hatte, ehe er zu dem Wirt sah: „Ein Zimmer für mich allein.“

„Selbstverständlich, Herr. Wünscht Ihr dann ein Bad? Weibliche Begleitung? Was auch immer Ihr für Wünsche habt, sagt sie…“

Weibliche Begleitung? Vielleicht konnte er auf diese Art unauffällig erfahren, was hier passiert war. Und warum der Burgvogt des eigentlich herrschenden Clans anscheinend mit seinem Leben spielte, wenn er allein in einen Menschenort ging. „Was hast du an Frauen hier?“

„Oh, Youkai und Menschen, was immer Ihr wünscht.“ Er bemerkte, dass der Blick kühler wurde: „Ich bitte Euch, festzuhalten, dass sie freiwillig hier sind. Torajiro-sama würde nie dulden, dass jemand zu etwas gezwungen wird. Meist…“ Aber das fügte er sehr leise hinzu.

Der Fremde hatte es dennoch gehört. Was geschah hier? War Torajiro nicht mehr Herr in dieser Burg? „Zeig sie mir. Und dann will ich baden.“

„Natürlich, Herr.“ Der Wirt führte den Fremden nach hinten, öffnete eine Tür. Sechs Frauen saßen dort, blickten hastig auf.

Der Hundeyoukai erkannte zwei Mädchen seiner Art, vier Menschenmädchen. Und er verstand genug von letzteren, um zu erkennen, dass eine ängstlich war, am liebsten im Boden versunken wäre. War sie wirklich freiwillig hier? „Sie.“

„Sehr wohl, Herr. – Komm, Ayumi.“ Der Wirt winkte ihr: „Der Herr wünscht zu baden.“

Das Mädchen erhob sich. Der Fremde konnte wittern, dass sie Angst hatte. Aber sie wagte nicht, sich zu widersetzen. Was lief hier ab?

Der Wirt legte den Arm um sie. In der Annahme, der Gast könne ihn nicht hören, flüsterte er dem Mädchen zu: „Ich weiß, dass das dein erstes Mal ist. Gib dir Mühe. Er ist der Gast des Burgvogtes. Vielleicht behält er dich die ganze Nacht, oder du bekommst einen Bonus. Viel Glück, Kleine.“

Der Fremde drehte sich um und ging. Das klang nicht so, als ob der Wirt die Mädchen gegen ihren Willen hier hielt. Aber was war dann geschehen? Er blieb stehen.

„Darf ich Euch hier entlang führen?“ Ayumis Stimme zitterte ein wenig, so sehr sie sich auch bemühte, sie ruhig zu halten. Sie hätte schon genug Angst gehabt, wäre er ein Mensch gewesen. Aber auch noch ein Youkai? Sie öffnete eine Tür. Wasserdampf zeugte davon, dass die Wanne bereits angeheizt war: „Ich…soll ich Euch beim Auskleiden helfen?“

Der Fremde zog sein Schwert ab, legte es in eine Ecke. Ein Menschenmädchen hatte keine Chance gegen den dunkeln Geist der Hölle, der in ihm wohnte. „Öffne meine Rüstung.“ Und da sie gehorchte: „Dann bringe mir angewärmte Tücher.“

Erleichtert verschwand sie, froh, dass er nicht mehr verlangte. Wieder war er überrascht. Irgendetwas war hier falsch. Aber er glitt in das warme Wasser, genoss die Entspannung. Seit er seine Gefährtin verlassen hatte, war er nicht mehr zu einer solchen Annehmlichkeit gekommen.

Ayumi kehrte zurück, legte Handtücher auf die heißen Steine. „Was...was soll ich nun tun?“

„Ich bin ein Fremder. Erzähle mir von Sanshi.“

„Was...was wollt Ihr hören?“

„Weißt du nicht, wie man einen Herrn unterhält?“

„Oh, vergebt…ich….“

„Deine Ausbildung scheint mangelhaft gewesen zu sein.“ Und da er sah, dass sie glühend rot wurde: „Das dachte ich mir. Du wurdest nicht als Gesellschafterin ausgebildet. Und doch sagte der Wirt, du seiest freiwillig hier.“

„Ja, Herr.“ Sie brachte es kaum heraus: „Ich bin Torajiro-sama auch sehr dankbar.“

„Weil?“

„Die Steuern, Herr. Sie wurden fällig. Mein Vater konnte sie nicht bezahlen, obwohl der Stellvertreter des Herrn der westlichen Länder darauf bestand. Es...es wäre ja die Saat für das nächste Jahr gewesen für unsere Bauern.“ Sie merkte, dass der Fremde sie musterte: „Bitte…wenn das falsch war…“

„Rede nur weiter.“

„Mein Vater wollte seine Bauern schützen und ging zu Torajiro-sama, um ihn zu bitten, ihm Geld zu leihen. Er…er wollte dafür anbieten, dass ich oder mein Bruder für ihn arbeiten. Torajiro-sama sagte, dass er schon zu viel Geld verliehen habe, und zu viele Diener aufgenommen habe. Yutaka, das ist der Stellvertreter, habe ihn schon fast den gesamten Schatz des Wölfe gekostet.“ Ayumi seufzte: „Mein Vater bot in seiner Verzweiflung an, dass ich…dass ich diese Arbeit übernehmen solle. Ich war dabei anwesend. Und ich stimmte zu. Was sollten wir denn tun, damit die Bauern nicht verhungern?“

„Dein Vater scheint sich sehr um seine Bauern zu kümmern.“

„Oh ja. Und es…nun, wenn ich die Schulden abgearbeitet habe, kann ich ja nach Hause zurück. Das ist dann nicht ehrlos.“

„Yutaka also. - Gib mir ein Handtuch.“

Ayumi gehorchte: „Vergebt, Herr, wenn ich etwas falsch mache…“

„Schon gut.“ Yutaka…er war sicher, diesen Namen nie gehört zu haben. Nun gut. Hier schien ja einiges im Argen zu liegen. „Geh jetzt und frage, welches Zimmer ich bekomme.“

Dies bedeutete immerhin einen Aufschub. So eilte sie davon.

Der Fremde steig aus der Wanne, trocknete sich ab: „Myouga, geh doch einmal durch die Burg. Ich möchte soviel wie möglich über den Burgvogt wissen, den Clan der Wölfe.“

Der kleine Floh sprang aus der abgelegten Kleidung, in der er sich verborgen gehalten hatte und verschwand aus dem Fenster. Er kannte seinen Herrn gut genug, um zu wissen, dass dieser wütend war.

„Was habt Ihr mit dem Menschenmädchen vor?“ Saya, der Geist der Schwertscheide war erschienen.

„Das geht dich nichts an.“ Der Hundeyoukai zog sich an. Und sein Begleiter verschwand wortlos.
 

Myouga huschte durch die Flure der Burg. Eindeutig waren alle Youkai hier in Alarmbereitschaft. Aber niemand rechnete wohl mit einem so winzigen Spion wie ihm. Er hörte aus einem Raum eine bekannte Stimme. Der Burgvogt redete dort. Myouga bemerkte, dass Wachen vor der Tür standen. War das das Büro von Torajiro? Aber das hier war eindeutig ein Wohntrakt? Er hastete in eine dunkle Nische, als sich die Tür öffnete, die Wachen Haltung annahmen.

„Ich wünsche ein gute Nacht, Prinzessin Yoko“, sagte der Burgvogt höflich, ehe er in den Gang trat.

Eine ältere Frau kam mit ihm aus dem Zimmer, schloss die Tür hinter sich: „Torajiro-sama!“

„Du hast deine Anweisung, Akiko.“

„Ich bin kein Kind wie Yoko, das ein neues Abenteuer schätzt.“ Die Wolfsyoukai verschränkte die Arme: „Und wenn Ihr mir gegenüber nicht offen seid – wie soll ich meine Kleine beschützen? Denn sagt mir nicht, dass sie keinen Schutz benötigt, das arme elterlose Ding.“

„Zweifelst du an meiner Ehrbarkeit?“

„Oh nein, Torajiro-sama. Ich würde an jedem zweifeln, aber nie an Euch. Aber dennoch. Es ist erst wenige Tage her, seit der junge Herr so unerwartet starb. Und jetzt weist Ihr mich an, stets das Essen für Yoko selbst zu kochen, in ihrem Zimmer zuzubereiten. Wurde der junge Herr vergiftet?“

Myouga wagte kaum zu atmen, als er sah, wie der Burgvogt sich anspannte, er den kurzen Energieanstieg spürte.

„Ich weiß es nicht, Akiko“, sagte er dann ruhig: „Vielleicht starb der junge Herr auch zufällig. Aber Youkaikinder sterben gewöhnlich nicht einfach so. Allerdings konnte ich nichts Verdächtiges herausfinden. Prinzessin Yoko ist nun die Letzte der Blutlinie. Ich will sichergehen, dass ihr nichts zustößt. Ich versprach dem verstorbenen Herrn am Tage seines Todes auf seine Kinder aufzupassen. Einmal habe ich schon versagt.“

Die Kinderfrau verneigte sich: „Danke, Torajiro-sama. Ich werde alles tun, was in meiner Macht steht.“ Sie kehrte in das Zimmer der Prinzessin zurück.

Der Burgvogt nickte den Kriegern zu: „Niemand außer Akiko und mir betritt das Zimmer der Prinzessin.“ Er fuhr herum. War da etwas in der Fensternische gewesen? Aber Myouga hatte bereits das Weite gesucht.
 

*************************
 

In Sanshi scheint ja einiges Ungutes loszusein, wenn man Kinderzimmer in Hochsicherheitstrakte verwandeln muss. Im nächsten Kapitel: der Clan der Wölfe erfährt unser Fremder einige Neuigkeiten..
 

Wer so nett ist, mir einen Kommentar zu hinterlassen, erhält, wie gewohnt, eine Info-Ens, wenn ich sehe, dass das neue Kapitel freigeschaltet wurde.
 

bye
 

hotep

Der Clan der Wölfe

Als Fürst undercover trifft mal leicht auf einige Missverständnisse...
 

2. Der Clan der Wölfe
 

Als Myouga endlich das Zimmer fand, in dem man seinen Herrn untergebracht hatte, erstarrte er. Der Hundeyoukai lag auf den Matten ausgestreckt, noch in seiner Rüstung, das schlafende Menschenmädchen neben sich.

„Herr…“ keuchte er empört, ehe er bemerkte, dass Saya, der Geist der Scheide des Höllenschwertes, ihm hastig winkte.

Ihr Gebieter richtete sich etwas auf, ließ seine Hand kurz über das Mädchen streichen, das unter dem Zauber nur fester schlief: „Dein Bericht?“

Der Flohgeist atmete tief durch, zu vertraut mit seinem Herrn, um diesen verärgern zu wollen: „Der Erbe des Wolfclans ist nun Prinzessin Yoko, ein Kind. Ihr Bruder starb überraschend vor einigen Tagen. Torajiro fürchtet wohl Gift, obwohl er nichts Verdächtiges fand, und wies das Kindermädchen an, das Essen für die Kleine immer in deren Zimmer selbst zuzubereiten. Ansonsten ist die gesamte Burg unter Waffen. Es mögen so an die fünfzig Youkai hier sein, nicht nur Wölfe. Es wird so unter den Wachen gemunkelt, dass Euer Stellvertreter…ich meine natürlich den Kerl, der sich als Euren Stellvertreter ausgibt, ebenfalls so viele Männer besitzt. Er soll sich im Norden aufhalten, bei dem ehemaligen Schloss von...von…Kuragari.“

„Weiter.“

„Torajiro und die Wölfe haben den Einfluss verloren, mussten sich hier in die Burg zurückziehen. Ich weiß nicht, warum, aber sie trauen sich nicht mehr weit weg.“ Und um ehrlich zu sein, legte er keinen Wert darauf, dem Grund zu begegnen. Aber wenn er bei seinem Herrn bleiben sollte, würde sicher genau das passieren. Der hatte doch vor, sich einzumischen, den Kerl zu bestrafen, der es gewagt hatte, seinen Namen so in den Schmutz zu ziehen.

Der Hundeyoukai dachte nach.

Torajiro hatte ebenso viele Männer wie dieser Yutaka. Warum griff der Wolf nicht an? Nun, offenkundig war ihm der Schutz des eigenen Rudels wichtig. Entblößte er die Burg vollständig von Kriegern, war Prinzessin Yoko wehrlos. Griff er in der Unterzahl an, war es dagegen ein großes Risiko. „Kuragari.“

„Äh, ja, Oyakata-sama. Das soll ein verlassenes Schloss im Norden sein. Jetzt natürlich nicht mehr verlassen.“ Myouga warf einen Blick auf das Menschenmädchen: „Mit Verlaub, Herr…ich hoffe, Ihr wisst, was Ihr da tut. Youkai und Mensch…“

„Ich weiß immer, was ich tue!“ kam es scharf und der Flohgeist nahm das für einen guten Anlass, aus dem Fenster zu springen.
 

Als Ayumi erwachte, fand sie sich neben dem fremden Gast liegen. Obwohl sie nachdachte, fiel ihr nichts ein, was er getan hätte, damit sie für diese Nacht Geld bekommen konnte, also, nichts von dem, was ihr die anderen so erzählt hatten, um sie vorzubereiten. Sie wollte leise aufstehen, fühlte sich aber am Arm gefasst, und erstarrte.

„Vergebt, Herr, ich…ich dachte…“ Vorsichtig blickte sie seitwärts. Immerhin war das ein Youkai und der Gast des Burgvogtes. Seine Augen waren golden, schimmerten gar nicht so kalt oder grausam, wie sie gedacht hatte.

„Du dachtest, deine Aufgabe sei vorbei.“ Er klang ruhig: „Ich möchte dich aber noch etwas fragen. Weißt du, wo das Schloss von Kuragari liegt?“

Er gab sie frei.

Erleichtert holte sie Atem. Immerhin hatte es nicht wehgetan. Sie hatte gehört, Youkai könnten Menschen ebenso leicht in Stücke reißen, wie diese ein Blatt Papier: „Ja, Herr. Also, nicht genau, aber so ungefähr. Wenn Ihr von hier immer nach Norden geht, erreicht Ihr den Ort Ikezawa. Vor dort sind es sicher noch zwei Tagesmärsche, ehe Ihr die Berge erreicht. Dort ist Kuragari. Früher war dort ein Bergwerk.“

„Du kennst dich gut aus. – Ikezawa?“ Er setzte sich abrupt aufrecht hin.

„Ja, Herr.“ Sie sah ängstlich zu Boden. Was war jetzt falsch gewesen?

„Gehört dieser Ort einem Tano Ikezawa?“

„Ja, meinem Vater.“ Oder hätte sie das besser nicht gesagt?

Der Hundeyoukai lächelte ingrimmig. Wer auch immer hier sein Spiel trieb, hatte wohl nicht geahnt, dass ihm die Glücksgöttin derart hold war. Tano Ikezawa war der Freund seines Gastfreundes Hidemaru Takahashi. Und wie konnte man sich bei einem Menschen besser einführen als seine Tochter zurückzubringen? „Ayumi Ikezawa, also. Gut. Warte hier auf mich. – Und es wäre besser für dich, wenn du es tust.“

„Ja, Herr.“ Ayumi wagte weder aufzusehen, noch zu widersprechen. Auf einmal hatte eine so deutliche Warnung in der Stimme des Gastes gelegen. Hatte er etwas gegen ihren Vater? Oder was wollte er sonst?

Aber sie wusste, sie hatte keine Wahl, als abzuwarten.
 

Als der Burgvogt seinen Morgenbesucher erkannte, neigte er höflich den Kopf: „Du willst schon abreisen? Ich hoffe, die Gastfreundschaft der Wölfe hat dir zugesagt.“ Zumindest hoffte er inständig, dieser Kerl würde abreisen. Natürlich schuldete er ihm sein Leben, aber…

Ja, aber. Es gab hier auch ohne fremde Reisende mit dieser gehörigen Portion Youki genug Ärger. Und so verdrängte der Wolf sein schlechtes Gewissen. Seine Pflicht galt dem Rudel, galt vor allem der kleinen Prinzessin Yoko.

„In der Tat. Darum möchte ich noch eine Kleinigkeit erledigen, wenn du gestattest.“

„Nimm Platz.“ Alles, wenn dieser Hund nur verschwand.

Als sich der Fremde niedergelassen hatte, sagte er: „Deine Gastfreundschaft ließ mir keinerlei Wünsch offen, Torajiro-san. Aber ich erfuhr, dass meine Bettgenossin um der Schulden ihres Vaters willen bei mir schlief.“ Was genau geschehen war oder viel mehr nicht, ging den Wolf nichts an.

Für einen unmerklichen Augenblick erstarrte der Burgvogt, als er auch schon ruhig antwortete: „Nun, das ist nicht unüblich.“

„Wie hoch sind die Schulden?“

Der Wolf musterte den Fremden, ehe er langsam meinte: „Ich…ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll.“

„Nenn die Summe.“

„Vierhundert kleine Goldbarren. Aber, verzeih, wenn ich das so sage…was hast du mit Ayumi vor? Sie ist die Tochter eines ehrenhaften Mannes….“

Der Hundeyoukai nickte ein wenig: „Und es ehrt auch dich, dass du dir Sorgen machst.“ Er griff in sein Gewand: „Nennen wir es die bislang teuerste Nacht meines Lebens. Ich werde sie zu ihrem Vater zurückbringen. Er ist ein Freund eines Freundes.“

Der Burgvogt sah auf den kleinen goldenen Berg vor ihm, dann zu dem Fremden. Wer war das?

Kein herumziehender Youkai besaß gewöhnlich Gold – und dann auch noch in dieser Menge. Eigentlich deutete das zusammen mit der Energie darauf hin, dass dieser einer der Männer war, die …gewisse Aufträge übernahmen. Aber er sagte: „In diesem Fall schuldet Ikezawa nun dir diese Summe. Wenn du Ayumi zurückbringen willst, bin ich sehr froh. Tano Ikezawa ist einer der wenigen Menschen, auf die man sich in dieser Lage noch verlassen kann. Ich hätte ihm gern anders geholfen.“

„Die Lage hier auf der Hochebene scheint verworrener zu sein, als ich annahm.“

„Gefährlicher. Der Stellvertreter des neuen Herrn der westlichen Länder ist niemand, der mit sich spaßen ließe.“

„Und du gehorchst.“

„Kakeru, der Daiyoukai aller Wölfe, hat sich dem neuen Herrn des Westens unterworfen. Damit wäre ein Vorgehen eines Wolfes gegen Yutaka Hochverrat. Nichts, dass einem Wolf liegen würde.“

„Natürlich nicht“, sagte der Fremde eilig: „Verzeih mir, Torajiro-san. Es lag mir fern, dir irgendwie ehrloses Benehmen zu unterstellen.“ Daran hatte er noch gar nicht gedacht. Natürlich, Kakeru hatte sich ihm unterworfen und damit waren alle Wölfe ihm untertan. Keiner von ihnen käme auf die Idee, dass sich dieser Yutaka seinen Rang nur angemaßt hatte. Dieser Kerl schien raffiniert vorzugehen.

Der Burgvogt hob ein wenig die Hand. Das glaubte er dem Hundeyoukai, der offensichtlich einen gewissen höfischen Schliff erhalten hatte. Warum er dann wohl als Auftragsmörder arbeitete? Das war das Einzige, was er vermuten konnte: „Davon bin ich überzeugt.“ Er atmete tief durch: „Eine Frage habe ich doch…aber ich möchte dich nicht belästigen. Falls es mich nichts angeht, brauchst du selbstverständlich nicht zu antworten. – Du bringst Ayumi zu ihrem Vater. Und führt dich dein Weg danach in das Schloss von Kuragari?“

„Dessen bin ich mir noch nicht sicher.“

„Dann hat dich Yutaka noch nicht angeworben?“ entfuhr es dem Burgvogt.

Um den Mund seines Lebensretters glitt ein Lächeln, das dem Wolf unwillkürlich einen Schauder über den Rücken jagte. Am liebsten hätte er zu seinem Schwert gegriffen, aber in seinem Arbeitszimmer war er unbewaffnet.

Die tiefe Stimme klang jedoch vollkommen ruhig: „Mich hat niemand angeworben.“

„Verzeih mir…“ war alles, was Torajiro noch sagen konnte. Mit diesem Lächeln hatte ihn gerade etwas gestreift, das er als den kalten Hauch des Todes erkannt hatte. „Ich schulde dir mein Leben…und Yutaka als dem Vertreter des Herrn der westlichen Länder meinen Respekt.“

„Du willst nicht zwischen die Fronten geraten?“

Der Wolfsyoukai richtete sich unwillkürlich auf: „Noch nie hat mich jemand feig gesehen. Aber ich kenne meine Pflichten!“

„Ich bin sicher, du wirst sie alle erfüllen können.“ Der Hundeyoukai erhob sich: „Ich danke dir für die Gastfreundschaft, Torajiro-san. Möge der Clan der Wölfe von Sanshi eine ruhige Zukunft haben.“

Der Burgvogt neigte den Kopf: „Ich wünsche dir eine angenehme Reise.“ Und, da er quasi das Versprechen hatte, der Fremde würde nicht gegen die Wölfe vorgehen: „Ich wünsche dir Erfolg.“

„Danke.“
 

Ayumi zuckte unwillkürlich zusammen, als der Gast des Burgvogtes wieder das Zimmer betrat. Fragend sah sie ihn an.

„Hast du Sachen, die du mitnehmen willst, Kleidung?“

„Ich...ich verstehe nicht, Herr.“

„Ich habe soeben die Schulden deines Vaters bei Burgvogt Torajiro bezahlt. Damit ist er mein Schuldner. Und du gehörst nun mir.“ Der Hundeyoukai bemerkte, dass ihre Witterung jäh in schiere Panik umschlug, noch ehe er die Tränen sah. So fuhr er fort: „Ich wollte sowieso zu deinem Vater. Nun bringe ich dich nach Hause.“

Ayumi benötigte einen Augenblick, ehe der Sinn dieser Worte durch ihre Angst drang. Sie holte tief Atem, ehe sie hervorbrachte: „Ihr…Ihr wollt mich nach Hause bringen? Bitte, Herr, treibt kein grausames Spiel mit mir.“

Menschen waren wirklich eine eigenartige Gattung. Was fürchtete sie denn? „Ich lüge nie.“

„Verzeiht….Ich…“ Sie suchte nach entschuldigenden Worten, wagte sie doch nicht, ihm zu sagen, dass sie im ersten Augenblick geargwöhnt hatte, er wolle sie als Nahrungsmittelvorrat nehmen.

„Willst du nun etwas einpacken?“ Leise Ungeduld lag in seiner Stimme.

„Ich besitze nur das, was ich trage, Herr.“

„Dann komm.“

Das Menschenmädchen stand auf. Seltsamerweise wurde ihr zum ersten Mal bewusst, wie viel größer er war als sie. Die Youkai, die sie bislang kennen gelernt hatte, waren alle nicht so hoch gewachsen. Gab es da Unterschiede zwischen den Arten? Und was es wohl mit den beiden Fellteilen auf sich hatte, die aus seiner Rüstung kamen, über seinen Rücken fielen? Aber das konnte sie unmöglich fragen. So folgte sie schweigend ihrem neuen Herrn.
 

Der Burgvogt stand auf der Mauer und blickte dem Fremden nach, als dieser den steilen Abhang hinunterging, das Menschenmädchen neben sich. Ein alter Wolfskrieger trat zu ihm:

„Ihr lasst ihn gehen, Torajiro-sama? Er ist ein gefährlicher Mann.“

„Aus welchem Grund hätte ich ihn festhalten oder gar einsperren lassen sollen? Das Schlimmste, was man ihm vorwerfen könnte, wäre, mir das Leben gerettet zu haben. Überdies ist er kaum jemand, der sich ohne weiteres einsperren lassen würde.“ Torajiro ließ den Hundeyoukai nicht aus den Augen: „Ich habe sein Youki gespürt, als er die drei dort auf dem Marktplatz tötete.“ Ohne auch nur das Schwert gezogen zu haben.

„Der Stellvertreter des Herrn der westlichen Gebiete wird ihn sicher auffordern, für ihn zu kämpfen.“

„Ja.“

„Dann wird er gegen uns sein.“

„Er wird sich nicht anheuern lassen.“

„Meint Ihr.“ Der alte Krieger sah ebenfalls hinunter: „Er ist ein Hund, und nach allem, was wir wissen, ist auch der neue Herr ein Hundeyoukai. Eine Krähe wird einer anderen kein Auge aushacken.“

„Er machte mir nicht den Eindruck, sich gern Befehle erteilen zu lassen. Vielleicht zieht er darum allein durch die Lande.“ Torajiro zog ein wenig die Augen zusammen. Ein Gedanke war vorübergehuscht, den er aber nicht mehr fassen konnte, so sehr er auch grübelte.
 

Ayumi warf ihrem schweigsamen Begleiter einen forschenden Blick zu. Tatsächlich gingen sie nach Norden, in Richtung auf ihren Heimatort. Sie war erleichtert, hatte sie doch irgendwie noch immer befürchtet, er könne sie angelogen haben.

„Was ist?“ fragte er prompt.

„Verzeiht, Herr“, bat sie eilig. Es war unhöflich, einen vornehmen Herrn anzusehen, das wusste sie. Und ihr neuer Besitzer schien ihr jemand zu sein, der Rang und Namen hatte. Hastig suchte sie eine Erklärung: „Darf ich…ich habe Hunger.“

„Du hast seit gestern Abend nichts mehr gegessen.“

Sie nickte: „Ihr ja auch nicht, “ wagte sie dann mit einem raschen Seitenblick zu sagen.

Sein Lächeln ließ seine Fangzähne aufblitzen: „Nun, ich habe auch vorgestern nichts gegessen oder vorvorgestern. Ich nehme fast nie etwas zu mir.“

Wenn er lächelte, sah er wirklich freundlich aus. So meinte sie etwas mutiger: „Ich dachte, auch Youkai müssen essen.“

„Manche. – Und du hast Glück.“

Erstaunt folgte sie seinem Blick. Ein Händler kam mit seinem Eselskarren des Weges. Als er das ungewöhnliche Paar bemerkte, musterte er den Youkai genau. Aber als der die Hand hob, hielt er an. In ganz Sanshi war bekannt, dass man sich mit einem Angehörigen dieser Gattung unterhalten konnte, ihn aber nicht verärgern sollte.

„Ihr wünscht, mein Herr?“

„Hast du etwas zu essen für meine Dienerin dabei?“

„Ja. – Was magst du, Mädchen?“ Der Kaufmann schwang sich von seinem Wagen. Das Thema Bezahlung vermied er. Die meisten Wolfsyoukai des herrschenden Clans zahlten zwar wie Menschen, aber es gab eben auch andere. Und lieber kein Geld für ein wenig Essen, als eine Bezahlung in Stahl – in Form eines Schwertes. Das Mädchen würde schon nicht soviel brauchen.

Als Ayumi mit getrocknetem Fisch und Obst vom Wagen zurücktrat, erschrak sie. Ohne dass sie es gesehen hatte, stand der Hundeyoukai neben ihr.

Auch der Händler zuckte zusammen, fragte aber hastig: „Wünscht Ihr auch etwas?“

„Hier.“

Der Kaufmann schloss automatisch die Finger um die angebotene Münze. „Danke, Herr.“ Das war ja gut gegangen.

Der Fremde ging weiter und Ayumi bemühte sich, mit ihm Schritt zu halten und dennoch gleichzeitig zu essen. Anscheinend wollte er keine Zeit verlieren. Nachdem er gerade erneut für sie Geld ausgegeben hatte ohne eine Gegenleistung zu verlangen, sollte sie wenigstens diesen Wunsch respektieren.
 

Die Abenddämmerung senkte sich schon über die fruchtbare Hochebene von Sanshi, als der Hundeyoukai stehen blieb und den Kopf hob. Der Wind war aufgefrischt, trieb ihm Nachrichten zu.

Ayumi ließ sich mit einem Aufseufzen zu Boden sinken. Sie war erschöpft. Außer einer Mittagsrast war sie nicht mehr zum Ausruhen gekommen. Jetzt hoffte sie, dass ihr Gebieter wenigstens einige Minuten stehen bleiben würde.

Er wandte den Kopf: „Du möchtest schlafen?“

„Vergebt, ich bin müde, “ gab sie zu: „Bitte, können wir einige Minuten Rast machen?“

„Dort vorn, am Rande des Reisfeldes, ist ein Baum. Unter dem kannst du schlafen. Wir gehen dann morgen weiter.“

„Danke.“ Sie raffte sich auf, folgte ihm. Sie hätte zwar gern in einem Dorf genächtigt, nicht unter freiem Himmel, aber ein Youkai mochte das anders sehen. Überdies machte er nicht den Eindruck, müde zu sein. Vermutlich hielt sie ihn auf. So ließ sie sich nur erleichtert in das Gras unter dem Baum sinken.

„Ayumi.“

„Herr?“ Sie sah eilig zu ihm.

„Warte hier auf mich. – Myouga.“

Sie war überrascht. Mit wem redete er? Aber dann entdeckte sie eine kleine Gestalt auf seiner Schulter, mit vier Armen. So etwas hatte sie nie zuvor gesehen.

„Pass auf sie auf.“

„Äh, Herr….“ dehnte der Flohgeist, als er auch schon fortgeschnippt wurde, im Schoß des Mädchens landete. Im nächsten Moment waren sie allein.

„Guten Abend“, sagte Ayumi höflich, bemüht, ihr Lächeln zu unterdrücken. Der war ja so winzig! Kein Wunder, dass sie ihn noch nicht bemerkt hatte. Und er war sogar korrekt angezogen: „Seid Ihr auch ein Youkai, Myouga-sama?“

Geschmeichelt setzte sich der Floh ins Gras, ihr gegenüber: „Ich bin ein Flohgeist. Und ich bin der treue Berater meines Herrn, des...“ Er brach ab. Der Gebieter konnte sehr drastisch reagieren, plauderte er zuviel aus.

„Des...?“ wiederholte Ayumi prompt.

„Wenn der Herr möchte, dass du mehr erfährst, wird er es dir sagen.“ Myouga seufzte ein wenig. Was hatte sich der Gebieter nur dabei gedacht, ihm den Auftrag zu geben, auf ein Menschenmädchen aufzupassen? Er war doch nichts als ein kleiner, schwacher Floh? Falls wirklich wer kam, könnte er doch gar nichts tun…

„Ja, vermutlich, Myouga-sama. – Ich bin froh, dass er mich nach Hause bringt. Wisst Ihr, was er von meinem Vater möchte?“

„Nein, da habe ich ehrlich gesagt, keine Ahnung.“ Myouga bemerkte, dass das seinem Ruf als Berater wohl abträglich war: „Aber es wird wohl etwas damit zu tun haben, was er überhaupt hier will. Das darf ich aber nicht sagen.“

Sie seufzte: „Das ist so geheimnisvoll. Darf ich auch nicht wissen, wohin er ist?“

„Er wird etwas gewittert haben.“

„Gewittert?“

„Er ist ein Hundeyoukai. Seine Nase ist viel besser als die eines Menschen.“

„Oh.“ Sollte sie fragen…? Dann beschloss sie, es zu riskieren. Der kleine Floh konnte sie kaum hart bestrafen: „Kann er sich denn dann in einen Hund verwandeln?“

„Ja, natürlich. – Aber du solltest schlafen. Wenn der Herr zurückkommt, wird er weiter wollen.“

„Ihr habt Recht.“ Fügsam legte sich das Mädchen ins Gras. Hoffentlich würde es heute Nacht nicht zu kalt werden. Ein wenig amüsiert versuchte sie sich vorzustellen, wie der kühle Youkai wohl in seiner Hundegestalt aussah. Darüber schlief sie ein.
 

Der Hundeyoukai blieb stehen, betrachtete die Ursache des Geruches, der ihn angelockt hatte. Vor ihm brannte ein kleines Dorf. Er erkannte einige regungslose menschliche Gestalten auf der Strasse. Links von ihm waren Vieh und die überlebenden Menschen zusammen getrieben worden. Sie hatten gegen die Angreifer keine Chance gehabt. Der Fremde ging langsam näher. Diese Bande von Youkai, die das Dorf überfallen hatte, verdiente nicht im Mindesten seine Achtung. Waren das etwa Leute von diesem Yutaka? Er zeigte ein wenig von seinem Youki, genug, um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, wenn sie auch nur einigermaßen vorsichtig waren.

Der massige Anführer bemerkte ihn in der Tat und richtete sich auf, kam ihm etwas entgegen. Der Fremde erkannte ein Mitglied der Bärenfamilie. Er blieb stehen: „Banditen, die ein Dorf überfallen?“

„Was geht dich das an? Aber zu deinem Trost: wir arbeiten für den Herrn der westlichen Gebiete.“ Das Youki des Unbekannten war nicht sonderlich hoch, aber er war zu vorsichtig, um nicht damit zu rechnen, dass dies nicht alles wäre.

„Yutakas Männer, also.“ Das klang fast nachdenklich.

„Ja. Sehr richtig. Und jetzt schleich dich mit eingezogenem Schwanz davon, Kläffer, ehe ich dich mit meinen Händen zerreiße!“ Der Bär bewegte die Finger. Er war so groß und stark, dass er mit den meisten Youkai tatsächlich zu Rande kam, sie töten konnte, ohne auch nur sein Schwert ziehen zu müssen. Und auch er verbarg einen Gutteil seiner Energie.

„Ich denke nicht, dass der Herr der westlichen Gebiete beglückt darüber ist, wenn ihr seine Dörfer niederbrennt.“

„Los, verschwinde, du Köter! Oder soll ich mit einem Stein nach dir werfen?“

„Du hast mich genug beleidigt.“ Der Fremde duckte sich ein wenig ab. Wenn es nicht zwingend notwendig war, wollte er sein Schwert in der Scheide lassen. Der Geist der Hölle darin wurde jedes Mal schwerer zu beherrschen, wenn er ihm Blut und Seelen gab.

„Ah!“ In den Augen des Bären leuchtete es auf. So dumm war schon lange niemand mehr gewesen, sich auf ein Handgemenge mit ihm einlassen zu wollen. Er warf einen raschen Blick beiseite. Seine Männer sahen zu ihm. Gut. So konnte er wieder einmal seine Position sichern. „Einen Ringkampf? Das wird dein letzter Kampf, du dummer Hund.“
 

******************************************
 

Die arme Ayumi sah sich wohl als Sandwich auf zwei Beinen. Aber sie ist offenbar nicht die Einzige, die Irrtümer begeht, was den Fremden betrifft.

Im nächsten Kapitel muss er sich mit lebensmüden Teddies herumschlagen und ihr lernt Yutaka und dessen Freund kennen....
 

Wer so nett ist, mir einen KOmmentar zu hinterlassen, erhält, wie gewohnt, eine ENS, wenn ich sehe, dass das neue Kapitel freigeschaltet ist.
 

bye
 

hotep

Fremde in der Nacht

Noch ahnen die Bewohner von Sanshi nicht, wer der Fremde ist, der durch die Gegend läuft.(Obwohl, der Burgvogt schon einen Gedanken in die richtige Richtung hatte...) Aber ein bis zwei Leute werden es schon in dieser Nach wissen...
 

And where the traveller goes

A cold wind blows

Chris de Burgh: The Traveller
 

3. Fremde in der Nacht
 

Der Hundeyoukai musterte seinen Gegner rasch. Dieser Bär war nicht nur groß, sondern auch schwer. Unter der Rüstung war es kaum zu erkennen, aber er hätte schwören mögen, dass sich gewaltige Muskeln über die Brust spannten. Dieser Youkai war ihm an Kraft gewiss haushoch überlegen. Daher auch dessen Selbstsicherheit.

Allerdings hatte er selbst einige Erfahrung in Handgemengen. Seit er dieses verfluchte Schwert der Hölle trug, vermied er es, so gut es ging, einen Kampf damit zu führen. Der böse Geist darin sehnte sich nach Blut und Seelen. Noch hatte er es unter Kontrolle, konnte es zügeln, aber er war sich bewusst, dass dies eines Tages nicht mehr der Fall sein könnte. Das wäre eine Katastrophe, denn der Dieb der Seelen würde seinen Besitzer beherrschen, die Tore der Hölle öffnen.

Doch zunächst war erst einmal dieser Bärenyoukai an der Reihe.

„Wenn ich dich besiege, verschwindet ihr und lasst das Dorf in Ruhe.“ Er wollte ihn eigentlich nicht umbringen. Die anderen Krieger und die Dorfbewohner beobachteten die beiden Kontrahenten genau.

Der Anführer lachte auf: „Du verrückter Hund! Nicht nur, dass du dich um erbärmliche Menschen kümmerst, nein, du willst auch noch den Herrn der westlichen Gebiete um seine Steuern bringen. Der ehrenwerte Yutaka hat in seinem Namen Leute für weniger hinrichten lassen.“

„Ist das so.“

In der Stimme des Fremden lag keine Gefühlsregung mehr. Nur in den goldenen Augen funkelten die Reflexe des Feuers.

Vielleicht war es gerade das, das seinen Gegner stutzig machte. Aber er meinte nur: „Wie ist dein Name, damit ich weiß, wen ich getötet habe?“

„Ich werde ihn dir sagen, ehe du stirbst.“

„Du musst die Tollwut haben! Siehst du nicht den Unterschied zwischen uns?“ In der Tat war der Bär fast einen Kopf größer, breiter auch. „Aber nun gut.“

Ohne weitere Vorwarnung rannte er mit einer, für solch einen massigen Mann, erstaunlichen Geschwindigkeit auf den Hundeyoukai zu, der sich ein wenig aufrichtete, aber die Hände noch an den Seiten herabhängen ließ. Allerdings hielt er seinen Gegner genau im Blick. Dieser schien gar nicht mit einer großen Gegenwehr zu rechnen, hatte er doch die linke Hand ausgestreckt, um seinen Kontrahenten zu packen, die Rechte schon als Faust zum Zuschlagen erhoben. Hatte er mit solch einem wilden Ansturm bislang gewonnen?

Seine Männer im Hintergrund schrieen jedenfalls, als ob er schon gesiegt hätte. In der nächsten Sekunde war er bei ihm. Der Hundeyoukai sprang ihm mit einem weiten Satz entgegen, so die Distanz um mehrere Schritte verkürzend.

Der Zusammenprall war selbst für die Menschen hörbar.

Der Bär hatte auf den Punkt gezielt, auf dem sein Feind so aufreizend gestanden hatte. So hatte er bei dem Zusammenprall seine Arme noch auseinander, war ohne Deckung. Ein fataler Fehler. Die linke Faust seines Gegners prallte gegen sein Kinn, die Rechte gegen sein Jochbein.

Dieser Doppelschlag sollte nach Meinung des Fremden ausreichen, selbst diesen Bären von den Füßen zu reißen, ihn zumindest anzuschlagen. Er unterschätzte den Youkai keineswegs. Er schien zwar nicht viel von Technik zu verstehen, aber das lag gewiss daran, dass er sie nie benötigt hatte. Seine rohe Kraft hatte stets ausgereicht. Darum versuchte er selbst auch keine filigrane oder schön anzusehende Strategie. Nur kein langer Kampf, denn an Kondition war dieser Kerl ihm sicher überlegen.

Aber obwohl er die rohe Kraft schon hoch angesetzt hatte, erwies sich seine Berechnung als falsch. Der harte Schlag gegen das Kinn ging spurlos an dem Bären vorüber. Der Fremde machte einen hastigen Sprung zurück, um nicht in dessen Armen zu landen, sich in einer sicher tödlichen Umklammerung zu finden. Für einen Moment blieb er stehen, betrachtete seinen Gegner. Immerhin hatte der zweite Schlag sein Ziel gefunden, wie das schmerzliche Aufkeuchen bewiesen hatte, jetzt auch der instinktive Griff zum Auge. Immerhin hatte er die Gefährlichkeit seines Kontrahenten deutlich reduziert, denn dessen Blick war nun auf dieser Seite verquollen. Seine Zielsicherheit würde deutlich abgenommen haben.
 

Der Bärenyoukai stieß einen Fluch aus. Seit langen Jahren hatte es niemand mehr vermocht, so nahe an ihn heranzukommen, ja, ihn zu schlagen. Wilder Hass flammte in ihm auf den vor ihm stehenden Mann auf, raubte ihm die klare Besinnung. Er wollte nichts mehr, außer diesen Kerl verletzen, töten, der ihn vor seinen eigenen Kriegern lächerlich gemacht hatte. Dieser Hund war kleiner als er, selbst mit der Rüstung schmaler. Das gab es doch einfach nicht….Er machte einen Sprung auf seinen Gegner zu.

Zu seiner Überraschung stand der nicht mehr da, wo er sich Sekundenbruchteile zuvor befunden hatte. Der Faustschlag, mit dem er diesem dummen Hund den Schädel hatte zertrümmern wollen, ging ins Leere, ließ ihn stolpern. Ein stahlharter Griff um seinen linken Oberarm bremste dies, riss ihn herum. Im gleichen Augenblick traf ein so furchtbarer Schlag seine rechte Schulter, knapp unterhalb der Rüstung, dass sein ganzer Arm gefühllos wurde. Er schrie auf. Wie schnell und stark dieser Hund war….Er wurde weiter gezogen, fiel auf die Knie, ohne ganz zu begreifen, was hier vorging. Im nächsten Moment stand sein Gegner über ihm, beugte sich vor und packte seine Haare, bog den Kopf zurück.

„Ich versprach dir noch zu sagen, wer ich bin“, knurrte er. Er flüsterte einige Worte in das Ohr des Kriegers, während er seine Handkante gegen die ungeschützte Kehle fallen ließ.

Der Bärenyoukai starb, noch ehe Furcht und die in seinem Denken erlöschende Frage Gestalt annehmen konnten.
 

Der Fremde richtete sich auf, musterte die anderen Youkai. Wenn sie verrückt genug waren, ihn anzugreifen, müsste er in der Tat sein Schwert ziehen.

Aber sie machten, dass sie davon kamen. Das würde Yutaka-sama sicher interessieren, dachten sie. Und der würde schon wissen, wie man mit einem solch gefährlichen Mann umgehen sollte. Nicht nötig, dafür das eigene Leben zu riskieren.

So ging er langsam zu den Menschen, die sich zögernd niederknieten. Diese Youkai hatten ihr Dorf niedergebrannt, aber immerhin im Namen des rechtmäßigen Herrn. Wer war dieser Fremde und was wollte er nun von ihnen? Selbst den Menschen war nicht entgangen, dass der Anführer der Schar im Endeffekt keine Chance gegen diesen weißhaarigen Unbekannten gehabt hatte.

Der Dorfvorsteher beschloss, auf jeden Fall die Höflichkeit zu wahren: „Wir…wir sind Euch dankbar, Herr…“

„Aber?“

„Sie werden wiederkommen. Wir haben die geforderte Steuer nicht bezahlt.“ Der Dorfvorsteher wagte es, aufzusehen: „Darum sollen wir sie ja…abarbeiten.“ Ihm schien, als glühe in den Augen des Fremden vor ihm ein unheimliches Licht.

„Als was abarbeiten?“ fragte er aber ruhig.

„Das…das wissen wir nicht. Wenn Menschen die Steuer nicht bezahlen können, lässt Yutaka-sama sie abholen. Zurück kam noch keiner.“ Erschreckt bemerkte der Dorfvorsteher, wie sich die klauenartige Rechte vor ihm anspannte, aber wieder gelockert wurde.

„Kennt ihr den Ort Ikezawa?“

„Ja, Herr.“

„Geht zunächst dorthin. Ich bin sicher, der dortige Herr wird euch aufnehmen. Und dann überlegt, was ihr tun wollt. Das Dorf hier aufzubauen wird euch Mühe kosten.“

„Aber Yutaka-sama…der Dämonenherr der westlichen Länder….“

„Macht euch darum keine Sorgen.“ Der Hundeyoukai drehte sich um und war in der Nacht verschwunden, noch ehe die Menschen weitere Worte fanden.
 

Mit Zorn im Herzen kehrte er zu dem Ort zurück, an dem er Myouga und Ayumi zurückgelassen hatte. Dieser Yutaka ruinierte seinen Ruf! Wie konnte der es wagen, so mit Menschen umzuspringen?

Überdies nahm er keinen Moment an, dass Youkai besser behandelt wurden. Torajiro wusste, warum er so vorsichtig war.

Wenn er es recht überlegte: die drei Krieger, die den Wolf überfallen hatten, jetzt auch der Bär, waren keine besonders kampfstarken Youkai. Er war mit allen leicht fertig geworden. Hatte Yutaka nicht mehr Geld zur Verfügung, um bessere Leute anzuwerben oder war er selbst nicht sonderlich stark, so dass er es vermied, Herausforderer zu sich zu holen?

„Oyakata-sama!“ keuchte jemand.

„Myouga! Habe ich dir nicht befohlen…?“ In seiner Stimme lag noch immer der Zorn über die Zerstörung des Dorfes.

Der arme Flohgeist bezog das auf sich und brach seinen Sprung auf die Schulter seines Herrn ab, um sich auf die Erde zu werfen. Er wusste, wann es in Gegenwart seines Gebieters gefährlich wurde. Aber wenn er diese Meldung nicht überbrachte, würde es wohlmöglich noch riskanter: „Oyakata-sama!“ wiederholte er, die Stirn am Boden: „Ein großer Youkai…Ayumi!“

Der Hundeyoukai sah unwillkürlich in die Richtung, in der er sein Ziel wusste. In dieser Gegend schien es vor Lebensmüden zu wimmeln. Aber nun gut. So konnte er sich noch ein wenig abreagieren.
 

Ayumi hatte versucht, sich zu wehren, doch selbst, wenn der große und schwere Mann ein Mensch gewesen wäre, hätte sie keine Chance gehabt. Der Youkai hielt mit einer Hand ihre Handgelenke über ihrem Kopf.

„Myouga-sama?“ erkundigte er sich: „Nach wem hast du denn gerufen, Täubchen?“

„Lass mich! Wenn der Herr kommt…“ Sie konnte nur hoffen, dass er kommen würde, und das rechtzeitig. War der kleine Flohgeist fortgelaufen, um ihn zu holen?

„Dein Herr? Also ob ein Mensch mich aufhalten könnte. Und erzähle mir jetzt ja nicht, dass dein Herr ein Wesen meiner Art sei. Ich kann an dir nichts riechen.“ Er lächelte flüchtig: „Siehst du? Ich kenne Menschen gut genug, um zu wissen, dass dir nichts mehr einfällt. Du bist wirklich eine Hübsche. Wir werden viel Spaß miteinander haben.“

Er neigte sich tiefer, um sie zu küssen, und obwohl sich Ayumi sträubte, musste sie den immer intensiver werdenden Kuss bis zum Ende erdulden.

„Temperamentvoll“, sagte er amüsiert: „Das wird noch lustig….“ Im nächsten Moment fuhr er herum, sprang auf. Sein Begehren hatte seine Sinne nicht so sehr vernebelt, als dass ihm das Youki entgangen war, dass sich da auf einmal hinter ihm befand. Kampfbereit starrte er den Fremden an. „Was willst du? Sie ist meine Beute!“

„Sie gehört mir.“ Der Hundeyoukai warf einen raschen Seitenblick auf Ayumi, die sich instinktiv zusammenrollte, über den Mund rieb. Er schien noch rechtzeitig gekommen zu sein. Aber dann wandte er sein Augenmerk dem Gegner zu. „Du bist der zweite Bärenyoukai, der heute Nacht sterben wird. Hier scheint ein Nest zu sein.“

„Du willst einen meiner Art getötet haben? Dass ich nicht lache. In ganz Sanshi gibt es nur zwei meiner Art. Und da du mich nicht umgebracht hast, könntest du höchstens Kojo meinen. Aber der ist unbesiegbar und hat auch noch Männer dabei!“ Der Krieger musterte den Fremden: „Und überhaupt wärst du verrückt, auch nur einen von Yutaka-samas Leuten anzugreifen. Das wäre Hochverrat, ist er doch der Stellvertreter des Herrn der westlichen Gebiete.“ Ein erneutes Lachen: „Oder weiß du nicht, welche Todesstrafe auf Hochverrat steht? Sechs Tage lang zu sterben? – Komm nur her, dann stirbst du zwischen meinen Fäusten. Das geht schneller.“

Er trug zwar ebenfalls ein Schwert, aber gewöhnlich zog er es nicht.

Ayumi hielt den Atem an. Ihr war klar, dass dieser Kampf auch um ihr Schicksal gehen würde.

„Was für ein Idiot“, murrte jemand und sie sah zu ihrer Schulter:

„Myouga-sama!“

„Ich habe den Herrn doch rechtzeitig geholt, oder, Kindchen?“ fragte er etwas besorgt. Wenn ihr etwas zugestoßen war, wusste er, wem die Schuld dafür gegeben würde.

„Ja, danke. Aber…aber der andere ist so groß…“

„Er ist schon tot, er weiß es nur noch nicht.“

Die Überzeugung in der Stimme des kleinen Geistes beruhigte das Mädchen. Er würde doch wissen, was der Herr konnte. Sie wollte wieder zu den beiden Youkai sehen, als sie blinzelte. Wo war ihr Gebieter? Im nächsten Moment stand er hinter dem Bärenyoukai. Sie hatte nichts gesehen, nichts bemerkt. Wie schnell war er?

Der Krieger spürte das Youki hinter sich, und wollte herumfahren. Gleichzeitig fasste er nach seinem Schwert, dass er ebenfalls quer über dem Rücken trug. In diesem Moment fuhr ein Arm unter seiner Achsel durch, eine Hand wie aus Stahl legte sich um seinen Nacken, hinderte ihn so, zu ziehen. Noch ehe diese Bewegung zum Abschluss gekommen war, traf ein scharfer Schlag seinen linken Ellbogen, lähmte diesen Arm.

Der Bär keuchte auf, vor Schmerz, vor Angst.

Das war ihm noch nie passiert. Gewöhnlich war er an Kraft doch allen anderen überlegen!

Er wollte etwas sagen, verhandeln. Es ging doch nur um ein Menschenmädchen! Da konnten sich Youkai doch nicht gegenseitig massakrieren. Aber eine Handkante wurde gegen seine Kehle gedrückt, Finger pressten sich gegen sein Gesicht, drehten seinen Kopf herum. Entsetzt begriff er, versuchte, nach hinten zu treten, aber ein Knie in seinem Oberschenkel verhinderte jede Bewegung.

„Sag Kojo, dass ich dich getötet habe!“ flüsterte eine eiskalte Stimme in sein Ohr: „Er wird dir erzählen, warum.“

Die Hände des Hundeyoukai drückten fest zu.
 

Ayumi bemühte sich nicht zu dem Toten zu sehen, dessen Kopf seltsam verdreht auf der Erde lag, als sie höflich hervorbrachte: „Danke, Herr.“ Sie rieb sich wieder über die Lippen.

„Möchtest du deinen Mund auswaschen?“

Sie sah erstaunt auf. Mit einer solchen Geste hätte sie nicht gerechnet: „Ja…das wäre…angenehm.“ Und da er zu dem überfluteten Reisfeld nickte, ging sie hinüber, spülte sich erleichtert diesen widerlichen Geschmack weg.

Als sie sich aufrichtete, bemerkte sie, dass der Youkai neben ihr stand. So wagte sie nicht, aufzustehen, sondern betrachtete seine schwarzen Schuhe. „Ich danke Euch, dass Ihr mir geholfen habt“, sagte sie noch einmal.

„Wer ohne Erlaubnis mein Eigentum berührt, stirbt.“ Er wandte sich um: „Gehen wir.“ Er nahm nicht an, dass sie neben der Leiche schlafen wollte. Menschen waren diesbezüglich sehr leicht zu erschrecken.

Sie folgte ihm wortlos, aber in der Einsicht, dass er eben kein Mensch war und sie von ihm nur unmenschliche Reaktionen erwarten konnte.
 

„Kojo ist tot? Und das wagt ihr mir so zu sagen?“ Yutaka erhob sich wutentbrannt von seinem Thron aus Knochen, stieg die zwei Stufen hinunter. Der Sprecher der überlebenden Krieger sah entschuldigend auf:

„Yutaka-sama…..Der Fremde war so stark und schnell….“

Eine Ohrfeige ließ ihn schweigen. Er konnte bereits spüren, wie sein Ohr anschwoll. Das würde tagelange Schmerzen zur Folge haben. Aber er wusste, er konnte sich nicht beschweren. Immerhin hatte der Herr kein Schwert in der Hand gehabt.

„Verschwindet!“ Der dunkelhaarige Anführer fauchte es nur: „Solche Dummköpfe! Die Menschen habt ihr auch nicht mitgebracht! - Geht. Ich werde nachdenken.“ Er wandte sich um, während sich seine Männer beeilten, aus dem Saal des alten Schlosses von Kuragari zu kommen.

Yutaka ließ sich wieder nieder. Er war ein Wolfsyoukai, entstammte aber einem anderen Rudel als das, das Torajiro verwaltete, viel weiter im Süden. Mehr wusste niemand, außer ihm selbst. Seine grauen Augen blitzten, aber er zwang sich zur Ruhe, atmete tief durch. Ein wenig nachdenklich legte er die Hand an sein Schwert.

„Das sind nun schon vier Männer, die dieser weißhaarige Fremde Euch gekostet hat, mein Freund.“ Aus den Schatten des Thronsaales trat ein Rattenyoukai. Er trug eine Kleidung, die der eines menschlichen Mönchs ähnlich war. Allerdings hätte dieser kaum so viele Flecken an sich geduldet.

„Ich kann rechnen, Osamu“, murrte Yutaka: „Es fragt sich nur, was dieser Kerl hier in Sanshi will. Hat er ein bestimmtes Ziel?“

„Womöglich hat ihn Torajiro eingeladen? Oder gar angeheuert? Immerhin hat er ihm das Leben gerettet.“

„Dann wäre er auf der Burg der Wölfe und würde sich nicht damit beschäftigen, irgendwelche Menschendörfer zu beschützen. Hm. Hat er von mir gehört und will in meine Dienste treten? Vielleicht. Das wäre natürlich angenehm. Er scheint ein sehr starker Youkai zu sein, wenn er Kojo so einfach töten konnte.“

„Vielleicht ein Mann für…besondere Aufträge. Dann tötet er gewöhnlich gegen Bezahlung. Damit solltet Ihr ihn motivieren können.“

„In der Tat. Und wenn er zu viel verlangt oder anders zu lästig wird, hast du doch deine netten Mittelchen, nicht wahr?“

„Natürlich. – Ich hätte sogar eines, das ihn zu Eurem unterwürfigen Diener macht. Dies hätte allerdings ein paar Nebenwirkungen.“

Osamu klang fast schwärmerisch.

Yutaka hob die Hand: „Erspare mir Einzelheiten. Wenn es soweit ist, werde ich es dir sagen.“

Der Rattenyoukai verneigte sich ein wenig. Immerhin bot ihm die Arbeit als Ratgeber Yutakas erhebliche Möglichkeiten, viel mehr, als sie sonst einem Mitglied des verachteten Clans der Byoki-Ratten offen standen. Und der Wolf gewährte ihm großzügig immer neue Menschen und Youkai, an denen er seine Experimente durchführen konnte. Er hatte, zugegeben, einige der Gefangenen verbraucht, ehe es ihm gelungen war, ein Gift herzustellen, das dieselben Wirkungen wie das Sumpffieber hatte. Der junge Herr des Wolfsrudels war daran gestorben. Und bislang schien nicht einmal der aufmerksame Torajiro an eine Vergiftung zu denken. „Wie Ihr wünscht, Yutaka-sama. Gestattet Ihr mir allerdings noch eine Bemerkung?“

„Und die wäre?“

„Dieser Fremde scheint ein Unruhestifter zu sein. Wenn ich mich recht entsinne, brachten Eure Spione doch Mitteilung, dass sich jenseits der Berge ein anderer Auftragsmörder herumtreibt. Ein gewisser Okino. Vielleicht solltet Ihr ins Auge fassen, den herzubestellen. Im besten Fall habt Ihr zwei erfahrene Kämpfer auf Eurer Seite. Sonst könnt Ihr Okino auf den Fremden loslassen.“

„Glaubst du, dass dein Gift nicht wirken würde?“

„Dazu müsste er erst einmal an einem Ort sein, an dem ich es ihm verabreichen kann. Und er zieht durch das Land.“

Der Wolf trommelte mit dem Finger auf dem Knochen, der eine Armlehne seines Thrones bildete. Dieser stammte wie das gesamte Schloss noch aus der Zeit, als hier mächtige Youkaifürsten die Minen abgebaut hatten. „Nun gut. Es war nicht zu erwarten, dass wir unbehelligt das Land ausplündern können. Früher oder später hatte ich schon damit gerechnet, dass es Ärger gibt. Und spätestens nach der Ernte wird der neue Herr der westlichen Länder sicher seine Steuern sehen wollen. Dann sollten wir hier weg sein. Und reich.“ Ein rascher Blick zu seinem rättischen Ratgeber: „Nun, noch reicher.“

„Ja, der gleiche Trick hat in Yoban schon funktioniert. Auch, wenn diese Provinz bei weitem nicht so reich war.“ Osamu neigte noch einmal den Kopf. Er wusste, wie sehr sein Herr das schätzte: „Ich werde, wenn Ihr zustimmt, die neuen Nahrungsmittel und sonstigen Dinge wegschicken zum Verkauf. Auch die Zwangsarbeiter in den Minen sollen noch mehr abbauen. Vielleicht wäre es in der Tat günstig, …sagen wir, Eure Abreise vorzubereiten. Immerhin sollte die Ernte in acht Wochen beginnen.“

„Das ist wahr. Tu das. Und ich werde nach Okino schicken lassen. Er soll sehr schnell und stark sein, meist nicht einmal sein Schwert benötigen, um sein Opfer zu töten.“

„Darf ich eine Frage stellen?“ Osamu verneigte sich vorsorglich. Wenn seinem Herrn die Frage nicht passte, würde er es schmerzhaft zu spüren bekommen.

„Und?“

„Habt Ihr schon Euren Alternativplan weiter verfolgt?“

„Torajiro lebt noch. – Aber immerhin starb der kleine Junge. Natürlich rein zufällig.“

„Auch Torajiro wird nicht mehr lange unter uns weilen, fürchte ich, mein Freund. Nicht mit diesem Fremden und Okino an Eurer Seite.“

„Das ist wahr. Und dann gehört die kleine Prinzessin mir. Sie wird sicher eine entzückende Braut….“

„Ehe sie an Fieber stirbt.“

„Ehe sie an Fieber stirbt.“

*****************************************
 

Ein nettes Paärchen mit reizenden Plänen.

Im nächsten Kapitel kommt Ayumi nach Hause und der Fremde verplappert sich ein wenig.
 

Wer so nett ist, mir einen Kommentar zu hinterlassen, bekommt eine Info -ENS, wie gewohnt, sobald ich sehe, dass das neue Kapiel freigeschaltet wurde.
 

bye
 

hotep

Der Herr von Ikezawa

Früher oder später wird der Stellvertreter merken, dass er Ärger bekommt. Aber zunächst einmal darf Ayumi nach Hause und der Fremde lernt den Freund seines Freundes kennen...
 

4.Der Herr von Ikezawa
 

From out of the east a stranger came,

A law-book in his hand

A man, the kind of a man the west will need

To tame the troubled land...
 

Aus dem Film: The man who shot Liberty Valance
 

Ayumi warf einen Blick auf den vor ihr Gehenden. Diese Fellteile und sein Zopf ließen ihn irgendwie so harmlos wirken. Aber in der Nacht hatte sie gesehen, wie schnell er einen anderen Youkai getötet hatte. Er war sicher ein gefährlicher Mann. Umso erstaunlicher fand sie es, dass er sich um die Bedürfnisse eines Menschenmädchens kümmerte. In seinen Augen musste sie höchstens so etwas wie ein Schoßtier sein.

Aber er hatte ja auch Myouga-sama als Berater. Irgendwie schien er ein seltsamer Youkai zu sein. Nun gut, sie kannte fast kein Wesen dieser Gattung. Zuhause kamen manchmal welche zu ihrem Vater, aber bei diesen Besprechungen war sie natürlich nie anwesend gewesen. Die einzigen Youkai, die sie näher kennen gelernt hatte, waren Torajiro-sama und der Wirt. Beide waren zu ihr freundlich gewesen. Was man von diesem Kerl heute Nacht nicht behaupten konnte. Sie schauderte, wenn sie an ihn dachte.

„Was hast du, Kindchen?“ Der kleine Flohgeist, der auf ihrer Schulter saß, hatte ihr Frösteln bemerkt.

„Ich…ich musste nur an den Youkai von heute Nacht denken, Myouga-sama“, gestand sie.

„Es ist dir doch nichts passiert.“

„Ja, ich weiß.“ Es wäre bestimmt äußerst taktlos gewesen, in Gegenwart des Herrn zu erwähnen, dass er früher hätte kommen sollen. „Es ist nur so ein Schreck gewesen.“ Sie bemerkte gerade noch, dass ihr Gebieter stehen geblieben war und sie um ein Haar in ihn hineingelaufen wäre. So hielt sie an seiner Seite, sah fragend zu ihm empor.

„Was will der denn hier?“ Myouga sprang auf die Schulter seines Herrn, als er am Morgenhimmel eine bekannte Gestalt entdeckte.

Ayumi hätte fast gelacht, als sie die fliegende Kuh sah, die zur Landung ansetzte. Darauf saß offenbar ein Schmied, wenn sie nach dem Hammer gehen konnte. Das war auch ein Bekannter des Herrn? Er hatte wirklich eigenartige Freunde.

„Toutousai.“ Der Hundeyoukai wandte sich dem Neuankömmling zu, der von seiner Kuh rutschte:

„Es ist ganz schön schwer, Euch zu finden, Oyakata-sama. Zum Glück weiß Bokuseno immer, wo Ihr Euch gerade aufhaltet.“

„Was willst du?“ Er war nicht in der Laune, sich mit Nichtigkeiten zu beschäftigen. Noch heute wollte er Ayumi abliefern und sich dann mit ihrem Vater unterhalten. Wenn dieser Yutaka weg war, sollten Torajiro und er in der Lage sein, den Frieden hier in der Hochebene von Sanshi zu sichern. Dann müsste er sich nicht mehr selbst um diese Gegend kümmern. „Ich sehe kein Schwert.“

Der Schmied hob die Hände, aber er erkannte, dass der Herr nicht zu einem netten Gespräch aufgelegt war: „Ich konnte auch noch keines schmieden. Euer Wunsch ist ziemlich...ausgefallen.“ Eine Klinge zu schmieden, die den Tod tötete. Solch eine Idee konnte auch nur der Träger des Diebes der Seelen haben.

„Also hast du versagt?“

„Ich habe eine Idee gehabt!“ Das klang empört: „Ich weiß nun, wie ich eine solche Klinge schmieden könnte….aber dazu benötige ich Eure Hilfe.“

„Und?“

„Ihr seid ein ziemlich mächtiger Youkai…“ Toutousais Blick glitt zu dem Menschenmädchen, ehe er fortfuhr: „Ich bräuchte etwas von Euch, das Eure Magie enthält. Genauer, zwei Dinge.“

„Wieso zwei?“

„Ich müsste zwei Schwerter schmieden.“

Der Hundeyoukai verengte etwas die Augen. Er wusste, dass der Schmied ein Genie war, ihm war auch bewusst, dass Genies oft schrullig waren, doch langsam bekam er das Gefühl, dieser wolle ihn auf den Arm nehmen: „Siehst du mich mit gleich drei Schwertern durch die Gegend laufen?“ Das sähe geradezu albern aus.

Toutousai hatte das kurze Aufwallen des Youki gespürt und hob eilig beide Hände: „Oyakata-sama! Es muss sein. Glaubt mir, ich verstehe mein Handwerk. Ihr habt bei mir ein Schwert bestellt, das in seiner Macht dem Dieb der Seelen gleichwertig ist. Dem Höllenschwert kann aber nur eine Klinge ebenbürtig sein, die die Macht des Jenseits beinhaltet. Ihr würdet in diesem Fall die Macht zweier Welten mit Euch tragen. Es gibt aber drei.“

„Die Welt der Hölle, die Welt des Himmels und das Diesseits“, erklärte Myouga eilig, der zeigen wollte, dass auch er etwas von der Sache verstand.

Der Hundeyoukai sah zum Horizont: „Geh in deine Schmiede, Toutousai. Ich werde dich aufsuchen.“

„Äh, ja….“ Der Schmied hatte eigentlich damit gerechnet, dass er gleich zwei Träger für die Magie der Klingen bekommen würde. Er hatte da an Fangzähne gedacht, sicher sehr gutes Material. „Ich möchte Euch ja nicht lästig fallen…..“

„Dann geh. Ich habe hier noch etwas zu erledigen.“

„Ihr...Ihr wisst ja, wo Ihr mich findet.“ Toutousai hätte fast geseufzt. Aber er hatte gesagt, was zu sagen war. Und jede weitere Bemerkung würde sicher nicht gut aufgenommen werden. Schade. Irgendwie freute er sich darauf, diese beiden Klingen zu schmieden. Das würde eine echte Herausforderung für ihn werden. Aber wenn der Herr nicht wollte, wollte er eben nicht. Und er konnte ihm ja schlecht mit Gewalt die Fangzähne ziehen. So kletterte er wieder auf seine Kuh.

Ayumi hatte von dem Gespräch nicht viel verstanden, aber es ging sie ja auch nichts an. Immerhin konnte sie ihren Eltern nun erzählen, dass es fliegende Kühe gab, oder auch Flohgeister, Dinge, von denen sie zuvor nicht einmal Sagen gehört hatte.
 

Yutaka nickte ein wenig und der Krieger verließ eilends den Thronsaal, froh, dass der Herr seine Nachricht nicht im Zorn aufgenommen hatte. Der Wolfsyoukai sah seitwärts: „Ich glaube, es ist gut, dass ich bereits nach Okino gesandt habe.“

„Ihr scheint anzunehmen, dass auch der zweite Bärenyoukai von dem Fremden getötet wurde.“ Osamu blieb in den Schatten.

„Es dürfte nicht allzu viele Youkai geben, die in der Lage sind, einem Bären das Genick zu brechen, nicht wahr? Dieser Kerl fängt an, mir lästig zu werden. Nun gut. Der zweite Tote dieser Nacht liegt näher an diesem Schloss. Vielleicht will er doch zu mir.“

„Vielleicht.“

Yutaka strich nachdenklich über den Knochen seiner Lehne: „In jedem Fall möchte ich abwarten, bis Okino hier eingetroffen ist.“

„Das bedeutet, dass Ihr noch keine Männer nach Ikezawa schicken wollt?“

„Der gute Tano hat einmal gezahlt. Ich denke, er wird mit gewisser Aufmunterung noch einmal zahlen. Das eilt nicht. Jedenfalls nicht so sehr, als dass ich meine persönliche Sicherheit vernachlässigen möchte.“

Der Rattenyoukai hätte um ein Haar etwas dazu gesagt, dass sich sein Herr anscheinend von einem einzelnen Fremden beeinflussen ließ, aber er schwieg. Natürlich war es sicherer, Okino hier zu haben, um bei Bedarf einen Auftragsmörder gegen einen Auftragsmörder einsetzen zu können. Es war nicht notwendig, dass sich Yutaka an die vorderste Front begab, sich selbst in Gefahr brachte. Obwohl, so schlecht kämpfte der Wolf nicht. Osamu hatte ihn bereits im Zweikampf gesehen. Allerdings schien dieser Fremde auch nicht gerade schwach zu sein.

„Geh jetzt, Osamu. Sobald Okino hier ist, werde ich dir Bescheid geben“

Der Rattenyoukai eilte davon.
 

Ayumi atmete auf, als sie in der flimmernden Luft der Mittagshitze vor sich ihren Heimatort erblickte. Das Schloss ihres Vaters lag ein wenig außerhalb.

Die Wachen am Tor sahen einen Youkai, der sich näherte, und zogen unwillkürlich, noch ehe sie die Begleitung erkannten. Dann rannte einer eilends in das Schloss, um dem Herrn die Neuigkeit mitzuteilen.

Der Hundeyoukai blieb stehen: „Ich will zu Herrn Tano Ikezawa.“

Die menschlichen Krieger zögerten nicht, den Weg freizugeben. Jeder hier wusste, welche Macht die Wolfsyoukai besaßen, und dies schien einer zu sein. Überdies war er in Begleitung der Tochter des Hauses.

Ayumi holte tief Atem, als sie ihren Vater bemerkte, der aus dem Haus kam. Um ein Haar wäre sie auf ihn zugelaufen, ehe sie daran dachte, dass sie nicht einfach ihren Herrn stehen lassen konnte.

Der Hundeyoukai musterte den Hausherrn. Tano Ikezawa war ein wenig älter als Hidemaru Takahashi, mochte Mitte bis Ende der Dreißig sein, wenn er Menschen richtig einschätzen konnte.

Der Schlossherr erwiderte den Blick ruhig. Er hatte in seinem Leben schon öfter Youkai getroffen, nicht zuletzt den Verwalter des Wolfsrudels. Was auch immer dieser hier wollte – er hatte Ayumi dabei. Dieser Fremde trug eine aufwendige und sicher teure Rüstung, war also gewiss kein Laufbursche Torajiros. So neigte er höflich den Kopf.

„Willkommen in Ikezawa.“

„Danke. – Du darfst gehen, Ayumi.“

„Danke, Herr.“ Sie verneigte sich eilig, ehe sie mit einem Lächeln für ihren Vater im Schloss verschwand, froh, wieder zu Hause zu sein.

„Ich…Ihr werdet verstehen, dass ich ein wenig verwundert bin“, sagte Tano vorsichtig.

„Ich habe deine Schulden bei Torajiro-san bezahlt. – Und deiner Tochter ist nichts geschehen.“

„Danke, für beides. - Dann schulde ich Euch nun die vierhundert.“ Der Herr des Ortes seufzte ein wenig: „Ich fürchte nur, Ihr habt ein schlechtes Geschäft gemacht. Bis ich Euch das Geld zahlen kann, werden Jahre vergehen. Die Steuern sind seit diesem Jahr so hoch…“ Er brach ab, da der Fremde die Hand gehoben hatte.

„Ich habe noch etwas für dich.“ Er zog den Brief aus seiner Kleidung, den ihm Hidemaru Takahashi für seinen Freund mitgegeben hatte.

„Danke“, sagte Tano automatisch, ehe er ihn nahm. Ein so vornehmer Youkai spielte Bote? Als er den Absender erkannte, stutzte er, überflog dann rasch den Text. Dieser Brief war eindeutig von Hidemaru. Sie hatten bestimmte Wörter vereinbart, um Fälschungen auszuschließen. An einer Stelle blieb sein Blick hängen: Sei respektvoll zu dem Überbringer dieses Schreibens, aber du kannst ihm bedingungslos vertrauen, gerade auch in der Sache, die du in deinem letzten Brief erwähntest.

Er sah auf: „Ihr wisst, was ich an Hidemaru schrieb?“

„Prinz Hidemaru ist mein Gastfreund. Er erwähnte es als….bitteren Scherz.“

„Bitte, folgt mir, Herr.“ Das war sicher die richtige Anrede. Woher wohl Hidemaru diesen Youkai kannte? Tano ging auf die Mauer, die das Schloss umgab, blieb an der Rückseite stehen: „Dort, im Norden, liegt das alte Schloss von Kuragari. Früher, so heißt es, lebten dort mächtige Youkaifürsten, die die Mine dort abbauen ließen, ganz Sanshi unter ihrer Kontrolle hatten. Seit einem halben Jahr ist dort nun Yutaka, der Stellvertreter des neuen Youkaiherrn der westlichen Länder. Ich…“ Er sprach mit einem Youkai, also sollte er vorsichtig formulieren: „Ich denke, dem neuen Herrn ist nicht bewusst, dass die Steuern viel zu hoch sind. Ich habe Yutaka bereits gebeten, dies weiterzugeben. – Wisst Ihr etwas über den neuen Herrn?“

„Ich habe ihn schon gesehen.“ Die Stimme des Fremden klang ruhig: „Gab Yutaka das weiter?“

„Ich weiß es nicht. Ich habe bezahlt.“

„Um die Menschen hier zu schützen?“

„Ja. Wer nicht zahlt, wird mitgenommen. Ich vermute, dass sie in der Mine arbeiten müssen.“

„Menschen?“

„Menschen und Youkai.“ Tano blickte in das Land hinaus: „Ich habe mit Torajiro-san gesprochen. Seit Menschengedenken haben die Wölfe hier das Sagen gehabt. Aber er meinte, dass sich der Herr aller Wölfe dem neuen Herrn des Westens unterworfen habe. Jedes Vorgehen gegen Yutaka als dessen Stellvertreter ist damit Verrat.“ Und er wollte sicher keinen Krieg mit Youkai beginnen. Er spürte, wie der Fremde neben ihn trat und sah auf. Die goldenen Augen musterten den Horizont, als der Hundeyoukai langsam meinte:

„Jedes Vorgehen von dir oder Torajiro, ja. Ich bin nicht daran gebunden. Kannst du mir einen Mann mitgeben, der mich zum Schloss von Kuragari führt?“

„Herr, so schwer die Steuern auch sein mögen – ich werde keinen Treubruch begehen.“

„Und wenn ich dir mein Wort gebe, dass es keine Untreue ist?“

Tano starrte den Fremden an. Hidemaru hatte gesagt, er solle ihm bedingungslos vertrauen. Und er hatte Ayumi zurückgebracht. Der Youkai wandte ihm den Blick zu. Und der Mensch wusste in diesem Moment, dass er ihm glauben konnte. Wer auch immer dies war, er würde ihn nicht belügen. Aber er bekam auch das Gefühl, diese goldenen Augen könnten auf den Grund seiner Seele blicken, jede Unwahrheit erkennen. So neigte er den Kopf, nicht nur, um seine Zustimmung anzuzeigen.

„Ich werde Euch selbst begleiten.“

„Du willst keinen deiner Männer dem Risiko aussetzen, dass es für Verrat gehalten wird?“ Leiser Spott schwang in der ruhigen Stimme.

Tano spürte, dass er rot wurde: „Ihr gabt Euer Wort, dass es keiner sei. Nein. Ich möchte keinen meiner Männer dem Risiko aussetzen, von Yutakas Kriegern gefangen zu werden. Soweit ich weiß, endet das leicht tödlich.“

„Meine Bitte um Verzeihung…“

Tano war ein wenig überrascht. Dieser Fremde schien höfische Sitten zu kennen. „Wann wünscht Ihr aufzubrechen?“

„Wie lange benötigst du für die Vorbereitung?“

„Ich werde unverzüglich Befehl geben, Vorräte einpacken zu lassen und mich umkleiden. Vielleicht eine halbe Stunde, wenn Ihr Euch gedulden wollt?“ Tano sah erstaunt, wie seine Frau auf die Mauer kam. Das war mehr als ungewöhnlich: „Oh, darf ich Euch meine Gemahlin vorstellen? Aiko…“

Diese verneigte sich vor dem Youkai, ehe sie niederkniete: „Ich bitte um Verzeihung, wenn ich störe…Ich...ich wollte Euch Dank sagen, dass Ihr Ayumi heil wieder hergebracht habt, edler Herr.“

„Du darfst aufstehen.“ Der Fremde streckte die Hand aus, um ihr beim Hochkommen zu helfen.

Der Hausherr stutzte ein wenig. Worte und Geste kamen so selbstverständlich… In der Tat, höfisches Benehmen. War das auch ein Burgvogt wie Torajiro? Daher kannte Hidemaru Takahashi ihn dann wohl.

„Ihr seid sehr freundlich“, meinte Aiko denn auch: „Darf ich Euch etwas zu essen anbieten? Ein Bad? Ihr werdet von der Reise müde sein.“

„Ich bedarf nichts. Und ich werde mich nicht lange hier aufhalten.“ Er sah zu Tano, der die Aufforderung verstand:

„Komm, Aiko, ich muss mich umziehen. – Ich erkläre es dir gleich.“ Das Ehepaar Izekawa ging.

Der Hundeyoukai drehte sich wieder um, um nach Norden zu sehen.

„Ihr habt Euch verraten!“ meinte Myouga vorwurfsvoll und sprang auf die Mauer.

„Weil ich ihm versprach, dass er keinen Treubruch begeht? Möglich.“

„Es gibt nur einen, der das versprechen kann.“

„Er scheint nicht daran zu denken. – Du hast Recht, Myouga. Ich sollte vorsichtiger sein. Aber er ist der Freund von Prinz Takahashi.“

„Herr, der Freund eines Freundes muss nicht zwingend Euer Freund sein.“

Ein flüchtiges Lächeln: „In der Tat. Ich sollte ab und an auf meinen weisen Berater hören.“

Der Flohgeist seufzte: „Ihr tut ja doch immer das, was Ihr wollt. – Was wollt Ihr bei dem Schloss? Yutaka besuchen?“

„Natürlich. Ich möchte herausfinden, ob er selbst der Lügner ist – oder ob ihn jemand angelogen hat und er sich wirklich für meinen Stellvertreter hält.“

Myouga sah zu seinem Gebieter auf: „Da kommen dann aber nicht sehr viele Leute in Betracht….“

„Ja. Darum wollte ich ja auch nicht sagen, wer ich bin. Falls einer der ranghöchsten Youkai mir solcherart Knüppel zwischen die Beine werfen will, sollte man ihn nicht vorwarnen. Für die meisten bin ich nach wie vor im Takahashi-Schloss.“ Obwohl die Stimme ruhig wie immer klang, lag etwas darin, dass an Stahl im Mondlicht erinnerte.

Der Flohgeist nickte nur.
 

Während sich Tano die Rüstung überzog, ließ er sich von Ayumi berichten, was immer sie ihm über den Fremden sagen konnte. Fliegende Kühe und kleine Flohgeister? Vor allem jedoch der Kampf gegen den anderen Youkai interessierte ihn. Warum nur hatte keiner der beiden sein Schwert gezogen? War das unter Youkai unüblich? In jedem Fall fand er seine Einschätzung bestätigt, dass dies ein gefährlicher Mann war – allerdings wohl auch ehrenhaft, wenn man das über ein Wesen dieser Art sagen konnte. Und er hatte da einen Maßstab in Torajiro. Er schätzte den Burgvogt sehr und war froh, ja, ein bisschen stolz, dass dieser das Gefühl erwiderte.
 

Yutaka nickte ein wenig, zufrieden mit dem, was er sah. Okino war ein gefährlicher Mann, ein Katzenyoukai. Sein Youki fühlte sich viel versprechend an, auch, wenn er es sicher nicht vollständig zeigte. „Du übernimmst also den Auftrag.“

„Du zahlst genug.“ Der Auftragsmörder sagte es gelassen.

„Ich möchte eine kleine Kostprobe deiner Fähigkeiten sehen. Ist das zuviel verlangt?“

„Was?“

Der Wolfsyoukai nickte nach hinten.

Okino drehte sich um. Zwei Krieger führen einen Youkai herein, dessen Hände auf dem Rücken gefesselt waren. Er sah zu seinem Auftraggeber: „Er?“

Statt einer Antwort wandte sich der Schlossherr an die Krieger: „Bindet ihn los und gebt ihm ein Schwert. – Du brauchst keines, Okino, nicht wahr?“

„Nein.“ Der Katzenyoukai bewegte sich ein wenig vor.

Sein Gegner hatte nun ein Schwert in der Hand, leckte sich ein wenig über die Lippen. Er wusste, dass Yutaka ihn tot sehen wollte und begriff nicht so ganz, warum man ihm einen Kampf erlaubte. Aber gut. Wenn er diesen Kerl tötete, wäre das eine gute Gelegenheit zu zeigen, wozu er fähig war. Vielleicht würde ihm Yutaka-sama dann vergeben, dass er sich an seinem Gold vergriffen hatte. Er duckte sich ab.

Okino stand vier Schritte vor seinem Gegner, betrachtete den nachdenklich. Yutaka wollte etwas sehen, also würde er ihm etwas zeigen. So machte er noch einen Schritt näher, keine Waffe in der Hand. Der andere konnte dieser Einladung nicht widerstehen, schlug sofort zu, seitlich nach dem Hals zielend. Der Katzenyoukai sprang empor, mit einem Überschlag über die Klinge. Noch während der Drehung trat er zu, gegen den Kopf seines Widersachers. Der ging wie betäubt zu Boden, rollte sich aber eilig ab und stand wieder. Ihm war klar, dass er angreifen musste, rasch gewinnen musste. Dieser Kater war verflixt sprunggewaltig und schnell. So ignorierte er seinen brummenden Kopf und attackierte erneut.

Noch ehe er bei Okino war, sprang ihm dieser entgegen. Seine Handkante fuhr hinab, prallte auf das Gelenk des anderen. Mit einem schmerzlichen Aufschrei ließ der seine Waffe fallen. Der Auftragsmörder lächelte flüchtig, als er erneut zuschlug, systematisch und mit kühler Überlegung.

Yutaka sah regungslos zu, wie der Krieger, der ihn bestohlen hatte, zurücktaumelte. Mehr als hilflose Abwehrversuche brachte er nicht mehr zustande. Okinos planvolle Schläge lähmten seine Arme, trieben die Luft aus seinen Lungen. Der Katzenyoukai zielte eindeutig darauf ab, mit seinem Opfer zu spielen, um seinem neuen Auftraggeber seine Stärke, seine Fähigkeiten zu demonstrieren. Ein erneuter Schlag ließ den Krieger zu Boden taumeln. Im nächsten Moment war Okino über ihm, drehte ihn auf den Bauch, ehe er sich mit beiden Knien in den Rücken fallen ließ. Der Unterlegene brachte nur mehr ein Keuchen heraus. Der Auftragsmörder beugte sich seitwärts, fasste nach dem Schwert, um es mit einer gelassenen Bewegung zwischen die Schulterblätter zu versenken. Dann erhob er sich von der Leiche.

Yutaka nickte zufrieden. Dieser Mann sollte mit allem fertig werden: „Gut. Dann geh. Und wenn du mir den Kopf von Torajiro bringst, bekommst du den versprochenen Lohn.“

„Gut.“ Der Katzenyoukai legte die Hand an sein Schwert: „Legst du was drauf, wenn der Kopf noch auf seinen Schultern sitzt?“

„Du meinst, du könntest ihn lebendig herbringen? Lass dich nicht täuschen. Er ist ein erfahrener Krieger. Aber nun gut, wenn du es schaffst…“

Okino nickte ein wenig, ehe er sich umdrehte und den Saal verließ.
 

*************************************************
 

Das nächste Kapitel heisst denn auch Torajiro gegen Okino.

Als Ostergeschenk kommt es am Sonntag.
 

Wer so nett ist, mir einen Kommentar zu hinterlassen, erhält, wie gewohnt, eine ENS, wenn ich sehe, dass das neue Kapitel freigeschaltet wurde.
 

Frohe Ostern
 

hotep

Torajiro gegen Okino

Zu Ostern hier das Bonuskapitel.

Und da sich einige wunderten, warum der Stellvertreter gegen Torajiro und nciht gegen den Fremden einen Meuchelmörder schickt...

Zum einen hofft Yutaka, dass er den Fremden selbst anheuern kann, zum zweiten will er mit dem Tod des Burgvogtes die kleine Wolfsprinzessin und damit dsa Rudel an sich bringen. Dann wäre er legal der Herr von Sanshi und der Fremde könnte ihm gleich sein.
 

5. Torajiro gegen Okino
 

Burgvogt Torajiro betrachtete nachdenklich den vor ihm Knienden: „Ich nehme an, dass dein Spion verlässlich ist.“

„Ja. Er ist mein Sohn.“ Der Wolf sah auf: „Ihr wisst, dass er ein hohes Risiko eingeht. Wenn Yutaka erfährt, dass er Nachrichten weitergibt…“ Und natürlich ging auch die junge Vogelyoukai ein Risiko ein, wenn sie als Taube diese herbrachte. Er machte sich ein wenig Sorgen um das Paar.

„Ich bin mir dessen bewusst. Danke. – Ich denke fast, es wäre besser, du würdest ihn unter einem Vorwand herkommen lassen.“

„Was meint Ihr?“

„Es tut sich etwas hier in Sanshi. Und es wäre besser, wenn alle Angehörigen unseres Clans sich auf der Burg befinden.“

„Ihr meint, weil Yutaka es für nötig gehalten hat, diesen Okino anzustellen? Leider konnte mein Sohn nicht erfahren, welches Ziel der Mörder hat.“

„Auch. Und da ist auch der Fremde….Woher er kam, weiß ich nicht, aber er wollte nach Ikezawa und dann vielleicht zu Yutaka.“

„Wenn dieser ihn auch anheuert, hat er zwei berufsmäßige Mörder. Das gilt Euch, Torajiro-sama.“

„Der Hundeyoukai hat mir das Leben gerettet. Und er meinte, er würde für niemanden arbeiten.“ Der Burgvogt dachte nach: „Nein. Ich denke nicht, dass er mich töten will. Okino…Der hat keinen guten Ruf.“

„Oder einen sehr guten, wie man es nimmt. Er soll einer der besten Auftragsmörder aller Youkai sein. Und es geht das Gerücht, dass ihm seine Beute nie entkommt.“

„Ja. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass Yutaka ihn auf mich hetzt. Ich meine, er ist der Stellvertreter des Herrn der westlichen Länder und ich habe nichts gegen ihn oder den Herrn unternommen. Überdies könnte er mir dann ein Gerichtsverfahren aufhalsen. – Ich denke mir eher, dass das dem Fremden gilt.“

„Warum? Es kann Yutaka doch gleich sein, wer durch die Lande reist.“

„Wir wissen nicht, wer der Fremde ist und was er vorhat.“ Torajiro stand auf: „Mich wundert es allerdings, dass Yutaka nicht seine gewöhnlichen Krieger losschickt, ihn verhaften oder auch töten lässt. Warum stellt er Okino an? Der ist teuer. Steh auf.“

Die beiden Wolfsyoukai gingen zum Fenster, sahen neben einander stehend hinaus.

„Womöglich ist es etwas Privates, darum will er nicht die Männer des Herrn der westlichen Länder einsetzen. Das wäre unstatthaft.“

„Ja, das wäre möglich.“ Der Burgvogt blickte in die beginnende Nacht: „Das ist der einzige Grund, der mir einfällt.“ Er dachte daran, dass der Fremde ihm das Leben gerettet hatte. Wusste er nun, dass Okino hinter ihm her war? War er noch in Ikezawa als Gast oder war er schon weiter gezogen? „Geh jetzt. Und sieh zu, dass du deinen Sohn herholst, ohne dass es dem Stellvertreter auffällt.“

„Ich liege im Sterben…“

„Gut. Und er soll sich beeilen.“ Als Torajiro allein war, dachte er noch einmal nach. Aber sein Ehrgefühl riet ihm, den Fremden zu suchen und ihn zu warnen. Er konnte nur hoffen, dass er ihn schneller finden würde, als Okino. Der Fremde war gefährlich und stark, aber es war nicht gesagt, dass der Auftragsmörder nicht aus einem Hinterhalt zuschlagen würde. So konnte er seine Lebensschuld bezahlen. Flüchtig dachte er daran, dass er allein die Burg verlassen würde, sich selbst in Gefahr begab. Aber, wie schon zuvor überlegt: warum sollte ihn Yutaka ermorden lassen? Er hatte nichts gegen den Herrn der westlichen Länder unternommen. Auch der Überfall der drei Youkai, die der Fremde ihm vom Hals geschafft hatte, konnte von jemand anderem als dem Stellvertreter gesteuert worden sein. Torajiro konnte sich nicht vorstellen, dass man jemanden ermorden würde, den man viel einfacher vor Gericht stellen könnte. Überdies: was hätte Yukata davon, wäre der Burgvogt verschwunden, das Rudel führerlos? Er war als der Stellvertreter ja sowieso der Gebieter auf der Hochebene.

Der Burgvogt mochte nicht einmal sich selbst zugeben, dass er Yutaka keine Niedertracht zutraute, weil der ebenfalls ein Wolf war.
 

Als das schwere Burgtor hinter ihm zugefallen war, atmete Torajiro tief durch. So rasch es ging, wollte er nach Ikezawa. Der dortige Herr konnte ihm sicher sagen, wohin sich der Fremde gewandt hatte. Und Tano wäre bestimmt glücklich, seine Tochter wohlbehalten zurück haben, würde ihm bei seiner Warnung helfen. Inzwischen sollten die Krieger hier auf der Burg äußerste Vorsicht walten lassen. Der Schutz des Rudels und vor allem der kleinen Prinzessin Yoko war wichtiger als alles andere. Er sollte so rasch es ging zurück sein. So lief der Wolfsyoukai, so schnell er es vermochte, in Richtung Norden.
 

Tano Ikezawa hielt sich höflich einen Schritt zurück, blieb aber an der Seite des Fremden, als sie die neue Straße zwischen den Reisfeldern nach Norden entlang gingen. Er hatte diesen Weg erst vor kurzem anlegen lassen und war stolz darauf, wie ordentlich er nach dem ersten Winter noch war. Der alte Weg hatte durch die Gefährte der Händler im Laufe der Zeit doch tiefe Rinnen erhalten, hätte von Grund auf erneuert werden müssen.

Aus den Augenwinkeln warf er einen Blick auf das Schwert, das sein Begleiter auf dem Rücken trug. Scheide und Griff waren verziert. Das musste eine teure, sicher sehr gute Waffe sein. Umso erstaunlicher war es, dass Ayumi erzählt hatte, der Youkai hätte sie nicht eingesetzt, sondern sich auf ein Handgemenge eingelassen. Nun gut, er schien es auch schnell gewonnen zu haben, aber dennoch….

Tano blinzelte. Irrte er sich, oder lag um die Scheide etwas wie eine dunkle Wolke? Und warum hörte er auf einmal ein Flüstern?

„Nimm mich, und ich werde dich unbesiegbar machen…Befreie mich und ich mache dich unüberwindlich…“ Hörte er es wirklich oder war diese Stimme nur in seinem Kopf? Was war nur auf einmal los?

Seine Gedanken vernebelten sich. Nichts außer diesem Schwert war mehr wichtig. Er musste es anfassen, besitzen…Er hob die Hände um den Griff zu berühren, das Schwert aus seiner Scheide zu befreien, als sein Begleiter herumfuhr. Ein Schlag mit dessen Unterarmschutz ließ den Menschen meterweit durch die Luft fliegen. Er prallte so hart auf dem Boden auf, dass er für kurze Zeit die Besinnung verlor.
 

Als er erwachte, schmerzte sein gesamter Körper, aber er nahm an, dass er sich glücklich schätzen konnte, noch Schmerzen empfinden zu können. Schon unter Menschen galt es als äußerst unhöflich, das Eigentum eines anderen anzufassen, geschweige denn, dessen Waffe ohne Erlaubnis ziehen zu wollen. Mühsam öffnete er die Augen. Zu seiner Überraschung schwebte ein kleiner weißer Geist vor dem Fremden.

„..tut mir wirklich Leid, Oyakata-sama...“ beteuerte der mit einer Verneigung.

„Du hast geschlafen, Saya! Es ist deine Aufgabe, den Geist des Höllenschwertes zu hüten. Nicht, dafür zu sorgen, dass es sich an den erstbesten Menschen heranmacht, der in meine Nähe kommt.“

„Ich habe nicht daran gedacht, dass es das tut. Der Dieb der Seelen ist manchmal ein wenig schwer zu hüten….“ Der kleine Geist schlug die Arme um sich: „Ich sagte schon, dass es mir Leid tut!“

„Ich habe es gehört. Aber das interessiert mich nicht. Du hast versagt.“ Der Youkai bemerkte, dass der Mensch erwacht war: „Bist du verletzt, Tano?“

Dieser überdachte die Frage sorgfältig, als er sich aufrichtete. Höllenschwert? Dieb der Seelen? Das klang noch gefährlicher, als er angenommen hatte. In jedem Fall schien dessen Besitzer daran gedacht zu haben, dass er einen Menschen schlug, seine Kraft kontrolliert zu haben: „Nein. - Ich danke Euch, dass Ihr mich nicht getötet habt.“ Er war sicher, dass das rein aus Versehen hätte passieren können.

„Es war nicht deine Schuld.“ Der Fremde fixierte den kleinen Geist, der seine Arme fester um sich schlang:

„Ja, schön, es war meine…Aber man kann doch einmal etwas vergessen…“

„Du wirst nie wieder etwas vergessen, was mit diesem verdammten Schwert zu tun hat.“

„Ja, Oyakata-sama.“ Saya zog es vor, in die Scheide zurückzugehen. Der Herr war sichtlich gereizt. Dabei konnte sich ein so alter Geist doch auch mal ein wenig Ruhe gönnen…

Tano erhob sich vorsichtig: „Ich bitte um Vergebung…Ich weiß nicht, was über mich gekommen ist.“

„Das Schwert.“ Der Hundeyoukai wandte sich ab und ging weiter.

Sein menschlicher Begleiter wagte nicht, weiterzufragen, folgte ihm aber in Gedanken versunken. War das der Grund, warum er das Schwert so ungern einsetzte? Ein „verdammtes“ Schwert? Ein Höllenschwert? War es so gefährlich?

Auf jeden Fall schien es einen eigenen Willen zu haben – und dazu zu neigen, andere übernehmen zu wollen. Denn er hätte dieser Klinge nichts entgegen zu setzen gehabt, sie gezogen. Und er zweifelte nicht daran, dass er ihr Untertan geworden wäre, nichts als ein Träger für den bösen Geist darin. Tano musterte seinen Begleiter. Wie mächtig oder auch selbstbeherrscht war dieser, wenn er solch eine Waffe kontrollieren konnte?
 

Torajiro hatte in Ikezawa erfahren, dass der Fremde und Tano nach Norden gegangen waren und beeilte sich, sie einzuholen. Ein wenig verwundert stellte er zwei Stunden später fest, dass ihm das noch nicht gelungen war. So blieb er stehen, sah sich um. Auch wittern konnte er sie nicht.

Was war falsch?

Nun erst erinnerte er sich daran, dass Tano Ikezawa eine neue Straße entlang des Flusses hatte anlegen lassen. So, wie er Menschen kannte, würde dieser sicher dort gehen wollen. Und er selbst befand sich auf der alten Straße.

Dumm gelaufen, dachte der Burgvogt. Jetzt müsste er sich einen Weg nach Westen suchen, entlang der Reisfelder, die dort lagen. Nach Norden und Osten war hier schon Steppenland, die Vorläufer der Berge von Kuragari. Er spürte unerwartet Youki, roch einen Katzenyoukai und drehte sich postwendend um.

„Ein Wolfsyoukai in schwerer Rüstung? Bei meinem Glück bist du Torajiro.“ Die Stimme des bewaffneten Youkai klang fast erheitert, als er sich langsamen Schrittes näherte.

„Und wer will das wissen?“ Der Burgvogt war wachsam, legte die Hand an den Schwertgriff, obwohl dies der andere noch nicht getan hatte.

„Mein Name ist Okino. - Oh, das sagt dir etwas?“ Er hatte das Aufflackern in den Augen bemerkt: „Ich will dich töten.“

Torajiro musterte sein Gegenüber, als er ruhig sagte: „Soweit ich weiß, ist das dein Beruf. Warum?“

„Yutaka will dich tot sehen.“ Der Auftragsmörder blieb gelassen, fast entspannt stehen.

„Und warum?“ Also doch Yutaka, dachte Torajiro unwillkürlich. Er würde sich seiner Haut wehren müssen. Sein Gegner war sicher hochgefährlich.

„Ich frage nicht nach, das ist schlecht für das Geschäft. Aber du bist ihm eine Menge wert.“ Okino hatte seine Einschätzung getroffen. Der Wolf war sicher ein guter Schwertkämpfer, hatte Erfahrung. Also würde er ihn nicht nach einer Schule attackieren, sondern gegen alle Regeln. Diese Strategie brachte ihm stets den Sieg, wenn es gegen einen Krieger ging. Und immerhin sollte er versuchen, den Burgvogt lebendig zu seinem Auftraggeber zu bekommen. Das würde die Sache noch ein wenig erschweren. Er zog.

Gleichzeitig nahm auch der Wolfsyoukai seine Klinge zur Hand. Ihm war klar, dass es um sein Leben ging, auch, wenn er sich noch immer keinen Grund vorstellen konnte, warum ihn der Stellvertreter tot sehen wollte und noch dazu diesen Weg, den des Mörders, gewählt hatte.

Okino griff an, schlug zu. Wie er erwartet hatte, parierte Torajiro Stahl auf Stahl. Der Burgvogt war ein zu erfahrener Krieger, um jetzt schon Youkiattacken einzusetzen. Sie würden sich erst austesten, abtasten. Und genau das würde er selbst nicht tun. Er musste nur einige Durchgänge abwarten, um den Wolf in Sicherheit zu wiegen, ehe er seinen eigentlichen Angriff startete. Wenn das nicht klappte, würde er ihn töten müssen und auf den Zuschlag verzichten, den Yutaka ihm versprochen hatte. Das wäre schade. Er konnte das Gold gut brauchen. Sein Lebenswandel war luxuriös.

Er fuhr herum, griff wieder an.

Torajiro schaffte es, erneut die Klinge abzuwehren, die nach seinem Hals zielte. Seine Rüstung schützte seinen Oberkörper, die Schultern, so war es nur verständlich, dass der Auftragsmörder versuchte, ihn zu enthaupten. Der Katzenyoukai war offensichtlich ein erfahrener Fechter, dazu schnell. Es würde nicht einfach werden, diesen Kampf zu gewinnen. Aber er musste es schaffen, schon um der kleinen Yoko willen. Keiner im Rudel außer ihm war so anerkannt, dass er die Verwaltung, die Vormundschaft ohne Schwierigkeiten übernehmen konnte. Noch ein oder zwei solcher Schläge und er würde sein Youki mit einsetzen, hoffen, dass Okino das nicht ebenfalls konnte. Wenn doch, musste er alles, was er hatte, in die Waagschale werfen. Nur kein langer Kampf. Er schätzte, dass der Auftragsmörder von ihnen beiden der Erfahrenere in derartigen Duellen war.
 

Dieser begann in diesem Moment, seinen eigentlichen Plan in die Tat umzusetzen. Bei seiner nächsten Attacke auf den Burgvogt schlug er scheinbar kopflos daneben, schien zu stolpern. Im Fallen ließ er sein Schwert los, um sich besser abfangen zu können. Torajiro erkannte, dass sein Gegner mit dem Rücken zu ihm war und ließ seine Klinge hinabsausen – ein Fehler. Okino hatte sich auf der Erde abgefangen, bereits mit der Katzen eigenen Eleganz umgedreht. Beide Beine fuhren blitzartig nach oben, die Knöchel gekreuzt. Der Burgvogt keuchte vor Schmerz auf, als sein Handgelenk in dieser Kreuzung hart abgefangen, geprellt wurde. Für einen winzigen Augenblick war er vor Schmerz unfähig, etwas zu tun. Okino drehte seine Zehen einwärts, klemmte damit das Handgelenk vollständig ein, ehe er sich mit einer einzigen, geschmeidigen Bewegung mit aller Kraft in eine Rolle rückwärts drehte,

Torajiro keuchte auf, als er mit einem Salto durch die Luft geschleudert wurde, mit einem dumpfen Schlag auf den harten Boden prallte. Sein Schwert fiel ins Gras. Okino beendete die Rolle und kam wieder auf die Beine, seine Klinge bereits in der Hand. Noch ehe sich der Wolf von dem Aufprall erholt hatte, stieß er ihm die Spitze seines Schwertes in den Unterleib, der nicht von dem Brustpanzer bedeckt wurde. Erst dann trat er die andere Waffe weg.

Torajiro stöhnte unwillkürlich im Schmerz, wollte aber nach noch seinem Schwert greifen.

„Nicht doch!“ sagte der Auftragsmörder und drehte seine Klinge, die Verletzung damit vergrößernd, ehe er sie herauszog. „Das war ja einfach. Ich hätte von einem Burgvogt mehr erwartet.“

„Das war kein…ehrlicher Zweikampf...“ brachte Torajiro heraus, der sich zusammenkrümmte, die Hände auf seinen Bauch gepresst. Er spürte sein Blut stoßweise zwischen seinen Fingern heraus rinnen.

„Weiß du nicht, dass im Krieg und in der Liebe alles erlaubt ist?“ Okino musterte ihn: „Was meinst du? Stirbst du oder sind deine Selbstheilungskräfte groß genug?“

Die Rohheit der Frage ließ den Schwerverletzten die Augen schließen. Aber er flüsterte: „Was spielt das für eine Rolle? Du willst mich töten und hast es fast geschafft. Warum machst du nicht weiter?“

„Weil ich mehr Gold bekomme, wenn ich dich Yutaka lebendig übergebe. Ich habe keine Ahnung, was er dann mit dir vorhat, bevor du fragst. Vielleicht überlässt er dich seinem Rattenfreund. Wenn ich das richtig gesehen hatte, hat er eine Byoki-Ratte dabei.“ Okino sprach gern mit seinen Opfern. Es machte nichts, was er ihnen erzählte, sie würden nie Gelegenheit bekommen, darüber zu plaudern.

Einen Rattenyoukai vom Byoki-Clan…

Trotz der Schmerzen, die seinen Verstand betäubten, wusste der Burgvogt jetzt Bescheid. Das Fieber des kleinen Wolfsherrn und dessen Tod war sicher das Werk dieser Ratte. Der Byoki-Clan liebte es, für Krankheiten zu sorgen, wie ein Heiler, sie zu beseitigen. Darum wurden diese Ratten auch allgemein verachtet, ja, gehasst. Und jetzt wollte Yutaka ihn einer solchen Ratte überlassen?

Dem Wolf war klar, was ein Byoki mit ihm anstellen konnte. Sie versuchten immer neue Krankheiten zu erfinden, die bestehenden gefährlicher zu machen. Er hatte gehört, dass sie für ihre diesbezüglichen Versuche Gefangene kaufen würden, zum Tode verurteilte Straftäter von Menschen und Youkai.

Mühsam öffnete er die Augen, als er ehrlich meinte: „Da wäre es mir lieber, wenn du mich gleich töten würdest.“

„Tja, ist aber nicht.“ Okino schob sein Schwert in die Scheide: „Also gehst du davon aus, dass du irgendwie überleben wirst? Sehr schön. Ich hoffe, du behältst recht.“ Er packte den Verletzten unter den Armen, schleppte ihn seitwärts zu einem Baum.

Torajiro schrie vor Schmerzen auf, als sein Bauch, seine inneren Verletzungen dadurch gezerrt wurden.

„Ich will dich nicht unnütz quälen“, sagte der Auftragsmörder daher: „Aber ich kann dich hier auch nicht so liegen lassen. Nachher erholst du dich schneller als gedacht.“ Er zog die Hände des Wolfs nach hinten, fesselte ihn an den Baum: „Ich werde dich mal kurz allein lassen. Dort weiter drüben, in dem Menschendorf, gibt es sicher ein Pferd.“

„Was …“ Der Wolf begriff gar nichts mehr.

„Du hast doch nicht geglaubt, ich trage dich zu Yutaka? Du darfst sogar reiten. Bin ich nicht nett? Danach...mal sehen. Er meinte ja, er hätte möglicherweise noch einen zweiten Auftrag für mich.“ Okino ging.

Torajiro sah ihm schwer atmend nach. Das Bild vor seinen Augen verschwamm durch seine Schmerzen, aber er wusste, dass seine Selbstheilungskräfte groß genug wären, selbst diese Verletzung zu überstehen, wenn er einige Tage Ruhe bekommen würde.

Und genau die würde er nicht bekommen. Yutaka oder dessen Byoki-Freund würden ihn endgültig töten. Das Wie war das Einzige, was ihn noch interessieren brauchte. Sicher war nur, dass es lange dauern würde, sonst hätte Yutaka nicht für ihn lebend mehr geboten als tot.

Aber noch ein Mordauftrag?

In diesem Fall würde sich Okino bestimmt an den Fremden machen. Und der Meuchelmörder mochte schnell und stark sein, ein fähiger und heimtückischer Kämpfer, aber der Wolf war sicher, dass der Hundeyoukai es ihm deutlich schwerer machen würde, als er selbst. Nein. Er dachte an den kühlen Blick der goldenen Augen, das kurze, tödliche Lächeln, dass der Fremde gezeigt hatte.

Nein. Er war sicher. Wenn sich Okino diesem Mann stellen wollte, würde das sein letzter Kampf werden. Der Fremde würde ihn, Torajiro, rächen, vermutlich sogar, ohne je zu erfahren, was aus ihm geworden war…

Müde lehnte sich der Wolf gegen den Baum. Noch immer floss Blut aus der Bauchwunde, wenn auch weniger. Vielleicht irrte er sich auch, und er würde hier sterben. Er wurde immer schwächer, und selbst, wenn ihn Okino losband, würde er sich nicht wehren können. Es war vorbei.
 

Tano Ikezawa blieb stehen, da dies sein Begleiter auch tat. Fragend sah er zu dem Youkai, der den Kopf hob, sehr nachdenklich in den Osten blickte.

„Verzeiht…“ deutete er an, die unhöfliche Frage umgehend.

Ohne ihn anzusehen, antwortete der Fremde: „Es riecht nach Blut. Dort drüben liegt ein Wolf im Sterben.“
 

************************************************
 

Im nächsten Kapitel: Einmal verliert jeder... werdet ihr erfahren, ob sich Torajiro mit seiner Einschätzung geirrt hat, dass er überleben wird oder ob sich der Fremde durch die Blutmenge hat täuschen lassen. In jedem Fall trifft er Okino.
 

Wer so nett ist, mir einen Kommentar zu hinterlassen, erhält, wie gewohnt, eine ENS, wenn ich sehe, dass das neue Kapitel freigeschaltet wurde.
 

Frohe Ostern!
 

hotep

Einmal verliert jeder

Okino ist ein Profikiller, in der Tat. Aber der Fremde wäre wohl auch nciht zu unterschätzen....
 

6. Einmal verliert jeder
 

Torajiro öffnete nicht die Augen, als er Schritte hörte, jemand sich an seiner Fessel zu schaffen machte. Es wäre sinnlos, sich auch nur zu bewegen. Er war zu schwach, um sich zu wehren, der Blutverlust zu hoch.

Erst dann drangen die Gerüche durch die Dämmerung, die seinen Geist umfing.

Ein Mensch!

Tano Izekawa…und ein Hundeyoukai.

„Das sieht übel aus, Torajiro-san“, sagte Tano, während er die Fessel löste: „Wer hat es gewagt…“

Mühsam sah der Burgvogt auf. Wie er erwartet hatte, stand der Fremde vor ihm, musterte ihn mit undurchdringlichem Blick. Verachtete er ihn, sich so verletzen zu lassen? Hielt er ihn nun für schwach, einen schlechten Kämpfer? „Es war Okino…“ brachte er zur seiner Rechtfertigung hervor – und zugleich zur Warnung.

„Okino.“

„Ein Auftragsmörder… Er sollte mich im Auftrag Yutakas töten, oder besser noch, schwer verletzen, und dann zu dem Stellvertreter bringen.“ Er musste Atem holen: „Ich weiß nicht warum.“

„Bist du tot, ist das Rudel ohne Anführer.“

„Aber er ist doch sowieso der Stellvertreter…“

„Aber nicht der Herr der Wölfe. Deiner Aussage entnehme ich, dass Okino zurückkommen wird, um dich zu holen.“

Torajiro nickte matt. Was hatte der Fremde gerade gemeint: Yutaka sei nicht der Herr der Wölfe? War das etwa sein Ziel? Die Herrschaft über das Rudel, über die Hochebene, in dem er ihn, den Verwalter, ausschaltete und die kleine Yoko heiratete? Immerhin war er ein Wolf, es wäre nicht unmöglich…

„Er scheint ein guter Kämpfer zu sein, wenn er dich besiegen konnte.“ Der Fremde betrachtete ihn von oben bis unten: „Du wirst überleben.“

„Ja, ich denke es auch.“ Und jetzt hatte er auch wieder Hoffnung, dies wirklich zu tun: „ Er ist ein Katzenyoukai, schnell…Und er hat keinen richtigen Schwertkampf gekämpft, sondern mich mit einem Trick entwaffnet.“

Das Reden fiel ihm schwer, aber er riss sich mit aller Macht zusammen, wollte nicht als schwach dastehen. Überdies: wenn der Fremde von den Kniffen des Katzenyoukai wusste, könnte er sich besser vorsehen. Früher oder später würden die beiden aneinander geraten, da war er sicher. Nun, eher früher, denn Okino wollte ja hierher zurückkommen.

Er spürte, dass Tano Ikezawa neben ihm kniete, den Arm um seine Schultern legte. Für einen Moment bäumte sich trotz seiner Schwäche sein Stolz auf. Er, der Burgvogt des Nordrudels und wurde von einem Menschen vor den Augen eines anderen Youkai gestützt! Aber er kannte Tano seit dessen Jugend, wusste, dass dieser keinen Gedanken an eine gewisse Peinlichkeit verschwendete, sondern ihm nur ebenso helfen wollte, wie er es bei einem Wesen seiner eigenen Gattung gemacht hätte.

„Ein Verband könnte die Blutung stillen…“ schlug der auch prompt vor.

„Danke, das ist freundlich gemeint, Tano-san, aber ich bin ein Youkai.“ Dennoch lehnte sich Torajiro müde gegen die menschliche Schulter, als er erneut zu dem Fremden aufblickte: „Was….“ Mehr brachte er nicht hervor.

Der Hundeyoukai sah zu ihm nieder. In dem goldenen Blick lag etwas, das weder Torajiro noch Tano deuten konnten. Es war kein Zorn, kein wie auch immer geartetes Gefühl. Doch beide wussten, dass sie in diesem Moment dem Tod in die Augen sahen. Und sie waren unwillkürlich froh, dass dieser Mann auf ihrer Seite stand.

„Myouga.“

Zur Verwunderung der beiden anderen sprang der kleine Flohgeist eilig aus der Kleidung auf die Schulter seines Herrn. Sie hatten ihn nie zuvor gesehen, oder auch nur bemerkt: „Oyakata-sama?“

„Torajiro wird Anweisungen für dich haben.“

Statt einer Antwort sprang Myouga schon hinunter, auf ein Knie des Wolfs, nur zu vertraut mit den Stimmungen seines Gebieters: „Das ist eine hässliche Wunde“, kommentierte er: „Was soll ich tun, Torajiro-sama?“

„Ich…“ Der Burgvogt überlegte mühsam. Es war freundlich von dem Fremden, ihm seinen Diener zur Verfügung zu stellen. Und das, nach dem er ihm wohl gerade zum zweiten Mal das Leben gerettet hatte. Was sollte er nun tun?

Er selbst kam hier nicht weg. Aber er musste das Rudel warnen, Yoko vor Yutaka schützen: „Sag den Wölfen auf der Burg Bescheid. Ich…sie sollen sich verschanzen. Yutaka ist….Yutaka ist hinter Yoko her.“ Es war ihm noch nie so schwer gefallen, auch nur zu reden.

„Wollt Ihr etwas Wasser?“ erkundigte sich Tano hilfsbereit.

„Nein…nicht nötig. - Und...und zehn Krieger sollen herkommen…..“ Er warf einen Blick zu dem Fremden, der aufmerksam in die Ferne sah. Näherte sich Okino schon wieder?

Der Hundeyoukai bewies, dass er zugehört hatte. Ohne sich zu bewegen sagte er: „Fünfzehn Und nicht hierher. Sie werden uns beim Schloss von Kuragari finden.“

„Uns?“ echote der Wolfsyoukai. Aber ihm war klar, dass er allein nirgendwo hin könnte. Er war zu schwach, und vermutlich wäre das Pferd, das Okino holte, wirklich die einzige mögliche Transportart für ihn. Wie peinlich. Allerdings würde er selbst in der Tat am Schloss von Kuragari sein…..wenn Okino gegen den Fremden gewann. Aber anscheinend auch, wenn dieser siegte. Er stellte fest, dass er so leichtsinnig war, letztere Möglichkeit für die wahrscheinlichere zu halten.

Myouga warf seinem Herrn einen raschen Blick zu, entschied dann, dass dieser darauf nicht antworten würde: „Habt Ihr sonst noch Wünsche?“

Torajiro schüttelte ein wenig den Kopf. Keinen, den ein so kleiner Flohgeist ihm hätte erfüllen können. Aber er meinte: „Wenn du am Tor bist….die Wache…Sage dass du mein Bote bist…und das Kennwort sei Saigai. Dann wirst du zu meinem Stellvertreter gebracht.“

„Saigai“….Katastrophe. Das schien anzudeuten, für wie riskant der Wolfsyoukai die Lage hielt. „Ich bin schon weg….“ Myouga erkannte in der Ferne einen Youkai mit einem Pferd, der sich näherte. Es wurde höchste Zeit, Land zu gewinnen. Natürlich würde der Herr siegen, aber er zog es doch vor, nicht direkt daneben zu stehen. Überdies hatte er seine Anweisungen erhalten. So machte er, dass er davonkam.
 

Okino blieb für einen Augenblick stehen, als er die veränderte Lage erkannte, ehe er sich wieder in Bewegung setzte.

Er hatte die Situation analysiert.

Torajiro, seine eigentliche Beute, war anscheinend so schwer verletzt, dass er sich gezwungen sah, in den Armen eines Menschen zu liegen. Das schien fast so, als ob er doch den Burgvogt nicht lebendig abliefern konnte und auf seinen Bonus verzichten müsste.

Der Mensch war sowieso vollkommen bedeutungslos.

Interessanter war der Hundeyoukai, mit der schweren Rüstung und dem Zopf, der ihm langsam entgegenkam, mitten auf der Straße innehielt, vielleicht vierzig Schritte vor den anderen beiden entfernt, damit anzeigend, dass er sie schützen wollte. Der Auftragsmörder wandte sich wortlos seitwärts, band das Pferd an einen Baum. Er würde es benötigen, wenn er diesen Lebensmüden besiegt hatte. Wusste der nicht, mit wem er sich anlegte? Oder….

Er drehte sich mit einem Lächeln um, als er auf die Straße zurückging: „Heute scheint mein Glückstag zu sein“, stellte er dabei fast freundlich fest: „Torajiro lief mir schon in die Arme, ich kann meinen Auftrag erfüllen. Und jetzt du…Ich könnte mir denken, dass du der zweite Auftrag bist, den mir Yutaka bescheren wollte. Er erwähnte da etwas. Ich frage mich, was er berappen wird, wenn ich nicht nur den Wolf lebendig abliefere, sondern deinen Kopf samt dem niedlichen Zopf gleich mitbringe.“ Auch er stand nun mitten auf der Straße, keine zwanzig Schritte vor seinem Gegner.

Torajiro versuchte sich ein bisschen zu drehen, um zusehen zu können. Tano half ihm, setzte sich dann neben ihn.

„Er wird doch gewinnen...?“ flüsterte er.

Der Burgvogt zuckte die Schultern: „Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass dieser Fremde mehr Chancen hat, als jeder andere.“

Sie betrachteten die beiden Youkai, die sich regungslos gegenüberstanden. Der Wind von den Bergen wehte über die Steppe und die Reisfelder, spielte mit den langen Haaren, dem Fell, das über dem Rücken des Fremden hing.

„Du bist sehr von dir eingenommen.“ Der Hundeyoukai sagte es als reine Feststellung.

„Ich kann es mir leisten. Du auch? – Ich spüre eine fremde, dunkle Aura bei dir. Interessantes Schwert, das du da hast.“ Okino lächelte erneut: „Darum so selbstsicher?“

„Ich weiß, wie du das feststellen kannst.“ Er legte keinen Wert darauf, das Höllenschwert ohne sehr guten Grund in einem Kampf einzusetzen. Dessen Hunger nach weiterem Blut und Seelen war schwer genug zu beherrschen. Und es wurde mit jedem Töten hungriger.

„Also kein Duell der Schwerter, sondern Nahkampf? Dann hast du schon verloren. Mit einem mächtigen Schwert hättest du wenigstens eine Chance gegen mich. Und das würde mir mehr Spaß machen.“

„Du tötest gegen Geld.“ Für einen winzigen Moment schwang Verachtung in dem ruhigen Satz.

„Ja, wie so gut wie alle Krieger.“

„Ich habe das noch nie getan.“

„Du wirst auch noch nicht oft getötet haben.“ Okino begann, seine Rüstung zu öffnen.

Der Hundeyoukai schnallte sein Schwert ab, zum Entsetzen der beiden Zuschauer. Wollten sich bei beiden buchstäblich schlagen? Ein Handgemenge auf Leben und Tod eingehen? Denn dieser Kampf würde gewiss erst zu Ende sein, wenn einer der beiden gestorben war. Aber mit seinem mächtigen Schwert hätte der Fremde doch klar bessere Möglichkeiten gehabt, auf den raffinierten Meuchelmörder einzugehen? Sie hatten jedoch keine Alternative, als zuzusehen, der Wolfsyoukai, weil er zu geschwächt war, der Mensch sowieso.
 

Beide Kontrahenten legten Rüstung und Schwert ab, behielten aber die gewöhnliche Bekleidung an.

Der Hundeyoukai dachte unwillkürlich an seinen Kampf gegen Kakeru, den Herrn der Wölfe, bei dem sie sich sogar der Oberbekleidung entledigt hatten. Aber Kakeru war ein ehrenhafter Mann, ein Daiyoukai der edelsten Sorte. Er war noch immer froh, dem die Möglichkeit gegeben zu haben, sich zu unterwerfen. Es wäre wirklich schade um ihn gewesen. Wenn er ihn wieder traf, müsste er ihn fragen, ob sein Kind schon geboren worden sei, ob es ein Junge oder ein Mädchen geworden war. Aber dann verdrängte er diesen Gedanken.

Sein Gegner hier war Okino, ein Auftragsmörder, sicher erfahren in vielen Kämpfen. Das würde nicht gerade ein Spaziergang werden, zumal er keine Ahnung hatte, was dieser konnte. Aber er hatte schon gegen Schattenkrieger bestanden, da würde er es hier auch tun…obwohl er eine deutliche Schwierigkeit hatte. Um der unbekannte Fremde zu bleiben, nicht zu verraten, wer und was er war, müsste er seine Energie unterhalb eines gewissen Levels halten. Nun gut. Er hatte sozusagen noch immer Notfallreserven.

Er trat zu den beiden Zuschauern, legte seine Rüstung und sein Schwert in der Scheide zwei Meter entfernt von ihnen ins Gras: „Berührt es unter keinen Umständen“, warnte er: „Du weißt, was dann geschieht, Tano.“

„Ja, Herr.“ Er verspürte keinerlei Verlangen, das Höllenschwert zu besitzen: „Darf ich fragen…ob dieser kleine Geist…“

„Ja. – Saya!“

Dieser erschien prompt: „Ich passe schon auf, Oyakata-sama“, versprach er sofort: „Der Dieb der Seelen wird sich nicht melden.“

Der Hundeyoukai wandte sich ohne weiteres Wort um und ging wieder in die Mitte der Straße, langsam auf seinen Gegner zu.

Okino erwartete ihn, seine Rüstung und Schwert seitwärts ins Gras geworfen: „Ich weiß nicht, wie stark du bist, aber deine Selbstsicherheit wird wohl nicht von ungefähr kommen. Ich freue mich auf unseren Kampf und darauf, dich zu töten. Das wird mir Genuss, ja, Ekstase bereiten.“

„Wie jeder Mord“, stellte der Fremde sachlich fest.

„Natürlich. Aber bei starken Gegnern noch mehr.“ Der Katzenyoukai hatte die Bewegungen analysiert und beschlossen, auf der Hut zu sein. Im Gegensatz zu Torajiro oder anderen Kriegern machte dieser Mann auf ihn den Eindruck, erfahren in derartigen Nahkämpfen zu sein. Ungewöhnlich. Aber das würde für ihn selbst die Sache reizvoller machen, das Ende ein wenig hinauszögern, ehe er diesen Hund tötete. Er duckte ab, ehe er auf seinen Gegner zuschoss, die rechte Hand zu einem Handkantenschlag ausholend, die Linke leicht geballt am Oberschenkel, um verteidigungsbereit zu sein.

Im nächsten Moment warf er sich zurück, als er den Gegenschlag erkannte, riss den rechten Arm empor, um gegen die Innenseite des Handgelenks seines Kontrahenten zu prallen, dessen Hand nach außen zu drücken, abzuwehren. Unverzüglich wurde der Angriff des Hundeyoukai abgebrochen. Erneut attackierte Okino.

So ging es hin und her,

„Sind sie schnell….“ flüsterte Tano Ikezawa: „Aber es kommt kein Angriff durch.“

„Sie…sie tasten sich noch ab“, erwiderte der Burgvogt müde: „Für Euch als Mensch mag das schwer zu erkennen sein, aber jeder Angriff wird sofort abgebrochen, wenn der Gegner die Verteidigung auch nur einleitet.“ Mit gewisser Ironie fuhr er fort: „Ich fürchte…sowohl Okino als auch der Fremde…halten mich zu Recht für einen Amateur….“

„Er wird doch gewinnen?“ Es war klar, wen er mit „er“ meinte.

„Sie sind gleich schnell, was ich so sagen kann.“ Torajiro seufzte, als er versuchte, die Bewegungen zu unterscheiden: „Seine Rechte ist schneller als seine Linke, aber das ist bei Okino auch so...“ ergänzte er dann.

„Der Herr wird gewinnen.“ Der kleine Geist der Schwertscheide schwebte neben ihnen.

Tano blickte zu ihm: „Solange du das Höllenschwert unter Kontrolle hältst….“

„Ja, schon gut.“ Saya musterte ihn beleidigt: „Du hast ja keine Ahnung, wie schwer das ist! Und hack jetzt nicht dauernd darauf um, dass es dich um ein Haar übernommen hätte. Ich habe ja gesagt, dass es meine Schuld war.“

„Das Höllenschwert?“ wiederholte Torajiro, ohne die Augen von den beiden Kämpfenden zu lassen: „Ich...ich hörte einmal von einem Hundeyoukai, der den Dieb der Seelen trage….weit im Osten. Kein Wunder, dass er so stark ist…“

„Äh, ja…im Osten…..“ Saya beschloss, dass der Herr auf ihn wirklich wütend werden würde, würde er zuviel ausplaudern. So betrachtete er lieber die beiden Youkai, die gerade auseinander sprangen, sich musterten.
 

„Nicht schlecht.“ Okino atmete nicht einmal schneller: „Du verstehst wirklich etwas von der Sache.“

„Du hast mit den Schattenkriegern geübt.“ Der Hundeyoukai stand ebenfalls ruhig da.

„Wirklich nicht schlecht, dass du das erkennst. Aber natürlich hättest du keine Schule nennen können, in der ich nicht einmal geübt habe.“ Der Auftragsmörder wusste nun, dass er an Kraft und Erfahrung auf einen ebenbürtigen Gegner gestoßen war. Aber ihm blieb die Schnelligkeit und Geschmeidigkeit einer Katze, mit der ein Hund kaum mithalten konnte.

Erneut duckte er sich ab und den drei Zuschauern war klar, dass jetzt der entscheidende Gang des Duells beginnen würde, die Runde, von der es kein Zurück mehr gab, ehe nicht einer der beiden tot war.

Vermutlich war Saya der Beobachter, der am ruhigsten war. Er konnte spüren, dass sein Herr noch nicht alle Energie abrief, und er wusste, wie viele derartige Kämpfe er schon bestanden hatte. Allerdings war dem kleinen Geist auch klar, dass es immer eine Möglichkeit gab, ein Duell zu verlieren.

Tano sah sich außerstande, den Bewegungen der beiden Youkai zu folgen, die nun aufeinander zusprangen. Für ihn war das Ganze das Bild zweier Körper, die er nicht einzeln mehr erkennen konnte. So blickte er zu Torajiro. Er nahm an, dass der Wolfsyoukai eher etwas sehen konnte. Der Burgvogt lehnte noch immer matt an ihm, sichtlich geschwächt durch die fürchterliche Verletzung, aber er schien sie fast vergessen zu haben, als er mit deutlich gespanntem Gesichtsausdruck dem Duell zuschaute.

„Was…?“ deutete Tano an, bemerkte dann das scharfe Luftholen und wandte sich eilig dem Kampf zu.

Die Widersacher waren aus dem engen Kontakt gegangen. Der Katzenyoukai hatte sich mit einem Sprung aus der Reichweite seines Gegners gebracht, drehte sich nun auf einem Fuß um. Vermutlich hatten beide Prellungen, Blutergüsse unter der Kleidung davon getragen, aber zu sehen war es nicht, weder an den Körpern noch an den Bewegungen. Was hatte Okino nun vor?

Das fragte sich auch der Hundeyoukai. Der Auftragsmörder hatte ihm gerade bewiesen, dass er wirklich ein erfahrener, ausgebildeter Kämpfer war. Er hatte keine einzige Gelegenheit gefunden, durch dessen Deckung zu gelangen, wie allerdings auch umgekehrt. Im nächsten Sekundenbruchteil erkannte der Fremde, dass sein Gegner zwei Schritte auf ihn zulief, absprang, beide Füße nach vorne gestreckt. Das sollte ein Sprungtritt werden, gezielt gegen Kopf und Herz. Um dem zu entgehen, ließ sich der Hundeyoukai rückwärts zu Boden fallen. Wenn Okino über ihn geflogen war, würde er abrollen, dem nachsetzen. Vielleicht war das die Entscheidung dieses Kampfes.

Zu spät erkannte er, dass der Sprungtritt nur eine Finte war. Der Katzenyoukai hatte mit dieser Reaktion gerechnet und brachte seinen Satz anders zu Ende, indem er sich zusammenzog, noch in der Luft drehte. Mit beiden Knien voran fiel er auf Brust und Bauch des Hundeyoukai, der nur mehr ein schmerzliches Keuchen hervorbrachte. Er hatte das Gefühl, alle Kraft flösse wie Wasser aus ihm heraus.

Okino nutzte seine Chance ohne zu zögern, in dem sicheren Bewusstsein, dass das fatal sein konnte. Er war jetzt am Drücker und sein Gegner war zu gefährlich, als dass er dem eine Chance geben durfte, zurück ins Duell zu kommen. So packte er mit der Linken den Zopf des Fremden, um dessen Kopf seitwärts zu biegen, während seine Rechte nach dessen Kehle griff, setzte sich rittlings auf dessen Brust.

Alles, was der Hundeyoukai im Augenblick tun konnte, war instinktiv sein Kinn nach unten zu drücken, das Zerren an den Haaren ignorierend, um seinen Hals zu schützen.

Der Auftragsmörder lachte trotz seiner Luftprobleme auf: „Na, komm schon, Kopf hoch, mein Junge, “ sagte er spöttisch.
 

„Oh nein…“ flüsterte Tano entsetzt. Aus dieser Lage konnte man sich doch nicht mehr befreien.

Oh nein, dachte auch Torajiro. Wenn Okino nun den Fremden tötete, würde er sich ihm zuwenden, vermutlich zuerst den Menschen umbringen, ehe er ihn Yutaka auslieferte. Und was dann mit ihm geschehen würde, vermochte er sich nicht einmal vorzustellen. Sie waren verloren, sie waren alle verloren….
 

********************************************
 

Ein wenig depressiv, der Gute. Aber eigentlich würde er ja auch ins Bett gehören, statt an einen Menschen gelehnt einem Kampf um sein Leben zusehen zu müssen...

Das nächste Kapitel heisst: Sag auf Wiedersehen...( und ja, das ist der Terminator..)
 

Wer so nett ist, mir einen Kommentar zu hinterlassen, erhält, wie gewohnt, eine Ens, wenn ich sehe, dass das neue Kapitel online ist.
 

bye
 

hotep

Sag auf Wiedersehen....

And whoever he is after,

it will be disaster,

this man is gonna take him to the very end...
 

Chris de Burgh: The Traveller
 

7. Sag Auf Wiedersehen
 

Der Hundeyoukai dachte nach, bemüht, das Gefühl der Hilflosigkeit tief in sich zu halten. Seine Lage war in der Tat vertrackt. Von Haus aus war es eine ungünstige Ausgangsposition, auf dem Boden zu liegen und der Gegner rittlings auf ihm drauf, ihn würgend. Um wie viel mehr, wenn er eigentlich nicht seine volle Energie zeigen wollte, um sein Spiel weiter spielen zu können und um herauszufinden, ob Yutaka allein der Schuldige wäre, oder aber einen Auftraggeber hatte.

Nein, dachte er dann entschlossen. Noch war er nicht halb erwürgt, noch fiel ihm etwas ein. Also brauchte er augenblicklich nicht seine wahre Macht zeigen. Um Okino abzulenken hob er seinen Kopf etwas von seinem Kinn, als sei er zu ermattet, weiterhin Widerstand gegen den Würgegriff zu leisten. Mit aller geistigen Kraft verdrängte er die Panik, die in ihm aufstieg, als der Auftragsmörder seine rechte Hand fest gegen seinen Kehlkopf drückte. Er benötigte seine volle Konzentration für den einen, entscheidenden, Schlag, um sich aus dieser Lage zu befreien.

Der Hundeyoukai fasste mit der Linken das Ende des Ärmels der würgenden Hand, während er gleichzeitig über Kreuz mit der rechten Hand den Haori an der rechten Schulter seines Gegners packte. Dann drückte, zog und schob er mit aller Kraft, die ihm zur Verfügung stand, in dem Bewusstsein, Okino gleich aus dem Gleichgewicht zu bringen, um ihn links von sich zu Fall kommen zu lassen. Gleichzeitig bewegte er die Hüften, kippte sich unter dem Gewicht seines Widersachers nach links, um den Schwung zu unterstützen. Dadurch schlug sein rechter Ellbogen empor, prallte gegen den Mund des Katzenyoukai, der mit einer solchen Energie aus derlei Lage trotz allem nicht gerechnet hatte, und auf den Rücken rollte, für einen winzigen Moment hilflos durch den harten Schlag gegen die Zähne. Blut rann aus seinem Mund.

Der Fremde warf sich mit seiner ganzen Länge auf ihn.
 

In diesem Augenblick zeigte sich die gesamte Meisterschaft des Katzenyoukai. Benommen durch den Schlag, vollkommen überrascht, erkannte er dennoch seine einzige Chance. Durch den Kampf waren sie weit vom ihrem ersten Treffpunkt abgekommen. Und keinen Meter neben ihm lag nun sein Schwert. Er tastete mit der Linken dorthin. Gelang es ihm, an die Waffe zu kommen, hatte er praktisch gewonnen. Das war zwar gegen die Absprache, aber im Endeffekt zählte nur, wer das hier überleben würde.
 

Der Fremde bemerkte die Bewegung aus den Augenwinkeln. Noch ehe er erfasste, was sein Gegner plante, zog er mit aller Kraft das Knie hoch, traf den Auftragsmörder in den Schritt.
 

Okino entrang sich ein keuchender Aufschrei. Im nächsten Moment fühlte er die rechte Hand des Hundeyoukai um seine Linke, die sich wie Stahl um die Finger schloss, diese gegen den Griff des Schwertes presste. Knochen knirschten. Und dann spürte er die Schneide seiner eigenen Klinge an der Kehle, geführt von seiner Hand und der des Fremden. Benebelt von Schmerz, panisch in ungewohnter Todesangst, überlegte er, was er tun könne. Es musste doch noch etwas geben…

Er sah auf, in die goldenen Augen des Fremden, in der Hoffnung, Mitleid zu finden, aber alles, was er entdecken konnte, war das Versprechen, dass er sterben würde.

Nicht besiegt, dachte er in jäher, wilder Furcht, nicht besiegt….Er war Okino! Wer konnte ihn schlagen?

„Wer bist du?“ brachte er hervor: „Du, der so gut töten kann?“

Der Fremde beugte sich ein wenig tiefer und flüsterte es ihm zu.

Und der Katzenyoukai schloss die Augen, um nicht erkennen zu müssen, dass es seine eigene Hand war, die ihm die Kehle durchschnitt.
 

„Er hat es geschafft“, sagte Tano aufatmend. „Ich dachte schon…“

„Ich auch, “ gab Torajiro zu, der beobachtete, wie der Fremde sich von der Leiche erhob und ein wenig streckte. Er konnte spüren, dass dessen Youki noch fast ebenso hoch war, wie zu Beginn des Kampfes. Wie stark dieser Mann war. Sicher würden die Verletzungen aus dem Duell schon bald abgeheilt sein.

Der Hundeyoukai kam zu den Zuschauern: „Tano.“

Der Herr von Izekawa war für einen Moment überrascht, ehe er begriff, dass er ihm helfen sollte, wieder die Rüstung anzuziehen. Nun, das war für einen Menschen seiner gesellschaftlichen Stellung ungewohnt, aber nach dem, was er gerade mit angesehen hatte, war Widerspruch unmöglich. So stand er auf und bückte sich nach dem Brustpanzer.

„Wie man es von Euch erwarten konnte, Oyakata-sama“, kommentierte Saya und schwebte vor seinen Herrn: „Ihr habt nichts von Eurer Schnelligkeit und Kraft verloren…“

Er brach ab, denn sein Gebieter hörte ihm nicht zu, sondern blickte nachdenklich über die Reisfelder. Saya nahm an, dass er den vergangenen Kampf noch einmal ablaufen ließ und überlegte, wo er Fehler gemacht hatte, während er sich ankleiden ließ.

„Danke“, sagte er erst, als Tano ihm den Unterarmschutz als letztes Teil angelegt hatte: „Hole das Pferd. - Du wirst reiten können, Torajiro?“

Der Burgvogt nickte matt. Er musste es können, wollte er nicht allein hier bleiben. Wer wusste schon, ob Yutaka weitere Männer nach ihm ausgesandt hatte. Der Stellvertreter schien es wirklich auf ihn abgesehen zu haben.
 

So wanderte bald ein ungewöhnliches Trio die alte Strasse nach Norden. Voran ging ein Hundeyoukai, dahinter ein Pferd, das ein Mensch führte, der gleichzeitig den reitenden Wolfsyoukai stützte. Dies war keine Lage, in die Tokajiro gern gekommen war, aber er sah sich außerstande, Tano deswegen zu zürnen. Die Alternative wäre gewesen, allein zurückzubleiben, statt doch im Schutz des Fremden zu reisen. Hoffentlich kamen die angeforderten Wolfskrieger erst, wenn er sich schon ein wenig besser regeneriert hatte. Aber beides würde noch Stunden dauern.
 

Yutaka blieb für einen Moment am Beginn des alten Schachtes stehen. Der Geruch, der daraus drang, nach Krankheit und Fäulnis, beleidigte seine Nase. Er warf einen raschen Blick um sich. Das Schloss von Kuragari war so nahe an den steilen Berg gebaut worden, dass dieser die vierte Seite der Schlossmauern bildete. Von hier aus führte die Hauptmine, aber auch andere Schächte, in den Felsen. Er bemerkte niemanden seiner Männer, der ihn beobachtete. So betrat er den Schacht, die vorderste, größte Kammer.

„Osamu?“ rief er. Wo steckte diese Ratte? Er verspürte nicht die mindeste Lust weiter in das Kammersystem vorzudringen. Er wusste nur zu gut, dass dort einige Youkai und Menschen angekettet waren, um dem Byoki bei seinen Experimenten, nun, behilflich zu sein. Er konnte Fieber wittern.

„Ich komme, Yutaka-sama!“ Der Rattenyoukai verriet durch nichts seine Überraschung. Der Wolf kam selten hierher. So beeilte er sich und verneigte sich höflich: „Welch unerwarteter Besuch, mein teurer Freund.“

„Ganz so unerwartet auch nicht, oder?“

„Was ist geschehen?“ Die Ratte zog ihr Gewand ein wenig zurecht, betrachtete aber aufmerksam den Besucher.

„Nichts ist geschehen! Das ist es ja! Die Nacht ist hereingebrochen und ich habe noch nichts von Okino gehört.“

Osamu stellte für sich fest, dass Yutaka in Hektik verfiel: „Nun, davon war auch kaum auszugehen. Bedenkt, dass Okino erst zum Kozan-yama reisen muss, in die Burg der Wölfe, nach einer Gelegenheit suchen muss, Torajiro herauszufordern….“

„Das dauert doch nicht so lange.“

„Mein teurer Freund, bitte, zügelt Eure Ungeduld. Gute Arbeit dauert eben.“

„Ich habe jedenfalls alle Männer hierher befohlen.“

„Das bedeutet: keine weiteren Tribute?“

„Stimmt. Aber Okino ist nicht zurück und ich weiß nicht, wo sich dieser Fremde aufhält, was der vorhat…“ Yutaka zuckte ein wenig die Schultern: „Wir haben ja schon davon gesprochen, hier aufzuhören.“

„Wie Ihr meint.“ Osamu klang gelassen: „Dann werde ich den Rest der Vorräte morgen abschicken, in die Märkte nach Norden, zum Verkauf.“

„Gut.“ Der Wolfsyoukai nickte: „Dann werde ich diese Stellvertreter-Sache sein lassen. Wichtig ist Torajiro. Bin ich erst der Herr des Nordrudels, habe ich auch auf diese Art wieder Zugriff auf die Reichtümer von Sanshi. Vollkommen legal.“

„Das stimmt. Aber was wollt Ihr mit den Menschen und Youkai machen, die im Moment in der Mine stecken?“

„Da sehe ich nur eine Lösung, damit sie nicht gegen uns aussagen können.“

„Gut. Ich werde die Sprengladungen vorbereiten.“ Osamu war das Wörtchen „uns“ nicht entgangen. Noch schien Yutaka an ihm festzuhalten.

„Und wenn die Waren morgen weg sind, erledigen wir die Sprengung.“

„Und Eure Krieger?“ Das klang nach keiner Frage.

„Sie werden sich rein zufällig ebenfalls in der Mine befinden. Keine Zeugen.“ Yutaka nickte: „Du solltest deine Mittelchen bis dahin auch eingepackt haben.“

„Natürlich.“

Der Wolfsyoukai wandte sich um und verließ den Schacht, ein wenig froh, der fürchterlichen Luft dort entronnen zu sein.
 

Osamu sah ihm nachdenklich hinterher. Sein Instinkt riet ihm zur Vorsicht. Warum war Yutaka auf einmal so nervös? Nur wegen des Fremden? Aber warum? Was konnte ein einzelner Mann schon ausrichten?

Er bedachte die Angelegenheiten der letzten drei Tage: der Überfall dreier Youkai auf Torajiro war von dem Fremden vereitelt worden, das hatten Menschen im Ort erzählt. Die „Steuereintreibung“ bei Menschen war von dem Fremden verhindert worden, der nebenbei immerhin Kojo getötet hatte. Ein zweiter Bärenyoukai war wohl in der Nacht von ihm erledigt worden. Aber das war alles gewesen. Warum verfiel Yutaka daraufhin in solche Hektik? Er selbst hatte ihm zwar den Rat gegeben, Okino anzuheuern, aber das war mehr zur Vorsorge gewesen. Stattdessen hatte der Wolf nun alle Pläne umgeworfen. Statt noch einmal Steuern von Tano Izekawa zu verlangen, die dieser sicher bezahlt hätte, hatte er seine Männer zurückgerufen.

Nun gut, es war an sich keine schlechte Idee, den Burgvogt zu töten und so rechtmäßig der Herr der Wölfe zu werden. Okino würde doch mit Torajiro fertig werden. Aber nun wollte Yutaka alles, was sie hier bislang aufgebaut hatten, überstürzt verlassen. Warum nur diese Hast? Sicher, sie hatten bereits davon gesprochen, hier aufzuhören, ehe der Herr der westlichen Länder dahinter kam, dass seine Steuern verschwunden waren. Aber dennoch: ihm erschien die Sache übereilt. Und ein nervöser Partner war ein schlechter Partner.
 

Der Rattenyoukai begann mit den Vorbereitungen für die Sprengladungen und packte auch seine eigenen Mittel zusammen. Er würde seine Aufträge erfüllen, ja. Aber irgendwie erschien es ihm besser, diesmal nicht mit Yutaka Hand in Hand in die untergehende Sonne zu wandern, sondern allein und heute Nacht zu verschwinden. Falls es der Wolfsyoukai wirklich schaffte, der Herr des Nordrudels zu werden, war es zwar schade, dass er nicht mehr dessen Berater war, aber er nahm sowieso nicht an, dass die anderen Wölfe das zulassen würden. Sein Clan hatte einen zu schlechten Ruf. Nein. Es wäre günstiger, jetzt zu gehen und sich das Gold zu holen, das ihm zustand, ehe doch noch etwas schief lief. So war er in jedem Fall auf der sicheren Seite – und reich.
 

Torajiro entkam ein gequältes Aufstöhnen, Der Ritt dauerte, machte ihm zu schaffen. Er hätte sich gern niedergelegt, aber sein letzter Funken Stolz hielt ihn davon ab, den Fremden zu bitten, eine Pause zu machen. Zuerst hatte er ihm sogar noch Bericht erstatten können, über seinen Kampf mit Okino und über alles, was der Auftragsmörder erzählt hatte, aber das war schon längst ein Ding der Unmöglichkeit geworden.

Tano Ikezawa sah besorgt zu ihm auf. Wie schon seit Stunden hielt er einen Arm um den Wolfsyoukai. Er konnte das Zittern spüren. Nie zuvor hätte er geglaubt, ein Wesen dieser Art so schwach zu erleben. Aber ein Mensch wäre mit einer solch fürchterlichen Verletzung schon dreimal gestorben. „Torajiro-san…“ Er war äußerst besorgt. Konnten auch Youkai in Ohnmacht fallen?

Dann sah er nach vorne, wo der Hundeyoukai noch immer in gleichmäßigem Tempo ging. Wusste der nicht, wie der Wolf litt? Oder war ihm das egal? Nun, gleich, wie die Spielregeln unter Youkai lauteten und ob er dabei war, sich in die Nesseln zu setzen, er würde nie verleugnen, ein Mensch zu sein und menschliche Eigenschaften zu haben: „Bitte, wir müssen um Torajiro-sans Willen eine Pause machen…“ Er dachte daran, wie die kleinen Geister den Fremden ansprachen, ehe er ohne weiteres ergänzte: „Oyakata-sama.“ Die überhaus höfliche, ehrerbietige Anrede an einen Ranghöheren.

Der Fremde drehte sich um und musterte seine beiden Begleiter. In der Tat, Torajiro befand sich am Rande der vollkommenen Erschöpfung, aber auch der Mensch sah mitgenommen aus. Er hatte wohl die Kräfte beider überschätzt. „Wartet hier auf mich.“ Mit diesem Befehl verschwand er in der Nacht, um der Witterung zu folgen, die ihn seit einer halben Stunde auf eine Fährte gebracht hatte.
 

Osamu eilte durch die Nacht. Es war für ihn nicht schwer gewesen, die Wachen zu umgehen und das Schloss von Kuragari zu verlassen. Noch ehe Yutaka merkte, dass er verschwunden war, wäre er über die Berge nach Osten entkommen. Dort drüben war ein raues Land, soweit er wusste, schließlich herrschte dort ein Drachenclan, aber als Byoki-Ratte war man nirgendwo gern gesehen. Allerdings besaß er genug Gold, um sich zumindest ein Haus leisten zu können, schon mehr, als andere seines Clans. Und der dortige Drachenherr hatte vielleicht doch auch Verwendung für seine Künste. Er müsste ihn behutsam kontaktieren, um sicher zu gehen, dass dieser Versuch nicht mit seinem Tod endete. Drachen waren immer sehr schwer einzuschätzen.

Er blieb mit einem erschreckten Quieken stehen, als er vor sich in der Dunkelheit eine Gestalt erblickte. Selbst das Sternenlicht zeigte ihm eine schwere Rüstung, weiße Haare, einen Zopf. Er hatte den Bericht gehört, wie die überlebenden Krieger den Mann beschrieben hatten, der Kojo getötet hatte, den bärigen Anführer. Das war der Fremde, der Yutaka solches Kopfzerbrechen bereitete. Immerhin hatte er sein Schwert noch in der Scheide auf dem Rücken.

„Streck deine Arme aus, Byoki“, befahl der Hundeyoukai kühl: „Und spreize die Finger. Ich will jeden von ihnen einzeln sehen.“

Osamu gehorchte ängstlich. Mit einem Auftragsmörder, noch dazu mit diesem Youki, konnte er sich nicht messen. Und dieser Kerl schien auch noch zu wissen, dass er in seiner Kleidung allerlei Dinge verwahrte, die Krankheit oder auch den Tod bringen konnten: „Wer…was willst du?“

„Mir wurde erzählt, Yutaka habe eine Ratte des Byoki-Clans bei sich. Zwei von eurer Sorte hier wären zuviel. Also bist du das? Hast du deinen Freund etwa allein gelassen?“

Osamu überlegt hastig. Wenn der Fremde etwas mit Yutaka zu schaffen hatte, sollte er ihn von dem Gedanken abbringen, er sei zu sehr daran beteiligt: „Ich...ich arbeitete für Yutaka-sama, das stimmt. Und heute Nacht bin ich ihm davongelaufen….“

„Ein besonderer Grund?“

„Bitte…lass mich doch in Ruhe…“ Osamu hörte selbst, dass seine Stimme nur ein Quieken war. Aber die ruhige Sachlichkeit seines Gegenübers jagte ihm mehr Furcht ein, als es jede Drohung vermocht hätte.

„Antworte.“

„Ich…du bist der, den man den Fremden nennt, oder? Du hast Kojo getötet, den Bären?“

„Ja.“

Osamu schluckte: „Ich will hier weg, über die Berge. Ich….“ Er wusste nicht weiter.

„Yutaka sagt, er sei der Stellvertreter des Herrn der westlichen Länder.“

„Ja.“

„Wie kommt er auf diese Idee?“

„Ich...ich weiß es nicht. Ich habe mich mehr mit meinen Wissenschaften beschäftigt…“

„Zum Beispiel mit dem Tod eines kleinen Wolfs?“

„Es war der Befehl von Yutaka-sama!“ keuchte Osamu hastig. Das sah nach massivem Ärger aus. Vorsichtig ließ er die Arme ein wenig sinken. Die Haltung war anstrengend, aber er hoffte auch auf ein Nachlassen der Aufmerksamkeit. In einer Tasche trug er ein Pulver, das diesem Hund mit der feinen Nase genug Probleme bereiten würde…ja, wenn er es nur wagen könnte, es herauszunehmen. Aber die Augen des Fremden beobachteten jede seiner Regungen.

„Die Arme wieder höher!“ kam auch prompt der Befehl. „Yutaka wollte den Kleinen tot sehen. Und Torajiro auch. Um der Herr des Nordrudels zu werden?“

„Ich…ich denke schon.“

„Und was wolltest du dann sein?“

„Nichts. Ich weiß doch um die…nun, Ratten und Wölfe oder Hunde vertragen sich nie.“ Das war zwar ein wenig riskant, das ausgerechnet einem Hundeyoukai zu erzählen, aber vielleicht ließ der ihn doch laufen, wenn er ihn für ehrlich hielt. „Und als Biyoki ist man nirgendwo gern gesehen.“

„Dein Geruch ist widerwärtig genug. Und seit einer Stunde habe ich ihn gewittert.“

„Dafür kann ich nichts. So sind wir eben….“

„Das ist wahr.“

Osamu atmete ein bisschen auf. Aber er war neugierig genug, zu fragen: „Ich….hast von jemandem namens Okino gehört?“

„Ich habe ihn getroffen.“

Also war der Katzenyoukai tot. Und dieser Hund vor ihm machte keinen schwerverletzten Eindruck. Verdammt. Wie stark war der Kerl? Der Byoki sah sich eilig um, mehr in Panik, als dass er angenommen hätte, tatsächlich flüchten zu können.

„Vergiss es.“ Der Fremde konnte sich den Blick deuten. Aber da war etwas anderes: „Woher weißt du von Okino?“

„Wir…wir haben ihn angeheuert…“

„Wir?!“ kam es unverzüglich eisig.

„Ich meinte…Yutaka-sama...“ keuchte der Rattenyoukai in jäher Panik. Das Youki seines Gegenübers war übergangslos gestiegen.

„Lüg mich nicht an. Das mag ich nicht.“ Der Hundeyoukai klang jedoch fast sanft: „Ich verstehe schon. Du hast deinen Freund im Stich gelassen, die Lage wurde dir zu heiß. Und du hast gehofft, mich anlügen zu können und so tun zu können, als ob du nur ein Untergebener Yutakas wärst. Aber dein „wir“ hat dich gerade verraten. Ihr seid Partner.“

„Bitte….bring mich nicht um!“

„Wer kam auf die Idee, dass sich Yutaka als Vertreter des Herrn der westlichen Länder ausgeben soll?“

„Yutaka-sama…das…das hatte in Yoban ja auch schon funktioniert.“ Nur gnadenlose Offenheit konnte ihm hier vielleicht noch helfen, das war Osamu klar. Diese Energie…. „Die Nachrichten kommen nur langsam in so entfernte Provinzen.“

„Ihr habt diesen Trick also schon einmal durchgezogen.“ Damit war auch klar, dass keiner seiner neuen Ratgeber Yutaka angeworben hatte. Immerhin etwas Positives.

„Ja…ja, genau….Darf ich jetzt gehen? Ich komme auch ganz bestimmt nicht wieder her.“

„Du könntest ja deinen alten Freund Yutaka treffen, oder?“ Der Fremde wandte ein wenig den Kopf, ohne jedoch den Fehler zu begehen, Osamu aus den Augen zu lassen: „Siehst du dort die beiden Felsen in fünfhundert Schritt Entfernung, die wie ein Tor erscheinen?“

„Ja...ja, natürlich..“

„Wenn es dir gelingt, sie zu erreichen, bist du außerhalb der westlichen Länder. Und bleibst am Leben.“

„Ja…?“ Die Ratte warf einen Blick hin. Gab es da noch Fallen an der Grenze der Länder? Irgendwelche Magien? Er konnte nichts spüren. Aber das war seine einzige Chance. So ließ er die Arme sinken und lief los, so rasch er konnte.

Der Hundeyoukai sah ihm regungslos nach, ehe er die rechte Hand hob, zu einer Klaue versteifte und empor sprang. Seine Finger schienen nur durch die Luft zu fahren, aber Osamu fiel in mehreren Teilen auf den Boden.

Der Fremde landete: „Es ist dir nicht gelungen“, sagte er, ehe er sich umwandte und ging.
 

*********************************
 

Sie haben nicht so unrecht, wenn sie ihn für einen Profi halten.

Im nächsten Kapitel macht sich Yutaka auf die Suche nach seinem Berater und findet ein unerwartetes Duo auf dem Silbertablett...
 

Wer so nett ist, einen Kommentar zu hinterlassen, erhält, wie gewohnt, eine InfoEns, wenn ich sehe, dass das neue Kapitel freigeschaltet wurde.
 

bye

hotep

Dann kam der Fremde

Unser Fremder hat Umgangsmethoden - sein Erstgeborener wäre stolz auf ihn^^

Aber man sollte auch bedenken, was der Gegner tut...
 

8. Und dann kam der Fremde
 

Yutaka hatte ein unbehagliches Gefühl. Langsam stand er von dem Knochenthron im alten Schloss von Kuragari auf. Was war es nur, was ihn so störte? Sicher, die Sache mit dem Fremden war bedenklich, aber wenn er erst einmal Torajiro beseitigt hatte und mit der Heirat mit der kleinen Yoko der Herr des Nordrudels geworden war, würde er alle Wolfskrieger auf diesen Typen hetzen, ganz legal und ohne jede Probleme.

Wenn sich der Kerl dann überhaupt noch in der Gegend befinden sollte. Nach wie vor war ja nicht zu erkennen, was den Hund hierher getrieben hatte. Menschen zu beschützen war für einen Youkai äußerst ungewöhnlich, zumal, wenn er ganz offensichtlich kein Geld dafür bekam. Und er, Yutaka, war doch wohl der, der am besten abschätzen konnte, wie wenig diese Menschen noch besaßen.

Nein, Okino würde ihm doch jetzt bald Torajiro bringen, tot oder lebendig. Dann würde er zur Burg am Kozan-yama gehen und seinen Anspruch auf Prinzessin Yoko geltend machen. Natürlich erst, nachdem er hier alle Spuren verwischt hatte.

Hm. Hatte Osamu getan, was er sollte? Was war es nur, was ihn so beunruhigte?

Der Wolfsyoukai verließ den Saal und sah sich im Schlosshof von Kuragari um. Seine Wachen waren auf ihren Posten. Das war in Ordnung. Langsam ging er zum Hauptschacht. Auch hier standen Krieger.

„War Osamu hier?“

„Ja, Yutaka-sama. Er trug einige Säcke in die Mine. Er sagte, es sei Euer Befehl.“

„Gut.“ Also waren die Sprengladungen gelegt worden. „Ist er noch darin?“

„Nein. Er hat schon vor…vor drei Stunden den Schacht wieder verlassen.“

Yutaka nickte zufrieden und wandte sich um, als er erstarrte.

Moment mal. Wenn Osamu bereits vor Stunden erledigt hatte, was er tun sollte: wo war er jetzt?

Das also hatte ihn so beunruhigt. Er hatte seinen Rattenpartner schon lange nicht mehr gesehen. Und gewöhnlich kam der immer wieder einmal im Saal vorbei, schon, weil er neugierig war. Wo war dieser verdammte Byoki? Packte der gerade immer noch seine ganzen Pülverchen zusammen?
 

Als der Wolf den Schacht betrat, den er dem Rattenyoukai zur Verfügung gestellt hatte, blieb er wie angewurzelt stehen. Die Luft hier war immer abgestanden, widerte ihn mit ihrem Geruch nach Fäulnis und Fieber an, aber jetzt kam noch etwas anderes dazu.

Tod.

Er brauchte gar nicht weiter in die Tiefen des Schachtes vordringen, um zu wissen, dass Osamu seine Versuchsobjekte, Menschen und Youkai, getötet hatte. Nun gut, das hatten sie ja besprochen, aber wo steckte der augenblicklich? Yutakas Blick glitt seitwärts. Dort befand sich ein Regal – leer. Der Mistkerl hatte sich einfach aus dem Staub gemacht, da war er nun sicher. Und im Zweifel hatte er einiges zuviel von ihrer gemeinsamen Beute mitgenommen.

Nahm dieser verdammte Byoki etwa an, er würde ihm entkommen können? Der Wolf fuhr herum, verließ hastig den Schacht. Einem seiner Männer befahl er, die anderen zusammenzurufen.

„Alle, Yutaka-sama?“

„Alle!“

„Und die…nun, die Leute in der Mine?“

„Die sind angekettet und werden schon nicht weglaufen. Rufe alle zusammen.“ Yutaka eilte weiter. Das, was ihn interessierte, war, wie viel dieser Osamu mitgenommen hatte. Nur seinen Anteil oder mehr? Ein rascher Blick in seine Schatztruhe ließ ihn die Lippen zusammenpressen. Osamu hatte sich tatsächlich nur seinen Anteil geholt. Das hätte er nicht erwartet. Dennoch. Das konnte er ihm nicht durchgehen lassen, hier einfach zu verschwinden. Für was hielt sich diese Ratte eigentlich?

Nun gut, der Spur eines Byoki zu folgen, fiel niemandem schwer, der auch nur über einen etwas feineren Geruchssinn verfügte. So ging er hinaus, wo sich inzwischen seine Männer versammelt hatten, fünfzig an der Zahl.

„Osamu ist weggelaufen“, stellte er fest: „Also werden wir ihn zurückholen müssen. Sehen wir einmal, wohin der liebe Byoki ging.“ Vor dem Schlosstor prüfte er die Fährten, ehe er sicher war, in welche Richtung sich sein ungetreuer Ratgeber gewandt hatte. Und er hätte nur sich selbst zugegeben, verwirrt zu sein.

Nach Osten, mit dem Ziel auf das Drachenterritorium? Wollte Osamu Selbstmord begehen? Schon unter Youkai hatte der Clan der Byoki-Ratten keinen sonderlich guten Ruf, um das noch sehr freundlich auszudrücken. Und der dortige Drachenherrscher sollte überhaupt niemanden schätzen, der kein Drache war. Yutaka waren in seiner Eigenschaft als angeblicher Stellvertreter des neuen Herrn der westlichen Länder einige Dinge über den Drachen zugetragen worden, die alles andere als aufbauend gewesen waren. Der Kerl sollte ein schierer Sadist sein. Nun gut. Umso wichtiger war es, dass er sich beeilte, seine Ratte wieder einzufangen. Immerhin war der ein ganz fähiger Ratgeber.
 

Tano Ikezawa warf einen etwas besorgten Blick auf den neben ihn an einen Baum gelehnten Wolfsyoukai. Er hatte keine Ahnung, wie ein Wesen dieser Art mit einer solchen Verletzung umging, aber Torajiro hatte die Augen geschlossen, wie er im Schein des kleinen Feuers erkennen konnte. Schlief er? Freilich konnten sie sich so alle beide ein wenig von der Wanderung erholen. Wohin der fremde Hundeyoukai wohl gegangen war? Immerhin war er freundlich genug gewesen, sie beide hier zu lassen. Dem Befehl, ihm weiter zu folgen, hätten sich weder er selbst als Mensch noch der schwer verletzte Wolfsyoukai widersetzen können. Schließlich hatten sie seinen Kampf gegen Okino gesehen. Er begegnete den gelben Augen des Burgvogtes und senkte ein wenig den Kopf. Es war unhöflich, jemanden so anzustarren. So meinte er quasi zu seiner Entschuldigung: „Ich…wie geht es Euch, Torajiro-san?“

„Ich werde es überleben.“ Der Wolf ergänzte ein wenig zynisch: „In jedem Fall geht es mir besser, als Yutaka wohl gehofft hatte.“

„Yutaka...ja.“ Tano blickte über das Feuer in die Nacht: „Ihr habt mir einmal gesagt, der Herr aller Wölfe in den weiten westlichen Ländern sei jemand namens Kakeru.“

„In der Tat. Was meint Ihr?“ Torajiro wurde aufmerksam und richtete sich ein wenig auf.

„Yutaka hat versucht, Euch ohne Gerichtsverfahren, ehrlos, zu töten, Euch einen Meuchelmörder auf den Hals gehetzt. Ich könnte mir denken, dass der Herr der Wölfe nicht sehr begeistert darüber sein wird. Und Yutaka ist auch ein Wesen Eurer Art. Bitte, wenn ich mich irre, vergebt, aber ich könnte mir vorstellen, dass Kakeru-sama von dessen Vorgehen nicht sehr angetan ist. Und der neue Youkaiherr der westlichen Länder wird doch auf jemanden hören, der so mächtig wie Kakeru-sama ist.“ Er verwendete lieber die Höflichkeitssprache.

„Das ist wahr.“ Torajiro erkannte, wie erschöpft er sein musste, daran noch nicht gedacht zu haben. Natürlich. Dieses Vorgehen gegen Yutaka war sicher kein Verrat am Herrn der westlichen Länder. Sie wären den Mistkerl dann bestimmt los. Kakeru bestand sehr auf Ehre. Nun gut, fragte sich, wen der neue Herr stattdessen dafür einsetzen würde und ob derjenige milder wäre. Nicht immer kam etwas Besseres nach.

Tano sah noch immer nicht seitwärts: „Ich …wenn mich als Mensch das etwas angeht, mich jemand um meine Meinung fragt, würde ich vorschlagen, dass Ihr diesen Posten der Stellvertretung übernehmt, Torajiro-san. Das Rudel der Wölfe von Kozan-yama hat hier schon so lange mit den Menschen gelebt…“

„Danke für Eure gute Meinung, Tano-san.“ Der Burgvogt musterte den Menschen, den er schon immer für recht fähig gehalten hatte: „Nein…“

„Was?“ Tano sah jetzt doch zu ihm.

„Ich kann nicht „Ihr“ und „Tano-san“ zu jemandem sagen, der mich stundenlang umarmt hat. Sei es auch nur, um mich auf dem Pferd zu halten. Wenn Ihr nichts dagegen habt, nennen wir uns, wie es Freunde tun.“

„Gern, Torajiro.“ Dem Herrn von Ikezawa war klar, was das für eine Ehre war, von einem jahrhundertealten, ranghohen Youkai als Freund betrachtet zu werden. So verneigte er sich etwas: „Ich bin sehr erfreut.“

Der Burgvogt lehnte sich ermattet wieder zurück: „Yutaka, ja…Ich frage mich langsam, ob der neue Herr wirklich wusste, was er tat, als er ihn hier einsetzte. Womöglich dachte er einfach, ein Wolf zu Wölfen würde immer passen.“

„Welcher Art gehört der neue Herr eigentlich an?“

„Ich...ich weiß es nicht.“ Torajiro klang nachdenklich: „ Kakeru sandte mir Nachricht, dass er sich ihm unterworfen hatte, nachdem er ein ehrenhaftes Duell verloren hatte, aber…Ich kann mich nicht erinnern, ob er es erwähnte. Aber er ist sicher kein Wolfsyoukai.“

„Darf ich fragen, warum?“

„Wenn er einen Zweikampf gegen Kakeru gewonnen hat, sich dieser unterwirft, wäre der Sieger in diesem Fall auch gleichzeitig der neue Herr der Wölfe.“

„Ach, natürlich, das habe ich übersehen. Entschuldige. – Ich bin wohl ein wenig erschöpft.“

„Schlafe nur. Ich werde wachen. Wenigstens das kann ich tun.“ Torajiro drehte den Kopf: „Und du hast heute schon genug für mich getan, Tano.“

„Danke.“ Der Mensch ließ sich ohne weiteres auf die Erde sinken. Er war in der Tat müde genug, um innerhalb weniger Minuten eingeschlafen zu sein.
 

Yutaka blieb stehen, als ihm der Wind eine Witterung zu trieb, mit der er hier nicht gerechnet hatte. Seine Männer schlossen hinter ihm auf.

„Was habt Ihr, Herr?“ erkundigte sich einer von weiter hinten lautstark, nur, um hastig einen Schritt zurückzuweichen. Aber es war schon zu spät. Sein Gebieter stand bereits vor ihm, gab ihm eine schallende Ohrfeige.

„Wenn die Beute in der Gegend wäre, hättest du sie verscheucht“, zischte er: „Erst denken, dann fragen! – Ihr wartet hier.“

Er verschwand in der Nacht, auf der Suche nach dem Ursprung des Blutgeruches.

Kurz darauf hatte er ihn entdeckt. Fast amüsiert bemerkte er den schwer verletzten Burgvogt, einen Menschen daneben, der sich hastig aufrichtete, als Torajiro etwas zu ihm sagte und zum Schwert griff. Als ob ein Mensch etwas gegen ihn ausrichten könnte.

Belustigt ging Yutaka näher. Er wusste, dass ihn der Burgvogt erkannte, denn auch dieser legte die Hand an die Waffe. So ein Unsinn. Es war für jeden klar, dass keiner der beiden einen Kampf gegen einen wie ihn auch nur Sekunden durchhalten würde.

„Was für eine nette Überraschung auf meinem Weg“, sagte er daher freundlich: „Mein lieber Torajiro...und mein lieber Tano Ikezawa in trauter Zweisamkeit in der Wildnis.“ Er bemerkte, dass beide die Hände von den Schwertgriffen nahmen, in lobenswerter Selbsteinschätzung: „Du bist ja arg verletzt, Burgvogt. Wie das wohl passiert ist?“ Das war reiner Spott: „Jedenfalls hätte ich Okino gar nicht den Scherz zugetraut, euch mir hier sozusagen auf dem Silbertablett zu servieren.“

„Du hast ihm den Auftrag gegeben, mich zu ermorden“, stellte Torajiro fest, der sich zusammennahm, um nicht seine Schwäche zu verraten. Wenn der Fremde nicht zurückkehrte, wären sowohl er als auch Tano in kurzer Zeit tot. Was tat Yutaka denn hier draußen auf freiem Feld, statt im Schloss von Kuragari zu sitzen?

„Ja. Weißt du auch, was das für dich bedeutet?“

„Nicht viel.“

„Da mir mein Byoki abhanden kam, werde ich dich eben eigenhändig töten.“

„Ich sage ja, nicht viel.“ Immerhin würde das schneller gehen als alles, was eine dieser Krankheitsratten mit ihm anstellen konnte. Moment mal. Was sollte das heißen? War dieser Rattenyoukai etwa geflohen? Und war das der Grund, warum der Fremde gegangen war? Der Burgvogt stellte fest, dass er in der Tat kaum seine gewöhnliche Gedankenklarheit besaß.

Yutaka musterte den Verletzten, ehe Verstehen über sein Gesicht glitt: „Du hast viel Blut verloren, ja. Und dein Youki ist sehr niedrig. Hm. Vielleicht sollte ich noch ein wenig mit dir plaudern, ehe du draufgehst. Man soll sich Arbeit sparen, wo es geht. – Das gilt natürlich auch für dich, Tano. Dich zu töten, macht keinen Spaß, solange du brav die Steuern bezahltest. Aber das ist nun sowieso zweitrangig.“ Und übergangslos: „Wohin ist er denn?“

Wusste der Stellvertreter von dem Fremden? Woher? War er wegen ihm hierher gekommen? Dann hatten sie wohl keine Hoffnung mehr. So antwortete Tano ehrlich: „Er befahl uns, hier zu warten, ehe er in der Dunkelheit verschwand.“

Was hatte Okino denn nun vor? Eigentlich konnte sich Yutaka nur einen Grund denken. Er hatte bei der Auftragsvergabe dem Mörder ja eine zweite Order in Aussicht gestellt. Nahm dieser an, dass es sich um den Fremden handele und wollte den stellen? Wunderbar, dann wären zwei Fliegen ...oder drei…mit einer Klappe geschlagen. Tano war ihm persönlich eigentlich vollkommen gleich, aber der Herr von Ikezawa hatte seine Nase zu tief in Youkai-Angelegenheiten gesteckt, um ihm selbst nicht später als Herr des Rudels gefährlich werden zu können. Oder hatte Okino ebenfalls Osamu gewittert und wollte den fragen, wohin er seine Gefangenen abliefern sollte, neue Instruktionen holen? Es war einem Katzenyoukai sicher nicht entgangen, dass Osamu der Ratgeber war. „Er ist wohl sehr stark“, murmelte Yutaka.

„Oh ja, “ sagte Torajiro mit einem gewissen Seufzen. Aber warum wollte das der Stellvertreter nun wissen? Wollte sich Yutaka einem Zweikampf mit dem fremden Hundeyoukai stellen? Er selbst vermochte nicht zu sagen, was der erstere konnte, aber nach dem, was er bislang gesehen und gefühlt hatte, gab es seiner Meinung nach kaum eine schnellere Todesart, als sich dem Unbekannten mit dem Höllenschwert gegenüber zu stellen. Er durfte nicht vergessen, dass dieser sich weder im Duell mit Okino noch bei der Tötung der drei Youkai auf dem Marktplatz seiner mächtigen Waffe bedient hatte. Und es ja auch nicht notwendig gewesen war.

„Sehr schön.“ Yutaka betrachtete noch einmal die Bauchwunde. Wenn Okino jemandem wie den Burgvogt so verletzen konnte, ohne anscheinend selbst einen Kratzer davon getragen zu haben…

Der Typ konnte wirklich etwas. Er war teuer, aber der Frieden der Seele hatte nun einmal keinen Preis. Die Witterung seiner eigenen Männer ließ ihn an wichtigere, nahe liegendere Dinge denken. „Nun, um ehrlich zu sein, mein lieber Torajiro, das sieht in der Tat so aus, als ob du noch ein Weilchen am Leben bleiben könntest. Und ich habe keine Zeit, unser kleines Gespräch fortzuführen, so amüsant das auch für mich sein mag. Ich habe eine Ratte verlegt und muss sie mir wiederholen.“ Ehe dieser kleine Dummkopf von Osamu samt seinen doch recht interessanten Pülverchen in die Hände des Drachenherrschers lief.

Der Burgvogt verengte ein wenig die Augen, als er begriff, was dieser ruhige Satz bedeutete, und erkannte, dass sich die Finger Yutakas betont langsam um dessen Schwertgriff legten. Er selbst wäre zu schwach, auch nur zu ziehen.

„Ihr wollt einen wehrlosen, verletzten Mann töten?“ fragte Tano unwillkürlich empört.

„Ich werde anschließend auch einen wehrlosen Menschen töten.“ Der selbsternannte Stellvertreter warf ihm einen amüsierten Blick zu. Als er erkannte, dass der Herr von Ikezawa unwillkürlich ebenfalls zur Waffe griff, schüttelte er den Kopf: „Mein lieber Tano, ich hätte nicht gedacht, dass du so dumm bist. Du stirbst so oder so, das ist wahr. Die Frage ist nur: töte ich erst Torajiro und dann dich oder umgekehrt. Mir ist beides Recht. Und wenn du mit dem Schwert in der Hand sterben willst…nun, auch gut.“

„Oh ja.“ Tano erhob sich. Ihm war nur zu bewusst, dass er gegen einen Wolfsyoukai keinerlei Möglichkeiten hatte zu siegen, ja, nicht einmal, einige Minuten zu überstehen, aber alles in ihm wehrte sich dagegen, zuzusehen, wie ein Wehrloser abgeschlachtet wurde. Das entsprach in keiner Weise dem ehrenhaften Pfad des Kriegers. Überdies wäre es doch möglich, dass der Fremde bald kam. Und vielleicht hätte er auf diese Art genug Zeit herausgeholt, damit der wenigstens Torajiro beschützen könnte, selbst, wenn es für ihn schon zu spät war.

„Tano!“ Der Burgvogt war hin- und her gerissen. Zum einen freute er sich, dass dieser Ehre besaß, er ihn richtig eingeschätzt hatte. Zum zweiten war es natürlich eine ungeheure Demütigung, hier liegen zu müssen und zusehen zu sollen, dass ein Mensch auch nur versuchte, einen zu beschützen. Zum dritten allerdings, wenn er die Lage objektiv betrachtete, versuchte Tano, Minuten herauszuholen, Zeit zu schinden. Irgendwann musste der Fremde doch zurückkommen. Und dieser war die einzige Hoffnung, die sie beide noch haben konnten. Aber Yutaka hatte nicht so geklungen, als ob er lange fackeln wollte.

Dieser wich ein wenig zurück, zog blank: „Wie du möchtest, Tano. Allerdings wird es nun wehtun, das verspreche ich dir. Wer mir in die Quere kommt, stirbt.“

Der Herr von Ikezawa bewegte sich unwillkürlich zwischen seinen neuen Youkai-Freund und seinen Gegner: „Mag sein. Aber ich lasse nicht zu, dass man einen Wehrlosen tötet, ohne auch nur den Versuch zu unternehmen, ihn zu schützen.“ Auch er nahm sein Schwert zur Hand. Nur sein rasender Herzschlag zeigte ihm, dass er dabei war, Selbstmord zu begehen. Andererseits, was hatte er jetzt noch zu verlieren?

Yutaka warf Torajiro einen fast vergnügten Blick zu: „Da hast du dir ein nettes Haustier beschafft, Burgvogt. Zu schade, dass ich keine Zeit habe, länger mit ihm zu spielen.“

„Lass ihn…“ brachte der hervor: „Du willst doch nur mich.“

„Ein Mensch, der sich in die Dinge eines Youkai einmischt, ist schon so gut wie tot.“ Der vorgebliche Stellvertreter machte einen raschen Ausfall.

Tano hatte nur eine Bewegung geahnt, nicht mehr, als ihn der rückwärtige Schwertgriff seines Gegners mit brutaler Gewalt unterhalb seiner Rüstung in den Oberschenkel traf. Für einen Augenblick schien ein schreckliches Krachen seinen Kopf zu füllen, noch ehe er den fürchterlichen Schmerz realisierte und zusammenbrach. Mit diesem einen Schlag hatte der Wolfsyoukai seinen Oberschenkelknochen gebrochen. Mit der jahrelangen antrainierten Geschicklichkeit, hob er noch seine Waffe, um einen nachfolgenden Schlag abzuwehren, der allerdings nicht kam.

Yutaka betrachtete ihn: „Das sollte reichen. Ein Mensch mit gebrochenem Oberschenkel hier draußen hat keine Überlebenschancen. Ich sagte dir doch, es wird wehtun. Und nun zu dir.“ Er umging den verletzten Menschen, sich nur zu bewusst, dass selbst, falls Tano seine Klinge nach ihm schleudern sollte, er noch ausweichen könnte. „Sei so nett und richte dich auf, Torajiro. Dann geht es einfacher, dir den Kopf abzuschlagen.“

Da sich der Burgvogt nicht bewegte und nur einen raschen Blick zu dem Menschen warf, hob Yutaka seine Waffe seitwärts: „Wie du willst. Aber wenn ich nun zwei Schläge benötige, liegt die Schuld bei dir.“

Im nächsten Moment fuhren die Köpfe aller beiden Youkai herum. Zur Überraschung des Menschen sprang Yutaka hoch in die Luft empor und mit einem weiten Überschlag zurück. Erst dann erkannte er eine helle Energiemenge, die auf dem Boden aufschlug, wo der Stellvertreter eben noch gestanden hatte, der nun kampfbereit in die Dunkelheit außerhalb des Feuers blickte.

Wer kam da? Das war eine enorme Youki-Menge gewesen. Okino? Aber was sollte der dagegen haben, wenn er Torajiro tötete? Fürchtete er um seinen Bonus? Dann stieg ihm ein Geruch in die Nase – nicht nach Katze. Das konnte dann nur…

In den Schatten der Nacht erkannte er einen Schemen aus Weiß und Metall, der sich näherte. Und dann trat der Fremde in den Feuerschein.
 

********************************************************
 

Irgendwie könnte Yutaka ein kleines Problem bekommen.

Das nächste Kapitel heisst: Jäger und Beute und endlich merken alle, wer was ist.
 

Wer so nett ist, mir einen Kommentar zu hinterlassen, erhält, wie gewohnt, eine Info-ENS, wenn ich sehe, dass das neue Kapiel freigeschalet wurde.
 

bye
 

hotep

Jäger und Beute

Ja, der Show-down nähert sich.

Aber zunächst einmal haben einige Leute neue Erkenntnisse. Manchmal, wer der Fremde ist, aber auch dieser muss erkennen, wer er eigentlich ist...
 

9. Jäger und Beute
 

Yutaka hob sein Schwert ein wenig seitwärts, ohne den Fremden aus den Augen zu lassen, der ein Stück entfernt von ihm stehen geblieben war. Der Feuerschein ließ das weiße Haar rötlich erscheinen.

Der Hundeyoukai warf einen raschen Blick zu den beiden Verletzten. Tano bemühte sich, zu Torajiro zu kriechen, sein gebrochenes Bein möglichst schonend.

Die goldenen Augen fixierten erneut Yutaka: „Du, also, willst der Stellvertreter des Herrn der westlichen Länder sein?“

„So ist es. Und wenn du mich angreifst, ist es Hochverrat. Niemand außer dem Herrn der westlichen Länder darf mich auch nur verletzen.“

„Ist das so.“ Leises Amüsement schwang in der ruhigen Stimme.

Yutaka gab zu, verwirrt zu sein. Warum zog dieser Kerl nicht? Wusste er doch, dass es Hochverrat gleichkäme, den Stellvertreter des Fürsten anzugreifen? Gut. Dann wusste er anscheinend allerdings nicht, dass er dies nicht wirklich war. Dennoch: der hatte Okino erledigt, Kojo und andere seiner Männer, gute Krieger allesamt. Er selbst sollte kein Risiko eingehen.
 

Zur gewissen Verwunderung Torajiros und Tanos drehte sich Yutaka um, schob sein Schwert zurück und lief los.
 

Der Hundeyoukai folgte ihm nur mit dem Blick.

„Ihr wollt keinen Verrat begehen, Oyakata-sama?“ schloss Tano daraus.

„Das habe ich nie und werde ich nie“, kam prompt die eisige Antwort. Aber der Fremde fuhr ruhig fort: „Ich werde ihn wieder sehen.“

Und das klang sehr abschließend, fand der Herr von Ikezawa, schwieg aber lieber.

Torajiro hatte das gleiche Gefühl, äußerte jedoch: „Ihr meint, er holt nur seine Männer? Wie erbärmlich, fünfzig gegen drei...nun, um ehrlich zu sein, gegen Euch alleine. – Geht es, Tano?“

„Es ..es geht schon.“ Er wollte nicht jammern. Immerhin war der Wolfsyoukai mit einer offenen Bauchwunde den gesamten Tag geritten.

„Es war mutig von dir, dich gegen Yutaka zu stellen, um mich zu schützen. So hast du uns die Minuten erkauft…“ Torajiro brach ab, als er fühlte, was der Fremde bereits bemerkt haben musste. Youki. Er wandte den Kopf, und prüfte die Luft. Zu seiner gewissen Erleichterung kamen dort seine eigenen Krieger durch die Nacht, richtiger, die seines Rudels.

Eine kleine Gestalt flog auf die Schulter des Hundeyoukai, der die Wölfe regungslos: erwartete: „Oyakata-sama! Endlich finde ich Euch.“

„Wie viele?“

„Fünfzehn Krieger. – Der Stellvertreter von Torajiro-sama ist nicht mitgekommen, um die Burg und Prinzessin Yoko zu schützen.“ Dieser Satz des kleinen Flohgeistes galt hauptsächlich dem Burgvogt.

Dieser nickte, hatte er auch nicht daran gezweifelt. Aber er sah nun ebenfalls in die Nacht, aus der sich die Schemen der Bewaffneten lösten, die sich unverzüglich ihrem Burgvogt zuwandten und höflich niederknieten.

„Torajiro-sama…“ sagte der Anführer, bemüht, sein Erschrecken über dessen Zustand zu verbergen.

„Ich werde es überleben, Mako. – Folgt den Anweisungen dieses Mannes.“

„Das ist doch der Fremde…“

„Ich schulde ihm bereits mehrfach mein Leben.“

„Verzeiht, Torajiro-sama.“ Mako neigte gehorsam den Kopf, ehe er sich, weiterhin auf einem Knie umwandte: „Und was sind…“ Er korrigierte sich, noch ehe er die Unhöflichkeit ausgesprochen hatte: „Eure Befehle?“

„Wir warten hier. In Kürze wird Yutaka mit fünfzig Kriegern kommen.“

„Yutaka.“ Das Erschrecken des Kriegers lag nicht in seinem Wort.

Der Hundeyoukai konnte es sich denken: „Was immer dann auch geschieht – ihr werdet nur Torajiro und Tano Ikezawa schützen. Nicht mehr und nicht weniger. Kein Wolf von Sanshi hat je Verrat am Herrn der westlichen Länder begangen und ich bin sicher, keiner wird es je tun.“ Er bemerkte das unwillkürliche Aufatmen: „Lass deine Männer lagern.“

Mako erhob sich, ein wenig irritiert. Wenn dieser Fremde so sicher war, dass kein Wolf Hochverrat begehen würde….warum sollten sie dann herkommen?

Aber selbstverständlich würden sie ihren Burgvogt beschützen. Was war hier nur geschehen? Er winkte den Kriegern, die sich unverzüglich niederließen. Er selbst kniete erneut neben seinem Gebieter nieder: „Habt Ihr noch Anweisungen, Torajiro-sama?“

„Nein.“ Der Burgvogt sah zu dem Fremden: „Darum. Ich hatte mich schon gewundert, warum er fünfzehn Wolfskrieger hier wollte. Jetzt weiß ich es. Er will den Rücken frei haben, wenn Yutaka auf ihn losgeht.“ Damit dieser keine Geiseln nehmen konnte. Nun, zumindest nicht so einfach. Es war direkt fast schmeichelhaft, dass dieser Fremde so um die Sicherheit von anderen bemüht war.

„Müssen wir dann nicht auf der Seite des Stellvertreters des Herrn der westlichen Länder sein?“ erkundigte sich Mako höflich.

„Nein. Yutaka ließ mich von zuerst drei und dann noch einem Meuchelmörder überfallen. Ich verdanke es dem Hundeyoukai, dass ich noch lebe. Yutaka ging gegen das Recht und jede Kriegerehre vor. Wenn er den Morgen überlebt, werde ich dem Rat meines Freundes Tano folgen, und Kakeru-sama von dieser Ungeheuerlichkeit in Kenntnis setzen. Und dieser wird nicht zögern, dem Fürsten davon Meldung zu machen.“

Mako warf einen raschen Blick auf den verletzten Menschen. Natürlich wusste er, dass Tano im Augenblick sozusagen der menschliche Herr der Hochebene war und dass er einen guten Ruf besaß, aber die Anrede als Freund eines Wolfsyoukai überraschte ihn doch. Was war wohl alles hier draußen in den Tagen und Nächten geschehen? Aber das würde er wohl erst später erfahren: „So werden wir Euch und Tano-san beschützen.“
 

Der Hundeyoukai blickte noch immer in die Nacht, aber seltsamerweise war er etwas irritiert. Natürlich hatte er gewusst, dass er die Magie der Länder besaß, dass er der Herr der westlichen Länder war unter den Youkai, aber nie zuvor hatte ihn jemand als „Fürst“ tituliert. Es war allerdings die Wahrheit. Vielleicht sollte er anfangen, sich wie ein Landesherr zu verhalten. Selbst das Zeremoniell im Wolkenschloss hatte er mehr oder weniger ignoriert, formelle Dinge seiner Gefährtin überlassen.

Er gab zu, dass er ein wenig naiv gewesen war. Er war sicher gewesen, die westlichen Länder durch Kampf erobern zu können, und hatte nicht weiter über die Folgen nachgedacht. Seine Vermutung, ein Fürst leiste morgens ein paar Unterschriften im Arbeitszimmer und feiere abends, war wohl leichtfertig gewesen.

Er hatte vollkommen übersehen, dass nun Männer wie Tano, Torajiro und Kakeru an ihn und seine Fähigkeiten, seine Gerechtigkeit glaubten und ihm vertrauten. Für sie war er ihr Halt, ihr Vorbild.

Natürlich würde er weiterhin Fehler begehen, wer tat das nicht.

Aber ihm wurde in diesen Minuten bewusst, dass nun seine deutlich schwerer wiegen würden, riss er doch viele andere, ehrenhafte, Männer, mit.

Nein. Er war nicht mehr ein hergelaufener Fremder, der es sich leisten konnte, einen mörderischen Streit vom Zaun zu brechen. Er war der Fürst der westlichen Gebiete. Und Yutaka würde der Erste sein, der das mit aller Konsequenz zu spüren bekam.

Er drehte sich etwas um: „Torajiro, um das zu beenden, solltest du es sein, der Prinzessin Yoko heiratet.“

„Vergebt, oyakata-sama“, brachte der Burgvogt entgeistert hervor: „Sie ist noch ein Kind.“

„Und du bist ehrenhaft genug, mit dem Vollzug der Ehe zu warten, bis sie erwachsen ist. Ich wage zu bezweifeln, dass das jeder wäre. Überdies wäre dann klar, wer der Anführer des Rudels von Sanshi ist und es gäbe kaum mehr Schwierigkeiten. Ich denke, auch Kakeru wird dieser Lösung zustimmen.“

Torajiro schwieg. Natürlich wäre das eine Lösung, aber….

Aber er hatte seinem verstorbenen Herrn versprochen, auf dessen Kinder aufzupassen. Bei seinem Prinzen hatte er schon gründlich versagt und diesen sterben lassen. Und Prinzessin Yoko? Sie war noch so klein, so jung, und doch wollte Yutaka sie heiraten. Vielleicht hatte der Fremde Recht und er selbst sollte sie durch eine formelle Ehe solcherart schützen?

Das musste gut überlegt werden. Immerhin hätte dann niemand mehr die Gelegenheit, sie zu fordern und er selbst wäre nicht nur der Verwalter sondern der Leiter des Rudels. Dies wäre besser für die Stabilität hier in Sanshi. Gemeinsam mit Tano könnte er dann wieder Ruhe in die Hochebene bringen.

Moment mal.

So, wie der Fremde gerade vom Herrn der Wölfe gesprochen hatte, musste er ihn kennen. Woher wohl? Wieder war dem Burgvogt, als husche ein Gedanke vorbei, den er nicht fassen konnte.
 

Der erste Schein der Morgendämmerung kroch über die Berge von Kuragari. Der Hundeyoukai warf einen flüchtigen Blick auf die Wolfskrieger und den Menschen, die sich um die Feuerstelle gelagert hatten, ehe er ohne ein Wort langsam in Richtung Westen ging.

Mako sah zu seinem Burgvogt. Torajiro versuchte in der Dunkelheit zu erkennen, ob dort bereits Yutaka und dessen Männer kamen, wie er vermutete. Die Witterung drang mit dem Morgenwind an seine Nase: „Sie kommen.“

Sofort erhob sich der Anführer der Wölfe. Er selbst hatte den Stellvertreter des Herrn der westlichen Länder nie getroffen, so dass er den Geruch nicht einordnen konnte. Er wusste nur, dass dort um die fünfzig Youkai herankamen, alle bewaffnet, und dass es seine Aufgabe war, seinen Burgvogt und dessen menschlichen Freund zu schützen. So winkte er seinen Kriegern, die ebenfalls aufsprangen. Die fünfzehn Wolfsyoukai blieben dann jedoch stehen, ruhig und schweigsam beobachtend, was vor ihnen in der Dämmerung geschah.

Tano Ikezawa richtete sich etwas auf: „Yutaka?“ flüsterte er zu Torajiro. Seinen menschlichen Sinnen war es verwehrt, über solche Distanzen etwas bei diesem Dämmerlicht e zu erkennen.

„Ja. Und fünfzig Youkai.“

„Er scheint sicher zu sein, dass er gewinnt. Yutaka wird sich doch keinem Duell stellen….“

„Nein. Das hätte er schon haben können.“ Aber Okinos Schicksal war da natürlich eine gewisse Warnung gewesen.

„Und fünfzehn…“ Tano brach lieber ab, ehe er unhöflich wurde. Aber fünfzehn Wolfskrieger, so tapfer sie auch sein mochten, gegen fünfzig andere?

Was sollte es, dachte er dann müde. Er war in dieser Nacht schon einmal dem Tod entkommen, warum sollte es kein zweites Mal geben.

Es wurde heller, und nun erkannte auch er die Gruppe, die sich langsam näherte. Anscheinend war Yutaka ein wenig überrascht, dass hier nun mehr Krieger waren. Aber das konnte dem Stellvertreter egal sein. So oder so war er überlegen. Oder? Woher nahm der Fremde seine Zuversicht?

Nun gut, er hatte gegen Okino gesiegt, aber…

Tano beschloss, lieber mit dem Nachdenken aufzuhören. Er konnte nichts an seinem Schicksal ändern. Das lag nun allein bei dem Hundeyoukai, der offenbar vollkommen gelassen den Trupp erwartete. Der Morgenwind spielte mit seinem Zopf, den beiden Fellteilen, die über seinen Rücken herabfielen.
 

Yutaka hob die Hand und seine Männer blieben stehen.

Fast ein wenig amüsiert ging er noch einige Schritte vorwärts: „Du überraschst mich immer wieder, mein Lieber. Wie hast du es denn geschafft, einige Krieger des Rudels herzuholen? Nun, es ist gleich. Das sind fünfzehn, dazu ein schwer verletzter Burgvogt und ein Mensch. Nichts, was mich und meine Männer großartig beeindrucken könnte. Und wie ich dir schon sagte, niemand außer dem Herrn der westlichen Länder darf sich mir in den Weg stellen, mich auch nur verletzen, geschweige denn, töten. Ich denke nicht, dass die Wölfe vergessen haben, wem sie Gehorsam schulden.“

„Das haben sie nicht.“ Der goldene Blick des Fremden glitt verächtlich über die Gruppe.

„Dann werden sie dir nicht helfen. Und du allein gegen fünfzig?“

„In der Tat. Ich habe sie auch nicht angefordert, um Hilfe zu bekommen.“ Er richtete sich etwas auf: „Du bist ein erbärmlicher Narr, Yutaka.“

„Jede Beleidigung verlängert nur deinen Tod. Immerhin hast du mich schon einige Männer gekostet. Allerdings hast du mir auch Unkosten erspart, denn ich nehme doch an, dass der gute Okino nicht mehr dazu kommen wird, mir seine Dienste in Rechnung zu stellen. - Oh, da fällt mir ein: hast du zufällig die Spur einer Byoki-Ratte gefunden?“

„Ich habe ihn getroffen.“

„Also ist er tot.“

„Ja.“

„Nicht schlecht. Du bist wirklich ein Experte in der Kunst des Tötens. Ich vermute jedoch, dass dich keine noch so große Geldsumme auf meine Seite bringt?“

„Nein.“

„Ehe ich den Befehl zum Angriff gebe: warum stellst du dich eigentlich gegen mich?“ Yutaka fragte aus echter Neugier: „Seit du nach Sanshi kamst, beseitigest du meine Leute. Und gehst mir auf die Nerven und meinen Geldbeutel.“

„Wenn du die Antwort kennst, bist du so gut wie tot.“ Der Fremde warf einen Blick seitwärts zu den Wolfsyoukai und dem Menschen, ehe er wieder scheinbar völlig entspannt dastand: „Und das wird sehr bald sein.“

Er ließ seine Beherrschung fallen, sein bislang unterdrücktes Youki aufflammen, dann seiner Energie freien Lauf.
 

Tano bemerkte, dass sämtliche anwesenden Youkai trotz der gewohnten Selbstbeherrschung den Fremden anstarrten. Was war jetzt los? Er konnte als Mensch keine Dämonenenergie wahrnehmen. Aber er erkannte, dass sich der bislang rötlich schimmernde Morgenhimmel verfinsterte. Wolken schienen von allen Himmelsrichtungen zu einem Punkt direkt vor ihm zu ziehen, Blitze zuckten zwischen ihnen hin und her. Der Wind frischte böig auf. Und ebenso eindeutig war der Mittelpunkt dieses Aufruhrs der Hundeyoukai, der noch immer ohne Waffe in der Hand vor den fünfzig Kriegern und Yutaka stand, die ihn fixierten. Keiner jedoch bewegte sich.

„Das ist ja…“ Torajiro richtete sich etwas auf, fasste die Schulter des Menschen, unbekümmert, dass dies einer war. In den letzten Stunden hatte er mit Tano schon mehr Körperkontakt gehabt, als in allen Lebensjahren mit Wesen dieser Art zuvor. Er murmelte einen heftigen Fluch.

Tano Ikezawa sah von dem Hundeyoukai und seinen Gegnern zu seinem Freund. Unwillkürlich legte er den Arm um ihn und stützte ihn: „Was meinst du?“ Er hätte nie geglaubt, dass ein hochrangiger Youkai so ein Wort je aussprechen würde.

„Du kannst die Energie nicht spüren, als Mensch….Als er mir das Leben gerettet hat, habe ich Youki verspürt, wie kaum je zuvor in meinem Leben. Ich…ich nahm an, dass er ein sehr starker Youkai wäre, ein sehr gefährlicher Mann. Aber jetzt das…Siehst du die Sorge in den Augen seiner Gegner? Und sein Youki steigt immer noch.“

„Dann ist er ein sehr mächtiger Youkai? Mit sehr viel Energie?“ Soviel hatte er sich eigentlich auch schon gedacht. Und jemand, der Wolken, Blitze herbeirufen konnte….Überdies schien nun auch die Erde zu zucken, als ob soviel Macht sie erschütterte.

„Mächtig? Oh ja. Er ist aber kein Youkai!“ Und da Torajiro sah, dass der Mensch diese Aussage nicht begriff: „Es …es gibt einen Unterschied zwischen einem noch so starken Youkai und einem Daiyoukai. Das bezeichnet einen Herrn, einen Fürsten, unter den Youkai.“

„Dann ist der Fremde dies?“ Tano dachte daran, wie freundlich der Gastfreund seines Freundes Hidemaru Takahashi zu seiner gesamten Familie gewesen war, aber auch an dessen Warnung, Respekt zu zollen. Höfisches Benehmen, ja. Und er hatte es nicht erkannt. Er war wirklich froh, ehrerbietig gewesen zu sein.

Der Wolf lehnte sich matt gegen den Menschen: „Ich verstehe...“ stöhnte er: „Und ich habe es nicht gesehen...“

„Verzeih, Torajiro ….Steigt die Energie noch immer?“ Selbst für Tano schien nun um den Hundeyoukai eine mächtige Aura zu liegen. Der weiße Zopf wehte leicht in der Energie, die von ihm selbst ausging. Die ersten Youkaikrieger Yutakas verschwanden in den letzten Schatten der Nacht.

„Nein, das ist nicht mehr nötig. Ich weiß nicht, ob das alles ist, was er hat, aber es reicht mit Sicherheit. Er ist ein Daiyoukai, ein Hundeyoukai…er ist sicher der Inu no Taishou, der Herr der Hunde!“ Torajiro holte Atem, als es ihm endlich einfiel: „Und damit ist er der Herr der westlichen Gebiete.“ Das war also immer der Gedanke gewesen, den er nicht hatte fassen können. Kakeru hatte ihm mitgeteilt, dass er sich dem Inu no Taishou unterworfen habe.

„Aber warum ist er dann gegen Yutaka? Warum hat er uns geholfen…? - Oh ihr Götter!“ Auch Tano hatte begriffen.

„Yutaka ist tot, wie nur wer.“ Torajiro nickte matt. „Und er weiß es.“
 

„Was ist denn hier schon in aller Frühe los?“

Diese fast amüsierte Frage ließ alle Wölfe und Tano herumfahren. Ein weiterer Wolfsyoukai war erschienen, den Torajiro erkannte: „Kakeru-sama!“

Das also war der Herr der Wölfe? Tano sah ihn neugierig an. Er hätte ihn auf sein Alter geschätzt, aber das war mit Sicherheit falsch. Das war immerhin ein Youkai. Er trug Rüstung und Schwert. Die Krieger verneigten sich eilig.

„Yutaka und seine Männer….Yutaka hat sich für den Stellvertreter des Herrn der westlichen Länder ausgegeben und gnadenlos hohe Steuern eingetrieben“, berichtete Torajiro hastig: „Und der Fremde…ich meine, der Fürst…“

„Oh. Ich verstehe. Ihr wusstet bis eben nicht, wer er ist? Wie amüsant.“ Kakeru ließ sich neben dem Burgvogt nieder: „Setzt euch.“

„Wollt Ihr…wollt Ihr ihm nicht helfen?“ Immerhin war Kakeru doch auch ein Daiyoukai, und dem Herrn der westlichen Gebiete Gefolgschaft schuldig, wie alle Wölfe.

„Es sind nur fünfzig. Und wenn er kämpft, ist es besser, ihm nicht im Weg zu stehen.“ Der Herr der Wölfe pflückte einen Grashalm, um ihn sich zwischen die Zähne zu stecken: „Dieses Youki ist schon nicht schlecht…“ Er sah zu Mako und seinen Männern: „Ich sagte, setzt euch.“

Die Krieger gehorchten. Wenn sie nicht kämpfen mussten, wäre es nur umso schöner. Sie alle spürten eine Macht, mit der man sich besser nicht anlegen sollte. Und wenn dies der Fürst war, dem sie Treue geschworen hatten….nun, es war sicher passender, auf dessen Seite zu stehen.

„Kakeru-sama! Welche Überraschung!“ Der kleine Flohgeist sprang auf die Schulter des Neuankömmlings.

„Myouga. Warum so überrascht?“ Der Herr der Wölfe blickte geradeaus: „Nachdem du dich bei mir nach Torajiro und der Ebene hier erkundigt hattest, wollte ich doch mal nachsehen, warum der Herr das wissen wollte. Zumal Prinz Takahashi mir sagte, er sei nach Nordwesten gegangen.“

„Ja, natürlich“, gab Myouga zu. Sicher hatte Kakeru verhindern wollen, dass irgendeiner seiner Wölfe eine Dummheit beging. Nun, die hatte Yutaka bereits begangen.

„Schade, dass dieser Narr von Yutaka auch ein Wolf ist“, bestätigte Kakeru auch prompt seine Gedanken. „Nun, ich kann nur hoffen, dass der Herr weiß, dass dies ein Einzelfall ist.“

„Davon bin ich überzeugt, Kakeru-sama“, meinte Torajiro sofort. „Er sagte zuvor, dass nie zuvor ein Wolf in Sanshi Hochverrat begangen hätte und wir es auch nicht tun würden.“

„Gut.“ Der Herr der Wölfe war erleichtert: „Immerhin kam ich gerade noch rechtzeitig.“ Und das bezog sich auf die Tatsache, dass der Hundeyoukai sein Schwert zog: „Myouga, wird das wieder dieser Goku…?“

„Nein. Das ist ja die stärkste, die zerstörerischste Attacke. Das braucht der Herr hier sicher nicht.“

Die anderen Wolfskrieger hielten den Atem an, als sie hinaus in die morgendliche Ebene sahen.
 

Yutaka stand regungslos. Er fühlte die Macht der Energie vor sich. Das wäre ihm jedoch eigentlich egal gewesen. Er hatte schon einige Männer besiegt, die so leichtfertig gewesen waren, sich nur auf die Stärke ihres Youki zu verlassen. Aber hier….er spürte die Erde unter sich zittern, die Magie eines Landes, derer er nie Herr werden würde.

Ja. Das vor ihm war der wahre Fürst der westlichen Länder.

Und gleich, ob er sich unterwerfen würde, um Gnade bitten würde, kämpfen würde…es war zu Ende. Er wusste, dass einige seiner Männer ihr Heil in der Flucht suchten. Das würde ihnen nichts helfen. Ihre Witterung würde sie verraten. Und der Jäger wäre auf ihrer Spur. Dieser Mann würde nicht verzeihen. Sie waren erledigt.

Er war erledigt.
 

Jetzt, in diesen Sekunden, stieg etwas lang Verborgenes in ihm auf. Er richtete sich auf, offenbarte sein volles Youki, wohl wissend, dass das niemals ausreichen würde. Er war seinen Weg zu Ende gegangen. Und am Ende würde er nicht feige sein.
 

******************************************
 

Das letzte Kapitel wird zeigen, ob er diesen Vorsatz beibehalten kann.
 

Wer so nett ist, mir einen Kommentar zu hinterlassen, erhält, wie gewohnt, eine Info-ENS, wenn ich sehe, dass das neue Kapitel freigeschaltet wurde.
 

bye
 

hotep

Spiel mir das Lied vom Tod

Yutaka wurde nicht nur klar, wem er gegenübersteht, sondern auch, was er eigentlich getan hat.

Und er will dazu stehen....
 

10. Spiel mir das Lied vom Tod
 

Yutaka stand regungslos, sein Schwert in der Hand. Er wusste, dass er verloren war, tot, wie nur irgendwer, der noch stand. Alles, was ihm noch blieb, war, zu zeigen, dass er doch einen Funken Ehre besaß.

Er sah, wie der Hundeyoukai vor ihm langsam sein Schwert aus der Scheide zog, es fast ebenso bedächtig mit der Spitze nach unten auf den Boden stellte. Im nächsten Moment schien sich die Erde unter seinen Füssen aufzubäumen, als helle, bläulich aufleuchtende Energie über die Klinge in den Erdboden geschickt wurde.

Yutaka beobachtete unbeweglich, wie diese Macht an ihm vorbei lief, in die Menge seiner Krieger hinein. Deren Schreie brachen rasch ab. Er brauchte sich nicht umzudrehen, um zu wissen, was aus ihnen geworden war. Und ihm war klar, warum er gerade verschont worden war. Ein so schneller Tod würde ihm nicht gewährt werden.

„Du…Ihr seid der Herr der westlichen Gebiete. Ich habe mich in Eurem Namen bereichert, habe Euch somit verraten.“ Er ließ sein Schwert fallen. Es klapperte fast laut in der Totenstille, die nun eingetreten war.

„Du bittest um Gnade?“ Eiskalt durchschnitt die Stimme des Hundeyoukai das Schweigen.

„Nein.“ Es wäre sinnlos gewesen. „Euer ist die Macht…und das Recht, Oyakata-sama.“ Seine Stimme zitterte nicht, obgleich er wusste, welcher Tod auf Verrat stand. Und den hatte er begangen. Er würde hinnehmen, was kommen würde. Wenigstens einmal seinem Volk zeigen, dass er etwas wert war. Er ließ sich auf die Knie fallen, senkte den Kopf, in der unwillkürlichen Hoffnung auf den raschen, tödlichen Schlag.
 

Aber dieser kam nicht.
 

Dem Hundeyoukai war zuvor klar geworden, dass er dies um seines Ansehens willen nicht tun dürfte. Es war etwas anderes, in offenem Kampf einen Bewaffneten zu töten, oder einen waffenlosen Mann hinzurichten, sei er auch ein Verräter. Er war der Fürst, der Souverän, und damit der Richter. Nicht der Henker.

Sein nächster Befehl galt den Wolfskriegern: „Nehmt ihn gefangen.“ Langsam schob er das Höllenschwert zurück in die Scheide, während vier Wölfe unverzüglich herankamen. Jetzt erst bemerkte er, wer noch aufstand: „Kakeru.“

„Ich dachte, ich sehe hier besser mal nach dem Rechten.“ Der Herr der Wölfe näherte sich: „Nicht, dass ich im Zweifel war, dass du es allein schaffen würdest, “ fügte er eilig hinzu.

„Schicke ein paar Männer zum Schloss von Kuragari. Dort in der Mine dürften einige Youkai und Menschen als Zwangsarbeiter sein. Lasst sie frei.“

„Natürlich, wie du willst. – Weitere Befehle?“ Er sah zu Yutaka, den die Krieger hochgezogen hatten und fesselten.

„Das überlasse ich dir. Er ist ein Wolf.“

„Er ist ein Verräter. Also wird er den Tod eines Verräters sterben.“

„Ja.“ Auch, wenn es ihm weitaus besser gefallen hätte, das abzukürzen. Aber das war unmöglich, schon, um eine deutliche Warnung an andere abzugeben. Herr eines Landes zu sein, wog in der Tat schwerer, als er zuvor gedacht hatte. Er ging zurück zu den beiden Verletzten, wo sich die anderen Krieger eilig erhoben, bereit, für weitere Befehle. „Helft Torajiro auf das Pferd. - Und du trägst Tano Ikezawa.“

Der angesprochene Wolfsyoukai erstarrte: „Herr…“ begann er, brach dann allerdings lieber ab. Vor ihm standen immerhin der Herr der westlichen Gebiete und der Herr der Wölfe. Gleich zwei Daiyoukai auf einmal zu verärgern, bewies gewöhnlich, dass man keinerlei Selbsterhaltungstrieb besaß.

Kakeru zog die Augenbrauen zusammen: „Hört du schlecht?“

„Vergebt, ich…“ Der Krieger suchte panisch nach einer besseren Erklärung, als es der Satz gewesen wäre, er trage doch keinen Menschen: „Ich dachte nur nicht, dass wir sofort aufbrechen. Der Burgvogt…“

„Hältst du mich für so verweichlicht?“ knurrte Torajiro prompt.

Statt einer Antwort drehte sich der Krieger um, trat zu Tano Ikezawa, um dem auf seinen Rücken zu helfen. Was auch immer er gesagt hätte, wäre sicher nicht wohlwollend aufgenommen worden.
 

Kakeru wandte sich mit einem gewissen Lächeln an den Herrn der westlichen Gebiete: „Oh, ehe ich es vergesse, ich habe einen Brief für dich.“

Der Hundeyoukai streckte wortlos die Hand aus. Wenn sich der Herr der Wölfe zum Boten machen ließ, war es sicher wichtig. Und er erkannte auch unverzüglich das Siegel seiner Gefährtin. Was wollte die Prinzessin aus dem Wolkenschloss? War etwas geschehen? Er öffnete.

Kakeru wandte sich diskret ab, und so bemerkte niemand die Erheiterung des Fürsten, als er die wenigen Zeilen las. Formell bat sie um seinen Besuch, um mit ihm die „Nachfolgeregelung“ klären zu können. Kurz, sie wollte einen Sohn. Da schien jemand Gefallen an der Sache gefunden zu haben. Und das schmeichelte, wie er gern zugab, seinem männlichen Stolz. Er würde heute noch einen netten Abend in Sanshi verbringen, den ersten ruhigen, seit er eingetroffen war, und dann mal sehen, was er für seine Gefährtin tun könnte….
 

In der Burg am Kozan-yama wurde Yutaka im Hof an die Strafsäulen angebunden. Er hatte auf dem gesamten Weg geschwiegen, in der Gewissheit, dass es nichts mehr zu sagen gab. Als er nun bemerkte, wie die anderen Youkai und Menschen sich um ihn versammelten, ihn anstarrten, wusste er, dass es doch noch etwas gab. So wandte er den Kopf und rief:

„Oyakata-sama….“

Der Herr der westlichen Gebiete, der gerade mit den Wölfen und Tano Ikezawa in das Gebäude gehen wollte, blieb stehen und drehte sich um. Wenn Yutaka ihn jetzt um Gnade anflehen würde, dürfte er nicht darauf eingehen, das war klar. Aber der Wolfsyoukai machte keinen verzweifelten Eindruck, schien sein Schicksal zu akzeptieren. So trat er näher. Die Youkai und Menschen wichen eilig etwas zurück: „Nun?“

Yutaka hob den Kopf und sah ihm in die Augen: „Ich kenne den Tod, der auf Verrat steht. Ich fürchte mich nicht vor den Schmerzen der sechs Tage. Nur bitte ich Euch, einsam sterben zu dürfen.“

„Was meinst du?“

Der Delinquent nickte zu den Zuschauern: „Sie….“

„Ich werde es veranlassen.“

„Ich danke Euch, mein Fürst.“ Das waren die letzten Worte des Wolfsyoukai. Von nun an schwieg er, bis zum bitteren Ende.
 

Als sich die Verletzten vom Heiler helfen hatten lassen, ließen sich die vier Herren im Empfangsraum nieder. Der Burgvogt hatte selbstverständlich den Platz des Hausherrn an den Ranghöchsten abgegeben, auch den Ehrenplatz an der rechten Seite dem Herrn der Wölfe abgetreten. Er wusste, wo seine Stellung in der Welt war. Neben ihm hatte sich Tano Ikezawa niedergelassen, seine Krücken abgelegt. Der dämonische Heiler hatte sein gebrochenes Bein geschient und ihm Hoffnung gemacht, dass es wieder völlig geheilt werden könnte.

Kakeru sah zu dem Hundeyoukai, der sich nachlässig an die Wand lehnte: „Was hast du nun vor, wenn ich fragen darf?“

„Vergebt meinen Einwurf, Oyakata-sama, Kakeru-sama…“, meinte der Burgvogt eilig: „Ich…Prinzessin Yoko bittet um Audienz.“ Er hatte den Diener an der Tür entsprechende Zeichen machen sehen.

„Ich lasse bitten.“ Der Fremde in Sanshi richtete sich auf. Immerhin war das kleine Wolfsmädchen, das hereinkam, eigentlich die Herrin des Hauses.

Prinzessin Yoko verneigte sich höflich, wie es ihr beigebracht worden war, sagte auch die Anreden so, wie es ihr ihr Kindermädchen gerade erklärt hatte: „Ich bin stolz, Euch, Fürst, in der Burg der Wölfe von Sanshi empfangen zu dürfen. - Ich grüße Euch, Kakeru-sama, den Herrn der Wölfe. – Torajiro-oji-sama…Ihr seid verletzt, hörte ich?“ Das klang wirklich besorgt. Für die kleine Prinzessin war Onkel Torajiro eine der wichtigsten Bezugspersonen.

Der Burgvogt nickte nur, sich zu bewusst, dass er nicht reden durfte.

„Ich danke Euch für die freundliche Begrüßung, Prinzessin Yoko.“ Der Hundeyoukai musste sich zwingen, daran zu denken, wie die höfischen Formeln lauteten. Das war wirklich noch ein sehr junges Mädchen. Aber Prinzessinnen waren noch mehr als andere Mädchen Handelsware. Er musste da nur an seine eigene Gefährtin denken: „Würdet Ihr mir einen großen Gefallen tun?“

„Selbstverständlich.“ Ihr Kindermädchen hatte ihr gesagt, dass dies der absolute Herr war. Aber er schien nett zu sein.

„Torajiro….Ihr kennt ihn doch schon sehr lange, nicht wahr?“

„Ja….“ Sie sah rasch zu dem Burgvogt. Sie kannte Onkel Torajiro doch schon, seit sie auf der Welt war.

„Würdet Ihr in Erwägung ziehen, ihn zu heiraten? In diesem Fall könntet Ihr hier auf der Burg von Kozan-yama bleiben, hier weiterhin leben.“

Die kleine Prinzessin legte den Kopf ein wenig schräg. Sie war bereits zu erfahren mit der höfischen Ausdrucksweise, um nicht eine unterschwellige Drohung gehört zu haben. Nur, wenn sie Onkel Torajiro heiraten würde, könnte sie hier bleiben. Aber sie blickte wieder zum Burgvogt, nun allerdings ein wenig ängstlich.

Dieser sagte daher eilig, wenn auch entgegen dem höfischen Gesetz dem Fürsten vorgreifend: „Es wäre eine reine Formsache, Prinzessin Yoko.“ Auch er hatte die Warnung des Herrn gehört. Nun, sicher, nicht zuletzt, um Ruhe nach Sanshi zu bringen, musste es wieder einen anerkannten Rudelführer geben. Würde er ernannt werden, musste die Bluterbin woanders hin verheiratet werden, um keine Streitigkeiten zwischen den Wölfen aufkommen zu lassen. Mit einer Hochzeit wären beide Probleme auf einmal beseitigt.

Das Wolfsmädchen neigte den Kopf vor dem Hundeyoukai: „Ihr seid der Herr“, sagte sie gesittet. Nein, Onkel Torajiro hatte schon immer auf sie aufgepasst, und er würde es sicher auch weiter tun. Lieber er, als irgendwer, den sie nie zuvor gesehen hatte.

„Gut. Dann überlasse ich dir das weitere Vorgehen, Torajiro.“

„Danke, Oyakata-sama. – Prinzessin, ich würde vorschlagen, dass Ihr Euch mit Aiko besprecht. Euer Kindermädchen wird Euch sicher sagen können, was Ihr noch zu beachten habt.“ Der Burgvogt vergaß nicht, dass sie noch immer seine Prinzessin war.

Das Wolfsmädchen verbeugte sich erneut, ehe sie ging – oder gehen wollte, denn an der Tür stieß sie fast mit einem Youkai zusammen, der sich eilig verneigte:

„Vergebung…Oyakata-sama, ich bringe Botschaft aus dem Süden…“

„Eine wichtige Botschaft, ohne Zweifel. - Danke, Prinzessin.“ Und als das Wolfsmädchen verschwunden war: „Ich hoffe es jedenfalls für dich.“

„Vergebung, Oyakata-sama…“ Dem Boten war klar, dass er sehr unhöflich gewesen war, im Allgemeinen und gegen die Prinzessin im Besonderen. Vorsorglich warf er sich nicht nur auf die Knie, sondern berührte mit der Stirn den Boden: „Bei Kaidan wurden zwei Dämonen am Strand aufgegriffen, die vom Festland stammen. Mottenartige Dämonen. Sie geben an, aus Versehen hergekommen zu sein, da ein Sturm ihre Gruppe erfasste, über das Meer trieb. Sie beide hätten als einzige überlebt.“

„Dämonen vom Festland?“ Das war in der Tat ein eigenartiger Besuch.

„Ja, Oyakata-sama. Mein Gebieter, der Herr von Minami, hat sie getrennt einsperren lassen, und wollte Euch zunächst in Kenntnis setzen.“

„Gut.“ Seit wann flogen Motten, seien sie auch Dämonen, so weit auf das Meer hinaus, dass sie ein Sturm erfassen konnte? Sagten diese die Wahrheit, oder waren sie Spione? Aber was wollten Motten in den westlichen Ländern? Das sah so aus, als ob er nicht wenigstens einen friedlichen Abend in Sanshi verbringen konnte, von einem Abstecher zum Wolkenschloss ganz zu schweigen. So erhob er sich: „Ich werde mit ihnen selbst reden.“ Das allerletzte, was er im Moment haben wollte, wäre eine Motteninvasion aus China. Aber das müsste er selbst sehen: „Ich wünsche euch noch einen angenehmen Abend. Und gute Besserung, Torajiro, Tano.“ Zu dem Boten gewandt fuhr er noch fort: „Komm. Beeilen wir uns.“
 

Kakeru erhob sich und trat an das Fenster, nicht überrascht, dass dies auch der Burgvogt tat.

„Er ist ein guter Herr für die westlichen Länder“, sagte der Herr der Wölfe nachdenklich.

„Denke ich auch. So gnadenlos er gegen seine Gegner vorgeht…“ Tokajiro dachte an den Kampf gegen Okino: „So gerecht ist er gegen seine Gefolgsleute. Es wird in Sanshi und auch anderswo sicher ruhiger werden.“

Kakeru nickte. Er hatte einiges, das er bei der nächsten Versammlung der führenden Youkai erzählen konnte – der Beginn einer Legende.
 

Die beiden Wolfsyoukai beobachteten, wie sich die beiden Besucher in ihre wahren Hundeformen verwandelten, einen riesigen weißen und einen deutlich kleineren braunen, die beide eilig die Burg verließen, in den letzten Strahlen der untergehenden Sonne verschwanden.
 

*************************************
 

Armer lonesome rider.

Auf diese Art wird es wohl noch dauern, bis er mal einen Sohn bekommt.
 

Ein kleiner Hinweis in eigener Sache: Hundeyoukai in Youkai Parc läuft noch vier Wochen, danach kommt ein neuer Krimi, dann die nächste "richtige" Staffel über den Hundeclan.

Hier werde ich nächste Woche, oder übernächste, mit einer neuen Brüdergeschichte beginnen: Im Zeichen des Windes. Ich bin bei den letzten Kapiteln und sobald sie fertig ist, werde ich sie hochladen.
 

bye
 

hotep



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu dieser Fanfic (291)
[1] [2] [3] [4] [5] [6] [7] [8] [9] [10] [11...20] [21...29]
/ 29

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  SnoopFroggyFrog
2014-09-26T20:18:50+00:00 26.09.2014 22:18
Täusche ich mich, oder stimmt was mit der Formatierung nicht? Mir fehlt teilweise Text, immer bei den Seitenwechseln. O_ô
Antwort von:  Hotepneith
26.09.2014 22:27
Keine Ahnung...bei mir stimmte es und bislang hatte sich in all den Jahren auch niemand beschwert^^. Es ist eine alte Geschichte...vielleicht solltest du auf "Komplettes Kapitel-Anzeigen" gehen? Freut mich aber, dass du dir das antust:)
Antwort von:  Hotepneith
26.09.2014 22:30
P.S. Sowohl in der ganzseitigen Anzeige als auch in der jetzigen "Norm-Ansicht" erscheint bei mri alles.
Antwort von:  SnoopFroggyFrog
26.09.2014 22:38
Gerade, weil es eine ältere Geschichte ist, dachte ich, ich sag lieber Bescheid - eventuell ist bei irgendwelchen Veränderungen im FF-Bereich insgesamt dieses Problem aufgetreten.
Ich bevorzuge die jetzige Norm-Ansicht eigentlich, die ist so schön praktisch. *sfz* Muss ich es erstmal ertragen, aber vielleicht gebe ich lieber dem Helpdesk Bescheid, falls es später nochmal auftaucht. Hoffentlich ist es nur ein temporärer Käfer. >_<
Von:  Sandoran
2011-06-27T21:32:17+00:00 27.06.2011 23:32
Wirklich tolle Geschichte. Obwohl ich Inujasha nicht kenne, habe ich alles verstanden und die Geschichte genossen.
Von: abgemeldet
2009-02-14T01:55:40+00:00 14.02.2009 02:55
Fürwahr sein Ältester wäre stolz auf seinen Vater. - Gut, das war er ohnehin immer, sonst hätte er nie so loyal zu ihm gestanden.

Saya war wieder großartig und das Kageru am Schluß als "Schaulustiger" aufgetaucht ist, war auch witzig. ^^

Ich fand es gut, dass Yutaka am Ende doch noch bewiesen hat, dass er ein echter Wolf war, hat einem die Möglichkeit gelassen, trotz allem irgendwie Achtung vor ihm zu empfinden.

Die Idee mit den Krankheiten verbreitenen Rattenclan, fand ich sehr interessant, obwohl mir die Methoden nicht unbedingt zusagen, allerdings ist es wohl nicht viel anders als dass, was Menschen heutzutage mit Tieren machen.

Ich hoffe mal, dass Taishou bald dazu kommt sich wieder mit seiner Gefährtin um die Nachfolgeregelungen zu kümmern, ein bißchen Familienleben muss ab und an ja auch mal sein, ne. ;)

Hab mich auch hier wieder gut unterhalten,

lG

Zwiebel
Von: abgemeldet
2008-11-27T15:13:58+00:00 27.11.2008 16:13
e klasse FF.
Wirklich gut gelungen.
Meine aufrichtigste Ehrerbietung
JLP
Von: abgemeldet
2008-11-27T15:06:15+00:00 27.11.2008 16:06
Sehr nett^^
Und wir werden sehen, ob er feige ist, oder nicht
JLP
Von: abgemeldet
2008-11-27T14:57:59+00:00 27.11.2008 15:57
Wird auch Zeit^^

Super geschrieben
JLP
Von: abgemeldet
2008-11-27T14:51:48+00:00 27.11.2008 15:51
Ich wiederhole mich^^
Super geschrieben
JLP
Von: abgemeldet
2008-11-27T14:44:47+00:00 27.11.2008 15:44
Wie immer ein tadelloses Kapitel
JLP
Von: abgemeldet
2008-11-27T14:37:05+00:00 27.11.2008 15:37
Also ist das nächste Kapitel garantiert intressant
Na ja
JLP
Von: abgemeldet
2008-11-27T14:30:07+00:00 27.11.2008 15:30
Super geschrieben.
Mal wieder^^

Die Szene mit Totosai war nett
Und der arme Burgvogt tut mir ein bisserl leid.
Aber eventuell kann er entkommen
naja
JLP


Zurück